Der englische Eulenspiegel: Die Eulenspiegel-Rezeption als Beispiel des englisch-kontinentalen Buchhandels im 16. Jahrhundert 3110234637, 9783110234633

Die Studie ordnet den frühneuzeitlichen europäischen Bestseller Eulenspiegel in den englischen Produktions- und Rezeptio

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Der englische Eulenspiegel: Die Eulenspiegel-Rezeption als Beispiel des englisch-kontinentalen Buchhandels im 16. Jahrhundert
 3110234637, 9783110234633

Table of contents :
Inhalt
I. Einleitung
1. Wissenschaftliche Einordnung des Themas und Forschungsüberblick
1.1. Aufgabenstellung der vorliegenden Arbeit
1.2. Zur Gliederung der Arbeit
II. Konzept der Edition und Prämissen
1. Zur Einrichtung der Edition
1.1. Zur sprachlichen Normalisierung
1.2. Zur Übersetzung
2. Druckbeschreibungen der Howleglas-Drucke
2.1. Ae. 1519?
2.1.1. Einband
2.1.2. Inhalt
2.1.3. Lagen
2.1.4. Papier
2.1.4.1. Wasserzeichen
2.1.5. Stempel
2.1.6. Provenienz
2.1.6.1. Marginalia
2.2. L1
2.2.1. Einband
2.2.2. Type
2.2.3. Papier
2.2.3.1. Wasserzeichen
2.2.4. Stempel
2.2.5. Provenienz
2.2.5.1. Marginalia
2.3. L2
2.3.1. Einband
2.3.2. Lagen
2.3.3. Kolophon
2.3.4. Type
2.3.5. Papier
2.3.5.1. Wasserzeichen
2.3.6. Stempel
2.3.7. Provenienz
2.4. L3
2.4.1. Einband
2.4.2. Lagen
2.4.3. Kolophon
2.4.4. Type
2.4.5. Papier
2.4.5.1. Wasserzeichen
2.4.6. Stempel
2.4.7. Provenienz
2.4.7.1. Marginalia
2.5. L?
2.5.1. Type
2.5.2. Papier
2.5.3. Stempel
2.5.4. Provenienz
2.6. Vergleich der Copland-Drucke (L1, L2, L3 und L?)
III. Edition
IV. Der Antwerpener Drucker Jan van Doesborch und der englische Buchmarkt
1. Der Antwerpener Buchmarkt
1.1. Gheraert Leeu: Der erste Drucker englischer Literatur in Antwerpen
1.2. Andere Akteure auf dem Antwerpener Buchmarkt 260 1.2.1. Konkurrenz oder Kooperation?
2. Jan van Doesborch
2.1. Forschungsstand zu Jan van Doesborch
2.2. Biographischer Abriss
2.2.1. Quellen zur Biographie
2.2.2. Jan van Doesborch in England?
2.3. Jan van Doesborchs Programm
2.3.1. Jan van Doesborch: Eulenspiegel-Drucker?
2.3.1.1. Die Datierung des Howleglas
2.3.1.2. Jan van Doesborch: Howleglas-Übersetzer?
2.3.2. Jan van Doesborchs Drucke
3. Der englische Buchmarkt um 1520
3.1. Ausländisches Buchhandelspersonal und das englische Gesetz
3.1.1. Zollrollen
3.1.2. Die Regulierung des englischen Buchmarkts und die Stationers’ Company
3.2. Orte des Transfers
3.2.1. St Paul’s Churchyard
3.2.2. Der Stahlhof
3.3. Internationale Netzwerke
3.3.1. Franz Birckmann I
3.3.2. Lawrence Andrewe
3.3.3. Johannes Dorn/John Thorne
3.3.3.1. John Thornes Day-Book
3.3.3.2. Der Drucker Johannes Dorn in Braunschweig
3.3.3.3. Johannes Dorns Drucke
3.3.3.4. Der Buchhändler John Thorne in Oxford
3.3.4. Peter Treveris
V. Der Londoner Drucker William Copland und der englische Buchmarkt
1. Der englische Buchmarkt nach 1540
2. Robert Copland
3. William Copland
3.1. Forschungsstand zu William Copland
3.2. Biographischer Abriss
3.2.1. Quellen zur Biographie
3.3. William Coplands Geschäftsverbindungen
3.4. William Coplands Programm
3.4.1. Die Howleglas-Drucke in William Coplands Programm
3.4.2. William Coplands Drucke
VI. Das Verhältnis der Howleglas-Ausgaben zu den frühen kontinentaleuropäischen Eulenspiegel-Drucken
1. Einführung der verglichenen Drucke
1.1. Die Grüninger-Drucke
1.2. Der Kruffter-Druck
1.3. Die flämischen Ausgaben
1.4. Die französischen Eulenspiegel-Bücher
1.5. Die englischen Drucke
2. Zusammenfassung der Hauptunterschiede
3. Tabellarische Übersicht des Historienbestands in den frühen deutschen, flämischen, französischen und englischen Eulenspiegel-Drucken
4. Vergleich der Drucküberlieferung
VII. Besonderheiten der englischen Eulenspiegel-Überlieferung
1. Die Textqualität
1.1. Hinweise auf mündliche Bearbeitung des Howleglas?
1.2. Die Bedeutung der Fehler in Ae. 1519? und in L: Die Qualität der Übersetzung
2. Die Bearbeitungstendenzen
3. Das Gedicht in William Coplands Howleglas-Edition
3.1. Inhalt und Stil des Gedichts
3.2. Die Verfasserfrage
4. Der Titelholzschnitt: Intertextuelle Beziehungen mit Salomon and Markolf
VIII. Howleglas-Leserschaft und -Bewahrung im 16. Jahrhundert: Der Howleglas im Rahmen der zeitgenössischen Literatur
1. Mögliche Leser der ersten englischen Eulenspiegel-Übersetzung
2. Die Leser der Howleglas-Ausgaben nach der Mitte des 16. Jahrhunderts
2.1. Captain Cox
2.2. John Selden, Gabriel Harvey und Edmund Spenser
3. Die Howleglas-Rezeption ab dem 16. Jahrhundert
3.1. Neue Hinweise auf die Rezeption des Howleglas im zeitgenössischen Drama
3.2. Stille um den Howleglas: Fragmentierung im 17. Jahrhundert
3.3. Howleglas-Sammler im 18. und 19. Jahrhundert
IX. Schlussfolgerungen und Ausblick
X. Anhang
1. Ae. 1519?, Holzschnitst Blatt J4a
2. L1
2.1. L1, Titelseite
2.2. L1, Holzschnittleiste Blatt A1b
2.3. L1, Holzschnittinitial Blatt A2a
3. L2
3.1. L2, Titelseite
3.2. L2, Holzschnittinitialen Blatt A2a
3.3. L2, Holzschnittinitial Blatt A3a
4. Ausschnitt aus der sog. Agas-Karte, ca. 1562, City of London
4.1. St Paul’s Churchyard und Umgebung
4.2. Three Cranes bis Stahlhof
5. John Thornes Testament
6. William Copland
6.1. William Coplands Druckermarke
6.2. Hochzeitsaufgebot für Joanne Tyddeswell und William Copland
6.3. Begräbniseintrag für William Copland
7. Tghevecht van Minnen, Holzschnitt Blatt 3b
Literaturverzeichnis
Primärliteratur/Quellen
Sekundärliteratur

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HERMAEA GERMANISTISCHE FORSCHUNGEN NEUE FOLGE HERAUSGEGEBEN VON JOACHIM HEINZLE UND KLAUS-DETLEF MÜLLER

BAND 122

ANJA HILL-ZENK

Der englische Eulenspiegel Die Eulenspiegel-Rezeption als Beispiel des englisch-kontinentalen Buchhandels im 16. Jahrhundert

De Gruyter

Dissertation des Fachbereichs Germanistik und Kunstwissenschaften der Philipps-Universität Marburg (2004). Gedruckt mit Hilfe der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein. Herzlichen Dank dem Deutschen Akademischen Austauschdienst, der FAZIT-Stiftung, dem German Historical Institute London, der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften und nicht zuletzt meiner Familie und all meinen Wegbegleitern.

ISBN 978-3-11-023468-3 e-ISBN 978-3-11-025385-6 ISSN 0440-7164 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2010 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/New York Satz: Visuelle Kommunikation Claus C. Pilz, Dortmund Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ' Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Inhalt

I.

II.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

1. Wissenschaftliche Einordnung des Themas und Forschungsüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1. Aufgabenstellung der vorliegenden Arbeit . . . . . . . . . . 1.2. Zur Gliederung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2 9 19

Konzept der Edition und Prämissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

1. Zur Einrichtung der Edition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1. Zur sprachlichen Normalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2. Zur Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Druckbeschreibungen der Howleglas-Drucke . . . . . . . . . . . . . 2.1. Ae. 1519? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1. Einband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3. Lagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4. Papier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4.1. Wasserzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.5. Stempel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.6. Provenienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.6.1. Marginalia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. L1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1. Einband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2. Type . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3. Papier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.1. Wasserzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4. Stempel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5. Provenienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5.1. Marginalia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3. L2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1. Einband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2. Lagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28 31 34 36 39 39 39 40 40 41 41 41 42 42 43 44 44 44 45 45 45 46 48 48 V

2.3.3. Kolophon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4. Type . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.5. Papier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.5.1. Wasserzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.6. Stempel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.7. Provenienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4. L3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1. Einband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2. Lagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3. Kolophon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.4. Type . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.5. Papier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.5.1. Wasserzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.6. Stempel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.7. Provenienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.7.1. Marginalia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5. L? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.1. Type . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.2. Papier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.3. Stempel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.4. Provenienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6. Vergleich der Copland-Drucke (L1, L2, L3 und L?) . .

48 49 49 49 50 50 51 52 52 52 52 52 53 53 53 54 55 56 56 56 56 57

III.

Edition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

IV.

Der Antwerpener Drucker Jan van Doesborch und der englische Buchmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 1. Der Antwerpener Buchmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1. Gheraert Leeu: Der erste Drucker englischer Literatur in Antwerpen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2. Andere Akteure auf dem Antwerpener Buchmarkt . . . 1.2.1. Konkurrenz oder Kooperation? . . . . . . . . . . . . . 2. Jan van Doesborch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1. Forschungsstand zu Jan van Doesborch . . . . . . . . . . . . 2.2. Biographischer Abriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1. Quellen zur Biographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2. Jan van Doesborch in England? . . . . . . . . . . . . . 2.3. Jan van Doesborchs Programm . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VI

257 259 260 261 264 265 269 269 272 277

2.3.1. Jan van Doesborch: Eulenspiegel-Drucker? . . . . . 2.3.1.1. Die Datierung des Howleglas . . . . . . . . . 2.3.1.2. Jan van Doesborch: Howleglas-Übersetzer? . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2. Jan van Doesborchs Drucke . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der englische Buchmarkt um 1520 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1. Ausländisches Buchhandelspersonal und das englische Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1. Zollrollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2. Die Regulierung des englischen Buchmarkts und die Stationers’ Company . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Orte des Transfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1. St Paul’s Churchyard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2. Der Stahlhof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3. Internationale Netzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1. Franz Birckmann I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2. Lawrence Andrewe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3. Johannes Dorn/John Thorne . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3.1. John Thornes Day-Book . . . . . . . . . . . . 3.3.3.2. Der Drucker Johannes Dorn in Braunschweig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3.3. Johannes Dorns Drucke . . . . . . . . . . . . 3.3.3.4. Der Buchhändler John Thorne in Oxford . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4. Peter Treveris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V.

280 288 291 291 295 297 303 305 310 310 312 317 317 318 325 325 329 332 334 339

Der Londoner Drucker William Copland und der englische Buchmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 1. Der englische Buchmarkt nach 1540 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Robert Copland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. William Copland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1. Forschungsstand zu William Copland . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Biographischer Abriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1. Quellen zur Biographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3. William Coplands Geschäftsverbindungen . . . . . . . . . . 3.4. William Coplands Programm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1. Die Howleglas-Drucke in William Coplands Programm . . . . . . . . . . . . . 3.4.2. William Coplands Drucke . . . . . . . . . . . . . . . . . .

346 350 355 355 356 356 359 362 368 371

VII

VI.

Das Verhältnis der Howleglas-Ausgaben zu den frühen kontinentaleuropäischen Eulenspiegel-Drucken . . . . . . . . . . . . . . 383 1. Einführung der verglichenen Drucke . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1. Die Grüninger-Drucke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2. Der Kruffter-Druck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3. Die flämischen Ausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4. Die französischen Eulenspiegel-Bücher . . . . . . . . . . . . . . 1.5. Die englischen Drucke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zusammenfassung der Hauptunterschiede . . . . . . . . . . . . . . 3. Tabellarische Übersicht des Historienbestands in den frühen deutschen, flämischen, französischen und englischen Eulenspiegel-Drucken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vergleich der Drucküberlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

384 384 386 387 388 389 390

394 398

VII. Besonderheiten der englischen Eulenspiegel-Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 1. Die Textqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1. Hinweise auf mündliche Bearbeitung des Howleglas? . . 1.2. Die Bedeutung der Fehler in Ae. 1519? und in L: Die Qualität der Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bearbeitungstendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Gedicht in William Coplands Howleglas-Edition . . . . . . 3.1. Inhalt und Stil des Gedichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Die Verfasserfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Titelholzschnitt: Intertextuelle Beziehungen mit Salomon and Markolf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

515 516 518 520 525 526 527 530

VIII. Howleglas-Leserschaft und -Bewahrung im 16. Jahrhundert: Der Howleglas im Rahmen der zeitgenössischen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 1. Mögliche Leser der ersten englischen Eulenspiegel-Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Leser der Howleglas-Ausgaben nach der Mitte des 16. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1. Captain Cox . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. John Selden, Gabriel Harvey und Edmund Spenser . . 3. Die Howleglas-Rezeption ab dem 16. Jahrhundert . . . . . . . . . VIII

542 544 544 548 555

3.1. Neue Hinweise auf die Rezeption des Howleglas im zeitgenössischen Drama . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556 3.2. Stille um den Howleglas: Fragmentierung im 17. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . 558 3.3. Howleglas-Sammler im 18. und 19. Jahrhundert . . . . . . . 559 IX.

Schlussfolgerungen und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563

X.

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569 1. Ae. 1519?, Holzschnitst Blatt J4a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569 2. L1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 2.1. L1, Titelseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 2.2. L1, Holzschnittleiste Blatt A1b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 2.3. L1, Holzschnittinitial Blatt A2a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572 3. L2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573 3.1. L2, Titelseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573 3.2. L2, Holzschnittinitialen Blatt A2a . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 3.3. L2, Holzschnittinitial Blatt A3a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 4. Ausschnitt aus der sog. Agas-Karte, ca. 1562, City of London . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 576 4.1. St Paul’s Churchyard und Umgebung . . . . . . . . . . . . . . 576 4.2. Three Cranes bis Stahlhof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577 5. John Thornes Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578 6. William Copland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 6.1. William Coplands Druckermarke . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 6.2. Hochzeitsaufgebot für Joanne Tyddeswell und William Copland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .580 6.3. Begräbniseintrag für William Copland . . . . . . . . . . . . . 581 7. Tghevecht van Minnen, Holzschnitt Blatt 3b . . . . . . . . . . . . . . . . 582

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 Primärliteratur/Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584

IX

I.

Einleitung

Der politische Einigungsprozess in Europa ist begleitet von einer Rückbesinnung auf den regen kulturellen und geistigen Austausch in der Region in vergangenen Jahrhunderten, insbesondere im Spätmittelalter. Daher ist es von besonderer Bedeutung, auch die gemeinsamen Wurzeln und das gemeinsame Erbe europäischer Literatur zu untersuchen. Durch die literarische Figur Till Eulenspiegel1 werden die paneuropäischen Qualitäten unserer Literatur und die kulturellen Verflechtungen und Überlagerungen ausgesprochen deutlich repräsentiert: Die Streiche des Schwankhelden sind in der Vergangenheit wie in der Gegenwart immer wieder aus ihrer deutschen Fassung in die meisten kontinentalen Nationalliteraturen übersetzt worden. Der Titelheld ist oft in bestehende Literatur eingegliedert oder auch als Figur weiterentwickelt worden. Eulenspiegel ist in Deutschland noch heute den meisten Schulkindern als Schelmencharakter vertraut, das gesamte Eulenspiegel-Buch mit seinen diversen skatologischen Geschichten und sein frühneuzeitlicher Entstehungskontext jedoch nur wenigen. Der früheste heute noch vollständig erhaltene hochdeutsche Druck des Schwankbuchs erschien 1515 bei dem Straßburger Drucker Johannes Grüninger. Von den frühesten europäischen Eulenspiegel-Drucken aus dem 16. Jahrhundert sind zwar zumeist nur einzelne Exemplare erhalten geblieben, häufig sogar nur Fragmente, dennoch zeigt sich die große Beliebtheit dieses Werks in der Vielzahl der Auflagen und der Übersetzungen schon in dieser Zeit. Die Schwanksammlung verbreitete sich rasch auf dem europäischen Markt: Innerhalb von ungefähr 15 Jahren nach der genannten GrüningerAusgabe waren bereits Übersetzungen in verschiedenen europäischen Sprachen gedruckt worden. Eine dieser Übersetzungen brachte den Eulenspiegel als Howleglas ebenfalls nach England. Dessen Produktion beziehungsweise Transfer und Rezeption widmet sich die vorliegende Arbeit. Der englische Eulenspiegel wird meistens der sogenannten Antwerpener Gruppe zugerechnet. Dieser Gruppe der flämischen, französischen und englischen Eulenspiegel-Bücher ist gegenüber späteren Übersetzungen in 1

Im Folgenden verweist die nichtkursive Schreibung des Namen auf den Charakter Eulenspiegel, die kursive auf das Eulenspiegel-Buch.

1

weitere Sprachen ein ähnlicher Überlieferungskontext gemeinsam. Sie sind durch einen übereinstimmenden, im Vergleich zum Grüninger-Eulenspiegel reduzierten Historienbestand gekennzeichnet, aber auch durch eine Zusatzhistorie, die bei Grüninger nicht vorhanden ist. In welchem genauen Zusammenhang diese Übertragungen zu dem Straßburger Druck stehen, ist seit über hundert Jahren eine der Hauptfragen der Eulenspiegel-Forschung, die aber trotz vieler Ansätze und Fortschritte noch nicht geklärt ist. Die Forschungsgeschichte über den englischen Eulenspiegel ist ebenfalls stark von Lücken bestimmt: Der Drucker des frühesten erhaltenen Drucks ist nur erschlossen, ein exaktes Druckdatum steht nicht fest. Der erhaltene Text ist zudem sehr fragmentarisch, was die Untersuchung erschwert. Seine genauen Quellen sind unklar. Auch seine Wirkung ist nicht recht quantifizierbar. Trotz dieser großen Zahl an grundlegenden Ungewissheiten besteht in der Forschung Konsens darüber, dass der erste Howleglas höchstwahrscheinlich in Antwerpen gedruckt wurde, und zwar vor 1520 in der Offizin Jan van Doesborchs. Die weiteren Ausgaben im 16. Jahrhundert sind zwar deutlicher zu fassen, aber dennoch mit Leerstellen behaftet: Die verschiedenen Auflagen, die der Londoner Drucker William Copland zwischen 1547 und 1568 auf den Markt brachte, sind allesamt in unterschiedlichem Maße fragmentarisch, nur zum Teil datiert und ihre Vorlagen sind unbekannt. Entgegen der etablierten Forschungsmeinung, die weitgehend eine laue Rezeption des englischen Eulenspiegel unterstellt, scheint der Howleglas in England eine beachtenswerte Wirkung gehabt zu haben. Diese vollzog sich in zwei Schüben, im 16. und im 19. Jahrhundert. Welcher Status diesem deutschen Bestseller auf dem englischen Buchmarkt im 16. Jahrhundert tatsächlich zukam, ist eine der Fragen der vorliegenden Arbeit. Die Rezeptionsgeschichte des Eulenspiegel in England kann wertvolle Aufschlüsse über den europäischen Literaturtransfer in der Frühneuzeit geben, sowohl im Hinblick auf die produzierenden Kreise als auch auf die Leserschaft. Zudem wird untersucht, inwieweit die Produktion und Rezeption des Eulenspiegel in England als paradigmatisch für den frühneuzeitlichen englisch-kontinentalen Austausch von komischer Kurzprosa gelten kann.

1. Wissenschaftliche Einordnung des Themas und Forschungsüberblick Zwar hat die Forschung die Bedeutung des Eulenspiegel-Buchs in mancherlei Hinsicht gewürdigt, in vielen Bereichen bleibt Wesentliches aber nach wie vor ungeklärt. Fest steht, dass sowohl die frühesten heute noch existenten 2

flämischen, französischen und englischen Bearbeitungen als auch ein Kölner Exemplar mit der Straßburger Überlieferung in engem Verhältnis stehen. Während Grüningers hochdeutsche Schwankbiographie jedoch 95 Historien umfasst, findet sich in den anderen frühen europäischen Bearbeitungen dieselbe Auswahl von nur 46 Historien im Vergleich zum Grüninger-Korpus, außer im etwas umfangreicheren Kölner Druck. Gemeinsam haben die Bearbeitungen zudem eine Zusatzhistorie, die bei ihnen an zweiter Stelle steht; das frühe van Doesborch Howleglas-Fragment von vor 1520 enthält in seinem sehr schmalen Textbestand diese Historie allerdings nicht.2 In den späteren, wahrscheinlich zwischen etwa 1554 und 1568 entstandenen englischen Auflagen des Texts durch William Copland ist ebenfalls nur die geringere Zahl von Historien, aber auch die Zusatzhistorie überliefert. Durch die Eulenspiegel-Forschung ist zwar auf solche Aspekte wie die Quellen der Historien Licht geworfen worden, es bleiben jedoch noch viele dunkle Stellen. So sind beispielsweise die Herkunft und genaue Entstehungsgeschichte des Straßburger Ulenspiegel umstritten. Im Zentrum der Auseinandersetzung steht dabei die Frage nach einer möglichen niederdeutschen Vorlage – ein Ansatz, der von dem norddeutschen Handlungsort vieler Geschichten sowie den niederdeutschen Textelementen ausgeht – sowie, damit verbunden, die Frage nach dem möglichen Autor. Die anhaltende Debatte über die Autorschaft der deutschen Fassung ist, wie gezeigt werden wird, Ausdruck grundlegender Unklarheiten der Textüberlieferung und wirkt sich auch im europäischen Zusammenhang auf die Untersuchungen der Übertragungen aus. Die Datierungen und die Quellen vieler Eulenspiegel-Drucke oder -Fragmente sind nicht gesichert. Daher hängen viele Schlüsse von solchen Parametern wie der Autorschaft ab, durch die eine zeitliche Begrenzung gegeben wäre. Auch für die Klärung der englischen Eulenspiegel-Rezeption haben diese Fragen unmittelbare Auswirkungen. Da im Zentrum dieser Arbeit der englische Eulenspiegel steht, sind in diesem Überblick besonders die Entwicklungen nachgezeichnet, die die Howleglas-Forschung unmittelbar betreffen. Spezifische Forschungsprobleme werden in den folgenden Kapiteln ausführlicher diskutiert. Im Hinblick auf den englischen Eulenspiegel ist festzustellen, dass sowohl die deutsche als auch die britische Forschung ihm bisher wenig Aufmerksamkeit

2

Die komplexe Frage des Textbestands wird durch die Überlieferung der Illustrationen erhellt. Diese legt nahe, dass die Zusatzhistorie tatsächlich auch im ersten Howleglas enthalten war. Dadurch wäre eine frühere Datierung des ersten englischen Eulenspiegel auf einen Zeitpunkt um 1516 möglich, die allerdings nicht belegbar ist. Vgl. S. 290.

3

geschenkt hat. In der Vergangenheit ist der Howleglas oft nur oberflächlich untersucht und als weitere Bearbeitung einer flämischen Vorlage in den europäischen Kontext eingeordnet worden. Umgekehrt wurde das, was die Howleglas-Drucke zur Erforschung der gesamteuropäischen Überlieferung wie auch der Frage nach den Quellen beitragen können, kaum zur Kenntnis genommen. Während die germanistische Forschung zum deutschen Eulenspiegel seit der Entdeckung eines Eulenspiegel-Fragmentes aus der Grüninger-Offizin im Jahr 19693 und der in diesem Zusammenhang geführten Debatte um die Identifizierbarkeit des anonymen Autors – der Braunschweiger Stadtschreiber Hermann Bote entgegen dem bisher oft diskutierten Thomas Murner als Straßburger Bearbeiter – einen neuen Anschub bekommen hat und während über die flämischen und französischen Bearbeitungen Monographien verfasst und Textausgaben veranstaltet worden sind, ist das Forschungsinteresse bezüglich des englischen Eulenspiegels seit hundert Jahren nahezu zum Erliegen gekommen. Seit 1867 gab es erste Bemühungen, auch die englischen Ausgaben für die Eulenspiegel-Forschung zu erschließen. Frédéric Ouvry veröffentlichte die erste Transkription, die sich aus Teilen verschiedener Copland-Drucke zusammensetzte:4 Seine Abschrift des Oxforder Fragments ab Bogen C2 ergänzte er mit in einem anderen Exemplar (L25) vorhandenen Bögen. In der Einleitung zu seiner Ausgabe verweist Ouvry auf die Gründe, warum diese Copland-Ausgaben erst nach 1547 anzusetzen seien,6 und stellt eine Chronologie der Fragmente auf. Er kommt dabei zu dem Schluss, dass das vollständigste Exemplar, L2, das früheste gewesen sein müsse, da dessen Fehler in der nächsten Auflage verbessert worden seien.7 Dass man wohl umgekehrt eher von einer Verschlechterung des Textmaterials ausgehen muss und daher auch die von Ouvry gewählte, den Text am nachlässigsten überliefernde Ausgabe als die jüngste anzusehen ist, haben erst Forschungsergebnisse der späteren Zeit gezeigt. Insgesamt beschränkte sich Ouvry in seiner knappen Einleitung auf wesentliche bibliographische Angaben. Eine Untersuchung des Texts, seiner Vorlagen, Überlieferung oder Rezeption unterblieb.

3 4 5 6 7

Honegger (1973). Ouvry (1867). Die Benennung der Drucke wird auf S. 23ff. bzw. S. 36ff. erläutert. Vgl. Ouvry, S. vi. Vgl. ebd., S. vii.

4

Als Friedrich Brie8 um 1900 die erste und bisher einzige detaillierte Untersuchung über die englischen Eulenspiegel-Bearbeitungen veröffentlichte, wurde die deutsche Forschung von der Hypothese eines niederdeutschen Originals für die bekannten hochdeutschen Grüningerschen EulenspiegelBücher von 1515 und 1519 dominiert.9 Über die Quellen des englischen Eulenspiegel gab es zu diesem Zeitpunkt unterschiedliche Annahmen: Der erste Herausgeber einer neuen Edition des Grüninger-Drucks von 1519, Lappenberg, ging davon aus, dass die früheste erhaltene flämische Ausgabe die Vorlage für den englischen Text gewesen sei.10 Dagegen argumentierte Ewald Flügel, dass der Howleglas auf eine französische Vorlage zurückgehe, die sich ihrerseits von einer niederdeutschen ableite.11 Dieses Forschungsund Stimmungsumfeld bestimmte auch Bries Arbeit: Er versuchte mit seinem Beitrag, der sich vor allem dem von ihm auf ungefähr 1519 datierten frühesten erhaltenen englischen Druck widmet, die möglichen Vorlagen zu verifizieren und die Überlieferungsgeschichte zu festigen. Dabei gelang es ihm durch innertextliche Belege sowohl Lappenbergs als auch Flügels These zu widerlegen. Aus den von ihm ermittelten tatsächlichen Abhängigkeiten der englischen Drucke entwickelte er ein Stemma, dessen Ursprung ein erschlossener niederdeutscher Eulenspiegel-Druck war. Bries Feststellung, dass der Howleglas in England nicht annähernd dieselbe starke Rezeption erfahren habe wie der Eulenspiegel in Deutschland, leitete sich ebenso aus der brüchigen Überlieferung der Drucke her wie aus den mageren Zeugnissen über ihre Rezeption. An die erste Drucklegung eines Howleglas vor 1520 schloss sich eine lange Lücke an und die nächsten Ausgaben finden sich erst wieder zwischen etwa 1554 und 1568; zudem sind alle Howleglas-Drucke nur als Fragmente und Einzelexemplare erhalten. Die Tatsache, dass vor dem 19. Jahrhundert nur eine weitere Ausgabe publiziert wurde, die sich auf das Eulenspiegel-Buch bezieht, wurde von Brie zur Unterstützung der These herangezogen, das Interesse an diesen Geschichten sei schwach gewesen. Gleichzeitig legt Brie in seiner Arbeit aber eine Fülle an Texten vor, die Geschichten aus dem Eulenspiegel-Fundus aufnehmen. In der vorliegenden Arbeit wird sein Befund daher anders gedeutet: Die Rezeptionssituation des Eulenspiegel in England erscheint in einem positiveren Licht und verdient Untersuchung.

8 9 10 11

Zunächst veröffentlicht als Dissertation – Brie (1902) – ein Jahr später in einer erweiterten Ausgabe: Brie (1903). Vgl. die Zusammenfassung der Forschungsgeschichte in: Schulz-Grobert (1999), S. 1–17. Vgl. Lappenberg (1854), S. 180. Vgl. Flügel (1895), S. 518.

5

Den deutschen Drucken ist in jeder Hinsicht mehr Aufmerksamkeit gewidmet worden. Schon vor Bries Arbeit war 1884 von Herman Knust zum ersten Mal die Straßburger Ausgabe von 151512 neu herausgegeben worden,13 aber wegen der Mängel dieser Edition betreute Edward Schröder 1911 eine Faksimile-Ausgabe.14 Wie John L. Flood feststellt, ist aber auch diese Faksimile-Ausgabe (wie jede Faksimileausgabe überhaupt) kein Garant für eine fehlerfreie Darstellung des Texts von 1515, da viele Stellen im Verlag ›verschlimmbessert‹ wurden.15 Zwar haben sich die meisten Untersuchungen, die sich hauptsächlich mit dem deutschen Eulenspiegel-Buch beschäftigen, auch zum Howleglas geäußert, oft aber sehr verkürzt und in einer Mischung von zutreffenden, irreführenden und falschen Aussagen, so dass ihr Nutzen beschränkt ist. Dazu gehört beispielsweise Wolfgang Lindows Bemerkung in seiner Reclam-Ausgabe des Straßburger Drucks von 1515, der Howleglas sei »bis 1550 in mehreren Auflagen zunächst in Amsterdam, später in England gedruckt [worden]«.16 Der Howleglas wurde jedoch, entgegen der Behauptung von Lindow, zunächst in Antwerpen, dann in mehreren Auflagen wahrscheinlich nach 1555 in England gedruckt. In der Tradition der niederdeutschen Hypothese versuchte Willy Krogmann eine Rekonstruktion des von ihm erschlossenen niederdeutschen EulenspiegelTexts.17 Als dessen Basis setzte er den Historienbestand der ›Antwerpener Gruppe‹ an, den er für den ursprünglichen hielt, während seiner Meinung nach die Straßburger Überlieferung eine spätere, ergänzte Auflage darstellte.18 In seinen Überlegungen nimmt der englische Eulenspiegel einen besonderen Platz ein, denn bereits Brie machte zum einen auf Wörter im englischen Text aufmerksam, die nicht aus den Straßburger Ausgaben stammen, sondern auf niederdeutsche Quellen hinweisen, zum anderen auf Passagen, in denen der englische Text gegen die flämischen Drucke eher zur Straßburger Überlieferung neigt.19 Krogmanns kritische Ausgabe, die kein Fundament in einem vorhandenen Druck oder Manuskript hatte, besaß wenig Überzeugungskraft. 12

13 14 15 16 17 18 19

Im Folgenden werden die Straßburger Ausgaben, wie es seit einiger Zeit in der EulenspiegelForschung Usus ist, mit S für den Ort und der Jahreszahl des Drucks bezeichnet, d. h. S 1515 für die Straßburger Ausgabe von 1515 oder S 1519 für die später ebenfalls bei Johannes Grüninger entstandene. Knust (1884). Schröder (1911). Flood (1995). Lindow (2001), S. 277. Krogmann (1953). Vgl. ebd., S. viif. Vgl. Krogmann (1952), Sp. 558.

6

Erst im Rahmen der Faksimile-Ausgabe des sogenannten kleinen oder Züricher Grüninger-Fragments,20 also siebzig Jahre nach Brie, ergab die Untersuchung des englischen Eulenspiegels wieder neue Ansätze. Peter Honegger hatte 1969 in einem Bucheinband ein Fragment entdeckt, das – wie sich herausstellte – ein Eulenspiegel-Text aus der Grüninger-Presse war. Dieses datierte er aufgrund einer Typenanalyse auf 1510/11 – und somit auf einen früheren Zeitpunkt als sämtliche bisher bekannten Ausgaben. Im Mittelpunkt seiner Untersuchung stand aber die Identifizierung des Autors als Hermann Bote. Honeggers Identifizierung Botes gab der Eulenpiegel-Forschung einen starken Impuls, ist seither jedoch in Kritik geraten. Denn die Entschlüsselung eines Akrostichons, welches zunächst dreimal das Alphabet durchläuft und dann mit »ermanb« endet, was Honegger als Hermann Bote versteht,21 beruht auf der Änderung der Historienfolge, der Ersetzung hochdeutscher durch niederdeutsche Wörter und zusätzlichen Eingriffen in die Satzstellung. Zudem wurde Honeggers These angegriffen, dass Bote, der hauptsächlich niederdeutsche Texte verfasste, den Eulenspiegel als hochdeutschen Text verfasst habe,22 wodurch die niederdeutschen Einsprengsel erklärt werden sollten. Inzwischen ist des Weiteren verstärkt auf innertextliche Indizien aufmerksam gemacht worden, welche die Autorschaft unwahrscheinlich erscheinen lassen.23 Hinsichtlich des englischen Eulenspiegel ist Honeggers Arbeit deshalb wichtig, weil er sich nicht nur zu den gegenseitigen Abhängigkeiten der flämischen, französischen und englischen Eulenspiegel-Bearbeitungen äußert,24 sondern in diesem Kontext auch sehr aufschlussreiche und untersuchenswerte Bemerkungen spezifisch über den Howleglas macht. Entgegen Bries Beobachtungen zur Abfolge der späteren englischen Eulenspiegel-Drucke argumentiert Honegger beispielsweise für eine andere Chronologie,25 ein Aspekt, auf den in späteren Kapiteln genauer eingegangen wird. Auch die nachfolgende Publikation zum englischen Eulenspiegel von David Blamires26 folgt für das 16. Jahrhundert den beschriebenen Forschungsprä20

21 22 23 24 25 26

1975 wurde durch Bernd Ulrich Hucker ein weiteres, anscheinend weitaus umfangreicheres Fragment ersteigert. Dieses sogenannte große oder Bremer Fragment ist allerdings bis heute nur in begrenztem Maß der Eulenspiegel-Forschung zugänglich gemacht worden. Huckers Bericht über die Identifizierung und Ersteigerung des Textes findet sich in: Hucker (1977). Eine ausführlichere Darstellung der Provenienz des Drucks gibt er in: Hucker (1976). Vgl. Honegger (1973), S. 92ff. Vgl. ebd., S. 96ff. Vgl. Schulz-Grobert (1998). Vgl. Honegger (1973), S. 40–65. Ebd., S. 52. Blamires (1989) sowie Blamires (1982).

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missen nach Brie und Honegger, hat aber vor allem die Bearbeitungen des 19. und 20. Jahrhunderts im Blick, die vorher kaum untersucht worden waren. In den neueren Arbeiten, die sich vorwiegend mit dem deutschen Eulenspiegel beschäftigen, werden die englischen Ausgaben weiterhin meistens im Zusammenhang der kontinentaleuropäischen Bearbeitungen genannt. Jedoch schleichen sich oft solche Fehler ein wie die oben genannten Bemerkungen Lindows (siehe S. 6), die die Howleglas-Drucke zeitlich und räumlich falsch einordnen. Auch bei Dieter Arendt27 finden sie sich: Bei ihm führt die ›Antwerpener Gruppe‹ des Eulenspiegel 52 Historien und die französische und englische Ausgabe orientieren sich am Stand einer früheren Vorlage der flämischen van-Ghelen-Ausgabe, die 1580 gedruckt wurde. Keiner der Drucke aus der ›Antwerpener Gruppe‹ besitzt jedoch diese Zahl von Historien und die französischen und englischen Bearbeitungen folgen nicht der vorhandenen van-Ghelen-Auflage, weshalb unwahrscheinlich ist, dass sie einer früheren genauso lautenden Auflage folgten. Ein weiterer, bei Arendt ebenfalls tradierter Irrtum ist, dass es sich bei der Faksimile-Ausgabe des Howleglas von 197128 um eine Neuauflage der Ausgabe von Ouvry handele: Während allerdings Ouvry das Oxforder Fragment, soweit vorhanden, als Grundlage seiner Transkription wählte und nur die Bögen bis C2 aus einer der anderen Ausgaben transkribierte, basiert die Faksimile-Ausgabe auf anderen Bögenzusammensetzungen (siehe S. 47). In der zeitgenössischen deutschen Forschung wurden mit der Arbeit von Jürgen Schulz-Grobert29 die Annahmen Honeggers, die sich in der Eulenspiegel-Forschung rasch, wenn auch nicht unbestritten, durchgesetzt hatten, systematisch in Frage gestellt. Schulz-Grobert verankert die Entstehung des Grüninger-Texts in Straßburg und weist die These der Autorschaft Botes für den Eulenspiegel zurück.30 Nach seiner Analyse der Quellen des EulenspiegelBuchs zeigt sich in der Verwendung einschlägiger Fazetien, dass der Bearbeiter eindeutig eine humanistische Bildung und entsprechende literarische Interessen hatte, die Schulz-Grobert bei Bote nicht wiederzuentdecken vermag. Wohl aber lassen sie sich im Umfeld der Grüninger-Offizin, beispielsweise 27 28 29 30

Vgl. Arendt (1978), S. 14. Vgl. Till Eulenspiegel. A Merye Jest (1971). Vgl. Schulz-Grobert (1999). In seiner Rezension fasst John L. Flood Schulz-Groberts Argumentation treffend zusammen, wenn er sagt: »Bei einer Durchmusterung der nachgewiesenen bzw. potentiellen ›Eulenspiegelbuch‹-Quellen oberdeutscher Provenienz vermag Schulz-Grobert zu zeigen, daß eine nicht unerhebliche Anzahl davon zu Grüningers Verlagsprogramm gehörte und daher wohl zumindest einem Elsässer Autor wie eben Muling [wahrscheinlich ein Mitarbeiter Grüningers; AHZ] schon eher zugänglich war als dem Insassen einer Braunschweiger Zollbude [Herman Bote; AHZ].« In: Flood (2000), S. 471.

8

bei Adolphus Muling, finden. Bei Grüninger wurden denn auch zahlreiche der Geschichten schon in anderen (lateinischen) Sammlungen verlegt, die zum Teil vor dem frühesten überlieferten Eulenspiegel-Druck datieren. Relevant für die Untersuchung des Howleglas sind auch die Studien zu den flämischen und den französischen Eulenspiegel-Büchern. Nicht nur berührt der älteste erhaltene Howleglas durch seinen Antwerpener Drucker Jan van Doesborch das flämische Eulenspiegel-Umfeld – denn die frühesten Überlieferungen flämischer Eulenspiegel-Texte und -Holzschnitte stammen allesamt aus Antwerpen –, sondern auch in den späteren Ausgaben von William Copland finden sich deutliche Hinweise darauf, dass er unter anderem auf eine flämische Vorlage zurückgriff. Die zwei frühesten flämischen Drucke durch Michiel Hillen van Hoochstraten31 und Jan III van Ghelen32 wurden in den achtziger Jahren von Geeraedts als Textausgaben neu vorgelegt. In der von Koopmans/Verhuyck vorgenommenen Ausgabe wurde – ebenfalls in den achtziger Jahren – die vermutlich älteste, ursprünglich wohl Alain Lotrian zuzuschreibende französische Fassung33 vorgestellt. Beide Ausgaben beeinflussen samt der Forschungsergebnisse zu ihnen notwendigerweise die Untersuchung des Howleglas. Die Nähe dieser Übertragungen wird bereits in der Bezeichnung ›Antwerpener Gruppe‹ ausgedrückt. Jedoch sei schon an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass ein genauer Textvergleich die so häufig angenommene Homogenität der flämischen, französischen und englischen Ausgaben in Frage stellt und die Überlieferung der englischen Ausgabe in einem differenzierteren Licht erscheinen lässt. Das gilt im Übrigen auch für die früheste französische Ausgabe, deren Entstehungsort Koopmans/Verhuyck im Einklang mit dem von ihnen ermittelten Drucker in Paris vermuten. Dieses Ergebnis erschwert es, weiterhin von einer ›Antwerpener Gruppe‹ zu sprechen.

1.1. Aufgabenstellung der vorliegenden Arbeit Im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen die englischen Fassungen des EulenspiegelBuchs. Die Arbeit widmet sich dem Howleglas als Buch – d. h. seinen Entstehungsbedingungen, seiner physischen Form und seiner Überlieferung – und als Text – d. h. seinen Vorlagen, seinen Bearbeitungsstrategien und seinen literarischen Besonderheiten. Diese Bereiche sind jedoch nicht streng trennbar, sondern fließen an vielen Stellen ineinander. 31 32 33

Geeraedts (1986). Geeraedts (1987). Koopmans/Verhuyck (1988).

9

Neben der Darbietung einer der englischen Fassungen als vollständiges Transkript behandelt die Arbeit die Rezeption des kontinentalen EulenspiegelBuchs, die Produktion der englischen Fassungen und ihre Verbreitung in England im 16. Jahrhundert. Um die Rezeption und Bedeutung des Eulenspiegel-Buchs in England zu bestimmen, werden in dieser Arbeit sowohl bibliographische, (editions)philologisch-positivistische, sozialgeschichtliche, prosopographische als auch literaturwissenschaftliche Ansätze verwendet. Die Forschungslücken in vielen der Bereiche, die der englische Eulenspiegel berührt, ob buchgeschichtlich oder literaturwissenschaftlich, sind in mancherlei Hinsicht erstaunlich. Dies gilt vor allem für die Tatsache, dass die bibliographische Forschung weitgehend unabhängig von der literaturwissenschaftlichen betrieben wird. Es wird so verfahren, als ob die Bücher einerseits nur als Zeugen für die Mechanik des frühen Buchdrucks und des Buchhandels Bedeutung hätten, d. h. für die damalige Zeit nicht vor allem als Textträger von Interesse gewesen seien, oder, andererseits, als ob es völlig gleichgültig sei, in welcher Form die Texte überliefert wurden und welchen Einfluss die Buchgestalt auf die Textrezeption hatte. Neuere Ansätze versuchen unter dem Begriff ›textual bibliography‹ oder ›textual scholarship‹ die verschiedenen Bereiche zu vereinen und den überlieferten Bereich der Philologie neu zu bestimmen. Einbezogen werden dabei die enumerative, deskriptive und analytische Bibliographie (Druckforschung), aber auch Aspekte der Textanalyse. Wie der ›textual scholar‹ David C. Greetham es fordert, werden auch in dieser vorliegenden Arbeit die Grenzen der engeren Bibliographie hin zu den Textwissenschaften überschritten: It is the basic position of this book that several disciplines and textual practices which have formerly been considered as unconnected could more profitably be examined together.34

Greetham hebt hervor, dass die Form den Inhalt auf vielfältige Weise mitbestimmen könne und es daher nötig sei, beide im Zusammenhang zu untersuchen: The texts contained in manuscript and printed books are obviously dependent upon their bibliographical »vehicles« or »carriers« for not only their appearance but also their form – and therefore frequently their content as well. […] So, with printed books, the methods of compositon and imposition, the format, the proofreading and so on, may all affect the actual nature of the text produced during this bibliographical process.35

34 35

Greetham (1994), S. 271. Ebd., S. 271f.

10

Als Schlussfolgerung aus diesen Überlegungen erwächst folgende Bestimmung der ›textual bibliography‹: It is therefore the study of the textual implications and results of this process of making a bibliographical artifact which I believe should most properly be called textual bibliography […].36

Diese recht weite Bestimmung schränkt Greetham schlüssigerweise dadurch ein, dass er solche Untersuchungen, die ausschließlich den Text betreffen, vom Gebiet der ›textual bibliography‹ ausnimmt: [Y]et by restricting textual bibliography to a joint concern with both medium and text, with both artifact and contents, I would exclude from the field of the textual bibliographer those types of textual research relating only to the text (i.e., divorced from a consideration of the medium carrying the text). This distinction, separating »pure« textual criticism from the study of the physical object, may not be a desirable one, but we have to recognize that many textual critics have practiced such a distinction, especially those working on »textual analysis,« [!] the formal charting of the transmission and filiation of the text […].37

Die vorliegende Arbeit bemüht sich ebenfalls, den Graben der getrennten Forschungsbereiche zu überbrücken, indem in den Kapiteln II bis V zunächst die äußeren, materialen Entstehungszusammenhänge des Howleglas als Buch erörtert werden, jedoch danach, in den Kapiteln VI bis VIII, der Howleglas auch als Text in seiner spezifischen Überlieferungsform behandelt wird. Bevor die Bücher bzw. Texte aber bibliographisch oder literaturwissenschaftlich gewürdigt werden können, sollte erst ihr Bestand geklärt sein. Bisher waren sie nicht in einer modernen Edition verfügbar. Eine Aufgabe für die weitere Forschungsarbeit war also die Erstellung eines Editionstexts, der den Zugang zu den Texten ermöglicht. Des Weiteren ist eine Neubearbeitung des Howleglas unter Berücksichtigung sowohl der Ergebnisse von neuen Studien zu den Tätigkeiten der Howleglas-Drucker Jan van Doesborch und William Copland sowie zu den kontinentalen Eulenspiegel-Büchern als auch zur literarischen Bedeutung der Howleglas-Drucke nötig. Die Ziele dieser Veröffentlichung sind daher: – mit einer Textedition die englischen Eulenspiegel-Drucke der Forschung zugänglich zu machen, – durch eine Darstellung der Netzwerke der Howleglas-Drucker die Übertragungs- und Bearbeitungsumfelder der Texte zu erhellen,

36 37

Ebd., S. 272. Ebd.

11

– vermittels einer Erörterung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den englischen und den weiteren europäischen EulenspiegelDrucken die Beziehungen zwischen den verschiedenen Überlieferungen aufzuzeigen, – mit Hilfe eines Vergleichs mit der kontinentaleuropäischen EulenspiegelÜberlieferung sowie anderen zeitgenössischen Texten derselben Art (komische Kurzprosa) die Bearbeitungsbesonderheiten des Howleglas zu untersuchen und – in Form einer Analyse der Leserreaktionen auf den Howleglas seine Rezeption in England zu bearbeiten. Damit die Unterschiede und das Umfeld der Bearbeitungen geklärt werden können, muss für den englischen Eulenspiegel allerdings zunächst eine Textgrundlage vorgelegt werden. Die Tatsache, dass es bisher keine Edition dieses Textes gibt, ist bedauerlich, vergleicht man die englische Situation mit der in anderen europäischen Ländern, für welche die oben erwähnten modernen Editionen seit den 1980er Jahren vorliegen.38 Die Erträge der bisherigen Forschung belaufen sich im englischen Umfeld auf ein Transkript und einige Faksimile-Seiten des wahrscheinlich aus der Offizin des Antwerpener Druckers Jan van Doesborch stammenden ältesten erhaltenen Eulenspiegel-Drucks von vor 1520. Daneben existiert eine Faksimile-Ausgabe aus verschiedenen Auflagen der weiteren Howleglas-Drucke des 16. Jahrhunderts aus der Presse des Londoner Druckers William Copland sowie eine Transkription einer dieser Ausgaben. Keiner dieser Texte wird jedoch heutigen Ansprüchen an eine moderne Edition gerecht. Für die vorliegende Arbeit bildet daher eine erstmalig vollständige Edition in Form einer Studienausgabe der englischen Eulenspiegel-Texte des 16. Jahrhunderts den Ausgangspunkt: Ohne sie fehlt der Diskussion über die Produktionsverhältnisse, den englischen Buchmarkt oder die Rezeption des Howleglas die Basis. Daher finden sich in dieser Arbeit genauere Angaben zu den bisherigen Textausgaben sowie überarbeitete detaillierte systematische Druckbeschreibungen. Die Edition sichert mit einer Transkription, einem durch Kollationierung zustande gekommenen Lesartenapparat der verschiedenen Auflagen sowie mit einer Übersetzung die Quellentexte für die Forschung und macht sie zugänglich.

38

Vgl. die Editionen der französischen bzw. flämischen Eulenspiegel-Drucke oben (siehe S. 9).

12

In der Analyse des englischen Buchmarkts klaffen in der bibliographischen Forschung zwei große Lücken, die das Verständnis der Howleglas-Bearbeiter und Bearbeitungen erschweren. Bezüglich des wahrscheinlich ersten HowleglasDruckers, Jan van Doesborch ist Folgendes festzustellen: Das Ausmaß der Abhängigkeit des englischen Buchmarkts von den kontinentalen Druckern in der Zeit von ca. 1490–1520, gerade im Hinblick auf englischsprachige Übersetzungsliteratur, ist noch nicht hinreichend gewürdigt worden. Im Zusammenhang damit sind bisher die weiteren Netzwerke, in denen flämisches und deutsches Drucker- und Buchhandelspersonal in England miteinander verbunden waren, so auch das von van Doesborch, unerschlossen geblieben. Die Häufung von »dutchmen«, d. h. Deutschen oder Niederländern, im englischen Buchhandel, die in Handelsbeziehungen zueinander standen, bedarf also einer kritischen Analyse. Andere auf das Produktionsumfeld bezogene Fragen, wie beispielsweise, ob van Doesborch den Howleglas übersetzte oder druckte, werden ebenfalls untersucht. Auch wenn auf viele Fragen eine eindeutige oder endgültige Antwort nicht möglich erscheint, so können doch prinzipielle Überlieferungs- und Handelsstrukturen aufgezeigt werden. Die verfügbaren Informationen über den Drucker der späteren HowleglasAuflagen des 16. Jahrhunderts, William Copland, sind noch begrenzter als diejenigen über Jan van Doesborch: Es existiert keine einzige Studie zu William Copland. Dies ist besonders bedauerlich, da er – wie van Doesborch vor ihm – für die Publikation diverser (literarischer) Prosatexte verantwortlich war, die im 16. Jahrhundert sonst kaum verlegt wurden. William Copland ist daher für die heutige literaturwissenschaftliche Forschung von besonderem Interesse. Die hier vorgenommene Untersuchung seiner Howleglas-Drucke soll einerseits einen Beitrag dazu leisten, die Abfolge der späteren Auflagen zu klären und damit die Arbeitsweise seiner Offizin zu erhellen. Andererseits kann die inhaltliche Einordnung und Analyse des Howleglas in Coplands sonstigem Verlagsprogramm dessen Stellung im zeitgenössischen Diskurs ebenso verdeutlichen wie weitere intertextuelle Bezüge erhellen. Von den vielen Fragen zum Howleglas ist eine der schwierigsten sicherlich die nach seiner Leserschaft. Mit den Ergebnissen der analytischen Druckforschung lässt sich eine Teilaussage über die Leserschaft durch die Provenienz der Drucke treffen,39 da die Besitzer der Drucke auch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit als deren Leser gelten können. Allerdings sind diese für alle Drucke außer L3, dem Oxforder Exemplar aus der Copland-Presse von nach 1563, erst für das 18. Jahrhundert oder später nachzuverfolgen.

39

Vgl. die jeweiligen Abschnitte zur Provenienz in Kapitel II.2. sowie Kapitel VIII.

13

Darüber hinaus sind bisher bereits seit langem bekannte Spuren nicht in ihrer Bedeutung für die Untersuchung der Leserschaft des Eulenspiegel ausgewertet worden. Dazu gehören beispielsweise die handschriftlichen Notizen, die in einem der Copland-Eulenspiegel-Exemplare darauf hinweisen, dass Sir Edmund Spenser Besitzer dieses Druckes gewesen ist. Die Auseinandersetzung mit solchen Hinweisen ist für die Frage nach der Rezeption komischer Kurzprosa im 16. Jahrhundert nicht nur bibliographisch, sondern auch kultur- und literaturwissenschaftlich von Interesse: Können Hinweise dieser Art aus dem Eulenspiegel als beispielhaft für diese Gattung angesehen werden? Dies ist wahrscheinlich, denn vergleichbare Texte – beispielsweise Salomon und Markolf und Bruder Rausch – erlebten in England eine ähnliche Druck- und Rezeptionsgeschichte wie der Eulenspiegel. Das Fehlen von literaturgeschichtlicher anglistischer Forschung in diesem Bereich stellt eine erstaunliche Forschungslücke dar. Weitere Aufschlüsse über den europäischen Literaturtransfer lassen sich dennoch erwarten, weil einige Howleglas-Historien in der englischen komischen Kurzprosa vor 1600 bereits anderen literarischen Charakteren zugeschrieben werden. Der englische Eulenspiegel steht in einem Kontext mit den kontinentalen Überlieferungen. Er kann deshalb nicht isoliert von ihnen behandelt werden und wird von den Fragen nach Autor, Quellen und Datierung notwendigerweise berührt. Bislang ist die europäische Einbindung der englischen Ausgaben nur in begrenztem Umfang erörtert worden, vor allem bei Brie und Honegger. Allerdings ist es wichtig, den Howleglas nicht nur als Verlängerung der kontinentalen Überlieferung zu betrachten, sondern auch seine spezifisch englischen Produktions- und Rezeptionsumstände zu untersuchen. Der in dieser Arbeit vorgelegte neue Vergleich der Howleglas-Texte mit der europäischen Historienüberlieferung, die sich an den Grüninger-Ausgaben orientiert, soll eine Grundlage für weitere Forschungen bieten. Durch die Gegenüberstellung der englischen Howleglas-Fassungen und der deutschen, flämischen und französischen Drucke wird das europäische Beziehungsgeflecht, in dem die englischen Übersetzungen stehen, deutlicher und kann systematisch neu erschlossen werden. Eine vergleichende Übersicht der Historienbestände der deutschen, flämischen, englischen und französischen Eulenspiegel-Bücher macht es möglich, verwandtschaftliche oder Gruppenbeziehungen zwischen den einzelnen Drucken systematisch aufzuzeigen. Darüber hinaus kann sie dabei helfen, bisher übersehene Verbindungen, sowohl zwischen den Drucken als auch den Druckern, nachzuweisen. Während die Eulenspiegel-Forschung bislang immer wieder behauptet hat, die Ausgaben Coplands seien einfache Nachdrucke der van-Doesborch-Ausgabe und die 14

Abweichungen »völlig belanglos«,40 kommt die vorliegende Untersuchung zu anderen Ergebnissen. Weiterhin ist die Frage von besonderem Interesse, ob die zweite Gruppe der englischen Eulenspiegel-Auflagen von Copland durch die Historienauswahl und -folge eine größere Nähe zur deutschen oder zur französischen Tradition aufweist als bisher postuliert.41 Zudem illustriert die Auswahl der Historien nicht nur den Geschmack des Druckers im Verhältnis zu seinem sonstigen Verlagsprogramm, sondern verrät auch einiges über die von ihm erwartete Leserschaft. Ob dieses Zusammenspiel im Rahmen einer Intertextualitätsdebatte zu neuen Erkenntnissen führt, muss untersucht werden. Nach dem Literaturtheoretiker Karlheinz Stierle muss zwischen einer produktionsästhetischen und einer rezeptionsästhetischen Intertextualität unterschieden werden: Schon während der Textproduktion wird der Text angepasst und befindet sich mit anderen Texten oder mit seinen eigenen Vorstufen im Zusammenspiel. Obwohl es hilfreich und interessant sein kann, in diese Intertextualität der Produktion Einblick zu gewinnen, ist das Verständnis des Texts nicht unbedingt davon abhängig. Die Rezeption des Texts kann dadurch erhellt werden; Kenntnisse darüber sind aber nicht unerlässlich, um dem Text Bedeutung abzugewinnen. Stierle führt aus: Andererseits kann der Prozess der Textkonstitution selbst als ein Prozess der produktiven Intertextualität aufgefasst werden, sofern der Text aus einer Folge von Verbesserungen, Erweiterungen, Umstellungen etc., d. h. aus einer Varietät von ›Fassungen‹ hervorgeht. Für die rezeptionsästhetische Perspektive stellt sich nun aber auch die Frage, ob jede produktionsästhetische Intertextualität auch eine rezeptionsästhetische sein muß.42

Untersucht man die Druckfassungen der Copland-Texte, lassen sich die von Stierle genannten Verbesserungen, Erweiterungen, Umstellungen finden. Ob diese einen rezeptionsästhetischen Einfluss haben, wird zu klären sein. Diese Fragestellung betrifft sowohl buch- als auch literaturgeschichtliche Aspekte und kann in die Analyse des Austausches von kontinentalen literarischen Prosatexten mit England einfließen. Solche Intertextualitätsdebatten, die gerade aus den Prosatexten des 16. Jahrhunderts viele Erkenntnisse über den Zusammenhang von Produktion und Rezeption gewinnen könnten, werden jedoch dadurch erschwert, dass es keine einzige umfassende zeitgenössische Studie zur englischen

40 41 42

Krogmann (1952), S. XI. Vgl. S. 390ff. Stierle (2000), S. 351.

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Prosaliteratur des 16. Jahrhunderts gibt.43 Diese merkwürdige Situation betrifft verschiedenste Bereiche der englischen Literaturwissenschaft: Selbst in Anthologien zur Literatur der Zeit zwischen Chaucer und Shakespeare finden sich stets nur die Orchideen – wie beispielsweise Malory oder, weniger häufig, More –, während darüber hinaus nicht einmal erwähnt wird, welche Literatur sonst produziert und gelesen wurde.44 Umso mehr gilt dies, wenn man bedenkt, dass dies ja nicht nur ›Volksliteratur‹ war. Hier hat sich eine Entkanonisierung im Sinne der neueren Literaturtheorien also noch in keiner Weise niedergeschlagen. Weiterhin fehlt eine grundlegende gattungsgeschichtliche Aufbereitung der literarischen (Kurz-)Prosa im England des 16. Jahrhunderts. Zwar hat sich beispielsweise Margaret Schlauch mit dieser Art von Literatur auseinandergesetzt, allerdings als Vorläufer für den englischen Roman.45 Seitdem ist in Deutschland die Forschung u. a. in Folge von Kreutzers46 und Müllers47 Untersuchungen vom Begriff ›Volksbuch‹ abgerückt: In der Forschung setzte sich durch, dass der Begriff ›Volksbuch‹ für das 16. Jahrhundert nicht zutrifft, da die damit beschriebene Literatur eben nicht (nur) vom ›Volk‹, sondern zunächst vor allem von Gelehrten gelesen wurde. Auch speiste die beschriebene Literatur sich zumeist aus literarischen Quellen, die in humanistischer Tradition standen.48 Während in der Germanistik die Auseinandersetzung mit den Texten blüht, die Müller als Prosaromane beschreibt und für die er spezifischere Kategorisierungen fordert, scheinen ihre englischen Pendants in der anglistischen Forschung seit der Mitte des 20. Jahrhundert ins Abseits geraten zu sein. Am Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Prosaliteratur beispielsweise in der Cambridge History of English Literature in mehreren Aufsätzen aus unterschiedlichen Perspektiven behandelt.49 Eine maßgebliche Analyse für die nichtdramatische Literatur des 16. Jahrhunderts war lange Zeit C. S. Lewis’ Beitrag

43

44

45 46 47 48 49

So gibt es zwar Studien, die überblicksartig das 16. Jahrhundert abdecken, aber keine Aussage zu der hier behandelten Literatur machen. Vgl. beispielsweise folgende Studie, die entlang der literarischen ›Höhepunkte‹ über More zu den Dichtern des 16. Jahrhunderts und dann zum Drama schreitet: Roston (1982). Folgende Anthologie ist zwar recht umfangreich und schließt auch sonst weniger beachtetete Autoren ein, räumt jedoch der anonymen Prosaliteratur des 16. Jahrhunderts keinen Platz ein: Pearsall (1999). Schlauch (1963a). Kreutzer (1977), bes. S. 2–10. Müller (1985b), bes. S. 6ff. Es gibt zwar auch neuere Publikationen, die den Begriff ›Volksbuch‹ für die hier vorgestellte Literatur verwenden, doch es sind seltene Fälle. Vgl. beispielsweise Classen (1994). Ward/Waller (1908) und Ward/Waller (1909).

16

zur Oxford History of English Literature.50 In beiden Überblicksdarstellungen wurde auch der Howleglas diskutiert und als populärer Lesestoff seiner Zeit hervorgehoben. Seitdem ist allerdings auf diesem Gebiet Stille eingekehrt. Dies änderte sich erst in jüngster Zeit, so beispielsweise in der Neuauflage der Cambridge History of Early Modern English Literature,51 die einen weiter gefassten Literaturbegriff zugrunde legt und diese Art der Prosaliteratur wieder einschließt. Sonst werden heute vorwiegend in Aufsätzen kleinflächige Studien durchgeführt.52 Aspekte der literarischen Kurzprosa wurden beispielsweise von Boffey und Edwards53 untersucht. Nötig wäre indes eine systematische Analyse des Gebiets. Sie ist bisher nicht unternommen worden. Die vorliegende Arbeit kann zwar, mit ihrem Schwerpunkt auf dem Howleglas, keinen Überblick leisten, aber durchaus zentrale Aspekte dieser Prosaliteratur erhellen. Während also in der deutschen Germanistik seit den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts eine Diskussion über die Bezeichnung dieser Art von Literatur ins Rollen gebracht wurde, die tiefe Implikationen für das Verständnis des Gebiets hat, ist die Nomenklatur in der englischen Literaturwissenschaft noch nicht geklärt. Lange Zeit und immer noch als ›chapbook‹ bezeichnet, ist dem Wandel in der Deutung der unterhaltsamen Literatur seither nicht Rechnung getragen worden. In gewisser Hinsicht ist die englische Bezeichnung ›chapbook‹ für die unter diesem Begriff subsumierte Literatur neutraler, da sie keine Aussage über die Lesendenschaft und ihre soziale Verteilung macht. Ähnlich wie der ab dem 19. Jahrhundert sich in Deutschland verstärkt durchsetzende ›Volksbuch‹-Begriff werden Bücher dieser Art in England erst seit dem frühen 19. Jahrhundert als ›chapbooks‹ bezeichnet. Der Begriff stammt jedoch aus wesentlich älteren Zusammenhängen: Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts wurden billige populäre Bücher von den sogenannten ›chapmen‹, wandernden Buchverkäufern, an die Leserinnen und Leser gebracht. Der Wortstamm geht auf das Altenglische ›ceapian‹ (›kaufen‹) zurück.54 Diese Bezeichnung auf solche Texte wie den Howleglas zu übertragen ist aber insofern irreführend, als es sich bei den Texten, die die ›chapmen‹ – die zudem eine spätere Entwicklung auf dem englischen Buchmarkt darstellten – verkauften, oft um Sensations- oder Gebrauchsliteratur handelte. Diese

50 51 52 53 54

Lewis (1954). Loewenstein/Mueller (2002). Ein Aufsatz, der Impulse gibt, ist: Brewer (1999). Boffey/Edwards (1999). Vgl. The Oxford English Dictionary. Im Folgenden abgekürzt als OED2.

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unterscheidet sich in ihrem literarischen Anspruch, ihrer Funktion, Form und (intendierten) Leserschaft deutlich von der Prosaliteratur, die beispielsweise in Untergattungen wie dem Schwankroman im 16. Jahrhundert Verbreitung fand.55 Eine inhaltliche Abgrenzung bietet die Bezeichnung ›jest book‹, die beispielsweise in der Cambridge History von Harold V. Routh benutzt wird.56 In der Literaturwissenschaft des frühen zwanzigsten Jahrhunderts wird dieser Begriff beispielsweise folgendermaßen definiert: Bei einem solchen Text handele es sich um »a collection of comic prose or anecdotes designed for the entertainment of the reader.«57 Neuere Bestimmungsversuche, z. B. von Woodbridge, erweitern dies: In Henrician literature ›merry jest‹ is almost a technical term, distinguishing broadly humorous tales rejoicing in untimely farts, picturesque petty revenges, and buffetings about the pate from older ›jests‹ or ›gests‹, which were simply narratives with no connotations of joking.58

Oft wurde ›merry jest‹ mit einer ›how‹-Formel kombiniert, beispielsweise A mery gest how the sergeaunt wolde lerne to be a frere (siehe auch S. 543). Die ›how‹-Formel findet sich auch in den Historienüberschriften des Howleglas.59 Dieser Gebrauch von ›jest book‹ entspricht ungefähr der für den deutschen Eulenspiegel häufig benutzten Gattungszuordnung ›Schwankbuch‹. Jedoch ist auch diese Lösung noch nicht ideal, da sich Schwankbücher in Inhalt, Form, Umfang und Käuferschaft stark unterscheiden. Als eine genauere Bestimmung bietet sich etwa ›Schwankbiographie‹ an, wobei auch damit noch keine Aussage über die Form gemacht ist: In der englischen Literatur des 16. Jahrhunderts wird nämlich für komische Literatur weitaus häufiger die Versform statt Prosa verwendet. Heute wird in der anglistischen Forschung meist ›popular prose literature‹ als Gattungsbegriff verwendet. Jedoch ist der Ausdruck ›populäre Prosaliteratur‹ vielleicht in ähnlicher Weise wie ›Volksbuch‹ im Hinblick auf die vermeintliche Lesendenschaft irreführend, denn diese Texte wurden zu-

55 56 57

58 59

In dieser Hinsicht überrascht es daher nicht, dass in Victor E. Neuburgs Studie nur die Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts untersucht wird: Neuburg (1972). Vgl. Routh (1908). Wilson (1938–39), S. 122. Heute ist die Begriffsgeschichte des Wortes weiter erforscht worden. Kahrl beispielsweise erläutert die Herkunft des Begriffs ›jest‹ folgendermaßen: Im frühen 16. Jahrhundert ist für die Art der hier behandelten Literatur in den Büchern selbst die Bezeichnung »Merry Tales« gebräuchlich. Erst nach 1550 bürgert sich das Wort ›jest‹ für eine Erzählung, die Gelächter erzeugen will, ein. Vgl. Kahrl (1966), S. 166, Fußnote 3. Woodbridge (2003), S. 206. Vgl. ebd.

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nächst von der Elite verfasst und gelesen. Sullivan und Woodbridge weisen beispielsweise darauf hin, dass Königin Elisabeth sich auf dem Todesbett aus einer Schwanksammlung vorlesen ließ oder dass sich die früheste englische Schwanksammlung an Lesende wandte, die des Lateinischen mächtig waren.60 Insgesamt kommen sie zu dem Schluss, dass diese Literatur anfangs nicht ›popular‹ war, sondern es erst im Verlauf des 16. Jahrhunderts durch Zuschreibung der Eliten wurde, als diese sich der Literatur entledigen wollte, die bereits ›herabdiffundiert‹ war. So lasen eventuell die Eliten am Ende des Jahrhunderts zwar noch diese Stoffe, produzierten sie aber nicht mehr. 61 Wegen dieser ungeklärten Begrifflichkeit, die weiterer Untersuchung bedarf, wird entweder von ›komischer‹ oder ›unterhaltender Prosaliteratur‹ oder auch von ›Schwankprosa‹ oder ›Schwankbiographie‹ die Rede sein.62

1.2. Zur Gliederung der Arbeit Wie die besondere Stellung dieser Schwankprosa im England des 16. Jahrhunderts es erfordert, werden sowohl buchgeschichtliche als auch literaturwissenschaftliche Aspekte behandelt, die in vier größere Bereiche untergliedert sind: – einen editorischen Teil mit Howleglas-Studienausgabe, – eine Darstellung der Produktion der englischen Druck-Fassungen, – eine Analyse der Entstehungszusammenhänge des Howleglas im Kontext der kontinentalen Eulenspiegel-Überlieferung und der Besonderheiten des englischen Fassungen – und eine Untersuchung seiner Rezeption in England im 16. Jahrhundert. In der Einleitung, dem ersten Kapitel, wird die vorliegende Untersuchung, hergeleitet aus einem Forschungsüberblick, im weiteren Kontext der Eulenspiegel-Forschung positioniert und ihre Fragestellungen werden erörtert. Wie die genaue Beschreibung der bisherigen Editionspraxis für die englischen Eulenspiegel-Drucke im zweiten Kapitel zeigt, ist der bisherige Überlieferungsstand in solchem Maße unbefriedigend, dass eine neue Darbietung des 60 61 62

Vgl. Sullivan/Woodbridge (2000), S. 274. Vgl. ebd., S. 275f. Zwar wird auch in der neueren germanistischen Literatur für die Verwendung der Begrifflichkeit »populäre Lesestoffe« plädiert. Für die hier behandelte Literatur treffen die Beschreibungen aber nicht zu, weshalb die Begrifflichkeit nicht übernommen werden kann. Weder wurde beispielsweise der Howleglas im 16. Jahrhundert durch Kolportage verbreitet – die Distribution war mit dem regulären Buchhandel verknüpft – noch wurde er vorwiegend von einem nichtakademischen Publikum rezipiert. Darüber hinaus sind die außerliterarischen Gestaltungsfaktoren wie z. B. die Illustrationen bei den englischen Schwankbüchern nicht so bestimmend wie bei den deutschen. Vgl. Haug (1997–2003).

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Howleglas-Materials notwendig ist. Daher folgt im dritten Kapitel eine Transkription des Howleglas mit Instrumenten zur Text- und Lesartenerschließung sowie einer Übersetzung ins Deutsche. Auf dieser Grundlage wird im vierten Kapitel der erste englische Eulenspiegel-Druck unter dem Gesichtspunkt seiner Entstehungsbedingungen dargestellt. Um die Genese und den Transfer des Howleglas zu erklären, muss er in das Umfeld der nordwesteuropäischen Buchproduktion eingeordnet werden. Die erste Bearbeitungsphase fand in Antwerpen statt, einem polyglotten Schmelztiegel und Buchhandelszentrum mit festen Verbindungen nach England. Der wahrscheinliche Drucker des Buches, der Antwerpener Jan van Doesborch, und sein Netzwerk werden in diesem Kontext untersucht. Diese Aspekte konstituieren das vierte Kapitel. Vielleicht ist es möglich, den Untertitel zu Stephen Greenblatts Auseinandersetzung mit Aspekten der englischen Renaissanceliteratur63 zu entlehnen und zu modifizieren: »Die Zirkulation sozialer Energie« drückt sich in der Internationalität der Drucker, Übersetzer, Buchhändler und Leser aus. Menschen wanderten und Drucke zirkulierten zwischen Deutschland, den Niederlanden, England und Frankreich. Da sich im Verlauf des 16. Jahrhunderts die Arbeitsbedingungen des inländischen und ausländischen Buchhandelspersonals in England deutlich veränderten, werden diese Rahmenbedingungen ebenfalls in diesem Kapitel untersucht. Als der zweite Howleglas-Drucker, William Copland, um 1555 das Buch zu verlegen begann, hatten sich bereits einschneidende Veränderungen ergeben. Die möglichen Auswirkungen dieses Wandels auf die Howleglas-Produktion werden im fünften Kapitel erörtert. Darüber hinaus wird eine Einordnung der Howleglas-Auflagen in Coplands sonstiges Programm vorgenommen. Das sechste und siebte Kapitel beschäftigt sich mit dem Howleglas als Text. Die textkritischen Probleme, die in dem genauen Vergleich der englischen mit den kontinentalen Überlieferungen, der das Kernstück des sechsten Kapitels bildet, deutlich geworden sind, spiegeln die Internationalität der literarischen komischen Kurzprosa wider. Im Textbereich wird diese Bewegung im Detail an Historien gezeigt und die intertextuellen Momente werden differenziert. In welcher Form die Besonderheiten der englischen Bearbeitung die Rezeption des Texts auf dem englischen Buchmarkt beeinflusst haben könnten, wird im siebten Kapitel diskutiert. Die Frage nach der Leserschaft des Howleglas wird im achten Kapitel behandelt. Dort wird auf mögliche Leserkreise hingewiesen, nachweisbare

63

Greenblatt (1988).

20

Leser und Besitzer gegenübergestellt und ihre unterschiedliche Handhabung des und Interesse am englischen Eulenspiegel erörtert. Das neunte Kapitel wirkt die verschiedenen Stränge dieser Untersuchung zusammen und stellt den Schluss und Ausblick dar. Es folgt ein Anhang, in dem Illustrationen und Dokumente zu den vorangegangenen Kapiteln ergänzt werden, sowie schließlich das Abkürzungs- und Literaturverzeichnis. Durchgehend beziehen sich in dieser Arbeit die Nummern, die in Klammern auf die Titel folgen, auf die Nummern der Drucke in den einschlägigen Bibliographien. Es wird angegeben, ob es sich um die Bibliographie niederländischer Drucke von Nijhoff und Kronenberg64 oder diejenige der englischen Drucke in der von Pantzer überarbeiteten zweiten Auflage des Short Title Catalogue65, handelt.

64 65

Nijhoff/Kronenberg (1923–1971). Im Weiteren zitiert als NK. Pollard/Redgrave/Pantzer (1991). Dieser wird im Folgenden als STC2 abgekürzt.

21

II.

Konzept der Edition und Prämissen

Seit sich vor einem Jahrhundert Friedrich Brie ausführlich und für die Forschung grundlegend mit dem englischen Eulenspiegel befasste und eine erste Transkription des ältesten Fragments anfertigte,1 sind verstreut Untersuchungsergebnisse von unterschiedlicher Qualität über die englischen Fassungen veröffentlicht worden. Eine Edition, die zeitgenössischen Standards genügt oder einen umfassenden Einblick in die existierenden Drucke und ihre Zusammenhänge gibt, fehlt allerdings bisher. Die vorliegende Edition will daher den Zugriff auf die vorhandenen Texte an einem Ort ermöglichen und stellt die verschiedenen englischen EulenspiegelFragmente aus dem 16. Jahrhundert gegenüber. Sie umfasst fünf Fragmente:2 1. Das älteste englische Fragment, das wahrscheinlich Jan van Doesborch ca. 1519 in Antwerpen druckte. Dieses wird im Folgenden als Ae. 1519? bezeichnet. Dieses erste Zeugnis wurde zwar bereits 1903 von Brie transkribiert, bei einer genauen Durchsicht seiner Transkription wird aber deutlich, dass ihm einige Fehler unterlaufen sind, die der Richtigstellung bedürfen. Einen Anhang zu Bries Arbeit zu produzieren und so zu einer weiteren Unübersichtlichkeit der Quellenlage beizutragen, erscheint widersinning. Deshalb wird auch dieser Text in seinem ganzen, wenn auch schmalen Umfang in einer neuen Transkription wiedergegeben. Beim Vergleich der englischen Ausgaben gelangte Brie zu dem Schluss, dass sie alle in einer direkten Linie von einer van-Doesborch-Ausgabe abstammten. Wie ein genauer Textvergleich ergeben hat (siehe S. 390ff.), ist dies aber nicht der Fall. Deutlich wird die Abstammung erst, wenn man eine neue Präsentationsweise wählt, die eine bessere Gegenüberstellung des ersten Eulenspiegel mit den nachfolgenden Drucken ermöglicht (s. u.). 2. Die verschiedenen Drucke, die zwischen ca. 1554 und 1567 aus der Londoner Presse William Coplands hervorgingen. Auch unter diesen Ausgaben existiert kein perfektes Exemplar; die Fragmente enthalten unterschiedliche Textausschnitte, d. h. nur in einer Zusammenschau ergibt sich ein 1 2

Brie (1903). Ausführliche Druckbeschreibungen sowie Erläuterungen zu Nomenklatur und Datierung dieser Exemplare finden sich ab S. 36ff.

23

mögliches – sehr wahrscheinliches – Abbild eines vollständigen Textes. Mit nur zwei fehlenden Lagen bietet der umfangreichste Druck allerdings eine wesentlich größere Textbasis als das van-Doesborch-Fragment und dient daher als Grundlage dieser Edition. Eine erste auf Transkription beruhende Ausgabe von Ouvry existiert seit 1867.3 Dieser verwendete jedoch als Vorlage das jüngste der CoplandFragmente mit der schlechtesten Textüberlieferung (vgl. unten, S. 47), welches für die genaue Arbeit nach heutigem Forschungsstand nicht ausreicht. Nach fast hundert Jahren, im Jahr 1963, wurde von Zall eine weitere Transkription veröffentlicht.4 In ihr wird der Textbestand wiedergegeben, den auch die vorliegende Edition zugrunde legt – also der Druck 2b/L2, ergänzt durch Ausschnitte aus Druck 2a/L1 (siehe unten, S. 46ff. und S. 42ff.). Zall standardisierte und modernisierte Zall die Orthographie, allerdings kennzeichnete er die Einfügungen und Korrekturen nicht und gab kaum Erläuterungen bei.5 Aufgrund dieser Editionsmaximen reicht seine Transkription für genaue Textarbeit nicht aus. Obwohl in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts von den Copland-Drucken eine Faksimile-Edition6 angefertigt wurde, ist gerade von ihnen eine neue Edition dringend notwendig. Denn die FaksimileEdition folgt einem merkwürdigen editorischen Prinzip: Wir finden ein aus zwei unterschiedlichen Auflagen zusammengesetztes Faksimile vor, welches eine perfekte Ausgabe simuliert. Zudem ist bei diesem Kompositum nicht klar, nach welchem Auswahlprinzip gehandelt wurde, da nicht einfach nur fehlende Lagen der einen Auflage mit denen ergänzt wurden, die in einer anderen Auflage erhalten sind, sondern eine bunte Mischung der Lagen vorgenommen wurde. Für diese editorische Fehlentscheidung kann die erste Auflage des Short Title Catalogue7 nur zum Teil verantwortlich gemacht werden, der zu jenem Zeitpunkt noch mit falschen bibliographischen Grundannahmen operierte: Dort sind zwei Drucke als einer

3 4 5

6 7

Ouvry (1867). Zall (1963). Für die Textgrundlage nicht entscheidend, aber dennoch irritierend, ist, dass Zall in seiner knappen Einführung die vorliegenden Ergebnisse der Forschung nicht einbezieht. Er datiert die Drucke, die er transkribiert, auf 1528 und 1530, obwohl schon seit Lappenberg und Ouvry feststeht, dass zumindest der vermeintliche 1528er Druck deutlich später – nämlich nach 1558 – angesetzt werden muss. Till Eulenspiegel. A Merye Jest (1971). Vgl. Nr. 10564, diese bezieht sich sowohl auf den Oxforder (L3) als auch auf den Londoner Druck (L2). Sie ist somit zwei Exemplaren zugeordnet, die aber unterschiedlichen Auflagen zuzurechnen sind. Pollard/Redgrave (1926), S. 230. Dieser wird im Folgenden als STC1 abgekürzt.

24

Auflage zugehörig verzeichnet, die aber wirklich zwei unterschiedlichen Auflagen zuzurechnen sind (im STC2 sind die Einträge überarbeitet und korrigiert). Allerdings müsste dieser Irrtum den anonymen Herausgebern der Faksimile-Edition bei ihrer Arbeit aufgefallen sein, denn die zwei Drucke tragen unterschiedliche Kolophone,8 was bereits auf den ersten Blick – und neben anderen deutlichen Unterschieden, die unten (siehe S. 57ff.) ausführlich diskutiert werden, – dagegen spricht, dass es sich um zwei Exemplare aus einer Auflage handelt. Alles in allem liegt mit dem Faksimile also keine befriedigende Ausgabe vor; ihr Hauptnutzen liegt darin, dass sich Interessierte über das Druckbild informieren und eine Abbildung des Frontispizes begutachten können. Die Entscheidung gegen eine neue Faksimile-Ausgabe basiert (neben den prohibitiven Reproduktionskosten) darauf, dass sie keine Möglichkeit böte, die Unterschiede zwischen den vorliegenden Copland-Ausgaben zu verdeutlichen, es sei denn, man fertigte eine Paralleledition aller Drucke an. Letzteres würde aber die Kollationierungsaufgaben lediglich auf die Lesenden verschieben. Über die reine Textpräsentation durch Transkription hinaus nimmt die Ausgabe daher noch einige kritische Aufgaben wahr. Die von der Herausgeberin in Autopsie verglichenen und einbezogenen Copland-Drucke sind: 2.a. Die in der British Library (BL) liegende Ausgabe aus der GarrickSammlung. Dieser Druck, der in der besprochenen Faksimile-Ausgabe zum Teil abgebildet wird, hat größere Lücken als der folgende Druck, d. h. weniger noch erhaltene Lagen. Deshalb wurde er trotz der manchmal besseren Lesarten (abweichende Textvarianten zu den anderen Drucken) und dem wahrscheinlich früheren Entstehungsdatum (zwischen 1554 und 1558?) nicht als Copy-Text gewählt. Als Abkürzung für diesen Druck wird L1 verwendet. 2.b. Die als Roxburgh- oder auch als Heber-Exemplar bekannte Ausgabe, die ebenfalls in der BL aufbewahrt wird. Dieser Druck aus der Zeit zwischen 1558 und 1563 ist am vollständigsten erhalten und wird daher als Textbasis (Copy-Text) verwendet. In den weiteren Ausführungen wird dieser Druck als L2 bezeichnet. 2.c. Das Exemplar in der Bodleian Library. Im Vergleich mit den oben genannten fragmentarischer und später (zwischen 1563 und 1567), oft mit schlechteren Lesarten, aber dennoch für einen detaillierten Vergleich und für das Erschließen der Druckgeschichte unverzichtbar. Dieser Druck wird als L3 abgekürzt.

8

Für detaillierte Druckbeschreibungen mit Kolophon siehe S. 46 bzw. S. 51.

25

2.d. Das bisher nicht edierte Cotton-Fragment aus der BL. Dieses besteht lediglich aus einem Blatt vom Ende des Buches, aber auch dieses ist hier mit einbezogen worden. In dieser Edition erhält es das Kürzel L?, da seine unsichere Datierung keine Einordnung in die relative Chronologie der Copland-Eulenspiegel zulässt. Der Textbestand der englischen Eulenspiegel-Drucke, d. h. die Textteile, die sie überliefern, lässt sich also folgendermaßen zusammenfassen: Kürzel

Überlieferungsbestand (Lagen)

Ae. 1519?

J4? K6? (Teile von K1 und K3–4 fehlen)

L1

A4, C4-I4, K1–3

L2*

A4-C4, E4-M4

L3

C2–4, D4-M4

L?

M2

*Copy-Text der vorliegenden Edition

Das englische Eulenspiegel-Buch steht zwischen zwei Philologien, daher sind auch die Zugänge dieser Arbeit zu ihm von den theoretischen Grundlegungen der zwei Schwesterdisziplinen beeinflusst. Der traditionelle angloamerikanische Zugang zum Edieren beruht zwar wie die germanistische Editionsphilologie auch auf den Lachmannschen Prinzipien, jedoch bildete sich insbesondere im 20. Jahrhundert die Buchkunde (bibliography) als Hauptdiskurs über das Edieren heraus. Anders als die deutsche germanistische Editionswissenschaft, die stark durch die Handschrifteneditorik geprägt ist, entwickelten sich angloamerikanische editorische Überlegungen vorrangig an den englischsprachigen Drucken der frühen Neuzeit. In der angloamerikanischen Buchkunde wird traditionellerweise die Autorhandschrift zugunsten des Erstdrucks abgewertet,9 der für die Edition gewählte Basistext dann mit Revisionen aus späteren Drucken verbessert und als idealer Text erstellt. Das sogenannte copy-text editing wurde dabei geprägt durch die Systematisierung einer Sondersituation der Überlieferung, die zuerst bei Shakespeare begegnete: zwei frühe Drucke, keiner autoritativer als der andere, sind beide auch substantiell, sind so genannte collateral substantive texts. Im Textstand divergieren sie so, dass der spätere nicht einfach die Verderbnis des

9

Vgl. z. B. Gaskell (1995), S. 339.

26

früheren darstellen kann, sondern dass die variante Textsubstanz des zweiten sich im Kernbestand als zum Text des ersten konkurrierender Autortext ausweist.10

Diese Situation verkompliziert sich häufig, wenn die Fassungsunterschiede in Verbindung mit einer buchkundlichen Abhängigkeit auf[treten]: der frühere Druck diente, mit eingetragenen und einzuarbeitenden Korrekturen und Revisionen, als Vorlage für den späteren Druck.11

Für die Auswahl der Leithandschrift bzw. des Copy-Texts für eine moderne Edition gibt es dementsprechend in beiden Philologien eine Vielzahl an theoretischen Zugängen. Eine häufig verwendete Praxis ist die sogenannte Best-Text-Edition, trotz ihrer theoretischen Abwertung, weil sie eigentlich als Vorarbeit zu einer kritischen Edition mit Emendation angesehen werden kann.12 Sowohl in der anglistischen als auch der germanistischen Editionsphilologie fanden die Debatten um die Bedeutung des Begriffs vom Original und dementsprechend dem Stellenwert der Überlieferungsvarianten in der New Philology und nachfolgend eine Fokalisierung.13 Neuerlich hat Heinzle in der deutschen Editionswissenschaft eine grundsätzliche Klärung angeregt: Die Gleichwertigkeit von Präsumptivvarianten – Varianten, die nicht fehlerhaft sind, textgenetisch nicht voneinander abgeleitet werden können und daher für das editorische Erstellen eines Ausgangstexts von gleicher Bedeutung sind –14 steht in einem Spannungsverhältnis zu ihrer historischen Differenz, also ihrer dynamischen Dimension, die sich in der produktiven Fortschreibung von Texten im Überlieferungsprozess ausdrückt.15 Dieses Spannungsverhältnis ist nur handhabbar, wenn wir uns damit begnügen, die Varianten in einer abstrakten Weise als Stimmen in einem hypothetischen Diskurs zu interpretieren, als ›diskursive Varianten‹, deren Position zueinander, zum gesamten Text der jeweiligen Versionen und zum literarisch-kulturellen Kontext zu bestimmen wären.16

Für die konkrete Einrichtung von Editionen bedeutet dies, dass diese analogen Diskursvarianten einen Basistext »nach dem Leithandschriftprinzip« in einem Apparat sowie die historisch differenten Varianten durch »Selektion,

10 11 12 13 14 15 16

Gabler (o. J.) Ebd. Vgl. Moffat/McCarren (1998), S. 31ff. Vgl. die knappe Zusammenfassung der Debatte bei Heinzle (2003), S. 2ff. Vgl. ebd., S. 11. Vgl. ebd., S. 9ff. Ebd., S. 14.

27

Positionierung und typographische Auszeichnung des Materials«17 fassbar macht. Dieses Vorgehen beim Verfertigen einer Edition verlangt herausgeberischen Mut: Die Texterstellung ist immer auch eine interpretatorische Leistung, zu der Emendationen und Konjekturen gehören.18 Das zugrunde liegende »Prinzip Unsicherheit«, das Heinzle bereits 1992 formulierte,19 basiert auf dem Gedanken, dass Textedition ihren Rekonstruktionscharakter anzuzeigen hat. Demnach ist den Lesenden einer modernen Edition bewusst zu machen, dass die textkritischen Probleme offen sind und weitere Arbeit verlangen. Dafür sollten die kritisch hergestellten Textstellen graphisch hervorgehoben werden. Durch den textkritischen Apparat wird deutlich, dass die Rekonstruktion diskutierbar ist. In dieser Auseinandersetzung um die Darbietungsweise von Texten wird auch erwägt, ob eine egalitär gleich gewichtete Präsentation der Lesarten durch eine Paralleledition akzeptabel sei. Gegen sie wird die »awkwardness of presentation«20 ins Feld geführt ebenso wie die Beschränkung der Herausgebenden auf die Transkription anstelle der Bemühung um eine kritische Edition.21 Aber auch bei der Transkription von Text ergibt sich ein Konflikt zwischen möglichst großer Nähe zum gewählten Text und möglichst hoher Lesbar- und Benutzbarkeit der Edition für heutige Lesende. Der Überfluss an nicht-relevanter Information in Form der totalen Darbietung beispielsweise von varianter Orthographie (ob durch eine Paralleledition oder durch einen massiven Apparat) würde für die gelegentliche Lesendenschaft wie für Nichtsprachgeschichtlerinnen und -geschichtler die Textmasse unnötig aufblähen.

1. Zur Einrichtung der Edition Die oben besprochenen editorischen Anliegen werden in der vorliegenden Edition durch pragmatische Lösungen umgesetzt: In diesem Sinne ergänzt die Edition des Howleglas Textpassagen, die durch den fragmentarischen Charakter des gewählten Basistexts fehlen, aus den substantive texts der Parallelüberlieferung. So entsteht ein Archetyp des Howleglas aus der Presse Coplands, bei dem jedoch der editorische Entwurfscharakter durch die genaue Benennung der Text-Quelle im Apparat am Fuß jeder Seite angezeigt ist.

17 18 19 20 21

Ebd., S. 10. Vgl. ebd., S. 3ff. Vgl. Heinzle (1992), S. 4. Moffat/McCarren (1998), S. 41. Vgl. Heinzle (2003), S. 4.

28

In Anlehnung an angloamerikanisch geprägte buchkundliche Methoden in der Tradition McKerrows bietet die vorliegende Edition genaue bibliographische Beschreibungen. Um, wie die Buchkunde es fordert, die Textqualität des gewählten Leitdrucks zu beurteilen, wird dieser in einem umfassenden Vergleich der deutsch-, flämisch-, französisch- und englischsprachigen Eulenspiegel-Drucke diskutiert. Auf diese Weise kann, wie Heinzle es fordert, auch eine Positionierung der analogen Diskursvarianten zueinander vorgenommen werden. Die soziohistorische Einbindung des Howleglas, die in dieser Arbeit vorgenommen wird, orientiert sich ebenfalls an angloamerikanischen Entwicklungen in der Buchkunde: Es wird gezeigt, wie die Drucke im England des 16. Jahrhunderts zu verorten sind. Die vorliegende Edition soll nicht nur den Text des Howleglas in möglichst handhabbarer Weise präsentieren, sondern auch seine Überlieferungsgeschichte darstellen und ihn positionieren. Die oben beschriebenen Howleglas-Drucke weichen voneinander nicht nur im Bestand der Fragmente ab, sondern auch im Text selbst. Für den hier als Copy-Text verwendeten Druck L2 muss angeführt werden, dass er nicht in jeder Hinsicht der beste der überlieferten Texte ist: Manche Lesarten sind bei L1 besser und deuten darauf, dass dieser nicht-firmierte Text wahrscheinlich chronologisch vor L2 einzuordnen ist. Dennoch wurde in dieser Arbeit L2 als Copy-Text gewählt. Er bietet eine deutlich umfangreichere Textbasis und verkörpert zudem als firmierter Druck im Geflecht der von vielen Unsicherheiten belasteten Überlieferungssituation der englischen Übersetzungen einen Fixpunkt. Die der Best-Text-Edition zugrunde liegende Methode erscheint für den vorliegenden Zweck daher dennoch als die sinnvollste Vorgehensweise: einen Text abzubilden, der eine gute Quelle darstellt, von offensichtlichen Fehlern bereinigt und durch einen Lesartenapparat erschlossen ist.22 Im Editionstext sind solche verbessernden Eingriffe durch Kursivsatz markiert und in einem Apparat am Fuß der Seite nachgewiesen.23 Der Einschluss von Textteilen aus anderen Editionen als L2 bildet nicht den Versuch, eine perfekte Edition zu erzeugen: Da bisher keine EulenspiegelEdition vorliegt, welche die im englischen Sprachraum des 16. Jahrhunderts verfügbaren Texte zugänglich macht, ist es nötig, alle zur Verfügung stehenden Teile darzubieten. Es bestand zwar die Möglichkeit, die fehlende Lage,

22 23

Vgl. Moffat/McCarren (1998), S. 32. Das Vorgehen der modernen flämischen Edition von Geeraedts beispielsweise, stillschweigend Verbesserungen vorzunehmen (d. h., es gibt im Text keine Kennzeichnung) und mit minimaler Warnung Lagen aus anderen Editionen einzuschieben, ist bedauerlich. Geeraedts (1986).

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die aus L1 ergänzt wurde, in einen Anhang zu stellen, doch das schien im Hinblick auf die Benutzbarkeit dieser Edition hinderlich. Lesbarer wird sie bestimmt, wenn der Textteil an einer Stelle steht, wo er nicht aus dem Kontext gerissen ist. Um aber Missverständnissen vorzubeugen, ist der Texteinschub aus dem L1-Fragment auf Lage D klar gekennzeichnet. Den Text des englischen Eulenspiegel in seiner Gänze an einem Ort dem Publikum an die Hand zu geben, ist das zentrales Anliegen dieser Edition, welches durch das Fehlen einer adäquaten Ausgabe gerechtfertigt ist. Eine auf gleiche Weise begründbare weitere Besonderheit dieser Ausgabe stellt die Abbildung des van-Doesborch-Textes auf einer Seite mit dem Copland-Text dar. Da das Blättern zwischen verschiedenen Anhängen umständlich und fehlerträchtig ist, sollte die hier gewählte direkte Gegenüberstellung die vergleichende Arbeit, die gerade die Eulenspiegel-Forschung in den letzten Jahrzehnten gekennzeichnet hat, erleichtern. Der van-Doesborch-Text ist ebenfalls durch die Quellenangabe im Apparat am Fuß der Seite klar gekennzeichnet sowie durch einen Strich vom Copland-Text deutlich getrennt. Um die Unterschiede zwischen den Copland-Ausgaben dennoch ohne Autopsie greifbar zu machen, sind neben dem Copy-Text alle relevanten Überlieferungsvarianten der weiteren Copland-Fragmente in einem Lesartenapparat integriert. Dieser Apparat befindet sich ebenfalls am Fuß der Seite, um die Benutzungsfreundlichkeit zu erhöhen. So sind die Überlieferungsvarianten auf einen Blick mit dem Copy-Text vergleichbar. Am Fuß jeder Seite, dem Variantenapparat jeweils vorangestellt, belegt ein Vermerk, in welchen Drucken außer L2 der Text bezeugt ist. Der Wert des Lesartenapparats liegt aber nicht in der Totalität, sondern in der Selektion der relevanten Lesarten. Da die frühneuenglische Orthographie sich durch eine große Zahl von Varianten für ein und dasselbe Wort auszeichnet, ist generell darauf verzichtet worden, diese zu lemmatisieren, es sei denn, es bestünde die Möglichkeit von Bedeutungsvarianten. Verzeichnet sind also alle sprachlichen Varianten, die über die orthographische Ebene hinaus Unterschiede abbilden; beispielsweise wurde nicht verzeichnet, wenn ›thei‹ statt ›the‹ steht, ›the‹ statt ›they‹, ›meruelous‹ statt ›maruelous‹, wohl aber wenn eine Veränderung in der Satzstellung vorliegt oder ähnliches. Es ist möglich, dass dadurch Aufschlüsse über die in der Copland-Offizin gesprochenen Dialekte verwischt werden, wobei aber die aufschlussreichsten Beispiele aufgeführt werden, wie z. B. ›woll‹ statt ›well‹. Jedoch ist die Intention der vorliegenden Edition nicht eine Darlegung der frühneuenglischen Regionalsprachen, deshalb erscheint ein solches selektierendes Vorgehen gerechtfertigt. Die Historien sind durchgehend nummeriert worden; als Zufügung der Herausgeberin stehen die Zahlen daher in eckigen Klammern. 30

Die Signaturangaben reproduzieren – wo nicht in eckigen Klammern – die Darstellungsweise in L2. Dabei bedeutet die Angabe der Lage mit Großbuchstabe und römischer Ziffer immer die Vorderseite (a), wo nicht ausdrücklich mit ›b‹ eine Rückseite gekennzeichnet ist.24 Letztere stehen aber immer in eckigen Klammern, weil in der Handpresszeit nur die Vorderseite des Blatts markiert wurde. Da im englischen Buchdruck nach französischer Art bei Lagen, die sich aus vier Blättern zusammensetzten, das letzte Blatt gängigerweise nicht mit einer Signatur versehen wurde, finden sich hier die meisten (weil ergänzt) in eckigen Klammern. Der Holzschnitt, der bei Copland unter dem Titel steht, wird auf der ersten Seite der Edition wiedergegeben. Die Illustration ist eine Darstellung Salomons und Markolfs.25 Markolf steht vor Salomon, der auf einem Thron sitzt, dahinter seine Frau. Für Leserinnen und Leser, die des modernen Englisch mächtig sind, sollte das Frühneuenglische gut verständlich sein und keine unüberwindbare Schwierigkeit bieten. Um mögliche Verständnisprobleme zu klären und vor ›falschen Freunden‹ zu warnen, gibt diese Edition jedoch eine Übersetzung sowie Erläuterungen schwieriger oder obsoleter Wörter bei.

1.1. Zur sprachlichen Normalisierung Anders als bei mittelhochdeutschen Texten gestaltet sich die orthographische Normalisierung von frühneuzeitlichen englischen Texten als schwierig: Obwohl beide eine große Breite bei den iterierenden Varianten zeigen, können mittelhochdeutsche Texte meist durch Normalmittelhochdeutsch wiedergegeben werden. Dies empfiehlt Heinzle als historisch adäquate Repräsentation der »graphische[n] und lautliche[n] Struktur des Textes«.26 Für englische Texte der frühen Neuzeit gilt zwar analog: »It is a commonplace that the spelling of English authors in the sixteenth and early seventeenth centuries was very varied.«27 Jedoch gibt es kein standardisiertes Frühneuenglisch, dass 24

25 26 27

Diese Nomenklatur entspricht den Vorgaben in Standardeinleitungen zur Bibliographie, die darauf hinweisen, dass die Bezeichnungen ›recto‹ für die Blattvorderseite und ›verso‹ für die Rückseite nur für Handschriften verwendet werden sollte bzw. der Verweis mit ›a‹ und ›b‹ sich auf eine Seite eher als ein ganzes Blatt bezieht. Obwohl sowohl die moderne französische als auch die niederländische Edition mit ›r‹ und ›v‹ operiert, folgt die vorliegende Edition der genannten bibliographischen Regel. Vgl. Weismann (1981), S. 537. Bzw.: Vgl. Gaskell (1995), S. 329. Vgl. S. 530ff. Heinzle (2003), S. 4. Gaskell (1995), S. 344.

31

diese Varianz ausgleicht. Insofern ist die Situation wiederum mit deutschen frühneuzeitlichen Texten vergleichbar, bei denen häufig ebenfalls die große Varianz in orthographisch nicht normalisierten Editionen belassen wird. Im Editionsbericht zu ihrer Faustus-Ausgabe erläutern Füssel und Kreutzer die von ihnen vorgenommene »Übersetzung« der gotischen Buchschrift in die heute verbindliche Antiqua.28 Die Bewahrung der charakteristischen Eigenheiten des frühneuzeitlichen Textes ist ihre Handlungsmaxime, weswegen sie nur minimale Eingriffe vornehmen und beispielsweise die »starke graphemische Varianz« unbereinigt lassen.29 In den meisten Fragen der Texteinrichtung folgt diese Howleglas-Edition demselben Prinzip: An einigen Stellen mussten Änderungen vorgenommen werden, beispielsweise die Korrektur offensichtlicher Druckfehler (z. B. auf dem Kopf stehende Buchstaben, ausgelassene Buchstaben, weggelassene Abstände zwischen Wörtern oder falsche Aufteilungen, Rechtschreibfehler, falsche Abbreviaturen). Trotz einer fehlenden Normorthographie können falsche Schreibweisen berichtigt werden. Die Basis für solche Korrekturen beschreibt Gaskell folgendermaßen: Nevertheless, although there cannot be said to have been a standard orthography during this period, the range of variation that was generally acceptable was limited; some variant spellings, or groups of variants, were rarely used and were in a sense ›wrong‹, even though they might be as reasonable phonetically as the ›right‹ spellings.30

Doch sind diese Korrekturen in der Edition immer durch Kursivsatz gekennzeichnet und in einem Apparat vermerkt, der dem Lesartenapparat voransteht. Die Groß- und Kleinschreibung des Textes wird trotz ihrer Variabilität übernommen, auch für Eigennamen. Ein Beispiel für die eben genannten Punkte mag sein, dass »howleglace« wohl zu »howleglas« korrigiert wird, weil die Schreibung mit ›s‹ die im Text gängige ist, aber nicht zu »Howleglas«, weil die Groß- oder Kleinschreibung des Namens im Text durchgehend variiert. Bewahrt wird auch die für die frühe Neuzeit typische Verwendung von ›u‹ und ›v‹ – ›v‹ am Wortanfang statt wie heute üblich ›u‹ und ›u‹ in der Wortmitte statt ›v‹ –, da dies eine sprach- bzw. druckgeschichtliche Entwicklung widerspiegelt. Modernisierungen wurden also weitgehend unterlassen, damit der Text möglichst nahe an seiner Originalform dem Publikum zugänglich wird.31 28 29 30 31

Füssel/Kreutzer (1988), S. 169. Ebd., S. 170. Gaskell (1995), S. 344f. In einer Edition vergleichbarer englischer Prosatexte aus der gleichen Zeit wie dem Howleglas wird eine Reihe von Modernisierungen vorgenommen, nur die graphemische Varianz wird belassen, wodurch m. E. der Text ›ent-entfremdet‹ wird: Vgl. Benson (1996).

32

Auch bei der Zeichensetzung wurde auf Eingriffe verzichtet, denn die ausgesprochen ungleichmäßige Zeichensetzung ist nicht nur ein Kennzeichen frühneuzeitlicher Texte, sondern die in diesem Text besonders auffälligen Unregelmäßigkeiten sind wahrscheinlich auf die Arbeitsweise der Offizin zurückzuführen. Zudem wurde während der Arbeit mit den modernen Editionen des flämischen und des französischen Eulenspiegel deutlich, dass bei manchen Textpassagen die Zeichensetzung für die Analyse des Textes entscheidend ist (vgl. S. 470) und eine modernisierte Edition den Vergleich unmöglich macht, wodurch wieder die Notwendigkeit einer Autopsie erzeugt wird, die doch eine moderne Edition weitgehend unnötig machen sollte. Im Einklang mit akzeptierter editorischer Praxis wurden alle Abbreviaturen stillschweigend aufgelöst.32 Nur im Apparat finden sich nicht aufgelöste Abbreviaturen, beispielsweise ›a¯‹ oder ›o¯‹, um den verzeichneten Fehler deutlich zu machen. Die Zeilenumbrüche sind stillschweigend aufgehoben, ebenso wie die Trennstriche, außer dort, wo über ein Seitenende hinaus getrennt wurde und die Wortteile nun um eine Signaturangabe stehen. Das Zeichen ›¦‹ markiert im englischen Text die Stelle, an der die Seite im Copy-Text endet; es ist der Bezugspunkt im Text für die Signaturangabe am Seitenrand. Das häufig vorkommende langschäftige ›s‹ ist auf ein kurzschäftiges reduziert, weil – wie Füssel und Kreutzer ausführen – »das lange oder Schafts-s [.] in der Antiqua nicht mehr existiert.«33 Während allerdings Füssel und Kreutzer darauf verzichten, die Holzschnittinitialen über die Verwendung von regulären Großbuchstaben (Versalien) aus dem Antiquasatz hinaus zu kennzeichnen, sollen in dieser Edition diese Initialen durch den Einsatz einer größeren Type deutlich gemacht werden. Typographische Initialen dagegen werden hier nur durch einen regulären Versalbuchstaben wiedergegeben. Beibehalten wurde darüber hinaus – im Gegensatz zu Füssel und Kreutzer – die »rein graphische Auszeichnung«34 des auf die Initiale folgenden weiteren Großbuchstaben, da diese graphischen Merkmale eine Aussage sowohl über den frühneuzeitlichen Usus im Buchdruck als auch über die Arbeitsweise einer speziellen Offizin zu machen scheinen. Ob nämlich ein Buchdrucker diese ungeschriebenen Normen für verbindlich anerkennt und sie befolgt oder ob eine gewisse Nachlässigkeit zu verzeichnen ist, kann seine Arbeitsweise, wenn nicht Denkweise erhellen, weswegen eine nicht notwendige und fast sinnwidrige Tilgung dessen, was der Text doch vorgibt und anbietet, hier unterlassen wurde: Der Drucker William Copland hatte offensichtlich 32 33 34

Dies gilt ebenfalls für sämtliche Titelnennungen und Zitate aus frühen Drucken. Füssel/Kreutzer (1988), S. 171. Ebd.

33

nur begrenzten Zugang zu besonders gestalteten Initialen, weshalb an einigen Stellen in den am Historienanfang freigelassenen Raum nicht nur kein Holzschnittinitial oder Initial, sondern nur ein gewöhnlicher Großbuchstabe gedruckt wurde. Um zwischen solchen Versalien und Holzschnittinitialen zu unterscheiden, sind letztere in dieser Edition also besonders gekennzeichnet. Auszeichnungsobjekte, wie beispielsweise die Holzschnittinitialen oder Zierleisten, sind zur Ansicht im Anhang, S. 569ff., beigegeben. Obwohl fehlende oder falsch gesetzte Abstände zwischen Wörtern verzeichnet werden, wo sich dadurch eventuell Bedeutungsunterschiede ergeben könnten, wurde darauf verzichtet, die Variabilität der Abstände zwischen Wörtern je nach verfügbarem Platz in der Zeile als Besonderheit des frühen Buchdrucks in allen Details zu reproduzieren. Auch fehlende oder zu große Leerstellen nach Satzzeichen werden daher nicht aufgeführt, da dies keine interpretatorische Veränderung des Texts darstellt. Solche Verbesserungen wurden also stillschweigend durchgeführt.

1.2. Zur Übersetzung Diese Übersetzung zielt auf eine möglichst wortgetreue Übertragung aus dem Englischen, die als Kontrollübersetzung und Hilfestellung für das Verständnis des frühneuenglischen Texts dienen soll. Die Wiederholungen und uniformen Strukturen des englischen Texts werden immer gleich übersetzt, auch auf die Gefahr der Monotonie hin. Diese Monotonie zeichnet aber auch das Original aus. Die derbe Wortwahl folgt der Vorlage und es wurde darauf verzichtet, Anstößiges zu beschönigen. Grammatische Schwierigkeiten bei der Übersetzung ergeben sich vor allem in drei Bereichen: bei den Modalverben, den Tempora und den Modi. Die Modalverben ›will‹ und ›shall‹ werden im englischen Text in all ihren Formen häufig verwendet; ›will‹ enthält trotz der futurischen Funktion, also ›werden‹, auch oft implizit den Intentionscharakter des Wollens, so dass die Übersetzung zwischen ›werden‹ und ›wollen‹ wechselt. Für ›shall‹ gilt, dass in der Form ›should‹ neben die futurische Funktion auch die Bedeutung ›sollen‹ tritt, gerade in der indirekten Rede. Die Tempusverwendung unterscheidet sich im Englischen und im Deutschen grundsätzlich im Gebrauch der Vergangenheit. Im Englischen benutzt man für die Erzählung von Vergangenem auch in der informellen Sprache vorwiegend das Präteritum, während das Deutsche sich der Perfektformen bedient. Um zu gewährleisten, dass die Übersetzung sich als moderner deutscher Text angemessen lesen lässt, werden daher in dieser Übersetzung in fast allen Fällen in Redepartien Perfektformen 34

eingesetzt, wo im Englischen das Präteritum zu finden ist. Die Frage nach den Modi ist deshalb relevant, weil im englischen Eulenspiegel viel indirekte Rede benutzt wird. Im Englischen gibt es – anders als im Deutschen – keine spezifischen Formen des Konjunktivs. Hier wird die indirekte Rede getreu den deutschen Regeln des Konjunktivgebrauchs im Konjunktiv wiedergegeben, was allerdings zu einer erzählerischen Distanz führt, die der englische Text nicht kennt (»he said he did« ist ›unmittelbarer‹ als »er sagte, er habe getan«). Im Hinblick auf die Anrede verwendet das Frühneuenglische noch die Formen von ›thou‹, die in der späteren Sprachentwicklung durch ›you‹ ersetzt werden.35 Allgemein bezeichnet ›thou‹ in dem Zeitraum, mit dem wir es hier zu tun haben, entweder jemanden, der einem vertraut ist oder der einen niedrigeren sozialen Rang innehat (vgl. Historie 7)36, dagegen ›you‹ jemanden, der höher gestellt oder gleichrangig ist. So wird ›you‹ immer als Anrede in der Höflichkeitsform übersetzt – also ›Euch‹, ›Ihr‹ –, dagegen ›thou‹, ›thee‹ und ›thine‹ als ›dein‹ etc. Schwieriger ist die Übertragung des ebenso häufig verwendeten ›ye‹, welches sowohl in Anreden erfolgt, die vom ›thou‹ geprägt sind, als auch in solchen, in denen sich ›you‹ findet. In solchen Mischfällen wird die bereits genannten Anrede beibehalten, d. h. wenn sie durch die vorherige Verwendung eines der Pronomen deutlich ist, wird dieser Anredeform gefolgt. Ist dies nicht der Fall, ist die Anredeform aus dem Kontext erschlossen. Bei der Schreibung der Ziffern werden, entgegen der Norm im heutigen Deutsch, von der Zahl zwölf an Zahlen zu verwenden, die Zahlen dort ausgeschrieben, wo sie im Englischen ausgeschrieben sind, und als arabische Ziffern dort gesetzt, wo die Vorlage römische Ziffern verwendet. Inhaltliche Schwierigkeiten ergeben sich für die Übersetzung vor allem bei den Eigen- und Ortsnamen, die der englische Text häufig völlig entstellt: Dies ist im Vergleich mit den anderen europäischen Überlieferungen feststellbar, besonders der deutschen. Da es sich jedoch bei der vorliegenden Übersetzung um eine Übertragung des Copy-Texts handelt, werden die falschen Formen wie »Ruelnige« für »Knetlingen« (H 1) oder »Eryme« für »Bruno« (H 11) beibehalten. Um der historischen Überlieferung der Geschichten im deutschen Sprachraum, den europäischen Zusammenhängen und den Ergebnissen der Eulenspiegel-Forschung dennoch gerecht zu werden, sind diese Formen aber mit Fußnoten versehen, welche die wahrscheinlich gemeinten Namen in ihrer heutigen Form angeben. Der Bedeutung der Fehlübertragungen im Howleglas als Abbildung von Überlieferungslinien bzw. 35 36

Vgl. die Darstellung im OED2. Im Folgenden wird Historie mit H abgekürzt, darauf folgt die Nummer der Historie.

35

ihrer Brüchen wird im VI. Kapitel dieser Arbeit Rechnung getragen, indem sie in ihrem europäischen Kontext diskutiert werden. Wo die im englischen Text korrekt benutzten Orts- und Personennamen deutlich Übersetzungen zeitgenössischer Bezeichnungen darstellen und klare deutsche Pendants haben, sind sie ohne weitere Anmerkung rückübersetzt worden. Dies gilt beispielsweise auch für den Titelhelden, dessen Name dementsprechend als Eulenspiegel übersetzt wird. Da das Textverständnis des Copy-Texts an einigen (korrupten) Stellen durch bessere Lesarten im Apparat erleichtert wird, geben in diesen Fällen Fußnoten in der Übersetzung Hinweise auf diesen Sachverhalt. An einigen Stellen werden in der Übersetzung Korrekturen des englischen Originals vorgenommen, wo es sich um offensichtliche Flüchtigkeits- oder Druckfehler handelt, die nicht auf eine korrumpierte Überlieferung zurückzuführen sind, beispielsweise ausgelassene Wörter oder plötzlicher Wechsel von direkter in indirekte Rede. Diese Korrekturen sind, entsprechend dem Editionstext, kursiviert und werden in den Fußnoten erläutet. Wo der englische Text Fehler oder Unklarheiten enthält, die das unmittelbare Verständnis erschweren oder sogar vereiteln, wird das Problem ebenfalls in einer Fußnote behandelt. Diese Stellen werden in der Regel ausführlich im Zusammenhang der Quellen oder Vergleichstexte erörtert in Kapitel VI. Kurze Erklärungen zu heute obsoleten oder schwierigen Wörtern finden sich ebenso in den Fußnoten, die eine weitere Hilfestellung für das Textverständnis bieten sollen. Eckige Klammern kennzeichnen in der Übersetzung Wörter oder Passagen, in denen zur Verdeutlichung im Deutschen etwas hinzugefügt oder freier übersetzt werden musste.

2. Druckbeschreibungen der Howleglas-Drucke Die verschiedenen Howleglas-Drucke werden in dieser Edition der Übersichtlichkeit halber mit Kürzeln benannt. Diese setzen sich in der Tradition der Eulenspiegel-Forschung aus einem Großbuchstaben, der den Entstehungsort anzeigt, wo nötig, einem Kürzel für die verwendete Sprache, und der Datierung des Druckes zusammen. Aus dem ersten englischen Eulenspiegel, der wahrscheinlich der Offizin Jan van Doesborchs in Antwerpen entstammt, wird auf diese Weise z. B. Ae. 1519? Da auch flämische Eulenspiegel aus Antwerpen existieren, muss hier ›e.‹ für ›englisch‹ zur Verdeutlichung beigefügt werden; das Fragezeichen kennzeichnet das unfirmierte Datum (evtl. sollte der erste Howleglas vor 1516 datiert werden, vgl. S. 288ff.). 36

Von den Howleglas-Drucken William Coplands in London sind allerdings zwei der Fragmente nicht datiert oder nur in Relation zu den anderen Drucken in eine Chronologie zu ordnen, so dass dieser Benennungsmodus einen für die Lesenden unerfreulichen Stolperstein darstellen würde. Daher werden in den folgenden Ausführungen Kürzel verwendet, welche die ungefähre Abfolge der Drucke kennzeichnen, aber nicht bei jeder Nennung auf das Fehlen von Daten verweisen. In Kapitel II.2.6., S. 57ff., sind die Grundlagen für die chronologische Einordnung der Drucke im Detail analysiert, an dieser Stelle werden die Drucke und ihre Kürzel daher nur tabellarisch aufgeführt:

Kürzel

Langform

Drucker

Datum

Bibliothek u. Signatur

STC2Nr.

Ae. 1519?

Ae. 1519?

Jan van Doesborch?

vor 1516–19?

BL C.34.f.41

10563

L1

L 1548/58

William Copland?

vor L2*, 1545–58?

BL C.21.c.53

10563.5

L2**

L 1558/62

William Copland

1558–62

BL C.21.c.57

10564

o

L3

L 1563/67

William Copland

1563–67

Bod. 4 .Z. Art.Seld. (7)

10565.5

L?

L 1548/67

William Copland?

?

BL Harley 5919 (45)

---

* Die Datierung dieses Texts ist im Kontext der anderen Drucke Coplands vielleicht ab 1554 anzusetzen, vgl. die ausführliche Diskussion auf S. 370f. ** Copy-Text der vorliegenden Edition

Es handelt sich bei allen vorliegenden Drucken nicht nur um Fragmente, sondern auch jeweils um Unikate einer Auflage. Daher ist es nicht möglich, im Sinne Gaskells37 oder Weismanns38 bibliographische Beschreibungen vorzulegen, die das ideale Exemplar – im Gegensatz zum spezifischen Exemplar – darstellen. Dieses Problem betrifft insbesondere den ersten HowleglasDruck, in dessen Beschreibung sich so Elemente der exemplarspezifischen Charakteristika nicht vermeiden lassen. Dagegen stimmen die vier CoplandAuflagen so stark überein, dass sich aus den vorliegenden Fragmenten die Hauptbestandteile einer idealtypischen Edition entwickeln lassen. Sie geht

37 38

Vgl Gaskell (1995), S. 321. Vgl. Weismann (1981), S. 468 (3.).

37

nur aus der Zusammenschau aller Exemplare hervor, wird aber hier den bibliographischen Beschreibungen der einzelnen Fragmente vorangestellt. Nachfolgend schließt sich eine Analyse der exemplarspezifischen Merkmale an, die in verschiedene Kategorien unterteilt ist. Es werden zunächst also nur die wichtigsten Merkmale zusammengefasst, die von diesem Unikat des ersten englischen Eulenspiegel abgeleitet werden können: Ae. 1519? Howleglas. [Antwerpen: Jan van Doesborch, 1519?] [Titelbl. fehlt; beginnt mit Sign. J1a, l. 1: »with a good wyll and than take Howleglas ye«] 4o. 8 Bl. +? ungez.; Sign.: J4? K6? [$139, -J1?]; Drucktype: Textura; 1 Holzschnitt und 4 Holzschnittleisten [J4a: HSchn.: Eulenspiegel nimmt Krug vom Weinzapfer entgegen, 72 x 63 mm; HSchn.leisten: links u. rechts: Sonnenblumen, weiß auf schwarzem Grund, links: 85 x 10 mm, rechts: 83 x 11 mm; oben: Konsolsims40, schwarz auf weißem Grund, 9 x 65 mm; oben, links, rechts: Doppelrahmen; unten: Kapitelle mit Weinlaub/Blättern, Gewölbe, schwarz auf weißem Grund, 12 x 85 mm; (Malteser)Kreuze, Punkte]. 28 Zeilen. Die idealtypische bibliographische Beschreibung nach den Copland-Drucken L1, L2, L3, L? gestaltet sich folgendermaßen: Howleglas [London: William Copland]. Here beginneth a merye Iest of a man that was called Howleglas, and of many maruaylous thynges and Iestes that he dyd in his lyfe, in Eastland and in many other places. 4o. 48 Bl., ungez.; Sign.: A4-M4 ($3)41; Seitenkust.; Drucktype: Textura, Titel-Holzschnitt [A1a: Salomon und Markolf, 133 x 92 mm]. 32 Zeilen.

39

40 41

Das Dollar-Zeichen fasst die Kennzeichnung der Signaturen im Druck zusammen. $1 bedeutet demnach, dass nur das erste Blatt der Signatur gekennzeichnet ist (K.i.); $3 würde bedeuten, dass der Bogen bis zum dritten Blatt mit einer laufenden Signatur versehen ist (K.i., K.ii., K.iii., aber nicht K4). Vgl. Gaskell (1995), S. 331. Dies ist ein Beschreibungsversuch, der durch folgende Abbildung unterstützt werden kann: Vgl. Koch (1993), S. 200. Vgl. Fußnote 39.

38

2.1. Ae. 1519? Ae. 1519? Howleglas [Fragment]. [Antwerpen: Jan van Doesborch, 1519?] [Titelbl. fehlt; beginnt mit Sign. J1a, Z. 1: »with a good wyll and than take Howleglas ye«] 4o. 8 Bl. +?, ungez., Blattnummerierung per Hand; Sign.: J4? K6? [$1, -J1?] [Teil von J1 und K3–4 fehlt]; Drucktype: Textura [Erscheinungsbild des Kegels: 96mm; Kegel 96. Buchstabenbild 80 x 2.5 (x-Höhe): 4.0 (Versalie)]; 1 Holzschnitt und 4 Holzschnittleisten [J4a: HSchn., auf dem Eulenspiegel den Krug vom Weinzapfer entgegennimmt, 72 x 63 mm; HSchn.leisten: links und rechts: Sonnenblumen, weiß auf schwarzem Grund, links: 85 x 10 mm, rechts: 83 x 11 mm; oben: Konsolsims, schwarz auf weißem Grund, 9 x 65 mm; oben, links, rechts: Doppelrahmen; unten: Kapitelle mit Weinlaub/Blättern, Gewölbe, schwarz auf weißem Grund, 12 x 85 mm; (Malteser)Kreuze, Punkte]. 28 Zeilen, Zeilenmaß:42 138 x 85 mm (J1b). Exemplar: London, BL; Signatur: C.34.f.41. Bibliogr.: Proctor (1894), S. 31; Brie (1903), S. 126ff.; NK 1144; STC2 10563; STCN43 S. 72 [Eulenspiegel, Tyll]. Lit.: Brie (1903), S. 4ff.

2.1.1. Einband Braune Pappe; BM-Einbanddeckel vorne und hinten: Krone mit Kugel oben und kleinem Kreuz unten.

2.1.2. Inhalt Die deutschen Historien 43 (im englischen Text wahrscheinlich entsprechend H 26), 63 (30), 64 (31) sind teilweise enthalten, H 46 (27), 48 (28), 57 (29), 66 (32) vollständig. Das Exemplar ist verbunden, weshalb in diesen

42 43

Zur Erklärung der Terminologie vgl. Weismann (1981), S. 495f. Es handelt sich um den Short Title Catalogue der niederländischen Drucke: Johnson/ Scholderer (1965). Im Folgenden abgekürzt als STCN.

39

Erläuterungen zusätzlich zur wahrscheinlichen Signatur auch das Blatt in seiner jetzigen Bindung genannt wird, um die Übersicht zu erleichtern. In seiner jetzigen Form beginnt das Fragment mit der Historienüberschrift zu H 29: »Howe Howleglas deseyued a wyne drawer« (J4a, Bl. 1a) und dem darauf folgenden Holzschnitt, der diese Historie illustriert, sein Ende fällt mit den letzten Zeilen von H 28 zusammen: »and than Howleglas spake neuer a worde more but toke al his clothes and went his waye and cam no more there« (J3b, Bl. 8b). Das eigentliche Ende des Fragments befindet sich aber der richtigen Historienfolge nach in H 32: »and in this maner serued he his Hooste and the hoostayse« (K6b, Bl. 5b). J1 (Bl. 6) ist defekt; die Blattränder sind mit neuerem Papier geflickt.

2.1.3. Lagen Ein Problem ist bei diesem Druck die Zuordnung der Bögen und Signaturen. Seit Proctor werden die Signaturen wie oben angegeben, jedoch wären durchaus auch andere Signaturfolgen vorstellbar. Läge nämlich tatsächlich die Folge 4/6 vor – so dass Lage I vier Blatt umfassen würde und K sechs –, wäre dem Drucker durch das Auslassen der Benennung der Signatur I ein Fehler unterlaufen. Ebenso gut möglich ist aber, dass die Signatur des Bogens K versehentlich ausgelassen wurde und dieser ebenso wie I nur vier Blatt umfasst. Die Frage der Signaturen ist deshalb von Bedeutung, weil diese Aufschluss über den Umfang des vollständigen Buches geben könnten.

2.1.4. Papier Das Papier misst 19 x 14,5 cm; diese Größe entspricht relativ genau »pot«.44 Das Papier ist von durchschnittlicher Qualität. Da die Wurmlöcher im Papier nicht durchgängig sind, waren die Würmer wohl in den Blättern, bevor das Buch gebunden bzw. die Seiten zusammengelegt wurden, evtl. sogar schon, bevor das Papier bedruckt wurde?45 Die Kettlinien sind horizontal und zwischen 2,3 und 2,5 cm voneinander entfernt. 44

45

Verwendet man dagegen Gaskells Umrechnungsarten, um zur tatsächlichen Papiergröße zu gelangen, ergibt sich mit 40 x 30 cm eine Größe, die zu keiner Standardpapiergröße passt. Vgl. Gaskell (1995), S. 73. Nach Auskunft des Bibliothekars von St. Bride’s Printing Library wiesen Druckerzeugnisse, die zum Export bestimmt waren, oft eine schlechtere Qualität auf als die für den einheimischen Markt, aber das hier verwendete Papier scheint, von seinem heutigen Zustand her zu urteilen, dennoch akzeptabel gewesen zu sein.

40

2.1.4.1. Wasserzeichen Für die post-quem-Datierung des Druckes wäre eine klare Zuordnung der Wasserzeichen wünschenswert, jedoch lassen sich die hier vorhandenen nicht eindeutig festlegen. Bei den Wasserzeichen handelt es sich um eine Hand, eine Blume und ein Einhorn. J1 (Bl. 6): Hand/J4 (Bl. 1): vierblättrige Blume. Keine absolute Übereinstimmung in Briquet; am ähnlichsten ist Nr. 11424 (Antwerpen, 1506–12). K2 (Bl. 3)/K5 (Bl. 4): Einhorn. Keine absolute Übereinstimmung in Briquet; sehr ähnlich sind Nr. 1962 (Mechelen, 1525), 1964 (Antwerpen, 1524), 1965 (Arnhem, 1527), 1966 (Köln, 1524), 1967 u. 68 (Antwerpen, Breda, 1525), 1969 (Valenciennes, 1523). Daraus geht hervor, dass eine Datierung aufgrund der ähnlichsten Wasserzeichen eher zwischen 1523–1527 liegen dürfte als vor 1520.

2.1.5. Stempel J4 b (Bl. 1 b): Stempel des British Museum (BM): oval, gelb, »14 MY 87«. (=1887); derselbe auf J3b (Bl. 8b). K1b (Bl. 2b): ovaler, gelber BM-Stempel mit zwei Löwen, die ein Wappen halten.

2.1.6. Provenienz Dass dieses Fragment aus einem Folio-Einband gerettet wurde, zeigen die dunklen Ränder des Papiers. Es scheint, als ob die überlebenden Seiten insgesamt als Pappband verwendet wurden. Die Farbreste auf K2b (Bl. 3b) und K5a (Bl. 4a) scheinen darauf zu deuten, dass das Fragment als Einband für ein Buch mit handgemalten roten und blauen Initialen gedient haben könnte. Der gelbe Stempel (s. o.) bedeutet, dass dieses Fragment als Schenkung in die Sammlung des BM gekommen ist. Der Eintrag im Verzeichnis der Schenkungen für den Zeitraum vom 4. August 1885 bis zum 14. Mai 1887 (DH 53; 14) nennt am 14. Mai 1887 unter der laufenden Nummer 51: »(Parts of two Sheets of a B.L. edition of Howleglas?) Pres. by R. J. Whitwell; 69, Highgate; Kendal.« Frederic Boase macht folgende Angaben über den Stifter: Whitwell, John (2 son of Isaac Whitwell of Kendal). b. Kendal 6 Sept. 1812; a manufacturer at Kendal [er besaß eine Teppichfabrik; AHZ]; mayor of Kendal 6 times; president of chamber of commerce and of National association of chambers of commerce to death; lieut. col. Westmoreland rifle volunteers 4 May 1869 to 41

death; M.P. for Kendal 16 Nov. 1868 to death; author of The necessary legislation for incorporating trades societies. d. Bank house, Kendal 28 Nov. 1880. Times 29 Nov. 1880 p. 9, 3 Dec. p. 5.46

Da Whitwells Tod zum Zeitpunkt der Schenkung bereits sieben Jahre zurücklag, war wahrscheinlich seine Tochter und Erbin für die Übereignung des Fragments an das BM verantwortlich (vgl. S. 561f.).

2.1.6.1. Marginalia Auf J4a (Bl. 1a) findet sich in den Holzschnitt hineingeschrieben: »Howleglas«. Da es sich um eine Handschrift aus dem 16. Jahrhundert handelt, lässt sich schließen, dass dieser Druck schon im 16. Jahrhundert ein Fragment war, auf das der Titel so vermerkt wurde. J4b (Bl.1b) hat entlang des Seitenstegs die handschriftliche Notiz: »[faire] | Malim cedendo vincere quam cædendo vinci | [Notenschlüssel] | Non amo nimium diligentem minimum diligentemus«.47 Auf K2b (Bl. 3) steht in einer Handschrift des 16. Jahrhunderts eine Liste mit Einträgen, die sich auf das Bogenschießen beziehen: »[ytem] [..?] fly[?] --- xl | [ytem] [..?] other [quyver] --- xl | [ytem] [..?] flyght quyver --- xx[ij?] | [ytem] [..?] [s..?] bow case --- x bow[?] | [ytem] [..?] [other] case --- vij« (= 40 Pfeile, 20 Köcher, 10 andere Bogenkoffer, sieben sonstige Kästen).

2.2. L1 Mit hoher Wahrscheinlichkeit stammt dieser Druck aus der Presse William Coplands. Wie der genaue Vergleich auf S. 57ff. ergibt, handelt es sich möglicherweise um den ältesten unter den Copland-Eulenspiegeln, von etwa 1554–58. 46 47

Boase (1901), Spalte 1330. Die Übersetzung dieser Passagen wird durch ihre Fehlerhaftigkeit erschwert: »Ich will lieber durch Nachgeben siegen, als durch Töten besiegt zu werden.« Und: »Ich liebe den nicht, der allzusehr denjenigen schätzt, der (ihn) am wenigsten (oder: gar nicht) schätzt.« Interessanterweise lassen sich die Textstücke auf antike Quellen zurückverfolgen, allerdings ist die Referenz im Fall des »Non amo…« deutlicher: Sie findet sich in Ciceros De Oratore 2.272 (»non amo nimium diligentes). Der beste Beleg für »Malim cedendo…« findet sich in Ambrosius’ De Officiis 1,5,20 (»ita sunt arma iusti, ut cedendo vincat«). Es ist also deutlich, dass ein Leser dieses Howleglas Zugang zu klassischen Texten hatte, aus denen er, wenn auch fehlerhaft, Versatzstücke zitiert. Für die Hinweise dankt die Verfasserin Herrn Dr. Dirk Uwe Hansen am Institut für Altertumswissenschaften der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald.

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L1. Howleglas [Fragment]. [London: William Copland, 1554–58?] Here beginneth a me | rye Iest of a man that was called Howle- | glas, and of many meruaylous thynges and | Iestes that he dyd in his lyfe, in East- | land and in many other places. 4o. 48 Bl. (Bl. B, K4, L, M leer/handschriftliche Eintragung des Texts nach L2), ungez.; Sign.: A4-I4, K1, K2, K3 ($3: -E3, -H3, +I4, -K348); Seitenkust.; Drucktype: Textura [Erscheinungsbild des Kegels: 92mm; Kegel 92. Buchstabenbild 80 x 2.5 (x-Höhe): 3.0 (Versalie)], Titel-Holzschnitt [A1a: Salomon und Markolf, 133 x 92 mm], 1 Holzschnitt-Initial [A2a: Buchstabe I mit zwei Seepferdchen, die es von beiden Seiten anschauen, schwarz auf weißem Grund, mit Doppelrand, 18 x 18 mm], 1 Holzschnittleiste [A1b: Blätter, Blume und Schmetterling im Zentrum, schwarz auf weißem Grund, abgenutzt (links kein Rand sichtbar, rechts oben fehlt Ecke), 81 x 12 mm] 32 Zeilen, Zeilenmaß: 149 x 96 mm [I1b]. Exemplar: London BL; Signatur C.21.c.53. Bibliogr.: Mackenzie (1860), Appendix A, S. 221f.; Catalogue of Books in the Library of the British Museum […] (1884), Bd. 1, S. 601 [Eulenspiegel, Till (2.)]; Zall (1963)49; STC2 10563.5. Lit.: Brie (1903), S. 6ff.; Krogmann (1952), S. xif.; Honegger (1973), S. 50ff.; Blamires (1989), S. 51f.

2.2.1. Einband Rotes Leder, verziert mit goldenem Stempel vorne und hinten mit den verschlungenen Initialien Edward Vernon Uttersons (vgl. S. 45 sowie S. 559f.). Vorderer Buchdeckel: ovaler Aufkleber mit Ritterhelm über Schild, der oben drei Sterne in Kreisen zeigt, in der Mitte ein Schiff (gold auf grün).

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Dies sind die fehlenden oder zusätzlichen Signaturangaben. D. h. beispielsweise: Auf Blatt E3 ist keine Signaturangabe gemacht, obwohl eine zu erwarten wäre, auf I4 findet sich eine, wo keine stehen sollte. Zalls Transkript umfasst von diesem Druck nur die Lage D, womit er den Copy-Text nach L2 ergänzt.

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2.2.2. Type Nach der Typenstudie Isaacs50 lassen sich bei einigen Buchstaben besonders deutliche Unterschiede zwischen den verwendeten Schriftsätzen feststellen; in den Eulenspiegel-Drucken Coplands handelt es sich dabei v. a. um das v und das w/W. In L1 werden die v3-, die w5c- und die w13a-Varianten verwendet.

2.2.3. Papier Die Maße betragen ca. 35 x 25 cm.51 Es handelt sich wahrscheinlich um das Papierformat »pot« (vgl. auch S. 49). Das Papier ist hier insgesamt viel dicker als bei L2, die Kettlinien (Abstand zwischen 2 und 2,7 cm) treten nicht so deutlich hervor. Es ist auch viel gelblicher.

2.2.3.1. Wasserzeichen In diesem Exemplar ist das häufigste Wasserzeichen ein Krug mit Blume, das Motiv der Hand mit Blume/Stern taucht dagegen nur einmal auf. A2, C2, E2: Krug mit Blume, ähnlich Briquet Nr. 12746 (1556) oder Nr. 2739 (1556), zu der Briquet jedoch keine weitere Beschreibung gibt. D1/D4: weiterer Krug; eine genaue Zuordnung zu Briquet ist nicht möglich. G1/G4: weiterer Krug mit Blume, wieder am ähnlichsten Briquet Nr. 2739 (s. o.). Da der Bauch zwei Querstriche hat, kann er nicht zu 12746 gehören (darauf zu sehende Buchstaben sind nicht zu entziffern). I4: Fuß eines Kruges, nicht nach Briquet identifizierbar. H2/H3: Hand mit Blume/Stern. Briquet Nr. 11349 (Lisieux, 1556)? oder 11359 (Holland, 1554)? Diese ungefähre Datierung der Wasserzeichen legt ein Entstehungsdatum ab 1556 nahe.

50 51

Vgl. Isaac (1932), S. 104. Die Seitenhöhe beträgt in diesem Druck ca. 17 cm, die Seitenbreite ca. 12.5 cm. Nach Gaskells Anweisungen (0.5 cm bis 1 cm zu jedem Wert addieren, dann jeden Wert mit 2 multiplizieren) wären dies 35 cm und 25 cm. Jedoch findet sich in seiner Tabelle unter dem Format Quarto nur die Bogengröße Royal (30 x 23), was zu klein für die hier gemessenen Größen erscheint. Vgl. Gaskell (1995), S. 86.

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2.2.4. Stempel A1b: roter ovaler BM-Stempel; K3b, M2b und M4b: roter Nummernstempel »6 OC 57«. (=1857).

2.2.5. Provenienz Der letzte Besitzer vor dem BM, in dessen Besitz das Buch 1857 kam, vgl. Stempel, war Edward Vernon Utterson52 (1777–1856) (vgl. S. 559f.). Doch deutet Hebers Handschrift53 auf dem Blatt vor dem Titelblatt darauf hin, dass dieser es 1812 bei der Auktion der Bibliothek des Duke of Roxburgh54 für £14.5.0 gekauft hatte. Hebers Sammlung wiederum wurde in den 1830ern versteigert, welches der Zeitpunkt des Kaufes durch Utterson gewesen sein dürfte. Am 26. Februar 1858 wurde es vom Buchhändler Boone gekauft.55

2.2.5.1. Marginalia Auf dem Titelblatt findet sich in einer Handschrift des 16. Jh.: »[Chralher?] Charles«; in einer anderen Handschrift (auch 16. Jh.?) steht »1530«. Wahrscheinlich beruht auf dieser falschen Jahreszahl die Zuschreibung des BLKatalogs, die den Druck bis heute auf 1530 datiert. 52

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55

Utterson war ein wichtiger Buchsammler und Bibliophiler. Seine Bedeutung wird ersichtlich, wenn man in Betracht zieht, dass seine Sammlung (in zwei Versteigerungen; die erste 1852, die andere 1857 posthum) für fast £9.000 verkauft wurde. Der Howleglas erlangte £12, 5s. Vgl.: Quaritch (1969), S. 301–306. Heber war ein anderer der großen Bibliophilen des 19. Jahrhunderts, fast schon ein Bibliomane, mit einer Vorliebe für kleinformatige Bücher. Seine Sammlung umfasste unglaubliche 150.000 Bände, die er in verschiedenen europäischen Großstädten aufbewahrte. Entsprechend langwierig war die Auktionierung dieser unsortierten Bücher (mit vielen Doppel- und sogar Dreifachstücken); sie zog sich von 1834–37 hin. Vgl. de Ricci (1930), S. 102ff. John Duke of Roxburghe (1740–1804) war einer der herausragendsten Büchersammler seiner Zeit (vgl. Quaritch (1969), S. 241–250.). Er spezialisierte sich auf mittelalterliche englische Romanzen (Arthus-Kreis). Daneben besaß er aber auch anderes: »Other books of special note were the first edition of Arnold’s Chronicle, and the Life of Vergilius, both printed at Antwerpe at the beginning of the sixteenth century.« (Quaritch (1969), S. 242). Das bedeutet, dass der Letztgenannte ein van-Doesborch-Druck war, da niemand anderes zu dieser Zeit in Antwerpen einen Virgilius-Druck auf Englisch herausgegeben hatte. Des Weiteren besaß er verschiedene literarische Texte und außergewöhnliche Drucke, auch aus der Zeit nach 1600. Seine Bibliothek (ca. 30.000 Bde. und mehr) wurde 1812 für mehr als £23.000 versteigert. Für diesen Hinweis ist die Verfasserin Giles Mandelbrote, ehemals Curator of Rare Books in der BL, dankbar.

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Die ersten Seiten tragen viele handschriftliche Bemerkungen in unterschiedlichsten Schriftzügen:56 1. »Lilly 1842; a/-binding« [eine Hand]; 19. Jh., Utterson? 2. »Such is the variety of this volume that only one other copy is known – viz. that in the British Museum, which is of another Edition, and is also slightly imperfect*, wanting the corner of a leaf – This copy was purchased at the Roxburgh sale by the late W. Heber, whose note will be seen on the fly-leaf immediately preceeding the title. *on a more accurate inspection of the above volume, I have discovered that it wants an entire sheet. viz.«. 3. [in unterschiedlichen Händen] »Mem to examine the Museum copy«; »1812 Roxburgh sale £14,5,0«; »A merry Jest of a Man called Howleglas, Imperfect«; »MERYE JEST OF HOWLEGLAS«. 4. »Sig M2, probably of this edition is in the Bagford Collection, Harley 5919 (45) RJR« [Julian Roberts]. A3a [Fußsteg, auf dem Kopf stehend]: »From hart to the [?] per me Jacobii«, in Schrift des 16. Jahrhunderts. A4a: »The specke of the« [17. Jahrhundert?]. Beide Schriftzüge sind im Zuge des Schneidens des Exemplars auf die heutige Größe abgeschnitten worden. Es ist davon auszugehen, dass die Bogengröße großzügiger war, als es die heutige Buchgestalt vermuten ließe.

2.3. L2 Diese Auflage aus William Coplands Offizin kann durch das Kolophon auf die Jahre 1558–62 eingegrenzt werden. Sie wurde als Copy-Text für die vorliegende Edition verwendet. L2. Howleglas [Fragment]. London: William Copland [1558–62] [Here beginneht] [!] a [me] | rye Iest of a man that was called Howleglas, and | of many marueylous thinges and Iestes that | he dyd in his lyfe, in Eastlande and in many | other places. Kolophon: Imprynted at London in Tamestrete at the | Uintre on the thre Craned wharfe | by Wyllyam Copland. [drei Punkte in Klammern] 4o. 48 Bl. (Bl. D leer), ungez.; Sign.: A4-M4 ($3: +B4, -A1, -D, -H2, -K2); Seitenkust.; Drucktype: Textura [Erscheinungsbild des Kegels: 92 mm;

56

Diese wurden zum Teil bereits an anderer Stelle transkribiert. Vgl. beispielsweise Mackenzie (1860), Appendix A, S. 222.

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Kegel 92. Buchstabenbild 80 x 2.5 (x-Höhe): 3.0 (Versalie)]; Titel-Holzschnitt [A1a: Salomon und Markolf, 133 x 92 mm], 3 Holzschnitt-Initialen [A2a: Buchstabe Y mit Sonne und Stern, weißer Buchstabe auf schwarzem Grund, mit Doppelrand (dessen oberer und linker Teil fast völlig fehlt), 20 x 20 mm; Buchstabe V mit stilisierten Blättern, weißer Buchstabe auf schwarzem Grund, mit Doppelrand (dessen linker Teil und rechte untere Ecke fehlt), 22 x 22 mm; A3a: Buchstabe V mit langezogenen Blättern, weißer Buchstabe auf schwarzem Grund, abgenutzt? (rechte obere Ecke fehlt, der schwarze Hintergrund hat viele weiße Flecken), 16 x 16 mm. 32 Zeilen, Zeilenmaß: 150 x 92 mm [I1b]. Exemplar: London BL; Signatur C.21.c.57. Bibliogr.: Beloe (1807), Bd. 1, S. 402–409;57 Ellis/Baber (1813–19), Bd. 3: GA-KY, Howleglas. His Lyfe; Dibdin (1969), Bd. 3, S. 147f.;58 Lappenberg (1854), S. 176ff.;59 Mackenzie (1860), Appendix A, S. 220f.; Ouvry (1867);60 Flügel (1895), S. 287f.; Catalogue of Books in the Library of the British Museum […] (1884). [Eulenspiegel, Till (1.)], S. 601; Zall (1963);61 STC2 10564. Lit.: Percy (1765); Lappenberg (1854), S. 176ff.; Flügel (1895), Anmerk., S. 518; Brie (1903), S. 6ff.; Krogmann (1952), S. xi f.; Honegger (1973), S. 50ff.; Blamires (1989), S. 51f.

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58

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60 61

Beloe, der Bibliothekar im BM war, transkribiert Titel und Kolophon sowie Inhaltsverzeichnis. Seine Darstellung des Howleglas findet sich im »Appendix to the Garrick Collection«, der die Seiten 380–426 umfasst. Beloe erklärt, dass er diese Ausgabe – trotz der Gerüchte um eine weitere Edition – für einmalig hält: Nach Beloe erwähnt Ames nämlich einen Howleglas in der Sammlung Tutets (S. 409). Allerdings gibt es weder bei Ames erster Ausgabe von 1749 (Ames (1749) noch in Tutets Katalog (Tutet [1786]) einen Eintrag für den Howleglas. Eventuell findet sich die gesuchte Information in William Herberts Ausgabe von Ames Antiquities, die vor Dibdins Überarbeitung erschien, wobei erstere für die vorliegende Arbeit aber nicht eingesehen werden konnte. Ein weiteres Rätsel geben Einträge in den virtuellen Bibliothekskatalogen von Cambridge und Edinburgh auf, die Tutet selbst als »annotator« der 1749er Ames-Auflage nennen. Dibdins Wiedergabe von Titel und Kolophon aus zweiter Hand (nach Notizen Herberts) ist fehlerhaft. Seine Beschreibung der Provenienz dieser Ausgabe, die er noch in Garricks Sammlung vermutet, gibt keine Auskunft darüber, dass sich das Buch zu dieser Zeit tatsächlich schon im Besitz der Bibliothek des BM befand, wie aus dem BM-Katalog von 1813 hervorgeht (vgl. S. 50f.). Lappenberg war nur dieser Howleglas-Druck bekannt, da nur dieser zu seiner Zeit schon aus einer Privatsammlung ins BM gelangt war (vgl. S. 50f.). Er datiert den Druck auf etwa 1540 bis 1556. Das Transkript Ouvrys umfasst von diesem Exemplar nur die Lagen bis C2. Zall verwendet L2 als Copy-Text und fügt die fehlende Lage aus L1 hinzu.

47

2.3.1. Einband Rotes Leder, mit zwei goldenen Rahmen und vier Blumen an den Ecken außen, vier Paisleys innen und goldenem Stempel in der Mitte. Dieser zeigt ein Schild, der einen Stern über sich hat, innen oben drei Sterne, links einen Turm und rechts ein Seepferd. Mit diesem Stempel ist als Besitzer der Schauspieler David Garrick verbunden (vgl. S. 50f.).

2.3.2. Lagen Der Band hat verschiedene Eigenheiten: 1. Die unterschiedliche Vergoldung der Seitenränder in verschiedenen Buchteilen ist auffällig. Die ersten Lagen sind am vorderen Seitenrand nicht so vergoldet wie der Rest, sie haben nur am unteren Ende des Randes Spuren von Gold und weiter oben keine. Es bestehen zwei Möglichkeiten der Erklärung: Entweder sind nach der Auktion zwei Teile wieder zusammengebunden worden, die vorher schon auseinandergefleddert waren, oder es sind zwei Fragmente in einem Einband zusammengefügt worden.62 Deutlich markiert sind die zwei Teile dadurch, dass die fehlende Lage durch die richtige Zahl später eingefügter leerer Blätter ersetzt ist. Die Wahrscheinlichkeit des Überlebens und das Zusammenfügen zweier sich ergänzender Fragmente aus einer Auflage mutet allerdings sehr gering an. 2. Die Seiten sind zu kurz geschnitten, so dass auf der Titelseite die oberste Hälfte des ersten Satzes weggeschnitten ist. Auch später fehlen öfter Wortstücke, vor allem zum Rücken hin. Es stellt sich die Frage, ob der Text schon so verschnitten war, als für Garrick bzw. für das BM gebunden wurde.63

2.3.3. Kolophon Aus dem Kolophon »in Tamestrete at the | Uintre on the thre Craned wharfe« geht hervor, dass die Ausgabe höchstwahrscheinlich zwischen 1558 und 1562 entstanden ist.64 62 63

64

Für diese Anregung bedankt sich die Verfasserin bei Philippa Marks in der BL-Abteilung Buchbinderei. Da Garricks Bibliothek wahrscheinlich eine Weile lang von einem seiner Freunde, Capell, organisiert worden war, der Bücher nach Größe stutzte und anordnete, könnte die gestutzte Form eventuell daher rühren. Vgl. Kahrl/Dorothy (1982), S. 22f. Vgl. STC2 (Bd. 3, Register): Copland, William, S. 45.

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2.3.4. Type Die in diesem Exemplar verwendeten Varianten sind v2, w5a und w12 (nach Isaac65).

2.3.5. Papier Die Maße betragen ca. 35 x 25 cm. Es handelt sich wahrscheinlich um das Papierformat »pot«.66 Dieses stammte aus Frankreich und ist zudem mit den Wasserzeichen Krug und Hand verbunden,67 was für den vorliegenden Druck passen würde. Die Kettlinien sind horizontal mit 2,4 cm Abstand.

2.3.5.1. Wasserzeichen Das häufigste Motiv ist eine Hand mit einer Blume (oder einem Stern) über dem Mittelfinger, daneben gibt es einmal ein Kronenmotiv, allerdings findet sich keine vollkommene Übereinstimmung mit den bei Briquet aufgeführten Wasserzeichen. A3: Hand mit Blume/Stern. Es kommt Briquet Nr. 10770 nahe, aber die Datierung dieses Wasserzeichens auf 1564 schließt es andererseits aus. C3: Blume, mit den obersten Fingerspitzen. G2/G3: Hand mit Blume/Stern. K2: andere Hand mit Blume; dieses Wasserzeichen stimmt mit Briquet Nr. 11356, auch in der Datierung (1558), überein. M2 (und vielleicht L4?): andere Hand. Zuordnung zu Briquet nicht möglich. I2: Finger, aber keine Zuordnung zu Briquet möglich. E4, F2: Handgelenke, eventuell Briquet Nr. 11356 (1558). H2/H3: Krug, nicht eindeutig nach Briquet identifizierbar (ähnlich Nr. 12171). Die Wasserzeichen auf B1, C2, E1 und F3 sind nicht klar zu erkennen.

65 66

67

Isaac (1932), S. 104. Die Seitenhöhe beträgt in diesem Druck ca. 17 cm, die Seitenbreite ca. 12.5 cm. Nach Gaskells Anweisungen (vgl. Fußnote S. 66) wären dies 35 cm und 25 cm, also auch hier in seiner Tabelle unter dem Format Quarto nur die Bogengröße Royal (30 x 23), was zu klein für die gemessenen Größen erscheint. Vgl. Gaskell (1995), S. 86. Zusammengenommen mit der Tatsache, dass dieser Druck stark gestutzt wurde (vgl. oben, S. 65) und dem Befund in L3, welcher die größeren Dimensionen der sonst für die Howleglas-Drucke von Copland verwendeten Papierformate verdeutlicht, ist wohl davon auszugehen, dass es sich um die Bogengröße »pot« (38 x 28) handelt. Vgl. Gaskell (1995), S. 75.

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2.3.6. Stempel A1b, M2b, M4b: runder gelber (wahrscheinlich ursprünglich roter, jetzt verbleichter) BM-Stempel ohne Rahmen, mit Schriftzug »British Museum« über und unter einer Krone. Dieser Stempel wurde in der Periode von 1837 – Mar/ Apr. 1929 benutzt.

2.3.7. Provenienz Die Provenienz dieses Bands ist nicht in allen Schritten klar. Das augenfälligste Merkmal leitet sich aber aus dem Einband-Stempel her, der ihn als Teil der Bibliothek David Garricks kennzeichnet. Die Herkunft der Sammlung Garricks erläutert de Ricci folgendermaßen: The great actor David Garrick (1717–1779) had brought together an important dramatic library, the more valuable portion of which was a collection of plays which he bequeathed to the British Museum. […] Garrick’s collection was a very valuable one and rumours, not very definite I must confess, declare that he »rescued« a certain number of his rarest items from Dulwich College, to which they had been given by the Elizabethan actor Edward Alleyn (1566–1626). […] The remaining portion of Garrick’s library was sold on 23 April 1823.68

Woher Garrick das Exemplar hatte, kann also nicht erschlossen werden. Fest steht dagegen, dass zwar 1780 nach Garricks Tod seine Dramensammlung, nicht aber der gesamte Bestand seiner Bibliothek in das BM gelangte. Verschiedene Merkmale des Exemplars L2 deuten darauf hin, dass es nach 1780 aufgenommen wurde: Beispielsweise verweist die rote Farbe des Stempels auf einen Kauf, nicht eine Schenkung. Wie aus dem neuen Katalog der Garrick-Sammlung, in dem L2 unter Nr. 573 verzeichnet ist,69 hervorgeht, befand sich der Druck in der Garrick-Bibliothek unter K, Band 10 ursprünglich mit anderen Drucken in einem Sammelband.70 Unter dem BMBibliothekar Panizzi wurden die Sammelbände aufgelöst, einzeln gebunden, mit einem nachgeschnittenen Garrick-Stempel versehen und unter eigenen Signaturen verzeichnet. Die Signatur C., die Panizzi einführte, bedeutet z. B., dass dieses Buch selbst innerhalb der King’s Library in der BM für zu wertvoll gehalten wurde, um unter den anderen Büchern zu stehen und daher in einer Glasvitrine verwahrt wurde. Vielleicht deutet der BM-Acquisitionsstempel

68 69 70

De Ricci (1930), S. 71f., S. 60f. Kahrl/Anderson (1982), S. 163. Diese Angabe findet sich zuerst bei Percy (1765), S. 119, Fußnote.

50

von 1837 auf den Zeitpunkt, an dem diese Veränderungen vorgenommen wurden. Jedoch ist sowohl die fehlende Nennung dieses Howleglas-Exemplars im zeitgenössischen Katalog der Garrick-Bibliothek, der vor allem die Dramen nennt und die Grundlage der Schenkung an das BM darstellt,71 als auch der rote Acquisitionsstempel – gegenüber einem grünen Schenkungsstempel, beispielsweise – ein Hinweis darauf, dass das Exemplar nicht gleich 1780 an das BM übergeben wurde. Es gelangte erst während der späteren Verkäufe durch Garricks Witwe dorthin.72 Da es aber im BM-Katalog von 1813 bereits genannt wird,73 fand der Eingang vor diesem Zeitpunkt statt.

2.4. L3 Auch diesen Druck weist sein Kolophon als Erzeugnis William Coplands aus. Er ist datierbar auf 1563–67, also wahrscheinlich die jüngste der erhaltenen Auflagen. L3. Howleglas [Fragment]. London: William Copland [1563–67] [Titelbl.fehlt; beginnt mit Sign. C2a, Z. 1: »Theu [sic] said Howleglas such maistery can I do wyth | lesse cost.«] Kolophon: Imprinted at London in Lothbury, by me | Wyllyam Copland. [drei Punkte in Klammern, Holzschnittleiste]. 4o. 39 Bl., ungez.; Sign.: C2, C3, C4, D4-M4 ($3, -H2); Seitenkust. (-H2); Zeile 33 auf H2 voll bedruckt. Drucktype: Textura [Erscheinungsbild des Kegels: 91 mm; Kegel 91. Buchstabenbild 80 x 2.5 (x-Höhe): 3.0 (Versalie)]; Holzschnittleiste [M4a: mit (Blüten?)Blättern (dieselbe wie auf M2b)].32 Zeilen Exemplar: Oxford, Bodleian Library; Signatur: 4o Z 3 (7) Art. Seld. Bibliogr.: Catalogus librorum impressorum Bibliothecae Bodleianae […] (1843–51), Bd. 2, S. 356 [Howleglas]; Collier (1865), Bd. 1, S. 379ff.; Ouvry (1867);74 STC2 10565.5. Lit.: Herford (1886), S. 285ff.; Brie (1903), S. 6ff.; Krogmann (1952), S. xi f.; Honegger (1973), S. 50ff.; Blamires (1989), S. 51f.

71 72 73 74

Kahrl/Anderson (1982), S. 286. Vgl. ebd., S. 47. Vgl. Ellis/Barber (1813–19). Das Transkript Ouvrys umfasst das gesamte Fragment und fügt nur die Lagen vor C2 aus L2 zu. Vgl. Fußnote, S. 47.

51

2.4.1. Einband Hellbrauner glatter Ledereinband ohne Stempel oder besondere Merkmale. Seitensteg: Z 3. ist mit Tinte eingeritzt, was darauf hindeutet, dass der Band in dieser Zusammenstellung schon früh in eine umfangreiche Bibliothek (die Bodleian oder die Seldens?) übernommen wurde, da Signaturen auf dem Seitensteg später von solchen auf dem Buchrücken abgelöst wurden.

2.4.2. Lagen Verbundenes Exemplar: Die Signaturen F und G sind hinter I und vor K gebunden.

2.4.3. Kolophon Aus der Angabe »in Lothbury« geht hervor, dass dieser Druck zwischen 1563 und 1567 entstand.75

2.4.4. Type Die Zeilen scheinen hier weiter auseinander zu stehen als in den anderen Ausgaben, dennoch sind sie wohl nicht mit Durchschuss gesetzt. Es gibt viele Seiten, die nicht gut mit Tinte eingefärbt wurden. Die Schrift ist dadurch an vielen Stellen schlecht zu lesen und macht einen sehr unruhigen Eindruck.

2.4.5. Papier Die Bogengröße beträgt ca. 38 x 28 cm,76 nach Gaskell also wiederum »pot«.77 Vgl. auch L2, S. 49. Das Papier ist von unterschiedlicher Qualität, insgesamt schlechter als in den anderen Copland-Ausgaben; manche Seiten sind dicker und rauh, andere

75 76 77

Vgl. STC2 (Bd. 3, Register): Copland, William, S. 45. D. h., ca. 18 bis 18.5 = 19 cm (Seitenhöhe) x 13 bis 13.5 = 14 cm (Seitenbreite). Vgl. Gaskell (1995), S. 75.

52

so dünn, dass die Tinte der anderen Seite durchscheint. Die Kettlinien sind horizontal und 2,5 cm voneinander entfernt.

2.4.5.1. Wasserzeichen Als Wasserzeichen tauchen sowohl die Hand mit Stern/Blume als auch der (mit CM beschriftete, oben unverzierte) Krug auf, jedoch gibt es insgesamt wesentlich weniger Wasserzeichen als in den anderen Ausgaben.

2.4.6. Stempel Der Druck trägt mehrfach einen runden Stempel mit der Inschrift »Bibliotheca Bodleiana« und einem aufgeschlagenen Buch mit zwei Kronen darüber und einer darunter.

2.4.7. Provenienz Aus der Signatur ergibt sich, dass diese Howleglas-Ausgabe zur SeldenSammlung in der Duke Humphrey’s Library gehört. Teile von John Seldens (1584–1654) Bibliothek wurden nach seinem Tod der Bodleian übergeben, wo die ca. 8.000 Bücher 1659 eintrafen.78 Seldens Interesse richtete sich stark auf die klassische Literatur, aber er vernachlässigte die englische Literatur daneben nicht völlig. Der Sammelband, in dem sich der Howleglas befindet,79 stellt in diesem Kontext eine Rarität dar: Among his printed books, one single volume comprises twenty-six popular pieces printed in black-letter between 1509 and 1605, embracing all kinds of romances, jests and ballads […]. Of eighteen out of the twenty-six pieces, Selden’s copy is unique, while six of the rest are known by only one other copy apiece, and one only by two other copies.80

Dieser Text muss also zwischen dem Zeitraum, als er in den 1560ern von Copland gedruckt wurde, und 1654 in den Besitz Seldens gekommen sein. Es ist bedeutsam, dass dieser Druck mit in den Sammelband aufgenommen wurde, obwohl er ein Fragment ist. Das weist darauf hin, dass er trotz seines schlechten Zustandes für bewahrungswürdig gehalten wurde. 78 79 80

Vgl. Philip (1983), S. 47f. Eine ausführliche Diskussion dieses Sammelbandes findet sich ab S. 548. Rogers, D. M. (1991), S. 130.

53

2.4.7.1. Marginalia Es gibt im Text und im Inhaltsverzeichnis verschiedene Unterstreichungen. Im Text sind die Markierungen sehr regelmäßig, außer in Lagen I und H, wo auffälligerweise nichts unterstrichen ist. Eine Absicht oder gar Methode lassen die Unterstreichungen jedoch kaum erkennen, da sie keine Regelhaftigkeit aufweisen. Mal sind es tatsächlich die Wendepunkte oder ›punchlines‹ der Geschichten, oft aber auch Textstücke, die nichts besonderes aussagen (auf einmal sind die ›portingales figes‹, nachdem sie bereits genannt wurden, oder »came howleglas to the hospital with ,ii. men after him« unterstreichungswürdig). Im Inhaltsverzeichnis unterstrichen und zum großen Teil angekreuzt sind folgende 22 Historien, immerhin fast die Hälfte: How howleglas gat bread for his mother (H 6), How howleglas wold flye fro a house top (H 10), How howleglas made himselfe a phisicion (H 11), How howleglas made a syck child for to shite (H 12), How howleglas made hole all the sycke folke that were in the hospitall (H 13), How howleglas won a great deale of mony wyth a poynt of folishnes (H 16), How howleglas has a great disputation with al the douctours of Praigem in Bemen (H 19), How howleglas became a perdoner (H 20), How howleglas went to Rome (H 22), How howleglas deceiued ,iii, Iewes with durt (H 23), How howleglas had gotten the persons horse by hys confession (H 24), How howleglas solde turdes for fat (H 27), How howleglas through hys subtle disceytes deceyued a wine drawer (H 29), How howleglas wane a piece of cloth, of a man of the country (H 32), How howleglas gaue ,xx, gyldens to ,xx, poore men (H 34), How howleglas feared his host with a dead woulfe (H 35), How howleglas serued a holander (H 39), How howleglas made a woman that sold earthen potts to smite them all in pieces (H 40), how Howleglas brake the staires the the munkes should come downe to matins (H 41), How howleglas came to a scholer, to make verses (H 43), How howleglas was sycke at Molen (H 44), How howleglas made his testament (H 46). Es finden sich im Inhaltsverzeichnis auf M3 zusätzlich folgende Bemerkungen: Neben »How howleglas would flye fro a house top«: »Skoggins patterne.«; neben »How howleglas made hole al the sycke folke that were in the hospitall«: »A miracle upon the hauls [?], and lame. Idem in mensa philosophica.«; neben »how howleglas wane a piece of cloth«: »Skoggins patterns.«; »How howleglas gaue .xx. gyldens to .xii. poore men […]« ist durch »blynde« ergänzt; »How howleglas feared his host with a dead woulfe.« wird als »A great braggadocia« bezeichnet. Unter dem Kolophon findet sich noch eine Bemerkung, die mehrfach durchgekringelt wurde: »Skeltons – only Jon Miller, 54

worth all Howletglas Skoggin, and Skelton besyde.« Eine weitere Handschrift, die sich am oberen Rand befindet, konnte nicht entziffert werden. Die letzte Seite dieses Howleglas-Fragmentes trägt die bekannte handschriftliche Eintragung des Gelehrten und Schriftsteller Gabriel Harvey.81 Er beschreibt, dass das Lesen des Howleglas ihm durch seinen Freund, den Dichter Edmund Spenser, aufgetragen wurde (gegen den Einsatz seiner vierbändigen Lukian-Ausgabe) und ihm keine rechte Freude bereitete: This Howletglass, with Skoggin, Skelton, & [Lazarillo], giuen me at London, of Mr Spensar XX. Decembris, [15]78. on condition I shoold [bystowe] the reading of them on or before the first of January [ime]diately ensuing: otherwise to forfeit unto him my Lucian in fower uolumes. Wherupon I was the rather induced to trifle away so many howers, as were idely ouerpassed in running thorough the foresaid foolish books: wherin methowt not all fower togither seemed comparable for false and crafty feates with Jon Miller – whose witty shiftes, and practises are [reported] amongst Skeltons tales.

2.5. L? Da von dieser Howleglas-Ausgabe lediglich ein Blatt ohne Kolophon überliefert ist, lässt sie sich weder genau datieren noch zuordnen. Nach bibliographischem Usus – das Druckbild und die Seitenaufteilung unterstützen dies – wird sie William Copland zugeschrieben. Die Einordnung dieser Fragmente in der Abfolge der anderen Copland-Eulenspiegel wird im nächsten Abschnitt behandelt. L? Howleglas [Fragment]. [London: William Copland?] [Titelbl.fehlt; beginnt mit Sign. M2, Z. 1: she had founde the taste of dead fleshe, and with her nose] 4o. 1Bl.+?; ungez.; Sign.: M2; Seitenkust.; Drucktype: Textura [Erscheinungsbild des Kegels: 92 mm; Kegel 92. Buchstabenbild 80 x 2,5 (xHöhe): 3,0 (Versalie)]. 32 Zeilen, Zeilenmaß: 149 x 97 mm [M2a] Exemplar: London BL; Signatur: Harley 5919 (Bagford-Fragmente), Nr. 45; Mikrofilm: PB MIC B 815/2.

81

Vgl. Singer (1851), S. 170. Virtuellen Zugang erhält man über die URL: ‹www.bodley.ox.ac. uk/ilej/›. Später auch bei Collier (1865), Bd. 1, 380f. Siehe auch: Herford (1886), S. 288, Fußnote 1, der Collier als Erkenner der Handschrift nennt.

55

Bibliogr.: nicht erfasst.82 Lit.: Lappenberg (1854), S. 176ff.; Brie (1903), S. 6ff. Honegger (1973), S. 50ff. Blamires (1989), S. 51f.

2.5.1. Type Die verwendeten Varianten sind v3 und w5e (nach Isaac83).

2.5.2. Papier Das verbleibende Blatt ist defekt und behandelt. Die Maße des verbleibenden Stücks betragen 15,7 x 10,3 cm. Die Kettlinien haben einen ungefähren Abstand von 2,5 – 2,6 cm. Das Blatt trägt kein Wasserzeichen.

2.5.3. Stempel M2a: roter runder BM-Stempel mit Krone.

2.5.4. Provenienz Das Fragment stammt aus der Sammlung John Bagfords, der als Buchacquisiteur für verschiedene bekannte Bibliophile seiner Zeit (ca. 1650–1716) arbeitete, und selbst Titelblätter, Balladen und diverse Buchfragmente sammelte.84 After Bagford’s death, […] Wanley, Lord Oxford’s librarian, [..] acquired them [den Großteil der Sammlung der Titelblätter, AHZ] for his employer’s library, and they formed part of the Harleian Manuscripts which were purchased in 1753 for the Britsh Museum.85

82

83 84

85

Seltsamerweise wird dieses Fragment in der Einleitung (S. xviii) des entsprechenden Katalogs genannt, aber an der entscheidenden Stelle gibt es keinen bibliographischen Eintrag (vielleicht, weil es sich nicht um eine Titelseite handelt?). Vgl. Wolf (1974). Vgl. Isaac (1932), S. 104. »During his researches for his employers, Bagford amassed two great collections – one consisting of ballads, now known as the »Bagford Ballads«, the other being a huge collection of title-pages and fragments of books, specimens of paper, catalogues, book-plates, drawings, engravings, bindings, advertisements, and various interesting and curious pieces.« In: Fletcher (1896–8), S. 186. Ebd., S. 195.

56

2.6. Vergleich der Copland-Drucke (L1, L2, L3 und L?) Alle Auflagen der Howleglas-Drucke aus Coplands Offizin zeigen deutliche Unterschiede, was sicher auf ihre verschiedenen Entstehungszeiten und den Neusatz zurückzuführen ist. Dennoch stimmt der Text aller Auflagen, abgesehen von der im 16. Jh. ohnehin wechselhaften Orthographie, zum allergrößten Teil überein. Eine der wichtigsten Fragen im Hinblick auf die Auflagen ist ihre relative Chronologie, da nur zwei der vier Fragmente (L2 und L3) aufgrund ihrer Kolophone ungefähr datiert werden können. L?, das Bagford-Fragment, hat einen zu geringen Umfang, um darüber fundierte Aussagen treffen zu können. Insbesondere die Abfolge von L1 und L2 steht aber zur Debatte. Es gibt zwei Möglichkeiten der Genese der beiden Drucke: Entweder beide gehen auf dieselbe Quelle zurück und stammen nicht voneinander ab, dann bilden die Lesarten jeweils einen sorgfältigeren oder nachlässigeren Umgang mit der Quelle ab. Oder einer der Drucke ist die Vorlage des anderen, dann würden bessere Lesarten, die nicht zufällig sein können, auf das ältere Entstehungsdatum dieses Drucks deuten. Aufgrund der großen Nähe der Texte ist hier die zweite Variante wahrscheinlicher. Viele der Lesarten in L1 sind besser als in L2, auch die Zeichensetzung und die Groß- und Kleinschreibung erscheinen stringenter. Bedeutet dies, dass L1 eine überarbeitete und verbesserte Auflage von L2 darstellt – d. h. L2 ist vor L1 entstanden – oder, umgekehrt, geht die sorgsamere Ausgabe L1 dem nachlässigeren Nachdruck L2 voraus? Die meisten der besseren Lesarten in L1 sind nicht unbedingt auf eine bessere Vorlage zurückzuführen, sondern könnten auch auf Korrekturen im Redaktionsprozess basieren. Beispielsweise hat L1 in H 25 (S. 148 sowie S. 452) mit »Estland« eine bessere Lesart als L2 (»Dastland«), jedoch könnte dies eine redaktionelle Korrektur sein. Schwieriger ist diese Erklärung schon bei H 31 (S. 190), wo L1 »Hoslaer« für Goslar verwendet, L2 »haslaer«. Entscheidend ist aber die L1-Lesart am Anfang dieser Historie: Dort bietet L1, wie der Grüninger Eulenspiegel-Druck, die Unterteilung von Eulenspiegels Decknamen in durch Kommata abgetrennte Silben: »Bar,tho,lo,me,us«. Dagegen findet sich in L2 nur ein Komma: »Bartholo,meus«. Daher liegt nahe, dass L2 sich von L1 ableitet, da eine Einfügung der Kommata als Korrektur unwahrscheinlicher ist als die Tilgung – zumal die eines einzeln stehenden Kommas!86 86

Die Implikationen für die europäischen Überlieferungszusammenhänge werden auf S. 470 erörtet.

57

Zu diesem Ergebnis gelangt auch Honegger in seiner Diskussion der englischen Drucke, weshalb er L1 (bei ihm »L vor 1557«) vor L2 und L3 ansetzt.87 Der ältere Forschungsstand (Brie) ging dagegen zwar auch davon aus, dass L1 der älteste Druck sei, gab aber fälschlicherweise L2 die Vorrangstellung als besserem Druck.88 Dennoch sind nicht alle Schlußfolgerungen Honeggers zulässig: So merkt er an, dass L1 größtenteils römische Ziffern verwendet, L2 und L3 diese aber immer ausschreiben.89 Erstens ist das nicht der Fall, denn auch in den späteren Auflagen lassen sich römische Ziffern finden; zweitens, und nicht unerheblich, ist das Ausschreiben oder Abkürzen von Ziffern in alten Drucken abhängig vom Ausschluß der Zeile und nicht notwendigerweise ein stilistisches Element. Ein weiterer Punkt, in dem Honeggers Begründung nicht überzeugt, ist, dass die wechselnde Verwendung von ›the‹ und ›they‹ in L2 als »Trivialdruckfehler« zu werten sei. Das stimmt so pauschal nicht, da beide als Varianten im Frühneuenglischen zulässig sind (vgl. OED2). Wirklich problematisch sind jedoch Honeggers Ausführungen zur möglichen Datierung von L1, da er als dessen Drucker den Vorgänger William Coplands, Robert Copland, ins Spiel bringt.90 Diese Vermutung wird aber weder durch ein anderes Exemplar des Werks aus Robert Coplands Presse gestützt noch durch ein Interesse dieses Druckers im Bereich der unterhaltsamen Prosaliteratur. Andere Auflagen des Howleglas stammen nur aus William Coplands Presse, der sich unbestreitbar auf dem Gebiet dieser Art von Literatur engagierte (vgl. S. 362ff.). Dass das Gedicht, das in den Howleglas-Drucken William Coplands enthalten ist, von seinem Vorgänger Robert verfasst worden sein könnte, ist zwar möglich, keineswegs aber sicher. Selbst wenn es allerdings aus der Feder Robert Coplands stammen sollte, ist die Redeverteilung zwischen dem Ungläubigen und dem christlichen Gelehrten nicht unbedingt nur auf den Eulenspiegel zugeschnitten, sondern auch mit einem anderen Protagonisten durchaus vorstellbar. In diesem Fall hätte William Copland (vielleicht in Gedenken an Robert?) dieses Gedicht in einer abgeordneten Form in den Howleglas übernommen. Weitere Ausfüh87 88

89 90

Honegger (1973), S. 51ff. Vgl. Brie (1903), S. 9. Er postuliert eine feststellbare Verbesserung der Auflagenqualität von L1 über L3 bis hin zu L2: »[L2, AHZ] zeigt am meisten Sorgfalt in Ausstattung und Satz und zeichnet sich vor den beiden anderen durch Leisten, bessere Interpunktion, Auflösung der Siegel, grosse Anfangsbuchstaben nach einem Punkt und Schreibung der Überschrift in fortlaufenden Zeilen von gleicher Länge aus. Alle drei nähern sich stufenweise dem Drucke des Virgilius, eingetragen 1561/62 in Lothbury.« (S. 9). Der obige Vergleich der Auflagen belegt, warum diese Reihenfolge höchst unwahrscheinlich ist. Vgl. Honegger (1973), S. 52, Fußnote 93. Vgl. ebd., S. 52f.

58

rungen zu diesem Gedicht und seiner Bedeutung im Rahmen des Howleglas finden sich auf S. 525ff. Wie Honegger zu behaupten, dass ein undatierter Druck eine weitaus frühere unbekannte Vorstufe darstelle, ist unergiebig. Er argumentiert ohne Belege, dass L2 und L3 auf eine andere Vorlage als L1 zurückgehen müssen, da sie die Fehler von L1 nicht teilen und kommt zu der Schlussfolgerung: »Es muß also noch wenigstens eine weitere englische Ausgabe des Volksbuches gegeben haben, wahrscheinlich sogar mehrere solcher Drucke.«91 Ein Vergleich der Lesarten, den diese Edition erlaubt, bestätigt Honeggers These nicht;92 die hier besprochenen Differenzen machen seinen Schluss nicht nötig. Schon auf den Titelseiten der zwei Exemplare, bei denen ein Titelblatt überliefert ist, offenbaren sich Unterschiede. Der Text auf der Titelseite von L1 lautet folgendermaßen: Here beginneth a me | rye Iest of man that was called Howle- | glas, and of many meruaylous thynges and | Iestes that he dyd in his lyfe, in East- | land and in many other places.

Die unterschiedliche Aufteilung des Texts in L2 verdeutlicht, dass es sich wahrscheinlich um eine andere Auflage handelt: [Here beginneht [!]] a [me] | rye Iest of a man that was called Howleglas, and | of many marueylous thinges and Iestes that | he dyd in his lyfe, in Eastlande and in many | other places.

Insgesamt werden in L1 am Anfang des Buches wenige Abbreviaturen verwendet, erst später werden häufiger diejenigen für ›the‹ und ›that‹ benutzt. Durch diese Auflösungen unterscheidet sich die Zeilenaufteilung von L2, wobei die gesamte Zeilen-/Seitenzahl jedoch übereinstimmt: Beide Ausgaben haben 32 Zeilen pro Seite. Dass beide Drucke dennoch denselben Umfang haben und mit der Ausnahme weniger Wörter den gleichen Text auf einer Seite präsentieren, ergibt sich aus der größeren Satzspiegelbreite von L1 (96 statt 92 mm), die die geringere Seitenlänge kompensiert (in L1 sind 150 mm, in L2 eher 155 mm bedruckt). Ein weiterer Unterschied in der Textgestaltung ist, dass in L1 die Überschriften der Historien eingerückt sind, nicht (wie in L2) zentriert. Es wurde

91 92

Honegger (1973), S. 53. In den wenigen Fällen, in denen die Lesarten in L1 schlechter sind als in den anderen Auflagen, lassen sich bessere Lesarten im Redaktionsprozess leicht erzeugen. Vgl. beispielsweise H 34, L1: »On a time ride Howleglas« und L2: »On a time rode Howleglas« [Hervorhebungen AHZ]; die Verbesserung des falschen Tempus stellt sicherlich eine normale Korrektur dar, die für die späteren Auflagen durchaus auf der Grundlage der vorher gedruckten durchgeführt worden sein kann.

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offenbar zwischen beiden Auflagen das gesamte Druckbildkonzept überarbeitet. Dass L1 insgesamt ›moderner‹ wirkt, liegt zum einen sicherlich an der Zeichensetzung: Die Kommasetzung berücksichtigt die Sinneinheiten meistens, die Großschreibung nach einem Punkt (im Gegensatz zu L2) ist in der überwiegenden Mehrheit aller Sätze durchgehalten, Fragen werden durch Fragezeichen angezeigt. Zum anderen lässt sich dieser Eindruck wahrscheinlich auf die der heutigen Lesendenschaft vertrauter erscheinende Schreibung von ›they‹ (anstatt ›the‹) zurückführen ebenso wie auf den Austausch vieler ›y‹ durch ›i‹. Ansonsten variiert die Orthographie in L1 allerdings ebenso großzügig wie in L2. In L2 unterscheiden sich die Initialen A, T, W, H beträchtlich; sie stammten offensichtlich aus unterschiedlichen Typensätzen und wurden je nach Bedarf durcheinander eingesetzt. Wenn kein Initial zur Hand war, wie anscheinend auf K3b, wurde einfach eine Versalie eingesetzt. Auf einen Mangel an Holzschnittinitialen ist sicher auch die seltsame Gestaltung der ersten Seiten in L2 zurückzuführen: So sind die ersten beiden Historien mit Holzschnittinitialen versehen, die dritte nicht, die vierte jedoch wieder. Dagegen folgt L1 wesentlich konsequenteren Gestaltungsmaximen: Zwar verwendet L1 nur für die erste Historie ein Holzschnittinitial und danach nur einfache Initialen, so dass die Ausstattung weniger aufwändig ist. Jedoch ist dadurch, dass immer wieder dieselben Initialen aus einem Schriftsatz benutzt werden, der optische Eindruck dieser Ausgabe sehr viel aufgeräumter und konstanter. Zudem bietet diese Auflage unter der Vorrede eine Holzschnittleiste, die L2 nicht hat. Ob die in L1 und L2 als Titelholzschnitt eingesetzte Salomon und MarkolfIllustration in L2 abgenutzter ist,93 lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Im Deckenbereich fehlen hier tatsächlich einige Stückchen und die Illustration scheint insgesamt ausgefranster, weniger scharf. Das könnte entweder tatsächlich durch eine Abnutzung oder durch solche Faktoren wie anderes Papier begründet sein. Zusammengenommen mit den anderen Beobachtungen stützt der Abdruck jedoch die Vermutung, dass L1 der ältere Druck ist. Die Frage der Datierung oder Einordnung des Bagford-Fragments (L?) ist schwierig zu klären. Aufgrund der oben angestellten Überlegungen lässt sich jedoch argumentieren, dass es nicht zu einem L2-verwandten Druck

93

Diese Beobachtung macht beispielsweise Honegger, wobei die Bestimmtheit seiner Feststellung, dass es sich um »eine eindeutige und auffallende Abnützung« handele, außer Acht lässt, dass auch beschädigte Holzschnitte (wenn es sich um so geringe Lücken handelte) repariert werden konnten und wurden. Vgl. Honegger (1973), S. 52.

60

gehört: Zum einen verwendet L? ebenso wie L1 und L3 ›they‹ anstatt ›the‹, zum anderen entsprechen auch die in dieser Version benutzten ›C‹s L1 und L3 (die Type, die Copland für das ›C‹ in L2 verwendet, unterscheidet sich eindeutig von dieser; sie ähnelt in L2 eher einem ›L‹). Auffallenderweise werden in L? die Typenvarianten v3 und w5e benutzt, womit das Fragment wiederum in die Nähe von L1 rückt, welches diese Typenvariante ebenfalls verwendet (L2: v2). Wie L1 basiert L? auf einer größeren Satzspiegelbreite gegenüber L2 und ist sogar mit 149 x 97 mm noch etwas breiter als L1. Es finden sich in L? demnach auch wenige Abbreviaturen. Weitere Übereinstimmungen, die L? in die Nähe von L1 rücken, sind die Einhaltung der Großschreibung nach Punkten und die Stringenz der Zeichensetzung. Besonders interessant ist, dass L? in H 46, S. 248, Z. 21, eine deutlich bessere Lesart als L2 oder L3 bietet, indem nicht nur gesagt wird, dass die Betrogenen Eulenspiegel unter dem Galgen begraben wollen, sondern zusätzlich erklärt wird, dass sie ihn zuvor aus seinem alten Grab herausnehmen wollen. Ob dies jedoch mit dem älteren L1 übereinstimmte, kann nicht festgestellt werden, da diese Lage bei L1 fehlt, aber es gibt zu denken, dass sich diese Lesart weder bei L2 noch bei L3 findet. Aus diesen Überlegungen heraus ist das Bagford-Fragment wohl zeitlich derselben Periode zuzuordnen wie L1 – oder vielleicht sogar davor, denn es hat einen noch größeren Satzspiegel und verwendet Typenvarianten, die in L1 nicht vorkommen. Julian Roberts vermutet, dass das Fragment zu L1 gehört (siehe S. 46), gibt dafür aber keine weitere Begründung. Im Hinblick auf die Chronologie der Drucke wirft L3 weitere Fragen auf, die durch die Vorrangstellung von L1 vor L2 geklärt schienen. Dem Kolophon nach ist L3 eindeutig nach 1562 entstanden, nämlich zwischen 1563–67, als Copland in Lothbury druckte, aber in vielen seiner Eigenschaften scheint es eine Zwischenstufe zwischen L2 und L1 darzustellen. Die häufig deutlich schlechteren Lesarten in L3 sowie das Historienlayout deuten darauf hin, dass diese Auflage L2 als Quelle verwendete und den Text darüber hinaus verschlechterte. Jedoch ist auffällig, dass es in der Großschreibung nach dem Punkt und der besseren Zeichensetzung L1 folgt. Die Nähe von L3 zu L2 erkennt man an verschiedenen satztechnischen Details: Der Text enthält beispielsweise viele Abbreviaturen. Die Versalien am Anfang der Historien stammen aus verschiedenen Schriftsätzen und variieren ständig; diese völlig willkürliche Verwendung von Versalien als Initialen ist also L2-ähnlich. Die Historienüberschriften sind zentriert gesetzt (wie in L2) und nicht im Blocksatz nach links ausgerichtet (L1). L3 hat wesentlich 61

mehr Flüchtigkeits-/Druckfehler als L1 (v. a. sog. Fliegenköpfe, d. h. auf dem Kopf stehende Buchstaben). Dagegen gibt es aber gewisse Merkmale, in denen L3 L1 näher steht als L2: Das erste, die Typenbenutzung, stellt die Datierung von L1 vor L2 nicht in Frage, da der Drucker für den späteren Druck auf Typen zurückgegriffen haben kann, die er zwischenzeitlich nicht verwendet hatte. So benutzt L3 das gleiche ›C‹ und das ›E‹ wie in L1, die sich dadurch von L2 unterscheiden, dass sie runder sind (beim Letzteren sieht das ›C‹ eher wie ein ›L‹ aus, vgl. oben, L?, S. 61). Zwar stimmen in den Typensätzen, die L1 und L2 verwenden, das ›h‹, ›s‹ und ›y‹ überein (Isaac:94 h1, s3, y2), aber aus den unterschiedlichen Formen des ›v‹ und des ›w‹ (vgl. S. 61) geht hervor, dass Copland zwei unterschiedliche Typensätze verwendete. Daher ist davon auszugehen, dass zwischen diesen Drucken ein gewisser Zeitraum liegt. Die weiteren Übereinstimmungsmomente von L3 mit L1 sind allerdings schwieriger mit der zeitlichen Einordnung näher an L2 zu vereinbaren. Denn auch orthographisch ist die Auflage näher an L1, da sie meistens, aber nicht so konsequent ›they‹ statt ›the‹ verwendet. Sicherlich könnte dies durch die Vorliebe eines Setzers oder durch den Blocksatz bedingt sein, aber in Verbindung mit den folgenden Merkmalen ist es ein bedeutsames Zusammentreffen. Bei den Satzzeichen ist ebenfalls eine klare Tendenz zur Großschreibung nach dem Punkt deutlich. Weitere Kommata verbessern an manchen Stellen die Verständlichkeit der Sätze. Beispielsweise findet sich in L2 in H 13, S. 100, der Satz: »and than shall I call and he that slepeth longest shall pay for al than prepared euery one of ye sicke folke their crutches«, der durch den Mangel an Zeichensetzung beim ersten Lesen nicht zu verstehen ist. L3 verbessert dies durch ein Semikolon nach »for all«. Als Fazit lässt sich feststellen, dass die Qualität der Howleglas-Drucke von einer Auflage zur nächsten abnahm. Neben die formalen Verschlechterungen (Großschreibung, Satzzeichen) in L2 treten die inhaltlichen Verschlechterungen (Lesarten) in L3. Mit Hilfe des Lesartenapparats wird diese Entwicklung in der vorliegenden Edition an den entscheidenden Punkten dokumentiert. Die geschilderte brüchige Überlieferung der Quellen und ihre nur in der Interrelation erkennbare Abfolge unterstreicht die Notwendigkeit, alle vorhandenen Quellen zur Verfügung zu stellen, wie es diese Edition unternimmt. In der Gesamtbetrachtung der besprochenen Quellenlage könnte noch einmal die Frage nach dem gewählten Best-Text aufgeworfen werden. Zu begründen war, warum nicht L1 als Ergebnis des Druckvergleichs dieser

94

Vgl. Isaac (1932), S. 104.

62

Status zuerkannt wurde. Wie dargelegt und im Einzelnen begründet wurde, muss trotz aller Vorzüge dieser Auflage berücksichtigt werden, dass es sich bei L2 um den frühesten in der Zeitspanne zwischen 1558 und 1562 datierbaren Eulenspiegel-Druck Coplands handelt. Dadurch wird eine Diskussion über die Datierung der weiteren Fragmente erst möglich. Zudem bietet L2 die umfangreichste Textbasis. Durch die gleichzeitige Präsentation des ältesten Textmaterials aus Jan van Doesborchs Offizin und der späteren Ausgaben der Howleglas-Drucke William Coplands legt diese Untersuchung somit die Textgrundlage fest, von der aus bibliographische und vergleichende Untersuchungen zwischen den Überlieferungen möglich sind. Von diesem Unterbau ausgehend wird anschließend eine Analyse der Beziehung zwischen van Doesborchs und Coplands Eulenspiegel-Auflagen in Hinsicht auf Überlieferungs- und literarische Aspekte vorgenommen. Das folgende Kapitel stellt das Transkript von L2 mit dem Lesartenapparat vor, welche das Fundament für die weitere Arbeit darstellen.

63

III. Edition

65

3

Here beginneth a [me] | rye Iest1 of a man that was called [A1] Howleglas, and | of many marueylous thinges and Iestes that | he dyd in his lyfe, in Eastlande2 and in many | other places.

Textzeuge L2, Varianten: Here beginneth a me | rye Iest of a man that was called Howle- | glas, and of many meruaylous thynges and | Iestes that he dyd in his lyfe, in East- | land and in many other places. L1

1

2

Die Bedeutungsvarianten sind vielfältig. Das OED2 verzeichnet: 1. eine bedeutende Tat, 2. eine Erzählung über Heldentaten, eine Geschichte oder Romanze, ursprünglich in Versform, 3. eine nutzlose, leere Geschichte, (diese drei Bedeutungen sind heute obsolet), 4. eine Spottrede, 5. ein Ausspruch, der Gelächter erzeugen soll, ein Witz, 7. eine verspielte, ausgelassene Tat, ein Streich (1578: N. Baxter Calvin on Jonah Compl. 3 Guy of Warwicke, Scoggins Gests and Gargantua). Diese Übersetzung transportiert eine Bedeutungsvielfalt; die Mischung der Bedeutungsnuancen ist interessant, wobei wichtig ist, dass Bedeutung (2) die Frage nach der Textart aufwirft. Nach dem OED2 bezeichnet ›Eastlande‹ im 14.-17. Jh. die Länder, die an das Baltikum grenzen.

66

Hier beginnt eine lustige Geschichte von einem Mann, der Eulenspiegel genannt wurde, und von vielen merkwürdigen Dingen und Streichen, die er in seinem Leben getan hat, im Baltikum und an vielen anderen Orten.

67

5

10

¦ FOr the great desyryng and praying of my good frandes3. And I the first [A1b] writer of this boke might not denye them. Thus haue I compled and gathered much knauyshnes and falsnes4 of one Howleglas made and done within his lyfe, whiche Howleglas dyed the yeare of our lorde God. M.CCCC.and.L. Nowe I desyre to be pardoned both before ghostly and worldly, afore highe and lowe afore noble and vnnoble. And right lowly I requyre all those that shall reade or heare this presente Ieste (my ignoraunce to excuse.) This fable is not but only to renewe5 the mindes of men or women, of all degrees from the vse of sadnesse to passe the tyme, with laughter or myrthe, And forbecause ye simple knowyng persones shuld beware if folkes can see. Me thinke it is better to passe the tyme with suche a mery Ieste and laughe there at and doo no synne: than for to wepe and do synne,

[1] 15

Howe Howleglas as he was borne, was christened thre tymes vpon one daye. ¦ YN the lande of Sassen, in the vyllage of Ruelnige, there dwelleth a man A.ii. that was named Nicholas Howleglas that had a wife named Wypeke, that lay a childbed in the same wyllage: and that chylde was borne to christening and named Tyell Howleglas. And than the chyld was brought into a tauerne 6 that] ye

11 to] no

17 Nicholas Howleglas] Hicholas Nowleglas

Textzeuge L2, Varianten: 0 fehlt] The Prologue. L1 1 frandes] frendes L1 2 compled] compyled L1 16 Sassen] Sasson L1

3

4 5

Da das OED2 für diese sicher häufige Vokabel außer der üblichen Variante ›frendes‹ (z. B. bei Caxton (1484), OED2, 1) keine verzeichnet, die dieser Form nahe kommt, könnte hier eine dialektal geprägte Form vorliegen, und zwar wegen der Öffnung des Vokals eher ein nördlicherer Dialekt als ein südlicher. Nach dem OED2 eine geringfügige Bosheit, Unehrlichkeit oder ein Bagatellbetrug sowie eine Täuschung, Falschheit oder Betrügerei. Der Ausdruck ›to renewe‹ kann auch spirituelle Erneuerung bedeuten.

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[Prolog] Wegen des starken Wunschs und dem Bitten meiner guten Freunde, denen ich, der erste Schreiber dieses Buches, nicht widersprechen kann, habe ich viele Spitzbübereien und Betrügereien zusammengefügt und gesammelt, die ein gewisser Eulenspiegel in seinem Leben getan und angestellt hat. Dieser Eulenspiegel starb im Jahr unseres Herrn 1400 und 50. Nun bitte ich um Verzeihung sowohl bei Geistlichen als auch bei Laien, Hohen und Niedrigen, Adligen und Nicht-Adligen. Und ich bitte all diejenigen, die diese vorliegende Geschichte lesen oder hören werden, recht bescheiden (meine Unwissenheit zu verzeihen). Diese Erzählung bezweckt nur, die Seelen von Männern oder Frauen aller Stände von der Gewohnheit der Traurigkeit zu beleben, um die Zeit mit Lachen oder Spaß zu vertreiben. Und daher solltet ihr einfachen wissenden Leute Euch vorsehen, wenn Ihr es versteht. Mir scheint, dass es besser ist, die Zeit mit solch einer lustigen Geschichte zu vertreiben und darüber zu lachen und nicht zu sündigen als zu weinen und zu sündigen.

[1] Wie Eulenspiegel, als er geboren war, drei Mal an einem Tag getauft wurde. Im Land Sachsen, im Dorf Ruelnige1, wohnte2 ein Mann, der Nikolas Eulenspiegel genannt wurde, der hatte eine Frau, die Wiebke genannt wurde, diese war im Kindbett im selben Dorf. Und das Kind wurde zur Taufe getragen und Till Eulenspiegel genannt. Und dann wurde das Kind in die Schenke gebracht,

1 2

D. h., Knetlingen. Der englische Text verwendet hier das Präsens, obwohl der Rest der Historie im Imperfekt steht.

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where the father was wyth his gosseppes6 and made good chere whan the mydwife had wel dronke, she toke the childe to bere it home, and in the wai was a litle bridg ouer a muddy water. And as the mydwife would haue gone ouer the lytle brydge, she fel into the mudde with the chylde, for she had a lytel dronk to much wyne, for had not helpe come quickly the had both be drowned in the mudde. And whan the came home with the childe, then made a kettle of warm water to be made redi and therin they washed the child clen of the mudde. And this was Howleglas thre tymes in one dai cristened Once at the churche, once in the mudde, and once in the warm water

10

[2] Howe that Howleglas whan that he was a chylde, aunswered a man that asked the waye.

VPon a time went Howleglas father and mother out and left Howleglas 15

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within the house. Than came ther a man rydyng half into the dore and asked is there nobody within? than answered the chyld yes ther is a man and a halfe, and a horsehead. Than asked the man wher is thy father? And the child answerid and sayd, my father is of yl, makin worse: And my mother is gone for scath or shame And the man ¦ sayd to the childe, how vnderstandest [A2b] thou that? and than the chylde sayd: My father is makyng of yl worse, for he ploweth the felde and maketh great holes that men should fall therin whan the ride And my mother is to borow bread, and whan she geueth it agayne and gyuete lesse it is shame, and whan she geueth it and geueth more than is scathe. Than said the man which is the way to ryde? and the chyld aunswered and sayd there where the gees go, and than rode the man his way to the gees and when he came to the gees the flew into the water, than wist7 he not wher to ryd but turned again to the chyld and sayd the gees be flowen into the 3 haue] hane

7 therin] ›in‹ nicht lesbar

Textzeuge L2, Varianten: 26 turned] returned L1

6

7

Nach dem OED2 jemand, der durch den Taufakt eine spirituelle Verbindung mit einem anderen eingeht, ein Taufpate. Die zweite Bedeutung ist genereller: ein naher Bekannter, Freund oder Kumpel. Der Stamm ›wis‹ ist pseudo-archaisch (OED2) und wird irrtümlicherweise in der Bedeutung ›I know‹ verwendet.

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wo der Vater mit den Taufpaten war und sich vergnügte. Als die Amme ordentlich getrunken hatte, nahm sie das Kind, um es nachhause zu tragen. Und auf dem Weg war eine kleine Brücke über einen morastigen Rinnsal. Und als die Amme über die kleine Brücke gehen wollte, fiel sie mit dem Kind in den Morast, weil sie ein wenig zu viel Wein getrunken hatte. Wenn nicht schnell Hilfe gekommen wäre, wären sie beide im Morast ertrunken. Und als sie mit dem Kind nachhause kamen, bereitete man ihnen einen Kessel mit warmem Wasser und wusch das Kind darin vom Morast rein. Und so wurde Eulenspiegel drei Mal an einem Tag getauft, ein Mal in der Kirche, ein Mal im Morast und ein Mal im warmen Wasser.

[2] Wie Eulenspiegel, als er ein Kind war, einem Mann antwortete, der nach dem Weg fragte. Einmal gingen Eulenspiegels Vater und Mutter aus und ließen Eulenspiegel zuhause. Dann kam ein Mann halb in die Tür geritten und fragte: »Ist niemand herin?« Dann antwortete das Kind: »Doch, ein Mann und ein halber, und ein Pferdekopf.« Dann fragte der Mann: »Wo ist dein Vater?« Und das Kind antwortete und sagte: »Mein Vater macht Schlechtes schlechter und meine Mutter geht Schaden oder Schande nach. Und der Mann sagte zum Kind: »Wie meinst du das?« Dann sagte das Kind: »Mein Vater macht Schlechtes schlechter, denn er pflügt das Feld und macht große Löcher, dass Menschen hineinfallen, wenn sie [vorbei]reiten. Und meine Mutter will Brot borgen, und wenn sie es zurückgibt und weniger gibt, ist es eine Schande, und wenn sie es [zurück]gibt und mehr gibt, ist es ein Schaden.« Dann sagte der Mann: »Welchen Weg soll ich reiten?« Und das Kind antwortete und sagte: »Dort, wo die Gänse gehen.« Und dann ritt der Mann seines Wegs zu den Gänsen und als er zu den Gänsen kam, flogen sie ins Wasser. Da wusste er nicht, wohin er reiten sollte, und drehte wieder [um] zum Kind und sagte: »Die Gänse sind ins

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water, and thus wot8 I not what to doo nor whether to ryde Than aunswered the childe ye must ryde where as the gees go, and not where the swyme. Than departed the man and rode hys way and marueyled of the answer of the childe.

[3]

5

Howe Howleglas sat vpon hys fathers hors behind hym.

10

15

MAny greate complayntes came before the father of Howleglas, how his sone was a deceuer9 of folkes, and a great mocker. This complaint was made on hym whan he could go, and whan he lay in the cradle, he tumbled vpon the quisshins wyth hys arse vpward, and whan he came to the age of nyne yere old: he let no vngraciousnes scape fro hym, in so much that all the neybours complayned on hym. Than sayd his father to him howe commeth this that the people complayneth soo to mee, they say that ye be a mocker10 and a deceyuer? Than sayde Howleglas good father I doo nobody harme and that shall I shew vnto you. Take ¦ a horse and go vpon his backe and I wyll ryde behind you A.iii. than you shal see what the people wyll say to me and than lyght11 his father vpon his horse and toke his soone behynde hym, and whan he was vpon the horse he shewed the peple his arse. Than said the folke what vngracious 13 complayneth] com playneth (ohne Trennungsstrich am Zeilenende) Textzeuge L2, Varianten: 10 nyne yere] x. yere L1

8 9

10 11

17 soone] sonne L1

Hier findet sich derselbe Stamm wie ›wis‹ (s.o.). Das OED2 verzeichnet keine Benutzung in der 1. Pers. Sing. Ist hier das nl. » en weet ick« ins Englische miteingeflossen? Die Formen im 16. Jh. enthalten eigentlich ein ›y‹ oder ›a‹ (›deceyuer‹, ›deceauer‹) (OED2) – wird hier ein Dialekteinfluss deutlich oder ist es nur ein Setzfehler (denn auf Lage A.3.a findet sich die Schreibung mit ›y‹)? Die Wortbedeutung rangiert zwischen dem milderen ›cheat‹ – Schwindler – und dem als Delikt strafbaren ›impostor‹ – dem Hochstapler, Betrüger. Interessant ist, dass der niederländische Text durchgängig »scalc« verwendet, während das Engl. mit einer Reihe von Varianten aufwartet – ›deceuer‹, ›mocker‹, ›knaue‹ und ›begiler‹. Siehe auch ›beguiler‹. Das OED2 nennt als Wortbedeutungen: jemand, der verspottet oder verhöhnt, sowie jemand, der betrügt oder austrickst. Nach dem OED2 (II.6.a.) bedeutet ›lyght‹ das Absitzen von einem Pferd, das Heruntersteigen. Hier findet sich eine merkwürdige Verbindung zwischen einem Wort, das eindeutig das Absteigen bezeichnet mit einer Präposition, die das Gegenteil ausdrückt.

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Wasser geflogen und daher weiß ich nicht, was ich tun oder oder wohin3 ich reiten soll.« Dann antwortete das Kind: »Ihr müsst reiten, wo die Gänse gehen, und nicht, wo sie schwimmen.« Dann ging der Mann fort und ritt seines Wegs und verwunderte sich über die Antwort des Kindes.

[3] Wie Eulenspiegel auf dem Pferd seines Vaters hinter ihm saß. Zahlreiche große Beschwerden kamen Eulenspiegels Vater zu Ohren, wie sein Sohn ein Leutetäuscher und ein großer Spötter sei. Diese Beschwerde wurde über ihn [schon] gemacht, als er laufen konnte, und [schon] als er in der Wiege lag, fiel er mit dem Hintern nach oben auf die Kissen. Und als er das Alter von neun Jahren erreichte, ließ er keine Gelegenheit zu unflätigem Verhalten verstreichen, so sehr, dass sich alle Nachbarn über ihn beschwerten. Dann sagte sein Vater zu ihm: »Wie kommt es, dass die Leute sich so bei mir beschweren? Sie sagen, du seiest ein Spötter und Täuscher.« Dann sagte Eulenspiegel: »Guter Vater, ich füge niemandem Schaden zu und das will ich Euch zeigen. Nehmt ein Pferd und setzt Euch auf seinen Rücken und ich werde hinter Euch reiten; dann sollt Ihr sehen, was die Leute zu mir sagen werden.« Und dann stieg sein Vater auf sein Pferd und nahm seinen Sohn hinter sich. Und als dieser auf dem Pferd war, zeigte er den Leuten seinen Hintern. Dann sagten die Leute: »Was für ein leidiger

3

Im OED2 ist »whether« auch als Form von »whither« (wohin) verzeichnet. Das kann zur Verwechslung mit »whether« im Sinne von »if« führen. Da aber zwischen der Übersetzung »ob ich [dorthin] reiten soll« und der obigen letztere einleuchtender ist, wurde diese gewählt.

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knaue12 and begyler13 is that? Than sayde Howleglas to his father nowe may ye heare, I holde my peace and speake neuer a woorde, and yet saye the that I am a knaue and a deceyuer of folke. And than his father toke him and sette hym before hym on the horse, and than began he to grin and put out his tongue vpon the people that his father sawe not, and than the people sayde see what a cursed young knaue is there. Than sayd his father to Howleglas, thou was borne in an vnhappy tyme, for now thou sittest before me and doest no body harme: and yet for al that they do call the a knaue and a begiler. And so departed Howleglas father out of the land of Maydabrochim a village from thence where his wyfe was, and within short space dyed And than abid Howleglas mother with him, and eat and dranke together such as the might gette, for she was but pore, and Howleglas would go to no crafte but when he was sixtene yeare old he began to daunce vpon a corde14, and no other wyse15.

[4]

15

Howe Howleglas fell fro the rope into the water wherof the people had good sporte.

VPon a tyme Howleglas played vpon the corde that was set ouer the water,

20

wher he made good sport16, but at the last there was one that cut the rope, so fell he into the water and was all to wette, and he came out as well as he might, 9 Howleglas] Houleglas Textzeuge L2, Varianten: 11 abid] abode L1 .xvi. yeare he L1 12

13 14 15

16

13 sixtene yeare old he]

Seit dem 13. Jh. wird ›knave‹ für einen skrupellosen Menschen verwendet, der unehrliche und betrügerische Geschäfte betreibt; ein niederträchtiger und listiger Gauner (OED2, 3.). Siehe auch ›knauyshnes‹. Die Übersetzung ›Spitzbube‹ wird der Etymologie des Wortes gerecht. Ein Betrüger. Siehe auch ›deceiuer‹. Das OED2 gibt nur ›tight-rope walking‹ oder ›tight-rope dancing‹ und das erst für das 19. Jh., daher kann nicht festgestellt werden, wie idiomatisch dieser Ausdruck im 16. Jh. ist. Dieser Ausdruck ist merkwürdig. Es stellt sich die Frage, ob der Übersetzer mit dem nl. Ausdruck nicht vertraut war (Hoochstraten: »spelen opter coorden ende met ander goekelijen«) oder ob hier eine andere Texttradition durchscheint. Dieses Wort hat als Grundbedeutung ›(sich) unterhalten, amüsieren‹; in diesem Wortfeld gibt es diverse Abstufungen, die hier mitschwingen: das Vergnügen, der Zeitvertreib (OED2, I.1.a.), das Spiel oder der Sport im Freien (I.1.d.), die Kurzweil durch Späße (I.2.).

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Spitzbube und Betrüger ist das?« Dann sagte Eulenspiegel zu seinem Vater: »Nun könnt Ihr es hören; ich bin still und sage kein Wort und dennoch sagen sie, dass ich ein Spitzbube bin und ein Leutetäuscher.« Und dann nahm ihn sein Vater und setzte ihn vor sich auf das Pferd. Und dann begann er zu grinsen und seine Zunge den Leuten herauszustrecken, so dass sein Vater es nicht sah. Und dann sagten die Leute: »Seht, was für ein verfluchter junger Spitzbube ist da!« Dann sagte sein Vater zu Eulenspiegel: »Du bist zu einer ungünstigen Zeit geboren worden, denn nun sitzt du vor mir und fügst niemandem Schaden zu und trotzdem schimpfen sie dich einen Spitzbuben und Betrüger.« Und so verließ Eulenspiegels Vater das Land Maydabrochim4 und ging in5 das Dorf, aus dem seine Frau war, und starb nach kurzer Zeit. Und dann blieb Eulenspiegels Mutter mit ihm [dort] und sie aßen und tranken zusammen, was sie bekommen konnten; denn sie war sehr arm. Und Eulenspiegel wollte kein Handwerk lernen, sondern als er sechzehn Jahre alt war, fing er an auf dem Seil zu tanzen und sonst nichts anderes.

[4] Wie Eulenspiegel vom Seil ins Wasser fiel, was die Leute sehr vergnügte. Einmal spielte Eulenspiegel auf dem Seil, das über das Wasser gespannt war, wo er sich vergnügte. Aber schließlich gab es jemanden, der das Seil entzweischnitt, so dass er ins Wasser fiel und ganz nass war und er kam so gut er konnte wieder heraus.

4 5

D. h., Magdeburg. Im englischen Text fehlt das Verb und die nachfolgende Präposition. Die Übersetzung könnte auch lauten: »Und so verließ Eulenspiegels Vater das Land Maydabrochim und das Dorf, aus dem seine Frau war.« Vgl. auch S. 404.

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5

10

15

for the ¦ lytle spyte he thought to quyte17 them a gayn. And said to them come [A3b] agayne to morowe and I wyll doo many more wondres18 vpon the rope. And the next dai after came Howleglas and daunced vpon the corde, and than he sayde to the yonge folke ye shall see what newes I can doo. Gyue me euery body your ryghte shoe vpon the rope ende. so they dyd, and the olde men also. And whan he hadde daunced a whyle he caste them their shone vpon a hepe and had them take their shoen eche of them a gayne. Than ran they after their shoene and for haste one tumbled ouer the other, and than the began to ly together by the eares, and smyte with their fystes soo hard that the fell both to the yearth. One said weping this is my sho, and the other laughed and cryd that is my shoe. And thus for their shoene laye they together by the eares. Than began Howleglas to laughe, crying seeke your shoene: eesterday19 ye bathed me, and he lept fro the corde and went his way to his mothers, and durst not come out again in the space of a moneth. And so he taried with his mother, wherof his mother was glad but she knew not the cause why he byd with her, nor what he had done.

[5] Howe Howlglas mother learned hym and bad hym go to a crafte. 20

Wybeke the mother of Howleglas was glad that her sonne Howleglas was so sottele20 and wyse, and she sayd that he myght not lyue so and get moni 1 the lytle spyte] the spyte [lytle nur als Kustos] 18 Howe] Hnwe]

16 byd] dyd

Textzeuge L2, Varianten: 1 the lytle spyte he] for that lytle spyte/he L1 14/15 he taried] taried he L1 20 sottele and wyse, and] sotle and wyse, but L1

17 18 19 20

Im OED2 (II.10; 11) ist ›quyte‹ mit der Bedeutung ›belohnen‹ oder ›vergelten‹ genannt. Heute zumeist obsolet. Das OED2 gibt für das 16. Jh. Formen, die auf ›er‹ enden, nicht umgekehrt. Diese Schreibung ist im OED2 nicht verzeichnet, aber die Lautung, die es widerspiegelt schon. Die anderen Wortbedeutungen im Englischen (›nicht einfach zu verstehen, durchschauen‹; ›so zart, dass es unerkannt bleibt‹ (OED2, 5; 6)) passen inhaltlich nicht in die Historie. Die Form »Hoe Wibeke Ulespieghels moeder blide was dat her soen soe stille was« [Hervorhebung AHZ] im flämischen Druck könnte erklären helfen, warum in L eine so starke Diskrepanz zwischen den ersten beiden Sätzen besteht.

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Diese kleine Bosheit gedachte er ihnen heimzuzahlen. Und er sagte zu ihnen: »Kommt morgen wieder und ich werde viel mehr Wunderbares auf dem Seil tun.« Und am nächsten Tag kam Eulenspiegel und tanzte auf dem Seil. Und dann sagte er zu den jungen Leuten: »Ihr sollt sehen, was ich Neues auf Lager habe. Gebt mir alle euren rechten Schuh zum Ende des Seils her.« Das taten sie und die alten Männer ebenso. Und als er eine Weile getanzt hatte, warf er ihnen ihre Schuhe auf einen Haufen und hieß jeden von ihnen seinen Schuh wiederfinden. Dann rannten sie zu ihren Schuhen und einer stürzte vor Hast über den anderen und dann begannen sie zu streiten und mit Fäusten so hart zu schlagen, bis sie beide zu Boden gingen. Einer sagte weinend: »Das ist mein Schuh!« Und der andere lachte und schrie: »Dies ist mein Schuh!« Und so stritten sie sich ihrer Schuhe wegen. Dann begann Eulenspiegel zu lachen und schrie: »Sucht eure Schuhe! Gestern habt ihr mich gebadet.« Und er sprang vom Seil und ging seines Wegs zu seiner Mutter und er wagte sich für den Zeitraum eines Monats nicht wieder hinaus. Und so wartete er bei seiner Mutter, worüber seine Mutter froh war, aber sie wusste den Grund nicht, warum er bei ihr ausharrte, noch, was er getan hatte.

[5] Wie Eulenspiegels Mutter ihn belehrte und ein Handwerk ausüben hieß. Wiebke, die Mutter Eulenspiegels, war froh, dass ihr Sohn Eulenspiegel so gewandt und klug war. Und sie sagte, dass er so nicht leben und Geld

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5

as therwith. And than she sayde to her sonne that he should learne a craft. And than answered Howleglas to his mother, what thing is that that a body should dyspose21 himself to, that should abid by him al his life ¦ And his [A4] mother aunswered clene contrary and sayde that me also thinketh for in .iii. daies I haue had no bread in my house should I not abid and suffre al my life: I had leuer die. Than said Howleglas this is not an answer to my question, but I will aunswer now to yours, and said. A poore man that hath nothing to eate he must fast saint Nycholas day, and he that hath meate may eat on saint Martins euen. And in likewyse it is with you.

[6]

10

Howe Howleglas gat bread for his mother.

15

20

25

AS Howleglas mother was thus without bred than bethought howleglas how he might best get bread for her. Than went he out of the village to a towne thereby called stafforde, and went into a bakers house, where he asked the baker if he wold send his lord for .iii.s. bread. som whit and some rye, and he named a lorde that was of an other land, but he at that tyme was lodged at an Inne in the towne, and bad the baker let one go with him and that he should haue his money and the baker was content. And than Howleglas gaue the baker a bagge that had a hole in the botom, and therin put he the bread and so departed he with the bakers ladd and whan he was in an other streat he let fal .iii. whyte loues at the hole in the durt. And than bad howleglas to the bakers seruaunt sete downe the bagge and goo fetch me other whyte breade for this, for I dare not bere it to my lord. And than went the bakers seruaunt home to chaunge the bread, and in the meane whyle went Howleglas with the sacke of bread home to hys mothers. And whan the bakers seruaunt came again to the place and found not Howleglas, he retourned home againe 2 is] it Textzeuge L2, Varianten: 6 to] vnto L1

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Das Wort kann in einer heute obsoleten Bedeutung heißen ›in Anstellung nehmen oder beschäftigen‹ (OED2, I.1.d.) oder ›bereit machen, sich den richtigen Rahmen setzen‹ (OED2, I.5.).

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damit verdienen könne. Und dann sagte sie zu ihrem Sohn, dass er ein Handwerk lernen solle. Und dann antwortete Eulenspiegel seiner Mutter: »Was ist das für eine Sache, die jemand ausüben sollte, so dass sie ihm sein ganzes Leben erhalten bleiben sollte?« Und seine Mutter widersprach ihm und sagte: »Das denke ich mir auch, denn ich habe seit 3 Tagen kein Brot in meinem Haus gehabt. Sollte ich nicht ausharren und mein ganzes Leben leiden? Ich würde lieber sterben.« Dann sagte Eulenspiegel: »Das ist keine Antwort auf meine Frage, aber ich will nun auf Eure antworten.« Und [er] sagte: »Ein armer Mensch, der nichts zu essen hat, muss am Sankt-NikolasTag fasten und derjenige, der Fleisch hat, darf am Sankt-Martins-Abend essen. Und so ist es auch für Euch.«

[6] Wie Eulenspiegel für seine Mutter Brot besorgte. Da Eulenspiegels Mutter also ohne Brot war, überlegte Eulenspiegel, wie er am besten für sie Brot besorgen könne. Dann ging er aus dem Dorf in eine nahegelegene Stadt, die Stafforde6 genannt wurde, und ging in das Haus eines Bäckers, wo er den Bäcker fragte, ob er seinem Herrn für 3 Schilling Brot senden wolle, etwas weiß7 und etwas Roggen. Und er nannte einen Adligen, der aus einem anderen Land war, aber zu dieser Zeit in einem Gasthaus in der Stadt beherbergt war. Und er hieß den Bäcker, jemanden mit ihm gehen zu lassen und dann werde er sein Geld bekommen und der Bäcker war zufrieden. Und dann gab Eulenspiegel dem Bäcker einen Sack, der unten ein Loch hatte, und dort hinein tat er das Brot und so brach er mit dem Bäckerjungen auf. Und als er in einer anderen Straße war, ließ er aus dem Loch 3 weiße Laibe in den Dreck fallen. Und dann hieß Eulenspiegel den Bäckersknecht: »Setzt den Sack ab und geht mir ein anderes weißes Brot für dieses holen, denn ich wage es nicht zu meinem Herrn zu tragen.« Und dann ging der Bäckersknecht nachhause, um das Brot auszutauschen. Und in der Zwischenzeit ging Eulenspiegel mit dem Sack Brot nachhause zu seiner Mutter. Und als der Bäckersknecht wieder zu dem Ort kam und Eulenspiegel nicht fand, kehrte er wieder nachhause zurück

6 7

D. h., Staßfurt. Hier könnte auch ›wheat‹, also Weizen, gemeint sein.

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5

and told his master how Howleglas hade ¦ serued him. And than the baker [A4b] heard that Howleglas was gon his way with his bread: than ran the baker to the Inne that Howleglas named him, and asked the seruantes of the lordes for Howleglas, but the said ther came none suche, and than knew the baker that he was deceyued and so returned home. Than said Howleglas to his mother, eate and make mery now you haue it and whan you haue nomore ye must faste.

[7] 10

15

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Howe Howleglas creeped into a bae hyue, and howe he was stolen in the nyght VPon a tyme went Howleglas with his mother to the didecagion22 of the churche. And there he dranke so muche that he was dronken, and than wente into a garden therby, where stode many bee hiues and ther he sought wher he might haue a place to slepe in, and at the laste he founde an emptye bee hyue, wherin he put hym self to slepe for that nyght. Than came therin the ded of the nyghte, two theues for to steale a way the hyues, and they felte which of the hyues was heuiest, for they thought therin was moost hony, so at the last they felt the hyue that Howleglas was in and than sayd the thefe too his felowe here is on that is very heuy this will I haue, take thou another and let vs go. Than toke thei the bee hiues on ther neckes and departed. Than awoke Howleglas and herd al what the said, And it was so darke that the one knew not the other Than put Howleglas his hande out of the hyue, and pulled the foremost by the heare where with he was angry and saede to his felowe behynde hym, Why pullest you me by the here: And than he answered: 1 And] A

18 hyue] heuy

24 felowe] lelowe

Textzeuge L2, Varianten: 11 didecagion] dedication L1 24 than he answered] than auns- ¦ wered L1 Merke: Die Signatur B1.4. fehlt in L1 und ist dort handschriftlich nach L2 ergänzt. 22

Die Orthographie des Wortes ist hier merkwürdig und im OED2 ist keine ähnliche Form verzeichnet. Deutet die Korrektur in L1 auf eine Aufhebung dialektaler Eigenarten (›dedication‹) oder zeigt im Gegenteil die davon abgeleitete Form in L2 den ›Verfall‹ der vorrangigen Edition im Nachdruck?

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und erzählte seinem Herrn, wie Eulenspiegel ihn behandelt hatte. Und dann hörte der Bäcker, dass Eulenspiegel mit dem Brot seines Wegs gegangen war; dann rannte der Bäcker zum Gasthaus, das Eulenspiegel ihm genannt hatte, und fragte die Diener der Adligen nach Eulenspiegel, aber sie sagten, so einer sei nicht gekommen. Und dann wusste der Bäcker, dass er betrogen war, und ging also wieder nachhause. Dann sagte Eulenspiegel zu seiner Mutter: »Esst und lasst es Euch gut gehen, nun, da Ihr es habt, und wenn Ihr nichts mehr habt, müsst Ihr fasten.«

[7] Wie Eulenspiegel in einen Bienenstock kroch und wie er in der Nacht gestohlen wurde. Einmal ging Eulenspiegel mit seiner Mutter auf eine Kirchweih. Und da trank er so viel, dass er betrunken war, und ging dann in einen nahegelegenen Garten, wo viele Bienenstöcke standen, und dort suchte er, wo er einen Platz zum Schlafen finden könne, und schließlich fand er einen leeren Bienenstock, in den er sich für diese Nacht zum Schlafen legte. Dann kamen in tiefster Nacht zwei Diebe, um die Stöcke zu stehlen. Und sie probierten aus, welcher der Stöcke der schwerste sei, weil sie dachten, dass darin der meiste Honig sei. Und schließlich fühlten sie den Stock, in dem Eulenspiegel war, und dann sagte der [eine] Dieb zu seinem Kumpanen: »Hier ist einer, der sehr schwer ist, den werde ich nehmen. Nimm du einen anderen und lass’ uns gehen.« Dann nahmen sie die Bienenstöcke auf ihren Nacken und gingen weg. Dann wachte Eulenspiegel auf und hörte alles, was sie sagten. Und es war so dunkel, dass der eine den anderen nicht erkennen konnte. Dann steckte Eulenspiegel seine Hand aus dem Stock und zog den vorderen an den Haaren, der darüber wütend war und zu seinem Kumpanen hinter sich sagte: »Warum ziehst du mich an den Haaren?« Und dann antwortete er:

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¦ I pull the by the here and I haue as muche as I can do to bere my hyue, And B.i. within a whyle after he pulled the hynder moste by the here that was ryghte angrye and sayde, I bere so heui that I swete, and for al that thou pullest me by the heyr? Thou andswered the for moste thou lyest, how should I plucke the by the here and I can scantly fynde my waye, and thus wente he chydyng by the way and as they were chiding: Howleglas put out his hand a gaine and puled the foremoste by the here, wherof he was angry and set downe hys hyue and toke his felowe by the head, and thus they tumbled together by the here in the strete and at the laste whan the one had well beten the other, the ran their waye and lefte the hyues lying. and than slepte Howleglas in the be hyue til in the mornyng, and than he arose and went forthe, and as he wente he came by a castell and went in, and the lorde asked him if he wold haue a maister and he said yes, and than the lord hired hym and vpon a tyme he rode with his maister bi the way wher stode hempe. Than said his maister to him whan thou fyndest suche seede shyte therin, for there with men be hanged vpon the gallowes, and vpon the wheeles, both theues and the morderers. Than answered Howleglas that he wold do it and his maister said so because that he was a thefe, and in the night went a robbyng and a steling for he lyued almost therby. On a tyme as his maister was at supper the cooke called Howleglas and badde hym go into the seller and fetche him the mustarde23 out of the pot. And than went Howleglas and he vnderstode that the cooke bad him go fetch a hempen rope. Than marueyled he what he ment for he neuer sawe none afore. Than thought he, wyll he ¦ binde me [B1b] therwith, than went Howleglas into the seler, and there he sought about, and at the last he found the pot, with mustard, and than he remembred hym and sayd, my maester bad me that where I found any such sede that I shold shite therin, and than he put his arse ouer the pot, and shyt therin a great heape, and than he styrred it a bout together and brought it to the coke and than the cooke dressed the mustarde in saucers and send them to the table and the 1 B.i.] B,i.

4 heyr] hery

20 fetche] fetrhe

28 the] he

Textzeuge L2

23

Interessanterweise existiert im ME auch ›sen(e)vei‹ für ›Senf‹, nicht nur ›mustard‹ (bei Lewis (1986) finden sich bezeugte Formen bis 1500); es ist also nicht klar, warum die Form gewählt wurde, die den Wortwitz nicht durch die Nähe zum Wort ›henep‹ trägt. Eine Zeitlupenaufnahme des Sprachwandels ist im Englischen gegeben, wo sich im 16. Jh. zunehmend das Wort ›mustarde‹ findet, bzw. zu Verwendungen von ›senevei‹ Erklärungen hinzugesetzt werden.

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»Ich ziehe dich an den Haaren? Und ich habe schon genug daran zu tun, meinen Stock zu tragen!« Und kurz danach zog [Eulenspiegel] den hinteren an den Haaren, der sehr wütend wurde und sagte: »Ich trage so schwer, dass ich schwitze und dafür ziehst du mich noch an den Haaren?« »Du,« antwortete der vordere, »du lügst, wie soll ich dich denn an den Haaren rupfen, wo ich doch kaum meinen Weg finden kann!« Und so ging er zankend weiter und während sie sich zankten, steckte Eulenspiegel wieder seine Hand hinaus und zog den vorderen an den Haaren. Darüber war er wütend und setzte seinen Korb ab und griff seinen Kumpanen beim Kopf und so fielen sie einander auf der Straße in die Haare. Und schließlich, als sie einander ordentlich geschlagen hatten, rannten sie ihres Wegs und ließen die Stöcke liegen. Und dann schlief Eulenspiegel bis zum Morgen im Bienenstock und dann erhob er sich und kam heraus. Und als er lief, kam er zu einer Burg und ging hinein. Und der Burgherr fragte ihn, ob er einen Herrn haben wolle, und er sagte »ja« und dann stellte der Burgherr ihn ein. Und einmal ritt er mit seinem Herrn auf einem Weg, wo Hanf stand. Dann sagte sein Herr zu ihm: »Wenn du solches Gewächs findest, scheiß’ darauf, denn damit werden Männer an den Galgen gehängt und auf Räder [gespannt], sowohl Diebe als auch Mörder.« Dann antwortete Eulenspiegel, dass er das tun wolle. Und sein Herr sagte dies, weil er [selbst] ein Dieb war und des Nachts auf Raubzug und stehlen ging, denn er lebte fast davon. Einmal, als sein Herr zu Abend aß, rief der Koch Eulenspiegel und hieß ihn in den Keller gehen und ihm den Senf aus dem Topf holen. Und dann ging Eulenspiegel und er hatte verstanden, dass der Koch ihn ein Hanfseil holen hieß. Dann wunderte er sich, was [der Koch] meinte, denn er hatte vorher noch nie eins gesehen. Dann dachte er: »Will er mich damit binden?« Dann ging Eulenspiegel in den Keller und dort suchte er herum und schließlich fand er den Krug mit dem Senf. Und dann erinnerte er sich und sagte: »Mein Herr hat mich geheißen, dass ich auf dieses Gewächs scheißen solle, wo immer ich es fände.« Und dann setzte er seinen Hintern über den Krug und schiss einen großen Haufen hinein und dann rührte er gut um und brachte es dem Koch. Und dann bereitete der Koch den Senf in Soßenschüsselchen vor und ließ sie zu Tisch bringen. Und der

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5

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lorde tasted, and it sauored il than said he to the cooke what haue you ground in the mustarde, for it sauerethe lyke as there were a turde therin? And than began Howleglas to laughe, than said his maister wherat laughest thou? thynkeste thou we con24 not taste? than taste thou. And than aunswered Howleglas I eate no mustarde, for wote you not what ye bad me do whan we rode ouer suche sede, that whan I found such sede you said that than I should shyte in it for with such sede you sayd men were hanged: and so haue I shytten in the seede. Than saide his maister, a thou vnhappy knaue this seede is not lyke the sede of hemp: but I knowe this by very good reason that thou hast done it of cursednes and great falsnes, and than he toke a staffe and wold haue smyted Howleglas. And than Howleglas tooke his legges25 and ran away, and his maister after him, but he coulde not ouer take him. Than he returned home agayn and Howleglas would no more come there.

[8] 15

How Howleglas was hered of a priest.

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AS Howleglas ran out of the castel, he cam to a village that was called Buddest in the land of Brdunswike. And ther came a priest to Howleglas and hyred hym, but he knew him not: and the priest sayd ¦ to hym that he shoulde B.ii. haue good dayes and eate and drynke the same meate that he himselfe and his woman dyd. and al that should be done with halfe the labour and than sayd Howleglas that there after would he do his diligence. Then dressed the priestes woman to chikins and she bad Howleglas turne and so he dyd, and he loked vp and sawe that she had but one iye, that whan the chikins were enough: than he brake one of the chikyns fro the spyt, and eate it with out 6 you said that] you that

9 hast] ›st‹ nicht lesbar

Textzeuge L2

24

25

Da das OED2 für den Plural nur Formen mit Flexionsendung angibt und die einzige ohne als nördliche Form vermerkt, könnte hier ein Hinweis auf die Herkunft des Übersetzers oder des Offizinpersonals vorliegen. Das OED2 verzeichnet lediglich ›to take leg‹ oder ›to take to one’s legs‹ (I.2.b.) – evtl. in L2 ein Druckfehler?

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Herr probierte [davon] und es schmeckte schlecht. Dann sagte er zum Koch: »Was habt Ihr in den Senf gerieben? Denn es schmeckt, als ob darin ein Haufen Scheiße wäre!« Und dann begann Eulenspiegel zu lachen. Dann sagte sein Herr: »Worüber lachst du? Denkst du, wir können nicht schmecken? Dann probiere du doch.« Und dann antwortete Eulenspiegel: »Ich esse keinen Senf, denn wisst Ihr nicht [mehr], was Ihr mich tun geheißen habt, als wir an solchem Gewächs vorbeiritten? Wenn ich solches Gewächs fände, habt Ihr gesagt, sollte ich darauf scheißen, denn mit solchem Gewächs, habt Ihr gesagt, würden Menschen gehängt. Und deshalb habe ich auf das Gewächs geschissen.« Dann sagte sein Herr: »Oh, du leidiger Spitzbube! Dies Gewächs ist nicht das gleiche Gewächs wie Hanf. Aber ich weiß nun mit gutem Grund, dass du das aus Bösartigkeit und großer Falschheit getan hast.« Und dann nahm er einen Stab und hätte Eulenspiegel geschlagen, [aber] dann nahm Eulenspiegel seine Beine in die Hand und rannte weg und sein Herr ihm hinterher, aber er konnte ihn nicht einholen. Dann kehrte er wieder nachhause zurück und Eulenspiegel kam nicht mehr dorthin.

[8] Wie Eulenspiegel von einem Priester angestellt wurde. Als Eulenspiegel aus der Burg rannte, kam er zu einem Dorf im Land Brdunswike8, das Buddest9 genannt wurde. Und da kam ein Priester zu Eulenspiegel und nahm ihn in Anstellung, aber er erkannte ihn nicht. Und der Priester sagte zu ihm, dass er gute Tage haben solle und dieselbe Kost essen und trinken solle wie er und seine Haushälterin und [dass] alles nur halb so viel Arbeit sein solle. Und dann sagte Eulenspiegel, dass er von diesem Zeitpunkt an ordentlich arbeiten wolle. Dann bereitete die Haushälterin des Priesters zwei Hähnchen vor und sie hieß Eulenspiegel, diese zu wenden, und das tat er. Und er schaute auf und sah, dass sie nur ein Auge hatte. Dann, als die Hähnchen genug gebraten10 waren, brach er eines der Hähnchen vom Spieß und aß es ohne

8 9 10

D. h., Braunschweig. D. h., Büddenstedt. Das Verb fehlt im englischen Text.

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any bread, and when it was dener tyme, came the woman into the kechin26 where Howleglas turned, and thought to take vp the chikyns: and whan she was come, she founde nomore there but one chikyn. Than sayde she to Howleglas, where is the other chikyn? there were two chyckins than answered he to her, lift vp your iye: and than shal you se the other chiken, than was the woman therwith angry and knew well that Howleglas mocked her and than she ran to the priest and told him howe she had dressed .ii. chykins, and whan she came to take them vp shee found but one, and than he mocked me because I had but one iye: than went the priest to Howleglas, and said whi mocke ye my woman: there was .ii. chikyns: than answerd Howleglas and said that was truth, I haue said to the woman that she should open her eyen, and shee should se well where that other chekyn was become. Than laughed the priest and sayd she cannot se she hath but one iye: than sayd Howleglas to the priest, the on chykin haue I eaten, for ye sayd that I shold eate and drinke as well as you and your woman, and the one eate for you, and the other I eate for your woman for I was afrayde that you shoulde haue synned, for the promise that ye promysed me, and therfore I made ¦ mesure Than sayd the [B2b] priest I care not for the chikens but I wold haue you please my woman and do after her. Then sayd Howleglas I do your commaundement and that the woman bad him do, he did but halfe for she bad him fetch a boket of water, and he went and brought it but halfe full of water, and whan he shold brynge two loogges he brought but one, and when he should geue the beastes two botels of hay, he haue them but one, and whan he should fetch a pot ful of bere, he brought it halfe full, and so did he of many other thinges mo. Than complayned she to the prest of Howleglas again than sayd the priest. I bad that you shold do as she bad you and Howleglas answered I haue done as ye bad me for ye said to me that I shold do al thing with halfe labour And your woman would fayne see with both iyes: but she seeth but with one iye and so do I halfe the labour and than the priest laughed: and than said the woman, wyl you haue this vngracious knaue ani lenger: than wil not I tary no lenger with you but depart. Than gaue the priest Howleglas leue to depart 10 .ii.] ,ii.

31 lenger] leuger

Textzeuge L2 26

Bei Varianten des Wortes, die in der Grafschaft Kent lokalisierbar sind, steht teilweise ›e‹ für das Ae. ›y‹; stammen sie aus dem Norden oder den Midlands, ist ›e‹ häufig, welches von ›i‹ geweitet ist (OED2). Da die Formen von ›dedigacion‹ und ›con‹ auch auf nördliche Einflüsse zu deuten scheinen, kann gegen Kent argumentiert werden.

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Brot. Und als es Zeit für das Mittagessen war, kam die Frau in die Küche, wo Eulenspiegel den Spieß11 drehte, und hatte vor die Hähnchen zu holen. Und als sie gekommen war, fand sie dort nur noch ein Hähnchen. Dann sagte sie zu Eulenspiegel: »Wo ist das andere Hähnchen? Da waren zwei Hähnchen!« Dann antwortete er ihr: »Öffnet Euer Auge und dann werdet Ihr das andere Hähnchen sehen.« Dann war die Frau darüber wütend und wusste wohl, dass Eulenspiegel sie verspottete. Und dann rannte sie zum Priester und erzählte ihm, wie sie 2 Hähnchen zubereitet hatte, und als sie kam, um sie zu holen, nur noch eins fand. »Und dann hat er mich verspottet, weil ich nur ein Auge habe!« Dann ging der Priester zu Eulenspiegel und sagte: »Warum verspottet Ihr meine Haushälterin? Da waren 2 Hähnchen.« Dann antwortete Eulenspiegel und sagte, das sei wahr. »Ich habe zur Haushälterin gesagt, dass sie ihr Auge öffnen solle und [dann] würde sie [schon] gut sehen, was aus dem anderen Hähnchen geworden ist.« Dann lachte der Priester und sagte: »Sie kann nicht sehen, sie hat nur ein Auge.« Dann sagte Eulenspiegel zum Priester: »Das eine Hähnchen habe ich gegessen, denn Ihr habt gesagt, dass ich so gut essen und trinken solle wie Ihr und Eure Haushälterin. Und das eine habe ich für Euch gegessen und das andere für Eure Haushälterin, denn ich hatte Angst, dass Ihr durch das Versprechen, das Ihr mir gemacht habt, sündigen würdet. Und deshalb habe ich diese Maßnahme getroffen.« Dann sagte der Priester: »Die Hähnchen sind mir egal, aber ich möchte, dass Ihr es meiner Haushälterin recht macht und ihr gehorcht.« Dann sagte Eulenspiegel: »Ich folge Eurem Gebot.« Und was ihn die Haushälterin zu tun hieß, davon tat er nur die Hälfte: Denn sie hieß ihn einen Eimer Wasser holen und er ging und brachte ihn nur halbvoll mit Wasser [zurück]; und wenn er zwei Holzscheite bringen sollte, brachte er nur einen; und wenn er den Tieren zwei Bündel Heu geben sollte, gab er ihnen nur eins; und wenn er einen Krug voll Bier holen sollte, brachte er ihn halbvoll. Und so tat er vieler anderer Dinge mehr. Dann beschwerte sie sich wieder beim Priester über Eulenspiegel. Dann sagte der Priester: »Ich habe Euch geheißen, dass Ihr das tun solltet, was sie Euch geheißen hat!« Und Eulenspiegel antwortete: »Ich habe getan, was Ihr mich geheißen habt, denn Ihr habt zu mir gesagt, dass ich alle Dinge mit halber Arbeit tun solle. Und Eure Haushälterin würde gerne mit zwei Augen sehen, aber sie sieht nur mit einem Auge; und genauso tue ich die halbe Arbeit.« Dann lachte der Priester und dann sagte die Frau: »Wollt Ihr diesen leidigen Spitzbuben weiter behalten? Dann werde ich nicht länger bei Euch bleiben, sondern weggehen!« Dann gab der Priester Eulenspiegel um

11

Das Akkusativobjekt fehlt im englischen Text.

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for his womans sake, but whan the paryshe clerke was dead of the village, than sent the priest for Howleglas, and holpe hyme so muche that [..] he was made the paryshe clerke.

[9] 5

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Howe Howleglas was made clerke of Buddenestde, AS Howleglas was clarke of the Churche, he shuld helpe the priest to sing masse, and as he stode afore the alter with the preest, the preest lette a great fart that al the churche range therof. Than said Howleglas syr person27 what offer you there, our lord for frankinsence? Than answered the person, what haste thou to do there wyth? for I haue the power to ¦ shite in the middes B.iii. of the churche, and I wyll. Than said Howleglas I hold a barel of beare that you shal not shyte in the myddle therof. Than sayd the pryest I holde you, thynke you that I am not so hardy nor bolde to doo that? Than tourned the parson hym a bout and went and shite in the church a great heape and sayd clarke I haue wonne the barell of bere, than sayd Howleglas that ye haue not, for we wyl first meete whether it be in the middes of the church or not And than they met it, and it lacked of the mydle more than vi. fote, and than wan Howleglas the barell of bere, werof the priestes leman was angry, and sayd you wyll kepe this vngragious knaue so longe with you that at the last he wyll shame you. And than in the meane season while Howleglas was paryshe clarcke, at Easter they should play the resurrection of our lord, and for because than the mene wer not learned nor could not read, the priest toke his leman and put her in the graue for an aungell, and this seing Howleglas toke to hym .ii. of the symplest persons that were in the towne that plaied the .iii. maries, and the parson plaied Christe, with a baner in his hand, than saide Howleglas to the symple persons, whan the aungel asketh you whome you seke, you may saye the parsones leman with one iye. Than it fortuned that 2 that [..]] that that nicht lesbar

15 sayd] siyd:

24 .ii.] ,ii.

27 parsones] ›rsones‹

Textzeuge L2

27

Das Wort ›person‹ wird im Text an einigen Stellen im Sinne von ›Person‹ verwendet, aber in dieser Historie könnte die Bedeutung ›Schauspieler‹, ›jemand, der eine Rolle spielt‹ mitschwingen, vgl. OED2.

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seiner Haushälterin willen den Abschied, aber als der Küster des Dorfs tot war, dann sandte der Priester nach Eulenspiegel und half ihm so sehr, dass er zum Küster der Gemeinde gemacht wurde.

[9] Wie Eulenspiegel zum Küster von Buddenestde12 gemacht wurde[.] Als Eulenspiegel Küster der Kirche war, sollte er dem Priester helfen, die Messe zu singen. Und als er mit dem Priester vor dem Altar stand, ließ der Priester einen großen Furz, so dass die ganze Kirche davon widerhallte. Dann sagte Eulenspiegel: »Herr Pfarrer, was spendet Ihr da unserem Herrn für einen Weihrauch?« Dann antwortete der Pfarrer: »Was geht dich das an? Denn ich habe die Macht in die Mitte der Kirche zu scheißen, wenn ich will.« Dann sagte Eulenspiegel: »Ich wette ein Fass Bier, dass Ihr nicht in die Mitte davon scheißen werdet.« Dann sagte der Priester: »Die Wette gilt! Denkt Ihr, ich sei nicht so mutig oder kühn, das zu tun?« Dann drehte sich der Pfarrer um und ging und schiss einen großen Haufen in die Kirche und sagte: »Küster, ich habe das Fass Bier gewonnen.« Dann sagte Eulenspiegel: »Das habt Ihr nicht, denn zuerst wollen wir messen, ob es in der Mitte der Kirche ist oder nicht.« Und dann maßen sie es und es fehlten zur Mitte mehr als sechs Fuß und dann gewann Eulenspiegel das Fass Bier. Darüber war die Geliebte des Pfarrers wütend und sagte: »Ihr werdet diesen leidigen Spitzbuben so lange bei Euch behalten, bis er Euch schließlich beschämen wird.« Und in der Zwischenzeit, während Eulenspiegel Küster war, sollten sie zu Ostern die Wiederauferstehung unseres Herrn spielen. Und weil die Männer nicht gebildet waren noch lesen konnten, nahm der Priester seine Geliebte und setzte sie als Engel in das Grab. Und als er das sah, nahm Eulenspiegel 2 der einfachsten Menschen beiseite, die in der Stadt waren, und diese spielten die 3 Marien und der Pfarrer spielte Christus mit einem Banner in seiner Hand. Dann sagte Eulenspiegel zu den einfachen Menschen: »Wenn der Engel euch fragt, wen ihr sucht, könnt ihr sagen: »Die Geliebte des Pfarrers mit einem Auge‹‹.« Dann ergab es sich, dass

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D. h., Büddenstedt.

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the tyme was come that thei must playe and the angell asked them whom they sought and than said they as Howleglas had shewed and lerned them afore. and than answered they, we seke the priests leman with one iye: and than the priest myght heare that he was mocked. And whan the priestes leman herd that, she arose out of the graue and would haue smyten with her fist Howleglas vpon the cheke. but ¦ she missed him and smote one of the [B3b] simple parsons that played one of the thre maries, and he gaue her another, and than toke she him by the heare, and that seing his wyfe: came running hastely to smite the priest leaman, and than the priest seing this: caste down hys baner, and went to helpe his woman, so that the one gaue the other sore strokes and made great noyse in the churche And than Howleglas seyng them lyinge to gether by the eares in the bodi of the church, went his way out of the village and came no more there.

[10] 15

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Howe that Howleglas would flee fro the towne house of Meybrough. After that came Howleglas to Maybrough wher he dyd many marueyleous thynges that his name was there wel knowen. Than bad the principal of the towne, that he should do some thing that was neuer sene before: Than sayd he that he woulde go to the highest of the counsail house, and flye fro it, and anon that was knowen through all the towne that Howleglas would flye fro the tope of the councel house, in somuche that all the towne was ther assembled and gathered in the market place to see him.Vpon the top of the house stod howleglas with his hands wauering as though he would haue flyen. and than the people loked whan he should haue flyed: wher at he laughed, and sayde to the people: I thought there had bene no more fooles28 but my self ? but I se wel that her is a hole town ful. For had ye altogether said that ye wold 21 would] woul

24 and than] ›and th‹ nicht lesbar

Textzeuge L2

28

Jemand, dem es an Einsicht (›judgement‹, ›sense‹) mangelt und der sich dumm verhält (OED2, I.1.a.); biblisch für boshaft oder ungläubig; jemand, der professionell Narretei zur Unterhaltung anderer darstellt (I.2.a.).

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die Zeit kam, da sie spielen mussten, und der Engel fragte, wen sie suchten, und dann sagten sie, was Eulenspiegel ihnen vorher gezeigt und beigebracht hatte. Und dann antworteten sie: »Wir suchen die Geliebte des Pfarrers mit einem Auge.« Und dann konnte der Priester hören, dass er verspottet wurde. Und als dies die Geliebte des Priesters hörte, stand sie aus dem Grab auf und wollte mit ihrer Faust Eulenspiegel auf die Wange schlagen, aber sie schlug daneben und schlug [stattdessen] einen der einfachen Menschen, der eine der drei Marien spielte. Und er gab ihr einen zurück und dann nahm sie ihn beim Ohr. Und als seine Frau das sah, kam sie hastig angerannt, um die Geliebte des Priesters zu schlagen. Und als der Priester das sah, warf er sein Banner nieder und kam seiner Haushälterin zur Hilfe, so dass einer dem anderen harte Schläge gab und sie einen großen Lärm in der Kirche machten. Und dann, als Eulenspiegel sie sich im Kirchenschiff streiten sah, ging er seines Wegs aus dem Dorf und kam nicht mehr dorthin.

[10] Wie Eulenspiegel vom Rathaus in Magdeburg fliegen wollte. Danach kam Eulenspiegel nach Magdeburg, wo er viele wunderliche Dinge tat, so dass sein Name dort wohl bekannt war. Dann hieß ihn das Stadtoberhaupt, dass er etwas tun solle, was man [vorher] noch nie gesehen habe. Dann sagte er, dass er auf die höchste Stelle des Rathauses gehen werde und hinunter fliegen werde. Und bald darauf war es in der ganzen Stadt bekannt, dass Eulenspiegel von der Spitze des Rathauses fliegen würde, so dass die ganze Stadt da auf dem Marktplatz zusammengekommen und versammelt war, um ihn zu sehen. Auf der Hausspitze stand Eulenspiegel und winkte mit seinen Händen, als ob er fliegen wolle. Und dann guckten die Leute, wann er fliegen würde. Darüber lachte er und sagte zu den Leuten: »Ich dachte, hier gäbe es keine weiteren Narren außer mir? Aber ich sehe wohl, dass die ganze Stadt hier [von ihnen] voll ist. Denn hättet ihr alle miteinander gesagt, dass ihr

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haue flien: yet I wold not haue beleued you. And now ye beleue one fore that sayth that he will flye, which thing is vnpossible for I haue no winges, and no man can flie without wynges. And than went he his waye fro the top of the counsail ¦ house and lefte the folke there standing. And than departed the B.iiii. folke fro thence som blaming him and som laughing saying he is a shrewed fole for he telleth vs the truthe.

[11] How Howleglas made him selfe a phecision. and how he begyled a doctour of the Byshopps of Mayborough. 10

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THe byshope Eryme of Mayboroughe, Earle of Quecforthe and all his nobles loued Howleglas, for that he did many propre conceites, and therefore the Byshoppe gaue him meate and drynke, clothe, and wages. The bysshop had a ryghte wyse doctoure withe hym and he in no wyse myghte here nor se no foles. So vpon a tyme as he sawe Howleglas there, he sayd to the byshoppe and the lordes men, you shoulde lette come in lordes Courtes wyse men, and no fooles: for the wyse men, will be conuersaunt with wyse men and geue wyse reasons. And fooles will be conuersaunt with fooles, and geue folish reasons. And than aunswered they and sayde that reason is false, for he that folishnes wyll not here nor see, he maye well depart from them. There bee also that thynke themself wise that bene often temes defiled of fooles, it belonges to prynces, lordes, and barrons, to haue in their courtes fooles: for oftentymes they driue a wai heuy thoughtes and fantasies and melancoly. Where lordes be, there will be also fooles. Than sayd Howleglas to the lordes, what argument haue you had withe the doctour for my sake: forsoth he shalbe quit and you will helpe me therto: and they sayde all yes. Than departed he out of the court by the space of .iii. wekes, and than came a gayne to Textzeuge L2

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fliegen würdet, hätte ich euch dennoch nicht geglaubt! Und ihr glaubt nun einem, der sagt, dass er fliegen wird, was doch unmöglich ist, denn ich habe keine Flügel und kein Mensch kann ohne Flügel fliegen.« Und dann ging er seines Wegs von der Rathausspitze und ließ die Leute da stehen. Und dann gingen die Leute von da weg; einige beschwerten sich über ihn, andere [aber] lachten und sagten: »Er ist ein gewitzter Narr, denn er sagt uns die Wahrheit.«

[11] Wie Eulenspiegel sich selbst als Arzt ausgab und wie er einen Doktor des Bischofs von Magdeburg täuschte. Der Bischof Eryme13 von Magdeburg, Graf von Quecforthe14 und sein ganzes Gefolge mochten Eulenspiegel sehr, denn er spielte viele ordentliche Streiche und dafür gab ihm der Bischof Essen und Trinken, Kleidung und Lohn. Der Bischof hatte einen schrecklich klugen Doktor bei sich, der überhaupt keine Narren hören oder sehen mochte. Also sagte er einmal zum Bischof und zu dessen Gefolge, als er Eulenspiegel dort sah: »Ihr solltet weise Männer an den Hof kommen lassen und nicht Narren! Denn weise Männer haben mit weisen Männern Umgang und geben kluge Ratschläge. Und Narren haben Umgang mit Narren und geben närrische Ratschläge.« Und dann antworteten sie und sagten: »Jenes Argument ist falsch, denn derjenige, der keine Narrheit hören oder sehen will, kann ja einfach weggehen. Es gibt auch einige, die von sich selbst denken, sie seien weise, die [doch] oft von Narren verunglimpft worden sind.15 Es gehört sich für Prinzen, Adel und Barone, an ihren Höfen Narren zu haben, denn oft vertreiben sie schwere Gedanken, Phantasien und Melancholie. Wo Herren sind, da sind auch Narren.« Dann sagte Eulenspiegel zu den Adligen: »Worüber habt ihr meinetwegen mit dem Doktor gestritten? In der Tat, es soll ihm heimgezahlt werden und ihr sollt mir dabei helfen.« Und sie sagten alle: »Ja.« Dann verließ er den Hof für den Zeitraum von 3 Wochen und kam dann wieder nach

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D. h., Bruno. D. h., Querfurt. Die verwendete Präposition ›of‹ muss im Sinne eines genitivus subiectivus als ›by‹ verstanden werden. Vgl. die etwa zeitgenössische Übersetzung von Thomas Mores ›Utopia‹ (R. Robinson, 1556): »thou shouldest rather be moved with pitie to see a selye innocente hare murdered of a dogge.« In: Sampson (1914), S. 129.

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Genckestayne, and than he came to the lodging there where the doctour laye and ¦ was sicke for the whiche sikenes he sought for helpe: Than sayd [B4b] the lordes, that there was come a cunninge man and a maister of Phisecke that had helped mani people. The doctour knewe not Howleglas. and than he tooke hym by the arme and ledde hym into his lodgyng where he spake to hym and sayde, and ye can helpe me, I shall contente you well for your labour: Than aunswered he I trust to helpe you, but first I must lye by you one nyght, that I may couer you wel that you may swete, and by the ayre of the swete, I shall well knowe what syckenes it is that you haue. And than the priest wenyng that al had bene true: graunted to him and than gaue Howleglas to him a strong purgacion for to make him shyte, but he said to the doctour that it was a medicin to meke him to sweat, and the doctour beleued hym. And than went Howleglas into the garden, and there stode a pot, the which Howleglas toke and shit in, and he tooke the pot and put it betwene the bed and the wal of the doctour, that the doctour knew it not, and the doctour went a fore to bed, and than came Howleglas to bede, and the priest turned him to the wall where the pot stode, and then he felt such a stinke of the durt that stode in the pot, so that he tourned his head a gayn toward Howleglas, than let Howleglas a great stynking fart, and than tourned the doctoure a gain toward the wall. and than stanke the durte in the pot, and thus suffred the doctour the stynke half the night that him thought his heart did break and than began the medicine to worke so much that he beshyt al the bed, than said Howleglas how do ye maister doctour? me thinke your swete stinkethe very sore the ductoure thoughte in his mynde that knowe I well ¦ enough C.i. but he myght not speke because of the stinke. Than said Howleglas I wil go fetch you a candell, and se how it is with you, and as he rose he let a gret fart Than sayd the doctour, alas I dye. But he thanked God that Howleglas was gone: that he myght haue some ayre. Than began the daye to appeare, and soo departed Howleglas his way. And than loked the doctour by the beddes syde: and ther founde the pot of durt that stanke so, and than tooke he it and cast it a wai, and than knew he wel that he was mocked. And within a whyle 7 aunswered] aunswred 10 true] trne 13 Howleglas] Howeleglas 18 Howleglas] Hawleglas 22 beshyt] ›t‹ nicht lesbar 23 Howleglas] Rowlegias 23 doctour] ›o‹ nicht lesbar Textzeuge L2

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Genckestayne16. Und dann kam er zu der Herberge, wo der Doktor lag und krank war und für seine Krankheit Hilfe suchte. Dann sagten die Adligen, dass da ein geschickter Mann und Meister der Arzneikunst angekommen sei, der [schon] vielen Leuten geholfen habe. Der Doktor erkannte Eulenspiegel nicht und dann nahm er ihn beim Arm und führte ihn in seine Herberge, wo er zu ihm sprach und sagte: »Wenn Ihr mir helfen könnt, werde ich Euch für Eure Mühe gut belohnen.« Dann antwortete er: »Ich bin sicher, dass ich Euch helfen kann, aber zuerst muss ich eine Nacht bei Euch liegen, damit ich Euch gut zudecken kann, so dass Ihr schwitzt. Und vom Geruch des Schweißes werde ich wohl wissen, welche Krankheit es ist, die Ihr habt. Und dann glaubte der Priester, dass alles wahr sei und willigte ein. Und dann gab Eulenspiegel ihm ein starkes Abführmittel, so dass er scheißen würde, aber er sagte zu dem Doktor, dass es eine Medizin sei, die ihn zum Schwitzen bringen würde, und der Doktor glaubte ihm. Und dann ging Eulenspiegel in den Garten und dort stand ein Napf, den nahm Eulenspiegel und schiss hinein. Und er nahm den Napf und stellte ihn zwischen das Bett und die Wand, an der der Doktor schlief,17 so dass der Doktor es nicht merkte. Und der Doktor ging zuerst zu Bett und dann kam Eulenspiegel zu Bett. Und der Priester drehte sich zur Wand, wo der Napf stand, und dann roch er einen solchen Gestank von dem Dreck, der in dem Napf war, dass er seinen Kopf wieder zu Eulenspiegel drehte. Dann ließ Eulenspiegel einen großen, stinkenden Furz und dann drehte sich der Doktor wieder zur Wand. Und dann stank [aber] der Dreck im Napf und auf dieses Weise erlitt der Doktor die halbe Nacht den Gestank, so dass er dachte, sein Herz müsse brechen. Und dann begann die Medizin zu wirken – so sehr, dass er das ganze Bett beschiss. Dann sagte Eulenspiegel: »Wie geht es Euch, Herr Doktor? Es scheint mir, dass Euer Schweiß entsetzlich stinkt.« Der Doktor dachte bei sich: »Das weiß ich genau!« Aber er konnte wegen des Gestanks nicht sprechen. Dann sagte Eulenspiegel: »Ich werde Euch eine Kerze holen gehen und sehen, wie es um Euch steht.« Und als er aufstand, ließ er einen großen Furz. Dann sagte der Doktor: »Oh weh, ich sterbe!« Aber er dankte Gott, dass Eulenspiegel weg war, so dass er etwas Luft haben könne. Dann brach der Tag an und so ging Eulenspiegel fort seines Wegs. Und dann schaute der Doktor an der Seite des Betts und dann fand er den Napf mit dem Dreck, der so stank. Und dann nahm er ihn und warf ihn fort und dann erkannte er wohl, dass er verspottet war. Und nach einer Weile

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D. h., Greuen-, Gevenken- oder Genenckenstein (für Giebichenstein). Wörtlich steht im englischen Text: »die Wand des Doktors«.

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came the byshop and his nobles to viset the doctour, and whan the came to his chamber, the asked hym howe he fared and he aunswered and sayd neuer worse. For I am all moste dead. Than he tolde the beshop how the maister of phisicke had serued hym and than began the byshop to laugh and all his lordes And sayd this cometh to passe all after your wordes. For ye sayd that fooles wold haue conuersacion with fooles: and geue folysh reasons, and wise men would haue conuersacion with wyse men: and geue wyse reasons. But I se that mani wyse: be made fooles of fooles, and so be you: For if that ye wold haue suffred Howleglas and sayd nothyng: ye had not be mocked of hym. For the phisicion that was with you was Howleglas, and that we all knewe well enoughe. But in no wyse we wold shew you: for because ye were so wise that he shold be begyled of a foole. For ther is no man that is wyse, but he must know fooles, for wher no fooles be, how should men know wyse folke? And than the doctour held his peace and spake no more. and than neuer after durst he complain more of fooles, but let them do all that they would after theyr owne mynde.

[12] ¦ How Howleglas made a sicke childe shite that a fore myght [C1b] not shyte, and howe he gat great worshyp therof and prayse. 20

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MEn let alone, and take no hede of cunning men that dwel bi them: but profer them a litle or nought for ther labour, nor be beloued: but rurall persones, and vacabundes29 haue all their desyre. As it is don to Howleglas, that came into the lande of Hyldeshe, in a lodging wher the good man was not at home, but Howleglas was welcom to the good wife of the house. In the house there was a sicke chylde lying by the fyre. And than Howleglas 6 conuersacion] couersacion

24 Howleglas] Howlegias

Textzeuge L2, Varianten: 11 knewe] know L1 shold L1 18/19 myght not] could not L1

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12 that he shold] that ye

Die Verwendung des Wortes ist insofern interessant, als dass es in H 41 durch ›land runners‹ ergänzt wird (wo im deutschen Text die Vagranten nicht genannt werden).

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kamen der Bischof und sein Gefolge, um den Doktor zu besuchen. Und als sie in sein Zimmer kamen, fragten sie ihn, wie es ihm ginge und er antwortete und sagte: »Niemals schlimmer! Denn ich bin fast tot.« Dann erzählte er dem Bischof, wie der Meister der Arzneikunst ihn behandelt hatte. Und dann fing der Bischof an zu lachen und alle seine Adligen [auch]. Und sagte: »Dies geschieht ganz nach Euren Worten: Denn Ihr habt gesagt, dass Narren mit Narren Umgang haben sollten und närrische Ratschläge geben und dass weise Männer mit weisen Männern Umgang haben sollten und kluge Ratschläge geben. Aber ich erkenne, dass viele weise Menschen durch Narren zu Narren gemacht werden – und Ihr auch. Denn wenn Ihr Eulenspiegel geduldet hättet und nichts gesagt hättet, dann wärt Ihr nicht von ihm verspottet worden. Denn der Arzt, der bei Euch war, war Eulenspiegel und das wussten wir alle genau. Aber wir wollten es Euch auf keinen Fall enthüllen, denn Ihr wart so weise, dass er18 von einem Narren getäuscht werden sollte. Denn es gibt keinen Menschen, der weise ist, außer, wenn er Narren erkennt; denn wenn es keine Narren gäbe, wie sollten Menschen weise Leute erkennen?« Und dann war der Doktor still und sprach nicht mehr. Und er wagte danach nie wieder sich über Narren zu beschweren, sondern ließ sie alle tun, was sie wollten, nach ihrem eigenen Gutdünken.

[12] Wie Eulenspiegel ein krankes Kind zum Scheißen brachte, das zuvor nicht scheißen konnte, und wie er dafür große Ehre bekam und Lob. Die Menschen kümmern sich nicht um geschickte Männer, die unter ihnen wohnen, und lassen sie unbeachtet und geben ihnen wenig oder nichts für ihre Mühe und mögen sie nicht leiden, aber Bauern und Vagabunden bekommen alles, was sie wollen. So ist es auch Eulenspiegel geschehen, der in das Land von Hildeshe19 kam, in eine Herberge, wo der Wirt nicht zuhause war, aber Eulenspiegel war der Wirtin willkommen. Im Haus war ein krankes Kind, das beim Feuer lag. Und dann, als Eulenspiegel

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Im Variantenapparat findet sich bei L1 die Fassung »dass Ihr […] getäuscht werden solltet«, was einleuchtender ist als »dass er […] getäuscht werden sollte« im Copy-Text. D. h., Hildesheim.

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seing the chyld lye so: he asked his hostise, what sicknes that the chyld had? Than answered the woman to Howleglas and sayde, if the chyld might go to the draught30: he shold do well ynough. And than aunswered Howleglas therto, know you no remedy than aunswered the Woman? Can ye helpe the chylde? and ye can: I shall geue you that ye shall be pleased therwith. Than answered Howleglas, that is but a lytle thing to do, nor no cunning. For I wil take no thyng therfore. And so departed the wife into the garden, and in the meane whyle: dyd Howleglas shyte a grean turde, and than set he the shyting chayre ouer the turde, and set the chylde theron, as though the chylde had done it. Than came the woman out of the garden and asked wo had done that. And than answered Howleglas I haue done it. ye sayd that the chyld could not go to the draught, therfore I haue set the chylde in the chayre. Than toke the woman the chylde awaye, and sawe so much durt vnderneth. Than said she to Howleglas, this is it that hath hindered the chyld so long for this great cure ye must haue great thanke therof ¦ Than sayd Howleglas C.ii. suche maistery can I do with lesse cost. Than sayde the woman I praye you larne31 me that cunnyng and I will geue you thear for what you wyll haue. Than sayd Howleglas. I muste nedes depart from hence, but whan I come a gayne I wyll learne you that science and learnyng and then wente he into the stable and sadled his horse and toke his leue and so departed from thence. But he tought not his hostes that science: but so departed.

[13] How Howleglas made hole al the sicke folke, that were in the Hospitall, where the spere of our lorde is 25

VPon a tyme Howleglas came to Northeborough, and he set vpon the churche dores, and vpon the Guyld hal, and euery place that all the people in that towne myght knowe that he was a great maister of Phisicke: That al Textzeuge L2, Varianten: 1 that the chyld] that child L1 4 remedy than] remedye, and than L1 8 grean] great L1 17 larne] learne L1; learne L3 30 31

Abort (OED2, XIII.46.a.). Das OED2 verzeichnet diese Lautung als dialektal, macht aber keine Angabe darüber, aus welcher Region. Die Bedeutung entspricht ›teach‹, so wie sie in der Verwechslung zwischen ›lehre‹ und ›lerne‹ im Deutschen geläufig ist.

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das Kind so liegen sah, fragte er seine Wirtin, was für eine Krankheit das Kind habe. Dann antwortete die Frau Eulenspiegel und sagte: »Wenn das Kind nur Stuhlgang hätte, ginge es ihm wohl gut genug.« Und dann antwortete Eulenspiegel darauf: »Wisst Ihr kein Heilmittel?« Dann antwortete die Frau: »Könnt Ihr dem Kind helfen? Wenn ja, werde ich Euch etwas geben, mit dem Ihr zufrieden sein werdet.« Dann antwortete Eulenspiegel: »Das ist nur eine Kleinigkeit [und verlangt] keine große Fertigkeit. Dafür werde ich nichts nehmen.« Und so ging die Frau in den Garten und in der Zwischenzeit schiss Eulenspiegel einen grünen Haufen und setzte den Scheißstuhl über den Haufen und setzte das Kind darauf, als ob das Kind es gemacht hätte. Dann kam die Frau aus dem Garten und fragte, wer das getan habe. Und dann sagte Eulenspiegel: »Ich habe es getan. Ihr habt gesagt, dass das Kind keinen Stuhlgang hatte,20 deshalb habe ich das Kind in den Stuhl gesetzt.« Dann nahm die Frau das Kind weg und sah so viel Dreck unter ihm. Dann sagte sie zu Eulenspiegel: »Das ist es, was das Kind so lange behindert hat; für diese großartige Heilung sollt Ihr großen Dank haben!« Dann sagte Eulenspiegel: »Solche Meisterschaft kann ich mit noch kleineren Kosten erzielen.« Dann sagte die Frau: »Ich bitte Euch, lehrt mich diese Fertigkeit und ich werde Euch dafür geben, was Ihr wollt.« Dann sagte Eulenspiegel: »Ich muss unbedingt von hier weggehen, aber wenn ich wiederkomme, werde ich Euch diese Wissenschaft und Weisheit lehren.« Und dann ging er in den Stall und sattelte sein Pferd und nahm seinen Abschied und ging also von da weg. Aber er lehrte seine Wirtin diese Wissenschaft nicht, sondern er ging so weg.

[13] Wie Eulenspiegel alle kranken Leute gesund machte, die im Spital waren, wo der Speer unseres Herrn ist. Einmal kam Eulenspiegel nach Nürnberg und er hängte an den Kirchtüren und am Zunfthaus und überall Anschläge aus, um alle Leute in dieser Stadt wissen zu lassen, dass er ein großer Meister der Arzneikunst sei [und] dass er

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Der Wortwitz im Englischen funktioniert, indem Eulenspiegel die Worte seiner Wirtin so interpretiert, dass das Kind nicht zur Toilette gehen konnte, er es deshalb also hingebracht habe.

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sicke he could make hol And than the maister of the spytle house, where the sper of our lord is: had mani sicke folkes in his house than went the maister of the hospytall to Howleglas and asked hym, yf he could helpe sicke men, or lame men and make them hole? and he woulde reward him after his owne pleasure. Than answered howleglas to the maister of the hospital, wyl ye geue me .cc. golde gyledens, and I shal recouer and make them hole of all the sicknes, and deases, and will haue no money tyll all the sicke persons be deliuered out of the hospital. These wordes pleased the maister of the hospitall veri wel. And he gaue hym some money in his hande. Vpon. the morowe after came howleglas to the hospital with .ii. men after hym, and than he asked the sicke folke, on after the other, what desease they had, and whan he hadde asked them all than he made them swere vpon a booke ¦ that [C2b] thei should kepe his counsail whatsoeuer he said to them. They answered that they would, than saide Howleglas to them, I haue vndertaken to make you all hole whiche is vnpossible, but I must nedes bren32 one of you all to pouder. And than muste I take they pouder of him: and geue all the other to drinke therof, with other medicines that I shall minister therto And he that is the last, whan I shal cal you out of the hospitall, and he that can not go: shalbe he that shalbe brenned. For on wednesday next comming. than shall I come before the maister of the hospitall, and than shall I call and he that slepeth longest shall pay for al than prepared euery one of the sicke folke their crutches, and gere that thy wold not be the laste. And whan Howleglas was come to the maisters of the hospitall: than called he them, and than they ran out of the hospitall, and some of them had not bene out of their bed in .x. yere before. than whan the sicke folke were out of the hospital. than asked he his mony, and than the maister gaue it him and than he departed. And within .iii. daies after came again the poore men to they hospital: and complained of ther sicknes, and than the maister of the hospital said to them, how commeth this to passe? I gaue the maister of phisik a great summe of mony to make you hole. than answered the poore folke, he hathe deceyued you and vs bothe. For four dayes past he came to euery one of vs, and sayd 3 Howleglas] Howlegla¯s

17 I] i

22 not] eot

Textzeuge L2, Varianten: 7 persons] parsons L3 not L1 28 complained of] complained on L1

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17 I] I L3

22 not]

Diese Form des Verbs ist (entgegen den ›burn‹-Formen) bis ins 17. Jh. hinein gebräuchlich, vgl. OED2.

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alle Kranken gesund machen könne. Und der Meister des Spitals, wo der Speer unseres Herrn ist, hatte viele kranke Leute in seinem Haus. Dann ging der Meister des Spitals zu Eulenspiegel und fragte ihn, ob er kranken Menschen oder lahmen Menschen helfen und sie gesund machen könne? Und er wollte Eulenspiegel nach dessen eigenen Gutdünken belohnen. Dann antwortete Eulenspiegel dem Meister des Spitals: »Gebt Ihr mir 200 Goldgulden, wenn ich sie wieder herstelle und sie von aller Krankheit und [von allem] Gebrechen gesund mache? Und [ich] will kein Geld haben, bis alle kranken Menschen aus dem Spital entlassen sind.« Diese Worte gefielen dem Meister des Spitals sehr gut und er gab ihm etwas Geld auf die Hand. Am Morgen danach kam Eulenspiegel mit zwei Männern hinter sich ins Spital und dann fragte er die kranken Leute, einen nach dem anderen, welche Krankheit sie hätten. Und als er sie alle gefragt hatte, dann ließ er sie auf ein Buch schwören, dass sie über seinen Rat Stillschweigen bewahren würden, was auch immer er zu ihnen sagen würde. Sie antworteten, dass sie das tun würden. Dann sagte Eulenspiegel zu ihnen: »Ich habe versprochen, euch alle gesund zu machen, was unmöglich ist, außer [indem] ich einen von euch unbedingt zu Puder verbrenne. Und dann muss ich sein Puder nehmen und allen anderen davon zu trinken geben, mit anderer Medizin, die ich hinzufügen werde. Und derjenige, der der letzte ist, wenn ich euch aus dem Spital rufe, und derjenige, der nicht laufen kann, der wird derjenige sein, der verbrannt wird. Denn am nächsten Mittwoch werde ich vor den Meister des Spitals treten und dann werde ich rufen und derjenige, der am längsten schläft, wird für alle bezahlen.« Dann bereitete ein jeder der kranken Leute seine Krücken und Habseligkeiten, so dass er nicht der letzte wäre. Und als Eulenspiegel zu den Meistern des Spitals gekommen war, dann rief er [die Kranken] und dann rannten sie aus dem Spital. Und einige von ihnen waren seit zehn Jahren nicht mehr aus dem Bett gewesen. Dann, als die kranken Leute aus dem Spital waren, verlangte er sein Geld und dann gab der Meister es ihm und dann reiste er ab. Und innerhalb von drei Tagen danach kamen die armen Menschen wieder zum Spital und litten an ihren Krankheiten. Und dann sagte der Meister des Spitals zu ihnen: »Wie kann das sein? Ich habe dem Meister der Arzneikunst eine große Summe Geld gegeben, damit er euch gesund macht.« Dann antworteten die armen Leute: »Er hat sowohl Euch als auch uns betrogen. Denn vor vier Tagen ist er zu jedem von uns gekommen und hat zu uns gesagt,

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to vs that he should come on wednisday next coming and heale vs, but he sayd he must nedes first bren on of vs, and sayd that should be he that whan he shold cal, shold be the last out of hys bed, and the pouder of hym shold they drinke and be made hole therwith. Than knewe the maister of the hospitall that he was decey- ¦ ued and begyled, and than toke he the poore C.iii. folke into the hospitall and put euery one in their bedde as the were before but he dyd all a gaynst his wyll.

[14] How that a baker hyred Howleglas to be his seruaunt. 10

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VPon a time came Howleglas to a baker for to dwell, and the baker had ned of a seruant and than he hyred Howleglas. In the next mornynge after, must the baker bake: so the nyght before must Howleglas syft thei meale without a candell. Than said he to his maister, ye must geue me a candel. Than aunswered the baker I neuer gaue a candel to boult with but the did boult in the mone light. Than aunswered Howleglas I am contente, than went his maister to bed to slepe .iii. houres, and in the mean whyle, let he the bulting bag out of the window in the mone shine and than began he to boult the flowre vp on the erth in the garden. Than arose his maister and thought to haue baken: and came to the boulting house, and than he sawe that Howleglas, had boulted the meale in thei garden vpon the bare grounde. Than sayd the baker to Howleglas, what the deuyll doest thou thinke, the mele cost no more but strawing vpon the earth? than aunswered Howleglas to his maister. I haue doone as ye bad me: for it is boulted in the mone shyne. Than aunswered the baker. I badde the that thou shouldest boulte it by the moone shyne: and than answered Howleglas, so I haue done, for it is syfted in the mone shyne, and without the moone shyne. And than sayd Howleglas. There is not much mele lost, but that we mai take it vp a gayne. And than answered the baker it is to late nowe for to bake, for our dowe is not made. ¦ Than answered Howleglas to his maister and sayde, I shall helpe you wel. [C3b] 9 seruaunt] seruannt

22 Howleglas] Bowleglas

26 moone] mooue

Textzeuge L2, Varianten: 5/6 toke he the poore folke into] tooke the poore folke into L1; folke fro L3 6 were] where L3 14 gaue a candel] gaue candle L1 15 boult] bealt L3 19 baken] baked L1 25 I haue] haue I L3 102

dass er am nächsten Mittwoch kommen würde und uns gesund machen; aber er hat gesagt, dass er erst unbedingt einen von uns verbrennen müsse und sagte, dass das derjenige sein würde, der zuletzt aus seinem Bett sei, wenn er rufe. Und den Puder von ihm sollten sie trinken und damit würden sie gesund.« Dann wusste der Meister des Spitals, dass er getäuscht und betrogen worden war und dann nahm er die armen Leute ins Spital und legte jeden in sein Bett zurück wie zuvor, aber er tat das alles widerwillig.

[14] Wie ein Bäcker Eulenspiegel als seinen Knecht anstellte. Einmal kam Eulenspiegel zu einem Bäcker, um [dort] zu wohnen und der Bäcker brauchte einen Knecht und dann stellte er Eulenspiegel ein. Am nächsten Morgen danach musste der Bäcker backen, deshalb musste Eulenspiegel in der Nacht zuvor das Mehl sieben – ohne eine Kerze. Dann sagte er zu seinem Meister: »Ihr müsst mir eine Kerze geben!« Dann antwortete der Bäcker: »Ich habe noch nie eine Kerze zum Sieben gegeben, sondern sie haben im Mondlicht gesiebt.« Dann sagte Eulenspiegel: »Ich bin zufrieden.« Dann ging sein Meister zu Bett, um drei Stunden zu schlafen. Und in der Zwischenzeit hängte [Eulenspiegel] den Sack zum Sieben im Mondschein aus dem Fenster und begann das Mehl in den Garten auf die Erde zu sieben. Dann stand der Meister auf und hatte vor zu backen und kam zum Haus, wo gesiebt wurde, und dann sah er, dass Eulenspiegel das Mehl in den Garten auf die bloße Erde gesiebt hatte. Dann sagte der Bäcker zu Eulenspiegel: »Was zum Teufel denkst du? Dass das Mehl nicht mehr wert ist, als auf den Boden gestreut zu werden?« Dann antwortete Eulenspiegel seinem Meister: »Ich habe getan, wie Ihr mich geheißen habt, denn es ist im Mondschein gesiebt.« Dann antwortete der Bäcker: »Ich habe dich geheißen, dass du es beim Mondschein sieben solltest!« Und dann antwortete Eulenspiegel: »Das habe ich getan, denn es ist im Mondschein und ohne den Mondschein gesiebt.« Und dann sagte Eulenspiegel: »Es ist nicht [so] viel Mehl verloren, dass wir es nicht wieder aufheben können.« Und dann antwortete der Bäcker: »Es ist nun zu spät zum Backen, denn unser Teig ist nicht fertig zubereitet.« Dann antwortete Eulenspiegel seinem Meister: »Ich werde Euch gut helfen!

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your neighboure hath dowe redy made in the kneding trough, and I wyll go fetch that: and put yours in the stede. Than was the baker much angry and bad hem go to the galowes and fetche that was vnder it, and than said Howleglas he woulde, and than he departed to the galowes, and whan he came there: he found nothing els but a few bones and those he toke vp and brought home with hym. And than said to his maister, I haue brought that that I haue found vnder the galowes what wil ye do with it? Than was the baker more angry and sayd. I shall complayne on the, thou haste stolen away the kynges iustice. than wente he oute to the market and Howleglas folowed and than came the baker to the burges of the town, and began to complaine. And than came Howleglas and stode by the baker, and therwith was thei baker so angry that he wiste not what to saye to the burges and said angerly to Howleglas, what wilt thou haue? than sayd Howleglas I must nedes se the complaynt that ye make on me. than answered the baker, go out of mi sight thou vngracious knaue, than aunswered Howleglas to they baker, if I were in thy iyes, than must I nedes passe through thy nose thrills whan you shyttest thi iyes. than departed the burges. and knewe wel that he mocked. And than shewed Howleglas his arse to the baker, and asked hym if he coulde bake such a lofe in his mouth. And than departed he and left the baker standyng in the market place. 3 bad hem go to] bad hem to 7 with] wite 9 wente he oute] wente oute 15 aunswered] aunswred 19 And] A Textzeuge L2, Varianten: 6 said to] said he to L1 9 wente he oute] went he out L1 16 iyes] eies L1 17 that] what L3

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Euer Nachbar hat fertig zubereiteten Teig im Backtrog und ich werde gehen, um den zu holen und Euren an seine Stelle legen.« Dann war der Bäcker sehr wütend und hieß ihm zum Galgen gehen und das holen, was darunter lag. Und dann sagte Eulenspiegel, das würde er tun. Und dann ging er weg zum Galgen und als er dort ankam, fand er nichts außer ein paar Knochen und diese hob er auf und brachte [sie] mit sich nachhause und sagte dann zu seinem Meister: »Ich habe das gebracht, was ich unter dem Galgen gefunden habe – was wollt Ihr damit tun?« Dann war der Bäcker noch wütender und sagte: »Ich werde mich über dich beschweren! Du hast das Recht des Königs weggestohlen!« Dann ging er hinaus zum Marktplatz und Eulenspiegel folgte. Und dann kam der Bäcker zu den Räten der Stadt und fing an, sich zu beschweren. Und dann kam Eulenspiegel und stellte sich neben den Bäcker. Und darüber war der Bäcker so wütend, dass er nicht wusste, was er zu den Räten sagen wollte, und sagte wütend zu Eulenspiegel: »Was willst du?« Dann sagte Eulenspiegel: »Ich muss unbedingt die Beschwerde sehen, die Ihr gegen mich macht.« Dann antwortete der Bäcker: »Geh mir aus den Augen, du leidiger Spitzbube!« Dann antwortete Eulenspiegel dem Bäcker: »Wenn ich in deinen Augen wäre, dann müsste ich durch deine Nasenlöcher kriechen, wenn du deine Augen schließt!« Dann gingen die Räte weg und wussten wohl, dass er spottete. Und dann zeigte Eulenspiegel dem Bäcker seinen Hintern und fragte ihn, ob er einen solchen Laib in seinem Mund backen könne. Und dann ging er weg und ließ den Bäcker auf dem Marktplatz stehen.

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[15] How howleglas was put in wages with the foster of anhalte, for to watche vpon a toure, to se whan his enemies came: and than for to blowe an horne to warne them therof. 5

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¦ VPon a time the erle of Anholte hired for a true wayther33 Howleglas, for [C4] he had many enemies and for that cause he must haue many souldiers in wages that he must geue meate to. But Howleglas that was in the toppe of the toure, was not of the meriest, for he was forget. Wpon a tyme cam his enemies, and fetched a waye a great flocke of the earles beastes, and that sawe Howleglas. but he helde his peace: and that was spyed and shewed to the earle. And than the erle asked hym, why he dyd lye so styll and blew not. Than aunswered Howleglas, I dyd daunce for my meate’ Than sayd the earle. wil ye not blowe enemies. Than aunswered Howleglas I dare not, the fielde is so ful of enemies. For if I should blowe: they wold come and slee you at youre owne gate. And than the earle was content and departed And within a while after was Howleglas agayne forgotten, And whan the earle was at dyner and had gread daintes before him: Howleglas blewe enemies. And by and by the erle and al his souldiers rose fro the table and dressed them in harnes and ran to the gate, but they founde no enemies, In the meane whyle toke howleglas as much meate as he would haue from the earles table. Than the souldiers and the earle came in and called Howleglas to them, and the erle asked hym why he blewe enemies and there were none. The erle sayd it was a trayterous dede, and than he put him out of office. Than must he nedes run with his footemen to fyghte with their enemies. than saide he that for thinketh me. I wold I wer hence but he could not Vpon a time came enemies than went the souldiers out vpon them, and Howleglas was last: and whan they retourned [C4b] agayne he was the fyrste in at the gate, ¦ at the last the erle 2 anhalte] an halte 5 VPon] APon cause] couse 8 he] the 9 of] af thau 25 Vpon] Vpan

5 Howleglas] Holeglas 6 22 blewe] ble we 24 than]

Textzeuge L2, Varianten: 5 Anholte] Anhalte L3 10 shewed] showed L3

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6 he must] must he L1

Jemand, der Wache hält, ein Wächter / Wachposten; allerdings ist im OED2 diese Orthographie nicht verzeichnet.

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[15] Wie Eulenspiegel in den Sold des Fürsten von Anhalt genommen wurde, um auf einem Turm Wache zu halten, um zu sehen, wann dessen Feinde kämen und dann ein Horn zu blasen, um sie davor zu warnen. Einmal stellte der Graf von Anhalt Eulenspiegel als einen loyalen Wächter an, denn er hatte viele Feinde und aus diesem Grund musste er viele bezahlte Söldner haben, denen er Kost geben musste. Aber Eulenspiegel war auf der Spitze des Turms und war nicht besonders glücklich, denn er wurde vergessen. Einmal kamen seine Feinde und trieben eine große Herde der Tiere des Grafen weg und das sah Eulenspiegel, aber er war still. Und dies wurde bemerkt und dem Grafen enthüllt. Und dann fragte ihn der Graf, warum er so still gelegen und nicht geblasen habe. Dann antwortete Eulenspiegel: »Ich habe für meine Kost getanzt.« Dann sagte der Graf: »Wollt Ihr nicht Feinde blasen?« Dann antwortete Eulenspiegel: »Ich wage es nicht; das Feld ist so voll von Feinden. Denn wenn ich blasen würde, würden sie kommen und Euch vor Eurem eigenen Tor erschlagen.« Und dann war der Graf zufrieden und ging weg. Und eine Weile danach wurde Eulenspiegel wieder vergessen. Und als der Graf beim Mittagessen saß und große Leckereien vor sich hatte, blies Eulenspiegel Feinde. Und unverzüglich erhoben sich der Graf und seine Söldner vom Tisch und kleideten sich in Harnische und rannten zum Tor, aber sie fanden keine Feinde. In der Zwischenzeit nahm Eulenspiegel so viel Essen wie er wollte vom Tisch des Grafen. Dann kamen die Söldner und der Graf hinein und riefen Eulenspiegel zu sich und der Graf fragte ihn, warum er Feinde blies und da waren keine. Der Graf sagte, dass das eine verräterische Tat gewesen sei und dann entließ er ihn von seinem Posten. Dann musste er gezwungenermaßen mit dessen Fußvolk laufen, um mit ihren Feinden zu kämpfen. Dann sagte er: »Das missfällt mir. Ich wollte, ich wäre auf und davon!« Aber er konnte nicht. Einmal kamen Feinde, dann rückten die Söldner gegen sie aus und Eulenspiegel war der letzte; und als sie wieder zurückkamen, war er der Erste zum Tor hinein. Schließlich bekam der Graf

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had knowlege and came to Howleglas, and asked what was the cause that he was the last out and the first in? Than answered Howleglas to the erle. worshypfull lord if it plese you, whan your souldiours made good chere: I stode vpon the tour fasting and therfore I am not so strong as your souldiers be, and that is cause that I am last oute: and the fyrst in. And you wil geue me meate ynough as ye do the other, than shall I be the first. Than answered the erle, thynkest thou that I wyll kepe the so longe as I haue kept the, to do nothyng but mocke vs in this maner, as ye haue done so often? Than gaue he Howleglas leue to departe, wherof he was very glad, for he loued no fyghtyng: and so departed he.

[16] How Howleglas whan the kinges foole of Casmery of Poseyn withe a great point of folishnes. 15

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THe kyng of Casmer he had with him a certayn foole, whiche foole could playe vpon the fedle34, wherfore the kyng loued hym much and set great price by hym. Also the kyng harde oftentymes tell of Howleglas: but neuer could se him. And on a time it fortuned that howleglas came in to the kynges palaice for to aske dweiling, wherof when that the kyng wist that Howleglas was come there to /dwell: he was very glad therof, and toke him in, and made hym goodly chere. So it fortuned that the kinges foole and Howleglas could not agree, and that spyed the kyng well, and thought in his mynde what shal I doo? and than he made them both to be brought before him in the hall and than he sayde to them. Whiche of you two can the moste foolyshnes? And one of you doo that the other wyll not do: I shall geue hym newe clothyng, and .xx. ducates ¦ […] and let it be done in my presence before me, D.i. 5 fyrst] ›r‹ nicht lesbar 17 fortuned] fortnned .xx. ducates ¦ xx. ducates Textzeuge L2, Varianten: 3 souldiours] soldiers L1 16 harde] herde L1

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25 .xx. ducates ¦ […]]

12 whan] wan L1

Das OED2 verzeichnet keine Variante mit ›e‹, nur ›fiddle‹-Varianten – ist dies (auch) ein Hinweis auf einen Dialekt?

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davon Kenntnis und kam zu Eulenspiegel und fragte, was der Grund sei, dass er der Letzte hinaus und der Erste herein sei. Dann antwortete Eulenspiegel dem Grafen: »Ehrwürdiger Herr, mit Verlaub, als Eure Söldner es sich gut gehen ließen, stand ich auf dem Turm und fastete und deshalb bin ich nicht so stark wie Eure Söldner es sind. Und das ist der Grund, warum ich der Letzte hinaus und der Erste herein bin. Und wenn Ihr mir genug Kost geben werdet, so wie den anderen, dann werde ich der Erste sein!« Dann antwortete der Graf: »Denkst du, dass ich dich so lange behalten werde wie ich dich behalten habe, um nichts zu tun außer uns in dieser Weise zu verspotten, wie du es so oft getan hast? Dann gab er Eulenspiegel den Abschied, worüber dieser sehr froh war, denn er mochte das Kämpfen nicht leiden. Und so ging er weg.

[16] Wie Eulenspiegel den Narren des Königs von Kasimir21 von Poseyn22 mit einer großen Narretei besiegte. Der König von Kasimir hatte einen bestimmten Narr bei sich [und] dieser Narr konnte auf einer Fiedel spielen, weshalb ihn der König sehr gerne mochte und ihn sehr schätzte. Auch hörte der König oft Geschichten über Eulenspiegel, aber er hatte ihn noch nie getroffen. Und einmal ergab es sich, dass Eulenspiegel in den Palast des Königs kam, um um Bleibe zu bitten, worüber der König sehr froh war, als er erfuhr, dass Eulenspiegel gekommen war, um dort zu bleiben. Und er nahm ihn auf und sorgte dafür, dass es ihm gut ging. Es ergab sich aber, dass der Narr des Königs und Eulenspiegel sich nicht vertragen konnten und das bemerkte der König wohl und dachte bei sich: »Was soll ich tun?« Und dann ließ er sie beide in den Saal vor sich bringen und dann sagte er zu ihnen: »Welcher von euch beiden kann die meisten Narreteien? Und wenn einer von euch etwas tut, das der andere nicht tun wird, dann werde ich ihm neue Kleidung geben und 20 Dukaten.23 Und es soll vor mir in meiner Gegenwart

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Es scheint, dass der Bearbeiter nicht erkannte, dass es sich bei ›Kasimir‹ um einen Personenund nicht um einen Ortsnamen handelte; deshalb hier also nicht ›der König Kasimir‹, sondern ›der König von Kasimir‹. D. h., Polen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob ein mit der Region vertrauter Bearbeiter die Stadt Posen gemeint haben könnte. Der englische Text wiederholt an dieser Stelle über den Seitenumbruch fälschlicherweise die ausgelobte Belohnung.

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and al my lordes in this hall. And than they answered both to the kyng that they woulde prepare them, and within a whyle they came before the kynge and his lordes. And than they began to do many propre conceytes and merye touches of folyshnes, one to the other, wherat the king and his lordes had good laughter, and good pastyme thereat, for to see howe the one laboured for to ouercome the other, and to wyn the newe clothes and the twenty ducates. Than thought howleglas this is good for me. Than he thought in his mynde, how he myght do a thing, that the other foole wold not do. And than came he before the kyng and his lordes, and before them all he did shite a great turde. And whan he had done so: he toke a spoone and deuided it in the middes with the spone, and whan he had done so, he came to the kinges foole and sayd do thou as I haue done, shite here in the myddes, and whan that ye haue done, deuyde it in the myddes, and take the spone, and take the one half of my turde and eate it. And I shall take the other halfe of thy turd, and eate it. Than answered the kinges foole, yet had I leuer than I would eate half thy turde, or yet myne owne. I had leuer al the daies of my life go naked. Than gaue the kynge and all the lordes the maistery to howleglas. And they gaue to him the newe clothes and the .xx. duckates. Than tooke he his leaue and thanked the kyng, and so departed he from thence.

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How the duke of Leunenborough banysshed Howleglas out of his lande.

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IT befell on a tyme, in the lande of Leunenborough, that Howleglas had done a great faute ¦ and an vnhappy touche to the duke: wherfore the duke bad [D1b] him that he should go out of his land, and neuer after to come more therein. For if he were founde there euer after that any more: he shold lose his head. And than departed Howleglas out of the dukes land, for he durst no longer 15 would] woul Textzeuge L1, Varianten: 11/12 to the kinges foole] to kinges foole L3 13 take the spone, and take] take the spone and and [sic] take L3 14 the other halfe] the one halfe L3 21 Leunenborough] Lunenborough L3 23 Leunenborough] Lunenborough L3 24 wherfore] whereof L3 110

und [vor] allen meinen Adligen in diesem Saal ausgeführt werden.« Und dann antworteten sie beide dem König, dass sie sich vorbereiten würden und nach einer Weile traten sie vor den König und seine Adligen. Und dann begannen sie einer nach dem anderen viele ordentliche Streiche und lustige Narreteien zu tun, worüber der König und seine Adligen sehr lachten und sich gut dabei vergnügten zuzusehen, wie der eine sich mühte, den anderen zu besiegen und die neuen Kleider und die zwanzig Dukaten zu gewinnen. Dann dachte Eulenspiegel: »Das ist gut für mich!« Dann dachte er bei sich, wie er etwas tun könnte, was der andere Narr nicht machen würde. Und dann trat er vor den König und seine Adligen und vor ihnen allen schiss er einen großen Haufen. Und als er das getan hatte, nahm er einen Löffel und teilte ihn mit dem Löffel in der Mitte. Und als er das getan hatte, ging24 er zum Narren des Königs und sagte: »Tu’ du, was ich gemacht habe – scheiß hier in die Mitte und wenn du das getan hast, teile es in der Mitte und nimm den Löffel und nimm die eine Hälfte meines Haufens und iss sie! Und ich werde die andere Hälfte deines Haufens nehmen und sie essen.« Dann antwortete der Narr des Königs: »Aber lieber will ich, bevor ich die Hälfte deines Haufens essen wollte oder auch meine eigene, alle Tage meines Lebens nackt gehen!« Dann gaben der König und all die Adligen Eulenspiegel die Meisterschaft. Und sie gaben ihm die neuen Kleider und die 20 Dukaten. Dann nahm er Abschied und dankte dem König. Und so ging er von dort weg.

[17] Wie der Herzog von Lüneburg Eulenspiegel aus seinem Land verbannte. Es begab sich einmal im Lande Lüneburg, dass Eulenspiegel gegenüber dem Herzog einen großen Fehler gemacht und einen leidigen Streich [gespielt] hatte, weshalb ihn der Herzog hieß aus seinem Land zu gehen und nie wieder dorthin zu kommen, denn wenn er danach jemals wieder dort gefunden würde, würde er seinen Kopf verlieren. Und dann ging Eulenspiegel weg aus dem Land des Herzogs, weil er wegen des strengen Befehls,

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Wörtlich: »kam er«, was aber im Deutschen in dieser Verwendung nicht idiomatisch ist.

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tary there, for the strayte commaundement that the duke had commaunded hym. And within a whyle after: it fortuned that howleglasses way lay so that he must passe through the dukes land, of the whiche he was banyshed, to go to the place wher him lust best. And as he passed through the land, it fortuned that he spied the duke rydyng towarde hym, so that he could no way passe, but he must nedes se him. Than lyghted Howleglas down from his horse that he rode on: and drewe out his knyfe, and cut the horses throte. And than he turned vp his horses bely, and rypt out all the bowels of his horse, and cast them away. And than he set the horse with his bely vpwarde, and went and stode therin. And within a while after came the duke rydyng by, and as he passed by: one of the dukes seruauntes spyed him standynge in the horses bely, and he rode to the duke and shewed to hym where that howleglas stode. Than rode the duke to him, and whan he came to hym: he sayd. Who made the so bold as to enter into my land. Than howleglas said worshipfull lorde I desire you the pardon of my lyfe: for whan I sawe you not far fro me, than put I my selfe in my horse belly. For I haue herd say: that euery man in his own ground is free, and now I stand in mine owne grounde and not in yours. Than laughed the duke and sayd. I geue the pardon, go out of the dead horse and do as ye were wont to do, and so departed the duke ¦ D.ii. And than sayd howleglas to his horse. I thanke the for thou haste saued my lyfe, and caused the duke to geue me pardon. And so departed howleglas.

[18] How howleglas toke vpon him to be a painter. and c 25

VHan it fortuned that howleglas might no longer tary in the land of Sassen for his knauishnesse: than departed he into the land of Hessen to Marchboroughe to the erle, and he asked howleglas what occupacion he was of ? than aunswered Howleglas, worshypfull lord I am a painter, my cunning doth excell al other, for in no lande is not so cunninge as I. Than answered the erle, haue you here any ensample of your worke? Than aunswered howleglas Textzeuge L1, Varianten: 12 shewed] showed L3

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den ihm der Herzog gegeben hatte, nicht länger dort zu bleiben wagte. Und eine Weile danach ergab es sich, dass Eulenspiegels Weg so lag, dass er durch das Land des Herzogs, aus dem er verbannt war, hindurch musste, um zu dem Ort zu gelangen, wohin er am liebsten wollte. Und als er durch das Land zog, ergab es sich, dass er bemerkte, dass der Herzog ihm entgegenritt, so dass er nirgends ausweichen konnte, sondern er musste ihn auf jeden Fall sehen. Dann stieg Eulenspiegel von seinem Pferd ab, auf dem er ritt, und zog sein Messer und schnitt die Kehle des Pferds durch. Und dann drehte er den Bauch seines Pferdes nach oben und riss alle Gedärme seines Pferds heraus und warf sie weg und dann legte er das Pferd mit seinem Bauch nach oben und ging und stand darin. Und nach einer Weile kam der Herzog vorbeigeritten und als er vorbeikam, bemerkte einer der Diener des Herzogs Eulenspiegel, wie er im Bauch des Pferdes stand. Und er ritt zum Herzog und zeigte ihm, wo Eulenspiegel stand. Dann ritt der Herzog zu ihm und als er zu ihm kam, sagte er: »Wer hat dich so kühn gemacht, mein Land zu betreten?« Dann sagte Eulenspiegel: »Ehrwürdiger Herr, ich bitte Euch, mir mein Leben zu schenken. Denn als ich Euch unfern von mir gesehen habe, dann habe ich mich selbst in den Bauch meines Pferdes gestellt. Denn ich habe sagen hören, dass jeder Mann auf seinem eigenen Boden frei ist – und jetzt stehe ich auf meinem eigenen Boden und nicht auf Eurem!« Dann lachte der Herzog und sagte: »Ich begnadige dich, steig’ aus dem toten Pferd und tue, was du zu tun gepflegt hast.« Und so ging der Herzog weg. Und dann sagte Eulenspiegel zu seinem Pferd: »Ich danke dir, denn du hast mein Leben gerettet und hast bewirkt, dass der Herzog mich begnadigt hat!« Und so ging Eulenspiegel weg.

[18] Wie Eulenspiegel es unternahm, ein Maler zu sein etc. Als es sich ergab, dass Eulenspiegel wegen seiner Spitzbübereien nicht länger im Land Sachsen bleiben konnte, dann ging er weg ins Land Hessen nach Marchborough25 zum Grafen. Und [dieser] fragte Eulenspiegel, was sein Beruf sei. Dann antwortete Eulenspiegel: »Ehrwürdiger Herr, ich bin ein Maler. Meine Fertigkeit übertrifft die aller anderen, denn in keinem Land gibt es jemand, der so geschickt ist wie ich. Dann antwortete der Graf: »Habt Ihr irgendeine Probe für Eure Arbeit hier?« Dann antwortete Eulenspiegel

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D. h., Marburg.

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to the erle, yes my lorde. Than hadde he been in flaunders, and brought with him dyuers ymages, that pleased the kyng wonderly wel. Than said the erle to howleglas. Maister what shal I geue to you, to take vpon you to paint vpon the wal in my hal, al the lordes and knightes of my progeny, fro the first vnto the last, in the goodlyest and fayrest maner that ye can, with al the erles of Hessen, and their ladies with them, and how our forefathers were maried to ladies of straunge landes. And al this must you cast, that it may be vpon the walles of my hal. Than answered howleglas to the erle, worshipful lord, if it please you that ye wil haue al this, that you haue rehersed to me to be paynted so costly and rychely as you speake of, than wold it cost onely the colours that shold long thereto aboue .iii.C. golde gyldens. Than answered the erle Howleglas and saide, make it wel, and in the best maner that ye can, and we twaine shall agree after the best maner. And also I shall dooe you a greater pleasure than all that commethe ¦ to. And than tooke howleglas the worke [D2b] vpon hym, but he sayd to the lord, that he must nedes haue an .C gyldens in earnest, to by the colours that belonged therto, and for his mens wages. And than bad the erle, the rent maister geue to howleglas an .C. gildens, and so he dyd. Than went howleglas and gate hym thre felowes, and than he came againe to the erle, and asked him a boone before he began to worke, and the erle graunted him: and than he did aske of the erle, that there should no persone be so hardy to come into the hal to trouble hym and his workemen, without they asked hym lycence. And the erle graunted his desire: and than went howleglas into the hal with his seruauntes, and whan he and they were in the hal: howleglas set a payre of tables before them, and he bad them playe, but he made them before to sweare that they shoulde not bewraye hym:and the felowes had good pastime, wherewith they were well content, and glad that they myght haue meate, drynke, and clothe, and do no other thyng but playe and passe the time in that maner. And howleglas dyd no other thyng, but hanged a whyte clothe before the wall. That done he came and plaied with his seruauntes. In the meane time longed the erle gretly to see his worke, if it were so goodly as the coppy was, and to se if the colours were good, and so he departed and came to howleglas and sayde: Good maister painter, I pray you let me go with you to se your worke. Than sayd howleglas to the lord. Worshipful lorde before that you see my worke, I must shew to you one thing. He the whiche is not borne in wedlocke, maye not see my paynting. Than said the erle that were a merueilous thinge. And than wente he with Textzeuge L1, Varianten: 2 kyng wonderly] Erle wonderfull L3 came] came he L3 30 In the meane time] In meane time L3 114

18 he

dem Grafen: »Ja, mein Herr.« Denn er war in Flandern gewesen und hatte verschiedene Bilder mit sich gebracht, die dem König wunderbar gut gefielen. Dann sagte der Graf zu Eulenspiegel: »Meister, was soll ich Euch geben, damit Ihr es unternehmt, an die Wand in meinem Saal alle Herren und Ritter meiner Linie zu malen, vom Ersten bis zum Letzten, auf die beste und schönste Euch mögliche Weise, mit allen Grafen von Hessen und ihren Damen mit ihnen, und wie unsere Vorfahren mit Damen aus fremden Ländern verheiratet waren? Und all das müsst Ihr entwerfen, so dass es an den Wänden meines Saals sei.« Dann antwortete Eulenspiegel dem Grafen: »Ehrwürdiger Herr, wenn es Euch beliebt, all dies, was Ihr mir aufgezählt habt, so kostbar und reich, wie Ihr es sagt, gemalt zu haben, dann würden allein die Farben, die man dafür benötigt, über 300 Goldgulden kosten.« Dann antwortete der Graf Eulenspiegel und sagte: »Arbeitet ordentlich und auf die Euch bestmögliche Weise und wir beide werden auf die beste Weise übereinkommen. Und ich werde Euch auch mehr zugute kommen lassen, als das, worauf sich alles beläuft.« Und dann nahm Eulenspiegel die Arbeit an, aber er sagte zu dem Herrn, dass er unbedingt 100 Gulden als Anzahlung haben müsse, um die Farben zu kaufen, die dafür nötig seien, und für den Lohn seiner Knechte. Und dann hieß der Graf den Zahlmeister Eulenspiegel 100 Gulden geben und das tat er. Dann ging Eulenspiegel und besorgte sich drei Kumpanen und dann kam er wieder zum Grafen und bat ihn um einen Wunsch, bevor er anfinge zu arbeite, und der Graf gewährte ihm diesen. Und dann erbat er vom Grafen, dass niemand so mutig sein solle, in den Saal zu kommen, um ihn und seine Arbeiter zu stören, ohne seine Erlaubnis zu fragen. Und der Graf gewährte seine Bitte. Und dann ging Eulenspiegel mit seinen Dienern in den Saal und als er und sie im Saal waren, stellte Eulenspiegel ein paar Tische vor sie und hieß sie spielen, aber zuvor ließ er sie schwören, dass sie ihn nicht verraten würden. Und die Kumpanen vergnügten sich gut und waren damit sehr zufrieden und froh, dass sie Essen und Trinken und Kleider bekamen und nichts anderes tun mussten als spielen und die Zeit auf diese Weise vertreiben. Und Eulenspiegel tat nichts anderes außer ein weißes Tuch vor die Wand zu hängen; als das getan war, kam er und spielte mit seinen Dienern. In der Zwischenzeit verlangte es den Grafen sehr, seine Arbeit zu sehen, ob sie so gut sei wie das Muster, und zu sehen, ob die Farben gut seien. Und so ging er los und kam zu Eulenspiegel und sagte: »Guter Meister Maler, ich bitte Euch, lasst mich mit Euch gehen, um Euer Werk zu sehen.« Dann sagte Eulenspiegel zum Grafen: »Ehrwürdiger Herr, bevor Ihr meine Arbeit seht, muss ich Euch eine Sache enthüllen: Derjenige, der nicht ehelich geboren ist, kann mein Gemälde nicht sehen.« Dann sagte der Graf, dass das eine wunderliche Sache sei. Und dann ging er mit 115

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Howleglas into the ¦ hall, and there had he hanged vp a whyte clothe, that he [D3] should haue paynted. And he had in his hand a white rod and he did away the cloth that hanged vpon the wal, and poincted vpon the wall, with his whyte rod, and shewed the erle that that was the first lord of the land, and erle of Hessen. And this is a erle of Rome, he had a wyfe that they called Iustine, the Dukes daughter of Beren. And after he was made Emperour. And of the doughter of him came Adolphus. And of Adolphus, came William the swarte35. And this William had one Lewis, and so forth to your noble grace, And I knowe well, that there is no persone liuing, that can reproue my worke: so curiously haue I made, and with fayre colours, but the lord saw no worke but the plain wal Than thought he in his minde am I a bastard? is my mother a hore? I se nothyng but the whyte wal. And for because that he wold not be knowen for a bastard he said to howleglas. Maister youre worke pleaseth me meruaylously wel, but my vnderstandyng is very small therin. And with that he went out of the hall and came to his wife, and she asked him how that worke did please him? he said: I haue shrewd trust in him. Than said the erle: I like it wel. Shall it please you to loke theron? and she graunted. And than she desired Howleglas that she might see his worke, and he graunted her. And than he said vnto her secretly, as he had said befor to the lord, and shewed her the lordes vpon the wall, with the whyte rod in his hand, as he did to the lorde. And there stode one folish gentilwoman with the lady and she sayd, that she sawe no painting on the wal, and the other spake not one worde. And than thought Howleglas wil this fool tell truth? than must I nedes de- ¦ part. Than hanged he vp the whyte clothe, and so departed the lady. [D3b] And whan she was come to her lord, he asked her how she liked the worke. She sayd, how that it liketh me, it liketh not my foolish gentlewoman: and she said that some of her gentlewomen sayde that it was but deceite, and so thought the lorde: than sayde the lord to howleglas, that he shold make redy his worke that he and his lordes might see it tomorow, that he might know which of them were borne in wedlocke, and which wer not, for he that is not Textzeuge L1, Varianten: 3 poincted] pointed L3 5 a erle] the erle L3 6 Beren] Benem L3 7 Adolphus. And of Adolphus] Adulphus, of a dulphus L3 8 Lewis, and so] Lewis, so L3 9 persone] parson L3 9 reproue] deproue L3 13 he said to] and then sayd vnto L3 19 to the lord] to her and lorde L3

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›Swart‹ ist noch bis ins 19. Jh. hinein eine gebräuchliche Bezeichnung für ›black‹, vgl. OED2..

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Eulenspiegel in den Saal und dort hatte er ein weißes Tuch aufgehängt, das er bemalt haben sollte. Und er hatte in der Hand einen weißen Stab und er zog das Tuch weg, das an der Wand hing, und zeigte mit seinem weißen Stab auf die Wand und zeigte dem Grafen, dass das der erste Herr des Landes gewesen sei und der Graf von Hessen. »Und dies ist ein Graf von Rom, der hatte eine Frau, die Justine genannt wurde, die Tochter des Fürsten von Beren26. Und er wurde danach zum Kaiser gemacht. Und von der Tochter von ihm stammte Adolphus ab. Und von Adolphus stammte Wilhelm der Schwarze ab. Und dieser Wilhelm hatte einen Ludwig und so weiter bis zu Euer Ehren. Und ich weiß wohl, dass es keinen Zeitgenossen gibt, der meine Arbeit tadeln kann, so sorgfältig habe ich sie angefertigt und mit schönen Farben!« Aber der Herr sah keine Arbeit, sondern nur die kahle Wand. Dann dachte er bei sich: »Bin ich ein Bastard? Ist meine Mutter eine Hure? Ich sehe nichts als die weiße Wand!« Und weil er nicht als Bastard erkannt werden wollte, sagte er zu Eulenspiegel: »Meister, Euer Werk gefällt mir wunderbar gut, aber mein Verständnis davon ist sehr klein.« Und damit ging er aus dem Saal und kam zu seiner Frau und sie fragte ihn, wie ihm die Arbeit gefiele. Er sagte: »Ich vertraue ihm.27« Dann sagte der Graf: »Mir gefällt es gut! Beliebt es Euch, es anzuschauen?« Und sie willigte ein. Und dann bat sie Eulenspiegel, dass sie seine Arbeit sehen dürfe und er gewährte es ihr. Und dann sagte er heimlich zu ihr, wie er es vorher dem Herrn gesagt hatte, und zeigte ihr mit dem weißen Stock in der Hand die Herren an der Wand, wie er sie dem Herrn gezeigt hatte. Und da stand eine närrische Edelfrau bei der Herrin und sie sagte, dass sie kein Gemälde an der Wand sehe. Und die andere sprach kein Wort. Und dann dachte Eulenspiegel: »Wird diese Närrin die Wahrheit sagen? Dann muss ich unbedingt weggehen!« Dann hängte er das weiße Tuch auf und so ging die Herrin weg. Und als sie zu ihrem Herrn gekommen war, fragte er sie, wie ihr die Arbeit gefalle. Sie sagte: »Wie sie mir auch gefällt, meiner närrischen Edelfrau gefällt sie nicht.« Und sie sagte, dass einige ihrer Edelfrauen sagten, dass es nichts als Täuschung sei; und das dachte der Herr auch. Dann sagte der Herr zu Eulenspiegel, dass er seine Arbeit bereit machen solle, so dass er und seine Adligen sie am nächsten Tag sehen könnten, so dass er herausfinden könne, welcher von ihnen ehelich geboren sei und welcher nicht. »Denn derjenige, der nicht

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D. h., Bayern. Die Verwendung von ›shrewd‹ im englischen Text stellt insofern ein Problem dar, als dass das Wort negativ konnotiert ist und im positiven Sinne höchstens noch ›intelligentes Urteilsvermögen‹ bedeuten kann. Ordnet man die Aussage allerdings der Gräfin statt dem Grafen zu, macht sie im Kontext Sinn: »Ich habe kein gutes Vertrauen in ihn.«

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born in wedlocke: all his lande is forfet to me. Than answered Howleglas: I wil do it with a good will. Than went he to the rent maister, and receiued of him a .C. gold gildens. And whan he had receiued the money: he sayd to his seruauntes. Nowe must we all departe, and he gaue them money, of the whiche they were content, and so departed. Than on the morowe came the erle, with his lordes into the hall, and they asked where the maister paynter was and his company? for he sayd he would se the worke. Than turned he vp the clothe and asked them and they sawe any worke, and they sayde nay. Than sayd the erle, we be deceyued. He sayd we haue sore longed to see howleglas: and now he hath begyled vs, but it maketh no great matter for the mony. But let vs banyshe him fro our land, for a begyler of people, and so they did. And so departed the erle with his lordes

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How Howleglas had many and great disputacions with all the noble doctours of Pragen in Bemen. VHan departed howleglas fro the land of Hessen and than came he to Pragen in Bemen, where was a vniuersite of scolers and studentes, of doctours and bachelers. Than made howleglas billes and set them ¦ [..] vp on euery churche [D4] dore, and he wrote that he wold aunswere to all maner of questions, that were layde vnto him: and geue answere therto. And as he had set vp the bylles, than came the scolars of the vniuersitie and red them. And whan they had red them and founde therin that he should geue an answere to all that was asked hym, than toke they a byll and went to the rectour and shewed him that there was one come that had set vp these letters vpon the churche dores. And he sayth therin that he wil geue answer to al maner of questions that were put to him. Than the rectour hearyng this, sente a scolar to the place where howleglas was lodged. And charged the hoste of the house that he shold to morowe bryng with him the man that had set up the billes, vpon payne that should fall therafter. And than the hoste aunswered he woulde. 18 them ¦ [..] vp] them ¦ them vp Textzeuge L1, Varianten: 8 nay] my L3 17 Bemen] Behem L3 17 scolers and studentes] scoles and studients L3 18 bachelers] bachilers L3 19 aunswere] answered L3 20 vnto] vpon L3 118

ehelich geboren ist, dessen ganzes Land fällt mir zu!« Dann antwortete Eulenspiegel: »Das will ich gerne tun.«28 Dann ging er zum Zahlmeister und erhielt von ihm 100 Goldgulden. Und als er das Geld erhalten hatte, sagte er zu seinen Dienern: »Nun müssen wir alle weggehen!« Und er gab ihnen Geld, womit sie zufrieden waren, und so gingen sie weg. Dann kam am Morgen der Graf mit seinen Adligen in den Saal und sie fragten, wo der Malermeister und seine Begleitung sei; denn er sagte, er wolle die Arbeit sehen. Dann schlug er das Tuch hoch und fragte sie, ob sie irgendeine Arbeit sähen und sie sagten: »Nein.« Dann sagte der Graf: »Wir sind getäuscht!« Er sagte: »Es hat uns sehr stark danach verlangt, Eulenspiegel zu sehen – und nun hat er uns betrogen; aber das Geld macht nicht viel aus. Aber lasst uns ihn aus unserem Land verbannen als einen Leutebetrüger!« Und das taten sie. Und so ging der Graf mit seinen Adligen weg.

[19] Wie Eulenspiegel viele und große Disputationen mit allen edlen Doktoren von Prag in Böhmen hatte. Als Eulenspiegel aus dem Land Hessen weggegangen war, dann kam er nach Prag in Böhmen, wo eine Universität von Gelehrten, Studenten, Doktoren und Bakkalaurei war. Dann machte Eulenspiegel Ankündigungen und hängte sie an jeder Kirchentür aus und er schrieb, dass er alle Arten von Fragen beantworten wolle, die ihm gestellt würden, und darauf antworten. Und als er die Ankündigungen ausgehängt hatte, kamen die Gelehrten der Universität und lasen sie. Und als sie sie gelesen hatten und darin entdeckt hatten, dass er auf alles, was er gefragt würde, eine Antwort geben würde, dann nahmen sie eine Ankündigung und gingen zum Rektor und zeigten ihm, dass da einer gekommen war, der diese Briefe an den Kirchentüren ausgehängt habe. »Und er sagt darin, dass er Antwort auf alle Arten von Fragen geben wolle, die ihm gestellt würden.« Dann, als der Rektor das hörte, sandte er einen Gelehrten zu dem Ort, wo Eulenspiegel beherbergt war und befahl dem Wirt des Hauses, dass er morgen den Mann mit sich bringen solle, der die Ankündigungen ausgehängt hatte, sonst drohe ihm danach eine Strafe. Und dann antwortete der Wirt, dass er das tun wolle;

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Bei dieser Redewendung, an der sich Eulenspiegels Perfidie zeigt, habe ich den gebräuchlichen Ausdruck ›gerne‹ in seinen Varianten der wörtlichen Übersetzung (›mit gutem Willen‹) vorgezogen.

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Than departed the scolar home. Than on the morow came howleglas and his hooste to the vniuersitie with .ii. or .iii. of his neighbours, and when they were come: than was howleglas taken by the arme, and set in a chaire. And than came the rectour with many doctours, and scortly they were set about hym. Than asked he him how many gallons of water was in the sea? Than answered howleglas. Do stop al the ryuers that run therin, and than I shal mete it, and than shal I shew you how many ther be. Than thought the rectour that was vnpossible to do, but he was content with the answere. Than asked he howleglas the second aunswer. How many dayes be past since Adam, to this tyme? and than answered howleglas to the rectour it is .viii. dayes past and more. For whan the weke is done: than begynneth agayne the nexte weke .vii. other dayes, and ¦ [..] so forth to the ende of the worlde. Than sayde the [D4b] rectour tel me now the thyrde answere? And Howleglas bad him say what he would. Than asked the rectour him, where was the midle of all the worlde? And than answered howleglas to the rectour, that is here in the myddes of this house, for and you beleue not me, than take a corde and mete it, and if it lacke a strawe bredth: than wyl I be counted for an vnlearned man. And than the rectour had leue geue him the maistry than he woulde mete it. But than he wexed angrye and asked him how far is the earth from heauen? Than answered howleglas that is here by, for let men syng neuer so softly here, but it is herde in heauen. And ye wil not me beleue, than take a ladder and go vp into heauen, and I shal here speake softly, and if ye here it not than wyl I lose the pryce. Than the rectour sayde to howleglas, how wyde is all heauen? and howe brode it is. Than answered howleglas to the rectour, and sayd, it is .xii. M. myle brode and a .M. myle wyde, and if ye wyl not me beleue: than must ye take the sunne, and the mone and all the sterres of heauen, and than goo mete them, and if you fynde it not as I say: than wyl I geue the maistry to you, and I wyll be ouercome. Than the rectour and the doctours knewe not what they shoulde saye more to howleglas, but they sayde that he was to sutle for them, and than they gaue to hym the victory and prayse. And than departed he out of the place, for he was afrayde that they would haue done to him some vnhappynes. 2 .ii.] ii.

6 than] thau

12 and ¦ [..]] and ¦ and

Textzeuge L1, Varianten: 12 so forth to the ende] so forth the ende L3 25 a .M. myle] x.M..myle L3

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dann ging der Gelehrte nachhause. Dann kamen am Morgen Eulenspiegel und sein Wirt mit 2 oder 3 seiner Nachbarn zur Universität und als sie gekommen waren, dann wurde Eulenspiegel beim Arm genommen und auf einen Stuhl gesetzt. Und dann kam der Rektor mit vielen Doktoren und kurz darauf hatten sie sich um ihn herum gesetzt. Dann fragte er ihn, wie viele Gallonen Wasser im Meer seien. Dann antwortete Eulenspiegel: »Haltet alle Flüsse an, die hineinfließen, und ich werde es messen und dann werde ich Euch zeigen, wie viele da sind.« Dann dachte der Rektor, dass es unmöglich sei, das zu tun, aber er war zufrieden mit der Antwort. Dann fragte er Eulenspiegel die zweite Antwort: »Wie viele Tage sind seit Adam bis zu dieser Zeit vergangen?« Und dann antwortete Eulenspiegel dem Rektor: »Es sind 8 Tage vergangen und mehr: Denn wenn die Woche verstrichen ist, dann beginnt wieder die nächste Woche – 7 andere Tage – und so weiter bis zum Ende der Welt.« Dann sagte der Rektor: »Sagt mir nun die dritte Antwort.« Und Eulenspiegel hieß ihn sagen, was er wolle. Dann fragte der Rektor ihn, wo die Mitte der ganzen Welt sei. Und dann antwortete Eulenspiegel dem Rektor: »Die ist hier in der Mitte dieses Hauses! Denn wenn Ihr mir nicht glaubt, nehmt eine Schnur und messt es und wenn eine Strohbreite fehlt, dann bin ich bereit, als ungebildeter Mann zu gelten.« Und dann gab der Rektor ihm lieber die Meisterschaft, als dass er es messen wollte. Aber dann wurde er ärgerlich und fragte ihn: »Wie weit ist die Erde vom Himmel?« Dann antwortete Eulenspiegel: »Das ist nahe; denn lasst Menschen hier ganz leise singen und doch kann man es im Himmel hören. Und wenn Ihr es mir nicht glauben wollt, dann nehmt eine Leiter und geht hoch in den Himmel und ich werde hier leise sprechen und wenn Ihr es nicht hört, dann will ich den Preis verlieren.« Dann sagte der Rektor zu Eulenspiegel: »Wie weit ist der ganze Himmel? Und wie breit ist er?« Dann antwortete Eulenspiegel dem Rektor und sagte: »Er ist 12,000 Meilen breit und 1,000 Meilen weit. Und wenn Ihr mir nicht glauben wollt, dann müsst Ihr die Sonne und den Mond und alle Sterne des Himmels nehmen und sie dann messen gehen. Und wenn Ihr es dann nicht so findet, wie ich es sage, dann will ich Euch die Meisterschaft geben und ich werde besiegt sein.« Dann wussten der Rektor und die Doktoren nicht, was sie noch zu Eulenspiegel sagen sollten, sondern sie sagten, dass er zu gewandt für sie sei und dann gaben sie ihm den Sieg und das Lob. Und dann ging er von dem Ort weg, denn er hatte Angst, dass sie ihm Leid zufügen würden.

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[20] How Howleglas became a pardoner. 4

AS Howleglas was knowen throughe all the countrey for his vnhappy touches, and begilings that Textzeuge L1

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[20] Wie Eulenspiegel ein Ablassprediger wurde. Als Eulenspiegel im ganzen Land für seine leidigen Streiche und Betrügereien bekannt war, die

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¦ what he had done to them: for that he was welcome to no place that E.i. he came to wher he had be much made of before all in his youth, Than bethought Howleglas in what maner he might get mony with litle laboure. Than wente Howleglas and got him a priestes gowne, and dressed him like a scolar. Than went he in to a certayne churchyard where he found a dead manshead, and than he toke the head vp, and made it cleane. And whan it was cleane he bare it to a sertayn goldsmythe, and bad him that he shoulde bande the head with syluer bandes, and he said that he would content him, and so he did, And whan it was done he contented the goldsmyth, and than departed he to a village nere therby wher it was the dedicationday36. And than came he to the parson of the churche and saluted him, and than he told him that he had a relyke, and he prayd the curate that he would do so muche for him: that he wold shew it vnto the parish, that they myght offer37 to it. And he said to the person that he shold haue the one halfe of the offering. And than the parson moued with couetice38: graunted to hym, for he was glad to get mony. Than tolde he to the people of his parish. This man that here standeth hath brought a precious relike, he that offerth therto hath great pardon, He shall come into the pulpet and declare it vnto you. Than went Howleglas into the pulpet, and than told he the people of the relik that he had ther, and he said that the head spake to him and that it bad him, that he shold bild a church ouer him and that the mone that the church should be bilded with, should be wel gotten. And whan the men and the women should come offer: than sayd Howleglas to the women. Al those that haue made their husbandes ¦ cuckoldes should sit styll and come not to offer, for [E1b] the hed bad hym that I should not receiue the offering, and than he came down out of the pulpet, and whan he was come down, than came the poore men and ther wiues and offered to the head. And ther was not on woman but she offered because that he had sayde so, and he gaue them the blessyng 6 head] bead

9 And] Ind

12 would] would

24 cuckoldes] cucko¯ldes

Textzeuge L2, Varianten: 2 all in] in al L1 13 the parish] his parysh L1 19 told he] he told L1 25 bad hym] bad me L1; bad him L3

36 37 38

Vgl. S. 80, Fußnote 22. Dieser Ausdruck beinhaltet nach OED2 sowohl ›spenden‹ als auch ›opfern‹. Dieses Wort mit der Bedeutung ›Habgier‹ ist heute obsolet (OED2).

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er ihnen getan hatte, war er deshalb an keinem Ort, an den er kam, willkommen, [auch] wo er in seiner Jugend immer sehr beliebt gewesen war. Dann überlegte Eulenspiegel, in welcher Weise er mit wenig Mühe Geld bekommen könnte. Dann ging Eulenspiegel und besorgte sich ein Priestergewand und kleidete sich wie ein Gelehrter. Dann ging er auf einen bestimmten Friedhof, wo er den Schädel eines toten Mannes fand. Und dann nahm er den Schädel auf und machte ihn sauber. Und als er sauber war, trug er ihn zu einem bestimmten Goldschmied und hieß ihn den Schädel mit silbernen Bändern binden und er sagte, er würde ihn bezahlen; und das tat er. Und als es getan war, bezahlte er den Goldschmied und dann ging er weg zu einem Dorf in der Nähe, wo eine Kirchweih war. Und dann kam er zu dem Pfarrer der Kirche und grüßte ihn und dann erzählte er ihm, dass er eine Reliquie habe, und er bat den Pfarrer ihm zu helfen, indem er [den Schädel] der Gemeinde zeigen würde, so dass sie ihm spenden würden. Und er sagte zu dem Pfarrer, dass er die Hälfte der Spende haben solle. Und dann stimmte der Pfarrer, von Habgier ergriffen, zu, denn er war froh, Geld zu bekommen. Dann erzählte er den Leuten in seiner Gemeinde: »Dieser Mann, der hier steht, hat eine wertvolle Reliquie mitgebracht. Derjenige, der ihr spendet, erhält einen Generalablass. Er wird auf die Kanzel kommen und es euch verkünden.« Dann ging Eulenspiegel auf die Kanzel und dann erzählte er den Leuten über die Reliquie, die er dort hatte. Und er sagte, dass der Schädel zu ihm gesprochen und ihn geheißen habe, dass er eine Kirche über ihn bauen solle, und dass das Geld, mit dem die Kirche gebaut werden solle, ehrbar verdient sein solle. Und als die Männer und Frauen kommen sollten um zu spenden, dann sagte Eulenspiegel zu den Frauen: »All diejenigen, die ihren Männern Hörner aufgesetzt haben, sollen sitzen bleiben!« Denn der Schädel habe ihn gebeten »dass ich die Spende nicht in Empfang nehmen soll.« Und dann kam er von der Kanzel herab. Und als er heruntergekommen war, dann kamen die armen Männer und ihre Frauen und spendeten dem Schädel. Und es gab keine Frau, die nicht spendete, weil er das gesagt hatte. Und er gab ihnen den Segen

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with the head, and there were som that had no mony, and they offered there rynges, and some of them offered twyse or thryse, because the would be sene, and thei that were gilti presed first. And thus receyued he the offering both of the good and of the yll, so that he had gotte a great som of mony by that sayde practyse. And whan thei had all offered, and that ther was no more that came: than he sayde to them. All ye men and women that here hath come, and offered to this head be honest and good and more ouer I charge you on payne of cursyng, that there be not on of you that the other slaundar or backbite, for if you had not bene good and honest: I shoulde not haue receued your offerynge. And whan the poore men of they countrey hearyng Howleglas speake in this maner, they beleued hym. And whan the masse was done, than came the parsone to Howleglas and sayd to hym, that he shold geue to hym halfe of the offeringe. And than deuided Howleglas the offeryng, and gaue the parson a parte therof, that the parsone was well content therewith And than departed Howleglas from the parson, and than the women ther a bout were veri glad of Howleglas and made much of him. So abode he longe with them and spent none of his mony, in such maner colde he cloke and hyde his vnhappinesse and falsenesse.

[21] 20

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¦ How Howleglas came to the towne of Banberch and how he E.ii. did eate for mony. VPon a tyme came Howleglas from Norenborough to banberce, where he entred in to a lodging, wher was a mery hostise, she bad Howleglas often tymes welcome, for she sawe by his clothinge that he was a mery gest. And as dyner tym came the hostise asked him if that he would go to dener. and she asked him also if it pleased him to be at the twelue penie table. Than aunswered Howleglas and sayd, to his hostice, I am but a poore man. I pray you for gods sake to geue me my dyner. Than sayd the hostise, the baker and the butcher, wyll not be so payde. And therfore must I haue moni, Textzeuge L2, Varianten: 3 and thei that were gilti presed first] and when they wer gon ther presed fresh L3 6 he sayde] sayd he L1 17 abode] abyd L1 22 Norenborough] Noreoborough 22 banberce] Banberche L1 Banbrech L3 23 hostise, she] hostise, that L3 126

mit dem Schädel. Und es gab einige, die hatten kein Geld und die spendeten ihre Ringe; und einige von ihnen spendeten zweimal oder dreimal, weil sie gesehen werden wollten. Und diejenigen, die schuldig waren, drängten sich vor. Und so empfing er die Spenden sowohl von den Guten als auch von den Bösen, so dass er eine große Summe Geld durch diese beschriebenen Machenschaften bekam. Und als sie alle gespendet hatten und niemand mehr kam, dann sagte er zu ihnen: »All ihr Männer und Frauen, die [ihr] hergekommen seid und diesem Schädel gespendet habt, seid ehrlich und gut! Und darüber hinaus befehle ich euch unter Androhung der Verdammung, dass keiner von euch den anderen verleumdet oder gegen ihn hetzt; denn wenn ihr nicht gut und ehrlich gewesen wärt, hätte ich eure Spende nicht angenommen.« Und als die armen Bauern Eulenspiegel in dieser Weise sprechen hörten, glaubten sie ihm. Und als die Messe zuende war, dann kam der Pfarrer zu Eulenspiegel und sagte zu ihm, dass er ihm die Hälfte der Spende geben solle. Und dann teilte Eulenspiegel die Spende und gab dem Pfarrer einen Teil davon, so dass der Pfarrer damit sehr zufrieden war. Und dann ging Eulenspiegel vom Pfarrer weg und dann waren die Frauen in der Gegend sehr froh über Eulenspiegel und hielten große Stücke auf ihn. Also harrte er lange bei ihnen aus und gab nichts von seinem Geld aus; auf diese Weise konnte er seine Verdorbenheit und Falschheit verbergen und verstecken.

[21] Wie Eulenspiegel in die Stadt Bamberg kam und wie er für Geld aß. Einmal kam Eulenspiegel von Nürnberg nach Bamberg, wo er eine Herberge betrat, wo eine fröhliche Wirtin war. Sie hieß Eulenspiegel immer wieder willkommen, denn sie sah an seiner Kleidung, dass er ein fröhlicher Gast war. Und als die Zeit zum Mittagessen kam, fragte ihn die Wirtin, ob er Mittagessen kommen wolle und sie fragte ihn auch, ob es ihm beliebte, am Tisch zu zwölf Pfennig zu sein. Dann antwortete Eulenspiegel und sagte zu seiner Wirtin: »Ich bin nur ein armer Mann. Ich bitte Euch, mir um Gottes Willen mein Mittagessen zu geben.« Dann sagte die Wirtin: »Der Bäcker und der Fleischer werden sich so nicht bezahlen lassen; und deshalb muss ich Geld haben.

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for there is none in my house, but they eate and drinke all for mony. Than aunswered Howleglas, for mony do men eat and drinke in good fayth so wyl I? Than answered the woman to him. What table wyl you be at? For at the lordes table thei geue me no lesse than to shylinges, and at the marchauntes table .xvi. pence, and at my houshold seruantes geue me twelue pence. Than aunswered Howleglas to his hostyse. Sythe I must nedes eate and pai mony, than geue me the best meate that you haue, And than he set him down at the lordes table. And than his hostise brought to the table, the best meat. and drinke that she had, and she bad him make good cher, she sayd oft much good do it you gentel sir. And howleglas thanked his hostise many times. He eat and dranke and made him wel at ease. And he eat so muche of the good meat that he swet againe. whan that he had made hym well at ease, and eaten and drunken al that he would: than bad he his hostise too auoyde39 the table, for he sayde he muste departe ¦ from thence. And right shortly at his [E2b] commaundmente the table was auoyded. And so he arose and stode by the fyre, and whan he was thorowe warme he toke hys leue with his hostyce, and would haue departed. That seyng the hostyse: toke hym by the sleue, and bad him to geue her .ii. shyllynges for his dyner. Than answered he god thank you, for you haue remembred me, I must haue two shyllynges of you. For you sayd to me, that there came no maner of persones within your house, but that the eat for mony. And whan you had tould me that: I sat me downe and said, I would do the same. And I ate so muche that I swete again, and therfore you geue mony. Than saide his hostise, muste I geue the mony to eat my meat and drinke my drink such gestes I may haue gret plenty. Pay me mi moni shortly, for the bakers and bruers, will not be so answered Than aunswered Howleglas to his hostise, geue me my mony, for thynkest thou that I wyll eate so much and laboure my selfe so sore as I dyd, not to be payd for mi laboure? yet I had much leuer neuer to haue sene the nor thy house, For I haue eaten so muche for mony, that mi belly, is lyke to burst, would you that I should haue such great laboure and not to be payd there fore? I haue other thynges to do, than to stande chatting here with the: and therfore come of 5 pence] ›p‹ nicht lesbar not to payd

6 Howleglas] Howlealas

Textzeuge L2, Varianten: 5 and at my] and my L1 gyue mony L1

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Abräumen, leerräumen (obs.) (OED2).

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30 not to be payd]

23 geue mony] must

Denn es gibt niemanden in meinem Haus, der nicht für Geld isst und trinkt.« Dann antwortete Eulenspiegel: »Für Geld essen und trinken die Menschen? Wahrlich, das will ich auch!« Dann antwortete die Frau ihm: »An welchem Tisch wollt Ihr sein? Denn am Herrentisch geben sie mir nicht weniger als zwei Schilling und am Kaufmannstisch 16 Pfennig und am Tisch meines Gesindes geben sie mir zwölf Pfennig.« Dann antwortete Eulenspiegel seiner Wirtin: »Wenn ich schon unbedingt essen und Geld bezahlen muss, dann gebt mir das beste Essen, das Ihr habt.« Und dann setzte er sich am Herrentisch nieder. Und dann brachte seine Wirtin das beste Essen und Trinken, das sie hatte, zum Tisch und hieß ihn, es sich gut gehen zu lassen. Sie sagte immer wieder: »Möge es Euch gut bekommen, lieber Herr.« Und Eulenspiegel dankte seiner Wirtin vielmals. Er aß und trank und machte es sich bequem. Und er aß so viel von dem guten Essen, dass er wieder in Schweiß ausbrach, als er es sich bequem gemacht hatte und alles gegessen und getrunken hatte, was er wollte. Dann hieß er die Wirtin den Tisch abräumen; denn er sagte, er müsse von dort aufbrechen. Und unmittelbar nach seinem Befehl wurde der Tisch abgeräumt. Und so erhob er sich und stand beim Feuer und als er durch und durch warm war, nahm er Abschied von seiner Wirtin und wollte weggehen. Als das die Wirtin sah, nahm sie ihn beim Ärmel und hieß ihn, ihr 2 Schilling für sein Mittagessen zu geben. Dann antwortete er: »Gott danke Euch, denn Ihr habt mich erinnert – ich habe zwei Schillinge von Euch zu bekommen! Denn Ihr habt zu mir gesagt, dass überhaupt keine Menschen in Euer Haus kämen, die nicht für Geld äßen. Und als Ihr mir das erzählt habt, habe ich mich niedergesetzt und gesagt, dass ich das auch tun wolle. Und ich habe so viel gegessen, dass ich wieder geschwitzt habe; und dafür gebt mir Geld.« Dann sagte die Wirtin: »Muss ich dir Geld geben, um mein Essen zu essen und meine Getränke zu trinken? Solche Gäste kann ich viele haben! Bezahl mir mein Geld sofort, denn die Bäcker und Brauer werden diese Antwort nicht hinnehmen!« Dann antwortete Eulenspiegel seiner Wirtin: »Gib mir mein Geld! Denn denkst du, dass ich so viel essen würde und mich so abmühen wie ich es getan habe, um nicht für meine Mühe bezahlt zu werden? Und doch hätte ich viel lieber niemals weder dich noch dein Haus gesehen, denn ich habe so viel für Geld gegessen, dass mein Bauch wahrscheinlich platzen wird! Wollt Ihr, dass ich solche Mühe habe und nicht dafür bezahlt werde? – Ich habe andere Dinge zu tun als hier zu stehen und mit dir zu plaudern. Und deshalb bezahl’

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lightly and geue me my mony, and let me be gone, for I haue right well deserued it. Than sayd his hostise to hym. Syr you haue eaten my meate, and dronken mi drinke, and bi my fyre, you haue had your ease, and all at your owne desyre, wherfore I praye you to geue me mony. And he aunswered ryght angerly. woulde the haue me to paye mony, and I dyd eate therefore, thei whiche is to my ¦ great harme? Than she answered to Howleglas, if E.iii. your eatyng do you harme, I am not the cause therof but your eatyng is to mye losse, not onely that I haue lost more than that cometh to. And than she saide depart thou fro my house and neuer after this ye thou be so bold once to enter within my dores. Than sayd Howleglas, wil you on your conscience take mi labour for nothyng: well fare well. And than departed Howleglas, and he was glad that he had so scaped40 fro her, and she was glad that she was so delyuered of hym.

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Howe Howleglas went to Rome to speke with the Pope. THan whan Howleglas had longe occupyed hys falsenes: than he remembred this old prouerbe. I will to Rome mi maners to amende: and home againe my lyfe for to ende. And than departed he too Rome, where he shewed parte of his vngraciousnes, and whan he came to Rome, he lodged with a wydow and they wydowe did ofte beholde him in the face41 and because he was a fayre yong man: she saed oftentymes, sir you be ryght well come. Good syr she sayde from whence be you? I am of Sasson: and my coming hether is for to speake with the Pope. Than answered she to Howleglas good frende you may see him: but you shal not speake with hym. For I that am borne in Rome, woulde haue geue an .C. ducates to speake to him, but I could neuer speake to him. Than sayd Howleglas. Hostyse will you geue an .C. ducates: Textzeuge L2, Varianten: 9 after this ye thou] after this: that thou L1 17/18 my lyfe for to ende] my lyfe to end L1

40 41

Diese Form ist im OED2 nicht verzeichnet, könnte aber leicht auf einen Hörfehler des Setzers zurückzuführen sein. In der Bedeutung von ›anschauen‹, ›betrachten‹ ist dieses Wort obsolet; im OED2 ist erwähnt, dass es mit verschiedenen Präpositionen verwendet wird, daher ist die merkwürdige Präposition hier nicht notwendigerweise auf eine Interferenz mit dem Deutschen zurückzuführen.

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sofort und gib mir mein Geld und lass’ mich aufbrechen, denn ich habe es wirklich wohl verdient.« Dann sagte seine Wirtin zu ihm: »Herr, Ihr habt mein Essen gegessen und meine Getränke getrunken und es Euch an meinem Feuer bequem gemacht und alles nach Eurem Wunsch, weshalb ich Euch bitte mir Geld zu geben!« Und er antwortete recht wütend: »Willst du, dass ich Geld bezahle, obwohl ich dafür gegessen habe, was zu meinem großen Schaden ist?« Dann antwortete sie Eulenspiegel: »Wenn Euer Essen Euch Schaden bereitet, bin ich nicht die Ursache dafür, sondern Euer Essen ist mein Verlust; darüber hinaus habe ich mehr verloren als das, worauf [die Rechnung] sich beläuft!« Und dann sagte sie: »Geh’ weg aus meinem Haus und sei niemals wieder so kühn durch meine Türen zu kommen!« Dann sagte Eulenspiegel: »Wollt Ihr meine Mühe umsonst auf Euer Gewissen nehmen – gut, lebt wohl!« Und dann ging Eulenspiegel weg und er war froh ihr so entkommen zu sein und sie war froh, dass sie ihn so los wurde.

[22] Wie Eulenspiegel nach Rom ging, um mit dem Papst zu sprechen. Dann, als Eulenspiegel lange seine Falschheit betrieben hatte, dann erinnerte er sich an dieses alte Sprichwort: »Ich will nach Rom, um mein Benehmen zu verbessern, und [dann] nachhause, um mein Leben zu beenden.« Und dann brach er nach Rom auf, wo er etwas von seiner Verdorbenheit zeigte. Und als er nach Rom kam, war er bei einer Witwe beherbergt und die Witwe betrachtete immer wieder sein Gesicht und weil er ein schöner junger Mann war, sagte sie wiederholt: »Herr, Ihr seid herzlich willkommen! Guter Herr,« sagte sie, »wo seid Ihr her?« »Ich bin aus Sachsen und ich bin hergekommen, um mit dem Papst zu sprechen.« Dann antwortete sie Eulenspiegel: »Guter Freund, Ihr könnt ihn sehen, aber Ihr werdet nicht mit ihm sprechen. Denn ich, die ich in Rom geboren bin, würde 100 Dukaten gegeben haben, um mit ihm zu sprechen, aber ich konnte nie mit ihm sprechen.« Dann sagte Eulenspiegel: »Wirtin, werdet Ihr mir 100 Dukaten geben,

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and I shall bring you to [..] the speche of the pope? And she sware to him bi her faith she would, for otherwise it would cost her more in gyftes42. Than on a time should the pope syng masse his owne persone, at saynt Ihon Lateraun43. For euery ¦ fowre wekes he must sing masse there. And as the pope was [E3b] at masse: than Howleglas drew nere to the aulter. And whan the pope was at the holy sacramente: than tourned Howleglas his back to the aulter. And that seyng all the cardinalles, whan masse was done the came to the pope, and the tolde to his grace, that there stode a fayre younge man, all the whyle that ye were at masse, and harde it deuoutly tyll the time of the leuacion44. And whan that you lifted vp the chalyce aboue your head: than tourned he his backe toward the sacramente of the aulter. Than sayde the pope, that is a thyng to be loked on, for it is a great dobte45 whether that man beleue well or not. And therfore it is nedefull for vs to sende for that man, and to examin hym what errour it was that he helde. the cardinalles andswered, that were the best. than the pope sende for Howleglas to his Inne: and the messanger brought him to the pope. and whan he came before the pope, and the cardinalles, they began strayghtly to examyne hym and they asked of hym, what was his belefe? than answered Howleglas to the pope. I beleue as a true christen man ought for to beleue. And I beleue in Iesu christe. and I beleue in that, that our holi mother the church doth teach me, and I beleue as my good hostise dothe beleue, and he named her before the pope, and al that noble congregacion. And than sent the pope a messenger to the Inne, where that Howleglas was lodged, and whan he was there, he came to the 1 to [..] the speche] to to the speche 16 to the] to-the

3 Lateraun] Lat eraun

Textzeuge L2, Varianten: 3 Ihon Lateraun] Iohan Lateraun L1 John Lateranm L3 4 pope] peope L1 5 pope] peope L1 7 pope] peope L1 9 ye were] we were L3 15 that were] that was L3 17 cardinalles] ordinalles L3 19 ought for to beleue] ought to beleue L1 20 beleue in that] beleue that L3 22 noble congregacion] whole congregation L3

42 43

44 45

Hier handelt es sich nicht nur um Geschenke; das Wort kann auch ›Bestechungen‹ bedeuten (OED2), was in diesem Fall wohl ebenfalls eine angemessene Übersetzung wäre. Die Kapelle Sankt Johann in Rom existiert tatsächlich. Die korrekte Form ›Latranen‹ wird statt des Wortspiels aus S1515 verwendet (Lateranem – Latronem: Räuber; vgl. Lindow (2001), S. 102, Fußnote 8). Vgl. auch S. 439. Im katholischen Ritus ist dies die Erhebung der Hostie und des Kelches beim Abendmahl. Im OED2 ist keine solche Schreibung verzeichnet.

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wenn ich Euch eine Audienz mit dem Papst verschaffe?« Und sie schwor ihm bei ihrem Glauben, dass sie das tun würde, denn sonst würde es sie mehr in Geschenken kosten. Dann einmal sollte der Papst höchstpersönlich in Sankt Johann Lateraun29 die Messe singen. Denn alle vier Wochen musste er dort Messe singen. Und als der Papst die Messe hielt, näherte sich Eulenspiegel dem Altar. Und als der Papst das Abendmahl feierte, dann drehte Eulenspiegel dem Altar den Rücken. Und da das alle Kardinäle sahen, kamen sie zum Papst, als die Messe vorüber war und sie erzählten seiner Ehren, dass da ein schöner junger Mann gestanden habe – »die ganze Zeit, während Ihr die Messe gefeiert habt. Und er hörte sie in frommer Andacht an – bis zu Zeitpunkt der Elevation. Und als Ihr den Kelch über Euren Kopf hobt, dann drehte er den Rücken zum Sakrament beim Altar!« Dann sagte der Papst: »Das ist eine Sache, die genauer untersucht werden muss, denn es ist sehr fraglich, ob dieser Mann recht glaubt oder nicht. Und daher ist es nötig, dass wir nach jenem Mann senden und ihn verhören, was für ein Fehlglaube es ist, dem er anhängt30.« Die Kardinäle antworteten, dass das das Beste sei. Dann sandte der Papst nach Eulenspiegel in seinem Gasthaus und der Bote brachte ihn zum Papst. Und als er vor den Papst trat, begannen die Kardinäle sofort ihn zu verhören und sie fragten ihn, was sein Glaube sei. Dann antwortete Eulenspiegel dem Papst: »Ich glaube, wie ein rechter Christ glauben sollte. Und ich glaube an Jesus Christus und ich glaube an das, was unsere Heilige Mutter, die Kirche, mich lehrt, und ich glaube an das, was meine gute Wirtin glaubt.« Und er nannte sie vor dem Papst und dieser ganzen edlen Versammlung. Und dann sandte der Papst einen Boten zu dem Gasthaus, wo Eulenspiegel beherbergt war, und als er dort war, kam er zu der

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D. h., Lateran. Der Copy-Text wechselt an dieser Stelle mitten im Satz von der direkten in die indirekte Rede, was in der Übersetzung zugunsten der direkten Rede korrigiert wurde.

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hostise, and bad her that she shold make her ready, for she must nedes go with him to the pope. wherof she had great marueile, and made her redy and so went with him to the pope. And whan she was come before thei pope, he asked her what her ¦ belefe was? And she answered to the pope. Reuerend [E4] father, I beleue as a true christen woman should do. For I beleue as the holy churche beleues, and also I beleue in al that the holy churche bindes me to. Than said Howleglas the same beleue I. Than the pope asked him, why he turned his backe to the holy sacrament whan he did minister46 it? Than sayde Howleglas to the pope. Reuerende father in god, I thought in my mynde whan that you lyft vp the blessed sacrament, that I was not worthy it to beholde, nor there on to loke, tyll the tyme that I was confessed, and made cleane of all my synnes. And than was the pope with that answere marueilously well contented and pleased, And after that the pope bad him that he shold confesse him of his synnes, and to make him clene therof and that sayd: he gaue his benediction to Howleglas and his hostyse, and so they twaine departed. And shortly after departed the pope with all his cardinalles into the palayce, and so Howleglas was quyte therof. And than sayd Howleglas to his hostise I must haue my .C. ducates that I haue erned. And than the woman gaue him the .C. ducates, wherof he was glad, and he sayd to his selfe that he was the better for that Iourney to Rome.

[23] How Howleglas deceyued the Iewes with durte.

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WHan Howleglas the great deceyuer had bene at Rome: than came he to the towne of Frankeforde, where a marte47 or a greate market was kepte. And as Howleglas went about the market: he spyed a younge man goo with muske of Alexander to sell, that whyche was well solde and muche sette by. 18 .C.] ,C.

22 How] Hew

Textzeuge L2, Varianten: 19 to his selfe] to hym selfe L1 was] that was L3 46 47

19/20 that he

Das Abendmahl feiern (obsolet) (OED2, I.3.) Nach dem OED2 (4, 1.b.) wird die Form ›mart‹ häufig speziell für die deutsche Buchmesse verwendet, die zu Ostern stattfand. Diese spezielle Bedeutung ergänzt der englische Text mit dem generellen Wort für Markt.

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Wirtin und hieß sie sich fertig machen, denn sie müsse unbedingt mit ihm zum Papst gehen. Darüber verwunderte sie sich sehr und machte sich fertig und ging mit ihm zum Papst. Und als sie vor den Papst trat, fragte er sie, was ihr Glauben sei. Und sie antwortete dem Papst: »Ehrwürdiger Vater, ich glaube, wie eine rechte Christin es tun sollte. Denn ich glaube, wie die Heilige Kirche glaubt, und ich glaube auch an alles, wozu mich die Heilige Kirche verpflichtet.« Dann sagte Eulenspiegel: »Dasselbe glaube ich.« Dann fragte der Papst ihn, warum er dem Heiligen Sakrament seinen Rücken zugedreht habe, als er es feierte. Dann sagte Eulenspiegel zum Papst: »Hochwürdiger Vater in Gott, als Ihr das gesegnete Sakrament hochgehoben habt, dachte ich bei mir, dass ich nicht würdig sei, es zu erblicken oder darauf zu schauen, bis ich gebeichtet hätte und von all meinen Sünden gereinigt sei.« Und dann war der Papst mit der Antwort wunderbar zufrieden und erfreut. Und danach hieß ihn der Papst seine Sünden beichten und sich davon zu reinigen und als das gesagt war, gab er Eulenspiegel und dessen Wirtin den Segen und so gingen die beiden weg. Und kurz darauf ging der Papst mit all seinen Kardinälen weg in den Palast. Und so hatte Eulenspiegel das erledigt. Und dann sagte Eulenspiegel zu seiner Wirtin: »Ich muss meine 100 Dukaten haben, die ich verdient habe.« Und dann gab ihm die Frau die 100 Dukaten, worüber er froh war. Und er sagte zu sich selbst, dass er sich durch die Reise nach Rom verbessert habe.

[23] Wie Eulenspiegel die Juden mit Dreck täuschte. Nachdem Eulenspiegel, der große Täuscher, in Rom gewesen war, dann kam er zur Stadt Frankfurt, wo eine Messe oder ein großer Markt gehalten wurde. Und als Eulenspiegel auf dem Markt umherging, entdeckte er einen jungen Mann, der herumlief und Moschus von Alexandrien verkaufte, welcher sich gut verkaufte und sehr geschätzt wurde.

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¦ Than sayde Howleglas to his selfe, I wyll goo with some marchaundise for [E4b] to sell, as well as that yonge man doth. And he thought in his mind, how he might fynd some practese48 to get mony without labour. Than thought he in his mynde euery nyght what was best to do, for the flene49 did bite hym, that he coulde not slepe. And he would ryght gladly haue taken them: but he could not. And when that the daye began to spring he arose and walked forth and as he walked, than spied he by the way a fayre fyg tree50, the which bare goodly fruyte. And than went he and gathered two or thre of them, and than he sayde to him selfe this is good for my marchaundyse51 and brought them with hym into Frankforth in Portyngale52, to the place wher he was lodged and he dressed them after his mind. And whan he had dressed them: he put them in his arse and tempered them with his durte, and let them lye thereby hym, by the space of .ii. or .iii. dayes, that they should not smell to much of durte. And in a mornyng by tymes he arose oute of his bed, and wente to his hostyse and hyred a litle table, and than he went into the market, and bought two or thre silken clothes, and therin a house he crussed these portingales fygges, that had lyen so longe in his arse: withe they silken clothes, lyke as it had bene the must. Than toke he his table and wente into they market, Textzeuge L2, Varianten: 8 went he and] went and L3 L1

48 49 50

51 52

16 crussed] trussed

Als Nomen mit dieser Schreibung im OED2 nicht verzeichnet. Im OED2 findet sich keine Pluralform mit dieser Schreibung. Das Missverständnis des Übersetzers/Bearbeiters bezüglich der im flämischen Text genannten ›Feigen von Portugal‹ (die ›Reste‹ = Feigen, die Eulenspiegel an seiner ›Hinterpforte‹ = Portugal findet, ein gebräuchliches Wortspiel im frühneuzeitlichen Flämisch, vgl. Koopmans/ Verhuyck (1988), S. 267f.) wird im Vergleich der Übersetzungen untersucht (vgl. S. 441f.). Da der frühneuenglische Wortschatz nach Auskunft des OED2 allerdings die Bedeutung ›fig‹ als »[i]n human beings: [t]he disease Ficus, or the piles« (3.a.), in anderen Worten Hämorrhoiden, ebenfalls beinhaltete, ist nicht klar, warum sich der Bearbeiter hier in seiner Interpretation so vergaloppiert. Vielleicht ist ›Portugal‹ im Englischen zu stark anderweitig konnotiert, beispielsweise wie in »a ferte of Portugal« (vgl. OED2, ferte), wobei es sich um eine Teigtasche handelt. Bedeutet sowohl die Ware als auch die Tätigkeit des Verkaufens für Profit (hier in der letzteren Bedeutung, die heute obsolet ist) (OED2). Die Missinterpretation des flämischen Textes wird hier vertieft. Besonders interessant ist, dass in der frühen Neuzeit das Wort ›Portuguese‹ sich häufig auf die sephardischen Juden bezieht (deren Ahnen 1492 aus Spanien und Portugal vertrieben wurden) (OED2, A.a.). Dieselbe Konnotation existiert übrigens auch im Niederländischen. Daher ist die Vermengung von ›Portugal‹ und Juden in dieser Geschichte noch vielschichtiger als es auf den ersten Blick scheint, wenn auch in keinster Weise den Geboten der Toleranz und Achtung entsprechend.

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Dann sagte Eulenspiegel zu sich selbst: »Ich will mit einiger Ware herumlaufen, um sie zu verkaufen, genauso wie es der junge Mann tut.« Und er dachte bei sich, wie er irgendeine Möglichkeit finden könnte ohne Mühe Geld zu bekommen. Dann dachte er jede Nacht bei sich, was das Beste wäre, denn die Flöhe bissen ihn, so dass er nicht schlafen konnte, und er hätte sie nur zu gerne gefangen, aber er konnte es nicht. Und als der Tag anbrach, erhob er sich und spazierte hinaus. Und beim Laufen entdeckte er dann am Weg einen schönen Feigenbaum, der hervorragende Früchte trug. Und dann ging er und pflückte zwei oder drei von ihnen. Und dann sagte er zu sich selbst: »Dies ist gut als Ware für mich.« und brachte sie mit sich nach Frankfurt in Portugal, zu dem Ort, wo er beherbergt war, und bereitete sie nach seinem Gutdünken vor. Und als er sie vorbereitet hatte, steckte er sie in seinen Hintern und mischte sie mit seinem Dreck und ließ sie da für die Zeit von 2 oder 3 Tagen bei sich liegen, damit sie nicht zu sehr nach Dreck riechen würden. Und an einem Morgen erhob er sich beizeiten aus seinem Bett und ging zu seiner Wirtin und mietete einen kleinen Tisch und dann ging er auf den Markt und kaufte zwei oder drei Seidentücher und dort in einem Haus zerdrückte31 er diese portugiesischen Feigen, die so lange in seinem Hintern gelegen hatten, mit den Seidentüchern, als ob es Moschus wäre. Dann nahm er seinen Tisch und ging auf den Markt

31

Obwohl ›crussed‹, als ›crushed‹ gelesen, Sinn macht, ist die in L1 gegebene Variante ›trussed‹ sinnvoller, da ›to truss‹ bedeutet »in einem Bündel zusammennehmen oder in etwas einschließen« (OED2).

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and set vp his table. And whan it was vp than shewed he the portyngale fygges, that he had made like as it had bene must53. Than came ther many marchantes of diuers landes to hym, and thei asked hym what marchaundyse he had to sell: and he stode stel and gaue none of them no answere, wherof the marueyled, and so departed. And at they laste: ¦ there came to him two F.i. Iewes, and the asked hym what marchaundyse he had there to sell? and than answered Howleglas to them, and sayde. This is a precious thing, for all those that do eate of it, or those that smell to it, they shall sae54 the trouthe55 by and by. Than went the Iewes to counsaill what was best to be done Than sayde the oldeste Iewes of them all. Me thynke it is best and moste expedient for vs to bie that marchaundyse, for than shal we know whan that our Messyas56 shall come. therfore I counsayle you to bye it, for it shalbe to vs a great Iowel57 and comfort and continently they were agreed al, for to bye the marchaundyse of Howleglas, And than the returned with right great hast vnto Howleglas. And whan they were come: they asked the price of on of the Prophetus that was wrapped in the sylke. than aunswered Howleglas to the Iewes, Departe fro hence, and let my marchaundyse alone, for it is to costly for you to bye: for one of them shall cost you .v.C. goulde gyldens, and ye will haue it than aunswered the Iewes to Howleglas and sayde. the pryce is all to great for vs: than said he, that I tolde you before and therfore if thou wyll not bie it, than departe shortly from hence, And then the Iewes hering Howleglas speake so sharpely to them, and made no more count vnto them: than they beleued him, and continently they gaue to him .v.C. gold gildens without speaking of any more wordes, for he spake so angerly that they were afrayde to displease hym. And whan they had bought it: they brought it too the principall Iewe. And the caused him to aggregate58 all the Iewes, both olde and young. when the were assembled: than was there one stode vpon 23 .v.C.] .v,C. Textzeuge L2, Varianten: 12 Iowel] Iewel L1 L1 25 Iewe] Iue L1 53 54 55 56 57 58

18 and ye will] if you wil

Gebräuchliche Form für ›musk‹ (OED2), wie oben im Text gebraucht. Diese Form nennt das OED2 nicht. Das OED2 verzeichnet diese Form nicht. Im OED2 ist diese nur mit ›i‹ genannt. Das OED2 beschränkt diese Schreibung auf das 14./15. Jh., d. h. es ist eine altmodische Form, die hier verwendet wird. Vgl. S. 444. Dieses Wort ist im OED2 erst für 1509 bezeugt, ist also bei seiner Verwendung hier im Text noch relativ neu.

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und stellte seinen Tisch auf. Und als dieser aufgestellt war, dann zeigte er die portugiesischen Feigen, die er so hergerichtet hatte, als ob es Moschus sei. Dann kamen da viele Kaufleute aus verschiedenen Ländern zu ihm und sie fragten ihn, was er für Ware zu verkaufen habe; und er stand still und gab keinem von ihnen eine Antwort, worüber sie sich verwunderten und so weggingen. Und schließlich kamen zwei Juden zu ihm und sie fragten ihn, was für Ware er da zu verkaufen habe. Und dann antwortete Eulenspiegel ihnen und sagte: »Das ist eine kostbare Sache, denn alle, die davon essen oder daran riechen, werden unverzüglich die Wahrheit sagen.« Dann gingen die Juden zu Rat, was am besten zu tun sei. Dann sagte der älteste Jude von ihnen allen: »Ich glaube, es ist das Beste und Vorteilhafteste für uns, diese Ware zu kaufen, denn dann werden wir wissen, wann unser Messias kommen wird. Daher rate ich euch, sie zu kaufen, denn sie wird uns ein großes Juwel und ein Trost sein.« Und daraufhin stimmten sie alle überein die Ware von Eulenspiegel zu kaufen. Und dann kehrten sie mit recht großer Hast zu Eulenspiegel zurück. Und als sie angekommen waren, fragten sie nach dem Preis eines der Prophetus, die in Seide gewickelt waren. Dann antwortete Eulenspiegel den Juden: »Geht von hier weg und lasst meine Ware in Ruhe, denn sie ist für euch zu teuer zu kaufen! Denn eine von ihnen wird euch 500 Goldgulden kosten, wenn ihr sie haben wollt!« Dann antworteten die Juden Eulenspiegel und sagten: »Der Preis ist viel zu hoch für uns.« Dann sagte er: »Das habe ich euch vorher gesagt! – Und darum, wenn ihr sie nicht kaufen wollt, dann geht sofort hier weg!« Und dann, als die Juden hörten, dass Eulenspiegel so scharf mit ihnen sprach und sich nicht mehr um sie kümmerte, dann glaubten sie ihm und daraufhin gaben sie ihm 500 Goldgulden ohne noch irgendetwas zu sagen, denn er hatte so wütend mit ihnen gesprochen, dass sie Angst hatten, ihn zu verstimmen. Und als sie sie gekauft hatten, brachten sie sie zum Anführer der Juden. Und sie veranlassten ihn, alle Juden zu versammeln, sowohl die alten als auch die jungen. Als sie zusammengekommen waren, dann war da einer, der auf

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the scaffolde, that was cal- ¦ led Akypna59. And he sayde that be the mighte [F1b] of God they had gotten a Prophetus and he said he that shold haue it in his mouth should prophecie the truth, and than he sayd to the Iewes, By this prophetus we shall know when our Messias shal come. And he commaunded them to fast thre dayes. And than should Isaake take it in his mouth, and prophecy the truth, and so he did. And as he had it in his mouthe, on the hyghte Maysayes, and an other Isaac that were the seruauntes of god they asked hym howe it sauoured? and he answered I ame inspired with the holy ghoste, to prophecy the truth. There must be an other of gods seruauntes to haue it in his mouth, and so they dyd, whan he had tasted therof he sayde: I ame inspyred with the holy ghost. I shall tel you the truthe, we are begylede for it is no other thynge but a turde, and they tasted and the turde hanged in theyr tethe, with the here that he had cut fro his arse, and than they knew well that they were deceyued. And forthwith departed Howleglas fro thence, and he went toward his owne countrye, and made good chere with good felowes homewarde, as long as the mony would last.

[24] How Howleglas had gotten the parsons horse, by his confession. 20

IN Resenbriug in that villag was a parson, that hade a fayre horse, and a proper handemayden which he loued one as the other: than it fortuned that 3 Iewes] Iewes [zweites ›e‹ steht auf dem Kopf]

13 with] wich

Textzeuge L2, Varianten: 1 Akypna] Akypha L1; a kypna L3 5 than should I saake] then be [he?] should I saake L3 11 we are begylede] we be al begiled L1 19 Resenbriug] Resenbrug L1

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Über die Form des Namens gibt es eine rege Auseinandersetzung. Es besteht die Vermutung, dass sich die Form »Akipha« im Flämischen aus ›Aleph‹ herleitet und damit dem deutschen »Alpha« (in S1515) verwandt ist. Dagegen verweist Geeraedts darauf, dass bei Hoochstraten der Name ›Caiphas‹ gemeint ist (Geeraedts (1986), S. 209). Für die Textgeschichte der englischen Drucke stellt sich hier die Frage, ob L1 mit »Akypha« eine Verbesserung des Druckfehlers in L2 darstellt (als der »Akypna« eindeutig zu werten ist) oder ob sich aus der besseren Variante von L1 ein zeitlicher Vorrang für dieses nicht datierte Fragment ableiten lässt.

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einem Podium stand, der wurde Akypna32 genannt. Und er sagte, dass sie durch die Macht Gottes einen Prophetus bekommen hätten, und er sagte, dass derjenige, der sie im Mund habe, die Wahrheit weissagen würde. Und dann sagte er zu den Juden: »Durch diesen Prophetus werden wir wissen, wann unser Messias kommen wird.« Und er befahl ihnen drei Tage zu fasten. Und dann sollte Isaak sie in seinen Mund nehmen und die Wahrheit weissagen und das tat er. Und als er sie in seinem Mund hatte, fragten ihn einer, der Maysayes33 hieß und ein anderer Isaak, die die Diener Gottes waren, wie es schmecke. Und er antwortete: »Ich bin vom Heiligen Geist inspiriert, die Wahrheit weiszusagen! Es muss sie noch ein anderer der Diener Gottes in seinen Mund nehmen.« Und das taten sie. Als er davon gekostet hatte, sagte er: »Ich bin vom Heiligen Geist inspiriert. Ich werde euch die Wahrheit sagen: Wir sind betrogen, denn es ist nichts anderes als Scheiße!« Und sie kosteten es und die Scheiße hing mit den Haaren, die er von seinem Hintern geschnitten hatte, zwischen ihren Zähnen. Und dann wussten sie wohl, dass sie getäuscht waren. Und ohne Verzögerung ging Eulenspiegel von dort weg und er ging in sein eigenes Land und ließ es sich mit guten Kumpanen auf dem Nachhauseweg gut gehen, so lange das Geld reichte.

[24] Wie Eulenspiegel das Pferd des Pfarrers durch seine Beichte bekam. In dem Dorf Resenbriug34 war ein Pfarrer, der hatte ein schönes Pferd und eine ehrbare Magd, die er beide gleich liebte. Dann ergab es sich, dass

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D. h., Akypha (so auch im Variantenapparat in L1) bzw. Alpha. D. h., Moses. D. h., Kissenbrück.

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the duke of Bronsewyke on a tyme sawe the horse, and whan that he had sene the horse: his mind rane so muche on the horse, that he must nedes haue hym. Than vpon a tyme cam the duke, and desired the horse oftentimes of the parson, and the parson sayd him nay. Than was ¦ the duke sory because F.ii. he might not haue the horse, and he durst not take by forse: for he was one of the counsayll of Broneswika. And whan Howleglas harde that the duke desyred the horse: than said Howleglas to the duke, and you wyll rewarde me, I shall get you the parsons horse. Than aunswered the duke to Howleglas. I shal geue the my gowne of red chamblet60, the on sleue set with pearles. Than said Howleglas to the duke, I shal bryng him I haue no doubt. So departed Howleglas, and he came to the Inne, where he was well knowen, and the hoste sayde he was welcome. And Howleglas rested there thre dayes, and after that he made him self sicke. Than was he brought to bed sick that the parson of the towne and his mayde were so heuy, and knew not how to do nor him to helpe. And than began he to waxe sicker and sicker, And than said the parson to Howleglas. I counsaill you to be shreuen61, and to take your rightes of the holly church62, as it belongeth to a true christen man. And whan howleglas hard the parsone speke to him. Than sayde Howleglas to the parsone I desyre you hartefully to be confessed, for I knowe my selfe giltie, and a great sinner. Than the parson examined him vnder confessione right buselye, he bad him to remember that he had a soule for to kepe, and he preached and teached to hym the vse of confession And than shewed Howleglas to hyme, parte of hys mynde. And at the laste whan he spake no more: than asked the parson of Howleglas if that he had no more synnes in his mynde that were great, and abhominable, that he was ashamed to shewe. Than aunswered Howleglas to the parsone yes, I haue one more and that I dare not confesse me of to you, and therefore ¦ you must fetche me an [F2b] other priest: for if I shold shew it vnto you, than would ye be angry and out 12 Howleglas] Howeleglas 20 sinne] finne

15 do] do¯

18 Howleglas] Holeglas

Textzeuge L2, Varianten: 1 Bronsewyke] Broneswyke L1 5 take] take it L1 6 Broneswika] Broneswike L1 14/15 how to do nor] how do nor L3

60 61 62

Ein bestimmter (ursprünglich orientalischer) Stoff, der einer Angora-Mischung entsprach. Im Laufe der Zeit weitet sich der Begriff auf alle möglichen Stoffe aus (OED2). Die Beichte ablegen (vom Verb ›to shrive‹, vgl. OED2). Nach dem OED2 ist diese Schreibung von ›rightes‹ für ›rites‹ ein häufiger Fehler. Auch die Schreibung ›holly‹ ist in der gesamten frühen Neuzeit nachweisbar.

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der Herzog von Braunschweig einmal das Pferd sah und als er das Pferd gesehen hatte, brütete er so sehr über das Pferd, dass er es unbedingt haben musste. Dann kam einmal der Herzog und erbat das Pferd wiederholte Male von dem Pfarrer und der Pfarrer sagte ihm nein. Dann war der Herzog traurig, weil er das Pferd nicht habe konnte, und er traute sich nicht, es gewaltsam zu nehmen, denn er war einer des Rats von Braunschweig. Und als Eulenspiegel hörte, dass der Herzog das Pferd begehrte, dann sagte Eulenspiegel zum Herzog: »Wenn Ihr mich belohnt, werde ich Euch das Pferd des Pfarrers bringen.« Dann antwortete der Herzog Eulenspiegel: »Ich werde dir meinen Rock aus rotem Schamlot geben, dessen einer Ärmel mit Perlen besetzt ist.« Dann sagte Eulenspiegel zum Herzog: »Ich werde es bringen, ich habe keinen Zweifel.« So ging Eulenspiegel weg und er kam zu dem Gasthaus, wo er wohl bekannt war, und der Wirt sagte, dass er willkommen sei. Und Eulenspiegel ruhte dort drei Tage und danach stellte er sich krank. Dann wurde er krank zu Bett gebracht, so dass der Pfarrer der Stadt und seine Magd so voller Sorge waren und nicht wussten, was zu tun [sei] oder wie sie ihm helfen könnten. Und dann begann er immer kränker zu werden und dann sagte der Pfarrer zu Eulenspiegel: »Ich rate Euch zu beichten und die Riten der Heiligen Kirche zu nehmen, wie es sich für einen rechten Christen gehört!« Und als Eulenspiegel hörte, wie der Pfarrer zu ihm sprach, dann sagte Eulenspiegel zum Pfarrer: »Ich wünsche von ganzem Herzen, Euch zu beichten, denn ich weiß, dass ich schuldig bin und ein großer Sünder.« Dann verhörte ihn der Pfarrer unter der Beichte höchst eindringlich; er hieß ihn sich erinnern, dass er eine Seele zu bewahren habe, und er predigte und lehrte ihn den Nutzen der Beichte. Und dann enthüllte Eulenspiegel ihm einen Teil seiner Gedanken. Und schließlich, als er nicht mehr sprach, dann fragte der Pfarrer Eulenspiegel, ob er keine Sünden mehr im Kopf habe, die groß und abscheulich seien, die er sich schäme zu enthüllen. Dann antwortete Eulenspiegel dem Pfarrer: »Ja, ich habe noch eine, und die wage ich nicht Euch zu beichten und deshalb müsst Ihr mir einen anderen Priester holen. Denn wenn ich sie Euch enthüllen würde, dann wärt Ihr ärgerlich und würdet

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of pacience Than answered the parson to Howleglas and saide: the wai is far from this place and very foule. Moreouer if it fortuned you in the meane whyle to dye than were we both in great peryll and daunger. And therfor tell me that sinne, and I shal absolue the therof, be it neuer so great and abhominable. And if I wer angry with you, yet you knowe I must kepe your counsaill. And if it be any thinge that longes to me, I for geue you frely, and therfore tel it me. Than longed he more than euer he did, than said Howleglas to the priest. I knowe well that you wyl be angry, but I fele me so soresick that I wene that I shal dye, and therfore I shal shew it to you quickely. And than he saide, I haue lyen by your mayde your seruaunt. Than asked he how often haue ye lyen by her? And than sayde Howleglas, no more than fiue times. And than the priest thought in his mind, therfore the deuill breake thy necke, and he gaue hym absolucion shortly, and forth with he departed fro Howleglas whome63to his house. And whan he came home, he called his mayden to him, and asked her if she had lyne by him? And the mayde aunswered to hym and sayd: that dyd I neuer. Than answered the pryest, thou lyest. For vnder confession he hath tolde me that he hath lyen bi the, more than .v. times. And than the mayde sayd naye, and the priest yes. And than the priest toke a staffe in his hand and he bet64 his maid therewith, that she was both blacke and blewe. And Howleglas laye in his bedde and laughed, and said to himselfe. Now weneth the priest to wyn hys shone agayne of the mayd, And in the morning wexed How ¦ leglas hole, and arose and sayde it F.iii. was wel amended65 with him. And he asked his hostise and the priest, what he had spend in his sicknes? And than rekened the priest he knewe nat what, for he was so angry in his mynde and the maid also, for she was beate for his sake. And than sayd Howleglas. Tell me what is my duty to paye? And the priest aunswered not a word. And than said Howleglas to him. Remember you not mayster parson that you haue disclosed my confession? I shal ryde 4 sinne] finne Textzeuge L2, Varianten: 14 whome] home L1 whome L3 her] asked him L3

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15 asked

Diese heute falsche Schreibung für ›home‹ ist im OED2 für die frühe Neuzeit mehrfach belegt. Nach dem OED2 war diese Schreibung für ›beat‹ gebräuchlich. In der Bedeutung ›heilen‹, ›wiederherstellen‹ ist dieses Wort heute obsolet (OED2).

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die Geduld verlieren.« Dann antwortete der Pfarrer Eulenspiegel und sagte: »Der Weg ist von diesem Ort [aus] weit und sehr schlammig. Wenn es sich darüber hinaus ergeben würde, dass Ihr in der Zwischenzeit sterben würdet, dann wären wir beide in großer Bedrohung und Gefahr. Und deshalb erzählt mir jene Sünde und ich werde dich davon lossprechen, wie groß und abscheulich sie auch sein mag. Und [selbst] wenn ich mit Euch ärgerlich wäre, so wisst Ihr dennoch, dass ich Euer Vertrauen wahren muss. Und wenn es irgendetwas ist, was mich betrifft, dann vergebe ich Euch gerne – und deshalb: Erzählt es mir!« Dann verlangte er mehr danach, als je zuvor. Dann sagte Eulenspiegel zum Priester: »Ich weiß wohl, dass Ihr wütend sein werdet, aber ich fühle mich so äußerst krank, dass ich glaube, dass ich sterben werde. Und deshalb werde ich es Euch schnell enthüllen.« Und er sagte: »Ich habe mit Eurer Magd geschlafen, mit Eurer Dienerin.« Dann fragte er ihn, wie oft er mit ihr geschlafen habe. Und dann sagte Eulenspiegel: »Nicht mehr als fünf Mal.« Und dann dachte der Priester bei sich: »Dafür breche der Teufel dir den Hals!« Und er erteilte ihm sofort Absolution und ohne Verzögerung ging er von Eulenspiegel heim zu seinem Haus. Und als er nachhause gekommen war, rief er seine Magd zu sich und fragte sie, ob sie mit [Eulenspiegel] geschlafen habe. Und die Magd antwortete ihm und sagte: »Das habe ich nie getan!« Dann antwortete der Priester: »Du lügst! Denn während der Beichte hat er mir erzählt, dass er mehr als fünf Mal mit dir geschlafen hat!« Und dann sagte die Magd: »Nein!« und der Priester: »Doch!« Und dann nahm der Priester einen Stab in seine Hand und er schlug seine Magd damit, dass sie sowohl grün als auch blau war. Und Eulenspiegel lag in seinem Bett und lachte und sagte zu sich selbst: »Jetzt glaubt der Priester, dass er seinen Schuh wieder von der Magd zurückgewinnen wird?« Und am Morgen wurde Eulenspiegel wieder gesund und erhob sich und sagte, dass er wieder hergestellt sei. Und er fragte seine Wirtin und den Priester, was er während seiner Krankheit ausgegeben habe. Und dann rechnete der Priester nach und wusste nicht, was, denn er war im Stillen so wütend und die Magd auch, denn sie war seinetwegen geschlagen worden. Und dann sagte Eulenspiegel: »Sagt mir, was ich zu bezahlen habe.« Und der Priester antwortete kein Wort. Und dann sagte Eulenspiegel zu ihm: »Erinnert Ihr Euch nicht, Meister Pfarrer, dass Ihr meine Beichte verraten habt? Ich werde nach

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to hauerstad to the byshop and I shal complaine on you: that you discried66 my confession that I confessed me vnto you. Whan the priest hard Howleglas spek after that maner: than forgot he his anger, and fel on his knees before hym, for he thought that he was in more daunger than euer he was before. And than he sayd to Howleglas, if that you will kepe your peace and make no more wordes herof, I shall geue to you twenty golde gildens, and I shall do as much for you as lyes in me for to be done. Than made Howleglas hymselfe very angry with the parsone, and said vnto hym. If that you would geue me an .C. gold gildens, that I should not shewe: I will not take them for my gowne. Than the priest preyed the mayde with weping teares, that she would go to Howleglas and to entreat hym, that he should not go to shewe the bishop, and byd hym aske what he wyll, and he shall haue it. Than went the mayd to Howleglas, and she shewed him what the priest saide. And than came Howleglas to the priest and sayd. Wyl you geue to me your horse that you loue so wel, and than shal I kepe your counsayle? And I tel you plainly, I wil haue no other thing than that only. And than the prieste was more soryer ¦ than euer he was. And he sayd to Howleglas, that he would geue to [F3b] him as much moni as he would desire and not to aske his horse. Than said Howleglas. I wil haue none other thing but only the hors. And than the parson had leuer loose his horse, than he would haue the bishop to knowe. Than gaue he the horse to Howleglas withe ill wyll. And than whan Howleglas had the horse, than he departed fro the parsone, and was very glad. And than he came towarde the duke. And whan he was come there, the duke spyed Howleglas and the parsons hors: than was he very glad. And than brought Howleglas the horse to him, wherof he was very glad. And than gaue he the gowne of red chamblet to Howleglas, and he thanked hym greately for that gyft and laughed, and the priest was very angry for thei losse of his horse, and oftentymes he bete his mayden therfore, for he sayd she was the cause therof And he bete his mayd so oft, that at the / laste she rann from him, and so he lost both his horse and the mayde And the priest lowred on Howleglas euer after, that loued hem so well before. 17 he] hel

22 very] very [›r‹ steht auf dem Kopf]

Textzeuge L2, Varianten: 3 forgot he his anger] forgot his anger L1 66

Unter der Schreibung ›descry‹ findet sich im OED2 für das heute obsolete Wort die Erklärung, dass es sich um eine (absichtliche) Enthüllung dessen, das man geheim halten sollte, mit dem Zweck der Schädigung handelt (I.2.c.). Daneben existiert das Wort aber auch in der Bedeutung: das Gefühl haben, das einem selbst geschadet wurde.

146

Hauerstad35 zum Bischof reiten und ich werde mich über Euch beschweren, dass Ihr meine Beichte, die ich Euch gebeichtet habe, verraten habt.« Als der Priester Eulenspiegel auf diese Weise sprechen hörte, dann vergaß er seine Wut und fiel vor ihm auf die Knie, denn er dachte, dass er in größerer Gefahr sei als je zuvor. Und dann sagte er zu Eulenspiegel: »Wenn Ihr still sein werdet und keine Worte darüber verliert, werde ich Euch zwanzig Goldgulden geben und ich werde so viel für Euch tun, wie mir möglich ist!« Dann stellte sich Eulenspiegel sehr wütend mit dem Pfarrer und sagte zu ihm: »Und wenn Ihr mir 100 Goldgulden geben würdet, damit ich es nicht enthülle, ich würde sie nicht anstelle meines Mantels nehmen!« Dann bat der Priester die Magd, indem er Tränen weinte, dass sie zu Eulenspiegel gehe und ihn anflehen würde, dass er nicht zum Bischof gehen und es enthüllen würde: »Und heiße ihn fragen, was er will und er soll es haben!« Dann ging die Magd zu Eulenspiegel und sie enthüllte ihm, was der Priester gesagt hatte. Und dann kam Eulenspiegel zu dem Priester und sagte: »Werdet Ihr mir Euer Pferd geben, das Ihr so sehr liebt? Und dann werde ich Stillschweigen bewahren. Und ich sage Euch in aller Deutlichkeit: Ich werde nichts nehmen außer diesem.« Und dann war der Priester trauriger als er je zuvor gewesen war. Und er sagte zu Eulenspiegel, dass er ihm so viel Geld geben würde, wie er sich wünschen würde, aber dass er nicht sein Pferd verlangen solle. Dann sagte Eulenspiegel: »Ich werde nichts nehmen außer dem Pferd.« Und dann wollte der Pfarrer lieber sein Pferd verlieren, als dass er es den Bischof wissen lassen wollte. Und dann gab er Eulenspiegel mit Widerwillen das Pferd. Und dann, als Eulenspiegel das Pferd hatte, dann ging er vom Pfarrer weg und war sehr froh. Und dann kam er zum Herzog hin und als er dorthin kam, entdeckte der Herzog Eulenspiegel und das Pferd des Pfarrers; dann war er sehr froh. Und dann brachte Eulenspiegel das Pferd zu ihm, worüber er sehr froh war. Und dann gab er Eulenspiegel den Mantel aus rotem Schamlot und er dankte ihm sehr für dieses Geschenk und lachte. Und der Priester war sehr wütend über den Verlust seines Pferdes und schlug deshalb oft seine Magd, denn er sagte, sie sei der Grund dafür. Und er schlug seine Magd so oft, dass sie ihm schließlich davonlief, und so verlor er sowohl sein Pferd als auch die Magd. Und der Priester zog danach Eulenspiegel gegenüber immer eine finstere Miene, den er [doch] vorher so sehr gemocht hatte.

35

D. h., Halberstadt.

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[25] How Howleglas was hyred of a blacke smyth.

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AT Dastland in Rosticke dwelleth a smith that hired Howleglas for his man, and whan he was hyred: he put him to the bellowes67 to blowe. And whan he blew not well, than toke the smith the bellowes in his hande and blewe: and sayd felowe doo thus. Bere the bellowes vpright and than he gaue the belowes to Howleglas agayne. than wente the smyth forth with into the garden, and than tooke Howleglas the belowes on his necke, and folowed after his maister with them into the garden where his maister was a shytinge and than sayde Howleglas to his mayster, wher shall ¦ I leue this belowes that I may go fetch [F4] the other vnto you. Than answered his maister and sayd, good man what meanest thou, art you not wel in thy mynd? Goo take the belowes and bare them where thou had them he spake fayre to Howleglas, and ryght lothe he was to displease him. For euery nyght by the space of .viii. dayes long, he called vp euery night his seruaunts at mydnight for to worke, wherof they marueiled what he ment, for they were very angry therwith: and one sayd to the other. I thynke our maister is not well in his mind, that he ryses euery night at midnight to worke, he was not wont so for to doo in tymes paste: And as they were speakyng of this rysyng together, than said Howleglas to his felowes and asked them if that they would be wel content with hym, and if he asked of his maister what was the cause that he dydde call them vp euery nyght at midnight to worke? And than aunswered the seruauntes, we wel not be displeased therwith, but right glade therof, and well contente therewith, and than sayd Howleglas to the seruauntes I wyll go to him. And forth with spake Howleglas to his mayster and sayd to him. Wherof do ye wake vs euery night at mydnight oute of our slepe. Than aunswered the smyth and sayd. That is my maner that my men the first eyght dayes suffer I not them to, slepe, but halfe the nyght. Than held Howleglas hys peace, and all his felowes, and sayde noo more woordes, and the next night the smyth 14 .viii.] ,viii Textzeuge L2, Varianten: 3 Dastland] Estland L1 Eastland L3 3 dwelleth] dwelled L1 4 bellowes] belous L1 25 Wherof] Wherefore L1

67

Die L1-Form ›belous‹ existiert nach OED2 nicht.

148

[25] Wie Eulenspiegel von einem Schmied angestellt wurde. In Rostock in Dastland36 wohnte37 ein Schmied, der Eulenspiegel als seinen Knecht anstellte. Und als er angestellt war, stellte er ihn zum Blasen an die Bälge. Und als er nicht gut blies, dann nahm der Schmied die Bälge in seine Hand und blies und sagte: »Bursche, mach’ es so: Führe die Bälge aufrecht!« Und dann gab er Eulenspiegel die Bälge wieder. Dann ging der Schmied ohne Verzögerung in den Garten und dann nahm Eulenspiegel die Bälge auf seinen Nacken und folgte seinem Meister mit ihnen in den Garten, wo sein Meister beim Scheißen war. Und dann sagte Eulenspiegel zu seinem Meister: »Wo soll ich diesen Balg lassen, damit ich Euch den anderen holen gehen kann?« Dann antwortete sein Meister und sagte: »Guter Mann, was meinst du? Bist du nicht ganz richtig im Kopf ? Geh’, nimm den Balg und trage ihn dorthin, wo du ihn her hast.« Er sprach freundlich zu Eulenspiegel und war sehr unwillig ihn zu verärgern, denn jede Nacht für den Zeitraum von 8 Tagen rief er jede Nacht seine Knechte um Mitternacht zur Arbeit. Darüber wunderten sie sich, was er denke, denn sie waren darüber sehr wütend. Und einer sagte zum anderen: »Ich denke, dass unser Meister nicht ganz richtig im Kopf ist, dass er jede Nacht um Mitternacht zum Arbeiten aufsteht! Das war in der Vergangenheit nicht seine Gewohnheit.« Und als sie gemeinsam über dieses Aufstehen sprachen, dann sagte Eulenspiegel zu seinen Kumpanen und fragte sie, ob sie wohl mit ihm zufrieden sein würden, wenn er seinen Meister fragen würde, was der Grund sei, dass er sie jede Nacht um Mitternacht zur Arbeit riefe. Und dann antworteten die Knechte: »Wir werden damit nicht unzufrieden sein, sondern recht froh darüber und ganz zufrieden damit!« Und dann sagte Eulenspiegel zu den Knechten: »Ich werde zu ihm gehen.« Und ohne Verzögerung sprach Eulenspiegel mit seinem Meister und sagte zu ihm: »Weshalb weckt Ihr uns jede Nacht um Mitternacht aus unserem Schlaf ?« Dann antwortete der Schmied und sagte: »Das ist meine Art, dass ich nicht dulde, dass meine Knechte in den ersten acht Tagen mehr als die halbe Nacht schlafen.« Dann war Eulenspiegel still und alle seine Kumpanen [auch] und sagten kein Wort mehr. Und in der nächsten Nacht rief der Schmied 36

37

Die Lesartvarianten bieten Formen von »Estland«, also »Ostland«. Das »Dastland« im CopyText könnte allerdings auch die besondere Ortskenntnis des Bearbeiters zeigen, wenn nämlich der Darß an der Ostsee gemeint ist. Im englischen Text wird das Präsens verwendet.

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called his menn at mydnyght to worke. And Howleglas than tooke the bed and bare it on his backe, and whan the yron was hote, the maister bet it so hard, that the sperkes flewe on the bedde of Howleglas, Than sayde his mayster ¦ wil not that vngracious felow arise? Than came Howleglas with [F4b] his bed on his back. And whan the mayister saw the bed on his backe, he said: what wilt thou do with the bed? Bere it into the place wher thou had it. Than aunswered Howleglas to his maister, be ye not angri with me: for this is mi maner euer. For whan that I haue slept the one halfe of the nyght, than bere I the bed on my backe thei other halfe of the nyghte. Than began the smyth to waxe angry and sayde, Go bere the bed wher thou had it and than go thou aboue oute of my house. Than aunswered Howleglas and sayde maister with a good will. And than he bare thei bed vp into the place wher it was before. Than whan he had borne the bed in his place: than toke he a ladre and clymed68 vp to the house top, and ther he brake a gret hole in the house top: and pulled away the thatchyng69 therof, and he passed through and went ouer the houses and so went his wai from thence, and neuer came ther after. And as the smyth was bese70 workyng: the harde a great noyse about in the chamber and a gret knockyng. Than asked he his seruauntes, who was aboue in the chambre that made such a noyse? Than answered the men to their maister and sayd we know not who is aboue. Than sayd the symth, than will I go loke. And than left the smyth his worke and wente vp into the chamber, and whan he was aboue, he saw al the roofe of the chamber was pulled downe, and also caste all aboute, than was he angrye and wyst not what to do for he wiste not who had done it. And at the laste he looked vp and spyed the ladre, than knewe he well that it was Howleglas ded. Than came he downe and fetched a sworde, and he would haue run ¦ after him to haue G.i. slayne hym. Than the seruauntes seyng the maister takyng the sworde they helde him, and asked him what he woulde do: Than aunswered he and tolde how Howleglas had done. Than aunswered the seruauntes to ther maister. 2 so] se

25 he] He

29 done] dane

Textzeuge L2, Varianten: 16 houses] house L1 18 asked he his seruauntes] asked his seruauntes L1

68 69 70

17 the] he L1 27 the] their L1

Das Verb ›climb‹ hat nach dem OED2 eine komplizierte Lautgeschichte und Orthographie. Die hier verwendete Rechtschreibung verzeichnet das OED2 nicht, wohl aber ähnliche. Das Herabreißen des Daches wird in L mit einer genauen Angabe über das Material erläutert. In London war bis zum Großen Feuer 1666 die Mehrheit aller Häuser strohgedeckt. Diese Schreibung für ›busy‹ nennt das OED2 nur für das 13. Jahrhundert.

150

seine Knechte um Mitternacht zur Arbeit und Eulenspiegel nahm dann sein Bett und trug es auf seinem Rücken. Und als das Eisen heiß war, schlug der Meister es so hart, dass die Funken auf Eulenspiegels Bett fielen. Dann sagte sein Meister: »Will dieser leidige Bursche nicht aufstehen?« Dann kam Eulenspiegel mit seinem Bett auf dem Rücken und als der Meister das Bett auf seinem Rücken sah, sagte er: »Was willst du mit dem Bett? Trage es zurück an den Ort, wo du es her hast!« Dann antwortete Eulenspiegel seinem Meister: »Seid nicht wütend mit mir, denn das ist so immer meine Art: Denn wenn ich die eine Hälfte der Nacht geschlafen habe, dann trage ich die andere Hälfte der Nacht mein Bett auf dem Rücken.« Dann begann der Schmied wütend zu werden und sagte: »Geh, trag das Bett dorthin, wo du es her hast und dann geh’ darüber hinaus aus meinem Haus!« Dann antwortete Eulenspiegel und sagte: »Meister, gerne.« Und dann trug er das Bett hoch an den Ort, wo es vorher gewesen war. Dann, als er das Bett an seinen Ort getragen hatte, dann nahm er eine Leiter und stieg auf die Hausspitze und dort brach er ein großes Loch in die Hausspitze und riss davon das Reetdach ab. Und dann ging er hindurch und ging über die Häuser und ging so von dort seines Wegs und kam nie mehr dorthin zurück. Und während der Schmied beim Arbeiten war, hörten sie einen großen Lärm oben im Zimmer und ein großes Klopfen. Dann fragte er seine Knechte, wer oben im Zimmer sei und solchen Lärm mache. Dann antworteten die Knechte ihrem Meister und sagten: »Wir wissen nicht, wer oben ist.« Dann sagte der Schmied: »Dann werde ich schauen gehen!« Und dann ließ der Schmied seine Arbeit stehen und ging hoch in das Zimmer und als er oben war, sah er, dass das ganze Dach des Zimmers abgerissen war und auch überall herumgeworfen; dann war er wütend und wusste nicht, was zu tun sei, denn er wusste nicht, wer es getan hatte. Und schließlich sah er auf und entdeckte die Leiter, dann wusste er wohl, dass es Eulenspiegels Tat war. Dann kam er hinunter und holte ein Schwert und er wollte ihm nachlaufen, um ihn zu erschlagen. Dann, als die Knechte ihren Meister das Schwert nehmen sahen, hielten sie ihn [fest] und fragten ihn, was er tun wolle. Dann antwortete er und erzählte, was Eulenspiegel getan hatte. Dann antworteten die Knechte ihrem Meister:

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Let him go for he hath done as you bad hym, for you bad hym goo vpon the house, and so he hath done as ye maye see. And so thei smyth was content. And than he caused his house to be newe thatched agayne.

[26] 5

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Howe Howleglas was hyred of a shomaker. VPon a tyme serued Howleglas a shomaker, and vpon a tyme the shomaker had busynes in the towne, and than gaue he to Howleglas a hide of lether, and bad him that he shold cut all the hyde. And Howleglas asked him what facion he should cut them. And the maister said litle and great, as the swineherd dyd driue his beastes. And than sayd Howleglas with a good will. And than departed the cordiner71: and than toke Howleglas the hide, and began to cut the lether for oxen and shepes fete, and swyne. Than came his maister home, and came to see what his seruaunt had cut out and to loke whether he had cut the lether as he bad hym. And whan that he had sene, that he had cut out his lether all in beastes clawes, than was he angry and sayde to Howleglas? wherfore haste thou marred all my lether, and cut it for beastes fete. Than aunswered he to him and sayd. I haue done as ye bad me. The maister sayde thou leest72, for I bad they that thou should not marre my lether. Than aunswered Howleglas to his maister and sayde, I haue doone as ye bad me, ye bad me that I should cut both gret and small, as the swyneherde dryueth out his beastes, and ¦ that haue I done, Than aunswered the cordyner to Howleglas [G1b] and sayde. I ment not that: I mente that ye should haue cut out of the hyde bothe great shoene and lytle shoene. Than aunswered Howleglas to his maister. If that ye had tolde me it before: I woulde haue done it with a good wyll. And I praye you maister forgeue me this: and I shall nowe do it with a good wyll and than dyd his mayster forgeue hym, for that tyme: and than 16 marred] marre¯d 21 that] than

20 me] we

20 wynwherde] swneherde

Textzeuge L2, Varianten: 18 they] the L1 24 tolde me it] tolde me that L1 71

72

20 dryueth] dryued L1

Diese Berufsbezeichnung (zeitgenössisch ›cordwainer‹) leitete sich wahrscheinlich vom Material ab – Leder aus Cordua (OED2). Diese Schreibung findet sich fast ausschließlich im 16./17. Jahrhundert. Das OED2 verzeichnet diese Schreibung nicht.

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»Lasst ihn gehen, denn er hat getan, wie Ihr ihn geheißen habt! Denn Ihr habt ihn auf das Haus gehen geheißen und das hat er getan, wie Ihr sehen könnt.« Und so war der Schmied zufrieden und dann ließ er sein Haus neu decken.

[26] Wie Eulenspiegel von einem Schuhmacher angestellt wurde. Einmal diente Eulenspiegel einem Schuhmacher. Und einmal hatte der Schuhmacher Geschäfte in der Stadt zu erledigen und dann gab er Eulenspiegel ein Stück Leder38 und hieß ihn das ganze Leder zuschneiden. Und Eulenspiegel fragte ihn, nach welchem Schnitt er es schneiden solle und der Meister sagte: »Klein und groß,« wie der Schweinehirte seine Tiere treibe. Und dann sagte Eulenspiegel: »Gerne.« Und dann ging der Schuster weg und dann nahm Eulenspiegel das Stück und begann das Leder zu Ochsenund Schafsfüßen und Schweinen39 zu schneiden. Dann kam sein Meister nachhause und kam um zu sehen, was sein Knecht ausgeschnitten habe, und um zu sehen, ob er das Leder so geschnitten habe, wie er ihn geheißen hatte. Und als er sah, dass [Eulenspiegel] sein Leder ganz zu Tierklauen zerschnitten hatte, dann war er wütend und sagte zu Eulenspiegel: »Warum hast du mein ganzes Leder verdorben und es zu Tierfüßen geschnitten?« Dann antwortete er ihm und sagte: »Ich habe getan, wie Ihr mich geheißen habt.« Der Meister sagte: »Du lügst, denn ich habe dich geheißen, dass du mein Leder nicht verderben solltest!« Dann antwortete Eulenspiegel seinem Meister und sagte: »Ich habe getan, wie Ihr mich geheißen habt! Ihr habt mich geheißen, dass ich sowohl kleine als auch große schneiden solle, wie der Schweinehirt seine Tiere hinaustreibt – und das habe ich getan.« Dann antwortete der Schuster Eulenspiegel und sagte: »Das meinte ich nicht! Ich meinte, dass Ihr aus dem Stück sowohl große Schuhe als auch kleine Schuhe schneiden solltet.« Dann antwortete Eulenspiegel seinem Meister: »Wenn Ihr mir das vorher gesagt hättet, hätte ich es gerne getan. Und ich bitte Euch, Meister, vergebt mir das und ich werde es nun gerne tun.« Und dann vergab ihm sein Meister dieses Mal und dann

38

39

Es handelt sich hier wörtlich um eine ›Haut von Leder‹. Da dies aber wenig authentisch ist und im Nachfolgenden zu Verwirrungen führen könnte, habe ich mich für diese Variante entschieden. Im Copy-Text scheint die Reihe »Ochsen-, Schafs- und Schweinefüße« intendiert, sie ist aber durchbrochen.

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4

promysed Howleglas to hys mayster, that he would do that, that he bad hym. Than the next daye after cut Howleglas mayster himselfe, the shoene out both lytle and great, and gaue them to hym, and he bad hym that he should sowe the great with the small: and Howleglas sayde Textzeuge L2

154

versprach Eulenspiegel seinem Meister, dass er das tun würde, was er ihn hieß. Dann, am nächsten Tag danach, schnitt Eulenspiegels Meister selbst die Schuhe zu – sowohl kleine als auch große – und gab sie ihm und hieß ihn die großen mit den kleinen nähen. Und Eulenspiegel sagte:

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5

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¦ with a good wyll and than toke Howleglas the showne and put in the lyttell [I1] showne into the great showne and sowed them bothe to gyther as his mayster had byd hym and at the laste that had spyed his mayster and sayd ye be a good seruant for ye do all thynge as men byd you / Than answered Howleglas and sayde / they that do as they be byd they be worthy to haue/thanke than sayde the mayster ye do after my sayinge and nat after my meanynge for I mente that fyrste ye shulde haue sowed a lytell payre and after a great payer and the mayster was hastey and toke hym other ledder and sayde cut me all this ledder vpon oon laste and the mayster thought no more of the falsenes of Howleglas depa [ ] his chamber and when he was come [ ] remembered he what he had sayd to [ ] than wente he as faste as he culd[ ] shoppe where as Howleglas [ ] there Howleglas had cut all [ ] lyttell laste all for the lefte fot[ ] mayster 5 worthy] wordy

5

10

10-13 come … […] mayster] Ecke fehlt

with a good wyll, and than toke Howleglas the shoene, and put the lytle shoene in to the great shoene, and sowed them both together, as his maister bad hym, and that spyed his mayster: and sayde. ye be a good seruaunt for ye do al thyng that I byd you. Than aunswered Howleglas and saide. Thei that do as the be byd: the be worthy to haue thanke. Than saide the maister, ye do after mi saying and not after my meanyng. For I meane that first ye shoulde haue sowed a lytle payre, and after a great payre. And the maister was hasty73, and toke him other lether and sayde, Cut me all this lether vpon one laste. And they maister thoughte no more of they falsenes of Howleglas, and so he departed to his chamber, and whan he was come home, than remembred he what he had sayd to Howleglas. Than went he as fast as he coulde towarde they shop where as Howleglas was, and or he came there, Howleglas had cut all the lether, vpon the lytle laste, all for the left fote. Than whan his maister Textzeugen Ae. 1519? und L2, Varianten: 7 after a] after it L1

73

Beide Bedeutungen kommen in diesem Kontext in Frage: ›wütend‹ oder ›ungeduldig, hastig‹. Die nachfolgende Entwicklung der Erzählung lässt jedoch den zweiten Sinn überzeugender scheinen.

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»Gerne.« Und dann nahm Eulenspiegel den Schuh und steckte den kleinen Schuh in den großen Schuh und nähte sie beide zusammen, wie ihn sein Meister geheißen hatte. Und das entdeckte sein Meister und sagte: »Ihr seid ein guter Knecht, denn Ihr tut alles, was ich Euch heiße!« Dann antwortete Eulenspiegel und sagte: »Diejenigen, die tun, was man sie heißt, die sind es wert, Dank zu bekommen.« Dann sagte der Meister: »Ihr tut, was ich sage, und nicht, was ich meine. Denn ich meine, dass Ihr zuerst ein kleines Paar nähen solltet und danach ein großes Paar.« Und der Meister war in Eile und brachte ihm anderes Leder und sagte: »Schneidet mir all dies Leder über einen Leisten!« Und der Meister dachte nicht mehr an Eulenspiegels Falschheit und so ging er weg zu seinem Zimmer. Und als er nachhause gekommen war, dann erinnerte er sich, was er zu Eulenspiegel gesagt hatte. Dann ging er so schnell er konnte zur Werkstatt, wo Eulenspiegel war. Und bevor er dort ankam, hatte Eulenspiegel alles Leder über die kleine Leiste geschnitten, alles für den linken Fuß. Dann, als sein Meister

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5

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sawe all his leder all [ ] te than asked he Howleglas if [ ] to the lefte fote a ryght fote [ ] gerye with hym than sayde [ ] mayster if that ye had tolde [ ] wolde haue cut theym also [ ] you I shall cut as many ryg[ ] ¦ the mayster [I1b] sayde I bad the cutte the one with the other and than answered Howleglas ye bad me cut all vpon on laste than answered the showe maker if that I shulde kepe you longe you wol make me so pore that I muste nedes goo a beggynge but nowe gyue me moneye for my ledder that thou haste marred me and departe fro hense Than answered Howleglas to the showe maker the hyde of a bull wyll make two hydes and with those wordes arose he and sayde in this howse haue I bene / but I wyll nat come here agayne and so departed he fro thense. 1-3 all … […] you] Ecke fehlt

5

10

¦ sawe all his lether cut for the left foote, than asked he Howleglas if there G.ii. belonged not to thei lefte foote a ryght foote, and he was very angry with hym. Than sayde Howleglas to his maister. If that he had tolde to me before: I would haue cut them, but and it please you, I shall cut as mani right shoene vnto them. The maister sayde. I bad the cutte the one with the other and than aunswered Howleglas. ye bad me cutte all vpon one laste. Than aunswered the shoemaker. If that I should kepe you long: you woulde make me so poore that I muste nedes goe a beggyng. But nowe geue me mony for my lether that thou haste marred me, and departe thou fro hence. Than aunswered Howleglas to the shoemaker. The hyde of a bul wyl make two hydes. And with those wordes he arose and sayde In this house haue I bene, but I wyll not come here agayne, and so departed he fro thence. 1 G.ii.] G,ii. Textzeugen Ae. 1519? und L2, Varianten: 3 he had] ye had L1

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all sein Leder für den linken Fuß zugeschnitten sah, dann fragte er Eulenspiegel, ob zum linken Fuß nicht ein rechter Fuß gehöre, und er war sehr wütend mit ihm. Dann sagte Eulenspiegel zu seinem Meister: »Wenn er40 mir das vorher gesagt hätte, hätte ich sie zugeschnitten! Aber, wenn es Euch beliebt, werde ich genauso viele rechte Schuhe dazu schneiden.« Der Meister sagte: »Ich habe dich den einen mit dem anderen zuschneiden geheißen!« Und dann antwortete Eulenspiegel: »Ihr habt mich alle über einen Leisten schneiden geheißen!« Dann antwortete der Schuhmacher: »Wenn ich Euch lange behielte, würdet Ihr mich so arm machen, dass ich unbedingt betteln gehen müsste! Aber jetzt gib mir Geld für mein Leder, das du mir verdorben hast und geh’ von hier weg!« Dann antwortete Eulenspiegel dem Schuhmacher: »Die Haut eines Ochsen wird zwei Stück Leder hergeben.« Und mit diesen Worten erhob er sich und sagte: »In diesem Haus bin ich gewesen, aber ich werde nicht mehr hierher kommen.« Und so ging er von dort weg.

40

Im Copy-Text steht »[i]f that he had tolde to me«, aber im Variantenapparat findet sich in L1 »[i]f that ye had tolde to me«, was im Kontext der direkten Rede mehr Sinn macht.

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Howe Howleglas solde tourdes for fat.

5

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Howleglas had destroyed muche [ ] the showemakers wherfore the [ ]as very sory and that herynge [ ]rned ageyne to the towne and [ ]r and tolde hym that he had a [ ]lde his mayster that he shul [ ]e for to restore hym parte of [ ]ad done to hym before in his [ ] showemaker sayde if it be [ ] me haue it before a nother [ ]wleglas with a good wyll and [ ] And then went Howleglas [ ]s and made hym fyll .xij. ba ¦ relles with towrdes for a [I2] lytell money and than toke he a lyttell talowe and put it in the barelles .iiij. ynches thycke as thowghe it had bene all to gyther grece and closed it so close that it shulde nat stynke for it was in 2-7 much [ ]… [ ]s] vielfach nicht lesbar

[27] How Howleglas solde turdes for fat.

5

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ANd as Howleglas had destroyed much lether of the Shoemaker, wherof the Shoemaker was very sory, and that heryng Howleglas, returned agayne to the towne, and came to his maister, and tolde hym that he had a last of talowe74, and he tolde his maister that he shoulde haue it good chepe, for too restore hym parte of the harme, that he had doone to him before in his lether. And than the shoemaker sayde yf it be good: I pray you let me haue it before another. And than saide Howleglas with a good wyll. And than departed they, and than went howleglas to the gong fermers75, and made hym fill twelue bareils with turdes for a lytle mony, and than toke he a lytle talowe, and put in the barels fowre ynches thycke, as though it ¦ had ben [G2b] altogether grece, and closed it so close that it coulde not stynke. For it was in Textzeugen Ae. 1519? und L2, Varianten: 10 gong fermers] turds fermers L3

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75

Nach dem OED2 (2) handelt es sich um eine Maßeinheit von etwa zwei Tonnen oder 4000 Pfund. Die zwölf Tonnen Talg, um die es sich hier im Text handelt, stimmen insofern nicht ganz mit dem sonstigen Gebrauch der Maßeinheit überein, da üblicherweise die 21-TonnenBemessung nur für Kabeljau und Hering galt. Das in L1 benutzte ›turde fermers‹ ist ein Synonym für dieses Wort: Es handelt sich um die Menschen, die die Exkremente der Stadtbewohner abholen und als Dünger weiterverkaufen.

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[27] Wie Eulenspiegel Scheiße als Fett verkaufte. Und da Eulenspiegel viel Leder des Schuhmachers zerstört hatte, war der Schuhmacher darüber sehr traurig. Und als Eulenspiegel das hörte, kehrte er wieder in die Stadt zurück und kam zu seinem Meister und erzählte ihm, dass er eine Last Talg habe und er erzählte seinem Meister, dass er sie sehr günstig haben solle, um ihm einen Teil des Schadens wiedergutzumachen, den [Eulenspiegel] ihm zuvor an seinem Leder zugefügt habe. Und dann sagte der Schuhmacher: »Wenn er gut ist, bitte ich Euch, dass Ihr ihn mich vor allen anderen haben lasst.« Und dann sagte Eulenspiegel: »Gerne.« Und dann gingen sie weg. Und dann ging Eulenspiegel zu den Latrinenreinigern und ließ sie für wenig Geld zwölf Fässer mit Scheiße füllen und dann nahm er ein wenig Talg und tat es vier Zoll dick in die Fässer, als ob es alles Fett sei und schloss es so dicht, dass es nicht stinken konnte; denn es war im

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5

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the wynter when there was a great froste that the durte was faste frosen to the barell and the other .vi. barelles he fylled with other talowe or fat more thycker than the other .vi. were for they were the example of his merchaundyse And when that he had dressed all the barelles he sente for his mayster the showe maker and asked hym if that he wolde cum se the merchaundyse and he sayd he wolde / than with in a whyle cam the showmaker to Howleglas and when he was come there Howleglas made the heddes of the beste Barelles to be broken vp when the cordener sawe the Barelles they lycked hym very well and than Howleglas asked hym howe the Barelles pleased hym and he answered very well and than asked he the pryce and than answered Howleglas ye shall gyue me no more than .xxiiij. guylders .xij. in hande and the other .xij. at the yeres ende And than was the showemaker content and thowght no deceyte and gaue to hym the .xij. guylders in hande / and he reseyued the money and departed and was glad and the cordener was glad of the bargayne and thowght that the forsayde harme that he had done hym ¦ shulde be restored / [I2b] 8 cordener] cordeenr

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the wynter whan ther was a great frost, that the durte was fast frozen to the barell, and the other syxe barells he filled with other, talowe or fat more thycker than the other syxe were, for they were the example of his marchaundyse. And whan that he had dressed all the barelles he sende for his maister they shoemaker, and he asked hym, if that he would come to see the marchaundyse. And he sayd he would. Than within a whyle came the shoemaker to howleglas, and when he was come there, Howleglas made the heades of the best barells, to be broken vp. whan the cordener sawe the barelles they lyked hym very wel. And than howleglas asked him how the barels pleased hym and he answered very well. And than asked he the pryce. And than aunswered howleglas ye shall geue me no more than fowre and twenty gyldens xii. in hand, and the other twelue at the yeres end. And than was the shoemaker content, and thought no deceyte and gaue to him .xii, gildens in hande. And Howleglas receyued the mony, and than departed he. And the cordyner was glad of thei bargayne, and thought that the foresayde harme that he had done hym, should be restored. Textzeugen Ae. 1519? und L2

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Winter, als es einen großen Frost gab, so dass die Scheiße im Fass festgefroren war. Und die anderen sechs Fässer füllte er mit anderem Talg oder Fett, dicker als es die anderen sechs waren, denn sie waren seine Musterstücke. Und als er alle Fässer vorbereitet hatte, sandte er nach seinem Meister, dem Schuhmacher, und er fragte ihn, ob er kommen wolle, um die Ware zu sehen und er sagte, er wolle. Dann kam nach einer Weile der Schuhmacher zu Eulenspiegel und als er dorthin gekommen war, ließ Eulenspiegel die Deckel der besten Fässer aufbrechen. Als der Schuster die Fässer sah, gefielen sie ihm sehr gut. Und dann fragte ihn Eulenspiegel, wie ihm die Fässer gefielen und er antwortete: »Sehr gut.« Und dann fragte er nach dem Preis. Und dann antwortete Eulenspiegel: »Ihr sollt mir nicht mehr als vierundzwanzig Gulden geben – 12 auf die Hand und die anderen zwölf am Jahresende.« Und dann war der Schuhmacher zufrieden und dachte nicht an Täuschung und gab ihm 12 Gulden auf die Hand und Eulenspiegel nahm das Geld in Empfang und dann ging er weg. Und der Schuster war über das Schnäppchen froh und dachte, dass der genannte Schaden, den [Eulenspiegel] ihm zugefügt hatte, wieder gutgemacht würde.

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and than he hyred manye felowes to melte the talowe and browght one barell by the fyer and when the durte began for to wexe whote than began it to smell than sayde the one to the other I wene some of vs hath beshytyn theyr breche and than cam the mayster and bad theym make clene theyr showne for one of you hath trode in a tourde and they loked all a boute but they founde nothynge. And than shulde they haue put one of that barelles in the cauderne than sawe they well that it was the barell that stanke for it was full of turdes / And than they lefte theyr worke and went for to seke Howleglas but he was gone and so the showemaker muste suffer the laste losse with the fyrste.

5

And than he hyred a seruaunt to melt the talow and he brought one barell by the fyre, and whan they durt began to waxe hote it began to smell. Than said the one to the other. I wene some of vs hath beshitten, their breches. And than came the maister and bad them make cleane theyr shoene, for on of you hath troden in a tourde, and than they loked about, but the founde nothyng. And than shoulde the haue put one of they barelles in the caudrene76, than sawe they well that it ¦ was the barrell that stank, for it was full of tourdes. G.iii. And than they left their work, and went for to seeke Howleglas, but he was gone: and so the shoemaker must suffer the laste losse with the first. 1 he] the

3 And] Aud

Textzeugen Ae. 1519? und L2, Varianten: 2 it began] and began L1

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Im OED2 finden sich nur andere Schreibweisen; diese nur für das 14. Jh.

164

Und dann stellte er einen Knecht an, um das Talg zu schmelzen und er brachte ein Fass zum Feuer und als der Dreck heiß wurde, begann er zu stinken. Dann sagte der eine zum anderen: »Ich glaube, jemand von uns hat in die Hosen geschissen!« Und dann kam der Meister und hieß sie ihre Schuhe sauber machen: »denn einer von euch ist in Scheiße getreten.« Und dann schauten sie herum, aber sie fanden nichts. Und dann wollten sie eines der Fässer in den Kessel füllen, dann sahen sie wohl, dass es das Fass war, das stank, denn es war voll mit Scheiße. Und dann ließen sie ihre Arbeit stehen und gingen Eulenspiegel suchen, aber er war fort. Und so musste der Schuhmacher sowohl den letzten Verlust als auch den ersten ertragen.

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Howe Howleglas serued a Tayler

5

10

ON a tyme serued Howleglas a tayler and the tayler asked hym if that he culde sowe well and close that no man can se the seme / and than saydeHowleglas yea than went Howleglas and sowed vnder a barell than sayd his mayster what doest thou nowe this is a meruelowse sowynge / than answered Howleglas I sowe so cloche that no man can se as ye bad me nor I myselfe se nat Than answered his mayster good seruaunt I ment nat so but sowe that euery man ¦ [I3] may se and he sayd he wolde / than the thyrde nyght the mayster had laboured so sore that he must nedes slepe then caste he to Howleglas a husbandes mangowne and bad hym take a wolfe and make it vp / and 8 may] ›y‹ nicht lesbar

8 he wolde] ›de‹ nicht lesbar

[28] How Howleglas serued a tayler

5

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ON a tyme serued Howleglas a taylar, and the tayler asked him, if that he coulde sowe woll a clothe, that no man might se the seame. And than said Howleglas yes. And than went Howleglas and sowed vnder a barrell. Than said his maister what doest thou now this is a maruelous sowing. Than aunswered Howleglas, I sow so close that no man can see as you bad me nor I mi selfe se not. than aunswered his maister good seruaunt I ment not so: I bad the sow that euery man might see And than the thyrde night the maister had labored so sore, that he must needs slepe. Than caste he to Howleglas, a husbande mans gowne, and he bad him take a wolfe77 and make it vp. And Textzeugen Ae. 1519? und L2, Varianten: 4 woll] well on L1

77

Eulenspiegels Witz mit diesem Wort ruht auch in der deutschen Überlieferung auf einer nicht eben breiten Basis: Das Grimmsche Wörterbuch beispielsweise gibt nur den Eulenspiegel als Beleg für die Bedeutung ›grober Bauernrock, Futterstoff‹. Im Englischen funktioniert der Wortwitz – nach dem OED2 zu urteilen – gar nicht, da das Wort keine dem deutschen vergleichbare Bedeutung in diesem Feld aufweist.

166

[28] Wie Eulenspiegel einem Schneider diente. Einmal diente Eulenspiegel einem Schneider und der Schneider fragte ihn, ob er gut einen Stoff nähen könne, so dass niemand die Naht sehen könne. Und dann sagte Eulenspiegel: »Ja.« Und dann ging Eulenspiegel und nähte unter einem Fass. Dann sagte sein Meister: »Was tust du nun? Das ist ein wunderliches Nähen!« Dann antwortete Eulenspiegel: »Ich nähe so dicht,41 dass es niemand sehen kann, wie Ihr mich geheißen habt, und auch ich selbst sehe nichts!« Dann antwortete sein Meister: »Guter Knecht, ich meinte das nicht so; ich habe dich geheißen, so zu nähen, dass es jedermann sehen kann.« Und dann in der dritten Nacht hatte der Meister so hart gearbeitet, dass er unbedingt schlafen musste. Dann warf er Eulenspiegel einen Bauernrock zu und hieß ihn einen Wolf nehmen und ihn zurechtmachen. Und

41

Obwohl die Stoßrichtung der Phrase evident ist, spiegelt die Divergenz zwischen L2 und L1 die tiefergehende Schwierigkeit wieder. Da keine der beiden Varianten der näheren Überprüfung standhält (die Form in L2 ist zweifelhaft und in L1 der Inhalt – gut auf einem Tuch nähen macht wenig Sinn), folgt die Übersetzung dem Copy-Text.

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than sayde Howleglas I shall do than [ ] he to bed than cut Howleglas the husbandes man gowne and made therof a wolfe with hed and fete And when that he had sowed it to gyther than set he it vpon the table with staues Than in the mornynge arose his mayster and cam downe and when he sawe the wolfe standynge vpon the table he was a frayde and asked hym what he had done / And he sayde mayster I haue made a wolfe as ye bad me / than sayde the master I ment that ye shulde haue made vp the russet gowne for a husbandes man gowne is called here a wolfe Than answered Howleglas if that I had knowen that before I wolde haue done so for I had leuer haue made a gowne thanne a wolfe / and than at the laste was the mayster contente And within .iiij. dayes after watched the mayster so muche he muste nedes goo slepe and there was a cote reddye made but it lacked the sleues than the mayster toke the cote and the sleues and gaue theym to Howleglas and bad hym that he shulde caste on the sleues and he 1 than [ ] he] nicht lesbar [wahrscheinlich aber: went] 2 husbandes] ›de‹ nicht lesbar ] 7 the master I ment] the master ment 9 had] bad 10 contente] ›con‹ nicht lesbar

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than sayd Howleglas I shall do it. Than went he to bed. Than cut Howleglas the husbandmans gown, and made therof a woulffe with the head and feete. And whan that he had sowed it together, than set he it vpon the table wythe staues. than in they mornynge arose his maister, and came down, and whan he saw the woulfe standynge vpon the table he was a frayde: and asked hym what he had done. And he saide mayster: I haue made a woulfe as you bad me. than sayd the maister. I ment that you should haue made vp the russet gown for a husband mans gowne is called here a woulfe. than aunswered Howleglas. If that I had knowen that before I would haue done so, For I had leuer haue made a gowne than a woulfe. And at the last was ¦ they maister [G3b] contente. And within fowre dayes after, watched they mayster so muche that he muste nedes goo to sleepe. And there was a cote readye made, but it lacked the sleues. Than the maister toke the cote and the sleues and gaue them to Howleglas and he bad hym that he should cast on the sleues, and he 7 haue] hane Textzeugen Ae. 1519? und L2, Varianten: 7 haue] hane L3 done L3 168

10 made]

dann sagte Eulenspiegel: »Ich werde es tun.« Dann ging [der Meister] zu Bett. Dann schnitt Eulenspiegel den Bauernrock zu und machte daraus einen Wolf mit Kopf und Füßen. Und als er ihn zusammengenäht hatte, dann stellte er ihn mit Stäben auf den Tisch. Dann erhob sich am Morgen sein Meister und kam hinunter und als er den Wolf auf dem Tisch stehen sah, fürchtete er sich und fragte ihn, was er getan habe. Und er sagte: »Meister, ich habe einen Wolf gemacht, wie Ihr mich geheißen habt.« Dann sagte der Meister: »Ich habe gemeint, dass Ihr den grauen Bauernrock zusammenfügen solltet, denn ein Bauernrock wird hier Wolf genannt.« Dann antwortete Eulenspiegel: »Wenn ich das vorher gewusst hätte, hätte ich es getan! Denn ich hätte lieber einen Rock gemacht als einen Wolf.« Und schließlich war der Meister zufrieden. Und vier Tage später passte der Meister so viel auf, dass er unbedingt schlafen gehen musste. Und es gab eine fertige Jacke, aber es fehlten ihr die Ärmel. Dann nahm der Meister die Jacke und die Ärmel und gab sie Eulenspiegel und er hieß ihn die Ärmel anwerfen und [Eulenspiegel]

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sayd he wolde than went his mayster to bed and than toke Howleglas the cote and honge it on a balke and set on ¦ euery side a candell and stode vp [I3b] and caste the sleues at the Cote all the nyght longe and than a rose the [..] tayler and that spyed Howleglas and caste the sleues more faster than he dyd before at the cote / and that asspyed the tayler and sayd what folysshe toche is that that you do there / And [ ] answered Howleglas very angerly this is no folysshe toche for I haue stande all the nyght here castynge the sleues at the cote and they woll nat byde theron and nowe I se it is but loste laboure / Than sayde the mayster to Howleglas it is my faute for I wente that ye wolde haue vnderstande me better for I ment that you shulde haue sowed on the sleues to the cote Than sayd Howleglas to his mayster the deuyll take you for if ye had sayd so to me before I myght haue sowed on the sleues and haue gonne slepte but nowe mayster goo you and sowe all the day longe and I wyll go slepe / And than answered the tayler haue I hyred you to slepe / and thus began

3 the [..]] the the 6 And [ ]] nicht lesbar [wahrscheinlich aber than] 7 no] nicht genau lesbar

5

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sayd he would. Than went his maister to bed, and than toke Howleglas the cote and hanged it on a balke and set on euery syde a candle, and stode vp and cast the sleues at the cote all thei nyght long. And than arose the tailer and that spied howleglas, and he cast the sleues more faster then euer he did before at the cote. And the aspyed wel the taylar and sayd what folishe touches be those that you do ther. And than answered howleglas very angerly. This is no folish touche for I haue stande all the nyghte castinge the sleues at the cote, and they will not abyde theron, and nowe I se it is but loste labour. Than sayd they mayster to howleglas. It is my faute for I wend that ye would haue vnderstand me better, for I ment you should haue sowed on the sleues on the cote. Than said howleglas to his maister. The deuyl take you, for if ye had said so to me before: I might haue sowed on the sleues, and haue gon to slepe. But now maister go you and sowe al the day long, and I will go slepe. And than aunswered the tailer, and haue I hired you to slepe? And thus began 9 they mayster] the ymayster

9 howleglas] houleglas

Textzeugen Ae. 1519? und L2, Varianten: 6 those that you do] those you do L1 7 nyghte castinge] here casting L1 170

sagte, er würde es tun. Dann ging sein Meister zu Bett und dann nahm Eulenspiegel die Jacke und hängte sie an einen Balken und stellte auf jede Seite eine Kerze und stand auf und warf die Ärmel die ganze Nacht lang an die Jacke. Und dann erhob sich der Schneider und das entdeckte Eulenspiegel und er warf die Ärmel schneller an die Jacke als er es vorher je getan hatte. Und das entdeckte der Schneider wohl und sagte: »Was für närrische Streiche sind das, die Ihr da macht?« Und dann antwortete Eulenspiegel sehr wütend: »Dies ist kein närrischer Streich, denn ich habe die ganze Nacht gestanden und die Ärmel an die Jacke geworfen und sie wollen nicht daran bleiben und jetzt sehe ich, dass es vergebliche Mühe ist!« Dann sagte der Meister zu Eulenspiegel: »Es ist mein Fehler, denn ich glaubte, dass Ihr mich besser verstanden hättet; denn ich meinte, dass Ihr die Ärmel an die Jacke nähen solltet.« Dann sagte Eulenspiegel zu seinem Meister: »Der Teufel hole Euch, denn wenn Ihr das vorher zu mir gesagt hättet, hätte ich die Ärmel annähen und schlafen gehen können! Aber nun, Meister, geht Ihr und näht den ganzen Tag lang und ich werde schlafen gehen.« Und dann antwortete der Schneider: »Habe ich Euch etwa zum Schlafen angestellt?« Und so begannen

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they to chyde and as they were thus chydyng the tayler bad hym pay for his candelles that he had byrned that nyght and than Howleglas spake neuer a worde more but toke al his clothes and went his waye and cam no more there.

5

¦ [Holzschnitt] Howe Howleglas deseyued a wyne drawer in [I4] Lubeke.

10

¦ O[.]n a tyme cam Howleglas to Lubeke where is very strayght Iustyce And [I4b] whyle that Howleglas was there abydynge he harde tell of a wyne drawer the was in a Lordes seller that was very prowde and presumtyouse and sayd that there was no man that culde deseyue hym or passe hym in wysdome and there was none of all the lordes that loued hym Than thought 6 O[.]n] O On

they to chyde. And as the wer thus chiding: the taylar bad hym pay for his candels, that he had brenned that night. And than Howleglas spake neuer a worde more but tooke all his clothes and went his way and came no more there.

[29]

5

How Howleglas throughe his sottle disceytes, disceyued a wynedrawer in Lubeke.

10

¦ ON a tyme came Howleglas to Lubeke, where is very straight Iustice78, and [G4] the while that Howleglas was there a bidyng: he herd tell of a wyne drawer that was in a lordes seller, that was very proud and presumptuous. And it was saide that there was no man that could deceiue him, nor passe him in wisdom and there was none of all the lordes that loued hym. Than thought Textzeugen Ae. 1519? und L2, Varianten: 11 nor] or L1

78

Lindow beschreibt, dass Eigentumsdelikte in Lübeck besonders hart bestraft wurden (Lindow (2001), S. 164).

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sie zu zanken und als sie so zankten, hieß der Schneider ihn für seine Kerzen zahlen, die er in der Nacht abgebrannt habe. Und dann sprach Eulenspiegel kein Wort mehr, sondern nahm alle seine Kleider und ging seines Wegs und kam nie wieder dorthin.

[29] Wie Eulenspiegel durch seine gewandten Täuschungen einen Weinzapfer in Lübeck täuschte. Einmal kam Eulenspiegel nach Lübeck, wo sehr strenges Recht gilt. Und in der Zeit, in der Eulenspiegel dort ausharrte, hörte er über einen Weinzapfer erzählen, der in einem Ratskeller war und der sehr stolz und hochmütig war. Und es wurde gesagt, dass es keinen Menschen gebe, der ihn täuschen könne oder ihn an Weisheit übertreffe und es gab keinen unter allen Ratsherren, der ihn sehr mochte. Dann dachte

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5

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howleglas in his mynde howe he myght deseyue hym Than vpon a tyme toke Howleglas .ij. pottes one of water and the other empty and he hyd the empty pot that noman sawe it and cam to the seller and gaue the wyne drawer the empty pot and bad hym fyll the pot with wyne and so he dyd and whan it was full he browght it vp to Howleglas and than he loked a syde and in the meane whyle howleglas set the pot of water in the pot of wynes place and hyd the pot of wyne and than askyd he the drawer what he shulde pay and the drawer sayd .x. wytten that sayd howleglas the wyne is to dere for me/. For I haue but viij. wytten Than was the wyne drawer angerye and sayde wyll ye set another pryce on the wyne than the lordes haue set Than sayd howleglas I haue no more money and I shall nat haue it so than take your wyne ageyne for I knewe it nat before/ Than was the wyne drawer very angery and toke the pot with the water and bare ¦ it downe into the seller and pored out the [K1] 6 of] or

5

10

Howleglas in his mynde, howe he myght deceyue hym. than vpon a tyme toke Howleglas two pottes, one of water, and thei other empty, and he hid the empty pot that no man saw it and he came to the seller and gaue the wyne drawer the emty pot, and bad him fill the pot with wyne, and so he dyd. And whan it was full he broughte it vp to howleglas, and than he loked a side and in the meane whyle howleglas set the pot of water in the place of wine and hid the pot of wyne. And than asked he the wyne drawer what he shuld pay And the drawer sayd .x. miten79. than sayde howleglas the wine is to dere for me, I haue but .viii. miten than was the drawer angry, and sayde wyll ye sette an other pryce on the wyne than the lordes haue set? than sayd howleglas I haue no more monye, and I shall not haue it so, than take your wyne agayne for I knewe it not before. than was they wyne drawer very angry, and he toke the pot with the water, and bare it down into the seller: and poured out the 10 haue] hane Textzeugen Ae. 1519? und L2

79

Nach dem OED2 (2, 1.a.) handelt es sich hierbei ursprünglich um eine flämische Kupfermünze von geringem Wert, die in England im 16./17. Jh. die kleinste Einheit war.

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Eulenspiegel bei sich, wie er ihn täuschen könne. Dann einmal nahm Eulenspiegel zwei Krüge, einen mit Wasser und den anderen leer, und er versteckte den leeren Krug, dass kein Mensch ihn sah und kam zu dem Keller und gab dem Weinzapfer den leeren Krug und hieß ihn den Krug mit Wein füllen und das tat er. Und als er voll war, brachte er ihn hoch zu Eulenspiegel und dann schaute er zur Seite und in der Zwischenzeit stellte Eulenspiegel den Krug mit dem Wasser an die Stelle des Weins und versteckte den Krug mit dem Wein. Und dann fragte er den Weinzapfer, was er bezahlen solle. Und der Zapfer sagte: »10 Wytten.« Dann sagte Eulenspiegel: »Der Wein ist zu teuer für mich; ich habe nur 8 Wytten.« Dann war der Weinzapfer wütend und sagte: »Wollt Ihr einen anderen Preis auf den Wein setzen als ihn die Ratsherren gesetzt haben?« Dann sagte Eulenspiegel: »Ich habe nicht mehr Geld und ich werde es nicht haben,42 dann nehmt Euren Wein wieder, denn ich wusste es vorher nicht.« Dann war der Zapfer sehr wütend und er nahm den Krug mit dem Wasser und trug ihn hinunter in den Keller und goss das

42

Die Phrase »I shall not have it so« ist insofern problematisch zu übersetzen, als dass (aufgrund der im Text durchgehend variablen Zeichensetzung) nicht völlig klar ist, ob wirklich gemeint ist ›ich werde es [das Geld] [auch in Zukunft] nicht haben, daher nimm den Wein wieder‹ oder ›ich werde ihn [den Wein] [also] nicht haben‹. Trotz der Unsicherheit scheint es angemessen, der durch die tatsächliche Zeichensetzung unterstützten Variante den Vorzug zu geben.

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water into the vessell and went it had ben the wyne and cam and gaue Howleglas the pot and sayd make ye me fyll wyne and ye haue no money to pay for it ye wene I be a fole and than sayde Howleglas ye be begyled of a fole and with that worde went his waye with the pottes / and than the drawer mystrustynge Howleglas for the wordes that he sayde and toke a sergant and ouer toke hym and serched hym and than they founde that he had two pottes vnder his mantell than toke they Howleglas and peched hym for a thefe and browght hym to pryson and than sayd some that he had deserued to be hanged and some sayde that it was done for the nonse to deseyue the wyne drower and that was but well done For he shulde haue sene ther to before for he sayth dayly that no man shulde begyle hym. but they that loued nat howleglas sayde that he was a thefe and that he shulde be hanged and than was Howleglas browght before the Iuges and they gaue 9 deseyue] deseyne

5

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water into the vessel and he wende it had bene the wine, and came and gaue howleglas the pot, and sayd. Make ye me fyll wyne, and ye haue no mony to paye for it: ye wene ye be a foole? And than sayde howleglas ye be begyled of a foole, and with that woorde he wente his waye wyth they pottes. And than the drawer mistrustyng howleglas ¦ for the wordes that he sayde, toke [G4b] a sergeaunt and ouer toke hym, and fetched hym, and than they found that he had two pottes vnder the mantell. Than toke the Howleglas and peched him for a thefe, and brought hym to the pryson. And than sayd some, that he had deserued to be hanged and some saide that it was done for the nonse to deceiue the wine drawer, and that was but well done for he shoulde haue seen there to before. for he sayde dayly that no man should begyle hym: but they that loued not Howleglas sayde that he was a thefe, and that he shoulde be hanged. And than was Howleglas brought before the Iudge, and the gaue 11 seen] se Textzeugen Ae. 1519? und L2, Varianten: 3 ye be] I be L1 6 fetched] serched L1 serched L3 7 the mantell] his mantel L1 8 to the pryson] to pryson L1 11 seen] seen L1 11 sayde] sayeth L1 13 Iudge] Iudges L1 Merke: L3 wechselt nach G.4.b zu K. 176

Wasser in das Gefäß aus und er glaubte, es sei der Wein und kam und gab Eulenspiegel den Krug und sagte: »Lasst mich Wein füllen und habt kein Geld, um für ihn zu bezahlen! Ihr denkt, Ihr43 seiet ein Narr!« Und dann sagte Eulenspiegel: »Ihr seid von einem Narren betrogen.« Und mit diesem Wort ging er seines Wegs mit den Krügen. Und dann argwöhnte der Zapfer Eulenspiegel wegen der Worte, die er gesagt hatte, und nahm einen Büttel und holte ihn ein und holten ihn44 und dann entdeckten sie, dass er zwei Krüge unter dem Mantel hatte. Dann nahmen sie Eulenspiegel und klagten ihn als einen Dieb an und brachten ihn ins Gefängnis. Und dann sagten einige, dass er es verdient habe, gehängt zu werden und einige sagten, dass es zum Spaß getan wurde, um den Weinzapfer zu täuschen, und dass es doch gut gemacht worden war, denn er hätte sich vorsehen sollen: »Denn er hat täglich gesagt, dass kein Mensch ihn betrügen werde!« Aber diejenigen, die Eulenspiegel nicht leiden mochten, sagten, er sei ein Dieb und dass er gehängt werden solle. Und dann wurde Eulenspiegel vor den Richter gebracht und er urteilte,

43 44

Die L1-Variante »ye wene I be a fool« macht wesentlich mehr Sinn als das »Ihr« im CopyText. Auch in diesem Fall leuchtet die L1-Variante ein: Sie durchsuchen Eulenspiegel. Die Form »fetched« kann auf einen einfachen Setzfehler zurückgeführt werden; das langschäftige ›s‹ und ›f‹ können leicht verwechselt werden, ebenso das ›r‹ und ›t‹. Dass alle anderen englischen Texte »serched« lesen, unterstützt die These eines Setzfehlers in L2.

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sentence that he shulde be hanged and on the morowe was he browght vnto the galowes for to be hanged for they that loued hym nat wolde fayne haue sene iusteyse done on hym and there were gathered many of the towne to se Howleglas suffer dethe/ but the lordes of Lubeke were sorye for hym for some went that he culde socery or wytchecrafte ¦ that he therwith shulde be [K1b] delyuered and as he was led towarde the galowse he lay all styll as thowght he had bene all deed and when he cam vnder the galowes than desyred he to speke with the lordes and when the lordes were cum he fell apon his knes and prayed them that they wolde graunte hym a boue and the lordes sayde that shulde be his lyfe that he wolde aske. And than sayde Howleglas it shall nat be my lyfe nor money nor i[t] shulde nat coste them one pennye of coste And all the lordes of Lubeke went to the other syde of the galowes and toke a counsayll and they repeted his wordes and than a greed to graunt hym his petycyon and cam to hym and bad hym aske 9 a bone] ›a‹ nicht lesbar, boue

5

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sentence, that hy shold be hanged. And on the morowe was he brought vnto the gallowes, for to be hanged, for they that loued hym not, would fayne haue sene Iustice done on hym. And there were gathered many of the towne to see Howleglas suffer death. But they Lordes of Lukibe were sory for hym, for some wende that he could do wychcrafte, that he thereby myght be delyuered. And as he was led towarde the galowes, he lay all styl as though he had ben dead. And whan he came vnder the gallowes, than desired he to speke with the lordes And whan the lordes were, com he fell vpon his knees and he prayed them that the wold graunt him a bone and the lordes sayde. Thou woldest desyre thy pardon. Than sayd Howleglas. That would I not aske lyfe nor mony, nor it shall not cost you one peny. Than all the lordes of Lubeke went to the other side of the galowes, and there they layde theyre heades together, and there the rehersed his wordes againe, and the agreed to graunt hym his peticion. That done they came to hym and the bad him aske 9 a bone] aboue Textzeugen Ae. 1519? und L2, Varianten: 4 Lukibe] Lubyke L1 Lubeke L3 9 a bone] a bone L1

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dass er gehängt werden solle. Und am Morgen wurde er zu den Galgen gebracht, um gehängt zu werden. Denn diejenigen, die ihn nicht leiden mochten, wollten nur zu gerne das Recht an ihm vollstreckt sehen und es waren viele aus der Stadt versammelt, um Eulenspiegel den Tod erleiden zu sehen. Aber den Ratsherren von Lübeck45 war wegen ihm unwohl, denn einige glaubten, er beherrsche die Hexerei, dass er damit gerettet würde. Und als er zum Galgen geführt wurde, lag er ganz still, als ob er tot wäre. Und als er unter den Galgen kam, dann bat er, mit den Ratsherren zu sprechen und als die Ratsherren gekommen waren, fiel er auf seine Knie und er bat sie, dass sie ihm einen Wunsch gewähren würden. Und die Ratsherren sagten: »Du willst um dein Leben bitten.« Dann sagte Eulenspiegel: »Es wird nicht mein Leben sein, um das ich bitte, auch nicht Geld, auch wird es euch nicht einen Pfennig kosten.« Dann gingen alle Ratsherren von Lübeck zur anderen Seite des Galgens und dort steckten sie ihre Köpfe zusammen und dort wiederholten sie seine Worte und dann stimmten sie überein ihm seine Petition zu gewähren. Das getan, kamen sie zu ihm und sie hießen ihn bitten,

45

Da der Ortsname in der Historie sonst richtig geschrieben ist, handelt es sich hier wohl um einen Setzfehler.

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what so euer he wolde saue those wordes that were a boue rehersed. And than thanked howleglas the lordes and sayd I pray you that euery oon of you wyll gyue me your handes theron and than all to gyther gaue hym theyr handes so that all the lordes had graunted hym both he with worde and hande Than sayd Howleglas to the lordes by cause I knowe that ye be so faytheful of your wordes I shall showe to you my bone and than he sayd this is my bone that euery lorde of Lubeke to cum and kysse my ars when that I am hanged vpon the galowes by the space of .iij. dayes longe with his mowth in the mornynge fastynge and the Borowghe mayster fyrste and all the ¦ lordes after in order [K2] Than answered the lordes to Howleglas and sayd that that was a vnmanerly bone for to be asked And then sayd howleglas to the lordes of Lubeke I knowe the counseyll of Lubeke so sure of theyr promyse that they wolde holde that they haue promysed bothe with hande and mouthe Then wente the lordes ayene to counsayll and than sayde the oon to the other this thynge

what he would, saue those ¦ wordes spoken of before to be except. And [H1] howleglas thanked the lordes and sayde. I praye you that euery one of you geue me your handes therof80. And they altogether gaue him their handes, so that all the lordes had graunted him both with worde and hand. Than sayd Howleglas to the lordes. Because I know you be faythfull of your wordes, I shall shewe to you my bone. And than he said this is my boone. That euery lorde of Lubeke do come and kisse mi arse, whan that I haue hanged on the galowes by the space of thre daies long, with his mouth in the morning fastinge and the borow maister firste, and all the lordes after in ordre. Than answered the lordes to Howleglas and sayd, that his desyre was an vnmanerly boone for to be asked. And than sayde Howleglas to they lordes of Lubeke I knowe the counsail of Lubeke, so sure of their promyse that they wil holde that that they haue promysed me both with hande and mouthe. Than went the lordes agayne to counsaele81. than sayde they one to the other this thynge 12 knowe] kdowe Textzeugen Ae. 1519? und L2, Varianten: 3 handes therof] so threof L3 9 ordre] order L3 12 so sure of] to foure of L3

80 81

Der Ausdruck ›jemandem etwas mit Handschlag versprechen‹ ist im OED2 verzeichnet, aber nicht mit dieser Präposition. Obwohl das OED2 eine Vielfalt von Formen für dieses Wort nennt, ist diese nicht darunter.

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was immer er wolle, ausgenommen jene Worte, die vorher genannt wurden. Und Eulenspiegel dankte den Ratsherren und sagte: »Ich bitte euch, dass jeder von euch mir darauf seine Hand geben wird.« Und sie gaben ihm alle zusammen ihre Hände, so dass alle Ratsherren es ihm sowohl mit Worten als auch mit Handschlag gewährt hatten. Dann sagte Eulenspiegel zu den Ratsherren: »Weil ich weiß, dass ihr euren Worten treu seid, werde ich euch meinen Wunsch zeigen.« Und dann sagte er: »Dies ist mein Wunsch: Dass jeder Ratsherr von Lübeck kommen und mich während der Morgenfastenzeit mit seinem Mund am Arsch lecken soll, nachdem ich den Zeitraum von drei Tagen am Galgen gehangen habe46 – und der Bürgermeister zuerst und danach alle Ratsherren, der Reihe nach.« Dann antworteten die Ratsherren Eulenspiegel und sagten, dass seine Bitte ein unanständig verlangter Wunsch sei. Und dann sagte Eulenspiegel zu den Ratsherren von Lübeck: »Ich weiß, dass der Rat von Lübeck sein Versprechen so ernst nimmt, dass sie halten werden, was sie mir sowohl mit Hand als auch mit Mund versprochen haben.« Dann gingen die Ratsherren wieder zu Rat; dann sagte der eine zum anderen: »Diese Sache,

46

Es ist aus der englischen Satzstruktur nicht eindeutig zu schließen, ob Eulenspiegel hier sagt, dass sein letzter Wunsch erfüllt werden soll, nachdem er schon drei Tage am Galgen gehangen hat, oder dass die Ausführung an drei (aufeinanderfolgenden) Tagen geschehen soll.

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that he askes of vs is vnlaufully asked for it were a great shame for vs all that we that be the greatteste lordes of the towne shulde cum and kys his ars better it were for vs to gyue hym his pardone and let hym goo his waye for it is but a small faute that he hath done than agreed all the lordes and sayde that it was beste for to do /than called the lordes the Sergeauntes and bad theym that they shulde vnbynde Howleglas and let hym go at large for they all had gyuen hym his pardon and than dyd they vnlose Howleglas and when Howleglas was at large he thanked the lordes and than departed he fro Lubeke and was delyuered and neuer cam there after.

5

that he asketh of vs it is vnlawfully asked, for it were a greate shame for vs all, that we that be the gretest lordes of the town, should come and kisse his arse: better it were for to geue hym his pardon, and let hym goo hys waye, for it ys but a small faute that he hath done. than agreed all they lordes and sayde that it was best for to do. than the lordes called the sergeauntes, and they bad them too vnbynde Howleglas and to let hym goe at large, for, all they had graunted hym his pardon. And than they vnlosed Howleglas. And whan Howleglas was at large, he thanked the Lordes. And than departed he from Lubeke, and neuer came there after. 8 Howleglas] Howlegles Textzeugen Ae. 1519? und L2

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die er von uns verlangt, sie ist unrechtmäßig verlangt, denn es wäre eine große Schande für uns alle, dass wir, die wir die wichtigsten Ratsherren der Stadt sind, kommen sollten und ihn am Arsch lecken sollten! Besser wäre es, ihm seine Begnadigung zu geben und ihn seines Wegs gehen zu lassen, denn es ist doch nur ein kleiner Fehler, den er gemacht hat.« Dann stimmten alle Ratsherren zu und sagten, dass es das Beste wäre, es so zu tun. Dann riefen die Ratsherren die Büttel und hießen sie Eulenspiegel losbinden und auf freien Fuß setzen, weil sie ihm alle seine Begnadigung gewährt hatten. Und dann lösten sie Eulenspiegel los und als Eulenspiegel auf freiem Fuß war, dankte er den Ratsherren und dann ging er von Lübeck weg und kam nie wieder dorthin.

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Howe Howleglas becam a maker of spectakles and howe he culde fynde no worke in no lande where soeuer he cam.

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¦ Vpon a tyme the Seniatours of Rome had great dyscorde amonge them [K2b] selfe whiche of all the lordes shuld be Emperoure And at the laste was the Erle of Supplembrowgh kynge of Romanes and emperoure of Rome but there were many other that loked for it So when he was made he laye .vi. wekes longe before the towne of Frankeforde A bydynge there for all other lordes to tourment where was a great company assembled And this herynge Howleglas thowght in his mynde to goo thyder and so he dyd for there he thowght to get some gyfte and it were no more but the emperours syluer 3 Vpon] ›Vp‹ nicht lesbar

[30] ¦ How Howleglas became a maker of spectacles82, and howe he [H1b] could fynde no worke in no lande where he came. 5

10

ON a tyme the senatours of Rome, had gret discord among them selfe, which of all the lordes shoulde be Emperoure. And at the last was the earle of Supplembrogh kyng of Romaynes and Emperour of Rome, but there were mani other that loked for it. So whan he was made, he lay .vi. wekes long before the towne of Frankforde, a bydyng ther for all other, lordes to torment, where was a great company assembled. And this hering Howleglas, he thoughte in hys minde for to go thether, and so he did. And there he thought to get some gyfte. And it wer no more but the Emperours syluer 6 there] thee

11 Emperours] Empeperours

Textzeugen Ae. 1519? und L2

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Vgl. ›Braband‹ (siehe S. 186).

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[30] Wie Eulenspiegel ein Brillenmacher wurde und wie er keine Arbeit in keinem Land finden konnte, in das er kam. Einmal hatten die Senatoren von Rom untereinander großen Streit, welcher von all den Adligen Kaiser sein solle. Und schließlich wurde der Herzog von Supplinburg König der Römer und Kaiser von Rom, aber es gab viele, die danach trachteten. Daher lag er, nachdem er gewählt worden war, 6 Wochen lang vor der Stadt Frankfurt, und wartete dort, wo eine große Versammlung zusammengekommen war, darauf, dass alle anderen Adligen ein Turnier austragen würden. Und als Eulenspiegel dies hörte, dachte er bei sich, dass er dorthin gehen wolle, und das tat er. Und er hoffte, dort irgendein Geschenk zu bekommen – und es war nichts weniger als die silberne

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harneyse And as Howleglas passed be frankeford he met with the Bysshop of Taer and by cause that he was clothed auenturelyc he asked hym what he was and Howleglas answered I am a spectacle maker cum out of Brabant and I can fynde no worke / than sayde the bysshop my thynke that youre crafte shulde be better dayly for the people the longer the lyue the lesse syght they haue therfore your crafte shulde be better dayly / and than sayd Howleglas to the bysshop my lorde ye say trewthe but there is oon thynge that destroyeth our crafte and if that ye wyll nat take no despleasure I shall showe it to you / and than the bysshop bad hym say what he wolde and than sayde he this destrowyes our crafte that suche gre

harnes83. And as Howleglas passed by Frankforde he met with the bysshop of Taer and because he was clothed auenturelyke, he asked hym, what he was? than aunswered Howleglas. I am a spectacle maker come out of Braband,84 and I can find no worke. Than sayde the bysshop, me thinke your craft shoulde be better daylye, for the people the longer they lyue thei lesse syghte they haue therfore youre crafte shoulde be the better. And than said Howleglas to the byshop, my lorde you say truth but there is one thinge that destroyed our craft: and if you wil take no displesure, I shall shewe it to you. And than the bysshop bad, hym saye what he woulde. And than sayde he, this destroyeth our craft, that such great Textzeugen Ae. 1519? und L2, Varianten: 1/2 bysshop of Taer] bishop of Naer L3 4 Braband] Brabane L3

83

84

Die Bedeutungsvielfalt des Wortes ist durch die Ergänzung ›syluer‹ eingeschränkt, so dass ›mit Wappen gekennzeichnete Kleidung, Uniform‹ (OED2, 5.a.) hier ausgeschlossen ist. Stattdessen muss man wohl eher verstehen, dass es sich um eine Rüstung (2.) oder um Zaumzeug (4.a.) handelt. Später in der Historie wird das Wort zwar um den Zusatz »oder Kleidung« erweitert, was dann doch auf die Wappen-Variante deutet, aber an dieser Stelle hier ist die Interpretation festgelegt. Koopmans/Verhuyck erklären, dass der Brillenhandel sich im 14. Jh. von Brabant und Flandern weiter ausbreitete (vgl. Koopmans/Verhuyck (1988), S. 271).

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Rüstung des Kaisers. Und als Eulenspiegel an Frankfurt vorbeikam, traf er den Bischof von Taer47 und weil er sonderlich gekleidet war, fragte [der Bischof] ihn, was er sei? Dann antwortete Eulenspiegel: »Ich bin ein Brillenmacher, der aus Brabant kommt, und ich kann keine Arbeit finden.« Dann sagte der Bischof: »Es scheint mir, dass es eurem Handwerk täglich besser gehen sollte, denn je länger die Leute leben, desto schlechter ist ihre Sicht. Deshalb sollte euer Handwerk besser sein.« Und dann sagte Eulenspiegel zum Bischof: »Mein Herr, Ihr sagt die Wahrheit, aber es gibt eine Sache, die unser Handwerk zerstört48. Wenn Ihr keinen Anstoß nehmt, werde ich es Euch enthüllen.« Und dann hieß ihn der Bischof sagen, was er wolle. Und dann sagte er: »Das, was unser Handwerk zerstört, ist, dass solche großen

47 48

D. h., Trier. Im englischen Text wird das Präteritum verwendet, statt folgerichtig Präsens.

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lordes as you be, kynges, dukes, erles, lordes bysshopps, knyghtes, lawyers, and gouernours of landes and townes, al these looke through their fyngers85, and not with spectacles They were wont to study in the olde tyme the ryghte ¦ and than behoued the men many spectacles. And also the priestes, were [H2] wonte to stude and reade their seruice but now they vse no spectacles at al and by this maner is our craft destroyed and nought set by. And by heades of the countrey that poore men of the countree learne all to loke thorowe their handes that they be almoste as cunning, as the heades of the countrey. Than the byshop vnderstode the text but not the glose and he spake to Howleglas and sayde. come with me to Frankforde, and I shall geue vnto the my harnes or clothyng, and than was Howleglas veri glad and he wente with the byshop to Frankeforde, where the Emperour was chosen: and whan thei trumphe86 was done than the beshop gaue him that that he promysed hym, and than was he glad and he wente with the byshop, and so he returned agayne to Sassen.

[31]

15

Howe Howleglas was hyred of a merchaunt. to be his coke

20

AT Heldersem dwelled a marchaunt, that on a tyme went walkyng without the town, and as he walked: he founde Howleglas lyinge on a grene hyll. Than asked the marchaunt Howleglas what he was? Howleglas answered vnder his couered falsnes I am a cooke, and without a maister, Than said the marchaunt: yf you wyll be a good seruaunte, I wyll hyre you, and geue vnto you wages, I haue a cooke, at home: but my wyfe complayneth on hym alwaye. Than promysed Howleglas the marchaunte to bee true to hym. Than asked the marchaunte his name, than aunswered howleglas, my name is L2: 11 Howleglas] Howlyglas 12 Emperour] Emperonr 13 than] that 13 promysed hym] promysed-hym 17 marchaunt]marchannt Textzeuge L2

85 86

Dieser heute obsolete Ausdruck bedeutet: so tun, als ob man etwas nicht sieht (OED2, 6.IV.20.a.). Obwohl das OED2 diese Form – ohne ›i‹ – nicht angibt, ist doch klar, dass es sich um eine Feierlichkeit handelt, die sich zwischen öffentlicher Belustigung und Triumphzug des neugewählten Kaisers bewegt.

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Herren wie Ihr es seid – Könige, Herzöge, Grafen, Adlige, Bischöfe, Ritter, Anwälte und Herrscher über Stadt und Land –, all diese durch ihre Finger schauen und nicht mit Brillen! In alten Zeiten pflegten sie das Recht zu studieren und dann brauchten die Menschen viele Brillen. Und so auch die Priester, die zu studieren und ihre Gottesdienste zu lesen pflegten – aber nun benutzen sie überhaupt keine Brillen und auf diese Art ist unser Handwerk zerstört und nichts mehr wert. Und durch die Landesoberhäupter lernen arme Bauern alle durch ihre Hände zu schauen, so dass sie fast so geschickt sind wie die Landesoberhäupter.« Dann verstand der Bischof den Text, aber nicht die Glosse, und er sprach zu Eulenspiegel und sagte: »Komm mit mir nach Frankfurt und ich werde dir meine Rüstung oder Kleidung geben.« Und dann war Eulenspiegel sehr froh und er ging mit dem Bischof nach Frankfurt, wo der Kaiser gewählt wurde. Und als die Feierlichkeiten vorbei waren, dann gab ihm der Bischof das, was er ihm versprochen hatte und dann war er froh und ging mit dem Bischof und so kehrte er wieder nach Sachsen zurück.

[31] Wie Eulenspiegel von einem Kaufmann angestellt wurde, um sein Koch zu sein. In Heldersem49 wohnte ein Kaufmann, der einmal außerhalb der Stadt spazieren ging und als er spazierte, fand er Eulenspiegel auf einem grünen Hügel liegen. Dann fragte der Kaufmann Eulenspiegel, was er sei. Eulenspiegel antwortete mit seiner versteckten Falschheit: »Ich bin ein Koch und bin ohne Herrn.« Dann sagte der Kaufmann: »Wenn Ihr ein guter Diener sein wollt, werde ich Euch einstellen und Euch Lohn geben. Ich habe zuhause einen Koch, aber meine Frau beklagt sich immer über ihn.« Dann versprach Eulenspiegel dem Kaufmann, ihm gegenüber loyal zu sein. Dann fragte der Kaufmann ihn nach seinem Namen; dann antwortete Eulenspiegel: »Mein Name ist

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D. h., Hildesheim.

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Bartholo,meus. Than sayd the marchaunt, that name is al to longe: youre name shall be Dole87, than sayde howleglas, I holde me contented therewith. Than sayde ¦ the marchaunt. Dole, my man, nowe let vs go gether some herbes [H2b] for young chekhins, for to morow I must haue gestes to dyner: and than went the home to hys place together. And whan the marchauntes wyfe sawe Howleglas she asked her husbande: what shall we do with this man, wene you that oure bread mouldes? Than sayde the merchaunt. Be contente wyfe, this shal be your man for he is a coke. Than called he his man and sayd. Dole take a basket and folowe me to the fleshe shambles, and so he dyd. And whan they were there the marchaunt bought meat for to roste, and whan he came home, he called his man and sayde Dole to morowe lay the meate to the fyre, and rost it coldly that ye burne it not: and Howleglas sayd he wold, and than he arose in the mornynge, and broughte the meate by the fyre, and he toke the meate that he shold roste and put it on the spytte, and bare it down into the seller, and he layde it betwene two barelles of bere, that it shold lye colde ynough, and burne not. And because the marchaunt shold haue gestes, he came home, before to see whether that his meate was well rosted or not. And whan he came home, he called Dole, and asked him, if that they meate was ready: and Howleglas answered, ye maister al saue the rostinge Where haste thou done it? benethe in the seller, betwene two barrelles, for in all the house could I not fynd so cold, a place to laie it in for burnyng. The marchaunt said is it not rosted? and howleglas sayde naye, for I dyd as ye bad me, I layd it cold ynoughe for I knewe not the tyme that you woulde haue had it rosted: and as the were talking together came in the gestes, and the marchaunt tolde to hys gestes howe that howleglas ¦ had serued him, and the laughed therat, H.iii. but his wife was not content therwith and ryght gladly she wold haue bene rede of hym, and very angri she was because of that touche. Than sayd the merchaunt to his wife Be contented at this tyme, for to morow I muste to haslaer and he shall wayte on me: and whan I shall come home agayne, than shall I pute hym awaye fro hence: and than went the Textzeuge L2, Varianten: 1: Bartholo,meus] Bar, tho, lo, / me, us L1 7 oure bread] your bread L1 14 bare] bere L1 29 haslaer] Hoslaer L1

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Dass der Kaufmann selbst gerade diese Abkürzung wählt, ist erzählerische Ironie, da ›dole‹ entweder ›Betrug, Täuschung‹ (OED2, 3, 1) bedeuten kann oder auch ›Kummer, Sorge‹ (OED2, 2, 1). Ersteres zieht mit Eulenspiegel als Knecht letzteres nach sich.

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Bartholomäus.50« Dann sagte der Kaufmann: »Dieser Name ist viel zu lang; Euer Name soll Doll51 sein.« Dann sagte Eulenspiegel: »Ich bin damit zufrieden.« Dann sagte der Kaufmann: »Doll, mein Knecht, jetzt lasst uns einige Kräuter für junge Hähnchen sammeln gehen, denn morgen muss ich Gäste zum Mittagessen empfangen.« Und dann gingen sie zusammen zu ihm nachhause. Und als die Frau des Kaufmanns Eulenspiegel sah, fragte sie ihren Mann: »Was sollen wir mit diesem Knecht? Glaubt Ihr, dass unser Brot schimmelt?« Dann sagte der Kaufmann: »Seid zufrieden, Frau, dies soll Euer Knecht sein, denn er ist ein Koch.« Dann rief er seinen Knecht und sagte: »Doll, nehmt einen Korb und folgt mir zum Fleischmarkt!« Und das tat er. Und als sie da waren, kaufte der Kaufmann Fleisch zum Braten. Und als er nachhause kam, rief er seinen Knecht und sagte: »Doll, legt morgen das Fleisch ans Feuer und bratet es kühl, dass Ihr es nicht verbrennt!« Und Eulenspiegel sagte, er würde das tun. Und dann erhob er sich am Morgen und brachte das Fleisch zum Feuer und er nahm das Fleisch, das er braten sollte, und tat es auf den Spieß und trug es hinunter in den Keller und er legte es zwischen zwei Fässer Bier, dass es kalt genug liege und nicht verbrenne. Und weil der Kaufmann Gäste erwartete, kam er vorher nachhause um zu sehen, ob das Fleisch gut gebraten sei oder nicht. Und als er nachhause kam, rief er Doll und fragte ihn, ob das Fleisch fertig sei. Und Eulenspiegel antwortete: »Ja, Meister, alles außer dem Braten.« »Wo hast du es hingetan?« »Unten, im Keller, zwischen zwei Fässern; denn im ganzen Haus konnte ich keinen Platz finden, der so kalt war, dass es nicht verbrannt wäre!« Der Kaufmann sagte: »Ist es nicht gebraten?« Und Eulenspiegel sagte: »Nein, denn ich habe getan, wie Ihr mich geheißen habt: Ich habe es kalt genug gelegt, denn ich wusste nicht zu welcher Zeit Ihr es gebraten haben wolltet.« Und während sie miteinander sprachen, kamen die Gäste und der Kaufmann erzählte seinen Gästen, wie Eulenspiegel ihn behandelt hatte und sie lachten darüber; aber seine Frau war nicht damit zufrieden und wäre ihn nur zu gerne los gewesen und sie war sehr wütend wegen dieses Streichs. Dann sagte der Kaufmann zu seiner Frau: »Seid für jetzt zufrieden, denn morgen muss ich nach Haslaer52 und er soll mich begleiten und wenn ich wieder nachhause komme, dann werde ich ihn von hier wegschicken.« Und dann ging der

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51 52

Die Unterteilung des Namens mit nur einem Komma im Copy-Text und der Silbentrennung in L1 deutet auf den zeitlichen Vorrang von L1 sowie die enge Verbindung zum Straßburger Grüninger-Druck S 1515 (vgl. S. 57f.). In der Übersetzung dieser Kurzform folge ich – in Analogie zu Eulenspiegel/Howleglas – der in S 1515 verwendeten Form, anstatt die englische beizubehalten. D. h., Goslar. An dieser Stelle findet sich in L1 mit »Hoslaer« eine bessere Variante als in L2.

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merchaunt with his gestes to dyner and made good chere and at nyght called the marchaunt his man and sayde. Dole make the wagen ready, for to morow I am in thought, I and mi priest to take our Iourney to haslaer, and grease it that it may go trym: and than went Howleglas and greased the wagen within and without, and in the mornynge went the marchaunt and thei priest to the wagen, and rode their waye: and by the waye, the priest layde hes hande on the rayles of they carte, and they made hys handes all greasy: and than he loked better, and both the marchaunt and the priest were al arayed with grese Than they called Howleglas, and the bad him se, and very angrye they were with him, and in the mean tyme came there a man of the countrey with a lod of straw and than they boughte parte of hys strawe, and dressed their wagen therwith for sylyng88 of their clothes and than they wente vnto the wagen again 5 marchaunt] marchunt Textzeuge L2, Varianten: 3 haslaer] Hoslaer L1 12 sylyng] fylyng L1

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6 hes] his L1

Diese Variante zum Verb ›to soil‹ existiert nach dem OED2 nicht. Ob die L1-Variante mit ›fylyng‹ (evtl. zu ›defile‹?) mehr Sinn ergibt, bleibt offen.

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Kaufmann mit seinen Gästen zu Tisch und ließ es sich gut gehen. Und am Abend rief der Kaufmann seinen Knecht und sagte: »Doll, macht den Wagen fertig, denn ich plane, dass morgen ich und mein Priester unsere Reise nach Haslaer unternehmen wollen. Und schmiert ihn, dass er ordentlich fährt!« Und dann ging Eulenspiegel und schmierte den Wagen innen und außen. Und am Morgen gingen der Kaufmann und der Priester zum Wagen und fuhren ihres Wegs und auf dem Weg legte der Priester seine Hände auf die Seitenstreben des Wagens und sie machten seine Hände ganz verschmiert. Und dann schaute er genauer hin und sowohl der Kaufmann als auch der Priester waren ganz besudelt mit Schmiere. Dann riefen sie Eulenspiegel und hießen ihn schauen und sie waren sehr wütend auf ihn. Und in der Zwischenzeit kam ein Bauer mit einer Ladung Stroh und dann kauften sie einen Teil seines Strohs und bereiteten den Wagen damit, um ihre Kleider nicht zu beschmutzen, und dann stiegen sie wieder in den Wagen.

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¦ Than sayd the merchaunte all angerly goo dreue it vnder nethe the galowse [K5] / and as he was a lytell ferther he spyed a Galowes and thyder dreued he the wagen vnder nethe the galowes / and when it was vnder nethe he made the wagen to stande styll and vntyed the horse Than sayde the merchaunt what wyll ye nowe do / than sayd Howleglas tary here all nyght for ye bad me to dreue vnder the galowes Than when the folke sawe that they were vnder the galowse they lawght but the merchaunt was angery and bad hym dreue fourth ryght and neuer stande styll Than sayde Howleglas he wolde than pulled he oute a pynne that is in the wagen that helde it faste to the horse and droue the horse fourthe and lefte the folke standyng styll vnder the galowes than the merchaunte seynge this lepte oute of the wagen and a pryste with hym and ranne after hym and at the laste they ouer toke hym and than the merchaunte drewe his swerde and wolde haue smyt hym but the pryste wolde nat suffer hym / and than made he faste the horse a geyne and he than dreued out the iorney And whan the marchaunt was come home his wyfe asked 4 styll and] ›ll an‹ nicht lesbar 4 merchaunt what] ›t w‹ nicht lesbar 7 four th] fonr th 11 merchaunte] ›aunte‹ nicht lesbar 11 of] nicht lesbar 11 pryste] ›yste‹ nicht lesbar

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than said the marchaunt all angerly. Go driue it vnder the galowes and as he was a litle further he spyed a galowes, and thither droue he the wagen vnder the galowes: and whan it was vnder the galowes, he made the wagen to stande styll, and he vntyed thei horse. Than sayde the marchaunt what wyll you nowe do? than sayde Howleglas: tari you here al night, for you bad me to driue ¦ you vnder the galowes. And whan they saw that the were vnder [H3b] the galowes: the prieste laughed, but the marchaunt was veri angri, and bad him to driue forth ryght, and neuer to stand stil. Than said Howleglas, he would, than pulled he out a pyn that was in the wagen that helde it fast to the horse, and droue the horse forth and he left them vnder the galowes. Than the marchaunt seyng that he lept out of the wagen, and thei priest with hym, and they ran after him, and at the laste they ouertoke him, and than the marchant drewe his sworde, and would haue smiten him but the priest would not suffer him, and than made he fast the horse agayn and so droue the iourney to an ende. whan the marchaunt was come home, his wyfe asked Textzeugen Ae. 1519? und L2, Varianten: 14 so droue] he draue L1 194

Dann sagte der Kaufmann ganz wütend: »Geh’, fahr’ es unter den Galgen!« Und als [Eulenspiegel] ein wenig weiter war, entdeckte er einen Galgen und dorthin fuhr er den Wagen, unter den Galgen, und als er unter dem Galgen war, brachte er den Wagen zum Stillstand und er band das Pferd los. Dann sagte der Kaufmann: »Was habt Ihr nun vor?« Dann sagte Eulenspiegel: »Bleibt Ihr hier die ganze Nacht, denn Ihr habt mich euch unter den Galgen fahren geheißen.« Und als sie sahen, dass sie unter dem Galgen waren, lachte der Priester, aber der Kaufmann war sehr wütend und hieß ihn auf der Stelle losfahren und niemals stillstehen. Dann sagte Eulenspiegel, das wolle er tun. Dann zog er einen Stift heraus, der in dem Wagen war, der diesen am Pferd festhielt, und trieb das Pferd voran und er ließ sie unter dem Galgen. Dann, als der Kaufmann das sah, sprang er aus dem Wagen und der Priester mit ihm und sie rannten ihm nach und schließlich holten sie ihn ein und dann zog der Kaufmann sein Schwert und hätte ihn erschlagen, aber der Priester duldete es nicht. Und dann machte er das Pferd wieder fest und fuhr die Reise so zuende. Als der Kaufmann nachhause gekommen war, fragte ihn seine Frau,

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howe he fared and howe he lyked his man he answered so so than he called Howleglas and bad hym tary there that nyght and eate his belly full and in the mornynge departe fro thense for he sayde that he was but ¦ a begyler and a [K5b] deseyuer where so euer he went / Than sayde Howleglas good mayster that shall I doo and than a rose Howleglas erly in the mornynge and as he was vp the merchaunte sayd eate and drynke your bellye full and ryd the howse of you that I fynde ye nat here when that I come ageyne for I muste goo to churche for and I fynde you here I shall bete you that ye shall beshyte your breche And than hylde Howleglas his peace and spake neuer a worde to hym and when that the merchaunte was at chyrche than began he for to ryd all the howseholde stuffe out of the howse and bare it into the strete then worde cam to his mayster to the chyrche that all his howseholde stuffe stode in the strete Than cam the merchaunte home and sawe that it was Howleglas that had borne out all his stuffe and asked hym why he dyd so and Howleglas sayd I do as you bad me for ye bad me that I shulde ryd your howse and so I haue of all your stuffe that ye haue / than sayd the merchaunte to Howleglas departe fro

how he fared and how he lyked his man he aunswered, not of they best. Than he called Howleglas, and he bad hym tary there that night, and in the mornynge, to departe fro thence, for he sayde he was but a begyler, and a deceyuer, wher so euer he went. Than sayd Howleglas good maister that shall I do. And than arose Howleglas erly in the mornyng, and as he was vp: the marchaunt sayde. Eate and drynke your belly full, and ridde the house of you, that I fynde you not here whan that I come agayne, for I must to churche, and whan I return if I fynde you here, stand to that, that shal befall. And Howleglas helde his peace, and spake neuer a worde. to him, and than the marchaunt went to church. Than he began for to ryd all the household stuffe and bare it into the streate, than came worde vnto his maister to the churche, that all his householde stuffe stode in the, streate. Than came the marchaunt home, and sawe that it was Howleglas that had borne out all his stuffe ¦ he asked his man why he did so? and Howleglas sayde I did as you [H4] bad me: for ye bad me that I should ryd youre house, and so I haue of all youre stuffe, that ye haue. Than sayde the marchaunt to Howleglas departe fro 8 shal befall] shalbe fall Textzeugen Ae. 1519? und L2, Varianten: 11 came worde] worde cam L1 196

wie es ihm ergangen sei und wie ihm sein Knecht gefalle. Er antwortete: »Nicht zum Besten!« Dann rief er Eulenspiegel und er hieß ihn die Nacht dort bleiben und am Morgen von dort wegzugehen, denn er sagte, er sei nichts als ein Betrüger und ein Täuscher, wo auch immer er hinginge. Dann sagte Eulenspiegel: »Guter Meister, das werde ich tun.« Und dann erhob sich Eulenspiegel früh am Morgen und als er auf war, sagte der Kaufmann: »Esst und trinkt Euch den Bauch voll und befreit das Haus von Euch, dass ich Euch nicht hier finde, wenn ich wiederkomme! Denn ich muss zur Kirche und wenn ich wiederkomme und Euch hier finde, wartet nur ab, was geschehen wird!« Und Eulenspiegel war still und sagte kein Wort mehr zu ihm und dann ging der Kaufmann zur Kirche. Dann begann [Eulenspiegel] die ganzen Haushaltsgegenstände zu räumen und sie auf die Straße zu tragen. Dann wurde sein Meister in der Kirche davon benachrichtigt, dass seine ganzen Haushaltsgegenstände auf der Straße stünden. Dann kam der Kaufmann nachhause und sah, dass es Eulenspiegel war, der seine ganzen Sachen hinausgetragen hatte; er fragte seinen Knecht, warum er das getan habe und Eulenspiegel sagte: »Ich habe getan, wie Ihr mich geheißen habt! Denn Ihr habt mich geheißen, dass ich Euer Haus befreien sollte und das habe ich getan – von Euren ganzen Sachen, die Ihr habt.« Dann sagte der Kaufmann zu Eulenspiegel: »Geh’ weg 197

hense and cum no more here with the deuels name for here is no body that thankes the for thy laboure and than departed Howleglas his way and so was the merchaunte fayne to cary in his gere ageyne that Howleglas had borne out.

Howe Howleglas was byd for a geste. 5

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¦ IN Lunenborowgh dwelled a flewte maker that knewe well lande roners [K6] and knewe also muche deceyte And on a tyme cam he to the ynne where Howleglas was and bad hym to morowe at none cum ete with me than thanked Howleglas hym and sayd that he wolde and than departed the flewte maker home and on the morowe at none went Howleglas to the pype makers howse and when he cam there he funde all the dores shyt and than walked he rounde a boute the howse tyll none was paste and then knewe he well that 1 deuels] delues

hence, and come no more here. I geue they warnyng for here is no body that thankes the for thy labour. And than departed Howleglas his waye: and so was the marchaunt faine to cary in his gere agayne that Howleglas had borne out.

[32] 5

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How Howleglas was desyred to dyner. IN Lunenborough dwelled a flute maker that knewe vacabundes by syght. And on a time it fortuned him to spy Howleglas, to whom he said. To morowe I desyre you to dine with me. Than Howleglas thanked him, and sayd that he wold. And than departed the flutemaker, and on the morow at none, Howleglas went to the pype makers house, and whan he was, ther, the dores were shyt. And he taried till none was past, and than he knew wel that Textzeugen Ae. 1519? und L2, Varianten: 6 Lunenborough] Lubenborough L1

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von hier und komm’ nie wieder her! Ich warne dich, denn hier ist niemand, der dir für deine Mühe dankt!« Und dann ging Eulenspiegel seines Wegs und so war der Kaufmann genötigt seine ganze Ausrüstung wieder hineinzutragen, die Eulenspiegel hinausgetragen hatte.

[32] Wie Eulenspiegel zum Mittagessen eingeladen wurde. In Lüneburg wohnte ein Flötenmacher, der Vagabunden vom Sehen [er] kannte53. Und einmal ergab es sich, dass er Eulenspiegel entdeckte, zu dem er sagte: »Ich bitte Euch, morgen mit mir Mittag zu essen.« Dann dankte Eulenspiegel ihm und sagte, dass er [kommen] wolle und dann ging der Flötenmacher weg. Und am nächsten Tag zu Mittag ging Eulenspiegel zum Haus des Pfeifenmachers und als er da war, waren die Türen geschlossen. Und er wartete dort, bis der Mittag vorbei war und dann wusste er wohl, dass

53

Das im englischen Text gebrauchte »knewe« ist mehrdeutig, da es hier entweder kennen oder erkennen heißen kann.

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he was deseyued and returned home a gayne and on the mornynge as he walked in the market he spyed the pype maker and than went he to hym and thanked hym for his dyner and sayde when ye byd a body shytte ye all youre dores / and the pype maker sayde I bad you cum eate but you culde nat cum in for I had shyt the dores and than he lawhed and sayd goo to my howse a fore and I shall cum after to dyner for ye shall fynde there both roste and sodde and than departed Howleglas to the pype maker howse and there he founde al trewe as the pype maker tolde hym and than sayde he to the pype makers wyfe that she shulde goo as faste as she culde to hyr husbande and sayde that he had a great sturgyn gyuen hym and sayd that he wolde turne the spytte tyll that she cam home a gayn ¦ the woman sayd good Howleglas [K6b] kepe the howse tyll that I come a yeen and lette no body in than departed the woman with hyr mayde towarde hyr husband as faste as she culde and met with hym by the way and when he sawe hyr he asked hyr wether she wente so faste and she sayd to helpe hym for she sayde that Howleglas had tolde to hir that ye had a sturgen gyuen you

he was greatly deceiued, and so he returned home again. And on the mornynge as he walked in the market, he spied the pipe maker, and than went he to him, and thanked hym for hys dyner, and he sayd whan ye byd a bodi to diner, ye shyt all your dores. And the pype maker said. I bad you come to dyner. Than sayd Howleglas your dores were shit. Than laughed the pype maker and sayd. Go to my house before, and I shal come after to dynner for ye shall fynde both roste and soden. And than departed howleglas to the pype makers house, and there he founde all true as the pype maker had tolde him. And than said he to the pype makers wife, that she shold go as fast as she could to her husbande, for he sayde that he had a greate sturgion ¦ geuen him and he said that he woulde turn the spit til that she came agayne. [H4b] The woman sayd good Howleglas, kepe the house tyll that I come agayne, and let no body in. Than departed the woman with her maid towardes her husbande as fast as she could and met with hym bi the waye. And whan he saw her: he asked her whether she went so fast? And she said to help him For she sayd that Howleglas had told her that ye had a sturgion geuen you, 4 you] yom

11 geuen] geue [Kustos: geuen]

Textzeugen Ae. 1519? und L2 200

16 geuen] geueuen

er außerordentlich getäuscht worden war und so ging er wieder nachhause. Und am Morgen, als er auf dem Markt spazierte, entdeckte er den Pfeifenmacher und dann ging er zu ihm und dankte ihm für sein Mittagessen und er sagte: »Wenn Ihr jemanden zum Mittagessen einladet, schließt Ihr all Eure Türen.« Und der Pfeifenmacher sagte: »Ich habe Euch zum Mittagessen kommen geheißen.« Dann sagte Eulenspiegel: »Eure Türen waren geschlossen.« Dann lachte der Pfeifenmacher und sagte: »Geht vor zu meinem Haus und ich werde zum Mittagessen nachkommen, denn Ihr werdet sowohl Gebratenes als auch Gesottenes finden.« Und dann ging Eulenspiegel weg zum Haus des Pfeifenmachers und dort fand er alles wahr, genauso wie der Pfeifenmacher es ihm gesagte hatte. Und dann sagte er zur Frau des Pfeifenmachers, dass sie so schnell wie sie könne zu ihrem Mann gehen solle, denn er habe gesagt, dass ihm ein großer Stör gegeben worden sei. Und [Eulenspiegel] sagte, dass er so lange den Spieß drehen würde, bis sie wiederkäme. Die Frau sagte: »Guter Eulenspiegel, hütet das Haus, bis ich wiederkomme und lasst niemanden hinein!« Dann ging die Frau mit ihrer Magd so schnell sie konnte weg zu ihrem Mann und traf ihn auf dem Weg. Und als er sie sah, fragte er sie, wohin sie so schnell ginge. Und sie sagte, um ihm zu helfen. Denn sie sagte, dass Eulenspiegel ihr erzählt habe, »dass Euch ein Stör gegeben worden sei. 201

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and sayde that ye bad that we shulde cum and helpe you for it was so great that ye were nat able to bere it / than was the man angery and sayd knowe ye nat well that Howleglas is suche a mocker and a desseyuer than wente he home with his wyfe and when he cam home he knocked at the dore and Howleglas sayde let be youre knockynge for the hooste hathe charged me that I shall nat let no geste in tyll dyner be done for then she sayd that she wolde be here / than sayd he that is trewth but she ment nat so and than went he to his nayghbours and tared there to Howleglas had dyned and when that Howleglas had dyned and made good chere than opened he the dore and than the pypemaker cam in with all his folke And whan he was within he sayde to Howleglas that it was no honeste for a geste to shyt his hoostayse out of the dores / and in this maner serued he his Hooste and the hoostayse.

and he sayd that ye bad that we shold come and helpe you for it was so gret that you were not able to bere it. Than was the man angry, and sayd knowe ye not well that Howleglas ys suche a mocker and a deceiuer? than went he home with his wife and whan he came home, he knocked at the dore, and Howleglas sayde let be your knockyng, for the hoste hathe charged me, that I should let no gest in tyll dyner bee done. Than went the hoste to his neyghbours and taryed there tyll Howleglas had dyned, and whan Howleglas had dyned, than he opened the doore, and than the pypemaker came with all his folke. And whan he was within, he sayd to Howleglas that it was no honesti for a gest to shyt his hostise out of the dores. And in this maner he serued the hoste, and his hostise. Textzeugen Ae. 1519? und L2

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Und er hat gesagt, dass Ihr uns kommen und Euch helfen geheißen hättet, denn er sei so groß, dass Ihr ihn nicht tragen könntet.« Dann war der Mann wütend und sagte: »Wisst Ihr nicht genau, dass Eulenspiegel solch ein Spötter und Täuscher ist?« Dann ging er mit seiner Frau nachhause und als er nachhause kam, klopfte er an der Tür und Eulenspiegel sagte: »Lasst Euer Klopfen sein, denn der Gastgeber hat mir befohlen, dass ich keinen Gast einlassen solle, bis das Mittagessen vorbei sei.« Dann ging der Gastgeber zu seinen Nachbarn und wartete dort, bis Eulenspiegel Mittag gegessen hatte. Und als Eulenspiegel Mittag gegessen hatte, dann öffnete er die Tür und dann kam der Pfeifenmacher mit seinem ganzen Gesinde. Und als er drinnen war, sagte er zu Eulenspiegel, dass es unehrlich von einem Gast sei, seine Gastgeberin auszuschließen. Und auf diese Art behandelte er den Gastgeber und seine Gastgeberin.

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[33] How Howleglas wan a pece of clothe of a man of the countrey.

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HOwleglas wold euer fare wel, and make good chere but he woulde not worke. Than on a time came he to Olsem, to a goodly company of men of the countrey. And as he walked he espyed one man alone with a grene cloth on hys arme, than ymagyned he in his minde, how that he might get the cloth. So he came to him, and he asked him wher he was dwellyng. And ¦ than the I.i. husband tolde him: and than departed Howleglas fro him, and continentli he met with a shottish priest89. And an other knaue and he sayde to them, I desyre you to helpe me, and I shall geue you for your labour, and they sayd they wold. Than said Howleglas whan I call you to recorde to know what colour yonder cloth is: ye shall say blewe. I wil go before, and come after. than went he to the husbandman, and he asked him how he solde his blewe cloth. than sayde the husband man that it was grene, and not blewe. I holde .xx. gildens against thy cloth, that it is blewe. than saede the husbandman I holde you. It is done sayde Howleglas, and the first man that comes hereby, shall be the Iudge thereto. Agreed sayd the husbandman, and than made Howleglas a sygne to the men, that he had hired and they came. than sayde the husband man, we two striue what colour this cloth is I pray you breke our stryfe. than the felow said it is fayre blew cloth, than said the husband man ye be to false for me to medle with for it is made betwyxt you two to deceyue me. Than sayd Howleglas cause that ye saye we be agreed, let hym go here cometh a priest, wil ye be contented what he sayeth? and the man of the countre sayde yes. Than came the priest by, than sayd Howleglas I praye you to tel vs, what colour this cloth is? the priest sayd ye see well ynough what nede you to aske me. the husband man sayd I know the colour of the cloth wel ynough but these two men say it is an other colour and there fore we stryue. than sayde they prieste what haue I to do with your stryuing? than 19 is] as

20 our] out

25 see] ie

28 your] our

Textzeuge L2, Varianten: 15 gildens] gilders L1 our L1 28 your] your L1 your L3 89

19 is] is L1

20 our]

Nach Lindow (2001), S. 198, Fußnote 6, handelt es sich hierbei um einen »zum Landstreicher herabgesunkene[n] Wanderprediger«. Interessanterweise ist diese Bedeutung nicht im OED2 verzeichnet und es stellt sich die Frage, ob es sich hier um eine unbedachte Übernahme, eine wörtliche Übersetzung eines im Englischen unbekannten Ausdrucks handelt.

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[33] Wie Eulenspiegel ein Stück Tuch von einem Bauern gewann. Eulenspiegel wollte immer gut essen und es sich gut gehen lassen, aber er wollte nicht arbeiten. Dann kam er einmal nach Olsem54, zu einer großen Versammlung von Bauern. Und als er spazieren ging, entdeckte er einen Mann, alleine, mit einem grünen Tuch auf seinem Arm; dann überlegte er bei sich, wie er das Tuch bekommen könne. Also ging er zu ihm und fragte ihn, wo er wohne und dann erzählte der Bauer es ihm. Und dann ging Eulenspiegel von ihm weg und daraufhin traf er einen Schottenpriester und einen anderen Spitzbuben und er sagte zu ihnen: »Ich bitte euch mir zu helfen und ich werde euch für eure Mühe bezahlen.« Und sie sagten, dass sie [es tun] würden. Dann sagte Eulenspiegel: »Wenn ich euch als Zeugen auffordere zu entscheiden, welche Farbe jenes Tuch hat, sollt ihr sagen blau. Ich werde vorgehen und ihr55 folgt nach.« Dann ging er zu dem Bauern und er fragte ihn, wie er sein blaues Tuch verkaufe. Dann sagte der Bauer, dass es grün sei und nicht blau. »Ich wette 20 Gulden dagegen, dass dein Tuch blau ist!« Dann sagte der Bauer: »Die Wette gilt!« »Abgemacht,« sagte Eulenspiegel, »und der erste Mensch, der hier vorbeikommt, soll der Richter sein.« »Einverstanden,« sagte der Bauer. Und dann gab Eulenspiegel den Männern, die er angestellt hatte, ein Zeichen und sie kamen. Dann sagte der Bauer: »Wir zwei streiten, welche Farbe dieses Tuch hat. Ich bitte Euch, unseren Streit zu beenden!« Dann sagte der Kumpane: »Es ist ein schönes blaues Tuch.« Dann sagte der Bauer: »Ihr seid zu unehrlich, als dass ich mich mit euch abgeben will, denn ihr habt zwischen euch beiden ausgemacht mich zu betrügen!« Dann sagte Eulenspiegel: »Weil Ihr sagt, dass wir zwei uns abgesprochen haben, lasst ihn gehen – hier kommt ein Priester. Werdet Ihr mit dem zufrieden sein, was er sagt?« Und der Bauer sagte: »Ja.« Dann kam der Priester näher; dann sagte Eulenspiegel: »Ich bitte Euch, uns zu sagen, welche Farbe diese Tuch hat.« Der Priester sagte: »Das seht ihr gut genug, was müsst ihr mich fragen!« Der Bauer sagte: »Ich weiß die Farbe des Tuches gut genug, aber diese zwei Männer sagen, dass es eine andere Farbe ist und deshalb streiten wir.« Dann sagte der Priester: »Was habe ich mit eurem Streit zu tun!« Dann

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D. h., Uelzen. Der englische Text lässt versehentlich das Subjekt aus.

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sayde the husbandman I praye you syr departe vs of oure stryuing. than sayde the priest. I can se no other, but that is a fayre blewe. ¦ And than sayd [I1b] the husbandman, and ye were not a priest in fayth ye did lye, for ye be thre falsemen. But sythen ye be a priest. I must beleue you. And than gaue he Howleglas thei cloth, and wente his waye. Than did Howleglas with his .ii. felowes clothe them with the husbandmans cloth againste the wynter. But the good poore man prayed to god, many a tyme and ofte that the deuill might take them al thre for the poore man was they worse all they dayes of hys lyfe after that great losse.

[34]

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Howe Howleglas gaue .xx. gyldens to .xii. poore men for christes loue

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ON a time came Howleglas to Hauoner, where he did many vertuous thinges. On a tyme rode Howleglas without the towne, and as he rod he met with .xii. blinde men to whom he said, whether wil ye go? The blinde men hering that he was on horseback they put of their cappes, for they wende that he had bene a great gentleman, and saide, we haue bene at a doale of a rycheman, that died yesterdai in the town Than sayd Howleglas. I take gret thought for you how you shall do this winter, for me thinke you shall frese to death, before the winter be done. And than he sayde holde here is .xx. gildens and returne agayn all you to the place where that I was lodged, and he named his host, and he bad them make good chere til winter were done. And than they thanked hym, for they thought that he had geuen them moni but he did not And than departed they to the place, whether he sent them, and the thought that some of the company had the mony, And whan that they came to the Inne, the said to the hostise that by the way as they went, thei met with ¦ I.ii. a good man that gaue them .xx. gildens for gods sake, and he bad vs come hither, and make good chere therfore for he said that he had bene lodged here, and for his sake we shold haue good chere. whan the hoste herde that they had mony, he toke them in, and made them good chere. And whan that their .xx. gildens were spent, than said the hoste to them. Nowe wil ye reken good brethren, for now the .xx. gildens be spent. The blynd men sayd 3 husbandman] husbanman Textzeuge L2, Varianten: 14 rode] ride L1 206

sagte der Bauer: »Ich bitte Euch, Herr, beende unser Streiten!« Dann sagte der Priester: »Ich kann nichts anderes sehen, als dass es ein schönes Blau ist.« Und dann sagte der Bauer: »Wenn Ihr kein Priester wärt, wahrlich, Ihr würdet lügen, denn Ihr wärt drei Betrüger! Aber weil Ihr ein Priester seid, muss ich Euch glauben.« Und dann gab er Eulenspiegel das Tuch und ging seines Wegs. Dann kleidete sich Eulenspiegel mit seinen 2 Kumpanen mit dem Tuch des Bauern für den Winter, aber der arme Mann betete viele Male und oft zu Gott, dass der Teufel sie alle drei holen möge, denn dem armen Mann ging es alle Tage seines Lebens schlechter nach diesem großen Verlust.

[34] Wie Eulenspiegel 12 armen Männern um Christi Liebe willen 20 Gulden gab. Einmal kam Eulenspiegel nach Hauoner56, wo er viele tugendhafte Dinge tat. Einmal ritt Eulenspiegel aus der Stadt und als er ritt, traf er auf 12 Blinde, zu denen er sagte: »Wo wollt ihr hingehen?« Als die Blinden hörten, dass er zu Pferde war, streckten sie ihre Kappen aus, denn sie glaubten, dass er ein wichtiger Herr sei und sagten: »Wir waren beim Begräbnis eines reichen Mannes, der gestern in der Stadt gestorben ist.« Dann sagte Eulenspiegel: »Ich mache mir um euch große Sorgen, wie ihr diesen Winter verbringen werdet, denn es scheint mir, dass ihr zu Tode frieren werdet, bevor der Winter vorbei ist.« Und dann sagte er: »Nehmt, hier sind 20 Gulden; und geht alle zu dem Ort zurück, wo ich beherbergt war.« Und er nannte seinen Wirt und hieß sie, es sich gut gehen zu lassen, bis der Winter vorbei sei. Und dann dankten sie ihm, denn sie dachten, dass er ihnen Geld gegeben habe, aber das hatte er nicht. Und dann gingen sie weg zu dem Ort, zu dem er sie geschickt hatte, und sie dachten, dass jemand in der Gruppe das Geld habe. Und als sie zu dem Gasthaus kamen, sagten sie zur Wirtin, dass sie, als sie unterwegs waren, einen guten Mann trafen, der ihnen 20 Gulden um Gottes Willen gab: »Und er hieß uns herkommen und es uns gut gehen lassen, weil er sagte, dass er hier beherbergt gewesen sei, und um seiner Willen sollten wir es uns gut gehen lassen.« Als der Wirt hörte, dass sie Geld hatten, nahm er sie auf und sorgte dafür, dass es ihnen gut ging. Und als ihre 20 Gulden verbraucht waren, dann sagte der Wirt zu ihnen: »Nun wollen wir abrechnen, liebe Brüder, denn nun sind die 20 Gulden verbraucht.« Die Blinden sagten:

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D. h., Hannover.

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we be contented to pay you, and than spake on of the blinde men and sayd. He that hath twenty gildens pay our hoste And than said the one to the other. I haue not the .xx. gyldens. Nor I haue not the twenty gyldens. And than some sate and clawed their head90, and some clawed their arme. And than they knew that the were deceyued. Than thought the hoste in his mynde what shal I do with them? Shall I let them go that they spend me no more mony? Nay not so. Than shyt he the blind men in the stable, and brought to them hay and strawe. And whan that Howleglas thought that al the mony was spent: than came he ryding in to the same Inne, where the blynde men were, and he had chaunged hys clothyng that they should not knowe hym, and so entred into the Inne where the blynd men were and he led his horse into the stable wher the pore men were. And when he had set vp his horse: he came to his hoste, and asked his hoste wherfore that he had kept the blynde men in the stable, so faste shyt in? And he asked him what harme they had done to hym? Than sayde thei hoste. I woulde that they were together in the water so that I had my costes payde me, and than he tolde hym all the matter. And than sayde Howleglas. And you had a borowe woulde you lette, them goo. And the ¦ hoste sayde yes with a good wyll. Than sayde Howleglas I wyll go [I2b] see, if I can fynde any borowe for them. Than went he to the curate of the churche and sayde Maister parson I haue an hoste, that this night was taken with the fende I desyre you for to helpe hym. The curate saide with a good wyl, but you must tary two or thre daies, for it maye not be done in haste: well sayde Howleglas that is well saide but I will go fetche his wife that she may here what you say. And the priest said I shall tel to her the same that I told to you without fayle. And than went Howleglas home to his hoste, and he tolde hym that he had founde a borow, and that it was the parsone of the churche, and let your wyfe go with me and she shal here him speke the same that he hath sayde to me, and than was his hoste glad and he sende his wife with Howleglas, to the curate. And whan the were come to the curate: Howleglas said to him, maister parsone here is the wyfe of the man, that I spake of to you, now tell her the same that you haue said to me. And the curate 5 deceyued] deceyned

12 And when he] And he

20 an] au

Textzeuge L2, Varianten: 12 And when he] And whan he L1

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Neben dem Ausdruck der völligen Verzweiflung (des sich die Haare Raufens), die hier sicher dargestellt ist, gibt es für ›claw‹ auch die sanftere Variante, bei der eher ›kraulen‹ gemeint ist (OED2, 3.a.) als kratzen.

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»Wir sind damit zufrieden, Euch zu bezahlen.« Und dann sprach einer der Blinden und sagte: »Derjenige, der [die] 20 Gulden hat, bezahle unseren Wirt.« Und dann sagte der eine zum anderen: »Ich habe die 20 Gulden nicht!« »Auch ich habe die 20 Gulden nicht!« Und dann saßen einige und krallten ihren Kopf und einige krallten ihren Arm. Und dann wussten sie, dass sie getäuscht worden waren. Dann dachte der Wirt bei sich: »Was soll ich mit ihnen tun? Soll ich sie gehen lassen, damit sie mich kein Geld mehr kosten? Nein, so nicht!« Dann schloss er die Blinden in den Stall und brachte ihnen Heu und Stroh. Und als Eulenspiegel dachte, dass das ganze Geld verbraucht sei, dann kam er in dasselbe Wirtshaus geritten, wo die Blinden waren, und er hatte seine Kleidung gewechselt, damit sie ihn nicht erkennen würden, und betrat so das Gasthaus, wo die Blinden waren, und er führte sein Pferd in den Stall, wo die Blinden waren. Und als er sein Pferd versorgt hatte, kam er zu seinem Wirt und fragte seinen Wirt, weshalb er die Blinden im Stall halte, so fest eingeschlossen und er fragte ihn, was sie ihm für einen Schaden zugefügt hätten. Dann sagte der Wirt: »Ich wollte, sie wären allesamt im Wasser, so dass ich meine Kosten bezahlt bekäme!« Und dann erzählte er ihm das Ganze. Und dann sagte Eulenspiegel: »Wenn Ihr einen Bürgen hättet, würdet Ihr sie gehen lassen?« Und der Wirt sagte: »Ja, gerne.« Dann sagte Eulenspiegel: »Ich werde schauen gehen, ob ich irgendeinen Bürgen für sie finden kann.« Dann ging er zum Pfarrer der Kirche und sagte: »Meister Pfarrer, ich habe einen Wirt, der diese Nacht vom Feind befallen worden ist; ich bitte Euch, ihm zu helfen.« Der Pfarrer sagte: »Gerne, aber Ihr müsst zwei oder drei Tage warten, denn es darf nicht in Hast geschehen.« »Gut,« sagte Eulenspiegel, »das ist gut gesagt, aber ich werde gehen und seine Frau holen, damit sie hören mag, was Ihr sagt.« Und der Priester sagte: »Ich werde ihr dasselbe erzählen, was ich Euch erzählt habe, auf jeden Fall.« Und dann ging Eulenspiegel nachhause zu seinem Wirt und er erzählte ihm, dass er einen Bürgen gefunden habe und dass es der Pfarrer der Kirche sei: »Und lasst Eure Frau mit mir gehen und sie wird ihn dasselbe sprechen hören, das er zu mir gesagt hat.« Und dann war sein Wirt froh und er schickte seine Frau mit Eulenspiegel zum Pfarrer. Und als sie beim Pfarrer angekommen waren, sagte Eulenspiegel zu ihm: »Meister Pfarrer, hier ist die Frau des Mannes, über den ich mit Euch gesprochen habe. Nun erzählt ihr dasselbe, was Ihr zu mir gesagt habt. Und der Pfarrer

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sayd with a good wil. than said he to they woman, tary a daye or two: and I shall helpe your husbande well. And than was the woman glad, and returned home agayne withe Howleglas, and whan she came home: she told her husband what the curate sayd, wherof the host was glad, and he went vnto the stable and let the blynde men lose and they went ther way. And than Howleglas rekned with his hoste, and so departed from thence, and whan the thyrd day came than went the woman to the priest, and she asked him twente gildens that the blynde man had spende. The curate asked her, hath your husbande that ye told to me, and the woman said no. Than said the curate, that ¦ is the false deuil that wold haue the mony. Than saide she what false I.iii. deuill menest thou? Geue me mi moni for my costes: than saide the curate to the woman. It was tolde me that your husbande was taken with the false deuyll brynge hym hether, and I shall helpe hym therof by the grace of god: than sayd the woman to the priest suche begylers fynde I many. Now you should pay me for my costes: you bring to me a bacrekening and you say my husband is taken with the deuyll, and that you shall knowe shortly. And than she ran to her husbande and tolde hym how the priest said to her and whan the hoste hard those wordes: he was angry, and toke the spit with the rost that lai at the fyre, and ran to the priestes chambre. And whan they curate spyed hym he was a frayde, and called the neighbours to help him, and he made a signe of the holy crosse before him and he cryed for help to take that man that was so beset with the deuil, than sayd the hoste, thou priest pay me my mony, and the prieste gaue hym no aunswere. Than would the hoste haue run thorow him with the hote spyt, but the neyghbours went betwene them and departed them, and they helde the hoste stil with gret, payne from maister persone. But as long as the hoste lyued he asked his mony of the priest, for the costes of the blynde men, but the priest aunswered to him that he ought hym nought and nought he would pay him, but sayd and you be taken with a deuyll, I shall helpe you therof. But neuer after loued on the other. 10 I.iii.] Iiii.

28 taken] takea

Textzeuge L2, Varianten: 4 vnto] into L1 L1 28 taken with] taken of L1

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19 whan they] whan that the

sagte: »Gerne.« Dann sagte er zu der Frau: »Wartet einen Tag oder zwei und ich werde Eurem Mann wohl helfen.« Und dann war die Frau froh und kehrte wieder mit Eulenspiegel nachhause zurück. Und als sie nachhause kam, erzählte sie ihrem Mann, was der Pfarrer gesagt hatte, worüber der Wirt froh war und er ging in den Stall und machte die Blinden frei und sie gingen ihres Wegs. Und dann rechnete Eulenspiegel mit dem Wirt ab und ging so von dort weg. Und als der dritte Tag kam, dann ging die Frau zum Priester und sie verlangte von ihm zwanzig Gulden, die die Blinden verbraucht hatten. Der Pfarrer fragte sie: »Hat Euer Mann Euch gesagt, Ihr sollt mir das erzählen?« Und die Frau sagte: »Nein.« Dann sagte der Pfarrer: »Das ist der falsche Teufel, der Geld haben will!« Dann sagte sie: »Was für einen falschen Teufel meinst du? Gib mir mein Geld für meine Ausgaben!« Dann sagte der Pfarrer zur Frau: »Mir ist erzählt worden, dass Euer Mann vom falschen Teufel befallen worden ist. Bringt ihn her und ich werde ihn durch die Gnade Gottes davon befreien!« Dann sagte die Frau zum Priester: »Solche Betrüger finde ich viele! Nun sollt Ihr mir für meine Ausgaben bezahlen! Ihr verursacht mir Schulden und Ihr sagt, mein Mann sei vom Teufel befallen – und das sollt Ihr sofort erleben!« Und dann rannte sie zu ihrem Mann und erzählte ihm, [was] der Priester zu ihr gesagt hatte und als der Wirt jene Worte hörte, war er wütend und nahm den Spieß mit dem Braten, der beim Feuer lag, und rannte zum Zimmer des Priesters. Und als der Pfarrer ihn entdeckte, hatte er Angst und rief die Nachbarn um Hilfe und er bekreuzigte sich mit dem Zeichen des Heiligen Kreuzes und er schrie um Hilfe, den Mann zu fassen, der so vom Teufel besessen war. Dann sagte der Wirt: »Du Priester, zahl’ mir mein Geld!« Und der Priester gab ihm keine Antwort. Dann wollte der Wirt ihn mit dem heißen Spieß durchstoßen, aber die Nachbarn gingen zwischen sie und trennten sie und sie hielten den Wirt unter großer Anstrengung still vom Meister Pfarrer. Aber so lange wie der Wirt lebte, verlangte er sein Geld vom Priester für die Ausgaben der Blinden, aber der Priester antwortete ihm, er schulde ihm nichts und er würde ihm nichts bezahlen, sondern sagte: »Wenn Ihr von einem Teufel befallen seid, werde ich Euch davon befreien.« Aber danach konnten sie einander nie mehr leiden.

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[35] Howe Howleglas feared his hoste. with a dead woulfe.

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IN ysetleuen dwelled an Inne holder that was very spyteful and mockyng, and he praysed great ¦ ly his boldnesse. Vpon a tyme it befell in the wenter [I3b] season, when there had bene a greate snowe. Howleglas came reding withe other thre marchauntes fro Sasson to ysetleuen, and it was very late or they came there, and whan they were come: the entred into that Inne that the man kept. Than sayde their hoste angerly wher haue you ben so late, it is no tyme now to take your Inne? Than they aunswered. Be ye not angrie, for we haue bene hounted with91 a woulfe in the snow we could not scape till nowe. Than the hoste mocked them, because they .iiii. were huntyng of on woulf, and said, if there came .x. woulfes to me in the field, I wold haue slayne them euerichone, and mocked the marchauntes tyl thei went to bed. And howleglas sate bi the fyre, and herde al to gether. Than should they go to bed. And it fortuned that Howleglas and the marchauntes should lye in one chambre. And whan the ware in the chambre together: the toke counsayl to gether how the myght stop their hoste of his mocking. Than sayde Howleglas our hoste is full of mockyng let me a lone I shall pay hym well ynough, that he shall not mocke vs no more. Than promysed they marchauntes to Howleglas to pay all his costes, and geue hym more monye for his labour. Than sayd Howleglas do your Iourney, and busynesse of your marchaundyse, and whan ye haue it, come a gayne and lodge at this Inne: and ye shal fynde me here, and than we shal make our host that he shal mocke no more. And than arose the marchauntes in the morning and called the hoste, and payed hym for their costes, and Howleglas also. Than they tooke their horses, and departed from thence. And whan they were paste a lytle, he cryed to they marchauntes take ¦ hede that the woulfe byte you not in mockage. The thanked their hoste [I4] because he gaue them warning before. And as they rode: Howleglas found a woulfe that was frosen to the deth, and that he toke vp, and put in a bagge, and layd it before hym, and than the retourned agayne to ysetleuen, to that 3 ysetleuen] yesetleuen Textzeuge L2, Varianten: 6 ysetleuen] Ysetleuen L1 Ysetleuen L1

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30 ysetleuen]

Das Verb ist in Kombination mit dieser Präposition nicht im OED2 verzeichnet.

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[35] Wie Eulenspiegel seinen Wirt mit einem toten Wolf erschreckte. In Ysetleuen57 wohnte der Wirt eines Gasthauses, der sehr gehässig und spöttisch war, und er pries seinen [eigenen] Mut sehr. Einmal geschah es in der Winterzeit, als es viel geschneit hatte, dass Eulenspiegel mit drei anderen Kaufleuten aus Sachsen nach Ysetleuen geritten kam und es war sehr spät, bevor sie dort ankamen, und als sie angekommen waren, betraten sie das Gasthaus, das der Mann betrieb. Dann sagte ihr Wirt wütend: »Wo seid ihr so lange gewesen? Das ist doch keine Zeit sich in eurem Wirtshaus einzufinden!« Dann antworteten sie: »Sei nicht ärgerlich, denn wir sind im Schnee von einem Wolf gejagt worden, von dem wir bis jetzt nicht entkommen konnten.« Dann verspottete der Wirt sie, weil ihrer 4 von einem Wolf gejagt wurden und sagte: »Wenn 10 Wölfe auf dem Feld auf mich zugekommen wären, würde ich jeden davon erschlagen haben!«; und [er] verspottete die Kaufleute, bis sie zu Bett gingen. Und Eulenspiegel saß beim Feuer und hörte alles. Dann sollten sie zu Bett gehen und es ergab sich, dass Eulenspiegel und die Kaufleute in einem Zimmer liegen sollten. Und als sie zusammen im Zimmer waren, hielten sie miteinander Rat, wie sie das Spotten ihres Wirts beenden könnten. Dann sagte Eulenspiegel: »Unser Wirt ist voll des Spotts. Lasst mich alleine [machen]; ich werde es ihm gut genug heimzahlen, so dass er uns nicht mehr verspotten wird!« Dann versprachen die Kaufleute Eulenspiegel, alle seine Ausgaben zu bezahlen und ihm [noch] mehr Geld für seine Mühe zu geben. Dann sagte Eulenspiegel: »Macht eure Reise und eure Kaufmannsangelegenheiten und wenn ihr sie fertig habt, kommt wieder und kehrt in diesem Gasthaus ein; und ihr werdet mich hier finden und dann werden wir bewirken, dass unser Wirt nicht mehr spotten wird.« Und dann erhoben sich die Kaufleute am Morgen und riefen den Wirt und bezahlten ihm ihre Ausgaben und Eulenspiegel ebenso.58 Dann nahmen sie ihre Pferde und gingen von dort weg. Und als sie ein wenig vorbei waren, rief er den Kaufleuten als Spott zu: »Nehmt euch in Acht, dass der Wolf euch nicht beißt!« Sie dankten ihrem Wirt, weil er sie vorgewarnt hatte. Und als sie ritten, fand Eulenspiegel einen Wolf, der erfroren war, und den hob er auf und steckte ihn in eine Tasche und legte sie vor sich und dann kehrten sie wieder nach Ysetleuen zurück, zu dem

57 58

D. h., Is- oder Ißleven (für Eisleben). Die Unterscheidung zwischen Howleglas und Howleglas’ ist hier nicht möglich: Wer zahlt was?

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Inne wher the were lodged before. And he kept the woulf so close that no man knew therof. And when the nyght was [..] come and that they sat all at supper: then the hoste began to laugh at them, and he resoned against ther hardines, and against the woulfe. Than said the: so it fortuned at that time. you saide that you wold sle .x. woulfes but first I wold se you kyl one. And than said the hoste that should I do alone. And thus they rested tyl the went to bedde. And Howleglas helde his peace, tyll that he and the marchauntes went aboue all together in the chambre. And than sayd howleglas to the marchauntes frendes. Let me nowe begyn to worke and wake you a lytle whyle. And than went the host and all his folke were a slepe, than wente he pryuely into the chambre, and he fetched the ded woulf that was styffe frosen, and dressed him with stickes and put two chyldren shoene in his mouth, and made him stand as though he had ben a liue. And than left he the woulf standing in the hal, and he came againe into the chambre to the marchauntes, and whan he was aboue, he and the marchauntes called their hoste. And ther host asked them what they would haue. Than aunswered the to him, that they would haue some drynke, for the had so gret thyrste that the must nedes drynke. Let your mayd or man brynge vs some, and we wyll paye for it tomorowe. Than waxed the hoste angrye and sayde. ¦ This [I4b] is the Sassons maner, for to drynke both daye and nyght, And than he called his mayd, and bad her that she should geue the merchaunt [.] drinke. And than the mayde rose, and as she went to lyght a candel: she saw the woulfe. with .ii. shoene in his mouth. Than she was afrayd and ran to the gardeyn, for she thought, that he had eaten both the chyldren, than called the agayne. Than called the hoste his man, and bad hym arise and bere the Sassons drynke. Than arose he and lyghted a candle, for he wend that the mayd had slept stell. Than loked he asyde and sawe the woulfe stande he was a frayd, and he thought that the woulfe had eaten the mayde, and let fal thei candle and ran into the seller. Than called Howleglas and the marchauntes the third time, and prayed that he him self wold bring them some drinke for the sayde there came no bodye, or els geue them a candle, and they wold drawe it them selfe. Than arose the hoste hymselfe, for he wend that his man and his 2 was [..]] was was 21 merchaunt [.]] d

20 drynke] dryuke 23 .ii.] :ii.

21 merchaunt] merchannt

Textzeuge L2, Varianten: 3 the hoste] their hoste L1 L1 5 but first] but sir first L3

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4 said the] they said

Gasthaus, wo sie vorher beherbergt waren. Und er hielt den Wolf so dicht bei sich, dass niemand davon wusste. Und als es Nacht wurde und sie alle beim Abendessen saßen, dann begann der Wirt über sie zu lachen und zog über ihren Mut her und über den Wolf. Dann sagten sie: »So ergab es sich zu der Zeit! Ihr habt gesagt, dass Ihr 10 Wölfe erschlagen würdet, aber zuerst will ich Euch einen töten sehen!« Und dann sagte der Wirt: »Das könnte ich alleine!« Und so verblieben sie, bis sie zu Bett gingen. Und Eulenspiegel war still, bis er und die Kaufleute zusammen nach oben in das Zimmer gingen. Und dann sagte Eulenspiegel zu den Kaufleuten: »Freunde, lasst mich nun zu arbeiten beginnen und bleibt ihr ein wenig wach.« Und dann als59 der Wirt und sein ganzes Gesinde schliefen, dann ging er heimlich in das Zimmer60 und holte den toten Wolf, der steifgefroren war, und bereitete ihn mit Stöcken vor und tat zwei Kinderschuhe in sein Maul und stellte ihn hin, als ob er lebendig wäre. Und dann ließ er den Wolf im Saal stehen und er kam wieder ins Zimmer zu den Kaufleuten und als er oben war, riefen er und die Kaufleute ihren Wirt. Und der Wirt fragte sie, was sie wollten. Dann antworteten sie ihm, dass sie etwas zu trinken haben wollten, denn sie hätten so großen Durst, dass sie unbedingt [etwas] trinken müssten: »Lasst Eure Magd oder [Euren] Knecht uns etwas bringen und wir werden morgen dafür bezahlen!« Dann wurde der Wirt wütend und sagte: »Das ist die Art der Sachsen, sowohl Tag als auch Nacht zu trinken!« Und dann rief er seine Magd und hieß sie den Kaufleuten zu trinken geben. Und dann erhob sich die Magd und als sie ging, um eine Kerze anzuzünden, sah sie den Wolf mit 2 Schuhen in seinem Maul. Dann hatte sie Angst und rannte in den Garten, denn sie dachte, dass er beide Kinder gefressen habe. Dann riefen sie wieder. Dann rief der Wirt seinen Knecht und hieß ihn aufstehen und den Sachsen zu trinken bringen. Dann erhob er sich und zündete eine Kerze an, denn er glaubte, die Magd schliefe noch. Dann schaute er zur Seite und sah den Wolf stehen [und] er hatte Angst und er dachte, dass der Wolf die Magd gefressen habe und ließ die Kerze fallen und rannte in den Keller. Dann riefen Eulenspiegel und die Kaufleute das dritte Mal und baten, dass er selbst ihnen etwas zu trinken bringen würde, denn sie sagten, dass da niemand käme, oder sonst [solle er] ihnen eine Kerze geben und sie würden es sich selbst zapfen. Dann erhob sich der Wirt selbst, denn er glaubte, dass sein Knecht und seine

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Der englische Text verwendet »went« und »were asleep«, was sich nicht vereinbaren lässt; anscheinend muss statt »went« »when« gelesen werden. Man muss wohl lesen, dass Eulenspiegel das Zimmer verlässt, nicht betritt. Ginge er in die Wirtsstube, würde »into« Sinn machen, aber im Gesamtkontext müsste Eulenspiegel hinab gehen.

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mayde were fallen a slepe agayn, and than lyghted he a candle, and whan that he had done, he loked asyde and spyed the woulfe: and he was so afrayde, that he fel vnto the ground, and than arose he and cryed to the marchauntes, and he prayed them for to come helpe him, for there was a woulf, that had eaten both his man and his mayde. And this harde thei mayd in the garden, and the man in the seller, and come to help their maister, and the marchauntes also. And Howleglas laughed at this hardy man, that woulde haue slayne ten woulfes, and he was made afraide of one deade woulfe. And whan they hoste sawe that it was done in mockage: than was he a shamed, and he wyste not what for to say. And than left he his bostyng, and ¦ Iestyng, and went to bed K.i. agayne. And on the morow it was knowen through the towne, wherof the hoste was sore ashamed. And than in the morning arose the also, and rode their waye. And than neuer after praysed the hoste his manhode,

[36] 15

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Howleglas fleed a hounde: and gaue the skyn for halfe his dyner. ON a tyme came Howleglas verye late into an Inne wher the host was not at home, but only the hostyse, this hostyse had a bloud hounde92, the which she loued very well and as she had nothyng to do, she toke the hounde on her lappe, and played with him: and Howleglas satte by the fyre drinking a potte of bere and the hostyse had taught her hounde to drinke bere in a dyshe, and as Howleglas was drynkynge of hys bere, the hound fauned on him and wagged his tayle on Howleglas, and than sayde thei hostyse, geue they hounde some drynke in his dyshe, for that is the meanyng, and Howleglas sayd with a good wyl, and than gaue he the hounde often to drinke, and he gaue him also parte of al thyng that was on the table, that the hounde was as 7 Howleglas] Howlealas Textzeuge L2, Varianten: 1/2 that he] he that L1 Howleglas L1 92

15 Howleglas] Howe

Dass der Hund ein Bluthund sein soll, macht wenig Sinn, da dies ein großer Hund wäre (OED2). Aus der folgenden Beschreibung geht hervor, dass es sich um einen Schoßhund handeln muss. Vorstellbar ist lediglich, dass ein größerer Typ Hund genannt wurde, um die von ihm verzehrte Menge größer erscheinen zu lassen.

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Magd wieder eingeschlafen seien. Und dann zündete er eine Kerze an und als er das getan hatte, schaute er zur Seite und entdeckte den Wolf und er hatte solche Angst, dass er zu Boden fiel, und dann erhob er sich und schrie nach den Kaufleuten und er bat sie, ihm zur Hilfe zu kommen, denn da sei ein Wolf, der sowohl seinen Knecht als auch seine Magd gefressen habe. Und dies hörten die Magd im Garten und der Knecht im Keller und kamen ihrem Meister zur Hilfe und die Kaufleute auch. Und Eulenspiegel lachte diesen mutigen Mann aus, der zehn Wölfe hatte erschlagen wollen und der von einem toten Wolf Angst eingejagt bekam. Und als der Wirt sah, dass es zum Spott getan war, dann schämte er sich und er wusste nicht, was er sagen sollte. Und dann hörte er mit seiner Prahlerei und Neckerei auf und ging wieder zu Bett. Und am Morgen war es in der ganzen Stadt bekannt, worüber der Wirt sich entsetzlich schämte. Und dann am Morgen erhoben sie sich auch und ritten ihres Wegs. Und dann pries der Wirt danach nie mehr seine Mannhaftigkeit.

[36] Wie61 Eulenspiegel einem Hund das Fell abzog und mit der Haut die Hälfte seines Mittagessens bezahlte. Einmal kam Eulenspiegel sehr spät zu einem Gasthaus, wo der Wirt nicht zuhause war, sondern nur die Wirtin. Diese Wirtin hatte einen Bluthund, den sie sehr liebte, und wenn sie nichts zu tun hatte, nahm sie den Hund auf ihren Schoß und spielte mit ihm. Und Eulenspiegel saß beim Feuer und trank einen Krug Bier. Und die Wirtin hatte ihrem Hund beigebracht, Bier aus einer Schüssel zu trinken, und als Eulenspiegel von seinem Bier trank, schmeichelte der Hund um ihn herum und wedelte für Eulenspiegel mit seinem Schwanz. Und dann sagte die Wirtin: »Gebt dem Hund etwas zu trinken in seine Schüssel, denn das bedeutet es.« Und Eulenspiegel sagte: »Gerne.« Und dann gab er dem Hund oft zu trinken und er gab ihm auch einen Teil aller Dinge, die auf dem Tisch waren, so dass der Hund so

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Der englische Text lässt das Wort versehentlich aus.

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full as he myght be, and than went he and layde hym downe stretchyng hym by the fyre: and withe in a whyle Howleglas had eaten ynoughe, and than asked thei hostyse yf she would reken and she sayde yes. Than asked he hys hostyse yf she had had a geste, that had eaten her meate, and drinketh her drynke should pay nothing, would ye be content therwith. Than went the hostyse, that he had ment himself, and thoughte not of her hounde. Than said she to him good frende, her is no man that eateth here, but he payeth monie or a ¦ pledge. Howleglas said I am content therwith to pay my parte, and the [K1b] other must pay his parte. And than went the hostise into her chamber for to do her busines. And than toke Howleglas the hounde vnder his gowne and went vnto the stable, and flyed of his skyn. And than came he agayne to his hostise that sate by the fyre, and he had the houndes skyn vnder his gowne: and than called Howleglas for a rekenyng, whan she had rekened: he gaue her half therof. Than asked she him who sholde geue to her that other halfe? Than sayde Howleglas chose you here is my parte, ye had an other geste that went awaye and payde nothyng, and he ate and dranke, as well as I dyd, lette hym pay the other halfe of the moni Than sayd the hostise, what gest was that and what pledge had he to geue? Than sayde Howleglas, the best coate93 that he had on. Than drew he out the dogges skyn, and sayde to his hostise here is the beste coate that the gest hath. And whan she saw her doggs sckyn: than spake she very angerly, and cursedly wherfore haue ye flyed my hounde? Than sayd Howleglas let alone your banning and your cursyng in this maner for it is your faut, for ye bad to me that I should geue to your hounde meate and drynke and I told to you that the gest had no moni, and ye said that ye would not trust hym, but that ye would haue a pledge or money to paye for his costes: so haue I broughte to you the best cote that he hath for a pledge. Than was thei hostice more angry, and sayde: Go out of my house shortly, and neuer come here more within my dores. Than sayde Howleglas. Shall I 6 he had] hed

11 agayne] agayde

13 called] cal

23 hounde] honnde

Textzeuge L2, Varianten: 3 asked thei hostise] asked he his hostise L1 4 drinketh] drunken L1 5 went] ment L1 6 he had ment] he had ment L1 11 vnto] into L1 13 called] cal- ¦ led L1 13 had rekened] sayd rekened L3 16 and he ate] and eate L3 20 sckyn] skyn L1

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Die Doppeldeutigkeit Eulenspiegels, auf die seine Wirtin hereinfällt, gründet darauf, dass ›coat‹ sowohl ›Mantel, Jacke‹ als auch ›Fell, Pelz‹ bedeuten kann.

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voll war, wie er nur sein konnte, und dann ging er und legte sich ausgestreckt beim Feuer nieder. Und nach einer Weile hatte Eulenspiegel genug gegessen und fragte dann die Wirtin, ob sie abrechnen wolle, und sie sagte: »Ja.« Dann fragte er seine Wirtin, wenn sie einen Gast gehabt hätte, der ihr Essen gegessen hätte und ihre Getränke [getrunken] und nichts bezahle: »Würdet Ihr damit zufrieden sein?« Dann glaubte die Wirtin, er meine sich selbst und dachte nicht an ihren Hund. Dann sagte sie zu ihm: »Guter Freund, hier gibt es niemanden, der hier isst, und nicht Geld bezahlt oder ein Pfand [gibt]. Eulenspiegel sagte: »Ich bin zufrieden damit, meinen Teil zu bezahlen und der andere muss seinen Teil bezahlen.« Und dann ging die Wirtin in ihr Zimmer, um ihre Angelegenheiten zu erledigen. Und dann nahm Eulenspiegel den Hund unter seinen Rock und ging in den Stall und zog ihm seine Haut ab. Und dann kam er wieder zu seiner Wirtin, die beim Feuer saß, und er hatte die Hundehaut unter seinem Rock. Und dann verlangte Eulenspiegel nach der Rechnung [und] als sie abgerechnet hatte, gab er ihr die Hälfte davon. Dann fragte sie ihn, wer ihr die andere Hälfte geben solle. Dann sagte Eulenspiegel: »Wählt Ihr; hier ist mein Teil! Ihr hattet einen anderen Gast, der weggegangen ist und nichts bezahlt hat, und er hat genauso gut gegessen und getrunken wie ich – lasst ihn die andere Hälfte des Geldes bezahlen!« Dann sagte die Wirtin, was für ein Gast das gewesen sei und was für ein Pfand er zu geben habe. Dann sagte Eulenspiegel: »Den besten Pelz, den er anhatte.« Dann zog er die Hundehaut heraus und sagte zu seiner Wirtin: »Hier ist das beste Fell, das der Gast hat!« Und als sie die Haut ihres Hundes sah, dann sprach sie sehr wütend und fluchend: »Warum habt Ihr meinem Hund das Fell abgezogen?« Dann sagte Eulenspiegel: »Lasst Eure derartigen Verwünschungen und Verfluchungen sein, denn es ist Eure Schuld: Denn Ihr habt mich Eurem Hund Essen und Trinken geben geheißen! Und ich habe Euch erzählt, dass der Gast kein Geld hatte und Ihr habt gesagt, dass Ihr ihm keinen Kredit geben wollt,62 sondern dass Ihr ein Pfand oder Geld wolltet, um für seine Ausgaben zu bezahlen. Deshalb habe ich Euch als Pfand das beste Fell gebracht, das er hat.« Dann war die Wirtin noch wütender und sagte: »Geht sofort aus meinem Haus und kommt nie wieder durch meine Tür!« Dann sagte Eulenspiegel: »Soll ich

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An dieser Stelle schwingt natürlich die generelle Bedeutung des Wortes mit: Sie wollte ihm nicht nur keinen Kredit geben, sondern sie vertraute ihm auch nicht!

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go out of your dores: naye but I shall ryde out of your dores. Than toke he his sadell and sadled his horse, and lyght on him And or he de ¦ parted from K.ii. thence, he sayde to his hostise. Kepe well your pledge, that ye may haue your mony. And within a while I shal come vnto you vnbidden. And if I drinke not of your drinke: than nede I not to paye nothing. And than departed he fro thence, and rode his waye

[37] How Howleglas serued the same hostice an other tyme, and howe he laye. on a whele. 10

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WIthin a whyle after came Howleglas to Stafforde, in the same Inne where he had bene lodged before: and he had done other clothes on, because that his hostyse should not know him. And whan he was come into the Inne, he spyed a whele lye their by and than he alighted and came and layde hym theron, and bad hys hostyse good morowe. And he asked her, if she harde any newes of howleglas? And she sayde nay, what should I here of him? I can not suffer him to be named. howleglas saide? what harme hath he done to you, that ye may not here speke of him? he is a knaue, in dede, I neuer herde tell yet that he came in any place, but or he departed he did some shrewde touche. Than said the hostise that is truthe. For it is but .viii. daies agone that (for the great chere that I made to hym) like a treitoure he flayed my hounde, and he gaue me thei skyn for my meate and drynke. Than sayde howleglas that was a knauyshe touche. And the woman saide therfore shall he come to euill ende. Than saide howleglas Is this all his rewarde? It is not thre houres agone sithen I sawe hym lye vpon a whele. Than said the hostise, if I had knowen that I should haue bette him with a staffe, that I should haue broken some of his rybbes, for that he hathe done to me. ¦ And than arose [K2b] Howleglas and sayde, let be your anger, for whan I spake to you he laye vpon the whel And nowe adewe i come not here agayne. 3 Kepe] Repe

8 hostice] host ce

13 and] aud

Textzeuge L2, Varianten: 23 to euill] to an euil L1

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aus der Tür gehen? Nein, sondern ich werde aus Eurer Tür reiten!« Dann nahm er seinen Sattel und sattelte sein Pferd und saß auf. Und bevor er von dort wegging, sagte er zu seiner Wirtin: »Passt gut auf Euer Pfand auf, damit Ihr Euer Geld bekommt! Und in einer Weile werde ich ungeladen zu Euch kommen. Und wenn ich Eure Getränke nicht trinke, dann brauche ich nichts zu bezahlen!« Und dann ging er von dort weg und ritt seines Wegs.

[37] Wie Eulenspiegel dieselbe Wirtin ein anderes Mal behandelte und wie er auf einem Rad lag. Eine Weile danach kam Eulenspiegel nach Stafforde63, in dasselbe Gasthaus, in dem er vorher beherbergt war, und er hatte andere Kleider angezogen, damit seine Wirtin ihn nicht erkennen solle. Und als er in das Gasthaus gekommen war, entdeckte er ein Rad, das da lag, und dann stieg er ab und kam und legte sich darauf und wünschte seiner Wirtin einen guten Morgen. Und dann fragte er sie, ob sie irgendwelche Neuigkeiten von Eulenspiegel gehört habe. Und sie sagte: »Nein, was hätte ich von ihm hören sollen? Ich dulde es nicht, seinen Namen zu hören!« Eulenspiegel sagte: »Was hat er Euch für [einen] Schaden zugefügt, dass Ihr nichts über ihn gesprochen hören wollt? – Er ist ein Spitzbube, in der Tat; ich habe noch nie gehört, dass er an irgendeinen Ort gekommen ist und, bevor er wegging, nicht irgendeinen gewitzten Streich gespielt hat.« Dann sagte die Wirtin: »Das ist wahr. Denn es ist erst 8 Tage her, dass er mir – wo ich so dafür gesorgt habe, dass es ihm gut ging! – wie ein Verräter meinen Hund gehäutet hat und er hat mir die Haut für mein Essen und Trinken gegeben!« Dann sagte Eulenspiegel: »Das war ein Spitzbubenstreich!« Und die Frau sagte: »Dafür wird er ein böses Ende nehmen!« Dann sagte Eulenspiegel: »Ist das alles, was er verdient? Es ist noch nicht drei Stunden her, seit ich ihn auf einem Rad liegen sah!« Dann sagte die Wirtin: »Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich ihn mit einem Stab geschlagen, dass ich einige seiner Rippen gebrochen hätte, für das, was er mir [an]getan hat!« Und dann erhob sich Eulenspiegel und sagte: »Lasst Eure Wut, denn während ich mit Euch sprach, lag er auf dem Rad! Und nun adieu, ich komme nicht wieder hierher!«

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D. h., Staßfurt.

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[38] How Howleglas set his hostyse vpon the hote asshes with her bare arse. 5

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AS Howleglas was come fro Rome, he came to an Inne where his hoste was not at home And whan he was within, he asked his hostyse if that she knewe not Howleglas, and the hostyse sayde nay: but I here say that he is a false deceyuer and begiler than sayde Howleglas wherfore saye ye so ye knowe him not than said the hostise that is truth but I haue herd speke much of his vnhappinesse than sayd Howleglas: good woman he hath done to you neuer no harme, wherfore slaunder ye him for the wordes of other people, the hostyse sayd: I saye no other of hym, than him be spoken of, of many of my gestes, that haue lodged here. Than held Howleglas his peace, and spake no more til in the mornyng, and than spred he abrode the hote asshes on the harthe, and than toke he the hostyse out of her slepe, and set her thereon on her bare arse, and so was hys hostyse well brenned, than sayde he to her. Nowe may ye say boldely, that ye haue sene the false deceuer and begyler Howleglas: than cryed the hostyse for help and lowred vpon hym Than went he out of her dores and sayde to her. Should not men correcte and repreue slaunderers and backbyters, that saye it of men, and neuer sawe them, nor neuer had done harme to them. yes it is a charytable thyng to do. And than tooke he hys horse and departed fro thence.

[39] How Howleglas serued a holander with a rosted aple. 25

¦ VPon a time came Howleglas to Andwarpe to an Inne, where was many K.iii. holanders merye. And he brought with hym .ii. egges whiche he rosted for to eat, for he was sycke and coulde eat no fleshe. And this seyng a holander 25 holanders] holaders Textzeuge L2, Varianten: 24 Andwarpe] Handwarpe L1

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[38] Wie Eulenspiegel seine Wirtin mit ihrem nackten Hintern auf die heiße Asche setzte. Als Eulenspiegel von Rom gekommen war, kam er zu einem Gasthaus, wo der Wirt nicht zuhause war. Und als er drinnen war, fragte er die Wirtin, ob sie nicht Eulenspiegel kenne, und die Wirtin sagte: »Nein, aber ich habe sagen hören, dass er ein falscher Täuscher und Betrüger ist.« Dann sagte Eulenspiegel: »Warum sagt Ihr das? Ihr kennt ihn nicht!« Dann sagte die Wirtin: »Das ist wahr, aber ich habe viel von seiner Verdorbenheit gehört.« Dann sagte Eulenspiegel: »Gute Frau, er hat Euch niemals Schaden zugefügt, warum verleumdet Ihr ihn aufgrund der Worte anderer Leute?« Die Wirtin sagte: »Ich sage nichts anderes über ihn, als das, was von vielen meiner Gäste, die hier beherbergt waren, über ihn gesprochen wird.« Dann war Eulenspiegel still und sprach bis zum Morgen nicht mehr. Und dann verteilte er die heiße Asche auf dem Herd und dann nahm er die Wirtin aus ihrem Schlaf und setzte sie mit ihrem nackten Hintern darauf und so war seine Wirtin sehr verbrannt. Dann sagte er zu ihr: »Nun mögt Ihr kühn sagen, dass Ihr den falschen Täuscher und Betrüger Eulenspiegel gesehen habt!« Dann schrie die Wirtin um Hilfe und zeigte ihm ein böses Gesicht. Dann ging er aus ihrer Tür und sagte zu ihr: »Sollten Menschen nicht Verleumder und Hetzer verbessern und jene verurteilen, die das über Menschen sagen und sie noch nie gesehen haben und die ihnen niemals Schaden zugefügt haben? Ja, es ist wohltätig, das zu tun.« Und dann nahm er sein Pferd und ging von dort weg.

[39] Wie Eulenspiegel einen Holländer mit einem gerösteten Apfel behandelte. Einmal kam Eulenspiegel nach Antwerpen in ein Gasthaus, wo viele Holländer fröhlich waren. Und er brachte 2 Eier mit sich, die er zum Essen röstete, denn er war krank und konnte kein Fleisch essen. Und als er das sah, sagte ein Holländer:

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sayde. ye Thomme of the countrey94, wyl not your hostyse mete serue you but that ye must bring meat with you wene ye that ye should haue no meat here: and with those wordes, he toke the egges and supped them vp, and whan he hadde done. he gaue too Howleglas the shelles, and sayd to hym: holde here is thei boxe, the relykes95 be gone, and than laughed all the gestes at that touch, and Howleglas also, and in the euenynge fetched Howleglas a fayre apple and cut out all the core therof, and put therin a strong purgacion, and rosted the apple in the fire and than tooke howleglas the apple and cut it in pieces, vpon his trenchour, and strawed therof poudre of gynger and set it vpon the table and went from the table as though he would haue gon and fetched more. And as sone as howleglas had tourned his backe, the holander tooke the apple and ate it in a gret haste. And by and by he fell to parbrakyng, and caste vp all that was within hym, and he was very sycke therof, that the hoste and all the gestes wend that he should haue dyed of the apple. And than sayde howleglas to they gestes: be not a frayde of hym for it is a lytle purgacion, that I haue geuen hym, he was to hasty to eate the apple so sone, I shold haue warned him therof. For the rosted apple coulde not suffre the rere egges in hys mawe96, but that they must nedes come out agayn: and than the gestes made good chere and laughed. And whan the purgacion had wrought al that it would and ¦ that thei holander was mended, [K3b] he sayde to Howleglas. Roste and eate whatsoeuer ye wyll, for I wyll neuer eate with you more, Textzeuge L2, Varianten: 12 in a great] in great L1

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Dieser Ausdruck hat mehrere Ebenen: Zum einen ist natürlich darin auf den ›doubting Thomas‹, den kleingläubigen Apostel, angespielt; gleichzeitig ist die Abkürzung ›Tom‹ ein Synonym für jedermann (›every Tom, Dick or Harry‹), was sich mit dem Vorwurf des Bäurischen gut kombinieren lässt. Auch dieses Wort wirft ein weites Assoziationsfeld auf: Nach dem OED2 (›relic‹) kann es ebenso die Reliquie bedeuten wie allgemein eine kostbare Sache (A.1.c) wie das allgemeine Überbleibsel, das Relikt. Heute wird dieser Begriff nur noch für den Magen von Tieren verwendet, im 16. Jh. bezeichnete er jedoch auch die Mägen von Menschen (OED2, 1.).

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»Ihr [seid ein] Landei! Wird Eure Wirtin Euch kein Essen servieren, dass Ihr Essen mitbringen müsst? Glaubt Ihr, dass Ihr hier kein Essen bekommen werdet?« Und mit diesen Worten nahm er die Eier und schlürfte sie aus. Und als er fertig war, gab er Eulenspiegel die Schalen und sagte zu ihm: »Nehmt, hier ist die Schachtel, die Reliquien sind weg!« Und dann lachten alle Gäste über diesen Streich und Eulenspiegel auch. Und am Abend holte Eulenspiegel einen schönen Apfel und schnitt den ganzen Kern heraus und füllte ein starkes Abführmittel hinein und röstete den Apfel im Feuer. Und dann nahm Eulenspiegel den Apfel und schnitt ihn auf seinem Teller in Stücke und streute Ingwerpulver darauf und stellte ihn auf den Tisch und ging vom Tisch weg, als ob er gehen und mehr holen wolle. Und sobald Eulenspiegel seinen Rücken gekehrt hatte, nahm der Holländer den Apfel und aß ihn in großer Hast auf. Und er fing unverzüglich an sich zu erbrechen und alles auszuspeien, das in ihm war, und ihm wurde sehr übel davon, so dass der Wirt und alle Gäste glaubten, dass er an dem Apfel sterben würde. Und dann sagte Eulenspiegel zu den Gästen: »Sorgt euch nicht um ihn, denn es ist ein kleines Abführmittel, das ich ihm gegeben habe; er war voreilig, den Apfel so schnell zu essen, ich hätte ihn davor gewarnt! Denn der gebratene Apfel duldete die rohen Eiern in seinem Magen nicht, sondern sie mussten unbedingt wieder herauskommen!« Und dann vergnügten sich die Leute und lachten. Und als das Abführmittel alles angerichtet hatte, was es wollte, und der Holländer wiederhergestellt war, sagte er zu Eulenspiegel: »Röstet und esst, was immer Ihr wollt, denn ich werde nie wieder mit Euch essen!«

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[40] Howe Howleglas made a woman that solde earthen pottes, to smyte them all in pieces. 5

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VPon a tyme toke Howleglas his iourney to Bremen, to the byshop, that loued him wel. For at al tymes he did some mad touche, wherat he made the byshop to laughe. Than on a tyme as the byshop and Howleglas were a walkynge the byshop desyred of him, that he would do some meri Iest, but Howleglas went talkyng to hymselfe as though he had sayd his paternoster, and answered not the byshop. But at the last he saide to hym, I praye the to se some newes? And he said he wold. But he praied the bishop to tari a whyle. And he gaue him silence. And in the meane whyle went Howleglas to a woman that hathe earthen pottes to sel in the market, the which pottes he bought on a condicion, that whan he made a signe to her: than she shold smite al the pottes in pieces. And she graunted to hym. And than he payed her and returned to the byshop. And whan he was come, the byshop asked hym where he had bene? And howleglas sayde I was at church. he said my lord go wyth me vnto the market. And so he did. And whan they were there howleglas said to the byshop Se you the woman with the earthen pottes? I shall stande here still by you, and speke neuer a worde: and yet shal I make her to smite her pottes al in pieces. Than said the byshop I holde the .xxx. gildens, that thou shalt not do it. And howleglas dyd holde, the .xxx. gildens with the byshop. And than went they into the towne house, and there they taryed. And than ¦ cryede he, and called the woman, and at the laste made he [K4] the sygne to her that was made betwene them. And than tooke she a staffe, and smyt vpon the pottes so long till that she had broken them eueri chone, so that the byshop and all they that were in the market place did laugh therat. And as the byshop was come home than called he Howleglas a syde vnto him, and sayde. Tell me shortly what thynge ye dyd to the woman, that ye made her take a staffe, and smyte all thei pottes to peces, and than shall I geue vnto you the .xxx. gildens Than said Howleglas to the byshop. My lorde I dyd it not with sorcery nor witchecraft, but I had payd the woman before for her pottes, and we were both agreed And than laughed the byshop therat, and gaue vnto Howleglas .xxx. gildens, and he made hym to swere on a boke, that he should not shewe no body the thinge and he sayd he would geue 23 cryede he] cryede [›he‹ nur als Kustos] Textzeuge L2, Varianten: 17 vnto] into L1 226

[40] Wie Eulenspiegel bewirkte, dass eine Frau, die irdene Töpfe verkaufte, sie alle in Stücke schlug. Einmal machte Eulenspiegel seine Reise nach Bremen zum Bischof, der ihn gern hatte. Denn zu jeder Zeit machte er irgendeinen verrückten Streich, wodurch er den Bischof zum Lachen brachte. Dann einmal als der Bischof und Eulenspiegel spazieren gingen, bat ihn der Bischof, dass er irgendeine lustige Tat machen solle, aber Eulenspiegel ging und sprach mit sich selbst, als ob er sein Paternoster sage und antwortete dem Bischof nicht. Aber schließlich sagte dieser zu ihm: »Ich bitte dich, dass ich etwas Neuartiges zu sehen bekommen möchte.« Und er sagte es zu, aber er bat den Bischof, eine Weile zu warten und er schwieg ihm gegenüber. Und in der Zwischenzeit ging Eulenspiegel zu einer Frau, die auf dem Markt irdene Töpfe zum Verkauf anbot, diese Töpfe kaufte er unter einer Bedingung: dass, wenn er ihr ein Zeichen gab, sie dann alle Töpfe in Stücke schlagen würde. Und sie willigte ein und dann bezahlte er sie und kehrte zum Bischof zurück. Und als er gekommen war, fragte ihn der Bischof, wo er gewesen sei, und Eulenspiegel sagte: »Ich war in der Kirche.« Er sagte: »Mein Herr, geht mit mir zum Markt.« Und das tat er. Und als sie da waren, sagte Eulenspiegel zum Bischof: »Seht Ihr die Frau mit den irdenen Töpfen? Ich werde hier still bei Euch stehen und kein Wort sagen – und doch werde ich bewirken, dass sie ihre Töpfe alle in Stücke schlägt!« Dann sagte der Bischof: »Ich wette 30 Gulden, dass du das nicht schaffen wirst.« Und Eulenspiegel nahm die Wette um die 30 Gulden mit dem Bischof an. Und dann gingen sie ins Rathaus und dort warteten sie. Und dann schrie er und rief die Frau und schließlich gab er ihr das Zeichen, das zwischen ihnen ausgemacht war. Und dann nahm sie einen Stab und schlug auf die Töpfe, so lange, bis sie jeden zerbrochen hatte, so dass der Bischof und alle, die auf dem Marktplatz waren, darüber lachten. Und als der Bischof nachhause gekommen war, rief er Eulenspiegel zu sich beiseite und sagte: »Erzählt mir sofort, was für eine Sache Ihr mit der Frau gemacht habt, dass Ihr bewirkt habt, dass sie einen Stab genommen und alle ihre Töpfe in Stücke geschlagen hat! Und dann werde ich Euch die 30 Gulden geben.« Dann sagte Eulenspiegel zu dem Bischof: »Mein Herr, ich habe es nicht mit Zauberei oder Hexerei getan, sondern ich hatte die Frau vorher für ihre Töpfe bezahlt und wir hatten uns miteinander abgesprochen.« Und dann lachte der Bischof darüber und gab Eulenspiegel 30 Gulden und er ließ ihn auf ein Buch schwören, dass er die Sache niemandem enthüllen würde und er sagte, er wolle 227

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hym a fat oxe. Than sayd Howleglas, that thing shall I do with a good wyll, and speke neuer a woorde. And than departed Howleglas fro thence, and he let the byshop do what he would. And than went the byshop, that whan he shoulde make a sygne to her, than should she smyte the earthen pottes all in pieces, and this was the cunnynge that than Howleglas dyd. Than were all thei nobles ashamed and angry in theire mynde wyth the byshop, but they durst not speake one woorde but clawed theyre heades, whan that they sawe theyr fatte oxen before, their face that they had geuen to the byshop for that foolysh deede. But after they comforted them selfe agayne, and sayde. He is oure Lorde and mayster, and yf that he had asked the oxen for noughte, wee woulde haue geuen them to hym, and Howleglas ¦ had for his parte one of [K4b] thei fat oxen, wherof he was glad as the other did so that the gift amounted to .xx. fat oxen: and than went euery man home, and fetched a fat oxe and broughte it vnto the byshop: and whan that they were all come in, they stode talkyng with the byshop and than came Howleglas riding by them, and he sawe all the oxen stande there, than he sayd vnto the byshop this gaynes is half mine, than said he to Howleglas, wil you not holde that thing that ye haue promised me, and than sayd Howleglas yes, for another fat oxe. than gaue the byshop vnto Howleglas a fat, oxe and he bad him that he shoulde departe and so he dyd and lefte the byshop with all his lordes talkinge: than called the byshop all the nobles together, and wan that they were come he sayde to them. Nowe shall I shewe vnto you all this greate cunnyng of the breakyng of the pottes openly than saide he to them, this is it. Howleglas had bene before with that woman that solde the earthen pottes in the market, and he had payd her for all the pottes, and he bad to her than whan he shold make a signe to her, than shold she smite the earthen pottes all in peces, and thys was the cunnynge that Howleglas did. Than were the nobles ashamed and angry in theyr mynde with the byshop, but they durst not speke one worde, but clawed theire heades, whan the sawe their fat oxen before their face, that they had geuen to the byshop for that folish dede: but after they comforted them selfe agayn and said: he is our lord and maister, and if that he had asked thei oxen for nought, we would haue geuen them to hym. And Howleglas hadde for his parte one of the fat oxen, wherof he was glad.

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ihm einen fetten Ochsen geben. Dann sagte Eulenspiegel: »Diese Sache werde ich gerne tun und kein Wort sagen.« Und dann ging Eulenspiegel von dort weg und er ließ den Bischof tun, was er wollte. Und dann ging der Bischof […]64 wie der andere es [getan hatte], so dass das Geschenk sich auf 20 fette Ochsen belief. Und dann ging jeder nachhause und holte einen fetten Ochsen und brachte ihn dem Bischof. Und als sie alle hineingekommen waren, standen sie und sprachen mit dem Bischof. Und dann kam Eulenspiegel an ihnen vorbeigeritten und er sah all die Ochsen da stehen. Dann sagte er zum Bischof: »Dieser Gewinn gehört zur Hälfte mir!« Dann sagte er zu Eulenspiegel: »Werdet Ihr nicht das halten, was Ihr mir versprochen habt?« Und dann sagte Eulenspiegel: »Ja, für einen weiteren fetten Ochsen!« Dann gab der Bischof Eulenspiegel einen fetten Ochsen und er hieß ihn weggehen; und das tat er und ließ den Bischof im Gespräch mit seinem ganzen Gefolge. Dann rief der Bischof alle Adligen zusammen und als sie gekommen waren, sagte er zu ihnen: »Jetzt werde ich euch allen die große List enthüllen, wie die Töpfe zerbrochen wurden!« Dann sagte er zu ihnen: »Und zwar so: Eulenspiegel ist vorher bei dieser Frau gewesen, die die irdenen Töpfe auf dem Markt verkauft, und er hat sie für alle Töpfe bezahlt und er hat sie geheißen, dass, wenn er ihr ein Zeichen gebe, sie dann die irdenen Töpfe ganz in Stücke schlagen solle. Und das war die List, die Eulenspiegel benutzt hat!« Dann waren die Adligen beschämt und im Stillen wütend mit dem Bischof, aber sie wagten nicht, ein Wort zu sagen, sondern krallten ihre Köpfe, als sie ihre fetten Ochsen, die sie dem Bischof für diese närrische Tat gegeben hatten, vor sich sahen. Aber nachher trösteten sie sich selbst wieder und sagten: »Er ist unser Herr und Meister und wenn er die Ochsen umsonst verlangt hätte, hätten wir sie ihm gegeben.« Und Eulenspiegel hatte für seinen Teil65 einen der fetten Ochsen, worüber er froh war.

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Die Auslassung betrifft die Zeilen, die im englischen Text an dieser Stelle versehentlich eingefügt sind. Sie folgen in meiner Übersetzung unten im Absatz, wo sie Sinn ergeben. Leider fehlt durch die versehentliche Doppelung ein Teil des Texts – vgl. die Anmerkungen zum Vergleich der Eulenspiegel-Übersetzungen, S. 496ff. Diese Formulierung lässt sowohl ›für seinen Teil‹ als auch ›als seinen Teil‹ zu.

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[41] ¦ How Howleglas brake the stayres that thei monkes should L.i. come down on to mattyns97, and howe they fell downe into the yarde. 5

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HOwleglas as he waxed old and feble: and had bene in many countreys: than began he to take a litle repentaunce on him, and thought to go to be a religious persone. Than toke he his way to Merienvall. And whan he came ther he went into the abbay to the abbot, and whan he came to him, he desired of the abot that he might be a brooder98 in the place, and to haue a place, and he promysed the abbot that he would leue in the abbay all the mony that he had. Than sayd the abbot to him, and iested with him, for he was a mery iester, that he shold haue a place, but he must haue an office there with for to doo some labour for ye se well, that all my brethren do that thyng that I commaunde them, and take the office that is geuen vnto them, and be content therwith. Than sayd Howleglas to the abbot, what soeuer it please you to bid me do, I shall do it with a good wyll. Than said the abbot the labour is not gret that I shall geue vnto you: for ye shall be porter, so that ye may haue conuersacion with the people dayly, and no other thing, than for to open the gate, and for to shit it agayne. Than sayd Howleglas to the abbot. God thanke you my lorde, that ye haue ordeyned for me a poore old man, so light an office, and therfore shal I do al that ye bid me, and leue all that ye forbyd me. than sayde the abbot to hym. take here is the keyes, ye Textzeuge L2, Varianten: 7 Merienuall] Meriendall L3 9 brooder] brother L3 10 leue] geue L3 13 ye se well] ye well L3 Merke: L1: K4, L und M fehlen, sie sind dort aus L2 handschriftlich ergänzt (aber mit Abschreibefehlern); die HS folgt der vorliegenden L2– Ausgabe; sie weist genau dort Lücken auf, wo in L2 Stücke fehlen (z. B. M1). L3: macht denselben Fehler und lässt ab Z. 33 den Betrug an den nobles aus; schildert nur ihre Verärgerung.

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Die schützende Dunkelheit für diese traditionell um Mitternacht abgehaltene Messe (OED2, I.1.a.) nützt Eulenspiegels bösem Plan. Neben der gebräuchlichen Verwendung im familiären Sinn findet sich die religiöse Bedeutung (OED2, B.5.). Interessant ist die lautliche Entwicklung des Wortes: Das OED2 verweist darauf, dass im Mittelenglischen besonders in nördlichen und schottischen Dialekten das ›th‹ häufig mit ›d‹ ersetzt wurde.

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[41] Wie Eulenspiegel die Treppe zerbrach, die die Mönche zur Frühandacht hinunterkommen sollten, und wie sie auf den Hof hinunterfielen. Als Eulenspiegel alt und schwach wurde und in vielen Ländern gewesen war, dann begann er ein bisschen Reue zu empfinden und beschloss ein religiöser Mensch zu werden; dann machte er sich auf den Weg nach Merienvall66. Und als er dort angekommen war, ging er in die Abtei zum Abt und als er zu ihm kam, bat er den Abt, dass er ein Bruder an diesem Ort sein dürfe und einen Platz bekomme, und er versprach dem Abt, dass er der Abtei alles Geld hinterlassen wolle, das er habe. Dann sagte der Abt zu ihm und scherzte mit ihm, denn er war ein fröhlicher Spaßmacher, dass er einen Platz haben solle, aber dass er dort eine Aufgabe haben müsse, um etwas zu arbeiten: »Denn Ihr seht wohl, dass alle meine Brüder das tun, was ich ihnen befehle, und die Aufgabe übernehmen, die ihnen gegeben wird, und damit zufrieden sind.« Dann sagte Eulenspiegel zum Abt: »Was immer Euch beliebt mich zu heißen, ich werde es gerne tun.« Dann sagte der Abt: »Die Arbeit ist nicht groß, die ich Euch geben werde: Denn Ihr sollt der Pförtner sein, so dass Ihr täglich mit Leuten reden könnt und nichts anderes [machen müsst], als das Tor zu öffnen und es wieder zu schließen.« Dann sagte Eulenspiegel zum Abt: »Gott danke Euch, mein Herr, dass Ihr mir armen alten Mann eine so leichte Aufgabe anordnet! Und deshalb werde ich alles tun, das Ihr mich heißt, und alles unterlassen, das Ihr mir verbietet.« Dann sagte der Abt zu ihm: »Nehmt, hier sind die Schlüssel; Ihr

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D. h., Mariental.

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must not let in euery body, not scarce let in the .iii. or the .iiii. for ther be so many vacabundes and land rynners. For if that ye should let them all in that comes, the would eat and drinke so ¦ much, that at the yeres ende the wold [L1b] bring the place, to a lowe ebbe. Than sayd Howleglas to the abbote That shall I do with a good will. And than kepte he the gate and whan that the seruauntes and munkes should haue come in than would he let in no more, but the .iii. or .iiii. And than they complayned to the abbot of Howleglas, and told hym that Howleglas was a deceuer, and a begyler of folke, for he would not let them in, that belonged vnto the place. Than called the abbot Howleglas to him and he asked him why that he dyd not let in the seruauntes of the place? And Howleglas aunswered, I haue done as ye bade me, for ye bad me that I should let in but the third or the fourth and no more, and so I dyd, and therefore haue I not broken your commaundement. Than said the abbot ye haue done lyke a false knaue, and therfore shall I put the out of thy office, for ye wil not leue your false touches. And than gaue he that office to an other munke. And than said he to howleglas, this shall be your office, you shal tel euery night how many munkes come to matyns, and ye mysse one: ye shall out of the abbay. Than sayd Howleglas to the abbot. My lord that were I loth for to do, for to go out of the abbay, well I will do after youre commaundement, but the abbot gaue to hym that offyce, because that he shold haue him out of the abbay, and so for to be ryd of hym. And Howleglas thought in his mynde, not for to tary long. And than went Howleglas and pulled awaye .ii. or .iii. stepes of the stayres, that the munkes should come down on to matyns. And at mydnyght came the pryour fyrste that was a good olde man, and was wonte to be they fyrst. And whan he thought to haue gone down: he fel ¦ and brake his leg. And than he cryed pyteously, so L.ii. that the other munkes herd him, and came running hastelye for to see what that he ayled and lacked and than fel they eche after other downe the stayres. Than in thei mornyng complayned the munkes to the abbot, and shewed hym howe that Howleglas had serued them. Than was the abbot more angri, Textzeuge L2, Varianten: 1 scarce let in] scarseley in L3 landriuers L3

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2 land rynners]

dürft nicht jeden herein lassen, auch kaum jeden 3. oder 4. Denn es gibt so viele Vagabunden und Landläufer67, dass, wenn wir alle herein lassen würden, die kommen, sie so viel essen und trinken würden, dass sie am Jahresende diesen Ort ruiniert haben würden.« Dann sagte Eulenspiegel zum Abt: »Das werde ich gerne tun.« Und dann bewachte er das Tor und als die Knechte und Mönche hineinkommen wollten, dann ließ er nicht mehr als jeden 3. oder 4. hinein. Und dann beschwerten sie sich beim Abt über Eulenspiegel und erzählten ihm, dass Eulenspiegel ein Täuscher sei und ein Leutebetrüger, denn er lasse diejenigen nicht hinein, die zu dem Ort gehörten. Dann rief der Abt Eulenspiegel zu sich und er fragte ihn, warum er die Knechte des Orts nicht hereinlasse. Und Eulenspiegel antwortete: »Ich habe getan, wie Ihr mich geheißen habt: Denn Ihr habt mich geheißen, dass ich nur jeden dritten oder vierten hereinlassen solle und nicht mehr – und das habe ich getan und deshalb habe ich Euren Befehl nicht gebrochen!« Dann sagte der Abt: »Ihr habt wie ein falscher Spitzbube gehandelt und deshalb werde ich Euch von Eurer Aufgabe absetzen, denn Ihr wollt nicht mit Euren falschen Streichen aufhören!« Und dann gab er die Aufgabe einem anderen Mönch. Und dann sagte er zu Eulenspiegel: »Dies wird Eure Aufgabe sein: Ihr sollt jede Nacht zählen, wie viele Mönche zur Frühandacht kommen und wenn Ihr einen auslasst, dann werdet Ihr aus der Abtei [gewiesen]!« Dann sagte Eulenspiegel zum Abt: »Mein Herr, das würde ich ungern tun, die Abtei verlassen. Nun, ich werde Eurem Befehl folgen.« Aber der Abt gab ihm diese Aufgabe, weil er ihn aus der Abtei haben wollte und ihn so los werden wollte, und Eulenspiegel dachte bei sich, dass [er] nicht lange warten wolle. Und dann ging Eulenspiegel und zog 2 oder 3 Stufen der Treppe weg, die die Mönche zur Frühandacht herunterkommen würden. Und um Mitternacht kam zuerst der Prior, der ein guter alter Mann war, und es war seine Gewohnheit, der Erste zu sein. Und als er hinunter gehen wollte, fiel er und brach sein Bein. Und dann schrie er erbärmlich, so dass die anderen Mönche ihn hörten und hastig gerannt kamen um zu sehen, was ihm fehlte und gebrach. Und dann fielen sie einer nach dem anderem die Treppe hinunter. Dann beschwerten sich die Mönche am Morgen beim Abt und enthüllten ihm, wie Eulenspiegel sie behandelt hatte. Dann war der Abt noch wütender

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Da dieses Kompositum nicht im OED2 verzeichnet ist, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob L2 oder L1 die bessere Erklärung bietet. Unter »runner« finden sich zwei heute obsolete Bedeutungsvarianten: I.1.†c. »eine umherziehende Person, ein Vagabund«; I.†2. »eine Person auf der Flucht; ein Fahnenflüchtiger«, was sich mit »land« zu dem Bild von Gruppen marodierender Soldaten fügen würde. Die L1-Lesart – »riuers« (river, sb.2, †2): »jemand, der stiehlt; ein Räuber« –, ergibt allerdings mindestens ebenso viel Sinn.

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and said to Howleglas, what haue ye done? Howleglas sayd as ye bad me, for ye bad me that I should tel the munkes whan they came to the matins, and so I haue done, looke here is the tayle. Than said the abbot go out of the abbai for ye haue told them like a false knaue. And than departed Howleglas fro that abbay and went to Mollen.

[42] How Howleglas bought creame of the women of the countrey, that brought it for to sel to Maryandra. 10

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WIthin a whyle after or that he would enter into the abbay of Mariandra to be a munke, he went a walkyng on the market daye to Bremen, wher he sawe many women standing there to sell creame. And than went Howleglas to the house where he was lodged, and he borowed a tub of his hostise, and went again in to the market. And whan he was there: he set downe his tub and came to a woman of the countrei and he asked they pryce of her creame. And whan they ware both agreed: he made her for to put the creme into his tub and than went he to an other, and agreed with her also and made her put her creme into his tub, and so went he fro the on to the other, tyll that he had made all the women that had ther creme: to put it into his tub. And whan he had soo done: than asked thei poore women theire money of Howleglas, for they woulde departe home. Than sayde Howleglas to the women ¦ ye must [L2b] do so much for me, as to trust me these eight dayes. for I haue no mony at this tyme. Than ware the women of the countrey angry, and the ran to they tub for to take euery one of them their cream again for the would not trust him. And as thei wold haue taken their creme agayn, than began they to fal together by the eares, and sayde. Thou takest more than thou should haue. And the other stode all wepyng, and sayde to them. Shall I loose my creame? And other twayn were tumbling by the here, in the myddes of the canel. And 7 women] womon

23 euery] enery

Textzeuge L2, Varianten: 3 tayle] table L3

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und sagte zu Eulenspiegel: »Was habt Ihr getan!« Eulenspiegel sagte: »Was Ihr mich geheißen habt! Denn Ihr habt mich die Mönche zählen geheißen, wenn sie zur Frühandacht kommen, und das habe ich getan: Seht, hier ist die Aufzählung68.« Dann sagte der Abt: »Verlasst die Abtei, denn Ihr habt sie wie ein falscher Spitzbube gezählt!« Und dann ging Eulenspiegel von der Abtei weg und ging nach Mölln.

[42] Wie Eulenspiegel Sahne von den Bäuerinnen kaufte, die sie zum Verkauf nach Maryandra69 gebracht hatten. Einige Zeit nachdem70 er in die Abtei von Mariandra eintreten wollte, um ein Mönch zu sein, spazierte er am Markttag nach Bremen, wo er viele Frauen da stehen und Sahne verkaufen sah. Und dann ging Eulenspiegel zu dem Haus, wo er beherbergt war, und er borgte sich einen Kübel von seiner Wirtin und ging wieder auf den Markt. Und als er da war, setzte er seinen Kübel ab und kam zu einer Bäuerin und er fragte nach dem Preis ihrer Sahne. Und als sie beide übereingekommen waren, ließ er sie die Sahne in seinen Kübel tun und dann ging er zu einer anderen und kam auch mit ihr überein und ließ sie ihre Sahne in seinen Kübel tun und so ging er von einer zur anderen, bis er erreicht hatte, dass alle Frauen ihre Sahne in seinen Kübel getan hatten. Und als er das getan hatte, verlangten die armen Frauen ihr Geld von Eulenspiegel, denn sie wollten nachhause gehen. Dann sagte Eulenspiegel zu den Frauen: »Ihr müsst mir helfen, indem ihr mir die nächsten acht Tage Kredit gewährt, denn ich habe jetzt gerade kein Geld.« Dann waren die Bäuerinnen wütend und sie rannten zum Kübel, um jede ihre eigene Sahne zurückzunehmen, denn sie wollten ihm keinen Kredit gewähren71. Und als sie ihre Sahne zurücknehmen wollten, dann begannen sie zu streiten und sagten: »Du nimmst mehr, als dir zusteht!« Und die anderen standen alle weinend [daneben] und sagten zu ihnen: »Soll ich meine Sahne verlieren?« Und zwei andere fielen sich mitten in der Gosse in die Haare. Und

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69 70 71

Auch in diesem Fall ist die L1-Variante mindestens gleichrangig: Während L2 »tayle«, die numerischen Auflistung, verwendet, hat in L1 Eulenspiegel eine »table« angefertigt, was sowohl ein schriftliches Zeugnis im weiteren Sinn bedeuten kann als auch eine Tabelle. D. h., Mariental. Es scheint, dass sich die Verwirrung über die zeitliche Abfolge der Geschichten hier auch sprachlich niederschlägt, denn »or« steht sonst im Text eigentlich meist für »before«. Vgl. auch S. 219, Fußnote.

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thus the pulied and haled on the other that at the last the tub fel downe, and arayed them very foule, so that they were all dysfygured and wist not of whome the should be auenged of. And than arose the and asked where is this false knaue, that hath bought our mylke, and hath dysceued vs so, for had we hym here amonge vs, we shoulde christen hym here in the creame, that is in the cannell, and paint him therwith as wel as we be, for he is a false begyler and dysceyuer. But he was gone fro thence for he cast before that such a thyng should folowe. And whan the burgeys99 of the town and many other folke of the town sawe that the cannels ran with creame. Than went thei to the market place for to se. And whan the ware ther: they asked how the creme was spylt, and than it was tolde them. And whan that the knew it than the returned home laughyng, and praysed greatli the falsenes and suttelte of Howleglas.

[43] 15

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How Howleglas came to a scoler to make verses with hym to that vse of reason. And howe that Howleglas began as after shall folowe. ¦ Howleglas. MArs with septer, a king coronate Furius in affliction, and taketh no regarde By terrible fightyng, he is our prymate And god of battell, and person ryght froward. Of warries the tutor, the locke, and the warde His power his might, who can them resyst Not all this worlde, if that him selfe lyst,

Textzeuge L2, Varianten: 4 bought] broughte L3 L3

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L.iii.

20 affliction] affection

Diese obsolete Form von ›burgess‹ bezeichnet nach dem OED2 jemanden, der Stadtrechte besitzt (1.). Allerdings fragt sich wegen des nachfolgenden Zusatzes »and many other folke of the town«, ob mit den »burgeys« nicht eventuell doch die Stadträte gemeint sind (OED2, 2.).

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so zogen und zerrten sie einander, bis schließlich der Kübel hinunterfiel und sie alle völlig verschmutzte, so dass sie alle besudelt waren und nicht wussten, an wem sie sich rächen sollten. Und dann erhoben sie sich und fragten: »Wo ist der falsche Spitzbube, der unsere Milch gekauft hat und uns so getäuscht hat? Denn wenn wir ihn hier bei uns hätten, würden wir ihn hier in der Sahne taufen, die in der Gosse ist, und ihn damit genauso gut anmalen wie wir es sind, denn er ist ein falscher Betrüger und Täuscher!« Aber er war von dort weggegangen, denn er hatte vorausgesehen, dass so etwas folgen würde. Und als die Bürger der Stadt und viele andere Leute [in] der Stadt sahen, dass die Sahne in der Gosse floss, dann gingen sie zum Marktplatz um zu schauen. Und als sie dort waren, fragten sie, wie die Sahne verschüttet worden war und es wurde ihnen erzählt. Und als sie es erfahren hatten, dann kehrten sie lachend nachhause zurück und priesen die Falschheit und Gewandtheit Eulenspiegels sehr.

[43] Wie Eulenspiegel zu einem Gelehrten kam, um mit ihm Verse zu machen um zu argumentieren. Und wie Eulenspiegel wie folgt begann. Eulenspiegel: Mars mit dem Zepter, ein gekrönter König, Wild in der Bedrängnis72 und ihm macht Schreckliches Kämpfen nichts aus. Er ist unser Führer Und Kriegsgott und die Person, die ganz vorne steht. Für Krieger [ist er] der Schutzherr, der Schutzwall und der Wächter. Seine Kraft, seine Macht, wer kann ihnen widerstehen? – Nichts auf der Welt, wenn er es selbst so will.

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In L1 findet sich hier als Variante ›Zuneigung‹.

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The Scholer. Not all this worlde, who tolde the so? Where is that written, ryght fayne wold I see: ye came lyke a foole, and so shall ye go. By one person only, deceiued ye may be And by astronomy, I tell it vnto the If that wyll not helpe, some shyft shall I fynde By craft, or cunnyng, Mars for to blynde. Howleglas. Venus a god of loue most decorate The floure of women, and lady most pure Louers to concorde, she doth aye aggregate with parfyte loue, as marble to dure The knot of loue, she knittes on them sure With frendly amite, and neuer to discorde By dedes, thought, cogitacion, nor worde. The scholer. Not to discorde, yet dyd I neuer see knowe, nor here tell, of louers suche twayne But some faute there was, learne this of me Other in thought, or yet in wordes playne your reasons be nought, your tong goeth in vayne By naturall person: suche loue is not found In France, Flaunders, nor yet in Englysh ground ¦ Howleglas. The god of wyne, that bachus hath to name the sender of fruytes, that maketh wynes all May slake, or make, or put them in frame. All at his pleasure, and vse dyuryall He may the exalte in lykewyse to fall Their lorde, and maister and chiefe gouernour He may them destroye, and make in a houre. Textzeuge L2, Varianten: 12 doth aye aggregate] doeth aggregate L3 13 parfyte] perfet L3 13 to dure] so dure L3 20 some faute there was] some there was L3 238

[L3b]

Der Gelehrte: Nichts auf der Welt, wer hat dir das erzählt? Wo [steht] das geschrieben? Zu gerne würde ich das sehen! Du kamst wie ein Narr und so sollst du [auch wieder] gehen. Nur von einer Person kannst du getäuscht werden – Und durch die Astronomie, das sage ich dir. Wenn das nicht hilft, werde ich einen Trick finden Durch Können oder List Mars zu blenden. Eulenspiegel: Venus, ein höchst schmuckvoller Gott der Liebe, Blume der Frauen und höchst reine Dame: Liebende vereint sie, sie bindet wirklich zusammen Mit vollkommener Liebe, die wie Marmor halten soll,73 Den Knoten der Liebe. Sie knüpft ihn so sicher zwischen ihnen, Mit liebenswürdiger Freundschaft und niemals zur Uneinigkeit [führend] Durch Taten, Gedanken, Nachdenken oder Worte. Der Gelehrte: Nicht zur Uneinigkeit, jedoch habe ich noch nie zwei solche Liebende gesehen Gekannt oder Erzählungen über [solche] gehört, Ohne dass es irgendeinen Mangel gegeben hätte! Lerne das von mir; Sonst sind Eure Argumente nichtig im Denken oder auch in klaren Worten, Bewegt Eure Zunge sich umsonst. Unter sterblichen Menschen lässt sich solche Liebe nicht finden, [Weder] in Frankreich, Flandern noch auf englischem Boden. Eulenspiegel: Der Gott des Weins, der »Bacchus« zum Namen hat, Der Sender des Obsts, das Wein gibt, Kann alle geringfügig oder bedeutend machen oder sie ordnen. All [das] nach seinem Gefallen und täglichen Nutzen; er kann dich erhöhen, um dich so zu Fall bringen, Ihr Herr und Meister und Hauptregent, er kann sie in einer Stunde zerstören und bedeutend machen.

73

Ebenso einleuchtend erscheint die L1-Variante »so dure«, womit die Phrase »wie Marmor so hart« lauten würde. Die Verwechslung von ›t‹ und langschäftigem ›s‹ kann leicht geschehen.

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The scholer. All to destroy, it is not by his myght Nor yet for to make of that be thou sure (Omnia per ipsum (saint Iohan sayes full ryght Than we call Christ, our god and our treasure Presume not so hye, you fayle of your measure Rede, heare, and see, and bere well a waye Vnknowen vnsayde and for grace thou pray. Vale.

[44]

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Howe Howleglas at Mollem was sycke, and howe he did shyte in the poticaries boxes, and how he was borne in the holy ghoste.

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AS Howleglas was come from Meriendasse. than he fell sycke and whan he was sycke, he went to Mollem, where he was lodged in an poticaryes house, for to make medicines therfore100. Than shold the poticarie geue to him a medicine for his sicknesse and than he gaue to Howleglas a stronge purgacion. And in the mornynge the purgacion begon to worke. And than arose Howleglas for to haue gone to they draughte, but he coulde not fynde none: and so he beshyt all thei chambre. And than he toke the .xii. boxes, that the medicins were in, and he shyt in euery one of them, and he said. Here come out the medicines again ¦ it were great pity to lose them, for I haue no [L4] mony to geue hym for them. whan they potycary hearde these wordes, than was he angry, and he would haue hym no, longer in his house but toke and bare him into an hospital of the holy gost. And whan he was the within, than he said I haue praied god long that the holy gost might come vnto me, but my praier is clene contrary, for I am come into the holy gost, and he abydeth without me, and I in hym. Than laughed the peple and said. As men liue: so 16 Howleglas] wowleglas Textzeuge L2

100

Ob die seltsame Wendung, Eulenspiegel wolle an diesem Ort Arzneien machen, mehr Sinn macht, wenn man berücksichtigt, dass bis ins frühe 17. Jh. ein ›potecarie‹ auch jemand sein konnte, der sowohl Lebensmittel als auch Arzneien verkaufte (OED2, 1.)?

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Der Gelehrte: Alle zu zerstören liegt nicht in seiner Macht, auch nicht, bedeutend zu machen, dessen kannst du sicher sein. (Omnia per ipsum, sagt Sankt Johannes so richtig.) Dann rufen wir Christus, unseren Gott und unseren Schatz, Maßt euch nicht zu Hohes an, ihr reicht nicht an euren Maßstab! Lies, höre und sieh und kämpfe dich weiter voran Ohne Wissen, ungesagt und du bete um Gnade. Vale.

[44] Wie Eulenspiegel in Mölln krank war und wie er in die Schachteln des Apothekers schiss und wie er in den Heiligen Geist getragen wurde. Als Eulenspiegel von Meriendasse74 gekommen war, dann wurde er krank und als er krank war, ging er nach Mölln, wo er im Haus eines Apothekers beherbergt war, um Arzneien dagegen zu machen. Dann sollte der Apotheker ihm eine Arznei für seine Krankheit geben und dann gab er Eulenspiegel ein starkes Abführmittel. Und am Morgen begann das Abführmittel zu wirken und dann erhob sich Eulenspiegel, um zum Abort zu gehen, aber er konnte keinen finden und so schiss er das ganze Zimmer voll. Und dann nahm er die 12 Schachteln, in denen die Arzneien waren, und er schiss in jede von ihnen und er sagte: »Hier kommen die Arzneien wieder heraus! Es wäre schade, sie zu verlieren, denn ich habe kein Geld, das ich ihm für sie geben kann.« Dann, als der Apotheker diese Worte hörte, war er wütend und wollte ihn nicht länger in seinem Haus haben, sondern nahm ihn und trug ihn in ein75 Heilig-Geist-Spital. Und als er darinnen war, dann sagte er: »Ich habe schon recht lange gebetet, dass der Heilige Geist in mich kommen möge, aber mein Gebet hat das genaue Gegenteil bewirkt, denn ich bin in den Heiligen Geist gekommen und er wohnt außerhalb von mir und ich in ihm!« Dann lachten die Leute und sagten: »Wie die Menschen leben, so

74 75

D. h., Mariental. Die Verwendung des unbestimmten Artikels im englischen Text ist merkwürdig und kann nur darin begründet sein, dass das Spital vorher noch nicht genannt worden ist.

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is their ende. Than herde his mother say that he was sick: than she came to him, and she had thought for to haue had some mony of him, for she was olde and pore, and whan she sawe him, she wepte and sayd. where be ye so sycke. And Howleglas sayd. here betwene the bed and the wal. Than said his mother speke to me one swet word. than said Howleglas to his mother, hony hony, is not that a swete worde, than saide his mother, tell me some thinge that may do me ease, than sayde Howleglas to his mother, whan that you fist101: turn your arse with the wynd and than you shal fele no stinke. Than said his mother, geue me some of your good, than said Howleglas to his mother, he that hath none shall geue none For my good is so secrete that no man can fynde it, and you can finde any take it. And than Howleglas waxed sicker and sicker, so that the folke axed him whether that he would be shryuen102, for they sawe wel that he shold not recouer. than sayde an olde syster that was a good frende of his she counsailed him to be confessed and take repentaunce for his synnes, and so to be the seruaunt of god. And Howleglas sayd. I wil not confesse me secretli, for al that I haue done, I haue done it openly to many men in dyuers landes. and that is wel knowen. For ¦ they that I haue [L4b] done good to, they wil saye good of me. And they that I haue done harme to, the wil say harme of me. But I am very sory of two thinges that which I could neuer bring to passe in my lyfe. Than sayd the syster be sory of thi sinnes, and be glad that you did not those two thinges, if that the wer yll. And if the were good, be sory because the were not done. Than sayd Howleglas, it is as men will take it. For I was sory in my mynd whan I sawe a man pycke his tethe with his knyfe, that I had not shytten on the end of it. The other is that I am sory for, that I did not driue a woden wedge in all womens arses, that were aboue .l. yere, for they be nother clenly nor profytable. I desyre it for no othere cause but this that is that the should not shyte on the ground, the whiche bringeth fruytes. Than said the sister to Howleglas god saue all women of that age and all those that bene more. For I here well and you were strong, and that you had your might as you haue had before this time you would or you departed wedge mine arse, with a woden wedge, for I am a woman of .lx. yere and more. Than he answered to the sister, I am ryght sorye. and heuy because it is not done. Than aunswered the sister it were Textzeuge L2, Varianten: 8 fist] ferst L3

101 102

Diese Variante zu ›fart‹ ist heute obsolet. Vgl. H 24.

242

30 this time] this erle L3

ist ihr Ende.« Dann hörte seine Mutter sagen, dass er krank sei; dann kam sie zu ihm und sie hatte gehofft, etwas Geld von ihm zu bekommen, denn sie war alt und arm. Und als sie ihn sah, weinte sie und sagte: »Wo seid Ihr so krank?« Und Eulenspiegel sagte: »Hier zwischen dem Bett und der Wand.« Dann sagte seine Mutter: »Sprecht ein süßes Wort zu mir!« Dann sagte Eulenspiegel zu seiner Mutter: »Honig, Honig; ist das nicht ein süßes Wort?« Dann sagte seine Mutter: »Erzählt mir etwas, das mich erleichtern wird.« Dann sagte Eulenspiegel zu seiner Mutter: »Wenn Ihr furzt, dreht Euren Hintern in den Wind und dann werdet Ihr den Gestank nicht merken.« Dann sagte seine Mutter: »Gebt mir etwas von Eurem Besitz!« Dann sagte Eulenspiegel zu seiner Mutter: »Derjenige, der nichts hat, wird nichts geben. Denn mein Besitz so versteckt, dass niemand es finden kann! – Wenn Ihr irgendetwas finden könnt, nehmt es!« Und dann wurde Eulenspiegel immer kränker, so dass die Leute ihn fragten, ob er die Beichte ablegen wolle, denn sie sahen wohl, dass er sich nicht erholen würde. Dann sagte eine alte Schwester, die eine gute Freundin von ihm war, dass sie ihm rate zu beichten und seine Sünden zu bereuen und so ein Diener Gottes zu sein. Und Eulenspiegel sagte: »Ich werde nicht heimlich beichten, denn alles, was ich getan habe, habe ich vielen Menschen in verschiedenen Ländern öffentlich getan und das ist wohlbekannt. Denn diejenigen, denen ich Gutes getan habe, werden Gutes von mir sagen und diejenigen, denen ich Schlechtes getan habe, werden Schlechtes von mir sagen. Aber zwei Sachen, die ich in meinem Leben nie geschafft habe, tun mir leid.« Dann sagte die Schwester: »Lasst Euch Eure Sünden leid tun und seid froh, dass Ihr diese zwei Dinge nicht getan habt, wenn sie böse waren! Und wenn sie gut waren, lasst Euch leid tun, dass sie nicht getan wurden.« Dann sagte Eulenspiegel: »Es hängt davon ab, wie man es sieht. Denn es hat mir im Stillen leid getan, wenn ich einen Mann mit seinem Messer in seinen Zähnen stochern sah, dass ich nicht auf die Spitze geschissen hatte. Das andere, was mir leid tut, ist, dass ich nicht einen Holzkeil in die Hintern aller Frauen getrieben habe, die über 50 Jahre sind, denn sie sind weder reinlich noch nützlich! Ich wünsche es aus keinem anderen Grund, außer dass sie nicht auf den Boden scheißen sollen, der Frucht bringt.« Dann sagte die Schwester zu Eulenspiegel: »Gott schütze alle Frauen in diesem Alter und alle, die älter sind! Denn ich höre wohl, wenn Ihr stark wärt und Eure Macht hättet, wie Ihr sie vor dieser Zeit hattet, hättet Ihr meinen Hintern mit einem Holzkeil gestopft, denn ich bin eine Frau von über 60 Jahren!« Dann antwortete er der Schwester: »Ich bin wirklich traurig und betrübt, weil es nicht getan worden ist.« Dann antwortete die Schwester: »Es wäre

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much better that the deuil had the. Than answered Howleglas that is truthe, for a woman is no soner angry but she is worse than the deuil. And than the syster departed and let hym lye.

[45] 5

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How Howleglas deceyued his gostly father. VNd as Howleglas was thus sicke, and than they brought to hym a prieste. And whan the priest was come there, he thought in his mynd, this ¦ hath M.i. bene a great [ ] where with he hath g[ ] the priest vnto him and [ ] your selfe, for ye haue done ma[ ] must you remebre that you haue [ ] how you haue gotten much mony b[ ] hode, and now bestowe that moni to the w[ ] and poore priestes as I am, and that I councell for to do, and I shall order it well and remembre you hereafter, and do many masses for you. Than sayde Howleglas. Good father if it please you to come at noone agayne, than shal I make redy some mony for you: Than was the priest glad, and than departed. Than tooke Howleglas an earthen pot and fylled it half ful of turdes, and he strawed theron a lytle mony, soo that the durte was couered. And whan it was noone, the priest came and he sayd to Howleglas. Frend shall I haue that that you promised me? And Howleglas sayde ye. Than he set the pot before hym, and sayde. Take now your selfe. but be not to hasty, nor put not your hand to depe. Than sayde the priest I shall do as you byd me. And Howleglas dyd open the pot, and he bad the priest to grype softly, for it was almost ful. Than was the priest hasty, and put his hand into the pot, and he gryped a great handfull. And when he felt it softe: he pulled out his hande, and it was all to be shitten. Than the priest sayde, ye maye well be called a deceyuer and begyler, that haue deceiued his ghostly father, and whan ye be at the poynte of death. Than sayde Howleglas to the priest. Good syr dyd I not shewe vnto you before that you shold not grype to depe? And if 8–11 great [ ]…w[ ] and] Ecke fehlt

11 councell] ›ll‹ nicht lesbar

Textzeuge L2, Varianten: 1 that] it L3 8 great [ ] where] deceyuer of the people and begiler, L3 8 g[ ] the] get much mony. And then came L3 8 and [ ] your] sayde, howleglas remember L3 9 ma[ ] must] many synnes, and nowe L3 9 haue [ ] how] a soule, to keepe and L3 10 b[ ] hode] by desceite, and false- L3 11 w[ ] and] worship of god L3 11 councell for] councel you L3 21 dyd open] did it L3 244

viel besser, wenn der Teufel dich holen würde!« Dann antwortete Eulenspiegel: »Das ist wahr, denn eine Frau, sobald sie wütend ist, ist schlimmer als der Teufel!« Und dann ging die Schwester weg und ließ ihn liegen.

[45] Wie Eulenspiegel seinen geistlichen Vater täuschte. Und als Eulenspiegel so krank war, dann brachten sie einen Priester zu ihm. Und als der Priester dort angekommen war, dachte er bei sich:76 »Dies ist ein großer [Leutetäuscher und Betrüger gewesen,] womit er [viel Geld ergattert hat.« Und dann kam] der Priester zu ihm und [sagte: »Eulenspiegel, besinnt] Euch, denn Ihr habt [viele Sünden getan und jetzt] müsst Ihr Euch besinnen, dass Ihr [eine Seele zu bewahren habt und] wie Ihr viel Geld bekommen habt [durch Täuschung und Falsch]heit! Und jetzt vermacht dies Geld zur [Ehre Gottes] und armer Priester, wie ich einer bin. Und das rate ich [Euch] zu tun und ich werde es gut richten und Euch hiernach in Erinnerung halten und viele Messen für Euch halten.« Dann sagte Eulenspiegel: »Guter Vater, wenn es Euch beliebt, am Mittag wieder zu kommen, dann werde ich etwas Geld für Euch bereitlegen.« Dann war der Priester froh und dann ging er weg. Dann nahm Eulenspiegel einen irdenen Topf und füllte ihn zur Hälfte mit Scheiße und er streute darauf ein wenig Geld, so dass der Dreck bedeckt war. Und als es Mittag war, kam der Priester und er sagte zu Eulenspiegel: »Freund, werde ich das bekommen, was Ihr mir versprochen habt?« Und Eulenspiegel sagte: »Ja.« Dann stellte er den Topf vor ihn und sagte: »Nehmt Euch jetzt selbst, aber seid nicht hastig und steckt auch Eure Hand nicht zu tief hinein. Dann sagte der Priester: »Ich werde tun, wie Ihr mich heißt.« Und Eulenspiegel öffnete den Topf und er hieß den Priester vorsichtig zu greifen, denn es sei fast voll. Dann war der Priester hastig und steckte seine Hand in den Topf und er griff eine große Handvoll. Und als er etwas Weiches fühlte, zog er seine Hand heraus und sie war ganz voll von Scheiße. Dann sagte der Priester: »Ihr werdet zu Recht ein Täuscher und Betrüger genannt, der [sogar] seinen geistlichen Vater täuscht – und wenn Ihr im Sterben liegt!« Dann sagte Eulenspiegel zum Priester: »Guter Herr, habe ich Euch nicht vorher enthüllt, dass Ihr nicht zu tief greifen solltet? Wenn Ihr

76

Aufgrund einer fehlenden Ecke ist der englische Text lückenhaft. In der Übersetzung wird aus L3 ergänzt, was sich im Apparat findet; diese Ergänzungen stehen in eckigen Klammern. In L1 fehlt die Lage, stattdessen findet sich dort eine Abschrift von L2.

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that ye were couetous, it was not my faut. Than sayd the ¦ [ ]ciousnesse all [M1b] other, [ ] was great pyty that that [ ] yng, whan thou sholdest haue bene [ ]eke, and whan the priest departed from [ ] Howleglas called the priest agayne, and [ ] to hym. Maister parson come agayne, and take your money with you. But he went his waye and made it as he harde it not.

[46] How Howleglas made his testament.

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IN the meane time wexed Howleglas sycker and sicker, Than he called for the lordes to make his tastamente103. And whan they were come: he gaue hys goodes in .iii. partes. One parte to his kynfolke, an other to the lordes of Molen, and the other to the parson of Molen, whan soeuer he died. And he asked to be buryed in christen mans buriall, and to syng for hys soule, Placebo and Dirig104, with masses and other good seruyces, after the custome and vsans. And than he shewed to them a great chest that was wel barred with yron, and fowre keyes therto belongyng, and he told vnto them, that in that chest was all his good, and than he gaue the cheste to them to kepe, that wer right heuy for him. And than within a moneth after his death than the foure should take the keyes therof, and open the cheste, and deale all the 1–4 the [ ] to hym] Ecke fehlt, kaum lesbar 7 Howleglas] Holeglas

3 Howleglas] Howleglss

Textzeuge L2, Varianten: 1 the [ ]ciousnesse] priest, ye passe in vngraciousnesse L3 2 other, [ ] was] that euer I sawe, In faith it was L3 2 that [ ] yng] scaped from hanging L3 3 bene [ ]eke] hanged at Lubeke L3 3 from [ ] Howleglas] thence. Then howleglas L3 4 and [ ] to hym] he sayd to hym. L3 103

Unter den Tudors wurde ein neues Gesetz eingeführt, nach dem jeder ein Testament beziehungsweise ein Inventar aufsetzen musste; dies wird hier allerdings mit der deutschen Tradition, nach der dabei auch der Rat anwesend zu sein hat, vermischt. Vgl. Camp (1947), S. xv. 104 Im lateinischen Ritus handelt es sich beim Placebo um eine Messe zum Gedenken der Toten, dessen erster Wechselgesang mit den Worten »Placebo Domino« beginnt (Ps. 114:9). Das ›Dirig‹ bezieht sich auf das erste Wort des Antiphons »Dirige, Domine, Deus meus…« (Ps. 5:8) (OED2, ›dirge‹).

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habgierig gewesen seid, war das nicht mein Fehler!« Dann sagte der [Priester: »Du übertriffst an Verdorbenheit] alle anderen, [die ich jemals gesehen habe! Wahrhaft, es] ist sehr schade, dass [du dem Hängen entkommen bist, als du in Lüb]eck gehängt werden solltest!« Und als der Priester von [dort wegging, dann] rief Eulenspiegel den Priester zurück und [er sagte] zum ihm: »Meister Pfarrer, kommt zurück und nehmt Euer Geld mit Euch!« Aber er ging seines Wegs und tat, als ob er es nicht höre.

[46] Wie Eulenspiegel sein Testament machte. In der Zwischenzeit wurde Eulenspiegel kränker und kränker. Dann rief er den Rat, um sein Testament zu machen. Und als sie gekommen waren, gab er seinen Besitz in 3 Teilen: einen Teil seinen Verwandten, einen anderen dem Rat von Mölln und den anderen dem Pfarrer von Mölln, wenn er sterben würde. Und er bat um ein christliches Begräbnis und dass für seine Seele ein Placebo und Dirige gesungen werde, mit Messen und anderen guten Diensten, nach Brauch und Sitte. Und dann zeigte er ihnen eine große Truhe, die gut mit Eisen verriegelt war und vier Schlüssel, die dazu gehörten. Und er erzählte ihnen, dass in der Truhe sein ganzer Besitz sei, und er gab ihnen die Truhe zur Aufbewahrung, die ordentlich schwer für ihn war. Und dann, innerhalb eines Monats nach seinem Tod, sollten die vier die Schlüssel dafür nehmen und die Truhe öffnen und das ganze

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money for his soule. And within a whyle after he departed. And whan he was dead: they wound hym in a wynding shete, and after in a coffyn, and after on a bere. Than came the pryestes and fetched hym to church and song for hym placebo and dyrig. And in the meane time came in a sow with her pygges, and went vnder the bere, for she had founde ¦ found the taste of dead fleshe M.ii. and with her nose she cast down the bere, wherof the priestes and clerkes wer a frayde, and they sawe that it was downe, than they ran so fast that eche fell in others necke, for the thought that he had bene rysen agayne and so they lefte hym there. And than the systers of a nonnery tooke the corse, and brought it to graue and buried it. And whan a moneth was past: than came the thre parties for to vnlocke the cheste, and for to deale the money for his soule. And whan that they had opened the cheste: the founde no other but stones therin. Than the woundered therof, and the one loked on the other, and they parson had wende, that the lordes had had the money because they had the chest in kepinge. And the lordes wende that his frendes had opened the cheste and taken out the tresure, and put in stones the whyle that he was sycke. and so to haue shyt the cheste agayne. And his frendes wende that the curate had conueied the tresure whan that he confessed hym. And than in a gret anger they departed fro thence for at the last the knew that it was he that had don it for to mocke them. And after that the lordes and the curate agreed together agayne, and so to bury him vnder the galowes. And so they dyd. And as they were deluinge of his graue, he stanke so sore, that thei could not abide the ayre therof And so the couered hym wyth earth agayne and lete hym lye styll, and so they departed. 5 the taste of dead fleshe] ›t‹ in taste und ›fleshe‹ schlecht lesbar [›flesihe‹] 13 loked] loke¯d Textzeuge L2, Varianten: 5 the [t]aste of dead [fl]e[si]he] the taste of dead fleshe L? 10 to graue] to the graue L? 12 cheste: the] cheste, that L3 21 together agayne, and so to bury him vnder the galowes] together that they should goe to the graue and dygge him vp againe, and so to bury him vnder the galowes, L? 21 againe] rgaine L3

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Geld für seine Seele aufteilen. Und eine Weile danach verstarb er. Und als er tot war, wickelten sie ihn in ein Leichentuch und danach [taten sie ihn] in einen Sarg und danach auf eine Bahre. Dann kamen die Priester und holten ihn in die Kirche und sangen für ihn ein Placebo und Dirige. Und in der Zwischenzeit kam eine Sau mit ihren Ferkeln herein und ging unter die Bahre, denn sie hatte den Geruch des toten Fleischs aufgenommen und mit ihrer Nase stieß sie die Bahre um, wodurch die Priester und Geistlichen Angst hatten und [als] sie sahen, dass sie umgefallen war, dann rannten sie so schnell, dass sie in des anderen Rücken fielen, denn sie dachten, er sei wiederauferstanden und so ließen sie ihn dort. Und dann nahmen die Schwestern eines Nonnenklosters den Leichnam und brachten ihn zum Grab und begruben ihn. Und als ein Monat vorbei war, dann kamen die drei Parteien, um die Truhe aufzuschließen und das Geld für seine Seele aufzuteilen. Und als sie die Truhe öffneten, fanden sie darin nichts als Steine. Dann verwunderten sie sich darüber und der eine schaute den anderen an und der Pfarrer glaubte, dass die Räte das Geld hätten, weil sie die Truhe in Aufbewahrung gehabt hatten. Und die Räte glaubten, dass seine Freunde die Truhe geöffnet und den Schatz herausgenommen hätten, während er krank war und darauf die Truhe wieder geschlossen hätten. Und seine Freunde glaubten, dass der Pfarrer den Schatz entwendet hatte, als er ihm die Beichte abnahm. Und dann gingen sie in großer Wut von dort weg, denn schließlich erkannten sie, dass er es war, der es getan hatte, um sie zu verspotten. Und danach kamen die Räte und der Pfarrer überein, dass sie ihn unter dem Galgen begraben würden. Und das taten sie. Und als sie sein Grab aufgruben, stank er so entsetzlich, dass sie den Geruch nicht aushalten konnten und so bedeckten sie ihn wieder mit Erde und ließen ihn still liegen und so gingen sie weg.

249

[47] How Howleglas was buryed.

5

10

THus as Howleglas was deade, than they brought hym to be buryed. And as they would ¦ haue put the coffyn into the pytte wyth .ii. cordes, the corde [M2b] at the fete brake, so that the fote of the coffin fel into the botome of the pyt, and the coffyn stode bolt vpryght in the myddes of the graue. Than desyred the people that stode about the graue that tyme, to let the coffyn to stande bolte vpryght. For in his lyfe tyme he was a very maruelous man, and he did many wonderfull thynges, and shall be buryed as meruelousli and in this manner they left Howleglas stand bolt vpryght in his graue, and they couered him with earth And than they layde a stone. And on the stone was grauen an oule holding a glasse with her clawes And theron was grauen this scripture. Presume no man a waye this stone to take. For vnder this stone was Howleglas buried late. In the yeare of our Lorde God. M.CCC.and fyftie. 2 Howleglas] Holiglas steht auf dem Kopf]

9 meruelousli] meruesousli

13 waye] waye [›e‹

Textzeuge L2, Varianten: 4–6 haue put the coffyn into the pytte wyth .ii. cordes, the corde at the fete brake, so that the fote of the coffin fel into the botome of the pyt, and the coffyn stode bolt] corde at the fete brake, so that the fote of the coffyn fell haue put the coffyn into the pytte with .ii. cordes, the into the bottome of the pit, and the coffyn stoode bolt vp ryght in the myddes of the graue. L? [Die Zeilen sind vertauscht.] 7 to let the coffyn] to all that coffin L3

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[47] Wie Eulenspiegel begraben wurde. Als Eulenspiegel also tot war, dann brachten sie ihn, um ihn zu begraben. Und [gerade] als sie den Sarg mit 2 Seilen in die Grube legen wollten, zerriss das Seil am Fußende, so dass das Fußende des Sargs auf den Boden der Grube fiel und der Sarg stand senkrecht mitten im Grab. Dann wünschten sich die Leute, die zu der Zeit um das Grab herumstanden, dass der Sarg senkrecht stehen gelassen werden sollte: »Denn er war zu seinen Lebzeiten ein sehr wunderlicher Mann und er hat viele wunderbare Dinge getan und soll genauso wunderlich begraben sein!« Und auf diese Weise ließen sie Eulenspiegel senkrecht in seinem Grab stehen und sie deckten ihn mit Erde zu und dann errichteten sie einen Grabstein. Und auf dem Stein war eine Eule eingemeißelt, die einen Spiegel in ihren Krallen hielt, und darauf war dieser Text eingemeißelt: Keiner wage diesen Stein wegzunehmen, denn kürzlich wurde Eulenspiegel unter diesem Stein begraben. Im Jahre 1300 und fünfzig unseres Herrn Gott.

251

¦ Here begynneth the table.

5

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25

30

M.iii.

HOwe Howleglas as he was borne was christened .iii. tymes vpon one daye. How Howleglas aunswered a man that asked the hyghe waye. How that Howleglas sat vpon his fathers horse, behynde hym. How Howleglas fell fro the rope into the water. How Howleglas mother learned hym, and bad him go to a craft. How Howleglas gat bread for his mother. Howe Howleglas was stolen out of a bye hyue, by nyght. How Howleglas was hyred of a pryest. How Holeglas was made a paryshe clarke. How Howleglas wold flye fro a hous top. How Howleglas made hymselfe a physicion, and how he begyled a doctour with his medicines. How Howleglas made a sicke chylde [ ] shyte, that a fore myght not shyte, and howe he gat great worship therof. How Howleglas made hole all the sycke folke that were in the hospytall, where the spere of our lord is. How Howleglas was hyred to be a bakers seruant How Howleglas was put in wages, with the foster of Anhalte for to watche vpon a tower, to se whan his enemies came, and than for to blowe an horne to warne them therof. How Howleglas wan a great deale of mony wyth a poynt of foolyshnesse. How the duke of Lunenborough banyshed How, ¦ leglas out of his lande. [M3b] How Howleglas set his hostyse vpon the hoote asshes with, her bare arce. How Howleglas toke vpon him to be a paynter. How Howleglas had a great disputacion with all the douctours of Pragem in Bemen. How Howleglas became a pardoner. How Howleglas did eate for money, in the towne Banderbetche. How Howleglas went to Rome to speke with the pope. How Howleglas deceiued .iii. Iewes with durt. How Howleglas had gotten the persons horse by his confession. 8 Howleglas] Holeglas 14 Howleglas] Holeglas 14 chylde [ ]] chylde shylde 16 Howleglas] Holeglas 28 pardoner] pardoner [erstes ›r‹ steht auf dem Kopf] Textzeuge L2, Varianten: 26 Pragem] Praigem L3 Badverbetche L3 252

29 Banderbetche]

Hier beginnt die Tabelle: Wie Eulenspiegel, als er geboren war, 3 Mal an einem Tag getauft wurde. Wie Eulenspiegel einem Mann antwortete, der nach dem Weg fragte. Wie Eulenspiegel auf dem Pferd seines Vaters hinter ihm saß. Wie Eulenspiegel vom Seil ins Wasser fiel, was die Leute sehr vergnügte. Wie Eulenspiegels Mutter ihn belehrte und ein Handwerk ausüben hieß. Wie Eulenspiegel für seine Mutter Brot besorgte. Wie Eulenspiegel bei Nacht aus einem Bienenstock gestohlen wurde. Wie Eulenspiegel von einem Priester angestellt wurde. Wie Eulenspiegel zum Gemeindeküster gemacht wurde. Wie Eulenspiegel von einer Hausspitze fliegen wollte. Wie Eulenspiegel sich selbst als Arzt ausgab und wie er einen Doktor mit seinen Arzneien täuschte. Wie Eulenspiegel ein krankes Kind zum Scheißen brachte, das zuvor nicht scheißen konnte, und wie er dafür große Ehre bekam. Wie Eulenspiegel alle kranken Leute gesund machte, die im Spital waren, wo der Speer unseres Herrn ist. Wie Eulenspiegel als Bäckersknecht angestellt wurde. Wie Eulenspiegel in den Sold des Fürsten von Anhalt genommen wurde, um auf einem Turm Wache zu halten, um zu sehen, wann dessen Feinde kämen und dann ein Horn zu blasen, um sie davor zu warnen. Wie eine große Menge Geld mit einer großen Narretei gewann. Wie der Herzog von Lüneburg Eulenspiegel aus seinem Land verbannte. Wie Eulenspiegel seine Wirtin mit ihrem nackten Hintern auf die heiße Asche setzte. Wie Eulenspiegel es unternahm, ein Maler zu sein. Wie Eulenspiegel eine große Disputationen mit allen edlen Doktoren von Prag in Böhmen hatte. Wie Eulenspiegel ein Ablassprediger wurde. Wie Eulenspiegel in der Stadt Banderbetche77 für Geld aß. Wie Eulenspiegel nach Rom ging, um mit dem Papst zu sprechen. Wie Eulenspiegel 3 Juden mit Dreck täuschte. Wie Eulenspiegel das Pferd des Pfarrers durch seine Beichte bekam.

77

D. h., Bamberg.

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5

10

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25

30

How Howleglas was hyred of a blacke smyth. How Howleglas was hyred of a shoemaker. How Howleglas serued a tayler. How Howleglas solde turdes for fat. How Howleglas through his subtle disceytes deceyued a wyne drawer in Lubeke. How Howleglas became a maker of Spectacles and howe he could fynde no worke in no lande. How Howleglas was hyred of a marchaunt man to be his cooke. How howleglas was desyred to dyner. How howleglas wane a piece of cloth, of a man of the country. How howleglas gaue .xx. gyldens to .xii. poore men for Christes loue. How howleglas feared his host with a dead woulfe. How howleglas flied a hound and gaue the skyn for halfe his dynner. How howleglas serued the same hostise another tim ¦ And laye on a whele. [M4] How Howleglas serued a holander with a rosted aple. How Howleglas made a woman that sold erthen potts to smyte them all in pieces, How Howleglas brake the stayres that the munkes should come downe on to matyns, and how thei fell downe into the yarde. How Howleglas bought creame of the women of the cuntrey that brought it for to sell. How Howleglas came to a scholer, to make verses with him to the vse of reason. How Howleglas was secke at Molen and how he dyd shyte in the poticaries boxes, and was borne in the holy ghoste. How Howleglas deceiued his ghostly father. How Howleglas made his testament. How Howleglas was buried. Thus endeth the lyfe of Howleglas. Imprynted at London in Tamesstrete at the ||Vintre on the thre Craned wharfe || by Wyllyam Copland. 14 howleglas] howleglace

23 Howleglas] Howlegls

Textzeuge L2, Varianten: 31 Imprynted at London in Tamesstrete at the || Vintre on the thre Craned wharfe || by Wyllyam Copland.] Imprinted at London in Lothbury, by me || Wyllyam Copland L3 254

Wie Eulenspiegel von einem Schmied angestellt wurde. Wie Eulenspiegel von einem Schuhmacher angestellt wurde. Wie Eulenspiegel einem Schneider diente. Wie Eulenspiegel Scheiße als Fett verkaufte. Wie Eulenspiegel durch seine gewandten Täuschungen einen Weinzapfer in Lübeck täuschte. Wie Eulenspiegel ein Brillenmacher wurde und wie er keine Arbeit in keinem Land finden konnte, in das er kam. Wie Eulenspiegel von einem Kaufmann angestellt wurde, um sein Koch zu sein. Wie Eulenspiegel zum Mittagessen eingeladen wurde. Wie Eulenspiegel ein Stück Tuch von einem Bauern gewann. Wie Eulenspiegel 12 armen Männern um Christi Liebe willen 20 Gulden gab. Wie Eulenspiegel seinen Wirt mit einem toten Wolf erschreckte. Wie Eulenspiegel einem Hund das Fell abzog und und mit der Haut die Hälfte seines Mittagessens bezahlte. Wie Eulenspiegel dieselbe Wirtin ein anderes Mal behandelte und auf einem Rad lag. Wie Eulenspiegel einen Holländer mit einem gerösteten Apfel behandelte. Wie Eulenspiegel bewirkte, dass eine Frau, die irdene Töpfe verkaufte, sie alle in Stücke schlug. Wie Eulenspiegel die Treppe zerbrach, die die Mönche zur Frühandacht hinunterkommen sollten, und wie sie auf den Hof hinunterfielen. Wie Eulenspiegel Sahne von den Bäuerinnen kaufte, die sie zum Verkauf gebracht hatten. Wie Eulenspiegel zu einem Gelehrten kam, um mit ihm Verse zu machen um zu argumentieren. Wie Eulenspiegel in Mölln krank war und wie er in die Schachteln des Apothekers schiss und wie er in den Heiligen Geist getragen wurde. Wie Eulenspiegel seinen geistlichen Vater täuschte. Wie Eulenspiegel sein Testament machte. Wie Eulenspiegel begraben wurde.

So endet das Leben von Eulenspiegel. Gedruckt in London in der Tamesstrete am Vintre an der thre Craned wharfe von Wyllyam Copland

255

IV.

Der Antwerpener Drucker Jan van Doesborch und der englische Buchmarkt

Der erste Howleglas-Druck wird auf etwa 1519 datiert und dem Antwerpener Drucker Jan van Doesborch zugeschrieben.1 Neben seinen flämischen Drucken spezialisierte sich dieser zunehmend auf kontinentale Prosaliteratur in englischer Übersetzung, für die es in England zu dieser Zeit nicht genug Verleger gab. Die große Nachfrage auf dem englischen Markt ermöglichte van Doesborch die Produktion dieser Drucke in Antwerpen, einer Stadt, deren aufblühendes Druckergewerbe und deren lange Handelsbeziehungen mit England sie zu einem Knotenpunkt im Buchhandel machte. Durch die Abhängigkeit des englischen Buchmarkts vom kontinentalen Angebot an fremd- wie auch an englischsprachigen Büchern war die Zuwanderung von ausländischem Druck- und Verkaufspersonal in dieser Zeit hoch. Jan van Doesborchs Umfeld sowohl auf dem Antwerpener als auch auf dem englischen Buchmarkt war daher durch die Zirkulation von Produktionsmitteln (Lettern, Holzschnitte), Produkten (Bücher) und beteiligten Personen (Übersetzer, Drucker, Händler) geprägt. Die Rahmenbedingungen und das internationale Beziehungsgeflecht, innerhalb deren van Doesborch seine Geschäfte betrieb und somit der Howleglas entstand, werden in diesem Kapitel analysiert.

1. Der Antwerpener Buchmarkt Antwerpen gewann erst seit dem Ende des 15. Jahrhunderts zunehmend als Markt für gedruckte Bücher an Bedeutung. Dann allerdings nahm die Stadt für ein gutes halbes Jahrhundert in den Niederlanden eine Schlüsselstellung ein und war eine Drehscheibe für ganz Nord-West-Europa. Während in der Inkunabelzeit noch Gouda, Delft und Deventer das Feld beherrschten, ver-

1

Diese Zuschreibung wird auf S. 280ff. untersucht. Kurz zusammengefasst, erfolgte die Zuschreibung durch die Analyse seiner Drucktypen, Holzschnitte und seines Programms. Obwohl es an dieser Zuschreibung Kritik gegeben hat, ist bis jetzt kein anderer Drucker ernsthaft als Verleger des ersten englischen Eulenspiegel-Drucks in die Diskussion gebracht worden.

257

lagerte sich in den achtziger Jahren des 15. Jahrhunderts der Buchmarkt nach Süden und Antwerpen entwickelte sich in der Post-Inkunabelzeit zu einem der bedeutendsten Buchmärkte Europas.2 Gab es im vorletzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts erst drei Drucker in der Stadt, wuchs ihre Zahl bis 1520 auf 20 an.3 Diese Entstehung eines mächtigen Buchhandelszentrums hing sicherlich mit der Neugewichtung Antwerpens als Ausweichhandelsplatz zusammen: Der wirtschaftliche Durchbruch Antwerpens, einhergehend mit einem Bevölkerungsanstieg im allgemeinen und einem hohen Zustrom an Händlern, kann als Erklärungsansatz für diese Entwicklung [das Wachsen des Buchmarkts, AHZ] dienen. Englische Tuchhändler, die in anderen Städten Brabants und in Brügge ihre Ware nicht absetzen konnten und durften, Silber- und Kupferhändler wie Fugger und Welser aus Süddeutschland, Portugiesen, die Gewürze wie Pfeffer und Zimt verkaufen wollten, gingen insbesondere nach dem Erlaß Kaiser Maximilians 1488 für ausländische Kaufleute, Brügge zu verlassen, nach Antwerpen.4

Zwar kehrten später viele Händler wieder nach Brügge zurück, die Engländer aber nutzten Antwerpen weiterhin als Umschlagplatz nach Köln, die Portugiesen und Deutschen für den Metall-, Gewürz- und Tuchhandel. Zu den neuangesiedelten Handwerkern gesellten sich auch Künstler – und Buchdrucker.5 Der wirtschaftliche Aufstieg bescherte der Stadt einen starken Bevölkerungsanstieg: 1496 lebten dort etwa 40.000 Menschen, dreißig Jahre später waren es 55.000.6 Antwerpen war für den Handel im nördlichen Westeuropa ein Zentrum: Hier vermischten sich die Kaufleute der Hanse mit den Niederländern und trafen sich zu Verhandlungen mit englischen Delegationen. Die wichtigste Landroute für die Hanse kam über Köln, das zu dieser Zeit selbst Hansestadt war, und führte auf dem Seeweg weiter nach London sowie zu anderen englischen Seehäfen. Aus dem Süden wurden Bücher von den süddeutschen Buchzentren Straßburg, Regensburg und Augsburg den Rhein aufwärts gebracht und in Köln und Antwerpen umgeschlagen. Genauso wichtig waren die Verbindungen nach Frankreich und, wiederum auf dem Seeweg, nach Italien. Menschen und Güter zogen durch oder verweilten in dieser Stadt. Neben Flämisch wurde Niederdeutsch, Kölnisch und manchmal Hochdeutsch gesprochen, selbstverständlich auch Französisch, Englisch dagegen weniger

2 3 4 5 6

Vgl. de Nave (1993), S. 88. Vgl. Schlusemann (1997), S. 33. Ebd., S. 50f. Vgl. ebd., S. 51. Die Größe Londons um 1500 mit ca. 50.000 Einwohnern entspricht relativ genau der Antwerpens. Vgl. Ridley (2002), S. 25.

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(vgl. S. 296); für die Gebildeten war Latein die lingua franca. Ähnlich polyglott waren die Buchproduktion und der Buchhandel: Aus allen Regionen trafen hier Bücher in den gebräuchlichen Sprachen ein, andere wurden hier für den Export in Fremdsprachen produziert. In Anbetracht der Marktstruktur mit der hohen Konzentration an Kaufleuten überrascht es kaum, dass die Antwerpener Drucker wenig humanistische Werke verlegten, sondern sich bereits relativ früh anderweitig spezialisierten: Der Produktionsschwerpunkt wechselte zwischen 1480 und 1520 von lateinischen zu volkssprachlichen Texten. Deren Marktanteil stieg von etwa einem Siebtel auf die Hälfte.7 Von nun an galt im Allgemeinen Folgendes: Production remained mainly limited to richly illustrated devotional literature and popular novels intended for a middle-class public with no great intellectual ambitions.8

Die internationalen Handelsbeziehungen der Stadt spiegeln sich aber auch im Druckbereich wieder, denn schon bald produzierten die Antwerpener Drucker für den Export. In der vorliegenden Untersuchung ist natürlich besonders das Verhältnis zwischen den Antwerpener Druckern und England von Interesse. Dabei soll das Augenmerk speziell auf die Antwerpener Drucker gerichtet werden, die englische Literatur verlegten. Es gab in der Scheldestadt zwar um die Jahrhundertwende diverse Drucker, deren Schwerpunkt im Bereich der Literatur in Übersetzung lag, beispielsweise Henrich Eckert van Hombergh, der im Zeitraum 1501–1510 mit 72 Drucken (davon 44 niederländischen) das Feld beherrschte und der mit solchen Texten wie dem Narrenschiff (NK 2556, aus dem Deutschen ins Flämische) und der Melusine (NK 0622, 4352, aus dem Französischen ins Flämische) die Übersetzungsliteratur vorantrieb.9 Jedoch war die Zahl derjenigen, die sich auf das Verlegen englischsprachiger Literatur spezialisierten, begrenzt.

1.1. Gheraert Leeu: Der erste Drucker englischer Literatur in Antwerpen Unter den Antwerpener Offizinen, die englische Literatur herausgaben, ist um 1480 diejenige von Gheraert Leeu herauszuheben. Dieser war somit bereits in der Wiegendruckzeit im Englandhandel aktiv: Er versorgte den

7 8 9

Vgl. Schlusemann (1997), S. 50. De Nave (1993), S. 88. Vgl. Schlusemann (1997), S. 37f.

259

englischen Markt mit Salisbury Missalen.10 Im Bereich der Prosaliteratur verlegte er zum Beispiel solche Texte wie The History of Jason (STC2 15384), The History of Paris (STC2 19207) oder Salomon und Markolf (STC2 22905) in englischer Sprache.11 Über seine Beziehung zum ersten englischen Drucker, William Caxton, sind viele Vermutungen geäußert worden. Hier soll nur eine kurze Zusammenfassung des Disputes gegeben werden. Caxton war bekanntermaßen dem Druckhandwerk in Köln begegnet und vor seiner Rückkehr nach Westminster 1476 auch in den Niederlanden tätig. Es lassen sich deshalb einige seiner Verbindungen dorthin erklären, wenn auch nicht die Details der Geschäftsbeziehungen oder Partnerschaften. Sicher ist aber, dass der Tod Caxtons im englischen Druckmarkt eine Lücke hinterließ, die auch von seinem Nachfolger Wynkyn de Worde und von Richard Pynson zunächst nicht gefüllt werden konnte und dass Leeu in die Bresche sprang. Nach Caxtons Tod im Jahr 1491 legte Leeu einige ursprünglich von jenem herausgegebene Drucke neu auf: In 1492–3, soon after Caxton’s death and just before his own, Leeu reprinted three Caxton editions in the English language (Jason, Paris and Vienne, and Chronicles of England), probably not by way of piracy, but rather as commissions from Caxton’s executors or his successor Wynkyn de Worde to fill the gap until de Worde brought the press back into full production. It seems not unlikely that Caxton obtained his first set of printed initials early in 1484 from the same Gouda craftsmen who supplied the rather similar sets which Leeu took with him when he removed his press to Antwerp in the summer of that year, and that Leeu helped him to do so.12

Bei einem Streit kam Leeu jedoch selbst bald ums Leben, andere Antwerpener Drucker traten an seine Stelle.

1.2. Andere Akteure auf dem Antwerpener Buchmarkt Die Beziehungen zwischen diesen vielfältigen Komponenten sind heute aus Mangel an schriftlichen Zeugnissen nicht vollständig aufzuklären. Die unsichere Situation zeichnet sich in der Forschungsliteratur nach wie vor in zahlreichen Debatten ab. So bleibt die Frage, ob bestimmte Nachdrucke Raubdrucke oder Kooperationen waren, strittig. Zudem gilt zu klären: Waren bestimmte Drucker ›Trittbrettfahrer‹, die auf dem Erfolgskurs anderer mit-

10 11 12

Vgl. Kronenberg (1929c), S. 140. Gerade der letztere Text muss im Auge behalten werden, weil er später in Verbindung mit dem Eulenspiegel in England erscheint. Painter (1976), S. 150.

260

segelten? Lässt die Qualität der Drucke oder des Programms Rückschlüsse darüber zu, ob ein Drucker nur älteres Material eines anderen Druckers, das heute verschollen ist, nachdruckte oder ob er innovativ Texte an die Leserinnen und Leser zu bringen versuchte? Die Materialien, aus denen man Schlüsse zu ziehen versucht, sind möglicherweise ausgetauschte Holzschnitte oder Kolophone, die als Verkaufsstellen andere Drucker benennen. Mit all diesen Fragen engstens verbunden ist der erste englische EulenspiegelDruck, da die Annahme der Herausgeberschaft van Doesborchs aufgrund des Fragmentcharakters des verbleibenden Textes auf Zuschreibung beruht. Zunächst ist es notwendig, das Umfeld des Drucks zu verstehen, insbesondere die Beziehungen und losen Netzwerke zwischen den Druckern und den Städten und Ländern. Dass der Wechsel von alten zu neuen Akteuren auf dem Buchmarkt kontinuierlich erfolgte und nicht mit 1500, dem gesetzten Ende der Wiegendruckzeit, ein plötzlicher Wendepunkt gegeben ist, lässt sich in Antwerpen in den ersten Jahren der Post-Inkunabelzeit anhand der langsamen Umstrukturierung des Buchmarkts nachvollziehen. Eine Beständigkeit war durch die stetige Weitergabe des Druckmaterials gegeben: In Rolant van den Dorpes Druck Het hoofkijn van devotien (1496) lassen sich beispielsweise Holzschnitte aus dem Nachlass Gheraert Leeus finden. Seine Lettern gehörten, wie so viele andere, zur sogenannten Henrick die Lettersnider-Gruppe.13 Als van den Dorpe 1500 starb, übernahm seine Witwe kurzzeitig seine Offizin, dann (spätestens ab 1505) finden sich seine Lettern im Besitz Jan van Doesborchs. Es ist reine Spekulation, ob der Nachfolger den Bestand erwarb oder dieser durch Heirat in seinen Besitz gelangte. Zwar war es im frühneuzeitlichen Buchgewerbe häufig, dass ein ehemaliger Angestellter die Witwe des Meisters heiratete und die Tatsache, dass van den Dorpes Witwe nur für ein (Trauer-?-)Jahr die Offizin weiterführte, könnte ein Hinweis darauf sein. Ebenso gut ist es aber möglich, dass van Doesborch den Bestand von ihr oder nach ihrem Tod erwarb. Ohne weitere Belege lässt sich dies nicht mit Bestimmtheit feststellen.

1.2.1. Konkurrenz oder Kooperation? Im selben Zeitraum war und wurde eine Anzahl neuer Drucker aktiv. Das Feld beherrschte der oben bereits erwähnte Henrich Eckert van Hombergh. Daneben trugen aber auch solche Drucker wie Willem Vorsterman oder

13

Vgl. Hellinga/Hellinga (1966), Bd. 1, S. 97.

261

Michiel Hillen van Hoochstraten mit einer zunächst kleinen, doch über die Jahrzehnte stark anwachsenden Produktion zum schnellen Aufstieg Antwerpens als Buchhandelszentrum bei. Vorsterman druckte anfänglich zwar auch fiktionale Texte, jedoch ist er insgesamt, wie Schlusemann ausführt, ein Drucker [..], der Texte auswählt, die sich bereits vorher, sei es in einer anderen Sprache oder bei einem anderen Drucker, als Erfolgstexte herauskristallisiert haben. Im Gegensatz zu den beiden anderen produktivsten Druckern des ersten Jahrzehnts des 16. Jahrhunderts in Antwerpen verläßt er sich nicht so sehr auf den Absatz geistlich-erbaulicher Texte, sondern gibt der Fachliteratur einen eindeutigen Vorrang.14

Sein Aufstieg im Antwerpener Buchgewerbe verlief ungefähr zeitgleich mit dem Jan van Doesborchs. Er war ab 1504 in Antwerpen tätig, wurde vier Jahre nach van Doesborch in die Illustratorgilde aufgenommen und bekam ein Jahr vor jenem ein Druckpatent verliehen.15 Es gibt darüber hinaus konkrete Schnittpunkte in ihren Drucken, die auf eine Kooperation hindeuten. Diese sind in der Vergangenheit zu Ungunsten Vorstermans gedeutet worden, dem man unterstellte, durch schnelle Raubdrucke am Erfolg von Büchern, die andere zuerst verlegten, einen Anteil ergattern zu wollen. Dagegen spricht zweierlei: Zum einen wurde Vorsterman zweimal, 1527 und 1542, Dekan der Gilde16 – eine Ehre und Verantwortung, die man kaum einem unzuverlässigen ›Piraten‹ angetragen haben würde. Zum anderen geht aus den Drucken hervor, dass Vorsterman zum Beispiel von van Doesborch willentlich unterstützt wurde. In diesem Punkt überzeugt Schlusemanns Argumentation, wenn sie zu dem Ergebnis kommt, dass die Beziehung zwischen den beiden Druckern gut genug gewesen sein muss, um den Austausch von Material zu gestatten bzw. um Vorsterman das Ausleihen oder Mieten zweier Holzschnitte aus dem Besitz van Doesborchs zu erlauben.17 Es handelt sich dabei um zwei Holzschnitte, die van Doesborch von van den Dorpe übernahm und vor 1512 und nach 1518 benutzte, die aber zwischen 1512 und 1518 und nach 1531 auch Drucke von Vorsterman illustrieren.18 Die Frage, auf welchen Wegen Initialen und Holzschnitte zu neuen Eigentümern, Mietern oder Ausleihenden gelangten, lässt sich oft kaum beantworten. Der Hintergrund der produktiven Aneignung, wenn ein Drucker diese in einem anderen Textumfeld einsetzte, lässt sich nur spekulativ analysieren. 14 15 16 17 18

Schlusemann (1997), S. 40. Vgl. Schlusemann (1994), S. 156. Vgl. Schlusemann (1997), S. 39. Diese Argumentation steht im Gegensatz zur auf Proctor zurückgehenden älteren Forschung, die von einer feindlichen Konkurrenz der beiden Drucker ausgeht. Vgl. Kronenberg (1929a). Vgl. Schlusemann (1994).

262

Nichtsdestoweniger werden die Verbindungen zwischen den Druckern aber auf diese Weise deutlich, ebenso wie die umfassende Zeitspanne, die solche Beziehungen haben konnten. Als Beispiel sei hier der bereits oben genannte Salomon und Markolf-Holzschnitt von Gheraert Leeu erwähnt, der bei William Copland wieder auftaucht, ebenso aber ein Initial, welches auch Leeu gehörte und bei van Doesborch in Hortus Sanitatis (nach 1520) verwendet wird.19 Ein weiterer Antwerpener Drucker, der zu Beginn des Jahrhunderts noch auf ebenso schmaler Basis produzierte wie Jan van Doesborch und mit diesem verbunden war, ist Michiel Hillen van Hoochstraten. Dass zwischen ihnen partnerschaftliche Beziehungen bestanden, wird aus der Chronik von Brabant ersichtlich, die van Doesborch 1530 druckte.20 Aus der Angabe von Michiel Hillen van Hoochstratens Offizin als Verkaufsort (»in der Rape«) neben Jan van Doesborchs eigener Presse in der Lombardenfeste gehen diese klar hervor: Dese boecken vintmen te cope tot Michiel van Hoochstraten inden rape. Gheprent tot Antwerpen op die Lombarde veste bi mi Ian van Doesborch int iaer ons heren M.CCCCC.xxx. in Iunio.

Bei der Rape handelt es sich um eine Straße im Druckerviertel Antwerpens, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Offizin van Doesborchs befand. Auch mit van Homberch verband van Doesborch der Austausch von Holzschnitten: Not only were the Chronicle set of cuts used by Eckert in his edition of 1512, the new cuts found in that edition being subsequently used with the original set by J. van Doesborgh, but the cut of S. Augustine used in the Dieren Palleys had previously passed through Eckert’s hands.21

Anders als die ältere Forschung es entwarf, kann aufgrund solcher Daten also nicht von einer erbitterten Konkurrenz als Ausdruck frühkapitalistischen Handelns oder feindlicher Gegnerschaft der genannten Antwerpener Drucker ausgegangen werden. Sicherlich wäre es ebenso falsch, sich ein Druckerkollektiv vorzustellen, das ohne Konkurrenzdenken operierte. Dass die Drucker versuchten, ihre Erzeugnisse gegenüber anderen gut zu platzieren, lässt sich beispielsweise am Titel der Chronik von Brabant ablesen. Hier wird nicht nur die Aktualität des Buches betont, da sein Inhalt bis in die Gegenwart, bis zum Druckdatum reiche (»Ende van die nieuwe gesten ghelchier bi onsen prince ende keyser Karolo totten iare .M.CCCCC. ende .xxx. in Iunio.«). Vielmehr 19 20 21

Vgl. Proctor (1894), S. 6. Der vollständige Titel findet sich unten in der Bibliographie der van-Doesborch-Drucke, S. 292ff. Proctor (1894), S. 7.

263

wird hervorgehoben, dass diese Chronik die vollständigste sei, dass sich der Kauf ähnlicher Werke daher nicht lohne. Der findige Verleger setzt nämlich zum Titel hinzu: »Ende noch veel ander vreemde gesten die in ander Cronijcken niet en sijn.« [Hervorhebung AHZ] Auszugehen ist also von einer Mischung aus Konkurrenz und Kooperation, die den Austausch von Holzschnitten ebenso zuließ wie den Verkauf von Büchern anderer Drucker in Kommission, aber auch ein wachsames Auge gegenüber anderen Druckern verlangte. Der Buchmarkt in Antwerpen wurde allerdings mit dem ständigen Zuwachs an Druckern immer enger. Daher überrascht es nicht, dass einige der Akteure sich zunehmend spezialisierten und Nischen suchten, die das Überleben garantieren sollten. Als eine solche Nische ist wohl der Englandhandel zu bezeichnen, insbesondere die Versorgung dieses Markts mit fiktionaler Prosa. In diesem Bereich siedelte sich nun Jan van Doesborch an.

2. Jan van Doesborch Von den Antwerpener Druckern war Jan van Doesborch entscheidend im Englandhandel tätig. Ob auch der Howleglas zu seinen Drucken gehört und vielleicht sogar eine niederländische Ausgabe des Eulenspiegel, wird im Folgenden erörtert. Jan van Doesborch ist in der Buchgeschichte des frühen 16. Jahrhunderts keine unbekannte Größe mehr. Seine englischen Drucke umfassen Texte wie Robin Hood (STC2 13689.5), Euryalus and Lucretia (STC2 19969.8), Frederick of Jennen (STC2 11361), Mary of Nimmeguen (STC2 17557), Virgilius (STC2 24828), The Parson of Kalenborowe (STC2 14894.5) – also die Art von kurzer Prosaliteratur, zu der auch der Howleglas zählt. De Nave fasst die Bedeutung dieses Druckers folgendermaßen zusammen: »Jan van Doesborch was the key figure, with a quarter of the English-language production in Antwerp during the years 1500–1540.«22 Bis ans Ende des 19. Jahrhunderts wurde er allerdings unterbewertet, zum einen weil viele seiner Drucke nicht entdeckt oder ihm nicht zugeschrieben waren, zum anderen weil der Großteil seiner Drucke aus kleinformatiger Gebrauchs- und Unterhaltungsliteratur besteht. Diese Bücher im Quartformat wurden meist ungebunden verkauft und regelrecht zerlesen, so dass von vielen Auflagen oft nur ein einziges Exemplar überlebt hat. In der Bibliographie wurden diese Bücher gegenüber den reich illustrierten Folianten aus der Wiegendruckzeit

22

De Nave (1993), S. 88.

264

manchmal vernachlässigt bzw. ihre Drucker negativ bewertet, obwohl auch sie immer ihre Anhänger und Sammler hatten. Seit der Jahrhundertwende hat jedoch die Erforschung der Drucke aus van Doesborchs Presse an Bedeutung gewonnen, besonders in der belgischen Buchwissenschaft, da dort beispielsweise sein (flämischer) Druck des Mariechen von Nijmegen die gleichnamige Figur bis in unsere Zeit populär gemacht hat. Zunächst wurde in England das bibliographische Interesse an ihm allerdings durch seine außergewöhnliche Stellung als Antwerpener Drucker geweckt, der für den englischen Markt englische Bücher herausgab.

2.1. Forschungsstand zu Jan van Doesborch Am Ende des 19. Jahrhunderts begann sich die englische Bibliographie mit van Doesborch auseinanderzusetzen. Die erste ausführliche analytischbibliographische Studie von Robert Proctor aus dem British Museum, einem der Vorreiter der bibliographischen Forschung, erschien 1894 und stellt van Doesborchs Bedeutung heraus: Among those who may have inherited Leeu’s traditions and practice with regard to English trade, Jan von Doesborgh is by far the most important figure.23

Gegenüber Proctors positiver Einschätzung gibt es aber in der Entstehungsphase der wissenschaftlichen Bibliographie auch andere Bewertungen, die nicht frei von nationalchauvinistischen Tönen sind und van Doesborchs Bedeutung unter anderen Vorzeichen sehen wollen. Dies wird in der folgenden Aussage Alfred W. Pollards, einem der Gründungsväter der englischen Bibliographie, deutlich: Only three foreign printers, Gerard Leeu and Jan van Doesborgh at Antwerp, and Antoine Vérard at Paris, abused the liberty granted to them [under the 1483 Act] by competing needlessly with our native printers in books they were capable of printing equally well themselves.24

Zusammen mit den anderen »missbrauchte« Jan van Doesborch die Gastfreundschaft und stahl inländischen Druckern die Arbeit, lautet also Pollards Vorwurf. Dieses Argument, das auch heute aus den Asyl- und Arbeitsmarktdebatten bekannt ist, macht nicht nur über den Untersuchungsgegenstand, sondern auch über den Untersuchenden Aussagen, die bedenklich sind.

23 24

Proctor (1894), S. 4. Pollard, A. W. (1895), S. 197.

265

Van Doesborch ist tatsächlich nur als Grenzgänger erfassbar, da er als Verleger in Antwerpen neben seinen flämischen Drucken spezifisch für den englischen Markt produzierte. Die englische Bibliographie tat sich mit ihm vornehmlich aus zwei Gründen schwer: Erst im Verlauf des 20. Jahrhunderts fand in der englischen Bibliographie eine Neubewertung der Bedingungen des englischen Marktes für gedruckte Bücher statt. In deren Zuge wurde anerkannt, dass England – entgegen Pollards Annahme – bis in die zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts seinen Bedarf nicht selbst decken konnte und vom Import ausländischer Bücher abhängig war und profitierte (siehe S. 296ff.). Diese Anschauung gewinnt noch heute in der neuesten Forschungsliteratur an Boden, vgl. beispielsweise Hellingas und Trapps Sammelband, eine der wichtigsten Publikationen über das Buch in Großbritannien im 16. Jahrhundert.25 Mit dieser Feststellung ging ein wachsendes Bewusstsein dafür einher, welchen Umfang neben den französischen, italienischen und deutschen Büchern die niederländischen Buchimporte hatten. Zu der vorher gezeigten Blindheit gegenüber der Existenz dieser Produktion aus den südlichen und nördlichen Niederlanden – flämisch- und französischsprachige Gebiete, heute Belgien und die Niederlande umfassend –, trugen die Inhalte der Bücher sicher nicht unwesentlich bei: Bei den meisten aus den Niederlanden importierten Büchern handelte es sich zu dieser Zeit um weltliche Gebrauchsliteratur, beispielsweise Grammatiken, Kalender und (anonyme) Prosaliteratur. Interessant an der Kritik Pollards ist, dass er van Doesborch auf eine Stufe mit bedeutenden französischen und niederländischen Herausgebern wie Vérard oder Leeu stellt, deren Drucke zum einen noch in die Zeit der Wiegendrucke fallen und zum anderen – oder vielleicht deswegen – meistens als ästhetisch erfolgreicher als die englischen bewertet werden, was deren Qualität und Illustrationen wie auch die Bedeutung der gewählten Werke betrifft. Da die bibliographische Konvention das Ende der Wiegendruckzeit auf 1500 festsetzt, geraten solche Verleger wie van Doesborch in der bibliographischen Forschung zwischen die Stühle. Einerseits waren sie durch Ausstattung und Inhalte ihrer Drucke noch stark denen von vor 1500 verbunden und hatten häufig noch persönliche Beziehungen zu ihren bekannten Vorgängern, von denen sie Holzschnitte kauften oder deren Erben sie wurden. Andererseits werden diese ›Übergangsdrucker‹ schon einem neuen ›Zeitalter‹ zugerechnet, in dem sich die Markt- und Leserschaftserweiterung niederschlagen, die anderen Themen und Texte bei ihnen aber noch nicht so ausgeprägt in den Vordergrund treten. Einige Buchwissenschaftler plädieren

25

Vgl. Hellinga/Trapp (1999), S. 19ff.

266

deshalb dafür, das Ende der Wiegendruckzeit zumindest für England nicht für 1500, sondern mit Beginn der Reformationszeit anzusetzen. Beispielsweise argumentiert der Buchhistoriker Steinberg gegen 1500 als Trennmarke: The main characteristics which make a unit of the second half of the fifteenth and the first half of the sixteenth centuries are these: the functions of typefounder, printer, publisher, editor, and bookseller are little differentiated; the same man or the same firm usually combines all or most of these crafts or professions.26

Ergebnis ist sonst häufig Kritik an den Druckern, die nicht mehr die Standards der Vorgänger wahrten, aber auch noch nicht den neuen Entwicklungen zuzuordnen sind. So setzt schon mit Pollard die Schelte gegen van Doesborchs schludrige Drucke ein, die noch bis ans Ende des 20. Jahrhunderts fortgeführt werden sollte. Jedes Lob, das van Doesborch gezollt wird, ist mit Kritik verbunden: As a printer he [van Doesborch, AHZ] was very inferior to Leeu, but as a publisher he showed much more enterprise in his choice of books, introducing to English readers the stories of Euryalus and Lucretia, Virgilius the Magician, Frederick of Jennen, Mary of Nemmegen, Tyll Howleglas, and the Parson of Kalenborowe, in addition to the still more notable book Of the New Lands.27

Immer wieder wird van Doesborch mit Leeu verglichen und ihm gegenüber abgewertet. Die Verbindung zu Caxton, dem Doyen des englischen Buchdrucks, wirft, aus nationaler Perspektive betrachtet, einen gewissen Glanz auf Leeu, welchen der ›Nachdrucker‹ van Doesborch entbehrt. Van Doesborchs Engagement in dieser Marktnische mit glanzvoller Vorgeschichte ist somit zwar ein Beispiel eines Kontinuums im niederländisch-englischen Buchmarkt, nach Forschungsmeinung gelang es ihm jedoch nicht, die Maßstäbe seiner Vorgänger zu erreichen. Obwohl van Doesborch in Duffs Katalog des mit dem englischen Buchhandel verbundenen Personals aufgenommen wird, wertet auch Duff die Qualität seiner Drucke ab: »Most are illustrated with a careless selection of woodcuts.«28 Dagegen besagt Proctors Feststellung, dass dessen Drucke sich durch eine hohe Anzahl an Illustrationen auszeichnen,29 zwar nichts über die Qualität derselben, doch es macht die unterschiedlichen Perspektiven anschaulich, unter denen der Drucker beurteilt wird. Eine neue Konzentration auf den englisch-niederländischen Austausch, den van Doesborch personifiziert, findet sich bei Marie E. Kronenberg, der späteren Mitherausgeberin der grundlegenden Bibliographie zum nieder26 27 28 29

Steinberg (1969), S. 16. Pollard, A. W. (1895), S. 197. Duff (1948), S. 40. Vgl. Proctor (1984), S. 6.

267

ländischen Buchdruck. Statt aber über die Qualität seiner Drucke – deren Bedeutung wird vorausgesetzt – zu debattieren, untersucht sie seine Geschäftsbeziehungen und den mit ihnen zusammenhängenden Transfer von Holzschnitten aus van Doesborchs Offizin. Damit verbunden ist die bis heute virulente Frage, ob dieser Drucker die Produktion flämisch-englischer Doppelausgaben zum Prinzip erhob oder ob er tatsächlich nur die noch existierenden flämischen Ausgaben bzw. allein die englischen Übersetzungen druckte.30 Dies wird beispielsweise im Hinblick auf den Eulenspiegel immer wieder diskutiert. Dessen erster englischer Druck wird van Doesborch zugeschrieben; der früheste flämische Druck, der heute noch existiert, stammt jedoch nicht von van Doesborch und kann auch nicht der erste flämische Eulenspiegel-Druck gewesen sein (vgl. S. 283ff.). Ist es also vorstellbar, dass van Doesborch nicht nur einen englischen, sondern auch einen flämischen Eulenspiegel druckte? Die Hauptvorteile des Druckens solcher Übersetzungen liegen auf der Hand: Die Nachfrage war bekannt bzw. auch für den fremden Markt ungefähr einzuschätzen und die im Verhältnis teuren Holzschnitte konnten wiederverwendet werden. In den hohen Kosten der Holzschnitte lag der wahrscheinliche Grund für ihren Umlauf von Drucker zu Drucker und Land zu Land. So findet Kronenberg 1952 zwei Holzschnitte, die van Doesborch verwendete, ca. 1540 bei Thomas Davidson in Edinburgh wieder (siehe auch S. 344f.).31 Die Entdeckung Kronenbergs ist in zweierlei Hinsicht bedeutsam, weil sie einerseits zeigt, wie international die Verbindungen im frühen Buchdruck waren, andererseits das alte Vorurteil über van Doesborch relativiert, dass seine Holzschnitte wie auch seine Drucke insgesamt von minderer Qualität waren. Wäre das der Fall, wären seine Holzschnitte und auch seine Texte sicherlich nicht so oft ausgeliehen, nachgedruckt und weiterverwendet worden. Während bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts also noch neue Entdeckungen gemacht wurden, herrschen seither in der van-Doesborch-Forschung vor allem Zusammenfassungen32 oder Reinterpretationen vor, in denen Datierungen in Frage gestellt und Handelsbeziehungen neu bewertet werden. Fast hundert Jahre nach der bibliographischen Studie von Proctor legte Franssen33 eine neue Monographie zu van Doesborch vor, mit der er andere

30 31 32 33

Vgl. Kronenberg (1929a) sowie (1929b). Vgl. Kronenberg (1952–54). Vgl. Rouzet (1975), S. 56f. Franssen (1990).

268

Wege einschlägt als die bisherige Forschung. Er verfolgt drei Ziele: die Erweiterung des im NK angeführten Bestandes unter Einbeziehung bis dahin unberücksichtigter biographischer Quellen, die Analyse von van Doesborchs Umgang mit der Form bzw. dem Inhalt der von ihm verlegten fiktionalen Texte und die Darstellung der Rezeption der Texte durch die zeitgenössischen Leser. Im Zuge seiner Arbeit schließt er einige in der analytischen Bibliographie sonst van Doesborch zugeschriebene Drucke aus dessen Programm aus, so auch den Howleglas.34 Franssens Hauptthese ist, dass van Doesborch Doppelausgaben produzierte. Deshalb erweitert er dessen Programm um diverse Drucke, die aber nicht überliefert sind.35

2.2. Biographischer Abriss Woher Jan van Doesborch (oder auch Desborch, Doesborgh, Doesborow(e), Doosborch, Dousbrugh, Dusborowghe, Dwysborow)36 genau stammte, kann man trotz seines Namens nicht ermitteln.37 Sein Lebenslauf vor dem Beginn seiner Drucktätigkeit in Antwerpen ist nicht bekannt. Die Sicherheit, dass er tatsächlich in Antwerpen gedruckt hat, erlangt man dagegen zum einen aus den Kolophonen seiner erhaltenen Bücher, zum anderen aus Dokumenten außerhalb seiner Drucke.

2.2.1. Quellen zur Biographie Ein erster Eintrag zur Offizin van Doesborchs zu Beginn seiner Karriere findet sich in einem Druck, der frühestens um 1502 entstanden sein könnte (Loosheit ende practike, hoe sij vrou lortse verheffen; NK 3612): »Antwerpen, aen dijseren waghe«. Ob dieser Druck bereits von van Doesborch stammt und nicht noch von der Witwe van Dorpes, ist jedoch unklar.38 Dennoch war sein erster Druckort in Antwerpen in der Umgebung der öffentlichen Eisernen

34 35 36 37 38

Vgl. ebd., S. 16ff. Dies wurde dann auch in den Besprechungen zu Franssens Studie beanstandet. Vgl. Waterschoot (1991) oder Dijstelberge (1992). Vgl. Rouzet (1975), S. 56f. Vgl. Franssen (1990), S. 12. Kronenberg wehrt Nijhoffs Vorschlag ab, dass es sich um einen frühen van-DoesborchDruck mit dem Druckerzeichen van den Dorpes handeln könnte und weist den Druck van den Dorpes Witwe zu.

269

Waage, denn auch sein erster gesicherter Druck, The Fifteen Tokens,39 entstand am Ort mit dieser Adresse, wie das Kolophon belegt: »Emprinted by me Johan fro doesborch dwellinge at Anwerpe by the Jron ballaunce«. Es finden sich greifbare Belege dafür, dass van Doesborch, wie einige andere Drucker in der Zeit des frühen Drucks (beispielsweise auch Vorsterman, vgl. S. 262), als Illustrator sein Handwerk begann: 1508 wurde er als »verlichtere« in die St.-Lucas-Gilde in Antwerpen aufgenommen.40 Neben diesem Eintrag kennt die Sekundärliteratur noch fünf weitere archivalische Erwähnungen van Doesborchs;41 für die relativ zeugnisarme Periode, über die wir sprechen, also eine ganze Menge an außertextlichen Zeugnissen. 1515 beispielsweise gewährte der Rat von Brabant Jan van Doesborch ein Druckpatent, allerdings mit der Verfügung, dass er seine Drucke dem Geistlichen der Unsere-liebe-Frau Gemeinde zur Zensur vorlegen müsse.42 Dies ist ein ebenso wichtiges Zeugnis für seine Drucktätigkeiten wie eine Gerichtsakte vom 20. März 1519 (bzw. 1520). In dieser fordert Jan van Doesborch, der hier »boekprintere oppidanus« genannt wird, durch den Gerichtsprokurator Olivier Janssz van Kel von einem Buchverkäufer im seeländischen Middleburg, Mathijs Eelen, zwei große flämische Pfund, die dieser van Doesborch noch für zum Verkauf überlassene Bücher schuldig war.43 Hier ist eine der Vertriebsstellen van Doesborchs ersichtlich; ein erster Hinweis darauf, dass er in gewissem Maße überregional tätig war. Die Verbindung zwischen van Doesborch in Antwerpen und Eelen in Middelburg deutet allerdings nicht nur darauf hin, dass van Doesborch im niederländischen Raum Verbindungen besaß, denn Vlissingen bei Middelburg auf der Halbinsel Seeland verfügt(e) über einen Hafen mit Anbindung an die englische Südküste. Neben diesen Archivzeugnissen über Jan van Doesborch liefern die Kolophone seiner Drucke weitere Informationen über ihn: Sowohl in seinen niederländischen als auch in seinen englischen Drucken wird zunächst eine Antwerpener Adresse genannt, nämlich spätestens ab 1518 »op dye Lombaerde veste by die camerporte«44, wie oben erwähnt (vgl. S. 263), ein Stadtteil, in dem die Antwerpener Drucker stark vertreten waren. Zusätzlich zu den genannten Daten finden sich noch solche, die van Doesborch weniger als Drucker, vielmehr als Privatmann ins Blickfeld bringen. So 39 40 41 42 43 44

Vgl. die Liste der van-Doesborch-Drucke, S. 292ff. Vgl. Franssen (1990), S. 12. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Zitiert nach: Ebd., S. 12. Zitiert nach: Ebd., S. 13.

270

ist beispielsweise der Verkauf seines Hauses in der Achterstraat in Antwerpen an den Metzger Aert van Breen urkundlich belegt (10. Januar 1516). Interessanterweise wurde van Doesborch zusammen mit dem Buchbinder Jan Gast und dem Blaufärber Jan de Bruyne 1521 zum Vormund von Breens Tochter bestellt.45 Obwohl diese Angaben die Erforschung von van Doesborchs Drucken nur unwesentlich erleichtern, geben sie doch einen Einblick in das Umfeld dieses Druckers und machen ihn für uns lebendiger. So deutet der Hausverkauf darauf hin, dass van Doesborch höchstwahrscheinlich schon ab 1516 an der Camerporte druckte, und die Nennung von Jan Gast verrät vermutlich eine von van Doesborchs Geschäftsbeziehungen. Allem Anschein nach hielt sich van Doesborch ab 1530 nicht mehr in Antwerpen, sondern in Utrecht auf und war dort am selben Ort tätig wie der Drucker Jan Berntsz, was aus den Adressenangaben seiner Drucke hervorgeht: »in der Stad van Utrecht bi dem Doem in den gulden leeuwe«46. Nach der Übersiedlung veränderte sich das Programm Berntsz’, der bisher in Utrecht ein gewisses Monopol gehabt hat, entscheidend. Während der Drucker vor 1530 eine relativ unproduktive Phase durchlaufen haben muss, wurde das Geschäft von nun an vor allem mit Neuauflagen von alten van-Doesborch-Drucken wiederbelebt.47 Über die Gründe für den Umzug und diese Entwicklung hat Franssen ausgiebig, jedoch wenig überzeugend, spekuliert:48 Ob der Umzug durch van Doesborchs Alter und frühere Beziehungen nach Utrecht bedingt war, durch andere persönliche Umstände oder durch die Entwicklungen im Zuge der Reformation, kann nicht geklärt werden. Dass die Übersiedlung nach Utrecht endgültig war, belegt der Eintrag über van Doesborchs Tod 1536 in der Buurkerk in Utrecht.49 Van Doesborch war also über eine lange Periode als Verleger flämischer Drucke in Antwerpen erfolgreich, bevor er nach Utrecht umsiedelte, wo er wiederum mit einem anderen Drucker zusammenarbeitete. Seine Drucke auf Englisch fallen ausschließlich in seine Antwerpener Zeit und es stellt sich die Frage, was sich über seine Geschäftstätigkeit in diesem Bereich feststellen lässt.

45 46 47 48 49

Vgl. ebd., S. 12. Zitiert nach: Ebd., S. 14. Vgl. Franssen (1988), bes. S. 169ff. Er entwirft unter anderem ein Szenario, in dem van Doesborch von den Antwerpener Frauen vertrieben wurde, weil er misogyne Werke gedruckt hatte. Vgl. Franssen (1988), S. 184f. Franssen (1990), S. 12.

271

2.2.2. Jan van Doesborch in England? Der bedeutendste Beleg für van Doesborchs Englandbeziehungen findet sich möglicherweise für 1523/24, und zwar im Kirchensteuerregister der Londoner Gemeinde St Martin’s in the Fields:50 »De Johanne van Dwysborow, extraneo, pro xl s per annum ijs.«51 Aus diesem scheinbar unscheinbaren Eintrag ließe sich vieles entnehmen, dennoch muss auf die Gefahr aufmerksam gemacht werden, sich allzusehr auf die Eindeutigkeit solcher Daten zu verlassen: Against the probability of the above entry referring to the printer must be set the entries of a John Dewysbury, from Dewysbury in the Duchy of Cleves, shoemaker, made denizen 1529 (Denizations, p. 79): »Jan Glaesmaker van Duisberch int Cleuen in 1550 (I, 206), and John van Dovsborowe servant with Harry Garretson in King’s Hospital, 1551 (I, 232).52

Der ausgedehnte Zeitraum zwischen der ersten Nennung eines ›Doesborchs‹ 1523/24 und den weiteren Einträgen zu den beiden Letztgenannten macht eine Übereinstimmung dieser Personenidentitäten unwahrscheinlich, aber eben nicht unmöglich. Deutlich wird zumindest, dass es zwischen 1523/24 und 1551 mehrere Ausländer in London gab, die den gleichen Namen wie der Drucker trugen, bzw. ebenfalls aus einem der diversen Orte stammten, die für ›Doesbergh‹ in Frage kommen. Kombiniert mit der variablen Schreibweise auch von Eigennamen führt der generelle Mangel an Archivmaterial zu einer Situation, in der es kaum möglich ist, Personen anhand solcher verstreuter Daten zweifelsfrei zu identifizieren. Die folgenden Überlegungen sind demnach spekulativ und stellen lediglich einen Versuch dar, dem begrenzten Archivmaterial so viele Deutungen zu entlocken wie möglich. Angenommen, der Eintrag bezöge sich tatsächlich auf den Antwerpener Drucker Jan van Doesborch, welche Schlüsse wären daraus zu ziehen? Zunächst wäre dies ein Hinweis darauf, dass er in London nicht nur durch Agenten/Buchhändler seine Ware vertreiben ließ (siehe unten, S. 274), sondern selbst einige Zeit dort verbrachte, denn eine solche Besteuerung,

50

51 52

Dieses Register befindet sich in der Public Records Office (PRO) in Kew. Da es aber an seinem ursprünglichen Aufbewahrungsort, der Westmister Records Office, zunächst im 2. Weltkrieg ausgebombt und später unter Wasser gesetzt wurde, befindet es sich in schlechtem Zustand. Der Zugang ist daher eingeschränkt, weshalb das folgende Zitat nach Sekundärliteraturangaben gemacht wird. Zitiert nach Duff (1948), S. 40f. Duff übernimmt diese Information von: Kirk/Ernest (1969), S. 4. Worman (1906), S. 17.

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wie sie durch die Kirchensteuerregister dokumentiert ist, setzt einen längeren Aufenthalt voraus. Vergleicht man den Zeitpunkt, den diese Nachricht über seinen eventuellen Englandaufenthalt nennt, mit dem Programm seiner Drucke, gewinnt die Lücke in seiner Drucktätigkeit um 1523/24 herum eine mögliche andere Bedeutung. Zwischen 1520 und 1527 gibt es keinen eindeutigen Beleg für einen englischen Druck aus seiner Offizin. Wohl gibt es nicht firmierte Drucke, die aus dieser Periode stammen könnten, aber kein entsprechendes Kolophon. Dies könnte zum einen daran liegen, dass zufälligerweise aus dieser Periode kein Exemplar erhalten geblieben ist. Jedoch erscheint dies zweifelhaft, bedenkt man die Länge der Zeit und die sonstige ›Überlebensrate‹ seiner Drucke, von denen doch meistens zumindest ein Exemplar erhalten geblieben ist. Zum anderen könnte es darauf hindeuten, dass sich Veränderungen in van Doesborchs Geschäft ergeben hatten. Von den zwei weiteren vorstellbaren Möglichkeiten, dass er aus irgendwelchen (vielleicht privaten) Gründen weniger druckte oder dass er Probleme mit der Finanzierung bzw. dem Absatz seiner Drucke hatte, leuchtet die letzte eher ein. Die Tätigkeit und damit der Umsatz seiner Offizin bildete wohl in den Jahren bis 1521 und auch wieder nach 1527 seine Haupteinkommensquelle. Ein ›Umsatteln‹ für den Zeitraum dazwischen ist möglich,53 aber unwahrscheinlich. Unter diesen Umständen wäre denkbar, dass van Doesborch nach England kam, um seine Geschäftsbeziehungen wiederzubeleben oder neu zu gestalten. Ob ihm das gelang, ist fraglich, wenn man das Programm nach 1527 betrachtet: Vor 1521 nehmen englische Drucke in seinem Programm einen großen Raum ein. Nach 1527 verlegte er bedeutend weniger und zudem inhaltlich in einer deutlich anderen Kategorie (vgl. die Liste der van-Doesborch-Drucke, S. 292ff.). Um 1520/21 ist demnach ein Bruch in seiner Programmausrichtung feststellbar, der sich bis zum Ende seiner Karriere fortsetzte. Dass sich van Doesborch möglicherweise gerade 1523 in London aufgehalten haben könnte, wäre im Rahmen der generellen Veränderungen des englischen Buchmarkts zu dieser Zeit von Bedeutung. Obwohl nämlich die Einrichtung einer Gilde erst im Jahr 1557 durch königliches Patent besiegelt wurde, unternahmen die Londoner Schreiber, Buchhändler und -Drucker bereits seit dem ersten Viertel des 16. Jahrhunderts konzertierte Anstrengungen, den Buchhandel zu ihren Gunsten auszurichten (siehe auch das Kapitel

53

Pollard erläutert, dass die meisten Buchdrucker und -händler in London vor der Verleihung der königlichen Charter 1557 an die Stationers’ Company anderen Gilden angehören und auch oft noch Handel in diesen Bereichen treiben; die Bücher stellen nur einen Teil ihrer Ware dar. Vgl. Pollard, G. (1937), bes. S. 17.

273

zur Stationers’ Company, S. 305ff.). Die Bemühungen um ein Monopol im 16. Jahrhundert richteten sich auch ausdrücklich gegen die zahlreichen ausländischen Buchdrucker und -händler. Da das Bürgerrecht lediglich durch Geburt, Patrimonium (d. h. väterliches Erbgut), Lehre bei einem Bürger, wozu Ausländer nicht berechtigt waren, oder durch Einkauf (redemption, d. h. Erwerb der Mitgliedschaft entweder durch Empfehlung oder Eingabe einer Gilde, zu der der Bewerber bereits gehörte)54 zu erlangen war, siedelten sich die meisten ausländischen Drucker entweder außerhalb der Stadtgrenzen oder innerhalb der Stadtfreiheiten, z. B. von Kirchen, an.55 Mit dem Gesetz (Act) von 1523 (14 und 15 Henry VIII, Kap. ii, Par. 3) wurde der DruckerGilde der Weg weiter geebnet: [A]ll … aliens born using any manner of handicraft, be they Denizens or not Denizens, and inhabited within the City of London or suburbs of the same, within the town of Westminster, the parishes of St. Martin’s in the Fields, Our Lady of the Strand, St. Clemens Dans … or within two miles of compass of the said City of London or parishes aforesaid shall be under the search and reformation of the wardens and fellowships of handicrafts within the said City of London with one substantial stranger being a householder of the same craft by the same warden be chosen.56

Gewerbetreibende Ausländer, ob eingebürgert oder nicht, ob innerhalb der Stadtgrenzen oder in den Vororten, wurden unter die Aufsicht der städtischen Gilden gestellt. Darunter fiel nunmehr auch die Gemeinde St Martin in the Fields, die sich zentral zwischen der City und Westminster, einem Sitz des Hofs, und damit eigentlich außerhalb der Stadt befand. Sollte die Kirchensteuerregisterangabe sich auf den Drucker Jan van Doesborch beziehen, könnte die Wahl dieses Standortes aussagekräftig sein: Sein Wohnsitz außerhalb der Stadtgrenze hätte ihm vor 1523 einen gewissen Schutz vor dem Zugriff der städtischen Gilde geboten, ihn aber ideal zwischen potentiellen Kunden (dem Hof im Westen, den Gerichten und der City im Osten) positioniert. Beachtet werden muss aber, dass der Wohnort sich nicht unbedingt mit der Verkaufsstelle deckt, auch wenn dies bei manchem Drucker so gewesen sein mag. Aus dem wahrscheinlich van Doesborch zuschreibbaren The Dialogues of Creatures Moralised (ca. 1530; STC2 6815) geht hervor, dass seine Bücher in St Paul’s Churchyard zum Verkauf angeboten wurden, vermutlich durch einen Agenten. Sieht man von der zeitlichen Differenz zwischen 1524 und 1530 einmal ab und unterstellt

54 55 56

Vgl. ebd., S. 18f. Vgl. ebd., S. 21ff. Zitiert nach: Ebd., S. 24.

274

eine langandauernde Anbindung van Doesborchs an einen dort ansässigen Händler, wäre es durchaus möglich, dass seine Wohnräume sich nicht mit dem Aufbewahrungsort für seine Drucke deckten. Hätte sich van Doesborch also mit Bedacht außerhalb des Zugriffsbereichs der Gilde positioniert, wäre er doch 1524 unter die neuen Gesetzen gefallen. In diesem Fall wäre es möglich, dass der Niedergang seiner Druckertätigkeit tatsächlich durch die zunehmende Verengung des englischen Markts bedingt war. Bereits 1484 wurde zwar der Spielraum ausländischer Händler im Land durch einen Parlamentsbeschluss eingeschränkt, davon war aber wegen des anfänglichen Mangels an einheimischen Druckern das Buchhandelspersonal ausdrücklich ausgenommen (vgl. die ausführlichere Darstellung auf S. 298ff.). Da diese »carte blanche«57 erst nach van Doesborchs Wirkungszeit in England vollständig zurückgenommen wurde, steht zur Debatte, inwiefern die sich offenbar ändernde Situation und die neue Gesetzgebung tatsächlich schon 1523 seine Geschäftsentwicklung beeinflusst haben könnten. Es gibt jedoch keinen Zweifel, dass die Gesetzgebung für ausländische Gewerbetreibende in London 1523 große Auswirkungen auf deren Geschäftstätigkeit hatte und diese später noch zunahm: This [das neue Gesetz, AHZ] was to destroy entirely the independence of the foreign artificers whose settlements encompassed the city, and it was also to extend the controlling power over trade of the London livery companies. The regulation was repeated by a decree of the Star Chamber in 1529 and by an Act of the ensuing parliament.58

Obwohl gerade die Erneuerung und die spätere Verschärfung der Gesetzgebung darauf hindeuten, dass sie sich nicht ohne weiteres durchsetzen ließ, wird sie dennoch einen vorsichtigen Geschäftsmann aus dem Ausland zum Überdenken seiner Marktlage veranlasst haben. Die Veränderungen in der englischen Gesetzesgrundlage ab den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts hängen unmittelbar mit der Verbreitung der Reformation auf dem Kontinent zusammen. Bis Heinrich VIII. sich um die Scheidung von Katharina von Aragon bemühte, stand er noch fest auf der Seite der Katholischen Kirche59 und erwarb sich mit seiner Schrift gegen Luther (die von Pynson gedruckte Assertio septem sacramentorum adversus Martinum Lutherum)60 sogar den Titel »Fidei defensor«.61 Seine Haltung deckte 57 58 59 60 61

Christianson (1999), S. 145. Douglas-Irvine (1912), S. 171. In der Tat gibt es unter Historikern der englischen Reformation auch Stimmen, die das Andauern von Heinrichs katholischer Haltung verzeichnen, vgl. z. B.: Haigh (1993), S. 7ff. Vgl. Steinberg (1969), S. 106. Vgl. Ackroyd (1999), S. 223.

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sich in dieser Hinsicht mit der seiner Berater Thomas More und Kardinal Wolsey. Auf diese Weise spiegelten sich die unterschiedlichen, aber im Ziel gleichgerichteten Interessen des Königs und der Gilde in den Gesetzesänderungen wider. Man versuchte, die Flut der reformatorischen Schriften einzudämmen, sowohl, indem man deren Druck und Import unter Strafe stellte, als auch, indem man die in England lebenden Ausländer reglementierte und ausschaltete. Gleichzeitig versuchte man, den einheimischen Buchmarkt vor ausländischen Konkurrenz zu schützen. Wie ist nun die Summe zu bewerten, auf die »Johanne van Dwysborow« besteuert wird? 40 Schilling entsprachen zwei Pfund oder, auf die untere Einheit in der Münzskala heruntergerechnet, 480 Pence. Zur Einordnung dieser Geldsumme lassen sich Durchschnittslöhne oder ein paar Beispiele aus dem Warenkorb heranziehen. Im Jahr 1496 war die Obergrenze für Löhne erneut festgelegt worden. Auf dem Land durfte ein Bauernhofaufseher im Jahr beispielsweise nicht mehr verdienen als 26 Schilling und acht Pence plus fünf Pence für Kleidung und Kost, eine Magd nicht mehr als zehn Schilling plus vier Pence. Dagegen verdiente ein qualifizierter Handwerker auf Meisterniveau im Sommer vier Pence am Tag, wenn Kost gestellt wurde, ansonsten zwei Pence mehr.62 Betrachtet man nur den Jahreslohn, erscheinen 40 Schilling eine große Summe, berücksichtigt man aber die Kaufkraft, ergibt sich eine Diskrepanz. Rechnet man (neben Miete) allerdings zwei Pence am Tag für Verpflegung, wäre »Johanne van Dwysborow« kaum ein halbes Jahr versorgt gewesen. Ohne weitere Einnahmequellen wäre sein Aufenthalt also von kurzer Dauer gewesen. Man könnte sich natürlich auch vorstellen, dass es sich bei dem zu versteuernden Besitz um Bücher handelte, falls wir es mit dem Drucker Jan van Doesborch zu tun haben. Da viele seiner Prosabücher um die zwei Pence kosteten (vgl. typische Verkaufsangaben zu seinen Büchern in John Thornes Day-Book, S. 325ff.), hätte er also einen Vorrat von 240 Büchern bei sich haben können, was auch für eine vollständige Edition gering erscheint. Da ein Drucker nach einer Berechnung Needhams in einem der üblichen Gefäße für die Verschiffung über den Ärmelkanal bis zu 1200 ungebundene Exemplare verstauen konnte, ist davon auszugehen, dass die Drucker, die zwischen England und dem Kontinent verkehrten, in diesen Größenordnungen handeln konnten.63 Nach Gaskell bewegte sich die Größe einer Edition zwischen ca. 500–1200 Exemplaren pro Auflage, weil die Kosten für den neuen Satz bei einer weiteren Auflage gegen die Kosten für das Papier, den 62 63

Vgl. Ridley (2002), S. 169ff. Vgl. Needham (1999), S. 159f.

276

teuersten Posten, aufgerechnet werden mussten.64 War eine Auflage zu klein und ein Nachdruck wurde schnell erforderlich, fielen erneut die Kosten für den Satz an. War die Auflage zu groß und fand sie keinen Absatz, blieb Kapital in Papier gebunden. Die Menge, auf die van Doesborch besteuert wurde, würde demnach bei einem Drucker darauf hindeuten, dass er eher Teile einer Auflage oder verschiedener Editionen als eine vollständige Edition bei sich hatte. Zieht man zum Vergleich Angaben für andere zeitgenössische Drucker heran, liegt die Summe von 40 Schilling allerdings durchaus im gängigen Bereich. Der Oxforder Buchhändler John Thorne (über den noch ausführlich gesprochen wird, siehe unten, S. 325ff.) verdiente als von der Universität begünstigter Buchhändler trotz seines Ausländerstatuses ein ordentliches Einkommen, wie die »Lay Subsidy Roll« (die Laiensondersteuerrolle) belegt: »Johan Thorn a Douchman in goodes xl.s. inde domino regi x.s.«65 Da Thorne, der als Ausländer – wie »Johanne van Dwysborow« aus St Martin’s – höhere Abgaben bezahlen musste, damit an zweiter Stelle unter den Oxforder Buchhändlern seiner Kategorie stand, erweisen sich insofern die 40 Schilling des »Johanne van Dwysborow« als ein durchschnittlich guter Verdienst. Zieht man aber die Summen heran, auf die andere Londoner Drucker nach der Laiensondersteuerrolle von 1523 eingestuft werden, wird deutlich, wie gering sein Besitz war: »De Worde was valued at £201 11s 1d, Pynson at £60.«66 Im Hinblick auf diesen generellen Mangel an verlässlichen Daten bezüglich van Doesborchs Englandaufenthalten und Geschäftsreisen ist es hilfreich, sich auf die Informationen zu stützen, die sich aus den von van Doesborch verlegten Drucken ziehen lassen. Zunächst also eine kurze Darstellung der Ausrichtung seines Programms, bevor sein Anteil an der Antwerpener Eulenspiegel-Produktion diskutiert wird.

2.3. Jan van Doesborchs Programm Jan van Doesborch druckte sowohl niederländische als auch englische Werke. Von den 53 bzw. 54 Drucken aus seiner Offizin, die auf S. 292ff. verzeichnet sind, ist ein Drittel in englischer Sprache. Sein Beitrag zur Versorgung des englischen Marktes mit volkssprachiger Unterhaltungsliteratur in der Nachfolge Gheraert Leeus (siehe oben, S. 259f.) ist dennoch bedeutend. 64 65 66

Vgl. Gaskell (1995), S. 161. Zitiert nach: Rogers, T. J. E. (1891), S. 56. Christianson (1999), S. 143.

277

Seine frühen Drucke gehörten vor allem zum Bereich der Gebrauchsliteratur: Er verlegte zuerst lateinisch-englische Grammatiken, weitete aber sein Programm bald aus und druckte neben Reiseberichten und Jahresvorhersagen (prognostications) auch Prosaliteratur. Insbesondere auf dem letzten Gebiet lag in den folgenden Jahren der Schwerpunkt seiner Tätigkeit. Während in der früheren Forschung häufig die Meinung vertreten wurde, dass van Doesborch vor allem Nachdrucke herausgegeben habe, werden heute zunehmend Mutmaßungen darüber angestellt, inwieweit er nicht vielleicht doch auch für manchen Erstdruck verantwortlich ist. Unbestreitbar ist, dass van Doesborch eine sichere Hand für die Produktion fiktionaler Texte hatte und sich deshalb auf diese konzentrierte. Obwohl van Doesborch auch niederländisch-englische Doppelausgaben produzierte,67 schießt Franssen doch über das Ziel hinaus, wenn er für fast jeden Druck, der nur in einer Sprache überliefert ist, einen entsprechenden in der anderen vermutet (vgl. oben, S. 269),68 auch wenn sich dafür keinerlei Quellen finden lassen. Daher erhöht sich auch die Zahl der van-DoesborchDrucke in seiner Bibliographie zum Teil so auffällig. Da van Doesborch manchen Nachdruck besonders populärer flämischer Werke lieferte, ist anzunehmen, dass seine Presse erfolgreich arbeitete. Hoffmann diskutiert die Genese des Bestsellers in Bezug auf den frühen französischen Buchmarkt und kommt zu der Schlussfolgerung, dass die Öffnung des Buchdrucks hin zum potentiellen Käufer – also weg von der Produktion von (handschriftlichen) Büchern auf Bestellung – und damit zu einem offenen Buchmarkt den wirklichen Siegeszug der neuen Technik einläutete.69 Der Bestseller und die ›neue Öffentlichkeit‹ bedingten einander. Diese Betrachtung lässt sich auch auf van Doesborchs Werdegang anwenden: Er wechselte vom Drucken lateinisch-englischer Grammatiken mit klaren Abnehmern wie Schulen oder Universitäten zur Produktion fiktionaler Werke mit einer allgemeinen Leserschaft. Diese Strategie birgt allgemein das Risiko, dass das potentielle Leserinteresse falsch eingeschätzt und das Projekt zu einem finanziellen Fiasko wird. Eine Anzahl von Gründen trägt dazu bei, dass van Doesborch in der Forschung zum frühen Buchdruck nach wie vor eine untergeordnete Rolle spielt. Weder trat er als humanistischer Drucker auf – die lateinischen Werke aus seiner Presse sind Lehrbücher, und griechische Werke gab er überhaupt

67 68 69

Beispielsweise die Fifteen Tokens und Den oorspronck onser salicheyt, siehe van-DoesborchDruckliste S. 292 bzw. S. 293. Vgl. Franssen (1990), bes. S. 21f. Vgl. Hoffmann (1992).

278

nicht heraus –70, noch war er am Druck reformatorischer Werke beteiligt. Auch auf dem Gebiet des Druckens von volkssprachiger Literatur wirkte er nicht bahnbrechend. Er war deswegen aber keinesfalls ein verlegerisch unflexibler oder einfallsloser Drucker. Verfolgt man beispielsweise die genaue Forschungsgeschichte zu manchen der Werke, die aus seiner Presse kamen, wird schnell deutlich, dass ein großes Interesse an diesem Drucker besteht. Wie sehr seine Leistungen auch kleingeredet werden, die Bibliographen kommen nicht an ihm vorbei. Es scheint, dass beispielsweise seine englische Fassung der Erzählung Mary of Nimeguen nicht nur die erste Übertragung dieser volkstümlichen Erzählung darstellt, sondern vielmehr, dass er wahrscheinlich auch der Urheber einer inzwischen verlorenen niederländischen Ausgabe war.71 In der Geschichte wird geschildert, wie Mary, die Hauptperson, jahrelang mit dem Teufel zusammenlebt, bevor sie später durch ein Wunder ihre Absolution erfährt. Diese Erzählung war in den Niederlanden noch bis in das 20. Jahrhundert äußerst populär. Van Doesborch traf mit vielen seiner Bücher ins Zentrum einer neuen Leseöffentlichkeit, da seine Spezialisierung auf fiktionale Literatur, insbesondere mit dem Schwerpunkt auf Übersetzungen, außergewöhnlich war. Bei der Bewertung seines englischen Programms trifft Franssens Zusammenfassung zu: Beside reprints of very popular small school textbooks, Jan van Doesborch produced books in the English language only if he was the first to print them in the English-speaking countries and if they were in prose.72

Sollte der Howleglas aus van Doesborchs Offizin stammen, wäre also davon auszugehen, dass es sich um eine Erstveröffentlichung im englischen Sprachraum handelte. Da van Doesborch aber nur solche Texte ins Englische brachte, die auf dem Kontinent bereits verbreitet waren73 – also gute Verkaufszahlen erwarten ließen –, ist es wahrscheinlich, dass dem Howleglas eine Fassung in anderer Sprache vorausging, der der Drucker folgte. 70

71

72 73

Man muss bei der Einschätzung, wie ›humanistisch‹ eine Druckerei gewesen ist, sicherlich vorsichtig sein. An Elizabeth Eisensteins Darstellung ist inzwischen häufig kritisiert worden, dass sie die Druckerstube zu sehr idealisiert, zu sehr als Nabel der intellektuellen Welt der Zeit betrachtet. Dagegen hält Pleij, dass Unternehmerschaft und gute Qualität sich nicht gegenseitig ausschließen und er nennt neben Gerard Leeu und Thomas van der Noot auch Jan van Doesborch als einen Drucker, dem diese Vereinigung gelang. Vgl. Pleij (1986), bes. S. 212. Da die komplexe Problematik der Datierung und Abhängigkeit verschiedener Drucke hier nicht ausgeführt werden kann, sei lediglich verwiesen auf: Schlusemann (1994) sowie Schlauch (1963b). Franssen/Simoni (1986), S. 280. Vgl. Franssen (1990), S. 26.

279

2.3.1. Jan van Doesborch: Eulenspiegel-Drucker? Seit Jan van Doesborch Ende des 19. Jahrhunderts durch Proctor die Herausgeberschaft des Howleglas zugeschrieben wurde (vgl. unten, S. 288f.), wurde diese nicht mehr in Frage gestellt, bis 1990 Franssens Arbeit zu van Doesborch erschien. In ihr beschäftigt sich der Autor u. a. mit der Frage, ob die Zuschreibung des Howleglas zur Offizin van Doesborchs akzeptabel sei. Er kommt zu einem abschlägigen Schluss, da die in dem Druck verwendete Type (M75/98), die zu der Zuschreibung beitrug, nicht ausschließlich von Jan van Doesborch benutzt wurde, sondern im Antwerpener Buchdruck im frühen 16. Jahrhundert weit verbreitet war.74 Dieser Einwand ist einerseits berechtigt, lässt andererseits aber außer Acht, dass die Zuschreibung nicht allein auf der Typenanalyse beruht, sondern weitere Gründe für die mögliche Zugehörigkeit des Howleglas zu van Doesborchs Presse bestehen. Sicherlich gab es andere Antwerpener Drucker, die wie van Doesborch für den englischen Buchmarkt produzierten und als Howleglas-Verleger in Betracht kommen: Dazu gehört beispielsweise der bereits genannte Michiel Hillen van Hoochstraten, der nicht nur eine Anzahl englischer Drucke herausgab, sondern auch für den ältesten überlieferten flämischen Eulenspiegel verantwortlich ist. Gegen seine mögliche Urheberschaft für den Howleglas spricht allerdings, dass aus seiner Presse kein einziger englischer fiktionaler Prosatext bekannt ist, sondern nur protestantische Schriften. Seine englischen Drucke, die sich allesamt aus protestantischer Perspektive in die Religionskontroverse einbringen, sind:

74

24446

Tyndale: The obedience of a Christen man

24454

Tyndale: The parable of the wicked mammon

1462.3

William Barlow: A proper dyaloge, […] complaynenge [about] the ambition of the clergy

10493

Erasmus: An exhortation to the diligent studye of scripture

11394

John Frith: A pistle to the christen reader. The reuelation of Antichrist

1462.5

William Barlow: s. o.

2350

The fyrst boke of Moses called Genesis

3021

A compendious olde treatyse, shewynge howe that we ought to haue the scripture in Englysshe

Vgl. ebd., S. 18.

280

24045

William Thorpe: The examinacion of master W. T. preste accused of heresye

24465

Tyndale: The practyse of prelates

19525

Christiern Pedersen: The richt vay to the kingdome of heuine is techit heir

14667

John Johnson: An confortable exhortation: of our mooste holy christen faith

471.7

eine Jahresvoraussage von Gaspar Laet für 1534 (der einzige nicht-religiöse Druck)

Obwohl natürlich ein Drucker, der sowohl einen flämischen Eulenspiegel herausgab als auch auf dem englischen Markt aktiv war, über gute Voraussetzungen verfügte, um einen englischen Eulenspiegel zu verlegen, würde dieser doch im Rahmen seiner sonstigen englischen Publikationen eine Ausnahme darstellen. Auf dem englischen Markt waren darüber hinaus noch Govert Bac und Adriaen van Berghen aktiv,75 aber auch in ihren Fällen gibt es wenig Anhaltspunkte dafür, dass einer von ihnen der Herausgeber gewesen sein könnte. Weder ist die Verwendung dieser Drucktype für ihre Offizinen bekannt noch gibt es in ihren Programmen ein Interesse für diese Art der Literatur. Dagegen ist in Jan van Doesborchs Programm zwischen 1510 und 1520 nicht nur eine deutliche Neigung zu unterhaltsamer Literatur, auch in Übersetzung, erkennbar (vgl. unten, S. 293f.), sondern er verwendet in dieser Zeit auch in anderen seiner Bücher Holzschnittleisten, die dem Eulenspiegel-Buch zuzuordnen sind: Unbedingt gehört er [Howleglas, AHZ] eng zusammen mit dem Virgilius, Fred. [Frederick, AHZ] of Jennen und Mary of Nemeggen. Denn drei Leisten am Holzschnitt des Howleglass, unter den 41 bei Proctor verzeichneten No. 19, 20 u. 22, kehren nur in ihnen wieder, wie auch das Ornament des Maltheserkreuzes nur noch diesen mit Ausnahme des Virgilius zukommt.76

Kommen diese Leisten77 nur in den genannten Drucken dieses Verlegers vor, liegt nahe, dass die Verwendung dieser Materialien im Howleglas auf van Doesborchs Verlegerschaft hinweisen. Daneben finden sich zudem in den Refreynen int sot, amoureus, wys (NK 1784), die er ca. 1524 herausgab, einige

75 76 77

Vgl. de Nave (1993), S. 88. Brie (1903), S. 6. Vgl. den Editionsteil der vorliegenden Arbeit, in dem die Leisten abgebildet sind (vgl. S. 569).

281

Holzschnitte aus dem Eulenspiegel-Zyklus. Der in den Refreynen auf Blatt 65b und 102a verwendete Holzschnitt illustriert im Grüningerschen Eulenspiegel die 37. Historie, die weder in der flämischen oder französischen noch in der englischen Fassung vorhanden ist.78 In der Chronik von Brabant von 1530 setzte Jan van Doesborch Holzschnittleisten ein, die im Howleglas den Holzschnitt rahmen: Auf Blatt x1b gibt es zwei Sonnenblumenleisten, die allerdings kürzer sind als die im Howleglas – 60 und 59 mm – und weniger weiße Flächen aufweisen, das heißt, wahrscheinlich abgenutzter sind. Die geringere Länge und der höhere Abnutzungsgrad belegen, dass der Howleglas vor diesem Buch – also vor 1530 – gedruckt worden sein muss. Dass diese Sonnenblumen anscheinend bei van Doesborch außerordentlich beliebt waren und dass ihm begrenztes Material zur Verfügung stand, zeigt sich daran, dass sie in vielen seiner Bücher eingesetzt wurden. Beispielsweise finden sie sich im Tdal zonder wederkeeren von 1528, dort allerdings schon kürzer als im Howleglas,79 der daher früher datiert werden muss. Auch in seinem Druck The noble lyfe & natures of man (1527)80 kommen die Sonnenblumenleisten aus dem Howleglas auf S. 8, 78 und 163 vor, auf S. 37 und S. 39 wiederum das Konsolsims wie im Howleglas. Weitere Teile von Eulenspiegel-Holzschnitten in anderen Drucken van Doesborchs, nämlich in Tghevecht van Minnen (1516)81 und Frederyck of Jennen (1518), sind für die Datierung des Howleglas-Fragments entscheidend (siehe unten, S. 288). Der Holzschnitt in Tghevecht van Minnen entspricht der Grüninger-Illustration zu H 83 im Eulenspiegel-Buch, in der die Wirtin mit dem auf dem Rad liegenden Eulenspiegel redet. Von diesem Holzschnitt ist im genannten van-Doesborch-Druck nur der linke Teil mit der Wirtin mit der deutenden Hand abgebildet (vgl. S. 582). Diese Historie ist allerdings in der van-Doesborch-Ausgabe des Howleglas nicht erhalten. Bei Copland ist zwar die Historie an 37. Stelle vorhanden, jedoch haben Coplands HowleglasAusgaben keine Illustrationen. In der Histoire de la Gravure weist Delen darauf hin, dass van Doesborch offensichtlich häufig denselben Illustrator verwendete, der hauptsächlich für ihn arbeitete: 78 79 80 81

Siehe NK 1784. Vgl. auch Vriesema (2002), S. 13, sowie Geeraedts (1985), S. 17. Verwendet wurde für den Vergleich hier: Nijhoff (1926), Abbildung VII. 21 (Anvers – Jan van Doesborch). Vgl. die durch Noel Hudson herausgegebene Faksimile-Edition (1954). Vgl. Lievens (1964). Auf Blatt 3b findet sich die Wirtin, die Hälfte der Illustration zu H 83 bei Grüninger (das entspricht H 37 der Copland-Howleglas-Ausgabe, die aber nicht illustriert ist).

282

Mais dès 1508 commencement à paraître dans les éditions de Van Doesborch […] des bois exécuté tous par un même graveur qui semble avoir travaillé surtout pour cet imprimeur.82

Dessen Holzschnitte kommen besonders in der Periode zwischen 1516 und 1520 vielfach vor. Auch die Howleglas-Illustration wird von Delen dazu gezählt.83 Weitere dieser Holzschnitte entdeckt Delen dann in den Drucken zwischen 1528 und 1530, was mit den größeren Unterbrechungen in van Doesborchs Drucktätigkeit übereinstimmt (vgl. S. 273f.). Wenn sich von diesem Illustrator in der betreffenden Periode keine Spur bei anderen Druckern finden ließe, müsste gefragt werden, ob es sich bei dem Illustrator nicht vielleicht um van Doesborch selbst gehandelt haben könnte.84 Holzschnitte des Illustrators finden sich außer bei van Doesborch vor allem bei mit diesem verbundenen Antwerpener Druckern wie Jan Berntsz, Willem Vorsterman, Michiel Hillen van Hoochstraten oder sonst bei Henrik Eckert van Homberch und Jacob van Liesveldt, bzw. bei dem mit Adriaen van Liesveldt verbundenen Jan van Gheet.85 Nimmt man also die Momente zusammen, die für van Doesborch als Howleglas-Herausgeber sprechen – seine Konzentration auf unterhaltsame Erzählprosa, sein Engagement für die Übertragung dieser Texte nach England, seine Verwendung der im Howleglas vorliegenden Drucktypen und Holzschnitte –, so ist er der wahrscheinlichste unter den vorgestellten Verlegern. Von diesen Anhaltspunkten ausgehend folgt die vorliegende Arbeit der bisherigen Zuschreibung und vertritt die These, dass Jan van Doesborch als der Drucker des ersten englischen Eulenspiegels gelten muss, bis sich gegenteilige neue Belege finden. Auch aus diesem Grund ist Jan van Doesborch in der Forschungsliteratur in Bezug auf den ersten flämischen Eulenspiegel als Verleger im Gespräch. Der älteste erhaltene flämische Eulenspiegel stammt, wie oben erwähnt, aus der Presse Michiel Hillen van Hoochstratens. Doch kann es sich bei diesem nicht um den Ersten handeln. Dies belegt beispielsweise eine spätere Auflage von Jan van Ghelen III (1580), deren Text einen flämischen Vorgänger gehabt haben muss, der nicht van Hoochstraten entsprach, aber von diesem auch benutzt wurde:86

82 83 84 85 86

Delen (1934), S. 22f. Vgl. ebd., S. 23. Vgl. van Doesborchs Hintergrund als Graveur, S. 270. Vgl. Delen (1934), S. 24ff. Vgl. beispielsweise Honegger (1973), S. 48.

283

Außerdem können die Holzschnitte von Hillen nicht das Vorbild für Van Ghelen gewesen sein […]. Es muß eine oder mehrere Ausgaben vor Hillens Druck gegeben haben.87

Als Herausgeber dieser flämischen Eulenspiegel-Ausgabe werden verschiedene Drucker diskutiert: Marten de Keyser (oder Martin Lempereur), Jan I van Ghelen, Jacob van Liesveldt, Michiel Hillen van Hoochstraten, Willem Vorsterman und Jan van Doesborch selbst. Wie im Bereich der deutschen Eulenspiegel-Überlieferung krankt die Debatte über den möglichen Verleger der ersten flämischen Ausgabe daran, dass kein Exemplar dieser Ausgabe zur Verfügung steht. Alle Erörterungen sind daher spekulativ und zeigen nur Möglichkeiten auf. In diesem Sinne müssen die Abwägungen zu den verschiedenen Druckern verstanden werden. Obwohl van Doesborch als ›Hauptverdächtiger‹ angesehen wird, gibt es auch für die anderen Verleger Argumente von unterschiedlichem Gewicht. Manche der Drucker kommen nur durch relationale Aspekte (Beziehungen zu anderen implizierten Druckern) in die Diskussion. Andere hatten nachweislich Zugang zu Eulenspiegel-Material, wie aus ihrer Verwendung von zum Eulenspiegel-Zyklus gehörenden Holzschnitten oder Holzschnittleisten in anderen ihrer Drucke hervorgeht. In die erste Kategorie gehören einige jener Drucker, die Koopmans und Verhuyck in der modernen französischen Eulenspiegel-Edition als Verleger vorschlagen.88 Denn in ihrer Argumentation, dass der erste französische Druck sich von einem ersten – verlorenen – flämischen Druck von vor 1530 ableitet,89 bringen sie auch solche Verleger ins Spiel, die selbst hauptsächlich lateinische und französische Werke druckten (vorzugsweise im Dialekt des Hennegau, siehe S. 286), aber mit anderen Antwerpener Verlegern, die auf flämisch druckten, in enger Verbindung standen. Dazu gehört beispielsweise Martin Lempereur: lequel, après avoir travaillé chez son beau-père Guillaume le Rouge à Paris, est actif à Anvers de 1525 à 1536. Il y collabore e.a. avec Michiel Hillen van Hoochstraten, Claes de Grave et Willem Vorsterman et y publie plusieurs textes français et nommément hennuyers. Il a pu publier à Anvers un Ulenspiègle français perdu …90

Bedeutsam ist hier der Hinweis auf die Netzwerke, die verschiedene Antwerpener Drucker unterhielten. Die Feststellung, dass es zwischen diesen Druckern in Antwerpen und in Paris familiäre und geschäftliche Verbindun87 88 89 90

Vriesema (2002), S. 13. Vgl. Koopmans/Verhuyck (1988), S. 38. Vgl. ebd., S. 32. Ebd., S. 38.

284

gen gab, deutet auf die möglichen Wege der Eulenspiegel-Überlieferung hin. Dennoch gehören sie m. E. nicht in die Liste der möglichen Drucker des flämischen Eulenspiegel. Weitere von Koopmans und Verhuyck genannte Kandidaten gehören ebenfalls in die erste Gruppe, beispielsweise Jan I van Ghelen (aktiv zwischen 1519 und ca. 1540).91 Der Begründer dieser Druckerdynastie kommt nämlich vor allem deshalb in Betracht, weil ein flämischer Eulenspiegel-Druck seines Sohns Jan II. auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt wurde und sein Enkel Jan III. 1579 eine französische Fassung herausgab,92 1580 und 1585 flämische Ausgaben. Die Vermutung, dass diese ihr Material vom Vater bzw. Großvater übernahmen, der den ersten flämischen Eulenspiegel druckte, ist zwar interessant, aber ohne faktische Belege. Denn die Tatsache, dass die Illustrationen und der Text des Drucks von Jan III mehr dem Grüningers gleichen als diejenigen van Hoochstratens muss nicht bedeuten, dass sie älter sind. Und falls doch, müssen sie nicht notwendigerweise auf Jan I zurückgehen. Es ist durchaus vorstellbar, dass in der Periode zwischen Michiel Hillen van Hoochstratens Druck (nach 1525)93 und dem Jans III. sowohl die Illustrationen als auch der Text auf der Grundlage eines Grüninger-Eulenspiegels verbessert wurden. Zur zweiten Gruppe – jener Verleger, die Eulenspiegel-Material für andere Drucke verwendeten –, gehört dagegen beispielsweise Willem Vorsterman. Dieser unterhielt nicht nur zum Herausgeber des englischen Eulenspiegels enge Verbindungen (wie oben dargestellt, vgl. S. 262), sondern benutzte auch in seinem flämischen Virgilius-Druck von ca. 1525 die architektonischen Seitenleisten, die seit den Grüninger-Ausgaben in Zusammenhang mit dem Eulenspiegel-Buch stehen: [I]l s’agit de ces maisons oblongues qui servent plusieurs fois de décorations marginales aux illustrations dans l’Ulenspiegel allemand (S 1510–11, S 1515, S 1519), flamand (A 1525–46) et français (Paris 1532 et 1532–33 […]). Dans le Virgilius de Vorsterman on trouve ces bords architectoniques à trois reprises (B i vo, bord à droite; B iiij vo et C iii vo, bords à gauche) […].94

Ob sich aber Vorstermans oben beschriebene Beziehung zu van Doesborch auch in der Verwendung dieses Eulenspiegel-Materials in einem flämischen Eulenspiegel niedergeschlagen hat, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. 91 92

93 94

Vgl. ebd., S. 33. In der Bibliographie der französischen Eulenspiegel wird für 1578 ein Druck aus der Offizin Jan II van Ghelens überliefert, von dem allerdings kein Exemplar erhalten geblieben ist. Vgl. ebd., S. 52, Nr. 15. Vgl. Vervliet (1973). Koopmans/Verhuyck (1988), S. 37.

285

Auffallend ist, dass Vorsterman die Holzschnittbordüren in einem Druck einsetzte, der wahrscheinlich bereits 1518 in Jan van Doesborchs Offizin in englischer Sprache erschienen war. Eine größere Materialbasis im Eulenspiegel-Kontext findet sich bei Jacob van Liesveldt, der zwischen 1513 und 1544 in Antwerpen druckte: Im Sack der Consten, den er 1528 herausgab, tritt Eulenspiegel gleich in fünf Holzschnitten in Erscheinung.95 Bei van Liesveldts Witwe, Marie Ancxt, erschien 1560 eine komische Jahresvoraussage (Sloctoor Ulenspieghel), die das flämische Titelbild des Eulenspiegel schmückt (das Kind Eulenspiegel mit seinem Vater auf dem Pferd).96 Bereits Honegger vermutet, dass van Liesveldt eine Ausgabe des Eulenspiegel gedruckt haben könnte. Ebenso ist aber möglich, dass er nur diese Holzschnitte aus dem Bestand eines anderen Eulenspiegel-Druckers besaß, die in den genannten Drucken von ihm eingesetzt wurden.97 Vielleicht ist der späte Einsatz des Titelholzschnitts durch die Witwe van Liesveldt ein Hinweis darauf, dass es sich vor 1560 nicht im Besitz der Familie befand. Neben den genannten Kandidaten kommen noch zwei weitere Drucker in die nähere Auswahl: Michiel Hillen van Hoochstraten und Jan van Doesborch. Beide gaben Eulenspiegel-Bücher heraus, beide waren also im Besitz eines Texts und verschiedener Holzschnitte. Van Hoochstraten könnte bereits vor seiner erhaltenen flämischen Ausgabe eine Auflage publiziert haben, welche beispielsweise die Quelle für van Doesborchs Howleglas, den französischen Ulenspiegel und für Jan III van Ghelens Uilenspiegel (und für seine eigene zweite Auflage) dargestellt haben könnte. Die Beziehungen zwischen van Hoochstraten und van Doesborch, die mit dem Austausch anderer Holzschnitte belegt sind, ließen auch die Möglichkeit zu, dass es ein flämisch-englisches Eulenspiegel-Projekt der beiden gegeben haben könnte. Koopmans/Verhuyck heben hervor, dass van Hoochstraten nicht nur einige Drucke auf Französisch herausgab, sondern insbesondere einige im Dialekt des Hennegau. Das ist deshalb von Bedeutung, weil sie am französischen Eulenspiegel feststellen, dass dessen Bearbeiter entweder kein französischer Muttersprachler oder stark vom Flämischen beeinflusst war. Er stammte, genauer eingegrenzt, wahrscheinlich aus dem Südosten Westflanderns oder dem nördlichsten Gebiet des Hennegau.98 Obwohl diese Analyse van Hoochstraten in den Kreis der möglichen Herausgeber einer vermuteten 95

96 97 98

Nach dem Bestand der flämischen und der englischen Ausgabe Historien 2, 5, 12, 24 und 38; nach Grüninger 5, 16, 35 und 93, plus Reiterhistorie. Vgl. Honegger (1973), S. 41, Fußnote 73. Vgl. Koopmans/Verhuyck (1988), S. 34f. Vgl. Honegger (1973), S. 41, Fußnote 73. Vgl. Koopmans/Verhuyck (1988), S. 100f.

286

früheren französischen Eulenspiegel-Ausgabe bringt, klärt es nicht, ob er für die fehlende französische Ausgabe in Betracht kommt. Einen interessanten Befund fasst Vriesma folgendermaßen zusammen: Zwei Holzschnitte sind hier [in der Hillen-Ausgabe, AHZ] zu den falschen Historien gestellt. Der Holzschnitt zu Historie 43 ›Über die Krankheit zu Mölln‹ (Bl. Kv), gehört in der deutschen Ausgabe zu Historie 53 ›Über den Kürschner‹ (Lindow, S. 155). Diese Historie ist in die Hillen-Ausgabe nicht aufgenommen. Der Holzschnitt zu Historie 42 ›Über die Mönche‹ (Bl. I4v), gehört in der deutschen Ausgabe zu Historie 49 ›Über die Schneiderknechte‹ (Lindow, S. 143). Im ersten Fall hat die entsprechende deutsche Historie gar keinen, im zweiten Fall – einen anderen Holzschnitt. Die ersten Uilenspiegel-Drucker in den Niederlanden hatten also mehr als die nötigen Holzschnitte zur Verfügung, und vielleicht enthielten die älteren Ausgaben darum auch mehr Historien, als in der Hillen-Ausgabe abgedruckt sind.99

Vriesmas Feststellung, die er gleich mit dem Vorbehalt verbindet, dass bisher noch keine »Spur einer solchen Ausgabe«100 gefunden wurde, verweist auf ein grundlegendes Problem der Eulenspiegel-Forschung in der Auseinandersetzung mit möglichen früheren Ausgaben: Es ist mit dem jetzigen Bestand einfach nicht möglich zu etablieren, wie ein Ur-Eulenspiegel, egal ob in deutscher, flämischer, französischer oder englischer Sprache, genau ausgesehen haben könnte. Diese Betrachtung ist für das früheste erhaltene Howleglas-Fragment von direkter Bedeutung, wenn man die Berechnung des Umfangs der vollständigen Ausgabe beispielsweise bei Brie heranzieht: Brie errechnet, dass der Howleglas van Doesborchs 150 Seiten gehabt haben müsse.101 Weder sind jedoch die vorhandenen Blätter so eindeutig signiert, dass man den Umfang einer Signatur eindeutig festlegen könnte (vgl. S. 40) noch kann aus dem Material der erhaltenen flämischen Ausgaben klare Auskunft gewonnen werden. Auch in Bezug auf Jan van Doesborch gilt, dass seine Herausgeberschaft eines flämischen Eulenspiegels nicht stärker favorisiert werden kann als die eines der anderen möglichen Kandidaten. Mehrere Gründe scheinen zunächst darauf zu verweisen: Erstens rückt ihn zwar die Vielzahl der Eulenspiegel-Holzschnitte und -Leisten in seinen anderen Drucken näher an diese Rolle, aber es muss erwogen werden, dass diese vielleicht nicht Überbleibsel einer früheren flämischen Ausgabe aus seiner Offizin sind, sondern lediglich in den Teilen seiner englischen Ausgabe, die nicht überliefert sind, Verwendung fanden. Die Datierung dieser Ausgabe ist, wie oben dargestellt, nicht gesichert, aber 99

Vriesma (2002), S. 13. Ebd. 101 Vgl. Brie (1903), S. 4. 100

287

es wäre durchaus vorstellbar, dass es sich bei den im Tghevecht van Minnen bereits zerstückelten Holzschnitten um Bestände aus der englischen Ausgabe handelt (vgl. auch S. 282). Zweitens drängt sich die Frage nach van Doesborchs Paralleldrucken auf, da er verschiedene Texte sowohl in flämischen als auch in englischen Ausgaben verlegte. Franssen zählt dazu The noble lyfe and natures of man / Der dieren palleys; The fifteen tokens / Vijfthien vreeselijke tekenen und Of the newe landes / Van Pape Jans landen, Van der nieuwer werelt, Die reyse van Lissebonne, De mondo novo,102 schließt aber die Möglichkeit einer flämisch-englischen EulenspiegelDoppelausgabe durch diesen Drucker aus, weil er ihn nicht für den Herausgeber der englischen Ausgabe hält.103 Stattdessen schreibt er ihm aber eine nicht existente flämische Ausgabe

2.3.1.1. Die Datierung des Howleglas Die Debatte um eine mögliche flämische Ausgabe, von der heute kein Exemplar mehr vorhanden zu sein scheint, ist auch für die Datierung des Howleglas von Bedeutung. Zwar hat die Forschung einen Grundkonsens gefunden, aber dieser beruht auf einem Konstrukt und müsste vielleicht, nach einer neuen Untersuchung der heute bekannten Drucke aus der Offizin van Doesborchs, umgestoßen werden. Die erste Datierung nahm Proctor vor:104 Er schlägt für den Howleglas das Entstehungsjahr 1518 vor. Allerdings ist diese zeitliche Einordnung für ihn offenbar mit starken Einschränkungen verbunden, da er sie sowohl mit »circa« als auch mit einem Fragezeichen versieht.105 Proctor gelangt durch einen Vergleich mit anderen ihm bekannten Drucken van Doesborchs zu dieser Datierung, indem er den Howleglas wegen gemeinsamer Holzschnittleisten mit den Prosatexten Virgilius, Mary of Nemmegen und Frederick of Jennen zusammengruppiert. Von diesen ist nur Letzterer firmiert (1518), alle anderen werden relativ zu ihm angeordnet. Proctor zählt diese Publikationen als Untergruppe zu einer Reihe von Drucken, die van Doesborch zwischen 1516 und 1521 verlegte. Diese zeichnen sich dadurch als Gruppe aus, dass sie alle Holzschnittleisten aufweisen – während seine früheren Drucke nicht mit solchen ausgestattet sind – und für

102

Vgl. Franssen (2002), S. 21. Vgl. ebd., S. 19. 104 Vgl. Proctor (1894), S. 12ff. 105 Vgl. ebd., S. 31. 103

288

sie dasselbe Druckerzeichen verwendet wurde. Bei Proctors Datierung des Howleglas handelt es sich offensichtlich um das Mittel zwischen dem ersten und dem letzten Druck der Gruppe – dem Oorspronck onser salicheyt von 1517 und der historie van Hercules von 1521 – und somit um einen Annäherungswert. Bisher ist diese Einteilung dennoch nicht in Frage gestellt worden. Jedoch sind in der Zwischenzeit eine Reihe weiterer, auch firmierter, Drucke van Doesborchs gefunden worden, so dass eine Überprüfung von Proctors These nötig wäre. So setzt Proctor beispielsweise den Beginn der Gruppe für 1516 an, weil das nachweisbare Druckdatum für den ersten der Drucke – den Oorspronck – Mai 1517 ist. Inzwischen ist aber von diesem Druck eine frühere Auflage von 1514 gefunden worden (siehe S. 293). Proctors Ergebnis übernahm der Howleglas-Forscher Brie. Allerdings weitete er das Zeitfenster, da er wohl aufgrund seiner Textanalyse ein früheres Datum für den Druck vermutete: Bries textanalytischer Vergleich der flämischen und hochdeutschen Eulenspiegel-Ausgaben führte ihn zu dem Ergebnis, dass der Howleglas weder die eine noch die andere, sondern eine frühere Ausgabe zur Vorlage gehabt haben müsse. Das könnte auch die Begründung dafür sein, dass er von der Datierung auf 1519 Abstand nimmt, indem er den unspezifischeren, aber frühere Datierungen zulassenden Zeitraum 1516–1520 vorzieht. In der nächsten Studie, die den Howleglas berücksichtigt, wird die Möglichkeit eines früheren Druckdatums, die Brie offen lässt, stillschweigend aufgehoben: Honegger zitiert Brie zwar, aber mit dem Datum 1518, welches sich bei jenem jedoch auf Frederick of Jennen bezieht und nicht auf Howleglas.106 Dennoch liegt auch Honeggers Vorschlag früher als Proctors Datierung. Erst mit Franssens Untersuchung zu van Doesborchs Offizin wurden die neueren Forschungsergebnisse auch für die Datierung des Howleglas zusammengeführt. Franssen bringt die Wiederentdeckung des van-Doesborch-Drucks Tghevecht van minnen ins Spiel, und zwar insbesondere die darin enthaltene Hälfte des Holzschnitts, der die Wirtin abbildet, die mit dem auf dem Rad liegenden Eulenspiegel spricht.107 Die Datierung dieses Drucks auf 1516 könnte dabei für die Geschichte des englischen Eulenspiegel-Buchs Folgendes bedeuten: Nach 1516 waren manche der Holzschnitte aus der Eulenspiegel-Reihe bereits in Stücke zerlegt und diese wiederum in anderen Drucken eingesetzt worden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sie vor 1516 im Rahmen eines flämischen oder englischen Eulenspiegel-Buchs in van Doesborchs Offizin 106 107

Vgl. Honegger (1973), S. 50. Vgl. Franssen (1986), S. 267.

289

vollständig eingesetzt wurden. Dasselbe gilt übrigens ebenfalls für andere Holzschnitte aus van Doesborchs Drucken: In Frederyke of Jennen (1518) findet sich die linke Hälfte eines Holzschnitts zu der Historie über den Reiter, der das Kind Eulenspiegel nach dem Weg fragt. Diese Historie – auch die Illustration – ist in den Eulenspiegel-Drucken Grüningers nicht enthalten, sondern nur in den flämischen, französischen, englischen Drucken sowie der Kölner Ausgabe. Auch hier liegt nahe, dass der Holzschnitt im Ganzen im passenden Kontext zum Einsatz kam, bevor er zerstückelt wurde. Darüber hinaus gelangten in die von van Doesborch verlegte Lyrik-Sammlung Refreynen int sot, amoureus, wys (1524) ebenfalls Holzschnitte aus dem Eulenspiegel-Zyklus, selbst wenn die Historie dazu in diesen Fassungen nicht überliefert ist (siehe oben, S. 281f.). Insgesamt lässt sich feststellen, dass es wahrscheinlich ist, dass die Drucke, die die zerstückelten Holzschnitte beinhalten, später produziert wurden als diejenigen Drucke, in denen die Holzschnitte noch unversehrt waren. Das würde bedeuten, dass ein Eulenspiegel bereits um oder auch vor 1516 in der Offizin van Doesborchs entstanden sein könnte. Vorstellbar ist eine schnelle Übertragung des Stoffes durchaus: Besonders wenn man Honeggers Datierung für das Fragment aus der Grüninger-Presse auf 1510/11 folgt, ist deutlich, wie lange Eulenspiegel-Bücher schon kursierten. Die Zeit hätte ohne weiteres für eine Weitergabe nach Antwerpen gereicht. Da aber bis heute nur ein englischer Eulenspiegel bekannt ist, dessen Herkunft zudem auf Zuschreibung beruht, baut eine solche Hypothese nicht auf festem Grund. Im Gegensatz zu Proctors Feststellung, dass im Howleglas wie in den genannten Drucken um eine bestimmte Zeit dieselbe Holzschnittleiste eingesetzt wurde, fehlen für diese Hypothese die Belege: In dem einzigen existierenden Howleglas-Fragment sind die Historien, um deren Illustrationen es sich handelt, nicht überliefert. Und obwohl es wegen der Vielfalt der Holzschnitte aus dem Eulenspiegel-Zyklus, die van Doesborch in seinen anderen Drucken einsetzte, naheliegt, dass van Doesborch der ursprüngliche Besitzer der vollständigen Holzschnitte zum Eulenspiegel war, muss das nicht der Fall gewesen sein. Seine Übernahme von Material von sowie seine Kooperationen mit anderen Antwerpener Druckern lassen die Möglichkeit offen, dass er lediglich bereits von anderen Druckern verwendete Holzschnitte wiederverwertete. Daher ist nicht möglich, die Datierung 1516 einzuführen, sondern 1519? wird beibehalten, wenn diese auch unbefriedigend sein mag.

290

2.3.1.2. Jan van Doesborch: Howleglas-Übersetzer? Die Frage, ob van Doesborch vielleicht selbst den Howleglas ins Englische übersetzt haben könnte, kann nur indirekt beantwortet werden: Bereits Proctor weist auf die geringe sprachliche Kompetenz des Druckers hin, die sich in seinen früheren Büchern zeigt.108 So ist bekannt, dass er zwar für die Übersetzung der Fifteen Tokens (1505) aus dem Flämischen verantwortlich war, die allerdings sprachlich mangelhaft ist. Ein Beispiel hierfür ist folgende Passage: That seconde token of the foure. Shalbe as loue shalbe loste and not more be vsed. Lykewyse as the menshen waxend olde and the nature waxed cold in hem. whiche the philosopher called it the lytil worlde. Lykewyse is it of the grete worlde. Who she more cometh to the synde who more the loue waxed colde in herself. 109

Die direkte Übernahme solcher Wörter wie »menshen« oder »synde«, die im Englischen nicht existieren, zeigen die ungenügenden Sprachkenntnisse und die fehlende Korrektur durch einen Muttersprachler an. Obwohl der Befund aus diesem Text somit darauf hindeutet, dass van Doesborch nicht als der Übersetzer des Howleglas gelten kann, kann dies dennoch nicht ein endgültiges Urteil sein. Immerhin stammt der hier zitierte Text von 1505, während der Howleglas selbst bei der oben diskutierten Frühstdatierung erst um 1516 entstanden wäre. Mit der stärkeren Ausrichtung van Doesborchs auf den englischen Markt und häufigeren Aufenthalten dort könnten sich auch seine Sprachkenntnisse in diesen zehn Jahren verbessert haben. Allerdings ist es dennoch nicht wahrscheinlich, dass van Doesborch der HowleglasÜbersetzer war.110

2.3.2. Jan van Doesborchs Drucke Zu Recht merkt Franssen an, dass viele der Drucke in den gängigen vanDoesborch-Bibliographien nicht firmiert sind und ihre Zuschreibung an ihn fragwürdig ist, da die von ihm benutzte Type in dieser Zeit sehr gebräuchlich war.111 Dennoch werden auch seine nichtgesicherten Drucke in diese Liste

108

Vgl. Proctor (1894), S. 8. [The fifteen tokens]. HEre beginneth a lytel tretyse the whiche speketh of the xv. tokens the which shullen bee shewed afore that drefull day of Jugement […]. Bl. B2b. 110 Weitere Aspekte der Übersetzung, die darauf hindeuten, dass nicht van Doesborch den Howleglas übersetzte, finden sich auf S. 518ff. 111 Vgl. Franssen (1990), S. 16. 109

291

aufgenommen, besteht doch die Möglichkeit, dass sie aus van Doesborchs Presse stammen. Wie in der analytischen Bibliographie üblich, sind jedoch die nicht firmierten Drucke und Angaben mit eckigen Klammern und Fragezeichen gekennzeichnet. Da bereits diverse Bibliographien zu van Doesborch vorliegen (siehe S. 265ff.), sind in dieser kurzen Darstellung seine Drucke nur knapp aufgeführt und nicht vollständig bibliographisch erfasst. Da einige der Drucke besondere Ankerpunkte zur Datierung, Übersetzungspraxis oder Offizinlokalität darstellen, finden sich bei ihnen weitere Details. Abbildungen seiner Druckerzeichen können bei Nijhoff eingesehen werden.112

112

[1502?]

[Nyeuvont, van: Loosheit ende practike, hoe sij vrou lortse verheffen. (Antwerpen, aen dijseren waghe).] 4o. [Witwe Roelants van den Dorpes, J. v. Doesborch?] NK 3612.

1504

Historie van Buevijne van Austoen wt Engelant gheboren. 2o. NK 1085.

1505

The Fifteen Tokens. Here beginneth a lytel treatyse the which speketh of the XV tokens afor that drefull daye of iugement. [Übers. v. Jan Doesborch.] 4º. STC2 793.3. NK 2047.

[1505?]

[Vijfthien vreesselijke tekenen.] 4o. NK 1975.

[1506?]

Van Pape Jans landen. 4o. NK 1675.

1507

[Holt, John?:] Lac puerorum. [Lateingrammatik in Englisch.] 4º. STC2 13606.5. NK 4282. NK 0634?

[1507?]

(Americus Vespuggius:) Van der nieuwer werelt. 4o. NK 2154.

1508

Die reyse van Lissebone. 4o. NK 1800.

[1509?]

Stanbridge, John: Long Accidence. 4º. STC2 23153.7. NK 1.

[1510?]

Latin and English Grammar. Os facies mentum. 4º. STC2 18873.5. NK 1656.

[1510?]

Regiment der gesontheit. 4o. NK 4397.

[1510–1515?]

Destructie van Troyen. 2o. NK 4137.

[1510–15?]

[Robin Hood.] 4º. STC2 13689.5. NK 3080.

Vgl. Nijhoff (1926), S. 6.

292

1512

Cronike van Brabant, Hollant, Seelant, Vlaenderen. 2o. NK 652.

1514

Den Orspronck onser salicheyt. 2o. NK 0942.

[1515?]

[(Aeneas Piccolomini (Pius II):) Euryalus and Lucretia.] 4º. STC2 19969.8. NK 2240.

[1515?]

Short Accidence. Accedence. 4º. STC2 23155.2. NK 2.

[1515?]

Vanden ghedinghe tusschen eenen coopman ende eenen Iode. 4o. NK 3063.

[1515–1520?]

[Historie vanden ridder metten swaen.] 4o. NK 3172.

1515/16

[(Laet Gaspar:) The pronostication of maister Jasper late […] of the yere .MCCCCC.xvi. […].] 4o. STC2 470.2. NK 1303.

[1516]

Tghevecht van Minnen. 4o. NK 2115.

1517

Den oorspronck onser salicheyt. 2o. NK 1628.

[1517]

[Causes that be proponed […] in a consultacyon of a journey to be made […] agaynst the Turkes.] 4o. NK 0279.

[1517?]

Historie van Floris ende Blanceflour. 4o. NK 3160.

[1518?]

(Clere-Ville, Bartholomé de:) The copye of the letter folowynge which specifyeth of the greatest batayle that euer was sene […] and also the letter sent from the great Turke vnto the pope. 4º. STC2 5405. NK 2677.

1518

Thuys der fortunen ende dat huys der doot. 4o. NK 1150.

1518

Cronike van Brabant, Vaenderen, Hollant, Zeelant. 2o. NK 653.

1518

Frederick of Jennen. […]. 4º. STC2 11361. NK 3904.

[1518?]

Mary of Nimeguen. Here begynneth a lyttell story […]. 4º. STC2 17557. NK 3905.

[1518?]

Virgilius. This boke treath of the lyfe of Virgilius and of his death […]. 4º. Emprynted in the Cytie of Anwarpe By me Iohn Doesborcke dwellynge at ye the camer porte. STC2 24828. NK 4052.

[1519?]

[Ulenspiegel. Howe Howleglas deseyved a wynedrawer in Lubeke.] 4º. STC2 10563. STCN S. 72. NK 1144.

1520

[Hortus Sanitatis.] Der dieren palleys. 2o. NK 1667. 293

113

[1520?]

[(Canutus, Bischof von ›Arusieus‹, d. h. Västerås:) Here begynneth a litil boke for the pestilence.] 4º. STC2 4593. NK 0970.

[1520?]

[Gedicht tot lof van het vroeg trouwen.] NK 3059.

[1520?]

(Emanuel, King of Portugal:) Of the new landes and of the people founde by the messengers of the kynge of portygale named Emanuel […]. 4º. STC2 7677. NK 1311. NSTC S. 67.

[1520?]

[(Frankfurter, Philip:) The parson of Kalenborowe.] 4º. STC2 14894.5. NK 3676 [nach 1520].

[1520?]

[Valuation. The valuacyon of golde and syluer made in the yere .MC.CCC.lxxxxix.] [Übers. v. L. Andrewe.] 8º. STC2 24591. NSTC S. 203.

[1520?]

[Gedicht tot lof van het vroeg trouwen.] 4o. NK 3059.

[1520?]

De mondo novo et Figura noni praecepti. Io. NK 3541.

[1520?]

[Gedicht tot lof van het vroeg trouwen.] 4o. NK 3059.

1521

Historie (historien) van Jason ende Hercules. 2o. NK 3164. NSTC S. 103.

1522

Warachtighe pronosticatie ende prophecien […] totten iare 1524. 4o. NK 4452.

[1527?]

[Hortus Sanitatis.] The Noble lyfe and natures of man. 2o. (Translated by me Laurence Andrewe). STC2 13837.5. NK 1901 [nach 1520].

1528

Der negen quaesten warachtighe historien. 4o. NK 1774.

1528

Michault, Pierre: Tdal sonder wederkeeren oft Tpas der doot. 4o. NK 1519. Kruyskamp.113

[1528]

Refreynen int sot, amoureus, wys. 8o. NK 1784 [dat. 1524]. Kruyskamp.

1530

Cronyke van Brabant Hollant Seelant Vlaenderen int general […]. 2o. NK 654.

1530

Cronyke van Brabant Hollant Seelant Vlaenderen int general […]. [Für M. H. van Hoochstraten.] 2o. NK 655.

Kruyskamp (1940), S. xv.

294

1530

Cronyke van Brabant Hollant Seelant Vlaenderen int general […]. [Für Henrick Peetersen aus Middleburg.] 2o. NK 656.

[1530?]

[Hortus Sanitatis.] [The dialogues of creatures moralised […].] 4º. [»and they be to sell vpon Powlys churche yarde«.] STC2 6815. NK 2774. NSTC S. 61 [M. de Keyser 1535?].

1532

Hortus sanitatis. Herbarius, den groten. 2o. [Mit Jan Berntsz?] NK 3145.

[nach 1532]

Der Vrouwen natuere ande complexie. 4o. NK 2184.

Undatiert

Regiment der gesontheit. 4o. NK 01033.

3. Der englische Buchmarkt um 1520 Bereits aus van Doesborchs Antwerpener Umfeld ist deutlich geworden, wie umfassend für seine Offizin Kooperationen mit anderen Druckern und Buchhändlern waren. Obwohl es für seinen Englandhandel schwieriger ist, solche Verbindungen zu belegen, da wenige Daten zur Verfügung stehen, gilt hier das Gleiche: Es lässt sich ein Netzwerk von Druckern und Händlern aufzeigen, in dem van Doesborch arbeitete. Neben dem unbekannten Buchverkäufer, der 1530 The dialogues of creatures moralised wahrscheinlich für van Doesborch in »Powlys churche yarde« vertrieb, stehen der Oxforder Buchbinder und -händler John Thorne und der Drucker und Übersetzer Lawrence Andrewe und die weiteren mit ihnen verbundenen Drucker und Händler, wie beispielsweise der Drucker Peter Treveris. Bevor das Personal des Netzwerks vorgestellt wird, gilt es zunächst, die Rahmenbedingungen zu erläutern, unter denen es in England agierte. Wie bereits dargestellt, war der Buchmarkt in dieser Periode eng begrenzt. Man kann davon ausgehen, dass sich die Drucker und Händler – allein durch die Gildenzugehörigkeit – in den Städten kannten und miteinander zu tun hatten. Dennoch gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen solchen Bekanntschaften und der Zugehörigkeit zu einem Netzwerk, welches durch heute noch nachvollziehbare Handelsstrukturen zusammengefügt war. So fand innerhalb der Gruppe van-Doesborch-Andrewe-Thorne-Treveris ein regelmäßiger Austausch von Druckerzeugnissen, Holzschnitten, Druckermarken und Übersetzungsdiensten statt. Da die Spezifika des Produktions- und Distributionsumfeldes des ersten englischen Eulenspiegels hingegen unbekannt 295

sind, ist es notwendig, die Fakten, die über den Antwerpen-England-Handel und über die möglichen Beteiligten bekannt sind, zusammenzutragen. Damit werden prinzipielle Entstehungs- und Rezeptionsbedingungen deutlich, die dazu beitragen, den Ort volkssprachiger komischer Kurzprosa im frühneuzeitlichen England zu bestimmen. Bei der Diskussion über die Stellung und die Bedeutung des ausländischen Buchmarktpersonals, das auf Englisch druckte, muss zwischen denjenigen, die vorwiegend in England tätig waren, und denjenigen, die eher vom Kontinent aus den englischen Markt versorgten, unterschieden werden. In ihrem Überblick über die Beschaffenheit des frühen englischen Importmarkts für Drucke beschreibt Armstrong die Situation folgendermaßen: Continental printers had little incentive to invest in books written in English, which, at this period, was a language little known outside the British Isles, when there was an effective though small native printing industry already organized to supply this need.114

Armstrongs Hinweis auf den Randstatus der englischen Sprache in dieser Epoche ist zutreffend. Tatsächlich nahm in zeitgenössischen mehrsprachigen Lexika das Englische im Vergleich zu anderen europäischen Sprachen einen minderen Rang ein und hatte keinesfalls den heutigen Stellenwert einer lingua franca. Hingegen ist Armstrongs Einschätzung des englischen Bedarfs an Importen englischer Bücher aus dem Ausland problematisch. Volkssprachige Literatur wurde vor 1520 fast nur durch die Verleger Caxton, de Worde und Pynson gedruckt. Es scheint also doch Raum, wenn nicht sogar Bedarf, für englische Unterhaltungsliteratur aus dem Ausland gegeben zu haben. Dass sich einige Drucker im Ausland sehr stark auf diesen Markt spezialisierten, ist ein eindeutiges Indiz dafür, dass sie hier Geschäftschancen sahen. Hätte es keinen Bedarf für englische Bücher aus dem Ausland gegeben, wären sie nicht hergestellt worden. Es ist bemerkenswert, dass noch 1979 diese Fehleinschätzung der Autarkie des englischen Buchmarkts tradiert wurde. Denn obwohl die Zahl der Drucker im Ausland, die englische Bücher produzierten, deutlich geringer war als die derjenigen, deren anderssprachige Drucke importiert wurden, handelt es sich doch um eine nicht zu unterschätzende Gruppe. Avis wirft die Frage auf, ob es sich bei den großen im Ausland produzierten Mengen nicht sogar um Aufträge aus England gehandelt habe oder ob die Niederländer »on speculation« ihre Exporte unternahmen.115

114 115

Armstrong (1979), S. 287. Avis (1973), S. 234,1.

296

Armstrong schwächt ihre Einschätzung, dass der Markt für englische Bücher mit der Eigenproduktion saturiert war, dann zwar ab, indem sie die besondere Rolle Antwerpens in diesem Bereich hervorhebt, aber auch das nur mit weiteren Einschränkungen: The nearest approach to a foreign centre of printing English books was Antwerp, which was of course a port with close connections with England and destined to become the greatest trading city of the low countries in succession to Bruges.116

Einerseits wird hier die Wirtschaftsmacht der Stadt Antwerpen auch in Bezug auf England zugestanden, andererseits wird ihre Bedeutung für die Produktion englischsprachiger Bücher mit der etwas abwertenden Beschreibung »the nearest approach to« reduziert. In den oben angeführten neueren Studien zu den Antwerpener Druckern, die für den englischen Markt produzierten, wird deren Tätigkeit in diesem Gebiet jedoch als bedeutsamer beurteilt. Im Folgenden soll die Situation der ausländischen Drucker und Buchhändler, die sich in England selbst niederließen – ob zeitweilig oder unbegrenzt – untersucht werden, insbesondere die gesetzlichen Rahmenbedingungen, unter denen sie arbeiteten. Seit dem Beginn der Einfuhr von gedruckten Büchern zentrierte sich der Handel in London. Dort war die Mehrzahl der Händler ansässig, dort etablierten sich mehrheitlich die Drucker, von dort aus wurde der Vertrieb in den Rest des Landes gesteuert. Daneben gab es andere wichtige Knotenpunkte, beispielsweise die Universitätsstädte Cambridge und Oxford. Die Bedingungen, die den Buchhandel an diesen Orten regelten, waren durch die Landesgesetze bestimmt. Für bestimmte Orte und Gruppen galten zudem aber Sonderbestimmungen, die im Lauf der Zeit verändert wurden. Das Personal, das den Eulenspiegel in England herausbrachte und vertrieb, operierte im Rahmen dieser Regeln und war durch bestimmte Handelswege und -orte verbunden.

3.1. Ausländisches Buchhandelspersonal und das englische Gesetz Seit langem gibt es in der englischen Buchmarktforschung eine Debatte über die möglichen Ursachen für die langsame Entwicklung des einheimischen Buchmarkts und die hohe Zahl der Ausländer im Buchgewerbe. In England gab es im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts nur eine begrenzte Anzahl von 116

Armstrong (1973), S. 287.

297

Druckern, wogegen das Druckwesen auf dem Kontinent bereits seit Jahrzehnten fest etabliert war und auf Mengenproduktion zielte. Daher konnte in England der Bedarf an Büchern aller Art kaum abgedeckt werden und sie wurden vom Kontinent importiert.117 Dabei befriedigen die vorgeschlagenen Erklärungen in Bezug auf die langsame Marktentwicklung nicht. So ist von den zwei Begründungen, die beispielsweise Julian Roberts anbietet, eine keineswegs haltbar: Nachdem er Annahmen abgewiesen hat, die die geringe Populationsdichte Englands – eigentlich doch ein zu beachtender Faktor! – sowie chronologische Gründe verantwortlich machen,118 mutmaßt er, dass das Fehlen einer Standardsprache im vorreformatorischen England zu einem eingeschränkten Markt und somit zu einem Mangel an fortlaufendem Kapitalsatz geführt haben könnte.119 Dieses Argument kann allerdings durch das Beispiel des florierenden deutschen Markts widerlegt werden, wo vor Luther ebenfalls eine gedruckte ›Einheitssprache‹ fehlte. Roberts zweite These, dass die Trennung der Universitäten und auch teilweise der religiösen Zentren vom ökonomischen Zentrum London das Entstehen der Gelehrtenpresse behindert haben könnte,120 leuchtet dagegen ein. Die zweite Frage nach den Gründen für die starke Präsenz ausländischer Drucker und Buchhändler lässt sich klarer beantworten. Am Ende des 15. Jahrhunderts verfolgte die englische Regierung eine Art von ›green card‹Politik, wie sie sich auch heutzutage im Bereich der ›Zukunftstechnologien‹ wiederfindet. Um einen Wirtschaftsaufschwung in einem bisher unterentwickelten, aber zukunftsträchtigen Feld (den Print-Medien) zu erzeugen, erleichterte die Regierung es Angehörigen qualifizierter Berufsgruppen, Arbeit in England aufzunehmen. Dieses Bestreben ist in der Gesetzgebung repräsentiert: So schränkte 1484 ein Gesetz zwar die Tätigkeit ausländischer Kaufleute in England ein, nahm aber ausdrücklich »any ›Artificer or mer-

117

Vgl. auch Hill-Zenk (2001). »The imbalance between home production and imports cannot simply be explained by saying that the population of England (about 2.8 million) was far smaller than that of France, for example, or that printing was introduced into England at a relatively late date (in fact only five years after France, and printing in French and printing in English began within a few months of one another).« In: Roberts (1997), S. 318. 119 Vgl. ebd., S. 318. Vielleicht bezieht Roberts sich auf ein Beispiel, das sich bei Nicholas Barker finden lässt: »Antoine Vérard’s experiment in printing English translations in [sic] popular French texts about 1503 failed because his translator, Alexander Barclay, used his native Scots dialect […].« S. 262. Dennoch ist Roberts Argument dadurch nicht zu bekräftigen, da der schottische Dialekt nicht repräsentativ für die deutlich schwächer ausgeprägten Regionaldialekte Englands ist. Barker (1985). 120 Vgl. Roberts (1997), S. 318. 118

298

chaunt straungier‹ who wished to import books, ›wrytten or imprynted‹, and to sell them ›by retail or otherwise‹ while in residence« aus.121 Dadurch war es den Druckern und Buchhändlern möglich, sich in der Nähe von St Paul’s oder den Freiheiten (liberties) von St Martin’s oder Blackfriars niederzulassen und somit außerhalb der Rechtsbezirke der Gilde, der Mystery of Stationers,122 oder des Bürgermeisters zu stehen.123 Eine zeitgenössische Karte, auf der St Paul’s und die Umgebung abgebildet ist, findet sich auf S. 576. Wie in heutiger Zeit war in jener Periode die negative Reaktion der Einheimischen spürbar, die durch den Zuzug von Ausländern ihre eigenen Interessen gefährdet sahen: Häufig gab es Streitigkeiten und Übergriffe, deren Höhepunkt in dieser Zeit die May Day-Ausschreitungen von 1517 darstellten: 2000 Lehrlinge und ein Mob griffen ausländische Wohngegenden an, vor allem die der Franzosen und Flamen.124 Obwohl den aufrührerischen Stadtbewohnern nach Androhung der Todesstrafe doch die königliche Begnadigung gewährt wurde, entstanden weitere Prozesse: In der Star Chamber versuchte beispielsweise der ursprünglich aus Frankreich stammende Pynson einige Männer dafür zur Rechenschaft zu ziehen, dass sie versucht hatten, ihn und seine Gehilfen umzubringen.125 Fest steht, dass sich vom letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts an verstärkt ausländisches Buchmarktpersonal in England engagierte (vgl. beispielsweise den bereits erwähnten Gheraert Leeu, S. 259f.) und der englische Buchmarkt international wurde. Die Größenordnungen, um die es sich handelte, rechnet Duff hoch: Taking all persons residing in England connected with the book-trade, printers, binders, and stationers, from 1476 to 1535, it would not, I think, be far from the mark to state that two-thirds were aliens.126

Allerdings weist er auch auf die schwierige Quellenlage hin, die genaue Aussagen unmöglich macht. So sind beispielsweise zwischen 1509 bis 1534 nur 240 Einbürgerungen verzeichnet,127 bei denen in den Akten aber nur selten der Beruf der Aufgenommenen genannt wird. Die Zahl von nur sieben mit dem Buchhandel verbundenen Einwanderern bis 1535 entspricht deshalb kaum den tatsächlichen Relationen. Daher kommt Duff zu folgender Zusammenfassung: 121

Zitiert nach: Christianson (1999), S. 145. Zu ihrer weiteren Entwicklung vgl. unten, S. 305ff. 123 Vgl. Duff (1906), S. 189. 124 Vgl. Ackroyd (1999), S. 182ff. 125 Vgl. Mumby/Norrie (1974), Teil I, S. 47–56. 126 Duff (1906), S. 189. 127 Vgl. ebd., S. 188. 122

299

These returns are therefore useless in giving information about otherwise unknown stationers; we can only attempt to trace persons whose names are already known […].128

Am hohen Anteil von Ausländern am englischen Buchgewerbe von ungefähr 1470 bis 1530 besteht dennoch kein Zweifel. Christianson wirft die wichtige Frage auf, ab wann man von einem eigenständigen englischen Buchmarkt sprechen kann, der sich nicht mehr nur als Ausweitung des kontinentalen Distributionssystems versteht, sondern auf dem die Aktivitäten ausländischer und inländischer Drucker und Händler vor Ort verschmelzen.129 Im Einklang mit Pollard argumentiert er, dass mit dem Anwachsen des englischen Markts in der Generation nach Caxton diese Entwicklung begann, deren Wendepunkt sich nach 1500 auch an der prinzipiellen Zulassung ausländischen Buchpersonals zur »Mistery of Stationers« ablesen lässt.130 Der Eintritt wurde zwar durch verschiedene Auflagen erschwert, war aber nicht unmöglich; er wurde z. B. bei guter finanzieller Ausstattung des Anwärters zugelassen (siehe S. 305ff.). In der ersten Generation nach Caxton bestimmten tatsächlich Ausländer das Geschehen; die französischstämmigen Richard Pynson und Julian Notary sowie der aus dem Elsass kommende Wynkyn de Worde waren marktführend. Dabei ist zu beachten, dass die ausländischen Drucker eben nicht nur als Drucker tätig waren, sondern auch stark den Import von Büchern anderer kontinentaler Drucker betrieben: »[T]hey were not merely printers; they were large wholesale dealers in books as well,«131 d. h., als Großhändler konnten sie auch die Märkte außerhalb Londons versorgen, sogar steuerfrei, wenn sie die Stadtfreiheiten besaßen.132 Nach den anfänglichen Vergünstigungen verschlechterten sich aber allmählich die Handelsbedingungen für die internationalen Buchgewerbetreibenden. Die ab 1512 einsetzenden Gesetzgebungen griffen über das Steuerrecht auch in das Geschäft der ausländischen Drucker und Buchhändler ein, indem jeder Ausländer, der eingebürgert worden war, wie ein Inländer besteuert wurde. Jeder Ausländer, der hingegen seinen Status nicht gewechselt hatte, musste das Doppelte bezahlen.

128 129 130 131 132

Ebd., S. 189. Vgl. Christianson (1999), S. 144. Vgl. ebd., S. 144f. Er bezieht sich auf: Pollard, G. (1978), S. 18. Pollard, G. (1937), S. 17. Vgl. ebd.

300

Bereits 1515 wurde diese Regelung aufgehoben und selbst Eingebürgerte mussten wieder die doppelte Rate entrichten.133 Weitere Verschlechterungen entstanden durch die Gesetze von 1523 (Statute of 14 and 15 Henry VIII, Kap. 2), indem Ausländern unter Androhung der sehr hohen Strafzahlung von zehn Pfund untersagt wurde, ausländische Lehrlinge oder mehr als zwei ausländische Wanderarbeiter (journeymen) zu beschäftigen: […] no man of straunger borne out of the Kynges obeysaunce be he denisen or nat denisen usyng any man of hande crafte withyn this Realme shall take frome hensforthe any apprentyse, except the same apprentyce be borne under the Kynges obeysaunce upon payne to forfait for every apprentyse that he shall take contrary to this acte x łi [d. h. Pfund, AHZ] […].134

Daneben wurden die Drucker durch dasselbe Gesetz unter die Aufsicht der städtischen Gilden gestellt und verloren auf diese Weise wahrscheinlich viele Freiheiten der Berufsausübung (diese Veränderung und mögliche Auswirkungen auf Jan van Doesborch sind oben diskutiert, vgl. S. 273ff.).135 Ein weiteres Gesetz, das sicherlich durch die Schwemme reformatorischer Bücher mitbedingt war, wurde 1529 verabschiedet. Es untersagte den nichteingebürgerten Ausländern einen Betrieb zu eröffnen136 und verpflichtete auch die in den Vororten Londons lebenden Drucker dazu »[to] pay their quarterage to the Wardens of the Crafts« (21 Henry VIII, Kap. xvi, Par. 2, 15).137 Dass es sich hierbei um weitere Schritte in Richtung der bereits ergriffenen Maßnahmen handelte, ist offensichtlich. Das Gesetz von 1534 bildete den Höhepunkt der Einschränkungen der Erwerbstätigkeit ausländischer Drucker und Buchhändler und kam einem Berufsverbot für sie gleich. Der »Acte for prynters & bynders of bokes, 25 Henry VIII, ch. 15.« stellte den Verkauf importierter gebundener Bücher unter Strafe. Die Konfiszierung und die hohe Geldbuße von sechs Schilling acht Pence pro Exemplar drohten bei Gesetzesübertretungen:

133

134 135

136 137

Hinzu kommt, dass diejenigen Privilegien, die die Einbürgerung bot, nicht (wie diejenigen der Staatsangehörigkeit) rückwirkend, sondern nur ab dem Zeitpunkt der Einbürgerung galten, so dass z. B. das Erben von Grundstücken oder die Übertragung von Vorteilen auf vor der Einbürgerung geborene Kinder ausgeschlossen war. Vgl. Duff (1906), S. 189f. Zitiert nach: Byrom (1935–36), S. 403. Duff hebt hervor, dass dieses Gesetz wahrscheinlich nicht vollständig durchgesetzt wurde, da das Star Chamber es 1528 wiederholte. Aber Byrom gibt ein Beispiel für einen Prozess gegen Philip Scapulis aus Trier, der gegen das Gesetz einen ausländischen Lehrling beschäftigte. Vgl. Duff (1906), S. 190, und Byrom (1935–36), S. 408. Vgl. Barker (1895), S. 262. Zitiert nach: Pollard, G. (1937), S. 24.

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[to] bye to sell agayn any prynted bokes brought frome any partes out of the Kynges obeysaunce redy bounden in bourdes lether or perchement, uppon payne to lose and forfett for every boke [bounde] out of the seid Kynges obeisaunce and brought into this Realme and bought by any person or persons within the same to sell agayne contrary to this Acte vj s. viij d.138

Diese Veränderung des Gewerberechts speziell für das Buchgewerbe wurde von der Regierung mit der veränderten Situation auf dem Buchmarkt begründet, nämlich dass es zwar in der Vergangenheit einen Mangel an Druckern gegeben habe, der nun aber durch einheimisches Potential behoben sei, das geschützt werden müsse: [S]ithen the makyng of the seid provysion many of this Realme, being the Kynges naturall subjectes, have geven theyme soo dylygently to lerne and exercyse the seid craft of pryntyng that at this day there be within this Realme a greate nombre connyng and expert in the seid science or craft of pryntyng as abyll to exercyse the seid craft in all poyntes as any Stranger in any other Realme or Countre.139

Dass diese für die Argumentation zwar sinnvolle Begründung auch eine Rolle gespielt haben mag, sei nicht bestritten, jedoch überwogen wohl andere Überlegungen: Neben dem Versuch der Regierung, mit der Eindämmung des Buchimports auch den weiteren Import der religiösen Kontroversen zu unterbinden,140 spiegeln sich in der Gesetzgebung besonders seit den zwanziger Jahren die erfolgreichen Bestrebungen der Mystery of Stationers wider, durch gute Lobby-Arbeit ihre Position zu verbessern.141 Der Protektionismus der Regierung und die Selbstbehauptung der aufstrebenden Gilde gingen Hand in Hand. Christianson erinnert daran, dass für die endgültige Etablierung und Stärkung des englischen Buchmarkts die geglückte Verbindung der bereits vorhandenen Londoner Händler und der zugezogenen Drucker und -Händler notwendig war.142 Zu dem Zeitpunkt, als das Gesetz den Markt nach außen hin zu schließen versuchte, hatte diese Verbindung längst stattgefunden und die Grundlage für die weitere Entwicklung gelegt. Die einmalige Situation, in der der erste englische Eulenspiegel entstand und nach England gebracht wurde, ist durch diese Verschmelzung gekennzeichnet. Wie man sich den Transfer von Büchern vom Kontinent nach England konkret vorstellen kann und welchen Importbedingungen die Ware der Buchhändler unterlag, darüber soll der nächste Abschnitt Auskunft geben. 138

Zitiert nach: Byrom (1935–36), S. 410. Christianson (1999), S. 146; zitiert nach Duff (1906), S. 237. 140 Vgl. Christianson (1999), S. 146. 141 Vgl. Roberts (1997), S. 320. 142 Vgl. Christianson (1999), S. 147. 139

302

3.1.1. Zollrollen In den Zollrollen des Londoner Hafens lässt sich mancher Buchimport entdecken. Bücher wurden in verschiedensten Behältnissen transportiert – von Körben bis Kisten –, aber sehr häufig wurden Fässer verwendet. Diese lassen sich leicht aufs Schiff rollen, sind wasserdicht und gut stapelbar, also ein ideales Transportmittel. Da Bücher in dieser Periode meist ungebunden verkauft wurden und erst der Käufer die Bindung bestellte, konnten eine Menge dieser in Lagen gefalteten oder gehefteten Bücher in einer solchen Tonne Platz finden. Die Zollrollen für den Londoner Hafen, die in der Public Records Office (PRO) archiviert sind, sind seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts mehrfach untersucht worden, aber immer nur im Hinblick auf spezielle Drucker. Dabei stehen die Bekanntesten im Mittelpunkt des Interesses: Genannt werden z. B. Wynkyn de Worde, der aus dem Elsass stammende Nachfolger William Caxtons, und Franz Birckman I, Begründer der Kölner Druckerdynastie.143 Eine für diese Arbeit durchgeführte Autopsie der Zolllisten ergab, dass es sich tatsächlich um Rollen handelt, die aus am oberen Rand zusammengenähten Pergamentmembranen unterschiedlicher Längen bestehen und beidseitig beschrieben sind. An einigen Stellen sind sie unleserlich und mit wechselnden, manchmal schwer entzifferbaren Handschriften versehen. Bei manchen Membranen ist das Pergament beschädigt. Der Name des Schiffes, das Datum, an dem seine Fracht gelöscht wurde, und die Namen der Passagiere mit zu verzollenden Waren und die dafür berechneten Zölle werden der Reihe nach aufgeführt. Allerdings wird die systematische Auswertung dieser Rollen einerseits durch die lückenhafte Überlieferung behindert, denn die Zahl der noch erhaltenen Jahrgänge ist sehr gering im Vergleich zu den verlorenen.144 Andererseits sind diejenigen Zollrollen, die noch existieren, so umfangreich, dass die Sicherung aller möglichen Daten über Drucker die Aufgabenstellung dieser Arbeit sprengen würde. Aus den Rollen exzerpierte Daten können jedoch Vergleichspunkte für die möglichen Aktivitäten der ungefähr zeitgenössischen Buchimporteure und ihre Vermögensverhältnisse geben: 1502 beispielsweise führte Gorges Mittellus [Georges Mittelhus], ein Pariser Drucker, ein Behältnis (fardel)

143 144

Vgl. Plomer (1924), S. 149f. Für die achtzig Jahre zwischen 1475–1554 existieren nur noch 23 Zollrollen für zwei Zollgruppen, ca. 30%, davon weniger aus der Regierungszeit Heinrich VIII., mehr aus der Edward VI. Vgl. Needham (1999), S. 156.

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mit Büchern nach England ein, das von den Zollbeamten auf den Wert von drei Pfund, sechs Schilling und acht Pence geschätzt wurde und für das er zehn Pence Zoll entrichten musste.145 Dabei muss vor einer direkten Übertragung solcher Daten beispielsweise auf den niederländischen Drucker van Doesborch beachtet werden: Die mögliche Eintragung wäre für das Jahr 1523/24 zu erwarten gewesen, also gut zwanzig Jahre später. Wegen der starken Inflation im 16. Jahrhundert sind die Preise von 1502 mit denen von 1523 nicht mehr unbedingt zu vergleichen. Wichtig ist auch die Unterscheidung zwischen unterschiedlichen Arten der Besteuerung. Die Einfuhrzölle wurden nach verschiedenen Gruppen von Handelstreibenden abgestuft: Zölle auf Im- und Exporte variierten danach, ob es sich um einen Engländer oder einen Ausländer handelte, wobei der Hanse zugehörige Ausländer einen privilegierten Status hatten. Während die »Subsidy« oder »Poundage« (5% oder ein Schilling pro Pfund) von allen Importeuren bezahlt werden musste, wurde der »Petty Custom« (1,25% oder drei Pence pro Pfund) nur von den Ausländern bezahlt. Die beiden Abgaben wurden getrennt erhoben und verzeichnet.146 Dass diese Unterscheidung finanzpolitische Ziele zur Beschaffung von Einnahmen durch den Staat und wirtschaftspolitische Ziele zum Schutz des inländischen Handels verband, steht im Einklang mit den oben diskutierten Gesetzesänderungen. Wenn man sich also ein vollständiges Bild über die Gesamtmenge der nach England eingeführten Bücher machen möchte, muss man sowohl die »Petty Customs«- als auch die »Subsidy«-Verzeichnisse heranziehen, da die »Petty Customs«-Rollen alleine nur die Einfuhr von Waren durch Ausländer abbilden. Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass London nicht der einzige Hafen war, über den Bücher eingeführt wurden: Andere wichtige Häfen waren Hull, Yarmouth, Winchelsea, Southampton,147 aber auch King’s Lynn und Portsmouth wurden je nach Herkunftshafen, Zielort und Windverhältnissen148 häufig benutzt. Jedoch war im frühen 16. Jahrhundert der englische Buchmarkt stark in London konzentriert, weshalb die meisten Bücher hier umgeschlagen wurden. Auch die Druckergilde dort versuchte, die Vormachtstellung Londons auszubauen und damit ihre eigene Stellung zu sichern.

145

Vgl. Plomer (1929), S. 167. Vgl. Needham (1999), S. 153f. 147 Vgl. ebd. 148 Ridley erzählt über den Versuch, den Ärmelkanal zwischen Dover und Calais zu überqueren, den Gardiner und Edward Fox 1528 unternahmen und der wegen Windstille und Sturm in einer viertägigen Reise zu Wasser und zu Land endete. Vgl. Ridley (2002), S. 206. 146

304

3.1.2. Die Regulierung des englischen Buchmarkts und die Stationers’ Company Die Anfänge der organisierten Stationers’ Gilde in England gehen ins 14. Jahrhundert zurück. Sie umfasste sowohl Kopisten als auch Illustratoren; die beiden Gruppen wurden aber erst am Anfang des 15. Jahrhunderts zusammengeführt.149 Knapp zusammengefasst verlief die Entwicklung folgendermaßen: [In 1403,] civic ordinances of incorporation [were] granted to a common fraternity of London book artisans (regularly known by the 1440s as the Mistery of Stationers), and ending in 1557, with the royal charter creating the Company of Stationers.150

Wie oben geschildert (siehe S. 274), konnte der Zutritt zu den städtischen Gilden, also auch zu den Stationers, auf verschiedenen Wegen erlangt werden:151 über das Geburtsrecht, die Ausbildung durch einen freien Meister (dieser Weg war Ausländern verschlossen) oder die »Redemption«, worunter entweder eine Empfehlung oder eine finanziell abgesicherte Empfehlung durch die eigene Gilde, der man bereits angehörte,152 zu verstehen ist. Es überrascht daher nicht, dass in der Frühzeit des Buchdrucks in England fast alle ausländischen Drucker außerhalb der City oder in den ›Freiheiten‹ angesiedelt waren.153 Die verschiedenen Vorstöße der Stationers gipfelten aber 1529 in einer neuen Gesetzgebung zu ihren Gunsten. Von diesem Zeitpunkt an unterstanden ausländische Drucker auch außerhalb der Stadt de facto der Gilde, wie der folgende Textauszug belegt: »[F]oreigners should pay their quarterage to the Wardens of the Crafts even though they lived in the surburbs«.154 Durch die Verbote, außerhalb Londons in der Provinz zu drucken und im Ausland für den englischen Markt gedruckte Bücher zu importieren, wuchs die Vormachtstellung der Gilde weiter an.155 In der Sekundärliteratur gibt es eine lang anhaltende Debatte über den Status der Stationers, in der sich zwei Hauptlager feststellen lassen: Eine Gruppe, zu der beispielsweise der Herausgeber des Registers der Stationer, Arber, gehört, argumentiert, dass die Company weitgehend selbstbestimmt

149

Vgl. Pollard, G. (1937), S. 2–10. Christianson (1999), S. 128. 151 Vgl. Pollard, G. (1937), S. 18f. 152 Alfred Pollard hebt hervor, dass die Drucker und Buchhändler anfänglich nicht unbedingt der Mystery of Stationers angehörten, sondern dass sie bis in die 1550er oft aus anderen Gilden stammten. Vgl. Pollard, A. W. (1916), S. 38. 153 Vgl. Pollard, G. (1937), S. 21f. 154 21 Henry VIII, Kap. xvi, Par. 2, 15. Zitiert nach ebd., S. 24. 155 Vgl. ebd., S. 24. 150

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gehandelt habe und es das Ziel ihrer fortschreitend engeren Bindung an die Krone gewesen sei, andere aus dem Rennen zu drängen. Arber erläutert, dass die Gründung der Company auf das Bestreben des Buchgewerbes selbst, sich durch die königliche Anerkennung größere Macht zu verschaffen, zurückzuführen sei und nicht auf den Versuch Maria I., durch ein Zensurorgan die Drucker effektiv zu kontrollieren.156 Dagegen stehen diejenigen, die die Meinung Alfred Pollards teilen, dass die Company durch die Krone bestimmt gewesen sei und die Änderungen in der Gesetzgebung sowie die offizielle Gründung der Company Zensurmaßnahmen – auch gegen die Company – widerspiegelten. Nach Alfred Pollard trifft nämlich Arbers Analyse nicht zu, vielmehr muss die königliche Erlaubnis ganz im Licht des Kampfes Marias gegen häretische Bücher gesehen werden.157 Auch die Tatsache, dass nur noch Mitglieder der Company drucken durften, spricht seiner Meinung nach für die Kontrollfunktion der Krone.158 In diesem Sinn kommt Alfred Pollard zu dem Schluss, dass die Verleihung der Charter zur Gründung der Stationers’ Company die bereits existierende enge Zusammenarbeit zwischen den Druckern und der Regierung vorausgesetzt habe: If the initiative [to grant the Charter] came from the Government, there are two inevitable corollaries: there must have already existed some degree of mutual confidence between the executive and the leading stationers; and the Charter itself must have been interpreted as the ipsissima verba of the Crown.159

Die Frage nach der Zensur und der Bereitschaft zur Selbstzensur wurde aber nicht erst seit der offiziellen Gründung der Company 1557 virulent, sondern spätestens seit den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts. Bereits seit 1520, besonders aber zwischen 1524–28, versuchte Bischof Tunstall von London über die Buchhändler die Verbreitung protestantischer Literatur in England einzudämmen (vgl. S. 314f.);160 dieses Interesse teilte er mit Kardinal Wolsey.161 In dieser Zeit mussten importierte Bücher den kirchlichen Autoritäten zur Genehmigung (licence) vorgelegt werden.162 Für die einheimischen Drucker gab es die Möglichkeit, sich um ein königliches Privileg zu bemühen, das normalerweise für die Dauer von zwei bis

156

Vgl. Arber (1875–1894), Bd. 1, S. xxvi. Vgl. Pollard, A. W. (1916), S. 28. 158 Vgl. ebd., S. 29. 159 Pollard, G. (1937), S. 31. 160 Vgl. Reed (1917–19), S. 158f. 161 Vgl. ebd., S. 160ff. und S. 164ff. 162 Vgl. ebd., S. 162. 157

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zehn Jahren verliehen wurde.163 Obwohl die Benutzung des Aufdrucks »mit königlichem Privileg« den Buchdruckern durch Gewährung der alleinigen Druckrechte einen gewissen Schutz vor Wettbewerb oder Raubdrucken gab,164 weist Alfred Pollard jedoch zu Recht darauf hin, dass dieser Schutz des Urheberrechts zweischneidig war: The security bestowed on a book by the grant of a privilege was entirely reasonable, but the method of granting it was entirely bad. Every notice on a book that it was protected against piracy carried with it an implication that a book which possessed no privilege might be pirated with impunity.165

Der Schutz des individuellen Drucks bzw. Druckers – auch zu Ungunsten des gesamten Buchmarkts – stellte allerdings nur die positive Seite des Privilegs dar, wogegen andererseits die Suche nach Absicherung durch Regierungsnähe auch die Möglichkeit einer stärkeren Einflußnahme der Krone beinhaltete. Während zunächst Richard Pynson und John Rastell,166 später auch Robert Redman und Thomas Berthelet, in den Genuss dieses Schutzes kamen, besaßen ihn weder Wynkyn de Worde, Julian Notary, Robert Copland oder Peter Treveris. Erst in der nächsten Generation, in der das Privileg anscheinend als Zeichen der Solidität gesehen wurde, verbreitete sich seine Verwendung und neben vielen anderen Druckern führten auch Lawrence Andrewe, Robert Wyer, Richard Bankes und William Rastell das königliche Privileg.167 Das System der Pressekontrolle änderte sich, nachdem Kardinal Wolsey 1529 seine Macht und Stellung eingebüßt hatte. Sie wurde nun auf den Geheimen Staatsrat, den Privy Council, übertragen.168 Insgesamt nahm am Anfang des 16. Jahrhunderts die Kontrolle des Druckwesens stetig zu, bis 1538 ein deutlicher Wendepunkt eintrat. In einer neuen Proklamation vom 16. November 1538 wurde die Notwendigkeit der Zensur durch die Zunahme an häretischen und aufrührerischen Büchern begründet: The Kynges moste royall maiestie beinge enfourmed, that sondry contentious and sinyster opinyone[s], haue by wronge teachynge and naughtye printed bokes, encreaced and growen within this his realme of Englande […]169

Import, Verkauf oder Verbreitung aller im Ausland produzierten englischsprachigen Bücher sollten nun der Zensur des Privy Council oder der durch den König bestimmten Prüfer unterliegen. Sowohl die Genehmigung als auch das Privileg mussten zukünftig in den Druck aufgenommen werden: 163

Vgl. Pollard, A. W. (1916), S. 19. Vgl. Reed (1917–19), S. 173. 165 Pollard, A. W. (1916), S. 21. 166 Vgl. Loewenstein (2002), S. 69ff. 167 Vgl. Reed (1917–19), S. 175. 168 Vgl. ebd., S. 172. 169 Zitiert nach: Pollard, A. W. (1916), S. 22f. 164

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Item that no person or persons in this realm shall henceforth printe any booke in the Englishe tong unless uppon examination made by some of his Grace’s pryvie counsaile or other such as His Highnesse shall appoint they shall have lycence so to do and yet so havynge nott to put these words Cum privilegio regali without addyng Ad imprimendum solum, and that the hole copie, or else at the least theffect of his licence and privilege be therwith printed, and playnely declared and expressed in the Englisshe tong underneth them.170

Zehn Jahre später wurden die Zensurmaßnahmen weiter verschärft. Unter Androhung von Gefängnis- oder Geldstrafen wurde von den Verlegern verlangt, dass sie in jedem englischen Druck ihren eigenen Namen sowie den des Autors und das Druckdatum aufführten, eine Kopie beim Bürgermeister ablieferten und zwei Tage bis zum Verkauf ihres Drucks verstreichen ließen.171 Für die Drucker anonymer Prosadichtungen wie dem Eulenspiegel wurde die Lage auf diese Weise erschwert. Gerichtsakten und spätere Einträge in das Stationers’ Register belegen jedoch, dass Drucker immer wieder ohne Genehmigung ihre Bücher auf den Markt brachten. Man kann daher davon ausgehen, dass die neuen Bestimmungen keine unüberwindbare Hürde darstellten. Eine knappe Übersicht, welche die nach STC1 im Druck befindliche Prosaliteratur nennt,172 verzeichnet ohnehin bereits in den 1530ern einen Rückgang dieser Literatur, der sich im nächsten Jahrzehnt fortsetzte. Von den Titeln, die danach genannt werden, ist 1548 einer mit einer falschen Autorenangabe versehen: The treatyse answerynge the Boke of Berdes (STC2 1465) ist nicht von der fiktionalen Figur Collyn Clowte zusammengestellt. 1550 finden sich einige Titel, die gar keine Autorennamen tragen, beispielsweise Reynard the Foxe, STC2 20922. Dasselbe Phänomen existiert auch um 1560 (The hystory of the noble Helyas, STC2 7572), weshalb an der strikten Einhaltung der Regeln bei dieser Art von Literatur gezweifelt werden kann. Die späteren Entwicklungen unter Elisabeth I. auf diesem Gebiet deuten ebenfalls auf eine solche Handhabung hin. Zunächst kehrte man 1547 nach dem Tod Heinrich VIII. unter Eduard IV. und Maria I. wieder zum alten System der Zensur durch den Privy Council zurück.173 Die Tatsache, dass die Proklamation Königin Marias 1553 sowie Königin Elisabeths Verfügung (injunction) von 1559 einen negativen Unterton gegen die Stationers aufweisen, scheint auf ein nicht ungestörtes Verhältnis zwischen der Krone und den Stationers zu deuten.174 Jedoch

170

Zitiert nach: Reed (1917–19), S. 180f. Vgl. McKenzie (1997), S. 39. 172 Vgl. O’Dell (1954), bes. S. 30ff. 173 Vgl. Pollard, A. W. (1916), S. 25. 174 Vgl. Pollard, G. (1937), S. 31f. 171

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muss die Einrichtung der Stationers’ Company 1557 unter Maria auf einem Vertrauensverhältnis begründet gewesen sein, denn der Company wurden damit bestimmte Selbstüberwachungs- und Zensuraufgaben übertragen. Das bisherige System der Zensurvorlage von Büchern bei der Regentin, dem Privy Council oder bestellten Geistlichen wurde unter Elisabeth, ab 1559, weiterhin verwendet; Pamphlete, Dramen oder Balladen konnten allerdings auch von ihren Bevollmächtigten (commissioners) lizensiert werden.175 Allerdings erschwerte sich die Königin die Zensur selbst, indem sie Privilegien nicht mehr nur für einzelne Bücher vergab, sondern »for whole classes of books«.176 Von ihrer Gründung an übernahm die Stationers’ Company bis 1588 kraft ihrer Gründungsurkunde (charter) auch die Rolle der Lizensstelle und konnte bei Verstößen Geldbußen oder Gefängnisstrafen verhängen und Güter einziehen.177 Daneben behielt die Krone sich aber weiterhin die Gewährung von Lizenzrechten vor, die sie seit 1559 ausübte. Die Rolle der Company war unterstützend: The Crown kept in its own hands the power to grant licences for approved publications. The injunctions for religion of 1559 which covered the whole government of the church, provided for licensing by the Privy Council, the bishops or the ecclesiastical commissioners of all books, pamphlets, plays and ballads (except standard school and university text books). These injunctions remained the basis of all licensing. The role of the Company was to prevent the printing of works not so licensed, and to use its powers to search for unauthorised publications and punish the printers therof, but although it was convenient to the Company to claim that it did so when it sought additional help from government, the Crown by no means relied entirely on the Company for these purposes, nor was it likely that this would be the case.178

Im Hinblick auf den Drucker des zweiten englischen Eulenspiegels, William Copland, dessen Presse unter Eduard, Maria und Elisabeth aktiv war, stellt sich die Frage, warum seine zahlreichen Bücher nicht mit Privilegien oder Genehmigungen ausgestattet sind, seine Verstöße aber dennoch nur selten aktenkundig sind. Dies kann nur durch die Gildenpolitik der Stationers’ Company erklärt werden: Innerhalb der Company gab es einen Zusammenhalt. Man bemühte sich darum, einen sozial gerechten Ausgleich zwischen den Mitgliedern zu schaffen. Beispielsweise traten die Drucker, die ein Privileg erhalten hatten, der Company das Recht für viele ihrer Nachdrucke ab, die

175

Vgl. Pollard, A. W. (1916), S. 30. Ebd., S. 33. 177 Vgl. Lambert (1992), S. 10. 178 Ebd., S. 10f. 176

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ärmere Drucker ausführen durften. Auch die Zahl der Exemplare in einer Auflage wurde reguliert, damit den Setzern genug Arbeit zur Verfügung stand. Copland könnte also ein Nutznießer dieser sozialen Regulierungen gewesen sein, der als ärmerer Nachdrucker von bestimmten Zensurbestimmungen ausgenommen war. Insgesamt zeugen solche Bemühungen davon, dass das Feld dicht besetzt war und die Aufteilung der Arbeit unter den schätzungsweise 200 im Buchgewerbe tätigen Menschen eine der Aufgaben bildete, die die Stationers’ Company erfüllte.179 Festzuhalten ist, dass zwischen der frühen Zeit des Buchdrucks in England, als der Handel von hauptsächlich im Einzelhandel engagierten Ausländern beherrscht wurde, und 1557 ein entscheidender Wandel stattfand: Der Buchhandel wurde zum Großhandelsgeschäft und die ausländischen Drucker leiteten nicht mehr die Offizine, sondern arbeiteten bei Einheimischen als Angestellte.180 Die Periode, in der ausländische Drucker wie Jan van Doesborch bestimmte Marktanteile in England hielten, klang mit den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts langsam aus. Die neuen, englischen Drucker, die die freiwerdenden Marktnischen übernahmen, waren ihrerseits einer größeren Marktdichte sowie den Mechanismen der fortschreitenden Reglementierung und Institutionalisierung des Buchhandels ausgesetzt.

3.2. Orte des Transfers In London sind für das Eulenspiegel-Umfeld drei Orte interessant: St Martin’s in the Field, St Paul’s Churchyard und der Stahlhof. Über van Doesborchs möglichen Aufenthalt in St Martin’s ist bereits in Kapitel IV.2.2.2. zum Thema »Jan van Doesborch in England?« (siehe S. 273ff.) berichtet worden. Hier sollen nun St Paul’s als Mittelpunkt des englischen Buchhandels und der Stahlhof als Standort für die ›deutsche‹ Exilgemeinschaft in England betrachtet werden.

3.2.1. St Paul’s Churchyard Um die St Paul’s Kathedrale herum, vor allem auf der Nordseite in Paternoster Row, befand sich schon ab dem 14. Jahrhundert das Zentrum des

179 180

Vgl. Pollard, A. W. (1916), S. 35. Vgl. Pollard, G. (1937), S. 35f.

310

Manuskriptbuchhandels in London. Hier waren Kopisten, Buchbinder und Händler ansässig: The community was drawn to this area by its proximity to important markets for books: the City’s educational and scholarly institutions were all located nearby, in the grammar schools at St Martin-le-Grand and St Mary-le-Bow, in St Paul’s own educational establishments, and in the study centres of the London convents of the Greyfriars, Whitefriars and Blackfriars. Only slightly more distant were other potential customers: the numerous London lawyers as well as Chancery masters and scribes located in the vicinity of Holborn and Chancery Lane.181

Daran änderte sich beim Übergang zum Druckbuchhandel, der auch in England bereits weit vor 1500 einsetzte, wenig; St Paul’s blieb das Zentrum. Eine einschneidende Veränderung beschreibt Christianson: Zur Zeit Wynkyn de Wordes lässt sich ein Wandel von der direkten Vermarktung von Büchern durch Drucker und Buchhändler hin zu »a broader marketing scheme using a network of agents and factors, with wholesale distribution« feststellen.182 Allerdings betont Christianson, dass trotz der Zunahme an Ausländern, die den englischen Markt eroberten, de Worde und Pynson den Markt weiter beherrschten – aber auch sie waren ja ursprünglich Ausländer, de Worde kam aus dem Elsass, Pysnon aus Frankreich. In diesem Licht überrascht es nicht, dass Christianson ebenfalls die prinzipielle Abhängigkeit Englands von internationalen Importen durch ausländische Buchdrucker und -händler einräumt: The London (and English) market depended on what was rapidly becoming a large-scale importation of books printed on the Continent, especially of popular lines, such as books of hours and liturgical texts, but also of Latin texts used by educated and professional readers.183

Mit dem Londoner Hafen in unmittelbarer Nähe waren die Importbedingungen für den Buchmarkt in der City ideal: Der Zugang zu den Produkten des kontinentalen Markts war gesichert. In seiner Untersuchung der Zollrollen entdeckt Christianson dementsprechend zwischen 1492 und 1535 98 Ausländer, die auf Buchimporte Zoll zahlten. Das führt ihn zu folgender Überlegung: Da viele dieser Namen nur ein- oder zweimal auftauchen, könnte dies ein Beleg dafür sein, dass sich auch solche kleinen Aktionen gelohnt haben müssen. Eine ebenso überzeugende Erklärung scheint allerdings, dass ein oder zwei Besuche ausreichten, um ein Vertriebsnetzwerk zu etablieren und weitere Buchimporte durch örtliche Händler zu regeln. Importreisen überraschen im Hinblick auf die starke Nachfrage wenig: So findet Christianson allein für

181 182 183

Christianson (1999), S. 129. Ebd., S. 140. Ebd.

311

Franz Birckmann I. von Antwerpen/Köln,184 für den und für dessen Familie der Buchhändler Henry Harmon in St Paul’s Geschäftsinteressen vertrat, zwischen 1503 und 1521 29 Ärmelkanalüberquerungen, womit er nach de Worde sogar nur an zweiter Stelle steht (vgl. S. 303ff.).185 Obwohl also solche internationalen und gut miteinander verbundenen Buchhändler den englischen Markt bereits seit geraumer Zeit im Visier hatten und nutzten, gab es in dieser frühen Periode des Druckmarktes doch noch genug Platz für andere Unternehmer: Auf der Südseite im Kirchhof wird 1512–15 in Kolophonen als erster Buchhändler John Rastell genannt, der dort eventuell sogar eine Druckerei betrieb. Auf der Nordseite, im sog. Cross Yard, werden nach dem Zeugnis der Laiensondersteuerrolle der Kirchengemeinde von 1523 sechs weitere Händler genannt: Zwei von ihnen, John Reynes und Jodocus Pelgrim, waren Zugewanderte, Henry Pepwell, Henry Tabbe, Simon Coston und Thomas Dockwray Einheimische.186 Daneben nennt Duff noch drei weitere Buchhändler in St Paul’s Churchyard, nämlich Thomas Kele, Julian Notary und George Pilgryme.187 Wer von ihnen 1530 wahrscheinlich für Jan van Doesborch den Verkauf der Dialogues of creatures moralised organisierte, ist unklar.

3.2.2. Der Stahlhof Dass auch der Buchhandel zwischen dem Kontinent und England mit einer der wichtigsten Im- und Exportorganisationen, der Hanse, in Berührung kam bzw. sich ihrer bediente, ist wahrscheinlich. Durch die Hanse mit ihrer Infrastruktur und ihrem Know-How, ihren Schiffen, ihren Handelsrouten – vor allem für den Buchhandel bedeutend, die Route über Köln –, ihren Kontoren in den Niederlanden und England, wurden Personen ebenso befördert wie Güter. Die lange Geschichte der Hanse in London an dieser Stelle ausführlich zu erläutern ist nicht möglich; eine knappe Darstellung muss genügen.188

184

Einen biographischen Abriss, der den Forschungsstand zusammenfasst, gibt Wolfgang Schmitz. Vgl. Schmitz (1990). 185 Vgl. Christianson (1999), S. 129 und S. 140. 186 Vgl. die konzise Übersicht in: Blayney (1990), S. 19f. 187 Vgl. Duff (1908), bes. S. 259. Weder George noch Jodocus Pilgrim werden allerdings in Duffs Zusammenschau (1948) oder im British Book Trade Index (bbti) ‹www.bbti.bham. ac.uk› genannt. Jodocus (Joyce) Pelgrim findet sich als Buchverkäufer von 1496–1514 im STC2, Bd. 3, S. 134, jedoch gibt es auch hier keine Angaben über einen George Pilgryme. 188 Eine detaillierte Analyse gibt: Lloyd (1991).

312

Die Handelsniederlassung der Hanse in London, der Stahlhof (›steelyard‹), wird auch für Antwerpener Drucker ein Anlaufpunkt gewesen sein. Obwohl es keine niederländischen Hansestädte gab und der Hansehof in London strenggenommen nur den Deutschen diente, stellte er doch für beide Gruppen einen Sammelpunkt dar. Von außen wurden sie häufig als eine Gruppe wahrgenommen: Sowohl flämisch- als auch niederdeutschsprachige Händler galten der englischen Bevölkerung meist als ›duche‹ (mit variierender Schreibung), unabhängig von ihrer genauen Herkunft. Im Mittelalter war der Stahlhof die Niederlassung der Kölner Hanse gewesen, später wurden alle Hanseniederlassungen in London dort zusammengelegt. Die Ware, die über Köln nach Brügge – bzw. später Antwerpen (vgl. auch S. 258) – kam, wurde hier hauptsächlich gegen englische Wolle umgeschlagen.189 Der Stahlhof befand sich in zentraler Lage in der City direkt am Fluss gelegen, mit seinem eigenen Dock (vgl. die Stadtansicht im Anhang, S. 577, auf der auch der Stahlhof (»styllyarde«) abgebildet ist). Im Gegenzug für die Handelsvorteile und partielle Zollbefreiung, die die englische Regierung den Hansen bot (im Grunde ist ihr Status mit dem einer Gilde zu vergleichen), hatten sie innerhalb der City bestimmte Pflichten zu absolvieren. So oblag den Hansen zwischen 1282 und 1482 die Befestigung eines Stadttores, Bishopsgate.190 Einige der Hanseaten wohnten im Stahlhof, im letzten Jahrzehnt vor 1500 bis zu 80.191 Eine größere Siedlung der deutschen Minderheit befand sich aber auf der südlichen Flussseite in Southwark, speziell in der Gemeinde St Olave und – eine wesentlich kleinere Gruppe – in »The Hospital«, St Thomas’ Hospital, welches sich süd-östlich von London Bridge erstreckte.192 Die Beziehungen zwischen der Stadtbevölkerung und den in nationalen Gruppen wohnenden Ausländern waren nicht immer ungestört.193 Eine Beschreibung einer solchen Krise, wie sie sich etwa bei Carlin findet, im Verhältnis mit der englischen Bevölkerung enthüllt aber gleichzeitig auch einiges über das Verhältnis der Deutschen und Niederländer: At six o’clock one morning in October 1494, ›certayn servauntys‹ of the London mercers, aided by a crowd of ›idyll & yll dysposid personys‹, suddenly attacked the Steelyard, the riverside compound of the Hanseatic merchants in London. The

189

Vgl. Juchhoff (1960), S. 46. Vgl. Mann (1993), S. 119. 191 Vgl. Pettegree (1986), S. 10. 192 Vgl. Carlin (1996), S. 154. 193 Bereits im Mittelalter hatte es verschiedene Übergriffe gegeben, die nicht immer so glimpflich ausgingen wie der unten beschriebene. Daher vergleicht Carlin die Ghettoisierung und periodische Verfolgung dieser Bevölkerungsgruppen sicherlich nicht völlig zu Unrecht mit der der Juden auf dem Kontinent, ohne die religiöse Dimension. Vgl. ebd., S. 167. 190

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Hansards (›Estyrlyngys‹) there managed at length to shut the mob outside, but the rioters did not disperse, and the narrow streets and lanes thereabout became ›stuffid‹ with people attacking the gates. ›But‹, says the Great Chronicle of London, ›the Esterlynges had soo strongly shorid & fortyfyed theym by help of carpenters smythis & othir Flemyngys that they had sent for by water into Sowthwerk‹ that the assault on the gates was unsuccessful.194

Die Ursache für den Überfall stellte sich bei der anschließenden Untersuchung als eine Mischung aus Neid auf den Erfolg der Hanseaten und Frustration bedingt durch örtliche Arbeitslosigkeit heraus. In der Analyse der Vorgänge betont Carlin die Einzigartigkeit der Hilfeleistung, die die flämischen Handwerker aus Southwark den Hansekaufleuten zukommen ließen: This is the only instance I have found of such a case of ›alien solidarity‹, between people not only of different nationalities but also widely separated by occupation, wealth and place of residence.195

In dieser gegenseitigen Unterstützung zeigt sich also die Nähe und die Freundschaftlichkeit der Beziehungen zwischen den Niederländern und den Deutschen. Die Interaktion zwischen der Hanse und der englischen Regierung kann im Gegensatz dazu nicht als beständig freundschaftlich bezeichnet werden. Streitigkeiten und ergebnislose Verhandlungen prägten die Situation. Nach dem anglo-französischen Krieg 1512–14 flammten alte Zwists wieder auf und verschlechtern sich bis 1519 so sehr, dass die Hanseaten die Aufgabe des Stahlhofs in Erwägung zogen.196 Bei einem Treffen in Brügge (1520) verlangte Thomas More als Verhandlungsführer die Aufhebung alter Hanseprivilegien, aber auch bei Fortsetzungsverhandlungen 1521 wurden keine Erfolge erzielt.197 Zwischen 1522 und 1525 verbesserte sich die Situation für die Hanse spürbar, da Karl V. sich mit England gegen Franz I. von Frankreich verbündete und die Hanse so zu den befreundeten Mächten gehörte. Als Karl V. jedoch nicht, wie vereinbart, Mary Tudor heiratete, büßte auch die Hanse dafür.198 Nach 1526 bis zu Kardinal Wolseys Tod 1530 hatten die Hansekaufleute nicht mehr so sehr aus ökonomischen als vielmehr aus religiösen Gründen immer wieder einen schweren Stand.199 Denn obwohl Wolsey bereits – als

194

Ebd., S. 161. Ebd. 196 Vgl. Lloyd (1991), S. 252f. 197 Vgl. ebd., S. 254–57. 198 Vgl. ebd., S. 258f. 199 Vgl. ebd., S. 259. 195

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Reaktion auf Papst Leos Bulle von 1520 –200 in einem Erlass vom 14. Mai 1521 Luthers Schriften verboten hatte, wurden diese und andere reformatorische Schriften über den Stahlhof eingeführt.201 Nevertheless, we have abundant evidence of the steady infiltration of Lutheran literature into London during this time, through the Hanse merchants, or Easterlings of the Steelyards, and further that the City was not unsympathetic towards this traffic.202

Da Wolsey allerdings für die Steuererhebung 1522–23 auf die Unterstützung der City of London angewiesen war, wendete er sich zunächst nicht gegen deren Partner, die Hanse in London. 1524, nach der Steuererhebung, ermahnte Bischof Tunstall von London die Buchverkäufer, alle importierten Bücher durch die zuständigen Kirchenautoritäten genehmigen zu lassen und keine lutherischen Bücher einzuführen.203 Aber erst am 28. Januar 1526 veranlasste Wolsey als Reaktion auf das Neue Testament Tyndales eine Hausdurchsuchung des Stahlhofs durch Thomas More, welcher, wie Pauli beschreibt, der Gesellschaft vorgestellt [habe], dass Bekenner der Lehre Luther’s darunter wären, und es mussten Jung und Alt einen Eid schwören, [..] darauf [stieg er] mit seinen Begleitern auf die Kammern und nahm alle Bücher in deutscher und französischer Sprache weg. Doch es waren nichts als alte und neue Testamente, Evangelien und anderer deutsche Gebetsbücher. Von Lutherbüchern wurde nichts gefunden. Der Olderman mit acht der Aeltesten musste ihm zum Cardinal nach Westminster folgen.204

Andere Hanseaten kamen nicht ungeschoren davon, nachdem bei ihnen Luther-Schriften gefunden wurden: Ihnen wurde der Prozess gemacht.205 Im Verlauf der nächsten zwanzig Jahre rückten die glaubenspolitischen Differenzen wieder in den Hintergrund und das Verhältnis zwischen der englischen Krone und den Hansestädten durchlief einige Hoch- und Tiefpunkte, die größtenteils von den außenpolitischen Ambitionen Heinrich VIII. abhängig waren. Von 1533 an, mit der Bewerbung Heinrich VIII. um die dänische Krone, verbesserte sich die Verbindung zwischen England und

200

Vgl. Reed (1917–19), S. 160f. Vgl. Pauli (1871) [ca. 1874, s. Anm. i. d. Bibliographie], S. 155. 202 Reed (1917–19), S. 162. 203 Vgl. ebd. 204 »So bei Burmeister, Beiträge zur Geschichte Europas im sechszehnten Jahrhundert aus Archiven der Hansestädte, Rostock, 1843, S. 61 Anm. Daraus Lappenberg Urkundliche Geschichte des hansischen Stahlhofs zu London, S. 126, wo aber statt 28. Januar 28. Februar offenbar verdruckt ist.« Zitiert nach: Pauli (1871), S. 155. 205 Vgl. ebd., S. 156f. 201

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der Hanse (vor allem Lübeck) zeitweilig. Nachdem sein Vorstoß mit der Lübecker Anerkennung Christian III. 1536 aber scheiterte, prägten andere militärischen Interessen die Beziehung. In den Streitigkeiten und kriegerischen Auseinandersetzungen mit Schottland, Frankreich und Karl V. bis 1545 versuchte sich Heinrich VIII. den Rücken freizuhalten. Daraus resultierte eine Entspannung gegenüber der Hanse und umgekehrt bemühte sich auch die Hanse, neutral zu bleiben, was auch der Friedensschluss von 1546 zwischen den feindlichen Ländern nicht veränderte. Erst nach Heinrichs Tod und der Invasion Schottlands wurde unter Eduard VI. und dann unter Mary I. der alte Plan Wolseys umgesetzt.206 Der Hanse wurden 1552 bis 1555 die steuerrechtlichen Privilegien, die sie bisher gegenüber anderen ausländischen Händlern genossen hatten, nach einigem Hin und Her entzogen. Erst unter Elizabeth I. jedoch verlor die Hanse ihre Sonderstellung 1580 gänzlich. Die Entwicklungen kulminierten 1598 in der endgültigen Beschlagnahmung des Hansesitzes in London.207 Drei Hauptmerkmale der sich verändernden Beziehungen zwischen der Hanse und der englischen Regierung sind zu unterscheiden: Einmal der ›Standortwechsel‹, indem die Hanse sich bereits während des 15. Jahrhunderts aus ihren Provinzkontoren (Boston, Lynn, Colchester) – außer Hull bis 1530 – zurückzog und auf London konzentrierte.208 Zweitens der Wirtschaftsstrukturwandel, der sich darin ausdrückt, dass England im Verlauf des 16. Jahrhunderts zunehmend zum Export von fertigen Produkten (Tuch) anstatt Rohstoffen (Rohwolle) überging.209 Überdies der Politikwandel, der mit den Beziehungen zum dänischen König verbunden war und dazu führte, dass sich die Engländer nach der Entspannung im Baltikum wieder dort engagieren und manchmal sogar Hanse-Schiffe für ihren Handel benutzten.210 Eines dieser Schiffe wird in den Customs Rolls wiederholt genannt: die Mary de Stylyerd.211 Es ist bedauerlich, dass für die im Hinblick auf Jan van Doesborch und John Thorne (siehe unten, S. 325f.) interessanten Jahrzehnte keine Rollen zur Verfügung stehen bzw. noch keine Auswertung der Rollen vorgenommen worden ist. Aber auch aus einem weiteren Grund engt dieser Mangel die Perspektive ein: Jan van Doesborch besaß nämlich nicht nur zu dem Londoner Händler Verbindungen, der seinen Druck Dialogues of creatures moralised verkauft haben könnte (vgl. S. 295), sondern auch zu einem 206

Vgl. Lloyd (1991), S. 260–66. Vgl. Schnurmann (1991), S. 17f. 208 Vgl. Lloyd (1991), S. 277f. 209 Vgl. ebd., S. 267. 210 Vgl. ebd., S. 285ff. 211 Vgl. Needham (1999), S. 152. 207

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wahrscheinlich deutschen Händler, John Thorne, in Oxford. Die möglichen Beziehungen dieses Händlers zum Kontinent, seine Zielorte und Aufenthaltsdauer sowie seine Importe wären mit Hilfe von Steuerrollen wesentlich klarer nachzuvollziehen. Deutlich ist jedoch auch ohne diese Daten, dass Jan van Doesborchs Netzwerk als Teil der Infrastruktur der Hanse international ausgerichtet war.

3.3. Internationale Netzwerke Bei den hier vorgestellten Akteuren handelt es sich um Menschen im Buchwesen, die in der Phase, in der Jan van Doesborch auf dem englischen Markt aktiv war, dort ebenfalls als Übersetzer, Drucker oder Buchhändler tätig waren. Ihre Lebensläufe und Arbeitszusammenhänge sind durchgehend von ihrer internationalen Herkunft und ihren besonderen Beziehungen in die flämisch- und deutschsprachigen Gebiete geprägt. Obwohl Jan van Doesborch nur mit einigen von ihnen in direktem Kontakt stand, wird über sie und ihre weiteren Verbindungen doch ein anglo-kontinentales Umfeld deutlich, in das van Doesborch und auch die Howleglas-Produktion gehört.

3.3.1. Franz Birckmann I. Birckmann ist durch seine europaweiten Aktivitäten ein gutes Beispiel für die Internationalität des frühneuzeitlichen englischen Buchhandels, auch wenn sein Aktionsradius den Jan van Doesborchs in seiner Ausgedehntheit übertrifft. Anfänglich sind Birckmanns Spuren etwas verwischt. Er betrieb sein Geschäft ab etwa 1504 von Antwerpen aus, handelte mit Missalen aus Paris für Salisbury in England212 und führte lateinische und Antwerpener Drucke nach London ein.213 Aber Franz Birckmann richtete nicht nur sein Programm international aus, sondern zeigte seine Internationalität auch durch seine Mobilität. Erst um 1511 sind die Brüder Franz und Arnold Birckmann nach dem gemeinsamen Kauf des »Stammhaus[es] der Firma in der heutigen Straße ›Unter fetten Hennen‹ « nachweisbar in Köln ansässig. Daraus kann auf Arnolds Teilhaberschaft geschlossen werden.214 Während zwar Köln der Ausgangspunkt für die Geschäfte der Familie Birckmann wurde, benutzten sie als Standbein neben Frankfurt noch eine Niederlassung in Antwerpen: 212 213 214

Vgl. Corsten (1983–85), S. 194. Vgl. Schnurmann (1991), S. 66f. Corsten (1962), S. 270,2.

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In Anbetracht der Bedeutung des Handelszentrums Antwerpen erwarben die Birckmans dort spätestens in den 1520er Jahren ein eigenes Haus für Verkauf und Lagerung. Familienangehörige oder loyale Angestellte wurden mit seiner Leitung betraut. Das Betreiben einer ständig besetzten Filiale war durchaus lohnend, da Antwerpen ganzjährig von Käufern frequentiert wurde. In späteren Jahren profitierte die Zweigstelle der Kölner Firma in der Kammenstraat von der Niederlassung der benachbarten Offizin Plantin […].215

So international wie Birckmanns Handelsausrichtung war auch sein Netzwerk. Die Familie hatte in London ebenso Agenten wie in Cambridge; dort gehört der Drucker Sibergh durch Verschwägerung zur weiteren Familie.216 Darüber hinaus verbanden weitreichende Kontakte die Birckmanns über Antwerpen, Köln und London mit der intellektuellen Elite der Zeit. Ein Brief von Erasmus von Rotterdam vom Mai 1515 an Peter Gilles, Stadtsekretär von Antwerpen, belegt die Familiarität des Genannten durch den Gebrauch des Vornamens: »Die Überfahrt war kostspielig und gefahrvoll. Mein Gepäck, das ich dem Bruder von Franz [d.i. Arnold, AHZ] anvertraut hatte, ist noch nicht da – höchst fatal!«217

3.3.2. Lawrence Andrewe In den mittleren Zwanzigern beschäftigte van Doesborch öfter Lawrence Andrewe als Übersetzer, der ab 1527 selbst in London als Drucker tätig wurde. Es ist möglich, dass Andrewe an der Übersetzung des Eulenspiegel beteiligt war, jedoch wirft diese Überlegung einige Fragen auf, z. B. in Bezug auf die Datierung: Geht man für den Eulenspiegel von einer frühen Datierung vor 1520 aus, wird die Beteiligung Andrewes unwahrscheinlicher, da der nachweisbare Schwerpunkt seiner Zusammenarbeit mit van Doesborch eher in den späten Zwanzigern lag. Aus dem Programm van Doesborchs wie aus der Typenanalyse Proctors geht jedoch hervor, dass eine Spätdatierung des Eulenspiegel nicht wahrscheinlich ist (siehe oben, S. 288ff.). Andrewes Beteiligung ist also nur dann vorstellbar, wenn man die Zusammenarbeit zwischen ihm und dem Eulenspiegel-Drucker schon früher ansetzt. Diese Möglichkeit wird im Folgenden im Rahmen der über Andrewe zur Verfügung stehenden Daten erörtert.

215

Schnurmann (1991), S. 64. Vgl. Corsten (1962), S. 268,1. 217 Zitiert nach: Corsten (1962), S. 270,2. 216

318

Ursprünglich stammte Lawrence Andrewe aus Calais, wie aus dem frühesten Werk, das er für van Doesborch übersetzt, dem Hortus Sanitatis (STC2 13837.5),218 hervorgeht: JN the name of ower sauiour criste Jesu maker […] redemour of al mankind / J Laurens andrewe of the towne of Calis haue translated for Johnnes [sic] doesborowe booke prenter in the cite of Andwarp this present volume deuided in thre parts which was neuer before in no maternall langage prentyd tyl now219

Wie Andrewe also im Vorwort des Hortus Sanitatis schreibt und wie es das Kolophon bestätigt, übersetzte er selbst »in Calis« (Calais) Teile des Hortus Sanitatis für van Doesborch aus dem Flämischen ins Englische: »Translated be me L. andrewe« (Andwarpe, John of Doesborowe). Der Druck ist nicht datiert; der STC2 gibt ca. 1527.220 Proctor setzt ihn in seiner Bibliographie der van-Doesborch-Drucke (vgl. S. 294) auf die Zeit nach 1520 an, was aber nur einen terminus post quem bietet. Als Zeugnis für den Beginn ihrer Zusammenarbeit ist dieses Buch daher nur eingeschränkt hilfreich, da es nicht datiert ist: Der Beginn und das Ende der Kooperation zwischen van Doesborch und Andrewe ist ebenso unsicher wie ihr genauer Umfang.221 The valuation of gold and silver, ein weiteres Buch, für das Andrewe als Übersetzer fungierte, ist ebenfalls undatiert und wird darüber hinaus van Doesborch nur zugeschrieben. Während Proctor erläutert: »There can be little doubt that this book is a production of Jan van Doesborch’s press«222, folgt beispielsweise Franssen dieser Vermutung nicht.223 Weitere Fragen drängen sich zusätzlich zu diesen Ungewissheiten schon bei den Grundlagen auf: Wenn Andrewe aus Calais stammte (oder dort lange genug gelebt hatte, um dies als seinen Bezugspunkt zu nennen), warum taucht er dann in Antwerpen als Übersetzer vom Flämischen ins Englische auf (trotz der Nähe und der Handelsbeziehungen zwischen Calais und Antwerpen hätte eine Übersetzungstätigkeit hauptsächlich vom Französischen ins

218

Zum komplexen Verhältnis der Hortus Sanitatis-Bearbeitungen wie z. B. der hier genannten The noble lyfe and natures of man oder auch Thuys der fortunen vgl. beispielsweise Kratzmann/ Gee (1988), S. 60f., bzw. Houwen (2004), S. 63ff. 219 Proctor (1894), S. 33. 220 Die Forschung des 19. Jahrhunderts datierte die Drucke Andrewes insgesamt wesentlich früher. Vgl. DNB, S. 400. 221 Duff (der nur die ersten zwei Übersetzungen kennt) geht davon aus, dass »it is very probable that several more of that printer’s books are also translations made by Andrewe«, obwohl die anderen Übersetzungen nicht seinen Namen tragen. Duff (1948), S. 3. 222 Ebd., S. 37. 223 Vgl. Franssen (1990), S. 73.

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Englische nahe gelegen)?224 Was waren seine Beziehungen zum Buchdruck? War er bereits in das Gewerbe eingewiesen, bevor er zu van Doesborch kam? Einige Antworten lassen sich finden, die Mehrheit bleibt aber im Dunkeln, so dass sich nur grobe Linien nachzeichnen lassen. Andrewes Herkunft aus Calais und seine nach der Ankunft in London deutlich werdenden Kontakte zum englischen Buchgewerbe stehen in engerem Zusammenhang, als die Forschung es bisher anerkannt hat. Bekannt ist die Verbindung Andrewes mit dem Londoner Drucker John Rastell (der mit Thomas More verschwägert war): He [Lawrence Andrewe; AHZ] then came over to England, and the first thing he did on his arrival was to borrow £5 in money and twenty pounds’ worth of printing material from John Rastell […].225

Während aber Plomer die Bereitschaft Rastells Andrewe finanziell zu unterstützen mit Familienbekanntschaften in England erklärt, ist m. E. die Verbindung Rastells nach Calais und eine Bekanntschaft mit Andrewe in diesem Kontext der wahrscheinlichere Grund. Calais war nach der Eroberung 1347 bis zum Verlust an die Franzosen 1558 eine englische Exklave mit engen Verbindungen zum Mutterland. Verschiedene Handelsgruppen benutzten die Stadt als Umschlaghafen und Knotenpunkt für den Kontinentalhandel. So besaßen beispielsweise die Tuchhändler von Coventry starke Beziehungen nach Calais; mit diesen wiederum war John Rastell verbunden: »The wealthiest citizens of Coventry were merchants of the Staple of Calais. Rastell’s associations with them, both socially and professionally, were intimate.«226 Ob nun die Unterstützung Andrewes durch Rastell auf früheren Familienbekanntschaften beruhte oder nicht, jedenfalls war es die Familie Andrewes, die für ihn geradestehen musste, als Rastell 1529 gegen ihn ein Verfahren zur Rückzahlung anstrengte.227 Andrewe setzte sich ins Ausland ab und seine Tante oder Mutter, die Priorin von Stamford war,228 stand für ihn ein. Liegt daher, so wäre zu fragen, nicht ein Zeitpunkt nach 1529 für Andrewes Aufenthalt in Antwerpen und für seine Zusammenarbeit mit van

224

Dass Andrewe wahrscheinlich auch vom Französische ins Englische übersetzte, legt sein Druck The debate and stryfe between somer and wynter (siehe unten, S. 323) nahe, denn dieses Buch wurde zuvor von niemandem in England verlegt und stammt aus dem Französischen, vgl. STC2. 225 Plomer (1974), S. 216f. 226 Reed (1926), S. 5. 227 Vgl. Plomer (1974), S. 218. 228 Vgl. ebd., S. 217.

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Doesborch nahe? Muss man sich einen mittellosen Flüchtling, der sich mit Übersetzungsarbeiten über Wasser hielt, vorstellen? Möglich ist das wohl, aber da Andrewe selbst bereits zu früheren Anlässen nicht in London war und vielleicht auch dann von der Priorin vertreten wurde, kann kein gesichertes Urteil gefällt werden: Als im Oktober 1526 der Londoner Bischof Tunstall die Buchdrucker und -händler versammelte, um sie zu verpflichten, die Verbreitung der ersten Tyndale-Übersetzungen des Neuen Testaments einzudämmen,229 unterschrieb »Mestres Andrew« als einzige Frau unter den Anwesenden, übrigens neben Rastell als einem der ranghöchsten Zeichner. Sie könnte dabei als Lawrences Stellvertreterin gehandelt haben. Es könnte sein, dass er sich schon zu diesem früheren Zeitpunkt vorübergehend im Ausland aufhielt. Dass die Beziehung zwischen Rastell und der Familie Andrewes trotz der Geldstreitigkeiten leidlich gut gewesen sein müssen, scheint dadurch belegt, dass John Rastell ein Mitglied der Familie, Leonard Andrewe, in seiner Offizin beschäftigte.230 Da diese Annahmen über die Qualität der Beziehungen aber ohne Beleg sind, soll nur das festgehalten werden, was dokumentiert ist: Andrewe stammte aus Calais. Die Tuchhändler hatten Verbindungen nach Calais. Rastell war mit den Tuchhändlern verflochten, er lieh Andrewe eine beträchtliche Summe und Material, um eine Presse zu betreiben, Andrewe zahlte nicht zurück, sondern setzte sich ab und eine Verwandte stand für seine Schulden ein. Andrewes Aktivität bei van Doesborch ist erst in den mittleren 1520ern nachweisbar, wodurch seine Beteiligung an der Eulenspiegel-Übersetzung, die höchstwahrscheinlich vor 1520 liegt, zweifelhaft ist. Hinzu kommt, dass Andrewe um 1520 die Starthilfe Rastells in Anspruch nahm, was eine Übersetzungstätigkeit Andrewes zu genau dieser Zeit wenig einleuchtend macht. Dieser Argumentation steht entgegen, dass die ersten Drucke, die Lawrence Andrewes Presse entstammten, mit 1527 datiert sind. Was kann Andrewe in der Zwischenzeit mit der geliehenen Type angefangen haben? Vorstellbar wäre natürlich, dass seine Drucke aus der Zeit vor 1527 nicht überlebt haben. Doch wäre dies eine Erklärung, die auf Spekulation beruht. Interessant ist, dass Andrewes Name nur mit der Übersetzung ›ernsthafter‹ Druckerzeugnisse oder Ratgeber-Literatur verknüpft ist – die Unterhaltungsliteratur aus van Doesborchs Offizin nennt ihre(n) Übersetzer in keinem Fall. Allerdings führt Andrewe in einem Vorwort zu einem seiner eigenen Drucke, Hieronymus von Braunschweigs Distillierkunst, aus, dass er nun, nachdem er 229 230

Vgl. Reed (1917–19), S. 169–171. Vgl. Duff (1948), S. 3. Nach Duff wird Leonard in einer Gerichtsverhandlung 1534–35 als Assistent Rastells bezeichnet.

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diverse kleine, unbedeutende Bücher übersetzt habe, sich großen Themen zugewendet habe: After dyvers and sondry small volumes and tryfeles of mirth and pastaunce som newly composed, some translated and of late finished [I am] now minded to exercise my pene in mater to the reader som what more profytable.231

Daraus ist geschlossen worden, dass Andrewe für die Übersetzung der Prosaerzählungen aus van Doesborchs Presse verantwortlich war. In ihrer Erörterung der Übersetzung der Mary of Nijmegen kommt Schlauch zwar zu keinem klaren Schluss, erwägt Andrewe aber als möglichen Übersetzer.232 Sollte diese Annahme zutreffen, lässt sich doch an der Liste der Titel aus Andrewes eigener Presse kein besonderes Interesse an kurzer Prosaliteratur erkennen. Bei den ersten datierten Büchern, die 1527 aus seiner Offizin überliefert sind, handelt es sich um Hieronymus von Braunschweigs The vertuose boke of distyllacyon (STC2 13435),233 welches er selbst »out of Duyche« übersetzte.234 Ein weiterer Nachdruck, der ihm zugeschrieben wird, folgt, wahrscheinlich um 1530 (STC2 13437). Der Rest der Produktion, die in seiner Offizin in der Fleet Street nahe der Fleet Bridge an der Adresse mit der Ortsangabe (sign) »Goldenes Kreuz« entstand,235 ist sämtlich undatiert, manches nur als Fragment erhalten und inhaltlich gemischt: das Directory of Conscience (STC2 3274.5), der Mirror of the World (STC2 24764) und die Debate and stryfe betwene Somer and Wynter (STC2 6445). Der Mirror-Druck stellt eine Neuauflage von Caxtons Ausgabe dar236 und zeichnet sich durch eine Vermengung unterschiedlicher Holzschnitte aus.237 Licht in Lawrence Andrewes weitere Verbindungen neben denen zu van Doesborch und Rastell bringen die Initialen, die er verwendete. Einige waren speziell für ihn angefertigt worden. Sie enthalten sein Druckerzeichen

231

Zitiert nach: Brie (1903), S. 46. Vgl. Schlauch (1963b), S. 11. 233 Dieser Titel wurde davor bereits in Straßburg von Johannes Grüninger gedruckt, nach dessen Vorbild auch Andrewes Holzschnitte gestaltet sind (vgl. Honegger: Ulenspiegel. S. 17). Sie sind jedoch vereinfacht, lassen den Hintergrund weg und mindestens einer ist seitenverkehrt geschnitten, ein typisches Zeichen einer schlechten Kopie. Die Holzschnitte zeigen entweder Gebrauchsspuren oder sie sind mit zu wenig Tinte, d. h. schlecht gedruckt. Sollte es sich tatsächlich um Gebrauchsspuren handeln, wären frühere Ausgaben ganz verloren gegangen. 234 Die zweite Edition des Drucks mit durchgängig merklichen Veränderungen ist merkwürdigerweise auf den nächsten Tag datiert, weshalb vermutet wird, dass die Jahresangabe für diese Edition vielleicht eher 1528 lauten müsste; vgl. STC2 13436. Vgl. Plomer (1974), S. 216. 235 Vgl. Duff (1906), S. 155. 236 Vgl. Plomer (1974), S. 216. 237 Vgl. Duff (1948), S. 3. 232

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(»a shield surrounded by some florid renaissance ornament«238) in Miniatur. Eben diese wurden von Peter Treveris, einem weiteren Londoner Drucker im deutsch-niederländisch-englischen Netzwerk, in seinem Great Herball von 1529 benutzt (siehe S. 341).239 So kann zwischen Lawrence und Treveris ein Miteinander zusätzlich zu dem Nebeneinander ihrer Programme konstatiert werden: Während Lawrence nämlich von Hieronymus von Braunschweig ausschließlich das boke of distyllacyon verlegte, beschränkte sich Treveris seinerseits auf dessen experyence of Surgery. Da beide ungefähr zeitgleich druckten und zudem anscheinend auch bei anderen Projekten wie dem Great Herball kooperierten, scheint hier eine Aufteilung des Markts sichtbar zu werden, die auf Absprache beruhte. Bemerkenswert ist, dass auch Jan Berntsz, der ehemalige Partner Jan van Doesborchs, 1535 in Utrecht Dat hantwerck der cirurgien herausgibt (NK 506). Insbesondere für den Eulenspiegel ist eine weitere Figur im Netzwerk Andrewes wichtig: Aus Andrewes Kolophon geht hervor, dass er neben seinen Verbindungen unterschiedlicher Art mit van Doesborch, Rastell und Treveris auch Arbeit für einen anderen Drucker übernahm, den Londoner Verleger Robert Wyer: Another of his publications was The debate and stryfe betwene Somer and Winter, which he printed for Robert Wyer, the printer and bookseller at Charing Cross, who was apparently the publisher, as the colophon stated that copies were to be had at his shop.240

Diese Arbeit, die mit 1530 auf einen recht späten Zeitpunkt datiert wird,241 interessiert deshalb, weil sie eine Verknüpfung zwischen dem Kreis des ersten Howleglas-Druckers und dem des zweiten belegt. Daneben bestanden auch zwischen van Doesborch und Wyer Verbindungen, die sich auf der Textebene bewegen: Nicht nur druckte Wyer Teile von van Doesborchs Fifteen Tokens nach – The four tokens (STC2 14505) –, er nennt den Antwerpener Drucker auch als Übersetzer des Texts: »translated out of Duche into Englysshe by John Dousbrugh«242. Diese Anerkennung des Übersetzers, speziell einer früheren Ausgabe von einem anderen Verleger, war im frühen Buchdruck selten. Ob sich der Londoner Drucker dazu durch die Beziehung zu ihrem gemeinsamen Geschäftspartner Lawrence genötigt oder durch eine eventuelle persönliche Beziehung mit van Doesborch ver-

238

Ebd. Vgl. Duff (1906), S. 156. 240 Plomer (1974), S. 216. 241 Vgl. Duff (1948), S. 3. 242 Zitiert nach: Proctor (1894), S. 8. 239

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pflichtet fühlte, muss offen bleiben. Für eine Beziehung zu van Doesborch spräche beispielsweise, dass Wyers Druckerei in Charing Cross sich in direkter Nachbarschaft von St Martin in the Fields befand, wo sich van Doesborch vielleicht in den 1520ern aufhielt. Die Verbindungslinien, die sich auf diese Weise ergeben, reichen aber über das direkte Umfeld van Doesborchs hinaus bis hin zum zweiten HowleglasDrucker. Denn der spätere Drucker William Copland war ebenfalls mit Robert Wyer verbunden, wenn auch in weniger direkter Art. So verwendete Wyer im Statutendruck von ca. 1545 (STC2 9343.8; The Ordynal or statutes concernynge Artyfycers, seruauntes, & labourers) für Richard Bankes ein Initial, welches Copland 1553 in STC2 15378 benutzte (das ›W‹ auf E3b).243 Daraus wird ersichtlich, dass die Verbindungen zwischen den beiden EulenspiegelKreisen unterbrochen sein mögen, aber sie reißen nicht vollständig ab. Weitere Verbindungen, die die Vertrautheit van Doesborchs mit in England ansässigen Druckern bzw. ihren Produkten zeigen, sind beispielsweise die zu Richard Bankes und vielleicht auch solche zu de Worde. Franssen vermutet, dass Bankes Druck A lyttyll newe treatyse or mater intytuled and called the .ix. drunkardes […] (STC2 7260) von 1523, für welches das Kolophon lautet »out of the duche into English«, auf eine verlorene Ausgabe oder Übersetzung van Doesborchs zurückgeht. Einleuchtender und belegbarer scheint mir eine umgekehrte Verbindung zwischen den beiden Druckern, auf die Franssen ebenfalls hinweist: Jan Berntsz, mit dem van Doesborch nach 1530 zusammenarbeitete, verwendete in seinem Dat bedroch der vrouwen (NK 087) Holzschnitte, die auch schon in den .ix. drunkardes zu finden sind. Während Franssen aber den Ursprung der Holzschnitte bei van Doesborch sieht (dann Bankes), kann ohne weitere stichhaltige Argumente nur die Übernahme der Holzschnitte durch Berntsz von Bankes festgehalten werden.244 Daneben führt Franssen auch einige Verknüpfungspunkte zwischen van Doesborch und de Worde an, z. B. die Tatsache, dass van Doesborchs 1528er Druck Der .ix. quaesten denselben Holzschnitt enthält wie de Wordes 1515er Druck A lytell treatyse of the turkes lawe called Alcaron […].245 Aber auch die umgekehrte Rezeption lässt sich feststellen, nämlich dass de Worde 1520 van Doesborchs Fredryke of Jennen nachdruckte.246 Bedenkt man weiterhin, dass

243

Vgl. STC2 9343.8. Zur Bestimmung ihres Verhältnisses wäre auch das A auf C1b zu untersuchen. 244 Vgl. Franssen (1990), S. 40. 245 Vgl. ebd., S. 43. 246 Vgl. ebd., S. 47.

324

der spätere Howleglas-Drucker William Copland über seinen Vorgänger in eine Linie mit de Worde zu stellen ist (siehe S. 350ff.), sind solche Verbindungen weitreichend, da sie zumindest auf eine Materialtradierung hinweisen. Von einer scheinbaren Nebenfigur wie Lawrence Andrewe, die zum Netzwerk des ersten Howleglas-Druckers van Doesborch gehört, gehen also wiederum verschiedene Verbindungen aus, die sogar bis zum zweiten englischen Eulenspiegel reichen. Es mag bedauerlich sein, dass die offensichtlichste Verflechtungsmöglichkeit, Andrewes Übersetzerfunktion für den Eulenspiegel, ohne weitere Forschungsbelege nicht bestätigt werden kann. Dennoch sind die über ihn gewonnenen Einsichten in das Produktionsgeflecht der englischen Eulenspiegel als wertvoll einzuschätzen. Die Verknüpfungen zwischen van Doesborch und dem englischen Buchhandel beschränkten sich jedoch nicht auf das Personal um Lawrence Andrewe, weshalb nun einem weiteren Kettenglied nachgegangen werden soll.

3.3.3. Johannes Dorn/John Thorne Nicht nur zwischen Jan van Doesborch und dem eventuellen EulenspiegelÜbersetzer Lawrence Andrewe gab es Verbindungen, sondern auch zwischen van Doesborch und dem Buchhändler John Thorne oder Dorn(e) (vgl. S. 329ff.) in Oxford lassen sich Geschäftsbeziehungen nachweisen: Das »Day-Book« von John Thorne, eine Aufzeichnung seiner Verkäufe im Jahr 1520 mit Preisangaben,247 enthält Bücher, die auch in van Doesborchs Offizin gedruckt wurden.248

3.3.3.1. John Thornes Day-Book Aus van Doesborchs Druckerei stammt wahrscheinlich neben der Beschreibung Amerikas, die für einen Penny unter dem Titel Of the new landes and of the people founde by the messengers of the kynge of portygale named Emanuel […] (1520?; STC2 7677) (in Thornes Liste Nr. 848) aufgeführt wird, die Balla-

247 248

Vgl. Madan (1890a) sowie (1890b). Ein früheres von einem bzw. für einen Flamen oder Deutschen geführtes Day-Book, welches ebenfalls in Oxford gefunden wurde, enthält ein Buch, welches eventuell von van Doesborch stammen könnte. Duff überlegt, ob eine der kleinen Grammatiken (Os facies mentum) der Presse de Wordes entstammen könnte; es ist aber auch möglich, dass es sich um den Nachdruck van Doesborchs oder Pynsons handelt. Vgl. Duff (1907), S. 258.

325

de von Robin Hood (in drei Auflagen, zwischen 1510/15?; NK 3080, STC2 13689) für zwei Pence (Nr. 33). Ob es sich bei einem Hortus Sanitatis für zwei Schilling (Nr. 2110) schon um denjenigen handeln kann, den Lawrence Andrewe für van Doesborch übersetzte, ist unklar.249 Jedoch ist der Virgilius in vier Lagen für zwei Pence, den Thornes Verkaufsliste nennt (Nr. 1078), nicht der wesentlich längere Caxton-Druck der Aeneis von Vergil, sondern sicherlich die von van Doesborch gedruckte Prosaerzählung über den ›Zauberer‹.250 Im frühen Buchdruck kann von einer persönlichen Beziehung zwischen dem Drucker und dem Buchhändler, der dessen Erzeugnisse zum Verkauf annahm, ausgegangen werden kann. Somit belegt das Day-Book die Verbindung zwischen van Doesborch und Thorne. John Thornes Day-Book ist das umfangreichste seiner Art in dieser Periode und wird seit seiner Entdeckung in einem Bucheinband im Corpus Christi College in Oxford immer wieder herangezogen, um Beispiele von im 16. Jahrhundert zur Verfügung stehenden Büchern zu geben und ihre Preise zu schätzen. Es ist für die englische Bibliographie des frühen 16. Jahrhunderts ein ausgesprochen wichtiges Zeugnis. Inhaltlich besteht die größte Gruppe der verkauften Bücher aus Balladen und, an zweiter Stelle, teils englischen, teils lateinischen Jahresvoraussagen (›prognostications‹). Nach Jones bilden die Almanache und Jahresvoraussagen, deren Verkauf natürlich saisonal bestimmt war, mindestens fünf Prozent und somit einen guten Teil des Umsatzes.251 Sie liegen deutlich vor den Grammatiken, die Thorne ebenso verkaufte wie naturwissenschaftliche Werke, und rangieren im Preis zwischen einem und dreieinhalb Pence. So verkaufte John Thorne im Bereich der Jahresvoraussagen auch eine desjenigen Autors – Gaspar Laet –,252 von denen für 1515/16 ein Druck ebenfalls Jan van Doesborch zugeschrieben wird (The pronosticacion of maister Jasper, STC2 470.2, siehe oben, S. 293). Obwohl angemerkt worden ist, dass Thornes Aufzeichnungen zu seinen Verkäufen nur begrenzt aussagekräftig sind, weil sie nur die umgeschlagenen Bücher nennen und keinen Einblick in seinen Lagerbestand geben,253 sind die verkauften Bücher dennoch repräsentativ für sein Programm. Dies gilt auch im Hinblick auf die Aufzeichnungen eines Cambridger Buchhändlers, Garrat 249 250

251 252 253

Dieser wird in der van-Doesborch-Bibliographie auf um 1527 angesetzt; STC2 13837.5. »The actual book is no doubt the »Virgilius« printed at Antwerp by John Doesborcke in 4o, which does in fact consist of 30 leaves, and therefore (I presume) of 4 quires (van 4 quaterni).« Madan (1890b), S. 476. Vgl. P. Jones (1999), S. 444. Vgl. ebd. Vgl. Leedham-Green (1999), S. 340.

326

Godfrey, unbeschadet eines anderen Einwands, dass es sich um Einträge für diejenigen Kunden zu handeln scheint, die Kredit bei dem Buchhändler genießen.254 Aus Thornes Day-Book gehen noch weitere interessante Details neben den Buchverkäufen hervor: Im überlieferten Zeitraum zwischen Januar und Dezember 1520 entfällt die Periode ab Ende Mai bis Anfang August, nach der Thorne sein Verzeichnis mit dem Eintrag »post recessum meum de ultra mare« fortsetzt.255 Das Ziel seiner Reise ist allerdings in der Forschungsliteratur umstritten. Auf der einen Seite argumentiert Roberts, dass die Reise zu spät für einen Besuch auf der zu Ostern stattfindenden Frankfurter Buchmesse liegt und spekuliert im Licht der großen Zahl von Drucken aus Rouen, die Thorne vertrieb, über einen Geschäftsaufenthalt dort: As already noted, it is probable that Dorne’s trip […] was a book-buying expedition, and that his liturgical imports were notably from Rouen. That city was one of the major sources of imported books, and indeed of paper for books, during the sixteenth century, though it comes a long way behind Antwerp […].256

Dagegen bringt Leedham-Green ein anderes Ziel ins Spiel: »Between May and August of 1520, John Dorne travelled overseas, very probably to his native Brunswick.«257 Da für diesen Zeitraum keine Zollrollen mehr existieren,258 die die Einreise und somit zumindest das Schiff, auf dem Thorne ankam, dokumentieren könnten, kann nicht mit Sicherheit beurteilt werden, ob Thorne nach Rouen, nach Braunschweig oder vielleicht an einen ganz anderen Ort reiste. Der Hinweis Leedham-Greens deutet jedoch auf eine zentrale Frage in der Forschung zu Thorne hin: Seit über hundert Jahren wird darüber gemutmaßt, ob der Oxforder Buchhändler John Thorne mit dem Braunschweiger Buchdrucker Johannes Dorn identisch ist.259 Leedham-Green teilt ihre Auffassung, dass es sich um ein und dieselbe Person handelt, mit der Mehrheit der englischen Bibliographen seit Duff. Demgegenüber räumen die deutsche Bibliographen zwar die Möglichkeit der Identitätsübereinstimmung ein, legen sich aber nicht fest. Welche Vorsicht nötig ist, zeigt das Folgende: Dass der Name John Thorne in dieser Periode

254 255 256 257 258 259

Vgl. P. Jones (1999), S. 445. Zitiert nach: Duff (1906), S. 99. Roberts (1997), S. 323. Leedham-Green (1999), S. 350. Vgl. Roberts (1997), S. 319. Da die Frage bis heute noch nicht geklärt ist, wird im Folgenden die Form Dorn für den deutschen Drucker verwendet, obwohl auch der englische Buchhändler unter diesem Namen bekannt ist. Dennoch soll der Klarheit halber hier nur die Form Thorne für den Oxforder Buchhändler benutzt werden.

327

nicht unüblich war, sondern sogar im selben Zeitraum am selben Ort ein anderer John Thorne lebte, macht die Schwierigkeiten der Forschungslage deutlich. In der Public Records Office befindet sich unter den Kanzleipapieren Heinrich VIII. für 1520 ein Eintrag über die Verwaltung von Ländereien nach dem Tod eines John Thorne, der im Zusammenhang mit einem Kloster in der Umgebung Oxfords stand.260 Da dieser Mann Kronländer verwaltete, ist es unwahrscheinlich, dass es sich um einen Ausländer handelte. Die Namensgleichheit mit dem als Ausländer identifizierten Buchhändler muss demnach zufällig sein. Überraschend ist, dass Johannes Dorn aus Braunschweig nur als Buchdrucker, John Thorne aus Oxford nur als Buchhändler auftrat. Nachdenklich stimmt auch, dass nur zwischen van Doesborch und Thorne deutliche Handelsbeziehungen bestanden, es aber keine offenkundige Spur einer Bekanntschaft zwischen van Doesborch und Dorn gibt. Unabhängig von der Frage, ob es sich bei Dorn und Thorne um dieselbe Person handelt, wird jedoch die zwischen van Doesborch und John Thorne existierende Partnerschaft zu beiderseitigem Vorteil gereicht haben: Thorne hatte in van Doesborch einen Drucker gefunden, der auf den Englandhandel spezialisiert war. Van Doesborch war seinerseits auf einen Buchhändler getroffen, der seine Ware in England vertreiben konnte. Ob für Dorn eine Zusammenarbeit mit van Doesborch von Vorteil gewesen wäre, ist schwer zu beurteilen. Wenn Dorn sich nach England orientiert hätte, hätte er zumindest den längeren Transportweg von Braunschweig nach London nicht zu organisieren brauchen, sondern hätte die Ware von näherliegenden Orten – nämlich in Antwerpen bei van Doesborch – beziehen können. Durch die sprachliche und geographische Nähe gibt es zwischen Dorn und van Doesborch etliche mögliche Berührungspunkte. Koopmans/Verhuyck erläutern, dass die Begriffe niederdeutsch und flämisch im Französischen des 16. Jahrhunderts nahezu synonym gebraucht wurden.261 Dasselbe Phänomen findet sich im Englischen (»Dutch«, vgl. S. 313). Berücksichtigt werden muss auch, dass die Stadt Braunschweig im 16. Jahrhundert der Kreuzungspunkt verschiedener wichtiger Handelswege und zudem Hansestadt war. Der Austausch zwischen dieser Stadt und Handelszentren wie Antwerpen oder London war also nicht ungewöhnlich. Im Folgenden werden kurze Arbeitslebensläufe von Thorne/Dorn – soweit dazu Material vorhanden ist – gegenübergestellt, um eine Bewertung der englischen Prämisse der übereinstimmenden Personen zu ermöglichen. In 260 261

Vgl. Bibliographie: Ländereiverwaltung John Thorne. Vgl. Koopmans/Verhuyck (1988), S. 113f.

328

der deutschen Forschung ist Johannes Dorn zudem wegen seiner möglichen Tätigkeit im Braunschweiger Eulenspiegel-Umfeld in das Blickfeld gerückt.

3.3.3.2. Der Drucker Johannes Dorn in Braunschweig Bereits über die Anfänge des ersten Braunschweiger Druckers herrscht in der Sekundärliteratur Unklarheit: Nach Pearsons Angabe wird Dorn 1483 in Alstedt geboren,262 nach Benzings Darstellung ab 1483 in der Braunschweiger Altstadt urkundlich erwähnt.263 Jedenfalls war er in Braunschweig wahrscheinlich ab 1502 als Drucker tätig: 14 voll firmierte Drucke aus seiner Offizin existieren für die Zeit zwischen 1506 und 1522.264 Für die Zwischenzeit und auch nach 1522 werden ihm weitere Drucke zugeschrieben. Diese beruhen entweder auf Typenanalyse oder auf der Tatsache, dass es sich um niederdeutsche Drucke handelt, auf die sich Johannes Dorn, zumindest anfänglich, spezialisierte.265 In seiner sorgfältigen Bibliographie zu Dorn, mit der er das im Borchling-Claussen266 überlieferte Standard-Repertorium von 23 auf 40 deutlich erhöht, hebt Claus hervor, dass auch die größere Zahl (wovon drei nur bibliographisch nachgewiesen sind) als Produktion von fast 25 Jahren »eine überraschend magere Bilanz« darstellen.267 Interessant ist, dass 26 von Dorns Drucken niederdeutsch sind, neun lateinisch und fünf hochdeutsch, wobei Claus zu Recht betont: Auffällig ist also die kleine Zahl der lateinischen und hochdeutschen Drucke, und bemerkenswert ist auch, daß die hochdeutschen Drucke erst den Reformationsjahren angehören und allesamt unfirmiert sind.268

Zwei Merkmale in Dorns Arbeitsbiographie und Verlagsprogramm geben besonderen Anlass zur Spekulation über seine Verbindungen: 1. Die Produktionslücke in seiner Offizin zwischen ca. 1510 und 1517 (vgl. die Liste seiner Drucke, S. 332ff.): In dieser Zeit druckte Dorn nur vier Texte. Seine Beziehungen nach Leipzig und Magdeburg legen nahe, dass er dort bereits in diesen Jahren Geschäftsbeziehungen angebahnt haben könnte, was die geringe Produktivität seiner Presse erklären würde, aber 262

Vgl. Pearson (2000), S. 131. Vgl. Benzing (1982), S. 60. 264 Vgl. Claus (1991), S. 34f. Im Übrigen bringt Claus mit 1493 eine weitere Jahresangabe ins Spiel, zu der Dorn zuerst in Braunschweig urkundlich belegt ist. 265 Vgl. ebd., S. 35. 266 Borchling/Claussen (1931–57). 267 Claus (1991), S. 36. 268 Ebd. 263

329

stichfeste Daten fehlen. Diese Geschäftsbeziehungen gehen beispielsweise aus folgendem Druck hervor: Brobir buchleyn czu (G)otes lob […]. Gedruckt in der Kayserlichen Stat Maydeburg durch Hanss Knappe den Juengeren. Mit tzuthat Hanssen Dornss [Hervorhebung AHZ] Jm M.D.XXiiii. (VD16 P 4866).269

Wenn es zwar hierfür ebenfalls an Belegen mangelt, besteht zumindest in diesen Jahren eine ausreichend große zeitliche Lücke, die die Anknüpfung von Geschäftsbeziehungen nach Antwerpen und England und Aufenthalte dort möglich erscheinen ließe. Einschränkend muss jedoch festgestellt werden, dass aus Dorns Braunschweiger Offizin kein einziger englischer Text hervorging, sondern sich seine Aktivität auf niederdeutsche Drucke konzentrierte. In Oxford trat Thorne nur als Buchhändler in Erscheinung. Offensichtlich konnte ein ›duche‹ Buchhändler dort mit seinen Kenntnissen des kontinentalen Buchmarkts und den daraus erwachsenden Vorteilen, da er Bezugsquellen für in England fehlende oder begehrte Bücher fand, genauso viel Kapital schlagen wie durch den Druck der Bücher selbst. Claus kommt nach seiner Auswertung der zur Verfügung stehenden Quellen zu folgendem vorsichtigen Schluss: Aus zeitgenössischen Nachrichten wissen wir bisher nichts über die Schicksale Dorns nach dem 27. Dezember 1522. Aus diesem Grunde wurden auch die fünf Drucke mit seinen Typen aus den Jahren 1523 und (um) 1525 nach Braunschweig verlegt. Ob sich dies, was heute am naheliegendsten erscheint, so aufrechterhalten lässt oder Dorn sich vielleicht doch mit seinem ganzen Apparat auf die Wanderschaft begeben hatte, kann vielleicht einmal anhand bisher unbeachteter Archivquellen oder noch unbekannter weiterer Drucke Dorns endgültig entschieden werden.270

2. Beim Vergleich von Dorns und van Doesborchs Programm wird ihr gemeinsames Interesse an der zeitgenössischen Prosaliteratur deutlich: Ungefähr zur selben Zeit, als sich van Doesborch mit seinen Übersetzungen kontinentaler Unterhaltungsliteratur auf dem englischen Markt positionierte, begann in Braunschweig auch Dorn diese Art von Texten zu drucken. Wahrscheinlich um 1510 druckte er eine niederdeutsche Fassung des Liber vagatorum (Der bedeler orden; VD16 L 1567), später – um 1519? – die Schwankerzählung Bruder Rausch, ebenfalls auf niederdeutsch (Broder Rusch; VD16 B 8452) und schließlich, um 1525, (G)robian Dischtucht (VD16 G 3376). Obwohl

269

Angabe nach: Ebd., S. 40ff. Benzing ist sich weniger sicher, ob es sich bei dem erwähnten Hans Dorn wirklich um den Braunschweiger handelt, und stellt dies als Frage dar, der noch nachgegangen werden muss. Vgl. Benzing (1982), S. 60. 270 Claus (1991), S. 43.

330

Dorn damit zwar nur ein wesentlich geringeres Repertoire an unterhaltsamer Kurzprosa vorzuweisen hat als van Doesborch, scheint zumindest ein grundlegendes inhaltliches Einverständnis zu existieren. Wenn auch von der deutschen Seite keine eindeutigen Beweise dafür vorliegen, dass Dorn sich in den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts in England niederließ, gibt es dafür einige Hinweise von englischer Seite, die ernst genommen bzw. in Frage gestellt werden müssen. Benzings Einschätzung, dass mehr Grundlagenarbeit zu Johannes Dorns Biographie nötig ist, bevor verbindliche Aussagen gemacht werden können (vgl. Fußnote, S. 330), trifft also immer noch zu. In der Eulenspiegel-Forschung hängt mit Johannes Dorn die Diskussion um die mögliche Existenz einer verschollenen niederdeutschen Ausgabe zusammen, die Dorn zugeschrieben worden ist. Während Honeggers These, dass der Braunschweiger Stadtschreiber Hermann Bote seinen Eulenspiegel gleich auf hochdeutsch bei Grüninger in Straßburg habe drucken lassen,271 dem einzigen Braunschweiger Drucker keine besondere Rolle zuspricht, stehen dagegen einige Stimmen, die Dorn für wichtiger halten. Sodmann beispielsweise betont die Bedeutung der Illustration, die einen reitenden Narren (mit Kappe) mit Spiegel in der Hand zeigt, welche Dorn sowohl für sein Liber vagatorum als auch für seinen Grobianus als Titelillustration verwendete.272 Nach Sodmann weist die Abnutzung des Holzschnitts darauf hin, dass dieser schon vor dem Liber Vagatorum Einsatz fand, und er vermutet, dass es sich um eine frühe Eulenspiegel-Illustration zu einer heute verschollenen niederdeutschen Ausgabe handeln könnte, in der Eulenspiegel mit den üblichen Narrenattributen dargestellt ist.273 Obwohl diese Vermutung viele Zusammenhänge erklären würde, wendet Schulz-Grobert ein, dass sowohl die unsichere Datierung des Liber vagatorum als auch die Darstellung der Hauptfigur als Narren – im Gegensatz zur Grüningerschen Ikonographie, die Eulenspiegel nicht auf diese Weise kennzeichnet – in Kombination mit dem bisherigen Fehlen eines niederdeutschen Ulenspiegel-Exemplars gegen die These sprechen.274 Jedoch ist auch die Umkehrung zweier dieser Argumente möglich: Der Titelholzschnitt des Liber vagatorum gehörte zu einem vorher erschienenen Ulenspiegel, dessen Entstehungszeit vor den Straßburger Eulenspiegel-Druck fällt. Erst in der Grüningerschen Offizin wird dann ein niederdeutscher

271

Vgl. Honegger (1973), S. 100f. Vgl. Sodmann (1980), S. 212. 273 Vgl. ebd., S. 214f. 274 Vgl. Schulz-Grobert (1999), S. 246f. 272

331

Kern erweitert und mit der durchschlagenden ikonographischen Darstellung von Eulenspiegel in Zaddeltracht zusammengebracht. Bis zum Auffinden eines niederdeutschen Ulenspiegel-Exemplars wird jedoch keine endgültige Klärung möglich sein. In jedem Fall ist von Dorns Vertrautheit mit dem deutschen Buchmarkt auszugehen und davon, dass ihm bekannt war, dass der Eulenspiegel im deutschsprachigen Raum ein Bestseller war (zumal der Großteil der Historien im Braunschweiger Raum spielt).

3.3.3.3. Johannes Dorns Drucke Diese Liste der Drucke, die Dorn verlegte oder die ihm zugeschrieben werden, ist eine Kurzfassung der ausführlichen Bibliographie bei Claus.275 Sie soll einen Überblick über Dorns Programm vermitteln; es wird kein Anspruch auf bibliographische Vollständigkeit erhoben.

275

[1502]

Braunschweig, Rat: [Ausschreiben betr. Ludeke Hollant, dat. 15.11.1502].

[1505?]

Braunschweig, Rat: [Bekanntmachung, dat. 30.8.1505]. BC 387.

[1505?]

Braunschweig, Rat: [Sendschreiben, dat. 30.8.1505]. BC 388.

1506

[Evangelia, ndt.]: (D)Ath boke der hilgen Ewangelien […]. VD16 E 4483

1506

Steinhöwel, Heinrich: Een korth regiment wedder de pestilencie. BC 407.

1506

Camman, Henning: Practica duedesch […]. BC 401. VD16 C 599.

[1506?]

Virdung, Johannes / Brun, Kaspar: Practica duedesch. BC 427.

1507

Ein nuette Bicht Boeklin. BC 411.

1507

[St.-Annen-Büchlein.]: (H)Yr in dussem bocklin. BC 417.

1507

Pfefferkorn, Johannes: Der Jodenspeigel. BC 422. VD16 P 2298.

Claus (1991), S. 53ff.

332

276

1507

Remigius: (R)Emigius siue dominus que pers. VD16 R 1094.

[1507?]

(De witte Lilien der Kuschheyt u. a.). BC 429.

1508

Speigel der waren vnde rechten ynkere to gode. BC 438.

1508

Tytel Bock. BC 440.276

1509

Regimen sanitatis. BC 453. VD16 R 539.

1509

Bebel, Heinrich: (L)Atiun Ideoma. VD16 B 1229.

[1509?]

[Murner, Thomas:] De quattuor heresiar chis ordinis Predicatorum. VD16 M 7051.

[1510?]

[Liber vagatorum, ndt.]: Der bedeler orden. BC 482. VD16 L 1567.

1511

Caldrusius, Henning: Dialogus contra impudicas foeminas. VD16 C 207.

1514

Oracio de sanctis Cosma et Damiano.

1516

Falconia Proba, Valeria: Virgilocentones […]. VD16 F 566.

1517

[Brandes, Johannes:] Distichoneomenion Abaci. STC 246. VD16 B 7020.

[1517?]

Hornbach, Nikolaus: (A)ltiscimus de terra creauit medicinaam et vir prudens non abhorrebit illam […].

[1517]

(W)arhachtige nyge tydnige [!]. BC 605.

1518

(Helmich, Gerd:) De overen vnde meddelen Straten van Brunswyg tho Suente Jacob in Galicien. BC 613. VD16 H 1787.

1518

De guldene Lettanye. BC 617 (nebst Erg.). VD16 G 3904.

1518

Luther, Martin: Eyn sermon van dem Aflath vnd genade. BC 618. VD16 L 6290.

[1519?]

[Bruder Rausch, ndt.]: (E)yn kloster vor einem walde lach. BC 636. Brandes 100. VD16 B 8452.

1519

Cyclops, Wolfgang: Christiani Tyrociny: progynasmata.

Inzwischen ist dieses vermisst geglaubte Buch wiederaufgefunden worden. Vgl. SchulzGrobert (1998).

333

[1519]

Heinrich d. J. Herzog von Braunschweig-Lüneburg: [Ausschreiben, dat. 13.7.1819].

[1520?]

Hornbach, Nikolaus: (N)A Christ geburt M.D.xxi. (Almanach). STC (Suppl.) S.43.

[1521]

(C)Ythacio vnd geleyth doctoria Martini luthers ghen Wurms. VD16 D 1183.

[1521]

Kunz von Oberndorf: Dialogus oder eyn ghespreche wieder Doctor Ecken Büchlein. VD16 K 2572.

1522, Dez. 27 Decius, Nikolaus: Summula doctrinarum Ihesu Christi ex Codicus Matthei coacta. VD16 D 366. [1522]

Kruse, Gottschalk: Van adams vnd vnsem valle vnd wedder vperstandinghe. BC 706. VD16 K 2472.

1523

Anbreghen vnde weruyghe der Dawstliken boedeschop. VD16 A 2459.

[1523]

Anbringen der Grauen Herren Szo ym xxiij. yar zu Nurmberg versamelt gewest.

1523

Marschalk, [Haug]: Von dem weyt erschollen namen Luther. VD16 M 1106.

1524

Brobir buchleyn czu (G)otes lob, vnnd der werlth nucz geordent Maydeburg M.D.xxiiij. VD16 P 4866.

1525

Eberlin, Johannes: Eyn denck mael vth deme boeke Deutro. am (S)esten Capitel. BC 798. VD16 E 141.

[1525?]

(G)robian Dischtucht. BC 901. VD16 G 3376.

3.3.3.4. Der Buchhändler John Thorne in Oxford Über John Thorne existieren neben dem Day-Book einige Daten, die Schlaglichter auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen des ausländischen Buchpersonals in England im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts werfen. Er bezahlte beispielsweise 1524 in Oxford eine Fremdensteuer, die ihn nicht nur als »Douchman« ausweist, sondern als Teil einer ›Dutch‹ BuchverkäuferGemeinschaft.277 Diese wird unter der Kategorie »Stacyoners and Boke Sellers« der zur Universität gehörenden Gelehrten, Bediensteten und Privi277

Vgl. Rogers, T. J. E. (1891), S. 56.

334

legierten notiert und umfasst insgesamt fünf Buchhändler: William Howberghe, Johan Thorn, Gerard Pylgreme,278 Balchasar Churchyard und Harry Renkens279 – wie es scheint, eine größere Anzahl von ›Dutchmen‹ in einem Gewerbe in einer kleinen Stadt. Die Steuerrolle verrät, dass Howberghe und Thorn (zumindest in diesem Jahr) jeweils Abgaben von 10 Schilling auf einen Besitz von 40 Schilling oder zwei Pfund zahlten – einen wesentlich höheren Satz also als Jan van Doesborch (möglicherweise) zur selben Zeit in London (vgl. oben, S. 276). Pylgreme (oder Pilgrim) und Churchyard wurden dagegen mit drei Schilling auf drei Pfund deutlich geringer besteuert als die beiden anderen.280 Die geringste Summe mit drei Pence auf 20 Schilling trieb der Beamte im Falle Renkens ein. Pilgrim ist der bibliographischen Forschung als offizieller Buchhändler der Universität bekannt. Gibson erklärt das Ungewöhnliche an dessen Position: »[he] seems to have been the only foreigner ever appointed University Stationer«.281 Aus der Tatsache, dass Pilgrims Testament 1537 in Oxford vollstreckt wurde, geht hervor, dass er sich nach 1524 einbürgern ließ (ob erst 1531 als Reaktion auf die neue Gesetzgebung, muss offen bleiben), denn nur Einheimische konnten (bzw. mussten) in England Testamente aufsetzen.282 Aus seinem Testament wiederum wird deutlich, dass er ein gebürtiger Antwerpener war.283 Für John Thorne trifft dasselbe zu wie für Pilgrim: Unabhängig davon, woher dieser ›Dutchman‹ nun kam, sein Testament aus dem Jahr 1545 ist ein eindeutiger Beleg dafür, dass seine offizielle Einbürgerung zwischen 1524 und diesem Zeitpunkt stattgefunden haben muss.284 Nach Pearson lebte Thorne zwischen 1520 und 1534 bei St Mary’s Church auf der Südseite der High Street285: Für 1528 ist die genaue Lage und Größe seines Geschäfts bekannt: 278

Es ist unklar, wie sich dieser zu Jodocus Pilgrim in St Paul’s Churchyard oder zu Nicholas Pilgrim in Cambridge verhält. 279 Lay Subsidy. 15 Hen. VIII. No. 161/198. Oxford (1524). (Privileged Persons). Angabe in: Rogers, T. J. E. (1891), S. 55. 280 Ob dies mit Pilgrims offizieller Position an der Universität zusammenhängt, geht aus den Dokumenten nicht hervor. 281 Gibson (1907), S. xvii. 282 Vgl. ebd., S. xv. 283 Vgl. die Angaben im Britischen Buchhandelsindex, der im Internet zur Verfügung steht: ‹www.bbti.bham.ac.uk› Stichwort: »Pilgrim, Gerard.« Weitere Angaben finden sich in Duff (1948) sowie Gibson (1907). 284 Die erste Nachricht über dieses Testament findet sich bei Carl I. Hammer Jr., der es in der Bodleian verortet – seither ist es allerdings in das Oxford County Archive transferiert worden. Vgl. Testamentary records. Vgl. auch Hammer Jr. (1979), S. 367. 285 Vgl. Pearson (2000), S. 131.

335

It is now demonstrated by Mr. Salter that ›Johon Thorne, bokesyller,‹ was occupant of a shop with 9 feet 9 inches of frontage to the High Street, almost exactly where the new gateway of Oriel now stands, facing St. Mary’s Church.286

Auch sein späterer Wohnort ist archivalisch bezeugt. In der Laiensondersteuerrolle von 1543/44 ist er – immer noch als Ausländer – im Südosten der Stadt verzeichnet.287 Thorne wird allerdings nicht nur in der Steuerrolle unter den Universitätsbediensteten aufgelistet, sondern es finden sich noch weitere Belege für seine Beziehungen zur Universität: Er selbst verzeichnete drei Verkäufe an Colleges und eines der Colleges hat einen Eintrag über die Kosten der Buchankettungen, an denen Thorne wohl beteiligt war: Dorne records three ›institutional‹ sales, two at Magdalen College and one at St Mary Hall. Magdalen’s Liber Computi for 1520–1 records no book purchases, but the college did pay ›Joannes bibliopola‹ 3s.4d. for chaining twenty-three books in that year.288

Das wichtigste Zeugnis, auch für seine ausländischen Wurzeln, ist aber sein Testament vom 21. September 1545. Es belegt, dass John Thorne in der Zwischenzeit – seit 1543/44 – eingebürgert worden sein muss. Die Frage drängt sich auf, warum er nach so langer Zeit in England noch diesen Schritt vollzog. Abgesehen von persönlichen Gründen, die für uns nicht erkennbar sind – wie beispielsweise eine sich anbahnende Krankheit, die ihm klar werden ließ, dass er wahrscheinlich nicht mehr in seine Heimat zurückkehren würde –, könnte ein Hinweis in den Aufzeichnungen zur Testamentsvollstreckung liegen. Im Gegensatz zu den meisten der Testamente, die sich in demselben Register befinden, lag die Vollstreckung nämlich in so großer zeitlicher Distanz, dass sie nicht (wie in den anderen Fällen) direkt unterhalb des Testaments eingetragen wurde, sondern erst drei volle Jahre später (zwischen 21. September und 3. November 1548). Nach der Testamentsaussage (vgl. die Kopie des Testaments im Anhang, S. 578) erhielt seine Tochter Freswys »all suche goodes that I have within the realme of Englond«, sein Besitz »beyonde the seae shall go to my brother and systers« bzw. deren Kindern, aber es wird nicht spezifiziert, wie sie hießen, wo sie wohnten oder um welche Art von Besitz es sich handelte.289 Als Testamentsvollstrecker wurden James Edmunds, 286

Madan (1915), S. 176. Seine Angabe bezieht sich auf: Salter (1914–1917), Bd. 1, S. 408 bzw. S. 410f. 287 Vgl. Salter (1923), S. 145 and 156. 288 Roberts (1997), S. 319. 289 Die Zollrolle von 1520 führt unter den einheimischen (Buch-)Importeuren auch einen Thomas Thorne auf, über den aber leider weiter nichts bekannt ist. Könnte es sich um einen bereits eingebürgerten, bis zur Testamentsaufsetzung aber verstorbenen Verwandten John Thornes handeln? Vgl. Christianson (1999), S. 142.

336

Universitätsdiener (»Esquire Bedell of Arts«), und ein weiterer ausländischer Buchhändler, Herman Evans, bestellt.290 Die Aufsetzung des Testaments zu diesem Zeitpunkt zusammengenommen mit der Einsetzung seiner Tochter als englischer Alleinerbin weist auf einen in der frühneuzeitlichen englischen Vererbungspraxis häufigen Sachverhalt: Die Testamentaufsetzung fand vorgezogen zum Zeitpunkt der Eheschließung des Erben oder der Erbin statt (»ante-mortem endowment«291). Sie stellte eine Willensbekundung oder Mitgiftserklärung für die Begünstigten dar, da die Haushaltsgründung in Nord-West-Europa teuer war: [A]dmittance to a future rather than a present possessory interest in property was related to marriage. Thus it would appear that it was the assurance of resources rather than actual possessory transfer that was crucial.292

Es ist also möglich, dass Thorne sein Testament aufsetzte, um die Vermögensverhältnisse seiner Tochter aus Anlass ihrer Eheschließung zu klären. Am Aufenthalt dieses »Dutchman« in Oxford ist die Gleichzeitigkeit der Assimilation und der Fremdheit deutlich. Er bewegte sich offenbar im Kreis der flämisch-deutschen Ausländer, die im selben Gewerbe tätig waren, wie aus der Bestellung Evans zum Testamentsvollstrecker hervorgeht, fuhr wahrscheinlich regelmäßig auf den Kontinent, um sein Lager aufzustocken oder nach seinem Besitz dort zu schauen, arbeitete aber mit den örtlichen Institutionen, zog sein Kind in England auf und ließ sich letztendlich einbürgern. Dennoch spielten in seinen geschäftlichen Verbindungen Mitglieder der flämisch-deutschen Diaspora über das unmittelbare Oxforder Umfeld hinaus immer wieder eine Rolle: Neben der Verbindung zu Jan van Doesborch unterhielt John Thorne Beziehungen zu einem anderen deutschstämmigen Drucker, der in London ansässig war. Es handelt sich um Peter Treveris in Southwark, der etwa 1526 ein Whittinton-Opusculum (STC2 18833a) sowie 1527 ein Libellulus (STC2 15574) mit dem Zusatz »venundatur ap. I.T.« bzw. »ap. J. Thorne« druckte.293 Offensichtlich war die Vertrauensbasis zwischen beiden und Thornes Buchhandelshaus ausreichend groß, um solch ein ›joint venture‹ für beide attraktiv zu machen (zu ihrer Beziehung siehe auch unten, S. 341).294 Interessant, wenn auch nicht überraschend, ist, dass John Thorne und die anderen flämischen bzw. deutschen Buchhändler gerade Oxford als Standort

290

Die Angaben zu Edmunds und Evans sind entnommen aus: Hammer Jr. (1979), S. 367. Bonfield (1986), S. 159. 292 Ebd., S. 176. 293 Vgl. STC2. 294 Leedham-Green (1999), S. 338. 291

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wählten. In der High Street, nicht weit von Thornes Räumen, waren seit dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts »Dutchmen« ansässig: 1478 ist dort ein »John Dowcheman« verzeichnet, 1480 ein »Dyryke Dowcheman«, 1482 schließlich »Dyryk Rode«, alias Theodoricus Rood von Köln295.296 Der personelle Austausch im Buchhandel zwischen dem Kontinent und England, und insbesondere den Niederlanden und den Hansegebieten, bestimmte also schon seit dem 15. Jahrhundert das Gewerbe und die mit den Buchhändlern und -druckern verbreiteten Texte. Nachdem die Gesetzgebung im 15. Jahrhundert den Zuzug von Buchhandelspersonal gefördert hatte (vgl. S. 298ff.) und ihre Ansässigkeit in Oxford deshalb begründbar ist, wäre eigentlich zu erwarten, dass mit den Einschränkungen der Gesetze aus den 20er und 30er Jahren die Zahl der Ausländer in diesem Gewerbe wie in London auch in Oxford abgenommen hätte. Da jedoch die zwei Universitätsstädte Oxford und Cambridge und das Sanktuarium von St Martin le Grand von diesen Gesetzen ausgenommen waren, blieb die Zahl der ausländischen Buchhändler hier vergleichsweise hoch. In the universities, foreigners might keep up to ten servants. […] There is evidence from Cambridge that at this time alien booksellers were valued for their expertise, since the university wrote to Cardinal Wolsey in 1528 or 1529, petitioning that it should be allowed to have three booksellers who would be aliens, in view of their skill in buying books from abroad.297

Während an der Universität Cambridge also drei ausländische Buchhändler ihre Ausnahmestellung bis ca. 1557, als die Stationers’ Company gegründet wurde, behalten konnten, 298 wurde in Oxford nach dem Gesetz von 1534 (25 Henry VIII, Kap. 15) die Aufhebung der Einzelhandelsrechte der ausländischen Buchhändler durchgesetzt. Sie durften nur noch als Großhändler auftreten und auch keine gebundenen Bücher mehr verkaufen. Roberts geht – ohne weitere Erklärung – davon aus, dass das die großen, in London ansässigen Händler wie die Birckmanns nicht betroffen haben dürfte, aber »the alien bookseller who relied upon his retail sales to his Oxford academic customers had only one choice: to denizate or go out of business.«299 Darin sieht Roberts die Begründung für Pilgrims Einbürgerung.300 Er übersieht aber, dass sich Thorne bis 1543/44 nicht einbürgern ließ, dass es also für

295

Vgl. ‹www.bbti.bham.ac.uk/Detailswithsource.htm?TraderID=59512›. Vgl. H. H. E. C. (1915), S. 142. 297 Roberts (1997), S. 320. 298 D. h., diese durften weiterhin auch Bücher im Einzelhandel verkaufen. Vgl. ebd., S. 321. 299 Ebd. 300 Vgl. ebd. 296

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einige ausländische Buchhändler doch noch Möglichkeiten gegeben haben muss, sich trotz der neuen Gesetzgebung über Wasser zu halten. Dass dies nicht allen Ausländern im Buchgewerbe gleich gut gelang, darauf scheint die Entwicklung von Thornes Londoner Geschäftspartner Peter Treveris hinzuweisen. Dessen Verbindungen sowohl zu Lawrence Andrewe, John Thorne als auch John Rastell, der im Bereich der komischen Kurzprosa aktiv war, stellen einen weiteren Knotenpunkt im Netzwerk der niederländischdeutschen Verleger und Kaufleute im Buchgewerbe in England dar.

3.3.4. Peter Treveris Obwohl Peter Treveris durch solche Drucke wie Hieronymus von Braunschweigs handywarke of surgeri (1525; STC2 13434), das Great Herbal (1526; STC2 13176; 2. Auflage 1529; STC2 13177; weitere Auflage 1529, P. Treveris für Lawrence Andrewe?, vgl. STC2 13177.5) und vor allem durch seine Neuauflage des vorher von Caxton und de Worde verlegten Polycronycon (1527; STC2 13440)301 bekannt ist, weiß man wenig über ihn. Wie bei van Doesborch ist sein Herkunftsort unbekannt, mehr noch, die Vorschläge reichen von Augusta Treverorum, Trier, über die Familie Treffy aus Cornwall bis hin zu Treviso, Italien.302 Während die vermutete italienische Verbindung durch keine Belege abgesichert ist, wird die Möglichkeit seiner Verbindung zur Familie Treffy nach Südwest-England durch deren Wappen unterstützt, welches zwei wilde Menschen bzw. Waldmenschen abbildete – Treveris führte ein Druckerzeichen mit einem solchen Motiv.303 Für die Trier-Variante sprechen dagegen zwei Faktoren: Zum einen stand Treveris vornehmlich in Beziehung zu deutsch- bzw. flämischsprachigen Druckern und Händlern.304 Auch seine sprachliche Orientierung weist in diese Richtung: Sein Braunschweig-Druck zur Chirurgie – eine Erstausgabe – ist nach der Kolophon-Angabe »translated out of hye Almayne into lowe Duche. And afterwarde in to Englysshe«. Zum anderen befand sich seine 301

Dieses druckte er für John Reynes (Duff (1948), S. 159), welcher aus Wageningen in Geldern stammte (‹www.bbti.bham.ac.uk/Details.htm?TraderID= 57582›) und in St Paul’s Churchyard unter dem Zeichen von St George sein Geschäft führte. 302 Vgl. Turner [ca. 1965]. 303 Vgl. Avis (1970), S. 166. 304 Dies ist natürlich kein Garant dafür, dass er selbst deutscher Abstammung war, kennzeichnet vielleicht lediglich eine Präferenz; diese ist auf jeden Fall gegeben: »He seems to have been content to import type from the Netherlands, though he was the first to do so, [Reed, T. B.: A history of the old English letter foundries. 1952.] and to have preferred to use old faces which had a ready sale in Antwerp.« Turner [ca. 1965], S. 1.

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Offizin in Southwark, der Siedlung auf dem südlichen Themse-Ufer, wo sich traditionellerweise Niederländer niedergelassen hatten: In Southwark, the dominant alien group from at least the fourteenth century was the ›Doche‹ (Deutsch: Germans and Lowlanders), particularly those from Flanders. Flemings had been prominent in and around London since the thirteenth century.305

Im sechzehnten Jahrhundert fanden sich vom Brauer bis zum Schuhmacher alle Berufsgruppen in dieser Exilgemeinschaft, die 1551 immerhin allein fast 300 Bedienstete umfasste, welche fast ausschließlich innerhalb dieser Gemeinschaft arbeiteten.306 So gehörten Drucker ebenso dazu wie Färber. Letzteres ist insofern in Bezug auf Treveris von Interesse, da seine Offizin sich an der Adresse der Wodows befand. Über dieses Adressenzeichen, das Treveris auch als Druckerzeichen benutzte, ist viel gerätselt worden, gängigerweise bezieht man es auf die oben erwähnten Figuren von wilden Waldbewohnern. Eine interessante Möglichkeit der Lokalisierung seiner Offizin in Southwark, deren genauer Standort unbekannt ist, bietet Turner an: Er entschlüsselt »Wodows« als »Wodehouses«,307 also Blaufärberei (vgl. »woad« im OED).308 Es ist verlockend, Treveris’ »Wodows« als Wortspiel zu verstehen, das sowohl sein Waldmenschen-Druckerzeichen als auch seinen Blaufärberei-Standort umfasst, zumal im OED die Schreibweise »ows« für »house« für das 16. Jahrhundert belegt ist. Festzuhalten ist bezüglich Treveris’ Standortwahl, dass die Ansiedlung außerhalb der Stadtmauern Londons natürlich dem Schutz vor Zugriffen der Gilde dienen konnte (wie im Hinblick auf van Doesborch erläutert; siehe S. 274 bzw. S. 313f.); denn auch als Cornischer Landsmann wäre Treveris der Zutritt zu ihr nicht unbedingt gewährt worden.309 In der Kombination von Verbindungen zum niederländischen bzw. deutschen Buchdruck und der Platzierung der Offizin in Southwark erscheint aber die Überlegung überzeugender, dass er aus Trier stammte.

305

Carlin (1961), S. 149f. Vgl. ebd., S. 153. 307 Vgl. auch Plomer (1974), S. 218. Avis lehnt diese Theorie ab und bleibt stattdessen bei der altenglischen Bedeutung der Waldmenschen; vgl. Avis (1970), S. 167. 308 Turner [ca. 1965], S. 1. 309 Genau die Gründe, die Avis ins Feld führt, um die Ansiedlung des Druckers in Southwark als ungewöhnlich hervorzuheben (»Perhaps its [Southwark’s] more exposed situation, a relatively large percentage of foreign inhabitants, and a somewhat rural milieu repelled prospective printers. Also, it had less of their work to offer, since the main concentration of government, church, and education lay on the other side of the river.« In: Avis (1970), S. 165), scheinen mir seine Ansiedlung genau dort zu erklären, denn Southwark war, trotz seiner Lage, schon seit hunderten von Jahren ein Marktflecken, der in den Südosten ausstrahlte. 306

340

Treveris war ab Anfang der zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts für etwa zehn Jahre aktiv. Neben den oben erwähnten Büchern druckte er größtenteils Lehrmaterial wie beispielsweise Latein-Grammatiken.310 Es ist allerdings nicht nur die Überschneidung im Programm, die er mit dem frühen Jan van Doesborch gemeinsam hat:311 Obwohl eine direkte Beziehung zwischen van Doesborch und Treveris nicht nachzuweisen ist, umfassten ihre jeweiligen Verbindungen dasselbe Buchhandelspersonal; nämlich sowohl Lawrence Andrewe als auch John Thorne. So geht aus John Thornes Day-Book hervor, dass Treveris für ihn zumindest eine Auftragsarbeit erledigte (vgl. S. 337f.): »It is probable that the I.T. for whom Treveris printed an Opus Insolubilium was John Thorne, for the book occurs often in his accounts.«312 Dieses ist zwar nicht datiert, kann aber durch die Erwähnung in Thornes Buch auf etwa 1520 festgelegt werden.313 Die Frage, warum John Thorne das Buch von Treveris drucken ließ, hat zu der Spekulation geführt, dass Treveris eventuell am Anfang seiner Laufbahn in Oxford tätig gewesen sein könnte. Dies ist jedoch nicht belegt.314 Die Dauer der Zusammenarbeit wird durch die späteren Drucke der genannten Texte durch Treveris für Thorne belegt,315 denn nach einer Spanne von etwa sieben Jahren standen Thorne und Treveris immer noch oder wieder geschäftlich in Verbindung. Pollard hebt hervor, dass Thorne der einzige Provinzdrucker in diesem Zeitraum gewesen sei, der sich etwas von einem Londoner Drucker habe drucken lassen.316 Dass sich Thorne hierfür an den wahrscheinlich einzigen deutschen Drucker in der Stadt wendete, wird kein Zufall gewesen sein: Dieser Rückgriff auf Landsleute im Ausland untermauert die Netzwerk-These. Neben dieser Verbindung zu John Thorne hatte Treveris aber noch eine weitere, in diesem Fall englische, Verbindung, die für das Umfeld des Eulenspiegel in England ausgesprochen interessant ist. Für die zweite Auflage der Schwanksammlung A ,C, mery talys (STC2 23664) – im Folgenden als Hundred Merry Tales – kooperierte er mit dem Gläubiger Lawrence Andrewes, John 310

Vgl. STC2. Um 1520 konzentrierte sich van Doesborch allerdings bereits seit einigen Jahren auf das Drucken von Prosaliteratur und hatte Unterrichtswerke hinter sich gelassen. 312 Duff (1948), S. 41. 313 Leedham-Green geht davon aus, dass Treveris beide Bücher um 1527 druckte, gibt aber keine weiteren Hinweise, warum: »When John Dorne decided to venture his capital on two small philosophical texts in and around 1527, it was Peter Treveris in Southwark who undertook the printing.« Leedam-Green (1999), S. 338. 314 Vgl. Avis (1970), S. 167. 315 Vgl. Pollard, G. (1937), S. 24. 316 Vgl. ebd. 311

341

Rastell. Das um 1526 zuerst veröffentliche Buch unterscheidet sich insofern von anderen Büchern aus Treveris’ Offizin, als dass es sehr textlastig und außer dem Titelholzschnitt nicht illustriert ist. Viele der anderen Drucke von Treveris zeichnen sich dagegen durch ihre sorgfältige Ausstattung aus. Die Zusammenarbeit der beiden Drucker bei diesem Unternehmen brachte Treveris zudem in den Bereich der zeitgenössischen Unterhaltungsprosa, die sonst in seinem Programm mit dem Arnold’s Chronicle (STC2 782–3)317 und dem merry jest of an old fool with a young wife (STC2 14520.5) sehr schwach vertreten ist. Die Tragweite der Beziehung zwischen Treveris und Rastell darf sicher nicht überschätzt werden. Unterschätzt werden darf aber auch nicht, dass Treveris damit im Kreis eines englischen Druckers mitwirkte, der seinerseits mit Thomas More verschwägert und mit der humanistischen Intelligenzia Londons vertraut war. Die Verknüpfung von Menschen und Materialien zieht also Kreise über van Doesborch und den Eulenspiegel hinaus. Die genauen Zusammenhänge der Kooperationen zwischen Druckern, die immer wieder füreinander arbeiteten, sind heute schwer nachzuvollziehen. Sie waren aber anscheinend grundlegend im frühneuzeitlichen Buchgeschäft. Noch 1532 arbeiteten Rastell und Treveris zusammen; Rastell druckte für Treveris Fishers Two fruytfull sermons (STC2 10909).318 Blaney verweist auf die Tatsache, dass sich in Rastells Drucken auch von Treveris gedruckte Teile finden.319 Dies könnte eine Hilfestellung des einheimischen Druckers für den ausländischen Partner gewesen sein, dessen Geschäft durch die neue Gesetzgebung beeinträchtigt war. Ein weiterer Druck, der auf diesen Zusammenhang hinzuweisen scheint, wurde 1531 von Treveris verlegt. Es handelt sich um die Darstellung der Geburt eines missgeformten Ferkels (STC2 15346).320 Merkwürdig an diesem Einblattdruck ist, dass Treveris in eine anscheinend absichtlich freigelassene Lücke im deutschen Text, den Niclas Meldeman aus Nürnberg druckte, eine englische Übersetzung hineinsetzte: »It is hard to escape the conclusion that it was deliberately designed for what was to happen to it in London«.321 Die Umstände der Kooperation zwischen Meldeman und Treveris sind nicht geklärt, aber O’Connell und Paisey weisen auf die dauerhafte Präsenz diverser

317

Dies ist eine Textsammlung, welche verschiedenste Texte, auch eine bekannte Ballade enthält. Vgl. Duff (1948), S. 158. 319 Vgl. Blayney (2000–01). URL ‹http://www.utpjournals.com/product/utq/701/rastell41. html›. Blayney bezieht sich auf Nr. 50 dieser Bibliographie. 320 Den Hinweis auf diesen Druck verdanke ich David Paisey. Vgl. O’Connell/Paisey (1999). 321 Ebd., S. 61. 318

342

Engländer in Nürnberg zu dieser Zeit hin.322 Dass sich bei Treveris für solche Unternehmungen nach 1531 keine Anzeichen mehr finden, könnte tatsächlich mit den Restriktionen der neuen Gesetzgebung zusammenhängen, die ihm die Arbeit in England unmöglich machten. Über den Austausch zu Lebzeiten Treveris’ hinaus gab es eine posthume Weitergabe, die relevant ist: Wie bereits im Hinblick auf van Doesborchs Material geschildert, war die Weiterverwendung von Typen, Initialen und Holzschnitten ein relativ häufiger Vorgang. Es überrascht deshalb nicht, wenn auch von Treveris’ Druckmaterial teilweise später in anderen Offizinen Gebrauch gemacht wurde. Überraschend ist allerdings, dass nicht nur sein, sondern auch Lawrence Andrewes Material an ähnlicher Stelle zu finden ist, und zwar in Schottland, dort, wo auch Druckstöcke von van Doesborch nach dessen Tod wieder auftauchten. Von den Drucken aus diesen Pressen haben nur wenige Exemplare überlebt, wobei mehr produziert worden sein muss, sonst hätten diese Pressen nicht bestehen können, und es ist nur zu vermuten, welche Zusammenhänge sich mit einer größeren Materialbasis ergeben würden: And although the few Edinburgh presses of the first half of the sixteenth century after the beginning were badly equipped with types, ornaments, and wood blocks (some of the last, used during the twenties and thirties by Peter Treveris and Laurence Andrewe in London and by Martinus de Keyser in Antwerp, I have found, sadly battered and wormed, in Scottish possession later on), they could not have carried on at all if their total productions are represented by anything like the number now existing.323

Auch Avis324 führt aus, dass Treveris über sein Wodowse-Design nicht nur mit dem Kontinent verbunden war, wo wahrscheinlich in Frankreich das Motiv zuerst verwendet wurde, sondern auch mit den schottischen Druckern Walter Chepman, Thomas Davidson und William Middleton.325 Obwohl Avis die deutlichen Unterschiede zwischen den Wodowse-Designs der Drucker unterstreicht, insbesondere bei denjenigen von Treveris und Davidson, kommt er doch insgesamt zu dem Schluss, dass der Schotte Druckstöcke von Treveris in seinem Besitz gehabt haben könnte.326 Festgestellt werden kann, dass weder Jan van Doesborch oder Lawrence Andrewe noch Peter Treveris in Druckerkreisen ohne ›Nachwirkung‹ bleiben und dass ihre Spuren sich nach ihrem Tod in Schottland wieder in Verbindung 322

Vgl. ebd., S. 62. Ferguson (1927–8), S. 146f. 324 Wie bereits Alfred Pollard; vgl. Pollard, A. W. (1900–02), S. 35. 325 Vgl. Avis (1971), bes. S. 116f. 326 Vgl. ebd., bes. S. 120. 323

343

sichtbar werden. Denn Überschneidungen gab es nicht nur zwischen Treveris und Thomas Davidson, sondern auch, wie oben erwähnt (vgl. S. 268), als ›Nachlassverwertung‹ zwischen Jan van Doesborch und Davidson. Wie Kronenberg feststellt, benutzte Letzterer 1540 für seinen Druck verschiedener Teile aus Gawin Douglas’ The Palayce of Honour Holzschnitte, die vorher im Besitz van Doesborchs gewesen und von ihm mehrfach verwendet worden waren.327 Die wenigen zur Verfügung stehenden Fakten erlauben es nicht, über die vorgestellten Kooperationsmöglichkeiten hinaus zu spekulieren. Jedoch wird durch das vorgestellte Netzwerk der Antwerpener Drucker untereinander sowie die vielfältigen Beziehungen der kontinentalen und der in England ansässigen Drucker und Buchhändler deutlich, auf welchen Wegen das Eulenspiegel-Buch vom Kontinent auf die Insel gelangt sein könnte. Fest zu stehen scheint, dass Jan van Doesborch für den ersten Howleglas verantwortlich war und dieser Druck in sein stark auf Unterhaltungsliteratur abzielendes Programm für ein englisches Publikum bestens hineinpasste. Jan van Doesborch überschaute nicht nur den englischen Markt, sondern arbeitete mit verschiedenen, ebenfalls international ausgerichteten Partnern zusammen, wobei diese Beziehungslinien sich über Dritte bis zum nächsten Eulenspiegel-Drucker, William Copland, weiterziehen lassen. Der englische Markt, der in diesem Kapitel untersucht wurde, erlebte unter den beschriebenen spezifischen Bedingungen einen Zufluss von Literatur vom Kontinent. Die Veränderungen auf diesem Markt und die Bedingungen, unter denen die weiteren Howleglas-Drucke des 16. Jahrhunderts entstanden, sollen im folgenden Kapitel analysiert werden.

327

Vgl. Kronenberg (1952–54).

344

V.

Der Londoner Drucker William Copland und der englische Buchmarkt

Zwischen dem ersten Howleglas-Druck vor 1520 und den späteren von etwa 1555 an veränderte sich die Landschaft des Buchhandels in England deutlich. Der spätere Howleglas-Drucker, William Copland, arbeitete unter völlig anderen Bedingungen als sein ›Vorgänger‹ Jan van Doesborch. Die Umgestaltungen in England, die durch die neuen Gesetze miterzeugt und in ihnen widergespiegelt wurden, betrafen aber nicht nur die Rahmenbedingungen für ausländische Buchdrucker und -händler. Eine Beschreibung des Wandels findet sich bei Steinberg: [B]y 1540, printing and publishing had barely outgrown the restlessness of the early practitioners to whom knowledge of the craft and an adventurous spirit had sufficed to set up shop anywhere and to move about with the ease permitted by a small equipment and a smaller purse. The number of printers is increasing, but the day of the small, itinerant man is past. Printing, publishing, and bookselling had become established industries requiring stability and capital and foresight.1

Das Berufsbild des unternehmerischen Drucker-Buchhändlers, der mit geringem Kapital operierte und seinen Standort auch über Landesgrenzen hinweg je nach Nachfrage schnell wechselte, änderte sich durch die fortschreitende Arbeitsteilung und Spezialisierung im Bereich des Buchhandels: The publisher, as we understand the term, becomes the central figure of the trade. It is at his orders that the printer prints, the bookseller sells, often the editor edits, and sometimes the author writes. The printer becomes a subsidiary of the publisher and even loses his independence as the producer of his own types.2

Wie sich das veränderte Umfeld – immerhin liegen mehr als dreißig Jahre zwischen den beiden Howleglas-Auflagen – auf die spätere englische Eulenspiegel-Produktion ausgewirkt haben könnte, wird im Folgenden aufgezeigt werden. Es ist dafür hilfreich, William Coplands Tätigkeit als Drucker im Zusammenhang mit seinen Vorgängern und Partnern zu sehen. Deshalb werden auch diese vorgestellt und ihre Beziehungen untereinander analysiert.

1 2

Steinberg (1969), S. 16. Ebd., S. 165.

345

Zu William Copland ist außer einem Aufsatz im Dictionary of National Biography keine eigenständige Sekundärliteratur vorhanden, weshalb für diesen Howleglas-Drucker noch Grundlagenarbeit zu leisten war und ist. Vermutungen im Hinblick auf die Howleglas-Drucke nach Jan van Doesborch stützen sich so auf eine schmale Wissensbasis. Es findet sich beispielsweise in der Eulenspiegel-Sekundärliteratur die Annahme, dass der Vorgänger William Coplands, Robert Copland, für einen heute verlorenen Howleglas-Druck verantwortlich gewesen sei. Ob diese Hypothese haltbar ist, muss im Zusammenhang der neuen Forschungsergebnisse untersucht werden.

1. Der englische Buchmarkt nach 1540 Für den englischen Buchmarkt waren – nach der bereits erläuterten ›Nationalisierung‹ und Regulierung in den zwanziger und dreißiger Jahren des 16. Jahrhunderts – die politischen Veränderungen durch wechselnde Monarchinnen und Monarchen entscheidend. Der Regent und die Regentinnen nach Heinrich VIII. schlugen jeweils andere religionspolitische Richtungen ein, welche klare Auswirkungen auf die Auswahl der gedruckten Bücher hatten. Da sich auch am Verlagsprogramm von William Copland unter den verschiedenen Machthabenden ein Wandel deutlich ablesen lässt, sollen diese Arbeitsbedingungen kurz dargestellt werden. In der Forschungsliteratur gibt es eine anhaltende Kontroverse über die Bewertung der unterschiedlichen Gestaltung des englischen Buchmarkts durch die Kinder Heinrich VIII. Diese betrifft vornehmlich Maria I. und die Frage, ob ihre katholisch-gegenreformatorische geleitete Politik sie in besonderem Maße zur Unterdrückung des Buchmarkts führte. Nach dem Tod Heinrich VIII. 1547 bestieg dessen Sohn Eduard VI. minderjährig den Thron. Die ausgeprägt protestantische Politik Eduards wurde 1553 nach seinem Tod durch den Regierungsantritt seiner Halbschwester Maria I. und deren katholisch ausgerichtete Politik abgelöst. Als Maria I. 1558 starb und ihre Halbschwester Elisabeth I. die Krone übernahm, fand wiederum eine Wende zu einem gemäßigten Protestantismus statt. In der Auseinandersetzung über Marias Rolle in der Entwicklung des Buchmarkts stehen sich zwei Lager gegenüber: Beispielsweise argumentiert Martin, dass die Regierung unter Maria den Einfluss der Verbreitung des Druckwesens falsch bewertet habe. Maria habe den durch die zunehmende Alphabetisierung gewonnenen Zugang von Laien zu religiösem Lesematerial ebenso unterschätzt wie ihre Möglichkeiten, ihre eigenen Auffassungen durch den Buchmarkt im Land zu propagieren. So habe Maria weder das Bedürfnis 346

der Laien danach, die Bibel selbst in der Volkssprache zu lesen – und ihre Vertrautheit damit –, ernst genug genommen noch die Druckerpresse als Propagandamittel gezielt und effektiv eingesetzt.3 Martin geht davon aus, dass Marias Regierung zwar durch Zensur im Inland regierungsfeindliche Publikationen zu unterdrücken versucht habe, sie aber die Presse für die Verbreitung ihrer eigenen kirchlichen Doktrinen und Propaganda nicht umfassend beeinflusst oder gar eingesetzt habe.4 Diese Argumentation folgt bei Martin aus der Einschätzung des Materials, das unter Maria gedruckt wurde: Ein Großteil der Veröffentlichungen sei – so führt er aus – religiös und politisch neutral gewesen sei: [They are] translations from the classics and other works of literature, scientific works, and the like. By my rough figures, nearly half those in Mary’s reign are in this neutral category and this count gives the government the benefit of the doubt. I rate as pro-regime such things as royal proclamations on various subjects, liturgies, and visitation articles.5

Gleichzeitig räumt Martin aber ein: Insofar as simple numbers indicate, disputatious Catholics were less likely to appear in print than were Protestants. [Maybe because] the more enterprising mid-century printers were mostly Protestant in inclination.6

Indem Maria versäumt habe, die katholische Presse zu fördern, sei also kein Klima entstanden, das der katholischen Sache förderlich gewesen wäre. Dagegen seien protestantische Drucker weiterhin aktiv gewesen. D. h. auch, dass nicht genügend protestantische Drucker entfernt und durch katholische Drucker ersetzt wurden bzw. werden konnten, um ein regimefreundlicheres Druckwesen zu schaffen. Entscheidend für die Beurteilung dieses Umschwenkens in der Buchmarktpolitik zwischen Eduard VI. und Maria I. ist es, die Zahl der aktiven Drucker insgesamt ins Auge zu fassen. Martin zählt während der Regierungszeit Marias 41 Drucker – gegenüber 80 unter Eduard VI. –, womit auch die geringere Zahl von Drucken insgesamt unter Maria erklärbar werde.7 Zu einer entgegengesetzten Position gelangt auf derselben Grundlage Loach.8 Sie wendet sich gegen die Annahme, dass der Protestantismus und das Druckhandwerk eine intrinsische Verbindung hätten:

3 4 5 6 7 8

Vgl. Martin (1981). Vgl. ebd., S. 235f. Ebd., S. 236. Ebd., S. 236f. Vgl. ebd., S. 231f. Loach (1986).

347

The secular governments of the Protestant Edward and the Catholic Mary were, like their ecclesiastical counterparts, much more similar in their attitude towards the press than has often been suggested. Neither Edward’s régime nor Mary’s actually offered much direct or active encouragement to secular book production. Although both reigns began with a flood of print, the flood appears to have been spontaneous, the result of what Professor Elton has called, in another context, the ›happy wind-falls which resulted from the eager support for the new order available in some quarters.‹9

Loach belegt, dass Marias Regierung die Presse zu Propagandazwecken einsetzte – jedoch größtenteils im europäischen Kontext, weshalb sie viel im Ausland drucken ließ. Nach Loach hat sowohl die geringere Zahl von Druckern als auch von Drucken unter Maria in England andere Gründe und muss daher anders bewertet werden. Die 125 Bücher im Jahr, die nach STC-Zählungen unter Eduard zwischen 1548 und 1552 gedruckt wurden, stellt auch Loach den 90 gegenüber, die unter Maria zwischen 1553 und 1558 entstanden: However, such averages conceal the peaks of 1548 – in which 200 books were issued – and 1550: the average rate for the other years of Edward’s reign amounting to something like 70 books per annum.10

Sie verweist aber nicht nur auf die irreführenden Mittelwerte, die durch die besonders produktiven Jahre 1548 und 1550 verzerrt sind, sondern bindet diese in den weiteren sozio-ökonomischen Zusammenhang ein. Der Einbruch des Druckwesens in den fünfziger Jahren des 16. Jahrhunderts lässt sich nämlich nicht nur auf den Regierungswechsel zurückführen. Er war mitbedingt durch eine langanhaltende Inflation, die bereits durch Heinrich VIII. verursacht worden war und sich allmählich zu einer Krise ausweitete: The contrast, if there is one, is between the halcyon days of the late 1540s and the gloomier spirit of the subsequent decade, rather than between a period of Protestant rule and one of Catholic. It is, above all, a contrast between a period of prosperity and one of contraction and, finally, crisis.11

Spezifisch in Bezug auf den Buchdruck und -handel nennt Loach weitere Faktoren.12 Gegebenheiten, die die Käuferschaft betrafen, machten sich auch bei den Verlegern spürbar:

9 10 11 12

Ebd., S. 142. Ebd., S. 136. Ebd. Nach anderen bibliographischen Arbeiten beeinflussten weitere Faktoren die Entwicklung des Buchmarkts in dieser Zeit: Neben den »liberal government policies« sei »the influx of refugees«, also die Zuwanderung kontinentaleuropäischer Glaubensflüchtlinge, für die Veränderungen entscheidend gewesen. Vgl. Took (1978), S. 150.

348

The merchants and land-owners who were doing well during the 1540s – that is, the bulk of the book-buying public – were adversely affected by the cloth-slump of the early 1550s, and then by the severe epidemics of 1557 and 1558, epidemics that had the additional effect of discouraging gentlemen from coming to London and therefore, presumably, from access to the main source of new books.13

Es leuchtet ein, dass sich die Reduzierung der Leserschaft auch in einer abnehmenden Druckerzahl niederschlug.14 Dennoch darf nicht übersehen werden, dass der streitbare Katholizismus Marias sicher dazu beitrug, dass viele der ausländischen protestantischen Drucker, die nach den Gesetzverschärfungen bis zu den dreißiger Jahren noch in England geblieben waren, nach ihrem Regierungsantritt das Land verließen. Am Ende hatte sich die Zahl der Drucker unter Maria im Vergleich zu Eduards Regierungszeit halbiert. Zwar handelt es sich beim Howleglas selbst um kein religiöses oder politisches Buch, aber dennoch scheint Coplands Drucktätigkeit und auch seine Entscheidung, sich der ›neutralen‹ Erzählprosa zuzuwenden, von diesen staatspolitischen Fragen entscheidend beeinflusst worden zu sein. Martins These, dass die ›Neutralität‹ der Drucker und ihrer Produkte unter Maria I. ein ausreichendes Merkmal sei, um den angeblich geringen Einfluss ihrer Regierung im Druckwesen zu belegen, erscheint in diesem Licht fragwürdig. Der Einfluss des Regierungswechsels mit Maria I. und ihren anderen religionspolitischen Überzeugungen und Zielen ist somit, folgt man Martin, nicht deutlich abzustecken. Die Frage drängt sich auf, ob sich die Auswirkungen des Regimewechsels auf den Buchdruck nicht mit einem Vorher-NachherSzenario besser analysieren ließe. Dann würde sich beispielsweise feststellen lassen, ob die Art von Literatur, wie sie unter Maria gedruckt wurde, sich inhaltlich von der davor und danach unterscheidet. Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Ziele von Eduard I., Maria I. und Elisabeth I. für den Buchmarkt verdeutlicht sich das Bild über das Druckwesen und auch über einzelne Drucker. Obwohl aus der Liste der Drucke William Coplands seine rege Tätigkeit hervorgeht und einige dieser Drucke das einzige oder auch letzte Zeugnis sind, sind weder sie noch seine Stellung auf dem englischen Buchmarkt bisher untersucht worden. Vor allem fehlt eine tiefergehende Analyse seines Programms. Sie sollte der Buch- und Literaturwissenschaft neue Aufschlüsse über einen Drucker geben, der in 13 14

Loach (1986), S. 136. Steinberg erläutert, dass die Buchpreise mit einer Verzögerung die Inflation nachvollzogen. Die weitgehende Preisstabilität zwischen dem Ende des 15. Jahrhunderts und der Mitte des 16. Jahrhunderts schlug zwischen 1545 und 1550 um: Vor 1550 bekam man im Durchschnitt für ein Pence drei bedruckte Bögen, zwischen 1550 und 1635 nur noch zwei oder sogar anderthalb. Vgl. Steinberg (1969), S. 202.

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einer besonderen Drucktradition stand und für viele Drucke sonst vergessener oder verlorener populärer und unterhaltsamer Literatur verantwortlich zeichnete. Einige neue Erkenntnisse über den Drucker konnten zwar durch Archivforschung und die Kollationierung seiner Drucke gewonnen werden. Jedoch ist es auch in dieser Untersuchung nicht möglich, all seine Drucke im Detail zu behandeln, denn der Fokus sollte auf den Howleglas gerichtet bleiben. Da William Coplands Vorgänger, Robert Copland, nicht nur die Quelle für dessen Druckmaterial war, sondern auch oft als Herausgeber eines heute verschollenen Howleglas-Drucks angesehen wird, hat er in einer Analyse der Howleglas-Drucke nach Jan van Doesborch einen wichtigen Platz.

2. Robert Copland Robert Coplands genaue Stellung unter den englischen Druckern im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts ist unklar. Ob er unter dem Caxton-Nachfolger de Worde, den er als seinen ›Meister‹ bezeichnet, das Druckhandwerk erlernte oder ob diese Bezeichnung lediglich eine achtungsvolle Anrede darstellt, kann nicht eindeutig entschieden werden. Dass er in das Umfeld de Wordes gehörte, ist aber in unterschiedlichen Zusammenhängen belegt. So beschreibt Plomer, dass Robert Copland zeitweilig eng mit Wynkyn de Worde zusammenarbeitete. Copland war für de Worde nicht nur als Übersetzer tätig – beispielsweise The Kalender of Shepeherdes, 1508, oder The Knyght of the Swanne, 1515, von William Copland nachgedruckt –, sondern druckte auch für ihn, z. B. The deyenge creature, 1514. Diese gemeinsamen Unternehmungen zu bewerten ist schwierig, aber Plomers Erklärung leuchtet ein, wenn er beschreibt, dass The Dying Creature sowohl de Wordes als auch Coplands Druckermarke enthält:15 [I]t would appear that the publication was a joint undertaking, the profits of which were to be shared between them, and of which each was to have a certain number of copies. If I am right in my conjecture, it seems to me to prove that Copland was at that time not only in business for himself, but in a good way of business, too, because it is only a natural inference that if he was to share the profits, he was also able to share the risks, and in order to do that he must have been something better than an apprentice or servant to De Worde.16

15 16

Vgl. Plomer (1895), S. 214. Ebd., S. 214f.

350

Auf die Häufigkeit solcher Formen der Zusammenarbeit zwischen Druckern im Buchdruck des 16. Jahrhunderts wurde bereits im vorhergehenden Kapitel dieser Arbeit hingewiesen. Plomers Annahme, dass die an einem ›joint venture‹ beteiligten Drucker notwendigerweise paritätische Mittel einbrachten, muss nicht gefolgt werden. Dennoch ist deutlich, dass es sich bei Coplands und de Wordes Kooperation nicht nur um ein Angestelltenverhältnis (bezahlte Übersetzungsdienste) handelte, sondern um eine Partnerschaft. Das zeigt sich ebenfalls in der Auswahl von Texten, die durch de Wordes Offizin gingen. Nach Edwards und Meale schrieb Robert Copland sogar Verse für den Letzteren.17 Dies muss allerdings später in de Wordes Karriere gewesen sein, da er sich zu Beginn neben religiöser Literatur auf Schulbücher und Grammatiken konzentrierte, die ein Drittel seiner Drucke ausmachten. Erst danach verlegte de Worde mittelenglische Versromanzen und ›neuere Literatur‹: Er weitete sein Programm über Thomas Feylde, William Neville, Christopher Goodwin und John Skelton hinaus aus; Henry Watson und John Gough schrieben für ihn, und außer Robert Copland verwendete er noch Robert Whittinton als Übersetzer. Edwards und Meale betonen die Neuartigkeit dieser Vorgehensweise wie auch ihre Auswirkung: The scale of this activity implies an extensive commitment to organizing the dissemination of specific kinds of vernacular texts. It can hardly be coincidental that so many of de Worde’s assistants turned their hands to literary activity, or that various literary figures seem to have formed particular links with de Worde.18

Ob de Wordes Kooperationen mit seinen ehemaligen Angestellten (bei Edwards und Meale »assistants«) bei Neuauflagen von Drucken, die zuerst in seiner Offizin hergestellt wurden, tatsächlich als Unterstützung der kleineren Drucker gedeutet werden kann oder ob es sich nicht im Sinne Plomers um eine eher gleichberechtigte Zusammenarbeit handelte, muss offen bleiben.19 Zunächst verwendete Robert Copland – wie seine Kolophone belegen – dieselbe Adresse wie de Worde (The Sun in Fleet Street) und druckte gleichzeitig mit ihm Ausgaben derselben Bücher.20 Ab etwa 1521 aber benutzte er eine andere Adresse (The Rose Garland in Fleet Street; vgl. die Abbildung seines Druckerzeichens im Anhang, S. 58021) und nach 1522 finden sich auch keine ›Paralleldrucke‹ mehr mit de Worde.22 Dass Robert Copland nach

17 18 19 20 21 22

Vgl. Edwards/Meale (1993), S. 117f. Ebd., S. 120. Vgl. ebd., S. 121. Vgl. Francis (1961), S. 25. Vgl. auch Walker (1991), S. 337. Vgl. ebd., S. 29f.

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de Wordes Tod 1535 zu den Begünstigten des Nachlasses gehörte, deutet jedoch auf eine dauerhafte Verbindung hin: In seinem Testament hinterließ Wynkyn de Worde Robert Copland »tenne markes sterling« (zwischen fünf und sieben Pfund) in Büchern, während er den anderen jeweils mindestens vier Pfund bar vermachte.23 Robert Copland war nach de Wordes Tod noch gut zehn Jahre als Drucker tätig, auch wenn es Jahre gibt, aus denen keine Bücher aus seiner Presse bekannt sind. Im Jahr 1546/47 wird Copland von einem Zeitgenossen als »the eldest printer of England« bezeichnet.24 Danach verwischen sich seine Spuren allmählich. Um 1547 herum übernahm William Copland das Druckerzeichen Robert Coplands und die Rosengirlande findet sich von dort an in seinen Drucken.25 Bei einigen Drucken ist daher nicht klar, ob sie noch von Robert Copland verlegt wurden oder bereits von seinem Nachfolger. In Bezug auf die Qualität von Robert Coplands heute noch erhaltenen 27 Drucken26 – wie auch über die William Coplands nach ihm – fällt das Urteil der Bibliographen negativ aus.27 Thematisch umfasst Robert Coplands Programm Nützliches, Unterhaltsames und ›Reflexionsliteratur‹, beispielsweise Fitzherberts Justices of the Pease, Chaucers An Assembly of Foules, ein allegorisches Gedicht Castle of Pleasure, ein Andachtsbuch The Mirrour of the Churche und immer wieder sein Buch für Seefahrer mit Hafeninformationen u. ä., das Rutter of the Sea. Anscheinend verlegte er auch einige Texte, die er selbst verfasst hatte. Dazu gehören: The hye way to the Spyttell hous, Jyl of braintfords Testament oder The seuen sorowes that women haue when theyr husbandes be deade.28 Als auffällig wird die Kluft zwischen seinem literarischen Anspruch, die Leserinnen und Leser zu höherer Literatur hinzuführen, und seiner damit zusammengehenden Ablehnung von Sensationsliteratur und der schlechten Ausführung und Ausstattung seiner Drucke bewertet.29 Obwohl über Robert Coplands Lebensumstände wenig bekannt ist, kann einiges über ihn aus seinen Drucken selbst erschlossen werden; Francis nennt seine Arbeitsweise zu Recht »intensely personal«30. Einigen seiner Drucken 23 24 25 26 27

28 29 30

Vgl. Plomer (1903), S. 4. Zitiert nach: Dibdin (1969), Bd. 3, S. 112. Vgl. Francis (1961), S. 34. Der STC2 führt 27 gesicherte Drucke auf, weitere 14 werden Robert Copland zugeschrieben. Vgl. STC2, Bd. 3. Vgl. Francis (1961): »His books are nearly all mediocre productions, mean and unattractive in appearance and displaying no hint of any awareness of what could be accomplished […].« S. 14. Vgl. ebd. Vgl. Plomer (1895), S. 225. Francis (1961), S. 8.

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fügte Copland persönliche Vor- oder Nachworte oder Einschübe bei, 31 in denen er beispielsweise wie in The seuen sorowes beschreibt, wie er versucht, einen Kunden davon zu überzeugen, bessere Literatur zu kaufen,32 oder wieviel der Kunde bereit ist, für ein Buch zu bezahlen. In zahlreichen seiner thematisch religiösen Drucke tut er in selbstverfassten Gedichten seine religiösen Überzeugungen kund. Francis fasst dieses Merkmal zusammen als »characteristic tendency towards moral uplift«.33 Auf der einen Seite scheint Robert Coplands Neigung zu französischen Lehnwörtern und zur französischen Schreibung im Englischen (»difficile, garsons, fenesters, crayntes, moyenning«34) ebenso wie ein paar französische Gedichte aus seiner Feder auf eine frankophone Abstammung zu deuten. Auch sind die Mehrheit seiner Drucke Übersetzungen aus dem Französischen. Im Gegensatz dazu stehen aber seine Selbstaussagen, nach denen er niemals die Küste kennengelernt habe: Moreover, in his Hye way to the Spyttell hous, he allows himself to be described as ›of the north‹ and he repeatedly refers to the English language as his ›maternal‹ tongue.35

Woher Robert Coplands Sprachkenntnisse stammen und wie sein Werdegang aus »dem Norden« nach London hin stattgefunden hat, erschließt sich aus diesen Selbstbeschreibungen nicht. Vielleicht müssen sie auch vorsichtiger interpretiert werden: Beispielsweise könnte die starke Betonung der nationalen Zugehörigkeit, die sich in seiner häufigen Verwendung von »our maternal tongue« ausdrückt, Ausdruck des Bestrebens sein, eine französische Abstammung zu kompensieren. Für die Analyse der Entstehungs- und Verbreitungsbedingungen des Howleglas sind sprachliche Aspekte dieser Art deshalb von Bedeutung, weil sie einerseits Aufschluss über die Sprache der Vorlage geben könnten, andererseits, weil sie einen Einblick in den in der Offizin verwendeten Dialekt bieten könnten. Wegen Robert Coplands Affinität zum Französischen ist beispielsweise immer wieder vermutet worden, dass die Vorlage für den englischen Eulenspiegel ein französischer Druck gewesen sein könnte. Abgesehen davon, dass einige 31 32

33 34 35

Vgl. ebd., S. 15. So drückt der Buchhändler in einem der von Robert Copland verfassten Dialoge seinen Unmut über die Sensationslust der Lesenden aus. Alle fragten ständig nach Neuigkeiten, Nachrichten, Sensationen, so dass ihm schon von ihrem Rufen die Ohren schmerzten: »Newes / newes / newes haue ye ony newes | Myne eres ake / to here you call and crye«. Zitiert nach: Ebd., S. 32. Siehe auch S. 17. Ebd., S. 12. Ebd., S. 8. Ebd., S. 9.

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der Übersetzungsfehler im Howleglas nur durch eine flämische Vorlage entstanden sein können (vgl. Kapitel IV.2. und folgende), drängt sich die Frage auf, ob die zugrunde liegende Annahme haltbar ist, dass Robert Copland einen heute verlorenen Howleglas herausgegeben habe. Dagegen spricht zweierlei: zum einen, dass bisher kein Hinweis auf einen solchen Druck aus Robert Coplands Presse gefunden wurde, zum anderen, dass sich im Programm seiner Offizin kein Interesse an komischer Unterhaltungsliteratur der Art, wie sie der Eulenspiegel repräsentiert, niedergeschlagen hat. Ein solches Interesse lässt sich jedoch im Programm seines Nachfolgers, William Copland, finden. Schwer zu belegen ist dagegen, ob sich Hinweise auf einen nördlichen Dialekt, die bei dem von William Copland gedruckten Howleglas-Ausgaben zu erkennen sind (beispielsweise ›con‹ als Pluralform oder ›kechin‹; vgl. S. 86), tatsächlich auf William Copland – und weiter auf Robert Copland – zurückführen lassen. Sie könnten z. B. auch durch einen Setzer mit nördlichem Dialekt eingefügt worden sein. In seiner Darstellung der Arbeitsweise frühneuzeitlicher englischer Offizinen beschreibt Gaskell zwar, dass die Korrektur der Druckfahnen bei kleinen Unternehmen normalerweise durch den Meister vorgenommen wurde: The larger businesses employed professional correctors […], but in the smaller houses […] correction was normally carried out by the master or a senior journeyman […]. Correction can seldom have been left to the compositor alone, for he was usually a piece-worker who had to correct his own mistakes in his own time, and who would have been tempted to overlook such errors as would take long to mend.36

Da jedoch in den Drucken aus William Coplands Offizin häufig offensichtliche Fehler vorhanden sind, also stehen gelassen wurden, könnte geschlossen werden, dass entweder der Korrekturprozess nicht besonders sorgfältig verlief oder die dialektale Einfärbung nicht als störend empfunden wurde. Die Möglichkeit, dass die nördlichen Formen eine Abbildung von William Coplands Dialekt darstellen, besteht daneben natürlich auch. In diesem Fall wäre eine Linie von Robert Copland nachvollziehbar. Die vorgestellten Erwägungen sind aber zu ungesichert, um einen solchen Schluss zu rechtfertigen. Insgesamt kann der Überlieferungsbefund nur so gedeutet werden: William Copland muss als der Drucker der noch erhaltenen Howleglas-Fragmente nach van Doesborch angesehen werden, Robert Copland hatte an diesen jedoch keinen Anteil.

36

Gaskell (1995), S. 111.

354

3. William Copland Es ist nicht bekannt, welchen Verwandtschaftsgrad William und Robert Copland haben. Möglich ist, dass William der Bruder von Robert Copland war;37 er könnte aber auch sein Sohn oder Neffe gewesen sein. Robert Copland war 1508 bereits als Übersetzer tätig; er dürfte zu diesem Zeitpunkt also mindestens 15 Jahre alt gewesen sein, wenn nicht älter. Er druckte bis etwa 1547 und war schon ein paar Jahre zuvor als »ältester Drucker Englands« bezeichnet worden. William Coplands Tod 1569, also mehr als zwanzig Jahre später, deutet darauf hin, dass er Robert Coplands Sohn gewesen sein könnte – oder ein deutlich jüngerer Bruder. Aus den Kolophonen von zwei der Howleglas-Drucke geht klar hervor, dass William Copland sie verlegte (vgl. S. 46f. und S. 51f.). Unabhängig davon, ob auch die weiteren Howleglas-Fragmente seiner Presse zuzuschreiben sind, gilt daher, dass seine Howleglas-Drucke nach van Doesborchs das Zentrum der Überlieferungsgeschichte dieses Buchs in England darstellen.

3.1. Forschungsstand zu William Copland Über William Copland weiß man noch weniger als über seinen Vorgänger. Das liegt nur zum Teil an dem Mangel an biographischen Quellen aus dieser Zeit. Als Hauptgrund ist das fehlende Interesse der Forschung anzusehen, sich dieses Druckers anzunehmen. Dies könnte mit der Einschätzung seiner Drucke als qualitativ minderwertig zusammenhängen. Bibliographen wie Dibdin, nach ihm Duff38 oder Aldis39, die sich schon am Anfang des 19. bzw. 20. Jahrhunderts hierzu äußerten, haben wohl knappe grundlegende Daten über William Copland zusammengetragen, in der neueren Forschung bleibt er aber unbeachtet. Für eine intensivere Auseinandersetzung mit William Coplands Produktion spricht jedoch, wie Tedder es ausdrückt, trotz dieser Mängel Folgendes: [T]he memory of William deserves respect as one who printed many interesting specimens of popular English literature, all of which are now extremely rare.40

37 38 39 40

Vgl. Dibdin (1969), Bd. 3, S. 127. Duff et al. (1913). Dieser Vorläufer des STC bildet das bibliographische Wissen bis 1913 ab. Vgl. Aldis (1909), bes. S. 397. Tedder (1937–38).

355

Der Howleglas gehört zu diesen Drucken. Um dessen Entstehung in die Produktionszusammenhänge in William Coplands Offizin einordnen zu können, war es nötig, den bisherigen Befund über Copland und seine Presse zu erweitern und erstmalig zu interpretieren. Die Ergebnisse, die einerseits durch Archivarbeit zutage gefördert wurden, andererseits aus der Analyse der im STC2 zusammengestellten Bibliographie hervorgehen, stellen somit einen Anfang dar.

3.2. Biographischer Abriss Das Geburtsdatum William Coplands ist unbekannt und somit auch sein Alter zu Beginn seiner Drucktätigkeit. Das Datum seiner wahrscheinlichen Heirat fällt in das Jahr 1546. Es unterstützt die Annahme, dass er zu dieser Zeit mindestens volljährig war. Er starb im Jahr 1569.

3.2.1. Quellen zur Biographie Sicher – und in der bibliographischen Literatur seit dem 19. Jahrhundert bekannt – ist, dass William Copland die Presse Robert Coplands übernahm und fortführte. So finden sich ab etwa 1547 Kolophone, in denen William Coplands Name in Verbindung mit dem früheren Druckerzeichen Robert Coplands, der Rosengirlande, auftritt. William Copland betrieb seine Offizin an der »Rose Garland« in der Fleet Street für etwa zehn Jahre von 1548 bis 1558.41 Danach verraten seine Kolophone, dass er innerhalb der City umzog: Vom 7. Oktober 1558 an bis etwa 1562 befand sich seine Druckerei in der Gemeinde St Margaret an der »Three Crane Wharf« in der »Vintry« genannten Straße.42 In seiner letzten Tätigkeitsphase von etwa 1563 bis 1567 hatte er sich in der Straße »Lothbury« gegenüber der St Margaret Kirche niedergelassen.43 Weitere Informationen über William Copland, die über seine Drucke selbst hinausgehen, lassen sich aus Dokumenten seiner Gilde gewinnen: Bei der Charter-Verleihung an die Stationers’ Company 1556 (siehe oben, S. 305) ist er als Gründungsmitglied verzeichnet.44 Einige Male musste er für nichtgenehmigte Drucke Strafgebühren an die Stationers’ Company bezahlen, z. B. 1558 (?) für den Sermon of Repentance (vgl. die Liste der Copland-Drucke, 41 42 43 44

Vgl. STC2 (Bd. 3, Register): Copland, William. S. 45. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Vgl. Arber (1875–94), Bd. 1, S. xxviii.

356

S. 378) 20 Pence,45 1559/60 auch für die Epistles and Gospels (siehe ebd.).46 Copland stellte aber in dieser Hinsicht keine Ausnahme dar; im Register der Stationers’ Company sind häufig solche Verletzungen der Zensurbestimmungen auch durch andere Drucker aufgeführt. Eine andere Angabe aus dem Register gibt Aufschluss darüber, dass William Copland 1562 einen Lehrling annahm, wofür er sechs Pence bezahlte: »for presentinge of Roberte Jonnes to be his apprentes for x yeres from the feaste of penticoste [May or June] anno 1562.«47 Aus dieser Angabe könnte Verschiedenes abgeleitet werden: Da William Copland vorher aller Wahrscheinlichkeit nach keinen Lehrling gehabt hatte – in den früheren Listen, in denen diese Aufnahmen verzeichnet wurden, taucht er nie auf – und die Anstellung etwa zur Zeit seines Umzugs nach Lothbury stattfindet, scheint sich seine wirtschaftliche Situation in dieser Zeit konsolidiert zu haben. Während häufige Umzüge als Flucht vor Gläubigern gedeutet werden können, kann das Zusammentreffen beider Ereignisse nicht in negativem Sinne gelesen werden. Verstreut im Register der Stationers’ Company finden sich Notizen über Bücher, für die Copland Genehmigungen bekam (entitled to/licenced), von denen aber offenbar kein Exemplar mehr erhalten ist. Tedder verweist darauf, dass Coplands erste verzeichnete Genehmigung aus dem Jahr 1557 stammt. Von diesem Titel sei aber nur ein firmierter Druck von 1558 und ein Fragment überliefert: The first book for which he is recorded to have had license was an edition of Isocrates’ ›Admonition to Demonicus‹, in 1557. A copy, bearing date 1 Jan. 1558, is in the Bodleian and a fragment – the appendix only – at the British Museum […].48

Man kann also davon ausgehen, dass eine ganze Reihe von Drucken, die Copland verlegt hatte, heute verloren sind. Dazu gehört auch The recantation of Thomas Cranmer von etwa 1556 (vgl. die Liste der Copland-Drucke, S. 377), dessen gesamte Auflage Copland und Riddell an die Stationers’ Company übergeben mussten und die verbrannt wurde.49 In Anbetracht der religionspolitischen Situation und der Bedeutung von Cranmers Fall, der seit 1533 unter Heinrich VIII. Erzbischof von Canterbury gewesen war und im Jahr 1556 unter Marias Regierung hingerichtet wurde, war dies nicht überraschend.

45 46 47 48 49

Vgl. ebd., S. 31. Vgl. ebd., S. 47b. Ebd., S. 82b. Nach diesem Hinweis ist von Robert Jonnes keine weitere Spur mehr zu entdecken. Tedder (1937–38). Vgl. STC2, Bd.1, S. 269, Nr. 6005.5.

357

Auch solche Einträge wie die erste Nennung eines von der Stationers’ Company festgesetzten Werts für das Urheberrecht an einem Buch enthält das Register: »Recevyd of John Kyngeston for his lycense for pryntinge of Calvyns Catechesme which he boughte of Wylliam Coplande for some vs … vjd.«50 Als letzte Meldung über William Copland findet sich im Register die Bemerkung, dass die Company zwischen Juli 1568 und Juli 1569 für seine Beerdigung sieben Schilling bezahlt hatte: »Payd for the buryall of Coplande vijs«.51 Über den Hintergrund dieses Eintrags ist – im Rahmen der begrenzten Literatur – gerätselt worden. Handelt es sich um ein Anzeichen dafür, dass William Copland in solcher Armut starb, dass die Company für sein Begräbnis aufkam, oder ist es im Gegenteil eher so, dass die Company mit dem Beitrag eines ihrer Gründungsmitglieder ehrte?52 Da aber keine anderen der Gründungsmitglieder auf diese Weise geehrt wurden und Copland keine besondere Rolle in der Organisation der Company gespielt hatte, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass sein Nachlass trotz anscheinender Konsolidierung in den 1560er Jahren nicht für ein ordentliches Begräbnis ausreichte. Weitere Quellen über William Coplands Biographie lassen sich aus archivalischen Quellen erschließen. Dazu gehören die Bücher des Generalvikars von London sowie die Gemeinderegister. Aus ersterem beispielsweise geht hervor, dass William Copland – nach alter Datierung – am 24. November 1546 eine Heiratserlaubnis (marriage licence) erhielt (vgl. die Kopie im Anhang, S. 580). In England galt der Julianische Kalender, der zehn Tage hinter dem Gregorianischen zurücklag, bis 1753, während in vielen europäischen Ländern bereits ab 1582 der Gregorianische verwendet wurde; nach neuer Datierung wäre das Datum also als 4. Dezember zu lesen. Die Erlaubnis nennt die Gemeinde St Bride, die sich direkt an der Fleet Street, in der Nachbarschaft von Coplands Offizin, befindet. Das entsprechende Dokument ist heute in den London Metropolitan Archives allerdings nur noch auf Mikrofilm zugänglich, da das Buch des Generalvikars, in dem die Heirat verzeichnet wurde, außerordentlich fragil ist.53 Bekannt ist dieser Eintrag schon seit 1887, als das Buch transkribiert wurde,54 nur ist das Ereignis bis jetzt nicht in die Biographie William Coplands eingefügt worden. Wie alle archivalischen Quellen muss auch diese vorsichtig interpretiert werden. Ungefähr zur selben Zeit finden sich nämlich in der City of London

50 51 52 53 54

Arber (1875–94), Bd. 1, S. 137b. Ebd., S. 180b. Vgl. Tedder (1937–38). Vgl. Bibliographie: Hochzeitsaufgebot William Copland. Vgl. Armytage/Chester (1887), Bd. I, S. 10.

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verschiedene William Coplands, die alle zu einem größeren Copland-Clan zu gehören scheinen. Am 16. Juni 1542 bekommt ein William Copland die Erlaubnis zur Heirat mit einer Judith Frenche in der Gemeinde St Mary Magdalene, am 20. August 1549 ein (anderer?) Willyam Coopland für die Gemeinde Allhallows in Honey Lane und zwei Kinder werden 1555 (in St Mary Magdalene) und 1574 (in St Botolph without Aldgate) William Copland getauft.55 Die Notiz über eine Heirat des Druckers William Coplands 1546 kann deshalb nicht verifiziert werden, aber die Wahrscheinlichkeit, dass Copland in der Gemeinde, in der sich auch seine Offizin befand, geheiratet hätte, ist hoch, während er zu den anderen genannten Gemeinden keine bekannten Beziehungen hatte. Eine neue Quelle, die das genaue Datum seines Begräbnisses klärt, konnte im Zuge dieser Studie entdeckt werden. Bisher war es nur möglich, sein ungefähres Sterbedatum aus dem genannten Registereintrag der Stationers’ Company abzuleiten. Eine Recherche in den Verzeichnissen der Gemeinde, in der er lebte, als seine letzten Drucke erschienen, St Margaret Lothbury (vgl. S. 380), ergab jedoch, dass sein Begräbnis eingetragen wurde: »Anno Domini 1569. The xxxth day [of May] Wm Coopland was buried.«56 Eine Kopie des Eintrags ist zur Ansicht im Anhang, S. 581, beigefügt. Nach heutiger Datierung wurde William Copland also am 9. Juni 1569 begraben. Da hier wiederum der letzte bekannte Aufenthaltsort und der ›Ereignisort‹ übereinstimmen und sich zudem der Zeitpunkt des Gemeinderegistereintrags mit dem Zeitraum des Registers der Stationers’ Company deckt, kann die Quelle auf den Drucker William Copland bezogen werden.

3.3. William Coplands Geschäftsverbindungen Coplands Geschäftsverbindungen lassen sich an einigen Stellen aus den Impressen und Kolophonen seiner Bücher ablesen. Häufig findet sich der Vermerk, dass er für andere druckte. Dies entspricht aber weniger der Situation bei seinem Vorgänger Robert Copland und dessen Beziehung zu Wynkyn de Worde. Während diese einige Paralleldrucke veröffentlichten und in diesen Fällen offenbar ein ›joint venture‹ eingingen, druckte William Copland öfter Bücher für einen Buchhändler/Verleger. Es wird deutlich, dass er selten Parallelversionen – einmal in seinem Namen, einmal für einen 55 56

Vgl. die Webseite der Mormonen, die Abschriften verschiedener Gemeindelisten etc. aufführt: ‹www.familysearch.org›. Bibliographie: Begräbniseintrag William Copland.

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Auftraggeber – druckte. Er druckte größtenteils entweder nur für sich oder nur für andere. Ausnahmen hierzu gibt es bei den Büchern, die er besonders häufig druckte: Die erste ist das Book of Hawking and Hunting, das ab 1547 Copland fünfmal für andere druckte, aber auch dreimal in seinem eigenen Namen (vgl. die Liste seiner Drucke, S. 371ff.). Auch die Properties of Herbs, die er nach 1548 insgesamt fünfmal auflegte, druckte er zweimal ohne Angaben zu Buchhändlern, also für sich. Von den jeweils zwei Auflagen von Fitzherberts Book of Husbandry (1550), Taverners Übersetzung von Erasmus’ Florilegium (1550) und Taverners Garden of wysdome (1550), veröffentlichte er ebenfalls jeweils nur eine in seinem eigenen Namen. Es fällt auf, dass er von der Treasury of Health (1550), die er immerhin fünfmal auflegte und die somit zu seinen häufigsten Wiederauflagen gehört, keine Ausgabe für andere druckte. Dieser Text würde thematisch in die Reihe der eben genannten Bücher passen, aber anscheinend behielt sich William Copland diesen Druck für sich selbst vor. Aus der Reihe fallen thematisch jedoch zwei Doppelauflagen: Copland veröffentlichte Valentin und Orson, den er einmal für Waley (1555), einmal für sich (1565) druckte, und Arthur of Little Britain, den er wahrscheinlich sowohl für Redborne als auch für sich druckte (beide 1560?). Diese Texte sind im Unterschied zu den anderen genannten Texten keine Sachtexte, sondern fiktionale Texte und der Befund deutet eigentlich darauf hin, dass Copland solche selbst finanzierte. In den meisten Fällen druckte William Copland dennoch entweder nur Auflagen für andere oder nur solche im eigenen Namen. Gegen eine mögliche Vermutung, dass Drucke verloren gegangen sein könnten, für die Copland allein verantwortlich war, spricht die Vielzahl der erhaltenen Drucke, die er – nach der Angabe im Impressum – für andere unternahm, von denen sich aber kein Exemplar mit einem Impressum in seinem Namen gefunden hat. Die Veränderungen, die Steinberg für die Zeit ab etwa 1600 beschreibt, lassen sich somit schon im Ansatz bei Copland um 1550 finden: Die fortschreitende Differenzierung im Buchgewerbe schlägt sich bereits in Coplands Drucken nieder. Die Angaben in Coplands Drucken, die darauf hinweisen, dass Copland spezifisch für einen Buchhändler druckte, bilden die wachsende Bedeutung der Rolle des Verlegers ab. Steinberg fasst dieses Phänomen folgendermaßen zusammen: »It can usually be assumed that the bookshop to which buyers were thus directed was controlled by the publisher.«57

57

Steinberg (1969), S. 215.

360

Die in den Impressen oder Kolophonen Coplands am häufigsten genannten Namen sind John Wal(l)ey und Richard Kele. Der STC2 schreibt darüber hinaus William Copland viele Drucke zu, die für Adam Vele angefertigt wurden. William Copland arbeitete mit Richard Kele wahrscheinlich gleich von Beginn seiner Drucktätigkeit an zusammen. Er druckte zwischen etwa 1547 und 1552 für diesen Buchhändler, der 1552 starb.58 Für John Waley arbeitete Copland hauptsächlich zwischen ungefähr 1547 und 1550 und zwischen 1555 und 1560. Möglicherweise entstand etwa 1565 ein weiterer CoplandDruck auch in Waleys Auftrag (An enterlude of welth, and helth). Waley lebte noch wesentlich länger, nämlich bis 1586,59 aber es ist nicht klar, warum nach 1560 ihre Partnerschaft auslief. Einige Erklärungsvorschläge hierzu werden unten gemacht. Die Tätigkeit Coplands für Vele (tätig zwischen 1550? und 1595)60 ist schwer zu fassen. Die meisten Drucke, in denen Veles Name im Impressum auftaucht, sind nicht firmiert. Sie werden Copland nur zugeschrieben. Bei der Durchsicht der Bücher, die Copland nach dem STC2 für Vele gedruckt haben soll, fällt auf, dass kein firmierter Druck Coplands existiert, in dem Vele genannt wird. Es scheint also, dass im STC2 einige Drucke, die Vele nennen, Copland zugeschlagen wurden. Worauf diese Zuschreibung beruht, ist allerdings nicht recht verständlich, denn es existiert kein einziger Druck, in dem Vele und Copland zusammen genannt werden. Die Zuschreibungen lassen sich nur erklären, wenn man unterstellt, dass diese Auftragsdrucke für Vele notwendigerweise auch von Copland produziert wurden. Diese Annahme beruht auf der Feststellung, dass die für Vele getätigten Drucke bereits zu einem früheren bzw. zu einem späteren Zeitpunkt in Coplands Presse aufgelegt wurden. Sollte eine Partnerschaft zwischen den beiden existiert haben, hätte ihr Schwerpunkt in den Jahren 1556/57 bzw. 1560 gelegen. Daneben druckte William Copland für verschiedene andere Buchhändler verstreut einige Texte: beispielsweise für den Buchhändler Robert Toye61 im Jahr 1551 den Text Stephen Hawes’ The conuercyon of swerers, 1554 die Four Sons of Haimon, Philip Sparrow, Absence from Court und um 1556 The Book of Hawking and Hunting. Coplands Drucke für John Wyght62 überschneiden sich zum Teil mit denen für Toy: Für Wyght druckte Copland etwa 1552 The

58 59 60 61 62

Vgl. »Richard Kele.« In: STC2, Bd. 3, S. 96. Vgl. »John Waley.« In: STC2, Bd. 3, S. 176. Vgl. »Abraham Vele.« In: STC2, Bd. 3, S. 173. Vgl. »Robert Toy.« In: STC2, Bd. 3, S. 170f. Vgl. »John Wight.« In: STC2, Bd. 3, S. 183.

361

properties of herbs, 1554 Philip Sparrow, Collyn Cloute und Absence from Court und etwa 1558 The deceyte of women. Vielleicht stammt The sum of the actes and decrees für Thomas Gibson63 um 1552 auch aus der Presse Coplands. Für Richard Jugge64 druckte Copland um 1552 Thomas Paynells Florilegium The piththy and moost notable sayinges of al Scripture. In eine spätere Phase gehören Coplands Drucke für William Seres65: um 1558 the Image of idlenesse, um 1559 Psalmes or prayers und etwa 1559 Catherine Parrs Prayers (letztere zwei zusammen mit Waley). Eventuell legte Copland 1560 für Robert Redborne66 Arthur of Brytayn auf. Wohl wegen der Häufigkeit, mit der Copland für andere Auftraggeber druckte, werden viele der Bücher, die im Impressum einen Hinweis auf diese Auftraggeber haben, aber nicht voll firmiert sind, auf dieser Basis und dem Druckbild der Presse William Coplands zugeschrieben. Das Bild der Geschäftsbeziehungen Coplands, das für die heutigen Betrachtung entsteht, ist trotz dieser Informationen fragmentarisch. In einem Fall ist beispielsweise nur ein Kolophon eines Buchs erhalten, aus dem eine weitere Geschäftsbeziehung Coplands deutlich wird, die sonst in keinem seiner noch vorhandenen Drucke genannt wird: »Imprented at London by Wyllyam Copland for Garret dewes dwellyng in paules churche yarde at the East end of the Churche.«67 Es kann also davon ausgegangen werden, dass Copland neben den bekannten Beziehungen noch weitere unterhielt, für die heute keine Quellen mehr existieren.

3.4. William Coplands Programm Coplands Programm ist bisher nicht genauer untersucht worden. Tedder bezeichnet zwar einige der Drucke als beachtenswert: Among the noteworthy books issued from his press were ›The xiii bukes of Eneados‹ (1553, 4to), ›The foure Sonnes of Aimon‹ (1554, folio), ›Kynge Arthur‹ (1557), folio, and the following without a date: ›Syr Isenbras,‹ 4to, ›Howleglas‹ (three editions), 4to, ›The Knyght of the Swanne,‹ 4to, ›Jyl of Breyntford’s Testament‹ (two editions, 4to), Borde’s ›Introduction of Knowledge,‹ 4to, ›Valentyne and Orson,‹ 4to, and other popular romances.68

63 64 65 66 67 68

Vgl. »Thomas Gibson.« In: STC2, Bd. 3, S. 68f. Vgl. »Richard Jugge.« In: STC2, Bd. 3, S. 95f. Vgl. »William Seres 1.« In: STC2, Bd. 3, S. 151f. Vgl. »Robert Redborne.« In: STC2, Bd. 3, S. 143. Bagford-Fragmente, Harley 5919; Mikrofilm: PB MIC B 815/2. Tedder (1937–38).

362

Der Umfang von Coplands Produktion war im 19. und frühen 20. Jahrhundert jedoch noch nicht so weitgehend erfasst,69 wie das seit dem STC2 der Fall ist. Die im STC2 verzeichneten Drucke Coplands stellen eine deutliche Erweiterung dar, müssen aber in Bezug auf die Zuschreibungen mit Vorsicht behandelt werden. Im STC2 werden 151 Einträge (etwa 107 separate Titel) im Zusammenhang mit William Coplands Presse verzeichnet. Von diesen sind jedoch 66 Zuschreibungen, die auf unfirmierten Drucken beruhen. Deutlich ablesen lassen sich dennoch unterschiedliche Perioden in William Coplands Tätigkeit. Sie kann grob in eine erste Phase von 1547 bis 1552, eine zweite von 1553 bis 1558, eine dritte von etwa 1558 bis 1561/62 und eine vierte von ungefähr 1562 bis 1568 eingeteilt werden. Die Phasen in seiner Tätigkeit decken sich damit nicht vollständig mit den Standortwechseln seiner Offizin: In der ersten und zweiten Phase – also von 1547 bis etwa 1558 – befand sich Coplands Presse in der »Rose Garland« in der Fleet Street, in der dritten Phase – von 1558 an bis etwa 1562 – bei der Three Crane Wharf in der »Vintry« genannten Straße in St Margaret, in der vierten Phase – von etwa 1563 bis 1567 – in der Straße »Lothbury« gegenüber der St Margaret Kirche. In der ersten Phase, nachdem er um 1547 die Presse von seinem Vorgänger übernommen hatte, druckte William Copland zunächst größtenteils religiöse Literatur mit stark protestantischem Einschlag. Von den von ihm verlegten Autoren waren sowohl William Tyndale und Patrick Hamilton als auch Anne Askewe als Ketzer hingerichtet worden. Auch Bischof Edward Fox ist unter den Kirchenführern unter Heinrich VIII. als eindeutig protestantische Kraft zu bezeichnen. Sogar solche Bücher, die auf den ersten Blick relativ harmlos wirken, wie beispielsweise Piers Plowmans Dialog, haben eine ausgesprochen protestantische Agenda. Dieser Druck steht im Zusammenhang mit dem Text The Complaint of the Ploughman, wie Dean erläutert, »a pseudepigraphic Lollard poem.«70 William Copland führte damit die Presse Robert Coplands in noch strengerem protestantischen Ton fort. Gefragt werden könnte, ob diese Ausrichtung seine persönlichen Überzeugungen widerspiegelte oder ob William Copland sich unter dem klar protestantisch orientieren Eduard VI. verpflichtet fühlte, einen besonderen Einklang mit der offiziellen Politik zu zeigen. Im Licht seiner späteren Programmentwicklung, die unten geschildert wird, erscheint jedoch die erste Variante überzeugender.

69 70

Vgl. Dibdin, dem als letztes Buch aus Coplands Presse ein Druck von 1561 bekannt war. Dibdin (1969), Bd. 3, S. 128. Oder: Duff et al. (1913). Dean (1991).

363

Coplands Tätigkeit bildet in überraschender Weise die Tendenzen ab, die in Bezug auf die Entwicklung des englischen Buchmarkts in der Zeit ab ca. 1545 diskutiert wurden (vgl. oben, S. 348): Loach beschreibt Höhepunkte in der Buchproduktion um 1548 und 1550, bevor die Rezession auch den Buchhandel traf. Obwohl die vorliegenden Zahlen schwer zu beurteilen sind, weil es sich bei einigen Büchern nur um Zuschreibungen zu Coplands Presse handelt und genaue Daten fehlen, scheint es doch so, als ob an dem Höhepunkt um 1550 auch Copland teilhatte. Während er in den Jahren vor 1550 und danach bis etwa 1560 im Jahr zwischen drei und neun Büchern herstellte, werden im STC2 allein für 1550 etwa 20 Drucke aus seiner Offizin aufgeführt. Dass Copland ab etwa 1550 mit seiner Presse neue Wege nicht nur in der Produktionsmenge, sondern auch im Inhalt einschlug, geht aus der Zusammenstellung seiner Drucke hervor (vgl. die Liste seiner Drucke, S. 371ff.). Neben der religiösen Literatur richtete Copland sein Programm auf Gebrauchs- und (medizinische) Ratgeberliteratur aus. Dazu müssen auch die Bearbeitungen der Erasmus-Texte gezählt werden, die er ab etwa 1550 verlegte. Um 1550 zeigt sich aber in seiner Arbeit ein wachsendes Interesse an fiktionalen Texten. Er druckte ein Buch mit »Balletten«, ein Drama – A play of loue – und verschiedene Interludien. In der zweiten Phase von Coplands Tätigkeit, ab etwa 1553, vertiefte der Drucker dieses Interesse offenbar. Sein Druckprogramm wandelte sich stark: Er legte The recuile of the histories of Troie wieder auf, die Caxton ursprünglich veröffentlicht hatte, und druckte eine Aeneas-Ausgabe. Neben seinen üblichen Brotschriften wie der Treasury of Health oder dem Book of Hawking and Hunting warf er nun vermehrt kurze fiktionale Literatur in Prosa oder Versen auf den Markt. Dazu gehören solche Bücher wie Valentin and Orson, die Four Sons of Haimon oder Collyn Clout. Diese Entwicklung muss im Zusammenhang mit den religionspolitischen Veränderungen nach dem Tod Eduards VI. und der Thronbesteigung Marias I., »der Katholischen«, gesehen werden. Der plötzliche Bruch Coplands mit seinem bisher so klar religiös und protestantisch ausgerichteten Programm ab 1553 kann nicht als zufällig gedeutet werden. Im Zuge seiner Umorientierung beschloss Copland anscheinend, sich nicht auf die neutrale Gebrauchsliteratur zu spezialisieren, sondern auf Unterhaltungsliteratur. Ein einziger ›Ausrutscher‹ in dieser Strategie beweist die Stärke von Coplands religiösen Überzeugungen: Etwa im Jahr 1556 gab er einen Einblattdruck mit dem Titel The recantation of Thomas Cranmer heraus. Thomas Cranmer hatte eine entscheidende Rolle in der Scheidung der Ehe Heinrichs VIII.

364

und Katharinas von Aragon gespielt,71 weshalb er Maria I. verhasst war. Als er der Häresie angeklagt wurde und 1556 widerrief, ließ ihn Maria dennoch auf dem Scheiterhaufen hinrichten.72 Einen Druck mit dem Widerruf herauszugeben, der eigentlich die Todesstrafe hätte abwenden müssen, kann als Kritik am unbeugsamen und gegen den Usus verstoßenden Handeln Marias gedeutet werden. Dass er mit diesem Druck nicht durchkam, wird Copland nicht überrascht haben: Noch im März zog die Stationers’ Company alle Exemplare ein und vernichtete sie. Ob es auch mit diesen Gegebenheiten zusammenhing, dass Copland wahrscheinlich um 1554 drei Texte von Skelton druckte (vgl. S. 376f.), ist nicht mit Sicherheit festzustellen. Die Kritik, die Skelton mit Collyn Clout an Kardinal Wolsey – und so an der katholischen Kirche – und mit Absence from Court am Hof geübt hatte, könnte Copland auf diese Weise wiederholt haben. Jedoch ist ebenso gut denkbar, dass Copland zu diesem Zeitpunkt gerade nur das Werk dieses Autors zur Verfügung stand, weshalb er es ausschlachtete. Nach Marias Tod 1558 lässt sich wiederum ein Einschnitt in Coplands Tätigkeit feststellen, der Beginn einer dritten Phase. In dieser Zeit verlegte er nicht nur seine Offizin in eine andere Gemeinde in der City, sondern er begann sofort wieder, die religiöse Literatur zu veröffentlichen, die für den Anfang seiner Karriere kennzeichnend war. Mit den Drucken der protestantischen Märtyrer-Literatur, wie beispielsweise Bradford oder Tyndale, und Bibel-Fassungen wendete sich Copland der Art von Texten zu, die ihm offenbar inhaltlich wichtig waren – und die er unter Maria nicht hatte drucken können. Bezeichnend ist dabei, dass er an religiösen Projekten für Auftraggeber arbeitete, mit denen er bereits vor Marias Regierung kooperiert hatte: William Seres und John Waley. Nachdem Copland für Seres 1552 nur ein Florilegium gedruckt hatte, erhielt er von diesem nun anscheinend neue Aufträge, die ihrer beiden religiösen Bekenntnis und Profil entsprachen. Seres wurde nach 1558 »Patentee for prose Psalters, Primers, and books of private prayer in general«73 und hatte dementsprechend wohl ein Interesse an dieser Art von Büchern. 1559 druckte Copland also für Seres sowohl eine Gebetssammlung aus biblischen Texten als auch Catherine Parrs Gebete. Vielleicht bekam Copland nach diesem Jahr keine Aufträge mehr von Seres, weil dieser sich

71 72

73

Vgl. Ridley (2002), S. 61f. Auf dem Scheiterhaufen nahm Cranmer denn nach der Legende auch in einer Geste – er streckte die Hand, mit der er den Widerruf unterzeichnet hatte, zuerst ins Feuer – seinen Widerruf zurück. Vgl. Duffield (1964), S. 339f., sowie Heinze (1993), bes. S. 277-280. STC2, Bd. 3, S. 151.

365

selbstständig machte; das jedenfalls ist der im STC2 gemachte Vorschlag.74 Dagegen hatte sich Waley vor und auch unter Marias Regierung an Coplands ›unverfänglichen‹ Büchern beteiligt und seine Partnerschaft mit Seres für die zwei 1559 von Copland gedruckten Bücher ist für Coplands Programm ebenso überraschend wie sein offensichtlicher Rückzug nach 1560. Erst ab etwa 1560 setzte wieder ein langsamer Wandel in William Coplands Verlagsprogramm ein. Zunehmend finden sich wieder fiktionale Prosatexte, z. B. Bevis of Hampton, Arthur of Little Britain oder Howleglas. Zwar war seine Verlagsausrichtung immer noch mit religiösen Texten durchsetzt, aber diese traten weiter in den Hintergrund. Auch die Partner, mit denen er an diesen Projekten arbeitete, erscheinen später in den Impressen oder Kolophonen seiner Drucke nicht mehr. Vergleicht man diese Entwicklungen mit Coplands Verlagsprogramm, verfestigt sich das Bild. Die früheren Drucke, die im STC2 ohne genauere Datierung auf etwa 1560 angesetzt sind, sowie die späteren wurden größtenteils von Copland selbst verlegt. Es vermischen sich Bücher, die er bereits mehrfach gedruckt hatte, mit Neuaufnahmen in seinem Programm. Diese Ausrichtung scheint ihm genügend finanzielle Sicherheit gegeben zu haben, damit er selbstständig arbeiten konnte und nicht mehr im selben Maße wie zuvor darauf angewiesen war, für andere Verleger zu drucken. Coplands vierte Schaffensphase begann um 1562. Wieder zog er um, diesmal innerhalb der Gemeinde, und in dieser Zeit ist auch zum ersten Mal nachgewiesen, dass er einen Lehrling beschäftigte (siehe oben, S. 357). Ob die Kombination beider Tatsachen nur als Veränderung oder als Expansion zu deuten ist, muss offen bleiben. Deutlich ist jedoch, dass er in den nächsten Jahren bis zum Ende seiner Laufbahn fast nur noch in und unter seinem eigenen Namen druckte, finanziell also hinreichend abgesichert gewesen sein muss. Die Frage drängt sich auf, ob seine Produktion in dieser letzten Phase tatsächlich so schwankend war. Aus dem Jahr 1562 beispielsweise ist kein Druck erhalten, was eventuell mit dem Umzug und Neuanfang begründet werden könnte, aber auch für 1564, 1566 und 1567 ist jeweils nur ein Druck im STC2 verzeichnet. Ob diese Verteilung sich jedoch bei genauerer bibliographischer Aufarbeitung verschieben würde, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Da für Coplands Offizin im Jahr 1565 dagegen 24 Drucke aufgeführt werden, scheint es möglich, dass solche ›Boom‹-Jahre die mageren Jahre ausgeglichen haben könnten. Wie sich die wechselhafte

74

Vgl. ebd.

366

Produktionsmenge auf Coplands endgültigen finanziellen Stand auswirkte – wodurch die Frage wieder berührt wird, wie der Betrag zu bewerten ist, den die Stationers’ Company für sein Begräbnis zahlte (vgl. S. 358) – muss dennoch offen bleiben. Sein Interesse an fiktionaler Prosaliteratur schlug sich in der Menge dieser Texte nieder, die Copland in dieser Periode druckte. Er setzte die unter Maria I. eingeschlagene Richtung fort. Obwohl er in einigen Fällen Texte wieder auflegte, die er bereits in seiner zweiten Phase publiziert hatte – wie Bevis of Hampton, Valentin and Orson oder Howleglas –, und auch eines seiner typischen Gebrauchsbücher – wie The Book of Hawking and Hunting – sich hin und wieder findet, fügte er doch auch in dieser Periode seinem Verlagsprogramm noch verschiedene neue Texte hinzu. Zum ersten Mal und gleich dreimal legte er beispielsweise in dieser Zeit um 1565 Albertus Magnus auf. Veränderungen nahm er sowohl bei der Gebrauchsliteratur als auch bei der fiktionalen Literatur vor. Im letzteren Bereich lässt sich formal ein Zuwachs an Versliteratur verzeichnen, inhaltlich einer an Romanzen. Repräsentativ für beide Aspekte sind beispielsweise Syr Degore und Sir Tryamour. Darüber hinaus ist auffällig, dass William Copland in dieser letzten Phase wieder Texte auflegte, die bereits sein Vorgänger im Programm gehabt hatte oder die von diesem stammen: Robert Coplands The seuen sorowes that women haue when theyr husbandes be deade oder der von ihm übersetzte Rutter of the Sea. Es ist schwierig, die genaue Abfolge der Drucke in Coplands Programm zu bestimmen, da so viele von ihnen undatiert sind. Bei einer Aufteilung wie der hier erfolgten läuft man sicher Gefahr, Gruppenbildungen anzunehmen, die durch eventuell andere Druckdaten an Plausibilität verlören. Dennoch lassen sich deutliche Einschnitte in William Coplands Karriere erkennen, wenn auch die Unterscheidungen innerhalb der Perioden nicht immer einwandfrei zu treffen sind. Wichtig ist es, Coplands Tätigkeit vor dem Hintergrund der zeitgenössischen politischen Situation zu sehen. Diese bietet einen Rahmen für die Interpretation seines Programms. Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass Copland im Bereich der fiktionalen Prosaliteratur häufig Werke aus dem Programm Jan van Doesborchs neuauflegte. Dies könnte unterschiedlich erklärt werden: Entweder war der Markt so stabil, dass es auch noch nach einem solchen Zeitraum Nachfrage für diese Werke gab, auf die Copland sich verlassen konnte – in diesem Fall deuten vielleicht die langen Unterbrechungen in der Überlieferung auf verlorene Ausgaben aus der Zwischenzeit hin – oder es gab Auslöser, die eine Neuauflage zu diesem Zeitpunkt günstig erscheinen ließ – auch die politische Notwendigkeit für Copland, sein Programm zu ändern, könnte hierzu zählen. 367

In den nächsten Abschnitten soll erläutert werden, wie Coplands EulenspiegelDrucke sich in dieses Programm einfügen.

3.4.1. Die Howleglas-Drucke in William Coplands Programm Ohne Zweifel steht fest, dass zwei der vier nach dem van-Doesborch-Druck erhaltenen Howleglas-Fragmente aus der Presse William Coplands stammen. Dies geht aus den Kolophonen hervor (vgl. die Druckbeschreibungen auf S. 46f. und S. 51f.), die mit den Angaben »Imprynted at London in Tamestrete at the Uintre on the thre Craned wharfe by Wyllyam Copland« und »Imprinted at London in Lothbury, by me Wyllyam Copland« auf die Entstehungsorte und damit die Entstehungszeiträume verweisen. Aus den Kolophonen anderer seiner Drucke ist bekannt, dass Copland zwischen Herbst 1558 und 1562 seine Offizin bei der Three Crane Wharf in der »Vintry« genannten Straße in St Margaret betrieb und ab 1563 wahrscheinlich bis zu seinem Tod in der Straße »Lothbury« gegenüber der St Margaret Kirche arbeitete. Das bedeutet, dass der frühere der zwei Howleglas-Drucke (»Vintry«; in der vorliegenden Arbeit mit L2 bezeichnet) nach Oktober 1558 und vor 1562 entstanden sein müsste, der spätere (»Lothbury«) ab 1563. Ob sie aber beide nahe um 1562 in Folge gedruckt wurden oder in weitem zeitlichen Abstand am Anfang und am Ende beider Perioden, ist ungewiss. Lässt man sich jedoch auf eine solche Argumentation ein, würde folgender Grund für eine Datierung des Vintry-/L2-Drucks auf nach 1560 sprechen: Vor 1560 existieren einige datierte Drucke, die Coplands wiedererwachtes Interesse an der Publikation protestantischer Schriften dokumentieren. Es wäre nachvollziehbar, dass er sich nach der erzwungenen Pause auf diesem Gebiet unter Maria I. unmittelbar nach 1558 zunächst auf sein religiöses Verlagsprofil zurückbesann. Coplands erneute Abwendung von diesem Verlagsprogramm im Laufe seiner dritten Schaffensperiode könnte auf verschiedene Ursachen zurückgehen: Nach einer Weile mögen ihm Publikationsmöglichkeiten – oder eine ausreichende Lesendenschaft? – gemangelt haben. Schließlich nahmen die Religionskontroversen nicht mehr eine solch zentrale Rolle ein wie in der Entstehungszeit der anglikanischen Staatskirche unter Heinrich VIII. und wie bei den Kehrtwendungen unter Eduard VI. und Maria I. Vielleicht waren auch die religionspolitischen Vorstellungen von Marias Thronfolgerin Elisabeth I. nicht so tolerant, wie anfänglich erhofft, weshalb ein ›neutraleres‹ Verlagsprogramm ihm als sicherer erschienen sein könnte. Eventuell lässt sich Coplands Umbesinnung durch die Weiterentwicklung seiner ehemaligen 368

Geschäftspartner erklären. Nachdem diese neue Nischen für sich gefunden hatten – Jugge beispielsweise wird 1558 Drucker für Königin Elisabeth75 –, standen sie möglicherweise nicht mehr wie früher für Coplands Unternehmungen zur Verfügung. Folglich hätte er eine andere Gewichtung seiner Geschäftsfelder vornehmen müssen. Da diese Umorientierung aber erst um das Jahr 1560 stattfand, wäre der L2-Howleglas nicht früher anzusetzen. Wo genau zwischen 1560 und 1562 allerdings der Howleglas-Druck liegt, ist schwer zu sagen. Zwischen 1560 und 1562 veröffentlichte Copland zwar tatsächlich vor allem Texte, die er bereits vorher gedruckt hatte, aber nur im Bereich der Gebrauchsliteratur. Hinsichtlich der unterhaltsamen Literatur dagegen publizierte er ausschließlich Texte, die er vorher noch nicht verlegt hatte. Es gibt mehrere mögliche Überlegungen: Geht man davon aus, dass Copland bereits früher einen Howleglas veröffentlicht hatte, könnte eine Wiederauflage eines Texts, dessen Publikumserfolg Copland einschätzen konnte, zur Erwirtschaftung des Startkapitals für neue Titel gedient haben. Dann wäre der L2-Howleglas näher am Jahr 1560 anzusetzen. Daneben wäre aber auch vorstellbar, dass Copland zunächst ein neues Programm entwarf, das er über seine Gebrauchsliteratur finanzierte, und erst nachdem er die neuen Titel ›aufgebraucht‹ hatte, wieder schon früher Gedrucktes neuauflegte. Das würde bedeuten, dass der L2-Howleglas erst gegen 1562 entstanden wäre. Eine dritte Möglichkeit wäre, dass es sich bei L2 doch um den ersten Howleglas aus William Coplands Presse handelt und sich dieser Neudruck somit in die Profilveränderung zugunsten neuer Titel aus der unterhaltsamen Literatur nahtlos einfügt. In diesem Fall könnte keine genauere zeitliche Festlegung vorgenommen werden. Da jedoch die letzte Möglichkeit – die voraussetzt, dass L2 dem Fragment L1 vorausgeht – bereits durch die Befunde auf S. 57ff. widerlegt worden ist, können nur die anderen zwei Ansätze in Erwägung gezogen werden. In Bezug auf Coplands späteren gesicherten Howleglas-Druck leuchtet die STC2-Datierung 1565 ein. Zwischen 1562 und 1564 druckte Copland wenig. Um 1565 erschien bei seiner Presse aber anscheinend eine Vielzahl von Drucken – mit 24 STC2-Einträgen bzw. 22 Titeln mehr als je zuvor, sogar mehr als 1550. Dies zeigt eindeutig eine Konzentration auf Unterhaltungsliteratur. Allerdings handelt es sich, anders als in der vorherigen Phase, nur zum Teil um neue Texte. Von den Texten, in deren Umfeld der Howleglas in dieser Periode gedruckt wurde, hatte Copland in der Vergangenheit schon

75

Vgl. STC2, Bd. 3, S. 95.

369

rund die Hälfte publiziert. Auffälligerweise sind diese alten Texte ebenso wie die neuen überwiegend metrische Romanzen. Der Howleglas fällt in dieser Hinsicht in dieser Schaffensphase deutlich aus dem Rahmen. Von den zwei weiteren Howleglas-Fragmenten, die wahrscheinlich William Coplands Offizin entstammen, hat eines (L?) einen so geringen Umfang, dass es nicht datiert werden kann (siehe oben). Das andere, L1, für das in der vorliegenden Arbeit auch die Herausgeberschaft William Coplands angenommen wird, wurde ebenfalls durch den Druckvergleich zeitlich vor L2 eingeordnet. Bei L1 handelt es sich um eine andere Auflage als bei L2. Es ist deshalb davon auszugehen, dass L1 nicht unmittelbar vor L2 entstand. Wenn das der Fall ist, wäre L1 vor 1560 anzusetzen, am ehesten aber – aus den genannten Gründen – in der zweiten Schaffensperiode Coplands. Dessen Konzentration auf geistliche Literatur in seiner ersten Phase macht es höchst unwahrscheinlich, dass er seinen ersten Howleglas vor der Änderung seines Verlagsprogramms unter Maria I., also vor 1553 druckte. Während in STC2 jedoch vermutet wird, dass der L1-Howleglas um 1555 entstand, könnte folgendes Argument auf einen etwas früheren Entstehungszeitpunkt deuten: Ein formaler Gesichtspunkt bezieht sich auf Coplands Entwicklung vom Verleger geistlicher Literatur über den Druck dramatischer Texte hin zum Produzenten von nichtdramatischer fiktionaler Literatur. Die ersten Drucke dieser Art, die Copland 1553 auflegt, – Recuil de Troye und Aeneais – sind Prosatexte. Auch die voll firmierten Four Sons of Haimon von 1554 gehören zu dieser Gattung. Dagegen fallen alle nachfolgend von ihm in dieser Phase gedruckten unterhaltsamen Texte, ob Collyn Cloute (1554) oder The Pastime of Pleasure, in den Bereich der metrischen Literatur. In diesem Sinne würde der Howleglas zeitlich eher früher einzuordnen sein als bei den späteren Verserzählungen. Als weitere Begründung für eine frühe Einordnung des L1-Howleglas könnte gelten, dass frühere Auflagen der metrischen Texte, die William Copland wahrscheinlich nach den Four Sons of Haimon druckte – z. B. Philip Sparrow oder Collyn Clout –, im Gegensatz zu William Coplands ersten Prosadrucken bereits von seinem Vorgänger Robert Copland verlegt worden waren. Zudem ist auffällig, dass William Coplands erste Prosatexte alle nur in einzelnen Auflagen existieren, während seine unterhaltsamen Verserzählungen in mehreren Auflagen für unterschiedliche Buchhändler vorliegen. Da es sich dabei um diejenigen Buchverkäufer/Verleger handelt, die genau diese Bücher wahrscheinlich schon von Robert Copland drucken ließen, stellt sich die Frage, ob diese konzertierten Aufträge nicht als Unterstützung eines Druckers durch Familiengeschäftspartner angesehen werden könnten, dessen Geschäftslage aufgrund der politischen Lage angespannt ist. Es gibt in der 370

Geschichte des Howleglas in Coplands Offizin keinen Hinweis darauf, dass Copland ihn jemals für andere druckte. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass der Howleglas mit den anderen Prosatexten zusammen dieser Hilfestellung vorausging. Aus den angeführten Gründen legt sich eine Datierung für L1 nahe, die der in STC2 vorgeschlagenen von 1555 um mindestens zwei bis drei Jahre vorausgeht. Abschließend lässt sich feststellen, dass der Howleglas in Coplands Verlagsprogramm in mehrerer Hinsicht eine Besonderheit darstellt. Copland druckte, wie geschildert, größtenteils Verserzählungen. Seine Auswahl an unterhaltsamer Prosaliteratur war beschränkt: Der Howleglas weicht auch darin von Coplands übrigen Druckerzeugnissen ab, dass er eine Neuauflage eines Texts ist, von dem nur ein ›Vorbesitzer‹ bekannt ist: Jan van Doesborch, und nur eine Auflage. Für die meisten Copland-Drucke existieren mehrere frühere Auflagen durch unterschiedliche Drucker.

3.4.2. William Coplands Drucke Eckige Klammern [ ] geben an, dass es sich um eine vermutete bzw. ungefähre Jahreszahl oder einen zugeschriebenen Druck handelt. Die Fragezeichen bei den Jahresangaben drücken eine besondere Unsicherheit in STC2 aus. Runde Klammern ( ) verweisen darauf, dass der genannte Autor der Verfasser des Originals ist, nicht der hier aufgeführten Übersetzung. An einigen Stellen finden sich Angaben zu den Buchhändlern, für die Copland druckte. Diese werden mit »f.« nach der Formatangabe eingeleitet. Ein Stern vor dem Titel zeigt an, dass im Register der Stationers’ Company in diesem Zeitraum eine Genehmigung für William Copland für diesen Titel verzeichnet ist. Da von diesen Drucken keine Exemplare mehr vorhanden sind, müssen sie in eckigen Klammern aufgeführt werden. In den Fällen von mehrfach gedruckten Büchern werden den Titeln Kurztitel vorangestellt, die im Folgenden anstatt der ausführlichen Titel verwendet werden. [1540?] 1547

[The Primer in English.] [R. Copland?]. STC2 16017.5(A3). *A fruteful and a very Christen instruction for children with a Dyalogue wherin the chyld asketh certayn questions answeryng to the same with a generall confession. And thre maner of loues, The saying of Salomon in the ,vi, of the Prouerbes […]. 8o. f. R. Kele. STC2 14106. 371

76 77 78

[1547?]

[The boke of hawkynge huntynge and fysshynge with all the propertyes and medecynes that are necessarye to be kepte.]76 4o. f. H. Tab. STC2 3310.

[1547?]

[The Book of Hunting and Hawking.] 4o. f. J. Waley. STC2 3310.3.

[1548?]

Here begynneth a newe boke of medecynes intytulyd or callyd the treasure of pore men. 8o. [R. oder W. C.] f. H. Tab [u.] J. Waley. STC2 24203.7.

[1548?]

[Here begynneth the seynge of urynes.] 8o. [R. or W. C.] J. Waley. STC2 22160.

[1548?]

A boke of the properties of herbes called an herball […]. Also a generall rule drawen out of an auncyent booke of phisick by W.C[opland?].77 8o. [R. oder W. C.] f. J. Waley. STC2 13175.12.

1548

[A dyalogue or disputacion bytwene a, gentylman and a prest concernyng the supper of the Lorde.]78 8o. STC2 6802.5.

[1548]

*(Fox, Edward, Bischof:) The true dyfferens betwen the regall power and the Ecclesiasticall power. 8o. STC2 11220.

[1548?]

Moone, Peter: A short treatyse of certayne thinges abused in the popysh church, long vsed. [Verse.] 4o. STC2 18056.

[1548?]

Tyndale, William: The Obedience of a Christen man, and how christen rulers ought to gouerne […]. 8o. STC2 24451.

[1548?]

*[The dysclosyng of the Canon of the popysh Masse, with a sermon annexed vnto it of the famous Clerke of worthy memorye. D Marten Luther.] 8o. STC2 17626.

1549

The new testamente of our sauyoure christ set forth by W. Tyndale […]. 8o. STC2 2857.

Da William Copland dieses Buch immer wieder druckt, soll es im Folgenden als The Book of Hunting and Hawking abgekürzt werden. Dieser Titel wird im Folgenden als The Properties of Herbs abgekürzt. Im STC2 ist dieser Titel separat von Piers Plowmans Dialog aufgeführt (vgl. S. 374). Die Ähnlichkeit beider Titel deutet jedoch darauf hin, dass es sich um denselben Text mit etwas unterschiedlichen Titeln handeln könnte. Dies müsste durch eine Autopsie bestätigt werden.

372

79 80 81

1549

Tyndale, William: The parable of the wycked mammon. 8o. STC2 24459.

[1549?]

Ridley, Lancelot?: An exposition in the epistell of Jude. 8o. f. R. Kele. STC2 21043.

[1549?]

[Hamilton, Patrick, Abt von Fearn: [Florilegium.] Dyuers frutful gatheringes […].] 8o. STC2 12732.

[1549?]

[Wyatt, Sir Thomas?: A Boke of Balettes. [Anon., Verse].] 8o. STC2 26053.5.

1550

[Great Bible,79 Salomon.] The bokes of Salomon namely. Prouerbia Ecclestiastes Cantica canticorum Sapientia Ecclesiasticus. 8o. STC2 2757.

1550

[Great Bible, Neues Testament.] The newe testament in Englishe. 8o. f. J. Waley. STC2 2861.

1550

The Epystles & Gospels, of euery Sondaye, and holye daye […] after the Churche of England.80 8o. STC2 2976.

1550

(Erasmus, Desiderius:) [Florilegium.]81 Flores aliquot sententiarum ex variis collecti scriptoribus. The flowers of sencies. [Lat. u. Engl., Übers. v. R. Taverner.] 8o. STC2 10447.

1550

(Erasmus, Desiderius:) Florilegium. 8o. f. R. Kele. STC2 10447.5.

[1550]

Fitzherbert, John: [Book of Husbandry.] Here begynneth a ryght frutefull matter […]. 8o. f. R. Kele. STC2 11013.

[1550]

Fitzherbert, J.: Book of Husbandry. 8o. STC2 11013.3.

[1550]

[Askew, Anne: The fyrst exawinacion [sic] of A. Askewe. (The latter examination.) 8o. STC2 852.5.

[1550]

[Heywood, John: A play of loue.] 4o. f. J. Waley. STC2 13304.

[1550]

[John the Evangelist.] [Here begynneth the enterlude of Johan the Euangelyst.] 4o. f. J. Waley. STC2 14643.

Dies ist die erste vollständige Bibelübersetzung ins Englische von Miles Coverdale, die 1536 in Antwerpen und ab 1539 in London gedruckt wurde. Vgl. Steinberg (1969), S. 108. Hiernach abgekürzt als: The Epistles and Gospels. Die Auswahl stammt wohl nicht aus Erasmus’ Apophthegmata, sondern aus Aliquot sententiae insignes; vgl. STC2.

373

[1550]

[1550] [1550?]

[1550?] [1550?] [1550?] [1550?] [1550?] [1550?] 1551

1551 1551

1552 [1552?] [1552?]

82

83

[Piers Plowman Dialog.] [A godly dyalogue & dysputacion betwene Pyers plowman, and a popysh preest, concernyng the supper of the lorde.] 8o. STC2 19903. [Piers Plowman Dialog.] 8o. STC2 19903.5. (Johannes XXI, Papst:) The treasury of health conteynyng many profitable medycines gathered […] by Petrus Hyspanus […].82 [Übers. v. Humphrey Lwyd (Lloyde).] 8o. STC2 14651.5. Tilney, Emery: Here beginneth a song of the Lordes supper. [Verse]. 4o. [solde by R. Stoughton.] STC2 24078. (Taverner, Richard:) The second booke of the Garden of wysdome.83 f. R. Kele. STC2 23715. (Taverner, R.:) The second booke of the Garden of wysdome. STC2 23715.5. [Hyckescorner.] [Hycke scorner.] [Interludium.] 4o. f. J. Waley. STC2 14040. [Enterlude of somebody and others.] 4o. STC2 14109.3. [Here begynneth a booke called the fal of the romish churche.] 8o. STC2 21306. [Great Bible, Salomon.] The bokes of Salomon namely. Prouerbia Ecclestiastes Cantica canticorum Sapientia Ecclesiasticus. 8o. STC2 2758. Hawes, Stephen: The conuercyon of swerers. [Verse]. 4o. f. R. Toye. STC2 12944.5. [L. Shepherd?:] Preservative. A godlye and holesome preseruatyue against desperation. 8o. f. R. Kele. STC2 20204. [Here begynneth the seynge of urynes.] 8o. f. R. Kele. STC2 22160.3. Beard, Richard: Alphabetum primum Beeardi. Cammels crosse rowe. [Verse]. 2o. STC2 1654. The Properties of Herbs. 8o. f. J. Wyght. STC2 13175.15.

Es handelt sich um eine Bearbeitung von: Jacques Desparts: Summula super plurimis remediis ex Mesue libris (vgl. STC2). Im Folgenden wird dieser häufig wiederkehrende Titel als The Treasury of Health abgekürzt. Dieses Buch basiert auf Erasmus Apophthegmata; vgl. STC2.

374

[1552?]

The Properties of Herbs. f. R. Kele. 8o. STC2 13175.15A.

[1552?]

Paynell, Thomas: The piththy [sic] and moost notable sayinges of al Scripture. 8o. f. R. Jugge. STC2 19495–5.7.

[1552?]

[Gervaes, Master: [Anzeigeblatt eines Kurpfuschers.] […] Moreouer yf any be diseased with the pockes, […] let hym come to maister Geruaes, which is lodged in it long Southwarck, in saint Thomas hospital […].] 4o. STC2 11797.2.

[1552?]

[The sum of the actes and decrees made by dyuerse bisshops.] 8o. f. T. Gybson. STC2 21308.

[1553]

(Eduard VI.:) A prayer sayd in the kinges chappell in the tyme of hys graces sicknes […], and mete to be vsed of all the kinges subiectes […]. 2o. STC2 7508.

[nach The Treasury of Health. 8o. STC2 14651.5. 22. Aug. 1553]

84

1553

(Le Fèvre, Raoul:) The recuile of the histories of Troie. 3 Teile. 2o. STC2 15378.

1553

[(Virgilius Maro, Publius:) The .xiii. bukes of Eneados […].]84 4o. STC2 24797.

[1553?]

Douglas, Gawin: The palis of honoure […]. [Verse.] 4o. STC2 7073.

[1553?]

The Properties of Herbs. BL 546.b.30.

[1553?]

[The history of Guy of Warwick.] [Verse.] 4o. STC2 12541.5.

1554 (6. Mai)

[Four Sons of Haimon.] The right pleasaunt and goodly historie of the foure sonnes of Aimon. 2o. f. T. Petet. STC2 1010.

1554 (6. Mai)

Four Sons of Haimon. 2o. f. J. Waley. STC2 1011.

1554 (6. Mai)

Four Sons of Haimon. 2o. f. R. Toy. STC2 1011.5.

[1554?]

Skelton, John: [Philip Sparrow.] [Here after foloweth a litle booke, of Phillyp Sparow.] [Verse.]. 8o. f. J. Wyght. STC2 22595.

Es handelt sich um die Übersetzung/Bearbeitung von Gawin Douglas.

375

[1554?] [1554?]

[1554?] [1554?]

[1554?] 1555

1555 [1555]

[1555] [1555?] [1555?] [1555?] [1555?] [1556?] [1556?] [1556?] [1556?] [1556?] 376

Skelton, John: [Philip Sparrow.] 8o. f. R. Toy. STC2 22595.5. Skelton, John: [Collyn Clout.] [Here after foloweth a lytell boke called Collyn Clout.] [Verse.] 8o. f. J. Wyght. STC2 22602. Skelton, John: [Collyn Clout.] 8o. f. T. Marshe. STC2 22602.5. Skelton, John: [Absence from Court.] [Here after foloweth a lytell boke, whiche hath to name, why come ye nat to courte.] [Verse.] 8o. f. R. Toy. STC2 22616. Skelton, John: [Absence from Court.] 8o. f. J. Wyght. STC2 22616.5. [Hawes, Stephen: [The pastime of pleasure.] The History of graund Amoure and la bel Pucell […].] [Verse.] 4o. f. R. Tottell STC2 12951. [Hawes, Stephen: The pastime of pleasure.] [Verse.] 4o. f. J. Waley. STC2 12952. [Watson, H.?:] Valentin and Orson.] The hystory of the two valyaunte brethren Valentyn and Orson. 4o. f. J. Waley. STC2 24571.7. [Seven wise masters of Rome.] Here beginneth thystory […]. 8o. STC2 21299. (Garcie, Pierre:) The Rutter of the Sea. 8o. STC2 11551. Borde, Andrew: The fyrst boke of the introduction of knowledge. [Teilweise Verse.] 4o. STC2 3383. Sir Eglamour. [Verse]. 4o. STC2 7543. [Till Eulenspiegel.] [Here beginneth a merye iest of a man that was called Howleglas.] 4o. STC2 10563.5. The Book of Hawking and Hunting. 4o. f. R. Toye. STC2 3310.7. *The Book of Hawking and Hunting. 4o. f. Rychard Tottell. STC2 3312. [The Book of Hawking and Hunting.] 4o. f. A. Vele?. STC2 3311. [Herodian.] The history of Herodian […]. 4o. STC2 13221. Here begynneth a litell treatise of the knight of Curtesy and the lady of Faguell. [Verse.] 4o. STC2 24223.

85

[1556]

[The recantation of Thomas Cranmer.] Einbl. 2o. f. W. Rydell. [Am 12. März 1556 wurde Riddell und W. C. befohlen, alle Kopien J. Cawood zum Verbrennen zu übergeben.] STC2 6005.5.

[1556]

[(Henry II, König v. Frankreich:) [Treatise between Henry II. and Philip II.] The copie of the pblication [sic] of the trewse made betwene kynge Henry second of that name themperour: and the kyng of Ingland his sonne published at roan on thursday the xx. daye of Februarry.] Einbl. 2o. STC2 13090.5.

[1556?]

[The Treasury of Health.] 8o. STC2 14652.

1556/57

[[Laet der Jüngere?:] [Almanach.]] 8o. STC2 477.9A.

1557

Malory: [Morte Darthur.] The story of the moste noble and worthy kynge Arthur. 2o. STC2 804.

1557

[(Erasmus, Desiderius:) A mery dialogue, declaringe the propertyes of shrowde shrewes, and honest wyues.] 8o. f. A. Vele. STC2 10455.5.

1557

[(Guevara, Antonio de?:) The golden boke of Marcus Aurelius.] [Übers. v. Berners, John Bouchier, Lord.] 8o. f. A.Vele. STC2 12442.

1557

[Regimen sanitatis salerni.] 8o. f. A. Vele. STC2 21600.

1557

[Economicus. Xenophons treatise of house holde.] 8o. f. A. Vele. STC2 26074.

[1557]

[Chronicle of years.] A short cronycle wherin is mencioned all the names of all the kinges […] mayers […]. 16o. STC2 9989.5.

[1557?]

[The deceyte of women. to the instruction and ensample of all men, newly corrected.] [Teilw. übers. aus: Les cent nouvelles nouvelles.] 4o. f. A. Vele. STC2 6451.

[vor 1558]

[Boorde, Andrew: The Boke of the introduction of Knowledge.] 4o. STC 3385.85

STC2 datiert diesen Druck auf ca. 1562. Das erscheint aber kaum möglich, wenn man die Widmung an Maria I. berücksichtigt. Aus William Coplands Verlagsprogramm geht eine deutliche Abweisung von Marias religionspolitischen Überzeugungen hervor, so dass es nicht vorstellbar ist, dass Copland sich unter der Regierung Elisabeths I. mit einer Widmung an die verhasste Vorgängerin auffällig gemacht hätte.

377

86

1558

[Isocrates:] [Admonition to Demonicus.] The godly aduertisement or good counsell of Isocrates, wherto is annexed Cato in meter. 2 Teile. 8o. STC2 14276.

[1558 oder früher]

The deceyte of women. 4o. f. J. Wyght. STC2 6452. [in Fletestrete.]

1558 (7. Oktober)

The Treasury of Health. 8o. STC2 14653. [Three Crane Wharfe.]

[1558?]

The Book of Hawking and Hunting. 4o. STC2 3312.3.

[1558/59]

[A lyttle treatyse called the Image of idlenesse […] betwene W. Wedlocke and Badwin Bacheler.]. 8o. f. W. Seres. STC2 25196.5.

[1558/59]

[Bradford, John: A sermon of repentaunce.] 8o. [W. C. musste 1558/59 eine Geldbuße für eine ungenehmigte Ausgabe bezahlen.86] STC2 3496.5.

[1558/59]

[Birch, William: A songe betwene the quenes maiestie and Englande.] [Verse.] Einbl. 2o. STC2 3079.

1559

Psalmes or prayers taken out of holye scripture / The King’s Psalms. 16o. f. J. Waley u. W. Seres. STC2 3007.

1559

[Bradford, John:] A godlye medytacyon composed by J. B[radforth]. latlye burnte in Smythfelde. [größtenteils übers. aus: Vives, J. L.: Excitationes animi in Deum.] 8o. [1558/59 u. 1561/62 für W. C. genehmigt.] STC2 3483.

1559

[The Epistles and Gospels.] 8o. STC2 2980.3(A3).

[1559]

Catherine Parr, Queen: Prayers stirryng the mynd vnto heauenlye medytacions collected oute of holy workes. 16o. f. J. Waley u. W. Seres. STC2 4826.

[1559?]

The Properties of Herbs. 8o. STC2 13175.18.

1560

Paynell, T.: The piththy and moost notable sayinges of al Scripture. 8o. STC2 19496.

[1560?]

Bevis of Hampton. Syr Beuys of Hampton. 4o. STC2 1988.8.

[1560?]

Elias, Chevalier au Cygn. 4o. STC2 7572.

Vgl. STC2 und Arber (1875–94), Bd. I, S. 93.

378

87

[1560?]

[Till Eulenspiegel.] [Here beginneht [sic] a merye Iest of a man that was called Howleglas. Imprynted at London in Tamestrete at the Uintre on the thre Craned wharfe by Wyllyam Copland.]. 4o. STC2 10564.

[1560?]

[Robin Hood.] A mery geste of Robyn Hoode and of hys lyfe, wyth a newe playe. 4o. STC2 13691.

[1560?]

[Frederick of Jennen.] [Here begynneth a propre treatyse of a marchauntes wyfe.] 4o. f. A. Vele. STC2 11362.

[1560?]

[Arthur of Little Britain.] [Arthur of Brytayn. The hystory of the moost noble knyght Arthur of lytell brytayne […].] [Übers. v. Berners, John Bouchier, Lord.] 2o. f. R. Redborne. STC2 807.

[1560?]

[Arthur of Little Britain.] STC2 807.5.

[1560]

[Lacy, John]: wyl bucke his testament. [Verse.] 4o. STC2 15118.5.

[1560?]

[Pythagoras.] A brefe and plesaunte worke, and sience [sic], of Pictagoras. 8o. STC2 20524.

[1560?]

The squyr of lowe degree. 4o. STC2 23112.

[1560?]

John Heywood: The playe called the foure PP. 4o. STC2 13301.

[1560?]

The Book of Hawking and Hunting. 4o. [W. C. musste 1561/62 eine Geldbuße für ungenehmigtes Drucken bezahlen.87] STC2 3312.5.

[1560?]

The Treasury of Health. 8o. STC2 14653.3.

[1560?]

[Molton, Thomas: This is the myrour or glasse of helthe.] 8o. f. J. Waley. STC2 18223.

[1560?]

[Molton, T.: This is the myrour or glasse of helthe.] f. A. Vele. STC2 18223.3.

1560/61

[Philagyrie of greste Britayne. [Or] (The fable of ye great gigant.)] [Anon., Verse.] 8o. STC2 6089.5.

[1560/61?]

Bradford, John: The hurte of hering masse. 8o. f. W. Martyne. STC2 3494.

Vgl. STC2 und Arber (1875–94), Bd. I, S. 185.

379

1561

[1561?]

Tyndale, William: The Obedience of a Christen man, and how christen rulers ought to gouerne […]. 8o. STC2 24453. Tyndale, William: The parable of the wycked mammon. 8o. STC2 24461.

[1561?]

A newe boke, conteyninge an exhortation to the sycke. [Gebete]. 8o. STC2 3363.3.

[1561?]

The proude wyues pater noster that wolde go gaye, and vndyd her husbonde. [Verse]. 4o. STC2 25938.5.

[1561?]

Sir Tryamoure. [Verse]. 4o. STC2 24303.

[1561?]

[(Buonaccorsi, Andrea:) Newes come latle from Pera, of two mighti armies […].] 8o. STC2 4102.3.

[1561?]

[An new enterlude of impacient pouerte newly imprynted.] 4o. STC2 14113.

[1561/62]

[Virgilius.] [This boke treateth of the lyfe of Virgil.] 4o. [STC2 24829].

[1562/63]

[Jack Jugeler.] [A new enterlued for chyldren to playe named Jacke Jugeler.] 4o. STC2 14837.

[1563]

Jil of breyntfords testament. [Verse.] 4o. [in Lothbury ouer agaynst Saint Margarytes church.] STC2 5731.

[1563?]

[The craft of graffing and planting of trees.] Here begynneth the boke of the arte or crafte of graffynge and plantyng of trees. 4o. STC2 5954.

[1563/64]

[Here begynneth the complaynte of them that ben to late maryed.] 4o. STC2 5728.5.

1565

Newes come from hell of loue, vnto vserers. 8o. [1565/66 W. C. genehmigt.] STC2 18504.

[1565]

Copland, Robert: The seuen sorowes that women haue when theyr husbandes be deade. [Verse]. 4o. STC2 5734.

[1565]

Adambel Clym of the cloughe and Wyllyam of Cloudesle. 4o. STC2 1807.

[1565]

Guy of Warwick. 4o. STC2 12542.

[1565]

*[Albertus Magnus.] The boke of secretes of Albartus Magnus, of the vertues of Herbes, stones and certaine beastes. Also, a boke of the same author, of the

380

maruaylous th[ ]ges of the world: and o[ ] certaine effectes, cau[ ] sed of certayne beastes. MDXXV [sic]. 8o. STC2 260. [1565]

Albertus Magnus. 8o. STC2 261.

[1565]

Albertus Magnus. 8o. STC2 259.

[1565]

[Till Eulenspiegel.] [Theu [sic] said Howleglas such maistery can I do wyth lesse cost.]. Imprinted at London in Lothbury, by me Wyllyam Copland. 4o. STC2 10565.5.

[1565]

Bevis of Hampton. 4o. STC2 1989.

[1565]

Valetine and Orson. 4o. STC2 24572.

[1565]

The churle and the bryde. 4o. STC2 17014.

[1565]

Jack Jugeler. 4o. STC2 14837a.

[1565]

Weaver, R.: An enterlude called lusty Iuuentus. 4o. STC2 25149.5.

[1565?]

Thenterlude of youth. 4o. STC2 14112.

[1565?]

Syr Degore. [Verse]. 4o. STC2 6472.5.

[1565?]

Sir Tryamoure. [Verse]. 4o. STC2 24303.3.

[1565?]

[Sir Isenbras.] Here begynneth the history of the valyent knyght, Syr Isenbras. 4o. STC2 14282.

[1565?]

[Sir Eglamour.] 4o. STC2 7544.5.

[1565?]

[Robin Hood.] 4o. STC2 13691.3.

[1565?]

[Pygmalion.] Here begynneth a treatyse of the smyth whych that forgd hym a new dame. [Verse]. 4o. STC2 22653.9.

[1565?]

[An enterlude of welth, and helth.] 4o. f. J. Waley?. STC2 14110.

[1565?]

The Book of Hawking and Hunting. 4o. STC2 3312.7.

[1565?]

The craft of graffing and planting of trees. 4o. STC2 5954.2.

[1565?]

[Medeciues [sic] for horses.] 4o. STC2 20439.7.

[1565/66]

[(Calvin, Jean:) The catechisme or manner to teache children the christian religion.] 8o. [1565/66 wurde Kingston W. C.s Copyright übertragen.] STC2 4382.5. 381

[1566/67]

1567 1567

[1567?] [1567?]

[A briefe and pleasaunt treatise, entituled, Naturall and artificiall conclusions: written by scholers of Pada and now Englished by T[homas]. Hill.] 8o. STC2 13480.5. (Pius II., Papst [Enea Silvio Piccolomini]:) The goodli history of […] Lucres and Eurialus. 8o. STC2 19972. [Hill, Thomas: A little treatise of the interpretation of dreams, fathered on Joseph.] 8o. [1566/67 W. C. genehmigt.] STC2 13498.5. Jil of braintfords testament. 4o. STC2 5730. The rutter of the sea with the Hauens, rodes, soundynges. 8o. STC2 11553.3.

Die Analyse des Entstehungsumfelds der Howleglas-Drucke in William Coplands Offizin hat gezeigt, in welchem Ausmaß die politischen Bedingungen die Produktion seiner Drucke mitbestimmten. Das Verlegen von Unterhaltungsliteratur war für Copland offensichtlich auch durch die religiösen Veränderungen unter Königin Maria I. bedingt. Dass Copland mit verschiedenen Personen aus dem Buchgewerbe kooperierte, war sicherlich eine finanzielle Notwendigkeit. Insgesamt scheint seine Situation aber durch eine stärkere finanzielle Abhängigkeit im Rahmen der sich ändernden Arbeitslage der kleineren Drucker in England nach der Mitte des 16. Jahrhunderts gekennzeichnet zu sein als dies beispielsweise für van Doesborch der Fall war. Die Zahl seiner Drucke und die Ausrichtung seines Programms verdienen Untersuchungen über die hier unternommene hinaus.

382

VI. Das Verhältnis der Howleglas-Ausgaben zu den frühen kontinentaleuropäischen Eulenspiegel-Drucken

Nachdem das Entstehungsumfeld der englischen Eulenspiegel-Drucke dargestellt worden ist, sollen diese Bücher im Folgenden auf textueller und intertextueller Ebene untersucht werden. Angestrebt ist allerdings nicht eine Deutung des englischen Texts, etwa durch einen weiteren Bestimmungsversuch dessen, was die prinzipielle Aussage des Eulenspiegel-Buchs ist. Vielmehr wird eine Analyse der möglichen Quellen des Howleglas und seiner Beziehungen zu anderen zeitgenössischen kontinentaleuropäischen Eulenspiegel-Büchern im Sinne einer produktionsbezogenen Intertextualität unternommen.1 Zu diesem Zweck wurden die englischen Fassungen wortwörtlich mit den anderen Eulenspiegel-Drucken verglichen, vornehmlich mit den frühesten deutschen, flämischen und französischen Ausgaben. Die bisherigen Untersuchungen der Rolle des englischen Eulenspiegel im Geflecht der europäischen Überlieferung sind aus mehreren Gründen nicht ausreichend. Zum Ersten wurden sie bislang nur sehr grob gesichtet, nur Brie hat sich um eine umfassendere Analyse bemüht.2 Er verzeichnet in einer Tabelle die Stellen im englischen Text, von denen er meint, dass sie gegenüber dem flämischen und dem hochdeutschen den ursprünglichen – niederdeutschen – Wortlaut bewahren würden. Jedoch übersieht er einige höchst interessante und aufschlussreiche Besonderheiten der englischen Fassung. Zum Zweiten sind alle bisherigen Bearbeiter der europäischen Überlieferungssituation selektiv mit dem Überlieferungsbestand umgegangen: Brie z. B. hat darauf verzichtet, den französischen Text heranzuziehen; der Befund des Grüninger-Fragments S 1510/11 von Honegger ist nicht vollständig ausgelotet; der Vergleich mit der späteren hochdeutschen Ausgabe aus derselben Offizin wurde nur rudimentär durchgeführt; die Schlüsse, die sich aus einer Sichtung der englischen Texte gemeinsam mit den späteren flämischen Ausgaben ziehen lassen, sind bisher unbeachtet geblieben. Darüber hinaus wurde zum Dritten immer wieder postuliert, dass die enge Übereinstimmung der englischen Fragmente untereinander keine neuen 1 2

Die vorliegende Arbeit versucht keinesfalls, einen Urtext zu entwerfen, wie dies etwa das Anliegen Krogmans war. Vgl. Krogmann (1952). Vgl. Brie (1903).

383

Erkenntnisse über die Überlieferungsgeschichte der englischen Drucke im europäischen Kontext zulasse. Zwar kann prinzipiell festgehalten werden, dass die Abweichungen zwischen dem van-Doesborch-Fragment und den späteren Copland-Ausgaben geringfügig sind.3 Aufgrund der weitgehenden Ähnlichkeit werden in den Anmerkungen daher tatsächlich nicht alle Abweichungen gesondert berücksichtigt, wie beispielsweise Fälle, in denen lediglich andere Hilfsverben verwendet werden. Dagegen werden jedoch bedeutungsverändernde Diskrepanzen hervorgehoben und analysiert.

1. Einführung der verglichenen Drucke In den nächsten Abschnitten werden kurz die wichtigsten Daten und Hauptmerkmale der für den Vergleich herangezogenen Drucke vorgestellt. Genaue Erläuterungen zu den Historien und zu ihren Quellen liegen ebenfalls bei den Herausgebern der jeweiligen Drucke vor, wohin die Lesenden verwiesen seien. Darüber hinaus empfiehlt sich die bereits angeführte Monographie von Schulz-Grobert (1999). Für alle unten folgenden Angaben in den verglichenen Drucken sei bereits an dieser Stelle angemerkt, dass sich die Seitenzahlen des einfacheren Zugangs halber auf die vorliegenden modernen Editionen der Vergleichstexte beziehen. Um den Überblick für die nachfolgenden Vergleiche zu erleichtern, werden die Haupttexte und -gruppen hier kurz dargestellt.

1.1. Die Grüninger-Drucke Als früheste vollständige und firmierte Ausgabe im Geflecht der EulenspiegelÜberlieferung, die zudem wohl die Vorlage der englischen Drucke widerspiegelt, wird S 1515, der Straßburger Druck aus der Grüninger-Offizin, zu diesem Vergleich herangezogen. Er unterscheidet sich von der flämischenglisch-französischen Gruppe nicht nur durch die größere Anzahl von 95 gegenüber ca. 45 Historien, sondern auch innerhalb der Historien. Während die nichtdeutsche Gruppe oft im Wortlaut übereinstimmt, ist die Straßburger Ausgabe beispielsweise häufig wortreicher und macht mehr geographische Angaben. In Bezug auf den hochdeutschen Eulenspiegel zeigt sich in der vor3

Verglichen werden können dabei nur H 26 bis 32, da das frühere Fragement keine Historien über dieses hinaus enthält (vgl. die Tabelle der in den Fassungen enthaltenen Historien, S. 394ff.).

384

liegenden Untersuchung: S 1515 enthält an einigen Stellen deutlich Formen aus einer Vorlage, aus der sich die flämischen und die englischen Überlieferungen anderes ausgewählt haben. Da die Partien, an denen die englischen Ausgaben vom flämisch-französischen Korpus abweichen und dafür z. B. mit dem hochdeutschen Text gehen, für das Verhältnis der Übersetzungen untereinander von großem Interesse ist, wurde S 1515 für die entsprechenden Teile besonders berücksichtigt. Darüber hinaus wurden die anderen Eulenspiegel-Drucke aus der GrüningerPresse mitverglichen. Honeggers Straßburger Fragment S 1510/114 konnte wegen seines Fragmentcharakters nur für einige Historien in die Analyse einbezogen werden, nämlich nur für H 18, 19, 21, 22, 24, 27 und 28 der englischen Edition. Auch die spätere Eulenspiegel-Ausgabe Grüningers aus dem Jahr 1519 ist in den Vergleich eingeflossen, da in ihr nicht nur manche Fehler verbessert werden, die in S 1515 unterlaufen sind, sondern auch Übereinstimmungen mit S 1510/11 zu finden sind, die S 1515 nicht teilt. Zudem überschneidet sich S 1519 an einigen Stellen – entgegen S 1515 – mit der nichtdeutschen Gruppe, was Schlüsse für das Überlieferungsgeflecht erlaubt. Die wichtigsten Stellen, an denen die flämischen, französischen und englischen Drucke gegen S 1515 mit S 1519 übereinstimmen, finden sich in der folgenden Tabelle, werden aber in den Anmerkungen ausführlich erläutert: Historie

Seite

Zeile

3 7 14 15 15 18 30 30

74 82 102 106 106 114 188 188

10 28 10f. 12* 14f. 26 7f. 9

* Dies ist ein Sonderfall, der im Kommentar ausführlich erläutert wird.

Kurz zusammengefasst handelt es sich also um diese Grüninger-Drucke, mit denen folgendermaßen gearbeitet wurde:

4

Honegger (1973).

385

1. Hochdeutsche Drucke (S = Straßburg): a. Die Grüniger-Ausgabe von 1510/11 = S 1510/11 b. Die Grüninger-Ausgabe von 1515 = S 1515 c. Die Grüninger-Ausgabe von 1519 = S 1519 Stimmen alle diese Texte überein, fasst der vorliegende Vergleich sie unter dem Kürzel S zusammen. Gibt es entscheidende Abweichungen, werden die Drucke und die Fundorte einzeln genannt. Zwei Anmerkungen zu dieser Nomenklatur sind nötig: Zum Ersten muss immer mitbedacht werden, dass es sich bei S 1510/11 um ein kurzes Fragment handelt (s. o.), die Mehrheit aller S-Einträge also keine Textzeugnisse aus diesem Druck besitzt. Zum Zweiten stimmen die S-Ausgaben in ihrem Text weitgehend überein, so dass es überflüssig erscheint, für jede genannte Stelle aus allen drei Drucken (wo vorhanden) bzw. Seitenangaben für alle Drucke zu machen. Daher beziehen sich die Seitenangaben für S immer auf S 1515, da diese in einer modernen Edition zugänglich ist. Diese Beschränkung bedeutet aber weder, dass S 1519 nicht darin enthalten sei (s. o.), noch, dass S 1515 damit eine für die Überlieferungsgeschichte wichtigere Stellung zugemessen würde. Ein Caveat: Nicht sämtliche Unterschiede zwischen den S-Ausgaben sind verzeichnet, da die Aufgabe dieser Edition nicht ein Vergleich zwischen diesen ist, sondern die Feststellung der Bezüge zwischen diesen hochdeutschen (wie den flämischen und französischen) Ausgaben und den englischen Fassungen. Abweichungen in der Wortwahl oder Satzstruktur, Druckfehler etc., die keinen nachweisbaren Einfluss auf die englischen Ausgaben haben, werden daher nicht berücksichtigt. Es wurden folgende Textausgaben benutzt: S 1510/11 wurde in Form des vorhandenen Faksimile hinzugezogen: Honegger (1973). Da es sich hierbei um ein Fragment handelt, liegen nicht immer vollständige Blattangaben vor. Die für den Grüninger-Druck von 1515 verwendete Grundlage ist die zweite Auflage der modernen Edition: Lindow (2001). Für die Gegenüberstellungen mit S 1519 wurde die Faksimileausgabe herangezogen: Schmitt (1979).

1.2. Der Kruffter-Druck Unter den deutschen Eulenspiegel-Drucken nimmt die zwischen 1519 und 1536, wahrscheinlich aber in den dreißiger Jahren zu datierende Ausgabe, die Kruffter in Köln druckte, eine Sonderstellung ein. Dieser Eulenspiegel in kölnischer Mundart orientiert sich zwar fast durchgängig deutlich an S 1515, weicht aber an einigen Stellen zugunsten der nichtdeutschen Gruppe davon 386

ab. So nimmt Honegger zu Recht an, dass Kruffter neben S 1515 auf einen vor dem ältesten noch existierenden flämischen Text Zugriff hatte.5 Die Zitierweise für diese Ausgabe im Vergleich der Drucke erklärt sich folgendermaßen: 2. Kölnischer Druck (K = Köln) Die Kruffter-Ausgabe von 1519–1536 = K 1519/36 Da diese Ausgabe sich stark an S 1515 orientiert, werden nur diejenigen Abweichungen verzeichnet, die für den Vergleich relevant sind; ansonsten sollte für den Zweck dieses Vergleichs von einer Übereinstimmung von K 1519/36 und S 1515 ausgegangen werden. Das bedeutet, dass dort, wo S 1515 steht, K 1519/36 mitgedacht werden sollte, außer wenn ausdrücklich eine Abweichung von K 1519/36 genannt wird. Da für den in Kruffter-Druck keine moderne Edition existiert, wird zur Orientierung auf die entsprechenden Signaturen des Faksimiles verwiesen, das 1865 angefertigt wurde: Kruffter (1865).

1.3. Die flämischen Ausgaben Bislang wurde oft die erste noch existierende flämische Ausgabe des Eulenspiegels, die Michiel Hillen van Hoochstraten zwischen 1526 und 1532 in Antwerpen druckte, verwendet, um Aufschluss über eine vermutete niederdeutsche Vorlage zu gewinnen. Da die Überlieferungsgeschichte des flämischen Eulenspiegel viele Fragen bezüglich der Chronologie der existierenden Editionen aufwirft, wurde zum van-Hoochstraten-Druck noch eine weitere flämische Eulenspiegel-Ausgabe zum Vergleich hinzugezogen, die 1580 von Jan van Ghelen dem Jungen in Antwerpen gedruckt wurde. In der Forschung steht seit langem fest, dass der van-Hoochstraten-Druck nicht die erste Übertragung ins Flämische gewesen sein kann.6 Stattdessen könnte die van-Ghelen-Ausgabe, obwohl deutlich später gedruckt, doch in mancher Hinsicht eine ältere Texttradition widerspiegeln. Aus diesem Grund wurde sie mitberücksichtigt, der Vergleich aber auf die Passagen beschränkt, in denen Abweichungen zwischen van Hoochstraten und van Ghelen vorliegen. Insgesamt lässt sich bei dem Vergleich der flämischen und englischen Texte feststellen, dass sich für Textpassagen, bei denen zwischen den flämischen Drucken Diskrepanzen bestehen, sehr häufig auch im englischen Text selbst 5 6

Vgl. Honegger (1973), S. 78. Für den neusten Stand der Forschung vgl. Vriesema (2002), bes. S. 13–17.

387

deutliche Abweichungen oder Schwierigkeiten finden, was die Abhängigkeit der flämischen und der englischen Überlieferung verdeutlicht. Für den Vergleich wird in folgender Weise auf die flämischen Drucke Bezug genommen: 3. Flämische Drucke (Afl. = Antwerpen, flämisch): a. Die van-Hoochstraten-Ausgabe von 1526–1532 = Afl. 1526/32 b. Die van-Ghelen-Ausgabe von 1580 = Afl. 1580 Diese zwei Drucke werden in den folgenden Erläuterungen als ›Afl.‹ zusammengefasst. Lediglich A (für Antwerpen) wäre verwirrend, da manche der ebenfalls zitierten französischen Drucke auch in Antwerpen entstanden. Wie bei der S-Gruppe beziehen sich die Seitenangaben für die flämischen Ausgaben auf einen gewählten ›Leitdruck‹: Von den zwei überwiegend gleichen Ausgaben beziehen sich die Seitenzahlen hier auf die van-Hoochstraten-Edition. Weichen die Drucke entscheidend voneinander ab, werden sie individuell genannt. Das Caveat, das für die hochdeutschen Ausgaben ausgesprochen wurde, gilt auch hier. Der genaue Vergleich der verschiedenen Fassungen über ihre Beziehung zu den englischen Drucken hinaus muss Qualifizierteren überlassen bleiben. Der früheste überlieferte flämischen Text, Afl. 1526/32, wurde in der modernen Edition benutzt: Geeraedts (1986). Die Textgrundlage für den Vergleich mit dem van-Ghelen-Druck, Afl. 1580, bildet das ebenfalls durch Loek Geeraedts besorgte Faksimile: Geeraedts (1987).

1.4. Die französischen Eulenspiegel-Bücher Auch die Überlieferungssituation der französischen Drucke ist ausgesprochen komplex. Die älteste noch existierende Ausgabe, die – entgegen ihrem Kolophon – wahrscheinlich schon vor 1539 und auch nicht in Antwerpen, sondern in Paris von Alain Lotrian gedruckt wurde,7 kann weder die erste Übersetzung gewesen sein, noch ist ihr Verhältnis zur flämischen oder deutschen Tradition eindeutig zu bestimmen. Ein Vergleich der verschiedenen Fassungen ist allerdings insofern nicht nötig, als dass er in der modernen Edition bereits durchgeführt wurde. Die wichtigsten Ergebnisse sind in die folgenden Erläuterungen integriert. 7

Vgl. Koopmans/Verhuyck (1988), bes. S. 91ff. Die Zuschreibung zu diesem Drucker überzeugt. Dagegen erscheint die vorgeschlagene Datierung weniger schlüssig – dass 1539 nicht die korrekte Jahreszahl sein kann, belegen sie, aber die Datierung auf 1530 bedarf m. E. noch der Diskussion.

388

Da alle frühen französischen Ausgaben sich sehr dicht an der flämischen Version orientieren, wurden sie bisher in der Forschung als sekundäres Material behandelt und eher vernachlässigt. Ein interessantes Ergebnis dieses Textvergleichs in Bezug auf den französischen Eulenspiegel ist, dass die Abweichungen des französischen vom flämischen Text, deren Nähe prinzipiell außer Frage steht, in manchen Fällen zum englischen Text tendieren. Der englische Text stellt also nicht nur einen besonderen Seitenstrang im Hinblick auf die deutsche Überlieferung dar, wie in der Eulenspiegel-Stemmatologie immer wieder gezeichnet, sondern ist auch besonders eng mit der französischen Überlieferung verquickt. Folgendermaßen verstehen sich die Angaben zu den französischen Fassungen: 4. Französische Drucke (P = Paris): a. Die Lotrian-Ausgabe von 1530(?) = P 15308 b. Die Lotrian-Ausgabe von 1532 = P 1532 c. Die undatierte Lotrian-Augabe von ca. 1532–339 = P 1532/33 Diese Drucke werden im Folgenden als P zusammengefasst, nur bei Abweichungen wird auf den jeweiligen Druck gesondert verwiesen. Für P 1530 gilt die kritische Edition als Grundlage: Koopmans/Verhuyck (1988). Neben den Seitenzahlen werden aus dieser Edition auch die gegebenen Zeilenangaben verwendet.

1.5. Die englischen Drucke Da diese in dieser Arbeit schon ausführlich vorgestellt worden sind, wird hier nur kurz erläutert, wie im Vergleich auf sie Bezug genommen wird: 5. Englische Drucke (Ae. = Antwerpen, englisch; L = London): a. Die undatierte van-Doesborch-Ausgabe von ca. 1519? = Ae. 1519? b. Die wahrscheinlich früheste erhaltene Copland-Ausgabe von 1548–58 = L 1548/58 = L1 c. Die Copland-Ausgabe von 1558–1562 = L 1558/62 = L2

8

9

Koopmans/Verhuyck (1988) nennen diesen Druck in Anlehnung an seinen im Kolophon genannten Druckort Antwerpen ›A‹. Für die Systematisierung erscheint hier die Einteilung nach dem von ihnen ermittelten Druckort (Paris) sinnvoller. Vgl. ebd., S. 46. Vgl. ebd., S. 88. Die Herausgeber geben diesem Druck die Sigle L, was aber hier im Hinblick auf die Londoner Drucke verwirrend wäre und zudem nicht im Einklang mit dem sonstigen Benennungsmodus der Eulenspiegel-Drucke nach ihrem Entstehungsort steht.

389

d. Die Copland-Ausgabe von 1563–1567= L 1563/67 = L3 e. Die undatierte Copland-Ausgabe = L? Die in Antwerpen auf Englisch gedruckte van-Doesborch-Ausgabe stimmt größtenteils mit den Copland-Ausgaben überein, die einander wiederum sehr dicht folgen. Die Abweichungen sind im Apparat der Textedition verzeichnet. Um Angaben-Ballast zu vermeiden, wird in den folgenden Ausführungen bei Übereinstimmung zwischen Ae. 1519? und den Copland-Ausgaben das Kürzel L verwendet. Beachtet werden muss, dass aufgrund des Fragmentstatus von Ae. 1519? Übereinstimmungen lediglich teilweise für H 26 bis 32 festgestellt werden können. Auch unter den Copland-Ausgaben lassen sich wegen mancher Lücken nicht alle Textpassagen miteinander vergleichen. Der Einschluss von Ae. 1519? in L basiert auf der Annahme, dass diese zwar entscheidende Differenzen aufweisen, die überlieferten Fragmente jedoch auch auf eine überwiegende gemeinsame Basis hindeuten. Bei grundlegenden Abweichungen werden die Drucke getrennt aufgeschlüsselt und die jeweiligen Fundorte genannt. Ansonsten beziehen sich die Seitenverweise auf L2, den Copy-Text der vorliegenden Edition. Die Stellen, die in Bries Tabelle verzeichnet sind, werden vermerkt – Brie (1903).

2. Zusammenfassung der Hauptunterschiede Wie die genaue Untersuchung der Zusammenhänge zwischen den deutschen, flämischen und französischen Eulenspiegel-Ausgaben zeigt, stellt keiner der noch vorhandenen Texte die für die englische Überlieferung anzusetzende Quelle dar. Der Vergleich von Ae. 1519? und L2 mit den anderen EulenspiegelFassungen ergibt, kurz zusammengefasst, Folgendes: 1. Trotz der Eigenständigkeit der englischen Fassung, die sich in Zusätzen, Kürzungen und Wiederholungen zeigt, basiert L eindeutig auf Afl. Die Einschränkungen dieser Grundannahme werden im Weiteren erläutert. 2. Daneben lässt sich für L2 aber auch eine starke Abhängigkeit von S feststellen. Vereinfacht gesagt: Weicht L2 von Afl. ab, finden sich sehr häufig Parallelen mit S, d. h. L2 hat Zugang zu einer deutschen Quelle, die Afl. nicht teilt. Das gilt auch umgekehrt: Dort, wo Afl. und P zusätzliches Material enthalten, welches L2 nicht teilt, gibt es bei ihnen meistens auch eine Übereinstimmung mit S. An einigen Stellen wird aber deutlich, dass im Verhältnis der Drucke der S-Gruppe zu den anderen Überlieferungen Unterschiede bestehen: S 1515 kann nicht die deutsche Vorlage für L 390

(und auch nicht Afl. und P) gewesen sein, sondern die Nähe zu S 1510/11 bzw. S 1519 weist auf andere, nicht mehr existente Quellen hin. Weder S 1510/11 noch S 1519 sind allerdings direkt als Quellen für die nichtdeutsche Überlieferung anzusehen. 3. L teilt wenige Besonderheiten nur mit Afl., noch weniger mit P (unter 5%). Bemerkenswert ist, dass L fast immer dort Divergenzen aufweist, wo die zwei flämischen Drucke, die sonst weitestgehend deckungsgleich sind, voneinander abweichen. Zwar folgt L manchmal eher dem einen, manchmal dem anderen, oft schlägt es aber auch an diesen Stellen eigene Wege ein. 4. An einigen Punkten im Text korreliert K 1519/36 mit L (bzw. mit L, Afl. und P) gegen S 1515. 5. Zwar decken sich Ae. 1519? und L2 zum größten Teil, aber verschiedene Passagen zeigen doch, dass L2 nicht direkt von Ae. 1519? abstammt. Trotz gemeinsamer Übersetzungsfehler muss man also davon ausgehen, dass der Autor von L2 Zugriff auf weiteres Material neben Ae. 1519? hatte. 6. Ae. 1519? bietet nur einmal, in H 28, die Möglichkeit zum Vergleich mit S 1510/11 – und zeigt dort deutlich, dass keine direkte Verbindung zwischen ihnen vorliegt (S. 166, Z. 4/5), d. h. dass S 1510/11 nicht der gesuchte Vorläufer für die englische Howleglas-Überlieferung gewesen sein kann. 7. Gehen Ae. 1519? und L2 auseinander, geht Ae. 1519? fast nie einen Sonderweg, sondern fügt sich meistens mit Afl. und P gegen L2 zusammen. An einigen wenigen Stellen allerdings korreliert Ae. 1519? mit S, während L2 allein steht. Gegen Honeggers Annahme, dass »[s]oweit das Fragment [S 1515/11] reicht, [..] es die Voraussetzungen einer Vorlage für die Antwerpener Drucke zu erfüllen [scheint]«10 spricht, dass zumindest in einem Fall Afl., P und L gegen S 1510/11 gehen. Dieser Beleg findet sich in H 28, S. 70, bei van Doesborch in Z. 14f., bei Copland in Z. 35f.: Während S 1510/11 den Einschub »Vlenspiegel sagt ia vnd stet vff vnd nimbt …« [Hervorhebung AHZ] hat, fehlt dieser sowohl in L als auch in Afl. und P, womit sie S 1515 entsprechen. Ein weiteres Problem ist, dass Honegger mit der Annahme operiert, L2 sei deckungsgleich mit Ae. 1519?. Da dies aber nicht der Fall ist (vgl. Tabelle unten sowie den ausführlichen Textkommentar), sind feste Aussagen über die früheste englische Ausgaben nicht möglich. Ae. 1519? schlägt an einigen Punkten einen anderen Weg ein als L2, was deutlich macht, dass es unmöglich ist, über nicht mehr existierende Textteile zu debattieren. Ein Beispiel

10

Honegger (1973), S. 65.

391

im Hinblick auf das hochdeutsche Fragment mag dies verdeutlichen: In S 1510/11 (H 24, L.1.v) findet sich folgende Formulierung: »er wolt im darfür geben mer dan es wert wer« – ebenso wie S 1519, Afl. und P (d. h., S 1510/11 = S 1519, Afl., P). Dagegen will der Fürst in S 1515 und K 1519/36 dem Pfarrer nur »geben, daz ihn begnügt« (114; F.3.r) [Hervorhebungen AHZ]. Von den nichtdeutschen Zeugen geht allein L2 nicht mit S 1510/11 bzw. S 1519 – allerdings auch nicht mit S 1515. Da durch den Fragmentstatus von Ae. 1519? keine Aussage darüber möglich ist, ob es an dieser Stelle Afl., P, S oder vielleicht sogar L2 ähnlich war, wären alle Aussagen spekulativ. Als Basis ist die eine gemeinsame Abweichung von Ae. 1519? und L2 gegenüber S 1510/11 zu schmal. Ein daraus hervorgehendes und festzuhaltendes Ergebnis ist hingegen, dass die Quelle von Ae. 1519?, Afl. und P nicht S 1510/11 gewesen sein kann (sondern höchstens eine ähnliche Version). Zieht man darüber hinaus in Betracht, dass Ae. 1519? und L2 sich an 19 Stellen signifikant voneinander unterscheiden, ist deutlich, warum keine abschließenden Aussagen getroffen werden können, bevor nicht weitere Teile von Ae. 1519? oder wenigstens (für den Vergleich mit L2) von S 1510/11 vorliegen. Dass Ae. 1519? immerhin in elf Instanzen zu Afl. tendiert, aber zwei Mal im Alleingang zu S 1515, macht die Situation nicht klarer. Um den Überblick zu erleichtern, sind die wichtigsten Abweichungen zwischen Ae. 1519? und L2 in einer Tabelle gegenübergestellt. Diese schematische Verzeichnung fasst zusammen, wo die Allianzen im Hinblick auf die europäische Überlieferung liegen: Historie Seite

Zeile bei van Doesborch

Zeile bei Copland

26

156

4

4

27

164

1

1

28

166

1f.

1f.

29

172

4

6f.

29

174

8

8

29

178

5

5

29

178

10ff.

10ff.

392

Beziehung Ae. 1519? entspricht Afl./P; L2 entspricht S 1515 Ae. 1519? entspricht Afl./P; diese ähneln S 1515; L2 steht allein Ae. 1519? ähnelt Afl./P; L2 sowie S 1515 stehen unabhängig Ae. 1519? entspricht Afl./P; L2 sowie S 1515 stehen unabhängig Ae. 1519? entspricht Afl.; L2, P, S 1515 stehen unabhägig Ae. 1519? ähnelt P, unterscheidet sich sonst mit L2 von Afl., S 1515 L2, Ae. 1519?, Afl., P, S 1515 stehen unabhägig voneinander

Historie Seite

Zeile bei van Doesborch

Zeile bei Copland

31

194

7

7

31

194

10

10

31

196

1

1

31

196

8f.

8

31

196

10

9f.

31

198

1

1

32

198

4

5

32

198

5f.

6

32

198

6f.

7

32

198

7

8

32

198

10f.

11

32

202

6f.

6

32

202

9

8

Beziehung Ae. 1519? und L2 stehen unabhängig voneinander und von Afl./P, die S 1515 ähneln L2, Ae. 1519?, Afl./P, S 1515 stehen unabhängig voneinander Ae. 1519?, L2, Afl./P, S 1515 stehen unabhängig voneinander Ae. 1519?, Afl., P, L2, S 1515 stehen unabhängig voneinander Ae. 1519? entspricht Afl./P, L2 sowie S 1515 stehen unabhängig Ae. 1519? ähnelt Afl./P und S 1515; L2 steht unabhängig Ae. 1519? entspricht Afl.; P ähnelt L2; S 1515 steht unabhängig L2 steht unabhängig; Ae. 1519? ähnelt in Teilen P, dies wiederum in Teilen Afl. und S 1515 L2 sowie Afl./P stehen unabhängig; Ae. 1519? ähnelt in Teilen S 1515 Ae. 1519? ähnelt Afl. und S 1515; P ähnelt S 1515; L2 steht unabhängig Ae. 1519? entspricht Afl.; P ähnelt diesem sowie in Teilen S 1515; L2 steht unabhängig Ae. 1519? ähnelt S 1515; Afl./P ähneln in Teilen S 1515; L2 steht unabhägig Ae. 1519? ähnelt Afl./P; in Teilen ähneln diese S 1515; L2 steht unabhängig

Die bedeutendsten Stellen sind diejenigen, an denen Ae. 1519? näher an S ist als an L2 (d. h., H 31, S. 198, Z.1; H 32, S. 198, Z. 6f.; H 32, S. 198, Z. 7; H 32, S. 202, Z. 14f.). Im Vergleichsteil ergibt sich immer wieder als Diagnose, dass L2 näher an S steht als Afl. und P, woraus man auf eine größere Nähe der englischen Überlieferung zu den Straßburger Quellen schließen könnte. Allerdings verkompliziert der genaue Blick auf Ae. 1519? den Sachverhalt, da dieser Textzeuge an vier Stellen näher an S steht als an L2, Afl. oder P. Die Überlegung, L2 müsse neben Ae. 1519? auf einen Text zurückgegriffen haben, der näher an der Straßburger Überlieferung stand, wird dadurch zwar nicht abgewiesen. Jedoch wird die Situation durch die Annahme verwickelter, dass von den Quellen von L2 sich Ae. 1519? wiederum 393

stärker an einen hochdeutschen Text anlehnte als Afl. und P. Die Nähe von Ae. 1519? zu S sowie die Unterschiede von Ae. 1519? zu Afl., P und auch L2 werfen Schlaglichter auf ein komplexes Überlieferungsgeflecht, die an den Rändern verschwimmen. Eine Synopse der Historien und ihrer Reihenfolge wird in der folgenden Tabelle zur Verfügung gestellt. Sie steht dem Vergleich voran, damit die Struktur der Drucke und der Überlieferungsbestand der Historien, auf die in der vergleichenden Analyse Bezug genommen wird, klar ist.

3. Tabellarische Übersicht des Historienbestands in den frühen deutschen, flämischen, französischen und englischen Eulenspiegel-Drucken Die folgende Aufstellung soll den Vergleich des Historienbestandes erleichtern. Berücksichtigt wurden die hochdeutsche Fassung von Johannes Grüninger (S 1515), die kölnische Ausgabe von Servatius Kruffter (K 1519/36), der flämische Text nach Michiel Hillen van Hoochstraten (Afl. 1526/32), die französische Edition von Alain Lotrian (P 1530) sowie die zwei englischen Fassungen von Jan van Doesborch (Ae. 1519?) bzw. William Copland (L). Da S 1515 den umfangreichsten Historienbestand umfasst, ist dessen Zählung zugrunde gelegt; die Zählung der Historien in den Übertragungen ist vermerkt. Anstelle der vollständigen Historientitel stehen Kurztitel.11 Findet sich in den Übertragungen ein und dieselbe Historienzahl, während bei Grüninger zwei stehen, bedeutet dies, dass der bei Grüninger in zwei Historien erzählte Inhalt in der Übertragung in eine Historie zusammengefasst wurde. Beispielsweise sind Grüninger H 9 und 10 in allen Übertragungen außer Kruffter zu einer Historie zusammengezogen wurden, die in der Abfolge dieser Drucke als siebte Historie steht, daher also zweimal 7. Ein Problem in der Darstellung der Historienfolge tritt bei dem Fragment van Doesborchs auf: Da das Exemplar verbunden ist, d. h. die Lagen in der verkehrten Reihenfolge zusammengefügt wurden, stehen die Historien in einer merkwürdigen Reihenfolge. Es ist aber auch nicht möglich, die Reihenfolge einfach den Copland-Drucken anzupassen, weil aufgrund des Fragmentstatus’ keine Aussage darüber möglich ist, welche Historien der Druck eventuell noch enthielt und welche Reihenfolge diese hatten.

11

Vgl. Koopmans/Verhuyck (1988), S. 44f.

394

S 1515 1. Taufe -----

2. Das Kind Till zeigt seinen Hintern 3. Seiltanz u. Sturz ins Wasser 4. Schuhstreich 5. Ratschlag der Mutter 6. Brot für die Mutter 7. Das Weckbrot 8. Die verknoteten Hühner 9. Diebstahl Tills im Bienenkorb 10. Hanf u. Senf 11. Beim Pfarrer mit halber Arbeit 12. Till als Küster 13. Das Osterspiel 14. Till will fliegen 15. Der Arzt wird mit Scheiße behandelt 16. Till scheißt für das kranke Kind 17. Till heilt die Kranken im Spital 18. Till verliert in Halberstat sein Brot 19. Eulen u. Meerkatzen 20. Mehl im Mondschein 21. Tills Vorlieben 22. Till als Turmwächter 23. Goldene Hufeisen 24. Der Hofnarr von Polen 25. Till steht in seinem Pferd 26. Till auf eigener Erde 27. Till als Maler

Ae. 1519?

Afl. 1526/32

K 1519/36

L

P 1530

1. 2. Reiter, der nach dem Weg fragt 3.

1. 2.

1. 2.

1. 2.

3.

3.

3.

4.

-----

4.

4.

4. 5. 6. ---------

----4. 5. ---------

4. 5. 6. ---------

4. 5. 6. ---------

7.

6.

7.

7.

7. 8.

7. 8.

7. 8.

7. 8.

9. 9. 10. 11.

9. 10. 11. 12.

9. 9. 10. 11.

9. 9. 10. 11.

12.

13.

12.

12.

13.

14.

13.

13.

-----

-----

-----

-----

----14. ----15. ----16.

15. 16. ----17. 18. 19.

----14. ----15. ----16.

----14. ----15. ----16.

17.

20.

17.

17.

----18.

----21.

----18.

----18.

395

S 1515 28. Disputation an der Prager Universität 29. Der Esel lernt lesen 30. Till wäscht Pelze 31. Till als Ablassverkäufer 32. Die Nürnberger Wächter 33. Till isst für Geld 34. Till beim Papst 35. Die Prophetenbeeren 36. Der Hahn als Pfand 37. Der Pfarrer u. die Würste 38. Die falsche Beichte 39. Till beim Schmied 40. Till schmiedet das Werkzeug zusammen 41. Till sagt in der Schmiede Wahrheiten 42. ----43. Das Zuschneiden beim Schuhmacher 44. Die Suppe für den Bauern 45. Die gespickten Stiefel 46. Scheiße als Fett 47. Der Hund Hopf 48. Till näht wunderlich 49. Till u. die Schneiderknechte 50. Till gibt den Schneidern guten Rat 51. Till beim Tuchmacher 52. Till beim Kürschner 53. Till schläft in den nassen Pelzen

396

Ae. 1519?

----*5. teilweise vhd.

*6. *7.

Afl. 1526/32

K 1519/36

L

P 1530

19.

22.

19.

19.

--------20.

23. 24. 26.

--------20.

--------20.

-----

25.

-----

-----

21. 22. 23. ---------

27. 28. 29. 30. 31.

21. 22. 23. ---------

21. 22. 23. ---------

24. 25. ----

32. 33. 34.

24. 25. -----

24. 25. -----

-----

35.

-----

-----

----26.

----36.

----26.

----26.

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-----

-----

-----

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37.

-----

-----

27. ----28. -----

38. 39. 41. 40.

27. ----28. -----

27. ----28. -----

-----

42.

-----

-----

-----

43.

-----

-----

---------

44. 45.

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S 1515 54. Till macht Wölfe in Berlin 55. Die Katze im Hasenfell 56. Till verheizt die Möbel 57. Der Weinzapfer in Lübeck 58. Der letzte Wunsch 59. Die große Tasche 60. Till bekommt einen Braten 61. Till bekommt noch einen Braten 62. Till als Schreinerknecht 63. Till als Brillenmacher 64. Till als Koch u. als Fahrer 65. Der Pferdeschweif 66. Die Einladung beim Pfeifenmacher 67. Till verliert seine Tasche 68. Das grüne Tuch 69. Das Haus der Reinlichkeit 70. Der Milchkauf 71. Die 12 Blinden 72. Till bereitet seinen Gästen einen Braten 73. Till säht Schälke 74. Till als Barbiergehilfe 75. Die Frau mit der Rotznase 76. Das Weißmuß 77. Till verteilt Gestank 78. Der Wirt u. der Wolf 79. Till bezahlt den Gestank des Wirts mit Scheiße

Afl. 1526/32

K 1519/36

L

P 1530

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46.

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47.

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*1.

29.

48.

29.

29.

*1.

29. ---------

49. ----50.

29. ---------

29. ---------

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51.

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52.

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30. 31.

53. 54.

30. 31.

30. 31.

----32.

71. 55.

----32.

----32.

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33. -----

56. 57.

33. -----

33. -----

41. 34. -----

58. 59. 60.

42. 34. -----

43. 34. -----

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61. 62.

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63. ----64.

--------35. -----

--------35. -----

Ae. 1519?

*2. *3. teilweise vhd. *4.

65.

397

S 1515

Ae. 1519?

80. Till bezahlt mit dem Klang des Geldes 81. Till scheißt vors Feuer 82. Die Bezahlung mit dem Hundefell 83. Till auf dem Rad 84. Till setzt die Wirtin auf die heiße Asche 85. Till scheißt in das Bett des Pfarrers 86. Der Holländer u. der Apfel 87. Die zerschlagenen Töpfe 88. Till scheißt auf die Pflaumen ----89. Till im Kloster -----

90. Till u. der Apotheker; im Hlg. Geist; Tills Mutter 91. Till u. die Begine 92. Tills Beichtvater 93. Das Testament 94. Das Schwein unter der Bahre 95. Das Begräbnis 96. Epitaph

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Afl. 1526/32

K 1519/36

L

P 1530

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66.

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36.

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36.

36.

37. 38.

67. -----

37. 38.

37. 38.

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39.

68.

39.

39.

40.

69.

40.

40.

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70.

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72. Till als Hirte 73. -----

41. -----

43.

74.

41. 43. Till macht Verse 44.

43. 44. 45. 45.

75. 76. 77. 78.

44. 45. 46. 46.

42. 44. 45. 45.

46. Epitaph

79. 80.

47. -----

46. Epitaph

42.

4. Vergleich der Drucküberlieferung Die Belege für diese Zusammenfassung finden sich in ausführlicher Form auf den folgenden Seiten. Die gewählte Form ist keine Gegenüberstellung von Textstellen, da dies bei einer detaillierten Untersuchung dazu führen würde, dass in einer Synopse fast die gesamte Textüberlieferung abgebildet 398

werden könnte. Statt einer tabellarischen Form wurden also analytische Vergleiche ausformuliert, die zugleich einen Kommentar zu der bis jetzt zu wenig erforschten Textgeschichte des englischen Eulenspiegel darstellen. In den folgenden Ausführungen sind der besseren Benutzbarkeit halber die Phrasen, auf die sich die Erläuterungen beziehen, kursiv nach der Zeilenangabe eingefügt, sofern sie weniger als eine Zeile umfassen. Bei längeren Textpassagen sind die Wörter am Anfang und am Ende des jeweiligen Abschnitts verzeichnet, dann wird […] als Auslassungszeichen verwendet. Leere eckige Klammern [ ] hingegen zeigen Passagen an, die in L fehlen, aber in anderen Überlieferungen vorhanden sind. Anmerkungen als Hilfestellung zu schwierigen oder obsoleten Wörtern finden sich der Edition als Fußnoten beigegeben.

Seite 66 [Titel] 3

in Eastlande and in many other places: Im Gegensatz zum Titel in Afl. und P erwähnt L den geographischen Raum, in dem sich Eulenspiegels Leben abspielt, nämlich »in Eastlande«. Dies bezeichnete im spätmittelalterlichen England die Gebiete um das Baltikum, ob damit aber die S-Angabe »Brunßwick« abgedeckt wäre, ist offen. Versteht man es im Sinne des Gebiets, in dem die deutsche Hanse operierte, gehörte Braunschweig in jedem Fall dazu.

Seite 68 [Prolog] 2

12

compled and gathered: Die Frage nach der besseren Lesart für »compled« oder »compyled« (siehe Variantenapparat in der Edition) steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den anderen Textzeugnissen. In den Anmerkungen zum französischen Prolog findet sich der interessante Hinweis, dass die Herausgeber sich nach der niederländischen Lesart (ghecopuleert) für »copulé« entschieden haben, obwohl »compilé« ihnen ›französischer‹ erschienen wäre.12 Offensichtlich tat man sich mit dem Wort schwer. Die anderen französischen Fassungen (P 1532 bzw. P 1532/33) haben nach Koopmans/Verhuyck (1988)

Koopmans/Verhuyck (1988), Anmerkungen, S. 255.

399

die schlechtere Lesart (»compulé«), womit sie aber dichter an L2 zu stehen scheinen. Bezüglich der englischen Version muss jedoch auch bemerkt werden, dass sie S durch die Doppelungen näher steht (»zesamenbringen und beschreiben«), welche Afl. und P nicht haben. 4

M.CCCC. and .L.: Sowohl Afl. als auch P geben an dieser Stelle 1350 an. Dass es sich in L um einen Flüchtigkeitsfehler handelt, legt H 47 nahe, wo die Angabe .M.CCC.L lautet.

5f.

before ghostly and worldly, afore highe and lowe afore noble and vnnoble: Hier findet sich eine merkwürdige Doppelung. Zwar nennen Afl. und P geistliche und weltliche Hörer, Afl. beschränkt sich dann aber auf hohe und niedrige Hörer, P auf adlige und nichtadlige. Gegen L betonen Afl. und P die aufrichtigen Intentionen des Autors und das Ziel des Buches als ›Gottesdienst‹, welches bei L völlig fehlt. Die Entschuldigung wird wiederholt, wobei die erste, Z. 5ff., zunächst nicht zuende geführt wird. Die zweite Entschuldigung aber mit dem Hinweis auf das geringe Wissen des Autors erinnert an den Prolog in S und an die Bescheidenheitstopik dort. Dieser Aspekt fehlt sowohl in Afl. als auch in P.

10

simple knowyng persones: Dies scheint eine merkwürdige Zusammensetzung. Afl. hat »simpel slechte menschen« (93), P nur »simple gens« (148, 11).

Historie 1 16ff. Yn the lande of Sassen […] Tyell Howleglas: Die Reihenfolge der Erzählung unterscheidet sich hier von allen anderen Versionen, in denen zuerst die Geburt Eulenspiegels erzählt wird, dann erst Informationen über seine Eltern gegeben werden. 16

Ruelnige: Das völlig entstellte »Ruelnige« für »Knetling« lässt sich auf mehrere Fehler zurückführen. Copland verwechselt an einigen Stellen ›R‹ und ›K‹; es könnte allerdings auch sein, dass keine Verwechslung vorliegt, sondern dass er wegen der Knappheit der Type ›K‹ in seiner Offizin das wenigstens noch ähnliche ›R‹ setzen ließ.

17

Wypeke: L verzichtet – wie Afl. und P, aber entgegen S –, auf den Vornamen ›Ann‹ für Eulenspiegels Mutter.

18

was borne to christening: Sowohl Afl. und P geben an, dass Eulenspiegel in Ampleven getauft wird; dies fehlt bei L. Es ist also deutlich, dass P und Afl. enger zusammenhängen und P nicht eine Übersetzung des englischen Texts sein kann.

400

Seite 70 5

wyne: Während Afl. (95) und P (149, 11f.) keine Angabe über die Art des Getränks machen, sondern nur erzählen, die Amme habe zu viel getrunken, erwähnt S (10), sie habe zu viel Bier getrunken. Warum in L Wein getrunken wird, ist nicht einleuchtend, denn [t]he ordinary Englishman drank beer, or ale if he was a little wealthier, but a good deal of wine was imported from Bordeaux. Wine was too expensive for most people, though an Act of 1536 fixed the maximum price […].13

Das Getränk, das auf den ersten Blick unerwartet für die geschilderte Versammlung von Landleuten erscheint, könnte auf zweierlei Arten erklärt werden: Entweder uns liegt hier der Versuch des Bearbeiters vor, den Text für die 1560er zu modernisieren und ein populärer oder erschwinglicher werdendes Getränk einzuführen oder aber es handelt sich um eine textimmanent gesteuerte Änderung – zum besonderen Anlass, wie eben einer Taufe, bietet man den Gästen Wein an. Historie 2 L enthält, wie Afl., P und K 1519/36, die Historie, in der Eulenspiegel einem Reiter Auskunft über den Weg gibt. Im Vergleich zu den anderen Texten der Gruppe ist interessant, dass im englischen Eulenspiegel die Verbindung mit dem Salomon und Markolf, dem diese Historie entstammt, durch die Verwendung eines Titelholzschnitts, der ebenfalls Salomon und Marcolf darstellt,14 verstärkt wird. Diese Historie ist deshalb von so großer Bedeutung für die Entschlüsselung der Überlieferungszusammenhänge, da sie in der S-Gruppe nicht existiert, dagegen aber in K 1519/36, welches sich sonst doch deutlich stärker an S anlehnt als an die flämischfranzösisch-englische Gruppe. Auch aus diesem Befund geht also hervor, dass K 1519/36 neben einer S-Vorlage Zugriff auf eine Quelle aus dem Antwerpener Umfeld hatte, die diese Historie enthielt. Bis heute ist leider nicht geklärt, welches genau die Vorlage für diesen Zusatz gewesen sein mag, lediglich die Verbindung zum Salomon und Markolf-Kontext ist klar. 11

13 14

Howe that Howleglas […] the waye: Die englische Ausgabe unterscheidet sich hier von den anderen Übersetzungen, indem sie bereits in der Überschrift erwähnt, dass Eulenspiegel noch ein Kind ist. Die biographische Struktur der Gesamttexts wird so betont.

Ridley (2002), S. 156. Vgl. Kap. VII.4., S. 530ff.

401

14

rydyng half into the dore [ ] and asked: Auch wenn der Großteil dieser Historie allen Fassungen gemeinsam ist, finden sich doch Unterschiede: In Afl. (95), K 1519/36 (A.1.v) und P wird wesentlich ausführlicher beschrieben, wie der Reiter ankommt: »Ainsi vint ung homme chevauchant a la maison et demanda aprés le chemin. Et pource qu’il ne veist personne, il cria […]« (150, 3ff.). Es kann also gesagt werden, dass L auch in einer Historie, die sich nicht auf einen S-Bestand zurückführen lässt, von den anderen Fassungen abweicht und immer eine hohe Eigenständigkeit im Detail aufweist.

15

yes there is a man and a halfe, and a horsehead: Die Auslassungen in dieser Historie sind überraschend, beispielweise fehlt hier die Erklärung für Eulenspiegels Antwort, die in Afl. (95), P (150, 7ff.) und K 1519/36 (A.1.v) gegeben wird (Eulenspiegel als ganzer Mensch, während der Reiter und das Pferd nur zur Hälfte sichtbar, also halb, sind).

24

gees: Afl. hat für »gees« »gansen« (95) (ebenso wie K 1519/36 (A.2.r)), während P »oysons« verwendet (151, 2), also einen weniger spezifischen Begriff. An solchen Stellen wird deutlich, dass die Vorlage für den englischen Text näher an der flämischen Fassung gewesen sein muss als an der französischen (und natürlich auch, dass P nicht Vorlage für Afl. gewesen sein kann).

Seite 72 1

and thus wot I not what to doo nor whether to ryde: Dies ist in K 1519/36 (A.2.r) und Afl. vorhanden (»dus en weet ick waer rijden« (95)), nicht aber in P, was wiederum auf eine Vorlage für den englischen Eulenspiegel hindeutet, die dem flämischen Text näher steht als dem französischen.

3

rode hys way: Hier drückt sich wiederum die Nähe zwischen Afl., K 1519/36 und L im Gegensatz zu P aus, da dieser Zusatz nur in P fehlt.

Historie 3 6

Howe Howleglas sat vpon hys fathers hors behind hym: Die Historienüberschrift unterscheidet sich von Afl. (97) und P (151), die den Zusatz haben, dass Eulenspiegel seine böse Natur mit seinen Streichen zeigt.

10

nyne yere old: L2 erzählt, dass Eulenspiegel neun Jahre ist, was kongruent mit van Ghelens Angabe von ».ix.« Jahren ist (A.3.r). Dagegen

402

deckt sich L1 mit von Hoochstraten und P, wo Eulenspiegel zehn Jahre alt ist. Diese Divergenz ist deshalb von Bedeutung, weil sich daran nicht nur die Abhängigkeitsverhältnisse unter den verschiedensprachigen Überlieferungen postulieren lassen, sondern auch die Abfolge von L2 und dem nichtdatierten (weil fragmentarischen) L1. So ist zwar vorstellbar, wie durch den Wegfall nur eines Zeichens aus .ix. die Zahl .x. werden kann, aber damit ist die Lösung noch nicht gefunden. Geht man davon aus, dass L2 der ältere Druck sein könnte, dann würde sich der Verlust des .i. (von .ix.) auf dem Weg zu L1 wohl erklären lassen. Nun liegt aber die Zahl in L2 nicht als Ziffer, sondern ausgeschrieben vor. Der Fehler, die Auslassung des .i., müsste demnach dem Druck L1 unterlaufen sein, der sonst meistens die besseren Lesarten bietet, denn dass man das ausgeschriebene »nyne« mit .x. verwechselt, ist nicht plausibel (in L1 hätte dann .ix. gesetzt werden sollen und das .i. wäre versehentlich entfallen). Anders herum ist aber die Spekulation, dass L2 ein direkter L1-Nachfolger ist, damit widerlegt, da aus .x. nicht versehentlich nyne werden kann. Dass das Ausschreiben oder Nichtausschreiben von Ziffern oder Wörtern nicht als Bürgschaft für eine bestimmte Beziehung zwischen zwei Texten benutzt werden kann, sondern oft von drucktechnischen Faktoren abhängt (vgl. H 5, S. 78, Z. 4f., sowie S. 407) ist eine ernstzunehmende Warnung. Überlegungen, die nicht allein auf solcher Basis ruhen, sondern diese nur zur Untermauerung von Wahrscheinlichkeiten verwenden, sind zulässig, aber selbst wenn ein paar Hypothesen noch kein handfestes Ergebnis bringen, könnten sie vielleicht mehr Licht in ein paar dunkle Stellen bringen. In der Sekundärliteratur über den flämischen Eulenspiegel ist oft festgestellt worden, dass der van-Ghelen-Druck aufgrund seiner besseren Holzschnitte und seiner in manchen Fällen besseren Lesarten (ebenso wie wegen der anzunehmenden Vorgängerdrucke des Eulenspiegels in dieser Druckerdynastie, die bis in die magische Frühzeit der flämischen Eulenspiegel-Drucke – vor 1519 – zurückreicht), auf einen früheren, heute verlorenen Druck zurückgehen könnte. Es wäre vorstellbar, dass van Ghelen aus einem solchen Druck unverändert .ix. übernommen haben könnte, während van Hoochstraten der Fehler mit dem .i. unterlaufen wäre (er druckt die Zahl nämlich als Ziffer, .x.). Wegen der Nähe von P zu van Hoochstraten überrascht die Übernahme der Ziffer (obwohl wiederum ausgeschrieben, »dix«) nicht. Dann wäre die englische Fassung, die näher an van Ghelen steht, der verlorenen flämischen Ausgabe auch näher. Das Ausmaß 403

der noch bestehenden Dunkelheit in der Erforschung des Beziehungsgeflechts wird sichtbar, wenn man nun noch den deutschen Beleg hinzuzieht: Dort wird Eulenspiegels Alter in S 1515 in einer etwas anders verlaufenden Passage als »3 Jar« genannt, was sich weder in Wort oder Ziffer mit den anderen Fassungen vereinbaren lässt, weswegen auch die in S 1519 ausgeschriebene Ziffer für die Entschlüsselung der Überlieferung hier keinen Unterschied macht (»drey iar«, Bl. IIIIa). 12f. the people complayneth soo to mee: Mit dem Verb ›sich beschweren‹ zeigt L eine auffällige Übereinstimmung mit K 1519/36, welches ›clagen‹ verwendet (A.2.v). K 1519/36, welches sonst zum allergrößten Teil S dicht folgt, weicht hier aber nicht nur davon ab (S: »unser Nachburen sprechen« (13)), sondern deckt sich auch nicht mit Afl. und P, bei denen die Phrase ganz fehlt. Es gibt wenige solcher klaren Übereinstimmungen zwischen L und K 1519/36; die wenigen, die vorhanden sind, werfen aber die Frage nach dem Überlieferungsgeflecht von S, K 1519/36 und L auf.

Seite 74

15

9

out of the land of Maydabrochim: L steht gegen die Mehrheit der anderen Texte, welche sagen, dass sich Eulenspiegels Vater in das Magdeburgische Land begibt, nicht hinaus. Besonders beachtenswert ist hier jedoch das Auseinandertreten der frühen französischen Fassungen: Gegen P 1530 (der Copy-Text für die moderne französische Edition) stellen sich P 1532 und P 1532/33 auf die Seite der englischen Fassung; sie lesen »se departir du pays« (H 3, Z. 26).15

9

Maydabrochim: Wie diese Form für ›Magdeburg‹ zustande kommt, ist schwer zu sagen, aber sie ist der niederdeutschen Form ›Meydeborch‹ ähnlich genug, um eine Verbindung nahe zu legen. Dadurch drängt sich die Frage nach den Zugriffsmöglichkeiten von L auf eine Quelle aus dieser Sprachregion auf, denn auf der anderen Seite ist eindeutig, dass die englische Form nicht aus dem »Meyborch« in Afl. und P herleitbar ist. Da zufällige Abwandlungen des ›Megdeburgisch‹ (›y‹ statt ›g‹, ›broch‹ statt ›burg‹) in S unwahrscheinlich sind, verspricht die Spekulation in niederdeutsche Richtung größeren Gewinn.

Koopmans/Verhuyck (1988), S. 97

404

11f. and eat and dranke together such as the might gette: Eine der wichtigsten – und bisher unberücksichtigt gebliebenen – Fragestellungen für die Überlieferungsgeschichte der englischen Fassungen ist der Zusammenhang zwischen L und S 1519. Es lassen sich einige Stellen finden, an denen L zugunsten von S 1519 gegen S 1515 geht. Hier beispielsweise liest S 1519 über die auch in S 1515 vorhandene Angabe, dass die Mutter bei dem Sohn blieb (13), hinaus: »[da bleib die mu/oter bei dem sun] in dem dorff vnnd assen vnnd truncken was sie hetten« (Bl. IIIIb), was sich nicht völlig mit L deckt, aber dennoch deutlich stärker als mit S 1515 (und ebenfalls K 1519/36), wo es ganz fehlt. Afl. (97) und P (152, 28f.) führen diesen Satzteil in Übereinstimmung mit S 1519, indem sie sagen, Eulenspiegel und seine Mutter aßen, was sie hatten (nicht, wie L, was sie bekommen konnten). Damit ist klar, dass ein der späteren deutschen Überlieferung naher Text einen Einfluss auf die flämisch-französisch-englische Gruppe gehabt hat. Da S 1519 aber ältere Texteile wiederaufnimmt, die in S 1515 getilgt wurden,16 ist sicherlich auch vorstellbar, dass es sich bei der nichtdeutschen Gruppe um eine schon vor S 1515 abzweigende Seitenlinie der Eulenspiegel-Überlieferung handelt. Nur wenn man diese Spekulation ausschlösse, kann man einen terminus post quem für die unfirmierten Drucke der nichtdeutschen Überlieferung angeben. Hierbei ergeben sich aber weitere Schwierigkeiten: Der älteste noch existierende flämische Druck muss zwar ohnehin nach 1519 angesetzt werden – weil es sich bei diesem aber keinesfalls um den ersten handeln kann, hilft eine solche Datierung für die flämische Linie wenig. Für die Firmierung des ersten englischen Eulenspiegels hingegen wäre eine Festlegung auf die Zeit nach 1519 sehr interessant – allerdings bezieht sich die vorliegende Übereinstimmung auf den englischen Text von Copland (also um 1560) und nicht auf das van-Doesborch-Fragment. Da wir also keine abschließenden Angaben über die Übereinstimmung von Ae. 1519? und S 1519 machen können, muss die Datierungsfrage offen bleiben.

16

12

for she was but pore: Dies findet sich nur in S (13) und Afl. (97), nicht in P.

13

he began to daunce vpon a corde: Obwohl nicht jede Stelle behandelt werden kann, in der S und K 1519/36 von L abweichen, ist diese, bei der beide den Einschub nicht führen, eine Überlegung wert: Bei

Vgl. Schmitt (1979), S. 44.

405

K 1519/36 fehlt die nächste Historie, in der Eulenspiegels Seiltanzkünste erzählt werden, was eventuell ein Grund für den Verzicht der vorausweisenden Erwähnung hier sein könnte. Der enge Zusammenhang zwischen K 1519/36 und 1515 ist dadurch natürlich nicht prinzipiell in Frage gestellt. Historie 4 Wie Afl. und P kombiniert L die Grüninger-Historien 3 und 4 über das Seiltanzen zu einer Historie.

Seite 76 1

for the lytle spyte he thought to quyte them a gayn: Die Übereinstimmung zwischen Afl. (»Dit spijte hem seere« (99)) und L ist auffällig. In S wird zwar derselbe Inhalt ausgedrückt, aber anders: »Das verdroß Ulenspiegel ser« (15). Die Nähe zwischen Afl. und P zeigt sich hier darin, dass dem »dont il fut fort courroucé« noch ein »et eut grand despit« hinzugefügt wird (152, 5f.).17

5f.

so they dyd, and the olde men also: In S, Afl. (99) und P (152f., 12f.) reichen nur die Kinder Eulenspiegel ihre Schuhe, nicht die Erwachsenen. In L scheint eine S entsprechende Vorlage (»Die Jungen glaubten daz und meinten all war, auch die Alten. Und huben an die Jungen […]« (17)) missverstanden worden und zu »so they dyd [die jungen Leuten, die ihre Schuhe hergeben] and the olde men also« zusammengezogen worden zu sein.

7f.

Than ran they after their shoene: Im Unterschied zu Afl. (99), P (153, 17f.) und S (17) wird nicht explizit erwähnt, dass die Eltern erst später ihren Kindern zur Hilfe kommen, sondern es sind von Anfang an alle an der Prügelei beteiligt.

15f. but she knew not the cause why he byd with her: An dieser Stelle besteht eine engere Beziehung zwischen S und L als mit der anderen Gruppe: Sowohl in S (18) als auch in L wird gesagt, dass die Mutter nicht weiß, dass Eulenspiegel einen Streich ausgeführt hat und sich deshalb danach nicht mehr vor die Tür wagt. Auch in Afl. (99) und P (153, 27ff.) ist Eulenspiegels Mutter ahnungslos, aber sie glaubt darüber hinaus,

17

Vgl. auch Brie (1903), S. 13.

406

sein Zuhausebleiben sei Ausdruck seiner Besserungswilligkeit. Eine Schwierigkeit bei der Interpretation der Abhängigkeitsverhältnisse zwischen den Drucken stellt in S die Wendung dar »und meint, sein Sach solt noch gut werden« (18), von der Lindow meint,18 es handele sich um eine durch den Bearbeiter falsch verstandene Redensart.19 Historie 5 2f.

Wybeke the mother […] and wyse: Dass Eulenspiegels Mutter froh ist, dass ihr Sohn »sottele and wyse« ist, macht weder im Kontext der folgenden Handlung Sinn, noch reflektiert es die Vergleichstexte. S (19) und Afl. (99) betonen das (erzwungene) Stillsitzen und Abwarten Eulenspiegels und die Freude seiner Mutter darüber: »Und Ulenspiegels Mutter, die waz fro, daz ihr Son so still waß« (S, 19); die französische Fassung allerdings nennt Eulenspiegels Verhalten »coy« (154, 2), welches von Afl. abweicht und zur englischen Bedeutung tendiert. Könnte aus dem Deutschen irrtümlich aus »so still« »sottele« entstanden sein? Vorstellbar wäre ein solches Verlesen allenfalls bei einer handschriftlichen Vorlage.

Seite 78 4f.

18 19

for in .iii. daies I haue had no bread in my house: In L hungert die Mutter drei Tage, in S (20) gar vier Wochen. Dass in Afl. (99) und P (154, 7f.) die Mutter vier Tage hungert, könnte einen Kompromiss zwischen den in L verwendeten Einheiten (Tage) und der in S genannten Summe (vier) darstellen. Andererseits wäre vorstellbar, dass im englischen Text bei der Bearbeitung einer van-Hoochstraten-ähnlichen Vorlage ein einfacher Fehler zustande gekommen ist, indem aus .iiij. (in van Hoochstraten) .iij. (in L) gemacht wurde. Da sich in der van-Ghelen-Ausgabe die Zahl ausgeschrieben findet (A.4.r), wäre anzunehmen, dass L einer Ausgabe folgt, die van Hoochstraten näher steht als van Ghelen. Ähnlich verhält es sich mit S 1515 und S 1519: Der ältere Text verwendet Ziffern (20, bzw.Bl. VIIb), der jüngere schreibt die Zahl aus (Bl. VIIb). Es muss jedoch wieder darauf hingewiesen werden, dass das gleiche Format von Zahlen kein Garant für eine klare Übernahme aus einer bestimmten Quelle

Vgl. Lindow (2001), S. 18, Fußnote 12. Vgl. auch Brie (1903), S. 13.

407

ist – die frühneuzeitliche Regulierung der Abstände in einer Zeile um diese zu füllen (die Justierung) verlangte oft die Abkürzung oder das Ausschreiben von Text, ohne Wahrung der Schreibung in der Vorlage. Vergleicht man nun das spekulative Ergebnis von H 3, S. 72, Z. 10, sowie oben, S. 403f. – es wurde für diese Stelle eine größere Nähe von van Ghelen und L festgestellt –, müsste dies hier wieder revidiert werden, da sich, wie oben, die Ableitung von .iii. aus einer ausgeschriebenen vier nicht einfach vorstellen lässt. Historie 6 12f. than bethought howleglas how he might best get bread for her: Bei der Frage nach der ›ursprünglicheren‹ Version für diese Textstelle wendet sich Krogmann gegen Brie:20 Krogmann postuliert, dass die Nähe zwischen dem englischen »how he might best get bread for her« und dem hochdeutschen »Wa sol ich Brot uberkomen in ihr Huß?« (21) zufällig, »nur eine selbständig vorgenommene Umschreibung der ursprünglichen Lesart« ist.21 Dagegen streicht er die Nähe zwischen dem ersten Teil des Satzes in S: »[…] wie wil ich die Muter stilen« (21) und der flämischen Variante (»Als sijn moeder soe sonder broot was soe dacht hise te vreden te stellen« (101) – was P auf »Ulespiegle la pensa d’apaiser et contenter« (154, 1f.) ausweitet) heraus, wodurch er den größeren Anspruch von Afl. auf Nähe zum ›Urtext‹ untermauern möchte. Unabhängig davon, ob nun Afl. oder L die ›ursprünglichere‹ Lesart darstellt, erscheint es wichtig, auf den Mischcharakter von S hinzuweisen, welches zwar viele Zusatzinformationen enthält, die in Afl., P und L fehlen, an einigen Stellen aber eindeutig selbst nur aus einem S-Vorläufer unterschiedliches ausgewählt hat, während Afl., P, L anderes selektierten.

20 21 22

17

and bad the baker let one go with him: L zeigt eine deutliche Nähe zu S (22), da auch hier Eulenspiegel den Bäcker auffordert, jemanden mit ihm mitzuschicken (und nicht, wie in Afl. (101) und P (154, 7f.), dass er selbst mitkommen solle).22

21

he let fall .iii. whyte loues: In allen anderen Fassungen lässt Eulenspiegel nur ein Brot aus dem Sack fallen, nicht drei.

Vgl. Brie (1903), S. 13. Krogmann (1952), S. XVIII. Vgl. auch Brie (1903), S. 13.

408

21ff. And than bad howleglas […] for this: Dass in diesen Zeilen eine Vorlage schlecht bearbeitet worden ist, zeigt sich sowohl darin, dass hier, abweichend von den anderen Texten, der Bäckerjunge den Sack trägt als auch darin, dass plötzlich und unmotiviert von indirekter in direkte Rede gewechselt wird. Andererseits scheint das Herausfallen des Brotes in L besser vorstellbar, weshalb denkbar ist, dass hier eine gezielte Bearbeitung vorgenommen wurde. 24f. and in the meane whyle […] hys mothers: L erzählt schon hier, dass Eulenspiegel mit seiner Beute zu seiner Mutter heimkehrt, womit die logische Folge des Handlungsverlaufs besser motiviert ist als in Afl. und P. Diese berichten erst am Ende, dass Eulenspiegel heimkehrt und man weiß nicht, was er in der Zwischenzeit tut (101 bzw. 155, 27). L ist somit näher an S, wo auch in einem Einschub über Eulenspiegels Flucht aus der Stadt berichtet wird (22). Unglücklicherweise ist dann allerdings die Wiederaufnahme von Eulenspiegels Heimkehr im letzten Satz der englischen Fassung abrupt und schließt sich damit nicht gut an den vorhergehenden Satz an.

Seite 80 1

and told his master how Howleglas hade serued him: In Afl. und P wird zwar in den Erzählerkommentaren Eulenspiegel genannt, dem Jungen und dem Bäcker ist aber bis zuletzt nicht klar, dass sie von Eulenspiegel betrogen worden sind. In L hingegen ist durch den Satz »and told his master how Howleglas hade serued him« die Spannung durch die Benennung Eulenspiegels schon aufgehoben, den sie doch gar nicht erkannt haben. Dasselbe trifft für S. 80, Z. 3f. zu, wo der Bäcker – im Gegensatz zu S (22), Afl. (101) und P (155, 25) – nicht nach der gesuchten Person, sondern dezidiert nach Eulenspiegel fragt.

Historie 7 12f. and then went into a garden therby: L hält sich hier näher an Afl. (101) als an P, welches die Handlung seltsamerweise spezifiziert und in den Garten eines Juden verlegt (155, 4), eine Ausschmückung, die die anderen Überlieferungen nicht kennen. Koopmans/Verhuyck überlegen, ob es möglich ist, »juif« und »ymen« (S, 28) zu verwechseln und ob so eine Verbindung zwischen der französischen und der 409

deutschen Überlieferung besteht.23 Dieser Vorschlag ist nicht sehr überzeugend, da die Buchstaben zu unterschiedlich sind – nachvollziehbarer wäre eine Verwechslung über das Englische »Ieue« (Jew), da dies aber nicht vorliegt, kann man nur auf einen französischen Alleingang verweisen. 18f. and than sayd the thefe […] vs go: Von hier ab nimmt L eine seltsame Wendung. In Abweichung von allen anderen Textvarianten nehmen die Diebe nämlich zusätzlich zu dem Bienenkorb, in dem Eulenspiegel schläft, einen weiteren Korb mit. Ob diese Variante mehr oder weniger Sinn macht, d. h. ob sich die nachfolgende Handlung so besser erklären lässt, ist offen. Allerdings muss angemerkt werden, dass sich die zwei Bienenkörbe besser mit dem S-Text (»und namen ihn uff ihr Hälß« (28)24) vertragen als es auf den ersten Blick erscheint. Nimmt man den Plural wörtlich, sind zwei Körbe einleuchtender – aber in S machen sich die Diebe nur mit einem Korb davon.25 24f. he answered: ¦ I pull: S (28), Afl. (103) und P (155, 20f.) fügen ein: »Du schläfst wohl beim Laufen.« Diese Abweichung im englischen Korpus kann daher entweder auf einen eigenwilligen Bearbeiter oder auf eine korrupte Vorlage deuten.

Seite 82

23 24

25 26

2f.

that was ryghte angrye: In Afl. und P fällt dieser Erzählerkommentar aus, während er in S (28) enthalten ist.

4

thou lyest: Der Vorwurf der Lüge taucht hier wie in S (28) auf, fehlt aber in Afl. und P.26

8f.

toke his felowe by the head, and thus they tumbled together by the here: Wieder deckt sich L mit S (29) gegen das Zeugnis von Afl. (103) und P (156, 29f.), nach dem sie sich mit Fäusten schlagen, nicht an den Haaren ziehen.

Vgl. Koopmans/Verhuyck (1988), S. 29. Es muss an dieser Stelle auf das Manko der Lindow-Edition hingewiesen werden, welches bereits John Flood bedauert hat, nämlich dass durch die alleinige Verwendung von Schröders Faksimile ohne Hinzuziehung des Originals an einigen Stellen Lesarten gegeben werden, die sich im Original nicht finden lassen; vgl. Flood (1995). Hier führen sowohl S 1515 als auch S 1519 (Schmitts Faksimile ist zuverlässiger) »helß«, nicht – wie bei Lindow – »Hälß«. Obwohl nur eine kleine Abweichung, bildet es den Text eben nicht genau ab, weshalb Vorsicht vonnöten ist. Vgl. auch Brie (1903), S. 14. Vgl. auch Brie (1903), S. 15.

410

9

in the strete: Ein merkwürdiger Einschub, der in den anderen Textzeugnissen fehlt, ist die Verlegung der Auseinandersetzung auf die Straße.

18f. and in the night went a robbyng and a steling for he lyued almost therby: Wie so oft in dieser Historie findet sich hier ein Einschub, den L mit S (31) gegen Afl. und P gemeinsam hat. Zwar dient die Phrase in L der weiteren Erläuterung, dass es sich bei dem Burgherrn um einen Raubritter handelt, während in S die Raubzüge als Handlung vorgeführt werden, aber inhaltlich deckt es sich. Dagegen belässt es die flämisch-französische Gruppe bei der Feststellung, der Burgherr sei ein Dieb (103; 156, 39). 20f. and fetche him the mustarde out of the pot: Es folgt die Episode, in der Eulenspiegel – in der deutschen Fassung – »Henep« und »Senep« ›verwechselt‹. Die englische Fassung (in der »Henep« als »hempen« übersetzt wird und »Senep« als »mustarde«) tut sich damit ausgesprochen schwer, schwerer noch als die flämische Fassung, die zwar das Wort »zennep« verwendet, es aber durch den Zusatz »maer zennep is daer mostaert« erklärt (103), wie es auch in der französischen Übersetzung gehandhabt wird (»du zennep ou de la moustarde« (156, 43)). Merkwürdig ist, dass das Wort sen(e)vei im Mittelenglischen durchaus existierte,27 auch wenn (wie in Afl.) im 16. Jahrhundert oft Erklärungen zugefügt werden bzw. ein Umschwung zu »mustarde« stattfindet. Formen von senevei sind aber bis 1500 bezeugt und es ist nicht klar, warum die Form gewählt wurde, die den Wortwitz nicht trägt. Die eingefügte Erklärung in der flämischen Ausgabe zeigt eine Unsicherheit, von der man erwarten würde, dass sie sich bei der sonst starken Ähnlichkeit von Afl. und L auf die englische Fassung niederschlägt. Auch S fühlt sich schon in der Verlegenheit, den »Henep« und »Senep« zumindest als sächsisch (d. h. niederdeutsch) zu erklären (30 bzw. 31). Weiterhin muss eine strukturelle Besonderheit dieses Historienteils in L angemerkt werden, die sich nicht allein auf die Schwierigkeit mit dem Wortverwechslungswitz zurückführen lässt. Der Text springt vor und zurück: Eulenspiegel wird gebeten in den Keller zu gehen, er geht, er missversteht den Koch, er solle ein Hanfseil holen – was er (seltsamerweise) noch nie gesehen hat, aber er fürchtet sich doch davor, dass man ihn damit binden könne – dann wird wieder gesagt, 27

Vgl. Lewis (1986).

411

dass er in den Keller geht, wo er sucht und dann den Senf findet, der doch gar nichts mit dem Hanfseil zu tun hat. Die Erzählung ist in eine Unordnung geraten, die sich weder in der flämischen noch der französischen Fassung widerspiegelt. Es erscheint möglich, dass die Vorlage für L in diesem Teil Zeilen vertauscht hat, da beispielsweise der Satz »[t]han marueyled he what he ment for he neuer sawe none afore« nur nach dem Satz »badde hym […] fetche him the mustarde out of the pot« Sinn macht, wie in S. 27

and than he put his arse ouer the pot: Eben dieses Detail (welches in Afl. und P fehlt) findet sich auch in S (31) und ist daher ein weiteres Indiz für die Nähe zwischen L und S. Beachtenswert ist aber, dass nach Lindows Edition das Verb, welches eigentlich in S 1515 steht (»huret«, Bl. XIIb) zu »huket« verbessert wurde; eine in sich sinnvolle Emendation, die aber gegen das in S 1519 verwendete »hauret« (Bl. XIIb) weniger haltbar scheint, da es sich hierbei eher um ein »kauret« in der Vorlage gehandelt haben dürfte.28

28

he styrred it a bout together: Diese Stelle ist ein weiterer Beleg für die Nähe zwischen S 1519 (Bl. XIIb), Afl. (103), P (156, 52) und L: In S 1515 entfällt das Umrühren (Lindow ergänzt aus S 1519, in S 1515 liest man »vn [mit Strich] dz vm [mit Strich]«, Bl. XIIb), in den anderen Fassungen jedoch findet es sich wieder.

28f. than the cooke dressed the mustarde in saucers: In Afl. und P wird keine genaue Beschreibung gegeben, in welcher Weise der Koch den Senf anrichtet; in S und K 1519/36 – wie hier – jedoch schon. Allerdings ergibt sich ein interessanter Hinweis darauf, dass S 1515 an dieser Stelle weiter von einer gemeinsamen Vorlage entfernt ist als K 1519/36 und L: Wird der Senf bei K 1519/36 »in seß dobbekkerger« gefüllt (B.1.r), dann stimmt dies mit S 1519 überein, wo ebenfalls von »saß« (Bl. XIIb) Schüsseln die Rede ist.29 Lindow verbessert stillschweigend das »saß«, welches sich in S 1515 ebenfalls findet (Bl. XIIb), aber auch dass der Koch nun »daß Schüsselin« (31) verwendet, macht wenig Sinn, da vorher von einem Schüsselchen noch keine Rede war, der bestimmte Artikels hier also nicht passt. Alles deutet somit auf ein Verlesen des »saß« bzw. »seß« wie es sich in S 1519 und K 1519/36 findet. Interessant ist im Zuge dessen der in L benutzte Plural »saucers«, der einen Hinweis auf eine Vorlage gibt, die sich 28 29

Vgl. auch Brie (1903), S.15. Vgl. Schmitt (1979), S. 44.

412

nicht direkt an S orientiert, nämlich zwar den Plural gibt, aber nicht die genaue Anzahl der Schüsselchen.30

Seite 84 11f. And than Howleglas […] take him: Diese Zeilen sind beispielhaft für die Ausschmückungen in L und in keiner anderen Textfassung überliefert. Historie 8 Auch in dieser Historie sind im Vergleich zu Afl. und P Sätze in eine andere Reihenfolge gebracht, jedoch folgt L insgesamt eng den anderen Texten. 17f. And ther came a priest to Howleglas and hyred hym, but he knew him not: Die Perspektive der Historie ist anfangs anders als in Afl. (105) und P (157, 2f.), wo Eulenspiegel sich selbst dem Priester andient. Koopmans/Verhuyck verweisen aber darauf, dass bereits im Titel »se loua avecques« keine korrekte Übersetzung des flämischen Textes darstellt; es zeichnet sich also hier eine problematische Überlieferungssituation auch im Französischen ab.31 Dahingegen wird in L – wie in S (33) – gesagt, dass der Priester ihn in Stellung nimmt (»hyred hym«).32

Seite 86 4

30 31 32 33

where is the other chikyn?: Dies ist eine der wenigen Stellen, an denen L und P gegen Afl. und S zusammenfallen: Die Frage der Haushälterin nach dem anderen, sprich dem zweiten, Hähnchen in P (157, 13f.) und L ist besser als die Frage: »wa ist daz ein hinkumen?« (34) [Hervorhebung AHZ] in S, die auch Afl. abbildet (105).33 Jedoch ergibt sich in L beim Austausch Eulenspiegels mit dem Pfarrer inhaltlich ein Problem, welches ein Unbehagen des Bearbeiters mit dem ›das eine – das andere‹-Prinzip signalisiert: Aus Eulenspiegels Rede geht eindeutig hervor, dass er zwei Hühner gegessen hat (eines für den Pfarrer, eines für die Haushälterin), nicht nur das eine, von dem bisher (und in den anderen Fassungen) die Rede war.

Vgl. auch Brie (1903), S. 15. Koopmans/Verhuyck (1988), S. 29. Vgl. auch Brie (1903), S. 15. Vgl. ebd.

413

17

therfore I made ¦ mesure: Die französische Fassung weicht nicht nur leicht von der flämischen ab, sondern die späteren französischen Fassungen neigen auch hier wieder zu L. Während P 1530 dem »ich habe Vorsorge getroffen« noch ein »de le menger« hinzustellt (Z. 30f.), fällt dies bei P 1532 und P 1532/33 sowie bei L aus.

Seite 88 2

and holpe hyme so muche: In S (36) wird die Beratung des Pfarrers mit den Bauern erwähnt, deren Ergebnis Eulenspiegels Einstellung als Küster ist; K 1519/36 steht aber noch enger an L, indem hier die Einflussnahme des Pfarrers hervorgehoben wird: »do macht der paff dat die bure vlespegel annamen« (B.2.r). Im Hinblick auf das Aufeinandertreten von S 1515 und S 1519 (S 1519 setzt dem Beratschlagen des Pfarrers mit den Bauern noch hinzu, dass er mit ihnen eins wurde und gibt eine genaue Stellenbeschreibung – er wird als Glöckner angenommen, nach der hier falschen Blattzählung von S 1519 Bl. XIXa, eigentlich Bl. XVa) ist der klare Nachweis der Abhängigkeit von K 1519/36 von keiner der Versionen möglich. Bei Afl. und P fehlt diese Ausschmückung ganz.34

Historie 9 Die englische Fassung kombiniert, so wie Afl. und P, H 12 und 13, die in S getrennt sind. In dieser Historie sind die Abweichungen der französischen Fassung interessant.

34

6f.

he shuld helpe the priest to sing masse: S 1515 (37), Afl. (197) und P (159, 1) betonen, dass Eulenspiegel nicht singen kann, während in L zwar gesagt wird, dass es eine von Eulenspiegels Aufgaben ist, mit dem Priester die Messe zu singen, die mangelnde Fähigkeit dazu aber ausgespart bleibt. Da in S 1519 – wie in L – nicht die negative Wendung benutzt wird (»da kunt er laut singen« [Hervorhebung AHZ], Bl. XIXa bzw. XVa, s. o.), fällt die Nähe zwischen diesen Drucken hier wieder einmal auf, allerdings wiederum ohne eine direkte Abhängigkeit Ls von S 1519.

13

so hardy nor bold: Der hier verwendete Ausdruck findet sich in Afl. nur als »koene« (107), wogegen P erstaunlicherweise auch »hardy«

Vgl. auch Brie (1903), S. 15.

414

(159, 10) benutzt und so in der Lexik vom Flämischen zugunsten einer L-ähnlichen Fassung abweicht. Es muss allerdings auch berücksichtigt werden, dass die englische Fassung die einzige unter S (38), Afl. und P ist, die »frisch«, »koene« oder eben »hardy« auf ein Hendiadyoin ausweitet. Die Frage stellt sich, ob hier eine für die Druckersprache typische Tautologie vorliegt oder ob vielleicht eine Vokabel aus einer Vorlage übernommen wurde, die als erklärungsbedürftig empfunden wurde.

35

17

more than vi. fote: In dieser Historie – wie auch beim Anfang der nächsten – weicht K 1519/36 in einigen Punkten von S ab und geht stattdessen mit Afl., P und L (zwar fängt K 1519/36 beispielsweise wie S mit dem Osterspiel eine neue Historie an, ansonsten ist es aber sprachlich und in der Erzählstruktur wesentlich dichter an der anderen Gruppe). Die in L gemachte Angabe lautet in S 1515: »da felet es weit der Mitten in der Kirchen« (38), in S 1519 allerdings »da felt es wol das fierteil der mitten« (Bl. XVIa). Mit der Angabe einer Zahl (im Gegensatz zur unkonkreten Aussage in S 1515) liegt S 1519 zum wiederholten Male näher an den anderen Fassungen.

18

leman: Die in S verwendete Bezeichnung für die Magd des Priesters ist neutral (38), ebenso wie in Afl. (107) und P (159, 17). L unterscheidet sich dadurch, dass es mit »leman« einen Begriff verwendet, der eine sexuelle Beziehung konnotiert. Eventuell handelt es sich hier bei der nachreformatorischen Fassung L um einen protestantischen Angriff auf die mangelnde Einhaltung des priesterlichen Zölibats und somit um eine nachträgliche Rechtfertigung der Reformation.

22

the mene wer not learned nor could not read: Die in L enthaltene Feststellung fehlt beispielsweise in Afl. und P, die Betonung der fehlenden Bildung erinnert aber an S, wo das Stück auf Latein aufgeführt wird (40).

25

than saide Howleglas […] must playe: In diesen Zeilen zeigt sich eine größere Nähe zwischen L und S (40) als zwischen L und den anderen Übersetzungen. Insgesamt ist die Episode in L ausführlicher und enthält mehr Wiederholungen als Afl. und P, wo die Einflüsterungen Eulenspiegels ebenso übersprungen werden wie die Ankündigung, dass der Zeitpunkt für die Vorführung kam und die Handlung stattdessen direkt mit der Durchführung der Tat einsetzt.35

Vgl. auch Lappenberg (1854), S. 158.

415

Seite 90 6

vpon the cheke: In S (40) und P (159, 30f.) will die Magd Eulenspiegel ins Gesicht schlagen, also auf denselben Bereich wie die Wange, die sie in L treffen will, auch wenn sie dann in S dem Bauern das Auge dick schlägt. In Afl. zielt sie dagegen dezidiert aufs Auge (109). Sowohl die Abweichung von P zugunsten S als auch der Alleingang von Afl. ist hier auffällig.

9f.

caste downe hys baner, and went to helpe his woman: An dieser Stelle weicht nun P minimal, aber dennoch auffällig, von den anderen Texten ab: In S (41), Afl. (109) und L lässt der Priester seine Fahne fallen, in P jedoch sein Kreuz (159, 36). Diese Variation weist m. E. auf eine Vorlage für P, die in einigen Punkten von Afl. abweicht. Zusätzlich zum anderen Requisit eilt der Priester im französischen Text zuerst seiner Magd zu Hilfe und lässt dann sein Kreuz fallen, während die Reihenfolge in den anderen Texten umgekehrt (und sinnvoller) ist.

Historie 10 15f. fro the towne house of Meybrough: Der Zusatz im Titel, von welchem Gebäude und in welcher Stadt Eulenspiegel fliegen will, fehlt in Afl. und P; die Angaben in S, die auch noch die Schmährede Eulenspiegels ankündigen, sind dagegen ausführlicher (42). L nimmt so eine Zwischenstellung ein.

Seite 92 2f.

and no man can flie without wynges: In diesem Fall gehen Afl., P 1530 und L zusammen gegen P 1532 und P 1532/33, da letztere diesen Zusatz auslassen.36

Historie 11 8f.

36

How Howleglas made […] Byshopps of Mayborough: Die stärkere Anlehnung des englischen Drucks an einen S-ähnlichen Titel wird auch in dieser Historie deutlich. Afl. und P erklären lediglich, dass Eulenspiegel einem Doktor Medizin verabreicht (111 bzw. 161), wogegen L, wie S, beschreibt, dass sich Eulenspiegel für einen Arzt ausgibt und den Doktor des Bischofs von Magdeburg betrügt. Allerdings führt S diesen Sachverhalt weiter aus als L, indem das englische »he

Vgl. Koopmans/Verhuyck (1988), S. 97.

416

begyled« hier den Zusatz nimmt, dass er den Doktor »arzneiete« und dieser »von ihm betrogen ward« (43).

37 38 39 40

10

The byshope Eryme of Mayboroughe, Earle of Quecforthe: Wie der erste Satz der Historie zeigt, stehen sich die deutschen Texte und L näher, da die Reihenfolge, in der der Bischofs- und der Grafen-Titel genannt werden, in Afl. und P umgekehrt ist. In S (44) ist deutlich, dass es sich beim Bischof von Magdeburg und beim Grafen von Querfurt37 um dieselbe Person handelt (obwohl keine historische Person verifizierbar ist, in der beide Titel zusammenfielen38). Die Struktur des englischen Satzes steht S nahe, da durch den fehlenden bestimmten Artikel ebenfalls deutlich wird, dass es sich um eine Person mit zwei Titeln handelt, auch wenn man bei flüchtigem Lesen vermuten könnte, dass es sich um zwei Personen handeln, die aufgezählt werden. Im Verlauf der Historie in L wird aber deutlich, dass es sich beim »Earle of Quecforthe« nur um eine Apposition handelt, da der Graf nicht mehr genannt wird, sondern nur der Bischof, weshalb es sinnlos wäre, jenen als Figur einzuführen, wenn er doch in der Historie keine Rolle spielt. Merkwürdig ist im englischen Text der Name des Bischofs (»Eryme«), der in den anderen Fassungen »Bruno« heißt.39 Die Verschiebungen und Verdrehungen der anderen Orts- und Personennamen durch Setzfehler sind im Allgemeinen relativ klar nachvollziehbar, in diesem Fall aber deshalb problematisch, weil man eine Häufung von Einzelfehlern voraussetzen müsste: ›B‹ versehentlich als ›E‹ zu lesen, ist vorstellbar, ebenso ›n‹ als ›m‹ oder ›o‹ als ›e‹, aber dass alle diese Fehler in einem Wort vorkommen, mutet unwahrscheinlich an. Zwei Erklärungsmöglichkeiten sind diese: 1. Der englischen Fassung könnte hier eine deutlich abweichende Quelle vorgelegen haben (es handelt sich also nicht um eine Fehlerhäufung, sondern um eine andere, korrupte Quelle). 2. Dem Bearbeiter der englischen Fassung stand eine schlecht lesbare Handschrift zur Verfügung. Spielt man letztere Möglichkeit durch, ließen sich einige Eigenheiten erklären.40

13

a ryghte wyse doctoure withe hym: L und van Ghelen lassen beide aus, dass der Doktor bei den Adligen unbeliebt ist, während dies bei van

Vgl. zur Namensform des Orts auch Lappenberg (1854), S. 158. Vgl. Lindow (2001), S. 44, Fußnote 1. Vgl. auch Brie (1903), S. 16. Vgl. Munby (1988), bes. S. 16.

417

Hoochstraten erwähnt wird. Schon in der nächsten Zeile jedoch geht L wieder mit van Hoochstraten, wogegen van Ghelen einen zusätzlichen Einschub hat (»enn datmen hem aen hielt«). Die Tatsache, dass L in seiner Gestalt einmal näher an einem flämischen Text, dann am anderen ist, erhellt die flämische Überlieferungssituation und somit wieder die Geschichte der englischen Übersetzung. 22

heuy thoughtes and fantasies and melancoly: Die Art von Gedanken, die Narren vertreiben, stellt eine interessante Mischung aus dem Übersetzungs- und dem deutschen Vokabular dar: Wo Afl. »menigherley sware melancolie« (111) und P »plusieurs melencolyes« (162, 18) bietet, steht bei S »mancherlei Fantasei« (45). Da es in Anbetracht der bereits dargestellten Abweichungen zwischen S und Afl. unwahrscheinlich ist, dass Copland entweder nur mit einer deutschen oder nur mit einer flämischen Vorlage arbeitete, drängt sich die Frage auf, wie solche Zusammenschnitte zustande kommen können. Da auch in S (welches sonst oft umfassender ist) nur der genannte Teil auftaucht, ist nicht von der Hand zu weisen, dass L auf einen Text zurückgreift, der auf eine Quelle vor S 1515 und Afl. zurückgeht und aus dem letztere auch eine Auswahl getroffen haben.

Seite 94 1

41 42 43 44

Genckestayne: Die Formen, die die Fassungen diesem Ortsnamen geben, unterscheiden sich deutlich und laden zu Spekulationen über die Abhängigkeitsverhältnisse ein: Allein K 1519/36 hat die richtige Form: »Greuenstein« (B.4.r). Dass dies entweder aus besserem geographischen Wissen zustandekommt oder aber aus kluger Verbesserung, darauf verweisen die anderen, mehr oder weniger falschen und daher nicht von K 1519/36 abhängigen Formen. Die französische Form »Genequestein« (162, 25) stimmt, wie Koopmans/Verhuyck richtig bemerken,41 besser mit »Genenckenstein« in S 1515 (44) überein42 als mit »Genekesteyt« in Afl. (111),43 wobei S 1519 mit »geuenckenstein« (Bl. XXa) abseits liegt.44 Obwohl die Endung der englischen Form nahelegt, dass L nicht direkt von Afl.

Vgl. Koopmans/Verhuyck (1988), S. 29. Vgl. Lindow (2001), S. 44, Fußnote 2. Vgl. auch Lappenberg (1854), S. 159. Vgl. auch Debaene (1977) , S. 188.

418

abstammen kann, erscheint unsicher, dass das »Gencke« in L aus einem S 1515-ähnlichen »Genencke« entsteht. Ein Misslesen des ›e‹ als ›c‹ (wie wir es im flämischen »Geneke« finden), scheint überzeugender.45 9f.

the priest: In dieser Zeile wechselt die Hauptfigur plötzlich vom bisherigen Doktor zum Priester (wie noch einmal in Z. 16, unten). Zwar ist vorstellbar, dass ein Priester eben auch ein Doktor sein könnte, allerdings gibt es ansonsten im Text keinen Anhaltspunkt für diese Vermutung und es scheint daher wahrscheinlicher, dass sich hier unbemerkt ein Fehler eingeschlichen hat, der eventuell auf eine Vorlage deutet, in der der Antagonist Eulenspiegels ein Priester ist und kein Doktor.

13

And than went Howleglas into the garden, and there stode a pot: Die Ausmalung, dass Eulenspiegel in den Garten geht, wo er den Napf findet, ist wenig handlungsförderlich und existiert in keiner der anderen Fassungen.

16

the priest: Siehe Z. 9f., oben.

21

that him thought his heart did break: Nur in Afl. (113) und L gibt es die Ergänzung, dass dem Doktor wegen des Gestanks schier das Herz brechen will.

22

so much that he beshyt al the bede: Die Wirkkraft des Abführmittels wird außer in der englischen Fassung nur in S (46f.) erwähnt; Afl. und P verzichten darauf. K 1519/36 geht zwar insofern mit S, als dass es sagt, das Mittel wirke (B.4.r), nicht aber, dass der Doktor sich verunreinige.46

Seite 96 2

45 46

the asked hym howe he fared [ ] and he aunswered: Alle anderen Fassungen führen die Klage des Doktors über seinen schlechten Zustand und den Betrug, der an ihm verübt wurde, aus, die L kurz zusammenfasst: »and sayd neuer worse. For I am all moste dead«.

Vgl. auch Brie (1903), S. 16. Vgl. ebd.

419

Historie 12 Zwar zeigt L seine Allianz mit Afl. und P, indem es, im Gegensatz zu S, die Historie nach Eulenspiegels ›Heilung‹ des Kindes beendet und nicht die Koldingen-Episode anführt (50f.), aber daneben enthält H 12 doch zumindest ein Textstück, das sonst nur in S erhalten ist. 18f. that a fore myght not shyte: Im Titel unterscheidet sich diese Historie von S, Afl. und P durch diesen Zusatz. 23

Hyldeshe: Diese Form weicht von allen anderen Formen augenfällig ab. In der S-Form »Hildeßheim« (49) kommt sie unserem heutigen »Hildesheim« am nächsten; entscheidend für die Herkunft des englischen Eulenspiegels ist aber, dass weder S noch Afl. (»Hildernissen« (115)) als Vorlage gedient haben können. Am nächsten erscheint einmal mehr die französische Form »Hildecshen« (164, 4), aber auch diese Linie ist nicht direkt. Dass die Schreibung auch dieses Ortsnamens eine große Varianz besaß, wird deutlich, wenn man beispielsweise eine – etwas später zu datierende – Landkarte aus Italien hinzuzieht: Im »sala delle carte geografiche« des Palazzo Vecchio in Florenz, den Egnazio Danti und Stefano Buonsignori zwischen 1563 und 1581 ausgestalteten, findet sich der Ort auf der entsprechenden Landkarte als »Hyldessem«.47

Seite 98 20

and sadled his horse: Dass Eulenspiegel sein Pferd sattelt, findet sich nicht nur in L, sondern auch in S (50), allerdings weder in Afl. noch in P.48

Historie 13 23f. that were in the Hospitall, where the spere of our lorde is: Der Historientitel zeigt insofern eine Übereinstimmung mit S, als dass in L keine Ortsangabe gemacht wird, in Afl. (115) und P (165) aber wohl (Nürnberg). Allerdings geht L dann doch seinen eigenen Weg, indem es »where the spere of our lorde is« bereits im Titel einfügt, welches sich in den anderen Fassungen erst später im Text findet. 47

48

Vgl. z. B. Fiorani (2005), S. 89, mit dem Verweis darauf, dass der Kartenraum auf Gastaldis Edition von Ptolemäus’ Geographia sowie Münsters Cosmographia universalis beruht. Abbildungen der Karten finden sich in Levi-Donati (1995). Vgl. ebd.

420

Seite 100 12

49

than he made them swere vpon a booke: Der Gebrauch des unbestimmten Artikels (»a boke«) scheint auf ein Problem hinzudeuten, denn man muss davon ausgehen, dass es sich bei diesem Buch um die Bibel handelt. Zwei Überlegungen zu dieser Stelle, die ganz unterschiedliche Erklärungen bieten, wären diese: Wird die Bibel in der englischen Übersetzung nicht genannt, weil es im Zuge der reformatorischen und gegenreformatorischen Veränderungen im England der Tudors und dem damit zusammenhängenden Streit um die volkssprachliche Bibel nicht opportun schien, die Szene auf dieses gefährliche Buch zu zentrieren? Deutlich ist auf jeden Fall, dass die Vorlage eine Szene entwickelt hatte, die ein Buch enthielt, auf das geschworen wurde, denn ansonsten wäre ja der Lösungsweg, den S (53), Afl. (117) und P (166, 16f.) einschlagen, auch für L greifbar gewesen: Dort schwören die Kranken einen Eid, aber nicht auf die Bibel. Die zweite vorstellbare Erklärung ist, dass die Vorlage ein bestimmtes Buch nannte – aber nicht die Bibel –, welches der Bearbeiter nicht kannte, weshalb er das Buch unbestimmt ließ. Zum Vergleich heranziehen ließe sich ein etwas früheres Buch, das 1485 von Caxton gedruckte Le Morte Darthur.49 Neben der spezifischen Form (»Thenne the kyng was sworne upon the four Evangelistes« (4, 30)) wird auch die unspezifische benutzt (»he made sir Kay to swere upon a book« (8, 36)), was eine gewisse Beliebigkeit in der Verwendung nahelegt oder eine Unklarheit in den Quellen. Da allerdings im Fall des Eulenspiegel alle Fassungen außer der englischen nur einen Schwur ohne Buch beschreiben, stellt sich die Frage warum L dies hier einführt. Es besteht die Möglichkeit, dass der Bearbeiter durch den Zusatz deutlich machen wollte, dass es sich bei »swear« um das Schwören handelt und nicht um das Fluchen (beide Bedeutungsmöglichkeiten existieren im mittelalterlichen Englisch, vgl. OED2) – was dann allerdings eine erzählerische Unsicherheit enthüllen würde, da aus dem Kontext klar hervorgeht, dass es sich um einen Schwur handelt. Darüber hinaus hätte der Bearbeiter im diese, Fall seine Intention durch den Zusatz von »an oath« deutlich machen können. In H 40, S. 226, Z. 33, fügt L wieder einen Schwur auf ein unbestimmtes Buch hinzu, den die anderen Fassungen nicht teilen.

Vinaver (1977).

421

16

they pouder of him: and geue all: S (53) entspricht L, dagegen ergänzt Eulenspiegel in Afl. (117) und P, er habe vor »de ceste pouldre faire un bruvage« (166, 21f.). Es ist schwierig, die Bedeutung solcher Stellen zu bewerten, da es viele Passagen gibt, an denen L Ergänzungen auslässt, die Afl. und P bieten (obwohl das Gros des Textes Afl., P und L gemeinsam ist), und viele andere, an denen L von S abweicht. Festzustellen ist aber, dass in den Fällen, bei denen L, Afl. und P auseinandergehen, oft ein Überschneidung zwischen L und S stattfindet.

30ff. he hathe deceyued you […] and heale vs: Diese Wiederholung des oben bereits dargestellten Vorgehens Eulenspiegels wird in Afl. und P ausgespart.

Seite 102 Historie 14 10f. and the baker had ned of a seruant: In Afl., P, S und K 1519/36 fehlt dies an dieser Stelle. Für die Spur der englischen Eulenspiegel-Überlieferung ist der Zusatz aber deshalb von Bedeutung, weil in S in H 19 folgende Passage auftaucht: »Der Brotbäcker, der sprach: ›Ich habe eben keinen Knecht. Wilt du mir dienen?‹« (57), also in der zweiten der drei Bäckergeschichten, die S bietet, und nicht in der dritten (H 20), die die einzige in L überlieferte ist. Weiter kann diese Stelle als Beleg für die Verbindung der nicht-S 1515-Gruppe mit S 1519 dienen, da erst hier der Beruf des Meisters von »weber« (S 1515) zu »becker« (Bl. XXIIIIb) verbessert worden ist.50 Es ist zwar auch vorstellbar, dass Afl., P und L eigenständig die offensichtliche Verbesserung vorgenommen haben, die sich dann auch in S 1519 findet, aber nachvollziehbarer erscheint die Abstammung von S 1519 (oder einem früheren, hier fehlerfreien Grundlagentext, s. o. H 3, S. 74, Z. 8f., bzw. S. 405. 16

50

.iii. houres: Die Zeitangaben variieren in den Textfassungen durch die Zunahme des Bestimmtheitsgrades: In K 1519/36 fehlt die Zeitangabe ganz, in S sagt der Bäcker, er wolle ein paar Stunden schlafen (61), in Afl. zwei oder drei (119), in P (167, 7f.) und L aber genau drei.

Vgl. Lindow (2001), S. 57, Fußnote 4.

422

19f. and than he sawe that Howleglas, had boulted the meale in thei garden: In allen anderen Varianten ertappt der Bäcker Eulenspiegel noch auf frischer Tat beim Sieben, in L dagegen steht er vor vollendeten Tatsachen. 25f. for it is syfted in the mone shyne, and without the moone shyne: Das absichtliche Missverständnis, wodurch das Mehl in den Mondschein gesiebt wird und nicht beim Mondschein, welches schon in S (61) wackelt, wird in L weniger überzeugend gelöst als in van Hoochstraten (»bider maenschijn ende daer in« (119)). L steht näher an P, welches mit »par la clarté et non pas en la clarté« (167, 18) ebenfalls eine Negation verwendet. Eine weitere, L-ähnliche Variante findet sich in van Ghelen: »byder manen schijn, enn niet daer inne« (C.1.v). Auch in diesem Fall ist bezeichnend, dass an einem Punkt, wo durchscheint, dass es Probleme bei der Vorlage von L gegeben hat, die flämischen Zeugnisse voneinander abweichen.51

Seite 104

51 52

2

and put yours in the stede: Afl. (119) und P (167, 23) legen Eulenspiegel nur die Absicht des Diebstahls in den Mund, nicht aber den Betrug. Dass Eulenspiegel den unfertigen Teig dem Nachbarn in den Trog legen will, findet sich jedoch ebenfalls in S (61).52

5

and those he toke vp: Auch in S wird beschrieben, wie Eulenspiegel die Knochen aufhebt (»den nam er uff den Halß« (61)), dies fehlt in Afl., P und K 1519/36.

8

on the, [ ] thou haste stolen: Das für die weitere Historie entscheidende »das sollst du sehen« nach der Androhung der Beschwerde beim Rat, welches alle anderen Versionen haben, ist hier ausgelassen, wodurch der Rest der Geschichte mit den Hinweisen auf die Augen und das Sehen wenig Sinn macht. Nur K 1519/36 geht mit L (und so ausnahmsweise gegen S), indem es die Phrase auslässt.

8f.

the kynges iustice: Während die anderen Überlieferungen den Ausdruck »der Herren Gericht« verwenden, zeigt sich in L eine unvermittelte und interessante Anpassung an die landesspezifischen Gegebenheiten: Auf ein englisches Publikum zugeschnitten ist es hier der König, dessen Recht auf diese Weise verletzt wird.

Vgl. auch Brie (1903), S. 17. Vgl. auch Brie (1903), S. 18.

423

11

and stode by the baker: In Afl. (119) und P (168, 35) wird lediglich Eulenspiegels Anwesenheit angemerkt. S (62) und L betonen, dass Eulenspiegel dem Bäcker auf den Hals rückt.

14

go out of mi sight: Die englische Darbietung des Wortwitzes, mit dem Eulenspiegel auf die Aufforderung des Bäckers reagiert, er solle ihm aus den Augen gehen (Afl.: »wt minen ogen« (119)), verpatzt ihn: Es mag idiomatischer sein, von »sight« zu sprechen als von »eyes«, aber die Idee des aus den Augen Kriechens, welche Eulenspiegel daraus entwickelt, verliert so an Witz.

Seite 106 Historie 15

53

2

the foster of anhalte: Am Historientitel fällt auf, dass der Arbeitgeber Eulenspiegels als »foster of anhalte« genannt wird, was aber bereits im ersten Satz der Historie durch »erle of Anholte« ersetzt ist. Da »foster« als englische Adelsbezeichnung nicht existiert, erscheint dies als ein Lapsus aus der Übersetzung aus dem Flämischen, wo sich »vorste« findet (121). Allerdings ist es frappierend, dass auch das Flämische sich im ersten Satz der Erzählung dann für eine andere Adelsbezeichnung entscheidet, nämlich »grave«. Es erstaunt wiederum nicht, dass bei einer offensichtlich schwierigen Vorlagensituation der zweite flämische Text abweicht. Van Ghelen verwendet bereits in der Überschrift »graue« (C.1.v). Dass es an dieser Stelle eine prinzipielle Schwierigkeit mit der Vorlage gegeben zu haben scheint, zeigt sich auch im Französischen, das im Titel »le seigneur de Anhalt« verwendet (168), im ersten Satz jedoch »le conte«. S ist dagegen stabil; hier ist der Arbeitgeber durchgängig ein Graf (65ff.; C.3.r).

7f.

that was in the toppe of the toure: In S (66) wird erwähnt, dass Eulenspiegel auf dem Turm ist, wenn auch nicht, dass er ganz oben ist. In Afl. und P fällt die Bemerkung vollständig aus.

11

and blew not: Die Frage »warum seid Ihr so still?« ist sowohl in L als auch in van Ghelen (C.2.r) durch diesen Zusatz ergänzt, der in den anderen Textzeugen fehlt.53

Vgl. auch Brie (1903), S. 18.

424

12

I dyd daunce for my meate: Die Erwiderung Eulenspiegels, er habe für sein Essen getanzt, steht dem Geschichtsverlauf entgegen und deutet somit daraufhin, dass entweder eine Vorlage missverstanden wurde oder korrupt war. Die Antwort Eulenspiegels in den Texten K 1519/36 (»vür essens roiffen ich niet gern« (C.3.r)) und S 1515 (»Vor Essens, so rüff ich oder thun es nit gern!« (66)) überzeugt in diesem Kontext m. E. nicht. Nur S 1519 kombiniert das Rufen, welches sich in den anderen deutschen Texten findet, mit dem Tanzen, welches die nichtdeutsche Gruppe angibt: »vor essen so ruof ich oder danz nit gern«. Von der nichtdeutschen Gruppe trägt allein die flämische Übersetzung »ic en danse voor den eten niet« den Witz wirklich. Die französische Variante bezieht sich zwar ebenfalls auf das Tanzen – »je ne danse pas pour le menger« (169, 12f.) – bringt aber durch die Verneinung eine widersinnige Aussage hervor, denn warum sollte Eulenspiegel nicht für sein Essen eine Gegenleistung bringen (tanzen)? Die Abweichung in der französischen Fassung scheint durch eine Fehlübersetzung des flämischen »voor« entstanden zu sein, indem man nicht die temporale Bedeutung erfasste (vor dem Essen), sondern nur die finale (um zu essen). Trotz der inhaltlich falschen Aussage steht also die englische Fassung hier S 1519 mit der flämisch-französischen Gruppe näher als S 1515.

14f. at youre owne gate: Auch hier begegnen wir wieder einer Übereinstimmung zwischen Afl. (121), P (169, 17f.), L und S 1519 (»sie schlügen uch zuo dem thor heryn«, auch wenn dies erst nach dem nächsten Eintrag steht), die S 1515 entgegen steht.54 15

54

And than the earle was content: Während dieser Erzählerkommentar in Afl. und P nicht genannt wird, findet sich in K 1519/36 eine vergleichbare Aussage: »Der greff sacht, wailan yd is guot« (C.3.v). Zwar stimmt dies auch mit S 1515 überein, allerdings ist dort das »Wolan, es ist gut« (67) in die wörtliche Rede Eulenspiegels integriert, wo es keinen Sinn ergibt. In S 1519 folgt hierauf die weitere Begründung Eulenspiegels, er habe verhindern wollen, dass der Graf vor dem Tor angegriffen werde (s. o.), aber auch dies passt nicht recht. Überzeugender ist die Anordnung in K 1519/36 und in L.

Vgl. auch Debaene (1977), S. 188.

425

20

as much meate as he would haue: Interessanterweise verwendet L hier den Ausdruck »so viel er haben wollte«, was dichter an »was ihm geliebt« (S: 66f.) ist als »qu’il en povoit emporter« (P 169, 27f.; Afl.: 121).

24

to fyghte with their enemies: Weder S noch Afl. führen aus, zu welchem Zweck oder wann Eulenspiegel mit den Fußtruppen ausrücken muss. P fügt hinzu, Eulenspiegel musste mit dem Fußvolk laufen, wenn es nötig war (169, 33), L liefert die Erklärung, er liefe mit, um gegen die Feinde zu kämpfen.

Seite 108 1

what was the cause that: Hier, wie in S (67), stellt der Graf Eulenspiegel eine neutrale Frage nach dem Grund seines Verhaltens, wogegen er in Afl. (121) und P (169, 37f.) Eulenspiegel mit der Frage, ob er vor dem Feind Angst habe, Feigheit unterstellt.

Historie 16 Diese Version der Historie ist im Vergleich mit S, Afl. und P die am wenigsten anstößige (s. u.). 12

55

the kinges foole of Casmery of Poseyn: Der Titel unterscheidet sich auch hier von Afl. und P, indem der König mit Namen bezeichnet wird. Merkwürdig ist die Anordnung der Satzglieder mit dem zweimaligen Genitivattribut, wo doch »the foole of king Casimir of Poland« eine denkbar einfache Alternative gewesen wäre. Es scheint aber, dass »Casmery« überhaupt nicht als Eigenname verstanden wurde, sondern als Ortsname. Ob die Entstellung des Namens auf dieses Missverständnis zurückzuführen ist oder umgekehrt, bleibt offen, könnte aber auch von der fehlerhaften Form »Poseyn« beeinflusst sein, die die Rückkopplung an »Polen« und einen polnischen Namen vollends unmöglich macht. Die anderen Fassungen führen den Namen des Königs in der ersten Zeile der Historie ein. Allerdings stellt Honegger fest, dass »Casmiri« als Genitiv im hochdeutschen Text richtig verwendet ist, wogegen Afl. (123) und P (170, 1) mit ihrer Konstruktion (Genitivendung bei nominativischem Gebrauch) daneben liegen.55 Woher kann der Fehler bei Afl. und P stammen? Interessant ist die Fortsetzung des

Vgl. Honegger (1973), S. 62.

426

›Genitivproblems‹ in der englischen Fassung: Obwohl sich in L ein merkwürdiger oder sogar umständlicher Genitivgebrauch findet, ist der Kasus an sich der richtige; und auch in der ersten Zeile der Historie verwendet L die richtige (Nominativ-)Form. Auf den ersten Blick könnte man davon ausgehen, dass hier die gemeinsame Quelle von S und L zum Tragen kommt, auf die Afl. und P keinen Zugriff haben. Beim zweiten Hinsehen legt aber gerade die Unsicherheit in der englischen Verwendung in Kombination mit dem Fehler der flämischen und französischen nahe, dass irgendein gemeinsamer (wenn auch korrupter?) Bestand vorlag. 16f. but neuer could se him: Ins Positive gewendet , findet sich der Wunsch des Königs in S (71) wieder, sie hätten ihn gerne gesehen und gehört. In Afl. und P wird auf die Aussage verzichtet. 23

Whiche of you two can the moste foolyshnes?: Wieder fällt eine Passage bei Afl. und P aus, die in S mit L übereinstimmt: »Nun wolan«, sprach er, »welcher die abentürlichste Narrei thut, daz ihm der andre nit nach thut, den wil ich nüw kleiden und wil ihm zwentzig Guldin darzu geben.« (72). Es ist ersichtlich, dass zwischen L und S keine vollständige Kongruenz besteht, aber die stärkere Nähe im Vergleich zu Afl. und P ist deutlich.

Seite 110 10f. he toke a spoone and deuided it in the middes with the spone: Ab dieser Stelle differieren S, Afl., P und L in der Graduierung des skatologischen Gehalts: In S isst Eulenspiegel bekanntermaßen seinen Kot (72), in P nimmt er ihn in den Mund (171, 21), in Afl. nur auf den Löffel (123), in L teilt er ihn lediglich mit dem Löffel. Im weiteren unterscheiden sich Afl. und P in Z. 13 und 14: Afl. bewegt sich näher an L durch die Wiederholung der Handlung in der Anweisung Eulenspiegels (»ende deilten ooc int middel ende eet die helft van minen drec« (123), was in P zu einer Aktion zusammengezogen wird (»et mengez la moytié de mon estront« (171, 23f.)). 19

and thanked the kyng: Im Gegensatz zu den anderen Überlieferungen bedankt sich Eulenspiegel hier beim König und es wird ausgelassen, dass er bei diesem in hohem Ansehen bleibt.

19

and so departed he: Ein Unterschied, der L wiederum mit P verbindet, ist, dass bei beiden die Abreise nur erwähnt wird (so übrigens auch in 427

van Ghelen: »reysde« (C.3.r)), in S (72) und Afl. (123) aber spezifiziert wird, er reite davon. Historie 17 21

Leunenborough: Der Name Leunenborough (Afl.: »Lunenborch« (125), P: »Lunemborch« (171)) im Titel kann nicht aus einem Setzfehler abgeleitet werden, deutet aber eventuell eine englische Aussprache an.

23

on a tyme, [ ] in the lande: Auffällig ist, dass die genauere Angabe »bei Zelle«, die alle anderen Ausgaben führen, hier fehlt.

24

to the duke: Eine Zufügung von L dagegen ist, dass Eulenspiegel gebannt wird, weil er dem Fürsten selbst einen Streich gespielt hat.

26

he shold lose his head: Im Gegensatz zu den anderen Texten ist die Strafe, die Eulenspiegel angedroht wird, nicht das Hängen, sondern das Köpfen.

Seite 112 9

with his bely vpwarde: Die Einleitung von Eulenspiegels List und Selbstrettungsversuch ist weniger auffällig gestaltet als in Afl. und P, wo Eulenspiegel das Pferd nicht mit dem Bauch nach oben dreht, sondern »par les quatre piedz en hault« (171, 9f.). Während Eulenspiegel in Afl. allerdings im Pferd sitzt (125), ist das in P gewählte Wort »seoir« (172, 10) bereits mehrdeutiger und passt besser zur Illustration, da es sowohl sitzen als auch stehen bedeutet. In L steht Eulenspiegel im Pferdebauch. Seite 34

17f. and now I stand in mine owne grounde and not in yours: Eulenspiegels Erklärung, dass jeder auf seinem eigenen Boden frei sei, überzeugt nicht völlig, da er ja nicht wirklich auf eigenem Boden steht. Diese Abweichung macht dennoch mehr Sinn als die französische Variante, in der Eulenspiegel sagt: »chascun est franc en ses quatre pates« (172, 18f.). Koopmans/Verhuyck erklären, dass diese Übersetzung des flämischen »pale«, was sowohl Pfähle (also hier Beine) als auch Grenzen bedeutet und dadurch das Heim besser umschreibt, Bedeutungsdimensionen verliert.56 Insofern scheint die englische Über-

56

Vgl. Koopmans/Verhuyck (1988), Anmerkungen, S. 263.

428

setzung wenigstens den Kern der Sache zu treffen, wenn auch unter Verlust des Bezugs zur Geschichte mit dem Pferd. 21

to geue me pardon [ ]. And so departed: L – wie P (172, 23) – endet nach seiner Dankesrede an sein totes Pferd. S (74) und Afl. spinnen diese weiter aus (»tis beter dat u die raven eten dan mi« (125)), bevor sich Eulenspiegel davonmacht.

Historie 18 Die Abweichungen zwischen den verschiedenen Fassungen sind in dieser Historie durchgängig und besonders interessant.

57

23

and c: Schon der Titel in L erregt Aufmerksamkeit. Durch das »and c.« wird offensichtlich etwas abgekürzt – also muss man davon ausgehen, dass die Vorlage für den englischen Text eine umfangreichere Überschrift hatte. Auffallenderweise findet sich aber auch im französischen Titel eine Abweichung von der sonstigen Form: In allen anderen Historientiteln wird Eulenspiegel immer mit Namen genannt, hier taucht nur das Pronomen »il« auf (173). Da die flämische Fassung mit »Hoe Ulespieghel vertrac biden lantgrave van Hessen ende gaf hem wt voor en schilder« (125) alle Informationen in der der Fassung üblichen Form enthält, muss auf die französischenglischen Abweichungen in dieser Historie besonders geachtet werden. Der Einzelweg der französischen Fassung manifestiert sich bereits in der Benennung des Betrogenen. Während wir es in Afl. mit einem Landgrafen zu tun haben, ist er in P zum Fürsten erhoben. Die wandelnden Adelsbezeichnungen deuten im Folgenden auf die mögliche ›Vorfahren‹ des Texts.

26

to Marchboroughe: Die Information, dass Eulenspiegel an den Hof des Grafen von Marburg geht, ist außer im englischen Text nur in S gegeben (77). Sie fehlt sowohl in Afl.57 als auch P. Dass sich »Marchboroughe« aus dem Grüningerschen »Markburg« herleiten lässt, ist durchaus möglich, aber nicht unbedingt nötig. Die englische Fassung verwendet bei der ersten Nennung des Marburger Herrschers den Begriff »erle«, also Graf, so wie das Flämische (»grave« (125)). P wechselt hier allerdings schon zu seiner zweiten Benennungsvariante und gibt »le conte« (173, 3), statt, wie in der Überschrift, »le duc«.

Vgl. auch Lappenberg (1854), S. 159.

429

Seite 114

58

2

the kyng: Ein deutliches Zeichen für eine andere Textschicht in L findet sich in dieser Zeile, wenn der frühere Graf plötzlich, und nur dieses Mal, als »kyng« bezeichnet wird (Afl.: »lantgrave« (125), P: »conte« (172, 10)). Da wir wissen, dass der Pfaffe Amis vor dem König von Frankreich als Maler auftritt (»der Künic sprach: ›vil gerne ja.‹«58), ist der rasante Aufstieg in der Adelsleiter an dieser Stelle auffällig und wirft Fragen nach der Vorlage, die L hatte, auf.

6f.

and how our forefathers were maried to ladies of straunge landes: Hier findet sich wiederum ein Detail, in dem L eine kuriose Stellung im Geflecht der Eulenspiegel-Überlieferungen einnimmt: Sowohl S (78) als auch Afl. (127) nennen die Beziehung der Landgrafen von Marburg zum ungarischen Königshaus – was in P fehlt –, aber bei beiden ist das historische Detail im Vergleich zu L auf andere Weise ungenau. In Afl. heißt es: »ende hoe one voorvaders gehout sijn geweest aen princen ende aen coningen van Hongerien« (127); dagegen entspricht die englische Formulierung »and how our forefathers were maried to ladies of straunge landes« wesentlich genauer den tatsächlichen Umständen, nämlich der Verheiratung Landgraf Ludwigs IV. von Thüringen mit Elisabeth, der Tochter Andreas’ II. von Ungarn und seiner Frau Gertrud von Andechs-Meranien, 1221. Da dies die bedeutendste Eheschließung der Marburger mit einem ausländischen Herrscherhaus war, scheint die Wiedergabe in der englischen Fassung besonders historientreu: Die hessischen Vorväter heiraten die Frauen aus fremden Ländern; die weibliche Form (d. h. »Damen«, nicht »Künig« bzw. »princen«), die in S und Afl. eben nicht verwendet ist, ist hier ausschlaggebend. Dass L eine Vorlage verwendete, die diese historischen Tatsachen berücksichtigte, scheint durch die Nichtnennung Ungarns zunächst in Frage gestellt. Allerdings ist durchaus vorstellbar, dass dem englischen Bearbeiter ein Text vorlag, der Ungarn nannte, da dieses Land dem durchschnittlichen englischen Publikum aber genauso unbekannt gewesen sein dürfte wie die genaue Benennung Elisabeths unwesentlich, bliebe nur noch die weibliche Form als Hinweis auf die Bearbeitung einer Vorlage.

11

.iii.C. golde gyldens: Alle anderen Fassungen lassen Eulenspiegel den Preis auf vierhundert Gulden veranschlagen, während es hier nur

Kamihara (1978), V. 533.

430

dreihundert sind. Diese Abweichung könnte allerdings durchaus auf einen Druckfehler zurückzuführen sein (es genügt ein ausgelassenes Zeichen). 25

but he made them before to sweare that they shoulde not bewraye hym: S (78) und K 1519/36 bieten einen vergleichbaren Inhalt: »Also wart vlenspiegel mit synen gesellen eins vnn oeuerlacht mit jn, dat sy still swegen« (D.2.v), wogegen die Übereinkunft zwischen Eulenspiegel und seinen Gehilfen in Afl. und P ausgespart wird.

26

wherewith they were well content: Auch bei dieser Abweichung zwischen S 1515 und S 1519 steht L wieder mit Afl. (127) und P (174, 28f.) auf der Seite der späteren deutschen Fassung, denn nur dort findet sich der Zusatz: »und waren des wol zuofrieden«.

31

if it were so goodly as the coppy was: Die französische Fassung lässt aus, dass der Graf gerne wissen möchte, ob das Werk den vielversprechenden vorgelegten Proben entspricht und weicht damit von allen anderen Fassungen ab, auch der englischen.59

Seite 116

59

1

and there had he hanged vp a whyte clothe: Die Beschreibung, wie Eulenspiegel sich beim Besuch des Grafen verhält, ist problematisch, weil Doppelungen auftreten, die sich schlecht nur mit mangelndem erzählerischen Talent erklären lassen. Ein paar Zeilen zuvor ist beschrieben worden, wie Eulenspiegel ein weißes Tuch an die Wand gehängt hat; hier nun wird dies wiederholt, indem wieder der unbestimmte Artikel »a« verwendet wird, zeigt der Bearbeiter eine mangelnde Textübersicht, da mit der Verwendung des bestimmten Artikels das Problem gebannt gewesen wäre. Durch solche Stellen gewinnt man den Eindruck, dass mit Textblöcken gearbeitet wurde, die unterschiedliche Teile der Geschichte in unterschiedlicher Folge erzählten, die in diesem Text ohne genauere Abstimmung aneinandergefügt wurden.

4f.

that that was the first lord of the land, and erle of Hessen: An dieser Stelle zeigt sich das Unbehagen des Texts mit sich selbst m. E. sehr deutlich: Eulenspiegel zeigt dem Grafen den hessischen Vorfahren, der sowohl erster Fürst des Landes war als auch der (Land-) Graf von

Vgl. auch Brie (1903), S. 18.

431

Hessen. Diese Betonung ist nur im Zusammenhang mit der Verwendung von »kyng« oben im Text verständlich. Da man ihn einmal als König bezeichnet hat, muss nun dieser Titel mit dem bloßen Grafentitel in Einklang gebracht werden und so behilft man sich. Dass die anderen Fassungen alle nur den Landgrafen nennen (auch die französische Fassung, abweichend vom »duc« und »conte« an anderen Stellen) und nicht die Doppelung vornehmen, unterstreicht dies.

60 61

5f.

And this is a erle of Rome […] was made Emperour: Die Ahnenreihe in S ist zwar ebenso fiktiv wie in den anderen Fassungen,60 allerdings ist sie wenigstens in sich stimmig. Der Punkt, an dem sich dies zeigt, ist die Tochter des Grafen von Bayern. Im englischen Text völlig entstellt als »Beren« und nicht mehr als »Bayern« erkennbar, ist sie zudem aus »des milten Justinians Tochter« (S, 79) zu »Iustine« geworden. Darüber hinaus ist in L die Reihenfolge anscheinend völlig anders verstanden worden, nämlich nicht als Aufzählung zu einer Person, zum ersten Landgrafen von Marburg, sondern als Aufzählung verschiedener Personen – zuerst der erste Fürst und Graf von Hessen, dann ein »erle of Rome«, der später zum Herrscher gemacht wird usw. Dass diese Stelle allgemein Schwierigkeiten bereitet hat, zeigt sich in der fortschreitenden Veränderung des Namens des Stammvaters der weiblichen Linie, die in der französischen Fassung mit dem Namen »Justianianus« endet (174, 43). Darüber hinaus weist die Umschreibung »a erle of Rome« anstelle des »Columneser« in S (79) darauf hin, dass entweder der englische Bearbeiter mit diesem römischen Geschlecht nicht vertraut war oder die Vorlage so korrupt war, dass er lieber ganz daruf verzichtete. Das Ergebnis ist dasselbe: Im englischen Text fällt es aus. Dies ist insofern bedauerlich, als gerade durch den Fehler in der flämischen Fassung (»Coloniser« (127)) die Abhängigkeitsverhältnisse vielleicht greifbarer gewesen wären, da P mit »Colompneser« (174, 42) eindeutig näher an S steht als an Afl.61

9f.

And I knowe […]: so curiously haue I made: Details der Lexis, wie in dieser Zeile die abweichenden Übersetzungen des deutschen »künstlich« (79) als flämisch »constelic« (127), französisch »sumptueusement« (174, 48) und englisch »curiously« erscheinen über Probleme der

Vgl. Lindow (2001), S. 79, Fußnote 13. Vgl. auch Koopmans/Verhuyck (1988), S. 30.

432

Übersetzbarkeit hinaus auf unterschiedliche Vorlagen zu weisen. So bedeutet »curiously« zwar bis ins 18. Jahrhundert auch »kunstvoll«,62 daneben schwingen aber die Bedeutungen »genau« und »exquisit« mit und eventuell bereits »merkwürdig«. Debaene weist darüber hinaus auf die Abweichung in S 1519 hin (»daz nieman mein arbeit, die ich gemalt hon, gestrafen mag«),63 die sich in keiner der anderen Fassungen widerspiegelt. 19

to the lorde: Die Verwendung von »the lord« ist insofern interessant, als die französische Fassung in der Benennung variiert. Afl. benutzt durchgängig »lantgrave« (127f.), dem P nur in Z.1 folgt, in Z. 9 aber wieder zu »conte« wechselt (174, 50 bzw. 175, 66). Da der Adelstitel gerade in der Schilderung der Ahnenreihe die genannten Schwierigkeiten bereitet hat, lässt sich vielleicht aus der folgenden Verwendung des unbestimmten »lord« eine Problemvermeidungsstrategie schließen, die durch die Wechselhaftigkeit der französischen Fassung bekräftigt wird (in der übrigens auch der Titel der Dame von »contesse« zu »duchesse« wechselt).

Seite 118 12

And so departed the erle with his lordes: Das Ende dieser Historie ist merkwürdig, da in den anderen Historien immer nur Eulenspiegels Flucht oder Abreise beschrieben wird, hier dagegen die völlig unmotivierte Abreise des Grafen und seines Gefolges. Deutet diese Zufügung, die die anderen Varianten nicht kennen, auf ein Bedürfnis nach einer einheitlichen Struktur, die am Ende einer Historie immer nach einer Abreise verlangt (und da in dieser Historie Eulenspiegel nun schon einmal geflohen ist, kann nur noch der Hof abreisen) oder wiederum auf eine Vorlage, in der die Abreise des Hofes tatsächlich Sinn macht und die hier einfach unkritisch übernommen wurde?

Historie 19 15

62 63

of Pragen in Bemen: Auch hier nimmt der Historientitel geographische Informationen vorweg, die in Afl. und P erst in der Historie gegeben werden. Interessant ist dabei, dass die englische Version damit näher an der flämischen ist (»Beemen« (129)) und mit K 1519/36

Vgl. OED2. Debaene (1977), S. 188.

433

genau übereinstimmt (»Bemen« (D.3.v)), aber weiter entfernt von S (»Behemen« (82)) und der französischen Version (»Boheme« (176, 1)), obwohl man eigentlich erwarten sollte, dass die englische Übersetzung mit »Bohemia« der üblichen Namensgebung für die Region folgt und somit dichter am französischen Text wäre. Alle anderen Informationen, die S über die religiöse Situation gibt, fehlen hier ebenso wie in Afl. und P.64 19f. that he wold answere […] geue answere therto: Eine mit H 18 vergleichbare inhaltliche Doppelung tritt hier wiederum auf. In einem einzigen Satz finden wir zweimal dieselbe Information, nämlich dass Eulenspiegel alle Fragen beantworten wolle. 20ff. And as he had […] Than on the morow: Diese Passage erscheint weder in van Hoochstraten noch in P. In S wird ein ähnlicher Inhalt teilweise geschildert (83), aber die oben erwähnten Wiederholungen sind L ebenso eigen wie die Detailfreudigkeit in der Schilderung, die das statische Moment durch eine gewisse Lebendigkeit wieder ausgleichen. Allerdings wird bei den Sätzen »And as he had set vp the bylles, than came the scolars of the vniuersitie and red them. And whan they had red them … «, die in einer nochmaligen Wiederholung von Eulenspiegels Ankündigung münden, die später zum vierten Mal erzählt wird, das mangelhafte erzählerische Geschick des Bearbeiters deutlich. Es drängt sich die Vermutung auf, dass wir es mit der Niederschrift eines mündlichen Vortrags zu tun haben, denn diese Art von Redundanz ist nicht nur ungewöhnlich für gedruckte Erzählprosa dieser Art – die von würziger Kürze lebt –, sondern auch den anderen Versionen fremd. Dagegen bringen zwar die erwähnten Details (wie jenes auf S. 120, Z. 3), dass Eulenspiegel am Arm zu dem Stuhl geführt wird) die Handlung ebenfalls nicht voran, sie schmücken aber die Erzählung aus und machen sie so lebendiger. Ein solches Detail wie auf S. 118, Z. 28f., die Strafandrohung dem Wirt gegenüber, wenn er nicht für Eulenspiegels Vorsprechen sorge, zeigen eine interessante Eigenständigkeit und werfen gleichzeitig die Frage nach der Vorlage auf. In allen anderen Versionen wird der Wirt zwar auch erwähnt, aber in dem Kontext, dass sich Eulenspiegel Freunde mitbringt, die ihn unterstützen sollen, falls der Unwillen der Studenten ein zu großes Maß annimmt (z. B. in Afl.: »Ende hi quam met sinen weert ende meer ander op aventueren of hem die 64

Vgl. auch Brie (1903), S. 19.

434

studenten quaet wilden doen.« (129)). Da van Hoochstraten und P – im Gegensatz zu S – nicht den Missmut der Akademiker schildern, ist bei ihnen die Schutzfunktion unvermittelt im Text eingeführt. In der englischen Version wäre das Schutzbedürfnis mit der Schilderung der Aufregung der Akademiker besser motiviert, hier wird aber dann die Begleitung des Wirtes ganz anders erklärt. Sicher ist, dass es L trotz der ausführlichen Darstellung der Reaktion der Prager Universität auf Eulenspiegels Ankündigung nicht gelingt, die dramatische Wirkung zu erzielen – und die Universitätskritik zu äußern –, die S erreicht. Es ist die Frage, ob das ein Problem der Vorlage ist oder ob die Vorlage schlecht oder ganz missverstanden wurde. Auch an dieser Stelle wiederum sollte darauf hingewiesen werden, dass van Ghelen (C.4.v bis D.1.r) deutlich von van Hoochstraten abweicht, ohne allerdings eine besondere Nähe zu S oder L zu zeigen.

Seite 120 3

a chaire: Gemeinsam mit S geht L gegen Afl. (129) und P (176, 7f.), bei denen der Stuhl als hoher Stuhl im Sinne eines Katheders spezifiziert wird (vgl. das noch heute im Deutschen oder Englischen gängige ›Lehrstuhl‹).

10

.viii. dayes: Ob die Zahl von acht Tagen seit dem Erschaffen der Welt in L eine logische Verbesserung darstellen soll oder nur ein Druckfehler ist, lässt sich nicht sagen. Die anderen Versionen haben alle sieben Tage und verzichten auch darauf, die Zählung in Wochen einzuführen und so zu erklären, wie L es tut.

12ff. Than sayde the rectour […] what he would: Die Aufforderung des Rektors, dass Eulenspiegel ihm die dritte Antwort sagen solle, obwohl er noch gar nicht gefragt hat, ist merkwürdig. Wie sonst auch, findet hier wieder eine Verlängerung des Materials statt, indem Eulenspiegel darauf antwortet, das wolle er tun. Während aus S klar hervorgeht, dass der Rektor die dritte Frage stellt (84), ist das in van Hoochstraten nicht so deutlich, da dort »[n]u segget mi die derde vrage« (131) ohne Einleitung steht und es auf den ersten Blick nicht klar ist, ob sich die Aufforderung an die gerade von Eulenspiegel gegebene Antwort zur Erschaffung der Welt anschließt oder aber als Einleitung zur Frage des Rektors gehört (die direkt – ohne Nennung des Fragenden – erfolgt). Für P können keine genaue Aussage gemachet werden, weil in der Edition von Koopmans/Verhuyck die 435

Zeichensetzung modernisiert wurde und der Satzverlauf daher nicht eindeutig rekonstruierbar ist (nach der jetzigen Einteilung ist die Aufforderung sinnvollerweise Eulenspiegel zugeschlagen (177, 18f.). Vielleicht ist die in L vorliegende Variante der Versuch, diese Verständnisschwierigkeit aufzulösen, die van Ghelen (D.1.r) übrigens in ähnlicher Weise mit L teilt. 18f. But than he wexed angrye: Die Zufügung fehlt in Afl. und P, wird aber in S gegeben (»gantz im Zorn« (84)). Daran zeigt sich, dass S und L für diese Historie auf eine Vorlage mit ähnlicher Erzählintention zurückgegriffen haben, während der gekürzten Fassung von Afl./P diese Facette der Geschichte abhanden gekommen ist (oder umgekehrt, dass S und L auf eine ausgeweitete Version gründen). 25

a .M. myle: Alle anderen Fassungen nennen statt Meilen Ellen. Da »ell« als Maßeinheit auch im Englischen gängig war (vgl. OED), ist dieser Austausch von Ellen und Meilen wahrscheinlich auf eine versehentliche Übernahme der im Text vorhergehenden Einheit zurückzuführen.

26

the sterres: Hier zeigt der englische Text eine interessante Übereinstimmung mit Afl. im Vergleich zu P. Bei P finden wir »planettes et estoiles« (177, 34) – eher mit der längeren Ausführung »Son, Mond und alles Gestirn« in S im Einklang (85) –, bei Afl. »sterren« (131), was wiederum deutlich macht, dass L ein eher flämisch und nicht französisch orientierter Text vorlag.

29

but they sayde that he was to sutle for them: Die Nähe zwischen L und S (85) und K 1519/36 ist ersichtlich: »vlenspiegel was in zo behend« (D.4.v) und stellt die einzige Traditionslinie dar, da die Stelle in Afl. und P nicht überliefert ist.65

Seite 124 Historie 20 2

65

all in his youth: Dass es Eulenspiegel in seiner Jugend besser erging, wird außer in L nur in S angemerkt (»und waz doch guter Dinge von Jugent uff gewesen« (92)), nicht in Afl. oder P.

Vgl. auch Brie (1903), S. 19.

436

5ff. Than went he […] and so he did: Der Einschub, der genauestens erklärt, wie Eulenspiegel an den Totenkopf kommt und wie er zu einem Goldschmied geht und diesen dann für seine Arbeit entlohnt, ist in Afl. (131) und P (178, 6f.) knapp zusammengefasst und der Schmied taucht überhaupt nicht auf. In S jedoch findet er sich ebenfalls, aber an einer anderen Stelle und in einer anderen Funktion: Nachdem Eulenspiegel seine Ansprache gehalten hat, »gab [er] den Lüten das Haubt zu küssen, das villeicht eins Schmidß Haubt geweßen wer, das er uff einem Kirchoff genummen het« (94). Warum sollte der Schädel gerade einem Schmied gehören? In der deutschen Erzählung ist diese Vermutung durch nichts motiviert. Dagegen leuchtet die Zuordnung des Schmieds zur Präparation der ›Reliquie‹ in L ein. Somit bildet diese Stelle einen weiteren Beleg für den Zugriff von L auf einen S 1515-Vorgänger mit besseren Lesarten. 10

nere therby [ ] wher it was: Nach diesen Vorbereitungen wird in allen anderen Überlieferungen berichtet, dass Eulenspiegel nach Pommern reist, um dort seinen Betrug zu üben. In S steht »kam ins Land Bummern«66 (93) unerläutert, in Afl. (131) und P wird es erklärt als »pays de Pameren en Oistlande« (178, 7f.). Seltsam ist, dass in L in der Historie das Wort »Ostland«, das wir doch sogar im Titel des Buches finden, keinen Niederschlag gefunden hat.

10ff. And than came he […] offer to it: Diese Passage fehlt in Afl. und P, ist aber inhaltlich in S (93) überliefert. Vgl. auch Brie, S. 19.

Seite 126 10ff. And whan the poore men […] from the parson: Der Erfolg Eulenspiegels und das anschließende Teilen der Beute entfällt in allen anderen Versionen. 17

So abode he longe with them and spent none of his mony: Diese Ergänzung fehlt in allen anderen Versionen und zeugt wiederum von der erzählerischen Eigenständigkeit von L.

Historie 21 20

66

Banberch: L folgt Afl. (133) und P (179) und nennt die Stadt »Banberch«, nicht, wie S in der Überschrift, »Bumberg« (99).

Vgl. auch Lappenberg (1854), S. 159.

437

29f. And therfore must I […] all for mony: Während P (179f., 11f.) und Afl. an dieser Stelle durch die Wendung »daer om neme ic daer ooc gelt voor« (133) zwar nahe an S bleiben (99), erschweren sie damit aber auch den Wortwitz Eulenspiegels, da er so der Wirtin wirklich die Worte im Mund verdrehen muss (Afl.: »Ulespiegel seyde, dat dient mi ooc wel om gelt te eten« (133)). Dagegen beschwört sie in L Eulenspiegels List selbst herauf.

Seite 128 4

to shylinges: In S (99), van Hoochstraten (133) und P (180, 15) beläuft sich die Summe für das Essen am Herrentisch auf 24 Pfennig. Allerdings stellt L nicht die einzige Variante dar, da van Ghelen mit 20 Pfennig ebenfalls eine andere Summe benennt (D.2.r). Von diesen beiden lässt sich jedoch die englische Summe durch Umrechnung (1 Schilling zählt 12 Pfennig, zwei Schilling entsprechen also 24 Pfennig) in die Nähe der obigen Gruppe bringen. Ob bei van Ghelen das Ausfallen von ».iiij.« auf D.2.r mehr als ein Flüchtigkeitsfehler ist (denn auf D.2.v gibt er als strittige Summe doch – wie die anderen Quellen – .xxiiij. Pfennig an), ist unsicher. Es ist aber interessant zu vermerken, dass L und van Ghelen einmal wieder eine (nichtgemeinsame) Abweichung gegenüber van Hoochstraten/P zeigen.

6

sythe I must nedes eat and pai mony: Dagegen zerstört dieser Satz die oben gebotene Gelegenheit für eine erzählerisch überzeugende Darstellung und stellt einen Lapsus dar; man erwartet, dass Eulenspiegel sagt: »weil ich für Geld essen muss«, stattdessen sagt er: »weil ich essen und bezahlen muss«. Dieser Fehler findet sich weder in Afl. noch in P.

8ff. And than his hostise […] many times: Diese Interaktion zwischen Eulenspiegel und der Wirtin ist L eigen. 13f. than bad he his hostise too auoyde the table: Ab hier wird zwei Mal erwähnt, dass der Tisch abgeräumt wird. Ist das ein Missverständnis von S »wegfertigen« (99) oder scheint hier eine andere Vorlage durch? 15f. And so he arose […] with his hostyce: Dass sich Eulenspiegel am Feuer wärmt, ist ein weiteres Detail, das nicht in Afl., P oder S erwähnt wird, die Handlung in L aber lebendiger gestaltet. 16f. and would haue […] by the sleue: Eulenspiegels Verhalten sieht in L nach versuchtem Mundraub aus, bei dem ihn die Wirtin ertappt. In 438

S (99), Afl. (135) und P (180, 21ff.) spricht Eulenspiegel die Wirtin an und fordert von ihr das Geld für das Essen.

Seite 130 Historie 22 17f. I will to Rome mi maners to amende: and home again my lyfe for to ende: Das Sprichwort, das in L verwendet wird, unterscheidet sich stark von dem in den anderen Versionen. Im flämischen Text heißt es: »gaet te Romen ghi goede man coemt weder om nequam« (135), wovon der in L angeschlagene Ton deutlich abweicht – warum an dieser Stelle Eulenspiegels Ende beschworen wird, ist unklar. Vielleicht konnte sich eine andere Bedeutungsdimension gegen die Sprichwörtlichkeit nicht durchsetzen. 19

a wydow: So wie in S (102) ist der Besitzstand der Witwe hier nicht weiter qualifiziert. In Afl. (135) und P (181, 5) wird eingefügt, dass sie reich ist.

Seite 132 3

at saynt Ihon Lateraun: L zeigt hier in der Auslassung des Kapellennamens »Jerusalem«, der sich in S (102) und Afl. (135) findet, eine Nähe zu P, bei dem er ebenfalls fehlt.

11

of the aulter: Dass Eulenspiegel dem Sakrament den Rücken kehrt, ist natürlich in allen Versionen überliefert, dass er sich damit auch vom Altar abwendet, aber sonst nur in S (103).

13ff. And therfore it is nedefull […] to the pope: Entfällt in den anderen Überlieferungen zugunsten der kurzen Aussage, dass der Papst nach Eulenspiegel sendet. 19f. ought for to beleue […] teach me: Durch diese lange Erklärung Eulenspiegels, an was er glaubt, wird der Witz schal. Seine Orthodoxie müsste nach dieser Variante nicht mehr durch das Hinzuziehen der Witwe belegt werden. S (103), Afl. (137) und P (182, 38f.) haben dies durch Eulenspiegels knappen Verweis, dass er dasselbe glaube wie seine Wirtin, effektiver gelöst. 22ff. And than sent the pope […] to the pope: Auch diese detaillierte Beschreibung, wie die Witwe zum Papst gerufen wird, entfällt in den anderen 439

Fassungen. Stattdessen erwähnen die anderen Versionen, dass Papst und Kardinäle sie namentlich kennen.

Seite 134 5f.

the holy churche: In L äußert die Wirtin, dass sie an »the holy churche« glaube, was mit Afl. übereinstimmt (137). Die Abweichung im französischen Text: »la saincte foy catholicque [Hervorhebung AHZ]« (182, 43) deutet dagegen schon den veränderten Rezeptionshintergrund an: Die Auseinandersetzungen im Zuge der Reformation führen offenbar zu einem gesteigerten Bedürfnis, die ›richtige‹ Kirche zu nennen. Ob dies als vorwegeilende Selbstzensur gesehen werden muss oder als Bemühung der Einbindung der Geschichten in die Verhältnisse vor Ort, kann nicht entschieden werden.

16f. And shortly after departed the pope with all his cardinalles into the palayce: Wie so oft, fehlt in Afl. und P gegenüber L der Hinweis auf das Gefolge des Antagonisten (»dont le pape fut bien content et le laissa aller« (182, 50f.). In S (103) ist zumindest erwähnt, dass der Papst sich zurückzieht und darüber hinaus sogar, dass er sich in den Palast begibt.67 18

I must haue my .C. ducates: Die wörtliche Rede Eulenspiegels in L ist näher an S mit der dort verwendeten indirekten Rede (»und mante sein Wirtin umb die hundert Duckaten, die müst sie ihm geben« (103)) als an der Afl.-/P-Version, in der lediglich vom Erzähler festgestellt wird, dass die Frau ihm da die 100 Golddukaten geben musste. Bei van Ghelen findet sich eine weitere Zufügung nach der Feststellung, dass die Frau ihm das Geld geben musste: »want hy haer teghen den Paus hadde doen spreken« (D.3.r); dies hat zwar in L keine Entsprechung, folgt aber wieder dem Muster der nichtgemeinsamen Abweichung.

19f. that he was the better for that Iourney to Rome: Hier macht der Rückverweis auf den Vers im Vergleich zu den anderen Fassungen nur halb Sinn, weil Eulenspiegel ja nicht ›besser‹ ist, wie er sagt und auch sein Verhalten dort nicht verbessert hat, sondern er höchstens als ›better off‹ bezeichnet werden kann, da er an seinem Rom-Streich so gut verdient hat.

67

Vgl. auch Brie (1903), S. 20.

440

Historie 23 Diese Historie sticht in der englischen Fassung durch ein völliges Missverständnis von entscheidenden Details sowie durch interessante Zufügungen und Auslassungen hervor und gibt so weiterführende Hinweise auf die Überlieferungssituation. 22

the Iewes: Bereits im Titel kommt eine interessante Abweichung von Afl. (137) und P (183) vor: Dort sind es drei Juden, die von Eulenspiegel betrogen werden, dagegen ist die Zahl in L – wie in S – nicht spezifiziert. Da sich die Zahl im weiteren auch unterscheidet (siehe S. 138, Z. 5f., bzw. S. 443f.), ist diese Veränderung bereits im Titel bedeutsam.

25

And as Howleglas went about the market: In der gesamten Historie findet sich in L eine merkwürdige Mischung aus Elementen, die ausschließlich in S vorhanden sind, und solchen, die eindeutig auf eine Tradition zurückzuführen sind, wie sie der flämische Text widerspiegelt. Selbst solche minderen Veränderungen und Übereinstimmungen wie »as Howleglas went about« in dieser Zeile machen stutzig, da sie in Afl. und P keine Entsprechung haben, in S aber ein »[a]lso gieng Ulenspiegel hin und her« (105) eine nicht von der Hand zu weisende Übereinstimmung mit dem englischen Text zeigt.

Seite 136 6ff. And when that the daye […] of durte: Ab dieser Zeile zeigt sich, dass der englische Text mit Sicherheit auch stark auf einen Text der flämischen Tradition zurückgreift. Im flämischen Text wird das topische »Poortegale« gebraucht um Eulenspiegels Produktion seiner anrüchigen Ware zu beschreiben. Auch der französische Text bedient sich dieses Euphemismus, allerdings mit einer Erklärung: »Et trouva environ Portingal, c’est a dire environ les portes des fesses, une figue« (183, 13f.).68 Auch, was mit der Feige gemeint ist, ist im französischen Text (wie natürlich im flämischen) klar. Der englische Text zeichnet sich dagegen durch zahlreiche Missverständnisse aus. Da der Bearbeiter offensichtlich genauso wenig verstand, was mit »Portyngale« wie mit »fyg« gemeint war, fügte er ausschweifende Erklärungen ein, die den Sachverhalt aber nicht

68

Vgl. auch Koopmans/Verhuyck (1988), Anmerkungen, S. 267.

441

erhellen. Die Geschichte wird hier so ausgesponnen, dass Eulenspiegel, anstatt die »Feigen« an seinem Hintern zu finden, des Morgens loszieht und seine Ware an einem Feigenbaum entdeckt. Offensichtlich erkannten die Bearbeiter aber zumindest, dass »Portyngale« von herausragender Bedeutung für die Historie ist und bauten es ein – allerdings eben ohne das Konzept zu verstehen. So wird aus Frankfurt eine Stadt in Portugal, vielleicht auch um den mysteriösen Feigenbaum zu erklären, den man in Frankfurt am Main kaum finden würde. Dass die Vorbereitung der Ware aber irgendetwas mit Eulenspiegels Hintern zu tun hat, erkannten die Bearbeiter dann doch. Jedoch ergibt auch die Weiterführung der Geschichte, dass sich Eulenspiegel die gepflückten Feigen in den Hintern steckt und dort mehrere Tage lässt »that they should not smell to muche of durte« (S. 136, Z. 13f.), wenig Sinn. Zur Verteidigung des Bearbeiters muss man vielleicht einfügen, dass trotz der Verdrehungen und Missverständnis am Ende das skatologische Motiv deutlich ist und den Fortgang der Historie nicht behindert, sondern trotz der erzeugten Absurdität klar ist. Für die Frage nach den Quellen für den englischen Eulenspiegel ist damit aber deutlich: Der Rekurs auf das »Portugal-Konzept« in L zeigt die Nähe zu einem Text in der flämischen Tradition, da dies in S nicht verwendet wird. Zudem ist erkennbar, dass der Bearbeiter des Textes kein Muttersprachler des Flämischen (oder des Französischen) ist, denn ansonsten hätte er den Witz verstanden. Diese Feststellung wirft allerdings eine weitere Frage auf, nämlich nach der englischen Sprachkompetenz des Bearbeiters. Der Begriff ›Feige‹ ist im (medizinischen) Sprachgebrauch des 16. Jahrhunderts durchaus noch mit dem After assoziiert,69 was einem Muttersprachler, der zudem offensichtlich versuchte der Historie Bedeutung abzuringen, nicht entgangen sein sollte. Im literarischen Sprachgebrauch findet sich der Begriff in variierenden Bedeutung; bei Shakespeare wird er beispielsweise nach der Sekundärliteratur entweder mit der ›spanischen Feige‹ assoziert,70 einer beleidigende Geste, bei der der Daumen zwischen zwei Fingern heraus- oder in den Mund gestreckt wird,71

69 70 71

Vgl. auch OED2. Vgl. auch ebd. Vgl. Shakespeare (1991), V, iii, Z. 115. Humphreys kommentiert diese Stelle im Sinne der ›spanischen Feige‹ (S. 175).

442

oder mit dem Geschlechtsakt.72 Anscheinend gibt es also mehrere Bedeutungsebenen, aber eine grundsätzliche Assoziation mit dem Unterleib kann vorausgesetzt werden. 16

and therin a house: Warum Eulenspiegel auf den Markt geht, dann in einem Haus die ›Ware‹ vorbereitet und schließlich wieder auf den Markt hinaustritt, leuchtet nicht ein. Der Vorgang der Vorbereitung (»he crussed these portingals fygges«) wird allerdings klarer und stimmt näher mit den anderen Textfassungen überein, wenn man sich die Variante in L1 anschaut. Das dort verwendete »trussed« bedeutet einpacken, einschlagen, was an dieser Stelle besser passt.

Seite 138

72

3

marchantes of diuers landes: Da dies in S fehlt, liegt nahe, dass sich L hier stärker an einer flämisch-französischen Vorlage orientiert (139 bzw. 184, 23).

5f.

two Iewes: In S (105), Afl. (139) und P (184, 26f.) treten drei reiche Juden an Eulenspiegels Stand heran, hier sind es jedoch nur zwei und auch über ihr Vermögen wird keine Aussage gemacht. Diese Abweichung ist sehr bedeutsam, da hier vielleicht Bearbeitungsmomente zum Ausdruck kommen, für die wir sonst keinen Beleg haben: Die diese Historie begleitende Abbildung zeigt einen Händler im Gespräch mit zwei Personen, nicht drei. Ist es möglich, dass sich der Bearbeiter hier stärker von der bildlichen Information hat leiten lassen als von einer Textvorlage? Dass seine Vorlage drei Juden nannte, daran kann wenig Zweifel bestehen, wenn man Z. 9f. (S. 138) hinzuzieht. Die Juden beraten sich, dann »sayde the oldeste Iewes of them all«, man solle die Beeren kaufen – bei einer Gruppe von zwei macht es allerdings wenig Sinn vom Ältesten von allen zu sprechen.

6

he had there to sell [ ]? and than: Welche unterschiedlichen Strata der englische Eulenspiegel enthält, erkennt man auch an solchen Auslassungen wie dieser: Während die Juden in Afl. (139) und P (184, 28) fragen, was er in den Seidentücher zum Verkauf anbiete, entfällt der Zusatz in L – aber auch in S (106) werden die Seidentücher nicht erwähnt.

Vgl. Partridge (2001), S. 134 u. S. 141.

443

12f. a great Iowel and comfort: Hier scheint in L ein völliges Missverständnis vorzuliegen – warum sollte die (zu verwendende, nicht zu bewahrende) Prophetenbeere ein Juwel sein? Ein Blick auf die Vergleichstexte zeigt, dass der englische Bearbeiter anscheinend »Jude« fälschlich als »Juwel« las und der Rest des Satzes entsprechend umgeformt wurde. Die Vorlage für die Passage ist insgesamt näher an Afl./P zu vermuten als an S, da letzterer Text den Sachverhalt negativ ausdrückt (»das uns Juden nit ein cleiner Trost wär« (105)), während er in Afl. (139) und P – wie in L – positiv dargestellt ist (»ce seroit a noz juifz un grant confort« (184, 35f.)). 21ff. And then the Iewes […] beleued him: Hier zeigt sich wiederum die Nähe von L zu Afl. (139) und P (184, 43f.), da S nicht erwähnt, dass sich die Juden von Eulenspiegels scharfer Antwort überzeugen lassen. 25

they brought it too the principall Iewe: L zeichnet sich durch eine große Anzahl von eigenständigen Zufügungen zum Textbestand, der den Übersetzungen gemeinsam ist, aus. Allerdings finden sich diese Zufügungen häufig an Stellen, an denen auch die anderen Überlieferungen in Gruppen divergieren. So findet sich hier in Afl. (139) und P (184, 47) die Aussage, dass die Juden nach Hause gehen, in S (106) – wesentlich spezifischer –, dass sie »zur Schule klopfen«.73

26

both olde and young: Diese Phrase steht im Gegensatz zum vorherigen Eintrag, da sich dieses Detail nur in S (106) findet, nicht in Afl. oder P. In K 1519/36 existiert der Zusatz in umgekehrter Reihenfolge: »jonck vnn alt« (F.1.r).

27f. than was there one stode vpon the scaffolde, that was cal ¦ led Akypna: Die Verstärkung, dass der Rabbi auf einer Plattform steht, ist in keiner der anderen Fassungen überliefert: Dort steht er nur auf. In der Form seines Namens folgt die englische Fassung allerdings eindeutig Afl. (139), wenn auch mit einer weiteren Verdrehung: Aus dem schon falschen Akypha (Geeraedts schlägt »Kaiphas« vor, abweichend von Grüningers und Kruffters »Alpha«74) wird hier Akypna, also liegt wohl ein Verlesen von ›h‹ als ›n‹ vor. Vergleicht man die unterschiedlichen Copland-Editionen, erstaunt jedoch die Verteilung der Unterschiede. Indem in L1 die ›richtigere‹ Form (»Akipha«) verwendet wird, legt sich nahe, dass dieser Druck

73 74

Vgl. Lindow (2001), S. 106, Fußnote 15. Vgl. Geeraedts (1986), S. 209. Vgl. auch Lappenberg (1854), S. 159.

444

vor L2 entstanden sein könnte, denn L2 und L3 führen dagegen die unkorrigierte falsche Form. Es ist leichter vorstellbar, dass aus »Akipha« (L1) »Akipna« (L2) wird, als dass in einem sonst wenig korrigierten Text mit einer Reihe von Druckfehlern ausgerechnet dieses Wort in der fehlerhaften Vorlage L2 von L1 wiederhergestellt wird. Allerdings steht dieser Befund dem in H 3, S. 72, Z. 10, bzw. S. 403 entgegen, wo die Vorrangposition für L1 in Frage gestellt wird. Honegger debattiert das Verhältnis der Drucke zueinander und kommt – unter anderem aufgrund der hier besprochenen Namensformen – zu dem Schluss, dass L1 als der frühere Druck zu betrachten sei,75 was jedoch weiterhin debattierbar ist. Für die ausführliche Analyse der Copland-Drucke und ihrer wahrscheinlichen Abfolge vgl. S. 57ff. Vielleicht ist diese Nachlässigkeit bei der Namensnennung nicht nur im mangelnden Redaktionsprozess in dieser Offizin begründet, sondern reflektiert zudem den Hintergrund des in England seit Jahrhunderten verschwindenden Wissen über das Judentum und demnach auch über jüdische Namen, da Juden nach ihrer Vertreibung am Ende des 13. Jahrhundert erst wieder unter Oliver Cromwell (1655) in England leben durften.

Seite 140 4f.

And he commaunded them to fast thre dayes: Ein kleiner Unterschied, der aber zeigt, dass L nicht P als Vorlage gehabt haben kann, ist der Befehl des Rabbis, man möge fasten und beten. In S (106) sowie in Afl. (139) geht diese Aufforderung an alle, in P sagt er, er werde das tun (»je juneray et priray« (184, 54f.) [Hervorhebung AHZ]).

5

in his mouth: Gleich in der nächsten Zeile jedoch finden wir wieder einen Widerspruch zu dem eben Festgestellten. Wie in P (184, 56) wird Isaak in L aufgefordert, die Beere in den Mund zu nehmen, was weder in S (106) noch in Afl. (139) gesagt wird (dort heißt es »einnehmen«).

9ff. There must be an other […] the holy ghost: Hier weicht L mit der Afl.P-Gruppe von S ab: In S (106) wird Eulenspiegels betrügerisches Versprechen, seine Ware führe zum Wahrsagen, sogar noch wahr,

75

Vgl. Honegger (1973), S. 51f.

445

indem der erste Jude, der davon isst, die Täuschung durchschaut und sie den anderen gleich mitteilt. In Abweichung davon findet sich in Afl.-P-L die Einfügung, er denke, er könne wahrsagen, weshalb er die anderen zur Teilnahme an diesem Glück auffordert. Erst die nächste Testperson entlarvt dann den Betrug. 11f. we are begyled for it is no other thynge but a turde: An dieser Stelle weicht zwar van Ghelen (»want het is en anders niet dan stront« (D.4.r) von van Hoochstraten (»want wi sijn betrogen, want het en is anders niet dan stront« (139)) ab und es scheint, als ob L eindeutig van Hoochstraten folgt; auf den zweiten Blick aber wird deutlich, dass durch den in L vorausgehenden Zusatz »I shall tell you the truthe« (zusätzlich zu »I am inspyred …«) wieder eine Textstelle vorliegt, in der eine kleine Verschiebung zwischen van Ghelen und van Hoochstraten mit einer Variante in L einhergeht.

Seite 142 Historie 24 3f.

446

and desired the horse oftentimes of the parson: Höchst interessant ist an dieser Stelle, dass der englische Text nur sagt, dass der Fürst das Pferd begehrt, während P (186, 7) und Afl. genau darstellen, was der Fürst dafür zu geben bereit ist: »hi soude daer meer voor geven dant weert is« (141). Diese Differenz ist deshalb so aufschlussreich, weil sich in S 1515 stattdessen findet »er wolt im darfür geben, daz ihn begnügt« (114) (ähnlich übrigens auch in K 1519/36 (F.3.r)) – aber in S 1510/11 »mer dan eß wert wer« (H 38, L.1.v). Letzteres deckt sich also mit Afl., P und auch mit S 1519 (Bl. lixb), aber eben nicht mit S 1515. Die Tatsache, dass es in L dagegen ganz fehlt, gibt uns zwar keinen sicheren Aufschluss über das Verhältnis zwischen L und S 1510/11, deutet aber darauf hin, dass L dies wahrscheinlich nicht als Vorlage hatte. Auch im nächsten Satz deutet ein Vergleich zwischen S 1515 und S 1510/11 darauf hin, dass Afl. sich an letzterem orientiert: Der Pfarrer erteilt dem Fürsten in S 1515 immer Absagen, »daz er daz Pferd nit wolt verlassen« (114). In S 1510/11 heißt es dagegen » wan so lieb hat er daz Pferd«, was eindeutig näher an Afl. ist (»want hijt so lief hadde« (141)) und sich auch mit P deckt (186, 8), in L allerdings fehlt. Dass dieser Zusatz auch in S 1519 (lixb) enthalten ist, wirft

einige Fragen auf. Die Kongruenz der Überlieferungslage in beiden Fällen ist ersichtlich. Die Passagen, bei denen die nichtdeutschen Fassungen mit S 1510/11 und S 1519 verglichen werden können, sind besonders interessant für die Analyse der europäischen Überlieferungstraditionen: Aus Übereinstimmungen zwischen S 1510/11 und Afl./P (entgegen S 1515) könnte hergeleitet werden, dass es sich bei letzteren um Abzweigungen vom Überlieferungsstammbaum handelt, die vor 1515 stattgefunden haben. Allerdings finden sich ja dieselben Übereinstimmungen mit S 1519, so dass Afl. und P, die zudem auf jeden Fall nach 1515 gedruckt wurden, entweder auf älteres, nicht mehr existierendes Material, das S 1510/11 ähnlich war, zurückgriffen oder aber auf S 1519. Ob die mögliche frühere Quelle eine ältere flämische Fassung war oder aber die vielgesuchte niederdeutsche Fassung, kann aufgrund des Fehlens einer tatsächlichen Ausgabe nicht festgestellt werden. Zieht man weitere Vergleichsstellen heran, an denen S 1510/11 und S 1519 voneinander abweichen (vgl. in dieser Historie, S. 142, Z. 3f., und S. 144, Z. 23f., bzw. S. 450), ist deutlich, dass L, Afl. und P einmal S 1510/11 folgen, dann aber wieder S 1519. Es kann also mit Nachdruck gesagt werden, dass weder S 1510/11, S 1515 noch S 1519 die direkte Vorlage für die nichtdeutsche Gruppe gebildet hat. Deren wechselnde Übernahme bestimmter Formulierungen aus S 1510/11 und S 1519 gibt aber einen unbestreitbaren Hinweis auf einen nun verlorenen hochdeutschen Druck, der näher an S 1510/11 oder an S 1519 gestanden haben muss als an S 1515. Die Position der englischen Fassung in diesem Geflecht ist schwierig zu lokalisieren, da die Copland-Fassungen erst um 1560 gedruckt werden, also chronologisch eine große Entfernung zu den anderen Überlieferungen aufweisen. Dass L mit größter Wahrscheinlichkeit auf eine veränderte, wenn auch prinizipiell niederländische Fassung zurückgreift – unter Zufügung einer deutschen S-nahen Quelle –, zeigt sich anhand der vielfältigen Abweichungen von Afl. zugunsten der Überlieferung in S. Die älteste englische Fassung von van Doesborch überschneidet sich zwar bezogen auf den Entstehungszeitraum eindeutig mit den anderen Fassungen, lässt aber aufgrund des Fragmentcharakters keinen Vergleich mit dem wiederum nur als Fragment vorliegenden S 1510/11-Text zu. 8

the parsons horse [ ]. Than aunswered the duke: P erwähnt im Alleingang Eulenspiegels Versprechen, das Pferd des Pfarrers umsonst zu bekommen (»Je vous livreray le cheval du prebstre franc?« (186, 11f.)). 447

9

my gowne of red chamblet, the on sleue set with pearles: Eine der kleinen, aber bedeutsamen Abweichungen: L führt in Übereinstimmung mit Afl. aus, dass der Fürst Eulenspiegel seinen Rock verspricht, der auf dem Ärmel mit Perlen bestickt ist (»ende die was root camelot met een mouwe van peerlen beset« (141)). In S (114) und P (186, 13f.) wird zwar der Perlenschmuck erwähnt, nicht aber der Ärmel.

11f. and he came […] he was welcome: Im Unterschied zu allen anderen Fassungen ist die Herberge, in die Eulenspiegel in L einkehrt, nicht mit dem Priester verbunden. Dies bewirkt später in der Historie einen Folgefehler, da Eulenspiegel in L eigentlich gar nicht hören kann, was passiert, nachdem der Pfarrer nach der Beichte fortgeht – die Voraussetzung ist, dass es sich in derselben Herberge abspielt. Auch Eulenspiegels Versuch den Priester nach seiner ›Genesung‹ zu bezahlen, macht in L somit weniger Sinn. 14f. and knew not how to do nor him to helpe: Die fast wörtliche Übereinstimmung mit K 1519/36: »vnn wisten niet rait wie sy den sachen doyn solten« (F.3.r) und S (114) an einer Stelle, die in Afl. und P fehlt, zeigt den Zugriff der englischen Fassung auf einen vom deutschen überlieferungsgeschichtlichen Zusammenhang beeinflussten Text.76 20f. examined him vnder confessione right buselye: Die wenigen Fälle, in denen L eine besondere Ähnlichkeit mit P aufweist, sind merkwürdig und steigern die Komplexität der Überlieferungssituation. Hier verwenden P und L fast denselben Ausdruck: »en le diligemment examinant« (186, 26) – entgegen Afl. (»ende ondervraechde hem neerstelic« (141)) und S (»fragen uff daz schärpffste« (114)) –, aber bei aller Nähe des gewählten Verbs ist auffällig, dass L nicht »diligent« benutzt, das doch im englischen Wortschatz auch gängig war,77 sondern »right buselye«. Gegen die Annahme bearbeiterischer Intention (Vereinfachung der Sprache für ein breiteres Publikum) spricht die Verwendung des ebenfalls französisch-lateinischen »examined«; vorstellbar ist noch eine zufällige Übereinstimmung des kirchlichen Beichtvokabulars im englischen und im französischen Wortschatz. Da die Beichte trotz der reformatorischen Bemühungen von Cromwell und Cranmer Teil der englischen Kirchenpraxis blieb (bestätigt im Act of Six Articles 153978), bestand wohl auch das zugehörige Vokabular fort. 76 77 78

Vgl. auch Brie (1903), S. 20. Vgl. OED2. Vgl. Guy (1990), S. 185.

448

Seite 144 6

And if it be any thinge that longes to me, I for geue you frely: Dieser etwas unklare Satz in L (bedeutet er »etwas, das mir gehört« oder »etwas, das mich betrifft«?), mit dem der Priester Eulenspiegel durch eine persönliche Vorababsolution zur Beichte verleiten will, ist in den anderen Texten deutlicher: Dort fragt der Priester nämlich, ob Eulenspiegel etwas gestohlen habe. Vielleicht wird in L aber auch durch die unklare Formulierung die dramatische Ironie verstärkt, da der Priester meint, er könne etwas vergeben, was ihn betrifft, was sich ja gegenteilig entwickelt.

9

that I wene that I shal dye: Eulenspiegels Erklärung, dass er nur zu beichten bereit sei, weil er sein Ende nahen fühle, fehlt in Afl. und P, findet sich aber in S (»ich entpfind und förcht, das ich bald von hinnen muß scheiden« (115)).

11ff. And than sayde Howleglas […] breake thy necke: In S (115), Afl. (143) und P (187, 52f.) spielt die Zahl fünf in der Verwünschung durch den Priester eine Rolle, nur L weicht auf ein allgemeines ›dafür hol dich der Teufel‹ aus.

79 80

16

that dyd I neuer: Die Antwort der Magd, dass sie das nicht getan habe, was hier vom Priester mit dem Vorwurf der Lüge beantwortet wird, hat diese Form nur noch in P (»La meschine dist que non« (187, 56)). In S (115) und in Afl. streitet sie die Anschuldigung selbst damit ab, das sei eine Lüge (»Die maecht seyde, neen dat waer geloghen« (143)).

20

blacke and blewe: Die blauen Flecken der Magd sind ein interessanter Indikator für die Beziehung zwischen dem englischen, dem französischen und dem flämischen Text. Folgt der französische Text dem flämischen meist aufs engste, findet sich hier doch eine merkwürdige Abweichung: Wie aus den Anmerkungen Koopmans/Verhuycks hervorgeht, ist das »bleue et noire« (187, 59) weder vom Flämischen abzuleiten (»al blau« (143)) noch aus dem Deutschen (S: »brun und bla« (115);79 K 1519/36: »bruin vnn blae« (F.3.v)) noch ist es idiomatisch. Im Englischen ist der Ausdruck ›black and blue‹ allerdings ein Idiom und es ist daher erstaunlich, dass dieses – wenn auch in umgekehrter Reihenfolge – im französischen Text auftaucht.80

Vgl. Koopmans/Verhuyck (1988), Anmerkungen, S. 268f. Vgl. auch Brie (1903), S. 20.

449

23f. what he had spend in his sicknes?: Zusammen mit S 1510/11 (L.2.v), S 1519 (lIIIIb), Afl. (143) und P (187, 64), aber gegen S 1515 (wo es fehlt) fragt hier Eulenspiegel, was er »in der kranckheit« verzehrt habe. Auch wenn es vom Befund dieses Zusatzes her so aussehen könnte, als ob sowohl der frühere als auch der spätere GrüningerDruck die Grundlage für Afl., P und L darstellen könnte, geht aus S. 142, Z. 3f., und S. 144, Z. 23f. (s. o.) hervor, dass dies nicht der Fall ist. 25f. for she was beate for his sake: Die Hinzufügung in L, warum die Magd auf Eulenspiegel wütend ist, fehlt in Afl. und P, deckt sich aber mit K 1519/36 (F.3.v) und S: »[d]ie waz gleichwol umb seinentwillen geschlagen« (115).81

Seite 146

81 82

3f.

and fel on his knees before hym: Dass der Pfarrer vor Eulenspiegel auf die Knie fällt, findet sich in allen Fassungen außer S 1515 und S 1519. Das bedeutet, dass auch hier wieder Afl. (143) und P (187, 70) enger mit S 1510/11 übereinstimmen – wo es »vnd vil vor yn zuo fuoß vn bat in« heißt (L.2.v) – als mit S 1515. Da allerdings S 1519 gegen S 1510/11 mit S 1515 geht – d. h. den Kniefall auslässt (Honegger spekuliert, dass die Bemerkung einer Zensurmaßnahme zum Opfer gefallen sein könnte82) – ist hiermit also belegt, dass Afl., P und L nicht direkt von S 1519 abstammen können. Z. 35 (S.28) aber zeigt, dass auch die frühere Grüninger-Version nicht die alleinige Grundlage für diese Gruppe gewesen sein kann.

9f.

I will not take them for my gowne: Dieser Satz stellt einen erzählerischen Lapsus dar, der L eigen ist. Dass es Eulenspiegel nicht wert ist, den versprochenen Mantel des Fürsten gegen die vom Priester gebotenen hundert Gulden einzutauschen, mag ihm sowie der Hörer-/Leserschaft klar sein. Dem Priester dagegen ist das Angebot des Fürsten unbekannt, weshalb dieser Satz hier im Erzählkontext keinen Sinn macht. Vorstellbar wäre ein innerer Monolog, in dem Eulenspiegel abwägt, ob die hundert Gulden den besseren Gewinn darstellen und er sich dennoch für den Mantel entschließt. Dieser Monolog wäre hier allerdings auf ein nur noch verwirrungstiftendes Überbleibsel reduziert.

Vgl. ebd. Vgl. Honegger (1973), S. 64.

450

13ff. And than came Howleglas […] that you loue so wel: Die Frage nach inneren Monologen und den Brüchen in der direkten Rede kann im Text häufig gestellt werden, da oft ein plötzlicher Wechsel von direkter in indirekte Rede stattfindet und umgekehrt. An dieser Stelle zeigen sich die Auswirkungen deutlich, da in L die Magd zu Eulenspiegel geschickt wird und ihm das Angebot des Priesters ausrichtet, Eulenspiegel dann aber nicht mit ihr verhandelt, sondern doch mit dem Priester direkt. In Afl. (143) und P (187, 74ff.) läuft der Handel über die Magd, in S allerdings ist wegen der indirekten Rede unklar, an wen sich Eulenspiegel richtet (116). Eine Vorlage, die diese Form hatte, könnte der Grund für die Abweichung in L sein. 22ff. And than he came […] than was he very glad: Während Eulenspiegel in Afl. und P ohne große erzählerische Abschweifungen dem Fürsten das Pferd übergibt und seine Belohnung erhält, hat S einen längeren Passus, der das Warten des Fürsten beschreibt (116). In L finden sich starke Ähnlichkeiten mit S: »da stund der Hertzog uff der Teghebrucken und sach Ulenspiegeln mit dem Pferd dahertraben« (116). – In beiden Texten wird erzählt, dass der Herzog nach Eulenspiegel Ausschau hält, was in den anderen Fassungen fehlt.83 26f. and he thanked hym greately for that gyft: Auch die Passage über die Entlohnung zeichnet sich durch deutliche Unterschiede und Übereinstimmungen zwischen den verschiedenen Texten aus, die aber nicht klare Abhängigkeitsverhältnisse enthüllen. Wie S hebt L hervor, dass Eulenspiegel sich bei dem Fürsten für den Mantel bedankt (»und was dem Hertzogen groß zu Danck« (116)), allerdings fehlt in L der Hinweis, dass Eulenspiegel zusätzlich zu dem Mantel ein Pferd erhält. Jedoch unterscheiden sich auch die anderen Fassungen untereinander, denn er bekommt in van Hoochstraten (143) und P (188, 86) noch einen weiteren Mantel, in S (116) und interessanterweise in van Ghelen (E.1.r) aber nicht. 30f. And the priest lowred […] so well before: Scheinen die Übereinstimmungen zwischen S und L also oft auf eine größere Nähe zwischen diesen Texten hinzuweisen, ist man doch bei diesem Satz schon wieder auf van Hoochstraten (145) und P (188, 90f.) zurückgeworfen: Nur bei letzteren wird erwähnt, dass der Priester von nun an Eulenspiegel hasste, der doch vorher sein Freund gewesen war, während dies in

83

Vgl. auch Brie (1903), S. 20.

451

S fehlt. Gegenüber van Hoochstraten erweitert van Ghelen den Satz um »seer weert ende euen« auf »dat hi te voren soo seer weert ende euen lief hadde« (E.1.v). Es ist aber fraglich, ob sich das »loved hem so well« [Hervorhebung AHZ] als Übertragung dieser Struktur verstehen kann, da in anderen Historien die Formulierung ›loved well‹ parallel zu ›seer lief hadde‹ steht (z. B. in H 36). Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass der englische Ausdruck die ausgedehnte van-Ghelen-Fassung (oder eine vergleichbare) nachbildet.

Seite 148 Historie 25 Diese Historie ist in L ungefähr doppelt so umfangreich wie in Afl. und P, allerdings nur durch die Ausführung der Dialoge und Wiederholungen und nicht durch signifikante inhaltliche Zufügungen. 3

452

At Dastland in Rosticke: Die ersten Wörter der ersten Zeile können einerseits als ein völliges Fehlen geographischer Kenntnisse des Bearbeiters für den Raum, in dem die Erzählung spielt, gedeutet werden. Er verdreht Ort und Region auf eine Weise, die auch durch »Estland« in der Textvariante L1 nicht gerade optimiert wird (bzw. ist die Vorlage bei chronologischem Vorrang von L1 über L2 nur insofern verschlechtert als dass der Ortsname entstellt ist, an der prinzipiell mangelnden geographischen Einsicht ändert sich auch in diesem Fall nichts). Da P (188, 1) und Afl. beide die richtige Angabe machen (»In Oostlant tot Rostic« (145)), zeigt sich der Fehler in L umso deutlicher und kann weder auf diesen Text noch auf S (oder den in K 1519/36 ähnlichen Text, vgl. F.4.r) zurückgeführt werden, da dort der Text »[z]u Rostock in dem Landt Mecklenburg« lautet (117). Andererseits könnte spekuliert werden, ob der Fehler bei der Bezeichnung der Region nicht einen anderen Grund haben könnte: Sollte »Dastland« eine verdruckte Version von »Darßland« sein – wobei eine solche Verwechslung durchaus möglich erscheint –, wären hier möglicherweise Spuren eines außertextuell verankerten Wissens des Bearbeiters über die Region sichtbar. Das Wissen um Rostocks Nähe zum Darß ergäbe, beispielsweise kombiniert mit dem Wissen, dass in dieser Gegend Reetdächer üblich waren (vgl. die Erläuterungen zu S. 152, Z. 3, unten), ein interessantes Bild der Vertrautheit des Bearbeiters über die Hanse-Region. Allerdings

stehen dieser Vermutung die offensichtlich mangelnden geographischen Kenntnisse des Bearbeiters, die sich an anderer Stelle zeigen (vgl. z. B. H 42) entgegen. 6

felowe doo thus. Bere the bellowes vpright: Im englischen Text wird nicht der Idiolekt des Schmieds zum Anlass für Eulenspiegels Streich: Die Wiederholung seines Satzes, wie wir ihn in S (117), Afl. (145) und P (188, 3ff.) finden, kommt hier nicht vor. Eulenspiegels Verhalten leuchtet nach der Anweisung des Schmieds in L, die Blasebälge aufrecht zu führen, weniger ein als nach der Aufforderung in den anderen Fassungen, mit den Bälgen zu folgen.

7

into the garden: Nur in P (189, 6) und in L geht der Meister in den Garten, in S (117) und Afl. (145) geht er in den Hof.

8

on his necke: In Afl. (145) und P (189, 7) wird nur gesagt, dass Eulenspiegel den Balg nimmt, in S dagegen – wie hier –, dass er ihn sich auf den Hals lädt (117).

9

was a shytinge: In S (117), Afl. (145) und P (189, 6) tritt der Meister auf den Hof um Wasser zu lassen. L ist wesentlich expliziter.

13ff. and ryght lothe he was […] for to worke: Während in den anderen Fassungen der Schmied nur darüber nachdenkt, wie er Eulenspiegel eins auswischen kann, ist die Idee in L schon Realität geworden. Allerdings bleiben die Fassungen konsistent bei der Anzahl von Tagen, die sie hier nennen (Afl. (145) und P (189, 13) sieben, L acht). Nur in S legt der Schmied seinen Plan auf fünf Tage an und verlängert ihn auf acht (118), als ihn Eulenspiegel nach dem Sinn seiner Anweisungen fragt. 27f. that my men […] halfe the nyght: Die Unterschiede zwischen den Fassungen überschreiten in diesem Satz alle Grenzen und entziehen sich so klaren Traditionszuordnungen: Während L, so wie S, die Dauer des Schlafentzugs mit acht Tagen beziffert, sind es in Afl. und P sieben (s. o.). Dennoch weicht Afl. insofern von P (und in diesem Fall auch von S und L) ab, als dass es die Worte, die erst die Grundlage für Eulenspiegels Vorgehen liefern, folgendermaßen überliefert: »Dat is mijn maniere dat mijn knechten die erste .vij. daghen niet meer dan eenen halven nacht op haer bedde en ligghen« [Hervorhebung AHZ] (145). Dass Eulenspiegel sich sein Bett aufbindet und sagt, das sei seine Gewohnheit, dass er eine halbe Nacht auf dem Bett liege, dann das Bett eine halbe Nacht auf ihm, macht nur vor diesem Hintergrund Sinn. Allerdings verzichtet L auf diesen Wortwitz (s. u.). 453

Seite 150 4

wil not that vngracious felow arise: Die Reaktion des Schmieds, die in den anderen Fassungen mit der Frage, ob Eulenspiegel verrückt sei, eingeleitet wird, ist hier reduziert worden, was schon Eulenspiegels Wortwitz vorbereitet. Die Frage nach Eulenspiegels Geisteszustand findet sich dagegen in L schon in Z. 12 (S. 148), wo sie allerdings eine übertrieben scharfe Reaktion auf Eulenspiegels Heraustragen des Balgs darstellt.

8f.

For whan that I haue slept […] thei other halfe of the nyghte: Siehe S. 148, Z. 27f.

9f.

Than began the smyth to waxe angry: Außer in L wird nur in S (118) bemerkt, dass der Schmied zornig wird.84

18ff. Than asked he […] than will I go loke: Dieser Austausch zwischen dem Schmied und seinen Gesellen – in S übrigens nur einer (118), nicht mehrere wie in Afl. (145), P (189, 40) und L – fehlt in den anderen Fassungen. Dort begleiten sie ihren Meister und sehen den Schaden, den Eulenspiegel angerichtet hat, selbst. 26

a sworde: An dieser Stelle gehen Afl. (147) und L gegen S (119) und P (189, 43) zusammen: In den letzteren holt der Meister einen Spieß, um Eulenspiegel nachzusetzen, in Afl. und L ein Schwert.

Seite 152 3

84

And than he caused his house to be newe thatched agayne: Der Schlusssatz der Historie ist in Afl. (147) und P (190, 49), dass der Schmied das Dach neu decken ließ (soweit stimmen sie mit L überein), als – oder weil – Eulenspiegel weg ist. Interessant ist der Lokalcharakter, der in L zum Ausdruck kommt (vgl. Anmerkungen zu dieser Historie oben, S. 148, Z 3, bzw. S. 452): Das Dach wird nicht neu mit Ziegeln gedeckt, sondern mit einem neuen Stroh- oder Reetdach versehen (thatched), so wie es in London vor dem großen Brand von 1666 noch üblich war. In S endet die Historie mit der Betrachtung des anderen Knechts: »An solich Companion ist nit vil zu gewinnen. Wer Ulenspiegel nit kennt, der hab nur mit ihm zu thun, der lert ihn kennent.« (119).

Vgl. auch Brie (1903), S. 21.

454

Historie 26 Ab dieser Historie ist das van-Doesborch-Fragment (Ae. 1519?) in der vorliegenden Edition L2 als Paralleltext zur Seite gestellt, die Zeilenangaben richten sich aber weiterhin nach der Edition. Erstaunlich ist die enge Übereinstimmung der Texte: Unterschiede beschränken sich meist auf Schreibung/Lautung, Präpositionen, Pronomen oder Modalverben, weshalb im Folgenden nur die bedeutungsverändernden Varianten analysiert werden, ansonsten aber von einer Übereinstimmung von Ae. 1519? und den Copland-Texten ausgegangen werden kann (daher gilt L = Ae. 1519? plus Copland-Ausgaben, wenn nicht ausdrücklich anders gesagt). Im Hinblick auf die anderen Fassungen ist bemerkenswert, dass die Passagen, die in L fehlen, sich in S, Afl. und P meist entsprechen. 6f.

and vpon a tyme the shomaker had busynes in the towne: S (126), Afl. (147) und P (190, 2f.) leiten die Historie mit der Beschreibung des Schneiders als arbeitsfaul ein – er geht lieber auf den Markt als zu arbeiten. Diese ›Motivation‹ für den Fortgang der Handlung fehlt in L, wo nur festgestellt wird, dass er weg muss.

7ff. and bad him […] he should cut them: In Afl. und P korrespondieren die folgenden Sätze nahezu wörtlich: »Une journee dist Ulespiegle quant son maistre wyda de la maison: Quelle facon tailleray je?« (190, 4ff.; Afl.: 147), auch K 1519/36 ist ihnen ähnlich (G.2.v). Dagegen deckt sich die Paraphrasierung in L mit S: »[U]nd hieß Ulenspiegeln zuschneiden. Ulenspiegel fragt, was Facon er haben wolt.« (126).85 10f. And than departed the cordiner: Der Abgang des Schuhmachers findet nur in L, S (127) und K 1519/36 (G.2.v) Erwähnung, nicht in Afl. und P. 12

85

oxen and shepes fete, and swyne: Die Liste der Formen, die Eulenspiegel schneidet, ist in den anderen Fassungen bedeutend umfangreicher. Merkwürdig ist hier, dass er in L »oxen and shepes fete« [Hervorhebung AHZ] produziert, nicht einfach die Umrisse der Tiere, wie in S, Afl und P. In der Konsequenz entsteht dadurch allerdings in Afl. und P ein logischer Fehler, da sie im Folgenden ebenso wie in L (siehe S.60, Z. 28) die Wut des Schuhmachers beschreiben als er sieht, dass Eulenspiegel das Leder zu Tierklauen verschnitten hat (Afl.: »clauwen« (147), P: »ongles« (190, 10)), anstatt dann bei den Tierformen zu bleiben.

Vgl. auch Brie (1903), S. 21.

455

18

thou leest: Der Vorwurf der Lüge verbindet S (127) und L. In P (190, 14) und Afl. (147) sagt der Meister nur, dass dies nicht so sei, in K 1519/36: »ich hain dich dat niet heissen verderuen« (G.2.v).86

Seite 156 4

that I byd you: Eine minimale Abweichung zwischen Ae. 1519? und den Copland-Drucken spiegelt eine Trennung zwischen S einerseits und Afl. und P andererseits wieder: Während in Ae. 1519? der Meister ironisch sagt »ye do all thynges as men byd you« (Z. 4), steht in Copland »ye do al thyng that I byd you« [Hervorhebungen AHZ]. Afl. (149) und P (191, 32) teilen die unpersönliche Formulierung van Doesborchs, dagegen formuliert S »waz ich dich heiß« (128), so wie Copland.

4f.

Thei that do as the be byd: the be worthy to haue thanke: Eulenspiegels Replik auf die Ironie des Schuhmachers lautet in den anderen Fassungen ganz anders als hier. Nicht: »Der, der das tut, was ihm aufgetragen ist, verdient Dank«, sondern: »[Il] ne sera batu tant qu’il est possible« (191, 34).

10

to his chamber, [ ] and whan he was come home: Zwischen van Hoochstraten und van Ghelen findet sich hier ein minimaler Unterschied: Ersterer hat »ende ghinc uten huyse wel een ure« (149), während letzterer die Ortsangabe verkürzt: »ende ghinc wt wel een vre« (E.2.v). Für das Verhältnis der niederländischen Quellen zu den englischen Fassungen ist aber bezeichnend, dass auch die kleinste Abweichung in der flämischen Überlieferung sich in einem deutlichen Unterschied in der englischen Edition widerspiegelt. In L fehlt der Hinweis auf den Zeitraum, in dem der Schuster abwesend ist, ganz.

13

all for the left fote: Nur P (191, 49) erwähnt wie L, dass alles für den linken Fuß zugeschnitten ist, S und Afl. nicht.

13f. Than whan his maister ¦ sawe all his lether cut for the left foote: Van Hoochstraten fügt in dieser Passage nicht nur etwas mehr ein als van Ghelen: »Als die meester thuis quam sach hi sijn leer versneden« (149) (van Ghelen: »Als de meester al zijn leer versneden sach« (E.2.v)), sondern er verändert damit auch die Satzstellung. L deckt sich jedoch stärker mit van Ghelen, wenn es auch von beiden flämischen 86

Vgl. ebd.

456

Texten durch den Hinweis abweicht, dass das Leder für einen Fuß zugeschnitten wurde, nicht nur – wie in den flämischen Texten – dass es verschnitten wurde. Wie in den anderen Fällen zeichnet sich auch hier ab, dass L an den Stellen, an denen die flämische Überlieferung schwankt, ebenfalls Abweichungen im Hinblick auf eine nahe flämisch-englische Überlieferung aufweist.

Seite 158

87 88

7f.

If that I should kepe you long […] goe a beggyng: Der Ausspruch des Schuhmachers unterscheidet sich in allen Fassungen. Der französische Text kommt dem englischen am nächsten, da sich dort der Hinweis auf den Bankrott findet (191, 55f.). Der flämische Text (»Ic soude u wel soo lange heten dat ic met u soude tUytkerken comen« (149) weicht aber wiederum vom deutschen ab: »Ich ließ dich wol so lang, daz ich mit dir müste an den Galgen lauffen!« (128).

10

The hyde of a bul wyl make two hydes: L schlägt sich hier auf die Seite von van Hoochstraten (149), wo ebenfalls der Verweis auf die Möglichkeit gemacht wird, mehr Leder aus der Haut eines Stiers zu produzieren. Dass diese Stelle überlieferungsgeschichtlich problematisch ist, zeigt sich an der Zufügung van Ghelens (die weiter von L entfernt ist, aber den Sinn von Eulenspiegels Ausspruch erhellt), der nach: »de verre oft stier can wel leer maken« noch ergänzt: »maer ick niet« (E.2.v). S (128) und P (191, 58) sagen dagegen übereinstimmend, dass der Gerber mehr Leder herstellen könne. Der Vorschlag von Koopmans/Verhuyck, dass es sich in P um einen typographischen Fehler handeln könnte (die Verwechslung von »taneur« (Gerber) und »taureau« (Stier))87 ist plausibel, würde allerdings sowohl bedeuten, dass van Hoochstraten und L auf eine hier bessere Vorlage zurückgehen, als auch, dass S nur eine korrupte (vom Französischen abhängige) zur Verfügung stand. Diese Argumentation würde im Einklang stehen mit den Bemühungen Koopmans/Verhuycks im Sinne ihrer spielerischen ›Maximalhypothese‹:88 Die Wertigkeit der französischen Editionen wäre darin im Überlieferungsgeflecht erhöht; dies läge begründet in den besseren Lesarten, die eine mögliche Herleitung aus einer mög-

Vgl. Koopmans/Verhuyck (1988), S. 30. Vgl. ebd., S. 113ff.

457

lichen niederdeutschen Quelle abbilden würden. Wie die Autoren selbst einräumen, ist diese These problematisch, aber sie ist m. E. eine interessante Möglichkeit, die oft tatsächlich gegenüber dem Flämischen überraschend guten französischen Lesarten zu erklären. 12

and so departed he fro thence: Es findet sich in den Fassungen eine Abstufung der Präzision bei der ›Ortsangabe‹: In Afl. (149) und P (191, 60) verlässt Eulenspiegel explizit die Stadt, in L geht er von dort weg, in S reduziert es sich noch stärker auf »gieng hinweg« (128) und noch mehr in K 1519/36: »gieng hyn« (G.3.r).

Seite 160 Historie 27 3

of the Shoemaker [ ], whereof the Shoemaker: Die Angabe, dass der Schuhmacher in Wismar ist, ist in S (134), Afl. (149) und P (191, 1) vorhanden, fehlt aber in L.

4

and that herynge Howleglas, returned agayne: Die Satzsyntax scheint in van Hoochstraten (149) und P (191, 2f.) zu einem Missverständnis geführt zu haben. Dort ist der Schuhmacher betrübt, als er merkt oder hört, dass ihm Eulenspiegel große Verluste zugefügt hat, was wenig Sinn macht, da man davon ausgehen sollte, dass ihm diese Tatsache bekannt ist. Die Satzaufteilung in S (134) und L dagegen, nach der Eulenspiegel wieder zurück in die Stadt kommt, als er von der Reaktion des Schuhmachers hört, spricht zwar nicht für Eulenspiegels Charakter, ist aber sinnvoller. Auch van Ghelens Fassung ist ein Indikator dafür, dass die Vorlage problematisch war. Zwar fällt bei ihm die Erwähnung aus, dass Eulenspiegel vom Kummer des Schuhmachers gehört hat, aber dafür ist van Ghelens Text – im Unterschied zu van Hoochstratens – in sich stimmig: »Als Ulespieghel den schoenmaker tot Wismaer veel leers bedoruen hadde was de schoenmaker seer bedroeft: ende Ulespieghel quam weder in die stadt« (E.2.v). L scheint eine Mittelstellung einzunehmen, vorstellbar wäre aber auch, dass es einen Stand abbildet, der vor van Hoochstraten liegt. In diesem Fall wäre der Verständnisfehler erst bei dieser ersten überlieferten flämischen Edition anzusetzen.

Seite 162 7f.

458

Howleglas made the heades of the best barells, to be broken vp: Das Aufbrechen der Tonnen wird in L, S (135) und Afl. (151) geschildert, nicht aber in P.

12

gyldens: Ae. 1519? verwendet durchgehend »guylders« (Z. 11), wo L »guyldens« benutzt.

14

and than departed he: Während in Coplands Drucken nur berichtet wird, dass Eulenspiegel das Geld in Empfang nimmt und dann verschwindet, wird in S (135), Afl. (151) und P (192, 24f.) noch erklärt, dass er Zweifel am Ausgang der Sache hatte. In Ae. 1519? (Z. 14) findet sich eine andere Zufügung, nämlich dass Eulenspiegel froh war.

Seite 164 1

And than he hyred a seruaunt: Diese Zeile bietet die interessanteste Abweichung zwischen Ae. 1519? und den anderen englischen Drucken: Wie Afl. (151) und P (192, 27) berichtet van Doesborch (Z. 1), dass der Schuhmacher »many felowes« anstellt, um ihm bei der Arbeit zu helfen. Obwohl S zunächst eine nicht spezifische Bitte um Hilfe beschreibt (135), geht doch aus der nächsten Zeile hervor, dass es mehrere Schuhmacherknechte sind. In Copland dagegen holt sich der Schuhmacher nur einen Knecht dazu, was aber schon ein paar Zeilen weiter nicht mehr mit der Erzählung in Einklang zu bringen ist, wenn ein Dialog stattfindet, an dem eindeutig mehrere Knechte partizipieren.

Seite 166 Historie 28 3

serued Howleglas a taylar [ ], and the tayler: Auch in dieser Historie fehlt in L die Ortsangabe (Berlin), die die anderen Fassungen bieten.

3f.

if that he coulde sowe woll a clothe: Ein geringfügige Abweichung wirft hier m. E. viele Fragen auf: Die Frage des Schneiders an Eulenspiegel in Copland stimmt zwar nicht wörtlich mit S überein, wo es heißt »wilt du neigen, so nei wol« (140) [Hervorhebungen AHZ], lässt aber aufhorchen. Vergleicht man nämlich damit das Flämische »[a]ls ghi wilt nayen soe nayt wel ende dichte« (151), ist es frappierend, das sich van Doesborch nicht nur für die ›well-Form‹ entschlossen hat, sondern dem Flämischen auch darin enger folgt, dass es »and close« verwendet (Z. 3) (so übrigens auch im Französischen (193, 3)). Das »a clothe«, das sich in L2 findet, ist dagegen ohne eine weiter qualifizierende Präposition wie »on« sinnlos. Berücksichtigt werden muss daher die L1-Variante, in der sich die genannte Präposition findet. Abhängig von der Chronologie der Copland-Ausgaben handelt es 459

sich entweder um eine Korrektur von L2 oder um eine richtigere Form in L1 als Vorlage, die L2 fehlerhaft übernimmt. Vgl. auch H 23, S. 138, Z. 27f.89 4f.

And than said Howleglas yes. And than went Howleglas: An dieser Stelle steht S 1510/11 allein mit dem Zusatz: »Ulenspiegel sagt ja vnd stet vff und nimbt« [Hervorhebung AHZ] (Bl. LXVII, N3v). Damit steht fest, dass der frühere Grüninger-Text nicht die direkte Quelle für die flämisch-französisch-englische Gruppe gewesen sein kann, da sich für diesen Einschub bei ihnen kein Zeugnis findet. Dass Eulenspiegel die Frage mit »ja« beantwortet, gibt außer L nur S an (140). Allerdings ist hier sicherlich bedeutsam, dass S 1510/11 hier dem »Ulenspiegel sagt ja« noch »vnd stet vff« hinzufügt, was in S 1515 fehlt. Solche Diskrepanzen legen nahe, dass L ein Text vorlag, der sich näher an S 1515 orientierte als an S 1510/11. Weil Afl. und P sich aber an manchen Stellen eher mit S 1510/11 decken als mit S 1515, muss in der Beziehung zwischen diesen Drucken und L ein Zwischenschritt liegen.

9

that euery man might see [ ] And than the thyrde night: Die Abhängigkeiten zwischen den Fassungen und Hinweise auf Vorlagen werden auch in dieser Zeile nicht unbedingt erhellt. Ae. 1519? enthält in Z. 7f. Eulenspiegels Antwort, dass er so nähen wolle, dass es jeder sehen könne: »and he sayde he wolde«. Im französischen (193, 11) wie im flämischen Text wird eine Ergänzung verwendet, die dem inhaltlich sehr nahe kommt: »[e]nde Ulespieghel dede also« (151). In S fehlt dies aber ebenso wie in den Copland-Drucken.

Seite 168 11

fowre dayes: Der Zeitraum von vier Tagen wird ebenfalls in S (141) und K 1519/36 (H.2.r) genannt, wogegen Afl. (153) und P (193, 30f.) unpräzise drei oder vier Tage angeben.

12f. but it lacked the sleues [ ] Than the maister: L und S stellen lediglich fest, dass die Ärmel fehlten, dem gegenüber haben Afl. (153) und P (193, 33) den Zusatz, dass die Ärmel nicht in den Rock genäht waren.

89

Vgl. auch Brie (1903), S. 21f.

460

Seite 170 2

a balke: In allen anderen Fassungen wird der Rock an einem Haken aufgehängt, nur hier an einem Balken.

8

and they will not abyde theron: Eulenspiegels ultimative Beleidigung der Intelligenz des Schneiders, nämlich dass die Ärmel nicht hätten kleben wollen, teilt L mit S (142), während sie in Afl. und P fehlt.90

9

It is my faute: Übereinstimmend mit S (142) verwendet der Schneider im englischen Text diese Worte – allerdings macht sein Eingeständnis als Aussage im Kontext des folgenden heftigen Streits weniger Sinn denn als ironische Frage im deutschen Text.

13

al the day long: Auch hier geht L wieder mit S (142) gegen Afl. und P mit der Ergänzung, dass der Schneider doch jetzt den ganzen Tag nähen solle.91

Seite 172 1

And as the wer thus chiding: Dass der Schneider Eulenspiegel im Zank anspricht, steht wiederum nur in S (142) und L. In K 1519/36 spricht zwar der Meister Eulenspiegel auch an, aber »im Zank« wird ausgelassen (H.2.r).

2

that he had brenned that night: In Afl. und P verlangt der Schneider von Eulenspiegel, er solle die Kerzen bezahlen. Nur in S (142) und L wird noch hinzugefügt, Eulenspiegel habe diese in der Nacht brennen lassen.

3

but tooke all his clothes: Neben L erwähnen sowohl S (142) als auch Afl. (153), dass Eulenspiegel seine Sachen zusammenrafft. In P fehlt diese Stelle.

Historie 29 6

90 91

throughe his sottle disceytes: Im Historientitel zeigt sich eine größere Abweichung zwischen Ae. 1519? und den anderen englischen Drucken, da der Einschub »throughe his sottle disceytes« in diesen keine Entsprechung hat. Ae. 1519? ist so mit dem knapperen Titel näher an den anderen Texten als an denen Coplands. Im Folgenden sind die

Vgl. auch ebd., S. 22. Vgl. auch ebd.

461

Unterschiede wieder minimal. Wie in den anderen Fassungen werden hier zwei Historien aus S (57 und 58) zu einer zusammengenommen. Ob dafür eher die Überlegung verantwortlich war, dass es sich im zweiten Teil um eine Fortsetzung handelt oder dass Eulenspiegel am Ende des ersten Teils eigentlich – und ausnahmsweise – als Verlierer aus dem ›Gefecht‹ hervorgeht, weshalb die direkte Anfügung des zweiten Teils nötig ist, um die Balance wiederherzustellen, darüber kann nur spekuliert werden. 8

to Lubeke [ ], where is very straight Iustice: Die Erklärung, Eulenspiegel sehe sich besonders vor, weil er sich der Härte des Gesetzes bewusst ist, wird in allen Texten gemacht, nicht aber in L.

Seite 174 2f.

462

and he hid the empty pot that no man saw it: Ab dieser Zeile findet sich wieder einer der interessanten Fehler in der englischen Überlieferung. Es wird beschrieben, wie Eulenspiegel die zwei Krüge nimmt, von denen einer mit Wasser gefüllt ist, der andere leer. Sinnloserweise versteckt er dann den leeren Krug unter seinem Mantel, den er aber in der nächsten Zeile dann dem Weinzapfer reicht. In allen anderen Fassungen versteckt er den vollen Krug unter dem Mantel – und nur das macht Sinn. Einen Hinweis darauf, wie dieser Fehler zustande gekommen sein könnte, findet sich in S. Hier heißt es: »und nimpt in ein Kanten Wasser und lat die ander Kanten ler. Die trug er under dem Rock verborgen, da daz Wasser in waz, und die ledig Kanten trug er offenbar.« (165). Wenn man diese Sätze unaufmerksam liest – oder wenn eine andere Interpunktion vorliegt –, lässt sich leicht missverstehen, dass er die Kanne unter dem Rock verborgen trägt, in der das Wasser war. Bei der an dieser Stelle ebenfalls auftretenden Abweichung zwischen S und K 1519/36 bleibt L dichter an S. K 1519/36 bietet keinen Raum für eine Fehlkonstruktion: »ded die einn vol wassers, vnn ließ die ander ledich die mit dem wasser verbarch he vnder den rock. die ledige droich he offenbair« (I.2.v). Da wir allerdings schon in den bisher besprochenen Historien gesehen haben, dass weder van Doesborchs noch Coplands Texte direkte Übersetzungen von S darstellen, kann die Frage nach der Vorlage ebenso wie die nach der Entstehung dieses Fehlers nicht wirklich geklärt werden. Dass das Problem mit dem Konzept des Betrugs aber anscheinend tiefergehend ist, zeigt

sich in L nachfolgend auf S. 176, Z. 7, bzw. siehe unten, S. 465. Einen weiteren Hinweis auf die schwierige Vorlagensituation stellt auch hier die Abweichung zwischen van Hoochstraten und van Ghelen dar. Zwar kann der Fehler in L weder von van Hoochstratens Text abgeleitet werden (»ende hi nam twee ghelijcke kannen die een vol waters dien hi onder sinen mantel verborgen hadde, ende die ander was ydele ende die droech hi openbaer« (155)) noch von van Ghelens (»ende hi nam twee gelijcke cannen / die hi onder sinen mantel verborgen hadde / deene vol waters / ende dander ydel ende die droech hy openbaer« (E.4.r)), aber dass die Unsicherheit der flämischen Überlieferung sich mit einer korrupten Stelle in L deckt, ist vielsagend. Mit dieser fehlerhaften Passage kann auch der enge Zusammenhang zwischen Ae. 1519? und Coplands Drucken verdeutlicht werden: Da beiden der Fehler gemeinsam ist, müssen beide dieselbe Vorlage gehabt haben. Dass die späteren englischen Ausgaben direkt von Ae. 1519? abstammen, ist aber aufgrund der Unterschiede zwischen beiden Texten sowie der abweichenden Anlehnungen an andere Traditionslinien, die in den folgenden Historien aufgeführt werden sollen, höchst unwahrscheinlich. 5

he brought it vp to howleglas: Die Ausschmückung, dass der Weinzapfer hier erst in den Keller gehen muss (an dieser Stelle könnte es sogar noch als ›hochreichen‹ gedeutet werden, aber wie aus den weiteren Beschreibungen deutlich wird, handelt es sich tatsächlich um einen eingeschobenen Gang in den Keller), um die Kanne zu füllen, ist den anderen Fassungen unbekannt. Sie macht den unbemerkten Austausch der Kannen auch nicht plausibler, da dieser ja in dem Moment stattfinden muss, in dem der Zapfer Eulenspiegel die volle Weinkanne reicht bzw. die Wasserkanne entgegennimmt.

8

.x. miten: Die Abweichungen zwischen den Zähleinheiten sind auffällig: In Ae. 1519? soll Eulenspiegel 10 wytten zahlen (Z. 8), in L2 miten, in S Pfening (165), in Afl. wiederum witten (155), in P deniers (195, 16). Ein weiterer Hinweis auf die unterschiedlichen Traditionslinien von K 1519/36 und L findet sich darin, dass der Kölner Druck als einzige Fassung ».xij. pennynck« angibt, während L mit der Zahl zehn den übrigen Fassungen folgt. An der Textgestalt von L2 ist Folgendes bemerkenswert: Im frühneuzeitlichen England ist »mite« als Währungseinheit bekannt; man begegnet ihr beispielsweise in der King-James-Bibel von 1611 im Gleichnis von der Wiwe, 463

deren guter Wille wichtiger ist als die geringe Summe, die sie geben kann: »And there came a certain poor widow, and she threw in two mites, which make a farthing.« (Mk. 12, 43).92 Interessant ist, dass der spätere englische Text mit »mite« eine ursprünglich flämische Kupfermünze (also von sehr geringem Wert) benennt, also eine aus dem flämischen Raum übernommene Einheit, und sich doch vom früheren englischen Text van Doesborchs entfernt, der eine Form wählt, die noch dichter am Flämischen steht. 9

.viii. miten: Alle Fassungen gehen zusammen gegen S, indem sie Eulenspiegel mit acht Einheiten ausstatten, wo bei S nur sechs stehen (165).

9f.

wyll ye sette an other pryce on the wyne than the lordes ›haue› set?: Im Unterschied zu Afl. (155) und P (195, 21) (nach Koopmans/Verhuyck, bedeutet ›dernier ordinaire‹ »prix fixe«93) weisen L und S (165) darauf hin, dass der Preis vom Rat (den Herren) festgelegt ist.94

Seite 176

92 93 94

3

ye wene ye be a foole?: Die rhetorische Frage des Weinzapfers in L2, ob Eulenspiegel glaube, er [d. h. Eulenspiegel] sei ein Tor, macht wenig Sinn, wogegen sie in der Fassung L1 mit »ye wene I be a foole« klar ist. Dies lässt zwei Deutungen offen: Entweder ist L1 eine korrigierte Version von L2 oder L1 ist die fehlerfreie Vorlage, die L2 fehlerhaft reproduziert. Da die anderen Fassungen, inklusive Ae. 1519? (Z. 3), den Fehler nicht machen, stellt sich die Frage, woher er bei L2 kommt. Es handelt sich offensichtlich nicht um einen Setzfehler, sondern zeigt mangelndes inhaltliches Verständnis.

3f.

ye be begyled of a foole: Die sowohl in van Doesborch (Z. 3f.) als auch in Copland gegebene kurze Antwort Eulenspiegels wirft zusätzliche Fragen auf. In P beispielsweise liest sich die Antwort folgendermaßen: »Je voy bien que tu es un fol, car nul n’est si sage qu’il ne se laisse bien aucunes fois tromper des folz, combien que vous soyez un tavernier de vin.« (195, 30ff.), wovon sich das englische »ye be beguyled of a foole« deutlich unterscheidet, nicht nur durch die Kürze. Während Eulenspiegel in S (165), Afl. (155) und P dem

Vgl. The Holy Bible (1927). Koopmans/Verhuyck (1988), Anmerkungen, S. 271. Vgl. auch Brie (1903), S. 22.

464

Weinzapfer im Klartext sagt, er sei ein Tor, sagt er in L nur, dass der Weinzapfer von einem Toren betrogen worden sei. Seltsam daran ist, dass Ae. 1519? diese Version teilt, nachdem es oben mit den anderen Fassungen gegen L2 gegangen ist. Dennoch hat der Dialog in Ae. 1519? eine gewisse Stringenz (»Du glaubst wohl, ich sei ein Tor?« »Nein, du bist aber von einem Toren betrogen worden.«). 6

ouer toke hym: Die Verwendung von »ouer toke« weist hier auf einen engeren Zusammenhang mit S als mit den anderen Traditionen: Nur in S wird gesagt, dass der Weinzapfer Eulenspiegel »uberkumpt« (166). Allerdings weicht die Bedeutung des deutschen Ausdrucks (einholen) von der englischen (überholen) ab. Das Verhältnis von van Hoochstratens (151) und van Ghelens (E.4.r) Ausgaben wirft weitere Fragen über die Stelle insgesamt auf, da nur bei van Hoochstraten erwähnt wird, dass der Weinzapfer und der Büttel Eulenspiegel auf der Straße nachlaufen.

7

he had two pottes vnder the mantell: In den anderen Fassungen ist bereits vorher erwähnt worden, dass Eulenspiegel die leere Kanne offen trägt und die mit dem Wein unter dem Mantel – dies haben weder van Doesborch noch Copland ausgeführt. Sie teilen dann auch miteinander den logischen Fehler in dieser Zeile (Ae. 1519?: Z. 6f.), dass Eulenspiegel beide Kannen unter dem Mantel trägt, was für den schlüssigen Zusammenhang der Geschichte nicht notwendig ist.

11

he sayde dayly: In L ist nicht klar festzustellen, ob es sich hier um direkte oder indirekte Rede handelt. Auffällig ist aber, dass Copland das Präteritum verwendet »he sayde dayly«, während die anderen Fassungen (Ae. 1519? ebenso, Z. 11) das Präsens verwenden.

Seite 178 4

But they Lordes of Lukibe were sory for hym: Die Angst der Stadträte ist hier verwirrend artikuliert. In S (167), Afl. (155) und P (196, 51f.) ist klar, dass sich die Stadträte sorgen, Eulenspiegel könne sich seiner Strafe durch Magie entziehen. Hier hört es sich so an, als ob ihnen Eulenspiegel leid tue »[they] were sory for hym«. Da die anderen Fassungen allerdings alle einen Satz zusätzlich haben, der besagt, dass die Mehrheit der Leute auf Seiten Eulenspiegels steht, könnte dieser Satz in L eventuell eine verunglückte Zusammenziehung darstellen. 465

5

wychcrafte: Während L2 nur »wychcrafte« hat, verwendet Ae. 1519? ein Hendiadyoin (»sorcery or wytchecrafte« (Z. 5)); die anderen Fassungen benutzen alle ›schwarze Kunst‹. Zeigt sich in Ae. 1519? eine Sensibilität für die Tatsache, dass ›witchcraft‹ weiblich konnotiert ist und ›sorcery‹ männlich und dass letzteres eigentlich besser zur Situation passen würde, wo Eulenspiegel verdächtigt wird? Das würde bedeuten, dass die Vorlage eventuell nur ›witchcraft‹ hat und Ae. 1519? hier verbessert. Oder aber lag Ae. 1519? nur das im Englischen französischstämmige ›sorcery‹ vor und das Hendiadyoin stellt eine ›Einenglischung‹ dar?

6f.

he lay all styl as though he had ben dead: Dies ist zwar eine Verkürzung dessen, was wir in P (196, 58f.) und in Afl. lesen (»sweech hi al stille so dattet volc seyde dat hi al levende doot was« (157)), legt L allerdings dennoch auf diesen Überlieferungszusammenhang fest. Nur in S wird nämlich gesagt, Eulenspiegels Schweigen würde ihm als Verzweiflung ausgelegt (167).

10ff. Thou woldest desyre thy pardon […] to be except: Ab hier weichen van Doesborch (Z. 10ff.) und Copland stark in der Wortwahl voneinander ab, wenn auch nicht im Inhalt. In van Doesborch zeigen sich dadurch gewisse Bruchstellen, die Copland vermeidet: Eulenspiegels Rede beginnt als direkte Anrede an die Ratsherren, schlägt aber im zweiten Teil in die indirekte Rede um (»it shulde nat coste them one pennye of coste« (Z. 11) [Hervorhebung AHZ]). Damit ist van Doesborch näher an S (167), Afl. (155) und P (196, 64), die ebenfalls die indirekte Rede verwenden. Auch in der Formulierung »and toke a counsayll« (Z. 12f.) hält sich van Doesborch enger an S (168) und Afl. (157). Dagegen ist unklar, woher in Copland der Ausdruck »and there they layde theyre heades together« (Z. 12f.) stammen könnte. Es sollte noch angemerkt werden, dass in P die Formulierung, dass sie Rat halten, ebenfalls fehlt.

Seite 180 5f.

I shall shewe to you my bone: Die schwerfällige Wiederholung, dass Eulenspiegel nun seinen Wunsch äußern wolle, findet sich ebenfalls in S (168), aber nicht in Afl. und P.

8

with his mouth: Die Betonung, dass der letzte Wunsch mit dem Mund durchgeführt werden muss, fehlt auffälligerweise in P und K 1519/36.

466

9f.

Than [ ] answered the lordes: Vor ihrer Antwort spucken in allen anderen Fassungen die Ratsherren aus. Da das Ausspucken auch in der englischen frühneuzeitlichen Kultur weit verbreitet war,95 liegt hier keine kulturell bedingte Tilgung vor.

Seite 182 6f.

to let hym goe at large, [ ] for, all they: Dass der Rat Eulenspiegel laufenlässt, erwähnt nur Afl.: »ende se lieten hem loopen« (157).

9

and neuer came there after: Hier wiederum weichen P und K 1519/36 ab, da sie – entgegen L, S (168) und Afl. (157) – auslassen, dass Eulenspiegel nie mehr nach Lübeck kam.

Seite 184 Historie 30 Auffällig an dieser Historie ist, dass sie im Vergleich zu Afl. oder P sehr viele Kürzungen und Veränderungen aufweist. Ist in den anderen Historien ein Merkmal von L, dass es die Historienlänge durch vielfache Zusätze und Wiederholungen aufbläht, fehlen hier fast in jedem Satz kleine oder größere Ergänzungen. Die Frage stellt sich, ob die Besonderheit, die für Z. 9ff., unten, erläutert ist, damit im Zusammenhang steht. 2f.

and howe he could fynde no worke in no lande where he came: Der Historientitel entspricht hier eher S, da in Afl., P und K 1519/36 der Zusatz »und in allen Landen kein Arbeit uberkummen kund« (178) fehlt.

6

Supplembrogh: Diese Form ist dichter an S (»Supplenburg« (178)) als an Afl. (»Suppellenborch« (157)) und P (»Suppellembourg« (197, 2)).

7

.vi. wekes: Hier findet sich zwischen den Fassungen eine interessante Divergenz: Während S angibt, der Kaiseranwärter habe sechs Monate vor der Stadt Frankfurt gelegen (179), sind es in Afl. sechs Wochen (157) und in P nur noch drei (179, 5). L stimmt also mit Afl. überein.

9ff. And this hering […] the Emperours syluer harnes: In der ersten Zeile lässt L das aus, was alle anderen Fassungen einbringen, nämlich Eulenspiegels Gedanken, was er von den versammelten Reichsfürsten zu

95

Vgl. Ridley (2002), S. 292f.

467

gewinnen erhofft. In S – und ähnlich in K 1519/36 (I.4.v) – denkt er an ein »Wopen« (159), dessen Material nicht spezifiziert wird. In Afl. (179) und P hofft er auf »une armure de argent« (197, 9). Eulenspiegels Verlangen nach dem »syluer harnes« des Kaisers, das er im nächsten Satz ausdrückt, kommt der Bedeutung des französischen »armure« wesentlich näher als dem deutschen »Wopen«, wenn man dies wie Lindow (179, Fußnote 6) als Diensttracht versteht. Zudem erscheint es angesichts der zu erwartenden kriegerischen Auseinandersetzung wahrscheinlicher, dass Eulenspiegel darauf hofft, einen silbernen Harnisch zu erhalten als in einen fürstlichen Haushalt aufgenommen zu werden. Dafür spricht auch Eulenspiegels Vorliebe für in Geld umsetzbare Gegenstände und seine Abneigung gegen geregelte Dienstverhältnisse. Ein Hinweis darauf, dass L einer Quelle folgt, die hier dichter an Afl. (159) bzw. P (197, 10) als an S (179) steht, ergibt sich aus dem ausdrücklichen Hinweis auf das Silber. Unklar ist, warum Eulenspiegel in der englischen Fassung auf das Rüstzeug des Kaisers aus ist, was den Erwartungshorizont für die Geschichte merkwürdig verschiebt. Entgegen den Ereignissen in den anderen Historien gelingt es Eulenspiegel somit ja nicht, seinen Plan umzusetzen – er bekommt nur das des Bischofs von Trier. Warum der Kaiser unter diesen Umständen erst langwierig eingeführt wird, ist unklar. Deutet dies Detail auf eine ursprünglich andere Personenkonstellation? Obwohl es natürlich sein könnte, dass das kostbare Rüstzeug in der englischen Fassung mit der wichtigsten Person – also dem Kaiser – assoziiert wird,96 ist doch Vorsicht geboten, die Spannungen und Brüche nicht zu glätten, denn an einigen Punkten offenbaren sich so vielleicht andere Textschichten (vgl. H 18, S. 114, Z. 2, bzw. siehe oben, S. 430). Nimmt man diese Überlegung zusammen mit den Kürzungen und Veränderungen in dieser Historie (s. o.), ist deutlich, dass die Erzählung stark überarbeitet worden ist und auf einen älteren (vor S 1515) und anders verlaufenden Historienkern verweist.

Seite 186 2 96

Taer: Wie diese Form von »Trier« zustande kommt, ist unverständlich.

Dass die aufwändigste Rüstung dem König gehören musste, ist ein Fehler, der leicht nachvollziehbar ist. Vielleicht dachte der englische Drucker an Heinrich VIII., dessen Rüstungen ausgesprochen prunkvoll waren.

468

10

this destroyeth our craft: Ein Beispiel für die Kürzungen in dieser Historie mag diese Zeile sein: In L beschränkt sich Eulenspiegel darauf, festzustellen, dass das Handwerk durch das zerstört wird, was er im Folgenden ausführt. In S (179), Afl. (159) und P (198, 28) wird dem angefügt, dass es das Handwerk wahrscheinlich ganz zerstören wird. In Bezug auf die unterschiedlichen Fassungen von van Hoochstraten und van Ghelen folgt L hier deutlich einem van-Hoochstraten-nahen Text, was sich in der Verwendung von »our craft« entsprechend »ons ambacht« bei van Hoochstraten (159) gegenüber »mijn ambacht« bei van Ghelen (F.1.v) zeigt (und ebenfalls in der Aufzählung der Regierenden, wo van Ghelen im Gegensatz zu van Hoochstraten und L die Richter auslässt).

Seite 188 7f.

that poore men of the countree learne all to loke thorowe their handes: S 1515 hat an dieser Stelle nur »daz diß die Buren uff dem Land pflegen« (180), dagegen teilt S 1519 den nachfolgenden Zusatz: »und durch die Finger sehen« mit L, Afl. (159) und P (198, 45).

9

but not the glose: Wieder fehlt S eine Zufügung, die sich in L, Afl. (159) und P (198, 46) findet.

Historie 31 In dieser Historie sind besonders die Abweichungen zwischen P und S/ Afl. interessant, wobei L einmal diesem, einmal jenem mehr folgt. 16

of a merchaunt: Auch hier führt der Titel wieder – wie S und K 1519/36, aber nicht ganz so ausführlich, – zusätzliche Information aus, nämlich dass Eulenspiegel von einem Kaufmann angestellt wird. Interessant ist hieran, dass in S (182), Afl. (161) und P (199, 5) zwar zunächst im Titel steht, dass Eulenspiegel als Koch beschäftigt wird, diese Fassungen im weiteren Text aber beschreiben, dass Eulenspiegel sich als Küchenjunge, als Knecht des Kochs ausgibt – was den Verlauf der Geschichte, der sicherlich auf Eulenspiegels Autonomie basiert, logisch in Frage stellt. Nur in L stimmen Titel und Text überein.

21f. and geue vnto you wages, I haue: In allen anderen Fassungen bietet der Kaufmann Eulenspiegel zusätzlich zum Lohn Kleidung an. 22

I haue a cooke, at home: but my wife complayneth on hym alwaye: Während in S die Frau über das Kochen klagt (182), beschwert sie sich in L 469

über den Koch. Auch zwischen van Hoochstraten und van Ghelen besteht hier eine Diskrepanz über das Koch-Problem hinaus im Satzaufbau: Während van Hoochstraten mit »ic heb een wijf die altijt ouer de cocken claget« (161) näher bei S liegt, findet sich in van Ghelens »want mijn wijf altijt ouer die coex claghet« (F.1.r) in Bezug auf den Koch eine L-nahe Formulierung. Dennoch stimmt L nicht vollständig mit van Ghelen überein, da der Satzbeginn ›Ich habe … ‹ an van Hoochstratens Formulierung erinnert, aber der Schwerpunkt weg von der Frau auf den nicht zufriedenstellenden Koch gelegt wird.

Seite 190 1

Bartholo,meus: In S fällt die Schreibung des Namens auf, bei der die Silben deutlich getrennt sind: »Bartho-lo-me-us« (182), die auch in K 1519/36 auf diese Weise reproduziert ist (K.1.v). Dies findet sich so weder in Afl. noch in P. Auch in L2 trennt ein Komma nur zwei Silben voneinander ab. Allerdings folgt der Druck L1 mit der Trennung aller Silben S genauestens; deshalb drängt sich die Frage auf, ob L1 nicht vor L2 anzusetzen ist. Denn es ist besser vorstellbar, dass einige der Kommas wegfallen, als dass ein einzelnes neu eingefügt wird und in einer folgenden Auflage noch mehr Kommas eingefügt werden, als dass das einzelne getilgt wird.

4

for to morow I must haue gestes to dyner: Nur in S hat der Kaufmann für den kommenden Sonntag Gäste eingeladen (182), in allen anderen Fassungen (einschließlich L) bereits für den nächsten Tag.

7f.

Be content wyfe, this shal be your man for he is a coke: Die Antwort des Kaufmanns auf die Frage seiner Frau, nämlich dass sie sich zufrieden geben solle, weil er Eulenspiegel als Koch für sie angestellt habe, findet sich außer in L nur in S (182). In Afl. (161) und P (199, 22f.) antwortet er, dass sie am nächsten Tag sehen werde, was Eulenspiegel zu leisten in der Lage sei, was in S nur einen Zusatz zu seiner Antwort darstellt. In L fehlt dieser Zusatz dagegen.

11f. Dole to morowe lay the meate […] and burne not: Das Problem, mit dem L in diesem Historienteil durchgängig kämpft, beginnt hier. In S besorgt der Kaufmann auf dem Markt Fleisch und einen Braten, die Eulenspiegel unterschiedlich zubereiten soll: »Doll, lege den Braten morgens bald zu und laß ihn kiel und langsam anbraten, das er nit verbrin. Daz ander Fleisch setz auch beizeiten zu, das es zu Imbiß 470

gesotten sei.« (183) Auf diese Anweisung reagiert Eulenspiegel, indem er die »Kost zum Feur [satzt]« (183), den Braten aber in den Keller legt. Afl. folgt S und fügt hinzu, dass der Braten hätte geröstet werden sollen (161). Diesen Zusatz finden wir auch in P (199, 31f.), allerdings macht die Unterscheidung hier wenig Sinn, da der Kaufmann auf dem Markt nur »achepta de la chair pour rostir« (199, 25), weshalb nicht klar ist, was Eulenspiegel an welchen Ort stellt und warum es unterschieden wird: »[..] mettez la demain pour rostir, mais la laissez froydement et de loing rostir qu’il ne brusle; et l’autre chair, appoinctez la de bonne heure.« (199, 26ff.). Die Verwirrung in L ist ähnlich: Eulenspiegel »brought the meate by the fire, and he toke the meate that he shold roste and […] bare it down into the seller.« Bemerkenswert ist, dass K 1519/36 (abweichend von S) mit L eine Ähnlichkeit aufweist: Auch dort ist nur von einem Stück Fleisch die Rede: »fleisch tzom braden« (K.1.v). Da dies inhaltlich sinnvoller ist, stellt sich die Frage, ob mit zwei gegen drei Textzeugen für die SAfl.-P-Gruppe nicht eine Textkorruption konstatiert werden muss. 21f. The marchaunt said is it not rosted? and howleglas sayde naye: Die Frage des Kaufmanns, ob das Fleisch gebraten sei, die Eulenspiegel mit »nein« beantwortet, fehlt in Afl. und P, wird aber in S und K 1519/36 (K.1.v) auch gestellt.

Seite 192 4

go trym: [ ] and than went Howleglas: L lässt hier im Gegensatz zu allen anderen Fassungen aus, dass Eulenspiegel erst in Aktion tritt, als alle anderen schon schlafen.

Seite 194 6f.

And whan they saw that the were vnder the galowes: the prieste laughed: Dies ist eine der Stellen, an denen van Doesborch und Copland auseinandertreten. In van Doesborch (Z. 7) – wie in S (184), P (200, 76f.) und Afl. (163) – lacht sowohl der Priester als auch der Kaufmann, in Copland nur der Priester. Weil in beiden englischen Versionen direkt im Anschluss gesagt wird, dass der Kaufmann wütend wird (was sie von den anderen Fassungen unterscheidet), ist Copland in sich stimmiger als van Doesborch, denn es macht mehr Sinn, wenn der Kaufmann erst gar nicht durch Eulenspiegels Scherz belustigt ist. 471

8

and neuer to stand stil: Durch die Aufforderung des Kaufmanns an Eulenspiegel, nicht anzuhalten, weicht L von den übrigen Fassungen ab, in denen er Eulenspiegel ermahnt, sich nicht umzudrehen. Es ist genauso sinnvoll, dass er nicht stoppen soll. Festzuhalten ist aber zumindest die Abweichung.

9f.

than pulled he out […] droue the horse forth: In L ist die Beschreibung der Art, wie Eulenspiegel den Wagen loslöst, weniger genau als in den anderen Texten, wo die Teile sogar einzeln benannt werden. Auch die nachfolgende Darstellung der Verfolgungsjagd ist in L im Vergleich reduziert; so wird zum Beispiel das Rufen der Zurückgelassenen nicht erwähnt.

10

and he left them vnder the galowes: In Ae. 1519? finden wir »the folke standyng styll vnder the galowes« (Z. 10), während sich L2 mit »them« auf die zwei schon genannten Personen bezieht. Da S und Afl. keine Ausführungen machen, die dieser Formulierung ähneln, kommt nur P mit »les gens« in Frage (201, 81). Die Frage bleibt offen, warum sich Ae. 1519? an manchen Stellen so deutlich auf P-ähnliche Formulierungen bezieht, wenn es größtenteils auf S-ähnliche oder nur dort vorhandene Formulierungen zurückgreift.

13

the marchaunt drewe his sworde: Es ist eine Zufügung in L, dass der Kaufmann sein Schwert zieht.

15

whan the marchaunt was come home: Alle anderen Fassungen betonen die Rückkehr des Kaufmanns mit Eulenspiegel.

Seite 196 1

472

not of they best: Die wörtliche Übereinstimmung zwischen S (185), Afl. (163) und P (201, 87f.), dass der Ausflug mit Eulenspiegel »seltzam gnug«, »avontuerlic genoch« oder »assez merveilleusement« gewesen sei, so dass man über die Heimkehr an sich froh sein dürfe, wird in L2 zugunsten einer deutlicheren Antwort aufgegeben. Allerdings hat auch die Frage hier eine andere Richtung, nämlich ob der Kaufmann mit seinem neuen Knecht zufrieden sei, was er mit »not of they best« beantwortet. Interessant ist, dass in Ae. 1519? (Z. 1) die Antwort »so so« lautet, was mit der bisherigen Charakterisierung des Kaufmanns, der es seiner Frau recht machen will und seine Fehleinschätzung nicht eingestehen kann, besser übereinstimmt als die Variante in L2 – in Ae. 1519? will sich der Kaufmann offensichtlich nicht zu sehr

über den (durch seine Fehlentscheidung Eulenspiegel anzustellen) selbstverschuldeten Reinfall beschweren. 2f.

tary there that night, [ ] and in the mornynge: Auch hier gehen van Doesborch und Copland auseinander. In van Doesborch (Z. 2f.) wird Eulenspiegel vom Kaufmann aufgefordert, sich den Bauch voll zu essen. Dies stellt eine weitere Ausschmückung gegenüber S dar, wo nur gesagt wird, er solle sich voll essen (185). Noch knapper ist die Rede des Kaufmanns in Afl. (163) und P (201, 89f.), wo Eulenspiegel lediglich zum Essen und Trinken aufgefordert wird. Die Wiederholung der Aufforderung am nächsten Morgen (Z. 6) ist in van Doesborch wörtlich, während S »satt« verwendet. Da weder Afl. noch P diesen Zusatz enthalten, ist die Nähe zu S offensichtlich. In Copland findet sich der Zusatz erst in der Wiederholung (Z. 6).

4

wher so euer he went: An dieser Stelle kommt zu S (185) und L noch Afl. (163) hinzu, die alle – gegen P – sagen, dass Eulenspiegel betrügt, wo auch immer er hingehe.

8

stand to that, that shal befall: Die Androhung, die Eulenspiegel für den Fall bekommt, dass er bei der Rückkehr des Kaufmanns noch da sei, nimmt in L2 eine andere Form an als in den anderen Fassungen: In Afl. (163) und P (201, 94) sagt der Kaufmann, sonst solle ihn der Teufel holen. In S fällt auch dies aus, stattdessen steht der Satz »Laß dich nit wider finden!« (185). Besonders auffällig ist das Auseinandertreten von L2 und Ae. 1519? – der van-Doesborch-Druck hat an dieser Stelle unter den Überlieferungen die handfesteste Drohung: »I shall bete you that ye shall beshyte your breche« (Z. 8f.)! Die Aussage in Copland macht im Gegensatz dazu inhaltlich wenig Sinn: ›wartet nur ab, was geschehen wird‹ (und auch diese Übersetzung nur mit etwas gutem Willen) – was soll das eigentlich bedeuten? Als Ausdruck der Wut des Kaufmanns scheint diese Androhung milde und unbestimmt, allerdings ist aber auch in den englischen Fassungen die Charakterisierung des Kaufmanns durch eine gewisse Weichheit und mangelnde Resolution gekennzeichnet (s. o.). Setzt Copland also mit dieser Aussage diesen Trend fort? Die anderen Fassungen sind jedenfalls entschieden klarer. Sicher ist die Interpretation nicht zu weit gegriffen, dass diese Stelle eine Unsicherheit in der Überlieferung bei Copland enthüllt. Er hat nicht auf die anderen Fassungen zurückgegriffen, hatte also entweder eine korrupte oder eine völlig andere Vorlage. Auch van Doesborch weicht von den anderen Überlieferungen ab, aber der erzählerische Duktus ist hier deutlicher. 473

Seite 198 1

and come no more here: Dies ist eine der wenigen Stellen, an denen Ae. 1519? bei einer Abweichung von L2 mit S geht. Bei L2 entfällt der Zusatz, mit dem der Kaufmann Eulenspiegel zum Teufel schickt. Alle anderen Fassungen teilen ihn, auch Ae. 1519? (S. 92, Z. 14). Da bei den meisten anderen Eintragungen eine besondere Nähe zwischen L2 und S festgestellt wurde, oft auch als Alleingang von L2, ist diese Divergenz auffällig. Wird hier eine stärkere Nähe des frühesten englischen Eulenspiegels zur S-Gruppe sichtbar, die über L2 hinausgeht? Indem allerdings Ae. 1519? diese Übereinstimmung mit Afl. und P teilt, kann nicht von einem Sonderweg der frühen englischen Rezeption ausgegangen werden.

1

I geue they warnyng: Anstelle der neutralen Formulierung in L2 schickt in S (185), Afl. (163) und P (201, 102) der Kaufmann Eulenspiegel zum Teufel. Hervorhebenswert ist hier, dass Ae. 1519? (Z. 1) sich gegen L2 auf die Seite der nichtenglischen Texttradition stellt.

1f.

for here is no body that thankes the for thy labour: Es ist merkwürdig, dass L dem Kaufmann den Satz zuschreibt, den in den anderen Fassungen Eulenspiegel spricht, nämlich dass ihm niemand für seine Mühe dankt. Ist dies in den anderen Versionen aus dem Munde Eulenspiegels eine weitere Frechheit, die seinem unverschämten Verhalten die Krone aufsetzt (und insofern stimmig), bietet allerdings auch der englische Text eine sinnvolle Interpretation.

3

that Howleglas had borne out: Nur P wiederholt nicht, dass Eulenspiegel die Sachen des Kaufmanns herausgetragen hat, S (186) und Afl. (165) dagegen schon.

Historie 32 Die deutlichen Unterschiede zwischen van Doesborch und Copland in dieser Historie sind beachtenswert und geben aufschlussreiche Hinweise auf die Verbindung des ersten englischen Eulenspiegel zu den anderen Übersetzungen. 5

474

How Howleglas was desyred to dyner: Die Historienüberschriften unterscheiden sich in den Fassungen, wie bereits erwähnt, häufiger; bei dieser weichen die verschiedenen Fassungen allerdings stark voneinander ab und es lassen sich keine klaren Traditionslinien verfolgen. Nicht nur die Divergenz zwischen P und Ae. 1519? (»Howe Howleglas was byd for a geste« (Z. 4)) ist bedeutungsvoll, sondern

auch der Sonderweg, den P entgegen der sonst so engen Übereinstimmung mit Afl. einschlägt: »Comment Ulespiegel fut prié et invité dehors« (201). Afl. hat »Hoe Ulespieghel te gaste genoot was« (165), wogegen sich S völlig von allen anderen Überlieferungen unterscheidet (»wie Ulenspiegel einem Pfüffentreiger zu Lüneburgk ein groß Schalkheit thet« (190)). Während L2 keine direkten Anleihen bei einer der anderen Fassungen zu machen scheint, könnte man im Hinblick auf Ae. 1519? argumentieren, dass durch den Gebrauch des Wortes ›Gast‹ eine gewisse Nähe zu P besteht – stärker als zu Afl., das zwar auch ›Gast‹ verwendet, aber nicht eine Entsprechung von ›prié‹ oder ›byd‹. Allerdings ist nicht klar, ob nicht die französische Doppelform anzeigt, dass der Versuch gemacht wurde, verschiedene Bedeutungsebenen von ›ghenoot‹ zu übertragen.

97

6

that knewe vacabundes by sight: Während Copland nur angibt, dass der Flötenmacher »vacabundes by sighte« kannte, wird die Geschichte in Ae. 1519? mit dem Hinweis eingeleitet, dass er »lande roners« kannte und »knewe also muche deceyte«(Z. 5f.). Dies stellt für den Fortlauf der Geschichte nicht nur eine stringentere Einleitung dar, sondern verdeutlicht auch den Zusammenhang zwischen Ae. 1519? und Afl. und P. In Afl. erklärt die Passage über den Pfeifenmacher, dass »dye metten netter ende metten lodderhout gelopen had achter lande so dat hi van alle scalcheyt wiste« (165); seine Schalkhaftigkeit wird betont.97 Dagegen findet sich in S nur die Darstellung seiner Wanderjahre ohne den expliziten Hinweis auf seinen Charakter (190). In diesem Sinne scheint es, dass van Doesborch hier eine stärkere Nähe zu Afl. und P zeigt, während Copland zu S neigt. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass Copland entweder neben van Doesborch auf eine S 1515-ähnliche Quelle zurückgreift oder auf eine nicht mehr vorhandene Quelle, die zwischen S 1515 und van Doesborch anzusiedeln ist.

7

it fortuned him to spy Howleglas: Gleich in dieser Zeile findet sich dagegen eine Differenz zwischen Ae. 1519? und L2, die die gerade geäußerte Vermutung in Frage stellt: In Z. 6f. erzählt Ae. 1519?, dass der Pfeifenmacher Eulenspiegel im Wirtshaus trifft, was dem Fortgang in S entspricht. Dort ist die Szene ausdrücklich als Wirtshausszene gestaltet (190). In Afl. (165) und P aber ist die Szene neutral: »Lequel vint une fois auprés de Ulespiegle et l’invita« (201, 3f.). Dies entspricht

Vgl. Koopmans/Verhuuck (1988), Anmerkungen, S. 273.

475

der Darstellung in L2, wo nur gesagt wird, dass der Pfeifenmacher Eulenspiegel zufällig sieht. Insofern steht der Befund dem obigen entgegen: Ae. 1519? zeigt hier eine Nähe zu S, während L2 mit Afl. und P übereinstimmt.98 8

I desyre you to dine with me: Ist der Unterschied zwischen Copland und van Doesborch (»at none cum ete with me« (Z. 7)) ein Hinweis darauf, dass Copland enger an P angelehnt ist (»Venez demain disner avec moy« (201, 4f.) und van Doesborch enger an Afl. (165) und S (»Kum morgen zu Mittag und iß mit mir« (190)) oder ergibt sich der Unterschied aus der Tatsache, dass in »dine« respektive »disner« schon enthalten ist, dass es sich um das Mittagessen handelt? L2 und Ae. 1519? vergeben hier die Pointe, indem der entscheidenden Zusatz »wenn du kannst« nach »komm, iß mit mir« ausgelassen wird, den alle anderen Fassungen haben. Konsequenterweise fehlt dann auch im nächsten Satz die Erklärung, dass Eulenspiegel nicht versteht, was der Pfeifenmacher eigentlich gesagt (und gemeint) hat.

10f. the dores were shyt: Ein kleines Detail bietet bei den englischen Fassungen einen interessanten Einblick in die Überlieferungsgeschichte. Während Afl. (165) und P (201, 7f.) lediglich beschreiben, dass das Haus geschlossen ist, als Eulenspiegel ankommt, nennt L explizit die geschlossenen Türen. Nur in S wird sonst beschrieben, dass die Türen oben und unten geschlossen sind (191). 11

And he taried till none was past: Mit der Darstellung, wie Eulenspiegel um das Haus herumläuft und auf Einlass hofft, stimmt Ae. 1519? (Z. 10f.) näher mit S (191), Afl. (165) und P (201, 8) überein, da dort sein Umhergehen erzählt wird. Das in L2 verwendete »he taried« ist weiter davon entfernt, bleibt aber insgesamt näher an van Hoochstraten (»so ghinc Ulespiegel wandelen tot dattet ouer noene was« (165)) als an van Ghelen (»Hi ghinc wandelen op die merct / tot dat ouer noene was« (F.2.v).

Seite 200 4

98

ye shyt all your dores: Auch hier bleibt L dicht an van Hoochstraten, insofern als dass die Türen dort Erwähnung finden (»sluyt ghi dan u doren ende huys?« (165)), bei van Ghelen dagegen nicht: »sluyt ghi dan v huys toe?« (F.2.v).

Vgl. auch Brie (1903), S. 22f.

476

4f.

I bad you come to dyner. Than sayd Howleglas your dores were shit: Der Austausch zwischen Eulenspiegel und dem Pfeifenmacher ist in L2 in zwei geteilt. In van Doesborch sagt der Pfeifenmacher »I bad you cum eate but you culde nat cum in for I had shyt the dores« (Z. 4f.), wodurch das Fehlen des »wenn du kannst« in der ›Einladung‹ nachträglich deutlich wird. Copland verteilt den Satz auf die zwei Sprecher, wobei die wörtliche Wiederholung der ursprünglichen Aufforderung hier auch keine Sinnerweiterung ergibt, ebenso wenig wie Eulenspiegels Feststellung. Im Vergleich zu den anderen Fassungen, wo in diesem Austausch das Wortspiel des Pfeifenmachers aufgeklärt wird, bleibt hier die Situation für das Opfer (ausnahmsweise) undurchschaubar. In den anderen Fassungen wird dagegen Eulenspiegels Verstehen, wie ihm der Streich gespielt wurde, durch den Nachsatz deutlich: »[D]anc hebt daer af, dat en wiste ic niet, ic leere noch alle daghe« (Afl., 165).

7

ye shall fynde both roste and soden [ ] And than: Die Auslassung in diesem Satz in L hat Konsequenzen für den weiteren Geschichtsverlauf: Während in S (191), Afl. (165) und P (202, 19f.) der Pfeifenmacher betont, dass Eulenspiegel sein einziger Gast sein wird, fällt dies in L aus. Da es in den anderen Fassungen die Motivation für Eulenspiegels Handeln darstellt (er ist der einzige Gast und da er schon da ist, braucht er die Tür nicht für weitere Gäste – oder die Hausbesitzer – zu öffnen), ist die Abweichung in L interessant: Eulenspiegel wird von der Frau des Pfeifenmachers aufgefordert, niemanden in das Haus zu lassen, was er tunlichst befolgt. Als Handlungsmotivation und im Geschichtsverlauf ist diese Variation demnach ebenso einleuchtend wie die in S, Afl. oder P.

10f. he had a greate sturgion ¦ ›geuen› him: In S (191) und K 1519/36 (K.3.v) erhält der Pfeifenmacher den Stör genau wie in L angeblich als Geschenk, dagegen ist in Afl. und P ausgelassen, dass es sich um ein Geschenk handele.99

99

13

and let nobody in: siehe oben, Z. 7.

13

with her maid: Bis zu diesem Punkt hat die englische Fassung auf die Magd verzichtet (die in Afl. und P allerdings auch eine reduziertere Rolle spielt als in S. In der Straßburger Überlieferung ist sie sogar diejenige, die den Braten zubereitet, während die Ehefrau nur Dinge

Vgl. ebd., S. 23.

477

anordnet (191)). Hier taucht sie zwar kurz auf, aber in der folgenden Szene ist sie bereits wieder vergessen.

Seite 202 2f.

knowe ye not well that Howleglas ys suche a mocker and a deceiuer: Die Rüge des Pfeifenmachers gegenüber seiner Frau, die S (192), Afl. (165) und P (202, 31f.) ausführlich gestalten, ist hier auf das Wesentliche beschränkt: Eulenspiegel ist ein Schelm, von dem man nichts Gutes erwarten kann.

4

and whan he came home: Auch die Heimkehr und der Austausch der Eheleute ist in L reduziert. Es wird nicht einmal mehr gesagt, dass Eulenspiegel das Haus zuschließt (das geht aus seiner wörtlichen Rede hervor).

5f.

for the hoste hathe charged me, that I should let no gest in tyll dyner bee done: In dieser Zeile löst Eulenspiegel zunächst den Grund für sein Verhalten auf: Er sei aufgefordert worden, keinen Gast einzulassen, bis das Essen fertig sei. Diese Aussage schwankt merkwürdig zwischen der früheren (Z. 7, oben) und der Erklärung in Afl. und P, dass er nun einmal der einzige Gast sei. Spannend ist die nur in Ae. 1519? (Z. 6f.) direkt im Anschluss folgende Erläuterung Eulenspiegels, dass die Gastgeberin noch wiederkehren habe wollen – aber erst nach dem Essen –, worauf der Pfeifenmacher antwortet: »that is trewth but she ment nat so« (Z. 7). Der Satzeinleiter »[d]as ist war« findet sich nur in S (192), fehlt aber in Afl. und P genauso wie in L2. In Ae. 1519? ist dagegen sogar die Person und die Geschichte angepasst worden: Während in S, Afl. (167) und P (202, 39) der Pfeifenmacher sagt, er selbst habe es nicht so gemeint (nämlich, dass Eulenspiegel der einzige Gast sein werde), sagt er in Ae. 1519?, »she« habe es nicht so gemeint. So stimmt die Antwort mit dem vorherigen Geschichtsverlauf überein.

7f.

and whan Howleglas had dyned [ ], than he opened: In van Doesborch (Z. 9), Afl. (167) und P (202, 40f.) wird ausdrücklich gesagt, dass Eulenspiegel aß und »made good chere«, in S heißt es »Ulenspiegel […] aß sich fol […] solang es ihn gut dunckt« (192), in Copland wird es ganz ausgelassen.

10

honesti: In den anderen Fassungen kritisiert der Pfeifenmacher Eulenspiegel mit dem Hinweis, es sei unüblich für gute Gäste, ihre Gast-

478

geber auszuschließen (in S »frume Lüt« (192)). Wie hier »honesti« zustande kommt, ist daher nicht klar. 10f. And in this maner he serued the hoste, and his hostise: Wie Afl. und P lässt die englische Überlieferung den S-Zusatz mit der weiteren Auseinandersetzung zwischen dem Pfeifenmacher und Eulenspiegel, bei der der Schinder einbezogen wird (192f.), weg.

Seite 204 Historie 33 In dieser Historie zeigen sich zwischen van Hoochstraten und van Ghelen zahlreiche Abweichungen, die wieder zum großen Teil mit Sonderwegen von L zusammenfallen und daher von Interesse sind, auch weil L einige Male mit van Hoochstraten geht und dann wieder mit van Ghelen. 2

a pece of clothe: Der Titel der Historie ist insofern auffällig, als dass schon hier vermieden wird, den Herkunftsort des Tuches, das sich Eulenspiegel ergaunert, zu benennen. Dies ist erstaunlich, da es sich in S um ein »leindisch Thuch« (197), also eines aus London, handelt100 und man meinen sollte, dass sich eine englische Übersetzung diesen lokalen Bezug zu eigen machen würde. Dagegen steht allerdings, dass Afl. (167) und P (203) das Tuch als Produkt aus Leiden bezeichnen.101 Spiegelt sich in dieser Auslassung die Schwierigkeit eines Antwerpener Druckers wider, der für den englischen Markt produziert, aber lieber auf Lokalkolorit verzichtet als sich zwischen die Stühle zu setzen – vor allem, da die Beziehungen zwischen der Hanse und der englischen Regierung in der Zeit, in die die Eulenspiegel-Rezeption fällt, ohnehin angespannt waren?102 Festzuhalten ist jedenfalls, dass in dieser Historie in L durchgängig die Ortsangabe ausgelassen wird.

3

and make good chere: In dieser Zeile deckt sich P – »faire bonne chere« (203, 1) – wörtlich mit L, während die Angabe in Afl. fehlt. Im weiteren Text stimmen allerdings S (197), Afl. (167) und P (203, 2ff.) gegen L überein, da sie ausführen, dass Eulenspiegel sich Spitzbübereien ausdenken muss, um seine Genusssucht zu stillen.

100

Vgl. Lindow (2001), S. 197, Fußnote 1. Siehe auch Lappenberg (1854), S. 158. Vgl. Koopmans/Verhuyck (1988), Anmerkungen, S. 275. 102 Vgl. Lloyd (1991), S. 266. Sowie: Schnurmann (1991), S. 17. 101

479

4

came he to Olsem, to a goodly company of men of the countrey: Diese Textstelle ist deshalb von Interesse, weil eine Aussage in S inhaltlich zwischen L einerseits und Afl. und P andererseits aufgeteilt wird. In S (und ähnlich in K 1519/36 (K.4.r)) heißt es: »Uff ein Zeit kam er in den Jarmerckt gen Olßen, da dann viel Wenden und ander Landtvolck hinkumpt.« (198), was in L auf »a goodly company of men of the countrey« reduziert wird. Das heißt, die Betonung der ländlichen Besucher wird als Element übernommen. In P und Afl. finden wir dagegen »il vint a Olse a une feste ou foire« (203, 4f.) bzw. »op een iaer merct« (167). Ob ein solcher Befund bedeutet, dass S verschiedene Quellen, so wie sie sich in L versus Afl./P abzeichnen, zusammengeführt hat, oder ob L und Afl./P eine reduzierte Auswahl getroffen haben, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen.103

5

a grene cloth: L liegt zwar näher an van Hoochstraten (»een gruyen Leyts laken« (167)) als an van Ghelen (»een grooten leydts laken« (F.3.r)), der Ausfall der Ortsbestimmung für das Tuch (s. o.) zeigt aber, dass es sich dennoch nicht um eine absolute Übereinstimmung handelt.

7

and he asked him wher he was dwellyng: Eulenspiegels Frage an den Besitzer des Tuches selbst ist eine Variation, die nur in L vorkommt (und wenig Sinn macht). In den anderen Fassungen zieht Eulenspiegel heimliche Erkundigungen über den Mann ein.

9

a shottish priest: An dieser Stelle schlägt P einen Sonderweg ein, indem es als einzige Fassung nicht erwähnt, dass Eulenspiegel sich mit einem ›schottischen‹ Pfaffen104 zusammentut.

10

and I shall geue you for your labour: L betont wie die anderen Fassungen, dass Eulenspiegel die anderen Gauner am Gewinn aus dem Betrug zu beteiligen verspricht, nur S lässt dies aus. Zwischen van Hoochstraten und van Ghelen folgt L hier eher van Ghelen: »ic sal v eenen goeden penninc gheuen« (F.3.r), da das aktive Geben benannt wird, nicht das Empfangen wie bei van Hoochstraten: »ghi sult eenen goeden penninc hebben« (167).

13f. how he solde his blewe cloth: Dass Eulenspiegel in L fragt, wie (»how«) der Mann das Tuch gekauft hat, deutet auf eine Nähe zu S, da auch

103 104

Vgl. auch Brie (1903), S. 23. Vgl. Lindow (2001), S. 198, Fußnote 6, und Koopmans/Verhuyck (1988), Anmerkungen, S. 275.

480

hier nach dem »wie« gefragt wird (198), wogegen Afl. (167) und P (203, 19) nach dem »wo« fragen. Allerdings schleicht sich dann in L ein Fehler ein, den die anderen Fassungen nicht haben, da Eulenspiegel fragt, wo er sein Tuch verkauft [Hervorhebung AHZ]. Das Wort »husband« bezieht sich allerdings auf Personen, die als Bauern tätig sind (obwohl – neben ›Ehemann‹ – auch die Bedeutung ›Haushaltsvorstand‹ zu »husband« gehörte.105 Da zur Haushaltsführung der Stoffkauf und -verkauf für die häusliche Kleiderproduktion zählte, erscheint es umständlich, hier diese Bedeutung heranzuziehen), weshalb es wenig Sinn macht, dass der Mann als Verkäufer agieren sollte. 14

that it was grene, and not blewe: An dieser Stelle folgt L eindeutig einer van-Hoochstraten-Quelle, weil es die indirekte Rede verwendet (167) und die Folge ›grün und nicht blau‹ (van Ghelen verwendet ›nicht blau, sondern grün‹ (F.3.r)).

15f. than saede the husbandman I holde you. It is done sayde Howleglas: Der Austausch zwischen Eulenspiegel und seinem Opfer ist eine Hinzufügung in L. 18

and they came: Ein weiterer Flüchtigkeitsfehler taucht in dieser Zeile auf, indem sofort beide Männer, die Eulenspiegel angeheuert hat, zu ihm kommen, anstatt zunächst nur der Gauner und erst später der Priester. Vielleicht muss man die Szene aber so verstehen, dass sich beide in einer gewissen Entfernung voneinander in Bewegung setzen. Wenn auch im weiteren Verlauf deutlich wird, dass zunächst der eine, dann der andere kommt, ist die Verwirrung durch den Plural – wie hier in L – eine, die in den anderen Fassungen durch den Gebrauch des Singular vermieden wird. Zusammengenommen mit dem Kaufen-Verkaufen-Irrtum oben zeigt sich in dieser Historie das unachtsame Vorgehen des Bearbeiters besonders anschaulich.

19f. we two striue what colour this cloth is I pray you breke our stryfe: Die Bitte an Eulenspiegels Kumpanen, er solle den Streit schlichten, ist in allen anderen Fassungen weit ausführlicher und beinhaltet die Aufforderung, die Wahrheit zu sagen und zwischen grün und blau zu entscheiden, ergänzt durch die Aussage, dass man die Entscheidung des Schlichters anerkennen wolle.

105

Vgl. OED2

481

23

wil ye be contented what he sayeth?: In S, Afl. und P sagt Eulenspiegel, er wolle mit der Entscheidung des Priesters zufrieden sein, wozu der Bauer ebenfalls seine Zustimmung bekundet, während er in L fragt, ob der Bauer damit einverstanden sein werde. Die Auslassung am Anfang der nächsten Zeile zeigt wieder eine interessante Kongruenz zwischen S (199) und L gegen Afl. (167) und P, da letztere anführen, der Bauer wolle dem Urteil des Priesters glauben, »car il est ung prebstre de Dieu; il ne mentira point« (P: 203, 34f.), was bei S und L fehlt.

25

what colour this cloth is?: L geht hier mit van Ghelen zusammen, der die Frage mit dem Hilfsverb ›sein‹ bildet (F.3.r), van Hoochstraten aber mit ›haben‹ (169).

Seite 206

106 107

2

I can se no other, but that is a fayre blewe: Fast wörtlich stimmt L hier mit van Hoochstraten überein (169), während van Ghelen mit »soo dunct my dat dit laken seer schoon blau is« (F.3.v) einen anderen Weg einschlägt.

6f.

But the good poore man […] after that great losse: Die ausdrückliche Betonung der Armut des Bauern und der Konsequenzen, die Eulenspiegels Betrug lebenslang für ihn haben, ist – ebenso wie das Gebet – eine Zufügung in L. Afl. (169) und P (204, 52f.) sagen nur, dass er Not litt, S, dass er einen zerrissenen Rock tragen musste (199). Ist diese nachdrückliche Feststellung der Armut ein Hinweis auf den Charakter des englischen Bearbeiters? Da der englische Eulenspiegel zu Ausschmückungen tendiert, die sich in den anderen Fassungen nicht finden, wäre dieser Einschub als bearbeiterischer Schnörkel zu beurteilen. Ob sich darüber hinaus eine solche Passage einen Niederschlag der sozio-ökonomischen Lebensbedingungen im England des 16. Jahrhunderts darstellt, darüber kann nur gemutmaßt werden. Sicher ist, dass die Armut der ›einfachen‹ Leute im 16. Jahrhundert zunahm106 und die Gesetzgebung gegen Vagranten zeigt, dass es sich um ein ernst genommenes und viel diskutiertes Problem handelte.107

Der literarische Niederschlag dieser Entwicklung wird diskutiert in: Kinney (1990). Vgl. Ridley (2002), S. 278ff.

482

Historie 34 Diese Historie zeigt merkwürdige Abweichungen zwischen Afl. und P (letzteres stimmt stattdessen oft mit S überein), welches die Frage nach den Abhängigkeiten verkompliziert. Es wird deutlich, dass die Überlieferungssituation auch innerhalb der scheinbar stabilen niederländisch-französischen Gruppe unbeständiger ist als meist angenommen. Der englische Text zeigt in dieser Historie im Hinblick auf den Überlieferungszusammenhang die übliche Wechselhaftigkeit, verändert aber durch geringe Auslassungen subtil die Charakterdarstellung des Wirtes. Hervorzuheben ist, dass im ersten Teil der Historie (Eulenspiegel und die Blinden) die Auslassungen und Veränderungen zahlreich sind, im zweiten Teil (der Wirt und der Priester) nur geringfügig. 11f. How Howleglas gaue xx. gyldens to .xii. poore men for christes loue: Wie in Afl. (169) und P (204) werden in L von Eulenspiegel zwanzig imaginäre Gulden vergeben, nicht wie in S zwölf (205).108 In zweierlei Hinsicht weicht dann aber L doch von Afl. und P (und von S 1515) ab, da im Titel hier nur gesagt wird, es handle sich um »poore men«, nicht um Blinde und auch nicht bereits im Titel deutlich gemacht wird, dass die Blinden nur denken, er habe ihnen das Geld gegeben. Ist es ein Zufall, dass in dieser Historie der Titel in L so deutlich von den anderen abweicht und sich auch in P 1532 und P 1532/33 eine Divergenz von P 1530 feststellen lässt? In P 1530 wird (abweichend von S und Afl., die »meinten« verwenden) betont, dass die Blinden denken (»pensoyent«), Eulenspiegel habe ihnen Geld gegeben. P 1532 und P 1532/33 entstellen dies zu »passoyent«. Deutet dies auf eine Abhängigkeit des englischen Textes von den späteren französischen Fassungen? So argumentiert, hätte der englische Bearbeiter auf den Zusatz verzichtet, der ihm unverständlich (weil fehlerhaft) war.109 Da wir jedoch bei H 10, S. 92, Z. 2ff., bzw. S. 416 gesehen haben, dass L mit der früheren Fassung geht und einen Textteil beinhaltet, der in P 1532 und P 1532/33 fehlt, kann für eine direkte Ableitung aus diesen späteren französischen Texten nicht überzeugend argumentiert werden. Deutlich wird aber, dass die französische Quellenlage für die europäische Überlieferungsgeschichte grundlegend relevanter ist, als ihr bisher zugestanden wurde – und dass die Stellung des englischen Eulenspiegels mit ihr zusammenhängt.

108 109

Vgl. Lappenberg (1854), S. 159. Vgl. Koopmans/Verhuyck (1988), S. 98.

483

13

Hauoner: Dass sich durch zwei Setzfehler leicht die Form »Hauoner« statt »Hanouer« ergibt, steht außer Frage. Warum sich jedoch auch in L1 der Fehler findet (egal, ob es eine frühere, bessere Auflage ist oder eine spätere, zum großen Teil korrigierte), lässt sich nur erklären, wenn man entweder von einer völligen Unkenntnis der deutschen Städte ausgeht oder von einem sehr nachlässigen Korrekturprozess.

16

they put of their cappes: Der englische Text geht eindeutig mit S zusammen, da bei Afl. (169) und P (205, 9) die Blinden nur eine nicht weiter spezifizierte Reverenzbezeugung ausführen, bei S aber gesagt wird, dass sie ihre Hüte und Kappen abnahmen (206). Belege für die Bedeutung des Abnehmens der Kopfbedeckung im frühneuzeitlichen England gibt Ridley zuhauf.110 Schon im weiteren Verlauf der Zeile ist allerdings die Übereinstimmung zwischen L, Afl. und P gegenüber S wieder hergestellt: In L, Afl. und P denken die Blinden, Eulenspiegel sei ein »great gentleman«. In S ist ihre Einschätzung weniger auf den sozialen Stand gerichtet; sie meinen, er sei ein »erlich man« (206).

20ff. and returne agayn all you […] but he did not: Die Anordnung der Sätze entspricht ab diesem Punkt in L wieder der in S (206), während sie in Afl. und P in eine andere Reihenfolge gebracht sind. 29f. whan the hoste herde […] made them good chere: Während alle anderen Fassungen betonen, dass der Wirt die Blinden aus Geldgier aufnimmt, ist der Sachverhalt in L neutral gestaltet. Eine der interessanten Divergenzen zwischen Afl. und P findet sich im zweiten Teil des Satzes: In Afl. (169) wird nur als Ankündigung formuliert, dass der Wirt die Blinden gut versorgen wolle, in L wird gesagt, dass er das tue, in P dagegen wird S – wo er schlachtet und kocht (206) – weiter ausgeführt: er »achepta viande laquelle il fist apoincter« (205, 30).

Seite 208 3f.

110

And than some sate and clawed their head, and some clawed their arme: Die Beschreibung der Verzweiflung der Blinden in L, nachdem sie das Fehlen des Geldes entdecken, ist in mehrerlei Hinsicht aufschlussreich. Zum einen findet sich in S eine Formulierung, die eindeutig fehlerhaft ist: »Die Blinden sagten und kratzen die Köpff« (207) [Hervorhebung AHZ] – da aber weder vor noch nach dieser Fest-

Vgl. Ridley (2002), S. 119–121.

484

stellung direkte oder indirekte Rede folgt, macht dies keinen Sinn und deutet somit auf eine ›Verschlimmbesserung‹ einer Vorlage, die »saßen« verwendet. Da die flämische (171) sowie die englische Ausgabe »saßen« benutzt, ist dieser Ausdruck wahrscheinlich. Im Licht der vorherigen Anmerkung fällt auf, dass die französische Fassung den Fehler von S nicht dupliziert, sondern auf die Stelle verzichtet (in P kratzen sich die Blinden lediglich die Köpfe (205, 39f.)). Ein weiterer beachtenswerter Punkt ist, dass L die Darstellung der Verzweiflung steigert; hier wird nicht das Verb »scratch« verwendet (das man erwarten würde), sondern »claw«. Die Blinden krallen sich also die Haare. Der englische Text geht aber noch weiter, indem er beschreibt, dass die Betrogenen in ihrer Verzweiflung den Punkt der Selbstverstümmelung erreichen: »and some clawed their arme«. Über die Suche nach einer Vorlage für die englische Übersetzung hinaus sind solche Stellen sicherlich von Interesse, da sie die Eigenständigkeit der englischen Überlieferung sowie den erzählerischen Habitus verdeutlichen. 6

Shall I let them go that they spend me no more mony?: Die Überlegungen des Wirtes zu seiner Schadensbegrenzung sind in L im Gegensatz zu den anderen Fassungen verkürzt, gedanklich aber in Einklang.

7

the stable: Die eher neutrale Darstellung des Wirts in L (s. o., Z. 29f.) wird durch den Text hindurch beibehalten, so auch hier. Während S (207), Afl. (171) und P (206, 45) angeben, dass der Wirt die Blinden in den Schweinestall sperrt, steckt er sie in L nur in den Stall, seine Härte wird also relativiert. Nach dem OED2 ist das Wort »stable« zwar ursprünglich mit »Gebäude, welches alle Arten von Haustieren beherbergt« bestimmt, die Assoziation ist aber vorwiegend mit Pferden. Da neben dem generischen »stable« im 16. Jahrhundert auch das spezifischere »sty« zur Bezeichnung des Schweinestalls existiert, kann man davon ausgehen, dass der Bearbeiter sich hier absichtlich für die neutrale Version entscheidet und damit seine Charakterinterpretation des Wirtes deutlich macht.

10

and he had chaunged hys clothyng that they should not knowe hym: Der seltsame Einschub, dass Eulenspiegel sich verkleidet, findet sich in allen Fassungen, wie wenig Sinn diese Strategie gegenüber Blinden auch macht. Die Zufügung in L allerdings, dass er dies tue um unerkannt zu bleiben, setzt dem Unfug noch die Krone auf.

14f. And he asked him what harme they had done to hym: Auch in dieser Frage Eulenspiegels zeigt sich die neutralisierende Tendenz von L (s. o., 485

Z. 29f. und Z. 7): Wo in den anderen Fassungen durch die Frage, ob er denn kein Mitleid habe, die Härte des Wirtes verdeutlicht wird, ist die Kritik Eulenspiegels in der Formulierung in L – was denn die Blinden dem Wirt zuleide getan hätten – viel versteckter. 15

I woulde that they were together in the water: Eine kleine Abweichung in L: Die anderen Fassungen sagen nicht, dass der Wirt die Blinden alle zusammen ins Wasser wünscht, sondern dahin, wo alle Wasser zusammenfließen. In solchen Flüchtigkeitsfehlern manifestiert sich entweder eine Nachlässigkeit des Bearbeiters oder eine abweichende Vorlage.

21

the fende: Die Übereinstimmung zwischen P (206, 66) und S (207) setzt sich hier fort, da Eulenspiegel dem Priester in beiden Fassungen erzählt, sein Wirt sei von einem bösen Geist besessen. In Afl. (171) und L wird der Ausdruck »Feind« verwendet. Allerdings sind S, Afl. und P dann wieder im Einklang, wenn sie im Gegensatz zu L Eulenspiegel vorgeblich als den Boten des Wirts darstellen. Nur in L (»I desyre you for to helpe hym«) scheint es, dass Eulenspiegel aus eigenem Antrieb den Priester für seinen Wirt um Hilfe bittet.

23ff. that she may here […] to his hoste: L deckt sich an dieser Stelle mit van Hoochstraten (171), wogegen van Ghelen die Antwort des Pfarrers ganz auslässt (F.4.r).

Seite 210 9

and the woman said no: Warum die Frau des Wirtes auf die Frage des Priesters mit »nein« antwortet, ist rätselhaft (in allen anderen Fassungen bejaht sie sie), außer wenn man das durchgehende Interesse des Textes, den Charakter des Wirtes zu schönen, zugrunde legt.

13f. and I shall helpe hym therof by the grace of god [ ]: than sayd: In Afl. (173) und P (207, 97) verspricht der Priester, die bösen Geister auszutreiben, was in S und L fehlt. 18f. and toke the spit with the rost that lai at the fyre: Von hier ab weicht S von Afl. (173), P (207, 103) und L in mehreren Details ab: So findet sich in S zum Beispiel, dass der Wirt sich mit Spießen und Hellebarden bewaffnet (208) und nicht einfach im Affekt den Spieß vom Grill greift oder dass er den Priester schlagen will und nicht mit dem Spieß durchbohren). Honegger vermutet, dass es sich bei den Hellebarden (»halbarten«) um die ›richtigere‹ Form handelt, »aus der dem 486

flämischen Übersetzer unverständlichen halbarten [könnte] durch Korrektur einer vermuteten Buchstabenverstellung der am Spieß steckende Braten entstanden sein«111. Diese zunächst einleuchtende Erklärung wird aber m. E. durch die Anmerkung (Fußnote 147) in Frage gestellt, Grüninger habe häufig durch Liquidametathesen fehlerhafte Formen produziert (»Bermen (statt Bremen)«). Es überzeugt nicht, dass gerade bei den »halbarten« eine richtige Form vorliegen soll – gegen das Zeugnis aller anderen Textfassungen –, wenn Grüningers Text sich doch genau durch solche wiederkehrende Fehler auszeichnet. Da der genaue Vergleich schon ergeben hat, dass L nicht auf dieselbe Quelle wie Afl. und P zurückgeführt werden kann und zudem viele Eigenheiten mit S teilt (und daher wahrscheinlich auch eine Vorlage), ist das Zusammenfallen aller dieser Zeugnisse gegen S in diesem Fall eher ein Hinweis darauf, dass Grüninger ein interpretatorischer Fehlschluss unterlaufen ist. 22

thou priest: In der Anrede des Priesters als »Pfaff« (208) oder »thou priest« korrespondieren S und L, während sie in Afl. und P ganz fehlt.

23

and the prieste gaue hym no aunswere: Dieses Verhalten des Priesters ist eine Eigenheit von L; in allen anderen Texten bekreuzigt er sich wieder. Kann es nach all den anderen Stellen Zufall sein, dass eine so deutliche Abweichung Ls wieder mit einer Diskrepanz zwischen van Hoochstraten und van Ghelen zusammenfällt (van Ghelen: »ende sloech een cruys voor hem« (F.4.v)), van Hoochstraten: »ende sloech dat teeken des heyligen cruyces voor hem« (173))?

29

But neuer after loued on the other: In S (209), Afl. (173), P (207, 116f.) endet die Historie mit dem Hinweis, dass der Wirt und der Priester ihre Fehde bis zu ihrem Lebensende weiterführen, wovon L mit dem Hinweis auf die folgende Abneigung abweicht.

Seite 212 Historie 35 Im Unterschied zu den anderen Fassungen begleitet Eulenspiegel hier von Anfang an die Kaufleute und ist so im Spott des Wirts über ihre Furcht vor

111

Honegger (1973), S. 63.

487

dem Wolf miteingeschlossen. Da Eulenspiegel in den anderen Historien (außer in H 34, wo er den Blinden zur Freiheit verhilft – allerdings erst, nachdem er sie genarrt und in die Situation gebracht hat), nur für sich agiert und auf Spott anderer mit einem Gegenschlag reagiert, schlägt die englische Fassung hier einen nachvollziehbaren Weg ein, indem sie sein Verhalten durch das Mitbetroffensein als Verspotteter motiviert. Allerdings gibt es noch ›Reste‹ im Text, die auf eine Fassung deuten, die wie S, Afl. und P aufgebaut ist. Die van-Hoochstraten- und die van-Ghelen-Edition unterscheiden sich in dieser Historie oft, wenn auch nicht immer bedeutungsverändernd; L wechselt seine Allianzen öfter. 4

he praysed great ¦ ly his boldnesse: Bei van Ghelen findet sich die Feststellung, dass der Wirt »hem seluen seer cloeck prijsende« sei (F.4.v), wovon van Hoochstraten im Verb abweicht: »die hem selven seyde seer cloec« (173)). Die französische Fassung schlägt noch einen anderen Weg ein, indem sie zwar das Verb ›sagen‹ verwendet, aber eine andere Eigenschaft nennt als die flämischen Texte: »qui se disoit estre tres hardy« (208, 2f.). Diese scheinbar so geringfügigen Varianten sind nicht nur deshalb von Interesse, weil sich an einer Stelle, an der van Hoochstraten und van Ghelen divergieren, eine deutlich andere Textfassung in L zeigt, nicht nur, weil sie eine nichtkonstante Übernahme flämischen Materials durch P verraten, sondern auch, weil die englische Fassung hier aus einem Text zusammengefügt scheint, der das Verb von van Ghelen (sich preisen) mit der Charaktereigenschaft von P (Mut) kombiniert. Obwohl sich die Ursprünge der englischen Fassung so nicht enthüllen, wird doch die Heterogenität und Komplexität ihrer Abstammung sichtbar.

5f.

Howleglas came reding withe other thre marchauntes: In L reitet Eulenspiegel gemeinsam mit den Kaufleuten zum Gasthaus. In S (225), Afl. (173) und P (208, 3ff.) ist er schon dort, als die Kaufleute eintreffen. P fügt an dieser Stelle zu, dass die Kaufleute reich sind (208, 5), obwohl dies für den Verlauf der Historie unerheblich ist.

9

Be ye not angrie: L stimmt hier wesentlich näher mit van Ghelen überein, indem in beiden Texten der Zorn hervorgehoben wird (van Ghelen: »qualijc« (G.1.r), während van Hoochstraten das neutrale »en spreeckt soe niet« (173) verwendet. Da auch in S die Kaufleute den Wirt bitten, dass er nicht so mit ihnen »stürme« (226) und P auch explizit sagt: »ne parlez pas ainsi rudement« (208, 9f.), wird an dieser Stelle die Stellung von van Hoochstraten im Überlieferungsgeflecht unsicherer als zuvor.

488

9f.

for we haue bene hounted with a woulfe in the snow we could not scape: In allen anderen Fassungen beschreiben die Kaufleute hier, dass der Wolf ihnen Leid und/oder Ärger beschert habe, aber nicht, dass er sie gejagt habe; insofern unterscheidet sich L also. Dagegen fällt L mit dem Einschub über den Schnee mit Afl. (173), P (208, 12) und S 1519 (Bl.) zusammen, der in S 1515 fehlt.

12

.x. woulfes: Wie Afl. (175) und P (209, 17f.) brüstet sich der Wirt hier damit, dass er alleine zehn Wölfe töten könnte; in S sind es nur zwei (226).

13f. And howleglas sate bi the fyre, and herde al to gether: An dieser Stelle wird die inkongruente Konstruktion der Historie deutlich. Eulenspiegel sitzt am Feuer und hört, wie der Wirt sich über die Kaufleute lustig macht. Da er aber mit ihnen gekommen ist, betrifft ihn der Spott eigentlich auch und es ist nicht klar, warum er davon ausgenommen ist. Als Handlungsmotivation wäre seine Beteiligung einleuchtender. 17

how the myght stop their hoste of his mocking: Die Divergenzen zwischen den Fassungen sind hier auffällig: In S überlegen die Kaufleute, »wie sie nun dem thun möchten, daz sie den Wirt bezalten« (226), in L »how they myght stop their hoste of his mocking«. In P (209, 25f.) und Afl. sind beide Aspekte kombiniert: »so overdroegen si onder malcanderen wat si best mochten doen om den weert van sijnre spotternien te betalen om hem so sinen mont te stoppen« (175). Es ist ersichtlich, dass L sowohl eine andere Quelle als S 1515 als auch S 1519 zugrunde liegt, aber auch nicht Afl./P. Ein Hinweis auf eine mögliche Vorlage findet sich in S 1519, das an dieser Stelle, über S 1515 hinausgehend, dieselbe Kombination bietet wie Afl. (175) und P (209, 25ff.): »daz sie den wirt bezalen möchten und ym den mund stillen«. In L zeichnet sich also eine Tradition ab, die nicht nur von S 1515 divergiert, sondern auch von S 1519 und zudem Elemente des flämischen Strangs enthält. Von besonderem Interesse ist daher die Fortführung des Gedankens in Z. 23 (S. 212), da hier L die Aussage wiederholt, dass »we shall make our hoste that he shal mocke no more«, während nun bei S 1515 zum Element des Rückzahlens doch das Moment des Spotts dazukommt: »ich wil ihn bezahlen, das er Euch niemermer sol von dem Wolff sagen« (226). Dagegen beschränken sich aber Afl. (175) und P nun auf die Idee des Heimzahlens: »nous payerons bien l’hoste« (209, 34f.).

18f. he shall not mocke vs no more: Dass Eulenspiegel sich doch in den Spott eingeschlossen und davon betroffen fühlt (und dass die Gesamtge489

staltung darauf zielt), wird deutlich, weil er sich unter die Verspotteten einbezieht (»uns«). In den anderen Fassungen distanziert er sich, indem er »euch« verwendet. 20

and geue hym more monye for his labour: Nur in S wird Eulenspiegel von den Kaufleuten keine Belohnung für die Ausführung seines Streichs versprochen, alle anderen Texte erwähnen dies. Aber auch in dieser prinzipiellen Übereinstimmung liegt L näher an van Hoochstraten (»ende geloofden Ulespiegel weder te geven dat gelt« (175)) als an van Ghelen (»si beloofden Ulespiegel te betalen« (G.1.r)).

27f. The thanked their hoste because he gaue them warning before: An dieser Stelle wird die Eigenständigkeit des englischen Texts wiederum deutlich, denn die Antwort der Kaufleute ist kurz und in sich stimmig, wenn auch nicht besonders einfallsreich. In Afl. (»eten ons die wolven soe vinden wi u hier niet noch en comen wi niet weder« (175)) und P (209, 41ff.) ist der Sinn der Antwort nicht klar, die doch in S deutlich ist: »Ist, daz uns die Wölff uffessen, so kumen wir niet wider, und fressen Uch die Wölff, so finden wir Uch nit hie inen« (226f.). Ob L eine Vorlage verwendet, die diese Antwort nicht beinhaltet oder eine, die wie Afl. den Sinn entstellt und daher ausgelassen wurde, ist spekulativ. 28f. Howleglas found a woulfe that was frosen to the deth: L unterscheidet sich von den anderen Texten, in denen Eulenspiegel den Wolf selbst tötet und dann einfrieren lässt, nicht wie hier einen bereits erfrorenen Wolf findet.

Seite 214

112

2f.

and that they sat all at supper: Afl. und P lassen diese Stelle aus, wogegen sie in S (227) enthalten ist.112

10

And than went the host and all his folke were a slepe: vgl. Anmerkung im Text. P weicht von den anderen Fassungen ab, indem es den Aussagesatz zu einem Teil von Eulenspiegels wörtlicher Rede macht (»puis dist: ›et veillez jusgues a tant que l’hoste et ses gentz soyent couchez‹« (210, 58f.).

Vgl. auch Brie (1903), S. 23.

490

10ff. than wente he pryuely […] he had ben a liue: Die Beschreibung, wie Eulenspiegel den Wolf aufstellt, zeigt in L im Vergleich zu den anderen Fassungen kleine Differenzen, beispielsweise, dass in L Eulenspiegel in die Kammer geht, in den anderen Texten hinaus, dass er den Wolf in L nicht ans Feuer stellt, dass er das Maul nicht mit weiteren Stöcken aufsperrt. Dagegen liefert L die Zusammenfassung ›als ob er lebendig sei‹. 18f. and we wyll paye for it tomorowe: S lässt dies im Gegensatz zu den anderen Fassungen aus. 20

daye and nyght: Eine minimale Übereinstimmung zwischen L und S (227) gegen Afl. (177) und P (210, 73) ist, dass erstere die Reihenfolge »Tag und Nacht« wählen, während letztere sie umkehren.

30f. for the sayde there came no bodye: L und Afl. (177) teilen den Zusatz, dass die Kaufleute sagen, es käme niemand. In S rufen sie, dass sie selbst nicht aus der Kammer könnten (228), aber im französischen Text fehlt diese Textergänzung ganz.

Seite 216 1

and than lyghted he a candle: Nur in S (228) und L zündet der Wirt sich tatsächlich eine Kerze an, in den anderen Fassungen bleibt es beim Versuch (Afl.: 177; P: 210, 93ff.). Allerdings folgt im weiteren Verlauf L eindeutig derselben Tradition wie Afl./P, da die Beschreibung, wie sich der Wirt zu Boden fallen lässt, in S fehlt.

13

his manhode: Das letzte Wort in dieser Historie ist der Übersetzungen wegen von Interesse: P bleibt mit »hardiesse« (211, 113) bei dem Wortfeld, das es häufig verwendet, Afl. übersetzt »vroemicheyt« (177), aber in S finden wir »Manheit« (229), was auffällig im Einklang mit dem englischen »manhode« steht, das der Text sonst nirgends benutzt.

Historie 36 In dieser Historie weicht die französische Fassung in einigen Formulierungen und Details von den anderen ab. Die Übereinstimmungen von S und L gegenüber den anderen Texten sind ebenso deutlich. 16

an Inne [ ] wher: Nur Afl. (179) und P (211,1) nennen hier den Ort, an dem die Historie spielt – »Staffurt« –; er fehlt sowohl in S als auch in L. 491

17f. which she loued very well: In L wie in van Ghelen (G.2.r) hat die Wirtin ihren Hund sehr lieb; in van Hoochstraten (179) fehlt die Verstärkung. 19f. a potte of bere: In dieser Zeile gibt es ebenfalls eine Nähe zwischen S und L: In beiden Texten wird im Gegensatz zu Afl. und P qualifiziert, dass Eulenspiegel sein Bier aus einem Gefäß trinkt (in S eine Kanne (236), in L ein »potte«). 22f. and than sayde thei hostyse, [ ] geue they hounde: Sowohl L als auch S lassen die Anrede »Lieber Freund« aus, die sich in den anderen Texten findet. 24f. and he gaue him also parte of al thyng that was on the table: Hier nimmt S eine Mittelstellung zwischen den Texten ein. In L wird lediglich gesagt, dass Eulenspiegel dem Hund etwas vom Tisch gibt, in Afl. (179) und P (211, 15f.) werden die Speisen aufgezählt: Fleisch, Butter (nur Afl.), Bier (nur P) und Käse. S spricht nur von einem »Bissen Fleisch« (237).

Seite 218

113

4

her meate: Statt »Kost« (S, 237) oder »spijse ende cost« (Afl., 179) verwendet auch der französische Text das Wort Fleisch (P, 212, 20). Da P an anderer Stelle aber »escot« als generischen Terminus für die Kost verwendet (212, 50),113 weist die Abweichung von Afl. auf eine sich fortsetzende Eigenständigkeit. Ob sich hierin aber eine besondere Nähe zu L abbildet, ist insofern fraglich, als dass L »meat« genauso für Fleisch im engeren Sinne wie für Kost gebraucht.

6

and thoughte not of her hounde: An dieser Stelle bildet L mit van Ghelen (G.2.r) und van Hoochstraten (179) mit S (237) und P (212, 23f.) eine Gruppe, indem erstere lediglich sagen, dass sie nicht an den Hund dachte, letztere, dass sie nicht dachte, dass er den Hund meine.

7

good frende, her is no man that eateth here: Nur in P fehlt die Anrede »mein lieber Freund« (L und Afl. (179) bzw. »Herr Gast« in S (237)). Dagegen stimmen alle Texte in der Formulierung »man borgt hier nicht« gegen L überein, wo stattdessen »her is no man that eateth here« verwendet wird.

Weder die Bedeutung Fleisch noch Kost ist allerdings für ›escot‹ im Wörterbuch verzeichnet. Dort findet sich lediglich ›Zeche, Gelage, Kosten‹ für Essen und Trinken u. ä. Vgl. ToblerLommatzsch (1954).

492

9f.

And than went the hostise into her chamber for to do her busines: Die Beschreibung, dass die Wirtin aus dem Zimmer geht, fehlt nur in P. Afl. (179) und L stimmen völlig überein, aber auch S (237) gibt den Sachverhalt ähnlich wieder.

Seite 220 Historie 37 Zwar unterscheidet sich L im ersten Teil der Historie von den anderen Fassungen, ansonsten ist dies aber eine Episode, die sich durch eine generelle Nähe der Fassungen auszeichnet. 8f.

How Howleglas serued the same hostice […] on a whele: Der Titel der Historie lautet in S (239), Afl. (181) und P (213): »Wie Ulenspiegel derselben Wirtin eines Tages sagte, dass Ulenspiegel auf dem Rad lag«.

10f. in the same Inne where he had bene lodged before: In den anderen Fassungen wird dargestellt, wie Eulenspiegel erst zu einem anderen Gasthof in der Nähe von Staßfurt geht und sich dort verkleidet (und, in Afl. (181) und P (213, 1f.), sein Pferd unterstellt). 13

he spyed a whele lye their by: Hier nimmt L eine Zwischenstellung im Überlieferungsgeflecht ein: Einerseits fallen S und L in auffälliger Weise zusammen, da es in S heißt: »und vernam, in dem Huß da stont ein Rad« (239), während das Element des Sehens, des Wahrnehmens in der Afl.-/P-Gruppe fehlt. Dagegen enthält aber die Formulierung »vor dem Haus lag ein Rad« in Afl. (181) und P (213, 4f.) dasselbe Verb wie L. Die Frage nach der Vorlage bzw. den Vorlagen, welchen L folgt, wird durch solche Details immer wieder aufgeworfen.114

22

that was a knauyshe touche: L und van Ghelen (G.3.r) stimmen hier wörtlich überein, dagegen findet sich in S eine andere Tradition (»daz ist nit wol gethon« (240)). Es ist äußerst interessant, dass P (214, 16f.) und van Hoochstraten die beiden Traditionslinien vereinen: »dat was een boeven stuck: ende dat was niet wel gedaen« (181).

27f. let be your anger, for whan I spake to you he laye vpon the whel: Wie in Afl. und P enthüllt Eulenspiegel in L seine Identität am Ende der Historie nicht (entgegen S).

114

Vgl. auch Brie (1903), S. 24.

493

Seite 222 Historie 38 7

than sayde Howleglas [ ] wherfore saye ye so: Während Afl. (183) und P (214, 6) ausmalen, wie Eulenspiegel seine Wirtin »mit süßen Worten« mahnt, spricht er in L wie in S (241) ohne besondere Weichheit.

18f. Should not men correcte and repreue slaunderers and backbyters: In Kongruenz mit Afl. (183) und P (215, 22) endet L nicht mit dem Hinweis auf die Romfahrt, der in S (242) die Historie beendet,115 sondern mit der Notwendigkeit, Verleumder zu bestrafen. Im Rückgriff auf eine Formulierung, die sich in H 20 findet, wo Eulenspiegel als Ablasshändler auch Strafen für Verleumder androht, zeigt der Übersetzer/Bearbeiter von L eine überraschend hohe Textkontrolle. Der Sachverhalt in H 20 deckt sich tatsächlich mit dem in dieser Historie, in der Eulenspiegel sich über üble (wenn auch in diesem Fall wahre) Nachrede empört. Dass dafür in beiden Fällen derselbe Ausdruck verwendet wird (»slaunder and backbite«), macht die Konstanz und die Durchdachtheit der Bearbeitung deutlich. 20f. yes it is a charytable thyng […] and departed fro thence: Die überflüssige Feststellung mit der Eulenspiegel selbst sein Handeln rechtfertigt, fehlt in den anderen Texten ebenso wie seine Abreise. Historie 39 26

115

for he was sycke and coulde eat no fleshe: Die komplizierten Beziehungen zwischen L, den flämischen Fassungen und S zeigen sich hier wieder einmal: Im ersten Teil des Satzes scheint van Hoochstraten weiter von L entfernt (»ende Ulespieghel was wat cranc worden so daz hi geen vleesch eten mocht« (185)), im zweiten dann wiederum van Ghelen (»Hi was wat siec geworden so daz hi geen vlees en mocht« (G.3.r)), weil bei van Hoochstraten das Verb ›essen‹ genannt wird, das in van Ghelen fehlt, wo dafür allerdings – wie in L – »siec« verwendet wird. Es gibt für die Verwendung des Wortes aus einem anderen Feld im Vergleich zu van Hoochstraten sicherlich andere Erklärungen als eine kaum vorstellbare Übernahme aus einer englischen Fassung. Zu untersuchen, ob beispielsweise ein Sprachwandel innerhalb des Flämischen eine spätere Bevorzugung eines Lexems (die sich in

Vgl. Lappenberg (1854), S. 158.

494

van Ghelens deutlich späterem Druck niederschlagen könnte), die Ursache sein könnte, muss der weiteren Eulenspiegel-Forschung überlassen bleiben. Bemerkenswert bleibt aber die wörtliche Nähe zum englischen Eulenspiegel an dieser Stelle. Hinzu kommt, dass sich auch in S das Schwanken, das die Unterschiede zwischen van Hoochstraten und van Ghelen kennzeichnet, findet: »Ulenspiegel ward ein wenig kranck, daz er kein Fleisch möcht« (245). Hat van Hoochstraten lediglich das Essen eingefügt um die Stelle zu verdeutlichen oder haben wir es mit einem Hinweis auf eine andere, nicht mehr vorhandene Quelle zu tun?

Seite 224 1

ye Thomme of the countrey: L kürzt hier die Wiederholungen weg, die sich in den anderen Fassungen finden, und beschränkt die Anrede des Holländers auf die Anrede, aus der hervorgeht, was er von Eulenspiegel hält. Dafür wiederholt der Holländer dann in L mehrfach, dass Eulenspiegel wohl fürchte, in dem Gasthof kein Fleisch zu bekommen.

5

holde here is thei boxe, the relykes be gone: Der Ausspruch des Holländers, nachdem er die Eier verschlungen hat, deckt sich mit Afl. (185) und P (215, 10f.) und weicht somit von S ab, wo es heißt »Seh hin, leck daz Vaß, der Dotter ist heruß« (245).

7

a strong purgacion: Koopmans stellt fest, dass im Straßburger Text das Wort »Saffonie«, das die durchschlagende Mischung bezeichnet, welche Eulenspiegel dem Holländer verabreicht, im Titel vorkommt, aber in der Historie selbst nicht (277). Es ist für das Verhältnis zwischen S und L bezeichnend, dass sie sich – gegen die übereinstimmende Tradition von Afl. und P, die hier beide Saffonie benutzen – entsprechen, allerdings nicht deckungsgleich sind. Wo in S von einer Füllung »vol Fliegen oder Mucken« die Rede ist (245), verwendet L »a strong purgacion«. In sich ist L damit konsistenter als S, da es die Substanz erst gar nicht im Titel genannt hat. Gleich in der nächsten Zeile gehen S und L auseinander, wenn L der Afl.-/P-Tradition bei der Beschreibung der Vorbereitung des Apfels folgt.

14f. and all the gestes wend that he should haue dyed of the apple: Im Alleingang lässt L hier aus, dass alle anderen Gäste denken, Eulenspiegel habe den Apfel vergiftet. Daraus ergibt sich dann auch Eulenspiegels Antwort im nächsten Satz, in dem er konsequenterweise nicht den 495

Vorwurf des Vergiftens abweist, sondern nur sagt, sie sollten sich nicht wegen des Holländers sorgen. 19

and than the gestes made good chere and laughed: Die Wiederherstellung der guten Laune im Wirtshaus ist eine Zufügung in L.

21

Roste and eate whatsoeuer ye wyll: Nur P beschränkt sich auf das Essen (216, 31), in allen anderen Fassungen sagt der Holländer, Eulenspiegel möge »essen und braten«, was er wolle.

Seite 226 Historie 40 In dieser Historie schlägt L, nachdem für die mittleren Historien die Anzahl der Zufügungen relativ gering war, wieder den anfänglichen Weg ein und führt an einigen Stellen zusätzliches Material ein und wiederholt auch bereits Erzähltes. Ein Fehler, der L unterläuft, ist die Wiederholung einer kompletten Passage, bzw. das Einsetzen der Passage an der falschen Stelle. Dieser Fehler ist besonders bedauerlich, weil es scheint, dass in L eine substantielle Variante vorliegt, die so abgeschnitten ist. Im Hinblick auf die anderen Fassungen ist P insofern interessant, als dass es hier öfter in Details von Afl. abweicht; daneben ist die starke Häufung von Unterschieden zwischen van Hoochstraten und van Ghelen, die keine direkte Entsprechung in L haben, merkwürdig. 5

mad touche: Im Vergleich zwischen van Hoochstraten und van Ghelen fällt auf, dass L »mad touche« als Übersetzung von »avontuerlicx« wählt (in beiden flämischen Fassungen), in Z. 6 aber »meri Iest« verwendet, obwohl sich hier in van Hoochstraten wieder »avontuerlicx« findet (187). Da van Ghelen allerdings »een cluchte« benutzt (G.3.v), ist die Vermutung zulässig, dass L hier eher von einem van-Ghelenähnlichen Text beeinflusst ist, da sich sonst eine Wiederholung von »mad touche« angeboten hätte.

6f.

wherat he made the byshop to laughe [ ]. Than on a tyme: Die anderen Fassungen betonen, dass Eulenspiegel vom Bischof Kost für sein Pferd erhält (S: 247; Afl.: 187; P: 216, 3ff.).

9ff. and answered not […] he gaue him silence: Die Ungeduld des Bischofs und Eulenspiegels Zurückhaltung werden in L im Vergleich zu den anderen Fassungen mit einem weiteren Dialog ausgeschmückt. 22f. and there they taryed: P lässt die Feststellung aus, dass der Bischof und Eulenspiegel zusammen eine Weile warten. 496

26

so that the byshop […] did laugh therat: L nimmt hier eine Mittelstellung zwischen Afl./P und S 1515 ein, da Afl. (187) und P (217, 33) unter den belustigten Zuschauern auch das Gefolge des Bischofs nennen, es bei S aber nur »alleman lachten« heißt (248). In L wird die allgemeine Menge genannt und zusätzlich nur der Bischof.

32

and we were both agreed: Dass Eulenspiegel und die Marktfrau zu einer Übereinstimmung gelangt sind, wird in P ausgespart, findet sich aber in Afl. (187) und S (248).

33

and he made hym to swere on a boke: Während in den anderen Fassungen der Bischof Eulenspiegel nur versprechen lässt zu schweigen, entwirft L hier eine Szene, in der Eulenspiegel sogar schwören muss. Vgl. H 13, S. 100, Z. 12, bzw. S. 421f.

Seite 228 2f.

And than departed Howleglas […] he let the byshop do what he would: L, Afl. (189) und P teilen diese Bemerkung: »Et se partit de la et le laissa faire« (217, 42f.) mit S 1519. In S 1515 dagegen wird nur Eulenspiegels Abreise geschildert, direkt im Anschluss die Zusammenkunft des Bischofs mit seinem Gefolge (249).

3ff. that whan he shoulde […] to .xx. fat oxen: Warum L hier der Fehler des falsch positionierten Einschubs unterläuft, lässt sich relativ einfach erklären. Die Passage, in der Eulenspiegels List erklärt wird, findet sich im unteren Drittel von K.4.v; der Drucker hat es aber bereits in K.4.r eingesetzt und zwar ebenfalls im unteren Drittel (nach Z. 3). Aus dem Fehler können wir schließen, dass in der Coplandschen Offizin der Editionsprozess beschränkt war, denn bei einem sorgfältigen Vorgehen hätte ein solcher Fehler auffallen sollen; bezeichnend ist, dass die späteren Auflagen den Fehler wiederholen. Bedauerlicherweise gestattet uns der Fehler nur einen kleinen Blick auf ein Stückchen Text, das der Reduplizierung vorausgeht »[a]nd than went the byshop«, der in den anderen Fassungen keine Entsprechung hat – S (249), Afl. (189) und P (217, 43ff.) berichten im Anschluss an Eulenspiegels Abreise, dass der Bischof beim Essen seinem Gefolge anbietet, sie die Kunst zu lehren. 13f. and fetched a fat oxe and broughte it vnto the byshop: L verzichtet darauf, den Gewinn des Bischofs nach der Menge der ihm gegebenen Ochsen zu berechnen, so wie es sich in den anderen Fassungen findet. Hier 497

wird lediglich angeführt, dass jeder der Adligen einen Ochsen holt (dass die Gesamtmenge 20 beträgt, wird am Ende der transponierten Passage gesagt (Z. 12f.)). Dass uns wegen des Fehlers in dieser Passage nicht bekannt ist, ob der englische Text – wie Afl. (189) und P (217, 46) – Angaben zu der Anzahl der Adligen macht (16) oder sich wie S darüber ausschweigt, ist im Grunde irrelevant, da L im Folgenden ganz auf eine Berechnung des Werts verzichtet. Das ist daher von Interesse, weil die Berechnungen in zweien der anderen Fassungen unstimmig sind: Weder ergeben die zwei Ochsen, die die 16 Adligen in P (217, 49ff.) bringen, 30 Ochsen noch addieren sich die Zahlen in S auf, wo ein Ochse jeweils vier Gulden wert ist, was bei 16 Ochsen 64 Gulden ergibt – womit »die 30 Guldin, die er Ulenspiegel gab« eben nicht »dreifältig bzalt [waren]« (249), sondern nur doppelt. Allein in Afl. (189) stimmt die Rechnung. Ob es sich beim Verzicht auf die Passage in L um eine editorische Entscheidung handelt, um offensichtliche Fehler zu vermeiden, mag man angesichts der sonst offensichtlich nachlässigen Editionspraxis bezweifeln. Eher erscheint es, dass in der Coplandschen Offizin durch die Transposition der Passagen der Teil mit der Berechnung ausgelassen wurde (wobei die Nennung der 20 Ochsen als Hinweis gelten kann). Verwirrend ist im Kontext der Wiederaufnahme der Erzählung am richtigen Ort, dass diese mit der Darstellung von Eulenspiegels Zufriedenheit endet (»wher of he was glad«, Z. 12 bzw. Z. 33) und nicht mit dem Satz »as the other did so that the gift amounted to .xx. fat oxen« wie oben. 20

and lefte the byshop with all his lordes talkinge: Interessant ist, dass sowohl in S als auch in P der Hinweis darauf fehlt, dass Eulenspiegel den Bischof und sein Gefolge redend zurücklässt. Diese Stelle ist außer in L nur in Afl. vorhanden: »[Ulespieghel] liet den bisscop met sinen edelen begaen« (189), was wiederum Fragen nicht nur über den Zusammenhang zwischen Afl. und L aufwirft, sondern über die gesamte Gruppe, weil das Verhältnis zwischen Afl. und P ebenso betroffen ist wie das zwischen P und S.

28f. but they durst not speke one worde, but clawed theire heades: Dass die Betrogenen sitzen und sich die Köpfe kratzen, greift nicht nur eine schon benutzte Darstellung wieder auf (die der betrogenen Blinden in H 34) und gibt somit einen Hinweis auf die Textorganisation und Tropen, sondern verleiht uns darüber hinaus Aufschluss über den Zusammenhang mit S. Von allen Fassungen ist sie in diesem Fall die 498

einzige, die denselben Inhalt erzählt wie L: »[U]nd ihr keiner dorfft vor dem andern etwas reden. Der eine kratzt uff dem Kopf, der ander kratzt den Nacken« (250). Auffällig ist hier wiederum, dass es sich bei L nicht um eine direkte Übersetzung von S handelt, da Teile fehlen. Zudem scheint das Kopfkratzen in S eher Nachdenklichkeit auszudrücken, das »clawed« in L eher Verzweiflung.

Seite 230 Historie 41 In der englischen Edition – ebenso wie in der französischen – steht diese Historie an 41. Stelle. Der flämische Text wechselt stattdessen zur Historie mit den Marktfrauen und der Buttermilch, die in L erst als H 42 steht. Die Stimmigkeit der unterschiedlichen Anordnungen wird weiter unten im Hinblick auf H 42 und 44 diskutiert. Zudem scheint das Kopfkratzen in S eher Nachdenklichkeit auszudrücken, das »clawed« in L eher Verzweiflung. 2ff. How Howleglas […] into the yarde: Im Titel des englischen Texts findet sich die Einfügung, dass die Mönche die Treppe »should come down on mattyns«. Damit erscheint L als Mischform zwischen Afl. (191) bzw. P (218), die angeben, dass Eulenspiegel die Treppe manipuliert, so dass die Mönche hinunterfallen, und S, wo nur gesagt wird, dass er »die Münch […] zu der Metten zalt« (253). 5

he waxed old and feble: Die Unterschiede in der Beschreibung von Eulenspiegels körperlichem Zustand sind bedeutend. Sicher ist, dass die Übersetzung »he waxed old and feeble« genauso wenig für das Deutsche »[er] was alt und verdrossen worden« (253) angemessen ist wie für das Französische »[il] fut ancien et vieil« (218, 1). Die flämische Übersetzung verzichtet sogar auf die Zweigliedrigkeit (»Doen Ulespiegel out was« (191)). Ob sich solche Divergenzen allein auf unterschiedliche Übersetzungsmaximen zurückführen lassen, ist besonders fraglich, wenn man das meist enge Verhältnis zwischen Afl. und P bedenkt: Nicht notwendige Abweichungen dieser Art werfen über das individuelle Wort hinaus Fragen zu Traditionslinien auf. Auch im weiteren steht P im Kontrast zu Afl. wie auch zu den beiden anderen Fassungen. Sowohl S (253) als auch Afl. (191) fügen ein, dass Eulenspiegel vielerorts sein Unwesen getrieben hat, was P auslässt.

13

for ye se well: S überschneidet sich hier mit L (»da du sihest« (254)), Afl. und P verzichten auf den Einschub. 499

Seite 232 1f.

so many vacabundes and land rynners: Die Fassungen weichen an dieser Stelle beträchtlich voneinander ab: Während in S der Abt Eulenspiegel nur anweist, nicht jeden einzulassen (254), erklärt er in P, dies sei wegen »les maraulx« (219, 21) nötig. In Afl. gibt er mit »aftreckers ende [..] onbescaemder einde bescaven menschen« (193) eine zweigliedrige Erläuterung, die L nahekommt.

26f. he cryed pyteously [ ], so that: Das Bild von einer Vorlage, die im Detail von den verschiedenen Fassungen sehr unterschiedlich übernommen wurde, verstärkt sich hier: Im Gegensatz zur vorgehenden Notiz decken sich L und P: »il cria piteusement« (219, 50). Dagegen stimmen nun Afl. (193) und S (255) mit der Verwendung von »jämmerlich« überein. Allerdings geben dann wiederum nur Afl. und P den Zusatz, dass der Mönch wegen des (großen) Schmerzes schreie (193 bzw. 219, 50f.), der indessen bei L und S entfällt. 27

the other munkes herd him: Der Trend der Passage (wechselnde Überlieferungsverhältnisse) setzt sich fort, indem nun wieder nur Afl. (193) mit L diese Angabe macht, während in S (255) und P (219f., 50ff.) die anderen Mönche auf das Schreien hin angelaufen kommen, ohne die ausdrückliche Erwähnung, sie hätten ihn gehört.

Seite 234 1

what haue ye done? [ ] Howleglas sayd: Hier geht S (255) mit L zusammen: In beiden antwortet Eulenspiegel direkt auf die Frage des Abts und zeigt ihm erst dann sein Kerbholz. In Afl. (193) und P (220, 54f.) wird hier eingefügt, dass Eulenspiegel dieses Kerbholz angefertigt hat.

Historie 42 Die Anordnung der Historien in Afl. scheint logisch (Eulenspiegel übt noch einen Streich in der Gegend aus, dann macht er sich Gedanken um seine Altersvorsorge und geht ins Kloster, von wo aus der Abstieg in die Krankheit beginnt), dagegen ist die Chronologie in P weniger überzeugend. Dort wird die Historie, in der Eulenspiegel in Mölln krank wird und ins Heilig-Geist-Hospital gebracht wird, der Milchfrauen-Episode vorangestellt. Die Unterbrechung der biographischen Abfolge des EulenspiegelMaterials, die hier zum Tod hinführt, ist daher in P als Fehler zu bewerten. 500

Die Gestaltung in L, in der die Milchfrauen-Episode auf diejenige im Marientaler Kloster folgt, und Eulenspiegel dann erst in der nächsten richtigen Historie (44) in Mölln krank wird, scheint stimmiger als P, aber immer noch nicht fehlerfrei. H 41 endet in L mit den Worten »and [Howleglas] went to Mollen«, was einen Abstecher nach Bremen nicht eben am Wege liegen lässt. Dabei ist unerheblich, ob sich das Kloster Mariental im Kreis Helmstedt befand oder bei Mölln,116 da die Strecke nach Bremen in keinem Fall nur einen kleinen Umweg darstellt. An Beschreibungen wie dieser merkt man die mangelnden Ortskenntnisse des Bearbeiters deutlich. Auch der logische Anschluss ist in L mit Macht durchbrochen, denn H 43 beginnt schließlich mit dem Hinweis darauf, dass sie in Mölln spielt und dass Eulenspiegel aus Mariental gekommen ist. 7

creame: Im Unterschied zu S, wo die Marktfrauen Milch verkaufen, und zu Afl. und P, wo ihre Ware Buttermilch ist, bieten sie in L Sahne zum Verkauf. Vgl. aber auch den Kommentar unten zu S. 236, Z. 4.

8

Maryandra: Nachdem das Kloster in H 41 »Merienvall« genannt wurde, heißt es hier nun »Mariandra« und in H 44 zu guter Letzt »Meriendasse«. Ob sich der Bearbeiter bzw. der Setzer darüber im Klaren war, dass es sich hier um ein und denselben Ort handelt, möchte man angesichts der Namensvarianten fast bezweifeln. Dass man sich dessen bewusst gewesen sein mag, darauf deuten allerdings die jeweiligen Einleitungssätze hin.

12ff. and went again […] to the other: L präsentiert eine Variante zu allen anderen Texten, da Eulenspiegel hier selbst mit einem Bottich von Marktfrau zu Marktfrau geht und sie nicht zu ihm kommen. Das untergräbt die Stimmigkeit der Historie, da nicht einleuchtet, warum er die Frauen nicht sofort bezahlt und zudem der Effekt der nachfolgenden Sahneschlacht durch die Vorstellung eines relativ kleinen Behältnisses gemindert wird. Typisch ist an dieser Passage in L auch, dass der genaue Ablauf seines Vorgehens unnötigerweise mehrfach wiederholt wird, wodurch die Handlung stagniert. 21f. at this tyme: Nur S (»uff diß Mal« (204)) und L haben diesen Zusatz; in P und Afl. fehlt er. 23ff. for the would not trust him […] the tub fel downe: Nachdem die Marktfrauen Eulenspiegel den Kredit verweigert haben, bringt L wieder eine lange Ergänzung ein: Die Schlägerei, die sich auch in den anderen Fassun116

Vgl. Lindow (2001), S. 253, Fußnote 1.

501

gen findet, ist hier ausgesponnen, indem der Streit der Marktfrauen mit wörtlicher Rede berichtet wird, ihr Weinen und die genauen Handgreiflichkeiten. S hat eine ähnliche Passage (204), allerdings nicht ganz so detailliert; bei Afl. (191) und P (223f., 14ff.) ist sie auf die Handgreiflichkeiten reduziert und die nassen Marktfrauen werden mit Katzen verglichen, was sowohl in L als auch in S fehlt.

Seite 236 4

our mylke: Den Wechsel von »creame« zu »mylke« muss man als Lapsus bewerten, weil ansonsten in L durchgängig von Sahne die Rede ist. Da in S (204) der Wunsch der Marktfrauen sich an Eulenspiegel zu rächen ausgelassen wird, bleibt nur der Schluss auf eine Interferenz mit der Afl.-/P-Gruppe, da dort ebenfalls auf den Kauf der Milch verwiesen wird (191; 224, 22f.).

9f.

the burgeys of the town and many other folke of the town: Die Schilderung in L, nämlich dass die Bürger der Stadt das Geschehen verfolgten, findet sich auch in S. In Afl. (191) und P (224, 26) wird gesagt, dass alle, die es sahen, lachten.

9

the cannels ran with creame: Diese Formulierung verwendet lediglich L, während es in den anderen Fassungen heißt, es sehe aus, als ob es Milch geregnet habe.

9f.

Than went thei to the market place for to se: Man kann diesen Satz eigentlich nur so verstehen, dass die vorgenannten Bürger (Z. 9) zum Marktplatz gingen, um zu schauen. Das macht aber im Kontext keinen Sinn, weil ja gerade vorher gesagt wurde, dass diese Leute den Ausbruch der Sahneschlacht schon miterlebt haben, weshalb sie weder erst zum Marktplatz kommen noch (wie im nächsten Satz) die Frage über den Hergang stellen müssen. Da das zum Markt Gehen sowohl in Afl. als auch in P fehlt, bleibt als Interpretationshilfe S: »Die Burger und alle, die das sahen, die lachten der Gemligkeit, das die Frauen also zu Merckt giengen« (204). Wohl hat der Bearbeiter von L eine Passage falsch verstanden, indem er nicht die Marktfrauen als diejenigen aufgefasst hat, die auf diese Weise den Markttag ›gestalteten‹, sondern als ob die genannten Bürger zum Marktplatz gehen, um das Ausmaß der Verwüstung in Augenschein zu nehmen.

12f. and praysed greatli the falsenes and suttelte of Howleglas: Nur P hat nach der Beschreibung der allgemeinen Bewunderung für Eulen502

spiegels Streich noch den Zusatz »Et elles n’en eurent autres chose« (224, 29).117 Historie 43 Die hier eingeschobenen Verse gibt es ausschließlich in L, sonst in keiner der anderen Fassungen. Es ist viel darüber spekuliert worden, was sie uns über das Entstehungsumfeld der späteren englischen Eulenspiegel-Drucke sagen können, auch über mögliche Vorläufer. Diese Frage wird in Kapitel VII.3., S. 525ff., ausführlich analysiert.

Seite 240 Historie 44 Wie Afl. und P kombiniert L die Straßburger Historien 90 und 91 zu einer. 15

for to make medicines therfore: Es ist nicht nachzuvollziehen, wie der Bearbeiter hier darauf verfällt, Eulenspiegel wolle Medizin machen und nicht nehmen (Afl.: 195; P: 220, 3). Wenn man von einer Verwechslung von ›take‹ und ›make‹ ausgeht, scheint die einzige Erklärungsmöglichkeit ein Fehler während des Setzprozesses zu sein (entweder beim Diktat des Satzes oder beim Setzen selbst).

15ff. Than shold the poticarie […] a stronge purgacion: Aus L geht noch weniger als aus Afl. (195) und P (221, 4), wo er nur als ›wunderlich‹ beschrieben wird, hervor, was die Motivation des Apothekers sein könnte; es wird lediglich gesagt, dass er Eulenspiegel das Abführmittel gibt. In S dagegen wird ein klarer Hinweis auf den Charakter des Apothekers gegeben und auch Eulenspiegels Reaktion wird so nachvollziehbarer: »Da waz der Apotecker auch etwaz geil und gemelich« (256). 18f. but he coulde not fynde none: Anstatt wie in S (256), Afl. (195) und P (221, 8f.) begegnet Eulenspiegel hier nicht der Schwierigkeit einer (absichtlich?) verschlossenen Tür, sondern er findet einfach keinen Abort. Im unmittelbaren Fortgang der Geschichte ist der Sonderweg in L – Eulenspiegel verunreinigt erst das ganze Zimmer und scheißt danach erst in die Büchsen – nicht einleuchtend.

117

Vgl. Koopmans/Verhuyck (1988), S. 30.

503

19f. the .xii. boxes, that the medicins were in: Mit S (256) geht L gegen Afl. (195) und P (221,10), da diese zusätzlich anführen, in den Büchsen habe sich außer der Medizin auch »Syrup« befunden. 23f. bare him: Während der Apotheker in S (256) und P (221, 17) veranlasst, dass Eulenspiegel ins Spital getragen wird, trägt er ihn in L selbst. Afl. ist etwas unklar, dort findet sich der Ausdruck »dede Ulespiegel dragen« (195), was Geeraedts allerdings mit »liet Uilenspiegel […] brengen« (194) übersetzt.118

Seite 242 2f.

for she was olde and pore: In S (256) und L ist Eulenspiegels Mutter sowohl alt als auch arm – in Afl. (195) und P (221, 26) ist sie nur arm.

3

she wepte: Ein weiterer Unterschied, bei dem L mit S gegen Afl. und P geht, ist, dass Eulenspiegels Mutter hier einfach nur weint, wogegen Afl. (195) und P (221, 27) ausschmücken, dass sie zärtlich weint. Darüber hinaus ist van Hoochstratens Wahl des Verbs »weende« gegenüber van Ghelens »schreyde« (H.2.r) interessant. Ist letzteres ein Hinweis auf eine Interferenz mit einem englischen Text, in dem ›cried‹ stand, welches sowohl ›weinen‹ als auch ›rufen‹, ›schreien‹ bedeutet?

7f.

you fist: Die Nähe zwischen Afl. (195) und L lässt sich hier an dem Wort »fist« ablesen, das entweder als fehlgeleitete Übernahme des niederländischen Wortes »vijsten« (furzen) oder als Druckfehler (fehlendes ›r‹) beurteilt werden muss.

13f. than sayde an olde syster that was a good frende of his: L macht die Begine (ohnehin ohne nähere Erklärung ihrer religiösen Zugehörigkeit) zu einer guten Freundin Eulenspiegels, trotz der harschen Worte, mit denen er ihr begegnet, und der Tatsache, dass im gesamten Text in keinem einzigen Fall ein freundschaftliches Verhältnis von Eulenspiegel zu anderen Figuren erwähnt wird – was das Missverständnis des Bearbeiters mehr als deutlich macht. In Afl. (197) und P (222, 50) redet ihn die Begine mit »(mein) Freund« an, woraus L den Zusatz gesponnen haben könnte, die Begine sei gut mit Eulenspiegel befreundet. In S fehlt die Anrede. 118

Vgl. auch Brie (1903), S. 24.

504

15

and so to be the seruaunt of god: L hat den Hinweis auf den näherrückenden Tod und wie man sich als Christ am besten vorbereitet, um süß zu sterben, der sich in den anderen Fassungen findet, aus dem Text getilgt. Stattdessen wird hier gesagt, er solle durch die Beichte seiner Sünden »the seruaunt of God« sein.

19

two thinges: Wie Afl. (197) und P (222, 60f.) nennt Eulenspiegel in L zwei Dinge, die er bedauert, in seinem Leben versäumt zu haben, nicht wie S drei.

24

that I had not shytten on the end of it: L geht mit Afl. (197) und P (222, 69f.), indem die Variante gewählt wird, dass Eulenspiegel auf das Messer scheißen wollte, entgegen S, wo er das Messer in den Hals rammen wollte (258).

26ff. I desyre it […] the whiche bringeth fruytes: In dieser Zeile weicht L auf merkwürdige Weise ab, denn die anderen Fassungen sagen durchweg, dass alte Frauen nur noch nützlich sind, um den Boden zu düngen, wogegen L fordert »that the should not shyte on the ground« [Hervorhebung AHZ]. Was zunächst als ein Missverstehen der Vorlage scheint, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen doch als problematischer. Wenn, wie Eulenspiegel in S (259), Afl. (197) und P (222, 74ff.) behauptet, alte Frauen auf diese Weise nützlich sind, warum will er dann durch den Pfropfen ihre Nützlichkeit unterbinden? In diesem Sinne macht Eulenspiegels Aussage in L mehr Sinn, da er nicht will, dass sie scheißen, was als »nother clenly nor profytable« bezeichnet wird (auch hier das »clenly« eine Zufügung um die Lesart zu unterstreichen). Schief läuft es erst ab dem Zusatz zu seiner Erklärung »the which bringeth fruyte«. Denn warum er etwas verhindern will, das eben doch nützlich ist, kann L ebenso wenig erklären wie die anderen Fassungen.

Seite 244 2f.

a woman is no soner angry but she is worse than the deuil: Dass die Beginen dem Bearbeiter – oder der prospektiven Käuferschaft? – tatsächlich unbekannt sind, geht aus der Veränderung vor, die hier am Spruch »[e]s ist kein Begin so andächtig, wan sie zornig würt« (S, 259) vorgenommen wird. Afl. (197) folgt S. P nimmt eine Zwischenstellung ein, da hier zwar auch die Begine ausgelassen wird, aber immerhin von einer »devote seur« die Rede ist (222f., 83f.). L zeigt sich am stärksten misogyn unter den Texten, da die Redensart auf alle Frauen 505

ausgeweitet wird. Ob das eine Vermeidungsstrategie für eine unbekannte religiöse Gruppe ist oder der Überzeugung des Bearbeiters entspricht, lässt sich nicht feststellen. Möglich ist aber, dass sich in der Nichtnennung einer religiösen Gemeinschaft die spezifisch englischen Gegebenheiten widerspiegeln: Die um 1547 großteils abgeschlossene Auflösung der Klöster unter Heinrich VIII. als Teil seiner cäsaropapistischen Politik119 könnte sich um 1560 insofern als vollkommen gelungene Verdrängung aus dem öffentlichen Gedächtnis lesen lassen. 3

and let hym lye: Nur P weicht an dieser Stelle ab, indem es statt wie die anderen Fassungen »sie ließ ihn liegen« »le laissa la tout seul« (222, 82) verwendet.

Historie 45 Diese Historie hat in L große Lücken, weil die Ecke des Blatts abgerissen ist. Der Text kann dennoch erschlossen werden, nämlich aus L3 (wie im Apparat verzeichnet). Die Überprüfung von Varianten entfällt allerdings zudem dadurch, dass auch in L1 das entsprechende Blatt fehlt. 11f. I shall order it well: Dem Satz »ich wolt daz bestellen« (S 1515, 260), der sich in L als »I shall order it well« findet, ist in den anderen Fassungen noch »in die Eer Gots« zugefügt. Obwohl der Redaktor der englischen Fassung Priester negativer zeichnet als dies in den anderen Fassungen der Fall ist (vgl. beispielsweise H 9), scheut er doch nicht generell vor religiösen Bezügen zurück. Warum diese Ergänzung in L also fehlt, ist nicht zu sagen, eventuell ist durch eine fehlerhafte Interpunktion in der Vorlage der Rest des Satzes abgetrennt gewesen und dann durch den englischen Bearbeiter übersehen worden. Vielleicht war dem Bearbeiter auch nicht klar, dass der Zusatz ›zur Ehre Gottes‹ bedeuten sollte und er ließ ihn daher aus. Oder – und in Anbetracht der verschiedenen Auslassungen in L am wahrscheinlichsten – der Zusatz war in dem Text, der L vorlag, überhaupt nicht vorhanden. 13f. than shal I make redy some mony for you: Auch hier weicht L von den anderen Fassungen ab, in denen Eulenspiegel dem Priester verspricht, er werde ihm etwas geben, nicht etwas für ihn vorbereiten.

119

Vgl. Guy (1990), S. 14.

506

17

Frend: Die unterschiedlichen Anreden in den verschiedenen Fassungen geben auch hier wieder Anlass zur Spekulation über die Überlieferungstradition: Im englischen Text redet der Priester Eulenspiegel mit »Frend« an, so wie im flämischen Text (199). In diesem ist zwar dem Freund noch der Name vorangestellt, aber da der englische Text diesen, wie so häufig, in die Erzählung einbindet (»[H]e sayd to Howleglas. Frend«), entsprechen sich diese beiden Fassungen durchaus. Im französischen Text dagegen nennt der Priester ihn »Mon filz Ulespiegle« (225, 25f.), was sich wiederum vom hochdeutschen »Mein lieber Ulenspiegel« (261) unterscheidet. Der französische Druck ist sowohl in ihrem Bekenntnis zur »heiligen katholischen Kirche« (H 22) als auch der betont katholisch-seelsorgerischen Anrede die orthodoxeste unter den Fassungen. Interessant ist an dieser Gruppierung, dass L wieder mit Afl. zusammen geht und dass sich der französische Text eigenständig für eine sinnvolle Variante entscheidet.

18f. Than he set the pot before hym, and sayde: Der enge Traditionszusammenhang zwischen Afl. (199) und L ist auch bei der Zufügung ersichtlich, dass Eulenspiegel das Gefäß vor den Priester stellt, bevor er ihn noch einmal davor warnt, zu gierig zu sein. Allerdings handelt es sich in Afl., wie nachfolgend in S, um eine »kanne«, in L um einen »pot«. Diese Stelle entfällt in P und S jedoch ganz. 26

at the poynte of death: Die anderen Fassungen verwenden das bildlichere »auf dem Todesbett« statt »at the poynte of death« und fügen dem noch hinzu, dass diejenigen sich nicht beklagen dürfen, die er schon in seiner Jugend betrogen hat.

27f. And if that ye were couetous: Während L hier sehr direkt sagt, dass der Priester selbst Schuld hat, wenn er gierig war, findet sich in den anderen Fassungen eine leichte Verschiebung. Dort heißt es »wenn ihr durch Eure Gier getäuscht wurdet«; der Vorgang wird entpersonalisiert. Die Direktheit der Priesterschelte der englischen Fassung könnte auch hier wieder auf die Ergebnisse der englischen ›Reformation‹ zurückgeführt werden (vgl. H 44, S. 244, Z. 2f.). Deutlich ist die negative Einstellung des Bearbeiters, die bereits zu Beginn der Auflösung der katholischen Kirche in England üblich war.120

120

Vgl. ebd., S. 122.

507

Seite 246 4

Maister parson come agayne: Nur in S und L fordert Eulenspiegel den Priester auf, zu bleiben (261) bzw. zurückzukommen.

Historie 46

121 122

8f.

Than he called for the lordes to make his tastamente: Während die anderen Fassungen lediglich feststellen, dass Eulenspiegel sein Testament macht, beschreibt L, dass Eulenspiegel dafür den Rat ruft. Nach Lindow war das um 1300 der legale Weg.121 Interessant ist allerdings, dass die anderen Fassungen dieses Detail auslassen, wogegen der englische Text dies erwähnt: Unter Heinrich VIII. wurde nämlich die Gesetzgebung über Testamente dahingehend geändert, dass jede Person ein von einem Geistlichen notiertes Testament zu machen habe sowie eine Liste der Besitztümer des Verstorbenen angefertigt werden müsse.122 Dass also hier im Detail eine Prozedur dargestellt wird, die nicht (mehr) der englischen Gepflogenheit entspricht, deutet darauf hin, dass der Bearbeiter von L es ohne Anpassung aus seiner Vorlage übernahm und unterstreicht den heterogenen Charakter der englischen Fassung, die manches verenglischt, anderes ungeachtet der lokalen Gepflogenheiten übernimmt.

10

One parte to his kynfolke: Dass Eulenspiegel ein Drittel seines (angeblichen) Vermögens seiner Familie vermacht, weicht nicht nur von den anderen Fassungen, sondern auch von weiteren Textstellen in L (S. 248, Z. 16) ab, aus denen hervorgeht, dass es sich um seine Freunde handelt.

13

and other good seruyces: In dieser Zeile unterläuft dem Bearbeiter von L ein bezeichnender Fehler. Nachdem genau erläutert worden ist, dass für Eulenspiegels Seele »Placebo and Dirig« gesungen werden (wie schon vorher anstelle der in den anderen Fassungen genannten Vigilien), sowie Messen abgehalten werden sollen, werden noch »other good seruyces« gefordert. Diese Lesart wird durch den französischen Text bestätigt, der »autres bons services« aufführt (226, 7f.). Ein Blick auf den flämischen Text verrät uns jedoch, was sich wirklich dahinter versteckt: »gods diensten« (201)! In S werden nur »Vigilen und Selmessen« genannt (262). Die Abhängigkeit Ls von der flämisch-französischen Gruppe ist hier also wieder einmal bestätigt.

Vgl. Lindow (2001), S. 262, Fußnote 1. Vgl. Camp (1974), S. xv.

508

15

fowre keyes: Mit van Hoochstraten (201) und P (226, 9) teilt L an dieser Stelle das wenig einleuchtende Detail, dass Eulenspiegel für die Truhe vier Schlüssel zur Verfügung stellt. Nachdem erläutert worden ist, Eulenspiegel habe sein Hab und Gut in drei Teile geteilt und die Aufbewahrung auch auf die Rezipienten verteilt, ist unklar, für wen der vierte Schlüssel gedacht ist. Van Ghelen hat entweder eine andere Quelle zugrunde liegen oder van Hoochstraten korrigiert, da dort von »drie grote sloten« die Rede ist (H.3.v). S sticht durch die Erwähnung von »kostlichen Schlüsselen« ganz von den anderen Fassungen ab (263).

18

the foure should take the keyes therof: Im Gegensatz zu Afl. und P hat L den Text soweit angepasst, dass hier von vieren die Rede ist, die die Schlüssel nehmen und den Nachlass verwalten sollen, wogegen S wiederum unspezifisch bleibt (263).

Seite 248

123

2f.

they wound hym […] on a bere: In K 1519/36 wird Eulenspiegel nur »vp die bair« gelegt (N.3.v), in P dann zumindest in ein Leichentuch gewickelt (»le mirent en ung escrin des mors« (226, 14f.)), in Afl. aber in einen Sarg gelegt (»so kisten si hem« (201)). Obwohl im weiteren Verlauf von S zwar von einem »Todtenbouwm« die Rede ist (265), wird in der Schilderung anfänglich nur erwähnt, dass sie ihn »bewunden und [ihn]uff ein Bar uff Dielen [setzten]« (264). Damit scheint L eine Form darzustellen, die S 1515/P und Afl. vereinigt. S 1519 schlägt eine andere Richtung ein, der keine der anderen Fassungen folgt, indem statt »bewunden« »beweint« verwendet wird (Bl.).123

3f.

and song for hym placebo and dyrig: Gleich in diesem Satz geht L mit S aber insofern zusammen, als in beiden Fassungen die Vigilen gesungen werden (264), in Afl. (201) und P (226, 16f.) dagegen gelesen bzw. gesprochen.

5

and went vnder the bere: Die Nähe zu S setzt sich auch in dem Detail fort, dass die Sau unter die Bahre geht (264). Allerdings bietet L nur diesen Teil des Textes. S hat darüber hinaus noch die Erklärung, dass die Sau sich an der Bahre kratzen will. Dies findet sich ebenso bei Afl. (201) und P (227, 18), wo dafür aber fehlt, dass die Sau unter

Vgl. auch Brie (1903), S. 24.

509

die Bahre läuft. Hier nimmt also – im Gegensatz zu oben – nicht L die Mittelstellung ein, sondern S. 5

for she had found ¦ founde the [t]aste of dead fleshe: Eigen ist L die Ausmalung, dass die Sau durch »the taste of dead fleshe« angezogen wird, welches als Motivation anstelle des Sich-Kratzen-Wollens zu stehen scheint.

6ff. wherof the priestes […] had bene rysen agayne: Anstatt der Ausmalung in Afl. (201) und P (227, 19), wie die Sau sich verhält, und der ausführlichen Schilderung in S (265), warum die Mönche Angst bekommen, wird in L die Flucht der Mönche ausgeweitet und nicht mit ihrer Angst vor der Sau erklärt, sondern damit, dass sie denken, Eulenspiegel sei wiederauferstanden. 9f.

tooke the corse [ ], and brought it: Der weitere Umstand, der in den anderen Fassungen die ›Verkehrtheit‹ von Eulenspiegels Tod zeigt (dass er mit dem Gesicht nach unten in den Sarg gelegt wird), wird in L ausgelassen.

19f. for at the last the knew that it was he that had don it for to mocke them: Nur L gibt die Auflösung von Eulenspiegels Streich, in den anderen Fassungen verdächtigen sich die ›Erben‹ gegenseitig und trennen sich im Streit. L bietet daher eine bessere Motivation für das Verhalten des Rates und des Priesters – an Eulenspiegel Rache nehmen zu wollen, indem sie ihm nachträglich seine erschwindelten Bestattungsprivilegien entziehen – als die anderen Fassungen. 21

to bury him vnder the galowes: Von allen Fassungen erwähnt nur S nicht, dass die Rache der Betrogenen Eulenspiegels Begräbnis unter dem Galgen sein soll.

Seite 250 Historie 47 3

than they brought hym to be buryed: L verzichtet auf die in den anderen Fassungen gegebene Anmerkung, dass Eulenspiegels Begräbnis merkwürdig gewesen sei.

10f. and they couered him with earth: Dass Eulenspiegels Sarg mit Erde bedeckt wird, wird nur in P ausgelassen. 11f. And on the stone was grauen an oule holding a glasse with her clawes: In Afl. (203) wie in P (228, 14) findet sich zusätzlich der Hinweis, dass nachstehend eine Abbildung der Grabstein-Illustration folgt. 510

13f. Presume no man […] buried late: Der englische Vers »Presume no man a waye this stone to take. For vnder this stone was Howleglas buried late« scheint trotz des unreinen Reims und des unregelmäßigen Versmaßes von höherer Qualität als die flämische oder die französische Version. »Ceste pierre ne changera nully car dessoubz icelle est enterré Ulespiegle« (P; 228, 15ff.) ebenso wie »Desen steen en sal nyemant verhouwen. Hier leet Ulespieghel begraven« (Afl.; 203) mangelt es im Gegensatz zu L m. E. an Eingängigkeit. Dem Epitaph in S (»Disen Stein sol nieman erhaben, hie stat Ulenspiegel begraben« (266)) gelingt noch mehr: neben Reim und Versmaß sogar noch der witzige Hinweis auf die ungewöhnliche Position des Begrabenen. Ob der Vers allerdings der früheste ist oder aber eine glänzende Verbesserung einer Vorlage, muss dahingestellt bleiben. 14

124 125

M.CCC.and fyftie: Die Angabe des Datums (1350 – im Gegensatz zu den Angaben im Vorwort) hat außer L nur S (266), in Afl. (203) und P (228) endet der Text mit einem lateinischen Epitaph.124 125

Vgl. hierzu Koopmans/Verhuyck (1988), Anmerkungen, S. 280f. Vgl. auch Brie (1903), S. 24.

511

VII. Besonderheiten der englischen Eulenspiegel-Überlieferung

Die Frage, wie sich der Howleglas zu der weiteren europäischen EulenspiegelÜberlieferung verhält, macht bereits einige Besonderheiten der englischen Fassungen deutlich. Insbesondere rückt sie die Merkmale der englischen Überlieferung in den Blickpunkt, die Aussagen über die Produktion und die Rezeption der Texte zulassen. Die Bedeutung der intertextuellen Beziehungen, die der Howleglas zu anderen in das Englische übersetzten zeitgenössischen Texten aufweist, erfährt dabei spezielle Aufmerksamkeit. Die Besonderheiten des Howleglas fallen in unterschiedliche Kategorien. So müssen sprachliche Aspekte, wie die Qualität der Übersetzung oder stilistische Fragen, ebenso berücksichtigt werden wie weitere Gestaltungsmerkmale. Sie alle können Aufschluss über die Absichten der Howleglas-Verleger – z. B. auch über das von ihnen erwartete Publikum – geben. Vorauszuschicken und daran zu erinnern ist, dass sich die englischen Eulenspiegel-Drucke mit den flämischen und französischen in etwa 85% des Textmaterials decken. Ein daraus erwachsendes Problem ist aber, wie der englische Text zu bezeichnen ist: Ist der Howleglas eine Übersetzung, eine Bearbeitung oder eine Umarbeitung? Einerseits orientiert er sich nämlich eng an der sonstigen Eulenspiegel-Überlieferung, andererseits schlägt er aber auch eigene Wege ein. Ob diese negativ als fehlerhafte Abweichungen von der kontinentaleuropäischen Überlieferung zu bewerten sind oder aber als gezielte Gestaltungsmaximen, zählt zu den zentralen Fragen der Editionsgeschichte. Die Begrifflichkeit, die von Rita Schlusemann entwickelt wurde, ist in diesem Zusammenhang hilfreich: Für die Analyse eines niederländischen bzw. englischen Prosatexts des Reinhard Fuchs aus dem 15. Jahrhundert unterscheidet Schlusemann zwischen Übersetzung (bzw. Übertragung), Bearbeitung und Umarbeitung (»traduction, adaptation, remaniement«1). Diese Begriffe verwendet Schlusemann folgendermaßen: Im folgenden fasse ich traduction nicht nur als Übersetzung im herkömmlichen Sinn, d. h. als eine Übertragung von einer Sprache in die andere, auf, sondern als jede sich so eng wie möglich am Original orientierende Vermittlung, als auch eine Prosaauflösung. Die ›Adaption‹ eines Textes entfernt sich absichtlich von diesem, 1

Schlusemann (1991), S. 44f.

513

verkürzt, erweitert oder ändert diesen, ohne in das plot einzugreifen. Letzteres wiederum geschieht bei einer remaniement oder Umarbeitung.2

Zwar existiert die Quelle des Howleglas nicht mehr – wie die genaue Untersuchung der Eulenspiegel-Ausgaben ab S. 398ff. zeigt –, so dass die Nähe des Howleglas zum ›Original‹, zu seiner Vorlage, nur schwer zu beurteilen ist. Durch den Vergleich des englischen Texts mit den anderen Texten kann lediglich festgestellt werden, wie dicht sich der Howleglas an diese anschließt. Es handelt sich also bei keinem der noch vorhandenen Eulenspiegel-Texte, seien es die hochdeutschen aus der Presse Grüningers, die flämischen oder französischen, um die Vorlage des Howleglas. In der Eulenspiegel-Forschung herrscht jedoch inzwischen die Meinung vor, dass eine Grüninger-Ausgabe den anderen europäischen Texten vorausgehe. Da die englischen EulenspiegelDrucke wie die flämischen und die französischen aber nur etwa die Hälfte der hochdeutschen Historien beinhalten, drängt sich die Frage auf, ob auch der Howleglas nicht schon aus diesem Grund als Umarbeitung, als »remaniement« bezeichnet werden muss. Zwei Gründe sprechen jedoch dagegen: Zum Ersten muss der Howleglas mit der flämisch-französischen Überlieferung und nicht mit der deutschen verglichen werden, da er mit den ersteren eine gemeinsamen Quelle teilt. In diesem Fall unterscheidet er sich nicht ausreichend, um als Umarbeitung eingestuft zu werden. Zum Zweiten wird durch das Weglassen dieser Historien die Charakterisierung der Hauptfigur und ihrer Handlungsweisen nicht verändert, der Kern der Erzählung ist nicht angetastet, so dass auch in diesem Sinne nicht von einer Umarbeitung gesprochen werden kann. Darüber hinaus wird die biographische Struktur der Schwanksammlung beibehalten, weswegen es gerechtfertigt erscheint, den Begriff der Umarbeitung für den Howleglas abzulehnen. Weiterhin muss aber noch die Frage geklärt werden, ob es sich beim Howleglas um eine Übersetzung/Übertragung oder um eine Bearbeitung handelt. Die Beantwortung hängt davon ab, wie die Abweichungen zwischen dem englischen und den anderen Eulenspiegel-Büchern bewertet werden: Stellen sie bewusste und gezielte Abweichungen dar, die auf eine Gestaltungsidee zurückzuführen sind, Fehler des Übersetzers/Bearbeiters, der mit der Vorlage nicht zurecht kam, oder Fehler, die erst in der Offizin entstanden?3 Aufgrund der Analyse der Texte erscheint die These plausibel, dass neben den vorhandenen Übersetzungs- und Offizinfehlern auch bewusste Verschiebungen im Material vorliegen, weshalb es sich beim Howleglas – übrigens ebenso wie

2 3

Ebd., S. 45. Vgl. auch ebd., S. 46f.

514

bei den flämischen und den französischen Eulenspiegel-Büchern – um eine Bearbeitung handelt.4 Zur Unterstützung dieser These werden im Folgenden verschiedene Aspekte der möglichen Howleglas-Bearbeitungsstrategien vorgestellt. Problematisch ist, dass es sich bei der englischen Überlieferung um verschiedene Texte handelt: die van-Doesborch-Ausgabe einerseits und die Ausgaben Coplands andererseits. Denn trotz der Übereinstimmungen des Fragments aus der van-Doeborch-Presse mit den Ausgaben Coplands gibt es zwischen ihnen Differenzen (siehe S. 391ff.). Es ist also nicht möglich, die Merkmale und somit die Fehler aus der wesentlich umfangreicheren CoplandÜberlieferung direkt auf die van-Doesborch-Ausgabe zu übertragen. Jedoch sind sich die zwei englischen Howleglas-Texte so ähnlich, dass man davon ausgehen muss, dass Copland eine van-Doesborch-Ausgabe zumindest auch als Vorlage benutzte. Hier werden wiederum Aspekte produktionsästhetischer Intertextualität deutlich, so wie sie Stierle beschrieben hat.5 Wie auch in dem Vergleich der europäischen Überlieferungssituation gilt im Folgenden, dass sowohl die englische Übertragung Ae. 1519?, also die van-DoesborchAusgabe, als auch L, also Coplands Auflagen, die diskutierten Merkmale bzw. Textstellen beinhalten, wenn nicht ausdrücklich anders erwähnt.

1. Die Textqualität Feststellbar ist, dass die Eloquenz des Bearbeiters des englischen Eulenspiegel äußerst eingeschränkt gewesen sein muss, bei der Wortwahl ebenso wie bei der Formulierung interessanter und abwechslungsreicher Satzstrukturen. Häufig werden parataktische Satzgefüge verwendet – ›und dann sagte er … und dann ging er … und dann antwortete er‹ –, kompliziertere Satzgefüge sind hingegen selten. Auch auf inhaltlicher Ebene finden sich viele Wiederholungen: Oft wird derselbe Inhalt innerhalb einer Passage mehrfach dargestellt (vgl. beispielsweise H 19, die allerdings nur bei Copland überliefert ist, oder H 25). Dagegen werden die Phantasie und die Fähigkeiten des Bearbeiters vielmehr in der Ausführung von Details der Erzählung deutlich, die die anderen Eulenspiegel-Fassungen nicht enthalten. Als Beispiel dafür kann die Szene in H 11 dienen, in der sich die Freude und der Eifer des Doktors bei der Be4 5

Daher wird im Folgenden der Anfertiger des Howleglas-Texts vor dessen Druck als Bearbeiter bezeichnet, auch wenn dies einen Übersetzungsprozess beinhaltete. Vgl. dazu auch S. 15.

515

grüßung seines vermeintlichen Helfers daran zeigen, dass er Eulenspiegel am Arm in sein Zimmer führt. Allerdings ist diese Historie nur bei Copland überliefert. Zwei Befunde stehen sich also gegenüber: einerseits eine eingeschränkte literarische Qualität durch mangelnde lexemische und syntaktische Varianz und monotone inhaltliche Wiederholungen, andererseits eine eigenständige Ausführung von Details und Zufügung traditionsfremder Elemente. Wie sich diese Befunde im Zusammenhang des möglichen Übersetzungs- und Bearbeitungsprozesses ins Englische deuten lassen, soll im Folgenden umrissen werden. Zur Frage der literarischen Qualität lässt sich feststellen: Der deutlichen Beschränktheit des Vokabulars und des Satzbaus steht eine korrekte Verwendung idiomatischer englischer Ausdrücke des 16. Jahrhunderts gegenüber (vgl. »blacke and blewe« in H 24). Während man aufgrund der sprachlichen Schwäche mutmaßen könnte, dass der Übersetzer kein Muttersprachler des Englischen war, ist diese Annahme auf der Basis des zweiten Gesichtspunkts kaum haltbar.

1.1. Hinweise auf mündliche Bearbeitung des Howleglas? Die genannte Eigenständigkeit, auch in der Formulierung der Geschichten, könnte folgende Erklärung haben: Die Monotonie der Sätze deutet auf ein sehr enges Verhältnis zur mündlichen Erzählung hin. Bei Rekonstruierungsversuchen oder einfachen Erzählungen, bei denen der Fortgang der Handlung wichtiger ist als die Art der Darstellung, hört man oft sehr einfach strukturierte Sätze im Stile des englischen Eulenspiegel (›und dann … und dann‹). Dagegen wären höchstwahrscheinlich in einer von Anfang an schriftlich durchkomponierten Erzählung die diversen unnötigen Wiederholungen ediert worden. Darauf deutet beispielsweise die Passage in H 19 hin. Die Tatsache, dass die Coplandsche Offizin ein Unternehmen gewesen zu sein scheint, in dem wenig Mühe auf den Editions- oder Korrekturprozess verwendet wurde, steht dem nicht entgegen. Gerade in einer Druckerei, die darauf angewiesen war, die Kosten für den Druck zu senken, wie es bei Copland offensichtlich der Fall war, erscheint es naheliegend, dass man die Gelegenheit zur Kürzung solcher redundanter Passagen ergriffen hätte. Dabei wären nicht nur stilistische Gesichtspunkte ausschlaggebend gewesen, sondern auch wirtschaftliche Gründe: Die Kürzung hätte nämlich unter anderem eine Einschränkung im Papierverbrauch – der teuersten Variable im Druckprozess – bedeutet. Dass die Redundanzen so hingenommen wurden, 516

gibt einen Hinweis darauf, dass man bei Copland einen schon vorhandenen Text mehr oder weniger direkt übernahm. Die Frage, ob dies auch für die van-Doesborch-Offizin zutrifft, ist aufgrund des Fragmentcharakters nicht eindeutig zu beantworten. Die Nähe des Textmaterials in den Doesborchund Copland-Editionen deutet allerdings darauf hin, dass beide auf eine Vorlage zurückgehen, die diese Merkmale bereits enthält. Mit dem englischen Eulenspiegel liegt ein Produkt vor, in dem die Spuren der ersten Bearbeitung noch sehr sichtbar sind. Im 16. Jahrhundert wurden für den Drucksatz entweder bereits gedruckte Vorlagen verwendet oder handschriftliche. Letztere waren entweder vom Autor oder Übersetzer/Bearbeiter selbst geschrieben oder aber auch diktiert. Obwohl selten direkt vom Diktat gesetzt wurde, kam dies doch vor. Zwar finden sich im Fall des Howleglas im gedruckten Text keine Anzeichen für den Satz direkt vom Bearbeiter-Diktat, aber der Eindruck, dass wir einen Text vor uns haben, der sich sehr dicht am gesprochenen Wort orientiert, ist nicht von der Hand zu weisen. Es sind mehrere Faktoren, die darauf hindeuten, dass der Bearbeiter des Howleglas der Offizin nicht ein überarbeitetes Manuskript übergab, sondern einem Schreiber den Text direkt – also während der Bearbeitung – diktierte und diesen nicht weiter redigierte. Sowohl die sprachlichen und inhaltlichen Redundanzen als auch die lautschriftlich anmutende Wiedergabe vieler Ortsnamen legen diese Annahme nahe. Solche Stellen wie in H 23, in der die englische Bearbeitung zwei Juden ins Spiel bringt, lassen z. B. Raum für diese Vermutung: In der Grüninger-Illustration sowie den Abbildungen in den flämischen und französischen Ausgaben zu H 23 stehen zwei Figuren vor dem Verkaufsstand Eulenspiegels, während im Grüninger-Text – wie auch in den anderen kontinentalen Überlieferungen – von drei Juden die Rede ist. Obwohl die Verringerung der Käuferzahl in der Coplandschen Ausgabe auch eine rein zufällige Änderung darstellen könnte, besteht doch die Möglichkeit, dass diese Abweichung im englischen Text eine Interferenz mit der in den sonstigen Ausgaben überlieferten Illustration darstellt. Die Änderung konnte aber für die Copland-LeserInnen kein Stolperstein sein, weil in dessen Howleglas-Editionen keine Illustrationen vorhanden sind. Das Auseinandergehen von Text und Bild wurde also nicht sichtbar. Dennoch deutet dieses auf einen mangelnden Redaktionsprozess hin, der die These der Mündlichkeit bestärkt, auch wenn er sie nicht belegt: Der Bearbeiter ließ, sich mit Hilfe der Illustrationen erinnernd und gleichzeitig übersetzend, die Geschichte durch einen zweiten direkt niederschreiben. Neben der Überlegung einer mündlichen Bearbeitung des Howleglas stellt sich aber die Frage, ob die Fehler in den englischen Editionen von der Sprachkompetenz des Bearbeiters abhingen. 517

1.2. Die Bedeutung der Fehler in Ae. 1519? und in L: Die Qualität der Übersetzung Die Qualität der Übersetzung ist deshalb schwierig zu bewerten, weil die Vorlage nicht bekannt ist. Wie im vorangehenden Kapitel gezeigt wurde, handelt es sich bei der englischen Eulenspiegel-Fassung nicht um eine Übersetzung einer der noch vorhandenen flämischen oder französischen Drucke, sondern es muss eine Quelle vorausgesetzt werden, die sich näher an einem dem Grüninger-Eulenspiegel ähnlichen Druck orientierte. Ohne die Vorlage ist es aber schwierig, die Qualität einer Übersetzung zu beurteilen. Als Richtgröße dienen deshalb hier die Eulenspiegel-Bücher aus Antwerpen und Paris, mit denen der Howleglas, wie oben erwähnt, den Hauptteil seines Inhalts und auch seiner Formulierungen teilt. Im Großteil des Texts stimmen die englischen Texte fast wörtlich mit diesen Überlieferungen überein. Insgesamt kann die englische Übersetzung des Texts als gelungen bezeichnet werden, wenn man Jan-Dirk Müllers Definition zugrunde legt,6 dass eine Übersetzung bzw. Bearbeitung eine »Einrichtung von Texten für eine andere Sprach- oder Rezeptionsgemeinschaft«7 darstellt. Weder in der van-Doesborch- noch in den Copland-Ausgaben lassen sich nämlich Hinweise darauf finden, dass der Bearbeiter mit dem Englischen Schwierigkeiten gehabt haben könnte. Im Falle der Copland-Editionen überrascht dies nicht, da davon auszugehen ist, dass er als Muttersprachler Fehler erkannt und beseitigt haben würde – obwohl auch berücksichtigt werden muss, dass seine Drucke kein Musterbeispiel für sorgsame Korrekturprozesse darstellen. Im Hinblick auf van Doesborchs Ausgabe erscheint dies jedoch als Anzeichen dafür, dass er einen kompetenten muttersprachlichen Bearbeiter beauftragt hatte. Andere englische Texte, die van Doesborch druckte und für die er selbst der Übersetzer gewesen zu sein scheint, enthalten viele sprachliche Fehler und Flamizismen (vgl. S. 291). Prinzipiell wird die Übersetzung den Zeitgenossen zweifelsohne verständlich gewesen sein. Dennoch steht offen, wie erfolgreich die Einrichtung des Texts für das englische Publikum war, wenn beispielsweise ein Ausdruck wie »Wolf« für das Innenfutter einer Jacke, wie er in H 28 benutzt wird, direkt übersetzt wurde, obwohl im Englischen diese Verwendung nicht bekannt ist.8 Da allerdings Copland den Ausdruck von van Doesborch übernahm und unverbessert ließ, muss jedoch davon ausgegangen werden, dass dieses ›eingeenglischte‹ Wort nicht so störend war. 6 7 8

Dies geschieht in Anlehnung an Schlusemanns Entwurf, vgl. Schlusemann (1991), S. 44. Müller (1985a), S. 245. Vgl. OED2.

518

Stellen wie diese sind im Howleglas selten. Dennoch werfen sie die Frage erneut auf, ob der Bearbeiter des Howleglas das Englische zur Muttersprache hatte. Sollte der Bearbeiter trotz der oben vorgeschlagenen Art der Wiedergabe, die eine hohe Sprachfertigkeit voraussetzt, kein Muttersprachler des Englischen gewesen sein, muss im Rahmen der Überlieferungsgeschichte des Howleglas überlegt werden, welche Sprachzugehörigkeit er sonst gehabt haben könnte. Es ist belegbar, dass der Bearbeiter kein Muttersprachler des Flämischen war. Solche Übersetzungsfehler wie derjenige in H 23, die eindeutig als Fehler und nicht als gezielte Veränderung zu werten sind, zeigen das: In dieser Historie wird der Begriff ›portugiesischen Feigen‹ missverstanden, der in der flämischen Fassung benutzt wird (vgl. die Erläuterungen zu H 23 auf S. 441ff.). Ein Muttersprachler wäre mit der Redewendung vertraut gewesen. Sollte der Bearbeiter aber weder Muttersprachler des Englischen noch des Flämischen gewesen sein, stellt sich die Frage, ob es sich um jemanden handeln könnte, der vielleicht aus dem französischen oder deutschen Sprachraum stammte. Da Lawrence Andrewe als allgemeiner Übersetzer van Doesborchs gilt,9 wird auch die Howleglas-Übersetzung ihm zugeschlagen.10 Allerdings spricht in diesem Fall gegen ihn, dass er Beziehungen zu Muttersprachlern des Niederländischen hatte. Daher muss man davon ausgehen, dass er solche flämischen Ausdrücke wie das Feld um ›portugalsche poorte‹ kannte oder von Muttersprachlern hätte erfragen können (vgl. S. 319ff.). Insofern ist es kaum wahrscheinlich, dass Lawrence Andrewe die Übersetzung eingerichtet hat. Das eben gegebene Beispiel ist insofern problematisch, als es von dem Textbestand des Copland-Howleglas – also der späteren Ausgabe – auf den des früheren schließt. Da beispielsweise für die genannte H 23 aber nur der Befund aus der Copland-Edition vorliegt – und nicht aus derjenigen van Doesborchs – ist es im Grunde nicht möglich, diesen gravierenden Übersetzungsfehler einzubeziehen und daraus Rückschlüsse auf die Kompetenz des für van Doesborch tätigen Bearbeiters zu ziehen. Jedoch sind die Auflagen van Doesborchs und Coplands ausgesprochen ähnlich in ihren Textbeständen, wie der genaue Textvergleich in Kapitel VI. zeigt, daher liegt diese Annahme dennoch im Bereich des Wahrscheinlichen. Als Beispiel hierfür möge der Fehler in H 29 gelten, der sowohl in der van-Doesborch- als auch in den Copland-Ausgaben auftaucht: Eulenspiegel bereitet seinen Betrug am hochmütigen Weinzapfer in Lübeck vor und trägt dafür zwei Krüge zum Weinkeller. Allerdings macht der Bearbeiter der van9 10

Vgl. Duff (1948), S. 3. Vgl. Honegger (1973), S. 50.

519

Doesborch-Edition den Fehler, Eulenspiegel den leeren Krug unter seinem Mantel tragen zu lassen (»and he hid the empty pot that no man saw it«), während für den Verlauf der Geschichte nur sinnvoll ist, dass er den mit Wasser gefüllten Krug versteckt und den leeren offen trägt. Dieser Fehler findet sich gleichermaßen – und im Unterschied zu den kontinentaleuropäischen Überlieferungen – in der Copland-Ausgabe. Das belegt, dass Copland sich eng an van Doesborch orientierte. Copland vermehrte zudem die in der van-Doesborch-Ausgabe vorhandenen Fehler durch weitere Fehler. Es ist zu überlegen, ob es sich bei der Einfachheit der Sprache – besonders mit den hervorgehobenen Elementen eines mündlichen Stils – um eine gezielte verlegerische Strategie gehandelt haben könnte. Vielleicht sollte die einfache Erzählhaltung nicht als Unvermögen interpretiert werden, sondern als bewusstes Stilmittel, mit dem eine gewisse Unmittelbarkeit erzeugt werden sollte. Auch für die Rezeptionssituation ist vorstellbar, dass eine quasi-mündliche Form akzeptabel gewesen sein könnte: Zwar war die mögliche LeserInnenschaft im humanistischen Bereich situiert (vgl. Kapitel VIII.1., S. 542ff.), aber die Zeit der Copland-Auflagen stellt den Anfang eines Wandels in der Rezeptionssituation dar: Ab dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts wurden immer mehr personenzentrierte Schwanksammlungen veröffentlicht, die Produktion von ›jest books‹ florierte und die Zahl der Lesenden nahm zu. Dennoch war längst keine flächendeckende Alphabetisierung erreicht und Bücher wurden nach wie vor auch vorgelesen. Die Produktion eines Buches, das bereits einen auf das Mündliche zugeschnittenen Stil verwendet, könnte ein Versuch des Verlegers gewesen sein, den Kreis des Publikums zu erweitern. Ob der Howleglas weitere Merkmale aufweist, die eine solche These unterstützen, soll im Weiteren untersucht werden.

2. Die Bearbeitungstendenzen Die Überlegung, dass im englischen Eulenspiegel bestimmte Bearbeitungsvorstellungen deutlich werden könnten, setzt voraus, dass man diesen als selbstständige Publikation mit eigenem Wert und nicht nur als schwachen Abklatsch der kontinentaleuropäischen Überlieferung betrachtet. Daher ist es nicht überraschend, dass diese Aspekte bisher in der Sekundärliteratur nicht systematisch analysiert worden sind (vgl. Kapitel I.1.). Im Detail sind einige dieser Fragen in der vorliegenden Arbeit schon beim Vergleich der europäischen Überlieferungssituation behandelt worden, an dieser Stelle sollen die übergeordneten Bearbeitungsmomente der Howleglas-Ausgaben erläutert werden. 520

Zunächst zeichnet sich der englische Text gegenüber dem flämischen und französischen durch eine Reihe von Auslassungen aus. Diese reichen von kleinen Eingriffen wie der Streichung von nicht-handlungsfördernden Details bis hin zu ganzen Absätzen. Als Beispiel für die kleinen Auslassungen in der englischen Überlieferung sei die Stelle in H 2 genannt, als der Reiter Eulenspiegel nach dem Weg fragt, welches im flämischen Text die Frage nach dem rechten Weg ist, im französischen sogar nach dem Weg, auf dem man »bien et bonnement« reiten kann. Dagegen steht aber eine starke Tendenz zur Zufügung, so dass die englische Fassung nicht einfach als reduzierte Version bezeichnet werden kann. Es finden sich zum einen Zufügungen, die die Folgerichtigkeit innerhalb einer Historie erhöhen, wenn z. B. in H 4 erzählt wird, dass Eulenspiegel erst vom Seil springt, bevor er davonläuft. Zum anderen enthält der Howleglas aber die erwähnten wiederholenden Zufügungen, die keinen inhaltlichen Zugewinn bringen. Diese lassen sich als Gedächtnisstütze – eventuell für ein hörendes eher als für ein lesendes Publikum – deuten oder als Abbildung einer mündlichen Überlieferungssituation. In den Anreden nimmt der englische Text sowohl Zufügung als auch Kürzungen vor. Im Howleglas fehlen die Anreden im Vergleich zu den flämischen oder französischen Texten – in denen sie als ›lieber Vater‹, ›liebe Mutter‹ etc. stehen – häufig. Somit konstituieren sie einen weiteren Unterschied, der die englischen Ausgaben von der Antwerpener und Pariser Überlieferung trennt. Jedoch werden dafür im Coplandschen Eulenspiegel sehr oft Angaben dazu ergänzt, wer wen anspricht – beispielsweise in H 3 »Than sayd his father to him« [Hervorhebung AHZ] –, welches im flämischen und französischen Eulenspiegel seltener der Fall ist. Ein grundsätzlicher Unterschied zwischen der französischen, flämischen und englischen Ausgabe ist die Verwendung von direkter und indirekter Rede. Wo die flämischen und die englischen Texte direkte Rede vorziehen, verwendet der französische Eulenspiegel oft die indirekte Rede. Durch die direkte Rede wirken die flämische und die englische Ausgabe zwar lebendiger und unmittelbarer, aber auch sprachlich kruder. Interessant ist die sprachliche Charakterisierung der Hauptfigur. Der Eulenspiegel des flämischen und französischen Texts reagiert auf die Aufgaben, die ihm aufgetragen werden, oft nur mit einem »wel« oder ein »bien«. Hingegen verwendet der englische Text mit relativer Konstanz den Ausdruck »with a good will«, was Eulenspiegels Perfidie unterstreicht. Bei weiteren Figuren setzt der Text Coplands minimal andere Akzente als der van Doesborchs. Diese scheinen darauf zu zielen, Eulenspiegels Handlungsmotivation zu unterstützen, indem sie seinen Gegenspieler etwas negativer gestalten. Dazu 521

gehört beispielsweise der Kaufmann in H 31, der in Ae. 1519? auf die Frage seiner Frau – vor der er vorher die Einstellung des Knechts rechtfertigen musste –, wie ihm sein neuer Knecht gefalle, »so so« antwortet, nachdem dieser ihn gerade mit Wagenfett beschmiert und unter den Galgen gefahren hat. In der nächsten Szene ist er dann allerdings so zornig, dass er Eulenspiegel in deutlichsten Worten eine Tracht Prügel androht. In Coplands Howleglas-Auflagen macht der Kaufmann dagegen sofort auch seiner Frau gegenüber seinem Unmut Luft, indem er auf die Frage antwortet: »not of the best«. Mit dieser Veränderung hat der Wirt nicht nur weniger Sympathie bei den Lesenden/Hörenden, weil er nicht mehr als schnell verzeihender oder vielleicht auch schwacher Mann, der sich ein wenig vor seiner Frau fürchtet, gezeichnet wird – und somit Eulenspiegels Verhalten sich nicht gegen ein zu schwaches Opfer richtet –, sondern die Figurencharakterisierung wird auf diese Weise auch stringenter, da der folgende Wutausbruch motiviert ist. Ansonsten fällt auf, dass in vielen Historien im englischen Text dem begleitenden Personal eine Nennung zugestanden wird (vgl. z. B. H 16 oder H 22), welches in den anderen Fassungen nicht der Fall ist. Der Bearbeiter des Howleglas legt entweder Wert darauf, die sozialen Hierarchien der Könige und Päpste durch Zugabe von Gefolge zu betonen oder aber den Gegensatz zwischen dem allein agierenden Eulenspiegel und dem jeweils als Gruppe auftretenden Gegenüber zu verschärfen. Die Unterschiede zwischen dem Howleglas aus van Doesborchs und denjenigen aus Coplands Presse entsprechen den Veränderungen, die Copland anscheinend an vielen der Texte vornahm, die er nachdruckte. Die Fragen der produktionsästhetischen Intertextualität können für Copland mithilfe verschiedener Beispiele erläutert werden. So vergleicht Mead beispielsweise die erste und zweite Auflage (1509 bzw. 1517) von Hawes’ Pastime of Pleasure aus de Wordes Offizin mit derjenigen Waylands (1554) und Coplands (1555).11 Copland druckte (für Tottell und Whaley) die Ausgabe von 1517 nahezu deckungsgleich Zeile für Zeile und Seite für Seite nach, verbesserte zwar die Fehler nicht, modernisierte aber die Rechtschreibung etwas, ersetzte manche Wörter und ließ andere – manchmal ganze Zeilen – versehentlich aus.12 Dagegen scheint Copland auf eine moderne Interpunktion Wert gelegt zu haben. Während die früheren Hawes-Ausgaben nämlich nur geringfügig mit Satzzeichen versehen sind – wenn, dann mit kurzen Schrägstrichen, die entweder die Funktion eines Kommas, eines Semikolons oder eines

11 12

Vgl. Hawes (1928). Vgl. ebd., S. xxxvii, Fußnote 3.

522

Doppelpunkts haben –,13 nimmt bei Copland die Verwendung des Kommas prinzipiell zu, auch wenn immer wieder die kurzen Schrägstriche auftauchen und die Kommasetzung gegen Ende des Drucks wieder abnimmt.14 Alle diese Punkte treffen ebenso auf das Verhältnis der Howleglas-Texte zueinander, also Ae. 1519? und L, vor allem L1, zu. Wo im früheren Text von van Doesborch noch Schrägstriche als Interpunktionszeichen verwendet werden, finden sich diese bei Copland nur noch in zwei Fällen (H 16, S. 108, Z. 19, und H 24, S. 146, Z. 29). Darüber hinaus scheint es, als ob Copland die Zeichensetzung absichtlich modernisierte, da sie von Auflage zu Auflage klarer wird, indem sie Sinneinheiten begrenzt (vgl. auch S. 60). Auch für die Aufteilung des Texts gilt – mit einer großen Einschränkung – Ähnliches wie Mead es für die Hawes-Ausgaben feststellt: Die Übereinstimmung zwischen Ae. 1519? und Coplands Auflagen ist sehr eng. Allerdings gibt es keine Übereinstimmung der Zeilen- oder Seitenaufteilung. Dies rührt wahrscheinlich daher, dass in Coplands Text keine Illustrationen integriert sind, während in dem van-Doesborch-Druck einige der Historien mit Holzschnitten illustriert waren, worauf der Holzschnitt im verbliebenen Fragmentteil hinweist. Bei der Hawes-Neuauflage war die Verteilung für den Nachdrucker Copland leichter einzuhalten, da es in diesem Buch keine Illustrationen gab. Dass die anderen von Mead genannten verlegerischen Verhaltensweisen übereinstimmen, kann im Verhältnis der Howleglas-Drucke bestätigt werden: Wie herausgearbeitet wurde (vgl. Kap. VI.), handelt es sich bei der HowleglasAusgabe von van Doesborch nur um eine der Vorlagen Coplands bzw. eine van-Doesborch-ähnliche Quelle, die weitere Traditionen integrierte. Dennoch trifft Meads Analyse auch für dieses Verhältnis zu. Der Fehler in H 29, in der Eulenspiegel die leere Kanne versteckt, tritt in van Doesborchs Ausgabe auf, findet sich aber auch unkorrigiert in Coplands Howleglas-Ausgaben wieder. Ein anderer Hinweis auf die Coplandsche Nachlässigkeit zeigt sich darin, dass der undatierbare Howleglas-Druck L? in H 46 eine zusätzliche Zeile enthält (vgl. S. 248, Z. 21), die in den anderen Drucken fehlt. Gleichzeitig deuten auch solche Versehen wie die Wiederholung eines ganzen Absatzes in H 40, S. 228, die in allen Copland-Auflagen unverändert übernommen wird, auf die von Mead beschriebene Achtlosigkeit hin. Unterstützt werden diese Feststellungen zum Vorgehen Coplands bei seinen Nachdrucken durch ein weiteres Beispiel, nämlich Coplands Nachdruck von van Doesborchs Virgilius. Auch hier zeigt sich, dass Coplands Text eine sehr 13 14

Vgl. ebd., S. xxxviii. Vgl. ebd., S. xl.

523

nahe Wiedergabe des früheren Virgilius ist, aber keine exakte. In manchen Formulierungen und Darstellungen ist van Doesborchs Druck umständlicher, langatmiger und wird von Copland gekürzt. In dem Virgilius aus van Doesborchs Offizin lautet eine Passage z. B. folgendermaßen: [A]nd than Virgilius answered, »Ye cum to dysheryt me, but ye shall nat; and knowe ye well that you shall haue no profyte of the frutes as longe as I lyue; and ye maye tell to the emperour that I shall tarry iiij. or v. yeres tyll he take counsayll. I desyne not to plete in the lawe, but I shall take my good where I fynde it; and also tell the emperour I care nat for all his warre nor all that he can do to me.« Than returned Virgilius and made ryche all his poure kynsfolke.15

Bei Copland ist sie auf diese Weise verändert worden: Than spake Virgil you come to disherite me, but it shall not be by all you. And I tell you playne you shal haue no profite of the fruit, as long as I lyue. And you may tell the Emperour, that I will tary .iiii. or .v. yeres till he take counsayle. I desyre not to plete in the law, but I shal take my good whare I finde it, and tell your Emperour, that I set not by his war. Than Virgil returned, and he made riche his pore kinsfolke.16

Man kann sehen, wie dicht sich Copland an seiner Vorlage bewegt, aber dass er dennoch Veränderungen vornimmt. Während in van Doesborchs Ausgabe Virgilius beispielsweise sagt, er mache sich nichts aus dem Krieg des Königs, noch dem, was dieser ihm antun könne, wird der Satz bei Copland auf den Krieg beschränkt. Aufgrund dieser Vorgehensweise Coplands lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen, wie im Falle des Howleglas die übrigen Teile des van-DoesborchDrucks aussahen. Zwar kann man davon ausgehen, dass im Großen und Ganzen die Copland-Ausgabe mit ihrem Vorläufer übereinstimmt, aber im Detail mag es doch entscheidende Unterschiede gegeben haben. Insgesamt scheint der englische Eulenspiegel keine neuen Interpretationen der Hauptfigur oder der Geschichten zu entwerfen. Nuancen – wie beispielsweise, dass in H 9 die Haushälterin des Pfarrers durch eine Verengung der Bezeichnung zu seiner Geliebten (»leman«) wird (vgl. auch S. 415) – sind zwar verändert, aber diese lassen sich nicht als systematische Kritik gegen den geistlichen Stand werten. Das Lokalkolorit ist ausgesprochen wenig auf England ausgerichtet. Nur an einer Stelle wird deutlich an die örtlichen Verhältnisse eine Konzession gemacht, wenn es nämlich in H 14, S. 104, Z. 8f. (vgl. auch S. 423) nicht wie in der kontinentaleuropäischen Überlieferung heißt, dass Eulenspiegel der Herren Gericht gestohlen habe, sondern »the

15 16

Mangels Zugang zu einem Originaldruck wird hier nach folgender Neuauflage zitiert: Thoms (1828), Bd. 2, S. 30f. [Virgilius.] (1550?), Bl. B3a.

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kynges iustice«. Im Gegenteil bleiben sogar mögliche Anknüpfungspunkte wie beispielsweise das Auslassen des Herkunftsorts des Tuchs in H 33 ungenutzt. Während die anderen Bearbeitungen erwähnen, dass es sich um »leindisch« Tuch, also wahrscheinlich um Londoner Tuch handelt, wird dies bei Copland weggelassen (vgl. S. 479f.). In anderen seiner Drucke wird deutlich, dass William Copland seine Bücher in einem europäischen Zusammenhang sah und diesen dem Leser auch als Empfehlung mitteilte. Dies zeigt sich beispielsweise in seinen Ausgaben des Albertus Magnus (STC2 260, 1565? vgl. die Liste der Copland-Drucke, S. 380f.), in dem Copland folgendermaßen für sein Buch wirbt: Syth it is manifestli knowen, that thys boke of Albertus Magnus, is in the Italyon, Spanishe, Frenche, and Duche toun[g]es, it was thought if it wer tran[slat]ed into the English tounge, it [woul]de be receyued with lyke good [ ] & frendshipe, as it is in those [ ]es.17

Der Drucker weist also auf den Überlieferungskontext hin und deutet somit darauf hin, dass es sich bei seiner Ausgabe nicht um eine neue Publikation handelt, sondern um den Nachdruck eines Buches, das sich auf dem Kontinent gut verkauft. Im Gegensatz dazu gibt es im Howleglas keine Andeutung darüber, dass dieser zum Zeitpunkt des Drucks durch Copland bereits Jahrzehnte alt ist. Der Prolog wird z. B. unverändert übernommen. Die Beweggründe hierfür sind schwierig einzuschätzen. Sicherlich ist die Zeitersparnis ein grundlegendes Motiv dafür, dass Copland diesen, wie so viele seiner Drucke, nicht überarbeitet. Eventuell ist aber der unveränderte Nachdruck auch ein Zugeständnis an den Bekanntheitsgrad des Howleglas. Allerdings weicht die Howleglas-Edition von William Copland doch von der kontinentaleuropäischen in zwei weiteren Punkten ab, die im Folgenden untersucht werden sollen.

3. Das Gedicht in William Coplands Howleglas-Edition Unter den verschiedenen Auszeichnungsmomenten des Howleglas aus Coplands Offizin sticht ein Gedicht hervor, das den Platz einer 43. Historie einnimmt (vgl. S. 236ff.). Dieses Gedicht, eine Wechselrede in Versform zwischen Howleglas und einem Gelehrten, existiert nur im englischen Eulenspiegel. Zwar ist seit Lappenberg immer wieder auf diese Verse hingewiesen

17

Vorwort der BL-Ausgabe Signatur B.54.a.10.

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worden,18 aber sie haben noch keine Interpretation erfahren, welche ihrer Bedeutung im Howleglas gerecht wird und ihre Funktion zu klären vermag. Im besten Fall ist das Gedicht bisher als Kuriosum, im schlechtesten Fall als störender Einfall gewertet worden. In den folgenden Abschnitten sollen daher mögliche Deutungen vorgestellt werden. Dafür wird zunächst der Inhalt dieses Gedichts erläutert.

3.1. Inhalt und Stil des Gedichts Eulenspiegel und der Gelehrte setzen sich in sechs Versen über die griechischrömischen Gottheiten Mars, Venus und Bacchus auseinander. Während Eulenspiegel immer in einem Vers die Bedeutung, Macht und Überlegenheit des heidnischen Gottes preist, werden diese in der Gegenrede des Gelehrten im nächsten Vers in Frage gestellt. Im sechsten und letzten Vers fasst der Gelehrte die Machtlosigkeit dieser Götter im Vergleich zu Christus zusammen. Auf Christus müsse man vertrauen, nur der christliche Gott sei in der Lage, alles zu schaffen und zu zerstören. Da das Gedicht überschrieben ist mit »Wie Eulenspiegel zu einem Gelehrten kam, um mit ihm über den Gebrauch der Vernunft Verse zu machen«, erscheint es, als ob die höchste Vernunft die Anerkennung dieser Einsicht sei. Der literarische Wert des Gedichts ist sowohl in inhaltlicher als auch formaler Hinsicht begrenzt, denn weder leuchten die Argumente Eulenspiegels oder des Gelehrten immer ein noch sind sie besonders gut gestaltet. Auf die Darstellung Eulenspiegels, dass Mars durch seine kriegerischen Auseinandersetzungen das menschliche Geschehen bestimme, antwortet der Gelehrte beispielsweise zunächst mit einer nichts beweisenden einfachen Gegenfrage, dann verweist er auf die Dummheit Eulenspiegels sowie darauf, dass dieser sich durch eine Person (den Teufel?19) und die Astronomie täuschen lasse, sodann dass er, der Gelehrte, durch seine Fähigkeiten und List Mars blenden wolle. Die Auseinandersetzung über Venus im dritten und vierten Vers ist zwar etwas stringenter, denn auf die Darstellung Eulenspiegel, dass die Liebe die stärkste Macht sei, erwidert der Gelehrte, dass er doch viele Auseinan18 19

Vgl. z. B. Lappenberg (1854), S. 145. Die Vermutung, dass es sich bei dieser »one person« um den Teufel handeln könnte, äußert bereits Lappenberg (1854), S. 294. Sie wird von Brie mit dem Hinweis zurückgewiesen, dass er glaube, »dass der scholer sich selbst unter der one person versteh[e]« (Brie (1903), S. 43). Da es aber schwierig ist sich vorzustellen, dass der Gelehrte sich selbst als Betrüger bezeichnet – und zudem der Teufel im religiösen Sprachgebrauch als »the great deceiver« gilt –, wird hier Lappenbergs Interpretation gefolgt.

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dersetzungen zwischen Liebenden kenne. Jedoch gilt für den fünften und sechsten Vers wiederum, dass die Argumente – auf beiden Seiten – schwach sind. Dass Bacchus Herrscher hervorbringe und vernichte, weist der Gelehrte zurück, indem er sagt, dass sei nicht der Fall, nur Christus habe die Macht. Es handelt sich also nicht wirklich um ein Argument, sondern lediglich um eine Gegenrede. Auch die formale Gestaltung des Gedichts ist schwach. Es handelt sich zwar offenbar um einen rhyme royal mit dem Reimschema abab bcc und dem jambischen Pentameter als Versmaß, jedoch sind beide nicht sorgfältig umgesetzt. An vielen Stellen weicht das Gedicht beispielsweise vom Versmaß ab. Bald häufen sich die überzähligen Silben – z. B. Zeile 22: »And god of battell, and person ryght froward«, die sich auch mit gutem Willen nicht in das Versmaß zwingen lässt. Ein allgemeines Stolpern ist das Ergebnis. Ähnliches gilt für die Qualität der Reime: Selbst wenn man die unterschiedliche Aussprache des Frühneuenglischen in Erwägung zieht, ist es beispielsweise dennoch möglich, dass es sich in den letzten zwei Zeilen der fünften Strophe um einen Augenreim handelt: »gouernour – houre«. Das Gedicht stellt nicht nur dadurch eine Besonderheit im Howleglas dar, dass nur an dieser Stelle Verse eingefügt werden, während in dem Buch ansonsten durchgängig Prosa verwendet wird. Auch im größeren inhaltlichen Kontext innerhalb des englischen Eulenspiegel-Buches handelt es sich um eine merkwürdige Richtungsänderung: In allen anderen Historien gewinnt Eulenspiegel jede Auseinandersetzung. Zwar manchmal, wie in H 29, erst im zweiten Anlauf, aber endgültig eben doch. Im Falle des Gedichts jedoch unterliegt Eulenspiegel dem Gelehrten – trotz der schwächeren Argumente hat dieser das letzte Wort. Auch dass Eulenspiegel die Verteidigung der Liebe in den Mund gelegt wird, nimmt sich sonderbar aus.

3.2. Die Verfasserfrage Es stellt sich also die Frage, warum dieses scheinbar nur störende Gedicht in das Howleglas-Buch eingefügt wurde. In der Eulenspiegel-Forschung scheint sich die Vermutung durchgesetzt zu haben, die beispielsweise Honegger aufwirft: Es scheint kein Zweifel zu bestehen, daß das […] eingeschobene Gedicht […] von Robert Copland stammt. Eine genauere Datierung von L vor 1557 [L1, AHZ] ließe sich also möglicherweise aus anderen Drucken des Robert Copland gewinnen.20

20

Honegger (1973), S. 53.

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Die implizierte Vermutung, nämlich dass Robert Copland der Herausgeber dieses Drucks gewesen sei, wird von Geeraedts aufgenommen und weitergeführt: Het zou dus ook Robert Copland geweest kunnen zijn die nog voor William een Uilenspiegel-uitgave liet verschijnen, te meer ook omdat vast lijkt te staan dat Robert Copland voor een in de Engelse traditie achter de historie over de melkvrouwen (H 70) toegevoegd gedicht verantwoordelijk was.21

Nach Geeraedts könnte es also über die bestehenden Auflagen William Coplands hinaus – er geht auf Honeggers Überlegung nicht ein, bereits L1 Robert Copland zuzuschlagen, – schon eine Ausgabe durch seinen Vorgänger Robert gegeben haben. Auch wenn diese Annahme insofern verführerisch ist, als eine solche verlorene Ausgabe die lange Zeit zwischen van Doesborchs Howleglas und denen William Coplands überbrücken würde, gibt es für sie keinen Beleg. Es muss zudem gefragt werden, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass das Gedicht tatsächlich von Robert Copland stammt. Zunächst abseitig erscheint vielleicht folgende Überlegung, die aber dennoch zu prüfen ist: Wäre es möglich, dass das Gedicht bereits in van Doesborchs HowleglasAusgabe enthalten war? In diesem Fall wären eventuell einige der Probleme, z. B. die schlecht passenden Reimwörter oder die holperige Metrik auf die besonderen Schwierigkeiten beim Übersetzen von Versen vom Flämischen ins Englische zurückzuführen. Zieht man in Betracht, dass die Forschung zu van Doesborch bereits seit einiger Zeit darauf hinweist, dass manche der Verse in seinen Publikationen – beispielsweise in den Refreynen int sot amoureus wijs – aus seiner eigenen Feder stammten,22 wäre auch diese These nicht gänzlich abwegig. Dennoch ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass es sich bei dem Urheber des Gedichts doch um einen der Coplands handelte. Die Zusammenstellung der Gedichte Robert Coplands durch Erler23 zeigt, dass er zahlreiche Gedichte unterschiedlicher Subgattungen verfasste, von denen manche im Stil dem im Howleglas enthaltenen ähneln. Einige Argumente erschweren jedoch die Zuschreibung dieses Gedichts an Robert Copland. Manche der Formulierungen in diesem Gedicht sind so auffällig, dass sie versuchsweise als Identifikationsmerkmale verwendet werden können: Eine stichprobenartige Suche in der English Poetry Database im Online-Katalog der Universität

21 22 23

Geeraedts (1986), S. 51. Vgl. Erné (1972), bes. S. 357f. Sowie: van Thijn (1985), S. 174. Erler (1993).

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Stanford24 hat ergeben, dass eine Häufung von Formulierungen vorliegt, die in dieser Periode in Drucken William Coplands verwendet werden. Dazu gehören beispielsweise »ryght fayne«, welches in Stephen Hawes’ Pastime of Pleasure und in John Skeltons Absence from Courte benutzt wird, »gouernour«, das in dieser Schreibweise ebenfalls in Hawes sowie in Skeltons Absence sowie Phyllyp Sparrow auftaucht, und »cogitation«, das in Peter Moones Short treatyse of certaine thinges in the Popysh Church zu finden ist. Zwar haben alle diese Texte Autoren, die Zeitgenossen Robert Coplands waren, so dass davon auszugehen ist, dass die Formulierungen geläufig waren, aber sie wurden erst von William Copland verlegt. Eine genaue Zuordnung zu einem der beiden Drucker – entweder zum Zeitgenossen Robert, der sich selbst als Dichter versuchte, oder zum Drucker William, der mit den Begriffen aus seinen Texten vertraut war – ist also nicht endgültig möglich, auch wenn sich die Waage in Richtung Robert Coplands neigt. Eine Anmerkung, die Honegger als Beleg für Robert Coplands Autorschaft der Verse verwendet, bezeugt aber im Gegenteil gerade, dass es sich bei Robert wohl nicht um den Drucker von L1 handelte. Honegger zitiert Colin Claire, der über Robert Copland schreibt, dieser habe unerschütterlich seine schlechten Verse immer wieder am Anfang und am Ende von Büchern eingefügt.25 Jedoch sind die Verse im Falle des Howleglas weder am Anfang noch am Ende positioniert. Sie befinden sich zwar im hinteren Teil des Buchs, haben aber nicht die editorische Funktion eines Vor- oder Nachworts, die Robert Coplands Gedichte oft annehmen. Krogmann vermutet, dass die Verse als »Memento mori« eingeschoben sind, »weil in den folgenden Historien von der Krankheit und dem Tode des Schalksnarren berichtet wird«.26 Das ist zwar eine mögliche Erklärung, jedoch ist es äußerst auffällig, dass die Verse genau an der Stelle im Text zu finden sind, an der die flämischen, französischen und englischen Überlieferungen auseinandertreten. Die Reihenfolge der Historien ist in den Ausgaben verändert, so dass die flämische Ausgabe – im Vergleich zur Zählung nach S 1515 (vgl. die tabellarische Übersicht auf S. 398) – 41, 40, 42, 43 bietet, die französische 43, 40, 41, 42 und die englische 42, 40, 41, 44. An 43. Stelle steht in der englischen Ausgabe das Gedicht. Diese Besonderheit der Reihenfolgenverschiebung wurde zwar schon oft hervorgehoben, beispielsweise von Koopmans/Verhuyck,27 aber die Ein-

24 25 26 27

Die URL für diese Datenbank lautet: ‹http://dlib.stanford.edu›. Vgl. Honegger (1973), S. 53, Fußnote 101. Krogmann (1952), S. xif. Vgl. Koopmans/Verhuyck (1988), S. 28.

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fügung des Gedichts in den Howleglas in diesem Kontext nicht festgestellt. Die Gründe für die Einfügung just an diesem Ort sind schleierhaft, deuten jedoch auf größere Probleme oder Abweichungen in der Textüberlieferung. Ob die Umstellungen zustande kamen, weil das als unpassend empfundene Gedicht an dieser Stelle in der flämischen und französischen Überlieferung entfernt wurde – wobei dann unklar bleibt, warum die Struktur darüber hinaus verändert wurde – oder ob das Gedicht in der englischen Überlieferung eingefügt wurde, weil der Bearbeiter bzw. Drucker einen Bruch wahrnahm, den er durch Hinzufügung eines neuen Elements heilen wollte, kann nicht entschieden werden.

4. Der Titelholzschnitt: Intertextuelle Beziehungen mit Salomon and Markolf28 Dennoch erscheint Honeggers Urteil, dass »[f]ür die Textgeschichte des Howleglas [..] diese eingeschobenen Verse ohne Bedeutung«29 seien, vorschnell. Im Gegenteil ist es möglich, über die Verse einige Querverbindungen für die Produktion und Rezeption des Eulenspiegel in England zu ermitteln, die ansonsten verborgen blieben. Diese intertextuellen Verbindungen beziehen sich auf ein anderes Buch, das – nach früheren lateinischen Versionen – seit der Zeit um 1450 in deutscher Sprache bekannt war30 und schon vor der Jahrhundertwende eine starke Verbreitung erlebte: das Schwankbuch von Salomon und Markolphus, das zwischen 1487 und 1594 in 22 Auflagen publiziert wurde.31 Mit dem Salomon and Markolf ist der Howleglas bereits äußerlich durch den Holzschnitt verbunden, der darstellt, wie der bäurische Markolf mit der Heugabel in der Hand neben seiner hässlichen Frau Polykana vor dem Thron Salomons steht. Diese Illustration wurde sowohl für den Howleglas von Copland als Titelholzschnitt verwendet (vgl. die Maße auf S. 47 und die Abbildung auf S. 66)als auch für die erste englische Ausgabe des Salomon and Markolf. Wie der Wiedereinsatz dieser Illustration zu bewerten ist, wird in den folgenden Abschnitt erörtert.

28 29 30

31

Vgl. auch Hill-Zenk (2003). Honegger (1973), S. 53, Fußnote 101. Vgl. den Hinweis darauf, dass Gregor Hayden um 1450 die berühmte deutsche Übersetzung der lateinischen Quelle für den bairischen Landgraf Friedrich von Leuchtenberg verfasste, bei: Verdaasdonk (1937), S. 187. Vgl. Gotzkowsky (1991), S. 264–276. Weitere Drucke – die Zahl erhöht sich auf 49 – sind als Ergebnis einer jüngeren Arbeit ans Licht gekommen: Vgl. Griese (1999), S. 23 und S. 59ff.

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Für den Salomon und Markolf hat Griese unterschiedliche kontinentaleuropäische Überlieferungsstränge herausgearbeitet:32 Fassungen als Schwankroman, Fastnachtspiel, Brautwerbungsepos und Prosa- und Versversionen existieren dabei neben denen, die zu der Tradition der Collationes quas dicuntur fecisse mutuo rex Salomon … et Marcolphus gehören. In dieser wird eine Wechselrede Salomons und Marcolphus’ mit weiteren Geschichten verbunden. Im ersten Teil des Buches gelingt es Marcolphus im Wortwettstreit immer wieder, Salomons weise Sprüche mit bodenständigen Gegenbeispielen zu übertrumpfen – in allen unterliegt der weise König Salomon dem ungeschlachten Bauern Marcolphus. In den folgenden Geschichten führt Markolf den König solange an der Nase herum, bis er den Bogen überspannt und hingerichtet werden soll. Dadurch, dass Markolf sich aber als letzte Bitte ausbedingt, dass er den Baum wählen darf, an welchem er gehängt wird, entkommt er seinem Schicksal, indem er, mit seinem Henker wandernd, sich auf keinen Baum festlegt. In der englischen Literaturgeschichte steht die Geschichte von Salomon and Markolf in einer langen Tradition: Bereits in altenglischen Versen wurden die Diskussionen zwischen König Salomon und dem heidnischen Saturn, aus dem in der späteren Tradition Markolf wurde, überliefert.33 Die Bekanntheit und Beliebtheit des Stoffes in England seit dem 14. Jahrhundert steht zweifelsfrei fest, wie die von Malcolm Jones gesammelten Belege aus Randillustrationen thematisch unverbundener Bücher und von Miserikordien ergeben.34 Nach einer Unterbrechung im frühen 15. Jahrhundert, für das keine Exemplare existieren, gibt es für die Produktion dieses Buchs für den englischen Markt im letzten Viertel des Jahrhunderts wieder Beispiele. Für die weitere englische Überlieferung sind – von den bei Griese aufgeführten – nur die Prosa- und die Versversion von Bedeutung. Aus Deutschland wird die Prosafassung adaptiert, aus Frankreich die Versfassung. In gedruckter Form in englischer Sprache verlegte den Text, soweit bekannt ist, zum ersten Mal Gerard Leeu, von dem in dieser Arbeit bereits die Rede war (vgl. S. 259f.). Dessen Ausgabe mit dem Titel This is the dyalogus or communyng betwxt the wyse king Salomon and Marcolphus (STC2 22905)35 entstand

32 33 34 35

Vgl. Griese (1999). Vgl. Menner (1941). Vgl. M. Jones (1991), S. 139–174. Der STC2 verwendet als Schlagwort – entgegen den Drucken selbst – die Form ›Solomon‹. In dieser Arbeit wird jedoch auch für die englischen Drucke die Form ›Salomon‹ verwendet. Neben der Schreibung ›Marcolphus‹ existiert ›Marcolph‹ und ›Marcolf‹. Im Folgenden bezieht sich ›Marcolphus‹ auf die kontinentaleuropäische Überlieferung, während die englischen Formen ab dem 16. Jh. auf ›Marcolf‹ vereint werden. Die Benennung in den Titeln der Drucke bleibt davon selbstverständlich unangetatstet, z. B. bei Leeus Salomon and Marcolphus.

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1492 in Antwerpen. Zwar orientiert Leeus Druck sich an den Collationes, allerdings lässt er ungefähr die Hälfte der Gespräche zwischen Salomon und Marcolf aus dem ersten Teil des Buches aus. Den zweiten Teil des Buches dagegen übernimmt Leeu vollständig. Somit sind alle zwölf Geschichten, in denen Markolf mit zunehmender Dreistigkeit Salomon übertölpelt, in seinem Druck des Salomon and Marcolphus überliefert. Die Ausgabe des Antwerpeners ist eine mehr oder minder direkte Übertragung, die sich dicht am Text der Vorlage orientiert. Eine von Leeu vollzogene Änderung ist jedoch einschneidend, denn er führte eine neue Ikonographie ein. In den kontinentalen Abbildungen wurde häufig eine Æsop-Figur gezeigt, um Marcolphus darzustellen, und seine Frau wurde ganz ausgelassen. Diese Æsop-Darstellung verwendete Leeu auch für seine 1488 erschienene lateinische Ausgabe des Texts.36 Leeus neue Titelillustration für den Salomon and Marcolphus hingegen bildete die Konstellation ab, die uns aus dem englischen Eulenspiegel vertraut ist: Marcolf und Polycana stehen vor dem auf dem Thron sitzenden Salomon. Dessen Geste deutet eine Rededebatte nach den Regeln der Rhetorik an, die Marcolf mit einer merkwürdigen Geste seiner linken Hand zu beantworten scheint. Die Heugabel, die Marcolf in seiner Rechten hält, betont seine Bäuerlichkeit und Einfachheit – natürlich auch die seiner ›Waffen‹ –, die jedoch durch seine verschlissene Kleidung im Gegensatz zu Salomons Pracht bereits deutlich ist. Die weitere Geschichte des Salomon and Marcolf in England ist von Unterbrechungen und Veränderungen gekennzeichnet. Ein neuer Salomon and Marcolf, der der französischen Versfassung von 1509 Les Ditz de Salomon et de Marculphus, translatez du latin en francois avec les ditz des sept sages et d’autres philosophes de la grece von Johan Divry folgt,37 wurde zwischen 1527 und 1529 von Pynson herausgegeben: The sayinges or prouerbes of king Salomon, with the answers of Marcolphus, translated out of frenche into englysshe (STC2 22899). Dieser Versdialog reduziert jedoch die Dialoge zwischen Salomon und Marcolf auf einen Aspekt. Sie debattieren fast ausschließlich darüber, ob Frauen zu Täuschung und Wollust neigen. Salomon verteidigt dabei die Frauen, während Marcolf sie angreift. Diese monomanische Thematik und die krasse Metaphorik Marcolfs reduzieren die Qualität und Weite der bisherigen Überlieferung. Auch in der bildlichen Darstellung weicht Pynson von allen vorgehenden Drucken ab: Statt der Æsop-Figur der kontinentaleuropäischen Fassungen

36

37

Unter den Illustrationen, die Beecher in seiner Edition des ersten englischen Salomon and Markolf wiedergibt, findet sich auch der Holzschnitt für die lateinische Ausgabe Leeus von 1488. Vgl. Beecher (1995), S. 120. Vgl. ebd., S. 95.

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oder einem der Ausgabe Leeus vergleichbaren Holzschnitt setzte er eine zusammengestückelte Illustration ein. Diese besteht aus einem König und einem Mann mit Bart, die beide offensichtlich jeweils aus einem anderen Kontext herausgeschnitten wurden. Von den früheren Illustrationen unterscheidet sich diese dadurch, dass die Figur, die Marcolf darstellen soll, reich bekleidet ist und in keiner Weise die Hässlichkeit und Derbheit wiedergibt, mit der Marcolf sonst gekennzeichnet wird. Somit weicht Pynsons Salomon and Marcolf sowohl in Hinsicht auf den Text als auch auf die Ikonographie von der sonstigen Überlieferung ab. Dennoch gibt sie einen entscheidenden Hinweis, nämlich auf die anhaltende Beliebtheit der Geschichte in England, auch in abgewandelter Form. Eine zweifache ›Intertextualität‹ bestimmt das Verhältnis von Howleglas und Salomon and Marcolf: Der spätere Howleglas teilt mit Salomon und Marcolphus – und ebenso mit dessen englischer Fassung – die Geschichte vom Reiter, der das Kind nach dem Weg fragt (Howleglas H 8), und vom Verstecken im Bienenkorb (H 7).38 39 Durch den Fragmentstatus des ersten Howleglas aus van Doesborchs Presse sind zwar diese Historien nicht überliefert. Es ist aber dennoch davon auszugehen, dass die Ausgabe diese Historien beinhaltete, weil sowohl die zeitgenössischen flämischen und französischen als auch die späteren englischen Ausgaben von Copland, die sich sehr dicht an van Doesborchs Text anlehnen (vgl. oben, S. 401f.), diese Historie überliefern. Da die Historie mit dem Bienenkorb im deutschen Spruchgedicht von Salomon und Markolf nicht recht eingebunden ist, im Eulenspiegel aber schon, scheint diese Geschichte dem Eulenspiegel eigentümlich zu sein und von diesem in den Salomon und Markolf übernommen worden zu sein. Dagegen ist die zweite Historie, in der Eulenspiegel nach seinen Eltern gefragt wird sowie eine zweifelhafte Wegauskunft gibt, nur in Haydens Fassung überliefert und daher wahrscheinlich dem Eulenspiegel-Buch vorgängig.40 Es ist bemerkenswert, dass in der Forschungsliteratur wiederholt auf diesen Zusammenhang hingewiesen worden ist, aber noch kein Bezug zum englischen Eulenspiegel-Buch hergestellt worden ist. Die Tatsache, dass dieses

38 39

40

Vgl. Verdaasdonk (1973). Vgl. auch die Quellenliste für die Historien des Eulenspiegel-Buchs bei: Schulz-Grobert (1999), S. 282–355. Im Gegensatz zu Beechers Annahme wurde der Howleglas nicht 1528 gedruckt, sondern erschien, wie oben ausgeführt, etwa dreißig Jahre nach Pynsons Ausgabe in den fünfziger Jahren des 16. Jahrhunderts bei William Copland. Während Beecher aufgrund der falschen Datierung davon ausgeht, dass der Salomon and Marcolf nach einer anfänglich starken Rezeption verschwand, bedeutet das spätere Druckdatum des Howleglas durch Copland, dass der Salomon and Marcolf noch bis weit ins 16. Jahrhundert hinein bekannt war. Vgl. Beecher (1995), S. 24. Vgl. Verdaasdonk (1973), S. 189ff.

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mit einem Titelholzschnitt verziert ist, der die Salomon and Marcolf-Geschichte illustriert, ist zwar bemerkt, aber die Beziehung nicht näher untersucht worden. Allerdings wurde der Holzschnitt beispielsweise in der frühen Eulenspiegel-Forschung in der Mitte des 19. Jahrhunderts noch nicht Salomon und Markolf zugeordnet. Dies geht aus Lappenbergs Beschreibung hervor: Ein roher Holzschnitt, welcher das ganze übrige Blatt wegnimmt, stellt einen König auf dem Throne dar, vor welchem zwei Leute stehen, von denen der eine ein Narr, der andere Ulenspiegel zu sein scheint.41

Erst Flügel hat die Zugehörigkeit des Holzschnitts zur Salomon and MarcolfTradition erkannt.42 Jedoch ergeben sich zu William Coplands Verwendung des Salomon und Markolf-Holzschnitts zwei Fragen, die für das Verständnis sowohl der Howleglas-Produktion als auch -Rezeption grundlegend sind: An erster Stelle steht die Frage, wie Copland in den Besitz dieses Holzschnitts kam. Damit verbunden, und eventuell davon abhängig, ist aber auch die offene Frage, was Copland motiviert haben könnte, diese Illustration zu verwenden, und wie man seine Wahl deuten kann. Es wurde bereits darauf hingewiesen, welche langen Wege Holzschnitte zurücklegten und welche großen Zeiträume sie überbrückten (siehe S. 268). Auch in diesem Fall scheint die Illustration solche Strecken hinter sich gebracht zu haben: Leeu setzte den Holzschnitt 1492 ein und dasselbe Motiv tauchte erst in der Mitte des 16. Jahrhunderts bei Copland wieder auf – bei der Recherche für diese Arbeit konnte keine weitere Verwendung dieses Holzschnitts in anderen Drucken nachgewiesen werden. Über die Verbindung zwischen Caxton und Leeu und Caxtons Nachfolger Wynkyn de Worde und dessen zeitweiligem Mitarbeiter Robert Copland ließe sich eine Linie zu William Copland aufzeigen, durch die dieser eventuell Zugang zu dem Holzschnitt hätte erlangen können. Jedoch gestaltet sich der Fall mysteriöser. Bei einer Autopsie des Salomon and Marcolphus-Drucks von Gerard Leeu in der Bodleian Library43 konnte im Rahmen dieser Arbeit Folgendes ermittelt werden: Bei dem Holzschnitt, den William Copland als Titelillustration für den Howleglas einsetzte, handelt es sich trotz der sehr großen Ähnlichkeit aller Wahrscheinlichkeit nach nicht um denselben Block, den Leeu für seinen Druck verwendete. Die Maße der Illustrationen unterscheiden sich geringfügig, aber entscheidend. In

41 42 43

Lappenberg (1854), S. 176. Vgl. Flügel (1895), S. 517. Dieser wird in der Bodleian Library unter folgender Signatur aufbewahrt: Tanner 178 (3).

534

Leeus Druck betragen die Dimensionen des Frontispizes eine Höhe von 14,05 cm (14,1 wenn die Umrahmung mitgemessen wird) und eine Breite von 9,30 cm (oben, unten eher 9,35 cm). Dagegen misst der Holzschnitt in Coplands Howleglas-Ausgabe 13,3 x 9,2 cm (siehe oben). Auch bei stärkerer Papierschrumpfung in eine Richtung erscheint es daher unwahrscheinlich, dass Copland für seinen Howleglas Leeus Block benutzte. Dies macht den Einsatz des Holzschnitts noch überraschender: Handelte es sich um denselben Holzschnitt, d. h. wenn die Maße völlig übereinstimmten, wäre das Wiederauftreten eines relativ alten Holzschnitts auffällig genug, aber dennoch nachvollziehbar. Material, das einem Drucker zur Verfügung stand, wurde immer wieder eingesetzt, selbst wenn es einmal thematisch nicht ganz passen sollte. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass in diesem Fall ein englischer Drucker etwa sechzig Jahre später eine Kopie eines Antwerpener Holzschnitts anfertigen ließ und diesen zur Illustration eines anderen Texts gebrauchte. Warum jedoch setzte Copland sie nicht in einem Salomon and Marcolf-Druck ein, sondern verwendete sie stattdessen für seinen Howleglas? Sicherlich ist es vorstellbar, dass es in der Zwischenzeit Salomon and Marcolf-Drucke, auch aus Coplands Presse, gab, in denen der Holzschnitt zum Einsatz kam. Ohne Belege für solche muss jedoch allein das Material, das noch zur Verfügung steht, interpretiert werden. In der Sekundärliteratur ist Coplands Heranziehen des Holzschnitts überwiegend negativ gewertet worden, indem darauf hingewiesen wurde, dass die zwei Texte wenig miteinander zu tun hätten. So argumentiert beispielsweise Beecher, dass Marcolf und Howleglas als Charaktere wenig Gemeinsamkeiten aufwiesen. Zwar stellten sie beide Trickster-Figuren dar, die Abbildung jedoch erfülle für den Howleglas keinen rechten Zweck: The figure of Solomon is entirely out of place, not to mention Polycana, and Tyl was never described as a rude peasant. But perhaps an association between them as tricksters was pretext enough.44

Dagegen kann jedoch die bereits oben genannte Tatsache gehalten werden, dass die Erzählungen zumindest im nichtdeutschen Raum wenigstens zwei Geschichten gemeinsam haben. Im Gegensatz zu Beechers Ansicht erscheint die Wahl des Holzschnitts nicht beliebig, sondern gezielt. Durch sie enthüllt sich Coplands Kenntnis der – kontinentalen – Schwankliteratur und die Verknüpfungen zwischen diesen Texten. Auf diese Intertextualität verweist Copland mithilfe des Holzschnitts und es zeigt sich, wie sinnvoll er sie adaptiert.

44

Beecher (1995), S. 86.

535

Die zweite Historie des Howleglas sollte also auch LeserInnen des Salomon and Marcolf seit geraumer Zeit bekannt gewesen sein. Darüber hinaus sollten den LeserInnen aber auch die Geschichten vertraut gewesen sein, die zeigen, wie Marcolf bzw. Eulenspiegel diejenigen übertölpeln, die sich selbst für klüger halten (beispielsweise H 20 im Howleglas) oder solche, wie das Entkommen vor dem Erhängen durch eine List gelingen kann (H 30). Zwar enthalten auch die früheren flämischen und französischen Ausgaben sowie der Kölner Eulenspiegel-Druck diese Historien und sie verwenden dennoch kein Salomon and Marcolf-Frontispiz, aber Coplands Vorgehen erscheint trotzdem nicht beliebig gewesen zu sein. Im Gegenteil erscheint es so, als ob er gezielt einen etablierten Text dazu verwendete, sein neues Buch besser in die zu seiner Zeit bekannte kontinentaleuropäische komische Kurzprosa in Übersetzung einzubinden. Wenn auch der Howleglas bereits vor Coplands Ausgabe im Druck erschienen war, deutet der Holzschnitt darauf hin, dass sich Copland genau überlegte, wie er seinen neuen Druck positionieren könnte. Geht man davon aus, dass es vielleicht seit der van-Doesborch-Ausgabe keine weiteren HowleglasDrucke gegeben hatte, wird nachvollziehbar, warum sich der Neudrucker zur Finanzierung seines Risikos eine klare Marketingstrategie überlegte. Wie ist der Einsatz des Titelbilds nach dem Salomon and Marcolf für den Howleglas vor diesem Hintergrund zu deuten? Die hier vertretene These ist, dass Copland sich der Popularität eines auf dem englischen Markt bereits etablierten Buchs bediente, um einen weniger bekannten Schwankbuchhelden in der LeserInnengunst zu verankern. Copland benutzte die Geschichten über Salomon und Marcolf, die in England seit Jahrhunderten bekannt waren, in Manuskripten und in Kirchen verewigt und in unterschiedlichen Fassungen im Druck erschienen sind, um seinen neuen Helden einzuführen. Dieses Beispiel für Konzepte zur Integration nichtenglischer Literatur steht im Einklang mit den Ergebnissen der englischen Leseforschung: Der Leseforscher Bennett beispielsweise erläutert für das frühe 16. Jahrhundert, dass das Verlegen von Literatur für die Drucker ein höheres Risiko bot als andere Gebrauchsschriften: Caution was therefore an essential success, and it was in this spirit that the printer turned to the writing already available in other tongues, hoping to find among them wares suitable for his English market. If he could make them fit in with the kinds of books he was most interested in publishing, so much the better.45

45

Bennett (1969), S. 153.

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Seit langem gibt es – wie beim Eulenspiegel – eine Debatte darüber, wie erfolgreich Salomon und Markolf in England war. Wie beim Eulenspiegel wird die Rezeption einerseits als geringfügig betrachtet, obwohl andererseits eingeräumt wird, dass der Text beliebt genug war, um eine Weitergabe des Materials, wenn auch nicht in seiner zusammengestellten Form, zu bewirken.46 Neben den neueren Belegen von Jones gibt es aber weitere Hinweise auf eine starke und positive Rezeption des Salomon and Marcolf-Stoffs: 1566 beispielsweise besuchte Königin Elisabeth I. mit einem Gast, Prinzessin Celia von Schweden, die Aufführung des lateinischen Schuldramas Sapientia Solomonis, das auf der Salomon and Marcolf-Tradition basiert.47 Der Text war also zu dem Zeitpunkt, als William Copland den Howleglas druckte, nicht nur bekannt, sondern wurde als passend für die Unterhaltung der Königin und des wichtigen Gasts empfunden. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass mögliche Käufer und Käuferinnen mit diesem Text und auch den Darstellungen vertraut waren und dass Copland die Ikonographie einsetzen konnte, um einen weniger bekannten Text zu vermarkten. Die Auswahl des Salomon and Marcolf-Holzschnitts nach Leeus Ausgabe erscheint insofern alles andere als beliebig: Copland muss beide Texte gut gekannt haben, um sich der intertextuellen Beziehungen zwischen ihnen bewusst gewesen zu sein und die Wahl des Holzschnitts als Strategie, um einen verwandten, aber unbekannteren Text einzuführen, wird ihren Erfolg nicht verfehlt haben. Ein Indiz für diesen Erfolg ist jedenfalls die rasche Folge der Auflagen aus seiner Offizin. Daneben könnte aber auch das Gedicht im Licht der Salomon and MarcolfIntertextualität des Howleglas-Buchs betrachtet werden. Setzt man den Gelehrten aus dem Gedicht im Howleglas mit Salomon aus dem Schwankbuch gleich und gibt Howleglas die Rolle seines traditionellen Gegenspielers Marcolf, wird die thematische Anbindung des Gedichts deutlich. In abgewandelter Form findet sich hier die wissenschaftliche Debatte mit christlichen Untertönen wieder, die im Salomon and Marcolf geführt wird. Mit Hilfe des Holzschnitts wären zeitgenössische LeserInnen auf diese Spur gelenkt worden. Zieht man darüber hinaus in Betracht, dass der Salomon and Marcolf-Druck Leeus ebenfalls Verse und Prosa kombiniert, ergeben sich für Coplands HowleglasDruck auf diese Weise sogar formale Übereinstimmungen. Nur angedeutet werden soll hier eine Vermutung in Bezug auf den möglichen Ursprung des Gedichts: Weist man Howleglas die Rolle des Verteidigers des Heidentums und dem Gelehrten die des Anwalts des Christentums zu, 46 47

Vgl. Duff (1892), S. ix. Vgl. Payne (1938).

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der den Sieg in dem Wortgefecht davonträgt, drängt sich der Vergleich mit einem Text ähnlichen Inhalts auf. Im westsächsischen Gedicht über Solomon and Saturn herrscht wie in diesen Versen der dialogische Gestus vor und inhaltliche Parallelen sind deutlich. Menner fasst den Inhalt des zweiten Teils des altenglischen Gedichts folgendermaßen zusammen: [It ranges] from curious Oriental legends to such favorite themes of Old English poetry as the exile’s misery and the passing of life, and from the Christian interpretation of good and evil to universal problems of fate and foreknowledge. Solomon consistently but unobtrusively, for the most part, points out to Saturn how the Christian view of life answers the troubling questions concerning the unequal blessings of the earthly life […], the mingling of joy and sorrow […], the wicked man’s length of days […], and the heavy hand of Wyrd […].48

Obwohl Solomon and Saturn thematisch wesentlich weiter gefasst und künstlerisch weit anspruchsvoller ist als das Gedicht im Howleglas, ist es doch auffällig, dass inhaltliche und strukturelle Ähnlichkeiten bestehen, vor allem in der Gestaltung der Figuren. Dass Copland das altenglische Gedicht kannte, ist nicht wahrscheinlich, aber es ist vorstellbar, dass der Stoff des Solomon and Saturn in England bis weit ins 16. Jahrhundert bekannt war. Vielleicht gab es mündliche Traditionen, in welchen diese Texte überdauerten. So ist zwar nicht nachweisbar, wie das Howleglas-Gedicht zustande kam, jedoch erscheint es, als ob Copland die Verse mit Absicht in diesen Text einfügte, um die intertextuellen Bezüge zum Salomon and Marcolf zu verstärken. Die Überlegungen zur Rolle des Holzschnitts in der Publikationsstrategie Coplands für den Howleglas werden auf diese Weise unterstützt. Weitere intertextuelle Bezüge im Hinblick auf die Übersetzungen kontinentaleuropäischer komischer Kurzprosa teilt der Howleglas, wie auch die deutsche Überlieferung, mit dem Bruder Rausch.49 In dieser Erzählung schleicht sich ein Teufel als Bruder Rausch in ein Kloster ein und stiftet dort allerlei Verwirrung, bevor er enttarnt werden kann. Die vierte Episode der Schwankerzählung beschreibt, wie er den Wagen des Priors teert, statt ihn zu fetten. Ein nahezu identisches willentliches Missverständnis findet sich im Howleglas in H 31. In der fünften Episode zählt der teuflische Protagonist auf ähnlich krude Weise die Mönche wie Howleglas in H 41, indem er sie die Treppe hinabstürzen lässt. Wie eng der Bruder Rausch und der Eulenspiegel zusammenhängen, wird nicht nur durch den Inhalt, sondern auch durch die Holzschnitte belegt: Der Kölner Drucker Servatius Kruffter verwendete für seinen Bruder Rausch-Druck von den Illustrationen, die zu den H 9 und H 89 48 49

Menner (1941), S. 50. Vgl. auch Debaene (1950), bes. S. x ff.

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der Eulenspiegel-Reihe gehören, beide. Für seinen eigenen Eulenspiegel-Druck jedoch nur den für H 9.50 Der Bruder Rausch ist in bibliographischer Hinsicht darüber hinaus im Kontext der komischen Kurzprosa in England wichtig, weil das früheste noch existierende englische Exemplar von 1620 nicht der früheste Druck sein kann. Dieser wurde bereits 1568 in einer Eintragung im Register der Company of Stationers51 sowie 1575 in einer Buchliste genannt und wird meistens der Presse William Coplands zugeschrieben (vgl. unten, S. 545). Das Buch vom Teufel im Mönchsgewand geht also durch dieselben Hände wie der Howleglas. Von besonderem Interesse ist darüber hinaus, dass der Druck des Bruder Rausch bei Dorn in derselben Zeit erfolgte wie der Druck des Howleglas bei van Doesborch. Dass der englische Eulenspiegel von William Copland in solche Zusammenhänge gestellt wurde, unterstreicht die These einer produktiven Rezeption. Ebenso wie die aufgezeigten Bearbeitungsstrategien weisen die intertextuellen Bezüge darauf hin, dass es sich nicht um eine bloße Übersetzung und Übernahme handelte, sondern um eine Aufbereitung für ein spezifisches Publikum.

50 51

Vgl., auch für weitere Literatur, Sodmann (1980), S. 210. Vgl. Arber (1875–94), S. 179. Vgl. auch Priebsch (1919), S. 65.

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VIII. Howleglas-Leserschaft und -Bewahrung im 16. Jahrhundert: Der Howleglas im Rahmen der zeitgenössischen Literatur

Nachdem die Drucker der Howleglas-Texte und ihr jeweiliges Umfeld vorgestellt wurden sowie die Besonderheiten der von ihnen gedruckten Bearbeitungen, wird im Folgenden die Überlieferung des Buch- und Textkörpers behandelt. Sowohl Aspekte der Provenienz, also auf welche Weise das Buch als Gegenstand bis in unsere Zeit bewahrt wurde, als auch Hinweise auf eine weitere Leserschaft, d. h. Fragen der Überlieferung des Buchs als Text, werden hier untersucht. Einige der Exemplare sind jedoch so fragmentarisch, dass für ihre Bewahrung wohl primär ein antiquarisch-bibliographisches Interesse bestimmend war als das Vergnügen am Inhalt. In Bezug auf die Lesenden im 16. Jahrhundert hebt Margaret Lane Ford hervor, dass die neuen englischsprachigen Bücher auch auf ein neues Publikum zielten: Während die importierte lateinische Literatur hauptsächlich auf den universitären Markt gerichtet gewesen sei, sei die volkssprachige Literatur größtenteils von Adelsschicht, Ministerialen und Kaufleuten gelesen worden:1 What typifies their collections, and is unusual compared with the collections of other categories of owner, is the prevalence of books in English; about one-third of their books are in that language.2

Diese Feststellung trifft auch auf die Howleglas-Drucke zu, wie die folgende Analyse der unterschiedlichen Leser und Besitzer zeigen wird. Die Untersuchung der Leserschaft wird durch die Tatsache erschwert, dass über die genauen Überlieferungsstrukturen der englischen EulenspiegelDrucke nur wenige Fakten zur Verfügung stehen. Im von Fehrenbach und Leedham-Green herausgegebenen Verzeichnis der privaten Bibliotheken der Renaissance in England3 werden zwar beispielsweise verschiedene umfangreiche Sammlungen aufgeführt, die vermutlich auch einige Titel aus der volkssprachigen Literatur beinhalteten. Jedoch steht – zur Frustration der bibliographischen Forschung – am Ende dieser zeitgenössischen Listen, in denen ein gelehrtes Buch nach dem anderen mit dem Titel, auch oft mit dem

1 2 3

Vgl. Ford (1999), S. 227. Ebd., S. 213. Fehrenbach/Leedham-Green (1992–1998).

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Verfasser genannt wird, meistens nur »and three little books«.4 Dass diese Bücher es nicht für wert befunden wurden, für den Nachlass erfasst zu werden, und dass sie zudem ein kleines Format hatten, könnte einen Hinweis auf ihren trivialeren Inhalt bergen. Die Seltenheit der Überlieferung solch ›kleiner Bücher‹ hängt andererseits wiederum mit der Ausgrenzung des Materials aus Privatbibliotheken zusammen. Solche Bücher wurden zerlesen, nicht bewahrt. Wegen des Mangels an Daten hat sich auch die Forschungsliteratur bisher größtenteils darauf beschränkt, für das 16. Jahrhundert vorwiegend Einzeltexte und ihre LeserInnenschaft zu untersuchen. Erst für das Ende des 16. Jahrhunderts und verstärkt für das 17. Jahrhundert liegen umfassendere Untersuchungen über die Leser und Leserinnen unterhaltsamer Literatur vor.5 Gleichzeitig finden sich bei den zeitgenössischen Autoren ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts aber viele Erwähnungen des Howleglas oder intertextuelle Verbindungen, die belegen, dass diese die Figur oder das Buch kannten. Viele dieser Hinweise sind von Brie (1903) und seinen Vorgängern Collier (1865) und Flügel (1895) gesammelt worden und müssen daher nicht wiederholt werden. Nennungen der Figur in der englischen Literatur, die Brie nicht bekannt waren, werden jedoch behandelt. Darüber hinaus beschränkte sich die frühe Forschung stark auf die Darstellung der Fundorte und analysierte nicht deren Bedeutung für die Stellung des Howleglas in der frühneuzeitlichen englischen Literatur bzw. für dessen Leser. Daher wird im Folgenden eine ausführliche Untersuchung der wichtigsten Überlieferungshinweise geboten.

1. Mögliche Leser der ersten englischen Eulenspiegel-Übersetzung Die Rezeption des ersten Howleglas-Drucks durch Jan van Doesborch ist deshalb schwer nachzuzeichnen, weil bisher keine Quellen entdeckt wurden, die unstrittige Aussagen zulassen. Es ist jedoch gut möglich, dass das Umfeld derjenigen Buchdrucker und -händler, die in Kapitel IV.3.3. vorgestellt wurden, zu der LeserInnenschaft zählte. Dabei stellt sich die grundlegende Frage, wer als Rezipient in England überhaupt in Frage kam. Vergleicht man die englische Situation mit der in Straßburg, könnte man den Howleglas 4 5

Vgl. ebd. Vgl. beispielsweise: Watt (1991). Da die vermehrte Gründung von Schulen und eine damit verbundene Alphabetisierung und Bildungsbeteiligung erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts stattfindet, stehen ab dieser Zeit mehr Daten zur Verfügung.

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in England ebenfalls in einem humanistischen Umfeld mit entsprechenden Leseinteressen suchen.6 Ein solcher Kreis findet sich im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts um Sir Thomas More. Dieser und seine Freunde waren an Schwänken und Witzen interessiert – Mores Haushalt beherbergte sogar einen ›Narren‹7 und ein anderer Angestellter seines Haushalts, Walter Smith, schrieb einen kurzen Schwanktext Widow Edith.8 Eine Studie der humanistischen Elite in England nach 1500 zeigt, dass More in seinen lateinischen Gedichten, die zwischen etwa 1490 und 1518 entstanden, unterschiedliche komische und satirische Literatur verarbeitete:9 Dazu gehörte beispielsweise seit ungefähr 1505 Lukian10 und, so fasst Trapp Mores literarische Präferenzen zusammen, die sich in seinen Gedichten widerspiegeln, [s]ome draw on More’s favourite Aesopic corpus; some on Renaissance facetists, Poggio Bracciolini and Heinrich Bebel; and there are the usual proverbs and sententiae.11

Durch Zuschreibung gilt More nicht nur selbst als Autor eines Schwankbuches, nämlich A mery jest how a sergeaunt woldel erne [sic] to be a frere (STC2 18091), sondern in der Forschungsliteratur wird auch diskutiert, ob er an der Produktion eines weiteren Schwankbuch beteiligt gewesen sein könnte:12 Mores Schwager, John Rastell, verlegte die Schwanksammlung Hundred Merry Tales, deren Ko-Autor More vielleicht war. Diese Prosaerzählungen wurden erst ca. 1526 veröffentlicht, als der Howleglas bereits seit einigen Jahren den englischen Markt erreicht hatte. Für die Analyse des Umfelds der deutschsprachigen Buchdrucker und -händler in England und ihres Bezugs zur zeitgenössischen englischen komischen Prosaliteratur ist es bedeutsam, dass die zweite Auflage der Hundred Merry Tales von John Rastell und Peter Treveris durchgeführt wurde (vgl. S. 341f.). More unterhielt jedoch nicht nur Verbindungen zu einem englischen Kreis von Liebhabern und Produzenten komischer Literatur, sondern pflegte darüber hinaus Kontakte zu ebensolchen auf dem Kontinent. Dazu gehörte beispielsweise Erasmus von Rotterdam, mit dem More gut befreundet war. Erasmus wiederum war nicht nur mit der Literatur, die die Grundlage für 6 7 8 9 10 11 12

Schulz-Grobert analysiert die humanistischen Zusammenhänge der Straßburger EulenspiegelProduktion ausführlich. Vgl. Schulz-Grobert (1999). Vgl. Ackroyd (1999), S. 255ff. Vgl. Wilson (1938–39), S. 125. Vgl. Trapp (1991), S. 39f. Vgl. ebd., S. 52. Ebd., S. 40. Vgl. bereits Hazlitt (1887).

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den Eulenspiegel darstellt, vertraut, sondern produzierte als Autor des Lobs der Torheit selbst komische Prosaliteratur. Dass eine Eulenspiegel-Rezeption in einem solchen Umfeld Anknüpfungspunkte gehabt haben könnte, ist in Betracht zu ziehen. Darüber hinaus gibt es eine weitere historische Verbindung zwischen More und Straßburg, die zumindest erwähnenswert ist: Thomas Murner, der schon manchen seiner Zeitgenossen als Eulenspiegel-Autor galt und der zur Straßburger Literaturszene gehörte, fand sich – getäuscht durch eine gefälschte Einladung – 1523 zu einer Audienz bei Heinrich VIII. ein, worüber ein Brief Mores Bericht ablegt.13

2. Die Leser der Howleglas-Ausgaben nach der Mitte des 16. Jahrhunderts Erst in dieser Phase ist nachweisbar, dass der englische Eulenspiegel rezipiert wurde. Das drückt sich zum einen in Nennungen in Buchlisten, zum anderen in Marginalien in den überlieferten Drucken aus. Dabei sind neutrale und negative Bemerkungen explizit, wogegen positive Einstellungen gegenüber dem Howleglas nur abgeleitet werden können. Als erster nachweisbarer Leser nach dem Howleglas Jan van Doesborchs muss William Copland gelten. Dass seine Drucke des Texts eine intensive Beschäftigung mit dem Vorgänger bestätigen, wurde in den vorangegangenen Kapiteln erläutert.

2.1. Captain Cox Über einen Besitzer – und wahrscheinlich auch Leser – eines Howleglas-Drucks berichtet zum ersten Mal ein Dokument aus dem Jahr 1575.14 Es handelt sich um eine Liste, die ein Bibliotheksinventar darstellt. In einem Brief eines Mitglieds der Londoner Tuchgilde, Laneham oder Langham, an ein anderes Mitglied werden die Festlichkeiten geschildert, die 1575 auf Schloss 13 14

Vgl. Flood (1996). S. 11. Der Brief ist wiedergegeben bei Lappenberg (1854), S. 424f. Vgl. Furnival (1871) und Kuin (1983). In der neueren Literatur ist vorgeschlagen worden, dass der Autor des Briefs doch nicht Laneham gewesen sei (s. u.), sondern Edward de Vere, Graf von Oxford. Diese Annahme beruht auf der Übereinstimmung einiger in Lanehams Brief sowie in Sir John Oldcastle und The Merry Devil of Edmonton genannter Bücher und stilistischer Ähnlichkeiten. Das vorgestellte Argument ist aber noch nicht ausreichend belegt. Vgl. o. V.: »Did Edward de Vere, 17th Earl of Oxford, write the Elizabethan history play, Sir John Oldcastle?« (1990).

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Kenilworth von Robert Dudley, Graf von Leicester, für Königin Elisabeth abgehalten wurden.15 Laneham nennt in diesem Brief einen Captain Cox: And fyrst captin Cox, an od man I promiz yoo: by profession a Mason, and that right skilfull, very cunning in fens, and hardy az Gawin, for hiz tonsword hangs at his tablz eend: great oversight hath he in matters of storie.16

Die Darstellungsweise Lanehams ist theatralisch und er behandelt sein Sujet leicht spöttisch. Captain Cox, dessen handwerklicher Beruf als Baumeister oder Steinmetz (»Mason«) ihn als Teil der mittleren oder unteren Gesellschaftsschichten ausweist, wird mit dem Ritter Gawain verglichen. Allerdings ist die Waffe dieses Ritters ein modisches Schwert (»tonsword«) und sein Wissen (»oversight«) ist auf Geschichten beschränkt (»matters of storie«). Die Quelle seines Wissens wird daraufhin genauer beschrieben. Captain Cox habe eine umfangreiche Bibliothek besessen, deren Inhalt Laneham auflistet. Laneham nennt 62 Titel.17 Zwar werden auch einige Traktate aufgeführt, aber die deutliche Mehrheit der genannten Titel stellt unterhaltsame Literatur dar. Eine Romanze folgt der anderen, die Balladen reihen sich aneinander. In dieser Liste findet sich an zwanzigster Stelle der Howleglas. Vor ihm steht Friar Rous, nach ihm Gargantua. Auffällig an der Zusammenstellung ist, dass so viele der Texte von William Copland gedruckt wurden. Von den 25 Texten in dieser Aufstellung, die auch von Copland herausgegeben wurden – oft waren sie früher von Caxton oder de Worde verlegt worden –, stammen vier sogar wahrscheinlich zuerst oder nur von ihm. Kuin merkt daher zu Recht an: »The preponderance of books printed by William Copland […] makes it likely that Cox had a special relationship with this printer/bookseller.«18 Bei der Verwendung von Lanehams Brief als Quelle muss abgewägt werden, ob Captain Cox tatsächlich eine historisch existente Person war oder ob es sich um eine fiktive Figur handeln könnte. Für Captain Coxs Existenz spricht, dass der Inhalt des Briefs für seinen Empfänger nachprüfbar gewesen sein wird. Andere Details des Briefes sind beispielsweise durch Parallelberichte gedeckt. Im Rahmen dieser Schilderung bestünde keine Notwendigkeit, ihn als Figur einzuführen. Er scheint aber als merkwürdiges Unikat die

15 16 17

18

Laneham war »clerk and keeper of the Council Chamber door« und beherrschte die französische, spanische, niederländische und lateinische Sprache. Vgl. Mackenzie (1860), S. 286. Kuin (1983), S. 34. Nach Kuin handelte es sich bei den Texten nicht durchgehend um gedrucktes Material: »The ›ballets and songs all auncient‹ were probably manuscripts, rolled and bound as Langham describes them.« Ebd., S. 143. Ebd.

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Aufmerksamkeit des Autors erregt zu haben. Zu einem späteren Zeitpunkt (1642) erwähnt Ben Jonson zudem in seiner Masques of Owles at Kenelworth einen Captain Cox. Dieser sei mit König Heinrich in Boulogne gewesen 19 und »had a goodly library / by which he was discerned / To be one of the learned«.20 Ob diese Hinzufügung darauf hinweist, dass noch fast siebzig Jahre nach dem Hoffest für Elisabeth I. Wissen über Captain Cox kursierte oder ob sich hieran die – weitere? – Fiktionalisierung der Figur ablesen lässt, kann nicht entschieden werden. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, als die Buchliste zum ersten Mal ediert wurde, konnte Captain Cox mit keiner realen zeitgenössischen Person identifiziert werden.21 Die Frage der tatsächlichen Existenz ist jedoch nur von begrenzter Bedeutung: Selbst wenn Captain Cox eine fiktionale Figur sein sollte, stellt die Auflistung der Texte doch die gängige Literatur dar, die existierte und dem Schreiber des Berichts vertraut war. Gleichzeitig würde sie in diesem Fall die Art von Literatur abbilden, von der Laneham meinte, dass sie ein Mann in der Position Coxs gelesen haben würde. Dass der Inhalt der Liste fiktional ist, kann ausgeschlossen werden, da für fast alle darin genannten Titel Drucke überliefert sind, die vor 1575 erschienen. Um welches Exemplar des Howleglas es sich bei dem in der Aufzählung genannten handelte, kann nicht ermittelt werden. Wegen der hohen Zahl der Copland-Drucke unter den Büchern Captain Coxs liegt jedoch nahe, dass es ein Exemplar aus dessen Offizin war. Die in Lanehams Brief aufgezählten Texte sind: For az king Arthurz book, Huon of Burdeaus, The foour suns of Aymon, Beavys of hampton, The squyre of lo degree, The knight of curteyzy, and the Lady Faguell, Frederik of Gene, Syr Eglamoour, Syr Tryamour, Syr Lamwell, Syr Isenbras, Syr Gawyn, Olyver of the Castl, Lucres and Eurialus, Virgyls lyfe, The castle of Ladyez, The wydo Edith, The king and the tanner, Fryar Rous, Howleglas, Gargantua, Robin hood, Adambell Clym of the clough and Wylliam a clooudsley, The churl and the Burd, The seaven wyse Masters, The wyfe lapt in a morrels skyn, The sak full of nuez, The sargeaunt that becam a Fryar, Skogan, Collyn cloout, The Fryar and the boy, Elynor Rumming, and the Nutbrooun mayd, with many mo then I rehearz heer: I beleeve he have them all at hiz fingers ends.22

19 20 21 22

Heinrich VIII. zog 1544 gegen Franz I. von Frankreich in den Krieg. Heinrich belagerte Boulogne, nahm es ein und schloss dann Frieden. Vgl. Ridley (2002), S. 17. Zitiert nach Kuin (1973), S. 34a. Kuin erklärt: »No historical information concerning this Tudor bibliophile exists.« Ebd., S. 34a. Ebd., S. 34.

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Darüber hinaus wird eine weitere Kategorie dargeboten: Then in Philosophy both morall and naturall, I think he be az naturally overseen: beside poetry and Astronomy, and oother hid sciencez, az I may gess by the omberty of hiz books: whearof part az I remember, The shephards Calendar, The ship of follz, Daniels Dreamz, The book of Fortune, Stans puer ad mensam, The hy wey too the Spittel hoous, Julian of Brainsfords testament, The Castell of Loove, The booget of demaunds, The hundred mery talez, The book of Riddels, The seaven sororz of wemen, The prooud wives pater noster, The chapman of a peniwoorth of Wit: Bisids hiz auncient playz, Yooth and charitee, Hikskorner, Nugize, Impacient pooverty, and heerwith doctor Boords breviary of health, What shoold I rehers heer, what a bunch of ballets and songs all ancient: Az Broom broom on hill, So wo iz me begon, troly lo, Over a whinny Meg, Hey ding a ding, Bony lass upon a green, My bony on gave me a bek, On a bank az I lay: and a hundred more, he hath fayr wrapt up in Parchment and bound with a whipcord.23

Die Liste scheint zu umfangreich, um ein Bericht aus dem Gedächtnis zu sein. Eventuell bildet die Reihenfolge die Aufstellung der Texte in der Bibliothek ab. Die Texte in dieser Liste sind nur leicht geordnet, so dass beispielsweise im ersten Teil höfische Romanzen aufeinander folgen. Im Verlauf der Liste wird zwar eine klare Einteilung vorgenommen, nämlich dass nun die Bücher in der Kategorie »Philosophy both morall and naturall« folgen, aber die Unterscheidung ist inhaltlich aus heutiger Sicht schwer nachzuvollziehen. So enthalten beispielsweise die Hundred Merry Tales oder doctor Boords breviary of health zwar moralisierende Elemente, sie stellen aber dennoch Schwanksammlungen dar, ließen sich also auch in der ersten Gruppe einordnen. Für die Zeitgenossen – bzw. für unseren Zeugen Laneham – muss die Unterteilung der Bibliothek auf diese Weise jedoch deutlich gewesen sein. Der Howleglas befindet sich somit mitten unter den ›nichtphilosophischen‹ Büchern. Nach der Gruppe der höfischen Romanzen folgen kurze Texte, die immer stärkeren Schwankcharakter haben. Die Streiche der Widow Edith sind zwar nicht so teuflisch wie die des Fryar Rous, aber ebenso handfest. Howleglas, der Geschichten mit der Bruder-Rausch-Übersetzung teilt (vgl. S. 538f.), folgt gleich auf diesen. Der nachstehende Gargantua schließt die Reihe der Schwankheldinnen und –helden ab. Durch die skatologischen Elemente ist er wiederum mit seinem Vorgänger verbunden. Die Nennung des Howleglas im Rahmen dieser Buchliste bestätigt, dass die Zeitgenossen Coplands mit dem Text vertraut waren und ihn in eine Gruppe mit vergleichbaren Texten stellten.

23

Ebd.

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2.2. John Selden, Gabriel Harvey und Edmund Spenser Eine Howleglas-Ausgabe, bei der mehr über den Besitzer und die Lesenden bekannt ist, findet sich unter den für die vorliegende Arbeit untersuchten englischen Eulenspiegel-Drucken. Die Umstände der Bewahrung und die Überlieferungszusammenhänge des heute in Oxford befindlichen HowleglasExemplars aus William Coplands Presse sind im Vergleich zu den anderen Exemplaren von einem frühen Zeitpunkt an nachzuverfolgen. Es wurde bereits im Jahr 1659 in die Bodleian Library aufgenommen und ist seitdem immer dort gewesen. Im Gegensatz zu den anderen Exemplaren ist dieser Howleglas-Druck in einem Sammelband überliefert, so dass durch den Überlieferungszusammenhang eine ›Momentaufnahme‹ der Interessen des Besitzers sowie der vorhandenen Drucke, mit denen er den Howleglas kombinierte, existiert. Aufschlussreich ist dieses Howleglas-Exemplar also in mehrerer Hinsicht: Zum einen im Hinblick auf den Besitzer des Sammelbands, zum anderen bezüglich der Bibliotheksbestände, zum dritten aber betreffend des Umfelds, in das der Howleglas eingeordnet wurde. Dass der Besitzer des Sammelbands, John Selden, dessen Bibliothek 1659 in die Duke Humphrey’s Library in der Bodleian Library aufgenommen wurde (vgl. S. 53), den Howleglas in diesen Band integrierte, ist bemerkenswert. In der Sammlung dieses Antiquars, Historikers, Orientalisten und Juristen finden sich sonst vorwiegend wissenschaftliche Werke und kaum Unterhaltungsliteratur. Da aus dieser Zeit wenige Sammlungen überliefert sind, die heute noch so vollständig sind wie die Seldens, ist jeder Hinweis auf das Umfeld solcher Bücher wie Howleglas wertvoll. Innerhalb des heutigen Bestands der Bodleian Library steht der Howleglas als ein Repräsentant unterhaltsamer Prosaliteratur nicht mehr allein. Zu der Zeit, als er dorthin gelangte, stellte er jedoch eine große Ausnahme dar. Der Stifter des Bibliotheksgebäudes, Duke Humfrey, hatte verfügt, dass ›wertlose‹ Literatur in dieser Sammlung keinen Platz haben solle und hatte englischsprachige Texte ausschließen wollen. Sir Thomas Bodley gründete die Bibliothek 1602 wieder24 und erreichte später, dass sie jeweils ein Exemplar neugedruckter Bücher von der Stationers’ Company erhielt. Dadurch entwickelte sich die Sammlung langfristig in eine andere Richtung als die von

24

Der Bestand der ursprünglichen Bibliothek war während der Universitätsreformation unter Eduard VI. zerstreut bzw. vernichtet worden, so dass die Bibliothek ab 1556 völlig aufgegeben wurde. Vgl. Mullinger (1909), bes. S. 429 über Thomas Bodley.

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Duke Humfrey angezielte. Dennoch dominierten auch zu dem Zeitpunkt, als Seldens Bücher eintrafen, gelehrte Bücher den Bestand. Der Sammelband, der den Howleglas birgt, enthüllt dagegen die Art von Literatur, die nicht zum Kanon gehörte, aber doch gelesen wurde, auch von Gelehrten. Im Falle dieser Texte ist nicht nur zu vermerken, dass sie sich überhaupt in Seldens Sammlung befanden, sondern, dass er mit ihrer Bewahrung wohl ein Konzept verfolgte. In diesem Band ist nur unterhaltsame Literatur enthalten. Es handelt sich aber nicht um eine zufällige Zusammenfügung kleinformatiger Texte, die zur besseren Handhabung zusammengebunden wurden, denn die Entstehungszeit der Drucke erstreckt sich über das ganze 16. Jahrhundert. Das bedeutet, dass diese Drucke von Selden oder einem Agenten antiquarisch gesammelt werden mussten und mit Bedacht ausgewählt wurden. Der Howleglas-Druck nimmt dabei eine besondere Stellung ein, da er trotz seiner Fragmenthaftigkeit in den Sammelband Aufnahme fand. Die anderen Drucke dagegen sind vollständig. Insofern kann abgeleitet werden, dass der Howleglas auch in einem unvollständigen Zustand für bewahrungswürdig angesehen wurde. Vielleicht könnte man noch darüber hinaus schließen, dass er bereits vor der Mitte des 17. Jahrhunderts eine Rarität geworden war, derer man nicht ohne Weiteres habhaft werden konnte. Wäre das Gegenteil der Fall gewesen, hätte Selden wahrscheinlich für seine Sammlung englischer Literatur ein vollständiges Exemplar bekommen können. In dem Oxforder Sammelband finden sich die folgenden zehn Drucke: 1. The History of graund Amoure and la bel Pucell, called the Pastime of pleasure, conteynyng the knowledge of the seuen sciences, and the course of mans lyfe in this worlde. Inuented by Stephen Hawes, grome of Kyng Henry the seuenth, his chamber. Imprinted at London in Forster lane, by Ihon Waley. Anno. M.D.Lv. [Verse] 2. Ane Satyre Of The Thrie Estaits, in commendation of vertew and vituperation of vyce. Maid be Sir David Lindesay of the Mont, alias, Lyon King of Armes. At Edinbvrgh Printed Be Robert Charteris. 1602. Cvm Privilegio Regis. [Versdrama] 3. A merry Iest of Robin Hood, and of his life, VVith a newe play for [r auf dem Kopf] to be plaied in May-games. Very pleasant and full of pastime. London. Printed for Edward White. [Teils Verse, teils Drama]

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4. The Character Of A London-Diurnall: With severall select Poems: By the same Author. [John Cleveland]. Printed in the Yeere [MDCXLVII] [Verse] 5. The Knight Of the Bvrning Pestle. Full of Mirth and Delight. Written by (Francis Beaumont, and Iohn Fletcher) Gent. As is now acted by her Majesties Servants at the Private House in Drury lane. 1635. […] London: Printed by N. O. for I. S. 1635. [Drama] 6. The Tragedy Of Hamlet Prince Of Denmark. Newly imprinted and inlarged, according to the true and perfect Copy last Printed. By William Shakespeare. London, Printed by R. Young for John Smethwicke, and are to be sold at his Shop in Saint Dunstans Church-yard in Fleetstreet, under the Diall. 1637. [Drama] 7. [Howleglas.] Theu [sic] said Howleglas such maistery can I do wyth lesse cost. […] [Fragment, Titelblatt fehlt (vgl. S. 51ff.).] 8. The Lamentations of Amyntas for the death of Phillis, paraphrastically translated out of Latine into English Hexameters by Abraham Fraunce. London. Printed by Iohn Wolfe, for Thomas Newman, and Thomas Gubbin. Anno Dom. 1587. [Verse] 9. Disputatio Physico-Historica, De Magisterio Muliervm. Quam Praeside Venerando & Strenuo Viro Dn. Catone Censorio, Ivrivm Practico celeberrimo, Polyhistore incomparabili, Pro viribus defendere conabitur, M. Andreas Simon, Crucenacensis. Horis & loco confuetis, continuis, & discontinuis. Prostat apud Josephum Surdum, Gynæcocratopoli Anno Magno Hortenfiano. 10. Disputatio Inauguralis Theoreticopractica. Jus potandi, cum omnibus solennitatibus & controvesijs occurrentibus secundum jus civile discussis, breviter adumbrans. Quam Permissu & Autoritate Nobilissimi & famosissimi Ordinis in Academia Divæ Potinæ Præsidente Dionysio Baccho Symposiaste summo & Antecessore præcellentisimo. In Collegio Hilaritatis, Sympotis suis præstantissimis publicè exponet Blasius Multibibus Utriusque Vini & Cerevisiæ Candidatus longè meritisimus. Horis Antemeridianis & Postmeridianis solitis & licitis. Respiciendum an & quantum in natura hominum sit. De rebus cred. Oenozythopoli. Ad signum oculorum rubricolorum. [1617]. 550

Die Kriterien für die Auswahl und die Anordnung der Drucke ist unklar. Es gibt keine offensichtliche Organisationsmethode: Weder sind die Texte chronologisch – nach ihrem Entstehungs- oder ihrem Druckdatum – sortiert, noch alphabetisch nach Autor oder Titel. Auch die Gattungen scheinen die Reihenfolge nicht zu bestimmen, denn die Texte, mit denen der Howleglas zusammengefügt ist, gehören unterschiedlichen Textsorten an. Auf sechs Texte, die entweder Verserzählungen, Verssammlungen, Versdramen oder Dramen darstellen, folgt der Howleglas. Den Schluss bilden eine weitere Verssammlung und zwei unterhaltsame Pseudo-Disputationen. Die Frage drängt sich also auf, ob es sich bei diesem Sammelband um eine willkürliche Zusammenstellung handelt oder ob es doch Ordnungsmomente gibt und sich implizite Aussagen des Zusammenstellers über den Howleglas gewinnen lassen. Mit den anderen Texten in dieser Sammlung teilt der Howleglas einerseits Schnittstellen, andererseits gibt es aber auch deutliche Divergenzen. Rein äußerlich kann festgehalten werden, dass der erste Druck im Sammelband, Hawes’ Pastime of Pleasure, wahrscheinlich auch aus William Coplands Offizin stammt (siehe S. 376 und S. 522), also ein ähnliches Entstehungsumfeld besitzt. Bezüglich des Inhalts kann argumentiert werden, dass es sich bei allen Texten des Sammelbands aus der Sicht des Zusammenstellers um Gegenwartsliteratur handelte. Die Reihenfolge der Texte erscheint dabei nicht beliebig, denn Nr. 3, 5, 7, 9 und 10 stellen unterhaltsame, nicht moralisierende Literatur dar, während die anderen Texte ernsthafter Natur sind. Dass zwei ernsthafte Texte am Anfang der Sammlung und zwei komische Texte am Ende die Texte in der Mitte rahmen, in denen sich komische und ernsthafte abwechseln, erweckt den Eindruck einer durchdachten Struktur. Der Howleglas nimmt in dieser Reihung seinen Platz unter der komischen Literatur ein. Allerdings weicht der englische Eulenspiegel auch in mancher Hinsicht von den anderen Drucken ab. So unterscheidet er sich bereits äußerlich vom Rest des Sammelbands durch seine unvollständige Überlieferung. Auch formal divergiert der Howleglas von den anderen Texten: Während deren Mehrheit in gebundener Rede verfasst ist, entweder in Versform oder als Drama, vertritt der Howleglas allein die fiktionale englische Prosaliteratur. Die zwei ebenfalls eingebundenen Prosatexte, komische Pseudo-Disputationen, sind in lateinischer Sprache verfasst. Nimmt man diese Beobachtung mit der weiteren Produktion aus William Coplands Presse zusammen, könnte folgende Hypothese gebildet werden: Dieser Sammelband reproduziert gezielt den Zustand der unterhaltsamen englischen Literatur zwischen 1500 und 1650. Die Mehrheit der zeitgenössi551

schen unterhaltsamen Literatur in dieser Zeitspanne bedient sich gebundener Rede, Prosa dagegen wird hauptsächlich für Sachtexte verwendet. Diesen Umstand spiegelt die Textverteilung im Howleglas-Sammelband wider. Es ist auffällig, dass hier neben dem Howleglas nur ein weiterer Text, Fraunces Amyntas and Phillis, die Übersetzungsliteratur repräsentiert.25 Dieser letztere Text hätte entsprechend in diesem Sammelband formal eine überleitende Funktion, da er schon in seinem Titel als Übersetzung aus dem Lateinischen gekennzeichnet ist und vor den zwei Drucken in lateinischer Sprache steht. Vielleicht muss die Positionierung des Howleglas in diesem Zusammenhang gesehen werden: Er stellt eine Übersetzung eines komischen Texts dar, daher steht er am letzten Platz in der Reihe der komischen Texte, bevor es zum gänzlich fremdsprachlichen Ende – und komischen Crescendo – geht. Dass der Howleglas und Fraunces Amyntas und Phillis in diesem Sammelband Nachbarn sind, ist deshalb merkwürdig, weil der Autor Fraunce über Verbindungen zu Leuten verfügte, die sich nachweislich mit dem Howleglas auseinandersetzten: Fraunce gehörte zum Kreis Sir Philip Sidneys, ebenso wie Sir Edmund Spenser und Thomas Watson.26 Das Howleglas-Exemplar, das im Sammelband enthalten ist, wurde von Spenser an dessen Freund Gabriel Harvey verliehen und von diesem mit negativen Kommentaren versehen.27 Eine Verbindung zwischen dem Amyntas und Phillis-Autor Fraunce und dem Howleglas-Kritiker Harvey besteht über den Kreis Spensers, in dem diese Werke produziert bzw. rezipiert wurden. Könnte es möglich sein, dass sich Selden – wenn er der Zusammensteller war – in der Platzierung des Howleglas im Sammelband von diesen Beziehungen beeinflussen ließ? Aus der Aufnahme des Howleglas in diesen Sammelband wird deutlich, dass der Zusammensteller des Buchs diesen Text für inhaltlich kompatibel und gleichwertig mit den anderen komischen Texten hielt. Es erscheint dennoch zulässig, den Sammler und den Kritiker des Buches gegenüberzustellen: Harvey vermerkte seine negative Wertung in dem Howleglas-Exemplar. Dagegen kann Seldens positivere Haltung nur aus der Aufnahme des Howleglas in seinen Sammelband und seine Bibliothek geschlossen werden. Dass Harveys 25

26

27

Es handelt sich um eine Übersetzung einer Übersetzung: Torquato Tassos Aminta wurde von Thomas Watson – als Amyntas – ins Lateinische übertragen, dies dann wiederum von Fraunce ins Englische. Die Feststellung, dass sich ein Howleglas-Exemplar in der Umgebung Sidneys findet, erinnert daran, dass Sidney wahrscheinlich auch Berichte über Captain Cox und die Rolle, die diesem auf dem Fest für Elisabeth I. zugefallen war, gehört hatte, da Sidney ein Neffe Robert Dudleys war. Zudem ging die Bekanntschaft Sidneys und Spensers auf den Aufenthalt des Letzteren im Haushalt Leicesters ab 1579 zurück. Diese Verbindungen erlauben Einblick, wie Kommunikationsstrukturen gebildet worden sein könnten. Siehe auch S. 54f.

552

Marginalia für Selden der Hauptimpetus für die Aufnahme war, kann dabei weitgehend ausgeschlossen werden, da die Zusammenstellung des Buchs zu sorgfältig ist und die Auswahl der Drucke zu deutlich auf die von ihnen repräsentierten inhaltlichen, formalen und sprachlichen Aspekte zielt. Während Selden den englischen Eulenspiegel wohl als gleichwertig mit der zeitgenössischen englischen Literatur einstufte, lehnte ihn Harvey vor Selden ab. Die Begründung hierfür lässt sich aus Harveys Randbemerkungen ablesen: Die Episoden scheinen ihm ein Abklatsch schon bekannter Geschichten zu sein. Weder am Howleglas noch an den Schwankbüchern über Skoggin, Skelton oder Lazarillo findet er Gefallen. Er nennt sie »foolish« und urteilt auf der letzten Seite des Drucks zusammenfassend, dass sie »not all fower togither seemed comparable for false and crafty feates with Jon Miller – whose witty shiftes, and practises are [reported] amongst Skeltons tales«28. So deutlich ist seine Vorliebe für die Schwänke um Jon Miller, dass Harvey sogar unter das Kolophon des Howleglas-Drucks schreibt: »Skeltons – only Jon Miller, worth all Howletglas Skoggin, and Skelton besyde«29. Ein weiterer Leser war dagegen offenbar mit dieser Wertung so unzufrieden, dass er sie durchstrich. Dass es nicht Harvey selbst war, der seine Meinung geändert hatte, ergibt sich aus der besser und ausführlicher formulierten Schlussbemerkung, die oben zitiert wurde. Es ist nicht klar, ob es Harvey, Spenser oder ein anderer Leser war, der die Unterstreichungen in den Howleglas-Historien vornahm sowie im Inhaltsverzeichnis bestimmte Historien ankreuzte. Sie könnten auch jeweils von unterschiedlichen Benutzern stammen. Die zusätzlichen Anmerkungen im Inhaltsverzeichnis (Bl. M3) scheinen aber in Harveys Handschrift zu sein. Den Titel der Historie 10 ergänzte er mit »Skoggins patterne«, also ›nach dem Muster Skoggins‹, H 13 mit einem Hinweis auf eine weitere Schwanksammlung – »Idem in mensa philosophica« –, H 32 verglich er wiederum mit Skoggin und H 35 schließlich versah er mit dem Urteil »A great braggadocia« (›eine große Prahlerei‹). Diese Notizen deuten darauf hin, dass Harvey nicht mit den weiteren bekannten europäischen Schwanksammlungen vertraut war. In seiner Zusammenstellung der Textparallelen zu den deutschen Eulenspiegel-Historien nennt Schulz-Grobert für H 10 beispielsweise Geschichten aus Philipp Frankfurters Pfarrer von Kalenberg und Poggio Bracciolinos Facetiae, für H 32 u. a. Johannes Paulis Schimpf und Ernst und Jaques de Vitrys Sermones vulgares.30 28 29 30

Vgl. ebd. Ebd. Vgl. Schulz-Grobert (1999), S. 292 bzw. S. 334f.

553

Nur im Fall von H 13 decken sich Harveys Kenntnisse mit Schulz-Groberts Forschungsergebnissen: H 13 hat tatsächlich eine Parallele in der Mensa Philosophica – nach Schulz-Grobert daneben aber u. a. auch im Pfaffen Amis des Strickers, bei Johannes Adelphus Muling und de Vitry.31 Harvey bezog sich aber in zwei von drei Fällen nur auf die Geschichten in Skoggin, die ihm nach seiner eigenen Aussage auch nicht gefielen. Daher liegt nahe, dass ihm außer der Mensa Philosophica keine Schwanksammlung so geläufig war, dass er sie als Quelle bzw. Paralleltext für den Howleglas oder auch den Skoggin erkannt hätte. Dass Harvey eigentlich aber an der Art von Literatur, wie der Howleglas sie darstellt, interessiert war, zeigt sich in seinen weiteren Marginalien und Büchern. Zu den Büchern, die zu dem erschlossenen Bestand seiner Bibliothek zählen, gehören beispielsweise: Wilson, Sir Thomas: The Art of Rhetorike, for the use of all such as are studious of Eloquence. London: Jhon Kingston, 1567. Von Hutten, Ulrich (et al.): Duo Volumina Epistolarum Obscurorum Virorum … [Rom], 1570. Martialis, Marcus Valerius: M.V. Martialis Epigrammaton lectoris castimonia digrnoum liber: ubi omnia veneris illius despuendae quasi irritamenta quibus psasim sordidatus, lectorem narres corrugabat, accurata F. Sylvii Ambianatis diligentia, deletili spongia detersa sunt, et eluta … »Meus Rabelaisius: meus Martialis: Domenicus meissimus. Ad unguem totus.« Lucianus: Opera quae quidem extant omnia, graece & latine in quatuor tomos divisa quorum elenchos post aliquot pagines reperies, una cum Gilberti Cognati & Johannis Sambucci annotationibus utilissimis. Basle, Henricus Pertus, 1563. Domenichi, Lodovico: Facetie, motti, et burle, di diversi signori et persone private. Venice, Andrea Muschio, 1571. [Anguilbert, Thomas]: Mensa Philosophica, seu enchridion in quo de questionibus mensalibus, rerum naturis, statuum diversitate, variis & jucundis congressibus hominum philosophice agitur.«32 Aus dieser Aufstellung geht hervor, dass komische Literatur Harvey reizte und er einige einschlägige Bücher besaß. Bei der Lucian-Ausgabe handelt es sich wahrscheinlich um seinen Wetteinsatz für die Howleglas-Lektüre. Die

31 32

Vgl. ebd., S. 294ff. Zitiert nach: Stern (1979), S. 191ff..

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Mensa Philosophica wird von ihm häufig in Marginalien erwähnt und ihre Bedeutung hervorgehoben: [O]n fol. 69 of Wilson’s Art of Rhetoric [..] he implies ownership of the Mensa Philosophica by observing that Wilson is ›One of my best for the art of jesting: next Tullie, Quintilian, the Courtier in Italian, the fourth of mensa philosoph.‹33

Der englische Eulenspiegel scheint Harvey – vielleicht auch aufgrund seiner rhetorischen Mängel? – aber nicht gefallen zu haben. Da die europäischen Schwanksammlungen, mit denen das Eulenspiegel–Buch verwandt ist und Historien teilt, bis später ins 16. Jahrhundert nicht in englischer Übersetzung vorlagen (vgl. S. 565), ist Harveys Unkenntnis der besonderen Eulenspiegel-Paralleltexte und Quellen nicht besonders überraschend. Dennoch ist auffällig, dass bereits im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts die Streiche Eulenspiegels – die zum Teil viel frühere Vorlagen haben – schon anderen, englischen Schwankhelden zugeschrieben worden waren. Es ist vorgeschlagen worden, dass der ursprüngliche Besitzer des Buchs, Spenser, Harvey das Buch geliehen hatte, um ihn aufzumuntern: »Doubtless all four books were sent to lighten up the mood of Spenser’s occasionally melancholy, overly self-important friend.«34 Aus Harveys Bemerkungen geht hervor, dass Spenser dagegen die kleinen Bücher, die er ihm geliehen hatte, hoch genug einschätzte, um einen ordentlichen Einsatz einzufordern – vier Bände Lucian. Da heute nur noch wenige Bücher aus Spensers Besitz existieren,35 gibt diese Feststellung Aufschluss über die Lesegewohnheiten der literarisch-humanistischen Schriftstellerelite der Zeit. Zwei weitere Bücher neben dem Howleglas, die aus Spensers Besitz überliefert sind, sind beispielsweise Gedichtsammlungen von Georgius Sabinus und Petrus Lotichius Secundus, also Dichtern der ›Germania Latina‹. Ob Spenser über die Unterhaltung hinaus Interesse am Howleglas hatte, kann nicht abschließend untersucht werden. Bemerkenswert ist vielleicht noch, dass er 1595 einen Text verfasste, dessen Titel sich auf einen weiteren unterhaltsamen Text aus der Presse der Coplands bezieht: Colin Clout’s Home Again (siehe S. 365).

3. Die Howleglas-Rezeption ab dem 16. Jahrhundert Wie die bei Brie (1903) zusammengefassten Beispiele belegen, wurden häufig Historien aus dem Howleglas in die Schwanksammlungen integriert. Die 33 34 35

Ebd., S. 238f. Piepho (2003), Bd. 1, S. 522. Vgl. ebd.

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Gattung der Schwanksammlung wurde gegen Ende des 16. Jahrhunderts beliebt und im 17. Jahrhundert findet sich eine Zahl von Hinweisen auf den Eulenspiegel als Figur – und somit auch auf den Howleglas als Text – in den Dramen Ben Jonsons.36 Da diese aber bei Brie bereits ausführlich verzeichnet sind, werden sie hier nicht weiter untersucht, sondern stattdessen neue Hinweise auf den Bekanntheitsgrad des Howleglas aufgeführt bzw. wichtige Zeugnisse aus der Geschichte der noch existenten Exemplare analysiert.

3.1. Neue Hinweise auf die Rezeption des Howleglas im zeitgenössischen Drama Ein bisher unbekannter Hinweis auf den Howleglas findet sich in The History of Sir John Oldcastle (ca. 1619?),37 Akt IV, Szene iii, Z. 1979ff., bes. 1991f. Dort wird dargestellt, wie Harpoole, der Diener Sir Oldcastles, Lord Cobhams, versucht, bei einer Bücherverbrennung unterhaltsame Prosaliteratur zu retten, darunter auch den Howleglas. Der Bischof von Rochester dagegen will, dass Clun, sein Gerichtsdiener (»sumner«), alle englischen Texte vernichtet, weil er darunter häretische, mit den Lollarden sympathisierende Literatur vermutet: [1945] Enter Sumner with Books. Bish. What bring’st thou there? what, books of heresie? Sum. Yea, my Lord, here’s not a Latine Book, No not so much as our Ladies Psalter: Here’s the Bible, the Testament, the Psalmes in meeter, The sick-man’s salve, the Treasure of Gladness, All English, no not so much but the Almanack’s English. Bish. Away with them, to th’fire with them, Clun, Now fie upon these upstart Hereticks. All English, burn them, burn them quickly, Clun.

Doch der aufbrausende Harpoole sperrt sich gegen dieses Vorhaben und weigert sich, die Bücher herzugeben. Er bezeichnet die Texte als »godly stories« und warnt, dass er dem Gerichtsboten Clun die Asche der verbrannten Bücher zu trinken geben würde:

36 37

Vgl. Brie (1903), S. 99ff. The Life of Sir John Oldcastle (1908). Diese Edition folgt der Ausgabe nach Bll. – hier also Bl. H2. Neuere Ausgaben des Stücks unterteilen dies nicht in Akte, sondern fortlaufend in Szenen; in diesem Fall handelt es sich um Szene 14.

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[1955] Harp. But do not, Sumner, as you’ll answer it, for I have there English books, my Lord, that I’le not part withall for your Bishoprick, Bevis of Hampton, Owleglasse, The Fryer and the Boy, Ellen of Rumming, Robin-hood, and other such godly stories, which if you burn, by this flesh I’le make ye drink their ashes in S. Marget’s Ale.

Die Nennung dieser Werke in diesem Stück stellt einen Anachronismus dar. Während der historische Sir John Oldcastle bereits 1417 für seine Beteiligung an Verschwörungen der Lollarden hingerichtet wurde, entstanden die hier genannten Texte wahrscheinlich erst im 16. Jahrhundert. Der unbekannte Autor des Stücks, das man früher Shakespeare zuschrieb, ging sicherlich von den Büchern aus, die zu seiner Zeit zur Verfügung standen. Merkwürdig ist an dieser Szene zweierlei: Innerhalb des Geschehens gibt es keine Notwendigkeit für Harpoole die Bücher zu nennen. Die Szene endet nach seiner Androhung, hätte aber ebenso gut mit seiner Weigerung aufhören können, die religiösen Bücher dem Feuer zu übereignen. Nur als politische Vorsichtsmaßnahme des Schriftstellers – die häretischen Bücher werden verbrannt, der Diener widersetzt sich also nicht gänzlich den Autoritäten – macht die Hinzufügung dieser unterhaltsamen Texte Sinn. Darüber hinaus ist die Auswahl der Bücher außer als Abbild der vorhandenen und bekannten Literatur nicht motiviert. So könnte zwar argumentiert werden, dass es sich bei Howleglas, Robin Hood und The Friar and the Boy um Texte handelt, in denen sich Figuren den Autoritäten widersetzen. Ansonsten sind sie nur dadurch verbunden, dass sie alle in Lanehams Brief als Bestandteil von Captain Coxs Bibliothek erwähnt werden (vgl. oben, S. 546f.). Einerseits wird auf diese Weise bestätigt, dass die Bibliothek von Cox ein der Realität entsprechendes Bild der unterhaltsamen Literatur der Zeit abgibt, denn die dort aufgeführten Titel finden sich auch in anderen Texten wieder.38 Andererseits leitet sich aus der Nennung des Howleglas in diesem Kontext ab, dass das Buch den zeitgenössischen Theatergängern und -gängerinnen bekannt gewesen sein muss. Es war im Rahmen anderer zeitgenössischer unterhaltsamer Texte verankert, gehörte zum Kanon der

38

Vgl. auch »Did Edward de Vere, 17th Earl of Oxford, write the Elizabethan history play, Sir John Oldcastle?« In: Edward de Vere Newsletter 12 (1990), S. 1–3. Der unbekannte Autor des Artikels argumentiert darüber hinaus, dass die Überschneidung der Titel als Hinweis gewertet werden könne, dass es sich beim Autor des Briefs von Laneham und bei dem des Sir John Oldcastle um dieselbe Person handelt, nämlich de Vere, Lord Oxford. Da die Autorstelle für das Drama frei ist, und sich de Vere schriftstellerisch betätigte, könnte diese Annahme bedenkenswert sein.

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zeitgenössischen Prosaliteratur und wurde als gleichwertig mit anderen englischen Texten angesehen, egal ob diese, wie der englische Eulenspiegel oder der Bevis of Hampton, Übersetzungen darstellten oder ›genuin‹ englisch waren.

3.2. Stille um den Howleglas: Fragmentierung im 17. Jahrhundert Die Überlieferung und die Leserschaft des Howleglas im 17. Jahrhundert ist wegen des Mangels an Daten schwer zu entschlüsseln. Zwar wurden gerade am Ende des 16. bzw. am Anfang des 17. Jahrhunderts verschiedene Howleglas-Historien in das Korpus zeitgenössischer biographisch angelegter Schwanksammlungen aufgenommen,39 darüber hinaus lässt sich über das Fortleben des Buches in seiner Gesamtheit wenig Material finden. Nur einer der Drucke gibt einen Hinweis auf seine Überlebensart. Es handelt sich hierbei um das kürzeste der Fragmente (L?, vgl. S. 55ff.), ein einzelnes Blatt, welches sich heute in der Bagford-Sammlung befindet. Die Sammlung wurde von John Bagford (ca. 1650–1716) angelegt. Dieser sicherte sich auf seinen bibliographischen Erkundungszügen für seine Arbeitgeber, zu denen u. a. Robert Harley, Graf von Oxford, Sir Hans Sloane und John Moore, Bischof von Ely,40 zählten, selbst mannigfaltige Stücke. Fletcher beschreibt Bagfords Sammlung folgendermaßen: Bagford amassed two great collections – one consisting of ballads, now known as the »Bagford Ballads«, the other being a huge collection of title-pages and fragments of books, specimens of paper, catalogues, book-plates, drawings, engravings, bindings, advertisements, and various interesting and curious pieces.41

In einen der Bände der letzteren Zusammenstellung ist das Howleglas-Fragment eingeheftet. Von den dort versammelten Titelseiten, Druckerzeichen, Kolophonen und Illustrationen sowie Einzelseiten bekannter Literatur – beispielsweise Chaucer – oder Drucker – wie Caxton, Pynson, John Rastell etc. – unterscheidet sich das Howleglas-Fragment nur in einer Hinsicht: Während die Mehrheit der anderen Sammlungsstücke entweder durch ihren berühmten Inhalt oder Drucker hervorstechen, handelt es sich bei dem Howleglas-Fragment um ein ausgesprochen unauffälliges Beispiel des Buchdrucks aus dem 16. Jahrhundert. Weder weist es ein Druckerzeichen oder

39 40 41

Vgl. Brie (1903), S. 80ff. Vgl. Fletcher (1896–98), S. 185. Ebd., S. 186.

558

eine Illustration auf, noch findet sich ein Kolophon. Es ist schwer vorstellbar, dass Bagford das Fragment des Druckers wegen einfügte, denn an anderer Stelle enthält sein Sammelbuch vollständige Kolophone der Coplands. Als bedenkenswerte Möglichkeit ergibt sich daher, dass Bagford das Fragment seines Inhalts wegen aufnahm. Da die nächste überlieferte Howleglas-Bearbeitung erst 1720, also nach Bagfords Tod erschien, kann die Eingliederung des Fragments in Bagfords Sammlung nicht eine Reaktion auf ein wiedererwachendes Interesse an dem Schwankhelden darstellen. Vielmehr ist wohl davon auszugehen, dass der Eulenspiegel bzw. der Howleglas den englischen Lesern der Zeit vertraut genug war, um einen Platz in Bagfords Buch zu rechtfertigen.

3.3. Howleglas-Sammler im 18. und 19. Jahrhundert Wieder fassbarer wird die Überlieferung von Howleglas-Drucken am Ende des 18. Jahrhunderts. Die Sammelleidenschaft, die England ergriff, und die Systematisierung und Öffentlichlegung von Sammlungen brachte HowleglasDrucke wieder zum Vorschein, deren Spuren seit dem 16. Jahrhundert verloren gegangen waren. Beide heute in der BL bewahrten Fragmente sind an der Wende zum 19. Jahrhundert im Besitz berühmter Bibliophiler nachzuweisen. Jedoch ist es wichtig, hier zwischen verschiedenen Motiven der Sammler für den Erwerb der Drucke zu unterscheiden. Der Howleglas-Druck, der zuerst zur Bibliothek des Duke of Roxburgh gehörte, dann in Hebers Besitz und schließlich aus Uttersons Sammlung ins BM gelangte (vgl. S. 45), L1, wurde offensichtlich trotz seiner Defekte als bibliographische Rarität geschätzt. Während keine Aussage darüber gemacht werden kann, warum der Duke of Roxburgh das Buch in seine Sammlung aufnahm, ist bei Heber eine Erklärung im Ansatz möglich. Heber, der seine Bücher in Häusern in Paris, Brüssel und London – dort, wo wichtige Auktionen stattfanden – verteilte (vgl. oben, ebd.), hatte eine Vorliebe für kleinformatige Bücher in der Art des Howleglas. Es überrascht also nicht, dass Heber diesen für seine Sammlung erwarb. Obwohl Heber versuchte, auch seltener Bücher in Doppel- oder Dreifachexemplaren habhaft zu werden, um sie als Bibliotheksexemplar und Lese- oder Leihexemplar zu verwenden, teilte er doch die Motive des Duke of Roxburgh: Die treibende Kraft war die bibliophile Sammelleidenschaft und die Suche nach Raritäten. Das Interesse des nächsten Besitzers, Utterson, ging über das Hebers hinaus und spiegelt bereits einen neuen Zugang zu den von ihm erworbenen oder ihn beschäftigenden Büchern wider. Utterson betätigte sich schon früh (1817) als Herausgeber von Raritäten aus der 559

frühen Neuzeit. Zwar wurde die Qualität seiner Nachdrucke von sorgfältiger arbeitenden Herausgebern, beispielsweise W. Carew Hazlitt, später im 19. Jahrhundert stark kritisiert: […] Mr. Utterson’s elegant little series was unfortunately still more faulty in respect to the texts than its predecessors; and one or two of the black-letter tracts which that gentleman selected for reproduction were known to him only in mutilated copies, although complete copies might have been obtained.42

Dieser Vorwurf Hazlitts über die editorische Unachtsamkeit Uttersons – der allerdings auch die Begründung für eine Neuedition seinerseits darstellt – sollte aber die Verschiebung des Interesses, die sich bei Utterson manifestiert, nicht überschatten: Von einer liebhaberischen Beschäftigung mit solchen Büchern fand schon im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts ein Wandel zu einer akademischen Auseinandersetzung mit den Texten selbst statt. Es dauerte dann zwar noch bis etwa zur Jahrhundertmitte, bevor man beispielsweise im Fall des Eulenspiegel die unterschiedlichen Überlieferungen und Quellen nachzuverfolgen begann, die Grundlagen wurden jedoch von solchen ›gentlemen collectors‹ wie Utterson gelegt. Da die englischen Eulenspiegel-Bücher zum größten Teil bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts in die größten Bibliotheken ihrer Art aufgenommen (L1 und L2 im BM, S. 42ff.) bzw. in ihnen entdeckt und katalogisiert (L3 in der Bodleian) worden waren, war die Grundlage für eine solche weitere Analyse gelegt. Unter anderen Vorzeichen als bei L1 verlief der Weg von L2 in das BM. Nur ein Vorbesitzer ist bekannt, der Schauspieler David Garrick (vgl. S. 50f.). Es ist an dieser Stelle bereits berichtet worden, dass L2 in der Sammlung Garricks unter K, Band 10, seinen Platz hatte. Percy, der als erster aus dem Band zitiert – nämlich Auszüge von H 9, in der Eulenspiegel beim Osterspiel die Bauern und die Haushälterin des Pfarrers aufeinanderhetzt, als Beispiel für die Geschichte des kirchlichen Osterspiels –, verweist darüber hinaus darauf, dass sich der Howleglas unter »Mr. Garrick’s Old Plays« befunden habe.43 Diese Einordnung ist merkwürdig, da es sich bei diesem Text schließlich um Erzählprosa handelt. Es ist unklar, ob sich aus dieser Einordnung ableiten ließe, dass die dramatischen Elemente des Eulenspiegel besonders deutlich wahrgenommen wurden oder er tatsächlich wegen der theatergeschichtlich interessanten Beschreibung des Osterspiels in diesen Bereich der Sammlung geraten war.

42 43

Hazlitt (1864), Bd. 1, S. viiif. Vgl. Percy (1765), S. 190, Fußnote 1.

560

Deutlich ist dagegen, dass der Inhalt des Howleglas auch im 18. Jahrhundert noch für so bedeutend gehalten wurde, dass Percy ihn in seine Anthologie alter englischer (!) Dichtung aufnahm. Da nicht festzustellen ist, auf welche Weise Percy auf den Howleglas gestoßen war – ob durch Zufall in Garricks Sammlung oder ob der Inhalt weit verbreitet war –, können hier nur diese drei Elemente zusammengefasst werden:44 Der Howleglas scheint in Garricks Sammlung im Umfeld der Dramenliteratur einsortiert gewesen zu sein, er wird bereits in der Mitte des 18. Jahrhunderts als Quellentext für englische Theatergeschichtsschreibung verwendet und er wird als vollwertiger englischer Text behandelt. Der eben beschriebene Trend – die Integration von Privatsammlungen in die zentrale und zu ihrer Zeit bedeutendste Sammlung Englands, das BM, im Verlauf des 19. Jahrhunderts – trifft auch auf den ältesten HowleglasDruck, Ae. 1519?, zu. Das älteste Howleglas-Fragment aus der Offizin Jan van Doesborchs wurde von der Tochter Whitwells erst 1887, sieben Jahre nach dessen Tod, in dessen Namen dem BM geschenkt. Es ist daher unmöglich zu urteilen, ob Whitwell überhaupt wusste, dass sich das Fragment in seinem Besitz befand. Bestimmte Merkmale verweisen darauf, dass das Fragment als Bestandteil des Einbands in einem Folio-Druck verwendet worden war (vgl. oben, ebd.). Aus den Unterlagen des Archivs der BL bzw. des BM geht aber nicht hervor, ob Whitwell das Fragment nach dessen Entdeckung gekauft hatte, ob er den Folio-Band erworben und darin das Fragment entdeckt hatte oder ob das Fragment erst nach seinem Tod in dem Buch entdeckt wurde.45 Dass Whitwell, ein Teppichhersteller aus Nordengland, ein solches liturgisches Buch oder auch nur das Howleglas-Fragment besessen haben soll, mag zunächst verwundern. Seine Interessen wie auch seine finanziellen Umstände

44

45

Die Herausgeber des Katalogs der Garrick-Bibliothek beschreiben, mit welcher Großzügigkeit Garrick den Zugang zu seinen Büchern gestattete und den Aufbau von Teilen der Bibliothek wie auch den Schlüssel anscheinend über Jahre hinweg anderen überantwortete. Vgl. Kahrl/Anderson (1982), S. 20f. Eventuell bieten die Farbreste, die das Fragment aufweist (vgl. S. 41), Aufschluss über die Geschichte seiner Entdeckung: Sie könnten entweder von einem Kontakt mit einem noch feuchten liturgischen Buch zum Zeitpunkt des Drucks herrühren – wogegen van Doesborchs Programm spricht – oder könnte abgerieben worden sein, als das Buch, dem es als Einband diente, nass wurde. Sollte Letzteres der Fall gewesen sein, wäre erklärbar, warum das Buch neu gebunden werden sollte und bei diesem Vorgang das Fragment entdeckt wurde. Allerdings sprechen zwei Gründe gegen diese Hypothese. Zum einen, dass auf einem späteren Blatt noch einmal ein blau-roter Fleck auftaucht – wenn schon das am meisten betroffene Blatt das Deckblatt des Einbandes gewesen ist, kann die Farbe an diesem Ort unmöglich durchgefärbt haben (der Fleck sieht auch anders aus als die regelmäßigen Abriebe weiter vorne) –, zum anderen, dass die Abriebe spiegelverkehrt verlaufen und daher kein Abdruck der benachbarten Seite sein können.

561

zeigen sich jedoch als kompatibel mit einer unterstellten Bibliophilie: Whitwell besaß ein reges Interesse an antiquarischen Themen, wie ein Nachruf belegt: Mr Whitwell took an active interest in the formation of the Cumberland and Westmorland Antiquarian and Archaeolgical Society in 1864. He was a member of the Council from the commencement, and was a frequent attendant at the meetings, and always took his share in the discussions. He contributed one or two papers […].46

Da sich Whitwells Vermögen zum Zeitpunkt seines Todes auf rund £45.000 belief,47 hätten ihm auch ausreichende Mittel für die Anschaffung seltener Bücher zur Verfügung gestanden. Bemühungen für die vorliegende Arbeit den Verbleib seiner Bibliothek zu entdecken, scheiterten daran, dass seine direkte Linie 1947 ausstarb und in den jeweiligen Vermächtnissen keine Angaben über Bücher gemacht werden.48 An der Geschichte dieses Howleglas-Fragment bestätigen sich dennoch die Eckpunkte der Howleglas-Überlieferung: Von wohlhabenden Sammlern, Antiquaren und Bibliophilen, die sich aus Liebhaberei mit bibliographischen und historischen Themen beschäftigten, gelangten die Drucke im Verlauf des 19. Jahrhunderts zunehmend in das Blickfeld der akademischen Analyse, nachdem sie durch Verkauf oder Schenkung in die Bibliothek des BM aufgenommen worden und so einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich geworden waren.

46 47

48

Nachruf auf John Whitwell (1880), S. 8. Vgl. Calendar of the Grants of Probate and Letters of Administration (…) (1881), Bd. 12: U-Z. S. 293f. Diese Summe entsprach im Jahr 2002 ungefähr einer Kaufkraft von £2.376.987. Vgl. McCusker (2001). Die Untersuchung der Nachkommenslinien Whitwells und ihrer Vermögensverhältnisse führt bis zu Maria Colville. Sie verstarb 1947 ohne Erben; ihr Vermögen von £118.376 (auch dies nach heutigem Stand ungefähr zweieinhalb Millionen Pfund Sterling, vgl. McCusker (2001)) fiel dadurch dem Staat zu. Vgl. Nachlass Colville.

562

IX. Schlussfolgerungen und Ausblick

Es gibt verschiedene Gesichtspunkte, unter denen das Verhältnis der kontinentaleuropäischen und der englischen Schwankbuchproduktion untersucht wurde. In manchen Studien wurden punktuell, im Hinblick auf die Rezeption eines Texts, Belege für die Nennung des übersetzten Texts in anderen zeitgenössischen englischen Zeugnissen gesammelt.1 Dies erfüllte sowohl bibliographische, literatur- als auch rezeptionsgeschichtliche Zwecke. Beispielsweise leistete Bries Verzeichnis der englischen Texte, in denen der Howleglas genannt wurde, diese Arbeit und stellt damit immer noch eine Forschungsgrundlage dar.2 In der vorhandenen Sekundärliteratur wird immer wieder betont, dass Schwankbücher in der englischen Literatur im 16. und 17. Jahrhundert einen wichtigen Platz einnahmen – allerdings trifft diese Aussage nach gängiger Meinung nur auf einheimische Produktionen zu. Für eine positive Rezeption von Übersetzungen kontinentaleuropäischer Texte gebe es kaum Belege. Eine Masse an einheimischer Unterhaltungsliteratur existierte, wie z. B. The Fifteen Joys of Marriage, The Friar and the Boy, The Smith and His Dame, A Merry Jest of the Miller of Abington und A mery gest how the sergeaunt wolde lerne to be a frere, die u. a. von Wynkyn de Worde oder – letzteres – von Notary verlegt wurde.3 Von den übersetzten Schwankbüchern gesteht beispielsweise Wilson nur dem Eulenspiegel einen gewissen Einfluss zu.4 Damit widerspricht er Brie, der zusammenfassend feststellt: Vergleichen wir des letzteren Erfolge in England mit denen in anderen Ländern, so scheint es, als ob Eulensp. [sic] derbe Spässe auf die Dauer dem englischen Geschmacke weit weniger behagt als dem der anderen Nationen.5

Nach seiner langen Auflistung der Schwanktexte des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts, in denen Eulenspiegel-Historien – wenn auch teilweise in umgearbeiteter Form – vorkommen, überrascht diese Aussage Bries. Beson1 2 3 4 5

Vgl. beispielsweise Herford (1886), S. 252. Vgl. Brie (1903), S. 69ff. Vgl. Wilson (1938–39), S. 125. Vgl. ebd. Brie (1903), S. 125.

563

ders viele Howleglas-Historien tauchen beispielssweise in den Jests of Scogin6, Dobsons Drei Bobbes7 und später beispielsweise in Robin Good-Fellow, His Mad Prankes, and merry Iests auf. Dort steht jeweils eine Anzahl von Historien, die in diesen Schwankbüchern den Helden der Bücher zugeschrieben werden. Brie weist darauf hin, dass eine größere Zahl der Historien in englische Schwankbiographien als in Schwanksammlungen eingegangen ist und erklärt dies folgendermaßen: Dass die Wirkungen des Howlglass auf die englischen Schwanksammlungen nicht grösser sind, beruht wohl darauf, dass die Historien des Eulensp. [sic] meist ziemlich umfangreich und mit Aufwand von mehreren Personen ausgestattet sind, und es mit immer noch einiger Gestaltungskraft oder wenigstens Mühe bedurfte, um sie der kurzen Anekdotenform anzupassen, wie man sie bei Poggio und anderen einfach aufgreifen konnte. Dies erklärt auch, warum er auf die Schwankbiographien (facetious biographies) stärker wirkte, die ja für Howlglass [sic] bloss den Namen ihres Helden unterzuschieben brauchten.8

Der Zahl der Übernahmen von Howleglas-Historien weist jedoch darauf hin, dass die Geschichten sehr beliebt waren und sich einfach integrieren ließen. Auch die Nennung des Howleglas-Buchs in der zeitgenössischen Literatur und die Art seiner Bewahrung deutet auf eine hohe Verbreitung hin.9 In dieser Hinsicht ist es möglich, zu einer gegenläufigen Interpretation zu Brie zu gelangen: Die hohe Verbreitung des Stoffs, die sich an diesen Beispielen zeigt, widerspricht einer grundsätzlichen Abneigung der Engländer gegen diese Erzählung und diese Art des Humors. Die Situation in den Niederlanden, wo der Erfolg des Eulenspiegel nicht angezweifelt wird, ist einerseits vergleichbar mit derjenigen in England: Eine erste erhaltene Auflage, die aber nicht die älteste sein kann, erscheint um 1526, eine weitere dann erst um 1575. Wahrscheinlich gab es mindestens noch jeweils eine Ausgabe vor 1526 bzw. 1575. In einem ähnlichen Zeitraum wurde der englische Eulenspiegel nicht weniger häufig verlegt. Andererseits ist aber auch ein gewaltiger Unterschied deutlich: Während im flämischen Kontext die Überlieferung der Historien sehr stark auf die Eulenspiegel-Figur zentriert blieb, d. h. der Zyklus mehr oder weniger intakt gehalten wurde, wurden in England die Historien in andere Schwankbiographien absorbiert. Diese Entwicklung könnte durch die Ausgaben Coplands mitverursacht worden sein, indem dort auf Illustrationen verzichtet wurde: Die Hauptfigur wird in diesen Drucken von ihrer ikonographischen Darstellungswei6 7 8 9

Vgl. ebd., S. 81ff. Vgl. Wilson (1938–39), S. 142. Brie (1903), S. 80. Vgl. S. 544ff.

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se getrennt. Eulenspiegel verliert seine Körperlichkeit und seine bildliche Integrität. Die besondere Frisur und die Zaddeltracht, die den Helden der kontinentaleuropäischen Drucke kennzeichnen, verschwinden. Stattdessen arbeitete Copland sogar mit einer weiteren Ikonographie, nämlich der des Salomon and Marcolf-Buchs. In den Niederlanden und in Frankreich wird dagegen in den meisten Drucken im 16. Jahrhundert die traditionelle Darstellung beibehalten. Eine Trennung des Bildes von den Geschichten scheint die Subsumierung der Historien unter andere Figuren zu vereinfachen. Bezeichnenderweise wurden z. B. in einer zeitgenössischen französischen Anthologie, der Parangon de Nouvelles,10 die eingefügten Eulenspiegel-Historien mit dem Namen Eulenspiegels erzählt. In den Niederlanden wanderten ebenfalls nicht die Historien – sie wurden nicht an andere ›Akteure‹ vergeben –, sondern die Eulenspiegel-Holzschnitte. Diese wurden immer wieder in anderen Kontexten eingesetzt. Die Ikonographie des Eulenspiegel-Buchs war anscheinend so stark, dass die Figur nicht neubesetzt werden konnte. In England jedoch entfiel die Ikonographie und die Streiche Eulenspiegels wurden anderen, zum Teil sogar realen Personen wie Skelton zugeschrieben. Insofern kann im Hinblick auf den englischen Eulenspiegel, im Gegensatz zur bisherigen Deutung, von einem geglückten Rezeptionsprozess gesprochen werden, wenn er auch anders verlief als in den kontinentaleuropäischen Ländern. Für das Verständnis der Rezeptionssituation des Howleglas muss darüber hinaus auf die Besonderheit hingewiesen werden, dass Prosa im 16. Jahrhundert in England kaum für komische Literatur verwendet wurde. Im Gegensatz zur deutschen zeitgenössischen Literatur, in der Prosa häufig für diese Art der Literatur gebraucht wurde, wurden in England die meisten solchen Texte in gebundener Rede verfasst. Die ersten gedruckten Schwankbücher in englischer Sprache, die Hundred Merry Tales (STC2 23663 und 23664) und Tales and quicke answeres, very mery and pleasant to rede (STC2 23665) bestehen ebenfalls aus gebundener Rede. Erst die Übersetzungsliteratur, beispielsweise aus Jan van Doesborchs Offizin, führte diese Verschiebung in der formalen Gestaltung der Gattung ein. In England begann sich erst ab den sechziger Jahren des 16. Jahrhunderts die Verwendung von Prosa für komische Literatur durchzusetzen. Dann jedoch häufen sich die Schwankbücher – auch in Übersetzung –, die in Prosa geschrieben sind, beispielsweise Wits, Fits and Fancies (1595) und A Banquet of Jests (1630).11 10 11

Vgl. Pérouse (1979), S. 115, 123, 136, 141, 145. Einen umfassenden Überblick über diese Schwankbücher bietet: Wardroper (1970).

565

Dass die Untersuchung des Howleglas im Rahmen der englischen fiktionalen Prosaliteratur sich dennoch als schwierig gestaltet, ist vor allem durch den Mangel an neueren Forschungsbeiträgen über diese Texte und eine fehlende Gattungstheorie bedingt. Eine Einordnung des Howleglas kann kaum geleistet werden, weil die Bezugsparameter nicht abgesteckt sind. Die Art von unterhaltsamer englischer Prosaliteratur des 16. Jahrhunderts wie sie auch der Howleglas darstellt, hat seit dem ersten Viertel des 20. Jahrhunderts in der anglistischen Forschung wenig Beachtung erfahren.12 Die frühneuzeitliche fiktionale Prosa wird vor allem unter zwei Aspekten untersucht: Zum Einen wird sie meistens im Hinblick auf ihre Stellung in der Entwicklung des Romans analysiert – und dabei negativ bewertet. Sie steht daneben auch im Vergleich zu der Zahl der Untersuchungen über die zeitgenössische Lyrik und das Drama weit zurück.13 Als einen möglichen Grund für dieses Phänomen nennen Fowler und Greene die doppelte Natur von Prosa: While poetry and drama seem to invite a limited concensus around the matter of the emergence of the ›literary‹, that agreement dissolves when we turn to prose: it exists as a site of intellectual and cultural transmission between the categories of medium and genre, it is a literary constitutent that unquestionably exists without literature itself, and it holds out longer and harder against being subsumed into literary categories than many such elements. Seen in itself (if that is possible) rather than as the extrapolated antecendent of modern narrative history, the novel, scientific discourse, or other recent constructions, early modern prose has not been accounted for by theories of genre, and perhaps cannot be.14

Zum Anderen erfährt die Prosaliteratur wohl auch deshalb so wenig Interesse, weil die Erforschung der Literatur des 16. Jahrhunderts sich stark auf wenige, kanonische Autoren konzentriert, vor allem auf Shakespeare: »[M]uch English and continental prose fiction of the sixteenth century has been beleaguered by being seen primarily as an instrument of Shakespeare studies.«15 In der Forschung wäre also eine grundlegende Diskussion über die Bewertung dieser Texte nötig. Erst dann könnte eine Systematisierung der Gattungsbeschreibungen in Angriff genommen werden. Da seit dem 19. und frühen 20. Jahrhundert jedoch viele der damals noch bekannten und viel beachteten Texte in Vergessenheit geraten sind, ist diese Diskussion nur 12

13 14 15

Zu dieser Zeit wurde in der Forschung der Versuch unternommen, das Genre zu definieren und einen Überblick über diese Art der Literatur zu verschaffen. Ernst Schulz z. B. unterscheidet zwischen drei Kategorien von englischen Schwankbüchern, nämlich losen Sammlungen, Schwankbiographien und novellistischen Schwanksammlungen. Vgl. Schulz (1912). Vgl. beispielsweise die kritische Darstellung dieser Forschungssituation bei: Relihan (1996), bes. S. 1–6. Fowler/Greene (1997), S. 5. Ebd.

566

unter großer Anstrengung anzuregen. Zudem wurde im Laufe des 20. Jahrhunderts – beispielsweise bei der systematischen Aufnahme der Titel auch in kleinen, privaten Bibliotheken für die Erstellung des STC2 – eine große Zahl vorher unbekannter Drucke entdeckt, die in den älteren Übersichten nicht berücksichtigt werden konnten. Eine Aufgabe der Forschung wäre demnach zunächst eine Sichtung und Sicherung des Textbestands. Diese werden zwar von bibliographischer Seite bereits partiell betrieben, aber die Auswertung des Materials nach literaturwissenschafltichen und -geschichtlichen Gesichtspunkten hat bisher nicht stattgefunden. Wünschenswert wäre eine Gattungsgeschichte, die sich speziell mit den englischen literarischen Prosatexten des 16. Jahrhunderts auseinandersetzt. Zur Erforschung dieser Gattungsgeschichte leistet die vorliegende Untersuchung einen Beitrag. Die vorgenommene Edierung mit Lesarten und Übersetzung der englischen Eulenspiegel-Drucke des 16. Jahrhunderts stellt einen weiteren Text zur Verfügung, der für eine solche Aufgabe herangezogen werden kann. Darüber hinaus sind die besonderen Fragen, die die Übertragung von kontinentaleuropäischen Texten betreffen, thematisiert worden. Wie im Zusammenhang der englischen Eulenspiegel-Überlieferung mit möglichen Vorlagen und Quellen umgegangen wurde, wurde am Beispiel des Howleglas demonstriert. Dass die genaue Analyse der Textüberlieferung für das Verständnis der Beziehungen zwischen Drucken zentral ist und im Falle des Howleglas überfällig war, hat sich für Jan van Doesborchs Druck sowie diejenigen aus William Coplands Presse bewahrheitet: Die nachgewiesenen Abweichungen zwischen Ae.1519? und L werfen ein neues Licht auf das Verhältnis der englischen und der kontinentaleuropäischen Überlieferung. Keiner der Straßburger Drucke aus der Grüninger-Offizin stellt die Vorlage für die englischen Texte dar, aber die englischen Drucke hatten Zugang zu einer Quelle, die diesen näherkam als es die flämischen und französischen Drucken taten. Anhand des Titelholzschnitts und des Gedichts in den Copland-Exemplaren ist demonstriert worden, dass es sich bei der Howleglas-Produktion um eine eigenständige Bearbeitung handelt, die ihre eigenen Gestaltungsinteressen sowohl im Hinblick auf die Ikonographie als auch den Text verfolgt und den Stoff in besondere intertextuelle Zusammenhänge bringt. Wie das Howleglas-Buch in England im 16. Jahrhundert von einem humanistischen Publikum rezipiert wurde, wurde ebenso untersucht wie die weitere Entwicklung hin zu einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Schwankbuch im 19. und 20. Jahrhundert. Ebenfalls dargestellt worden sind die Grundlagen für die Verbreitung der Prosaliteratur durch das zeitgenössische Druckwesen. Wie international 567

beispielsweise das Umfeld des ersten Howleglas-Druckers war, konnte dabei vertieft werden. In der Folge zeigte sich anhand der Howleglas-Überlieferung, dass diese unterhaltsame Prosaliteratur Teil der englischen Literatur wurde, die von einem englischen Verleger verbreitet, weiter popularisiert und in Erinnerung gehalten wurde.

568

X.

1.

Anhang

Ae. 1519?, Holzschnitt Blatt J4a © British Library Board C.34.f.41 569

2. L1

2.1. L1, Titelseite © British Library Board C.21.c.53 570

2.2. L1, Holzschnittleiste Blatt A1b © British Library Board C.21.c.53 571

2.3. L1, Holzschnittinitial Blatt A2a © British Library Board C.21.c.53 572

3. L2

3.1. L2, Titelseite © British Library Board C21.c.57 573

3.2. L2, Holzschnittinitialen Blatt A2a © British Library Board C21.c.57 574

3.3. L2, Holzschnittinitial Blatt A3a © British Library Board C21.c.57 575

4. Ausschnitt aus der sog. Agas-Karte, ca. 1562, City of London

4.1. St Paul’s Churchyard und Umgebung © City of London, London Metropolitan Archives

576

4.2. Three Cranes bis Stahlhof © City of London, London Metropolitan Archives

577

5. John Thornes Testament

© Oxfordshire Record Office Ms Wills Oxon 179.285

578

6. William Copland

6.1. William Coplands Druckermarke © British Library Board RAR686.20941

579

6.2. Hochzeitsaufgebot für Joanne Tyddeswell und William Copland © City of London, London Metropolitan Archives, Wills and Administrations of the Minor Courts at Somerset House. Consistory Court of 1446-1560. Liber Vicarii Generalis, Bd. 2, f. 7r

580

6.3. Begräbniseintrag für William Copland © City of London, London Metropolitan Archives, MS 4346, vol. 1

581

7. Tghevecht van Minnen, Holzschnitt Blatt 3b

© British Library Board 2704.1.1.

582

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