Kants Friedensschrift und das Völkerrecht [1 ed.] 9783428502066, 9783428102068

Kaum eine philosophische Schrift hat in der Völkerrechtsliteratur so viel Beachtung gefunden wie Immanuel Kants »Zum ewi

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Kants Friedensschrift und das Völkerrecht [1 ed.]
 9783428502066, 9783428102068

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VOLKER MARCUS HACKEL

Kants Friedensschrift und das Völkerrecht

Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht Herausgegeben von Thomas Oppermann in Gemeinschaft mit Heinz-Dieter Assmann, Burkhard HeB Kristian Kühl, Hans v. Mangoldt Wernhard Möschel, Martin Nettesheim Wolfgang Graf Vitzthum sämtlich in Tübingen

Band 53

Kants Friedensschrift und das Völkerrecht Von Volker Marcus Hackel

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Hackei, Volker Marcus: Kants Friedensschrift und das Völkerrecht / von Volker Marcus Hacke!. Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht; Bd.53) Zug!.: Tübingen, Univ., Diss., 1999 ISBN 3-428-10206-1

D 21 Alle Rechte vorbehalten Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany

© 2000 Duncker &

ISSN 0720-7654 ISBN 3-428-10206-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

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Vorwort Das vorliegende Buch über Immanuel Kants Friedensschrift und das Völkerrecht stellt das Ergebnis meiner im Juli 1999 von der Juristischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen angenommenen Dissertation dar. Die Beschäftigung mit diesem klassischen und zugleich hochaktuellen Thema wurde von meinem verehrten akademischen Lehrer Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Graf Vitzthum angeregt. Ihm gilt mein besonderer Dank für die intensive Begleitung meiner Arbeit. Die Mitarbeit an seinem Lehrstuhl trug maßgeblich zum Gelingen meines Vorhabens bei. Herrn Priv.-Doz. Dr. Frank Fechner danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens und zahlreiche Anregungen. Für die Aufnahme in die Tübinger Schriften zum Internationalen und Europäischen Recht danke ich dem Herausgeber Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Thomas Oppermann. Mein Promotionsvorhaben wurde dankenswerterweise durch die KonradAdenauer-Stiftung unterstützt und gefördert. Dank sage ich auch der Reinhold-und-Maria-Teufel-Stiftung für die Auszeichnung meiner Arbeit. Tübingen, im März 2000

Volker Marcus Hackel

Inhaltsverzeichnis A. Das Interesse der Völkerrechtswissenschaft an der Friedensschrift . . . ..

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B. Zur Entstehungsgeschichte der Friedensschrift. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 17 I. Historischer und biographischer Hintergrund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 17 11. Philosophischer Kontext. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 21 C. Eine Interpretation der Friedensschrift. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. I. Die Friedensschrift als Ganzes ........... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. I. Überblick über die Friedensschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Die Fonn der Friedensschrift .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Titel und Vorrede. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. H. Die Präliminarartikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. I. Der erste Präliminarartikel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Der zweite Präliminarartikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Der dritte Präliminarartikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 4. Der vierte Präliminarartikel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 5. Der fünfte Präliminarartikel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 6. Der sechste Präliminarartikel .................................. 7. Die Umsetzung der Präliminarartikel ........................... III. Die Definitivartikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. I. Frieden und Naturzustand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Der erste Definitivartikel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Die republikanische Verfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Die Republik und der Frieden . . . .. . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . .. 3. Der zweite Definitivartikel ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Probleme eines ursprünglichen Vertrages zwischen Staaten. . . .. aa) Die Analogie zwischen Staat und Individuum als Ausgangspunkt .......................................... bb) Konstruktive Probleme einer Analogie zwischen Staat und Individuum. . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .. . .. cc) Lösungsvorschläge in der Literatur. . .. . . . .. . . . . . . . . . . . .. b) Die Idee der Weltrepublik. ................................. aa) Der Weltstaat als Ideal der Vernunft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Empirische Einwände gegen den Weltstaat. . . . . . . . . . . . . .. c) Der Friedensbund als "negatives Surrogat" . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) Gegenstand des Friedensbundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Rechtsdurchsetzung im Friedensbund ................... cc) Die Subjekte des Friedensbundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

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Inhaltsverzeichnis 4. Der dritte Definitivartikel ..................................... a) Regelungsbereich des Weltbürgerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Regelungsgehalt des Weltbürgerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Das Weltbürgerrecht im Kontext. . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . .. 5. Die Definitivartikel als System des öffentlichen Rechts ........... IV. Die Garantie des ewigen Friedens ................................. I. Die Konstruktion der Garantie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Wie garantiert die Natur die Annäherung an den ewigen Frieden?. V. Die Umsetzung der Friedensidee .................................. I. Geheimer Artikel zum ewigen Frieden .......................... 2. Anhang ..................................................... a) Das Verhältnis von Moral und Politik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Prüfung der Politik am Maßstab der Moral ...............

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die zeitgenössische Reaktion auf die Friedensschrift ................. 11. Das 19. Jahrhundert .............................................. 1. Die Souveränität der Staaten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Das Recht zum Krieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Der Friedensvertrag ........................................... 4. Die Friedensbewegung ........................................ 5. Ansichten über die Realisierung der Vorschläge Kants ............ 6. Zwischenergebnis: Die Friedensschrift im 19. Jahrhundert ......... III. Die Jahrhundertwende ............................................ 1. Die Vorgeschichte der Haager Konferenzen ...................... 2. Das Recht im Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Abrüstung und Rüstungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kriegsvermeidung durch Recht - Die Schiedsgerichtsbarkeit. . . . . .. 5. Weltpolitische Aspekte: Die Idee der Internationalen Organisation .. 6. Individualrechte im Völkerrecht. ............................... 7. Die Friedensschrift im Ersten Weltkrieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 8. Einzelne Bezugnahmen auf die Friedensschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 9. Zwischenergebnis: Die Friedensschrift um die Jahrhundertwende ... IV. Die Zeit des Völkerbundes ........................................ 1. Der Vertrag von Versailles. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Demokratie als Friedensvoraussetzung .......................... 3. Rechtsdurchsetzung im Völkerrecht ............................. 4. Der Völkerbund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Namensgebung........................................... b) Die Entstehung des Völkerbundes ........................... c) Der Völkerbund - ein Friedensbund? ........................ 5. Kriegsvermeidung durch Recht - Das Verbot des Krieges. . . . . . . . . 6. Bezugnahmen auf die Friedensschrift in einzelnen politischen Fragen ......................................................

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Inhaltsverzeichnis 7. Zwischenergebnis: Die Friedensschrift in der Zeit des Völkerbundes ......................................................... V. Die Zeit des Kalten Krieges ....................................... I. Frieden als Rechtsbegriff des Völkerrechts ...................... 2. Das Selbstbestimmungsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Interventionsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sezessionsrecht ........................................... 3. Individualrechte und Völkerrecht. .............................. 4. Frieden durch Recht - Integration. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 5. Die Internationalen Organisationen ............................. a) Die UNO: Weltstaat oder Friedensbund? ..................... b) Der Europarat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sicherheitsorganisationen - OSZE und NATO ................ d) Wirtschaftsorganisationen - OECD und WTO . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Europäische Gemeinschaften und Europäische Union ............. 7. Weltpolitische Aspekte: Demokratisierung als Friedensstrategie .... 8. Ansichten über die Realisierung der Vorschläge Kants ............ 9. Zwischenergebnis: Die Friedensschrift in der Zeit des Kalten Krieges ......................................................... VI. Die Jahrtausendwende ............................................ I. Weltpolitische Aspekte: Vorschläge für eine globale Rechtsordnung. 2. Die Debatte um die Reform der UNO ............... . . . . . . . . . . . 3. Die Friedensschrift und der Krieg im Kosovo .................... 4. Ansichten über die Realisierung der Vorschläge Kants . . . . . . . . . . . . 5. Weitere Bezugnahmen auf die Friedensschrift. ................... 6. Zwischenergebnis: Die Friedensschrift zur Jahrtausendwende ...... VII. Der Einfluß Kants auf die völkerrechtliche Literatur - eine Bilanz. . . . . 1. Die Friedensschrift in den Epochen der Völkerrechtsgeschichte .... 2. Der Beitrag der Friedensschrift zu einzelnen Themen des Völkerrechts ....................................................... 3. Die Stellung der rezipierenden Texte in der völkerrechtlichen Literatur ......................................................... 4. Die Rezeption der Friedensschrift und das politische Umfeld der Rezipienten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Funktion der Bezugnahme auf die Friedensschrift in der Argumentation .................................................. . 6. Ergebnis .................................................... E. Ausblick: Die Friedensschrift und das Völkerrecht von morgen. . . . . . . . I. Idee - Utopie - Antizipation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Friedensschrift als Maßstab künftigen Völkerrechts ........... 2. Die Friedensschrift als geschichtsphilosophische Prognose .........

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Inhaltsverzeichnis H. Ansätze für weitere Schritte auf dem Weg zum ewigen Frieden . . . . . . . l. Verrechtlichung der internationalen Beziehungen als Aufgabe der Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwischenstaatliche Regeln oder überstaatliche Rechtsordnung? .... 3. Modell der globalen Rechtsordnung ............................ 4. Annäherung an die Idee einer globalen Rechtsordnung. . . . . . . . . . . . 5. Exkurs: Notwendigkeit weiterer Reformen des Staatsrechts ........ 6. Ausbau der Vereinten Nationen ................................ 7. Vertiefung und Verbreiterung der europäischen Integration ....... . 8. Effektiver Schutz der Individualrechte ..........................

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F. Zusammenfassung.................................................. 257 I. Die Thesen der Friedensschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 H. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur .. . . . . . . . . . . . . . . 259 III. Die Friedensschrift als Maßstab für das Völkerrecht von morgen. . . . . . 260

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Sachverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296

A. Das Interesse der Völkerrechtswissenschaft an der Friedensschrift Kaum ein Text aus der Feder eines Philosophen wurde und wird so häufig von Juristen, insbesondere von Völkerrechtlern zitiert wie "Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf von Immanuel Kant"l. In dieser Schrift aus dem Jahre 1795 behandelt Kant unter anderem Fragen, die in den etwas mehr als 200 Jahren, die seit ihrem Erscheinen vergangen sind, zu den Kernproblemen der völkerrechtlichen Diskussion zählten und von Völkerrechtslehre und Völkerrechtspolitik bis heute erörtert werden. Die völkerrechtliche Literatur wird nicht müde, die Bedeutung der Friedensschrift für das Völkerrecht hervorzuheben. Lutz-Bachmann sieht die "innovative Kraft" der Friedensschrift bis heute nicht erschöpft. 2 Archibugi bezeichnet die Friedensschrift als "most celebrated and significant work of juridical pacifism".3 Kühnhardt spricht den Definitivartikeln zeitlose Gültigkeit zu. 4 Angesichts solcher Äußerungen liegt es nahe, den Einfluß der Friedensschrift auf das positive Völkerrecht und die Völkerrechtslehre genauer zu betrachten. Zwilling beklagt, es scheine "das unabänderliche Los eines ,Klassikers' zu sein, viel zitiert, doch wenig in seiner grundlegenden Bedeutung rezipiert zu werden", was auch auf die politische Philosophie Kants zutreffe. 5 Ipsen meint, es habe bei der Beschäftigung mit der Friedensschrift "nicht selten [... ] an der Gründlichkeit gefehlt, die dem großen Entwurf Kants gebührt".6 Mit Aussagen wie diesen ist die Frage nach Ausmaß und QualiI Alle Zitate aus Kant-Werken beziehen sich auf die Ausgabe Kants gesammelter Schriften, herausgegeben von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften. Die römischen Zahlen bezeichnen den Band, die arabischen die Seite. Arabische Zahlen in Klammern hinter der Seitenzahl geben die Zeile an. Wörtliche Zitate ohne Quellenangabe sind dem jeweils behandelten Abschnitt der Friedensschrift entnommen. ,.zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf von Immanuel Kant" ist abgedruckt im VIII. Band, S. 341-386. 2 Lutz-Bachmann, Kants Friedensidee und das rechtsphilosophische Konzept einer Weltrepublik, S. 25. 3 Archibugi, Models of international organization in perpetual peace projects, S.31O. 4 Kühnhardt, Von der ewigen Suche nach Frieden, S. 163. 5 Zwilling, Immanuel Kant, S. 135. 6 Ipsen, Ius gentium - ius pacis?, S. 290.

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A. Das Interesse der Völkerrechtswissenschaft an der Friedensschrift

tät der Auseinandersetzung der völkerrechtlichen Literatur mit den Gedanken Kants aufgeworfen. Bei der Untersuchung der tatsächlichen Bedeutung der Friedensschrift für das Völkerrecht stehen zwei Erkenntnisziele im Vordergrund. Zum einen ist, bezogen auf die Vergangenheit, von Interesse, ob, in welchem Umfang und auf welchem Wege die Ansichten Kants die Völkerrechts theorie und das positive Völkerrecht beeinflußt haben. Der erhoffte Beitrag zum Verständnis der Völkerrechtsgeschichte ist kein Selbstzweck; das Wissen um die Entstehung der Rechtsquellen ist ein wertvoller Hinweis für deren Auslegung. Zum anderen könnten der Friedensschrift Anregungen und Maßstäbe für die zukünftige Entwicklung des Völkerrechts entnommen werden. Schon die Beschäftigung mit der Friedensschrift könnte Einsichten in mögliche Grundpositionen in der Debatte um das "richtige" Völkerrecht geben. Auch Kants Vorschläge selbst könnten sich als geeignet erweisen, zur Lösung gegenwärtiger Probleme der internationalen Beziehungen beizutragen. Ein Vergleich der Anwendungspotentiale der Philosophie Kants auf die heutigen Fragen des Völkerrechts mit ihrer tatsächlichen Rezeption sollte aufzeigen können, in welchen Bereichen die Gedanken der Friedensschrift in die völkerrechtliche Debatte eingebracht werden können. Mit der Interpretation der Friedensschrift und der historischen Betrachtung ihrer Aufnahme durch die Völkerrechtspolitik soll Vorarbeit für eine solche Nutzbarmachung geleistet werden. Um diese Ziele erreichen zu können, muß an erster Stelle eine Interpretation der Friedensschrift unter Beachtung ihres historischen Umfeldes (B.) erarbeitet werden (C.). Die Entscheidung, ob eine inhaltliche Wirkung von der Friedensschrift ausging und welche Argumente ihr für die gegenwärtige Diskussion entnommen werden können, kann nur unter Zugrundelegung eines bestimmten Inhalts getroffen werden. Zugleich ist die Interpretation unmittelbares Ziel der Untersuchung, soweit sie Ausgangspunkt für völkerrechtspolitische Vorschläge sein kann. Das Erkenntnisziel gibt dabei den Schwerpunkt im Bereich der aus Sicht des Völkerrechts relevanten Aspekte vor. Gleichwohl kann sich die Interpretation nicht auf diese Fragen beschränken, wenn sie ein kontingentes Gesamtbild der Argumentation Kants entwerfen will. Ob dies überhaupt erreicht werden kann, ist angesichts der vielen Stimmen, die Widersprüche innerhalb der Friedensschrift sehen7 , ungewiß. Dennoch soll der Versuch unternommen werden, den Text so zu deuten, daß sich alle Passagen zu einem in sich geschlossenen Ganzen zusammenfügen. Hierfür sind die einzelnen Thesen auf ihre Übereinstimmung zu prüfen, so daß sich im Rahmen der Interpretation nicht nur 7 Vgl. z. B. Axinn, Kant on World Govemment, S. 243; Cavallar, Pax Kantiana, S. 210; Habermas, Kants Idee des ewigen Friedens, S. 18; Schrader, Die Europäische Union - "Völkerbund" oder "Universalmonarchie"?, S. 113.

A. Das Interesse der Völkerrechts wissenschaft an der Friedensschrift

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die Darstellung der Gedanken Kants, sondern auch eigene Hilfserwägungen des Verfassers - als solche kenntlich gemacht - finden. Bei der Interpretation der Friedensschrift wird auch auf Ansichten in der Literatur eingegangen. Zweck ist zum einen die Mitteilung der unterschiedlichen möglichen Auffassungen hinsichtlich des Inhalts der Friedensschrift, zum anderen die Abgrenzung solcher Interpretationen, die für einzelne Teile der Friedensschrift entwickelt wurden, sich aber nicht mit dem Gesamtkonzept Kants vereinbaren lassen. Nach der Art und Weise, wie die Deutung der Friedensschrift präsentiert wird, lassen sich Texte, die ausdrücklich das Ziel der Interpretation verfolgen, von solchen unterscheiden, die ein bestimmtes Verständnis der Friedensschrift bei ihrer Auseinandersetzung mit dieser voraussetzen; beide Gruppen werden zur Diskussion der Interpretation herangezogen. Der Interpretation der Friedensschrift folgt die Untersuchung ihrer Wirkung auf die völkerrechtliche Literatur CD.). Dabei ist zunächst der Kreis der zu untersuchenden Literatur zu bestimmen. Ausgehend vom Erkenntnisziel, eine Hilfe für die Auslegung und Einsichten in die Entstehung von Völkerrechtsquellen zu gewinnen, müssen alle Publikationen einbezogen werden, die in Wechselwirkung mit dem Völkerrecht stehen. Dabei lassen sich nach ihrer Intention zwei Arten der Beschäftigung mit der Friedensschrift unterscheiden. Manche Autoren entnehmen der Friedensschrift Argumente zur Unterstützung von Forderungen an die Gestaltung des Völkerrechts. Die anderen ziehen die Ansichten Kants zur Erläuterung des bestehenden Völkerrechts heran. Die Befassung mit der Friedensschrift ist in Publikationen unterschiedlicher Fachrichtungen zu beobachten, die sich freilich nicht immer klar voneinander abgrenzen lassen. Verweise auf die Friedensschrift finden sich in politischen, vor allem in rechtspolitischen Veröffentlichungen ebenso wie in Texten, die der Philosophie, der Völkerrechtslehre, der Völkerrechtsgeschichte und der Politologie zugeordnet werden können. Dabei ist zu beachten, daß die vorliegende Untersuchung sich thematisch auf alle in der Friedensschrift behandelten Aspekte des Völkerrechts erstreckt, auch wenn die Literatur diese Fragen zum Teil vorrangig mit anderen Schriften Kants in Verbindung bringt. Demgegenüber sind Verweise auf völkerrechtliche Thesen Kants, die nicht auch in der Friedensschrift behandelt werden, nicht Gegenstand der Analyse, weil sicher ausgeschlossen werden kann, daß es sich um Wirkungen der Friedensschrift handelt. Diese Einschränkung betrifft etwa Verweise auf Kants Ausführungen zur Freiheit der Meere in der Rechtslehre. Zur Untersuchung der Wirkungsgeschichte zählt die Frage, wie die Gedanken Kants Eingang in die völkerrechtliche Literatur finden. Dafür lassen sich unterschiedliche Wege vermuten. Wie auch bei der Setzung von

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A. Das Interesse der Völkerrechtswissenschaft an der Friedensschrift

staatlichem Recht spielt die Politik insbesondere bei der Entstehung des Völkerrechts eine Rolle. 8 Völkerrecht ist in besonderem Maße politisch. Während die politische Diskussion im innerstaatlichen Bereich in den Bahnen rechtlich vorgeschriebener Prozeduren etwa eines parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens stattfindet, benötigt die Entstehung völkerrechtlicher Normen die Politik auch schon im Vorfeld der inhaltlichen politischen Auseinandersetzung, um ein Forum für diese zu schaffen. Ein solcher Rahmen kann etwa eine Konferenz sein. 9 Anders als im staatlichen Recht ist die Aufgabe der Politik im Völkerrecht mit der Rechtsetzung nicht beendet. Da die Durchsetzung des Rechts nicht institutionalisiert ist, benötigt das Völkerrecht die Politik auch, um Wirksamkeit zu entfalten. Die Politik hat also im Bereich des Völkerrechts weit mehr Einflußmöglichkeiten, als das im staatlichen Recht der Fall ist. 10 Angesichts der engen Verbindungen von Recht und Politik im internationalen Bereich sollte ein Einfluß der Philosophie auf die Völkerrechtspolitik auch zu einer Wirkung der Philosophie auf die Entwicklung des Völkerrechts führen. Eine unmittelbare und weit größere Wirkung entfaltet die Philosophie hinsichtlich der Völkerrechtslehre. Da das positive Völkerrecht lange Zeit aus einzelnen Verträgen zwischen einer begrenzten Anzahl von Staaten bezüglich bestimmter Regelungsmaterien bestand, weist die Völkerrechtslehre traditionell eine intensive Beschäftigung mit der Rechtsphilosophie auf, mit deren Hilfe man universale Prinzipien zu entwickeln versuchte. Die heutige Trennung zwischen Völkerrechtslehre und Rechtsphilosophie hat sich erst im Zuge der Entwicklung eines allgemeinen positiven Völkerrechts herausgebildet. Die Beschäftigung der Völkerrechtslehre mit der Philosophie ist bis heute erhalten geblieben. Immer wieder nehmen völkerrechtliche Abhandlungen unmittelbar auf philosophische Theorien und auch auf die Friedensschrift Bezug. 11 von Bulmerincq sprach im Jahre 1858 von der "Betheiligung der Philosophie an der Anordnung des Völkerrechts".12 Auch heute finden sich in nahezu jedem Lehrbuch des Völkerrechts Ausführungen über die ideengeschichtlichen Grundlagen von positivem Völkerrecht und völkerrechtlicher Theorie. Daher läßt sich Vgl. auch Czempiel, Recht und Friede, S. 58. Zur Bedeutung von Konferenzen für die Entstehung von Völkerrecht vgl. Graf Vitzthum, Verfahrensgerechtigkeit im Völkerrecht, S. 740ff. 10 Röling, Friedenssicherung durch Völkerrecht, S. 89, meint, das Recht spiele in den internationalen Beziehungen neben der Politik nur eine kleine Rolle. 11 Als Beispiele aus unterschiedlichen Epochen der Völkerrechtsgeschichte seien genannt: Bulmerincq, Die Systematik des Völkerrechts, S. 82 ff.; Lasson, Princip und Zukunft des Völkerrechts, S. 144ff.; Cassirer, Natur- und Völkerrecht, S. 264ff.; Sauer, System des Völkerrechts, S. 265; Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 241 und 261. 12 Bulmerincq, Die Systematik des Völkerrechts, S. 73. 8

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A. Das Interesse der Völkerrechtswissenschaft an der Friedensschrift

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erwarten, daß die Friedensschrift vor allem in der Völkerrechtslehre Wirkung entfaltet. Freilich bestehen Schwierigkeiten, die Völkerrechtslehre als Wissenschaft von der Auslegung des bestehenden Völkerrechts und die Völkerrechtspolitik als Zielbestimmung für die Schaffung neuen Völkerrechts voneinander zu trennen. Die Äußerung, die vor einem Akt völkerrechtlicher Rechtsetzung zur Völkerrechtspolitik zu zählen war, kann danach zur Völkerrechtslehre gehören. Die Überschneidung von Rechtsetzung und Auslegung zeigt sich, im Völkerrecht wie im staatlichen Recht, wenn bei der Auslegung hier nach der Intention der vertragschließenden Staaten, dort nach der des Gesetzgebers gefragt wird. Daher ist ein weit gefaßter Begriff der Völkerrechtslehre angemessen, als deren Gegenstand nicht nur die Frage, wie das Völkerrecht auszulegen ist, sondern auch, wie das Völkerrecht inhaltlich und formal gestaltet sein soll, verstanden wird. Diese Auffassung des Begriffs der Rechtslehre von dem, was rechtens ist, entspricht der Kants im Anhang der Friedensschrift. Die Völkerrechtslehre wirkt demnach bei Erkenntnis und Erzeugung des Völkerrechts mit. 13 Die dogmatische Trennung von Rechtsauslegung und Rechtsentstehung wird im Völkerrecht noch in einer anderen Richtung durchbrochen. Die Völkerrechtslehre beschränkt sich nicht darauf, den zur Entscheidung über die Rechtsetzung Befugten Vorschläge zu unterbreiten. Traditionell wird den Lehrmeinungen im Völkerrecht auch eine normative Bedeutung zugemessen. So wurden die Werke von Grotius und Vattel, die eine Zusammenstellung des nach Ansicht dieser Völkerrechtslehrer geltenden Völkerrechts enthielten, fast wie Gesetzbücher gebraucht. 14 Die Rolle der Völkerrechtslehre ist heute in Art. 38 I d IGH-Statut positiv festgeschrieben, wonach die Lehre als Quelle der Erkenntnis des Rechts, wenngleich nicht unmittelbar als Rechtsquelle dient. Die beschriebenen weitgehenden Wirkungsmöglichkeiten der Völkerrechtslehre auf das positive Völkerrecht lassen angesichts der großen Bedeutung, die der Philosophie für die Völkerrechtslehre zukommt, eine Wirkung der Philosopie auch auf das positive Völkerrecht erwarten. Die Völkerrechtslehre könnte sich gleichsam als ein Einfallstor der Philosophie in die Rechtsordnung zwischen den Staaten erweisen. Daher sollte die Beschäftigung mit der Philosophie nicht nur zum Verständnis der bisherigen Entwicklung des Völkerrechts beitragen, sondern auch Hinweise für seine künftige Gestaltung geben können. 13 Vgl. auch Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 8; Graf Vitzthum, Völkerrecht, S. 71. 14 Vgl. Steiger, Frieden durch Institution, S. 153; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 399.

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A. Das Interesse der Völkerrechtswissenschaft an der Friedensschrift

Aus der Fragestellung ergeben sich die möglichen Mittel zu ihrer Beantwortung. Die Analyse der Wirkung kann sich nicht einer statistischen Methode bedienen, etwa der Bildung eines Quotienten aus der Anzahl der Publikationen, die in einer bestimmten Sachfrage Kant erwähnen, geteilt durch die Gesamtzahl der Publikationen zu diesem Thema. Mit einer solchen Methode würde man der unterschiedlichen Bedeutung und Intention der Publikationen nicht gerecht. Vor allem aber bestehen Unterschiede hinsichtlich des Einflusses der Gedanken Kants auf den Inhalt der Publikationen. Während manche sich intensiv mit den in der Friedensschrift vorgetragenen Argumenten auseinandersetzen und in Kant gleichsam einen Diskussionspartner sehen, dient anderen der bloße Name als Bekräftigung auf andere Weise gewonnener Ansichten. Daraus folgt für die Untersuchung der Wirkungsgeschichte, daß die Aussagen der Literatur mit denen der Friedensschrift verglichen werden müssen. Falls eine inhaltliche Auswirkung festgestellt wird, stellt sich die weitere Frage nach den Motiven. Im Falle der Verneinung einer Wirkung müßte gefragt werden, woher der verbreitete Irrtum hinsichtlich der Bedeutung der Friedensschrift für das Völkerrecht stammt. Abschließend wird in einem kurzen Ausblick die Frage angesprochen, welchen Stellenwert die Friedensschrift in der Diskussion um die künftige Gestaltung des Völkerrechts haben könnte (E.). Dabei sollen zunächst die grundSätzlichen Möglichkeiten, die Gedanken Kants für das Völkerrecht nutzbar zu machen, beleuchtet werden. Die mehrschichtige Argumentation Kants hat in der Literatur zur Betrachtung im wesentlichen unter zwei Aspekten geführt. Zum einen wird die Friedensschrift immer wieder als Antizipation der Völkerrechtsgeschichte gesehen. Zum anderen werden der Friedensschrift Zielvorgaben für das künftige Völkerrecht entnommen. Da eine methodenkritische Betrachtung der Friedensschrift den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, beschränken sich die Ausführungen auf einige Hinweise, die in Anbetracht der Ergebnisse der Interpretation und der Untersuchung der Wirkungs geschichte geboten erscheinen. In Anwendung der Erkenntnisse über die grundsätzliche Eignung der Friedensschrift als Maßstab für die Völkerrechtspolitik wird an einigen Beispielen untersucht, ob sich aktuelle Probleme der internationalen Beziehungen mit den Ansätzen der Friedensschrift lösen lassen könnten. Zusammenfassend verfolgt diese Arbeit damit das Ziel, drei Fragen zu beantworten: Welche Lösungen schlägt Kant zur Lösung der Probleme der internationalen Beziehungen vor? Wie wurden diese Ansätze in der völkerrechtlichen Literatur aufgenommen? Und können die Ideen Kants für die Gestaltung künftigen Völkerrechts nutzbar gemacht werden?

B. Zur Entstehungsgeschichte der Friedensschrift I. Historischer und biographischer Hintergrund Am 29. September 1795, im sechsten Jahr nach dem Sturm auf die Bastille, erschien "Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf von Immanuel Kant" in erster Auflage bei dem Königsberger Verleger Friedrich Nicolovius. Der einundsiebzigjährige Ordinarius für Logik und Metaphysik an der Universität Königsberg gehörte damals zu den bekanntesten Persönlichkeiten des europäischen Geisteslebens. Die Ereignisse in Frankreich hatten - mehr noch als zuvor der Kampf der neuenglischen Kolonien um ihre Unabhängigkeit - in Deutschland insbesondere unter den Intellektuellen eine lebhafte Diskussion ausgelöst, in deren Mittelpunkt die Frage nach den Rechten der Bürger stand. Nachdem 1792 der Erste Koalitionskrieg der europäischen Fürsten gegen die junge Französische Republik begonnen hatte, wurde diese Diskussion in einem von politischen Spannungen geprägten Umfeld geführt, in weIchem systemkritische Äußerungen mit einem großen persönlichen Risiko verbunden waren. Die amerikanische Unabhängigkeitsbewegung sowie die Französische Revolution waren aus Sicht Kants Ereignisse von überragender Bedeutung, die sein ohnehin großes Interesse für Politik noch verstärkten. I Über die Französische Revolution soll Kant sich gefreut haben. 2 So wird berichtet, Kant habe die Zeitung jetzt nicht mehr erst abends, sondern bereits am Morgen gelesen 3 ; stets habe er ungeduldig auf neue Nachrichten aus Frankreich gewartet. 4 Aus der Perspektive der kritischen Philosophie Kants stellt sich seine Haltung gegenüber der Französischen Revolution zwiespältig dar: Einerseits teilte er die Ziele der Revolution und begrüßte die Veränderungen; andererseits verurteilte er die Mittel, mit denen die Revolutionäre diese Ziele in politische Realität umsetzten. 5 I Vgl. Moog, Kants Ansichten über Krieg und Frieden, S. 2; Vorländer, Kants Stellung zur Französischen Revolution, S. 249; Zickendraht, Kants Gedanken über Krieg und Frieden, S. 5; Gooch, Gerrnany and the French Revolution, S. 265; Fetscher, Immanuel Kant und die Französische Revolution, S. 272; Höffe, Immanuel Kant, S. 209. 2 Vgl. Vorländer, Kant und der Gedanke des Völkerbundes, S. 28; Droz, L'Allemagne et la Revolution Franr;aise, S. 155; Cavallar, Pax Kantiana, S. 3. 3 Vgl. Gulyga, Immanuel Kant, S. 275. 4 Vgl. Jachmann, Immanuel Kant geschildert in Briefen an einen Freund, S. 174 f.

2 Hackel

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B. Zur Entstehungsgeschichte der Friedensschrift

Im Zusammenhang mit der Interpretation der Äußerungen zu politischen Fragen im allgemeinen wie zur Französischen Revolution im besonderen darf die persönliche Gefahr, der sich Kant durch Stellungnahmen aussetzte, die als Kritik an der Herrschaftspraxis im absolutistischen Preußen des 18. Jahrhunderts verstanden werden konnten, nicht außer acht gelassen werden. Erst 1793 hatte Kant durch seine Schrift "Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft" einen Konflikt mit der Zensur hervorgerufen. Am 1. Oktober 1794 erging eine königliche Kabinettsorder Friedrich Wilhelms 11., unterzeichnet von dessen Minister von Wöllner, unter dessen Einfluß 1788 das Religionsedikt erlassen worden war: ,,[ ... ] Wir verlangen des ehsten Eure gewissenhafteste Verantwortung, und gewärtigen Uns von Euch bei Vermeidung Unserer höchsten Ungnade, daß Ihr Euch künftighin Nichts dergleichen werdet zu Schulden kommen lassen, sondern vielmehr Eurer Pflicht gemäß Euer Ansehen und Eure Talente dazu anwenden, daß Unsere landesväterliche Intention je mehr und mehr erreicht werde; widrigenfalls Ihr Euch bei fortgesetzter Renitenz unfehlbar unangenehmer Verfügungen zu gewärtigen habt. ,,6

Wenn auch Friedrich Wilhelm 11. die konfessionelle Toleranz, die bis 1786 unter seinem Vorgänger Friedrich 11. herrschte 7 , in mancher Hinsicht wieder einschränkte, ist kaum denkbar, daß sich die Zensur der Absicht nach gegen Aussagen zur Religion richtete. Vielmehr enthält die Religionsschrift auch Äußerungen, die mit dem damals brisanten Thema der bürgerlichen Freiheit in Verbindung gebracht werden konnten; insbesondere äußerte sich Kant positiv zu den Zielen der Französischen Revolution, wenn auch nicht zu den revolutionären Vorgängen selbst. 8 "Zum ewigen Frieden" erschien als erste Schrift Kants nach dem Zensurkonflikt. 9 Das mag die Vorsicht Kants, die in der Formulierung mancher Thesen den Eindruck geringer Präzision entstehen lassen kann, erklären. IO Anders als Fichte ll trat Kant nie öffentlich für die Französische Revolution S Vgl. Vorländer, Kants Leben, S. 179; Gooch, Germany and the French Revolution, S. 269; Henrich, Kant über die Revolution, S. 361; Burg, Kants Deutung der Französischen Revolution, S. 664; Grab, Zwischen Obrigkeitsgehorsam und Revolutionsbejahung, S. 28; Merker, Untertan und Staatsbürger bei Kant, S. 122; Williams, Kant's Political Philosophy, S. 208. 6 Kant veröffentlichte die Kabinettsorder nach dem Tode Friedrich Wilhelms 11. in der Vorrede zu seiner Schrift "Der Streit der Facultäten", VII, S. 6. 7 Vgl. Höffe, Immanuel Kant, S. 37f. 8 Darauf weist Grab, Zwischen Obrigkeitsgehorsam und Revolutionsbejahung, S. 32, hin. Vgl. auch Fetscher, Immanuel Kant und die Französische Revolution, S. 272f. 9 Vgl. Höffe, Immanuel Kant, S. 41. 10 Vgl. Zickendraht, Kants Gedanken über Krieg und Frieden, S. 4 f.; Saner, Die negativen Bedingungen des Friedens, S. 47.

1. Historischer und biographischer Hintergrund

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ein. Ohnehin wurde Kant von Teilen der Öffentlichkeit für seine positive Haltung zu den Ideen der Französischen Revolution als Jacobiner gestempelt 12 und durfte sich angesichts der innenpolitischen Spannungen, zu denen es in Preußen aufgrund des Krieges gegen Frankreich und der Angst vor revolutionären Tendenzen im eigenen Lande kam, durchaus bedroht fühlen. 13 Die kritische Haltung Kants zur Revolution ergibt sich aber, wie noch zu zeigen ist, aus seiner Philosophie; sie ist nicht durch die Angst vor der Zensur bedingt. 14 Ob und inwieweit sich die politischen Ereignisse inhaltlich auf die Friedensschrift auswirkten, läßt sich nur schwer ermitteln und nicht zweifelsfrei nachweisen. Immer wieder wird behauptet, Anlaß für die Friedensschrift sei die Französische Revolution gewesen. 15 Zwar finden solche Ereignisse der Zeitgeschichte auch ihren Niederschlag in der Friedensschrift. Das ergibt sich schon zwangsläufig daraus, daß Sprache nur verstanden werden kann, wenn sie in Beziehung zum sozialen und historischen Umfeld der Adressaten steht. Viele Andeutungen und Beispiele in der Friedensschrift lassen sich denn auch auf Ereignisse vor allem der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts beziehen. Das beweist aber noch keinen inhaltlichen Einfluß des historischen Umfelds auf das Friedenskonzept Kants. Kant beschäftigte sich nicht erst ab 1789 mit dem Friedensthema. 16 Schon in seiner Schrift "Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht" von 1784 sind Grundzüge seines Friedenskonzeptes angelegt. In einem Brief an Friedrich Schiller äußerte sich 1795 Wilhelm von Humboldt über die Friedensschrift: ,,[ ... ] Es ist mir keine einzige Idee aufgestoßen, selbst den Grundsatz der Politik apriori nicht ausgenommen, welche nicht schon durch seine früheren Schriften gegeben wäre.,,17

Da die Thesen Kants in der Friedensschrift mit denen früherer Schriften weitgehend übereinstimmen, kann diese nicht als bloßes Nebenprodukt des politischen Interesses Kants für die Französische Revolution gesehen 11 Fichte sprach sich 1793 öffentlich für die Französische Revolution aus; vgl. Buhr, Die Philosophie Fichtes und die Französische Revolution, S. 105. 12 Vgl. C. J. Friedrich, Die Ideen der Charta der Vereinten Nationen, S. 74f. 13 Vgl. Vorländer, Kants Leben, S. 179. 14 So auch Beck, Kant and the Right of Revolution, S. 411. IS SO Duve, "Mit Kant und mit ihm", S. 139. Moog, Kants Ansichten über Krieg und Frieden, S. 60, spricht sogar von einer Beeinflussung Kants durch die Französische Revolution. 16 Vgl. von Raumer, Ewiger Friede, S. 152; Arrnstrong, Kant's Philosophy of Peace and War, S. 197; Baumgartner, Dreimal ,,Ewiger Friede", S. 82. 17 Wilhelm von Humboldt in einem Brief vom 30. Oktober 1795, zitiert nach Dietze/Dietze, Ewiger Friede?, S. 125. 2·

B. Zur Entstehungsgeschichte der Friedensschrift

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werden; vielmehr ergeben sich die Thesen Kants aus der konsequenten Fortführung seines philosophischen Ansatzes. 18 Auch der unmittelbare zeitliche Zusammenhang mit dem am 5. April 1795 in Basel geschlossenen Friedensvertrag zwischen Preußen und Frankreich wird immer wieder betont. 19 Viele Autoren ziehen sogar Parallelen zum Inhalt der Friedensschrift. 2o Der Friede von Basel, in dem Preußen unter anderem auf das linke Rheinufer verzichtete 21 , bedeutete eine politische und völkerrechtliche Anerkennung der Revolutionsregierung Frankreichs?2 Kant soll sich über den Baseler Frieden gefreut haben, weil sich das revolutionäre Frankreich behaupten konnte. Eine inhaltliche Auswirkung des Baseler Friedens ist freilich noch unwahrscheinlicher als eine Beeinflussung durch die Französischen Revolution 23 ; erschien doch die Friedensschrift schon knapp sechs Monate später, so daß Kant allenfalls noch Zeit zum Anfügen einiger zusätzlicher Bemerkungen und Fußnoten gehabt hätte?4 Das Zusammentreffen mit dem Baseler Frieden dürfte daher zufalliger Natur sein. 25 So auch Reiss, Kant and the Right of Rebellion, S. 179 f. Ter Meu1en, Der Gedanke der Internationalen Organisation in seiner Entwicklung, Band I, S. 320; Schulz, Die Idee des Friedens bei Friedrich Gentz und Immanuel Kant, S. 67; Cavallar, Pax Kantiana, S. 6; Höffe, Kant als Theoretiker der internationalen Rechtsgemeinschaft, S. 490; Beutin, Kants Schrift ,,Zum ewigen Frieden", S. 111. 20 Nach Batscha/Saage, Friedensutopien, S. 7; Borries, Kant als Politiker, S. 200; Gallie, Philosophers of Peace and War, S. 8; Gerhardt, Eine kritische Theorie der Politik, S. 42; Merle, Zur Geschichte des Friedensbegriffs vor Kant, S. 42; Saner, Die negativen Bedingungen des Friedens, S. 44, soll die Friedensschrift durch den Basler Frieden angeregt worden sein. Schlief, Der Friede in Europa, S. 119, spricht von einer mittelbaren Veranlassung. Kühnhardt, Von der ewigen Suche nach Frieden, S. 158, sieht die Friedensschrift als "Echo Kants auf den Friedensschluß von Basel". Dann, Die Friedensdiskussion der deutschen Gebildeten, S. 113, sieht den Baseler Frieden als bestimmend für die inhaltlichen Leitgedanken der Friedensschrift an. Noch weiter gehen Scupin, in: Strupp/Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Band I, S. 577, der meint, die Friedensschrift sei bewußt als Kontrast zum Baseler Frieden angelegt, und Zickendraht, Kants Gedanken über Krieg und Frieden, S. 6f., der die Friedensschrift als Protestschrift gegen den Basler Frieden auslegt. 21 Vgl. Art. V des Vertrages, abgedruckt bei Martens, Recueil des principaux Traites d' Alliance, de Paix, de Treve, de Neutralite, de commerce, de limites, d'echange etc., Band 6, Göttingen 1800, S. 496f. 22 Vgl. Bruns, Das politische Kantbild in Frankreich, S. 649. 23 Vgl. auch Albrecht, Kants Entwurf einer Weltfriedensordnung und die Reform der Vereinten Nationen, S. 196f. 24 Die Behauptungen von H. Schmidt, Ein bedenkenswertes Jubiläum, S. 18, Kant habe die Friedensschrift nach dem Baseler Frieden geschrieben, und Patzig, Kants Schrift ,,Zum ewigen Frieden", S. 14: "Es kann als sicher gelten, daß Kant seine Schrift ,Zum ewigen Frieden' verfaßt hat unter dem frischen Eindruck des am 18 19

11. Philosophischer Kontext

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11. Philosophischer Kontext

Die Geschichte der theoretischen Befassung mit dem Friedensthema läßt sich bis weit hinter Kant zurückverfolgen. Friedensmodelle sind schon aus der Antike bekannt. 26 Konzepte, die den Frieden durch das positive Recht, und nicht mehr durch gottgegebene Regeln gewährleisten wollten, kamen erstmals in der Reformationszeit auf. 27 In der Epoche der Aufklärung, insbesondere im 18. Jahrhundert 28 , entstand eine Vielzahl von Friedensprojekten, die versuchten, die theoretische Verbindung von Recht und Gerechtigkeit, die durch die Säkularisierung des Rechts verloren gegangen war, wieder herzustellen. 29 Es gab also eine Tradition, an die Kant anschließen konnte. In der Friedensdiskussion der Aufklärung machen Anita und Walter Dietze drei ideologische Grundpositionen aus: die bürgerlich-republikanische, der insbesondere Kant zuzurechnen ist, aber auch seine Schüler Fries und Stäudlin, des weiteren der Wittenberger Rechtslehrer Zachariä, unter den literarischen Vertretern Herder, Klopstock und Wieland 3o , die konservativ-klerikale, beispielsweise bei Gentz und Novalis sowie die jakobinischdemokratische, repräsentiert etwa durch Hennings, Heynig, den Kant-Schüler Görres, Schlegel und Fichte. 31 Zahlreiche Ansätze des Kantschen Friedensmodells lassen sich auf die politische Theorie vor Kant zurückverfolgen. So hatte schon Erasmus von Rotterdam in den Querela pacis vorgeschlagen, die Kriegführung an die 5. April 1795 zwischen Preußen und der Französischen Republik geschlossenen sogenannten ,Basler Friedens'.", sind in Anbetracht der erhaltenen Vorarbeiten, die auf eine erheblich frühere Entstehung der Gedanken Kants - auch in der Formulierung, die in weiten Teilen in der Endfassung beibehalten wurde - hinweisen, nicht haltbar. 25 So auch Klemme, Einleitung, S. XI. Er vermutet allerdings, Kant habe für die Veröffentlichung das Kriegsende abgewartet, um nicht mit der Zensur in Konflikt zu geraten, a. a. 0., S. XII. 26 Vgl. Höffe, Der Friede - ein vernachlässigtes Ideal, S. 13. Nach M. C. Nussbaum, Kant und stoisches Weltbürgertum, S. 49, haben sich diese Ideen, insbesondere in der Frage des Weltbürgertums, auch auf die Philosophie Kants ausgewirkt. 27 Vgl. Merle, Zur Geschichte des Friedensbegriffs vor Kant, S. 34. 28 Vgl. Cavallar, Pax Kantiana, S. 26. Dann, Die Friedensdiskussion der deutschen Gebildeten, S. 101, spricht von "einer typischen Erscheinung des 18. Jahrhunderts". 29 Vgl. Matz, Realistische und utopistische Friedensmodelle in historischer Perspektive, S. 102. 30 Grab, Zwischen Obrigkeitsgehorsam und Revolutionsbejahung, S. 27, zählt zu dieser Strömung auch noch Goethe und Schiller; zu diesen einschränkend Dietzel Dietze, Ewiger Friede?, S. 513f. 31 Dietze/Dietze, Ewiger Friede?, S. 513 f.

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B. Zur Entstehungsgeschichte der Friedensschrift

Zustimmung des Volkes zu binden. 32 Wie vor ihm Grotius will Kant durch den Friedensvertrag nicht nur einen Krieg beenden, sondern auch dessen Ursachen ausräumen. 33 Mit Hobbes hat Kant den Gedanken des Naturzustandes gemeinsam34 , wenn sich auch die Vorstellungen bei der Philosophen nicht vollständig decken. 35 Parallelen zum "Projet pour rendre la Paix Perpetuelle en Europe" des AbM de Saint-Pierre finden sich im Bereich der Präliminarartikel. 36 Die von Montesquieu vorgeschlagene Gewaltenteilung ist auch Bestandteil der republikanischen Verfassung, die Kant im ersten Definitivartikel der Friedensschrift entwickelt. 37 Insbesondere die Philosophie Rousseaus soll Kants Denken nachhaltig beeinflußt haben?8 Hier ist an erster Stelle die Idee des ursprünglichen Vertrages zu nennen, die in enger Verbindung zu Rousseaus Theorie des Contract social als Grundlage des Staates steht. Die Wirkung Rousseaus im persönlichen Bereich läßt sich schon an Äußerlichkeiten ablesen 39 : So wird berichtet, ein Bild Rousseaus sei der einzige Wandschmuck im Hause Kants gewesen40 , dessen Wände sonst nicht einmal Tapeten bedeckt hätten. 41 Häufig setzt sich Kant offen mit den Theorien seiner Vorgänger auseinander. In vielen Fällen hat er die Ergebnisse übernommen, ihnen aber eine neue Begründung auf der Basis seiner kritischen Philosophie gegeben. 32 Vgl. Kersting, "Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein", S. 96. 33 Vgl. Merle, Zur Geschichte des Friedensbegriffs vor Kant, S. 36. Vgl. auch Höffe, Immanuel Kant, S. 210. 34 Vgl. Höffe, Immanuel Kant, S. 210. 35 Vgl. Borries, Kant als Politiker, S. 222. 36 Ungewiß ist, ob Kant die Vorschläge Staint-Pierres unmittelbar aus dessen Schriften oder aus dem Extrait Rousseaus von 1761 kannte, vgl. Vorländer, Kant und der Gedanke des Völkerbundes, S. 12ff.; Freudenberg, Kants Lehre vom ewigen Frieden und ihre Bedeutung für die Friedensforschung, S. 180f. 37 Vorländer, Kant und der Gedanke des Völkerbundes, S. 14, berichtet, Kant habe schon früh in seinen Vorlesungen auf Montesquieus "De I'Esprit des Lois" hingewiesen. 38 Vgl. DelVecchio, Die Tatsache des Krieges und der Friedensgedanke, S. 51; Duguit, Jean-Jacques Rousseau, Kant et Hegel, S. 197; E. Brunner, Kants Schrift "Vom ewigen Frieden", S. 35; Bruns, Kant et I'Europe, S. 29ff.; Covell, Kant and the Law of Peace, S. 47; Hoor, Das Völkerrecht bei Kant, Fichte und Hegel, S. 85; Williams, Kant's Political Philosophy, S. 257. Nach Gooch, Germany and the French Revolution, S. 261, soll das Interesse Kants an Politik vor allem durch die Schriften Rousseaus geweckt worden sein. 39 Über der Lektüre von Emile soll Kant einmal seinen gewohnten Nachmittagsspaziergang vergessen haben, so Reiss, Kants politisches Denken, S. 12. Dasselbe wird allerdings auch vom Sturm auf die Bastille berichtet, vgl. Vlachos, La pensee politique de Kant, S. 526, weshalb solche Annekdoten wenig verläßlich erscheinen. 40 Vgl. Höffe, Immanuel Kant, S. 30; Reiss, Kants politisches Denken, S. 12. 41 Vgl. Schultz, Kant, S. 67.

11. Philosophischer Kontext

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Zudem schließt er auch terminologisch an seine Vorgänger an, wenn auch die Definitionen der Begriffe vor dem Hintergrund seines Ansatzes vielfach eine neue Richtung erhalten. Schließlich muß "Zum ewigen Frieden" auch im Zusammenhang mit anderen Schriften Kants zur politischen Philosophie und zur Geschichtsphilosophie gesehen werden. 42 Viele Ansätze lassen sich nur vor dem systematischen Hintergrund erfassen, den Kant schon vorher entwickelt hat. 43 Zum Teil konkretisiert die Friedensschrift Gedanken, die schon in früheren Schriften enthalten sind. 44 Bedeutung für das Verständnis der Friedensschrift haben insbesondere "Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht" (1784), "Grundlegung zur Metaphysik der Sitten" (1785) und "Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis" (1793), daneben auch "Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft" (1793). Spätere Schriften Kants können ebenfalls zur Interpretation herangezogen werden: Überlagert sich doch die Zeit ihrer Entstehung mit der der Friedensschrift. So hatte Kant beispielsweise den ersten Abschnitt von "Der Streit der Facultäten" (1798) schon 1794 geschrieben. 45 Auch die Wirkungs geschichte der Friedensschrift kann nicht isoliert betrachtet werden. Spätestens seit im Jahre 1797 "Die Metaphysik der Sitten" erschienen war, bezogen sich Äußerungen zum Friedensdenken Kants zumeist auf das gesamte Kantsche Friedenskonzept, und nicht nur auf die Friedensschrift. Die Wirkung beider Schriften läßt sich daher, mit Ausnahme der nur in der einen oder der anderen Schrift behandelten Fragen, nicht getrennt untersuchen.

42 Vgl. Fried, Handbuch der Friedensbewegung, S. 41; Ter Meulen, Der Gedanke der Internationalen Organisation in seiner Entwicklung, Band I, S. 314; Nagl-Docekai, Immanuel Kants Philosophie des Friedens, S. 55; Zahn, Kants Theorie des Friedens, S. 510; Archibugi/Voltaggio, Filosofi per la pace, S. XLVI. 43 Vgl. Bourke, Kant's Doctrine of ..Perpetual Peace", S. 327; Lucas, Geschichte, Krieg und Frieden bei Kant und Hegel, S. 248. 44 Vgl. Foerster, Europa. Geschichte einer politischen Idee, S. 214; Nagl-Docekai, Immanue1 Kants Philosophie des Friedens, S. 55. 45 Vgl. Vlachos, La pensee politique de Kant, S. 188.

c. Eine Interpretation der Friedensschrift Die Interpretation verfolgt das Ziel, ein kontingentes Bild der Gedanken Kants zu entwerfen, um die Frage nach der Wirkung und den Wirkungsmöglichkeiten der Friedensschrift im Völkerrecht beantworten zu können. Da nicht in allen Punkten mit Sicherheit ermittelt werden kann, welche Auffassung Kant vertrat, stellt die vorgelegte Interpretation nur eine mögliche Deutung dar. Abweichende Ansichten sind daher nicht notwendig unzutreffend; Interpretationen zu einzelnen Fragen, die nicht mit dem Gesamtbild in Einklang stehen, lassen sich gleichwohl ausgrenzen.

I. Die Friedensschrift als Ganzes 1. Überblick über die Friedensschrift

Die Schrift "Zum ewigen Frieden" gliedert sich zunächst in zwei Abschnitte, die die sogenannten Präliminarartikel und Definitivartikel enthalten. Dem folgen ein erster und ein erst in der zweiten Auflage von 1796 angefügter zweiter Zusatz, schließlich ein zweiteiliger Anhang. Schon aus der Bezeichnung als "Definitivartikel" geht hervor, daß es sich um die entscheidenden Bedingungen des Friedens handelt. Merkmal des Friedens ist für Kant die Herrschaft des Rechts. In diesem Abschnitt entwirft Kant das ideale Modell des Friedens durch Recht aus Vernunftprinzipien. Die den Definitivartikeln vorangestellten Präliminarartikel stellen Vorbedingungen dieses idealen Friedenszustands dar. Sie müssen - teils als begriffslogische, teils als tatsächliche Voraussetzungen - erfüllt sein, damit ein Frieden durch Recht überhaupt möglich ist. Im ersten Zusatz "Von der Garantie des ewigen Friedens" zeigt Kant an seinem schon in früheren Schriften entwickelten geschichtsphilosophischen Modell auf, daß der von der Vernunft geforderte Friede auch praktisch möglich ist. Der zweite Zusatz und der Anhang schließlich thematisieren die Frage, wie die Bestimmung der konkreten Inhalte der Politik durch die philosophischen Ideen erfolgen soll. Während es im zweiten Zusatz, "Geheimer Artikel zum ewigen Frieden" um die formelle Frage des Verhältnisses der Phi-

I. Die Friedensschrift als Ganzes

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losophie zur politischen Macht geht, behandelt der Anhang das materielle Problem der Beziehung von Politik und Moral.

2. Die Form der Friedensschrift

Für rege Diskussion in der Literatur sorgt die Form der Friedensschrift. Sie erinnert in ihrem Aufbau an einen Friedensvertrag. Zur Zeit Kants sollen Friedensverträge eben diese Gliederung aufgewiesen haben. I Welche Intentionen Kant damit verband, ist umstritten. Zum Teil wird die Friedensschrift als hypothetischer Vertrag angesehen. 2 von Raumer meint, in der Wahl der Vertragsform solle der Wille zur Verwirklichung zum Ausdruck kommen. 3 Das würde insbesondere gut zum Geheimen Artikel passen: Die Friedensschrift wäre dann ein Vorschlag des Philosophen an die Politik. Dagegen spricht aber, daß die Friedensschrift in weiten Teilen, vor allem im ersten Zusatz, aus theoretischen Erwägungen besteht, die Kant, hätte er eine konkrete Handlungsanweisung für die Politik geben wollen, wohl allenfalls in einer Fußnote angedeutet hätte. Mit der Gliederung eines Friedensvertrages in Präliminar- und Definitivfrieden stimmt allerdings die Aufteilung der Funktionen von Präliminar- und Definitivartikeln überein. Die Erfüllung der Präliminarartikel führt zu einem Zustand, der den definitiven Friedensschluß erst ermöglicht. 4 I Vgl. Schlief, Der Friede in Europa, S. 119; Fried, Handbuch der Friedensbewegung, S. 42; Höffe, Der Friede - ein vernachlässigtes Ideal, S. 7; Jaspers, Kant "Zum ewigen Frieden", S. 205; Patzig, Kants Schrift "Zum ewigen Frieden", S. 17. Nach Schlochauer, Die Idee des ewigen Friedens, S. 26, soll gerade der Baseler Friedensvertrag denselben Aufbau wie die Friedensschrift gezeigt haben. Von einer solchen Gliederung findet sich im Vertrag, abgedruckt bei Martens, Recueil des principaux Traites d' Alliance, de Paix, de Treve, de Neutralite, de commerce, de limites, d'echange etc., Band 6, Göttingen 1800, S. 495ff., aber nicht einmal eine Andeutung, und auch inhaltlich ist eine Aufteilung in Vor- und Hauptfrieden im Baseler Frieden nicht ersichtlich. Zu Recht wendet sich daher Ipsen, Ius gentium ius pacis, S. 292, gegen die These, Kant habe mit der Form des Friedensvertrages auf den Baseler Frieden angespielt. Darüber hinaus weist Ipsen darauf hin, daß auch andere Friedensverträge wie etwa der Westfälische Frieden und der Frieden von Hubertusburg keine Gliederung in Präliminar- und Definitivartikel aufweisen. 2 Archibugi/Voltaggio, Filosofi per la pace, S. XLVI; Covell, Kant, die liberale Theorie der Gerechtigkeit und die Weltordnung, S. 365. 3 von Raumer, Ewiger Friede, S. 163. Vgl. auch Rogge, Kants "Entwurf zum ewigen Frieden", S. 84. 4 Nach Zwilling, Immanuel Kant, S. 139, handelt es sich um einen "Doppelfriedensvertrag", der damals üblich gewesen sei: Der vorläufigen Regelung der Streithandlungen in Präliminarartikeln folgt die Einigung über die streitigen Punkte in Definitivartikeln. Diese Begriffe waren noch im Völkerrecht zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebräuchlich; vgl. etwa von Ullmann, Völkerrecht, Band 3, S. 541; Quaritsch/Goesch, Völkerrecht und auswärtige Politik, S. 181.

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

Andere Autoren gehen davon aus, Kant habe die Friedensverträge seiner Zeit parodieren wollen. 5 Dafür spricht auch die sonst in der Friedensschrift anzutreffende Kritik an der politischen Realität, deren zum Teil ironischer Unterton - etwa in der Vorrede oder im Geheimen Artikel - nicht zu übersehen ist. Wood sieht in der Gliederung eine Anspielung auf Saint-Pierres Schrift "Projet pour rendre la Paix Perpetuelle en Europe".6 Zwar bestehen inhaltliche Parallelen zwischen den Präliminarartikeln Kants und der Abhandlung Saint-Pierres, der einen konkreten Friedensvertrag der europäischen Staaten vorschlug. Darüber hinaus sind die Gedanken Saint-Pierres für das Friedenskonzept Kants jedoch keinesfalls so bedeutend, daß Kant Grund zu einer solchen Anspielung gehabt hätte. 3. Titel und Vorrede

Besondere Beachtung verlangt der Titel "Zum ewigen Frieden". Hier sind mehrere Deutungen möglich. Einerseits kann es sich lediglich um einen Zusatz zur Überschrift handeln, wie wenn es etwa heißen sollte ,Abhandlung zum Thema ewiger Friede'. Andererseits kann mit "zum" auch eine Entwicklung angedeutet werden, nämlich die der Geschichte in Richtung auf den ewigen Frieden. 7 Schließlich paßt der Titel auch noch zu dem in der Vorrede erwähnten Wirtshaus "Zum ewigen Frieden".8 Interessant sind in diesem Zusammenhang die unterschiedlichen Übersetzungen, im Englischen etwa "Toward Etemal Peace,,9, "Thoughts on Perpetual Peace"lO, "Conceming Etemal Peace" I I , oder nur "Etemal Peace,,12 5 Gulyga, Immanuel Kant, S. 276; Zickendraht, Kants Gedanken über Krieg und Frieden, S. 17. 6 Wood, Kants Entwurf für einen ewigen Frieden, S. 69. 7 Weil, Problemes Kantiens, S. 132; Sauer, System des Völkerrechts, S. 280. 8 Sauer, System des Völkerrechts, S. 280, meint, daraus ableiten zu können, den Frieden als Zuhause ansehen zu sollen. Dafür bietet der übrige Text zwar keine Anhaltspunkte, aber auch keine Gegenargumente. 9 Schwarz, Principles of Lawful Politics, S. 9. Über die Übersetzung der Friedensschrift schreibt er aber "The Etemal Peace", weil so die im Englischen übliche Form für die Bezeichnung eines Wirtshauses lauten müsse, a. a. 0., S. 41. Aus demselben Grund schlägt Gallie, Philosophers of Peace and War, S. 144, EN. I zu S. 8, "At Etemal Peace" vor; er hält aber auch "Towards ... " oder "Conceming ... " für möglich. 10 Hinsley, Power and the Pursuit of Peace, S. 62. Scott, The Hague Peace Conferences, Band I, S. 689; Claude, Swords into Plowshares, S. 51, und Williams, Kant's Political Philosophy, S. 12, sprechen von Kants "essay on ,Perpetual Peace"'. 11 Gerwin, Kant and the Idea of the Society of Nations, S. 525.

I. Die Friedensschrift als Ganzes

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oder "Perpetual Peace"J3, im Italienischen "Per la pace perpetua" I 4, im Französischen "Pour la paix perpetuelle,,15, "De la paix perpetuelle'd6 und "Projet de paix perpetuelle"l7. Diesen Übersetzungen liegen die drei genannten Interpretationsvarianten zugrunde. Eine Entscheidung für eine der Deutungen ist gleichwohl überflüssig: Kann es einen geeigneteren Titel geben als einen solchen, der all dies gleichzeitig auszudrücken vermag? Der Titel ist auch im Zusammenhang mit der Vorrede zu sehen, in der Kant ein Wirtshaus "Zum ewigen Frieden" beschreibt, auf dessen Schild ein Friedhof abgebildet ist. Das Bild vom Kirchhof hat seine literarische Vorgeschichte in der Einleitung zu Leibnitz "Codex juris gentium diplomaticus".18 Kant spielt damit - mit einem Unterton, der durchaus als zynisch l9 bezeichnet werden kann - auf den ewigen Frieden an, der auch erreicht wird, wenn die Kriege immer weiter fortgesetzt werden, dann aber als Friedhofsruhe. Darin kann eine Mahnung an die Politik gesehen werden. In diesem Zusammenhang sei noch einmal auf die englischen Übersetzungen hingewiesen, die entweder - eher an die Friedhofsruhe erinnernd - von "eternal peace" oder - bezogen auf den Prozeß der Entwicklung in Richtung auf den ewigen Frieden - von "perpetual peace" sprechen. Unmittelbar nach der Warnung an die Machthaber wird die Wirkung des Zensurkonflikts in Gestalt der "Clausula salvatoria" deutlich. Kant argumentiert ironisch, wenn der Staatsmann die philosophischen Äußerungen ohnehin nicht für beachtlich halte, sei es konsequent, daß er den Philosophen dafür nicht belangen könne. 12 Waltz, Kant, Liberalism, and War, S. 331; Wright, A Study of War, S. 263, FN.33. 13 Beitz, Political Theory and International Relations, S. 82; Gallie, Philosophers of Peace and War, S. 8; Armstrong, Kant's Philosophy of Peace and War, S. 203; Pogge, Kant's Theory of lustice, S. 407; Covell, Kant and the Law of Peace, S. 1; Petersmann, How to Constitutionalize the Uni ted Nations?, S. 315. 14 Archibugi/Voltaggio, Filosofi per la pace, S. 237; Bobbio, 11 problema della guerra e le vie della pace, S. 140. 15 Weil, Problemes Kantiens, S. 132, begründet das damit, daß die Entwicklung in Richtung auf den Frieden ausgedrückt werden solle. Er hält aber auch andere Deutungen für möglich. 16 Declareuil, Kant, Le Droit Public et la Societe des Nations, S. 114. 17 Bruns, Kant et l'Europe, S. 105. 18 Vgl. von Stengel, Weltstaat und Friedensproblem, S. 19; Valentin, Geschichte des Völkerbundgedankens in Deutschland, S. 25; Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf "Zum ewigen Frieden", S. 35. 19 Die Friedensschrift kann gleichwohl nicht als "Satire" an die Adresse der Staatsoberhäupter verstanden werden, wie Fehrenbach, Nie wieder Krieg - bis zum nächsten Mal, S. 49, meint. Aus der zum Teil ironischen Darstellung läßt sich nicht auf einen satirischen Charakter der Abhandlung im Ganzen schließen, was schon aus dem überwiegend ernsthaft gefaßten Text folgt.

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

Auch der Untertitel "Ein philosophischer Entwurf von Immanuel Kant" ist in seiner Bedeutung umstritten. Eine Ansicht legt die Betonung auf das Wort "philosopisch". Es handle sich um einen philosophischen, und eben nicht um einen juristischen Entwurf. Darin komme zum Ausdruck, daß Kants Friedensmodell auf der Idee des ursprünglichen Vertrages beruhe. 2o Nach einer anderen Interpretation soll gemeint sein, es handle sich um eine theoretische Untersuchung frei von Empirie. 21 Beiden Ansichten ist gemeinsam, daß sie "philosophisch" in dem Sinne verstehen, daß kein konkret umsetzungsfähiges Konzept vorgeschlagen, sondern ein abstraktes Ziel vorgestellt wird. Die Bezeichnung "philosophisch" läßt noch eine andere Deutung zu. Im Kontext der "Clausula salvatoria" läßt sich das Attribut "philosophisch" als Versicherung gegen die Zensur begreifen. Über die Bedeutung des Wortes "Entwurf' besteht ebenfalls Uneinigkeit. Nach Freudenberg meint "Entwurf' einen Plan der Vernunft. 22 Ähnlich äußert sich Saner: Ein Entwurf sei das "Erdenken einer möglichen Wirklichkeit aus transzendentalen Prinzipien a priori,m. Tes6n und Brunner vermuten, es solle der programmatische Charakter betont werden. 24 Dann handelte es sich doch um konkrete Vorschläge. Nach Lucas soll durch die Bezeichnung der Friedensschrift als "Entwurf' die Vorläufigkeit des Textes ausgedrückt werden, eine Skepsis des Autors hinsichtlich der Thematik. 25 Diese Interpretation trifft freilich nur die geschichtsphilosophischen Prognosen Kants im ersten Zusatz; Vernunftprinzipien kommt demgegenüber zeitlose Gültigkeit zu. 11. Die Präliminarartikel

Im ersten Abschnitt, der die Präliminarartikel enthält, stellt Kant Voraussetzungen dafür auf, daß ein den Frieden sicherndes Recht entstehen kann. Mit Schmidt lassen sich die Präliminarartikel als notwendige Voraussetzungen, die Definitivartikel als die hinreichenden Bedingungen des Friedens bezeichnen. 26 Die Präliminarartikel verbieten in der Politik praktizierte Handlungen?7 Zum Teil lassen sie sich als Kritik an der Politik des 18. Geismann, Kants Lehre vom Weltfrieden, S. 368. Cavallar, Pax Kantiana, S. 12. 22 Freudenberg; Kants Schrift "Zum ewigen Frieden", S. 69; ähnlich Gulyga, Immanuel Kant, S. 276. 23 Saner, Die negativen Bedingungen des Friedens, S. 45; ähnlich auch Cavallar, Pax Kantiana, S. 12. 24 Tes6n, The Kantian Theory of International Law, S. 57; E. Brunner, Kants Schrift "Vom ewigen Frieden", S. 29 f. 2S Lucas, Geschichte, Krieg und Frieden bei Kant und Hegel, S. 247. 26 H. Schmidt, Ein bedenkenswertes Jubiläum, S. 19. 20 21

11. Die Präliminarartikel

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Jahrhunderts 28 , insbesondere der Außenpolitik der absolutistischen Staaten 29 deuten. Meist wendet sich Kant jedoch gegen Verhaltensweisen, die bis heute in der politischen Praxis vorzufindenden sind. 3D So ist es nicht verwunderlich, daß Beutin zu dem Ergebnis kommt, die Präliminarartikel wiesen konkreten geschichtlichen Bezug auf. 3l Die Präliminarartikel sind nicht als abschließende Regelung angelegt, wie wenn sie aus einem Vollständigkeit garantierenden Prinzip abgeleitet wären. 32 Da sie sich an der historisch entstandenen politischen Wirklichkeit orientieren, erscheinen sie vom Standpunkt einer theoretischen Begründung als zufällig. Das Ergebnis der Präliminarartikel ist ein "negativer Frieden,,33: Der dauerhafte Friede rückt in den Bereich des Möglichen, weil ein politisches Klima für auf Frieden gerichtete Verhandlungen entsteht. 34 Die Anzahl der Kriege nimmt allmählich ab?5 Ob dafür eine "Umwertung der Moralbegriffe der Staaten" erforderlich ist, wie Fried meint, ohne die keine ehrlichen Verträge möglich seien 36 , ist allerdings fragwürdig. Könnte nicht auch die Einsicht ausreichen, daß völkerrechtliche Verträge ohne die Anerkennung der Völkerrechtspersönlichkeit der anderen Staaten begrifflich nicht möglich sind?37 Insbesondere im zweiten und fünften Präliminarartikel findet dieser Zusammenhang seinen Niederschlag: Es ist nicht denkbar, mit anderen als Rechtssubjekten Verträge zu schließen, wenn man zugleich über sie als Rechtsobjekte disponiert oder ihre Willensbildung steuert. Die Einhaltung dieser Präliminarartikel ist schon aus begrifflichen Gründen Voraussetzung der Realisierbarkeit der Definitivartikel. 38 27 So auch C. J. Friedrich, Die Ideen der Charta der Vereinten Nationen, S. 75; Schwarz, Kant's Philosophy of Law and International Peace, S. 75; Brandt, Historisch-kritische Beobachtungen zu Kants Friedensschrift, S. 33. 28 Vgl. von Bloch, Der Krieg, Band 5, S. 20; von Raumer, Ewiger Friede, S. 170; Dann, Die Friedensdiskussion der deutschen Gebildeten, S. 114. 29 Vgl. Lutz-Bachmann, Kants Friedensidee und das rechtsphilosophische Konzept einer Weltrepublik, S. 31. 30 Vgl. Vorländer, Einleitung, S. XXXVI; Cavallar, Pax Kantiana, S. 103; Zwilling, Immanuel Kant, S. 140. 31 Beutin, Kants Schrift "Zum ewigen Frieden", S. 112ff. 32 Vgl. Klemme, Einleitung, S. XXXVII; San er, Die negativen Bedingungen des Friedens, S. 49. 33 Vgl. Schrader, Die Europäische Union - "Völkerbund" oder "Universalmonarchie"?, S. 90. 34 Vgl. Bourke, Kant's Doctrine of "Perpetual Peace", S. 330; Carson, Perpetual Peace: Wh at Kant should have said, S. 174. 35 Vgl. Bötte, Kant und der Krieg, S. 47; Schultz, Kant, S. 67. 36 Fried, Handbuch der Friedensbewegung, S. 43. 37 Vgl. auch Geismann, Kants Rechtslehre vom Weltfrieden, S. 369, und Zwilling, Immanuel Kant, S. 141, die die Aufgabe der Präliminarartikel gerade in der Anerkennung der Völkerrechtspersönlichkeit sehen.

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

Anwendung finden die Präliminarartikel im Naturzustand. 39 Im Naturzustand kann es zwar Recht geben; es wird aber nicht durch eine öffentliche Zwangs gewalt gewährleistet. Adressat der Präliminarartikel sind die "Machthabenden,,4o, eben jene politischen Akteure, die sich, wie Kant in der Vorrede anmerkt, ohnehin nicht um die Ansichten der Philosophen kümmern. 41 1. Der erste Präliminarartikel "Es soll kein Friedensschluß für einen solchen gelten, der mit dem geheimen Vorbehalt des Stoffs zu einem künftigen Kriege gemacht worden."

Der erste Präliminarartikel enthält zunächst die Definition des Friedensbegriffs. Der Friede ist ein dauerhafter Zustand der Gewaltlosigkeit, "das Ende aller Hostilitäten", nicht nur ein Waffenstillstand. Daher spricht Kant von dem Attribut "ewig" als einem Pleonasmus. Wie ein solcher dauerhafter Zustand gestaltet sein muß, ist Gegenstand der Definitivartikel. Der erste Präliminarartikel beschäftigt sich mit den Anforderungen, die sich aus diesem Friedensbegriff für den Friedensvertrag ergeben. Er muß eine Einigung über alle potentiellen Konflikte enthalten. Zum einen heißt das, die Parteien müssen sich über alle streitigen Rechtsfragen einigen, nicht nur über den konkreten Punkt, der zum Krieg geführt hat. 42 Schon Grotius wollte durch den Friedensvertrag nicht nur den Krieg beenden, sondern auch dessen Ursachen ausräumen. 43 Kant betont, daß auch die den Vertragsparteien noch nicht bewußten Konfliktursachen beseitigt werden müßten. Sonst bestehe die Möglichkeit, daß der Friedensschluß einen geheimen Vorbehalt enthalte, im Falle, daß sich noch Konflikte zeigten, diese wieder mit Gewalt auszutragen. Ein solcher Vorbehalt gehört für Kant zur "J~uitenkasuistik", wie er polemisch die Tätigkeit der Juristen nennt44 . Insbesondere zur Zeit des Absolutismus erfreute sich diese Methode großer Beliebtheit. Nahezu immer fand sich in irgendeinem Archiv ein Dokument, mit dem bewiesen werden konnte, daß das begehrte Stück Land irgendwann einmal zum Besitz der Familie des Fürsten zählte, der nun Anspruch darauf erhob. Frankreich brachte es unter Louis XIV. so auf einen beträchtlichen Gebietszuwachs. 45 Vgl. Gallie, Philosophers of Peace and War, S. 10. Vgl. Hancock, Kant on War and Peace, S. 670. 40 Zum ewigen Frieden, VIII, S. 347 (17). 41 Vgl. Höffe, Der Friede - ein vernachlässigtes Ideal, S. 9. 42 Vgl. Fichte, Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf von Immanuel Kant, S. 428. 43 Vgl. Merle, Zur Geschichte des Friedensbegriffs vor Kant, S. 36. 44 Vgl. Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf "Zum ewigen Frieden", S. 44. 38

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11. Die Präliminarartikel

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Rechtstechnisch kann man sich das Venneiden solcher geheimen Vorbehalte auf zwei Arten verwirklicht denken: Entweder erfolgt ein gegenseitiger Forderungsverzicht oder es wird ein Verfahren geschaffen, um künftige Konflikte gewaltfrei zu lösen. Da Kant nur von den Friedenschließenden noch nicht bekannten, aber bei Vertragsschluß bereits vorhandenen Kriegsursachen spricht, nicht auch von künftigen Ursachen, bei denen ein vorbehaltsloser Verzicht im voraus kaum denkbar erscheint, weil jede Seite für sich das Recht in Anspruch nehmen wird, in besonderen Fällen dennoch einen Anspruch geltend zu machen, sind insoweit beide Lösungen denkbar. Die Fonnulierung, die Ursachen zu einem künftigen Kriege müßten "vernichtet" werden, legt nahe, daß Kant an die erste Möglichkeit gedacht haben könnte. Schon in den Vorarbeiten fonnulierte Kant: ,,[ ... ] Keine alte Ansprüche reservieren,,46. Dann ist zu fragen, ob ein Anspruch noch als vorbehalten anzusehen ist, wenn auf ihn zwar nicht verzichtet, aber ein Verfahren zur Feststellung seiner Begründetheit vereinbart wurde. Hiergegen könnte sprechen, daß die Präliminarartikel noch von einem Naturzustand zwischen den Staaten ausgehen, so daß die Durchsetzung von Ergebnissen eines Verfahrens zur Streitbeilegung nicht gesichert wäre. Andererseits wäre, wenn die Staaten vereinbart hätten, sich auf politische und rechtliche Mittel zur Änderung bestehender Zustände beschränken zu wollen, der Rückgriff auf Gewalt wiederum nur aufgrund einer reservatio mentalis denkbar. Der Friedensvertrag ist auch ehrlich, wenn er nicht alle Sachfragen abschließend klärt, sondern ein Verfahren zu ihrer Klärung festlegt. Entscheidend ist danach nur, daß zu jeder Frage eine Regelung getroffen wird, sei sie nun prozeduraler oder materieller Natur. Wenn auch aus der Fonnulierung nicht eindeutig auf eine der Interpretationsalternativen geschlossen werden kann, so ergibt sich jedenfalls aus der Begründung des ersten Präliminarartikels, daß die Einigung über ein Streitbeilegungsverfahren ausreicht. Diese These wird zusätzlich durch die - von Kant nicht vorgetragene Überlegung gestützt, daß hinsichtlich künftiger Ansprüche nur diese zweite Lösung denkbar ist. Der erste Präliminarartikel fordert demnach nicht eine bedingungslose Anerkennung des Status quo, wie Cavallar meint47 . Vielmehr muß nur der Gewaltverzicht bedingungslos sein. Vor allem in einigen nach dem Ersten Weltkrieg entstandenen Interpretationen der Friedensschrift wird behauptet, aus dem ersten Präliminarartikel 45 Vgl. Meyer, Geschichte Frankreichs, Band 3, S. 329f. Vgl. auch Cavallar, Pax Kantiana, S. 110. 46 Vorarbeiten zu Zum ewigen Frieden, X, S. 155 (5 f.). 47 Cavallar, Pax Kantiana, S. 105; gegen ihn zu Recht Saner, Die negativen Bedingungen des Friedens, S. 51.

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c.

Eine Interpretation der Friedensschrift

ergebe sich, daß im Rahmen der Verhandlungen zum Abschluß eines Friedensvertrages und in den Bestimmungen des Vertrages selbst die Frage der Kriegsschuld keine Rolle spielen dürfe. 48 Das Amnestieprinzip lag regelmäßig den Friedensverträgen zur Zeit Kants zugrunde. 49 Daß die Frage nach der Kriegsschuld nicht gestellt werden darf, geht aber nicht zwingend aus der Begründung des ersten Präliminarartikels hervor. Zwar hat sich in der Geschichte herausgestellt, daß beispielsweise die mit der Kriegsschuld begründete Verpflichtung zur Leistung von Reparationszahlungen neue Konflikte hervorrufen kann. Auf ökonomische oder soziologische Zusammenhänge zielt der erste Präliminarartikel jedoch nicht ab. Wenn ein Friedensvertrag vorsieht, daß die eine Seite gegen die andere einen Anspruch hat, so handelt es sich dabei nicht um einen geheimen Vorbehalt. Dieser Anspruch kann daher, wenn er nicht wiederum nur unter einem geheimen Vorbehalt anerkannt wurde, gar kein Stoff zu einem künftigen Konflikt sein. Auf die Vereinbarung einer Reparationszahlung kann allerdings kein Anspruch bestehen, wenn es über den Staaten keine Rechtsordnung gibt, der die Zuweisung der Kriegsschuld entnommen werden könnte. Die Argumentation gegen die Frage nach der Kriegsschuld ist systematisch nicht dem ersten Präliminarartikel, sondern der Theorie der Rechtsentstehung durch einen ursprünglichen Vertrag als Ausgang aus dem Naturzustand zuzuordnen. 50 Die Begründung einer Kriegsschuld ist daher nur möglich, wenn zwischen den Krieg führenden Staaten ein Kriegsverbot vereinbart war. Die Forderung des ersten Präliminarartikels ergibt sich schon aus dem von Kant zugrunde gelegten Begriff des Friedensvertrages. 51 Nicht erforderlich ist dagegen eine bestimmte moralische Haltung der Parteien. 52 Auf die Moral stellt zwar die Formulierung Kants ab, solche Vorbehalte seien "unter der Würde des Regenten". Die Würde ergibt sich für Kant aus der Fähigkeit eines jeden vernünftigen Wesens, nur den Gesetzen zu gehorchen, 48 Ebbinghaus, Kants Lehre vom ewigen Frieden und die Kriegsschuldfrage, S. 27f.; Rogge, Kants "Entwurf zum Ewigen Frieden", S. 103. 49 Vgl. Grewe, Frieden durch Recht?, S. 10. 50 Diese korrekte Begründung der These, die Frage nach der Kriegsschuld dürfe nicht gestellt werden, findet sich bei Kratzer, Kant und der Krieg, S. 157. 51 So auch Saner, Die negativen Bedingungen des Friedens, S. 50. 52 Prutz, Die Friedensidee, S. 194, vertritt dagegen die Auffassung, der erste Präliminarartikel stelle Ansprüche an die Moral der Vertragschließenden. Das ist zwar bei einem sehr weit gefaßten Moralbegriff, der den Willen zur Bindung an das Recht beinhaltet, wenigstens kein Widerspruch zur Aussage des ersten Präliminarartikels. Die Begründung des ersten Präliminarartikels aus dem Begriff des Friedensvertrages macht aber die Bezugnahme auf eine bestimmte moralische Einstellung überflüssig.

II. Die Präliminarartikel

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die es zugleich selbst gibt. Daher entspricht es der Würde des Regenten, sich an die geschlossene Vereinbarung zu halten. Aus Kants Begründung, man müsse die Sache beurteilen, wie sie an sich selbst sei, ergibt sich allerdings, daß der erste Präliminarartikel kein Gebot der Moral ist. Nach dem erkenntnistheoretischen Ansatz Kants ist zu unterscheiden zwischen dem Ding an sich53 und dem, was wir als Objekt der sinnlichen Wahrnehmung erkennen. Freilich muß man sich das Ding an sich immer hinzudenken, "Denn sonst würde der ungereimte Satz daraus folgen, daß Erscheinung ohne etwas wäre, was da erscheint,,54. Mit der Bezugnahme auf das Ding an sich als hinter der sichtbaren Realität der konkreten Vertragsurkunde stehendes Prinzip aller Verträge macht Kant deutlich, daß es ihm um das aus dem Begriff sich ergebende Wesen des Vertrages geht. Der Friedensvertrag erfordert eine vorbehaltlose Zustimmung unabhängig von seinem moralischen Gehalt. Das bedeutet nicht, daß das im ersten Präliminarartikel enthaltene Verbot nicht auch moralisch begründet werden kann; es ergibt sich aber auch ohne Bezugnahme auf die Moral. Seifert meint, Kant beziehe sich im ersten Präliminarartikel auf das naturrechtliche Gebot von Treu und Glauben. 55 Zwar mag dieses zu ähnlichen Konsequenzen führen. Mit der begriffslogischen Begründung des ersten Präliminarartikels ist die Bezugnahme auf das Naturrecht aber nicht zu vereinbaren. Schließlich bringt Kant noch eine Spitze gegen den sogenannten ,aufgeklärten Absolutismus', dessen Staatsklugheit darin bestehe, auf beständige Vergrößerung seiner Macht hinzuarbeiten. Es dürfte freilich zu weit gehen, den ersten Präliminarartikel als Kritik Kants am Baseler Frieden zu sehen. 56 Dagegen spricht, daß der erste Präliminarartikel bereits in den lange Zeit vor dem Baseler Frieden entstandenen Vorarbeiten enthalten ist. 57 Zudem ergibt sich der Inhalt aus Ansätzen, die Kant schon lange vor Ausbruch des Ersten Koalitionskrieges gegen Frankreich entwickelt hatte. 58

53 Über den Gebrauch des Begriffes "Ding an sich" vgl. Eisler, Kantlexikon, S. 93 ff. Vgl. auch Windel band, Allgemeine Geschichte der Philosopie, S. 526. 54 Vorrede zur 2. Auflage der Kritik der reinen Vernunft, III, S. 17 (5 ff.). 55 Seifert, Frieden und Transzendenz, S. 175. 56 So aber Fried, Handbuch der Friedensbewegung, S. 41. 57 Vorarbeiten zu Zum ewigen Frieden, X, S. 155 (5 f.). 58 Vgl. Armstrong, Kant's Philosophy of Peace and War, S. 197; von Raumer, Ewiger Friede, S. 152.

3 Hackel

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift 2. Der zweite Präliminarartikel

"Es soll kein für sich bestehender Staat (klein oder groß, das gilt hier gleichviel) von einem an dem Staate durch Erbung, Tausch, Kauf oder Schenkung erworben werden können."

Für Kant ist der Staat gekennzeichnet durch den ursprünglichen Vertrag. 59 Durch diesen Gesellschaftsvertrag unterwerfen sich die Menschen ihrem gemeinsamen Willen. Dabei handelt es sich nicht um ein historisches Ereignis, sondern um eine Idee 60 , die als dem Staat zugrundeliegend gedacht werden kann. 61 Die normative Selbstbestimmung leistet das Recht. 62 Der Staat ist daher, wie Kant betont, selbst eine moralische Person: Er besitzt die Fähigkeit, freie Entscheidungen zu treffen und sich aufgrund dieser der Moral gemäß zu verhalten. Als moralische Person darf der Staat nicht wie "eine Habe" instrumentalisiert werden. 63 Hier wirkt sich der kategorische Imperativ 64 aus: "Denn vernünftige Wesen stehen alle unter dem Gesetz, daß jedes derselben sich selbst und alle anderen niemals bloß als Mittel, sondern jederzeit zugleich als Zweck an sich selbst behandeln solle.,,65 Dieses Gesetz gilt auch für den Staat als moralische Person. Der Staat ist Subjekt, nicht Objekt. Der Herrscher ist nicht der Souverän, sondern er wird vom Souverän verpflichtet66 ; in den Worten Kants: "Der Staat erwirbt alsdann einen Regenten, nicht dieser als solcher [... ] den Staat. ,,67 Daraus ergibt sich, daß ein Staat nicht Gegenstand von Erbschaft, Tausch, Kauf oder Schenkung sein kann. Ein damals aktuelles Beispiel für die Behandlung eines Staates als Sache gaben die Teilungen Polens zwischen Preußen, Österreich und Rußland ab. Von daher war der zweite Präliminarartikel für Kant politisch heikel 68 , da die zweite Teilung Polens erst zwei Jahre zurücklag und eine dritte Teilung gerade erfolgt war. 59 Vgl. Ptleiderer, Die Idee des ewigen Friedens, S. 3; Hinsley, Power and the Pursuit of Peace, S. 64. 60 Eine "Idee" ist bei Kant ein Vernunftbegriff, den wir nicht in der Erfahrung vorfinden; vgl. Reiss, Kants politisches Denken, S. 35. Tuschling, Die Idee des Rechts, S. 104, zeigt, daß der ursprüngliche Vertrag nur eine Idee sein kann. 61 Vgl. Kersting, Wohl geordnete Freiheit, S. 231; Moog, Kants Ansichten über Krieg und Frieden, S. 82. 62 Vgl. Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf "Zum ewigen Frieden", S. 49. 63 Vgl. Batscha/Saage, Friedensutopien, S. 8; Cavallar, Pax Kantiana, S. 108; von Raumer, Ewiger Friede, S. 170; Kambartei, Kants Entwurf und das Prinzip der Nichteinmischung, S. 240. 64 Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, IV, S. 429 (lOff.). 65 Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, IV, S. 433 (26 ff.). 66 Vgl. Saner, Die negativen Bedingungen des Friedens, S. 60. 67 Zum ewigen Frieden, VIII, S. 344 (FN., 36 f.).

11. Die Präliminarartikel

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Auch gegen den Erwerb eines Staates durch Heirat wendet sich Kant. Vennutlich gab ihm die Heiratspolitik der Habsburger, die auf ihrem Höhepunkt Karl V. ein Weltreich bescherte, Anlaß hierzu. 69 In der Konsequenz der Heiratspolitik kam es im 17. und 18. Jahrhundert in vielen europäischen Fürstenhäusern wiederholt zu Erbfolgekrisen; häufig war eine größere Anzahl von Staaten betroffen. 7o Aus diesen Konflikten entwickelten sich zum Teil europäische Kriege. 71 Auch die Eroberung eines Staates sollte aus diesem Grunde ausgeschlossen sein. Anders als Saint-Pierre nennt Kant sie allerdings nicht 72 . In den Vorarbeiten hatte Kant noch notiert: "Keine unabhängige Länder erobern".73 Daß die Eroberung im zweiten Präliminarartikel keine Erwähnung findet, dürfte daher rühren, daß Kant die Anwendung von Gewalt ohnehin ablehnt, so daß das Verbot der Eroberung nicht erst mit der Eigenschaft des Staates als moralischer Person begründet werden muß, sondern schon aus dem Friedensbegriff folgt. Ebenfalls aus dem kategorischen Imperativ ergibt sich die ablehnende Haltung gegenüber der Überlassung von Soldaten an andere Staaten zum Zwecke des Kampfes gegen einen nicht gemeinschaftlichen Feind. Hierfür boten sich in der Zeit Kants zahlreiche Beispiele unter den mittleren und kleineren deutschen Staaten. 74 So verkaufte etwa der Kurfürst von HessenKassel Untertanen als Soldaten an England, das auf diese Weise seine Truppen im amerikanischen Unabhängigkeitskampf verstärkte. 75 68 Vgl. Borries, Kant als Politiker, S. 226. Zu Recht weist aber Cavallar, Pax Kantiana, S. 112, darauf hin, daß die Ansicht Borries, das könne ein Grund dafür sein, daß Kant den zweiten Präliminarartikel als Erlaubnisgesetz gestaltet habe, nicht haltbar ist. Vielmehr ergibt sich das aus Kants ablehnender Haltung gegenüber rechtswidrig herbeigeführten Veränderungen. 69 Vgl. Cavallar, Pax Kantiana, S. 109 f. 70 Vgl. Hubatseh, Das Zeitalter des Absolutismus, S. 139ff.; Kunisch, Absolutismus, S. 140ff.; Meyer, Geschichte Frankreichs, Band 3, S. 120ff.; Vierhaus, Deutschland im Zeitalter des Absolutismus, S. 154. 7\ Vgl. Kunisch, Absolutismus, S. 148ff.; Barudio, Das Zeitalter des Absolutismus und der Aufklärung, S. 285; Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 326f. 72 Darauf weist Patzig, Kants Schrift ,,Zum ewigen Frieden", S. 17, hin. Daher kann der Ansicht Schückings, Die Organisation der Welt, S. 53, Kant folge im zweiten Präliminarartikel Saint-Pierre, nicht in vollem Umfang zugestimmt werden. 73 Vorarbeiten zu Zum ewigen Frieden, X, S. 155 (6). 74 Dazu auch Cavallar, Pax Kantiana, S. 112f. 75 Der Verkauf von Soldaten für den Krieg in Amerika wird von Schiller in "Kabale und Liebe" beschrieben: "Kammerdiener: Seine Durchlaucht der Herzog empfehlen sich Milady zu Gnaden, und schicken Ihnen diese Brillanten zur Hochzeit. Sie kommen soeben erst aus Venedig. Lady: Mensch! was bezahlt dein Herzog für diese Steine? [... ] Kammerdiener: Gestern sind siebentausend Landeskinder nach Amerika fort - Die zahlen alles."; Schillers Werke, Band 5, S. 28.

3'

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

Nach Kambartel soll der zweite Präliminarartikel nur für republikanisch verfaßte Staaten gelten, da nur diese der Idee des ursprünglichen Vertrages entsprächen. 76 Diese Ansicht findet jedoch in der Friedensschrift keine Bestätigung. Ein Gesellschaftsvertrag läßt sich als Grundlage eines jeden Staates denken, auch wenn der konkrete Staat von dieser Idee weiter entfernt ist als das Ideal der Republik. 77 Soweit ein Staat in irgend einer Weise auf einem vereinigten Willen seiner Bürger beruhend gedacht werden kann, ist er moralische Person. Hierfür reicht aus, daß der Naturzustand durch die Etablierung einer Staatsgewalt beendet wird, der die Aufgabe der Durchsetzung des Rechts obliegt. 3. Der dritte Präliminarartikel "Stehende Heere (miles perpetuus) sollen mit der Zeit ganz aufbören."

Die Notwendigkeit der Abschaffung stehender Heere begründet Kant zum einen mit der Bedrohung, die von ihnen ausgeht. So sieht sich ein Staat, dessen Nachbar über ein großes Heer verfügt, gezwungen, sich ebenfalls ein großes Heer zu halten. Schließlich, meint Kant, werde die Last, die gewaltigen Heere zu unterhalten, so drückend, daß der Krieg als einziger Ausweg erscheinen muß. Damit hat Kant das heute als "Rüstungsspirale" bezeichnete Phänomen als eine Kriegsursache ausgemacht. 78 Stehende Heere verbieten sich noch aus einem zweiten Grund. Menschen gegen Sold zu verpflichten, zu töten oder sich der Gefahr des Todes auszusetzen, widerspricht dem kategorischen Imperativ, da die Menschen dann als bloße Werkzeuge gebraucht werden. Kant lehnt nicht schlechthin jede Form von Militär ab. Die bewaffnete Verteidigung der Bürger ist erlaubt. Denn die Bürger verteidigen ihren eigenen Staat, sind also nicht nur Mittel, sondern auch zugleich Zweck. Williams vertritt die Ansicht, auch diese 76 KambarteI, Kants Entwurf und das Prinzip der Nichteinmischung, S. 240. In der Sache eine ähnliche Ansicht vertritt Koller, Frieden und Gerechtigkeit in einer geteilten Welt, S. 218 f., allerdings ohne sie als Meinung Kants auszugeben, sondern sie dessen Konzept ausdrücklich entgegenstellend. 77 Lutz-Bachmann, Kants Friedensidee und das rechtsphilosophische Konzept einer Weltrepublik, S. 32 f., vertritt die Ansicht, Kants Begründung des zweiten und fünften Präliminarartikels mit dem ursprünglichen Vertrag sei widersprüchlich, weil dadurch der Eindruck entstehe, die Achtung der Souveränität der Staaten ergebe sich schon daraus, daß sie Staaten sind. Dem ist entgegenzuhalten, daß Kant die Vorstellung des ursprünglichen Vertrages zur Definition des Staates gebraucht. Die Kritik Lutz-Bachmanns beruht auf der Verwechslung des transzendentalen Kantsehen Staatsbegriffs, der auf die Legitimation abstellt, mit einem phänomenologisch verstandenen Staatsbegriff. 78 Nach Saner, Die negativen Bedingungen des Friedens, S. 62, bietet Kant im dritten Präliminarartikel die erste moderne Analyse der Eigendynamik des Aufrüstens.

II. Die Präliminarartikel

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Bürgennilizen79 seien nur als Übergangslösung bis zur völligen Abschaffung von Militär gedacht. 8o Diese Interpretation ist zwar denkbar, wenn man den Satz "Ganz anders ist es mit der freiwilligen periodisch vorgenommenen Übung der Staatsbürger [... ]" nicht auf den ganzen dritten Präliminarartikel, sondern nur auf Kants Argumentation gegen den Gebrauch der Menschen als Mittel bezieht; dann verbliebe nur das Problem der Rüstungsdynamik. Jedoch stellen Bürgennilizen für die Nachbarstaaten keine solche ständige Kriegsdrohung "durch die Bereitschaft, immer dazu gerüstet zu sein", dar. Das spricht dafür, daß Kant sie nicht als Hindernis für die Entstehung eines Friedensvertrages ansah. Der definitive Friedensvertrag selbst kann dann auch die Abschaffung der Milizen vorsehen. Der dritte Präliminarartikel konnte als Anspielung auf das im Verhältnis zur Bevölkerung umfangreiche Berufsheer Preußens verstanden werden. 81 Stehende Heere entstanden in der Zeit des Absolutismus als Ablösung der bis dahin nur jeweils für einen bestimmten Krieg gebildeten Landknechtsheere. 82 Abrüstungsvorschläge gab es schon in früheren Friedensentwürfen, etwa bei Bentham 83 . Auch die im Jahre 1776 entstandene "Bill of Rights" enthielt ein Verbot von Berufsheeren; allerdings war diese Regelung innenpolitisch motiviert. 84 Mit der Französischen Revolution kam zusätzlich das Phänomen des Volkskrieges hinzu, mit dem sich frühere Friedensmodelle noch nicht auseinanderzusetzen hatten. 85 Darauf geht Kant im dritten Präliminarartikel nicht ein. Das scheint insofern nicht verwunderlich, als es sich beim Volksheer der Französischen Republik nicht um eine Berufsannee handelte. Insofern greift hier die Argumentation mit dem kategorischen Imperativ nicht. Gleichwohl kann ein so gewaltiges Heer von den Nachbarstaaten als Bedrohung angesehen werden. Daher wird ein solches Heer, wenn es für Angriffe auf andere Staaten tauglich ist, jedenfalls nach der empirischen Begründung des dritten Präliminarartikels von dem Verbot erfaßt. 79 Kant selbst gebraucht den Begriff "Miliz" nicht. Das könnte darauf zurückzuführen sein, daß Friedrich Wilhelm 1. ihn nach 1733 verbieten ließ, vgl. Saner, Die negativen Bedingungen des Friedens, S. 63; Schrader, Die Europäische Union "Völkerbund" oder "Universal monarchie"?, S. 95, FN 7. 80 Williams, Kant's Political Philosophy, S. 248. 81 Vgl. Saner, Die negativen Bedingungen des Friedens, S. 61. 82 Vgl. Cavallar, Pax Kantiana, S. 118. 83 Jeremy Bentham, A Plan for an Universal and Perpetual Peace, S. 13: "XII. That for the maintenance of such a pacification general and perpetual treaties might be formed, limiting the number of troops to be maintained." Weitere Beispiele finden sich bei Dann, Die Friedensdiskussion der deutschen Gebildeten, S. 104f. 84 Vgl. Cavallar, Pax Kantiana, S. 121. 85 Vgl. W. Dietze, Einleitung, in: Dietze/Dietze, Ewiger Friede?, S. 51 f.

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

Aus dem dritten Präliminarartikel ergibt sich auch eine Absage an Friedensmodelle, die auf Kräftegleichgewichten beruhen. 86 Kant zeigt, daß solche Gleichgewichte nicht zum Frieden führen können, weil jede Seite bemüht ist, das Gleichgewicht zu ihren Gunsten zu verlagern, was in die Rüstungsdynamik führt. Zudem ergibt sich aus einer konsequent fortgedachten Gleichgewichtspolitik, daß ein Staat, wenn er sich einmal zufällig in der Übermacht befindet, diese zur Unterwerfung der anderen Staaten nutzen muß. So wurden auch die Teilungen Polens mit der Notwendigkeit für das Gleichgewicht der europäischen Mächte begründet. 87 Ebenso wie ein stehendes Heer bedroht ein angehäufter Schatz die benachbarten Staaten. Er setzt den Staat in die Lage, eine große Zahl von Kriegern unter Sold zu nehmen. Kant meint, ein Schatz sei nur deshalb für den Frieden nicht so gefährlich wie ein stehendes Heer, weil er nicht sichtbar sei und deshalb nicht als Bedrohung wahrgenommen werde. In diesem Zusammenhang unterscheidet Kant zwischen drei Kräften, die im Krieg eine Rolle spielen: Heeresmacht, Bundesmacht und Geldmacht. 4. Der vierte Präliminarartikel "Es sollen keine Staatsschulden in Beziehung auf äußere Staatshändel gemacht werden."

Kant lehnt nicht jede Aufnahme von Krediten durch den Staat ab. Staatsschulden dürfen für Infrastrukturprojekte - Kant nennt Straßenbau, Siedlungspolitik und Aufbau von Vorräten für Krisenzeiten - eingegangen werden, da diese einen Nutzen für die Volkswirtschaft mit sich bringen. Verboten ist nur die Kreditaufnahme zum Zwecke der Kriegführung. Das ergibt sich aus der im dritten Präliminarartikel geschilderten Bedrohung durch die Geldrnacht. Anders als ein Kriegsschatz, der sich irgendwann einmal erschöpft, kann die Staatsverschuldung in unabsehbarem Maße gesteigert werden. Damit kann der Krieg länger und intensiver geführt werden - "die sinnreiche Erfindung eines handeltreibenden Volks"; Kant denkt hier offenbar an England. 88 Und mit dieser Möglichkeit wächst zum einen die Bereitschaft der Staaten, Kriege zu führen, zum anderen die Gefahr, daß andere Staaten sich genötigt sehen, einem Angriff zuvorzukommen. 86 Solche Modelle waren zur Zeit der Aufklärung vielfach unter dem Einfluß der neuen naturwissenschaftlichen Denkweise entstanden, vgl. Albrecht, Kants Entwurf einer Weltfriedensordnung und die Reform der Vereinten Nationen, S. 200. 87 V gl. Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 395 f. 88 Vgl. Cavallar, Pax Kantiana, S. 123; Losurdo, Immanuel Kant - Freiheit, Recht und Revolution, S. 156; Saner, Die negativen Bedingungen des Friedens, S.65.

11. Die Präliminarartikel

39

Neben der Bedrohung durch das auf Kredit finanzierte Militär macht Kant auch in der Verschuldung selbst eine Gefahr aus. Da fällige Kredite aus weiteren Krediten zurückgezahlt werden müßten, brächen die Staatsfinanzen zusammen, wenn die Steuereinnahmen einmal zu gering ausfielen, um die Zinsen zu zahlen. Das kann zwar auch bei Krediten für zivile Ausgaben vorkommen. Im Gegensatz zu Infrastrukturausgaben führen Militärausgaben aber nicht zu höheren Einnahmen; die Wahrscheinlichkeit eines Steuerausfalls wird durch Militärausgaben, anders als durch Infrastrukturinvestitionen, also nicht gesenkt. 89 Der Bankrott eines Staates ist auch für andere Staaten gefährlich. Um den Schaden von der eigenen Wirtschaft abzuwenden, gesteht Kant den Staaten das Recht zu, sich gegen einen solchen Staat zu verbünden, der sein Militär auf Kreditbasis finanziert. 9o Problematisch erscheint die Unterscheidung von Schulden für zivile und solchen für militärische Zwecke. 91 Wenn ein Staatshaushalt auch nur zu einem kleinen Anteil durch Neuverschuldung gedeckt wird, könnte man diese immer den zivilen Ausgaben gegenüberstellen. Das Höchstmaß für die Kreditaufnahme gäben dann die Infrastrukturausgaben vor. Die gesamten Staatseinnahmen könnten für Militär ausgegeben werden. Wollte man diesen Mißbrauch vermeiden, müßte man fordern, daß Militärausgaben nur in einem ausgeglichenen Staatshaushalt zulässig sein sollen. Schrader versteht den vierten Präliminarartikel so, daß für Militär nur ausgegeben werden darf, was nach Befriedigung ziviler Ziele noch verbleibt. 92 Das bedeutet eine Absage an jede Kreditaufnahme, solange Militärausgaben vorgenommen werden. Zwar geht diese Interpretation des vierten Präliminarartikels über den von Kant verfolgten Zweck hinaus, die auf der gegenseitigen Angst beruhende Rüstungsdynamik zu unterbinden: Eine Begrenzung der Kreditaufnahme kann auch ohne völliges Kreditverbot erreicht werden. Das zweite Argument Kants, die Gefahr, die von einer Staatsverschuldung selbst ausgeht, spricht aber dafür, den vierten Präliminarartikel in diesem strengen Sinne auszulegen, da auf lange Sicht nur bei einer solchen Verwendung der Kredite, die zu höheren Steuereinnahmen beiträgt, ein Zusammenbruch des Kreditsystems vermieden werden kann.

Vgl. Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf "Zum ewigen Frieden", S. 60. Daraus könnten sich Probleme im Hinblick auf den fünften Präliminarartikel ergeben. Darauf wird dort noch eingegangen werden. 91 Dieses Problem sprach im Jahre 1797 schon von Schütz, Kommentar über Kants ewigen Frieden, S. 21 f., an. In der neueren Literatur behandelt diesen Punkt als einziger Williams, Kant's Political Philosophy, S. 252. 92 Schrader, Die Europäische Union - "Völkerbund" oder "Universalmonarchie"?, S. 97. 89

90

C. Eine Interpretation der Friedensschrift

40

5. Der fünfte Präliminarartikel

"Kein Staat soll sich in die Verfassung und Regierung eines andem Staats gewaltthätig einmischen." Das Verbot der Einmischung ergibt sich zum einen aus der schon im zweiten Präliminarartikel beschriebenen Ableitung des Staates aus der Idee des ursprünglichen Vertrages. 93 Zum anderen läßt sich das Einmischungsverbot auch damit begründen, daß sich die Staaten gegenseitig als Völkerrechtspersönlichkeit anerkennen müssen, wenn sie miteinander Verträge abschließen wollen. 94 Damit stellt sich der fünfte Präliminarartikel, wie schon der erste, als eine begriffslogische Voraussetzung der Möglichkeit eines Friedensvertrages dar. Im fünften Präliminarartikel scheint nur die gewaltsame Einmischung verboten zu sein. Fraglich ist, ob Kant davon ausging, andere Formen der Einmischung seien erlaubt. 95 Der Versuch, das Problem durch eine weite Auslegung des Gewaltbegriffs zu lösen, dürfte Kant nicht gerecht werden: Zur Zeit Kants war das Verständnis von Gewalt auf die physische Einwirkung beschränkt; die weite Fassung des Gewaltbegriffs ist ein Produkt der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. 96 Eine Antwort könnte sich mit Blick auf den Zweck des fünften Präliminarartikels finden lassen. Das Verbot der Einmischung soll sicherstellen, daß jeder Staat in der Lage ist, als Völkerrechtspersönlichkeit Verträge zu schließen. Das kann ein Staat offensichtlich nicht, wenn ihm seine Entscheidungen von außen mit militärischer Gewalt diktiert werden. Er kann es aber auch dann nicht, wenn er auf andere Weise unter Druck gesetzt wird. Andererseits zielt der fünfte Präliminarartikel nicht auf ein Verbot schlechthin jeder Einflußnahme. So sind schon die bei Verhandlungen zu einem Friedensvertrag wechselseitig vorgebrachten Ansichten eine Beeinflussung, die durchaus mit Druck verbunden sein kann. Für die Frage, ob die Ausübung von Druck verboten werden muß, ist nach dem Zweck des fünften Präliminarartikels maßgeblich, ob der Staat noch in der Lage zu einer eigenverantwortlichen Entscheidung ist, das heißt, ob er sich bei seiner Entscheidung am allgemeinen Willen seiner Bürger, und nicht am äußeren Druck orientieren kann. Daher verbietet der fünfte PräliminarartiSo auch Zanetti, Ethik des Interventionsrechts, S. 301. Vgl. Cavallar, Pax Kantiana, S. 124. 95 Diese Ansicht vertreten Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf "Zum ewigen Frieden", S. 64 f., und Saner, Die negativen Bedingungen des Friedens, S. 58. von Schütz, Kommentar über Kants ewigen Frieden, S. 23 f., legt seiner Kritik an Kant diese Interpretation zugrunde. 96 Die Tendenz zur weiten Auslegung des GewaItbegriffes zeigt sich insbesondere bei Art. 2 IV UN-Charta, vgl. Bothe, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, S. 588 ff. 93 94

II. Die Präliminarartikel

41

kel beispielsweise nicht die öffentliche Aufforderung an emen anderen Staat, eine republikanische Verfassung anzunehmen. Problematisch stellt sich die Beurteilung von Maßnahmen dar, die wirtschaftlichen Druck auf andere Staaten entstehen lassen. Da zur Zeit Kants die wirtschaftlichen Interdependenzen noch nicht groß genug waren, um als Druckmittel fungieren zu können, konnte er auf diese Frage nicht eingehen; so erörtert Kant im ersten Zusatz die Wirtschafts beziehungen unter dem Stichwort des Handseisgeistes noch ausschließlich als positiven Anreiz für den Frieden97 ; der Gedanke einer Bedrohung durch Störungen des Güterund Leistungsaustauschs klingt bei Kant noch nicht an. Die folgenden Ausführungen stellen daher den Versuch einer über die Interpretation hinausgehenden Ergänzung dar. Der Zweck des fünften Präliminarartikels spricht dafür, daß auch wirtschaftlicher Druck nach dem Kantschen Ansatz zu den verbotenen Einmischungsformen zu zählen ist, wenn er die Entscheidungsfahigkeit eines Staates in Frage stellt. Zudem entspricht diese Auffassung der im vierten Präliminarartikel zum Ausdruck kommenden Wertung: Wenn der Schaden, der in anderen Staaten dadurch entsteht, daß das Kreditsystem eines Staates zusammenbricht, als Läsion angesehen wird, so muß das erst recht für die absichtliche Nutzung wirtschaftlicher Zusammenhänge zum Zwecke der Beeinflussung der inneren Vorgänge in anderen Staaten gelten. Deutlicher ist die Aussage Kants in den Vorarbeiten zur Friedensschrift; dort heißt es positiv formuliert: ,,[ ... ] jeden Staat sich selbst reformieren lassen.,,98 Dieser Fassung des Einmischungsverbotes läßt sich auch das Verbot der Ausübung wirtschaftlichen Drucks entnehmen. Die positive Formulierung des Einmischungsverbotes kann auch auf den ersten Definitivartikel bezogen werden: Jeder Staat muß sich selbst zur Republik entwickeln. Andere Staaten dürfen ihn nicht mit Gewalt dazu zwingen. Dafür spricht auch, daß Kant die Frage diskutiert, ob ein "böses Beispiel", das ein Staat dem anderen gibt, als Verletzung angesehen werden könne, die zur Abwehr berechtigt. Kant geht also davon aus, daß das Einmischungsverbot vor allem gegenüber einem nicht idealen, das kann vor allem bedeuten: nicht republikanisch verfaßten Staat zur Anwendung kommt. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß auch die Französische Verfassung von 1793 die Intervention in andere Staaten verbot. 99 Versteht man den fünften Präliminarartikel in diesem Sinne, so Zum ewigen Frieden, VIII, S. 368. Vorarbeiten zu Zum ewigen Frieden, X, S. 155 (9). 99 Vgl. Archibugi, Models of international organization in perpetual peaceprojects, S. 302; Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf "Zum ewigen Frieden", S. 62; Losurdo, Immanuel Kant - Freiheit, Recht und Revolution, S. 153. Theoretischer Hin97 98

42

C. Eine Interpretation der Friedensschrift

handelt es sich um eine Regelung, die in erster Linie den Zweck verfolgt, Staaten in ihren Mitteln einzuschränken, andere Staaten zu bewegen, eine republikanische Verfassung anzunehmen. Nicht haltbar ist schon nach dem Wortlaut des fünften Präliminarartikels die Ansicht von Kambartel und Tes6n, das Einmischungsverbot solle nur gegenüber republikanisch verfaßten Staaten gelten. 1oo Die Begründung Kambarteis, der fünfte Präliminarartikel müsse im Zusammenhang mit dem ersten Definitivartikel gesehen werden, überzeugt nicht. Zum einen kann aus dem Zusammenhang mit dem ersten Definitivartikel auch die oben entwickelte gegenteilige Ansicht folgen, der fünfte Präliminarartikel betreffe vor allem den Fall, daß ein Staat, der noch keine Republik sei, geschützt werden solle. Zum anderen kann nicht nur die Republik, sondern jeder Staat als auf einem Gesellschaftsvertrag beruhend gedacht werden, wenn auch der eine Staat von dieser Idee weiter entfernt sein mag als der andere. 101 Auch die Kriegsgefahr, die von Nicht-Republiken ausgeht, kann eine Einmischung nicht rechtfertigen. 102 Gerade dann muß die Rechtspersönlichkeit des anderen Staates geachtet werden, um die Möglichkeit zum Abschluß eines Friedensvertrages zu erhalten. Ein weiteres Problem des fünften Präliminarartikels ist die Entscheidung darüber, wann es sich um einen Staat handelt. Kant hält die Einmischung in Konflikte für möglich, wenn ein Staat sich in zwei Teile gespalten hat, die sich nun bekämpfen. Dabei stellt sich die Frage, wo die Grenze zwischen der erfolgreichen Spaltung eines Staates in zwei neue Staaten und dem Bürgerkrieg zu ziehen ist. Da der fünfte Präliminarartikel auf der Idee des ursprünglichen Vertrages beruht, ist taugliches Kriterium die von Cavallar vorgeschlagene Frage, ob es sich noch um eine Rechtsgemeinschaft handelt. 103 Solange noch ein Recht über den Konfliktparteien besteht, verletzt es deren sittliche Autonomie, in den Konflikt einzugreifen und ihnen so die Möglichkeit zu nehmen, den Konflikt durch Anwendung der selbst geschaffenen Rechtsregeln zu lösen. Kant könnte hier an Frankreich gedacht haben 104; in die Auseinandersetzung zwischen Revolutionären und Königstreuen griffen die europäischen Staaten zugunsten letzterer im Ersten Koalitergrund hierfür war die Übertragung des Gedankens der Volkssouveränität auf das Völkerrecht, vgl. Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 489 f. 100 Kambartei, Kants Entwurf und das Prinzip der Nichteinmischung, S. 246; Tes6n, The Kantian Theory of International Law, S. 92. 101 Ähnlich auch Beitz, Political Theory and International Relations, S. 82. 102 So aber angedeutet bei Kambartei, Kants Entwurf und das Prinzip der Nichteinmischung, S. 247 f. 103 Cavallar, Pax Kantiana, S. 126. 104 Vgl. Voriänder, Kant und der Gedanke des Völkerbundes, S. 39; Saner, Die negativen Bedingungen des Friedens, S. 56.

II. Die Präliminarartikel

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tionskrieg ein. Vielmehr muß in den Teilen des ehemaligen Staates jeweils ein Recht entstanden sein, das sich als auf einem ursprünglichen Vertrag beruhend denken läßt, der sie selbst zu Staaten macht. Die Unterstützung des einen gegen den anderen kann dann nicht mehr als Einmischung in innere Angelegenheiten gewertet werden. Ob in solchen Fällen militärische Gewalt angewendet werden darf, ist dann keine Frage des fünften Präliminarartikels, sondern betrifft das Recht zwischen Staaten, also den zweiten Definitivartikel. Schließlich ist noch auf ein Problem im Zusammenhang mit dem vierten Präliminarartikel einzugehen. Dort räumt Kant Staaten das Recht ein, sich gegen einen Staat zu verbünden, der sich für Militärausgaben verschuldet, was dem Einmischungsverbot zu widersprechen scheint. Der Widerspruch könnte sich auflösen lassen, indem entweder die Staatsverschuldung nicht als innere Angelegenheit angesehen wird oder das Bündnis der anderen Staaten nicht zu einer gewaltsamen Einmischung führen soll. Für die erste Interpretation spricht, daß Kant die militärische Bedrohung durch eine auf Basis riesiger Kredite finanzierte Rüstung als "Läsion" bezeichnet. Diese Bedrohung der anderen Staaten ist schon eine Verletzung derselben. Die zweite Lösung setzt am Charakter des Bündnisses an. Hierbei könnte es sich um ein reines Defensivbündnis handeln. Auch im zweiten Definitivartikel spricht Kant von einem den Krieg abwehrenden Bund 105. Allerdings fällt die Vorstellung schwer, daß eine erfolgreiche äußere Beeinflussung bei der Aufstellung des Staatshaushaltes durch ausschließlich defensive Maßnahmen möglich ist. Denkbar wäre, daß die Mitglieder des Bündnisses den Handel mit einem Staat, der Rüstung auf Kredit betreibt, abbrechen. Das setzt aber voraus, daß wirtschaftlicher Druck entgegen der hier vertretenen Auffassung nicht unter das Verbot des fünften Präliminarartikels fällt. Zudem ist unwahrscheinlich, daß Kant angesichts der damals noch geringen wirtschaftlichen Interdependenzen von der Wirksamkeit wirtschaftlicher Sanktionen ausging. Daher ist, der ersten Interpretationsvariante folgend, die kreditfinanzierte Zurüstung als Läsion anderer Staaten anzusehen, die diese zur Abwehr auch durch Anwendung von Gewalt berechtigt. 6. Der sechste Präliminarartikel "Es soll sich kein Staat im Kriege mit einem andem solche Feindseligkeiten erlauben, welche das wechselseitige Zutrauen im künftigen Frieden unmöglich machen müssen: als da sind Anstellung der Meuchelmörder (percussores), Giftmischer (venefici), Brechung der Capitu!ation, Anstiftung des Verraths (perduellio) in dem bekriegten Staat etc."

105

Zum ewigen Frieden, VIII, S. 357 (15 f.).

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

Soll ein Friedensvertrag zustande kommen, so setzt das voraus, daß die Vertragschließenden Vertrauen darin haben können, daß sich der Vertragspartner an den vereinbarten Frieden halten wird. Deshalb dürfen im Krieg solche Mittel nicht eingesetzt werden, die dieses Vertrauen zerstören würden. Ohne Vertrauen müßte das Ziel des Krieges die vollständige Vernichtung des Feindes in einem Ausrottungskrieg sein, der "den ewigen Frieden nur auf dem großen Kirchhofe der Menschengattung statt finden lassen würde", weil die Staaten anders keine Sicherheit voreinander gewinnen könnten. Kant meint, daß sich die genannten Praktiken auch nach dem Krieg fortsetzen dürften und so selbst ein zunächt auf beiden Seiten vorhandenes Vertrauen wieder zerstören würden. Dann entsteht wiederum eine Situation, in welche jeder Staate dem anderen hinsichtlich des Bruchs des Friedensvertrages zuvorkommen muß. Krieg und Recht sind nach dem Verständnis Kants widersprüchliche Begriffe. Der Frieden ist durch die Herrschaft des Rechts definiert. 106 Gleichwohl ist der Naturzustand bei Kant kein Zustand der Rechtlosigkeit. Auch im Naturzustand unterliegen die Handelnden Regeln des Rechts. 107 Dieses "Recht im Krieg" ist nicht öffentlich. Es gibt keine über den Kriegführenden stehende Instanz, die die Durchsetzung des Rechts sicherstellen und im Konfliktfall eine Entscheidung treffen könnte. Das Recht im Naturzustand ist nicht sanktionsbewehrt. 108 Daß es auch im Krieg Recht gibt, ist Voraussetzung für die Möglichkeit des Friedens: Der Krieg soll nicht aus der an rechtlichen Grundsätzen orientierten Politik entlassen werden, da mit der Politik die Möglichkeit eröffnet wird, durch ausgehandelte Vereinbarungen zu einer Rechtsordnung zu gelangen. 109 Beschränkungen der Kriegsmittel waren schon früh Bestandteil des Völkerrechts. Grewe weist solche Regelungen für das Mittelalter nach und hält deR sechsten Präliminarartikel nur für eine modernere Formulierung dieses Gedankens. 110 Allerdings erhält das Kriegsrecht mit der Betrachtung als Voraussetzung der Möglichkeit eines Friedensvertrages bei Kant eine neue Funktion. 106 Vgl. Fichte, Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf von Immanuel Kant, S. 433; Archibugi, Immanuel Kant e il Diritto Cosmopolitico, S. 99. 107 Vgl. H. Kraus, Das Problem internationaler Ordnung bei Immanuel Kant, S. 28. Borries, Kant als Politiker, S. 222, sieht hierin den entscheidenden Unterschied zur Vorstellung des Naturzustandes bei Hobbes. 108 Vgl. Zickendraht, Kants Gedanken über Krieg und Frieden, S. 10; Geismann, Kants Rechtslehre vom Weltfrieden, S. 372. 109 Vgl. Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf "Zum ewigen Frieden", S. 69. 110 Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 134. von Mohl, Staatsrecht und Völkerrecht, S. 768, zählt die Beschränkung der Kriegsmittel zur Tradition des europäischen Völkerrechts.

11. Die Präliminarartikel

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7. Die Umsetzung der Präliminarartikel

Unter den Präliminarartikeln unterscheidet Kant zwei Arten von Verboten. Die leges strictae sind ohne Aufschub zu befolgen. Es sind dies die Präliminarartikel 1, 5 und 6. Hinter dieser Einteilung der Präliminarartikel steht eine Unterscheidung nach ihrer Funktion bezogen auf die Entstehung des ewigen Friedens. Die leges strictae haben begriffliche Voraussetzungen für das Zustandekommen des den Rechtszustand des Friedens herbeiführenden Vertrages zum Gegenstand. Der erste Präliminarartikel stellt inhaltliche Anforderungen an die Vereinbarung, die erfüllt sein müssen, wenn es sich um einen Friedensvertrag handeln soll. Der fünfte Präliminarartikel betrifft die Selbstbestimmtheit der Staaten als Voraussetzung der Fähigkeit zum Vertrags schluß. Der sechste Präliminarartikels ist Bedingung für die Bereitschaft der Staaten, auf die Einhaltung völkerrechtlicher Verträge durch die Vertragspartner zu vertrauen, ohne die ein vorbehaltsloser Vertragsschluß nicht möglich ist. Ein Friedensvertrag ist also definitionsgemäß nicht einmal denkbar, wenn diese leges strictae nicht eingehalten werden. Die Präliminarartikel 2, 3 und 4 sind leges latae. Sie gelten gleichermaßen wie die leges strictae, ihre Umsetzung kann jedoch aufgeschoben werden. Kant betont, daß dieser Aufschub keine Ausnahme bedeutet. Vielmehr handelt es sich um eine vorübergehende Erlaubnis. I I I Kant verdeutlicht das am zweiten Präliminarartikel. Dieser richtet sich gegen den Erwerb von Staaten, nicht aber gegen den Besitz. Daher kann die Rückgän\\\ Der Begriff des Erlaubnisgesetzes ist für Kant problematisch: Ein Gesetz enthält in der Rechtsfolge einen Zwang in Form eines Ge- oder Verbotes. Die Erlaubnis dagegen führt zu zufälligen Ergebnissen, da sie dem Adressaten überläßt, was er tun will. Danach wäre der Begriff des Erlaubnisgesetzes ein Selbstwiderspruch. Das verneint Kant mit der Begründung, das Verbot betreffe den künftigen Erwerb, die Erlaubnis aber den Besitzstand. Diese Argumentation Kants scheint zunächst inkonsequent: Wenn es hinsichtlich des Besitzstandes eine Erlaubnis gibt, so bleibt es auch hier eine Frage des Zufalls, ob davon Gebrauch gemacht wird oder ob der Erwerber den rechtmäßigen Zustand durch Aufgabe seines Besitzes freiwillig wieder herstellt. Mithin könnte dann nicht von einem Gesetz die Rede sein. Diese ablehnende Beurteilung ändert sich, wenn man die Wirkung der Erlaubnis auf das Verbot betrachtet. Sie verbietet nämlich die Rückgängigmachung von Verstößen. So ist die Erlaubnis bezogen auf das Verbot selbst ein Verbot, das die Rückwirkung des Verbotes verbietet. Diese Konstruktion, die der Ansicht Kants zugrunde zu liegen scheint, vermag allerdings nicht, wie Kant behauptet, die Einführung des Erlaubnisgesetzes als einer eigenständigen Kategorie des Gesetzes zu begründen. Denn das Erlaubnisgesetz wäre danach nur eine besondere Unterart des Verbotsgesetzes. Zudem könnten, statt der Aufstellung eines Verbotes, dessen Anwendungsbereich zum Teil durch ein Erlaubnisgesetz eingeschränkt wird, die Tatbestandsvoraussetzungen des Verbotes selbst enger ge faßt werden, ohne daß sich daraus ein "Herumtappen" durch Aufzählung einzelner Ausnahmen ergeben muß, wie Kant befürchtet.

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

gigmachung des einmal erfolgten Erwerbs aufgeschoben werden, wenn auch nur für eine gewisse Zeit. Der Grund für den Aufschub, also das Erlaubnisgesetz, ist darin zu sehen, daß Veränderungen nur schrittweise durch Reformen erreicht werden können. Kant will eine Entwicklung durch Handeln der politisch Verantwortlichen, keine Revolution. "Das Erlaubnisgesetz stiftet einen Rechtsmodus der vorübergehenden Duldung von unvermeidlichen, schon geschehenen, institutionell verfestigten Gewaltformen" 112 und schafft so einen Handlungsspielraum für die Politik. 113 Dafür, daß die Politik diesen Spielraum nutzen würde, konnte Kant Hoffnung aus der jüngeren Vergangenheit schöpfen. Immerhin waren in Preußen und Österreich erste Reformschritte vollzogen worden. 114 Die Verbote 2, 3 und 4 zielen auf eine Entschärfung des Naturzustandes. Sie wenden sich gegen Verhaltensweisen, die das Vertrauen der Staaten in die gegenseitige Beachtung ihrer Rechte zwar nicht logisch ausschließen, aber doch praktisch mindern. 115 Die Rückgängigmachung schon erfolgter Verstöße steht ebenfalls unter dem Vorbehalt des Gewaltverbotes. Erlaubnisgesetze ermöglichen, die Verbote der Präliminarartikel 2, 3 und 4 schon jetzt zu beachten und so mit dem Hinarbeiten auf den Frieden zu beginnen, ohne bereits erfolgte Verstöße gewaltsam zu beseitigen. 116 So sorgen die leges latae für eine Erhöhung der Bereitschaft der Staaten, den Gewaltverzicht zu wagen. IH. Die Definitivartikel Die Definitivartikel beschreiben vollständig die Bedingungen des ewigen Friedens. Sie ergeben sich aus dem Begriff des Friedens.

Brandt, Das Problem der Erlaubnisgesetze im Spätwerk Kants, S. 76. Vgl. Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf "Zum ewigen Frieden", S. 71. 114 Vgl. Brandt, Das Problem der Erlaubnisgesetze im Spätwerk Kants, S. 83. Diese Reformen sollten auch nicht zu übereilt stattfinden, sondern sich schrittweise entwickeln. Die Erwähnung des Grafen von Windischgrätz könnte als Zustimmung Kants zu dessen Kritik an den übereilten Reformen losefs 11. angesehen werden; vgl. Brandt, a. a. 0., S. 82; Cavallar, Pax Kantiana, S. 102. 115 Das gilt auch für den zweiten Präliminarartikel, obgleich auch dieser, wie der fünfte Präliminarartikel, mit der Rechtspersönlichkeit des Staates begründet wird: Die äußere Steuerung der WilJensbildung in einem Staat macht einen Vertrag mit diesem begrifflich unmöglich; der Erwerb eines Staates führt dagegen zu dessen Beseitigung, so daß das Verhältnis zum erwerbenden Staat aus dem Anwendungsbereich der zwischenstaatlichen Verträge herausfällt und nun Sache des Staatsrechts ist. 116 Vgl. Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf "Zum ewigen Frieden", S. 41. 112

1\3

III. Die Definitivartikel

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1. Frieden und Naturzustand

Kant definiert den Frieden als das Gegenteil des Naturzustands. Im Naturzustand herrscht Krieg. Dieser muß sich zwar nicht in ständiger Gewaltanwendung äußern; jedoch besteht jederzeit die Gefahr des Ausbruchs gewalttätiger Auseinandersetzungen. Der "negative Frieden,,117 der Präliminarartikel richtet sich gegen solche Handlungen, die den ewigen Frieden im Falle der leges strictae schon aus begrifflichen Gründen unmöglich, im Falle der leges latae aus praktischen Gründen unwahrscheinlich machen. Die Anwendung von Gewalt ist schlicht verboten; man kann daher auch von einem passiven Frieden sprechen, der bloße Abwesenheit von Gewalt beschert. Die Definitivartikel enthalten die Bedingungen des "positiven Friedens", in dem schon die Gefahr des Ausbruchs von Gewalt gebannt ist. Nur so wird der Naturzustand vollständig und dauerhaft beendet. Dieser definitive Frieden wird erreicht durch Organisationsgebote. 118 Es handelt sich daher um einen aktiven Frieden. Mittel zum Frieden ist das Recht. Zwar gibt es Recht auch im Naturzustand. Der Kriegsgefahr kann das Recht im Naturzustand aber nicht abhelfen. Denn niemand kann sich darauf verlassen, daß die anderen sein Recht achten; daher wird er deren Gewaltanwendung durch eigene zuvorkommen. Deutlich formuliert Kant das in einer Vorarbeit zur Friedensschrift: ,,[ ... ] wo nicht auch eine Sicherheit da ist (oder der andere diese stellt) daß er mich nicht lädiren wird da kann keine Verbindlichkeit meinerseits stattfinden ihn ungehindert neben mir zu dulden.,,119 Im Naturzustand fehlt nicht das Recht, sondern die Rechtssicherheit. 12o von Weizsäcker spricht vom Frieden als der gegenseitigen freiwilligen Garantie der Freiheit. 121 Diesen Zustand des gesicherten Rechts nennt Kant den bürgerlichen Zustand. Für den ewigen Frieden ist das Recht hinreichende Bedingung. Einer besonderen moralischen Haltung bedarf es nicht. Daher ist der Friede selbst im ungünstigsten Falle, nämlich unter "Teufeln" realisierbar. Darunter versteht Kant Wesen, "die insgesammt allgemeine Gesetze für ihre Erhaltung verlangen, deren jedes aber insgeheim sich davon auszunehmen geneigt 117 Vgl. Kersting, Politische Friedenstheorie und internationale Friedensordnung, S. 533; Schrader, Die Europäische Union - "Völkerbund" oder "Universalmonarchie"?, S. 90. 118 Ähnlich Archibugi/Voltaggio, Filosofi per la pace, S. 230. 119 Vorarbeiten zu "Zum ewigen Frieden", X, S. 160 (l6ff.). 120 Vgl. Ebbinghaus, Kants Lehre vom ewigen Frieden und die Kriegsschuldfrage, S. 6; Höffe, Immanuel Kant, S. 228. Vgl. auch Fulda, Kants Postulat des öffentlichen Rechts, S. 279. 121 von Weizsäcker, Friede und Wahrheit, S. 18. Den Zusammenhang von Frieden und Freiheit bei Kant betont auch Maneli, Peace and freedom, S. 261.

C. Eine Interpretation der Friedensschrift

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ist,,122. Die Teufel sind zwar fähig zu vernünftigen Gedanken. Sie handeln aber nicht nach der Vernunft, sie gebrauchen nur ihren Verstand. 123 Da die Teufel moralisch nicht gebunden werden können, muß durch äußere Mittel sichergestellt werden, daß sich alle an das Recht halten. Das ist deshalb ausreichend, weil es auf das Motiv für die Beachtung des Rechts nicht ankommt. 124 Die Sicherung geschieht durch die zwangsweise Durchsetzung des Rechts. Rechtssicherheit erfordert demnach Zwangsgesetze; Kant nennt ein solches Recht öffentliches Recht. 125 Seine Durchsetzung wird durch eine öffentliche Gewalt gewährleistet. Recht ohne staatliche Durchsetzungsmittel ist Privatrecht. 126 Im Naturzustand gibt es nur Privatrecht l27 . Frieden ist demnach mehr als Gewaltlosigkeit. Er ist gekennzeichnet durch eine positive Ordnung, der die Aufgabe zukommt, Rechtssicherheit zu schaffen. Das Recht, das den Naturzustand beenden soll, muß zwei Eigenschaften aufweisen 128: Zunächst muß es allgemein sein, das heißt für alle Rechtsunterworfenen gleichermaßen gelten. Außerdem muß es öffentlich sein, damit Vertrauen in seine Durchsetzung besteht. Gegen diesen Ansatz wird vorgebracht, "Kants These, nur das äußere öffentliche Recht sei wegen des Zwangs das sichere Recht", sei "aus Erfahrung, nicht aber erkenntnistheoretisch begründet", weil sie sich am schlimmsten Fall, der Nichtbefolgung, orientiere. 129 In der Tat steht die Nichtbefolgung des Rechts im Naturzustand nicht fest. Die Gefahr, daß das Recht nicht beachtet wird, besteht freilich auch, wenn die Rechtsunterworfenen keine Teufel sind: Da jedes Wesen sich selbst erhalten will und sich nicht auf die Achtung seiner Rechte durch die übrigen verlassen kann, kann es deren Rechte ebenfalls mißachten müssen, um der Verletzung durch die anderen zuvorkommen zu können. Ohne Rechtssicherheit ist selbst bei idealer moralischer Haltung kein Frieden möglich 130, es sei denn, es gäbe nur ausschließlich vernünftig handelnde Wesen, denen diese Tatsache auch bewußt wäre, so daß sie auf das stets vernünftige Verhalten der anderen vertrauen könnten. Zum ewigen Frieden, VIII, S. 366 (17 ff.). Vgl. Kersting, Wohlgeordnete Freiheit, S. 16. 124 Vgl. Kersting, Wohlgeordnete Freiheit, S. 27. 125 Vgl. Funke, Kant und die Prinzipien, auf denen Frieden gründet, S. 41. Eine ähnliche Differenzierung wie die zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht findet sich schon bei Hobbes, der zwischen Vertrag und Staat unterscheidet, vgl. Tuschling, Die Idee des Rechts, S. 97. 126 Vgl. Gerhardt, Ausübende Rechtslehre, S. 475; Steiger, Frieden durch Institution, S. 145. 127 V gl. Steiger, Plaidoyer pour une juridiction internationale obligatoire, S. 817. 128 Vgl. auch Hirsch, Der Frieden kommt nicht durch die Kirche, S. 79. 129 Steiger, Frieden durch Institution, S. 163. uo Ähnlich Geismann, Kants Rechtslehre vom Weltfrieden, S. 365. 122 123

III. Die Definitivartikel

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Gerhardt vertritt die Ansicht, erst durch die öffentliche Durchsetzung werde das gedachte Recht zum geltenden Recht. 13l Gegen die Verknüpfung von Geltung und Durchsetzbarkeit spricht schon, daß dann das Recht zu einer Frage der Macht würde. 132 Die Geltung des Rechts ist strikt von seiner Befolgung zu trennen. 133 Recht kann allgemein gelten, auch wenn es nicht von allen Rechtsunterworfenen befolgt wird. Läge der Auffassung Gerhardts das Verständnis von Geltung als Bezeichnung der normativen Bindungswirkung zugrunde, so wäre ein sanktionsbewehrtes Recht ein Widerspruch in sich selbst: Würde doch die Sanktion für den Verstoß gegen eine Regelung verhängt, die durch die Nichtbeachtung bereits ihre Geltung verloren hätte. Die Geltung von der Durchsetzung abhängig zu machen, bedeutet eine Vermengung der materiellen Regelung mit dem verfahrensrechtlichen Aspekt der Sicherung durch Sanktionsandrohung. Auch eine öffenliche Gewalt vermag ein Verbot nicht durchzusetzen, sondern nur die für den Fall der Zuwiderhandlung angedrohte Sanktion. Daher besteht hinsichtlich der Geltung eines Verbotes als solchem zwischen Naturzustand und bürgerlichem Zustand kein Unterschied. Ein Unterschied zeigt sich erst in der Frage der Sanktionierung von Verstößen, die nur im öffentlichen Recht, nicht auch im Privatrecht gesichert ist. Der positive Frieden muß "gestiftet werden". Das setzt Kooperation voraus; ein passives Nebeneinander reicht nicht aus. 134 Das betrifft, erstens, die Herstellung des Friedens. Sie muß, wie Kersting betont, "einvernehmlich" erfolgen. 135 Nur wenn die Betroffenen die Rechtsnormen akzeptieren, ist ihre allgemeine Geltung legitimiert und die tatsächliche Durchsetzung gesichert. Der Akt der Rechtsentstehung läßt sich als ein Vertrag zwischen den Rechtsunterworfenen denken, den Kant als ursprünglichen Vertrag bezeichnet. In der Wirklichkeit erfolgt die Setzung des Rechts durch politische Tätigkeit. 136 Fichte interpretiert die Bezugnahme Kants auf die Idee des ursprünglichen Vertrages als eine Absage an das Naturrecht: Das Friedensrecht ist positives Recht. 137 Zweitens, muß die Kooperation auch noch Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf "Zum ewigen Frieden", S. 93. Ähnlich Kersting, "Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein", S. 104: Wer Recht durchzusetzen vermöge, beweise damit nicht, daß er befugt sei, Recht zu setzen. 133 Diese Ansicht vertritt auch Ke\sen, Reine Rechtslehre, S. 10, allerdings mit der Einschränkung, daß eine Norm, die überhaupt keine Wirksamkeit entfalte, nicht als gültig angesehen werden könne. 134 Vgl. Jaspers, Kant ,,zum ewigen Frieden", S. 206. 135 Kersting, Politische Friedenstheorie und internationale Friedensordnung, S.534. 136 Vgl. Albrecht, Kants Entwurf einer We\tfriedensordnung und die Reform der Vereinten Nationen, S. 203; Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf "Zum ewigen Frieden", S. 74. 131

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4 Hackel

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c. Eine Interpretation der Friedensschrift

über die Schaffung des Friedensrechts hinaus fortgeführt werden. Frieden verlangt nicht die Abwesenheit von Konflikten. Im Frieden ist vielmehr sichergestellt, daß sie gewaltfrei gelöst werden. 138 Das setzt Kooperation voraus; der ewige Friede ist ein aktiver Friede. Rechtsförmige Kooperation ist immer dort erforderlich, wo Konflikte auftreten können. Das ist nach Kant stets der Fall, wenn Menschen nebeneinander leben, weil ein physischer Einfluß besteht. Daher müssen die Beziehungen aller Menschen rechtlich geregelt werden: "Alle Menschen, die aufeinander wechselseitig einfließen können, müssen zu irgend einer bürgerlichen Verfassung gehören."139 - oder mit Kersting: "Der ewige Friede ist das Ergebnis der Verrechtlichung aller konfliktträchtigen Beziehungen in der Welt der äußeren Freiheit.,,14o Die Definitivartikel müssen, wenn sie hinreichende Bedingungen des Friedens sein wollen, ein vollständiges System des öffentlichen Rechts enthalten. 141 Kant sieht - ausgehend von der historisch entstandenen politischen Wirklichkeit, in der sich die Menschen zu Staaten zusammengeschlossen haben - drei Bereiche möglicher Konflikte. Und die drei Definitivartikel thematisieren diese drei möglichen politischen Beziehungen, die durch Recht geregelt werden müssen 142: Das Verhältnis der Menschen in einem Volk durch das Staatsrecht (erster Definitivartikel), das Verhältnis der Staaten zueinander durch das Völkerrecht (zweiter Definitivartikel) und das Verhältnis von Menschen und Staaten durch das Weltbürgerrecht (dritter Definitivartikel). Kant fragt nicht nur danach, wie der Frieden organisiert werden kann. Ihm geht es auch um die Begründung des Erfordernisses, in einen Rechtszustand zu treten. Diese liefert die Vernunft als die Fähigkeit, das Allgemeine zu denken. 143 Der kategorische Imperativ fordert die Orientierung des Verhaltens an verallgemeinerungsfahigen Grundsätzen. Nur in einem Rechtszustand kann die Freiheit des einzelnen mit der Freiheit aller zusammen bestehen. Der ,Anspruch.!44, aus dem Naturzustand herauszutreten in 137 Fichte, Zum ewigen Frieden, Ein philosophischer Entwurf von Immanuel Kant, S. 431. 138 Vgl. Vasquez, Frieden und Krieg nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, S. 64f. 139 Zum ewigen Frieden, VIII, S. 349 (FN., 23 f.). 140 Kersting, "Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate sol1 republikanisch sein", S. 90. 141 Vgl. auch Brandt, Historisch-kritische Beobachtungen zu Kants Friedensschrift, S. 33; Höffe, Der Friede - ein vernachlässigtes Ideal, S. 9. 142 Vgl. Valentin, Die Geschichte des Völkerbundsgedankens in Deutschland, S. 27f.; Schrader, Die Europäische Union - "Völkerbund" oder "Universalmonarchie"?, S. 91; Höffe, Der Friede - ein vernachlässigtes Ideal, S. 6. 143 Vgl. auch von Weizsäcker, Friede und Wahrheit, S. 18.

III. Die Definitivartikel

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den Friedenszustand, folgt daraus, daß die Menschen als vernünftige Wesen einander die Anerkennung der Geltung des Rechts schulden. 145 Während das Verbot der Gewaltanwendung für Bentham aus Nützlichkeitserwägungen folgt l46 und die Menschen nach Hobbes den Naturzustand verlassen sollen, weil das für sie angenehmer ist l47 , ergibt sich die Pflicht zum Errichten des bürgerlichen Zustands bei Kant daraus, daß die gewaltfreie Konfliktlösung die einzige vernunftgemäße Form des Umgangs vernünftiger Wesen ist: "Nun spricht die moralisch=praktische Vernunft in uns ihr unwiderstehliches Veto aus: Es soll kein Krieg sein,,148. Dadurch daß Kant den Frieden als Rechtsbegriff versteht, kann er ihn aus der Vernunft begründen. 149 Daran wird kritisiert, wenn der Friede auf das Recht reduziert sei, garantiere er keine Gerechtigkeit. Positiver Friede sei nur möglich, wenn die Rechtsordnung gerecht sei. ISO Diese Problemstellung wird der Philosophie Kants nicht gerecht, weil sie einen Widerspruch von Recht und Gerechtigkeit voraussetzt. Kant geht es nicht um irgendein beliebiges positives Recht, das am Maßstab der Gerechtigkeit gemessen werden müßte; er behandelt das Recht als eine aus der Vernunft entwickelte Idee. Wenn Recht und Vernunft übereinstimmen, kann es auch keinen Widerspruch zwischen Recht und Gerechtigkeit geben J5J, denn auch diese ergibt sich als Gebot der Vernunft aus dem kategorischen Imperativ. Der aus der Vernunft abgeleitete ,Anspruch' auf Frieden besteht zwischen allen vernunftfahigen Wesen. Bei den ebenfalls vernunftfahigen Teu144 Dieser ,Anspruch' ist systematisch zu trennen von positivrechtlichen Ansprüchen. Er ergibt sich aus der Vernunft. Unklar in dieser Hinsicht Schwarz, Principles of Lawful Politics, S. 20, die Weigerung, in einen Rechtszustand zu treten, sei eine Rechtsverletzung, weil so der Naturzustand perpetuiert werde. 145 Höffe, Der Friede - ein vernachlässigtes Ideal, S. 20, bezeichnet das als den kategorischen "Rechtsimperativ". 146 Vgl. O. Kraus, Bentham, Kant und Wundt, S. 4f.; Bötte, Kant und der Krieg, S.49. 147 Vgl. Cavallar, Pax Kantiana, S. 70. 148 Die Metaphysik der Sitten, VI, S. 354 (20f.). 149 Vgl. Hirsch, Der Frieden kommt nicht durch die Kirche, S. 71. Vgl. auch Jaspers, Kant "Zum ewigen Frieden", S. 212. 150 Chwaszcza, Grundprobleme einer liberalen Philosophie der internationalen Beziehungen, S. 26. 151 Die Behauptung von Castillo, Moral und Politik: Mißhelligkeit und Einhelligkeit, S. 200, Kant vertrete die Ansicht, daß "die Gerechtigkeit der Forderung nach Frieden um jeden Preis vorzuziehen sei", die Gerechtigkeit also wichtiger sei als der Friede und im Konfliktfall Vorrang genieße, ist nur haltbar, wenn die Gerechtigkeit als Idee, der Friede dagegen als empirisches Phänomen ausbleibender Gewaltanwendung aufgefaßt wird. Mit einer solchen arn Wortlaut eines aus dem Zusammenhang der Friedensschrlft herausgegriffenen einzelnen Satzes festgemachten Interpretation verkennt man die transzendentale Begründung des Friedens.

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

feIn besteht keine Bereitschaft, den Geboten der Vernunft zu folgen. Man kann nur auf utilitaristische Argumente setzen, um ihren Verstand zur Schaffung eines bürgerlichen Rechtszustands zu bewegen. Mit diesen Argumenten begründet Kant nicht, daß Friede sein soll, sondern er legt dar, warum die Menschen tatsächlich wollen, was sie nach der Vernunft sollen. Den Weg aus dem Naturzustand l52 stellt Kant sich so vor, daß jeder den anderen auffordern kann, in einen Rechtszustand mit ihm zu treten. Denn nur dann muß er von ihm keine Verletzung fürchten, weil die gemeinsame öffentliche Gewalt die Einhaltung des Rechts gewährleistet. Weigert sich der andere, so darf l53 er als Feind behandelt werden, denn er stellt eine Gefahr dar, durch die sich der Auffordernde bereits lädiert fühlen kann. Die Gewaltanwendung kann ihm dann als eine Maßnahme der Selbsterhaltung nicht verboten sein. 154 Fulda bezeichnet das als "vorbeugenden Rechtszwang".155 Um deutlich zu machen, daß es sich nicht um einen durch Recht gestatteten oder angeordneten Zwang handelt, könnte man auch von einem "vorbeugenden Verrechtlichungszwang" sprechen. 2. Der erste Definitivartikel ,,Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein."

Der erste Definitivartikel behandelt die Bedingungen, die das Staatsrecht erfüllen muß, wenn zwischen den Staaten Friede herrschen soll. Kant definiert zunächst die republikanische Verfassung (dazu unter a) und begründet dann ihre Eignung in bezug auf den internationalen Frieden (b). a) Die republikanische Verfassung

Die republikanische Verfassung ist die Organisationsform eines Staates, die der Idee des ursprünglichen Vertrages entspricht. 156 Der Staat wird als IS2 Bei dieser Formulierung ist zu bedenken, daß der Naturzustand kein historisches Faktum ist, sondern ebenfalls eine Idee, nach der dem Recht jede Öffentlichkeit fehlt. Vgl. auch Tuschling, Die Idee des Rechts, S. 97. IS3 Dieses ,Dürfen' ist, wie ihre Voraussetzung, der ,Anspruch' auf Eintritt in einen Rechtszustand, kein Rechtstitel, sondern folgt aus der Vernunft. 154 Ebbinghaus, Kants Lehre vom ewigen Frieden und die Kriegsschuldfrage, S. 13, begründet das Fehlen eines Verbotes vorbeugender Gewaltanwendung dagegen damit, daß es kein Recht auf Gewaltlosigkeit gebe. Selbst wenn diese Behauptung zuträfe, ließe sich daraus nicht umgekehrt ein Recht auf Gewaltanwendung ableiten. ISS Fulda, Kants Postulat des öffentlichen Rechts, S. 268. IS6 Die Idee des ursprünglichen Vertrages findet Verwirklichung aber nicht nur in republikanisch verfaßten Staaten, sondern, wenn auch nicht in demselben Maße, in jedem Staat, in dem nicht jede Orientierung am allgemeinen Willen fehlt. Daher ist

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auf der Zustimmung aller Bürger zur Unterwerfung unter das gemeinsam geschaffene und durch den Staat durchzusetzende Recht beruhend gedacht. Drei Merkmale kennzeichnen nach den Ausführungen Kants im ersten Definitivartikel einen republikanisch verfaßten Staat: Die Freiheit der Glieder der Gesellschaft als Menschen, die Abhängigkeit aller von einer gemeinsamen Gesetzgebung als Untertanen und die Gleichheit als Staatsbürger bei Stiftung der Verfassung. Die innere Freiheit ergibt sich zunächst aus der Vernunftfähigkeit des Menschen. Kants Freiheitsdefinition, nur solchen Gesetzen gehorchen zu müssen, denen man seine Beistimmung habe geben können, läßt sich auf den kategorischen Imperativ, nach der Maxime zu handeln, "die sich selbst zum allgemeinen Gesetze machen kann,,157, zurückführen. Da der Gebrauch der natürlichen Freiheit 158 des einen Menschen den anderen im Gebrauch seiner Freiheit behindert, muß die natürliche Freiheit begrenzt werden. Diese gegen die Verletzung durch andere gesicherte Freiheit wird in der Theorie Kants erst durch Regulierung der natürlichen Freiheit durch ein allgemeines Gesetz ermöglicht. 159 Damit ist der Staat von der Vernunft geboten 160 und die mit ihm verbundene Einschränkung der natürlichen Freiheit gerechtfertigt. Gleichwohl ist der Staat nicht nur eine Idee der Vernunft. Die Erforderlichkeit eines Staates ergibt sich auch aus utilitaristischen Überlegungen. Bürger kann daher jeder sein, der Verstand hat. 161 Für die Staatserrichtung wird eine Orientierung der Individuen an den Gesetzen·der Moral nicht vorausgesetzt. Selbst "ein Volk von Teufeln,,162 kann sich in einem Staat organisieren - und wird das tun, wenn die Teufel ihrem Verstand folgen. Fraglich ist allerdings, ob dabei ein Staat mit republikanischer Verfassung entstehen muß. 163 es verfehlt, den fünften Präliminarartikel nur zum Schutz von republikanisch verfaßten Staaten anwenden zu wollen, wie Kambartei, Kants Entwurf und das Prinzip der Nichteinmischung, S. 246, und Tes6n, The Kantian Theory of International Law, S. 92, vorschlagen. Vgl. auch Beitz, Political Theory and International Relations, S. 82, der die unbedingte Geltung aus der Autonomie der Staaten folgert. Diese läßt sich wiederum auf die Idee des ursprünglichen Vertrages zurückführen. 157 Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, IV, S. 436f. 158 Die natürliche Freiheit ist, anders als die gesetzliche, kein Rechtsbegriff; vgl. dazu auch Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, S. 242. 159 Vgl. Funke, Von der Aktualität Kants, S. 151. 160 Die Begründung des Staates aus der Freiheit weist Parallelen zur Philosophie Rousseaus auf; vgl. Bobbio, The Age of Rights, S. 76. Anders als bei diesem reicht aber bei Kant die Konsensfahigkeit der Gesetze aus; es muß nicht auch ein den tatsächlichen Konsens herstellendes Verfahren geben. 161 Vgl. Borries, Kant als Politiker, S. 96. 162 Zum ewigen Frieden, VIII, S. 366.

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Die Freiheit kann durch den Staat nur gesichert werden, wenn alle Wesen, die sich in ihrer Freiheit gegenseitig verletzen könnten, dem Recht unterworfen sind. l64 Das bezeichnet Kant als Abhängigkeit aller von der gemeinsamen Gesetzgebung. Die Republik ist gekennzeichnet durch das Recht, das dem allgemeinen Willen der Bürger entspringt. 165 Unter ausschließlich aufgrund der Vernunft handelnden Wesen könnte hierfür die Vereinbarung entsprechender Regeln ausreichen. In Wirklichkeit ist aber der staatliche Durchsetzungsapparat erforderlich. Das gilt auch, wenn es sich nicht um Teufel handelt: Sobald ein Individuum mit einer Verletzung durch ein anderes rechnen muß, wird es diesem zuvorkommen. Daher besteht in der Praxis das Problem, wie sichergestellt werden kann, daß die mit der Ausübung der Staatsgewalt betrauten Individuen diese nicht zur Verletzung der Freiheit der übrigen mißbrauchen. Entgegen der Ansicht Kerstings, das Merkmal der Abhängigkeit von der Gesetzgebung sei bei jedem Staat erfüllt und eigne sich deshalb nicht als Definitionsmerkmal der Republik l66 , ist zu unterscheiden zwischen der Abhängigkeit der Untertanen von den vom Herrscher gegebenen Gesetzen, die in der Tat in jedem Staat besteht, und der Abhängigkeit aller von den gemeinsamen Gesetzen. Ein Herrscher kann auch für die Freiheit der ihm Unterworfenen sorgen, wenn er selbst dem Recht nicht unterworfen ist. Dann besteht zwar Sicherheit der Individuen voreinander, nicht aber vor dem Herrscher. Kennzeichen der republikanischen Verfassung ist dagegen, daß alle, auch diejenigen, die die Herrschaft ausüben, dem Recht unterworfen sind. 167 In der Republik ist also die Ausübung der Staatsgewalt rechtlich gebunden. Genau jenes Element hat Bedeutung für einen von Teufeln gebildeten Staat: Sobald ein Teufel über die Macht verfügt, wird er diese benutzen, 163 Brandt, Historisch-kritische Beobachtungen zu Kants Friedensschrift, S. 51 f., bemerkt, daß die Teufel zwar das Problem der Staatserrichtung lösen werden, es aber keineswegs feststehe, daß sie sich auch für die Republik entscheiden. Auf diese Frage wird im Zusammenhang mit der Garantie des ewigen Friedens eingegangen. 164 Tes6n, The Kantian Theory of International Law, S. 66, spricht von formeller und materieller Übereinstimmung mit der Verfassung. Er vergleicht den Ansatz Kants mit der Grundnormtheorie Kelsens. Anders als die Grundnorm bei Kelsen sei jedoch die Verfassung bei Kant nicht beliebigen Inhalts, sondern von der Vernunft geboten. Eben auf diesen Unterschied stellt Kant ab (VIII, S. 350, Fußnote), wenn er sich gegen die Definition der Freiheit als Befugnis, das zu tun, wodurch keinem Unrecht getan wird, wendet. Der Unterschied zwischen dieser von Kant als Tautologie entlarvten scheinbaren Begriffsbestimmung und dem Kantschen Ansatz liegt darin, daß Kant zwischen natürlicher Freiheit und gesetzlich gewährleisteter äußerer Freiheit differenziert und sich so in der Lage sieht, letztere zu bestimmen, während in der von Kant kritisierten Formel auf beiden Seiten derselbe Begriff steht. 165 Vgl. Batscha/Saage, Friedensutopien, S. 10. 166 Kersting, "Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein", S. 94f.

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um sich von den Gesetzen auszunehmen. Daher ist die Abhängigkeit aller von der Gesetzgebung ein wesentliches Merkmal der republikanischen Verfassung. Aus diesem Grund darf es auch keinen Erbadel geben; denn die günstigere Rechtsstellung wird nach der Idee des allgemeinen Willens nur vorübergehend in Verbindung mit einer Aufgabe im Interesse der Allgemeinheit verliehen. Die natürliche Freiheit wird im Staat durch die Gleichheit der Staatsbürger begrenzt. 168 Gleichheit meint bei Kant formale Gleichheit: die gleiche Möglichkeit der Wahrnehmung gleicher Rechte. Die Gleichheit der Staatsbürger darf nicht mit der Gleichheit bei der Rechtsanwendung, also der Gleichheit vor dem Gesetz, verwechselt werden. Denn letztere gehört zum Merkmal der (gleichen) Abhängigkeit aller von der gemeinsamen Gesetzgebung. Sie ergibt sich schon aus der Funktion des Rechts. Eine Regel muß für jeden gelten, auf den die Tatbestandsmerkmale zutreffen - oder in der Terminologie Kants: sie muß allgemein sein -, sonst ist es keine Regel. Eine andere Frage ist, ob die Tatbestandsmerkmale angemessen bestimmt sind, also Gleiches auch tatsächlich gleich behandelt wird. Das wird gewährleistet durch eine "nach dem Gesetz der Gleichheit [... ] gestiftete Verfassung". Gleichheit der Staatsbürger besteht, wenn der allgemeine Wille in gleicher Weise Ausdruck eines jeden Einzelwillens ist. Damit ist notwendig materielle Ungleicheit verbunden. 169 Der Staatsbürger ist eine Idee; nur nach dieser Idee kann von Gleichheit gesprochen werden. 17o Der Staat gewährt nur formal-rechtliche Freiheit und Gleichheit. 171 Dem im republikanisch verfaßten Staat organisierten Individuum kommen demnach verschiedene Rollen zu. Die Freiheit als Mensch ist in ihrer natürlichen Form Ausgangspunkt und als Freiheit durch das Recht Ziel des Staates. Durch die Einbindung in den Staat treten zwei weitere Aspekte hinzu: die Gleichheit der Staatsbürger bei der Ableitung des Rechts aus deren vereinigtem Willen als legitimationstheoretisch gesehen aktive Komponente und die insoweit passive Rechtsunterworfenheit als Untertanen. In anderen Schriften nennt Kant als drittes Merkmal des Staates nicht die Abhängigkeit, sondern die Selbständigkeit, etwa in "Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis" 172 und in 167 In der Metaphysik der Sitten, VI, S. 314 (8 ff.), ordnet Kant diesen Aspekt dem Merkmal der Gleichheit zu. Die Abhängigkeit als eigenständiges Kriterium gibt er auf. 168 Vgl. Burg, Immanuel Kant, S. 14. 169 Die Metaphysik der Sitten, VI, S. 315. 170 Vgl. Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf "Zum ewigen Frieden", S. 85. 171 Vgl. Pasini, Das "Reich der Zwecke" und der politisch-rechtliche Kantianisc he Gedanke, S. 687; vgl. auch Nersesjanz, Kant, das Recht und der Frieden, S. 86.

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

der Rechtslehre 173. Selbständigkeit bedeutet, seine "Existenz und Erhaltung nicht der Willkür eines Anderen im Volke, sondern seinen eigenen Rechten und Kräften als Glied des gemeinen Wesens verdanken zu können,,174. Entscheidend ist die materielle Unabhängigkeit des Bürgers 175, ohne die - so glaubt Kant - Freiheit gar nicht ausgeübt werden könne. 176 Daß Kant das Kriterium in der Friedensschrift nicht erwähnt, könnte man damit begründen wollen, daß es für die Friedensneigung der Republiken nicht darauf ankommt. Dem widerspricht aber, daß Kant die Friedensneigung der Republik unter anderem damit begründet, daß die Bürger ihren Besitz nicht verlieren wollten. Auch ein historischer Bezug ist denkbar: Die Verfassung der Französischen Republik von 1793 machte das Bürgerrecht nicht vom Besitzstand abhängig. 177 Allerdings ist unwahrscheinlich, daß Kant sich dadurch in der theoretischen Behandlung der Ausgestaltung der Staatsverfassung beeinflussen ließ. Zudem erwähnt er die Selbständigkeit sowohl in Schriften, die vor, als auch in solchen, die nach "Zum ewigen Frieden" entstanden, weshalb es sich nicht um eine Änderung der Auffassung Kants handeln sollte. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Beobachtung, daß Kant zwar die Elemente Freiheit und Gleichheit mit den Forderungen der Sansculotten gemeinsam hat, die Brüderlichkeit aber in der Friedensschrift durch die Abhängigkeit, in anderen Schriften durch die Selbständigkeit ersetzt. 178 Der Grund dürfte darin zu sehen sein, daß Kant Freiheit und Gleichheit als formale Rechtsbegriffe gebraucht. Die Brüderlichkeit weist dagegen materiellen Gehalt auf. Gegen Kant wird die Kritik erhoben, er vernachlässige soziale Aspekte. 179 Daß materielle Fragen keine Rolle spielen, ergibt sich aber aus 172 Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, VIII, S. 290 (20). 173 Die Metaphysik der Sitten, VI, S. 314 (12). 174 Die Metaphysik der Sitten, VI, S. 314 (12ff.). 175 Vgl. Fetscher, Immanuel Kant und die Französische Revolution, S. 277; Reiss, Kants politisches Denken, S. 32. Nach Borries, Kant als Politiker, S. 98, sind Bürger bei Kant daher diejenigen, die den Produktionsprozeß in der Hand haben. 176 Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, VIII, S. 294; Die Metaphysik der Sitten, VI, S. 314. 177 Vgl. Grab, Die Leistung der französischen Jacobiner, S. 44. 178 Vgl. Gulyga, Immanuel Kant, S. 283. Losurdo, Immanuel Kant - Freiheit, Recht und Revolution, S. 144, vertritt die Ansicht, Kant habe nur deshalb von "Selbständigkeit" statt von "Brüderlichkeit" gesprochen, um Probleme mit der Zensur zu vermeiden, aber damit dasselbe gemeint. Dieser Auffassung ist entgegenzuhalten, daß Kant den Begriff der Selbständigkeit ausführlich in einer Weise definiert, die deutlich werden läßt, daß es sich nicht um einen Ersatz für die "Brüderlichkeit" handeln kann.

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dem Ansatz Kants: Freiheit und Gleichheit, als formale Rechtsprinzipien verstanden, stehen im Widerspruch mit dem Prinzip materieller Gleichheit. 180 Zudem können Gerechtigkeitsprobleme gar nicht auftreten, wenn die Rechtsordnung Ausdruck des allgemeinen Willens iSt. 181 Allerdings ist die Selbständigkeit ebenfalls ein materielles Kriterium. Vielleicht hat Kant sie in der Friedensschrift nicht genannt, um den formalrechtlichen Charakter seines Konzepts zu betonen. Die drei in der Friedensschrift genannten Elemente der republikanischen Verfassung sind dann diejenigen, welche sich aus der Vernunft ergeben. Die Selbständigkeit der Bürger wird dadurch als ein weiteres Kriterium nicht ausgeschlossen, sie tritt aber erst unter dem Aspekt der empirischen Begründung der Friedensneigung hinzu. Im zweiten Teil des ersten Definitivartikels stellt Kant die von ihm verwendeten Begriffe klar. Danach ist zu differenzieren zwischen der Form der Regierung und der Form der Beherrschung. 182 Die Form der Regierung gibt an, wieviele Personen die Staatsgewalt ausüben; Kant unterscheidet Autokratie, Aristokratie und Demokratie. Die Form der Beherrschung betrifft die Frage, ob die Ausübung der Staatsgewalt sich auf einen Akt des allgemeinen Willens gründet. Die Extremformen sind die Republik als vollständig aus der Idee des ursprünglichen Vertrages sich ergebendes Gemeinwesen einerseits und die Despotie, in der sich die Ausübung der Staatsgewalt überhaupt nicht am allgemeinen Willen orientiert, andererseits. Beides sind Ideen, die in der Wirklichkeit so nicht angetroffen werden. Die Demokratie ist nach Kant schon begriffsnotwendig eine Despotie, weil das Volk als Gesetzgeber und Herrscher identisch sei. Zu dieser These Kants wird immer wieder betont, seine Kritik an der Demokratie treffe nur die ,direkte Demokratie'; in der ,repräsentativen Demokratie' bestehe dagegen Gewaltenteilung unter den Repräsentanten. 183 Die ,repräsentative Demokratie' ist freilich in der Terminologie Kants gar keine Demokratie, sondern eine Aristokratie, in der die Herrschaft von einigen, den RepräsenZ. B. Dann, Die Friedensdiskussion der deutschen Gebildeten, S. 116. Vgl. auch Merle, Lassen sich Sozial- und Wirtschaftsrechte im Weltmaßstab rechtfertigen?, S. 13. 181 Daher kann man Kersting, ..Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein", S. 93, der meint, Kant vertrete einen prozeduralen Gerechtigkeitsbegriff, der die Gerechtigkeit eines Gesetzes über das Verfahren bestimme, nicht uneingeschränkt zustimmen. Das aus der Gesetzgebung des allgemeinen Willens stammende Recht ist auch materiell gerecht. Ein solches Recht ist allerdings eine Idee, wie auch der allgemeine Wille und der Gesellschaftsvertrag, der man sich in der Praxis - die behandelt Kant hier aber nicht! - am besten über ein Verfahren annähern kann. 182 In den Vorarbeiten zu Zum ewigen Frieden, X, S. 159, 164f., gebrauchte Kant daneben mit derselben Bedeutung auch die Begriffe Staats- und Regierungsform. 179

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tanten, ausgeübt wird, wenn diese auch keine Adeligen sein müssen, was mit dem Begriff der Aristokratie gemeinhin verbunden wird. Allerdings verbleiben auch hinsichtlich der Ablehnung der (direkten) Demokratie in einer immanenten Sichtweise unter Zugrundelegung der Kantschen Begriffe Zweifel. Zum einen ist die Republik, wie oben dargestellt, gekennzeichnet durch die Rechtsunterworfenheit derer, die die Herrschaft ausüben, ob nun alle herrschen oder einige. Zum anderen entspricht die ,direkte Demokratie' gänzlich der Idee des ursprünglichen Vertrages. Eine so verstandene Demokratie nun mit dem Hinweis auf die Identität von Herrschern und Untertanen abzulehnen, bedeutet einen Wechsel der Argumentationsebene. Kant kann die Ablehnung der direkten Demokratie nicht aus der Vernunft ableiten, sondern nur empirisch begründen. Möglicherweise schöpfte Kant hierbei aus den Ereignissen des Terreurs der Französischen Revolution. 184 So läßt sich nachvollziehen, warum er als Kennzeichen der Republik die Repräsentation nennt. 185 Sie bedeutet die Trennung von Volk und Staat. 186 Damit gehört das repräsentative Prinzip - anders als Freiheit, Abhängigkeit und Gleichheit - nicht zur Idee der Republik, sondern zu den Merkmalen, die im Bereich der Umsetzung in die Realität eine Rolle spielen. 187 Freilich löst die Repräsentation nicht das Problem, daß auch diejenigen kontrolliert werden müssen, die die Herrschaft ausüben. Wenn es sich um Teufel handelt, werden sie die ihnen verliehene Macht zu ihrem eigenen Vorteil mißbrauchen. 188 Daher muß die Repräsentation des Volkes durch die Herrschenden ergänzt werden durch Gewaltenteilung unter den Herrschenden. 189 Gewaltenteilung bedeutet für Kant die Trennung von gesetzge183 Vgl. Archibugi, Models of international organization in perpetual peace projects, S. 311; Herb/Ludwig, Kants kritisches Staatsrecht, S. 462. Vgl. auch Mager, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, Band 5, S. 612. 184 Ähnlich Beutin, Kants Schrift "Zum ewigen Frieden", S. 114; Fetscher, Immanuel Kant und die Französische Revolution, S. 281. 185 Als wesentliches Kennzeichen der republikanischen Verfassung im Sinne des zweiten Definitivartikels sehen das Repräsentationsprinzip auch Vorländer, Kant und der Gedanke des Völkerbundes, S. 40; Beutin, Kants Schrift ,,zum ewigen Frieden", S. 104; Gerhardt, Die republikanische Verfassung, S. 34. 186 Vgl. Herb/Ludwig, Kants kritisches Staatsrecht, S. 461. 187 Brandt, Historisch-kritische Beobachtungen zu Kants Friedensschrift, S. 50, der den Begriff der Repräsentation so versteht, daß die Herrschenden durch das Gesetz die notwendige praktische Vernunft repräsentieren, sagt zwar damit etwas Zutreffendes aus. Damit gibt er aber die Idee des Gesellschaftsvertrages wider. Der so verstandene Begriff der Repräsentation hätte dann keine eigene Funktion. 188 Vgl. Axinn, Kant and the Moral Antinomy, S. 464; Laberge, Von der Garantie des ewigen Friedens, S. 163; Kriele, Die demokratische Weltrevolution, S. 153. 189 Cavallar, Pax Kantiana, S. 148, ist darin zuzustimmen, daß die Gewaltenteilung als institutionelle Absicherung der Repräsentation dient.

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bender und ausführender Gewalt. 190 Umgekehrt ist Gewaltenteilung ohne Repräsentation nicht denkbar, 191 da das mehrere voneinander unterscheidbare Herrscher voraussetzt. Mit dieser Begründung läßt sich Kants Ablehnung der Demokratie verstehen. Seiner Definition der Begriffe folgend, vertritt Kant die Ansicht, daß auch eine Monarchie republikanisch verfaßt sein könne. Sie eigne sich dafür sogar besonders, da sie das höchstmögliche Maß an Repräsentation biete, wenn der allgemeine Wille dem Monarchen übergeordnet sei. Zudem spricht für die Monarchie, daß sich am besten eine republikanischen Verfassung entwickeln läßt, wenn nur eine Person von der Notwendigkeit der Reformen überzeugt werden muß. Wie schon bei der Demokratie, so besteht auch bei der Monarchie das Problem der Gewaltenteilung, so daß sich die Frage stellt, warum Kant nicht beide, Demokratie und Monarchie verwirft. Die einzige Interpretation, die keine Auslegung des Textes der Friedensschrift gegen ihren Wortlaut erfordert, ist diese, die Argumentation gegen die Demokratie und für die Monarchie - ihrer Begründung entsprechend - auf der empirischen Ebene anzusiedeln. Dann sind Monarchie und Demokratie als ideale Republiken in gleicher Weise geeignet; Unterschiede bestehen dagegen in der Realisierbarkeit, wobei Kant nur die pragmatischen Argumente gegen die Demokratie und für die Monarchie, nicht auch die gegen die Monarchie vorträgt. Wenn man sich die politische Lage im Preußen des ausgehenden 18. Jahrhunderts und die daraus für Kant sich ergebende persönliche Bedrohung ins Gedächtnis ruft, ist das nicht weiter verwunderlich. Immer wieder wird behauptet, Kant habe eigentlich die Demokratie gewollt; eine republikanische Monarchie sei für ihn nur die zweitbeste Lösung. 192 Dafür spricht auch eine Notiz Kants: "Alle bürgerliche Verfassung ist eigentlich democratie" 193. Kants Ideal der Republik entspricht nach Fetscher dem liberal-demokratische Modell von Sieyes, Mirabeau und den Girondisten. 194 Axinn bezeichnet Kant als notorischen Jacobiner. 195 1794 190 In der Metaphysik der Sitten, VI, S. 313 (20ff.), nennt Kant noch die Rechtsprechung als dritte Gewalt. 191 Vgl. Gonnelli, La Filosofia Politica di Kant, S. 211 f. 192 Fragwürdig ist allerdings die These von Gulyga, ImmanueI Kant, S. 277, Kant sei der Ansicht gewesen, Friedrich 11. habe Preußen republikanisch regiert. So schreibt Kant: ,,[ ... ] wie etwa Friedrich 11. wenigstens sagte: er sei bloß der oberste Diener des Staates [... ]", Zum ewigen Frieden, VIII, S. 352 (32f.). Wenn Friedrich das aber nur sagte, scheint Kant damit doch ausdrücken zu wollen, daß seine Taten nicht mit den Worten übereinstimmten. Das spricht das gegen die These Gulygas. 193 Ref. 1446, XV, S. 631. 194 Fetscher, ImmanueI Kant und die Französische Revolution, S. 271. Nach Bobbio, The Age of Rights, S. 76, soll Kant sich über die Französische Revolution ge-

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schrieb Kants Schüler und Verleger Nicolovius in einern Brief: "Kant ist ein völliger Demokrat" 196. Reiss meint, in der Verwendung des Wortes "republikanisch" manifestiere sich Kants anti-monarchische Haltung. 197 Dafür könnte auch die Kritik am Erbadel sprechen. Die Unterscheidung Kants zwischen Staats- und Regierungsfonn ist, wie Burg betont, nur ein historischer Kompromiß. 198 Wenn man sich der Idee der Republik nähert, entfallen die Unterschiede zwischen den Regierungsfonnen. 199 Faßt man die republikanische Verfassung als Idee der Vernunft auf, so spielt die Fonn der Regierung keine Rolle. Auf der Ebene der Realisierung scheiden aber die (direkte) Demokratie und die Monarchie aus. Als einzig realisierbar verbleibt dann die Aristokratie, die Herrschaft mehrerer. In einer republikanischen Aristokratie wird der allgemeine Wille durch mehrere Repräsentanten vertreten; zwischen ihnen besteht Gewaltenteilung. In heutiger Tenninologie entspricht das weitgehend der Umschreibung der repräsentativen Demokratie?OO Freilich orientieren sich in deren Wirklichkeit die politischen Entscheidungen an der tatsächlichen Mehrheit, nicht am allgemeinen Willen. b) Die Republik und der Frieden

Kant begründet die Erforderlichkeit einer republikanischen Staatsverfassung sowohl transzendental als auch empirisch. 201 Zum einen spricht für die republikanische Verfassung die "Lauterkeit ihres Ursprungs, aus dem freut haben, weil sie zu einem Gemeinwesen führte, das auf den von ihm aus der Vernunft abgeleiteten Grundsätzen beruhte. 195 Axinn, Kant, Authority, and the French Revolution, S. 424. Ähnlich auch Losurdo, Immanuel Kant - Freiheit, Recht und Revolution, S. 52. 196 Zitiert nach Grab, Zwischen Obrigkeitsgehorsam und Revolutionsbejahung, S.32. 197 Reiss, Kants politisches Denken, S. 38. 198 Burg, Kants Deutung der Französischen Revolution, S. 664. 199 Vgl. Moog, Kants Ansichten über Krieg und Frieden, S. 76. 200 Die meisten Autoren identifizieren Kants Republik mit der repräsentativen Demokratie; vgl. Archibugi, Immanuel Kant e il Diritto Cosmopolitico, S. 113; Crome, Immanue1 Kant und der internationale Frieden, S. 12; Czempiel, Kants Theorem und die. zeitgenössische Theorie der internationalen Beziehungen, S. 301; H. Schmidt, Ein bedenkens wertes Jubiläum, S. 22; ähnlich: Fried, Handbuch der Friedensbewegung, S. 44; Valentin, Geschichte des Völkerbundsgedankens in Deutschland, S. 28. Schücking, Die Organisation der Welt, S. 54, und Kühnhardt, Von der ewigen Suche nach Frieden, S. 85, setzen die republikanische Verfassung Kants mit dem Rechtsstaat gleich; Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf ,,Zum ewigen Frieden", S. 89, mit dem demokratischen Rechtsstaat, Tes6n, The Kantian Theory of International Law, S. 61, mit der liberalen Demokratie. Schlief, Der Friede in Europa, S. 185, spricht von einer ,constitutionellen Staatsform'.

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reinen Quell des Rechtsbegriffs entsprungen zu sein", das heißt die republikanische Verfassung entspricht der Idee des ursprünglichen Vertrages. 202 Daher gewährleistet ein republikanisch verfaßter Staat den inneren Frieden. Auch für den äußeren Frieden wirkt sich die transzendentale Begründung des Staates mit der Idee des ursprünglichen Vertrages aus. Da der Staat nicht über die Bürger als eine Sache disponieren darf, kann er nur solche Kriege führen, bei denen sie selbst zugleich Zweck sind. 203 Sehr deutlich formuliert Kant diesen Gedanken zwei Jahre später in der Metaphysik der Sitten: ,,[ ... ] welches Recht hat der Staat gegen seine eigene Unterthanen, sie zum Kriege gegen andere Staaten zu brauchen, ihre Güter, ja ihr Leben dabei aufzuwenden oder aufs Spiel zu setzen: so daß es nicht von dieser ihrem eigenen Urtheil abhängt, ob sie in den Krieg ziehen wollen oder nicht, sondern der Oberbefehl des Souveräns sie hineinschicken darf?,,204

Im Zusammenhang mit dem internationalen Frieden spielt das empirische Argument die entscheidende Rolle. Kant geht davon aus, daß die Bürger die Leidtragenden in einem Krieg sind; denn sie setzen sich der Lebensgefahr im Kampf aus und haben letztlich die Kosten des Krieges zu tragen. Daher ist zu vermuten, daß sie sich gegen einen Krieg entscheiden?05 Ein Staatsoberhaupt, das Staatseigentümer ist, kann den Krieg dagegen als "eine Art von Lustpartie aus unbedeutenden Ursachen beschließen und der Anständigkeit wegen dem dazu allzeit fertigen diplomatischen Corps die Rechtfertigung desselben gleichgültig überlassen", weil ihn selbst kein Nachteil trifft. 206 Ein Staat, in welchem die Entscheidung darüber, ob Krieg 201 Kersting, "Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein", S. 91, spricht von einer doppelten Begründung der republikanischen Verfassung. Ähnlich auch Cavallar, Pax Kantiana, S. 159. 202 Lutz-Bachmann, Kants Friedensidee und das rechtsphilosophische Konzept einer Weltrepublik, S. 32 f., sieht einen Widerspruch darin, daß Kant den Gesellschaftsvertrag im zweiten und fünften Präliminarartikel zur Begründung der Souveränität aller Staaten heranziehe, im ersten Definitivartikel aber nur zur Definition der republikanischen Staaten. Dieser Widerspruch besteht nicht: Auch andere Staaten sind als auf einem Gesellschaftsvertrag beruhend denkbar, sie sind von dieser Idee aber weiter entfernt als die. Republik und Despotie sind nur die Extreme eines möglichen Maßes an Übereinstimmung des Staates mit der Idee des Gesellschaftsvertrages. 203 Vgl. Moog, Kants Ansichten über Krieg und Frieden, S. 89; Nagl-Docekal, Immanuel Kants Philosophie des Friedens, S. 63; auch angedeutet bei Kratzer, Kant und der Krieg, S. 156. 204 Die Metaphysik der Sitten, VI, S. 344 (27ff.). 205 Kersting, "Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein", S. 96, weist darauf hin, daß schon bei Erasmus von Rotterdam in den Querela pacis der Gedanke auftaucht, die Kriegführung an die Zustimmung des Volkes zu binden.

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

sein soll, durch die Bürger getroffen wird, sollte demgegenüber zu gewaltlosem Verhalten gegenüber anderen Staaten neigen. In den Vorarbeiten definiert Kant die republikanische Verfassung ergebnisorientiert als "diejenige nach welcher alle Lasten die das Volk tragen soll durch die Stimmen desselben selbst vertheilt werden,,207. Unterschiedlich sind die Auffassungen darüber, ob Kant hier von einem tatsächlichen Mehrheitsbeschluß ausgeht oder wiederum von einer gedachten Zustimmung des vereinigten Willens der Bürger. Die Mehrzahl der Kommentare sieht die Beistimmung als Idee an: Die Ablehnung des Krieges wird als vernunftgemäß gedacht. 2os Das hat den Vorteil, daß es sich nicht schädlich auswirkt, wenn sich die Menschen nicht in jeder Situation rational verhalten. Tatsächliche Mehrheitsentscheidungen führen zu aus Sicht der Vernunft beliebigen Ergebnissen. 209 Bei einer lediglich gedachten Zustimmung ist demgegenüber die Orientierung an der Vernunft von tatsächlichen Voraussetzungen unabhängig. 210 Daß Kant zur Begründung der Friedensneigung republikanisch verfaßter Staaten nicht transzendental, sondern empirisch argumentiert, wird an der Formulierung deutlich, wenn er schreibt, daß die Bürger "sich sehr bedenken werden" - und nicht etwa: ,sich hüten' -, ihre Beistimmung zum Krieg zu geben. Das Ergebnis der Entscheidung ist also ungewiß. Daraus ergibt sich, daß die republikanische Verfassung keine hinreichende Sicherheit für das gewaltlose Außenverhalten bietet. Die Republik vermeidet den Krieg nicht, sie macht ihn nur weniger wahrscheinlich. 211 Aus einem empirischen 206 Cavallar, Pax Kantiana, S. 141, vermutet, Kant habe hier das Beispiel der Annexion Schlesiens durch Preußen vor Augen gehabt. 207 Vorarbeiten zu Zum ewigen Frieden, X, S. 159 (4f.) . .:os Moog, Kants Ansichten über Krieg und Frieden, S. 82; Merker, Untertan und Staatsbürger bei Kant, S. 126; Reiss, Kants politisches Denken, S. 35; Kersting, Wohlgeordnete Freiheit, S. 231. 209 Höffe, Eine republikanische Vernunft, S. 401, stellt in diesem Zusammenhang einen organisatorischen, auf Mehrheitsentscheidung gerichteten Demokratiebegriff einem legitimatorischen gegenüber. Kants Kritik an der Demokratie beziehe sich nur auf die Demokratie im organisatorischen Sinn, da diese zu einer inhaltlichen Beliebigkeit der Entscheidungen führe, a. a. 0., S. 402. Das ist zwar in der Sache zutreffend; der legitimatorische Demokratiebegriff Höffes entspricht jedoch dem der Republik bei Kant, so daß es sich nur um eine andere Terminologie handelt. 210 Vgl. Kersting, "Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein", S. 98. 211 Vgl. Albrecht, Kants Entwurf einer Weltfriedensordnung und die Reform der Vereinten Nationen, S. 199; H. Schmidt, Kant und die Theorie der internationalen Beziehungen, S. 106; Czempiel, Kants Theorem und die zeitgenössische Theorie der internationalen Beziehungen, S. 301. Garnharn, War-Proneness, War-Weariness, and Regime Type, S. 282ff., spricht davon, daß es das Verdienst Kants sei, diese Zusammenhänge als einer der ersten erkannt und auf die richtige Begründung zu-

1Ir. Die Definitivartikel

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Argument läßt sich auch gar keine hinreichende Bedingung gewinnen. Der Zusammenhang von republikanischer Verfassung und friedlichem Außenverhalten ist daher eine Hypothese. Nicht nur ist das Außenverhalten von der inneren Struktur abhängig, sondern auch umgekehrt, die Republik nur im Frieden zu verwirklichen?12 Diesen Zusammenhang hat Kant schon in seiner Schrift "Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht" herausgestellt: "Das Problem der Errichtung einer vollkommenen bürgerlichen Verfassung ist von dem Problem eines gesetzmäßigen äußeren Staats verhältnisses abhängig und kann ohne das letztere nicht aufgelöst werden.,,213

Im ersten Definitivartikel kommt dieser Aspekt zwar nicht zum Ausdruck. Kant betont aber in der Einleitung zu den Definitivartikeln, daß der ewige Friede nur bei Beachtung aller drei Definitivartikel entsteht. Neben der These Kants werden in der Literatur noch weitere Begründungen für das friedliche Verhalten der Republiken genannt. So sorge das Faktum demokratischer Mitbestimmung für weniger Kriegsneigung?14 Nach innen aggressive Staaten sollen auch nach außen aggressiv sein 215 ; insbesondere erweckten sie bei anderen Staaten diese Befürchtung 216 , so daß diese sich zum Präventivschlag gezwungen sehen können. Schließlich wird behauptet, in der Demokratie gewöhnten sich die Bürger daran, Konflikte rechtsfönnig zu lösen 217 • Dies alles mögen zutreffende Argumente für die Friedensneigung der republikanisch verfaßten Staaten sein. Kant nennt rückgeführt zu haben. Schon Maccchiavelli stellte zwar fest, daß Republiken auf außenpolitischen Ehrgeiz verzichten können; vgl. Cavallar, Pax Kantiana, S. 156; Czempiel, Herrschaftssystem und Friedenswahrung, S. 33 ff.; er ging aber von einem anderen Begriff der Republik aus und begründete seine These deshalb anders. 212 Vgl. Lasson, Princip und Zukunft des Völkerrechts, S. 146; Cavallar, Pax Kantiana, S. 177; Janssen, Friede. Zur Geschichte einer Idee in Europa, S. 252 f. m Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, VIII, S. 24 (Uf.).

214 Czempiel, Warum sind die Demokratien (noch immer) nicht friedliebend?, S. 79, legt Kants Argument im ersten Definitivartikel so aus, daß die Gewaltneigung um so kleiner sei, je größer die demokratische Mitbestimmung sei. Vgl. auch Doyle, Die Stimme der Völker, S. 222. 215 Doyle, Kant, Liberal Legacies, and Foreign Affairs, S. 325. Umgekehrt führt äußere Aggression auch zu innerer Aggression, so Gilbert, Must Global Politics Constrain Democracy?, S. 246, mit dem Verweis darauf, daß diese These schon von Aristoteles vertreten worden sei; dazu auch Höffe, Für und Wider eine WeItrepublik, S. 216. 216 Zanetti, Ethik des Interventionsrechts, S. 301. Demokratien seien dagegen auch nach außen transparent und deshalb verläßlich, so Moravcsik, Federalism and Peace: A Structural Liberal Perspective, S. 128; ähnlich auch Wright, A Study of War, S. 264, FN. 33; Risse-Kappen, Demokratischer Frieden? Unfriedliche Demokratien?, S. 174f.

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

sie aber nicht. Sie haben daher ihre Berechtigung neben den Argumenten Kants, dürfen aber nicht als dessen Argumente ausgegeben werden. 218 3. Der zweite Definitivartikel "Das Völkerrecht soll auf einen Föderalism freier Staaten gegründet sein."

Im zweiten Definitivartikel arbeitet Kant die Probleme heraus, die mit der Begründung eines vernünftigen Völkerrechts aus der Theorie des ursprünglichen Vertrages verbunden sind (a). Nach der Problemstellung sind zwei Fragenkreise zu erörtern. Zum einen ist zu klären, wie nach der Vernunft das Verhältnis der Staaten rechtlich organisiert sein muß, also welcher Idee das Völkerrecht folgen soll (b). Zum anderen ist zu untersuchen, mit welcher völkerrechtlichen Konstruktion Kant den Widerspruch eines ursprünglichen Vertrages der Staaten zum Begriff des Staates auflösen will (c). a) Probleme eines ursprünglichen Vertrages zwischen Staaten

aa) Die Analogie zwischen Staat und Individuum als Ausgangspunkt Die Anforderungen, die das Völkerrecht erfüllen muß, gewinnt Kant, wie beim Staatsrecht, aus der Idee des Naturzustandes, in dem es kein gesichertes Recht gibt. Wie die Menschen, die sich im Naturzustand schon durch ihr Nebeneinander lädieren, stellen auch die Staaten füreinander eine ständige Bedrohung dar. Daher können die Staaten in Analogie zu den Menschen voneinander fordern, in einen rechtlichen Zustand zu treten. 219 Denn wie die Mensch sind auch die Staaten moralische Personen, da sie in der Lage seien, ihr Verhalten durch vernünftige Überlegungen zu steuern. 220 217 Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf "Zum ewigen Frieden", S. 87; ähnlich Covell, Kant, die liberale Theorie der Gerechtigkeit und die Weltordnung, S. 366. Ob darüber hinaus eine gute Staats verfassung, wie Goedeckemeyer, Die Idee vom ewigen Frieden, S. 47, meint, zur moralischen Besserung des Volkes führt, scheint zweifelhaft. 218 So gibt Tes6n, The Kantian Theory of International Law, S. 75, das Argument, die republikanische Verfassung erziehe die Bürger, als Argument Kants aus. 219 Abzulehnen ist die Ansicht von Kambartei, Kants Entwurf und das Prinzip der Nichteinmischung, S. 242f., die Analogie gelte nur für Republiken. Zwar entspricht nur die republikanische Verfassung vollständig der Idee des ursprünglichen Vertrages. Die Republik ist jedoch selbst eine Idee, die, wenn auch nur teilweise verwirklicht, die moralische Persönlichkeit eines jeden Staates, der auch nur in geringem Maße am allgemeinen Willen orientiert ist, zu begründen geeignet ist. 220 Aus der Eigenschaft des Staates als moralische Person leitet Höffe, Kant als Theoretiker der internationalen Rechtsgemeinschaft, S. 493, weitere grundlegende Rechte wie die territoriale Integrität und die politische Selbstbestimmung ab. Gegen

III. Die Definitivartikel

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Durch den ursprünglichen Vertrag organisieren sich die Individuen, indem sie sich unter Zwangsgesetze begeben, die sicherstellen, daß die Freiheit des einen mit der Freiheit aller zusammen bestehen kann. Setzte man die Analogie zum Staatsrecht fort, so ergäbe sich, daß die Staaten sich nach der Idee des ursprünglichen Vertrages in einem republikanisch verfaßten Staaten-Staat zusammenschließen müßten, wobei sie für den Verzicht auf das Äquivalent der natürlichen Freiheit bei den Individuen das Äquivalent der gesetzlichen Freiheit erlangten. Der natürlichen Freiheit der Individuen als Ausgangspunkt des Staatsrechts entspricht die (absolute) Souveränität der Staaten als Ausgangspunkt des Völkerrechts. Lutz-Bachmann wendet gegen diesen Vergleich ein, die Souveränität sei, anders als die natürliche Freiheit, ein Rechtstitel. 221 Diese Ansicht beruht auf einer falschen Perspektive: Aus Sicht des Völkerrechts ist die Souveränität ebensowenig ein Rechtstitel wie aus Sicht des Staatsrechts die natürliche Freiheit der Individuen. In diesem Zusammenhang wird auch von ,äußerer' Souveränität gesprochen. Sie ist im Gegensatz zur innerstaatlich mit dem Gesellschaftsvertrag begründeten ,inneren' Souveränität zu sehen. Durch den Gesellschaftsvertrag wird der Staat nur nach innen rechtlich gebunden. Die ,äußere' Souveränität ist nur dann ein Rechtstitel des Völkerrechts, wenn sie von anderen Staaten als solcher anerkannt wurde. Dann handelt es sich freilich nicht mehr um das Äquivalent zur natürlichen Freiheit der Menschen, sondern um eine Form der gesetzlichen Freiheit. Wie die Individuen, so müßten auch die Staaten Anspruch darauf haben, in einen gesetzlichen Zustand zu treten, in dem ihre Rechte gesichert sind. Dafür bedarf es eines öffentlichen Rechts über den Staaten, dessen Verletzung zwangsweise durchsetzbare Sanktionen zur Folge hat. Diesen Schluß zieht Kant aber nicht. Das begründet er mit dem Begriff des Staates. Der Staat ist gekennzeichnet mindestens durch einen Gesetzgebenden - das ist nach der Idee der republikanischen Verfassung der Repräsentant des allgemeinen Willens - und den Gehorchenden, das Volk. Viele Völker in einem Staat würden aber "nur ein Volk ausmachen". Damit meint Kant nicht ein kulturelles Verschmelzen der Völker zu einem Weltvolk. Ihm geht es um die legitimationstheoretische Funktion des Volkes als Staatsvolk. Denkt man den Staatenstaat als einen Staat, dessen Staatsvolk die Einzelstaaten sind, so stehen die einzelstaatlichen Gesetzgeber als Gehorchende im Verhältnis zum Staaten staat, der Repräsentant eines gedachten allgemeinen Willens der Staaten ist. Dann sind die Staaten nicht mehr nur durch den allgemeinen Willen ihres Staatsvolkes bestimmt, sondern durch den allgeHöffes Bezeichnung dieser Rechte als "angeborene Rechte" der Staaten Chwaszcza, Grundprobleme einer liberalen Philosophie der internationalen Beziehungen, S. 47. 221 Lutz-Bachmann, Kants Freidensidee und das rechtsphilosophische Konzept einer Weltrepublik, S. 42. 5 Hackel

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Eine Interpretation der Friedensschrift

meinen Willen aller Staaten. Dadurch werden die Staatsvölker aller Einzelstaaten zu einem einzigen Staatsvolk. In einem Staatenstaat kann es daher nur ein Staatsvolk geben. Dann wären die Staaten in einem Weltstaat aufgegangen. Der Einwand Gerhardts gegen diese Argumentation Kants, die Existenz mehrerer Staaten sei eine historische Tatsache, nicht aber vernunftrechtlich notwendig 222 , trifft zwar in der Sache zu; Kant untersucht aber das Völkerrecht unter der empirischen Voraussetzung der Existenz mehrerer Staaten, "da wir hier das Recht der Völker gegeneinander zu erwägen haben". Für diese Situation arbeitet er im ersten Absatz des zweiten Definitivartikels das Problem heraus: Die vernunftrechtliche Ableitung des Völkerrechts stößt unter der Voraussetzung der Existenz mehrerer Staaten auf einen Widerspruch. Ob Kant diesen Widerspruch nur auf den "Völkerstaat" oder auch auf den "Völkerbund" bezieht, wird in der Formulierung nicht auf den ersten Blick deutlich. Würde Kant den Widerspruch nur für den Völkerstaat sehen, wäre der Völkerbund die Lösung des Problems. Dagegen spricht, daß Kant auch den Völkerbund aus der Analogie der zwischenstaatlichen Beziehungen zum Verhältnis der Menschen untereinander ableitet. Das bedeutet, daß sich die Staaten unter Zwangsgesetze begeben müssen, um den Naturzustand untereinander zu beenden. Damit entsteht derselbe Widerspruch wie bei einem Völkerstaat. Der Völkerbund ist daher nicht die vorgeschlagene Auflösung des Widerspruchs, sondern wie der Völkerstaat das problematische Ergebnis der Analogie zu den Individuen. Diese Interpretation wird durch die Formulierung gestützt: Kant schreibt, der Völkerbund müsse kein Völkerstaat sein. Andernfalls hätte es lauten müssen, er dürfe kein Völkerstaat sein. Völkerstaat und Völkerbund sind daher Lösungen, die am Begriff des Staates scheitern. bb) Konstruktive Probleme einer Analogie zwischen Staat und Individuum Ein erstes Problem wirft die Frage auf, wie das Zustandekommen des bürgerlichen Zustands zwischen Staaten gedacht werden kann. Individuen können sich - notfalls mit Gewalt - zwingen, in einen gesetzlichen Zustand miteinander zu treten. Kant lehnt dies im zweiten Definitivartikel für die Staaten ab, weil sie schon rechtlich verfaßt, und deshalb dem Zwang, sich unter gemeinsame Gesetze mit anderen Staaten zu begeben, entwachsen seien. Die Analogie ist also unvollständig, weil im Naturzustand zwischen den Staaten nicht gar kein Recht besteht, sondern schon ein innerstaatliches Recht. 223 Ebbinghaus sieht den Grund für die Unvollständigkeit der Analo222

Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf ,,zum ewigen Frieden", S. 95.

III. Die Definitivartikel

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gie darin, daß die Weigerung eines Staates, in einen gesetzlichen Zustand mit anderen Staaten zu treten, anders als bei einem Individuum nicht zwingend den Schluß auf den fehlenden Willen zur Orientierung des Verhaltens an Rechtsgrundsätzen zulasse. 224 Daher dürfen sich Staaten nicht gegenseitig in einen gesetzlichen Zustand zwingen. Die Gegenposition vertritt Kant erst zwei Jahre später in der Rechtslehre. Dort gesteht er den Staaten ZU 225 , "einander zu nöthigen, aus diesem Kriegszustande herauszugehen,,226. Die Argumentation in der Friedensschrift scheint der analogen Betrachtung von Staaten und Individuen zu widersprechen. Auch die Regeln, die sich ein Individuum selbst gibt, um den Gebrauch seiner inneren Freiheit festzulegen, spielen im Staatsrecht keine Rolle. Selbst Individuen, die sich den kategorischen Imperativ zum inneren Gesetz machen, können gezwungen werden, den anderen Individuen Sicherheit für die Einhaltung der Gesetze zu leisten. Daher fragt sich, weshalb nun das Staatsrecht auf der Ebene zwischen den Staaten eine Rolle spielen soll. Es bindet, auch als öffentliches Recht, den Staat gegenüber anderen Staaten ebensowenig wie die moralische Haltung den Menschen gegenüber anderen Menschen. Zudem entfiele, selbst wenn man der Argumentation insoweit folgen wollte, die Begründung der Erforderlichkeit der Verrechtlichung nur auf den schon vom Staatsrecht geregelten Gebieten. Gerhardt meint zwar, die staatliche Zuständigkeit für die Ausübung von Gewalt decke auch die Außen beziehungen ab. 227 Dann würde sich das staatliche Recht auch auf diesen Bereich erstrecken, und ein Bedürfnis nach völkerrechtlicher Regelung bestünde nicht. Regelungsgegenstand können aber gar nicht die zwischenstaatlichen Belange sein; sonst würde ein Staat über Fragen entscheiden, die ebensogut von einem anderen Staat auf andere Weise entschieden werden könnten. Ob sich aus der Vernunft überhaupt Argumente gegen die Anwendung von Gewalt zwischen Staaten im Naturzustand ergeben können, ist zweifel223 Vgl. Ebbinghaus, Kants Lehre vom ewigen Frieden und die Kriegsschuldfrage, S. 14; Cavallar, Pax Kantiana, S. 206; Gerhardt, Immanue! Kants Entwurf ,,zum ewigen Frieden", S. 93. 224 Ebbinghaus, Kants Lehre vom ewigen Frieden und die Kriegsschuldfrage, S. 15. 22S Dieses Zugeständnis folgt nicht aus der Vernunft. Nach Kants Definition des Rechts in der Einleitung vor den Definitivartikeln kann nicht von einem ,Recht zum Krieg' gesprochen werden. Aussagen wie die von Merke!, ,,Lauter leidige Tröster"?, S. 316, und Moog, Kants Ansichten über Krieg und Frieden, S. 89, im Naturzustand gebe es ein Recht zum Krieg, ähnlich auch Zickendraht, Kants Gedanken über Krieg und Frieden, S. 10, sind daher nicht in dem Sinne zu verstehen, daß sie ,Recht' in dieser Bedeutung gebrauchen. 226 Die Metaphysik der Sitten, VI, S. 343 (23 f.). 227 Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf ,,zum ewigen Frieden", S. 94.

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haft. Ein zwischen den Staaten geltendes ,Recht zum Krieg', das auch als äußeres ,Recht zum Krieg' bezeichnet werden könnte, läßt sich nicht denken. Daraus kann nicht im Gegenschluß abgeleitet werden, daß Gewaltanwendung zwischen Staaten Unrecht sei. Denn wenn es kein Recht über den Staaten gibt, so kann auch ein Unrechtsurteil nicht gefällt werden. Aus dem zwischenstaatlichen Recht kann daher im Naturzustand nicht gegen den Einsatz von Gewalt zwischen den Staaten argumentiert werden. Krieg kann zwar auch deshalb kein von der Vernunft gefordertes Mittel zum Erreichen eines Zustands des Rechts sein, weil sein Ausgang nicht vom Recht, sondern von der Macht abhängt. 228 Damit bliebe dem Zufall überlassen, ob sich das Recht durchzusetzen vermag. Dieses Argument setzt jedoch das Bestehen einer Rechtsordnung als Alternative voraus, die es im Naturzustand noch nicht gibt. Aus der Perspektive der Vernunft ist das Erreichen eines gesetzlichen Zustands stets zufällig. Aus dem Zweck des Staates, der sich aus der Idee des ursprünglichen Vertrages ergibt, folgt, daß er seine Bürger nicht als Mittel zu einem Krieg gebrauchen darf. Damit ist - bis auf die Fälle, in denen die Bürger zugleich als Zweck des Krieges gedacht werden können - ein inneres ,Recht zum Krieg' abzulehnen. Kant verdeutlicht das an dem abschreckenden Beispiel eines bulgarischen Fürsten, der das Angebot des byzantinischen Kaisers, einen Streit durch Zweikampf beizulegen, ablehnte mit den Worten: "Ein Schmid, der Zangen hat, wird das glühende Eisen aus den Kohlen nicht mit seinen Händen herauslangen." Damit scheidet der Krieg als Mittel der Staaten, sich in einen gesetzlichen Zustand zu zwingen, lediglich wegen Fehlens eines inneren Rechts zum Krieg aus; das Recht, das die Beziehungen der Staaten regeln soll, kann dann nur dadurch zustande kommen, daß die Staaten sich freiwillig in den Rechtszustand begeben. 229 Dasselbe muß nicht auch für die Individuen im Naturzustand gelten. Auch hier läßt sich ein äußeres Unrechtsurteil hinsichtlich der Gewaltanwendung nicht denken. Und anders als das Staatsrecht, das durch den Zweck der Individuen legitimiert ist, der von den Staaten auch beim Handeln nach außen beachtet werden muß, gibt es für die Individuen keine dem entsprechende innere Verbindlichkeit, denn sie sind selbst der primäre Zweck. Die Aufweichung der Analogie zwischen Individuen und Staaten in der Frage der Anwendung von Gewalt, um den rechtlichen Zustand herzustellen, ist daher die Konsequenz daraus, daß die Individuen kraft ihrer originären Vernunftfähigkeit Zweck sind, während sich der Zweck des Staates erst aus der Vernunftfähigkeit seiner Bürger ableitet. Vgl. Höffe, Völkerbund oder Weltrepublik?, S. 112. Vgl. Cavallar, Kant's Society of Nations, S. 472; Waltz, Kant, Liberalism, and War, S. 337; Kersting, Weltfriedensordnung und globale Verteilungsgerechtigkeit, S. 183. 228 229

III. Die Definitivartikel

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Der zweite Problemkreis der Analogie betrifft die Frage, wie die Rechtsordnung zwischen den Staaten gestaltet sein soll. Das Staatsrecht entsteht durch einen Freiheitsverzicht der Individuen. Der Staat erhält die Befugnis, die allgemeinen Gesetze mit Zwang durchzusetzen. Übertragen auf das Völkerrecht müßte eine Institution geschaffen werden, die die Staaten zur Beachtung des Völkerrechts zwingen kann. Das entspricht der Logik des Begriffs des öffentlichen Rechts bei Kant. Mit Axinn: "The world govemment has to be compulsory, not voluntary. [... ] A voluntary govemment is almost a contradiction in term.'.230 Ansonsten wäre das Völkerrecht nur Privatrecht und der ewige Friede nicht erreicht. Dagegen läßt sich nicht das gelegentlich vertretene Argument einwenden, Zwang gegenüber Staaten bedeute immer Krieg.23\ Dabei handelt es sich um einen empirischen Einwand, der nicht zur Entkräftung einer transzendentalen Begründung taugt und der sich widerlegen läßt durch das empirische Gegenargument, daß auch andere Sanktionsmechanismen denkbar sind. 232 In der transzendentalen Argumentation ergibt sich eine Begrenzung der Sanktionsmittel bereits aus der analogen Betrachtung von Staaten und Individuen: Gegenüber den Individuen im Staatsrecht sind nur Zwangsmittel erlaubt, die mit dem kategorischen Imperativ vereinbart werden können. Eine Beschränkung auf solche Sanktionen muß es auch in einem an der Idee des ursprünglichen Vertrages orientierten Völkerrecht geben. Der Krieg scheidet damit als Sanktionsmittel aus. Gegen ein zwangsbewehrtes Völkerrecht spricht, daß die Staaten dem gar nicht zustimmen könnten, weil es dem ihnen zugrunde liegenden ursprünglichen Vertrag widersprechen würde. Brandt betont, die Staaten müßten vernunftnotwendig an ihrer Souveränität festhalten, weil sie die Freiheit ihrer Bürger ermögliche. 233 Dabei ist die innere Souveränität nicht unmittelbar gefährdet; sie kann aber nicht aufrechterhalten werden, wenn die äußere Souveränität aufgegeben wird, weil sich dann in den Handlungen des Staates nicht mehr nur der allgemeine Wille seiner Bürger auswirkt. Die Staaten können ihre Souveränität also gar nicht aufgeben. 234 Daher schreibt Kant am Ende der Erläuterung des zweiten Definitivartikels, daß die StaaAxinn, Kant on World Government, S. 249. Vgl. Goedeckemeyer, Die Idee vom ewigen Frieden, S. 60; Gallie, Wanted: A Philosophy of International Relations, S. 485. 232 Vgl. Nida-Rümelin, Ewiger Friede zwischen Moralismus und Hobbesianismus, S. 318ff. 233 Brandt, Historisch-kritische Beobachtungen zu Kants Friedensschrift, S. 52; angedeutet auch bei Dann, Die Friedensdiskussion der deutschen Gebildeten, S. 115. 234 Vgl. von Raumer, Ewiger Friede, S. 167; Kersting, Weltfriedensordnung und globale Verteilungsgerechtigkeit, S. 184. Vgl. auch Pogge, Kant's Theory of lustice, S.429. 230 231

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

ten einen Völkerstaat "nach ihrer Idee vom Völkerrecht durchaus nicht wollen,.235. Damit ist die Ablehnung des Weltstaates moralisch geboten. 236 Ihre Begründung hat transzendentalen Charakter. Das kommt auch in der Formulierung des zweiten Definitivartikels zum Ausdruck. Kant spricht von einem Föderalism freier Staaten. Damit meint er souveräne Staaten. 237 Der von Kant vertretene "absolute Souveränitätsbegriff,238 macht ein Zwangsrecht über den Staaten unmöglich. Die Analogie von Staaten und Individuen kann daher nicht vollständig sein, wenn an der Souveränität der Staaten festgehalten werden soll. 239 Cavallar meint, schon der zweite Präliminarartikel spreche dafür, daß Kant die Souveränität eines Staates nicht für disponibel hält. 24o Anders als der zweite Präliminarartikel, der die Staaten vor Fremddisposition schützen will, geht aber das Argument Kants hier weiter: Der Staat kann nach der Vernunft auch nicht über sich selbst disponieren. 241 Mit der Begründung für die Ablehnung eines sanktions bewehrten Rechts über den Staaten ist ein weiteres Argument für den ersten Problemkreis, die Anwendung von Zwang bei der Entstehung des Rechts, gefunden. Zu fragen ist, ob ein Staat, der sich weigert, in einen gesetzlichen Zustand zu treten, bei anderen Staaten dasselbe Mißtrauen auslöst wie ein Individuum bei anderen Individuen. Dabei stößt man auf den entscheidenden Unterschied zwischen Staaten und Menschen. Wenn der Staat sich nach der ihm zugrunde liegenden Idee des ursprünglichen Vertrages gar nicht unter Zwangsgesetze begeben kann, kann er auch bei anderen Staaten, die auf derselben Idee beruhen, kein Mißtrauen durch die Weigerung als solche hervorrufen. Es verbleibt dann der Anteil des Mißtrauens, der auf die im Naturzustand stets gegebene Gefahr einer Gewaltanwendung zurückgeht. Die Frage, ob dieses Mißtrauen die vorbeugende Anwendung von Gewalt rechtfertigt, wird in der Friedensschrift verneint. In der Erörterung verbleibt das Problem, warum Kant in der Rechtslehre anders als in der Friedensschrift die Auffassung vertritt, die Staaten könnten sich zwingen, in einen rechtlichen Zustand zu treten. Die Ansicht Cavallars, das hänge mit der Frage zusammen, ob ein Bund mit oder ohne Zwangsgewalt angestrebt werde,242 vermag nicht vollständig zu überzeum Hervorhebung vom Verfasser. Vgl. Hinsley, Power and the Pursuit of Peace, S. 63. 237 Vgl. C. J. Friedrich, Die Ideen der Charta der Vereinten Nationen, S. 80. 238 Vgl. Duve, "Mit Kant und mit ihm", S. 145. 239 Vgl. Hancock, Kant on War and Peace, S. 670. 240 Cavallar, Pax Kantiana, S. 109. 241 Vgl. auch Kersting, Weltfriedensordnung und globale Verteilungsgerechtigkeit, S. 184. 242 Cavallar, Pax Kantiana, S. 74. 236

III. Die Definitivartike1

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gen. Zum einen stimmen die vorgeschlagenen Modelle in Friedensschrift und Rechtslehre überein, so daß daraus der Unterschied in der Frage der Rechtsentstehung nicht erklärt werden kann. Zum anderen ist zwar ein Zwang, in einen freiwilligen Friedensbund zu treten, nicht denkbar, da mit dem Eintritt in den Bund der Zwang aufhören müßte, ohne daß die Staaten gezwungen werden könnten, ihr Verhalten zu ändern; das könnte verhindert werden, indem die Verletzung des Rechts des Bundes als Austritt angesehen wird, was die Möglichkeit der Anwendung von Zwang wieder herstellen würde; dann hätte man aber durch eine alternative Rechtskonstruktion wiederum eine Sanktionierung von Verstößen gegen das Völkerrecht eingeführt - mit dem Unterschied zum öffentlichen Recht, daß der Zwang nicht rechtlich gebunden ausgeübt würde, sondern dem zufälligen Willen einzelner Staaten überlassen wäre. Die Unterwerfung unter Zwangsgesetze ist aber auch freiwillig möglich. Die Argumentation Cavallars kann daher herangezogen werden, wenn man begründen will, daß ein Bund ohne Zwangsgewalt nicht durch Zwang entstehen kann. Über den Modus der Entstehung eines zwangsbewehrten Völkerrechts gibt sie dagegen keinen Aufschluß. Rinderle weist darauf hin, daß die Staatenbildung eine paradoxe Wirkung zeige: Zum einen beende sie den Naturzustand zwischen den Menschen eines Volkes, zum anderen aber perpetuiere sie den Naturzustand zwischen den Völkern. 243 Ähnlich äußert sich Funke, der einen Widerspruch darin sieht, daß der Staatsbürger im internationalen Bereich wieder in den Naturzustand zurückfalle. 244 Insofern kann die Analogie zwischen Staaten und Individuen nicht vollständig sein. Wäre sie vollständig, müßten die Staaten ihre Souveränität aufgeben. Aus der Analogie würde sich ein Völkerstaat ergeben. Das wiederum widerspräche dem den Staaten zugrunde liegenden ursprünglichen Vertrag. Aus der Vernunft läßt sich also unter der Voraussetzung, daß es Staaten gibt, keine Lösung des Friedensproblems gewinnen. cc) Lösungsvorschläge in der Literatur In der Literatur werden daraus unterschiedliche Konsequenzen gezogen: Ein Teil der Autoren hält die Auffassung Kants zum Völkerrecht für widersprüchlich. 245 Kant habe vor dem Problem der Friedenssicherung mit friedlichen Mitteln kapituliert. 246 Daß die Aussagen Kants zum Völkerrecht so unklar seien, liege daran, daß die vernunftgemäße Lösung zur Zeit Kants Rinderle, Die Idee der wohlgeordneten Staatengemeinschaft, S. 668. Funke, Kant und die Prinzipien, auf denen Frieden gründet, S. 39. 245 Habermas, Kants Idee des ewigen Friedens, S. 18; Cavallar, Pax Kantiana, S. 210; Axinn, Kant on World Government, S. 243; Carson, Perpetual Peace: What Kant should have said, S. 178; Lutz-Bachmann, Kants Friedensidee und das rechtsphilosophische Konzept einer Weltrepublik, S. 38. 243 244

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

noch als unrealisierbar erscheinen mußte. 247 Kersting vertritt die Ansicht, das Dogma der absoluten Souveränität habe Kant daran gehindert, "die angemessenen institutionellen und organisatorischen Konsequenzen aus seiner Einsicht zu ziehen. ,,248 Die Kritik an Kant läßt sich darauf zurückführen, daß Kant Voraussetzungen für ein vernünftiges Recht aufstellt, die im Völkerrecht aus Vernunftgründen nicht erfüllt sein können. Kant zerstört, wie Steiger bemerkt, "das Völkerrecht und damit die rechtliche Möglichkeit, Frieden herzustellen und zu sichern [... ],,249 Das Völkerrecht als Recht zwischen Staaten kann nach der Vernunft gar nicht als öffentliches Recht gedacht werden. Daher kommt Asbach zu dem Schluß, schon die Fragestellung, wie ein durchsetzbares internationales Recht bei gleichzeitiger Erhaltung der vollen Souveränität der Staaten konstruiert werden könne, sei aporetisch. 250 Ein anderer Teil der Interpretationen verbleibt bei der von Kant aufgeworfenen Problemstellung und sucht nach von Kant nicht entwickelten Auswegen aus der Widersprüchlichkeit. Diese Autoren versuchen, die Analogie zwischen Staaten und Individuen hinsichtlich einzelner Elemente im Bereich der Voraussetzungen oder der Folgerungen zu korrigieren. Brunkhorst stellt die These auf, eine zwangsweise Durchsetzung des Völkerrechts sei nicht erforderlich. Seine Begründung setzt am Vergleich des Naturzustandes zwischen Individuen und Staaten an. Zwar gebe es ein Volk von Teufeln, die durch Zwangsgesetze beherrscht werden müßten, ein "republikanischer Bund von Despotismen" sei demgegenüber nicht vorstellbar?51 Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Schrader: Zwang sei nicht erforderlich, weil bei innerer rechtlicher Verfassung die Selbstbindung der politischen Akteure für die Gewährleistung eines rechtlichen Außenverhaltens ausreiche. 252 Daher sei davon auszugehen, daß sich das Recht zwischen den Staaten auch ohne Zwang durchsetze. Beide Ansätze scheinen zunächst für sich zu haben, daß bei Verwirklichung des ersten Definitivartikels eine den Teufeln auf Ebene der Individuen entsprechende Voraussetzung für die Staaten als zu pessimistisch erscheint. Bei einer solchen Sichtweise werden aber 246 Schrader, Die Europäische Union - "Völkerbund" oder "Universalmonarchie"?, S. 113. 247 Bourke, Kanfs Doctrine of "Perpetual Peace", S. 331; Hancock, Kant on War and Peace, S. 672 f. 248 Kersting, Probleme der politischen Philosophie der internationalen Beziehungen, S. 27. 249 Steiger, Frieden durch Institution, S. 153. 250 Asbach, Internationaler Naturzustand und Ewiger Friede, S. 225. 251 Brunkhorst, Paradigmenwechse\ im Völkerrecht?, S. 262. 252 Schrader, Die Europäische Union - "Völkerbund" oder "Universalmonarchie"?, S. 113.

III. Die Definitivartikel

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innere und äußere Bindung des Staates verwechselt. Kant unterscheidet hier zwischen "der Bösartigkeit der menschlichen Natur, die sich im freien Verhältniß der Völker unverhohlen blicken läßt" und "im bürgerlichen Zustande durch den Zwang der Regierung sich sehr verschleiert". Auch ein republikanisch verfaßter Staat kann versuchen, das Wohl der eigenen Bürger auf Kosten anderer durchzusetzen. Dazu kann er nach dem ihm zugrunde liegenden ursprünglichen Vertrag sogar verpflichtet sein, wenn seinen Bürgern daraus Vorteile entstehen. Denn die Interessen der Bürger anderer Staaten finden in den das Handeln eines Staates bestimmenden allgemeinen Willen keinen Eingang. Kant vergleicht die Staaten mit "Wilden", die "die tolle Freiheit der vernünftigen" vorziehen. Die Ansätze von Brunkhorst und Schrader beruhen auf einer Unterschätzung von Kants transzendentalem Argument gegen den Weltstaat, der unter der Voraussetzung des Bestehens von Staaten an deren ursprünglichem Vertrag scheitern muß. Baumgartner meint, ein Friedensbund ohne Zwangsgewalt reiche deshalb aus, weil er die weltweite Ausbreitung eines ethischen Gemeinwesens bewirke, so daß Zwangsgesetze nicht nötig seien. 253 Dieser Ansatz widerspricht dem Zweck der Beschränkung des Friedensbegriffes auf das Recht. Es soll die gewaltfreie Konfliktlösung selbst noch unter der Voraussetzung ermöglichen, daß es sich um Teufel handelt. Diese lassen sich nicht zu vernünftigem Handeln erziehen. Der Lösungsvorschlag Baumgartners geht also von optimistischeren Voraussetzungen aus als der Ansatz Kants. Einem Modell, das allein auf eine Entwicklung der Moral setzt, fehlt die Rechtssicherheit. 254 Wenn nur ein Staat sich nicht an das Völkerrecht hielte, würden die anderen gezwungen, dieses ebenfalls zu tun. Eine andere Lösung schlägt Höffe vor, der am Merkmal der Staatlichkeit ansetzt. Er führt in diesem Zusammenhang eine Terminologie ein, die zwischen verschiedenen Stufen der Staatlichkeit unterscheidet: Dem Ultraminimalstaat fehlt die Staatlichkeit; es gibt keinen Durchsetzungsapparat, also nur Privatrecht. Der Minimalstaat weist nur geringe Durchsetzungskompetenzen auf; er ist der "liberale Nachtwächterstaat". Der Verfassungsstaat ist durch öffentliches Recht gekennzeichnet ist, was einen erheblichen Freiheitsverzicht voraussetzt. Seine Kompetenzen sind aber begrenzt. Der absolutistische Staat verfügt dagegen über uneingeschränkte Kompetenzen; es gibt daher fast keine Freiheit. 255 Nach der Vernunft seien zur Überwindung des Naturzustands nur Minimalstaat und Verfassungsstaat geeignet, da dem Ultraminimalstaat die Rechtssicherheit fehle und der absolutistische Welt253 Baumgartner, Dreimal "Ewiger Friede", S. 85 f. Er räumt allerdings ein, daß er diese Aussage bei Kant so nicht vorfindet. 254 Vgl. Habermas, Kants Idee des ewigen Friedens, S. 18. 255 Höffe, Eine Weltrepublik als Minimalstaat, S. 158.

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staat die völlige Aufgabe der Staatlichkeit der Staaten verlange. 256 Die Weltrepublik ist nach Höffe nur als Minimalstaat legitim, weil sie legitimationstheoretisch nur sekundäre Staatlichkeit besitze. 257 Daher könne sie nur Aufgaben haben, die nicht schon von den Staaten abgedeckt werden. Deshalb müsse sich die vollständige Ablehnung eines Weltstaates durch Kant aus dessen eigenem Ansatz nicht ergeben. 258 Kant hätte nach seiner Argumentation im zweiten Definitivartikel einen Minimalstaat propagieren können?59 Dieser habe volle Souveränität, aber nur für einen minimalen Bereich. 26o Diese These Höffes, die in ähnlicher Form von Carson 261 , mit anderer Begründung auch von Lutz-Bachmann262 vertreten und von Koller263 angedeutet wird, ist nur dann als Ergebniskorrektur auf Basis der Kantschen Voraussetzungen akzeptabel, wenn der Minimalstaat auf Weltebene tatsächlich nur Kompetenzen wahrnimmt, die nicht schon von den einzelnen Staaten abgedeckt werden. Die Aufgabe des Weltstaates könnte, wenn man die Analogie auch auf legitimatorischer Ebene fortsetzt, insbesondere in der Erhaltung der Souveränität der Staaten zu sehen sein. Diese dient der Wahrung der Freiheit der Bürger. Damit ist die Erhaltung der Souveränität nach der den Staaten zugrunde liegenden Idee des ursprünglichen Vertrages bereits deren Aufgabe. Wenn die Legitimation eines Weltstaates sich nur aus der Aufgabe der Sicherung von Rechten der Staaten ergeben kann, die Staaten nach der Idee des ursprünglichen Vertrages aber nur solche Rechte haben, die sie zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben gemäß dieser Idee benötigen, so daß sie selbst zum Schutz dieser Rechte aus dem ihnen zugrunde liegenden ursprünglichen Vertrag verpflichtet sind, also kein Recht eines Staates denkbar ist, das er nicht schon selbst zu schützen verpflichtet ist, verbleibt dem Weltstaat nicht eine minimale, sondern überhaupt keine KomHöffe, Eine Weltrepublik als Minimalstaat, S. 162ff. Höffe, Für und Wider eine We1trepublik, S. 212. 258 Höffe, Eine Weltrepublik als Minimalstaat, S. 165. 259 Höffe, Kant als Theoretiker der internationalen Rechtsgemeinschaft, S. 492. 260 Höffe, Völkerbund oder Weltrepublik?, S. 116. 261 Carson, Perpetual Peace: What Kant should have said, S. 173, will den Weltstaat auf die Aufgabe der Monopolisierung militärischer Gewalt beschränken. Er spricht zwar von einem ultraminimalen Weltstaat. Nach der vorgeschlagenen Aufgabe des We1tstaates muß dieser aber über Zwangsbefugnisse verfügen, so daß es sich in der Terminologie Höffes um einen Minimalstaat handelt. 262 Lutz-Bachmann, Kants Friedensidee und das rechtsphilosophische Konzept einer Weltrepublik, S. 40f. 263 Das Argument Kants, ein Weltstaat sei nicht möglich, weil er zur Auflösung der Einzelstaaten führe, bezeichnet Koller, Frieden und Gerechtigkeit in einer geteilten Welt, S. 220, als "pure Sophisterei, die auf einem begrifflichen Taschenspielertrick beruht." Die Vielfalt der Staaten fordere nicht notwendig ihre uneingeschränkte Souveränität. 256 257

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petenz. Unter der empirischen Voraussetzung des Bestehens von Staaten ist ein Weltstaat bei im übrigen rein transzendentaler Betrachtung nicht möglich. Andererseits könnte es Aufgaben geben, die der Staat dem ihm zugrunde liegenden ursprünglichen Vertrage nach zwar erfüllen müßte, zu deren Wahrnehmung er aber aus tatsächlichen Gründen nicht in der Lage ist. Dann ist der Staat sogar verpflichtet, eine Möglichkeit zu finden, diese Aufgabe wahrnehmen zu können. Den Schutz vor äußerer Gewalt kann ein Staat all eine nur erreichen, wenn er mächtiger ist als alle übrigen Staaten zusammen. Ist das nicht der Fall, so muß er sich zur Erfüllung dieser ihm gegenüber seinen Bürgern obliegenden Aufgabe mit anderen Staaten, die ihren Bürgern gegenüber dieselbe Verpflichtung zu erfüllen haben, zusammenschließen. Daher dient der Weltstaat zur Wahrnehmung der staatlichen Aufgaben, die über die tatsächlichen Möglichkeiten der Staaten hinausgehen, kann sich also nur auf eine abgeleitete Legitimation gründen, weshalb Höffe von sekundärer Staatlichkeit spricht264 • Die von Höffe vorgeschlagene Begründung des Weltstaates erfordert eine nur minimale Korrektur an den von Kant vorausgesetzten Tatsachen: Kein Staat darf mächtiger sein als alle übrigen Staaten zusammen. Das Ergebnis, der Weltstaat, ergibt sich dann unter Anwendung der von Kant seiner Argumentation zugrunde gelegten transzendentalen Prinzipien eines Friedens durch Recht. Nach der Begründung der Erforderlichkeit des Weltstaates und der Definition seiner Kompetenzen bleibt zu klären, warum ein Minimalstaat, und nicht ein Ultraminimalstaat diese Aufgaben wahrnehmen soll. Das ergibt sich nicht notwendig aus der Art der Aufgaben; denn wenn es um gemeinsame Interessen der Staaten geht, ist auch denkbar, daß die Staaten ohne Zwang kooperieren. Zu fragen ist aber, ob eine freiwillige Staatenvereinigung in der Lage ist, alle staatlichen Aufgaben zu lösen, die die Staaten alleine nicht bewältigen können. Für den Schutz vor Bedrohungen, die sich von außen gegen die Staaten und ihre Bürger richten, wie etwa Naturkatastrophen, ist eine Zusammenarbeit ohne Zwang vorstellbar. Anders verhält es sich mit dem Schutz der Staaten voreinander. Solange keine über den Staaten stehende Macht verhindert, daß ein Staat seine Interessen auf Kosten eines anderen Staates durchsetzt, kann sich kein Staat seiner Rechte sicher sein. Die Aufgabe, Rechtssicherheit zu schaffen, kann nur ein zwangsbewehrtes Recht leisten. Nun ist der minimale Weltstaat aber auf solche Aufgaben beschränkt, die die Staaten alleine nicht wahrnehmen können. Das öffentliche Völkerrecht muß daher auf einen so engen Bereich begrenzt werden, daß die Wahrnehmung der Staatsaufgaben nicht beeinträchtigt wird. 264

Höffe, Völkerbund oder Weltrepublik?, S. 131.

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Unter diesen Bedingungen läßt sich ein Minimalstaat auf Weltebene denken, und zwar auch unter den von Kant aufgestellten Prämissen. b) Die Idee der Weltrepublik

Kant hat in der Friedensschrift diese Konsequenz nicht gezogen. Wenn ein zwangsbewehrtes Völkerrecht unter der Voraussetzung, daß es Staaten gibt, nach Ansicht Kants nicht möglich ist, muß noch die Alternative erwogen werden, daß es zwar einen Weltstaat, aber keine Einzelstaaten geben soll. aa) Der Weltstaat als Ideal der Vernunft Darüber, ob der zweite Definitivartikel in diesem Sinne zu interpretieren ist, könnte die Entwicklung der Theorie des Völkerrechts in den Schriften Kants Aufschluß geben. In der 1784 erschienenen Schrift "Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht" schlug Kant für das Völkerrecht vor: ,,[ ... ] aus dem gesetzlosen Zustande der Wilden hinaus zu gehen und in einen Völkerbund zu treten; wo jeder, auch der kleinste Staat seine Sicherheit und Rechte nicht von eigener Macht, oder eigener rechtlichen Beurtheilung, sondern allein von diesem großen Völkerbunde (Foedus Amphictyonum), von einer vereinigten Macht und von der Entscheidung nach Gesetzen des vereinigten Willens erwarten könnte.,,265

Kant wollte also einen Völkerbund mit Zwangsgesetzen?66 Der Vergleich zur Amphiktyonie, einem Bund griechischer Stadtstaaten und Stämme, die sich zur Beilegung ihrer Streitigkeiten einem Schiedsgericht unterwarfen 267 , macht deutlich, daß Kant von einer Organisation mit Ansätzen zu supranationalen Befugnissen ausging, wenn diese sich auch auf die Entscheidung von Streitfällen beschränken sollten. Die Begründung hierfür aus der Pflicht, den Naturzustand zu verlassen, stimmt mit der in der Friedensschrift überein. Zwei Jahre vor dem Erscheinen der Friedensschrift in "Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis" hält Kant an einem Völkerstaat mit Zwangsbefugnissen fest und begründet das mit der auch noch in der Friedensschrift angeführten Analogij;!: "Nun ist hierwider kein anderes Mittel, als ein auf öffentliche mit Macht begleitete Gesetze, denen sich jeder Staat unterwerfen müßte, gegründetes Völkerrecht 265 Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, VIII, S. 24 (22ff.). 266 Vgl. auch Brandt, Vom Weltbürgerrecht, S. 138. 267 Vgl. Irrnscher, Lexikon der Antike, S. 37.

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(nach der Analogie eines bürgerlichen oder Staatsrechts einzelner Menschen) möglich [.. .]"268

1797 heißt es dann in der Rechtslehre, ,,[ ... ] daß ein Völkerbund nach der Idee des ursprünglichen Vertrages nothwendig ist [... ] daß die Verbindung doch keine souveräne Gewalt (wie in einer bürgerlichen Verfassung), sondern nur eine Genossenschaft (Föderalität) enthalten müsse [... ],,269 Pfleiderer und Cavallar halten es für möglich, daß historische Ereignisse eine Meinungsänderung Kants in der Friedensschrift bewirkt haben könnten. 270 Dem ist zu entgegnen, daß auch in der Metaphysik der Sitten der Völkerstaat das Ideal bleibt. 271 So schreibt Kant an einer späteren Stelle: "Da der Naturzustand der Völker eben so wohl als einzelner Menschen ein Zustand ist, aus dem man herausgehen soll, um in einen gesetzlichen zu treten: so ist vor diesem Ereignis alles Recht der Völker und alles durch den Krieg erwerbliehe oder erhaltbare äußere Mein und Dein der Staaten bloß provisorisch und kann nur in einem allgemeinen Staatenverein (analogisch mit dem, wodurch ein Volk Staat wird) peremtorisch geltend und ein wahrer Friedenszustand werden. ,,272 Kant hält also in allen Schriften daran fest, daß nach der Idee des Rechts der Friede nur mit Hilfe einer öffentlichen Gewalt gesichert werden kann. Das vernunftrechtliche Ideal des Weltstaates läßt sich konsequent durch alle Schriften verfolgen. Die von vielen Interpretationen angeführte vermeintliche Änderung der Ansichten Kants ergibt sich auf einer anderen Ebene. Während Kant 1784 und auch noch 1793 nur den Weltstaat, zum Teil unter Bezeichnung als "Völkerbund", erörtert, so tritt daneben ab 1795 ein Friedensbund. Damit verbunden ist aber keine Ablehnung des Weltstaates aus Gründen der Vernunft. 273 Denn nur im Weltstaat besteht die von der Vernunft gebotene Rechtssicherheit. 274 Daher entspricht der Weltstaat dem 268 Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, VIII, S. 312 (25 ff.). 269 Die Metaphysik der Sitten, VI, S. 344 (l4ff.). 270 Pfleiderer, Die Idee des ewigen Friedens, S. 6f.; Cavallar, Pax Kantiana, S. 203. Die gegenteilige Ansicht Axinns führt Cavallar, Kant's Society of Nations, S. 469, darauf zurück, daß dieser eine ungenaue Übersetzung benutzt habe. 271 So auch Gonnelli, La Filosofia Politica di Kant, S. 230. 272 Die Metaphysik der Sitten, VI, S. 350 (6ff.). 273 So schon Fichte, Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf von Immanuel Kant, S. 433; außerdem Borries, Kant als Politiker, S. 230; Reiss, Kants politisches Denken, S. 44; Foerster, Europa. Geschichte einer politischen Idee, S. 216; Beutin, Kants Schrift "Zum ewigen Frieden", S. 104; Brandt, Historischkritische Beobachtungen zu Kants Friedensschrift, S. 37; Geismann, Kants Lehre vom Weltfrieden, S. 377; Steinvorth, Soll es mehrere Staaten geben?, S. 258. 274 Vgl. Sartorius, Organon des vollkommenen Friedens, S. 239; Höffe, Für und Wider eine Weltrepublik, S. 220; Bohman, Die Öffentlichkeit des Weltbürgers, S. 87.

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transzendentalen Ansatz Kants. 275 Die Ablehnung des Weltstaates ergibt sich erst unter Einbeziehung der historischen Tatsache der Existenz von Staaten. 276 Axinn und Höffe ist daher darin zuzustimmen, daß Kant nur empirisch, nicht auch theoretisch gegen den Weltstaat argumentiere. 277 Zwar lehnt Kant den Weltstaat auch mit dem Hinweis auf die Idee des ursprünglichen Vertrages ab. Die Ablehnung steht aber unter der tatsächlichen Voraussetzung, daß es Staaten gibt. Daher kann Kants "positive Idee der Weltrepublik" als Weltstaat ohne Einzelstaaten interpretiert werden. Das spricht dafür, daß Kant vom Standpunkt der Vernunft den Weltstaat als Ideal ansah. 278 Der Friedensbund ist dann die zweitbeste Lösung, die sich nach der Vernunft unter der Voraussetzung der Existenz von Staaten ergibt. 279 Der Verzicht auf den Völkerstaat wird daher von vielen Autoren als ein Zugeständnis Kants an die politische Realität gesehen. 28o Folgt man der Auffassung Höffes, muß man von einem unnötigen Zugeständnis sprechen.

275 Vgl. Axinn, Kant on World Government, S. 244; Pogge, Kant's Theory of lustice, S. 428. 276 Ähnlich Ter Meulen, Der Gedanke der Internationalen Organisation in seiner Entwicklung, Band I, S. 327. Die Ansicht Höffes, Völkerbund oder Weltrepublik?, S. 121 f., aus der universalen Rechtsmoral folge nicht, daß es einen nationalitätenlosen Menschheitsstaat geben solle; durch das Entstehen eines "sekundären Staatsvolkes" müsse das primäre nicht aufgelöst werden, setzt voraus, daß es mehrere Staaten gibt. Auch die Auffassung Gerhardts, Eine kritische Theorie der Politik, S. 58, ein Weltstaat widerspreche der Logik der Politik, beruht auf der Annahme der Existenz mehrerer Staaten. 277 Axinn, Kant on World Government, S. 244; Höffe, Der Revolution noch eine Zukunft?, S. 216. 278 So auch Carson, Perpetual Peace: What Kant should have said, S. 179 (gegen ihn Teson, The Kantian Theory of International Law, S. 86); Cavallar, Pax Kantiana, S. 209; C. J. Friedrich, Die Ideen der Charta der Vereinten Nationen, S. 80; Hirsch, Der Frieden kommt nicht durch die Kirche, S. 78. Eine Zusammenstellung der Autoren, die sich für oder gegen diese Lösung aussprechen, findet sich bei Cavallar, Kant's Society of Nations, S. 461. 279 Vgl. Foerster, Europa. Geschichte einer politischen Idee, S. 216; Beutin, Kants Schrift ,.zum ewigen Frieden", S. 105; Höffe, Völkerbund oder Weltrepublik?, S. 128. Ähnlich auch Brandt, Historisch-kritische Beobachtungen zu Kants Friedensschrift, S. 37; Bohman, Die Öffentlichkeit des Weltbürgers, S. 88; Radbruch, Rechtsphilpsophie, S. 296. 280 Meinecke, Weltbürgertum und Nationalstaat, S. 73; Schweizer, Eine ideengeschichtliche Grundlage der Staatengleichheit, S. 22, FN. 46; Batscha/Saage, Friedensutopien, S. 12; Gerwin, Kant and the Idea of the Society of Nations, S. 530; Schwarz, Kant's Philosophy of Law and International Peace, S. 76; Schulz, Die Idee,des Friedens bei Friedrich Gentz und Immanuel Kant, S. 70; Williams, Kant's Political Philosophy, S. 255; Zwilling, Immanuel Kant, S. 143. Ähnlich Gallie, Kant's View of Reason in Politics, S. 20; Crome, Immanuel Kant und der internationale Frieden, S. 12.

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Daß Kant den Weltstaat für die vernunftgemäße Lösung hielt, erklärt auch seine Haltung gegenüber der Völkerrechtslehre. Die Völkerrechtler, deren Lehren zu seiner Zeit besondere Bedeutung hatten, sind für ihn nur "lauter leidige Tröster". Damit wendet sich Kant nicht gegen die völkerrechtlichen Theorien seiner Zeit, denen er zu einem großen Teil auch selbst zustimmte?81 Es sind aber Theorien eines Völkerrechts ohne Zwangsgesetze; dieses Völkerrecht ist nur Privatrecht. 282 Streng genommen kann das Völkerrecht in der Systematik Kants gar nicht ins öffentliche Recht gehören, da es "nicht die mindeste gesetzliche Kraft hat, oder auch nur haben kann (weil Staaten als solche nicht unter einem gemeinschaftlichen äußeren Zwange stehen)". Öffentliches Recht zwischen Staaten ist gar nicht möglich. In der Rechtslehre bezeichnet Kant das Völkerrecht als das "Recht im Krieg".2 83 Daher muß, wenn man die durch den kategorischen Imperativ gebotene umfassende Verrechtlichung verwirklichen will, die Lösung der Vernunft lauten, daß es mehrere Staaten nicht geben darf. Daß Kant das Völkerrecht dennoch als Teil des öffentlichen Rechts behandelt, kann als Indiz für seine Ansicht gewertet werden, daß an die Stelle des Völkerrechts das Staatsrecht des Weltstaates treten soll. bb) Empirische Einwände gegen den Weltstaat Wenn Kant auch nicht aus Gründen der Vernunft gegen den Weltstaat argumentiert, so erhebt er doch im ersten Zusatz empirische Einwände über die sich aus der Existenz der Staaten ergebenden Gründe hinaus. Methodisch ist dazu anzumerken, daß empirisch begründete Argumente das aus der Vernunft gewonnene Ergebnis nicht in Frage stellen können. 284 Zudem sind empirische Argumente durch eben solche angreifbar. Gegen den Weltstaat soll sprechen, daß ein zu ausgedehnter Staat nicht regierbar sei. Als Grund für die Unregierbarkeit wird angegeben, daß Probleme von der internationalen Ebene auf die damit überforderte staatliche Ebene verlagert würden. 285 Gerade darin, die Probleme rechtförmig zu lösen, liegt aber die der Vernunft gemäße Leistung des Staates. Das Argu281 Vgl. Archibugi, Immanuel Kant e il Diritto Cosmopolitico, S. 97. Ähnlich auch Kleingeld, Kants politischer Kosmopolitismus, S. 336. 282 Vgl. H. Kraus, Das Problem internationaler Ordnung bei Immanuel Kant, S. 27; Gonnelli, La Filosofia Politica di Kant, S. 229; vgl. auch Steiger, Plaidoyer pour une juridiction internationale obligatoire, S. 817. 283 Die Metaphysik der Sitten, VI, S. 347 (2). 284 Auf das Verhältnis der aus der Vernunft folgenden Pflicht zur empirischen Frage der Realisierbarkeit wird bei der Interpretation der Garantie des ewigen Friedens eingegangen. 285 Gallie, Philosophers of Peace and War, S. 23; Höffe, Für und Wider eine Weltrepublik, S. 210.

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ment der Unregierbarkeit stellt keinen Widerspruch zur transzendentalen Begründung des Staates mit der Aufgabe der Sicherung des Rechts dar, weil es von einem Staat ausgeht, der zur Erfüllung seiner am allgemeinen Willen orientierten Aufgabe nicht in der Lage ist. Außerdem meint Kant, ein Weltstaat neige dazu, ein "seelenloser Despotism" zu werden 286 . Laberge vermutet, das liege daran, daß eine rechtliche Verfassung sich nur unter äußerem Druck entwickle, ansonsten entstehe eine Despotie. 287 Diese Deutung finde Unterstützung in Kants Ausführungen zur Garantie für die Entstehung von Staaten: Selbst wenn die Konflikte der Menschen untereinander sie nicht zur Staatsbildung bewegten, so würden sie sich doch gegen äußere Bedrohung zusammenschließen. 288 An einer solchen fehle es bei einem Weltstaat. Diese These läßt sich widerlegen. Zum einen kann auch ein anderer Staat, der sich dem Völkerrecht nicht unterwirft, eine äußere Bedrohung darstellen. Diese Bedrohung hält freilich nur so lange an, bis sie zur Bildung eines Weltstaates geführt hat. Zum anderen sind auch Bedrohungen denkbar, die nicht von Menschen ausgehen. 289 Als weiteres Argument gegen einen Weltstaat wird in der Literatur das Fehlen einer politischen Öffentlichkeit genannt. 290 Dieser Einwand ergibt sich nicht aus der transzendentalen Begründung des Weltstaates und kann im Laufe der Geschichte durch Änderung der tatsächlichen Verhältnisse entkräftet werden. Nicht gefolgt werden kann der Ansicht Lutz-Bachmanns, mit der Bezeichnung des Friedensbundes als negatives Surrogat nehme Kant die vernunftrechtlichen Argumente gegen den Weltstaat wieder zurück,z91 Alle von Kant angeführten Gründe für die Ablehnung des Weltstaates lassen sich auf die empirische Argumentationsebene zurückführen. Beutin versucht die empirischen Argumente gegen den Weltstaat zu erschüttern, indem er zwischen Universalmonarchie und Weltrepublik differenziert,z92 Dadurch entfällt zwar die - ohnehin nur unter der Voraussetzung eines nicht an der Idee des ursprünglichen Vertrages orientierten WeltZum ewigen Frieden, VIII, S. 367 (16). Laberge, Von der Garantie des ewigen Friedens, S. 164. 288 Zum ewigen Frieden, VIII, S. 365. 289 Hierbei muß man nicht an "Außerirdische" denken, die in der Phantasie vieler Roman- und Drehbuchautoren immer wieder einen Anlaß für den Schulterschluß der Staaten bieten. Schon globale Naturkatastrophen, die zu einer existentiellen Bedrohungen der Menschheit führen, könnten ausreichen, um die Staaten zur friedlichen Zusammenarbeit zu bewegen. 290 Höffe, Für und Wider eine Weltrepublik, S. 210. 291 Lutz-Bachmann, Kants Friedensidee und das rechtsphilosophische Konzept einer Weltrepublik, S. 43. 292 Beutin, Kants Schrift "Zum ewigen Frieden", S. 105. 286 287

III. Die Definitivartikel

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staates anzunehmende - Gefahr eines Despotismus, nicht aber das Problem der Unregierbarkeit. Zudem wird diese Differenzierung der Begriffsbestimmung Kants nicht gerecht. Monarchie und Republik sind für Kant keine gegensätzlichen Begriffe. Eine Universalmonarchie kann republikanisch oder despotisch gedacht werden. Außerdem gebraucht Kant die Begriffe Völkerstaat und Weltrepublik synonym 293 , was dagegen spricht, von einer Unterscheidung zwischen Universalmonarchie und Weltrepublik im Hinblick auf deren transzendentale Begründung auszugehen. Geismann differenziert zwischen Völkerstaat und Völkerbund und betont, Kant wolle eine Republik von freien Völkern, aber keinen Welteinheitsstaat. 294 Diesen Ansatz könnte man fortentwickeln, indem man dem Völkerbund nur für einen begrenzten Aufgabenbereich Zwangsgewalt zugesteht und im übrigen die staatlichen Aufgaben bei kleineren Einheiten beläßt; in der heutiger Terminologie würden wir von einem subsidiären Bundesstaat auf Weltebene sprechen. Das läuft im Ergebnis auf Höffes Vorschlag eines minimalen Weltstaates hinaus. Diese Lösung widerspricht aber der Ansicht Kants. Seine Aussage, der Zustand des Krieges sei nach der Vernunft besser als die Universalmonarchie, zeigt, daß für ihn als Alternative zum Weltstaat nur der Friedensbund ohne Zwangsgewalt in Frage kommt. Es bleibt daher bei dem Ergebnis, das man als unbefriedigend empfinden mag: daß Kant den Weltstaat zwar für das Ideal hält, ihn aber als nicht realisierbar ansieht, zum einen weil unter der historischen Voraussetzung, daß es bereits Staaten gibt, ein Weltstaat der Vernunft widerspricht, zum anderen aus pragmatischen Gründen. Als Ergebnis ist damit festzuhalten: Nach der Idee des Rechts ist ein Weltstaat erforderlich. Geht man aber vom Faktum des Bestehens von Staaten aus, muß die Vernunft deren Entstehungsgrund, den ihnen zugrunde liegenden ursprünglichen Vertrag, akzeptieren und gebietet dann den Friedensbund ohne Zwang. Aus der geschichtsphilosophischen Perspektive, die Kant im ersten Zusatz entwickelt, ist der Friedensbund nur der erste - auch unter der Voraussetzung der Existenz von Staaten realisierbare - Schritt einer Annäherung an den unerreichbaren Weltstaat. 295 Diese Interpretation findet sich 293 So auch H. Kraus, Das Problem internationaler Ordnung bei Immanuel Kant, S. 30. Daher werden die Begriffe in der Regel auch in der Kant-Interpretation zu Recht nicht unterschieden, so etwa bei Vorländer, Kant und der Gedanke des Völkerbundes, S. 43. 294 Geismann, Kants Lehre vom Weltfrieden, S. 383. Höffe, Völkerbund oder Weltrepublik?, S. 113, interpretiert das Attribut "freie" Staaten demgegenüber im Sinne republikanisch verfaßter Staaten. 295 So Ebbinghaus, Kants Lehre vom ewigen Frieden und die Kriegsschuldfrage, S. 25f., und Geismann, Kants Lehre vom Weltfrieden, S. 380f.; diesen zustimmend

6 Hackel

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schon bei Fichte und Niethammer, die von einem "Mittelzustand" auf dem Weg der Menschheit zum Völkerstaat sprechen?96 Damit wird zugleich deutlich, warum drei Definitivartikel gebraucht werden. 297 Für die Sicherung des Friedens würde nach der Vernunft ein einziges Gebot, das der Errichtung des Weltstaates, ausreichen, wenn man sich die Menschheit in einem Zustand vor Entstehung der Staaten denkt. Die historische Tatsache der Staatenbildung hat aber zur Folge, daß es drei mögliche Konfliktbeziehungen gibt, die durch je einen Definitivartikel geregelt werden. 298 Der zweite Definitivartikel der Friedensschrift erfüllt damit zwei Funktionen: Zum einen bestimmt er das Ideal des Weltstaates, zum anderen enthält er - entsprechend der Aufgabe der übrigen Definitivartikel - das Organisationsgebot, das sich aus der Vernunft unter der Voraussetzung der Existenz von Staaten für deren Verhältnis ergibt. c) Der Friedensbund als "negatives Surrogat"

Kant begnügt sich nicht damit, den Weltstaat als unerreichbares Ideal einzuführen. Er sucht auch nach einer in der Wirklichkeit umsetzbaren Organisationsform der internationalen Beziehungen, die er den Föderalism freier Staaten oder auch den Friedensbund nennt. Welche Aufgabe der Friedensbund hat und wie er sie erfüllen soll, wird im folgenden untersucht. Da die Aufgabe der Friedenssicherung bei gleichzeitiger Erhaltung der uneingeschränkten Souveränität der Staaten nicht realisierbar ist, kann eine Lösung nur entweder auf Kosten der Souveränität der Staaten oder unter Abstrichen beim Ziel der Friedenssicherung gefunden werden. Der Friedensbund muß daher von der nicht realisierbaren Vernunftidee des Weltstaates abweichen.

Cavallar, Pax Kantiana, S. 211. Ebenso Prutz, Die Friedensidee, S. 197; Hoor, Das Völkerrecht bei Kant, Fichte und Hegel, S. 84; Hancock, Kant on War and Peace, S. 673; Hirsch, Der Frieden kommt nicht durch die Kirche, S. 78. 296 Fichte, Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf von Immanuel Kant, S. 433; Niethammer, Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf von Immanuel Kant, S. 89. 297 Laberge, Von der Garantie des ewigen Friedens, S. 159, weist darauf hin, daß die Dreiteilung des öffentlichen Rechts von Kant stamme. 298 Ähnlich Brandt, Vom Weltbürgerrecht, S. 142, der meint, das Weltbürgerrecht sei nur deshalb erforderlich, weil es keinen Weltstaat geben soll. Daher kann Bohman, Die Öffentlichkeit des Weltbürgers, S. 87, den Universalstaat auch als "institutionelle Basis des Weltbürgerrechts" bezeichnen: Wenn es einen Universalstaat gibt, fallen alle drei Rechtskreise im WeIt-Staatsrecht zusammen.

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aa) Gegenstand des Friedensbundes Vom Friedensvertrag unterscheidet sich der Friedensbund dadurch, daß er nicht nur einen Krieg beenden, sondern auch alle künftigen Kriege verhindern soll. Anders als der Friedensvertrag betrifft der Friedensbund nicht nur die bestehenden, wenn auch den Parteien möglicherweise noch nicht bewußten, sondern auch alle künftigen Konflikte. Er soll die Konflikte nicht verhindern, sondern zielt "auf Erhaltung und Sicherung der Freiheit eines Staats für sich selbst und zugleich anderer verbündeter Staaten". Fraglich ist, in welchem Umfang diese Aufgabe des Friedensbundes verstanden wird. Denkbar sind zwei Lösungen. Die überwiegende Ansicht beschreibt den Friedensbund als ein Bündnis zur gemeinsamen Kriegsabwehr. 299 Dann hätte er die Aufgabe, alle Kriege sowohl der im Friedensbund zusammengeschlossenen Staaten untereinander als auch zwischen diesen und anderen Staaten zu verhindern. Dafür spricht, daß eine effektive Sicherung der Freiheit auch Gefahren, die von außen an die im Friedensbund zusammengeschlossenen Staaten herantreten, abwehren muß. Gegen eine Interpretation des Friedensbundes als Bündnis zur gemeinsamen Abwehr anderer Staaten spricht, daß einem Staat aufgrund des Angriffs auf einen anderen Staat das ,Recht zum Krieg' gegen einen dritten zugestanden werden müßte. Ein ,Recht zum Krieg' gegen einen dritten Staat kann aber durch einen völkerrechtlichen Vertrag nicht begründet werden. Ebbinghaus weist darauf hin, daß es eine Läsion gegenüber anderen Staaten darstellen würde, gegen sie vorzugehen, wenn sie sich untereinander bekriegten. 3OO Das trifft im Falle des Abwehrbundes allerdings nur gegenüber der Kriegspartei zu, die selbst nicht dem Bund angehört. Ähnlich äußert sich Schmitt, der meint, ein Abwehrbündnis, das nicht universal wäre, beseitigte den Krieg nicht, sondern nähme das Kriegsrecht für sich selbst in Anspruch. 301 Weiter ist gegen eine Interpretation des Friedensbundes als Abwehrbündnis einzuwenden, daß die Verpflichtung, einem anderen Staat gegen einen dritten zur Hilfe zu kommen, für einen Staat bedeuten könnte, daß dieser seine Bürger in einem Konflikt als Mittel ein299 Vgl. Ebbinghaus, Kants Lehre vom ewigen Frieden und die Kriegsschuldfrage, S. 17; Valentin, Geschichte des Völkerbundgedankens in Deutschland, S. 30; Beutin, Kants Schrift ,,zum ewigen Frieden", S. 105; Tes6n, The Kantian Theory of International Law, S. 90. Geismann, Kants Lehre vom Weltfrieden, S. 381, spricht von einem Nichtangriffs- und Verteidigungspakt, Moog, Kants Ansichten über Krieg und Frieden, S. 100, von einem "Schutz- und Trutz-Bündnis". Nach Bötte, Kant und der Krieg, S. 42, sollen dem Friedensbund gegen Staaten außerhalb des Bundes nur Abwehrkriege, keine Bestrafungskriege erlaubt sein. 300 Ebbinghaus, Kants Lehre vom ewigen Frieden und die Kriegsschuldfrage,

S. 17f. JOI 6'

Schmitt, Der Begriff des Politischen, S. 57.

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

setzen müßte, in dem sie nicht zugleich Zweck wären, was dem kategorischen Imperativ widerspräche. Zwar gehören diese Argumente gegen die Interpretation des Friedensbundes als Abwehrbündnis der transzendentalen Ebene an, weshalb ihre Anwendung auf den empirisch begründeten Vorschlag des Friedensbundes grundsätzlich fragwürdig ist. Kant schlägt statt des von der Vernunft gebotenen Weltstaates den Friedensbund aber nur deshalb vor, weil die Erhaltung der Staaten von der Vernunft geboten wird. Daher können im Rahmen der Beschreibung des Friedensbundes solche transzendentalen Argumente herangezogen werden, die sich aus der Idee des Staates ergeben. Danach entfällt mangels Anwendbarkeit nur das erste der beiden Gegenargumente: die äußere, völkerrechtliche Begründung der Ablehnung eines ,Rechts zum Krieg'. Denn wenn das Eingehen des Friedensbundes wie auch die Beschränkung auf diesen der Erhaltung der Staaten dienen, können aus dieser Perspektive der Idee des allgemeinen Willens der im Friedensbund zusammengeschlossenen Staaten die Belange dritter, dem Bund nicht angehöriger Staaten keine Berücksichtigung finden. Die innere, staatsrechtliche Argumentation gegen ein ,Recht zum Krieg' ist dagegen auf der Ebene des den einzelnen Staaten jeweils zugrunde liegenden ursprünglichen Vertrages anzusiedeln. Daher ist zu untersuchen, ob eine Interpretation des Friedensbundes als Abwehrbündnis eben jenem Argument entgegensteht, das begründet, warum an die Stelle des Weltstaates ein Friedensbund gesetzt wird: das Bestehen der Staaten. Diese Frage ist dahingehend zu beantworten, daß die Bürger des einen Staates bei einem Abwehrkrieg gegen den Angreifer eines anderen Staates insofern Zweck sind, als die Zusage der Hilfe bei der Abwehr von Angriffen dritter Staaten auf Gegenseitigkeit beruht, wenn diese auch nicht rechtssicher verbürgt ist. Daraus, daß es sich beim Friedensbund um einen völkerrechtlichen Vertrag handelt, kann man nicht schließen, das Argument, die Zusage der Hilfe gegen Angreifer beruhe auf Gegenseitigkeit und widerspreche daher nicht dem den Staaten zugrunde liegenden ursprünglichen Vertrag, betreffe die völkerrechtliche Ebene, woraus folgen müßte, daß es als Gegenargument gegen die innere Begründung der Verneinung eines ,Rechts zum Krieg' nicht anwendbar wäre. Denn für die Bestimmung des Zwecks, für welchen ein Staat seine Bürger im Krieg der Gefahr aussetzen darf, ist unmittelbar auf die im allgemeinen Willen zum Ausdruck kommenden Interessen der Bürger abzustellen, und nicht auf die erst daraus abgeleiteten Interessen der Staaten, die sich durch die Aufgabe legitimieren, die Freiheit ihrer Bürger zu sichern. Aus dem kategorischen Imperativ läßt sich nicht ableiten, daß ein Staat nach der Idee des ursprünglichen Vertrages nicht an einem Abwehrbündnis teilnehmen darf.

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Als Argument für die zweite Ansicht, daß Kant sich den Friedensbund als gegenseitigen Kriegsverzicht vorstelle, läßt sich anführen, daß diese Lösung der Analogie zum ursprünglichen Vertrag der Individuen näher kommt als der Abwehrbund. Ziel ist - wie beim ursprünglichen Vertrag der Individuen - die Schaffung einer die Anwendung von Gewalt verhindernden Rechtsordnung zwischen den Rechtssubjekten. Der Friedensbund unterscheidet sich dann nur durch das Fehlen von Zwangsgesetzen vom vollständig der Idee des ursprünglichen Vertrages entsprechenden Weltstaat. Die Aufgabe der gemeinsamen Abwehr äußerer Bedrohungen gehört dagegen nicht zur Idee des ursprünglichen Vertrages. Sie ergibt sich erst aus der Tatsache, daß es noch Akteure außerhalb des Rechtskreises gibt. Diese Unterscheidung kommt in der Friedensschrift auch dadurch zum Ausdruck, daß Kant das Argument der äußeren Bedrohung systematisch dem ersten Zusatz, und nicht dem ersten Definitivartikel zuordnet. Aus diesen Gründen interpretiert die andere Ansicht den Friedensbund nur als gegenseitige Zusage des Gewaltverzichts. 302 Dann kann allerdings das Ziel der Erhaltung und Sicherung der Freiheit nicht in demselben Umfang erreicht werden wie durch ein Abwehrbündnis. Der Friedensbund schützt nur die Vertrags staaten voreinander. Für diese Ansicht spricht auch die Formulierung, die Kant dem Friedensbund zugrunde legt: "Es soll kein Krieg zwischen mir und anderen Staaten sein". Die gemeinsame Kriegsabwehr gegenüber dritten Staaten geht hierüber hinaus. Andererseits bezeichnet Kant den Friedensbund als "das negative Surrogat eines den Krieg abwehrenden [... ] Bundes". Damit könnte jedoch auch die Abwehr des Krieges zwischen den im Bund zusammengeschlossenen Staaten gemeint sein. Deutlicher ist die Beschreibung in der zwei Jahre später erschienenen Rechtslehre: ,,[ ... ] daß ein Völkerbund nach der Idee eines ursprünglichen gesellschaftlichen Vertrages nothwendig ist, sich zwar einander nicht in die einheimische Mißhelligkeiten derselben zu mischen, aber doch gegen Angriffe der äußeren zu schützen. ,,303

In der Metaphysik der Sitten geht Kant also eindeutig von einem Abwehrbündnis aus. Daraus kann zwar nicht zwingend geschlossen werden, daß er diese Ansicht schon in der Friedensschrift vertrat. Da die Friedensschrift aber insoweit keine eindeutige Interpretation erlaubt, muß die Untersuchung der Wirkungsgeschichte bei der klaren Aussage in der Rechtslehre 302 Doyle, Kant, Liberal Legacies, and Foreign Affairs, S. 227; Gallie, Wanted: A Philosophy of International Relations, S. 485. Nach Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf "Zum ewigen Frieden", S. 123, kommt dem Friedensbund die Aufgabe zu, die Konflikte statt durch Krieg politisch zu lösen. 303 Die Metaphysik der Sitten, VI, S. 344 (l4ff.).

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

ansetzen, weshalb diese Deutung des Friedensbundes im folgenden zugrunde gelegt wird. bb) Rechtsdurchsetzung im Friedensbund Weiter stellt sich die Frage, wie der Kriegsverzicht zwischen den Staaten und die Erfüllung der gegenseitigen Beistandspflicht sichergestellt werden können. Die Anwendung von Gewalt scheidet dabei aus. Denn Gewaltanwendung zwischen Staaten außerhalb der Grenzen des bürgerlichen Zustandes kommt vom Standpunkt der Vernunft nicht in Betracht. 304 Andere Sanktionen sind zwar denkbar; ihre Durchsetzung hängt aber, wenn es kein öffentliches Recht gibt, letztlich wieder von der Anwendung von Gewalt durch die Staaten ab. Insbesondere gegenüber sehr mächtigen Staaten lassen sich solche Sanktionen des Privatrechts überhaupt nicht durchsetzen. Czempiel unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen Systemen kollektiver Sicherheit und Verteidigungsallianzen. 30s Letztere haben die Funktion der Abwehr nach außen, während erstere durch die Bereitschaft, gegen Friedensbrecher vorzugehen, gekennzeichnet sind. Die Systeme kollektiver Sicherheit seien zwar "theoriegeschichtlich fortschrittlich", hätten sich aber als Mythos erwiesen, der "niemals funktioniert hat und auch gar nicht funktionieren kann.,,306 Diesen Befund begründet Czempiel damit, daß kollektive Sicherheit nur funktioniere, solange kein Staat Gewalt anwende; der Sanktions apparat sei dann aber überflüssig. Und im Bedarfsfall seien die Sanktionen nur gegen einen sehr kleinen Staat durchsetzbar. Dieses Argument läßt sich freilich ebenso auf die Durchsetzung der Verpflichtung zum Beistand gegen äußere Feinde anwenden. Voraussetzung der Möglichkeit eines Friedensbundes ist dann, daß kein Staat stärker sein darf als alle übrigen zusammen. 307 Das setzt ein gewisses Maß an Gleichgewicht zwischen den Staaten voraus. Gegen die in seiner Zeit gängigen Vorstellungen eines Gieichgewichts308 wandte sich Kant in "Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis": ,,[ ... ] ein dauernder allgemeiner Friede durch die sogenannte Balance der Mächte in Europa ist, wie Swifts Haus, welches von einem Baumeister so vollkommen nach allen Gesetzen des Gleichgewichts erbauet war, daß, als sich ein Sperling darauf setzte, es sofort einfiel, ein bloßes Hirngespinst. ..309 Vgl. von Raumer, Ewiger Friede, S. 168. Czempiel, Die Reform der UNO, S. 25 f. 306 Czempiel, Die Reform der UNO, S. 25. 307 Vgl. auch Laberge, Von der Garantie des ewigen Friedens, S. 168. 308 Zu den Theorien des Gleichgewichts im Völkerrecht der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vgl. Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 395 ff. 304 305

III. Die Definitivartike1

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Mit dieser Einsicht brach Kant mit der bis dahin herrschenden Theorie der internationalen Beziehungen31O , gegen die sich 1758 schon von Justi gewandt haue. 3JJ Gegen Gleichgewichtsmodelle spricht, daß ihre Funktionsweise darin besteht, daß die Staaten stets versuchen, durch Aufrüstung das Gleichgewicht zu ihren Gunsten zu verschieben. Dieses labile Gleichgewicht hat nur Bestand, solange kein Staat die Zurüstung beendet. Dadurch kommt es zwangsläufig zu der im dritten Präliminarartikel beschriebenen Rüstungsspirale. Modelle, die auf einem Gleichgewicht gegenseitiger Abschreckung beruhen, stellen eine Institutionalisierung des Naturzustandes dar. Der Friedensbund kann daher nicht als Vorschlag eines Gleichgewichts der Staaten interpretiert werden?12 Da Zwangs gesetze unter Staaten nicht möglich sind und ein Gleichgewicht keine Stabilität aufweisen kann, erfordert der Friedensbund die freiwillige Einhaltung des Kriegsverzichts und Erfüllung der Beistandsverpflichtung. 313 Der Friedensbund kennt überhaupt keine Sanktionen. Er beschränkt sich auf die Vereinbarung des Kriegsverzichts und des gegenseitigen Beistands. Das kommt auch in der Bezeichnung als "Föderalism freier Staaten" zum Ausdruck. Kant stellt auf den Vertragscharakter des Friedensbundes ab. Die vertragliche Bindung geht dabei nur so weit, daß sie die Unabhängigkeit der Staaten nicht beeinträchtigt. Damit ist der Friedensbund, wie auch Kraus meint, eine bloße Rechtsgemeinschafe l4 oder mit Hinsley "the rule of law between states,,315. Der Friedensbund ist also keine Organisation316 , sondern ein "Ultraminimalstaat,,317. In der Terminologie Kants gehört dieser Friedensbund ohne Zwangsgesetze dem Privatrecht an. 318 Der Friedensbund kann den Frieden nicht sichern. 319 Daß er dennoch dem Frieden dient, ergibt sich für Kant aus der Neigung des Menschen zur 309 Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, VIII, S. 312 (29ff.). 310 Vgl. Knutsen, A history of International Relations theory, S. 111. 3lI von Justi, Die Chimäre des Gleichgewichts von Europa. 312 Vgl. Axinn, Kant on World Government, S. 247. 313 Vgl. Covell, Kant, die liberale Theorie der Gerechtigkeit und die Weltordnung, S. 366; Gallie, Philosophers of Peace and War, S. 24f.; Hinsley, Power and the Pursuit of Peace, S. 67ff.; Jaspers, Kant ,,zum ewigen Frieden", S. 209. 314 H. Kraus, Das Problem internationaler Ordnung bei Immanue1 Kant, S. 21. 315 Hinsley, Power and the Pursuit of Peace, S. 69. 316 Vgl. H. Kraus, Von ehrlicher Kriegsführung und gerechtem Friedensschluß, S. 5 f.; Moravcsik, Federalism and Peace: A Structural Liberal Perspective, S. 125. 317 Höffe, Eine Weltrepublik als Minimalstaat, S. 163. 318 So auch H. Kraus, Das Problem internationaler Ordnung bei Immanuel Kant, S. 27; Gonnelli, La Filosofia Politica di Kant, S. 229; vgl. auch Steiger, Plaidoyer pour une juridiction internationale obligatoire, S. 817.

C. Eine Interpretation der Friedensschrift

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Rechtfertigung. Zwar konnte das Völkerrecht noch nie einen Krieg verhindern, weshalb Kant bedeutende Vertreter der Völkerrechtslehre, Grotius, Pufendorf und Vattel, als "lauter leidige Tröster" bezeichnet. Kant beobachtet, daß sich Staaten um eine rechtliche Begründung ihrer Kriege bemühen - eine paradoxe Situation: Gebraucht doch die Politik das Recht ausgerechnet im Extremfall, der Rechtsverletzung. 32o Im 18. Jahrhundert waren Kriege noch nicht als Mittel der Politik in Frage gestellt. Den Juristen fiel die Aufgabe zu, sie als bellum iustum zu rechtfertigen. 321 Die Kritik Kants trifft freilich weniger die "leidigen Tröster" als vielmehr die politische Praxis, die die Theorien des Völkerrechts für ihre Zwecke gebraucht. 322 Selbst das nach Kant widersprüchliche ,Recht zum Krieg' ist eine Huldigung gegenüber dem Rechtsbegriff. Andererseits weisen die Rechtfertigungsversuche auf eine Anlage der Menschen zur Orientierung am Recht. Das begründet für Kant die Hoffnung, durch Schaffung von Recht die Rechtfertigung des Krieges wenigstens erschweren und so schließlich unmöglich machen zu können. 323 Diese Hoffnung beruht nicht auf einem Glauben an die moralische Besserung des Menschen. Kant leitet sie unmittelbar aus der am gegenseitigen Interesse der Staaten ausgerichteten Politik ab. "Kant trägt also die Forderung des Rechts - und damit auch der Gerechtigkeit - nicht von außen an die Politik heran; er entnimmt sie vielmehr deren eigenem Kalkül. ,,324 An dem Versuch, den Krieg mit Argumenten des Rechts zu begründen, zeigt sich für Kant die Vernunftfahigkeit des Menschen. 325 Für einen Friedensbund ohne Zwangsbefugnisse spricht nach Ebbinghaus auch, daß die Staaten ihre Mitwirkung nur so lange fortsetzen werden, als ihre Interessen in einem solchen Maße Berücksichtigung finden, daß sie es nicht vorziehen, in den gesetzlosen Zustand zurückzukehren. Das gewährleiste die Orientierung des Friedensbundes am allgemeinen Willen. 326 Vgl. auch Jaspers, Kant ,,zum ewigen Frieden", S. 209. Vgl. Fiedler, Beiträge des Völkerrechts zum Frieden, S. 151; Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf ,,zum ewigen Frieden", S. 100. 321 Vgl. Dann, Die Friedensdiskussion der deutschen Gebildeten, S. 103. 322 Vgl. Steiger, Frieden durch Institution, S. 149. 323 Vgl. auch Czempiel, Kants Theorem und die zeitgenössische Theorie der internationalen Beziehungen, S. 316. 324 Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf "Zum ewigen Frieden", S. 99, Hervorhebungen nicht mit abgedruckt. 325 Vgl. von Raumer, Ewiger Friede, S. 168; Funke, Von der Aktualität Kants, S. 148. 326 Ebbinghaus, Kants Lehre vom ewigen Frieden und die Kriegsschuldfrage, S. 24. Dem diesem Argument zugrunde liegenden Gedanken folgt auch Simma, Völkerrecht und Friedensforschung, S. 68, der in der Wirklichkeitsnähe des Völkerrechts einen Vorteil sieht. 319

320

III. Die Definitivartikel

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Zu optimistisch scheint die Argumentation Baumgartners, der Friedensbund reiche deshalb aus, weil er die weltweite Ausbreitung eines ethischen Gemeinwesens bewirkte, so daß Zwangsgesetze nicht nötig seien. 327 Auf eine Erziehungswirkung hofft Kant gerade nicht. Der Fortschritt zum Besseren entsteht für ihn nicht durch die moralisch Besserung, sondern durch den Zwang der Natur. 328 Die Beschränkung des Friedensbegriffs auf das Recht und damit die Beschränkung der Mittel zur Sicherung des Friedens auf die Instrumente des Rechts soll den Frieden unabhängig von Tugenden selbst für "Teufel" erreichbar machen. cc) Die Subjekte des Friedensbundes Kant stellt sich die Entstehung des Friedensbundes als allmähliche Erweiterung vor. Ausgehend von einer großen Republik, die mächtig genug ist, um ein nicht aggressives Außenverhalten riskieren zu können, schließen sich, wie um einen Kristallisationskeim, immer mehr Staaten zur gegenseitigen Sicherung ihrer Freiheit zusammen. Möglicherweise dachte Kant dabei an die neu entstandene Französische Republik. 329 In der Rechtslehre nennt Kant als Beispiel für einen Ansatz zu einem Friedensbund die Versammlung der Generalstaaten im Haag. 33o Manche Autoren behaupten, daß der Friedensbund nur aus republikanisch verfaßten Staaten bestehen könne. 331 Dafür wird Kants Formulierung "freie" Staaten angeführt. 332 Dieser Schluß ist aber nicht zwingend. Die ,innere Freiheit' ist schon Gegenstand des ersten Definitivartikels. Im Baumgartner, Dreimal "Ewiger Friede", S. 85 f. Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, VIII, S. 310. 329 Das meint Burg, Immanuel Kant, S. 18. Allerdings bietet die Friedensschrift keine Anhaltspunkte für die weitere Vermutung Burgs, Kant habe angesichts des Baseler Friedens gehofft, Frankreich und Preußen könnten der Ausgangspunkt des Friedensbunds werden. Dagegen spricht schon der Inhalt des Vertrages von Basel, der in seinem Art. V, abgedruckt bei Martens, Recueil des principaux Traites d' Alliance, de Paix, de Treve, de Neutralite, de commerce, de limites, d' echange etc., Band 6, Göttingen 1800, S. 496f., mit dem Verzicht Preußens auf das linke Rheinufer einen Verstoß gegen den zweiten Präliminarartikel enthielt. 330 Die Metaphysik der Sitten, VI, S. 350. 331 Etwa Kriele, Die demokratische Weltrevolution, S. 161; Scupin, in: Strupp/ Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Band 1, S. 577; Kambartei, Kants Entwurf und das Prinzip der Nichteinmischung, S. 242f. Diese Ansicht scheint auch Apel, Kant philosophischer Entwurf als geschichtsphilosophische Quasi-Prognose, S. 91, zu vertreten. Gegen diese Auffassung Lutz-Bachmann, Souveränitätsprinzip und Demokratie, S. 379. 332 C. 1. Friedrich, Die Ideen der Charta der Vereinten Nationen, S. 80; Höffe, Völkerbund oder Weltrepublik?, S. 113. 327

328

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

Zusammenhang mit dem Friedensbund könnte "frei" auch auf die fehlende Zwangsgewalt des Völkerrechts hinweisen, also ,äußere Freiheit' meinen?33 Nach Jaspers sollen nur Republiken am Friedensbund teilnehmen können, weil der Friedensbund keine Zwangsgewalt hat; er sei deshalb auf die Rechtsgesinnung der Staaten angewiesen. 334 Der Friedensbund reiche dann tatsächlich zur Sicherung des Friedens aus, weil die republikanisch verfaßten Staaten ohnehin zum Frieden neigten. 335 Daher sei der erste Definitivartikel auch Voraussetzung für den internationalen Frieden?36 Der Friedensbund erfülle dann nur noch die Aufgabe, das gegenseitige Vertrauen in die Friedensneigung des anderen zu stärken. 337 Kriele meint, nur bei republikanisch verfaßten Staaten könnte auf die Beachtung des Rechts in der Außenpolitik vertraut werden?38 Der erste Definitivartikel wird zuweilen als das Homogenitätsprinzip bezeichnet. 339 Schmitt stellt die These auf, die Bezeichnung "Völkerbund" habe Kant polemisch als Gegensatz zu einem Fürstenbund gewählt. 340 Zwar wird der Friedensbund als negatives Surrogat ebenso nur hilfsweise unter der Voraussetzung des Bestehens von Staaten relevant wie auch der erste Definitivartikel. Daraus folgt aber nicht, daß die Erfüllung des ersten Definitivartikels Bedingung des Friedensbundes sein muß. Die republikanische Verfassung ist eine Idee, der sich die Verfassung eines Staates nur annähern, die sie aber nie erreichen kann. Der Friedensbund als konkreter Vorschlag Kants kann nicht die Entsprechung der Staaten mit dieser Idee voraussetzen. Hinzu kommt, daß Kant das Recht als aus dem ursprünglichen Vertrag hervorgegangen betrachtet. Nach dieser Idee verdient jedes Recht schon deshalb Beachtung, weil es Recht iSt. 341 Unter diesem Aspekt muß das Homogenitätsprinzip dahingehend reduziert werden, daß ein Friedensbund lediglich unter reinen Despotismen nicht möglich ist. Da die vollkommen despotische Verfassung, in der sich das Recht überhaupt nicht am allgemeinen Willen orientiert, ebenfalls nur eine Idee ist, hat die so verstandene Forderung nach Homogenität für den konkreten Vorschlag des Frie333 Vgl. auch Chabrun, Kant et M. Wilson, S. 851.; Williams, Kant's Political Philosophy, S. 254. 334 Jaspers, Kant "Zum ewigen Frieden", S. 209. 335 Archibugi/Voltaggio, Filosofi per la pace, S. 234. 336 Covell, Kant and the Law of Peace, S. 67. 337 Ähnlich Kaufmann, Gerechtigkeit - der vergessene Weg zum Frieden, S. 117. 338 Kriele, Die demokratische Weltrevolution, S. 161. 339 E. Brunner, Kants Schrift "Vom ewigen Frieden", S. 31; Graf Vitzthum, Krieg und Frieden im Völkerrecht, S. 24; ArchibugilVoltaggio, Filosofi per la pace, S. XLVIII; Merkel/Wiumann, "Zum ewigen Frieden", S. 8; Wiumann, Kants Friedensentwurf - Antizipation oder Utopie?, S. 143. 340 Schmiu, Der Begriff des Politischen, S. 56. 341 Vgl. Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf "Zum ewigen Frieden", S. 122.

III. Die Definitivartikel

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densbundes keine Bedeutung. Neben dieser transzendentalen Argumentation läßt sich auch pragmatisch anführen, daß Kriele zwar darin Recht zu geben ist, daß zwischen Staaten, deren Außenpolitik sich an Rechtskriterien orientiert, das gegenseitige Vertrauen auf die Achtung der Rechte des anderen besonders groß sein dürfte; bei in geringerem Maße am Recht orientierter Außenpolitik fehlt das Vertrauen aber nicht völlig, sondern ist nur weniger ausgeprägt. Gegen die These, der Friedensbund dürfe nur aus Republiken bestehen, spricht weiter, daß Kant seine Gründung mit den Interessen der Staaten erklärt; diese bestehen bei Republiken wie bei Nicht-Republiken. Daher ist auch die Ansicht von Picht abzulehnen, der die Zielvorgabe Kants, daß auch Teufel zu einer rechtlichen Verfassung gelangen können sollen, für das Völkerrecht einschränken will?42 Das Völkerrecht entstehe aus Vernunft. 343 Vernunft ist aber für den Friedensbund nicht erforderlich, weil die freiwillige Einhaltung des Rechts auf dem verständigen Interesse an dem wechselseitigen Gewaltverzicht und der gemeinsamen Kriegsabwehr beruht. Träfe die Auffassung Pichts zu, müßte man erwarten, daß Kant im ersten Zusatz nur für die Verwirklichung der republikanischen Staatsverfassung, nicht auch für die Entstehung eines der Vernunft gemäßen Völkerrechts, eine Garantie vorsehe. 4. Der dritte Definitivartikel

"Das Weltbürgerrecht soll auf Bedingungen der allgemeinen Hospitalität eingeschränkt sein."

Der dritte Definitivartikel behandelt den nach dem Verhältnis der Menschen untereinander und dem zwischen den Staaten dritten möglichen Konfliktbereich, der durch das Weltbürgerrecht geregelt werden soll. Das Weltbürgerrecht steht damit wie der Friedensbund unter der Voraussetzung, daß es mehrere Staaten gibt. Würde ein Weltstaat bestehen, bräuchte man kein Weltbürgerrecht. 344 Alle Konflikte würden durch das Welt-Staatsrecht geregelt, das den bürgerlichen Zustand auf Weltebene begründete. Daher kann Gerhardt die Staatenvielfalt als "Sinnbedingung des Weltbürgerrechts" bezeichnen 345 .

342 343

344

Picht, Kants transzendentale Grundlegung des Völkerrechts, S. 276. Picht, Philosophie und Völkerrecht, S. 186. So auch Klemme, Einleitung, S. XXXVIII; Brandt, Vom Weltbürgerrecht,

S.142. 345

Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf ,,zum ewigen Frieden", S. 104.

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

a) Regelungsbereich des Weltbürgerrechts Die Einleitung zu den Definitivartikeln legt nahe, daß Kant das Leitbild des Weltbürgerrechts wie schon bei Staatsrecht und Völkerrecht der Idee des ursprünglichen Vertrages entnimmt: Staaten und Individuen werden "als Bürger eines allgemeinen Menschenstaates"346 gedacht. Diese Konstruktion wirft in mehrfacher Hinsicht Probleme auf. Schon die Heterogenität der Rechtssubjekte führt zu Schwierigkeiten sowohl bezüglich des möglichen Regelungsinhalts des Weltbürgerrechts als auch hinsichtlich seiner Durchsetzung. Sodann läßt sich das so hergeleitete Weltbürgerrecht nicht ohne weiteres von Staatsrecht und Völkerrecht abgrenzen: Sind doch auch Bürger eines Staates und ebenso die Staaten untereinander als Bürger der weltbürgerlichen Rechtsgemeinschaft denkbar. Um diese Fragen zu beantworten, muß zunächst auf die Begründung des Weltbürgerrechts eingegangen werden. Das Weltbürgerrecht beruht nicht - wie ein Gastrecht - auf vertraglicher Vereinbarung. Für Kant folgt es vielmehr aus der Tatsache "des gemeinschaftlichen Besitzes der Oberfläche der Erde" und deren Begrenztheit. Dadurch werden die Menschen gehindert, Konflikten auszuweichen, indem sie sich "ins Unendliche zerstreuen". Eine Rechtsverletzung wird deshalb an allen Plätzen der Erde gespürt; allerorts muß man Vorkehrungen treffen, der Gewalt nicht selbst zum Opfer zu fallen. 347 Damit ergibt sich ein entscheidender Unterschied zu Staats- und Völkerrecht: Das Weltbürgerrecht entsteht nicht durch einen ursprünglichen Vertrag. Diese Idee verwendet Kant in der Einleitung zu den Definitivartikeln nur, um den Bereich der Beziehungen, in dem das Weltbürgerrecht Anwendung finden soll, zu verdeutlichen. Gegen die Begründung des Weltbürgerrechts unter Verweis auf die Tatsache des Nebeneinanders auf begrenztem Raum könnte der Einwand erhoben werden, daß aus einem Sein kein Sollen abgeleitet werden kann. Die Ableitung des Weltbürgerrechts erfolgt aber nicht aus einer Tatsache, sondern aus einem höherrangigen Gebot. Aus der Vernunft ergibt sich für Kant das apriorische Gebot des Friedens, das die Verrechtlichung aller möglichen Konfliktbereiche erfordert. Unter der empirischen Voraussetzung der begrenzten Erdoberfläche, die ein Ausweichen der Menschen verhindert und so diese in die Konfliktsituation zwingt, läßt sich das Friedensgebot nur bei Einhaltung des Weltbürgerrechts realisieren. Ohne das Weltbürgerrecht verbliebe ein gesetzloser Raum?48 Damit ist das Weltbürgerrecht eine Subsumtion unter den kategorischen Imperativ und ebenso 346 347 348

Zum ewigen Frieden, VIII, S. 349 (32f.). Vgl. Held, Kosmopolitische Demokratie und Weltordnung, S. 228. Vgl. Cavallar, Pax Kantiana, S. 225.

III. Die Definitivartikel

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ein Gebot der Vernunft wie das Errichten des bürgerlichen Zustands zwischen den Individuen. Mit dem Weltbürgerrecht bezieht sich Kant nicht, wie Scupin behauptet, auf das gewohnheitsrechtlich anerkannte Fremdenrecht seiner Zeit. 349 Er gewinnt diese Idee vielmehr aus der Vernunft. Das Weltbürgerrecht ist auch keine naturrechtliche Vorstellung 350 , sondern die Folge der konsequenten Anwendung der Vernunft auf die vorgefundene Realität. 351 Mit der Bezeichnung als "Naturrecht" verweist Kant nicht auf die Naturrechtslehre. Vielmehr drückt er damit aus, daß es sich um ein Recht handelt, das dem Menschen kraft seiner Natur als vernünftigem Wesen zukommt. 352 Hinsichtlich des Regelungsbereichs ist an erster Stelle zu klären, welche sozialen Beziehungen das Weltbürgerrecht erfassen soll. Archibugi geht von einem Pyramidenmodell aus, dessen Basis die Individuen bilden; auf der nächsten Ebene stehen die Staaten. Das Staatsrecht regelt die Beziehungen sowohl der Individuen in einem Staat untereinander als auch ihr Verhältnis zum Staat; das Völkerrecht betrifft das Verhältnis der Staaten. Dem Weltbürgerrecht kommt die Aufgabe zu, die im Pyramidenmodell vorhandene Lücke zwischen Staaten und den Bürgern anderer Staaten zu schließen. 353 Schlochauer und Kersting ergänzen den Regelungsbereich noch um das Verhältnis zu Staatenlosen. 354 Nicht unter das Weltbürgerrecht fällt der Schutz der Bürger vor dem eigenen Staat. Denn dieser Bereich wird bereits vollständig durch das Staatsrecht geregelt. Zudem ist ein Schutz in diesem Bereich auch nicht erforderlich, wenn es sich um republikanisch verfaßte Staaten handelt. 355 Weiter könnte das Weltbürgerrecht auch das Verhältnis der Bürger verschiedener Staaten untereinander behandeln. Dafür spricht, daß Kant das Weltbürgerrecht als Recht der Staaten und Individuen, die als Bürger einer Weltrechtsgemeinschaft gedacht werden, betrachtet. Das Verhalten der Bürger gegen Personen außerhalb des Staates könnte aber auch schon durch das Staatsrecht geregelt sein. Dagegen läßt sich einwenden, daß sich zwiScupin, in: Strupp/Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Band 1, S. 577. So aber Czempiel, Theorie und Strategie, S. 120. m Vgl. auch Archibugi, Immanuel Kant e il Diritto Cosmopolitico, S. 112. 352 Vgl. Covell, Kant and the Law of Peace, S. 143. 353 Archibugi, Models of international organization in perpetual peace projects, S. 312. Auch Bobbio, The Age of Rights, S. 121, sieht die Aufgabe des Weltbürgerrechts in der Regelung der Beziehungen von Staaten zu Bürgern anderer Staaten. Ähnlich auch Batscha/Saage, Friedensutopien, S. 11. 354 Schlochauer, Die Idee des ewigen Friedens, S. 27; Kersting, Weltfriedensordnung und globale Verteilungsgerechtigkeit, S. 177. 3SS Vgl. Archibugi, Models of international organization in perpetual peace projects, S. 315. 349

350

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

schen den Staatsbürgern und den Personen außerhalb des Staates kein ursprünglicher Vertrag denken läßt, so daß die Interessen der Außenstehenden nicht in den die Gesetze des Staates bestimmenden allgemeinen Willen einfließen. Ein Interesse an der Verläßlichkeit des Verhaltens der eigenen Bürger gegenüber anderen Staaten und deren Bürgern kann sich zwar auch aus der Notwendigkeit ergeben, mit diesen geschlossene völkerrechtliche Vereinbarungen einzuhalten. Das setzt aber voraus, daß solche drittschützenden Vereinbarungen von den Staaten wechselseitig zu Gunsten ihrer Bürger getroffen wurden. Unter republikanisch verfaßten Staaten scheinen solche Regelungen jedenfalls nicht unrealistisch. Dann kommt man zu der von Jaspers gewählten Formulierung, der meint, das Weltbürgerrecht sei die "Minimalordnung außerhalb des Raumes des Bundes freier republikanisch regierter Völker,,?56 Diese Definition nimmt das Verhältniss der Staaten im Bund zu den Bürgern anderer Staaten des Bundes aus dem Regelungsbereich des Weltbürgerrechts heraus. Unter rechtstechnischen Gesichtspunkten ist vorstellbar, daß eine solche Regelung im zwischenstaatlichen Recht vereinbart wird. Es ist auch anzunehmen, daß die Staaten in Wahrnehmung ihrer Aufgabe, die eigenen Bürger zu schützen, zu entsprechenden wechselseitigen drittschützenden Vereinbarungen bereit sind. Eine solche Zuordnung der Konfliktbereiche widerspricht aber der von Kant vorgenommenen Einteilung der Rechtskreise: Das Völkerrecht ist definiert als das Recht der Staaten untereinander. Daher muß das Weltbürgerrecht alle Beziehungen erfassen außer denen zwischen den Bürgern eines Staates und denen zwischen Staaten. Daneben ist die Vereinbarung individualschützender Regelungen durch die Staaten möglich; das Weltbürgerrecht wird dadurch nicht berührt. Die Einschränkung des Anwendungsbereiches des Weltbürgerrechts lellchtet nicht ein, wenn man von der Vorstellung der Staaten und Menschen als Bürgern eines Menschheitsstaates ausgeht. Dann müßten unter das Weltbürgerrecht auch die Beziehungen der Staaten untereinander fallen. Es stellt sich damit die Frage, warum es gerade drei Definitivartikel, und nicht zwei, Staatsrecht und Weltbürgerrecht, gibt. Denkbar wäre auch die Einteilung in vier Regelungsbereiche: das Verhältnis der Bürger im Staat (Staatsrecht), das der Staaten (Völkerrecht), das der Staaten zu Bürgern anderer Staaten und das unter Bürgern verschiedener Staaten. Die Kantsche Dreiteilung des 'öffentlichen Rechts verleiht dem Staatsrecht und dem Völkerrecht eine Sonderstellung unter diesen vier Bereichen möglicher sozialer Beziehungen, die sich erst aus der Tatsache der Staatenbildung ergeben. Diese läßt sich damit begründen, daß Kant der Regelung der Beziehungen von Bürgern und Staaten jeweils besondere positive Inhalte beilegt: die 356

Jaspers, Kant "Zum ewigen Frieden", S. 211.

III. Die Definitivartikel

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republikanische Verfassung beziehungsweise den Friedensbund. Das Weltbürgerrecht ist demgegenüber "auf die Bedingungen der allgemeinen Hospitalität eingeschränkt", rechts technisch nur eine Art Auffangtatbestand, der ein nach der Vernunft gebotenes Minimalrecht gewährt in Bereichen, die nicht schon einer positiven Rechtsordnung unterworfen sind. Damit läßt sich das Weltbürgerrecht klar von Staats- und Völkerrecht abgrenzen. 357 Dennoch wird das Weltbürgerrecht immer wieder als Anhängsel des Völkerrechts gesehen?58 1800 schrieb Krug: "Das Weltbürgerrecht, welches man in neuesten Zeiten als einen besonderen Teil des öffentlichen Rechts aufgeführt hat, ist eigentlich nur ein Teil des Völkerrechts, oder vielmehr eine einzelne Aufgabe desselben,,359. Umgekehrt meint Oppenheim, Kant wolle das Völkerrecht auf das Weltbürgerrcht gründen. 360 Schlochauer sieht das Weltbürgerrecht als eine "völkerrechtliche Ausgestaltung des Fremdenrechts,,361. Wittmann meint, daß durch das Weltbürgerrecht auch einzelne Menschen Subjekte des Völkerrechts würden 362 . Diese Ansichten werden dem Konzept Kants nicht gerecht. Wenn das Weltbürgerrecht gedacht werden kann als Verfassung einer Gemeinschaft von Menchen und Staaten, kann es keine völkerrechtliche Rechtssubjektivität verleihen, die auf einer anderen Rechtsebene anzusiedeln ist, sondern aus ihm kann ausschließlich die weltbürgerliche Rechtssubjektivität folgen?63 Außerdem können Menschen gar nicht zu Subjekten des Völkerrechts des zweiten Definitivartikels werden, weil dieses als Recht der Staaten untereinander definiert ist. Gerade weil er es nicht für möglich hielt, die Rechte der Menschen in einem Völkerrecht im Sinne des zweiten Definitivartikels zu verankern, hat Kant als dritten Rechtskreis das Weltbürgerrecht eingeführt. 364 Schmidt beobachtet, daß die Reduzierung des Kantschen Friedenskonzepts auf zwei Aspekte unter Vernachlässigung der eigenen Bedeutung des 357 Das betonen auch Archibugi, Models of international organization in perpetual peace projects, S. 312; Archibugi/Voltaggio, Filosofi per la Pace, S. L; Bobbio, The Age of Rights, S. 120. 358 So ausdrücklich bei Kratzer, Kant und der Krieg, S. 167. Auch Moog, Kants Ansichten über Krieg. und Frieden, S. 94, ordnet das Weltbürgerrecht ins Völkerrecht ein. Gonnelli, La Filosofia Politica di Kant, S. 226, behandelt das Staatsrecht einerseits, Völkerrecht und Weltbürgerrecht in einem gemeinsamen Kapitel andererseits. 359 Krug, Aphorismen zur Philosophie des Rechts, S. 168. 360 Oppenheim, System des Völkerrechts, S. 74. 36\ Schlochauer, Die Idee des ewigen Friedens, S. 27. 362 Wittmann, Kants Friedensentwurf - Antizipation oder Utopie?, S. 145. Ähnlich äußert sich auch Knapp, Die Vereinten Nationen und das Problem des friedlichen Wandels, S. 264. 363 Ähnlich Kleingeld, Kants politischer Kosmopolitismus, S. 339. 364 Vgl. Hoffmann, Duties beyond Borders, S. 95 f.

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

Weltbürgerrechts typisch für die Kantinterpretation sei. 365 Zudem ist festzustellen, daß sich die Literatur in erheblich geringerem Maße um die Auseinandersetzung mit dem Weltbürgerrecht bemüht, als das bei republikanischer Verfassung und Friedensbund der Fall ist. 366 Dafür lassen sich zwei mögliche Ursachen ausmachen. Zum einen haben in der historischen Wirklichkeit die Staaten völkerrechtliche Vereinbarungen getroffen, die den Individuen subjektive Rechtspositionen einräumen, die den aus dem Weltbürgerrecht folgenden ähneln. Solche Vereinbarungen finden sich vor allem im 20. Jahrhundert, so zum Beispiel die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, aber auch schon früher, wenn auch noch motiviert mit staatlichen Belangen wie etwa bei den Regelungen über den Schutz der diplomatischen Vertreter. So sind die einzelnen Menschen, gleichwohl mit erheblichen Einschränkungen, zu Rechtssubjekten des Völkerrechts geworden. Eine Verwechslung mit dem Weltbürgerrecht liegt hier angesichts des Gegenstands nahe 367 , wenn auch die legitimationstheoretischen Begründungen der Individualrechte des Völkerrechts und des Weltbürgerrechts voneinander abweichen. Kants Weltbürgerrecht ergibt sich zwingend aus der Natur des Menschen, die subjektiven Rechte der Individuen im heutigen Völkerrecht aus einer willkürlichen Vereinbarung zwischen Staaten. Im Völkerrecht erhalten die Menschen ihre Rechtsposition erst vermittelt durch die Staaten. 368 Zum anderen vollzog Kant die Trennung zwischen Weltbürgerrecht und Völkerrecht erst in der Friedensschrift. Noch in "Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis" geht Kant von einer Zweiteilung des öffentlichen Rechts aus. Das Wort "weltbürgerlich" bezeichnete in der Schrift von 1793 den bürgerlichen Rechtszustand auf Weltebene. 369 In der Zeit der Aufklärung war "Weltbürgertum" ein gebräuchlicher Ausdruck, wenn auch nicht mit einheitlicher Verwendung. 37o Die neue Bedeutung erhält das Weltbürgertum erst durch die Einsicht Kants in der Friedensschrift, daß die historische Tatsache der Entstehung von Staaten drei Rechtsebenen erfordert. Zu der begrifflichen Verwirrung trägt bei, daß Kant den Terminus des weltbürgerlichen Zustands auch 365 H. Schmidt, Kant und die Theorie der internationalen Beziehungen, S. 109. Ein Beispiel für diese These bietet Euchner, Kant als Philosoph des politischen Fortschritts, S. 395. 366 So auch Kleingeld, Kants politischer Kosmopolitismus, S. 337. Albrecht, Kants Entwurf einer Weltfriedensordnung und die Reform der Vereinten Nationen, S. 202, meint, das Weltbürgerrecht werde kaum ernst genommen. 367 Laberge, Von der Garantie des ewigen Friedens, S. 159, merkt an, Völkerrecht und Weltbürgerrecht seien nur schwer voneinander zu trennen. 368 Vgl. auch Kleingeld, Kants politischer Kosmopolitismus, S. 336. 369 Vgl. etwa Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, VIII, S. 307 (FN.). 370 Vgl. Archibugi, Immanuel Kant e il Diritto Cosmopolitico, S. 105.

III. Die Definitivartikel

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nach Einführung des Weltbürgerrechts weiter als Bezeichnung für den im Weltstaat bestehenden öffentlichen Rechtszustand gebraucht. b) Regelungsgehalt des Weltbürgerrechts

Auch in den von Staats- und Völkerrecht nicht erfaßten Bereichen gebietet die Vernunft, die Regelung von Konflikten nicht dem zufalligen Ausgang der Anwendung von Gewalt zu überlassen. Das erfordert eine Verrechtlichung. Daher betont Kant, daß es sich beim Weltbürgerrecht um ein Recht handelt, und nicht um Philanthropie, womit Kant die rein ethische Bindung meint. 371 Diese terminologische Trennung hat Kant erst in der Friedensschrift in dieser Deutlichkeit entwickelt. Noch in "Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis" lautet der Untertitel zur Überschrift des dritten Kapitels "in allgemein philanthropischer, d. i. cosmopolitischer Absicht betrachtet"372. Das Weltbürgerrecht ist das rechtliche Minimum, welches jedes vernunftfahige Wesen, Mensch oder Staat, aufgrund dieser Eigenschaft von anderen vernunftfahigen Wesen fordern kann. Aus dem gemeinschaftlichen Besitz der Erdoberfläche und deren Begrenztheit folgt ein wechselseitiges Einfließen, dem die Menschen nicht ausweichen können. Das Weltbürgerrecht stellt die Anforderungen an die Kontaktaufnahme. auf: Es ist "ein Besuchsrecht, welches allen Menschen zusteht, sich zur Gesellschaft anzubieten". Das Besuchsrecht, das Recht der Hospitalität, grenzt Kant vom Gastrecht ab. Das Gastrecht beinhaltet positive Forderungen gegen den Gastgeber. Es kann daher, wie schon Staatsrecht und Völkerrecht, nur auf einer Vereinbarung beruhen. Das Besuchsrecht ist demgegenüber als bloßes Abwehrrecht konzipiert: Auf den Versuch der Kontaktaufnahme darf nicht mit feindschaftlicher Behandlung reagiert werden. Doch muß der Besuchte die Befugnis haben, den Besucher abzuweisen. Auch dann ist der Besucher nicht rechtlos. Kant stellt die Abweisung unter die Bedingung, daß sie nicht zum Untergang des Besuchers führen darf. Daraus folgt, daß sich aus dem Besuchsrecht auch Ansprüche ergeben können, etwa wenn ein Besucher sein Schiff für den Rückweg mit frischem Trinkwasser und Nahrungsmitteln ausstatten muß, um zu überleben. Solche Ansprüche sind keine positiven Leistungsansprüche, sondern sie resultieren erst mittelbar aus dem Abwehrrecht. 373 371 Zur Abgrenzung von Recht und Philanthropie vgl. Die Metaphysik der Sitten, VI, S. 352. 372 Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, VIII, S. 307. 373 Daher geht die Ansicht von Hirsch, Der Friede kommt nicht durch die Kirche, S. 79, das Weltbürgerrecht bedeute Gleichheit und Solidarität der Individuen 7 Hackel

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

Das Weltbürgerrecht beinhaltet nicht nur Rechte des Besuchers. Auch der Besuchte hat Abwehrrechte gegen den Besucher. Er kann von ihm gewaltfreies Verhalten verlangen; außerdem kann er ihn abweisen. Das ist nicht selbstverständlich, wenn man sich die Voraussetzung des gemeinsamen Besitzes der Erdoberfläche in Erinnerung ruft, nämlich, daß "ursprünglich [... ] niemand an einem Orte der Erde zu sein mehr Recht hat, als der Andere". Das Abweisungsrecht ergibt sich daraus, daß ein Teil der Erdoberfläche als Staatsgebiet in Besitz genommen wurde. Aus den Rechten des Besuchten folgt, daß der Besucher sich darauf beschränken muß, sich zur Gesellschaft anzubieten. Vor diesem Hintergrund kritisiert Kant das Verhalten der Kolonialmächte als inhospitales Betragen. Einzelne Beispiele deutet er in der Friedensschrift an. In den Vorarbeiten wendet sich Kant ausdrücklich gegen den "Negerhandel der schon an sich Verletzung der Hospitalität des Volks der Schwarzen" sei, gegen die Versklavung der in Amerika vorgefundenen Menschen und gegen die Austragung der Machtkämpfe zwischen den Kolonialmächten in Indien auf Kosten der Bevölkerung 374 . Deutlich ist auch die Bemerkung in einer Reflexion: "In der Geschichte Englands jetziger Zeit bringt ihre Unterwerfung von amerika das cosmopolitische Andenken derselben weit zurück,.375. Allerdings geht es zu weit, die entscheidende Funktion des Weltbürgerrechts in der Verhinderung des Kolonialismus zu sehen. 376 Damit wird die zweite Seite, das Recht der Besucher vernachlässigt. Schließlich ist noch darauf einzugehen, wie das Weltbürgerrecht gesichert werden soll. Die wenigen Stimmen, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen, konstruieren eine Durchsetzung entweder durch die Staaten 377 oder durch eine überstaatliche Institution 378 • Gegen die erste Ansicht spricht, daß so das Weltbürgerrecht in drittschützendes Völkerrecht umgedeutet würde, was weder mit der Kantschen Einteilung der rechtlich zu regelnden Beziehungen in drei Bereiche noch mit der transzendentalen Begründung des Weltbürgerrechts vereinbar wäre. Auch eine Durchsetüber die Staatsgrenzen hinweg, zu weit, da Solidarität mehr als nur Abwehransprüche beinhaltet. Zudem wird mit dem Begriff der Solidarität nach üblichem Sprachgebrauch die Bereitschaft zu Leistungen ausgedrückt, die ohne Rechtsanspruch gewährt werden. Daher ist diese Begriffswahl im Zusammenhang mit dem als rechtliches Minimum konstruierten Weltbürgerrecht verfehlt. 374 Vorarbeiten zu Zum ewigen Frieden, X, S. 174. 375 Ref. 1444, XV, S. 630. 376 So aber von Raumer, Ewiger Friede, S. 169; Gonnelli, La Filosofia Politica di Kant, S. 226; ähnlich auch Cavallar, Pax Kantiana, S. 234. 377 Koller, Frieden und Gerechtigkeit in einer geteilten Welt, S. 217. 378 Archibugi, Immanuel Kant e il Diritto Cosmopolitico, S. 113.

III. Die Definitivartikel

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zungsmacht über den Staaten steht im Widerspruch zur Philosophie Kants. Denn schon die zwangsweise Durchsetzung des Völkerrechts scheitert an der Souveränität der Staaten. Wenn die Staaten sich nach der Vernunft nicht freiwillig unter gemeinsame Zwangsgesetze begeben können, so können sie auch nicht durch ein Recht, das sich aus der Natur des Menschen ergibt, hierzu gezwungen werden. 379 Das Weltbürgerrecht ist daher zwar ein Recht über den Staaten380, es beinhaltet aber keine Durchsetzungsmittel. Da sich das Weltbürgerrecht aus der natürlichen Eigenschaft des Menschen als vernunftfahigem Wesen ergibt, setzt es keine Institutionen voraus. Die Ansicht Hirschs, das Weltbürgerrecht lasse sich erst realisieren, wenn Staatsrecht und Völkerrecht als Bedingungen erfüllt seien381 , ist also nur unter dem Aspekt haltbar, daß sich ein Recht zwischen Staaten und Menschen erst denken läßt, wenn es Staaten gibt. Mehr als die Staatenbildung wird aber für das Weltbürgerrecht nicht vorausgesetzt. Deren republikanische Verfassung ist nicht Bedingung der Möglichkeit des Weltbürgerrechts. Auch die Verwirklichung des zweiten Definitivartikels ist vom Standpunkt der Vernunft unabhängig von der des dritten; anders wäre für die Konstruktion individueller Rechte als drittschützendes Völkerrecht zu entscheiden, die Kant aber nicht vorschlägt. c) Das Weltbürgerrecht im Kontext

Das Weltbürgerrecht könnte weitreichende Konsequenzen für die Theorie der Rechtsentstehung haben. Im Naturzustand kann schon das bloße Nebeneinander als Läsion betrachtet werden und dazu berechtigen, den anderen zu nötigen, in einen Rechtszustand zu treten. Das Weltbürgerrecht verbietet aber eine feindliche Behandlung des Besuchers durch den Besuchten und umgekehrt. Damit ist die Frage nach dem Verhältnis des Weltbürgerrechts zur Befugnis, von anderen Verrechtlichung zu fordern, aufgeworfen. Diese Problematik diskutiert Kant nicht, so daß die folgenden Ausführungen den Rahmen der Interpretation verlassen und den Versuch einer schlüssigen Ergänzung des Kantschen Ansatzes um dort nicht erwähnte Zwischenschritte der Argumentation darstellen. Wollte man ohne Einschränkung erlauben, daß jeder als Feind behandelt werden dürfte, der sich weigerte, mit dem Auffordernden in einen Rechtszustand zu treten, so liefe das Weltbürgerrecht leer. Jede Kontaktaufnahme würde statt zu einem friedlichen Besuch zur Anwendung von Gewalt 379 Ähnlich auch Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf ,,zum ewigen Frieden", S.103. 380 Vgl. auch Müller, Der Friede als philosophisches Problem, S. 33. 381 Hirsch, Der Friede kommt nicht durch die Kirche, S. 78.



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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

führen. Die Entstehung von Recht auf dem Wege einer Vereinbarung würde dadurch verhindert oder jedenfalls erschwert. Dagegen kann nicht eingewendet werden, wenn das Weltbürgerrecht gelte, handle es sich nicht mehr um einen Naturzustand. Denn dieser ist definiert als Fehlen von öffentlichem Recht. Dem Weltbürgerrecht ist aber keine Zwangsbefugnis beigelegt. Wollte man dagegen einen Vorrang des Weltbürgerrechts annehmen, so dürfte zum Beispiel der Besucher, obwohl das wechselseitige Einfließen sogar so weit gehen kann, daß er Ansprüche geltend macht, nicht genötigt werden, in einen Rechtszustand mit dem Besuchten zu treten. Da das Weltbürgerrecht für jede Kontaktaufnahme gilt, entfiele die Möglichkeit eines gegenseitigen Zwanges zur Verrechtlichung der Beziehungen von Besucher und Besuchtem. Dadurch sänke die Wahrscheinlichkeit, daß Recht geschaffen wird. Es muß also eine Lösung zwischen den beiden Extrempositionen gefunden werden, bei der für die Rechtsentstehung möglichst günstige Bedingungen herrschen. Jedenfalls die Kontaktaufnahme in Absicht der Errichtung einer Rechtsgemeinschaft muß in den Anwendungsbereich des Weltbürgerrechts fallen. Dann kann der Besucher dem Besuchten zunächst ohne Anwendung von Gewalt begegnen. Das Besuchsrecht muß aber enden, sobald sich einer der beiden nach Aufforderung weigert, mit dem anderen in einen Rechtszustand zu treten. Das so verstandene Weltbürgerrecht durchbricht die aus dem wechselseitigen Einfließen folgende Befugnis, Verrechtlichung unter Androhung von Gewalt zu fordern. Das erklärt, warum es auf ein Minimum, die "Bedingungen der allgemeinen Hospitalität" beschränkt werden muß. Nicht mit dem Friedensmodell Kants vereinbar ist unter Zugrundelegung dieser Einsicht und auch schon nach dem Wortlaut des dritten Definitivartikels die Ansicht Archibugis, das Weltbürgerrecht gestehe den Bürgern anderer Staaten die Rechte zu, die Republiken ihren Bürgern einräumten. 382 Hier handelt es sich um eine Verwechslung von Weltbürgerrecht und weltbürgerlichem Zustand. Daher trifft auch nicht zu, daß der "Universalstaat [... ] als institutionelle Basis des Weltbürgerrechts dienen,,383 kann. Denn eine Weltrepublik würde das Weltbürgerrecht überflüssig machen. 384 Zu solchen Fehlern in der Interpretation trägt die Kantsche Terminologie bei: Das Weltbürgerrecht als Regelung der dritten Beziehungsebene ist nämlich vom öffentlichen Recht, das im weltbürgerlichen Zustand herrscht, also vom Staatsrecht eines Weltstaates zu unterscheiden. Ebenfalls auf Grundlage dieser terminologischen Verwechslung formuliert Habermas: "Während das 382 383

384

Archibugi, Immanuel Kant e il Diritto Cosmopolitico, S. 110. Bohman, Die Öffentlichkeit des Weltbürgers, S. 87. Vgl. Brandt, Vom Weltbürgerrecht, S. 142.

III. Die Definitivartike1

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Völkerrecht, wie alles Recht im Naturzustand, nur vorläufig gilt, würde das Weltbürgerrecht, wie das staatlich sanktionierte Recht, den Naturzustand definiti v beenden. ,,385 Da das Weltbürgerrecht wie schon der Friedensbund eine Bedingung des Friedens darstellt, die sich erst unter der Voraussetzung der Existenz von Staaten ergibt, ist es im Gegensatz zur Idee des Weltstaates nur eine der Bedingungen zur Vorstufe des ewigen Friedens.

s. Die Definitivartikel als System des öffentlichen Rechts Kants Friedenskonzept weist die folgenden Konturen auf: Vernünftige Wesen haben einen Anspruch, selbst Zweck zu sein. Der Zustand, in dem das realisiert werden kann, ist der ewige Frieden. Er ist dadurch gekennzeichnet, daß alle möglichen Konflikte rechtsförmig, und zwar durch öffentliche Zwangsgesetze geregelt werden. Die Vernunft gebietet einen ursprünglichen Vertrag zwischen allen vernunftfähigen Wesen. Daraus folgt die Idee des republikanisch verfaßten Weltstaats. In der historischen Entwicklung sind statt dessen einzelne Staaten entstanden. An das Staatsrecht stellt die Vernunft die Forderung der republikanischen Verfassung, die der Idee des ursprünglichen Vertrages entspricht. Unter der Voraussetzung des Bestehens von Staaten gebietet die Vernunft zudem die Verrechtlichung der sich daraus zusätzlich ergebenden Beziehungen. Da die Staaten auf der Idee des ursprünglichen Vertrages beruhen, kann es nach Ansicht Kants außerhalb des Staatsrechts kein öffentliches Recht geben. Zwischen den Staaten soll deshalb als Ersatz ein Friedensbund ohne Zwangsbefugnisse geschlossen werden. Als Minimum für die Beziehungen, die weder vom Staatsrecht noch vom Völkerrecht abgedeckt werden, fordert die Vernunft das Weltbürgerrecht. Immer wieder wird das Verhältnis der Definitivartikel diskutiert. Hirsch vertritt die Ansicht, die Definitivartikel seien auch als historische Stufen der Verwirklichung des Friedens gemeint. 386 Auch Kersting spricht von unterschiedlichen Schritten der Verrechtlichung. 387 Jedenfalls die Staatenbildung muß erfolgen, bevor der zweite und dritte Definitivartikel Anwendung finden können. Das heißt aber nicht, daß die Verwirklichung des ersten Definitivartikels an erster Stelle stehen muß. Denn er gebietet nicht die Bildung von Staaten, sondern betrifft die Art ihrer Verfassung. Der erste Definitivartikel ist als Reformgebot an bestehende Staaten gemeint. 388 Nicht zwingend scheint auch ein geschichtlicher Vorrang des zweiten vor dem Habennas, Kants Idee des ewigen Friedens, S. 9. Hirsch, Der Frieden kommt nicht durch die Kirche, S. 71. 387 Kersting, "Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein", S. 90. 385

386

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

dritten Definitivartikel: Mit der Schaffung der Staaten entstehen zugleich beide Konfliktbereiche, der zwischen den Staaten und der zwischen Staaten und Menschen. Eine Reihenfolge der Verrechtlichung ließe sich allenfalls durch praktische Erfordernisse begründen. Die angebliche Dreiteilung des "öffentlichen Rechts" ist eigentlich eine Aufteilung zwischen dem Staatsrecht, das tatsächlich öffentliches Recht darstellt, dem Völkerrecht als einem Privatrecht zwischen den Staaten und dem Weltbürgerrecht, das weder Privatrecht noch öffentliches Recht ist, die nach der Idee des ursprünglichen Vertrages beide als positives Recht durch Vereinbarung entstehen, sondern ein unmittelbar aus der Vernunft gewonnenes Gebot. Vielleicht bezeichnet Kant deshalb die Friedensschrift als "Entwurf'. Sie entwirft den Vorschlag für eine Annäherung an den ewigen Frieden: "Wenn es Pflicht, wenn zugleich gegründete Hoffnung da ist, den Zustand des öffentlichen Rechts, obgleich nur in einer ins Unendliche fortschreitenden Annäherung wirklich zu machen, so ist der ewige Friede, der auf die bisher fälschlich so genannte Friedensschlüsse (eigentlich Waffenstillstände) folgt, keine leere Idee, sondern eine Aufgabe, die, nach und nach aufgelöst, ihrem Ziele (weil die Zeiten, in denen gleiche Fortschritte geschehen, hoffentlich immer kürzer werden) beständig näher kommt.,,389

IV. Die Garantie des ewigen Friedens

Nach diesen Ergebnissen, die vom Standpunkt der Vernunft gesehen nur als unbefriedigend empfunden werden können, stellt sich die Frage, ob auf die Realisierung eines der Vernunft gemäßen Zustands gehofft werden kann. Gegen Kant wurde immer wieder der Vorwurf erhoben, er stelle ein unerfüllbares Postulat auf. So gilt denn vielen Autoren die Friedensschrift als bloße Utopie?90 388 Nach Kersting, "Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein", S. 104, richtet sich der erste Definitivartikel an die Staaten, um deren geschichtlich entstandene Macht zu binden. 389 Zum ewigen Frieden, VIII, S. 386 (27ff.). 390 von Stengel, Weltstaat und Friedensproblem, S. 23; Prutz, Die Friedensidee, S. 205; Frei, Kriegsverhütung und Friedenssicherung, S. 40ff.; Batscha/Saage, Friedensutopien, S. 33 (EN. 2 zu S. 7); Claude, Swords into Plowshares, S. 24. Meier, Das Ideal des Völkerfriedens und die Wirklichkeit, S. 27, nennt Kant einen ,,Friedensschwärmer". Bloch, Widerstand und Friede, S. 43, meint, jedenfalls zur Zeit Kants sei der Entwurf eine "abstrakte Utopie" gewesen. Buchholz, Kant und der Frieden in Europa, S. 11, glaubt, die Friedensschrift habe den Zeitgenossen Kants angesichts der Kluft zur Realität als Utopie erscheinen müssen; ähnlich auch Ganovski, Kants Idee vom ewigen Frieden und unsere Gegenwart, S. 90. Höffe, Der Revolution noch eine Zukunft?, S. 221, spricht von einer Utopie nur hinsichtlich der Hoffnung, die Menschen könnten des Krieges satt werden. Im übrigen sei der

IV. Die Garantie des ewigen Friedens

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1. Die Konstruktion der Garantie

Zum Teil wird der Vorwurf der Utopie mit der Tatsache des Bestehens von Kriegen begründet. Dieser Ansatz beruht aber auf einer Verwechslung der Frage, ob Krieg sein soll, mit der Frage nach seiner Vermeidbarkeit. 391 Aus der historischen Tatsache, daß es Kriege gibt, kann nicht geschlossen werden, daß das Friedenspostulat falsch sei?92 Denn das hieße, ein Sollen, genauer: seine Negation, aus dem Sein abzuleiten. Eine solche Ableitung ist logisch nicht haltbar, weil aus einer bloßen Tatsache kein Postulat folgen kann. 393 Wenn der ewige Friede unerreichbar ist, stellt sich die Frage, ob das Friedensgebot Bestand haben kann. Würde doch ein solches Postulat gegen den Grundsatz ultra posse nemo obligatur verstoßen. Eine Pflicht, auch eine solche aus der Vernunft, ist nur denkbar, wenn ihre Ausführung nicht unmöglich ist. 394 Das betont Kant im Anhang der Friedensschrift?95 Diese Verbindung des Sollens mit dem Sein ist unter der Voraussetzung zulässig, daß es einen ,negativen' Sollenssatz gibt, der Sollenssätze dergestalt begrenzt, daß nur gesollt werden kann, was realisierbar ist. Dann setzt die Argumentation nicht am Sein, sondern am Sollen an. Das Sein stellt nur den Gegenstand für die Subsumtion unter den ,negativen' Sollenssatz dar. Um zu verhindern, daß das Friedensgebot als unrealisierbar betrachtet wird und deshalb keine Beachtung findet, gibt Kant eine Garantie für die Realisierbarkeit. Die Argumentation besteht aus mehreren Stufen. Zunächst ist zu beachten, daß der eigentlichen Garantie eine Korrektur der Ziel vorgabe vorgelagert ist. Daß der ewige Friede nicht erreicht werden kann, ist, wie dargelegt, auf das Faktum des Bestehens von Staaten zurückzuführen. Der ewige Friede selber ist allerdings eine Vernunftidee ohne jede Orientierung an der Erfahrung. 396 Daher kann das Bestehen der Staaten als - aus Sicht der Vernunft zufällige - Tatsache das Vernunftgebot, den Weltstaat zu errichten, nicht berühren. Die Staatenbildung hat aber auch zur Folge, daß die Errichtung eines Weltstaates von der Vernunft nicht mehr gefordert ewige Friede ein Ideal, keine Utopie, vgl. Höffe, Der Friede - ein vernachlässigtes Ideal, S. 17. H. Schmidt, Ein bedenkenswertes Jubiläum, S. 19, nennt den ewigen Frieden "Kants konkrete Utopie". 391 Vgl. Bourke, Kant's Doctrine of "Perpetual Peace", S. 324. 392 So, ausdrücklich gegen Prutz, Beutin, Zur Geschichte des Friedensgedankens seit Immanuel Kant, S. 14. 393 Das hat insbesondere Hume, A Tratise of Human Nature, Band 2, S. 236ff., herausgearbeitet. 394 Vgl. Schnädelbach, Metaphysik und Politik, S. 141. 395 Zum ewigen Frieden, VIII, S. 370. 396 Vgl. Brandt, Vom Weltbürgerrecht, S. 135; Freudenberg, Kants Schrift ,,zum ewigen Frieden", S. 68.

104

C. Eine Interpretation der Friedensschrift

werden kann, da dafür die Staaten aufgelöst werden müßten. Dann kann sich das Vernunftgebot nicht mehr auf den Welt staat als der Idee des ewigen Friedens entsprechende Organisationsform richten, sondern nur auf ein Surrogat, das Kant in den drei Definitivartikeln beschreibt. Schon dieses Ersetzen des Zieles wirkt dem Vorwurf der Utopie entgegen. Aber auch das durch die drei Definitivartikel beschriebene Ziel ist eine unerreichbare Idee. Warum diese dennoch angestrebt werden soll, versucht die Garantie zu zeigen, indem zwischen der Pflicht zum Frieden und der Pflicht zum Anstreben dieser Idee differenziert wird. Die Argumentation Kants beinhaltet zwei Teile. In einem ersten Schritt muß gezeigt werden, daß auch das Anstreben des unerreichbaren Zieles von der Vernunft gefordert wird. Im zweiten Schritt wird der Aspekt der Realisierbarkeit wenigstens dieser Annäherung betrachtet. Die Begründung des Friedensgebots ist für Kant also keine Wahl zwischen allem und nichts. Es reicht aus, daß gezeigt werden kann, daß wenigstens eine Annäherung an den ewigen Frieden von der Vernunft geboten wird. Diese Pflicht hat die Schaffung von Surrogaten zum Gegenstand, die immer mehr der Idee des ewigen Friedens entsprechen. Sie ergibt sich aus derselben Argumentation, mit der Kant die Forderung nach dem ewigen Frieden begründet: dem Anspruch der Individuen, selbst Zweck zu sein. Im Zustand des ewigen Friedens wäre diese Forderung für alle Menschen in allen Situationen erfüllt. Eine Annäherung an den ewigen Frieden bedeutet dann, die Behandlung als Selbstzweck für immer mehr Individuen in immer mehr Fällen zu realisieren. Obwohl der ewige Friede selbst als eine unausführbare Idee nicht erreicht werden kann, folgt dann aus der Vernunft das Gebot, ihn anzustreben. 397 Es verbleibt die Aufgabe, zu zeigen, daß wenigstens diese Annäherung möglich ist. Die Garantie zielt nicht auf die Darlegung der sicheren Erreichbarkeit des ewigen Friedens, sondern auf den Beweis, daß ein Fortschritt der Geschichte in Richtung auf den ewigen Frieden möglich ist. 398 Gelingt dieser Nachweis, so ist der ewige Friede keine Utopie. Grundsätzlich ist ein Nachweis dieser Art mit dem Problem verbunden, wie aus dem bestehenden Zustand und seiner Entstehungsgeschichte Prognosen über seine Entwicklung oder auch nur die Möglichkeiten der Entwicklung gewonnen werden können. Die Naturwissenschaften gewinnen Ihre Gesetze 399 aus der Beobachtung der Natur, indem Regeln formuliert werden, mit denen alle Phänomene in Einklang stehen. Diese Naturgesetze Vgl. auch Frings, Zur Idee des Friedens bei Kant und Max Scheler, S. 91. Vgl. Picht, Kants transzendentale Grundlegung des Völkerrechts, S. 254. 399 Naturgesetze sind - anders als Rechtsgesetze - keine Sollenssätze, sondern Prognosen über das Verhalten der Natur, die aus bisherigen Beobachtungen durch Abstraktion gewonnen werden. 397 398

IV. Die Garantie des ewigen Friedens

105

erlauben dann die Vorhersage über künftige Naturereignisse. Dabei ist keine Gewißheit zu erreichen. Mit der Anzahl der ausgewerteten Phänomene steigt die Wahrscheinlichkeit, daß die Gesetze richtig bestimmt wurden. Diese Methode wendet Kant auf die Geschichte an. Die Gewähr für die Möglichkeit der Annäherung an den ewigen Frieden bietet ihm "die große Künstlerin Natur". Mit Natur bezeichnet Kant die erfahrbare Welt. 4OO Sie wird, anders als der Friede, nicht gestiftet; der Betrachter hat auf sie keinen Einfluß. 401 Im Zusammenhang mit dem ewigen Frieden bezeichnet Kant mit "Natur" insbesondere die Phänomene der Menschengeschichte. Die Natur dient als ein Modell zur Deutung historischer Erscheinungen. 402 Aus ihnen leitet Kant Gesetze der historischen Entwicklung ab, die er als "Absicht der Natur" bezeichnet. Diese Naturgesetze gehören der Welt der Ideen an. 403 Sie ergeben sich erst durch Anwendung der praktischen Vernunft auf die Phänomene; die Naturabsicht ist eine Idee der reflektierenden Urteilskraft. 404 Die Geschichte wird betrachtet, als ob ein Wille der Natur sie lenke: "als die Vollziehung eines verborgenen Plans der Natur,,405. Windelband spricht vom "Prinzip der absichtslosen Zweckrnäßigkeit".406 Zwischen den Phänomenen und den Naturgesetzen besteht ein Bruch in zweifacher Hinsicht. Zum einen kann das Ding an sich nicht erkannt werden, sondern immer nur eine Erscheinung desselben. Daher ist unsere Vorstellung über die Dinge selbst schon eine Idee, eine Abstraktion von der Erscheinung. 407 Zum anderen lassen sich bei einer endlichen Menge von Erscheinungen unendlich viele Gesetze finden, mit denen alle Erscheinungen in Einklang stehen. Es besteht also stets das Risiko, daß aus den gegebenen Werten die falsche Funktion extrapoliert wird. Die aus der Erfahrung abgeleiteten Naturgesetze sind daher nur Wahrscheinlichkeitsurteile, "die wir zwar eigentlich nicht an diesen Kunstanstalten der Natur erkennen, oder auch nur daraus auf sie schließen, sondern (wie in aller Beziehung der Fonn der Dinge auf Zwecke überhaupt) nur hinzudenken können und müssen, um uns von ihrer Möglichkeit nach der Analogie menschlicher Kunsthandlungen einen Begriff zu machen,,408. 400 Vgl. Brandt, Historisch-kritische Beobachtungen zu Kants Friedensschrift, S. 44; Eisler, Kant-Lexikon, S. 376. 401 Vgl. Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf "Zum ewigen Frieden", S. 108. 402 Vgl. Piepmeier, Friede als Ziel der Geschichte, S. 22. 403 Wäre die Naturabsicht dagegen ein Erfahrungsbegriff, gäbe es keine Entscheidungsfreiheit; vgl. Freudenberg, Kants Schrift ,,zum ewigen Frieden", S. 75 ff. 404 Vgl. Apel, Kants philosophischer Entwurf als geschichtsphilosophische Quasiprognose, S. 96; Cavallar, Pax Kantiana, S. 277. 405 Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, VIII, 27

(3). 406 407

Windelband, Allgemeine Geschichte der Philosophie, S. 530. Vgl. Eisler, Kant-Lexikon, S. 377.

106

C. Eine Interpretation der Friedensschrift

Aus den historischen Erscheinungen kann nicht mit absoluter Sicherheit auf eine Gesetzmäßigkeit in der Geschichte geschlossen werden. "Dies ist indeß nur Meinung und bloß Hypothese: ungewiß wie alle Urtheile, welche zu einer beabsichtigten Wirkung, die nicht gänzlich in unsrer Gewalt steht, die ihr einzig angemessene Naturursache angeben wollen,,409.

Die Naturabsicht bleibt also stets eine Hypothese. 410 Daraus folgt zwar, daß aus den Phänomenen der Geschichte nicht mit Sicherheit auf eine Annäherung an den ewigen Frieden geschlossen werden kann. 411 Selbst wenn "das menschliche Geschlecht [... ] im Fortschreiten begriffen gewesen zu sein befunden würde, so kann doch niemand dafür stehen, daß nun nicht gerade jetzt [... ] die Epoche seines Rückganges eintrete"412. Das erhoffte, ,positive' Ziel der Garantie, der Beweis, daß eine Annäherung an den ewigen Frieden möglich sei, wird also insoweit nicht erreicht. Umgekehrt kann aber auch das Gegenteil, daß die Annäherung an den ewigen Frieden unmöglich sei, aus denselben Gründen nicht bewiesen werden. 413 Diese ,negative' Garantie kann zwar nicht beweisen, daß die Annäherung möglich ist, sie zeigt aber, daß die Unmöglichkeit der Annäherung nicht beweisbar ist. Mit dieser Argumentation läßt sich der Vorwurf mangelnder Realisierbarkeit zwar nicht widerlegen, aber als Gegenargument entkräften. "Auf diese Art garantirt die Natur [... ] den ewigen Frieden; freilich mit einer Sicherheit, die nicht hinreichend ist, die Zukunft desselben (theoretisch) zu weissagen, aber doch in praktischer Absicht zulangt und es zur Pflicht macht, zu diesem (nicht bloß schimärischen) Zwecke hinzuarbeiten." Daher muß, "wenn nicht alles verloren werden wenigstens angestrebt werden.

S0l1"414,

der ewige Friede

Gegen die so umschriebene Argumentation Kants in der Garantie kann eingewendet werden, daß, aus dem Beweis der Unmöglichkeit des Nach408 Zum ewigen Frieden, VIII, S. 362 (1 ff.). Vgl. dazu Krings, Kann man die Natur verstehen?, S. 375 ff. 409 Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, VIII, S. 311 f. 410 So auch BuhrlIrrlitz, Immanuel Kant, S. 118; Vlachos, La pensee politique de Kant, S. 189; Zahn, Kants Theorie des Friedens, S. 51Of. 411 Vgl. Cavallar, Pax Kantiana, S. 290. Darin unterscheidet sich Kant von Hegel, vgl. Jaspers, Kant ,.zum ewigen Frieden", S. 221; WaHz, Kant, Liberalism, and War, S. 335. 412 Der Streit der Facultäten, VII, S. 83 (4ff.). 413 Vgl. Goedeckemeyer, Die Idee vom ewigen Frieden, S. 16; Hruschka, Rechtsstaat und Friedenshoffnung, S. 245. 414 Zum ewigen Frieden, VIII, S. 357 (14).

IV. Die Garantie des ewigen Friedens

107

weises, daß das nach der Vernunft zu Fordernde nicht realisierbar ist, die Geltung der Forderung abzuleiten, den weiteren, wiederum nicht begründbaren Satz voraussetzt, daß Regeln, deren Umsetzbarkeit nicht auszuschließen ist, im Zweifel gelten sollen. Kant kann mit der Garantie nicht die Möglichkeit der Annäherung an den ewigen Frieden beweisen. Er muß sich mit dem Beweis begnügen, daß der Einwand, diese Annäherung sei nicht möglich, nicht haltbar ist. Dieser Nachweis reicht angesichts des apriorischen Charakters des Friedensgebotes aus: "das Handeln nach der Idee jenes Zwecks, wenn auch nicht die mindeste theoretische Wahrscheinlichkeit da ist, daß er ausgeführt werden könne, dennoch aber seine Unmöglichkeit gleichfalls nicht demonstrirt werden kann, das ist es, wozu uns eine Pflicht obliegt. ..415

2. Wie garantiert die Natur die Annäherung an den ewigen Frieden?

Die Hypothese Kants besteht darin, daß die Natur den Menschen zu dem zwinge, was er nach der Vernunft soll. Das begründet er durch folgende Analyse des historischen Verhaltens der Menschen, deren Ergebnis er als den "Mechanism der Natur" bezeichnet. Überall auf der Erde ist den Menschen das Leben möglich, weil die Natur die entsprechenden materiellen Voraussetzungen geschaffen hat. Daß tatsächlich überall Menschen leben, ergibt sich daraus, daß sie zum Krieg neigen und sich so gezwungen haben, einander auszuweichen. Damit kommt dem Krieg im Friedenskonzept Kants eine eigentümliche Doppelrolle ZU. 416 Er ist zugleich das Ziel der Abschaffung als auch deren Bedingung.417 Und die Wirkung der Kriegsneigung geht noch weiter: Um der Gefahr der Gewaltanwendung zu entgehen, müssen die Menschen in einen Rechtszustand treten. Die Natur schafft die Konfliktneigung und dadurch die Notwendigkeit des Rechts. 418 Daher bilden die Individuen Staaten; und die Staaten neigen dazu, sich gegen Bedrohungen zusammenzuschließen. Der Wille der Menschen, sich unter Gesetze zu stellen, folgt letztlich daraus, daß sie sich nicht ins Unendliche zerstreuen können. 419 Die Natur Die Metaphysik der Sitten, VI, S. 354 (15 ff.). Vaihinger, Eine französische Kontroverse über Kants Ansicht vom Kriege, S. 53, spricht von einer "relativen Wertschätzung" des Krieges bei Kant. 417 Vgl. Valentin, Geschichte des Völkerbundgedankens in Deutschland, S. 23; Dann, Die Friedensdiskussion der deutschen Gebildeten, S. 112. Allerdings hat sich der Krieg mit der Erreichung des historischen Zwecks der Besiedelung der Welt nicht ,,historisch überholt", wie Gerhardt, Immanue1 Kants Entwurf ,,zum ewigen Frieden", S. 20, meint. Denn ihm kommt noch die Aufgabe der Förderung der Rechtsentstehung zu. 418 Vgl. Laberge, Von der Garantie des ewigen Friedens, S. 161. 419 Vgl. Baumgartner, Dreimal "Ewiger Friede", S. 81. 415

416

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

.des Menschen ist so beschaffen, daß der Mensch aus egoistischem Interesse will, was die Vernunft von ihm verlangt, oder, wie Jaspers schreibt: "Was in Freiheit gewollt werden soll, das geschieht durch Angst in der Not.,,42o Brandt spricht von einem "Realisierungsüberhang auf der Seite der Natur,,421. Die Natur des Menschen läßt ihn - aus anderen Motiven - das wollen, was er der Vernunft nach wollen sollte: "durch die Zwietracht der Menschen Eintracht selbst wider ihren Willen emporkommen zu lassen,,422. Dabei stellt sich die Frage, weshalb der von der Natur bewirkte Zustand gerade der Vernunftidee entsprechen soll. Ist der Satz Müllers, "Das sittliche Vernunftgebot des Friedens entspricht zugleich dem wohlverstandenen Triebinteresse,,423, zwingend? Timm argumentiert gegen diese These Kants, der durch den Antagonismus der Natur erreichte Friede sei nicht mit dem nach der Vernunft anzustrebenden identisch. 424 Gegen ihn wendet Hirsch ein, für Kant gebe es keinen Widerspruch zwischen Vernunftpostulat und Naturteleologie, weil es sich um komplementäre Argumente handle. 425 Zwar gehören die Zielevorstellungen, die einerseits als Sollen durch die Vernunft, andererseits als historische Prognose durch Beobachtung der Natur bestimmt werden, unterschiedlichen Argumentationsebenen an. Daraus folgt aber nicht, daß die Naturabsicht nicht mit dem Ziel der Vernunft verglichen werden dürfte. Denn diesen Vergleich benutzt Kant als Argument426 : "Jetzt ist die Frage [... ] was die Natur in dieser Absicht beziehungsweise auf den Zweck den dem Menschen seine eigene Vernunft zur Pflicht macht, mithin zur Begünstigung seiner moralischen Pflicht thue,,427

Für Kant besteht die Garantie gerade in dem Nachweis, daß die fehlende Übereinstimmung beider nicht bewiesen werden, also jener Vergleich nicht widerlegt werden kann. 428 Timms Einwand, der die von Kant vorausgesetzte Hypothese der Deckung des Ziels der Naturabsicht mit dem Ver420 Jaspers, Kants Schrift "Zum ewigen Frieden", S. 715. 421 Brandt, Historisch-kritische Beobachtungen zu Kants Friedensschrift, S. 47. 422 Mit "wider ihren Willen" meint Kant hier keinen Widerspruch zu einem durch vernünftige Reflexion gebildeten Willen, sondern zum durch den Trieb gesteuerten Willen, den man in diesem Zusammenhang auch als ,natürlichen Willen' bezeichnen könnte. 423 Müller, Der Friede als philosophisches Problem, S. 28. 424 Timm, Wer "garantiert den ewigen Frieden?, S. 220. 425 Hirsch, Der Frieden kommt nicht durch die Kirche, S. 83. 426 Zahn, Kants Theorie des Friedens, S. 510, spricht von einer Verknüpfung beider Aspekte. 427 Vorarbeiten zu Zum ewigen Frieden, X, S. 178 f. 428 So auch von Weizsäcker, Friede und Wahrheit, S. 23: "So erweist auch die bisherige Geschichte den Weltfrieden nicht positiv als möglich, und doch läßt sie nicht den Schluß auf seine Unmöglichkeit zu."

IV. Die Garantie des ewigen Friedens

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nunftpostulat bestreitet, ist also ebensowenig zu beweisen wie die Hypothese Kants. Die Entwicklung zum Frieden kommt nicht durch die Vernunft, sondern durch den Antagonismus der natürlichen Freiheit. 429 Die Vernunft kann schon deshalb nicht ausreichen, um den Frieden herbeizuführen, da er ja nach ihr unter der Voraussetzung der Existenz von Staaten nicht erreichbar ist. 43o Die Wirkungsweise dieses Antagonismus beschreibt Kant schon in seiner Schrift "Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht,,431. Euchner faßt die Wirkung der Naturabsicht zusammen: "Der ,ungeselligen Geselligkeit' der Menschen entspringt eine Dialektik der gesellschaftlichen und politischen Entwicklung des Menschengeschlechts, die den zwischenmenschlichen Antagonismus [... ] zum politischen Fortschritt in zwei einander bedingenden Gestalten verkehrt: zur republikanischen Verfaßtheit der Staaten und zu ihrem Zusammenschluß zu einem Völkerbund, der den Weltfrieden garantiert ...432 Daß die egoistischen Menschen niemals wollen werden, was für den ewigen Frieden erforderlich ist, ist geradezu eine Gewährleistung für die Entwicklung zum Frieden. Denn wenn alle Menschen sich der Vernunft gemäß verhalten wollten, entfiele der Antagonismus. So kann Axinn schreiben: "moral progress would be stopped if we all became moral. ..433 Würden alle Menschen sich moralisch verhalten, gäbe es keinen Grund, moralisches Verhalten in Form von Recht zu institutionalisieren. Das Recht entsteht auch nicht in dieser moralischen Absicht, sondern zur wechselseitigen Sicherung des Eigennutzes. Daher besteht die Lösung des Friedensproblems durch Kant darin, daß die menschliche Natur eine Beseitigung unmoralischen Verhaltens erreicht, ohne daß es hierfür einer moralischen Besserung der Menschen bedarf. 434 So stellt der geschichtliche Fortschritt nicht "ein immer wachsendes Quantum der Moralität in der Gesinnung, sondern Vermehrung der Produkte ihrer Legalität in pflichtmäßigen Handlungen,,435

dar. 436 Vgl. Borries, Kant als Politiker, S. 218; Buhr/Irrlitz, Immanuel Kant, S. 117f. Vgl. Gallie, Kant's View of Reason in Politics, S. 21. 431 Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, VIII, S. 20ff. 432 Euchner, Kant als Philosoph des politischen Fortschritts, S. 395. 433 Vgl. Axinn, Kant and the Moral Antinomy, S. 463. 434 Vgl. Moog, Kants Ansichten über Krieg und Frieden, S. 73; Pasini, Das "Reich der Zwecke" und der politisch-rechtliche Kantianische Gedanke, S. 678; Riley, The ,Place' of Politics, S. 268. 435 Der Streit der Facultäten, VII, S. 91 (22ff.). 436 Vgl. auch Piepmeier, Friede als Ziel der Geschichte, S. 21. Williams, Kant's Political Philosophy, S. 14, sieht dagegen auch einen moralischen Fortschritt. Er 429

430

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c. Eine Interpretation der Friedensschrift

Die Begrenzung des Friedensbegriffes auf das Recht bringt den entscheidenden Vorteil, daß es für die Frage der Erreichbarkeit des Friedens auf die Motive für die Befolgung der Gebote nicht ankommt. 437 Denn während die Moralität nach den inneren Beweggründen für ein Verhalten fragt, kommt es für die Legalität nur auf die Übereinstimmung des Verhaltens mit der äußeren Pflicht an. 438 Das heißt aber nicht, daß die Garantie von der moralischen Pflicht, den Frieden anzustreben, entbindet. 439 Sie stellt nur sicher, daß die Geschichte auch dann den Weg des Fortschritts nimmt, wenn die Menschen der Vernunft nicht folgen. 44o Gerade in dieser Unabhängigkeit vom moralischen Fortschritt liegt der Vorteil der Begrenzung des Friedensbegriffes auf das Recht. Die Tendenz der historischen Entwicklung in Richtung auf den ewigen Frieden leitet Kant aus Phänomenen der Geschichte ab. Die Geschichte ist für Kant eine "Entwicklung vom Naturzustand zum Rechtszustand,,441. Insbesondere die Französische Revolution galt ihm als "Geschichtszeichen,,442 Die Revolution führte zu einem Fortschritt in der Rechtsordnung. 443 In diesem Ergebnis manifestierte sich die Durchsetzung der Vemunft. 444 Allerdings lassen sich aus solchen Phänomenen keine Gesetzmäßigkeiten ableiten. Daß die Menschen dem Zwang der Natur folgen, ist nicht mit Gewißheit vorherzusagen, aber doch wahrscheinlich, da es die verständigste Lösung des Antagonismus darstellt. 445 Aus der Natur ist nicht mit hinreichender Sicherheit abzuleiten, daß es zum ewigen Frieden kommen kann. Es sind stets auch Rückschläge in der Entwicklung zum ewigen Frieden möglich. Die Tendenz zum Frieden bleibt aber bestehen. 446 Wenn auch der räumt allerdings ein, daß die Natur den Frieden auch ohne moralische Besserung erreiche, a. a. 0., S. 244. 437 Vgl. Kersting, Wohlgeordnete Freiheit, S. 27; ähnlich Waltz. Kant, Liberalism, and War, S. 336. 438 Vgl. Höffe, Immanuel Kant, S. 179. 439 Vgl. Klemme, Einleitung, S. XLI. 440 Timm, Wer garantiert den Frieden?, S. 225, sieht das auch durch die Stelle, an der die "Garantie" in der Friedensschrift plaziert ist, bestätigt: Dort stünden bei einem völkerrechtlichen Vertrag die Unterschriften, die die Durchsetzung des Vertrages verbürgten. 441 Nersesjanz, Kant, das Recht und der Frieden, S. 83. 442 Der Streit der Facultäten, VII, S. 84 (30). 443 Der Streit der Facultäten, VII, S. 85. Vgl. auch Burg, Immanuel Kant, S. 19; Gallie, Philosophers of Peace and War, S. 16; Lasson, Princip und Zukunft des Völkerrechts, S. 145. 444 Vgl. Droz, L' Allemagne et la Revolution Fran~aise, S. 155; Burg, Kants Deutung der Französischen Revolution, S. 661; Fetscher, Immanuel Kant und die Französische Revolution, S. 274f.; Schweppenhäuser, ,,zum ewigen Frieden". Kant kosmopolitisches Vermächtnis, S. 13. 445 Vgl. Nagl-Docekal, Immanue1 Kants Philosophie des Friedens, S. 71.

IV. Die Garantie des ewigen Friedens

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ewige Friede selbst nicht erreichbar ist, so kann doch die Annäherung nicht als unmöglich bezeichnet werden und ist damit keine Utopie. 447 Die genaue Wirkungsweise des Antagonismus stellt Kant in den drei möglichen Konfliktbereichen dar. Zwei Ursachenzusarnrnenhänge bewirken die Staatenbildung. Zum einen hat die Unsicherheit der Menschen untereinander die Wirkung, daß sich diese unter gemeinsame Zwangsgesetze begeben. Sie tun das nicht aus vernünftigen Überlegungen, sondern weil ihnen an der Sicherung ihrer eigenen Rechte gelegen ist. Zum anderen besteht angesichts des Nebeneinanders mehrerer Völker eine äußere Bedrohung, der nur in der organisierten Form eines Staates begegnet werden kann. Der Staat entsteht also nicht aufgrund sittlicher Überlegungen, sondern er ist eine Schöpfung der egoistischen Natur des Menschen. 448 Vernunft oder Moral sind dagegen keine Voraussetzungen der Staatsbildung. 449 Kant drückt es drastisch aus: "Das Problem der Staatserrichtung ist, so hart es klingt, selbst für ein Volk von Teufeln (wenn sie nur Verstand haben) auflösbar".

Ein Volk von Teufeln ist eine "Menge von vernünftigen Wesen, die insgesamt allgemeine Gesetze für ihre Erhaltung verlangen, deren jedes aber insgeheim sich davon auszunehmen geneigt ist".

Die Teufel sind zwar vernunftfähige Wesen, haben also Anspruch darauf, selbst Zweck zu sein. Sie handeln aber nicht nach der Vernunft, sie gebrauchen nur den Verstand. 45o Daher lassen sie sich nur von ihrem Privatinteresse leiten 451 , das sie im Konfliktfall der moralischen Pflicht vorziehen. 452 446 Vgl. Funke, Von der Aktualität Kants, S. 150; Gallie, Philosophers of Peace and War, S. 21. O. Kraus, Kant und der Krieg, S. 149, spricht deshalb von einer ewigen Wirklichkeit der Idee des Fortschreitens im Gegensatz zu einem ewigen Fortschreiten. Ähnlich auch A. Nussbaum, A Concise History of the Law of Nations, S. 144. 447 Vgl. Vaihinger, Kants Schrift: Zum ewigen Frieden und der russische Abrüstungsvorschlag, S. 258; Kratzer, Kant und der Krieg, S. 168; Fried, Handbuch der Friedensbewegung, S.46; Bourke, Kant's Doctrine of "Perpetual Peace", S. 325; Kaufmann, Gerechtigkeit - der vergessene Weg zum Frieden, S. 116; Giesen, L'Ethique des Relations internationales, S. 167; Jaspers, Prinzipien eines Weltfriedenszustandes, S. 56; Losurdo, Fichte, die Französische Revolution und das Ideal vom ewigen Frieden, S. 78; Czempiel, Herrschaftssystem und Friedenswahrung, S.37. 448 Vgl. Pasini, Das "Reich der Zwecke" und der politisch-rechtliche Kantianisehe Gedanke, S. 678. 449 Vgl. Picht, Kants transzendentale Grundlegung des Völkerrechts, S. 250. 450 Vgl. Kersting, Wohlgeordnete Freiheit, S. 16. 451 Vgl. Gonnelli, La Filosofia Politica di Kant, S. 150. 452 Vgl. Höffe, Völkerbund oder Weltrepublik?, S. 129.

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c.

Eine Interpretation der Friedensschrift

Teufel sind nicht bereit, sich ethischen Nonnen zu unterwerfen. Das Böse liegt darin, daß sie, auch wenn sie moralischen Nonnen gemäß handeln, das nicht um der Moral willen tun, sondern ihrem Trieb folgend. 453 Daher können Teufel ihre Rechte nur durch öffentliches Recht voreinander sichern. Der Egoismus bewirkt so, daß die mit Verstand gemachten Gesetze sich der von der Vernunft gebotenen Rechtsordnung annähern. Kant gründet seine Friedenshoffnung auf die Logik des moralisch Bösen454 : "Das moralisch Böse hat die von seiner Natur unabtrennliche Eigenschaft, daß es in seinen Absichten [... ] sich selbst zuwider und zerstörend ist und so dem (moralischen) Princip des Guten, wenn gleich durch langsame Fortschritte, Platz macht.,,455

Nun werden die Teufel zwar einen Staat bilden. Das heißt aber nicht, daß sie auch eine republikanische Verfassung annehmen werden. 456 Kant nimmt das auch nicht an. Die Republik ist als Idee ebenso unerreichbar wie der ewige Frieden selbst. Aber die Teufel werden "sich doch im äußeren Verhalten dem, was die Rechtsidee vorschreibt, schon sehr nähern". Daß die Garantie nur für die Staatserrichtung, nicht auch für die Bildung einer republikanischen Verfassung gegeben wird, bestärkt die schon oben vertretene Interpretation, daß die Erfüllung des ersten Definitivartikels nicht Voraussetzung für den zweiten Definitivartikel sein kann. Zudem ist zu bedenken, daß das Volk von Teufeln nur die Minimalbedingung der Staatsbildung darstellt. 457 Wenn schon einem Volk von Teufeln die Annäherung an die Idee der Republik gelingt, so läßt sie sich erst recht von den Menschen erwarten. Da sich die Menschen nicht immer vernünftig verhalten, ist allerdings auch bei ihnen der Zwang der Natur nötig. Auch die Staaten werden durch den Antagonismus ihrer Natur zu einer Entwicklung in Richtung auf den Friedens gebracht. Dabei arbeitet die Natur nach zwei Seiten. Sie bewirkt die Bildung von Staaten und verhindert durch Unterschiede der Menschen wie etwa Sprache und Religion deren Zusammenschmelzen in einem Weltstaat. So erhält die Natur zunächst die Voraussetzungen eines Völkerrechts. Sodann sorgt die Natur für die Bildung des Friedensbundes. Daß die Staaten sich nicht vernunftgemäß verhalten, liegt daran, daß auch sie ihre eigenen Interessen beziehungsweise die ihrer Bürger über die moralischen Gesetze stellen. Unter den Staaten herrscht Rivalität. 458 Ihre Rechte können 453 Zum Begriff des Bösen vgl. Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, VI, S. 36. 454 Vgl. Schnädelbach, Metaphysik und Politik, S. 142. 455 Zum ewigen Frieden, VIII, S. 379 (19 ff.). 456 So auch Brandt, Historisch-kritische Beobachtungen zu Kants Friedensschrift, S. 51 f. 457 Vgl. Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf "Zum ewigen Frieden", S. 122.

IV. Die Garantie des ewigen Friedens

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die Staaten nur voreinander schützen, wenn sie einen Friedensbund bilden, der "nicht [... ] durch Schwächung aller Kräfte, sondern durch ihr Gleichgewicht im lebhaftesten Wetteifer derselben hervorgebracht und gesichert wird."

Diese Formulierung scheint nahezulegen, daß Kant hier, in der Tradition früherer Friedensmodelle459 , ein Gleichgewicht der Mächte fordert. Dagegen spricht aber, daß Kant solche Modelle noch 1793 als "bloßes Hirngespinst,,460 bezeichnet hatte. Timm meint, der Friede in Form eines Gleichgewichts als Ziel der geschichtlichen Evolution widerspreche dem Friedensbegriff aus der Vernunft. 461 Ein solcher Widerspruch tritt nicht auf, wenn man den Begriff des Gleichgewichts hier anders versteht. Kant bezieht ihn nämlich nicht auf die Staaten, sondern auf die antagonistischen Kräfte, die so organisiert werden müssen, daß sie sich gegenseitig aufheben. Diese für das Denken des 18. Jahrhunderts typische mechanistische Vorstellung entspricht der bezüglich der Staatenbildung: Die egoistischen Triebe neutralisieren sich. Die Entscheidung, den Friedensbund zu bilden, erfordert nur Verstand, nicht auch Vernunft. Die Gegenansicht von Picht, anders als die Staatsbildung setze das Völkerrecht Vernunft voraus 462 , ist schon deshalb nicht haltbar, weil eine vernunftgemäße Lösung des Friedensproblems unter der Voraussetzung der Existenz von Staaten gar nicht möglich ist. Zudem geht Kant nicht von einem vernünftigen Verhalten der Staaten aus, wenn er von "der Bösartigkeit der menschlichen Natur, die sich im freien Verhältniß der Völker unverhohlen blicken läßt,,463, spricht. Auf der weltbürgerlichen Ebene sorgt nach Kant der menschliche Handelsgeist für die Annäherung an den Frieden. Handeltreiben und Kriegführen sind nicht gleichzeitig möglich. Wenn der Handel mehr Vorteile bringt als ein Krieg, wird sich ein verständiges Volk für den Handel entscheiden. 464 Auch der Handelsgeist ist keine Gewährleistung des Friedens, er ist ein Anreiz. 465 Gegen Kants These der friedensfördernden Wirkung des Handelsgeistes werden denn auch immer wieder Bedenken erhoben. 466 Spranger, Völkerbund und Rechtsgedanke, S. 11. Vgl. Albrecht, Kants Entwurf einer Weltfriedensordnung und die Refonn der Vereinten Nationen, S. 200. 460 Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, VIII, S. 312. 461 Timm, Wer garantiert den Frieden?, S. 220. 462 Picht, Kants transzendentale Grundlegung des Völkerrechts, S. 276. 463 Zum ewigen Frieden, VIII, S. 355. 464 Vgl. Doyle, Die Stimme der Völker, S. 232. 465 Vgl. Held, Kosmopolitische Demokratie und Weltordnung, S. 228. 458 459

8 Hackel

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

Die Garantie besteht also in dem Nachweis, daß der Beweis, eine Annäherung an die Idee des ewigen Friedens sei tatsächlich unmöglich, nicht gelingen kann.

Damit erfüllt die Garantie zwei Aufgaben: Zum einen folgt aus der Argumentation Kants, daß die Annäherung an die Idee des ewigen Friedens moralisch gefordert werden kann. Zum anderen legt Kant dar, daß diese Annäherung unabhängig ist von der moralischen Besserung der Menschen. Die Geschichte als Entwicklung des Rechts erfordert keinen moralischen Fortschritt.

v. Die Umsetzung der Friedensidee Nach der Beschreibung des ewigen Friedens als vernunftgebotenes Ziel und der Garantie für die Möglichkeit einer Annäherung an dieses legt Kant dar, wie die Annäherung bewirkt werden kann. Im Anhang behandelt er die Übereinstimmung des politischen Handeins mit den moralischen Gesetzen als Voraussetzung des Rechtsfortschritts. Dem vorgelagert ist im Geheimen Artikel eine Erörterung des Verhältnisses der Philosophie, der die Aufgabe zukommt, die moralischen Gesetze zu erkennen, zur Politik als einem Prozeß der Schaffung des positiven Rechts. 1. Geheimer Artikel zum ewigen Frieden ,,Die Maximen der Philosophen über die Bedingungen der Möglichkeit des öffentlichen Friedens sollen von den zum Kriege gerüsteten Staaten zu Rathe gezogen werden."

Der Geheime Artikel beschäftigt sich mit der Frage, wie die von den Philosophen als der Vernunft gemäß erkannten Gesetze an die Inhaber der politischen Macht herangetragen werden können. Dabei besteht das Problem, daß der Herrscher den Philosophen nicht um Rat fragen wird. Denn es "scheint für die gesetzgebende Autorität eines Staates, dem man natürlicherweise die größte Weisheit beilegen muß, verkleinerlieh zu sein, über die Grundsätze seines Verhaltens gegen andere Staaten bei Unterthanen (den Philosophen) Belehrung zu suchen". Der Herrscher wird den Philosophen also nicht deshalb nicht um Rat fragen, weil eine persönliche Abneigung besteht, Einmischungen in seine Politik zu dulden. Vielmehr ergibt sich aus der Vorstellung des Staates als auf dem ursprünglichen Vertrag beruhend, daß der Gesetzgeber als Repräsentant des allgemeinen Willens 466 Vgl. etwa Kratzer, Kant und der Krieg, S. 169; Graf Ballestrem, Auf dem Weg zur Weltrepublik?, S. 514; Debiel, Demokratie und Gewalt in einer Welt des Umbruchs, S. 67; Williams, Kant's Political Philosophy, S. 18.

V. Die Umsetzung der Friedensidee

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niemandem gehorchen müssen kann. Daher kann er keinen Rat bei ihm Unterworfenen suchen. Als Lösung schlägt Kant vor, der Staat solle die Philosophen ihre Theorien veröffentlichen lassen. Dann könne er sich deren Maximen zu eigen machen, ohne dies ausweisen zu müssen. Burg ist darin zuzustimmen, daß Adressat der Aufklärung der Herrscher ist. 467 Die Philosophen erteilen ihren Rat diesem allerdings nicht förmlich, sondern er richtet sich an die Öffentlichkeit; der Herrscher kann ihn insgeheim befolgen. Das Geheime liegt also darin, daß der Staat, der nach seiner Idee nicht offen um Rat fragen kann, diesen dennoch erhält, indem er die Philosophen öffentlich sprechen läßt. Ironischerweise bleibt der Akt des Beratens gerade deshalb geheim, weil der Rat öffentlich erteilt wird. 468 Damit wird die Form einer Beratung vermieden. Ein solcher Geheimer Artikel ist kein Verstoß gegen den ersten Präliminarartikel469 : Selbst wenn er als Bestandteil des ursprünglichen Vertrages gedacht wird, stellt er keinen Vorbehalt hinsichtlich der Unterwerfung der Philosophen unter den allgemeinen Willen dar. Denn aus dem ursprünglichen Vertrag folgt keine (formelle) Pflicht des Gesetzgebers zur Befolgung des Rates der Philosophen, sondern das (materielle) Gebot vernunftgemäßer Politik; die Theorien der Philosophen sollen der Politik helfen, das Vernunftgemäße zu erkennen. Daß die Repräsentanten den allgemeinen Willen nicht selbst bestimmen können, sondern den Rat der Philosophen benötigen, liegt nicht daran, daß sie selbst als Menschen den allgemeinen Willen ihren individuellen Interessen unterzuordnen versucht sind. Denn dieses Problem besteht in gleicher Weise bei den Philosophen. Kant geht vielmehr davon aus, daß das Nachdenken über das der Vernunft gemäße Recht nicht zugleich mit der Ausübung der Macht möglich ist. Richtet sich diese doch nach dem Verstand, und nicht nach der Vernunft. Vgl. Burg, Immanuel Kant, S. 21. Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf ,,Zum ewigen Frieden", S. 126, hält den Geheimen Artikel deshalb für sarkastisch. 469 Cavallar, Pax Kantiana, S. 337, behauptet unter Berufung auf Real, Von Potsdam nach Basel, S. 130f., daß Kant mit dem Geheimen Artikel auf den Frieden von Basel anspiele, der ebenfalls einen solchen enthalten habe. Zwar bezieht sich der am 17. 5. 1795 geschlossene Neutralitätsvertrag zwischen Preußen und Frankreich, abgedruckt bei Martens, Recueil des principaux Traites d' Alliance, de Paix, de Treve, de Neutralite, de commerce, de limites, d'echange etc., Band 6, S. 503ff., auf eine geheime Klausel im Friedensvertrag von Basel. Wenn es eine geheime Klausel war, kann Kant davon bei Verfassen der Friedensschrift, die nahezu vollständig schon vor dem BaseIer Frieden entstand aber keine Kenntnis gehabt haben, was die These Cavallars widerlegt. 467 468

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

Das verdeutlicht Kant am Vergleich der Philosophen mit den Juristen. Deren Aufgabe ist die Auslegung des Rechts. Diese in Beziehung auf das bestehende Recht konservative Tätigkeit schließt einen Impuls für den Rechtsfortschritt von Seiten der Juristen aus, denn der "Jurist sucht die Gesetze der Sicherung des Mein und Dein (wenn er, wie er soll, als Beamter der Regierung verfährt) nicht in seiner Vernunft, sondern im öffentlich gegebenen und höchsten Orts sanctionirten Gesetzbuch. ,,470 Die Juristische Fakultät müßte im Rang hinter der philosophischen stehen, weil sie den Vollzug der Gesetze zum Gegenstand hat, die philosophische dagegen ihre Bestimmung. Letztere wird aber unterschätzt, weil ihr keine Macht beigelegt ist. Gerade die Macht korrumpiert aber das Urteil. Daher können die hinsichtlich des Gegenstands ihrer Wissenschaft nicht am positiven Recht orientierten Philosophen vernunftgemäßer entscheiden als die Juristen. 471 Wegen der Notwendigkeit der Trennung von politischer Macht und politischer Theorie hält Kant - in Anspielung auf Platon472 - es auch nicht für wünschenswert, daß Könige philosophieren oder Philosophen Könige werden. 473 Zwischen Politik und Philosophie muß arbeitsteilige Trennung bestehen. 474 Gerhardt vertritt die Ansicht, mit den Philosophen habe Kant alle zur Vernunft Fähigen, also alle Menschen gemeint. 475 Dem ist einschränkend hinzuzufügen, daß diejenigen, die die politische Macht innehaben, davon ausgenommen sein müssen. Der Geheime Artikel zeigt, daß Kant, der sich zu eben jenen Philosophen gezählt haben dürfte, die man öffentlich sprechen lassen sollte, sehr wohl politisch wirken wollte. 476 Vor diesem Hintergrund erscheint die "Clausula salvatoria" mit der verharmlosenden Darstellung der angestrebten Rolle der Philosophie in der Politik als ironische Bemerkung.

Der Streit der Facultäten, VII, S. 24 f. Vgl. Gerhardt, Der Thronverzicht der Philosophie, S. 176. 472 In der Übersetzung der Politeia heißt es auf S. 473d: "Wenn nicht die Philosophen in den Staaten Könige werden oder die Könige [... ] und Herrscher echte und gute Philosopen und wenn nicht in eine Hand zusammenfallen politische Macht und Philosophie [... ], gibt es [... ] kein Ende des Unglücks in den Staaten". 473 Cavallar, Pax Kantiana, S. 338, sieht darin zugleich eine Spitze gegen Friedrich den Großen. 474 Vgl. auch Gerhardt, Der Thronverzicht der Philosophie, S. 188. m Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf ,,zum ewigen Frieden", S. 128. Eine ähnliche Ansicht vertritt Habermas, Publizität als Prinzip der Vermittlung von Politik und Moral, S. 177, für den Begriff der Öffentlichkeit. 476 Vgl. auch Rogge, Kants ,,Entwurf zum Ewigen Frieden", S. 84. 470 471

V. Die Umsetzung der Friedensidee

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2. Anhang

Während der Geheime Artikel die fonnelle Frage betrifft, wie die philosophische Erkenntnis der Moral an die Politik herangetragen werden kann, behandelt der Anhang die materielle Übereinstimmung von politischem Handeln und moralischem Gebot. Kant untersucht zunächst das theoretische Verhältnis von Moral und Politik. Im zweiten Teil des Anhangs führt er die Publizität als Kriterium für die Orientierung der Politik an der Moral ein. a) Das Verhältnis von Moral und Politik Um die Übereinstimmung der Politik mit der Moral fordern zu können, muß Kant darlegen, daß es keinen Widerspruch zwischen beiden gibt. Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Unterscheidung der als ursprünglicher Vertrag gedachten Entstehung des Rechts von der empirischen Entstehung der Macht. Der historische Anfang des Staates ist die tatsächliche Gewalt, der ursprüngliche Vertrag ist die legitimationstheoretische Grundlage. 477 Die tatsächliche Errichtung des öffentlichen Zustands, der den Naturzustand nach der Idee des Rechts beenden soll, beginnt also mit einer historisch entstandenen Machtstruktur. Der Politik kommt die Aufgabe zu, diese der aus der Vernunft folgenden legitimationstheoretischen Idee anzugleichen. Die Realisierung der moralischen Gesetze erfolgt durch Transformieren in positives Recht. 478 Mit dem Begriff der Moral bezeichnet Kant in der Friedensschrift alle handlungsbestimmenden Regeln, also nicht nur die der Ethik, sondern auch die der Rechtslehre als der Wissenschaft von dem, was Rechtens, und nicht nur gesetzlich ist. 479 Politik ist die Ausübung dessen, was den Prinzipien des Rechts entspricht, also nicht die Ausübung des Rechts, sondern die der Rechtslehre. 48o Die innere Moral wird von der Politik in äußere Verhaltensregeln umgesetzt, indem moralisches Recht geschaffen wird. Dadurch kommt es zu einer Verknüpfung der Rechtstheorie mit der Frage ihrer Realisierung. 481 Moral und Politik stehen zueinander im Verhältnis der Theorie zur Praxis. 482 Daher kann zwischen ihnen objektiv 477 Ähnlich Kersting, "Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein.", S. 104. 478 Vgl. Nersesjanz, Kant, das Recht und der Frieden, S. 85. 479 Vgl. Castillo, Moral und Politik, S. 196; Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf ,,zum ewigen Frieden", S. 9. Dieser Moralbegriff weicht von der geläufigen Terminologie ab, die für die Bestimmung der Rechtsgesetze die Rechtswissenschaft, für die der Gesetze der Moral die Ethik nennt, vgl. etwa Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 60. Kant gebraucht die Moral als Oberbegriff für Rechtswissenschaft und Ethik. 480 Vgl. Gerhardt, Ausübende Rechtslehre, S. 475. 481 Brandt, Historisch-kritische Beobachtungen zu Kants Friedensschrift, S. 33, hält das für den entscheidenden Aspekt der Friedensschrift.

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

kein Gegensatz bestehen. Das Argument, die Menschen wollten nicht, was sie nach der Vernunft sollen, begründet nach Kant bloß subjektiv einen Gegensatz, da die Vernunft nicht "das Wollen aller einzelnen Menschen [... ], sondern daß Alle zusammen diesen Zustand wollen", erfordert. Das individuelle Wollen als Anwendung des Verstandes führt nämlich nicht notwendig zu demselben Ergebnis wie der allgemeine Wille als Ausdruck der Vernunft. Nach der Art des Umgangs mit der Moral unterscheidet Kant den moralischen Politiker vom politischen Moralisten. Der moralische Politiker macht sich die Realisierung der Moral in der Politik zur Pflicht: "Die wahre Politik kann also keinen Schritt thun, ohne vorher der Moral gehuldigt zu haben". Der moralische Politiker orientiert sich nicht nur am geltenden positiven Recht, sondern auch einerseits an den diesem zugrunde liegenden Rechtsprinzipien sowie andererseits an ethischen Grundsätzen. 483 Die Moral gibt das Ziel an, auf das seine Politik durch Reform des positiven Rechts hinarbeiten soll.484 Dieses Ziel ist der ewige Friede. Der politische Moralist gestaltet sich die Moral so, daß sie zu seiner am Verstand, nicht an der Vernunft orientierten - Politik paßt. Dann ist jeder moralische Fortschritt ausgeschlossen, weil die Kritik am status quo fehlt. In heutiger Terminologie würde man von einer Ideologie sprechen. 48s Die Klugheitslehre des politischen Moralisten verfolgt die eigenen Interessen durch Grundsätze wie "fac et excusa", "si fecisti, nega" und "divide et impera". Der moralische Politiker hat zur Maxime das formale Prinzip des kategorischen Imperativs, der politische Moralist das materielle Prinzip, einen Zweck als Gegenstand der Willkür zu erreichen. Der kategorische Imperativ gibt nicht positiv den Inhalt der Maximen vor, sondern die Art, wie sie bestimmt werden. 486 Aus Sicht der Vernunft muß das formale Prinzip Vorrang vor dem materiellen haben, weil es sich aus dem Begriff des Rechts ergibt; das materielle Prinzip ist dagegen beliebig. Die Verwirklichung des materiellen Prinzips bezeichnet Kant als das Staatsklugkeitsproblem. Es Vgl. auch Gonnelli, La Filosofia Politica di Kant, S. 151. Vgl. Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf ,,zum ewigen Frieden", S. 168. 484 Vgl. Riley, The ,Place' of Politics, S. 268; Sassenbach, Der Begriff des Politischen bei Immanuel Kant, S. 35. 485 Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf ,,zum ewigen Frieden", S. 171. Sassenbach, Der Begriff des Politischen bei Immanuel Kant, S. 18, bezeichnet die Tätigkeit des politischen Moralisten als Demagogie. Dieser Begriff dürfte freilich weniger die Bildung des Maßstabes kennzeichnen als vielmehr den Vorgang, andere zu dessen Annahme zu bringen. 486 Vgl. Castillo, Moral und Politik, S. 211. Vgl. auch Kelsen, Reine Rechtslehre, S.368. 482 483

V. Die Umsetzung der Friedensidee

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ließe sich technisch als "bloße Kunstaufgabe" unter Anwendung des Verstandes lösen, wenn man nur alle relevanten Tatsachen kennen könnte. Die Verwirklichung des formellen Prinzips ist dagegen eine "sittliche Aufgabe": das Staatsweisheitsproblem. Kant stellt die These auf, wenn man dem formalen Prinzip Vorrang gebe, erfülle sich auch das materielle. Das kann aber nur gelten, wenn der materielle Zweck, wie im Falle des Friedens, dem kategorischen Imperativ nicht widerspricht, der damit die möglichen materiellen Zwecke einschränkt, also den Inhalt der Maximen zwar nicht positiv, aber doch negativ bestimmt: "Trachtet allererst nach dem Reiche der reinen praktischen Vernunft und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch euer Zweck (die Wohlthat des ewigen Friedens) von selbst zufallen."

Damit meint Kant nicht, "daß die Gerechtigkeit der Forderung nach Frieden um jeden Preis vorzuziehen sei und daß man aus dem Frieden ein sekundäres Ziel machen müsse", wie Castillo unter Bezugnahme auf Kants Zitat "fiat iustitia, pereat mundus" behauptet487 . Denn als materiellen Zweck stellt Kant der Gerechtigkeit die WohLtat des ewigen Friedens, nicht den Frieden selbst gegenüber; gemeint sind materielle Vorteile des Friedens wie etwa die Ersparnis von Kriegskosten oder die Möglichkeit des Handeltreibens, die erreicht werden, wenn man dem vernünftigen Gebot des Friedens folgt. Die moralische Politik strebt daher nicht die materiellen Zwecke an, die als Ziele des Verstandes zur Garantie der Natur für den ewigen Frieden führen, sondern stellt auf die Vernunftgebote ab: "die politische Maximen müssen nicht von der aus ihrer Befolgung zu erwartenden Wohlfahrt und Glückseligkeit eines jeden Staats, also nicht vom Zweck, den sich ein jeder derselben zum Gegenstande macht [... ], sondern von dem reinen Begriff der Rechtspflicht [... ] ausgehen".

Während Kant in der Garantie den Vergleich der sinnlichen Wünsche der Menschen mit dem von der Vernunft vorgegebenen Ziel gebraucht, um die Möglichkeit einer Entwicklung des Rechts aufzuzeigen, argumentiert er hier umgekehrt, daß zugleich die Triebe befriedigt würden, wenn das Vernunftziel erreicht werde. Dann stellt sich die Frage, warum die Befolgung der sich aus der Vernunft ergebenden moralischen Gebote vorrangig angestrebt werden soll, wenn man sich dem Vernunftziel nach der Garantie auch durch das Streben nach der Verwirklichung materieller Zwecke annähern kann. Der Grund liegt darin, daß, weil die Naturabsicht eine Hypothese ist, deren Übereinstimmung mit dem Vernunftziel nicht bewiesen werden, sondern nur der Nachweis erbracht werden kann, daß nicht beweisbar ist, daß beide nicht übereinstimmen. Dann bleibt noch der umgekehrte Nachweis zu 487

Castillo, Moral und Politik, S. 200.

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

erbringen, daß die materiellen Zwecke erreicht werden, wenn die Gebote der Vernunft befolgt werden. Das ergibt sich für Kant daraus, daß "es gerade der apriori gegebene allgemeine Wille [... ] ist, der allein, was unter Menschen Rechtens ist, bestimmt". Der allgemeine Wille beinhaltet als Abstraktion aller einzelnen Willen die individuellen materiellen Ziele, sofern sie - das ist die durch die Vernunft gebotene Einschränkung, ohne die nicht gewährleistet wäre, daß die Freiheit des einzelnen mit der Freiheit aller zusammen bestehen kann - dem kategorischen Imperativ nicht widersprechen. Die verbleibende Frage, warum das formelle Prinzip auch vor solchen materiellen Zwecken Vorrang haben soll, die dem kategorischen Imperativ widersprechen und bei vernunftgemäßem Verhalten deshalb nicht erreicht werden können, stellt sich für Kant nicht, weil die Gebote der Vernunft sich apriori ergeben und die nicht mit dem kategorischen Imperativ vereinbaren Zwecke deshalb nicht berücksichtigt werden müssen. Die Wahrscheinlichkeit, daß der Inhaber der politischen Macht bereit ist, eine ideale Verfassung einzuführen, schätzt Kant als gering ein, da er nach dem Verstand hierzu keinen Anlaß hat. Auch Hoffmann beurteilt die Aussichten, die Moral über die Politik im Recht zu verwirklichen, skeptisch. Über den moralischen Politiker schreibt er: "his hands were pure, but he had no hands. ,,488 Wenn auch die Annahme einer vernünftigen Verfassung nicht erwartet werden kann, so sind doch Schritte in diese Richtung nicht ausgeschlossen. Soweit es zu solchen Reformen kommt, beruhen sie allerdings nicht auf moralischen Motiven der Machthaber, sondern auf dem mit ihnen verbundenen materiellen Nutzen. 489 Anlaß der Reformen sind "Gebrechen in der Staatsverfassung", zu deren Ausbesserung sich die Politik des Rechts, "so wie es nach der Idee der Vernunft uns zum Muster vor Augen steht", bedienen soll. So gibt es auch für den Reformwillen eine Garantie der Natur. Die Annäherung an den der Vernunft gemäßen Zustand kann sich nur durch schrittweise Reform des positiven Rechts vollziehen. 490 Einen Bruch mit dem geltenden positiven Recht hält Kant dagegen für Unrecht. Den Begriff "Revolution" versteht Kant noch nicht ausschließlich mit der heute üblichen Bedeutung. Für ihn bedeutet er, gemäß dem Sprachgebrauch seiner Zeit49 1, eine Änderung, sei sie durch allmähliche Reformen oder Hoffmann, Duties Beyond Borders, S. 144. Vgl. Cavallar, Pax Kantiana, S. 90. 490 Vgl. Reiss, Kant and the Right of Rebellion, S. 182. 491 Zum Gebrauch des Wortes "Revolution" am Ende des 18. Jahrhunderts vgl. Koselleck, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, Band 5, S. 716f. und nOf. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts bildete sich unter dem Einfluß der Französischen Revolution der heute noch bestehende begriffliche Gegen488 489

V. Die Umsetzung der Friedensidee

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durch Umsturz herbeigeführt. 492 Den Bruch mit der bestehenden Rechtsordnung nennt Kant Rebellion. Eine Rebellion ist nach Kant selbst dann unzulässig, wenn das Staatsoberhaupt Unrecht tut. Durch sie geschieht zwar dem ungerechten Herrscher kein Unrecht; denn das Unrecht des Umsturzes ergibt sich daraus, daß in dem vorher geltenden Recht - wie in jedem Recht - schon eine Annäherung an den von der Vernunft gebotenen Zustand zu sehen ist. Daher muß jedes Recht schon deshalb befolgt werden, weil es Recht ist. 493 Es ist auch kein ursprünglicher Vertrag denkbar, in dem sich die Individuen vorbehalten, für den Fall, daß der Inhaber der Gewalt Unrecht begeht, gegen diesen Gewalt zu üben; denn dann hätte das Oberhaupt nicht die oberste Gewalt. Daher kann es kein Widerstandsrecht geben. 494 Die Ablehnung der Rebellion läßt sich nicht durch Befürchtungen Kants hinsichtlich der Zensur erklären, sie ergibt sich aus dem kategorischen Imperativ. 495 Die Französische Revolution war nach Kant keine Rebellion. Denn mit der Versammlung der Generalstände im Ballhaus habe Louis XVI. die gesetzgebende Gewalt abgegeben. 496 Henrich bemerkt dazu, daß der Monarch nach der Idee des Rechts gar nicht abdanken kann, weil dadurch der Gesellschaftsvertrag aufgelöst und so der Naturzustand wieder hergestellt würde. 497 Reiss hält aus diesem Grunde das Argument Kants für die Rechtmäßigkeit der Machtübernahme durch die "Revolutionäre" nicht für tragfähig. 498 Die andere Folgerung zieht Beck: "the only revolutionary was Louis XVI. ,,499 Die Verurteilung des Königs hielt Kant dagegen für Unrecht: Denn als Souverän konnte Louis gar kein Unrecht tun, über das das Volk zu entscheiden befugt wäre. 5OO Losurdo qualifiziert die Verurteisatz zwischen "Reform" und "Revolution" heraus, vgl. Wolgast, in: Brunner/Conzel Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, Band 5, S. 346ff. 492 Vgl. Burg, Die Französische Revolution als Heilsgeschehen, S. 256f.; KoselIeck, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, Band 5, S. 750. 493 Vgl. Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf "Zum ewigen Frieden", S. 178. 494 Vgl. Droz, L' Allemagne et la Revolution Fran~aise, S. 163; Henrich, Kant über die Revolution, S. 362. 495 Vgl. Beck, Kant and the Right of Revolution, S. 41lff. 496 Vgl. Die Metaphysik der Sitten, S. 320ff., in der Fußnote. Vgl. dazu Burg, Die Französische Revolution als Heilsgeschehen, S. 253; Verra, Die Französische Revolution im zeitgenössischen deutschen Denken, S. 244; Vlachos, La pensee politique de Kant, S. 549. 497 Henrich, Kant über die Revolution, S. 361. 498 Reiss, Kants politisches Denken, S. 39; ähnlich Williams, Kant's Political Theory, S. 211 f. 499 Beck, Kant and the Right of Revolution, S. 417. 500 Die Metaphysik der Sitten, S. 231 (6ff.). Vgl. dazu Fetscher, Immanuel Kant und die Französische Revolution, S. 283. Gegen diese von Kant vertretene Ansicht

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

lung des Monarchen als eine "öffentliche Proklamation des Widerstandsrechts".501 Wenn die Rebellion einmal erfolgt ist, ist es ebenso Unrecht, sie gewaltsam rückgängig zu machen: Zum einen müßte wiederum das nun geltende Recht verletzt werden. 502 Zum anderen bedeutet die Rückgängigmachung einen Rückschritt im Prozeß der Annäherung des positiven Rechts an das von der Vernunft gebotene ideale Recht. 503 Kant sieht nämlich die Revolution nur unter dem Gesichtspunkt des Rechts negativ; als Naturereignis fördert sie dagegen den Fortschritt. 504 Damit ein Verstoß gegen das sich aus der Vernunft ergebende Verbot der Rebellion nicht durch das Ziel einer weiteren Annäherung der Rechtsordnung an die Vernunft gerechtfertigt werden kann, führt Kant die Erlaubnisgesetze der Vernunft ein. Indem sie einen der Vernunft weniger gemäßen Zustand dulden, verhindern sie, daß aus der Vernunft eine unbedingte Pflicht zur sofortigen Schaffung eines vollkommen der Vernunft gemäßen Zustands abgeleitet werden kann, was zu einem Selbstwiderspruch führen würde, wenn dadurch gegen Recht verstoßen würde, das selbst schon Ausdruck der Vernunft ist. Die Erlaubnisgesetze der Vernunft ermöglichen daher die Veränderung im Wege allmählicher Reformen durch friedliche Mittel. Sie schaffen einen Handlungsspielraum für die Politik. 505 Brandt spricht von einem "reformkonservativen Konzept,,506. So kann etwa der Herrscher in einer Autokratie dennoch einer republikanischen Verfassung gemäß regieren. Zu Unrecht507 wird zuweilen behauptet, Kants Rechtslehre führe zur Immobilität und verewige den Kriegszustand. 50S So meint Henrich, Kant habe "seine Rechtstheorie bis zur Konsequenz völliger Immobilität entwikkelt und die Verfassung gleich welchen Staates im wörtlichsten Sinne auf Ewigkeit gegründet. ,,509 Batscha/Saage halten die Theorie Kants für widerwendet sich Vorländer, Kants Stellung zur Französischen Revolution, S. 260, weil sie auf einer Verwechslung der physischen Person des Königs mit seinem Amt beruhe. 501 Losurdo, Immanuel Kant - Freiheit, Recht und Revolution, S. 50. 502 VgJ. Losurdo, Immanuel Kant - Freiheit, Recht und Revolution, S. 34; Merker, Untertan und Staatsbürger bei Kant, S. 128; Reiss, Kants politisches Denken, S.39. 503 VgJ. Gerhardt, Die republikanische Verfassung, S. 27. 504 VgJ. Jaspers, Kants "Zum ewigen Frieden", S. 225. 505 VgJ. Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf "Zum ewigen Frieden", S. 71. 506 Brandt, Das Problem der Erlaubnisgesetze im Spätwerk Kants, S. 83. 507 Ebenso Freudenberg, Kants Lehre vom ewigen Frieden und ihre Bedeutung für die Friedensforschung, S. 197. 508 VgJ. etwa bei Zanetti, Ethik des Interventionsrechts, S. 313.

V. Die Umsetzung der Friedensidee

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sprüchlich: "Wie konnte Kant mit einem Modell, das, wie es scheint, den bestehenden status quo prinzipiell akzeptierte, diesen zugleich überwinden wollen?"SlO Zwar kann Kant nicht beweisen, daß es zu einer Reform kommt. Sein Rebellionsverbot betrifft aber nur die Mittel, mit denen der Rechtsfortschritt bewirkt werden soll. Das moralische Gebot zur Veränderung der Rechtsordnung bleibt davon unberührt. b) Die Prüfung der Politik am Maßstab der Moral

Im zweiten Teil des Anhangs untersucht Kant, wie überprüft werden kann, ob die Politik der Moral gemäßen Maximen folgt. Nur dann kann die Politik ihre Aufgabe, das geltende Recht zum gerechten Recht zu entwikkeIn, erfüllen. SII Als Kriterium führt Kant die Publizität ein. Sie dient der Prüfung, ob ein Handlungsgrundsatz gerecht ist. Die "transzendentale Formel des öffentlichen Rechts" lautet: "Alle auf das Recht anderer Menschen bezogene Handlungen, deren Maxime sich nicht mit der Publicität verträgt, sind unrecht."

Diese Formulierung weist Parallelen zu der des kategorischen Imperativs auf. Sl2 Während der kategorische Imperativ materielle Verallgemeinerungsfahigkeit, die zu allgemeinen moralischen Gesetzen führt, zum Gegenstand hat, stellt Kant mit der Publizität auf formelle Verallgemeinerungsfahigkeit ab s13 : Man muß sich vorstellen können, daß die Maximen allgemein bekannt sind und nicht auf Widerstand stoßen. Ein Gesetz, daß seine Absicht nicht erreicht, wenn sie öffentlich gemacht wird, ist ungerecht. Die Ansicht Röds, der Universalisierbarkeit in Ethik und Staatsrecht entspreche im Völkerrecht die Publizität,514 ist mit den Ausführungen Kants nicht vereinbar: Nach der Idee des Rechts müssen die Normen in allen Rechtskreisen, auch im Völkerrecht, verallgemeinerungsfahig sein; und ob sie das sind, läßt sich in allen Fällen mit dem Kriterium der Publizität überprüfen. Faßt man die Publizität in diesem Sinne als ein Gedankenexperiment auf, benötigt man keine wirkliche Öffentlichkeit. sls Daher ist auch nicht erforderlich, daß eine Weltöffentlichkeit geschaffen wird. 516 Gerhardt meint Henrich, Kant über die Revolution, S. 361. Batscha/Saage, Friedensutopien, S. 12. 511 Vgl. Gerhardt, Ausübende Rechtslehre, S. 478. 512 So auch Funke, Von der Aktualität Kants, S. 155. 513 Auch Klemme, Einleitung, S. XXIX, betont, daß es sich um ein formales Prinzip handelt. 514 Röd, Die Rolle transzendentaler Prinzipien in Moral und Politik, S. 135. 515 So auch Castillo, Moral und Politik, S. 214. 509

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

dagegen, Publizität sei auch eine Institution. 517 Für die Notwendigkeit einer tatsächlichen Öffentlichkeit spreche, daß Kant der Tatsache, daß sich Staaten auf das Recht berufen, Bedeutung beimesse. 518 Außerdem ergebe sich aus Kants positiver Publizitätsformel, daß das öffentliche Recht nur wirksam sein könne, wenn seine Bekanntmachung erfolgt sei. 519 Gegen diese Ansicht spricht schon, daß Kant die Publizität ausdrücklich als "ein Experiment der reinen Vernunft" bezeichnet. Zudem ist bei der wirklichen Öffentlichkeit die Vernunftorientierung nicht gewährleistet. 52o Das empirisch interpretierte Publizitätsprinzip ermöglicht keine Aussagen über die Übereinstimmung der Maximen mit den Geboten der Vernunft, die aber doch gerade sein Zweck sind, sondern es liefert nur Informationen über die Entsprechung in Beziehung auf den Verstand. Das Ergebnis, zu dem die wirkliche Öffentlichkeit kommt, ist inhaltlich beliebig. Es besteht die Gefahr, daß die politischen Maximen sich dann an materiellen Vorteilen und nicht an der Vernunft orientieren. 521 Daher kann Kant die Öffentlichkeit auch nicht als Gegenspieler der bestehenden Institutionen gesehen haben, wie Bohman meint 522 . Vielmehr ist die Publizität das Kriterium, mit dem der moralische Politiker überprüft, ob positives Recht ungerecht ist. Maximen fallen in den Bereich des Unrechts, wenn anzunehmen ist, daß auf ihnen beruhende Handlungen die präventive Gegenwehr der anderen Menschen hervorrufen würden, wenn diese von dem Vorhaben wüßten. Es handelt sich um ein reines Gedankenexperiment. Als Beispiel aus dem Staatsrecht betrachtet Kant das Verbot der Rebellion. Diese ist, wie oben erläutert wurde, vernunftwidrig, auch wenn sie zu einer Verbesserung der Verfassung führt. Das läßt sich am Kriterium der Publizität erkennen: Hätte das Staatsoberhaupt, das die Gewalt innehat, Kenntnis vom Vorhaben der Rebellion, so würde es dieser zuvorkommen. Daher kann Fortschritt in der Staatsverfassung nur mit Zustimmung des Staatsoberhauptes erreicht werden. 523 Es kommt darauf an, daß der Inhaber Vgl. Cavallar, Pax Kantiana, S. 365. Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf ,,zum ewigen Frieden", S. 198. Davon scheint auch Schwarz, Principles of Lawful Politics, S. 22 f., auszugehen, wenn er den Medien als der vierten Gewalt die Aufgabe der Publizität zuspricht. Bohman, Die Öffentlichkeit des Weltbürgers, S. 89, sieht in der globalen Publizität die Aufgabe des Friedensbundes. 518 Gerhardt, Eine kritische Theorie der Politik, S. 50. 519 Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf "Zum ewigen Frieden", S. 200. 520 Mit diesem Argument kritisiert Habermas, Kants Idee des ewigen Friedens, S. 15, die nach seiner Auffassung von Kant der Publizität zugemessene Bedeutung. 521 Vgl. Hoor, Das Völkerrecht bei Kant, Fichte und Hegel, S. 83. 522 Bohman, Die Öffentlichkeit des Weltbürgers, S. 102. 523 Vgl. Burg, Kants Deutung der Französischen Revolution, S. 664; Fetscher, Immanuel Kant und die Französische Revolution, S. 283. 516 517

V. Die Umsetzung der Friedensidee

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der Macht - nach dem Geheimen Artikel mit Hilfe der Philosophen - die Vernunftideen erkennt und in positives Recht umsetzt. 524 Westphal meint, das Verbot der Rebellion und die Gewaltenteilung widersprächen sich. 525 Diese Ansicht träfe nur zu, wenn zwar die Ausübung der Staatsgewalt auf verschiedene Repräsentanten verteilt wäre, es aber kein Verfahren gäbe, in welchem unterschiedliche Auffassungen unter diesen zum Ausgleich gebracht würden. Ist dagegen in der Verfassung festgelegt, in welchen Bereichen welche Gewalt das Letztentscheidungsrecht hat, so kann deren Entscheidung entgegen den Auffassungen der anderen Gewalten keine Rechtsverletzung sein. Für das Völkerrecht nennt Kant drei Beispiele. Ein Staat, der ein Versprechen gegenüber einem anderen Staat gibt, zur Einlösung aber nicht in der Lage ist, ohne in materielle Not zu geraten, könne den Vorsatz, unter diesen Umständen der Pflicht nicht nachzukommen, nicht laut werden lassen. Das trifft jedenfalls zu, wenn man den Vorsatz, wie Kant, unter Berufung auf die Souveränität begründet. Daran läßt sich auch die Bedeutung des ersten Präliminarartikels verdeutlichen526 : Ein Staat würde dem Vertrag mit einem anderen Staat nicht vorbehaltlos zustimmen, wenn er wüßte, daß der andere Staat seine Zustimmung unter einen Vorbehalt stellt. Auch ein Bündnis mehrerer kleiner Staaten gegen eine Großmacht wird durch die Publizität als Unrecht entlarvt, weil die Großmacht ihnen zuvorkommen würde, wenn sie davon wüßte. Umgekehrt kann auch eine Großmacht die Absicht, einen kleinen Staat zu erobern, nicht laut werden lassen, weil dieser nach einem Bündnispartner suchen könnte. Die genannte Formel der Publizität gibt nur an, wann positives Recht mit der Moral unvereinbar ist. Umgekehrt muß nicht jede die Publizität vertragende Maxime gerecht sein. Das zeigt sich, wenn eine Seite mehr Macht hat als alle übrigen zusammen. So kann ein Staatsoberhaupt auch ungerechte Vorsätze seinem Volk mitteilen. Ein Staat, der mächtiger ist als die übrigen Staaten zusammen, kann die Mißachtung des Völkerrechts offen ankündigen. Daher schlägt Kant als positive transzendentale Formel des öffentlichen Rechts vor: ,,Alle Maximen, die der Publicität bedürfen, (um ihren Zweck nicht zu verfehlen), stimmen mit Recht und Politik vereinigt zusammen."

"Denn wenn sie nur durch die Publicität ihren Zweck erreichen können, so müssen sie dem allgemeinen Zweck des Publikums (der Glückseligkeit) gemäß sein." Die positive Publizität soll also die Übereinstimmung des 524 525 526

Vgl. Grab, Zwischen Obrigkeitsgehorsam und Revolutionsbejahung, S. 29. Westphal, Republicanism, Despotism, and Oboediance to the State, S. 268. Vgl. Cavallar, Pax Kantiana, S. 367.

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C. Eine Interpretation der Friedensschrift

Rechts mit dem allgemeinen Willen sicherstellen. Das positive Prinzip alleine sagt nur aus, daß eine Maxime publizitätsbedürftig ist. Damit ist aber noch nichts für die Frage der Übereinstimmung des Rechts mit der Moral gewonnen. Es muß noch ein weiterer Gedankenschritt hinzukommen, der Kant so selbstverständlich erschienen sein dürfte, daß er ihn nicht erwähnte: Auch das negative Publizitätsprinzip muß erfüllt sein. Denn nur wenn die Maxime, erstens, Publizität benötigt und sie, zweitens, auch verträgt, steht ihre Vereinbarkeit mit der Moral fest. Die positive Formel der Publizität läß sich vor allem auf Maximen anwenden, deren Absicht sich auf solche Ziele richtet, die nur kooperativ erreicht werden können. 527 Ein Beispiel nennt Risse-Kappen: Wenn in einem republikanisch verfaßten Staat die Maximen öffentlich diskutiert werden, können sich andere Staaten von dessen Friedensneigung überzeugen und müssen nicht gegen Gewaltanwendung durch diesen Staat vorbeugen, etwa durch Aufrüstung oder einen Präventivschlag. 528 Die auf den ewigen Frieden zielenden Gebote betreffen die Errichtung eines rechtlichen Zustands. Dazu ist auf allen Ebenen der Verrechtlichung ein ursprünglicher Vertrag erforderlich. Dieser setzt die Möglichkeit der gedachten Zustimmung aller Rechtsunterworfenen voraus, bedarf also der Publizität, und diese Zustimmung ist nur zu erwarten, wenn der Vertrag dem allgemeinen Willen entspricht. Dadurch stellt das Prinzip der Publizität sicher, daß das Recht so reformiert wird, daß es zum Rechtsfortschritt kommt.

527 528

Vgl. Bohman, Die Öffentlichkeit des Weltbürgers, S. 92. Risse-Kappen, Demokratischer Frieden? Unfriedliche Demokratien?, S. 177.

D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur Eine Darstellung der Wirkungsgeschichte muß sich bei der Bestimmung des zu untersuchenden Materials an den Möglichkeiten der Philosophie orientieren, auf Völkerrechtstheorie und positives Völkerrecht zu wirken. Angesichts der eingangs beschriebenen Bedeutung der Philosophie für die Völkerrechtslehre lassen sich unmittelbare Wirkungen der Friedensschrift auf die Völkerrechtslehre erwarten. Ausgehend von Kants Ausführungen über das Verhältnis von Moral und Politik kann man zudem vermuten, daß Vorschläge der Philosophen ihren Einfluß auf die Entwicklung des Völkerrechts auf dem Weg über die das Völkerrecht bestimmende Politik nehmen. So sind denn auch in der Politik gelegentlich Bezugnahmen auf Kant auszumachen. Im Department of State Bulletin vom 19. Juni 1949 wurden Fragen der Nachkriegsordnung mit der Friedensschrift in Verbindung gebracht); Waltz kommentiert, Kant habe sogar das State Department infiltriert. 2 Die Friedensschrift fand Erwähnung in Reden von Roman Herzog. 3 Michail Gorbatschow zitierte die Friedensschrift in seiner Rede zur Annahme des Friedensnobelpreises. 4 In der Ansprache zum Abzug der russischen Truppen aus Deutschland am 31. August 1994 meinte Boris Jelzin: Der ewige Friede "wurde den zukünftigen Generationen vom großen Europäer Immanuel Kant vermacht. Ich bin überzeugt, daß die Stunde dieser grandiosen Idee geschlagen hat. ..5 Für die Darstellung der Wirkungs geschichte der Friedensschrift wurde die völkerrechtliche Diskussion der vergangenen 200 Jahre historisch gegliedert. In den gewählten Zeitabschnitten lassen sich jeweils Kemthemen der Erörterung ausmachen, zu denen man auch die Friedensschrift heranzog. Dabei richtet sich die Einteilung nach aus Sicht der Friedensschrift Allen, Perpetual Peace Through World-Wide Federation, S. 801 f. Wahz, Kant, Liberalism, and War, S. 331. 3 Vgl. etwa Herzog, "Daß Demokratien untereinander keine Kriege führen, ist die konkrete Vision einer internationalen Friedensordnung", in: Demokratie als Friedensstrategie, S. 40. 4 Vgl. Gorbachev see' s ,moment of truth', Chicago Tribune vom 11. Dezember 1990, S. 5. 5 Jelzin, "Die geschichtliche Wahrheit bleibt unerbittlich", S. 1283. I

2

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

relevanten Schritten in der Entwicklung des Völkerrechts und der Völkerrechtslehre. Die zeitlichen Grenzen zwischen den Abschnitten können nicht immer scharf gezogen werden. Ereignisse wie die Gründung Internationaler Organisationen erlauben zwar eine genaue Datierung. Dennoch läßt sich ein exakter Beginn der Epochen nicht angeben: Wird man doch auch die Vertragsverhandlungen zwischen den Staaten noch hinzuzuzählen haben; und der Übergang von der Äußerung abstrakter Ideen über politische Absichtserklärungen bis hin zu Verhandlungen wird nicht immer mit hinreichender Schärfe hervortreten. Daher überlappen sich die Entwicklungsphasen der Völkerrechtsgeschichte zum Teil. Die für die neuen Abschnitte kennzeichnenden Elemente deuten sich in den vorangehenden jeweils schon an, während die Beschäftigung mit deren Leitthemen in den folgenden Zeitabschnitten in der Regel erst nach und nach ausklingt. Soweit die Auseinandersetzung zu bestimmten Themen mit Vorläufern während früherer Zeitabschnitte begonnen hat oder in spätere ausgreift, werden auch diese Äußerungen bei der Beschreibung der Zeit behandelt, in die der Schwerpunkt der Diskussion fällt. Gedanken Kants, die von der Völkerrechtslehre in einer bestimmten Zeit übernommen wurden, finden sich auch in den Werken späterer Epochen. Auch diese werden bei dem Zeitabschnitt, in dem sich die Rezeption vollzog, behandelt. Ebenso werden dort die Bezugnahmen auf Kant in der rückblickenden Behandlung durch die Völkerrechtslehre späterer Epochen aufgeführt. I. Die zeitgenössische Reaktion auf die Friedensschrift

Die Friedensschrift stand im zeitgenössischen Kontext der allgemeinen europäischen Friedensdebatte, die vor allem in Deutschland intensiv geführt wurde; Anita und Walter Dietze sprechen von "einer deutschen Diskussion um 1800,,6. "Zum ewigen Frieden" erregte in diesem Umfeld große Aufmerksamkeit. Ein Zeitgenosse Kants schrieb wenige Monate nach Erscheinen der Friedensschrift: "Diese Schrift des berühmten Mannes ist schon in jedermanns Händen und allgemein gelesen.,,7 Schnell war die ungewöhnlich hohe erste Auflage vergriffen8 ; schon 1796 wurde eine zweite Auflage notwendig - für damalige Verhältnisse eine Besonderheit. 9 6 Vgl. der Titel "Ewiger Friede? Dukumente einer deutschen Diskussion um 1800". 7 Ludwig Heinrich Jacob, Annalen der Philosophie und des philosophischen Geistes von einer Gesellschaft gelehrter Männer, abgedruckt bei Dietze/Dietze, Ewiger Friede?, S. 208. Ähnlich Niethammer, Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf von Immanuel Kant, S. 81.

I. Die zeitgenössische Reaktion auf die Friedensschrift

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Kants Schrift wurde in der philosophischen und politischen Literatur des ausgehenden 18. Jahrhunderts lebhaft diskutiert. \0 In vielen deutschen Zeitschriften erschienen Besprechungen der Friedensschrift. 11 Schon im Januar 1796 beschrieben Hennings in "Der Genius der Zeit" und Niethammer in seinem Philosophischen Journal die Friedensschrift. 12 Ausfühlich wurde die Friedensschrift in den Göttingisehen Anzeigen von gelehrten Sachen und in den Tübingischen gelehrten Anzeigen dargestellt. 13 Einen kritischen Kommentar verfaßte von Schütz im 1797 erschienenen ersten Heft des Neuen Niedersächsischen Merkur. Er stellte dort die einzenen Artikel der Friedensschrift vor und diskutierte die Thesen Kants. Unter anderem wandte er gegen die Ansicht Kants ein, daß der zweite Präliminarartikel nicht auf republikanisch verfaßte Staaten beschränkt sei. 14 Aufgrund der Orientierung Kants an der Vernunft hielt von Schütz seine Vorschläge für nicht umsetzbar, wenn er sie auch als Idee begrüßte. 15 Manchen zeitgenössischen Autoren galt die Friedensschrift als bloße Utopie. 16 So sprach von Gleichen vom Friedensmodell Kants als von einem "Luftschlosse".17 Bereits 1796 kam Jacob zu dem Befund, bei den Politikern seiner Zeit stieße die Friedensschrift überwiegend auf Ablehnung, weshalb die Ideen Kants wenig Aussicht auf Realisierung hätten. 18 Aus dem Lager der Wissenschaft und der 8 Höffe, Der Friede - ein vernachlässigtes Ideal, S. 22, berichtet von einer ersten Auflage von 2000 und einem Nachdruck weiterer 1500 Exemplare. Nach Vorfänder, Einleitung, S. XXV, und Bruns, Kant et l'Europe, S. 185, soll die erste Auflage insgesamt 1500 Exemplare betragen haben. Kehrbach, Vorrede, S. XX, geht zwar auch von 1500 Exemplaren aus, bemerkt jedoch, er habe zwei unterschiedliche Drucke der ersten Auflage festgestellt. Das könnte für die These Höffes sprechen. Die genaue Zahl kann hier offen gelassen werden. Als entscheidend ist festzuhalten, daß es sich um eine an den damaligen Maßstäben gemessen ungewöhnlich hohe Auflage handelte. 9 Vgl. Vorländer, Kants Stellung zur Französischen Revolution, S. 263. JO Vgl. Jachmann, Immanuel Kant geschildert in Briefen an einen Freund, S. 173; Bruns, Kant et l'Europe, S. 185; Bien, Revolution, Bürgerbegriff und Freiheit, S. 85; Höffe, Der Friede - ein vernachlässigtes Ideal, S. 21 ff.; Patzig, Kants Schrift ,,Zum ewigen Frieden", S. 12. 11 Vgl. Vorländer, Einleitung, S. XL. Beispiele finden sich bei Bruns, Kant et I'Europe, S. 186. 12 Hennings, Zum ewigen Frieden, S. 128ff.; Niethammer, Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf von Immanue1 Kant, S. 82ff. 13 Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen unter Aufsicht der königl. Gesellschaft der Wissenschaft 1 (1796), Heft 8 vom 14. Januar 1796, S. 77ff.; Tübingische gelehrte Anzeigen vom 10. Oktober 1796; Autoren sind dort nicht vermerkt. 14 von Schütz, Kommentar über Kants ewigen Frieden, S. 21 f. I~ von Schütz, Kommentar über Kants ewigen Frieden, S. 73 f. 16 Vgl. Ganovski, Kants Idee vom ewigen Frieden und unsere Gegenwart, S. 90. 17 Karl Heinrich von Gleichen, Gedanken über verschiedene Gegenstände der Politik und freien Künste von dem Verfasser der metaphysischen Kezereien, Regensburg 1797, abgedruckt bei DietzelDietze, S. 203. 9 Hackel

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

politischen Publizistik erfuhr Kant dagegen Zustimmung. Stäudlin schrieb an Kant, die Friedensschrift werde "die Aufmerksamkeit der Nationen einerndten und auf entfernte Geschlechter hinwirken" 19. Fichte verfaßte eine Rezension, in der er die Gedanken Kants erläuterte und durch eigene Überlegungen ergänzte. 2o An Kant anschließend, aber mit dem abweichenden Ziel, durch den Frieden die "Völkerbeglückung" zu erreichen, erörterte der Kant-Schüler Görres drei Jahre nach Kant das Friedensthema. 21 Das große Interesse für die Friedensschrift mag mit ihrer politischen Brisanz angesichts der Ereignisse in Frankreich zusammenhängen?2 Zudem war die Friedensschrift auf eine öffentliche Wirkung angelegt. Darauf weisen schon Kants Ausführungen im Geheimen Artikel hin. Auch von den Zeitgenossen Kants wurde diese Intention wahrgenommen; Stäudlin schrieb an Kant, die Friedensschrift sei eine "lehrreiche Lection für die Fürsten und Minister, so wie für den Unterthanen". Sie werde zur Orientierung der Politik an der Moral beitragen?3 Diesen Eindruck teilt auch die spätere Literatur zur Friedensschrift. Bruns meint, Kant habe sich anders als mit seinen übrigen Schriften mit "Zum ewigen Frieden" an ein breites Publikum gewandt. 24 Mit dieser Intention erklärt Gallie die für Kant vergleichsweise kurzen Sätze und den geringen Umfang der Schrift. 25 Feststellbar sind schon wenige Jahre nach Erscheinen der Friedensschrift nicht nur ausdrückliche Bezugnahmen, sondern auch inhaltliche Parallelen bei Autoren, die den Bezug zu Kant nicht ausweisen. Ein Beispiel bietet die 1802 erschienene Schrift ,)anus" des Wittenberger Rechtslehrers Zachariä. Im ersten Teil dieses Buches gab Zachariä wesentliche Grundgedanken des Kantschen Friedenskonzepts wieder und bediente sich dabei auch Formulierungen, die denen Kants ähneln. So leitete er aus der Vernunft das Erfordernis zur Gründung eines Universalstaates ab. 26 Seine Gestaltung sollte der Idee des Staates folgen. 27 Selbst die Garantie der Natur für die Entwicklung der Geschichte hat Zachariä mit Kant gemeinsam. 28 Im zwei18 Ludwig Heinrich Jacob, Annalen der Philosophie und des philosophischen Geistes von einer Gesellschaft gelehrter Männer, bei Dietze/Dietze, Ewiger Friede?, S.209. 19 Carl Friedrich Stäudlin in einem Brief an Immanuel Kant, abgedruckt in: Kants Briefwechsel, XII, S. 60. 20 Fichte, Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf von Immanuel Kant, S. 427ff. 21 Görres, Der allgemeine Frieden, ein Ideal, S. 25. 22 Das vermutet Moog, Kants Ansichten über Krieg und Frieden, S. 115 f. 23 Carl Friedrich Stäudlin, in: Kants Briefwechsel, XII, S. 60. 24 Bruns, Das politische Kantbild in Frankreich, S. 648. 2~ Gallie, Philosophers of Peace and War, S. 8. 26 Zachariä, Janus, S. 25. 27 Zachariä, Janus, S. 45.

I. Die zeitgenössische Reaktion auf die Friedensschrift

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ten Teil des ,,Janus" analysierte Zachariä am Maßstab der von der Vernunft geforderten Gestaltung des Völkerrechts die politische Wirklichkeit, um daraus im dritten Teil Forderungen an die Völkerrechtspolitik seiner Zeit zu folgern. Ter Meulen zählt Zachariä zu "den Nachfolgern Kants, nicht nur auf dem Gebiete der Rechtsphilosophie im allgemeinen, sondern auch hinsichtlich der Friedensidee im besonderen,,?9 Ob die Friedensschrift zum allgemeinen Gedankengut dieser Zeit zählte und es einer ausdrücklichen Bezugnahme auf Kant deshalb nicht bedurfte oder ob sie als Ausdruck des bereits vorher vorhandenen allgemeinen Gedankengutes der "deutschen Diskussion um 1800" angesehen werden kann, auf das sich Zachariä unmittelbar bezog, kann hier nicht entschieden werden. Auch im revolutionären Frankreich fanden die Vorschläge Kants große Beachtung. 3o Bruns meint, die Friedensschrift habe eine "geradezu enthusiastische Aufnaharne" in Frankreich erfahren?l Schon 1796 gab es mehrere französische Übersetzungen und einige Kommentare zur Friedensschrift. 32 Die Friedensschrift stieß in Frankreich vor allem unter dem Gesichtspunkt der republikanischen Verfassung auf Interesse. 33 Es gingen sogar Gerüchte, Sieyes wolle Kant um ein Gutachten für den Entwurf der französischen Verfassung bitten. 34 In einem Brief legte Anton Ludwig Theremin auf Bitten seines Bruders Karl, der Chef de Bureau im Wohlfahrtsausschuß war, Kant nahe, einen Briefwechsel mit Sieyes zu beginnen. 35 Diese Aufforderung lehnte Kant allerdings ab. 36 Bruns stellt Schwankungen des Ansehens Kants in Frankreich in Abhängigkeit von der politischen Entwicklung fest. In der Zeit der Revolution wurden die Ideen Kants noch als politische Vorschläge diskutiert. Mit der Machtergreifung Napoleons schwächte sich die Wirkung der Gedanken Kants deutlich ab. 37

28 Bei Zachariä, Janus, S. 31, heißt es: "Oder könnte vielleicht die Kunst der Natur gleichsam nachhelfen?". 29 Ter Meulen, Der Gedanke der Internationalen Organisation in seiner Entwicklung, Band 2.1, S. 73. 30 Vgl. Vorländer, Kant und der Gedanke des Völkerbundes, S. 52; Höffe, Kant als Theoretiker der internationalen Rechtsgemeinschaft, S. 490. 31 Bruns, Das politische Kantbild in Frankreich, S. 649. 32 Vgl. Beutin, Kants Schrift ,,Zum ewigen Frieden", S. 125. 33 Vgl. Bruns, Das politische Kantbild in Frankreich, S. 649. 34 Vgl. Bruns, Kant et l'Europe, S. 235; Gulyga, Immanuel Kant, S. 280. 35 Der Brief Theremins ist abgedruckt in Kants Briefwechseln, XII, S. 58 f. 36 Vgl. Moog, Kants Ansichten über Krieg und Frieden, S. 66; Vorländer, Kant und der Gedanke des Völkerbundes, S. 52; Deliniere, K. Fr. Reinhard, Introducteur de Kant aupres de Sieyes, S. 492f. 37 Bruns, Das politische Kantbild in Frankreich, S. 650.

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

Als Zwischenergebnis ist festzuhalten: Die ersten Wirkungen der Friedensschrift beschränkten sich weitgehend auf den geisteswissenschaftlichen Bereich, zu dem in diesem Zusammenhang auch die politischen Publizisten zu zählen sind. Eine unmittelbare Bedeutung für die Entwicklung des positiven Völkerrechts ist daraus nicht zu entnehmen. Durch die breit angelegte Diskussion wurden charakteristische Formulierungen und zum Teil auch Grundpositionen der Argumentation dergestalt im Bewußtsein der Friedensdebatte vertieft, daß sich bis heute immer wieder neben den offenen Bezugnahmen Anspielungen auf die Friedensschrift auch in der Formulierung finden lassen, wie noch in der Darstellung spaterer Epochen deutlich werden wird. 11. Das 19. Jahrhundert

Der hier als das 19. Jahrhundert bezeichnete Abschnitt der Völkerrechtsgeschichte ist gekennzeichnet durch die Betonung des Souveränitätsgedankens, die sich durch das immer mehr in den Vordergrund des politischen Bewußtseins tretende Nationalitätsdenken verstärkte. Mit der Französischen Revolution hatte die Idee des Nationalstaates bedeutenden Auftrieb erfahren. 38 Die Sicherung der Rechte des "Dritten Standes" und seine Beteiligung an der politischen Macht gewannen zunehmend an Bedeutung. Damit war auch die Möglichkeit der Mobilisierung breiter Massen für die Führung von Kriegen verbunden. Bei der Bestimmung der Akteure des Völkerrechts spielte der Gedanke der "zivilisierten Staaten" eine entscheidende Rolle. 39 Dies waren vor allem die europäischen Staaten, seit dem Ende des 18. Jahrhunderts auch die Vereinigten Staaten von Amerika. 4o Im Verlauf des 19. Jahrhunderts erweiterte sich dieser Kreis um die Türkei und die selbständig gewordenen lateinamerikanischen Republiken. Die Gemeinschaft der in zivilisierten Staaten organisierten Nationen wurde als Grundlage der Völkerrechtsgemeinschaft angesehen. Die Formulierung fand in den Titeln der Völkerrechtslehrbücher ihren Niederschlag wie etwa in Bluntschlis "Das modeme Völkerrecht der civilisierten Staten". Dieser Abschnitt der Wirkungs geschichte überschneidet sich mit dem ersten Teil der von Grewe als das Englische Zeitalter bezeichneten Epoche von 1815 bis 191941 • Die Erörterung einer Rechtsordnung für die euroVgl. Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 567ff. Vgl. Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 520ff.; Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 211. 40 Vgl. Schücking, Die Annäherung der Menschenrassen durch das Völkerrecht, S.59. 41 Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 499. 38 39

11. Das 19. Jahrhundert

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päischen Staaten setzte allerdings schon während des 18. Jahrhunderts ein. Das Sicherheitsdenken dieser Zeit war dominiert von der Idee des Gleichgewichts der europäischen Großmächte, die die Welt in Interessensphären einteilten. Neben dem "Europäischen Konzert" als einem regionalen System zeichnete sich im ersten Teil des Englischen Zeitalter bereits die Entwicklung eines universellen Völkerrechts ab. Zunehmend blickte man auch auf die Weltpolitik und das Gleichgewicht des Weltstaatensystems. Das "Droit public de l'Europe" des Französischen Zeitalters wurde durch das "Internationallaw" abgelöst. 42 Die Tendenz zur Universalisierung zeigt sich auch an den Rechtsquellen. Die völkerrechtliche Rechtsetzung erfolgte vor allem durch Verträge. Diese wurden anders als in früheren Epochen nicht mehr nur zweiseitig geschlossen, sondern gingen meist aus Konferenzen einer größeren Zahl von Staaten hervor. 43 Hier sind etwa die teilweise Kodifikation des Seekriegsrechts auf der Konferenz von Paris (1856) und die Klärung von Fragen des Minderheitenschutzes durch den Berliner Kongreß (1878) zu nennen. Von den für diese Epoche kennzeichnenden Themen wurden unter Bezugnahme auf Kant der Souveränitätsbegriff, das damit zusammenhängende Problem der Rechtsdurchsetzung, das Recht zum Krieg und die Theorie des Friedensvertrages diskutiert; unter dem Aspekt der Universalisierung des Völkerrechts spielte die Friedensschrift dagegen keine erkennbare Rolle, obwohl man das ihrem Inhalt nach erwarten könnte. Außerhalb der Völkerrechtspolitik, die noch immer durch staatliche Funktionsträger dominiert war, entstand im 19. Jahrhundert die Friedensbewegung, deren Vertreter sich zum Teil ausdrücklich auf Kant beriefen. 1. Die Souveränität der Staaten

Außenpolitisches Denken und politische Praxis der internationalen Beziehungen des 19. Jahrhunderts waren geprägt durch den Gedanken des Nationalstaates. Die in diesem Zusammenhang erstarkende Theorie der Volkssouveränität hatte ihre Grundlage in den Vorstellungen der Aufklärung. 44 Mit der Begründung des Staates aus dem Zweck für seine Bürger, die insbesondere aus vertragstheoretischen Modellen abgeleitet wurde, war jede andere Bindung staatlichen Handeins ausgeschlossen. Die Betonung der Souveränität führte dazu, daß der Rechtscharakter des Völkerrechts zum Teil gänzlich bestritten wurde. Herausragende Vertreter dieser Strömung der 42

43 44

Vgl. Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 536ff. Vgl. Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 226. Vgl. Graf Vitzthum, Völkerrecht, S. 68.

134

D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

"Völkerrechts-Leugner" waren Lasson45 und Austin46 . Lasson vertrat die Ansicht, aus der Souveränität der Staaten ergebe sich ein "vollkommen rechtloser" Zustand zwischen ihnen. 47 Obwohl auch Kant einen absoluten Souveränitätsbegriff vertrat und deshalb im zweiten Definitivartikel den Friedensbund als ein Völkerrecht ohne jeden Zwang forderte, finden sich nur wenige völkerrechtliche Darstellungen, die hinsichtlich des Souveränitätsbegriffs auf Kant Bezug nehmen. Zurückhaltend äußerte sich Meinecke, der die Friedensschrift für realistischer hielt als andere Friedensmodelle des ausgehenden 19. Jahrhunderts wie etwa das Schlegels, weil Kant berücksichtige, daß eine Weltrepublik an der Souveränität der Staaten scheitern müsse. 48 Trendelenburg schrieb 1870, man könne Kant nicht für den Gedanken des Nationalstaates in Anspruch nehmen, da er lediglich allgemeine Grundsätze erarbeitet habe. 49 Nur wenige Befürworter des absoluten Souveränitätsbegriffs beriefen sich auf Kant. Walz betont, daß die Lehre Austins nicht in der Tradition Kants, sondern unter dem Einfluß von Hobbes, Hume und Bentham stünde. 50 Der zweite Definitivartikel sei in dem Sinne zu deuten, daß er auf den qualitativen Unterschied von Staatsrecht und dem Recht der Staatengemeinschaft hinweisen wolle. Aus ihm lasse sich nicht schließen, daß Kant der Auffassung gewesen sei, es könne kein Völkerrecht geben. 51 Schon im Verlauf des 18. Jahrhunderts, also noch im Französischen Zeitalter, begannen Philosophen wie Hobbes, Spinoza und später Hegel, die Wirksamkeit des Völkerrechts zu bezweifeln. 52 Grewe meint, daß sich viele Völkerrechtler des 19. Jahrhunderts vor allem der Souveränitätslehre Hegels angeschlossen hätten. 53 Wenn auch Hegel in diesem Zusammenhang eine bedeutendere Rolle als Kant gespielt haben dürfte, so wurde doch in der Diskussion von den Gegnern des absoluten Souveränitätsbegriffs gelegentlich auch auf Kant verwiesen. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurde die Vorstellung der absoluten 4S Vgl. Seidl-Hohenveldem, Völkerrecht, S. 27; Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S.196. 46 Vgl. Walz, Wesen des Völkerrechts und Kritik der Völkerrechtsleugner, S. 57. 47 Lasson, Princip und Zukunft des Völkerrechts, S. 22. 48 Meinecke, Weltbürgertum und Nationalstaat, S. 73. 49 Trendelenburg, Lücken im Völkerrecht, S. 62. so Walz, Wesen des Völkerrechts und Kritik der Völkerrechtsleugner, S. 58. SI Walz, Wesen des Völkerrechts und Kritik der Völkerrechtsleugner, S. 162. S2 Vgl. Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 196. S3 Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 592. Walz, Wesen des Völkerrechts und Kritik der Völkerrechtsleugner, S. 59, meint, Binder, ein weiterer Vertreter der Völkerrechtsleugner, sei zwar zunächst von Kant ausgegangen, habe sich dann aber an Hegel orientiert.

II. Das 19. 1ahrhundert

135

Souveränität in zunehmendem Maße kritisiert. Resch skizzierte in seinem Völkerrechtslehrbuch von 1890 die Friedensschrift. Die Ansichten Kants zur Souveränität lehnte er ab: Kant drehe das Völkerrecht in den Zustand des natürlichen Privatrechts zurück. Er verkenne die Notwendigkeit der Aufstellung rechtlicher Grundsätze. Kants Völkerrecht sei ein Rückschritt hinter das Wolffs. 54 Auch im Rahmen der Argumentation für die Ablehnung der absoluten Souveränität wurde Kant in Anspruch genommen. Trendelenburg kritisierte den rechtlosen Zustand zwischen den Staaten und meinte unter Verweis auf Kant, das Völkerrecht müsse mit dem Ziel eines Rechts über den Staaten weiterentwickelt werden. 55 Auch von Mohl sprach sich gegen die absolute Souveränität aus. Es sei barbarisch, wenn jedem Staat das unbedingte Recht zugesprochen werde, "Fremdlinge nach Belieben zuzulassen oder abzulehnen", und zudem wenig sinnvoll, da ein Bedürfnis zu gegenseitigem Kontakt der Völker bestehe. 56 Obwohl von Mohl sich nicht ausdrücklich auf Kant bezog, erinnern seine Ausführungen inhaltlich an dessen Beschreibung des Weltbürgerrechts. Einen anderen Weg schlug gegen Ende des 19. Jahrhunderts Jellinek mit seiner Theorie der Selbstbindung der Staaten ein. Er wandte sich gegen naturrechtliche Begründungen des Völkerrechts.57 Die Notwendigkeit einer Bindung der Staaten an das Völkerrecht ergibt sich für Jellinek aus dem Begriff des Völkerrechts. Danach kann man sich, wenn es über den Staaten keine zur Rechtspersönlichkeit entwickelte Staatengemeinschaft gibt, ein Recht nur denken, wenn die Staaten ihre Rechte gegenseitig anerkennen. 58 Damit werden die durch die Aufklärung vorgezeichneten Grundpositionen verlassen. Allerdings räumte Jellinek ein, daß ein solches Völkerrecht den Krieg nicht verhindern könne, weil es ein Recht zwischen nicht Unterworfenen sei. 59 Die Überwindung dieses "anarchischen" Zustands sah Jellinek als eine bedeutende Aufgabe der Menschheit an, die schon Kant hervorgehoben habe. 6O Als Ergebnis ist festzuhalten, daß der Einfluß Kants weder für die Ausbildung des Gedankens der absoluten Souveränität noch für seine Ablehnung entscheidend war. Er wurde nur gelegentlich von einzelnen Vertretern unterschiedlicher Auffassungen zitiert. S4 55 56 57 58 59

60

Resch, Das Völkerrecht der heutigen Staatenwelt europäischer Gesittung, S. 2l. Trendelenburg, Lücken im Völkerrecht, S. 6l. von Mohl, Staatsrecht und Völkerrecht, S. 626. 1ellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 31l. 1ellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 314. 1ellinek, Die Zukunft des Krieges, S. 523. 1ellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 379.

136

D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur 2. Das Recht zum Krieg

In der Zeit der Aufklärung wurde die insbesondere von Grotius vertretene Lehre vom gerechten Krieg, deren Wurzeln auf die Theologie des Mittelalters zurückreichen61 , allmählich verdrängt. 62 Im 18. Jahrhundert setzte sich die Auffassung durch, ein Krieg könne gar nicht als bellum iustum bewertet werden, wenn es keinen Richter über den Staaten gebe. 63 Diese Ansicht vertrat auch Kant mit der rechts theoretischen Begründung, Krieg und Recht schlössen sich schon begrifflich aus. Der Ansatz Kants wurde weder von der völkerrechtlichen Literatur des 19. Jahrhunderts noch im Rückblick auf die Völkerrechtslehre dieser Zeit wahrgenommen. In seinen Ausführungen über die Überwindung der Lehre vom gerechten Krieg sprach Berber von einem Fortschritt aus Gründen der Humanität64 , nicht wie Kant - aus Sicht der Rechtslehre. In der Völkerrechslehre wurde nicht die Konsequenz gezogen, ein Krieg sei stets Unrecht. Vielmehr wurde eine Einschränkung des Rechts zum Krieg als mit dem Gedanken der Souveränität unvereinbar angesehen. Lasson lehnte die "Vorstellung von einer naturrechtlichen Verfassung" der Staatenwelt ab. 65 Vor dem Hintergrund der Idee des Nationalstaates wandte er sich ausdrücklich gegen die Auffassung Kants, der Krieg werde vor allem durch die Staatsoberhäupter geführt. Er verdeutlicht das mit einem Bild, das man als Anspielung auf die Vorrede zur Friedensschrift deuten könnte: Man könne sich den Krieg nicht als Streit zweier Gastwirte vorstellen, die ihren Zwist durch die Prügelei ihrer Knechte austragen ließen. 66 Im 19. Jahrhundert war zunächst die Ansicht entstanden, aus der absoluten Souveränität der Staaten folge ein uneingeschränktes Recht zur Kriegführung, das ius ad hellum. 67 Ähnliche Meinungen wurden auch im 20. Jahrhundert noch vertreten, wenn auch nur noch von wenigen Autoren, etwa von earl Schmitt, der die Auffassung vertrat, zum Staat als politischer Einheit gehöre das Recht zum Krieg. 68 Für das Völkerrecht zieht Schmitt die Konsequenz, es sei ein Recht des Kriegs und des Friedens "und wird 61 Vgl. Blumenwitz, Die Einhegung des Krieges durch die Völkerrechtsordnung, S.25. 62 Vgl. Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 190. 63 Vgl. Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 623. 64 Berber, Lehrbuch des Völkerrechts, Band 2, S. 32. 65 Lasson, Princip und Zukunft des Völkerrechts, S. 147. 66 Lasson, Princip und Zukunft des Völkerrechts, S. IVf. 67 Vgl. Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 624; Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 230. 68 Schmitt, Der Begriff des Politischen, S. 45 f.

Ir. Das 19. Jahrhundert

137

das bleiben, solange es ein Recht selbständiger, staatlich organisierter Völker gibt".69 Weite Teile der Völkerrechtslehre sahen die Konstruktion eines Rechts zum Krieg in einer Rechtsordnung, die keine Gewalt über den Staaten kennt, als widersprüchlich an. 70 Dementsprechend entwickelte man im Verlauf des 19. Jahrhunderts die Theorie von der Indifferenz des Völkerrechts hinsichtlich des Rechts zum Krieg. 7l Allerdings erfuhr die Ansicht, die Staaten dürften uneingeschränkt Krieg führen, bedeutende Einschränkungen: Nicht mehr jeder Krieg wurde als erlaubt angesehen. So differenzierte etwa Zachariä zwischen verschiedenen Arten des Krieges, von denen nur manche erlaubt sein sollten. 72 Es scheint, daß die eindeutige Stellungnahme Kants, der schon aus rechtstheoretischen Gründen ein Recht zum Krieg nicht für denkbar hielt, von der Völkerrechtslehre des 19. Jahrhunderts völlig ignoriert wurde. Den Argumenten Kants wurde insofern Rechnung getragen, als sich die Völkerrechtstheorie weitgehend aus dieser Frage zurückzog. Das geschah aber ohne Bezugnahme auf Kant. 3. Der Friedensvertrag

Nur wenig günstiger ist die Quellenlage hinsichtlich der Wirkung Kants auf die völkerrechtliche Theorie des Friedensvertrages. Seit dem 19. Jahrhundert wurde in manchen Lehrbüchern des Völkerrechts auf Kants im ersten Präliminarartikel aufgestellte Anforderungen für den Friedensvertrag hingewiesen. von Holtzendorff prüfte die Völkerrechtspolitik der jüngeren Vergangenheit am Maßstab des ersten Präliminarartikels und meinte, er werde im Völkerrecht nicht beachtet. Die Verträge kämen immer erst bei Erschöpfung einer Seite zustande und beruhten "auf der völligen Befriedigung des Siegers, mit dem Vorbehalt gelegentlicher Rache [... ]"73 Als Beispiel nannte er den Friedensschluß zwischen Deutschland und Frankreich im Jahre 1871. Zum Teil finden sich im 19. Jahrhundert Völkerrechtslehrbücher, die zwar einen Bezug zu Kant nicht ausweisen, in der Ausdrucksweise aber sehr nahe an die Friedensschrift herankommen. Heffter/Geffcker formulierten fast gleich wie Kant, der Friede müsse den Streit definitiv beilegen, und grenzten den Frieden vom Waffenstillstand ab. 74 Bluntschli schrieb, eben69 70 71

72

73 74

Schmitt, Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff, S. 1. Vgl. z. B. Schlief, Der Friede in Europa, S. 9. Vgl. Bothe, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, S. 585. Zachariä, Vierzig Bücher vom Staate, Band 5, S. 101 ff. von Holtzendorff, Die Idee des ewigen Völkerfriedens, S. 31. Heffter/Geffcker, Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart, S. 389ff.

138

D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

falls ohne Bezugnahme auf Kant, ein Friedensvertrag beende den Streit; ein Krieg dürfe dann nur auf neue Ursachen gegründet werden. 75 Daß es sich hierbei um Rezeptionen Kantscher Gedanken handelt, ist freilich unwahrscheinlich; vielmehr dürfte Kant schon zur Zeit der Entstehung der Friedensschrift allgemein vertretenen Auffassungen, die sich vor allem auf Grotius zurückführen lassen76 , mit der Begründung aus dem Begriff des Friedensvertrages einen neuen Akzent verliehen haben. Die seit dem 19. Jahrhundert gelegentlich feststellbaren Bezugnahmen und Ähnlichkeiten in der Formulierung völkerrechtlicher Äußerungen über des Recht der Friedensverträge zu der des ersten Präliminarartikels setzen sich auch in späteren Zeitabschnitten fort. Triepel kritisierte 1916 die politische Praxis der Staaten, Verträgen unter Vorbehalten zuzustimmen, um so den anderen Teil in vollem Umfang zu binden, für sich selbst aber Ausnahmen vorzusehen. 77 Ausdrücklich verwies Berber hinsichtlich der Anforderungen an einen Friedensvertrag auf den ersten Präliminarartikel. 78 Wenn auch der erste Präliminarartikel in völkerrechtlichen Publikationen zur Theorie der Friedensverträge immer wieder einmal angeführt wird, so waren Kants Aussagen für das Völkerrecht doch nicht so neu, daß von einer inhaltlichen Wirkung gesprochen werden kann. Allenfalls kann Kant als ein Vertreter der herrschenden Ansicht angesehen werden, die - aus unterschiedlichen Gründen - mit dem Friedensvertrag eine endgültige Lösung der Streitfälle verbinden wollte. 4. Die Friedensbewegung

Vorschläge zur Bildung Internationaler Organisationen waren zur Zeit Kants zahlreich. 79 Daraus folgt für die Untersuchung der Wirkungsgeschichte, daß es kaum gelingen kann, einen politischen Vorgang ausschließlich dem Einfluß der Friedensschrift zuzuschreiben. Doch gibt es Beispiele völkerrechtspolitischer Vorschläge, die sich unmittelbar auf Kant beriefen. Im 19. Jahrhundert wurden Pläne zur friedlichen Organisation der Staatenwelt von den Anhängern einer neben der politischen Macht stehenden "Friedensbewegung" erörtert, deren Vertreter sich als "Friedensfreunde,,8o Bluntschli, Das moderne Völkerrecht der civilisierten Staten, S. 400. Vgl. Merle, Zur Geschichte des Friedensbegriffs vor Kant, S. 36. 77 Triepel, Die Zukunft des Völkerrechts, S. 51. 78 Berber, Lehrbuch des Völkerrechts, Band 2, S. 112. 79 Eine umfassende Sammlung von Beispielen findet sich bei Ter Meulen, Der Gedanke der Internationalen Organisation in seiner Entwicklung, Band 2.1, S. 49 ff. 80 Vgl. etwa die Überschrift "Programm des Congresses der Friedensfreunde", in: Verhandlungen des dritten allgemeinen Friedenscongresses, vor Beginn der Seiten75

76

II. Das 19. Jahrhundert

139

oder "amis de la paix,,81 bezeichneten. Später sprach man auch von "Pazifisten".82 Young datiert den Beginn der Friedensbewegung auf den Beginn des 19. Jahrhunderts. 83 Die erste private Friedensgesellschaft entstand 1815 in New York. Ebenfalls im Jahre 1815 wurde die Massachusetts Peace Society gegründet84 , 1816 in London die Peace Society85. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden Friedensvereine in nahezu allen Staaten ins Leben gerufen. 86 1830 entstand in Genf unter dem Einfluß des Grafen Se10n die Societe de la Paix. 87 Um die literarische Beschäftigung mit dem Friedensthema anzuregen, veranstalteten die Friedensgesellschaften Preisausschreiben. 88 Die Preisarbeiten wurden von ihnen veröffentlicht. Gerhardt sieht die Ursache für die Entstehung der Friedensgesellschaften vor allem in religiösen Überzeugungen, weniger in einer Wirkung der Friedensschrift. 89 Die Gründung der amerikanischen und englischen Friedensgesellschaften läßt sich insbesondere auf den Einfluß der Quäker zurückführen. 90 In Deutschland war die Friedensbewegung zwar ebenfalls durch religiöse Motive gekennzeichnet. Gerade die deutsche Theologie brachte aber die Friedensschrift immer wieder in die Debatte um die Organisation des Völkerfriedens ein. 91 In den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts begannen die Mitglieder der Friedensgesellschaften, sich auf Kongressen zu treffen. 1843 fand ein erster Friedenskongreß englischer und amerikanischer Friedensfreunde in London statt. 92 Dort wurde beschlossen, die Staaten aufzufordern, mit ihren Verträgen zugleich Vereinbarungen über die Schlichtung von aus diesen entstezählung. Zum Begriff "Friedensfreunde" vgl. auch Fried, Kurze Aufklärungen über Wesen und Ziel des Pazifisums, S. 10. 81 Vgl. den Titel: Congres des Amis de la Paix Universelle. 82 Zu diesem Begriff und dem Unterschied zur Bezeichnung ,,Friedensfreund" vgl. auch Fried, Kurze Aufklärungen über Wesen und Ziel des Pazifisums, S. 10. 83 Young, The Peace Movement, S. 46. 84 Vgl. Scupin, in: Strupp/Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Band 1, S.580. 85 Vgl. Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 229; Beutin, Zur Geschichte des Friedensgedankens seit Immanuel Kant, S. 29. 86 Vgl. Meier, Das Ideal des Völkerfriedens und die Wirklichkeit, S. 105. 87 Vgl. Scupin, in: Strupp/Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Band 1, S.580. 88 Vgl. Ter Meulen, Der Gedanke der Internationalen Organisation in seiner Entwicklung, Band 2.1, S. 238. 89 Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf ,.zum ewigen Frieden", S. 216. 90 Vgl. von Bloch, Der Krieg, Band 5, S. 22f.; Schlief, Der Friede in Europa, S. 156; Scott, Tbe Hague Peace Conferences, Band 1, S. 682; Scupin, in: Strupp/ Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Band 1, S. 580. 91 Nachweise bei Valentin, Geschichte des Völkerbundgedankens in Deutschland, S. 72.

140

D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

henden Streitigkeiten zu treffen. 93 Ein weiterer Kongreß, in der Zählung der Friedensbewegung der erste internationale Friedenskongreß94 , wurde 1848 in Brüssel veranstaltet. Es nahmen Vertreter aus Belgien, England, den USA, Frankreich, Holland, Deutschland und Italien tei1. 95 In der Diskussion verwies Bertinatti auf Kant und Bentham, die gezeigt hätten, daß eine internationale Rechtsordnung möglich sei. 96 Auch auf die Schriften Saint-Pierres97 sowie die Bibel98 wurde Bezug genommen. Es folgte ein weiterer internationaler Friedenskongreß vom 22. bis 24. August 1849 in Paris, in dessen Verlauf unter anderem die Völkerrechtslehre von Grotius, Pufendorf und Vattel diskutiert wurde. 99 Walker schlug einen "Congress of Nations" in Form einer "confederation to secure permanent peace" vor, die aus einem Kongreß von Delegierten der Staaten, dem die Aufgabe zufiel, Regeln für die internationalen Beziehungen zu setzen, und einem "High Court of Adjudication" bestehen sollte. lOo Genau ein Jahr später wurde ein dritter Friedenskongreß in der Frankfurter Paulskirche abgehalten. Auf diesem Kongreß wurde die Bedeutung Kants für die Friedensbewegung besonders deutlich. Zu den Forderungen, die der Kongreß beschloß, zählten die Abschaffung stehender Heere sowie das Verbot der Auslandsverschuldung zum Zwecke der Kriegführung. 101 In der Numerierung der Forderungen tragen diese die Ziffern 3 und 4 wie die inhaltlich entsprechenden Präliminarartikel - eine schöne Parallele, aber wohl Zufall, denn bei der Diskussion dieser Punkte wurde Kant ausweislich der Sitzungsprotokolle nicht erwähnt. Girardin schlug die Gründung eines Völkerbundes nach dem Modell des Deutschen Bundes vor. 102 Bei der Erörterung dieses Vorschlags spielte nicht zuletzt Kant eine Rolle. 103 Der sechste Punkt der Beschlüsse der Friedensfreunde lautete:

92 Vgl. den Rückblick in: Congres des Amis de la Paix Universelle, S. 4, sowie Valentin, Die 48er Demokratie und der Völkerbundgedanke, S. 20. 93 Darauf wird hingewiesen in den Verhandlungen des dritten allgemeinen Friedenscongresses, S. 4. 94 Vgl. auch Valentin, Die 48er Demokratie und der Völkerbundgedanke, S. 20. 95 Congres des Amis de la Paix Universelle, S. 1. 96 Bertinatti, in: Congres des Amis de la Paix Universelle, S. 42f. 97 So zum Beispiel von Roussel, abgedruckt in: Congres des Amis de la Paix Universelle, S. 3 L 98 Panchaud, abgedruckt in: Congres des Amis de la Paix Universelle, S. 33; Spencer, a. a. 0., S. 69. 99 Vgl. Coquerel, in: Proceedings of the Second General Peace Congress, S. 59. 100 Walker, in: Proceedings of the Second General Peace Congress, S. 69. 101 Verhandlungen des dritten allgemeinen Friedenscongresses, S. 70. 102 Girardin, in: Verhandlungen des dritten allgemeinen Friedenscongresses, S. 29. 103 Vgl. Valentin, Die 48er Demokratie und der Völkerbundgedanke, S. 25.

II. Das 19. Jahrhundert

141

"Der Congreß empfiehlt allen Freunden des Friedens, in ihren verschiedenen Ländern die öffentliche Meinung auf die Zweckmäßigkeit eines Congresses von Abgeordneten der verschiedenen Staaten hinzulenken, die die Aufgabe hätten, ein völkerrechtliches Statut für die internationalen Beziehungen zu entwerfen"l04

In der Diskussion dieses Punktes verwies Burritt auf Kant, der den Plan einer Völkergesetzgebung besonders klar entwickelt habe. Burritt bezog sich auch auf Kant zur Begründung seiner Ansicht, es sei die "Einrichtung eines obersten Staatengerichtshofes" erforderlich. 105 Creizenach zitierte den ersten Präliminarartikel, um deutlich zu machen, daß von Seite der deutschen Friedensfreunde Abwehrkriege gegen Bedrohungen der europäischen Kultur für denkbar gehalten würden. 106 Optimistisch äußerte sich Carriere in einer Adresse an den Kongreß, die Friedensbewegung sei im Begriff, die Entstehung eines Bundes, wie Kant ihn vorgeschlagen habe, zu bewirken. Den Deutschen falle zudem die Aufgabe zu, sich zu einer Nation zusammenzuschließen, damit sie "mit anderen Nationen in eine völkerrechtliche Association eintreten können".107 Valentin sieht in den Verhandlungen des Friedenskongresses von 1850 "ein Zeugnis der Nachwirkung Kants".108 Zwei weitere Friedenskongresse folgten 1851 in London und 1853 in Edinburgh. 109 Die 1867 in Genf gegründete "Ligue internationale de la Paix et de le Liberte" sah sich ausdrücklich in der geistigen Nachfolge Kants. 110 Sie forderte eine Föderation sich selbst regierender Nationen in Europa. III Programmatisch zeigt das der Titel der von der Friedensliga herausgegebenen Zeitung "Les Etats-Unis d'Europe,,112, die in deutscher und französischer Sprache erschien. 113 Politische Vorschläge zur Errichtung internationaler Friedensorganisationen beriefen sich zum Teil auf Kant. So nahmen die Beschlüsse der gesetzgebenden Versammlung von Massachusetts von 1844 in der Frage des Völ104

lOS 106

S.47.

Verhandlungen des dritten allgemeinen Friedenscongresses, S. 70. Burritt, in: Verhandlungen des dritten allgemeinen Friedenscongresses, S. 53 f. Creizenach, in: Verhandlungen des dritten allgemeinen Friedenscongresses,

Carriere, in: Verhandlungen des dritten allgemeinen Friedenscongresses, S. 77. Valentin, Die Geschichte des Völkerbundgedankens in Deutschland, S. 80. 109 Vgl. Schlief, Der Friede in Europa, S. 157. 110 Vgl. Ter Meulen, Der Gedanke der Internationalen Organisation in seiner Entwicklung, Band 2.2, S. 34, FN 2; Czempiel, Herrschaftssystem und Friedenswahrung, S. 38 f. III Vgl. Ter Meulen, Der Gedanke der Internationalen Organisation in seiner Entwicklung, Band 2.2, S. 34. 112 Vgl. Ter Meulen, Der Gedanke der Internationalen Organisation in seiner Entwicklung, Band 2.2, S. 34, FN 1. 113 Vgl. Vorländer, Kant und der Gedanke des Völkerbundes, S. 65. 107 108

142

D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

kerbundes auf Kant Bezug. 114 Auch einzelne Autoren stützten sich bei ihren Vorschlägen auf die Friedensschrift. Fülleborn verwies in einer Schrift aus dem Jahre 1858 auf Kant zur Begründung seiner Ansicht, der Friede könne nur durch einen Gesellschaftsvertrag zwischen den Staaten dauerhaft sein. Vorübergehende Schiedsgerichte reichten dafür nicht aus. 115 Der Genfer Malardier schlug 1861 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Kant einen Bund europäischer Staaten vor. In den von ihm entwickelten Entwurf einer europäischen Verfassung übernahm er einige Artikel Kants. 116 Bruns meint, die Ansichten Malardiers seien in der politischen Diskussion einflußlos gewesen. 117 Wie schon gegen Kant so wurde auch gegen die Vorschläge der Friedensbewegung vorgebracht, sie seien nicht realisierbar. von Stengel hielt die Ideen der Friedensfreunde für utopisch. 118 Mit der Betonung des Friedensgedankens sei die Gefahr verbunden, die Realität aus den Augen zu verlieren. Er befürchte "infolge der Aktivitäten der Friedensgesellschaften eine Friedensduselei".119 Die Friedensbewegung beruhte nicht ausschließlich auf der geistigen Tradition der Aufklärung. Zugleich gab es auch religiös motivierte Versuche, den Frieden auf die politische Tagesordnung zu setzen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts karnen weitere Strömungen wie die sozialistische und die feministische Friedensbewegung hinzu. 120 Wenn auch die Friedensbewegung des 19. Jahrhunderts heterogen strukturiert war und nur ein Teil der friedens politischen Äußerungen die Bezugnahme auf Kant ausweist, so ist doch in der Literatur über diese Zeit die Ansicht entstanden, Kant habe für die Friedensbewegung eine entscheidende Rolle gespielt. Über den Einfluß der Friedensbewegung auf die Politik bestand schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts Uneinigkeit. Schlief meinte, die Friedenskongresse hätten kaum zu praktischen Ergebnissen geführt. 121 Die Staatsmänner seien Kants "Clausula salvatoria" gefolgt und hätten sich nicht um die Ansichten des Philosophen gekümmert. 122 Auch von Stengel schrieb 1909, die Friedensbewegung habe sich nicht auf die Praxis der Staaten aus ge114 Vgl. Freudenberg, Kants Lehre vom ewigen Frieden und ihre Bedeutung für die Friedensforschung, S. 206. m Fülleborn, Der Schlußsatz in Kants Schrift "zum ewigen Frieden", S. 33. 116 Vgl. Ter Meulen, Der Gedanke der Internationalen Organisation in seiner Entwicklung, Band 2.1, S. 350f. 117 Bruns, Das politische Kantbild in Frankreich, S. 651. 118 von Stengel, Der ewige Friede, S. 9. 119 von Stengel, Der ewige Friede, S. 25. 120 Vgl. Young, The Peace Movement, S. 49ff. 121 Schlief, Der Friede in Europa, S. 157. 122 Schlief, Der Friede in Europa, S. 120.

II. Das 19. Jahrhundert

143

wirkt. 123 Schücking vertrat demgegenüber in seiner Schrift "Die Organisation der Welt" aus demselben Jahr die Ansicht, die Friedensbewegung hätte Anteil am Zustandekommen der Genfer Konvention (1864) und der Petersburger Erklärung (1868) gehabt und den Anstoß zur Gründung der Interparlamentarischen Union gegeben. 124 Bertha von Suttners "Die Waffen nieder!" habe der Völkerrechtswissenschaft die Notwendigkeit einer Besinnung auf die Ideen Kants vor Augen geführt. 125 Eine besonders intensive historische wie ideengeschichtliche Aufarbeitung erfuhr die Friedensbewegung des 19. Jahrhunderts in der Zeit des Völkerbundes. Valentin äußerte die Auffassung, die Friedensorganisationen des 19. Jahrhunderts hätten sich zum großen Teil auf Kant berufen. 126 Fried und von Liszt/Fleischmann bezeichneten die Theorien Kants als geistige Grundlage der Friedensbewegung des 19. Jahrhunderts. 127 Wehberg sah in Kant einen Vorkämpfer internationaler Verständigung. 128 Zorn vertrat demgegenüber die Ansicht, der Gedanke des Staatenbundes habe sich in erster Linie aus dem der Bündnisse entwickelt, die es - zu kriegerischen wie zu friedlichen Zwecken - schon immer gegeben habe. Aus der Ideengeschichte erwähnte er Saint-Pierre und auch Kant, dessen Friedensentwurf er als Ausdruck hochfliegenden Idealismus betrachtete. 129 Vorländer sah in der Friedensbewegung zwar eine Wirkung Kantscher Gedanken; zu einem Einfluß auf die Entwicklung des Völkerrechts sei es aber nicht gekommen. 130 Auch in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wird die Verbindung der Friedensbewegung des 19. Jahrhunderts zu Kant betont. Scupin hebt die Bedeutung der Friedensschrift für die Friedensbewegung hervor. 13l Young meint, für die Entstehung der Friedensbewegung hätten die Theorien der Aufklärung sowie die Ereignisse der Französischen Revolution den Anstoß gegeben. 132 Bobbio sieht in Friedensprojekten wie dem Kants den Beginn des Pazifismus. 133 Ziegler meint, die Aktivitäten der Friedensbewegung, und damit indirekt auch die Theorie Kants, hätten sich auch auf die Völkerrechtslehre ausgewirkt. 134 Baumgart weist Einflußnahmen der Friedensvon Stengel, Weltstaat und Friedensproblem, S. 19. Schücking, Die Organisation der Welt, S. 66. 125 Schücking, Bertha von Suttner und die Wissenschaft vom Völkerrecht, S. 132. 126 Vgl. Valentin, Geschichte des Völkerbundgedankens in Deutschland, S. 80. 127 Fried, Der Völkerbund, S. 10; von Liszt/Fleischmann, Das Völkerrecht, S.407. 128 Wehberg, Die Ächtung des Krieges, S. 7. 129 Zorn, Die Zukunft des Völkerrechts, S. 17 f. 130 Vorländer, Kant und der Gedanke des Völkerbundes, S. 65. 131 Scupin, in: Strupp/Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Band 1, S. 577. 132 Young, The Peace Movement, S. 53. 133 So etwa von Bobbio, 11 problema della guerra e le vie della pace, S. 141 f. 123

124

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

freunde auf den Verlauf der Pariser Konferenz von 1856 nach. 135 Kipp sieht einen Erfolg der Friedensbewegung im Zustandekommen der Haager Konferenzen. 136 Als Ergebnis ist festzuhalten, daß mit der Friedensbewegung erstmals Vorschläge Kants in die politische Diskussion aufgenommen wurden, wenn auch durch politische Strömungen, die sich neben der mit der Möglichkeit der Umsetzung ausgestatteten offiziellen Politik entwickelten und zunächst noch kaum Einfluß auf die Entstehung des Völkerrechts hatten. In der rückblickenden Betrachtung der Friedensbewegung wird der Zusammenhang mit den Gedanken Kants regelmäßig hervorgehoben. 5. Ansichten über die Realisierung der Vorschläge Kants

Bereits im 19. Jahrhundert fanden sich immer wieder Stimmen, die die politische Wirklichkeit ihrer Zeit mit den Forderungen Kants verglichen. Sartorius sah schon in seiner Preisschrift aus dem Jahre 1837 Anzeichen für eine friedensfördernde Wirkung des Handelsgeistes: Um Handel treiben zu können, gestünden nahezu alle Staaten Fremden eine Art Besuchsrecht zu. 137 Damit stellte Sartorius nicht auf völkerrechtliche Vereinbarungen der Staaten zum wechselseitigen Schutz ihrer Staatsbürger ab, die dem zweiten Definitivartikel zuzuordnen sind. Im Verhalten der Staaten erkennt er vielmehr eine Befolgung des Weltbürgerrechts, die freilich nicht durch die Moral, sondern durch das Interesse am Handel motiviert ist. Wiskemann meinte 1866, einen zur republikanischen Verfassung 1896 sogar die Ansicht, der erste die Rechtsstaaten seien und eine erfüllt. 139

Fortschritt in den Staatsverfassungen hin ausmachen zu können. 138 Stein vertrat Definitivartikel sei in den Kulturstaaten, repräsentative Verfassung hätten, bereits

6. Zwischenergebnis: Die Friedensschrift im 19. Jahrhundert

Im Ergebnis läßt sich sagen, daß in der hier als das 19. Jahrhundert beschriebenen Epoche nahezu keine Wirkung der Friedensschrift auf das positive Völkerrecht und die "machtnahe Völkerrechtspolitik" auszumachen ist. 140 Der Einfluß auf die Völkerrechtslehre ist nur punktuell vorhanden, 134 135

136 137 138 139

Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 233. Baumgart, Der Friede von Paris 1856, S. 228. Kipp, in: Strupp/Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Band 2, S. 751. Sartorius, Organon des vollkommenen Friedens, S. 283. Wiskemann, Der Krieg, S. 168. Stein, Das Ideal des "ewigen Friedens" und die soziale Frage, S. 34.

III. Die Jahrhundertwende

145

etwa in der Frage der Souveränität der Staaten oder der Theorie der Friedensverträge, und kann auch in diesen Bereichen nicht als charakteristisch bezeichnet werden. Erste deutliche Wirkungen zeigen sich dagegen auf die politischen Strömungen, die sich neben der rechtlich institutionalisierten, mit der Möglichkeit zur Schaffung von Recht versehenen Politik entwickelten, namentlich die Friedensbewegung. Da sich diese erst später auf das positive Völkerrecht auswirkten, kann nicht von einer bedeutenden Wirkung Kants im 19. Jahrhundert gesprochen werden.

Irr. Die Jahrhundertwende Ein neuer Abschnitt der Wirkungsgeschichte der Friedensschrift läßt sich ab etwa dem letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts ausmachen. Bereits ab dieser Zeit begann sich der schließlich in den Ersten Weltkrieg mündende Konflikt der europäischen Staaten abzuzeichnen. Grewe spricht von der "Auflösung der europäischen Ordnung".141 Zunächst hatte Bismarck durch Bündnisse eine Isolation Frankreichs erreicht; das europäische Kräftegleichgewicht war damit empfindlich gestört. Der Wechsel im außenpolitischen Kurs, der mit der Entlassung Bismarcks durch Wilhelm 11. im Jahre 1890 eingeleitet worden war, führte zu einer bündnispolitischen Zweiteilung Europas, die in Deutschland als Einkreisung empfundenen wurde. Die Verschiebungen im europäischen Bündnissystem wurden von vielen Zeitgenossen als alarmierend angesehen. Schücking schrieb im September 1914, "das bisherige politische System Europas, dargestellt durch die großen gegeneinander gerichteten Bündnisse," lasse ,jeden bedeutenden Konflikt gleich zu einem Weltenbrande aufflammen" und sei "deshalb völlig ungeeignet [... ], den Rechtsfrieden der Kulturwelt zu bewahren" 142. Zugleich beschleunigte sich die Rüstung, vor allem des Deutschen Reiches, und erreichte dank der neu entwickelten Produktionsmethoden eine bisher nicht gekannte Dynamik. Der Zeitgeist um die Jahrhundertwende wies eine Diskrepanz zwischen dem noch immer dem 19. Jahrhundert verhafteten Nationalitätsdenken mit der daraus folgenden Bedrohung des Friedens einerseits und den immer deutlicher abschätzbaren Konsequenzen eines mit den neuen technischen Möglichkeiten geführten Krieges andererseits auf. In diesem Kontext sind erste Anstrengungen der Staaten zu beobachten, die internationalen Beziehungen rechtlich zu regeln. Das Schiedsgerichtswesen, das schon im Laufe des 19. Jahrhunderts an Bedeutung gewonnen hatte, erlebte eine wahre Blüte. 143 Die Jahrhundertwende ist gekennzeichnet 140 Ähnlich Wehberg, Die Pariser Völkerbundakte, S. 20: Man könne im 19. Jahrhundert keinen "entscheidenden Einfluß auf die Staatslenker" feststellen. 141 Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 513. 142 Schücking, Der Weltkrieg und der Pazifismus, S. 5.

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

durch den Versuch, vor dem Hintergrund des sich andeutenden Konflikts der europäischen Großmächte erstmals zu einem universellen System internationaler Ordnung zu gelangen. Die internationale Politik bemühte sich um eine umfassende Kodifikation des Völkerrechts, das bisher nur hinsichtlich einzelner Materien durch Verträge geregelt worden war. l44 Auch hierbei spielte der Gedanke der zivilisierten Staaten noch eine Rolle, was zum Beispiel an der Präambel der Ersten Haager Konvention deutlich wird. 145 Ereignisse, die als ein erster Ausdruck dieser neuen Entwicklung gelten können sind der Weltfriedenskongreß in paris l46 , dem bis zum Ersten Weltkrieg weitere Konferenzen und Kongresse folgten, und die Gründung der Interparlamentarischen Union im Jahre 1889. In diesem Jahr erschien auch Bertha von Suttners "Die Waffen nieder!".147 Wehberg macht für die Zeit ab 1889 ein "gewaltiges Anwachsen der Friedensidee" aus. 148 Vorher sei die Friedensidee nicht in diesem Maße verbreitet gewesen. Wehberg meint, 1889 könne als das "Geburtsjahr der modernen Völkerbundbewegung" angesehen werden. 149 Schlief vermutete 1892, man sehe gegenwärtig einen Wendepunkt in der Weltgeschichte. 15o Die Friedensbewegung hatte inzwischen in einem solchen Maße an Breite und populären Mitgliedern gewonnen, daß sich die amtliche Politik dem Friedensdenken nicht länger verschließen konnte. Zudem schlossen sich auch in den Ministerien immer mehr Funktionsträger der Auffassung an, daß nach einem Ausweg aus der Konfrontation der Staaten gesucht werden müsse. Bezüglich der möglichen Wirkung philosophischer Konzepte auf die Theorie der Organisation der Staatenwelt lassen sich damit im Englischen Zeitalter zwei Abschnitte unterscheiden. Hinsichtlich der Wirkungs geschichte der Friedensschrift bietet der erste, das 19. Jahrhundert, ein zweigeteiltes Bild: Die Beschäftigung mit der Friedensschrift fand vorwiegend in solchen Kreisen statt, deren Ansichten kaum unmittelbaren Einfluß auf die Entwicklung des positiven Völkerrechts haben konnten. So konnte von Stengel 1909 das Resümee ziehen, die Friedensschrift habe kaum AuswirVgl. Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 608 f. Vgl. auch Knipping, Das System der Vereinten Nationen und seine Vorläufer, Band 11, S. 91. 14S Vgl. Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 521. 146 Fried, Der Völkerbund, S. 7, nennt dieses Datum als Beginn einer Zeit bis 1914, die für den Friedensgedanken besonderen Fortschritt gebracht habe. 147 Vgl. Scupin, in: Strupp/Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Band I, S.582. 148 Wehberg, Die Pariser Völkerbundakte, S. 24. 149 Wehberg, Die Völkerbundsatzung, S. 5. ISO Schlief, Der Friede in Europa, S. 467. 143 144

III. Die Jahrhundertwende

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kungen auf die Praxis gehabt. 151 Daneben stand eine durch den Gedanken der "Heiligen Allianz" geprägte Theorie, die Kant nicht benötigte. Ein qualitative Veränderung ergab sich mit dem Einfluß, den die bisher neben der politischen Macht stehenden geistigen Strömungen um die Jahrhundertwende auf die Rechtsentstehung gewannen. Schücking sprach von einem Eindringen des pazifistischen Geistes in die Völkerrechtswissenschaft. 152 1. Die Vorgeschichte der Haager Konferenzen

Im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts begannen sich die Stimmen zu mehren, die vor dem Hintergrund des aufkommenden Gegensatzes der europäischen Großmächte, mit dem ein Zerfall des europäischen Bündnissystems einherging, und angesichts der an Dynamik gewinnenden Aufrüstung eine Sicherung des Friedens anmahnten. Die zunehmende Bedeutung des Friedens für die Politik wurde auch von der zeitgenössischen Völkerrechtsliteratur wahrgenommen. 153 So hob Schlief die Bedeutung des Friedens für die kulturelle Entwicklung hervor. 154 In dieser Diskussion spielte auch die Friedensschrift eine Rolle: Pfleiderer argumentierte 1895 gegen den dritten Präliminarartikel, erst durch die stehenden Heere sei es gelungen, die Befehdung innerhalb der Völker zu beenden. 155 Hiergegen wandte sich Staudinger: Pfleiderer habe die Friedensfrage nur oberflächlich behandelt. Es sei unangemessen, die Friedensschrift am Maßstab der Möglichkeit einer baldigen Realisierung zu messen. 156 Ähnlich äußerte sich Schlief, der nicht nur den Krieg als Phänomen, sondern vor allem die Notwendigkeit zur Kriegsbereitschaft der Staaten beseitigen wollte. 157 Während zahlreiche Friedensprojekte im Laufe des 19. Jahrhunderts immer wieder ohne Wirkung auf die Völkerrechtspolitik verhallt waren, nahm nun die Politik die Vorschläge der Friedensbewegung auf. Am 24. August 1898 übergab der russische Außenminister Murawjew den Vertretern des diplomatischen Corps ein Schriftstück, in dem die Bedeutung des Friedens hervorgehoben wurde und unter anderem Rüstungsbeschränkungen vorgeschlagen wurden. Zu diesem Zweck sollte eine Friedenskonferenz einberufen werden. 158 von Stengel, Weltstaat und Friedensproblem, S. 19. Schücking, Der Staaten verband der Haager Konferenzen, S. 1. IS3 Vgl. etwa Stein, Das Ideal des "ewigen Friedens" und die soziale Frage, S. 37 f. IS4 Schlief, Der Friede in Europa, S. 78. ISS PfIeiderer, Die Idee des ewigen Friedens, S. 15. IS6 Staudinger, Kants Traktat: Zum ewigen Frieden, S. 304f. IS7 Schlief, Der Friede in Europa, S. 78 ff. ISI

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

In der Folge dieser als Zarenmanifest bezeichneten Aufforderung verstärkte sich die Beschäftigung mit dem Friedensdenken Kants. 159 In der zeitgenössischen völkerrechts politischen Literatur wurde das Zarenmanifest mit der Friedensschrift in Verbindung gebracht. Vaihinger sah in der Abrüstungsinitiative erste Ansätze zur Verwirklichung der Gedanken Kants. 16O von Boguslawski stellte fest, daß Vorschläge wie der des Zaren regelmäßig zur Auseinandersetzung mit der Idee des ewigen Friedens führten. 161 Ob er sich dabei nur auf Kant oder auf die gesamte mit dem Begriff des ewigen Friedens verbundene Debatte bezog, ist dem Text nicht zu entnehmen. Weder Schiedsgericht noch Abrüstung hielt von Boguslawski für geeignet, den Frieden zu sichern; vielmehr müsse man politische Kriegsursachen beseitigen. Dem Krieg spricht von Boguslawski die positive Funktion eines Mittels gegen die "Verlotterung im Staatsleben" ZU. 162 Vor allem die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht sei geeignet, Kriegen vorzubeugen. 163 Gegen ihn wandte von Stein ein, aus der historischen Tatsache des Krieges könne nicht gefolgert werden, daß der Krieg zur Natur des Menschen gehöre. Von Buguslawski stehe "heute noch im Banne seines kriegerischen Standes".I64 An diesen Beispielen wird deutlich, daß die Gedanken Kants in der Friedensdebatte, die der ersten Haager Konferenz vorausging, präsent waren. Auch in der Literatur späterer Epochen wird der Zusammenhang des Zarenmanifests mit der Friedensschrift betont. Die Vorschläge des Zaren sollen angeregt worden sein durch Bertha von Suttners Roman "Die Waffen nieder!", deren Standpunkt sich an der Friedensschrift orientiert habe, 165 und durch von Blochs "Der Krieg"I66. Schücking meinte sogar, ohne die Bücher von Suttners und von Blochs wäre die Haager Konferenz nicht zustandegekommen. 167 Von von Blochs Werk ist bekannt, daß sich der Zar damit befaßte 168. Das verwundert insofern nicht, als von Bloch das Amt Vgl. Dülffer, Regeln gegen den Krieg?, S. 19. Vgl. Rogge, Kants ,,Entwurf zum ewigen Frieden", S. 98. 160 Vaihinger, Kants Schrift: Zum ewigen Frieden und der russische Abrüstungsvorschlag, S. 256. 161 von Boguslawski, Der Abrüstungsvorschlag des Zaren, S. 261. 162 von Boguslawski, Der Abrüstungsvorschlag des Zaren, S. 263. 163 von Boguslawski, Der Abrüstungsvorschlag des Zaren, S. 267ff. 164 Stein, An der Wende des Jahrhunderts, S. 350. Dieser Text ist eine ergänzte Fassung des zu Beginn der ersten Haager Konferenz erschienenen Aufsatzes "Die Philosophie des Friedens". 165 Vgl. Beutin, Zur Geschichte des Friedensgedankens seit Immanuel Kant, S.35f. 166 Vgl. Schlochauer, Die Idee des ewigen Friedens, S. 38. Schneider, in: Strupp! Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Band I, S. 739, nennt neben von Bloch noch Witte und Podenoszew. 158 159

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eines russischen Staatsrats bekleidete 169. Auch die Bedeutung der Friedensbewegung, deren Vertreter sich unter anderem auf die Friedensschrift beriefen, für das Zustandekommen der Haager Konferenzen wird immer wieder hervorgehoben. 170 Als Indiz dafür, daß die Friedensschrift in Deutschland zum allgemeinen Gedankengut dieser Zeit gezählt haben dürfte, läßt sich eine Aussage des deutschen Kaisers Wilhelm 11. in einer Rede vom 8. September 1899 anführen, in der er meinte, daß "ehe die Theorie des ewigen Friedens zur allgemeinen Anwendung gelangen wird, noch manches Jahrhundert vergehen werde"l7I. Selbst Wilhelm der 11., der, wie noch deutlich werden wird, nicht gerade als Verfechter der Friedensidee gelten kann, setzte sich also mit dem ewigen Frieden wenigstens in der Formulierung auseinander. Während die offizielle Diplomatie den russischen Vorschlag positiv aufnahm, wurde er insgeheim weder ernst genommen noch begrüßt. So schrieb Wilhelm 11. zwar in einem Telegranun an Nikolaus 11.: "Diese Anregung setzt erneut die reinen und erhabenen Motive in ein lebhaftes Licht, durch die Deine Vorschläge beherrscht werden und die Dir den Beifall aller Völker bringen werden."l72 Den russischen Außenminister bezeichnete Wilhelm 11. jedoch gegenüber Vertrauten als einen eitlen Narren. Zu der angeregten Konferenz dürfe es nicht kommen. Nach London ließ Wilhelm telegraphieren: "Für Deutschland würde es von Wert sein, wenn dieser Friedens- und Entwaffnungsgedanke, der unter idealen äußeren Formen reale Kriegsgefahr birgt, an Englands Ablehnung scheiterte, ohne daß wir dabei in den Vordergrund treten."173 Nach weiteren russischen Bemühungen kam es schließlich im Mai 1899 zur ersten Haager Konferenz. Auf der Tagesordnung stand im Gegensatz zu früheren Konferenzen nicht nur die Humanisierung des Krieges; auch der Gedanke, den Krieg einzuschränken, spielte eine Rolle. 174 Daher sprach Schücking von den Haager Konferenzen als einem Meilenstein in der Geschichte des Völkerrechts. 175 Erstmals spielte die Weltöffentlichkeit, die 167 Schücking, Bertha von Suttner und die Wissenschaft vom Völkerrecht, S. 132f. 168 Vgl. Dülffer, Regeln gegen den Krieg?, S. 31. 169 Vgl. Wehberg, Die Pariser Völkerbundakte, S. 24. 170 Vgl. Kipp, in: Strupp/Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Band 2, S. 751. 171 Zitiert nach Bernstein, Völkerbund oder Staatenbund, S. 9f. 172 Zitiert nach Dülffer, Regeln gegen den Krieg?, S. 39. 173 Zitiert nach Dülffer, Regeln gegen den Krieg?, S. 39f. 174 Vgl. Bothe, Das Gewaltverbot im allgemeinen, S. 13. 175 Schücking, Der Staatenverband der Haager Konferenzen, S. I. Ebenso, allerdings erst bezüglich des Abkommens zur friedlichen Erledigung internationaler

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

von den russischen Initiatoren gezielt genutzt wurde, um die zum Teil widerstrebenden Vertreter der anderen Staaten an den Verhandlungstisch zu bringen, beim Zustandekommen und im Verlauf der Konferenz eine Rolle. 176 Scott sprach von einer "creation of public opinion for the conference,,177. In diesem Zusammenhang wurde auch die Friedensschrift zitiert. 178 Unter Bezugnahme auf den Geheimen Artikel legte Stein den Politikern nahe, vor den Verhandlungen die Philosophen zu befragen. 179 Die ersten völkerrechtspolitischen Auswirkungen der Philosophie Kants in Gestalt der Initiative zur ersten Haager Konferenz lassen sich nur in begrenztem Maße auf die Beschäftigung mit dem Inhalt der Friedensschrift zurückführen. In erster Linie wurde die mit dem Namen Kants verbundene Autorität dazu verwendet, überhaupt Verhandlungen zustandezubringen. 2. Das Recht im Krieg

Schon immer gab es im Völkerrecht Beschränkungen der Kriegsmittel. 180 Bereits 1864 waren bedeutende Teile des Kriegsvölkerrechts wie etwa die Behandlung von Verwundeten in Streitkräften durch die Genfer Konvention geregelt. Schücking meinte, die Genfer Konvention und die Petersburger Erklärung von 1868 seien "zu einem guten Teil auf die Wirkungen der Friedensbewegung zurückzuführen.,,181 Mit den Haager Abkommen wurde das Kriegsrecht erstmals umfassend kodifiziert. Die Haager Landkriegsordnung brachte detaillierte Regelungen über die im Krieg zulässigen Verhaltensweisen. Zudem wurden Abkommen über den Seekrieg geschlossen. Im Zuge des technischen Fortschritts mußten immer wieder Verbote neuer Waffentypen vereinbart werden. Auf beiden Haager Konferenzen gab es Erklärungen über die Beschränkung der Kriegsmittel, vor allem den Einsatz neuer Waffen wie Giftgasgeschosse oder Sprengbomben. 182 Eine Bezugnahme auf Kants sechsten Präliminarartikel liegt hier nahe. Die erwartete Häufung solcher Äußerungen läßt sich aber in der zeitgenösStreitfalle von 1907 auch Knipping, Das System der Vereinten Nationen und seine Vorläufer, S. 91. 176 Vgl. Dülffer, Regeln gegen den Krieg?, S. 71. In Scott, The Hague Peace Conferences, Band 1, S. 25. 178 Vgl. Scott, The Hague Peace Conferences, Band 1, S. 26; Arrnstrong, Kants Philosophy of Peace and War, S. 198. 179 Stein, Die Philosophie des Friedens, S. 89. IBO Vgl. von Mohl, Staatsrecht und Völkerrecht, S. 768. 181 Schücking, Die Organisation der Welt, S. 66. 182 Eine Übersicht über die auf den Haager Konferenzen erzielten Vereinbarung findet sich bei Knipping, Das System der Vereinten Nationen und seine Vorläufer, S. 145-147.

III. Die Jahrhundertwende

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sischen Literatur nicht ausmachen. Vielmehr wird diese Verbindung nur selten und erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts hergestellt. Gerhardt meint, durch die Genfer Konvention sei der sechste Präliminarartikel zum Teil verwirklicht worden. 183 Cavallar sieht in den Haager Abkommen eine Umsetzung einiger Forderungen des sechsten Präliminarartikels. 184 Auf die Entwicklung des Kriegsrechts in seiner Haupt-Kodifikationsphase läßt sich damit kein Einfluß der Friedensschrift feststellen. Vielmehr werden erst im Rückblick vereinzelt Vergleiche zum sechsten Präliminarartikel angestellt. 3. Abrüstung und Rüstungsbeschränkung

Ein weiterer Schwerpunkt der Verhandlungen auf den Haager Konferenzen waren Fragen der Abrüstung und der Rüstungsbegrenzung, die angesichts der mit dem Anstieg der technischen und wirtschaftlichen Leistungsfahigkeit enorm angewachsenen Waffenproduktion dringlich erschienen. Auch in diesen Fragen spielte der Druck der durch die Friedensbewegung beeinflußten öffentlichen Meinung eine bedeutende Rolle. Zu einer Einigung in der Abrüstungsfrage kam es auf der ersten Haager Konferenz nicht. Vor allem Deutschland, das die Rüstung besonders intensiv vorantrieb, um zum Britischen Empire aufzuschließen, sperrte sich gegen Vereinbarungen, die die Zurüstung begrenzten. von Stengel, einer der deutschen Vertreter, schrieb im Vorwort zu seiner Schrift "Weltstaat und Friedensproblem" aus dem Jahre 1909: "Statt den ewigen Frieden zu predigen und für den in der Friedensbotschaft enthaltenen Abrüstungsvorschlag zu schwännen, sollte man das deutsche Volk vielmehr darauf hinweisen, daß es seine kriegerische Rüstung [... ] tragen müsse".18S

Das entspricht der schon früher geäußerten Überzeugung von Stengels, ein Weltkrieg sei bisher verhindert worden, weil die Rüstung der Staaten einen Krieg unmöglich mache. 186 In ähnlicher Weise kommentierte von Boguslawski die Vorschläge des Zaren. 187 Auf der zweiten Haager Konferenz wandte sich wiederum vor allem Deutschland gegen die Abrüstungspläne. 188 Die Abrüstungsfrage wollte Wilhelm 11. auf der Konferenz nicht einmal als Tagesordnungspunkt Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf ,.zum ewigen Frieden", S. 218. Cavallar, Pax Kantiana, S. 130f. 185 von Stengel, Weltstaat und Friedensproblem, S. VII f. 186 von StengeI, Der ewige Friede, S. 23. 187 von Boguslawski, Der Abrüstungsvorschlag des Zaren, S. 264 ff. 188 Vgl. Zorn, Weltunionen, Haager Friedenskonferenzen und Völkerbund, S. 13; Lukas, Deutschland und die Idee des Völkerbundes, S. 23. 183

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

dulden. 189 Das Scheitern der Vorschläge zur Rüstungsbegrenzung ist nicht allein auf Deutschland zurückzuführen: In der Ablehnung von Rüstungsbeschränkungen waren sich "die großen Konferenzmächte den russischen Vorschlägen gegenüber so gut wie vollkommen einig".190 Auf Kants dritten Präliminarartikel wurde in der Frage der Abrüstung nicht inhaltlich Bezug genommen, sondern lediglich im Zusammenhang mit dem Versuch, überhaupt zu Verhandlungen zu gelangen. 191 Damit ist auch in der Frage der Abrüstung und Rüstungsbegrenzung die Wirkung der Friedensschrift beschränkt auf die Verwendung des Namens Kants für die Durchsetzung politischer Ziele. 4. Kriegsvermeidung durch Recht - Die Schiedsgerichtsbarkeit

Ein zentrales Thema der Verhandlungen war auf bei den Haager Konferenzen der Vorschlag zur Vereinbarung einer Schiedsgerichtsbarkeit. Zwar wies das Schiedsgerichtswesen schon im 19. Jahrhundert große Verbreitung auf. 192 Die Schiedsvereinbarungen waren aber auf einzelne Streitigkeiten bezogen, für die jeweils Schiedsgerichte geschaffen wurden. Schlief meinte, Frieden sei nur möglich, wenn Rechtsstreitigkeiten in einem "Process" ausgetragen würden. 193 Immer wieder wurden im 19. Jahrhundert Forderungen nach einer allgemeinen Schiedsgerichtsbarkeit erhoben, die sich aber nicht durchsetzen konnten. 194 Insbesondere die Souveränität der Staaten sah man als Hindernis für eine allgemeine Schiedsgerichtsbarkeit an. Es wurde betont, die Unterwerfung unter ein Schiedsgericht könne nur freiwillig erfolgen. 195 Auf der ersten Haager Konferenz wurde ein allgemeiner Schiedsvertrag erstmals von Inhabern der politischen Macht vorgeschlagen. Auch gegen diesen Vorschlag des russischen Zaren wurde die Souveränität der Staaten ins Feld geführt. 196 Stein vertrat demgegenüber die Ansicht, die Idee des Staates erfordere eine Entwicklung von der absoluten zu einer relativen Souveränität. 197 von Boguslawski meinte, die Entscheidung durch ein Schiedsgericht sei ohnehin nur für weniger bedeutende Fragen geeignet. 198 Vgl. Dülffer, Regeln gegen den Krieg?, S. 291. Zorn, Die bei den Haager Friedenskonferenzen von 1899 und 1907, S. 8; Dülffer, Regeln gegen den Krieg?, S. 296ff. 191 Vgl. Armstrong, Kants Philosophy of Peace and War, S. 198. 192 Vgl. Schlochauer, in: Strupp/Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Band 3, S. 180; Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 230. 193 Schlief, Der Friede in Europa, S. 10. 194 Vgl. Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 606. 195 Pfleiderer, Die Idee des ewigen Friedens, S. 13. 196 Vgl. von Boguslawski, Der Abrüstungsvorschlag des Zaren, S. 262. 189

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III. Die Jahrhundertwende

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Die Forderungen nach einer allgemeinen Schiedsgerichtsbarkeit haben in den Ergebnissen der Ersten Haager Konferenz nur teilweise ihren Niederschlag gefunden. Das Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfalle sah zwar ein Schiedswesen vor. Der russische Vorschlag eines Weltschiedsgerichtsvertrages scheiterte aber. 199 Das wurde in der Literatur auf den Widerstand Deutschlands zurückgeführt. 2OO Nicht zuletzt wurde die Haltung der in der deutschen Delegation vertretenen Völkerrechtler von Stengel und Zorn diskutiert. Vorländer sah die Ursache für das Scheitern eines Schiedsvertrages darin begründet, daß zur Friedenskonferenz als völkerrechtlicher Berater der Vertreter Deutschlands von Stengel entsandt wurde, "der soeben ein höhnisches Pamphlet gegen das Friedensmanifest des Zaren veröffentlicht hatte.,,201 Dülffer meint, die Aussagen von Stengels hätten sich nicht gegen das Zarenmanifest, sondern gegen die mit diesem verbundenen Hoffnungen der Friedensbewegung gerichtet. 202 von Stengel wandte sich zwar ausdrücklich gegen die Hoffnungen der Pazifisten 203 , die er als "Friedensduselei" abtat. 204 Aber auch die Idee eines Weltstaates mit einem Tribunal bezeichnete er als verfehlt. 205 Er kann daher als Gegner der Idee der allgemeinen Schiedsgerichtsbarkeit gelten. Kritisch zur deutschen Position bei den Verhandlungen äußerte sich auch lellinek: "Mit feiner Ironie hat die Regierung des Deutschen Reiches als juristische Beiräte ihrer Abordnung zur Konferenz aus den zahlreichen Lehrern des öffentlichen Rechts an den deutschen Universitäten gerade zwei ausgewählt, von denen der eine jüngst in einer Rede die bekannten Argumente für die Ersprießlichkeit des Krieges energisch wiederholt, der andere hingegen [... ] dem ganzen Völkerrecht die Existenzberechtigung abgesprochen hat,,206.

Eben dieser zweite deutsche Vertreter, Zorn, beklagte in einem Bericht über die erste Haager Konferenz, daß in der Konvention nicht deutlicher zum Ausdruck gebracht worden sei, daß es sich um eine fakultative Schiedsgerichtsbarkeit handle. 207 Dülffer führt die ablehnende Haltung Stein, An der Wende des Jahrhunderts, S. 365. von Boguslawski, Der Abrüstungsvorschlag des Zaren, S. 262. 199 Meurer, Übersicht über die Arbeiten der Haager Friedenskonferenz, S. 27. 200 Vgl. etwa von Stengel, Weltstaat und Friedensproblem, S. 47f.; Zorn, Die völkerrechtlichen Ergebnisse der Haager Konferenz, S. 111; Vorländer, Kant und der Gedanke des Völkerbundes, S. 66; Lukas, Deutschland und die Idee des Völkerbundes, S. 22f. 201 Vorländer, Kant und der Gedanke des Völkerbundes, S. 66. 202 Dülffer, Regeln gegen den Krieg?, S. 127. 203 von Stengel, Weltstaat und Friedensproblem, S. 40. 204 von Stengel, Der ewige Friede, S. 25. 205 von Stengel, Der ewige Friede, S. 19. 206 Jellinek, Zur Eröffnung der Friedenkonferenz, S. 542f. 197 198

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

Zorns auf die Weisung des deutschen Staatssekretärs von Bülow zurück. 2oS Wessen Einfluß es zu verdanken ist, daß Deutschland schließlich überhaupt einer Schiedsgerichtsbarkeit zustimmte, ist ungewiß. Wehberg meint, Zorn sei für den Schiedsgerichtsgedanken eingetreten, um dem internationalen Ansehen Deutschlands nicht zu schaden. 209 Lukas weist zudem darauf hin, daß Zorn jedenfalls in späteren Äußerungen die ablehnende Haltung Deutschlands in der Schiedsgerichtsfrage als Fehler bezeichnete. 2JO Dülffer vermutet, die Befürchtung einer Isolation habe den Kaiser schließlich dazu veranlaßt, dem Schiedsgericht zuzustimmen mit dem Kommentar: "Damit (sich der Zar) nicht vor Europa blamire, stimme ich dem Unsinn zu! Aber werde in meiner Praxis auch später mich nur auf Gott und mein scharfes Schwert verlassen und berufen! Ich scheiße auf die ganzen Beschlüsse!,,211

Die Wirksamkeit des Abkommens zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle wurde dadurch beeinträchtigt, daß viele Staaten, etwa die USA, Rumänien und die Türkei nur unter Vorbehalten zustimmten. 212 Schücking wertete die erste Haager Konferenz dennoch als Erfolg und meinte, daß durch sie ein "Weltstaatenbund" entstanden sei. 213 Das Völkerrecht sei im Begriff, sich in ein "Welt-Staatsrecht" umzuwandeln. 214 Murphy spricht von den Haager Konferenzen als einem entscheidenden Schritt in der Entwicklung zu modernen Formen der Internationalen Organisation. 215 Nach der ersten Haager Konferenz entstand eine Reihe zweiseitiger obligatorischer Schiedsverträge. 216 Noch immer stand aber die Forderung der vor allem in England und den USA an Einfluß gewinnenden Friedensbewegung 217 nach einem allgemeinen Schiedsvertrag im Raume. Auch in Deutschland wurden solche Forderungen durch die Pazifisten vertreten. Die zweite Haager Konferenz kam auf Anregung von Theodor Roosevelt zustande?IS Auch auf der zweiten Haager Konferenz scheiterte der Vor207 Zorn, Die völkerrechtlichen Ergebnisse der Haager Konferenz, S. 122. 208 Dülffer, Regeln gegen den Krieg?, S. 91. 209 Wehberg, Die Pariser Völkerbundakte, S. 28. 210 Lukas, Deutschland und die Idee des Völkerbundes, S. 24. 2Il Zitiert nach: Dülffer, Regeln gegen den Krieg?, S. 93. 212 Vgl. Meurer, Übersicht über die Arbeiten der Haager Friedenskonferenz, S. 12. 213 Schücking, Der Staatenverband der Haager Konferenzen, S. 27. 214 Schücking, Die Annäherung der Menschenrassen durch das Völkerrecht, S. 73. 215 Murphy, The United Nations and the Control of International Violence, S. 9. 216 Vgl. Dülffer, Regeln gegen den Krieg?, S. 275. 217 Vgl. auch von Stengel, Weltstaat und Friedensproblem, S. X. 218 Vgl. von Stenge!, Weltstaat und Friedensproblem, S. 51; Schlochauer, Die Idee des ewigen Friedens, S. 39; Scupin, in: Strupp/Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Band I, S. 583.

III. Die lahrhundertwende

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schlag einer obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit an Deutschland. 219 Schücking berichtet, er habe von einem Konferenzteilnehmer erfahren, daß die Haltung Deutschlands auf der zweiten Haager Konferenz von den übrigen Konferenzteilnehmern mit Entrüstung betrachtet worden sei. 22o Das aus dieser Konferenz hervorgegangene erneuerte Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitigkeiten enthielt wiederum nur eine fakultative Schiedsgerichtsbarkeit. Zudem war der durch das Abkommen eingerichtete Ständige Haager Schiedsgerichtshof kein feststehendes Richterkollegium. Er bestand aus einem ständigen Sekretariat und einer Richterliste. 221 Meurer meint, eine dauernde Einrichtung hätte ein zu großes Opfer an Souveränität für die Staaten bedeutet. 222 Hatte Stein 1899 noch gemeint "Wir sind heute schon auf dem besten Wege zu einem Völkerareopag, einem Weltschiedsgericht.,,223, so zog von Stengel zehn Jahre später die Bilanz, die Hoffnungen der Friedensbewegung im Anschluß an die Zaren note hätten sich in keiner Weise verwirklicht. 224 Zorn nannte die Haager Konferenzen noch im Jahre 1925 "die bis jetzt höchste Entwicklung des Völkerrechtsgedankens".225 Angesichts der Vorbehalte der meisten Vertragspartner zieht von Mangoldt den Schluß, die Haager Konventionen seien weit davon entfernt, das Ziel der Universalität erreicht zu haben. 226 Die Forderung nach einer allgemeinen Schiedsgerichtsbarkeit blieb in der Literatur weiter bestehen. So meinte Schücking 1909, man müsse hoffen, daß sich in Deutschland bis zur dritten Haager Konferenz die Einsicht in das Erfordernis einer obligatorischen Weltschiedsgerichtsbarkeit einstelle. Ebenfalls im Jahre 1909 erwähnte Scott die Friedensschrift im Rahmen seiner Empfehlungen an eine dritte Haager Konferenz, die den abschließenden Ausblick seiner Analyse der Konferenzen von 1899 und 1907 bildet: "The acceptance of Kant's plan would, however, be in the common interest and would not inure to the advantage of any nation".2 27 Fried forderte 1914 eine institutionalisierte gewaltlose Streitschlichtung.228 219 Vgl. Zorn, Weltunionen, Haager Friedenskonferenzen und Völkerbund, S. 13; Lukas, Deutschland und die Idee des Völkerbundes, S. 23. Zu den Argumenten der deutschen Seite vgl. von Mangoldt, Die Schiedsgerichtsbarkeit als Mittel internationaler Streitschlichtung, S. 26. 220 Schücking, Die Organisation der Welt, S. 71. 221 Vgl. Zorn, Die heiden Haager Friedenskonferenzen von 1899 und 1907, S. 67; Doehring, Völkerrecht, S. 462. 222 Meurer, Übersicht über die Arbeiten der Haager Friedenskonferenz, S. 35. 223 Stein, Die Philosophie des Friedens, S. 100. 224 von Stengel, Weltstaat und Friedensproblem, S. 40. 225 Zorn, Weltunionen, Haager Friedenskonferenzen und Völkerbund, S. 10. 226 von Mangoldt, Die Schiedsgerichtsbarkeit als Mittel internationaler Streitschlichtung, S. 27.

156

D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

Wenn auch die Friedensschrift im Rahmen des politischen Vorspiels der Haager Konferenzen ins Feld geführt wurde, so lassen sich doch keine Anhaltspunkte dafür finden, daß die Thesen Kants Gegenstand der inhaltlichen Auseinandersetzung waren. Lammasch meint, Ideen wie die Kants zum ewigen Frieden hätten keinen Einfluß auf die Völkerrechtsentwicklung gehabt. Die Friedensschrift "wirkt als bloße Dekoration dieser Bestrebungen, als Zeichen ihrer Sanktionierung durch einen der größten Denker der Menschheit".229 Ähnlich rallt das Urteil von Stengels aus, der der Friedensschrift Kants, ebenso wie der Saint-Pierres, keine nachhaltige Wirkung zuschreibt. 23o Auch die Betrachtung Kants als ideengeschichtlicher Vorläufer der Schiedsgerichtsbarkeit ist nur selten zu beobachten. So wird die Friedensschrift von Strupp in diesem Sinne erwähnt. 231 Der Schwerpunkt der Verbindung zwischen Kants Schrift und den Ergebnissen der Haager Konferenzen dürfte daher, wie schon beim Zustandekommen der ersten Haager Konferenz, nicht in der Beachtung ihres Inhalts, sondern im Einsatz der Friedensschrift als Mittel der politischen Einflußnahme zu sehen sein. 5. Weltpolitische Aspekte: Die Idee der Internationalen Organisation

Die sich abzeichnende Auflösung der europäischen Staatenordnung führte in der völkerrechtlichen Literatur um die Jahrhundertwende zu einer Vielzahl von Vorschlägen hinsichtlich der Weltordnung. Das Vordringen des Gedankens der Internationalen Organisation war in dieser Zeit so vorherrschend, daß Schücking 1912 feststellte: "Das modeme Völkerrecht ist also beherrscht von der Idee der internationalen Organisation"232. Claude sieht "the nineteenth century as the era of preparation for international organization" und die Zeit seit dem Ersten Weltkrieg als "era of establishment of international organization,,?33 Bei den Ausführungen zur Frage der Organisation der Welt wurde immer wieder auf die Friedensschrift Bezug genommen. Schon 1837 hatte Sartorius betont, der Friedensbund des zweiten Definitivartikels könne nur eine Übergangslösung sein. 234 Die Vorschläge von Sartorius vergleicht Ter Meulen mit dem Modell Kants. 235 von Bulmerincq nannte Kant als einen Scott, The Hague Peace Conferences, Band I, S. 749. Fried, Kurze Aufklärungen über Wesen und Ziel des Pazifisums, S. 12f. 229 Lammasch, Die Lehre von der Schiedsgerichtsbarkeit, S. 37. 230 von Stengel, Weltstaat und Friedensproblem, S. 19. 231 Strupp, in: Hatschek/Strupp, Wörterbuch des Völkerrechts und der Diplomatie, Band 2, S. 452. 232 Schücking, Der Staatenverband der Haager Konferenzen, S. 18. 233 Claude, Swords into Plowshares, S. 41. 234 Sartorius, Organon des vollkommenen Friedens, S. 239. 227 228

III. Die lahrhundertwende

157

Vertreter jener Ansicht, die einen ständigen europäischen Kongreß gewollt habe. 236 Schücking maß der Friedensschrift vor allem unter dem Aspekt Bedeutung für die Theorie der Internationalen Organisation bei, daß sie Anforderungen an die Verfassungen der am Friedensbund teilnehmenden Staaten stelle. 237 Der mit den Haager Konferenzen entstandene Weltstaatenbund könne nicht dabei stehen bleiben, eine bloße "Gerichtsgemeinschaft" zu sein. Das Völkerrecht sah Schücking auf dem Wege der Entwicklung zu einem Welt-Staatsrecht; die Verwirklichung der Ideen Kants sei damit ,jedenfalls im Werden".238 Partsch sieht in den Vorschlägen Schückings Parallelen zu Kant. 239 Da Schücking Kant in seinen Schriften immer wieder anführte, kann von einer Wirkung wenigstens insoweit ausgegangen werden, als die Friedensschrift den Ansatzpunkt für Schückings Ideen zur Organisation der Welt dargestellt haben dürfte. Zum Teil wurden die Vorschläge Kants abgelehnt oder nicht ernst genommen. Die Ablehnung ergab sich für eine Ansicht aus Kants Forderung nach einem Weltstaat. von Holtzendorff vertrat in seinem "Handbuch des Völkerrechts" zu Beginn des Kapitels "Krieg" die Auffassung: "Daß die Voraussetzungen, der Völkerbund etc. je eintreten würden, ist aber wohl kaum Kant's Meinung"; aus der Ironie Kants sei vielmehr das Gegenteil ablesbar. 24o Zudem habe sich Kant auch positiv über den Krieg geäußert.241 von Stengel schrieb, anders als die Vereinigung bisher selbständiger Teile eines Volkes widerspreche die Idee des Weltstaates dem Gedanken der Nationalität. 242 Man könne die ironische Abhandlung Kants nicht ernst nehmen. 243 Andere Autoren kritisierten, daß Kant einen Friedensbund ohne Zwangsgewalt vorschlug. van Vollenhofen nannte Kants Staatenkongreß 1919 eine "gutmütige Idee", die Roosevelt als ein "Hausmittelchen" habe anwenden wollen. Friede sei aber nur durch Zwang erreichbar. 244 235 Ter Meulen, Der Gedanke der Internationalen Organisation in seiner Entwicklung, Band 2.1, S. 246. 236 von Bulmerincq, Das Völkerrecht oder das internationale Recht, S. 192. 237 Schücking, Die Idee der Internationalen Organisation in der Geschichte, S. 16f. 238 Schücking, Annäherung der Menschenrassen durch das Völkerrecht, S. 77. 239 Partsch, Die Ideen Walther Schückings zur Friedenssicherung, S. 7. 240 von Holtzendorff, Handbuch des Völkerrechts, Band 4, S. 199 (EN. 2 zu S. 196). 241 von Holtzendorff, Handbuch des Völkerrechts, Band 4, S. 200. 242 von Stengel, Der ewige Friede, S. 19. 243 von Stenge!, Der ewige Friede, S. 7. 244 van Vollenhoven, Die drei Stufen des Völkerrechts, S. 53 ff.

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

In vielen völkerrechtlichen Abhandlungen wurde Kant allenfalls beiläufig erwähnt. So nannten Quaritsch/Goesch den Staatenbund oder Weltstaat eine "Vervollkommnung" des Völkerrechts und wiesen kurz auf Kant hin?45 Kinkel sah Hoffnungen auf die Bildung eines "Weltstaatenbundes". Zur Zeit Kants sei diese Idee noch nicht realisierbar gewesen und habe sich deshalb nicht in der Politik der Staaten ausgewirkt. 246 Kritisch zum Nutzen von Friedensprojekten äußerte sich Jellinek: diese Projekte bezögen sich meist nur auf den internationalen Frieden, nicht auch auf die Vermeidung von Bürgerkriegen?47 Auch Bluntschli forderte einen Weltstaat. Er begründete das - wie Kant, aber ohne diesen zu nennen - mit einer Analogie zum Menschen: So wie dieser der Vereinigung bedürfe, gelte das auch für die Staaten. 248 Als Beleg führte er die zahlreichen historischen Versuche an, Weltreiche zu errichten. Andererseits nannte er auch den Schutz schwacher Staaten durch das Recht als Zweck des Weltstaates. Für den Weltstaat soll nach Bluntschli auch sprechen, daß es Interessen der einzelnen Menschen geben könne, die der Staat nicht zu befriedigen in der Lage ist. 249 Damit hat Bluntschli bereits die Argumentation herausgearbeitet, mit der hundert Jahre später versucht werden sollte, die Ergebnisse Kants auf der Grundlage seines Ansatzes zu korrigieren. 250 Während bei Befürwortern wie Kritikern der Idee der Internationalen Organisation in der völkerrechtlichen Literatur um die Jahrhundertwende die ausdrückliche Bezugnahme auf Kant nur gelegentlich auszumachen ist und deshalb nicht als typisch bezeichnet werden kann, spielt die Friedensschrift in der rückblickenden Betrachtung der Entwicklung der Theorie der Internationalen Organisationen sowohl aus der Zeit des Völkerbundes als auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine große Rolle. Das scheint berechtigt, wenn man in Betracht zieht, daß die Diskussion um die internationale Rechtsordnung sich im Bereich der von Kant herausgearbeiteten Grundpositionen bewegte. Fried schrieb 1919: "Den Organisationsgedanken in seiner heute aktuell gewordenen Prägung erfaßte erst unser Kant in seiner bekannten Schrift über den ,ewigen Frieden, ..251. In diesem Sinne äußerte sich auch von Liszt. 252 Quaritsch/Goesch, Völkerrecht und auswärtige Politik, S. 2f., FN. 2. Kinkei, Die Idee des Staates und die Idee der Menschheit, S. 22. 247 lellinek, Die Zukunft des Krieges, S. 520. 248 Bluntschli, Allgemeine Staatslehre, S. 26f. 249 Bluntschli, Allgemeine Staatslehre, S. 36. 250 Diese Korrektur wird insbesondere von Höffe und Carson vorgeschlagen; vgl. oben, unter C. III. 3. a) cc); S.72ff. 251 Fried, Der Völkerbund, S. 9. 252 von Liszt, Utopie oder Programm?, S. 1. 245

246

III. Die lahrhundertwende

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Nussbaum nennt die Friedensschrift einen ideengeschichtlichen Vorläufer der Theorie der Friedensorganisationen. 253 Seidl-Hohenveldern/Loibl sehen in theoretischen Projekten wie der Friedensschrift Vorläufer der Internationalen Organisationen. 254 Berber spricht von einem Vorläufer internationaler universeller Zusammenschlüsse?55 Nach Knapp reicht die philosophischtheoretische Begründung eines Friedens durch Internationale Organisationen auf Kant zurück. 256 Graf Vitzthum weist auf Kants "Vorschlag zur Bildung eines Weltstaates" hin als eine der völkerrechtsgeschichtlichen Wurzeln der Aufklärungszeit. 257 Eagleton bezeichnet Kants Vorschlag der freien Föderation als Vorläufer eines "international government".258 Dahm/Delbrückl Wolfrum schätzen die Wirkung der Friedensschrift demgegenüber als gering ein: Im 18. Jahrhundert habe es zwar zahlreiche geistreiche Entwürfe gegeben. Sie seien aber von der Realität zu weit entfernt gewesen, um für die Staatenpraxis relevant werden zu können. 259 Hinsichtlich der Bedeutung der Friedensschrift für die Entwicklung des Gedankens der Internationalen Organisation gegen Ende des Englischen Zeitalters läßt sich damit festhalten: Die von Kant herausgearbeiteten Ansätze waren in dieser Diskussion präsent. Nur zum Teil erfolgte eine ausdrückliche Bezugnahme auf Kant. In der rückblickenden Betrachtung der Theoriegeschichte des Völkerrechts wird die Friedensschrift dagegen fast immer erwähnt und in der Regel ihr Einfluß auf die Theorie der Internationalen Organisation hervorgehoben.

6. Individualrechte im Völkerrecht

Neben den Rechten der Staaten enthielt das Völkerrecht auch in früheren Epochen Rechte der einzelnen Menschen. Diese wurden durch die Staaten zugunsten ihrer Bürger vereinbart. Im Französischen Zeitalter entstanden unter den europäischen Staaten Vereinbarungen über das Fremdenrecht. 260 Auch das klassische Völkerrecht gewährte den einzelnen Menschen immerhin mittelbaren Schutz. Zachariä beschrieb das Recht der "Mittelspersonen 253 254

S. 17.

A. Nussbaum, A Concise History of the Law of Nations, S. 143. Seidl-Hohenveldern/Loibl, Das Recht der Internationalen Organisationen,

255 Berber, Lehrbuch des Völkerrechts, Band 3, S. 222f., zitiert sogar aus dem 1. Definitivartikel. 256 Knapp, Die Vereinten Nationen und das Problem des friedlichen Wandels, S. 261. 257 Graf Vitzthum, Völkerrecht, S. 68. 258 Eagleton, International Government, S. 249. 259 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, S. 6. 260 Vgl. Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 191.

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

unter dem Schutze des Völkerrechts".261 Im Bereich des diplomatischen Schutzes einzelner Personen ergeben sich deren Rechte auch heute mittelbar über die Staaten. 262 Die Individualrechte des Völkerrechts wurden mit dem Weltbürgerrecht in Verbindung gebracht. Stein meinte, das Weltbürgerrecht sei dadurch verwirklicht, daß die Angehörigen der Industriestaaten sich überall niederlassen dürften: "Diese Bedingungen sind inzwischen in ihren Hauptzügen erfüllt worden. Die erlesensten Geister unter den Culturvölkem haben dem Gedanken Kants jubelnd zugestimmt. ,,263

Auch hinsichtlich der Einbürgerung wurde auf die Friedensschrift Bezug genommen. Zwischen einzelnen Staaten waren Verträge, die die Einbürgerung ermöglichten, bereits während des 19. Jahrhunderts abgeschlossen worden. Leibholz nennt als Beispiel die Verträge zwischen den USA und den europäischen Staaten, die vorsahen, daß die in die USA Eingewanderten auch in ihren Herkunftsländern als Bürger der Vereinigten Staaten behandelt werden sollten. 264 Schücking leitete als "Konsequenz des Kantschen Gedankens von der allgemeinen ,Hospitalität' der Staatsgenossen aller Kulturstaaten" die Forderung nach einem Recht ausländischer Staatsbürger auf Einbürgerung ab. 265 Ein positivrechtlicher Anspruch auf Einbürgerung bestand damals wie heute nicht. 266 Das "Recht auf Naturalisation" sollte nach Ansicht Schückings "in ferner Zukunft" durch die Staaten vereinbart werden. 7. Die Friedensschrift im Ersten Weltkrieg

Mit der Verschärfung der Spannungen in Europa, die schließlich zum Ersten Weltkrieg führten, ist auch eine Polarisierung in der Wissenschaft zu beobachten. Schücking kommentierte: "Die Kriegspsychose fordert eben ihre Opfer in allen Ländern".267 Er beklagte 1915, daß das Ansehen der deutschen Wissenschaft im Ausland gesunken sei, und sprach von einer geistigen Isolierung Deutschlands. 268 Zachariä, Vierzig Bücher vom Staate, Band 5, S. 91. Vgl. Hailbronner, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, S. 191. 263 Stein, Das Ideal des "ewigen Friedens" und die soziale Frage, S. 41. 264 Leibholz, in: Hatschek/Strupp, Wörterbuch des Völkerrechts und der Diplomatie, Band 2, S. 590. 265 Schücking, Der Weltfriedensbund, S. 17. 266 Leibholz, in: Hatschek/Strupp, Wörterbuch des Völkerrechts und der Diplomatie, Band 2, S. 591. 267 Schücking, Der Weltfriedensbund, S. 11. 268 Schücking, Die deutschen Professoren und der Weltkrieg, S. 3. 261

262

III. Die Jahrhundertwende

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Die in den Dienst nationaler Interessen gestellte Wissenschaft machte sich auch den Namen Kants zunutze. So äußerte Seeberg in einer Rede im Januar 1915 die Befürchtung, das Deutschland Kants könne an Rußland zugrundegehen. 269 Umgekehrt soll nach Dockhorn die englische Wissenschaft im Ersten Weltkrieg geglaubt haben, das wahre Deutschland Kants vom "Verrat am deutschen Geist durch Deutschland selbst" befreien zu müssen. 270 Solche Gedanken hatte 1909 schon Scott geäußert: Man dürfe Deutschland nicht nur als Heereslager sehen; es habe auch große Geister wie Luther, Beethoven, Schiller, Goethe und Kant hervorgebracht. 271 Auch in Frankreich unterschied man das Deutschland Kants vom Kaiserreich. 272 Aulard setzte Kants Beschreibung nicht republikanisch verfaßter Staaten als "satire anticipee de la barbarie" mit dem Zustand Deutschlands gleich. 273 Andere Stimmen lehnten die Philosophie Kants ab. Duguit schrieb 1918: "Ies doctrines de droit public allemandes au XIXe siecle, depuis Kant jusqu'a Ihering et Jellinek, sont presque toutes une apologie de la force".274

Duguit wandte sich gegen die Ansicht, das Deutschland des Kaiserreichs sei nicht das Deutschlands Kants. Er sah die Philosophie Kants vielmehr als Grundlage des deutschen Imperialismus. 275 Ähnlich äußerte sich auch Declareuil. Er hielt die Philosophie Kants für einen typischen Ausdruck des deutschen Geistes, der eine Gefahr für andere Nationen darstelle. 276 Basch meinte, Kants Philosophie habe als Ausgangspunkt für Fichte und Hegel die Grundlagen für pangermanistische Ideen gelegt, wenn auch Kant das nicht intendiert habe. 277 Auch im Ersten Weltkrieg läßt sich damit hinsichtlich des Umgangs mit der Friedensschrift beobachten, was schon für die Haager Konferenzen festgestellt wurde: Die Beschäftigung mit der Friedensschrift dient weniger der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Vorschlägen Kants als vielmehr dem Einsatz ihrer Popularität als Mittel der Politik.

269 Seeberg, Die weltgeschichtliche Bedeutung des gegenwärtigen Krieges, S. 37. 270 Dockhorn, Der Einsatz der englischen Wissenschaft im Weltkrieg, S. 81. 27) Scott, The Hague Peace Conferences, Band 1, S.681. 272 Vgl. Bruns, Das politische Kantbild in Frankreich, S. 652. 273 Aulard, La Paix future d'apres la Revolution Fran~aise et Kant, S. 26. 274 Duguit, Jean-Jacques Rousseau, Kant et Hegel, S. 173. 275 Duguit, Jean-Jacques Rousseau, Kant et HegeI, S. 203. 276 Declareuil, Kant, Le Droit Public et la Socil!te des Nations, S. 113. 277 Basch, La Philosophie et la Litterature Classiques de I' Allemagne, S. 755 f. 11 Hacke)

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur 8. Einzelne Bezugnahmen auf die Friedensschrift

Wie schon im 19. Jahrhundert finden sich auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts Vergleiche des zeitgenössischen Völkerrechts mit den Forderungen der Friedensschrift. Schücking meinte 1909, die Präliminarartikel würden inzwischen weitgehend beachtet. 278 Die Kulturstaaten seien zudem zu Rechtsstaaten geworden, so daß auch diese Friedensbedingung Kants erfüllt sei. 279 Kants Bemerkung über den Begriff des Völkerrechts, das eigentlich "Staatenrecht" heißen müsse, wird bei Friedrich erwähnt. 28o Auch von Liszt/Fleischmann nehmen auf die Friedensschrift in diesem Sinne Bezug. 281 9. Zwischenergebnis: Die Friedensschrift um die Jahrhundertwende

Mit dem Einsetzen der Diskussion einer internationalen Rechtsordnung im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts kam es zu einer verstärkten inhaltlichen Beschäftigung mit der Friedensschrift auch in der Völkerrechtslehre. Der Verweis auf die Friedensschrift wurde von der Politik gezielt als öffentlichkeitswirksames Mittel eingesetzt. Inhaltliche Auswirkungen auf das positive Völkerrecht sind um die Jahrhundertwende noch nicht zu beobachten. Die Bedeutung der Friedensschrift für diese Epoche wird im Rückblick als entscheidender eingeschätzt, als angesichts der zeitgenössischen völkerrechtlichen Literatur angemessen erscheint. IV. Die Zeit des Völkerbundes Die Zeit zwischen den Weltkriegen war geprägt durch den Versuch, der rechtlichen Regelung der internationalen Beziehungen durch den Völkerbund erstmals eine universale institutionelle Basis zu geben.2 82 War die Forderung nach einer festen Organisation der Beziehungen zwischen den Staaten im 19. Jahrhundert noch eine Idee politisch einfIußloser Theoretiker gewesen und um die Jahrhundertwende politisch noch nicht mehrheitsfähig, so war unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs die Bereitschaft der Staaten gewachsen, die mit der Errichtung einer Internationalen Organisation verbundenen Einschränkungen ihrer Souveränität hinzunehmen. Schücking, Die Organisation der Welt, S. 54. Schücking, Die Organisation der Welt, S. 58. 280 1. Friedrich, Grundzüge des Völkerrechts, S. 2. 281 von Liszt/Aeicbmann, Das Völkerrecht, S. 1. 282 Vgl. auch Kimminich, Das Problem der Friedenssicherung im Völkerrecht des 20. Jahrhunderts, S. 311. 278 279

IV. Die Zeit des Völkerbundes

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Der Einschnitt, den die Errichtung des Völkerbundes für das posItIve Völkerrecht bedeutete, spricht dafür, der Einteilung Grewes zu folgen, der den Übergang zu dieser Epoche im Jahre 1919 setzt. 283 Der Auffassung Zieglers, der das Ende des Englischen Zeitalters schon 1914 sieht,284 ist zwar insoweit zuzustimmen, als der Einfluß Englands schon am Anfang des Ersten Weltkriegs deutlich abgenommen hatte. Nur mit Hilfe der USA konnte der Erste Weltkrieg entschieden werden. In immer stärkerem Maße kristallisierte sich bis zum Zweiten Weltkrieg die Führungsrolle der USA heraus. Damit war aber noch keine neue Struktur der internationalen Beziehungen entstanden, die als prägend für die neue Epoche angesehen werden könnte. Aus der Perspektive einer Beschreibung der Wirkungsgeschichte der Friedensschrift kann allerdings auch mit der Gründung des Völkerbundes keine plötzliche Neuorientierung festgestellt werden. Vielmehr zählt zu dieser Epoche auch die ideengeschichtliche und politische Vorbereitung des Völkerbundes, die schon während des Ersten Weltkriegs einsetzte. In der Zeit zwischen den Weltkriegen setzte sich der Prozeß der Universalisierung des Völkerrechts fort. Der Gedanke einer Gemeinschaft der zivilisierten Staaten wurde durch die unterschiedslose Betrachtung aller Staaten verdrängt. 285 Damit verbunden war der beginnende Niedergang des Kolonialwesens 286, auf das sich vor allem das Britische Empire gestützt hatte. Als weiteres Merkmal dieses von Grewe als "nachklassisch,,287 bezeichneten Völkerrechts sind erste Lockerungen des Souveränitätsgedankens zu beobachten. Hinsichtlich des Krieges kam es zu einer veränderten Sichtweise. Das Recht zur Kriegführung wurde von der Regel zur Ausnahme. 288 Grewe spricht in Anlehnung an earl Schmitt289 von einer "Wendung zu einem diskriminierenden Kriegsbegriff' .290 Graf Vitzthum sieht in dieser Veränderung das Ende der "Ära des klassischen Völkerrechts".29J Bothe meint, statt von einem "ius ad bellum" könne man von einem "ius contra bellum" sprechen.292 Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 679. Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 240. 285 Vgl. Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 685; Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 245. 286 Vgl. Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 247f.; Falk, Die Weltordnung innerhalb der Grenzen von zwischenstaatlichem Recht und dem Recht der Menschheit, S. 173. 287 Grewe, Was ist "klassisches", was ist "modemes" Völkerrecht?, S. 119. 288 Vgl. Seidl-HohenveJdem, Völkerrecht, S. 28. 289 Schmitt, Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff, München 1938. 290 Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 728. 291 Graf Vitzthum, Krieg und Frieden im Völkerrecht, S. 13. 292 Bothe, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, S. 584. 283

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges ergab sich die Möglichkeit, die in der Theorie schon lange diskutierte Frage der internationalen Ordnung auf die politische Tagesordnung zu setzen. Wright und Steiger meinen, erst im Ersten Weltkrieg sei die Idee einer auf Frieden gerichteten Staatenorganisation auch politisch aktuell geworden. 293 Schwerpunkt der Bezugnahme auf die Friedensschrift war in der Zeit des Völkerbundes die Gestaltung der zwischenstaatlichen Rechtsordnung. Mit dem Völkerbund zusammenhängende Probleme wie die Rechtsdurchsetzung und die Kriegsvermeidung wurden zum Teil mit der Friedensschrift in Verbindung gebracht. Auch innerstaatliche Voraussetzungen des Friedens diskutierte man mit Blick auf die Thesen Kants. Daneben gab der diesen Abschnitt der Völkerrechtsgeschichte prägende Friedensvertrag selbst Anlaß zur Erwähnung der Friedensschrift. 1. Der Vertrag von Versailles

In der Auseinandersetzung der deutschen völkerrechtlichen Literatur mit dem Versailler Vertrag wurde die Friedensschrift immer wieder zitiert. So nahm die Kritik am Versailler Vertrag häufig entweder Bezug auf den ersten Präliminarartikel oder lehnte sich wenigstens in der Formulierung an diesen an. Ebbinghaus und Rogge vertraten die Ansicht, aus dem ersten Präliminarartikel ergebe sich, daß die Frage nach der Kriegsschuld nicht gestellt werden dürfe?94 Dieser Interpretation des ersten Präliminarartikels wird hier, wie oben ausgeführt wurde, nicht gefolgt. Sie beruht auf einer Verwechslung der Intention des ersten Präliminarartikels, der eine Konfliktlösung durch Friedensverträge sicherstellen will, mit der Frage, ob es ein Recht über den Staaten geben kann, dem der Maßstab für eine Schuldzuweisung entnommen werden könnte. Die korrekte Einordnung der Problematik findet sich bei Kratzer. Er betonte, bei einem Friedensvertrag müsse die Inhaltsbestimmung ohne Bezug auf Rechtskategorien erfolgen. Denn das Ergebnis des Krieges hänge nicht vom Recht ab. Sonst wäre der Krieg ein Bestrafungskrieg. Daher dürfe ein Friedensvertrag auch keine Kriegskostenregelung enthalten. 295 Vorländer erörterte die Frage, ob Wilsons Ansicht, zwar mit dem Volk der Deutschen, nicht aber mit den Machthabern Frieden schließen zu können, einen Verstoß gegen den fünften Präliminarartikel darstelle. 296 293 Wright, The Role of International Law in the Elimination of War, S. 25; Steiger, Frieden durch Institution, S. 156. 2904 Ebbinghaus, Kants Lehre vom ewigen Frieden und die Kriegsschuldfrage, S. 27f.; Rogge, Kants "Entwurf zum Ewigen Frieden", S. 103. 295 Kratzer, Kant und der Krieg, S. 157. 296 Vorländer, Kant und der Gedanke des Völkerbundes, S. 76f.

IV. Die Zeit des Völkerbundes

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Diese Fragestellung geht zwar von einer strikten Ablehnung der Intervention durch Kant aus, was nach der vorgelegten Interpretation auch der Auffassung Kants entspricht. Sie subsumiert aber unter den Tatbestand der Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates auch die Entscheidung darüber, ob mit diesem ein Friedensvertrag geschlossen werden soll. Das scheint fragwürdig, weil die Verweigerung der Zustimmung zu einem Vertrag den anderen Staat nicht an seiner Selbstbestimmung hindert, selbst wenn sie von der Person der Regierenden abhängig gemacht wird. Es handelt sich vielmehr um erlaubte Einflußnahme durch rechtmäßige Mittel der Politik. Gerade das ist der Weg, auf dem sich nach Kant die Reformen des Rechts vollziehen können. Wiederum unter Bezugnahme auf den ersten Präliminarartikel vertrat Rogge die Ansicht, der Versailler Friedensvertrag sei kein ehrlicher Friede gewesen. 297 In der Betonung der Ehre in Aussagen Hitlers sah Rogge einen Grund, "eine rechtshistorische Linie zu ziehen, die hier Kant und Hitler verbindet. ..298 Manche Äußerungen zum Versailler Vertrag ähneln jedenfalls den Formulierungen Kants. In einer Schrift, in der er auch zur Friedensschrift Stellung bezog, meinte Goedeckemeier - in der Wortwahl an die Erläuterung des ersten Präliminarartikels erinnernd -, der Versailler Vertrag habe mehr Ursachen für künftige Kriege geschaffen als je ein Friedensvertrag zuvor. 299 Wilson, der sich ebenfalls mit Kant beschäftigte, lehnte eine Bestrafung der Besiegten mit der Begründung ab, sie könnte Anlaß für neue Kriege sein. 3OO Die Bezugnahmen auf die Friedensschrift in Verbindung mit dem Versailler Vertrag sind ein weiteres Beispiel für die Verwendung der mit dem Namen Kants verbundenen Autorität für politische Ziele - in vielen Fällen auf Kosten der systematisch und inhaltlich korrekten Auseinandersetzung. 2. Demokratie als Friedensvoraussetzung Die von Kant im ersten Definitivartikel vertretene These eines Zusammenhangs der inneren Struktur eines Staates mit seinem Außenverhalten wurde von der rechtspolitischen Debatte nach dem Ersten Weltkrieg vor allem mit Blick auf die Demokratie aufgenommen. Schücking hatte Kants ersten Definitivartikel bereits 1909 im Zusammenhang mit einer Debatte der deutschen Öffentlichkeit über die Gefahren der Regierung durch einen 297 298 299

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Rogge, Hitlers Friedenspolitik und das Völkerrecht, S. 12. Rogge, Hitlers Friedenspolitik und das Völkerrecht, S. 13. Goedeckemeyer, Die Idee vom ewigen Frieden, S. 3. Vgl. Voriänder, Kant und der Gedanke des Völkerbundes, S. 75.

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

einzelnen erwähnt. 30 1 Scott hatte im selben Jahr Kants These dadurch bestätigt gesehen, "that free states and representative governments prefer peace to war and the settlement of international controversies by arbitration,,302. Vertreter der deutschen Sozialdemokratie hatten Kant vor dem Ersten Weltkrieg sogar als Vorkämpfer des Sozialismus gefeiert. 303 Erstmals wollte Wilson die Demokratisierung Deutschlands als Mittel zur Sicherung des Friedens einsetzen, weil er glaubte, daß Staaten weniger zum Krieg neigten, wenn das Volk über den Eintritt in den Krieg entscheide. Diese Ansicht Wilsons wurde in der rückblickenden Literatur dem Einfluß Kantscher Gedanken zugeschrieben. 304 In Deutschland stießen diese Vorschläge zum Teil auf begeisterte Zustimmung. So begrüßte Herron, daß das deutsche Volk endlich selbstbestimmt sei. 30s Bernstein schrieb 1919: "Das Kaiserreich war der Krieg, die Republik wird der Friede sein.,,306 Borries hielt demgegenüber den Versuch Wilsons, Deutschland zur Annahme einer Verfassung im Sinne der Kantschen Republik zu bewegen, für einen Verstoß gegen den fünften Präliminarartikel. Kant habe zwar in der Rechtslehre eine Beeinflussung der Verfassung feindlicher Staaten nicht ausgeschlossen. Dabei dürften aber nicht die nach dem fünften Präliminarartikel verbotenen Mittel eingesetzt werden. 307 Manche Autoren bezweifelten den Zusammenhang von Demokratie und Frieden in der von Kant im ersten Definitivartikel herausgearbeiteten Fonn. Vor allem die seit dem Ende des 18. Jahrhunderts eingetretene Veränderung der politischen Rahmenbedingungen wurden als Argument gegen die These Kants vorgetragen. Zickendraht meinte, zur Zeit Kants habe es noch kein so starkes Nationalgefühl gegeben. Daher seien die Thesen Kants nur bedingt auf spätere Epochen übertragbar. 308 Borries wies darauf hin, daß im Zeitalter des Absolutismus Kabinettskriege das Bild bestimmten. Volkskriege habe Kant noch nicht gekannt. 309 Edmunds hielt die von Kant vorgeSchücking, Die Organisation der Welt, S. 55. Scott, Tbe Hague Peace Conferences, Band 1, S. 690. 303 Vgl. A. Schmidt, Kants Geschichtsphilosophie und der neukantianische Sozialismus, S. 125. 304 So von Allen, Perpetual Peace Through World-Wide Federation, S. 801; Small/Singer, Tbe War-Proness of Democratic Regimes, S. 50; Claude, Swords into Plowshares, S. 222; Frei, Kriegsverhütung und Friedenssicherung, S. 42. 3O~ Vgl. etwa Herron, Woodrow Wilson und der Weltfriede, S. 13ff. 306 Bernstein, Völkerbund oder Staatenbund, S. 29. 307 Borries, Kant als Politiker, S. 225. 308 Zickendraht, Kants Gedanken über Krieg und Frieden, S. 20. 309 Borries, Kant als Politiker, S. 203. Dieses Argument findet sich auch in Stellungnahmen aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, etwa bei W. Dietze, Einleitung, in: Dietze I Dietze, Ewiger Friede?, S. 51 f.; Lutz-Bachmann, Kants Friedensidee und das rechtsphilosophische Konzept einer Weltrepublik, S. 28. 301

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IV. Die Zeit des Völkerbundes

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schlagene republikanische Verfassung deshalb nicht für ausreichend, den Frieden zu garantieren, weil die Kontrolle des staatlichen Handeins nach dem Modell Kants nicht tatsächlich vom Volk ausgeübt werde, sondern nur in der Theorie von diesem ausgehe. 310 Auch in der Analyse historischer Zusammenhänge war die These Kants präsent. Daß die europäischen Staaten gegen die junge Französische Republik einen Krieg begannen, führte Schücking darauf zurück, daß es sich bei diesen nicht um republikanisch verfaßte Staaten gehandelt habe. 311 Borries vertrat demgegenüber die Ansicht, Kant habe die Kriege der jungen Französischen Republik aus Begeisterung "in der Befangenheit seines politischphilosophischen Enthusiasmus" als gerechte Abwehrmaßnahmen verteidigt. 312 Die These Kants über den Zusammenhang von Staatsverfassung und Frieden wurde in der Zeit des Völkerbundes vor allem unter dem Aspekt der Demokratie erörtert und überwiegend positiv beurteilt. Trotz der verbreiteten Überzeugung, die Demokratie fördere den Frieden, wurde die Demokratisierung in der Zeit des Völkerbundes noch nicht als systematisches Mittel einer globalen Friedensstrategie gesehen. 3. Rechtsdurchsetzung im Völkerrecht

Wurde noch im 19. Jahrhundert der Rechtscharakter des Völkerrechts überhaupt von einer verbreiteten Ansicht geleugnet, so setzte sich im 20. Jahrhundert die Auffassung durch, das Völkerrecht müsse als geltendes Recht betrachtet werden, dessen Wirksamkeit freilich nicht sichergestellt werden könne. Triepel meinte, Völkerrecht und Staatsrecht unterschieden sich nur hinsichtlich des Grades ihrer Durchsetzbarkeit. 313 Den Ansatz zu dieser Sichtweise hatte schon Jellinek mit der Theorie der Selbstbindung der Staaten geliefert. Im 19. Jahrhundert hatte man versucht, Sanktionsmöglichkeiten unterhalb der Kriegsschwelle zu entwickeln. So sollte etwa die Friedensblockade andere Staaten zu einem gewünschten Verhalten zwingen, ohne dadurch einen Krieg auszulösen. 314 Besonderen Auftrieb erfuhr die Schaffung von Durchsetzungsmechanismen im Zusammenhang mit dem Völkerbund. Diese Maßnahmen sollten nach Art. 16 durch die Staaten ergriffen werden. Deren Edmunds, Das Völkerrecht - ein Preudorecht, S. 252. Schücking, Die Organisation der Welt, S. 56. 312 Borries, Kant als Politiker, S. 220. 313 Triepel, Die Zukunft des Völkerrechts, S. 31. 314 Vgl. Lothar Kotzsch, in: Strupp/Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Band 1, S. 212. 310 311

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

Selbstbindung ging also nur so weit, daß sie sich in ihrem Recht, über die Ausübung von Gewalt zu entscheiden, partiell beschränkt hatten. Eine Institutionalisierung ging damit nicht einher. Daher war der Völkerbund auf die Mitwirkungsbereitschaft der Staaten angewiesen. Auf diesem Befund aufbauend konnte Kraus das Völkerrecht als "Koordinationsrecht,,315 bezeichnen, ein Begriff der auch später noch von Verdross/Simma gebraucht wurde 316 . Nelson hielt demgegenüber ein Völkerrecht als "genossenschaftliches Recht" für inkonsequent: Ohne zwangsweise Bindung der Staaten sei das "angebliche Völkerrecht" nichtig. 317 Nelson meinte, die Idee des Rechts "stellt uns die Aufgabe, die Geltung des Rechts in der Natur dem Zufall zu entziehen". Daher müsse eine Zwangsgewalt über den Staaten geschaffen werden. 318 Nelson schlug - mit einer ähnlichen Argumentation wie Kant den Weltstaat - einen Staatenbund mit Zwangsgewalt vor. Die Entstehung mehrerer Staaten hielt Nelson aus Sicht des Rechts für zufällig. 319 Von dieser Einsicht ausgehend, zog Nelson andere Konsequenzen als Kant: Die Souveränität der Staaten sei kein Argument gegen eine Zwangsbewehrung des Völkerrechts. Denn Staaten müßten nicht notwendig souverän sein. "Wer den Mut hat [... ], den wird das Schreckgespenst des Todes der Staaten nicht erzittern machen. ,,320

Nelson argumentiert, das Souveränitätsdogma dürfe nicht als Vorwand für das Prinzip der völkerrechtlichen Anarchie mißbraucht werden. 321 Souveränität stehe "mit den Anforderungen des Völkerrechts geradezu im Widerspruch.,,322 Es sei sogar der äußere Zweck des Staates, den Staatenbund zu begründen323 . Obwohl die Argumentation Nelsons Parallelen zu den Ausführungen in der Friedensschrift aufweist und vom selben Ansatz ausgeht, bezog sich Nelson - ähnlich wie schon im 19. Jahrhundert Bluntschli - nicht ausdrücklich auf Kant. 324 315 H. Kraus, Das Problem internationaler Ordnung bei Immanuel Kant, S. 21. 316 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 34. Mit ähnlicher Bedeutung

spricht Kimminich, Das Völkerrecht und die friedliche Streitschlichtung, S. 144, vom "genossenschaftlichen Charakter" des Völkerrechts. 317 Nelson, Die Rechtswissenschaft ohne Recht, S. 82. 318 Nelson, Vom Staatenbund, S. 5. 319 Nelson, Vom Staatenbund, S. 6. 320 Nelson, Die Rechtswissenschaft ohne Recht, S. 99. 321 Nelson, Die Rechtswissenschaft ohne Recht, S. 169f. 322 Nelson, System der philosophischen Rechtslehre und Politik, S. 443. 323 Nelson, System der philosophischen Rechtslehre und Politik, S. 473. 324 Vgl. Eichhorn, Leonard Nelsons kritischer Ansatz zu einer Theorie des Friedens, S. 42, der feststellt, daß Nelson von Kant viele Elemente seiner Friedenstheorie übernahm.

IV. Die Zeit des Völkerbundes

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Heller vertrat demgegenüber die Ansicht, die Souveränität der Staaten müsse einem wirksamen Völkerrecht nicht widersprechen. Zur Begründung verwies er auf Kant, der für das Völkerrecht in der Friedensschrift eine Absonderung voneinander unabhängiger Staaten vorausgesetzt habe. 325 Die Geltungsfrage dürfe nicht auf das Problem der Durchsetzbarkeit reduziert werden, da das eine eine gesellschaftliche, das andere eine juristische Frage sei?26 Zum Teil wurde, meist ohne ausdrückliche Bezugnahme auf Kant, ein geschichtstheoretischer Ansatz verfolgt: Spranger betonte, auch auf staatlicher Ebene habe sich das zwangsbewehrte Recht erst entwickeln müssen. 327 Triepel verglich die Staaten mit Urmenschen. "Ein Völkerrecht [... ] wird daher nicht eher entstehen können, als bis sich die Staaten, ähnlich wie in vorgeschichtlichen Zeiten die einzelnen Menschen, untereinander zu umfassenden Verbänden zusammengeschlossen haben, mit Organen, die für die Verbandsgenossen ein Recht zu schaffen und zu schützen vermögen. ,,328 Eine ähnliche Auffassung äußerte auch Kelsen?29 Obwohl diese Ansichten sich auf Kant hätten berufen können, der die Grundlagen der Theorie des historischen Fortschritts des Rechts schon in seiner Schrift "Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht" von 1784 entworfen und zwölf Jahre später in der Friedensschrift noch konkretisiert hatte, fand Kant hier keine Erwähnung. Man mag darüber spekulieren, ob dies darauf zurückzuführen ist, daß die Bedeutung der Thesen Kants für diese Thematik verkannt wurde, oder auf die Befürchtung, sich dem Vorwurf der Utopie auszusetzen, der immer wieder gegen die Friedensschrift erhoben wurde. Für die in der Zeit des Völkerbundes geführte allgemeine Diskussion um die Durchsetzung des Völkerrechts und ihre institutionelle Grundlage läßt sich damit sagen, daß der Beitrag, der aus der Friedensschrift hätte gewonnen werden können, kaum wahrgenommen wurde. 4. Der Völkerbund

Zahlreich sind die Bezugnahmen auf Kant im Zusammenhang mit der konkreten institutionellen Basis des Völkerrechts nach dem Ersten Weltkrieg: dem Völkerbund. Die Bedeutung der Friedensschrift für den Völkerbund wird in der Literatur im wesentlichen unter drei Aspekten behandelt: 325 326 327 328 329

Heller, Die Souveränität, S. 121. Heller, Die Souveränität, S. 161. Spranger, Völlkerbund und Rechtsgedanke, S. 11. Triepe1, Die Zukunft des Völkerrechts, S. 29. Ke1sen, The Strategy of Peace, S. 385.

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

hinsichtlich der Namensgebung, im Rahmen der Entstehungsgeschichte und unter der Fragestellung, ob sich mit dem Völkerbund die Vorschläge Kants realisiert haben. a) Namensgebung

Schon die deutsche Bezeichnung der League of Nations als "Völkerbund" legt eine Bezugnahme auf Kant nahe. Die Herkunft des Begriffes wird denn auch von weiten Teilen der zeitgenössischen wie der späteren Literatur Kant zugeschrieben?30 Mit der Wahl dieser Bezeichnung habe man die Bedeutung des Völkerbundes durch die Autorität, die mit dem Namen Kants verbunden war, unterstreichen wollen. 33l Graf Vitzthum weist allerdings darauf hin, daß schon in der deutschen Übersetzung Vattels vom "Völkerbund" die Rede war?32 Dennoch muß der Hinweis auf die Bedeutung Kants für die Namensgebung des Völkerbundes nicht falsch sein: Die Popularität der Friedensschrift läßt vermuten, daß Kant zur Zeit des Völkerbundes als Urheber des Begriffes angesehen und die Bezeichnung bewußt als von Kant geprägter Begriff übernommen wurde. b) Die Entstehung des Völkerbundes

Nicht nur hinsichtlich des Namens wurde der Völkerbund mit Kant in Verbindung gebracht. Es lassen sich auch in seiner Entstehungsgeschichte Spuren der Friedensschrift ausmachen. Geradezu ein Musterbeispiel für die Wirkung der Philosophie über die Politik auf das positive Völkerrecht bietet die Rolle des amerikanischen Präsidenten Wilson, dessen Initiative die Gründung des Völkerbundes maßgeblich beeinflußte 333 . Wilson ist einer der wenigen Politiker, deren Beschäftigung mit Kant biographisch bekannt ist; er hatte sich während seines Studiums in Princeton intensiv mit den Theorien Kants auseinandergesetzt. 334 So werden in den Schriften Kants nicht nur die geistesgeschichtlichen Wurzeln der Vorschläge Wilsons gesehen. 335 Vielfach wird die Auffassung vertreten, Wilson habe seine Ideen 330 Knoll, Der Deutsche Regierungsentwurf zu einer Völkerbundssatzung, S. 64, FN. 4; Du Pasquier, Völkerbund und internationale Erziehung, S. 12; Rogge, Kants "Entwurf zum ewigen Frieden", S. 100f.; Barandon, in: Strupp/Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Band 3, S. 597; Albrecht, Kants Entwurf einer Weltfriedensordnung und die Reform der Vereinten Nationen, S. 196. 331 Rogge, Kants "Entwurf zum ewigen Frieden", S. 101; Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, S. 29. 332 Graf Vitzthum, Völkerrecht, S. 7, FN. 4. 333 Vgl. Claude, Swords into Plowshares, S. 51; Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, S. 28; Klein, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, S. 275. 334 Vgl. Bruns, Kant et I'Europe, S. 284f.

IV. Die Zeit des Völkerbundes

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von Kant übernommen. Schon 1917 meinte Chabrun, Wilson folge den Ansichten Kants. 336 Ähnlich äußerten sich Autoren sowohl in der Zeit des Völkerbundes 33? als auch nach dem Zweiten Weltkrieg. 338 Habermas meint, durch Wilson seien Ideen Kants in der Politik realisiert worden?39 Insofern ist es nicht verwunderlich, daß zahlreiche Autoren einen Vergleich der Äußerungen Wilson mit den Thesen Kants anstellen. Berühmt geworden ist vor allem das aus 14 Punkten bestehende Programm Wilsons für den Weltfrieden, das er am 8. Januar 1918 in einer Rede vor dem Kongreß vorstellte. Im ersten Punkt schlug Wilson vor: "Open covenants of peace, openly arrived at, after which there shall be no private international understandings of any kind but diplomacy shall proceed always frankly and in the public view.,,34o

Hier mag Wilson zwar von Kant inspiriert worden sein. Vorländer meinte, der erste Punkt entspreche der Publizitätsforderung Kants 341 . Anders als Kant verlangte Wilson aber eine tatsächliche Öffentlichkeit. Zickendraht sah im ersten Punkt Wilsons eine Ausprägung des ersten Präliminarartikels?42 Auch in einer Rede vom 11. Februar 1918 vor dem Kongreß treten diese Grundsätze hervor. Dort forderte Wilson "that each part of the final settlement must be based upon the essential justice of that particular case and u~m such adjustments as are most likely to bring a peace that will be permanent. ,,3 3

Im zweiten der 14 Punkte bezog sich Wilson nach Ansicht Vorländers auf Kants Ausführungen zur Freiheit der Meere in der Rechtslehre 344 : ,,Absolute freedom of navigation upon the seas, outside territorial waters, alike in peace and in war, except that the seas may be closed in whole or in part by international action for the enforcement of international covenants."345 335 Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 409. 336 Chabrun, Kant et M. Wilson, S. 850. 337 Borries, Kant als Politiker, S. 202. Spranger, Völkerbund und Rechtsgedanke, S. 19, bezieht in die Einfußfaktoren auf die Politik Wilsons neben Kant auch noch Fichte ein. Bleiber, Der Völkerbund, S. 4, hält vor allem den Einfluß Dickinsons auf Wilson für maßgebend, erwähnt aber auch die Bedeutung Kants. 338 Schlochauer, Die Idee des ewigen Friedens, S. 41; Claude, Swords into Plowshares, S. 51; Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf ,,Zum ewigen Frieden", S.219. 339 Habermas, Kants Idee des ewigen Friedens, S. 17. 340 Wilson, in: Scott, President Wilson's Foreign Policy, S. 359. 341 Vorländer, Kant und der Gedanke des Völkerbundes, S. 68. 342 Zickendraht, Kants Gedanken über Krieg und Frieden, S. 18. 343 Wilson, in: Scott, President Wilson's Foreign Policy, S. 371. 344 Vorländer, Kant und der Gedanke des Völkerbundes, S. 68 f. 345 Wilson, in: Scott, President Wilson's Foreign Policy, S. 359.

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

Interessant im Zusammenhang mit dem zweiten Definitivartikel scheint vor allem die - in der Literatur nicht angesprochene - Frage, für welche Fälle die Abriegelung der Meere als Durchsetzungsmittel erlaubt sein sollte. Mit einer solchen Option ging Wilson jedenfalls über den Friedensbund, der keine Zwangsgewalt kennt, hinaus. Die Forderung nach Handelsfreiheit im dritten Punkt Wilsons hatte Kant zwar noch nicht aufgestellt; Vorländer meinte aber, Kant habe mit der Schilderung des HandseIsgeistes die Bedeutung dieser Aspekte erkannt. 346 Im vierten Punkt forderte Wilson Garantien für die Rüstungsbeschränkung: "Adequate Guarantees given and taken that national arrnaments will be reduced to the lowest point consistent with domestic safety.,,347 Damit erfuhr die von Kant im dritten Präliminarartikel aufgestellte Vorbedingung des Friedens eine Konkretisierung, die auch im Zusammenhang mit dem Gebot der Verrechtlichung der internationalen Beziehungen gesehen werden kann: Wenn das Ziel der Rüstungsbeschränkung die Schaffung gegenseitigen Vertrauens ist, so muß eine Sicherheit dafür bestehen, daß die Staaten sich an die vereinbarten Grenzen für die Zurüstung halten. Der fünfte Punkt Wilsons lautet: "A free, open-minded and absolutely impartial adjustment of all colonial claims, based upon a strict observance of the principle that in determining all such questions of sovereignity the interests of the populations concemed must have equal weight with the equitable claims of the govemment whose title is to be determined.,,348 Damit blieb Wilson nach Ansicht Vorländers deutlich hinter Kants Ablehnung des Kolonialismus zurück. 349 Zickendraht sah im fünften Punkt Wilsons eine Anwendung des zweiten Definitivartikels, der auch auf der Friedenskonferenz eine Rolle gespielt habe. 35o Der zehnte Punkt, die Forderung nach Autonomie der Völker Österreichs verstößt nach Ansicht Zickendrahts gegen den fünften Präliminarartikel. 35I Hier ist allerdings vor dem Hintergrund der oben entwickelten Interpretation zu differenzieren: Sähe man die Punkte Wilsons als rechtliche Forderungen an, wäre Zickendraht zuzustimmen. In der Konzeption Kants müßte hier ein Erlaubnisgesetz hinsichtlich des im zweiten Präliminarartikel ent346 347 348 349

350 351

Vorländer, Kant und der Gedanke des Völkerbundes, S. 70. Wilson, in: Scott, President Wilson's Foreign Policy, S. 360. Wilson, in: Scott, President Wilson's Foreign Policy, S. 360. Vorländer, Kant und der Gedanke des Völkerbundes, S. 72 f. Zickendraht, Kants Gedanken über Krieg und Frieden, S. 19. Zickendraht, Kants Gedanken über Krieg und Frieden, S. 18.

IV. Die Zeit des Völkerbundes

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haltenen Verbots eingreifen, um allmähliche Reformen zu ermöglichen, ohne daß dabei der fünfte Präliminarartikel verletzt würde. Wilsons Forderungen sind jedoch politischer Natur. Aus der Perspektive der Friedensschrift ergeben sich daher keine Schwierigkeiten, sie als Ziel einer mit den Mitteln des Rechts zu erreichenden Reformen anzusehen. Interessant in Beziehung auf den zweiten Präliminarartikel sind vor allem die Punkte 2 und 3 der Rede vom 11. Februar 1918 352 : "Second, that peoples and provinces are not to be bartered about from sovereignty to sovereignty as if they were mere chattels and pawns in agame, even the great game, now forever discredited, of the balance of power; but that Third, every territorial settlement involved in this war must be made in the interest and for the benefit of the populations concemed, and not as apart of any mere adjustment or compromise of claims amongst rival states,,353.

Diese Auffassung hatte Wilson auch schon in einer Ansprache vertreten, die er am 27. Mai 1916 in Washington vor der "League to Enforce Peace" gehalten hatte. 354 Vorländer meinte, der zweite dieser vier Grundsätze erinnere an den zweiten Präliminarartike1. 355 Im letzten der 14 Punkte schließlich regte Wilson die Bildung einer universalen internationalen Rechtsgemeinschaft an: "A general association of nations must be formed under specific covenants for the purpose of affording mutual guarantees of political independence and territorial integrity to great and small states alike. ,,356

Schon am 22. Januar 1917 hatte Wilson vor dem Senat die Schaffung einer Macht als Garant für einen dauerhaften Frieden gefordert: ,,[ ... ] that peace must be followed by some definite concert of power which will make it virtually impossible that any such catastrophe should ever overwhelm us again.,,357

In dieser Rede hatte Wilson auch die Gründung einer "League for peace" vorgeschlagen. 358 352 Darauf weist Wehberg, Die Pariser Völkerbundakte, S. 19, hin. Er bezieht sich zwar auf eine Rede vom 11. Januar. Eine solche Rede ist aber nicht nachweisbar. Zudem stammt der von Wehberg übersetzte Text aus der Rede, die in den übrigen Quellen auf den 11. Februar datiert ist, so daß es sich um einen Druckfehler handeln dürfte. 353 Wilson, in: Scott, President Wilson's Foreign Policy, S. 371 f. 354 Wilson, in: Scott, President Wilson's Foreign Policy, S. 193. 355 Vorländer, Kant und der Gedanke des Völkerbundes, S. 73. Vorländer nimmt zwar Bezug auf eine Rede vom 12. Februar. Dabei handelt es sich aber dem Inhalt nach offensichtlich um die Rede vom 11. Februar. 356 Wilson, in: Scott, President Wilson's Foreign Policy, S. 360. 357 Wilson, in: Scott, President Wilson's Foreign Policy, S. 246. 358 Wilson, in: Scott, President Wilson's Foreign Policy, S. 247.

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

Trotz der inhaltlichen Parallelen zu den Vorschlägen Kants und der teilweise auffalligen Ähnlichkeit in der Formulierung nahm Wilson im Gegensatz zu politischen Vorschlägen in der Literatur nicht ausdrücklich auf Kant Bezug. Das mag damit zusammenhängen, daß Wilson angesichts der Polarisierung des Kantbildes während des Ersten Weltkrieges fürchten mußte, durch Bezugnahme auf einen deutschen Philosophen ein nicht gerade förderliches politisches Klima für die Verhandlungen zu schaffen. Gegen die Vorschläge Wilsons wurden dieselben Vorwürfe erhoben, die schon der Friedensschrift entgegengehalten worden waren. Prutz schrieb 1917, der Erklärung Wilsons "haften [... ] Züge an, auf die hin man meinen möchte, sie sei der wortreiche und nicht eben allzu klare Erguß eines menschenfreundlichen, der praktischen Politik aber nicht bloß fernen, sondern verständnislos gegenüberstehenden Friedensfreundes, welcher [... ] zu verantwortlichem staatsmännischem Handeln nicht berufen" sei?59 Wilson gehe "in naiver Selbsttäuschung über die Schwierigkeiten glatt hinweg.,,360 Hier kehrten die Vorwürfe der Utopie wieder, wenn auch nicht mit demselben Respekt, mit dem sie Kant entgegengehalten worden waren. Chabrun verglich in einem Artikel von 1917 die Aussagen Wilsons mit der Friedensschrift und meinte, es sei Zeit, nicht mehr nur Theorien aufzustellen, sondern Maßnahmen gegen Deutschland zu ergreifen?61 Nicht nur die Vorschläge Wilsons erinnern an die Friedensschrift. Valentin machte in Deutschland vier Strömungen aus, die sich für den Gedanken des Völkerbundes aussprachen: eine philanthropische, eine ethische, der er Kant zurechnete, eine christlich geprägte und eine soziologische. 362 In der allgemeinen öffentlichen Friedensdebatte waren die Argumente aus der Friedensschrift präsent. Gegen Ende des Ersten Weltkrieges äußerte Schükking die Hoffnung, aus dem Krieg werde die Lehre gezogen, den Ideen Kants näherzukommen?63 Herron kommentierte im Jahre 1917 zu den Plänen Wilsons, sie führten letztlich zur Weltrepublik. 364 Nägler meinte 1919, die Zeit sei gekommen, mit der Verwirklichung der Kantschen Vernunftsidee des Friedens zu beginnen. 365 Auch in den deutschen Entwürfen für die Völkerbundssatzung finden sich inhaltliche Parallelen zur Friedensschrift. Art. 2 des Entwurfes der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht sah ein Verbot von Geheimverträ359

360 361 362

363 364

365

Prutz, die Idee des ewigen Friedens, S. 209. Prutz, die Idee des ewigen Friedens, S. 210. Chabrun, Kant et M. Wilson, S. 861. Valentin, Geschichte des Völkerbundgedankens in Deutschland, S. 89. Schücking, Die völkerrechtliche Lehre des Weltkrieges, S. 11 f. Herron, Woodrow Wilson und der Weltfriede, S. 20. Nägler, Gerechtigkeit, S. 27.

IV. Die Zeit des Völkerbundes

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gen vor. 366 Der Entwurf ging weit über den Friedensbund Kants hinaus: Nach Art. 13 ff. sollten bei Verstößen gegen das Völkerbundsrecht Zwangsmaßnahmen verhängt werden können, die von Entschädigungsansprüchen über politische und wirtschaftliche bis hin zu militärischen Sanktionen reichen sollten. 367 Der Deutsche Regierungsentwurf vom April 1919 sah in seinen Art. 48 f. Regelungen vor, die eine Gleichbehandlung von Ausländern und Inländern, insbesondere in wirtschaftlichen Fragen sicherstellen sollten. 368 Diese Vorschläge brachte Knoll in Anknüpfung an Zorn, der sie als Ausdruck eines allgemeinen Weltbürgerrechts bezeichnete369 , mit dem dritten Definitivartikel in Verbindung. 37o Ausdrücklich verwies der französische Vorschlag für eine Societe des Nations auf die geistes geschichtlichen Wurzeln des Gedankens, nannte aber - vielleicht aus politischer Rücksichtnahme - keine Vertreter?71 Die zahlreichen Verbindungen zur Philosophie Kants, die im Laufe der Entstehung des Völkerbunds hergestellt wurden, erklären die Bedeutung, die der Friedensschrift in diesem Zusammenhang von der Literatur beigemessen wird. Nach Valentin hat Kant "für den Völkerbundgedanken eine kopernikanische Tat" vollbracht. 372 Auch Bleiber hebt den Einfluß Kants auf den Völkerbundgedanken hervor. 373 Wittmann sieht die Vorstellungen Kants über die Bildung des Friedensbundes durch die Gründung des Völkerbunds verwirklicht. Den USA sei die Rolle der mächtigen Republik, die als Ausgangspunkt des Friedensbundes dienen sollte, zugefallen. 374 Demnach hätte Wilson mit der Orientierung an den transzendental begründeten Ideen Kants zugleich dessen geschichtsphilosophische Prognose bestätigt. c) Der Völkerbund - ein Friedensbund?

Schon die Betrachtung der Entstehungsgeschichte des Völkerbundes zeigt, daß die Friedensschrift von den Zeitgenossen als ideengeschichtliche Grundlage gesehen wurde 375 , wenn auch manche Autoren nur andere Philo366 Bei Niemeyer, Der Völkerbundsentwurf der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, s. 3. 367 Bei Niemeyer, Der Völkerbundsentwurf der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, S. 7. 368 Abgedruckt bei KnolI, Der Deutsche Regierungsentwurf zu einer Völkerbundssatzung, s. 92. 369 Zorn, Der Völkerbund, S. 64. 370 KnolI, Der Deutsche Regierungsentwurf zu einer Völkerbundssatzung, S. 57. 371 Bei Knipping, Das System der Vereinten Nationen und seine Vorläufer, Band 11, S. 368 ff. 372 Valentin, Geschichte des Völkerbundgedankens in Deutschland, S. 20. 373 Bleiber, Der Völkerbund, S. 4. 374 Wittmann, Kants Friedensentwurf - Antizipation oder Utopie?, S. 145.

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

sophen als Vorläufer nannten?76 Auch nach der Gründung des Völkerbundes wurde seine Satzung im Lichte der Kantschen Philosophie untersucht. Goedeckemeyer diskutierte 1920 die Ideen Weltstaat und Staatenbund als Modelle für den Völkerbund mit den Argumenten Kants 377 . Nach Niemeyer sollte "nicht das Interesse, sondern das sittliche Ideal menschenwürdigen Gemeinschaftslebens [... ] für den Aufbau und das Wirken des Völkerbundes bestimmend" sein?78 Rogge meinte, der Völkerbund entspreche nicht gänzlich dem Modell Kants, weil er in Versailles im Rahmen eines Vertrages zustande gekommen sei, der gegen den ersten Präliminarartikel verstoßen habe. 379 Der zweite Definitivartikel könne aber nicht vor den Präliminarartikeln umgesetzt werden?80 Die Friedensschrift wird auch heute als geistesgeschichtlicher Vorläufer des Völkerbunds gesehen. 381 Wood vertritt die Auffassung, die Entstehung des Völkerbundes sei durch die Friedensschrift antizipiert worden. 382 Nach Beutin beginnt mit der Gründung des Völkerbundes die eigentliche Realisierung der Vorschläge Kants. 383 Andere Autoren meinen, der Völkerbund könne nicht als Realisierung der Vorschläge Kants gesehen werden?84 So sei es ein Hindernis für eine Annäherung an den ewigen Frieden, daß der Verteidigungskrieg nicht verboten worden sei?85 Knapp sieht darin, daß der Völkerbund und andere Internationale Organisationen nicht aufgrund theoretischer Überlegungen, 375 Z.B. bei Wehberg, Die Ächtung des Krieges, S. 7; von Liszt, Utopie oder Programm?, S. 1; Du Pasquier, Völkerbund und internationale Erziehung, S. 12; Baldoni, La Societa delle Nazioni, S. 2. Rühlmann, Der Völkerbundgedanke, S. 5 ff., nennt in seiner Zusammenstellung der geistigen Grundlagen des Völkerbundes Kant an erster Stelle. 376 So beziehen sich von Liszt/Fleischmann, Das Völkerrecht, S. 388, auf Dubois und Saint-Pierre, nicht aber auf Kant. 377 Goedeckemeyer, Die Idee vom ewigen Frieden, S. 56ff. 378 Niemeyer, Der Völkerbundsentwurf der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, S. 18. 379 Rogge, Kants "Entwurf zum ewigen Frieden", S. 102. 380 Rogge, Nationale Friedenspolitik, S. 659. 381 Gallie, Philosophers of Peace and War, S. 9; Pfeil, Der Völkerbund, S. 32; Arrnstrong, Kant's Philosophy of Peace and War, S. 202; Seidl-Hohenveldem, Völkerrecht, S. 29; Waltz, Kant, Liberalism, and War, S. 331; Höffe, Völkerbund oder Weltrepublik?, S. 113f.; Steiger, Frieden durch Institution, S. 156. Frei, Kriegsverhütung und Friedenssicherung, S. 56, meint, die wesentlichen Elemente des Völkerbundes seien schon in Rousseaus Extrait aus dem Plan Saint-Pierres enthalten. 382 Wood, Kants Entwurf für einen ewigen Frieden, S. 72. 383 Beutin, Zur Geschichte des Friedensgedankens seit Immanuel Kant, S. 30. 384 So H. Schmidt, Ein bedenkenswertes Jubiläum, S. 23 f. 385 Hoor, Das Völkerrecht bei Kant, Fichte und Hege\, S. 87; ähnlich Schlochauer, Die Idee des ewigen Friedens, S. 43.

IV. Die Zeit des Völkerbundes

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sondern aus der Not der Kriege entstanden seien, ein Argument gegen den Vergleich mit den Ideen Kants. 386 Ipsen vertritt die Auffassung, der Völkerbund habe - anders als der Friedensbund bei Kant - nicht auf der Idee des Gesellschaftsvertrages beruht. 387 Nach Kambartel soll sich vor dem Hintergrund der Friedensschrift als ein Problem des Völkerbundes darstellen, daß er nicht nach der moralischen Legitimation der Staaten gefragt habe. 388 Damit setzt Kambartel eine Ansicht bei Kant voraus, die in der Interpretation der Friedensschrift nicht bestätigt werden kann: Mit der Voraussetzung "freier Staaten" im zweiten Definitivartikel zielte Kant auf die Freiwilligkeit des Zusammenschlusses, nicht auf die Eigenschaft als republikanisch verfaßte Staaten. Wilson betonte im August 1919 in einer Rede vor dem Senat, der Völkerbund sei "a League of free independent peoples all over the world,,389. Ob Wilson damit dasselbe meinte wie Kant mit den freien Staaten, läßt sich nicht mit Sicherheit nachweisen, es liegt aber nahe, da es sich bei den Staaten, die nach den Vorstellungen Wilsons Mitglieder des Völkerbundes werden sollten, jedenfalls nicht nur um demokratische Rechtsstaaten, also auch nicht um Republiken im Sinne Kants handelte. Die Behauptung oder die Verneinung der Übereinstimmung des Völkerbundes mit den Vorschlägen Kants sind problematische Aussagen dahingehend, daß Kant in der Friedensschrift nur das unerreichbare Ideal, den Weltstaat, und den ersten Schritt in diese Richtung, den Friedensbund, darstellt. Gleichwohl ist ein solcher Vergleich erforderlich, um festzustellen, ob die Befassung mit Kant im Rahmen der Entstehungsphase auch Konsequenzen hinsichtlich konkreter Inhalte nach sich zog. Übereinstimmungen mit dem Modell Kants könnten zwar seinen Einfluß nicht beweisen, sondern nur nahelegen, Abweichungen in entscheidenden Fragen könnten aber zeigen, daß keine bedeutende inhaltliche Wirkung bestand. Art. 10 S. 1 der Satzung des Völkerbundes enthält jene beiden Elemente, die auch Gegenstand des Friedensbundes sind: den gegenseitigen Gewaltverzicht, wenn auch beschränkt auf Achtung der territorialen Unversehrtheit und der politischen Unabhängigkeit, und die Verpflichtung zum Beistand gegen äußere Angreifer. 390 Allerdings bedeutete der Völkerbund keinen bedingungslosen Verzicht auf Gewaltanwendung. Die Kriegführung wurde 386 Knapp, Die Vereinten Nationen und das Problem des friedlichen Wandels, S.266. 387 Ipsen, Ius gentium - ius pacis, S. 294. 388 Kambartei, Kants Entwurf und das Prinzip der Nichteinmischung, S. 243. 389 Wilson, in: Foley, Woodrow Wilson's Case for the League of Nations, S. 64. 390 Kimminich, Das Problem der Friedenssicherung im Völkerrecht des 20. Jahrhunderts, S. 327, bezeichnet den Völkerbund als das erste Sytem kollektiver Sicherheit. 12 Hackel

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

zwar durch vorher zu durchlaufende Verfahren nach Art. 12 ff. erheblich erschwert, letztlich konnte aber ein Krieg geführt werden, da sich die Staaten in Art. 15 Abs. 3 das Recht vorbehielten, "die Schritte zu tun, die sie zur Wahrung von Recht und Gerechtigkeit für nötig erachten". Damit stellt der Völkerbund zwar noch keine vollständig der Idee des ursprünglichen Vertrages entsprechende Organisation dar. Denn das setzt eine umfassende Monopolisierung des Gewaltanwendungsrechts voraus. Daß der Völkerbund den Verteidigungskrieg nicht verbot, läßt sich aber nicht als Argument für einen Widerspruch zu den Vorschlägen Kants anführen: Da der Völkerbund nicht über eine eigene Durchsetzungsmacht verfügte, die die Verteidigung der Staaten hätte übernehmen können, konnte er den Staaten die Gewaltanwendung zu diesem Zweck gar nicht verbieten. So ist es nicht verwunderlich, daß auch die Pazifisten lange Zeit von der Zulässigkeit des Verteidigungskrieges ausgingen?91 Weiter enthält die Satzung viele Regelungen, die schon Kant gefordert hatte, wie etwa eine Rüstungsbegrenzung in Art. 8. Um Geheimverträge zu unterbinden, knüpfte Art. 18 die Verbindlichkeit völkerrechtlicher Verträge an die Eintragung beim Sekretariat, das die Verträge zu veröffentlichen hatte. Rogge bringt diese Vorschrift mit dem vierten Präliminarartikel in Verbindung. 392 Näher liegt freilich die Parallele zum Grundsatz der Publizität. Da der Friedensbund keine Zwangsmaßnahmen kennt, geht der Völkerbund mit der Möglichkeit wirtschaftlicher und auch militärischer Sanktionen nach Art. 16 über ihn hinaus. Dabei handelt es sich nicht bloß um eine Reaktion der anderen Staaten aus eigener Initiative; sie sind vielmehr zum Abbruch der wirtschaftlichen Beziehungen Kraft Völkerbundsrechts verpflichtet. Gegen die These, der Völkerbund sei eine Organisation im Sinne der Friedensschrift könnte man anführen, diese Sanktionen seien ein Verstoß gegen das Einmischungsverbot des fünften Präliminarartikels, der nach der vorgelegten Interpretation auch wirtschaftlichen Druck erfaßt. Mit der Zustimmung zur Völkerbundssatzung haben die Staaten sich jedoch mit solchen Maßnahmen einverstanden erklärt. Damit ist in diesem Bereich ein erster Ansatz zu einem ursprünglichen Vertrag entstanden, dem freilich noch wesenliche Elemente fehlen?93 Der Völkerbund ist also mehr als nur ein Friedensbund. Es handelt sich um einen weiteren Schritt in Richtung auf den Weltstaat. Die Bezugnahme auf Kant kann als inhaltlich berechtigt angesehen werden. Vgl. Wehberg, Die Ächtung des Krieges, S. 9. Rogge, Nationale Friedenspolitik, S. 454. 393 SchloUer, Zivilisierungsprojekt Europa?, S. 156, spricht von einer Vorfonn der Integration. 391

392

IV. Die Zeit des Völkerbundes

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Insgesamt läßt sich in Verbindung mit dem Völkerbund eine intensive Befassung mit der Friedensschrift beobachten. So wirkten sich bei der Entstehung des Völkerbundes die Gedanken Kants vor allem über den Einfluß Wilsons aus. In der die Gründung des Völkerbundes begleitenden Debatte spielte die Friedensschrift ebenso eine Rolle wie in der zeitgenössischen und der späteren Betrachtung der ideengeschichtlichen Grundlagen des Völkerbundes. Nach der wirkungslosen Diskussion der Friedensfreunde im 19. Jahrhundert und der nur begrenzt erfolgreichen politischen Bemühungen um die Jahrhundertwende kann damit erstmals eine Wirkung der Ideen Kants auch auf das positive Völkerrecht festgestellt werden.

S. Kriegsvermeidung durch Recht Das Verbot des Krieges

Die Völkerbundssatzung erschwerte zwar die Kriegführung, enthielt aber kein generelles Kriegsverbot. Einen weiteren Versuch zur Eingrenzung der Kriegsmöglichkeiten stellte das Genfer Protokoll vom 2. Oktober 1924 dar, das jedoch nicht in Kraft trat. 394 Es sah neben dem Verbot des Angriffskrieges 395 ein gegenüber der Völkerbundssatzung komplexeres Verfahren zur Streitbeilegung, das auch eine internationale Schiedsgerichtsbarkeit beinhaltete, und die Möglichkeit militärischer Sanktionen vor. Zudem sollten sich die Staaten zum gegenseitigen Beistand verpflichten. 396 Vorbereitet durch einen Notenwechsel zwischen dem amerikanischen Außenminister Kellogg und seinem französischen Amtskollegen Briand397 kam am 27. August 1928 der Vertrag über die Ächtung des Krieges zustande. 398 Er enthält in seinem Art. I erstmals das grundsätzliche Verbot des Krieges als Mittel der Politik?99 Zudem sollte der Krieg nicht mehr als Mittel zur Austragung rechtlicher Streitigkeiten dienen. 4OO Allerdings wurde der Krieg nur als Mittel nationaler Politik verboten, nicht auch als Maßnahme einer Internationalen Organisation. 401 394 V gl. Knipping, Das System der Vereinten Nationen und seine Vorläufer, Band 11, S. 1145. m Dazu Wehberg, Die Ächtung des Krieges, S. 41. 396 Vgl. von der Heydte, in: Strupp/Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Band 1, S. 653. 397 Der Text der Noten ist abgedruckt bei Lysen, Le Pacte Kellogg, S. 19 ff. 398 Zur Entstehung des Paktes vgl. auch Wehberg, Die Ächtung des Krieges, S. 96ff. 399 Vgl. Bothe, Das Gewaltverbot im allgemeinen, S. 14; Kimminich, Das Problem der Friedenssicherung im Völkerrecht des 20. Jahrhunderts, S. 324. 400 Vgl. Schlochauer, Die Idee des ewigen Friedens, S. 44f. 401 Vgl. Wehberg, Die Ächtung des Krieges, S. 129.

12·

180

D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

Armstrong behauptet, der Kellogg-Pakt sei häufig mit den Vorschlägen Kants verglichen worden. 402 In der zeitgenössischen Literatur finden sich aber kaum Aussagen, die auf Kant in der Frage des Verbots des Krieges Bezug nehmen. Rogge hielt militärische Sanktionsmaßnahmen für ungeeignet und berief sich in der Argumentation, Strafkriege seien verboten, auf Kant und Bismarck. 403 Eine wesentliche Bedeutung der Friedensschrift für die Frage des Kriegsverbotes läßt sich nicht feststellen. 6. Bezugnahmen auf die Friedensschrift in einzelnen politischen Fragen

Auch in der Zeit des Völkerbundes bedienten sich Autoren einzelner politischer Vorschläge der Friedensschrift als Beleg für ihre Ansicht. Halle forderte unter Berufung auf den Anhang der Friedensschrift, daß die Außenpolitik sich nicht an den Interessen der Staaten, sondern am Recht orientieren müsse. 404 Unter Verweis auf den zweiten Definitivartikel und Kants Ausführungen über den Handelsgeist schlug Halle zudem die Gründung eines Weltbankvereins zur Organisation des Weltmarktes vor. 405 Zum einen sind solche Bezugnahmen auf Kant ein weiterer Beleg für die Beobachtung, daß sein Name immer wieder eingesetzt wurde, um die Bedeutung politischer Vorschläge zu untermauern. Zum anderen wird daran deutlich, daß die Autoren davon ausgingen, die Friedensschrift sei so bekannt, daß sie sich für einen derartigen Gebrauch eigne. 7. Zwischenergebnis: Die Friedensschrift in der Zeit des Völkerbundes

Nach dem Ersten Weltkrieg kam es zu einer regelrechten Welle von Veröffentlichungen über die Friedensschrift. Die Äußerungen bezogen sich auf den Völkerbund und unmittelbar damit zusammenhängende Fragen. Trotz des engen inhaltlichen Zusammenhangs mit der Ausgestaltung des Völkerbundes findet die Friedensschrift demgegenüber in der allgemeinen Debatte um die Durchsetzung des Völkerrechts nur wenig und hinsichtlich des Verbots des Krieges nahezu keine Beachtung. Insgesamt läßt sich die Zeit des Völkerbundes als eine dritte Phase verstärkter literarischer Auseinandersetzung mit der Friedensschrift nach der "deutschen Diskussion um 1800" und den Publikationen der Friedensbewegung qualifizieren. Zugleich handelt es 402

403 404

40S

Arrnstrong, Kants Philosophy of Peace and War, S. 202. Rogge, Nationale Friedenspolitik, S. 644. Halle, Neue Weltpolitik, S. 31. Halle, Neue Weltpolitik, S. 51.

V. Die Zeit des Kalten Krieges

181

sich um den ersten Fall einer feststellbaren Wirkung der Friedensschrift auch im Zusammenhang mit der Entwicklung des positiven Völkerrechts.

v. Die Zeit des Kalten Krieges Die internationale Politik in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum Zerfall der Sowjetunion 1991 war durch den Gegensatz der unter Führung der "Supermächte" zu Machtblöcken zusammengeschlossenen Staaten mit ähnlicher weltanschaulicher Orientierung gekennzeichnet. 406 Zunehmende Bedeutung erlangte in diesem Kalten Krieg die technologische Verbesserung der Kriegsmittel, insbesondere die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen. Die Diskussionspunkte der internationalen Politik wurden durch die gegenseitige Abschreckung der hochgerüsteten Bündnisse in Ost und West vorgegeben. Schieflagen dieses labilen Gleichgewichts entluden sich immer wieder in militärischen Auseinandersetzungen, die stellvertretend durch dritte Staaten oder innerhalb dieser ausgetragen wurden. Für das Völkerrecht ergab sich aus der politischen Situation des Kalten Krieges die Herausforderung, wirkungsvollere Methoden zur Beschränkung der Kriegsmittel und zur Konfliktbewältigung zu entwickeln. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es in der Folge der Entkolonisierung zu einem Aufstieg der sogenannten "Dritten Welt,,.407 Die Differenzen dieser Staaten mit den ehemaligen Kolonialmächten sind charakteristisch für den als Nord-Süd-Konflikt bezeichneten zweiten Gegensatz in der Weltpolitik der Nachkriegszeit, der auch nach dem Wegfall des Ost-West-Gegensatzes noch nicht aufgehoben ist. Im Zeitalter des Kalten Krieges nahm die Verrechtlichung der internationalen Beziehungen zu. Damit verbunden war eine Institutionalisierung durch Internationale Organisationen. 408 Mit den Vereinten Nationen ist erstmals eine Basis für eine nahezu alle Staaten umfassende internationale Rechtsordnung entstanden. Die internationalen Rechtsbeziehungen beruhten anders als in früheren Epochen nicht auf einem Friedensvertrag, der dem Recht der neuen Epoche seine charakteristische Prägung gab. 409 Für die Untersuchung der Wirkung philosophischer Entwürfe sind auch Änderungen in den Sozialwissenschaften von Bedeutung. Zum einen war 406 Diese historische Einteilung schägt auch Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 264, vor. 407 Vgl. Grewe, Über den Gesamtcharakter der jüngsten Epoche der Völkerrechtsgeschichte, S. 304. 408 Vgl. Klein, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, S. 273. 409 Vgl. Grewe, Über den Gesamtcharakter der jüngsten Epoche der Völkerrechtsgeschichte, S. 301.

182

D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

neben die Philosophie als Einflußfaktor auf die völkerrechtliche Diskussion schon während der Völkerbundszeit die Politologie getreten. Im Zuge ihrer Entwicklung vor allem nach. dem Zweiten Weltkrieg konnte die Politologie auch Themen besetzen, die früher Gegenstand der Sozialphilosphie gewesen waren, und begann, die Philosophie in ihrer Beachtung durch die Völkerrechtslehre zurückzudrängen. Das läßt erwarten, daß auch die Friedensschrift in geringerem Maße in die Debatte eingebracht wurde. Zum anderen wirkte sich der Ost-West-Gegensatz auch auf die Wissenschaft aus, die dazu neigte, der herrschenden Ideologie ihres "Blockes" zu folgen. Neben schon in früheren Epochen diskutierten Aspekten wie der souveränen Gleichheit der Staaten, die mit Art. 2 Nr. 1 UN-Charta eine Positivierung erfuhr, wurden von den Problemkreisen, die in der völkerrechtlichen Debatte eine Rolle spielten, unter Bezugnahme auf die Friedensschrift vor allem das Interventionsverbot und die Individualrechte des Völkerrechts erörtert. Zudem verglich man die Vorschläge des zweiten Definitivartikels immer wieder mit den Internationalen Organisationen. Die völkerrechtliche Diskussion zu vielen Themen brach mit dem Ende des Kalten Krieges nicht ab, so daß bis heute immer wieder neue Beiträge erscheinen. 1. Frieden als Rechtsbegriff des Völkerrechts

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg häuften sich die Stimmen, die den Frieden als Begriff des Völkerrechts einzuführen versuchten. Angesichts der vielen völkerrechtlichen Texte, die den Namen Kants erwähnen, könnte man erwarten, daß der Frieden innerhalb der letzten zweihundert Jahre zu einem Rechtsbegriff des Völkerrechts geworden ist. Zu einem Grundbegriff des Rechts scheint sich der Frieden aber nicht entwickelt zu haben. Im Wörterbuch des Völkerrechts von Strupp/Schlochauer aus dem Jahre 1960 werden zwar ,,Friedensbedrohung", "Friedensbesetzung", "Friedensbewegung" etc. erwähnt; der Friede selbst wird aber nicht behandelt. Auch im 1992 in zweiter Auflage erschienenen Lexikon des Rechts von Seidl-Hohenveldern taucht der Begriff nicht als eigenständiges Stichwort auf. Besprochen werden zum Beispiel Kriegsbegriff, Gewaltverbot und Streitbeilegung. Höffe stellt fest, daß es auch in der Philosophie keinen allgemein anerkannten Friedensbegriff gebe. 4 \O Es gilt zwar als das Verdienst Kants, für die Erörterung des Friedens, und nicht nur des Krieges, den Anstoß gegeben zu haben. 411 Dennoch werden Fragen der Internationalen Beziehungen und insbesondere des Friedens in der Sozialphilosophie in weit geringerem Ausmaß erörtert als andere Themen 412 , weshalb sich von Höffe, Immanuel Kant: Zum ewigen Frieden, S. l. Vgl. Gallie, Wanted: A Philosophy of International Relations, S. 484; Frings, Zur Idee des Friedens bei Kant und Max Scheler, S. 85 f. 410

411

V. Die Zeit des Kalten Krieges

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dieser Seite keine entscheidenden Impulse für das Völkerrecht erwarten lassen. Die geringe Bedeutung des Friedensbegriffes für das Völkerrecht läßt sich verstehen, wenn man - wie Kant413 - den Frieden negativ als Abwesenheit von Krieg definiert. Das Völkerrecht geht heute vom Friedensbegriff in Art. 2 IV UN-Charta aus. 414 Danach ist Frieden die Abwesenheit von organisierter Gewaltanwendung. 415 Graf Vitztum spricht von einem "formellen" Friedensbegriff. 416 Mit dieser negativen Definition kann der Friedensbegriff gegenüber dem des Krieges keine eigenständige Bedeutung erlangen. In der völkerrechtlichen Literatur wird zwar auch ein positiver Friedensbegriff diskutiert. Als Beispiele für Inhalte des positiven Friedens werden Gerechtigkeit, Entwicklungshilfe, Kooperation, Vertrauen und Rechtssicherheit genannt. 417 Eine umfassende Definition des positiven Friedensbegriffs ist nicht möglich 418 ; die Liste der einzelnen Forderungen eines positiven Friedens ließe sich beliebig verlängern. Gegen einen umfassenden positiven Friedensbegriff wird auch der Einwand mangelnder Realisierbarkeit erhoben. 419 Ein Konsens über die einzelnen Forderungen eines positiven Friedens dürfte nicht erzielbar sein. Wenn auch der Frieden im Völkerrecht nicht den Status eines Rechtsbegriffs erlangt hat, so besteht doch Einigkeit darüber, daß der Frieden das Ziel des Rechts ist. 42o Obwohl man hier inhaltlich an Kant anknüpfen könnte, für den der Frieden das Ziel der Entwicklung des Rechts darstellt, sind solche Bezugnahmen nicht in dem erwarteten Maße festzustellen. Daß der Begriff des Friedens keine überragende Bedeutung für das Recht erlangt hat, kann auch auf die Freiheitsorientierung des Rechts zurückge412 Vgl. Hassner, Bürger und Barbar, S. 16; Höffe, Der Friede - ein vernachlässigtes Ideal, S. 27; Zahn, Kants Theorie des Friedens, S. 509. 413 Zu Recht nennt Randelzhofer, Der nonnative Gehalt des Friedensbegriffs, S. 13, Kant nicht unter den als Vertretern des positiven Friedensbegriffs zitierten Philosophen. Kant entwickelt zwar eine positiv fonnulierte Definition des Friedens. Für ihn bedeutet positiver Friede aber Sicherheit durch Recht im Gegensatz zur bloß zufälligen Abwesenheit von Gewalt. Materielle Inhalte spielen dagegen bei Kant keine Rolle. 414 Vgl. Randelzhofer, Der nonnative Gehalt des Friedensbegriffs, S. 22. 415 Vgl. Bothe, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, S. 611. 416 Graf Vitzthum, Krieg und Frieden im Völkerrecht, S. 14. 417 Vgl. Graf Vitzthum, Friedlicher Wandel durch völkerrechtliche Rechtsetzung, S.125. 418 So auch Randelzhofer, Der nonnative Gehalt des Friedensbegriffs, S. 17. 419 Vgl. Vasquez, Frieden und Krieg nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, S. 64, FN. 1. 420 Vgl. Kimminich, Innerstaatliche und internationale Friedensordnung, S. 163; Bothe, Friedensbegriff im Verfassungs- und Völkerrecht, S. 187.

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

führt werden. So könnte ein umfassender positiver Frieden, der mit Forderungen nach materieller Gleichheit verbunden ist, eine Beeinträchtigung der Freiheit zur Folge haben. von Simson fordert aus diesem Grunde, die Ordnung müsse auf das für den Frieden notwendige Mindestmaß beschränkt werden, wenn die Freiheit nicht zerstört werden solle.42I Insbesondere in der Politik wird die Freiheit oft für wichtiger gehalten als der Frieden. So lautete das Motto des griechischen Befreiungskampfes gegen die Türken "Freiheit oder Tod", und nicht etwa "Frieden". Solchen Alternativen setzte Kant das Bild des ewigen Friedens auf dem Kirchhof entgegen. Als für die Zeit des Kalten Krieges typisches Beispiel mag eine Aussage von Helmut Kohl dienen: "Die CDU hat immer dafür eingestanden, daß die Freiheit der westlichen Welt vor Frieden [... ] gehen muß.,,422

Im Ergebnis läßt sich sagen, daß, obwohl Kant von einem negativen Friedensbegriff ausgeht, der weitgehend dem des Völkerrechts entspricht, und den Frieden vor allem als Ziel der Entwicklung des Rechts sieht, die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Debatte um den Friedensbegriff keine Rolle spielt. 2. Das Selbstbestimmungsrecht

Die Selbstbestimmtheit des Staates ist Voraussetzung seiner Eigenschaft als moralische Person. Daher können bei Kant nur "freie" Staaten den Friedensbund bilden. Die Möglichkeit der Selbstbestimmung wird durch den zweiten und fünften Präliminarartikel geschützt. Auf diese Vorbedingungen des Friedens wird in der völkerrechtlichen Literatur im Zusammenhang mit unterschiedlichen Ausprägungen des Selbstbestimmungsrechts Bezug genommen. Vor allem in der Diskussion des Interventionsverbots findet die Friedensschrift Erwähnung, daneben auch im Zusammenhang mit dem Sezessionsrecht. a) Interventionsverbot

Das Interventionsverbot hatten schon Wolff und Vattel entwickelt; es fand im 18. Jahrhundert allgemeine Anerkennung. 423 Das im fünften Präliminarartikel enthaltene Verbot der Einmischung in innere Angelegenheiten war also kein neuer Gedanke; im Kontext der Definitivartikel erscheint es freilich in einer anderen Perspektive, aus der es sich als Voraussetzung der 421 422

S.96. 423

von Simson, Die Verteidigung des Friedens, S. 17. Zitiert nach Kaufmann, Gerechtigkeit - Der vergessene Weg zum Frieden, Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 573.

V. Die Zeit des Kalten Krieges

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Möglichkeit der Vereinbarung eines dauerhaften Friedens darstellt. Die Völkerrechts lehre begründet das Interventionsverbot als Abwehrrecht der Staaten mit ihrem Selbstbestimmungsrecht. 424 Das Interventionsverbot beinhaltet nicht nur das Verbot der Einmischung durch einzelne Staaten; Art. 2 Nr. 7 UN-Charta schützt auch vor Eingriffen durch die Staatengemeinschaft. Im Englischen Zeitalter scheiterten Versuche, einzelne Fälle des Interventionsrechts zu etablieren. 425 Auf dem 1850 in Frankfurt von den Friedensfreunden veranstalteten Friedenskongreß wurde die Frage des Interventionsrechts auch mit Blick auf die Thesen Kants erörtert.426 Die Diskussion um mögliche Ausnahmen vom Interventionsverbot dauert bis heute an. In diesem Zusammenhang finden sich immer wieder Bezugnahmen auf die Friedensschrift. Gassenmeier betont die Aktualität der Theorie Kants für die Erörterung des Interventionsverbots. 427 Manche Stimmen wollen der Friedensschrift Argumente für ein Interventionsrecht entnehmen. Hierher gehört insbesondere die oben bereits kritisierte Interpretation der Friedensschrift, die ein Spannungsverhältnis zwischen erstem Definitivartikel und fünftem Präliminarartikel sieht, das zu Gunsten des ersten Definitivartikels zu lösen sei. So meint Tes6n, die sich aus dem kategorischen Imperativ ergebenden Rechte der Individuen müßten auch vor dem Staat geschützt werden. Daher gebe es ein Recht auf humanitäre Intervention gegenüber nicht republikanischen Staaten. 428 Ähnlich argumentiert Schilling, der unter Verweis auf die Menschenwürde ein Interventionsrecht zugestehen will und sich dabei ausdrücklich auf Kant beruft. 429 Schilling räumt immerhin ein, daß Kant das Interventionsverbot bekannt gewesen sei. 430 Anders begründet Kambartel das Interventionsrecht gegenüber nicht republikanisch verfaßten Staaten: Das Prinzip der Nichteinmischung könne nur gegenüber republikanischen Staaten gelten, da die übrigen nicht zum Frieden neigten. 431 Eine ähnliche Argumentation findet sich bei Zanetti, die allerdings nicht auf die Friedensschrift Bezug nimmt: Staaten, die die Menschenrechte gegenüber ihren eigenen Bürgern nicht beachteten, setzten sich der Vermutung aus, das auch nach außen nicht tun zu wollen. 432 424 Vgl. Doehring, Selbstbestimmungsrecht und Intervention dritter Staaten, S. 43. Vgl. auch Brunkhorst, Paradigmenwechsel im Völkerrecht?, S. 262. 425 Grewe, Epochen der Völkerrechtsgeschichte, S. 573 f. 426 Vgl. Verhandlungen des dritten allgemeinen Friedenscongresses, S. 50ff. 427 Gassenmeier, Edmund Burke und die Entstehung des Konservatismus, S. 59. 428 Tes6n, The Kantian Theory of International Law, S. 92 f. 429 Schilling, Zur Rechtfertigung der einseitigen gewaltsamen humanitären Intervention, S. 432. 430 Schilling, Zur Rechtfertigung der einseitigen gewaltsamen humanitären Intervention, S. 435. 431 Kambartei, Kants Entwurf und das Prinzip der Nichteinmischung, S. 247 f.

186

D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

Schon weil die Präliminarartikel Voraussetzung der Möglichkeit eines Friedens sind, ist es verfehlt, die Geltung des fünften Präliminarartikels an die Erfüllung des ersten Definitivartikels knüpfen zu wollen. Zudem steht eine solche Verknüpfung des fünften Präliminarartikels mit dem ersten Definitivartikel im Widerspruch zum Leitgedanken der Friedensschrift, sich dem ewigen Frieden durch Entwicklung des Rechts im Wege der Reform anzunähern, weil sie nicht beachtet, daß auch ein Recht, das dem Ideal nicht vollständig entspricht, Ansätze zu dessen Verwirklichung enthält, und damit jedes positive Recht in Frage stellt. Brunkhorst beobachtet in der Völkerrechtspraxis einen Wechsel von einer strikten Geltung des Interventionsverbotes hin zu einer sich einmischenden Menschenrechtspolitik. So etwas könne, wenn man "Kant über Kant hinaus in die Gegenwart" interpretiere, nur demokratisch organisiert werden. 433 Damit ist die Frage aufgeworfen, ob das Interventionsverbot zu den Regelungen gehört, die auf dem Weg vom Friedensbund zum Weltstaat aufgegeben werden müssen. Schon Zachariä meinte - ohne sich dabei auf Kant zu beziehen, aber in der Argumentation an den zweiten Definitivartikel erinnernd -, in einem Völkerstaat müsse es eine Interventionsmöglichkeit geben; das entspreche der Beschränkung der Freiheit des einzelnen Menschen durch den Staat.434 Der Völkerstaat Zachariäs ist ein bundesstaatliches Modell, in welchem die Staaten ihre Selbständigkeit in inneren Angelegenheiten behalten, in auswärtigen dagegen verlieren. 435 Eine vollständige Trennung von inneren und äußeren Angelegenheiten ist aber in der Praxis gar nicht möglich: Die Entscheidung über das Verhalten zu anderen Staaten ist ein innerer Vorgang, das Verhalten selbst ein äußerer. Wenn die Möglichkeiten des Verhaltens nach außen beschränkt werden, wirkt sich das auch auf den inneren Entscheidungsprozeß aus, da ein Teil der an sich möglichen Entscheidungen gegenstandslos würde. An irgendeinem Punkt in der Entwicklung vom Friedensbund zum Weltstaat muß daher das Interventionsverbot in seiner strikten Fassung aufgegeben werden. Nach der Idee des ursprünglichen Vertrages müßten die Staaten das Abwehrrecht gegen Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten aufgeben. Die Frage, ob dafür Freiwilligkeit erforderlich ist oder ob die Staaten einander in den Rechtszustand zwingen dürfen, wurde von Kant in der Friedensschrift im ersten Sinne entschieden. Wenn die Unterwerfung unter ein öffentliches Recht nur freiwillig erfolgen kann, so kann nicht bei fehlender Unterwerfung die Intervention erlaubt sein. Daher ist die Bezugnahme auf Kant für die Begründung eines Interventionsrechts nicht berechtigt. Demgegenüber 432 433 434

435

Zanetti, Ethik des Interventionsrechts, S. 301. Brunkhorst, Paradigmenwechsel im Völkerrecht?, S. 260. Zachariä, Vierzig Bücher vom Staate, Band 5, S. 167. Zachariä, Vierzig Bücher vom Staate, Band 5, S. 168 ff.

V. Die Zeit des Kalten Krieges

187

kann die Friedensschrift im Rahmen der Darlegung der moralischen Erforderlichkeit der freiwilligen Vereinbarung eines Interventionsrechts herangezogen werden. Eine andere Konsequenz aus der strikten Ablehnung des Interventionsrechts durch Kant zieht Herdegen. Er meint, aus Sicht des modernen Völkerrechts komme Kants Friedensschrift wegen des Einmischungsverbotes nicht als Maßstab in Betracht. 436 Dem kann nicht beigepflichtet werden: Auch wenn die Staaten zu einer entsprechenden Vereinbarung tatsächlich nicht bereit sind, wird dadurch die Idee der Weltrepublik nicht hinfällig. Das von Kant herausgearbeitete Ziel des Weltstaates bleibt unberührt. Herdegen legt seiner Ansicht zwar die korrekte Interpretation des Völkerrechts im Zustand des Friedensbundes zugrunde, übersieht aber die Chancen, die sich in dem für Fortschritte in der Entwicklung des Rechts offenen Modell Kants ergeben. Auch konkrete politische Vorgänge werden an den Präliminarartikeln gemessen. Höffe meint, der fünfte Präliminarartikel sei verletzt worden durch die Eingriffe der UdSSR im Jahre 1953 in Berlin, 1956 in Budapest und 1968 in Prag und der USA 1989 in Panama und 1994 auf Haiti. 437 Vulfsons bemerkt, die Sowjetunion habe durch das Verhalten gegenüber den baltischen Staaten den zweiten Präliminarartikel verletzt. 438 Als Zwischenergebnis ist festzustellen, daß die Friedensschrift in die Diskussion um das Prinzip der Nichteinmischung und das Interventionsrecht eingebracht wird. Zum Teil werden den Bezugnahmen auf Kant Interpretationen zugrunde gelegt, die im Widerspruch zu seinen Thesen stehen. b) Sezessionsrecht

In der Erläuterung des fünften Präliminarartikels diskutiert Kant im Kontext der Frage, wann ein Staat vorliege, in dessen innere Angelegenheiten eine Einmischung unzulässig sei, Aspekte, die heute unter dem Gesichtspunkt des Sezessionsrechts erörtert werden. Wollte man aus der gewaltsamen Aneignung eines Staates oder sonst einem Verstoß gegen den zweiten Präliminarartikel ein Sezessionsrecht folgern, wäre ein Krieg zu befürchten. Kant sah für solche Fälle Erlaubnisgesetze vor, um die Selbstbestimmung auf dem Wege von Reformen zu erreichen. Das in der Friedensschrift entwickelte Konzept schließt also ein Recht auf Abspaltung sogar aus. Gallie vertritt die Ansicht, Kant ignoriere die Notwendigkeit, daß die Staatengemeinschaft sich des Sezessionsrechts annehmen müsse. 439 Aus Sicht der 436 437 438 439

Herdegen, Die Befugnisse des UN-Sicherheitsrates, S. 41. Höffe, Die Vereinten Nationen im Lichte Kants, S. 256. Vulfsons, Kant und die aktuellen Probleme des Baltikums, S. 135. Gallie, Wanted: A Philosophy of International Relations, S. 486.

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

Philosophie Kants kann das Sezessionsrecht aber gar nicht Gegenstand des Völkerrechts sein, weil es die Existenz von Staaten als Vorbedingung des Völkerrechts betrifft. Kants Ansatz kann Aufschluß darüber geben, wann der abgespaltene Teil eines Staates als neuer Staat zu behandeln ist und sich damit auch auf die einem Staat zukommenden Rechte berufen kann. Da sich die Rechte des Staates nach der Idee des ursprünglichen Vertrages aus der Funktion des Staates ergeben, kann als Kriterium die Frage dienen, ob schon eine Rechtsgemeinschaft vorliegt. Die Bedingungen für die Anerkennung von Staaten, die der Ministerrat der Europäischen Gemeinschaften am 16. Dezember 1991 festlegte 44o, kommen dem nahe, wenn sie auch mit der Voraussetzung rechtsstaatlicher und demokratischer Strukturen in zusätzlichem Maße eine Entsprechung mit der Idee des ursprünglichen Vertrages verlangen. Statt auf das durch die Abspaltung entstehende Gebilde zu sehen, konzentriert sich die Völkerrechts lehre auf die Voraussetzungen, unter denen ein Sezessionsrecht zugestanden werden soll. Doehring meint, unterdrückten Minderheiten könnte bei besonders brutaler Unterdrücklung ein Sezessionsrecht zustehen. 441 Scherrer hält dagegen ein rechtliches Kriterium für erforderlich; als Beispiele nennt er Menschenrechtsverletzungen oder Diskriminierungen als Voraussetzung eines Sezessionsrechts.442 Thürer sieht das Selbstbestimmungsrecht durch das übergeordnete Ziel des Friedens eingeschränkt. 443 Ein Sezessionsrecht solle nur bestehen, wenn ein Staat gezielt gegen eine Bevölkerungsgruppe vorgehe. 444 Hailbronner gebraucht das Kriterium, ob die Auflösung eines Staates friedlich erfolge. 445 Im Ergebnis wird Kants Beitrag zur Frage des Sezessionsrechts von der Völkerrechtslehre nicht aufgegriffen. Statt dessen wird ein grundlegend anderer Ansatz verfolgt, der zwar auf die schnellere Erreichung eines selbstbestimmten Zustands zielt, dafür aber Gewaltanwendung riskiert. Die Bedeutung der Friedensschrift für die Diskussion des Selbstbestimmungsrechts stellt sich zweigeteilt dar: Während in der Erörterung des Interventionsverbotes eine Auseinandersetzung mit der Friedensschrift stattfindet, wird sie in der Frage des Sezessionsrechts weitgehend ignoriert.

440 441 442 443 444 445

Dazu Hailbronner, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, S. 228. Doehring, Selbstbestimmungsrecht und Intervention dritter Staaten, S. 47. Scherrer, Selbstbestimmung statt Fremdherrschaft, S. 270. Thürer, Das Subjekt des Selbstbestimmungsrechts, S. 33. Thürer, Das Subjekt des Selbstbestimmungsrechts, S. 36. Hailbronner, in: Graf Vitzthum, Völkerecht, S. 215.

V. Die Zeit des Kalten Krieges

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3. Individualrechte und Völkerrecht

Im Zusammenhang mit den Menschenrechten und anderen Individualrechten wird die Friedensschrift häufig erwähnt. Die Bezugnahme erfolgt entweder unter dem Aspekt der Begründung oder zum Zweck der Inhaltsgewinnung. Vereinzelt finden sich Hinweise auf die Friedensschrift auch bei Aussagen zur Frage der Durchsetzung der Menschenrechte. Aus der vertragstheoretischen Perspektive der Friedensschrift sind die heutigen Menschenrechte drittschützendes zwischenstaatliches Recht. Am völkerrechtlichen Charakter der Individualrechte hat die Universalisierung durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948 und die Regelungen des Flüchtlingsrechts nichts geändert. Die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte vom 4. November 1952 und deren Zusatzprotokolle sind ebenfalls dem Völkerrecht zuzuordnen. Wenn auch der Ursprung der Individualrechte zwischenstaatliche Vereinbarungen sind, so haben diese Vereinbarungen doch dazu geführt, daß einzelne Menschen anders als in früheren Epochen - auch im Völkerrecht partiell als Rechtssubjekte anerkannt werden. Verdross/Simma sprechen von einer Auflockerung der Mediatisierung des Menschen im Völkerrecht. 446 Die Menschenrechte werden als notwendiger Bestandteil einer allgemeinen Friedensordnung gesehen. Die Präambel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sieht diese als "Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt". Auch das Grundgesetz nimmt diesen Aspekt auf und bekennt sich in Art. 1 Abs. 2 zu den "Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt". Die völkerrechtlich vereinbarten Individualrechte werden immer wieder mit dem Weltbürgerrecht des dritten Definitivartikels verglichen. Bobbio sieht in den Menschenrechten eine Art Weltbürgerrecht im Sinne der Vorschläge Kants. 447 Archibugi meint, Kant könnte mit seinem Weltbürgerrecht die universale Erklärung der Menschenrechte antizipiert haben. 448 Ähnlich äußert sich Kleingeld über die Bestimmungen des Flüchtlingsrechts. 449 Schmidt sieht das Weltbürgerrecht Kants als geistige Grundlage des Asylund Flüchtlingsrechts. 45o

446 447 448 449 450

Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 39. Bobbio, The Age of Rights, S. 122. Archibugi, Immanuel kant e iI Diritto Cosmopolitico, S. 95. Kleingeld, Kants politischer Kosmopolitismus, S. 340. H. Schmidt, Ein bedenkenswertes Jubiläum, S. 24 f.

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

Eine andere Ansicht lehnt den Vergleich mit dem Weltbürgerrecht ab, weil dieses anders als die Menschenrechte kein Völkerrecht sei. 451 Der Ablehnung der Gleichsetzung der Individualrechte des positiven Völkerrechts mit dem Weltbürgerrecht ist zwar hinsichtlich der Entstehung dieser Rechte zuzustimmen. Dies wird zum Beispiel an Art. 1 EMRK deutlich, in dem die Unterzeichnersaaten den Menschen die Rechte zusichern. Der Gedanke des Vertrages zwischen Staaten und Individuen dient Kant aber nur zur Definition des Rechtskreises, in dem das Weltbürgerrecht gelten soll; er ist nicht einmallegitimationstheoretischer Ursprung des Weltbürgerrechts, denn anders als Staatsrecht und Völkerrecht ist das Weltbürgerrecht kein positives Recht. Wenn inhaltlich gleiche Regelungen, die Kant im dritten Definitivartikel mit der Natur des Menschen als vernünftigem Wesen begründet, von den Staaten vereinbart werden, können diese als auf der Idee eines ursprünglichen Vertrages von Staaten und Individuen beruhend gedacht werden. Dem widerspricht nicht, daß die positive Rechtsordnung zwischen Staaten und Individuen tatsächlich auf dem Wege zwischenstaatlicher Vereinbarungen zustande gekommen ist. Auch über das Problem, daß der Rechtskreis, in welchem die durch die Staaten vereinbarten Individualrechte gelten sollen, gegenüber dem Weltbürgerrecht um das Staatsrecht erweitert wird, kommt man hinweg: Die innerstaatliche Geltung der vereinbarten Individualrechte setzt wie bei jedem Völkerrecht einen Rechtsakt voraus, der sie für anwendbar erklärt oder in staatliches Recht umsetzt. Im Falle Deutschlands ist das für die Menschenrechte Art. 1 Abs. 2 GG. 452 Mit diesem Rechtsakt stimmen die Staaten der Geltung der vereinbarten Regeln für ihr eigenes Handeln und für die ihnen Unterworfenen zu. Gegen die Gleichsetzung könnte sprechen, daß Kant unter den Begriff des Weltbürgerrechts nicht jede Regelung der Beziehung zwischen Staaten und Menschen faßt. Das Weltbürgerrecht ist vielmehr als Minimalrecht ausgestaltet, nämlich "auf die Bedingungen der allgemeinen Hospitalität eingeschränkt", um die Rechtsentstehung nicht zu hemmen. Schon das dem Weltbürgerrecht seiner Intention nach noch recht ähnliche Flüchtlingsrecht wird im Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge aus dem Jahre 1951 über diese Minimalbedingungen hinaus ausgedehnt, wenn in Kapitel IV. soziale Ansprüche der Flüchtlinge normiert werden. In der Terminologie des dritten Definitivartikels ist das bereits ein "wohlthätiger Vertrag"453. Auch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte geht mit Art. 13 Nr. I, Covell, Kant and the Law of Peace, S. 184. Vgl. auch Kunig, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, S. 111, der zudem den Zusammenhang der Menschenrechte mit dem Friedensbegriff des Grundgesetzes betont. 453 Zum ewigen Frieden, VII, S. 358 (6). 451

452

V. Die Zeit des Kalten Krieges

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15 ff. über das Weltbürgerrecht hinaus. Hinzu kommt, daß die Menschenrechte sich nicht nur auf die Rechtsfragen richten, die mit dem Kontakt zu fremden Völkern verbunden sind. Gegen die von Kant behauptete Notwendigkeit einer Einschränkung des Weltbürgerrechts könnte man einwenden, sie bestehe nur in dem unvollkommenen Zustand, der sich aus der Entstehung mehrerer Staaten ergibt. Es stellt sich die Frage, ob nicht die Idee des Weltbürgerrechts entsprechend den Fortschritten in der Entwicklung vom Friedensbund in Richtung auf den Weltstaat erweitert werden darf oder gar muß. Nur unter dieser Annahme wären die Bezugnahmen auf den dritten Definitivartikel im Zusammenhang mit inhaltlich über das Weltbürgerrecht hinausgehenden durch die Staaten vereinbarten Individualrechten gerechtfertigt. Die Erweiterung des Weltbürgerrechts könnte allenfalls so weit gehen, daß die mit seiner Einschränkung verfolgten Ziele, die Aufrechterhaltung der Bereitschaft der Staaten zur Vereinbarung weiteren Völkerrechts einerseits und der durch die Notwendigkeit hierzu ausgeübte Druck andererseits, nicht vereitelt würden. Das Vernunftgebot weiterer Verrechtlichung bleibt auch bei fortschreitender Integration bestehen. Jede Erweiterung des Weltbürgerrechts würde die Entstehung neuen Völkerrechts negativ beeinflussen. Zudem bedarf es auch keiner Erweiterung, weil entsprechende Regelungen im Völkerrecht vereinbart werden könnten. Kant wendet sich im dritten Definitivartikel nicht gegen zusätzliche Regelungen in dem Rechtskreis, für welchen das Weltbürgerrecht die Minimalbedingungen aufstellt; er begrenzt nur das aus der Natur des Menschen folgende Besuchsrecht. Der Vergleich mit dem Weltbürgerrecht kann danach nur den politischen Zweck verfolgen, die Aufnahme dieser Minima/bedingungen in das positive Völkerrecht zu erreichen. Tes6n meint, die internationale Rechtsordnung sei durch den kategorischen Imperativ sogar verpflichtet, auf die Beachtung der Menschenrechte hinzuwirken. 454 Das Völkerrecht vernachlässige, daß sich die Rechte der Staaten von denen der Menschen ableiteten. 455 Dabei ist nach dem eben Gesagten zu differenzieren: Soweit sich die in Form der Menschenrechte kodifizierten Regelungen auch schon nach dem dritten Definitivartikel ergeben, gebietet die Vernunft dem Staat als Subjekt des Weltbürgerrechts deren Beachtung unmittelbar. Gehen sie dagegen über das Weltbürgerrecht hinaus, ergibt sich die Bindung des Staates erst aus dem mit den anderen Staaten - in Umsetzung der Idee des allgemeinen Interesses seiner Bürger an der wechselseitigen Sicherung ihrer Rechte auch gegenüber anderen Staaten und deren Bürgern - geschlossenen Vertrag. 454 455

Tes6n, The Kantian Theory of International Law, S. 83. Tes6n, The Kantian Theory of International Law, S. 53.

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

Gelegentlich wird die Friedensschrift in Verbindung mit der Frage der Durchsetzung der Individualrechte erwähnt. Kleingeld weist darauf hin, daß die Durchsetzung der Regeln, die inhaltlich dem Weltbürgerrecht entsprächen, heute von den Staaten abhänge. 456 Damit stellt sich die Positivierung der Forderungen des Weltbürgerrechts als Fortschritt dar, da das Weltbürgerrecht des dritten Definitivartikels keine Durchsetzung kennt. Archibugi meint, das Weltbürgerrecht fordere die Sicherung durch eine Supranationale Organisation, die Menschenrechte würden aber allenfalls durch die Staaten gesichert. 457 Hier handelt es sich wiederum um die Verwechslung der Begriffe "Weltbürgerrecht" und "weltbürgerlicher Zustand". Das Gebot der Sicherung der Individualrechte folgt nicht aus dem dritten Definitivartikel, sondern aus dem allgemeinen Imperativ der Verrechtlichung aller sozialen Beziehungen. Auch bei der Bestimmung des Inhalts der Menschenrechte spielt die Friedensschrift eine Rolle. Merle folgert aus dem Weltbürgerrecht, daß es auch soziale und wirtschaftliche Menschenrechte geben müsse. 458 Dagegen läßt sich schon die ausdrückliche Beschränkung des Weltbürgerrechts durch Kant anführen. Aus dem Weltbürgerrecht kann danach nur in Ausnahmefällen ein Anspruch des Besuchers abgeleitet werden, der auf die Ausstattung mit dem für die Rückkehr Notwendigen beschränkt ist. Lorz sieht demgegenüber eine Chance in der "Rückbesinnung auf den eigentlichen Ursprung aller Grund- und Menschenrechte", die Menschenwürde im Sinne der Philosophie Kants, die Hypertrophie der Menschenrechte insbesondere im Bereich der Sozialrechte einzudämmen. 459 Die Reduzierung des Rechts auf die Aufgabe der Sicherung der Freiheit könne die Menschenrechtsdiskussion vor Ideologisierung schützen, was nicht zuletzt dem westlich geprägten Menschenrechtsverständnis zugute komme. 46o Brunkhorst wendet ein, die Menschenrechte als Rechtsbegriff könnten nicht auf die Menschenwürde zurückgeführt werden. 461 Dem ist zwar zuzugeben, daß sich aus der Menschenwürde, wenn man sie als einen Begriff der Tugendlehre auffaßt, die Menschenrechte nicht ableiten lassen. Die Politiker können sich aber - im Sinne des im Anhang der Friedensschrift beschriebenen Verhältnisses von Politik und Moral - an der Menschenwürde orientieren, wenn sie Menschenrechte als positives Völkerrecht vereinbaren. Zudem kann man auch die Menschenwürde selbst als RechtsKleingeld, Kants politischer Kosmopolitismus, S. 346. Archibugi, Immanuel Kant e il Diritto Cosmopolitico, S. 113. 458 Merle, Lassen sich Sozial- und Wirtschaftsrechte im Weltmaßstab rechtfertigen?, S. 20. 459 Lorz, Modernes Grund- und Menschenrechtsverständnis, S. 347. 460 Lorz, Modernes Grund- und Menschenrechtsverständnis, S. 362. 461 Brunkhorst, Paradigmenwechsel im Völkerrecht?, S. 259. 456 457

V. Die Zeit des Kalten Krieges

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begriff verstehen, wenn der ihr zugrunde liegende Gedanke eines Verbotes, einen Menschen als bloßes Mittel zu gebrauchen, durch einen fonnalen Akt verrechtlicht wird, wie es etwa in Art. I Abs. I GG durch die Verfassungsgebung geschehen ist. Schmidt meint, aus dem Weltbürgerrecht ergebe sich auch das Asylrecht. 462 Die europäischen Staaten seien nicht republikanisch verfaßt, weil ihre Asylgesetzgebung gegen den dritten Definitivartikel verstoße. 463 Zwar bestehen zwischen Asylrecht und Weltbürgerrecht weitreichende Überlappungen. Die Bezugnahme auf den ersten Definitivartikel ist jedoch aus der Perspektive der Systematik der Friedensschrift verfehlt, weil das Weltbürgerrecht andere soziale Beziehungen betrifft als der erste Definitivartikel. Die Erfüllung des dritten Definitivartikels ist auch nicht Voraussetzung für die Qualifizierung als Republik. Als Resüme zur Auseinandersezung der Menschenrechtsdiskussion mit der Friedensschrift ist festzuhalten, daß zwar zahlreiche Bezüge hergestellt werden. Nur zum Teil beruhen sie aber auf einer korrekten und selten auf einer sorgfaltig differenzierenden Interpretation. Man kann als Ursache hierfür vennuten, daß die Bezüge zu Kant unter dem Aspekt der Menschenwürde hergestellt und die dem Wortlaut nach scheinbar passenden Passagen der Friedensschrift dann nicht in ihrem Kontext gesehen werden. 4. Frieden durch Recht - Integration

Statt den Frieden selbst zum Regelungsgegenstand des Rechts zu machen, was einen rechtlich faßbaren Friedensbegriff voraussetzt, läßt sich der Friede auch als Ziel der Rechtsordnung ansehen. 464 Die Rolle des Rechts ist dann die des Mittels zur Erreichung und Sicherung des Friedens. Hinsichtlich der Wirksamkeit dieses Mittels werden immer wieder Zweifel geäußert. So soll das Völkerrecht mangels Durchsetzbarkeit den Frieden gar nicht sichern können; eine Durchsetzung durch die Staaten führe wieder zu neuen Konflikten. 465 Dagegen wird argumentiert, die Behauptung, Völkerrecht sei ohne eine Durchsetzungsmacht wirkungslos, treffe nur die wenigen Fälle, in denen es mißachtet werde. 466 Simma sieht in dem fehlenden Zwang sogar einen Vorteil: Dadurch sei das Völkerrecht zu mehr WirklichH. Schmidt, Ein bedenkenswertes Jubiläum, S. 24f. H. Schmidt, Kant und die Theorie der internationalen Beziehungen, S. 110. 464 Vgl. etwa Bothe, Friedensbegriff im Verfassungs- und Völkerrecht, S. 187; Kimminich, Innerstaatliche und internationale Friedensordnung, S. 163; ähnlich auch Blumenwitz, Die Einhegung des Krieges durch die Völkerrechtsordnung, S. 35. 465 Röling, Friedenssicherung durch Völkerrecht, S. 91. 466 Berber, Völkerrecht und Kriegsverhütung, S. 83; Simma, Völkerrechts und Friedensforschung, S. 69; Steiger, Frieden durch Institution, S. 163. 462 463

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

keitsnähe gezwungen. Die Normen entsprächen der Interessenlage dann besser als im staatlichen Recht. 467 Gegen die These, das Recht eigne sich als Mittel zur Sicherung des Friedens, wird auch vorgebracht, es sei nur zur Lösung von Rechtsproblemen geeignet; der Krieg entstehe aber auch aus anderen Gründen. 468 Stein hatte schon 1897 kritisiert, Kant vernachlässige soziale Aspekte, die in seiner Zeit auch noch wenig erforscht gewesen seien. 469 Kraus hatte bedauert, daß Kant den Krieg nur unter dem Aspekt des Rechts sehe. 47o Ähnliche Einwände wurden auch in der Zeit des Kalten Krieges erhoben. Samkowoj wandte sich gegen Kants Konzept eines Friedens durch Recht, weil Kant als "großer bürgerlicher Denker" die Ursachen des Krieges nicht zutreffend erkannt habe. 471 Solowjow meint, die Theorien Kants seien in der sowjetischen Philosophie grundsätzlich aus der Perspektive dogmatischer Kritik betrachtet worden. 472 Nersesjanz vertritt die Ansicht, Kants System stoße zwar auf Grenzen, weil es die materielle Ungleichheit nicht beachte. Andererseits sei aber der Sozialismus mit dem Recht unvereinbar, weil er die formale Gleichheit verletze. 473 Nicht nur die theoretische Eignung des Rechts als Mittel zur Erhaltung des Friedens ist umstritten. Auch über den tatsächlichen Erfolg des Rechts hierbei besteht keine Einigkeit. Nach Röling spielt Recht in den internationalen Beziehungen nur eine kleine Rolle. 474 Graf Vitzthum meint, das Recht habe sich als nur begrenzt zur Sicherung des Friedens fähig erwiesen. 475 Randelzhofer vertritt demgegenüber die Ansicht, der Beitrag des Völkerrechts zum Frieden werde unterschätzt. 476 Kimminich äußert, das Völkerrecht des 20. Jahrhunderts habe erreicht, was das Mittelalter ersehnt und die Aufklärung, vor allem mit ihren Vertretern Kant und Fichte, gefordert hätte: Frieden durch Recht. 477 Schon mit der Entwicklung des Schiedsgerichts wesens begann das Völkerrecht, das Ziel der Kriegsvermeidung zu verfolgen. Inzwischen haben Simma, Völkerrecht und Friedensforschung, S. 68. Vgl. Gallie, Wanted: A Philosophy of International Relations, S. 486; von Münch, Die Entwicklung neuer politischer und juristischer Instrumentarien zur internationalen Friedenswahrung, S. 17. 469 Stein, Die soziale Frage im Lichte der Philosophie, S. 732 f. 470 O. Kraus, Kant und der Krieg, S. 141. 471 Samkowoj, Krieg und Koexistenz in sowjetischer Sicht, S. 15. 472 Solowjow, Sowjetische Kantforschung gestern und heute, S. 93. 473 Nersesjanz, Kant, das Recht und der Frieden, S. 87. 474 Röling, Friedenssicherung durch Völkerrecht, S. 89. 475 Vgl. Graf Vitzthum, Krieg und Frieden im Völkerrecht, S. 48. 476 Randelzhofer, Der normative Gehalt des Friedensbegriffs, S. 14. 477 Kimminich, Das Völkerrecht und die friedliche Streitschlichtung, S. 147. 467

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V. Die Zeit des Kalten Krieges

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Völkerrechtslehre und politische Praxis eine Vielzahl von Instrumenten hierfür entwickelt. Unter den Methoden, mit denen das Völkerrecht den Frieden erreichen und erhalten will, lassen sich unmittelbar auf die rechtliche Regulierung der Gewaltanwendung zielende Regelungen von solchen unterscheiden, die sich zwar auf andere Gegenstände richten, für deren Zustandekommen aber die Vermeidung von Gewaltanwendung das Motiv darstellt. 478 Unter den Maßnahmen der Regulierung der Gewaltanwendung sind zunächst unmittelbare Kriegsverbote zu nennen. Solche Regelungen sind meist ohne Wirkung, weil sie sich kaum durchsetzen lassen. Ohnehin würde die gewaltsame Durchsetzung von Gewaltanwendungsverboten ihr eigenes Ziel vereiteln. 479 Immerhin können Kriegsverbote zur Erhöhung moralischer oder politischer Hemmschwellen führen. 48o Direkte Kriegsverbote wirken zudem deshalb nicht ausreichend, weil ihre Auslegung umstritten sein kann. 481 DelbTÜck meint, die Bilanz völkerrechtlicher Kriegsverhinderungsinstrumente falle weitgehend negativ aus. 482 Randelzhofer führt das Versagen von Regelungen zur Kriegsverhinderung auf den mangelnden Friedenswillen und die geringe Mitwirkungsbereitschaft der Staaten zuTÜck. 483 Als erfolgreicher hat sich die Einführung von Rechtfertigungsmechanismen erwiesen: Kriege dürfen danach nur geführt werden, wenn zuvor ein bestimmtes Verfahren durchlaufen wurde. Dadurch, daß den Staaten der Krieg nicht von vornherein völlig verboten wird, steigt ihre Bereitschaft, die Einschränkung, vor dem Krieg das Verfahren absolvieren zu müssen, zu akzeptieren. Daß am Ende des Verfahrens eine Rechtfertigung des Krieges steht, ist zudem ein Anreiz selbst für einen zum Krieg bereiten Staat, sich auf das Verfahren einzulassen. Der Beitrag solcher Mechanismen zur Erhaltung des Friedens beruht darauf, daß das dem Krieg vorausgehende Verfahren so gestaltet ist, daß es den Konflikt entschärfen und so dazu führen kann, daß die Staaten ihre anfängliche Kriegsabsicht wieder aufgeben. Außerdem kann das Recht der Politik im Rahmen des Verfahrens alternative Konfliktlösungsmodelle anbieten. 484 Sie können als funktionales Äquivalent für den Krieg dienen. 48s 478 Vgl. auch Röling, Friedenssicherung durch Völkerrecht, S. 92f.; Czempiel, Recht und Friede, S. 57. 479 Vgl. Knapp, Die Vereinten Nationen und das Problem des friedlichen Wandels, S. 273. 480 Vgl. Graf Vitzthum, Krieg und Frieden im Völkerrecht, S. 13. 481 Vgl. Röling, Die Definition der Aggression, S. 387 ff. 482 Delbrück, Zum Funktionswandel des Völkerrechts der Gegenwart, S. 244. 483 Randelzhofer, Der normative Gehalt des Friedensbegriffs, S. 22. 13"

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

Die zweite Art von Regelungen betrifft nicht unmittelbar die Frage der Anwendung von Gewalt. Es werden Vereinbarungen auf anderen Gebieten getroffen, um Konfliktsituationen zu vermeiden oder zu entschärfen. von Münch nennt als Beispiele die Rüstungskontrolle und den Abbau konfliktverursachender Bedrohungsvorstellungen. Zunehmend spielen nicht-rechtliche Instrumente in der Kriegsvermeidung eine Rolle wie etwa Verhandlung, Vermittlung, Vergleich oder das gute Beispie1. 486 Das Recht kann auch bei solchen Maßnahmen mitwirken, indem es einen organisatorischen Rahmen, zum Beispiel entsprechende Institutionen bereitstellt.487 Der entscheidende Beitrag des Völkerrechts zum Frieden liegt darin, daß Krieg weniger wahrscheinlich wird, wenn die Staaten Regeln für ihre Beziehungen aufstellen. 488 Auf diese Weise schafft das Völkerrecht die Voraussetzungen für den Verzicht auf Gewalt. 489 Seit dem Zweiten Weltkrieg hat der Gedanke der Integration immer größere Bedeutung erlangt. Berber hält die Integration für das wichtigste Mittel der Kriegsverhütung. 490 Der Gedanke, den Frieden durch Kooperation zu sichern, wird Kant zugeschrieben. 491 Aus der Institutionalisierung der Kooperation ergibt sich ein erhöhtes Vertrauen, wodurch die Bereitschaft zu weiterer Kooperation gefördert wird; Senghaas spricht von einem "Engelskreis".492 Diese Institutionalisierung erfolgt in der Regel in Gestalt Internationaler Organisationen. Nach ihrem Gegenstand lassen sich unmittelbar auf die Verrechtlichung der Gewaltanwendung zielende Organisationen von solchen unterscheiden, die dem Frieden indirekt durch Entschärfung der Kriegsursachen dienen. Zu den ersten zählen Verteidigungsallianzen und Systeme kollektiver Sicherheit. Im Rahmen solcher Organisationen können Vereinbarungen wie die Verpflichtung zu friedlicher Streitbeilegung oder zur Abrüstung nicht nur getroffen, sondern auch ihre Einhaltung mit Hilfe von Durchsetzungsmaßnahmen sichergestellt werden. Ohne diese Durchsetzungsmechanismen blei484 Vgl. Grewe, Frieden durch Recht?, S. 23 f.; Fiedler, Beiträge des Völkerrechts zum Frieden, S. 155. 48~ Vgl. Vasquez, Frieden und Krieg nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, S.65. 486 von Münch, Die Entwicklung neuer politischer und juristischer Instrumentarien zur internationalen Friedenswahrung, S. 12ff. 487 Vgl. Moravcsik, Federalism and Peace: A Structural Liberal Perspective, S.128. 488 Vgl. Vasquez, Frieden und Krieg nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, S.71. 489 Vgl. Bothe, Friedensbegriff im Verfassungs- und Völkerrecht, S. 187. 490 Berber, Völkerrecht und Kriegsverhütung, S. 87. 491 Vgl. etwa Allen, Perpetual Peace Through World-Wide Federation, S. 802. 492 Senghaas, Die Relevanz von Friedenstheorien für die Neugestaltung Europas, S.34.

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ben Organisationen kollektiver Sicherheit in ihrer Wirkung begrenzt, weil sich die Staaten nicht auf die Einhaltung des Gewaltverzichts durch die anderen Staaten verlassen können. 493 Damit verfehlen sie ihr Ziel: die Entschärfung des Sicherheitsdilemmas. 494 Bothe sieht in Kants Friedensschrift ein Beispiel für eine Tradition in der Philosophie hinsichtlich des Gedankens der kollektiven Sicherheit. 495 Andere Integrationsmodelle schaffen einen Rahmen für die Vertiefung der internationalen Beziehungen, die eine sinkende Kriegsneigung bis hin zur tatsächlichen Unmöglichkeit der Gewaltanwendung zur Folge haben kann. Dabei muß sichergestellt werden, daß die geschaffenen Institutionen dauerhaft sind. Eine Internationale Organisation ist wieder auflösbar. 496 Ipsen hält daher eine Supranationale Organisation für erforderlich, die Kant gerade nicht vorschlage. 497 Allerdings sichere selbst eine Supranationale Organisation den Frieden erst dann dauerhaft, wenn sie einen "point of no return" überschritten habe. 498 Moravcsik meint, die Auflösung könne insbesondere verhindert werden, wenn die Errichtung hohe Kosten verursache. 499 Dagegen ist einzuwenden, daß, wenn die Kosten einmal entstanden sind, der Anreiz, sie nicht umsonst aufgewendet zu haben, geringer sein dürfte als eine Befürchtung weiterer Kosten. Daher ist darauf abzustellen, ob die Auflösung die Kosten verursacht. Das hat auch den Vorteil, daß die Staaten von der Errichtung der Organisation nicht durch die Hürde zu hoher Kosten abgehalten werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg erarbeitete eine Gruppe von Wissenschaftlern um Hutchins und Borgese einen "Vorentwurf für eine Weltverfassung".500 Die Welt-Organisation sollte nicht nur der Sicherheit der Staaten voreinander dienen, sondern eine Rechtsordnung für alle Bereiche schaffen, in denen ein gemeinsames Recht der Staaten konsensfähig sei. 501 Dieser Vorschlag berief sich zwar nicht ausdrücklich auf Kant; es wurden aber die von Kant erarbeiteten Grundpositionen Friedensbund und Weltstaat mit den schon in der Friedensschrift enthaltenen Argumenten erörtert. Wie Kant 493 VgJ. Archibugi, From the United Nations to Cosmopolitan Democracy, S. 124; Knight, Human Nature and World Democracy, S. 417. 494 Senghaas, Die Relevanz von Friedenstheorien für die Neugestaltung Europas, S.32f. 495 Bothe, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, S. 604. 496 VgJ. Moravcsik, Federalism and Peace: A Structural Liberal Perspective, S. 128. 497 Ipsen, Ius gentium - ius pacis, S. 296. 498 Ipsen, Ius gentium - ius pacis, S. 297. 499 Moravcsik, Federalism and Peace: A Structural Liberal Perspective, S. 128. 500 Text bei Mann Borgese, A Constitution for the World, S. 25 ff.; zur Entstehung des Entwurfes vgJ. Mann Borgese, a. a. 0., S. 7 f. 501 VgJ. Glum, Ist eine Weltregierung möglich?, S. 17.

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

entschieden sich die Verfasser für ein weltstaatliches Modell, das als einziges den Frieden zu sichern in der Lage sei. 502 Schließlich kann das Recht für Fälle, in denen ein Komprorniß nicht erreicht wird, etwa weil für Problembereiche noch kein konsensfahiges Ergebnis gefunden wurde, eine Regelung vorbereiten, indem es ein entsprechendes Verfahren bereitstellt. 503 Dabei sind bestimmte Voraussetzungen einzuhalten, die unter dem Stichwort der Verfahrens gerechtigkeit zusammengefaßt werden können. 504 Solche Verfahren dienen anders als institutionalisierte Rechtsetzungsverfahren nicht der Legitimation von Normen, sondern erleichtern die inhaltliche Einigung. Dadurch wird eine Lösung politischer Probleme mit den Mitteln des Rechts und damit auch ein Verzicht auf Gewaltanwendung wahrscheinlicher. Vor allem die Dringlichkeit, den Frieden förderndes Recht zu schaffen, wird unter Bezugnahme auf Kant beschworen. So meint Meyers, angesichts der nuklearen Waffen habe Kants Lehre dringliche Aktualität. 505 Auch von Weizsäcker sieht im Zusammenhang mit der Bedrohung durch nukleare Waffen einen Bedarf nach Umsetzung der Friedensidee; für das Gebot seien allerdings nicht konkrete Erfordernisse ausschlaggebend, sondern die Vernunft. 506 Obwohl der zweite Definitivartikel und die Garantie die Möglichkeiten eines Friedens durch Recht behandeln, wird Kant in der allgemeinen Diskussion dieser Themen selten erwähnt. Ursache hierfür ist vermutlich, daß in diesem Bereich politologische Theorien in den Vordergrund getreten sind. Selbst die allgemeine Theorie der Internationalen Organisationen setzt sich selten mit Kant auseinander. Demgegenüber wird die Friedensschrift im Zusammenhang mit der Entstehung bestimmter Internationaler Organisationen erwähnt. Köhle meint sogar, sie werde in diesem Kontext "zu Rate gezogen".507

502 SOJ

Vgl. Glum, Ist eine Weltregierung möglich?, S. 14. Vgl. Graf Vitzthum, Friedlicher Wandel durch völkerrechtliche Rechtsetzung,

S. 172. S04 S05

S06 S07

Vgl. Graf Vitzthum, Krieg und Frieden im Völkerrecht, S. 42f. Meyers, Begriff und Probleme des Friedens. S. 22. von Weizsäcker. Friede und Wahrheit. S. 19ff. Köhle. Das Friedensproblem im staatstheoretischen Denken. S. 16.

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5. Die Internationalen Organisationen

a) Die UNO: Weltstaat oder Friedensbund? Während ein entscheidender Einfluß der Friedensschrift auf die Entstehung der Vereinten Nationen nicht festgestellt werden kann, lassen sich Bezugnahmen auf Kant in der auf die historischen Wurzeln zurückblickenden Literatur ausmachen. Friedrichs meint, die USA hätten bei der Gründung der UNO die Rolle der mächtigen Republik, von der die Entstehung des Friedensbundes ausgeht, übernommen. 50S Wittmann schreibt den USA diese Rolle auch schon bei der Initiative für die Gründung des Völkerbundes ZU. 509 Die UNO wird immer wieder mit den Vorschlägen Kants zur Struktur der internationalen Ordnung verglichen. Gelegentliche Erwähnung findet Kant bei der Erörterung des Gewaltverbots der UN-Charta. Außerdem spielt, wie oben dargestellt wurde, die Friedensschrift in der Frage der Menschenrechte eine Rolle, die zum Teil als Aspekt der Vereinten Nationen behandelt wird. Schließlich wird die Friedensschrift auch in der Diskussion um die Reform der UNO angeführt. Diese begann zwar schon mit der Gründung der UNO; ihr Schwerpunkt fcillt aber in die Zeit nach dem Ende des Kalten Krieges, weshalb sie dort behandelt wird. In der Literatur ist die Ansicht verbreitet, die UNO sei eine Organisation, die den Anforderungen des zweiten Definitivartikels gerecht werde. 510 Zurückhaltendere Stimmen sehen die UNO immerhin als Ansatz zur Umsetzung der Ideen Kants 511 oder betonen die Nähe der Leitideen der UNCharta zu den Vorschlägen Kants. 512 Verdross/Simma meinen, durch die UN-Charta würden die Ziele des Kantschen Völkerbundes positiviert. 513 Auch als ideengeschichtlicher Vorläufer der Vereinten Nationen wird die Friedensschrift genannt. 514 Cavallar erwähnt neben Kant noch weitere Vorläufer wie Penn, Saint-Pierre und Rousseau. Daß in der deutschen Literatur C. 1. Friedrich, Die Ideen der Charta der Vereinten Nationen, S. 80f. WiUmann, Kants Friedensentwurf - Antizipation oder Utopie?, S. 145. 510 So bei Beutin, Zur Geschichte des Friedensgedankens seit Immanuel Kant, S. 30. C. 1. Friedrich, Die Ideen der Charta der Vereinten Nationen, S. 72; Hassner, Bürger und Barbar, S. 32; Knapp, Die Vereinten Nationen und das Problem des friedlichen Wandels, S. 270; Waltz, Kant, Liberalism, and War, S. 331. 511 So etwa Gerwin, Kant and the Idea of the Society of Nations, S. 541; LutzBachmann, Kants Friedensidee und das rechtsphilosophische Konzept einer Weltrepublik, S. 25f.; Wood, Kants Entwurf für einen ewigen Frieden, S. 72f. 512 Etwa Albrecht, Kants Entwurf einer Weltfriedensordnung und die Reform der Vereinten Nationen, S. 196; ähnlich H. Schmidt, Ein bedenkenswertes Jubiläum, S. 17. 513 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 17. 514 Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 409; Ipsen, lus gentium - ius pacis, S. 306; Höffe, Kant als Theoretiker der internationalen Rechtsgemeinschaft, S. 490. 508

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

vorwiegend auf Kant verwiesen werde, führt er auf dessen Bekanntheitsgrad zurück. 515 Kühnhardt sieht in der UNO vor allem Ideen Saint-Pierres verwirklicht. 516 Frei meint, die wesentlichen Strukturelemente der Vereinten Nationen seien schon in Rousseaus Extrait aus dem Plan Saint-Pierres enthalten. 517 Die Vereinten Nationen werden sowohl hinsichtlich ihrer organisatorischen Struktur als auch bezogen auf einzelne Regelungen der Charta mit den Vorschlägen Kants in Beziehung gesetzt. Friedrichs betont, Ausgangspunkt der Vereinten Nationen seien, wie bei Kant, die "freien" Staaten, da die Charta von der souveränen Gleichheit der Staaten ausgehe. 518 Gerwin sieht ein Problem der Vereinten Nationen darin, daß sie nicht nur aus republikanisch verfaßten Staaten bestünden. 519 Auch Kambartel meint, da die Vereinten Nationen nicht nach der moralischen Legitimation der Staaten fragten, könne es sich nicht um eine Organisation im Sinne des zweiten Definitivartikels handeln. 52o Damit setzen Gerwin und Kambartel bei Kant die Ansicht voraus, der Friedensbund könne nur aus republikanisch verfaßten Staaten bestehen, was in der Interpretation nicht bestätigt werden konnte. Ipsen sieht zwar Ähnlichkeiten der Vorschläge Kants mit der Ausgestaltung der UNO, etwa in der Einschränkung des Rechts zum Krieg durch Art. 2 Nr. 4 UN-Charta. 521 Er meint aber, die durch einen völkerrechtlichen Vertrag entstandenen Vereinten Nationen könnten nicht als auf einem Gesellschaftsvertrag beruhend angesehen werden; Kants Friedensbund sei nicht als völkerrechtlicher Vertrag konzipiert. 522 Zwar ist Ipsen zuzugeben, daß der Friedensbund als Idee nicht durch einen konkreten Vertrag verwirklicht werden kann. Der ursprüngliche Vertrag dient bei Kant aber nur als Idee zur Darstellung der Legitimation der internationalen Rechtsordnung. Zudem müßte Ipsens Suche nach einer "Rechtsfigur des geltenden Völkerrechts", die "dem foedus pacificum am nächsten" komme 523 , an demselben Argument scheitern, welches er gegen den Vergleich mit dem völkerrechtlichen Vertrag vorbringt. Da Kant nur die Extrempositionen, den Weltstaat und den Friedensbund beschreibt, dürfte die umgekehrte Vorgehensweise, vom Völkerrecht ausgehend den Ort zu suchen, an welchem konkrete völCavaIIar, Pax Kantiana, S. 199. Kühnhardt, Von der ewigen Suche nach Frieden, S. 67. 517 Frei, Kriegsverhütung und Friedenssicherung, S. 56. 518 C. J. Friedrich, Die Ideen der Charta der Vereinten Nationen, S. 80. 519 Gerwin, Kant and the Idea of the Society of Nations, S. 535. 520 Kambartei, Kants Entwurf und das Prinzip der Nichteinmischung, S. 243. 521 Ipsen, lus gentium - ius pacis, S. 306. 522 Ipsen, lus gentium - ius pacis, S. 295. m Ipsen, lus gentium - ius pacis, S. 296. SIS

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kerrechtliche Gebilde auf der Skala zwischen diesen bei den Ideen anzusiedeln sind, erfolgversprechender sein. In bezug auf die Entstehung von Rechtsakten der UNO ist Ipsens Auffassung, die Vereinten Nationen könnten nicht als auf einem Gesellschaftsvertrag beruhend angesehen werden, zuzustimmen. Zwar kann der Sicherheitsrat nach Art. 25 UN-Charta bindende Beschlüsse fassen. Anders als in einer Supranationalen Organisation gelten diese aber nicht unmittelbar in den Staaten524 ; vielmehr enthält Art. 25 UN-Charta nur die Verpflichtung, die Beschlüsse "anzunehmen". Diese Formulierung läuft Gefahr, entgegen der mit ihr verbundenen Absicht dahingehend ausgelegt zu werden, daß die Staaten jeweils im Einzelfall entscheiden können, ob sie die Beschlüsse umsetzen wollen. 525 Die Resolutionen der Generalversammlung haben schon nach der Charta keine Bindungswirkung. Sie können zwar zu einer Rechtsquelle werden, entweder bei entsprechend andauernder Staatenpraxis als Gewohnheitsrecht526 oder bei Anerkennung durch die Staaten als allgemeine Rechtsgrundsätze 527 . Dann ergibt sich ihre Geltung aber nicht schon aus dem Akt des Beschlusses durch die Generalversammlung, sondern erst durch die Akzeptanz durch die Staaten. Verdross/Simma kommen zu dem Ergebnis, die Vereinten Nationen hätten am Charakter des Völkerrechts als Koordinationsrecht nichts geändert. 528 Hinsichtlich der Rechtsdurchsetzung ist zu differenzieren: Zwar ist für die Durchführung von Sanktionen zur Durchsetzung von UN-Recht kein Organ der Vereinten Nationen vorgesehen. Die Entscheidung über die Ausübung von Zwang liegt aber nach Art. 41f. beim Sicherheitsrat, so daß hier wenigstens von einem Ansatz zu einem ursprünglichen Vertrag gesprochen werden kann. Allerdings schreitet der Sicherheitsrat nicht bei jeder Rechtsverletzung ein, sondern nur, wenn das seine Mitglieder in Ausübung ihres politischen Ermessens beschließen. Damit besteht die Gefahr, daß die Zwangsmittel der UNO von einzelnen Staaten als Mittel ihrer eigenen Politik mißbraucht werden. 529 Insoweit fehlt den Vereinten Nationen ein wesentlicher Aspekt der Idee des ursprünglichen Vertrages: Einerseits wird die Entscheidung über die Gewaltanwendung beim Sicherheitsrat monopolisiert; andererseits ist die rechtliche Bindung unvollständig, weil die UN524 Zur Unterscheidung von Internationaler und Supranationaler Organisation vgl. Klein, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, S. 278. m Vgl. Delbrück, in: Simma, The Charter of the United Nations, RNr. 16 zu Art. 25. 526 Vgl. Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, S. 104. 527 Vgl. Graf Vitzthum, Völkerrecht, S. 91 f. 528 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 34. 529 So auch Oeter, Humanitäre Intervention und Gewaltverbot, S. 58.

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

Charta zwar den Eingriff auf bestimmte Fälle beschränkt, nicht aber auch unter gewissen Voraussetzungen anordnet. Die UNO folgt also der Idee des ursprünglichen Vertrages nur hinsichtlich der Monopolisierung des Rechts zur Entscheidung über die Anwendung von Gewalt. Die rechtliche Bindung dieser Entscheidung sowie die Institutionalisierung der Schaffung von Recht als Maßstab dieser Bindung fehlen. Steiger meint, die UNO sei noch Friedensbund, nicht schon Völkerstaat, weil sie auf der Kooperation souveräner Staaten beruhe. 530 Auch Doehring schreibt, allerdings ohne Verweis auf Kant, die Vereinten Nationen bildeten kein Weltstaat, sondern eine Vertragsgemeinschaft. 531 Höffe sieht in der UNO eine Zwischenform zwischen Weltstaat und Friedensbund: IGH und Generalversammlung entsprächen dem Friedensbund, der Sicherheitsrat gehe aber darüber hinaus in Richtung Weltstaatlichkeit. 532 Bei der Frage, ob die UNO die Merkmale des Friedensbundes oder des Weltstaates aufweist, ist zu trennen zwischen der Rechtsdurchsetzung, die mit den Möglichkeiten des Sicherheitsrates nach Kapitel VII der Charta weit über die Zwangfreiheit des Friedensbundes hinausgeht, und der Rechtsentstehung, die, wie im Friedensbund, ohne Mitwirkung der Staaten überhaupt nicht möglich ist. Das entspricht im Ergebnis der Ansicht Höffes, wenn man sich zur Begründung statt auf die Organe auf deren Funktionen bezieht. Auch für die Ziele der Vereinten Nationen werden Vergleiche zu Kants Vorschlägen angestellt. Für Czempiel besteht die Funktion der UNO weniger in der kollektiven Sicherheit als vielmehr in der Institutionalisierung der Kooperation der Staaten. 533 Schilling sieht in Art. 2 Nr. 7 UN-Charta Ähnlichkeiten zu dem von Kant für den Völkerbund vorgeschlagenen Prinzip, sich einander nicht in die einheimischen Mißhelligkeiten zu mischen. 534 Höffe meint, manche Prinzipien der Charta wie etwa Art. I Nr. I und 2 Nr. 3, 4 läsen sich wie die Ausformulierung Kantscher Gedanken. 535 Die UNO sei eine freie Assoziation im Sinne der Friedensschrift. 536 Allerdings gingen manche Aufgaben der UNO über Minimalstaatlichkeit des Friedensbundes hinaus 531 ; als Beispiel nennt Höffe die sozialen Aufgaben. Steiger, Frieden durch Institution, S. 161. Doehring, Völkerrecht, S. 214. 532 Höffe, Die Vereinten Nationen im Lichte Kants, S. 251. m Czempiel, Die Reform der UNO, S. 36. S34 Schilling, Zur Rechtfertigung der einseitigen gewaltsamen humanitären Intervention, S. 435, FN. 40. m Höffe, Die Vereinten Nationen im Lichte Kants, S. 250. 536 Höffe, Völkerbund oder Weltrepublik?, S. 113f. 530 531

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Auch die "Förderung freundschaftlicher Beziehungen" gehöre nicht in die Rechtslehre, sondern in die Tugendlehre. 538 Unter den einzelnen Regelungen der UN-Charta wird vor allem das Gewaltverbot immer wieder mit der Friedensschrift in Verbindung gebracht. Daß die UN-Charta den Krieg nicht völlig verbietet, wird als als Argument gegen die Betrachtung der UNO als Realisierung der Vorschläge Kants vorgebracht. 539 So besteht nach Art. 51 weiterhin eine Recht auf Selbstverteidigung; zudem enthält Art. 107 Vorbehalte gegen Feindstaaten des Zweiten Weltkriegs. 54o Röling sieht in den Ausnahmen vom Gewaltverbot ein Zugeständnis an den Status quO. 541 Damit stellt sich die Frage, ob im Friedensbund Kants jede Kriegführung verboten ist. Zwar verzichten die Staaten auf jede Gewaltanwendung untereinander. Der Friedensbund kennt aber keine Sicherungsmittel. Daher bietet er den Staaten kein Äquivalent für die Selbstverteidigung, wie etwa ein Gericht, das über Streitigkeiten entscheiden könnte, weshalb die Verteidigung der eigenen Rechte nicht verboten sein kann. Auch für die Sanktionierung von Verstößen gegen das Gewaltverbot der UN-Charta gibt es keine institutionalisierte Garantie. 542 Das Eingreifen des Sicherheitsrates bei Verletzung der den Staaten durch die Charta eingeräumten Rechte ist anders als in einem Rechtsstaat das rechtlich gebundene Eingreifen der Staatsgewalt zum Schutz der Rechte der Bürger - nicht vorgeschrieben, sondern liegt im politischen Ermessen der Staaten. Die Unvollständigkeit des Kriegsverbotes der Vereinten Nationen steht daher nicht im Widerspruch zur Idee des Friedensbundes. Lutz-Bachmanns Kritik setzt am Kriegsbegriff an. Kant gehe von einem Kriegsbegriff aus, der viel enger sei als der heute gebräuchliche. 543 Der Vorwurf zu enger Fassung wird auch gegen das Gewaltverbot der UNCharta erhoben. Es beschränke sich auf die Verletzung der territorialen Integrität. 544 Heute müßten beispielsweise auch ökologische Wirkungen berückm Höffe, Eine Weltrepublik als Minimalstaat, S. 166. Höffe, Die Vereinten Nationen im Lichte Kants, S. 257 f. 539 Schwarz, Principles of lawful Politics, S. 24.; Covell, Kant and the Law of Peace, S. 137f.; H. Schmidt, Ein bedenkenswertes Jubiläum, S. 23. 540 Vgl. Berber, Völkerrecht und Kriegsverhütung, S. 84. 541 Röling, Friedenssicherung durch Völkerrecht, S. 102f. 542 Vgl. Albrecht, Kants Entwurf einer Weltfriedensordnung und die Reform der Vereinten Nationen, S. 207. Vgl. auch Grewe, Frieden durch Recht?, S. 16; Delbrück, Zum Funktionswandel des Völkerrechts der Gegenwart, S. 244; Archibugi, The Reform of the UN and Cosmopolitan Democracy, S. 302. 543 Lutz-Bachmann, Kants Friedensidee und das rechtsphilosophische Konzept einer Weltrepublik, S. 28. 544 Berber, Völkerrecht und Kriegsverhütung, S. 84. 538

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

sichtigt werden. 545 Darin ist freilich keine grundsätzliche Grenze des Kantsehen Modells zu sehen: Das Vemunftgebot der Verrechtlichung läßt sich auch auf neu entstehende Konfliktbereiche anwenden; hierfür bedarf es lediglich einer Anpassung des positiven Rechts. Als Ergebnis ist festzuhalten: Die Vereinten Nationen werden immer wieder in ihren theoretischen Grundlagen und unter einzelnen Aspekten mit den Vorschlägen Kants verglichen. Die Äußerungen beschränken sich zum großen Teil auf den Vergleich im Rahmen der Darstellung der Ideengeschichte. Zudem nehmen gelegentlich auch politische Vorschläge Bezug auf Kant. Der Umgang mit der Friedensschrift im Zusammenhang mit den Vereinten Nationen ist im Vergleich zu der Erwähnung Kants im Rahmen der Diskussion um Interventionsrecht und Menschenrechte durch eine sorgfältigere Interpretation gekennzeichnet. Das könnte damit zusammenhängen, daß bei der Behandlung weniger umstrittener Fragen die Versuchung, die Autorität Kants für die Stärkung der eigenen Position zu gebrauchen, geringer ist. b) Der Europarat

Auch mit dem Europarat wird die Friedensschrift in Verbindung gebracht. Rittberger meint, Kant habe mit seiner These Recht gehabt, daß republikanisch verfaßte Staaten in der Lage seien, Zusammenschlüsse zu bilden, die einem friedlichen Interessenausgleich dienten. Das zeige sich unter anderem am Europarat. 546 Nach Art. 1 a seiner Satzung kommt dem Europarat unter anderem die Aufgabe zu, die Ideale und Grundsätze der Mitgliedstaaten zu schützen. Dadurch geht er über die UNO hinaus, die nicht nach der inneren Struktur ihrer Mitglieder fragt und dies auch gar nicht kann, wenn sie Universalität erreichen will. Daß die Mitglieder diesen Anforderungen genügen, soll Art. 3 der Satzung sicherstellen. Seine Erfüllung ist nach Art. 4 Voraussetzung einer Einladung zum Beitritt; nach Art. 8, 9 sind Sanktionen bei Verstößen möglich. Andererseits bleiben diese Sanktionen auf die Entziehung von Mitwirkungsrechten bis hin zum Ausschluß nach Art. 8 Satz 2 beschränkt; eingreifende Maßnahmen wie nach Art. 41, 42 der UN-Charta kennt die Satzung des Europarates nicht. Im Rahmen dieser Möglichkeiten kann der Europarat die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten auch zum Schutz einzelner Menschen durchsetzen. Damit läßt sich der Europarat als qualitativ gegenüber den Vereinten Nationen näher an die Idee des Weltstaates herankommende Organisation beschreiben,547 deren territoriale Ausdehnung hinter der der UNO zurückbleibt. 545 546

Höffe, Kant als Theoretiker der internationalen Rechtsgemeinschaft, S. 503. Rittberger, Zur Friedensfähigkeit von Demokratien, S. 10.

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Während die Friedensschrift im Zusammenhang mit den Vereinten Nationen häufig erwähnt wird, sind die Bezugnahmen bei Aussagen über den Europarat selten. Sie dienen dem Aufzeigen geistesgeschichtlicher Wurzeln. Eine bedeutende Wirkung der Friedensschrift kann in diesem Bereich nicht festgestellt werden. c) Sicherheitsorganisationen - OSZE und NATO

Im Zusammenhang mit Internationalen Organisationen, die auf die Sicherheit ihrer Mitglieder zielen, wird gelegentlich auf die Friedensschrift verwiesen. So werden OSZE bzw. KSZE an den Ideen Kants gemessen. 548 Hassner meint, die OSZE sei aufgebaut, als basiere sie auf den Vorschlägen Kants. 549 Kühnhardt vertritt demgegenüber die Auffassung, die KSZEI OSZE entspreche den Vorschläge Saint-Pierres. 55o Der Aufbau der KSZESchlußakte ähnele jedoch dem der Friedensschrift, was darauf zurückzuführen sei, daß sie die Gestalt eines völkerrechtlichen Vertrages habe. 55 ) Gegen die These einer Übereinstimmung der KSZE mit dem im zweiten Definitivartikel entworfenen Modell der zwischenstaatlichen Beziehungen wird der Einwand erhoben, der KSZE fehle eine Durchsetzungsmacht, sie orientiere sich an handlungsfabigen Staaten als Akteuren. 552 Damit ist freilich nur gegen eine Gleichsetzung mit dem Weltstaat argumentiert. Das Ziel der OSZE, durch Maßnahmen wie Konferenzen und den gegenseitigen Austausch von Informationen über militärische Aktivitäten das Vertrauen zwischen den Staaten zu fördern, entspricht jedenfalls denen des Friedensbunds. Darüber hinaus zählt zu den Aufgaben der OSZE der Schutz der Menschenrechte. Damit läßt sich die OSZE als ein Mittel begreifen, mit dessen Hilfe die Staaten ihre Verpflichtung erfüllen, für den Schutz ihrer Bürger auch außerhalb des Staatsrechts zu sorgen. Als - seltenes - Beispiel für eine politische Äußerung, in der auf Kant Bezug genommen wird, sei aus einer Ansprache des russischen Präsidenten Boris lelzin zitiert: "Die KSZE-Strukturen verfügen heutzutage über das notwendige Potential, um auch den ewigen Frieden zu erringen. Er wurde den zukünftigen Generationen vom großen Europäer Immanue1 Kant vermacht. Ich bin überzeugt, daß die Stunde dieser grandiosen Idee geschlagen hat. ,,553 So auch Gerwin, Kant and the Idea of the Society of Nations, S. 536. Beutin, Zur Geschichte des Friedensgedankens seit Immanuel Kant, S. 31; Petersmann, How to Constitutionalize the United Nations?, S. 316. 549 Hassner, Bürger und Barbar, S. 32. 550 Kühnhardt, Von der ewigen Suche nach Frieden, S. 67. 551 Kühnhardt, Von der ewigen Suche nach Frieden, S. 161. 552 Schlotter, Zivilisierungsprojekt Europa?, S. 166f. 553 Jelzin, "Die geschichtliche Wahrheit bleibt unerbittlich", S. 1283. 547 548

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

Unter den Strukturen des Völkerrechts, in denen sich in den Augen der Literatur Vorstellungen Kants verwirklicht haben sollen, wird auch die NATO erwähnt. 554 Allen äußerte im Department of State Bulletin vom 19. Juni 1949 im Anschluß an den ersten Definitivartikel die Hoffnung, die NATO werde ein Friedensbündnis sein, solange ihre Mitglieder demokratischen Grundsätzen folgten. 555 Czempiel schreibt knapp ein halbes Jahrhundert später, die NATO habe als ein Zusammen schluß demokratischer Staaten einen "demokratischen Frieden" gebracht. 556 In Äußerungen über andere auf Sicherheit abzielende Organisationen wie zum Beispiel den Warschauer Pakt oder die OAU konnten keine Verweise auf die Friedensschrift ausgemacht werden. Zwar lassen sich im Zusammenhang mit Sicherheitsorganisationen, insbesondere der OSZE und der NATO, immer wieder einzelne Hinweise auf Kant feststellen. Insgesamt kann die Bezugnahme auf die Friedensschrift aber nicht als typisch gewertet werden. Weder wird eine signifikante Anzahl von Äußerungen erreicht noch kann diesen grundlegende Bedeutung für Entstehung oder politische Praxis der Sicherheitsorganisationen beigemessen werden. d) Wirtschaftsorganisationen - OECD und WTO

Auch auf wirtschaftliche Ziele gerichtete Organisationen werden mit der Friedensschrift in Verbindung gebracht. Czempiel meint, die OECD habe zwar noch keinen ewigen Frieden bewirkt, aber immerhin das Sicherheitsdilemma entschärfen können. 557 Allerdings sei die OECD noch weit vom ewigen Frieden entfernt, weil sie nicht nur aus demokratischen Staaten bestehe. 558 Schmidt meint, die OECD sei keine Organisation im Sinne der Kantschen Vorschläge, weil die Staaten nicht zu Einschränkungen ihrer Souveränität bereit wären. 559 Gerade das würde aber für das gegenteilige Ergebnis sprechen, denn davon geht auch Kant aus; in der Entwicklung der internationalen Ordnung in Richtung auf die Weltrepublik steht die OECD noch auf der Stufe des Friedensbundes. Petersmann nennt die WTO als Garanten individueller Wirtschaftsrechte, die die Bedingungen für eine Verwirklichung des Kantschen FriedenskonPetersmann, How to Constitutionalize the Uni ted Nations?, S. 316. Allen, Perpetual Peace Through World-Wide Federation, S. 801. 556 Czempiel, Warum sind die Demokratien (noch immer) nicht friedliebend?, 96. 557 Czempiel, Kants Theorem und die zeitgenössische Theorie der internationalen Beziehungen, S. 317. 558 Czempiel, Warum sind die Demokratien (noch immer) nicht friedliebend?, 96. 559 H. Schmidt, Ein bedenkenswertes Jubiläum, S. 23. 554 555

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zeptes verbessert habe. 56O Tes6n sieht im GATI eine Bestätigung für Kants Hypothese der Wirkung des Handelsgeistes561 Bezugnahmen auf Kant in Verbindung mit Wirtschaftsorganisationen sind selten und inhaltlich nicht entscheidend. Sie können als Randphänomen der Beschäftigung mit der Friedensschrift vernachlässigt werden. 6. Europäische Gemeinschaften und Europäische Union

Europäische Gemeinschaften und Europäische Union geben immer wieder Anlaß für einen Vergleich mit den Vorschlägen Kants. In seiner Zusammenstellung von Modellen, die zur politischen Idee Europa beigetragen hätten, nennt Foerster auch Kants Föderalismus freier Staaten. 562 Streinz sieht die Bedeutung Kants für die europäische Integration vor allem unter dem Aspekt des Gedankens der Friedenssicherung. 563 Oppermann nennt Kants Schrift einen Plan, "der in weltbürgerlicher Gesinnung auf eine allgemeine Konföderation der europäischen Staaten unter einer republikanischen Verfassung zielte".564 Die Ansicht, Kant habe einen europäischen Staatenbund vorgeschlagen, wurde schon früher vertreten. 565 Da sich die Einschränkung auf Europa in der Friedensschrift nicht findet, ist es vorzuziehen, von einer Anwendung dieses allgemeinen Konzepts auch auf Europa zu sprechen. Die Friedensschrift wird im Zusammenhang sowohl mit gesellschaftlichen als auch mit rechtlichen Aspekten der europäischen Integration herangezogen. Bei der Erörterung der Bedeutung wirtschaftlicher Interessen als Grundlage und Triebfeder des europäischen Einigungsprozesses wird immer wieder auf die Friedensschrift hingewiesen. Covell meint, Kant habe mit der Beschreibung des Handelsgeistes ein wichtiges Motiv für die europäische Integration vorweggenommen. 566 Auch Tes6n sieht im Erfolg der Europäischen Gemeinschaften eine Bestätigung für Kants These der friedensfördernden Wirkung des Handelsgeists. 567 Ebenfalls unter Bezugnahme auf Kant äußert sich Buchholz: Seit dem Zweiten Weltkrieg sei der Friede in Europa wahrscheinlicher geworden, weil sich der Lebensstandard entwikkelt sowie die Kommunikation verbessert habe und sich ein zunehmendes Petersmann, How to Constitutionalize the United Nations?, S. 315ff. Tes6n, The Kantian Theory of International Law, S. 77. 562 Foerster, Europa. Geschichte einer politischen Idee, S. 209ff. 563 Streinz, Europarecht, S. 4. 564 Oppermann, Europarecht, S. 4. 565 So von Edmunds, Das Völkerrecht - ein Preudorecht, S. 251. 566 Covell, Kant, die liberale Theorie der Gerechtigkeit und die Weltordnung, S.382f. 567 Tes6n, The Kantian Theory of International Law, S. 77. 560 561

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

Bewußtsein der Gemeinsamkeiten einstelle. 568 Auch die Bedeutung der wirtschaftspolitischen Integration für den Frieden wird betont. Czempiel führt den Beitrag der Europäischen Gemeinschaften für den Frieden darauf zurück, daß die wirtschaftlichen Interdependenzen das Sicherheitsdilemma entschärft hätten. Mit der Wirtschafts- und Währungsunion sei dieser Prozeß so weit fortgeschritten, daß der Friede unter den europäischen Staaten als gesichert angesehen werden könne. 569 Ähnlich argumentiert Hrbek, ohne auf Kant Bezug zu nehmen: Mit der engen Verflechtung der Europäischen Staaten und der daraus folgenden Unmöglichkeit unbegrenzter nationaler Eigenständigkeit sei eine wichtige Voraussetzung dafür entstanden, daß die gewaltsame Durchsetzung nationaler Interessen unmöglich gemacht werde. 57o In einem Artikel der Weihnachtsausgabe 1997 der Süddeutschen Zeitung vertritt Winter die Ansicht, zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sei inzwischen ein Zusstand erreicht, den die Aufklärung mit Vorstellungen wie der Kants vom ewigen Frieden erträumt habe. 57 ) Ipsen sieht demgegenüber in den Europäischen Gemeinschaften noch keine dauerhafte Sicherung des Friedens: Das "Maastricht-Urteil" des Bundesverfassungsgerichts zeige, daß der point of no return noch nicht überschritten sei. 572 In diesem Urteil aus dem Jahre 1993 entschied das Bundesverfassungsgericht unter anderem, daß die Rechtsprechung über die Anwendbarkeit sekundären Gemeinschaftsrechts in Deutschland nicht allein dem EuGH obliege, sondern von bei den Gerichten in einem "Kooperationsverhältnis" ausgeübt werde. 573 Hinsichtlich der Rechtslage aus Sicht des deutschen Staatsrechts ist Ipsen zuzustimmen. Hinzu kommt, daß auch das Gemeinschaftsrecht die Staaten nicht an einem Austritt hindert. Fraglich ist freilich, ob der rechtlich zulässige Austritt tatsächlich noch möglich wäre. Nicht zuletzt die wirtschaftlichen Interdependenzen sollten das verhindern. Da für die Friedensfunktion auf die Erreichung des point of no return in der tatsächlichen, nicht in der rechtlichen Integration abzustellen ist, kann diese insoweit als gesichert angesehen werden. Auch die institutionellen Aspekte der europäischen Integration werden mit der Friedensschrift in Verbindung gebracht. Steiger vertritt die Ansicht, die Europäischen Gemeinschaften könnten als Weltstaat angesehen werden mit der Einschränkung, daß es sich nur um eine Organisation für den begrenzten Aufgabenbereich der Wirtschaftsbeziehungen handle. Die EuroBuchholz, Kant und der Frieden in Europa, S. 11. Czempiel, Kants Theorem und die zeitgenössische Theorie der internationalen Beziehungen, S. 318. 570 Hrbek, Die europäische Rolle der Landes- und Regionalparlamente, S. 11. 571 Winter, Im Wirtshaus zum Ewigen Frieden, S. 18. m Ipsen, Ius gentium - ius pacis, S. 297. 573 BVerfGE 89, 155ff. 568 569

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päische Union sei dagegen nur ein Friedensbund. 574 Archibugi nennt vor allem das Europäische Parlament als einen Aspekt kosmopolitischer Ordnung. 575 Auch Graf Ballestrem sieht in den Europäischen Gemeinschaften weltstaatliche Elemente576 • Schmidt hält aus diesem Grund die Europäischen Gemeinschaften nicht für Organisationen im Sinne der Vorschläge Kants, da sie den Staaten erhebliche Einschränkungen ihrer Souveränität abverlangten. 577 Damit reduziert er den zweiten Definitivartikel auf den Vorschlag des Friedensbundes; die Idee des Weltstaates wird nicht berücksichtigt. Die erforderlichen Zwischenstufen der Annäherung an diese können nicht als Widerspruch zur Friedensschrift angesehen werden, nur weil Kant nicht auch sie ausführlich beschrieb. Hertel sieht im Ansatz Kants ebenfalls nur den Friedensbund, wenn er "staatenbündische Konzepte" wie das Kants den nach seiner Ansicht erst im 19. Jahrhundert entstandenen Vorschlägen einer "föderalen Staatenunion" als Modell für die Organisation Europas gegenüberstellt. 578 Möglicherweise ist der Weltstaat Kants noch immer eine zu abstrakte Vorstellung, um von der Literatur auch als ernst gemeinter politischer Vorschlag wahrgenommen zu werden. Die konkrete Ausgestaltung der politischen Integration wird mit den Argumenten Kants diskutiert. Schachtschneider/Emmerich-Fritsche/Beyer führen Kant an, um mit dessen Ablehnung des Weltstaates für ein "Europa der Republiken" und gegen einen europäischen Einheitsstaat einzutreten. 579 Covell meint, daß das Maß der Integration in Europa problematisch sei, weil die nationalen Regierungen so viel an Handlungsmöglichkeiten verlören, daß sie ihre Aufgabe, inneren Frieden zu schaffen, nicht mehr erfüllen könnten. 58o Diesem Einwand könnte nur zugestimmt werden, wenn die Staaten Aufgaben an die Gemeinschaft abgegeben hätten, zu deren Erfüllung sie auch selbst in der Lage sind. Zudem läßt sich dieses Argument nur eingeschränkt aufrechterhalten: Die Abgabe von Aufgaben der Staaten an die Gemeinschaft läßt sich als Teil eines ursprünglichen Vertrages denken. Aus Sicht der Friedensschrift ist - unter der Voraussetzung, daß die Gemeinschaft zur Wahrnehmung der Aufgaben tatsächlich in der Lage ist - nur die partielle Aufgabe der Souveränität selbst problematisch, nicht auch das Ergebnis, der als der Rechtsordnung der GemeinSteiger, Frieden durch Institution, S. 161 f. Archibugi, Models of international organization in perpetual peace projects, S.313. 576 Graf Ballestrem, Auf dem Weg zur Weltrepublik?, S. 519. m H. Schmidt, Kant und die Theorie der internationalen Beziehungen, S. 111. 578 Hertel, Supranationalität als Verfassungsprinzip, S. 21. 579 Schachtschneider/Emmerich-Fritsche/Beyer, Der vertrag über die Europäische Union, S. 760. 580 Covell, Kant, die liberale Theorie der Gerechtigkeit und die Weltordnung, S.376. 574

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schaft zugrunde liegend gedachte ursprüngliche Vertrag. Denn das Bestehen von Staaten ist aus Sicht der Vernunft zufällig; wenn eine andere Struktur entsteht, die dieselben Aufgaben wahrnehmen kann, ist diese in gleicher Weise vernunftgeboten. Schrader vertritt die Ansicht, das Mehrheitsprinzip werfe Probleme im Hinblick auf den zweiten Präliminarartikel auf. 581 Dagegen ist bereits einzuwenden, daß das Gemeinschaftsrecht keine Akte der Souveränitätsübertragung durch Mehrheitsbeschlüsse vorsieht. Vielmehr sind die Gemeinschaftshandlungen auf die Gegenstände beschränkt, für deren Regelung die Mitgliedstaaten den Gemeinschaften die Zuständigkeit in Form der Vereinbarung des Kompetenzkatalogs eingeräumt haben. Wenn die Staaten Handlungsbefugnisse in Ausübung ihrer moralischen Autonomie freiwillig zur Entscheidung durch Mehrheitsbeschluß abgegeben haben, werden sie durch diesen Beschluß nicht als eine Habe instrumentalisiert. Die Gegenstände, über die die Gemeinschaft mit Mehrheit entscheiden kann, fallen daher gar nicht in den durch den zweiten Präliminarartikel angesprochenen Regelungsbereich. Selbst wenn man, etwa wegen der Wirkung der Gemeinschaftsbeschlüsse auf die tatsächliche Unabhängigkeit der Staaten, den zweiten Präliminarartikel für anwendbar halten wollte, ist zu bedenken, daß in Belangen, die besonders wichtige Interessen der Mitgliedstaaten berühren, nach den Luxemburger Beschlüssen das Prinzip der Einstimmigkeit gilt. 582 Danach können Fragen von so einschneidender Bedeutung wie die im zweiten Präliminarartikel erfaßten Aspekte gar nicht durch einfachen Mehrheitsbeschluß entschieden werden. Kambartel meint, daß Europäische Gemeinschaften und Europäische Union eher als Völkerbund und Vereinte Nationen dem Modell Kants entsprächen, weil sie auch nach der demokratischen Legitimation der Staaten fragten. Daher dürfe etwa die Türkei nicht Mitglied werden. 583 Dabei setzt Kambartel die von Kant nicht vertretene Auffassung voraus, der zweite Definitivartikel gelte nur für republikanisch verfaßte Staaten. Seiner Aussage ist jedoch insoweit zuzustimmen, als die Mitgliedstaaten den ersten Definitivartikel in der Hinsicht erfüllen, daß über die Frage, ob Krieg sein soll, die Parlamente entscheiden. 584 Viele Autoren sehen durch die europäische Integration die These Kants bestätigt, daß republikanisch verfaßte Staaten zu friedlichen Zusammenschlüssen fähig seien. 585 581 Schrader, Die Europäische Union - "Völkerbund" oder "Universalmonarchie"?, S. 94. 582 Vgl. Oppermann, Europarecht, S. 16; Streinz, Europarecht, S. 78. 583 Kambarte1, Kants Entwurf und das Prinzip der Nichteinmischung, S. 244. 584 Vgl. SChrader, Die Europäische Union - "Völkerbund" oder "Universalmonarchie"?, S. 104.

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Schrader prüft auch die Einhaltung der Präliminarartikel durch die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft. Diese befolgten den ersten und fünften Präliminarartikel jedenfalls untereinander. 586 Der sechste Präliminarartikel werde hinsichtich des Spionageverbots nicht einmal unter den Mitgliedstaaten beachtet. 587 Auch der dritte und der vierte Präliminarartikel würden nicht eingehalten. An dem Verstoß gegen die von Kant erarbeiteten Grundsätze würde auch eine gemeinsame europäische Verteidigung nichts ändern, denn diese würde die Probleme von der nationalen auf die europäische Ebene verlagern. 588 Damit ist ein von Kant so nicht behandeltes Problem angesprochen: Durch eine nicht globale Staatenvereinigung wird das Sicherheitsdilemma zwar zwischen ihren Mitgliedern entschärft, nach außen aber angesichts der mit der Größe der neu entstandenen Struktur verbundenen Bedrohung für andere Staaten sogar verschärft. Solange diese Organisation für den Beitritt weiterer Staaten offen bleibt, kann freilich ein Effekt eintreten, der Ähnlichkeit mit dem von Kant beschriebenen Anreiz zum Eintritt in den Friedensbund hat: Um der Bedrohung durch die Staatenvereinigung zu entgehen, begeben sich weitere Staaten in einen rechtlichen Zustand mit der Gemeinschaft, indem sie ihr beitreten. Die Friedensschrift wird auch in der Erörterung der Konsequenzen der Intergration für die einzelnen Menschen genannt. Petersmann meint, die Eingrenzung der Gewalt der Mitgliedstaaten gegenüber den Bürgern anderer Mitgliedstaaten entspreche dem Weltbürgerrecht. 589 Ähnlich äußert sich Schrader: Die Rechtspositionen der EU-Bürger gegenüber anderen EU-Staaten seien mit dem Weltbürgerrecht vergleichbar. 59O Hier ist, wie in der Frage der Menschenrechte, zu differenzieren. Hinsichtlich der Bestimmung des Rechtskreises mag der Vergleich mit dem dritten Definitivartikel berechtigt sein. Dafür sprechen auch die Möglichkeiten sowohl der Staaten als auch der Individuen, nach Art. 230, 232 EGV (bisher Art. 173, 175) als Verfahrensparteien vor dem EuGH aufzutreten. Auch lassen sich die Rechte 585 Czempiel, Warum sind die Demokratien (noch immer) nicht friedliebend?, 96; Rittberger, Zur Friedensfähigkeit von Demokratien, S. 10; Henog, ,,Daß Demokratien untereinander keine Kriege führen, ist die konkrete Vision einer internationalen Friedensordnung", in: Demokratie als Friedensstrategie, S. 40. 586 Schrader, Die Europäische Union - "Völkerbund" oder "Universalmonarchie"?, S. 93. 587 Schrader, Die Europäische Union - "Völkerbund" oder "Universalmonarchie"?, S. 99. 588 Schrader, Die Europäische Union - "Völkerbund" oder "Universalmonarchie"?, S. 96f. 589 Petersmann, Tbe Foreign Policy Constitution of the European Union", S. 447. 590 Schrader, Die Europäische Union - "Völkerbund" oder "Universalmonarchie"?, S. 118. 14*

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der Bürger eines Staates gegenüber anderen Staaten legitimationstheoretisch als auf einem ursprünglichen Vertrag zwischen diesen beruhend denken. Neben dem Einwand, daß das Weltbürgerrecht im Gegensatz zu den Rechten der Bürger der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften kein positives Recht ist, spricht gegen den Vergleich vor allem der Inhalt der Regelungen: So gehen die Rechte, die aus dem Gemeinschaftsrecht folgen, weit über das Besuchsrecht des dritten Definitivartikels hinaus. Der wichtigste Unterschied ist darin zu sehen, daß mit der Einführung der Unionsbürgerschaft durch Art. 17 Abs. 1 EGV ein Rechtskreis entstanden ist, in dem die Individuen unmittelbar mit den Gemeinschaften in Rechtsbeziehung stehen. Der Vermittlung durch die Staaten bedarf es nicht mehr. Anders als das Weltbürgerrecht stellt das Gemeinschaftsrecht damit eine institutionelle Basis des gemeinsamen Rechts von Staaten und Individuen dar. In der der Friedensschrift zugrunde liegenden Systematik müßte hier eher von der Vorform eines Staatsrechts als von einer Ausprägung des Weltbürgerrechts gesprochen werden. Daß die Staaten ihre Souveränität im Rahmen der europäischen Integration einschränken, entspricht zwar nicht der Lösung Kants. Es läßt sich aber, wie Höffe gezeigt hat, auf dem Ansatz Kants aufbauend auch die Vereinbarkeit eines supranationalen Minimalstaates mit der Vernunft darlegen. 59 ! Aus Sicht der Rechte der Bürger der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft kann das sogar geboten sein, wenn ihre Rechte anders nicht gesichert werden können. Zanetti vertritt die Auffassung, die Staaten seien dann nicht mehr an der Abgabe ihrer Souveränität gehindert, wenn die Rechte ihrer Bürger auf internationaler Ebene durch eine entsprechende Gerichtsbarkeit geschützt würden. 592 Vor diesem theoretischen Hintergrund kann die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz der Individualrechte auf europäischer Ebene gesehen werden. Während sich das Bundesverfassungsgericht in seinem sogenannten "Solange 1"-Beschluß aus dem Jahre 1974 das Recht vorbehielt, Gemeinschaftsrecht auf seine Anwendbarkeit in Deutschland zu überprüfen, solange die europäische Integration nicht so weit fortgeschritten sei, daß das Gemeinschaftsrecht einen Grundrechtskatalog enthalte, der dem des Grundgesetzes vergleichbar sei 593 , drehte sich die Vermutung im 1986 ergangenen "Solange II"-Beschluß dahingehend um, daß das Bundesverfassungsgericht die Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts in Deutschland nicht überprüfen wollte, solange der Europäische Gerichtshof den Grundrechtsschutz generell gewährleiste594 . Diese europafreundliche Ansicht ~91 ~92 ~93

Höffe, Kant als Theoretiker der internationalen Rechtsgemeinschaft, S. 492. Zanetti, Ethik des Interventionsrechts, S. 308. BVerfGE 37, 271 (278ff.).

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wurde 1993 im "Maastricht-Urteil" relativiert, in dem das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der Rechtsprechung über die Anwendbarkeit sekundären Gemeinschaftsrechts in Deutschland von einem "Kooperationsverhältnis" zum Europäischen Gerichtshof sprach. 595 Die Argumentation des Bundesverfassungsgerichtes läßt sich aus der Perspektive der Diskussion um die Zulässigkeit des Weltstaates betrachten: Der Staat kann nur Rechte an die Gemeinschaft abgeben, wenn er die Aufgaben, die ihm nach dem ursprünglichen Vertrag zukommen, dann noch erfüllen kann. Der zweite Aspekt, die mögliche Pflicht des Staates zur Abgabe solcher Aufgaben, kann für das Bundesverfassungsgericht angesichts seiner Funktion keine Bedeutung haben, solange das Grundgesetz keine über eine bloße Zielvorgabe hinausgehende Integrationspflicht enthält. Neben den zahlreichen Betonungen der geistesgeschichtlichen Bezüge der europäischen Integration zu den Ideen Kants und den Vergleichen ihrer Strukturen mit seinen Vorschlägen, wird der Versuch unternommen, die Friedensschrift als Maßstab für die weitere Entwicklung Europas ins Feld zu führen. Czempiel fordert unter Berufung auf Kant die Eingliederung der osteuropäischen Staaten in die Gemeinschaft. 596 Petersmann hält die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik unter dem Gesichtspunkt der demokratischen Legitimation für problematisch. 597 Die Rechte der EUBürger und das Demokratieprinzip erforderten eine "foreign policy constitution". Für die Eingrenzung der außenpolitischen Gewalt der Europäischen Union sei Kants Theorie, die Beziehungen der Staaten und Individuen durch ein gemeinsames Recht zu regeln, die effektivste und demokratischste. 598 Damit scheint Petersmann auf das Weltbürgerrecht abzustellen, was, wie oben dargestellt, fragwürdig ist; es handelt sich um Forderungen, die unter dem Aspekt der Entwicklung vom Friedensbund zum Weltstaat zu sehen sind. Ein Problem der demokratischen Legitimation sieht Schrader darin, daß keine informierte europäische Öffentlichkeit vorhanden sei. 599 Träfe dieser Befund zu, könnten die Bürger ihre Mitbestimmungsrechte nicht wahrnehmen. Das Problem kann jedenfalls nicht unter Bezugnahme auf Kant gelöst werden, da dieser ausdrücklich keine tatsächliche Öffentlichkeit verlangt, BVerfGE 73, 339 (375ff. sowie Leitsatz 2). BVerfGE 89, 155 (Leitsatz 7). 596 Czempiel, Kants Theorem und die zeitgenössische Theorie der internationalen Beziehungen, S. 319. 597 Petersmann, The Foreign Policy Constitution of the European Union", S. 434. 598 Petersmann, The Foreign Policy Constitution of the European Union", S. 447. 599 Schrader, Die Europäische Union - "Völkerbund" oder "Universalmonarchie"?, S. 105f. 594 595

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sondern auf die gedanklich vollzogene Orientierung am allgemeinen Willen abstellt. Europäische Gemeinschaften und Europäische Union werden von der Literatur zwar immer wieder mit Kant in Verbindung gebracht. Daß die Friedensschrift bei ihrer Entstehung eine entscheidende Rolle gespielt hat, läßt sich aber nicht nachweisen. In der Debatte um die Vertiefung der Integration und die Ausdehnung auf weitere Staaten spielt Kant eine untergeordnete Rolle. Hinsichtlich einzelner Aspekte der Integration sind gelegentliche Bezugnahmen festzustellen. Insgesamt kann nicht von einem markanten Einfluß auf die europäische Integration gesprochen werden. 7. Weltpolitische Aspekte: Demokratisierung als Friedensstrategie

Auch während des Kalten Krieges wurde in den westlichen Staaten der Zusammenhang von Demokratie und Frieden, der schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer wieder beleuchtet worden war, mit Bezugnahme auf die Friedensschrift erörtert. Die Diskussion dauert auch heute noch an. Dabei begnügt man sich nicht mehr damit, die Demokratie als Voraussetzung des Friedens anzusehen, sondern will durch weltweite Förderung der Demokratisierung gezielt den Frieden sichern. Bis heute ist der Zusammenhang von demokratischer innerer Ordnung und friedlichem Außen verhalten umstritten. Die Diskussion ist gegenüber der Erörterung in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg vielschichtiger geworden. Sie beschränkt sich nicht auf eine Stellungnahme zur Begründung Kants, sondern ergänzt diese durch weitere Argumente. Nicht zuletzt durch die Entwicklung der politologischen Forschung konnten neue Aspekte erschlossen werden. Noch immer wird aber von der These Kants ausgegangen. Zustimmend äußern sich etwa Kriele 600, Cavallar601 , Riley602 und Allen 603 . Garnharn meint, daß es das Verdienst Kants sei, die Zusammenhänge zwischen Demokratie und Frieden als einer der ersten erkannt und auf die richtige Begründung zurückgeführt zu haben. 604 Mit korrigierender und ergänzender Begründung vertreten diese These auch RisseKappen 60S und Schrader.606 Gegen die Ansicht wenden sich Grewe 607 Krie1e, Die demokratische Weltrevolution, S. 154. Cavallar, Pax Kantiana, S. 92. 602 Riley, The ,Place' of Politics, S. 277. 603 Allen, Perpetual Peace Through World-Wide Federation, S. 801. 604 Garnham, War-Proneness, War-Waeariness, and Regime Type, S. 282ff. 6O!i Risse-Kappen, Demokratischer Frieden? Unfriedliche Demokratien?, S. 180. 606 Schrader, Die Europäische Union - "Völkerbund" oder "Universalmonarehie"?, S. 115. fIJ7 Grewe, Frieden dureh Recht?, S. 9. 600

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V. Die Zeit des Kalten Krieges

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sowie Layne mit dem provokativen Titel "Kant or Cant,,608. Galtung beendet die Diskussion des Zusammenhangs von Demokratie und Frieden mit der "Schlußfolgerung: Mehr Demokratien - mehr kriegerisches Verhalten [... ]".609 Höffe hält die These Kants für zwar nicht grundsätzlich falsch, jedoch zu optimistisch. 610 Die Geschichte habe gezeigt, daß Demokratien sich nicht stets friedliebend verhielten. 611 Brunkhorst spricht von einer utopischen Hypothese. 612 Statistische Untersuchungen bestätigen die These Kants nur zu einem Teil. Small und Singer stellten in einer Untersuchung der Kriege seit 1816 fest, daß Demokratien zwar als Aggressoren an Kriegen genauso häufig beteiligt gewesen seien wie nicht demokratische Staaten. Nur selten hätten Demokratien aber gegeneinander Krieg geführt. 613 Doyle bezieht sich in einer vergleichbaren statistischen Untersuchung auf "liberal states".614 Debiel betont, daß mit den USA, Großbritannien und Frankreich auch Demokratien unter den zehn Staaten vertreten seien, die seit 1945 die meisten Kriege geführt hätten. 615 Honneth stellt fest, daß auch die liberalen Demokratien bei der Eroberung und Verteidigung ihrer Kolonien Gewalt angewendet hätten. 616 Gegen den Aussagewert solcher Statistiken argumentiert Layne, es gebe gar nicht genügend Staaten, die den Anforderungen Kants entsprächen, um zuverlässige Ergebnisse über deren Konfliktverhalten zu erhalten. 617 Die Analysen des Verhaltens demokratischer Staaten werden vor allem unter dem Gesichtspunkt der begrifflichen Voraussetzungen kritisiert. 618 So wird vermutet, die Ergebnisse variierten je nach verwendetem Kriegsbegriff. Hauptkritikpunkt ist die Demokratiedefinition. 619 Den Gegnern der Ansicht Kants wird entgegengehalten, soweit als Republiken bezeichnete Staaten Kriege geführt hätten, widerlege dieser Befund die These nicht, denn es seien keine Republiken im Sinne des ersten Definitivartikels gewesen. 620 Layne, Kant or Cant, S. 39 ff. Galtung, Frieden mit friedlichen Mitteln, S. 113. 610 Höffe, Völkerbund oder Weltrepublik?, S. 125. 611 Höffe, Die Vereinten Nationen im Lichte Kants, S. 254. Ähnlich auch Archibugi, From the United Nations to Cosmopolitan Democracy, S. 131. 612 Brunkhorst, Einmischung erwünscht?, S. 7. 6\3 Small/Singer, The War-Proneness of Democratic Regimes, S. 67. 614 Doyle, Kant, Liberal Legacies, and Foreign Affairs, S. 213. 615 Debiel, Demokratie und Gewalt in einer Welt des Umbruchs, S. 55. 616 Honneth, Universalismus als moralische Falle?, S. 295. 617 Layne, Kant or Cant, S. 39 ff. Für das 19. Jahrhundert ebenso CzempieI, Warum sind die Demokratien (noch immer) nicht friedliebend?, S. 86. 618 Vgl. CzempieI, Herrschaftssystem und Friedenswahrung, S. 41. So auch schon Rogge, Nationale Friedenspolitik, S. 34. 619 Vgl. Layne, Kant or Cant, S. 41. 608 609

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

Die heutigen Demokratien seien noch weit von der Idee der republikanischen Verfassung entfemt. 621 Risse-Kappen behauptet demgegenüber, daß das statistisch gewonnene Ergebnis bei jeder gängigen Demokratie-Definition zutreffe. 622 Auch in der theoretischen Betrachtung ist Kants These umstritten. Viele Befürworter der These des Zusammenhangs von Demokratie und Frieden bezweifeln die Begründung Kants. Gegen die Friedensneigung der demokratischen Staaten wird - dem Ansatz Kants folgend - angeführt, die Bürger bekämen die Drangsale des Krieges gar nicht immer selbst zu spüren. 623 Zudem hätten in Demokratien oft partikuläre Interessengruppen großen Einfluß. Als Beispiel für die Konsequenzen dieser Einflußnahme nennt Czempiel den Sturz des chilenischen Staatspräsidenten Allende unter Mitwirkung des US-Geheimdienstes im Jahre 1973.624 Dieser hatte die Verstaatlichung der Grundstoffindustrie Chiles geplant, die sich weitgehend im Besitz großer US-Konzeme befand. Schmidt führt das Verhalten der USA darauf zurück, daß Entscheidungsbefugnis und Kriegsbetroffenheit auseinanderfielen. 625 Bonante sieht auch im Vietnamkrieg eine Auswirkung dieser Inkongruenz. 626 Auch über Kants Ansatz hinaus werden Zusammenhänge zwischen der inneren Struktur der Staaten und ihrem Konfliktverhalten vermutet. Zum Teil wird die These vertreten, in einem Rechtsstaat gewöhnten sich die Bürger daran, Konflikte rechtsförmig zu lösen. Das übertrügen sie auch auf das Außenverhalten. 627 Zudem ermöglichten schwerfällige Entscheidungsprozesse eine Besinnung. 628 Auch die demokratische Mitbestimmung als solche sorge für weniger Kriegsneigung. 629 Doyle meint, von der Zunahme der Selbstbestimmung in Osteuropa gehe eine Verminderung der intematio620 Czempiel, Kants Theorem und die zeitgenössische Theorie der internationalen Beziehungen, S. 303 f.; Cavallar, Pax Kantiana, S. 168 f. 621 Crome, Immanuel Kant und der internationale Frieden, S. 14. Gegen diese Ansicht Doyle, Die Stimme der Völker, S. 240. 622 Risse-Kappen, Demokratischer Frieden? Unfriedliehe Demokratien?, S. 159. 623 Brandt, Historisch-kritische beobachtungen zu Kants Friedensschrift, S. 51. 624 Czempie1, Warum sind die Demokratien (noch immer) nicht friedliebend?, S. 86. Vgl. auch Gilbert, Must Global Politics Constrain Democracy?, S. 270. 625 H. Schmidt, Kant und die Theorie der internationalen Beziehungen, S. 105. 626 Bonante, Peace or Democracy?, 52. 627 Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf "Zum ewigen Frieden", S. 87; ähnlich Covell, Kant, die liberale Theorie der Gerechtigkeit und die Weltordnung, S. 366. Ob darüber hinaus eine gute Staatsverfassung, wie Goedeckemeyer, Die Idee vom ewigen Frieden, S. 47, meint, zur moralischen Besserung des Volkes führt, scheint zweifelhaft. Das Erziehungsargument gibt Tes6n, The Kantian Theory of International Law, S. 75, als Argument Kants aus. 628 Debiel, Demokratie und Gewalt in einer Welt des Umbruchs, S. 59.

V. Die Zeit des Kalten Krieges

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nalen Spannungen aus. 630 Honneth vertritt die Ansicht, Kant habe sich über den Grund der Friedensneigung der Demokratien geirrt: Nicht materielle Interessen seien die Ursache, sondern Reflexionsdruck und Transparenz der Entscheidungsprozesse.63I Andererseits wird auch betont, daß in Demokratien die Gefahr des Einflusses von Massenemotionen auf die Entscheidungen sehr hoch sei. 632 Als Beispiel führt Patzig einen Krieg zwischen Honduras und EI Salvador wegen eines umstrittenen Fußballspiels an. 633 Andere Argumentationen setzen nicht bei der Wirkung der inneren Struktur eines Staates auf sein Konfliktverhalten an, sondern bei der Wirkung auf andere Staaten. So müßten nach innen aggressive Herrschaftssysteme auch nach außen aggressiv sein, um sich im Besitz der Macht zu erhalten. 634 Insbesondere erweckten aggressive Staaten bei anderen Staaten diese Befürchtung. 635 Kriele sieht einen "Zusammenhang von Menschenrechtsgeltung und Völkerrechtsgeltung".636 Risse-Kappen meint, Demokratien vertrauten auf den Gewaltverzicht anderer Demokratien aus strukturellen Gründen. 637 Rittberger sieht als entscheidenden Faktor des friedlichen Verhaltens republikanisch verfaßter Staaten einen auf Gleichartigkeit der Herrschaftsform gegründeten Respekt der Demokratien untereinander. 638 Dagegen spricht nicht, daß dieser Effekt auch unter den Nicht-Demokratien zu beobachten sein müßte, was nicht festgestellt werden kann. Denn die Gleichartigkeit der Herrschaftsform ist nicht die entscheidende Ursache. Vielmehr sind durch die rechtsstaatliche Verfassung die politischen Entscheidungen der Willkür entzogen. 639 Darauf können sich die anderen Staaten verlassen. Bei der Vertrauensbildung spielt nach Ansicht von Risse-Kappen die Öffentlichkeit eine große Rolle. 64o Moravsic meint, Demokratien seien nach außen transparent und deshalb verläßlich. 64I Zum größeren Vertrauen, das 629 Czempiel, Warum sind die Demokratien (noch immer) nicht friedliebend?, S. 79, liest aus Kant: Je größer die demokratische Mitbestimmung, desto kleiner die Gewaltneigung; Doyle, Die Stimme der Völker, S. 222. 630 Doyle, Die Stimme der Völker, S. 22l. 63\ Honneth, Universalismus als moralische Falle?, S. 296. 632 C. J. Friedrich, Die Ideen der Charta der Vereinten Nationen, S. 79; Small/ Singer, The War-Prom!ness of Democratic Regimes, S. 68. 633 Patzig, Kants Schrift "Zum ewigen Frieden", S. 20. 634 Doyle, Kant, Liberal Legacies, and Foreign Affairs, S. 325. 635 Zanetti, Ethik des Interventionsrechts, S. 30l. 636 Kriele, Die demokratische Weltrevolution, S. 154. Statt von "Geltung" sollte man hier besser von "Beachtung" sprechen. 637 Risse-Kappen, Demokratischer Frieden? Unfriedliche Demokratien?, S. 174f. Ähnlich auch Wright, A Study of War, S. 264, FN. 33. 638 Rittberger, Zur Friedensfahigkeit von Demokratien, S. 11. 639 Kriele, Die demokratische Weltrevolution, S. 154. 640 Risse-Kappen, Demokratischer Frieden? Unfriedliche Demokratien?, S. 177.

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

Rechtsstaaten entgegengebracht werde, soll nach Gerhardt beitragen, daß die Bürger auch im Verhalten nach außen rechtlich gebunden seien. 642 Diese Thesen werden durch die Beobachtung gestärkt, daß Demokratien sich häufiger zu Allianzen zusammenschließen als andere Staaten. 643 Kant habe darin Recht gehabt, daß republikanisch verfaßte Staaten in der Lage seien, Zusammenschlüsse zu bilden, die einem friedlichen Interessenausgleich dienten. 644 Konflikte zwischen Demokratien eskalierten daher nicht so schnel1. 645 Den umgekehrten Schluß aus dem Gedanken der äußeren Wirkung zieht Doyle, der meint, Demokratien gingen davon aus, daß Nicht-Demokratien ungerecht seien. 646 Dann könnte man erwarten, daß sie zu präventiver Gewaltanwendung bereit seien. Nach Galtung sind Demokratien nur ihrem Selbstbild nach nicht kriegerisch. 647 Zudem wird betont, daß nicht nur das Außen verhalten von der inneren Struktur abhängig sei, sondern auch, umgekehrt, die republikanische Verfassung nur im Frieden verwirklicht werden könne. 648 Layne hält diesen Aspekt sogar für durchschlagend gegenüber dem von Kant in der Friedensschrift thematisierten. 649 Diesen umgekehrten Zusammenhang hat Kant schon in seiner Schrift "Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht" angedeutet. 650 Gilbert meint, äußere Aggression führe auch zu innerer Aggression. 651 Wenn dies zutrifft, kann die Demokratisierung nicht erzwungen werden, weil der Zwang das Gegenteil bewirken würde. Knapp will die Demokratisierung durch die Staatengemeinschaft unterstützen im Wege des "peaceful Moravcsik, Federalism and Peace: A Structural Liberal Perspective, S. 128. Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf "Zum ewigen Frieden", S. 87f. 643 Risse-Kappen, Demokratischer Frieden? Unfriedliehe Demokratien?, S. 164. 644 Rittberger, Zur Friedensnihigkeit von Demokratien, S. 10. 645 Risse-Kappen, Demokratischer Frieden? Unfriedliehe Demokratien?, S. 166. 646 Doyle, Die Stimme der Völker, S. 231. 647 Galtung, Frieden mit friedlichen Mitteln, S. 98. 648 Vgl. auch Bonante, Peace or Democracy?, 51; Held, Kosmopolitische Demokratie und Weltordnung, S. 228; Janssen, Friede. Zur Geschichte einer Idee in Europa, S. 252f.; Laberge, Von der Garantie des ewigen Friedens, S. 165. Ähnlich äußerte sich im Jahre 1871 auch schon Lasson, Princip und Zukunft des Völkerrechts, S. 146. 649 Layne, Kant or Cant, S. 45. 650 Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, VIII, S. 24 (2ff.). 651 So Gilbert, Must Global Politics Constrain Democracy?, S. 246, mit der Verweis darauf, daß diese These schon von Aristoteles vertreten worden sei; vgl. dazu auch Höffe, Für und Wider eine Weltrepublik, S. 216. 641

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V. Die Zeit des Kalten Krieges

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change".652 Kriele betont, daß zudem der Prozeß der Demokratisierung, wie von Kant gefordert, nur unter Beachtung des Rechts erfolgen könne. 653 Mit dem Ende des Kalten Krieges gewinnt die Ansicht, die einen Zusammenhang von Demokratie und Frieden behauptet, nochmals Auftrieb. Viele Autoren sehen die These Kants bestätigt. Die demokratischen Staaten hätten eine Vielzahl von Organisationen gebildet, die der Sicherung ihrer Freiheit dienten. 654 Von der Demokratisierung Osteuropas gehe eine Verminderung der internationalen Spannungen aus. 655 Kalinnikow sieht in den Veränderungen in der Sowjetunion eine Verwirklichung der Ideen Kants. 656 Senghaas meint, mit den Veränderungen in Osteuropa hätten sich die Aussichten auf einen dauerhaften Frieden erhöht. 657 Herzog bezeichnet die politische Situation Europas als die ,,konkrete Vision einer internationalen Friedensordnung" .658 Wenn auch die Begründung Kants heute von vielen Autoren als unzutreffend oder jedenfalls unvollständig angesehen wird und seine These im Ergebnis umstritten ist, so kann doch behauptet werden, daß Kants Philosophie immer wieder den Anstoß zu einer Erörterung der Frage gegeben hat, wie durch das Hervorrufen innerer Reformen die Entwicklung einer friedlichen Weltordnung gefördert werden könne. Diese Diskussion kann heute mit dem Wissen aus der politologischen Forschung differenzierter geführt werden als vor zweihundert Jahren. Kants These konnte noch nicht widerlegt werden. Obwohl sich die Schwerpunkte der Argumentation von der Begründung Kants entfernt haben, gilt seine These der Literatur noch immer als Ausgangspunkt.

8. Ansichten über die Realisierung der Vorschläge Kants

Wie schon in anderen Epochen, finden sich auch in der Zeit des Kalten Krieges vereinzelte Äußerungen zur Frage, ob die Forderungen der Präliminarartikel schon erfüllt seien. Schwarz stellt fest, daß sich an den politi652 Knapp, Die Vereinten Nationen und das Problem des friedlichen Wandels, S.273. m Kriele, Die demokratische Weltrevolution, S. 156f. 654 Petersmann, How to Constitutionalize the United Nations?, S. 316. 655 Doyle, Die Stimme der Völker, S. 221; Cavallar, Annäherung an den ewigen Frieden, S. 137. 656 KaJinnikow, Kant in Königsberg - Kant in KaJiningrad, S. 79. 657 Senghaas, Die Relevanz von Friedenstheorien für die Neugestaltung Europas, S.30. 658 Herzog, ,,Daß Demokratien untereinander keine Kriege führen, ist die konkrete Vision einer internationalen Friedensordnung", in: Demokratie als Friedensstrategie, S. 40.

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

sehen Praktiken seit Kant nur wenig geändert habe. 659 Friedrich meint, noch keiner der Präliminarartikel sei vollständig erfüllt. 660 Demgegenüber vertritt Schlochauer die Ansicht, durch die Völkerrechtsentwicklung seien die Präliminarartikel weitgehend realisiert. 661 9. Zwischenergebnis: Die Friedensschrift in der Zeit des Kalten Krieges

Die durch eine zunehmende Verrechtlichung und Institutionalisierung der internationalen Beziehungen gekennzeichnete Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg weist im Vergleich zur Völkerbundszeit weniger Beschäftigung mit der Friedensschrift auf, als die Entwicklung des positiven Völkerrechts erwarten läßt. Zwar wird Kant auch mit zentralen Themen wie dem Selbstbestimmungsrecht, den Individualrechten im Völkerrecht, den Internationalen Organisationen, insbesondere der UNO, und der europäischen Integration in Verbindung gebracht. Bedingt durch das Zurücktreten der Philosophie gegenüber der Politologie in ihrer Bedeutung für das Völkerrecht ist die Bezugnahme auf Kant jedoch nicht in demselben Maße prägend wie zur Zeit des Völkerbundes. Die Friedensschrift bleibt dennoch in der völkerrechtlichen Diskussion präsent. VI. Die Jahrtausendwende Nicht alle charakteristischen Merkmale einer Epoche, die gerade erst begonnen hat, lassen aus der zeitgenössischen Perspektive mit derselben Klarheit bestimmen, in der mit dem Wissen der Gegenwart auf frühere Entwicklungen zurückgeblickt werden kann. Ein neuer Abschnitt in der Geschichte des Völkerrechts scheint, wie auch Ziegler meint662 , 1991 mit dem Zerfall der Sowjetunion begonnen zu haben. 663 Herzog spricht von einer "Zeitenwende,,664. Die völkerrechtliche Diskussion trägt diesen Veränderungen bereits Rechnung. Mit der Einschätzung des Endes des Ost-West-Gegensatzes, der sich im Kalten Krieg äußerte, als Epochengrenze ist die Erwartung einer Veränderung der internationalen Rechtslage verbunden. Sollte diese ausbleiben, Schwarz, Principles of lawful Politics, S. 23. C. J. Friedrich, Die Ideen der Charta der Vereinten Nationen, S. 76. 661 Schlochauer, Die Idee des ewigen Friedens, S. 26. 662 Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 265. 663 Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, S. 35, setzt bei der Darstellung der Völkerrechtsgeschichte ebenfalls einen Einschnitt mit dem Ende des Ost-West-Konflikts. 664 Herzog, Zur Entwicklung einer friedelichen Weltgemeinschaft, in: Demokratie als Friedensstrategie, S. 20 l. 659 660

VI. Die Jahrtausendwende

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könnte nicht von einer neuen Phase in der Entwicklung des Völkerrechts gesprochen werden. Zugleich müßte dann der Ost-West-Gegensatz als weniger entscheidend angesehen und ein anderes, auch die Jahre nach dem Kalten Krieg einschließendes Kriterium für die Charakterisierung der Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg gefunden werden. Der für die Setzung der Einteilung maßgebliche Wegfall des Dualismus zwischen Ost und West eröffnet Chancen auf eine Intensivierung der Verrechtlichung der internationalen Beziehungen. Mit dem Verschwinden der klaren Feindbilder sind zugleich Risiken verbunden, zu deren Beherrschung eine solche Verrechtlichung immer dringlicher erscheint. Die Veränderungen des politischen Umfeldes haben bisher noch nicht zu epochemachenden Neuerungen der internationalen Rechtsordnung geführt, jedoch eine Diskussion über diese Fragen beschert. Dabei steht die Gestaltung einer universalen Ordnung an erster Stelle. Hier wird immer wieder auf Kant Bezug genommen. Schmidt sieht in der Zeit seit dem Ende des Kalten Krieges den "Höhepunkt der bisherigen Rezeption" der Friedensschrift. 665 In zwei anderen großen Fragen der Völkerrechtspolitik unserer Zeit, dem globalen Umweltschutz und dem auch schon früher diskutierten Nord-Süd-Konflikt spielt die Friedensschrift dagegen keine erkennbare Rolle. 1. Weltpolitische Aspekte: Vorschläge für eine globale Rechtsordnung

Nach dem Wegfall des Ost-West-Gegensatzes kommt verstärkt die Ansicht auf, aus der Friedensschrift könnten Beiträge für die Schaffung einer neuen Weltordnung gewonnen werden. 666 Vulfsons nennt die Ideen Kants einen "Wegweiser" und "Grundstein für die Alltagspolitik".667 Christians will der Philosophie Kants die geistigen Grundlagen für einen Frieden zwischen Ost und West entnehmen. 668 Nersesjanz betont die besondere Aktualität der Theorie Kants für die Entwicklung Europas. 669 Mit dem Bedürfnis nach einer universalen Rechtsordnung flammt die alte Diskussion um die Durchsetzung des Völkerrechts und die Möglichkeiten eines Weltstaates erneut auf. In der Zeit des Kalten Krieges waren solche H. Schmidt, Ein bedenkenswertes Jubiläum, S. 18. Vgl. etwa Zwilling, Immanuel Kant, S. 135; Honneth, Universalismus als moralische Falle?, S. 273; Nida-Rümelin, Ewiger Friede zwischen Moralismus und Hobbesianismus, S. 239; Solowjow, Sowjetische Kantforschung gestern und heute, S. 98; H. Schmidt, Ein bedenkenswertes Jubiläum, S. 18; Petersmann, How to Constitutionalize the United Nations?, S. 315. 667 Vulfsons, Kant und die aktuellen Probleme des Baltikums, S. 135. 668 Christians, Die Europäische Neuordnung, S. 164. 669 Nersesjanz, Kant, das Recht und der Frieden, S. 83. 665

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

Themen zwar auch erläutert worden. Radbruch meinte, unter der Voraussetzung des Souveränitätsdogmas sei die Leugnung der Rechtsnatur des Völkerrechts konsequent; das Verhältnis der Staaten untereinander böte das Bild einer Arena voller Raubtiere. 67o Wissenschaftler der Universität Chicago erarbeiteten einen "Vorentwurf für eine Weltverfassung".671 Da weltstaatliche Modelle angesichts der als unüberbrückbar empfundenen weltanschaulichen Differenzen utopisch erschienen, stellten sie aber keinen Schwerpunkt in der Erörterung völkerrechtspolitischer Fragen dar. In der Debatte um die Jahrtausendwende wird die Bedeutung philosophischer Friedenstheorien noch immer hervorgehoben. 672 Das zweihundertjährige Jubiläum der Friedensschrift nehmen zahlreiche Autoren zum Anlaß, um Kantsche Positionen zu bekräftigen oder ausgehend von Kants Thesen eigene Ansätze zu entwickeln. Lutz-Bachmann vertritt die Ansicht, die Theorien einer weltweiten Rechtsordnung schlössen regelmäßig an Kant an. 673 Merkel stellt fest, das heutige Völkerrecht genüge dem Anspruch der Vernunft noch nicht, da es nicht durchsetzbar sei. 674 Brunkhorst meint, auch heute noch sei das Völkerrecht Privatrecht im Sinne Kants. 675 Castillo spricht vom Völkerrecht als einem Sollen ohne Sein und begründet diese Position mit den Argumenten, die sich schon in Kants zweitem Definitivartikel finden. 676 Der Weltstaat wird von der Mehrheit der Autoren unter Berufung auf Kant abgelehnt: In einem Weltstaat bestünde die Gefahr des Despotismus. Eine Aufhebung der bisherigen Staaten sei nicht wünschenswert. 677 Randelzhofer meint, in der Formulierung wohl auf von Moltke anspielend: "Der Weltstaat ist eine Illusion und nicht mal eine schöne, wie ich meine".678 Rawls bezieht sich in der Ablehnung des Weltstaates ausdrücklich auf Kant. 679 Anders als dieser hält er den Weltstaat aber für entweder unregierbar oder despotisch, bei Kant stehen beide Probleme nebeneinander. Rinderle führt gegen den Weltstaat an, die Menschen wollten in einer bestimmten, begrenzten Gemeinschaft leben. 68o Bemerkenswert scheint, daß Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 297 f. Text bei Mann Borgese, A Constitution for the World, S. 25 ff. 672 Vgl. auch Archibugi, Models of international organization in perpetual peace projects, S. 295. 673 Lutz-Bachmann, Souveränitätsprinzip und Demokratie, S. 369. 674 Merkei, ,,Lauter leidige Tröster"?, S. 313. 675 Brunkhorst, Paradigmenwechsel im Völkerrecht?, S. 253. 676 Castillo, Moral und Politik: Mißhelligkeit und Einhelligkeit, S. 214. 677 Graf Ballestrem, Auf dem Weg zur Weltrepublik?, S. 517ff. 678 Randelzhofer, Der normative Gehalt des Friedensbegriffs, S. 19. 679 Rawls, The Law of Peoples, S. 46. 680 Rinderle, Die Idee der wohlgeordneten Staatengemeinschaft, S. 669. 670 671

VI. Die lahrtausendwende

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von den Argumenten Kants gegen den Weltstaat nicht die transzendentalen, sondern die empirischen übernommen wurden. Wenn auch ein Weltstaat nicht als wünschenswert betrachtet wird, so bedeutet das nicht, daß eine Beschränkung auf den Friedensbund gefordert wird. Brunkhorst und Schrader halten zwar eine zwangsweise Durchsetzung des Völkerrechts nicht für erforderlich.68I Und Graf Ballestrem hält den Friedensbund für ausreichend, um den Frieden zu sichern. 682 Überwiegend wird aber die Ansicht vertreten, man müsse über den Friedensbund hinausgehen. Williams hält den Friedensbund mangels Zwangsgewalt für wirkungslos. 683 Wittmann meint, die heutigen Internationalen Organisationen gingen über Kants Friedensbund hinaus, wenn sie auch die Souveränität der Staaten berücksichtigten. 684 Dem ist aus Sicht der Friedensschrift entgegenzuhalten, daß jede Entwicklung vom Friedensbund in Richtung auf die Idee des Weltstaates die Souveränität einschränkt. 685 Kants Begründung für die Ablehnung eines Weltstaates mit der Souveränität der Staaten, die jedem Hinausgehen über den Friedensbund entgegengehalten werden kann, findet heute - anders als noch im 19. Jahrhundert - kaum mehr Zustimmung. Sofern nicht die Ansicht Kants als widersprüchlich betrachtet wird 686 , werden jedenfalls Korrekturen vorgenommen. Nach Kersting muß Kants Theorie "von ihren längst obsolet gewordenen souveränitätstheoretischen Fesseln befreit werden".687 Koller meint, aus der Vielfalt der Staaten könne nicht geschlossen werden, daß diese uneingeschränkt souverän sein müßten. 688 Ähnlich äußert sich auch Lutz-Bachmann. 689 Kant setze die absolute Souveränität in der Definition des Staates ohne weitere Begründung voraus. 690 Nida-Rümelin meint, Kant sei es nicht gelungen zu zeigen, warum Staaten nicht einem Zwangsrecht unterworfen werden könnten.69I 681 Brunkhorst, Paradigmenwechsel im Völkerrecht?, S. 262; Schrader, Die Europäische Union - "Völkerbund" oder "Universalmonarchie"?, S. 113. 682 Graf Ballestrem, Auf dem Weg zur Weltrepublik?, S. 524. 683 Williams, Kant's Political Philosophy, S. 254f. 684 Wittmann, Kants Friedensentwurf - Antizipation oder Utopie?, S. 146. 68S Vgl. auch Lutz-Bachmann, Souveränitätsprinzip und Demokratie, S. 372. 686 So etwa Axinn, Kant on World Government, S. 243; Carson, Perpetual Peace: What Kant should have said, S. 178; Cavallar, Pax Kantiana, S. 210; Habermas, Kants Idee des ewigen Friedens, S. 18. Ähnlich Schrader, Die Europäische Union "Völkerbund" oder "Universalmonarchie"?, S. 113; Asbach, Internationaler Naturzustand und ewiger Friede, S. 225. 687 Kersting, Politische Friedenstheorien und internationale Friedensordnung, S. 539. Ähnlich auch Christians, Die Europäische Neuordnung, S. 164. 688 Koller, Frieden und Gerechtigkeit in einer geteilten Welt, S. 220. 689 Lutz-Bachmann, Souveränitätsprinzip und Demokratie, S. 382. 690 Lutz-Bachmann, Souveränitätsprinzip und Demokratie, S. 375. 691 Nida-Rümelin, Ewiger Friede zwischen Moralismus und Hobbesianismus, S.247.

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

Lutz-Bachmann bezweifelt, daß die Konstruktion eines ursprünglichen Vertrages zwischen Staaten anderen Regeln als der ursprüngliche Vertrag zwischen Individuen folgen müsse. 692 Hertel unterscheidet demgegenüber unter Bezugnahme auf die Friedensschrift im Zusammenhang mit der Legitimation Supranationaler Organisationen zwischen Herrschaftsbegründung der Individuen durch den ursprünglichen Vertrag und der Weitervennittlung der Herrschaft an die Supranationale Organisation. 693 Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Höffe, der meint, Kant hätte mit seinem Ansatz einen Minimalstaat als Ideal für die Organisation der Welt ansehen können. 694 Der minimale Weltstaat solle zwar volle Souveränität besitzen695 , aber nur für die Aufgaben, die die Staaten nicht selbst erfüllen könnten. 696 Carson möchte eine über den Staaten stehende Organisation errichten, die das Monopol für die Entscheidung über der Ausübung militärischer Gewalt erhalten solle. 697 Das Völkerrecht müsse für eine Entmilitarisierung sowie deren Kontrolle sorgen und den Staaten eine Gerichtsbarkeit zur Regelung ihrer Streitigkeiten zur Verfügung stellen. Zur Durchsetzung des Völkerrechts müsse eine "international army or ,police force'" geschaffen werden. 698 Auch Held fordert eine Verlagerung der Zwangspotentiale von den Staaten auf eine internationale Institution. 699 Brunkhorst meint, das Völkerrecht brauche eine "soft power", eine Art Polizei. Eine militärische Gewalt sei als Durchsetzungsmacht im Völkerrecht ungeeignet. 700 Steinvorth fordert, eine "übernationale Instanz zur Sicherung des Friedens einzusetzen".701 Nach Senghaas kommt es darauf an, eine Organisation zu schaffen, die das Sicherheitsdilemma so entschärft, daß die Staaten einander vertrauen können. 702 Hierbei bezieht sich Senghaas auch auf Kant. Einen vollständig anderen Ansatz verfolgt Kimminich. Er schlägt vor, statt die Frage der Durchsetzung zu erörtern, solle gefragt werden, wie dafür gesorgt werden könne, daß ein Aggressor nicht siegreich sein könne. 703 692 Lutz-Bachmann, Kants Friedensidee und das rechtsphilosophische Konzept einer Weltrepublik, S. 40f. 693 Hertel, Supranationalität als Verfassungsprinzip, S. 94. 694 Höffe, Kant als Theoretiker der internationalen Rechtsgemeinschaft, S. 492. 695 Höffe, Kant als Theoretiker der internationalen Rechtsgemeinschaft, S. 498. 696 Höffe, Völkerbund oder Weltrepublik?, S. 116. 697 Carson, Perpetual Peace: What Kant should have said, S. 173. 698 Carson, Perpetual Peace: What Kant should have said, S. 183. 699 Vgl. Held, Kosmopolitische Demokratie und Weltordnung, S. 236. 700 Brunkhorst, Paradigmenwechsel im Völkerrecht?, S. 269f. 701 Steinvorth, Soll es mehrere Staaten geben?, S. 288. 702 Senghaas, Die Relevanz von Friedenstheorien für die Neugestaltung Europas, S.32f. 703 Kimminich, Das Völkerrecht und die friedliche Streitschlichtung, S. 154.

VI. Die lahrtausendwende

225

Während die Diskussion um die Weltstaatlichkeit im Schwerpunkt um das Problem der Rechtsdurchsetzung kreist, wird der Aspekt der Rechtsentstehung nur selten angesprochen. Steinvorth meint, die Staaten könnten die Regeln der globalen Gerechtigkeit in ihrer eigenen Gesetzgebung verfolgen; ein Weltstaat sei hierfür nicht erforderlich. Gleichwohl müsse es eine internationale Rechtsdurchsetzung geben. 704 Solchen Vorschlägen ist entgegenzuhalten, daß die Beachtung globaler Belange durch die Gesetzgebung der Staaten aus globaler Sicht beliebig ist. Brunkhorst hält aus diesem Grund ein Minimum internationaler Gesetzgebung für erforderlich?OS Sommermann will zu diesem Zweck eine Welt-Verfassung errichten, die den Rahmen für die Weltgesetzgebung normiert. 706 Auch der Aspekt der Rechtsprechung wird kaum behandelt. Merkel fordert unter Verweis auf die Friedensschrift einen Völkerstrafgerichtshof. Zwar habe Kant solche Vorschläge aus der Situation des Völkerrechts seiner Zeit heraus noch abgelehnt. Eine entsprechende Institution könne aber aus heutiger Sicht als Sicherung des Weltbürgerrechts geschaffen werden, was auch angesichts der Betrachtung des einzelnen als Völkerrechtssubjekt konsequent sei. 707 Hier ist, wie bei der Mehrzahl der Bezugnahmen auf das Weltbürgerrecht, darauf hinzuweisen, daß sich die Individualrechte des Völkerrechts von diesem in ihrer Begründung unterscheiden. Der dritte Definitivartikel kann daher nicht zur Argumentation für eine die völkerrechtlich vereinbarten Individualrechte sichernde Institution herangezogen werden. Zur Begründung könnte man sich statt dessen auf das aus der Vernunft folgende Gebot der Verrechtlichung beziehen, das auch die Sicherstellung gleichmäßiger Rechtsanwendung durch eine Gerichtsbarkeit umfaßt. Zanetti legt die Friedensschrift dahingehend aus, daß die Staaten an ihrer Souveränität so lange festhalten müssen, bis die Rechte ihrer Bürger auf internationaler Ebene durch eine entsprechende Gerichtsbarkeit geschützt werden. 7os Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Friedensschrift unter dem Aspekt der Schaffung einer globalen Rechtsordnung in die gegenwärtige Debatte eingebracht wird. Weite Teilen der Literatur sehen dabei nur die empirischen Argumente Kants, die angesichts des seit Kant erreichten Standes politologischer Forschung nicht mehr als inhaltlich von überragender Bedeutung gelten können. Noch immer aktuell sind die Thesen Kants hinsichtlich der möglichen Reichweite einer Rechtsordnung über den Staaten. 704 Steinvorth, Zum Begriff des Staates unter Bedingungen der Globalisierung, S. 94f. 70S Brunkhorst, Paradigmenwechsel im Völkerrecht?, S. 256. 706 Sommermann, Der entgrenzte Verfassungsstaat, S. 41. 707 Merkei, ,,Lauter leidige Tröster"?, S. 348 f. 708 Zanetti, Ethik des Interventionsrechts, S. 308. 15 Hackel

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D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

In diesem Bereich hat Kant die Grundprobleme herausgearbeitet, auf denen die heutige Diskussion aufbaut. 2. Die Debatte um die Reform der UNO

Die weltpolitische Diskussion beschäftigt sich auch mit der Frage, ob sich die UNO als Basis für die angestrebte Weltordnung eigne. Die Debatte um Reformen der UNO begann bereits mit deren Gründung und verstärkte sich in den siebziger Jahren, der bisherige Schwerpunkt fällt in das letzte Jahrzehnt dieses Jahrtausends. Seit langem wird eine Reform des Sicherheitsrates verlangt. So gilt als ein Problem, daß die Ausgestaltung der Befugnisse des Sicherheitsrates noch an der Reaktion auf die politische Situation nach dem Zweiten Weltkrieg orientiert sei, dessen Siegern zu viele Rechte in der UNO eingeräumt würden. 709 Unter Bezugnahme auf die Friedensschrift wird vor allem die fehlende Rechtssicherheit beklagt: Die Vereinten Nationen würden oft von den Großmächten für die Wahrung ihrer eigenen Vorteile benutzt. Ob die Vereinten Nationen in einen lokalen Konflikt eingriffen, richte sich nach dem Interesse der Supermächte?10 Häufig sei deren Eingreifen vor allem durch wirtschaftliche Interessen motiviert. 711 Wallensteen sieht in der Dominanz der Großmächte ein allgemeines Problem Internationaler Organisationen. 712 Höffe betont unter Verweis auf Kant, es dürfe nicht von der Zufälligkeit politischer Entscheidung abhängen, ob im konkreten Fall eingegriffen werde. 713 Brunkhorst meint, im Golfkrieg seien die Vereinten Nationen entmachtet worden. Es sei ein "Rückfall in die außenpolitischen Denkfiguren des ,Konzerts der Mächte'" zu beobachten. 714 Zudem führt die Stellung der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates dazu, daß die UNO andere Staaten vor diesen nicht schützen kann, da sie jeden Beschluß gemäß Art. 27 Abs. 3 UN-Charta durch Verweigerung ihrer Zustimmung verhindern können. Daher können Entscheidungen des IGH, zu deren Durchsetzung der Sicherheitsrat nach Art. 94 Abs. 2 UN-Charta Maßnahmen ergreifen kann, keinen Schutz vor Rechtsverletzungen durch ein ständiges Mitglied des Sicherheitsrates bieten. 715

Archibugi. The Reform of the UN and Cosmopolitan Democracy, S. 311. Höffe, Die Vereinten Nationen im Lichte Kants, S. 253; Oeter, Humanitäre Intervention und Gewaltverbot, S. 58. 711 Brunkhorst. Paradigmenwechsel im Völkerrecht?, S. 256. 712 Wallensteen, Universalism vs. Particularism. On the Limits of Major Power Order. S. 255. m Höffe, Die Vereinten Nationen im Lichte Kants. S. 267. 714 Brunkhorst. Paradigmenwechsel im Völkerrecht? S. 257. 709

710

VI. Die lahrtausendwende

227

Auch unter den Gesichtspunken Legitimität und Legitimation wird eine Reform des Sicherheitsrates gefordert. 716 Oeter meint, von Kant könne man lernen, daß ein Ausbau der UNO zu einer Organisation effektiver Friedenssicherung nur dann nicht zu einer Despotie führe, wenn die Legitimation der Organe gestärkt werde. 717 Archibugi kritisiert, daß sich derzeit im Sicherheitsrat nur die Machtverhältnisse widerspiegelten; nach der Legitimität der Vertretung im Sicherheitsrat werde nicht gefragt. 718 Kersting hält beträchtliche Innovationen im Sinne der Friedensschrift für erforderlich, wenn die Charta der Vereinten Nationen als Grundlage einer internationalen Friedensverfassung dienen solle. 719 Herdegen vertritt die Ansicht, aus der Perspektive des modernen Völkerrechts könne Kants Friedensschrift wegen des strikten Einmischungsverbotes keine Richtschnur einer Kompetenzlehre für den Sicherheitsrat sein. 72o Insbesondere wird beklagt, daß die Generalversammlung zu wenige Befugnisse im Vergleich zum Sicherheitsrat habe. 721 Archibugi und Held fordern, die Vereinten Nationen müßten zu einer demokratischen Weltregierung reformiert werden. 722 Archibugi schlägt zu diesem Zweck eine zweite Versammlung der UNO als demokratisches Element vor. 723 Der Gedanke eines Weltparlaments ist nicht neu: Schon 1912 wollte Schücking ein internationales Parlament einrichten, das sich aus Delegierten der nationalen Parlamente zusammensetzen sollte. 724 Auch für den Völkerbund wurde eine parlamentarische Versammlung gefordert. 725 Die Ansätze, die zu diesem Zweck entwickelt wurden, basieren nach Ansicht Archibugis auf dem Modell Kants. 726 Nicht zuletzt sei hier die Conference for a more Democratic United Nations (CAMDUN) mit ihrer Forderung nach einer Vertretung der Völker, nicht der Regierungen, zu nennen. 727 m Vgl. Albrecht, Kants Entwurf einer Weltfriedensordnung und die Refonn der Vereinten Nationen, S. 207. 716 Vgl. Held, Kosmopolitische Demokratie und Weltordnung, S. 235. m Oeter, Humanitäre Intervention und Gewaltverbot, S. 60. 718 Archibugi, From the United Nations to Cosmopolitan Democracy, S. 139f. 719 Kersting, Politische Friedenstheorien und internationale Friedensordnung, S. 541. 720 Herdegen, Die Befugnisse des UN-Sicherheitsrates, S. 41. 721 Schwarz, Principles of lawful Politics, S. 25. 722 Archibugi, From the United Nations to Cosmopolitan Democracy, S. 122; Held, Kosmopolitische Demokratie und Weltordnung, S. 235 f. 723 Archibugi, The Refonn of the UN and Cosmopolitan Democracy, S. 303. 724 Schücking, Der Staatenverband der Haager Konferenzen, S. 298. m Vgl. Wehberg, Grundprobleme des Völkerbundes, S. 83. 726 Archibugi, Models of international organization in perpetual peace projects, S. 314f. 727 Archibugi, From the United Nations to Cosmopolitan Democracy, S. 137.

228

D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

Vor allem in der Diskussion um die Möglichkeiten einer institutionalisierten Durchsetzung der Menschenrechte spielt die Friedensschrift eine Rolle. Albrecht meint, aus dem dritten Definitivartikel ergäben sich entscheidende Hinweise für die Reform der UNO. 728 Friedrich sah bereits 1963 in der Charta der Vereinten Nationen Andeutungen einer Entwicklung zum Weltbürgertum, etwa in der Orientierung an den Menschenrechten und Grundfreiheiten. 729 Knapp entnimmt Art. 1 Nr. 3, 55c, 62 Abs. 2, 76c UN-Charta Hinweise darauf, daß die UNO prinzipiell geeignet sei, die aus dem Weltbürgerrecht folgenden Aufgaben zu übernehmen. 73o Höffe vertritt die Ansicht, wenn der Schutz der Menschenrechte zu den Aufgaben der Vereinten Nationen gehören solle, müßten deren Durchsetzungsmöglichkeiten gestärkt werden. Ein Staaten-Minimalstaat reiche hierfür nicht aus. 73I Petersmann schlägt unter Bezugnahme auf die Friedensschrift vor, die UNO mit supranationalen Befugnissen zur Sicherung der Individualrechte zu versehen. 732 Die Friedensschrift wird nicht nur zitiert, um die Forderung nach Reformen zu unterstreichen; auch Mahnungen an die Politik, die Mittel, mit denen die Reformen bewirkt werden sollen, auf das Recht zu beschränken, nehmen auf Kant Bezug. 733 Daß in der Debatte um eine Institutionalisierung des Schutzes der Individuen im Völkerrecht noch keine Einigung erzielt werden konnte, wird als unbefriedigend empfunden. Mit dem Eingreifen der NATO im Kosovo im Frühjahr 1999 sind deren Mitgliedstaaten dazu übergegangen, Individualrechte ohne Kompetenz hierzu durchzusetzen. Ob durch diesen aus Sicht Kants revolutionären - Akt ein Anstoß zu Reformen hin zu einer institutionalisierten Durchsetzung der Individualrechte des Völkerrechts gegeben wird, bleibt abzuwarten; fest steht schon jetzt, daß das Verhalten der NATO-Staaten einen Präzedenzfall geschaffen hat, der das schon erreichte Maß an Verwirklichung der Vernunft gefährdet. 734 Die insbesondere in der Friedensschrift enthaltenen Ansichten Kants sind in der Diskussion um die Reform der UNO ebenso präsent wie in der allgemeinen Debatte um die Gestaltung der globalen Rechtsordnung, als deren Teilaspekt die Frage nach der künftigen Rolle der UNO angesehen werden kann. 728 Albrecht, Kants Entwurf einer Weltfriedensordnung und die Refonn der Vereinten Nationen, S. 203. 729 C. 1. Friedrich, Die Ideen der Charta der Vereinten Nationen, S. 77. 730 Knapp, Die Vereinten Nationen und das Problem des friedlichen Wandels, S.270. 731 Höffe, Eine Weltrepublik als Minimalstaat, S. 166. 132 Petersmann, How to Constitutionalize the United Nations?, S. 325. 133 So etwa Merz, Wer sich auf ,,Legitimität" beruft, vergrößert das Übel, S. 11. 734 Vgl. auch Fehrenbach, Nie wieder Krieg - bis zum nächsten Mal, S. 49.

VI. Die Iahrtausendwende

229

3. Die Friedensschrift und der Krieg im Kosovo

Während des Krieges im Kosovo wurde in Zeitungskommentaren immer wieder auf die Friedensschrift hingewiesen. Köhler diskutierte den Einsatz der NATO am Maßstab des fünften Präliminarartikels. 735 Brandt erörterte anhand von § 60 der Rechtslehre und mit Verweisen auf die Friedensschrift, ob das Eingreifen der NATO im Kosovo als Krieg gegen einen "ungerechten Feind" zulässig sei. 736 Gegen ihn wandte Geismann ein, der Begriff des ungerechten Feindes beschreibe ein Element des Naturzustands. 737 Brandt wertete das Eingreifen der NATO als Verstoß gegen das Völkerrecht, da ein Mandat der Vereinten Nationen nicht bestand. Folge sei eine Entmachtung der UNO. 738 Nicht deutlich wird, ob Brandt diese Entmachtung ablehnt, was im Anschluß an Kant konsequent wäre, denn das Eingreifen der NATO dient zwar der vernunftgebotenen Durchsetzung der Menschenrechte, eine Entmachtung der UNO gefährdet aber ein anderes, schon erreichtes Ziel auf dem Weg zur Verwirklichung der Vernunft. Die Berufung der NATO auf die Menschenrechte zur Rechtfertigung der Eingriffe ist schon aus Sicht des geltenden Völkerrechts nicht genügend. Wenn auch mit den Menschenrechten eine materiell-rechtliche Grundlage für eine Beurteilung der Geschehnisse im Kosovo als Unrecht bestand, bedeutet das nicht, daß daraus eine formelle Eingriffsbefugnis folgt, insbesondere nicht, daß gerade die NATO berechtigt war, diese Rechte - an Stelle der UNO, möglicherweise in einer Art völkerrechtlicher Nothilfe - durchzusetzen. Zudem verstößt das Eingreifen gegen Normen des positiven Völkerrechts, vor allem gegen Art. 2 Nr. 3 UN-Charta sowie, wenn man die Menschenrechtsverletzungen im Kosovo als innerstaatliche Angelegenheit ansehen wollte, gegen Art. 2 Nr. 4 UN-Carta wie auch Art. I, 11 des Vertrages über die Ächtung des Krieges. Der Bruch des Völkerrechts kann - aus Sicht der transzendentalen Argumentation in der Friedensschrift - nicht dadurch gerechtfertigt werden, daß dieses noch keine adäquaten Mittel zum Schutz einzelner Menschen bereitstelle. Durch eine solche Begründung würde die Geltung jedes noch nicht vollständig der Vernunft entsprechenden Rechts, und damit das schon erreichte Maß an Verwirklichung der Vernunft in Frage gestellt. 739 Aus diesem Grund begrenzt Kant die Mittel, mit denen ein der Vernunft gemäßer Zustand angestrebt werden soll, auf das Recht. 735 736 737 738 739

Köhler, Wie guter Wille in schweres Unrecht führt, S. 46. Brandt, Der ungerechte Feind, S. 11. Geismann, Kants Begriffe und der Nato-Einsatz, S. 14. Brandt, Der ungerechte Feind, S. 11. Vgl. auch Merz, Wer sich auf "Legitimität" beruft, vergrößert das Übel, S. 11.

230

D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

Fehrenbach sieht angesichts der politischen Geschehnisse kaum Aussichten auf eine Realisierung der Ideen Kants. Die Friedensschrift erscheint ihm als Satire an die Adresse der Staatsoberhäupter. Er zieht das ,,Fazit: es scheint noch nicht einmal ein paar, vernünftige Teufel' zu geben.,,740 4. Ansichten über die Realisierung der Vorschläge Kants

Der Vergleich mit den Präliminarartikeln ist auch in neuester Zeit wieder in einzelnen Fragen der Tagespolitik zu beobachten. So meint Höffe, der dritte und der vierte Präliminarartikel seien überhaupt nicht erfüllt. 741 Seifert führt das darauf zurück, daß diese Artikel durch die heutigen Wirtschafts systeme überholt seien. 742 Vulfsons meint, der dritte Präliminarartikel lasse sich von Lettland nicht erfüllen, wenn dieses seine neu erlangte Unabhängigkeit sichern wolle. 743 Winter vertritt die Auffassung, die Vorschläge Kants seien heute in Europa weitgehend Wirklichkeit geworden. Er weist auf das Problem hin, daß ein Weg gefunden werden müsse, die vorhandenen Anlagen zu aggressivem Verhalten auszuleben, notfalls in einem Kampf gegen "Tiefseeschlangen und Aliens". 744 Hier kehrt Kants Argument aus der Garantie wieder, daß die Verrechtlichung durch äußere Bedrohung gefördert werde. 5. Weitere Bezugnahmen auf die Friedensschrift

Vereinzelt wird noch unter anderen Gesichtspunkten auf die Friedensschrift verwiesen. So fordert Höffe ein Recht auf gleiche Entwicklungschancen als Ausgleich historischen Unrechts. 745 Solche Forderungen wurden auch schon zur Zeit des Ost-West-Gegensatzes gestellt, angesichts der Dominanz der Probleme des Kalten Krieges aber wenig beachtet. Die Bezugnahme auf Kant ist in diesem Bereich nicht typisch. Des weiteren finden sich auch in völkerrechtlichen Publikationen der Gegenwart immer wieder Formulierungen, die an die Sätze der Friedensschrift erinnern. So schreibt Graf Vitzthum in seinem 1997 erschienen Lehrbuch des Völkerrechts: "Am ersten Weltkrieg zerbrach manche Illusion des ,ewigen Friedens ".746. Wenn auch der Begriff des "ewigen Friedens" Fehrenbach, Nie wieder Krieg - bis zum nächsten Mal, S. 49. Höffe, Die Vereinten Nationen im Lichte Kants, S. 256. 142 Seifert, Frieden und Transzendenz, S. 176. 743 Vulfsons, Kant und die aktuellen Probleme des Baltikums, S. 135. 744 Winter, Im Wirtshaus zum Ewigen Frieden, S. 18. m Höffe, Die Vereinten Nationen im Lichte Kants, S. 268. 746 Graf Vitzthum, Völkerrecht, S. 69. 740

74.

VII. Der Einfluß Kants auf die völkerrechtliche Literatur - eine Bilanz

231

nicht nur von Kant gebraucht wurde, sondern im 18. und 19. Jahrhundert zum gängigen Vokabular gehörte 747 , so kann doch vermutet werden, daß die Beschäftigung der Völkerrechts lehre mit der Friedensschrift neben der inhaltlichen auch eine Rezeption von Redewendungen zur Folge hatte, die sich prägend auf den Sprachgebrauch in völkerrechtlichen Publikationen auswirkte. 6. Zwischenergebnis: Die Friedensschrift zur Jahrtausendwende

Angeregt durch das zweihundertjährige Jubiläum der Friedensschrift kommt es in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts zu einer Welle von Publikationen, der zweiten großen Welle inhaltlicher Auseinandersetzung mit der Friedensschrift nach der Diskussion in der Zeit des Völkerbundes. Diese Welle erfaßt auch die Literatur mit völkerrechtspolitischer und weltpolitischer Intention. Diskutiert wird insbesondere die Gestaltung der globalen Rechtsordnung. Mit dem Krieg im Kosovo rückt die Friedensschrift auch in Fragen der Tagespolitik ins Blickfeld. Institutionelle Konsequenzen hinsichtlich der Gestaltung der internationalen Rechtsordnung gingen mit der Debatte über die globale Rechtsordnung, anders als zur Zeit des Völkerbundes, nicht einher. Sollten der theoretischen Auseinandersetzung nicht noch Veränderungen im positiven Völkerrecht folgen, müßte die Betrachtung des Endes des Ost-West-Gegensatzes als Einschnitt in der Rezeptionsgeschichte der Friedensschrift überdacht werden. VII. Der Einfluß Kants auf die völkerrechtliche Literatur - eine Bilanz Eine Bilanz der Wirkung der Friedensschrift auf die Völkerrechtsliteratur soll unter fünf unterschiedlichen Aspekten gezogen werden. Zunächst kann die Wirkung der Friedensschrift in den einzelnen Epochen der Völkerrechtsgeschichte beschrieben werden. Hier bedarf es nach der historisch gegliederten Darstellung nur einer zusammenfassenden Übersicht. Der Einfluß Kants auf die völkerrechtliche Literatur kann auch unter thematischen Gesichtspunkten gesehen werden. Durch die Epochen der Völkerrechtsgeschichte lassen sich Entwicklungslinien ziehen, zu deren Verlauf die Rezeption der Friedensschrift parallel erfolgte. Weiter läßt sich die Bedeutung der Friedensschrift für die Völkerrechtsliteratur mit Blick auf die Funktion der Texte für die völkerrechtliche Diskussion behandeln. Schließlich kann die 747 VgJ. Scheuner, in: Strupp/Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Band 1, S.592.

232

D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

Wirkung aus der Perspektive der Autoren völkerrechtlicher Publikationen untersucht werden; dabei soll zum einen die Abhängigkeit der Bezugnahme auf die Friedensschrift vom politischen Umfeld beleuchtet, zum anderen die Intention klassifiziert werden, die die Autoren mit dem Zitat Kants im Rahmen ihrer Argumentation verfolgen. 1. Die Friedensschrift in den Epochen der Völkerrechtsgeschichte

Seit dem Erscheinen von Immanuel Kants "Zum ewigen Frieden" verging keine Epoche der Völkerrechtsgeschichte, ohne daß die Schrift in der völkerrechtlichen Literatur Erwähnung fand. Ausmaß und Intensität der Beschäftigung mit der Friedensschrift unterliegen starken Schwankungen. Fünf Wellen verstärkter Publikationstätigkeit in Beziehung auf die Friedensschrift lassen sich ausmachen, darunter zwei besonders ausgeprägte. Im Kontext der Friedensdebatte des ausgehenden 18. Jahrhunderts erregte die Friedensschrift große Aufmerksamkeit und führte zu einer Vielzahl von Stellungnahmen der Zeitgenossen Kants. Schwerpunkt dieser Diskussion um 1800 waren die Abhandlungen vor allem deutscher und französischer Philosophen und politischer Publizisten; nur vereinzelt beschäftigten sich zeitgenössiche Völkerrechtler mit der Friedensschrift. Zu einer zweiten Welle von Bezugnahmen auf die Friedensschrift kam es im Zusammenhang mit der Friedensbewegung des 19. Jahrhunderts, insbesondere auf den ab den vierziger Jahren abgehaltenen Kongressen der Friedensfreunde. Die Wirkung der Friedensschrift blieb auf die politischen Strömungen beschränkt, die keine Möglichkeit zu einer unmittelbaren Einflußnahme auf die Entwicklung des Völkerrechts hatten. In der vom Gedanken des Nationalstaates geprägten Politik der Staaten wurde Kant kaum Aufmerksamkeit zuteil. Angesichts der sich verschärfenden internationalen Spannungen gelang es gegen Ende des 19. Jahrhunderts, nicht zuletzt auf Druck der durch die Pazifisten beeinflußten öffentlichen Meinung, die Frage nach einer internationalen Rechtsordnung auf die politische Tagesordnung zu setzen. Hierbei wurde die mit dem Namen Kants verbundene Autorität als Mittel zur Mobilisierung der Öffentlichkeit eingesetzt. Im Ersten Weltkrieg wurde Kants Philosophie in die Herausarbeitung der nationalen Gegensätze einbezogen. Inhaltlich wirkte sich die Friedensschrift nicht in erkennbarem Umfang aus, wenn auch die Literatur späterer Epochen den Anfang einer Wirkung der Friedensschrift schon um die Jahrhundertwende sieht. Die erste große Welle inhaltlich ausgedehnter Beschäftigung der völkerrechtlichen Literatur mit der Friedensschrift setzte in der Zeit des Völkerbundes ein. Kant wurde sowohl zur Bestärkung völkerrechtspolitischer For-

VII. Der Einfluß Kants auf die völkerrechtliche Literatur - eine Bilanz

233

derungen zitiert, vor allem zur Begründung und Gestaltung des Völkerbundes herangezogen, als auch im Rahmen politischer Theorien wie etwa der These des Zusammenhangs von Demokratie und Frieden erwähnt. Der nachweisliche Einfluß der Ideen Kants auf Wilson, der eine maßgebliche Rolle bei der Gründung des Völkerbundes spielte, erlaubt sogar, von einer Wirkung der Friedensschrift auf das positive Völkerrecht zu sprechen. Nach dem Zweiten Weltkrieg relativierte sich die Bedeutung philosophischer Konzepte für die Völkerrechtslehre durch den gestiegenen Einfluß der Politologie. In der Zeit des Kalten Krieges wurde die Friedensschrift in Verbindung mit einzelnen Fragen wie der Begründung und Inhaltsgewinnung der völkerrechtlichen Individualrechte, dem Interventionsverbot, dem Einsatz der Demokratisierung als Mittel der Friedenssicherung und im Zusammenhang mit der Ideengeschichte konkreter Internationaler und Supranationaler Organisationen in die völkerrechtliche Diskussion eingebracht. Trotz der Vielzahl der Bezugnahmen auf Kant kann in der Zeit des Kalten Krieges keine mit der Zeit des Völkerbundes vergleichbare inhaltliche Wirkung festgestellt werden. Eine deutliche Verstärkung erfährt die Beschäftigung mit der Friedensschrift um das Jahr 1995, das zweihundertjährige Jubiläum ihres Erschei. nens. Die Bezugnahmen stehen im politischen Kontext der angesichts des Wegfalls des Ost-West-Gegensatzes neu aufkommenden Diskussion um eine globale Rechtsordnung, als deren Basis auch eine reformierte UNO in Betracht gezogen wird. In diesem Zusammenhang findet eine intensive inhaltliche Auseinandersetzung mit der Friedensschrift statt. Bezogen auf die erste große Welle der Wirkung in der Zeit des Völkerbundes kann von einer "Renaissance" der Beschäftigung mit der Friedensschrift nach der geringeren Bedeutung in der Zeit des Kalten Krieges gesprochen werden. Daß die Ideen Kants vorübergehend weniger Beachtung fanden, mag damit zusammenhängen, daß mit der Erarbeitung der theoretischen Grundlagen des Völkerbundes die Potentiale der Friedensschrift als Anstoß zur Errichtung einer Rechtsgemeinschaft zunächst erschöpft waren und für die nun vorrangig anstehende Frage der Sicherung des Rechts auf politologische Theorien zurückgegriffen wurde. Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts stellt sich die Frage nach neuen Stufen der Organisation der Staaten welt, für die man die Friedensschrift wieder zu Rate zieht. 2. Der Beitrag der Friedensschrift zu einzelnen Themen des Völkerrechts

In jeder Epoche gibt es einzelne Themen der völkerrechtlichen Diskussion, bei deren Erörterung die Friedensschrift erwähnt wird. Durchgängige Beachtung finden die Thesen Kants zur rechtlichen Gestaltung der interna-

234

D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

tionalen Beziehungen. Schon im 19. Jahrhundert bezogen sich die Friedensfreunde auf Kant. Auch für konkrete Forderungen, insbesondere nach Schaffung einer internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, berief man sich auf die Friedensschrift. Als solche Vorschläge um die Jahrhundertwende auf den Haager Konferenzen erstmals von der staatlichen Politik aufgenommen wurden, spielte die Friedensschrift zwar eine untergeordnete Rolle; gleichwohl betont die rückblickende Literatur den Zusammenhang mit den Ideen Kants. Ein weiterer Schritt in der Verrechtlichung der internationalen Beziehungen erfolgte mit der Gründung des Völkerbundes nach dem Ersten Weltkrieg unter intensiver Auseinandersetzung mit den Vorschlägen Kants. Während sich die Bedeutung der Friedensschrift in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst auf die Erwähnung im Zusammenhang mit den ideengeschichtlichen Grundlagen der Internationalen und Supranationalen Organisationen reduzierte, werden der Friedensschrift nach dem Ende des Kalten Krieges wieder Argumente für die völkerrechtspolitische Diskussion um die Gestaltung der globalen Rechtsordnung entnommen. Obwohl Kant in der Friedensschrift abstrakte Grundsätze für die internationale Ordnung erarbeitet, ist zu beobachten, daß die Literatur Kant nur selten bei der Beschreibung der theoretischen Modelle, häufig dagegen im Kontext der Ideengeschichte konkreter politischer Vorschläge oder tatsächlicher Internationaler Organisationen erwähnt. In anderen Themenbereichen ist die Befassung mit der Friedensschrift weniger ausgeprägt. So wurde Kant gelegentlich von den Vertretern der Forderung nach nationaler Selbstbestimmung im 19. Jahrhundert in Anspruch genommen. Die Debatte um das Interventionsverbot und mögliche Ausnahmen im Zeitalter der Vereinten Nationen griff die Gedanken Kants zum Selbstbestimmungsrecht wieder auf, allerding ohne ihnen einen bedeutenden Beitrag abzugewinnen. Auch die im Wege völkerrechtlicher Verträge vereinbarten Individualrechte wurden mit der Friedensschrift in Verbindung gebracht. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts beriefen sich Forderungen zur Schaffung solcher Rechte auf das Weltbürgerrecht. In der Zeit seit Kodifizierung der Menschenrechte fand Kant Erwähnung in der Argumentation für Geltung und Inhalt bestimmter Individualrechte. Typisch für die Bezugnahmen in diesem Bereich sind die systematisch falsche Einordnung des dritten Definitivartikels und die damit zusammenhängende Verwechslung von Weltbürgerrecht und weltbürgerlichem Zustand.

VII. Der Einfluß Kants auf die völkerrechtliche Literatur - eine Bilanz

235

3. Die Stellung der rezipierenden Texte in der völkerrechtlichen Literatur

Im Zusammenhang sowohl mit völkerrechtspolitischen Forderungen als auch mit Aussagen zur Interpretation geltenden Völkerrechts und historischen Betrachtungen der Entstehung völkerrechtlicher Theorien und Normen wird auf die Friedensschrift Bezug genommen, wenngleich in unterschiedlichem Ausmaß. In der Völkerrechtspolitik werden die Ansichten Kants zum Teil diskutiert. Oft erweckt die Qualität der inhaltlichen Auseinandersetzung freilich den Eindruck, Kant werde nur des mit seinem Namen verbundenen Ansehens wegen zitiert. Armstrong meint, die völkerrechtliche Literatur verwende Kant vor allem als Autorität. 748 Zwilling beklagt "das unabänderliche Los eines ,Klassikers' [... ], viel zitiert, doch wenig in seiner grundlegenden Bedeutung rezipiert zu werden".749 Die Nutzung des Namens Kants führt in der Regel zu einem gewissen Maß an Beschäftigung mit den Inhalten der Friedensschrift. Wenn diese auch oft nicht korrekt interpretiert werden, so hat die Attraktivität des Namens doch auch eine Aufnahme der Gedanken Kants in die Völkerrechtspolitik zur Folge. Der Schwerpunkt der Bezugnahme auf die Friedensschrift liegt in der rückblickenden Verknüpfung der Gedanken Kants mit der Entwicklung völkerrechtlicher Theorien und des positiven Völkerrechts. Kant wird hier regelmäßig die Rolle eines ideengeschichtlichen Vorläufers zugeschrieben. Gerhardt bemerkt: "Kants Name wird in wissenschaftlichen Abhandlungen fast immer, in den Resolutionen aber so gut wie nie genannt.,,7S0

Daß die Friedensschrift weit häufiger in völkerrechtshistorischen Abhandlungen zitiert wird als zur Bekräftigung völkerrechtspolitischer Vorschläge, mag zwei Ursachen haben. Zum einen werden philosophische Theorien in der Politik häufig nicht ernst genommen; war doch die Friedensschrift immer wieder dem Vorwurf der Utopie ausgesetzt. Dem hatte Kant schon in der "Clausula salvatoria" zu Beginn seiner Schrift Ausdruck verliehen. Zum anderen sehen sich Völkerrechtsgeschichte wie Völkerrechtslehre in besonderem Maße der Philosophie verpflichtet. Daher wirken sich in der nachträglichen Sichtweise sowohl der eigene, unter anderem von Kant geprägte, philosophische Hintergrund der Autoren als auch die tatsächliche Bedeutung der Philosophie Kants für die Entstehung des Völkerrechts aus. Es ist zu beobachten, daß die untersuchten Beiträge auf die Friedensschrift Bezug nehmen, um Veränderungen entweder des bestehenden Völ748 Armstrong, Kants Philosophy of Peace and War, S. 198. 749 Zwilling, Immanuel Kant, S. 135. 750 Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf ,.zum ewigen Frieden", S. 219.

236

D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

kerrechts zu fordern oder des früheren zu erläutern. Damit steht die Beschäftigung mit der Friedensschrift stets unter einem rechtspolitischen Aspekt: Im ersten Fall werden die Thesen Kants in laufende völkerrechtspolitische Debatten eingebracht. Im zweiten Fall handelt es sich um eine historische Betrachtung der Völkerrechtspolitik in ihrer Ausprägung als Ideengeschichte. 4. Die Rezeption der Friedensschrift und das politische Umfeld der Rezipienten

Die Auseinandersetzung mit der Friedensschrift hängt mit bestimmten politischen Ereignissen zusammen. Ipsen stellt die These auf, Kant werde in Zeiten der Störung oder Gefahrdung des Friedens verstärkt zu Rate gezogen. 75t Diese Auffassung wird durch die vorangegangene Untersuchung - mit einer kleinen Korrektur - bestätigt: Eine besondere Häufung von Bezugnahmen auf die Friedensschrift läßt sich zwar in den Konfliktphasen selbst nicht ausmachen. Regelmäßig führt jedoch der Bedarf nach einer Ordnung der internationalen Beziehungen, der durch die Konflikte ins Bewußtsein gerufen wird, nach deren Ende zu einer verstärkten Behandlung der Friedensschrift. Dieses Phänomen war besonders ausgeprägt nach dem Ersten Weltkrieg und ist seit dem Ende des Kalten Krieges zu beobachten. Auch auf die Beschäftigung mit dem Inhalt der Friedensschrift wirkt sich das politische Umfeld der Autoren aus. So kam es während des Ersten Weltkrieges zu einer Polarisierung des Kantbildes vor allem in Deutschland und Frankreich. Der Name Kants wurde zu einer Art ,Kampfparole'. In der Zeit des Kalten Krieges beurteilte die sowjetische Literatur Kant zum Teil als Vertreter ,bürgerlicher Ideologie'. 5. Die Funktion der Bezugnahme auf die Friedensschrift in der Argumentation

Hinsichtlich der Gründlichkeit, mit der sich die Autoren um die Deutung der Friedensschrift bemühen, lassen sich im wesentlichen drei Gruppen bilden: Zum Teil werden Kants Vorschläge ernsthaft diskutiert und darauf überprüft, ob sie als Maßstab für die weitere Entwicklung des Völkerrechts dienen können. Andere Autoren stellen einzelne Bereiche der Friedensschrift dar und legen dabei eine Interpretation zugrunde, die nur haltbar ist, wenn man den übrigen Inhalt der Friedensschrift und den anderer Schriften Kants nicht berücksichtigt. Ein dritter Teil der Literatur beschränkt sich darauf, den Namen Kants zwar zu nennen, sich aber nicht mit den Inhalten seiner Schriften auseinanderzusetzen. In manchen Fällen 7S1

Ipsen, lus gentium - ius pacis, S. 290.

VII. Der Einfluß Kants auf die völkerrechtliche Literatur - eine Bilanz

237

wird man diesen Autoren vorwerfen können, sie benutzten den Namen Kants nur, um ihrer eigenen Ansicht autoritativen Nachdruck zu verleihen. Die Friedensschrift ist hier gleichsam eine fremde Feder am eigenen Hut. Man könnte erwarten, daß die Qualität im Umgang mit der Friedensschrift einen Zusammenhang mit seiner Intension aufweist. Das ist aber nicht zu beobachten. Sorgfältige Auseinandersetzung und oberflächliche Beschäftigung finden sich in gleicher Weise bei der darstellenden Behandlung der Friedensschrift im Rahmen der Ideengeschichte völkerrechtlicher Strukturen wie auch im Gebrauch in der völkerrechtspolitischen Argumentation. Auch im Hinblick auf die Fachrichtungen, denen die Autoren angehören, gibt es kaum Unterschiede. Allein die politischen Statements können aufgrund ihrer Kürze keine ausführliche Interpretation bieten; auch ihnen wird aber eine falsche Auffassung nicht häufiger zugrunde gelegt als anderen Äußerungen, die sich auf Kant beziehen. Neben den drei Gruppen steht eine weitere, die Gedanken Kants, häufig sogar an von Kant gebrauchte Formulierungen angelehnt, wiedergibt, ohne Kant zu erwähnen. Solche Texte finden sich vor allem in völkerrechtlichen Publikationen des 19. Jahrhunderts. Die Schwierigkeit einer Untersuchung dieser Texte, die die Bezugnahme auf Kant nicht ausgewiesen, besteht darin, daß der Nachweis, daß es sich um eine Wirkung Kantscher Philosophie handelt, kaum erbracht werden kann. Zum Teil liegt die Vermutung nahe, daß Formulierungen, die auch von Kant gebraucht wurden, zur gängigen Ausdrucksweise geworden sind. Das mag zum einen an der Popularität der Friedensschrift liegen, die auch Anspielungen erlaubt, ohne die Friedensschrift nennen zu müssen. Allerdings hat Kant Begriffe wie den "ewigen Frieden" nicht erfunden. Es wird daher offen bleiben müssen, ob mit dem Gebrauch solcher Begriffe auf eine allgemeine Redewendung zurückgegriffen oder bewußt eine Formulierung Kants gewählt wird und ob die Aufnahme dieser Wendungen in den allgemeinen Sprachschatz der Wirkung der Friedensschrift zu verdanken ist. 6. Ergebnis

Als Ergebnis der Untersuchung der Wirkungsgeschichte ist festzuhalten: Eine Vielzahl der in der Friedensschrift angebotenen Lösungsvorschläge für Probleme der internationalen Politik wird vom völkerrechtlichen Schrifttum aufgenommen. Vor allem in der Behandlung der Frage nach der rechtlichen Organisation der zwischenstaatlichen Beziehungen ist die Auseinandersetzung mit Kant verbreitet. Zum Teil werden daraus völkerrechtspolitische

238

D. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

Forderungen abgeleitet. Der Schwerpunkt der Bezugnahme auf Kant liegt in der Behandlung als ideengeschichtlichem Vorläufer völkerrechtlicher Entwicklungen. Die Beschäftigung mit Kant führt zwar nicht immer zu einer korrekten Erkenntnis seiner Ideen. Trotz mancher Verzerrung im Bild, das von den Ansichten Kants in der völkerrechtlichen Literatur gezeichnet wird, haben seine Thesen Eingang in die Publikationen von Völkerrechtslehre und Völkerrechtspolitik gefunden. Kants im Geheimen Artikel zum Ausdruck gebrachte Hoffnung einer Wirkung der Philosophie auf das Völkerrecht hat sich in größerem Umfang realisiert, als er - die Einschätzung in der "Clausula salvatoria" als ernst gemeint unterstellt - erwartet haben dürfte.

E. Ausblick: Die Friedensschrift und das Völkerrecht von morgen Mit der Forderung im Geheimen Artikel der Friedensschrift, "Die Maximen der Philosophen über die Bedingungen der Möglichkeit des öffentlichen Friedens sollen von den zum Kriege gerüsteten Staaten zu Rate gezogen werden.", ist an unsere Zeit die Frage gestellt, ob die Vorschläge Kants Anregung und Maßstab für das Völkerrecht von morgen sein können. Sie stellt sich in methodischer Hinsicht (I) wie auch mit Blick auf die aktuelle völkerrechtspolitische Debatte (11). I. Idee - Utopie - Antizipation Die Friedensschrift wird in der Literatur unter zwei Aspekten behandelt: Zum einen stellt Kant Imperative für die Gestaltung der sozialen Beziehungen auf, zum anderen prognostiziert er deren Erfüllung. In beiden Zusammenhängen wird von Utopie gesprochen, sei es zur Charakterisierung der Friedensschrift, sei es, um sie gegen diesen Vorwurf zu verteidigen. Hinsichtlich der anzustrebenden Ziele wird die Utopie der Idee gegenübergestellt, hinsichtlich der Prognose über künftige Entwicklungen der Antizipation. Diese doppelte Verwendung des Utopie-Begriffs in der Literatur erscheint angemessen, wenn man sich in Erinnerung ruft, daß Kant von einer Übereinstimmung der Absicht der Natur mit dem Ziel der Vernunft ausgeht. 1. Die Friedensschrift als Maßstab künftigen Völkerrechts

Zur Frage nach der Relevanz der in der Friedensschrift enthaltenen Forderungen werden in der Literatur zwei gegensätzliche Standpunkte vertreten. Autoren, die die aus der Verunft gewonnenen Ziele für unerreichbar halten, sprechen von Utopie, die anderen von einem realisierbaren Plan oder wenigstens einer anstrebbaren Idee. Dabei ist zu beachten, daß der Begriff "Utopie" im 18. Jahrhundert noch nicht im heutigen Sinne gebraucht wurde. "Utopie" bedeutete für Kant ein entferntes Ziel des Handeins; Kant sprach auch, wie wir, von einem "Ideal". Zielvorstellungen ohne Aussicht auf Realisierung, für die heute der negativ besetzte Begriff "Utopie" gebräuchlich ist, wurden zur Zeit Kants als "Chimäre" bezeichnet. 1

240

E. Ausblick: Die Friedensschrift und das Völkerrecht von morgen

Zum Teil werden die Vorschläge Kants gänzlich abgelehnt. Protz wirft Kant vor, den Boden der Wirklichkeit verlassen und sich zu nicht realisierbaren Projekten verstiegen zu haben. 2 Anita und Walter Dietze schreiben, Kant gebühre nicht "das Verdienst, mit den von ihm vorgeschlagenen Problemlösungen ganz in die vorderste Front historisch möglichen Philosophierens gelangt zu sein".3 Claude bezeichnet Kants Vorschlag als spekulativen Plan. 4 Meier meint, die Thesen Kants trügen "viel zu sehr den Stempel des Absoluten, was für die politische Moral ganz und gar verfehlt" sei 5 . Andere Stimmen sehen die Vorschläge der Friedensschrift als veraltet an, weil sie auf Voraussetzungen beruhten, die heute so nicht mehr gegeben seien. Habermas schreibt: "Mit dem unverdienten Besserwissen der Nachgeborenen erkennen wir heute, daß die vorgeschlagene Konstruktion [... ] unseren historischen Erfahrung nicht mehr angemessen ist. ,,6

Er begründet das mit den Veränderungen der politischen Situation in den letzten zweihundert Jahren. Zahn wirft die Frage auf, ob es "einen Sinn wenn nicht nur einen historisch-musealen -" haben könne, "sich der Friedenstheorie eines Philosophen zuzuwenden, die im ausgehenden ,Jahrhundert der Aufklärung' entwickelt wurde".? Bedenken werden hinsichtlich einzelner Forderungen geäußert und zum Teil Korrekturen zur Anpassung an die aktuellen Umstände vorgeschlagen. Cavallar vertritt die Auffassung, man müsse den sechsten Präliminarartikel heute um das Verbot von ABCWaffen ergänzen. 8 Seifert sieht den dritten und vierten Präliminarartikel als "durch die heutigen Wirtschaftssysteme überholt" an. 9 Friedrich meint, der dritte Definitivartikel sei für die Lösung der Probleme des Minderheitenschutzes, wie sie sich heute darstellten, unzureichend. 10 Demgegenüber wiesen viele Autoren des 20. Jahrhunderts auf die zunehmende Aktualität der Friedensschrift hin. Schücking meint, die Friedensschrift enthalte keinen Plan für die Zeit Kants, sonden ein langfristig zu erreichendes Ziel. 11 Daß die Friedensschrift häufig als Utopie angesehen 1 Vgl. Hölscher, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, Band 6, S. 775. 2 Prutz, Die Idee des ewigen Friedens, S. 200. 3 Dietze/Dietze, Ewiger Friede?, S. 516. 4 Claude, Swords into Plowshares, S. 24. S Meier, Das Ideal des Völkerfriedens und die Wirklichkeit, S. 26. 6 Habermas, Kants Idee des ewigen Friedens, S. 7. 7 Zahn, Kants Theorie des Friedens, S. 509. 8 Cavallar, Pax Kantiana, S. 131. 9 Seifert, Frieden und Transzendenz, S. 176. 10 C. J. Friedrich, Die Ideen der Charta der Vereinten Nationen, S. 82. 11 Schücking, Die Organisation der Welt, S. 53.

I. Idee - Utopie - Antizipation

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werde, führt Moog darauf zurück, daß sie immer wieder als konkreter Plan mißverstanden und deshalb als nicht realisierbar kritisiert werde. 12 Brunner schreibt im Jahre 1944: "Wenn wir im Lichte der neuesten Geschichte auf Kants Völkerbundsidee von 1795 zurückschauen, so müssen wir anerkennen, daß sie nichts an Aktualität eingebüßt hat.,,13

von Raumer hebt nach dem Zweiten Weltkrieg die Aktualität der Gedanken Kants hervor. 14 Seit dem Ende des Kalten Krieges häufen sich die Stimmen, die die Bedeutung der Vorschläge Kants für die politische Praxis hervorheben. Baynes vertritt die Ansicht, Kants Theorie besitze normative Bedeutung für uns. 15 Höffe sieht in der Idee des ewigen Friedens ein Ideal, das er von der Utopie abgrenzt. 16 Foerster meint, Kant habe keine Utopie aufgebaut, sondern methodische Grundlagenforschung betrieben. 17 Verbreitet ist die These, die Friedensschrift sei vor allem seit dem Ende des OstWest-Gegensatzes relevant geworden. 18 Kersting schreibt: "Während das Hobbessche Friedenskonzept das außenpolitische Denken der Vergangenheit durchgängig bestimmt hat und in der aufrüstungsfreudigen, gleichwohl aber kriegsfreien Zeit des geopolitischen Dualismus nach dem zweiten Weltkrieg seine große weltgeschichtliche Stunde hatte, gehört dem Kantischen Friedenskonzept vielleicht die Zukunft.,,19

Lutz-Bachmann meint: "Mit seiner 1795 veröffentlichten Schrift Zum ewigen Frieden hat Immanuel Kant der politischen Philosophie eine Fassung gegeben, deren innovative Kraft für die internationale Politik bis heute noch nicht ausgeschöpft worden ist. ,,20

Eine Orientierung der Völkerrechtspolitik an den Vorschlägen Kants setzt voraus, daß diese in einer Weise gewonnen wurden, aus der sich das Gebot ihrer Befolgung ergibt. Dem steht die Unmöglichkeit der Letztbegründung von Sollenssätzen entgegen. Zum einen müssen Maximen "von allen Einflüssen zufalliger Gründe, die nur Erfahrung an die Hand geben kann, frei 12 Moog, Kants Ansichten über Krieg und Frieden, S. 117. 13 E. Brunner, Kants Schrift "Vom ewigen Frieden", S. 38. 14 von Raumer, Ewiger Friede, S. 174. 15 Baynes, Kommunitaristische und kosmopolitische Kritik an Kants Konzept des Weltfriedens, S. 324. 16 Höffe, Der Friede - ein vernachlässigtes Ideal, S. 17. 17 Foerster, Europa. Geschichte einer politischen Idee, S. 209. 18 Ganovski, Kants Idee vom ewigen Frieden und unsere Gegenwart, S. 90; Nersesjanz, Kant, das Recht und der Frieden, S. 83; Steiger, Plaidoyer pour une juridiction internationale obligatoire, S. 818. 19 Kersting, Politische Friedenstheorien und internationale Friedensordnung, S.527f. 20 Lutz-Bachmann, Kants Friedensidee und das rechtsphilosophische Konzept einer Weltrepublik, S. 25. 16 Hackel

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E. Ausblick: Die Friedensschrift und das Völkerrecht von morgen

sein,,21, können also nicht aus Tatsachen folgen. Zum anderen kann man sich zur Begründung von Gesetzen zwar auf höherrangige Maximen berufen; damit wird aber das Problem lediglich auf deren Begründung verschoben. Will man das System aufeinander aufbauender Maximen mit Inhalt erfüllen, so muß eine Prämisse gesetzt werden. Diese besteht bei Kant darin: "Der Mensch und überhaupt jedes vernünftige Wesen existirt als Zweck an sich selbst, nicht bloß als Mittel zum beliebigen Gebrauche für diesen oder jenen Willen, sondern muß in allen seinen sowohl auf sich selbst, als auch auf andere vernünftige Wesen gerichteten Handlungen jederzeit zugleich als Zweck betrachtet werden ...22

Der kategorische Imperativ als oberste Maxime hat apriorischen Charakter: Ein solches Gesetz muß ,,(völlig apriori) schon mit dem Begriffe des Willens eines vernünftigen Wesens überhaupt verbunden sein,m.

Wer sich auf seine sittliche Autonomie beruft, also Anspruch darauf erhebt, moralische Person zu sein, kann sich dem kategorischen Imperativ begriffsnotwendig nicht verschließen, ohne dadurch die eigene Vernunftfahigkeit zu negieren. Wenngleich sich die Imperative für die moralische Gestaltung des Rechts damit letztlich nicht begründen lassen, können sie doch unter der Voraussetzung eine gleichsam "relative Geltung" für jene beanspruchen, die die ihnen zugrunde liegende Prämisse, die sittliche Autonomie, akzeptieren. Der kategorische Imperativ leuchtet den meisten Menschen unmittelbar ein, weil die Vorstellung der Fähigkeit zu vernünfigem Verhalten als sittliche Autonomie mit der Idee der Handlungsfreiheit verbunden ist. 24 Das Rechtsverständnis geht heute in der Mehrzahl der Gesellschaften von der sittlichen Autonomie des Menschen aus. Wenigstens innerhalb der Staaten mit einer auf dieser Prämisse beruhenden Rechtsordnung und im Verhältnis unter diesen kann von der Geltung des kategorischen Imperativs ausgegangen werden. Die Prämisse Kants läßt sich auch dahingehend formulieren, daß die zu vernünftigem Verhalten fähigen Wesen von ihrer Vernunft Gebrauch machen sollen. Aus der Anerkennung der Geltung des kategorischen Imperativs folgt die Pflicht zum Anstreben des ewigen Friedens. Dessen Maximen ergeben sich aus dem kategorischen Imperativ im Wege der Subsumtion durch Einbeziehung empirischer Faktoren. So ist der Weltstaat zu bilden, weil unter der tatsächlichen Voraussetzung, daß es mehr als nur ein vernünftiges Wesen 21 22 23

24

Grundlegung zur Grundlegung zur Grundlegung zur Vgl. auch Höffe,

Metaphysik der Sitten, IV, S. 426 (11 f.). Metaphysik der Sitten, IV, S. 428 (7 ff.). Metaphysik der Sitten, IV, S. 426 (25 ff.). Immanuel Kant, S. 170.

I. Idee - Utopie - Antizipation

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gibt, der kategorische Imperativ nur auf diese Weise verwirklicht wird. Und die drei Definitivartikel werden erforderlich, weil tatsächlich mehrere Staaten entstanden sind. Unter der Voraussetzung der Anerkennung der Vernunftfähigkeit des Menschen können die Maximen der Friedensschrift als Konkretisierungen des kategorischen Imperativs jedenfalls in ihrer Grundaussage der Völkerrechtspolitik als Maßstab dienen. Einzelne Forderungen müssen freilich in Anbetracht veränderter politischer Rahmenbedingungen durch erneute Subsumtion unter die Maximen aktualisiert werden. 2. Die Friedensschrift als geschichtsphilosophische Prognose

Zur Frage, ob die Friedensschrift als Vorhersage der Völkerrechtsgeschichte angesehen werden kann, haben sich in der Literatur zwei Ansichten herauskristallisiert. Die eine sieht in Kants geschichtsphilosophischen Ausführungen eine Antizipation der Entwicklung des Völkerrechts, die andere spricht von Utopie, Traum oder Schwärmerei. "Utopie" wird hier nicht im Sinne der Zielvorstellung eines Sollens, sondern als Beschreibung des Endpunktes einer tatsächlichen Entwicklung gebraucht. Mit Wittmann sind Antizipation und Utopie dahingehend zu unterscheiden, daß die erste eine reale Möglichkeit vorhersagt, während die zweite nur als möglich gedacht werden kann. 25 Utopie ist ein erträumter Zustand, der überhaupt nicht eintreten kann, demgegenüber nimmt eine Antizipation mögliche Ereignisse gedanklich vorweg. Die Betrachtung der Friedensschrift als utopische Vorstellung der historischen Entwicklung ist verbreitet. 26 Berühmt geworden ist der Satz von Moltkes: "Der ewige Friede ist ein Traum, und nicht einmal ein schöner,,27.

Die andere Ansicht sieht in der Friedensschrift eine Antizipation der Entwicklung des Völkerrechts. MerkellWittmann meinen, Kants Entwurf stelle "sich [... ] als eine plausible Vorhersage dar. ,,28 Wittmann schreibt außer25 Wittmann, Kants Friedensentwurf - Antizipation oder Utopie?, S. 151; ihm zustimmend Cavallar, Annäherung an den ewigen Frieden, S. 141. 26 von Stengel, Weltstaat und Friedensproblem, S. 23; Meier, Das Ideal des Völkerfriedens und die Wirklichkeit, S. 27; Schweppenhäuser, ,,zum ewigen Frieden". Kants kosmopolitisches Vermächtnis, S. 14. 27 Heltmuth von Moltke in einem Brief an Johann Kaspar Bluntschli, abgedruckt in: Jakobs, Das große Lesebuch vom Frieden, S. 12. Andererseits zitiert Stein, Das Ideal des "ewigen Friedens" und die soziale Frage, S. 37, von Moltke mit den Worten: "Wir bekennen uns offen zur vielfach verspotteten Idee eines allgemeinen europäischen Friedens. Ist nicht der Gang der Weltgeschichte eine Annäherung zu jenem Frieden?". 28 Merkel/Wittmann, ,,zum ewigen Frieden", S. 8. 16·

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E. Ausblick: Die Friedensschrift und das Völkerrecht von morgen

dem: "Ausgehend von insgesamt nur drei Grundsätzen und einigen wenigen, freilich scharfsichtigen Beobachtungen gelingt es Kant, in einer Zeit, in der eine Welt ohne Krieg als Utopie erscheinen mußte, die Entstehung einer weltumspannenden Friedensordnung gedanklich vorwegzunehmen." Kants "Entwurf läßt sich als eine Antizipation der heute sich abzeichnenden Friedensordnung qualifizieren. ,,29 Czempiel bezeichnet Kant unter ausdrücklicher Ablehnung des Vorwurfes der Utopie als ersten Realisten des Friedensdenkens. 3o Nersesjanz meint, Kants Philosophie könne Hinweise darauf geben, wo die Entwicklung des Völkerrechts stehe?l Im Zusammenhang mit der geschichtsphilosophischen Perspektive gebraucht Höffe den Begriff der Utopie, wie er von Kant verstanden wurde. Er meint: "die Weltrepublik ist keine schwärmerische Utopie des grundsätzlichen Nirgendwo; sie ist eine Utopie des Noch-Nicht".32 Damit geht Höffe von einem "Utopie"-Begriff aus, der dem der Antizipation entspricht. Die Betonung des Zeitbezuges findet sich auch bei anderen Autoren. Die Prognosen Kants hätten zwar zur seiner Zeit als Utopie erscheinen müssen; die Friedensschrift habe aber zunehmend an Aktualität gewonnen?3 Hierher gehören auch die immer wieder anzutreffenden Behauptungen einer Realisierung der Vorschläge Kants in der Völkerrechtsgeschichte. Vielfach werden in der politischen Realität der internationalen Beziehungen positive Tendenzen im Sinne der Garantie des ewigen Friedens ausgemacht. 34 Schon Fichte sah in der Französischen Revolution den Beginn der Verwirklichung der Vorhersagen Kants. 35 Vor allem die zunehmende Verrechtlichung der internationalen Beziehungen wird als Erfüllung der Erwartungen Kants angesehen. 36 Die Verbreitung rechtsstaatlich und demokratisch verfaßter Staaten interpretieren viele Autoren WiUmann, Kants Friedensentwurf - Antizipation oder Utopie?, S. 146. Czempiel, Herrschaftssystem und Friedenswahrung, S. 37; ähnlich auch Wright, A Study of War, S. 1215. 31 Nersesjanz, Kant, das Recht und der Frieden, S. 83. 32 Höffe, Kant als Theoretiker der internationalen Rechtsgemeinschaft, S. 504. 33 von Bloch, Der Krieg, Band 5, S. 20; Wittmann, Kants Friedensentwurf - Antizipation oder Utopie?, S. 142; Merkel/Wiumann, ,,Zum ewigen Frieden", S. 7. 34 Beutin, Kants Schrift ,,Zum ewigen Frieden", S. 98; Doyle, Kant, Liberal Legacies, and Foreign Affairs, S. 349; Honneth, Universalismus als moralische Falle?, S. 272ff. 35 Vgl. Losurdo, Fichte, die Französische Revolution und das Ideal vom ewigen Frieden, S. 78. 36 DeI Vecchio, Die Tatsache des Krieges und der Friedensgedanke, S. 56; Vaihinger, Kants Schrift: Zum ewigen Frieden und der russische Abrüstungsvorschlag, S. 258; Graf Ballestrem, Auf dem Weg zur Weltrepublik?, S. 513; Covell, Kant and the Law of Peace, S. 138; Duve, ,,Mit Kant und mit ihm", S. 145; Chwaszcza, Grundprobleme einer liberalen Philosophie der internationlen Beziehungen, S. 26 f. 29

30

I. Idee - Utopie - Antizipation

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als Bestätigung der Prognosen Kants. 37 Auch die Kodifizierung der Menschenrechte soll Kant antizipiert haben. 38 Umstritten ist die These der friedensfördernden Wirkung des Handelsgeistes. 39 In einzelnen Regelungen des Völkerrechts und der Errichtung bestimmter Internationaler Organisationen werden immer wieder Realisierungen der geschichtsphilosophischen Prognosen Kants gesehen, wie die Darstellung der Wirkungsgeschichte der Friedensschrift gezeigt hat. Ob von Antizipation gesprochen werden kann oder ob es sich um Utopie handelt, muß durch Untersuchung der Methode entschieden werden, mit der Kant seine Prognosen gewinnt. Kant geht nicht von rein theoretischen Überlegungen aus; vielmehr betrachtet er die geschichtlichen Ereignisse, um die hinter ihnen stehenden Prinzipien zu erkennen. Schon dieser Ansatz an der Empirie entkräftet den Vorwurf der Utopie. Zu den Grenzen dieser Methode wurde bereits im Zusammenhang mit der Garantie des ewigen Friedens Stellung genommen. Danach besteht bei der Ableitung von Gesetzmäßigkeiten aus beobachteten Phänomenen stets das Risiko fehlerhafter Extrapolation. Wenn auch Entwicklungen in engem zeitlichen Rahmen mit einem gewissen Maß an prognostischer Sicherheit vorhergesagt werden können, so wird sich eine Prognose auf lange Sicht in der Regel schon dann als unzutreffend erweisen, wenn die ihr zugrunde gelegten Tatsachen, die als verursachende Faktoren der untersuchten Entwicklung angenommen werden, nicht vollständig erkannt oder unzutreffend gewürdigt sind. Angesichts dieser Schwächen stellt sich die Frage nach dem Nutzen einer Suche nach historischen Gesetzmäßigkeiten für die Gestaltung der Zukunft. Welche Risiken mit der Orientierung der Handlungen an einer Formel für die historische Entwicklung durch die Möglichkeit einer falschen Extrapolation verbunden sind, hat die Umsetzung des historischen Materialismus in die politische Praxis gezeigt. Kant trug der methodischen Schwäche historischer Prognosen Rechnung, indem er ausdrücklich davon sprach, daß die Natur den ewigen Frieden zwar garantiere, 37 Stein, Das Ideal des ..ewigen Friedens" und die soziale Frage, S. 34; Brunkhorst, Paradigmenwechsel im Völkerrecht?, S. 252; Kalinnikow, Kant in Königsberg - Kant in Kaliningrad, S. 79; Doyle, Die Stimme der Völker, S. 221; Risse-Kappen, Demokratischer Frieden? Unfriedliche Demokratien?, S. 160; Cavallar, Annäherung an den ewigen Frieden, S. 137. 38 Brunkhorst, Paradigmenwechsel im Völkerrecht?, S. 252; Cavallar, Annäherung an den ewigen Frieden, S. 137. 39 Zustimmend: Sartorius, Organon des vollkommenen Friedens, S. 283; Beitz, Political Theory and International Relations, S. 144; mit zweifelnder oder ablehnender Tendenz: Kratzer, Kant und der Krieg, S. 169; Habermas, Kants Idee des ewigen Friedens, S. 13; Williams, Kant's Political Philosophy, S. 18.

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E. Ausblick: Die Friedensschrift und das Völkerrecht von morgen

"freilich mit einer Sicherheit, die nicht hinreichend ist, die Zukunft desselben (theoretisch) zu weissagen,,40.

Die antizipierenden Prognosen Kants sind ebenso wenig Utopie wir die Erfahrungssätze der Naturwissenschaften, und wie diese sind sie bloß Hypothesen. In der Argumentation Kants dient die Suche nach historischen Gesetzmäßigkeiten der Abwehr empirischer Einwände gegen die transzendentale Begründung der Verpflichtung zum Anstreben des ewigen Friedens. Der Rückblick auf die bisherige Geschichte des Völkerrechts verdeutlicht die Aktualität der in der Friedensschrift aus der Vernunft begründeten Maximen. Der wesentliche Gehalt der Friedensschrift liegt in den Imperativen. Mit einer Betrachtung der Friedensschrift ausschließlich oder im Schwerpunkt unter dem Aspekt der geschichtsphilosophischen Antizipation läßt man ihr Potential als Kompaß für weitere Schritte auf dem Weg zum ewigen Frieden ungenutzt. 11. Ansätze rtir weitere Schritte auf dem Weg zum ewigen Frieden Ein Ausblick auf mögliche Lösungen gegenwärtiger Fragen der internationalen Beziehungen verdeutlicht, daß die Ideen Kants auch für das Völkerrecht von morgen, und nicht erst in ferner Zukunft von Bedeutung sein können. 1. Verrechtlichung der internationalen Beziehungen als Aufgabe der Politik

Ein Blick auf die Tagespolitik zeigt, daß die Mehrzahl der Probleme der internationalen Beziehungen auch heute nicht in rechtsfönnigen Verfahren, ja nicht einmal anhand von Rechtsregeln entschieden wird. Noch immer sind wirtschaftliche und militärische Macht die dominierenden Faktoren in der Weltpolitik. Weit von einer Orientierung am kategorischen Imperativ entfernt, der das Defizit an Rechtlichkeit und Rechtssicherheit als vernunftswidrig entlarvt, hat die Politik doch erkannt, daß pragmatische Gründe wie Naturkatastrophen, Umweltverschmutzung, globale Wirtschaftskrisen oder ethnische Konflikte dazu zwingen, weitere und wirksamere Regeln für den Umgang der Staaten und Völker zu schaffen. Wenn auch materielle Interessen die Annäherung an den ewigen Frieden fördern können, so entbindet diese Aussicht - keinesfalls eine wirkliche "Garantie", sondern bloß Hypothese - nicht von der moralischen Pflicht. Die Verrechtlichung könnte mit weit größeren Schritten vorankommen, 40

Zum ewigen Frieden, VIII, S. 368 (I7f.).

11. Ansätze für weitere Schritte auf dem Weg zum ewigen Frieden

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wenn man den Geboten der Vernunft folgte. Kant stellt die These auf, daß die Moral, ,je weniger sie das Verhalten von dem vorgesetzten Zweck, dem beabsichtigten, sei es physischem oder sittlichem, Vortheil, abhängig macht, desto mehr [... ] zu diesem im Allgemeinen zusammenstimmt,,41. Dabei wird freilich die Übereinstimmung des hypothetischen Ziels der Geschichte mit dem Ideal der Vernunft vorausgesetzt. Daß dieser Zusammenhang nicht beweisbar ist, kann als größtes Hindernis für ein Werben um die Orientierung der Politik an der Moral angesehen werden. Es ist zu erwarten, daß die Politik auch künftig vom Verstand, und nicht von der Vernunft bestimmt wird. Damit verbleibt die von Kant formulierte Aufgabe, die Politik an den Grundsätzen der Vernunft auszurichten. Da die Mehrzahl der Gesellschaften mit dem Bild des Menschen als einem vernunftfähigen Wesen heute die Prämisse der Kantschen Maximen akzeptiert, ist ihre Befolgung konsequent. Daß das Gebot konsequenten Denkens und Handeins nicht begründbar sei, kann dem niemand entgegenhalten, ohne dadurch seine eigene Vernunftfahigkeit in Frage zu stellen. Als allgemeine Forderung an die Politik läßt sich damit formulieren: Eine Politik, die von der sittlichen Autonomie des Menschen ausgeht und sich deren Verwirklichung zur Aufgabe macht, muß die Regelung aller potentiellen Konflikte durch das Recht anstreben. Diesem Ziel ist Vorrang vor materiellen Zwecken einzuräumen. 2. Zwischenstaatliche Regeln oder überstaatliche Rechtsordnung?

Seit dem Ende des Ost-West-Gegensatzes ist die Frage nach dem Ob und Wie einer globalen Rechtsordnung in zunehmendem Maße in den Mittelpunkt des völkerrechts politischen Interesses gerückt. Einerseits ist mit dem Wegfall der klaren Feindbilder und dem Umkippen des scheinbar stabilen Gleichgewichts der Abschreckung das Fehlen einer solchen Rechtssicherheit schaffenden Ordnung offensichtlich geworden. Andererseits nährt das Verschwinden der starren Fronten die Hoffnung auf die Möglichkeit weiterer Schritte in Richtung einer globalen Rechtsordnung. Die Friedensschrift wird in der Debatte vor allem herangezogen, um den Standort der gegenwärtigen völkerrechtlichen Lage auf der Skala der gebotenen und möglichen Entwicklung zu bestimmen. Dabei wird meist ein Zustand zwischen Friedensbund, der hinsichtlich der Rechtsentstehung noch nicht überwunden wurde, und Weltstaat, der sich mit ersten Ansätzen im Bereich der Entscheidung über die Rechtsdurchsetzung andeutet, konstatiert. 41

Zum ewigen Frieden, VIII, S. 378 (lOff.).

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E. Ausblick: Die Friedensschrift und das Völkerrecht von morgen

Einer Entwicklung des heutigen Völkerrechts zur globalen Rechtsordnung steht mit dem Auseinanderfallen tatsächlicher Entscheidungsbefugnisse und legitimatorischer Bindung der Entscheidungsbefugten ein strukturelles Problem im Wege. Hauptsächliche Akteure der internationalen Politik sind heute staatliche Funktionsträger; diese sind ausschließlich ihrem eigenen Staats volk verpflichtet. Die Wahrnehmung globaler Aufgaben erfordert eine Ausrichtung an globalen Interessen. Es besteht demnach im Völkerrecht eine Diskrepanz zwischen Aufgabe und Legitimation. Diese kann nur durch ein über den Staaten stehendes Recht aufgelöst werden; zwischensaatliche Regelungen reichen nicht aus. Dafür ist die teilweise und endgültige Aufgabe staatlicher Gewalt erforderlich. Damit bietet sich zur Lösung der internationalen Probleme die Idee des ursprünglichen Vertrages an. Hatte noch Kant in der Souveränität der Staaten ein Hindernis für einen ursprünglichen Vertrag zwischen diesen gesehen, so konnte Höffe zeigen, daß das Ideal für die zwischenstaatlichen Beziehungen ein minimaler Weltstaat sein muß, der auf die Aufgaben beschränkt ist, die die Staaten nicht selbst erfüllen können. 42 Daraus kann man, wiederum an Häffe anknüpfend, im nächsten Schritt folgern, daß die Staaten, die zur Erfüllung dieser Aufgaben ihren Bürgern gegenüber verpflichtet sind, ihre Souveränität sogar abgeben müssen, wenn es die Wahrnehmung ihrer Aufgaben erfordert. Ist die Moral in der Rechtsordnung eines Staates bereits so weit verwirklicht, daß das Staatsrecht die Prämisse der Vernunftfähigkeit des Menschen anerkennt und infolgedessen die Würde des Menschen zu seiner obersten Maxime erhebt, so folgt daraus logisch zwingend, daß die Vernunft auch Maßstab des Außenverhaltens sein muß. Ein solcher Staat muß offen sein für die Integration in eine überstaatliche Rechtsgemeinschaft. 3. Modell der globalen Rechtsordnung

Den Staaten, deren Rechtsordnungen dieselbe Prämisse wie den Maximen der Friedensschrift zugrunde liegt, gebietet also die Vernunft, eine Rechtsordnung zu schaffen, deren Legitimation sich als auf einem ursprünglichen Vertrag beruhend denken läßt. Aus der Begründung dieser Pflicht der Staaten aus der inneren Verpflichtung gegenüber ihren Bürgern folgt, daß Subjekte des ursprünglichen Vertrages, der als Grundlage der zu schaffenden Rechtsordnung über den Staaten gedacht werden kann, die Individuen, und nicht etwa die Staaten sind. Damit ergeben sich neue Perspektiven für die Verrechtlichung sozialer Beziehungen: Die klassische Vorstellung des dreistufigen Aufbaus vom Individuum über den Staat zur Staatengemein42

Höffe, Völkerbund oder Weltrepublik?, S. 116.

II. Ansätze für weitere Schritte auf dem Weg zum ewigen Frieden

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schaft muß abgelöst werden durch ein Modell, das für unterschiedliche Aufgaben Rechtskreise verschiedenen Umfangs vorsieht, deren Ausgangspunkt jeweils die Individuen sind. 43 Dabei lassen sich vielfältige, den jeweiligen Aufgaben angemessen Formen denken, von räumlich eng begrenzten Rechtsgemeinschaften über die nationale Ebene bis hin zu kontinentalen Einheiten und schließlich dem globalen Rechtskreis. Diese Strukturen beziehen nach der Idee des ursprünglichen Vertrages ihre Legitimation jeweils unmittelbar durch die in ihnen zusammengeschlossenen Individuen.

4. Annäherung an die Idee einer globalen Rechtsordnung

Ausgehend von der heutigen Situation, in der die Individuen in Staaten organisiert sind, die eine zwischenstaatliche Rechtsgemeinschaft bilden, stellt sich die Frage, wie das Modell einer globalen Rechtsordnung erreicht werden kann. Wenn auch legitimationstheoretisch auf allen Ebenen jeweils ein urspünglicher Vertrag zwischen den Individuen gedacht werden kann, so vollzieht sich die Entstehung überstaatlicher Strukturen in der politischen Praxis regelmäßig durch völkerrechtliche Verträge. Hierzu sind die Staaten nach der Idee des ursprünglichen Vertrages ihren Bürgern gegenüber verpflichtet. Entscheidendes Hindernis für die Schaffung einer überstaatlichen Rechtsordnung durch die Staaten ist ihr unterschiedlicher innerer Zustand. So können Staaten, deren Rechtsordnung auf der Annahme der Vernunftsfähigkeit des Menschen beruht, Aufgaben nur an eine überstaatliche Organisation abgeben, die ihrerseits die vernunfsgebotenen Rechte der Menschen zu garantieren in der Lage ist. Will man sich nicht auf eine Gemeinschaft nur einiger Staaten beschränken, limitiert das Maß der Verwirklichung der Vernunft in den Staatsverfassungen die Möglichkeiten der Integration. Ein inhaltlich umfassendes global wirksames Recht kann erst entstehen, wenn diejenigen Staaten, die von einem Menschenbild ausgehen, das die Instrumentalisierung des Menschen erlaubt oder gebietet, zur Minderheit geworden sind. In diesem Sinne kann von einem Homogenitätsprinzip gesprochen werden. Entgegen der in den Interpretationen der Friedensschrift immer wieder vertretenen Ansicht, alle Staaten des Friedensbundes müßten republikanisch verfaßt sein, reicht aus, wenn die von der sittlichen Autonomie des Menschen ausgehenden Staaten die überwiegende Mehrheit stellen; auch innerhalb der Staaten gibt es stets einen kleinen Anteil von ,Verfassungsfeinden " ohne daß dadurch die Verfassungsqualität in Frage gestellt wird. Zudem fallen die Anforderungen an die Staaten geringer aus: Es 43 Von einem ähnlichen Modell geht Sommermann, Der entgrenzte Verfassungsstaat, S. 39, aus.

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E. Ausblick: Die Friedensschrift und das Völkerrecht von morgen

muß sich nicht um Republiken handeln; zur Bildung einer an der Vernunft orientierten überstaatlichen Rechtsordnung sind alle Staaten fähig, die die Prämisse der sittlichen Autonomie des Menschen anerkennen. Damit stellt sich die Frage, wie Staaten zur Anerkennung dieser Prämisse bewegt werden können. Der Weg gewaltsamer Intervention, den die internationale Politik seit dem Ende des Kalten Krieges immer häufiger beschreitet, ist, wie Kant schon vor zweihundert Jahren feststellte, weder vernünftig noch praktisch geeignet. Führen doch wirtschaftlicher Druck und militärischer Zwang zur Zustimmung nicht, aus Überzeugung, sondern unter dem geheimen Vorbehalt, die alten Praktiken wieder aufzunehmen, sobald es die Machtverteilung erlaubt. Die Wahrscheinlichkeit, während des Andauerns des Zwangs eine Überzeugung herbeizuführen, ist gering. Aussichtsreicher dürfte es sein, ein gutes Beispiel zu geben: Der vor Augen geführte Erfolg friedlicher Rechtsgemeinschaften verbunden mit der Aussicht auf Partizipation sollte einen großen Anreiz für innere Reformen darstellen. Die Demokratisierung der osteuropäische Staaten mag einen Hinweis darauf geben, mit welchem zeitlichen Horizont man hierbei zu rechnen hat. Die gewaltsame Einflußnahme auf die Verfassung eines Staates verstößt zudem gegen geltendes Völkerrecht. Nach Art. 2 Nr. 7 UN-Charta sind die Vereinten Nationen ausdrücklich nicht zum Eingreifen in innere Angelegenheiten befugt, es sei denn im Rahmen von Maßnahmen nach Kapitel VII der Charta, wofür Art. 39 eine Gefährdung des Friedens zur Voraussetzung macht. Eine Friedensgefährdung liegt nicht vor, wenn durch Verweigerung innerer Reformen eine weitere, über das Recht der Vereinten Nationen hinausgehende Integration verhindert wird. Frieden kann für die Auslegung von Art. 39 UN-Charta nicht mehr sein als der Zustand, der bei vollständiger Beachtung des bisher geltenden Völkerrechts besteht. Eine Weigerung, dieses Recht durch weitere Vereinbarungen zu erweitern, kann gar keine Verletzung desselben sein. Eine Befugnis der Vereinten Nationen, die Anerkennung weiteren Rechts zu erzwingen, ist daher nicht denkbar. Noch offensichtlicher ist der Rechtsbruch, wenn Staaten alleine oder in Gruppen ohne Mandat der UNO versuchen, die inneren Angelegenheiten anderer Staaten gewaltsam zu beeinflussen. Der Verstoß gegen Art. 2 Nr. I und 4 UN-Charta kann auch mit dem Hinweis auf angeblich höherrangige Normen nicht begründet werden, solange es nicht eine überstaatliche Verfassung gibt, die diese enthält. Wer unter Verletzung geltenden Völkerrechts etwa versucht, die Anerkennung der Menschenrechte zu erzwingen, verstößt durch diese Rechtsverletzung gegen eben jenen Grundsatz der sittlichen Autonomie, dessen Verwirklichung in der konkreten Form der Menschenrechte er anstrebt. Dem Gebot der Befolgung auch solchen positiven Rechts, das hinter den Prinzipien der Moral zurückbleibt, wird entgegengehalten, die Orientierung

11. Ansätze für weitere Schritte auf dem Weg zum ewigen Frieden

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an der Rechtslage verhindere den Rechtsfortschritt. Dieser Vorwurf wurde schon gegen Kant erhoben. Dabei wird übersehen, daß bereits in der Vereinbarung positiven Rechts die sittliche Autonomie des Menschen Ausdruck findet. Aus der Vernunft folgt, daß Recht nicht verletzt werden darf, auch nicht von einer Politik, die diese Verletzung mit seiner Unzulänglichkeit begründet. Wer sich auf die Vorzüge eines scheinbar moralisch begründeten Pragmatismus stützt, folgt - als politischer Moralist - allenfalls dem Verstand, keinesfalls der Vernunft. Angesichts der Verlockung schneller Ergebnisse einer pragmatischen Politik darf nicht in Vergessenheit geraten, daß ein Räuber ein Räuber bleibt - auch wenn er sich Robin Hood nennt. Der kategorische Imperativ gebietet nicht nur das Anstreben des Friedens, er begrenzt auch die hierfür zulässigen Mittel.

Den institutionellen Schritten auf dem Weg zu einer globalen Rechtsordnung wird daher Überzeugungsarbeit vorausgehen müssen. Daß in der Zwischenzeit nicht jede Weiterentwicklung des Rechts ruhen muß, ergibt sich schon daraus, daß manche Aufgaben ein geringeres Maß an Orientierung an der Vernunft voraussetzen als andere. Der erste Definitivartikel muß, wie schon in der Interpretation erörtert, nicht in jeder Hinsicht vor dem zweiten erfüllt sein. Die Vernunft gebietet, wenigstens die Integrationsmöglichkeiten zu nutzen, die sich mit den schon jetzt bestehenden Gemeinsamkeiten der Staaten eröffnen.

5. Exkurs: Notwendigkeit weiterer Reformen des Staatsrechts

Wenn auch Gegenstand dieser Abhandlung das Völkerrecht ist, so darf doch ein mahnender Exkurs in Beziehung auf das Staatsrecht nicht fehlen. Der im Vergleich zu anderen Staaten große Fortschritt, den die Verwirklichung der sittlichen Autonomie des Menschen in den Rechtsordnungen mancher Staaten genommen hat, sollte nicht zu der Auffassung verführen, schon eine ideale Verfassung erreicht zu haben. Noch immer werden, auch in den demokratischen Rechtsstaaten, nicht alle aus der Würde des Menschen folgenden Rechte effektiv geschützt. Die Mittel, deren sich die Staatsgewalt zur Ausübung ihrer Aufgaben bedient, genügen vielfach den Anforderungen an einen Umgang vernünftiger Wesen nicht. In manchen Gesellschaften, die nach außen entschieden für die Menschenrechte eintreten, scheint man über dieses Engagement vergessen zu haben, daß das eigene Strafrecht noch immer mit die menschliche Existenz prinzipiell in Frage stellenden Sanktionen operiert, die der Verstand als das sicherste Mittel anbietet und so das vernünftige Urteil trübt. Allen Rechtsgemeinschaften stellt die Vernunft die ewige Aufgabe weiterer Fortschritte in der Verwirklichung der moralischen Gesetze.

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E. Ausblick: Die Friedensschrift und das Völkerrecht von morgen

6. Ausbau der Vereinten Nationen

Als Ausgangspunkt für den Aufbau einer Rechtsordnung, die globale Probleme zu lösen in der Lage ist, bieten sich die Vereinten Nationen an. Drei Aspekte stehen beim Ausbau der Vereinten Nationen im Vordergrund: die Institutionalisierung der Rechtsetzung, die Schaffung einer rechtlichen Grundlage für die Entscheidung über die Rechtsdurchsetzung und die Konstituierung einer ausführenden Gewalt. Die Entstehung von überstaatlichem Recht erfolgt zur Zeit noch vorwiegend durch völkerrechtliche Verträge. Soll die UNO der Idee eines ursprünglichen Vertrages der Individuen angenähert werden, so muß sie zur Erfüllung der sich daraus ergebenden Aufgaben ohne Mitwirkung der Staaten in der Lage sein. Dafür muß ein Verfahren geschaffen werden, in welchem unabhängig von aus Sicht des globalen Rechtskreises zufälligen internationalen Spannungen Recht gesetzt werden kann. Nur unter dieser Voraussetzung kann auf globaler Ebene Rechtssicherheit entstehen. Als Rechtsetzungsorgan wird seit längerem ein Weltparlament gefordert. Dieses darf nicht, wie die Generalversammlung der Vereinten Nationen, aus den Vertretern der Staaten bestehen, sondern es muß sich aus direkt gewählten Abgeordneten zusammensetzen. Voraussetzung für das Gelingen eines solchen Projekts ist die Bereitschaft der Staaten, sich dem durch das Weltparlament gesetzten Recht zu unterwerfen. Vor dem Hintergrund des zweiten Definitivartikels könnte dann von einem ersten Schritt in Richtung auf ein Welt-Staatsrecht gesprochen werden. Daß die Staaten sich nach dem ihnen zugrunde liegenden ursprünglichen Vertrag im voraus mit den Normen, die ein Weltparlament hervorbringen würde, einverstanden erklären können, setzt voraus, daß diese sich in einem Rahmen bewegen, der eine Verletzung der Rechte ihrer Bürger ausschließt. Es ist daher eine Veifassung auf Weltebene erforderlich, die die Schranken für die Weltgesetzgebung enthält. Kein Staat wird der Schaffung eines Weltparlaments zustimmen ohne den Vorbehalt, seiner Verfassung zuwider laufende Beschlüsse nicht zu befolgen. Eine überstaatliche Organisation kann daher nur Aufgaben erfüllen, in denen zwischen den Staaten ein Mindestmaß an Übereinstimmung besteht. Mit der Zeit kann dann der Kompetenzkatalog in der Welt-Verfassung erweitert werden, bis alle Aufgaben, die nur auf globaler Ebene gelöst werden können, Gegenstand der Weltgesetzgebung sind. Dringlicher scheinen Reformen im Bereich der Rechtsdurchsetzung. Die Entscheidung über Sanktionen wird im Sicherheitsrat nach politischem Ermessen der dort vertretenen Staaten getroffen. Solange die Frage der Sanktionsanwendung nicht durch nachvollziehbare Regeln determiniert ist, kann nicht erwartet werden, daß eine supranationale Rechtsgemeinschaft

11. Ansätze für weitere Schritte auf dem Weg zum ewigen Frieden

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das Vertrauen der Staaten erhält. Wäre doch die Durchsetzung der Rechte ihrer Bürger auf die aus Sicht des Rechts zufällige politische Interessenlage angewiesen. Daher kann die UNO erweiterte Aufgaben erst wahrnehmen, wenn über die Frage der Rechtsdurchsetzung ausschließlich anhand von Rechtskriterien entschieden wird. Auch hierfür bedarf es einer Verfassung, die ein der Rechtsstaatlichkeit entsprechendes Prinzip auf Weltebene gewährleistet. Änderungen der UN-Charta könnten in einem ersten Schritt viel bewirken. So ließe sich die Rechtsanwendungsgleichheit sicherstellen, indem die Ermächtigung zum Ergreifen von Sanktionsmaßnahmen nach Kapitel VII der UN-Charta durch eine entsprechende Verpflichtung ergänzt würde. Die Kriterien für einen Engriff müßten genauer bestimmt werden. In einem zweiten Schritt könnte dann der Orientierung an den Interessen einzelner Staaten dadurch begegnet werden, daß die Mitglieder des Sicherheitsrates nicht mehr als Vertreter der Staaten agierten, sondern, wie heute schon der Generalsekretär, als Funktionsträger der globalen Rechtsgemeinschaft. Dadurch würde die institutionelle Basis der ausführenden Gewalt ihrer legitimatorischen Begründung angeglichen. Schließlich erfordert die effektive Sicherung des Weltrechts eine über den Staaten stehende Exekutivmacht. Fraglich ist, ob hierfür die Verpflichtung der Staaten nach Art. 43 UN-Charta, dem Sicherheitsrat zur Durchsetzung von Maßnahmen Mittel zur Verfügung zu stellen, ausreicht. Mit dieser Verpflichtung ist die Durchsetzung zwar bei transzendentaler Betrachtung nicht mehr von der zufälligen Entscheidung einzelner Staaten über eine Mitwirkung an vom Sicherheitsrat beschlossenen Sanktionen abhängig. Die Rechtssicherheit verlangt aber, daß das Recht auch tatsächlich gegen einen mächtigen Staat durchgesetzt werden kann. Für die Reform der Vereinten Nationen ergibt sich damit aus der Friedensschrift: Die Vereinten Nationen müssen in Bereichen, in denen Konsensfähigkeit besteht, zu einer Supranationalen Organisation weiterentwikkelt werden, die innerhalb ihrer Kompetenzen Recht setzt und dessen Beachtung auf rechtlich gebundene Weise sicherstellt. In Bereichen, in denen (noch) kein Konsens möglich ist, darf die Supranationalität nicht erzwungen werden; vielmehr ist von den integrationsbereiten Staaten inhaltliche Überzeugungsarbeit zu leisten. 7. Vertiefung und Verbreiterung der europäischen Integration

Günstiger sind die Ausgangsbedingungen der europäischen Integration. Unter den europäischen Staaten besteht hinsichtlich des Menschenbildes so weitgehende Übereinstimmungen, daß auf vielen Gebieten Konsens erzielt werden kann. Geht man von der Existenz der Staaten aus, so können einer Supranationalen Organisation nur die Aufgaben übertragen werden, die von

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E. Ausblick: Die Friedensschrift und das Völkerrecht von morgen

den Staaten nicht erfüllt werden können. Das Ziel der europäischen Integration ist dann ein subsidiärer Bundesstaat. Während die Übertragung der Befugnisse zur Sachregelung schon weit vorangeschritten ist, bestehen noch erheblich Defizite auf institutionellem Gebiet. Die Rechtsetzung erfolgt zum großen Teil noch immer durch Gremien, die mit Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten besetzt sind. Die Konsensbildung ist zudem durch die Möglichkeit der Blockierung gemäß den Luxemburger Beschlüssen beeinträchtigt. Wenn die Individuen als legitimatorische Quelle des Europarechts gedacht werden, muß das Verfahren der Rechtsetzung dieser Vorstellung angepaßt werden. Die Rechtsetzung ist daher dem direkt gewählten Parlament zu überlassen. Die Vertretung der Staaten muß sich auf eine zweite Kammer beschränken, in der sie ihre Belange geltend machen können. Ausgehend von einem Modell aufgabenbezogener Rechtskreise sind in gleicher Weise andere Hoheitsträger wie etwa Kommunen an der Rechtsetzung zu beteiligen. Auch die Rechtsdurchsetzung bedarf weiterer Fortschritte. Das Gemeinschaftsrecht wird zum großen Teil durch die Mitgliedstaaten vollzogen. Wenn die Gemeinschaft nicht über eigene Vollzugsorgane verfügt, besteht die Supranationalität nur auf der Ebene der Verpflichtung; die von der Vernunft gebotene Rechtssicherheit fehlt: Solange nationale Gerichte sich die Kontrolle von Gemeinschaftsrecht vorbehalten, ist der supranationale Charakter prinzipiell in Frage gestellt. Aus der Vernunft folgt nicht zuletzt das Gebot der Einbeziehung weiterer Staaten in die europäische Integration. Voraussetzung für die Aufnahme neuer Mitglieder kann aus der Perspektive der Friedensschrift nur sein, daß der Rechtsordnung dieser Staaten eben jene Prämissen zugrunde liegen müssen, aus denen der Konsens über die Regelungen des Europarechts folgt. Der Aufnahme von Staaten, deren Rechtsordnung von der sittlichen Autonomie des Menschen ausgeht, steht aus Sicht der Vernunft nichts im Wege. Der Verstand kann freilich ein Abstellen auf finanzielle Interessen gebieten; es ließe sich ein Erlaubnisgesetz denken, die Aufnahme so lange zu verschieben, bis die bisherigen Mitgliedstaaten durch sie keine wirtschaftliche Läsion, wie sie im vierten Präliminarartikel beschrieben ist, befürchten müßten. 8. Effektiver Schutz der Individualrechte

Aus der Ableitung der Rechtsordnungen aus der sittlichen Autonomie folgt, daß die Rechte, die sich aus der Vernunftfahigkeit des Menschen ergeben, in allen Rechtskreisen geschützt werden müssen. Staaten, deren Verfassungen sich an der Prämisse der sittlichen Autonomie orientieren,

II. Ansätze für weitere Schritte auf dem Weg zum ewigen Frieden

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achten diese Rechte sowohl gegenüber ihren eigenen Bürgern als auch gegenüber allen übrigen Menschen. Auch eine internationale oder supranationale Rechtsordnung, die auf der Vernunft beruht, wird diese Rechte wahren. Daraus, daß das Verständnis der Menschenwürde in den unterschiedlichen Rechtsordnungen voneinander abweicht, ergibt sich eine Limitierung der Regelungsmöglichkeiten auf den durch die Übereinstimmung gedeckten Bereich. Als besonders problematisch stellt sich der Schutz der Individualrechte gegenüber Staaten dar, die die Prämisse der sittlichen Autonomie des Menschen nicht anerkennen. Völkerrechtslehre und internationale Politik diskutieren in diesem Zusammenhang die Frage, ob eine Intervention zugunsten der Individuen zulässig sei. Dahinter steht ein scheinbarer Konflikt zwischen der rechtlichen und moralischen Verpflichtung zur Achtung der Rechtspersönlichkeit der Staaten, die auch dann besteht, wenn diese nach ihrem Selbstbild nicht an der sittlichen Autonomie orientiert sind, und einer moralischen Verpflichtung zur Sicherung der Rechte der Individuen. Nach der in der Friedensschrift entwickelten transzendentalen Begründung des Rechts existiert ein solcher Konflikt nicht. Wenn ein Staat die Bürger eines anderen Staates in ihren Rechten verletzt, ist dieser verpflichtet, seinen Bürgern gegen jenen zur Hilfe zu kommen. Ein völkerrechtliches Eingriffsverbot ist, solange kein Welt-Staatsrecht besteht, gegenüber dieser Pflicht aus Sicht des Staatsrechts nachrangig, weil der Staat die völkerrechtlichen Verträge, aus denen sich das Eingriffsverbot ergeben kann, nach der Idee des ursprünglichen Vertrages in Ausführung des allgemeinen Willens seiner Bürger abschließt. Demgegenüber ist ein unter Bruch völkerrechtlicher Vereinbarungen erfolgter Eingriff zur Wahrung der Rechte einzelner Menschen, die nicht Bürger des eingreifenden Staates sind, nicht mit der Vernunft vereinbar, weil die Rechte dieser Menschen in den das staatliche Handeln bestimmenden allgemeinen Willen nicht einfließen. Eine solche Nothilfe ist nur in dem Fall zulässig, daß ein Staat den Bürgern eines anderen Staaten zur Hilfe kommt, mit dem dies vereinbart ist; unter den Staaten des Friedensbundes oder einer weiteren Entwicklungsstufe in Richtung auf den Weltstaat sind solche Verträge zu erwarten. Ausgeschlossen bleibt die Hilfe für die Bürger der nicht am Bund beteiligten Staaten sowie für Staatenlose. Diese können sich nur auf das Weltbürgerrecht berufen; wenn es verletzt wird, können die Staaten aber nicht einschreiten. Als einziger Ausweg bietet sich ein über den Staaten stehendes Recht zum Schutz der Individuen an, das als auf einem globalen ursprünglichen Vertrag beruhend gedacht werden kann. Während das Weltbürgerrecht nur die Minimalbedingungen für diesen Bereich enthält, verlangt der effektive Schutz der Individualrechte auch eine institutionelle Absicherung. Hierfür

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E. Ausblick: Die Friedensschrift und das Völkerrecht von morgen

wäre eine bloße Staatengemeinschaft ungeeignet, weil sie durch die Interessen der Staaten dominiert würde. Institutionelle Basis könnte die oben vorgeschlagene weiterentwickelte Form der Vereinten Nationen sein, die insoweit ein Weltstaat für den begrenzten Aufgabenbereich der Normierung und Sicherung der Individualrechte wäre. Die von der sittlichen Autonomie des Menschen ausgehenden Staaten müßten dieser Erweiterung der Vereinten Nationen zustimmen. Jedoch hat die Verwirklichung der Menschenwürde in den Rechtsordnungen der meisten Staaten derzeit noch nicht das Maß erreicht, das erforderlich wäre, um einen solchen Vorschlag mehrheitsfahig zu machen. Einer von der sittlichen Autonomie des Menschen ausgehenden Politik bleibt damit nur die Möglichkeit, für die Gestaltung des Völkerrechts nach den Grundsätzen der Vernunft zu werben.

F. Zusammenfassung I. Die Thesen der Friedensschrift 1.

Der kategorische Imperativ gebietet die Verrechtlichung aller sozialen Beziehungen. Nur wenn die Rechte aller Menschen gesichert sind, läßt sich ihr Anspruch verwirklichen, als vernünftige Wesen nicht nur Mittel, sondern zugleich Zweck zu sein. Dieser Zustand ist der ewige Frieden.

2. Denkt man die Menschheit auf den Naturzustand zurück, so müßten, um diesen vollständig zu überwinden, sich alle Menschen zu einem ursprünglichen Vertrag zusammenfinden, durch den ein Weltstaat konstituiert würde. 3. In der historischen Wirklichkeit sind einzelne Staaten entstanden. Diese können sich nicht zu einem Weltstaat vereinigen, weil das dem als ihnen zugrunde liegend gedachten ursprünglichen Vertrag widerspricht. Dann müssen drei Rechtskreise unterschieden werden: das Staatsrecht als Regelung der Beziehung der Menschen in einem Staat, das Völkerrecht als Regelung der Beziehung der Staaten und das Weltbürgerrecht als Regelung der übrigen Beziehungen zwischen Staaten und den Bürgern anderer Staaten sowie zwischen Bürgern verschiedener Staaten. 4. Die republikanische Verfassung entspricht der Idee des ursprünglichen Vertrages. Sie ist gekennzeichnet durch die gesetzliche Freiheit der Menschen, die gegenüber der natürlichen Freiheit so beschränkt ist, daß sie mit der Freiheit aller zusammen bestehen kann, die Gleichheit der Staatsbürger im Einfließen ihrer Interessen in den allgemeinen Willen und die gleiche Unterworfenheit aller unter die gemeinsame Rechtsordnung. Die Verwirklichung dieser Idee setzt die Verteilung der Staatsgewalt auf mehrere Repräsentanten voraus. Ein republikanisch verfaßter Staat sollte dem Krieg abgeneigt sein, weil die Entscheidung über die Frage, ob Krieg sein soll, diejenigen treffen, die die Lasten des Krieges tragen müßten. 5. Da ein Weltstaat nicht möglich ist, die Vernunft aber gebietet, die Beziehungen zwischen den Staaten rechtlich zu regeln, müssen sie einen Friedensbund bilden. Dieser darf keine Zwangsgewalt haben, denn dadurch würde die Souveränität der Staaten verletzt. Der Friedensbund kann den Naturzustand zwischen den Staaten nicht aufheben. Er 17 Hackel

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F. Zusammenfassung

ist ein Bündnis mit zwei Funktionen: dem gegenseitigen Gewaltverzicht als Schutz der Staaten voreinander und der wechselseitigen Zusage gemeinsamer Abwehr gegen Angriffe von außen. 6.

Die Präliminarartikel enthalten zwingende Voraussetzungen für die Entstehung zwischenstaatlichen Rechts. Ein Vertrag setzt unabhängige Vertragspartner voraus. Daher darf sich kein Staat in innere Angelegenheiten eines anderen einmischen; das gilt auch gegenüber nicht der idealen Republik entsprechenden Staaten, da sich die Vernunft auch in deren Rechtsordnung verwirklicht. Von Frieden kann nur gesprochen werden, wenn der Verzicht auf die Anwendung von Gewalt ohne geheimen Vor·· behalt erfolgt. Damit ein Friedensvertrag geschlossen werden kann, dürfen im Krieg nur solche Mittel eingesetzt werden, deren Anwendung nicht jedes Vertrauen in den späteren Vertragspartner unmöglich macht.

7.

Daneben entschärfen die Präliminarartikel den Naturzustand durch Verbote wie das stehender Heere, das der kreditfinanzierten Kriegführung und das der Behandlung eines Staates als Gegenstand einer Verfügung, damit die Staaten das Risiko des Gewaltverzichts eingehen können.

8. Für die verbleibenden Beziehungen zwischen einem Staat und den Bürgern anderer Staaten sowie den Bürgern verschiedener Staaten gilt das Weltbürgerrecht. Es wird, anders als die republikanische Verfassung und der Friedensbund, nicht als auf einer Vereinbarung beruhend gedacht, sondern ergibt sich aus der Eigenschaft der Menschen als vernünftigen Wesen. Das Weltbürgerrecht ermöglicht die gewaltfreie Kontaktaufnahme und damit die Schaffung gemeinsamen Rechts. 9.

Das der Vernunft gemäße Recht entsteht dadurch, daß sich die Politik bei Schaffung des positiven Rechts an der Moral orientiert. Ob positives Recht mit dem moralischen Gesetz übereinstimmt, wird anhand des Publizitätsprinzips in zwei Schritten überprüft: Zunächst ist zu fragen, ob die Rechtsnorm ihre Absicht erreicht, wenn diese öffentlich gemacht wird; ist das nicht der Fall, so ist sie ungerecht. Dann wird festgestellt, ob die Absicht nur erreicht werden kann, wenn die Rechtsnorm öffentlich gemacht wird; ist diese Bedingung erfüllt, so besteht Gewißheit, daß es sich um moralisches Recht handelt.

10. Dafür, daß der ewige Friede erreicht werden kann, sieht Kant eine Garantie in der Natur. Die egoistischen Eigenschaften der Menschen führen dazu, daß sie sich auch ohne Orientierung an der Vernunft nur aufgrund ihres Verstandes um ihrer eigenen Rechte willen in einen Rechtszustand begeben. Diese Garantie ist eine Hypothese, die durch Abstrahieren von den historischen Phänomenen gewonnen wird.

11. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur

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11. Die Friedensschrift in der völkerrechtlichen Literatur 1. Bezugnahmen auf die Friedensschrift finden sich seit ihrem Erscheinen in der völkerrechtlichen Literatur jeder Epoche der Völkerrechtsgeschichte. Die Friedensschrift wird sowohl in Texten mit völkerrechtspolitischer als auch in solchen mit völkerrechtshistorischer Intention zitiert. Manche der von Kant in der Friedensschrift verwendeten Formulierungen sind zu gebräuchlichen Ausdrücken in der völkerrechtlichen Literatur geworden. 2. Die Friedensschrift wird im Zusammenhang mit der Betrachtung des Völkerrechts aus Sicht der Völkerrechtslehre und der Völkerrechtsgeschichte sowie der Philosophie, der Politologie und der Völkerrechtspolitik erwähnt. Die Gedanken Kants wirken sich vor allem auf die Interpretation des Völkerrechts und die seiner Entstehungsgeschichte aus, in geringem Maße auch auf seine Entstehung selbst. 3. Die Beschäftigung mit Kant dient zum Teil der inhaltlichen Auseinandersetzung mit seinen Thesen. Häufig verfolgt der Verweis auf die Friedensschrift das Ziel, das Gewicht der eigenen Aussagen durch die mit dem Namen Kants verbundene Autorität zu betonen. In der Politik wird die Bezugnahme auf Kant gezielt als öffentlichkeitswirksames Mittel eingesetzt. 4. Inhaltliche Tendenz sowie Quantität der Beschäftigung mit der Friedensschrift unterliegen Schwankungen in Abhängigkeit von der politischen Lage. Eine starke Polarisierung des Kantbildes ist während des Ersten Weltkriegs zu beobachten. In Deutschland argumentierte man mit der Friedensschrift gegen den Versailler Vertrag. Besonders intensiv befaßt sich die Literatur in der Zeit des Völkerbundes und seit dem Ende des Kalten Krieges mit der Friedensschrift. 5. Schwerpunkt der Bezugnahmen auf die Friedensschrift ist die Frage nach der rechtlichen Gestaltung der internationalen Beziehungen. Eine fortschreitende Realisierung der Ideen Kants läßt sich von den zunächst wirkungslosen Forderungen der Friedensbewegung des 19 . Jahrhunderts über die Aufnahme der Vorschläge durch die Politik zur Zeit der Haager Konferenzen bis hin zur teilweisen Umsetzung der Pläne durch den Völkerbund feststellen. Nachdem die Beschäftigung mit Kant nach dem Zweiten Weltkrieg vorübergehend an Bedeutung für das Völkerrecht verloren hatte, ist die Friedensschrift mit dem Ende des Kalten Krieges wieder in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. 6. Während die Friedensschrift nur selten zur Erörterung einer allgemeinen Theorie des Friedens und der rechtlichen Organisation der zwischenstaatlichen Beziehungen herangezogen wird, werden konkrete

260

F. Zusammenfassung Internationale und Supranationale Organisationen häufig mit den Vorschlägen Kants verglichen. Vor allem die Literatur zu Völkerbund, Vereinten Nationen und Europäischen Gemeinschaften nimmt auf Kant Bezug, um die Ideengeschichte dieser Organsationen zu beleuchten oder Veränderungen zu fordern.

7. Die Friedensschrift wird mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker vor allem in der Ausprägung des Interventionsverbots in Verbindung gebracht. Sie wird meist als Mittel zur Bekräftigung politischer Ansichten eingesetzt. Dabei werden immer wieder unzutreffende Interpretationen zugrunde gelegt. 8. Die Friedensschrift wird zur Begründung und Inhaltsgewinnung der Individualrechte des Völkerrechts herangezogen. Einem großen Teil der Äußerungen liegen Interpretationen zugrunde, die auf der Verwechslung von Weltbürgerrecht und weltbürgerlichem Zustand beruhen. 9. Die These Kants, republikanisch verfaßte Staaten neigten zum Frieden, wird in der Literatur intensiv diskutiert. Das Spektrum der Stellungnahmen reicht vom Bestreiten der These bis zum Vorschlag des ge zielten Einsatzes der Demokratisierung als Friedensstrategie.

III. Die Friedensschrift als Maßstab rtir das Völkerrecht von morgen

1. Die in der Friedensschrift enthaltenen Maximen lassen sich letztlich nicht begründen. Vom Grundsatz der sittlichen Autonomie ausgehend, ist ihre Anerkennung konsequent und zwingend. 2. Der kategorische Imperativ gebietet die Regelung aller sozialen Beziehungen durch Recht. Bei Schaffung und Reform des Rechts ist die Politik auf die Mittel beschränkt, die mit dem bestehenden Recht vereinbar sind. Auch unzulängliches Recht ist zu befolgen, solange es nicht durch der Vernunft in stärkerem Maße entsprechendes Recht abgelöst ist. 3. Für die unterschiedlichen Aufgaben des Rechts sind Rechtsordnungen verschiedenen Umfangs zu bilden, die als auf einem ursprünglichen Vertrag der Menschen beruhend gedacht werden können, deren Beziehungen durch das Recht geregelt werden sollen. 4. Jeder Staat, dessen Rechtsordnung auf der Prämisse der sittlichen Autonomie des Menschen beruht, hat gegenüber seinen Bürgern die Pflicht, das staatliche Recht so zu gestalten, daß die staatliche Rechtsordnung für die Integration in überstaatliche Rechtsordnungen offen ist, und die Entstehung einer globalen Rechtsordnung zu fördern.

III. Die Friedensschrift als Maßstab für das Völkerrecht von morgen

261

5. In jedem Rechtskreis werden die Möglichkeiten der Integration in der Theorie durch die Akzeptanz der sittlichen Autonomie als Prämisse und in der Praxis durch das Maß an Gemeinsamkeiten der Staaten in Bezug auf die Verwirklichung der sittlichen Autonomie in ihren Rechtsordnungen begrenzt. Integrationsbereite Staaten dürfen andere Staaten nur mit den Mitteln des Rechts zur Schaffung gemeinsamen Rechts bewegen. 6. Sollen die Vereinten Nationen zur Grundlage einer globalen Rechtsordnung werden, müssen sie zu einer Supranationalen Organisation reformiert werden. Die Charta muß zu einer Weltverfassung ausgebaut werden, die die Ermächtigung zur und die Schranken der Weltgesetzgebung enthält und rechtliche Kritierien für die Rechtsdurchsetzung aufstellt. Die Gesetzgebung ist einem Weltparlament zu übertragen. Zur Ausführung der Rechtsdurchsetzung muß eine Exekutivmacht geschaffen werden, die stärker als der mächtigste Staat ist. 7. Die Vertiefung der europäischen Integration erfordert die Loslösung der Rechtsetzung von den staatlichen Interessen. Das wird erreicht durch Übertragung der Gesetzgebungszuständigkeit auf das Europäische Parlament. Zudem müssen die Vollzugskompetenzen der Gemeinschaft erweitert und Vollzugsorgane geschaffen werden. 8. Aus dem kategorischen Imperativ folgt eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften zur Aufnahme beitrittswilliger Staaten, deren Rechtsordnung auf der Prämisse der sittlichen Autonomie beruht, in die Gemeinschaften. Finanzielle Aspekte können hier allenfalls aufschiebend wirken. 9. Die Staaten sind verpflichtet, eine Rechtsordnung zu schaffen, die die Rechte der Individuen zu sichern in der Lage ist. Um dieses Ziel zu erreichen, dürfen die Staaten nur solche Mittel einsetzen, die mit dem bestehenden Völkerrecht vereinbar sind; die Berufung auf den kategorischen Imperativ oder überpositive Ausprägungen desselben ist ausgeschlossen, weil dieser auch im Völkerrecht Ausdruck findet.

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Zwilling, Ingo: Immanuel Kant. Staatenrecht, Staatenbund und die Idee des ewigen Friedens. Internationale Ordnung als Rechtsordnung; in: Bellers, Jürgen (Hrsg.); Klassische Staatsentwürfe. Außenpolitisches Denken von AristoteIes bis heute; Darrnstadt 1996, S. 135-147 (zit.: Zwilling, Immanuel Kant).

Sachverzeichnis Abdankung 121 Abhängigkeit vom Gesetz 54 ff. Abrüstung 148, 15lf., 196f. Absicht der Natur 105ff. absolute Souveränität 65, 70, 72, 134f. Ächtung des Krieges 179 f. äußere Souveränität 65, 69 aktiver Frieden 47, 50 allgemeiner Wille 54 ff., 73, 84, 90, 94, 114f., 120,255 Amphiktyonie 76 Analogie 64 ff. Antagonismus 108 ff. Antizipation 239, 243 ff. apriorisch 107, 120, 242 Aristokratie 57 f., 60 Asylrecht 193 Aufrüstung 145, 147 Ausrottungskrieg 44 Autokratie 57 Baseler Frieden 20, 33, 89, 115 Beherrschungsform 57 ff. bellum iustum 136 Berliner Kongreß 133 Berufsheer 37 Besuchsrecht 97 f., 191 Bill of Rights 37 das Böse 112 Brüderlichkeit 56 Bündnis 43 bürgerlicher Zustand 47 Bürgermiliz 36f. CAMDUN 227 Clausula Salvatoria 27 f., 238

116, 142,

Definitivartikel 46ff. Demokratie 57 ff., 165 ff., 214 ff. Despotie 57 ff., 80 f., 90, 222, 227

"Die Waffen nieder!" 143, 146, 148 Ding an sich 33, 105 Droit public de l'Europe 133 Durchsetzung des Rechts 48 ff., 54, 73 ff., 86 ff., 98 f., 167 ff., 192, 193 ff., 201 f., 222ff., 228, 252f. Egoismus 108, 111 ff. Einbürgerung 160 Einmischungsverbot 40ff., 164f., 178, 184 ff., 250 f. Englisches Zeitalter 132f., 146f., 163, 185 Entscheidungsfreiheit 34, 108 Entwurf 28, 102 Erbadel 55, 60 Erlaubnisgesetz 45 f., 122, 187 Eroberung 35 Erster Weltkrieg 145f., 160f., 163f., 174 europäische Einigung 141, 207 ff., 253 f. Europäische Gemeinschaften 207 ff. Europäische Union 207 ff. europäische Verfassung 142 Europäisches Konzert 133 Europarat 204 f. ewiger Frieden 27, 47ff., 101, 230f. Flüchtlingsrecht 189 f. Föderalismus 82 ff., 253 f. Französische Revolution 17 ff., 37, 121 f., 131 Französische Verfassung 41, 56, 131 Französisches Zeitalter 133, 134, 159 Freiheit 53 ff., 184, 242 Freiheit der Meere 171 f. Fremdenrecht 93, 95, 159 Friedensbegriff bei Kant 30ff., 35, 47 ff., 73, 110 Friedensbegriff im Völkerrecht 182 ff. Friedensbewegung 138 ff., 146

Sachverzeichnis Friedensblockade 167 Friedensbund 71, 73, 77ff., 82ff., 175 ff., 199 ff., 209, 223, 249 Friedensfreunde 138 ff. Friedensgesellschaften 139 ff. Friedenskongresse 139 ff. Friedenssicherung 193 ff., 205 f. Friedensvertrag 25 f., 30 ff., 43 ff., 137f.,I64 Garantie des ewigen Friedens 102 ff., 230 Gastrecht 92, 97 GATT 207 geheimer Artikel 114 ff., 238, 239 geheimer Vorbehalt 30ff., 125 Genfer Konvention 143, 150f. Genfer Protokoll 179 gerechter Krieg 136 Gerechtigkeit 51, 56f., 119, 125f. Geschichte 105 ff., 110, 114 Gesellschaftsvertrag 34 ff., 40 ff. , 52 ff., 177f. Gewaltbegriff 40 Gewaltenteilung 57 ff., 125 Gewaltrecht 52 Gewaltverbot 195, 199, 203 f. Gewaltverzicht 85, 177f., 196ff. Gleichgewicht 86f., 113,247 Gleichgewichtspolitik 38, 87, 133 Gleichheit 55, 184 Großmächte 133, 146, 226 Haager Konferenzen 144, 147 ff. Haager Konventionen 146, 150f. Handelsgeist 113, 144, 172, 180, 207f. Heilige Allianz 147 Heiratspolitik 35 Homogenität 90f., 249 Hospitalität 97f., 190f. humanitäre Intervention 185 ff. Idee 34, 103 ff., 239 Imperialismus 161 Indifferenz des Völkerrechts gegenüber dem Recht zum Krieg 137

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Individualrechte 93f., 96, 159f., 189ff., 204, 21lff., 254 ff. innere Souveränität 65, 69 Institutionalisierung 109, 181, 196 ff. Integration 193 ff., 248 f. International Law 133 Internationale Organisation 138, 154, 156ff., 181 f., 196ff. internationaler Friedenskongreß 140 Interparlamentarische Union 146 Interventionsverbot 40ff., 184ff., 25Of. Ironie 27, 115f., 157 ius ad bellum 136f. Janus 130f. Juristen 30, 116 Kalter Krieg 181 ff., 194, 220f. Kantbild und politische Lage 131, 160f., 194 kategorischer Imperativ 34f., 36f., 50f., 53, 84, 92f., 118ff., 123, 191, 242f., 251 Kellogg-Pakt 179 f. Koalitionskriege 17, 42 f. kollektive Sicherheit 86, 196 f., 202 Kolonialismus 98, 172 Konferenz von Paris 133, 143 f. Konferenzen 14, 133, 146,205 Konfliktlösung 195ff., 247 Kooperation 49f., 126, 196ff., 202 Kosovo-Krieg 228, 229f. Kräftegleichgewicht 38, 145 Krieg 44,107,148, 203f. Kriegsrecht 44, 150 f. Kriegsschuldfrage 32, 164 Kriegsverrneidung I 52ff., 179 f., 194ff. KSZE 205 Läsion 41,43,52,64,83, 99f., 254 Legalität 109 f. Legitimation 200, 2IOff., 227, 248f., 254 lex lata 45 f. lex stricta 45

298

Sachverzeichnis

Ligue internationale de la Paix et de le Liberte 141 Luxemburger Beschlüsse 210,254 Maastricht-Urteil 208 Macht 116, 117, 246 Mechanism der Natur 107ff. mechanistisches Weltbild 113 Menschenrechte 96, 189ff., 228, 229, 244f., 250 Menschenwürde 185, 192f., 248, 251, 255 Miliz 36f. Minimalstaat 73 ff., 202 f., 224 Monarchie 59 f. Moral 112,114,117 Moral und Politik 117ff., 192, 247, 250f. moralische Person 34ff., 184,242 moralischer Politiker 118ff., 124 Moralität 32f., 109 f. Nationalstaat 132ff., 136, 141, 145 NATO 206, 228, 229 natürliche Freiheit 53, 109 Natur 105 ff. Naturgesetz l04f. Naturrecht 49, 93, 135 Naturzustand 30ff., 44, 46, 47ff., 100 negativer Frieden 29,47, 183 Nord-Süd-Konflikt 181, 221 OECD 206 öffentliches Recht 48ff., 67, 69, 73, 79, 100, 102, 112 Öffentlichkeit 80, 115, 123 f., 141, 149f., 151, 171, 213f. Organisationsgebot 47, 50 Ost-West-Konflikt 181 f., 220f. OSZE 205 passiver Frieden 47 Pazifisten 139ff., 154 Peace Society 139 Petersburger Erklärung 143, 150 Philanthropie 97 Philosophen 116

Philosophie und Völkerrechtslehre 14, 144f. Politik 117 Politik und Kantbild 131, 160f., 194, 236 Politik und Krieg 179 Politik und Moral 117ff., 130, 192, 247,250f. Politik und Philosophie 114ff., 127, 144f., 182f., 198, 229f., 235f. Politik und Recht 44, 88, 180, 246f. Politik und Völkerrecht 13f., 46, 144f., 191 Politik und Völkerrechtslehre 15, 146f. politischer Moralist 118 ff., 251 Polnische Teilung 34, 38 positiver Frieden 47, 49 positiver Friedensbegriff 183 positives Recht 49, 95, 102, 191 f., 250f. Präliminarartikel 28 ff. Preisarbeiten 139 Privatrecht 48 f., 73, 86f., 102, 222 Publizität 117, 123ff., 178 Rebellion 120ff. Recht im Krieg 44, 79, 150f. Recht und Frieden 47ff., 182ff., 193ff., 246f. Recht zum Krieg 68 f., 83 f., 88, 136f., 163 Rechtsbindung 54 f., 71 Rechtsdurchsetzung 48 ff., 54, 73 ff., 86ff., 98f., 167ff., 192, 193ff., 201 f., 252f. Rechtsentstehung 52, 99 f. Rechtsfortschritt 109f., 114, 120ff., 126, 192, 244f., 250f. Rechtsgeltung 49, 167 ff. Rechtssicherheit 47 ff., 73 ff., 196f., 226, 246f., 252 f. Rechtsstaat 60, 144, 216ff., 253 Rechtssubjekt 29, 34ff., 95f., 189, 248f.,255 Rechtsunterworfenheit 54 f. Reform 46, 118, 120ff., 186f. Regierungsform 57 ff. relative Souveränität 65

Sachverzeichnis Reparation 32 Repräsentation 58 ff. repräsentative Demokratie 60 Republik 41f., 89ff., 177, 200, 204, 21O,215ff. republikanische Verfassung 36, 52 ff., 144, 216, 218 Revolution 46, 120ff., 228 Rüstungsbegrenzung 147, 151 f., 172, 178 Rüstungsspirale 36, 87 Sanktionen 43, 86 ff., 178, 179 Sanktionsbewehrtheit des Rechts 44, 49, 65, 69f. Satire 27, 161,230 Schiedsgericht 76, 142, 145, 152ff., 179 Selbständigkeit 55 ff. Selbstbestimmungsrecht 165 f., 172 f., 184ff. Selbstbindung der Staaten 135, 167 f. Sezessionsrecht 187 f. Sicherheitsdilemma 197, 211, 224 Sicherheitsrat 20lf., 226f. sittliche Autonomie 242, 247, 250, 254ff. Societe de la Paix 139 Souveränität 36, 65ff., 69f., 74f., 99, 132ff., 152, 162f., 168f., 209f., 223, 248 Sozialismus 166 Spionage 43 f., 211 Staat 34ff., 40, 42f., 52ff., 188 Staatenbildung 111 Staatengerichtshof 141 Staatenlose 93, 255 Staatsbürger 55 Staatsklugheitsproblem 118 f. Staatsschulden 38 f., 43, 140 Staatsweisheitsproblem 119 Ständiger Haager Schiedsgerichtshof 155 State Department 127 stehende Heere 36ff., 140, 147 Subjekt 34 Subsidiarität 81, 253 f.

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Supranationale Organisation 197 f., 224 Supranationalität 76, 207 ff., 252 f. Teufel 47f., 5lf., 53 ff., 72 f., 89, l1lf. Theorie und Praxis 117 f. Ultraminimalstaat 73 Umweltschutz 221 Unionsbürgerschaft 212 UNO 181 f., 199ff., 226ff., 229, 252f. Unrecht 68, 124f. ursprünglicher Vertrag 34 ff., 40 ff., 49ff., 64ff., 101, 114f., 117, 248 f., 252f. Utopie 102ff., 129, 142, 174, 239ff. Verallgemeinerungsfähigkeit 48, 123 ff. Vereinte Nationen 181 f., 199ff., 226ff., 229,252f. Verfahrensgerechtigkeit 198 Verkauf von Soldaten 35 Vernunft 28, 48, 50ff., 93, 97, 111 ff., 115, 118ff., 247, 251 Verrechtlichungszwang 52, 100, 250 Versailler Vertrag 164 f. Verstand 48,I11ff.,115,l18ff., 247, 251,254 Verteidigungsallianz 86, 196 f. Vertrauen 44, 90f., 172, 196f., 217f., 224 Völkerbund 66, 76ff., 140ff., 162ff., 169ff. Völkerrecht 64ff., 72ff., 76ff., 86ff., 167ff., 187f., 196f., 201 f., 222ff. Völkerrecht und Politik 13f., 144, 191, 246f. Völkerrechtsgeschichte 127 f., 232 f., 243ff. Völkerrechtslehre 14f.,79 Völkerrechtsleugner 133 f., 167 Völkerrechtspersönlichkeit 40, 42 Völkerrechtssubjekt 40, 95 f., 189 Völkerstaat 66 Volkskrieg 37, 166 Volkssouveränität 133 f. Vorbehalt 30ff., 125, 138, 176

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Sachverzeichnis

Waffenstillstand 30, 137 weltbürgerlicher Zustand 96f., 100, 192 Weltbürgerrecht 91 ff., 135, 144, 160, 175, 189ff., 211ff., 255 Weltbürgertum 96 Weltfriedenskongreß 146 Weltkrieg 145f., 16Of., 163f., 174 Weltparlament 252 Weltrepublik 73 ff., 186f. Weltstaat 66, 73ff., 76ff., 91, 157ff., 168, 186f., 208, 22lff., 255f. Weltstaatsrecht 96f., 157,252,255

Weltverfassung 197 f., 222, 225, 252 f. Weltvolk 65 Westfälischer Frieden 25 Widerstandsrecht 121 f. Wirtschaftlicher Druck 41 Wohlfahrtsausschuß 131 WTO 206f. Würde 32f., 185 Zarenmanifest 147 f. Zensurkonflikt 18 zivilisierte Staaten 132, 146 "Zum ewigen Frieden" 26f.