Jugendschutz oder Geschmackszensur?: Die Indizierung von Medien nach dem Jugendschutzgesetz. Eine verwaltungs- und verfassungsrechtliche Untersuchung unter Berücksichtigung europarechtlicher und völkerrechtlicher Bezüge [1 ed.] 9783428530106, 9783428130108

Warum schießen Teenager auf ihre Mitschüler oder Lehrer und richten aus dem Nichts heraus ein Blutbad an? Niemand weiß e

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Jugendschutz oder Geschmackszensur?: Die Indizierung von Medien nach dem Jugendschutzgesetz. Eine verwaltungs- und verfassungsrechtliche Untersuchung unter Berücksichtigung europarechtlicher und völkerrechtlicher Bezüge [1 ed.]
 9783428530106, 9783428130108

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1133

Jugendschutz oder Geschmackszensur? Die Indizierung von Medien nach dem Jugendschutzgesetz Eine verwaltungs- und verfassungsrechtliche Untersuchung unter Berücksichtigung europarechtlicher und völkerrechtlicher Bezüge

Von

Roman Stumpf

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

ROMAN STUMPF

Jugendschutz oder Geschmackszensur?

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1133

Jugendschutz oder Geschmackszensur? Die Indizierung von Medien nach dem Jugendschutzgesetz Eine verwaltungs- und verfassungsrechtliche Untersuchung unter Berücksichtigung europarechtlicher und völkerrechtlicher Bezüge

Von

Roman Stumpf

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2008 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2009 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-13010-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für meine Eltern und für Simon

Vorwort Dicke Bücher haben oft ein staubiges Schicksal. Das gilt erst recht für dicke Dissertationen. Trotzdem hoffe ich, dass dieses dicke Buch den ein oder anderen interessieren wird. Wer die öffentlichen Diskussionen nach schrecklichen Amoktaten von Jugendlichen – zuletzt in Winnenden im März 2009 – verfolgt, erlebt emotionale Debatten, in denen die Gesprächspartner aus Gesellschaft und Politik schneller als irgend sonst nach Verboten, nach Zensur oder nach der Indizierung von bestimmten Medien rufen. Wie viel Schutz brauchen Kinder und Jugendliche vor Medieninhalten und unter welchen Voraussetzungen ist dieser Schutz verfassungs- und europarechtlich haltbar? Das sind die Kernfragen des Indizierungsrechtes. Sie berühren das schwierige Verhältnis von Freiheit und Sicherheit in einem komplexen technischen Umfeld. In der Politik und Gesetzgebung ist in den letzten Jahren ein deutlicher Trend zu einem umfassenderen Jugendmedienschutz erkennbar. Diese Entwicklung wird vom Großteil der Bevölkerung gewünscht und befürwortet. Es macht die Suche nach klugen Kompromissen nicht leichter, dass die Wirkung von Medien noch nicht sicher eingeschätzt werden kann. Aber einseitige, schematische Lösungen laufen Gefahr, verfassungsmäßige Rechte zu verletzen und die Internationalität des Problems zu verkennen. Schließlich ist große Skepsis angebracht, ob im Zeitalter der Konvergenz, also der technischen Vermischung aller Medien, die Indizierung und das Verbot die richtigen Mittel sind, um für mehr Jugendmedienschutz zu sorgen. Ziel meines Buches ist eine Bestandsaufnahme des Indizierungsrechtes. Es ist das „schärfste Schwert“ des Jugendmedienschutzes, greift am stärksten in die Freiheitsrechte ein. In der Untersuchung habe ich mich den gegenwärtigen Anwendungsproblemen zugewandt, Lösungsvorschläge entwickelt und die einzelnen Indizierungsvorschriften verfassungs- und europarechtlich hinterfragt. Das Manuskript dieses Buches wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn im Oktober 2008 als Doktorarbeit angenommen. Die Arbeit berücksichtigt Veröffentlichungen und Urteile bis April 2008. Die Gesetzesnovellierung des Jugendschutzgesetzes vom Sommer 2008 ist jedoch umfassend eingearbeitet, auch weitere denkbare Verschärfungen werden thematisiert.

6

Vorwort

Herzlich bedanken möchte ich mich bei meinem Doktorvater, Prof. Dr. Hans-Georg Dederer: Nicht nur für die große Freiheit, die er mir bei der Fertigung der Arbeit gelassen hat, sondern auch für seine fachlich und menschlich großartige Betreuung. Ich danke auch Herrn Prof. Dr. Jost Pietzcker für das schnelle Erstellen des Zweitgutachtens. Dass diese Arbeit neben einem anstrengenden Job überhaupt entstehen konnte, verdanke ich meiner Familie. Mühevolle Korrekturarbeiten hat mir mein Vater abgenommen, mein Bruder Simon war mir ebenso wie Herr Dr. Norbert Weigang ein wertvoller Gesprächspartner bei technischen und ökonomischen Fragen. Ihnen allen kann ich gar nicht genug für Ihr Engagement danken. Dank schulde ich darüber hinaus der Vorsitzenden der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, Frau Elke Monssen-Engeberding, für den unbürokratischen Zugang zu den Archiven der Prüfstelle und für manches anregende Gespräch. Schließlich bin ich Felix Göppl von der Firma Electronic Arts zu Dank verpflichtet. New York, im März 2009

Roman Stumpf

Inhaltsverzeichnis Teil 1 Einleitung

29

Kapitel 1 Zu dieser Untersuchung

29

Kapitel 2 Begriffliche Klärungen

31

I.

Indizierung im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

II.

Indizierung im weiteren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

Kapitel 3 Die Geschichte der Indizierung

32

I.

Jugendmedienschutz bis 1918 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

II.

Weimarer Republik und NS-Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Lichtspielgesetz von 1920. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das „Schund- und Schmutzgesetz“ vom 18.12.1926 . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nationalsozialismus und Jugendmedienschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33 33 35 37

III.

Nach dem 2. Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Gesetz über die jugendgefährdenden Schriften (GjS) . . . . . . . . . . . . 2. Die Entwicklung des GjS zum GjS(M) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Verabschiedung des JuSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37 38 40 41

Kapitel 4 Die Auswirkungen einer Indizierung auf den gewerblichen Vertrieb

43

I.

Wirkungsvorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Indizierung aus Sicht der Rechtsprechung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einschätzungen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44 44 45

II.

Empirische Rückkopplung der Wirkungsvorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

III.

Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

8

Inhaltsverzeichnis Teil 2 Verfassungsrechtlicher Rahmen der Indizierung

52

Kapitel 5

I.

Der Schutz von Bürgern und Unternehmen durch Grundrechte

52

Die Kommunikations-Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1, 1. Hs. GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Schutzbereich der Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1, 2. Hs. GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Schutzbereich der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) . . . . . . . . . 4. Der Schutzbereich der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) . . . . . . 5. Der Schutzbereich der Filmfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG). . . . . . . . . . . 6. Die verfassungsmäßige Rechtfertigung von Eingriffen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzliche Bestimmungen zum Schutz der Jugend . . . . . . . . . . . . . . . c) Einschränkungen durch das Recht der persönlichen Ehre . . . . . . . . . . d) Verfassungsimmanente Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verhältnismäßigkeit und Zensurverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52 52 56 57 59 60 61 62 63 64 64 65

II.

Die Grundrechte des Art. 5 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wissenschaftsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfassungsmäßige Rechtfertigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67 67 69 71

III.

Das elterliche Erziehungsrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutzbereich und Eingriffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfassungsmäßige Rechtfertigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72 73 73

IV.

Die unternehmerischen Grundrechte des Art. 12 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . 1. Schutzbereich und Eingriffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfassungsmäßige Rechtfertigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74 74 76

V.

Die Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutzbereich und Eingriffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfassungsmäßige Rechtfertigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78 78 80

Kapitel 6 Jugendmedienschutz und Verfassung

81

I.

Jugendschutz, Jugendmedienschutz und Indizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

II.

Die Verankerung des Jugend(medien)schutzes im Verfassungsgefüge . . . . .

82

III.

Die Gesetzgebungskompetenzen für den Jugendmedienschutz. . . . . . . . . . . .

84

Inhaltsverzeichnis

9

1. Kompetenzstrukturen nach der Föderalismusreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2. Jugend(medien)schutz als Materie konkurrierender Gesetzgebung . . . . . 86 a) Jugendschutz und öffentliche Fürsorge (Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG) 86 b) Jugendschutz und Strafrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) . . . . . . . . . . . 90 c) Jugendschutz und Recht der Wirtschaft (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) 91 d) Das Erfordernis einer Regelung durch den Bund (Art. 72 Abs. 2 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 aa) Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . 93 bb) Wahrung von Rechtseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 cc) Wahrung von Wirtschaftseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 3. Organisations- und Verfahrenskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

Teil 3 Das geltende Indizierungsrecht

99

Kapitel 7 Rechtsquellen

99

I.

Das Jugendschutzgesetz (JuSchG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

II.

Die zugehörigen Rechtsverordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 1. DVO-JuSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 2. BPjMGebO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

III.

Der Staatsvertrag der Länder (JMStV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

IV.

Strafrechtliche Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

V.

Verwaltungsrechtliche Vorschriften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

Kapitel 8

I.

Institutionen der Indizierung

101

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) . . . . . . . . . . . . 1. Stellung und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Behördenstrukturen und Zuständigkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Hauptamtliche Mitarbeiter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Behördenleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das 12er-Gremium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das 3er-Gremium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verfassungsrechtliche Strukturfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

101 102 102 102 103 104 106 107

10

Inhaltsverzeichnis

II.

Die Kommission für den Jugendmedienschutz (KJM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme zu Indizierungsanträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anträge auf Indizierung von Telemedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

115 116 116 117 117

Kapitel 9 Überblick über die formellen Verfahrensgänge

117

I.

Das Regelverfahren der Indizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Initiierungsimpuls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Behördeninterne Vorbereitung der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme der KJM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anhörung der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Festlegung und Übermittlung des Verhandlungstermins . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verhandlung vor dem 12er-Gremium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Entscheidungsfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Verkündung der Entscheidung und Zustellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

118 118 120 120 120 121 122 122 123

II.

Das vereinfachte Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

III.

Das Verfahren bei Eilentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

IV.

Annex: Das gestörte Indizierungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

V.

Die Zulässigkeit verfahrensrechtlicher Bund-/Länder-Kooperation. . . . . . . . 127 Kapitel 10 Indizierungsfähige Medien

132

I.

Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 1. Neue Terminologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 2. Weitere Veränderungen gegenüber dem GjS(M). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

II.

Trägermedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Medienbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Texte, Bilder oder Töne auf gegenständlichen Trägern . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eignung zur Weitergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Alternativ: Bestimmung zur unmittelbaren Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . 5. Alternativ: Einbau in einem Vorführ- oder Spielgerät. . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Elektronische Verbreitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

III.

Telemedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

IV.

Indizierungseinschränkungen bei Trägermedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 1. Kennzeichnungspflichtige Trägermedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 a) Filme (§ 11 Abs. 1 JuSchG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

134 134 134 135 136 137 138

Inhaltsverzeichnis

2.

3.

4. 5. 6.

b) Bildträger mit Filmen oder Spielen (§ 12 Abs. 1 JuSchG). . . . . . . . . c) Elektronische Bildschirmspielgeräte (§ 13 Abs. 1 JuSchG) . . . . . . . . Sonderbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Infoprogramm“ und „Lehrprogramm“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nichtgewerbliche Filme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Periodische Druckschriften mit Auszügen visueller Medien . . . . . . . Gesetzlich vorgesehene Freigabestufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Modell der Altersstufen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Zertifikat: „Keine Jugendfreigabe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umgang mit bisherigen Alterskennzeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen einer fehlenden Zertifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Medienkontrolle durch Selbstkontrollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Praktischer Exkurs: Freigabeempfehlungen bei FSK und USK . . . . . aa) FSK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verfahrensüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) USK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verfahrensüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Rechtstechnik des Kennzeichnungsvorganges . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vereinbarungen der Länder mit den Freiwilligen Selbstkontrollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Delegation von Hoheitsmacht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 143 143 143 144 144 144 145 145 146 146 147 147 148 148 148 149 150 150 151 151 152 152

V.

Indizierungseinschränkungen bei Telemedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

VI.

Bewertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Kapitel 11 Indizierungsgründe

156

I.

Überblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

II.

Die Indizierung auf der Grundlage von § 18 Abs. 1 JuSchG . . . . . . . . . . . . 1. Das „Subjekt“ der Gefährdung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kinder und Jugendliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rudimentäre oder vollständige Repräsentanz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Eigene Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Gefährdungsprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gefährdungseignung statt konkreter Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

157 158 158 159 159 160 161 164 164 165

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Inhaltsverzeichnis bb) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Eigene Position. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Prognoseabsicherung durch die Wirkungsforschung . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grenzen imperativer Eingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erkenntnisstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gewalthaltige Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Monokausale Wirkungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Multikausale Wirkungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Neuere Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Erotone und pornographische Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Folgerungen für die normative Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Jugendgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Umgang mit unbestimmten Tatbeständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ansätze der Inhaltsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausgangspunkte der Schutzzielbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Gewährleistung ungestörter Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Völkerrechtliche Einflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Regelbeispiele der Jugendgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unsittliche Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verrohend wirkende Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zu Gewalttätigkeit anreizende Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zu Verbrechen anreizende Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zu Rassenhass anreizende Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Selbstzentrierte, realistische und selbstzweckhafte Gewalt . . . . . f) Weitere Fallgruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Missachtung personaler Würde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verherrlichung und Verharmlosung der NS-Ideologie. . . . . . . . . . cc) Verstöße gegen das Toleranzgebot. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Kriegsverharmlosende und -relativierende Medien . . . . . . . . . . . . ee) Anleitungen zum Beischlaf mit Verwandten . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Verherrlichung und Verharmlosung von Suchtmitteln . . . . . . . . . . gg) Medien mit selbstzerstörerischer Tendenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Indizierungsinhalte und Medientypus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Gefährdungsabstufungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Tendenzschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

165 166 167 167 168 168 168 169 171 172 173 173 175 175 176 176 178 179 180 181 181 182 183 184 185 187 187 188 189 190 191 193 194 196 196 198 199 199 200 200

Inhaltsverzeichnis aa) Der Ausgleich von Kunst und Jugendschutz in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kunstschutz geht vor Jugendschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Niveauvolle Kunst geht vor Jugendschutz. . . . . . . . . . . . . . . . (3) Schutzabstufungen nach dem Grad der Gefährdung . . . . . . . (4) Kein Privilegierungs-Ausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Generelles Abwägungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Würdigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Interpretation des Kunstbegriffes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Beschränkung legislativer Entscheidungsmacht . . . . . . . (c) Genereller Tendenzschutz?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Versäumnisse des Gesetzgebers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Ausgleich von Wissenschaft und Jugendschutz. . . . . . . . . . . (1) Die Auslegung der Leitbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Das Verhältnis der Freiheiten zum Jugendschutz . . . . . . . . . . b) Politischer, sozialer, religiöser und weltanschaulicher Tendenzschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Privilegierung und ihre tatbestandlichen Grenzen. . . . . . . . . (1) Politische Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Soziale Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Religiöse und weltanschauliche Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Grenzen des Tatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Kein Schutz der Inhaltspräsentation. . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Ausschluss staatsfeindlicher Äußerungen? . . . . . . . . . . . . bb) Das Verhältnis von privilegierungsfähiger Äußerung und Jugendschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das „Öffentliche Interesse“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Der Ausgleich der widerstreitenden Verfassungsgüter . . . . . . . . . . . . . aa) Die Herstellung praktischer Konkordanz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Denkbare Gewichtungs-Kategorien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der schädigende Einfluss des Mediums. . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Anzahl und Ausmaß der jugendgefährdenden Passagen (b) Qualität der betroffenen Werte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Kreis der betroffenen Kinder und Jugendlichen . . . . . . . (d) Art und Weise der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Künstlerische Qualität oder publizistisches Gewicht der Passagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Einbettung der Schilderungen in ein künstlerisches Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Das Ansehen des Werkes beim Publikum . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Die Wertschätzung des Werkes in Kritik und Wissenschaft (5) Die Qualität und das Niveau des Werkes. . . . . . . . . . . . . . . . .

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201 201 202 202 203 204 204 204 205 207 208 208 209 209 211 211 211 211 212 212 212 213 213 215 215 216 217 217 217 218 218 219 220 223 224 225 227 227

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Inhaltsverzeichnis (6) Die Beschneidung der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Die präsumtive Auswirkung einer Indizierung . . . . . . . . . . . . (8) Die Bedeutung für die demokratische Willensbildung . . . . . (9) Zwischenbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der eigentliche Abwägungsvorgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Weitere Beschränkungen der Indizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausschluss der Fälle von geringer Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtlich relevante Faktoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Rechtsnatur der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Verbot der Teilindizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Verfassungsmäßigkeit der Indizierung gemäß § 18 Abs. 1 JuSchG

228 229 230 231 231 233 233 233 235 236 239

III.

Die Voraus-Indizierung nach § 22 JuSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Praktische Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen für Trägermedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Periodisches Erscheinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anzahl der Vor-Indizierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen für Telemedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausnahmeregelungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Periodische Druckwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erweiterung der Privilegierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Schutz von Telemedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verfassungsrechtliche Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

239 240 240 240 241 241 241 242 244 245 245 245

IV.

Gesetzlich geregelte Fälle der Von-selbst-Indizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Deklaratorische und konstitutive Indizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Medien nach § 15 Abs. 2 JuSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Trägermedien, die § 86 StGB verletzten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Propagandamittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Trägermedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Propagandistische Tendenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung. . . . . . . (4) Oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung. . . . . . . (5) Vorkonstitutionelle Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Tatbestandsausschließende Sozialadäquanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Dienen staatsbürgerlicher Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen . . . . . . . . . . . . . . . (3) Darstellung zu Zwecken der Kunst, Forschung, Wissenschaft und Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Ähnliche Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Tathandlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Trägermedien, die § 130 StGB verletzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

246 246 247 247 247 247 248 248 248 249 249 249 250 250 250 250 251 251

Inhaltsverzeichnis aa) Angriffssubjekte des § 130 Abs. 1 und 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . bb) Angriffsmittel des § 130 Abs. 1 und 2 StGB. . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Trägermedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Aggressive Wirkrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Aufstacheln zum Hass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Auffordern zu Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Spezifischer Angriff auf die Menschenwürde . . . . . . . . . (3) Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens . . . . . . . . . . . cc) Tatbestand des § 130 Abs. 3 StGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Handlung nach § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches . . . (2) Begangen unter der Herrschaft des NS-Regimes . . . . . . . . . . (3) Negationsakt oder Relativierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Billigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Leugnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Verharmlosung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens . . . . . . . . . . . dd) Tatbestand des § 130 Abs. 4 StGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Neukonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Störung des öffentlichen Friedens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Verletzung der Würde von NS-Opfern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Spezifische Meinungsäußerung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Tatbestandsausschlüsse infolge Sozialadäquanz . . . . . . . . . . . . . . c) Medien, die § 130 a StGB verletzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Tatbestand des § 130 a Abs. 1 StGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtswidrige Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Tatenkatalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Anleiten durch ein Medium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Förderung der Tatbereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Tatbestand des § 130 a Abs. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Tatbestandsausschluss durch Sozialadäquanz. . . . . . . . . . . . . . . . . d) Trägermedien, die § 131 StGB verletzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schilderung von spezifischen Gewalttätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . (1) Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Grausamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Oder Unmenschlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Menschenähnliche Wesen als Akteure? . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen . . . . . . . . . . . . . cc) Verherrlichung oder Verharmlosung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) In einer die Menschenwürde verletzenden Darstellung . . . . . . . . ee) Tatbestandsausschließende Sozialadäquanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Elternprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Trägermedien, die die §§ 184, 184 a, 184 b StGB verletzen . . . . . . .

15 251 252 252 252 252 253 253 254 254 255 255 255 255 255 256 257 257 257 257 258 258 258 258 259 259 259 259 260 261 261 261 262 262 262 263 263 264 265 266 267 268 268

16

Inhaltsverzeichnis aa) Schutzzwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Pornographiebegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Bisher diskutierte Definitionsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Erscheinungsformen der Pornographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gewaltpornographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zoophilie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Kinderpornographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Tatmodalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Das Elternprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Trägermedien, die den Krieg verherrlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Trägermedien, die die Würde misshandelter Personen verletzen . . . . aa) Verletzende Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Tatsächliches Geschehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kein überwiegendes berechtigtes Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Trägermedien, die Kinder oder Jugendliche in unnatürlicher geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kinder oder Jugendliche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unnatürliche geschlechtsbetonte Körperhaltung . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Trägermedien mit offensichtlicher Eignung zur schweren Jugendgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Eignung zur schweren Jugendgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Reichweite des Tatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Qualifizierte Intensität und Gefahr? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Offensichtlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beispielfälle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Verfassungsrechtliche Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Gewaltzentrierte, realistische Darstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inhaltsgleiche Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V.

268 269 269 272 272 273 273 274 274 274 275 277 277 278 278 279 279 280 282 284 284 285 285 286 287 288 289 290 292

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293

Kapitel 12 Die Indizierung und ihre Folgen

294

I.

Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295

II.

Die maßgeblichen Rechtsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 1. Der Folgendualismus bei Träger- und Telemedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 2. JuSchG und Strafrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296

III.

Wie die Indizierungsfolgen bewirkt werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296

Inhaltsverzeichnis

17

1. Aufnahme in die Liste der jugendgefährdenden Medien . . . . . . . . . . . . . . a) Die Listenführung (Annex) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Listenstruktur (Annex) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Nichtöffentliche Liste (Teil D) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nichtöffentliche Liste (Teil C) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Öffentliche Liste (Teil B) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Öffentliche Liste (Teil A) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Öffentliche Bekanntmachung der Listenaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausnahmeregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

296 297 300 300 300 300 301 301 301 303

IV.

Allgemeine Verbreitungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 15 Abs. 1 Nr. 1 JuSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kinder und jugendliche Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anbieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Überlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sonst zugänglich machen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 15 Abs. 1 Nr. 2 JuSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zugänglicher oder einsehbarer Ort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anschlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vorführen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Sonst zugänglich machen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

304 305 305 305 306 307 310 310 312 312 312 312

V.

Gewerbliche Verbreitungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 15 Abs. 1 Nr. 3 JuSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Im Einzelhandel, außerhalb von Geschäftsräumen . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verkaufsstelle, die Kunden nicht zu betreten pflegen. . . . . . . . . . . . . . c) Versandhandel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Entgeltliches Geschäft in Anonymität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bestellung und Übersendung der Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Fehlende jugendschützende Sicherungsvorkehrungen . . . . . . . . . (1) „Manueller“ Versand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Elektronische Übermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gewerbliche Leihbüchereien oder Lesezirkel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Andere Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Anbieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Überlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 15 Abs. 1 Nr. 4 JuSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gewerbliche Vermietung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vergleichbare gewerbliche Gebrauchsgewährung . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Überlassung an andere Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

313 313 313 313 314 314 315 315 316 319 324 324 324 324 325 326 326 326 326

18

Inhaltsverzeichnis

VI.

Werbeverbote nach § 15 Abs. 1 Nr. 6 JuSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ort, der frei zugänglich oder einsehbar ist. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Öffentliches Anbieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Öffentliches Ankündigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Öffentliches Anpreisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Geschäftlicher Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

330 330 330 335 335 336

VII. Verbot von Vorbereitungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 15 Abs. 1 Nr. 5 JuSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 15 Abs. 1 Nr. 7 JuSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Herstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beziehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Liefern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vorrätig halten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Einführen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Verwendung zu sanktionierter Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

336 336 337 337 337 337 338 338 338

VIII. Informationspflichten nach § 15 Abs. 6 JuSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 IX.

Strafbewehrung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Strafvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorsätzliche Tatbegehung nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 JuSchG . . . . . . . . . b) Vorsätzliche Tatbegehung nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 JuSchG . . . . . . . . . c) Vorsätzliche Tatbegehung nach § 27 Abs. 1 Nr. 3 JuSchG . . . . . . . . . d) Vorsätzliche Tatbegehung nach § 27 Abs. 1 Nr. 4 JuSchG . . . . . . . . . e) Vorsätzliche Tatbegehung nach § 27 Abs. 1 Nr. 5 JuSchG . . . . . . . . . aa) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vollziehbare Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sanktions-Adressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Fahrlässige Tatbegehung nach § 27 Abs. 3 JuSchG . . . . . . . . . . . . . . . g) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grund und Umfang der Privilegierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Grenzen der Privilegierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Übertragung der Privilegierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bußgeldtatbestände. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Minderjährige und Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

339 340 340 341 341 341 341 341 342 342 342 343 343 344 345 346 346

X.

Grundrechtliche Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abgabe- und Bereitstellungsverbote gegenüber Minderjährigen. . . . . . . . a) Die Vereinbarkeit mit den Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 GG. . . . . aa) Eingriff in den Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verfassungsmäßige Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Legitimer Zweck. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

347 347 347 348 348 348 351 353

Inhaltsverzeichnis

19

(4) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vereinbarkeit mit dem Elternrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vereinbarkeit mit der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit . . . . . . . . . . . d) Vereinbarkeit mit der Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Vereinbarkeit mit der Eigentumsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Vertriebsverbote im Einzel- und Versandhandel. . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vereinbarkeit mit den Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 GG . . . . . . . . aa) Eingriff in den Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verfassungsmäßige Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Erforderlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vereinbarkeit mit der Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vereinbarkeit mit der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit . . . . . . . . . . . d) Vereinbarkeit mit der Eigentumsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Vereinbarkeit mit dem Gleichbehandlungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das (eingeschränkte) Vermietverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vereinbarkeit mit den Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 GG . . . . . . . . aa) Legitimer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vereinbarkeit mit der Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vereinbarkeit mit der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit . . . . . . . . . . . d) Vereinbarkeit mit der Eigentumsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Werbeverbote des Jugendschutzgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vereinbarkeit mit den Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 GG . . . . . . . . aa) Eingriff in den Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verfassungsmäßige Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Erforderlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vereinbarkeit mit der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit . . . . . . . . . . . c) Vereinbarkeit mit der Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 15 Abs. 1 Nr. 6 JuSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

355 357 357 358 360 361 362 362 362 362 363 363 363 365 369 369 369 370 370 371 371 372 372 372 373 374 375 375 376 376 376 377 377 377 377 378 379 379 379 381 381 382 382

20

XI.

Inhaltsverzeichnis bb) § 15 Abs. 4 JuSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) § 15 Abs. 5 JuSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vereinbarkeit mit der Eigentumsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Allgemeiner Gleichheitssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Annex: Denkbare Regelungsverschärfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Absolutes Vermietverbot. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Legitimer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Geeignetheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Erforderlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eingeschränkte Verkaufsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Absolute Verkaufsverbote. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verbot von Killerspielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

382 382 383 383 384 384 385 386 386 388 388 389 389 389

Nationale Restriktionen und das Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutzbereich des Art. 10 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Meinungsfreiheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Informationsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Kunst- und Wissenschaftsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtfertigung der Eingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gesetzlicher Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Legitimer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Schutz der Moral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Schutz der Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Schutz der Rechte anderer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Eingriffe . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Europäische Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Warenverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutzbereichseröffnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Warenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gemeinschaftsware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Grenzüberschreitender Sachverhalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beeinträchtigung des Schutzbereiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Tarifäre Handelshemmnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Maßnahme gleicher Wirkung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

391 391 392 392 393 393 393 394 394 394 395 395 396 396 396 398 398 398 398 399 399 400 400 400 401 401 403 404

XII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404

Inhaltsverzeichnis

21

Kapitel 13 Die Aufhebung der Indizierung

406

I.

Listenstreichung von Amts wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wegfall der materiellen Indizierungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wegfall durch Zeitablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gerichtliche Aufhebung der Indizierungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . .

407 407 408 408

II.

Insbesondere der Antrag auf Listenstreichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 Kapitel 14 Rechtsschutz gegen Indizierungen

411

I.

Rechtsbehelfe und Rechtsweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Instanzenzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Allgemeine Klageprämissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsmittelwirkung und vorläufiger Rechtsschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

411 411 411 413

II.

Das Ausmaß der richterlichen Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Methodische Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Figur des „Beurteilungsspielraumes“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beurteilungsspielraum und effektiver Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . c) Das „Aufspüren“ von Beurteilungsspielräumen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Denkbare Wertungsspielräume bei der Medienindizierung . . . . . . . . . . . . a) Die Position der Rechtsprechung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verfechter von Beurteilungsspielräumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anhänger gerichtlicher Vollkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

414 414 415 416 417 417 418 421 421 422 423

Teil 4 Ergebnisse der Untersuchung

427

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis Diagramm Diagramm Diagramm Diagramm Diagramm Tabelle 1: Tabelle 2:

1: 2: 3: 4: 5:

Verkaufszahlen in Prozent „C&C – Generals“ . . . . . . . . . . . . . . . . . Verkaufszahlen in Prozent „C&C – Generäle“ . . . . . . . . . . . . . . . . . Verkaufszahlen im Vergleich C&C „Generals“/„Generäle“ . . . . . . Kaufinteressenten Strategiespiele USA – Angaben Electronic Arts Kaufinteressenten Strategiespiele Deutschland – Schätzung: Electronic Arts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stückverkaufszahlen in Prozent „Command & Conquer Generals“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stückverkaufszahlen in Prozent „Command & Conquer Generäle“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47 48 49 50 50 46 48

Abkürzungsverzeichnis § & a. A. a. F. Abs. AfP AG AGVwGO NRW Alt. Anm. AöR Art. AVS AZ BayObLG Bd. Ber. BGB BGBl BGH BGHSt BGHZ BMFSFJ BPjM BPjME BPjMGebO BPjS BPjSE bspw. BT-Drcks. BT-Prot. BtMG BuRats-Drcks.

Paragraph und andere Ansicht alte Fassung Absatz Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht Amtsgericht Ausführungsgesetz des Landes Nordrhein Westfalen zur Verwaltungsgerichtsordnung Alternative Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) Artikel Altersverifikationssysteme Aktenzeichen Bayerisches Oberstes Landesgericht Band Bericht Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichthof Amtliche Sammlung des Bundesgerichtshofes in Strafsachen Amtliche Sammlung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien Entscheidungen der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien Verordnung über die Erhebung von Gebühren durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften Entscheidungen der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften beispielsweise Bundestagsdrucksache Bundestagsprotokoll Betäubungsmittelgesetz Bundesratsdrucksache

24 BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE BVV bzw. CD CD-Rom CDU CR CSU DAT de DMB DÖV DPD DRiZ DVB-H DVBl DVD DVO e. V. E-Mail EG EGMR EGV Einl. EKMR EMRK etc. EU EuGH EuGRZ EUV EuZW f. fjs FKK Fn FSK GA

Abkürzungsverzeichnis Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlung des Bundesverfassungsgerichtes Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bundesverband Audiovisuelle Medien e. V. beziehungsweise Compact Disc (Medium) Compact Disc Read – only Memory (Medium) Christlich Demokratische Union Computer und Recht (Zeitschrift) Christliche Soziale Union Digital Audio Tape (Medium) Deutschland (internet-Adresse) Digital Multimedia Broadcasting Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Deutscher Paket Dienst Deutsche Richterzeitung (Zeitschrift) Digital Video Broadcasting – Handhelds Deutsches Verwaltungsblatt Digitale Video-Disc (Medium) Durchführungsverordnung eingetragener Verein electronic mail Europäische Gemeinschaft Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einleitung Dokumente der Europäischen Menschenrechtskonvention Europäische Menschenrechtskonvention et cetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechte-Zeitschrift Vertrag über die Europäische Union (Vertrag von Maastricht) Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht folgende Förderverein für Jugend und Sozialarbeit e. V. Freikörperkultur Fußnote Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft Gewerbearchiv (Zeitschrift für Gewerbe- und Wirtschaftsverwaltungsrecht)

Abkürzungsverzeichnis GebO GewO GfK GG GjS GjSM/GjS(M) Grds. GÜFA GVG GVO-KJM h. L. h. M. Hrsg. Hs. Hstg. i. E. i. V. m. ID IuKDG JA JMS JMStV JÖSchG JR Jura JuS JuSchG JZ K&R Kap. KG KJHG KJM KPD krit. KZ LAN LG lit. LP

25

Gebührenordnung Gewerbeordnung Growth from Knowledge (Marktforschungsunternehmen) Grundgesetz Gesetz über jugendgefährdende Schriften Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte Grundsätze Gesellschaft zur Übernahme und Wahrnehmung von Filmaufführungsrechten mbH Gerichtsverfassungsgesetz Geschäfts- und Verfahrensordnung der Kommission für den Jugendmedienschutz herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber Halbsatz Herstellung im Einzelnen in Verbindung mit Identifikation Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Jugendmedienschutz-Report (Zeitschrift) Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Länder Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit Juristische Rundschau (Zeitschrift) Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Jugendschutzgesetz Juristenzeitung Kommunikation & Recht (Zeitschrift) Kapitel Kammergericht Kinder- und Jugendhilfegesetz Kommission für den Jugendmedienschutz Kommunistische Partei Deutschlands kritisch Konzentrationslager local area network Landgericht litera Langspielplatte

26 LPresseG Ls. LSD m. Bsp. m. w. N. MD MDR MDStV MMR MP n. F. NJW NPD Nr. NRW NS NSDAP NStZ NVwZ NWVBl OLG OVG OWiG ParteienG PC PDA PR Q-Bit RG RGBl RGSt Rn. Rspr. RuStV S. s. o. s. u. SA SGB SPD SPIO

Abkürzungsverzeichnis Landespressegesetz Leitsatz Lysergsäure-Diäthylamid mit Beispielen mit weiteren Nachweisen MiniDisc (Medium) Monatsschrift für Deutsches Recht Staatsvertrag über Mediendienste der Länder Zeitschrift für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht Media Perspektiven (Zeitschrift) neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Nationaldemokratische Partei Deutschlands Nummer Nordrhein-Westfalen Nationalsozialismus Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Ordnungswidrigkeitsgesetz Parteiengesetz Personalcomputer Personal Digital Assistant Psychologische Rundschau (Zeitschrift) Qualifier-Bit Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Randnummer Rechtsprechung Rundfunk-Staatsvertrag Seite siehe oben siehe unten Sturmabteilung (der NSDAP) Sozialgesetzbuch Sozialdemokratische Partei Deutschlands Spitzenorganisation von Filmherstellern, Filmverleihern und Filmtheaterbesitzern

Abkürzungsverzeichnis SRP SS st. StA StGB StV taz TDG TMG TKG TV u. a. UFITA UN Urt. USB USK usw. Var. VBlBW VereinsG VerwArch VG VGH vgl. Vol. VStGB VUD VVDStRL VwGO VwVfG VwZG WDR WV-Sten. www z. B. z. T. ZStW ZUM zust.

27

Sozialistische Reichspartei Schutzstaffel (der NSDAP) ständige Staatsanwaltschaft Strafgesetzbuch Strafverteidiger (Zeitschrift) Die Tageszeitung (Zeitung) Gesetz über die Nutzung von Telediensten Telemediengesetz Telekommunikationsgesetz Television unter anderem Archiv für Urheber- und Medienrecht (Zeitschrift) Vereinte Nationen Urteil Universal Serial Bus Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle und so weiter Variante Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg (Zeitschrift) Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts Verwaltungsarchiv (Zeitschrift für Verwaltungslehre, Verwaltungsrecht und Verwaltungspolitik) Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Volume Völkerstrafgesetzbuch Verband der Unterhaltungssoftware Deutschland e. V. Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungszustellungsgesetz Westdeutscher Rundfunk Weimarer Verfassung, stenographische Berichte World Wide Web zum Beispiel zum Teil Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht zustimmend

Teil 1

Einleitung Kapitel 1

Zu dieser Untersuchung Auf kaum einem Gebiet werden Debatten so emotional und gleichermaßen unsachlich geführt wie im Jugendmedienschutz. Wenn minderjährige Amoktäter Angst und Schrecken verbreiten, ist der Schuldige allzu schnell in brutalen Medieninhalten ausgemacht. Trotz aller Unsicherheit in Bezug auf die Wirkung von Medien gilt die These als widerlegt, dass ein Kind oder ein Jugendlicher allein durch den Konsum von bestimmten Medieninhalten zum Gewalttäter werden kann1. Viele Politiker, Medien und Eltern haben nach den Anschlägen von Erfurt2 und Emsdetten3 trotzdem einseitige Erklärungen zum Dogma und zur Leitlinie ihres (parlamentarischen) Handelns erhoben. Das hilft in der Sache nicht weiter, sondern verstellt den Blick auf die originäre gesellschaftliche Verantwortlichkeit und auch das gesellschaftliche Versagen bei der Erziehung von Kindern und Jugendlichen. Andererseits gibt es in der Wirkungsforschung durchaus Anzeichen für einen (zumindest kurzfristigen) Empathieverlust durch Gewaltmedien4. Selbst, wenn damit noch nicht erwiesen ist, dass Medien negative Dauerwirkungen bei Minderjährigen hervorrufen können, kann sich der Gesetzgeber dazu veranlasst sehen, präventiv zum Schutz der Kinder und Jugendlichen tätig zu werden. Diesen Weg beschreitet das Jugendschutzgesetz. Um die ungestörte Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu gewährleisten, setzt der Gesetzgeber auf Repression: Verbreitungs- und Werbeverbote sind seine Mittel der Wahl, um unsittliche, verrohende, zur Gewalttätigkeit anregende oder sonstige gemutmaßt jugendgefährdende Inhalte von Minder1

Kunczik 2007, S. 9; Nieding/Ohler, S. 51 f.; Frenzel, AfP 02, S. 195 m. w. N. Am Vormittag des 26. April 2002 erschoss der 19-jährige Robert S. an einem Erfurter Gymnasium zwölf Lehrer, eine Sekretärin, zwei Schüler und einen Polizisten. Anschließend tötete er sich selbst. 3 In Emsdetten stürmte der 18-Jährige Sebastian D. am 20. November 2006 in seine ehemalige Realschule und verletzte fünf Menschen durch Schüsse, bevor er sich selbst tötete. 4 Vgl. dazu noch ausführlich Kapitel 11, II. 2. b) bb). 2

30

Teil 1: Einleitung

jährigen fernzuhalten. Zwischen den Altersgruppen wird dabei im Rahmen der Gefährdung nicht differenziert. Die Regelungen des Jugendschutzgesetzes sind in vielerlei Hinsicht konfliktträchtig: Zum einen stößt die Maxime, Inhalte von Kindern und Jugendlichen fernzuhalten, in der Praxis an ihre Grenzen. Das globale Internet lässt sich kaum national kontrollieren und konterkariert das Bemühen um einen absoluten Konfrontationsschutz. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob es richtig ist, einen Minderjährigen bis zu seinem 18. Geburtstag vor negativen Medieninhalten zu behüten, um ihn dann plötzlich in die raue Erwachsenenwelt zu entlassen – mit ihrer Medienrealität. Nicht zu verkennen ist schließlich die grundrechtliche und europarechtliche Dimension des staatlichen Minderjährigenschutzes. Verbreitungsverbote und Werbeverbote wirken stark in die unternehmerische Freiheit ein und behindern auch das Recht der freien künstlerischen (Meinungs-)Betätigung. Auf Grund der sensiblen grundrechtlichen Rahmenbedingungen und der ungesicherte Erkenntnislage fällt es nicht leicht zu beantworten, ob – und wenn ja, in welchem Umfang – Wissenschaftler, Künstler, Hersteller, Unternehmer und Konsumenten von Medien eine Beschränkung ihrer Rechte hinnehmen müssen. Unter anderem diesen Fragestellungen geht die vorliegende Untersuchung nach. Sie analysiert die Indizierung von Medien nach dem Jugendschutzgesetz umfassend in verwaltungs-, verfassungs- und europarechtlicher Hinsicht. Dabei wird besonderer Wert auf das Aufzeigen von Problemen gelegt, die bei der Anwendung des Gesetzes entstehen. Auch wenn die Untersuchung von einer liberalen Grundhaltung getragen ist, verleugnet sie nicht den Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers bei der Regelung des Jugendmedienschutzes. Sinnvolle, aber juristisch nicht zwingend gebotene Änderungen des Jugendschutzgesetzes, werden daher klar als wünschenswerte Optimierung des Rechtes ausgewiesen und nicht als unabdingbare Notwendigkeit. Auf eine separate Auseinandersetzung mit den Rechtsfolgen für sogenannte Telemedien (z. B. Abrufdienste, Internet-Angebote) wird verzichtet. Der Bund regelt zwar die Rechtsgründe der Indizierung auch für diese Medien, hat es aber den Ländern überlassen, abweichende Rechtsfolgen festzulegen. Von ihrem Recht haben die Länder im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag auch Gebrauch gemacht. Dieser Vertrag ist jedoch nicht Gegenstand der Untersuchung.

Kap. 2: Begriffliche Klärungen

31

Kapitel 2

Begriffliche Klärungen Wenn es um den Schutz von Kindern und Jugendlichen geht, kommt den Termini „Indizierung“ und „Indizierungsliste“ große Relevanz zu. Das ist insoweit überraschend, als man nach diesen Begriffen im gegenwärtigen Jugendschutzrecht vergeblich sucht. Dort ist lediglich von einer Aufnahme der Träger- oder Telemedien in die Liste der jugendgefährdenden Medien die Rede5. Indizierung leitet sich von dem Index Librorum Prohibitorum der Katholischen Kirche ab, der erstmals 1559 erschien und 1966 abgeschafft wurde6. Dabei handelte es sich um ein Verzeichnis von verbotenen Büchern, deren Lektüre für jeden Katholiken bei Strafe der Exkommunikation verbotenen war. Da auch die Liste der jugendgefährdenden Medien eine Art „Verbotsliste“ für Minderjährige ist, haben sich für sie der Begriff „Indizierungsliste“ und für das System der Auflistung der Begriff „Indizierung“ als Synonyme eingebürgert. Allerdings werden mit „Indizierung“ durchaus verschiedene Sinngehalte verbunden. Auf diese unterschiedlichen Bedeutungsebenen soll nun kurz eingegangen werden.

I. Indizierung im engeren Sinne Unter einer Indizierung im engeren Sinne versteht man die Aufnahme eines Mediums in die teils öffentliche und teils nichtöffentliche amtliche Liste der jugendgefährdenden Medien, also die Indizierungsliste. Streng genommen ist damit nur der faktische Eintrag des Titels als Realakt beschrieben. Das Eintragen ist gemäß § 24 Abs. 1 JuSchG eine Aufgabe des/der Vorsitzenden der Bundesprüfstelle.

II. Indizierung im weiteren Sinne In den meisten Fällen wird der Begriff Indizierung jedoch in einen größeren Bedeutungszusammenhang gestellt. Dann erfasst der Terminus nicht nur die reale Listeneintragung, sondern auch die vorangegangene Indizierungsentscheidung der Bundesprüfstelle sowie unter Umständen auch die Bekanntmachung dieser Entscheidung im Bundesanzeiger. Indizierung im weiten Sinne nimmt dadurch Bezug auf die Rechtsfolgen (Werbe-, Verbreitungsverbote etc.), die mit der faktischen Listeneintragung einhergehen. 5 Vgl. §§ 14 Abs. 3 bis 4; 15 Abs. 1 bis 5; § 16; § 17 Abs. 2; § 18 Abs. 1 bis 7; § 19 Abs. 6 JuSchG. 6 Busche, S. 5 f.

32

Teil 1: Einleitung

Nicht selten steht „Indizierung“ auch generell als Synonym für das gesamte System des Schutzes von Kindern und Jugendlichen durch ein Prüfverfahren und Beschränkungen mit Relevanz für den Allgemeinverkehr, die durch die Eintragung in eine Liste – die Indizierungsliste – angezeigt werden. Kapitel 3

Die Geschichte der Indizierung Der Schutz von Kindern und Jugendlichen durch die Indizierung von Medien ist ein „Dauerbrenner“ im Jugendmedienschutz. Das System selbst und viele Detailregelungen sind zum ersten Mal schon vor über 80 Jahren in Gesetzesform gegossen worden. Der Blick auf die Indizierungsgeschichte ist für die Einordnung und Problembewertung des heutigen Indizierungsrechtes elementar. Er erleichtert nicht nur den Zugang zum gegenwärtigen Recht, sondern begünstigt auch das Verständnis der gesetzlichen Zusammenhänge und ihre Interpretation. Deshalb sollen zumindest die großen Entwicklungslinien des Jugendmedienschutzes und der Indizierung kurz dargestellt werden.

I. Jugendmedienschutz bis 1918 In Deutschland gab es bis Ende des 1. Weltkrieges keine einheitlichen und umfassenden Bestimmungen zum Schutz der Jugend vor gefährlichen Medieninhalten7. Lediglich der Besuch von öffentlichen Filmvorführungen war in vielen Ländern für Kinder und Jugendliche schon früh beschränkt, weil man einen negativen Einfluss durch bestimmte Filme befürchtete8. Die meisten Länder führten ab 1909 auch eine Filmzensur ein9. Dabei geschah dies nur in Braunschweig und Württemberg durch ein besonderes Gesetz. In den anderen Einzelstaaten wurde für Eingriffe das allgemeine Polizeirecht bemüht10. Nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871 sorgte § 184 StGB11 für einen ergänzenden Schutz vor „unzüchtigen Schriften, Abbildungen oder Darstellungen“ in der Öffentlichkeit. Wer Medien mit diesen Inhalten verkaufte, verteilte, sonst verbreitete oder an öffentlich zugänglichen Orten 7

Frantzioch, S. 55. Busche, S. 54 f. 9 Birett, S. 2 f.; Kalb, S. 62. 10 Kalb, S. 63; Busche, S. 56. 11 RGBl I, S. 235. 8

Kap. 3: Die Geschichte der Indizierung

33

ausstellte oder anschlug, konnte mit einer „Geldstrafe bis zu einhundert Thalern oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft“ werden. Im Mai 1900 wurde der bestehende § 184 StGB verschärft und ergänzt12: Er untersagte nun neben der aktiven Verbreitung auch die Herstellung und den Besitz unsittlicher Darstellungen zu Vertriebszwecken. Darüber hinaus stellte es der neu geschaffene § 184 a StGB unter Strafe, einer Person unter sechzehn Jahren gegen Geld Schriften, Abbildungen oder Darstellungen zu überlassen, welche „ohne unzüchtig zu sein, das Schamgefühl gröblich verletzen“. Bei Verfehlungen drohten eine Gefängnisstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe bis zu eintausend Mark. Doch auch nach dieser Verschärfung des Strafrechtes wurde der Kinderund Jugendschutz von der Reichsregierung als unzulänglich angesehen. Sie legte deshalb im Februar 1914 ein „Gesetz gegen die Gefährdung der Jugend durch Zurschaustellung von Schriften, Abbildungen und Darstellungen“ (auch „Schaufenstergesetz“ genannt13) vor. Dieses wurde wegen des 1. Weltkrieges jedoch nicht mehr verabschiedet14. Nach Verhängung des Belagerungszustandes im August 1914 kam es zu verschiedenen ExekutivErlassen, die dem Schutz der öffentlichen Sicherheit dienen sollten und unter anderem auch den Verkauf von sogenannter „Schund- und Schmutzliteratur“ unter Strafe stellten15.

II. Weimarer Republik und NS-Zeit Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges verloren sowohl die BelagerungsErlasse als auch die (Film-)Zensurbestimmungen ihre Gültigkeit. Doch nur ein Jahr später wurde dem Gesetzgeber durch Art. 118 Abs. 2 der neuen Weimarer Reichsverfassung die Möglichkeit eingeräumt, für Lichtspiele (also Kinofilme) und zur Bekämpfung der „Schund- und Schmutzliteratur“ Zensurmaßnahmen zu ergreifen. Dies geschah unter dem Eindruck einer wahren Flut unsittlicher Medien in der Öffentlichkeit16. 1. Das Lichtspielgesetz von 1920 Dieser Eindruck begünstigte auch die erneute Einführung von Zensur für Filme. Sie wurden als viel gefährlicher angesehen als Trivialliteratur17. So 12 13 14 15 16 17

RGBl I, S. 302 f. Frantzioch, S. 82. Busche, S. 52. Busche, S. 57. Frantzioch, S. 56. Busche, S. 60 m. w. N.

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Teil 1: Einleitung

war sich der Reichstag recht schnell darüber einig, gesetzliche Präventivvorschriften zu formulieren. Nur die Linksparteien sprachen sich gegen diese Form „staatlicher Bevormundung“ aus18. Letztlich wurde das Lichtspielgesetz am 12. Mai 192019 mit deutlicher Mehrheit verabschiedet. Es bestimmte in § 1 Abs. 2 S. 2 das Verbot einer Vorführung, wenn der Film geeignet war, „die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gefährden, das religiöse Empfinden zu verletzen, verrohend oder entsittlichend zu wirken, das deutsche Ansehen oder die Beziehung Deutschlands zu auswärtigen Staaten zu gefährden“. Davon verschont blieben lediglich Filme, die zu wissenschaftlichen oder künstlerischen Zwecken gezeigt werden sollten20. Die Vorführung für Jugendliche unter achtzehn Jahren bedurfte gemäß § 3 Abs. 1 Lichtspielgesetz einer besonderen Zulassung. Sie war zu versagen, wenn von Kinofilmen „eine schädliche Einwirkung auf die sittliche, geistige oder gesundheitliche Entwicklung oder eine Überreizung der Phantasie der Jugendlichen“ zu erwarten war. Die Zuständigkeit für die Kontrollen lag bei den Reichsbehörden. Entsprechend § 8 Abs. 1 Lichtspielgesetz waren amtliche Prüfstellen nach Bedarf an den Hauptsitzen der Filmindustrie zu errichten. Als Beschwerde-Behörde fungierte eine Oberprüfungsstelle mit Sitz in Berlin. Die Prüfungsstellen entschieden in einer Besetzung von fünf Mitgliedern mit Stimmrecht. Sie wurden vom Reichsinnenminister aufgrund von Vorschlagslisten für drei Jahre ernannt21. Neben einem beamteten Vorsitzenden prüften vier Beisitzer. Davon musste einer dem Lichtspielgewerbe angehören und zwei den Kreisen der Volkswohlfahrt, der Volksbildung oder Jugendwohlfahrt22. Soweit es um die Zulässigkeit einer Jugendvorführung ging, waren gemäß § 11 Abs. 2 Lichtspielgesetz auch Jugendliche im Alter von 18 bis 20 Jahren zu hören. Gegen die Entscheidungen konnte binnen zwei Wochen bei der Oberprüfungsstelle Beschwerde eingelegt werden. Sie traf die letzte Entscheidung23. Wer die Zensur vorsätzlich missachtete, musste mit Gefängnis bis zu zwei Jahren und einer Geldstrafe von bis zu hunderttausend Mark rechnen24. Wenn auch in der Literatur das Schund- und Schmutzgesetz von 1926 als erste zentrale Kodifikation des Jugendmedienschutzes angesehen wird25, so war im Lichtspielgesetz von 1920 doch schon viel von dem enthalten, was sich auch heute noch im Jugendschutzgesetz finden lässt: Etwa die Prüfentscheidung durch 18 19 20 21 22 23 24 25

WV-Sten. Ber., Bd. 333, S. 5173 C ff.; 5175 C ff. RGBl I, S. 953 f. § 1 Abs. 1 S. 3 Lichtspielgesetz. § 1 Abs. 2 S. 1 und S. 3 Lichtspielgesetz. § 11 Abs. 1 Lichtspielgesetz. § 13 Lichtspielgesetz. § 18 Abs. 1 Lichtspielgesetz. Busche, S. 63 m. w. N.

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Reichsbehörden (heute Bundesbehörden), besetzt mit Beisitzern aus Kunst und Jugendwohlfahrt, die – wie heute – für drei Jahre auf Vorschlag ernannt wurden. Auch wurden erstmals spezifische Jugendmedienschutzbestimmungen formuliert, die auf die sittliche, geistige und gesundheitliche Entwicklung der Jugend abstellten. 2. Das „Schund- und Schmutzgesetz“ vom 18.12.1926 „Das Gesetz (. . .) muss (. . .) als beachtlicher Fortschritt gewertet werden, ist es doch (. . .) möglich geworden, so manche Quelle übelster Jugendvergiftung zu verstopfen.“ (K. Richter26) „Was gebührt diesem Entwurf? Ein Fußtritt!“ (Kurt Tucholsky27)

Gleichzeitig mit der Verabschiedung des Lichtspielgesetzes nahm die verfassungsgebende Deutsche Nationalversammlung eine Entschließung an, durch die die Reichsregierung auch zum Entwurf eines „Gesetzes zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriften“ aufgefordert wurde28. Es dauerte jedoch sechs Jahre, bis ein solches Gesetz wirklich verabschiedet wurde. So einig sich die Parteien noch beim Schutz der Jugend vor gewissen Filmen gewesen waren, so heftig stritten sie beim Schundund Schmutzgesetz um die Reichweite des Gesetzes. Problematisch erschien vielen Abgeordneten, dass das Gesetz keine Definition der Begriffe „Schundschrift“ und „Schmutzschrift“ enthalten sollte. Die Reichsregierung stellte sich insoweit auf den Standpunkt, es sei zu schwierig, eine zutreffende Begriffsabstimmung vorzunehmen. Diese müsse der Praxis überlassen werden. Im Übrigen trügen die Begriffe eine Definition jedoch bereits in sich29. Die Gegner des Gesetzes befürchteten ein repressives Vorgehen der staatlichen Tugendwächter gegen echte Kunst und echte Kultur unter dem Vorwand des Jugendschutzes30. Vor allem von den Sozialisten wurde auch moniert, dass bei der Bewertung von Schriften die kirchlichen Körperschaften des öffentlichen Rechts berücksichtigt werden sollten31. Dennoch wurde der Entwurf in dritter Lesung am 18. Dezember 1926 gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, Kommunisten und einiger Abgeordneter der Deutschen Demokratischen Partei verabschiedet32. 26

Handbuch der Jugendpflege, Heft 13, S. 14, Berlin 1933. Ausspruch Volksbühne 1926, zitiert nach: Meissner, Zeitzeichen. 28 Frantzioch, S. 83. 29 Ebenda. 30 Busche, S. 63. 31 Vgl. dazu § 3 Abs. 1 S. 3 Schund- und Schmutzgesetz. 32 RGBl I, S. 505. Eine elektronische Fassung des Gesetzes lässt sich auch einsehen über „www.documentarchiv.de“ (Abruf: 02.04.2007). 27

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Teil 1: Einleitung

Schund- und Schmutzschriften waren nun gemäß § 1 Abs. 1 in eine Liste aufzunehmen. Das galt auch für periodische Druckschriften, wenn es sich nicht um politische Tageszeitungen und Zeitschriften handelte33. Jedoch war es verboten, eine Schrift wegen ihrer politischen, sozialen, religiösen, ethischen oder weltanschaulichen Tendenz als solcher aufzunehmen34. Die Listenaufnahme wurde von zwei Prüfstellen in Berlin und München verfügt. Ihnen stand eine Oberprüfstelle in Leipzig als Beschwerde- und Überprüfungsstelle vor35. Die Prüfstellen setzten sich aus einem Beamtenvorsitzenden und acht Sachverständigen zusammen, wobei die Sachverständigen aus den Kreisen der Kunst und Literatur, des Buch- und Kunsthandels, der Jugendwohlfahrt und der Jugendorganisation sowie der Lehrerschaft und Volksbildungsorganisation stammten und auf Vorschlag für drei Jahre ernannt wurden36. Nur bei Übereinstimmung von wenigstens sechs Mitgliedern der Prüfstellen war eine Schrift in die Liste aufzunehmen (Mehrheit von 2/3)37. Sie konnten nicht selbstständig tätig werden, sondern bedurften für eine Entscheidung eines Antrages von Landeszentralbehörden oder Landesjugendämtern38. Sobald die Listenaufnahme öffentlich bekannt gemacht worden war, unterlagen die Medien verschiedenen Beschränkungen: So war es verboten, die Inhalte in der Öffentlichkeit anzubieten, feilzuhalten oder (in Verkaufsräumen) zur Schau zu stellen und an unter 18-jährige Personen zu verkaufen oder zu verleihen39. Vorsätzliche Verstöße konnten mit Gefängnis bis zu einem Jahr und/oder mit Geldstrafe bestraft werden40. Wer die Regelungen des Schund- und Schmutzgesetzes mit dem heutigen Indizierungsrecht vergleicht, erkennt große Ähnlichkeiten: Auch heute noch werden die (nun allerdings allgemein) jugendgefährdenden Medien auf Antrag in eine Liste aufgenommen und unterliegen dadurch allgemeinen und gewerblichen Verbreitungsbeschränkungen bzw. Werbeverboten. Ebenso ist das System der Prüfung durch Beisitzer in modifizierter Form erhalten geblieben – genauso wie die notwendige Entscheidungsmehrheit von 2/3 für 33

§ 1 Abs. 3 Schund- und Schmutzgesetz. § 1 Abs. 5 Schund- und Schmutzgesetz. 35 § 2 Abs. 1 S. 4 Schund- und Schmutzgesetz. 36 § 3 Abs. 1 Schund- und Schmutzgesetz. 37 § 1 Abs. 2 Schund- und Schmutzgesetz. 38 § 2 Abs. 2 Schund- und Schmutzgesetz. Das Verfahren vor der Oberprüfstelle war durch § 4 Abs. 4 Schund- und Schmutzgesetz abweichend geregelt: Entschieden wurde in einer Besetzung von Vorsitzendem, zwei (vom Reichsrat gewählten) Beisitzern und je einem Sachverständigen der Sachverständigenkreise, wobei in der Sache regelmäßig eine einfache Mehrheit zur Beschlussfassung ausreichte. 39 § 1 Abs. 1 Nr. 1–3 Schund- und Schmutzgesetz. 40 § 6 Schund- und Schmutzgesetz. 34

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eine Listenaufnahme. Damit lässt sich das Schund- und Schmutzgesetz als erstes spezifisches Jugendmedienschutzgesetz in Deutschland begreifen und als Ursprung des Indizierungsrechtes. 3. Nationalsozialismus und Jugendmedienschutz 1933 wurden die Prüfstellen dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda unterstellt und gleichgeschaltet. Allerdings konnten die Nationalsozialisten über § 7 der Notverordnung zum Schutz des deutschen Volkes bald darauf sogar sämtliche unerwünschten Schriften unterdrücken41. Sie brauchten keine spezifischen Jugendmedienschutzgesetze mehr. 1935 wurde das Schund- und Schmutzgesetz daher außer Kraft gesetzt42. Der Staat besitze „im Kampf gegen schädliche Schriften jeder Art, nicht allein um die Jugend, sondern um das gesamte Volk vor diesen zu schützen, im Reichskulturkammergesetz (. . .) ein weit wirksameres Mittel, als es der liberale Staat in seinen Prüfstellen hatte“43. Unabhängig davon wurde der Besuch von Filmvorführungen während des Krieges in den Polizeiverordnungen zum Schutz der Jugend vom 9. März 194044 und später vom 10. Juni 194345 stark reglementiert.

III. Nach dem 2. Weltkrieg In der Besatzungszeit nach dem verlorenen Weltkrieg war jeder Vertrieb von Medien ohne Genehmigung verboten. Vorrangiges Ziel der Alliierten war es, die Menschen zu demokratisieren und – auch mit Hilfe von Medien – „umzuerziehen“. Der Jugendschutz im Speziellen spielte keine besondere Rolle46. Doch schon nach der Währungsreform wurden Rufe nach einer Zensur zum Schutz der Jugend lauter. Grund war die verstärkte Verbreitung von sogenannten französischen Magazinen und FKK-Zeitschriften, die nicht eindeutig als Pornographie zu qualifizieren waren47.

41 42 43 44 45 46 47

Busche, S. 72. RGBl I, S. 541. Einleitung des Gesetzes, zitiert nach: Frantzioch, S. 88. RGBl I, S. 499. RGBl I, S. 349. Busche, S. 75 f. Busche, S. 79; vgl. auch BT-Drcks. 1/1101, S. 10.

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1. Das Gesetz über die jugendgefährdenden Schriften (GjS) „Wenn’s schon nicht gelingt, die tatsächlichen Probleme zu lösen (. . .) dann löst man geschwind ein Scheinproblem. Hokuspokus – endlich ein Gesetz! Endlich ist die Jugend gerettet!“ (Erich Kästner48)

Am 16. Dezember 1949 ersuchte der Deutsche Bundestag auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion die Bundesregierung, ein Gesetz gegen Schmutz und Schund vorzulegen49. Im Juni 1950 stellte die Bundesregierung daraufhin einen Gesetzentwurf vor, der die Handschrift des Volkswartbundes trug, der bischöflichen Arbeitsstelle für Fragen der Sittlichkeit50. Eine (Vor-)Zensur von Schriften war wegen der Grundgesetzgarantien nicht möglich. Deshalb knüpfte der Entwurf an das Indizierungsverfahren des Schund- und Schmutzgesetzes an: Es war eine Listenaufnahme bestimmter bedenklicher Schriften vorgesehen, die für diese mit Verbreitungsbeschränkungen verbunden waren. Die Listenaufnahme knüpfte dabei nicht an den Schund- oder Schmutzgehalt der Schrift an (also an ihre wie auch immer zu bestimmende Wertlosigkeit), sondern allgemein an ihre sittliche Gefährdung für Kinder und Jugendliche. Während sich CDU, CSU und Zentrum für das Gesetz aussprachen, waren SPD und KPD dagegen. Für die Linksparteien wog der mögliche Eingriff in die Presse- und Informationsfreiheit zu schwer. Wie schon in der Diskussion zum Schund- und Schmutzgesetz wurde die Befürchtung laut, das Gesetz könne politisch unliebsame Druckerzeugnisse unter dem Vorwand verbieten, sie seien jugendgefährdend51. Schließlich sahen Sozialisten und Kommunisten rein restriktive Maßnahmen als falsch an: Es könne weit mehr über ein aktives Entgegenwirken erreicht werden, wie z. B. die Förderung von erwünschten Jugendschriften52. Das Gesetz wurde am 12. Mai 1953 mit 165 zu 133 Stimmen angenommen53 und trat am 9. Juli 1953 in Kraft54. Als jugendgefährdend bezeichnete das Gesetz vor allem unsittliche sowie Verbrechen, Krieg und Rassenhass verherrlichende Schriften. Die Schrift durfte aber nicht allein wegen ihres politischen, sozialen, religiösen oder weltanschaulichen Inhaltes aufgenommen werden. Die Listenaufnahme war auch ausgeschlossen, wenn die Schrift der Kunst, Wissenschaft, Forschung oder Lehre diente oder im öffentlichen Interesse lag55. 48 49 50 51 52 53 54

Zitiert nach: Schütz, S. 185. BT-Prot. 1, S. 748. Busche, S. 81. Frantzioch, S. 94 f. Ebenda, S. 95. Ebenda, S. 96. BGBl I, S. 377 f.

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Von der Aufnahme in die Liste konnte auch bei Fällen von geringer Bedeutung abgesehen werden56. In den §§ 3–5 GjS waren die Folgen der Listenaufnahme festgelegt: Jugendgefährdende Schriften durften nach der Bekanntmachung der Indizierung im Bundesanzeiger57 nicht (z. B. durch entgeltliche oder unentgeltliche Überlassung) an Minderjährige verbreitet, nur eingeschränkt in Geschäften angeboten bzw. sonst ausgestellt und nicht öffentlich beworben werden. Wie schon im Schund- und Schmutzgesetz galt das auch für indizierte periodische Medien (wie Zeitschriften). Bei ihnen war eine Voraus-Indizierung aber nur möglich, wenn binnen eines Jahres mindestens drei Ausgaben jugendgefährdend gewesen waren. Die universelle Listenaufnahme von einzelnen Periodika wurde zudem auf maximal zwölf Monate beschränkt58. Für die Listenaufnahme waren nicht mehr verschiedene Prüfstellen zuständig, sondern eine einzelne Bundesoberbehörde mit Sitz in Bonn59. Sie befand nur auf Antrag über Prüfobjekte, und zwar in einer Besetzung von zwölf Mitgliedern60. Das Prinzip der Beisitzer-Entscheidung wurde gegenüber dem Schund- und Schmutzgesetz erheblich modifiziert: Es entschieden über Listenaufnahmen ein Vorsitzender oder eine Vorsitzende der Bundesprüfstelle, drei von den Ländern entsandte und intern nach einem bestimmten Verfahren (abwechselnd) ausgewählte Länderbeisitzer sowie acht Gruppenbeisitzer61. Die Gruppenbeisitzer stammten dabei aus den Kreisen der Kunst, der Literatur, des Buchhandels, der Verlegerschaft, der Träger der freien Jugendhilfe, der Träger der öffentlichen Jugendhilfe, der Lehrerschaft und der Kirchen bzw. anderer öffentlich-rechtlich organisierter Religionsgemeinschaften und wurden auf Vorschlag vom zuständigen Bundesminister für drei Jahre ernannt62. Alle Beisitzer und der oder die Vorsitzende entschieden weisungsfrei63. Für die Indizierung eines Mediums war eine 2/3-Mehrheit erforderlich64. Gegen Entscheidungen der Bundesprüfstelle war für die Betroffenen der Verwaltungsrechtsweg eröffnet65. 55

§ 1 GjS. § 2 GjS. 57 Vgl. dazu § 19 GjS. 58 § 7 GjS. 59 § 8 GjS. Der ursprüngliche Gesetzentwurf war noch von mehreren Landesprüfstellen ausgegangen, die von den Ländern zu besetzen gewesen wären, vgl. BTDrcks. 1/1101, Anlage 1, S. 3, §§ 8 f. 60 §§ 9 Abs. 3, 11 Abs. 2 GjS. 61 § 9 Abs. 3 GjS. 62 § 9 Abs. 1, 2 und 4 GjS. 63 § 10 GjS. 64 § 13 GjS. 65 § 20 GjS. 56

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Teil 1: Einleitung

Zu den Neuerungen im Indizierungsrecht gehörte auch, dass eine Indizierung von selbst eintreten konnte, ohne dass zuvor eine Listenaufnahme und öffentliche Bekanntmachung erfolgt war. Dies sah der später aufgehobene § 6 GjS ursprünglich auch für Schriften vor, die durch Bilder für Nacktkultur warben66. Wer als Erwachsener die Verbreitungs- und Werbeverbote der §§ 3–5 GjS vorsätzlich missachtete, musste mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe rechnen. Bei Fahrlässigkeit drohten immerhin noch sechs Monate Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen. Wurden Minderjährige zu Tätern, konnte das Vormundschaftsgericht Weisungen erteilen67. Das GjS ergänzte das Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit (JÖSchG), welches der Bundestag schon zwei Jahre zuvor erlassen hatte68. Darin waren auch Regeln für die Zulässigkeit von öffentlichen Filmvorführungen in Anwesenheit von Kindern und Jugendlichen enthalten. Die schon aus der Weimarer Republik bekannte Trennung von Filmschutz-Regelungen als Teil des Öffentlichkeitsschutzes von Minderjährigen sowie der restlichen, originären Medienschutz-Regelungen, wurde also in der jungen Bundesrepublik fortgesetzt und erst 50 Jahre später durch das JuSchG (s. u.) aufgehoben. 2. Die Entwicklung des GjS zum GjS(M) Das GjS erfuhr in den 50 Jahren seiner Gültigkeit eine Reihe von Modifikationen und Ergänzungen. Die ersten wesentlichen Änderungen erfolgten am 21. März 196169: Mit der Einführung von § 15 a GjS hatte die Bundesprüfstelle die Möglichkeit, auf Fälle der offensichtlichen Jugendgefährdung in kleiner Besetzung ohne vorherige Diskussion im 12er-Gremium unmittelbar zu reagieren. Der Katalog der unsittlichen Schriften wurde zudem um verrohend wirkende und zur Gewalttätigkeit anreizende Schriften erweitert. Als Schrift war jetzt durch § 1 Abs. 3 GjS auch jede Darstellung erfasst. Außerdem wurden die Indizierungsbeschränkungen erweitert: Die Verbreitung indizierter Schriften im Versandhandel, in gewerblichen Lesezirkeln und gewerblichen Leihbüchereien war nun ebenfalls untersagt. Eine weitere wichtige Änderung brachte das 4. Gesetz zur Reform des Strafrechtes vom 23. November 197370, das den § 6 Abs. 2 GjS ersatzlos 66 Den dagegen vorgebrachten Einwand des Bundesrates, hierüber sollten Prüfstellen entscheiden und nicht Strafrichter, wies die Bundesregierung letztlich erfolgreich zurück, vgl. dazu BT-Drcks. 1/1101, Anlage 2, S. 27 einerseits und BT-Drcks. 1/1101, Anlage 3, S. 34 f. andererseits. 67 Vgl. zum Ganzen § 21 GjS. 68 Entschließung vom 4.12.1951, BGBl I, S. 936 f. 69 BGBl I, S. 296. 70 BGBl I, S. 1732.

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strich. Dadurch waren Schriften, die mit Bildern für Nacktkultur warben, nicht mehr offensichtlich schwer jugendgefährdend. Mit Wirkung vom 2. März 197471 wurden in § 6 GjS dafür gewaltverherrlichende Schriften als schwer jugendgefährdende Inhalte aufgenommen. 1978 wurde der Kreis der Antragsberechtigten über die Obersten Jugendbehörden der Länder hinaus auf alle Landesjugendämter und alle örtlichen Jugendämter erweitert – eine Maßnahme, die vor allem für mehr Bürgernähe sorgen sollte72. Dadurch vergrößerte sich die Zahl der möglichen Antragsberechtigten von 11 auf ca. 500, seit der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands sogar auf rund 800, was sich auch sehr deutlich auf die Anzahl der Indizierungsanträge auswirkte73. 1985 wurde das GjS im Zusammenhang mit dem Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit (JÖSchG) geändert74, um angemessen auf den „Videoboom“ reagieren zu können und Kennzeichnungs- und Freigabevorschriften auf Videofilme zu übertragen, die bereits für Kinofilme galten. Darüber hinaus wurden ein Vermietverbot jugendgefährdender Filme sowie die automatische Indizierung exzessiver Gewaltdarstellungen mit Strafrechtsrelevanz statuiert. Die letzte wesentliche Änderung erfuhr das GjS mit Inkrafttreten des Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetzes (IuKDG) 199775. Es normierte die Zuständigkeit der Bundesprüfstelle für Teledienste und formulierte eine neue Überschrift des Gesetzes. Es hieß nunmehr: „Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte“ – GjSM. Auch aus der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPjS) wurde die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM). Da seit 1953 nicht nur Schriften nach dem allgemeinen Begriffsverständnis, sondern sukzessive auch Kassetten, Videos, DVDs, CDs, MDs, Filmrollen und Online-Angebote von den Regelungen des GjS erfasst wurden, war diese Begriffspräzisierung längst überfällig gewesen. 3. Die Verabschiedung des JuSchG Zwei Jahre später wurde im Evaluierungsbericht zum IuKDG festgestellt, dass der Jugendmedienschutz in GjSM und JÖSchG nicht mehr auf der Höhe der Zeit war76. Im Bundesfamilienministerium wurde daraufhin eine Arbeitsgruppe mit dem Ziel eingesetzt, Überarbeitungsvorschläge zu entwickeln. Diese Arbeitsgruppe legte im Februar 2000 ein „Jugendschutzneu71

BGBl I, S. 554. Homepage der BPjM (www.bundespruefstelle.de, dort unter: „Geschichte“, Abruf: 05.04.2007). 73 Ebenda. 74 BGBl I, S. 428. 75 BGBl I, S. 1870. 76 BT-Drcks. 14/1191, S. 21 f.; vgl. dazu auch: Pooth, S. 46 f. 72

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Teil 1: Einleitung

regelungs-Eckpunktepapier“ vor, das nach einem Beschluss der JugendministerInnen der Länder im Mai zur Grundlage für einen ersten Gesetzesentwurf wurde. Schon damals waren sich Bund und Länder darüber einig, dass es wegen der zunehmenden Konvertierbarkeit von Texten, Bildern und Tönen in allen Medien mit vergleichbarer Wirkung harmonisierte Verbreitungsverbote oder Verbreitungsbeschränkungen geben müsse. Auch sollten im Internet für Mediendienste und Teledienste die gleichen Jugendschutzregelungen gelten77. Allerdings verzögerte sich eine zügige Novellierung des Gesetzes dadurch, dass die Ministerpräsidenten die Gesetzgebungskompetenz für den Jugendmedienschutz nicht vollständig an den Bund abgeben wollten und von ihm insbesondere im Bereich der elektronischen Medien Zurückhaltung forderten. So kam es erst nach langen Verhandlungen am 8. März 2002 auf einer Ministerpräsidentenkonferenz zu einer EckwerteVereinbarung für die Neuregelung des Jugendschutzes, der die Bundesregierung zustimmte78. Danach sollten die Jugendschutzbestimmungen in der Öffentlichkeit und in den Medien mit Ausnahme des Rundfunks in einem neuen Jugendschutzgesetz zusammengefasst werden. Für den Bereich des Rundfunks sollten diese durch eine – darauf abgestimmte – einheitliche Länderregelung ergänzt werden. Es war zudem vorgesehen, die Aufsichtsstrukturen zu harmonisieren und die Selbstkontrolle zu stärken. Die Unterscheidung zwischen Telediensten und Mediendiensten sollte für den Jugendmedienschutz aufgegeben werden. Damit waren die Weichen für eine Änderung des GjSM gestellt. Allerdings wurde die Zeit für ein Gesetzgebungsverfahren noch in der 14. Legislaturperiode des Bundestages sehr knapp. Die parlamentarische Sommerpause war nicht fern und im September 2002 sollten schon die Wahlen zum 15. Deutschen Bundestag stattfinden. Letztlich ist es dem Druck der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit dem Amoklauf eines Erfurter Schülers zuzuschreiben, bei dem am 26. April 2002 16 Menschen starben, dass das Gesetz doch noch in der 14. Legislaturperiode verabschiedet wurde79. Am 16. Mai 2002 wurde in erster Lesung ein Koalitionsentwurf behandelt, der auf der Eckpunktevereinbarung von Bund und Ländern beruhte. Trotz zahlreicher Einwände von Fachverbänden und der CDU/CSU-Fraktion, die zum Teil wesentlich schärfere (Indizierungs-)Vorschriften forderte80, kam es schon am 14.06.2002 zur Verabschiedung des Gesetzes durch den Bundestag. Nach der Zustimmung des Bundesrates am 21.06.2002 wurde das Ge77

Ukrow, S. 14 Rn. 22. Eine Zusammenfassung der Einigung ist nachzulesen in BT-Drcks. 14/9013, S. 13 f. 79 Schuster, BPjM-Aktuell 4/2003, S. 3; Ukrow, S. 24 Rn. 31; Scholz/Liesching, Vorwort, S. V; Löffler/Altenhain, JSchutz BT, S. 1632; Nikles, S. 18 Rn. 54. 80 Vgl. dazu BT-Drcks. 14/9027. 78

Kap. 4: Auswirkungen einer Indizierung auf den Vertrieb

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setz am 23.6.2002 verkündet81 und trat zeitgleich mit dem JugendmedienStaatsvertrag der Länder am 01.04.2003 in Kraft. Da die einzelnen Inhalte des gegenwärtigen Indizierungsrechtes im dritten Teil der Arbeit ausführlich untersucht werden, soll hier nicht weiter auf sie eingegangen werden. Kapitel 4

Die Auswirkungen einer Indizierung auf den gewerblichen Vertrieb Abstrakte rechtliche Betrachtungen laufen Gefahr, an der Wirklichkeit vorbeizugehen. Gerade für die grund- und europarechtliche Analyse, aber auch für die Interpretation des Verwaltungsrechtes ist es von Belang, wie effektiv die Indizierung in der Praxis eigentlich ist – wie sehr sie sich auf die Verbreitungsfähigkeit eines Mediums auswirkt. Hierdurch lässt sich nicht nur die Wirksamkeit des Instrumentes Indizierung bestimmen, sondern auch sein Eingriffsniveau in den Schutzbereich der Grundrechte. An konkreten Aussagen zur Wirkung der Indizierung fehlt es zwar keineswegs, doch stützen sich die Einschätzungen von Richtern und Autoren in den seltensten Fällen auf „harte Fakten“. Gesicherte Zahlen über die Effektivität bzw. Intensität des Indizierungsrechtes sind bisher – soweit ersichtlich – nicht publiziert worden. Selbst die Bundesprüfstelle verfügt über keine aussagekräftigen Datensätze82. Dadurch ist es weder möglich, empirisch fundierte Wirkungs-Aussagen über die unterschiedlichen Medien und ihre Genres zu treffen, noch zwischen den „Typen“ der Indizierung (Voraus-Indizierung, Eil-Indizierung oder Nach-Indizierung) zu differenzieren. Dieser Sachstand ist äußerst unbefriedigend, zumal dadurch die Wirksamkeit der Indizierung rein spekulativ ist. Diese Dissertation kann die Forschungslücke zumindest für den Teilbereich der Computerspiele verkleinern83. Sie liefert aussagekräftige Daten 81

BGBl I, S. 2730. Quelle: Persönliches Gespräch mit der Vorsitzenden der Behörde, Elke Monssen-Engberding am 21.12.2006. 83 Eine entsprechende Anfrage bei großen deutschen Printverlagen, die von Indizierungen in der Vergangenheit betroffen waren, u. a. Rowohlt-Verlag (Josefine Mutzenbacher), Heinrich-Bauer-Verlag (indizierte Bravo-Ausgabe von 1972: „So erfüllt man seine ersten Liebeswünsche“), Burda-Verlag (verlegt den „Playboy“) etc. blieb ebenso erfolglos wie bei entsprechenden Musik-Labels, z. B. Hot-Action-Musik (indizierte LP „Debil“ von „Die Ärzte“), AGGRO-Berlin (indizierte Songs des Rappers „Bushido“). Die Daten waren entweder nach der langen Zeit seit der Indizierung nicht mehr aktenkundig bzw. wurden nie aktenkundig gemacht. 82

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Teil 1: Einleitung

zu einer der bedeutsamsten Voraus-Indizierungen der letzten Jahre: Der EilIndizierung des Spieles „Command & Conquer – Generals“. In einem ersten Schritt sollen zunächst einige84 (unterschiedliche) Wirkungseinschätzungen in Rechtsprechung und Lehre referiert werden, um sie dann in einem zweiten Schritt anhand der konkreten Daten für Computerspiele zu diskutieren.

I. Wirkungsvorstellungen Über die Reichweite der Indizierung gab und gibt es in Rechtsprechung und Lehre unterschiedliche Auffassungen. 1. Indizierung aus Sicht der Rechtsprechung In seinen ersten Entscheidungen zu den Folgewirkungen der Indizierung von Medien ging das Bundesverwaltungsgericht von einer sehr einschneidenden Wirkung aus. Es handele sich um eine „praktisch fast einem Verbot gleichkommende Maßnahme, die nur auf Grund eines Gesetzes möglich“ sei85. Wer etwas anderes behaupte86, verkenne die „sich nach dem Gesetz aus der Indizierung ergebenden Folgen“87. Differenzierter liest sich dies in BVerwGE 39, S. 201 f.: Das Werbeverbot komme „bei Einzelerzeugnissen, insbesondere Büchern, Schallplatten und Filmen, praktisch einem Verbot des Werkes gleich“. Darin liege „eine sehr weitreichende Einschränkung der Informationsfreiheit Erwachsener“. Jedoch gelte das nicht für Zeitschriften, die in kürzeren Abständen erschienen. Denn sie würden „durch die Indizierung einzelner Nummern nicht wie ein Einzelerzeugnis in ihrem Bestand getroffen“. Für sie könne „auch allgemein ohne Bezugnahme auf die einzelne Nummer geworben werden“. Die Titel periodischer Druckschriften wiesen „im Gegensatz etwa zu Bücher- und Filmtiteln zumeist über die in ihnen enthaltenen Beiträge hinaus auch auf das Unternehmen des Verlegers hin“ und hätten damit „eine allgemeine Werbewirkung“. 84

Die Darstellung erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. BVerwGE 23, S. 109; ähnlich: BVerwGE 25, S. 323. 86 Das Bundesverwaltungsgericht zitiert hier den Autor Spanner mit der These, „der Verfasser eines Kriminalromans werde in seiner künstlerischen Betätigung und dem Vertrieb seines Werkes durch Beschränkungen nach dem Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften nur unwesentlich eingeschränkt“, vgl. BVerwGE 23, S. 108 f. 87 Ebenda, S. 109; ähnlich: BVerwGE 25, S. 323. 85

Kap. 4: Auswirkungen einer Indizierung auf den Vertrieb

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Das Bundesverfassungsgericht hat die Wirkung der Indizierung als schwerwiegend eingestuft. Zwar lasse sich „zumindest seit der Änderung des § 5 GjS (. . .) nicht mehr feststellen, das Werbeverbot komme bei Büchern praktisch einem Verbot des Werkes gleich“, doch träfen die Beschränkungen immerhin die „typischen Verbreitungsformen von Büchern“88. Dadurch werde „in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG eingegriffen“ und durch die Werbe- und Verbreitungsbeschränkungen der „Vertrieb an Erwachsene erheblich behindert“89. Das Bundesverfassungsgericht geht jedoch davon aus, dass Erwachsenen noch „genügend Möglichkeiten (z. B. im Ladenhandel) zum Bezug der (indizierten) Schriften“ bleiben90. Gleichwohl sei der Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung im Rahmen der Totalverbote massiv, da Händlern „hierdurch (. . .) ein für sie besonders gewinnbringender Markt verschlossen“ werde91. 2. Einschätzungen in der Literatur Schenkt man Knies Glauben, so kommen die „Rechtsfolgen einer Indizierung nach § 1 Abs. 1 GjS in praxi einem allgemeinen, also auch die Erwachsenen betreffenden Vertriebsverbot gleich, zumindest aber sehr nahe“92. Noch weiter geht Erbel, der bemerkt, dass die Indizierung eines Werkes „praktisch fast einem Kommunikationsstopp“ gleichkommt93. Naumann betonte in einem flammenden Plädoyer vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass indizierte Bücher vom Markt „verschwinden“ und dass sie „auch für Erwachsene praktisch nicht vorhanden“ sind, „da für sie nicht geworben werden darf“94. Vlachopoulos geht hiervon zumindest dann aus, „wenn ein unbekanntes Kunstwerk in den Index aufgenommen wird“. Dann könne diese Indizierung „insbesondere wegen des in § 5 Abs. 2 GjS [jetzt: § 15 Abs. 1 Nr. 5 JuSchG] festgelegten generellen Werbeverbotes praktisch einem absoluten Verbreitungsverbot gleichkommen“95. Auch Schefold sieht in der Indizierung allgemein „trotz immer wieder festzustellender Vollzugsdefizite“ ein „schlagkräftiges Instrument“96.

88 89 90 91 92 93 94 95 96

BVerfGE 88, S. 81; vgl. auch BVerwG NJW 77, S. 81. BVerfGE 90, S. 16 (mit Verweis auf BVerfGE 83, S. 143 f). BVerfGE 30, S. 348. Ebenda, S. 351. Vgl. S. 280; ähnlich: Kalb, S. 41; Schilling, S. 27. Erbel, DVBl 73, S. 532; zustimmend: Raue, S. 16 Fn. 12; Würkner, S. 12. Dankert/Zechlin/Naumann, S. 198 f. Vlachopoulos, S. 222. Dankert/Zechlin/Schefold, S. 99.

46

Teil 1: Einleitung

II. Empirische Rückkopplung der Wirkungsvorstellungen Wie sich eine Indizierung auf Computer- und Videospiele auswirkt, zeigt ein Blick auf die Entwicklung der Verkaufszahlen vor und nach der Indizierung des Computer-Spieles „Command & Conquer – Generals“ der Firma Electronic Arts. Das Strategiespiel wurde im Jahr 2003 wegen gewaltverherrlichender und menschenverachtender Elemente von der Bundesprüfstelle indiziert. Da das Spiel zu der auch unter Jugendlichen beliebten „Command & Conquer“-Reihe gehörte, befürchtete die Bundesprüfstelle einen Massenvertrieb des jugendgefährdenden Spieles. Um die weitreichende Verbreitung zu verhindern, entschied sie sich kurz nach dem Verkaufsstart des Spieles am 14.2.2003 zunächst zu einer vorläufigen (Eil-)Indizierung97. Wie effektiv diese später bestätigte (Eil-)Indizierung war, ergibt sich aus Tabelle 1 und Diagramm 1. Sie zeigen die Wochenverkaufszahlen des Spieles in Prozent98. Der höchste Wochenverkaufswert ist mit 100% ausgewiesen, die anderen Wochenverkaufswerte sind dazu prozentual in Relation gesetzt. Tabelle 1 Stückverkaufszahlen in Prozent „Command & Conquer Generals“ „Generals“ – Stückverkauf in% Woche 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

% 100,0 45,2 28,1 4,3 1,9 1,3 0,9 0,6 0,3 0,2

Woche 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

% 0,2 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,0

Woche 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30

% 0,1 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0

Woche 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40

% 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0

Woche 41 42 43 44

% 0,0 0,0 0,0 0,0

97 BPjME-Nr. VA 1/03 (25.02.2003, Computerspiel „Command & Conquer – Generals“), S. 6. 98 Die Zahlen wurden dem Autor dankenswerterweise von der Firma Electronic Arts zur Verfügung gestellt (besonderen Dank schulde ich Herrn Felix Göppl, Head of CRM & Market Research, Electronic Arts Deutschland). Um das Firmengeheimnis zu wahren, werden in dieser Untersuchung nicht die absoluten Zahlen veröffentlicht, sondern lediglich die diesen entsprechenden Prozentgrößen.

Prozent

Kap. 4: Auswirkungen einer Indizierung auf den Vertrieb 100 95 90 85 80 75 70 65 60 55 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0

47

Eil-Indizierung

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Wochen

Diagramm 1: Verkaufszahlen in Prozent „C&C – Generals“

Tabelle 1 und Diagramm 1 dokumentieren einen signifikanten Verkaufseinbruch nach der vorläufigen Listenaufnahme des Spieles (Indizierung am 25.02.2003, Wirkung der Verkaufsverbote ab dem 28.02.2003) – von rund 45% auf etwa 4% binnen zwei Wochen. Ab der 7. Verkaufswoche lagen die Verkaufswerte im nicht mehr signifikanten Bereich (unter 1%). Eine Anfrage bei Electronic Arts99 und großen Warenketten ergab, dass die meisten Händler indizierte Produkte komplett aus dem Verkaufssortiment nehmen. Nur für ausgewählte Produkte (vor allem im pornographischen und „Splatter“100-Bereich) haben sich Marktnischen herausgebildet, sodass solche Produkte, wenn sie indiziert worden sind, noch in Spezialgeschäften für Erwachsene angeboten werden. Dies legt eine effektive Wirkung der Indizierung beim Verkauf von Trägermedien generell nahe. Der Zusammenhang von Indizierung und Verkaufs-Rückgang erschließt sich noch deutlicher, wenn man sich die übliche Abverkaufs-Entwicklung bei Strategiespielen näher ansieht. Es trifft sich insoweit gut, dass das Spiel „Command & Conquer – Generals“ nach der Indizierung für den deutschen Markt „entschärft“ wurde, um es dann unter dem Titel „Command & Conquer – Generäle“ erneut auf den Markt zu bringen. 99 So: Felix Göppl, Head of CRM & Market Research, Electronic Arts Deutschland, im Gespräch am 28.2.2006. 100 Als „Splatter“ bezeichnet man eine Art des Horrorfilms, bei der die Darstellung von exzessiver Gewalt und Blut im Vordergrund steht. Der Begriff setzt sich aus den englischen Wörtern „to splash“ und „to spatter“ zusammen, welche beide „spritzen“ bedeuten, vgl. hierzu instruktiv: www.wikipedia.org, Stichwort: „splatter“ (Abruf: 8.2.2008).

48

Teil 1: Einleitung Tabelle 2 Stückverkaufszahlen in Prozent „Command & Conquer Generäle“

„Generäle“ – Stückverkauf in% Woche

%

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Woche

81,4 100,0 96,7 63,4 51,1 48,2 45,5 39,0 38,8 38,4

11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

%

Woche

39,2 37,1 46,2 45,7 32,5 25,1 20,1 18,4 19,4 19,5

21 22 23 24 25 26 27 28 29 30

%

Woche

19,6 16,0 15,5 16,2 14,6 9,9 7,6 6,2 5,9 4,9

31 32 33 34 35 36 37 38 39 40

%

Woche

3,1 2,6 3,7 1,9 2,2 2,0 1,7 1,6 1,8 0,9

41 42 43 44

% 1,3 0,0 0,0 0,0

100 90 80

Prozent

70 60 50 40 30 20 10 0 1

6

11

16

21 Wochen

26

31

36

41

Diagramm 2: Verkaufszahlen in Prozent „C&C – Generäle“

Die Verkaufszahlen für diese entschärfte Version dokumentieren die Tabelle 2 und das Diagramm 2. Es zeigen sich deutliche Unterschiede bei der Verkaufsentwicklung der Computerspiele. So wurde die entschärfte Version „Command & Conquer – Generäle“ noch bis in die 39. Verkaufswoche im Prozentbereich verkauft.

Kap. 4: Auswirkungen einer Indizierung auf den Vertrieb

49

100 90 C&C - Generals 80 C&C - Generäle 70

Prozent

60 50 40 30 20 10 0

1

6

11

16

21 Wochen

26

31

36

41

Diagramm 3: Verkaufszahlen im Vergleich C&C „Generals“/„Generäle“

Erst in der 42. Verkaufswoche war der Markt gesättigt und das Spiel wurde nicht mehr messbar veräußert. Nach der Indizierung von „Command & Conquer – Generals“ bewegte sich der absolute Verkauf dagegen schon in der siebten Verkaufswoche in einem Bereich von unter einem Prozent. Berücksichtigt werden muss in diesem speziellen Fall sogar noch, dass einige der potentiellen Käufer von „Command & Conquer – Generäle“ die härtere Ursprungsversion „Command & Conquer – Generals“ gekauft haben dürften. Dadurch ist nicht auszuschließen, dass der Abverkauf der entschärften Version ohne die Indizierung des Vorgängers sogar noch länger gedauert hätte – in jedem Fall aber wohl in höherer Stückzahl erfolgt wäre. Die unterschiedlichen Verkaufsverläufe verdeutlicht zusammenfassend Diagramm 3. Als Teilergebnis lässt sich festhalten, dass die (Eil-)Indizierung den Verkauf von Computer- und Videospielen in kürzester Zeit fast vollständig zum Erliegen bringen kann. Damit ist noch nicht geklärt, wie viele Kinder und Jugendliche einerseits und wie viele Erwachsene andererseits durch die Indizierung betroffen werden. Aus den USA weiß man, dass grob geschätzt etwa 60% der Kaufinte-

50

Teil 1: Einleitung

60 %

40 %

über 18 Jahre bis 18 Jahre

Diagramm 4: Kaufinteressenten Strategiespiele USA Angaben Electronic Arts

ressenten von PC-Strategiespielen älter als 18 Jahre alt sind und etwa 40% jünger101 (vgl. dazu Diagramm 4). In Deutschland gibt es nach Angaben von Electronic Arts keine MarktUntersuchungen dazu. Electronic Arts Deutschland geht aber aufgrund eigener Erfahrungswerte von etwa 50% erwachsenen und etwa 50% jugendlichen Käufern aus, vgl. dazu Diagramm 5.

50 %

50 %

über 18 Jahre bis 18 Jahre

Diagramm 5: Kaufinteressenten Strategiespiele Deutschland Schätzung: Electronic Arts

Diese Zahlen erscheinen zumindest tendenziell plausibel. Denn auch Handy-Spiele werden lediglich zu 26% von minderjährigen Käufern erworben102, und der durchschnittliche PC-Spieler ist in Deutschland (genreunabhängig) mittlerweile 25 Jahre alt, in den USA sogar 30 Jahre103. Unabhängig von der fehlenden Nachprüfbarkeit im Detail ist unbestreitbar, dass durch die Indizierung nicht nur Kinder und Jugendliche faktisch vom Kauf jugendgefährdender Computerspiele ausgeschlossen werden. Auch Erwachsene sind in signifikantem Umfang von den (faktischen) 101 Angaben von Felix Göppl, Head of CRM & Market Research, Electronic Arts Deutschland, im Gespräch am 28.2.2006. 102 Quelle: Serious Games, S. 12. 103 Quelle: Bericht des Deutschlandradios vom 26.04.2007 (Sendung: Büchermarkt), Autor: Matthias Eckoldt.

Kap. 4: Auswirkungen einer Indizierung auf den Vertrieb

51

Markt-Mechanismen nach einer Indizierung betroffen. Ihnen bleibt für den Kauf indizierter Produkte nach einer gewissen Zeit des Abverkaufes nur der Gang in Spezialgeschäfte. Diese führen jedoch nicht alle jugendgefährdenden Computerspiele. Dadurch kann die Indizierung im Extremfall gleichbedeutend sein mit einem Verschwinden des Spieles vom Markt bzw. seiner Unzugänglichkeit auch für Erwachsene. Gleichermaßen empirisch fundierte Aussagen lassen sich aus den schon genannten Gründen für die anderen Trägermedien (DVDs, Videos, Bücher etc.) nicht treffen. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass der Markt auch bei der Indizierung anderer Trägermedien vergleichbar reagiert, sodass das Instrument der Indizierung sich generell stark auf die Informationsfreiheit der Erwachsenen und die Berufsausübungsfreiheit der Unternehmer auswirkt. Verschärft dürfte das für Printmedien gelten, weil deren Ersatzbeschaffung (z. B. durch Ausleihe in Mietbüchereien) nach einer Indizierung rechtlich und auch faktisch erheblich eingeschränkt ist. Wer nach elektronischen Versionen indizierter Printmedien im Internet sucht, wird kaum fündig werden. Die Indizierung beim Verkauf von Trägermedien ist deshalb ein im Ergebnis ebenso effektives wie einschneidendes Steuerungselement, um Kinder und Jugendliche von jugendgefährdenden Inhalten fernzuhalten. Trotz dieses Befundes wird die Wirksamkeit der Indizierung in der Praxis erheblich dadurch verwässert, dass eine Ersatzbeschaffung durch bzw. über Volljährige möglich ist. Auch werden die meisten jugendgefährdenden Trägermedien (zumindest Filme, DVDs, Spiele) heute elektronisch umgewandelt oder als Online-Version angeboten, so dass sich für Minderjährige im globalen Internet zahlreiche Möglichkeiten ergeben, doch noch an jugendgefährdende Inhalte zu gelangen. Wie stark genau diese Umgehungsmöglichkeiten das gefundene Ergebnis faktisch verwässern, ist unklar. Es fehlt an aussagekräftigen Daten. Der Umfang der elektronischen Distribution (z. B. über Tauschbörsen) ist aber sicher erheblich. Allerdings betrifft diese Problematik nicht mehr den Untersuchungsgegenstand Jugendschutzgesetz, sondern den Regelungsbereich des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages104.

III. Fazit Beim reinen Abverkauf und der offenen gegenständlichen Verbreitung ist die Indizierung im Grundsatz ein hochwirksames Mittel, um den Umlauf von Trägermedien einzudämmen. Es ist wahrscheinlich, dass sich die empirischen Befunde zu Computerspielen für andere Medien extrapolieren lassen. 104

Vgl. zur Abgrenzung der Regelungs-Bereiche noch Kapitel 10, II. 6.

Teil 2

Verfassungsrechtlicher Rahmen der Indizierung Der zweite Teil der Arbeit schafft die Grundlagen für die verfassungsrechtliche Analyse: Er verdeutlicht kurz Umfang und Inhalt der bürgerlichen Freiheitsrechte und begründet den verfassungsrechtlichen Auftrag zum Jugendschutz. Schließlich werden noch föderale Kompetenzfragen diskutiert. Kapitel 5

Der Schutz von Bürgern und Unternehmen durch Grundrechte Der Schutz von Kindern und Jugendlichen tritt häufig in ein Spannungsverhältnis mit den Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG. Das gilt auch für die künstlerischen Gestaltungsrechte in Art. 5 Abs. 3 GG, die Berufsausübungs- und Unternehmerfreiheit nach Art. 12 und die Eigentumsfreiheit nach Art. 14 GG. In diesem Kapitel soll auf die grundrechtlichen Gewährleistungen eingegangen werden. Die Ausführungen sind mit Rücksicht auf das Untersuchungsanliegen knapp gehalten. Sie spiegeln die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes wider und vernachlässigen abweichende Ansichten.

I. Die Kommunikations-Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG „Man muss auf dieser Welt zur rechten Zeit zu reden und zu schweigen wissen“ (Friedrich der Große1).

1. Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1, 1. Hs. GG) Wer eine Meinung äußert, bezieht Position. Dadurch ist Meinung Grundlage für private oder staatspolitische Entscheidungen. Schon daraus erklärt 1 Aus: „Der Antimachiavell oder Untersuchung von Machiavellis ‚Fürst‘.“ Kapitel XXI. Erschienen z. B. im Reclam-Verlag, Leipzig 1991.

Kap. 5: Der Schutz von Bürgern und Unternehmen durch Grundrechte

53

sich ihre immense Bedeutung für eine funktionierende Demokratie. Ein fruchtbarer Wettstreit der Meinungen2 kann aber nur dann entstehen, wenn es eine Garantie dafür gibt, sich frei äußern zu dürfen. Diese Garantie formuliert Art. 5 Abs. 1 S. 1, 1. Hs. GG: Jeder hat das Recht, seine Meinung frei zu äußern. Das Recht erstreckt sich dabei auf alle Formen der Kundgabe: Wort, Schrift und Bild werden nur exemplarisch genannt3. Weil sich Meinung in erster Linie durch Elemente des Dafürhaltens oder Wertens definiert, sind durch Art. 5 Abs. 1 S. 1, 1. Hs. alle Ansichten, Auffassungen, Einschätzungen, Stellungnahmen oder Werturteile geschützt4. Dabei kommt es für den Schutz der Äußerung nicht auf deren Richtigkeit, die vermeintliche Güte oder Sachlichkeit an5. Schließlich kann, aber muss sich eine Meinung nicht zwingend auf gesicherte Erkenntnisse stützen. Der Schutz der Meinungsfreiheit gilt auch für beleidigende Aussagen6. Bei Beleidigungen geht aber eine Abwägung mit anderen Grundrechten (insbesondere Persönlichkeitsrechten) von Adressaten meist zulasten der Äußerungsfreiheit. Umstritten ist, ob auch Tatsachenbehauptungen durch Art. 5 Abs. 1 S. 1, 1. Hs. GG geschützt werden und wenn ja, wie weit. Tatsachenbehauptungen sind Äußerungen, die sich auf objektiv beweisbare Umstände in der Vergangenheit oder Gegenwart beziehen7. Zwar erstreckt sich das Grundgesetz mit seiner Freiheitsgewähr nicht expressis verbis auf objektive Fakten und Tatsachen, bei deren Äußerung ja gerade unabhängig von einer subjektiven Auffassung etwas als objektiv gegeben hingestellt werden soll8. Das Bundesverfassungsgericht unterstellt aber Tatsachenbehauptungen zumindest dann dem Schutz der Meinungsfreiheit, wenn sie sich mit einem Werturteil verbinden9. Das ist überzeugend, weil sich Meinung und Tatsache zwar in 2 BVerfGE 25, S. 265 spricht martialisch von einem „geistigen Kampf der Meinungen“. 3 BVerfGE 93, S. 289; Pieroth/Schlink, § 13 Rn. 556; a. A. von Münch/Kunig/ Wendt, Art. 5 Rn. 16 m. w. N. 4 BVerfGE 30, S. 352; BVerfGE 61, S. 9 f.; BVerfGE 65, S. 41 f.; BVerfGE 71, S. 179 f.; zust. von Mangold/Klein/Starck/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 22; Dreier/ Schulze-Fielitz, Art. 5 I, II Rn. 62; von Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 Rn. 8. 5 BVerfGE 30, S. 347; BVerfGE 61, S. 7; BVerfGE 65, S. 41; BVerfGE 93, S. 289; Jarass/Pieroth, Art. 5 Rn. 4; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 5 I, II Rn. 62. 6 BVerfGE 54, S. 138 f.; BVerfGE 61, S. 1 f.; Grimm, NJW 95, S. 1698. 7 BGHZ 139, S. 102; BGH NJW 05, S. 281 f.; ähnlich: BVerfGE 90, S. 247; BVerfGE 93, S. 289; BVerfGE 94, S. 8; Pieroth/Schlink, § 13 Rn. 552. 8 Grimm, NJW 95, S. 1698. 9 BVerfGE 54, S. 219 f.; BVerfGE 61, S. 8 f.; BVerfGE 65, S. 41 f.; BVerfGE 85, S. 15 f.; BVerfGE 90, S. 15 f.; BVerfGE 90, S. 247 f.; zust. AK/HoffmannRiem, Art. 5 I, II Rn. 30. Eine Mindermeinung geht noch weiter und unterstellt sämtliche Äußerungen – und damit auch alle Tatsachenbehauptungen – der Meinungsfreiheit, vgl. Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 5 I, II, Rn. 65; Erichsen, Jura 96,

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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen der Indizierung

ihrer theoretischen „Reinform“ deutlich voneinander unterscheiden, sich praktisch allerdings häufig untrennbar miteinander vermischen. Dagegen genießen bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen bzw. schmähende Verleumdungen nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes nicht den Schutz der Meinungsfreiheit10. Bewusst unwahr ist eine Äußerung über Sachumstände, wenn ihre Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung unzweifelhaft feststeht und dies dem Äußerer bekannt ist oder sich ihm geradezu aufdrängen muss11. Geschützt ist dagegen die Behauptung, die sich nachträglich als unwahr herausstellt oder die fahrlässig die Unwahrheit verbreitet. Sonst bestünde die Gefahr, dass „aus Furcht vor Sanktion auch zutreffende Mitteilungen oder berechtigter Verdacht unterdrückt würden“12. Bei jugendgefährdenden Medien, die das NS-Regime verherrlichen, werden Argumentationen, Behauptungen und Stellungnahmen häufig durch Fragen eingeleitet oder vorgebracht. Soll eine Frage eine Aussage erst herbeiführen, beinhaltet sie selbst kein eigenes Werturteil. Trotzdem hat die Frage eine unverzichtbare meinungsbildende Funktion. Deshalb genießt auch sie den Schutz der Meinungsfreiheit13. Schwierig wird es allerdings, wenn der Frage nicht die Funktion des Wissens- und Erkenntnisgewinnes zukommt, sondern sie ein semantisches Mittel ist, um eigene Tatsachenbehauptungen oder Werturteile zu formulieren (rhetorische Fragen). Dann handelt es sich um einen „verkappten“ Aussagesatz, der nach den Regeln für Tatsachenbehauptungen und Werturteile zu behandeln ist: Es muss also eine Einzelanalyse erfolgen, welche Teilaussagen den Schutz der Meinungsfreiheit genießen14. Allerdings geht das Bundesverfassungsgericht im Zweifel von einem weiten Fragebegriff aus, um einen wirksamen Schutz der Meinungsfreiheit zu gewährleisten15. S. 85. Für eine reine Beschränkung auf Meinungen dagegen: Huster, NJW 96, S. 487 f. 10 BVerfGE 54, S. 219; BVerfGE 61, S. 8; BVerfGE 85, S. 15; BVerfGE 90, S. 15; BVerfGE 90, S. 247; BGH NJW 77, S. 626; zust. Sachs/Bethge, Art. 5 Rn. 28 m. w. N.; a. A. von Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 Rn. 10; Pieroth/Schlink, § 13 Rn. 555; Ipsen, § 10 Rn. 390; Nolte/Tams, JA 02, S. 261, die die Unwahrheit der Tatsachenbehauptung erst auf Abwägungsebene berücksichtigen wollen. 11 Ähnlich: BVerfGE 12, S. 130; BVerfGE 54, S. 219 f.; von Mangold/Klein/ Starck/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 27; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 5 I, II Rn. 64 m. w. N. 12 Grimm, NJW 95, S. 1699. 13 BVerfGE 85, S. 31 f.; Maunz/Dürig/Herzog, Art. 5 I, II Rn. 55 b.; krit. Sachs/ Bethge, Art. 5 Rn. 30. 14 Erichsen, Jura 96, S. 85. 15 BVerfGE 85, S. 31; zust. Jarass/Pieroth, Art. 5 Rn. 3.

Kap. 5: Der Schutz von Bürgern und Unternehmen durch Grundrechte

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Die Meinungsfreiheit schützt nicht nur das Äußern der Meinung. Sie schützt auch „die durch sie initiierte geistige Wirkung“16. Deshalb wird ein Boykott-Aufruf (z. B. „Kaufen Sie keine Pelze!“) grundsätzlich vom Schutzbereich des Grundrechtes erfasst. Welche Motive hinter solchen Aufrufen stehen, ist zunächst irrelevant17. Allerdings darf die Meinungsausübung nicht mit einer konkreten Machtausübung verbunden sein, die die geistige Beeinflussung erzwingen soll18 (z. B. Versperren eines Geschäftseingangs, Gewaltakte, Sachbeschädigung). In diesem Fall ist nämlich den Adressaten der Meinung faktisch die Möglichkeit genommen, sich für oder gegen sie zu entscheiden. Wenn es dem sich Äußernden darauf aber nicht ankommt, bedarf er auch nicht des Schutzes der Meinungsfreiheit. Uneinheitlich ist die Rechtsprechung in der Vergangenheit immer wieder mit so genannter Schockwerbung umgegangen, also Werbung, die mit extremen Bildern und Botschaften arbeitet19. Der Bundesgerichtshof hat Werbeaussagen zunächst nicht in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fallen lassen, sofern die Werbung lediglich Wettbewerbszwecken diene20. Dagegen hat das Bundesverfassungsgericht sich grundsätzlich für eine Einbeziehung in den Schutzbereich ausgesprochen, wenn die Werbung meinungshaltig ist oder der Meinungsbildung dient21. Dem ist beizupflichten, da Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG Botschaften und Aussagen gerade nicht inhaltlich unterscheidet. Es ist auch nicht ersichtlich, warum Werbeaussagen allein dem Schutz der Berufs- und Unternehmerfreiheit unterstellt werden sollten. Die Werbung bedarf nicht einmal eines Produktbezuges, um in den Genuss des Schutzes von Art. 5 Abs. 1 S. 2. GG zu gelangen: Auch Imagewerbung, die nicht auf die Vermarktung eines bestimmten Produktes abzielt, sondern auf die Verbreitung einer davon unabhängigen (z. B. sozialpolitischen oder gesellschaftskritischen) Aussage, ist einbezogen22. Dem positiven Recht, etwas in Wort und Bild äußern zu dürfen, entspricht die negative Meinungsfreiheit. Sie beschreibt das Recht, keine (bestimmte) Meinung äußern und verbreiten zu müssen23. Damit schützt Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG vor staatlicher Meinungsbefragung, Meinungsunterschiebung und Identifizierungs16

Tettinger, JZ 90, S. 848. BVerfGE 7, S. 210 f.; BVerfGE 25, S. 264; BVerfGE 62, S. 244 f.; Umbach/ Clemens/Clemens, Art. 5 Rn. 65; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 5 I, II Rn. 72 m. w. N. 18 BVerfGE 25, S. 265; von Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 Rn. 12; Sachs/Bethge, Art. 5 Rn. 35; Grimm, NJW 95, S. 1699. 19 Vgl. dazu ausführlich: Schuppert, AfP 03, S. 113 f.; Lange, AfP 02, S. 185 f. 20 BGH NJW 85, S. 62 f.; zust. Ipsen, § 10 Rn. 394. 21 BVerfGE 71, S. 175; BVerfGE 95, S. 182; BVerfGE 102, S. 359; BVerfG JZ 03, S. 622 f. In BVerfG NJW 94, S. 3342 war dies noch offen gelassen worden. 22 Lange, AfP 02, S. 187; Nolte/Tams, JA 02, S. 264. 23 BVerfGE 65, S. 40; Pieroth/Schlink, § 13 Rn. 559. 17

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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen der Indizierung

zwang24. Das Bundesverfassungsgericht geht allerdings nicht von einem Eingriff in den Schutzbereich der negativen Meinungsfreiheit aus, wenn eine Informationsverpflichtung (z. B. Warnhinweise auf Zigarettenpackungen) die Meinung als fremde erkennbar werden lässt (z. B. „Die EG-Gesundheitsminister“)25. Der Schutz durch die Meinungsfreiheit ist von dem anderer Grundrechte abzugrenzen: Wenn es darum geht, dass eine Meinung nur an den gewollten Adressaten gelangt und an keinen unerwünschten Dritten, ist im Fernmeldebereich Art. 10 Abs. 1 GG lex specialis26. Aus der Sicht des Empfängers schließlich sichert die Informationsfreiheit den ungehinderten InformationsZugang als Spezialnorm27. Wird eine Meinung künstlerisch vorgetragen, so ist die Kunstfreiheit lex specialis28. Dagegen geht die Meinungsfreiheit – wie auch die anderen Kommunikationsrechte – bei Anwendbarkeit der allgemeinen Handlungsfreiheit vor29. 2. Der Schutzbereich der Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1, 2. Hs. GG) Jedermann hat das Recht, sich ungehindert aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Diese Informationsfreiheit ist in Art. 5 Abs. 1 S. 1, 2. HS GG verankert. Das Grundgesetz formuliert sie als eigenständige grundrechtliche Verbürgung und nicht bloß als passiven Reflex der Meinungsfreiheit30. Negativ gewendet entspricht der aktiven Informationsfreiheit die Freiheit, sich einer Information entziehen zu können. Der Einzelne ist also durch die Informationsfreiheit auch vor dem Aufdrängen von Informationen und Informationsquellen geschützt31. Informationsquelle ist einmal „jeder denkbare Träger von Informationen, zum anderen der Gegenstand der Information selbst“32. Allgemein zugäng24

Merten, DÖV 90, S. 781. BVerfGE 95, S. 181 f.; zust. Schmidt-Bleibtreu/Klein/Kannengießer, Art. 5, 4. (Form und Inhalt); a. A. Di Fabio, NJW 97, S. 2863. 26 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 5 I, II Rn. 315; Pieroth/Schlink, § 13 Rn. 561. 27 BVerfGE 27, S. 81; AK/Hoffmann-Riem, Art. 5 I, II Rn. 143. 28 BVerfGE 30, S. 200; BVerfGE 75, S. 377; BVerfGE 81, S. 291; von Mangold/ Klein/Starck/Starck, Art. 5 I, II Rn. 267. 29 Seit BVerfGE 11, S. 238, st. Rspr. 30 BVerfGE 27, S. 81; BVerfGE 33, S. 65; BVerfGE 57, S. 270; BVerfGE 90, S. 31 f. 31 von Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 Rn. 26; Jarass/Pieroth, Art. 5 Rn. 18; Sachs/ Bethge, Art. 5 Rn. 53; a. A. wohl AK/Hoffmann-Riem, Art. 5 Rn. 95 (für einen Auffang-Schutz durch Art. 2 Abs. 1 GG). 25

Kap. 5: Der Schutz von Bürgern und Unternehmen durch Grundrechte

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lich ist eine Informationsquelle jedoch nur, wenn sie technisch dazu geeignet und bestimmt ist, die Allgemeinheit zu informieren. Sie muss sich dafür an einen Personenkreis richten, der nicht mehr individuell bestimmbar ist33. Im Ergebnis sind vor allem Zeitungen, Magazine, Rundfunk, Filme oder das Internet allgemein zugängliche Quellen – aber z. B. keine vertraulichen Behördenakten34. Staatliche Zwänge (z. B. eine Beschlagnahme), die eine tatsächliche allgemeine Verbreitung verhindern, sind für die Subsumtion irrelevant35. Sonst könnte der Staat durch solche Maßnahmen auf die Reichweite des Grundrechtes Einfluss nehmen36. Dann aber wäre Art. 5 Abs. 1 S. 1, 2. HS GG ein so „schwaches“ Grundrecht, dass man gleich darauf verzichten könnte. Ein ungehindertes Informieren setzt voraus, dass Informationen beschafft oder/und entgegengenommen werden können37. Der Staat darf die Informationen weder unterdrücken, noch durch nachhaltige Kontrollen verzögern38. Auch Behinderungen beim Anbringen von notwendigen Empfangsvoraussetzungen (z. B. Antenne, Kabel, Satellitenschüssel etc.) stellen Eingriffe in das Grundrecht dar39. Bürger haben jedoch grundsätzlich keine Leistungsansprüche gegen den Staat. Er muss ihnen weder bestimmte Informationen besorgen noch allgemein zugängliche Informationsquellen einrichten40. 3. Der Schutzbereich der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) Auf Meinungs- und Informationsfreiheit kann sich jeder berufen. Die Pressefreiheit schützt dagegen nur Personen, die im Pressewesen tätig sind. Sie ist kein Spezialfall der Meinungsäußerungsfreiheit, sondern verfassungsrechtliche Garantie für eine ungelenkte Presse41. „Daher bezieht sich 32

Wendt, AfP 04, S. 184; Pieroth/Schlink, § 13 Rn. 562; ähnlich: Maunz/Dürig/ Herzog, Art. 5 Rn. 87. 33 BVerfGE 27, S. 83; BVerfGE 33, S. 65; BVerfGE 90, S. 32; zust. von Mangold/Klein/Starck/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 45; Wendt, AfP 04, S. 184. 34 BVerfG NJW 86, S. 1243; zust. von Mangold/Klein/Starck/Starck Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 50 m. w. N. 35 BVerfGE 27, S. 83 f.; BVerfGE 33, S. 65; BVerfGE 90, S. 32. 36 Ipsen, § 10 Rn. 402. 37 BVerfGE 27, S. 81 f.; BVerfGE 90, S. 31 f. 38 BVerfGE 27, S. 98 f.; zust. von Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 Rn. 27. 39 BVerfGE 90, S. 36 f. (für Parabolantenne). 40 BVerfGE 44, S. 147; zust. Schmidt-Bleibtreu/Klein/Kannengießer, Art. 5 Nr. 10 (Keine Verpflichtung des Staates); von Mangold/Klein/Starck/Starck, Art. 5 Rn. 49 f. 41 BVerfGE 85, S. 12; BVerfGE 86, S. 128.

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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen der Indizierung

der Schutz von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG vor allem auf die Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, damit die Presse ihre Aufgabe im Kommunikationsprozess erfüllen kann“42. Dieser Schutz ist primär ein Schutz vor staatlichen Eingriffen und gewährleistet die freie Gründung eines Presseunternehmens ebenso wie die freie inhaltliche Gestaltung des Produktes von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachrichten und Meinungen43. Besondere Bedeutung kommt insoweit dem „Redaktionsgeheimnis“ zu. Es gewährleistet im Pressewesen den Schutz privater Informanten vor dem Wissensbedürfnis staatlicher Stellen44. Aus der Pressefreiheit lässt sich dagegen kein Anspruch auf Auskünfte von öffentlichen Stellen ableiten45. Im Pressewesen tätig sind alle, die Anteil an der inhaltlichen Erstellung von Presse-Produkten haben, insbesondere Verleger46, Redakteure47, Korrespondenten, Journalisten und Autoren. Das Bundesverfassungsgericht hat den Grundrechtsschutz zusätzlich auf Personen ausgeweitet, die „inhaltsferne Hilfsfunktionen“ übernehmen48, z. B. Pressegrossisten49. Dahinter steht die Überlegung, dass eine freie Presse auch „außerhalb der Redaktionsräume“ empfindlich getroffen werden kann: Wenn zum Beispiel die Auslieferung von Zeitungen unterbunden wird oder die interne Arbeitsorganisation50. Bei Hilfstätigkeiten, die nicht in das Presseunternehmen eingegliedert sind, greift die Pressefreiheit allerdings nicht. Hier bleibt es beim Schutz durch andere Grundrechte, insbesondere Art. 12 GG51. Mit Presse beschreibt Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG alle Druckerzeugnisse und Informationsträger, die zur allgemeinen Verbreitung geeignet und bestimmt sind. Ausgenommen sind Produkte, die unter den Film- oder Rundfunkbegriff fallen52. Zur Presse zählen danach z. B. Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Flugblätter, Plakate, Aufkleber und Handzettel, aber auch MDs, DATs 42

BVerfGE 85, S. 13. BVerfGE 20, S. 176; BVerfGE 91, S. 134; BVerfGE 97, S. 144; BVerfGE 103, S. 59. 44 BVerfGE 20, S. 176; BVerfGE 64, S. 114; BVerfGE 95, S. 238; BVerfGE 100, S. 365; BVerfG NJW 03, S. 1793. 45 BVerwGE 70, S. 315. 46 Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 5 Rn. 89 f. m. w. N. 47 Isensee/Kirchhof/Bullinger, § 142 Rn. 22. 48 BVerfGE 64, S. 114; BVerfGE 66, S. 133 f.; zust. Maunz/Dürig/Herzog, Art. 5 I, II Rn. 140 f.; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 5 I, II Rn. 95. 49 BVerfGE 77, S. 353 f.; Jarass/Pieroth, Art. 5 Rn. 27 a. 50 Ipsen, § 10 Rn. 408. 51 BVerfGE 77, S. 354; BVerfGE 100, S. 365; a. A. von Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 Rn. 33 (auch nicht eingegliederte Hilfstätigkeiten). 52 BVerfGE 95, S. 35; Jarass/Pieroth, Art. 5 Rn. 25; Kunig, Jura 95, S. 589. 43

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und Schallplatten53. Erfasst sind auch Anzeigenteile ohne (signifikanten) redaktionellen, also meinungsbildenden Anteil54. Das technische Verfahren, das zur Vervielfältigung angewendet wird, spielt für die Subsumtion keine Rolle55. Es kommt auch nicht darauf an, ob ein Druckerzeugnis regelmäßig (periodisch) oder nur einmalig hergestellt wird. Bei der Pressefreiheit ergeben sich Abgrenzungsfragen zur Meinungsund Informationsfreiheit sowie zur Kunstfreiheit: Wenn ein Kunstwerk durch die Presse verbreitet wird, ist die Kunstfreiheit spezieller und damit einschlägiges Grundrecht56. Meinungsäußerungen in Presseerzeugnissen werden grundsätzlich nach Art. 5 Abs. 1 S. 1, 1. Hs GG behandelt, lediglich organisatorisch-institutionelle Behinderungen berühren den speziellen Schutzbereich der Pressefreiheit57. Die Informationsfreiheit steht selbstständig neben der Pressefreiheit58. Das schließt nicht aus, dass sich über die Pressefreiheit bestimmte Informations-Privilegien im einfachen Recht motivieren (z. B. Auskunftsrechte nach den Landespressegesetzen). 4. Der Schutzbereich der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) Der Rundfunkfreiheit kommt für diese Untersuchung keine Relevanz zu, da Rundfunk gemäß den §§ 1 Abs. 2 S. 2 JuSchG, 2 Abs. 1 JMStV nicht den Regelungen des Jugendschutzgesetzes unterfällt. Für die Abgrenzung von Pressefreiheit und Rundfunkfreiheit ist allerdings der Rundfunkbegriff des Grundgesetzes von Interesse. Das Bundesverfassungsgericht fasst darunter nicht nur den Hörfunk, sondern auch jede andere drahtlose oder drahtgebundene Übermittlung von Gedankeninhalten durch physikalische Wellen (z. B. Fernsehen). Wichtig ist nur, dass sie an eine unbestimmte Vielzahl von Personen gerichtet ist59. Nach herrschender Meinung sind Abruf- und 53 Jarass/Pieroth, Art. 5 Rn. 25; Maunz/Dürig/Herzog, Art. 5 Rn. 129 f.; z. T. weitergehender (Einbeziehung von Videokassetten und DVDs): Sachs/Bethge, Art. 5 I, II Rn. 68 a; von Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 Rn. 30; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 5 I, II Rn. 89. 54 BVerfGE 21, S. 278; BVerfGE 64, S. 114. 55 BVerfGE 85, S. 13; Kunig, Jura 95, S. 589; Jarass/Pieroth, Art. 5 Rn. 25; von Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 Rn. 30. 56 Kunig, Jura 95, S. 590. 57 BVerfGE 43, S. 137; BVerfGE 71, S. 179 f.; BVerfGE 85, S. 12 f.; BVerfGE 86, S. 127 f.; BVerfGE 95, S. 34; BVerfGE 97, S. 400. 58 BVerfGE 27, S. 81; AK/Hoffmann-Riem, Art. 5 I, II Rn. 143. 59 BVerfGE 12, S. 206; BVerfGE 31, S. 315.

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Übermittlungsdienste60 unabhängig von ihrem konkreten Inhalt als Rundfunk anzusehen. 5. Der Schutzbereich der Filmfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) Auf Filme erstreckt sich – anders als auf den Rundfunk – die Regelungsmacht des Jugendschutzgesetzes. Daher soll hier kurz ein Auge auf den Umfang des verfassungsrechtlichen Filmschutzes geworfen werden. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG sichert ausdrücklich auch die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film. Das Grundrecht ist einerseits individuelles Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe, andererseits aber auch institutionelle Garantie61. Umstritten ist allerdings, wie der Leitbegriff Film zu verstehen ist. Folgt man einer weiten Auslegung, so sind dafür grundsätzlich formale Kriterien maßgeblich. Film ist danach die Übermittlung von Gedankeninhalten durch Bilderreihen, die zur Projektierung bestimmt sind62. Damit werden sämtliche Filmgenres vom Schutz des Grundrechtes erfasst. Es findet sich jedoch auch der Ansatz, den Filmschutz des Grundgesetzes inhaltlich zu begrenzen. Schließlich sei die Filmfreiheit im Kontext der Kommunikationsgrundrechte zu sehen und ein Film nicht um seiner selbst willen schützenswert. Es werde vielmehr die Berichterstattung – mit anderen Worten der „Meinungstransport“ – durch den Film geschützt. Unter Berichterstattung sei dabei die „Wiedergabe und Weitergabe von Nachrichten zu verstehen, die sowohl die Verbreitung von Tatsachen als auch die Äußerung von Meinungen und Werturteilen umfassen kann63. Damit wären z. B. Spielfilme nicht vom Schutz des Grundrechtes erfasst. 60 Unter solchen Zugriffsdiensten versteht man Dienste, die fortwährend Informationen übermitteln, von denen die jeweiligen Empfänger wegen bestimmter Filtereinrichtungen (z. B. Satellitenschüssel) aber nur bestimmte Nachrichten wirklich empfangen können. Abrufdienste sind dagegen Dienste, die standardisierte Medieninhalte zum Anschauen und Abrufen bereithalten (z. B. das Internet); vgl. zum Ganzen: Geier, Jura 04, S. 183 m. w. N. 61 Reupert, NVwZ 94, S. 1155; Sachs/Bethge, Art. 5 I, II Rn. 121; Jarass/ Pieroth, Art. 5 Rn. 49. 62 Geier, Jura 04, S. 182; Pieroth/Schlink, § 13 Rn. 580; ähnlich: Isensee/Kirchhof/Bullinger, § 142 Rn. 3, 83; Umbach/Clemens/Clemens, Art. 5 Rn. 113; Maunz/ Dürig/Herzog, Art. 5 Rn. 200 f.; Sachs/Bethge, Art. 5 I, II Rn. 118; von Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 Rn. 61; Dreier/Schulze-Fielitz (chemisch-optischer Bildträger, der in der Öffentlichkeit vorgeführt wird), Art. 5 I, II Rn. 111; Jarass/Pieroth, Art. 5 Rn. 50. 63 BVerwGE 1, S. 305; Schmidt-Bleibtreu/Klein/Kannengießer, Art. 5 Rn. 20 (Institutionelle Garantie und Abwehrrecht); Reupert, NVwZ 94, S. 1155; vgl. auch die Nachweise bei Maunz/Dürig/Herzog, Art. 5 Abs. I, II Rn. 200 Fn. 1.

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Das Bundesverfassungsgericht hat sich bei der Rundfunkfreiheit mit guten Gründen gegen ein enges Verständnis des Rundfunkbegriffes gewandt: Es stellte sinngemäß fest, dass Meinungen nicht nur durch Nachrichten oder Kommentare vermittelt werden könnten, sondern ebenso auch durch Spielfilme, Fernsehspiele oder Features64. Diese Argumentation trägt auch für die Filmfreiheit: Politische Themen werden immer wieder durch Spielfilme zur Diskussion gestellt. Dadurch, dass sich ganze Bevölkerungs-Schichten überhaupt nicht mehr für Informations-Formate interessieren, kommt auch Spielfilmen eine wichtige meinungsbildende Funktion zu. Ganz abgesehen davon verwischen die Grenzen der Film-Genres in der Praxis zunehmend, was zu schwierigen Abgrenzungsproblemen führt. Die Filmfreiheit des Grundgesetzes bezieht deshalb sämtliche Filmproduktionen ein. Auch Videokassetten und DVDs mit Filmen werden – analog – durch die Filmfreiheit geschützt65. Geschützt ist unter anderem die freie Auswahl des Plots und seine Gestaltung, die Inhaltsbeschaffung, das Aufnehmen, das Einführen, Verleihen und Abspielen des Filmes66 sowie die Auswahl, Einstellung und Beschäftigung der Mitarbeiter, die inhaltlich gestaltend an der Filmproduktion mitwirken67. Der Filmfreiheit kommt in der Praxis nicht allzu große Bedeutung zu, da Filme regelmäßig auch durch die speziellere Kunstfreiheit geschützt werden68. 6. Die verfassungsmäßige Rechtfertigung von Eingriffen Unter bestimmten Voraussetzungen darf der Gesetzgeber in die einzelnen Schutzbereiche der Kommunikationsrechte eingreifen: Beschränkungen sind nach Art. 5 Abs. 2 GG zulässig, wenn sie entweder durch allgemeine Gesetze erfolgen, durch Gesetze zum Schutz der Jugend oder durch Gesetze zum Schutz des Rechts der persönlichen Ehre. Über den Wortlaut des Art. 5 Abs. 2 GG hinaus gelten für die Kommunikationsgrundrechte zusätzlich verfassungsimmanente Schranken. 64

BVerfGE 35, S. 202; BVerfGE 59, S. 258. Maunz/Dürig/Herzog, Art. 5 Rn. 198; Jarass/Pieroth, Art. 5 Rn. 50; Dreier/ Schulze-Fielitz, Art. 5 I, II Rn. 112; privat konsumierte Spielfilme ausschließend: von Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 Rn. 61; grundsätzlich a. A. wohl AK/HoffmannRiem, Art. 5 Rn. 145. 66 Wendt, AfP 04, S. 185; Jarass/Pieroth, Art. 5 Rn. 51. 67 Reupert, NVwZ 94, S. 1156 f. 68 von Mangold/Klein/Starck/Starck, Art. 5 Rn. 168 f. m. w. N. 65

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a) Allgemeine Gesetze Gesetze im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG können sowohl formelle als auch materielle Gesetze sein, also Parlaments-Gesetze ebenso wie ihrerseits auf einem formellen Gesetz beruhende Rechtsverordnungen und Satzungen69. Bis heute ist aber umstritten, was genau mit einem „allgemeinen“ Gesetz beschrieben werden soll70. Einigkeit besteht noch darüber, dass ein Gesetz nicht schon dann allgemein ist, wenn es abstrakt-generell formuliert wird. Denn dann würde sich „das Erfordernis der Allgemeinheit vollständig mit dem Verbot des Einzelfallgesetzes in Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG decken und wäre daneben überflüssig“71. Ein Auslegungsvorschlag interpretiert das Merkmal „allgemein“ als formal-inhaltliche Beschränkung, die Sonderrecht gegen die Meinungsfreiheit ausschließen soll. Legt man das zugrunde, ist ein Gesetz immer dann nicht allgemein, wenn es einen bestimmten Meinungs- oder Informationsinhalt wegen seiner geistigen Zielrichtung verbietet oder beschränkt, obwohl die Äußerung oder Verbreitung grundsätzlich erlaubt ist. Umgekehrt ist das Gesetz allgemein, wenn es „die Ausübung des Rechts der freien Meinungsäußerung nicht zum Zwecke der Unterdrückung des gedanklichen Inhalts der Äußerung, sondern aus (. . .) nicht gegen den Gedankeninhalt gerichteten Gründen beschränkt“72. Denkbar ist es auch, Gesetze als allgemein anzusehen, deren Schutzgüter „wichtiger“ als die Meinungsfreiheit sind73. Die Frage, ob ein Gesetz allgemein ist oder nicht, lässt sich dann nicht isoliert von der Regelungssituation betrachten. Es ist vielmehr erforderlich, die jeweilige Wertekonstellation zu analysieren und eine (abstrakte) Abwägung zwischen den widerstreitenden Gütern vorzunehmen. Gebührt im Ergebnis der Meinungsfreiheit der Vorrang, ist das Gesetz nicht allgemein, gebührt im Ergebnis den ande69

BVerfG EuGRZ 79, S. 299 (zu einer kommunalen Marktordnung); Dreier/ Schulze-Fielitz, Art 5 I, II Rn. 106 m. w. N. 70 Huster spricht von einem „Dauerbrenner im Problemfundus des Verfassungsrechts“, vgl. NJW 96, S. 488. Der Begriff der „allgemeinen Gesetze“ findet sich bereits in Art. 118 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung. Schon damals wurde um seine Interpretation lebhaft gestritten, vgl. dazu Hoppe, JuS 91, S. 735 m. w. N. 71 Pieroth/Schlink, § 13 Rn. 587. 72 Grundlegend: G. Häntzschel, „Das Grundrecht der freien Meinungsäußerung und die Schranken der allgemeinen Gesetze des Artikels 118 f. der Reichsverfassung“, AöR 10 n. F. (1926), S. 232 f.; dem – im Grundsatz – folgend z. B. Ipsen, § 10 Rn. 443; AK/Hoffmann-Riem, Art. 5 Rn. 43; von Mangold/Klein/Starck/ Starck, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 198 m. w. N. 73 Grundlegend: Smend, „Das Recht der freien Meinungsäußerung“, VVDStRL 4 (1928),S. 51 f.; Vertreter-Nachweise bei: Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 5 I, II Rn. 140 f.

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ren Gütern der Vorrang, ist es allgemein74. Diese Auslegung wirft jedoch die Frage auf, welchen Sinn dann dogmatisch die separate Aufzählung der Schranken Jugendschutz und persönliche Ehre in Art. 5 Abs. 2 GG haben soll. Ihre Erwähnung dokumentiert ja unzweifelhaft ihre Wichtigkeit75. Auf der anderen Seite würde die strikte Anwendung der Sonderrechtslehre zu schwer erträglichen Meinungsäußerungen außerhalb des gesellschaftlichen Konsenses führen. Sie ließen sich nur im Bereich des Jugend- und Ehrschutzes durch Sonderrecht unterbinden76. Deshalb verbindet das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung beide Auslegungsansätze zu einer gemeinsamen Formel. Es kommt zu dem Schluss, dass Gesetze immer dann allgemein sind, wenn sie nicht eine Meinung als solche verbieten, sondern „dem Schutz eines schlechthin (. . .) zu schützenden Rechtsguts dienen (. . .), (das) gegenüber der Betätigung der Meinungsfreiheit den Vorrang hat“77. Ein Gesetz muss also, um allgemein zu sein, einen besonders wertvollen Zweck verfolgen und meinungsneutral sein. Es darf nicht für oder gegen bestimmte Aussagen missionieren78. b) Gesetzliche Bestimmungen zum Schutz der Jugend Gesetze zum Schutz der Jugend und zum Schutz der persönlichen Ehre müssen nicht allgemein sein, um die Kommunikations-Grundrechte wirksam einzuschränken. Sie dürfen Sonderrecht darstellen, also eine bestimmte Meinung um ihrer selbst willen verbieten79. Ein Gesetz dient speziell dem Schutz der Jugend, wenn es darauf angelegt ist, der Gefahr einer (dauerhaften) physischen oder psychischen Fehlentwicklung von Kindern und Jugendlichen vorzubeugen oder entgegenzusteuern80. Eine solche Gefahr hat das Bundesverfassungsgericht bei Medien gesehen, die „die Gewalttätigkeit oder Verbrechen glorifizieren, Rassenhass provozieren, den Krieg verherr74

Hoppe, JuS 91, S. 735. Bettermann, JZ 64, S. 603; Ipsen, § 13 Rn. 442; Hoppe, JuS 91, S. 736. 76 Hoppe, JuS 91, S. 736 (der als Beispiel das Tragen einer Hakenkreuzplakette erwähnt). 77 BVerfGE 7, S. 209 f.; bestätigt von: BVerfGE 28, S. 292; BVerfGE 50, S. 241; BVerfGE 59, S. 263 f.; BVerfGE 62, S. 243 f.; BVerfGE 71, S. 214; BVerfGE 74, S. 343; BVerfGE 91, S. 135; BVerfGE 95, S. 235 st. Rspr. 78 Pieroth/Schlink, § 13 Rn. 593. 79 Stettner, ZUM 03, S. 427; von Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 Rn. 83; von Mangold/Klein/Starck/Starck, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 209; Ipsen, § 10 Rn. 451; Dreier/ Schulze-Fielitz, Art. 5 I, II Rn. 151. 80 BVerfGE 30, S. 347 f.; BVerfGE 70, S. 356 f.; BVerfGE 90, S. 18 f.; Dreier/ Schulze-Fielitz, Art. 5 Rn. 147; Tettinger, JZ 90, S. 853. 75

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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen der Indizierung

lichen oder sexuelle Vorgänge in grob schamverletzender Weise darstellen“81. Gesetzliche Regelungen zum Schutz der Jugend finden sich vor allem im JuSchG sowie im JMStV. c) Einschränkungen durch das Recht der persönlichen Ehre Die äußere Geltung des Menschen und sein innerer Wert machen seine persönliche Ehre aus82. Ihr Schutz ist letztlich auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG zurückzuführen: Alle staatliche Gewalt ist verpflichtet, die Würde des Menschen und damit einen Mindestbestand der Ehre zu schützen83. Sofern dieser Mindestbestand der Ehre kommunikativ negiert wird, müssen die jeweiligen Kommunikationsfreiheiten zurückstehen. Der Gesetzgeber darf entsprechende Äußerungen zum Schutz der persönlichen Ehre untersagen (z. B. in den §§ 185 f. StGB). d) Verfassungsimmanente Schranken Obwohl Art. 5 Abs. 2 GG konkrete Einschränkungsmöglichkeiten der Kommunikationsgrundrechte formuliert, ist seine Aufzählung nicht abschließend zu verstehen. Grenzen für die Kommunikationsfreiheiten ergeben sich zusätzlich aus Gesetzen, die verfassungsimmanente Schranken konkretisieren84. Ziel dieser Normen ist es entweder, Verfassungsgüter, die im Wertungsgefüge des Grundgesetzes gleichrangig sind, möglichst schonend miteinander auszugleichen oder ein Hierarchieverhältnis durchzusetzen (z. B. absoluter Vorrang des Schutzes der Menschenwürde). Dabei ergibt sich eine verfassungsimmanente Schranke aus kollidierenden Grundrechten Dritter und durch andere mit Verfassungsrang ausgestatte Rechtswerte, die im Einzelfall substantiell hergeleitet werden müssen85. 81 BVerfGE 30, S. 347. Diese und andere Fallgruppen der Jugendgefährdung werden im dritten Teil der Untersuchung im Rahmen des Kapitels „Indizierungsgründe“ kritisch hinterfragt und gewürdigt. 82 AK/Hoffmann-Riem, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 58; von Mangold/Klein/Starck/ Starck, Art. 5 Rn; Meirowitz, S. 149. 83 Sachs/Bethge, Art. 5 Rn. 163; Ipsen, § 10 Rn. 455; von Mangold/Klein/Starck/ Starck, Art. 5, Rn. 209. 84 BVerfGE 66, S. 136; BVerwG 87, S. 45 f.; Tettinger, JZ 90, S. 852; Jarass/ Pieroth, Art. 5 Rn. 65; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 5 I, II Rn. 152 f.; a. A. Sachs/ Bethge, Art. 5 Rn. 176 f. 85 BVerfGE 28, S. 261; BVerfGE 30, S. 193; Jarass/Pieroth, Art. 5 Rn. 66 und Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 5 Rn. 153 mit konkreten Nachweisen.

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Der Rückgriff auf verfassungsimmanente Schranken ist bei Art. 5 GG aber nur zulässig, wenn die ausdrücklich formulierten Grenzbestimmungen des Absatzes 2 nicht greifen86. e) Verhältnismäßigkeit und Zensurverbot In seinem „Lüth-Urteil“ hat das Bundesverfassungsgericht die besondere Bedeutung der Meinungs- und Informationsfreiheit in der Demokratie herausgestellt. Aufgrund dieser herausragenden Bedeutung ergebe sich „eine Wechselwirkung in dem Sinne, dass die allgemeinen Gesetze zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht Schranken setzen, ihrerseits aber (. . .) in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden“ müssten87. Das Grundrecht strahlt also auf die Auslegung und die Anwendung seiner eigenen Schranke aus. Diese „Wechselwirkungstheorie“ wird als Ausprägung des Übermaßverbotes mittlerweile auf alle Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG und die meisten anderen Grundrechtsschranken angewandt88. Sie stellt im Grunde eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit dar, also eine Stimmigkeitskontrolle, ob ein „angemessenes (proportionales) Verhältnis zwischen geschützten Rechtsgütern und Beschränkungsmaßnahmen besteht“89. Nur, wenn eine Einschränkung bezogen auf den Zweck legitim und in Hinblick auf die Zweck-Mittel-Relation geeignet, erforderlich und angemessen ist, kann sie das Grundrecht verfassungskonform einschränken90. Andernfalls lässt sie sich nicht rechtfertigen, weil sie unverhältnismäßig ist. Das Zensurverbot des Art. 5 Abs. 3 GG ist einer der seltenen Fälle, in denen das Grundgesetz expressis verbis einen solchen unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte benennt. Es stellt eine absolute Eingriffsgrenze dar, kein eigenständiges Grundrecht91. Deshalb ist eine legislative Umgehung des Zensurverbotes auch für den eng begrenzten Einzelfall nicht zulässig92. Seiner systematischen Stellung nach gilt das Zensurverbot für alle Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG. Das Bundesverfassungs86

Jarass/Pieroth, Art. 5 Rn. 65. BVerfGE 7, S. 208 f.; vgl. auch: BVerfGE 71, S. 214. 88 BVerfGE 54, S. 137; BVerfGE 68, S. 232 f.; vgl. dazu auch Grimm, NJW 95, S. 1698 f. 89 Ipsen, § 13 Rn. 459. 90 BVerfGE 71, S. 181; Tettinger, JZ 90, S. 852. 91 Jarass/Pieroth, Art. 5 Rn. 63; Maunz/Dürig/Herzog, Art. 5 Abs. I, II Rn. 296; von Mangold/Klein/Starck/Starck, Art. 5 I, II Rn. 173; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 5 Rn. 170; Ipsen,§ 10 Rn. 463. 92 BVerfGE 30, S. 72; BVerfGE 33, S. 72; Gucht, S. 43 f.; Sachs/Bethge, Art. 5 Rn. 129; Maunz/Dürig/Herzog, Art. 5 Abs. I, II Rn. 302; Tettinger, JZ 90, S. 851; Meirowitz, S. 153. 87

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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen der Indizierung

gericht will es trotzdem nicht für die Informationsfreiheit gelten lassen. Die Leser und Bezieher von Geisteswerken seien durch Zensur nicht betroffen. Denn Zensur richte sich ihrem Wesen nach gegen den Äußernden, den Urheber der Meinung, nicht jedoch gegen den jeweiligen Rezipienten93. Zensur beschreibt den Fall, dass die Äußerung von Meinungen oder die Herstellung bzw. Verbreitung von Geisteswerken nur dann erlaubt ist, wenn die Äußerung vorher von staatlichen Stellen vorgeprüft und genehmigt wird94. Dabei ist nur die Verbreitung von Inhalten geschützt, nicht die Form, in der die Verbreitung geschieht95. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes verbietet das Grundgesetz auch lediglich die präventive Zensur, also die Zensur vor der ersten Äußerung und Verbreitung eines Geisteswerkes96. Zensur als Verbot nach der ersten Veröffentlichung soll möglich sein, wenn sie die Schrankenbestimmungen des Abs. 2 erfüllt und verhältnismäßig ist. Zur Begründung führt es aus, dass andernfalls kein effektiver Schutz der persönlichen Ehre und der Jugend möglich sei. Diese Güter seien aber wiederum explizit als Schranken in Abs. 2 formuliert97. Nach zutreffender Ansicht sind auch solche Eingriffe Zensur, die faktisch einem präventiven Verfahren gleich kommen98. Voraussetzung ist aber, dass der faktische Kontrollmechanismus quasi Äquivalent der formellen Zensur ist99. 93 BVerfGE 27, S. 102; zust.: von Mangold/Klein/Starck/Starck, Art. 5 Rn. 171;a. A. Sachs/Bethge, Art. 5 Rn. 129; Jarass/Pieroth, Art. 5 Rn. 63; Erdemir, S. 58 f.; wohl auch: Pieroth/Schlink, § 13 Rn. 604. 94 BVerfGE 33, S. 71; BVerfGE 73, S. 166; BVerfGE 83, S. 155; BVerfGE 87, S, 230; zust.: von Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 Rn. 62; Jarass/Pieroth, Art. 5 Rn. 63; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 5 I, II Rn. 171; Sachs/Bethge, Art. 5 Rn. 131; Maunz/ Dürig/Herzog, Art. 5 Abs. I, II Rn. 297; Erdemir, S. 42 f. Einen umfassenden Überblick über die sich im Detail doch sehr deutlich unterscheidenden Zensur-Definitionen geben Fiedler, S. 44 f. und S. 55 f. sowie Nessel, S. 50 f. und S. 142 f. 95 Vgl. von Mangold/Klein/Starck/Starck, Art. 5 Rn. 174; von Münch/Kunig/ Wendt, Art. 5 Rn. 63, wonach z. B. der Abwurf von Flugblättern auf Autobahnen untersagt ist – jedoch aus Sicherheitsgründen und nicht wegen der in den Flugblättern enthaltenen Meinung. 96 BVerfGE 33, S. 71; BVerfGE 47, S. 236; BVerfGE 73, S. 166; BVerfGE 83, S. 155; BVerfGE 87, S. 230. Das entspricht auch der herrschenden Lehre, vgl. von Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 Rn. 62; Maunz/Dürig/Herzog, Art. 5 Abs. I, II Rn. 298; Ipsen § 10 Rn. 464 m. w. N. Anderer Ansicht aber insbesondere AK/HoffmannRiem, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 93. 97 BVerfGE 33, S. 71. 98 Pieroth/Schlink § 13 Rn. 605; zweifelnd: von Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 Rn. 64 – nur „staatliche Maßnahmen“. 99 Lerche, S. 108; AK/Hoffmann-Riem, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 80.

Kap. 5: Der Schutz von Bürgern und Unternehmen durch Grundrechte

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Das Indizierungsrecht ist grundsätzlich reaktiv konzipiert und formuliert keine vollständigen Vertriebs- und Verbreitungsverbote für indizierte Medien. Trotzdem kann es unter dem Aspekt der mittelbaren und faktischen Wirkung von Voraus-Indizierungen zu einer gefährlichen Annäherung an das Zensurverbot des Art. 5 Abs. 1 S. 3 kommen. Relevant wird ein möglicher Verstoß gegen das Zensurverbot auch bei der automatischen Indizierung von bestimmten Medien. Darauf wird im dritten Teil der Untersuchung vertieft eingegangen werden.

II. Die Grundrechte des Art. 5 Abs. 3 GG „Kunst, wenn ich wüsste, was das ist, würde ich das für mich behalten“ (Pablo Picasso zugeschrieben100)

Kunst und Wissenschaft sind frei. Das Grundgesetz sichert damit in Art. 5 Abs. 3 GG umfassend die Freiheit individueller Kreativität und Entfaltung. 1. Kunstfreiheit Was allerdings Kunst im Sinne des Grundgesetzes ist, darüber streiten sich die Rechtsgelehrten seit Jahrzehnten. Eine allgemein anerkannte Definition konnte auf Grund der Vielgestaltigkeit und Entwicklungsoffenheit der Kunst bisher nicht gefunden werden. Zum Teil wird sie sogar für unmöglich gehalten101. Nun beschreibt Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG aber einen spezifischen Schutzbereich über den Begriff der Kunst. Deshalb führt kein Weg daran vorbei, den Kunstbegriff des Grundgesetzes juristisch näher zu bestimmen102. Das Bundesverfassungsgericht postuliert im Grundsatz ein weites Kunstverständnis. Jedoch erhebt es nicht jegliche Banalität zur Kunst. Subsumtionsgrundlage des Gerichtes sind drei zum Teil in der Literatur entwickelte Kunstdefinitionen103. Sie werden meist nebeneinander verwendet104: 100 Aus: „Wort und Bekenntnis“, S. 26. Erschienen im Ullstein-Verlag, Frankfurt 1957 (vergriffen). 101 BVerfGE 67, S. 225; BVerfGE 75, S. 377; Knies, S. 214 f.; Hoffmann, NJW 85, S. 237; MK/Reich, Art. 5 Rn. 5; Umbach/Clemens/Zöbeley, Art. 5 Rn. 230; Erbel, ZUM 85, S. 294; Leonardy, NJW 67, S. 715. 102 BGH NJW 75, S. 1884; Würkner, S. 123 f.; Sachs/Bethge, Art. 5 Rn. 190; Maunz/Dürig/Scholz, Art. 5 Abs. III Rn. 25; Ipsen, § 10 Rn. 473; von Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 Rn. 89; Jarass/Pieroth, Art. 5 Rn. 106; Dreier/Pernice, Art. 5 III (Kunst) Rn. 17; von Mangold/Klein/Starck/Starck, Art. 5 Rn. 298. 103 Vertreter-Nachweise bei BVerfGE 67, S. 228 f.; BVerfGE 81, S. 291 f.

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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen der Indizierung

Einmal greift das Bundesverfassungsgericht auf den als formal bezeichneten Kunstbegriff zurück105. Dieser geht von Kunst aus, wenn eine Äußerung die formaltypischen allgemeinen Gattungsanforderungen eines Werktypus erfüllt106, z. B. eines Romans, einer Novelle, eines Stilllebens etc. Weiter stellt es maßgeblich auf den inhaltsbezogenen107 oder auch materiellen108 Kunstbegriff ab. Das Wesentliche der künstlerischen Betätigung ist danach die „freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formsprache zur unmittelbaren Anschauung gebracht werden (. . .). Beim künstlerischen Schaffen wirken [nach diesem Ansatz] Intuition, Phantasie und Kunstverstand zusammen; es ist primär nicht Mitteilung, sondern Ausdruck und zwar unmittelbarster Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers“109. Schließlich bemüht das Bundesverfassungsgericht den offenen Kunstbegriff, der es für eine künstlerische Äußerung als wesentlich ansieht, dass „der Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weiterreichende Bedeutung zu entnehmen [ist], so dass sich eine praktisch unerschöpfliche, vielstufige Informationsvermittlung ergibt“110. Eine klare Entscheidung darüber, wie zu verfahren ist, wenn ein Werk nur nach einem oder zwei der drei Definitionsansätze als Kunst zu qualifizieren ist, hat das Bundesverfassungsgericht bedauerlicherweise noch nicht getroffen111. Um einerseits ein Mindestmaß an Differenzierbarkeit zwischen Kunst und Nichtkunst zu gewährleisten, andererseits aber den Kunstbegriff auch nicht zu verengen, sollten mindestens zwei der erwähnten Kunstdefinitionen erfüllt sein, um juristisch von Kunst auszugehen. Eine Festlegung auf bestimmte Kunstdefinitionen ist dabei nicht zu empfehlen: Zwar greifen alle drei Definitionen bestimmte Facetten der Kunst auf und spiegeln sie wider. Keiner gelingt jedoch eine umfassende Definition. Es kann also juristisch nur darum gehen, sich dem Phänomen Kunst so weit wie möglich anzunähern und es so weit als möglich zu erfassen. 104 BVerfGE 81, S. 305; BVerfGE 83, S. 138; zum Ganzen auch Fischer, S. 21 f.; Henschel, NJW 90, S. 1938. 105 BVerfGE 67, S. 228 f. 106 Vgl. dazu ausführlich Müller, S. 40 f.; derselbe, JZ 70, S. 89; Knies, S. 162 f. und S. 219 f. 107 BVerfGE 81, S. 305. 108 Pieroth/Schlink, § 14 Rn. 611. 109 BVerfGE 30, S. 189; BVerfGE 67, S. 226; BVerfGE 81, S. 291; BVerfGE 83, S. 138. 110 BVerfGE 67, S. 226 f.; BVerfGE 83, S. 138; grundlegend: Von Noorden, S. 57 f.; weitere Nachweise bei Umbach/Clemens/Zöbeley, Art. 5 Rn. 233 f. 111 Fischer, S. 33.

Kap. 5: Der Schutz von Bürgern und Unternehmen durch Grundrechte

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Auf die Kunstfreiheit berufen kann sich der geistige Schöpfer der Kunst112. Das gilt auch für den, der für die Fertigung eines anderen Kunstwerkes übt113 sowie für denjenigen, der für die Verbreitung von Kunstwerken als Mittler sorgt114 – nicht jedoch die Konsumenten115. Der Schutz des Grundrechtes reicht von der Auswahl des künstlerischen Themas über dessen Gestaltung bis zur Werbung für das Kunstwerk und seine Verbreitung. Der „Werkbereich“ (die künstlerische Betätigung) der Kunst ist also ebenso gesichert wie ihr „Wirkbereich“ (die Darbietung und Verbreitung)116. Allerdings erstreckt sich der Schutz „von vorneherein nicht auf die eigenmächtige Inanspruchnahme oder Beeinträchtigung fremden Eigentums zum Zwecke der künstlerischen Entfaltung“117. 2. Wissenschaftsfreiheit Auch Wissenschaft, Forschung und Lehre sind schrankenlos118 garantiert. Um die Auslegung des Wissenschaftsbegriffes wird weniger gestritten als um das Begriffsverständnis der Kunst. Trotzdem ergibt sich hier die methodisch gleiche Schwierigkeit – nämlich den Schutzbereich eines schrankenlosen Grundrechts definitorisch eingrenzen zu müssen, das seinem Charakter nach entwicklungsoffen ist und dessen Entwicklungsoffenheit gerade besonders geschützt werden soll. Unstreitig ist, dass in der demokratischen Wissensgesellschaft ein möglichst großer Freiraum für den wissenschaftlichen Diskurs bestehen muss. Deshalb definiert das Bundesverfassungsgericht den Begriff der Wissenschaft sehr weit: Es subsumiert darunter grundsätzlich alles, was inhaltlich und formell einen ernsthaften und planmäßigen Versuch darstellt, die Wahrheit zu ermitteln, Sachverhalte zu deuten und weiterzugeben119. Hieraus erhellt sich zugleich, dass nicht sämtliche Abhandlungen 112 von Mangold/Klein/Starck/Starck, Art. 5 Abs. 3 Rn. 306; Umbach/Clemens/ Zöbeley, Art. 5 Rn. 238; Dreier/Pernice, Art. 5 III (Kunstfreiheit) Rn. 27. 113 Isensee/Kirchhof/Denninger, § 146 Rn. 18; von Mangold/Klein/Starck/Starck, Art. 5 Abs. 3 Rn. 307. 114 BVerfGE 30, S. 191; BVerfGE 36, S. 331; BVerfGE 81, S. 292; Jarass/ Pieroth, Art. 5 Rn. 107 f.; Dreier/Pernice, Art. 5 III Rn. 28. 115 Pieroth/Schlink, § 14 Rn. 614; Dreier/Pernice, Art. 5 Abs. 3 Rn. 28. 116 BVerfGE 30, S. 189; BVerfGE 67, S. 224; BVerfGE 77, S. 251. 117 BVerfG NJW 84, S. 1294. 118 Art. 5 Abs. 3, S. 2 GG ist keine selbstständige Schranke der Lehre, vgl. dazu noch unten 3. 119 Ständige Rechtsprechung, vgl. nur: BVerfGE 83, S. 12; BVerfGE 35, S. 113; BVerfGE 47, S. 367. Ähnlich: BVerwGE 23, S. 120: „Merkmale schöpferischer geistiger Arbeit und Durchdringung, wie sie Werken der Wissenschaft und Forschung eigentümlich sind“.

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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen der Indizierung

als Wissenschaft erfasst sind, die der Autor aus seiner subjektiven Sicht zur Wissenschaft erhebt120. Entscheidend ist der objektiv nachvollziehbare Versuch des Erkenntnisgewinnes, der auf anerkannte oder anzuerkennende Methoden zurückzuführen ist. Forschung und Lehre sind lediglich Unterbegriffe der Wissenschaft121. Forschung beschreibt ein methodisches, systematisches und nachprüfbares Vorgehen, welches das Ziel hat, neue Erkenntnisse zu gewinnen bzw. solche Erkenntnisse zu überprüfen122. Lehre bezieht sich auf die Vermittlung der durch Forschung gewonnenen Erkenntnisse123. Wissenschaft kann mit ihrem kritischen und der Wahrheit verpflichteten Anspruch anstößig und provokant sein. Daher darf die Methodikprüfung nicht in eine Inhaltskontrolle entarten: Dass ein wissenschaftlicher Ansatz möglicherweise falsch ist oder ungewöhnliche methodische Wege geht, hindert seine Privilegierungsfähigkeit nicht124. Denn über „gute und schlechte Wissenschaft, Wahrheit oder Unwahrheit von Ergebnissen kann nur wissenschaftlich geurteilt werden“125. Die Grenze des Wissenschaftsbegriffes ist jedoch überschritten, wenn ein Werk vorgefassten Meinungen oder Ergebnissen „lediglich den Anschein wissenschaftlicher Gewinnung oder Nachweisbarkeit verleiht. Dafür kann die systematische Ausblendung von Fakten, Quellen, Ansichten und Ergebnissen (. . .) ein Indiz sein“, soweit sie die Auffassung des Autors in Frage stellen würde126. Grundrechtsträger sind alle Personen, die wissenschaftlich tätig sind – die also forschen, lehren und veröffentlichen127. Über Art. 19 Abs. 3 GG kom120 BVerfGE 90, S. 12; Maunz/Dürig/Scholz, Art. 5 Abs. III Rn. 89; Umbach/ Clemens/Zöbeley, Art. 5 Rn. 242; von Mangold/Klein/Starck/Starck, Art. 5 Abs. 3 Rn. 353. 121 BVerfGE 35, S. 113; Umbach/Clemens/Zöbeley, Art. 5 Rn. 229; Pieroth/ Schlink, § 14 Rn. 608; Dreier/Pernice, Art. 5 III (Wissenschaft) Rn. 24. 122 Ähnlich: BVerfGE 35, S. 113; BVerfGE 47, S. 367; von Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 Rn. 100; Jarass/Pieroth, Art. 5 Rn. 122. 123 BVerfGE 35, S. 133; Maunz/Dürig/Scholz, Art. 5 III Rn. 105 f.; von Mangold/Klein/Starck/Starck, Art. 5 Abs. 3 Rn. 358. 124 Treffend: AK/Denninger, Art. 5 Abs. 3 Rn. 15: „Die Möglichkeit des Irrtums wird zum heuristischen Prinzip erhoben“; ähnlich: von Mangold/Klein/Starck/ Starck, Art. 5 Abs. 3 Rn. 353; Umbach/Clemens/Zöbeley, Art. 5 Rn. 243. 125 BVerfGE 83, S. 12; BVerfGE 90, S. 14. 126 BVerfGE 83, S. 13; ähnlich: Jarass/Pieroth, Art. 5 Rn. 121; Dreier/Pernice, Art. 5 III (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 26. 127 BVerfGE 35, S. 112 f.; BVerfG VBlBW 86, S. 415; BVerfGE 88, S. 136; BVerfGE 90, S. 12; Ipsen, § 10 Rn. 497; von Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 Rn. 103; Pieroth/Schlink § 14 Rn. 623; Umbach/Clemens/Zöbeley, Art. 5 Rn. 229 m. w. N.

Kap. 5: Der Schutz von Bürgern und Unternehmen durch Grundrechte

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men auch Hochschulen des öffentlichen Rechts und Fakultäten128 oder Wissenschaftsorganisationen129 in den Genuss des Grundrechts. Geschützt sind die Grundrechtsträger vor Gängelung bei der Auswahl ihres Forschungsgegenstandes, der Methodenwahl sowie der Bewertung und Verbreitung ihrer Ergebnisse. Auch das Lesen von Fachliteratur zur Vorbereitung auf die Forschung und das Anhören bzw. Halten von Vorträgen ist grundrechtlich gewährleistet130. Gegenüber Art. 5 Abs. 1 sind Kunst- und Wissenschaftsfreiheit leges speciales131. Das gilt in der Regel auch im Verhältnis der Grundrechte zur Berufsfreiheit, es sei denn, es fehlt bei Eingriffen an einem spezifischen Bezug zur Kunst- und Wissenschaftsfreiheit132. 3. Verfassungsmäßige Rechtfertigung Ihrem Wortlaut nach sind die Grundrechte des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG ohne Einschränkungen gewährleistet133. Nun kann es aber auch bei der Ausübung von Kunst- und Wissenschaftsfreiheit zu Konflikten mit wichtigen Grundrechten Dritter kommen – vor allem Persönlichkeitsrechten. Deshalb geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit ausnahmsweise doch durch Gesetze eingeschränkt werden dürfen. Die legitime Beschränkung der Freiheiten setzt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes Gesetze voraus, die auf den Ausgleich von Kunst und Wissenschaft mit gleich- oder höherrangigen Verfassungswerten abzielen und diesen im Wege praktischer Konkordanz realisieren134. Diese höchst128 Sachs/Bethge, Art. 5 Rn. 210; Dreier/Pernice, Art. 5 III (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 35; Jarass/Pieroth, Art. 5 Rn. 125; von Mangold/Klein/Starck/Starck, Art. 5 Abs. 3 Rn. 408. 129 Maunz/Dürig/Scholz, Art. 5 III Rn. 125 m. w. N. 130 Vgl. zum Schutzbereich: BVerfGE 47, S. 367; BVerfGE 90, S. 12; SchmidtBleibtreu/Klein/Kannengießer, Art. 5 Rn. 30 (Inhalt und Umfang der Garantie); Maunz/Dürig/Scholz, Art. 5 Abs. III Rn. 110 m. w. N. 131 BVerfGE 30, S. 191; BVerfGE 30, S. 70; BVerfGE 75, S. 377; Dreier/Pernice, Art. 5 III (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 64; Jarass/Pieroth, Art. 5 Rn. 120. 132 So zur Wissenschaftsfreiheit: Jarass/Pieroth, Art. 5 Rn. 120 m. w. N.; differenzierend: Dreier/Pernice, Art. 5 III (Wissenschaftsfreiheit); Umbach/Clemens/ Zöbeley, Art. 5 Rn. 226. 133 Zu den Besonderheiten der Lehrfreiheit siehe noch sogleich. 134 BVerfGE 30, S. 350 f.; BVerfGE 57, S. 70 f.; BVerfGE 67, S. 228 f.; BVerfGE 77, S. 256 f.; VerfGE 81, S. 292 f.; BVerfGE 81, S. 298 f.; BVerfGE 83, S. 139; BVerfGE 85, S. 360 f.; Schmidt-Bleibtreu/Klein/Kannengießer, Art. 5 Rn. 32 (Bindung an die Verfassung); Dreier/Pernice, Art. 5 III (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 39.

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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen der Indizierung

richterliche Interpretation ist in der Rechtswissenschaft durchaus umstritten, weil sie nach Ansicht einiger Autoren dem Wortlaut des Grundgesetzes zuwiderläuft135. Es fehlt jedoch an einem dogmatisch überzeugenden Gegenvorschlag, welchen Schranken die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit unterliegen soll: Eine völlige Schrankenlosigkeit der kreativen Gestaltungsrechte, wie sie der Wortlaut des Grundrechtes nahe legt, ist keine Alternative. Sie widerspräche der inneren Systematik und Teleologie des Grundgesetzes: Denn sie würde zulasten jeglicher Drittrechte gehen und insbesondere bei einer Verletzung des Art. 1 Abs. 1 GG durch die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit zu kaum erklärlichen Wertungswidersprüchen führen. Auch die analoge Anwendung der Schranken des Abs. 2 auf die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit hat das Bundesverfassungsgericht zu Recht aus systematischen Gründen verworfen136. So bleibt im Ergebnis nichts anderes übrig, als jede Einschränkung gewissenhaft daraufhin zu hinterfragen, ob die Hierarchie der Grundrechte im konkreten Einzelfall gewahrt bleibt und ob alle Einschränkungen verhältnismäßig und unter Berücksichtigung der gesamtstaatlichen Bedeutung der künstlerischen Gestaltungsrechte erfolgen. Für die Freiheit der Lehre sieht Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG eine zusätzliche Bindung an die verfassungsmäßige Ordnung vor. Die Formulierung erklärt sich aus schlechten Erfahrungen in der Weimarer Republik, in der die Lehrfreiheit von Professoren missbraucht wurde, um die Demokratie verächtlich zu machen137. Nach richtiger Ansicht ist darin jedoch keine zusätzliche Beschränkung zu sehen138: Erfolgen Demagogie und Polemik unter dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit, genießen sie schon per se nicht den Schutz der Wissenschaftsfreiheit.

III. Das elterliche Erziehungsrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG Indizierungsnormen können auch das elterliche Erziehungsrecht beschneiden, das die Verfassung garantiert. Dies macht einen Blick auf Umfang und Grenzen der verfassungsrechtlichen Gewährleistung erforderlich. 135 Kritik u. a. bei Sachs/Bethge, Art. 5 Rn. 198; von Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 Rn. 96; Ipsen, § 10 Rn. 486. 136 BVerfGE 30, S. 191 f.; BVerfGE 47, S. 369; BVerfGE 67, S. 228 f.; BVerfGE 83, S. 139 f.; Isensee/Kirchhof/Denninger, § 146 Rn. 38; von Mangold/Klein/ Starck/Starck, Art. 5 Abs. 3 Rn. 328; Sachs/Bethge, Art. 5 Rn. 197; a. A. Knies, S. 257 f. 137 von Münch/Kunig/Wendt, Art. 5 Rn. 114; von Mangold/Klein/Starck/Starck, Art. 5 Abs. 3 Rn. 427. 138 Dreier/Pernice, Art. 5 III (Kunstfreiheit) Rn. 41 m. w. N.; a. A. von Mangold/ Klein/Starck/Starck, Art. 5 Abs. 3 Rn. 427 m. w. N.

Kap. 5: Der Schutz von Bürgern und Unternehmen durch Grundrechte

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1. Schutzbereich und Eingriffe Pflege und Erziehung der Kinder sind gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG zugleich Recht und Pflicht der Eltern. Damit kommt eine Berechtigung und Obliegenheit der Eltern zum Ausdruck, die geistige und seelische Entwicklung ihrer Kinder zu prägen und insbesondere ihre Bildung und Ausbildung zu bestimmen. Auch die Sorge für das körperliche Wohl ist miteinbezogen139. Die Ausübung dieser „Elternverantwortung“140 richtet sich nach dem Wohl des Kindes und steht im Interesse des Kindes141. Eltern im Sinne des Grundgesetzes sind neben den leiblichen Eltern142 auch Adoptiveltern143, jedoch nicht Pflegeeltern144, Stiefvater oder Stiefmutter145. Zwischen dem elterlichen Erziehungsrecht und der freien Grundrechtsausübung der eigenen Kinder kann es durchaus zu Konflikten kommen. Hier muss im Einzelfall eine sachgerechte, altersgebundene Einzelfall-Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen erfolgen146. Grundsätzlich haben Kinder durch Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG „ein Recht auf Pflege, Erziehung und Beaufsichtigung durch die Eltern und auf Schutz durch den Staat, jedoch nicht auf einen bestimmten Jugendschutz“147. Staatliche Erziehungsge- und -verbote sowie sonstige Beschränkungen stellen Eingriffe in das Primat der elterlichen Erziehung dar148. 2. Verfassungsmäßige Rechtfertigung Wenn der Staat in die Erziehungs-Autorität der Eltern eingreift, darf dies nur in Wahrnehmung des staatlichen Wächteramtes oder aufgrund anderer kollidierender Verfassungsgüter (vgl. Art. 6 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG) 139

BVerfGE 41, S. 47 f.; BVerfGE 93, S. 17 f.; Isensee/Kirchhof/Zacher, § 134 Rn. 65; Umbach/Clemens/Umbach, Art. 6 Rn. 73; Jarass/Pieroth, Art. 6 Rn. 32; von Münch/Kunig/Coester-Waltjen, Art. 6 Rn. 63; von Mangold/Klein/Starck/Robbers, Art. 6 Rn. 143. 140 BVerfGE 10, S. 76 f.; BVerfGE 24, S. 143 f.; BVerfGE 56, S. 382 f.; BVerfGE 68, S. 190 f.; BVerfGE 92, S. 178 f. 141 BVerfGE 72, S. 137; kritisch dazu: Isensee/Kirchhof/Zacher, § 134 Rn. 67. 142 BVerfGE 24, S. 144 f.; BVerfGE 25, S. 196 f.; BVerfGE 75, S. 219 f.; auch: nichteheliche Mutter und nichtehelicher Vater, vgl. dazu von Mangold/Klein/Starck/ Robbers, Art. 6 Rn. 167 f. m. w. N. 143 BVerfGE 24, S. 150 f.; Dreier/Gröschner, Art. 6 Rn. 103. 144 BVerfGE 79, S. 60 f.; Jarass/Pieroth, Art. 6 Rn. 34. 145 BVerfGE 24, S. 150 f.; Umbach/Clemens/Clemens, Art. 6 Rn. 73. 146 Vgl. dazu Isensee/Kirchhof/Zacher, Art. 6 Rn. 69 f. m. w. N. 147 Jarass/Pieroth, Art. 6 Rn. 34. 148 von Mangold/Klein/Starck/Robbers, Art. 6 Rn. 210 f. m. w. N.

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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen der Indizierung

geschehen149. Der Staat muss einwirken, wenn die Eltern das physische oder psychische Wohl ihres Kindes gefährden, sei es durch gravierende Vernachlässigungen oder durch konkretes Tun150. Maßnahmen dürfen dabei nur zum Wohl des Kindes ausgeübt werden151 und müssen verhältnismäßig sein152.

IV. Die unternehmerischen Grundrechte des Art. 12 Abs. 1 GG Das Indizierungsrecht beeinträchtigt auch den unternehmerischen Gestaltungsspielraum. Es spricht z. B. allgemeine Werbeverbote für indizierte Medien aus. Dadurch wird in die Berufsfreiheit eingegriffen, die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet ist. 1. Schutzbereich und Eingriffe Art. 12 Abs. 1 GG ist ein Deutschengrundrecht. Ausländer können sich nur auf den Schutz durch die allgemeine Handlungsfreiheit berufen153. Da „das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV (. . .) eine Gleichstellung von EU-Bürgern mit Deutschen verlang[t], m[uss] wegen des Anwendungsvorrangs des Europarechts (. . .) Art. 2 Abs. 1 [allerdings] dahin verstanden werden, dass er EU-Ausländern einen (. . .) gleichwertigen Schutz verbürgt“154. Die Berufsfreiheit ist gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch auf juristische Personen des Privatrechts anwendbar155. Das Bundesverfassungsgericht begreift Art. 12 Abs. 1 GG als ein einheitliches Grundrecht der Berufsfreiheit. Nach seiner Ansicht lassen sich die dort einzeln erwähnten Freiheiten der Berufswahl und der Berufsausübung nicht sauber voneinander trennen156. Leitbegriff dieses einheitlichen Grund149

Vgl. dazu Maunz/Dürig/Badura, Art. 6 Rn. 139 f. m. w. N.; kritisch zur Annahme, Art. 6 Abs. 2, S. 2 sei eine klassische „Eingriffs-Schranke“: Dreier/ Gröschner, Art. 6 Rn. 117 f. 150 Umbach/Clemens/Umbach, Art. 6 Rn. 78; Dreier/Gröschner, Art. 6 Rn. 119 m. w. N. 151 von Münch/Kunig/Coester-Waltjen, Art. 6 Rn. 93; Pieroth/Schlink, § 15 Rn. 652; von Mangold/Klein/Starck/Robbers, Art. 6 Rn. 242 m. w. N. 152 Nach BVerfGE 24, S. 144 f. muss erst versucht werden, durch helfende, unterstützende Maßnahmen auf die Eltern einzuwirken, bevor z. B. das Kind von der Einwirkung der Eltern entfernt wird. 153 BVerfGE 78, S. 196 f.; BVerfGE 104, S. 346 f. 154 Pieroth/Schlink, S. 30 Rn. 117 m. w. N. 155 BVerfGE 21, S. 262; BVerfGE 30, S. 312; BVerfGE 50, S. 363; BVerfGE 74, S. 178.

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rechtes ist der Beruf. Der Begriff ist entwicklungsoffen157 und beschreibt jede Tätigkeit, die auf eine gewisse Dauer angelegt ist und der (Mit-)Erzielung des Lebensunterhaltes dient158. Ob die Tätigkeit unselbstständig oder selbstständig ausgeführt wird ist unerheblich159 – es kann sich auch um eine Nebentätigkeit handeln160. Umstritten ist allerdings, ob die berufliche Tätigkeit erlaubt sein muss, um den Grundrechtsschutz zu erfahren161. Einerseits wird man sich schnell darauf verständigen können, dass Handlungen mit Unrechtswert (wie z. B. der gewerbsmäßige Diebstahl) keine Grundrechtsprivilegierung erfahren sollten. Andererseits liegt im Kriterium der Erlaubtheit auch die Gefahr, dass der Staat durch ein gesetzliches Verbot Tätigkeiten den Grundrechtsschutz entzieht, die ihm unliebsam sind162. Deshalb ist es vorzugswürdig, nur denjenigen Tätigkeiten den Grundrechtsschutz zu versagen, die allgemein als sozial- und gemeinschaftsschädlich anzusehen sind163. Der entscheidende Vorteil dieser Lesart liegt darin, dass legislative ErlaubtheitsEinschätzungen die juristische Einzelfallbetrachtung nicht binden. Inhalt der Berufsfreiheit ist primär der Schutz der beruflichen Tätigkeit, das „Ob“ und „Wie“ ihrer Ausübung164. Das Grundrecht gewährleistet umgekehrt aber auch die Nichtaufnahme einer Tätigkeit und Berufsausübung165. 156 BVerfGE 7, S. 401 f.; BVerfGE 33, S. 329 f.; BVerfGE 92, S. 151; Sachs/Tettinger, Art. 12 Rn. 8; Pieroth/Schlink, § 21 Rn. 808. 157 BVerfGE 7, S. 397; BVerfGE 13, S. 106; BVerfGE 78, S. 193; Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann, Art. 12 Rn. 26 (Berufsbegriff ist weit auszulegen); Maunz/Dürig/Scholz, Art. 12 Rn. 28; Jarass/Pieroth, Art. 12 Rn. 4; von Münch/Kunig/Gubelt, Art. 12 Rn. 8; Pieroth/Schlink, § 21 Rn. 810. 158 BVerfGE 7, S. 398; BVerfGE 54, S. 313; BVerfGE 97, S. 253; Sachs/Tettinger, Art. 12 Rn. 29. 159 BVerfGE 7, S. 398; BVerfGE 54, S. 302; von Mangold/Klein/Starck/Manssen, Art. 12 Rn. 36. 160 Isensee/Kirchhof/Breuer § 148 Rn. 917; Dreier/Wieland, Art. 12 Rn. 56; Jarass/Pieroth, Art. 2 Rn. 5; von Münch/Kunig/Gubelt, Art. 12 Rn. 10; Umbach/ Clemens/Clemens, Art. 12 Rn. 45; a. A. BVerfGE 33, S. 48 (nur Nebenberufe); ebenso: BVerfGE 60, S. 255 f.; BVerfGE 67, S. 294 f. 161 BVerfGE 7, S. 397; BVerfGE 13, S. 106; BVerfGE 14, S. 22; BVerfGE 32, S. 21 f.; BVerfGE 81, S. 85; BVerfGE 102, S. 213; Maunz/Dürig/Scholz, Art. 12 Rn. 35 f.; Pieroth/Schlink, § 21 Rn. 810. 162 von Mangold/Klein/Starck/Manssen, Art. 12 Abs. 1 Rn. 42 m. w. N. 163 BVerfGE 96, S. 297; von Münch/Kunig/Gubelt, Art. 12 Rn. 9; Maunz/Dürig/ Scholz, Art. 12 Rn. 37; von Mangold/Klein/Starck/Manssen, Art. 12 Abs. 1 Rn. 42; a. A. Sachs/Tettinger, Art. 12 Rn. 38: nur, wenn die Tätigkeit dem „Menschenbild des Grundgesetzes entgegensteht“; unklar: Dreier/Wieland, Art. 12 Rn. 57 („sozial unwertig“). 164 Pieroth/Schlink, § 21 Rn. 825; Jarass/Pieroth, Art. 12 Rn. 11; von Mangold/ Klein/Starck/Wieland, Art. 12 Rn. 73. 165 BVerfGE 58, S. 364; BVerfGE 68, S. 267; a. A. Maunz/Dürig/Scholz, Art. 12 Rn. 7 m. w. N.

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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen der Indizierung

Der Schutz richtet sich nur gegen Behinderungen, die eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben166. Darunter versteht man zum einen Eingriffe, die direkt auf eine Regelung des Berufes und der Tätigkeit abzielen. Daneben sind aber auch solche Eingriffe berufsregelnd, die sich (unbewusst) unmittelbar auf die berufliche Tätigkeit auswirken oder in ihren mittelbaren Auswirkungen für die berufliche Tätigkeit von einigem Gewicht sind167. Zwar gilt die Berufsfreiheit auch im öffentlichen Dienst. Doch ist Art. 33 Abs. 2 GG in der Regel gegenüber der Berufsfreiheit vorrangig anwendbar und reduziert sie auf das Recht des gleichen Zugangs zu öffentlichen Ämtern168. Abzugrenzen ist Art. 12 Abs. 1 GG von der allgemeinen Handlungsfreiheit. Die Berufsfreiheit verdrängt im Rahmen ihrer Geltung Art. 2 Abs. 1 GG als lex specialis.169 Gegenüber der Eigentumsfreiheit ist zu beachten, dass Art. 12 Abs. 1 GG die Möglichkeit des zukünftigen Eigentumserwerbs schützt. Art. 14 Abs. 1 GG garantiert dagegen die Verfügungs- und Veräußerungsfreiheit dessen, der bereits Eigentümer geworden ist170. 2. Verfassungsmäßige Rechtfertigung Nach Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG kann die Berufsausübung durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. Die konkrete Beschränkung darf jedes materielle Gesetz (auch Rechtsverordnung, Satzung etc.) aussprechen. Es ist jedoch immer die Legitimation durch ein förmliches (Parlaments-)Gesetz nötig171. Für die Berufswahl fehlt eine entsprechende Schrankenregelung. Nach dem Wortlaut käme eine Einschränkung der Berufswahl also nur aufgrund kollidierenden Verfassungsrechtes in Betracht. Das Bundesverfassungs166 BVerfGE 13, S. 185; BVerfGE 70, S. 214; BVerfGE 97, S. 253; BVerfGE 98, S. 258; BVerfGE 110, S. 288; BVerfGE 111, S. 213; Pieroth/Schlink, § 21 Rn. 823; a. A. Ipsen, § 15 Rn. 619; Isensee/Kirchhof/Breuer, § 148 Rn. 29 f. m. w. N. 167 BVerfGE 81, S. 122; BVerfGE 110, S. 394; Jarass/Pieroth, Art. 12 Rn. 12; Sachs/Tettinger, Art. 12 Rn. 73; Dreier/Wieland, Art. 12 Rn. 85–88. 168 BVerfGE 7, S. 397 f.; BVerfGE 11, S. 39 f.; BVerfGE 16, S. 21; BVerfGE 39, S. 369 f.; BVerfGE 52, S. 345 f.; BVerfGE 54, S. 246 f.; BVerfGE 73, S. 292; BVerfGE 84, S. 113 f.; VerfGE 85, S. 360 f.; BVerfGE 86, S. 81 f.; BVerfGE 92, S. 151; Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann, Art. 12 Rn. 32 (Art. 33 GG ermöglicht Sonderregelungen); von Münch/Kunig/Gubelt, Art. 12 Rn. 20; von Mangold/Klein/ Starck/Manssen, Art. 12 Abs. 1 Rn. 46. 169 BVerfGE 9, S. 77; Sachs/Tettinger, Art. 12 Rn. 162 m. w. N. 170 BVerfGE 88, S. 377. 171 BVerfGE 59, S. 364 f.; BVerfGE 65, S. 258; Dreier/Wieland, Art. 12 Rn. 98 f.; von Mangold/Klein/Starck/Manssen, Art. 12 Abs. 1 Rn. 107.

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gericht begreift aber – wie schon erwähnt – Art. 12 Abs. 1 GG als ein einheitliches Grundrecht der Berufsfreiheit und wendet die Schranken der Berufsausübungsfreiheit insgesamt auf den Schutzbereich an172. Dennoch ist der Grundrechtsschutz von Art. 12 Abs. 1 GG umso stärker, je mehr ein Eingriff die freie Berufswahl berührt. Das kommt in einer speziellen Verhältnismäßigkeitsprüfung zum Ausdruck, die das Bundesverfassungsgericht für Art. 12 Abs. 1 GG entwickelt hat: Der so genannten Drei-Stufen-Theorie173, 174. Sie differenziert hinsichtlich der Intensität staatlicher Eingriffe zwischen objektiven Zulassungsschranken, subjektiven Zulassungsschranken und Berufsausübungsregelungen. Relativ frei ist der Gesetzgeber, wenn er Berufsausübungsregelungen statuiert. Das sind Normen, die die Art und Weise der Berufsausübung betreffen, ohne unmittelbar auf das „Ob“ der Berufsausübung zurückzuwirken175. Hier bedarf es lediglich eines legitimen, nicht sachwidrigen Zwecks für eine zulässige Beschränkung176. In Betracht kommen zum Beispiel die Sicherheit und Förderung eines Berufsstandes etc.177. Wesentlich schärfer sind die Anforderungen, wenn subjektive Zulassungsschranken formuliert werden, also die Aufnahme eines Berufes von Faktoren abhängig gemacht wird, die in der Person des Bewerbers liegen (z. B. ein Studium, eine Qualifikation etc.)178. Subjektive Zulassungsvoraussetzungen sind zulässig, wenn sie der Schutz eines besonders wichtigen Gemeinschaftsgutes zwingend erfordert179. Die strengsten Anforderungen ergeben sich für den Gesetzgeber, wenn er objektive Zulassungsschranken beschließt. Darunter versteht man Vorausset172 BVerfGE 7, S. 402 f.; BVerfGE 84, S: 148; Pieroth/Schlink, § 21 Rn. 808; Sachs/Tettinger, Art. 12 Rn. 82. 173 Grundlegend: BVerfGE 7, S. 377 f.; zum Namen vgl. Ipsen, § 15 Rn. 615. 174 In seiner „Sportwetten“-Entscheidung (BVerfGE 115, S. 276 f.) von 2006 hat das Bundesverfassungsgericht die Drei-Stufen-Theorie kurioserweise weder angewendet noch erwähnt. Ob damit eine dogmatische Abkehr begründet werden sollte, lässt sich noch nicht abschätzen. In dieser Darstellung soll daher an der Drei-StufenTheorie festgehalten werden. 175 BVerfGE 86, S. 39; Pieroth/Schlink, § 21 Rn. 834 m. w. N. 176 BVerfGE 7, S. 405 f.; BVerfGE 9, S. 221; BVerfGE 10, S. 197; BVerfGE 16, S. 297; BVerfGE 65, S. 125; BVerfGE 68, S. 282; BVerfGE 76, S. 207; BVerfGE 77, S. 332; BVerfGE 78, S. 162. 177 von Münch/Kunig/Gubelt, Art. 12 Rn. 49 m. w. N. 178 BVerfGE 7, S. 406 f.; BVerfGE 9, S. 344; BVerfGE 44, S. 117; Ipsen, § 15 Rn. 616; von Mangold/Klein/Starck/Manssen, Art. 12 Abs. 1 Rn. 146. 179 BVerfGE 7, S. 407; BVerfGE 13, S. 107; BVerfGE 19, S. 337; BVerfGE 25, S. 247; von Münch/Kunig/Gubelt, Art. 12 Rn. 62 m. w. N.

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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen der Indizierung

zungen für die Berufswahl, die dem Einfluss des Interessierten entzogen sind und nicht an seine Qualifikation anknüpfen (z. B. die Zahl der in einem Bezirk niedergelassenen Ärzte oder auch das Alter)180. Sie sind nur dann verhältnismäßig, wenn sie „zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut“181 notwendig sind, z. B. den Schutz der Allgemeinheit vor Gesundheitsschäden. Regelungsstufe und tatsächliche Einwirkungskraft von Maßnahmen müssen sich nicht zwangsläufig entsprechen. Deshalb darf die im Grundsatz hilfreiche Drei-Stufen-Theorie bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht sklavisch durchgehalten werden182: Nur diejenige Maßnahmen-Stufe ist verhältnismäßig, die die jeweils grundrechtsschonendste ist. Allein bei einer hohen Wahrscheinlichkeit, dass durch die mildere Maßnahme anerkannte Gefahren nicht wirksam bekämpft werden können, ist die nächstintensivere Stufe zulässig183.

V. Die Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 GG Der Schutz der wirtschaftlichen Betätigung wird auch durch die Eigentumsfreiheit gewährleistet: Sie sichert umfassende Nutzungs- und Verfügungsrechte am Eigentum. Allerdings darf der Gesetzgeber das, was Eigentum ist, selbst definieren. Auch die Schranken des Eigentums bestimmt nach dem Willen des Grundgesetzes das einfache Recht. Dadurch entsteht grundrechtsdogmatisch die Situation, dass ein Grundrecht vor den Eingriffen des Staates schützen soll, obwohl sein Inhalt und seine Schranken weitgehend durch den Staat festgelegt werden. 1. Schutzbereich und Eingriffe Die Eigentumsfreiheit gilt für alle natürlichen Personen. Sie ist auch auf inländische juristische Personen des Privatrechtes anwendbar184. Ausländische und öffentliche juristische Personen können sich (mit Ausnahme der Kirchen) grundsätzlich nicht auf das Grundrecht berufen185. 180 Isensee/Kirchhof/Breuer, § 148 Rn. 47; Dreier/Wieland, Art. 12 Rn. 133; von Münch/Kunig/Gubelt, Art. 12 Rn. 65; a. A. BVerfGE 9, S. 345 f.; BVerfGE 64, S. 82 f. 181 BVerfGE 11, S. 190; BVerfGE 40, S. 196. 182 In diese Richtung: BVerfGE 77, S. 106. 183 BVerfGE 7, S. 408. 184 BVerfGE 4, S. 17; BVerfGE 23, S. 163; BVerfGE 35, S. 360; BVerfGE 41, S. 149; BVerfGE 53, S. 345; BVerfGE 66, S. 130. 185 BVerfGE 21, S. 369; BVerfGE 61, S. 100; BVerfGE 78, S. 102.

Kap. 5: Der Schutz von Bürgern und Unternehmen durch Grundrechte

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Aus der Konstruktion des Grundrechtes folgt für seinen Schutzbereich, dass in erster Linie das bereits entstandene Eigentum von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt wird186. Eigentum im Sinne des Grundrechtes ist, was das einfache Recht zu einem bestimmten Zeitpunkt als Eigentum definiert187. Schutz erfährt immer nur das konkrete Eigentumsrecht, nicht das abstrakte Vermögen als solches188. Diesen Grundsatz will das Bundesverfassungsgericht allenfalls im Steuerrecht durchbrechen, wenn sich eine Besteuerung so grundlegend auf die betroffenen Vermögen auswirken sollte, dass ihr eine für das Eigentum „erdrosselnde Wirkung“ zukommt189. Unter Eigentum ist vor allem das zivilrechtliche Eigentum im Sinne des § 903 BGB zu verstehen190. Aber auch die anderen privatrechtlichen vermögenswerten Rechte fallen unter den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff, z. B. Pfandrechte191, Urheberund Patentrechte192 oder Forderungen193. Teilweise geschützt ist der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb194. Der Schutz darf nach Auffassung des Verfassungsgerichtes allerdings „nicht weitergehen als der Schutz, den seine wirtschaftliche Grundlage genießt“195. Deshalb sind lediglich Vorteile geschützt, die der Betriebsinhaber bereits erworben hat und auf deren Fortbestand er vertrauen darf196. Damit fallen tatsächliche Begebenheiten wie die Lage des Geschäftes oder bloße Chancen, Interessen und Verdienstmöglichkeiten wie z. B. der Kundenstamm, die laufenden Geschäftsverbindungen oder die Marktstellung aus dem Schutzbereich heraus197. 186 BVerfGE 88, S. 377; BVerfGE 98, S. 35; BVerfGE 101, S. 75; Jarass/Pieroth, Art. 14 Rn. 19; Dreier/Wieland, Art. 14 Rn. 57. 187 BVerfGE 58, S. 336 f.; Dreier/Wieland, Art. 14 Rn. 25. 188 Grundlegend: BVerfGE 4, S. 17 f.; vgl. auch: BVerfGE 91, S. 220 f.; BVerfGE 96, S. 397 f.; von Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rn. 23; Pieroth/Schlink, § 23 Rn. 907; Dreier/Wieland, Art. 14 Rn. 52. 189 BVerfGE 14, S. 241; BVerfGE 63, S. 368; BVerfGE 87, S. 169. Noch weitergehender offensichtlich BVerfGE 93, S. 137, vgl. dazu kritisch: Dreier/Wieland, Art. 14 Rn. 56 f. 190 BVerfGE 98, S. 35 f.; Pieroth/Schlink, § 23 Rn. 901. 191 BVerfGE 83, S. 209 f. 192 BVerfGE 31, S. 239 f.; BVerfGE 36, S. 290 f. (Patentrecht); BVerfGE 77, S. 270 f.; BVerfGE 79, S. 40 f. 193 BverfGE 28, S. 141. 194 Zweifelnd allerdings das Bundesverfassungsgericht, da „das Unternehmen die tatsächliche – nicht aber die rechtliche – Zusammenfassung der zu einem Vermögen gehörenden Sachen und Rechte(n)“ sei, BVerfGE 51, S. 221; vgl. auch: BVerfGE 74, S. 148; BVerfGE 105, S. 278. 195 BVerfGE 58, S. 353. 196 Meirowitz, S. 201.

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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen der Indizierung

Kern aller Gewährleistungen des Art. 14 GG ist die Garantie von Privatnützigkeit des Eigentums198. Damit ist die grundsätzliche Zuordnung von Eigentum an den Rechtsträger beschrieben sowie dessen Freiheit, in eigener Verantwortung über sein Eigentum verfügen zu können199. Eingriffe können darin bestehen, Eigentumspositionen ganz oder teilweise zu entziehen, ihre Ausübung hoheitlich oder durch tatsächliche Umstände zu beschränken oder an Gegenleistungen zu binden200. Schwierigkeiten können in der Abgrenzung zur allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG entstehen: Lässt sich eine Handlung in ihrer sozialen Funktion der durch Art. 14 geschützten Eigentums- und Vermögenssphäre zuordnen, ist die Eigentumsfreiheit spezieller als die Handlungsfreiheit. Ansonsten bleibt es beim Auffang-Schutz durch Art. 2 Abs. 1 GG. 2. Verfassungsmäßige Rechtfertigung Bei der Rechtfertigung von Eingriffen in die Eigentumsfreiheit muss systematisch zwischen Enteignungen (Vorgaben in Art. 14 Abs. 3 GG) einerseits und Inhalts- oder Ausübungsbeschränkungen (Vorgaben in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG) andererseits unterschieden werden. Enteignung ist die vollständige oder teilweise Entziehung von Eigentumsrechten durch einen hoheitlichen Akt201. Sie darf nur als ultima ratio zum Wohle der Allgemeinheit erfolgen. Der Rechtsverlust muss außerdem durch eine Entschädigung ausgeglichen werden. Im Rahmen einer Indizierung wird dem Rechtsträger das Eigentum an dem indizierten Objekt nicht entzogen. Deshalb ist das Recht der Enteignung für diese Untersuchung von nachrangigem Interesse. Inhalts- und Schrankenbestimmungen legen im Gegensatz zur Enteignung „generell und abstrakt die Rechte und Pflichten des Eigentümers fest“202. Dazu gehören auch die allgemeinen Indizierungsvorschriften des JuSchG. Sie schränken den Gebrauch des Eigentums an Medien und seine wirt197

BVerfGE 77, S. 118; vgl. im Einzelnen: Jarass/Pieroth, Art. 14 Rn. 25 m. w. N. BVerfGE 37, S. 140 f. st. Rspr.; Dreier/Wieland, Art. 14 Rn. 29. 199 BVerfGE 14, S. 293 f.; BVerfGE 24, S. 401 f.; BVerfGE 35, S. 276 f.; BVerfGE 42, S. 229 f.; BVerfGE 45, S. 272; BVerfGE 50, S. 339; BVerfGE 84, S. 133; BVerfGE 85, S. 360; BVerfGE 91, S. 294; Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann, Art. 14 Rn. 4 (Keine Aushöhlung des Kernbereichs). 200 Sachs/Wendt, Art. 14 Rn. 52 f.; Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rn. 27 f.; Jarass/Pieroth, Art. 14 Rn. 29–32. 201 BVerfGE 70, S. 199 f.; BVerfGE 72, S. 76; BVerfGE 104, S. 9; BVerwGE 77, S. 298 (hoheitlicher Akt); von Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rn. 72 f. 202 BVerfGE 72, S. 76. 198

Kap. 6: Jugendmedienschutz und Verfassung

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schaftliche Verwertung stark ein. Bei einer rein formalistischen Sicht auf Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG wären Inhalts- und Schrankenbestimmungen stets gerechtfertigt. Denn nach dem Wortlaut des Grundrechtes sollen Inhalt und Schranken des Eigentums durch die Gesetze bestimmt werden, die ja wiederum die öffentliche Gewalt (genauer: das Parlament) verabschiedet. Würde man dies konsequent praktizieren, wäre Art. 14 Abs. 1 GG ein völlig entwertetes Grundrecht. Deshalb ist allgemein anerkannt, dass jede Inhalts- und Schrankenbestimmung für den Eigentümer verhältnismäßig, also geeignet, erforderlich und zumutbar sein muss203. Außerdem kann es im Rahmen einer legitimen Inhalts- und Schrankenbestimmung notwendig werden, Handlungszwänge oder Eigentumsnutzungsversagungen finanziell zu entschädigen204 bzw. durch Übergangsfristen abzumildern205. Das ändert nichts daran, dass der Gesetzgeber bei der Folgenabschätzung einen erheblichen Beurteilungsspielraum hat206. Bei gravierenden Abweichungen von theoretischer Prognose und tatsächlicher Wirkung muss er aber reagieren207. Kapitel 6

Jugendmedienschutz und Verfassung Für die verfassungsrechtliche Analyse ist es nicht nur wichtig, sich einen Überblick über die Grundlagen der Freiheitsrechte zu verschaffen. Erforderlich ist auch eine Wertigkeitsbestimmung des Jugendmedienschutzes. Sie ist schon allein deshalb notwendig, weil sich nur so dessen ganzes Gegengewicht in der Abwägung mit den anderen Grundrechten und Verfassungsgütern verdeutlicht.

I. Jugendschutz, Jugendmedienschutz und Indizierung Die Regelungen des Indizierungsrechtes haben ein übergeordnetes Ziel: Den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Medieninhalten, die für ihre 203 BVerfGE 100, S. 243 f.; BVerfGE 75, S. 97 f.; BVerfGE 76, S. 238; BVerfGE 92, S. 273; Jarass/Pieroth, Art. 14 Rn. 38 f. 204 BVerfGE 58, S. 137 f.; zur „ausgleichspflichtigen Sozialbindung“ vgl. ausführlich von Mangold/Klein/Starck/Depenheuer, Art. 14 Rn. 212, 215 und 253 f. 205 BVerfGE 53, S. 351; BVerfGE 58, S. 351; BVerfGE 71, S. 144. 206 BVerfGE 53, S. 293; Jarass/Pieroth, Art. 14 Rn. 38. 207 BVerfGE 25, S. 13; BVerfGE 50, S. 335; Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rn. 323.

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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen der Indizierung

seelische und geistige Entwicklung gefährlich sind208. Sie sind damit Teil des staatlichen Jugendmedienschutzes. Wer allerdings die Verfassung nach der Materie Jugendmedienschutz durchforstet, wird nicht unmittelbar fündig. Sie erwähnt nur allgemein den Jugendschutz, insbesondere in den Art. 5 Abs. 2, Art. 6 Abs. 2 S. 1 (Kinder) und Art. 11 Abs. 2 GG. Hinsichtlich der legislativen Gestaltungsmacht ist das jedoch nicht weiter problematisch. Denn der Jugendmedienschutz ist präventiver Teil des Jugendschutzes209. Deshalb lässt sich sein grundsätzlicher Rang auch allgemein aus der Wertigkeit des Jugendschutzes herleiten.

II. Die Verankerung des Jugend(medien)schutzes im Verfassungsgefüge Dem Schutz von Kindern und Jugendlichen hat das Bundesverfassungsgericht schon früh Verfassungsrang zugewiesen. Es hat den Jugendschutz außerdem auch objektiv als ein Ziel von bedeutsamem Rang und als ein wichtiges Gemeinschaftsanliegen charakterisiert210. Im Ergebnis wird das heute nicht mehr bestritten211. Diskutiert wird lediglich die dogmatische Herleitung des Befundes: Nach überwiegender Ansicht ergibt sich der Verfassungsrang des Jugendschutzes aus dem elterlichen Erziehungsrecht in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG und dem Schutz der Persönlichkeit von Kindern und Jugendlichen gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG212. Manche Autoren verweisen auch auf den Schutz der Familie in Art. 6 Abs. 1 S. 1213 bzw. das staatliche Wächteramt aus Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG214, 208

Statt vieler: Ukrow, S. 11 Rn. 16. BVerfGE 30, S. 347; ähnlich: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 5 Abs. I, II Rn. 283. 210 BVerfGE 30, S. 348; BVerfGE 77, S. 356; BVerfGE 83, S. 139 f.; ebenso: BVerwGE 77, S. 82 f.; BGHSt 35, S. 63. 211 Vgl. Jarass/Pieroth, Art. 5 Rn. 60 f. und Rn. 115; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 147; Maunz/Dürig/Scholz, Art. 5 III Rn. 70; Cole, ZUM 05, S. 463; Ukrow, S. 9 Rn. 12; Langenfeld, MMR 03, S. 305; Stettner, ZUM 03, S. 427; Vlachopoulos, S. 144; Beisel, S. 205; Würkner, NVwZ 92, S. 9; Jean d’Heur, StV 91, S. 167; Meirowitz, S. 185; a. A. nur sehr alte Ansichten, z. B. Ropertz, S. 130. 212 BVerfGE 30, S. 347; BVerfGE 83, S. 139 f.; BVerwGE 91, S. 224 f.;von Mangold/Klein/Starck/Robbers, Art. 6 Abs. 2 Rn. 234; Faber, S. 89; Langenfeld, MMR 03, S. 205; Fechner, JZ 03, S. 228 Fn. 33; Nikles, S. 3 Rn. 4; Fischer, S. 160 f.; Borgmann, JuS 92, S. 917; Meirowitz, S. 185; Sachs/Bethge, Art. 5 Rn. 160. 213 Vlachopolous, S. 148; Maunz/Dürig/Scholz, Art. 5 III Rn. 70. 209

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welche sich als zusätzliche Stützen für den verfassungsrechtlichen Rang des Jugendschutzes erwiesen. Ein anderer, im Schrifttum weit verbreiteter Ansatz, motiviert den Verfassungsrang des Jugendschutzes allein über das Allgemeine Persönlichkeitsrecht von Kindern und Jugendlichen215. Vereinzelt wird der Jugendschutz schließlich zusätzlich216 oder sogar ausschließlich217 auf die Schrankenbestimmung in Art. 5 Abs. 2 GG gestützt. Die Einbeziehung des Art. 5 Abs. 2 GG ist nicht überzeugend. Denn aus der Erwähnung eines Schutzgutes in der Schrankenbestimmung eines einzelnen Grundrechtes lässt sich weder systematisch noch teleologisch schließen, das Schutzgut habe denselben Rang wie ein Grundrecht oder sei allgemein – also auch für andere Grundrechte – als ein gleichgestelltes Verfassungsgut zu behandeln218. Was die Ableitung des Verfassungsranges allein aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht betrifft, argumentieren die Verfechter, Kinder und Jugendliche würden um ihrer selbst Willen geschützt und nicht Dritten zuliebe219. Als Wesen mit eigener Menschenwürde hätten sie auch das Recht zur Entfaltung einer eigenen Persönlichkeit. Das sei der Kern des Rechtsgutes, das der Jugendschutz bewahren müsse220. Deshalb ließen sich für die Wertigkeitsbestimmung des Jugendschutzes auch weder das elterliche Erziehungsrecht noch der Schutz der Familie oder das staatliche Wächteramt bemühen. Daran ist richtig, dass es auch für Eltern bei der Kindererziehung klare Grenzen gibt, die unter anderem abhängig vom Alter und dem Entwicklungsstand des Kindes sind. Jugendschutz hat auch in erster Linie das Kindeswohl im Blick221. Art. 6 Abs. 2 GG bringt aber auch zum Ausdruck, 214 Ukrow, S. 10 Rn. 14; Maunz/Dürig/Scholz, Art. 5 Abs. III Rn. 70; Beisel, S. 201 f.; Maiwald, JZ 90, S. 1142; Meirowitz, S. 185; Lutz, NJW 88, S. 3195; vgl. auch: BVerwGE 77, S. 82; BGHSt 37, S. 62. 215 Schulz/Korte, ZUM 02, S. 719; Schulz, MMR 98, S. 183; Roßnagel/Altenhain, GjS Einl Rn. 25; Engels, AöR 97, S. 225 f.; Isensee/Axer, S. 73; Vlachopolous, S. 147 f.; von Kalm, DÖV 94, S. 24; Brockhorst-Reetz, S. 5; Schraut, S. 45; Ditzen, NJW 89, S. 2519. 216 Cole, ZUM 05, S. 463; Stettner, ZUM 03, S. 427 (Art. 5 Abs. 2, Art. 6 Abs. 2, Satz 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG). 217 Groß, NVwZ 04, S. 1397. 218 Vlachopolous, S. 143; Roßnagel/Altenhain, GjS Einl Rn. 24. 219 Löffler/Altenhain, JSchutz BT, Einleitung Rn. 18; Roßnagel/Altenhain, GjS Einl Rn. 25. 220 Engels, AöR 97, S. 227; Ditzen, NJW 89, S. 2519. 221 BVerfGE 24, S. 144.

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dass die Erziehung der eigenen Kinder das natürliche Recht und die natürliche Pflicht der Eltern ist. Sie können sich durchaus über den Willen der eigenen Kinder hinwegsetzen, um erzieherische Ideale zu realisieren. Jugendschutz ist also nicht nur Schutz der Persönlichkeit des Kindes. Jugendschutz ist auch Schutz der Erziehungsmöglichkeit von Kindern und Jugendlichen durch ihre Eltern. Gerade dies sollte bei der Herleitung des Jugendmedienschutzes nicht verkannt werden. Es ist daher überzeugender, die Wertigkeit des Jugendschutzes auch auf das elterliche Erziehungsrecht in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG (i. V. m. dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht) zu gründen. Durch seinen Verfassungsrang ist der Jugendschutz gegenüber anderen Grundrechten und Verfassungsgütern – mit Ausnahme der Menschenwürde – gleichrangig. Deshalb können auch vorbehaltlos gewährte Grundrechte (als Folge praktischer Konkordanz) durch den Jugendschutz verfassungsimmanent beschränkt werden. Dies lässt sich grundsätzlich auf den Jugendmedienschutz und seine Instrumente (also z. B. die Indizierung) übertragen.

III. Die Gesetzgebungskompetenzen für den Jugendmedienschutz Allerdings kann nur das formell verfassungsgemäße Gesetz Grundrechte wirksam einschränken. Eine der Grundvoraussetzungen dafür ist, dass von Bund und Bundesländern nur derjenige Gesetze zum Jugend(medien)schutz erlässt, der auch dazu befugt ist. Da sich diese Untersuchung auf das Indizierungsrecht nach dem Jugendschutzgesetz konzentriert, werden hier nur die Kompetenzen für die sogenannten Träger- und Telemedien hinterfragt. Das sind vereinfacht gesagt die im Alltag gängigen Massenmedien (CD, DVD, Internet etc.) mit Ausnahme des Rundfunks (Hörfunk, Fernsehen)222. 1. Kompetenzstrukturen nach der Föderalismusreform Das Grundgesetz regelt die Gesetzgebung zum einen durch eine Zuständigkeitsvermutung der Länder und zum anderen durch konkrete Bundeszuständigkeiten. Ausgangspunkt der Kompetenzbestimmung ist Art. 70 Abs. 1 GG. Hiernach können die Länder immer dann Regelungen erlassen, wenn das Grundgesetz dem Bund keine ausdrücklichen Kompetenzen zuweist. Jedoch ergeben sich vor allem aus den Art. 73 f. GG zahlreiche Bundeszuständigkeiten. Strukturell lassen sich dabei die ausschließliche und die 222

Vgl. dazu noch detailliert Kapitel 10.

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konkurrierende Gesetzgebung unterscheiden223. Die noch bis zum 31.08.2006 existierende Rahmengesetzgebung ist durch die Föderalismusreform224 abgeschafft worden225. Auf dem Gebiet der sogenannten ausschließlichen Bundesgesetzgebung ist allein der Bund zuständig. Wenn der Bund eine Materie der ausschließlichen Gesetzgebung ausnahmsweise den Ländern zur Regelung überlassen will, darf er sie dazu nur durch Bundesgesetz ermächtigen (Art. 71 GG). Im Gegensatz dazu kann die sogenannte konkurrierende Gesetzgebung im Einzelfall wechselnde Kompetenzen zur Folge haben. Sie ist in Art. 72 GG verankert und folgt seit der Föderalismusreform keinem einheitlichen Prinzip mehr226: Auf bestimmten Gebieten der konkurrierenden Gesetzgebung, die sich aber nur aus einem Umkehrschluss positiver Regelungen ergeben227, hat der Bund neuerdings ein umfassendes Regelungsrecht. Nimmt er dieses wahr, ist den Ländern eine eigene Rechtsetzung versagt228. Verzichtet er dagegen auf eine eigene Regelung in diesen Bereichen, können die Länder selber Recht setzen, und zwar ohne dafür einer Bundesermächtigung zu bedürfen. Darin liegt ein Unterschied zur ausschließlichen Bundesgesetzgebung229. Auf anderen Gebieten der konkurrierenden Gesetzgebung, die Art. 72 Abs. 2 (i. V. m. Art. 74) GG beschreibt, hat es der Bund schwerer, eine eigene Regelung zu erlassen. Dies ist ihm nur dann gestattet, wenn eine bundeseinheitliche Rechtsetzung zur Wahrung von Rechts- oder Wirtschaftseinheit bzw. der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse erforderlich ist230. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, dürfen allein die Länder regeln. Ist der Tatbestand dagegen erfüllt, dürfen die Länder nur dann tätig werden, wenn der Bund eine Materie nicht selber regelt bzw. regeln will. Durch Gesetz kann der Bund allerdings bestimmen, dass die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 (durch eine bestimmte Entwicklung oder ein Ereignis) weggefallen sind. In diesem Fall darf erlassenes Bundesrecht durch Landesrecht ersetzt werden (vgl. Art. 72 Abs. 3 GG). In einem dritten Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung, den Art. 72 Abs. 3 GG näher 223 Ob diese Aufzählung abschließend ist, bedarf hier keiner Vertiefung. Dafür wohl BVerfGE 1, S. 35; dagegen wohl die h. L., vgl. dazu Siekmann, NJW 06, S. 3382 Fn. 6 m. w. N. 224 In Kraft getreten am 01.09.2006, BGBl I, S. 2034 f. (Verkündigung 31.08.2006). 225 Ipsen, NJW 06, S. 2803. 226 Ipsen, NJW 06, S. 2803. 227 Nämlich nicht die in Art. 72 Abs. 2 und 3 GG bezeichneten Sachgebiete. 228 Vgl. Art. 72 Abs. 1 GG. 229 Ipsen, NJW 06, S. 2803. 230 Dies galt bis 31.08.2006 für alle Materien der konkurrierenden Gesetzgebung, vgl. Art. 72 Abs. 2 GG a. F.

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beschreibt, können die Länder in einen „Regelungswettstreit“ mit dem Bund treten. Sie dürfen auf diesen Gebieten auch dann abweichende Regelungen durch Gesetz treffen, wenn der Bund schon selber eine Regelung verabschiedet hat231. Dadurch ergibt sich eine doppelte Vollkompetenz zur Gesetzgebung232. Nach Art. 72 Abs. 3 S. 3 GG geht im Vergleich von Bundes- und Landesrecht das jeweils spätere Gesetz vor. 2. Jugend(medien)schutz als Materie konkurrierender Gesetzgebung Die Föderalismusreform 2006 hat die Beziehungen von Bund- und Ländern nicht nur strukturell neu geordnet. Sie hat auch die Zuweisung und den Zuschnitt der jeweiligen Sachmaterien erheblich verändert. So wurden unter anderem Kompetenztitel sprachlich modifiziert, die als Regelungsgrundlagen für den Jugend(medien)schutz in Betracht kommen: Das Strafrecht, die öffentliche Fürsorge und das Recht der Wirtschaft. Alle Bereiche gehörten und gehören zur konkurrierenden Gesetzgebung. Allerdings wirken sich die Änderungen für das Strafrecht in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (jetzt ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzuges) und für die öffentliche Fürsorge in Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG (jetzt ohne das Heimrecht) erkennbar nicht auf eine mögliche Legitimation des Jugend(medien)schutzes aus. Anders verhält es sich möglicherweise beim Recht der Wirtschaft in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG (jetzt ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte), was aber dort vertieft werden soll. Ansonsten gehören das Strafrecht, die öffentliche Fürsorge und das Recht der Wirtschaft (weiter) zu den Bereichen, bei denen der Bund Regelungen nur dann treffen darf, wenn dies zur Wahrung einer bundesweiten Rechts- oder Wirtschaftseinheit bzw. zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse erforderlich ist233. a) Jugendschutz und öffentliche Fürsorge (Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG) In der amtlichen Begründung zum JuSchG beruft sich der Bund auf die öffentliche Fürsorge als Regelungslegitimation234. Auch in Rechtsprechung 231

Siekmann, NJW 06, S. 3382. Ipsen, NJW 06, S. 2804. 233 Vgl. Art. 72 Abs. 2 i. V. m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 7, 11 GG. 234 BT-Drcks. 14/9013, S. 17. Ebenda findet sich auch der Hinweis, dass der Bund diese Regelungskompetenz mit dem Erlass des Gesetzes nur eingeschränkt 232

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und Schrifttum wird der Jugendschutz meist als eine Materie der öffentlichen Fürsorge eingeordnet235. Diese bezieht sich zwar primär auf öffentliche Hilfeleistung in wirtschaftlicher Notlage236. Sie ist aber mit Blick auf das Sozialstaatsprinzip nicht eng auszulegen237. Es sind daher auch vorbeugende (präventive) Maßnahmen erfasst, wenn sie künftige Fürsorgemaßnahmen überflüssig machen238. Das treffe – so die überwiegende Auffassung – auf präventive Maßnahmen im Jugend(medien)schutz zu, weshalb sie von der Kompetenz zur öffentlichen Fürsorge erfasst seien239. Reinwald lehnt dagegen eine Subsumtion unter Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG ab240. Er meint, es fehle an einem ausreichenden Kausalzusammenhang zwischen Jugendmedienschutz und öffentlicher Fürsorge: Der Jugendmedienschutz stelle sich als ein präventives Instrument dar, um Entwicklungsschäden zu vermeiden. Das aber berühre allein den Bereich des öffentlichen Gesundheitsschutzes241. Ein Anknüpfungspunkt zum Kompetenztitel der öffentlichen Fürsorge bestehe nur dann, wenn Jugendliche durch den Konsum gefährlicher Medieninhalte für den weiteren Verlauf ihres Lebens wirtschaftlich nicht ausreichend für sich sorgen könnten. Dazu müssten aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung so viele weitere Umstände hinzutreten, dass „von einem notwendigen engen Zusammenhang nicht mehr gesprochen werden“ könne242. wahrnehme. Hintergrund sind Absprachen von Bund und Ländern in einer Eckwertevereinbarung vom 8.3.2002 zur Neugestaltung des Jugendmedienschutzes (abgedruckt in: BT-Drcks. 14/9013, S. 24). 235 Vgl. BVerfGE 31, S. 117 (für das alte GjS); BVerwGE 19, S. 94 (für das alte JÖSchG); BVerwGE 23, S. 113 (für das alte GjS). Grundsätzlich erkennen eine Bundeskompetenz für den Jugendschutz an: Dreier/Stettner, Art. 74 Rn. 42 (nicht für Rundfunk); Cole, ZUM 05, S. 463 (nicht für Rundfunk); Sachs/Degenhart, Art. 74 Rn. 33; von Münch/Kunig/Kunig, Art. 74 Rn. 34; Roßnagel/Altenhain, GjS Einl Rn. 17; Schraut, S. 25; Landmann, NJW 96, S. 3309; Herkströtter, AfP 92, S. 24; Ory, ZUM 86, S. 126; Meyer-Hesemann, DVBl 86, S. 1183; Meirowitz, S. 277; kritisch: von Mangold/Klein/Starck/Oeter, Art. 74 Rn. 63 f. 236 von Mangold/Klein/Starck/Oeter, Art. 74 Rn. 61; Sachs/Degenhart, Art. 74 Rn. 32; Jarass/Pieroth, Art. 74 Rn. 17; Löffler/Altenhain, JSchutz BT Einleitung Rn. 9. 237 BVerfGE 22, S. 212; BVerfGE 88, S. 329; BVerwGE 19, S. 96. So auch: Maunz/Dürig/Maunz, Art. 74 Rn. 106; Jarass/Pieroth, Art. 74 Rn. 17; Sachs/ Degenhart, Art. 74 Rn. 32. Einschränkend aber: von Münch/Kunig/Kunig, Art. 74 Rn. 32 f. 238 Maunz/Dürig/Maunz, Art. 74 Rn. 106; von Mangold/Klein/Starck/Oeter, Art. 74 Rn. 63. 239 Vgl. Fn. 340. 240 Reinwald, ZUM 02, S. 119 f. 241 Reinwald, ZUM 02, S. 122. 242 Reinwald, ZUM 02, S. 124.

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Es wäre in der Tat systemwidrig, wenn der Kompetenztitel der öffentlichen Fürsorge zu einer Art Generalklausel eines Beschützers und Betreuers Bund243 missbraucht werden würde. Richtig ist auch, dass sich im Jugendschutz der Bezug zum Kriterium der Hilfsbedürftigkeit nicht immer unmittelbar nachvollziehen lässt244. Allerdings hat schon das Bundesverwaltungsgericht in einer frühen Entscheidung darauf hingewiesen, dass die Väter und Mütter des Grundgesetzes auch die „Mutterschaft, Säuglings- und Jugendfürsorge“ als Teil der öffentlichen Fürsorge angesehen haben245. Staatliches Bemühen im Rahmen des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG muss nicht zwingend von rein wirtschaftlichem Ansinnen getragen sein, sondern darf auch eine sozialfürsorglich-werteorientierte Wirkrichtung haben. In jedem Fall ist es unter Berücksichtigung des historischen Begriffsverständnisses zu eng, bei der Kompetenz aus öffentlicher Fürsorge allein auf eine spätere wirtschaftliche Hilflosigkeit abzustellen. Dann aber erscheint es auch legitim, den Begriff der Jugendfürsorge so dynamisch zu interpretieren, dass er die Jugendmedienfürsorge miterfasst, zumal, wenn man eine nachhaltig negative Wirkung bestimmter Medien für möglich und wahrscheinlich hält und sich dann die grenzenlose Empfangbarkeit dieser Medieninhalte über das Internet oder den globalisierten Handel vor Augen führt. Ob es unabhängig davon nicht an der Zeit wäre, den Jugend(medien)schutz als eigenständigen Kompetenztitel im Grundgesetz zu verankern, kann dahingestellt bleiben246. Fraglich ist, ob sich das gefundene Ergebnis tatsächlich auf alle Medien und Verbreitungsformen von Medien übertragen lässt. Im Schrifttum wird dem Bund teilweise das Recht abgesprochen, Jugendschutzregelungen für den Rundfunk bzw. rundfunkähnliche Dienste aus öffentlicher Fürsorge zu erlassen247. Für diese Untersuchung ist das von Belang, weil das Jugendschutzgesetz zwar nicht den Rundfunk, aber doch die möglicherweise rundfunkähnlichen Mediendienste dem Indizierungsrecht ausdrücklich unterwirft248. Von einem rundfunkähnlichen Dienst geht das Bundesverfassungsgericht aus, wenn der Dienst eine massenkommunikative Wirkung entfaltet, die dem des herkömmlichen Rundfunks vergleichbar ist249. Dafür bedarf es in 243 von Mangold/Klein/Starck/Oeter, Art. 74 Rn. 69 (keine Kompetenz zur allgemeinen „Wohlfahrtspflege“); ähnlich: Maunz/Dürig/Maunz, Art. 74 Rn. 109. 244 Sachs/Degenhart, Art. 74 Rn. 33. 245 BVerwGE 19, S. 97; kritisch dazu Bettermann, AöR 58, S. 94 f. 246 Dafür wohl Kröger/Moos, AfP 97, S. 676; a. A. Faber, S. 105. 247 Cole, ZUM 05, S. 463; Ukrow, S. 50 Rn. 75; Langenfeld, MMR 03, S. 306; Stettner, ZUM 03, S. 428 f.; Schulz, MMR 98, S. 183; Landmann, NJW 96, S. 3309; Herkströtter, AfP 92, S. 24; Weides, NJW 87, S. 230 f. 248 Mediendienste gehören zu den so genannten Telemedien, die ebenfalls indiziert werden können, vgl. Zum Begriff noch Kapitel 10, III. 249 Vgl. dazu BVerfGE 73, S. 154.

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jedem Fall einer vergleichbaren gesteuerten Außenwirkung250. Wenn man den Rundfunk und die meisten Online-Mediendienste vergleicht, ist das jedoch zweifelhaft. Zwar können Online-Dienste eine erhebliche Breitenwirkung entfalten, da sie von jedem Internet-Nutzer aufgerufen bzw. empfangen werden können251. Allerdings werden die Informationen dort typischerweise gestückelt für einzelne Interessenten zur Verfügung gestellt (als Sachtext, File oder Video-On-Demand auf einer Homepage bzw. deren Unterseiten). Wer im Internet Informationen aufrufen will, entscheidet selber, wann und in welchem Umfang er das Angebot tatsächlich nutzt. Es verhält sich gerade nicht wie im Radio oder Fernsehen, wo Inhalte nach einem bestimmten Zeitplan in einer vordefinierten Länge gezielt und universell ausgestrahlt werden. Eine rundfunkartig-gesteuerte, massenkommunikative Wirkung findet man deshalb bei den meisten Online-Diensten gerade nicht252. Der technische Ablauf des Konsums ähnelt vielmehr dem selbstbestimmten Zugriff auf CDs, Videos und andere Trägermedien. Das Gros der OnlineDienste wird man daher nicht als ein rundfunkähnliches Angebot bezeichnen können. Dies könnte lediglich auf Medien-Dienste zutreffen, die LiveStream-Angebote im Internet nach einem festgelegten Zeitplan ausstrahlen (was aber selbst beim „Internet-Fernsehen“ nicht die Regel ist, da es auf einen punktuellen Abruf setzt). Hier läge das sonst fehlende Steuerungsmoment vor, das den Rundfunk typisiert. Nur für diesen Fall muss sich mit den Argumenten der Gegner einer Bundeskompetenz auseinandergesetzt werden. Sie führen an, Rundfunk und rundfunkähnliche Dienste seien nach dem Grundgesetz ein eigenständiger Sachbereich, bei dem der Jugendschutz als programminhaltlicher Aspekt den Ländern zugewiesen werde253. Der Bund habe gemäß Art. 73 Nr. 7 GG nur die Berechtigung, fernmeldetechnische Aspekte zu regeln. Schalte er sich über den Jugendmedienschutz in Länderregelungen ein, werde dadurch die Programmfreiheit der Länder verletzt254. Diese Argumentation verkennt jedoch, dass der Jugendmedienschutz Teil einer einheitlichen Kompetenz-Materie ist – nämlich die der öffentlichen Fürsorge. Deshalb kann der Bund bei Jugendschutzangelegenheiten wegen der großen Sachnähe zumindest kraft Sachzusammenhanges auch in Regelungsbereiche eingreifen, für die er keine originäre Zuständigkeit hat – wie den Ordnungsrahmen des Rundfunks255. Die Zuständigkeit der Länder reicht nach richtiger Auffassung aber sowieso schon nicht so weit, dass es 250

Faber, S. 106; Gounalakis, NJW 97, S. 2994. Gounalakis, NJW 97, S. 2994; Kröger/Moos, AfP 97, S. 676. 252 Langenfeld, MMR 03, S. 306; Faber, S. 106; a. A. wohl Ukrow, S. 50 Rn. 75. 253 Ukrow, S. 50 Rn. 75; Langenfeld, MMR 03, S. 306. 254 Stettner, ZUM 03, S. 429; Meyer-Hesemann, DVBl 86, S. 1184 f.; Weides, NJW 87, S. 231. 255 Roßnagel/Altenhain, GjS Einl. Rn. 18; Faber, S. 108. 251

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zu Konflikten mit Jugendmedienschutzregelungen des Bundes kommen dürfte. Denn die Legitimation aus Art. 70 Abs. 1 GG bezieht sich lediglich auf die positive Errichtung einer Rundfunkordnung. Sie befähigt die Länder nicht dazu, die Rundfunkfreiheit negativ einzuschränken256. Im Ergebnis lässt sich der Jugend(medien)schutz deshalb über die öffentliche Fürsorge legitimieren und auf alle Träger- und Telemedien (inklusive Online-Dienste) anwenden. b) Jugendschutz und Strafrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) Der Bundesgesetzgeber hat sich beim Erlass des Jugendschutzgesetzes nicht auf sein konkurrierendes Gesetzgebungsrecht im Strafrecht berufen. Lediglich auf die öffentliche Fürsorge (Nr. 7) und das Regelungsrecht der Wirtschaft (Nr. 11) wurde abgestellt. Ein Bezug zum Kompetenztitel des Strafrechtes liegt jedoch gerade wegen der Strafbestimmungen des Indizierungsrechtes nahe257. Zum Strafrecht wird die Gesamtheit von Rechtsnormen gezählt, die für eine rechtswidrige und schuldhafte Tat eine Strafe oder eine Maßregel anordnen258. Der Begriff ist weit zu verstehen259: Neben dem klassischen Kriminalstrafrecht ist z. B. auch das Ordnungswidrigkeitenrecht als Teil des Strafrechtes anzusehen260. Bei der Subsumtion von Normen unter Nr. 1 ist darüber hinaus auch die rechtsgeschichtliche Entwicklung von Vorschriften zu berücksichtigen261, also die Normgenese ebenso wie die ursprüngliche Normkodifikation. Wendet man diese Kriterien auf die (Indizierungs-)Vorschriften des Jugendschutzgesetzes an, so lässt sich gerade bei den Verbreitungsbeschränkungen und den Tatbeständen der schweren Jugendgefährdung eine große 256

Faber, S. 107; Schraut, S. 25; Roßnagel/Altenhain, GjS Einl. Rn. 18. So auch für die Bestimmungen des GjS: BVerfGE 11, S. 237 (ausdrücklich nur für die §§ 6 Abs. 1, 5 Abs. 2, 21 Abs. 1 GjS) und BVerwGE 23, S. 113 (für alle Normen des GjS). 258 BVerfGE 23, S. 124; BVerfGE 85, S. 142; von Münch/Kunig/Kunig, Art. 74 Rn. 12; von Mangold/Klein/Starck/Oeter, Art. 74 Rn. 14 f.; Maunz/Dürig/Dürig, Art. 74 Rn. 63 f.; Jarass/Pieroth, Art. 74 Rn. 4; Dreier/Stettner, Art. 74 Rn. 19. 259 BVerfGE NJW 04, S. 750 f.; von Mangold/Klein/Starck/Oeter, Art. 74 Rn. 15. 260 BVerfGE 27, S. 32 f.; BVerfGE 29, S. 16; BVerfGE 31, S. 144; Sachs/Degenhart, Art. 74 Rn. 10; Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 74 Rn. 10; Maunz/Dürig/Maunz, Art. 74 Rn. 65; Dreier/Stettner, Art. 74 Rn. 19. 261 BVerfGE 22, S. 9 f.; BVerfGE 23, S. 123 f.; BVerfGE 27, S. 32; Dreier/Stettner, Art. 74 Rn. 19. 257

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Ähnlichkeit und historische Verbindung zu klassischen Strafvorschriften (§§ 130 f., 184 f. StGB) konstatieren. Nicht umsonst erwähnt die amtliche Begründung, dass § 15 Abs. 1 JuSchG die „Systematik der im Wesentlichen inhaltsgleichen Bestimmungen des § 184 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 und 8 des Strafgesetzbuches“ übernehme und § 15 Nr. 7 JuSchG systematisch dem § 184 Abs. 1 Nr. 8 StGB entspreche262. Ein Blick auf die Struktur der Indizierungsvorschriften verstärkt diesen Befund: In den §§ 27 f. JuSchG wird ein jugendgefährdendes Konsumoder Verbreitungsverhalten mit Sanktionen bedroht, wobei dieses Verhalten durch die §§ 15, 18 und 22 f. JuSchG in seinen Voraussetzungen unmittelbar typisiert ist. Deshalb ist davon auszugehen, dass zumindest das Indizierungsrecht „zum Kompetenzbereich des Strafrechtes gehört und daher von der dem Bundesgesetzgeber in Art. 74 Abs 1. Nr. 1 GG verliehenen Gesetzgebungsbefugnis ergriffen wird“263. c) Jugendschutz und Recht der Wirtschaft (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) Schließlich kann man bei den Kompetenzen für den Jugendschutz in den Medien noch an die konkurrierende Gesetzgebung für das Recht der Wirtschaft in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG denken264. Nach ständiger Rechtsprechung ist auch dieser Kompetenztitel „weit“ auszulegen265. Zugeordnet werden können alle Normen, die das wirtschaftliche Leben und die wirtschaftliche Betätigung regeln oder lenken, sofern sie sich in irgendeiner Weise auf das Herstellen oder Verteilen von Gütern beziehen266. Die Aufzählung von einzelnen Wirtschaftszweigen in der Klammer der Bestimmung (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ist 262

BT-Drcks. 14/9013, S. 23. BVerfGE 11, S. 237; so auch: Liesching, ZUM 02, S. 872; Roßnagel/Altenhain, Einl GjS Rn. 17; wohl auch: Beisel/Heinrich, S. 493; Meirowitz, S. 277; a. A. Vlachopoulos, S. 58 Fn. 37 (Gefahrenabwehr als Polizeikompetenz der Länder); Weides, NJW 87, S. 230; Bettermann, AöR 58, S. 110; Faber, S. 108; wohl auch: Schraut, S. 24. 264 BT-Drcks. 14/9013, S. 17; BVerwG MDR 58, S. 865 (zum GjS); BVerwGE 85, S. 176; Ukrow, S. 49 Rn. 73. 265 BVerfGE 8, S. 148 f.; BVerfGE 28, S. 146; BVerfGE 67, S. 275; BVerfGE 68, S. 330; Kritik am Begriff äußern: von Münch/Kunig/Kunig, Art. 74 Rn. 43; zweifelnd auch: von Mangold/Klein/Starck/Oeter, Art. 74 Rn. 86. 266 BVerfGE 4, S. 13; BVerfGE 29, S. 409; BVerfGE 67, S. 275; BVerfGE 68, S. 330; Sachs/Degenhart, Art. 74 Rn. 37; Dreier/Stettner, Art. 74 Rn. 53; Jarass/ Pieroth, Art. 74 Rn. 22. 263

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nach vorherrschender Auffassung erschöpfend267. Doch hat die Rechtsprechung auch Materien zum Recht der Wirtschaft gezählt, die weder einem in der Klammer aufgezählten Bereich zuzuordnen waren, noch als branchenübergreifende Regelung charakterisiert werden konnten268. Durch die Föderalismusreform sind das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte jetzt explizit vom Wirtschaftsbegriff des Nr. 11 ausgenommen worden. Allerdings schlösse das nicht aus, dass der Bund im Rahmen einer originären Jugendschutzkompetenz auch in diese Bereiche kraft Sachzusammenhanges einwirken dürfte. Grundsätzlich haben gerade die Indizierungsvorschriften einen erheblichen Effekt auf das Wirtschaftsleben: So dürfen indizierte Träger- und Telemedien nicht mehr uneingeschränkt beworben oder vertrieben werden und unterliegen spezifischen Kennzeichnungspflichten, was die Strukturen des Handels nachhaltig beeinflusst. Auf den ersten Blick erscheint das Jugendschutzgesetz deshalb als ein wirtschaftslenkendes Gesetz. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht betont, dass – bei aller Weite des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG – wirtschaftliche Gesichtspunkte nicht bloßer Nebenzweck einer Regelung sein dürfen, die sich auf den Kompetenztitel stützt. Andernfalls würden alle übrigen Kompetenzvorschriften unangemessen relativiert269. Daraus ist zu schließen, dass eine Berufung auf Nr. 11 ausscheiden soll, wenn bereits andere Spezialkompetenzen einschlägig sind und sich der Wirtschaftsbezug aus dem Normzweck heraus als subsidiär darstellt270. Das übergeordnete Ziel des Jugendschutzgesetzes ist es, entwicklungsund sozialschädliche Medien von Kindern und Jugendlichen fernzuhalten. Dieses gesetzgeberische Bemühen ist in erster Linie Ausdruck öffentlicher Fürsorge aus grundgesetzlicher Verantwortung. Über Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG werden Sanktionen motiviert, die ein Verhalten missbilligen, welches sich gegen die Jugendschutz-Normen richtet. Dagegen sind die Einwirkungen auf das Wirtschaftsleben von der gesetzgeberischen Motivation her nachrangig. Sie sind einfach nötig, um einen effektiven Jugend(medien)schutz zu bewirken. Ein unmittelbares Einwirken aus rein wirtschaftlichen Gründen ist dagegen nicht beabsichtigt. Im Ergebnis scheidet daher eine Bundeskompetenz für den Jugendmedienschutz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG aus271. 267 von Münch/Kunig/Kunig, Art. 74 Rn. 41; Sachs/Degenhart, Art. 74 von Mangold/Klein/Starck/Oeter, Art. 74 Rn. 90; a. A. Dreier/Stettner, Rn. 54 m. w. N. 268 Vgl. dazu Jarass/Pieroth, Art. 74 Rn. 23 m. Bsp. 269 BVerfGE 8, S. 149 f.; BVerfGE 15, S. 24; BVerfGE 28, S. 147 f.; Liesching, ZUM 02, S. 873; Schraut, S. 24. 270 Ähnlich: von Münch/Kunig/Kunig, Art. 74 Rn. 43 (mit Belegen Rechtsprechung in Rn. 44); Liesching, ZUM 02, S. 873.

Rn. 37; Art. 74

ähnlich: aus der

Kap. 6: Jugendmedienschutz und Verfassung

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d) Das Erfordernis einer Regelung durch den Bund (Art. 72 Abs. 2 GG) Um das Primat der Länderregelung zu überwinden, reicht es für den Bund nicht aus, sich auf die Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 und 7 GG zu berufen. Bei diesen Materien der konkurrierenden Gesetzgebung muss hinzutreten, dass eine Bundesregelung im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich ist, um entweder gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen (Art. 72 Abs. 2, 1. Alt. GG) oder die Rechtseinheit (Art. 72 Abs. 2, 2. Alt., Var. 1 GG) bzw. die Wirtschaftseinheit zu wahren (Art 72 Abs. 2, 2. Alt., Var. 2 GG). Grundsätzlich unterliegen die Einschätzungen des Bundes voller gerichtlicher Kontrolle. Bei Prognosen ist dem Bund aber ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, wenn sich die Prognose auf eine gründliche Sachverhaltsermittlung stützt und keine sachfremden Erwägungen enthält272. aa) Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse Auf die Herstellung von gleichwertigen Lebensverhältnissen kann sich der Bund nicht schon immer dann berufen, wenn in einzelnen Bundesländern marginale Ungleichbehandlungen und Unterschiede bestehen273. Es muss so sein, dass sich die Lebensverhältnisse in den Bundesländern stark auseinander entwickelt haben oder sich konkret auseinander zu entwickeln drohen, so dass das gesamte Sozialgefüge des Bundes beeinträchtigt wird274. In der Wirkungsforschung ist heute anerkannt, dass bestimmte Medien möglicherweise negativ auf die Persönlichkeit von Minderjährigen mit besonderen Anlagen einwirken können. Insoweit geht der Gesetzgeber zulässig von einem Wirkungsrisiko aus275. Es ist aber zweifelhaft, ob es wirklich signifikante Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse in den Ländern und das Sozialgefüge des Bundes hätte, wenn der Jugendmedienschutz allein oder in Teilen von den Ländern ausgeübt werden würde. Sicher würden kleingliedrige Länderregelungen dem Anliegen eines effektiven Jugendschutzes wegen der internationalen Dimension des Medieneinflusses weni271 So auch Liesching, ZUM 02, S. 873; Schraut, S. 24; Roßnagel/Altenhain, GjS Einl. Rn. 17; a. A. Meirowitz, S. 277. 272 Vgl. dazu BVerfGE 106, S. 148 f.; von Mangold/Klein/Starck/Oeter, Art. 72 Rn. 96; Pechstein/Weber, Jura 03, S. 85; Maurer, S. 561. 273 Zippelius/Würtenberger, S. 393; Dreier/Stettner, Art. 72 Rn. 19; Jarass/ Pieroth, Art. 72 Rn. 12. 274 BVerfGE 106, S. 144. 275 Vgl. dazu noch ausführlich: Kapitel 11, II. 2. b) bb).

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ger gerecht werden können. Aber zumindest, wenn die Länder den Jugendmedienschutz einheitlich durch Staatsvertrag regeln würden – wie im Moment für den Rundfunk und die Rechtsfolgen bei Telemedien – wäre ein daraus (womöglich) resultierendes geringeres Schutzniveau eine gesamtstaatliche Problematik. Sie hätte strukturell gar nichts mit einem Auseinanderdriften der Lebensverhältnisse in einzelnen Bundesländern zu tun, sondern mit mangelnder Effizienz im Kampf gegen schädliche Medieninhalte im ganzen Bundesgebiet. Das spricht gegen eine Subsumtion unter Art. 72 Abs. 2, 1. Alt. GG. Auf jeden Fall aber fehlen Anhaltspunkte für eine bestehende oder konkret drohende signifikante Disparität der Lebensverhältnisse in den Ländern. Die Gefahr medialer „Verwahrlosung“ – so es sie denn überhaupt geben kann – ist im ganzen Bundesgebiet gleich. Da das Bundesverfassungsgericht die Tatbestandsalternative restriktiv interpretiert276, kann sich der Bund beim Jugendmedienschutz nicht auf die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse berufen277. bb) Wahrung von Rechtseinheit Die Rechtseinheit darf der Bund durch eine eigene Regelung wahren, wenn eine Rechtszersplitterung auf Länderebene droht, die problematische Folgen hat und deshalb weder im Interesse des Bundes noch der Länder hingenommen werden kann278. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes ist eine Wahrung der Rechtseinheit durch Bundesrecht auch dann zulässig, wenn unterschiedliche Länderregelungen zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führen und dadurch der länderübergreifende Rechtsverkehr oder die Freizügigkeit zwischen den Bundesländern unzumutbar behindert wird279. Der Jugendmedienschutz weist Besonderheiten auf, die eine bundeseinheitliche Regelung zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich machen280. Die bedeutsamste ist die immer schneller fortschreitende Konvergenz der Medien auf allen Ebenen281. Motor dieser Konvergenz ist die rasante Weiterentwicklung der Informationstechnologie. Schon heute lassen sich technische Umwandlungsprozesse innerhalb der verschiedenen Verbreitungs276

Pechstein/Weber, Jura 03, S. 85. A. A. Faber, S. 112. 278 BVerfGE 106, S. 145; Jarass/Pieroth, Art. 72 Rn. 13. 279 BVerfGE 106, S. 146; zust. Zippelius/Würtenberger, S. 394; vgl. auch Pechstein/Weber, Jura 03, S. 85. 280 Darauf stützt sich auch der Bund, vgl. BT-Drcks. 14/9013, S. 17; Hochstein, NJW 97, S. 2978; Faber, S. 111 f. 281 BT-Drcks. 14/9013, S. 13 f. 277

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wege schnell realisieren: Inhalte auf DVDs oder anderen Trägermedien können beispielsweise über zwischengeschaltete Abspielgeräte und/oder PCs problemlos in das Internet eingestellt werden oder aus dem Internet über den PC für beliebige Endgeräte in der ganzen Welt hergestellt und umgewandelt werden. Für die tatsächliche Verbreitung kommt gerade dem weltweiten Internet eine bedeutende Plattformfunktion zu282. In absehbarer Zeit werden individuelle Kommunikation, Datenverarbeitung und Medienkonsum über die (möglicherweise kombinierten) Verbreitungswege Internet, Fernsehen oder Radio in einem (transportablen) Mehrfunktionsgerät möglich sein. Erste Schritte in diese Richtung gehen Anbieter von Spezial-Handys, mit denen man auch Fernsehen empfangen kann. Solche hochgerüsteten Mobilfunkgeräte stehen kurz vor der breiten Markteinführung283. Mobiltelefone, über die man Radioprogramme empfangen und über die sich gleichzeitig Internetfunktionen inklusive Download (z. B. von Musikdateien) ausführen lassen, gibt es bereits284, ebenso „Multimedia-Center“ oder „WohnzimmerPCs“, die Stereoanlage, digitalen Videorekorder, Internet und Fernsehen in einem Gerät vereinen285. Die technische Konvergenz bereitet den Boden für eine kommunikative Konvergenz, also einer Verschmelzung und Bündelung bisher getrennter Mediendienste und Angebote: Schon heute gibt es mediale Mischformen wie das Internetradio und das Internetfernsehen via Podcasting286. Viele Fernsehsender bieten Programminhalte parallel im Internet als „Video-onDemand“ an287. In einer globalisierten Welt setzen sie der starren zeitlichen Abfolge von Sendungen im Rundfunk eine individuelle Abrufbarkeit zu jeder Tages- und Nachtzeit entgegen. Dabei präsentieren viele Plattformen 282

Gerhards/Klingler, MP 06, S. 86. Blödorn/Gerhards/Klingler, MP 06, S. 630. Mit DVB-H und DMB stehen bereits digitale Standards zur Verfügung, durch die Video- oder Audio- und internetbasierte Multimedia-Inhalte auf mobile, batteriebetriebene Endgeräte wie das Handy, PDAs oder Laptops mit kleinen Bildschirmen übertragen werden können. Allein beim „Handy-TV“-Geschäft erwartet die Industrie für 2007 einen Umsatz von rund 20 Mio. Euro, der sich bis 2010 auf geschätzte 450 Mio. Euro steigern soll, vgl. Breunig, MP 06, S. 2 f. 284 Breunig, MP 06, S. 4. 285 Van Eimeren/Frees, MP 06, S. 564. 286 Unter „(Video-)Podcasting“ versteht man die Produktion und Veröffentlichung von Audio- oder auch Videodateien über das Internet, wobei sich der Nutzer je nach seinen Vorlieben komplette Radio- oder Fernsehprogramme zusammenstellen kann, vgl. Breunig, MP 06, S. 2. 287 Unter „Video-on-Demand“ versteht man einen interaktiven Dienst, mit dem audiovisuelle Medieninhalte (z. B. Spielfilme, Sendungen etc.) zu jeder beliebigen Zeit – und unabhängig von einer Rundfunkausstrahlung – individuell abrufbar sind, vgl. Kaumanns/Siegenheim, MP 06, S. 622 f. 283

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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen der Indizierung

nicht nur nationale Angebote, sondern zusätzlich weltweite Medienangebote – und das per Mausklick. Es ist davon auszugehen, dass diesen medialen Mischformen die Zukunft gehören wird, wie auch die immer größeren Zugriffszahlen gerade junger Nutzer belegen288. Damit ist aber auch der Ansatz zum Scheitern verurteilt, die Zuständigkeiten für den Jugendmedienschutz nach einzelnen Medien und Verbreitungsarten aufzuteilen289. Er führt früher oder später zu einem Wust an Einzelregelungen, der einerseits nicht die technische Entwicklung widerspiegelt und andererseits Abgrenzungsschwierigkeiten oder Kompetenzstreitigkeiten mit sich bringt290. Bei der anhaltenden Medienkonvergenz kann deshalb nur eine bundeseinheitliche Regelung schnellen und effektiven Jugendmedienschutz gewährleisten. Ein länderübergreifender Regelungskompromiss würde dagegen nicht gleichwertig weiterhelfen können. Denn dass die Länder für bestimmte Medien durch Verträge Rechtsgleichheit erreichen können, ist etwas anderes als die Rechtseinheit des Jugendschutzes für alle Medien291. Jugendgefährdung macht nicht an den Ländergrenzen halt. Das zeigt sich besonders am Beispiel des Versandhandels. Über ihn lassen sich jugendgefährdende Medien aus dem Ausland problemlos in das Bundesgebiet einführen. Da die Länder keine Außengrenzkontrollen vornehmen dürfen, würde eine Länderregelung – selbst bei einer staatsvertraglichen Übereinkunft – nur sehr schwer sicherstellen können, dass ein bundeseinheitlicher Schutzstandard an allen Grenzen des Landes gewährleistet ist. Auch bei der Verbreitung von jugendgefährdenden Inhalten durch das Internet wird die Erforderlichkeit einer Bundesregelung noch einmal deutlich: International gibt es völlig unterschiedliche Vorstellungen von Jugendmedienschutz und seiner Reichweite292. Deshalb lassen sich auch die brutalsten und menschenverachtendsten Medieninhalte über das Internet beziehen. Andererseits ist das globale Internet nationalstaatlichen Zugriffen weitestgehend entzogen. Die Behörden sind auf Einsicht und Mithilfe der internationalen Betreiber angewiesen, wenn sie jugendgefährdende Inhalte im weltweiten Internet sichern oder 288

Gerhards/Klingler, MP 06, S. 86 f. Allein für „Video-on-Demand“ prognostiziert die Studie „Deutschland Online 3“ auf der Grundlage einer Expertenbefragung, dass im Jahre 2010 rund 11 Prozent und im Jahr 2015 rund 25 Prozent aller deutschen Haushalte dieses Angebot nutzen werden, vgl. Kaumanns/Siegenheim, MP 06, S. 622. 289 Ebenso: Liesching, JMS, S. 259; Faber, S. 113. 290 Das belegt im Übrigen der schon seit Jahren schwelende Kompetenzstreit zwischen Bund und Ländern über die Regelungshoheit beim Jugendschutz im Rundfunk sowie den Tele- und Mediendiensten; vgl. dazu Hochstein, NJW 97, S. 2978; Scherer, AfP 96, S. 213 f.; Faber, S. 119 f. 291 Roßnagel/Altenhain, GjS Einl. Rn. 19. 292 Schwanda, tv-diskurs 03, S. 39 f.; Wallander, tv-diskurs 03, S. 34 f.; Watanabe/Michaelis, tv-diskurs 00, S. 60 f.

Kap. 6: Jugendmedienschutz und Verfassung

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sperren wollen293. Perspektivisch gesehen hätte hier allein der Bund ausreichendes Gewicht, um internationale Abkommen zum Jugendschutz effektiv zu gestalten. Es ist schon paradox, dass der Bund ausgerechnet auf diesem Gebiet die Gesetzgebung teilweise den Ländern überlassen hat. Das ändert jedoch nichts an dem Ergebnis, dass der Bund zur Wahrung der Rechtseinheit im gesamtstaatlichen Interesse gesetzgeberisch tätig werden kann. cc) Wahrung von Wirtschaftseinheit Regelungen dienen der Wahrung der Wirtschaftseinheit, wenn sie die Funktionsfähigkeit des Wirtschaftsraumes der Bundesrepublik schützen sollen294. Dabei besteht nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes ein enger Bezug zur Wahrung von Rechtseinheit. Bei „bedrohliche[n] oder unzumutbare[n] Auswirkungen einer Rechtsvielfalt oder mangelnder länderrechtlicher Regelung, greift die dritte Zielvorgabe des Art. 72 Abs. 2 GG ein“295. Das soll der Fall sein, wenn die Länder Schranken oder Hindernisse für den Verkehr im Bundesgebiet errichten und dies „die Verteilung des wirtschaftlichen (personellen und sachlichen) Potentials“ verzerrt296. Der Markt mit Mediendiensten und Medienprodukten ist ein Wachstumsmarkt297. Gleichzeitig greifen die Indizierungsvorschriften erheblich in den freien Wirtschaftskreislauf ein, in dem sie Werbe- und Verbreitungsverbote für jugendgefährdende Medien festlegen. Es würde die positive Entwicklung des Medienmarktes stark beeinträchtigen, wenn sich Hersteller und Händler von Medien in jedem einzelnen Bundesland unterschiedlichen Jugendschutz-Anforderungen für die Verbreitung von Waren ausgesetzt sähen. Dies würde die flexible Verbreitung von Waren über die Ländergrenzen hinaus erschweren und die Wirtschaft lähmen. Auch käme es zu einer stärkeren Wirtschaftskonzentration in „liberaleren“ Ländern, während Länder mit hohem Schutzniveau das Nachsehen hätten. Nun ließe sich eine bundesweite Rechtsharmonisierung in Teilen sicher auch über länderkonsensuale Regelungen (etwa Staatsverträge) erreichen. Doch wären damit immer noch größere Unsicherheiten und Unwägbarkeiten verbunden, als durch eine rechtsharmonisierende Bundesregelung. Es ist auch zu berücksichtigen, dass Jugendaffinität ein Qualitätsmerkmal der Wirtschaft sein kann und den Absatz von Produkten positiv zu beeinflussen vermag. Das spricht ebenso für eine 293 Vgl. dazu Monssen-Engberding/Bochmann, S. 20 f.; auch: BT-Drcks. 14/ 9013, S. 17. 294 Pechstein/Weber, Jura 03, S. 85; Rybak/Hofmann, NVwZ 95, S. 231. 295 BVerfGE 106, S. 146. 296 Ebenda. 297 S. o. sowie Faber, S. 114.

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Teil 2: Verfassungsrechtlicher Rahmen der Indizierung

Bundesregelung zur Wahrung der Wirtschaftseinheit. Denn der Bund kann Einwirkungen von außen, die gegen nationale Jugendschutzregelungen verstoßen, effektiver bekämpfen als die Länder mit Einzelregelungen – und seien sie auch harmonisiert. dd) Zwischenergebnis Der Bund kann also eine gesamtstaatliche Regelung zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit erlassen. Er kann allerdings auch auf eine eigene Regelung verzichten. Die Kompetenznormen des Grundgesetzes allein begründen keine Gesetzgebungspflichten298. Deshalb gibt es keine rechtlichen Bedenken, dass der Bund die Regelung der Rechtsfolgen für indizierte Telemedien im Moment den Ländern für eine eigenständige Regelung überlassen hat (vgl. § 16 JuSchG und die §§ 4 f. JMStV). Das gilt jedenfalls so lange, wie sich alle Bundesländer auf eine einheitliche Regelung für die Telemedien festlegen können, wie sie in dem von allen Bundesländern ratifizierten und umgesetzten Jugendmedienschutz-Staatsvertrag zum Ausdruck kommt299. Gleichwohl ist diese Entscheidung rechtspolitisch bedauerlich. Durch die fortschreitende technische Konvergenz in den Medien erscheint ein Bundesgesetz zum Jugendmedienschutz überfällig. 3. Organisations- und Verfahrenskompetenzen Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes zur Errichtung der Bundesprüfstelle als Oberbehörde sowie der gesetzlichen Regelung des Verwaltungsverfahrens vor der Bundesoberbehörde ergibt sich aus Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG300. 4. Ergebnis Das Indizierungsrecht ist als Teil des Jugend(medien)schutzes auch nach der Föderalismusreform von den Kompetenztiteln der Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 und 7 GG gedeckt. Im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung besteht ein Erfordernis zur bundeseinheitlichen Regelung, um die Rechts- und Wirtschaftseinheit zu wahren. Allerdings steht es dem Bund offen, auf eine Gesetzgebung zu verzichten. Organisations- und verfahrensrechtliche Kompetenzen kann der Bund aus Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG ableiten. 298

Langenfeld, MMR 03, S. 306; Maunz/Dürig/Maunz, Art. 74 Rn. 18 m. w. N. Zur Abwendung einer Bundesregelung durch Selbstkoordination der Länder vgl. BVerfG NJW 2004, S. 2805 (Juniorprofessur); Zippelius/Würtenberger, S. 394. 300 BVerfGE 31, S. 117. 299

Teil 3

Das geltende Indizierungsrecht Verfassungsrechtliche Prämissen binden den Gesetzgeber. Allerdings ist es im Einzelfall schwierig, den unterschiedlichen Interessen des Jugendmedienschutzes und der Grundrechtsfreiheiten verfassungskonform gerecht zu werden. Im Hauptteil dieser Untersuchung soll es darum gehen, das nationale Indizierungsrecht kritisch zu hinterfragen und verfassungsrechtlich zu würdigen. Kapitel 7

Rechtsquellen Indizierungsrelevante Rechtsvorschriften finden sich vor allem im Jugendschutzgesetz, in dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Länder (Rechtsfolgen für indizierte Telemedien), der Durchführungsverordnung für das Jugendschutzgesetz und der Kostenordnung für das Jugendschutzgesetz.

I. Das Jugendschutzgesetz (JuSchG) Primärquellen des Indizierungsrechtes sind die Vorschriften des Jugendschutzgesetzes. In den §§ 1, 14–29 JuSchG finden sich die maßgeblichen Normen über indizierungsfähige Medien, das Indizierungsverfahren, die Indizierungsgründe und die Folgen einer Indizierung sowie die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen eine Indizierung.

II. Die zugehörigen Rechtsverordnungen Das Jugendschutzgesetz wird dabei durch Rechtsverordnungen flankiert, die das Indizierungsverfahren konkretisieren. 1. DVO-JuSchG Die Durchführungsverordnung des Jugendschutzgesetzes vom 9. September 20031 formuliert ergänzende Regelungen zum Sitz der Bundesprüfstelle 1

BGBl I 2003, S. 1791.

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

(§ 1), zum Verwaltungsverfahren und zu den Verhandlungsgrundsätzen (§§ 2–12), zur Listenführung sowie der Veröffentlichung der Liste (§ 13), zur Zusammenarbeit der Bundesprüfstelle mit der Kommission für Jugendmedienschutz (§ 14) sowie deren Mitteilungspflichten gegenüber anderen Institutionen (§ 15). Die Verordnung ist über § 26 JuSchG gesetzlich legitimiert. 2. BPjMGebO Große Bedeutung hat auch die Verordnung über die Erhebung von Gebühren durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjMGebO) vom 28.04.20042. Gesetzliche Grundlage dafür ist § 21 Abs. 10 S. 2 JuSchG. Die Gebührenordnung ermöglicht es der Bundesprüfstelle, Gebühren und Vorschüsse (für Verfahren auf Listenstreichung und Feststellung fehlender Inhaltsgleichheit3) zu erheben, wenn sie auf einem Antrag der Urheber bzw. sonstiger Rechteinhaber beruhen (§§ 1–2). Der exakte Gebührenrahmen ergibt sich aus einem Gebührenverzeichnis, das die Anlage der Verordnung bildet (§ 3).

III. Der Staatsvertrag der Länder (JMStV) Eine Reihe von Vorschriften mit Indizierungsbezug finden sich im Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien vom 10.-27. September 20024. Für diese Arbeit ist er zwar von untergeordneter Bedeutung, weil hier die Indizierung nach dem JuSchG und damit insbesondere die Indizierung von Trägermedien im Zentrum der Betrachtung stehen soll. Aber bei der Abgrenzung von Trägerund Telemedien oder der Auslegung identischer Rechtsnormen wird auf die Regelungen einzugehen sein. Ansonsten sind die Voraussetzungen für eine Indizierung sowohl für Träger- als auch für Telemedien einheitlich im JuSchG geregelt. Der JMStV formuliert lediglich abweichende Indizierungsfolgen für Telemedien. Dies ist durch § 16 JuSchG gesetzlich legitimiert. Seine zentrale Bedeutung hat der JMStV für den Umgang mit Rundfunk-Medien. Denn Radio und Fernsehen bilden rechtlich gesehen eine eigene Kategorie und werden nicht direkt vom JuSchG tangiert. 2

BGBl I 2004, S. 691. Vgl. dazu noch ausführlich Kapitel 13 II. 4 Bis 31.03.2003 wurden die Ratifizierungsurkunden aller Bundesländer zum JMStV beim Vorsitzenden der Ministerpräsidenten-Konferenz hinterlegt (vgl. z. B. das Gesetz zum JMStV des Landes Nordrhein-Westfalen vom 28.02.2003), so dass er gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 JMStV wie geplant zum 1. April 2003 in Kraft treten konnte. 3

Kap. 8: Institutionen der Indizierung

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IV. Strafrechtliche Normen Einige Vorschriften des Strafgesetzbuches (StGB) werden als originäre Indizierungsgründe für das Indizierungsrecht relevant: So sind Träger- und Telemedien schon automatisch indiziert, wenn sie gegen die §§ 86, 130, 130 a, 131, 184, 184 a oder 184 b StGB verstoßen5. Zwar formuliert das Strafgesetzbuch selbstständige Verbreitungs-, Werbe- bzw. Herstellungsverbote, die im Wesentlichen deckungsgleich mit den Beschränkungen des JuSchG sind. Doch stellt das JuSchG zusätzlich die fahrlässig-schuldhafte Verbreitung, Bewerbung bzw. Herstellung von Medien mit solchen Inhalten unter Strafe6.

V. Verwaltungsrechtliche Vorschriften Soweit das Jugendschutzgesetz keine speziellen Verfahrensregelungen vorsieht, muss ergänzend auf das Verwaltungsverfahrensgesetz und das Verwaltungszustellungsgesetz des Bundes zurückgegriffen werden. Gerichtsverfahren gegen Indizierungsentscheidungen richten sich im Wesentlichen nach den Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung. Kapitel 8

Institutionen der Indizierung Am eigentlichen Indizierungsvorgang sind vor allem die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien und die gemeinsame Kommission für den Jugendschutz als Akteure beteiligt.

I. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) Die Gremien der Bundesprüfstelle befinden in einem förmlichen Verfahren darüber, ob ein Medium (weiter) als jugendgefährdend anzusehen ist und indiziert werden muss oder nicht7. Sie entscheiden auch darüber, ob die Voraussetzungen wieder weggefallen sind, sowie bei Zweifeln darüber, ob ein Trägermedium mit einem indizierten Medium wesentlich inhaltsgleich ist8. Indizierungsprüfungen werden bereits seit dem 9. Juli 1954 5 6 7

§ 15 Abs. 2 Nr. 1 JuSchG, vgl. dazu auch noch näher Kapitel 11 IV. 2. § 27 Abs. 3 Nr. 1 und 2 JuSchG. Vgl. §§ 17 Abs. 2, 18 Abs. 1, 21 f. JuSchG.

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

durchgeführt9. Schon die Vorläufer des Jugendschutzgesetzes – GjS und GjSM – wiesen der Bundesprüfstelle die Indizierung als Aufgabe zu10. Im Jahre 2006 wurden 344 Indizierungen ausgesprochen. Am 28. Februar 2007 waren insgesamt 6.032 Medien indiziert11. 1. Stellung und Bedeutung Sitz der Bundesprüfstelle ist Bonn12. Es handelt sich um eine kleine selbstständige Bundesoberbehörde mit eigenem Haushalt, die verwaltungsrechtlich dem Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) nachgeordnet ist. Allerdings sind die Mitglieder ihrer Entscheidungsgremien gemäß § 19 Abs. 4 JuSchG nicht an Weisungen gebunden. 2. Behördenstrukturen und Zuständigkeiten Die Bundesprüfstelle hat hauptamtliche Mitarbeiter und ehrenamtliche Gremienmitglieder. Während erstere im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, ist das bei letzteren nicht zwingend der Fall. Die Gruppenbeisitzer gehören in der Regel privaten Verkehrskreisen an. a) Hauptamtliche Mitarbeiter 19 hauptamtliche Mitarbeiter – Referenten, Sachbearbeiter und Sekretäre – kümmern sich um den reibungslosen Verwaltungsgang in der Behörde. Sie registrieren Indizierungsbegehren und sonstige Anliegen, bereiten die Sitzungen der Entscheidungsgremien vor und formulieren deren Ergebnisse aus. Seit 2004 gibt es eine eigene Unterabteilung in der BPjM, die sich verstärkt um die Förderung der Medienkompetenz bei Eltern, Kindern und Jugendlichen kümmern soll. Eine herausragende Bedeutung kommt in der Behörde dem oder der Vorsitzenden der Bundesprüfstelle zu. Sie13 ist hauptamtlich tätig und wird vom Bundesfamilienministerium für drei Jahre ernannt, wobei Wiederwahl zulässig ist14. 8

Vgl. §§ 21 Abs. 5, 15 Abs. 3 JuSchG. Quelle: www.bundespruefstelle.de (dort unter: Geschichte der BPjM, Abruf: 11.03.2007). 10 Vgl. nur §§ 1 Abs. 1, 8 Abs. 1, 12 Abs. 1 GjS (a. F.). 11 Quelle: www.bundespruefstelle.de (dort unter: Statistik, Abruf 11.03.2007). 12 § 1 DVO JuSchG. 13 Die männliche Form ist nachfolgend impliziert. Die aktuelle Vorsitzende der BPjM ist Regierungsdirektorin Elke Monssen-Engberding. 14 § 19 Abs. 1 und 3 JuSchG. 9

Kap. 8: Institutionen der Indizierung

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b) Behördenleitung Die Vorsitzende der Bundesprüfstelle gestaltet nicht nur das Verwaltungsverfahren entscheidend mit. Sie besitzt auch erhebliche materielle Sachentscheidungs-Kompetenzen. Als Mitglied in den Indizierungs-Gremien15 ist sie nicht an Weisungen gebunden. In ihrer Funktion als Leiterin einer nachgeordneten Bundesbehörde unterliegt sie aber der Fachaufsicht des Ministeriums. Die Vorsitzende befindet bei einer Anregung darüber, ob ein Indizierungsverfahren im Interesse des Jugendschutzes liegt und durchgeführt wird16. Sie hat auch die Möglichkeit, Verfahren von Amts wegen zu initiieren: So kann sie z. B. ein Prüfverfahren in die Wege leiten, wenn Zweifel darüber bestehen, ob ein Medium inhaltsgleich mit einem Medium ist, das schon auf der Liste steht17. Falls ein Medium aus ihrer Sicht nicht mehr jugendgefährdend ist, ordnet sie ein Verfahren zur Listenstreichung an18. Umgekehrt steht es ihr zu, ein Verfahren in Gang zu bringen, um die Listenstreichung von Medien durch Zeitablauf zu verhindern19. Die Vorsitzende kann im Übrigen ein Indizierungsverfahren vorzeitig einstellen, wenn eine Listenaufnahme oder eine Listenstreichung offensichtlich nicht in Betracht kommt20. Verfahrenstechnisch bestimmt sie Verhandlungstermine und die Reihenfolge, in der Beisitzer an Verhandlungen teilnehmen21. Darüber hinaus leitet sie die Sitzungen und hält die Sitzungsordnung aufrecht22. Dritte Personen und Beisitzer werden bei ihrer ersten Sitzung von der Vorsitzenden über das Beratungs- und Abstimmungsgeheimnis informiert, Beisitzer zusätzlich über ihre Weisungsungebundenheit und die Pflicht zur gewissenhaften und unparteiischen Ausübung ihres Amtes23. Sie zieht ZeugInnen oder Sachverständige zur Verhandlung heran24, kann Dritten die Teilnahme an der Sitzung gestatten25 und Auszubildenden im höheren Dienst die Teilnahme an der Beratung und Abstimmung erlauben26. Unter jeder Indizierungsentscheidung muss ihre Unterschrift stehen27. Die Vorsit15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27

§§ 19 Abs. 1 S. 1, 23 Abs. 1, S. 1 JuSchG. § 21 Abs. 4, 2. Alt. JuSchG. §§ 15 Abs. 3 i. V. m. 21 Abs. 5 Nr. 1 JuSchG. §§ 21 Abs. 5 Nr. 2 JuSchG i. V. m. 18 Abs. 7 S. 1; § 23 Abs. 4 JuSchG. §§ 18 Abs. 7 S. 2, 21 Abs. 5 Nr. 3 JuSchG. § 21 Abs. 3 JuSchG. §§ 5 Abs. 1, 12 Abs. 2 und 3 DVO JuSchG. § 8 Abs. 1 DVO JuSchG. § 11 DVO JuSchG. § 7 Abs. 1 S. 2 DVO JuSchG. § 8 Abs. 2 S. 2 DVO JuSchG. § 9 Abs. 1 DVO JuSchG. § 9 Abs. 2 S. 2 DVO JuSchG.

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

zende führt schließlich die Liste der jugendgefährdenden Medien28, informiert Strafverfolgungsbehörden über die Aufnahme von Medien in die Teile B oder D der Liste29 sowie die anerkannten Einrichtungen der Selbstkontrolle (FSK, USK etc.) über ausländische Telemedien, die in die Liste aufgenommen werden30. c) Das 12er-Gremium Für Indizierungsentscheidungen und Listenstreichungen ist im Regelfall das sogenannte 12er-Gremium zuständig. Es besteht aus der Vorsitzenden der Bundesprüfstelle, acht Gruppenbeisitzern sowie drei Länderbeisitzern31. Die größte Gruppe der Gruppenbeisitzer wird von bestimmten Interessenkreisen und deren organisierten Verbänden vorgeschlagen. Sie sind in den §§ 19 Abs. 2, 20 Abs. 1 JuSchG näher bezeichnet. Auf ihren Vorschlag hin werden die einzelnen Personen durch das Bundesfamilienministerium zu Beisitzern berufen. Reicht eine Interessenorganisation mehrere Vorschläge ein, wählt das Bundesfamilienministerium eine Person aus32. So gelangen Vertreter der Kunst, der Literatur, des Buchhandels und der Verlegerschaft, der Anbieter von Bild- und Telemedien, der freien Jugendhilfe, des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, der Lehrerschaft und der religiös geprägten Körperschaften des öffentlichen Rechts in das Indizierungsgremium. Die Länderbeisitzer werden dagegen von den Landesregierungen ernannt. Jedes Bundesland kann einen Beisitzer bestimmen. Landesregierungen kön28 29

§ 24 Abs. 1 JuSchG. § 24 Abs. 4 JuSchG, vgl. zur Struktur der Liste noch näher Kapitel 12 III. 1.

b). 30

§ 24 Abs. 5 S. 1 JuSchG. § 19 Abs. 5 S. 1 JuSchG. 32 § 20 Abs. 1 S. 3 JuSchG. Das Vorschlagsrecht ist nicht auf die in § 20 Abs. 1 JuSchG genannten Organisationen/Verbände des jeweiligen Kreises beschränkt. Das Ministerium fordert im Januar jedes Jahres auch die nicht im Gesetz erwähnten Verbände (im Bundesanzeiger) auf, binnen sechs Wochen Personalvorschläge für Beisitzer zu machen. Voraussetzung für die Berücksichtigung von Vorschlägen ist ein verbandschaftliches Gewicht der vorschlagenden Organisation. Außerdem muss ihre dauerhafte Tätigkeit zu erwarten sein. Unter allen eingereichten Vorschlägen wählt das Ministerium für die Gruppen, für die zusätzliche Personalvorschläge gemacht wurden, einen weiteren Beisitzer samt Stellvertreter aus. Bei mehreren Vorschlägen externer Verbände entscheidet das Los, wenn keine Personaleinigung erreicht werden kann. Besteht insgesamt erhöhter Personalbedarf (z. B. wegen einer Vielzahl von Indizierungsverfahren) und reichen die Vorschläge der gesetzlich etablierten Gruppen nicht aus, kann das Bundesfamilienministerium ausnahmsweise auch mehrere extern vorgeschlagene Personen und Vertreter für einen Kreis ernennen, vgl. zum Ganzen § 20 Abs. 2 JuSchG. 31

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nen ihr Ernennungsrecht nach Abs. 1 auch auf eine oberste Landesbehörde übertragen33. Das System der Beisitzer-Auswahl führt zu einem Überschuss an potentiellen Mitgliedern des 12er-Gremiums – es gibt ja allein 16 Bundesländer und damit 16 mögliche Länderbeisitzer. Die Problematik wird dadurch gelöst, dass im Vorhinein für einen bestimmten Zeitraum gerechte Festlegungen erfolgen, welche Gruppen- und Länderbeisitzer in welchen Sitzungsmonaten tatsächlich im 12er-Gremium entscheiden dürfen34. Bei den Länderbeisitzern folgt der Einsatz zum Beispiel dem Alphabet (es beginnen also im Januar des ersten Jahres der dreijährigen Amtszeit Baden-Württemberg, Bayern und Brandenburg; im zweiten Monat folgen die alphabetisch nächsten Bundesländer). Für die Gruppenbeisitzer gilt dieses Prinzip in abgewandelter Form: Die jeweiligen Vertreter einer Gruppe erhalten Buchstaben zugewiesen (etwa A bis F) und werden dann abwechselnd zu den Sitzungen eingeladen. Jeder Gruppen- und jeder Länderbeisitzer hat mindestens einen Stellvertreter, der einspringt, wenn der Beisitzer verhindert ist oder ausscheidet35: Bei den Länderbeisitzern ernennen die Länder die jeweiligen Vertreter, bei den Gruppenbeisitzern wählt das Bundesfamilienministerium aus den Vorschlägen der Verbände aus36. Erscheinen trotzdem nicht alle eingeteilten oder vertretenden Beisitzer in einer Sitzung, so ist die Bundesprüfstelle noch mit bis zu neun Mitgliedern beschlussfähig. Allerdings müssen von den neun Mitgliedern mindestens zwei den Bereichen der Kunst, Literatur, des Buchhandels und der Verlegerschaft oder der Anbieter von Bildträgern und von Telemedien angehören37. Alle Beisitzer werden für jeweils drei Jahre bestimmt38. Sie können von der Stelle, die sie bestimmt hat, vorzeitig abberufen werden, wenn sie ihrer Pflicht zur Mitarbeit in der Bundesprüfstelle nicht nachkommen39. Denkbar ist das, wenn einzelne Beisitzer Sitzungen mehrfach ohne Angabe von Gründen oder unentschuldigt fernbleiben. Ansonsten müssen Gruppenbeisitzer über ihre Verbandszugehörigkeit hinaus keine besonderen Qualifikationen mitbringen, um als vollwertige Beisitzer am Entscheidungsprozess teilzunehmen. Da es das Ziel der Mitwirkung sei, die Anschauungen der sachkundigen Kreise einzubringen, fehlt nach Auffassung des Bundesverfas33 § 19 Abs. 1 S. 1 und 3 JuSchG. Nach BT-Drcks. 14/9013, S. 26 soll dies der „Verfahrenserleichterung“ dienen. 34 § 12 Abs. 2, und 3 DVO JuSchG. 35 §§ 19 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. JuSchG, 12 Abs. 1, S. 1, Abs. 5, S. 1 DVO JuSchG. 36 § 12 Abs. 1 S. 2 und 3 DVO JuSchG. 37 § 19 Abs. 5 S. 2 JuSchG. 38 § 19 Abs. 3 S. 1 JuSchG. 39 § 19 Abs. 3 S. 2 JuSchG.

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sungsgerichtes „jeder durchgreifende Grund, den einzelnen Gruppenbeisitzern einen über die Verbandszugehörigkeit hinausgehenden Qualifikationsnachweis abzuverlangen“40. Allerdings wird in der Literatur zu Recht eine (analoge) Anwendung der §§ 32 f. GVG gefordert (Unfähigkeit, mangelnde Eignung als Schöffe) und ein darauf gestütztes Ablehnungsrecht des Bundesfamilienministeriums für betroffene Beisitzer befürwortet41. d) Das 3er-Gremium Nicht immer werden Indizierungsfragen im 12er-Gremium der Bundesprüfstelle entschieden. In engen Grenzen kann auch das so genannte 3erGremium im vereinfachten Verfahren Entscheidungen treffen. Es besteht aus der Vorsitzenden der Bundesprüfstelle und zwei Beisitzern. Einer der Beisitzer muss dabei ein Gruppenbeisitzer sein, der aus den Bereichen Kunst, Literatur, Buchhandel oder Verlegerschaft bzw. Anbieter von Bildträgern und Telemedien kommt42. Auch bei der Besetzung des 3erGremiums wird von der Bundesprüfstelle vorher genau festgelegt, welche Beisitzer und Stellvertreter in welchem Zeitraum an Entscheidungen mitwirken dürfen43. Dabei entspricht es inzwischen gefestigter Verwaltungspraxis, dass die Beisitzer dieses Gremiums jedes Jahr vom 12er-Gremium der Bundesprüfstelle gewählt werden44. Das 3er-Gremium wird nach einem Antrag oder einer Anregung nur auf Veranlassung der Vorsitzenden aktiv, wenn diese ein Tele- oder Trägermedium als ganz offensichtlich jugendgefährdend einschätzt45. Davon darf sie ausgehen, wenn eine Indizierung des Mediums nach den aktuellen Bewertungsmaßstäben und der gegenwärtigen Spruchpraxis der Bundesprüfstelle sicher erfolgen würde46. Eine Dauerindizierung von periodischen Trägermedien oder Telemedien gemäß § 22 JuSchG darf jedoch nicht durch das 3erGremium ausgesprochen werden47. 40

BVerfGE 83, S. 152. Scholz/Liesching, § 19 Rn. 3; Ukrow, S. 267 Rn. 530 Fn. 10; Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 19 Rn. 4. 42 §§ 23 Abs. 1 S. 1 i. V. m. 19 Abs. 2 Nr. 1–4 JuSchG. 43 § 12 Abs. 4 DVO JuSchG. 44 Auskunft der Vorsitzenden Elke Monssen-Engberding (Gespräch am 21.12. 2006 in der BPjM). 45 § 23 Abs. 1 JuSchG. 46 Vgl. dazu im alten Recht schon OVG Münster, NWVBl 97, S. 396. Ähnlich auch: Scholz/Liesching, § 23 Abs. 2; Ukrow, S. 286 Rn. 568. 47 § 23 Abs. 2 JuSchG. 41

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Dass die Entscheidung über die Verfahrensdurchführung gerade im 3erGremium bei der Vorsitzenden liegt, ergibt sich nur indirekt dadurch, dass das Verfahren nach dem Wortlaut des Gesetzes bei offensichtlicher Jugendgefährdung in diesem Gremium durchgeführt werden „kann“. Nur die Vorsitzende ist aber aufgrund ihrer „besonderen Sachkunde in der Lage, (. . .) eindeutige Fälle dem Gefährdungsgrad des § 18 Abs. 1 zuzuordnen“48. Besteht die Gefahr einer schnellen Verbreitung von offensichtlich jugendgefährdenden Medien, kann das 3er-Gremium auch eine vorläufige Indizierungsanordnung aussprechen. Diese muss vom 12er-Gremium nach maximal zwei Monaten überprüft werden49. Die Vorsitzende kann schließlich eine Verhandlung im vereinfachten Verfahren anordnen, wenn ein Medium aus der Liste der jugendgefährdenden Medien gestrichen werden soll und mindestens zehn Jahre seit der Aufnahme vergangen sind50. e) Verfassungsrechtliche Strukturfragen Die Bestellung der Gruppen-Beisitzer wirft verfassungsrechtliche Fragen auf. Genügt die Ernennung weisungsfreier Beisitzer auf Vorschlag von Verbänden (grundsätzlich) dem Erfordernis demokratischer Legitimation? Und gewährleistet das konkrete Auswahlsystem des JuSchG die erforderliche demokratisch gleiche und plurale Besetzung der Gruppenbeisitzer? Im Kern geht es bei beiden Fragen um die Vereinbarkeit des Indizierungsrechtes mit dem Demokratieprinzip. Das Demokratieprinzip ist grundlegend in Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG verankert und fordert für jede Emanation von Staatsgewalt eine ununterbrochene Legitimationskette auf das Volk, so dass „kein konkretes Amt unverbunden neben dieser Kette“ steht51. Auf diese Weise wird dem Wesen der Demokratie Rechnung getragen, in der es nur einen Souverän gibt: Das Volk. Das Demokratieprinzip erfährt an verschiedenen Stellen des Grundgesetzes Konkretisierungen, wobei vor allem die Wahlrechtsfreiheit und -gleichheit des Art. 38 Abs. 1, Satz 1 GG und der gleiche Zugang zu öffentlichen Ämtern gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hervorzuheben sind. Diese Konkretisierungen sind bei Einschlägigkeit auch der Maßstab für die legitime demokratische Ausübung von Staatsgewalt52. 48 49 50 51 52

Scholz/Liesching, § 23 Rn. 2. § 23 Abs. 5 und 6 JuSchG. § 23 Abs. 4 JuSchG. Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), S. 263 f. Dederer, S. 285 f.

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Die Indizierungen der Bundesprüfstelle sind schon deshalb legitimationspflichtig, weil sie mit ganz erheblichen Grundrechtseingriffen verbunden sein können. Strukturell kommt gerade den Gruppenbeisitzern für die ausgeübte Staatsgewalt eine tragende Rolle zu, da sie über die Indizierung und Nichtindizierung von Medien im 12er- oder 3er-Gremium mitbefinden. Die Ausübung von Staatsgewalt durch die Bundesprüfstelle und die Beisitzer ist zunächst formal durch das Jugendschutzgesetz abgesichert53. Das Gesetz ist vom Parlament beschlossen worden, welches wiederum durch das Volk in demokratischen Wahlen bestimmt worden ist. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes wird die Auswahl der Gruppen-Beisitzer in jedem Einzelfall dadurch demokratisch legitimiert, dass sie vom jeweiligen Bundesfamilienminister ernannt werden, der in seiner Regierungstätigkeit dem durch Wahlen bestellten Parlament verantwortlich ist54. Allerdings darf dabei nicht unberücksichtigt bleiben, dass es dem Minister an einer echten materiellen Bestellkompetenz fehlt: Fähige Beisitzer werden ja nicht aus einer Liste geeigneter Kandidaten durch Verwaltung oder Ministerium destilliert. Ihre Ernennung erfolgt vielmehr auf Vorschlag der Verbände55. Dem Minister verbleibt dabei lediglich eine auf geistige Zurechnungsfähigkeit der Beisitzer beschränkte Entscheidungskompetenz. Zugespitzt formuliert gerät die Auswahl der Gruppenbeisitzer damit zum „Abnicken“ eines Vorschlags privater Interessengruppen. Im Lichte des Demokratieprinzips erscheint eine derart abgeschwächte demokratische Vermittlung von Staatsgewalt bei den Auswirkungen, die Gremienentscheidungen der Bundesprüfstelle haben können, zumindest bedenklich56. Dies ist auch nicht dadurch entkräftet, dass das Bundesverfassungsgericht die Tätigkeit der Bundesprüfstelle „nicht von einer solchen politischen Tragweite [ansieht], dass unter dem Gesichtspunkt eines „ministerialfreien Raums“ (. . .) Bedenken bestünden“57: Denn jede Indizierung ist von erheblicher Bedeutung für die betroffenen Künstler, Wissenschaftler und Unternehmer. Ihnen wird die freie Verbreitung, Bewerbung und Verwertung ihres Werkes untersagt. In der Folge zeitigt die Indizierung – auch wegen der rigiden Marktmechanismen – darüber hinaus einen erheblichen Einfluss auf die Informationsfreiheit. 53

Dederer, S. 285. BVerfGE 83, S. 149. 55 § 19 Abs. 2 S. 1 JuSchG. Eine Ausnahme besteht nur in engen Grenzen, vgl. dazu oben und § 20 Abs. 2 JuSchG. 56 Dederer, S. 317. Ähnlich di Fabio, VVDStRL 56 (1997), S. 264 f: „Die Bestrebungen zur neoständischen Pluralisierung des Verwaltungsverfahrens lösen nicht das Demokratieproblem, mitunter verschärfen sie es.“ 57 BVerfGE 83, S. 150. 54

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Allerdings gilt es bei der Ernennung der Gruppenbeisitzer auch deren besondere Funktion zu beachten: Sie sollen in den Gremien der Bundesprüfstelle eine gewisse Staatsferne garantieren und dadurch den Wirkbereich der Grundrechte optimieren58. Die Staatsferne und Pluralität ist dabei keine selbstzweckhafte Beschränkung, um sich dem Vorwurf des staatlichen Kunstrichtertums zu entziehen. Sie ergibt sich vielmehr aus der objektiven Dimension der gestalterischen Grundrechte, insbesondere der Kunstfreiheit: Die Eigenart und Vielfalt der Kunst und ihre Wirkungen lassen sich sachgerecht nur durch ein ebenso vielfältig zusammengesetztes Gremium erfassen. Dadurch ist sichergestellt, dass Gesichtspunkte, die für die Indizierung maßgeblichen sind, auch festgestellt und erörtert werden. Die gleiche und plurale Einbindung privater Interessen ist also kein Kampfmittel gegen Refeudalisierungsprozesse. Sinn und Zweck ist es vielmehr, die Kunstfreiheit in einem rechtlich nur schwer fassbaren und daher besonders sensiblen Bereich durch ein Element der Selbstverwaltung zu optimieren59. Würde der Minister eine wirkliche Auswahlkompetenz besitzen oder gar ein direktes Vorschlagsrecht für Gruppenbeisitzer, so könnte er unliebsame Personalentscheidungen der Kreise torpedieren bzw. eigene Präferenzen durchsetzen. Dadurch wiederum wäre aber die nötige Staatsferne der Entscheidung in Frage gestellt, die grundrechtlich insbesondere über Art. 5 Abs. 3 GG motiviert werden kann. Das spricht auch gegen eine (analoge) Berücksichtigung des Art. 33 Abs. 2 GG und seiner Kriterien für den Zugang zu öffentlichen Ämtern im Sinne einer „Bestenauslese“ der Gruppenbeisitzer (durch den Minister) – auch wenn es dafür unter Qualitäts-Gesichtspunkten überzeugende Argumente gibt60. Im Ergebnis begegnet das Prinzip der Beisitzerbenennung aus besonderen Verkehrskreisen daher keinen verfassungsrechtlichen Bedenken: Das formaldemokratische Element mag in der Ernennung der Beisitzer durch die vom Parlament gewählte Regierung nur schwach erkennbar sein. Die weitreichende Beteiligung privater Verbände ermöglicht jedoch ein struktur-demokratisches Element, durch das der Konfliktausgleich von Verfassungsgütern in einem pluralen, weisungsfreien Gremium realisiert wird. Das fehlende Auswahlrecht des Ministers ist neben der Weisungsfreiheit der Gruppenbeisitzer ein Garant dafür, dass der Staat keinen weitreichenden Einfluss auf die Indizierungspraxis nehmen kann61 und die grundrechtsrelevante Entscheidung tatsächlich Ergebnis eines staatsfernen Erörterungsprozesses in den zuständigen Gremien ist. Damit steht es wie die strukturelle Betei58 59 60 61

Ähnlich: BVerfGE 83, S. 150. BVerwGE 91, S. 216 f. Dazu eingehend mit guten Gründen: Dederer, S. 328 f. Diesen Verdacht äußerte schon einmal Mayer-Tasch, vgl. JZ 69, S. 284.

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ligung privater Organisationen insgesamt im Dienst ausgestaltender Grundrechtsoptimierung62 und findet darin auch seine innere verfassungsrechtliche Legitimation. Die Vorschriften über die Bestellung von Gruppenbeisitzern aus privaten Verbänden verletzen auch nicht Art. 33 Abs. 4 GG. Eine Verletzung kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil das Amt des Beisitzers zeitlich begrenzt und auch nicht mit einer ständigen Ausübung hoheitlicher Befugnisse verbunden ist63. Allerdings kann das Auswahlprinzip des JuSchG der Grundrechtsoptimierung nur dann dienlich sein und dem Demokratieprinzip genügen, wenn die für die Besetzung der Gruppenbeisitzer vorgesehenen Kreise und Organisationen die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen auch (nahezu) vollständig repräsentieren. Der das Demokratieprinzip konkretisierende Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG erschöpft sich nämlich nicht nur im Recht auf eine gleiche Wahl. Er statuiert auch das Recht, auf die Ausübung von Staatsgewalt zu gleichen Teilen steuernden Einfluss nehmen zu können64. Dem Gesetzgeber steht bei der Auswahl der vorschlagenden Kreise und Organisationen deshalb zwar ein gewisser Entscheidungsspielraum zu65. Doch begründet sich dieser aus der Notwendigkeit, die Entscheidungsgremien funktionsfähig zu halten66. Erhebliche gesellschaftliche Interessen darf er dagegen keineswegs unberücksichtigt lassen. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass „einzelnen Gruppeninteressen (. . .) ein „Sondereinfluss“ zugestanden wird, welcher die Interessen Dritter oder der Allgemeinheit effektiv überspielt“67. Dies kann auch der Fall sein, wenn einzelne Kreise oder Organisationen mangels Bezuges zur Regelungsmaterie schon objektiv gar nicht dazu geeignet sind, sachkundige Prognosen über die potentielle Kinder- und Jugendgefährdung durch einzelne Medien zu treffen. Es ist deshalb im Einzelnen zu hinterfragen, ob der Gesetzgeber bei der Beisitzerwahl das Gebot der pluralen Interessenrepräsentation beachtet hat. Die Berufung von Beisitzern aus den Kreisen der Kunst, der Literatur, des Buchhandels und der Verlegerschaft sowie der Anbieter von Bildträgern und von Telemedien gemäß §§ 19 Abs. 1 Nr. 1–4, 23 Abs. 1 S. 1 JuSchG erscheint gerechtfertigt. Da § 18 Abs. 3 im Rahmen der Indizie62 So treffend zum Prinzip „Regulierter Selbstregulierung“: Rossen-Stadtfeld, AfP 04, S. 4. 63 BVerfGE 83, S. 150. 64 Dederer, S. 287 m. w. N. 65 BVerfGE 83, S. 151; Ukrow, S. 266 Rn. 529. 66 BVerfGE 83, S. 151. 67 Dederer, S. 288. So auch im Ergebnis von Mangold/Klein/Starck/Starck, Art. 5 Abs. 3 Rn. 345.

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rungsentscheidung unter anderem eine Abwägung von Jugendschutz und Kunst bzw. Jugendschutz und öffentlichem Interesse verlangt, sind die in diesen Bereichen tätigen Beisitzer für die Gremienentscheidung äußerst wertvoll. Sie können die Belange der gestalterischen Freiheiten und der allgemeinen Information differenziert und pointiert zur Geltung bringen und so die Diskussion im 12er-Gremium und 3er-Gremium befruchten. Auch die Auswahl der konkret vorschlagsberechtigten Organisationen in § 20 Abs. 1 Nr. 1–4 JuSchG begegnet keinen Bedenken. Der demokratisch gleiche Zugang in das Gremium scheint durch eine umfassende Auswahl von Organisationen mit verbandschaftlichem Gewicht gewährleistet zu sein. Der medialen Weiterentwicklung hat der Gesetzgeber im Jugendschutzgesetz durch eine Beteiligung der Anbieter von Bildträgern und Telemedien (Nr. 4) Rechnung getragen68. Die Wahrung des „Kräftegleichgewichts“ in den Indizierungsgremien rechtfertigt es, dass die verwandten Bereiche des Buchhandels und der Verlegerschaft im Gegenzug nur noch einen (gemeinsamen) Gruppenbeisitzer stellen69. Es wäre sogar legitim, wenn die Kreise der Verlegerschaft, des Buchhandels sowie der Anbieter von Bildträgern und Telemedien gemeinsam nur noch einen Gruppenbeisitzer im 12er-Gremium stellen dürften, sofern der freiwerdende „Platz“ durch einen Kreis belegt werden würde, der dem „medienfreundlichen“ Lager zuzurechnen wäre. Das JuSchG wirkt durch § 19 Abs. 2 JuSchG einer strukturellen Versteinerung entgegen70: Auch die nicht im Gesetz genannten Organisationen können Vorschläge unterbreiten und bei der Beisitzer-Ernennung berücksichtigt werden. Dass dies nur für Organisationen gilt, die ein „verbandliches Gewicht“ besitzen und bei denen eine dauerhafte Tätigkeit zu erwarten ist71, ist nicht zu kritisieren. Denn zum einen wird so einer Verzerrung der Indizierungsentscheidung durch marginale Partikularinteressen vorgebeugt. Und zum anderen ist eine längerfristige Beschäftigung mit der Regelungsmaterie für die Entscheidungsfindung zweckdienlich. In diesem Zusammenhang ist die beschränkte Berücksichtigung neuer Vorschläge als legitim anzusehen, weil andernfalls die Einheitlichkeit der Gremienentscheidungen gefährdet werden könnte. Da eine direkte Einflussnahme auf die Auswahl neuer Beisitzer nicht erfolgt, sondern bei mehreren Kandidaten im Zweifel 68 Gemäß § 19 Abs. 2 S. 2 JuSchG sind dem weitere Kreise gleichgestellt, die „eine vergleichbare Tätigkeit bei der Auswertung und beim Vertrieb der Medien unabhängig von der Art der Aufzeichnung und der Wiedergabe ausüben“. 69 Vgl. dazu die hiervon abweichende Bestimmung in § 9 Abs. 2 Nr. 3 und 4 GjS(M). 70 Ukrow, S. 269 Rn. 531; Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 20 Rn. 2; Scholz (3. Auflage), S. 79 f. 71 § 19 Abs. 2 S. 4 JuSchG.

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das Los entscheidet72, wird dadurch das Prinzip demokratischer Gleichheit nicht verletzt. Zu Gruppenbeisitzern werden gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 5 und 6 JuSchG Vertreter aus den Kreisen der freien und der öffentlichen Jugendhilfe berufen. Sie können durch ihre langjährige praktische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen aller Altersgruppen – vor allem auch in sozial schwachen Milieus – zu einer besseren Risikoeinschätzung bei der Wirkung von Medien auf Minderjährige und die generellen Umstände ihres Medienkonsums beitragen. Dies rechtfertigt eine privilegierte Berücksichtigung in den Entscheidungsgremien der Bundesprüfstelle. Gleiches gilt für die Besetzung eines Gruppenbeisitzers durch die Lehrerschaft (§ 19 Abs. 2 Nr. 7 JuSchG). So lange es nicht möglich ist, einen konkreten Risikonachweis für bestimmte Medien zu führen, bleibt die Indizierung zwangsläufig auch von pädagogischen Projektionen geleitet. Aktive Lehrer können durch ihren erziehungswissenschaftlichen Hintergrund und die tägliche Arbeit mit Kindern und Jugendlichen aus allen Schichten insbesondere über deren Medienkonsum und Medienkompetenz Auskunft geben73. Sowohl bei den Trägern der Jugendhilfe als auch bei der Lehrerschaft bestehen im Übrigen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber wesentliche vorschlagsberechtigte Organisationen in § 20 Abs. 1 Nr. 5–7 JuSchG unberücksichtigt gelassen hat. Schließlich sind auch die Kreise der Kirchen, der jüdischen Kultusgemeinden und andere religiöse Körperschaften des öffentlichen Rechtes gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 8 JuSchG dazu berufen, einen Gruppenbeisitzer vorzuschlagen. Dies ist wegen der staatlichen Neutralitätspflicht nicht ganz unproblematisch. Die bevorzugte Berücksichtigung dieser Institutionen ist aber dadurch gerechtfertigt, dass § 18 Abs. 3 Nr. 1 JuSchG auch auf religiöse Medieninhalte bei der Abwägung mit dem Jugendschutz Bezug nimmt. Für die christlichen Kirchen lässt sich darüber hinaus argumentieren, dass sie „sich seit jeher in besonderem Maße mit der Kinder- und Jugendbetreuung befasst haben“74 und befassen, sei es in Jugendfreizeiten, Gruppenstunden, Kindergärten, Grund- und weiterführenden Schulen etc. Der Kontakt mit Kindern und Jugendlichen ist dabei milieu- und altersübergreifend. Er befähigt zu Einschätzungen, wie Minderjährige auf externe Umstände (z. B. bestimmte Medieninhalte) reagieren. Allerdings hat der Gesetzgeber nicht alle relevanten Organisationen im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 8 JuSchG ausreichend berücksichtigt. Schon Dederer hat darauf hingewiesen, dass die große Gruppe der muslimischen Gläubigen nicht berück72 73 74

§ 19 Abs. 2 S. 5 JuSchG. Ähnlich: Dederer, S. 309. BVerfGE 83, S. 151.

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sichtigt wird, weil sie bisher nicht in einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes organisiert ist75. Dies ist unter dem Gesichtspunkt demokratischer Gleichheit nicht zu rechtfertigen. Denn von Stetigkeit und verbandschaftlichem Gewicht ist bei den muslimischen Glaubensorganisationen auch ohne Organisation in einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft mittlerweile auszugehen. Es gibt – auch ohne eine gemeinsame Dachorganisation (auf die aber im Übrigen hingearbeitet wird) – verlässliche Ansprechpartner (z. B. den Zentralrat der Muslime in Deutschland). Muslimische Glaubensgemeinschaften kümmern sich ebenso wie jüdische und christliche Glaubensgemeinschaften um die Kinder- und Jugendarbeit – auch, wenn dies in der Öffentlichkeit nicht so (oder wenn, dann häufig negativ) wahrgenommen wird. Außerdem reicht die Zahl der Muslime in Deutschland weit über die Zahl der Juden in Deutschland hinaus76, so dass faktisch eine bedeutsame Religionsgemeinschaft außen vor gelassen wird. Dies wird auch nicht durch die allgemeine Möglichkeit, einen Gruppenbeisitzer nach § 19 Abs. 2 JuSchG vorzuschlagen, ausreichend entkräftet. Deshalb verstoßen die §§ 19 Abs. 2 Nr. 8, 20 Abs. 1 Nr. 8 JuSchG jedenfalls individualrechtlich gegen das gleiche Wahlrecht des Art. 38 Abs. 1 GG77 und im Verhältnis der Religionsgemeinschaften untereinander gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Auch darüber hinaus ist die Gruppe der dauerhaft vorschlagsberechtigten Kreise und Organisationen in den §§ 19, 20 JuSchG zu eng gefasst. Mit Blick auf § 18 Abs. 3 Nr. 2 JuSchG und Art. 5 Abs. 3 GG erscheint es verfassungswidrig, dass zwar ein Gruppenbeisitzer aus den Kreisen der Kunst zu ernennen ist, jedoch kein Beisitzer, der die Kreise der Wissenschaft, Forschung und Lehre in der Bundesprüfstelle repräsentiert78. Beide Grundrechte werden schließlich strukturell auf gleiche Weise garantiert und lassen sich hinsichtlich ihrer Schutzbereiche ähnlich schwierig bestimmen. Die zusätzliche Berücksichtigung könnte auch ohne Erweiterung des Gremiums realisiert werden, wenn die in § 19 Abs. 2 Nr. 3 und 4 JuSchG genannten Kreise zusammen nur noch einen Gruppenbeisitzer vorschlagen dürften. 75

Dederer, S. 292. Einer Zahl von deutlich über 3 Millionen Muslime stehen – je nach Quelle – zwischen 90.000 und 180.000 Mitbürger jüdischen Glauben gegenüber, vgl. dazu: taz 14.5.2001, S. 14; remid (Abruf: 14.03.2007). 77 Das Recht auf gleiche Teilhabe an der Einflussnahme auf die Ausübung von Staatsgewalt ist dadurch verletzt, dass der Sondereinfluss der christlichen und jüdischen Religionsgemeinschaften nicht ausreichend durch Interessenpluralität (in Gestalt des gleich kräftigen Einflusses der muslimischen Religionsgruppen) neutralisiert wird. 78 Dederer, S. 292. 76

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

Weiter kann man bei der Besetzung der Gruppenbeisitzer auch an die Berücksichtigung von Gewerkschaften und Parteien denken. Immerhin kanalisieren und repräsentieren diese Organisationen bestimmte gesellschaftliche Strömungen. Parteien und Gewerkschaften haben jedoch weder einen besonderen (historisch gewachsenen) Bezug zur Materie Jugendmedienschutz, noch verfügen sie über eine besondere (institutionelle) Sachkunde hinsichtlich der betroffenen Interessen. Dies sind jedoch die allein maßgeblichen Kriterien für die Besetzung der Gruppen-Beisitzer. Es geht darum, besondere Sachkunde bei der schwierigen Austarierung von Jugendschutz und entgegenstehenden Freiheitsrechten zu bündeln. Es geht dagegen nicht um eine Kontrolle der Indizierungsentscheidung durch relevante gesellschaftliche Kräfte79. Schließlich ist es dem Gesetzgeber im Zuge der anstehenden Novellierung des JuSchG dringend zu raten, einen (Gruppen-)Beisitzer vorzusehen, welcher Angehöriger der Kreise der Psychologie oder der medizinischen Wirkungsforschung ist. Dieser könnte im Gremium umfassendes Wissen über den aktuellen Stand bzw. neue Erkenntnisse der Verhaltens- und Wirkungsforschung einbringen. Zwar lässt die Wissenschaft immer noch keine allgemeinverbindlichen Aussagen zur Medienwirkung auf Kinder- und Jugendliche zu und wird sie wohl auch in absehbarer Zeit nicht treffen können80. Doch ließe sich durch einen medizinisch-psychologisch versierten Gruppenbeisitzer zumindest die nötige Risikoprognose im Einzelfall leichter vornehmen. Von Wert erschiene auch die Fähigkeit, alterstypische und pathogene Verhaltensweisen voneinander abgrenzen zu können. Da die Wirkung von Medien in der Praxis der Bundesprüfstelle nicht nur für „durchschnittliche“ Kinder und Jugendliche prognostiziert wird, sondern auch für „gefährdungsgeneigte“ Kinder und Jugendliche – „krankhafte“ Kinder und Jugendliche aber wiederum außen vor bleiben sollen81, verdichtet sich der medizinisch-psychologische Sachverstand im Gremium fast zur Verpflichtung. Letzteres ist aber dadurch relativiert, dass die Bundesprüfstelle im Zweifelsfall externen Sachverstand (z. B. in Form von Gutachten) zu Rate ziehen kann. Nur deshalb liegt es noch im Ermessen des Gesetzgebers, ob er diese Kreise in den Indizierungsgremien mitberücksichtigt oder nicht. Trotzdem wäre eine Einbeziehung aus den genannten Gründen wünschenswert. Im Ergebnis sind die Bestimmungen des JuSchG zur Auswahl der Gruppenbeisitzer überwiegend als verfassungsgemäß anzusehen. Detaillierte Organisations- und Berufungsregelungen sorgen dafür, dass die Werteauffas79 80 81

So schon BVerfGE 83, S. 151. Vgl. dazu noch eingehend Kapitel 11 II. 2. b). Vgl. dazu noch ausführlich Kapitel 11 II. 1. b).

Kap. 8: Institutionen der Indizierung

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sungen innerhalb der gesetzlich genannten Kreise nahezu umfassend abgebildet werden können und sich die heteronomen gesellschaftlichen Interessen in den Entscheidungsgremien im Grundsatz gleichgewichtig gegenüberstehen82. Allerdings bleiben vereinzelt wichtige Gruppen und Kreise unberücksichtigt: So ist zwingend ein Vertreter aus den Kreisen der Wissenschaft/Forschung/Lehre als Gruppenbeisitzer zu bestellen. Und auch den Muslimischen Glaubensgemeinschaften muss im Rahmen der §§ 19 Abs. 2 Nr. 8, 20 Abs. 8 JuSchG ein privilegiertes Vorschlagsrecht eingeräumt werden. Ihre Nichtberücksichtigung verstößt jedenfalls gegen das Gleichbehandlungsgebot in Art. 3 Abs. 1 GG und ist auch mit Blick auf demokratische Grundsätze des Grundgesetzes verfassungswidrig. Bisher unberücksichtigt geblieben ist die gesetzlich vorgesehene Einbindung staatlicher Repräsentanten in die Gremien der Bundesprüfstelle. Konkret geht es hierbei um die Vorsitzende der Bundesprüfstelle, die auch über ein Stimmrecht im 12er-Gremium und 3er-Gremium verfügt, sowie ggf. die Länderbeisitzer im 12er-Gremium und den Vertreter der öffentlichen Jugendhilfe. Die Berücksichtigung des Staates in den Gremien der Bundesprüfstelle ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Er fungiert insoweit als organisiertes öffentliches Interesse und „Hüter des Gemeinwohls gegenüber Gruppeninteressen“83. Auch fällt die Repräsentation numerisch nicht so ins Gewicht, als dass hierdurch Indizierungen gegen den Willen der anderen Beisitzer durchgesetzt werden könnten. Damit bleibt die Staatsferne der Entscheidung in jedem Fall gewährleistet. Die Entsendung von Länderbeisitzern in die Entscheidungsgremien der Bundesprüfstelle ist aber möglicherweise unter organisationsrechtlichen Gesichtspunkten heikel. Hier steht die Frage im Raum, ob die Beteiligung der Bundesländer eine verfassungsrechtlich unzulässige Verquickung von Länder- und Bundesverwaltung darstellt. Wegen des verfahrensrechtlichen Schwerpunktes dieser Frage soll ihr erst im nächsten Kapitel zusammen mit den anderen verfahrensrechtlichen Aspekten der Indizierung nachgegangen werden.

II. Die Kommission für den Jugendmedienschutz (KJM) Bei der Indizierung von Medien kommt auch der Kommission für den Jugendmedienschutz (KJM) eine wichtige Rolle zu. Die Organisation mit 82 BVerfGE 83, S. 151; Ukrow, S. 266 Rn. 529; Dederer, S. 291; Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 20 Rn. 1. 83 Dederer, S. 289.

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

Sitz in Erfurt und München84 kann als antragsberechtigte Behörde selber Indizierungsverfahren in Gang bringen85. Ihre eigentliche Kompetenz liegt aber darin, dass sie bei der Indizierung von Telemedien eine Stellungnahme abgeben kann, die für die Indizierung maßgeblich wird86. 1. Zusammensetzung Die KJM hat zwölf Mitglieder. Sechs davon kommen aus dem Kreis der Direktoren der Landesmedienanstalten, vier Mitglieder werden von den für den Jugendschutz zuständigen Obersten Landesjugendbehörden benannt und zwei Mitglieder von der für den Jugendschutz zuständigen Obersten Bundesbehörde (also der Bundesprüfstelle) entsandt87. Für jedes Mitglied ist ein Vertreter zu bestimmen. In der Summe sollen mindestens vier Mitglieder und stellvertretende Mitglieder die Befähigung zum Richteramt haben88. Die Amtsdauer der Mitglieder und ihrer Vertreter beträgt fünf Jahre89. Aktueller Vorsitzenden der KJM ist der Direktor der Bayerischen Landesmedienanstalt, Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring. 2. Strukturen Zur Vorbereitung von Entscheidungen und Stellungnahmen setzt der Vorsitzende laut Geschäftsordnung90 Prüfgruppen ein91. Die Prüfausschüsse bereiten die Prüffälle in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf und geben Entscheidungsempfehlungen ab. Sie werden mit fünf Prüfern besetzt aus den Reihen der Landesmedienanstalten, der Obersten Landesjugendbehörden, der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM), „Jugendschutz.net“ sowie der Bundeszentrale für politische Bildung92. Die Prüferinnen und Prüfer der KJM, aus denen die Prüfgruppen gebildet werden, wer84 Sitz der KJM-Geschäftsstelle (koordinierende und organisatorische Funktion) ist nach einem Beschluss der Ministerpräsidenten (legitimiert durch § 14 Abs. 10 JMStV) Erfurt, Sitz der KJM-Stabsstelle (zuständig für Grundsatzfragen und Pressearbeit) ist München; vgl. das Impressum der Internet-Seite (www.kjm-online.de). 85 § 21 Abs. 2, 3. Alt. JuSchG. 86 § 21 Abs. 6 JuSchG, vgl. dazu noch die Ausführungen in Kapitel 9 V. 87 § 14 Abs. 3 Nr. 1–3 JMStV. 88 § 14 Abs. 3 S. 6 JMStV. 89 § 14 Abs. 3 S. 3–5 JMStV. 90 Geschäfts- und Verfahrensordnung der Kommission für Jugendmedienschutz (GVO-KJM) vom 25. November 2003 – zuletzt geändert am 28. November 2006 (abrufbar über: www.kjm-online.de). 91 § 14 Abs. 5 JMStV i. V. m. § 9 GVO-KJM. 92 § 9 Abs. 1 GVO-KJM.

Kap. 9: Überblick über die formellen Verfahrensgänge

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den von den jeweils entsendenden Institutionen benannt. „Jugendschutz.net“ ist dabei organisatorisch an die KJM angebunden und unterstützt sie bei der Internet-Aufsicht93. 3. Stellungnahme zu Indizierungsanträgen Rund 400 Indizierungsanträge sind bei der KJM zwischen April 2003 und Ende 2004 mit der Bitte um eine Stellungnahme eingegangen. Der Vorsitzende befürwortete in mehr als 300 Fällen eine Indizierung durch die BPjM. Bei acht Fällen wurde sie nicht empfohlen. Die übrigen Fälle waren entweder zum Zeitpunkt der Prüfung nicht mehr abrufbar oder sie befanden sich noch in der Prüfung94. Ein Großteil der Angebote, bei denen die KJM eine Indizierung seinerzeit befürwortete, war dem Bereich der einfachen Pornographie zuzuordnen. Auch gegen rechtsextreme Homepages und suizidverherrlichende Angebote wurde durch die KJM eingeschritten95. 4. Anträge auf Indizierung von Telemedien Allein im Jahre 2006 hat die KJM bei der BPjM die Aufnahme von 51 Telemedien (Online-Angebote) in die Liste der jugendgefährdenden Medien beantragt96. Die meisten Angebote davon verstießen gegen das Pornographieverbot oder die Bestimmung, dass Kinder und Jugendliche nicht in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung dargestellt werden dürfen97. Kapitel 9

Überblick über die formellen Verfahrensgänge Soll ein Träger- oder Telemedium in die Liste der jugendgefährdenden Medien aufgenommen werden, muss die Bundesprüfstelle es in einem förmlichen Verfahren indizieren. Das Indizierungsrecht sieht verschiedene Verfahrensmöglichkeiten vor. In diesem Kapitel soll es darum gehen, die Grundzüge der wichtigsten Verfahren bis zur Indizierung darzustellen und die Verwaltungspraxis zu spiegeln. Auf die materiellen Voraussetzungen der Indizierung wird dann in den Folgekapiteln umfassend eingegangen. 93 94 95 96 97

§ 18 JMStV. Quelle: Internet-Seite der KJM (www.kjm-online.de, Abruf: 19.02.2007). Ebenda. BPjM-Aktuell 1/2007, S. 23. Quelle: Internet-Seite der KJM (www.kjm-online.de, Abruf: 19.02.2007).

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

I. Das Regelverfahren der Indizierung Zuständig für eine Indizierung ist im Normalfall das 12er-Gremium der Bundesprüfstelle. 1. Initiierungsimpuls Das Indizierungsverfahren kann auf zwei Wegen in Gang kommen: Durch Antrag oder durch Anregung, ein Träger oder Telemedium in die Liste der jugendgefährdenden Medien aufzunehmen. Werden zum selben Medium mehrere Anträge gestellt oder Anregungen eingereicht, so wird über alle zusammen in einem einheitlichen Verfahren verhandelt und entschieden98. In der Regel wird die Bundesprüfstelle auf Antrag tätig99. Berechtigt, einen Prüfantrag zu stellen, sind das Bundesfamilienministerium, die obersten Jugendbehörden der Bundesländer, die KJM, die Landesjugendämter und die Jugendämter100. Der Antrag kann schriftlich, via Fax oder elektronisch eingereicht werden und muss eine – in der Regel schriftliche101 – Begründung enthalten102. Er soll zusammen mit einem Belegexemplar des beanstandeten Trägermediums eingereicht werden. Bei Telemedien tritt an die Stelle des Belegexemplars ein Ausdruck der beanstandeten Web-Seite103. Der Antrag führt dazu, dass sich die Bundesprüfstelle ohne Weiteres mit der Sache befasst. Die BPjM kann das Verfahren aber schon im Vorfeld einstellen, wenn eine Listenaufnahme offensichtlich nicht in Betracht kommt. Darüber entscheidet die Vorsitzende der Behörde. Offensichtlich nicht indizierungsfähig sind Träger- und Telemedien, wenn ihre Inhalte so harmlos sind, dass sich ihre Unbedenklichkeit für jeden unvoreingenommenen Betrachter sofort erschließt104. Jeder Antragsteller kann die Verfahrenseinstellung gerichtlich überprüfen lassen. Die Vorsitzende hat in diesem Fall keinen Beurteilungsspielraum105. In der Praxis (Stand: 2006) ist es noch nicht zu einer solchen Verfahrenseinstellung gekommen106. 98

§ 3 DVO JuSchG. § 21 Abs. 1 JuSchG. Im Jahr 2006 wurden 367 Indizierungsanträge gestellt, vgl. BPjM-Aktuell 1/2007, S. 23. 100 § 21 Abs. 2 JuSchG. 101 § 2 Abs. 2 S. 1 DVO JuSchG. 102 § 2 Abs. 1 S. 1 und S. 3 DVO (Umkehrschluss) JuSchG. 103 § 2 Abs. 1 S. 2 DVO JuSchG. Wird der Antrag elektronisch/via Fax übermittelt, kann das Belegexemplar auch nachgereicht werden, § 2 Abs. 1 S. 3 DVO JuSchG. 104 BVerfGE 77, S. 358; Ukrow, S. 274 Rn. 542; Roßnagel/Altenhain, § 2 GjS Rn. 18. 105 Nikles, § 21 Rn. 4. 106 Monssen-Engberding/Bochmann, BPjM 3/2005, S. 19. 99

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Wird ein Indizierungsverfahren angeregt, so prüft die Bundesprüfstelle von Amts wegen. Anregen dürfen einmal alle Behörden, die nicht schon Indizierungsanträge stellen können, und zum anderen alle anerkannten Träger der freien Jugendhilfe107. Mit Behörde ist jede Stelle gemeint, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt108. Anerkannte Träger der freien Jugendhilfe ergeben sich aus den §§ 74 f. KJHG (SGB VIII). Dabei kommen vor allem gemeinnützig agierende private Vereine oder kirchliche Institutionen in Betracht. In der Praxis haben aber überwiegend Polizeidienststellen und Landeskriminalämter Gebrauch von ihrem Anregungsrecht gemacht109. Die Anregung soll schriftlich begründet werden und ein Exemplar des beanstandeten Trägermediums enthalten. Anerkannte Träger der freien Jugendhilfe müssen ihre Anerkennung nach § 75 SGB VIII zudem nachweisen110. Begründung und Nachweis können auch durch Fax oder elektronisch übermittelt werden111. Mit der Möglichkeit, Indizierungsverfahren anzuregen, will der Gesetzgeber die Marktbeobachtung von Medien ausweiten und so den Kinder- und Jugendschutz effektiver machen112. Die BPjM leitet nach einer Anregung allerdings nur dann ein Indizierungsverfahren ein, wenn auch ihre Vorsitzende das Verfahren im Interesse des Jugendschutzes für geboten hält. Damit besteht die Möglichkeit, sinnlose oder willkürliche Verfahrensbegehren einzudämmen. Dies soll die Handlungsfähigkeit der Bundesprüfstelle wahren113. Bei der Bewertung hat die Vorsitzende einen Beurteilungsspielraum114. Sie prüft in wertender Zusammenschau die Aspekte, die dafür und dagegen sprechen. Dabei ist nicht nur miteinzubeziehen, wie stark das Gefährdungspotential für Kinder und Jugendliche ist115. Die Abwägung im Interesse des Jugendschutzes erfasst auch schon den Verbreitungsgrad des Mediums und den Schaden oder Nutzen einer staatlichen Indizierung.

107 § 21 Abs. 4 JuSchG. Im Jahr 2006 wurden 219 Indizierungsanregungen eingebracht, vgl. BPjM-Aktuell 1/2007, S. 24. 108 Scholz/Liesching, § 21 Rn. 6. 109 Monssen-Engberding/Bochmann, BPjM 3/2005, S. 18. Der Prüfstatistik des Jahres 2006 lässt sich entnehmen, dass über 90 Prozent aller Anregungen von Polizeiämtern, Landeskriminalämtern, Ordnungsämtern und Zollämtern stammen, vgl. BPjM 1/2007, S. 24. 110 § 2 Abs. 2 S. 1 bis 3 DVO JuSchG. 111 § 2 Abs. 2 S. 3 DVO JuSchG. 112 BT-Drcks. 14/9013, S. 27; Nikles, § 21 Rn. 5. 113 Nikles, § 21 Rn. 5; so auch schon BVerwG NJW 99, S. 77 zum GjS(M). 114 Nikles, § 21 Rn. 5; Scholz/Liesching, § 21 Rn. 7. 115 So aber Scholz/Liesching, § 21 Rn. 7.

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

2. Behördeninterne Vorbereitung der Entscheidung Mit Eingang von Antrag oder Anregung wird über den Vorgang in der Bundesprüfstelle eine Akte angelegt und eine Prüfnummer vergeben. Bei einer Anregung entscheidet die Vorsitzende dann, ob aus Jugendschutzgründen ein Interesse daran besteht, das Verfahren zu eröffnen. Ist dies nicht der Fall, ergeht eine Einstellungsverfügung, die mit dem Kürzel „VE“ versehen wird. Falls ein Interesse an einer Entscheidung des 12er-Gremiums besteht oder das Indizierungsverfahren nicht angeregt, sondern beantragt wurde, nimmt das weitere Verfahren seinen Lauf. 3. Stellungnahme der KJM Wenn ein Telemedium indiziert werden soll, muss die Bundesprüfstelle als Nächstes eine Stellungnahme der KJM zur Listenaufnahme einholen und bei ihrer Entscheidung maßgeblich berücksichtigen. Gibt die KJM allerdings binnen fünf Werktagen nach der Aufforderung keine Stellungnahme ab, kann die BPjM auch ohne sie über die Indizierung befinden116. Genauso verzichtbar ist die Stellungnahme, wenn die KJM schon im Vorfeld über das Telemedium entschieden und die Bundesprüfstelle darüber informiert hat117. Es macht schließlich keinen Sinn, eine zusätzliche Stellungnahme einzuholen, wenn die KJM selbst Antragstellerin des Verfahrens ist oder sich die Listenaufnahme mit Blick auf die Spruchpraxis der BPjM schlechthin als unvertretbar darstellt118. 4. Anhörung der Beteiligten Um eine sachgerechte Entscheidung treffen zu können, müssen auch die Personen beteiligt werden, die schöpferisch an dem Prüfobjekt mitgewirkt haben. Denn diese sind „typischerweise in der Lage (. . .), etwas über die in dem [Prüfobjekt] umgesetzten, von einer etwaigen Indizierung betroffenen Belange (. . .) auszusagen“119. Wer genau als Beteiligter anzusehen ist, ergibt sich aus § 4 DVO JuSchG: Es sind die Antragsteller sowie bei Trägermedien die Urheber oder die Inhaber der Nutzungsrechte und bei Telemedien die Urheber oder die Anbieter. Die §§ 3, 4 Abs. 1 und 7 des Urheberrechtsgesetzes finden entsprechende Anwendung. Die Bundesprüfstelle fordert die in Frage kommenden Personen in der Praxis förmlich auf, sich 116 117 118 119

§ 21 Abs. 6 JuSchG. § 14 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. DVO JuSchG. So auch Scholz/Liesching, § 21 Rn. 13. BVerwG NJW 99, S. 76.

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zur Sache (in der Regel schriftlich) zu äußern120. Jedoch kann auf eine erneute Anhörung verzichtet werden, wenn sich das 12er-Gremium gemäß § 23 Abs. 1 S. 2 JuSchG erneut mit einer Indizierung befassen muss, nachdem bereits das 3er-Gremium entschieden hat121. Außerdem kann es der effektive Jugendschutz auch schon vor Abschluss der Anhörung gebieten, eine Indizierungsentscheidung zu treffen. Das ist jedenfalls dann zulässig, wenn die Bundesprüfstelle die Verzögerungen nicht zu vertreten hat122. Praktisch sind das vor allem Fälle, in denen Autoren oder Verleger im Ausland wohnen und sich auf Anfrage gar nicht oder verspätet melden. Um das Indizierungsverfahren zügig durchführen zu können, sind die Pflichten der Bundesprüfstelle zur Ermittlung der beteiligten Personen begrenzt: Die Behörde kann sich zum Beispiel bei Filmen darauf beschränken, „den Verleiher oder Vertreiber des Films aufzufordern, seinerseits die Personen zu benennen, die als Regisseur oder Produzent (. . .) schöpferisch oder unternehmerisch beteiligt waren“123. Der Verzicht auf eine tatsächliche Anhörung von Beteiligten darf sich jedoch nicht auf „regelmäßige Erfahrungen“ gründen (z. B. stets und immer bei Auslandsbezug), sondern muss die Umstände des Einzelfalles im Blick behalten124. 5. Festlegung und Übermittlung des Verhandlungstermins Wenn die Stellungnahmen der Beteiligten eingeholt sind, legt die Vorsitzende einen Verhandlungstermin fest. In der Behörde wird dann die Auswahl der zuständigen Beisitzer vorgenommen und eine Tagesordnung gefertigt. Die jeweiligen Mitglieder des Gremiums erhalten diese Tagesordnung sowie zumindest die schriftlichen Prüfobjekte zugesandt. Auch die Verfahrensbeteiligten werden über die Verhandlung des sie betreffenden Prüfobjektes informiert. Die Ansetzung des Termins muss den Betroffenen im Inland mindestens zwei Wochen vor der Verhandlung nach den Regeln des VwZG zugestellt werden125. Aus ihr muss zu erkennen sein, welche Beisitzer der Bundesprüfstelle in der Verhandlung entscheiden werden. Die Benachrichtigung hat auch einen Abdruck der Antragsschrift zu enthalten, 120 Im Ausland muss eine solche Aufforderung nicht förmlich zugestellt werden, vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.2.1984 – 1 B 20/84. 121 BVerwG NJW 99, S. 78. 122 BVerwG NJW 99, S. 77. 123 Ebenda. 124 Ebenda. 125 § 5 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 und 2 DVO JuSchG. Die Beteiligten können auf die Benachrichtigung über den Termin und die Einhaltung der Frist verzichten, vgl. § 5 Abs. 4 DVO JuSchG.

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bei Telemedien zusätzliche eine Kopie der Stellungnahme der KJM126. Das 12er-Gremium tagt regelmäßig einmal im Monat. Im Jahr 2006 war die Zahl der Anregungen und Anträge aber z. B. so hoch, dass das Plenum alle zwei Wochen zusammenkam127. 6. Verhandlung vor dem 12er-Gremium Die Verhandlung des 12er-Gremiums ist nicht öffentlich. Beteiligte haben aber ein Recht auf Anwesenheit, außerdem kann die Vorsitzende auch weiteren Personen gestatten, dabei zu sein128. Die Vorsitzende eröffnet die Sitzung, leitet sie und wahrt die Sitzungsordnung129. Über den Verlauf der Sitzung wird ein Protokoll gefertigt130. Am Anfang jedes einzelnen Verfahrens ist die fristgemäße Terminbenachrichtigung festzustellen, wenn nicht auf ihre Einhaltung verzichtet worden ist oder wird. Wurde die Frist nicht eingehalten, ist die Sitzung zu vertagen131. Ist zeitig informiert worden, werden die anwesenden Beteiligten bzw. ihre Vertreter in mündlicher Verhandlung gehört und können ihre Sicht der Dinge darlegen. Zur Sachverhaltsklärung können auch Zeugen oder Sachverständige geladen oder Urkunden verlesen werde132. Audiovisuelle Prüfobjekte werden dem Gremium regelmäßig vollständig vorgespielt. Alle, die im Verfahren etwas vorbringen, können von den Beisitzern befragt werden133. Verfahrensbeschlüsse ergehen mit einfacher Mehrheit134. 7. Entscheidungsfindung Nach der Anhörung aller Beteiligten und Sachverständigen wird die mündliche Verhandlung unterbrochen und das 12er-Gremium zieht sich zur gemeinsamen Beratung und Abstimmung zurück. Hierbei dürfen nur die Mitglieder des Entscheidungsgremiums anwesend sein sowie – mit Genehmigung der Vorsitzenden – Auszubildende im Höheren Dienst (z. B. Referendare). Über die Beratung und Abstimmung ist Stillschweigen zu bewah126

§ 5 Abs. 2 S. 3 und 4 sowie Abs. 3 DVO JuSchG. Quelle: Angaben der Vorsitzenden der Bundesprüfstelle, Elke Monssen-Engberding, in einem persönlichen Gespräch am 21.12.2006 in der Bundesprüfstelle. 128 § 7 Abs. 2 DVO JuSchG. 129 § 8 Abs. 1 DVO JuSchG. 130 § 8 Abs. 4 DVO JuSchG. 131 § 5 Abs. 5 DVO JuSchG. 132 § 7 Abs. 1 S. 2 DVO JuSchG. 133 §§ 7 Abs. 3, 8 Abs. 2 DVO JuSchG. 134 Scholz/Liesching, § 19 Rn. 14. 127

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ren135. In der Praxis bleibt das Prüfgremium im Sitzungsraum, während die Verfahrensbeteiligten draußen warten. Hinter verschlossenen Türen wird dann von den Beisitzern und der Vorsitzenden das Für und Wider einer Indizierung diskutiert. Nach der Erörterung kommt es zur Abstimmung. Die Mitglieder des 12er-Gremiums sind dabei an keinerlei Weisungen gebunden136. Eine Listenaufnahme ist nur möglich, wenn sich dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Gremium findet137. Ist das Gremium nicht voll besetzt, weil einzelne Beisitzer und ihre Vertreter ausgefallen sind, wird eine Indizierung noch schwerer: Hier müssen sich dann mindestens sieben Mitglieder für eine Listenaufnahme aussprechen138. Die hohen Indizierungshürden wurden im Gesetzgebungsverfahren des JuSchG sehr kontrovers diskutiert. So forderte die CDU/CSUFraktion weitreichende Änderungen: Es sei „sinnvoller, die Entscheidung mit einfacher Mehrheit zu treffen, da so in Grenzfällen eine Listenaufnahme [erfolge] und Kinder und Jugendliche in jedem Fall vor gefährdenden Inhalten geschützt“ würden139. Angesichts der ungesicherten Erkenntnislage bei der Medienwirkung und damit zwangsläufig auch der Gefährdungskriterien ist es jedoch zu begrüßen, dass sich die Fraktion mit ihrem Vorschlag nicht durchsetzen konnte. Es ist für die Akzeptanz in den betroffenen Verkehrskreisen unerlässlich, dass jede einzelne Indizierung von einer breiten Zustimmung des 12er-Gremiums getragen ist. Mit Blick auf die Kunstfreiheit hat auch das Bundesverfassungsgericht dies als erheblich angesehen. Der Freiheitsanspruch des von der Indizierung bedrohten Werkes sei nur deshalb hinreichend gewahrt, weil das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit gewährleiste, dass „Minderheitsauffassungen nicht ohne Weiteres überstimmt werden können und bei Meinungsverschiedenheiten eine Indizierung nur möglich ist, wenn eine deutliche Mehrheit von deren Notwendigkeit überzeugt ist“140. 8. Verkündung der Entscheidung und Zustellung Der gefundene Beschluss wird den anwesenden Beteiligten verkündet, anschließend niedergeschrieben und von der Vorsitzenden unterzeichnet141. 135 136 137 138 139 140 141

§ 9 Abs. 1 DVO JuSchG. § 19 Abs. 4 JuSchG. § 19 Abs. 6 S. 1 JuSchG. § 19 Abs. 6 S. 2 JuSchG. BT-Drcks. 14/9410, S. 35. BVerfGE 83, S. 153. § 9 Abs. 2 S. 2 DVO JuSchG.

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

Unabhängig davon erfolgt binnen zwei Wochen142 eine förmliche Zustellung der Entscheidung an den Inhaber der Nutzungsrechte, die antragstellende Behörde, das Bundesfamilienministerium, die obersten Landesjugendbehörden und die KJM. Wenn eine Indizierung des Prüfobjektes erfolgt ist, muss die zugestellte Entscheidung alle Verbreitungs- und Werbebeschränkungen einzeln aufführen, die sich aus der Indizierung ergeben. Eine ausführliche Begründung ist beizufügen, kann aber auch binnen einer Woche nach der Entscheidungszustellung nachgereicht werden143.

II. Das vereinfachte Verfahren Auch bei einer Verhandlung im 3er-Gremium informiert die Behörde alle Verfahrensbeteiligten (sofern sie nicht darauf verzichten) mindestens zwei Wochen vorher über den Verhandlungstermin144. Allen, außer dem Antragsteller, ist ein Abdruck der Antragsschrift beizufügen145. Das gilt auch für eine etwaige Stellungnahme der KJM146. Die Bundesprüfstelle muss die Beteiligten zusätzlich darüber informieren, dass die Indizierung im vereinfachten Verfahren gemäß § 23 JuSchG verhandelt werden soll147. Wenn das nicht schon zusammen mit der Information über den Verfahrenstermin geschieht, muss die Behörde es bis spätestens eine Woche vor dem Termin nachholen148. Im Gegensatz zum Regelverfahren gibt es im vereinfachten Verfahren keine mündliche Verhandlung. Die Beteiligten werden vorher nur schriftlich gehört. Dabei wird in der Praxis eine Äußerungsfrist von einer Woche eingeräumt. Entscheidungen werden einstimmig gefasst. Kommen die Mitglieder nicht zu einem einstimmigen Votum, wird die Angelegenheit in das 12er-Gremium zur Verhandlung verwiesen. Positive Indizierungsentscheidungen werden als „V“-Entscheidungen gekennzeichnet. Eine Listenstreichung149 ist als „A“-Entscheidung erkennbar. Inhaltsgleichheit ist in einer „I“-Entscheidung dokumentiert und fehlende Inhaltsgleichheit in einer „F“-Entscheidung150. Gegen alle Entscheidungen im vereinfachten Verfah142 143 144 145 146 147 148 149 150

§ 9 Abs. 2 S. 3 DVO JuSchG. § 21 Abs. 8 JuSchG. §§ 10 Abs. 1 S. 2 i. V. m. 5 Abs. 2 S. 1 DVO JuSchG. § 10 Abs. 1 S. 3 DVO JuSchG. §§ 10 Abs. 1 S. 5 i. V. m. 5 Abs. 3 DVO JuSchG. § 10 Abs. 1 S. 1 DVO JuSchG. § 10 Abs. 1 S. 2 DVO JuSchG. Vgl. zu diesem Verfahren noch ausführlich Kapitel 13, II. Vgl. zu diesem Verfahren noch ausführlich Kapitel 11, IV. 3.

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ren (Listenaufnahme, [verweigerte] Listenstreichungen, Entscheidungen über [fehlende] Inhaltsgleichheit) können die betroffenen Urheber und Rechteinhaber unabhängig vom Rechtsweg binnen eines Monates nach Zustellung der Entscheidung einen Antrag auf Entscheidung des 12er-Gremiums stellen151. Der Antrag muss die in der Entscheidung genannten Aspekte der Jugendgefährdung aufgreifen und auf sie widerstreitend eingehen. Ist der Antrag nicht ausreichend begründet, kann die Vorsitzende veranlassen, dass das 12er-Gremium nicht tätig wird152. Verfassungsrechtlich stellt sich die Frage der Vereinbarkeit von § 23 Abs. 1 JuSchG mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Das VG Köln meinte einen Verstoß zu erkennen, weil es nach seiner Auffassung ausreichend für die Listenaufnahme sei, dass nach den Erwartungen des 3er-Gremiums eine Listenaufnahme im 12er-Gremium zu erwarten ist. Deshalb sei das Gericht daran gehindert zu hinterfragen, ob die Voraussetzungen einer Indizierung objektiv vorlägen. Es könne lediglich hinterfragen, ob die Chancen einer endgültigen Listenaufnahme rechtsfehlerfrei prognostiziert worden seien153. Dem ist das Bundesverfassungsgericht jedoch schon 1972 entgegengetreten. Das 3er-Gremium habe ebenso wie das 12er-Gremium die „materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer Indizierung zu prüfen und zu bejahen“154. Da seine Einschätzungen wiederum der richterlichen Kontrolle unterlägen, sei Art. 19 Abs. 4 GG nicht verletzt. Das vereinfachte Verfahren wählt die Bundesprüfstelle sehr häufig. Im Jahre 2006 trat das 3er-Gremium beispielsweise wöchentlich in wechselnder Besetzung zusammen, um der Fülle an offensichtlich begründeten Indizierungsanträgen Herr werden zu können155.

III. Das Verfahren bei Eilentscheidungen Eilentscheidungen erlässt gemäß § 23 Abs. 5 und 6 JuSchG das 3er-Gremium der Bundesprüfstelle. Auch hier handelt es sich also um eine Entscheidung, die im vereinfachten Verfahren ergeht. Es gibt jedoch einige Besonderheiten: Während im vereinfachten Verfahren über jedes Medium entschieden werden kann, das offensichtlich (einfach) jugendgefährdend ist, ist das Eil151

§ 23 Abs. 3 JuSchG. § 10 Abs. 3 S. 1 bis 3 DVO JuSchG. 153 BVerfGE 31, S. 115. 154 Ebenda, S. 118. 155 Quelle: Angaben der Vorsitzenden der Bundesprüfstelle, Elke Monssen-Engberding, in einem persönlichen Gespräch am 21.12.2006 in der Bundesprüfstelle. 152

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verfahren nur dann zulässig, wenn zusätzlich die „Gefahr eines kurzfristigen Vertriebs in großem Umfang besteht“156. Das beruht auf einer Einschätzung der Bundesprüfstelle, die die Marktstellung des Herstellers oder die Bekanntheit des Autors, das Genre, das bedient wird, die behandelte Thematik und das aktuelle Zeitgeschehen (was ist „in“ oder „Trend“?) berücksichtigt157. Weiter ergeht die vorläufige Entscheidung ohne jegliche Anhörung der Beteiligten. Das ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden158, da nur so ein effektiver Jugendschutz möglich ist. Als Ausgleich dafür haben Eilentscheidungen nur eine sehr begrenzte Geltungsdauer von maximal zwei Monaten159. Das „normale“ vereinfachte Verfahren kann dagegen einen vollwertigen Verfahrensabschluss bilden, wenn der Betroffene keine Verhandlung im 12er-Gremium verlangt oder keinen Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten sucht.

IV. Annex: Das gestörte Indizierungsverfahren Ein Mitglied, das sich für befangen erklärt, darf nicht an der Verhandlung und der abschließenden Entscheidung mitwirken160. Es besteht auch für die Verfahrensbeteiligten (Antragsteller, Rechteinhaber, Urheber etc.) die Möglichkeit, ein Mitglied der Bundesprüfstelle wegen Befangenheit abzulehnen. Dazu muss ein Grund vorliegen, der geeignet ist, das Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Mitgliedes zu rechtfertigen161, z. B. die Verwandtschaft oder geschäftliche Verbindung eines Mitgliedes mit dem Urheber des Prüfobjektes. Der Befangenheitsantrag soll spätestens drei Tage vor der (mündlichen) Verhandlung bei der Bundesprüfstelle vorliegen. Der Ablehnungsgrund muss glaubhaft gemacht werden. Über das Vorliegen von Befangenheit entscheidet dann das jeweilige Gremium mit einfacher Mehrheit (mindestens sieben Stimmen im 12er-Gremium, mindestens zwei Stimmen im 3er-Gremium). Der Beschluss ist nicht anfechtbar162.

156 157 158 159 160 161 162

So BVerfGE 31, S. 118 (zur Abgrenzung von § 15 und § 15 a GjS). In diese Richtung auch Scholz/Liesching, § 23 Rn. 8. BVerfGE 31, S. 119. § 23 Abs. 6 S. 1 und 2 JuSchG. § 6 Abs. 1 S. 1 DVO JuSchG. § 6 Abs. 2 DVO JuSchG. § 6 Abs. 3 DVO JuSchG.

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V. Die Zulässigkeit verfahrensrechtlicher Bund-/Länder-Kooperation Bund und Länder kooperieren miteinander auf vielfältige Weise bei der Indizierungsentscheidung. Zum einen entsenden die Bundesländer drei Länderbeisitzer in das 12er-Gremium163 und manchmal auch einen Länderbeisitzer in das 3er-Gremium der Bundesprüfstelle164. Damit besteht faktisch eine Mitwirkung der Länder an der materiellen Indizierungsentscheidung. Zum anderen kann die KJM als Länderbehörde eine Stellungnahme zur Indizierung von Telemedien abgeben, die von der BPjM maßgeblich zu berücksichtigen ist. Schließlich regeln die Länder gemäß § 16 JuSchG alle Rechtsfolgen für Telemedien qua gesetzlicher Delegation des Bundes. Insoweit ist zu klären, ob das umfassende (organisatorische) Zusammenwirken von Bund und Ländern bei der materiellen Indizierungsentscheidung einer verfassungsrechtlichen Prüfung Stand hält. Darin könnte nämlich auch eine verbotene Form der „Mischverwaltung“ zu sehen sein165. Grundsätzlich gilt der allgemeine Verfassungssatz, „dass weder Bund noch Länder über ihre im Grundgesetz festgelegten Kompetenzen verfügen können“166. Das Grundgesetz verbietet aber nicht per se „jede Form der funktionellen und organisatorischen Verflechtung von Bund und Ländern“167. In bestimmten Konstellationen ist eine Verquickung von Bund- und Länderverwaltung im Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen168. Auch eine systematische Betrachtung der Art. 83 f. GG macht deutlich, dass Bund und Länder bei der Verwaltungsausgestaltung einen weiten organisatorischen Spielraum haben sollen. Das ist schon deshalb sinnvoll, weil sich in der Praxis die Aufgaben und Leistungen der Verwaltung ständig weiterentwickeln und verändern. Eine wirkungsvolle und leistungsfähige Verwaltung muss auf diese Dynamik organisatorisch reagieren können169. 163

§§ 19 Abs. 1 S. 1, 2. Alt., 19 Abs. 5 S. 1. § 23 Abs. 1 S. 1 JuSchG sieht nur verbindlich vor, dass neben der Vorsitzenden der BPjM ein Gruppenbeisitzer aus den Kreisen der Kunst, der Literatur, des Buchhandels/der Verlegerschaft oder der Anbieter von Bildträgern/Telemedien im 3er-Gremium einen Platz einnimmt. Der letzte „freie“ Platz wird durch Wahl im 3er-Gremium bestimmt und kann theoretisch sowohl an einen Gruppenbeisitzer als auch einen Länderbeisitzer vergeben werden. 165 Vgl. zum Begriff „Mischverwaltung“ sogleich. 166 BVerfG, AZ 2 BvR 2433/04 Rn. 152 (Urteil v. 20.12.2007). 167 BVerfGE 61, S. 38; BVerfG, AZ 2 BvR 2433/04 Rn. 154 (Urteil v. 20.12. 2007). A. A. wohl noch BVerfGE 32, S. 156; BVerfGE 39, S. 120; BVerfGE 41, S. 311. 168 So z. B. in der Auftragsverwaltung nach Art. 85 GG. 169 BVerfG, AZ 2 BvR 2433/04 Rn. 154 (Urteil v. 20.12.2007). 164

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

Allerdings stehen den Vorteilen auch Risiken gegenüber. Bei einer freien, umfassenden Vermischbarkeit von Bund- und Länderverwaltung bestünde die Gefahr, dass Einrichtungen der Landesverwaltung in weitem Umfang für Zwecke der Bundesverwaltung herangezogen werden170. Das hätte unkalkulierbare Finanzfolgen für die Bundesländer. Zudem könnte durch eine Unterwanderung der im Grundgesetz vorgesehenen Verwaltungskompetenz das Machtgleichgewicht im Staat missachtet und sukzessive ausgehöhlt werden171. Unter diesem Gesichtspunkt ist eine „Mischverwaltung“172 verfassungsrechtlich problematisch. Das Bundesverfassungsgericht hat daraus zu Recht die Konsequenz eines Verbotes gezogen, wenn der konkreten Ausgestaltung (z. B. Mitgestaltungsrechten) „zwingende Kompetenz- oder Organisationsnormen oder sonstige Vorschriften des Verfassungsrechts entgegenstehen“173. Das gilt selbst dann, wenn die Aufgabenwahrnehmung mit Zustimmung des eigentlich dazu legitimierten Verwaltungsträgers erfolgen sollte174. Unabhängig davon bedarf es bei jeder (zulässigen) „Organleihe“175 oder „Betrauung“176 von Landesbehörden durch den Bund der formalen Zustimmung des Landes, das die Behörde trägt, falls persönliche oder sachliche Landesmittel in Anspruch genommen werden177. Außerdem ist dafür ein besonderer sachlicher Grund erforderlich178. Zuständig für die Indizierung von Träger- und Telemedien bleibt – trotz der Beteiligung der Länder – die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Diese Behörde ist eine obere Bundesbehörde und wird personell 170

BVerfGE 63, S. 41. In diese Richtung auch: Maunz/Dürig/Lerche, Art. 83 Rn. 86; Dreier/Hermes, Art. 84 Rn. 49. 172 Vgl. zum Begriff auch: BVerfGE 32, S. 156; BVerfGE 39, S. 120; BVerfGE 41, S. 311. 173 BVerfGE 63, S. 38. 174 Ebenda. Zustimmend: Dreier/Hermes, Art. 83 Rn. 49; Maunz/Dürig/Lerche, Art. 83 Rn. 86; von Mangold/Klein/Starck/Trute, Art. 83 Rn. 43; kritisch: von Münch/Kunig/Broß, Art. 83 Rn. 18. 175 Eine „Organleihe“ liegt vor, wenn ein Verwaltungsorgan neben den Aufgaben „seines“ Trägers auch noch die Aufgaben eines anderen Verwaltungsträgers (z. B. des Bundes) wahrnehmen muss und insoweit als dessen Organ tätig wird, vgl. Maurer, S. 543 Rn. 54. Von der „Amtshilfe“ unterscheidet sie sich dadurch, dass die Aushilfe nicht auf den Einzelfall beschränkt ist, sondern die Übernahme eines ganzen Aufgabengebietes qua allgemeiner (gesetzlicher) Regelung umfasst, vgl. BVerfGE 63, S. 31 f. 176 So der Alternativbegriff für eine „Organleihe“ bei BVerfGE 63, S. 33. 177 BVerfGE 63, S. 1 (Ls. 5.). 178 Ebenda, S. 41; so jetzt auch: BVerfG, AZ 2 BvR 2433/04 Rn. 159 (Urteil v. 20.12.2007). 171

Kap. 9: Überblick über die formellen Verfahrensgänge

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(hinsichtlich der festen Verwaltungsmitarbeiter) und sachlich ausschließlich aus den Mitteln des Bundeshaushalts gespeist. Dadurch bleibt es formal gesehen dabei, dass der Verwaltungsträger Bund, dem das Grundgesetz durch Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG die Verwaltungsaufgabe ermöglicht, diese Aufgabe auch durch eigene personelle und sachliche Mittel in einer eigenen Verwaltungseinrichtung wahrnimmt. Klar ist auch die rechtliche Zuordnung der Indizierungsentscheidungen. Es sind Verwaltungshandlungen des Bundes: Klagen oder Beschwerden gegen (Indizierungs-)Entscheidungen sind allein gegen den verantwortlichen Bund zu richten, der durch die BPjM vertreten wird179. Die eigentlichen Entscheidungsgremien der Behörde werden jedoch – mit Ausnahme der Vorsitzenden – gerade nicht von Verwaltungsangestellten/ Verwaltungsbeamten des Bundes besetzt. Soweit private Organisationsvertreter als Gruppenbeisitzer in den Gremien beteiligt sind, ist das verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Deren Einbindung ist schließlich Konsequenz objektiver grundrechtlicher Verpflichtung180, womit sich zugleich auch formalstrukturelle Bedenken zerstreuen. Diese Argumentation lässt sich jedoch nicht zwangsläufig auf die entsandten Ländervertreter übertragen. Hier handelt es sich schließlich um Beisitzer, die auch in öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen der Länder stehen können und häufig auch stehen181. Dann aber geht es nicht um die Einbindung privater Verkehrskreise in eine hoheitliche Entscheidung, sondern um das Verhältnis von Bund und Ländern bei der Verwaltungsausübung. Diese ist konkret an den Vorgaben des Verfassungsrechtes zu messen. Bei der Tätigkeit der Länderbeisitzer handelt es sich strukturell gesehen nicht um eine klassische Beleihung oder Betrauung/Organleihe, da es an der umfassenden Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben in (privater) Vertretung oder an Stelle des eigentlich dafür zuständigen Verwaltungsträgers Bund fehlt. Die Beisitzer entscheiden in einem Bundesgremium mit – sie ersetzen es aber nicht. Auch die KJM nimmt im Indizierungsrecht nach dem JuSchG keine fremden hoheitlichen Tätigkeiten eigenverantwortlich wahr. Zwar kann sie Stellungnahmen zur Indizierung von Telemedien abgeben, welche die Bundesprüfstelle dann ihrerseits entscheidend zu berücksichtigen hat. Aber es steht den Ländern vollständig frei, eine Stellungnahme zu verfassen. Sie können darauf auch verzichten. 179

§ 25 Abs. 3 JuSchG. Vgl. dazu schon ausführlich Kapitel 8, I. 2. e). 181 Jedes Land hat auch insoweit einen Entscheidungsspielraum, wen es als „seinen“ Länderbeisitzer auswählt, vgl. dazu § 19 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. und S. 3 JuSchG. 180

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

Irrelevant ist in diesem Zusammenhang schließlich § 16 JuSchG, der es den Ländern vorbehält, Rechtsfolgen für indizierte Telemedien zu erlassen. Die Aufteilung der materiellrechtlichen Regelungsmacht hat nichts mit der Verquickung der hier allein interessierenden verwaltungsrechtlichen Aufgabenwahrnehmung zu tun. Die Beteiligung der Länder am Entscheidungsprozess bei der Indizierung ist also keine Beleihung, „Betrauung“ oder „Organleihe“. Sie lässt sich aber als eine Bund/Länder-Kooperation qualifizieren: Bund und Länder bündeln ihre Ressourcen und tauschen sich aus, um dadurch zu einer fachkundigen Indizierungsentscheidung zu kommen182. Solche Kooperationen begegnen im Grundsatz schon deshalb weniger verfassungsrechtlichen Bedenken, weil sie die konkreten Entscheidungsstrukturen und die Zuordnung von Verwaltungsentscheidungen weniger unmittelbar berühren183. Die Lage stellt sich nur dann verändert dar, wenn sich die konkrete Zusammenarbeit faktisch in gleicher, negativer Weise auf die grundsätzliche Kompetenzordnung der Art. 83 f. GG auswirkt. So ist es problematisch, „wenn das Verflechtungsnetz so eng geknüpft wird, dass (. . .) es letztlich unmöglich oder doch unwahrscheinlich wird, von den Empfehlungen oder Beschlüssen [des jeweils anderen] abzuweichen“184 oder die Verwaltungsentscheidung zuzuordnen185. Diese Gefahr besteht bei der Mitwirkung der Ländervertreter in den Entscheidungsgremien der Bundesprüfstelle nicht. Im 12er-Gremium wirken zwar drei Länderbeisitzer mit und entscheiden über die Indizierung von Träger- und Telemedien. Sie tun dies aber in Weisungsunabhängigkeit zu dem Bundesland, das sie entsandt hat – und zwar unabhängig davon, ob sie in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis ihres Landes stehen oder nicht. Gleiches gilt für den Ländervertreter, der möglicherweise vom 12erGremium der BPjM in das 3er-Gremium der Behörde gewählt worden ist. Durch die Ungebundenheit der Entscheidung sind die formalen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass auch die Ländervertreter in ihrem Votum objektiv und nur ihrem Gewissen verpflichtet entscheiden können. Gleichzeitig ist damit auf ausreichende Weise der Gefahr begegnet, dass die Länder durch gezielte Entsendung Einfluss auf die Indizierungspraxis der Bundesprüfstelle nehmen, wodurch die tatsächliche Zuordnung der Entscheidung in Frage gestellt werden könnte. Selbst wenn alle Ländervertreter in einer „konzertierten“ Aktion für oder gegen eine Indizierung stimmen würden, 182

Ebenso: Langenfeld, MMR 03, S. 307. Dreier/Hermes, Art. 83 Rn. 52. 184 von Mangold/Klein/Starck/Trute, Art. 83 Rn. 43; ähnlich: Maunz/Dürig/Lerche, Art. 83 Rn. 36; Dreier/Hermes, Art. 83 Rn. 52. 185 von Mangold/Klein/Starck/Trute, Art. 83 Rn. 42. 183

Kap. 9: Überblick über die formellen Verfahrensgänge

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wären sie nicht in der Lage, gegen die Mehrheit einen relevanten Beschluss herbeizuführen. Für eine Indizierung ist im 12er-Gremium nämlich eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich (§ 19 Abs. 6 S. 1 JuSchG). Im 3er-Gremium müssen Entscheidungen sowieso einstimmig ergehen. Damit ist es jederzeit möglich, von Vorschlägen oder Empfehlungen der Länderbeisitzer abzuweichen. Die rechtliche und faktische Zuordnung der Indizierungsentscheidung zum Bund wird nicht verdunkelt. An diesem Befund ändert sich auch nichts durch eine aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur „Mischverwaltung“ bei den Arbeitsgemeinschaften von Bundesagentur und kommunalen Trägern, die Sozialleistungen gewähren186. Das Gericht betont zwar in seinem Urteil vom 20.12.2007, dass auch eine solche Kooperation im Sinne einer „Mischverwaltung“ nur auf Grund eines „besonderen sachlichen Grundes und (. . .) nur hinsichtlich einer eng umgrenzten Verwaltungsmaterie in Betracht kommen“187 darf. Die Indizierungsentscheidung stellt aber gerade nur eine eng begrenzte Verwaltungsmaterie dar. Als ein besonderer Grund für die Kooperation im 12er-Gremium lässt sich die Bündelung von Fachwissen und Fachleuten aus dem ganzen Bundesgebiet anführen. Es ist noch von der legislativen Gestaltungsmacht des Bundes gedeckt, dass die Länder bei der Rekrutierung dieser fachkundigen „Hüter des Gemeinwohles“ miteinbezogen werden. Problematischer stellt sich die Stellungnahme der KJM bei der Indizierung von Telemedien gemäß § 21 Abs. 6 S. 2 JuSchG dar. Die Bundesprüfstelle darf von ihr nur dann abweichen, wenn sie schlechthin unvertretbar ist; ansonsten muss sie sie als bindend hinnehmen. Hierdurch scheint der Aktionsradius der Bundesverwaltung unangemessen reduziert. Es wird nämlich gerade unwahrscheinlich, dass die BPjM „von den Empfehlungen oder Beschlüssen [der KJM] ab[weicht]“188. Auf der anderen Seite ist auch die KJM ein weisungsfrei agierendes Gremium – wie die BPjM. Durch die Regel wird also nicht zwangsläufig beabsichtigt, die Verwaltungskompetenzen des Grundgesetzes zu desavouieren. Es könnte auch um eine Harmonisierung des gemeinsam zu entwickelnden Jugendschutz-Standards gehen. Nicht umsonst sitzen zwei Vertreter der Bundesbehörde BPjM in der KJM189. Es sollte schließlich nicht verkannt werden, dass die Bundesprüfstelle eine Stellungnahme der KJM im Extremfall ignorieren darf190. 186

BVerfG, AZ 2 BvR 2433/04 Rn. 166 ff. (Urteil v. 20.12.2007). BVerfG, AZ 2 BvR 2433/04 Rn. 169 ff (Urteil v. 20.12.2007). 188 von Mangold/Klein/Starck/Trute, Art. 83 Rn. 43; ähnlich: Maunz/Dürig/Lerche, Art. 83 Rn. 36; Dreier/Hermes, Art. 83 Rn. 52. 189 Vgl. § 14 Abs. 3 Nr. 3 JMStV. 190 Ukrow, S. 282 Rn. 558 Fn. 86. 187

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

Streng genommen werden die neuen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes durch § 21 Abs. 6 S. 2 JuSchG trotzdem nicht erfüllt: Der gemeinsam zu entwickelnde Schutzstandard ist nämlich nur scheinbar ein tauglicher besonderer Grund. Denn er ist lediglich Konsequenz eines Kompetenzgerangels von Bund und Ländern im Gesetzgebungsverfahren, wer denn nun die Regelungsbefugnis beim Jugendschutz im Internet und im Rundfunk habe191. Die herausgehobene Stellung der KJM war dabei Teil eines komplizierten Kompromisses in diesem Kompetenzgerangel192. Das erhellt schon der Umstand, dass die Stellungnahme der KJM nur bei der Indizierung von Telemedien maßgebliche Relevanz zeichnet. Politische Kompromisse, die die Gesetzgebung auf den Weg bringen, sind jedoch keine ausreichenden Sachgründe nach der neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes193. Im Ergebnis ist die strukturelle Kooperation zwischen Bund und Ländern bei der Indizierungsentscheidung daher nur teilweise als verfassungsgemäß anzusehen. Die besondere Einbeziehung des Ländergremiums KJM bei der Indizierung von Telemedien verstößt gegen die Art. 83 ff. GG194. Dagegen ist die Entsendung von Länderbeisitzern in die Bundesprüfstelle verfassungsgemäß. Kapitel 10

Indizierungsfähige Medien Am Anfang des Indizierungsverfahrens steht die Frage, ob für das ins Auge gefasste Objekt überhaupt eine Indizierungsmöglichkeit besteht.

I. Überblick Das, was Gegenstand einer Indizierung werden kann, hat sich im Laufe der Jahrzehnte erheblich gewandelt. Die Entwicklung der Technik ist dabei mit einer Spezifizierung und Ausweitung des Indizierungsrechtes Hand in Hand gegangen195. Die Regelungen des Jugendschutzgesetzes unterscheiden einmal danach, welches Medium konkret inhaltlich betroffen ist und zum anderen, auf welchem Wege sein jugendgefährdender Inhalt verbreitet wird. Je nachdem sind die Kompetenzen auf den Bund (z. B. universell bei Trä191 192 193 194 195

Vgl. dazu schon Kapitel 3, III. 3. Ebenda. BVerfG, AZ 2 BvR 2433/04 Rn. 149 ff (Urteil v. 20.12.2007). A. A. Langenfeld MMR 03, S. 307; Ukrow, S. 282 Rn. 558 Fn. 86. Vgl. dazu schon die Ausführungen in Kapitel 3, III. 1.

Kap. 10: Indizierungsfähige Medien

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germedien) oder die Länder (z. B. Rechtsfolgen bei indizierten Telemedien) verteilt. Der Rundfunk mit Radio und Fernsehen ist als eine eigene rechtliche Kategorie definiert und wird von den Regelungen des Jugendschutzgesetzes ausgenommen. Sein jugendschutzrechtliches Regulativ ist primär der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Länder. 1. Neue Terminologie Der Gesetzgeber geht im JuSchG begrifflich neue Wege. Im Gegensatz zum Strafgesetzbuch196 und dem alten GjS(M) sind nicht mehr „Schriften“ Gegenstand und Bezugspunkt der Indizierung, sondern „Trägermedien“ und „Telemedien“. Diese Begriffe sollen die technischen Rahmenbedingungen besser erfassen bzw. widerspiegeln und den Jugendschutz effektiver machen197. Dabei definiert das Gesetz beide – bisher unbekannte – Rechtstermini in § 1 Abs. 2 JuSchG: Vereinfacht gesagt werden mit Trägermedien Inhalte auf gegenständlichen Körpern (wie z. B. einer CD oder einer DVD) beschrieben und mit Telemedien elektronisch (also unkörperlich) verbreitete Inhalte. Diese Unterscheidung wird jedoch nicht streng aufrechterhalten, was im Einzelfall komplizierte Abgrenzungen erforderlich macht. 2. Weitere Veränderungen gegenüber dem GjS(M) Eine Neuerung ist auch die allgemeine Alterskennzeichnung für elektronische Bildträger wie Computerspiele, Konsolenspiele, DVDs etc. Sie soll kenntlich machen, ab welchem Alter der Konsum eines Mediums jugendschutzrechtlich unbedenklich ist. Bisher war eine solche Alterskennzeichnung nur für öffentlich vorgeführte Filme vorgesehen198. Der Gesetzgeber wollte jedoch sicherstellen, dass gefährliche Bildinhalte künftig generell vorab erkannt und von Kindern und Jugendlichen ferngehalten werden können. Die Alterskennzeichnung bei Medien hat auch Bedeutung für das Indizierungsverfahren: Medien, die einmal von den dazu berechtigten Institutionen für eine Altersstufe freigegeben worden sind, dürfen nicht mehr nachträglich durch die Bundesprüfstelle indiziert werden199. Darin liegt ein erheblicher Unterschied zum GjS(M)200. 196

Z. B. §§ 11 Abs. 3, 131, 184 StGB. BT-Drcks. 14/9013, S. 17. 198 § 6 Abs. 1 JÖSchG a. F. 199 § 18 Abs. 8 JuSchG. 200 Nach altem Recht konnte die Bundesprüfstelle auch dann eine Indizierung aussprechen, wenn ein Film oder ein Computerspiel von einer Freiwilligen Selbst197

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

II. Trägermedien Träger- und Telemedien müssen schon aus kompetenzrechtlichen Gründen (Zuständigkeit von Bund und Ländern, Verfahrensunterschiede)201 genau voneinander abgegrenzt werden. Deshalb soll nun näher untersucht werden, in welchen Fällen ein Trägermedium vorliegt. § 1 Abs. 2 JuSchG definiert Trägermedien als Medien mit Texten, Bildern oder Tönen auf gegenständlichen Trägern, die alternativ zur Weitergabe geeignet, zur unmittelbaren Wahrnehmung bestimmt oder in einem Vorführ- oder Spielgerät eingebaut sind. Dem gegenständlichen Verbreiten, Überlassen, Anbieten oder Zugänglichmachen von Trägermedien steht das elektrische Verbreiten, Überlassen, Anbieten oder Zugänglichmachen gleich. Das gilt aber nicht, soweit es sich um Rundfunk im Sinne des § 2 RuStV handelt. 1. Medienbegriff Als Medium bezeichnet man jede Ausdrucksform geistiger, optischer oder akustischer Inhalte. Sie muss über die unmittelbare körperliche und stimmliche Äußerung einer Person hinausgehen (ggf. mit Hilfe von technischen Hilfsmitteln) und an eine Vielzahl von Personen gerichtet sein202. Medium ist damit der Oberbegriff, unter den Träger- und Telemedien gleichermaßen subsumierbar sind203. 2. Texte, Bilder oder Töne auf gegenständlichen Trägern Damit von einem Trägermedium die Rede sein kann, müssen (kodierte) Informationen in Form von Texten, Bildern und Tönen grundsätzlich auf einem dinglichen Träger (z. B. einer DVD, einer Schallplatte) gebunden sein204. Darin liegt ein elementarer Unterschied zu den Telemedien, bei denen die Definition – wie noch näher darzustellen sein wird – an die Verbreitungsform anknüpft. Weiter ist es erforderlich, dass sich die Gefährdung über Texte, Bilder oder Töne vermittelt. Deshalb sind Spielzeuge (wie z. B. Puppen) selbst dann von den Beschränkungen des JuSchG ausgenommen, wenn ihre Darstellung als jugendgefährdend erscheinen sollkontrolle für gewisse Altersstufen als nicht jugendgefährdend eingestuft worden war – was auch vorkam, vgl. dazu von Hartlieb/Schwarz/Trinkl, S. 30. 201 Vgl. nur §§ 16, 18 Abs. 6, 18 Abs. 8 S. 1, 21 Abs. 6 JuSchG. 202 Fechner, S. 6 Rn. 8; Nikles, § 1 Rn. 21. 203 Löffler/Ricker, S. 518. 204 Ausnahmen von dieser Regel werden nachfolgend unter 6. erörtert.

Kap. 10: Indizierungsfähige Medien

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te205. Figuren unterliegen nur dann dem Regelungsregime des JuSchG, wenn sie jugendgefährdende Worte oder Schriftzüge aufweisen und sich dadurch ein bestimmter Gedankenzusammenhang vermittelt206 (z. B. nationalsozialistische Parolen wie „Sieg Heil“). Das gilt auch für den Fall, dass sich Melodien und Reden über einen integrierten Speicherchip abrufen lassen (z. B. durch Druck auf eine Stelle des Spielzeugs). 3. Eignung zur Weitergabe Eine Eignung zur Weitergabe besteht, wenn sich das Medium leicht an eine Vielzahl von Konsumenten verbreiten lässt. Wie aber lässt sich eine solche unproblematische Verbreitung in der Praxis konkretisieren? Sinnvoll dürfte es sein, auf die Handlichkeit des Übertragungsvorganges abzustellen. Es ist also zu fragen, ob das Medium ohne wesentliche technische Aufwendungen (z. B. Ausbaumaßnahmen) und körperliche Anstrengungen (Übergabe, Transport) an einen Dritten übergeben werden kann207. Dabei ist grundsätzlich ein objektiver Maßstab unter Berücksichtigung der Verkehrssitte anzulegen. Druckschriften, Bücher, Zeitschriften, Hüllen und sonstige Text-Inlays sind leicht von einer Person auf die andere zu übertragen und damit zur Weitergabe geeignet. Da es nach dem eindeutigen Wortlaut nicht darauf ankommt, dass die Medieninhalte schon im Moment des Weitergebens direkt wahrgenommen werden können, gilt das auch für CD-Roms, DVDs, Disketten, Videos, Audiokassetten, Schallplatten und Filmrollen208. Subsumtionsschwierigkeiten entstehen allerdings bei Multifunktionsgeräten wie PCs, Laptops, Handys etc. und ihren ausbaubaren Bausteinen. Wenn man – wie hier vorgeschlagen – auf die objektive Handlichkeit der Übertragung abstellt, sind fest installierte Speicherträger von Multifunktionsgeräten wie Computerchips oder Festplatten im Regelfall nicht zur Weitergabe geeignet. Der Übergabe müssten schließlich aufwändigere Ausbaumaßnahmen am Muttergerät vorangehen. Festplatten können aber als Trägermedium zu begreifen sein, wenn die Möglichkeit besteht, sie „mit einem Handgriff“ aus dem übergeordneten System zu entfernen und anderswo einzusetzen (mobile Festplatten)209. Nichts anderes scheint für die Übertragung von Multifunktionsgeräten „an sich“ zu gelten. Denn ihre Fä205

Nikles, § 1 Rn. 16. BPjM-Aktuell 1/2004, S. 8; Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 1 Rn. 20; Ukrow, S. 134 Rn. 260. 207 Ähnlich: Löffler/Ricker, S. 518; Liesching, NJW 02, S. 3283; Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 1 Rn. 26. 208 BT-Drcks. 14/9013, S. 18; Petersen, S. 268; von Heyl, S. 10; Scholz/Liesching, § 1 Rn. 9. 209 Petersen, S. 269; Liesching, NJW 02, S. 3283; Scholz/Liesching, § 1 Rn. 9. 206

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higkeit zur Vermittlung von Medieninhalten leitet sich ja gerade von den integrierten Speicherchips ab, die für sich besehen nicht zur Weitergabe geeignet sind210. Auf der anderen Seite können Handys, Laptops und wohl auch normale Computer-Tower „als Ganzes“ durchaus unproblematisch ihren Benutzer wechseln. Offensichtlich ist das beim Handy, das jeder Besitzer mit einer Handbewegung an eine andere Person weiterreichen kann. Unter diesem Gesichtspunkt könnte man also tatsächlich von einer Eignung zur Weitergabe ausgehen. Diese Betrachtung verkännte aber, dass Handys, Computer und Laptops in erster Linie der Individualkommunikation oder Datenverarbeitung dienen, aber nicht der Verbreitung von Medieninhalten211. Deshalb verbietet sich eine Handlichkeitsbetrachtung, die auf das gesamte Gerät abstellt und nicht isoliert auf die abgrenzbaren Gerätefunktionen und -bausteine212. Handys, Laptops und Computer-Tower sind also nicht weitergabegeeignet. Handgeschriebene Briefe und sonstige einzelkommunikative Schriften können zwar auch von einer Person auf die andere übertragen werden. Aber ihre Inhalte sollen nicht an eine unbestimmte Vielzahl von Menschen weitergegeben werden213. Anders zu beurteilen ist die Sachlage, wenn solche Schriften zielgerichtet vervielfältigt werden und als Flyer, Rundbrief oder in sonstiger Verwendung in Umlauf gebracht werden. Die vervielfältigten Exemplare sind dann weitergabegeeignete Trägermedien. 4. Alternativ: Bestimmung zur unmittelbaren Wahrnehmung Immer dann, wenn der Medienkonsum für den Einzelnen ohne technische Zwischenschritte möglich ist, liegt eine Bestimmung zur unmittelbaren Wahrnehmung vor. Das gilt vor allem für Bücher, Zeitschriften und sonstige Druckschriften. Da aber Druckschriften und Bücher regelmäßig schon zur Weitergabe geeignet sind, kommt der Tatbestandsalternative nur bei fest fixierten Plakaten (etwa an Litfaßsäulen), bei Aushängen oder Werbebeschriftungen wesentliche Bedeutung zu214. Inhalte auf CDs, Videokassetten, CD-Roms, DVDs, Disketten, Audiokassetten, Schallplatten oder Filmrollen müssen durch mechanische, digitale oder sonstige Mittlungsprozesse noch für das menschliche Auge und Ohr 210

Nikles, § 1 Rn. 17. Scholz/Liesching, § 1 Rn. 9; Löffler/Altenhain, § 1 Rn. 26. 212 So auch Nikles, § 1 Rn. 17. 213 Nikles, § 1 Rn. 16, in Anlehnung an OLG Düsseldorf, NJW 2000, S. 1129 (noch zum alten Schriftenbegriff). 214 von Heyl, S. 10; Löffler/Ricker, S. 518; Scholz/Liesching, § 1 Rn. 10. 211

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umgewandelt werden. Sie sind deshalb nicht zur unmittelbaren Wahrnehmung bestimmt215. 5. Alternativ: Einbau in einem Vorführ- oder Spielgerät Auch fest verankerte Festplatten können rechtlich zu Trägermedien werden, wenn die auf ihnen gesicherten Texte, Bilder oder Töne in einem Vorführ- oder Spielgerät wahrgenommen werden können. Dies ist etwa der Fall bei Speicherchips von Spielkonsolen und Taschenspielgeräten216, MP3Player oder Beamer mit integriertem Datenspeicher217. Fraglich ist allerdings der Umgang mit Datenspeichern in Mehrzweckgeräten wie dem PC, dem Handy oder Festplattenrecordern, mit denen sich z. B. Fernsehsendungen aufnehmen und wiedergeben lassen. Es ist möglich, allein darauf abzustellen, dass die Geräte für die gespeicherten Festplattentexte, -bilder und -töne theoretisch betrachtet Wiedergabegeräte sein können. Bei Mehrzweckgeräten würde die Qualifizierung als Vorführgerät dann nicht dadurch gehindert, dass bei bestimmten Anwendungen eine Präsentation von Medieninhalten gar nicht erfolgt und z. T. auch gar nicht möglich ist218. Richtig ist es jedoch, bei Mehrzweckgeräten wie dem PC die übergeordnete Datenverarbeitungsfunktion in den Focus der Betrachtung zu rücken. Dann sind Mehrzweckgeräte zunächst einmal keine Vorführ- oder Spielgeräte. Sie werden nur dann als solche erfasst, wenn der PC-Bildschirm tatsächlich dazu missbraucht wird, um jugendgefährdende Inhalte wiederzugeben219. Entscheidend für die Subsumtion ist also die konkrete Verwendung im Einzelfall. Diese Sichtweise hat zwar den Nachteil, dass eine universelle rechtliche Kategorisierung von Multifunktionsgeräten als Trägermedium ausbleibt. Dies erscheint jedoch notwendig, um in der Praxis sachgerechte Differenzierungen zu den Telemedien zu erreichen (vgl. dazu sogleich) und um die Indizierungsrestriktionen auf das praktisch Notwendige zu reduzieren. Im grundrechtssensiblen Bereich trägt Letzteres dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung.

215

Nikles, § 1 Rn. 18; Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 1 Rn. 27. von Heyl, S. 10. 217 Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 1 Rn. 28. 218 In diese Richtung wohl: von Heyl, S. 10. 219 So auch: Petersen, S. 269; Liesching, NJW 02, S. 3283; Ukrow, S. 68 Rn. 102 Fn. 42. Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 1 Rn. 33, will dagegen eine abstrakte Betrachtung der Zugriffsmöglichkeit ausreichen lassen, so dass die konkrete Verwendung im Einzelfall unerheblich ist. 216

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

6. Elektronische Verbreitung Der Begriff des Trägermediums war in den bisherigen Tatbestandsalternativen eng mit der Bindung von Informationen an einen gegenständlichen Körper (z. B. eine DVD oder eine CD) verknüpft. Darin schien der eigentliche Unterschied zu den Telemedien zu liegen, die sich durch eine unkörperliche Verbreitung auszeichnen. § 1 Abs. 2 S. 2 JuSchG überrascht jedoch mit einer Aufweichung dieses Grundsatzes: Auch bei den eigentlich körperlich gebundenen Trägermedien soll ein elektronisches Anbieten und Verbreiten der gegenständlichen Verbreitung gleichstehen, soweit es sich nicht um Rundfunk handelt. Das führt im Einzelfall zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Träger- und Telemedien. Durch die Gleichstellung der elektronischen Verbreitung werden zunächst Faxübermittlungen von Medien erfasst220. Abgrenzungsschwierigkeiten zu den Telemedien bestehen in diesem Fall nicht, da das Fax kein Teledienst ist (und damit von vorneherein kein Telemedium sein kann). Nach der amtlichen Begründung soll die Zuordnung zu den Trägermedien auch dann erfolgen, wenn nach der Faxübermittlung kein Ausdruck auf der Seite des Faxempfängers stattgefunden hat221. Grundsätzlich ist die regulative Erfassung des Faxes sinnvoll, weil es durch Massenversand auch zu einem jugendgefährdenden Massenkommunikationsmittel werden kann. Ebenso wäre auch die Kopie von Dateien zwischen zwei Rechnern (z. B. in einem LAN) eine elektronische Verbreitung222. Das eigentliche Ziel des Absatz § 1 Abs. 2 S. 2 ist es aber, Inhalte eines Bild- oder Tonträgers zu erfassen, die als „elektronisches Paket“ versendet werden – etwa als Attachment zu einer E-Mail223. Das gelingt aber nicht so, wie es sich der Gesetzgeber offensichtlich vorgestellt hat. Denn vor einem solchen „Paketversand“ über die „Datenautobahn“ muss das zu transportierende Medium technisch zwingend digital umgewandelt werden224. Es kann ja nicht die CD oder DVD „als solche“ elektronisch auf die Reise gehen. Wird die CD oder DVD aber umgewandelt, so entsteht ein digitales Datenformat, das sich wiederum in der Regel nicht mehr als Trägermedium einordnen lässt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die kodierte Information auf einer normalen Festplatte vorliegt. Falls der Zugriff auf solche digitalen 220 221 222 223

von Heyl, S. 11; Liesching, NJW 02, S. 3283; Scholz/Liesching, § 1 Rn. 14. BT-Drcks. 14/9013, S. 18. Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 1 Rn. 37. BT-Drcks. 14/9013, S. 18; von Hartlieb/Schwarz/Trinkl, S. 23; von Heyl,

S. 11. 224 Fechner, Rn. 426; Bornemann, NJW 03, S. 788; Liesching, NJW 02, S. 3283; Scholz/Liesching, § 1 Rn. 14; Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 1 Rn. 39.

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Datenformate über das Internet ermöglicht wird, liegt eindeutig ein Telemedium nach Absatz 3 vor und nicht ein Trägermedium nach Abs. 2 S. 2225. Insoweit dürfte auch die Bedeutung von § 1 Abs. 2 S. 2 JuSchG für den Versandhandel geringer sein als ursprünglich vorgesehen226. Es ist jedoch denkbar, dass bereits digitalisierte Inhalte einer CD-Rom oder auch einer Diskette, die etwa von einem Drittanbieter heruntergeladen worden sind227, direkt weiterverschickt werden. In diesem Falle verbleibt ein Anwendungsbereich für § 1 Abs. 2 S. 2. Wenn dann sowohl eine Einordnung als Trägerals auch als Telemedium in Betracht kommt228, hängt es von der konkreten Verwendungsabsicht des Täters ab, wie der Verbreitungsgegenstand rechtlich zu subsumieren ist229: Steht beispielsweise die Vorführung von jugendgefährdenden Medien am eigenen PC im Vordergrund, liegt ein Trägermedium vor. Sollen diese Inhalte dagegen über das Internet verbreitet werden, muss rechtlich von einem Telemedium ausgegangen werden. Falls im Einzelfall ein Verstoß sowohl gegen Vorschriften des JuSchG für Trägermedien als auch des JMStV für Telemedien vorliegen sollte230, greift im Bereich der Ordnungswidrigkeiten § 19 Abs. 1 OWiG, wonach nur auf die in § 24 JMStV angedrohte höhere Geldbuße zu erkennen ist231. Rundfunkmedien sind weder Tele- noch Trägermedium im Sinne des JuSchG. Sie bilden eine eigene rechtliche Kategorie. Was unter Rundfunk zu verstehen ist, beschreibt § 2 RuStV: Es handelt sich um eine für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, in Ton und in Bild. Zur Verbreitung werden dabei elektromagnetische Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels eines Leiters benutzt. Der Begriff schließt auch Darbietungen ein, die 225

Scholz/Liesching, § 1 Rn. 14. Nach von Heyl, S. 11, sollten die Händler das Verbot der Versendung von Bildträgern ohne Jugendfreigabe (§ 12 Abs. 3 Nr. 2 JuSchG) und das Verbot der Versendung von jugendgefährdenden Trägermedien (§ 15 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 und 3 JuSchG) nicht dadurch umgehen können, dass sie die Trägermedien lediglich elektronisch versenden. Soweit eine digitalisierte Weitergabe erfolgt, kann § 1 Abs. 2 S. 2 JuSchG aber – wie dargelegt – nicht greifen. 227 Zu denken ist an legale oder illegale Tauschbörsen im Internet. 228 Beispiel: Ein mobiler und damit weitergebbarer Datenspeicher, der in einem Mehrfunktionsgerät (PC) eingesetzt ist (z. B. USB-Stick), hält digitalisierte Daten bereit, die zusätzlich über das Internet abgerufen werden können. 229 So Stettner, ZUM 03, S. 429; Ukrow, S. 71 Rn. 110; ähnlich Scholz/Liesching, § 1 Rn. 7; a. A. Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 1 Rn. 40. 230 So, wenn es im obigen Beispiel (Fn. 623) tatsächlich zu illegalen Abrufen über das Internet und parallelen Vorführungen am eigenen PC kommt, wobei beides vom Vorsatz des Täters erfasst ist. 231 von Heyl, S. 11. 226

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verschlüsselt verbreitet werden oder gegen besonderes Entgelt empfangbar sind. Damit sind jedenfalls Hörfunk und Fernsehen keine Trägermedien.

III. Telemedien Telemedien im Sinne des § 1 Abs. 3 JuSchG sind Medien, die durch elektronische Informations- und Kommunikationsdienste nach dem Telemediengesetz übermittelt oder zugänglich gemacht werden. Das Telemediengesetz ist seit dem 1.3.2007 an die Stelle des Gesetzes über die Nutzung von Telediensten (TDG) und des Staatsvertrages über Mediendienste der Länder (MDStV) getreten232. Als Übermitteln oder Zugänglichmachen nach Satz 1 gilt das Bereithalten eigener oder fremder Inhalte. Der Begriff des Telemediums beschreibt also die elektronische Übermittlung und Bereitstellung von Medieninhalten durch Fernmeldetechnik über Telefonfest- oder Telefonfunknetze233. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein Angebot an die Allgemeinheit gerichtet ist (wie eine redaktionell gestaltete Homepage) oder ob eher die individuelle Nutzung (z. B. E-Mail) im Vordergrund steht234. Für den Jugendschutz wurde diese Unterscheidung zwischen Telediensten und Mediendiensten schon 2003 aufgegeben235. Dies ist im Ergebnis zu begrüßen, weil es in der Praxis in vielen Bereichen nahezu unmöglich ist, redaktionelle (meinungsbildende) Dienste von den sonstigen nicht-redaktionellen Diensten zu trennen: Gerade im Internet herrschen viele Mischformen vor236. Darüber hinaus war es im alten Recht höchst unbefriedigend, dass die Bundesprüfstelle zwar gegen pornographische Angebote (regelmäßig Teledienste) vorgehen konnte, ihr das jedoch bei rechtsextremen (Internet-)Angeboten (regelmäßig Mediendienste) nicht möglich war237. Durch die Gleichstellung sind alle abrufbaren Online-Angebote (Homepages), Angebote zur Nutzung von Intranet, Teleshopping-Angebote in Abrufdiensten, Teledienste wie Videotext, Download-Foren für Computerspiele sowie abrufbare Filmdatenbanken (Video-on-Demand) subsumierbar238. Ausdrücklich ausgenommen von den Telemedien ist der Rundfunk mit Fernsehen und Hörfunk. Er bildet eine eigene rechtliche Kategorie239. Da232

Gesetz vom 26.2.2007, BGBl. I 2007, S. 179 f. Scholz/Liesching, § 1 Rn. 15; von Heyl, S. 11. 234 Scholz/Liesching, § 1 Rn. 15. 235 BT-Drcks. 14/9013, S. 24. 236 Liesching, NJW 02, S. 3284; vgl. zu den Problemen im alten Recht auch Kröger/Moos, AfP 97, S. 675 f. 237 Meier, BPjM-Aktuell 4/2005, S. 12. 238 Löffler/Ricker, S. 519; Nikles, § 1 Rn. 21; Scholz/Liesching, § 1 Rn. 16; von Heyl, S. 11. 233

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durch bleiben die Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Rundfunk und Mediendiensten (als Teil der Telemedien) erhalten. Letztlich unterscheiden sich Mediendienste vom Rundfunk dadurch, dass es sich inhaltlich bei diesen nicht um Darbietungen handelt. Die Meinungsbildungsrelevanz der Angebote ist also nicht im gleichen Maße bedeutsam wie beim Rundfunk240. Dieses Kriterium ist jedoch in der Praxis schwer praktikabel. Deshalb gewinnt ein zweites Charakteristikum des Rundfunks an Gewicht: Das organisierte, zeitlich programmierte Ausstrahlen von Sendeinhalten. Neben dem Rundfunk lässt sich auch die unmittelbare Kommunikation über so genannte Individualkommunikationsdienste wie Telefon und Fax rechtlich nicht als Telemedium subsumieren241. In der Regel werden hier schon keine Medieninhalte über Töne und Bilder vermittelt242. Sollte das – etwa bei Faxübermittlungen – einmal anders sein, kann dies als die elektrische Verbreitung von Trägermedien zu begreifen sein.

IV. Indizierungseinschränkungen bei Trägermedien Nicht alle Trägermedien können indiziert werden. Gemäß § 18 Abs. 7 S. 1 JuSchG sind Filme, Film- und Spielprogramme von einer Indizierung ausgenommen, wenn sie von einer anerkannten Stelle mit einer Altersfreigabe nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 JuSchG gekennzeichnet worden sind. Nach der gesetzlichen Vorstellung erfolgt die Freigabe entweder direkt durch die Kennzeichnung der jeweiligen obersten Landesjugendbehörden oder durch die Übernahme von Voten freiwilliger Selbstkontrollen durch die obersten Landesjugendbehörden243. Die Ausschlussregelung soll verhindern, dass Doppelarbeit bei den Jugendschutzbehörden entsteht. Außerdem sollen die Anbieter von Filmen, Film- und Spielprogrammen Rechtssicherheit haben244. Ein Wertungsgleichklang mit den zentralen Indizierungsnormen wird dadurch erreicht, dass die Kennzeichnung von Bildträgern gemäß § 14 Abs. 3. S. 1, Abs. 4 S. 1 und 2 JuSchG bei einer zu befürchtenden Jugendgefährdung bzw. einer bestehenden Listenaufnahme unterbleibt. Bei der Bewertung sind identische Maßstäbe zugrunde zu legen. In Zweifels239 Vgl. hierzu den ergänzend für die Auslegung heranziehbaren § 3 Abs. 2 S. 1 JMStV. 240 Ukrow, S. 72 Rn. 112. 241 Vgl. auch § 2 Abs. 2 JMStV i. V. m. § 3 TKG. 242 Nikles, § 1 Rn. 21. 243 § 14 Abs. 2 JuSchG. 244 Vgl. BT-Drcks. 14/9013, S. 26.

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fällen müssen die kennzeichnenden Institutionen eine Entscheidung der Bundesprüfstelle herbeiführen245. Davon abgesehen ist die Bundesprüfstelle aber an die Feststellungen der Freigabeinstitutionen gebunden, auch wenn sie selbst (später) von einer Jugendgefährdung ausgeht. Bei den Computerspielen haben im Jahr 2006 lediglich 1,8% der Spiele keine Kennzeichnung erhalten246. Im Umkehrschluss konnten 98,2% aller neu produzierten Computerspiele des Jahres 2006 nicht mehr nachträglich indiziert werden. Das zeigt die immense Bedeutung dieser Ausschlussregelung für das ganze Indizierungsrecht: Dies wirft die Frage auf, ob der Staat seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtung zum Jugendschutz noch auf ausreichende Weise nachkommt, wenn er die Alterskennzeichnung nicht selbst wahrnimmt, sondern in die Hände von wirtschaftlich getragenen Selbstkontrollen legt. Eine ausführliche Analyse dieses Problems würde den Rahmen der Arbeit sprengen247. Es soll aber doch kurz das System der Alterskennzeichnung strukturell und rechtstechnisch beleuchtet werden, um zu einem grundsätzlichen Befund zu gelangen. 1. Kennzeichnungspflichtige Trägermedien Nahezu alle audiovisuellen Trägermedien sind von der Alters-Kennzeichnungspflicht der §§ 11–13 JuSchG betroffen. Lediglich reine Tonträger wie die Audio-CD, die Musikkassette oder die Schallplatte dürfen auch dann völlig frei vertrieben werden, wenn sie keine Einstufung für eine Altersgruppe aufweisen. a) Filme (§ 11 Abs. 1 JuSchG) Betroffen sind zunächst Filme. Unter einem Film versteht man gemeinhin die Übermittlung von Gedankeninhalten durch Bilderreihen, die zur Projek245

§ 14 Abs. 4 S. 2 JuSchG. Vgl. dazu die Angaben der Pressemitteilung der USK vom 31. Januar 2006 zur Jahresbilanz 2006. Die Bilanz ist auch im Internet abrufbar unter: www.usk.de (Abruf: 01.09.2007). 247 Die Regelungen zur Alterskennzeichnung sind ja auch nicht unmittelbarer Teil des Indizierungsrechtes, sondern beeinflussen es – allerdings erheblich – mittelbar. Vertiefende Ausführungen zum System der regulierten Selbstregulierung im Jugendschutz finden sich z. B. bei Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), S. 252 f.; Cole, ZUM 05, S. 464 f.; Rossen-Stadtfeld, AfP 04, S. 3 f.; Ring, AfP 04, S. 9 f.; Groß, NVwZ 04, S. 1393 f.; Ukrow, S. 321 Rn. 658 f.; Calliess, AfP 02, S. 465 f.; Ladeur, ZUM 02, S. 860 f. 246

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tierung bestimmt sind248. Allerdings stellt § 11 Abs. 4 JuSchG klar, dass es auf die Art der Aufzeichnung und Wiedergabe für die Kennzeichnungspflicht nicht ankommt, soweit der Film öffentlich vorgeführt wird. Es ist also letztlich unerheblich, ob das Trägermaterial des Filminhaltes Zelluloid, ein Magnetband, eine DVD, ein Video oder ein mobiler Datenspeicher ist und ob die Vorführung im Kino oder in der Schul-Aula erfolgt. Erfasst sind nach § 11 Abs. 4 S. 2 JuSchG nicht nur die inhaltlich abgrenzbaren HauptFilme, sondern auch Werbevorspanne und Beiprogramme. b) Bildträger mit Filmen oder Spielen (§ 12 Abs. 1 JuSchG) Mit der Erweiterung der Kennzeichnungspflicht auf Bildträger kommt der Gesetzgeber einer langjährigen Forderung der obersten Landesjugendbehörden nach, die insbesondere Computerspiele von der Kennzeichnungspflicht erfasst sehen wollten249. Subsumierbar sind alle zur Weitergabe geeigneten Medienträger, die optische Inhalte vermitteln, insbesondere CD-Roms oder Disketten mit Spielen, DVDs und Datenträger von Spielkonsolen250. c) Elektronische Bildschirmspielgeräte (§ 13 Abs. 1 JuSchG) Auf das Reproduktionsgerät und nicht auf den Medienträger stellt § 13 Abs. 1 JuSchG ab. Dabei sind als elektronische Bildschirmgeräte alle stationären Datenverarbeitungscomputer erfasst, großformatige Spielautomaten ebenso wie kleine Spielkonsolen251. Bei Multifunktionsgeräten kommt es bei der Subsumtion auf die tatsächliche Nutzung sowie gegebenenfalls – in Abgrenzung zu den Telemedien – auf die Nutzungsabsicht an. Hier muss das Gerät dazu dienen, Bilder unmittelbar zur Anschauung zu bringen252. 2. Sonderbestimmungen Von der allgemeinen Kennzeichnungspflicht gibt es Abweichungen.

248 249 250 251 252

Pieroth/Schlink, § 13 Rn. 580. BT-Drcks. 14/9013, S. 21. Scholz/Liesching, § 12 Rn. 2 f. Nikles, § 13 Rn. 5. Vgl. dazu die Ausführungen oben bei II. 5.

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a) „Infoprogramm“ und „Lehrprogramm“ Ausnahmsweise bestehen keine faktischen Vorlagepflichten für Bildmedien, soweit es sich um Informations-, Instruktions- und Lehrfilme handelt, die auch als solche vom Hersteller ausgewiesen werden253. Der Gesetzgeber will dadurch die Kennzeichnungsinstitutionen entlasten. Zudem sollen Kosten für den Handel vermieden werden, wenn offensichtlich keine Gefahr der Kinder- und Jugendbeeinträchtigung oder Jugendgefährdung besteht254. Entsprechend dürfen diese Medien auch nur dann in „Eigenregie“ gekennzeichnet werden, wenn die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen offensichtlich nicht beeinträchtigt wird. Die oberste Landesbehörde kann in jedem Fall für einzelne Anbieter oder für besondere Film- und Spielauszeichnungen die entsprechenden Kennzeichnungen aufheben, soweit sie missbräuchlich verwendet worden sind255. Unter die Variante Informationsfilm dürften vor allem reine Image- und Werbeproduktionen fallen. Visuelle Gebrauchsanweisungen – z. B. die allgemeinen Sicherheitshinweise im Flugzeug vor jedem Flug – und sonstige filmische Werke, die zeigen, „wie es geht“, werden als Instruktionsfilme erfasst256. Daneben sind fachwissenschaftliche Filme und Bildträger mit biologischen, chemischen oder sonstigen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenhängen als Lehrfilme zu begreifen257. b) Nichtgewerbliche Filme Eine weitere Ausnahme ergibt sich aus § 11 Abs. 4 S. 3. Filme, die nicht zu gewerblichen Zwecken hergestellt und genutzt werden, müssen nicht altersgerecht ausgezeichnet werden. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass mangels Kommerzialisierung auch keine allgemeine Verbreitung zu befürchten steht. Darüber hinaus ist eine Kategorisierung in Fallgruppen nicht möglich. Es muss vielmehr jeder Einzelfall geprüft werden. c) Periodische Druckschriften mit Auszügen visueller Medien Schließlich ist für Computerzeitschriften oder andere periodische Druckschriften mit Auszügen von Film- und Spielprogrammen eine Erleichterung durch § 12 Abs. 5 JuSchG vorgesehen. Sie dürfen auch ohne Alterskenn253 254 255 256 257

Vgl. §§ 11 Abs. 1, 12 Abs. 1, 13 Abs. 1. BT-Drcks. 14/9013, S. 23. § 14 Abs. 7 S. 1 und 3 JuSchG. BT-Drcks. 14/9013, S. 23. Vgl. zum Ganzen auch: Scholz/Liesching, § 14 Rn. 20; Nikles, § 14 Rn. 25.

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zeichnung vertrieben werden, wenn die Datenträger (in der Regel DVDs), die die Film- oder Spielauszüge enthalten, keine kennzeichnungspflichtigen Vollversionen darstellen und ohne jugendbeeinträchtigende Inhalte sind. Das muss allerdings eine anerkannte Selbstkontrolle bescheinigen und durch einen entsprechenden Hinweis kenntlich machen. 3. Gesetzlich vorgesehene Freigabestufen Filme, sonstige Bildträger und Spielprogramme können gemäß § 14 Abs. 2 JuSchG mit „Freigegeben ohne Altersbeschränkung“ (Nr. 1), „Freigegeben ab sechs Jahren“ (Nr. 2), „Freigegeben ab zwölf Jahren“ (Nr. 3), „Freigegeben ab sechzehn Jahren“ (Nr. 4) und „Keine Jugendfreigabe“ (Nr. 5) gekennzeichnet werden. Die Länder bestimmen für Bildträger mit Filmen oder Spielen die nähere Kennzeichnungsordnung258. a) Das Modell der Altersstufen Die Altersstufen des JuSchG orientieren sich stark an einem Stufenmodell des Entwicklungspsychologen Pigot aus den 50er Jahren. Es unterscheidet die Entwicklungsabschnitte des Kleinkindes, des Vorschul- und Grundschulkindes und schließlich des Jugendlichen259. Die Einteilung wurde bei Filmen durch das JÖSchG – mit unwesentlichen Veränderungen – seit Jahrzehnten praktiziert und ist nun auch für andere Bildträger übernommen worden260. Entscheidend für die Kennzeichnung ist die Frage, für welche der genannten Altersgruppen eine Beeinträchtigung der ungestörten Persönlichkeitsentwicklung anzunehmen ist. Dabei werden die beeinträchtigungsgeneigten Kinder und Jugendliche einbezogen261. Der Nachteil dieses Maßstabes liegt darin, dass individuelle Reifeunterschiede und geschlechtstypische Besonderheiten keine Berücksichtigung finden können262. Darüber hinaus sind im Vorfeld der Neuregelung des Jugendschutzes zahlreiche kritische Stimmen laut geworden, die auf Grund der veränderten Medienrezeptionsgewohnheiten von Kindern und Jugendlichen und mit Blick auf die europäischen Nachbarstaaten eine Neuausrichtung der Altersfreigabe for258

Vgl. dazu § 12 Abs. 2 JuSchG und Art. 4 Abs. 3 der entsprechenden Ländervereinbarung (abrufbar im Internet z. B. unter: www.mbjs.brandenburg.de, Abruf: 21.8.2006). 259 Informativ hierzu: Theunert, tv-diskurs 02, S. 60 f. 260 Vgl. dazu auch BT-Drcks. 14/9013, S. 22. 261 Im Rahmen des § 18 JuSchG wird dieses Abstellen auf Risikogruppen noch ausführlich zu hinterfragen – und schließlich abzulehnen sein, vgl. Kapitel 11, II. 1. b). 262 Nikles, § 14 Rn. 8.

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dern263. Der Gesetzgeber hat gleichwohl grundsätzlich an den bisher bekannten Freigabestufen festgehalten. Darüber hinaus wird gar keine Altersfreigabe erteilt, falls von dem geprüften Medium vermutlich nicht nur eine Beeinträchtigung, sondern sogar eine echte Gefährdung der seelischen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ausgehen kann264. b) Das Zertifikat: „Keine Jugendfreigabe“ Die bisherige Film-Kennzeichnung „Nicht freigegeben unter 18 Jahren“ (§ 6 Abs. 3 Nr. 5 JÖSchG) wurde allerdings durch das Zertifikat „Keine Jugendfreigabe“ ersetzt. Dies erfolgte laut amtlicher Begründung, um sprachlich klarzustellen, dass mit der Kennzeichnung keine jugendbehördliche Freigabe für Erwachsene durchgeführt wird265. Filme und sonstige Bild- und Spielprogramme werden entsprechend gekennzeichnet, wenn auch noch bei Jugendlichen über sechzehn Jahren eine Entwicklungsbeeinträchtigung zu befürchten steht. Diese Jugendbeeinträchtigung erreicht aber nicht den Grad einer Jugendgefährdung. Deshalb kann eine Kennzeichnung noch erfolgen, ohne dass die vorbeugenden Schutzmaßnahmen des § 12 Abs. 3 JuSchG oder eine Indizierung zur Anwendung gelangen. Hegt das Gremium diesbezüglich Zweifel, muss nach § 14 Abs. 4 S. 3 JuSchG eine klärende Entscheidung der BPjM eingeholt werden. 4. Umgang mit bisherigen Alterskennzeichnungen Medien, die bereits nach dem alten JÖSchG eine Altersfreigabe erhalten haben (z. B. Kinofilme), dürfen ebenso wenig indiziert werden wie elektronische Bildträger, die erst unter Geltung des JuSchG zertifiziert worden sind. Das ergibt sich aus § 29 JuSchG, der hinsichtlich der Wirkung bisheriger Altersfreigaben auf die allgemeine „Sperrnorm“ § 18 Abs. 8 S. 1 JuSchG verweist. Damit wird vermieden, dass zwischen indizierungsimmunen Kennzeichnungen „erster Klasse“ und indizierungszugänglichen Kennzeichnungen „zweiter Klasse“ differenziert werden muss. Allerdings gibt es von dieser Regel eine wichtige Ausnahme: Wenn eine Kennzeichnung nach altem Recht auf „Nicht freigegeben unter achtzehn Jahren“ lautete266, so bleibt eine Indizierung nach dem JuSchG weiter 263

Für eine Teilaufgabe der Freigaben: Mikos, tv-diskurs 02, S. 69; Theunert, tvdiskurs 02, S. 63; kritisch auch: Knoll, tv-diskurs 98, S. 52; für weitere Abstufungen: Schäfer, tv-diskurs 02, S. 72. 264 Dies ist nötig, um einen Wertungsgleichklang mit den eigentlichen Indizierungsnormen (§§ 18 Abs. 1, 15 Abs. 2 JuSchG) zu erreichen. 265 BT-Drcks. 14/9013, S. 22.

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möglich. Der Grund dafür liegt darin, dass dieses Zertifikat nach altem Recht auch dann vergeben wurde, wenn das Medium jugendgefährdend – und nicht lediglich jugendbeeinträchtigend war. Eine differenzierende Prüfung zwischen Jugendbeeinträchtigung und Jugendgefährdung fand auf dieser Ebene früher nämlich nicht statt267. Nach dem JuSchG darf jedoch überhaupt keine Alterskennzeichnung vergeben werden, wenn das Medium jugendgefährdend ist. Würde man der alten Kennzeichnung eine Sperrwirkung für die Indizierung zusprechen, führte dies in den Fällen, in denen wirklich eine Jugendgefährdung vorliegt, zu einer Wertungsdisharmonie mit den §§ 14 Abs. 1, 18 Abs. 1 JuSchG. Dies vermeidet der Gesetzgeber, in dem er die Indizierungsmöglichkeit offen hält. Händler und Unternehmer können die Indizierung nur dadurch ausschließen, dass sie das Medium neu prüfen lassen und zumindest das Zertifikat „Keine Jugendfreigabe“ erhalten. 5. Rechtsfolgen einer fehlenden Zertifizierung Wenn eine Zertifizierung durch die zuständigen Stellen abgelehnt oder eine Altersfreigabe vom Hersteller gar nicht beantragt wird, kann das Medium von der BPjM indiziert werden. Ausgeschlossen ist das nur dann, wenn es schon auf der Liste der jugendgefährdenden Medien steht. Unabhängig davon greifen für nicht gekennzeichnete Bildträger massive Beschränkungen. Gemäß der §§ 11–13 JuSchG dürfen Filme und sonstige Bildträger Minderjährigen nicht bzw. nur in Begleitung eines Erziehungsberechtigten268 angeboten, überlassen oder sonst zugänglich gemacht werden. Für Bildträger mit Filmen und Spielen ist das Angebot im Versandhandel oder im Einzelhandel außerhalb von geschlossenen Geschäftsräumen untersagt269. Bei Bildschirmgeräten gilt sogar ein generelles Aufstell- und Betriebsverbot auf öffentlichen und außerbetrieblichen Verkehrsflächen sowie in beruflich genutzten Räumen ohne Aufsicht. 6. Medienkontrolle durch Selbstkontrollen In der Praxis wenden sich Unternehmen bei der Altersfreigabekennzeichnung an die anerkannten Freiwilligen Selbstkontrollen ihrer Dachverbände.

266 267 268 269

§ 7 Abs. 2 i. V. m. § 6 Abs. 3 Nr. 5 JÖSchG. von Heyl, S. 66. So für Filme: § 11 Abs. 2 und 3 JuSchG. § 12 Abs. 3 JuSchG.

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a) Praktischer Exkurs: Freigabeempfehlungen bei FSK und USK Die wichtigsten dieser Freiwilligen Selbstkontrollen sind im Geltungsbereich des Jugendschutzgesetzes die FSK und die USK. aa) FSK Hinter dem Kürzel FSK verbirgt sich die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft. Die FSK ist eine Tochtergesellschaft der SPIO e. V., der Spitzenorganisation von Filmherstellern, Filmverleihern und Filmtheaterbesitzern. Sie führt seit 1949 freiwillige Prüfungen für Filme, Videokassetten (seit 1983) und vergleichbare Bildträger (CD-Roms und DVDs seit 1995) durch, die in der Bundesrepublik Deutschland für die öffentliche Vorführung und Verbreitung vorgesehen sind270. Seit Beginn der Tätigkeit der FSK im Jahr 1949 sind insgesamt mehr als 100.000 Filme und andere Trägermedien geprüft worden. Allein im Jahr 2003 wurden 3.802 Einzelprüfungen durchgeführt271. Als Ergebnis der Prüfung wird eine Freigabe für eine bestimmte Altersklasse oder die Verweigerung der Kennzeichnung beschlossen. Darüber hinaus prüft die FSK auch die Eignung von Filmen für die Vorführungen an Feiertagen. Eine Vorlagepflicht gerade bei der FSK besteht für Filme und Videos zwar nicht. Allerdings haben die in der SPIO zusammengeschlossenen Wirtschaftsverbände ihre Mitglieder verpflichtet, nur von der FSK geprüfte Produkte öffentlich anzubieten. In der Praxis führt daher kein Weg an der FSK vorbei. Gesetzliche Grundlage für die Arbeit der Organisation ist das Jugendschutzgesetz. Daneben wird das Prüfverfahren in den FSK-Grundsätzen geregelt272. Die Finanzierung erfolgt über die Prüfgebühren der Antragsteller. (1) Strukturen Sitz der FSK ist Wiesbaden. Die 190 Prüferinnen und Prüfer der Organisation sind ehrenamtlich tätig und werden zum einen Teil von den Verbänden der Film- und Videowirtschaft, zum anderen Teil von der öffentlichen Hand für jeweils 3 Jahre benannt273. Die Prüfer kommen aus unterschied270

Quelle: Homepage der Organisation (www.spio.de), Abruf am 26.06.2005. Ebenda. 272 Die aktuellen FSK-Grundsätze (Fassung vom 09.12.2004, in der Folge abgekürzt mit „FSK-Grds.“) können im Internet abgerufen werden unter: www.spio.de (Abruf 26.06.2005). 273 § 6 FSK-Grds. 271

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lichen gesellschaftlichen Bereichen und Berufsfeldern. Beisitzer und Sachverständige der öffentlichen Hand prüfen nach einem festgelegten Modus, um Einflussnahmen vorzubeugen274. Gemäß § 3 Abs. 2 der FSK-Grds. ist für alle Fragen des Jugendschutzes ein Ständiger Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden bei der FSK zur Mitwirkung bestellt. (2) Verfahrensüberblick Bei der FSK werden die Anträge auf Freigabe täglich in drei parallel arbeitenden Ausschüssen geprüft. Die Diskussionen in den Ausschüssen sind vertraulich, die Abstimmungsergebnisse geheim275. Ausschussmitglieder sind in ihren Entscheidungen nicht an Weisungen gebunden276. Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit gefasst. Bei Stimmengleichheit gilt der Antrag als abgelehnt, eine Stimmenthaltung ist nicht zulässig277. Kein von der Film- und Videowirtschaft benannter Prüfer darf hauptberuflich in einem Unternehmen der Branche beschäftigt sein278. Die Altersfreigabeprüfung erfolgt regelmäßig im Arbeitsausschuss, der mit 7 Mitgliedern besetzt ist. Den Vorsitz führt der Ständige Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden. Er befindet zusammen mit drei von der Film- und Videowirtschaft benannten Mitgliedern, zwei Prüfern der öffentlichen Hand und einem Sachverständigen für Jugendschutz über die Kennzeichnung mit einfacher Mehrheit279. Gegen diesen Beschluss kann sowohl vom Antragsteller als auch von der unterlegenen Ausschussminderheit Berufung eingelegt werden280. In diesem Fall wird der sogenannte Hauptausschuss tätig und die vorangegangene Entscheidung ruht281. In den Hauptausschuss werden zwei weitere Vertreter der öffentlichen Hand entsandt. Er prüft also in neunköpfiger Besetzung. Den Vorsitz führt ein gewählter Vertreter der SPIO282. Mit der Berufungsentscheidung findet das Prüfverfahren seinen Abschluss. Allerdings kann jede oberste Landesjugendbehörde und jeder Spitzenverband der Film- und Videowirtschaft einmalig eine erneute Prüfung des Mediums durch die FSK beantragen. Über einen solchen Antrag befindet ein besonderer Appellationsausschuss. Er tagt in siebenköpfiger Besetzung: Dem Vorsitzenden, der wiederum gewählter Vertreter der SPIO ist, vier Vertretern 274 275 276 277 278 279 280 281 282

§ § § § § § § § §

7 Abs. 2 und 3 FSK-Grds. 9 Abs. 6 und 7 FSK-Grds. 7 Abs. 1 FSK-Grds. 7 Abs. 7 FSK-Grds. 6 Abs. 2 S. 2 FSK-Grds. 5 Abs. 2 Nr. 1 FSK-Grds. 13 Abs. 1 FSK-Grds. 14 Abs. 1 FSK-Grds. 5 Abs. 3 Nr. 1 FSK-Grds.

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der Obersten Landesjugendbehörden und zwei Sachverständigen für Jugendschutz. Stellt der Appellationsausschuss fest, dass die Entscheidung auf einem Verfahrens- oder Rechtsfehler beruht, kann er die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverweisen283. bb) USK Die USK ist die zurzeit wichtigste Selbstkontrolleinrichtung für Computerspiele. Sie wurde 1994 vom Förderverein für Jugend und Sozialarbeit e. V. (fjs) und dem Verband der Unterhaltungssoftware Deutschland e. V. (VUD) gegründet. Von der Gründung 1994 bis Ende 2006 wurden über 17.700 Produktionen eingereicht. Für das Jahr 2006 weist die Statistik284 2.607 Prüfverfahren aus, davon 1.277 für PC-Titel und 1.115 für Konsolenspiele. 58,4% der Spiele wurden für Kinder unter 12 Jahren freigegeben. Seit dem Inkrafttreten des neuen Jugendschutzgesetzes (01.04.2003) bis Ende 2006 wurde eine Alterskennzeichnung in 108 Fällen abgelehnt. Im Jahr 2006 erhielten 4% der Spiele keine Jugendfreigabe, 1,8% wurden wegen einer Jugendgefährdung erst gar nicht gekennzeichnet285. (1) Strukturen Sitz der USK ist Berlin. 37 Männer und 13 Frauen arbeiten als Prüfer bei der USK286. Sie kommen aus allen Bundesländern und haben einen pädagogischen, journalistischen oder psychologischen Hintergrund287. Durch die enge Verbindung zum VUD ist in der Vergangenheit des öfteren Kritik an der „Industrienähe“ der USK aufgekommen288. Dem Einfluss der Wirtschaft soll aber dadurch vorgebeugt werden, dass Prüfer und die vorführenden Spieletester nicht in der Hard- oder Softwareindustrie beschäftigt sein dürfen289. Überdies sind nach Inkrafttreten des JuSchG die Verfahrens283

§ 15 Abs. 5 FSK-Grds. Angaben der Pressemitteilung der USK vom 31. Januar 2006 zur Jahresbilanz 2006. Die Bilanz ist auch im Internet abrufbar unter: www.usk.de (Abruf: 01.09.2007). 285 Im Jahre 2004 hatten nur 0,9% der Spiele überhaupt keine Kennzeichnung erhalten; 2005 lag die Zahl mit 1,5% ebenfalls unter dem Wert von 2006. 286 Feibel, S. 157. 287 Feibel, S. 157 f., 164. 288 Feibel, S. 164. 289 § 4 Abs. 2 S. 3 und Abs. 6 S. 2 USK-Grundsätze (in der Folge abgekürzt mit „USK-Grds.“). 284

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grundsätze der USK sehr stark an die der FSK angepasst worden, die seit vielen Jahren mit breiter Akzeptanz arbeitet. So gibt es gemäß § 3 der USK-Grds. auch bei der USK einen Ständigen Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden, der für die Belange des Jugendschutzes im Benehmen mit der betroffenen Wirtschaft bestellt wird. Hinzu kommt, dass die Gutachter vom Beirat auf drei Jahre bestimmt werden, wobei dieses Gremium mehrheitlich mit jugendschutzsensibilisierten Vertretern besetzt ist290. (2) Verfahrensüberblick Aktuelle Anträge werden mehrheitlich im Regelverfahren bearbeitet: Ein aus fünf Personen bestehendes Prüfgremium mit vier Gutachtern und dem Ständigen Vertreter, der den Vorsitz führt, befinden über die Jugendfreigabe mit einfacher Mehrheit291. Gegen die Entscheidung kann der Antragsteller ebenso wie der Ständige Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden Berufung einlegen. Die Besetzung des Berufungsausschusses ist numerisch gleich. Es dürfen aber – mit Ausnahme des Ständigen Vertreters, der den Vorsitz führt – keine Gutachter beteiligt werden, die im Ausgangsverfahren abgestimmt haben292. Führt auch diese Entscheidung zu Unmut bei Antragsteller oder Ständigem Vertreter gibt es eine weitere Berufung im Beiratsverfahren. Hier entscheidet ein aus sieben Personen bestehendes Gremium293. Wie bei der FSK kann auch bei der USK jede Oberste Landesjugendbehörde nach Abschluss des Prüfungsverfahrens eine erneute Prüfung verlangen. Dafür ist das Appellationsverfahren vorgesehen, in dem sieben Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden mit einfacher Mehrheit über die Appellation befinden294. Unberührt bleibt aber in jedem Fall das Recht jeder Obersten Landesjugendbehörde zur abweichenden Kennzeichnung. b) Die Rechtstechnik des Kennzeichnungsvorganges Der rechtsstrukturellen Einordnung der Altersfreigabe kommt für die verfassungsrechtliche Bewertung entscheidendes Gewicht zu. Bleibt der Einfluss der öffentlichen Institutionen auf die Strukturen und das Prüfverfahren der anerkannten Selbstkontrollen gewahrt, genügt der Gesetzgeber formal seiner Pflicht zum Jugend(medien)schutz. Bei einer völligen Autonomie wären dagegen weitere Untersuchungen anzustellen. 290 291 292 293 294

Vgl. §§ 2 Abs. 2 und 3, 4 Abs. 1 und 6 USK-Grds. § 6 Abs. 2 USK-Grds. § 8 Abs. 5 USK-Grds. § 9 Abs. 3 USK-Grds. § 10 Abs. 3 USK-Grds.

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

aa) Vereinbarungen der Länder mit den Freiwilligen Selbstkontrollen Altersfreigabe-Empfehlungen der Freiwilligen Selbstkontrollen dürfen gemäß § 14 Abs. 6 JuSchG von den obersten Landesjugendbehörden im Rahmen eines gemeinsamen Verwaltungsverfahrens als eigene Entscheidungen übernommen werden. Die Bundesländer haben sich auch tatsächlich darauf verständigt, die Prüfvoten von FSK und USK für ihre Hoheitsgebiete in den Kennzeichnungen zu übernehmen. Allerdings gilt das nur, wenn der von den Obersten Landesjugendbehörden in die Freiwilligen Selbstkontrollen entsandte Ständige Vertreter die Entscheidung gegengezeichnet hat295. Darüber hinaus kann jedes Land im Einzelfall der vorgeschlagenen Kennzeichnung ausdrücklich widersprechen und eine abweichende Alterseinschätzung für sein Hoheitsgebiet vornehmen296. Offiziell bedienen sich die Länder der FSK und der USK deshalb nur als gutachterlicher Stelle297. bb) Delegation von Hoheitsmacht? Allerdings ist diese Einordnung der Vereinbarungen von Ländern und Selbstkontrollen umstritten: Bis zum Erlass des JuSchG war in der Tat die Ansicht vorherrschend, es handele sich bei den Stellungnahmen der Freiwilligen Selbstkontrollen um sachverständige, aber unverbindliche Einschätzungen, die die Obersten Landesjugendbehörden ihrer eigenen abschließenden Entscheidung zugrunde legten298. Für eine echte Delegation von Hoheitsmacht auf die Selbstkontrollen fehle es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Übertragung. Angesichts der gesetzlichen Absicherung entsprechender Ländervereinbarungen mit den Freiwilligen Selbstkontrollen durch § 14 Abs. 6 S. 2 JuSchG werden jedoch zunehmend Stimmen laut, die die Prüftätigkeit als Beleihung begreifen299. Unter Beleihung versteht man die (gesetzliche) Übertragung von Hoheitsrechten auf Einzelpersonen oder juristische Personen des Privatrechts, wobei die Kompetenz eingeräumt wird, bestimmte Verwaltungsaufgaben im eigenen Namen wirksam vorzunehmen zu können300. Die Aus295

Vgl. dazu Art. 1 der Ländervereinbarung zur USK und § 14 Abs. 1 USK-

Grds. 296

Art. 1 S. 2 der Ländervereinbarung zur USK; § 21 Abs. 3 FSK-Grds. § 21 Abs. 2 FSK-Grds.; Art. 1 der Ländervereinbarung zur USK. 298 So zum alten Recht: BVerwG, NJW 1955, S. 1203; BGH NJW 1995, S. 865; von Hartlieb, NJW 85, S. 832. 299 Scholz/Liesching, § 14 Rn. 17; Nikles, § 14 Rn. 19; unter diesen Voraussetzungen wohl schon früher: Weides, NJW 87, S. 227. 300 Maurer, VR § 23 Rn. 56 f. 297

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schussvoten der Freiwilligen Selbstkontrollen würden in diesem Sinne regelmäßig ohne eigene Prüfung übernommen und stellten dadurch schon selbst begünstigende Verwaltungsakte dar. Insoweit liege die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben im eigenen Namen vor. Der im Gesetz und den Ländervereinbarungen verankerte Vorbehalt der abweichenden Entscheidung einer obersten Landesbehörde im Einzelfall ändere daran nichts. Denn die konkrete Kennzeichnung erfolge stets direkt durch die Selbstkontrollen301. Daran ist richtig, dass sich die Länder die fachlichen Ressourcen der Freiwilligen Selbstkontrollen in großem Umfang zu Nutze machen. Für eine Beleihung spricht auch der Blick auf die Prüfpraxis: Hier ist es noch nicht ein einziges Mal vorgekommen, dass eine Oberste Landesjugendbehörde für ihr Hoheitsgebiet vom Recht einer abweichenden Kennzeichnung Gebrauch gemacht hat302. Im Ergebnis liegt dennoch keine Beleihung vor, denn die Kennzeichnung nimmt formal der Ständige Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden bei der jeweiligen Selbstkontrolle vor. Sie erfolgt also gerade nicht durch eine private Organisation „in eigenem Namen“. Es ist zwar richtig, dass der Ständige Vertreter die Ausschussergebnisse bei seiner Entscheidung maßgeblich zu berücksichtigen hat303. Er kann seine Unterschrift aber in vielen Konstellationen – trotz eines positiven Ausschussergebnisses – verweigern und so die Altersfreigabe zumindest verzögern304. Mit Blick auf den geringen Widerspruch gegen Prüfentscheidungen ist zu bedenken, dass die Prüfstrukturen der Freiwilligen Selbstkontrollen das Ergebnis eines intensiven Dialoges mit den Obersten Landesjugendschutzbehörden sind. Sowohl bei der FSK als auch bei der USK entscheiden in den Ausschüssen mehrheitlich Prüfer, die dem öffentlichen Jugendschutz verpflichtet sind305. Da die Entscheidungen der Prüfgremien mit einfacher Mehrheit gefasst werden, ist der öffentliche Einfluss maßgeblich gewährleistet. Damit erklärt sich, warum bisher so wenig Widerspruch der Obersten Landesjugendbehörden gegen die Prüfentscheidungen laut geworden ist. Zentral gegen eine Beleihung spricht das verbriefte Recht der Länder, in jedem Einzelfall von der Prüfentscheidung abweichen zu können. Hier ist es zumindest theoretisch denkbar, dass ein Land eine abweichende Kennzeichnung gegen die Ausschussentscheidung der Freiwilligen Selbstkontrollen durchsetzt, und zwar auch schon vor einem finalen Appellationsvotum. Darüber hinaus hat das Einlegen interner Rechtsmittel 301

Weides, NJW 87, S. 227; Scholz/Liesching, § 14 Rn. 17. Auskunft der Vorsitzenden der Bundesprüfstelle, Elke Monssen-Engberding in einem Hintergrundgespräch am 30.09.2006. 303 § 3 Abs. 2 USK-Grds.; § 21 Abs. 3 FSK-Grds. 304 Vgl. § 7 Abs. 3 S. 2 USK-Grds.; § 12 Abs. 3 USK-Grds. spricht vom Prüfvotum als einer „Empfehlung“. 305 Vgl. dazu die Ausführungen zur Ausschussbesetzung oben bei 6. a). 302

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

durch eine Oberste Landesjugendbehörde bei der FSK stets aufschiebende Wirkung306. Im Ergebnis liegt eine besonders starke Form der staatlichen Kooperation vor. Die Freigabe erfolgt aber regelmäßig als Verwaltungsakt des federführenden Landes durch den Ständigen Vertreter307. Da der Staat kompetenziell und tatsächlich für die Alterskennzeichnung verantwortlich bleibt, findet schon gar keine fundamentale Verlagerung des Jugendmedienschutzes auf private Institutionen statt. Die Einbindung gesellschaftlicher Kräfte bei der Entscheidungsfindung liegt im Rahmen der Gestaltungsmacht des Gesetzgebers. Das gegenwärtige Prinzip der „regulierten Selbstregulierung“ ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

V. Indizierungseinschränkungen bei Telemedien Für Telemedien gilt eine ähnliche Indizierungsrestriktion wie für Trägermedien. Sie dürfen gemäß § 18 Abs. 8 S. 3 JuSchG nicht indiziert werden, wenn sie von einer anerkannten Selbstkontrolle jugendschutzrechtlich unbedenklich bewertet worden sind. Allerdings gilt dies immer dann nicht, wenn die zentrale Aufsichtsstelle der Länder für den Jugendmedienschutz bei Telemedien dennoch von einer Jugendgefährdung ausgeht.

VI. Bewertung Handwerklich ist dem Gesetzgeber mit den neuen Vorschriften zu den indizierungsfähigen Objekten kein großer Wurf gelungen. Das Jugendschutzgesetz ist hinsichtlich seiner Bezugsobjekte so abstrakt formuliert, dass die betroffenen Verkehrskreise – Unternehmer, Händler, Lehrer, Eltern, Kinder und Jugendliche – große Schwierigkeiten haben, das Gemeinte ohne juristische Hilfe zu verstehen. Dabei kommt es gerade auf sie für einen praktizierten, wirksamen Jugendschutz entscheidend an. Dem Gesetzgeber ist deshalb dringend anzuraten, das Gesetz sprachlich zu überarbeiten und lesefreundlicher zu gestalten308. Auch inhaltliche Korrekturen sind dringend erforderlich. Die Begriffe der Träger- und Telemedien müssen entweder klarer voneinander abgegrenzt oder bezüglich ihrer Rechtsfolgen harmonisiert und kompetenziell zusammengeführt werden. Bei Beschreiten des ersten Weges wäre es von Vorteil, nur diejenigen Medieninhalte als Trägermedium anzusehen, die körperlich (auf CD, DVD, 306 307 308

§§ 14 Abs. 1, 15 Abs. 2 S. 2 FSK-Grds. § 3 Abs. 2 USK-Grds.; zust. von Hartlieb/Schwarz/Trinkl, S. 26. Ähnlich Bredow, S. 154.

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Kassette etc.) fixiert sind. Das Einbeziehen auch der elektronischen Verbreitung durch § 1 Abs. 2 S. 2 JuSchG ist nicht praktikabel. Es führt zu kaum handhabbaren Überschneidungen mit dem Begriff der Telemedien, im Einzelfall sogar zu Doppeleigenschaften von ein und demselben Medium. Die rechtliche Kategorisierung gerät dadurch zum Zufallsprodukt und trägt zur Verwirrung bei der Rechtsanwendung bei. Klare Zuordnungen sind aber zumindest so lange nötig, wie die Rechtsfolgen für indizierte Telemedien (gemäß § 16 JuSchG) abweichend durch die Bundesländer im JMStV bestimmt werden, während sie sich für Trägermedien unmittelbar aus dem JuSchG (insbesondere § 15 JuSchG) ergeben. Der Gesetzgeber sollte auch die Sonderbehandlung des Rundfunks überdenken. Hörfunk und Fernsehen werden bisher weder als Träger- noch als Telemedium erfasst, sondern bilden eine eigene rechtliche Kategorie. Nach geltendem Recht müssen Rundfunksendungen dadurch jugendschutzrechtlich zum Teil höheren Anforderungen genügen als deckungsgleiche Internet-Angebote309. Das ist angesichts ähnlicher Wirkeffekte nicht nachvollziehbar, mit Blick auf die sich abzeichnende Medienkonzentration anachronistisch und im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich fragwürdig310. Mit einer schärferen Abgrenzung von Träger- und Telemedien könnte das Jugendschutzrecht zwar anwendungsfreundlicher gestaltet werden. Doch bliebe es bei erheblichen konzeptionellen Defiziten. Der Gesetzgeber hat seiner zutreffenden Diagnose, dass nämlich ein „kohärenter, praktikabler und Kompetenz-Unklarheiten vermeidender Ordnungsrahmen für die elektronischen Medien erforderlich“ ist311, leider keine erfolgversprechende Therapie folgen lassen. Die Verteilung der Regelungskompetenzen auf Bund und Länder (die zurzeit mit der Einordnung als Träger- oder Telemedium verbunden ist) missachtet sowohl die internationale Dimension des Medienjugendschutzes als auch die fortschreitende Medienkonzentration. Sie ist kein sinnvolles Konzept für die Zukunft. Die unterschiedlichen formellen Indizierungsvoraussetzungen müssen dringend formal-inhaltlich synchronisiert und kompetenziell in der Hand des Bundes gebündelt werden: Sowohl für Trägermedien als auch Telemedien und den Rundfunk. Der Jugendschutz kann in einer globalisierten Welt nur dann effektiv sein, wenn er sich auf eine einheitliche Rechts-Grundlage in bundesweiter Zuständigkeit gründet, mit einheitlichen, klaren, für jedermann erkennbaren Strukturen und einem leicht verständlichen Verfahren. 309

So bestimmt § 4 Abs. 2 S. 1 JMStV Absolutverbote bestimmter Angebote für den Rundfunk, während diese für Telemedien mit identischen Inhalten zulässig sind, sofern sie nur in geschlossenen Benutzergruppen zugänglich gemacht werden. 310 Kritisch dazu auch: Kreile/Diesbach, ZUM 02, S. 850 f.; Stettner, ZUM 03, S. 430; Nikles, S. 206 Rn. 33; Scholz/Liesching, § 4 Rn. 28. 311 BT-Drcks. 14/9013, S. 13.

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

VII. Zusammenfassung Objekte der Indizierung können sowohl Träger- als auch Telemedien sein. Bei den Trägermedien steht die stoffliche Fixierung der Medieninhalte im Vordergrund, bei den Telemedien ihre elektronische Übermittlung, wobei nunmehr auch Mediendienste nach dem MDStV erfasst werden. Verkompliziert wird die klare Zuordnung der Objekte bei den Trägermedien durch die Gleichstellung von körperlicher und elektronischer Verbreitung. Hier hilft ein Abstellen auf die konkrete Verwendung des Mediums im Einzelfall weiter, um die erforderliche Abgrenzung vornehmen zu können. Ausgeschlossen ist die Indizierung von visuellen Träger- und Telemedien, soweit eine Altersfreigabe erteilt worden ist. Ein Gleichklang mit den Wertungen des Indizierungsrechts wird dadurch erreicht, dass die FreigabeKennzeichnung im Falle einer Jugendgefährdung verweigert werden muss.

Kapitel 11

Indizierungsgründe Wenn das Medium nach seiner äußeren Beschaffenheit indizierungsfähig ist, geht die Bundesprüfstelle zur Prüfung der Inhalte über. Stößt sie dabei auf jugendgefährdende Inhalte, kann das Medium indiziert werden. Allerdings müssen die Gremien der Behörde bei ihrer Entscheidung die Bedeutung der Freiheitsrechte berücksichtigen, die mit dem Jugendschutz konkurrieren. Die Indizierung ist nur rechtmäßig, soweit die Interessen des Jugendschutzes im Einzelfall überwiegen und durch eine Indizierung gewahrt werden müssen.

I. Überblick Ziel der Ausführungen dieses Kapitels ist es, ein vollständiges Bild der gegenwärtigen Indizierungspraxis zu entwerfen. Zentrales Gewicht kommt dabei der (zum Teil streitigen) Interpretation von § 18 JuSchG zu. Die Norm ist Grundlage der „einfachen“ Indizierung durch die Bundesprüfstelle. Hier nehmen Überlegungen zum geschützten Personenkreis der Indizierung und den verwaltungsrechtlichen Anforderungen an die Jugendgefährdungsprognose breiten Raum ein. In einem zweiten Schritt erfahren die Fallgruppen der Jugendgefährdungseignung nähere Würdigung. Damit eng verbunden ist der Einfluss der Freiheitsrechte, der in einem dritten Schritt ausführlich thematisiert wird. Schließlich gehen die Ausführungen auf die Möglichkeit von Voraus-Indizierungen bestimmter Medien gemäß

Kap. 11: Indizierungsgründe

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§ 22 JuSchG sowie die gesetzlich (teilweise neu) geregelten Fälle einer von-selbst-Indizierung nach § 15 Abs. 2 JuSchG ein.

II. Die Indizierung auf der Grundlage von § 18 Abs. 1 JuSchG Nach § 18 Abs. 1 JuSchG ist ein Medium in die Liste der jugendgefährdenden Medien aufzunehmen, wenn es geeignet ist, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden. Diese Formulierung knüpft an § 1 Abs. 1 SGB VIII an und stellt die individuelle Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in den Vordergrund. Damit einhergegangen ist eine Verabschiedung von der bisherigen Terminologie des Jugendschutzrechtes in § 1 Abs. 1 GjS(M). Die alte Norm hatte sich noch auf Schriften bezogen, die geeignet waren, Kinder und Jugendliche sittlich zu gefährden. Das war insoweit unglücklich formuliert, als auch bei nicht erotisierten Medien die Gefahr der Jugendgefährdung bestehen konnte und kann, weshalb die Bundesprüfstelle den Wortlaut in der Praxis auch extensiv interpretieren musste. Gleichwohl soll sich aus der sprachlichen Modifizierung gegenüber dem alten Recht keine grundlegende Änderung der bisherigen Beurteilungskriterien für eine mögliche Jugendgefährdung ergeben312. Vor allem bei unsittlichen oder verrohend wirkenden sowie zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizenden Medien liegt eine für die Indizierung nötige Gefährdungseignung vor. Dies lässt sich § 18 Abs. 1, Satz 2 JuSchG ausdrücklich entnehmen. Der Gesetzgeber hat durch die rein beispielhafte Erwähnung dieser Medien zugleich darauf verzichtet, eine abschließende Aufzählung aller jugendgefährdenden Inhalte vorzunehmen313. Vielmehr handelt es sich bei der Jugendgefährdung um einen Blankettbegriff, dessen Konkretisierung der Bundesprüfstelle und den Gerichten überlassen ist314.

312

BT-Drcks. 14/9013, S. 25; BPjM-Aktuell 3/2005, S. 3. Kritisch dazu: Löffler/ Altenhain, JSchutz BT Einleitung Rn. 25. 313 BVerfG NJW 1994, S. 1783; Eberle/Rudolf/Wasserburg/Landmann, Kapitel VI Rn. 64; Nikles, § 18 Rn. 6. 314 Scholz/Liesching, § 18 Rn. 3; Nikles, § 18 Rn. 2; Ukrow, S. 138 Rn. 265 f.; Schilling, S. 44; Schraut, S. 74. Löffler/Altenhain hält dies für verfassungswidrig, da der Gesetzgeber die Gefahren selber konkret benennen müsse und die Festlegung nicht delegieren dürfe, vgl. JSchutz BT Rn. 40.

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

1. Das „Subjekt“ der Gefährdung Die nachvollziehbare Bestimmung und Ausfüllung dessen, was jugendgefährdend ist, kann allerdings nicht ohne eine Festlegung der Kreise erfolgen, die überhaupt geschützt werden sollen. Sie müssen daher zunächst bestimmt werden. a) Kinder und Jugendliche Der Blick in § 18 Abs. 1 JuSchG zeigt, dass Kinder und Jugendliche gleichermaßen zu Schutzsubjekten erhoben werden. Kinder sind gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 JuSchG alle Personen von der Geburt bis zum 14. Lebensjahr. Als Jugendliche gelten nach Abs. 1 Nr. 2 Personen, die 14, aber noch nicht 18 Jahre alt sind. Mag die genaue Abgrenzung von Kindern und Jugendlichen in anderen Bereichen des Jugendschutzes eine große Rolle spielen315, so kann sie für das Prinzip der Indizierung nach dem Wortlaut des JuSchG vernachlässigt werden. Die Formulierung, dass Medien mit einer möglichen Gefährdung der Entwicklung und Erziehung von „Kindern oder Jugendlichen“ indiziert werden sollen, bedeutet nämlich nicht, dass auch eine kumulative Gefährdungswahrscheinlichkeit einzufordern ist316. Sobald eine Gefährdung für lediglich eine der beiden Gruppen zu befürchten steht, kann die Bundesprüfstelle das Medium indizieren. Ob Gleiches für die jeweils andere Gruppe im selben Maße gilt, ist unerheblich. Nach dem Wortlaut ist jedes Medium indizierbar, dass für irgendeine Altersgruppe zwischen Null und 18 Jahren als gefährdungsgeeignet anzusehen ist317. Mit Blick auf den allgemeinen Schutzauftrag für Kinder und Jugendliche aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG scheint diese umfassende Reichweite des gesetzlichen Indizierungsschutzes erst einmal nicht verwunderlich. Angesichts der weitreichenden Folgewirkungen der Indizierung stellt sich aber letztlich doch die Frage, ob nicht Verhältnismäßigkeitsüberlegungen zu einer differenzierteren Betrachtung und einer „beschränkten Indizierung“ für spezifische Altersgruppen führen müssten318.

315 Z. B. bei der Anwesenheit in Filmveranstaltungen, vgl. § 11 Abs. 2 und 3 JuSchG. 316 Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 18 Rn. 10. 317 Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 18 Rn. 12. 318 So schon die Überlegung bei Raue, S. 25; Dankert/Zechlin/Schefold, S. 99; Vlachopoulos, S. 66. Der Gedanke wird in Kapitel 12, X. 1. a) bb) (3) noch einmal aufgegriffen.

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b) Rudimentäre oder vollständige Repräsentanz? Kinder und Jugendliche werden also gleichermaßen durch § 18 Abs. 1 JuSchG geschützt. Damit sind die tatsächlichen Subjekte des Indizierungsschutzes aber nur scheinbar erhellt. Von ebenso großer Wichtigkeit ist die Beantwortung der Frage, welche Kinder und Jugendliche ihrer jeweiligen Altersklasse durch den Wortlaut des Gesetzes erfasst sind. Sollen wirklich auch die gefährdungsgeneigtesten, gar pathologischen Kinder und Jugendliche eines Jahrganges zum Bezugspunkt der Norm erwachsen? Oder ist allein auf die durchschnittlichen Vertreter der jeweiligen Altersklasse abzustellen? Das wird in Rechtsprechung und Lehre uneinheitlich beantwortet. aa) Rechtsprechung Das Bundesverwaltungsgericht hat sich erstmals in einem Grundsatz-Urteil vom 7.12.1966 mit der Thematik befasst. Anlass war eine Klage gegen die Indizierung von Ulrich Schamonis Roman „Dein Sohn läßt grüßen“, die nach § 1 GjS erfolgte. Der 1. Senat vertrat – entgegen der bis dato vorherrschenden Literatur-Ansicht319 – die Auffassung, Bezugspunkt der Prognose dürften (wie bei der zivilrechtlichen Gattungsschuld) nur Kinder und Jugendliche „mittlerer Art“ sein, also die „nicht in statistischem, sondern in biologisch-psychischem Sinne durchschnittlichen Vertreter ihrer Gattung“320. Gegen die geforderte Einbeziehung auch gefährdungsgeneigter Personen sprächen schon Historie und Wortlaut des Gesetzes, die eben nichts über die Berücksichtigung gerade dieser Personen besagten321. Darüber hinaus sei es in der Prüfpraxis unmöglich, die Grenze zwischen den für schädliche Einflüsse besonders anfälligen Personen und psycho-pathogenen Fällen zu ziehen322. In jedem Falle widerspreche die Einbeziehung Schwergefährdeter, völlig haltloser Personen, Sinn und Zweck des Gesetzes. Denn dies liefe auf eine uferlose Anwendung des Indizierungsrechts hinaus323. Angesichts der Intensität des Eingriffs in die Rechte des Verfassers und des Verlegers durch die Indizierung sei eine auf den Durchschnitt angelegte Prognose geboten. Das gelte nicht zuletzt auch deshalb, weil die Indizierung als verbotsgleiche Maßnahme die Informationsrechte der Erwachsenen beschränke324. In der Entscheidung BVerwGE 28, S. 223 zur Indizierung 319 320 321 322 323 324

Hierzu sogleich. BVerwGE 25, S. 321 f. BVerwGE 25, S. 322. Ebenda. Ebenda. BVerwGE 25, S. 323.

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des Romans „Wilde Rose Caroline Cherie“ von Cecil Saint-Laurent hat der 1. Senat seine Auffassung bekräftigt325. Fünf Jahre später änderte das BVerwG mit Urteil vom 16.12.1971326 überraschend seine Spruchpraxis. Abzustellen sei bei der Jugendgefährdungsprognose nunmehr auch auf gefährdungsgeneigte, besonders anfällige Jugendliche. Auszuschließen seien lediglich Extremfälle. Ausgehend vom Schutzzweck des Gesetzes – dem Schutz der heranwachsenden Jugend – erscheine es als verfehlt, wenn die potentielle Jugendgefährdung nur an denjenigen gemessen werde, die kraft ihrer Veranlagung oder Erziehung ohnehin weitgehend geschützt seien327. Eine Gefährdung drohe doch gerade den Kindern und Jugendlichen, die einer Beeinflussung stärker ausgesetzt würden. Das rechtfertige es, in diesem Zusammenhang von den Jugendlichen schlechthin auszugehen – einschließlich der gefährdungsgeneigten Personen328. bb) Literatur In der Literatur wird die Einbeziehung gefährdungsgeneigter Kinder und Jugendliche in den Kreis der durch § 18 JuSchG geschützten Adressaten mehrheitlich befürwortet329. Zutreffend verweise das BVerwG auf den Schutzzweck des Gesetzes, der beim Abstellen auf den Durchschnitt verfehlt werde330. Diese Beschränkung lasse sich auch nicht dem Gesetzeswortlaut entnehmen331. Im Übrigen gebe es den „Durchschnittsjugendlichen“ an sich gar nicht, so dass die Inbezugnahme dieses Maßstabes zur Fiktion gerate332. Vereinzelt wird dagegen im Anschluss an BVerwGE 25, S. 318 f. und die dortige Argumentation gefordert, die Jugendgefährdung anhand durchschnittlicher Kinder und Jugendlicher eines Jahrganges zu prognostizieren333. 325

BVerwGE 28, S. 228 f. BVerwGE 39, S. 199 f. 327 BVerwGE 39, S. 205. 328 Ebenda. 329 Eberle/Rudolf/Wasserburg/Landmann, Kapitel VI Rn. 65; von Mangold/ Klein/Starck/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 204; Schulz/Korte, ZUM 02, S. 721; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 5 I, II Rn. 148; Nikles, § 18 Rn. 4; Scholz/Liesching, § 18 Rn. 11; Ukrow, S. 139 Rn. 267; Becker, MDR 68, S. 883; Schilling, RdJ 1968, S. 132; Ory, NJW 87, S. 2971; Potrykus, NJW 67, S. 1455; Erbs/Steindorf § 1 GjSM Rn. 8; Vlachopoulos, S. 54; ähnlich: Roßnagel/Altenhain, § 1 GjS Rn. 59; Jarass/Pieroth, Art. 5 Rn. 60; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 5 I, II Rn. 147; von Mangold/Klein/Starck/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 204. 330 Ukrow, S. 139 Rn. 267. 331 Becker, MDR 68, S. 883; Potrykus, NJW 67, S. 1455. 332 Potrykus, NJW 67, S. 1455. 326

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cc) Eigene Position Beide Interpretationen lassen sich mit dem Wortlaut des § 18 Abs. 1 JuSchG vereinbaren. Das Einbeziehen auch der gefährdungsgeneigten Kinder und Jugendlichen dürfte eher dem historischen Willen des Normsetzers entsprechen. Ziel der Neuordnung des Jugendschutzes durch das JuSchG war schließlich ein umfassenderer, effektiverer Jugendschutz334, dem die Berücksichtigung weiterer Schutzkreise entgegenkommt. Dazu war dem Gesetzgeber die seit Jahrzehnten geübte ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes mit einer Einbindung auch der gefährdungsgeneigten Kinder und Jugendlichen natürlich bekannt. Er hätte seinem Wunsch nach Veränderung durch eine Ergänzung des § 18 JuSchG unproblematisch Rechnung tragen können. In systematischer Hinsicht widerspricht die Einbindung von Risikogruppen dagegen dem sonst üblichen juristischen Maßstabsdenken. Im Zivilrecht orientieren sich Erfüllungspflichten (z. B. § 243 BGB) und allgemeine Sorgfaltsmaßstäbe (z. B. § 276 BGB) regelmäßig am Durchschnitt, an der „mittleren Art und Güte“ oder an der durchschnittlichen „im Verkehr erforderlichen Sorgfalt“. Auch das Strafrecht legt etwa bei der herkömmlichen Bestimmung von Pornographie in § 184 StGB die von der allgemeinen Wertvorstellung gezogenen Grenzen des sexuellen Anstands zugrunde335. Ähnliche Befunde beschert der Blick auf die verwaltungsrechtliche Gefahrenabwehr: Hier ist bei der Beurteilung, ob eine Gefahr vorliegt, regelmäßig auf den Schutz eines „normalen Bestandes“ abzustellen. Das bedeutet, dass sich Art und Ausmaß von Abwehrmaßnahmen gegen potentiell schädliche Einflüsse an der durchschnittlichen Empfindlichkeit orientieren336. Der für das Abstellen auf den Durchschnitt motivierbare Gedanke der Einheit der Rechtsordnung ist allerdings insoweit relativiert, als sich zumindest die Lieferung von Waren oder die Konkretisierung von Erfüllungspflichten nur bedingt mit dem sensiblen, verfassungsrechtlich geforderten Schutz von Kindern und Jugendlichen vergleichen lassen. Dieser gilt im Kern für alle Kinder und Jugendlichen. Gleichwohl sprechen gewichtige te333 Romatka, AfP 72, S. 345; Eckhard, DVBl 69, S. 859; Raue, S. 133; Erbel, DVBl 73, S. 530; Schraut, S. 74; wohl auch Ott, NJW 72, S. 1222; Frenzel, AfP 02, S. 194. Schon vor der ersten Entscheidung des BVerwG forderten dies: Berthold, NJW 55, S. 1604; Bauer, JZ 65, S. 42. 334 In BT-Drcks. 14/9013, S. 16 heißt es hierzu: „Ziel des Gesetzes ist es, Probleme, die sich bei der Anwendung für die Wahrung des Jugendschutzes gezeigt haben [zu lösen] (. . .) Darüber hinaus werden die Gefährdungstatbestände des JÖSchG den technischen Entwicklungen angepasst“, vgl. dazu auch Ukrow, S. 25 Rn. 31. 335 Vgl. dazu noch kritisch IV. 2. e) bb) (1). 336 Erbel, DVBl 73, S. 530.

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leologische und verfassungsrechtliche Gründe für eine Ausrichtung der Gefährdungsprognose an durchschnittlichen Kindern und Jugendlichen: Die Indizierung bedeutet für den Urheber und Vertreiber eines Werkes massive wirtschaftliche Beeinträchtigungen. Eine Nichtkennzeichnung oder Indizierung führt zumindest im audiovisuellen Bereich faktisch zur Unverkäuflichkeit und Unverbreitbarkeit des entsprechenden Mediums. Der Fachhandel nimmt solche Produkte regelmäßig aus dem Sortiment. Darüber hinaus wird dem Betroffenen Werbung für das indizierte Medium untersagt – nach h. M. auch, wenn die Werbung neutral gehalten ist und sich an Erwachsene richtet. Die erwachsenen Konsumenten selbst sind ebenfalls in ihren Grundrechten betroffen, denn durch die faktischen Indizierungsfolgen wird die allgemeine Informationsfreiheit beschnitten. Lässt sich bei Erwachsenen noch argumentieren, sie könnten in vielen Fällen (aber längst nicht allen!) auch in Spezialgeschäften an jugendgefährdende Medien gelangen, so gilt dies nicht für durchschnittliche Kinder und Jugendlichen, die nicht durch ein Medienangebot gefährdet werden würden. Denn wenn ein Gefährdungsrisiko nur für gefährdungsgeneigte Kinder oder Jugendliche besteht, müssen sie eine absolute Einschränkung ihrer Informationsfreiheit hinnehmen. Sie selber können schließlich nicht auf legale Weise an die – für sie gleichwohl ungefährlichen – Angebote gelangen. Die Indizierung ist in dieser Konstellation mit einer – vom Grundgesetz untersagten – klassischen Zensur vergleichbar, in der durch behördliche Maßnahmen die Konfrontation mit bestimmten Inhalten vorab unterbunden wird, ohne dass eine Gefährdung für die geistige und seelische Entwicklung dieser (minderjährigen) Konsumenten besteht. Es erscheint nicht als angemessen, diese massiven Folgen der Indizierung zu relativieren. Gerade deshalb ist ein reelles, nachvollziehbares Gefährdungspotential für Kinder und Jugendliche als Grundlage einer Indizierung einzufordern. Über den Umweg der Maßstabserweiterung auf gefährdungsgeneigte Kinder und Jugendliche wird der gebotene Gefährdungsgrad aber relativiert und damit der Uferlosigkeit von Indizierungen Tür und Tor geöffnet. Die Gremien der Bundesprüfstelle haben nach ihrer gesetzlich vorgesehenen Besetzung keinerlei medizinisch-psychologischen Sachverstand. Sie sind deshalb auch nicht in der Lage, Gefährdungsgeneigtheit und Pathogenität bei ihrer Prognose sicher auseinander zu halten. In der Praxis führt dies zu einem orakelhaften, weitreichenden: „in dubio pro protectio“337. Berücksichtigt man, dass eine Indizierung wirtschaftliche Freiheiten einengt und durch faktische Zwänge auch Auswirkungen auf die „schöpferischen“ Grundrechte des Art. 5 Abs. 3 GG zeitigt, kann diese einseitige Grundhaltung nicht der verfassungskonforme Impetus des JuSchG sein. In letzter Konsequenz wie337

So zur Prüfhaltung bei der FSK explizit: Von Gottberg, tv-diskurs 01, S. 28 f.

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gen die Meinungsfreiheit, Kunstfreiheit und Informationsfreiheit ebenso schwer wie der omnipotente Jugendschutz. Sie sind unverzichtbare Bausteine der freiheitlichen Demokratie. Erforderlich ist also eine gleichberechtigte Abwägung und praktische Konkordanz der widerstreitenden Grundrechte im Einzelfall. Betont werden muss in diesem Zusammenhang auch, dass die Risikogruppen der Gesellschaft im repräsentativen Durchschnitt keineswegs ausgeblendet sind. Über die Bildung des statistischen Mittels werden sie lediglich entsprechend ihrer Bedeutung gewichtet. Sollten sich die gesellschaftlichen Verhältnisse und die psychische Verfassung von Kindern und Jugendlichen tatsächlich gravierend verändern, ist der Durchschnitt die flexiblere und damit sachgerechtere juristische Variable, um dem gesellschaftlichen Regelungsbedarf Rechnung zu tragen. Gefährdungsgeneigte Kinder und Jugendliche bleiben überdies nicht schutzlos. Sie sind – wie alle pathogenen Individuen schließlich auch – der besonderen Obhut ihrer Eltern anvertraut. Versagen die Eltern im Einzelfall auf grobe Weise, kann der Staat in seiner „Wächterfunktion“ mit den Mitteln der Jugendfürsorge aktiv entgegensteuern338. Wenig plausibel erscheint es, das Abstellen auf den Durchschnitt als unpraktikable Fiktion zu verwerfen. Natürlich ist das/der „DurchschnittsKind/Jugendliche“ eine idealtypische Konstruktion. Schließlich entwickeln sich Individuen einzigartig. Aber darin spiegelt sich ein ebenso bekanntes wie unauflösbares Grundproblem normativer Regulierung wieder, das fast alle regelhaften Prozesse mit einbezieht. Im Übrigen sind die Gremien der Bundesprüfstelle mit ihrem pädagogischen Sachverstand und ihrer Alltagserfahrung jedenfalls eher in der Lage, ein Bild des durchschnittlichen Medienkonsumenten zu entwerfen als das eines gefährdungsgeneigten. Letzteres setzt dazu logisch zwingend den durchschnittlichen Medienkonsumenten als Bezugspunkt der Gefährdungsbestimmung voraus. Mit dem Abstellen auf gefährdungsgeneigte Personen kann der vermeintlichen Fiktion also gar nicht ausgewichen werden. Schließlich sollte nicht verkannt werden, dass der Gefährdungsmaßstab, der sich am Durchschnitt orientiert, die „Sozialisation der ganz überwiegenden Mehrheit der Minderjährigen“ sichert339. Denn diese erfordert auch die Konfrontation mit Situationen und Thematiken, die Kinder und Jugendliche intellektuell und ethisch herausfordern und an denen sie mit ihrer Haltung wachsen können. Nur so können sie bis zum 18. Lebensjahr zu mündigen Staatsbürgern werden. 338 339

Raue, S. 33. Schraut, S. 74 Rn. 469.

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Bei einer wertenden Zusammenschau der Argumente ist deshalb die vorherrschende Meinung zu verwerfen und der durchschnittliche junge Mensch als maßgebliches Schutzsubjekt der Indizierung zu betrachten. 2. Die Gefährdungsprognose Unabhängig von den spezifischen Charakteristika jugendgefährdender Medien stellt sich die Frage, welche verwaltungsrechtlichen Anforderungen an die Gefährdungsprognose zu stellen sind. Unstreitig kann eine Eignung zur Jugendgefährdung nur vorliegen, wenn das Medium auch tatsächlich in die Hände von Kindern und Jugendlichen gelangen kann340. Das ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des JuSchG, das ja nur die unkontrollierte Beeinflussung durch Medieninhalte unterbinden will. Bestehen im Vorfeld eines Zugangs also adäquate und absolute Sicherungsmechanismen für Kinder und Jugendliche, ist eine Indizierung ausgeschlossen. Dagegen ist es für die Frage der Eignung zur Jugendgefährdung regelmäßig unerheblich, ob die Einsicht in gefährdungswahrscheinliche Inhalte nur in seltenen Ausnahmefällen möglich ist. Dass es sich also bei dem Prüfungsobjekt beispielsweise um einen Restbestand (Remittent etc.) handelt, spielt bei der Einschätzung keine Rolle. Diesem Umstand kann die Bundesprüfstelle nur durch eine Einstellung des Verfahrens wegen geringer Bedeutung Rechnung tragen341. a) Gefährdungseignung statt konkreter Gefahr Angesichts der Folgewirkungen einer Indizierung darf diese lediglich bei einem erkennbaren Gefährdungsgrad unter Abwägung der Verfassungswerte ausgesprochen werden342. Ein echter Schaden braucht dagegen im Vorfeld nicht eingetreten zu sein343. Mit diesen auf das Resultat bezogenen Überlegungen ist aber für die eigentliche Prognose noch nicht allzu viel gewonnen. Entscheidende Bedeutung kommt hier vielmehr der Frage zu, welcher Grad der Wahrscheinlichkeit einer Jugendgefährdung für die positive Indizierungsentscheidung einzufordern ist.

340 Ukrow, S. 141 Rn. 269; zu § 1 GjS: Ory, ZUM 86, S. 127; Meyer-Hesemann, DVBl 86, S. 1182; Weides, NJW 87, S. 232. 341 Vgl. dazu noch II. 5. a) aa). 342 BVerfG, NJW 94, S. 1783. 343 Nikles, § 18 Rn. 4; Ukrow, S. 138; Erbs/Steindorf § 1 GjSM Rn. 8; Löffler/ Altenhain, JSchutz BT § 18 Rn. 7.

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aa) Rechtsprechung Der V. Senat des Bundesverwaltungsgerichtes verlangte in einem Grundsatzurteil vom 7.12.1966 die nahe liegende Gefahr eines ernsthaften Entwicklungsschadens für Kinder oder Jugendliche. Dieser müsse nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen, wenn eine Indizierung beschlossen werden solle344. Davon rückte das Gericht nach einem Zuständigkeitswechsel auf den I. Senat in einer vielbeachteten Entscheidung vom 16.12.1971 ab. Der gegenwärtige Stand der Wissenschaft lasse es nicht zu, für irgendein Medium die nahe liegende Gefahr eines ernsthaften Entwicklungsschadens mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festzustellen. Dann aber müsse es ausreichen anzunehmen, dass eine Gefährdung durch das jeweilige Medium mutmaßlich eintreten werde, um den Nachweis der Jugendgefährdung zu erbringen. Entsprechend genüge die einfache Wahrscheinlichkeit der noch näher zu konkretisierenden Jugendgefährdung, um eine Indizierung aussprechen zu können345. bb) Literatur Die Literatur bewegt sich argumentativ ganz überwiegend auf der Linie von BVerwGE 39, S. 197 f. Es genüge in der Tat die einfache Wahrscheinlichkeit, dass von dem Medium unter jugendpsychologischen und pädagogischen Gesichtspunkten voraussichtlich eine nicht unerhebliche Gefährdung ausgehe, um die Indizierung zu legitimieren346. Dafür spreche schon der Wortlaut des § 18 JuSchG, der nur eine generelle Eignung zur Jugendgefährdung fordere und eben keine unmittelbare Gefährdung347. Damit habe nun auch der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen, dass die Wissenschaft im Bereich der Medienwirkungsforschung keine konkreten Gefährdungsnachweise erbringen könne348. Ziel des JuSchG sei im Übrigen 344

BVerwGE 25, S. 320 f. BVerwGE 39, S. 205. 346 Nikles, § 18 Rn. 4; Scholz/Liesching, § 18 Rn. 6 f.; Ukrow, S. 140 Rn. 268; Isensee/Axer, S. 48; Erbs/Steindorf, § 1 GjSM Rn. 14; zu § 1 GjS: Meirowitz S. 263 f.; Vlachopoulos, S. 55; Stefen, S. 99; Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 18 Rn. 8 f. verlangt nur, dass eine Gefahr vernünftigerweise nicht auszuschließen ist (negative Wahrscheinlichkeit), was aber meist zu gleichen Ergebnissen führt. Er hält allerdings die Kreation neuer Fallgruppen der Jugendgefährdung über § 18 S. 2 JuSchG hinaus für verfassungsrechtlich unzulässig. 347 Scholz/Liesching, § 18 Rn. 7; Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 18 Rn. 8. 348 Ukrow, S. 139 Rn. 268; Scholz/Liesching, § 18 Rn. 8; die Erkenntnisse der Medienwirkungsforschung werden unter bb) ausführlich zusammengefasst. 345

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ein möglichst weitreichender Schutz von Kindern und Jugendlichen. Es sei deshalb illegitim, den Anwendungsbereich des Gesetzes durch überzogene Wahrscheinlichkeitsanforderungen zu verkürzen349. Dagegen wird vereinzelt vorgebracht, die laxen Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichtes an die Gefährdungsprognose führten letztlich in eine totale Wohlfahrtssicherung. Durch das Absenken der Gefahrenschwelle unter die polizeirechtlich zulässige Grenze hinreichender Wahrscheinlichkeit schlage die echte Gefahrenabwehr in eine prophylaktische Abwehr vermuteter Gefahren um350. Der Wortlaut des § 18 JuSchG spreche aber dagegen, allein die wahrscheinliche Gefahr eines wahrscheinlichen Schadens für die Feststellung der Jugendgefährdung ausreichen zu lassen. Es sei vielmehr die objektive Möglichkeit eines Schadenseintritts erforderlich, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden müsse351. cc) Eigene Position Wortlaut, Gesetzesentstehung und Telos der Norm bestätigen die herrschende Meinung. Die in § 18 JuSchG formulierte „Eignung“ zu einer Gefahr lässt sich nur dahingehend interpretieren, dass allenfalls geringe Anforderungen an die Erfolgswahrscheinlichkeit zu stellen sind. Dies unterstreicht das gesetzgeberische Bestreben, effektiv und präventiv gegen mögliche Jugendgefährdungen vorgehen zu können. Ein solches Handeln wird aber nahezu unmöglich, soweit man Anhaltspunkte für eine konkrete, tatsächliche Gefährdung durch ein bestimmtes Medium im Einzelfall verlangt. Entsprechende Nachweise lassen sich nach dem aktuellen Forschungsstand der Wirkungsforschung nicht führen, wie nachfolgend dargestellt wird. Die entscheidende Frage ist, ob sich die weitreichenden Indizierungseingriffe auf der Basis des derzeitigen Erkenntnisstandes mit einer gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative verfassungsrechtlich legitimieren lassen. Unabhängig davon muss der Gefahr der Uferlosigkeit von Indizierungen jedenfalls dadurch begegnet werden, dass auf der Ebene der Destabilisierungsgefahr mehr als eine Beeinträchtigung zu befürchten stehen muss352.

349

Ukrow, 139 Rn. 268. Erbel, DVBl 73, S. 529. 351 So zum GjS: Eckhardt, DVBl 69, S. 859; Erbel, DVBl 73, S. 528. 352 In diese Richtung: Löffler/Gödel, § 1 GjS Rn. 21; kritisch: Roßnagel/Altenhain, § 1 GjS Rn. 48. 350

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b) Prognoseabsicherung durch die Wirkungsforschung Entscheidungen über das Gefährdungspotential von Medien sind häufig hochstreitig353. Gerade bei Sexualmedien oder im Grenzbereich von Jugendbeeinträchtigung und einfacher Jugendgefährdung setzen sich Indizierungen schnell dem Vorwurf aus, willkürlich oder geschmackszensierend zu sein. Das liegt neben der Unnötigkeit eines konkreten Gefährdungsnachweises vor allem daran, dass gewisse Wertmaßstäbe der Jugendgefährdung zeitgebunden sind354: Pin-Up-Bilder mit halbnackten Frauen waren etwa in den Nachkriegsjahren noch als unzüchtig und jugendgefährdend verschrien355. Heute würden sie dagegen nicht mehr in die Liste der jugendgefährdenden Medien aufgenommen werden356. Schließlich ist auch die Medienkompetenz der Kinder und Jugendlichen von Generation zu Generation unterschiedlich ausgeprägt. Schon aus diesem Grund drängt es sich auf, die Gefährdungsprognose soweit wie möglich auf psychologische, medizinische und sozialwissenschaftliche Erkenntnisse zu stützen357. aa) Grenzen imperativer Eingriffe Das Rekurrieren auf interdisziplinäre Erkenntnisse und ihre Einbettung in normative Entscheidungsprozesse verdichtet sich durch die betroffenen Grundrechte der Bürger sogar zur Verpflichtung358. Verkürzungen des Freiheitsbereiches sind nur dann zulässig, wenn sie verhältnismäßig sind. Dazu gehört auch, dass sie geboten sein müssen, um ein legitimes Ziel zu erreichen. Wenn der Gesetzgeber gewissen Medien Verbreitungs- und Abgabebeschränkungen auferlegt, um die ungestörte Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu gewährleisten, darf nicht auszuschließen sein, dass er dadurch seinem Ziel auch wirklich näher kommt. Darüber hinaus müssen Anhaltspunkte für eine negative Persönlichkeitsprägung gerade durch die indizierten Medieninhalte vorliegen. Sonst wäre die Indizierung durch ihre Fol353 Ein Musterbeispiel hierfür ist die jahrzehntelange Diskussion um die (nunmehr letztinstanzlich bestätigte) Jugendgefährdung des Romans „Josefine Mutzenbacher“. Dem Werk wurde in wissenschaftlichen Gutachten (Auftraggeber jeweils: die Bundesprüfstelle) einmal eine schwer jugendgefährdende Wirkung unterstellt, dann diese Annahme (von einem anderen Fachgutachter) wieder als nicht halbwegs plausibel zurückgewiesen, vgl. dazu Schneider, BPjS-Aktuell 4/2001, S. 4 f. 354 BVerwGE 39, S. 206; Eberle/Rudolf/Wasserburg/Landmann, Kap. VI Rn. 64; Ukrow, S. 137 Rn. 265; Knoll, tv-diskurs 01, S. 55. 355 Bundschuh, BPjS-Aktuell 4/2001, S. 7; Seim, S. 3 f. 356 BVerwGE 39, S. 212; exemplarisch auch: BPjME-Nr. 6951 (V) (03.05.2005, Wochenzeitung „Wochenspiegel Saarbrücken“, Jahrgang 47, Nr. 6), S. 3. 357 Schulz/Korte, ZUM 02, S. 720 und 726. 358 Schraut, S. 62.

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gen eine willkürliche Verengung grundrechtlicher Freiheit. Hierdurch wird insbesondere die Frage nach der (negativen) Wirkung gewalthaltiger und erotoner Medien auf Kinder und Jugendliche aufgeworfen. bb) Erkenntnisstand (1) Gewalthaltige Medien Die unmittelbare Wirkung gewalthaltiger Medien wird verstärkt seit den 50er Jahren diskutiert359. Dabei kommen die zu den Effekten durchgeführten Kurz- und Langzeitstudien zu unterschiedlichen wissenschaftlichen Ergebnissen360. Auch die aus den Untersuchungsreihen entwickelten Wirkungsmodelle lassen sich kaum noch überblicken361. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass die meisten wissenschaftlichen Untersuchungen auf bestimmte Medien fixiert sind: Film, Fernsehen und in neuerer Zeit Computer- und Videospiele. Ob allerdings die Wirkungen eines gewalthaltigen Videospieles mit denen eines entsprechenden Buches oder Filmes vergleichbar sind, ist zweifelhaft362. Dieses Dilemma lässt sich in einer überblickhaften Darstellung nicht vollständig befriedigend auflösen. Die Wiedergabe des Forschungsstandes bezieht sich deshalb primär auf die möglichen Wirkungen gewalthaltiger audio- und audiovisueller Medien. Gerade diese Medien bestimmen den Prüfalltag der Bundesprüfstelle. (a) Monokausale Wirkungsmodelle Vereinzelt werden gewalthaltige Darstellungen für völlig wirkungslos gehalten und eine Kinder- und Jugendgefährdung grundsätzlich ausgeschlossen363. 359

Kunczik, tv-diskurs 00, S. 39. Eine ausführliche Auswertung findet sich bei Kunczik/Zipfel, S. 1 f. 361 Lober, S. 64 f.; Ukrow, S. 56 Rn. 87 Fn. 27; Selg, tv-diskurs 97, S. 52; Meirowitz, S. 87, jeweils mit überblickartigen Zusammenstellungen der Wirkungsansätze. 362 Kritisch hierzu: Hänsel/Lukesch, S. 123: „Allerdings gehen mit den Computer- oder Videospielen spezifische Anforderungen einher, die in einer Film- oder Fernsehrezeptionssituation nicht vergleichbar sind“. Selg hält dagegen eine Übertragung der grundsätzlichen audiovisuellen Erkenntnisse sogar auf das gesprochene und gedruckte Wort für möglich, vgl. tv-diskurs 97, S. 50. Ein ausführlicherer Vergleich des Wirkungspotentials von Computerspielen und Film- und Fernsehinhalten findet sich bei Kunczik 2007, S. 10 f. 363 Fowles, S. 1 f.; Degen, S. 20 f.; zuvor schon: Klapper, S. 18 f. und S. 49 f.; Kunczik, ursprünglich ein Vertreter dieser Theorie, erkennt nunmehr mögliche Gefährdungen für Problemgruppen durch Gewaltmedien an, vgl. seine Ausführungen in: tv-diskurs 00, S. 39 und Kunczik 2007, S. 1. 360

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Die Katharsistheorie lässt gewalthaltigen Medien sogar positive Wirkungen zukommen364: Durch das Ansehen oder Anhören von Gewalt verliere der Konsument seine Aggressionsbereitschaft. Er reagiere sich gerade durch die virulenten Mediendarstellungen in seiner Phantasie ab und trage dieses Konfliktpotential dann nicht mehr in den Alltag365. Ähnlich vermutet die Inhibitionsthese eine Verringerung des Gewaltpotentials durch den Konsum solcher Medien, allerdings hier bedingt durch das Entstehen von Aggressionsängsten und Schuldgefühlen366. Die Theorie der kognitiven Dissonanz stellt darauf ab, dass die Rezipienten sich generell nur den Medieninhalten zuwenden, die ihrer allgemeinen Haltung entsprechen. Auch Kinder und Jugendliche seien mehrheitlich gegen Gewalt sozialisiert, so dass keine wirkliche Gefährdung von Gewaltmedien ausgehe. Gleichwohl bestehe die Möglichkeit, dass sich bei negativ disponierten Kindern und Jugendlichen mediale Gewaltdarstellungen aggressionsverstärkend auswirken367. Im Gegensatz zu relativierenden Tendenzen stehen schließlich Ansätze der Wirkungsforschung, die einen direkten Zusammenhang oder sogar regelrechten Automatismus von medialer und realer Gewalt erkennen möchten. Kinder und Jugendliche imitierten Gewaltszenen, ohne dass es entscheidend auf weitere individuelle und soziale Faktoren ankomme368. (b) Multikausale Wirkungsmodelle Den bisher vorgestellten Theorien ist insgesamt zu eigen, dass sie die Wirkung von Medien monokausal erklären. Es hat sich jedoch in der Wirkungsforschung unabhängig von der immer noch immensen Bandbreite an vertretenen Auffassungen ganz überwiegend die Erkenntnis durchgesetzt, 364

Viele „Früchte“ und der Name dieser Theorie gehen auf Ausführungen von Aristoteles zurück, der der Rezeption dramatisch-drastischer Dichtkunst eine Reinigung (griechisch: Katharsis) negativer Affekte beimaß, vgl. Aristoteles, S. 33 f.; zum Ganzen auch: Bachmair, tv-diskurs 99, S. 63 f.; Meirowitz, S. 69 f.; Selg, tv-diskurs 97, S. 50. 365 Feshbach, S. 381 f. Feshbach hat seine Theorie später relativiert, vgl. Groebel/Winterhoff-Spurk/Feshbach, S. 71 f. 366 Kniveton, S. 42 f. 367 Festinger, S. 1 f.; Festinger/Carlsmith, S. 203 f.; Opp, PR 19/68, S. 189 f. 368 Die Grundlagen dieser Theorie werden bereits bei Platon formuliert, der gewalthaltige Dichtkunst als ein effekterzeugendes „schlechtes Vorbild“ ansah und von einer „Schädlichkeit der Lachlust und der Unwahrhaftigkeit“ ausging, vgl. Politeia, S. 120 f. Als heutige Vertreter dieser Theorie sind wohl Postman, S. 1 f. und Glogauer, in: Hänsel/Glogauer, S. 109 f. anzusehen. Glogauer rechnet sich allerdings selbst den sozialen Lerntheorien zu.

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dass eine simple Licht-Schatten-Argumentation die Wirkung von Gewaltmedien nicht befriedigend zu erklären vermag369. Gewalt in den Medien sei weder allgemein schädlich noch unbesehen nützlich370. Erhebt man dies zur Prämisse, können nur solche Wirkungsmodelle zu einer vernünftigen Erklärung des Gefährdungspotentials von Gewaltmedien beitragen, die individuelle und medienspezifische Eigenschaften gleichermaßen in einen Kausalzusammenhang bringen. Seit den 80er Jahren sind insoweit lernpsychologische Erklärungsansätze vorherrschend371: Kinder und Jugendliche können danach bestimmte Verhaltensweisen (insbesondere von Erwachsenen) erlernen, die ihnen über die Medien vermittelt werden372. Von welchen Faktoren die tatsächliche Übernahme allerdings genau abhängt und welche Konsumfolgen aus der Erlernbarkeit aggressiver Verhaltensmuster am „medialen Modell“ zu ziehen sind, ist nach wie vor wissenschaftlich umstritten: Die ursprüngliche sozial-kognitive Lerntheorie nimmt an, dass Gewaltdarstellungen bei Kindern Lerneffekte auslösen können und dass das beobachtete aggressive Verhalten in eigenes Verhalten umgesetzt werden kann. Für die tatsächliche Übernahme ist es von Belang, ob sich die Gewalt als erfolgreich erweist und ob der Konsument Parallelen zu seiner eigenen Lebenswelt ziehen kann. Möglicherweise verstärken aggressive Konfliktlösungen auch bestehende individuelle Dispositionen373. Die Stimulationstheorie geht noch schärfer von einer direkten Erregung durch Gewaltmedien aus. Bestehe eine aggressive Grundhaltung, verstärke der Konsum von Gewalt die Bereitschaft zur physisch-zwanghaften Konfliktlösung in der Realität374. Die Habitualisierungsthese vermutet dagegen einen Gewöhnungseffekt lediglich bei häufigem Konsum von Gewaltmedien. Dieser gehe mit einer emotionalen Abstumpfung, einem Verlust an Empathie einher375. Eine Verstärkung vorhandener Anlagen betont die Suggestionstheorie. Medien könnten Affinitäten (z. B. Suizidanlagen) bei Kindern und Jugendlichen bekräftigen und so reale Taten begünstigen376. 369 Kunczik 2007, S. 9; Nieding/Ohler, S. 51 f.; Frenzel, AfP 02, S. 195; von Gottberg, tv-diskurs 01, S. 29; Grimm, tv-diskurs 98, S. 19 f. 370 Büttner, tv-diskurs 00, S. 66; Gangloff, tv-diskurs 97, S. 38; Kunczyk, tv-diskurs 00, S. 39. 371 Meirowitz, S. 75. 372 Bushman/Huesman, S. 223 f.; von Gottberg, tv-diskurs 01, S. 30. 373 Goslin/Bandura, S. 213 f.; Bandura/Ross, D./Ross, S., S. 3 f.; Scarbath/Straub/ Selg, S. 75. 374 Berkowitz, S. 95 f.; Parke, S. 135 f. 375 Drabman/Thomas, S. 418 f.; Hänsel/Lukesch, S. 131 f.; Steckel, S. 192; hinsichtlich des Konsums von Computer- und Videospielen argumentieren entsprechend: Chambers/Ascione, S. 499 f.; Silvern/Williamson, S. 453 f.; Wegge/Kleinbeck, S. 21 f.

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Die Risikothese bündelt die Erkenntnisse der lernpsychologischen Ansätze und kommt zu dem Schluss, dass Gewaltdarstellungen tatsächlich reelle Wirkungen erzeugen können, wenngleich nahezu niemand allein durch den Konsum von Mediengewalt zu asozialem Verhalten animiert werde. Es bestehe aber ein nicht zu vernachlässigendes Risiko der negativen Wirkung durch die Erlernbarkeit negativer Verhaltensmuster377. Mitunter wird nicht auf ein Erlernen, sondern die mögliche Kultivierung von Gewalt durch entsprechende Medien, insbesondere das Fernsehen, hingewiesen. Gerade bei jugendlichen Vielsehern vermittle sich die Welterfahrung wesentlich durch die Medien. Dominiere dann der Eindruck, Gewalt sei etwas Normales, werde die Fiktion nicht ausreichend durch Realerfahrungen relativiert. Es drohe die Gefahr einer Gewaltsozialisierung378. (c) Neuere Studien Gegenwärtige Untersuchungen legen die Richtigkeit des lernpsychologischen Wirkungsansatzes nahe. Gleichzeitig widerlegen sie mechanische Wirkungsvorstellungen379. Wirkungen entfalteten sich vielmehr in einem komplizierten Geflecht von unterschiedlichen Variablen. Zentrale Bedeutung für die Gefährdungsprognose komme der genauen Analyse der Gesamtaussage des Mediums zu380. Darüber hinaus sei es aber für die tatsächliche Gefährdung noch wesentlich wichtiger, ob die inhaltliche Botschaft gleich einem Schlüssel zu der individuellen psychischen und sozialen Situation des Betrachters passe. Sei dies nicht der Fall, könne die gezeigte Gewalt sogar aktive Gegenwirkungen erzeugen, also ein Ablehnen des Gezeigten oder sonstigen Widerstand381. In diesem Zusammenhang betont die moderne Wirkungsforschung die Schwierigkeit einer Gefährdungsprognose durch Erwachsene unter Verweis auf die unterschiedlichen Aufnahmemechanismen gerade bei Kleinkindern382. Kinder unter acht Jahren könnten zudem nicht immer zwischen Fantasie und Wirklichkeit unterscheiden383. 376 Insbesondere in Bezug auf Suizid: Philips, S. 340 f.; Schmidtke/Häfner, Nervenarzt 57/86, S. 502 f. 377 Selg, tv-diskurs 97, S. 56; Groebel/Winterhoff-Spurk/Gleich, S. 32; Kunczyk, tv-diskurs 00, S. 39. 378 Gerbner/Gross/Morgan/Signorielli, S. 10 f. 379 Kunczik 2007, S. 1 f. m. w. N.; Hilpert, BPjM-Aktuell 4/2006, S. 11; Selg, tv-diskurs 97, S. 53. 380 Grimm, tv-diskurs 98, S. 27. 381 Ebenda; vgl. auch Charlton/Neumann, S. 1 f. 382 Schorb/Theunert, S. 323 f. Vgl. allgemein zum Problem der „selektiven Wahrnehmung“ von Gewalt: Kunczik 2007, S. 7 f. m. w. N. 383 Potter, S. 23 f.; Flavell, S. 418 f.; Freitag/Zeitter, tv-diskurs 99, S. 12.

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Zur Intensität der beobachteten Auswirkungen von gewalthaltigen Medien wurde festgestellt, dass aggressionsfördernde Merkmale stärker beim männlichen Geschlecht, aggressionshemmende eher beim weiblichen Geschlecht vorzufinden sind384. Wirklichkeitsgetreue Fiktionen realer Gewalt erhöhen die Wahrscheinlichkeit des Zulassens und Erlernens bei Kindern und Jugendlichen385. Das gilt prinzipiell unabhängig davon, ob die Konsumenten um die Fiktion der Darstellung wissen oder nicht386. (d) Zusammenfassung Unmittelbare Wirkungen gewalthaltiger Medien lassen sich trotz großer Forschungsbemühungen noch immer nicht eindeutig nachweisen. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass im „Forschungsdesign der bislang durchgeführten Studien noch große Mängel vorliegen“387. Gleichwohl überwiegt in der modernen Wirkungsforschung auf der Grundlage lernpsychologischer Erklärungsmodelle die Ansicht, dass solche Inhalte unter bestimmten Umständen negative Effekte erzeugen können. Auf neurobiologischer Ebene konnte inzwischen auch erstmals nachgewiesen werden, dass gewalthaltige Ego-Shooter Aktivitäten im Gehirn auslösen, die charakteristisch für aggressive Gedanken sind388. Für das Gros der Kinder und Jugendlichen besteht danach bei medialem Gewaltkonsum ein latentes Gefährdungsrisiko, dessen konkretes Ausmaß vom jeweiligen Einzelcharakter, dem individuellen sozialen Umfeld und der Einbettung des medialen Geschehens abhängig ist. Neuere Studien liefern insbesondere bei audiovisuellen Medien (allerdings schwache) Indikatoren für ein Wirkungsrisiko389, während relativierende Ansätze mehr und mehr aufgegeben werden390. 384 Selg, tv-diskurs 97, S. 53. Damit ist aber nicht gesagt, dass Mädchen mediale Gewalt überhaupt nicht erlernen. Die häufige Nutzung gewalthaltiger Computerspiele geht auch bei ihnen mit einer hohen Gewaltakzeptanz einher, vgl. Anderson/ Murphy, S. 426 f.; Kassis/Steiner, S. 131 f.; allgemein zur Gewaltakzeptanz bei Mädchen: Grimm, tv-diskurs 98, S. 25. Instruktiv auch der Bericht der Süddeutschen Zeitung „Um den anderen geht’s mir nicht“, Ausgabe vom 4./5. März 2006, S. 11 (Autor: Christoph Hickmann). 385 Dorr/Kovaric/Doubleday, S. 377 f.; Freitag/Zeitter, tv-diskurs 99, S. 19. 386 Freitag/Zeitter, tv-diskurs 99, S. 15 und 18. 387 Kunczik 2007, S. 8; dazu auch: Kunczik/Zipfel, S. 152 f.; Nieding/Ohler, S. 51 f. 388 Vgl. dazu den Bericht der Süddeutschen Zeitung „Ballern macht nicht brutal“, Ausgabe vom 17.11.2006, S. 2 (Autor: Alexander Stirn). 389 Vgl. Hänsel/Lukesch, S. 130; zu Computerspielen unlängst Colwell/Payne, S. 425 f.; Hartmann (Vortrag auf der 1. International Computer Game Conference vom 22.–24.04.2006 in Köln, „Computerspiele und soziale Wirklichkeit. Clash of Realities“).

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Kaum untersucht worden ist bisher die Suchtgefahr durch gewalthaltige Online-Spiele wie z. B. „World of Warcraft“ oder „Ogame“391. Hier besteht aus rechtlicher Sicht erheblicher Klärungsbedarf. (2) Erotone und pornographische Medien Der Vielzahl von Wirkungsstudien zur Beeinträchtigung von Kindern und Jugendlichen durch Gewalt steht eine überschaubarere Anzahl solcher Forschungen zu erotischen Medien gegenüber392. (a) Überblick Nahezu alle Untersuchungen gehen von einer Wirkungsgefahr gewalthaltiger pornographischer Darstellungen aus393. Unter Pornographie wird dabei nicht nur die im Umfeld des § 184 StGB beschriebene „harte“ Pornographie an und mit Kindern und Tieren begriffen. Erfasst ist in Anlehnung an die Fanny-Hill-Entscheidung des Bundesgerichtshofes394 auch die übrige grobanreißerische Darstellung des Geschlechtlichen und die plastische Darstellung von Sexualität, die von sonstigen zwischenmenschlichen Bezügen losgelöst ist. Deutliche Verrohungsrisiken werden befürchtet, wenn die gezeigte Sexualität nicht vom Konsens der Akteure getragen ist, etwa bei Vergewaltigungen395. Für eine Vielzahl der Wissenschaftler birgt aber auch bestimmte gewaltlose Pornographie Risiken für die autonome sexuelle Entwicklung von Kindern und Jugendlichen: Dabei komme es entscheidend auf das „Wie“ der Darstellung an. Ein hohes Wirkungsrisiko stehe zu vermuten, wenn Frauen als „immer wollend“ dargestellt würden, abnorme, schmerzhafte Sexualpraktiken Vermittlung fänden oder in der Gesamtaussage Sex zum zentralen Bedeutungsinhalt menschlicher Beziehungen überzeichnet würde396. Durch 390

Kunczik/Zipfel, S. 11 f.; Groebel/Winterhoff-Spurk/Gleich, S. 32 f.; Ukrow, S. 56 Rn. 87 Fn. 27; Scholz/Liesching, § 18 Rn. 15. Das Bundesverfassungsgericht ist schon in den 80er-Jahren von einem Wirkungszusammenhang auf der Grundlage der sozialen Lerntheorie ausgegangen, vgl. BVerfG NJW 1986, S. 1242. 391 Fritz, S. 56. 392 Knoll, tv-diskurs 01, S. 57; Schulz/Korte, ZUM 02, S. 726; Ostendorf, tv-diskurs 02, S. 80. 393 Kunczik, tv-diskurs 00, S. 152 f.; Selg, tv-diskurs 97, S. 48 und 55 f.; Ostendorf, tv-diskurs 02, S. 82; Ertel, S. 476. 394 BGHSt 23, S. 43. 395 Selg, tv-diskurs 97, S. 55; ähnlich: Schmidt, tv-diskurs 01, S. 50; von Gottberg, tv-diskurs 01, S. 67. 396 So zusammenfassend: Selg, tv-diskurs 97, S. 55; Ostendorf, tv-diskurs 02, S. 82 (Schaubild).

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eine solche Wirklichkeitsverzerrung und die Herausbildung einseitiger Rollenklischees könne die Sexualmoral von Kindern und Jugendlichen beeinträchtigt werden397. Gerade die neuere Forschung betont jedoch in diesem Zusammenhang auch, dass Kinder und Jugendliche in Fragen der Sexualität kein einheitliches Verhalten zeigen398. Bei der Verallgemeinerung von Forschungsergebnissen zu den Konsumwirkungen erotischer Medien ist also noch mehr Vorsicht geboten, als das schon bei reinem Gewalteinfluss der Fall ist. Hinzu tritt, dass aufgrund der staatlichen Neutralitätspflicht und des vorrangigen elterlichen Erziehungsrechtes gerade bei sexuellen Moralvorstellungen staatliche Zurückhaltung geboten ist. Die zunehmende Liberalität des sexuellen gesellschaftlichen Minimalkonsenses und dessen Abbildung in den Medien führt im Übrigen nicht zu einer signifikanten sexuelle Verfrühung399 oder Promiskuität bei Kindern und Jugendlichen400. Auch von der Annahme, dass durch die Zunahme sexueller Reize in den Medien ein inflationärer Prozess in Gang gesetzt werde, in dessen Verlauf immer stärkere Reize für den gleichen stimulativen Effekt benötigt würden, hat sich die seriöse Wissenschaft inzwischen distanziert401. Diese Thesen werden zwar noch immer vereinzelt vertreten402. Entsprechende Versuchsreihen und Befragungen konnten derartige Zusammenhänge aber bisher nicht bestätigen403. Einige Sexualwissenschaftler sehen sogar Anzeichen für eine gewisse entkrampfende Wirkung durch den Konsum von Sexualmedien404. Es ist zudem festzustellen, dass bei heutigen Jugendlichen die sexuelle Treue einen höheren Stellenwert hat, als das etwa noch in den 70er Jahren der Fall war. Zudem besteht eine ausgeprägtere Verknüpfung von Sexualität und Partnerschaft405.

397

Ostendorf, tv-diskurs 02, S. 81. Knoll, tv-diskurs 01, S. 57. 399 Das Durchschnittsalter des ersten Geschlechtsverkehrs betrug 2005 in Deutschland für Mädchen 14,9 Jahre, für Jungen 15,1 Jahre (Quelle: Stern, 10/2005, S. 64); ähnlich: Studie Jugendsexualität 2006, S. 86 f. 400 Ostendorf, tv-diskurs 02, S. 80; Knoll, tv-diskurs 01, S. 56; Schmidt, tv-diskurs 01, S. 48. 401 Zu dieser „Spiraltheorie“ vgl. ausführlich: von Gottberg, tv-diskurs 01, S. 63. 402 Z. B. Hänsel/Glogauer, S. 114 f. 403 Kunczik, tv-diskurs 00, S. 41, ablehnend auch: Schmidt, tv-diskurs 01, S. 53. 404 Schmidt, tv-diskurs 01, S. 49 und 52 f.; Ostendorf, tv-diskurs 02, S. 81. 405 Spiegel-Nr. 43/23.10.2000, S. 300 f.; Gottberg, tv-diskurs 01, S. 65 f.; Amann, tv-diskurs 98, S. 80 f. 398

Kap. 11: Indizierungsgründe

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(b) Zusammenfassung Nach dem Stand der Forschung geht lediglich von gewalthaltigen erotonen Medien ein hohes Gefährdungsrisiko aus. Darüber hinaus ist sich die Wissenschaft uneinig: Es gibt neben der Befürchtung schwerer Gefährdungen auch Stimmen, die von einer entkrampfenden Wirkung sexualisierter Medien ausgehen, wenn sie nicht zugleich einseitige inakzeptable Rollenklischees aufbauen oder vertiefen. cc) Folgerungen für die normative Steuerung Durch den fehlenden Nachweis unmittelbarer Gefahrenwirkungen kann die Wirkungsforschung lediglich ein relatives Mehr an Erkenntnis bringen. Die Jugendgefährdung ist weithin eine vermutete, also eine Gefährdungsannahme auf Grund grundgesetzlicher Orientierung und pädagogischer Projektionen des Beurteilens406. Immerhin zeigen sich aber im Gewaltbereich (wenn auch nur) schwache Indikatoren für ein negatives Wirkungsrisiko407. Prinzipiell liegt es dann innerhalb der Entscheidungsprärogative des Gesetzgebers, zugunsten des Jugendschutzes Gegenmaßnahmen zu ergreifen408. Ob das geltende Indizierungsrecht allerdings ein in jeder Hinsicht taugliches und angesichts der Schwäche der Indikatoren auch sonst verhältnismäßiges Mittel ist, um den drohenden Gefahren grundrechtskonform zu begegnen, bleibt im Einzelfall zu klären. Kritisch ist schon an dieser Stelle auf die Erkenntnisse der neueren Wirkungsforschung hinzuweisen, wonach gewalthaltige, erotone und sonst als jugendgefährdend erachtete Medien keineswegs allein passive Wirkungen durch ihre Inhalte erzeugen. Solche Aussagen werden von jungen Rezipienten vielmehr anhand der bestehenden Moralvorstellungen aktiv interpretiert und gegebenenfalls abgelehnt409. Eine normative Steuerung, die solche Medien lediglich verbietet und nur rudimentär auf die Stärkung von Medienkompetenz bzw. die Hilfe bei der Entwicklung grundrechtskompatibler Beurteilungskategorien setzt, konterkariert deshalb das Potential der staatlichen Eindämmung negativer Wirkungsrisiken410, und zwar zulasten der Freiheitsrechte. 406

Ähnlich: Knoll, tv-diskurs 01, S. 58; Ostendorf, tv-diskurs 02, S. 80. Die meisten Studien haben zwar einen positiven Korrelationskoeffizienten. Dieser liegt aber meist im Bereich von 0.1 bis 0.2 – und damit statistisch gesehen noch im Zufallsbereich, vgl. Kunczik, tv-diskurs 00, S. 40. 408 BVerfGE 83, S. 140 f. 409 Grimm, tv-diskurs 98, S. 27. 410 In der Literatur wird mitunter sogar ein Schulfach „Medienpädagogik“ befürwortet, vgl. Gangloff, tv-diskurs 97, S. 39. 407

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

Bei den pornographischen Medien kann die Wirkungsforschung insoweit zu einer Präzisierung der Jugendgefährdung beitragen, als sich die restriktive Haltung von Gesetz und Behörden gegenüber plakativen sexuellen Darstellungen nur zum Teil wissenschaftlich legitimieren lässt. So kann die allgemeine Konsumfreigabe von Pornographie erst ab 18 Jahren sexualwissenschaftlich wohl nicht mehr als dem gegenwärtigen Reifegrad von Jugendlichen entsprechend angesehen werden411. Verdichten sich diese wissenschaftlichen Erkenntnisse noch weiter, muss der Gesetzgeber handeln und das Verbotsalter absenken, zum Beispiel auf 16 Jahre. 3. Die Jugendgefährdung Der Kreis der zu schützenden Kinder und Jugendlichen, die Elemente der Gefährdungsprognose und die aktuellen Erkenntnisse der Wirkungsforschung sind nun dargestellt worden. Auf dieser Grundlage kann nun aufgezeigt werden, was tatsächlich eine Jugendgefährdung ausmacht und welche Fallgruppen der Jugendgefährdung sich in der Prüfpraxis der Bundesprüfstelle herausgebildet haben. Auch dies ist ein komplexes Unterfangen: Denn das JuSchG schafft durch die beispielhafte Aufzählung regelmäßig jugendgefährdender Medien in § 18 Abs. 1 S. 2 JuSchG zwar Anhaltspunkte für die Einzelfallprüfung. Diese Regelbeispiele erhellen aber nur im Lichte der übergeordneten Schutzzwecke. Hier lässt der Gesetzgeber viele zentrale Prüfungsfragen unbeantwortet: Was genau macht eine eigenverantwortliche und gemeinschaftsfähige Persönlichkeit aus? Und wie bestimmt man die Elemente einer „gesunden“ Entwicklung in unserer Gesellschaft, die Vielfalt und Toleranz postuliert? Es ist das Anknüpfen an recht konturenlose und wandelbare Erziehungsziele, das zu erheblichen Unschärfen der gesetzlichen Regelung führt412. Bevor die Untersuchung eine nähere Begriffsausfüllung versucht und die Entscheidungspraxis nachvollzieht, soll zunächst der methodische Umgang mit solchen Tatbestandsunschärfen analysiert werden. a) Der Umgang mit unbestimmten Tatbeständen Die Auslegung von Tatbeständen ist juristisches Tagesgeschäft413. Das Phänomen relativer Tatbestandsunbestimmtheit begegnet dem Rechtsanwender dabei allerorten. Der Tatbestand einer Rechtsnorm wird zwar durch 411

So auch: Knoll, tv-diskurs 01, S. 56. Scholz/Liesching, § 18 Rn. 3 f.; Ukrow, S. 137 Rn. 265; zum GjS so: BVerfGE 83, S. 147; BVerfGE 90, S. 16. 413 Peine, § 4 Rn. 225. 412

Kap. 11: Indizierungsgründe

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Rechtsbegriffe ausgedrückt. Diese sind aber inhaltlich unterschiedlich präzise414. Das liegt schon daran, dass Sprache – mit Ausnahme von fixen Ort- oder Zeitangaben – fast immer gewisse logische Unschärfen aufweist415. In vielen Fällen beruht die Unbestimmtheit von Rechtsbegriffen zusätzlich auf Wertungsunsicherheiten des Gesetzgebers: Er kann nicht alle besonderen Umstände des Einzelfalles griffig zusammenfassen oder sieht sich außerstande, technische Entwicklungen der Zukunft verbal mitzuerfassen416. Wird die Unbestimmtheit bewusst eingesetzt, um gesetzgeberische Ziele zu erreichen, spricht man von „unbestimmten Rechtsbegriffen“417. Die Wortschöpfung ist insoweit unglücklich, als sie die juristische Begriffsklarheit wider besseres Wissen als Regelfall suggeriert418. Gemeint ist, dass der Verwaltung durch offene Termini nur sehr grob die Richtung für ihr Handeln gewiesen wird, ohne es im Einzelnen zu determinieren. Unbestimmte Rechtsbegriffe sind also ganz besonders auslegungsbedürftige. Die unvollkommene Steuerung durch unbestimmte Rechtsbegriffe ist im Grundsatz auch bei grundrechtsrelevanten Maßnahmen zulässig419. Verfassungsrechtliche Grenzen zieht allerdings das Rechtsstaatsprinzip: Die Begriffe müssen unter Berücksichtigung des besonderen Regelungsgegenstandes durch die anerkannten juristischen Auslegungstechniken hinreichend bestimmbar sein420. Die damit verbundenen Probleme liegen auf der Hand: Je ungenauer ein Rechtsbegriff ist, desto mehrdeutiger ist er und desto konfliktträchtiger gestaltet sich seine Anwendung im Einzelfall421. Die Verwaltung steckt in einem Dilemma: Einerseits muss sie den Auftrag des Gesetzgebers wahrnehmen und ist dabei durch Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden. Andererseits zwingen sie die unzureichenden Ausführungen des Rechtsgestalters in Grenzfällen zu Prognosen und Wertungen, die sich möglicherweise erst später als falsch herausstellen. Solche Rechtsanwendungsdefizite finden ihre innere Begründung in Erkenntnismängeln422. Ein zweiter Aspekt tritt noch hinzu: Wertungen oder Prognosen wie die der Jugendgefährdung lassen mit bestimmter Begründung häufig mehrere vertretbare Annahmen zu. Die an sich einzig rechtmäßige, vom Gesetzgeber vorgegebene Entscheidung lässt sich hier nicht eindeutig feststel414

Maurer, VR § 7 Rn. 27. Ipsen, § 8 Rn. 467. 416 Erichsen/Ehlers/Jestaedt, § 10 Rn. 23; Bull/Mehde, § 16 Rn. 559 und 561; Schoch, Jura 04, S. 613. 417 Statt vieler: Ipsen, § 8 Rn. 467. 418 Schoch, Jura 04, S. 613; Erichsen/Ehlers/Jestaedt, § 10 Rn. 24. 419 BVerfGE 84, S. 34; BVerfGE 84, S. 59; BVerfG NJW 93, S. 917. 420 Schoch, Jura 04, S. 614 m. w. N. 421 Wahl, NVwZ 91, S. 409. 422 Maurer, VR § 7 Rn. 29; Peine, § 4 Rn. 226. 415

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

len423. Dies wirft die noch im Rahmen des Rechtsschutzes zu vertiefende Frage auf, wem das Recht der letztverbindlichen Subsumtion von Sachverhalten unter unbestimmte Rechtsbegriffe in tatsächlichen Zweifelsfällen zukommt424: Der Verwaltung (und damit bei der Jugendgefährdung der Bundesprüfstelle) oder den Gerichten. b) Ansätze der Inhaltsbestimmung In der juristischen Diskussion gibt es heute zwei unterschiedliche Ansätze, den Begriff der Jugendgefährdung näher auszufüllen. Nach der wertorientierten Begriffsbestimmung soll eine Jugendgefährdung immer dann vorliegen, wenn der Medienkonsum zu einer sozialethischen Grundhaltung führen kann, die der Werteordnung des Grundgesetzes krass widerspricht425. Damit erwachsen die fundamentalen Werteaussagen des Grundgesetzes zum unmittelbaren Bezugspunkt der Schutzgutbestimmung. Ein zweiter Ansatz orientiert sich stärker an der Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen. Eine Jugendgefährdung soll nicht schon dann vorliegen, wenn Kinder und Jugendliche durch die Reflexion über bestimmte Medienaussagen verfassungsmäßige Prinzipien in Frage stellen. Jugendgefährdung soll erst dann gegeben sein, wenn Medien Kinder und Jugendliche in ihrem Handeln und Denken so manipulieren könnten, dass sie aufgrund ihres Entwicklungsstandes keine eigenverantwortliche Entscheidung mehr treffen, sondern in eine fremdbestimmte Täter- oder Opferrolle geraten426. Im Zentrum des Ansatzes liegt also die Selbstbestimmtheit von Kindern und Jugendlichen und ihre Entwicklung zu einer gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. Der wertorientierte Ansatz ist überzeugend, weil er auf die Heranziehung allgemeiner erzieherischer Ideale verzichtet427. Allerdings liegen im Anknüpfen an die Verletzung von Verfassungswerten auch Gefahren: Einmal 423

Maurer, VR § 7 Rn. 29 f.; Peine, § 4 Rn. 226. Ossenbühl, DÖV 72, S. 403. 425 BVerwGE 77, S. 83; Ukrow, S. 138 Rn. 266; Scholz/Liesching § 18 Rn. 4; Isensee/Axer, S. 46 f.; Schumann, FS-Lenckner, S. 576 f. In diese Richtung wohl auch BVerfGE 90, S. 19 mit Verweis auf BVerfGE 30, S. 347 f. 426 Löffler/Altenhain, JSchutz BT Einleitung Rn. 30 f. m. w. N. 427 In den 50er Jahren war bei der Jugendgefährdung noch auf die Diskrepanz abgestellt worden, die zu „einem Minderjährigen seines Alters unter sonst gleichen Verhältnissen als Ergebnis einer ordnungsgemäßen Erziehung vorausgesetzt werden“ müsse, vgl. Potrykus, § 1 Anm 4. Ähnlich: BVerfGE 7, S. 323; BT-Prot. 1, S. 2664 f.; Raue, S. 62. 424

Kap. 11: Indizierungsgründe

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kann das Gefährdungspotential von Medien durch ein extensives Gefährdungsverständnis überdehnt werden. Und andererseits bemängelt mancher Kritiker, dass der Staat nicht die Aufgabe habe, Kinder und Jugendliche zu verfassungstreuen Bürgern zu erziehen428. Daran ist richtig, dass auch das Grundgesetz in weiten Teilen inhaltlich wandelbar ist. Doch wo in der Verfassung allgemeine, unverzichtbare Grundlagen des Zusammenlebens verankert sind, hat der Staat sehr wohl ein legitimes Interesse daran, eine Normdesavouierung für Kinder und Jugendliche zu unterbinden429. Nur so lässt sich nämlich ein befriedetes und geordnetes Zusammenleben dauerhaft sichern. Der Staat wird insoweit auch nicht aktiv missionarisch tätig. Er sorgt lediglich dafür, dass sich die Auseinandersetzung seiner jungen Staatsbürger mit gewissen staatsfeindlichen Gesinnungen auf einen Zeitpunkt vertagt, in dem er von ihrer vollen Mündigkeit und selbstverantwortlichen Entscheidung ausgehen kann. Da davon auszugehen ist, dass Kinder und Jugendliche in ihren Einstellungen leichter beeinflussbar sind als Erwachsene430, ist das grundsätzlich nicht zu beanstanden. Dann greift der persönlichkeitsorientierte Ansatz sogar zu kurz, wenn er erst die fremdbestimmte Täter- und Opferrolle zum Bezugspunkt der Indizierung erhebt. Allerdings darf die grundsätzliche Berechtigung zum Einschreiten in einer unklaren Wirkungslage nicht zum Vorwand werden, um unliebsame politische oder soziale Inhalte vor Kindern und Jugendlichen zu verbergen. Dies muss objektiv durch die Gerichte überprüfbar bleiben. Eine Jugendgefährdung liegt also vor, wenn zu befürchten steht, dass Medien Kinder und Jugendliche so beeinflussen oder manipulieren, dass sie zentrale Verfassungswerte desavouieren, die das Menschen- und Gesellschaftsbild des Grundgesetzes prägen. Das steht auch im Einklang mit § 18 Abs. 1 JuSchG, der als Schutzgüter des Jugendschutzes ausdrücklich die Eigenverantwortlichkeit und Gemeinschaftsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen herausstellt. c) Ausgangspunkte der Schutzzielbestimmung Darauf basierend sollen nun die gesetzlichen Schutzzwecke interpretiert und konkretisiert werden. Als jugendgefährdend ist in einem zweiten Schritt dasjenige anzusehen, was geeignet ist, diese Ziele zu gefährden431.

428 429 430 431

Löffler/Altenhain, JSchutz BT Einleitung Rn. 29. So auch: BVerfGE 90, S. 18 f. BVerwGE 77, S. 83; Beisel, S. 246; Frenzel, AfP 02, S. 191. Roßnagel/Altenhain, Einl GjS Rn. 29.

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

aa) Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit Der Begriff der Eigenverantwortlichkeit in § 18 Abs. 1 JuSchG knüpft an die soziale Reife des Individuums an. Mit Gemeinschaftsfähigkeit werden Sozialverträglichkeit und Kontaktfähigkeit als Leitziele angesprochen432. Kinder und Jugendliche müssen für ein eigenverantwortliches und gemeinschaftsfähiges Leben einen eigenen Zugang zu tragenden Säulen der grundrechtlichen Werteordnung finden können: Der Menschenwürde aus Artikel 1 Abs. 1 GG433, die als unveränderliches Schutzgut jedweder Abwägung entzogen ist; weiterhin auch zum Toleranzgebot434 aus Art. 3 Abs. 1 GG, das die Akzeptanz, regelmäßig aber zumindest die Hinnahme gesellschaftlicher Pluralität postuliert; zum grundrechtlichen Strukturprinzip der gestuften Freiheitsentfaltung, das einen verantwortungsvollen Umgang der eigenen Freiheit im Lichte der Schutzwürdigkeit fremder Freiheitsbereiche einfordert – wobei in diesen Kontext auch das allgemeine Bewusstsein um die Unredlichkeit sozialschädlichen Verhaltens gehört und schließlich zum Eigentum hinsichtlich seiner strafrechtlich geschützten Grundsätze435. Vereinzelt wird in diesem Zusammenhang auch die christlich-abendländische Weltanschauung als Werteziel genannt436. Das überzeugt jedoch nicht. Denn ein Indizierungsautomatismus bei der Zerrüttung ausschließlich christlicher Werte verletzte regelmäßig das staatliche Neutralitätsgebot und die allgemeine Religionsfreiheit437. Ob zu den fundamentalen Säulen des Miteinanders und der Gemeinschaftsfähigkeit auch der besondere institutionelle Schutz von Ehe und Familie gehört438, ist zweifelhaft. Niemals darf der Staat den legitimen Schutz von Kindern und Jugendlichen vor der fremdbestimmten Negation fundamentaler Verfassungswerte zur Förderung einer vermeintlich anständigen Gesinnung missbrauchen439. Meinung und Konvention allein dürfen keine Voraussetzung sein für die Anwendung gesetzlicher Sanktionen440. Schließlich muss der Staat auch das 432

Ukrow, S. 137 Rn. 265. Schulz/Korte, ZUM 02, S. 720; Nikles, § 18 Rn. 4; Scholz/Liesching, § 18 Rn. 4. 434 Nikles, § 18 Rn. 4. 435 Löffler/Altenhain, JSchutz BT Einleitung Rn. 31. 436 Eberle/Rudolf/Wasserburg/Landmann, Kap. VI Rn. 64, früher: BGHSt 8, S. 83, VG Köln UFITA 66, S. 347. 437 Wie hier u. a. Scholz/Liesching, § 18 Rn. 4; zum GjSM: Roßnagel/Altenhain, Einl GjS Rn. 34; Erbs/Steindorf, § 1 Rn. 9; Schumann, FS Lenckner, S. 577. 438 So ausdrücklich: Scholz/Liesching, § 18 Rn. 4; Nikles, § 18 Rn. 4. 439 So zu § 1 GjS: Raue, S. 71; Roßnagel/Altenhain, Einl GjS Rn. 34. 440 Eckhardt, DVBl 69, S. 860. 433

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elterliche Erziehungsrecht, das sich aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG ableitet, im Auge behalten. Die Eltern haben einen sehr weiten Spielraum bei der Erziehung ihrer Kinder, was im Grundsatz auch die Vermittlung verfassungsfeindlicher Haltungen einschließen kann441. bb) Die Gewährleistung ungestörter Entwicklung Mit der Gewähr einer ungestörten Entwicklung wird das Recht auf „Person-Werden“ angesprochen, das in Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verankert ist442. Zwar kommt es nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG zunächst den Eltern zu, ihre Kinder zu einem Individuum zu erziehen. Aber dennoch hat der Staat – gleichsam flankierend – den Auftrag, ihre Entwicklung von gravierenden negativen Einflüssen freizuhalten: Er ist einerseits „Wächter“, weil er auch gegenüber den Eltern eine Verwahrlosung ihrer Schützlinge aus verfassungsrechtlicher Verpflichtung unterbinden muss. Andererseits ist er aber „Helfer“ der Erziehungsberechtigten, die den Medienkonsum ihrer Kinder nicht stets beaufsichtigen können. Hinsichtlich der Medien konkretisiert § 18 JuSchG diesen Auftrag dahingehend, Inhalte zu indizieren, die auf der Grundlage pädagogischer und wirkungsempirischer Forschung eine altersgerechte Entwicklung manipulieren können. d) Völkerrechtliche Einflüsse Anhaltspunkte für das, was jugendgefährdend ist, bietet auch die UNÜbereinkunft über die Rechte des Kindes443. Als Kind im Sinne der Konvention sind alle Personen erfasst, die noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben444. Deutschland hat sowohl das Abkommen als auch das Fakultativprotokoll unterzeichnet. Damit entsteht binnenrechtlich zumindest eine einfachgesetzliche Bindung445. Schon die Präambel verweist auf die nötige Vorbereitung und Hinführung zur Individualität des Kindes in der Gesellschaft. Darüber hinaus wird ausdrücklich der Geist der Charta der Vereinten Nationen in Bezug genommen. Staatliches Hinwirken auf eine Erziehung zu individueller Würde, Freiheit und Gleichheit sowie Toleranz und Solidarität erwächst damit zur Verpflichtung446. Dies stellt auch Artikel 29 441

Löffler/Altenhain, JSchutz BT Einleitung Rn. 29. Pieroth/Schlink, S. 86 Rn. 374 m. w. N. 443 Übereinkunft vom 20.11.1989, abgedruckt im BGBL. II, 1992, S. 121 f. 444 Vgl. Art. 1 der UN-Kinderrechtskonvention. 445 Statt vieler: Herdegen, Völkerrecht, § 22 Rn. 19. 446 Art 3, Unterpunkt 2 der UN-Kinderrechtskonvention i. V. m. Art. 1, 2 UNCharta. 442

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

Absatz t. Unterabsatz b der Konvention klar: Dem Kind soll Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten und den in der Charta der Vereinten Nationen verankerten Grundsätzen vermittelt werden. Unabhängig von Meinungs- und Informationsfreiheit, die auch für das Kind gewährleistet sein müssen447, haben die Staaten die Pflicht, Kinder vor jeder Form körperlicher oder geistiger Gewaltanwendung, Schadenszufügung (wie Suchtstoffe) oder Misshandlung zu bewahren448. Dazu gehört es im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch auch, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um eine Verleitung zur Beteiligung von Kindern an rechtswidrigen sexuellen Handlungen zu unterbinden449. e) Die Regelbeispiele der Jugendgefährdung Die wichtigsten Konkretisierungen der Jugendgefährdung stellen die Regelbeispiele in § 18 Abs. 1 S. 2 JuSchG dar. Zu den Träger- und Telemedien, die nach der Vorstellung des Gesetzgebers jugendgefährdende Wirkungen erzeugen können, zählen ausdrücklich unsittliche, verrohend wirkende sowie zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizende Medien. Seit einer Gesetzesnovellierung 2008450 werden auch Medien erwähnt, die Gewalthandlungen wie Mord- und Metzelszenen selbstzweckhaft und detailliert darstellen (Nr. 1) sowie Medien, die Selbstjustiz als einzig bewährtes Mittel zur Durchsetzung der vermeintlichen Gerechtigkeit nahe legen (Nr. 2). Weisen indizierungsfähige Objekte solche Inhalte auf, besteht eine widerlegbare Vermutung für ihre Eignung zur Jugendgefährdung451. Der Gesetzgeber hat mit seiner beispielhaften Aufzählung keine abschließende Aufzählung jugendgefährdender Medien geschaffen452. Vielmehr kann die Bundesprüfstelle im Einzelfall feststellen, dass auch durch andere Inhalte jugendgefährdende Wirkungen zu vermuten stehen. Denkbar ist aber auch, dass einzelne gefährdungstaugliche Inhalte durch einen entsprechenden Kontext relativiert werden und deshalb auf eine Indizierung zu verzichten ist.

447

Art. 13 der UN-Kinderrechtskonvention. Art. 33 der UN-Kinderrechtskonvention. 449 Art. 34 d. der UN-Kinderrechtskonvention. 450 Erstes Gesetz zur Änderung des Jugendschutzgesetzes vom 24.06.2008, BGBl I/2008, S. 1075 f. 451 So schon zu § 1 GjS: BVerwGE 23, S. 112; 25, S. 318; Scholz (1. Auflage), S. 47; a. A. Schraut, S. 79. 452 BVerfG NJW 1994, S. 1783; Eberle/Rudolf/Wasserburg/Landmann, Kapitel VI Rn. 64; Nikles, § 18 Rn. 6; a. A. Löffler/Altenhain, JSchutz BT Einleitung Rn. 40, § 18 Rn. 29. 448

Kap. 11: Indizierungsgründe

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aa) Unsittliche Medien Unsittlich ist ein Medium, wenn es erotische Inhalte aufweist, die objektiv dazu geeignet sind, die ungestörte sexuelle Entwicklung von Minderjährigen zu gefährden453. Soweit die Schwelle der Pornographie erreicht ist, gelten entsprechende Trägermedien bereits nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 JuSchG in Verbindung mit den §§ 184 f. StGB als von selbst (eo-ipso) indiziert. Das gilt zum Beispiel für die unter Kinder und Jugendlichen in „Mode“ gekommene Verbreitung von Pornovideos auf Handys454. Gleiches ordnet § 15 Abs. 2 Nr. 4 JuSchG für den Fall an, dass Kinder und Jugendliche in einer unnatürlichen, geschlechtsbetonten Körperhaltung abgebildet werden. In diesen Konstellationen ist der Rückgriff auf § 18 Abs. 1 S. 2 JuSchG unnötig. Medien, die Nacktbilder enthalten, sind nicht schon allein deshalb als jugendgefährdend anzusehen455. Denn eine Verletzung des Schamgefühles oder sittlicher Empfindungen reicht nicht aus, um das Unsittlichkeitsurteil zu stützen. Entscheidend ist, dass das Medium eine der Pornographie artverwandte Inhalts- und Botschaftsebene nach außen trägt456. Unsittlich sind nach der Spruchpraxis der Bundesprüfstelle daher alle Medien, die die Frau zum Konsumartikel oder reinen Lustobjekt degradieren457. Ferner werden 453 BPjME-Nr. 6951 (V) (03.05.2005, Wochenzeitung „Wochenspiegel Saarbrücken“, Jahrgang 47, Nr. 6), S. 3; Ukrow, S. 144 Rn. 276; Nikles § 18 Rn. 5; zu § 1 GjS bereits: BVerwGE 23, S. 114; 25, S. 320; Scholz (1. Auflage) S. 47; Raue, S. 76; Erbs/Steindorf, § 1 GjSM Rn. 19. 454 Vgl. zu diesem Problem ausführlich: Stauter/Hannack-Mayer, BPjM-Aktuell 3/2006, S. 13 f. 455 Vgl. BVerwGE 39, S. 212; auch: BPjME-Nr. 6951 (V) (03.05.2005, Wochenzeitung „Wochenspiegel Saarbrücken“, Jahrgang 47, Nr. 6), S. 3. Vgl. zur Entwicklung der Spruchpraxis gegenüber Erotika und sexuellen Darstellungen näher: Schneider, BPjS-Aktuell, 4/2001, S. 3 f.; Bundschuh, BPjS-Aktuell 4/2001, S. 7 f.; Seim, S. 3 f. 456 BPjME-Nr. 6951 (V) (03.05.2005, Wochenzeitung „Wochenspiegel Saarbrücken“, Jahrgang 47, Nr. 6), S. 3; Ukrow, S. 144 Rn. 276. Bei einer jugendschutzorientierten Pornographie-Bestimmung (vgl. dazu unten IV. 2. e) bb) (2)) ist es allerdings kaum denkbar, dass ein unsittliches Medium gleichzeitig nicht pornographisch ist. Dies gilt umso mehr, als der Indizie rung eine mögliche Jugendgefährdung zugrunde liegt, die über die Möglichkeit der Jugendbeeinträchtigung hinausreicht; in diese Richtung auch: BT-Drcks. VI/1553, S. 33; a. A. Scholz/Liesching, § 18 Rn. 13. 457 BPjME-Nr. 5290 (12.05.2005, CD „AGGRO Ansage Nr. 2“), S. 19; BPjMENr. 5277 (03.03.2005, Magazin „Popcorn“, 1/05), S. 5; BPjME-Nr. 5266 (02.12.2004, CD „AGGRO Ansage Nr. 3“), S. 25; BPjME-Nr. 5249 (02.09.2004, Heftbeilage „Da guckst du!“), S. 7; BPjME-Nr. 5229 (04.03.2004, Internet-Angebot „Nackt und gefesselt“), S. 9; zum alten GjS so: Scholz (1. Auflage), § 1 S. 48.

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

Inhalte entsprechend eingestuft, die das Leben grob anreißerisch auf Sex als alleinigen Lebensinhalt zentrieren458. Unsittlich kann auch ein Medium sein, das Sexualität mit Angst oder Ekel verbindet459. Wie bei allen anderen Regelbeispielen kommt es für das Jugendgefährdungsurteil entscheidend auf die Einbettung der Inhalte und die Gesamtaussage des Mediums an. Die Subsumtion muss auch von der Erkenntnis geleitet sein, dass die Wirkungsrisiken erotoner Medien noch weniger gesichert sind als die negativen Auswirkungen von Gewaltmedien. bb) Verrohend wirkende Medien Besteht das Risiko, dass ein Medium Kinder und Jugendliche innerlich gegenüber dem Schicksal und Leiden anderer Mitmenschen abstumpfen lässt, so wirkt es verrohend460. Die Bundesprüfstelle geht hiervon aus, wenn es Sadismus, Gewalttätigkeit, Hinterlist und gemeine Schadenfreude weckt oder fördert461 bzw. auf jede mitmenschliche Solidarität verzichtet462. Verrohend sind daneben Inhalte, die angemessene Mittel der zwischenmenschlichen Auseinandersetzung verächtlich machen und durch ihre aggressive Grundhaltung einen Empathieverlust herbeiführen können463. Beispiele aus der Indizierungspraxis sind die ausufernde und unrelativierte Darstellung detaillierter Gewaltszenen (berstende Knochen, austretende Innereien und austretendes Gehirn464, Tötungsorgien mit entsetzlichen Schmerzens458 BPjME-Nr. 5288 (12.05.2005, CD „King of Kingz“), S. 25; BPjME-Nr. 5282 (14.04.2005, Manga „Vampire Master 3“), S. 25; BPjME-Nr. 5249 (02.04.2004, Heftbeilage „Da guckst du!“), S. 6; Ukrow, S. 145 Rn. 276; zum alten GjS auch: Scholz (1. Auflage), S. 48. 459 Schroeder, S. 30. 460 Scholz/Liesching § 18 Rn. 16; zum alten GjS: Erbs/Steindorf, § 1 Rn. 23. 461 BPjME-Nr. 5288 (12.05.2005, CD „King of Kingz“), S. 25 f.; BPjME-Nr. 6955 (V) (09.05.2005, DVD „The Wrecking Crew – Time to clean house“), S. 3; BPjME-Nr. 5281 (03.03.2005, CD „Michael – Wie stark der Feind auch sei“), S. 20; BPjME-Nr. 5278 (03.03.2005, CD „Einstand“), S. 11; BPjME-Nr. 5240 (03.06. 2004, CD „Status Quo Germania“), S. 10 f.; BPjME-Nr. 5238 (03.06.2004, CD „Kämpfen und Siegen“), S. 10; BPjME-Nr. 5191 (07.08.2003, CD „Krebskolonie“), S. 15. 462 BPjME-Nr. 6955 (V) (09.05.2005, DVD „The Wrecking Crew – Time to clean house“), S. 4; BPjME-Nr. 5281 (03.03.2005, CD „Michael – Wie stark der Feind auch sei“) S. 20; BPjME-Nr. 5204 (06.11.2003, „Der Untermensch mit Namen Christ“), S. 15; Ukrow, S. 146 Rn. 277; zum alten GjS: Raue, S. 77; Rossnagel/Altenhain, § 1 Rn. 67. 463 BPjME-Nr. 5267 (06.01.2005, CD „Schluss mit lustig!“), S. 14; BPjME-Nr. 5248 (02.04.2004, CD „Rachefeldzug“), S. 12; Scholz/Liesching § 18 Rn. 16. 464 BPjME-Nr. 6960 (V) (24.05.2005, Computerspiel „Doom 3 – Resurrection of evil“, US-Vollversion), S. 5.

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schreien465), wobei diese nicht von einem direkten Nachahmungsimpetus getragen sein müssen. Einschlägig ist auch die zynische, vermeintlich komische Kommentierung solcher Vorgänge466. Schließlich wird die unverhältnismäßige Glorifizierung des Todes für das „Vaterland“ als verrohend eingestuft, wenn diese im Zusammenhang mit Gewalt gegen Dritte steht467. Auch bei verrohenden oder zur Gewalttätigkeit bzw. zu Verbrechen anreizenden Medien ist schon an eine automatische Indizierung für strafrechtlich relevante Inhalte (besonders § 15 Abs. 2 JuSchG i. V. m. § 131 StGB) zu denken. Das gilt vor allem für die unter Jugendlichen durch Internet und Handy weit verbreiteten so genannten „Snuff-“468 bzw. „Happy-Slapping“-Medien469. cc) Zu Gewalttätigkeit anreizende Medien Ging es bei der verrohenden Wirkung von Medien um die Gefahr einer negativen „inneren“ Charakterprägung, so spricht der Gesetzgeber mit den zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizenden Medien die Gefahr einer negativen äußeren Charakterformung an. Damit rückt die Nachahmungsgefahr in den Vordergrund470. Fraglich ist allerdings, was mit dem Begriff Gewalttätigkeit beschrieben werden soll. Nikles interpretiert den Gewaltbegriff des § 18 Abs. 1 S. 2 JuSchG eigenständig an den Erfordernissen des Jugendschutzes und entkoppelt ihn vom Erfordernis physischer Kraftentfaltung471. Dadurch werden auch psychische Repressionen (Drohungen, Erpressung etc.) in bestimmten Medien als Gewalttätigkeit subsumierbar. Allerdings missachtet dieser Ansatz das allgemeine Begriffsverständnis von Gewalt. Gewalt ist im Sprachgebrauch präsent als „elementare Kraft 465

BPjME-Nr. 6955 (V) (09.05.2005, DVD „The Wrecking Crew – Time to clean house“), S. 3. 466 Ebenda. 467 So: BPjME-Nr. 5195 (07.08.2003, CD „Standarte“), S. 8. 468 „Snuff-Videos“ (von englisch: „to snuff out“ = jemanden umbringen) sind Medien, die grausame Handlungen oder Verbrechen zeigen wie Tötung (oft als Hinrichtung), Vergewaltigung bzw. brutale Körperverletzung, vgl. hierzu ausführlich: Stauter/Hannack-Mayer, BPjM-Aktuell 3/2006, S. 13 f. 469 „Happy Slapping“ leitet sich ebenfalls aus dem Englischen ab und bedeutet so viel wie „Fröhliches Schlagen“. Das charakteristische dieser Medien ist das Ablichten von Gewalttaten und Demütigungen, die die Täter häufig mit einer Handy-Kamera filmen, um sie später zu verbreiten, vgl. hierzu ausführlich: Stauter/HannackMayer, BPjM-Aktuell 3/2006, S. 13 f. 470 Scholz/Liesching § 18 Rn. 17; Ukrow, S. 146 Rn. 282; Nikles, § 18 Rn. 5; so zum Begriff auch an anderer Stelle BGHSt 8, S. 85. 471 So: Nikles, § 18 Rn. 5.

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von zwingender Wirkung“472. Auch das Strafrecht fordert in § 131 StGB ein aggressives Verhalten ein, durch das unter Einsatz von zumindest minimaler physischer Kraftentfaltung auf den Körper eines Individuums und seine Integrität eingewirkt wird473 (z. B. Schlägereien, sonstige Körperverletzungen, Schusswaffengebrauch etc.). Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber ein davon abweichendes Verständnis des Gewaltbegriffes in § 18 Abs. 1 S. 2 JuSchG etablieren wollte. Deshalb erfordert Gewalttätigkeit auch im Jugendmedienschutz einen körperlich wirkenden Zwang. Schutzlücken dürften durch dieses engere Tatbestandsverständnis nicht entstehen. Denn zwischen verrohenden und zur Gewalttätigkeit anregenden Medien besteht ein enger Zusammenhang474. So wird psychischer Zwang von großer Intensität häufig als verrohend einzustufen sein. Nach der Spruchpraxis der Bundesprüfstelle reizen Medien zur Gewalttätigkeit an, wenn sie die physischen Auseinandersetzungen als vorrangiges Mittel zwischenmenschlicher Kommunikation darstellen475 oder Gewalt zur überlegenen und verlockenden Alternative gegenüber konsensualem Sozialverhalten stilisieren476, die z. B. mit Ruhm und Anerkennung verknüpft ist477. Dabei kommt es nicht auf die Gewalt gegen konkrete Zielpersonen an. Die Konfrontation mit möglichen Gegnern reicht aus. Eine zur Gewalttätigkeit anreizende Wirkung wurde von der Bundesprüfstelle bisher auch bei Medien angenommen, die Selbstjustiz befürworten478 oder Mord- und Metzelszenen selbstzweckhaft und in epischer Breite inszenieren479. Diese Fälle werden nun expressis verbis von den spezielleren § 18 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 JuSchG erfasst und zukünftig wohl dort zu subsumieren sein, vgl. dazu noch unten ff).

472

Duden, Stichwort: „Gewalt“. BVerfG NJW 93, S. 1458; BGHSt 23, S. 51. 474 Scholz/Liesching, § 18 Rn. 17; zum GjS: Scholz (1. Auflage), S. 38. 475 BPjME-Nr. 5284 (14.04.2005, Videofilm „Die Brut“), S. 4; BPjME-Nr. 5242 (08.07.2004, CD „Fanatiker“), S. 14; BPjME-Nr. 5230 (01.04.2004, CD „Wer nichts zu verlieren hat, kann nur gewinnen“), S. 22; BPjME-Nr. 5187 (03.07.2003, CD „Doppel D“), S. 2; BPjME-Nr. 5186 (05.06.2003, CD „Gang Violence“), S. 2. 476 BPjME-Nr. 5278 (03.03.2005, CD „Einstand“), S. 11; BPjME-Nr. 5267 (06.01.2005, CD „Schluss mit lustig“), S. 15; BPjME-Nr. 5256 (04.11.2004, Comic „Arms, Band 2“), S. 6. 477 BPjME-Nr. 5254 (07.10.2004, CD „Die Lunikoff-Verschwörung – Die Rückkehr des Unbegreiflichen“), S. 12. 478 BPjME-Nr. 6600 (V) (11.03.2004, Konsolenspiel „Manhunt“), S. 5. Diesem Prüfobjekt wurde ebendort sogar attestiert, es glorifiziere nicht nur Selbstjustiz, sondern gar „die vollständige Loslösung von den grundlegendsten Regeln menschlichen Zusammenlebens“. 479 Ebenda; BPjME-Nr. 5296 (04.11.2004, Comic „Arms, Band 2“), S. 6. 473

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dd) Zu Verbrechen anreizende Medien Medien mit einer verbrechensbejahenden Tendenz sind als jugendgefährdend anzusehen, wenn sie zu einer Verwirrung der Begriffe von Recht und Unrecht beitragen können480. Die Gefahr für die Gesellschaft liegt in diesem Fall nicht nur in der denkbaren Nachahmung gezeigter Verbrechen durch Kinder und Jugendliche. Genauso schwer wiegt das mögliche Infragestellen der gesetzlichen Missbilligung von Straftaten481. Wie der Gewaltbegriff lässt sich auch der Verbrechensbegriff des § 18 Abs. 1 S. 2 JuSchG unterschiedlich interpretieren. Man kann dadurch sämtliche Straftaten als erfasst ansehen (auch Vergehen im strafrechtlichen Sinne)482. Möglich ist es allerdings auch, den Verbrechensbegriff des § 12 StGB zugrunde zu legen483. Dieser umfasst nur solche Straftaten, die im Mindestmaß mit einem Jahr Freiheitsentzug bestraft werden. Letzteres verdient den Vorzug. Denn wäre es die Absicht des Gesetzgebers gewesen, sämtliche Straftaten zu erfassen, so hätte er auch den Begriff der Straftat verwendet. Delikte wie der Diebstahl oder der Beischlaf zwischen Verwandten können infolgedessen nicht als taugliche Grundlage der Tatbestandsmodalität angesehen werden. Tatbestandsmäßig sind aber alle Kapitaldelikte wie Mord, Totschlag484 oder Vergewaltigung485. ee) Zu Rassenhass anreizende Medien Medien sind auch jugendgefährdend, wenn zu befürchten steht, dass sie den geistigen Nährboden für Rassenhass bereiten486. Als solchen bezeichnet man eine feindselige Haltung gegenüber bestimmten Nationalitäten, Religionen und ethnischen Gruppen, die über die bloße Ablehnung und Verach480 BPjME 5242, (08.07.2004, CD „Fanatiker“), S. 13; Nikles, § 18 Rn. 5; Scholz/ Liesching § 18 Rn. 18; Ukrow, S. 146 Rn. 283; zum GjS: Erbs/Steindorf, § 1 Rn. 21. 481 Scholz/Liesching, § 18 Rn. 18; Ukrow, S. 147 Rn. 283. 482 So Ukrow, S. 148 Rn. 283 Fn. 59; Löffler/Gödel, § 1 GjS Rn. 74. 483 In diesem Sinne: Nikles, § 18 Rn. 5; Scholz/Liesching, § 18 Rn. 18. 484 BPjME-Nr. 5242 (08.07.2004, CD „Fanatiker“), S. 13; BPjME-Nr. 5250 (07.10.2004, CD „Gefangen im System“), S. 12; BPjME-Nr. 5210 (04.12.2003, CD „Der Kampf hat begonnen“), S. 11. 485 BPjSE-Nr. 1286 (V) (11.02.1982, Videofilm „Schulmädchenreport Teil 5: Was Eltern wirklich wissen sollten“), S. 7; BPjSE-Nr. 1290 (V) (11.02.1982, Videofilm „Schulmädchenreport Teil 9: Reifeprüfung vor dem Abitur“), S. 6. 486 Nikles, § 18 Rn. 5; Scholz/Liesching § 18 Rn. 19; Ukrow, S. 148 Rn. 284.

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

tung hinausreicht487. Die Bundesprüfstelle hat es in der Praxis häufig mit antisemitischer Hetze in Büchern oder rechtsgerichteten Musikalben zu tun, die als jugendgefährdend begriffen werden muss488. Indizierungen werden aber auch bei genereller feindseliger Diskreditierung anderer Volksgruppen wie Nicht-Weißer489, Afrikaner490, Asiaten491 oder Ausländer im Allgemeinen492 ausgesprochen. Dagegen sieht die Bundesprüfstelle die in Hip-HopSongs recht häufige Verwendung von Schimpfworten wie „Neger“ oder „Nigger“ regelmäßig nicht als zum Rassenhass anreizend an. Zahlreiche Akteure der Szene seien selbst von schwarzer Hautfarbe und die Worte dienten auch generell als übliche Bezeichnung untereinander, ohne dass eine „rassistische Konnotation“ bestehe493. Erreichen Darstellungen die Qualität strafrechtlicher Volksverhetzung, ergibt sich die Jugendgefährdung bereits eo-ipso gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 JuSchG i. V. m. § 130 StGB494. ff) Selbstzentrierte, realistische und selbstzweckhafte Gewalt Seit Juli 2008 zählen zu den potentiell jugendgefährdenden Medien auch solche, die Gewalthandlungen wie Mord- und Metzelszenen selbstzweckhaft und detailliert darstellen (§ 18 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JuSchG) oder Selbstjustiz als einzig bewährtes Mittel zur Durchsetzung der vermeintlichen Gerechtigkeit nahe legen (§ 18 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 JuSchG). Nach dem Amoklauf von Emsdetten im November 2006 sah sich die Bundesregierung dazu veranlasst, die für 2009 geplante Evaluierung des Jugendschutzrechtes teil487 BGHSt 21, S. 372; 40, S. 102; OLG Celle, JR 98, S. 79; OLG Hamm, NStZ 81, S. 262. 488 BPjME-Nr. 5281 (03.03.2005, CD „Michael – Wie stark der Feind auch sei“), S. 19; BPjME-Nr. 5279 (03.03.2005, Internet-Angebot: www.unglaublichkeiten.de), S. 3; BPjME-Nr. 5245 (30.09.2004, CD „Germania über alles“), S. 13; BPjMENr. 5195 (07.08.2003, CD „Die Standarte“), S. 9; Scholz/Liesching, § 18 Rn. 19; Ukrow, S. 148 Rn. 284; vgl. zur Entscheidungspraxis nach dem GjS(M) auch: Monssen-Engberding, BPjS-Aktuell 3/1999, S. 3 f.; Erbs/Steindorf, § 1 GjSM Rn. 26. 489 BPjME-Nr. 5278 (03.03.2005, CD „Einstand“), S. 10; BPjME-Nr. 5252 (07.10.2004, CD „The 4th Crusade“), S. 12; BPjME-Nr. 5180 (08.05.2003, CD „White Rock Rocks the World“), S. 3. 490 BPjME-Nr. 5195 (07.08.2003, CD „Die Standarte“), S. 7. 491 BPjME-Nr. 5269 (06.01.2005, CD „Und ewig lebt das Reich“), S. 13. 492 BPjME-Nr. 5245 (02.09.2004, CD „Germania über alles“), S. 14; BPjME-Nr. 5242 (08.07.2004, CD „Fanatiker“), S. 15; BPjME-Nr. 5240 (03.06.2004, CD „Status Quo Germania“), S. 11; BPjME-Nr. 5238 (03.06.2004, CD „Kämpfen und Siegen“), S. 11. 493 BPjME-Nr. 5266 (02.12.2004, CD „AGGRO Ansage Nr. 3“), S. 28. 494 Zu den Grenzen strafrechtlicher Sanktion vgl. IV. 2. b) bb) (2) (c).

Kap. 11: Indizierungsgründe

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weise vorzuziehen. Dazu gehörte eine Erweiterung der Regelbeispiele in § 18 Abs. 1 S. 2 JuSchG. Die Erweiterung soll einen „wirksamen Schutz von Kindern und Jugendlichen vor gewaltbeherrschten Computerspielen“495 gewährleisten. Sie ist nach der Gesetzesbegründung „richtungsweisend für die Bundesprüfstelle, Medien mit diesen Inhalten zu indizieren“496. Die politische Gesetzesbegründung suggeriert substanzielle Änderungen des Indizierungsrechtes. – Inhaltliche Neuerungen für die Indizierungspraxis werden sich hierdurch aber kaum ergeben. Denn schon bisher wurden ausufernde und unrelativierte Darstellungen detaillierter Gewaltszenen von der BPjM als verrohend in ihrer Wirkung eingeordnet, z. B. berstende Knochen, austretende Innereien und austretendes Gehirn497, Tötungsorgien mit entsetzlichen Schmerzensschreien498. Die BPjM begriff auch schon vor der Erweiterung Medien als zur Gewalttätigkeit anreizend (und damit jugendgefährdend), wenn sie Selbstjustiz befürworteten499 oder Mord- und Metzelszenen selbstzweckhaft und in epischer Breite inszenierten500. Diese Fälle werden nach der jüngsten Erweiterung direkt unter die spezielleren § 18 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 JuSchG zu subsumieren sein. Damit wird die bisherige Spruchpraxis der Bundesprüfstelle also gesetzlich abgesichert. Die Anforderung, das Medium müsse Selbstjustiz als „einzig bewährtes Mittel“ zur Durchsetzung der gefühlten Gerechtigkeit erklären, ist jedoch tendenziell enger als die bisherige Spruchpraxis, die schon ein klares Befürworten von Selbstjustiz ausreichen ließ. f) Weitere Fallgruppen Die Aufzählung des § 18 Abs. 1 S. 2 JuSchG ist – wie schon erwähnt – nicht abschließend. In der Indizierungspraxis vor und nach Inkrafttreten des Jugendschutzgesetzes haben sich weitere Fallgruppen der Jugendgefährdung herausgebildet, die nun näher dargestellt und hinterfragt werden sollen.

495

BT-Drcks. 3/2008, S. 3 ff. Ebenda, S. 6. 497 BPjME-Nr. 6960 (V) (24.05.2005, Computerspiel „Doom 3 – Resurrection of evil“, US-Vollversion), S. 5. 498 BPjME-Nr. 6955 (V) (09.05.2005, DVD „The Wrecking Crew – Time to clean house“), S. 3. 499 BPjME-Nr. 6600 (V) (11.03.2004, Konsolenspiel „Manhunt“), S. 5. Diesem Prüfobjekt wurde ebendort sogar attestiert, es glorifiziere nicht nur Selbstjustiz, sondern gar „die vollständige Loslösung von den grundlegendsten Regeln menschlichen Zusammenlebens“. 500 Ebenda; BPjME-Nr. 5296 (04.11.2004, Comic „Arms, Band 2“), S. 6. 496

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

aa) Missachtung personaler Würde Grobe Verstöße gegen die Menschenwürde im Sinne des Art. 1 Abs. 1 GG werden durch § 15 Abs. 2 Nr. 1, 3 und 4 JuSchG in Verbindung mit den einschlägigen Strafrechtsnormen (§§ 130, 131 StGB) erfasst. In diesen Fällen sind die Medien automatisch (eo-ipso) indiziert501. Gleichwohl spielt die Missachtung personaler Würde auch im Rahmen des § 18 Abs. 1 JuSchG eine nicht zu unterschätzende Rolle. Das liegt zum einen daran, dass die Bundesprüfstelle auch in den Fällen des § 15 Abs. 2 JuSchG deklaratorisch Indizierungen ausspricht, um Klarheit für Verleger und Händler zu schaffen502. Zum anderen ist die Schwelle für einen strafrechtlich relevanten (und damit zur Indizierung führenden) Verstoß gegen die Menschenwürde sehr hoch: Nur selten liegt die Missachtung des personalen Achtungsanspruches unmittelbar auf der Vermittlungsebene (dies aber setzt § 131 StGB voraus503) oder zeichnet sich durch eine qualifizierte Herabsetzung aus (wie es § 130 StGB voraussetzt504). In der Prüfpraxis wird die personale Würde dazu fast immer in einem fiktiven Kontext (z. B. in Horrorfilmen) oder nur mittelbar negiert. Dann aber ist § 15 Abs. 2 Nr. 3 JuSchG nicht einschlägig, weil er eine reale Verletzung voraussetzt. Schließlich ist die Menschenwürdeverletzung als Jugendgefährdung auch nicht immer offensichtlich, so dass sich der vom Evidenzprinzip beherrschte § 15 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG selten zweifelsfrei heranziehen lässt. In diesen Fällen wird ein konstitutiver Rückgriff auf § 18 Abs. 1 JuSchG nötig. Charakteristisch für die Verletzung der Menschenwürde ist, dass nicht nur einzelne Persönlichkeitsrechte missachtet werden, sondern der fundamentale, nicht dispositive Geltungs- und Achtungsanspruch jedes einzelnen Individuums505. Beispiele aus der Indizierungspraxis sind die (fiktive) Folterung von Personen506, „Treibjagden“ auf Menschen507, Massakrierungen, Verstümmelungen oder sonstige (visuelle) Ausschlachtungen, durch die der Mensch zum willenlosen Objekt unmenschlicher Gewalt degradiert ist508, 501 Detaillierte Ausführungen zu den schwer jugendgefährdenden Trägermedien nach § 15 Abs. 2 JuSchG folgen unter IV. 2. 502 Monssen-Engberding/Bochmann, BPjM-Aktuell 3/2005, S. 22. 503 Vgl. dazu unten IV. 2. d). 504 Vgl. dazu unten IV. 2. b). 505 BVerfGE 9, S. 95; BVerfGE 27, S. 6; BVerfGE 30, S. 25; BVerfGE 50, S. 175; BVerfGE 63, S. 142. 506 BPjME-Nr. 5208 (04.12.2003, Buch „DEEP WET Torture Handbook“), S. 5; BPjME-Nr. 5191 (08.08.2003, CD „Krebskolonie“), S. 15. 507 Dazu Ukrow, S. 151 Rn. 287. 508 BPjSE-Nr. 5504 (10.02.1999, Zeitschrift „Gory News“), S. 2; BPjSE-Nr. 5676 (12.11.1999, Internet-Angebot „This is rotten dot com“), S. 3; BPjSE-Nr. 1314 (V) (06.08.1982, Video „Zombies unter Kannibalen“), S. 7.

Kap. 11: Indizierungsgründe

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Kannibalismus509 sowie die Verknüpfung von Sexualität und Erniedrigung oder handfester Gewalt (z. B. die entwürdigende Behandlung von Frauen im Umfeld des Geschlechtsverkehrs: Besudeln mit Körperausscheidungen in devoter Pose, Schmerzzufügung, Würgen etc.)510. Für die Subsumtion ist es unerheblich, ob es sich bei der dargestellten Gewalt von oder an Menschen um Realität oder Fiktion handelt511. Allerdings muss das Opfer der Gewalt auch tatsächlich humanoid sein. Von einer Verletzung personaler Würde im Sinne des Art. 1 Abs. 1 GG kann keine Rede sein, soweit sich die Erniedrigung auf Menschendarstellungen in Comics oder in sonstigen Verfremdungs-Genres bezieht. Unzutreffend ist daher die in einer Einzelentscheidung zu findende Auffassung der Bundesprüfstelle, die an der Grenze der Vorstellungskraft liegende Malträtierung und Vergewaltigung einer Comic-Polizistin durch Comic-Verbrecher verletzte die Menschenwürde nach Art. 1 GG512. Hier kommt eine Verrohungswirkung oder ein mögliches Anleiten zu Gewalt und Verbrechen in Betracht. Es dürfte sich häufig auch um selbstzweckhafte und detaillierte Gewaltaktionen handeln, die seit Juli 2008 direkt über § 18 Abs. 1 Nr. 1 JuSchG subsumiert werden können. bb) Verherrlichung und Verharmlosung der NS-Ideologie Nicht nur das ausdrückliche Anreizen zum Rassenhass, sondern auch die sonstige Verherrlichung und Verharmlosung der NS-Ideologie oder eine Leugnung des NS-Unrechtes kann nach der Spruchpraxis der Bundesprüfstelle zur Indizierung des Mediums führen. Entsprechende Inhalte stehen im Verdacht, Demokratiefeindlichkeit und eine Missachtung von Elementargrundrechten zu fördern513. Gerade Musik als „Freizeitbeschäftigung Nr. 1“ bietet einen idealen Anknüpfungspunkt, um mit rechtsradikalem Gedankengut an Kinder und Jugendliche „heranzukommen“514. Staat und Gesellschaft haben aber in der wehrhaften Demokratie ein natürliches Interesse daran, dass diese subversiven Unwerte bei Kindern und Jugendlichen keinen Anklang finden. 509

BPjME-Nr. 5191 (07.08.2003, CD „Krebskolonie“), S. 14. BPjME-Nr. 5290 (12.05.2005, CD „AGGRO Ansage Nr. 2“), S. 21; BPjMENr. 5288 (12.05.2005, CD „King of Kingz“), S. 23; BPjME-Nr. 5229 (04.03.2004, Internet-Angebot „Nackt und gefesselt“), S. 9; BPjME-Nr. 5222 (05.02.2004, Internet-Angebot „Bondagebabes“), S. 6; BPjME-Nr. 5204 (06.11.2003, CD „Der Untermensch mit Namen Christ“), S. 15; BPjME-Nr. 5190 (07.08.2003, Magazin „Teeny Girl“, 2/03), S. 3. 511 BPjME-Nr. 6952 (V) (19.05.2005, DVD „Freez’er“), S. 4. 512 BPjME-Nr. 6459 (V) (04.07.2003, Videofilm „Jahr 2039 – Sex Inferno“), S. 6. 513 BVerfGE 90, S. 19; Scholz/Liesching, § 18 Rn. 22; Ukrow, S. 149 Rn. 285. 514 Brunner, BPjM-Aktuell 1/2007, S. 13; ähnlich: BGH-Entscheidung vom 10.03.2005 – 3 StR 233/04; Bochmann, BPjM-Aktuell 2/2006, S. 9. 510

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

Im Gegensatz zu einer kritischen historischen Aufarbeitung relativiert die Verharmlosung geschichtliche Gegebenheiten. Die Verherrlichung wertet das Unrecht des NS-Regimes auf oder verzerrt den Kontext historischer Abläufe. Hier besteht die Befürchtung, dass entsprechende Darstellungen und Abhandlungen das Weltbild von Kindern und Jugendlichen manipulieren können. Allerdings ist auch zu beachten, dass der demokratische Staat grundsätzlich auf eine offene Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen Meinungen setzt. Er vertraut darauf, dass sich einseitige „auf Verfälschung von Tatsachen beruhende Auffassungen (. . .) nicht durchsetzen können“515. Sollen sich Kinder und Jugendliche zu mündigen Bürgern entwickeln, darf die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Meinungen und mit der jüngeren Geschichte deshalb nur im Ausnahmefall unterbunden werden516. Diesen Gesichtspunkten ist auf der Ebene des Ausgleichs des Jugendschutzes mit Meinungs- und Kunstfreiheit Rechnung zu tragen517. Durch § 15 Abs. 2 Nr. 1–3 JuSchG und die einschlägigen Strafnormen der §§ 86, 130 StGB werden die besonders extremen Versuche der Geschichtsklitterung (wie die Holocaust-Leugnung) auch ohne förmliches Verfahren als jugendgefährdend erfasst. Über das insoweit rein deklaratorische Indizierungsrecht hinaus verbleiben im Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1 JuSchG Relativierungen und Preisungen, die unterhalb der Strafrechtsrelevanz liegen. Hier kommen in Betracht: die weniger gravierende, aber doch nicht unerhebliche Reduzierung von Opferzahlen518; die Glorifizierung und Märtyrisierung Adolf Hitlers, Rudolf Heß’ und anderer Nazi-Schergen519 – soweit damit nicht schon gleichzeitig eine Relativierung von Kapitalverbrechen und Völkermord einhergeht; das In-Frage-Stellen von historischen Sachzusammenhängen und Verantwortlichkeiten (insbesondere durch dubiose „Verschwörungstheorien“)520; ferner subtile (auch romanartige) Indoktrinierungsversuche mit den Leitbildern des nationalsozialistischen Führerstaates wie absolutem Gehorsam oder nationalsozialistischer Vaterlandstreue bis in den 515

BVerfGE 90, S. 20. Ebenda, S. 21; vgl. auch Schulz/Korte, ZUM 02, S. 720. 517 Dazu noch ausführlich unter II. 4. d). 518 BPjME-Nr. 5286 (12.05.2005, Buch „Deutschland – Schrift für idealistische Ordnung“), S. 5; BPjME 5240 (03.06.2004, CD „Status Quo Germania“), S. 11; BPjME-Nr. 5238 (03.06.2004, CD „Kämpfen und Siegen“), S. 12. 519 BPjME-Nr. 5269 (06.01.2005, CD „Und ewig lebt das Reich“), S. 14; BPjME-Nr. 5230 (01.04.2004, CD „Wer nichts zu verlieren hat, kann nur gewinnen“), S. 23. 520 BPjME-Nr. 5250 (07.10.2004, CD „Gefangen im System“), S. 11. 516

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Tod521. An der Grenze zur strafrechtlich relevanten Volksverhetzung bewegen sich Darstellungen, die die Waffen-SS als „Avantgarde der Europaidee“ hinstellen oder den Einfall in Russland als „Opfergang zur Rettung Europas“ mystifizieren522. Praktisch eng verknüpft mit dem Anreizen zum Rassenhass ist das Herausstellen einer vermeintlichen Überlegenheit der arischen Rasse. Die Bundesprüfstelle hat solche Inhalte als jugendgefährdend eingestuft, wenn sie einen regelrechten „Blutkult“ zelebrieren oder gar den Weltbeherrschungsanspruch der arischen Rasse betonen523. Medien, die zentrale Verfassungsfundamente wie Völkerverständigung, Friedenssicherung und internationale Kooperation im Sinne der Art. 25 und 26 GG aus der Warte der NS-Doktrin in Frage stellen, werden ebenfalls als jugendgefährdend angesehen524. cc) Verstöße gegen das Toleranzgebot Unbeschadet strafrechtlicher Sanktion sind grobe Verstöße gegen das Toleranzgebot des Art. 3 GG jugendgefährdend525. Damit werden Inhalte angesprochen, die soziale oder religiöse Gruppen übel beleidigen, verleumden oder auf sonstige Weise diskreditieren. In der Praxis wurden bisher vor allem rechtsgerichtete Tonträger indiziert. Sie richteten sich gegen „Behinderte“ und „Obdachlose“526, „Homosexuelle“527 oder „Linke“528. Häufig 521 Wegen Verherrlichung der NS-Ideologie wurden in diesem Zusammenhang z. B. indiziert: BPjME-Nr. 5279 (03.03.2005, Internet-Angebot: www.Unglaublich keiten), S. 9; BPjME-Nr. 5227 (04.03.2004, CD „Frühwerk – Edition Teil 1 – zensiert – „), S. 8; BPjME-Nr. 5226 (04.03.2004, CD „Schwarzer Orden“), S. 11; BPjME-Nr. 5210 (04.12.2003, CD „Der Untergang hat begonnen“), S. 11; BPjME-Nr. 5202 (02.10.2003, CD „Außer Kontrolle“), S. 3. 522 BPjSE-Nr. 714 (06.05.1960, Druckschrift „Trotzdem“), S. 8. 523 BPjME-Nr. 5281 (03.03.2005, CD „Michael – Wie stark der Feind auch sei“), S. 16; BPjME-Nr. 5202 (02.10.2003, CD „Deutsche Kameraden“), S. 4; BPjME-Nr. 5194 (07.08.2003, CD „Außer Kontrolle“), S. 3. 524 BVerwGE 28, S. 61; BGHSt 13, S. 27; Ukrow, S. 150 Rn. 286. 525 Scholz/Liesching, § 18 Rn. 21. 526 BPjME-Nr. 5278 (03.03.2005, CD „Einstand“), S. 10. 527 BPjME-Nr. 5285 (14.04.2005, CD „My Crew, My Dawgs“), S. 16 – trotz indizierungsfähigen Inhaltes sah die BPjM von einer Aufnahme in die Liste der jugendgefährdenden Medien ab, weil die CD in ihrer gegenständlichen Form vom Markt genommen wurde; BPjME-Nr. 5238 (03.06.2004, CD „Kämpfen und Siegen“), S. 11; BPjME-Nr. 5226 (04.03.2004, CD „Schwarzer Orden“), S. 12. 528 BPjME-Nr. 5254 (07.10.2004, CD „Die Lunikoff Verschwörung – Die Rückkehr des Unbegreiflichen“), S. 11; BPjME-Nr. 5245 (02.09.2004, CD „Germania über alles“), S. 15.

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sind es auch pauschal „Ausländer“, die verächtlich gemacht oder kriminalisiert werden529. Seltener ist die Diskreditierung religiöser Bekenntnisse530. Dagegen häufen sich seit den letzten drei Jahren Hip-Hop-Tonträger, die frauenfeindliche Inhalte nach außen tragen531. Es bleibt abzuwarten, wie sich dieser Trend weiterentwickelt532. dd) Kriegsverharmlosende und -relativierende Medien Medien, die den Krieg verherrlichen, sind nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 JuSchG automatisch indiziert. Entgegen einer weitverbreiteten Ansicht reicht der Begriff der Verherrlichung jedoch nicht so weit, dass auch kriegsverharmlosende und kriegsrelativierende Medien miterfasst wären533. Es ist allerdings denkbar, dass durch solche Verharmlosungen das Bewusstsein der jungen Leute für menschliches Leid im Zusammenhang mit kriegerischen Auseinandersetzungen verloren geht. Deshalb ist es grundsätzlich legitim, wenn die Bundesprüfstelle grob kriegsrelativierende Medien als möglicherweise jugendgefährdend erachtet. Auf den Realitätsbezug der Kriegsdarstellungen (zu tatsächlichen politischen oder sonstigen zwischenstaatlichen Konflikten) kommt es im Grundsatz nicht an. Denn maßgeblich ist zunächst die verharmlosende Aussage an sich534. Allerdings ist die Annahme einer Jugendgefährdungseignung umso wahrscheinlicher, je mehr die Darstellung Identifikationsmöglichkeiten schafft. Da zu diesen auch die Einbettung in das aktuelle Tages- und Zeitgeschehen zählt, kann der Realität der Bezüge für das Jugendgefährdungsurteil durchaus Bedeutung zukommen535. 529 BPjME-Nr. 5242 (08.07.2004, CD „Fanatiker“), S. 15; BPjME-Nr. 5181 (08.05.2003, Flugblatt, „Antrag auf bundesdeutsches Asyl“), S. 3. 530 BPjME-Nr. 5204 (06.11.2003, CD „Der Untermensch mit Namen Christ“), S. 16. 531 BPjME-Nr. 5290 (12.5.2005, CD „AGGRO Ansage Nr. 2“), S. 19; BPjMENr. 5288 (12.05.2005, CD „King of Kingz“), S. 25; vgl. dazu auch „Die Härte der Texte und die Härte der Nazis – „Papa, du weißt doch, das ist nur ein Lied“: Ein Gespräch zwischen Rappern über Gewalt, Sex und Nationalismus in der deutschen Hip-Hop-Szene“, Süddeutsche Zeitung Nr. 146 (28.06.2005), S. 13; ZDF „Heute Journal“, Sendung vom 11.07.2005, Beitrag über „Bushido“. 532 Frauendiskriminierende Medieninhalte werden von der Bundesprüfstelle häufig auch als unsittlich subsumiert, wenn ein entsprechender Bezug zu ihrer sexuellen Rolle besteht, vgl. BPjME-Nr. 6951 (V) (03.05.2005, Wochenzeitung „Wochenspiegel Saarbrücken“, Jahrgang 47 Nr. 6), S. 4. 533 Ausführliche Erörterungen hierzu folgen unter IV. 2. f). 534 Scholz/Liesching, § 15 Rn. 28. 535 BPjME-Nr. VA 1/03 (25.02.2003, Computerspiel „Command & Conquer – Generals“),S. 4; a. A. wohl Scholz/Liesching, § 15 Rn. 28.

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Eine Kriegsrelativierung wird in der Spruchpraxis der Bundesprüfstelle angenommen, wenn das Kriegsgreuel in PC-Spielen zum fiktionalen Grafikspektakel verkommt, in dem Giftgaswolken oder Milzbrandbomben als „hübsch anzusehendes“, leuchtendes Farbspektakel inszeniert werden und durch reißerische Musik unterlegt sind536. Ferner kann eine besonders menschenverachtende Haltung gegenüber Nicht-Kombattanten sowie der spielerische Einsatz von Massenvernichtungswaffen neben verrohenden auch kriegsverharmlosende Tendenzen fördern. Das gilt jedenfalls dann, wenn perfide kriegerische Auslöschungsinstrumentarien vom Spieler als strategisches Mittel akzeptiert werden sollen, um möglichst viele gegnerische Einheiten oder Gebäude zu zerstören, ohne dass Raum dafür bleibt, über den realen Hintergrund dieser Waffen zu reflektieren537. Noch größer ist das Risiko einer Jugendgefährdung, soweit das kriegerische Zerstören und Töten spielerisch eingeübt und vom Programm belobigt wird, während die friedfertige (mögliche) Konfliktlösung zu Tadel und Degradierung führt538. Eine relevante Verharmlosung liegt auch vor, wenn der Krieg als einzigartiges, romantisches Abenteuer erscheint, in dem sich heroische männliche Tugenden in Anerkennung und Ruhm verewigen539. Nicht geteilt werden kann dagegen die Ansicht der Bundesprüfstelle, es stehe grundsätzlich eine jugendgefährdende Wirkung zu vermuten, wenn zwar Tote und Verwundete beklagt würden, diese Schilderungen aber „knapp, zurückhaltend und unpersönlich“ erfolgten540. Denn in diesem Fall werden die Leiden des Krieges ja nicht völlig ausgeblendet. Auch würde es angesichts der erheblichen Folgewirkungen die Grenze der Verhältnismäßigkeit überschreiten, eine Jugendgefährdung auf die (rein subjektiv empfundene) fehlende Intensität zu gründen, zumal es nicht möglich scheint, hierfür verobjektivierbare Kriterien zu entwickeln. Dann aber näherte sich die Spruchpraxis der Bundesprüfstelle einer beliebigen Geschmackszensur an, was unbedingt unterbunden werden muss541.

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Ebenda, S. 7. Ebenda, S. 7. 538 BPjSE-Nr. 4132 (06.06.1991, Computerspiel „Wings Comp.“), S. 5. 539 Z. B. BPjSE-Nr. 3039 (02.04.1981, Heft „Der Landser – Die Schlacht von Avranches“), S. 16; BPjSE-Nr. 714 (06.05.1960, Druckschrift „Trotzdem“), S. 9. 540 BPjSE-Nr. 3099 (02.04.1981, Heft „Der Landser – Die Schlacht von Avanches“), S. 19. 541 Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung aus einem anderen Grund aufgehoben: Die Würdigung stelle ein „eklatantes Fehlurteil“ dar, denn „die Kriegsdarstellung der Schrift lasse nicht den geringsten Zweifel daran, dass sich die betroffenen Soldaten in einer schrecklichen, ausweglosen Situation befunden (. . .) hätten.“, vgl. BVerwG NJW 87, S. 1434. 537

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ee) Anleitungen zum Beischlaf mit Verwandten Große Aufmerksamkeit hat Mitte der 80er Jahre eine Indizierungs-Entscheidung gegen das Lied „Die Geschwisterliebe“ der Berliner PunkRock-Band „Die Ärzte“ erfahren. Der Song wurde für jugendgefährdend befunden, weil er nach Ansicht des 12er-Gremiums der Bundesprüfstelle den strafbewehrten Beischlaf unter Verwandten verherrlichte und propagierte: Der Titel vermittle die Botschaft, „Geschwisterliebe sei „in“ und vorteilhaft; es sei fortschrittlich, sich über die Verbotsbestimmungen hinwegzusetzen oder sie lächerlich zu machen“542. Einen Antrag des Plattenlabels auf Listenstreichung hat die Bundesprüfstelle im Dezember 2004 mit der zusätzlichen Begründung zurückgewiesen, der Text zeichne das falsche Bild, „Missbrauch innerhalb der Familie (sei) als „normal“ zu bewerten“ und könne daher „Wegbereiter für erfolgreiche sexuell motivierte Übergriffe sein“543. Zumindest die zuletzt ergangene Entscheidung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Denn sie weist den auch für Kinder und Jugendliche erkennbar ironischen gehaltenen, zweideutigen Textpassagen eindeutig negative, teilweise sachlich schlicht unrichtige Aussageinhalte zu544. Allerdings unterliegt es grundsätzlich keinen Bedenken, wenn die Bundesprüfstelle Medien als jugendgefährdend ansieht, die (genetische) Risiken des interfamiliären Geschlechtsverkehrs eindeutig ausblenden und gleichzeitig den strafbewehrten Beischlaf mit Verwandten glorifizieren. ff) Verherrlichung und Verharmlosung von Suchtmitteln Übergehen Medien erwiesene Risiken von Betäubungsmitteln und anderen Suchtmitteln oder fordern sie direkt zum aktiven Konsum solcher Stoffe 542

Zitiert nach: BPjME-Nr. 5265 (02.12.2004, CD „Die Ärzte ab 18“), S. 7. BPjME-Nr. 5265 (02.12.2004, CD „Die Ärzte ab 18“), S. 7. 544 Der „Missbrauch“ innerhalb der Familie wird z. B. keineswegs als „normal“ bewertet. Denn der Bruder wartet gerade, bis die Eltern aus dem Haus sind, bevor er die Schwester verführt, weil sie „dagegen“ wären. Die Initiative zum Beischlaf geht zudem zwar vom Bruder aus, der davon spricht, die 14 jährige Schwester „flach“ legen zu wollen. Allerdings unterstellt die Prüfstelle zu Unrecht ein gewaltsames Vorgehen. Es gibt auch Anhaltspunkte dafür, dass das Beisammensein im Konsens vonstatten geht. Denn die Schwester kommt zum Höhepunkt und ist noch „Stunden später (. . .) erregt“. Zweifelhaft ist schließlich, ob der Bruder – wie von der Bundesprüfstelle unterstellt – tatsächlich als „offenbar älter“ angesehen werden kann, denn er hat mit der Schwester zusammen „im Sandkasten“ gespielt. Eindeutig ist nur, dass Bruder und Schwester den Beischlaf vollzogen haben. Die Überhöhung dieses – angesichts des nicht eindeutig zutage tretenden Missbrauchs beiderseits! – strafbewehrten Tuns ist aber durch sprachliche Verzerrungen (z. B. „Jaaaa!“) als Ironie ausreichend erkennbar. 543

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auf, kann darin ebenfalls eine Jugendgefährdung zu erblicken sein545. Das gilt uneingeschränkt für Stoffe, die schon in geringer Dosis oder bei mäßigem Konsum zu schweren Intoxikationen mit Organ-, Nerven- oder Muskelschäden bzw. körperlicher Abhängigkeit führen können546. Letztere Sachverhalte dürften allerdings schon zu den seltenen Anwendungsfällen offensichtlich schwerer Jugendgefährdung nach § 15 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG gehören, soweit man die Norm als verfassungsgemäß erachtet547. In der Vergangenheit hatte es die Bundesprüfstelle meist mit Medien zu tun, die einen liberalen Umgang mit Cannabis-Produkten postulierten. Die Besonderheit dieser Fallgruppe besteht darin, dass Cannabinoide allenfalls eine psychische, jedoch keine körperliche Abhängigkeit erzeugen und damit in ihrer Gefährlichkeit unterhalb anderer gesellschaftsfähiger Rauschmittel wie Alkohol liegen. Sie sind nach dem heutigen Stand der Wissenschaft darüber hinaus nicht als Einstiegsdrogen zu betrachten548. Gleichwohl hat die Bundesprüfstelle Medien, die Anbauhinweise zur Kultivierung der Hanfpflanze und „Tipps“ zur Gewinnung des Wirkstoffes THC549 enthielten, indiziert550. Hier spielt der Umstand mitein, dass bei aller berechtigten Relativierung der Konsumfolgen von Cannabis-Produkten eine psychische AbhängigkeitsWirkung der Droge bei Regelkonsum nicht zu bestreiten ist551. Im Übrigen ist der Handel mit Cannabis-Produkten sowie deren Anbau strafrechtlich untersagt552. Soweit darin eine Ungleichbehandlung mit gefährlicheren Drogen wie etwa Alkohol festzuhalten bleibt, hat das BVerfG diese gebilligt und darüber hinaus ein allgemeines „Recht auf Rausch“ zurückgewiesen553. Illegitim wäre es allerdings, freigabeorientierte Medien lediglich wegen ihres Tenors als jugendgefährdend zu erachten. Soweit das Für und Wider sachlich und unverstellt wiedergegeben wird, sind diese Medien der Infor545 BPjME-Nr. 5263 (02.12.2004, Magazin „Grass Times“, Nr. 8/2004), S. 3; Scholz/Liesching, § 18 Rn. 27; Ukrow, S. 152 Rn. 290; Nikles, § 18 Rn. 6. 546 Beispiele: Heroin, Crack bzw. Speed, Kokain, LSD, Mescalin und auch hochprozentiger Alkohol. 547 Vgl. dazu noch näher unten IV. 2. i) dd). 548 BVerfGE 90, S. 145 f. m. w. N. 549 THC steht für den Wirkstoff Tetrahydrocanabinol, vgl. dazu BVerfGE 90, S. 145 f. 550 Vgl. z. B. BPjSE-Nr. 3289 (13.01.1983, Buch „Marijuana Grower’s Guide“), S. 3 f. Und BPjSE-Nr. 3194 (22.04.1982, Buch „Das Handbuch für den Selbstanbau“), S. 3 f. 551 BVerfGE 90, S. 145 f. m. w. N. 552 Vgl. §§ 29–30 b, 1 BtMG i. V. m. Anlage 1 (zu § 1 Abs. 1 BtMG – nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel). 553 BVerfGE 90, S. 145 (Ls 1. a).

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mation und Meinungsbildung förderlich und begünstigen keine Desorientierung von Kindern und Jugendlichen. Das gilt auch für eine Infragestellung und Verurteilung der geltenden Gesetzeslage554. Hinzutreten muss für eine Jugendgefährdung die bedenkliche Realitätsferne in der positiven Bewertung, also das – bewusste oder unbeabsichtigte – Verzerren wirkungsrelevanter Fakten555. gg) Medien mit selbstzerstörerischer Tendenz Schließlich hat die Bundesprüfstelle Medien indiziert, die Anleitungen zum Suizid enthielten oder den Selbstmord propagierten556. Berücksichtigt man, dass auf dem Boden der sozialen Lerntheorie auch suizidales Verhalten theoretisch erlernbar ist, begegnet diese Spruchpraxis auf den ersten Blick keinen Bedenken, wenn Medien den Selbstmord zur verlockenden Option erheben, um alle Probleme mit „einem Schlag“ zu beenden. Allerdings besitzen durchschnittliche Jugendliche auch einen gesunden Selbsterhaltungstrieb. Ein realistisches Gefährdungspotential wird also eher für pathogene Risikogruppen bestehen, die ja nach der hier vertretenen Auffassung gerade nicht Maßstab der Indizierung sein können. Abgestellt werden muss daher auf eine mögliche Schilderung oder Anleitung zur „Umfeldkriminalität“ des Suizids. Ist der (versuchte) Selbstmord an sich auch ohne strafrechtliche Sanktion, so bleibt die Strafbewehrung von Rezeptfälschungen und Betäubungsmittelhandel oder ggf. auch Drogenkonsum im Vorfeld. Vermitteln Medien regelrechte Anleitungen zu kriminellen Vorbereitungshandlungen, können Sie als jugendgefährdend indiziert werden. Denn diese „Ratschläge“ werden unter Umständen auch von der suizidalen Endhandlung entkoppelt verwertet, z. B. um an Rauschgift im Allgemeinen zu gelangen. Nicht indizierungsfähig sind generell sachlich gehaltene Darstellungen, die in Bezug auf die Strafwürdigkeit oder Straflosigkeit des Suizids oder den gesellschaftlichen Umgang mit praktiziertem Selbstmord eine spezifische Haltung einnehmen557. Weiterhin werden Medien als jugendgefährdend angesehen, welche Anreize für den realen Amoklauf setzen. Nach Auffassung der Bundesprüfstelle ist dies der Fall, wenn Gewalt an alltäglichen Orten wie einem Museum oder einem Hafen ausgeübt wird und sich der Realitätsbezug durch 554

BPjSE 4683 (05.06.1997, Zeitschrift „Grow!“, Ausgaben 1–5/96), S. 4. BPjME-Nr. 5263 (02.12.2004, „Grass Times“, Nr. 8/2004), S. 3; Ukrow, S. 153 Rn. 291. 556 BPjSE-Nr. 3692 (15.01.1987, Buch „Triologie vom Tod, Nr. 1, Selbstmord“), S. 5. 557 Bauer, JZ 67, S. 168. 555

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die Möglichkeit, gewöhnliche „Gegenstände wie Glasflaschen, Schraubenschlüssel oder Baseballschläger als Mordinstrumente zu verwenden, verstärkt“558. Allerdings ist es für eine derartige Bewertung notwendig, dass die gezeigten Gewaltakte verherrlicht und eingefordert, in ihrer Wirkung verzerrt oder als alltäglich dargestellt werden559. Soweit die Gewaltakte in einem virtuellen Umfeld (z. B. Computerspiele) selbstzweckhaft inszeniert sind, kann ggf. auch der neu geschaffene § 18. Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JuSchG unmittelbar einschlägig sein. g) Indizierungsinhalte und Medientypus Je nach dem, welches Medium zur Prüfung vorgelegt wird, unterscheiden sich die Prüfungsschwerpunkte bei der Indizierung: Computerspiele werden beinahe ausschließlich wegen drastischer Gewaltdarstellungen beanstandet. Im Musikbereich (CDs, MDs, Musik-Videos, Musik-DVDs) geht es fast immer um rechtsextremistische Inhalte und bei Internet-Angeboten beziehen sich die Prüfungen zu etwa 80 Prozent auf Pornographie560. Es ist jedoch gerade im Online-Bereich eine Schwerpunktverlagerung zu erwarten. Schon jetzt gibt es immer mehr Computerspiele, die online angeboten oder vertrieben werden. Da dieser Trend anhalten dürfte, wird sich wohl auch der Anteil gewalthaltiger Internet-Angebote perspektivisch signifikant erhöhen. h) Gefährdungsabstufungen Obwohl schon fraglich ist, ob von Medien überhaupt eine gefährliche Wirkung für Kinder und Jugendliche ausgehen kann und obwohl damit zwangsläufig auch die Kriterien für eine solche Jugendgefährdung auf unbewiesenen Annahmen beruhen, unterscheidet das Indizierungsrecht verschiedene Grade der Jugendgefährdung: Differenziert wird zwischen einfacher und bestimmter schwerer Jugendgefährdung sowie dem Grad der Evidenz bei der Gefährdung. Im Rahmen der „einfachen“ Jugendgefährdung nach § 18 Abs. 1 JuSchG kann es eine Rolle spielen, wie offensichtlich die Jugendgefährdung ist. Liegt sie klar auf der Hand, kann die Indizierung im vereinfachten Verfahren (§ 23 Abs. 1 JuSchG) ausgesprochen werden. Daher prüft die Leiterin der Bundesprüfstelle bei jedem Objekt nicht nur vorab, ob überhaupt eine Jugendgefährdung denkbar ist, sondern sie 558 BPjME-Nr. 6956 (V) (11.05.2005, Computerspiel „The Punisher“, US-Vollversion), S. 7. 559 Das verfahrensgegenständliche Prüfobjekt (vgl. Fn. 951) erfüllte diese zusätzlichen Bedingungen. Die Entscheidung ist deshalb nicht zu beanstanden. 560 Meier, BPjM-Aktuell 4/2005, S. 11.

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hinterfragt auch, wie offensichtlich diese ist. Von einer klar auf der Hand liegenden Jugendgefährdung kann die Vorsitzende ausgehen, wenn eine Indizierung des Mediums nach den aktuellen Bewertungsmaßstäben und der gegenwärtigen Spruchpraxis der Bundesprüfstelle sicher erfolgen würde561. Auf eine besondere Schwere der Gefährdung kommt es nicht an. Allein die Evidenz der einfachen Gefährdung ist entscheidend. Selbstverständlich entscheidet aber letztlich nicht die Vorsitzende der Bundesprüfstelle darüber, ob eine Jugendgefährdung vorliegt, sondern das 3er-Gremium unter Leitung der Vorsitzenden. Da positive Entscheidungen nur einstimmig ergehen können und ein Beisitzer aus den Reihen der Bild- und Tonträger-Industrie stammen muss, ist einem verfahrensrechtlichen Missbrauch schon strukturell entgegengewirkt. Legt der Betroffene Widerspruch gegen die Entscheidung des 3er-Gremiums ein, muss die Sache im 12er-Gremium neu behandelt werden. 4. Der Tendenzschutz Mit der Feststellung einer möglichen Jugendgefährdung ist die Prüfung der Bundesprüfstelle noch nicht beendet. Denn die Indizierung von Medien hat verwaltungs- und verfassungsrechtliche Grenzen. Die wichtigsten formuliert § 18 Abs. 3 JuSchG. Darin findet sich eine inhaltliche Privilegierung für Medien, die der Kunst, Wissenschaft bzw. Forschung und Lehre dienen oder die im öffentlichen Interesse liegen. Ein Medium darf auch nicht allein wegen seines politischen, sozialen, religiösen oder weltanschaulichen Inhaltes indiziert werden. a) Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre Der besondere Tendenzschutz von Medien, die der Kunst, Wissenschaft, Forschung oder Lehre dienen, hat im Prüfalltag der Bundesprüfstelle die praktisch größte Bedeutung. Er soll daher entgegen der gesetzlichen Reihenfolge als Erstes erörtert werden. § 18 Abs. 3 Nr. 2 JuSchG ist wortgleich aus dem alten Recht (§ 1 Abs. 2 GjS(M) a. F.) übernommen worden. Die Norm wirft – damals wie heute – Auslegungsschwierigkeiten auf. Fraglich ist einmal, ob die Leitbegriffe der Tendenzklausel – also: Kunst, Wissenschaft, Forschung oder Lehre – identisch mit den Grundrechtsfreiheiten sind oder ob sich aus dem Wortlaut, der Gesetzesgenese und dem Telos der Norm eine eigenständige jugendschutzrechtliche Bedeutung dieser Tatbestandsmerkmale erhellt. Offen bleibt darüber hinaus, wann ein Medium 561 Vgl. dazu im alten Recht schon OVG Münster, NWVBl 97, S. 396. Ähnlich auch Scholz/Liesching, § 23 Abs. 2; Ukrow, S. 286 Rn. 568.

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den gestalterischen Freiheiten „dient“ und in welchem Verhältnis der Jugendschutz zu diesen Freiheiten steht. aa) Der Ausgleich von Kunst und Jugendschutz in der Rechtsprechung Die Gerichte haben sich mit der Auslegung der Freiheitsbegriffe im Tendenzschutz des § 1 Abs. 2, 2. Alt. GjS a. F. (jetzt: § 18 Abs. 3 Nr. 2, 1. Alt. JuSchG) und ihrer Reichweite schwer getan. Das dokumentiert eine recht wechselvolle Judikatur562. (1) Kunstschutz geht vor Jugendschutz Der Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 2 GjS lässt sich entnehmen, dass „der Gesetzgeber die Freiheit der Kunst und der Wissenschaft [ursprünglich] höher bewertet hat als den Schutz der Jugendlichen“563. Der V. Senat des Bundesverwaltungsgerichtes schloss daraus jedoch nicht, dass der Kunstbegriff des Jugendschutzrechtes gegenüber dem verfassungsrechtlichen Kunstverständnis in Art. 5 Abs. 3 GG erweitert sei. Dieser Überlegung stehe entgegen, „dass dann Romane grundsätzlich nicht indiziert werden dürften“564. Nach Wortlaut und Telos der Norm müsse nämlich ohne Weiteres dem Kunstschutz der Vorrang vor dem Jugendschutz eingeräumt werden, wenn tatsächlich ein Kunstwerk vorliege. Diese „Güterabwägung zwischen Jugendschutz und Kunstfreiheit (. . .) [habe] der Gesetzgeber selbst vorgenommen“565. Das hält der Senat auch für verfassungsrechtlich unbedenklich: „Denn der Gesetzgeber (. . .) war, auch wenn etwa das Grundgesetz dem Jugendschutz vor der Freiheit von Kunst (. . .) den Vorrang gegeben haben sollte, nicht verpflichtet, aus einem derartigen Vorrang auch für die Indizierung (. . .) Folgerungen zu ziehen, zumal eine Indizierung (. . .) in das grundrechtlich geschützte Informationsrecht der Erwachsenen eingreift“566. Allerdings betont BVerwGE 25, S. 328, dass es sich bei einer allgemeinen Ausweitung des Kunstbegriffes auf anspruchslose Literatur (so wie dies im heutigen Verfassungsrecht auf der Grundlage eines „offenen Kunst562 Ausführliche Zusammenstellungen der Judikatur finden sich u. a. bei: Würkner, S. 7 f.; derselbe, NVwZ 92, S. 2 f.; Beisel, S. 249 f.; Redeker, NJW 95, S. 2145 f.; Kuner, AfP 91, S. 385 f. 563 BT-Drcks. 1/1101, S. 11. 564 BVerwGE 23, S. 107 (verfahrensgegenständlich war die Indizierung des Romans „Fanny Hill“). 565 BVerwGE 23, S. 110. 566 BVerwGE 23, S. 120.

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begriffes“ der Fall ist567) gerade „nicht rechtfertigen [ließe], dass (. . .) der Jugendschutz in jedem Falle hinter dem Kunstschutz zurückzutreten [habe].“ Um in den Genuss der Privilegierung zu gelangen, müsse daher eine gewisse ästhetische Qualität und ein geistig-seelischer Gehalt der Werke bestehen. „Anspruchslose Unterhaltungsliteratur“ werde nicht erfasst568. (2) Niveauvolle Kunst geht vor Jugendschutz Wesentlich schärfere Voraussetzungen für ein „dienendes Kunstwerk“ formuliert das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 16. Dezember 1971569. Der Grundsatz „Kunstschutz geht vor Jugendschutz“ gelte entgegen der vorangegangen Rechtsprechung nicht uneingeschränkt. Das ergebe sich aus dem Wort „dient“ in § 1 Abs. 2 Nr. 2 GjS: Denn darin bringe der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass nicht jedes Ergebnis künstlerischen Bemühens dem Jugendschutz schlechthin vorgeht, sondern nur ein solches, das ein bestimmtes Maß an künstlerischem Niveau besitzt. Dies beurteile sich nicht allein nach ästhetischen Kriterien und damit danach, ob überhaupt Kunst im verfassungsrechtlichen Sinne vorliege. Entscheidend sei auch das Gewicht, das das Kunstwerk für die pluralistische Gesellschaft nach deren Vorstellungen über die Funktion der Kunst habe. Kunstwerke, die dem nicht genügten, könnten gegenüber den Erfordernissen des Jugendschutzes keinen Vorrang beanspruchen570. (3) Schutzabstufungen nach dem Grad der Gefährdung Von diesem Niveau-Kriterium nahm das Gericht nach harscher Urteilskritik571 in seinem Urteil zur Indizierung des Romans „Josefine Mutzenbacher“ wieder Abstand. Der Kunstschutz des § 1 Abs. 2 Nr. 2 GjS572 sei wertneutral und entspreche den grundrechtlichen Gewährleistungen. Dabei müsse der neu entwickelte (offene) Kunstbegriff des Bundesverfassungsgerichtes 567

Vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel 5, II. 1. BVerwGE 23, S. 108. 569 BVerwGE 39, S. 197 f. (dabei ging es um die Indizierung einer Ausgabe des Magazins „Stern“). 570 BVerwGE 39, S. 207. 571 BVerwGE 77, S. 82 (ohne weitere Nachweise); Kritik findet sich z. B. bei Erbel, DVBl 73, S. 532: „Gesetzesumgehung auf Verfassungsebene“; derselbe in ZUM 85, S. 293 „höchst problematisch“; Schmidt-Salzer, DVBl 72, S. 304 f.: „Negativer Markstein“. Selbst Bachof, der das Urteil als „Sensation“ bezeichnet, sieht an diesem Punkt der Argumentation die „Gefahr eines Zirkelschlusses“, vgl. JZ 72, S. 209; „Bedenken“ äußert auch Würkner, S. 10. 572 Jetzt: § 18 Abs. 3 Nr. 2, 1. Alt. JuSchG. 568

Kap. 11: Indizierungsgründe

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zugrunde gelegt werden573. Wenn allerdings der Jugendschutz ein gleichrangiges Verfassungsgut sei, so komme dem Staat zumindest bei schwer jugendgefährdenden Medien574 die Verpflichtung zu, Kinder und Jugendliche mit der Indizierung zu schützen. Die „durch Nichtanwendung der Verbote (. . .) bewirkte Preisgabe jenes verfassungsrechtlichen Gutes wäre der Werteordnung des Grundgesetzes noch mehr zuwider als der mit der Indizierung verbundene Eingriff in die Kunstfreiheit“575. Deshalb müssten Schriften, die schwer jugendgefährdend seien, unabhängig von ihrem Charakter als Kunstwerk, regelmäßig in die Liste der jugendgefährdenden Schriften aufgenommen werden. Der Kunstvorbehalt greife hier also nicht. Dies belege auch der Umstand, dass die Vorschrift des § 6 GjS576 nicht mit einem Kunstvorbehalt versehen sei. Dagegen gebühre „bei „schlicht“ jugendgefährdenden Schriften (. . .) dem Kunstschutz Vorrang vor dem Jugendschutz“577. (4) Kein Privilegierungs-Ausschluss Diesem Rechtsverständnis trat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 27.11.1990578 – ebenfalls zur Indizierung des Romans „Josefine Mutzenbacher“ – entgegen. Die Richter betonten, Gesetzgeber, Gerichte und Bundesprüfstelle dürften auch beim Vorliegen besonders schwerer Jugendgefährdung keinen generellen Vorrang des Jugendschutzes unterstellen. Das Grundrecht der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG erfordere vielmehr eine mögliche Ausweitung der Privilegierung auch auf schwer jugendgefährdende Prüfungsobjekte, wenn diese das Kunstmerkmal realisierten. In diesem Zusammenhang sei zu betonen, dass sich insbesondere Kunst und Pornographie nicht denknotwendig ausschlössen. Die bestehende Kollision der gleichwertigen Verfassungsgüter Kunst und Jugendschutz müsse durch sorgsame Abwägung und einen schonenden Interessenausgleich im Einzelfall aufgelöst werden579. Dabei sei ein Überwiegen des Kunstschutzes selbst bei schwerer Jugendgefährdung nicht auszuschließen. Dieser verfassungsrechtlichen Vorgabe könne die systematische Verortung des Tendenzschutzes in § 1 Abs. 2 Nr. 2 GjS – allein bei der „einfachen“ Indizierung – nicht entgegenstehen. „Wortlaut und Systematik (stritten) nicht so eindeutig in die nach dem Grundgesetz abzulehnende Richtung, 573

Ebenda; vgl. auch: BVerwGE 91, S. 214. Rassenhetzerische, gewaltverherrlichende und pornographische Schriften im Sinne des damaligen § 6 GjS – heute § 15 Abs. 2 JuSchG. 575 BVerwGE 77, S. 83. 576 Jetzt: § 15 Abs. 2 JuSchG. 577 BVerwGE 77, S. 83. 578 BVerfGE 83, S. 130 f. 579 Ebenda, S. 139 und 143 f. 574

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

dass der Wille des Gesetzgebers durch diese verfassungskonforme Auslegung in sein Gegenteil verkehrt und die Grenzen der Auslegung damit überschritten würden“580. (5) Generelles Abwägungsgebot Die „Mutzenbacher“-Entscheidung betonte das Gebot der Einzelabwägung ausdrücklich nur für die Fälle der schweren Jugendgefährdung. Gleichwohl erweiterte das Bundesverwaltungsgericht im Verfahren gegen die Indizierung des Buches „Zärtliche Rituale“ von Gerd Zwerenz das Abwägungspostulat von Jugendschutz und Kunstfreiheit auch auf schlicht jugendgefährdende Medien581. Da hinter § 1 Abs. 2 Nr. 2 GjS kein geschlossenes Konzept stehe, das den „Widerstreit zwischen Kunstfreiheit und Jugendschutz abschließend“ regele, gebe es auch keinen „vom Gesetzgeber selbst umfassend geregelte[n] Ausgleich zwischen Kunstfreiheit und Jugendschutz“. Daher müsse stets ein verhältnismäßiger Ausgleich im Einzelfall erfolgen582. Sowohl ein generelles Übergewicht des Jugendschutzes als auch ein „generelles Übergewicht der Kunst gegenüber den Erfordernissen des Jugendschutzes bei schlicht jugendgefährdenden Schriften ginge[n] daher über das durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG Gebotene und damit über das mit dem Kunstvorbehalt Gewollte hinaus“583. (6) Würdigung Aus der kritischen Rezeption dieser Judikatur lassen sich Schlüsse ziehen, wie sich Kunst und Jugendschutz innerhalb des neu gefassten § 18 Abs. 3 Nr. 2 JuSchG zueinander verhalten. (a) Interpretation des Kunstbegriffes Nur ein offener Kunstbegriff kann den vielseitigen und vielschichtigen kreativen Schaffensprozessen gerecht werden. Deshalb müssen die Leitbegriffe der Tendenzschutzklausel (Kunst, Wissenschaft, Forschung und 580 Die Grenzen der Gesetzesauslegung hielt das Gericht durch seine Interpretation für nicht überschritten, weil den Gesetzgebungsmaterialien (BT-Drcks. 1/1101, S. 11) zu entnehmen sei, dass die Kunstklausel des § 1 Abs. 2 GjS eine Ausprägung der Kunstfreiheitsgarantie des Grundgesetzes darstelle. In der Konsequenz dieses Willens liege es, „§ 1 Abs. 2 Nr. 2 GjS auch auf § 6 GjS anzuwenden, wenn diese Bestimmung andernfalls der Verfassung widerspräche“, vgl. BVerfGE 83, S. 144. 581 BVerwGE 91, S. 225. 582 Ebenda, S. 224. 583 Ebenda, S. 225.

Kap. 11: Indizierungsgründe

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Lehre) im Jugendschutzgesetz und im Grundgesetz einander entsprechen. Eine unterschiedliche Begriffsinterpretation ginge schon deshalb verquer, weil einer verengten „Erst-Abwägung“ im einfachen Recht zumindest auf Verfassungsebene eine offenere „Zweit-Abwägung“ folgen müsste. Andernfalls würde das einfache Recht den grundrechtlichen Schutzbereich unmittelbar beschneiden, was dem Hierarchieverhältnis der Normen zueinander widerspräche. Außerdem bezog sich schon der historische Gesetzgeber des GjS darauf, dass der Tendenzschutz die Belange des Art. 5 Absatz 3 GG umsetze und konkretisiere584. Das kann er aber nur auf der Grundlage eines modernen Verfassungsverständnisses und damit insbesondere eines offenen Kunstbegriffes. Umgekehrt wäre es unsinnig, den Kunstschutz über die grundrechtlichen Gewährleistungen hinaus zu erweitern. Jedenfalls, wenn man vom Erfordernis einer Einzelfallabwägung von Kunst- und Jugendschutz im Indizierungsrecht ausgeht585, würde das Verfassungsgut Jugendschutz dann unmittelbar grundrechtlich eine erneute ergebnisoffene Abwägung der betroffenen Güter zu den verfassungsrechtlichen Bedingungen einfordern. Mit der inzwischen gefestigten Rechtsprechung ist also von einem offenen Kunstbegriff im Tendenzschutz auszugehen586. (b) Beschränkung legislativer Entscheidungsmacht Schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob Kunst und Jugendschutz auch im Rahmen einer Indizierung nach § 18 Abs. 1 JuSchG in jedem Einzelfall ergebnisoffen abgewogen werden müssen. Das Bundesverwaltungsgericht geht zwar seit seiner Entscheidung BVerwGE 91, S. 225 f. davon aus. Doch ist dies nicht kritiklos verhallt587. Das Bundesverfassungsgericht – so die Gegenargumentation – habe in seiner „Mutzenbacher“-Entscheidung nur das Gewicht der Kunstfreiheit bei der schweren Jugendgefährdung stärken wollen. Dagegen sei nicht zum Verhältnis von einfacher Jugendgefährdung und Kunstschutz judiziert worden. Ein generelles Abwägungsgebot der Verfassungsgüter lasse sich weder der Historie noch der Systematik des § 1 Abs. 2 Nr. 2 GjS entnehmen. Die vom Bundesverwaltungs584

BT-Drcks. 1/1101, S. 11. Vgl. dazu ausführlich sogleich (b). 586 Ebenso: Löffler/Altenhain, BT JSchutz § 18 Rn. 56; Scholz/Liesching, § 18 Rn. 37; Ukrow, S. 158 Rn. 302; Beisel, S. 251; Meirowitz, S. 265. 587 Kritik an der Entscheidung äußert z. B. von Kalm, DÖV 94, S. 24 f. Grundsätzlich a. A. ist das ältere Schrifttum – allerdings mehrheitlich unter der Prämisse, dass der Jugendschutz nicht von Verfassungsrang ist und auf der Basis eines restriktiveren Kunstverständnisses – vgl. Leonardy, NJW 67, S. 715; Mayer-Tasch, JZ 69, S. 286 f.; Erbel, DVBl 73, S. 532. 585

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gericht vorgenommene Einschränkung laufe dem Wortlaut des Gesetzes zuwider und sei daher unstatthaft588. Was die vorgegebene Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers betreffe, so erscheine sie verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Jugendschutz müsse bei einer schweren Jugendgefährdung trotz der Mutzenbacher-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes im Ergebnis nur ausnahmsweise hinter der Kunstfreiheit zurücktreten. Dadurch sei keines der Verfassungsgüter vollständig zugunsten des anderen aufgegeben589. Die Kritik an einer notwendigen Einzelfall-Abwägung ist nur auf den ersten Blick stichhaltig. Richtig ist, dass der Gesetzgeber bei der Kreierung von Normen einen relativ weiten Gestaltungsspielraum hat. Dieser ist erforderlich, um die Handlungsfähigkeit des Staates und die Kanalisierung von gesellschaftlichen Interessen bei einem unklaren Sach- und Erkenntnisstand zu erhalten. Grenzen sind der Rechtssetzungsmacht durch die Grundrechte und das Verhältnismäßigkeitsprinzip gesetzt. Sie formulieren einen Bereich individueller Freiheit, in die der Staat nur in engen Grenzen eingreifen darf, wenn es zur Wahrung legitimer Interessen geeignet und erforderlich ist. Mit dem Jugendschutz steht den Freiheitsrechten ein gleichrangiges Verfassungsgut gegenüber. Die Annahme des Gesetzgebers, Medien könnten im Einzelfall gefährdend auf Kinder und Jugendliche einwirken, ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes legitim, da negative Wirkungsrisiken nicht auszuschließen sind590. Damit ist allerdings nicht gesagt, dass der Gesetzgeber dazu verpflichtet ist zu indizieren. Im Bewusstsein einer ungesicherten Erkenntnislage kann er auch auf eine imperative Regelung verzichten. Schließlich ist die Indizierung zwar ein denkbares Instrument zur Wahrung des Jugendschutzes, doch ist sie nicht mit dem Verfassungsgut Jugendschutz gleichzusetzen591. Der Gesetzgeber hat deshalb die Möglichkeit, dem Jugendschutz auch auf ganz anderem Wege zu seinem Recht zu verhelfen. Denkbare Instrumentarien sind etwa eine Verstärkung medienpädagogischer Aktivitäten oder eine allgemeine Medienkennzeichnung mit Altersempfehlungen. Vor diesem Hintergrund mutet es tatsächlich paradox an, dem Gesetzgeber das Recht abzusprechen, bei der Abwägung von Kunst und Jugendschutz die Abwägungsentscheidung schon auf Gesetzesebene vorzunehmen. Wieso soll er einerseits frei in der Entscheidung darüber sein, ob er überhaupt aus Gründen des Jugendschutzes mit der Indizierung gegen be588 589 590 591

von Kalm, DÖV 94, S. 24. Ebenda, S. 25. BVerfGE 83, S. 140 f. Darauf hat schon Knies hingewiesen, vgl. S. 281.

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stimmte Medieninhalte vorgeht, andererseits aber für den konkreten Fall keine verbindliche gesetzliche Abwägungsentscheidung treffen dürfen? Der Widersinn dieser Logik ist aber nur scheinbar. Denn wenn der Gesetzgeber das „Ob“ des Eingriffes frei determinieren kann, heißt das noch lange nicht, dass er auch bei der Durchsetzung seines Eingriffes – dem „Wie“ – juristisch ungebunden ist. Die schrankenlos gewährleistete Kunst und der Jugendschutz müssen in jedem Einzelfall gleichwertig berücksichtigt werden, wenn die (grundrechtlich notwendige) Herstellung praktischer Konkordanz nicht vollends zur Fiktion geraten soll592. Es genügt bei einer so grundrechtssensiblen Materie wie dem Indizierungsrecht nicht, Abwägungsergebnisse zu „standardisieren“. Vielmehr muss es möglich bleiben, im Einzelfall von starren Vorgaben abzuweichen. Dies ermöglicht die Einzelfall-Abwägung, wie sie das Bundesverwaltungsgericht bei jeder Indizierung einfordert593. Den praktischen Gefahren einer Überbetonung von Jugendschutzinteressen im Sinne eines „in dubio pro restrictione“ lässt sich durch eine genaue gerichtliche Überprüfung entgegenwirken. (c) Genereller Tendenzschutz? Schließlich ist noch die Ausweitung des Tendenzschutzes auf schwer jugendgefährdende Medien zu hinterfragen. Borgmann meint, bei diesen Medien habe der historische Gesetzgeber des GjS die Abwägungsnotwendigkeit durchaus gesehen. Er habe sich aber „im vollen Bewusstsein über den Konflikt für eine offene Fassung des § 6 GjS (jetzt: § 15 Abs. 2 JuSchG) entschieden, die dem Schutz der Kunstfreiheit unmittelbar über Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG hinreichend Raum [lasse]“594. Deshalb gehe es fehl, wenn das Verfassungsgericht den Tendenzschutz von der einfachen Jugendgefährdung auch auf die schwer jugendgefährdenden Medien übertrage595. Es liegt jedoch näher, davon auszugehen, dass der Gesetzgeber des GjS durch den Verzicht auf einen Tendenzschutz bei den Fällen der „schweren Jugendgefährdung“ einen allgemeinen Vorrang des Jugendschutzes festlegen wollte. Anders lässt sich nicht schlüssig erklären, warum in der Gesetzesbegründung zum GjS von 1953 hervorgehoben wird, der dort verankerte 592

Zu den Kriterien vgl. noch umfassend unten d). So im Ergebnis: Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 18 Rn. 52; Scholz/Liesching, § 18 Rn. 38; Frenzel, AfP 02, S. 193; Lober, S. 124 f.; Liesching/von Münch, AfP 99, S. 39; Erdemir, S. 31; Geis, JZ 93, S. 793; derselbe, NVwZ 92, S. 28; Schraut, S. 51 und S. 79; Fischer, S. 72 f.; Würkner/Kerst-Würkner, NVwZ 93, S. 642; Vlachopoulos, S. 185; Kuner, AfP 91, S. 385 f.; Meirowitz, S. 268; Beisel, S. 256. 594 Borgmann, JuS 92, S. 918. 595 Ebenda. 593

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

Tendenzschutz folge aus „Art. 5 Absatz 3 des Grundgesetzes“596. Wenn der Tendenzschutz aus dem Grundgesetz folgen sollte, konnte es dem Gesetzgeber nur darum gehen, das verfassungsrechtliche Postulat einfach-gesetzlich zu konkretisieren – und zwar umfassend, nicht nur für die Fälle der „einfachen“ Jugendgefährdung. Dabei verkannte der historische Gesetzgeber von 1953 jedoch die Notwendigkeit, Kunstfreiheit und Jugendschutz auch bei schwer gefährdenden Medien miteinander abzuwägen und schonend auszugleichen597. Dieser Fehlinterpretation dürfte der Gesetzgeber bei der Verabschiedung des Jugendschutzgesetzes im Jahre 2003 nicht mehr aufgesessen sein – angesichts der klarstellenden Worte des Bundesverfassungsgerichtes in der „Mutzenbacher“-Entscheidung. Umso ernüchternder ist die Feststellung, dass sich weder aus dem Wortlaut des § 15 JuSchG noch der systematischen Verortung des Tendenzschutzes (bei den Fällen der „einfachen Indizierung“ in § 18 Abs. 3 JuSchG) ergibt, dass der Tendenzschutz auch für schwer jugendgefährdende Trägermedien gelten muss. Davon ist in verfassungskonformer Auslegung des § 15 Abs. 2 JuSchG jedoch auszugehen. (d) Versäumnisse des Gesetzgebers Schon wegen der immer noch bestehenden Auslegungsunsicherheiten hätte der Gesetzgeber bei der Novellierung des Jugendschutzes nicht darauf verzichten dürfen, den Tendenzschutz juristisch präziser zu fassen und insbesondere das Erfordernis einer Einzelfallabwägung herauszustellen. Noch unverständlicher ist die erneute Verortung des Tendenzschutzes bei der Regelung der „einfachen“ Indizierung in § 18 Abs. 3 JuSchG. Dadurch bleibt die verfassungsrechtlich geforderte Anwendung des Tendenzschutzes auch auf die Fälle der schweren Jugendgefährdung (die jetzt in § 15 Abs. 2 JuSchG geregelt sind) systematisch verdunkelt. Berücksichtigt man, dass Händler und Verkäufer die Subsumtion – samt Abwägung – auf eigenes Risiko vornehmen müssen598, grenzt diese Lässlichkeit des Gesetzgebers an Ignoranz. (7) Ergebnis Zusammenfassend lässt sich für die Auslegung des § 18 Abs. 3 Nr. 2 JuSchG feststellen: Das Tatbestandsmerkmal der Kunst stimmt mit dem 596 597 598

BT-Drcks. 1/1101, S. 11. Ähnlich die Argumentation bei Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 18 Rn. 53. Zu den damit verbundenen Problemen vgl. noch näher unten IV. 2. f).

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verfassungsrechtlichen Leitbegriff des Art. 5 Abs. 3, 1. Alt. GG vollständig überein. Zugrunde zu legen ist demnach ein offener Kunstbegriff, dessen Konturen schon im 2. Teil dieser Arbeit beschrieben worden sind599. Der Tendenzschutz gilt auch für schwer jugendgefährdende (pornographische) Inhalte. Die finale Privilegierung hängt davon ab, ob bei wertender Zusammenschau und Berücksichtigung der Bedeutung von Jugendschutz und Kunstfreiheit im Einzelfall der Kunstfreiheit größeres Gewicht zukommt. bb) Der Ausgleich von Wissenschaft und Jugendschutz Der Tendenzschutz greift zusätzlich, wenn ein Werk der Wissenschaft, Forschung und Lehre dient. (1) Die Auslegung der Leitbegriffe Der Wissenschaftsbegriff des Grundgesetzes und der Wissenschaftsbegriff von § 18 Abs. 3 Nr. 2, 2. Alt. JuSchG stimmen überein600. Hierfür lassen sich dieselben Argumente anbringen wie beim Kunstschutz. Als Wissenschaft ist alles zu begreifen, was inhaltlich und formell einen ernsthaften und planmäßigen Versuch darstellt, die Wahrheit zu ermitteln601. Hieraus erhellt zugleich, dass nicht sämtliche Abhandlungen als Wissenschaft erfasst sind, die der Autor aus seiner subjektiven Sicht zur Wissenschaft erhebt602. Maßgeblich ist der objektiv nachvollziehbare Versuch des Erkenntnisgewinnes. Zur Prüfung hierüber müssen bei den Belangen des Jugendschutzes auch die Behörden und Gerichte grundsätzlich befugt sein, wenn der Anwendungsbereich der schrankenlosen Wissenschaftsfreiheit nicht uferlos werden soll603. Allerdings wohnt dieser Prüfungskompetenz immer auch die Gefahr der illegitimen Einflussnahme auf die Wissenschaft inne. Wissenschaft kann mit ihrem „kritischen und der Wahrheit verpflichteten Anspruch“ anstößig und provokant sein604. Daher darf die Prüfung nicht in eine Inhaltskontrolle entarten: Dass der Ansatz möglicherweise falsch ist 599

Vgl. dort Kapitel 5 II. 1. Ukrow, S. 158 Rn. 301 und 309; Scholz/Liesching, § 18 Rn. 36 und 39. 601 Ständige Rechtsprechung, vgl. nur: BVerfGE 83, S. 12; BVerfGE 35, S. 113; BVerfGE 47, S. 367; ähnlich: BVerwGE 23, S. 120: „Merkmale schöpferischer geistiger Arbeit und Durchdringung, wie sie Werken der Wissenschaft und Forschung eigentümlich sind“. 602 So schon: BT-Drcks. 1/1101, S. 11. 603 BVerfGE 83, S. 13; BVerfGE 83, S. 139. 604 Pieroth/Schlink, S. 152. 600

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oder sich einer unorthodoxen Methodik bedient, hindert seine Privilegierungsfähigkeit nicht. Denn über „gute und schlechte Wissenschaft, Wahrheit oder Unwahrheit von Ergebnissen kann nur wissenschaftlich geurteilt werden“605. Die Grenze des Wissenschaftsbegriffes ist jedoch überschritten, wenn ein Werk vorgefassten Meinungen oder Ergebnissen „lediglich den Anschein wissenschaftlicher Gewinnung oder Nachweisbarkeit verleiht. Dafür kann die systematische Ausblendung von Fakten, Quellen, Ansichten und Ergebnissen (. . .) ein Indiz sein“, soweit sie die Auffassung des Autors in Frage stellen würden606. Darüber hinaus kann auf die Ausführungen zur Wissenschaftsfreiheit im zweiten Teil der Untersuchung verwiesen werden607. Im Rahmen der Wissenschaftsklausel hat sich das Bundesverwaltungsgericht auch mit der Frage beschäftigt, ob Medien vom Tendenzschutz in § 18 Abs. 3 JuSchG erfasst sind, die nur Ausgangspunkt oder Grundlage wissenschaftlicher Überlegungen sind, ohne selbst die Wissenschaftskriterien zu erfüllen (z. B. Bücher über Wissenschaftsmethode, Kunsttechnik oder naturwissenschaftliche Beschreibungen). Der zuständige Senat hat das zunächst bejaht. Bei diesen Medien realisiere sich das Merkmal des „Dienens“ in der „Erfassung des Wesentlichen sowie der Sorgfalt der Beobachtung und der Genauigkeit der Beschreibung“608. Später ist das zu Recht unter Hinweis auf die inhaltliche Kongruenz der Leittermini im Tendenzund Grundrechtsschutz verworfen worden609. Dafür spricht noch ein anderer Aspekt: Der Gesetzgeber wollte mit dem Merkmal des „Dienens“ nur zum Ausdruck bringen, dass nicht die subjektive Sichtweise, sondern eine objektive Perspektive bei der Frage maßgeblich sein soll, ob Wissenschaft vorliegt610. Eine darauf gründende Tatbestandserweiterung war nicht vorgesehen. Trotzdem liegen solche Werke im öffentlichen Interesse. Denn sie nützen der Präzisierung, Einordnung und Fortentwicklung von Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre. Der Tendenzschutz wird ihnen also über § 18 Abs. 3 JuSchG zuteil611.

605

BVerfGE 83, S. 12. BVerfGE 83, S. 13. 607 Vgl. dort Kapitel 5 II. 2. 608 BVerwGE 23, S. 120 f. 609 BVerwG NJW 87, S. 1433; vgl. auch Lutz, NJW 88, S. 3195. 610 BT-Drcks. 1/1101, S. 11. 611 A. A. Ukrow (Privilegierung unmittelbar über Wissenschaftsklausel), S. 165 Rn. 310. 606

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(2) Das Verhältnis der Freiheiten zum Jugendschutz Kunst- und Wissenschaftsfreiheit schützen unterschiedliche Lebensbereiche. Allerdings sind beide Grundrechte in ihrer Schrankenlosigkeit identisch strukturiert, und auch bei der Kollision von Wissenschaft und Jugendschutz setzen sachgerechte Ergebnisse eine umfassende Einzelfallbetrachtung voraus612. Deshalb kommt eine Privilegierung wissenschaftlicher Werke immer dann zum Tragen, wenn im konkreten Einzelfall die Belange der Wissenschaft als schutzwürdiger anzusehen sind als die Interessen des Jugendschutzes an einer Indizierung des jeweiligen Mediums. b) Politischer, sozialer, religiöser und weltanschaulicher Tendenzschutz Der Tendenzschutz von politischen, sozialen und weltanschaulichen Inhalten hat im Jugendschutzrecht Tradition: So entspricht § 18 Abs. 3 Nr. 1 JuSchG im Wesentlichen § 1 Abs. 3 des Gesetzes zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriften von 1926613. Diese Einschränkungen der Indizierungshandhabe sind in erster Linie Ausdruck grundrechtlicher Verpflichtungen. Sie konkretisieren zum einen das allgemeine verfassungsrechtliche Zensurverbot (Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG)614. Zum anderen sichern sie den Einfluss der Religions-, Bekenntnis- und Weltanschauungsfreiheit aus Art. 4 GG615. aa) Die Privilegierung und ihre tatbestandlichen Grenzen (1) Politische Inhalte Dem politischen Tendenzschutz in § 18 Abs. 3 Nr. 1 kommt praktisch eine große Relevanz zu. Darüber, was überhaupt politisch ist und wie weit der Schutz politischer Meinungsäußerung reicht, lässt sich trefflich streiten, zumal der Gesetzgeber den Begriff nicht legaldefiniert hat. Letztlich wird man sich eingestehen müssen, dass eine trennscharfe Abgrenzung insbesondere der Begriffe politisch und sozial kaum möglich sein dürfte616. Nach Schefold sind mit der politischen Materie Sachzusammenhänge beschrieben, 612 So auch: Nikles, § 18 Rn. 12; Ukrow, S. 165 Rn. 311; Scholz/Liesching, § 18 Rn. 39. 613 Abgedruckt als Anlage in BT-Drcks. 1/1101, S. 18. 614 BT-Drcks. 1/1101, S. 11. 615 Schraut, S. 78. 616 So auch: Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 18 Rn. 51.

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die die staatliche Entscheidung insgesamt ermöglichen und vorbereiten. In der freiheitlichen Demokratie umfasse das den pluralistisch-demokratischen Prozess, auf dem die Staatswillensbildung beruhe und aus dem sie sich ableite und legitimiere617. Im Interesse umfassenden Informationsschutzes muss § 18 Abs. 3 Nr. 1, 1. Alt. JuSchG jedenfalls sämtliche theoretisch staatsrelevanten Aspekte des Gemeinwohles und der Gemeinbelange – über den Bereich der innerparlamentarischen Entscheidungsfindung hinaus – erfassen618. (2) Soziale Inhalte Mit sozialen Inhalten werden gesellschaftliche Thematiken angesprochen. Darunter fallen insbesondere die Grundlagen, Wechselwirkungen und Wandlungsprozesse der menschlichen Gemeinschaft sowie die Beziehungen ihrer Mitglieder untereinander619 (z. B. Altern in der Gesellschaft, Sinn und Nutzen von „Babyklappen“, der Jugendschutz im Elternhaus usw.). (3) Religiöse und weltanschauliche Inhalte Weltanschauliche Inhalte beschäftigen sich mit den Grundfragen des Seins und der Stellung des Menschen in der Welt, ohne dabei notwendig von einer transzendentalen Grundhaltung getragen zu sein. Die Transzendenz, verstanden als Glaube an ein Höheres Wesen oder eine Höhere Macht, kennzeichnet dagegen die religiösen Inhalte620. (4) Grenzen des Tatbestandes Der Tendenzschutz ist nicht umfassend.

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Schefold, S. 5. In diese Richtung Löffler/Ricker, der von politischen Inhalten immer dann spricht, wenn „öffentliche Angelegenheiten“ thematisiert sind. Anhand dieser beiden gleichsam unscharfen Schlagworte ist jedoch keine sinnvolle Abgrenzung zu den „sozialen“ Inhalten möglich, die ja ebenfalls öffentlich sein können. Schärfer insoweit Nikles, § 18 Rn. 12: „Lehre von Staat und Gesellschaft einschließlich ihrer grundlegenden Ausgestaltung, der alltäglichen Verwirklichung und vielfältigen Erscheinungsformen des Gemeinwesens“. In diese Richtung auch Scholz/Liesching, § 18 Rn. 35: „Medieninhalte, welche die der Führung eines Staates dienenden Maßnahmen, Ideologien oder allg. Anschauungen zum Gegenstand haben“. 619 Nikles, § 18 Rn. 12; Scholz/Liesching, § 18 Rn. 35; Ukrow, S. 157 Rn. 300; Erbs/Steindorf, § 1 GjSM Rn. 31. 620 Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 18 Rn. 51; Nikles, § 18 Rn. 12. 618

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(a) Kein Schutz der Inhaltspräsentation Er erstreckt sich nach § 18 Abs. 3 Nr. 1 grundsätzlich nur auf die Inhalte „an sich“. Die Form oder die Art und Weise der Inhaltspräsentation ist dagegen nicht besonders geschützt621. Das verdeutlicht schon der Wortlaut des Tatbestandes, der es lediglich untersagt, eine Indizierung „allein“ auf die politischen, sozialen und weltanschaulichen Inhalte zu gründen. So ist es bspw. möglich, in Medien inhaltlich zu fordern, dass Pornographieverbreitung nicht mehr unter Strafe gestellt werden darf. Dagegen dürfen entsprechende Botschaften nicht mit einschlägigem Anschauungsmaterial illustriert werden. Denn hinsichtlich der Bilddarstellungen, also der „Präsentation“ greift § 18 Abs. 3 Nr. 1 JuSchG nicht ein. Weil sich die Jugendgefährdungseignung auf beide Aspekte beziehen kann, aber eben nicht denknotwendig muss622, ist insoweit genau zu hinterfragen, worin das Jugendgefährdungspotential liegt. (b) Ausschluss staatsfeindlicher Äußerungen? In diesem Zusammenhang ergibt sich eine weitere Problematik: Auch staatsfeindliche (links- oder rechtsextreme) Gesinnungen können bei der Bandbreite an Meinungen und ihrer Vermittlung dem Schutzbereich der Privilegierung unterfallen. Sollen auch solche Inhalte dem Indizierungszugriff entzogen sein? Das Bundesverwaltungsgericht hat das verneint und in mehreren Entscheidungen zum alten § 1 Abs. 2 GjS den Geltungsbereich des politischen Tendenzschutzes verengt. Für eine „vom Grundgesetz missbilligte Geisteshaltung“ komme die Weltanschauungsklausel von vorneherein nicht in Betracht623. Das betreffe insbesondere Medien, die „das Ziel einer Verharmlosung und Rechtfertigung des NS-Regimes“ verfolgten624 oder „Kriegsverherrlichung“ betrieben625. Andernfalls wäre nahezu jedes jugendgefährdende Medium gegen eine Indizierung geschützt. Denn es bedürfe keines großen Aufwandes, die Darstellung „als Ausdruck einer – revolutionären – politischen oder weltanschaulichen Überzeugung“ erscheinen zu lassen626. Auch in der Literatur wird diese einschränkende Auslegung der Tendenzschutzklausel vertreten, wobei argumentativ zusätzlich auf das grundrecht621 622 623 624 625 626

Poscher, S. 4. Dazu auch näher Poscher, S. 4, mit weiteren Beispielen und Nachweisen. BVerwGE 23, S. 112 (4. Ls.). BVerwG NJW 87, S. 1434. BVerwGE 23, S. 119. BVerwG NJW 87, S. 1434.

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liche Konzept einer wehrhaften Demokratie627 und/oder die „Einheit der Verfassung“ verwiesen wird628. Richtig dürfte es jedoch sein, auch solche verfassungsproblematischen Inhalte in den Schutzbereich des Tendenzschutzes aufzunehmen. Dadurch wird ein Gleichklang mit Art. 5 Abs. 1 GG erreicht, der solche Inhalte gerade nicht ausklammert629. Im Übrigen kann eine sich anschließende Einzelabwägung den Belangen des Jugendschutzes Rechnung tragen630. Für eine Einbeziehung auch verfassungsfeindlicher Inhalte als politisch, sozial oder weltanschaulich liefert der Wortlaut des Gesetzes ein schwaches Indiz. Dort ist davon die Rede, dass eine Indizierung von Medien nicht „allein“ wegen der angesprochenen Tendenzen in Betracht kommt. Eine Beschränkung auf verfassungskonforme Inhalte lässt sich der Formulierung nicht entnehmen631. Diese Annahme unterstützt auch die Gesetzesgenese. Denn der Gesetzgeber erklärte schon in der amtlichen Begründung zum alten GjS, dass politische und andere Zielrichtungen, die die Verfassung gefährdeten, „allein nach Maßgabe des Art. 18 GG bekämpft werden“ könnten632. Dieser Befund entspricht systematisch gesehen auch der Vorgehensweise in § 18 Abs. 3 Nr. 2 JuSchG: Dort gibt es keine „verfassungsfeindliche“ Kunst oder Wissenschaft, die von der Privilegierung grundsätzlich ausgenommen wäre. Die Belange müssen vielmehr im Einzelnen gegenübergestellt und abgewogen werden633. Dagegen verfängt das Argument der Einheit der Verfassung nicht. Denn das Konzept der streitbaren Demokratie bezieht sich primär auf die politische Organisation und nicht auf den „Prozess der politischen Willensbildung und der Grundrechtsausübung der Bürger (. . .). Konkrete Eingriffsbefugnisse erhält [der Staat] dadurch nicht. Im Hinblick darauf trifft das Grundgesetz vielmehr konkrete Einzelregelungen“634. So bietet Art. 18 GG die (abschließende) Möglichkeit, eine Grundrechtsver627

Vgl. dazu Poscher, S. 7; auch Schefold, S. 14. So meint Ukrow, die Einschränkung sei damit zu rechtfertigen, „dass das Grundgesetz selbst die Kriegsverherrlichung mit Blick auf Art. 26 GG als Weltanschauung missbilligt, ebenso wie eine Kriegshetze als Politik“, vgl. S. 157 Rn. 300. Ähnlich Schilling, S. 39; Lutz, NJW 88, S. 3195. 629 Soiné, JuS 04, S. 385 m. w. N. 630 Scholz/Liesching, § 18 Rn. 34; Nikles, § 18 Rn. 12. 631 Ebenso: Poscher, S. 7. 632 BT-Drcks. 1/1101, S. 11. Die amtliche Begründung des „neuen“ Jugendschutzgesetzes stellt dazu nur lakonisch fest: „§ 1 Abs. 2 GjS wird unverändert übernommen“, vgl. BT-Drcks. 14/9013, S. 25. 633 Das entspricht dort ja auch der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes, vgl. dazu BVerwGE 91, S. 223 f. 634 Schefold, S. 8 f. 628

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wirkung für diejenigen durch das Bundesverfassungsgericht feststellen zu lassen, die ihr Recht auf Meinungsäußerung und Pressefreiheit zum Kampfe gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung missbrauchen. Über den Eilrechtsschutz kann einem berechtigten Anliegen im Einzelfall auch die nötige Effektivität gegeben werden. bb) Das Verhältnis von privilegierungsfähiger Äußerung und Jugendschutz Damit ist allerdings nicht gesagt, dass politische, soziale und weltanschauliche Inhalte schlechterdings von einer Indizierung freigestellt wären. § 18 Abs. 3 Nr. 1 JuSchG ist keine einseitige Güterabwägung der Legislative zugunsten der Meinungsfreiheit. Dies kommt über die Formulierung „allein“ auch hinreichend zum Ausdruck. In der Rechtsprechung und im Schrifttum wird das überwiegend enger gesehen635. Deren Auffassung führt allerdings zu dem absurden Ergebnis, dass die grundrechtlich vorbehaltlos gewährleistete Kunst- und Wissenschaftsfreiheit im Jugendschutzgesetz schlechter geschützt ist, als die Meinungsfreiheit, obwohl diese sogar ausdrücklich durch Gesetze zum Schutz der Jugend eingeschränkt werden darf. Diese Absurdität lässt sich vermeiden, wenn die Privilegierung verfassungskonform als Gebot einer Einzelabwägung der widerstreitenden Aspekte zur Herstellung praktischer Konkordanz begriffen wird636. c) Das „Öffentliche Interesse“ Schließlich sind noch Medieninhalte privilegiert, die im öffentlichen Interesse liegen. Damit sind Inhalte beschrieben, die für das Gemeinwohl oder die allgemeine Informationslage relevant sind. Soweit Gesichtspunkte der Meinungsbildung eine Rolle spielen, die nicht als politisch, religiös oder sozial zu begreifen sind, stellt sich das „öffentliche Interesse“ als eine besondere Ausprägung der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG dar637. Praktisch hat diese „Auffang-Variante“ des Tendenzschutzes keine nennenswerte Bedeutung. Am relevantesten ist noch die Subsumtion von Werken, die der Kunst, Forschung und Lehre oder Wissenschaft von Nutzen sind, ohne ihnen selbst zurechenbar zu sein638. Daneben gehören zu den 635 636 637 638

Vgl. Poscher, S. 13; Schefold, S. 12 f. m. w. N. So im Ergebnis wohl auch: Scholz/Liesching, § 18 Rn. 34; Nikles, § 18 Rn. 12. BVerfGE 42, S. 152; BVerwG NJW 82, S. 1010. Vgl. dazu oben II. 4. a) bb) (1).

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denkbaren Fallgruppen Inhalte, die über Risiken (z. B. Infektionen wie Aids, Suchtmittel, ungesunde Ernährung etc.) auf eine drastische, abschreckende Art aufklären sowie dokumentarisch-informative Berichte über reelle Begebenheiten (z. B. von Prozessen aus dem Gerichtssaal)639. Das Vorliegen eines öffentlichen Interesses führt nicht per se zum Verzicht auf die Indizierung. Auch hier müssen die Interessen des Jugendschutzes und das öffentliche Interesse im Einzelfall verhältnismäßig abgewogen und ausgeglichen werden640. d) Der Ausgleich der widerstreitenden Verfassungsgüter Jugendschutz und grundrechtliche Freiheiten stehen sich im Grundsatz gleichrangig gegenüber. Mit der kryptischen Feststellung, zwischen den gegensätzlichen Interessen müsse ein verhältnismäßiger und schonender Ausgleich geschaffen werden, ist für die Praxis allerdings nicht viel gewonnen. Die Bundesprüfstelle und die Gerichte, die sie kontrollieren, bedürfen schließlich konkreter Maßstäbe und Kriterien, die für die Einzelabwägung fruchtbar gemacht werden können. Nur so ist eine transparente und willkürfreie Entscheidung gewährleistet. Nur so kann dem Gebot der Herstellung praktischer Konkordanz zwischen Jugendschutz und grundrechtlicher Freiheit Rechnung getragen werden641. Umso erstaunlicher ist es, dass der Gesetzgeber den Rechtsanwendern keinerlei verbindliche Kriterien zur Entscheidungsfindung an die Hand gegeben hat. Bundesprüfstelle und Gerichte werden mit diesen wichtigen Fragen allein gelassen. Ihre Bewältigung gestaltet sich zudem schwierig. Denn weder das genaue Ausmaß der Jugendgefährdung noch die Wertigkeit öffentlicher und künstlerischer Interessen lassen sich im Einzelfall punktgenau ermitteln. Schließlich stützt sich die Jugendgefährdungsprognose auf pädagogische und wirkungsempirische Kategorien, die ebenso von subjektiven und weltanschaulich eingefärbten Maßstäben beeinflusst werden wie die Beurteilung von Kunst oder Wissenschaft642. Wenn es aber schon nicht möglich ist, das Gewicht auf „jeder Seite der Waage“ genau festzulegen, kann letztlich auch das Wiege-Ergebnis nur einen Näherungswert darstellen.

639 Nikles, § 18 Rn. 12; Scholz/Liesching, § 18 Rn. 40; Ukrow, S. 166 Rn. 312; Erbs/Steindorf, § 1 Rn. 37. 640 Ukrow, S. 166 Rn. 312; Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 18 Rn. 74; Scholz/ Liesching, § 18 Rn. 40. 641 Fischer, S. 55; Vlachopoulos, S. 190 f. 642 Kuner, AfP 91, S. 386.

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aa) Die Herstellung praktischer Konkordanz So muss man den von der Verfassung geforderten schonenden und verhältnismäßigen Güterausgleich der betroffenen Güter als eine ideale Zielvorgabe begreifen, die allenfalls mit Abstrichen leistbar ist. Am praktischen Endergebnis wird die sorgsame Gewichtung antinomer Interessen auch nicht kenntlich: In letzter Konsequenz kommt es entweder zu einer Indizierung, die die Freiheitsrechte erheblich einengt oder einer Nicht-Indizierung, die etwaige Jugendschutzinteressen unberücksichtigt lässt. bb) Denkbare Gewichtungs-Kategorien Was der Gesetzgeber nicht geleistet hat, ist in Rechtsprechung und Lehre versucht worden: Die Entwicklung verallgemeinerbarer, tauglicher Gewichtungskategorien. Sie sollen nun im Einzelnen dargestellt, gewürdigt und ergänzt werden. (1) Der schädigende Einfluss des Mediums In seiner „Mutzenbacher“-Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht zunächst den schädigenden Einfluss des Buches als bedeutsam für das Gewicht des Jugendschutzes erachtet643. Dies liegt auf der Hand. Denn je wahrscheinlicher und gravierender eine Jugendgefährdung ist, desto notwendiger wird ein wirksamer Schutz für Kinder und Jugendliche. Allerdings steht die jugendpsychologische Bewertung auf „tönernen“ Füßen. Es lässt sich wissenschaftlich gerade nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen, ob die als jugendgefährdend erachteten Medien überhaupt geeignet sind, langfristige Wirkungen bei Kindern und Jugendlichen zu erzeugen. Dann aber ist es schon gar nicht möglich, im Einzelfall verbindliche Aussagen über die besonders große Gefährlichkeit von Medien zu treffen. Immer dann, wenn das Bundesverfassungsgericht von schädigenden Einflüssen spricht, kann deshalb nur die hypothetische Wahrscheinlichkeit und Schwere der Jugendgefährdung gemeint sein. Diese geht von der unbewiesenen aber auch nicht widerlegten Annahme aus, dass Medien generell (schädigende) Wirkungen bei (durchschnittlichen) Kindern und Jugendlichen erzeugen können. Akzeptiert man diese „Doppelhypothese“ (d. h. die These, dass es überhaupt eine Gefährdung durch Medien gibt und die These, dass es überhaupt konkretisierbare Fallgruppen für diese Gefähr643

BVerfGE 83, S. 147. Vgl. hierzu auch Kuner, AfP 91, S. 386; Herkströtter, AfP 92, S. 29; Meirowitz, S. 314; von Kalm, DÖV 94, S. 26; Vlachopoulos, S. 202 f.; stark einschränkend: Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 18 Rn. 65.

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dung gibt), lassen sich in der Tat gröbere Gefährdungsabstufungen treffen644. Die dafür maßgeblichen Faktoren bedürfen näherer Erörterung. (a) Anzahl und Ausmaß der jugendgefährdenden Passagen Das Gewicht des Jugendschutzes kann sich zunächst steigern, wenn ein Medium gleich mehrfach (unterschiedliche) gefährdungstaugliche Inhalte aufweist. Dann ist nämlich entweder die Bandbreite der denkbaren negativen Auswirkungen und Folgen erweitert oder es werden einzelne Gefährdungsaspekte perpetuiert645. Umgekehrt kann eine nur geringe Anzahl potentiell jugendgefährdender Passagen unter Umständen die Schwere der Jugendgefährdung reduzieren646. (b) Qualität der betroffenen Werte Daneben kann es von Bedeutung sein, welche Werte das Medium aus der Sicht des Jugendschutzes überhaupt negativ beeinflusst. Hier gilt: Je höherwertig das betroffene Rechtsgut ist, desto größer ist auch der Grad der Jugendgefährdung. Bezieht sich also beispielsweise die befürchtete negative Prägung auf den fundamentalen Achtungsanspruch der Menschenwürde – und damit den zentralen Baustein der demokratischen Wertegesellschaft – hat die Jugendgefährdung ein größeres Gewicht, als wenn zum Beischlaf mit Verwandten aufgefordert wird647. Grundsätzlich spielt auch der Zeitgeist als verstärkender oder entkräftender Faktor mitein648: Gerade im sexualethischen Bereich sind die gesellschaftlichen Toleranzgrenzen zeitlich fließend. Zwar darf eine Jugendgefährdung schon gar nicht angenommen werden, wenn sich einschlägige Vorstellungen liberalisiert haben. Man käme also in einem solchen Fall rechtstechnisch gar nicht zu einer Tendenzschutz-Abwägung649. Aber für den Fall, dass im Zeitpunkt der Bewertung liberale Tendenzen zu beobachten sind, die einen nachhaltigen sozialethischen Wandel zukünftig nicht un644

A. A. wohl Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 18 Rn. 65. Für die „Aneinanderreihung von Gewaltdarstellungen in ununterbrochener Abfolge“ so auch: Vlachopoulos, S. 206. 646 OVG Münster, Urteil zu „American Psycho“ (15.2.2001 – 20 A 3635/98). 647 In diese Richtung: Vlachopoulos, S. 203 (allerdings mit zu weit gehenden Abstufungen); a. A. Roßnagel/Altenhain, § 1 Rn. 95 GjS; Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 18 Rn. 65. 648 So auch Kuner, AfP 91, S. 386; Vlachopoulos, S. 205 f.; a. A. Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 18 Rn. 62. 649 Zutreffend: Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 18 Rn. 62. 645

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realistisch erscheinen lassen, kann eine graduelle Herabstufung der Jugendgefährdungseignung erforderlich sein. Die sozialethische Gewichtung muss deshalb auch eine Prognose darüber enthalten, ob sich ein gesellschaftlicher Wandel hinsichtlich des beanstandeten Inhaltes in absehbarer Zeit ereignen wird. Umgekehrt ist es auch denkbar, dass sich die soziale Grundhaltung sensibilisiert und deshalb eine besondere Gewichtung des Jugendschutzinteresses zu erfolgen hat. (c) Kreis der betroffenen Kinder und Jugendlichen Natürlich ist es für den schädigenden Einfluss des Mediums auch von Belang, wie viele Kinder und Jugendliche im Einzelfall als potentiell gefährdet erscheinen650. Dabei geht es nicht um eine Unterscheidung von gefährdungsgeneigten Kindern und Jugendlichen zu Individuen von durchschnittlicher Befindlichkeit651. Denn schon der Ausgangspunkt der allgemeinen Gefährdungsprognose im Indizierungsrecht ist nach richtigem Verständnis der (idealtypisch) durchschnittliche Junge oder das durchschnittliche Mädchen652. Für Risikogruppen und krankhafte Fälle treten dagegen das Jugendhilferecht und die elterliche Betreuung in den Vordergrund. Entscheidend ist allein, ob eine wahrscheinliche Gefährdung nur für einzelne (jüngere oder ältere) Altersgruppen besteht oder ob Kinder und Jugendliche gleichermaßen (schwer) betroffen sind. Neben biologisch-psychologischen Faktoren wie der Fähigkeit, Realität und Fiktion zu unterscheiden653, ist die Einschätzung auch davon abhängig, wie jugendaffin die Inhalte vermittelt werden – dazu noch näher sogleich. Als maßgeblich für den Kreis der betroffenen Personen werden häufig auch Verbreitungsfaktoren wie Auflagenzahl, Verkaufszahlen, Verkaufsorte etc. genannt654. Diese Faktoren erhöhen natürlich die absolute Zahl der möglicherweise gefährdeten Kinder und Jugendlichen. Allerdings zeichnen sie auch für Medien Relevanz, die von vorne herein nicht dem Tendenzschutz unterliegen. Es ist deshalb sinnvoller, bei der Tendenzschutz-Abwägung die inhaltlichen Aspekte von politischen, künstlerischen und wissenschaftlichen Medien sowie die Gesichtspunkte des öffentlichen Interesses in den Vordergrund zu rücken und die Wertungskriterien danach auszurichten. Verbreitungsfaktoren gehören regelmäßig nicht dazu. Gleichwohl sind sie insoweit bedeutsam, 650 651 652 653

Meyer-Cording, JZ 76, S. 744; Vlachopoulos, S. 208. So aber Vlachopoulos, S. 209 f. Vgl. oben II. 1. b). Dazu näher: Potter, S. 23 f.; Flavell, S. 418 f.; Freitag/Zeitter, tv-diskurs 99,

S. 12. 654

Vlachopoulos, S. 209 f.; auch: Kuner, AfP 91, S. 386.

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als jede Indizierung mit Verhältnismäßigkeitserwägungen im Einklang stehen muss. Deshalb sind Verbreitungsfaktoren bei der Beantwortung der Frage zu berücksichtigen, ob ein Fall von geringer Bedeutung nach § 18 Abs. 3 JuSchG vorliegt655. (d) Art und Weise der Darstellung Einer der wichtigsten Anhaltspunkte für die Gewichtung der Jugendschutzinteressen ist die Art und Weise der jugendgefährdenden Vermittlung. Einmal gilt es dabei, medien- und genretypische Besonderheiten zu berücksichtigen656. Zum anderen ist es erheblich, ob die denkbaren jugendgefährdenden Inhalte aus der Sicht des Jugendschutzes mittelbar bzw. „reflexartig“ transportiert werden oder ob sie unmittelbar und unverstellt vorgetragen werden. Schließlich darf auch die syntaktische und semantische Dimension der Jugendgefährdung nicht verkannt werden: Es macht einen erheblichen Unterschied, ob sich der Autor einer jugendaffinen, also besonders jugendgeeigneten (Bild-)Sprache bedient oder ob die Herangehensweise eher erwachsene Rezipienten anspricht. Bei den Prüfobjekten ist als erstes zu differenzieren, um welches Medium es sich handelt. Denn obwohl nicht sicher ist, inwieweit sich einzelne Wirkungen von audiovisuellen Medien (Film, Video, CD-Rom, Fernsehen etc.) auch auf Printmedien übertragen lassen, wird doch allgemein eine Verstärkung negativer Wirkungen durch die audiovisuelle Übermittlung befürchtet657: Der Film- und Fernsehkonsument muss sich keine eigenen „Bilder im Kopf“ machen wie der Leser. Sie werden ihm womöglich in viel drastischerer Form bereits mitgeliefert. Hierdurch können gerade bei kleineren Kindern die Grenzen von Fiktion und Wirklichkeit aufgehoben oder durch geschickte Montage verfälscht werden658. Ähnlich verhält es sich bei Computer- und Konsolenspielen. Sie zeichnen sich durch eine immer ausgereiftere Grafik und professionelle Synchronisation aus. In nahezu jedem Spiel finden sich filmartige „Zwischensequenzen“, die das Geschehen aufbereiten oder antizipieren. Hinzu tritt gerade bei den so genannten „Ego-Shootern“659 ein interaktives Moment: 655

Vgl. dazu in diesem Kapitel unten 5. a) aa). So auch Kuner, AfP 91, S. 386. 657 Maiwald, JZ 90, S. 1142; Meirowitz, S. 244; Vlachopoulos, S. 206 f.; Müller, S. 121; Kalb, S. 45 f.; Raue, S. 29. 658 Schulz/Korte, ZUM 02, S. 726; Potter, S. 23 f.; Flavell, S. 418 f.; Freitag/ Zeitter, tv-diskurs 99, S. 12. 659 Unter einem Ego-Shooter versteht man ein Schießspiel (englisch: Shooter) – meist PC- oder Videospiel – das aus der „Ich-Perspektive“ gespielt wird. Der Spie656

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Der Spieler selbst wird zum Protagonisten, der Aufgaben zu bewältigen oder Menschen zu töten hat. Das kann eine größere Identifikation schaffen und die Sicht auf das (wenn auch nur fiktive) Handlungsunrecht relativieren660. Diese latenten medien- und genretypischen Verstärkungsmomente, die hier nur angerissen werden können, müssen für jeden Einzelfall eingegrenzt und als wahrscheinlich verifiziert werden. Das setzt eine enge analytische Rückbindung an die jeweils gefährdeten Altersgruppen voraus. Die pauschale Annahme von möglichen Medienrisiken für alle Kinder und Jugendlichen ist dagegen unstatthaft. Die Bundesprüfstelle muss vielmehr auf ihre Erfahrungswerte zurückgreifen oder sachverständige (wirkungspsychologische) Gutachten einholen. Betont werden muss in diesem Zusammenhang auch, dass es sich bei der medientypischen Verstärkungswirkung um einen Gewichtungsaspekt unter vielen handelt. Seine Relevanz sollte nicht überbetont werden. Weiterhin von Belang ist, ob die jugendgefährdende Botschaft als bewusst generiert und in einem entsprechenden Kontext wahrgenommen wird oder ob sie sich mittelbar bzw. reflexartig vermittelt. Denn eine „Gewaltspitze“ des sonst untadeligen Hollywood-Helden ist anders zu bewerten als eine rechte Hetzschrift, die den Rassenhass systematisch postuliert. Nicht verwechselt werden darf dieser Aspekt mit der Frage, ob eine einzelne jugendgefährdende Passage durch den Kontext relativiert ist. Denn dann ist es ja gerade noch ergebnisoffen, ob überhaupt eine Jugendgefährdung zu vermuten steht. Bei der Abwägung ist dagegen schon festgestellt worden, dass ein Wirkungsrisiko wahrscheinlich ist. Es geht jetzt allein darum, das Ausmaß dieser möglichen Jugendgefährdung zu taxieren. Möglich ist an dieser Stelle also allein, dass ein dramaturgischer Kontext das Gewicht der bestehenden Jugendgefährdungseignung vermindert. Dabei ist Folgendes zu beachten: Das Jugendschutzrecht ist kein Gesinnungsstrafrecht „über Umwege“. Es kann also nicht darum gehen, sich mit der Geisteshaltung des Autors auseinander zu setzen und maßgeblich auf subjektive Elemente abzustellen (seine Einstellung, seinen Impetus etc.). Die inhaltliche Würdigung ist allein aus einer objektiven, verständigen Warte heraus am Medium selbst vorzunehmen. Entscheidend ist also, wie ein Junge oder Mädchen der gefährdeten Altersgruppe(n) die entsprechende Passage aufnehmen würde ler agiert dabei aus einem Sichtfeld heraus, das so beschaffen ist, als ob er das Spielgeschehen mit seinen eigenen Augen erleben würde, vgl. dazu näher Hänsel/ Wallies, S. 22. 660 Theunert, S. 32; Hilpert, BPjM-Aktuell 4/2006, S. 13 f. Hänsel/Grossman/ Christensen gehen sogar von einer Konditionierbarkeit durch Gewaltspiele aus, vgl. S. 32 f.

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und ob sich ihm oder ihr dabei ein relativierendes dramaturgisches Konzept erschließt661. Ergibt sich eine Verstärkung ausdrücklich jugendgefährdender Elemente, obwohl das gar nicht die Absicht des Autors war, oder überfordert seine dramaturgische Konzeption minderjährige Konsumenten, hindert dies nicht die besondere jugendschutzrechtliche Relevanz. Zu den grundlegenden Erkenntnissen zählt etwa, dass drastische Darstellungen von (virtuellen) Gewaltakten und ihrer Folgen wie spritzendes Blut, laute Schmerzensschreie, Nahaufnahmen gepeinigter Opfer (Toter, Verletzter, Gequälter) bei Kindern zu Angst und Ekel führen können. Das ist insoweit von Belang, als dadurch ihr Empathieempfinden ausgeschaltet bzw. überlagert werden kann662. Solche Darstellungen haben also für Kinder einen eher hohen denkbaren Gefährdungsgrad663. Richtig ist jedoch auch: Es hängt sowohl von der jeweils gefährdeten Altersgruppe, als auch dem konkreten Inhalt ab, ob die subtile, suggestive Vermittlung das Schädigungspotential erhöht oder die Zelebrierung bzw. Glorifizierung jugendgefährdender Inhalte. So wird die plastische, epische Inszenierung von Pornographie kleinere Kinder kaum gefährden, schon, weil sie das Gezeigte gar nicht richtig einordnen und verstehen können. Deshalb kann ein konkretes Schädigungsprofil letztlich nur anhand pädagogischer und psychologischer Kriterien im Einzelfall ermittelt werden. Auch hier muss die Behörde bei Zweifeln Fachgutachten einholen. Noch ein weiterer Aspekt ist von großer Bedeutung, der sich auf das „Wie“ der Darstellung bezieht: Die „Einkleidung“ der potentiell jugendgefährdenden Inhalte – ihre Syntax, Wortwahl und Grammatik. Je jugendund kindgerechter die Inhalte (bild-)sprachlich vermittelt werden, desto größer ist auch das Gewicht des Jugendschutzes. Ein Medium wie die Jugendzeitschrift „Bravo“ hat zum Beispiel eine ganz eigene, prägende Jugendsprache, die sich ständig im Fluss befindet. Charakteristisch sind dabei kurze, prägnante Hauptsätze oder Satzfragmente mit starker Symbolik. Das gleiche fällt bei der Lektüre von Hip-Hop-Texten auf, die einen spezifischen „Slang“ pflegen und Worten Sinngehalte zuweisen, die nicht dem „normalen“ Sprachgebrauch entsprechen. Vergleicht man diese mit theoretischen Abhandlungen und Streitschriften, werden deutliche Unterschiede sichtbar. Dort findet man eine akademische Sprache mit komplizierter Argumentationstechnik und Fachvokabular. Man braucht eigentlich nicht zu erwähnen, dass jugendgefährdende Inhalte in dieser „Verpackung“ nur wenige minderjährige Leser erreichen werden. Ist 661 662 663

Schulz/Korte, ZUM 02, S. 729. Theunert/Schorb, S. 171 f. Ebenso: Schulz/Korte, ZUM 02, S. 729.

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die jugendgefährdende Botschaft aber griffig und verständlich formuliert und verfügt das Medium zudem noch über ein gutes „Image“ (z. B. auch durch geschicktes Marketing), ist die eigenständige kritische Auseinandersetzung möglicherweise diminuiert und die jugendgefährdenden Inhalte werden eher verinnerlicht. Bei musikalischen Medien vermittelt sich Akzeptanz bei Kindern und Jugendlichen häufig durch Strukturen, die Vertrautheit hervorrufen: „Geschlossenheit, Einfachheit, Symmetrie, Regelmäßigkeit, einfache Gliederungsprinzipien (periodisch), Wiederholungen“664. Jugendliche goutieren ein schnelles Song-Tempo665. Wichtig ist darüber hinaus, dass der Refrain gut memoriert werden kann. Dies befördern eine einfache Harmonik, eine einheitliche Dur-/Moll-Tonalität und das Vermeiden von Dissonanzen bzw. die Wahl klarer rhythmischer Strukturen666. (e) Künstlerische Qualität oder publizistisches Gewicht der Passagen Ein Zusammenhang zwischen der künstlerischen/wissenschaftlichen Qualität und dem schädigenden Einfluss eines Mediums drängt sich dagegen nicht auf. Qualitativ hochwertige Kunst oder Wissenschaft – was auch immer man darunter verstehen mag – hat offensichtlich keine reinigende Wirkung667. Deshalb kann ein Mehr an künstlerischer Qualität die besondere jugendgefährdende Qualität der einschlägigen Passagen nicht relativieren. Auch ein Gegenschluss ist nicht möglich. Bestimmte Vermittlungsformen von als jugendgefährdend anzusehenden Sujets mögen zwar im Einzelfall die Aufnahmebereitschaft von Kindern und Jugendlichen vermindern oder erhöhen668. Allerdings steht dieser Effekt regelmäßig nicht in Verbindung mit der allgemeinen „Qualität“ der Inhalte, sondern mit der bereits angesprochenen Jugendaffinität im Einzelnen. Nur einem so verstandenen „Qualitätskriterium“ bei der Rezeption durch Kinder und Jugendlichen kann Relevanz bei der Bestimmung der Jugendschutzinteressen zukommen. Darauf ist in diesem Kapitel schon unter (d) hingewiesen worden. Ästhetische Wertungskriterien aus der Sicht des Kunst- und Wissenschaftsbeflissenen wie die „stilistische Höhe“ und die „Aussagekraft der Sprache“669 oder die methodische Vorbildlichkeit der praktizierten Analyse sind dagegen für die 664 665 666 667 668 669

Brunner, BPjM-Aktuell 1/2007, S. 5; ebenso: Smith/Melara, S. 279 f. Gembris, S. 236 f. Brunner, BPjM-Aktuell 1/2007, S. 5 f. Vlachopoulos, S. 196 f.; a. A. Meyer-Cording, JZ 76, S. 745. Becker, MDR 68, S. 882 m. w. N. Meyer-Cording, JZ 76, S. 744.

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Abwägung ohne Wert670. Ebenso untauglich ist eine inhaltliche Differenzierung nach dem „publizistischen Gewicht des konkreten Beitrages“ bei der Abwägung von politischen Inhalten und dem Jugendschutz671. Das gilt jedenfalls, soweit damit eine Qualitäts- und Wertigkeitsbetrachtung der konkreten Äußerung oder Darstellung gemeint ist. (2) Die Einbettung der Schilderungen in ein künstlerisches Konzept Als weiteren Abwägungsfaktor nennt das Bundesverfassungsgericht das Maß der Einbindung von jugendgefährdenden Inhalten in ein künstlerisches Konzept672. Dabei geht es wiederum nicht um die Frage, ob eine entsprechende Passage durch den Kontext relativiert ist. Das muss schon bei der Prüfung einer möglichen Jugendgefahr beantwortet werden673. Hier ist zu klären, ob die möglicherweise gefährdenden Inhalte lose und unstimmig aneinandergereiht sind oder ob sie selbst Ausdruck einer kreativen Darstellung und thematischen Verarbeitung sind674. Die Beisitzer sollen sich fragen, ob die gefährlichen Inhalte für das behandelte Thema unumgänglich sind oder nicht. Eine solche Unumgänglichkeit wird zum Beispiel angenommen, wenn sich ein Medium dramaturgisch mit Rassismus auseinandersetzt und dabei bestimmten Akteuren rassistische Äußerungen in den Mund legt675. Allerdings ist dieses Kriterium bei näherer Betrachtung ebenfalls nicht zu handhaben und darüber hinaus widersinnig676. Zunächst würde eine Bewertung danach, „wie qualitativ wert- und damit kunstvoll die Einbettung des Jugendgefährdenden gelungen ist“, die so vehement verteidigte Freiheit der Kunst durch ein staatliches Kunstrichteramt unerträglich gängeln677. Denn die Wertigkeit der Kunst und Wissenschaft bemäße sich dann anhand staatlicher Niveaukriterien, obwohl doch gerade Kunst und Wissenschaft frei 670 So i. E. auch: Isensee/Kirchhof/Denninger, § 146 Rn. 39; Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 18 Rn. 64; Vlachopoulos, S. 196 f.; von Kalm, DÖV 94, S. 26 f.; Knies, S. 274 f. 671 Schulz/Korte, ZUM 02, S. 721 f. 672 BVerfGE 83, S. 147 f. zustimmend: Ukrow, S. 162 Rn. 307; Frenzel, AfP 02, S. 194; Vlachopoulos, S. 229; Kuner, AfP 91, S. 386; Maiwald, JZ 90, S. 1142; Herkströtter, AfP 92, S. 29; Borgmann, JuS 92, S. 919; a. A. Schroeder, S. 56; Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 18 Rn. 62. 673 Schreibauer, S. 165; Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 18 Rn. 62. 674 BGHSt 37, S. 64; Fischer, S. 167; Roßnagel/Altenhain, § 1 Rn. 92 GjS. 675 LG Frankfurt, NJW 86, S. 1260; vgl. dazu auch Vlachopoulos, S. 230. 676 Schroeder, S. 56. 677 von Kalm, DÖV 94, S. 27.

Kap. 11: Indizierungsgründe

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von staatlichen Eingriffen gehalten werden sollen678. Auch, wer rein werkorientiert die künstlerische/wissenschaftliche Notwendigkeit einzelner Passagen beurteilt, läuft Gefahr, Wissenschaft und Kunst „durch die Hintertür“ unerträglich zu maßregeln. Man mag das, was insgesamt Kunst und Wissenschaft ist, juristisch eingrenzen können und müssen. Doch weder Bundesprüfstelle noch die Gerichte dürfen sich anmaßen, das inhaltlich festzulegen, was künstlerisch „notwendig“ bzw. „unumgänglich“ ist. Denn es ist gerade Ausdruck der Kunst und auch Wissenschaft, über unendlich vielgestaltige Wege Effekte zu erzeugen. Diese Wege werden ganz unterschiedlich aufgenommen, bewertet und verstanden. Das ist die Kernursache für die eigentliche Undefinierbarkeit der gestalterischen Freiheit. Wer auf etwas „unumgänglich Notwendiges“ abstellt, bewegt sich gedanklich in einem geschlossenen System. Die Kunst ist jedoch nicht geschlossen, sondern entwicklungsoffen. Deshalb läuft jede normative Notwendigkeitskontrolle – und sei sie auch fachgutachterlich abgesichert – Gefahr, den experimentellen Charakter gerade der Kunst zu verleugnen. Die isolierte Betrachtung der jugendgefährdenden Passagen droht, den Blick für das gestalterische Ganze zu verlieren. Auch das Nichtkünstlerische in einem Kunstwerk kann notwendig sein, um insgesamt Kunst zu erzeugen. Auch das Wechselspiel von Kreativem und Unkreativem, von Jugendgefährdendem und nicht Jugendgefährdendem kann den künstlerischen Effekt potenzieren. Eine konzeptionelle „Notwendigkeitskontrolle“ ist daher nicht geeignet, das Gewicht der Kunst im Abwägungsprozess mit dem Jugendschutz zu taxieren. (3) Das Ansehen des Werkes beim Publikum Indizielle Bedeutung für das Gewicht der Grundrechte soll nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch dem Ansehen des Werkes beim Publikum zukommen679. Es ist jedoch unverständlich, wie und warum die Wertschätzung der Rezipienten bei der Abwägung der widerstreitenden Verfassungsgüter fruchtbar gemacht werden soll. Bei den meisten Werken wird es schon gar nicht realisierbar sein, überhaupt eine ausreichende Anzahl an Leserbriefen, Kommentaren oder sonstigen Meinungsäußerungen von Lesern, Hörern oder Zuschauern zusammenzustellen. Allenfalls bei einer gro678

BVerfGE 75, S. 377. BVerfGE 83, S. 148; BVerwG NJW 99, S. 79; OVG Münster, Urteil zu „American Psycho“ (15.2.2001 – 20 A 3635/98), S. 5; zustimmend: von Mangold/ Klein/Starck/Starck, Art. 5 Abs. 3 Rn. 344; Ukrow, S. 162 Rn. 307; Frenzel, AfP 02, S. 194; Dreier/Pernice, Art. 5 III Rn. 38; wohl auch Kuner, AfP 91, S. 386; Würkner, NVwZ 92, S. 8; Löffler/Ricker, S. 523. 679

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ßen Auflage des Werkes, einem großen Bekanntheitsgrad des Autors oder einem aktuellen, kontrovers diskutierten Thema wird es hinreichende Reaktionen des Publikums geben. Doch selbst dann, wenn eine nicht unerhebliche Zahl von Meinungen zusammengetragen werden kann, liegt nach der Auswertung noch immer kein repräsentatives Meinungsbild vor: Zum einen reagiert nur eine bestimmte Gruppe von Individuen auch öffentlich auf Medien, die ihr gefallen oder eben nicht gefallen. Zum anderen hängt es vom Zufall ab, welche Bildungsund Altersschichten in der Auswertung repräsentiert sind. Um verlässliche Informationen über das Meinungsbild der Rezepienten zu erhalten, müsste die Bundesprüfstelle also in jedem Einzelfall eine werkbezogene, repräsentative Umfrage durchführen. Angesichts der knappen finanziellen Ressourcen der Behörde und der Notwendigkeit, schnell (!) und effektiv indizieren zu können, kann dies nicht befürwortet werden. Schließlich würde die Maßgeblichkeit von Volkes Stimme in eine qualitative oder sogar rein subjektive Kunst-, Wissenschafts- oder Themenkontrolle entarten. Denn das Kriterium des allgemeinen Ansehens mag zwar demokratische Elemente in den Abwägungsprozess mit einbringen680. Es verzichtet aber auf die Notwendigkeit einer werkgerechten Interpretation. Maßgeblich wird dadurch entweder die subjektive Interpretation willkürlicher „qualitativer“ Kriterien durch den Konsumenten oder – noch schlimmer – dessen rein subjektive Gesinnung ohne Heranziehung von Kriterien. In diesem Zusammenhang muss berücksichtigt werden, dass die öffentliche Meinung durch geschicktes Marketing und Werbung gelenkt und beeinflusst werden kann681. Bekannten Autoren, Gruppen, Regisseuren etc. wird das Publikum ein vermeintlich „schlechtes“ Werk dazu eher nachsehen als einem unbekannten Künstler. Es ist auch keine neue Erkenntnis, dass es Tabu-Themen in einer Gesellschaft gibt. Wer diese und die Haltung der Gesellschaft dazu als Künstler, Wissenschaftler oder Journalist aufgreift, beleuchtet und kritisiert, läuft allein schon mit der Thematisierung bei bestimmten Teilen der Bevölkerung Gefahr, auf Ablehnung zu stoßen. Es ist jedoch das berechtigte Anliegen der künstlerischen Freiheiten und des öffentlichen Interesses, nichts auszusparen und – wenn nötig – mit unangenehmen Wahrheiten auch zu polarisieren. Gerade in der schonungslosen Auseinandersetzung mit dem Unangenehmen liegt der unschätzbare „Mehrwert“ der Kunst und Wissenschaft für die parlamentarische Werte-Demokratie. Letztlich kann der allgemeinen Wertschätzung daher nicht einmal eine Indizwirkung für die 680 681

Schroeder, S. 56. Vlachopoulos, S. 199.

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Gewichtung der gestalterischen Freiheiten und des öffentlichen Interesses zukommen682. (4) Die Wertschätzung des Werkes in Kritik und Wissenschaft Ebenso hat das Bundesverfassungsgericht bei der Kunstgewichtung die Bewertung im Feuilleton und in den gestalterischen Disziplinen als relevant erachtet683. Je größer die Wertschätzung in Fachkreisen sei, desto mehr Gewicht komme der grundrechtlichen Freiheit zu. Der Gedanke lässt sich problemlos auf die Wissenschaftsfreiheit übertragen und – mit Abstrichen684 – auch auf das öffentliche Interesse. Immerhin reduziert sich durch das Abstellen auf Experten-Meinungen die Gefahr, völlig sachfremde Erwägungen bei der Bewertung einzustellen. Auch agieren Kritiker oder Wissenschaftler regelmäßig staatsfern, so dass die Gefahr eines staatlichen „Kunstrichteramtes“ relativiert ist. Sie wird aber ersetzt durch ein fachwissenschaftliches Kunstund Wissenschaftsrichtertum. Wenn etwas als Kunst oder Wissenschaft zu bezeichnen ist, kann es für den grundrechtlichen Freiraum und seine Wertigkeit generell nicht darauf ankommen, was andere davon halten – und seien sie auch „vom Fach“. Im Übrigen ergeben sich die gleichen praktischen Probleme, wie wenn man auf das Ansehen des Werkes beim Publikum abstellte. Da Filme, Fernsehsendungen, CDs, Computerspiele, Bücher usw. von Kritikern und Wissenschaftlern ganz unterschiedlich bewertet werden, müsste für ein verlässliches Meinungsbild von Kritik und Wissenschaft wiederum eine repräsentative Umfrage in jedem Einzelfall durchgeführt werden. Das ist weder effizient noch mit den vorhanden Sach- und Personalressourcen der Bundesprüfstelle leistbar. (5) Die Qualität und das Niveau des Werkes Im Schrifttum und der älteren Rechtsprechung finden sich auch Überlegungen, die im Zusammenhang mit der Wertigkeit von Kunstwerken auf die „kultur- und sittengeschichtliche Bedeutung“685, die „besondere Bedeu682

Ablehnend i. E. auch Schreibauer, S. 165. BVerfGE 83, S. 148; ebenso: OVG Münster, Urteil zu „American Psycho“ (15.2.2001 – 20 A 3635/98), S. 5; zustimmend: Dreier/Pernice, Art. 5 III Rn. 38; Frenzel, AfP 02, S. 194; Ukrow, S. 162 Rn. 307; Würkner, NVwZ 92, S. 8; wohl auch Kuner, AfP 91, S. 386; Löffler/Ricker, S. 523. 684 Es dürfte nur in ausgewählten Zusammenhängen so etwas wie Experten oder Kritiker für ein bestimmtes „öffentliches Interesse“ geben. 685 Kuner, AfP 91, S. 386. 683

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tung für das Kunstleben“686, den „kulturellen Wert“687 oder gar die „Qualität oder das gehobene Niveau“688 abstellen. Soweit damit qualitative Kategorien angesprochen werden, sind diese bei der Beurteilung von Kunst und ihrer Wertigkeit hochproblematisch. Denn sie drängen den Staat und seine Institutionen letztlich doch wieder in ein „Kunstrichteramt“689. Es ist aber gerade die Funktion des Art. 5 Abs. 3 GG, den Staat daran zu hindern, die künstlerische Freiheit zu determinieren und zu gängeln. Es geht gerade nicht um eine staatliche „Niveauwahrung“. Das Schreckensbild der „entarteten Kunst“ im Dritten Reich soll in der freien demokratischen Werteordnung keinen neuen Platz finden können690. Staatliche Gängelei lässt sich aber nur dann ausschließen, wenn das künstlerische Niveau eines Werkes „auch nicht durch die Hintertür der Abwägung“ Berücksichtigung findet691. Andernfalls besteht die latente Gefahr, dass der Staat über die Instrumente des Jugendschutzes, die ja weitreichende Effekte auch auf den Erwachsenenkonsum zeitigen können, Einfluss auf die bestehende und zukünftige Entwicklung der Kunst nimmt. Darüber hinaus fehlt es angesichts der Vielschichtigkeit und Unterschiedlichkeit künstlerischer Betätigung und ebenso mannigfaltiger Rezeption des Publikums (gerade bei „moderner Kunst“) an objektivierbaren Maßstäben, das Niveau oder die Qualität der Kunst zu bestimmen692. (6) Die Beschneidung der Grundrechte Häufig unterbelichtet bleibt ein nicht zu unterschätzendes Faktum. Durch die meisten Indizierungen werden nicht nur die potentiell gefährdeten Kinder und Jugendlichen im Idealfall vor einer denkbaren Jugendgefährdung bewahrt. Es wird gleichzeitig auch denjenigen Altersgruppen, für die keine Gefahr besteht, die Möglichkeit genommen, sich über das indizierte Werk der Kunst, Wissenschaft oder des öffentlichen bzw. politischen Interesses zu informieren und es ihnen legal (bzw. ohne Zustimmung der Erziehungsberechtigten) zugänglich zu machen. Hier gerät die Indizierung in gefähr686

Beisel, S. 256; Würkner, NVwZ 92, S. 8. Noll, ZStW 77, S. 30. 688 Meyer-Cording, JZ 76, S. 739; ähnlich: von Mangold/Klein/Starck/Starck, Art. 5 Abs. 3 Rn. 344; Mayer-Tasch, JZ 69, S. 286. 689 Knies, S. 275 f.; Henschel, NJW 90, S. 1940. 690 Romatka, AfP 72, S. 344; Maiwald, JZ 90, S. 1141; Kuner, AfP 91, S. 385; Fischer, S. 22. 691 Vlachopoulos, S. 196. 692 Ablehnend ebenso: Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 18 Rn. 64; Fischer, S. 168; Schreibauer, S. 165; Erbel, DVBl 73, S. 531 f. Bauer, JZ 67, S. 169. 687

Kap. 11: Indizierungsgründe

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liche Nähe zur Zensur693. Um dies zu vermeiden, ist es zwingend geboten, eine abgestufte (Teil-)Indizierung von Medien für bestimmte Altersgruppen zu konzipieren. So lange das jedoch nicht Gesetz geworden ist, muss die Beschneidung der Grundrechte von ungefährdeten Kindern und Jugendlichen zumindest Berücksichtigung bei der Abwägung finden: Je weniger Altersgruppen wahrscheinlich gefährdet sind, desto größer ist das Gewicht der Meinungsfreiheit bzw. der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit. Besteht dagegen für nahezu alle Altersgruppen ein Wirkungsrisiko, verstärkt sich das Gewicht des Jugendschutzes entsprechend694. (7) Die präsumtive Auswirkung einer Indizierung Bei der Gewichtung der künstlerischen Interessen fordert das Bundesverfassungsgericht eine Prüfung ein, wie stark die Maßnahme in der Zukunft die Bereitschaft mindern kann, von dem betroffenen Grundrecht tatsächlich Gebrauch zu machen695. Das Kriterium leuchtet ein, ist jedoch schwer zu konkretisieren. Jede Indizierung wirkt sich durch unmittelbare oder faktische Wirkungen nachhaltig auf die Verbreitung eines Werkes aus. Dadurch besteht immer auch die latente Gefahr einer „Schere im Kopf“696, sei es nun bei der Kreation eines künstlerischen, eines wissenschaftlichen oder eines politischen Werkes. Es fehlt jedoch an konkreten Zahlen und Untersuchungen, auf die sich eine ansatzweise seriöse Voraussage dieser präsumtiven Auswirkung im Einzelfall gründen ließe. Beachtet werden muss auch, dass eine präsumtive Auswirkung durch die Indizierung sehr von der individuellen Befindlichkeit der Autoren, Verleger und Künstler im Einzelfall abhängen dürfte. Die Prognose kann daher letztlich nur auf standardisierten, formalen Überlegungen beruhen, die zum Großteil kaum empirisch abgesichert sind. Einen erheblichen Einfluss auf die zukünftige Grundrechtsausübung dürfte die Indizierung von eher unbekannten Werken unbekannter Autoren mit geringer Auflagenzahl haben. Da indizierte Werke schwer verkäuflich sind und sich dies unmittelbar auf Arbeitsverträge bzw. Leistungsverträge und Honorare auswirken kann, wird es sich gerade ein unbekannter (und damit aus Verlagssicht austauschbarer) Autor bei einer weiteren Arbeit doppelt überlegen, welches Sujet er thematisch verarbeitet und ob er es wieder auf eine jugendgefährdende Art und Weise tut oder nicht. 693

Herkströtter, AfP 92, S. 24. So auch i. E. Vlachopoulos, S. 232; Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 18 Rn. 66. 695 BVerfGE 83, S. 146; zustimmend: Kuner, AfP 91, S. 386; Vlachopoulos, S. 221; Stefen, BPS-Report 2/1984, S. 6 f. 696 Vgl. dazu auch die Beobachtungen von Schilling, S. 120. 694

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Differenzierungen dürften auch möglich sein anhand des Themas, welches das jugendgefährdende Medium behandelt. So werden Pornos auch nach einer Indizierung in recht weit verbreiteten Spezialgeschäften (ErotikShops etc.) oder im Internet angeboten. Hier gibt es einen wirtschaftlich gut funktionierenden Parallelmarkt für Erwachsene, so dass die Indizierung eine weniger starke Auswirkung haben dürfte als bei anderen jugendgefährdenden Inhalten. Darüber hinaus gibt es bezogen auf die Auswirkungen einer Indizierung medientypische Unterschiede: Jugendgefährdende Inhalte bleiben im Internet auch nach einer Indizierung häufig verschlüsselt oder durch geschlossene Benutzergruppen für Erwachsene zugänglich. Ist das Angebot aus dem Ausland geschaltet, fehlt es oft sogar an faktischen Zugangsbarrieren oder die beanstandeten Angebote lassen sich auf anderen, nicht indizierten (weil nicht bekannten oder neu gestalteten) Webseiten wiederfinden. Dadurch ist die „Hemmwirkung“ einer Indizierung für die zukünftige Grundrechtsausübung bei Internet-Indizierungen gering. Anders dagegen verhält es sich bei periodischen Medien wie Zeitschriften und Magazinen. Leser erwarten bei Periodika Regelmäßigkeit. Sie reagieren äußerst sensibel auf Störungen wie (vorläufige) Indizierungen. Autoren und Verleger fürchten vor allem die Vorausindizierung ihres Magazins nach § 22 JuSchG, die nach geltendem Recht bei einer Häufung (auch einzelner) jugendgefährdender Beiträge in Magazinausgaben möglich wird, selbst wenn die präventiv vorausindizierten Inhalte dann tatsächlich gar keine jugendgefährdenden Inhalte enthalten. Die präsumtive Auswirkung auf die Grundrechtsausübung ist hier als sehr groß zu bewerten. Unabhängig von diesen Extremfällen lässt sich die Auswirkung der Indizierungen auf die Grundrechtsausübung nur schwer bestimmen: Bei Videospielen, PCs und CDs ist das Produkt im Zeitpunkt einer Regelindizierung meist schon einige Monate auf dem Markt und dadurch wirtschaftlich weitestgehend abgeschöpft. Das kann sich aber anders darstellen, wenn die BPjM ein vorläufiges Indizierungsverfahren auf den Weg gebracht und damit schon früh den breiten Verkauf unterbunden hat. Hier hängt die Einschätzung und Taxierung der präsumtiven Wirkung von den Umständen des Einzelfalles ab. (8) Die Bedeutung für die demokratische Willensbildung Vereinzelt wird bei der Abwägung von politischen und informellen Belangen mit dem Jugendschutz auch auf die Förderung für den Prozess der Meinungs- und Willensbildung abgestellt697. Es ist schon begründet wor697

Vlachopoulos, S. 232 f.

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den, warum qualitative Kriterien (die im Begriff „Fördern“ angelegt sein könnten) bei der Abwägung von Jugendschutz und Grundrechtsfreiheiten nicht weiterhelfen: Sie drängen den Staat zumindest indirekt in die Rolle eines „Grundrechte-Richters“. Deshalb darf die Bedeutung für die demokratische Willensbildung auch nicht anhand der Logik, Nachvollziehbarkeit, Wertigkeit der Argumentation etc. bestimmt werden. Wenn sich die Taxierung dagegen auf formale Aspekte stützt, kann der so verstandenen gesamtstaatlichen Bedeutung ein gewisser (Indiz-)Wert bei der Abwägung zukommen. Sie bestimmt sich dann allein anhand des Beitragsthemas und seines Anlasses. Beispielsweise wären politische Aussagen und Berichte in Wahlkampfzeiten als formal wichtige Beiträge zur Meinungsbildung in öffentlichen Angelegenheiten anzusehen und dadurch von einer hohen gesamtstaatlichen Bedeutung. (9) Zwischenbefund Taugliche Gewichtungskategorien bei der Abwägung von Jugendschutz und den Freiheitsgrundrechten sind der schädigende Einfluss des Mediums, die Beschneidung der Grundrechte von nicht gefährdeten Kindern und Jugendlichen, die präsumtive Auswirkung einer Indizierung auf die zukünftige Grundrechtsausübung sowie die Bedeutung des Mediums für die demokratische Willensbildung. Beim schädigenden Einfluss des Mediums sind dabei die Anzahl und das Ausmaß der jugendgefährdenden Passagen, die Qualität der betroffenen sozialethischen Werte, der Kreis der betroffenen Kinder und Jugendlichen sowie die Art und Weise der Darstellung als Kriterien zu berücksichtigen. Nicht fruchtbar gemacht werden können für die Abwägung von Jugendschutz und Kunst, Wissenschaft, politischen Inhalten oder Inhalten von öffentlichem Interesse die künstlerische Qualität (das Niveau) bzw. das publizistische Gewicht von jugendgefährdenden Passagen, deren Einbettung in ein künstlerisch-dramaturgisches Konzept, das Ansehen des Werkes beim Publikum und seine Wertschätzung in Kritik und wissenschaftlicher Rezension. cc) Der eigentliche Abwägungsvorgang Mit Hilfe der genannten Kriterien können die gegenpoligen Interessen des Jugendschutzes und der gestalterischen Grundrechte kanalisiert und dann austariert werden. Noch vor der eigentlichen Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls zusammenzutragen. Eine unzureichende Ermittlung des Sachverhaltes als Grundlage der Abwägung hat „zwangsläufig ein

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Abwägungsdefizit und damit die Rechtswidrigkeit der Entscheidung zur Folge“698. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes gehört zu einer umfassenden Ermittlung auch die Beteiligung der Personen, die schöpferisch an dem Kunstwerk mitgewirkt haben. Denn diese sind „typischerweise in der Lage (. . .), etwas über die in dem Kunstwerk umgesetzten, von einer etwaigen Indizierung betroffenen Belange (. . .) auszusagen“699. Diese Beteiligungspflicht wird man auch auf Werke der Wissenschaft und des öffentlichen Interesses ausdehnen müssen. Führt allerdings die Anhörung dieser Personen zu erheblichen Verzögerungen im Indizierungsverfahren, kann es der effektive Jugendschutz gebieten, schon vor deren Abschluss eine (vorläufige) Entscheidung zu treffen700. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Bundesprüfstelle die Verzögerungen nicht zu vertreten hat. Praktisch sind das vor allem Fälle, in denen die Autoren oder Verleger im Ausland wohnen und sich auf Anfrage nicht oder verspätet melden. Die (vorläufige) Entscheidung darf sich jedoch nicht allgemein auf „regelmäßige Erfahrungen“ gründen (z. B. stets und immer bei Auslandsbezug), sondern muss die Umstände des Einzelfalles im Blick behalten. Die Annahme von „Beibringungslasten“ der Betroffenen darf auch nicht dahingehend verstanden werden, dass die Bundesprüfstelle stets nur diejenigen Aspekte zugunsten der Kunstfreiheit berücksichtigen muss, die von der Betroffenen-Seite angesprochen werden. Die Behörde hat schon wegen des Amtsermittlungs-Grundsatzes alle für die Freiheitsrechte streitenden Umstände in die Abwägung einzustellen, die sich ihr bei objektiver, vorurteilsfreier Betrachtung erschließen. Im Anschluss ist für jedes relevante Kriterium eine Gewichtung und Einzel-Abwägung durchzuführen (so ergibt sich z. B. für den schädigenden Einfluss der Schrift erst durch verschiedene Unterkriterien ein stimmiges Gesamtbild, s. o.). Schließlich sind die einzeln austarierten Gewichte zugunsten des Jugendschutzes und der Grundrechtsfreiheiten in einer Gesamtabwägung gegenüberzustellen (2. Abwägung). Ergibt sich bei dieser „Schlussabwägung“ ein Übergewicht des Jugendschutzes, spricht dies für eine Indizierung. Ergibt sich dagegen ein Übergewicht der gestalterischen Freiheiten, ist von einer Indizierung abzusehen. Sowohl für die Sachverhaltsermittlung als auch für den Abwägungsvorgang gilt: In klar gelagerten Fällen, bei denen sich ein eindeutiges Abwägungsergebnis zugunsten von Jugendschutz oder Grundrechtsfreiheiten schon frühzeitig abzeichnet, müssen nicht alle kriterienrelevanten Umstände 698 699 700

BVerwG NJW 99, S. 76. Ebenda, S. 76. Ebenda, S. 78.

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bis ins kleinste Detail ermittelt und abgewogen werden. Deshalb ist die Bundesprüfstelle auch nicht gehalten, alle möglichen Aspekte in ihren Indizierungsentscheidungen schematisch durchzumustern und schriftlich niederzulegen701. Notwendig ist aber in jedem Fall ein Mindestmaß der Differenzierung beider Interessen. Je „mehr sich die Waagschalen dem Gleichgewicht nähern, desto intensiver muss versucht werden, die beiderseitigen Wertungen abzusichern und auch Einzelgesichtspunkte exakt zu wägen“702. 5. Weitere Beschränkungen der Indizierung Selbst wenn die grundsätzliche Güterabwägung von Jugendschutz und widerstreitenden Freiheitsrechten Repressionen rechtfertigen würde, können bestimmte Umstände ausnahmsweise gegen eine Indizierung sprechen. a) Ausschluss der Fälle von geringer Bedeutung Liegt etwa ein Fall von geringer Bedeutung gemäß § 18 Abs. 4 JuSchG vor, muss die Bundesprüfstelle von einer Aufnahme in die Liste der jugendgefährdenden Medien (und damit einer Indizierung) absehen. Das ist unabhängig davon, ob das Medium als politisch, künstlerisch, wissenschaftlich oder sonst privilegiert anzusehen ist oder nicht. aa) Rechtlich relevante Faktoren Zunächst stellt sich die Frage, welche Kriterien für die Bestimmung eines solchen Bagatellfalles erheblich sein können. Die amtliche Gesetzesbegründung des alten § 2 GjS, der mit § 18 Abs. 4 JuSchG vollständig übereinstimmt, erwähnt als denkbare Anwendungsfälle ausdrücklich Prüfobjekte mit einer inhaltlich nur „geringfügigen sittlichen Gefährdung“. Daneben sei von Bedeutung, ob „eine nicht besonders gefährliche Schrift nur in geringem Umfang aufgelegt (sei) oder vertrieben“ werde703. Rechtsprechung und Lehre gehen deshalb davon aus, dass sowohl formale Aspekte als auch inhaltliche Erwägungen bei der Subsumtion Bedeutung gewinnen können704. Als „formale“ Gründe kommen zunächst Verbreitungsfaktoren in Betracht: Der Verzicht auf eine Neuauflage des jugendgefährdenden Mediums 701

BVerwG NJW 97, S. 603. Ebenda, S. 602; BVerwG NJW 99, S. 77. 703 BT-Drcks. 1/1101, S. 11. 704 BVerwGE 23, S. 122; BVerwGE 39, S. 199; BVerwGE NJW 87, S. 1434; Nikles § 18 Rn. 13; Ukrow, S. 167 Rn. 313; Erbs/Steindorf, § 2 Rn. 1 GjS; Scholz (3. Auflage), Anm. zu § 2 GjS (S. 58). 702

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

und auf die Verbreitung etwaiger Restbestände705 (soweit das Werk tatsächlich gering verbreitet ist und keine Weiterleitung „auf dem Schwarzmarkt“ droht), ein hoher Preis706 und die Fremdsprachigkeit des Mediums707. Inhaltlicher Grund ist häufig eine fehlende sprachliche oder thematische Jugendaffinität (z. B. durch die Verwendung vieler Fremdworte, eines komplizierten Satzbaues, eines Themas, das in erster Linie Erwachsene anspricht etc.). Gegen das Einbeziehen auch inhaltlicher Gesichtspunkte hat sich vor allem Liesching gewandt708. Schon im Rahmen des § 18 Abs. 1 und Abs. 3 JuSchG werde intensiv geprüft, ob eine Jugendgefährdung von Kindern oder Jugendlichen durch das Prüfobjekt wahrscheinlich sei. Wenn eine Indizierung dann auch unter Berücksichtigung der widerstreitenden Grundrechte als verhältnismäßig erscheine, dürfe das gefundene Ergebnis nicht über § 18 Abs. 4 JuSchG verwässert werden. Die Beschränkung auf formale Umstände diene der Klarheit und Transparenz des Indizierungsrechtes. Andernfalls müsse neben den Fällen der einfachen Jugendgefährdung nach § 18 Abs. 1 JuSchG und der schweren Jugendgefährdung nach § 15 Abs. 2 JuSchG noch eine dritte Kategorie der „nicht ganz so gravierende[n] aber immerhin noch (. . .) sozial-ethisch desorientierende[n] Einflussnahme auf Kinder und Jugendliche“ unterschieden werden709. Liesching ist zuzugeben, dass selbstverständlich alle inhaltlichen Relativierungen der Jugendgefährdung bei der Gesamtabwägung von Jugendschutz und den entgegenstehenden Grundrechten berücksichtigt werden müssen. Gleichwohl ist Liesching im Ergebnis nicht beizupflichten. Denn zum einen hat die Bundesprüfstelle bei der Entscheidung nach § 18 Abs. 4 JuSchG 705 Ähnlich: Scholz/Liesching, § 18 Rn. 43; Ukrow, S. 167 Rn. 313; Nikles, § 18 Rn. 13; Roßnagel/Altenhain, § 2 GjS Rn. 14. Die Prognose zu Letzterem wird – um stichhaltig zu sein – stets mit einer inhaltlichen Analyse des Mediums auf seine Kinder- und Jugendaffinität einhergehen müssen. 706 Nikles, § 18 Rn. 13; Ukrow, S. 167 Rn. 313; Erbs/Steindorf, § 2 GjSM Rn. 2. Das kann aber nur von Relevanz sein, wenn das Medium auch nicht materiell jugendaffin ist, zumal ansonsten via Internet, Bibliotheken, Videotheken etc. eine entsprechende Weiterverbreitung droht. 707 Ukrow, S. 167 Rn. 313; Roßnagel/Altenhain, § 2 GjS Rn. 15. Dieses Kriterium greift nur, wenn es sich um eine Abhandlung oder ein sonstiges (musikalisches) Werk handelt, das in einer Fremdsprache gehalten ist, welche von Kindern und Jugendlichen typischerweise nicht beherrscht wird, z. B. Japanisch, nicht jedoch Englisch. Da sich visuelle Jugendgefährdungen non-verbal transportieren, kann bei einschlägigen Filmen, Videos, DVDs etc. nicht auf die Sprache als Kriterium zurückgegriffen werden. 708 Scholz/Liesching, § 18 Rn. 42 f.; so nunmehr auch: Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 18 Rn. 80. 709 Ebenda.

Kap. 11: Indizierungsgründe

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– wie noch darzustellen sein wird – gar kein Ermessen. Zum anderen müssen materielle Aspekte in der Bagatellklausel spätestens dann berücksichtigt werden, wenn das Medium keinen Tendenzschutz genießt. Dann kommt es nämlich zu überhaupt keiner vorgeschalteten Güterabwägung nach § 18 Abs. 3 JuSchG. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip bindet den Gesetzgeber jedoch bei jeglicher Einschränkung der Grundrechte. Wenn sie schon nicht aus § 18 Abs. 4 JuSchG unmittelbar zu entnehmen wären, müssten materielle Gesichtspunkte unmittelbar aus den betroffenen Grundrechten (z. B. Art. 2 Abs. 1 GG) heraus Berücksichtigung finden. Schließlich lassen sich auch die eigentlich „formalen“ Kriterien häufig nur durch einen Rückgriff auf „materielle“ Inhalte fruchtbar machen. So ist zum Beispiel eine geringe Verbreitung des jugendgefährdenden Mediums nur dann taugliches Kriterium zur Bestimmung von Bagatellfällen, wenn gleichzeitig keine Jugendaffinität des Werkes besteht. Denn andernfalls droht gerade wegen der geringen Zahl an Originalmedien eine Verbreitung durch (Raub-)Kopie oder Brennerei „unter der Hand“. Daneben ist eine vermehrte Kenntnisnahme des Inhalts durch (Aus-)Leihe in Bibliotheken, Videotheken etc. zu vermuten. Angesichts dieser zahlreichen Wechselbeziehungen formeller und materieller Kriterien verdient eine wertende Zusammenschau aller Aspekte den Vorzug. Das lässt sich auch mit dem Wortlaut der Norm in Einklang bringen, der die Kriterien „geringer Bedeutung“ gerade nicht auf formale Gesichtspunkte verengt. bb) Die Rechtsnatur der Entscheidung Der „Schlüssel“ zum Verständnis des § 18 Abs. 4 JuSchG ist das Erkennen seiner Rechtsnatur. Nach überwiegender Ansicht trifft die Bundesprüfstelle ihre Entscheidung über das Vorliegen eines Bagatellfalles in pflichtgemäßem Ermessen710. Sie kann also bei Fällen geringer Bedeutung von einer Indizierung absehen, muss es aber nicht. Ihre Einschätzung ist gemäß § 114 VwGO nur auf Ermessensfehler hin überprüfbar. Diese Interpretation wird in erster Linie auf den Wortlaut der Norm („kann“) gestützt711. Im Ergebnis vermag sie jedoch nicht zu überzeugen. Denn mit ihr lässt sich die Funktion des § 18 Abs. 4 JuSchG nicht erklären. Er kann keine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsprinzips sein, wenn der Bundesprüfstelle ein Restbereich nicht überprüfbarer Entscheidungsfreiheit verbleibt. Schließlich dürfen die Konsequenzen einer verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung (entweder zugunsten des Jugendschutzes oder zugunsten der 710 Nikles, § 18 Rn. 14; Ukrow, S. 167 Rn. 313 f.; Scholz/Liesching, § 18 Rn. 41; Scholz (3. Auflage), Anm. zu § 2 GjSM (S. 58); Erbs/Steindorf, § 2 GjSM Rn. 1; Potrykus, § 2 GjS Rn. 4. 711 So etwa Ukrow, S. 167 Rn. 313 Fn. 131.

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

Freiheitsrechte) nicht zur Disposition der Bundesprüfstelle stehen. Dies liefe letztlich darauf hinaus, dass die Bundesprüfstelle bei der Güterabwägung von Jugendschutz und Grundrechtsfreiheiten – wenn auch in engen Grenzen (nämlich bezogen auf einige wenige relativierende Umstände) und bar von Ermessensfehlern – in der Sache Entscheidungsfreiheit genießt. Dass das 12er-Gremium aber darüber befinden darf, ob es Aspekte zugunsten der Grundrechtsfreiheiten berücksichtigt oder nicht, entspricht keinesfalls den verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Herbeiführung praktischer Konkordanz. Der möglichst schonende Ausgleich der (gleichwertigen) Grundrechtsgüter muss im Gegenteil durch vollständige richterliche Überprüfbarkeit effektiv gewährleistet werden. Erhellt sich die Funktion des § 18 Abs. 4 JuSchG aber nicht als Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, bleibt offen, wieso jedenfalls bei „Tendenzinhalten“ die schon im Rahmen der § 18 Abs. 1 und 3 JuSchG vorgenommene Güterabwägung von Jugendschutz und entgegenstehenden Freiheitsrechten auch inhaltlich noch einmal „aufgeweicht“ werden darf. Diesbezüglich erweisen sich die schon referierten Ausführungen Lieschings als stichhaltig712. Deshalb verdient eine andere Auslegung des Tatbestandes den Vorzug: Bei § 18 Abs. 4 JuSchG handelt es sich um eine Kopplungsvorschrift, die den unbestimmten Rechtsbegriff der „geringen Bedeutung“ mit dem Ermessen auf der Rechtsfolgenseite verknüpft713. Beide Ebenen können aber inhaltlich nicht getrennt werden. Deshalb höhlt der unbestimmte Tatbestandsbegriff der „geringen Bedeutung“ das Ermessen aus. Für gesonderte Ermessenserwägungen bleibt kein Raum. Falls also ein gerichtlich voll überprüfbarer Fall geringer Bedeutung vorliegt, muss die Indizierung unterbleiben714. Soweit diese Auslegung dem Willen des historischen Gesetzgebers entgegensteht, ist das aus den genannten verfassungsrechtlichen Erwägungen hinzunehmen. Auf diese Weise verdeutlicht sich auch die Funktion des § 18 Abs. 4 JuSchG als besondere Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsprinzips. b) Das Verbot der Teilindizierung Jugendgefährdende Prüfobjekte werden regelmäßig als Ganzes in die Liste der jugendgefährdenden Medien aufgenommen. Es ist also nicht so, dass nur einzelne Inhalte (jugendgefährdende Textpassagen, Photos, Bildausschnitte, Filmsequenzen) den Werbe- und Verbreitungsverboten unterlä712

Das gilt jedenfalls für die Fälle, in denen die Tendenzschutzklausel Anwendung findet. 713 Roßnagel/Altenhain, § 2 GjS Rn. 7. 714 So auch Schraut, S. 80; Roßnagel/Altenhain, § 2 Rn. 9.

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gen715. Die Gründe für dieses Verbot der Teilindizierung verdeutlichen sich allerdings nicht auf den ersten Blick. Es erscheint gerade bei periodischen Medien wie Magazinen als ein milderes und gleichwohl ebenso effektives Mittel, lediglich die nicht jugendgeeigneten Passagen den strengen Einschränkungen des Indizierungsrechts zu unterwerfen716. So hat das Bundesverwaltungsgericht die Bundesprüfstelle in der BVerwGE 27, S. 21 f. tatsächlich aufgefordert, Teilindizierungen auszusprechen, falls diese technisch durchführbar seien. Dies erweise sich als Konsequenz der verfassungsrechtlichen Vorgabe, das mildeste unter den gleich geeigneten Mitteln für den Güterausgleich von Kunst- und Jugendschutz zur Anwendung zu bringen717. Nach einem Zuständigkeitswechsel ist das Bundesverwaltungsgericht davon aber in den Entscheidungen BVerwGE 39, S. 199 f.718 sowie BVerwGE 39, S. 214 f.719 bedauerlicherweise abgerückt. Das Verhältnismäßigkeitsargument verfange nicht, da auch die Teilindizierung die Medien den Werbe- und Vertriebsbeschränkungen des Indizierungsrechts unterziehe, falls das Gesamtwerk unverändert bleibe. Sie sei also gar kein milderes Mittel. Falls es zu Modifikationen des indizierten Werkes käme, sei sogar das Gegenteil der Fall. Dann „würde eine Teilindizierung zu einer unzulässigen Beeinträchtigung der Informationsfreiheit Erwachsener führen, da geschwärzte oder entfernte Seiten auch ihnen unzugänglich wären“720. Dies „verstieße gegen das Übermaßverbot“ und sei schon deshalb vom Gesetzeswortlaut nicht gedeckt721. Im Übrigen wider715 Scholz/Liesching, § 18 Rn. 11; Ukrow, S. 153 Rn. 292; von Heyl, S. 52 (Umkehrschluss); Roßnagel/Altenhain, § 1 GjS Rn. 105 f. 716 Von dieser Problematik muss der Fall unterschieden werden, bei dem einzelne jugendgefährdende Passagen in einem Medium durch den Kontext relativiert werden. Falls nämlich ein jugendgefährdender Inhalt (z. B. eine „Gewaltspitze“ in einem Film) durch die übrige Darstellung ausreichend entkräftet ist, kommt überhaupt keine Indizierung in Betracht. Entscheidend ist immer der „Gesamteindruck“, vgl. dazu schon RGSt 23, S. 390. 717 BVerwGE 27, S. 27. Es ging in der Sache um die Indizierung des Magazins „Stern“ vom 11.8.1963 (Heft Nr. 32), das auf den Seiten 10 bis 15 und 69 bebilderte Originalzitate aus einer Gerichtsverhandlung abgedruckt hatte. Die Bundesprüfstelle hielt die Inhalte für sexuell anstößig, pervers und damit schwer jugendgefährdend. 718 Gegenstand des Verfahrens waren die Indizierungen zweier Ausgaben der Illustrierten „Stern“ (Nr. 33 und 34/1965 vom 15. bzw. 22. August 1965). Anstoß genommen wurde an dem Abdruck eines Fortsetzungsromans, der „in außergewöhnlichem Maße jugendgefährdend“ gewesen sei. 719 Gegenstand des Verfahrens war die Indizierung einer Ausgabe der Illustrierten „Quick“ (Nr. 10/1969 vom 5. März 1969). Als jugendgefährdend angesehen wurde Anzeigenseite 5, die insgesamt 24 Anzeigen mit sogenannten „Sexartikeln“ auswies. 720 BVerwGE 39, S. 215. 721 Ebenda, S. 209.

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spreche die Teilindizierung dem Willen des historischen Gesetzgebers722. Dass eine Teilindizierung ausnahmsweise (etwa bei Loseblattsammlungen) in Betracht kommen kann, schließt das Bundesverwaltungsgericht allerdings nicht aus723. Insgesamt vermögen die späteren Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes keineswegs zu überzeugen. Vor allem das Argument, die Teilindizierung schränke die allgemeine Informationsfreiheit der Erwachsenen über Gebühr ein, verkennt die reellen Gegebenheiten. Es ist nicht die Teil-, sondern die Totalindizierung, die bei periodischen Medien und Computerspielen einem verbotsgleichen Eingriff gleichkommt und die Informationsfreiheit massiv beschneidet724. Was indiziert wird, verschwindet von der normalen Ladentheke. Erwachsene haben große Mühe, an entsprechende Produkte zu gelangen bzw. überhaupt Kenntnis von ihnen zu erhalten. Hinzu kommt, dass die Konsumenten von Periodika hochsensibel reagieren, wenn einzelne Ausgaben nicht oder kaum greifbar sind. Häufen sich die Indizierungen von Einzelausgaben, wie z. B. bei einer Vorausindizierung, hat dies nicht selten existenzvernichtende Folgen für das betroffene Produkt725. Angesichts dieser – für den Gesetzgeber auch vorhersehbaren – Marktmechanismen wirkt sich die vollständige Indizierung eines Magazins gerade auch zulasten von Inhalten in einem indizierten Medium aus, die durchaus jugendgeeignet sind. Nicht unerwähnt bleiben dürfen in diesem Zusammenhang die zukünftigen Effekte: Wenn die Indizierung angesichts der beschriebenen Marktwirkungen um jeden Preis verhindert werden muss, wird dies redaktionsintern zulasten von Inhalten mit jugendschutzbezogenem Konfliktpotential gehen. Und zwar auch dann, wenn die Bundesprüfstelle tatsächlich nur von einer Jugendbeeinträchtigung ausgehen würde. Selbst die Autoren können angesichts der faktischen Zwänge schon bei der Werkgenese bewusst oder unbewusst auf ihr Recht verzichten, Inhalte auf jugendgefährdende Weise zu thematisieren, um der Indizierung zu entgehen. Die Beeinträchtigung der Informationsfreiheit und der Kunstfreiheit ist im Ergebnis bei einer Totalindizierung außerordentlich groß. Daneben erscheinen einzelne (im Übrigen auch nicht zwingende) Schwärzungen oder Kürzungen im Rahmen einer Teilindizierung als geringfügigerer Eingriff in die betroffenen Grundrechte726. Dem 722 Dies wird aus BT-Drcks. 1/1101, S. 11 abgeleitet. Dort ist davon die Rede, dass die Prüfstelle eine Schrift auch auf die Liste setzen darf, wenn „nur ein Teil der Schrift die Voraussetzungen (. . .) erfüllt“. 723 BVerwGE 39, S. 215 („Quick“). 724 Das stellt schon Romatka in AfP 72, S. 345 pointiert fest. 725 So: Löffler/Ricker, S. 531. 726 Löffler/Ricker, S. 525.

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Jugendschutz wird gleichwohl vollständig Rechnung getragen. Der entscheidende Vorteil der Teilindizierung ist zudem, dass dem Hersteller (zumindest bei Neuauflagen) sein kreatives Gestaltungsrecht verbleibt: Er kann sich einerseits für die Beibehaltung der jugendgefährdenden Inhalte entscheiden. Dann bleibt das Werk unverändert erhalten, unterliegt aber den Restriktionen des Jugendschutzes. Er kann sich aber auch für Kürzungen oder Schwärzungen entscheiden. Dann besteht die Möglichkeit, das jugendliche Publikum mit zu erreichen. Entwickelt man den letzten Gedanken fort, ergibt sich auch die zumindest theoretische Option, beide Varianten durch unterschiedliche Auflagen zu kombinieren und so einen größtmöglichen Interessentenkreis zu bedienen. Dies kann der Informationsfreiheit der Erwachsenen nur dienlich sein. Der Autor oder Verleger ist auch regelmäßig nicht gezwungen, vor der allgemeinen Verbreitung entschärfter Medien an Kinder und Jugendliche einen kostenintensiven Antrag auf Feststellung der fehlenden Inhaltsgleichheit mit dem indizierten Original zu stellen727. Es reicht aus, die jugendgefährdenden Passagen einfach wegzulassen, falls dadurch nicht der Sinnzusammenhang entstellt wird. Begrüßenswerter Nebeneffekt wäre eine Entlastung der Bundesprüfstelle von diesen Verfahren. Bei wertender Zusammenschau ist also die frühere Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes vorzugswürdig. Die Teilindizierung ist nicht nur möglich, sondern da, wo sie technisch machbar ist, auch durchzuführen728. 6. Die Verfassungsmäßigkeit der Indizierung gemäß § 18 Abs. 1 JuSchG Grundlegende Aussagen zur Verfassungsmäßigkeit des Indizierungsrechtes lassen sich schwer treffen, ohne dabei die konkreten Rechtsfolgen im Blick zu behalten729. Diese Folgen sowie die Sanktionen bei Verstößen sind Gegenstand des nächsten Kapitels. Folgerichtig findet sich dort auch eine Vereinbarkeitsprüfung der zentralen Indizierungsnormen mit den Grundrechten.

III. Die Voraus-Indizierung nach § 22 JuSchG Zu den verfassungsrechtlich problematischen Regelungen des Indizierungsrechtes gehört § 22 JuSchG. Danach können bestimmte periodische Medien „im Voraus“ für drei bis zwölf Monate indiziert werden, wenn ein727 728 729

Vgl. dazu noch näher Kapitel 13, II. So i. E. auch Löffler/Ricker, S. 525; Romatka, AfP 72, S. 345. BVerwGE 39, S. 200.

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zelne Ausgaben in der Vergangenheit jugendgefährdend gewesen sind. Ziel der Norm ist ein effektiver, präventiver Jugendschutz. Denn das Indizierungsverfahren ist sehr komplex und es vergeht einige Zeit vom Antrag bis zur Indizierungsentscheidung. So sind täglich, wöchentlich oder monatlich erscheinende Medien häufig ausverkauft oder remittiert, wenn dann tatsächlich eine Indizierung ausgesprochen ist730. Die Mechanismen des Jugendmedienschutzes greifen dadurch nicht so effektiv wie gewünscht. Hier ist die vorausgreifende Dauerindizierung als „zweite Säule“ des Indizierungsrechtes das Pendant zu der höheren Verbreitungsgeschwindigkeit periodischer Medien731. 1. Praktische Relevanz Die Bedeutung der Vorausindizierung ist nicht besonders groß. Nach Angaben der Bundesprüfstelle wurden in den letzten fünf Jahren zwischen drei und fünf Medien jährlich vorausindiziert. Am 28.02.2007 waren drei Medien nach § 22 Abs. 1 und 2 JuSchG vorübergehend in die Liste der jugendgefährdenden Medien aufgenommen732. 2. Voraussetzungen für Trägermedien Die Voraus-Indizierung ist nur innerhalb bestimmter Grenzen zulässig. Für Trägermedien formuliert sie § 22 Abs. 1 JuSchG. a) Periodisches Erscheinen Indiziert werden dürfen Trägermedien, die innerhalb zeitlicher Abstände von höchstens sechs Monaten erscheinen733. In Betracht kommen vor allem Zeitschriften, Magazine und Comic-Hefte, aber auch Bücher oder Hörbücher auf CD-Rom etc. sowie DVD-Reihen. Manchmal ist zweifelhaft, ob ein Prüfobjekt tatsächlich als Folge eines Mediums qualifiziert werden kann, weil es sich graphisch bzw. inhaltlich von Vorgänger- oder Nachfolgeexemplaren unterscheidet. Entscheidend ist eine wesentliche äußere Gleichartigkeit. Nur dann kann das Prüfobjekt als Serie eines Trägermediums qualifiziert werden734. Indikatoren können die Übereinstimmungen von 730

Ukrow, S. 283 Rn. 561; Nikles, § 22 Rn. 2; Scholz/Liesching, § 22 Rn. 1. Nikles, § 22 Rn. 22. 732 Quelle: www.bundespruefstelle.de (dort unter: Statistik), Abruf 11.03.2007. 733 Scholz/Liesching, § 22 Rn. 2. 734 Ukrow, S. 284 Rn. 562; Nikles § 22 Rn. 2; zu § 7 GjSM so auch Erbs/Steindorf, Rn. 2. 731

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Titel, Rubriken, der graphischen Gestaltung und sekundär auch der Verlagsund Vertriebsstrukturen sein. Bestehen Zweifel, ist von einer Zuordnung als Folge abzusehen. Ergeben sich deutliche inhaltliche Parallelen zu Vorgänger-Ausgaben, kann es sich um ein Medium handeln, das wesentlich inhaltsgleich mit einer bereits in der Liste geführten Folge ist. Solche Medien gelten nach § 15 Abs. 3 JuSchG als von selbst indiziert735. b) Anzahl der Vor-Indizierungen Im Zeitpunkt der Voraus-Indizierung müssen mindestens drei Folgen des Mediums innerhalb eines Jahres in die Liste der jugendgefährdenden Medien aufgenommen worden sein. Die Berechnung des Jahres-Zeitraumes richtet sich nach den §§ 31 VwVfG, 187 f. BGB736. Gezählt werden sowohl Indizierungsentscheidungen des 12er-Gremiums nach § 19 Abs. 5 JuSchG, als auch solche im vereinfachten Verfahren gemäß § 23 Abs. 1 bzw. Abs. 5 JuSchG sowie nach einem strafgerichtlichen Urteil entsprechend § 18 Abs. 5 JuSchG737. 3. Voraussetzungen für Telemedien Auch Telemedien können gemäß § 22 Abs. 2 JuSchG auf die Dauer von drei bis zwölf Monaten in die Liste der jugendgefährdenden Medien aufgenommen werden. Mit dieser Erweiterung der präventiven Indizierungsmöglichkeit will der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass vor allem Internet-Angebote regelmäßig abgeändert und verändert werden738. Ebenso wie bei den Trägermedien ist es erforderlich, dass mehr als zwei ihrer Angebote binnen eines Jahres in die Liste aufgenommen worden sind. 4. Ausnahmeregelungen Handelt es sich bei den periodischen Träger- oder Telemedien um Tageszeitungen oder politische Zeitschriften (ggf. in der „Online-Version“), ist die Vorausindizierung nach § 22 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 2 JuSchG ausgeschlossen. Der besondere Wert dieser Medien liegt in der Aktualität und Alltäglichkeit ihrer Berichterstattung. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Informa735

Vgl. hierzu noch näher die Ausführungen in diesem Kapitel unter IV. 3. Liegen die Voraussetzungen z. B. am 23. Januar 2006 vor, greifen sie bis zum 22. Januar 2007. 737 Scholz/Liesching, § 22 Rn. 3. 738 BT-Drcks. 14/9013, S. 27. 736

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tionsfreiheit. Würden sie ein ganzes Jahr den Indizierungsfolgen unterworfen und damit quasi unverkäuflich werden, verlören sie jegliche Leserbindung und wirtschaftliche Existenzgrundlage. Sie drohten dadurch als Informationsquelle vollständig verloren zu gehen. Angesichts dieser Gefahr muss auf eine generelle Vorausindizierung ausnahmsweise verzichtet werden. Unter Berücksichtigung des Jugendschutzes begegnet diese legislativ vorgegebene Einschränkung schon deshalb keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, weil die Vorausindizierung ja gerade auch (zukünftige) Medien erfasst, deren Jugendgefährdung gar nicht feststeht. Im Übrigen ist es der Bundesprüfstelle unbenommen, jugendgefährdende Medien nach ihrem Erscheinen auf dem „normalen“ Wege zu indizieren (wobei dem konkreten Trägermedium dann ggf. auch der Tendenzschutz des § 18 Abs. 3 JuSchG zugute kommt). a) Periodische Druckwerke Mit Tageszeitungen und politischen Zeitschriften spricht das Gesetz grundsätzlich periodische Druckwerke an. Eine Tageszeitung ist dabei jedes mittels Druckerpresse oder sonstigem zur Massenherstellung geeignetem Vervielfältigungsverfahren hergestellte Druckwerk, das sich täglich oder zumindest zweimal wöchentlich mit der Berichterstattung über aktuelle zeitgeschichtliche, politische, kulturelle, sportliche und sonstige gesellschaftsrelevante Vorgänge befasst739. Zweifelhaft ist die Auslegung des Zeitschriften-Begriffes. Die Zeitschrift kann entweder als bloßer Teilbegriff der periodischen Druckwerke begriffen werden oder als einschränkender Gegenbegriff zur Zeitung. Im ersten Fall würde der politische Inhalt einer Zeitschrift die Ausnahmeklausel greifen lassen, auch wenn sie nicht mindestens zweimal wöchentlich erscheint. Dagegen würde die zuletzt angesprochene Auslegung alle politischen Zeitungen, die nicht Tageszeitungen sind, von einer Privilegierung ausschließen740. Praktische Bedeutung hat das vor allem für die Wochenzeitungen741. Richtig ist es, das Begriffspaar in § 22 JuSchG nicht gegensätzlich aufzufassen. Der Zeitschriften-Begriff hat also nur Auffang-Funktion und erfasst sonstige periodische Druckschriften wie Wochenzeitungen und Magazine742. Zwar gibt es durchaus format- und aufmachungsbezogene Unter739 Vgl. dazu: Löffler/Sedelmeier, LPG, S. 436 Rn. 15 f.; Scholz (2. Auflage), § 7 GjS Rn. 1. 740 Schefold, S. 1. 741 Zu denken ist etwa an „Die Zeit“, „Bild am Sonntag“, „Welt am Sonntag“, „Rheinischer Merkur“ etc. 742 So im Ergebnis auch: Nikles, § 23 Rn. 5.

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schiede zwischen Zeitungen und Zeitschriften. Insoweit geht die juristische Gleichstellung beider Termini zulasten einer präzisen Begriffsbildung. Aber diese Unterschiede gleichen sich in der Praxis immer mehr an743. Auch legt der Telos des § 22 JuSchG eine entsprechende Gleichstellung nahe: Denn Wochenzeitungen sind eine unverzichtbare Informationsquelle in der Informationsgesellschaft: Die aktuellen Geschehnisse werden noch grundsätzlicher, kontextuierter und reflektierter als in der Tagespresse behandelt. Entsprechend richtet sich die Wochenzeitung an ein Publikum, das mehr Hintergrundwissen erwerben und den Blick für die wesentlichen (politischen) aktuellen Zusammenhänge behalten will. Außerdem erscheinen diese Trägermedien in immer noch kurzen und regelmäßigen Abständen, so dass eine kontinuierliche Informationsvermittlung gewährleistet ist. Gerade aber Medien mit diesen Eigenschaften will § 22 JuSchG vor den harten Indizierungseingriffen schützen. Der präventive Jugendschutz soll nach der erklärten Wertung des Gesetzgebers zugunsten der Sicherung von regelmäßig erscheinenden aktuellen Informationsquellen zurücktreten müssen. Es wäre teleologisch unsinnig, einerseits tägliche Medien wie die „Bildzeitung“ dem Schutz des § 22 JuSchG zu unterstellen, ihn aber Wochenzeitschriften wie der „Die Zeit“ zu verwehren. Systematisch wird diese Sichtweise auch durch die juristische Gleichstellung beider Gattungen etwa in § 7 Abs. 4 Landespressegesetz NRW gestützt744. Allerdings muss der Inhalt der so verstandenen Zeitschriften (also auch Wochenzeitschriften und sonstige Magazine) stets politisch sein, um in den Genuss der Privilegierung des § 22 Abs. 1 S. 2 JuSchG zu gelangen. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, in welchem quantitativen Umfang die Zeitschrift politische Themen aufgreifen muss, um den Anforderungen einer politischen Zeitschrift zu genügen. Der Wortlaut der Norm legt nahe, dass sich für eine Einordnung als politische Zeitschrift die Mehrzahl der Inhalte (ohne Werbeanzeigen etc.) mit politischen Fragestellungen befassen muss. Dabei ist es unerheblich, ob in einer einzelnen Ausgabe ausnahmsweise weniger als 50 Prozent der Inhalte politisch sind. Entscheidend ist das Gesamtbild der Ausgaben. Im Zweifel ist die Würdigung innerhalb des Zeitraums zwischen der ersten und der letzten (die künftige Voraus-Indizierung nach sich ziehenden) Indizierung vorzunehmen. Dass der möglicherweise jugendgefährdende Artikel selbst politische Themen bearbeiten muss, um in den Genuss der Privilegierung zu kommen, lässt sich dem Gesetz dagegen nicht 743 Beispielsweise haben viele Tageszeitungen mittlerweile „bunte Bilder“, die es früher nur in den „Hochglanz-Magazinen“ zu sehen gab. 744 In § 7 Abs. 4 LPresseG heißt es: „Periodische Druckwerke sind Zeitungen, Zeitschriften und andere in ständiger, wenn auch unregelmäßiger Folge und im Abstand von nicht mehr als sechs Monaten erscheinende Druckwerke“.

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entnehmen. Der Schutz erstreckt sich auch auf verfassungsfeindliche politische Inhalte745. b) Erweiterung der Privilegierung Soweit mit Tageszeitungen und politischen Zeitschriften allein Printmedien beschrieben sind, stellt sich dies als eine unzulässige Benachteiligung anderer Trägermedien wie etwa Hörzeitungen (auf Cassette, CD, Dat, MiniDisc, DVD etc.) für Blinde dar746. Denn falls – unabhängig von der Eigenschaft des Printmediums – alle übrigen Voraussetzungen der Privilegierung von einer Voraus-Indizierung vorliegen, finden sich keine Anhaltspunkte für eine legitime unterschiedliche Behandlung akustischer oder anderer visueller Medien gegenüber Printmedien. Sie sind genauso der Sicherung der Informationsfreiheit dienlich wie gedruckte Zeitungen oder Zeitschriften. Blinde MitbürgerInnen sind sogar ganz besonders auf sie angewiesen. Schon über den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verdichtet sich eine entsprechende Erweiterung der Ausnahmeregelung des § 22 Abs. 1 S. 2 JuSchG deshalb zur verfassungsrechtlichen Verpflichtung. Im Übrigen ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bewusst von einer Gleichstellung vergleichbarer Trägermedien abgesehen hat, auch wenn § 22 Abs. 2 S. 2 JuSchG ein ergänzendes Verbot der Voraus-Indizierung für entsprechende Telemedien ausdrücklich vorsieht. Näher liegt es, davon auszugehen, dass entsprechende mediale Erscheinungsformen schlicht übersehen worden sind. Möglicherweise liegt dem Begriff der Zeitung oder Zeitschrift in § 22 Abs. 1 S. 2 JuSchG aber auch ein erweitertes Begriffsverständnis zugrunde, wie es z. B. in § 7 Abs. 1 LPresseG NRW angesprochen ist. Dort sind mit Druckwerken nicht nur die gedruckten Zeitungen und Zeitschriften gemeint, sondern auch „besprochene Tonträger (. . .), Bildträger und Musikalien mit Text oder Erläuterungen“. Überträgt man dies auf die Ausschlussregelungen des Jugendschutzgesetzes, gelangen auch Hörzeitungen und vergleichbare Trägermedien über den Gesetzeswortlaut in den Genuss der Privilegierung. In systematisch-teleologischer und hilfsweise verfassungskonformer Auslegung ist daher davon auszugehen, dass auch alle anderen Trägermedien vor Voraus-Indizierungen geschützt sind, wenn sie unabhängig von ihrer medientechnologischen Zuordnung als politisch anzusehen wären und die übrigen Bedingungen erfüllen. 745 Vgl. hinsichtlich dieses Problemkreises schon die Ausführungen oben II. 4. b) aa) (4) (b). 746 So auch Nikles, § 23 Rn. 7.

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c) Der Schutz von Telemedien Für Telemedien gelten die Ausnahmeregelungen gemäß § 22 Abs. 2 S. 2 JuSchG entsprechend. Dies trägt vor allem dem Umstand Rechnung, dass viele Tageszeitungen und Zeitschriften mittlerweile eigenständige OnlineAusgaben haben und kommerziell anbieten. Auf die obigen Ausführungen kann sinngemäß verwiesen werden. 5. Rechtsfolgen Liegen die Voraussetzungen vor und greifen keine Ausnahmeregelungen, kann die Bundesprüfstelle eine Aufnahme auch der zukünftigen Folgen in die Liste der jugendgefährdenden Medien anordnen. Die Entscheidung erfolgt hinsichtlich des „ob“ und „wie lange“ nach pflichtgemäßem Ermessen. Zuständig ist das 12er-Gremium. Eine vorläufige Anordnung der Voraus-Indizierung ist ebenso wenig möglich wie die Entscheidung im vereinfachten Verfahren747. Ob im festgelegten Indizierungszeitraum dann tatsächlich jugendgefährdende Inhalte Vermittlung finden, ist unerheblich. Die VorausIndizierung bleibt regelmäßig bestehen748. 6. Verfassungsrechtliche Überlegungen Das OVG Münster749 und die wohl herrschende Auffassung750 sehen die Voraus-Indizierung von periodischen Trägermedien noch als verhältnismäßig an. Man kann an der Angemessenheit der Norm aber durchaus zweifeln. Anders als Videos und DVDs können Erwachsene periodische Printmedien nach einer Indizierung nicht flächendeckend in Leihbüchereien oder Lesezirkeln ausleihen. Das verbietet § 15 Abs. 1 Nr. 3 JuSchG751. Ein zeitlich befristeter Erwerb wird für Volljährige dadurch kaum möglich. Die meisten Zeitschriften und Bücher gelten nach einer (Voraus-)Indizierung auch als unverkäuflich und verschwinden vom Markt. Dadurch wird es ungleich schwerer für Erwachsene, solche Produkte (alternativ) durch Kauf zu erwerben. So gibt es auch keinen ins Gewicht fallenden Markt für Spezialgeschäfte mit indizierten Schriften. Selbst eine Ersatzbeschaffung über das Internet ist nicht unproblematisch. Man mag in elektronischen Tauschbör747

§§ 23 Abs. 5, S. 2 i. V. m. Abs. 2 JuSchG. Nikles, § 22 Rn. 2. 749 DÖV 67, S. 459 f., noch zu § 7 GjS. 750 Roßnagel/Altenhain, JSchutz BT § 22 Rn. 1; Scholz/Liesching, § 22 Rn. 1; Nikles, § 23 Rn. 7; Ukrow, S. 284 Rn. 561. 751 Vgl. dazu noch Kapitel 12, V. 1. d) und Kapitel 12, X. 748

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sen unzählige indizierte Filme, DVDs, Videos, CDs und Spiele finden können. Für indizierte Texte gilt das eher nicht. In der Bilanz wirkt sich eine präventive Indizierung also auf periodische Medien ganz besonders einschneidend aus. Außerdem nimmt der Gesetzgeber bewusst in Kauf, dass auch Zeitschriften-Ausgaben nicht verbreitet werden, von denen überhaupt keine Gefährdung für Kinder und Jugendliche ausgeht. Dadurch nähert sich § 22 JuSchG in seinen faktischen Auswirkungen einer verschärften Zensur an. Um dies überhaupt legitimieren zu können, muss das Anliegen des Jugendschutzes von essentieller Bedeutung sein. In diesem Sinne kann man argumentieren, dass die Voraus-Indizierung das Pendant zur schnellen Verbreitungsgeschwindigkeit der Magazine ist und andernfalls kein wirksamer Schutz vor jugendgefährdenden Inhalten in Magazinen möglich wäre. Das ist zutreffend. Durch § 15 Abs. 2 JuSchG werden jedoch bereits die gravierenden Fälle (offensichtlicher) Jugendgefährdung qua lege erfasst, wie jetzt darzustellen ist. Dann aber verbleibt auf der Seite des Jugendschutzes deutlich weniger Gewicht, um eine so schwerwiegende, verdachtsgeleitete Präventiv-Repression der Freiheitsrechte zu legitimieren. Letztlich gibt es ebenso gute Argumente für wie gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 22 JuSchG. Wenn man den besonderen Tendenzschutz berücksichtigt, der periodischen Tageszeitungen oder politischen Zeitschriften unmittelbar zugute kommt, ist die Wertung des Gesetzgebers wohl noch vertretbar.

IV. Gesetzlich geregelte Fälle der Von-selbst-Indizierung Das System der Indizierung wird durch die automatische Indizierung bestimmter schwer jugendgefährdender Trägermedien gemäß § 15 Abs. 2 und 3 JuSchG komplettiert. 1. Deklaratorische und konstitutive Indizierung In diesen Fällen bedarf es keiner konstitutiven Indizierungsentscheidung der Bundesprüfstelle, um die Beschränkungen auszulösen, die mit einer Indizierung verbunden sind. Diese gelten vielmehr automatisch752 für den Markt und die Hersteller. Es ist dann Sache jedes einzelnen Händlers und Konsumenten, die Voraussetzungen der ipso-iure-Indizierung zu prüfen. Dadurch können allerdings auch erhebliche Bewertungsdisharmonien und Rechtsunsicherheiten bei Unternehmern und Verbrauchern entstehen. Des752 Gängige Begriffe sind auch: Von-selbst-Indizierung, Indizierung eo-ipso oder ipso-iure.

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halb ist es der Bundesprüfstelle unbenommen, eine klarstellende Indizierung auch für diese Medien auszusprechen. Gerade soweit ein Verstoß gegen die Indizierungsbeschränkungen ordnungs- und strafrechtliche Konsequenzen mit sich bringt, muss sichergestellt werden, dass die ipso-iure-Tatbestände für den Handel und die Konsumenten bestimmbar und transparent sind. Diesen Anforderungen genügt der Katalog des § 15 Abs. 2 JuSchG nur bedingt. Seine Verfassungsmäßigkeit ist daher fraglich. 2. Medien nach § 15 Abs. 2 JuSchG Neben Trägermedien, die inhaltlich die Tatbestände der §§ 86, 130, 130 a, 184, 184 a und 184 b des StGB realisieren, unterfallen der automatischen Indizierung nach § 15 Abs. 2 JuSchG auch kriegsverherrlichende Medien sowie solche, die sterbende oder schwer leidende Menschen in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellen. Schließlich gelten die automatischen Beschränkungen für Trägermedien, die Minderjährige in einer unnatürlich geschlechtsbetonten Körperhaltung präsentieren und Trägermedien mit sonst offensichtlich schwer jugendgefährdenden Inhalten. Telemedien bleiben im Rahmen des § 15 Abs. 2 JuSchG außen vor. Für sie sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag eigene Indizierungsfolgen formuliert worden. a) Trägermedien, die § 86 StGB verletzten § 86 StGB sanktioniert allgemein das Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen. aa) Propagandamittel Was unter einem Propagandamittel zu verstehen ist, definiert § 86 Abs. 2 StGB. Dazu zählen solche Schriften, deren Inhalt gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet ist. (1) Trägermedien Taugliche Verbreitungsobjekte sind über § 15 Abs. 2 JuSchG alle Trägermedien. Darin liegt ein jugendschutzspezifischer Unterschied zum Strafrecht, das den Begriff des Trägermediums nicht kennt, sondern noch auf einen erweiterten Schriftenbegriff zurückgreift. Der Schriftenbegriff des Strafrechtes (§ 11 Abs. 3 StGB) und der Begriff des Trägermediums sind nicht völlig deckungsgleich. Allerdings werden mit Büchern, Zeitschriften,

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Cassetten, Videos, DVDs sowie Computer- und Konsolenspielen die jugendschutzrelevantesten Medien gleichfalls erfasst. (2) Propagandistische Tendenz Das Trägermedium muss einen aktiv-kämpferischen Duktus haben753 und einen werbenden Inhalt754, um als propagandistisch subsumierbar zu sein. (3) Gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung Weiterhin nötig ist eine inakzeptable Zielrichtung. Das Trägermedium muss gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung hetzen. Dabei reicht es aus, dass sich dies durch deutliche Ansätze ergibt, beispielsweise Verweise auf andere zweifellos tatbestandsmäßige Schriften oder eine eindeutige, nicht anders interpretierbare Botschaft „zwischen den Zeilen“755. Mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung werden die Grundwerte des demokratischen Verfassungsstaates beschrieben, so wie sie im Grundgesetz verankert sind756. Die in § 92 StGB genannten Grundsätze gehen darüber zum Teil hinaus757, können aber gleichwohl als Orientierung dienen. Konkret liegt ein Angriff gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung also zumindest bei der Negation der Menschenwürde, der Freiheitsgrundrechte (Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Religions- und Gewissensfreiheit etc.), des Rechtsstaatsprinzips (Bestimmtheitsgebot, Legalitätsprinzip) und des Demokratieprinzips (Volkssouveränität, Prinzip der demokratischen Legitimation durch Wahl auf Zeit) vor758. (4) Oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung Der Gedanke der Völkerverständigung wird verletzt, wenn sich Medien gegen das Ziel friedlicher Koexistenz der Völker auf der Basis einer Einigung (z. B. Friedensverträge, Kooperations-Abkommen) wenden759. 753 BGHSt 23, S. 72; LK/Laufhütte, § 86 Rn. 5; NK/Paeffgen, § 86 Rn. 10; Müko/Steinmetz, § 86 Rn. 12; Nikles, § 15 Rn. 43; Ukrow, S. 174 Rn. 327. 754 Müko/Steinmetz, § 86 Rn. 12. 755 BGHSt 7, S. 11; BGHSt 23, S. 64; Rührmann, NJW 57, S. 284 (zu den §§ 80, 81, 83 StGB a. F.); NK/Paeffgen, § 86 Rn. 13; Kühl, § 86 Rn. 4. 756 AK/Sonnen, § 86 Rn. 23; Kühl, § 86 Rn. 2. 757 Müko/Steinmetz, § 86 Rn. 10; AK/Sonnen, § 86 Rn. 23. 758 Weiterführende Zusammenstellungen der hierin verkörperten Werte finden sich u. a. bei NK/Paeffgen, § 86 Rn. 10; LK/Laufhütte, § 86 Rn. 3 und Müko/Steinmetz, § 86 Rn. 10. 759 Stegbauer, S. 59; NK/Paeffgen, § 86 Rn. 12.

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(5) Vorkonstitutionelle Schriften Umstritten ist, ob auch vorkonstitutionelle Schriften bzw. Trägermedien (z. B. Hitlers: „Mein Kampf“) taugliche Tatmittel darstellen können. Nach vereinzelter Ansicht sollen jedenfalls diejenigen vorkonstitutionellen Medien erfasst sein, die kategorisch jede Form einer freiheitlich demokratischen Grundordnung ablehnen. Denn in dieser Ablehnung spiegele sich konsequenterweise auch eine Negation der Grundordnung wieder, die im Grundgesetz niedergelegt und in der Bundesrepublik verwirklicht sei760. Mit Recht weist jedoch die herrschende Meinung darauf hin, dass vorkonstitutionelle Medien und Schriften sich nicht gegen die Grundordnung und den Gedanken der Völkerverständigung in der Bundesrepublik sowie die Anerkennung der freiheitlich demokratischen Grundordnung richten können, weil die Bundesrepublik vor 1949 noch nicht bestanden hat. Diese Sichtweise wird auch durch die systematische Verortung des § 86 im 3. Titel des 1. Abschnittes des Besonderen Teils gestützt, der mit „Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates“ umschrieben ist und damit auf den bundesdeutschen Rechtsstaat Bezug nimmt761. bb) Tatbestandsausschließende Sozialadäquanz § 86 Abs. 3 StGB schützt künstlerische und zeitkritische Medien vor strafrechtlicher Sanktion. Das gleiche gilt für Trägermedien, die sich aufklärerisch für das Interesse der Verfassung einsetzen762. Werden sie allerdings nur als Vorwand benutzt, um verfassungsfeindliche Ziele zu verfolgen, ist keine Sozialadäquanz gegeben763. (1) Dienen staatsbürgerlicher Aufklärung Ausgeschlossen ist die Tatbestandsmäßigkeit bei einem Trägermedium, das der staatsbürgerlichen Aufklärung dient. Dies ist der Fall, wenn es die politische Mündigkeit und Verantwortungsbereitschaft der Bürger anregt und fördert, indem es Wissen vermittelt, das insbesondere aus didaktischen 760

Popp, JR 98, S. 81; Otto, S. 463 Rn. 19; Scholz/Liesching, § 86 Rn. 8. So: BGHSt 29, S. 80; Bonefeld, DRiZ 93, S. 430; Müko/Steinmetz, § 86 Rn. 15; Kühl, § 86 Rn. 4; Schönke/Schröder/Stree/Sternberg-Lieben, § 86 Rn. 3; Tröndle/Fischer § 86 Rn. 3; SK/Rudolphi, § 86 Rn. 11 f.; LK/Laufhütte, § 86 Rn. 6; NK/Paeffgen, § 86 Rn. 16; AK/Sonnen, § 86 Rn. 26; Nikles, § 15 Rn. 46. 762 Kühl, § 86 Rn. 8. 763 BGHSt 23, S. 226; vgl. auch BVerfG NJW 1988, S. 325. 761

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

Gründen bestimmte Methoden der Agitation aus der Zeit des Nationalsozialismus veranschaulicht764 (z. B. Schulfilme über die NS-Zeit). (2) Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen Setzt sich eine Berichterstattung kritisch mit (verfassungswidrigen) Propagandainhalten auseinander oder dient das Aufgreifen dieser Propaganda auf sonstige Weise dazu, die dahinterstehende Geisteshaltung zu „entlarven“ und die Bürger hierfür zu sensibilisieren, zielt das Medium darauf, eine verfassungswidrige Bestrebung abzuwehren765. (3) Darstellung zu Zwecken der Kunst, Forschung, Wissenschaft und Lehre Die Begriffe der Kunst, Forschung, Wissenschaft und Lehre sind an den grundgesetzlichen Leittermini orientiert und entsprechend auszulegen. Auf die Ausführungen im 2. Teil der Untersuchung – sowie ergänzend § 18 Abs. 3 JuSchG – wird verwiesen. Die Darstellung dient den genannten Zwecken, wenn sie in erster Linie auf ihre Förderung angelegt ist766. (4) Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte Über Vorgänge des Zeitgeschehens berichten vor allem Nachrichtensendungen im Rundfunk sowie (Online-)Tageszeitungen. Geschichte arbeiten meist historische Dokumentationen auf. Sie genießen die Privilegierung aber nur, wenn sie nicht erkennbar darauf angelegt sind, die Propagandainhalte selbst zu verbreiten767. (5) Ähnliche Zwecke Ähnliche Zwecke müssen in ihrem Gewicht den vorgenannten gleichkommen768. Tröndle/Fischer führen das Beispiel an, wonach sich jemand eine Bibliothek zur persönlichen Benutzung zulegt und dabei Medien anschafft, die § 86 Abs. 1 StGB realisieren769. 764 765 766 767 768 769

BGHSt 23, S. 227; Nikles, § 15 Rn. 47; Scholz/Liesching, § 86 Rn. 13. Scholz/Liesching, § 86 StGB Rn. 13. Nikles, § 15 Rn. 47. Scholz/Liesching, § 86 StGB Rn. 14. LK/Laufhütte, § 86 Rn. 20. Tröndle/Fischer, § 86 Rn. 10.

Kap. 11: Indizierungsgründe

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cc) Tathandlungen Die strafrechtlichen Tatmodalitäten der Verbreitung können im Rahmen der jugendschutzrechtlichen Betrachtung vernachlässigt werden. Denn § 15 Abs. 2 JuSchG stellt nur darauf ab, dass Trägermedien die in den Strafrechtsnormen bezeichneten Inhalte aufweisen. Für diesen Fall unterliegen schwer jugendgefährdende Medien automatisch denselben Beschränkungen wie die „einfach“ jugendgefährdenden Medien, die von der Bundesprüfstelle konstitutiv indiziert werden. Diese Indizierungsbeschränkungen und sonstigen Folgen werden im nächsten Kapitel einheitlich dargestellt. b) Trägermedien, die § 130 StGB verletzen Über das Jugendschutzgesetz unterliegen durch § 15 Abs. 2 Nr. 1, 2. Alt. JuSchG auch volksverhetzende Trägermedien im Sinne des § 130 StGB einer ipso-iure-Indizierung. aa) Angriffssubjekte des § 130 Abs. 1 und 2 StGB Hass und Hetze müssen sich gegen bestimmte Teile der Bevölkerung, insbesondere spezifische nationale, rassische, religiöse bzw. durch ihr Volkstum bestimmte Gruppen richten. Als Teile der Bevölkerung sind alle Personenmehrheiten im Inland aufzufassen, die sich durch innere oder äußere Merkmale von der Gesamtheit der Bevölkerung abgrenzen lassen770. Im Einzelnen hat die Rechtsprechung z. B. „Zigeuner“ oder „Sinti und Roma“771, „Ausländer“772, „Neger“773, „Asylanten“774 und „Gastarbeiter“775 als Teile der Bevölkerung subsumiert776. Eine einzelne Person kann regelmäßig nicht zum Bezugspunkt der Volksverhetzung erwachsen. Das gilt jedoch dann nicht, wenn in der Hasstirade gegen einen Einzelnen gleichzeitig 770 BGH GA 1979, S. 391; Kindhäuser, LPK, § 130 Rn. 6; SK/Rudolphi, § 130 Rn. 3; Maurach/Schroeder/Maiwald, § 60 V Rn. 60; Tröndle/Fischer, § 130 Rn. 4; Müko/Miebach/Schäfer, § 130 Rn. 21; Scholz/Liesching, § 130 Rn. 3; Ukrow, S. 175 Rn. 329; Nikles, § 15 Rn. 52. 771 OLG Karlsruhe, NJW 86, S. 1277. 772 OLG Hamm, NStZ 95, S. 136. 773 OLG Hamburg, NJW 75, S. 1088. 774 OLG Frankfurt, NJW 95, S. 144. 775 OLG Celle, NJW 70, S. 2257. 776 Vgl. zu weiteren (auch kontroversen) Beispielen: Kühl, § 130 Rn. 3; Müko/ Miebach/Schäfer, § 130 Rn. 25; Nikles, § 15 Rn. 52; Scholz/Liesching, § 130 Rn. 3; jeweils m. w. N.

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

auch ein Angriff auf einen Bevölkerungsteil liegt777. Dies unterliegt tatrichterlicher Würdigung. Nicht erfasst werden vorübergehende Gruppierungen, Berufe oder Institutionen778. bb) Angriffsmittel des § 130 Abs. 1 und 2 StGB (1) Trägermedien Taugliche Tatmittel sind sämtliche Trägermedien. Da § 130 StGB – anders als § 86 StGB – nicht den Schutz der Verfassung, sondern primär den des öffentli-chen Friedens bezweckt779, sind auch vorkonstitutionelle Schriften wie Hitlers „Mein Kampf“ erfasst780. Die in § 130 Abs. 2 Nr. 2 einbezogenen Rundfunkinhalte kommen für eine ipso-iure-Indizierung nach § 15 Abs. 2 JuSchG nicht in Betracht, da sich das JuSchG ausdrücklich auf Trägermedien beschränkt. (2) Aggressive Wirkrichtung Die Trägermedien müssen gegen Teile der Bevölkerung zum Hass aufstacheln, zu Gewalt oder Willkürmaßnahmen auffordern oder die Menschenwürde der Betroffenen verletzen. (a) Aufstacheln zum Hass Ein Aufstacheln zum Hass liegt vor, wenn nachhaltig mit dem Ziel auf die Gefühle der Adressaten eingewirkt wird, eine feindselige Haltung zu erzeugen, die über Ablehnung und Verachtung hinausreicht781. Sofern eine entsprechende Äußerung von dritten Personen wiedergegeben wird, ist entscheidend, ob sich der Akteur die Volksverhetzung nach Lage der Dinge zu eigen macht782.

777

BGHSt 21, S. 372. BGHSt 36, S. 91. 779 BGHSt 34, S. 334; LK/von Bubnoff, § 130 Rn. 4; Kühl, § 130 Rn. 1; Ukrow S. 175 Rn. 328; Scholz/Liesching, § 130 Rn. 1. 780 Stegbauer, JR 04, S. 282. 781 BGHSt 21, S. 372; BGHSt 40, S. 102; Scholz/Liesching, § 130 Rn. 4; Schönke/ Schröder/Lenckner, § 130 Rn. 5 a; SK/Rudolphi, § 130 Rn. 4; Kindhäuser, LPK, § 130 Rn. 9; Kühl, § 130 Rn. 4; Müko/Miebach/Schäfer, § 130 Rn. 28; Nikles, § 15 Rn. 53; Ukrow, S. 175 Rn. 330. 782 Hörnle, NStZ 02, S. 116. 778

Kap. 11: Indizierungsgründe

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(b) Auffordern zu Gewalt Noch weitergehender ist die tatbestandsmäßige Aufforderung zu Gewalt oder Willkürmaßnahmen. Sie stellt sich als eine ausdrückliche oder indirekt schlüssige Willensäußerung dar, die darauf angelegt ist, physischen Zwang oder Akte der Diskriminierung wider die Gebote von Menschlichkeit und Gerechtigkeit gegen bestimmte Teile der Bevölkerung hervorzurufen783. (c) Spezifischer Angriff auf die Menschenwürde Sanktioniert ist auch der Angriff auf die Menschenwürde durch Beschimpfung, böswilliges Verächtlich-Machen oder Verleumdung. Die Würde des Menschen als tragendes Konstruktionsprinzip der Verfassung lässt sich abstrakt nicht genau bestimmen. Dies gelingt nur in Ansehung des konkreten Einzelfalles784. Ganz allgemein formuliert liegt eine Verletzung der Würde aber immer dann vor, wenn dem Einzelnen seine Subjektqualität vom Staat oder einem Dritten abgesprochen und er zum bloßen Objekt degradiert wird785. Dazu ist der Angriff auf einzelne Persönlichkeitswerte nicht ausreichend. Betroffen sein muss der Kern der Persönlichkeit786. Der Täter muss dem Opfer sein Lebensrecht als gleichwertiges Mitglied der Gesellschaft bestreiten und ihn unter Leugnung seines fundamentalen Wert- und Achtungsanspruches wie ein unterwertiges Wesen behandeln787. Mediale Darstellungen müssen folglich etwas Grausames und Unmenschliches zeigen und beim Hörer oder Betrachter darauf abzielen, eine Einstellung zu erzeugen oder zu vertiefen, die den fundamentalen Achtungsanspruch leugnet, der jedem Menschen zukommt788. Da die Menschenwürde nicht nur die individuelle Würde, sondern auch die Würde des Menschen als Gattungswesen zum Ausdruck bringt, ist der Einzelne hin783 Kindhäuser, LPK, § 130 Rn. 11; LK/von Bubnoff, § 130 Rn. 19; Kühl, § 130 Rn. 5; Nikles, § 15 Rn. 53; Scholz/Liesching, § 130 Rn. 4; Müko/Miebach/Schäfer, § 130 Rn. 35; Ukrow, S. 175 Rn. 330. 784 BVerfGE 30, S: 25; Scholz/Liesching, § 1 JMStV Rn. 7; Nikles, § 15 Rn. 81. 785 Vgl. hierzu: BVerfGE 9, S. 95; BVerfGE 27, S. 6; BVerfGE 30, S. 25; BVerfGE 50, S. 175; BVerfGE 63, S. 142. 786 BGHSt 10, S. 64; Kühl, § 130 Rn. 3; Beisel, S. 152; SK/Rudolphi, § 130 Rn. 7; Küper, S. 217; Schönke/Schröder/Lenckner, § 130 Rn. 6. 787 BGHSt 16, S. 56; BGHSt 40, S. 100; Tröndle/Fischer, § 130 Rn. 12; Kindhäuser, S. 249 Rn. 13; Müko-Miebach/Schäfer, § 130 Rn. 43; Nikles, § 15 Rn. 54; LK/von Bubnoff, § 130 Rn. 11 a; Schönke/Schröder/Lenckner, § 130 Rn. 6 m. w. N. 788 BVerfGE 87, S. 228.

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

sichtlich seines fundamentalen Achtungsanspruchs generell nicht dispositionsfähig789. Das Strafrecht sanktioniert in § 130 Abs. 1 und 2 StGB nur spezifische Angriffe auf die Menschenwürde: Beschimpfen ist die besonders verletzende Kundgabe von Missachtung in Form oder Inhalt790. Böswilliges Verächtlichmachen setzt eine persönliche Diskreditierung durch Herausstellen von Unwert oder Unwürdigkeit voraus, die aus niederträchtiger, bewusst feindseliger Gesinnung geschehen muss791. Verleumden schließlich beinhaltet das Aufstellen oder Verbreiten unwahrer Tatsachenbehauptungen wider besseres Wissen792. (3) Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens § 130 Abs. 1 StGB setzt zusätzlich eine Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens voraus. Eine Störung des öffentlichen Friedens liegt vor, wenn das Vertrauen von Bevölkerungsteilen in die allgemeine Rechtssicherheit erschüttert wird und insbesondere das allgemeine gesellschaftliche Klima durch Missachtung jeglicher Toleranz oder durch Stiften von Unruhe und Unsicherheit aufgehetzt ist793. Zwar muss der öffentliche Friede nicht tatsächlich gestört werden. Allerdings setzt das Erfordernis konkreter Eignung voraus, dass bei einer Gesamtwürdigung die Besorgnis gerechtfertigt ist, es werde durch die Äußerung bzw. den Medieninhalt zu einer Friedensstörung kommen794. cc) Tatbestand des § 130 Abs. 3 StGB Über § 130 Abs. 3 StGB werden auch solche Medien automatisch indiziert, die zur Störung des öffentlichen Friedens geeignet sind, indem sie eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung gemäß § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches öffentlich billigen, leugnen oder verharmlosen. 789 BVerfGE 75, S. 380; BVerfG NJW 93, S. 1459; Ukrow, S. 183 Rn. 347; Nikles, § 15 Rn. 69. 790 BGHSt 7, S. 110; Küper, S. 89; LK/von Bubnoff, § 130 Rn. 22; Nikles, § 15 Rn. 53. 791 BGHSt 3, S. 348; SK/Rudolphi, § 130 Rn. 6; Müko/Schäfer, § 130 Rn. 40. 792 Tröndle/Fischer, § 130 Rn. 11; Kühl, § 130 Rn. 3. 793 BGHSt 16, S. 56; BGHSt 29, S. 27; Nikles, § 15 Rn. 55; Ukrow, S. 179 Rn. 336; SK/Rudolphi, § 130 Rn. 9; Müko/Miebach/Schäfer, § 130 Rn. 16; Schönke/Schröder/Lenckner § 126 Rn. 1. 794 BGHSt 29, S. 26; Müko/Miebach/Schäfer, § 130 Rn. 17; Schönke/Schröder/ Lenckner, § 130 Rn. 11; Ukrow, S. 179 Rn. 336.

Kap. 11: Indizierungsgründe

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(1) Handlung nach § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches In § 6 Abs. 1 VStGB werden Untaten gegen bestimmte nationale, religiöse oder ethnische Gruppen sanktioniert, die in der Absicht begangen werden, diese Gruppen zum Teil oder vollständig zu vernichten. Erfasst sind Tötung (Nr. 1), schwere körperliche oder seelische Misshandlung (Nr. 2), Veränderung der Lebensbedingungen, die einer Vernichtung förderlich sind, z. B. Zwangsarbeit, Kasernierung und Nahrungsentzug (Nr. 3), Geburtenrestriktionen (Nr. 4) und gewaltsame Kindesüberführung oder Kindesentziehung (Nr. 5). (2) Begangen unter der Herrschaft des NS-Regimes Zur strafrechtsrelevanten Volksverhetzung ist erforderlich, dass das Medium Bezug nimmt auf die NS-Zeit. Damit ist der Kreis der geschützten Subjekte auf die damals verfolgten Minderheiten beschränkt, zuvörderst Juden, aber etwa auch Sinti und Roma. (3) Negationsakt oder Relativierung Die entsprechenden Untaten müssen negiert oder relativiert werden. In Betracht kommt eine Billigung, Leugnung oder Verharmlosung. (a) Billigung Sind dem Täter die Straftaten willkommen oder heißt er sie auf sonstige Weise ausdrücklich oder konkludent gut, liegt eine Billigung vor795. Erfasst sind insbesondere Rechtfertigungen des Genozides an den Juden in der NSZeit. (b) Leugnung Mit Leugnen wird das Bestreiten des offenkundig Richtigen beschrieben796. Gesicherte historische Tatsachen und Erkenntnisse – konkret eine NS-Völkerrechtswidrigkeit wie die systematische Vergasung von Millionen jüdischer Mitbürger – werden in Abrede gestellt und damit das reale Ge795 LK/von Bubnoff, § 130 Rn. 44; Kindhäuser, LPK, § 130 Rn. 20; Müko/Schäfer, § 130 Rn. 67; Schönke/Schröder/Lenckner, § 130 Rn. 18; Beisel, NJW 95, S. 999. 796 Tröndle/Fischer, § 130 Rn. 23;

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

schichtsbild geklittert oder verzerrt797. Umstritten ist dabei, ob auch das bloße Bezweifeln historischer Abläufe (vor allem des Holocausts) als tatbestandsmäßige Leugnung subsumierbar ist. Mehrheitlich wird dies mit der Begründung verneint, das Leugnen setzte mehr als das bloße in Frage stellen von Zusammenhängen voraus798. Dem ist beizupflichten. Das Begriffscharakteristische des Leugnens ist gerade das hartnäckige Abstreiten und für unzutreffend Erklären des offenkundig Richtigen, und zwar wider besseres Wissen799. Es fehlt aber beim schlichten Hinterfragen entweder schon an einer genauen Kenntnis der Sachzusammenhänge und damit am überlegenen Wissen oder zumindest an der begriffsimmanenten Vehemenz und Nachhaltigkeit der Negation. Eine Strafbewehrung des Hinterfragens lässt sich daher keinesfalls mit der semantischen Begriffsbesetzung des Leugnens vereinbaren und verstößt gegen Art. 103 Abs. 2 GG. Der Ausdruck des Zweifels bewegt sich darüber hinaus im Rahmen der grundrechtlich abgesicherten Meinungsfreiheit. Die Sanktion von Zweifeln käme deshalb einer unverhältnismäßigen „Gesinnungskriminalisierung“ gleich, an deren Ende ein staatliches „Denkverbot“ droht, welches mit Art. 5 Abs. 1 GG nicht in Einklang zu bringen ist800. (c) Verharmlosung Verharmlosen bedeutet Bagatellisieren. Der Täter verschleiert das wirkliche Ausmaß von Sachzusammenhängen, in dem er ihre Folgen und ihre Konsequenzen quantitativ oder qualitativ herunterspielt801. Denkbar ist zum Beispiel die signifikante Reduzierung von Opferzahlen des Holocaust. Zum Teil wird es für das Verharmlosen sogar als ausreichend angesehen, dass die betreffenden Verstöße gegen das Völkerrecht emotionsneutral oder beiläufig geschildert werden802. Dem kann aber schon deshalb nicht gefolgt werden, weil diese extensive Auslegung des Verharmlosungs-Begriffes ihn jeglicher Kontur beraubt. Verzichtet man auf die Erweislichkeit der Tatbestandsverwirklichung anhand objektiver Aussagen und befürwortet eine Pönalisierung vermuteten Empathiemangels oder nicht ausreichender Emotionalität in der Äußerung, ist einem bodenlosen Gesinnungsstrafrecht der 797

Kühl, § 130 Rn. 8; Müko/Miebach/Schäfer, § 130 Rn. 68. Beisel, NJW 95, S. 1000; Kühl, § 130 Rn. 8; Müko/Miebach/Schäfer, § 130 Rn. 68. 799 So auch Duden, Stichwort: leugnen. 800 So Beisel, NJW 95, S. 1000; dezidiert a. A. Stegbauer, NStZ 00, S. 284; LK/ von Bubnoff, § 130 Rn. 44. 801 BGH JZ 01, S. 202; Schönke/Schröder/Lenckner, § 130 Rn. 21; Stegbauer, NStZ 00, S. 285; a. A. Beisel, NJW 95, S. 999. 802 BGHSt 46, S. 42; Greger, NStZ 86, S. 10. 798

Kap. 11: Indizierungsgründe

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Boden bereitet. Der Bürger kann ein strafbewehrtes Verhalten schlicht nicht mehr voraussehen. Es ist völlig unklar, wie sich ein Mangel an Betroffenheit in irgendeiner Weise objektiv nachvollziehbar erhärten soll. Dies führt zur Beliebigkeit bei der Anwendung der Strafrechtsnorm. Entsprechende Erweiterungsversuche verstoßen also gegen das Transparenzgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG und sind unverhältnismäßig803. (4) Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens Auch Abs. 3 StGB setzt die konkrete Eignung voraus, das Vertrauen in die allgemeine Rechtssicherheit und gesellschaftliche Toleranz zu zerrütten. dd) Tatbestand des § 130 Abs. 4 StGB Durch Bundestagsbeschluss vom 24. März 2005 ist § 130 StGB um einen zusätzlichen Absatz (Absatz 4 n. F.) ergänzt worden804. (1) Neukonzeption Bestraft wird nunmehr auch, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt. Gleiches gilt über § 15 Abs. 2 JuSchG auch für entsprechende Inhalte von Trägermedien. (2) Störung des öffentlichen Friedens Die Friedensstörung ist schon als Erschütterung des Vertrauens in die allgemeine Rechtssicherheit definiert worden. Abweichend zu den anderen Tatbestandsvarianten ist der neue Absatz 4 als ein Erfolgsdelikt ausgestaltet worden805. Es ist deshalb eine tatsächliche Störung des öffentlichen Friedens im Einzelfall erforderlich, was den konkreten Anwendungsbereich der Norm stark eingrenzen dürfte806. 803

So im Ergebnis auch: Tröndle/Fischer, § 130 Rn. 24. Bekanntmachung im BGBl. 2005 I, S. 969 f. 805 BT-Drcks. 15/5051, S. 5. 806 Ursprünglich ließ der Entwurf des Innen-Ausschusses eine abstrakte Gefährdung des öffentlichen Friedens wie auch in den anderen Absätzen des § 130 StGB ausreichen. Die Fraktionen von SPD/Bündnis 90/Die Grünen setzten jedoch später das Erfolgserfordernis durch, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, „Gesinnungsstrafrecht zu betreiben“, vgl. BT-Drcks. 15/5051, S. 6. 804

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

(3) Verletzung der Würde von NS-Opfern Die Würde der NS-Opfer ist verletzt, wenn ihr (auch postmortaler) Achtungsanspruch in Abrede gestellt oder sonst angegriffen wird. Dies wird praktisch regelmäßig mit der Billigung, Verherrlichung oder Rechtfertigung der NS-Gewalt und Willkürherrschaft zusammenfallen807. Offensichtlich sollen nur unmittelbar vom NS-Unrecht betroffene Personen (z. B. Ermordete, Gefolterte, KZ-Häftlinge) geschützt werden, also nicht auch mittelbar vom Leid betroffene Individuen808. Allerdings dürfte der Opferbegriff sich nicht nur auf verstorbene Menschen beziehen, sondern auch auf Überlebende. Die im Gesetzgebungsverfahren geäußerte Kritik an der Nichteinbeziehung der „Würde der Lebenden“809 ist insoweit relativiert. (4) Spezifische Meinungsäußerung Definiert sich das Billigen als Gutheißen, so liegt eine Verherrlichung vor, wenn die brutale Gewalt- und Willkürherrschaft glorifiziert wird, also als etwas Großartiges, Imponierendes und Heldenhaftes dargestellt wird810. Dabei reicht es regelmäßig nicht aus, wenn einzelne Galionsfiguren der NSZeit besonders hervorgehoben werden. Es muss ein konkretes Berühmen von Gewalt- und Willkürtaten vorliegen. Das Herausstellen einzelner Führungspersonen wie Hitler oder Himmler ist nur dann tatbestandsmäßig, wenn sich aus der Kontextbetrachtung eindeutig ergibt, dass ihre Nennung synonym steht für die brutale NS-Gewalt- und Willkürherrschaft. ee) Tatbestandsausschlüsse infolge Sozialadäquanz Wie bei § 86 StGB kommt eine Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 6 StGB nicht in Betracht, wenn der Inhalt des Trägermediums der staatsbürgerlichen Aufklärung dient oder die Darstellung zu Zwecken der Kunst, Forschung, Wissenschaft und Lehre erfolgt. c) Medien, die § 130 a StGB verletzen Der eo-ipso-Indizierung unterliegen nach § 15 Abs. 2 Nr. 1, 3. Alt. JuSchG weiter Medien, die geeignet sind, als Anleitung zu einer besonders 807

BT-Drcks. 15/5051, S. 5. Hier mag man z. B. an Kinder oder Enkel denken, die ihre Eltern oder Großeltern im KZ verloren haben. 809 Vgl. die Kritik der CDU/CSU-Fraktion, BT-Drcks. 15/5051, S. 6. 810 BT-Drcks. 15/5051, S. 5. 808

Kap. 11: Indizierungsgründe

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erheblichen rechtswidrigen Tat zu dienen. Schutzzweck der Norm ist der öffentliche Friede. Insbesondere soll dem Entstehen eines Klimas entgegengewirkt werden, in dem schwere, sozialschädliche Gewalttaten gedeihen können811. aa) Der Tatbestand des § 130 a Abs. 1 StGB (1) Rechtswidrige Tat Rechtswidrig ist nach § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB jede Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht. Sie darf nicht durch Rechtfertigungsgründe wie Notwehr, rechtfertigender Notstand etc. legitimiert sein. (2) Tatenkatalog Tatsächlich realisiert nicht jedes Anleiten zu Straftaten § 130 a. Erforderlich ist, dass ein in § 126 StGB bezeichnetes Delikt betroffen ist. Dies sind insbesondere schwerer Landfriedensbruch (Nr. 1), Tötungsdelikte wie Mord und Totschlag sowie völkerrechtliche Verbrechen (Nr. 2), schwere Körperverletzung (Nr. 3), gravierende Straftaten gegen die persönliche Freiheit, wie räuberische Geiselnahme (Nr. 4), Raub und räuberische Erpressung (Nr. 5), gemeingefährliche Straftaten wie Brandstiftung (Nr. 6) und bestimmte gemeingefährliche Vergehen unter strafschärfenden Umständen (Nr. 7). (3) Anleiten durch ein Medium Zu den entsprechenden Straftaten muss angeleitet werden. Anleitung ist jede unterrichtende Darstellung, die konkrete bau- oder planungstechnische Hinweise oder Unterweisungen enthält, welche notwendige Kenntnisse darüber vermitteln, wie die entsprechende Tat verwirklicht werden kann812. Der Bezug zu den in § 126 StGB aufgeführten Delikten muss hinreichend klar erkennbar sein813. Auch ist mit Blick auf Abs. 2 und dessen nötige ver811

BT-Drcks. 10/6286, S. 8; Scholz/Liesching, § 130 a Rn. 1; Kühl, § 130 a Rn. 1 m. w. N. 812 BT-Drcks. 7/3030, S. 8; Kühl, § 130 a Rn. 2; Tröndle/Fischer, § 130 a Rn. 7; Scholz/Liesching, § 130 a Rn. 3; Müko/Miebach/Schäfer, § 130 a Rn. 14; LK/von Bubnoff, § 130 a Rn. 9; Ukrow, S. 179 Rn. 338. 813 LK/von Bubnoff, § 130 a Rn. 12; Tröndle/Fischer, § 130 a Rn. 9; SK/Rudolphi, § 130 a Rn. 6; Scholz/Liesching, § 130 a Rn. 3; Schönke/Schröder/Lenckner, § 130 a Rn. 4.

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

fassungskonforme Eingrenzung814 eine objektive Tendenz zur Verwirklichung des Dargestellten einzufordern815. Nicht anleitend sind daher Medien, die ganz allgemein informieren oder ein patentiertes Verfahren wiedergeben. Gleiches gilt für Kriminalromane, Verfilmungen oder Tatsachenberichte über Verbrechen816. Soweit der Informationsduktus lediglich der Verschleierung von Anleitungstendenzen dient, liegt dagegen eine Anleitung vor817. (4) Förderung der Tatbereitschaft Zusätzliche Voraussetzung für die Verwirklichung des § 130 a Abs. 1 StGB ist eine objektive Zweckbestimmung, die Tatbegehungsbereitschaft Dritter mit Hilfe des Trägermediums zu fördern oder zu wecken. Das Fördern oder Wecken von Tatbereitschaft ist durch die Bestärkung oder Generierung des Tatwillens gekennzeichnet818. Unter Berücksichtigung des Schutzzweckes der Norm sind lediglich realisierungstaugliche Hinweise strafbewehrt819. Denn sie allein können den öffentlichen Frieden gefährden. Das Trägermedium muss in seiner objektiven Aussage gerade Nachahmungsreize setzen820. Rein subjektive Erwägungen bleiben bei der Subsumtion außen vor. Auf eine zum objektiven Gehalt korrespondierende Absicht des Täters kommt es nicht an821.

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Hierzu sogleich unter bb). BT-Drcks. 7/3030, S. 8; Schönke/Schröder/Lenckner, § 130 a Rn. 4; Nikles, § 15 Rn. 58; Ukrow, S. 179 Rn. 338; Kühl, § 130 a Rn. 4; dezidiert a. A. Tröndle/ Fischer, § 130 a Rn. 7–10, der „neutrale Schriften“ in beiden Tatbestandsvarianten einbeziehen will (Rn. 8) und „keine tendenzielle Förderung“ für die Eignung zur Anleitung voraussetzt (Rn. 9); gegen das Tendenzerfordernis z. B. auch: Maurach/ Schröder/Maiwald, § 93 II Rn. 15. 816 BT-Drcks. 10/6282, S. 8; Müko/Miebach/Steinmetz, § 130 a Rn. 18; LK/ von Bubnoff, § 130 a Rn. 9; Kühl, § 130 a Rn. 4; a. A. Tröndle/Fischer, § 130 a Rn. 9. 817 Kühl, § 130 a Rn. 4; Scholz/Liesching § 130 a Rn. 4. 818 Tröndle/Fischer, § 130 a Rn. 13; Scholz/Liesching, § 130 a Rn. 4; Müko/Miebach/Schäfer, § 130 a Rn. 18; LK/von Bubnoff, § 130 a Rn. 13; Kühl, § 130 a Rn. 5. 819 BT-Drcks. 10/6286, S. 8; LK/von Bubnoff, § 130 a Rn. 18; Schönke/Schroeder/Lenckner, § 130 a Rn. 5; Müko/Miebach/Schäfer, § 130 a Rn. 23. 820 Schönke/Schröder/Lenckner, § 130 a Rn. 5. 821 BGHSt 28, S. 312; Schönke/Schröder/Lenckner, § 130 a Rn. 5; Müko/Miebach/Schäfer, § 130 a Rn. 22; Kühl, § 130 a Rn. 5. 815

Kap. 11: Indizierungsgründe

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bb) Tatbestand des § 130 a Abs. 2 StGB Im Unterschied zu Abs. 1 verlangt § 130 a Abs. 2 StGB keine objektive Zweckbestimmung dahingehend, dass das Medium die Drittbereitschaft fördert oder weckt, eine Katalogtat im Sinne des § 126 StGB zu begehen. Er bestraft aber eine entsprechende Gesinnung. So macht sich strafbar, wer objektiv zur Anleitung taugliche (mithin auch „neutrale“) Beschreibungen verbreitet und dabei subjektiv die Absicht hat, eine entsprechende Begehungsbereitschaft seiner Leser, Zuschauer oder Homepage-Besucher zu fördern822. Soll die Sanktion gerade in diesem Zusammenhang nicht uferlos werden, muss der Begriff des Anleitens im schon erörterten Sinne restriktiv begriffen werden: Das Merkmal ist nur zu bejahen, wenn es eine objektiv sichtbare Tendenz zur Verwirklichung des Dargestellten gibt. Dieser Interpretation steht die offizielle Gesetzesbegründung nicht entgegen823. Des Weiteren beugt sie der im Lichte des Art. 5 Abs. 1, 1. Alt. GG drohenden Verfassungswidrigkeit des § 130 a Abs. 2 StGB vor. Es wäre eine unverhältnismäßige Verengung der Meinungsfreiheit, wenn schon eine entsprechende Gesinnung bestraft würde, ohne dass diese auch objektiv nach außen getragen wird824. cc) Tatbestandsausschluss durch Sozialadäquanz Eine Realisierung des § 130 a StGB kommt nach Abs. 3 der Norm ausnahmsweise nicht in Betracht, wenn der Inhalt des Trägermediums der staatsbürgerlichen Aufklärung dient oder die Darstellung zu Zwecken der Kunst, Forschung, Wissenschaft und Lehre erfolgt. Die Ausführungen zu § 86 a Abs. 3 StGB gelten entsprechend. d) Trägermedien, die § 131 StGB verletzen Schildern Trägermedien grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen auf verherrlichende oder verharmlosende Weise, gelten auch sie automatisch als indiziert (§ 15 Abs. 2 Nr. 1, 4. Alt. JuSchG). Gleiches gilt für Darstellungen, 822

Kühl, NJW 87, S. 745; Scholz/Liesching, § 130 a Rn. 5. BT-Drcks. 10/6268, S. 9: Erfasst sind hiernach Fälle, „bei denen der Täter eine an sich neutrale Schrift beim Verbreiten umfunktioniert und sich erst aus dem Gesamtzusammenhang des Verhaltens des Täters die Absicht ergibt, die Bereitschaft anderer zu fördern, eine rechtswidrige Tat zu begehen.“ 824 So im Ergebnis auch: Kühl, NJW 87, S. 745 f.; derselbe, § 130 a Rn. 4; Schönke/Schröder/Lenckner, § 130 a Rn. 7; Müko/Miebach/Schäfer, § 130 a Rn. 28. 823

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise zeigen. Durch § 131 StGB will der Gesetzgeber der Kultivierung von personenorientierter Gewalt in der Gesellschaft sowie etwaigen anderen (allerdings nicht nachweisbaren) sozialschädlichen Effekten durch entsprechende Mediendarstellungen insgesamt vorbeugen825. aa) Schilderung von spezifischen Gewalttätigkeiten § 131 StGB setzt zunächst die mediale Vermittlung grausamer oder sonst unmenschlicher Gewalttätigkeiten voraus. Ob die Grausamkeiten tatsächlich geschehen oder – wie regelmäßig – rein fiktiv sind, ist für die straf- und jugendschutzrechtliche Betrachtung grundsätzlich irrelevant826. (1) Gewalt Gewalttätigkeiten liegen vor, wenn signifikanter physischer Zwang unmittelbar auf die körperliche Unversehrtheit eines Menschen angewandt wird827 . Der Gebrauch des Plurals verdeutlicht nur die Mannigfaltigkeit der denkbaren einschlägigen Sachverhalte. Keineswegs müssen mehrere Gewalttätigkeiten vorliegen, um den Tatbestand zu realisieren828. (2) Grausamkeit Grausam ist jede Gewalttätigkeit, die dem Opfer besonders große Schmerzen und Qualen bereitet, wobei das Täterverhalten eine brutale und unbarmherzige Gesinnung erkennen lassen muss829.

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BT-Drcks. 6/3521, S. 6; LK/von Bubnoff, § 131 Rn. 9; SK/Rudolphi, § 131 Rn. 2; Kindhäuser, LPK, § 131 Rn. 1. 826 Für § 131 StGB so auch: BGH NStZ 00, S. 308; Nikles, § 15 Rn. 62; Scholz/ Liesching, § 131 Rn. 3; Müko/Miebach/Schäfer, § 131 Rn. 18. 827 BVerfGE 87, S. 227; Köhne, GA 04, S. 181; SK/Rudolphi, § 131 Rn. 6; Kühl, § 131 Rn. 4; LK/von Bubnoff, § 131 Rn. 15. Vereinzelt wird auch eine Einbeziehung mittelbaren Zwanges befürwortet, vgl. Schönke/Schröder/Lenckner, § 131 Rn. 8 m. w. N. 828 Scholz/Liesching, § 131 Rn. 3. 829 BVerfGE 87, S. 226; Schönke/Schröder/Lenckner, § 131 Rn. 7; Kindhäuser, LPK, § 131 Rn. 9.

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(3) Oder Unmenschlichkeit Eine Gewalthandlung ist darüber hinaus unmenschlich, wenn in ihr eine rücksichtslose, rohe und unbarmherzige Gesinnung zum Ausdruck kommt, die jegliche Humanität missachtet830. Erfasst ist beispielsweise das nur von der eigenen Lust motivierte Niederschießen und „Abkehlen“ von Personen. Auch die Misshandlung bewusstloser, wehrloser und empfindungseingetrübter Individuen durch Treten, Schlagen etc. ist einschlägig. (4) Menschenähnliche Wesen als Akteure? Fraglich ist, ob im Rahmen des § 131 StGB auch menschenähnliche Wesen grausame oder unmenschliche Gewalt ausüben können. Zum Teil wird dies befürwortet831. Auch die durch solche Phantasiefiguren praktizierten Gewalttaten würden vom Schutzzweck des § 131 StGB erfasst, der die Verhinderung sämtlicher potentiell aggressionssteigernder Auswirkungen exzessiver Gewaltdarstellungen bezwecke832. Dies entspreche dem Willen des Gesetzgebers833. Dagegen wird allerdings mit beachtlichen Gründen vorgebracht, es fehle Phantasiefiguren wie Monstern und Zombies die Fähigkeit, aus gefühlloser und unbarmherziger Gesinnung zu handeln. Denn ein denkendes, planendes Vorgehen sei allein Menschen möglich, während das fiktive Handeln sich zwangsläufig auf Instinkte gründe – sofern man bei erfundenen Figuren überhaupt solche Kategorien verwenden könne834. Dem ist im Ergebnis beizupflichten. Wenn es das Bestreben des Gesetzgebers ist, auch solche Figuren zu tauglichen Gewaltakteuren zu erheben, muss er zunächst einmal den Tatbestand ausdrücklich auf menschenähnliche Gestalten erweitern. Zwar ist die Gewalt als reelles Phänomen und Faktum nicht untrennbar mit menschlichem Agieren verbunden. Das gilt aber nicht für den strafrechtlichen Handlungsbegriff und die strafrechtliche Zurechnung. Schließlich findet sich im realen Leben kein Fall der Verwirklichung von (Gewalt-)Delikten durch Phantasiemonster. Entsprechend knüpft das Strafrecht bei seinem Gewaltbegriff auch an menschliches Verhalten an. Soll dies ausnahmsweise nicht der Fall sein, 830 BT-Drcks. 6/3521, S. 7; Köhne, GA 04, S. 184; Tröndle/Fischer, § 131 Rn. 7; ähnlich: Kühl, § 131 Rn. 4; Meirowitz, S. 326. 831 Beispielsweise: BGH NStZ 00, S. 307; Tröndle/Fischer, § 131 Rn. 5. 832 Ebenda. 833 Ebenda. 834 Beisel, S. 273; Köhne, GA 04, S. 184.

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muss es explizit klargestellt werden. Gerade dies hat der Gesetzgeber auf der Opferseite getan: Es hindert die Verwirklichung des § 130 StGB nicht, wenn die Gewalt gegen menschenähnliche Gestalten ausgeübt wird835. Im Umkehrschluss kann der Bürger aus dem Fehlen einer entsprechenden Erweiterung auf der „Aktiv-Seite“ davon ausgehen, dass es beim herkömmlichen strafrechtlichen Anknüpfen an das menschliche Individuum bei der Gewaltausübung verbleibt. Es verletzt deshalb das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG, die Aktionen von Phantasiefiguren tatbestandsmäßig werden zu lassen. § 131 StGB ist restriktiv auszulegen: Gewalt von Phantasiefiguren und menschenangenäherten Gestalten ist nicht sanktionsfähig. bb) Gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen Die Gewalt muss sich gegen Menschen richten, nicht gegen Tiere oder Sachen836. Die ausdrückliche Erweiterung des Tatbestandes auf menschenähnliche Wesen hat den alten Streit um die grundsätzliche Opferfähigkeit von Phantasiegestalten obsolet werden lassen837. Unbeantwortet geblieben ist dagegen die für die Prüfpraxis erhebliche Frage, was genau als „menschenähnlich“ anzusehen ist. Richtigerweise kann der neu integrierte Terminus nur eng interpretiert werden. Als menschenähnlich sind lediglich die Gestalten und Figuren anzusehen, die einem Menschen physisch zum Verwechseln ähnlich sehen838. Selbst dies reicht nicht aus, wenn den Phantasiefiguren menschliche Gefühle grundsätzlich und nicht als Folge eines „individuellen“ Defektes fehlen und dies deutlich erkennbar ist839. Andernfalls würde mangels Identifikationsfähigkeit der Schutzzweck der Norm überrissen. Schließlich dient § 131 in erster Linie der Prävention vor möglichen negativen Einflüssen (z. B. Empathieverlust) von Gewaltmedien auf und gegenüber denkenden und fühlenden Personen in der Gesellschaft. Solche negative Wirkungen stehen nach den Erkenntnissen der herrschenden Lerntheorien selbst bei Kindern und Jugendlichen nicht zu befürchten, soweit eine Übertragbar835

Die Erweiterung erfolgte im Zuge des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27.12.2003, siehe BGBl I, S. 3007 f. 836 NK/Ostendorf, § 131 Rn. 9; Tröndle/Fischer, § 131 Rn. 5; Greger, NStZ 86, S. 9; Ukrow, S. 181 Rn. 344; Nikles § 15 Rn. 61; Scholz/Liesching § 131 Rn. 5. 837 Vgl. dazu Scholz/Liesching, § 131 Rn. 5 m. w. N. Letztlich hatte das Bundesverfassungsgericht diese Auslegung als Verstoß gegen das Analogieverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG bewertet und verworfen, vgl. BVerfGE 87, S. 209 f. 838 So auch Duttge/Hörnle/Renzikowski, NJW 04, S. 100; noch restriktiver Köhne, GA 04, S. 183. 839 A. A. wohl Tröndle/Fischer, § 131 Rn. 6.

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keit auf reelle Sachverhalte und die eigene Lebenssituation ausgeschlossen ist. Das gilt geradezu paradigmatisch für die Verhaltensmuster eines reell nicht existierenden Wesens, das zudem auch noch nicht einmal ein äußeres Identifikations- oder Wiedererkennungspotential in der Wirklichkeit bietet oder dem es an der Fähigkeit ermangelt, Gefühle zu empfinden. Im schlimmsten Fall führt die Konfrontation mit solchen Fiktionen bei Kleinkindern zu Angst und Verstörtheit. Um diesen potentiellen Risiken adäquat zu begegnen, reichen aber die Instrumente des Jugendschutzes völlig aus. Dazu bedarf es keiner universellen Sanktion durch das Strafrecht, zumal damit auch die Konsumrechte der Erwachsenen über Gebühr eingeschränkt werden, die evidenterweise zwischen Realität und Fiktion zu unterscheiden vermögen. Ist insoweit sogar zweifelhaft, ob der Gesetzgeber verfassungsrechtlich überhaupt zu einer solchen Sanktionierung befähigt ist, würde jedenfalls ein extensives Begriffsverständnis die gestalterischen Grundrechte des Art. 5 Abs. 3 GG über Gebühr einengen. Schließlich droht dadurch auch die verfassungsrechtlich nötige Tatbestandskonturierung verwischt zu werden: Denn semantisch setzt die Menschenähnlichkeit ein hohes Maß an physiognomischer Übereinstimmung mit dem Bezugssubjekt voraus. Im Ergebnis sind also gestaltverfremdete Außerirdische mit Tentakeln, Monster mit Phantasieköpfen und gefühllose Androiden keine menschenähnlichen Wesen. Das gilt auch für Untote, Vampire und Zombies. cc) Verherrlichung oder Verharmlosung Die bezeichnete Gewalt muss auf eine verherrlichende oder verharmlosende Art und Weise geschildert werden. Verherrlichung ist jede Glorifizierung und Überhöhung zum Heldenhaften oder Großartigen840: Regelmäßig liegt ein Verherrlichen vor, wenn Gewaltorgien als etwas Ruhmhaftes dargestellt werden und „Erfolge“ mit Anerkennungen, Orden oder Fähigkeitserweiterung verbunden sind. Die Verharmlosung ist dadurch gekennzeichnet, dass die exzesshafte Gewalt bagatellisiert wird841. Dies ist insbesondere der Fall, soweit die Anwendung von besonders grausamen Gewaltakten als sozialüblich und sozialadäquat dargestellt wird. Bei der Subsumtion der Tatbestandsmerkmale kommt allerdings der inhaltlichen Gesamtaussage zentrale Bedeutung 840 Kindhäuser, LPK, § 131 Rn. 13; SK/Rudolphi, § 131 Rn. 9; Scholz/Liesching, § 131 Rn. 10; Schönke/Schröder/Lenckner, § 131 Rn. 9; Kühl, § 131 Rn. 6; Nikles § 15 Rn. 65. 841 Kühl, § 131 Rn. Kindhäuser, LPK, § 131 Rn. 14; Ukrow, S. 182 Rn. 346; Erdemir, ZUM 00, S. 703 f.; Schönke/Schröder/Lenckner, § 131 Rn. 10.

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zu842. Durch gestalterische Mittel (Ironie, Satire) und Effekte (etwa bei erkennbar künstlichen „Blutorgien“ in „Splatter-Movies“843) kann das Gezeigte in einem anderen „Licht“ erscheinen und einer Tatbestandsmäßigkeit entgegenstehen844. Im Übrigen können einzelne „Gewaltspitzen“ durch eine kritische Kontextuierung ausreichend relativiert werden845. dd) In einer die Menschenwürde verletzenden Darstellung Tatbestandsmäßig ist auch die Darstellung von unmenschlicher oder grausamer Gewalt in einer die Menschenwürde verletzenden Weise. Es handelt sich dabei um einen Auffangtatbestand, der die im Übrigen nicht als verherrlichend oder verharmlosend zu subsumierenden Gewaltdarstellungen mit Verrohungspotential erfassen soll846. Ausgangspunkt bei der Bestimmung solcher Darstellungen ist wieder der schon näher umschriebene Menschenwürde-Begriff des Art. 1 GG. Die Würde des Menschen ist verletzt, sobald er zum bloßen Objekt degradiert und seines fundamentalen Achtungsanspruchs beraubt wird. Betroffen sein muss der Kern der Persönlichkeit. Die Verletzung einzelner Persönlichkeitsrechte reicht nicht aus. Eine Präzisierung dieser noch recht groben und sehr weitreichender Interpretation zugänglichen Umschreibung ist nur im Einzelfall möglich. Diesbezüglich erscheint die Verknüpfung von strafrechtlicher Sanktion und Menschenwürdebegriff als Tatbestandsmerkmal problematisch847. Lässt sich bei § 130 StGB eine gewisse Eingrenzung der erfassten Sachverhalte über den nötigen qualifizierten Missachtungsakt (Beleidigung, böswilliges Verächtlich-Machen etc.) erreichen, geschieht dies bei § 131 StGB durch die begriffliche Notwendigkeit der Menschenwürdeverletzung gerade in der Art und Weise der Darstellung. Es kommt für die Strafbewehrung nicht darauf an, dass das Opfer selbst durch die Gewaltausübung in seiner Menschenwürde verletzt wird848. Denn grausame und unmenschliche Gewalt ist schon 842 Tröndle/Fischer, § 131 Rn. 11; Scholz/Liesching, § 131 Rn. 10; Kindhäuser, LPK, § 131 Rn. 11; Nikles, § 15 Rn. 62. 843 Als „Splatter“-Movie bezeichnet man eine Art des Horrorfilms, bei der die Darstellung von exzessiver Gewalt und Blut im Vordergrund steht. Der Begriff „Splatter“ setzt sich aus den englischen Wörtern „to splash“ und „to spatter“ zusammensetzt, welche beide „spritzen“ bedeuten, vgl. dazu www.wikipedia.org (Stichwort: Splatter, Abruf: 17.02.2008). 844 Köhne, GA 04, S. 181 f.; Meirowitz, S. 328. 845 Nikles, § 15 Rn. 67. 846 BT-Drcks. 10/2546, S. 23. 847 Beisel/Heinrich, NJW 96, S. 496 Fn. 72; Müko/Miebach/Schäfer, § 131 Rn. 34 f.; Tröndle/Fischer, § 131 Rn. 12; Kühl, § 131 Rn. 7; Maurach/Schroeder/ Maiwald, § 94 Rn. 9.

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begrifflich nahezu immer auch eine Menschenwürdeverletzung gegenüber dem Opfer849, so dass das Merkmal dann redundant erschiene. Ebenso wenig reicht es aus, wenn der Betrachter durch die Darstellung in seiner Menschenwürde verletzt wird850: § 131 StGB knüpft nämlich sprachlich und im systematischen Zusammenhang an den Gewaltvorgang selbst an. Erforderlich ist vielmehr die Verletzung der Menschenwürde durch eine menschenunwürdige mediale Einbettung des Geschehens. Der fundamentale soziale Achtungsanspruch des Opfers muss also bei objektiver Betrachtung durch die konkrete Darstellung, das Zusammenwirken von Perspektive, Bild und Ton, geleugnet, verneint oder sonst relativiert werden851. Die rein selbstzweckhafte Häufung von Gewaltszenen und ihre anreißerische Darstellung reichen nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes dazu jedoch nicht aus852. Eine menschenverachtende (z. B. rassistische) Kommentierung aus dem „Off“ oder ein eingeblendeter Schriftzug mit einer entsprechenden Botschaft kann dagegen zur Tatbestandsmäßigkeit führen, falls darin nicht schon eine Verherrlichung oder Verharmlosung zu erblicken ist. ee) Tatbestandsausschließende Sozialadäquanz Eine Pönalisierung ist gemäß § 131 Abs. 3 StGB ausgeschlossen, wenn die mediale Darstellung oder sonstige Handlung der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte dient. Berichterstattung ist dabei jede fiktionale oder non-fiktionale Thematisierung und Aufarbeitung wahrer Ereignisse, Geschehen und Sachzusammenhänge, die Informationszwecken dient853. Auf den Wahrheitsgehalt der Informationen kommt 848 BVerfGE 87, S. 227; BT-Drcks. 10/2546, S. 23; Maurach/Schroeder/Maiwald, § 94 Rn. 9; Müko/Miebach/Schäfer, § 131 Rn. 35; Kühl, § 131 Rn. 7; LK/ von Bubnoff, § 131 Rn. 25; Tröndle/Fischer, § 131 Rn. 13; Greger, NStZ 86, S. 10; Schönke/Schröder/Lenckner, § 131 Rn. 11. 849 Schönke/Schröder/Lenckner, § 131 Rn. 11; Tröndle/Fischer, § 131 Rn. 12; SK/Rudolphi, § 131 Rn. 11; Scholz/Liesching, § 131 Rn. 16. 850 Meirowitz, S. 332; Scholz/Liesching, § 131 Rn. 14. 851 BVerfGE 87, S. 228; Ukrow, S. 183 Rn. 349; Scholz/Liesching, § 131 Rn. 17 f.; Kühl, § 131 Rn. 7; Nikles, § 15 Rn. 68; Müko/Miebach/Schäfer, § 131 Rn. 35 f.; weitergehender: SK/Rudolphi, § 131 Rn. 11; Brockhorst-Reetz, S. 41 f. 852 BVerfGE 87, S. 229; zustimmend insbesondere Erdemir, ZUM 00, S. 705. Eberle/Rudolf/Wasserburg/Landmann weisen in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass im Rahmen eines dramaturgischen Konzeptes regelmäßig kein Raum bleibt für die Annahme einer selbstzweckhaften Darstellung, vgl. VI Rn. 36. 853 Schönke/Schröder/Lenckner, § 131 Rn. 15; LK/von Bubnoff, § 131 Rn. 35; Kühl, § 131 Rn. 11; Müko/Miebach/Schäfer, § 131 Rn. 50.

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

es so lange nicht an, wie Verfälschungen und Entstellungen nicht den Kern des reellen Geschehens unkenntlich machen854. Das reine Anknüpfen an historische Abläufe unter Fortspinnen einer fiktiven Geschichte ist dagegen nicht privilegiert, falls keine Berichterstattung bezweckt ist855. Gleiches gilt für vermeintliche „Berichte“, die unter dem Vorwand des Informationszweckes Grausamkeiten darstellen856. Die Reichweite der Meinungsfreiheit ist aber gerade bei mehrdeutigen Interpretationsmöglichkeiten unbedingt zu beachten. ff) Elternprivileg Für die jugendschutzrechtliche Betrachtung können die einzelnen Verbreitungsverbote des Strafrechtes insoweit vernachlässigt werden, als über § 15 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 JuSchG Trägermedien mit entsprechenden Inhalten stets den Restriktionen des Jugendschutzrechtes unterliegen. Deshalb ist auch das sich auf das Verbreiten und Zugänglich-Machen von Gewaltmedien beziehende Elternprivileg des § 131 Abs. 4 StGB von nachgeordnetem Interesse. Die indizierungsrelevanten Privilegien für Eltern und andere Erziehungsberechtigte, die es im Rahmen des Jugendschutzrechtes gibt, werden in Kapitel 12 ausführlich thematisiert. e) Trägermedien, die die §§ 184, 184 a, 184 b StGB verletzen Von den Indizierungsfolgen werden auch pornographische Medien im Sinne der §§ 184 f. erfasst. aa) Schutzzwecke Die in § 15 Abs. 2 Nr. 1, 5. Alt. JuSchG aufgeführten Pornographie-Tatbestände des § 184 und der §§ 184 a und 184 b verfolgen unterschiedliche Schutzzwecke. § 184 ist primär dem Jugendschutz verpflichtet857 und beabsichtigt sekundär in Abs. 1 Nr. 5–7 den allgemeinen Schutz vor ungewollter Konfrontation mit Pornographie858. 854 Ähnlich: SK/Rudolphi, § 131 Rn. 16; Kühl, § 131 Rn. 11; LK/von Bubnoff, § 131 Rn. 35. 855 Kühl, § 131 Rn. 11. 856 Müko/Miebach/Schäfer, § 131 Rn. 51. 857 LK/Laufhütte, § 184 Rn. 1; Kühl, § 184 Rn. 1; Scholz/Liesching, § 184 Rn. 1; Erdemir, S. 136; Müko/Hörnle, § 184 Rn. 2; Kindhäuser, LPK § 184 Rn. 2. 858 BT-Drcks. Vi/3521, S. 58; BGHSt 34, S. 97; Tröndle/Fischer, § 184 Rn. 2; Beisel, S. 233 f.; Erdemir, S. 136.

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§ 184 a soll die Menschenwürde schützen und § 184 b schließlich dient der Wahrung des sexuellen Selbstbestimmungsrechtes, vor allem von Kindern und Jugendlichen. Daneben ist die Sicherung des öffentlichen Friedens beabsichtigt859. bb) Der Pornographiebegriff Die einschlägigen Normen formulieren überraschenderweise keine Legaldefinition von Pornographie. Hierauf hat der Gesetzgeber bewusst verzichtet, damit die Gerichte bei der Subsumtion des Einzelfalles einem gesellschaftlichen Wandel der Toleranzgrenzen besser Rechnung tragen können860. Allerdings ist mit dem großen Spielraum der Gerichte im Einzelfall auch eine große Rechtsunsicherheit für die Hersteller und Konsumenten verbunden861. Um diese auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, kann es keine definitorische Mehrfachbesetzung des Pornographiebegriffes geben, je nachdem, welcher Straftatbestand gerade betroffen ist862. Ein ambivalentes Begriffsverständnis widerspräche auch dem historischen Willen des Gesetzgebers und der Systematik der Tatbestände: § 184 ist erkennbar als Grundtatbestand ausgestaltet, der in § 184 a und 184 b durch strafschärfende Umstände qualifiziert wird863. Der Pornographie-Begriff ist also einheitlich auszulegen. Gleichwohl konnte bis heute keine allgemein akzeptierte Pornographie-Definition formuliert werden. (1) Bisher diskutierte Definitionsvorschläge Nach Ansicht des Strafrechts-Sonderausschusses ist ein Medium immer dann pornographisch, wenn es objektiv gesehen in aufdringlicher Weise auf die Erregung eines sexuellen Reizes beim Betrachter abzielt und dabei die Grenzen des sexuellen Anstandes und der allgemeinen gesellschaftlichen Wertevorstellungen überschreitet864. Reine Nacktbilder reichen nicht aus, 859

So auch: Schraut, S. 71; Erdemir, S. 137 m. w. N. BT-Drcks. VI/3521, S. 60. 861 Nikles, § 15 Rn. 71; Erdemir, S. 137; Scholz/Liesching, § 184 Rn. 2. 862 So im Ergebnis: BT-Drcks. VI/1552, S. 33; Erdemir, S. 143; Ulich, S. 82; Schumann, FS-Lenckner, S. 576 f.; Scholz/Liesching, § 184 Rn. 1; a. A. wohl: Schroeder, S. 21 f.; Schreibauer, S. 127; BVerwG NJW 02, S. 2966. 863 Erdemir, S. 143, der dies gleichwohl bei der „harten“ Pornographie kritisiert, vgl. S. 148 f. 864 BT-Drcks. VI 3521, S. 60; vgl. dazu auch: OLG Düsseldorf, NJW 74, S. 1475; Beisel, S. 183; Schreibauer, S. 116; Kühl, § 184 Rn. 2; LK/Laufhütte, § 184 Rn. 5; 860

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um den Menschen in diesem Sinne zu einem Reiz-Reaktions-Wesen zu degradieren865. Diese Definition weist jedoch große Schwächen auf: Zum einen ist das Anknüpfen an den Grundbestand gemeinsamer Anschauungen auf sexuellem Gebiet praktisch untauglich, weil ein solcher angesichts völlig konträrer Lebensbilder und ständiger Werteliberalisierung in der Gesellschaft vom Tatgericht nur schwerlich eruiert werden kann866. Zum anderen hat schon Selg darauf hingewiesen, dass es schlicht undenkbar ist, „dass ein wacher Mensch auf ein Reiz-Reaktionswesen reduziert werden kann: unser Denken und Fühlen können nur im Schlaf und in der Narkose (weitgehend) ausgeschaltet werden“867. Im Übrigen werden Reize nicht erregt, sondern Reize führen zur Erregung868. Die sprachlichen Unzulänglichkeiten teilt auch eine (wohl als vorherrschend zu bezeichnende) Ansicht, die die strafrechtliche Subsumtion näher am Schutzzweck der §§ 184 f. orientieren will. Sie verlangt neben der Aufreizung des Sexualtriebes als weiteres Kriterium die Ausklammerung menschlicher Bezüge. Die Sexualität müsse gegenüber anderen Lebensäußerungen übersteigert bzw. entkoppelt erscheinen oder auf sonstige Weise jugendgefährdende Auswirkungen entfalten, z. B. durch die entwürdigende Darstellung von Beteiligten bei sexuellen Handlungen869. Im Vordringen befindet sich ein dritter Definitions-Ansatz, der noch weitergehender eine Missachtung der Menschenwürde und des Menschenbildes des Grundgesetzes verlangt, um von Pornographie ausgehen zu können. Solange das erotische Geschehen vom drohungs- und täuschungsfreien Konsens der Akteure getragen sei und das Menschenbild des Grundgesetzes respektiere – also sich grob formuliert im Rahmen der generellen Dispositionsfähigkeit von Individualrechtsgütern bewege – könne hiervon nicht die Rede sein870. Scholz/Liesching, § 184 Rn. 3; Kindhäuser, LPK § 184 Rn. 3; Ukrow, S. 184 Rn. 351. 865 BGHSt 23, S. 43; Schönke/Schröder/Perron, § 184 Rn. 5; Ukrow, S. 185 Rn. 352; Müko/Hörnle, § 184 Rn. 15; Kühl, § 184 Rn. 2; Erdemir, S. 139. 866 Tröndle/Fischer, § 184 Rn. 7a; Erdemir, S. 139; a. A. Müko/Hörnle, die diesen Bestandteil der Definition angesichts der gewandelten Wertemaßstäbe der letzten Jahre als „weise“ an sieht, vgl. § 184 Rn. 18 und LK/Laufhütte, der sogar davon ausgeht, dass „Pornographie ohne Berücksichtigung der wandelnden zeitbedingten Anschauungen auf sexuellem Gebiet gar nicht definierbar ist“, vgl. § 184 Rn. 8. 867 Selg, tv-diskurs 03, S. 24. 868 Ebenda. 869 SK/Horn/Wolters, § 184 Rn. 4; Maurach/Schroeder/Maiwald, § 23 Rn. 6; Schreibauer, S. 126 f.; Müko/Hörnle, § 184 Rn. 16. 870 Schumann, FS-Lenckner, S. 576 f.; vgl. dazu auch Ulich, S. 85 f.

Kap. 11: Indizierungsgründe

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Dieser sehr enge Pornographiebegriff geht schon deshalb in die richtige Richtung, weil er sich definitorisch weitgehend von der Drastik der Sexualdarstellung löst. Die bis heute weit verbreitete Ansicht, aufdringlich inszenierte Sexualität zeitige schwere Folgen und vermittle zwangsläufig Interaktionsmuster, die der sozialen Realität nicht entsprechen, spiegelt keineswegs den aktuellen Erkenntnisstand der Wirkungsforschung wieder871. Die detaillierte Darstellung von Sexualorganen und Beischlafszenen ist an sich unschädlich. Jüngeren Kindern fehlt es am spezifisch sexuellen Verständnis – sie interessieren sich also auch nicht dafür – und bei Jugendlichen sind auch entkrampfende und damit förderliche Wirkungen beobachtet worden. Es bleibt als legitimer Zweck der Strafrechtssanktion hinsichtlich dieses Aspektes nur der allgemeine, sittlich motivierte Konfrontationsschutz vor sexuellen Inhalten von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen übrig. Dieser vermag jedoch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten keine tragfähige Säule für die teilweise sehr rigiden und weitreichenden Restriktionen des § 184 StGB zu sein. Im Übrigen sind die Straftatbestände der §§ 184 f. zwar durch unterschiedliche Schutzzwecke motiviert. Zugunsten einer einheitlichen Auslegung des Pornographiebegriffes kann aber eine ergänzende teleologische Auslegung nur anhand des Rechtsgutes Jugendschutz erfolgen872. Dieses lässt sich für die klare und deutliche Darstellung erigierter Geschlechtsmerkmale nicht motivieren, weil es am Gefährdungspotential fehlt. Negative Verhaltensmuster können von Kindern und Jugendlichen dagegen durch eine gewisse Botschaft, die mit der Sexualität verknüpft ist, erlernt und übernommen werden. Dies gilt primär für gewalthaltige Interaktionen sowie gewisse gewaltfreie Sexualdarstellungen, die einseitige Rollenklischees (z. B. Frau als empfindungsloses Lustobjekt oder der Spaß am ungewollten Geschlechtsverkehr) aufbauen oder vertiefen. Unterfallen dem Definitionsvorschlag erstere Fälle noch regelmäßig, bleiben die zuletzt genannten häufig außen vor. Somit ist der dritte Vorschlag nicht ausreichend, um den von der Wirkungsforschung als möglich erachteten Risiken durch den Konsum pornographischer Medien Rechnung zu tragen. Darüber hinaus lässt sich die vereinzelt geäußerte Kritik, dass die Definition einen schwer konkretisierbaren Rechtsbegriff (nämlich den der allgemeinen gesellschaftlichen Wertevorstellungen) durch ein im Einzelfall womöglich noch schwerer subsumierbares Definitionselement (nämlich die Menschenwürde) ersetzt873, nicht völlig von der Hand weisen. 871 Vgl. dazu schon die Ausführungen oben V. 2. b) bb); vgl. auch: LK/Laufhütte, § 184 Rn. 1. 872 Scholz/Liesching, § 184 Rn. 9; Tröndle/Fischer, § 184 Rn. 2; a. A. Ukrow, S. 186 Rn. 354 Fn. 203. 873 So z. B. Erdemir, S. 141.

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(2) Eigener Ansatz Vor diesem unbefriedigenden Hintergrund sind für eine brauchbare Definition sinnigerweise die Elemente des zweiten und dritten Definitionsansatzes zu verknüpfen: Pornographie ist die Präsentation von Sexualität unter Ausklammerung menschlicher Bezüge, wobei erforderlich ist, dass für Kinder und Jugendliche ein nicht unerhebliches Risiko besteht, die gezeigten inhumanen Verhaltensmuster zu erlernen und auf den Alltag zu übertragen. Dieser Ansatz hat den Vorteil, dass der Jugendschutz als tragende Säule des einheitlichen Pornographie-Begriffes kenntlich wird. Des weiteren wird durch das Anknüpfen an die Wirkungsforschung die Begriffsausfüllung von der orakelhaften Bestimmung des „gefühlten“ gesellschaftlichen Sexualempfindens befreit und auf eine wissenschaftlichere Grundlage gestellt. Dies sichert einerseits den Freiheitsbereich der Bürger vor einem übermäßig agierenden Gesetzgeber und wahrt gleichwohl dessen nötigen Einschätzungsspielraum. Zwar ist die Wirkungsforschung hinsichtlich Sexualität noch lange nicht abgeschlossen. Die Forschungsaussichten erscheinen auch begrenzt, da sich „einschlägige Experimente mit Kindern und Jugendlichen verbieten und sich die hauptsächlich befürchteten Langzeitwirkungen (. . .) kaum experimentell ermitteln lassen“874. Allerdings hat die neuere Forschung bereits jetzt deutlich gemacht, wo mögliche Risikoinhalte für Kinder und Jugendliche liegen: Insbesondere bei der Vertiefung inhumaner Rollenklischees (Frau als ungewollter Sexsklave, der alles mit sich machen lassen muss) und der Verknüpfung von Gewalt und Sexualität, die nicht vom Konsens der Akteure getragen ist (ungewolltes Würgen beim Sex, Schlagen beim Sex, Vergewaltigung). cc) Erscheinungsformen der Pornographie Ausgangspunkt aller Straftatbestände der §§ 184 f. sind die pornographischen Inhalte im vorbezeichneten Sinn. § 184 StGB stellt als Grundtatbestand keine weiteren Voraussetzung auf. Bei § 184 a StGB muss die Pornographie gewalthaltig sein oder im Zusammenhang mit Tieren stehen. § 184 b StGB setzt die Darstellung sexuellen Missbrauchs von Kindern voraus. Für den Jugendschutz ist es nur von nachgeordneter Bedeutung, welche Form der Pornographie vorliegt: Denn nach § 15 Abs. 2 JuSchG reicht bereits das Vorliegen „einfacher“ Pornographie aus, um die Indizierungsbeschränkungen des § 15 Abs. 1 JuSchG von selbst hervorzurufen. Entsprechend kurz sollen hier die weiteren Tatbestandsmerkmale der §§ 184 a und b StGB abgehandelt werden, die man auch als „harte“ Pornographie bezeichnet875. 874

Schroeder, S. 25.

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(1) Gewaltpornographie Gewaltpornographie (§ 184 a Abs. 1, 1. Alt. StGB) setzt die Verknüpfung von Gewalt als körperlich wirkendem Zwang und Pornographie im oben definierten Sinne voraus876. Beispiele sind Folterungen beim Liebesspiel, Sexualmorde, Vergewaltigungen, das Abtrennen von Gliedmaßen, Notzucht etc.877. Dabei ist es unerheblich, ob Realität oder Fiktion abgelichtet werden878. Nicht tatbestandsmäßig ist dagegen die Drohung zur Herbeiführung sexuellen Verhaltens879. (2) Zoophilie Auch für Trägermedien mit zoophilen Inhalten (§ 184 a Abs. 1, 2. Alt. StGB) besteht ein Totalverbot. Einschlägige Pornographie liegt vor, wenn sexuelle Handlungen an oder mit Tieren auf pornographische Weise dargestellt werden880. Durch das Anknüpfen an schlichte sexuelle Handlungen kommt es nicht darauf an, dass mit diesen selbst Geschlechtsverkehr ausgeübt wird. Ausreichend können unter Umständen auch einzelne Körperkontakte zwischen Mensch und Tier sein881. Dies soll nicht davon abhängen, ob das Tier lebendig oder tot ist882.

875 Vgl. bspw. Kindhäuser, LPK, § 184 a Rn. 2; LK/Laufhütte, § 184 Rn. 2; Nikles, S. 131 Rn. 74. 876 BGH NStZ 00, S. 308; Schreibauer, S. 135; LK/Laufhütte, § 184 Rn. 14; Erdemir, S. 146; Kühl, § 184 a Rn. 2; Scholz/Liesching, § 184 Rn. 18. 877 Nikles, § 15 Rn. 75; Scholz/Liesching, § 184 Rn. 18; Erdemir, S. 146; Kindhäuser, LPK, § 184 Rn. 2. 878 BGH NStZ 00, S. 308; OLG Köln NJW 81, S. 1457; LK/Laufhütte, § 184 Rn. 14; das gilt auch für die anderen Ausprägungen „harter“ Pornographie, vgl. Nikles, § 15 Rn. 76; SK/Horn, § 184 Rn. 65; Erdemir, S. 147. 879 BGH NJW 80, S. 65; Scholz/Liesching, § 184 Rn. 19. 880 Häufig werden sexuelle Handlungen an oder mit Tieren auch als „Sodomie“ bezeichnet. Das ist aber insoweit unpräzise, als „Sodomie“ ganz allgemein „Laster wider die Natur“ beschreibt; informativ zum Ganzen: www.wikipedia.org (Stichwort: Sodomie). 881 Beisel, ZUM 96, S. 859; Schreibauer, S. 150; Erdemir, S. 150; Scholz/Liesching, § 184 Rn. 22; weiter: SK/Horn, § 184 Rn. 67; enger: LK/Laufhütte, § 184 Rn. 16. 882 Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 56; Tröndle/Fischer, § 184 a Rn. 8; a. A. LK/Laufhütte, § 184 Rn. 16.

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

(3) Kinderpornographie Der sexuelle Missbrauch von Kindern (§ 184 b StGB) erfasst alle sexuellen Handlungen im Sinne der §§ 176 bis 176 b StGB (Kopulation, Selbstbefriedigung – auch des Kindes selbst nach Aufforderung durch den Täter –, Vergewaltigung etc.) zwischen zwei lebenden Menschen, von denen mindestens einer ein Kind ist883. Nach wohl vorherrschender Ansicht ist es gleichgültig, ob es sich beim Akteur wirklich um ein Kind handelt oder um einen Jugendlichen, der bei objektiver Betrachtung wie ein Kind wirkt884. Diese Interpretation ist als verfassungswidrig abzulehnen. Denn der Entwicklungsstand junger Heranwachsender ist höchst unterschiedlich, und das Anknüpfen an optische Kategorien muss daher zwangsläufig willkürlich sein. Zum anderen überdehnt diese Ausweitung des Tatbestandes den Wortlaut des Gesetzes, das auf § 176 Abs. 1 StGB verweist, in dem Kinder ausdrücklich als Personen unter vierzehn Jahren definiert sind885. Entsprechende Erweiterungsversuche verstoßen gegen Art. 103 Abs. 2 GG. dd) Tatmodalitäten Die strafrechtlichen Verbreitungsmodalitäten bedürfen an dieser Stelle keiner Erörterung, da es ihnen einer jugendschutzrechtlichen Relevanz ermangelt. Trägermedien mit pornographischen Inhalten unterliegen per se den Restriktionen des § 15 Abs. 1 JuSchG, die im nächsten Kapitel einheitlich dargestellt werden. ee) Das Elternprivileg Sinngemäß gilt dies auch für das strafrechtliche Elternprivileg des § 184 Abs. 2 StGB, welches die Abgabe pornographischer Inhalte durch Personensorgeberechtigte von der Strafbewehrung ausnimmt, soweit darin keine gröbliche Pflichtverletzung zum Ausdruck kommt. § 15 Abs. 2 JuSchG bezieht sich eindeutig auf den Inhalt des Trägermediums, sodass strafrechtliche Privilegien bei der Tatdurchführung jugendschutzrechtlich 883 BGHSt 45, S. 42; Nikles, § 15 Rn. 76; Erdemir, S. 174 f.; Scholz/Liesching, § 184 Rn. 20. 884 BGH NJW 01, S. 3560; LK/Laufhütte, § 184 Rn. 15; Tröndle/Fischer, § 184 b Rn. 6; Schreibauer, S. 144; Scholz/Liesching, § 184 Rn. 21; differenzierend: BGHSt 47, S. 61 f. 885 Das gilt jedenfalls so lange, bis die von der Bundesregierung beschlossene Heraufsetzung des Kindesalters im Sinne des § 176 Abs. 1 StGB auf 18 Jahre noch nicht Rechtswirklichkeit geworden ist; vgl. dazu BT-Drcks. 16/3439 und ausführlich unten h) aa).

Kap. 11: Indizierungsgründe

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nicht greifen. Allerdings finden sich im Rahmen der Straf- und Bußgeldvorschriften des Jugendschutzgesetzes deckungsgleiche Ausnahmeregelungen886, die dort näher erörtert werden sollen. f) Trägermedien, die den Krieg verherrlichen Neben Medien, die qualifizierte Straftatbestände erfüllen, sind auch Trägermedien jugendgefährdend, die Kriege verherrlichen. War es nach § 1 Abs. 1 S. 2 GjS(M) noch notwendig, solche Inhalte ausdrücklich in die Liste der jugendgefährdenden Medien aufzunehmen, um sie den Restriktionen des Indizierungsrechtes zu unterwerfen, sind sie jetzt nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 JuSchG automatisch indiziert. Unter Verherrlichung des Krieges ist dessen Berühmung zu verstehen. Eine solche Glorifizierung ist zum Beispiel gegeben, wenn in einem fiktiven Kontext die kriegerische Aggression und Herstellung von Waffen – losgelöst vom Erfolg – durch besondere Auszeichnungen wie einen „Weltuntergangsorden“ belohnt werden887 oder nur bei extrem kriegerischer Grundhaltung ein Spielerfolg beschieden ist. Im Unterschied zu § 131 StGB kommt es nicht zwingend darauf an, dass die Verherrlichung an sich mit der konkreten Darstellung von Grausamkeiten verbunden ist888. Ausreichend ist schon die sprachliche und musikalische Überhöhung des Krieges. Von einer Heroisierung lässt sich in diesem Zusammenhang beispielsweise sprechen, wenn der Krieg als großartiger „Ausscheidungsprozess im Völkerleben“ oder als „Stahlbad der Nation“ beschrieben ist889. Daneben lassen sich Medien als kriegsverherrlichend bezeichnen, die gewaltsame kriegerische Auseinandersetzungen und das „Töten von Menschen qualifiziert positiv“ bewerten890. Allerdings ist nicht jede Kriegsverherrlichung tatbestandsmäßig: Mit dem Sinn und Zweck des § 15 Abs. 2 Nr. 2 JuSchG lässt sich die Befürwortung von Verteidigungskriegen gegen Aggressoren vereinbaren891. Die Hauptanliegen der Norm sind das Vermeiden einer aktiv-kriegslüsternen und grundsätzlich kriegsbefürwortenden Haltung bei Kindern und Jugendlichen. Solche Einstellungen werden aber durch das Fördern von (kriegerischer) Wehrhaftigkeit gegen herangetragene Gewalt nicht bekräftigt. 886

Vgl. § 27 Abs. 4 JuSchG und § 28 Abs. 4 S. 2 JuSchG. BPjME-Nr. VA 1/03 (25.02.2003, Computerspiel „Command & Conquer – Generals“), S. 6. 888 von Heyl, S. 47. 889 BPjSE-Nr. 714 (06.05.1960, Druckschrift „Trotzdem“), S. 9. 890 BPjSE-Nr. 4489 (18.05.1995, Zeitschrift „Soldiers of Fortune“, July 1994), S. 3. 891 Ähnlich Nikles, § 15 Rn. 78; a. A. Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 15 Rn. 14. 887

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

Sehr problematisch erscheint der Vorschlag, das Merkmal der Kriegsverherrlichung über das unmittelbare Preisen hinaus auszulegen. In diesem Sinne betont die herrschende Meinung, es sei mit Kriegsverherrlichung auch das Vorbeilaufen an den Schrecken des Krieges erfasst. Eine subsumierbare Kriegsverherrlichung liege vor, wenn das unsägliche Leid von Kriegen ausgeblendet oder die Angst und der Schrecken in der Bevölkerung verharmlost würden892. Ebenso gelte dies für ein Verzerren des Krieges zum romantischen Abenteuer, das zu Anerkennung, Ruhm und Ehre verhelfe und sich als besondere Bewährungsprobe für männliche Tugenden und Heldentum darstelle893. Daran ist richtig, dass solchen Darstellungen ein Gefährdungspotential für Kinder und Jugendliche innewohnen kann. Außerdem zeugt Art. 26 GG von der friedlichen und auf Völkerverständigung abzielenden Ausrichtung des Grundgesetzes. Aber den Befürchtungen kann auch durch eine (beantragte oder angeregte) konstitutive Indizierung nach § 18 Abs. 1 JuSchG Rechnung getragen werden. Eine automatische Indizierung nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 JuSchG ist dagegen ausgeschlossen. Denn der einzelne Händler wird vom Gesetzgeber damit allein gelassen zu überprüfen, ob die Voraussetzungen der Kriegsverherrlichung vorliegen, was im Einzelfall ungemein schwer zu ermitteln ist. Ihm ist dabei paradoxerweise die Möglichkeit genommen, sich im Vorfeld bei der Bundesprüfstelle rechtlich abzusichern. Die Behörde ist nach der Grundkonzeption des Gesetzes nicht für automatisch indizierte Trägermedien zuständig und kann auch nur auf Antrag oder Anregung bestimmter Stellen hin eine deklaratorische Indizierung aussprechen. Wenn der Gesetzgeber also tatsächlich die Eigenkontrolle durch Händler und Verkäufer ohne besondere Medienkompetenz einfordert und allen Ernstes selbst ein fahrlässiges Verkennen von häufig hochstreitigen Gefährdungspotentialen strafbewehrt894, muss die Kriegsverherrlichung eng und nicht weit begriffen werden. Nur so ist gewährleistet, dass die maßgebliche Interpretation für Nicht-Juristen vorhersehbar und bestimmbar bleibt und semantisch unzweifelhaft ist. 892

Scholz/Liesching, § 15 Rn. 28; Ukrow, S. 188 Rn. 356; so zu § 1 Abs. 2 GjS: BVerwGE 23, S. 115; BVerwG NJW 87, S. 1434. 893 Ukrow, S. 187 Rn. 356; Nikles, § 15 Rn. 78; Liesching, NJW 02, S. 3285; Scholz/Liesching, § 15 Rn. 27; zu § 1 Abs. 2 GjS in diesem Sinne: BVerwGE 23, S. 115; BPjSE-Nr. 714 (06.05.1960, Druckschrift „Trotzdem“), S. 9. 894 Vgl. dazu § 27 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 JuSchG. Beachtet werden muss in diesem Zusammenhang, dass nur § 15 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG die Kontrollpflichten mit der Evidenzhaftigkeit der Tatbestandsmäßigkeit verbindet. Insoweit besteht bei den anderen Fallgruppen des § 15 Abs. 2 JuSchG ein viel höheres Strafbarkeitsrisiko.

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Verherrlichen bedeutet nach dem Sinn des Wortes ein Preisen895. Die Berühmung muss also auch Definitionsgrundlage der Subsumtion sein. Diesem Verständnis steht zwar auf den ersten Blick die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes zu § 1 Abs. 2 GjSM entgegen896. Aber diese erging gerade auf der Grundlage des Prinzips konstitutiver Indizierung – also der Entscheidung der Bundesprüfstelle, die der Sanktion von Zuwiderhandlungen vorgeschaltet war. Durch den neuen § 15 Abs. 2 Nr. 2 JuSchG haben sich jedoch die Vorzeichen zugunsten einer automatischen Indizierung verkehrt. Das damit verbundene erheblich größere Strafbarkeitsrisiko muss das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Auslegung zukünftig berücksichtigen. Die nötige Vorhersehbarkeit strafbaren Handelns ist durch eine restriktive Auslegung zu gewährleisten897. Schutzlücken entstehen dadurch – wie schon erwähnt – regelmäßig nicht. Denn die Bundesprüfstelle hat weiterhin die Möglichkeit, solche Trägermedien auf Antrag/Anregung hin gemäß § 18 Abs. 1 JuSchG zu indizieren. Bei akutem Handlungsbedürfnis kann sie eine vorläufige Eilindizierung aussprechen. Dies hat sich etwa bei dem Spiel „Command & Conquer – Generals“ als höchst effektiv erwiesen898. g) Trägermedien, die die Würde misshandelter Personen verletzen Soweit Trägermedien ein reales Geschehen wiedergeben, in dem Menschen sterben oder schweren körperlichen oder seelischen Leiden ausgesetzt sind oder waren und die Darstellung auf eine die Menschenwürde verletzende Weise erfolgt, gelten sie von selbst als indiziert. Dies soll allerdings nicht der Fall sein, wenn ein überwiegendes berechtigtes Interesse gerade an dieser Form der Berichterstattung vorliegt. aa) Verletzende Darstellung Die Menschen, deren Schicksal sichtbar wird, müssen getötet oder auf schlimme Weise physisch oder psychisch misshandelt werden, z. B. durch Folter, bei der die „Körper unter Einschüssen oder Knüppelschlägen zusammenzucken“899. Die Ablichtung von Leichen ist dagegen nicht subsumierbar. Der Gesetzeswortlaut nimmt zwar auch auf Menschen Bezug, die schwerem Leid ausgesetzt waren. Doch „impliziert dies nur, dass neben 895 896 897 898 899

Duden, Stichwort: Verherrlichen. BVerwGE 23, S. 115; BVerwG NJW 87, S. 1434. So jetzt auch: Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 15 Rn. 15 f. Vgl. dazu schon Kapitel 4, II. BPjME-Nr. 6954 (V) (06.05.2005, DVD „Gesichter des Todes“), S. 4.

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

Live-Geschehnissen auch aufgezeichnete, bereits vergangene Darstellungen erfasst werden“900. Der bereits tote Körper hat rechtlich keine Subjektsqualität mehr. Eine „einfache“ Indizierung auf der Grundlage der Störung der Totenruhe oder einer verrohenden Wirkung bleibt aber möglich. Die Menschenwürdeverletzung muss sich wie bei § 131 StGB auf der Darstellungsebene vollziehen. Es muss also gerade die Inszenierung und Visualisierung sein, die den Menschen als Objekt und bloßes Mittel herabwürdigt und seines personalen Achtungsanspruches entkleidet. Dies ist der Fall, wenn das gezeigte Leiden als voyeuristisches Spektakel präsentiert wird, also die Kamera z. B. genüsslich und in Nahaufnahme auf großen Wunden und herausquellenden Gedärmen verharrt oder besonders grausame Tötungssequenzen mehrfach (auch in Zeitlupe) anreißerisch präsentiert. Gleiches gilt für Trägermedien, bei denen die grausamen Bilder mit zynischen Off-Kommentaren wie: „Lassen wir die Bilder wirken“901 versehen sind. Regelmäßig nicht erfasst sind dagegen drastisch bebilderte journalistische Hintergrundberichte. Sie enthalten zwar unter Umständen Sendematerial mit erheblichen Menschenwürdeverletzungen. Allerdings ist es kaum denkbar, dass auch auf der maßgeblichen Ebene der journalistischen Präsentation eine Menschenwürdeverletzung zu konstatieren bleibt902. Selbst für den Fall, dass eine Nachrichtensendung das durch eine dritte Person hergestellte OriginalVideo einer Folterung ungeschnitten ausstrahlte, würde durch die anfängliche oder nachträgliche Kommentierung und Aufarbeitung der Vorgänge ein derart relativierender Kontext geschaffen, dass von einer Menschenwürdeverletzung durch die Präsentation an sich keine Rede sein könnte. bb) Tatsächliches Geschehen Bei den Inhalten des Trägermediums muss es sich um tatsächliche Begebenheiten handeln. Fiktive Horrorfilme, grausame PC-Spiele und sonstige irreale Inszenierungen unterfallen § 15 Abs. 2 Nr. 3 JuSchG nach seinem Wortlaut nicht. cc) Kein überwiegendes berechtigtes Interesse Eine automatische Indizierung erfolgt nur dann, wenn kein überwiegendes berechtigtes Interesse an dieser Berichterstattung besteht. Entgegen der Auffassung des Gesetzgebers ist es nicht denkbar, dass ein berechtigtes Interesse an einer Darstellung besteht, die durch sich selbst die Menschen900 901 902

Ebenda, S. 6. Ebenda, S. 4. Das verkennt Ukrow, S. 189 Rn. 360 f.

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würde verletzt. Denn es geht dabei nicht – wie der Gesetzgeber möglicherweise entgegen seiner eigenen Normkonzeption angenommen hat – um das eventuell berechtigte Anliegen, menschliches Leid unverstellt wiederzugeben. Das könnte noch in dem Bestreben geschehen, positive Entrüstung und Widerstand gegen brutale Menschenverachtung beim Zuschauer zu erzeugen. Es wird vielmehr gerade eine Abwägung zwischen der Menschenwürde einerseits und der selbstzweckhaften, voyeuristischen Inszenierung des Regisseurs als Teil der Meinungs- und Kunstfreiheit andererseits angeordnet903. Schon die Annahme einer ergebnisoffenen Abwägbarkeit lässt sich aber mit dem unveräußerlichen Schutz der Menschenwürde, zu der der Staat nach Art. 1 GG verpflichtet ist, nicht in Einklang bringen904. Da die Menschenwürde auch alle Privatrechtssubjekte unmittelbar bindet, ergibt sich unter diesem Gesichtspunkt keine veränderte Sichtweise. Man kann nun daran denken, diese gesetzgeberische Fehlleistung durch eine verfassungskonforme Interpretation der Abwägungsklausel zu heilen: Wenn es schon schlechterdings überhaupt kein legitimes Interesse an einer Darstellung gibt, die die Menschenwürde durch sich selbst verletzt, kann dieses nicht bestehende Interesse auch nicht das Interesse an der Wahrung der Menschenwürde überstrahlen. Die Abwägungsklausel bliebe dadurch praktisch wirkungslos. Allerdings widerspricht diese Interpretation letztlich dem Wortlaut der Norm und überschreitet dadurch die Grenzen der Auslegung. Denn zumindest eine (tatsächlich aber nicht konstruierbare) Situation muss der Gesetzgeber ja vor Augen gehabt haben, als er § 15 Abs. 2 Nr. 3 JuSchG mit einer Abwägungsklausel versah. dd) Ergebnis § 15 Abs. 2 Nr. 3 JuSchG verstößt gegen Art. 1 Abs. 1 GG und ist verfassungswidrig. h) Trägermedien, die Kinder oder Jugendliche in unnatürlicher geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen Zu den Neuerungen des Indizierungsrechtes zählt die automatische Indizierung von Trägermedien, die Kinder und Jugendliche in einer unnatürlich 903

Dies verkennt Ukrow, S. 190 Rn. 362. Nikles, § 15 Rn. 82; Scholz/Liesching, § 15 Rn. 30; Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 15 Rn. 22; dezidiert a. A.: Ukrow, S. 190 Rn. 362. 904

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geschlechtsbetonten Körperhaltung zeigen. Der Gesetzgeber hat sich dabei von der kriminalpolitischen Erkenntnis leiten lassen, dass Kinderschänder entsprechende Inhalte auf Fotos und in Heften häufig benutzen, um ihre Opfer auf einen Missbrauch einzustimmen und gefügig zu machen. Er befürchtet, dass Kinder und Jugendliche verunsichert werden, was Erwachsenen gestattet ist und welche Grenzüberschreitungen ihrer sexuellen Selbstbestimmung sie erdulden müssen905. Bei aller Redlichkeit der Zielsetzung kann § 15 Abs. 2 Nr. 4 JuSchG aus juristischer Sicht nicht als gelungen angesehen werden. Die Norm formuliert kaum konkretisierbare Tatbestandsmerkmale und reicht darüber hinaus zu weit. aa) Kinder oder Jugendliche Zunächst ist verwunderlich, dass nicht nur Darstellungen von Kindern, sondern auch Ablichtungen von Jugendlichen subsumierbar sind. Die strafrechtlichen Verbotsnormen (§§ 176 f., 184 b StGB) beziehen sich nämlich derzeit allein auf Kinder. Der Kreis der Schutzsubjekte im Jugendschutzrecht ist also um die Altersgruppe der 14- bis 17jährigen Minderjährigen erweitert. Allerdings soll diese Ungleichbehandlung bald durch eine Angleichung im Strafrecht beseitigt werden, um einen Europäischen Rahmenbeschluss zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie umzusetzen906. Ob die Ausweitung auf Jugendliche allerdings dem Telos des § 15 Abs. 2 Nr. 4 JuSchG dienlich ist, darf getrost bezweifelt werden: Denn 14- bis 17jährige Jugendliche, die sich im Schnitt mit 15 Jahren das erste Mal sexuell betätigen907, wissen sehr genau, was Erwachsenen ihnen gegenüber sexuell gestattet ist und was nicht908. Dieses Bewusstsein besteht auch unabhängig vom körperlichen Entwicklungs- und Reifegrad. Wenn in diesem Alter Missbrauch betrieben wird, erfolgt er regelmäßig unter Einsatz von Gewalt oder psychischem Zwang. Das Anliegen des § 15 Abs. 2 Nr. 4 JuSchG, nämlich der Schutz vor Verunsicherung der eigenen sexuellen Selbstbestimmung, wird insoweit gar nicht berührt. Kurzum: Die Erweiterung ist überflüssig909. Da in der Praxis die Bestimmung einer unnatür905

BT-Drcks. 14/9013, S. 24. BT-Drcks. 16/3439, S. 5; vgl. hierzu auch die Stellungnahme von Wehowsky, S. 2 f. 907 Vgl. dazu schon oben II. 2. b) bb) (2) (a). 908 Ähnlich: Kühl, Stellungnahme, S. 6. 909 So auch: Renzikowski Stellungnahme, S. 9 („unverhältnismäßig“); Kühl, Stellungnahme, S. 7 („jedenfalls zweifelhaft“); Hörnle, Stellungnahme, S. 7 („unreflektierte Zusammenfassung von Kindern und Jugendlichen“). 906

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lichen geschlechtsbetonten Haltung von 14- bis 17jährigen kaum möglich ist, ergeben sich dazu noch verfassungsrechtliche Probleme. Daher sollte die Erweiterung im Rahmen einer Evaluierung des Jugendschutzgesetzes ersatzlos gestrichen bzw. auf eine veränderte europäische Haltung eingewirkt werden910. Teilweise wird es unter Berufung auf die Auslegung des § 184 b StGB sogar für unwesentlich erachtet, ob die gezeigte Person überhaupt minderjährig ist. Notwendig sei lediglich, dass sie für Minderjährige immer noch wie ein Kind oder Jugendlicher aussehe911. Dies vermag noch aus einem anderen Grund nicht zu überzeugen. Denn wenn § 15 Abs. 2 Nr. 4 JuSchG explizit Kinder und Jugendliche im Tatbestand aufführt und diese Rechtstermini in § 1 Abs. 1 JuSchG legaldefiniert sind, können erwachsene Individuen, die ein jugendliches Äußeres behalten haben, allenfalls im Rahmen einer gesetzgeberischen Klarstellung in den Tatbestand einbezogen werden912. Ein gegenteiliges Verständnis übergeht den Wortlaut des Gesetzes gleich zweifach, indem es § 15 Abs. 2 Nr. 4 JuSchG einerseits und § 1 Abs. 1 JuSchG andererseits missachtet. Damit verstößt es unweigerlich gegen das Rechtsstaatsprinzip. Wie schon angedeutet ergäben sich aber selbst im Falle einer entsprechenden gesetzgeberischen Erweiterung tiefgreifende Bestimmbarkeitsprobleme. Denn der körperliche Entwicklungsstand und die individuelle „Reife“ von Jugendlichen können völlig unterschiedlich sein. Es dürfte kaum möglich sein, ein in der Praxis verwertbares (also visuell abgleichbares) physiognomisch-biologisches Durchschnittsbild von Jugendlichen zu entwerfen. Das wäre aber nötig, um junggebliebene Erwachsene, die diesem Durchschnittsbild entsprechen, als „Jugendliche“ zu subsumieren. Bei den gezeigten Kindern und Jugendlichen muss es sich grundsätzlich um reale Personen handeln913. Dies legt schon das natürliche semantische Begriffsverständnis der Tatbestandsmerkmale nahe. Darüber hinaus ergibt sich weder unter dem Aspekt des Darstellerschutzes noch unter dem Gesichtspunkt der Nachahmungsgefahr die Notwendigkeit für eine Indizierung. Wirklichkeitsnahe virtuelle Darstellungen von Minderjährigen werden also zumindest ohne entsprechende gesetzgeberische Klarstellung nicht erfasst914. 910

Dezidiert a. A. Scholz/Liesching § 15 Rn. 31 i. V. m. § 4 JMStV Rn. 23. Nikles, § 15 Rn. 91 i. V. m. Rn. 76; Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 15 Rn. 26 m. w. N. 912 So hat die Bundesprüfstelle nunmehr auch erstmals entschieden: BPjMENr. 5287 (12.05.2005, Magazin „Vogue“, Ausgabe 03/2005), S. 7. 913 So jetzt auch Hörnle, Stellungnahme, S. 8. 914 A. A. von Heyl, S. 47; Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 15 Rn. 30. 911

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bb) Unnatürliche geschlechtsbetonte Körperhaltung Was genau unter einer unnatürlich geschlechtsbetonten Körperhaltung zu verstehen ist, lässt sich nur schwer determinieren. Dabei bereitet es auf den ersten Blick noch weniger große Probleme, die Geschlechtsbetontheit der Darstellung zu charakterisieren. Sie liegt vor, wenn Trägermedien auf die primären Geschlechtsmerkmale (Vagina, Penis, Brüste der Frau, auch Po) zentriert sind915. Praktisch relevant ist zum Beispiel eine mittige Photoperspektive, die (unausgereifte) Geschlechtsmerkmale von Jungen und Mädchen in den Vordergrund des Bildes rückt oder diese Körperregionen durch eine besondere Belichtung (auch ex-post) hervorhebt. Gleiches gilt, wenn das minderjährige Photomodell gezielt unter Betonung von Penis, Vagina, Brüsten oder Po posiert (etwa durch Anwinkeln der Beine und Zurückhalten der Arme)916. Ob die Minderjährigen dabei unbekleidet sein müssen, bleibt unklar. Überwiegend wird dies mit Verweis auf den offenen Wortlaut der Norm verneint. Dafür spreche auch der Vergleich mit den §§ 176 f. StGB, die gleichfalls keine Nacktheit für sexuellen Missbrauch voraussetzten917. Zugestimmt werden kann dieser Ansicht für den Fall, dass die Kleidung stofflich transparent beschaffen ist und eine Zentrierung auf die Sexualorgane vorliegt. Dann bleibt eine unverstellte Sicht auf die primären Geschlechtsmerkmale nahezu uneingeschränkt erhalten918. Darüber hinaus ist eine so weitreichende Auslegung der Norm unter teleologischen Gesichtspunkten zweifelhaft. Denn mit der Einbeziehung bekleideter Minderjähriger wird kein effektiverer Schutz vor Kinderschändern bewirkt werden können. Diese operieren bei ihren „Einstimmungsversuchen“ regelmäßig mit Nacktbildern, um ihren sexuellen Zielen näher zu kommen. Dann aber fehlt es an dem nötigen Gefährdungsrisiko, das von Bildern mit bekleideten Minderjährigen für Kinder und Jugendliche ausgehen kann. Unabhängig davon müsste für eine Subsumtion von Bildern mit bekleideten Kindern oder Jugendlichen die Drastik der unnatürlich geschlechtsbetonten Haltung so stark sein, dass die Grenze zur Pornographie regelmäßig mitüberschritten sein dürfte. Neben § 15 Abs. 2 Nr. 1 JuSchG i. V. m. § 184 StGB wird dieser Fallgruppe also praktisch wenig Bedeutung zukommen. Eine notwendige Eingrenzung des Tatbestandes formuliert das Merkmal der Unnatürlichkeit. Hier liegen die eigentlichen Probleme der praktischen 915 916

Nikles § 15 Rn. 87; Ukrow, S. 191 Rn. 364. BPjSE-Nr. 4639 bis 4641 (12.12.1996, Magazine „Jung und Frei“), S. 10 f.,

14 f. 917 918

Ukrow, S. 191 Rn. 364; Nikles, § 15 Rn. 90. Ähnlich: Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 15 Rn. 27.

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Subsumtion. Es bleibt nämlich nebulös, was sich der Gesetzgeber darunter konkret vorgestellt hat. Das Gesetz stellt wohl nicht auf eine Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes der Minderjährigen ab, beispielsweise durch übermäßige Schminke oder Reizwäsche919. Maßgeblich ist nach dem Wortlaut allein eine unnatürliche Körperhaltung des minderjährigen Models. Nikles definiert diese unnatürliche Körperhaltung als eine, die nicht den natürlichen, altersadäquaten Verhaltensweisen entspricht920. Damit ist die schwierige Begriffsausfüllung aber nur verlagert. Denn das Abstellen auf das Gegenteil einer unnatürlich geschlechtsbetonten Haltung hilft kaum weiter, um die Bedeutung des Merkmals zu erhellen: Altersadäquate Verhaltensweisen durchschnittlicher Minderjähriger sind angesichts der Vielzahl denkbarer Entwicklungsstände und Lebenssachverhalte gerade für ältere Altersgruppen kaum objektiv festzumachen. Hilfreich kann der Vergleich allenfalls bei Ablichtungen von Kindern sein: Bei ihnen ist das gezielte geschlechtsorientierte, anbietende Posen ein nicht altersgemäßes Verhalten. Doch selbst in diesem Zusammenhang ergeben sich Subsumtionsschwierigkeiten, wenn es sich bei den Aufnahmen um Schnappschüsse und Zufallsaufnahmen handelt, in denen das Kind ein nicht altersgemäßes Verhalten ohne gezielte Einwirkung dritter Personen imitiert. Würde man allerdings solche Konstellationen ausschließen wollen, bedürfte es zum einen eines Nachvollziehens der genauen Sachumstände und Motive im Einzelfall. Dieses ist praktisch nicht leistbar und zudem durch den Wortlaut der Norm auch nicht geboten. Zum anderen dient § 15 Abs. 2 Nr. 4 JuSchG in erster Linie dem Schutz der sexuellen Entscheidungsfreiheit von Kindern und Jugendlichen. Die möglicherweise gefährliche Assoziation legitimer sexueller Fremdbestimmung, die der Gesetzgeber verhindern will, bleibt auch bei einem Schnappschuss erhalten. Denn die genaue Entstehungsgeschichte des Bildes lässt sich für den minderjährigen Betrachter überhaupt nicht am Ergebnis ablesen. Deshalb sind auch solche Zufallsaufnahmen subsumierbar. Bei Jugendlichen, die ihre Sexualität schon frühzeitig ausleben, ist die Bestimmung einer durchschnittlich unnatürlichen Haltung (wie bei Erwachsenen) durch die nahezu unbeschränkte individuelle Lebensentfaltung faktisch unmöglich. In Ausnahmefällen mag der Betrachter zwar in dem Trägermedium selbst Indizien dafür ausmachen können, dass das minderjährige Modell zu bestimmtem Verhalten angehalten worden ist921. Auch 919

Ukrow, S. 191 Rn. 364; a. A. Scholz/Liesching, § 15 Rn. 31. Nikles, § 15 Rn. 87. 921 In den BPjSE-Nr. 4639 bis 4641 (12.12.1996, Magazine „Jung und Frei“) finden sich etwa zahlreiche Aufnahmen, in denen ein Mann mit Megaphon im Bildhintergrund Anweisungen zu geben scheint, vgl. S. 11. 920

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mögen Bildunterschriften und Artikel, die erkennbar nichts mit den überdimensionierten, geschlechtsorientierten Ablichtungen zu tun haben922, Indikatoren für eine verabscheuungswürdige Grundhaltung sein. Aber damit ist für die gewöhnliche Verhaltenstypik des Durchschnitts-Jugendlichen, auf die das Gesetz nun einmal allein abstellt, nichts gewonnen. Darin dokumentiert sich allenfalls eine perverse Gesinnung, deren Strafbewehrung nicht Ziel des § 15 Abs. 2 Nr. 4 JuSchG ist und sein kann. Spätestens an diesem Punkt zeigt sich, dass der Gesetzgeber schlecht beraten war, auch Jugendliche als Schutzsubjekte in die Norm mit aufzunehmen. Denn wenn sich durchschnittliche Jugendliche schon mit 15 Jahren selbst sexuell betätigen, kann selbst ein sexuelles Posen nicht als unnatürlich angesehen werden. Die sexualakzentuierte Haltung kann ja schließlich nicht nur für einen erwachsenen Betrachter, sondern auch einen gleichaltrigen Konsumenten eingenommen werden. Der Rechtsanwender (Unternehmer, Händler, KioskBesitzer) steht dadurch vor der unlösbaren Aufgabe, einem anormalen Verhaltensmuster Konturen zu verschaffen, das angesichts der Normalität vielschichtigster Verhaltensweisen zwangsläufig gesichtslos bleiben muss923. cc) Ergebnis § 15 Abs. 2 Nr. 4 JuSchG ist verfassungswidrig. Die Norm verstößt gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip. Das gilt umso mehr, als Handel und Vertrieb zu eigener Kontrolle der Voraussetzungen aufgerufen sind und selbst fahrlässiges Verkennen strafbar ist. i) Trägermedien mit offensichtlicher Eignung zur schweren Jugendgefährdung Ohne gesonderte Feststellung gelten auch Medien als indiziert, die offensichtlich geeignet sind, Kinder und Jugendliche schwer zu gefährden. Das lässt sich § 15 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG entnehmen. Die Formulierung entspricht wortgetreu § 6 Nr. 3 GjS(M). Damit sind dem Jugendschutzrecht die zahlreichen Auslegungsfragen, die schon mit der alten Norm verbunden waren, erhalten geblieben.

922

Ebenda. Auch Hörnle merkt an, es sei für die Strafverfolgungsorgane eine „unlösbare Aufgabe (. . .) zu beurteilen, ob sechzehn- oder siebzehnjährige Mädchen gezeigt werden, oder geringfügig ältere Personen“, vgl. Stellungnahme, S. 9. 923

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aa) Die Eignung zur schweren Jugendgefährdung Von einer schweren Jugendgefährdung ist auszugehen, wenn zu befürchten steht, dass ein Medium auf elementare Wert- und Lebensvorstellungen von Minderjährigen schädigend einwirken kann924. (1) Reichweite des Tatbestandes Gegenüber den Fällen einfacher Jugendgefährdung sind die zu befürchtenden Auswirkungen des Medienkonsums also noch einmal qualifiziert. Der Wortlaut lässt offen, ob sich die Fälle offensichtlicher Jugendgefährdung nach § 15 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG thematisch von den vorangestellten Tatbeständen des § 15 Abs. 2 Nr. 1–4 JuSchG abgrenzen müssen. Nikles verneint das. Erfasst seien als offensichtlich schwer jugendgefährdend gerade auch Sachverhalte, die unterhalb der Schwellen der Nr. 1–4 lägen und deshalb dort nicht subsumiert werden könnten925. Der Blick auf das Umfeld des Tatbestandes legt aber das Gegenteil nahe926. Schließlich hat der Gesetzgeber in § 15 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 JuSchG konkrete Tatbestände mit spezifischen Voraussetzungen vorangestellt. Diese beschreiben strafrechtlich relevante und unsittliche/gewaltbezogene Inhalte, bei denen eine Indizierung automatisch eintreten soll. Unterhalb dieser Schwellen ist gerade keine direkte Folgenbewirkung vorgesehen. Andernfalls hätte der Gesetzgeber eine offene Generalklausel der schweren Jugendgefährdung formuliert und diese durch Regelbeispiele im Sinne der Nr. 1–4 präzisiert – so wie bei § 18 Abs. 1 S. 2 JuSchG. Die Tatbestände der § 15 Abs. 2 Nr. 1–4 JuSchG sind jedoch separat vorangestellt. Erst dann folgt die generalklauselartige Nr. 5. Diese Gesetzgebungstechnik lässt sich nur dahingehend deuten, dass die Alternativen des § 15 Abs. 2 Nr. 1–4 JuSchG gegenüber Nr. 5 leges speciales sind. Ihnen lässt sich deshalb auch nur für andere thematische Sachverhalte die Funktion zuweisen, „eine für die Praxis hilfreiche Erläuterung“ darzustellen, was als schwere Jugendgefährdung zu verstehen ist927. Sie sind eine Art „Messlatte“ der schweren Jugendgefährdung für die Fallkonstellationen außerhalb der Themenkreise, die in den § 15 Abs. 2 Nr. 1–4 JuSchG angesprochen werden. Dagegen können 924 Zu den Verstärkungsfaktoren gegenüber einer einfachen Jugendgefährdung vgl. schon oben II. 4. d) bb) (1). 925 Nikles, § 15 Rn. 96. 926 Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 15 Rn. 31. Ablehnend auch hinsichtlich der in § 6 GjS(M) genannten Strafrechtsnormen: Scholz (3. Auflage), Anm. zu § 6 GjS (S. 70); Erbs/Steindorf, § 6 GjSM Rn. 14 f. 927 BT-Drcks. 14/9013, S. 24.

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Inhalte, die denen in Nr. 1–4 vergleichbar sind, nicht über Nr. 5 indiziert werden. Dieses Verständnis ist auch verfassungsrechtlich geboten. Denn nur so lassen sich dem Begriff der schweren Jugendgefährdung ausreichend Konturen verleihen, die dem Bestimmtheitsgebot genügen. In diesem Zusammenhang ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass schon jedes fahrlässige Verkennen durch den Handel strafrechtliche Konsequenzen nach sich zieht. Eine gegenteilige, weitere Auslegung verkennt auch den Charakter der automatischen Indizierung als Ausnahmeprinzip: Der Regelschutz von Kindern und Jugendlichen besteht in der Indizierung gefährlicher Inhalte durch die Bundesprüfstelle928. Die automatische Indizierung muss auf besonders schwerwiegende Einzelfälle beschränkt sein, bei denen selbst die Eil- oder Regelindizierung zu spät kommt929. Allerdings ist die Subsumtion unter § 15 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG nicht ausgeschlossen, wenn sich verschiedene (auch die den Nr. 1–4 thematisch zurechenbaren) jugendgefährdende Inhalte in einem Trägermedium summieren930. Häufig fehlt es dann aber daran, dass die einzelnen gefährdenden Elemente auch offensichtlich zutage treten. (2) Qualifizierte Intensität und Gefahr? Aus dem Erfordernis der schweren Jugendgefährdung werden in Rechtsprechung und Schrifttum strengere Anforderungen für die Wahrscheinlichkeit möglicher Schäden abgeleitet. Der Eintritt schlimmer Gefährdungen bei Kindern und Jugendlichen müsse sich unter pädagogischen und wirkungspsychologischen Gesichtspunkten zur nahen Gefahr verdichten931. Die schlichte Realisierungswahrscheinlichkeit sei hierfür nicht ausreichend. Dagegen verbinden einige Autoren die Schwere der Jugendgefährdung nicht mit einem Anstieg der zu erwartenden Erfolgswahrscheinlichkeit. Es sei keine nahe, unmittelbare Gefahr negativer Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche einzufordern. Hinreichend sei die „einfache“ Wahrscheinlichkeit von Schäden – so wie bei § 18 Abs. 1 JuSchG. Mit der schweren Jugendgefährdung werde allein das besondere Ausmaß der zu befürchtenden Desorientierung beschrieben. Dieses finde seinen Ausdruck in einer 928

Ukrow, S. 192 Rn. 365 m. w. N. Schilling, S. 150. 930 Scholz/Liesching, § 15 Rn. 36; Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 15 Rn. 31. 931 BGHSt 8, S. 83; ähnlich: BVerfGE 30, S. 347; BVerfG NStZ 88, S. 413; OLG Köln NJW 71, S. 255; Eberle/Rudolf/Wasserburg/Landmann, Kapitel VI Rn. 66; Isensee/Axer, S. 19; Nikles, § 15 Rn. 94; Ukrow, S. 193 Rn. 366; Laufhütte, JZ 74, S. 51. 929

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Haltung wider die Grundwerte der Verfassung, welche das Medium nach außen trage932. Beide Sichtweisen lassen sich mit dem Wortlaut der Norm vereinbaren. Die grammatische Betonung schwerer Jugendgefährdung spricht tendenziell eher für eine Qualifizierung der Risikoanforderungen. Dafür kann auch das Anliegen ins Feld geführt werden, die Sanktionsdrohung gegenüber Autoren und Wirtschaft auf eindeutige Fälle zu begrenzen. Gleichwohl verdient die Gegenansicht den Vorzug. Denn ohne profunden juristischen und medienpädagogischen Sachverstand lässt sich das Gefährdungspotential einschlägiger Inhalte nicht überblicken. Der Nachweis einer konkreten, nahen Gefahr ist darüber hinaus wirkungspsychologisch nicht zu führen. Deshalb unterläuft die Interpretation der schweren Jugendgefährdung als Erfordernis naher Gefahr die gesetzlich vorgesehene Sanktion933. Diese muss versagt werden, wenn dem Täter die Subsumtion unzumutbar und unmöglich ist. Im Übrigen lässt sich eine Einengung der Sachverhalte zum Schutz von Autoren und Wirtschaft auch über die Betonung des Evidenzgedankens erreichen. Im Ergebnis bedarf es deshalb für die Annahme schwerer Jugendgefährdung lediglich der „einfachen“ Gefährdungswahrscheinlichkeit. § 15 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG ist funktional also Qualifikation des Grundtatbestandes § 18 Abs. 1 JuSchG934. Allerdings ergibt sich die besondere Schwere der Jugendgefährdung nicht nur aus dem Gewicht des betroffenen Verfassungs-Wertes, sondern auch der Quantität jugendgefährdender Passagen, ihrer Varianz und ggf. ihrer besonderen Affinität für Kinder und Jugendliche935. bb) Offensichtlichkeit Offensichtlich ist die schwere Jugendgefährdung, soweit sie für jeden unbefangenen Durchschnitts-Betrachter erkennbar ist936. Dabei sind nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes diejenigen Fälle ausgenommen, bei denen sich die Befürchtung einer gravierenden Destabilisierung nicht prima vista „aus dem Gesamteindruck der Zeitschrift [bzw. eines anderen Trägermediums] oder aus besonders ins Auge springenden Einzelheiten“ ergibt. 932

Scholz/Liesching, § 15 Rn. 34 f.; Schumann, FS-Lenckner, S. 579; Erbs/Steindorf, § 6 GjSM Rn. 12. 933 Ähnlich: Schumann, FS-Lenckner, S. 579. 934 So: Scholz/Liesching, § 15 Rn. 34. 935 Ähnlich: Löffler/Altenhain, § 15 Rn. 36. 936 BVerfGE 11, S. 238; BVerfGE 77, S. 358; Scholz/Liesching, § 15 Rn. 37; Löffler/Altenhain, § 15 Rn. 37; Scholz (3. Auflage), Anm. zu § 6 GjSM (S. 70, „unbefangener Rezipient“); Schumann, FS-Lenckner, S. 579; Schraut, S. 87; Meirowitz, S. 266; wohl auch: Schilling, S. 151.

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Abzulehnen sind Bestrebungen, die schwere Jugendgefährdung aus der Warte einsichtiger, „für Jugenderziehung und Jugendschutz aufgeschlossener“ Menschen zu bestimmen937. Das gilt jedenfalls für den Fall, dass damit die Befähigung vorausgesetzt ist, „die psychische und seelische Wirkung von Medien auf Kinder und Jugendliche sachgerecht zu bewerten“938. Zum einen widerspräche dieser Maßstab den reellen Gegebenheiten – einfache Zeitungshändler und Videothekare werden kaum über vertiefte Kenntnisse im Jugendschutz verfügen939. Zum anderen würde über einen jugendschutzfreundlichen Bewertungsmaßstab das Evidenzprinzip „durch die Hintertür“ verwässert und die Strafdrohung über Gebühr erweitert940. Schließlich wird die Offensichtlichkeit in Nr. 5 durch die abweichende Auffassung eines anderen Gerichtes und der Bundesprüfstelle ausgeschlossen941. Die schwere Jugendgefährdung ist in diesen Fällen schon deshalb nicht offensichtlich, weil das Gericht und die Prüfstelle als gewissenhafte unbefangene Durchschnitts-Betrachter anzusehen sind, die das Vorliegen der Voraussetzungen gerade verneinen. cc) Beispielfälle Als Anwendungsfälle des § 15 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG kommen vor allem Trägermedien in Betracht, die Drogen oder Gifte verherrlichen und zu ihrem Konsum anleiten942. Das gilt aber nur, soweit es sich um Stoffe handelt, die bekanntermaßen bei einfach-fahrlässigem Gebrauch letal wirken oder schwer abhängig machen können. Dies trifft nicht auf Cannabis-Produkte zu. Trägermedien, die zu Cannabis-Konsum verführen, können aber ausnahmsweise schwer jugendgefährdend sein, wenn sie die negativen Auswirkungen der Droge auf die aktive Teilnahme im Straßenverkehr ausblenden. Daneben sind extrem frauenfeindliche oder auch männerfeindliche Inhalte denkbare Fallgruppen der schweren Jugendgefährdung943. Wegen der Sachnähe zu den Nr. 1–4 sind dagegen regelmäßig nicht erfasst: Mediale Gewaltdarstellungen, die unterhalb der Schwelle des § 131 937

BGHSt 8, S. 83. So: Nikles, § 15 Rn. 95; Erbs/Steindorf, § 6 GjSM Rn. 13. 939 Schilling, S. 151. 940 In diesem Sinne auch: Scholz/Liesching, § 15 Rn. 37; Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 15 Rn. 37. 941 A. A. Scholz/Liesching, § 15 Rn. 37. 942 Scholz (3. Auflage), Anm. zu § 6 GjSM (S. 70); von Heyl, S. 47. 943 Scholz/Liesching, § 15 Rn. 38; Löffler/Altenhain, § 15 Rn. 38. 938

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StGB bleiben, sowie Trägermedien, die zu Straftaten außerhalb der §§ 130, 130 a StGB auffordern944. Nicht erfasst sind auch die exzessive Befürwortung und Verwendung von Kennzeichen im Sinne des § 86 a StGB945. Des Weiteren sind nicht subsumierbar: kriegsverharmlosende Trägermedien sowie Sado-Maso- und Bondage-Inhalte von Trägermedien unterhalb der Schwelle der Pornographie946. Die sexuelle Wiedergabe von Handlungen im Zusammenhang mit menschlichen Körperausscheidungen kann jedenfalls dann nicht beanstandet werden, wenn sie vom Konsens der Akteure getragen ist947. Man mag diese Vorliebe als pervers ansehen. Es ist aber nicht die Aufgabe des Staates, die Sexualmoral zu determinieren, wenn sie – wie hier – keine gesellschaftlichen und individuellen Auswirkungen zeitigt. Angesichts des natürlichen Ekelempfindens vor Körperausscheidungen dürfte es sogar jeglicher Nachahmungsgefahr für durchschnittliche Jugendliche durch solche Inhalte ermangeln. Auch die Aufforderung zum und das Verherrlichen des Suizids ist lediglich eine Fallgruppe der „simplen“ Jugendgefährdung. dd) Verfassungsrechtliche Überlegungen Konkrete grundrechtliche Überlegungen zur Verfassungsmäßigkeit der Indizierungsfolgen werden erst im nächsten Kapitel angestellt. Unabhängig davon drängt sich aber bei § 15 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG angesichts der Weite seiner Formulierung die Frage nach der Bestimmtheit der Norm geradezu auf. Konturen gegenüber § 18 Abs. 1 JuSchG ergeben sich zumindest formal durch die zusätzlichen Erfordernisse einer „schweren“ Jugendgefährdung, die dazu auch noch „offensichtlich“ sein muss. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb den mit § 15 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG wortgleichen § 6 GjS als hinreichend bestimmt erachtet948. Die Worte „offensichtlich schwer“ stellten klar, dass nicht Grenzfälle, sondern nur „jedem Unbefangenen erkennbar jugendgefährdende“ Inhalte erfasst seien949. Damit seien die betroffenen Medien in dem beabsichtigten Umfange hinreichend klar abgegrenzt – eine verlässliche Beurteilung des Einzelfalles möglich950. 944

So aber von Heyl, S. 48; ähnlich: Nikles, § 15 Rn. 97. So aber Scholz/Liesching, § 15 Rn. 38. 946 Löffler/Altenhain, § 15 Rn. 38; a. A. Scholz/Liesching, § 15 Rn. 38; Nikles, § 15 Rn. 97. 947 A. A. Nikles, § 15 Rn. 97; Scholz/Liesching, § 15 Rn. 38. 948 BVerfGE 11, S. 237 f.; BVerfGE 77, S. 356 f. 949 BVerfGE 11, S. 238. 950 BVerfGE 77, S. 358. 945

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Der Gesetzgeber halte sich mit der Formulierung noch innerhalb der Grenzen, die das rechtsstaatliche Prinzip der Rechtssicherheit (Art. 103 Abs. 2, Art. 20 Abs. 3 GG) ziehe, zumal „auch das Strafrecht (. . .) nicht völlig darauf verzichten (könne), allgemeine Begriffe zu verwenden, die formal nicht eindeutig allgemeingültig umschrieben werden“ könnten951. Dem Verfassungsgericht ging es in seiner Entscheidung wohl auch darum, gar nicht erst ein Schlupfloch für Händler entstehen zu lassen, die vor einer Indizierung gezielt mit gefährlichem Material für Minderjährige Geschäfte machen wollen. Aber unabhängig von diesem hehren Ziel bleiben doch große Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung. Es kann für einen Laien durchaus sehr schwer werden, selbst eine ganz eindeutige Jugendgefährdung zu erkennen, nämlich z. B. dann, wenn die besondere Gefahr des Werkes in seiner hohen Jugendaffinität (mit)begründet ist. Das Bundesverfassungsgericht hat ein großes Vertrauen in die deutschen Amtsgerichte, wenn es glaubt, dass es den Richtern dann gelingen wird, ex-post aus der Warte eines Durchschnittsbürgers die Erkennbarkeit dieser schweren Jugendgefährdung zu bestimmen. Die Gefahr eines Fehlurteils dürfte beträchtlich sein. Die konkrete Einschätzung für Unternehmer ist noch aus einem anderen Grunde überfordernd. Schwer jugendgefährdende Trägermedien haben einen Tendenzschutz. Wenn Kunst und Jugendschutz im Einzelfall bedeutsamer zu gewichten sind, darf also gar nicht indiziert werden. Der Händler läuft durch § 15 Abs. 2 JuSchG (der diese Abwägungsnotwendigkeit auch nirgendwo erkennen lässt!) Gefahr, bei einer Fehleinschätzung seiner eigenen Grundrechts-Abwägung bestraft zu werden. Andererseits darf das Gesetz auch keinen Anreiz dafür setzen, diese Abwägung zu unterlassen. Denn das ginge einseitig zu Lasten der (kreativen) Gestaltungsrechte und wäre ein Verstoß gegen den Grundsatz der praktischen Konkordanz von Verfassungsgütern. Nicht zu unterschätzen sind auch die Folgewirkungen einer „Schere im Kopf“, die möglicherweise auf gar nicht jugendgefährdende Produkte ausstrahlt. Letztlich sprechen daher mindestens ebenso gewichtige Gründe gegen eine Vereinbarkeit des § 15 Abs. 2 Nr. 5 mit Art. 103 Abs. 2 GG und die Grundrechte (vor allem Art. 5 Abs. 3 GG). j) Gewaltzentrierte, realistische Darstellungen Seit Juli 2008 ist der Katalog der automatisch indizierten Medien noch größer geworden. Der neu geschaffene § 15 Abs. 2 Nr. 3 a JuSchG sieht eine Indizierung qua lege für Trägermedien vor, die besonders realistische, 951

BVerfGE 11, S. 237.

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grausame und reißerische Darstellungen selbstzweckhafter Gewalt beinhalten, wenn diese das Geschehen beherrschen. Wie die einzelnen Merkmale genau auszulegen sind, lässt die Gesetzesbegründung offen. Besonders realistisch dürfte ein Inhalt immer dann sein, wenn er ein Geschehen unter besonderer Berücksichtigung naturwissenschaftlicher Zusammenhänge so detailgetreu und authentisch wiedergibt, dass zwischen Inszenierung und realem Vorgang keine signifikanten Unterschiede bestehen. Besonders grausam ist die Darstellung, wenn sie zeigt, wie Menschen größte Schmerzen und Qualen körperlicher oder seelischer Art zugefügt werden. Dies geschieht besonders reißerisch, wenn die einzelnen Gewaltakte durch akustische oder optische Stilmittel besonders in den Mittelpunkt gerückt – und visuell „ausgeschlachtet“ werden. Selbstzweckhaft ist die Gewalt als körperlich wirkender Zwang jedenfalls dann, wenn sie offenkundig um ihrer selbst Willen inszeniert ist. § 15 Abs. 2 Nr. 3 a JuSchG soll vor allem animierte Computer- und Videospiele erfassen, die mit graphisch ausgereiften Zwischensequenzen arbeiten und den Spieler in der Ego-Shooter-Perspektive Gewalt erfahren oder ausüben lassen (Killerspiele). Die Norm ist wegen ihrer Fülle an deutungsbedürftigen Tatbestandsmerkmalen jedoch verfassungsrechtlich problematisch: Hersteller und Vertreibende sind keine Jugendschutz-Experten. Sie müssen aber die äußert schwierig zu konkretisierenden und häufig auch umstrittenen Wertungen, ob etwas besonders realisitisch oder besonders grausam oder besonders reißerisch ist, ebenso alleine treffen wie die Einschätzung, ob diese Inhalte das mediale Geschehen dann auch wirklich beherrschen. Ebenso müssen sie im Anschluss selbständig eine Abwägung mit den gegen eine Indizierung streitenden Freiheitsrechten vornehmen (wobei diese Abwägung aus den Grundrechten heraus zwingend ist, sich dies jedoch mit keiner Silbe aus § 15 Abs. 2 JuSchG erschließt!) und dabei zutreffend ein Überwiegen der Interessen des Jugendschutzes konstatieren. Ein auch nur fahrlässiges Verkennen führt – wie schon dargelegt – bei einer automatischen Indizierung zur strafrechtlichen Sanktion952. Sich bei der Bundesprüfstelle absichern kann der Händler allerdings nicht. Denn ein strafbefreiendes (!) Vorab-Klärungsverfahren für Unternehmer kennt das Jugendschutzgesetz nicht. Dies wiegt umso schwerer, als § 15 Abs. 2 Nr. 3a JuSchG nicht vom Evidenzprinzip, also der Offensichtlichkeit der charakterisierten schweren Jugendgefährdung, geprägt ist. An die Stelle der Offensichtlichkeit, die für jedermann erkennbar sein muss (so: § 15 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG), tritt die Beherrschung 952

Vgl. dazu oben IX. 1. f).

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

des Geschehens durch besonders realistische, grausame und reißerische Darstellungen selbstzweckhafter Gewalt. Sollen aber zur Bestimmung dieser Beherrschung des Geschehens nur quantitative oder auch qualitative (dramaturgische) Aspekte eine Rolle spielen? Und soll neben objektiven Umständen an dieser Stelle auch die Haltung der Protagonisten Relevanz zeichnen? Bei § 15 Abs. 2 Nr. 3a JuSchG bleiben insgesamt viel zu viele Fragen offen. Es spricht daher sehr viel dafür, die Norm am Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG scheitern zu lassen. 3. Inhaltsgleiche Medien Ist ein Trägermedium ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich mit einem bereits indizierten Träger- oder Telemedium, gilt es kraft Gesetzes als indiziert (§ 15 Abs. 3 JuSchG). Dadurch soll verhindert werden, dass Händler oder Urheber die Jugendschutzwirkungen der Indizierung einfach durch eine technische Umwandlung der betroffenen Inhalte (z. B. von DVD auf Video, von Diskette auf CD-Rom etc.) umgehen953. Allerdings sind Sanktionen für Gewerbetreibende nach den §§ 27 f. JuSchG954 nicht vorgesehen. Das schwächt zwar die Autorität des § 15 Abs. 3 JuSchG, ist aber im Lichte des Art. 103 Abs. 2 GG unvermeidlich. Schließlich ist es niemandem zumutbar, alle Indizierungsentscheidungen und die sie tragenden Gründe zu kennen. Selbst, wenn sich ein jeder ausführlich darüber informieren würde, wären die meisten mit der Vergleichsanalyse hoffnungslos überfordert. Eindeutig unter § 15 Abs. 3 JuSchG subsumierbar sind Trägermedien, bei denen die indizierten Film-, Spiel- oder Literaturinhalte vollständig erhalten bleiben oder sich nur durch eine anderssprachige, aber dem Original inhaltlich entsprechende, Synchronisation bzw. Übersetzung unterscheiden955. Ansonsten kommt es bei Schnittfassungen im Einzelfall darauf an, ob der jugendgefährdende Inhalt der indizierten Vergleichsmedien optisch oder akustisch entscheidend relativiert ist956. Beispielsweise können recht leicht einzelne detailliert gezeigte Misshandlungssequenzen oder Dialoge mit jugendgefährdender Außenwirkung entfernt werden. Nur bei einer qualitativ-vollständigen Entwertung des Gefährdungsurteils kann von 953

Scholz/Liesching, § 15 Rn. 41. Vgl. dazu noch ausführlich Kapitel 12, IX. 955 VG Köln, NJW 89, S. 418. 956 BVerwG NJW 87, S. 1436; OVG Münster, Urteil vom 20.11.1996, AZ.: 20 A 3151/96; dasselbe, NJW 73, S. 385 (Leitsatz „b)“); VG Köln, Beschluss vom 26.11.1990, AZ.: 17 L 1391/90; dasselbe, NJW 89, S. 418; BPjME-Nr. 5244 (08.07.2004, Videofilm „P. O. Box Tino Brass“), S. 4; Nikles, § 15 Rn. 99; Scholz/ Liesching, § 15 Rn. 41; Ukrow, S. 273 Rn. 541. 954

Kap. 11: Indizierungsgründe

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einer fehlenden Inhaltsgleichheit ausgegangen werden. Auf quantitativ umfangreiche Kürzungen kommt es also ebenso wenig an wie auf äußerliche Abänderungen des Prüfobjektes, z. B. Titelwechsel, Änderung der Verpackung etc. Einordnungsschwierigkeiten können in der Praxis entstehen, wenn Nachfolgeversionen von Filmen oder Spielen in Zwischensequenzen oder Handlungssträngen Inhalte ihrer Vorgänger aufgreifen (etwa in einer Art „Rückblick“) oder imitieren (gleiche Figuren, gleiche Kampftechniken etc.), die als jugendgefährdend erachtet worden sind. Soweit das Geschehen in einen eigenständigen künstlerischen Handlungs-Hintergrund eingebettet ist, wird man regelmäßig nicht mehr von einer Identität der Werke ausgehen können. Dann fehlt es schon an der Grundlage für eine Inhaltsgleichheit. In diesen Fällen wird ein separates Verfahren zur Aufnahme der Nachfolge-Versionen in die Liste der jugendgefährdenden Medien notwendig, falls sie nicht bereits über § 15 Abs. 2 JuSchG automatisch erfolgt ist.

V. Zusammenfassung Gründe für eine Indizierung ergeben sich aus den §§ 15, 18 und 22 ff.JuSchG. Nach § 18 Abs. 1 JuSchG ist ein Medium in die Liste der jugendgefährdenden Medien aufzunehmen, wenn es geeignet ist, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden. Dazu zählen qua gesetzlicher Vermutung unsittliche, verrohende und zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizende Medien. Weitere gefährdungstaugliche Inhalte sind die Missachtung personaler Würde, die Verherrlichung und Verharmlosung des NS-Regimes, Verstöße gegen das Toleranzgebot, kriegsverharmlosende oder kriegsrelativierende Botschaften sowie Medien mit einer qualifizierten selbstzerstörerischen Tendenz. Maßgebliches Subjekt für das Gefährdungsurteil sind durchschnittliche Kinder und Jugendliche. Die Gefahrprognose muss sich wiederum an pädagogischen und wirkungsempirischen Erkenntnissen orientieren. Dabei genügt für ein positives Risikourteil die einfache Wahrscheinlichkeit einer denkbaren Gefährdung. Unabhängig vom Gefährdungsurteil kommt eine Listenaufnahme bei politischen, sozialen und künstlerisch-wissenschaftlichen Inhalten gemäß § 18 Abs. 3 JuSchG nur in Betracht, wenn die Belange des Jugendschutzes überwiegen. Dies gilt es, im Rahmen einer umfassenden Einzelfall-Abwägung herauszufinden. Taugliche Wertungskriterien sind der schädigende Einfluss des Mediums, die Beschneidung der Grundrechte von Kindern und Jugendlichen, die präsumtive Auswirkung einer Indizierung auf die zukünftige Grundrechtsausübung sowie die Bedeu-

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

tung des Mediums für die demokratische Willensbildung. Beim schädigenden Einfluss des Mediums sind dabei die Anzahl und das Ausmaß der jugendgefährdenden Passagen, die Qualität der betroffenen sozialethischen Werte, der Kreis der betroffenen Kinder und Jugendlichen sowie die Art und Weise der Darstellung zu berücksichtigen. In einem Fall von geringer Bedeutung kann die Bundesprüfstelle von einer Indizierung absehen. Periodisch erscheinende Trägermedien (Magazine etc.) und Telemedien (z. B. Websites) können gemäß § 22 JuSchG auch schon im Voraus indiziert werden. Eine Voraussetzung dafür ist, dass innerhalb eines Jahres drei oder mehr Folgen bzw. Angebote indiziert worden sind. Außerdem darf das Medium nicht politisch sein oder als Tageszeitung erscheinen. Der präventive § 22 JuSchG und der reaktive § 18 Abs. 1 JuSchG werden durch § 15 Abs. 2 und 3 JuSchG ergänzt. Hiernach sind Trägermedien automatisch indiziert, wenn sie die Tatbestände der §§ 86, 130, 130 a, 184, 184 a und 184 b des StGB realisieren. Daneben unterfallen der automatischen Indizierung auch kriegsverherrlichende Medien sowie solche, die sterbende oder schwer leidende Menschen in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellen. Außerdem gelten die automatischen Beschränkungen für Trägermedien, die Minderjährige in einer unnatürlich geschlechtsbetonten Körperhaltung präsentieren und Trägermedien mit sonst offensichtlich schwer jugendgefährdenden Inhalten. Schließlich sind Trägermedien, die ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich mit bereits indizierten Medien sind, automatisch indiziert. Allerdings verstößt § 15 Abs. 2 Nr. 3 JuSchG gegen Art. 1 Abs. 1 GG, sofern er eine ergebnisoffene Abwägung zwischen der Menschenwürde und dem Interesse an einer diese verletzenden Darstellung vorsieht. In seiner gegenwärtigen Fassung verstößt auch § 15 Abs. 2 Nr. 4 JuSchG gegen das Grundgesetz: Die Norm untersagt es, Kinder oder Jugendliche in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung darzustellen. Den Merkmalen des Tatbestandes lassen sich jedoch nicht hinreichend Konturen verleihen. Unter Berücksichtigung des Strafbarkeitsrisikos (über § 27 f. JuSchG) verstößt die Norm deshalb gegen das Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG. Kapitel 12

Die Indizierung und ihre Folgen Die Indizierung begründet eine Reihe von Verboten und Pflichten. Wer sie vorsätzlich oder fahrlässig missachtet, muss mit Geld- oder Freiheitsstrafe rechnen.

Kap. 12: Die Indizierung und ihre Folgen

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I. Überblick An erster Stelle steht das Verbot, einschlägige Medien für Kinder und Jugendliche zugänglich zu machen. Hinzu treten Informationspflichten im gewerblichen Handel sowie ein umfassendes Werbeverbot für indizierte Medien. Dieses Kapitel stellt die Indizierungsfolgen und ihre Strafbewehrung systematisch dar. Darüber hinaus werden die zentralen gesetzlichen Vorschriften verfassungsrechtlich gewürdigt und europarechtlich hinterfragt. Zuvor ist jedoch zu analysieren, auf welche Medien sich die Verbote erstrecken und ab welchem Zeitpunkt sie gelten.

II. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften Das Jugendschutzgesetz gibt sowohl für Telemedien als auch für Trägermedien inhaltlich vor, wann eine einfache Indizierung erfolgen darf (vgl. § 18 Abs. 1 JuSchG). So sollte man eigentlich davon ausgehen können, dass auch die Folgen der „einfachen“ Indizierung einheitlich in diesem Gesetz zusammengefasst sind. Das ist jedoch nicht der Fall. Wegen der umstrittenen Gesetzgebungskompetenzen für den Jugendschutz im Rundfunk und im Internet haben sich der Bund und die Länder auf einen komplizierten Kompromiss verständigt: Danach regelt der Bund einheitlich Grund und Folgen einer Indizierung bei den Trägermedien, während die Länder für die Indizierungsfolgen bei den Telemedien zuständig sind und den Rundfunk sogar vollständig in Eigenregie regulieren957. 1. Der Folgendualismus bei Träger- und Telemedien Gesetzlich zementiert wird diese Trennung durch § 16 JuSchG958. Dort heißt es lapidar: „Regelungen zu Telemedien, die in die Liste jugendgefährdender Medien nach § 18 aufgenommen sind, bleiben Landesrecht vorbehalten.“ Das Ergebnis sind zwei unterschiedliche Regelwerke: Das bundesrechtliche Jugendschutzgesetz, das in § 15 Abs. 1 die Indizierungsfolgen bei der simplen sowie in Abs. 2 bei gewisser schwerer Jugendgefährdung für Trägermedien festlegt und der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) mit Bestimmungen zu den Indizierungsfolgen indizierter Telemedien in den §§ 4 f. JMStV, auf die sich alle Länder verständigt haben. Dieses Kapitel beschäftigt sich ausschließlich mit den Indizierungsfolgen für Trägermedien nach dem Jugendschutzgesetz. 957

Vgl zu diesem Kompromiss Kapitel 3 III. 3. § 16 JuSchG wird allerdings durch § 1 Abs. 2, S. 2 JuSchG ergänzt, der den Rundfunk ausdrücklich vom Geltungsbereich des Gesetzes ausnimmt. 958

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2. JuSchG und Strafrecht Bei der Interpretation der Indizierungsfolgen nach § 15 Abs. 1 JuSchG liegt es nahe, auch strafrechtliche Quellen (etwa zu den §§ 184 f. StGB) zu bemühen, um den Sinngehalt des Tatbestandes zu erhellen. Das Jugendschutzgesetz und das Strafgesetzbuch sind funktional verzahnt und weisen strukturelle Parallelitäten auf. Das zeigt schon ein flüchtiger Blick in § 15 Abs. 1 JuSchG, der in hohem Maße mit den §§ 184 f. StGB übereinstimmt. So spricht auch die amtliche Begründung davon, dass § 15 Abs. 1 JuSchG die „Systematik der im Wesentlichen inhaltsgleichen Bestimmungen des § 184 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 und 8 des Strafgesetzbuches“ übernehme und Nr. 7 systematisch dem § 184 Abs. 1 Nr. 8 StGB entspreche, „der mit § 4 Abs. 2 und 3 GjS“ korrespondiere959.

III. Wie die Indizierungsfolgen bewirkt werden Bevor die einzelnen Indizierungsfolgen näher beleuchtet werden, soll darauf eingegangen werden, was nötig ist, um ein jugendgefährdendes Trägermedium den Indizierungsrestriktionen des Jugendschutzgesetzes zu unterwerfen. Aus den §§ 15 Abs. 1, 24 Abs. 3 JuSchG ergibt sich, dass regelmäßig zwei Maßnahmen erforderlich sind: Erstens muss die Bundesprüfstelle das Medium in die Liste der jugendgefährdenden Medien aufnehmen. Und zweitens muss diese Aufnahme bekannt gemacht werden. 1. Aufnahme in die Liste der jugendgefährdenden Medien Der häufigste Grund für die Aufnahme eines Trägermediums in die Liste der jugendgefährdenden Medien ist eine positive Indizierungsentscheidung des 12er-Gremiums der Bundesprüfstelle. Die Indizierungsentscheidung des Gremiums ist dabei ein Verwaltungsakt, die faktische Listenaufnahme jedoch lediglich ein Realakt. Die Listenaufnahme kann (vorläufig) im vereinfachten Verfahren angeordnet werden960 oder temporär befristet sein961. Häufig dient die Listenaufnahme auch der Klarstellung962. Bei Telemedien ist zu beachten, dass auch die KJM eine Indizierung durchsetzen kann963. Schließlich sind Trä959

BT-Drcks. 14/9013, S. 23. § 23 Abs. 1, Abs. 5 JuSchG. 961 § 22 Abs. 1, Abs. 2 JuSchG. 962 Das gilt insbesondere bei offensichtlich schwerer Jugendgefährdung im Sinne von § 15 Abs. 2 JuSchG bzw. einer Inhaltsgleichheit des jeweiligen Trägermediums nach § 15 Abs. 3 JuSchG. 960

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germedien in die Liste aufzunehmen, bei denen ein Strafgericht rechtskräftig einen unzulässigen Medieninhalt gemäß §§ 86, 130, 130 a, 131 oder 184 f. StGB festgestellt hat964. a) Die Listenführung (Annex) Die Pflege der Liste – und damit auch die Listenaufnahme von Trägermedien – ist der Vorsitzenden der Bundesprüfstelle anvertraut. Das ergibt sich aus § 24 Abs. 1 JuSchG. Die Behördenleitung muss dabei Entscheidungen über die Aufnahme in die Liste oder über Streichungen unverzüglich ausführen965. Das Gebot, schnell zu handeln, ist nicht nur auf Entscheidungen innerhalb der Behörde beschränkt (z. B. des 3er-Gremiums, des 12er-Gremiums). Unmittelbare Handlungspflichten bestehen auch dann, wenn Entscheidungen der Bundesprüfstelle von den Gerichten aufgehoben werden oder durch Zeitablauf außer Kraft treten966. Damit soll ein effektiver Jugend- und Grundrechtsschutz gewährleistet werden. Beantragt die KJM die Aufnahme eines Telemediums in die Liste der jugendgefährdenden Medien, muss die Bundesprüfstelle diesem Anliegen grundsätzlich entsprechen. Nur wenn der Antrag offensichtlich unbegründet oder unvereinbar mit der Spruchpraxis der Bundesprüfstelle ist, kann die Listenaufnahme gemäß § 18 Abs. 6 JuSchG verweigert werden. Offensichtlich unbegründet ist der Antrag, wenn die Fehleinschätzung der Jugendgefährdung für jedermann klar erkennbar ist967. Praktisch ist ein solcher Fall kaum denkbar968. Theoretisch lässt sich eine offensichtliche Unbegründetheit konstruieren, wenn z. B. die Inhalte von Telemedien in einer Entscheidung der KJM verwechselt werden. Weniger restriktiv ist die zweite Variante des Tatbestandes formuliert. Unvertretbar kann die Listenaufnahme sein, wenn veraltete GefährdungsMaßstäbe angelegt werden oder die KJM den Minderjährigen in einer Entscheidung jegliche Medienkompetenz abspricht. Eine solche Unvertretbarkeit dürfte allerdings praktisch kaum vorkommen. Denn gemäß § 14 Abs. 3 DVO JuSchG informiert die Bundesprüfstelle die KJM über sämtliche jugendschutzrelevante Fragen und Ereignisse, die mit Telemedien zusammenhängen. Auch ist die Bundesprüfstelle in der KJM mit zwei Mitgliedern 963

§§ 14 JMStV i. V. m. 18 Abs. 6 JuSchG. Zu den Grenzen noch sogleich. Vgl. § 18 Abs. 5 JuSchG. Diese Indizierung ist gleichwohl nur deklaratorisch, da solche Medien über § 15 Abs. 2 JuSchG schon per se als indiziert gelten. 965 § 24 Abs. 2 S. 1 JuSchG. 966 § 24 Abs. 2 S. 2 JuSchG. 967 Nikles, § 18 Rn. 17. 968 So auch Monssen-Engberding/Bochmann, BPjM 3/2005, S. 19. 964

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vertreten969. Daher verwundert es nicht, dass es bisher noch nicht zur Ablehnung eines Antrages der KJM nach § 18 Abs. 6 JuSchG gekommen ist. In jedem Fall wäre eine Verweigerung der Bundesprüfstelle gerichtlich voll überprüfbar970. Nicht ganz so harmonisch ist in der Vergangenheit die Zusammenarbeit der Bundesprüfstelle mit den Strafgerichten verlaufen. Nach § 18 Abs. 5 JuSchG muss die Bundesprüfstelle rechtskräftige Urteile von Strafgerichten ohne Wertungsspielraum umsetzen. Das bedeutet, dass eine Listenaufnahme oder Listenstreichung von Trägermedien bezüglich der §§ 86, 130, 130 a, 131 und 184 f. StGB auch dann vorzunehmen ist, wenn die Bundesprüfstelle nicht von einer Jugendgefährdung ausgeht. § 18 Abs. 5 JuSchG hat eine interessante Vorgeschichte. Auch das GjS sah ursprünglich einen Automatismus bei der Indizierung vor, wenn ein Gericht die Strafbarkeit von bestimmten Medieninhalten feststellte971. Damals wurde dieser Automatismus von der Bundesprüfstelle kritisiert. Sie führte an, dass die Spruchpraxis der Strafgerichte länder- und sogar amtsgerichtsbezogen stark divergiere und dies eine einheitliche Handhabe des Indizierungsrechtes erschwere972. Hinzu trat, dass in den Strafverfahren der Urheber des Werkes häufig gar nicht gehört wurde. Im Indizierungsverfahren konnte er dann aber wiederum nichts gegen die Einschätzung des jeweiligen Strafgerichtes einwenden. Das GjS wurde deshalb im Jahre 1961 in diesem Punkt verändert. Nach § 18 Abs. 1 S. 3 GjS n. F. war der von der Indizierung Betroffene anzuhören – und gemäß Abs. 2 n. F. musste die Vorsitzende auch dann eine Entscheidung des 12er-Gremiums herbeiführen, wenn sie selbst die Aufnahme für verzichtbar hielt. Diese sinnvolle Veränderung wurde im GjSM wieder zurückgenommen973. Stattdessen belebte der Gesetzgeber den Automatismus von strafrechtlicher Bewertung und Indizierung. Er findet sich nun leicht modifiziert auch im Jugendschutzgesetz. Der Automatismus von gerichtlicher Entscheidung und Indizierung führt für Händler zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit, gefahrträchtige Trägermedien in Umlauf zu bringen. Selbst wenn die Bundesprüfstelle keine Jugendgefährdung oder Strafrechtsrelevanz erkennt, kann ein deutsches Amtsgericht zu dem Schluss kommen, es liege eine strafrechtlich relevante Ju969 970 971 972 973

Vgl. § 14 Abs. 3 Nr. 3 JMStV. § 25 Abs. 2 JuSchG. Vgl. § 18 GjS. Schilling, S. 131. Vgl. § 18 Abs. 1 GjSM.

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gendgefährdung nach § 15 Abs. 2 JuSchG vor974. Der Händler ist also nicht vor Strafe geschützt, wenn die Bundesprüfstelle eine Jugendgefährdung verneint. Ungelöst ist auch das Problem, dass zwei rechtskräftige Entscheidungen zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. Hier muss sich die Behörde zwangsläufig über ein Ergebnis hinwegsetzen975. Es kann auch gute Gründe dafür geben, von einer Indizierung des Mediums trotz seiner Strafrechts-Relevanz abzusehen. Das ist z. B. denkbar, wenn es nur ein paar Exemplare davon gibt und nicht von einer signifikanten Verbreitung auszugehen ist. Die starre gesetzliche Regelung verstößt aber unabhängig von diesen Argumenten gegen die Grundrechte der Personen und Unternehmen, die von einer Indizierung betroffenen sind und nicht Partei des Strafverfahrens gewesen sind. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in einer früheren Prüfung des § 18 Abs. 1 S. 1 GjS klargestellt: Die Verfassung garantiere jedermann einen effektiven Rechtsschutz. Dieses Grundrecht (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG) werde bei einem Automatismus von gerichtlicher Entscheidung und Indizierung verletzt, weil „die Betroffenen oftmals keine Möglichkeit haben, auf das vorhergehende Verfahren und die dort gefällte Entscheidung Einfluss zu nehmen“976. Danach führt kein Weg daran vorbei, § 18 Abs. 5 JuSchG verfassungskonform einzuschränken977. Der Vorsitzenden der Bundesprüfstelle steht bei der Übernahme gerichtlicher Entscheidungen eine Prüfungsbefugnis zu. Sie muss selbstständig hinterfragen, ob eine Indizierung – auch unter Berücksichtigung des Tendenzschutzes und der Erforderlichkeits-Klausel – gerechtfertigt ist. Hat sie daran Zweifel oder ist sie sogar offensichtlich davon überzeugt, dass eine Indizierung nicht sachgerecht ist, muss sie den Fall dem 12er-Gremium zur Entscheidung vorlegen978.

974 So entschied das AG Pinneberg durch Strafbefehl vom 13.02.2002 (303 Js 11059/00), die CD „Werft sie raus!“ der Gruppe „Nordfront“ enthalte Inhalte, die gegen § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB verstießen. Das 12er-Gremium der Bundesprüfstelle war dagegen in Unkenntnis dieser Entscheidung in seiner 536. Sitzung am 04.12. 2003 nicht einmal von einer einfachen Jugendgefährdung ausgegangen (BPjME-Nr. 5209)! Die Indizierung musste dann nachträglich am 21.10.2004 angeordnet werden (BPjME-Nr. G 25/04), bekannt gemacht im Bundesanzeiger Nr. 207 vom 30.10. 2004. 975 So auch: BVerfG NJW 80, S. 170 f. 976 Ebenda. 977 Ebenso: Löffler/Altenhain, § 18 Rn. 89. 978 BVerfG NJW 80, S. 81.

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b) Die Listenstruktur (Annex) Wenn ein Trägermedium in die Liste der jugendgefährdenden Medien aufgenommen werden soll, stellt sich die Frage, wo genau es eigentlich einzutragen ist979. Das ist seit dem Inkrafttreten des JuSchG eine recht komplexe Frage geworden. Die Liste hat nämlich mittlerweile vier Teile: A, B, C und D. aa) Nichtöffentliche Liste (Teil D) Am speziellsten ist Teil D. In diesen Teil der Liste ist jedes Trägermedium einzutragen, das nach Auffassung der Bundesprüfstelle nicht nur jugendgefährdend ist, sondern sogar die §§ 86, 130, 130 a, 131, 184 f. StGB verwirklicht. Eine weitere Besonderheit der Trägermedien in Liste D ist, dass bei ihnen ausnahmsweise von einer Veröffentlichung der Indizierung im Bundesanzeiger abgesehen wird, weil ein allgemeines Bekanntmachen den Interessen des Jugendschutzes schaden würde980. bb) Nichtöffentliche Liste (Teil C) Auch im Teil C der Liste stehen jugendgefährdende Trägermedien, bei denen ausnahmsweise auf eine Veröffentlichung der Indizierung im Bundesanzeiger verzichtet wird, weil sie den Interessen des Jugendschutzes zuwiderlaufen würde. Der Unterschied zu Listenteil D besteht darin, dass die Bundesprüfstelle hier nicht von einer Strafrechtsrelevanz der Inhalte ausgeht. Das heißt, die Indizierung ist nach ihrer Auffassung konstitutiv. Selbst wenn sich diese Auslegung nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des Gesetzes erschließt, so folgt sie doch aus der Logik des Listenaufbaus981. cc) Öffentliche Liste (Teil B) Teil B der Liste ist für die Trägermedien vorgesehen, die nach Auffassung der Bundesprüfstelle Strafrechtsrelevanz besitzen – also die §§ 86, 130, 130 a, 131, 184 f. verwirklichen. Anders als bei den Trägermedien in 979 Zur Einordnung von Telemedien vgl. Scholz/Liesching § 18 Rn. 29 f., Ukrow, S. 293 Rn. 587 f. 980 Vgl. § 24 Abs. 3 S. 2 JuSchG. Eine Interpretation dieses Tatbestandes folgt unter 3. 981 Sonst müssten alle Trägermedien, die in Teil D eingetragen werden, automatisch auch in Teil C verzeichnet werden. Ebenso: Nikles, § 18 Rn. 8 (Schaubild); Scholz/Liesching, § 18 Rn. 30.

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Teil D der Liste muss hier nicht aus Gründen des Jugendschutzes von einer Bekanntmachung abgesehen werden. Trotzdem ist auch diese Listenaufnahme wegen § 15 Abs. 2 JuSchG rein deklaratorisch. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Einschätzung der Bundesprüfstelle zutrifft. dd) Öffentliche Liste (Teil A) Wenn kein anderer, speziellerer Listenteil einschlägig ist, werden die jugendgefährdenden Trägermedien in Teil A eingetragen. Praktisch sind das die Fälle der einfachen Indizierung nach § 18 Abs. 1 JuSchG oder § 22 Abs. 1 JuSchG. 2. Öffentliche Bekanntmachung der Listenaufnahme Um die Indizierungsfolgen für Trägermedien wirksam werden zu lassen, ist eine Bekanntmachung der Listenaufnahme erforderlich982. Dabei muss man zwischen der Bekanntgabe an die Verfahrensbeteiligten (die regelmäßig durch amtliche Zustellung der Entscheidung erfolgt) und der allgemeinen öffentlichen Bekanntmachung unterscheiden. Hier soll zunächst die Letztere interessieren, welche die Indizierungsfolgen allgemein bewirkt. Indizierte Medien müssen gemäß § 24 Abs. 3 S. 1 JuSchG im Bundesanzeiger bekannt gemacht werden. Darüber hinaus wird die Indizierungsliste aber auch in der Fachzeitschrift der Bundesprüfstelle „BPjM Aktuell“, sowie dem Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel und der Zeitschrift „JMS-Report“ veröffentlicht. Damit soll sichergestellt werden, dass sich Händler und Vertrieb über aktuelle jugendgefährdende Trägermedien informieren können983. Dies ist Voraussetzung für die Strafbewehrung von Missachtungen der Indizierungsverbote im Sinne der §§ 27 f. JuSchG. 3. Ausnahmeregelungen Das Prinzip der konstitutiven Indizierung durch Listenaufnahme einerseits und Bekanntmachung der Listenaufnahme andererseits wird an mehreren Stellen des Jugendschutzgesetzes durchbrochen. So entfalten die Indizierungsverbote auch ohne Listenaufnahme und Bekanntmachung Wirksamkeit, wenn das Trägermedium einen der Tatbestände von § 15 Abs. 2 982 § 24 Abs. 3 S. 1 JuSchG. Denkbar ist auch eine mündliche Unterrichtung vor Ort direkt nach der Entscheidungsfindung des 12er-Gremiums. 983 Löffler/Altenhain, § 24 Rn. 8 JSchutz BT.

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JuSchG verwirklicht, also (offensichtlich) schwer jugendgefährdend ist. Das gleiche gilt, wenn ein Trägermedium ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich mit einem anderen Trägermedium ist, das schon vorher indiziert wurde984. Auf die damit verbundenen Transparenzprobleme ist schon hingewiesen worden. Auf eine öffentliche Bekanntmachung der Listenaufnahme darf verzichtet werden, wenn das Trägermedium lediglich durch Telemedien verbreitet wird985 oder wenn eine Bekanntmachung der Wahrung des Jugendschutzes schaden würde986. Klärungsbedürftig ist allerdings, welche Fälle der Gesetzgeber damit beschreiben wollte. Denn ein Trägermedium, das nur durch das Internet vertrieben wird (z. B. durch den Download des in das Netz gestellten Inhaltes), wird rechtlich schon als Telemedium erfasst. Telemedien, die indiziert werden, werden aber schon grundsätzlich nicht öffentlich bekannt gemacht987 – aus Angst vor nicht beherrschbarem Download durch Minderjährige. Die Regelung in § 24 Abs. 3 S. 2, 1. Alt. JuSchG läuft also leer, wenn man den eigentlichen Wortlaut der Norm zugrundelegt. Gedacht hat der Gesetzgeber offenbar an Fälle, in denen der Vertrieb der Inhalte überwiegend über das Internet erfolgt, also nur ausnahmsweise als DVD, Video, CD oder sonstiges Trägermedien. § 24 Abs. 3 S. 2, 1. Alt. JuSchG ist deshalb in diesem Sinne zu begreifen und berichtigt zu interpretieren988. Einer Beantwortung harrt noch die Frage, wann genau eine Bekanntmachung der Wahrung des Jugendschutzes schadet, so dass auf sie verzichtet werden darf. Der Gesetzgeber geht dann davon aus, wenn die Bekanntmachung im Einzelfall Kinder und Jugendliche vermehrt dazu anreizen würde, sich das Produkt auf legale oder illegale Weise (z. B. über das Internet) zu verschaffen. Dann würde nämlich durch die allgemeine Bekanntmachung als Grundlage der generellen Folgenbewirkung bei Trägermedien gerade kein Schutz der Minderjährigen erreicht werden989. Um das zu verhindern, muss die Bundesprüfstelle bei jeder einzelnen Entscheidung prüfen, ob durch die Veröffentlichung der Listenaufnahme ein gravierendes Missbrauchsrisiko zu befürchten steht. Nun wird man nie ganz ausschließen können, dass jugendgefährdende Inhalte trotz Indizierung von Minderjährigen aus dem Internet (illegal) heruntergeladen werden. Die Behörde soll 984

Vgl. § 15 Abs. 3 JuSchG. § 24 Abs. 3 S. 2, 1. Alt. JuSchG. 986 § 24 Abs. 3 S. 2, 2. Alt. JuSchG. In diesen Fällen droht lediglich den Verfahrensbeteiligten, die um die Indizierung wissen eine Strafe, wenn sie die Indizierungsrestriktionen missachten, vgl. noch unten IX. 1. e). 987 Das stellt BT-Drcks. 14/9013, S. 28 selbst zutreffend fest. 988 So: Scholz/Liesching, § 24 Rn. 8 f. 989 BT-Drcks. 14/9013, S. 28. 985

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deshalb antizipieren, ob die Gefahr des Internet-Zugriffes so groß ist, dass sie das Interesse an einem generellen Verbot des Vertriebes als Trägermedium überwiegt990. Dass diese Abwägung bei einem Trägermedium, das gerade erst auf den Markt gekommen ist, aber eine rein spekulative und auch willkürliche Entscheidung sein wird, erschließt sich spätestens beim zweiten Hinsehen. Denn wie soll die Bundesprüfstelle mit ihren beschränkten Mitteln und ohne profunde Marktanalyse in jedem Einzelfall vorab ermitteln, ob und wie oft minderjährige Kunden das Produkt nach der Indizierung über das Internet downloaden werden? Die Ermittlung tut jedoch not, wenn die Bundesprüfstelle in einem zweiten Schritt abwägen soll, ob dieses Missbrauchsrisiko das vermutete (!) Bezugsverhalten von Trägermedien überwiegt. Falls das Medium vor der Listenaufnahme dagegen bereits eine gewisse Zeit auf dem Markt war, verschiebt sich die Problematik: Hier können konkrete Verkaufszahlen und Zugriffsraten auf Angebotsseiten im Internet die Prognose vielleicht substantiieren. Aber in diesem Fall verfehlt der Verzicht auf die Bekanntmachung seinen Zweck. Denn dann ist die Seite mit den jugendgefährdenden Inhalten im Zeitpunkt der Indizierung unter den Nutzern schon bekannt und beliebt. Eine Nichtveröffentlichung würde etwaige Downloadquellen im Internet also nicht signifikant prominenter machen. Sie ginge aber zu Lasten der Transparenz des Indizierungsrechtes. Bei näherer Betrachtung erweist sich § 24 Abs. 3 S. 2, 2. Alt. JuSchG deshalb in beiden denkbaren Varianten als nicht konturierbare und in Teilen schlicht untaugliche Vorschrift. 4. Schlussfolgerungen Das Listensystem des JuSchG ist sehr komplex und unübersichtlich. Es bedarf juristischen Sachverstandes, um die Struktur zu begreifen und für Eltern und betroffene Jugendschützer transparent zu machen. Viele Eltern, die sich selbstständig über jugendgefährdende Medien informieren wollen, werden mit der Listenaufteilung überfordert sein. Sie erfahren auch nicht alle Medien, die für ihre Kinder möglicherweise jugendgefährdend sind (z. B. die in Teil D eingetragenen Medien, auf deren Veröffentlichung verzichtet wird). Als Grund für die Nichtveröffentlichung bestimmter Medien wird die Gefahr der illegalen Beschaffung durch Kinder und Jugendliche angeführt. Das ist jedoch keine tragfähige Begründung. Zum einen macht sich der staatliche Jugendschutz etwas vor, wenn er glaubt, den illegalen Download 990

Ebenda; ebenso: Ukrow, S. 294 Rn. 588; Scholz/Liesching, § 24 Rn. 10.

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jugendgefährdender Medien über das Internet ohne Verbot des Mediums jemals unterbinden zu können. Zum anderen darf die Liste der jugendgefährdenden Medien gar nicht an Kinder und Jugendliche herausgegeben werden. Mit der Maßnahme werden also ohnehin nur die Minderjährigen geschützt, die die Liste bei ihren Eltern unerlaubt einsehen bzw. die eine illegale Internet-Veröffentlichung der Liste konsumieren. Ob aber die Nichtveröffentlichung bestimmter jugendgefährdender Medien tatsächlich dazu beiträgt, Minderjährige über sie „unwissend“ zu halten, darf getrost bezweifelt werden: Mit simplen Stichworten wie „Sex und Gewalt“ lassen sich auch die besonders gefährlichen Trägermedien in Internet-Suchmaschinen mit einem Maus-Klick finden. Damit wird deutlich, dass es noch viel entscheidender darauf ankommt, dass Eltern das Surf- und Konsumverhalten ihrer Kinder kontrollieren. Umfassend und effektiv kann die Kontrolle aber nur sein, wenn Eltern und Erziehungsberechtigte in den Listenpublikationen vollständig über gefährliche Medien informiert sind. Nun lässt sich natürlich einwenden, dass Eltern nicht die Möglichkeit haben, ihre Schützlinge permanent im Auge zu behalten – zumal, wenn sie berufstätig sind. Deshalb besteht auch hier ein latentes Missbrauchsrisiko. Aber es gibt durchaus Möglichkeiten, das Surfverhalten im Internet (etwa durch Filterprogramme) einzuschränken. Das Jugendschutzgesetz muss auf die Akzeptanz und das Verständnis der betroffenen Eltern und Jugendschützer setzen. Sie haben ein natürliches Interesse an der gesunden seelischen Entwicklung ihrer Kinder. Aber sie müssen das Jugendschutzrecht auch verstehen, um es anwenden zu können. Ein komplexes und unvollständiges Listensystem verwirrt die Adressaten und bringt so mehr Schaden als Nutzen. Unabhängig von diesen schutzzweckorientierten Überlegungen hat sich gezeigt, dass einzelne Zuordnungskriterien (etwa zwischen Listenteil D und C) juristisch untauglich sind. Der Gesetzgeber sollte das komplexe Listensystem daher grundlegend überarbeiten. Eckpunkte der Listenreform müssten eine Verringerung der Listenteile und eine Veröffentlichung sämtlicher jugendgefährdender Trägermedien sein.

IV. Allgemeine Verbreitungsbeschränkungen Das Indizierungsrecht will verhindern, dass Minderjährige jugendgefährdende Inhalte konsumieren. Deshalb sind alle Verhaltensweisen verboten, die eine solche sinnliche Wahrnehmung ermöglichen oder zumindest möglich erscheinen lassen.

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1. § 15 Abs. 1 Nr. 1 JuSchG So dürfen indizierte Trägermedien einem Kind oder einer jugendlichen Person gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 JuSchG nicht angeboten, überlassen oder sonst zugänglich gemacht werden. a) Kinder und jugendliche Personen Die Begriffe „Kinder“ und „Jugendliche“ definiert das JuSchG in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 selbst. Danach sind Kinder Personen, die noch nicht 14 Jahre alt sind, und Jugendliche Personen, die bereits das 14., aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben. b) Anbieten Anbieten beschreibt eine einseitige Erklärung, in der die Bereitschaft zum Ausdruck kommt, etwas zu überlassen. Dies kann ausdrücklich oder konkludent geschehen991. Das Angebot muss allerdings eine ganz bestimmte Person oder Personengruppe ansprechen992. Es genügt deshalb nicht, wenn sich die Offerte an einen unbeschränkten Kreis von Konsumenten richtet, wie das etwa bei einer Auslage im Schaufenster993 oder am Verkaufsstand994, beim „Download“-Angebot im Internet995 oder bei der Ausstrahlung pornographischer Sendungen in codierter Form996 der Fall ist. Hier greifen allenfalls die Werbeverbote nach § 15 Abs. 1 Nr. 5 JuSchG. Umstritten ist, ob es darauf ankommt, dass sich das jugendgefährdende Produkt direkt an Ort und Stelle in der Verfügungsgewalt des Anbieters befindet. Zum Teil wird tatsächlich nur eine zeitlich und örtlich unmittelbar gegenständliche Offerte als tatbestandsmäßig erachtet997. So stelle z. B. die Übergabe von Werbeprospekten, die auf die Möglichkeit des Überlassens pornographischer Inhalte hinwiesen, noch kein Anbieten im Sinne des Tat991 Tröndle/Fischer, § 184 Rn. 10; Müko/Hörnle, § 184 Rn. 27; Kühl, § 184 Rn. 5. 992 BGHSt 34, S. 98; Horn, NJW 77, S: 2330. 993 Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 7. 994 BayObLGSt. 1959, S. 34 f.; OLG Düsseldorf NJW 74, S. 1475; Tröndle/Fischer, § 184 Rn. 10; Erbs/Steindorf, § 3 GjSM Rn. 5; Scholz/Liesching, § 15 Rn. 3; a. A. OVG Hamburg, NJW 92, S. 1185; Kühl, § 184 Rn. 5. 995 Müko/Hörnle, § 184 Rn. 27. 996 Beisel/Heinrich, JR 96, S. 96. Allerdings unterliegen Radio und Fernsehen als eigene rechtliche Kategorie (Rundfunk) gemäß § 1 Abs. 2 S. 2 nicht den Regelungen des JuSchG.

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bestandes dar. Denn ohne die Möglichkeit eines direkten Zugriffes und einer sofortigen Überlassung sei der Grad der abstrakten Gefährdung zu gering998. Allerdings erscheint es systematisch und teleologisch gesehen inkonsequent, einerseits öffentliche Werbung wegen ihres anreizenden Charakters zu verbieten (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 5), andererseits aber persönlich unterbreitete Angebote an Minderjährige nicht zu bestrafen. Denn gerade solche Angebote sind besonders geeignet, ihre Neugier zu wecken999. Daher sind auch diejenigen Offerten als „Anbieten“ im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 erfasst, bei denen keine räumlich-zeitlich unmittelbare Verfügungsgewalt über ein jugendgefährdendes Trägermedium besteht1000. Unabhängig davon kommt es für die Tatbestandsrealisierung nicht darauf an, ob der Minderjährige das Angebot tatsächlich annimmt1001. Er muss nur physisch und psychisch dazu in der Lage sein, das Angebot wahrzunehmen und als solches einzuordnen1002. Nicht notwendig ist dagegen, dass der Minderjährige das jugendgefährdende Sujet erkennt1003. c) Überlassen Das tatsächliche Überlassen ist als eigenständige Tatbegehungsmodalität erfasst. Derjenige, der überlässt, verschafft an dem jugendgefährdenden Trägermedium den Gewahrsam1004. Dies kann auch nur vorübergehend ge997 OLG Düsseldorf, NJW 74, S. 1475; OLG Düsseldorf MDR 87, S. 604 (zur Ankündigung, dass eingehende Bestellungen ausgeführt werden); SK/Wolters/Horn, § 184 Rn. 18; Horn, NJW 77, S. 2332; Nikles, § 15 Rn. 16; Ukrow, S. 195 Rn. 370. 998 Schreibauer, S. 190. 999 Müko/Hörnle, § 184 Rn. 27. 1000 So auch: LK/Laufhütte, § 184 Rn. 20; ebenso für Werbematerial: Schönke/ Schröder/Lenckner/Perron, die jedoch einschränkend Fälle ausnehmen wollen, in denen das Angebot darauf gerichtet ist, die Schrift erst noch zu beschaffen, vgl. § 184 Rn. 7. 1001 Kühl, § 184 Rn. 5; SK/Wolters/Horn, § 184 Rn. 18; LK/Laufhütte, § 184 Rn. 20; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 7; Müko/Hörnle, § 184 Rn. 27; Schreibauer, S. 189 f. 1002 Schreibauer, S. 188; SK/Wolters/Horn, § 184 Rn. 18; Kühl, § 184 Rn. 5. 1003 SK/Wolters/Horn, § 184 Rn. 18; Kühl, § 184 Rn. 5. LK/Laufhütte verlangt jedoch wegen der mit dem Werbeverbot nach Nr. 5 vergleichbaren Sachlage, dass zumindest eine objektive Erkennbarkeit der Jugendgefährdung gegeben sein muss, vgl. § 184 Rn. 2. 1004 So zur Charakteristik des Überlassens: BGHSt 28, S. 294; Tröndle/Fischer, § 184 Rn. 10; Schreibauer, S. 190 f.; Kühl, § 184 Rn. 5; LK/Laufhütte, § 184 Rn. 21; Nikles, § 15 Rn. 17; Ukrow, S. 195 Rn. 370; a. A. Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 8: Verschaffen des Besitzes.

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schehen, z. B. durch Miete oder Leihe1005. Dabei muss der Minderjährige nicht erkennen, dass es sich um jugendgefährdendes Material handelt1006. Begriffsimmanent ist dem Überlassen allerdings das Bestimmen zur Kenntnisnahme1007. Deshalb wird man dann, wenn der Minderjährige nur als Bote für die Übermittlung von jugendgefährdenden Inhalten eingesetzt wird, im Normalfall nicht von einem vorsätzlichen Überlassen sprechen können1008. Dies ist allenfalls denkbar, soweit der Minderjährige um die Inhalte weiß und sie ihm bewusst ohne blickverstellende oder sonst zugriffshemmende Schutzvorrichtungen (blickdichte Folien, verschlossene Kuverts etc.) übertragen werden1009. d) Sonst zugänglich machen Schließlich sind auch alle sonstigen Bemühungen verboten, die Minderjährigen die konkrete sinnliche Kenntnis von jugendgefährdenden Inhalten ermöglichen. Im Gegensatz zum Überlassen ist es nicht notwendig, dass das Kind oder der Jugendliche Sachherrschaft über das Medium erhält, also z. B. ein jugendgefährdendes Porno-Heft in die Hand gedrückt bekommt1010. Da sich § 15 Abs. 1 JuSchG auf Trägermedien bezieht, werden Internetangebote meist nicht erfasst. So bleiben als denkbare Anwendungsfälle: Das Vorlesen, Zeigen oder Vorspielen einschlägiger Inhalte – und sei es mit technischen Hilfsmitteln1011, das Auslegen oder Hinterlegen solcher Medien in einem Raum im Bewusstsein oder unter Inkaufnahme der Kenntnisnahme-Möglichkeit durch Minderjährige1012 sowie deren Übermittlung durch „Rundfaxe“. Auf eine tatsächliche Wahrnehmung der Inhalte kommt es nicht an1013. Im Unterschied zu Nr. 2 muss sich der Minderjährige aber 1005 Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 8; Tröndle/Fischer, § 184 Rn. 10;Scholz/Liesching, § 15 Rn. 3. Auf eine Entgeltlichkeit kommt es nicht an, vgl. BT-Drcks. VI/1552, S. 34. 1006 Müko/Hörnle, § 184 Rn. 31 m. w. N. 1007 Nikles, § 15 Rn. 17. 1008 Schönke/Schröder/Lenckner/Perron/Eisele, § 184 Rn. 8. 1009 In diese Richtung LK/Laufhütte, § 184 Rn. 21 (Umkehrschluss); für den Ausschluss des Tatbestandes bei der Ausstellung von verschweißten Pornoheften auch: OLG Karlsruhe, NJW 84, S. 1975; Maurach/Schroeder/Maiwald, § 23 II Rn. 9; Scholz/Liesching, § 15 Rn. 5 f. 1010 SK/Wolters/Horn, § 184 Rn. 18. 1011 BGH NJW 76, S. 1985; Erbs/Steindorf, § 3 GjSM Rn. 7–9; Nikles, § 15 Rn. 19; Müko/Hörnle, § 184 Rn. 28; LK/Laufhütte, § 184 Rn. 21. 1012 BT-Drcks. VI/1552, S. 34; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 9; Müko/Hörnle, § 184 Rn. 28. 1013 BGH NJW 76, S. 1985; SK/Wolters/Horn, § 184 Rn. 18; Müko/Hörnle, § 184 Rn. 28; LK/Laufhütte, § 184 Rn. 21.

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tatsächlich in dem Bereich befinden, „in dem ein Zugriff auf den Gegenstand selbst oder die Wahrnehmung des Inhalts möglich ist“1014. Fraglich ist, ob die Möglichkeit eines Zugriffes auf gespeicherte Daten beim PC oder die Bereitstellung eines Internet-Zuganges schon ein Zugänglichmachen darstellt. Hier muss man differenzieren: Jeder, der jugendgefährdende Inhalte bewusst über ein Netzwerk oder durch Installation auf PCs an Minderjährige bereitstellt, macht sie aktiv zugänglich1015. Denn er nimmt zumindest billigend in Kauf, dass die von ihm gespeicherten indizierten Elemente von den Jugendlichen konsumiert werden1016. Diesem Verdikt kann nur entgehen, wer dafür Sorge trägt, dass der Zugriff auf jugendgefährdende Inhalte effektiv unterbunden ist1017. Dagegen kann es grundsätzlich nicht strafbar sein, Kindern und Jugendlichen den Zugang zum Internet zu ermöglichen. Gegen die Annahme, dadurch würden jugendgefährdende Inhalte zugänglich gemacht, spricht, dass das Bereitstellen eines Internet-Zugangs nützlich und sozialüblich ist1018. Zum einen dient die Verbreitung von Meinungen im Internet der Meinungsfreiheit. Zum anderen wird heute bei vielen beruflichen Tätigkeiten der sichere Umgang mit dem Internet vorausgesetzt. Deshalb ist es wichtig, dass sich Kinder und Jugendliche früh an das Medium gewöhnen. So erhöhen sie ihre Chance auf einen qualifizierten Arbeitsplatz. Außerdem lassen sich Problemgruppen gut über das „zeitgemäße“ Internet ansprechen. Dadurch wird in der Kinder- und Jugendhilfe die Voraussetzung für die Vermittlung von Medienkompetenz geschaffen1019. Deshalb ist das Bereitstellen eines Internet-Zugangs grundsätzlich kein strafbares Verhalten. Allerdings kann sich ein strafbares Zugänglichmachen über die Missachtung von Aufsichtspflichten ergeben. Relativ unstreitig ist das z. B. im Lehrer/Schüler-Verhältnis: Dort besteht eine besondere Schutzbeziehung des Lehrers zu seinen Schülern. Er ist Garant dafür, dass sie in seiner Obhut keinen Schaden nehmen. Deshalb muss er das „Surfverhalten“ seiner Schüler beobachten. Unterlässt der Lehrer die ihm obliegende Überwachungspflicht, macht er sich strafbar, wenn die Schüler jugendgefährdende Inhalte konsumieren können1020. 1014

Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 9. Das betrifft z. B. kommerzielle oder private LAN-Partys. 1016 Nikles, § 15 Rn. 19; Liesching/Knupfer, MMR 03, S. 564; wohl auch: Kühl, § 184 Rn. 5; Tröndle/Fischer, § 184 Rn. 10 (jeweils für den Abruf solcher Inhalte von Internet-Servern). 1017 Der Zugang zu solchen Inhalten muss also passwortgeschützt sein oder das Nutzerverhalten muss kontrolliert werden. 1018 So i. E. auch StA Heidelberg, VfG. V. 27.7.2001 (ohne AZ); Hörnle, NJW 02, S. 1012 (zum Privat-PC); Liesching/Knupfer, MMR 03, S. 564; Ott, K&R 05, S. 543; kritisch aber: Altenhain, CR 97, S. 491 f. 1019 Vgl. dazu ausführlich Ott, K&R 05, S. 543. 1015

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Umstritten ist allerdings, ob auch der gewerbliche Internet-Cafe-Betreiber mit der Bereitstellung des Internet-Zugangs eine Gefahrenquelle schafft und deshalb Garant für die minderjährigen Cafebesucher ist. Es gibt durchaus gute Gründe, die dagegen sprechen. So vermittelt der Internet-Cafe-Betreiber ja nur den Zugang zum weltweiten Netz – sei es mit oder ohne das Bereitstellen eigener Hardware (Computer etc.). Er produziert die Inhalte aber nicht selber, die möglicherweise jugendgefährdend sind. Deshalb kann er auch nicht für sie verantwortlich sein1021. Nähme man eine Garantenpflicht an, stieße sie auch auf Umsetzungsprobleme. Schließlich ist der Betreiber gegenüber Kindern und Jugendlichen an den Datenschutz gebunden. Das unerwünschte Öffnen oder Lesen von E-Mails kommt für ihn wegen der §§ 202 f. StGB nicht in betracht1022. Trotzdem legt es der Telos des § 15 Abs. 1 Nr. 1 JuSchG nahe, den Internet-Cafe-Betreiber als Garant mit Überwachungspflicht anzusehen: Es ist nun einmal so, dass es im Internet viele jugendgefährdende Inhalte gibt. Die Konfrontation mit diesen Inhalten will das Jugendschutzgesetz verhindern. Es kann dabei auch den Internet-Cafe-Betreiber in die Verantwortung nehmen. Denn der Minderjährige läuft nur deshalb Gefahr, solche Inhalte zu konsumieren, weil der Cafe-Betreiber ihm den Internet-Zugang ermöglicht. Damit ist nicht gesagt, dass er für diese Inhalte verantwortlich ist. Doch die Sozialnützlichkeit der Zugangs-Gewährung zum Internet reicht nur so weit, als sie den Zugriff auf jugendgefährdende Inhalte ausklammert1023. Von dieser Pflicht ist der Betreiber auch nicht deshalb befreit, weil der Minderjährige die indizierten Seiten möglicherweise gezielt anklickt. Denn § 15 Abs. 1 Nr. 1 JuSchG dient ja gerade dazu, Kinder und Jugendliche vor gefährdenden Inhalten zu schützen. Dann aber beseitigt ihr Missverhalten im Internet gerade nicht die Garantenpflicht des InternetCafe-Betreibers1024. Deshalb muss der Internet-Cafe-Betreiber Minderjäh1020

In diesem Fall läge dann ein Zugänglichmachen durch Unterlassen vor (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 JuSchG i. V. m. § 13 StGB); ebenso: Hörnle, NJW 02, S. 1009 f.; Liesching/Günther, MMR 00, S. 262. 1021 Die §§ 7 f. TMG sprechen folgerichtig Haftungsprivilegierungen aus. Erfasst davon sind auf jeden Fall diejenigen Internet-Cafes, bei denen die User ihre Hardware (z. B. Laptops) selber mitbringen. Nach überwiegender Auffassung ist jedoch das Internet-Cafe auch dann als haftungsprivilegierter „Access-Provider“ erfasst, wenn die PCs zum Surfen bereitgestellt werden, vgl. dazu ausführlich Tröndle/Fischer, § 184 Rn. 28 f.; Liesching/Knupfer, MMR 03, S. 565 f., jeweils m. w. N. und jeweils noch zu den Vorgänger-Normen des TDG und des MDStV. 1022 Liesching/Knupfer, MMR 03, S. 569. 1023 Ähnlich: Liesching/Knupfer, MMR 03, S. 568. 1024 So zutreffend: Liesching/Knupfer, MMR 03, S. 568. A. A. wohl: StA Heidelberg, Vfg, vom 27.07.01 (ohne AZ); Nikles, § 15 Rn. 19; Hörnle, NJW 00, S. 1012; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron/Eisele, § 184 Rn. 55; Schreibauer, S. 343.

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rige vor der Internet-Nutzung darauf hinweisen, dass sie keine jugendgefährdenden Inhalte aufrufen dürfen. Zumutbar ist es auch zu verlangen, dass auf den PCs, die Kindern und Jugendlichen zur Verfügung gestellt werden, Filter- oder Rating-Programme installiert sind, die den Zugriff auf bekannte jugendgefährdende Inhalte unterbinden. Schließlich kann der Internet-Cafe-Betreiber trotz des strafrechtlichen Kommunikationsgeheimnisses das Surfverhalten der jugendlichen Besucher auch durch Stichproben überwachen1025. Nach der neueren Rechtsprechung des BVerwG sind Internet-Cafes als genehmigungspflichtige Spielhallen gemäß § 33 i GewO einzuordnen, wenn der „Schwerpunkt des Betriebs in der Nutzung der Computer zu Spielzwecken liegt“1026. Falls das der Fall ist, entschärft sich die Problematik. Denn Minderjährigen ist der Zutritt zu solchen genehmigungspflichtigen Spielhallen nach § 6 Abs. 1 JuSchG grundsätzlich verwehrt. 2. § 15 Abs. 1 Nr. 2 JuSchG Daneben ist es untersagt, jugendgefährdende Trägermedien an einem Ort auszustellen, anzuschlagen, vorzuführen oder sonst zugänglich zu machen, der Kindern oder Jugendlichen zugänglich ist oder von ihnen eingesehen werden kann. Im Gegensatz zu Nr. 1 reicht es hierbei für die Tatbestandsrealisierung aus, dass die jugendgefährdenden Trägermedien potentiell in den Wahrnehmungsbereich von Minderjährigen gelangen können1027. a) Zugänglicher oder einsehbarer Ort Ort im Sinne der Norm kann jede geographische Position sein. Ob sich diese unter freiem Himmel befindet oder in geschlossenen Räumen ist ebenso irrelevant wie ein öffentlicher oder nicht öffentlicher Charakter der Veranstaltung1028. Für Kinder und Jugendliche zugänglich ist der Ort nur 1025 So auch Liesching/Günter, MMR 00, S. 263; Liesching/Knupfer, MMR 03, S. 569. 1026 BVerwG K&R 05, S. 575 f. Das soll der Fall sein, wenn „die Gesamtumstände darauf schließen lassen, dass die Betriebsräume hauptsächlich dem Spielzweck gewidmet sind“, wobei das BVerwG zur Beurteilung auf das „Betriebskonzept“ und die tatsächliche Nutzung der PCs abstellt. Ähnlich: OVG Berlin, K&R 05, S. 47 f.; OVG Berlin, MMR 03, S. 204 f.; VG Berlin, MMR 02, S. 767 f.; Ott, K&R 05, S. 545 f.; Liesching/Knupfer, MMR 03, S. 443; a. A. Lober, MMR 02, S. 731. 1027 Tröndle/Fischer, § 184 Rn. 11; Kühl, § 184 Rn. 5; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 10; Nikles § 15 Rn. 22. 1028 Erfasst sind also z. B. Open-Air-Bühnen, (Freiluft-)Kinos, Diskotheken, Clubs, Gaststätten, Jugendtreffs (in Gemeindezentren), Internetcafes, private und öffentliche LAN-Partys, Schaufenster usw.

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dann, wenn er von ihnen zur Zeit der sinnlichen Wahrnehmbarkeit rechtmäßig und ohne die Überwindung von tatsächlichen Hindernissen betreten werden kann1029. Gleichwohl reichen mündliche Verbote oder Verbotsschilder nicht aus, um den Ort als unzugänglich erscheinen zu lassen. Erforderlich ist die Errichtung effektiver Zutrittshindernisse wie eine Umzäunung, eine regelmäßige Überwachung oder eine generelle Einlasskontrolle1030. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass die objektiv als effektiv anzusehenden Zutrittshindernisse von bestimmten Minderjährigen überwunden worden sind, ist ein ausreichender Schutz über das allgemeine Verbot, indizierte Medien anzubieten oder zugänglich zu machen (Nr. 1), gewährleistet. Eine Relativierung der Unzugänglichkeit von Orten durch faktische Übertretungen effektiver Zugangsbarrieren erscheint deshalb unnötig1031. Der Ort muss aber gar nicht zugänglich sein. Es reicht aus, dass er einsehbar ist. Einsehbarkeit liegt vor, soweit die Präsentation von jugendgefährdenden Inhalten an dem jeweiligen Ort ohne technische Hilfsmittel wie z. B. Fernglas oder besondere physische Anstrengungen (z. B. Hochklettern) wahrgenommen werden kann1032. Dass der Gesetzgeber allein auf das Sehen als Sinneswahrnehmung abgestellt hat, ist angesichts denkbarer akustischer Jugendgefährdungen unzureichend. Dennoch lässt sich eine Ausweitung des Tatbestandes auch auf die Hörbarkeit von Jugendgefährdungen nicht mit dem semantischen Begriffsverständnis der Einsehbarkeit in Einklang bringen1033. Mit Rücksicht auf das Bestimmtheitsgebot muss deshalb davon Abstand genommen werden1034.

1029 LK/Laufhütte, § 184 Rn. 23; Schreibauer, S. 207; SK/Wolters/Horn, § 184 Rn. 28; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 12 (zum Zeitpunkt); vgl. auch BT-Drcks. VI/1552, S. 34; a. A. (in der 49. Auflage) Tröndle/Fischer, § 184 Rn. 15. 1030 Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 11; LK/Laufhütte, § 184 Rn. 23. 1031 So aber zur Parallelproblematik im Strafrecht: SK/Wolters/Horn, § 184 Rn. 28; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 11; LK/Laufhütte, § 184 Rn. 23; Kühl, § 184 Rn. 5. 1032 Kühl, § 184 Rn. 5; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 13; SK/ Wolters/Horn, § 184 Rn. 29; a. A. zum Fernglas: Nikles, § 15 Rn. 22, mit der Begründung, dass sich das Fernglas als Sehhilfe nicht von der Brille als Sehhilfe unterscheidet. Folgt man dem, führt dies letztlich zu einer Uferlosigkeit des Tatbestandes, da sämtliche denkbaren technischen Hilfsmittel bei der Vorführung jugendgefährdender Inhalte berücksichtigt und ausgeschlossen werden müssen. 1033 A. A. SK/Wolters/Horn, § 184 Rn. 29. 1034 So i. E. auch: LK/Laufhütte § 184 Rn. 23; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 14; Kühl, § 184 Rn. 5.

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b) Ausstellen Unter Ausstellen ist die verstetigte Präsentation eines jugendgefährdenden Inhaltes – etwa im Rahmen einer thematischen, künstlerischen Zusammenstellung – zu verstehen1035. c) Anschlagen Anschlagen beschreibt die Befestigung von Plakaten, Schriften oder sonstigen Trägermedien1036, z. B. an Brettern, Tafeln, Wänden oder Litfaßsäulen. d) Vorführen Wer die Inhalte unmittelbar zeigt oder sie mittels technischer Umwandlungs- und Vergrößerungsgeräte wie CD, Video, DVD, MD, DAT, Konsole, Dia- und Overheadprojektor etc. präsentiert, führt sie im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 JuSchG vor1037. e) Sonst zugänglich machen Die Merkmale Ausstellen, Anschlagen und Vorführen beschreiben nur einen Ausschnitt von Möglichkeiten, wie jugendgefährdende Trägermedien zugänglich gemacht werden können1038. Es sind aber auch alle weiteren denkbaren Modalitäten untersagt, die eine sinnliche Wahrnehmung durch Minderjährige möglich erscheinen lassen, z. B. das unspezifische Auslegen von jugendgefährdenden Trägermedien, ihr Ankleben, Anschreiben oder Aushängen usw1039.

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Ähnlich: Nikles, § 15 Rn. 21. Nikles, § 15 Rn. 21. 1037 Nikles, § 15 Rn. 21; ähnlich: LK/Laufhütte, § 184 Rn. 24. 1038 Kühl, § 184 Rn. 5; Ukrow, S. 195 Rn. 371; Scholz/Liesching, § 15 Rn. 5; SK/Wolters/Horn, § 184 Rn. 30; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 15. 1039 Nikles, § 15 Rn. 21, der diese Modalitäten aber offenbar schon über ein weit verstandenes „Ausstellen“ erfassen will. 1036

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V. Gewerbliche Verbreitungsbeschränkungen Die allgemeinen Verbote, jugendgefährdende Inhalte für Kinder und Jugendliche sinnlich wahrnehmbar zu machen, werden durch gewerbliche1040 Verbreitungsbeschränkungen ergänzt. 1. § 15 Abs. 1 Nr. 3 JuSchG So ist es im Einzelhandel außerhalb von Geschäftsräumen untersagt, überhaupt irgendeiner anderen Person jugendgefährdende Inhalte anzubieten oder zu überlassen. Das gleiche gilt für Kioske und andere Verkaufsstellen, die Kunden nicht zu betreten pflegen. Im Übrigen erstreckt sich das Verbot auch auf den Versandhandel und die gewerblichen Leihbüchereien und Lesezirkel. a) Im Einzelhandel, außerhalb von Geschäftsräumen Einzelhandel bezeichnet nun den gewerbsmäßigen Vertrieb von selbst hergestellten oder angeschafften Waren an Kunden1041. Dabei präsentieren die Einzelhändler ihre Produkte regelmäßig in abgegrenzten Geschäftsräumen, in denen sie die Kunden auch bedienen. Außerhalb dieser vom Händler vorgesehenen Räumlichkeiten dürfen jugendgefährdende Produkte nicht vertrieben werden. Das betrifft beispielsweise die häufig vor dem Eingangsbereich angebrachten Stände und „Wühltische“. b) Verkaufsstelle, die Kunden nicht zu betreten pflegen Dies gilt auch für sonstige Verkaufsstellen, die Kunden nicht zu betreten pflegen. Das sind Verkaufsorte, die logistisch nicht auf Publikumsverkehr ausgerichtet sind oder nach der dem Geschäft zugrunde liegenden Idee nicht von möglichen Kunden begangen werden. Typisches Beispiel ist der (freistehende oder im Gebäude verortete) Kiosk. Dazu zählen aber auch 1040 Ein Gewerbe betreibt, wer eine nicht sozialschädliche, freiberufliche Tätigkeit offen und planvoll ausübt. Die Absicht, mit dem Tun einen Gewinn zu erzielen, ist nicht erforderlich. Allerdings müssen kaufmännische oder technische Fähigkeiten beim Betrieb zum Tragen kommen; vgl. dazu näher: Schmidt-Aßmann/Badura/ Huber, S. 386 Rn. 138 f. 1041 BayObLG NJW 1974, S. 2060; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 19; Tröndle/Fischer, § 184 Rn. 12; LK/Laufhütte, § 184 Rn. 26.

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freie Stände bei Trödelmärkten oder auf der Kirmes sowie (nicht begehbare) Bücherwagen und der Verkauf von Händlern in Gaststätten1042. c) Versandhandel Das Verbot erstreckt sich zusätzlich auf den Vertrieb im Versandhandel. Der Gesetzgeber fürchtet hier die Anonymität des Geschäftes, die effektive Alterskontrollen kaum zulasse1043. Dabei ist der Begriff des Versandhandels jetzt in § 1 Abs. 4 JuSchG definiert. Er bezeichnet jedes entgeltliche Geschäft, das im Wege der Bestellung und Übersendung einer Ware durch Postversand oder elektronischen Versand ohne persönlichen Kontakt zwischen Lieferant und Besteller vollzogen wird. Kein Versandhandel liegt allerdings vor, wenn der Versand an Kinder und Jugendliche durch technische oder sonstige Vorkehrungen ausgeschlossen wird. Die einzelnen Definitionselemente bedürfen der nachfolgenden Erörterung. aa) Entgeltliches Geschäft in Anonymität Der typische Fall für das entgeltliche Geschäft im Versandhandel ist der Kauf (auf Probe). Meist kommt er durch eine Katalogbestellung, OnlineShopping oder Auktionen im Internet zustande1044. Bei einem Versandhandel ist aber auch jedes andere Geschäft denkbar, in dem es zu einer beiderseitigen, entgeltpflichtigen Leistung und Gegenleistung der Vertragsparteien kommt. Bestandteil der Vereinbarung muss sein, dass die Ware nach der Bestellung und ggf. Überweisung des Rechnungsbetrages vom Lieferanten an den Kunden übersandt wird. Dabei gehört es zum Wesen des Versandhandels, dass die Vereinbarung anonym erfolgt. Deshalb hindert jedes Telefonat zwischen dem Besteller und dem Lieferanten (bzw. Verkäufer), in dessen Verlauf der Geschäftsauftrag erteilt wird, die Einordnung als Versandhandel. Es darf bei der Bestellung zu keinem persönlichen Kontakt zwischen den Vertragsparteien kommen1045.

1042 Ukrow, S. 196 Rn. 373 f.; Tröndle/Fischer, § 184 Rn. 12; LK/Laufhütte, § 184 Rn. 26. 1043 So BVerfGE 30, S. 336 f.; Maurach/Schroeder/Maiwald, § 23 II Rn. 13; Liesching, NJW 02, S. 3284. 1044 Nikles, § 1 Rn. 22; Scholz/Liesching, § 1 Rn. 19. 1045 SK/Wolters/Horn, § 184 Rn. 37; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 22; Müko/Hörnle, § 184 Rn. 55; LK/Laufhütte, § 184 Rn. 27; Nikles, § 1 Rn. 25.

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bb) Bestellung und Übersendung der Ware Die Zustellung der Ware darf nicht beliebig erfolgen. Sie muss entweder durch Mitarbeiter der Post bzw. Mitarbeiter privater Transport-Dienstleister oder via elektronische Mittel vorgenommen werden. Beim elektronischen Versand ist in erster Linie an die Faxübertragung von Inhalten zu denken. In Betracht kommt auch die Versendung von E-Mails mit und ohne Attachments (z. B. für die Übermittlung von Zugangs-Codes) über das Internet. Nicht einschlägig ist in der Regel der Download von Inhalten, die auf einem Server bereitgestellt werden1046: Da § 15 Abs. 1 JuSchG nur die Indizierungsfolgen von Trägermedien regelt, kommt der schon näher erörterten Abgrenzung zu den Telemedien besondere Relevanz zu. Geht man von einer Spezialität der Regelungen für Telemedien und der Notwendigkeit einer verwendungsorientierten Betrachtung im Zweifelsfalle aus1047, besteht bei Internetangeboten fast immer ein Vorrang des § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 JMStV1048. Die Regelungen des JuSchG zum Versandhandel laufen daher bezogen auf das Internet überwiegend leer1049. cc) Fehlende jugendschützende Sicherungsvorkehrungen Wenn es ausreichende technische Kontrollmechanismen gibt, die einen Konsum von jugendgefährdenden Inhalten durch Minderjährige verhindern, liegt kein Versandhandel vor. Allerdings lässt der Gesetzgeber offen, welche Sicherungsvorkehrungen genau er als ausreichend ansieht. Dahinter steht die Überlegung, dass sich technische Entwicklungen rasch vollziehen können. Es soll nicht bei jeder Neuerung eine Änderung des Gesetzes notwendig werden1050. Der Preis für diese technologieoffene Tatbestandsgestaltung ist eine gewisse Unsicherheit in der Praxis: Was ist noch als legal anzusehen und was unterfällt dem Ver1046

So aber: BT-Drcks. 14/9013, S. 18. Vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel 10 II. 6. 1048 Z. B. bei: Video-on-Demand, Download vom Provider oder Video-Streaming. Lediglich, wenn die Datenübermittlung durch eine E-Mail erfolgt oder der Datenzugriff direkt online erfolgt, „greifen die Versandhandelsverbote des Jugendschutzgesetzes ein, sofern die Inhalte direkt von einem Trägermedium (z. B. CD-Rom, Diskette) übermittelt werden“, vgl. Liesching, NJW 02, S. 3284; auch: Scholz/ Liesching, § 1 Rn. 20 JuSchG. 1049 So i. E. auch: Erdemir, CR 05, S. 276; Liesching, NJW 02, S. 3284; Scholz/ Liesching, § 1 Rn. 20 und § 15 Rn. 9; Nikles, § 15 Rn. 19 und Rn. 26; Ukrow, S. 197 Rn. 376. 1050 Nikles, § 1 Rn. 23. 1047

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sandhandelsverbot? Bei der Beantwortung unterscheidet die Rechtsprechung mittlerweile zwischen dem tatsächlich handgreiflichen Versand (manuelle Auslieferung der Ware) und der elektronischen Bestellung und Übermittlung (z. B. Angebot und Zustellung von Zugangscodes über das Internet) von jugendgefährdenden Inhalten1051. (1) „Manueller“ Versand Der manuelle Versand von jugendgefährdenden Produkten ist grundsätzlich zulässig, wenn durch eine Gesichtskontrolle1052 sichergestellt ist, dass die Ware oder Dienstleistung nicht an Minderjährige ausgegeben wird1053. Der Postbote oder Beauftragte des Lieferanten muss vor der Warenübergabe überprüfen, ob es sich bei dem Besteller auch tatsächlich um eine volljährige Person handelt. Nur falls dies der Fall ist, darf es zu einer Aushändigung des jugendgefährdenden Materials bzw. der notwendigen Hard- oder Software an den Besteller kommen. In der Praxis nutzt der Handel zur Identifikation der Kunden meist das Post-Identifikations-Verfahren (Post-ID) der Deutschen Post. Dabei lassen sich zwei Varianten unterscheiden: In der ersten Variante1054 – wird die Identifikation in einer beliebigen Postfiliale vorgenommen. Das bietet sich an, wenn der Anbieter seine Kunden über das Internet wirbt und dort auch die notwendigen Unterlagen (z. B. Bestell-Formular) für den Vertragsschluss heruntergeladen werden können. Falls der Kunde Interesse an dem Angebot hat, geht er mit seinen ausgefüllten Unterlagen zu einer beliebigen Post-Filiale. Dort wird er identifiziert. Dazu werden sämtliche Personal-Ausweisdaten in einem speziellen Postident-Formular aufgenommen. Der Kunde unterschreibt das Formular und bestätigt damit die Richtigkeit der Angaben. Im Anschluss schickt die Post das Angebot des Kunden zusammen mit dem Postident-Formular zurück an den Anbieter1055. Der kann nun erkennen, wer die Person ist, die den Vertragsschluss wünscht und ob sie auch tatsächlich volljährig ist oder nicht. Nimmt der Händler das Angebot des Kunden an, erfolgt die Auslieferung der Ware durch den Postzusteller. 1051 So OVG München, K&R 05, S. 93; a. A. mit zutreffenden Argumenten Scholz/Liesching, § 1 Rn. 22. 1052 So genannte „Face-to-Face“-Kontrolle. 1053 OVG München, K&R 05, S. 94; Liesching, NJW 02, S. 3284. 1054 So genanntes „Postident Basic“, vgl. Internet-Skript der Deutschen Post zum Post-ID-Verfahren (Abruf: 23.10.2005, über „www.deutschepost.de“), S. 2 (Übersicht) und 4 f. 1055 Die Informationen zum Ablauf sind ebenda entnommen.

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In der zweiten Variante des Post-Ident-Verfahrens erfolgt die Identifikation vor Ort durch den Post-Zusteller1056. Der Anbieter informiert den Kunden vorab über die nötige Identifikation. Wenn der Zusteller den Kunden erreicht, dokumentiert er zumindest dessen Ausweisnummer. Auch hier muss der Kunde die aufgenommenen Daten durch seine Unterschrift bestätigen. Das Post-ID-Verfahren wird grundsätzlich als sinnvolle und effektive Möglichkeit angesehen, die Volljährigkeit des Kunden sicherzustellen. Umstritten ist allerdings, ob und wie weit der Versandhändler gewährleisten muss, dass Kinder und Jugendliche die jugendgefährdenden Produkte nicht unmittelbar nach der Auslieferung an den Besteller konsumieren. Die Frage stellt sich besonders bei der ersten Variante des Post-ID-Verfahrens, in der die Alterskontrolle von der Warenlieferung räumlich und zeitlich getrennt ist. Nach Ansicht des OLG München erfasst der Versandhandel neben dem Vorgang des Absendens auch den gesamten Ablauf der Übermittlung einschließlich des Eintreffens der Ware in der Sphäre des Kunden. Deshalb soll der Anbieter sicherstellen müssen, dass keine minderjährige Person im Haushalt „Mitgewahrsam“ erlangt, also die fremde Post entgegennimmt, öffnet und dann den Inhalt konsumiert1057: Die Ware muss dem volljährigen Kunden, an den sie adressiert ist, persönlich ausgehändigt werden – etwa als „Einschreiben eigenhändig“1058. Nicht ausreichend ist es, die Ware in den Briefkasten einzuwerfen oder an minderjährige Empfangsvertreter bzw. Empfangsboten auszuhändigen1059. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn die Ware in einer neutralen, blickdichten Verpackung ausgeliefert wird. Denn nur so kann nach Auffassung des Gerichtes ein effektiver Jugendschutz sichergestellt werden. Es sieht die Gefahr als „real“ an, dass Minderjährige Post öffnen, die nicht an sie adressiert ist1060. Allerdings würde es den Anforderungen des OLG München auch genügen, die Ware in einem sicheren Versandsafe zu hinterlegen, dessen Zugang allein volljährigen Schlüsselinhabern möglich ist1061. Wenn Kinder und Jugendliche Ge1056 Die Post bietet insoweit das „Postident Comfort“ und das „Postident Special“ an. Letzteres ermöglicht es, den mit der Identifikation erfolgenden Versand von Waren als Nachnahme (= Porto zahlt Empfänger) durchzuführen, vgl. Internet-Skript der Deutschen Post zum Post-ID-Verfahren (Abruf: 23.10.2005, über „www.deutsche post.de“), S. 2 (Übersicht) und S. 6. 1057 OLG München, K&R 05, S. 94. 1058 Bei dieser Form des Einschreibens wird der Brief nur dem Empfänger oder einer besonders bevollmächtigten Person ausgehändigt, vgl. Deutsche Post, Broschüre „Einschreiben: Die sichere Lösung nach Maß“ (Stand 01/2005). 1059 OLG München, K&R 05, S. 93 f. 1060 Ebenda. 1061 Lober, K&R 05, S. 68.

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waltvideos oder andere jugendgefährdende Inhalte konsumieren, weil der volljährige Empfänger in seiner privaten Umgebung nachlässig gewesen ist, kommt nach Ansicht des Gerichtes eine Verantwortung des Versandhändlers nicht in Betracht. Dann habe der illegale Konsum nichts mehr direkt mit dem Versand zu tun1062. So richtig die letzte Aussage des OLG München auch ist, kann seinen übrigen Ausführungen nicht zugestimmt werden. Die Auflagen für Versandhändler sind unverhältnismäßig und widersprechen dem Wortlaut des Gesetzes. Dort ist davon die Rede, dass „technische Vorkehrungen“ zur sicheren Versendung im Versandhandel allgemein – und damit über den elektronischen Versand hinaus – ausreichend sein können. Technische Sicherheitsvorkehrungen sind aber bei der manuellen Zustellung nicht mehr denkbar, sondern allein davor1063. Auch ist das Rest-Risiko eines unzulässigen Zugriffes von Minderjährigen auf E-Mails mit Zugangs-Codes am heimischen PC nach dem elektronischen Versand genauso real wie beim zugestellten Brief oder Paket. Denn nicht jedes E-Mail-Konto ist durch ein individuelles Passwort geschützt. Hier können Minderjährige ebenso auf Mails zugreifen, die an andere gerichtet sind. Selbst wenn man dieses Risiko geringer erachtet, als den Zugriff auf Briefe oder Pakete, rechtfertigt das keine so weitreichenden zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen für den manuellen Versandhandel1064. Konsequent zu Ende gedacht, führt der Standpunkt des OLG München zu einem absurden Ergebnis: Der Besteller kann jugendgefährdende Trägermedien legal beziehen, wenn er direkt beim Händler vorspricht, sich auf sein Alter überprüfen lässt, bestellt und sich das jugendgefährdende Material später zuschicken lässt. Dann liegt wegen des persönlichen Kontaktes von Händler und Besteller nämlich gar kein Versandhandel vor. Umgekehrt reicht aber die Kontrolle des Alters durch einen objektiven Dritten (z. B. den Postboten im Post-Ident-Verfahren) nicht aus, um den gesetzlichen Ansprüchen zu genügen1065. Das liegt nicht im Interesse eines effektiven Jugendschutzes. Es ist auch schlicht ungerecht, den Besteller so aus der Verantwortung zu entlassen und sie allein dem Versender aufzubürden. Eine gerechtere Lösung des „Zustellungs-Problems“ lässt sich erzielen, wenn man stärker auf die individuelle Verantwortlichkeit abstellt. Dadurch wird der Jugendschutz übrigens nicht verwässert. Es ändert sich nur die straf1062

OLG München, K&R 05, S. 94. Ähnlich Scholz/Liesching, § 1 Rn. 22; Lober, K&R 05, S. 67 und wohl auch BT-Drcks. 14/9410, S. 30. 1064 Lober, K&R 05, S. 67 (gehört nicht zum „gewöhnlichen Lauf der Dinge“); Scholz/Liesching, § 1 Rn. 23. 1065 Liesching, AfP 04, S. 498. 1063

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rechtlich relevante Zurechnung. Ganz offensichtlich liegt die Verantwortung dafür, dass zugestellte Post nicht in falsche Hände gelangt, beim Empfänger. Er ist es, der die jugendgefährdenden Inhalte aktiv bestellt. Ob der Besteller volljährig ist – und damit außerhalb des Schutzzweckes der Norm liegt – prüft der Versandhändler in jedem Fall. In der Regel wird dem Besteller das Auslieferungsdatum vorher auch noch vom Händler via E-Mail mitgeteilt. Damit hat er dann aber auch alles Nötige getan. Es entspricht einer gerechten, weil verursacherorientierten Risikoaufteilung, wenn nun der Besteller dafür sorgen muss, dass jugendgefährdende Trägermedien nach der Zustellung nicht in Kinderhände fallen1066. Das ist leistbar und zumutbar. Deshalb dürfen jugendgefährdende Inhalte und Zugangscodes auch ohne persönliche Annahme in einer blickdichten, neutralen Verpackung zugestellt werden. (2) Elektronische Übermittlung Für den Internet-Download, der regelmäßig durch die spezielleren §§ 4 f. JMStV erfasst wird, sind die Zulässigkeits-Anforderungen ähnlich1067. Die Anbieter müssen eine technische Schutzbarriere errichten, die sowohl die Volljährigkeit der Nutzer wirksam feststellt (1. Schritt), als auch das Risiko der Weitergabe von Zugangsdaten an minderjährige Dritte ausreichend minimiert (2. Schritt)1068. Das System muss zwar keinen absoluten Schutz garantieren1069. Dennoch muss es einer gewissen „kriminellen Energie“ standhalten1070. Die Hürde für Anbieter jugendgefährdender Inhalte liegt also auch im Internet recht hoch. Für die Erst-Überprüfung der Volljährigkeit bietet sich wieder das PostID-Verfahren an, bei dem es zu einer direkten „Gesichtskontrolle“ des Nutzers kommt1071. Die Kommission für Jugendmedienschutz hat auch soge1066

Auch Lober rechnet das Risiko dem volljährigen Besteller zu, vgl. K&R 05,

S. 67. 1067

So auch: Erdemir, CR 05, S. 282. OLG Düsseldorf, CR 05, S. 658; KG, CR 04, S. 621; OLG Düsseldorf, CR 04, S. 456 f.; LG Duisburg, MMR 04, S. 763 f.; unter Bezugnahme auf BVerwG NJW 02, S. 2968 (zum Pay-TV) und BGH MMR 03, S. 582 f. (Automatenvideothek); KJM, Pressemitteilung 8/2005 v. 22.09.2005 (Abruf des Wortlautes am 10.10.2005 unter „www.alm.de“); Erdemir, CR 05, S. 660; derselbe, MMR 04, S. 411; Lober, K&R 05, S. 66; Döring/Günter, MMR 04, S. 235 f.; Liesching, MMR 04, S. 482 f.; Gercke, CR 04, S. 458; derselbe, ZUM 03, S. 446;Ukrow S. 223 Rn. 426; Bornemann, NJW 03, S. 789. 1069 Spoerr/Sellmann, K&R 04, S. 371. 1070 Döring/Günter, MMR 04, S. 234. 1071 OLG Düsseldorf, C&R 05, S. 659; OLG Nürnberg, MMR 05, S. 464; Liesching, MMR 04, S. 766; derselbe, AfP 04, S. 496; Scholz/Liesching, § 4 Rn. 36 JMStV; Döring/Günter, MMR 04, S. 234; Gercke, ZUM 03, S. 446; Sieber, S. 46 f. 1068

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nannte Teillösungen für Altersverifikationssysteme als ausreichend angesehen: Danach muss nicht jedes Mal eine eigenständige „Gesichtskontrolle“ durch den Anbieter jugendgefährdender Inhalte durchgeführt werden. Es ist auch zulässig, auf eine frühere persönliche Kontrolle zurückzugreifen. So beruhen die zertifizierten Systeme „Identitäts-Check mit Q-Bit“ und „fun SmartPay AVS“ beispielsweise auf dem Jugendschutzmerkmal der Geldkarten der deutschen Kreditwirtschaft bzw. der Überprüfung des Alters bei der Eröffnung eines Bankkontos. Umstritten ist dagegen, ob auch der Einsatz rein elektronischer Alters-Verifikations-Programme (so genannte AVS) – ggf. mit einem „Regionen-Check“ – ausreicht. Diese Programme überprüfen das Alter des Nutzers anhand der von ihm einzugebenden Personalausweisnummer. Dabei erfolgt jedoch lediglich eine technische Plausibilitätskontrolle („Könnte es diesen Personalausweis geben und wäre der Eingebende dieser Daten dann volljährig?“). Vereinzelt wird dies bejaht1072. Es dürften nur geringe Sicherheitsanforderungen an „geschlossene Benutzergruppen“ und Sicherheitssysteme im Versandhandel gestellt werden. Zwar sei es möglich, die PersonalausweisKontrolle zu überlisten. Aber es könne schließlich jede technische Zugangssperre umgangen werden, wenn ein entsprechender Aufwand betrieben werde. Die technische Sicherung in § 4 Abs. 2 S. 2 JMStV und § 15 Abs. 1 Nr. 3 JuSchG setzte deshalb bewusst keine unüberwindbaren Systeme voraus1073. Auch könne nicht ohne Weiteres eine „effektive Barriere“ eingefordert werden, da diese Formulierung von älteren Gerichtsentscheidungen zu anderen Materien entnommen sei1074. Wenn Personal-Ausweis-Prüfsysteme im Internet umgangen würden, beruhe dies auf eigenmächtigen, verbotenen und rechtswidrigen Handlungen von Kindern und Jugendlichen. Dafür könne der Versandhändler und Internetanbieter nicht verantwortlich gemacht werden1075. Die scharfen Sicherheitsanforderungen führten beim Handel zu enormen Gewinneinbußen und beraubten ihn international der Wettbewerbsfähigkeit1076. Man dürfe auch nicht die Informationsfreiheit der Erwachsenen aus den Augen verlieren: Das Versandhandelsverbot beschränke sowohl Angebot als auch Nachfrage im grundrechtsrelevanten Bereich. Dies müsse verhältnismäßig und schonend geschehen. Allenfalls durch die Personal-Ausweis-Prüfung sei das noch gewährleistet1077. Schär1072 Berger, MMR 03, S. 779; Spoerr/Sellmann, K&R 04, S. 367 f.; unklar: LG Düsseldorf, MMR 04, S. 765 f.; Kreile/Diesbach, ZUM 02, S. 850. 1073 Berger, MMR 03, S. 777. 1074 Spoerr/Sellmann, K&R 04, S. 372. 1075 Berger, MMR 03, S. 777. 1076 Spoerr/Sellmann, K&R 04, S. 375. 1077 Haug, S. 65 Rn. 174; Berger, MMR 03, S. 777.

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fere Anforderungen würden dagegen systemwidrig einem faktischen Verbot der Angebote gleichkommen. Denn die Mehrzahl potentieller Kunden werde pornographische Angebote nicht mehr nutzen, wenn dafür der persönliche Kontakt nötig sei1078. Schärfere Maßnahmen seien auch nicht effektiv. Denn Kinder und Jugendliche könnten immer noch problemlos auf ausländische Angebote zugreifen, um an jugendgefährdende Inhalte zu gelangen1079. Von der Rechtsprechung wird der Einsatz der AVS zur Angebotssicherung jedoch nicht als ausreichend angesehen1080. Grund dafür sei das hohe Missbrauchsrisiko bei einer rein elektronischen Überprüfung der PersonalAusweis-Nummer: Wegen des Datenschutzes könnten entsprechende PrüfProgramme nicht feststellen, ob die eingegebenen Nummern zu einem wirklich existierenden Personalausweis gehören. Überprüft werden könne lediglich, ob die eingegebenen Daten plausibel sind, ob sie also zu einem Personalausweis gehören könnten, der wirklich existiert1081. Deshalb sei es Kindern und Jugendlichen leicht gemacht, sich über Programme im Internet „Phantasie-Nummern“ zu generieren, die die Programme überlisteten1082. Es bestehe auch das Risiko, dass die Personal-Ausweise volljähriger Freunde und Bekannter oder der Eltern benutzt würden1083. Was die (verbotene) Eigenmacht der Minderjährigen bei der Überlistung von Jugend1078

Spoerr/Sellmann, K&R 04, S. 373 f. Köhne, MMR 4/2004, S. XXI; Spoerr/Sellmann, K&R 04, S. 372 f.; Berger, MMR 03, S. 775 f.; ähnlich auch die Argumentation einer Initiative deutscher Webmaster unter „www.wir-wollen-bleiben.de“ (Abruf: 14.05.2006). 1080 OLG Düsseldorf, CR 05, S. 657 f.; dasselbe, MMR 04, S. 409; dasselbe, CR 04, S. 457 f.; KG CR 04, S. 619 f.; LG Düsseldorf, CR 03, S. 452 f.; LG Duisburg, MMR 04, S. 763; AG Neuss MMR 02, S. 837 (noch zum GjS); LG Mainz, JMSReport 6/2000, S. 60 (noch zum alten GjS); zustimmend: Erdemir, CR 05, S. 660 f.; derselbe, CR 05, S. 278; derselbe, CR 04, S. 478 f.; Gercke, CR 04, S. 458 f.; derselbe, ZUM 03, S. 350 f.; von Heyl, S. 74; Nikles/Roll, § 4 JMStV Rn. 33; Scholz/ Liesching, § 4 JMStV Rn. 41; Liesching, AfP 04, S. 496; derselbe, MMR 2/04, S. VII; derselbe, MMR 04, S. 481; Ukrow, S. 224 Rn. 429; Döring/Günter, MMR 04, S. 236; Sieber, S. 45 f.; Lober, K&R 05, S. 66; Haug, S. 65; wohl auch Bornemann, NJW 03, S. 789. 1081 Jeder Personalausweis setzt sich systematisch aus einer Serien-Nummer, dem umgestellten Geburtsdatum des Inhabers, dem Ablaufdatum des Ausweises und einer Gesamt-Nummer mit Prüfziffer zusammen, die bestimmten Algorithmen folgt, vgl. dazu KG C&R 04, S. 620; Haug, S. 65 Rn. 175 Fn. 137. 1082 OLG Düsseldorf, CR 04, S. 457 f.; LG Duisburg, MMR 04, S. 763; Lober, K&R 05, S. 66; Erdemir, CR 05, S. 278; derselbe, MMR 04, S. 411; Döring/Günther, MMR 04, S. 233 f. (z. B. Programme Perso 1.5, Perso-Nummern über die Internet-Seite des Chaos-Computer-Clubs); Haug, S. 65 Rn. 175; Gercke, ZUM 04, S. 446; Gercke/Liesching, CR 03, S. 457. 1083 KG CR 04, S. 620; LG Duisburg, MMR 04, S. 763; Erdemir, CR 05, S. 278; Liesching, MMR 04, S. 482; Döring/Günter, MMR 04, S. 233. 1079

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schutzsystemen betreffe, so könne es auf sie nur sehr eingeschränkt ankommen. Denn sonst liefe ein effektiver Jugendschutz leer. Das Missbrauchs-Argument ist deshalb ausschlaggebend, weil es nach der ratio legis auf einen effektiven Jugendschutz ankommt. Dabei ist es hier nur von nachrangiger Bedeutung, dass die Schutzvorkehrungen möglicherweise durch strafbares Verhalten umgangen werden. Denn das Umgehen des Alters-Checks ist die Regel1084. Deshalb kann es auf das vermeintliche Verbot des Verhaltens nicht entscheidend ankommen. Diese Feststellung steht nicht im Widerspruch zu dem strafrechtlichen Prinzip, jeder dürfe darauf vertrauen, dass effektive Maßnahmen nicht rechtswidrig überwunden werden. Denn wenn Zugangsbeschränkungen – wie der AVSCheck – mit einfachen Mitteln überwunden werden können, sind sie ja gerade nicht effektiv. Ganz abgesehen davon fehlt es beim eigenmächtigen Einsatz falscher Ausweisdaten durch Kinder und Jugendliche meist an dem unterstellten strafbaren Verhalten: Zum einen sind Kinder unter 14 Jahren strafunmündig. Zum anderen gibt es gar keinen Straftatbestand für den Einsatz fiktiver Personalausweis-Nummern im Privatrechtsverkehr. Ein zivilrechtliches Verbot, solche fiktiven Nummern einzusetzen, träfe den Minderjährigen schon mangels uneingeschränkter Geschäftsfähigkeit nicht1085. Dies verdeutlicht das grundsätzliche strukturelle Problem beim Einsatz von AVS-Programmen. Sie beziehen sich auf ein amtliches Dokument. Dabei nehmen sie aber ein Konzept in Anspruch, das privatrechtlich nicht geschützt ist1086. Was die Möglichkeit angeht, jugendgefährdende Trägermedien über das Ausland zu beziehen, handelt es sich um ein reales Problem. Allerdings hindert das nicht die Berechtigung des Gesetzgebers, inländische Anbieter mit Verbreitungsbeschränkungen zu belegen. Denn sonst würde er sich von der Macht des Faktischen in die Knie zwingen lassen. Eine andere Frage ist, ob das Versandhandelsverbot auch unter allen anderen relevanten Gesichtspunkten verfassungsmäßig ist, ob es verhältnismäßig ist und der Gesetzgeber seinen Einschätzungsspielraum eingehalten hat. Diesen Legitimationsfragen wird noch separat nachgegangen werden. Abgesehen davon sprechen im Ergebnis die entscheidenden Gründe dafür, den Einsatz von elektronischen AVS-Systemen nicht ausreichen zu lassen. Daran ändern auch zusätzliche Prüfmerkmale wie der sogenannte „Regio-Check“ nichts. Dabei wird zusätzlich geprüft, ob die als ausstellende Behörde angegebene Stelle tatsächlich Aussteller sein kann. 1084 1085 1086

Lober, MMR 05, S. 66; ähnlich: Döring/Günter, MMR 04, S. 234. KG CR 04, S. 620; Liesching, MMR 04, S. 482. KG CR 04, S. 621; Liesching, MMR 04, S. 482.

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Aber auch der Regio-Check kann durch fiktive Angaben leicht ausgehebelt werden1087. Ebensowenig ausreichend ist der zusätzliche Einsatz kostenpflichtiger Dialer, also spezieller Einwahlprogramme für den Computer, um die jugendgefährdenden Inhalte zu konsumieren1088. Zum einen schützt der Dialer nur einmal, nämlich unmittelbar beim Download des Dialers1089. Zum anderen ist der Dialer keine technische Beschränkung. Ob aber die drohenden Einwahlkosten für Kinder und Jugendliche psychologisch ebenso effektive Barrieren sind wie technische Hemmnisse, darf bezweifelt werden1090. Das spricht auch dagegen, die Angabe einer Bankverbindung als ausreichend anzusehen. Kosten werden Kinder und Jugendliche nicht zwingend abschrecken. Wenn sie ein eigenes Konto besitzen, trifft sie die Kostenpflicht häufig mangels Geschäftsfähigkeit nicht. Fremde Kontendaten lassen sich auch leicht über das Internet oder im sozialen Nahraum beschaffen, zumal eine Übereinstimmungs-Prüfung von Konto- und Adress-Daten beim Zugriff nicht erfolgt. Nach dem gegenwärtigen Stand der Technik ist also mindestens eine Face-to-Face-Kontrolle (ggf. eine derivative Kontrolle im Sinne einer „Teillösung“, s. o.) vor der Zugangsgewährung erforderlich. Damit allein ist es aber bei wiederholten Angebots-Zugriffen nicht getan. Hier muss noch das Risiko der illegalen Verbreitung effektiv angegangen werden. Als Sicherungsmaßnahmen bei der individuellen Einzelnutzung werden biometrische Kontrollen vorgeschlagen; zum Beispiel der Abgleich der Iris-Struktur der Augen oder des Fingerabdruckes durch ein optisches/sensorisches Lesegerät am heimischen PC1091. Ohne Zweifel sind biometrische Zugangsprüfungen sehr sicher. Aber sie sind angesichts der Sensibilität der überprüften höchstpersönlichen Daten auch nicht unproblematisch. Der Kunde wird schließlich dazu gezwungen, äußerst private biometrische Daten an private Unternehmer weiterzugeben, um seine verfassungsmäßig garantierten Rechte wahrzunehmen. Bevor keine verbindlichen Regeln darüber existieren, wie Unternehmer mit solchen Daten umzugehen haben, ist das ein nur schwer gehbarer Weg. Deshalb sollte es auch zulässig sein, dass der Anbieter Zugangscodes abfragt, die via Post, Fax oder E-Mail zugewiesen werden.

1087 So auch: OLG Düsseldorf C&R 05, S. 658; KG C&R 04, S. 621; Döring/ Günter, MMR 04, S. 233; Liesching, MMR 04, S. 482. 1088 OLG Düsseldorf C&R 04, S. 457; Erdemir, MMR 04, S. 411; Gercke, CR 04, S. 458. 1089 Gercke, CR 04, S. 458. 1090 Ebenda. 1091 KG C&R 04, S. 621; Nikles, § 4 Rn. 35 JMStV.

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d) Gewerbliche Leihbüchereien oder Lesezirkel Schließlich ist es auch gewerblichen Leihbüchereien und Lesezirkeln versagt, jugendgefährdende Trägermedien zu führen und auszugeben. Gewerbliche Leihbüchereien sind Unternehmen, die Druckerzeugnisse gegen Entgelt zur Gewinnerzielung vermieten1092. Die Begriffsbildung der Norm ist juristisch widersprüchlich, denn es handelt sich tatsächlich um Mietgeschäfte, die sich durch die Entgeltpflicht gerade von der entgeltfreien Leihe unterscheiden1093. Dieser lange bekannte begriffliche Fehlgriff des Gesetzgebers sollte bei der nächsten Evaluierung korrigiert werden. Gewerbliche Lesezirkel sind gleichfalls Unternehmen, die Druckerzeugnisse gegen Entgeld vermieten. Allerdings sind bei ihnen die meist periodischen Druckerzeugnisse (Magazine, Hefte) im Umlauf1094. e) Andere Person Ob im Einzelhandel, Kiosk, Versandhandel, bei der gewerblichen Bücherei oder beim Lesezirkel – die Abgabe jugendgefährdender Trägermedien ist auch an Erwachsene untersagt. Der Gesetzgeber will dadurch verhindern, dass Minderjährige die Übergabe zufällig mitbekommen und dadurch auf jugendgefährdende Trägermedien aufmerksam werden1095. f) Anbieten Anbieten ist die Vorstufe des Überlassens und äußert sich als einseitige Erklärung mit dem Inhalt, etwas überlassen zu wollen1096. g) Überlassen Derjenige, der überlässt, verschafft schließlich den Gewahrsam an dem jugendgefährdenden Trägermedium1097. 1092 Beisel, S. 216 f.; Scholz/Liesching, § 15 Rn. 10; SK/Horn/Wolters, § 184 Rn. 26; Müko/Hörnle, § 184 Rn. 58; LK/Laufhütte, § 184 Rn. 28; Schreibauer, S. 216. 1093 Richtigerweise müsste es also „Mietbüchereien“ heißen, dazu auch: Scholz/ Liesching, § 15 Rn. 10; Maurach/Schröder/Maiwald, § 23 II Rn. 15. 1094 SK/Wolters/Horn, § 184 Rn. 37; Nikles, § 15 Rn. 27; Tröndle/Fischer, § 184 Rn. 12; LK/Laufhütte, § 184 Rn. 28; Ukrow, S. 197 Rn. 377 f.; Müko/Hörnle, § 184 Rn. 58; Schönke/Schroeder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 23; Scholz/Liesching, § 15 Rn. 11. 1095 Vgl. dazu noch ausführlich unten X. 2. a) bb). 1096 Vgl. dazu schon oben IV. 1. b). 1097 Vgl. dazu schon oben IV. 1. c).

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2. § 15 Abs. 1 Nr. 4 JuSchG Die gewerbliche Vermietung von jugendgefährdenden Trägermedien oder eine vergleichbare gewerbliche Gewährung des Gebrauches ist ebenfalls untersagt. Das gilt nur dann nicht, wenn Anbieten und Überlassen des Trägermediums in einem Ladengeschäft erfolgen, das von Kindern und Jugendlichen nicht eingesehen werden kann und das sie nicht betreten können. Mit dem Vermietverbot will der Gesetzgeber den Vertrieb jugendgefährdender Medien auf Geschäfte konzentrieren, die sich darauf spezialisiert haben1098. Dies soll helfen zu verhindern, dass Kinder und Jugendliche auf diese Inhalte aufmerksam werden und (erfolgreiche) Anstrengungen unternehmen, sie zu konsumieren. Kaum ein Verbot ist im Gesetzgebungsverfahren zum JuSchG1099 so kontrovers diskutiert worden wie das Vermietverbot indizierter Trägermedien. Der Gesetzgeber bewegt sich hierbei im Spannungsfeld zwischen effektivem Jugendschutz und Informationsfreiheit der Erwachsenen. Beide wollen gewährleistet sein. Herausgekommen ist ein Kompromiss, ein „eingeschränktes“ Vermietverbot, das den Versandhandel in Spezialgeschäften zulässt1100. Im Gesetzgebungsverfahren zum Jugendschutzgesetz wurde zunächst ein vollständiges Vermietverbot diskutiert. Die CDU/CSU-Fraktion hatte argumentiert, es sei „gängige Praxis, dass sich erwachsene bzw. heranwachsende Personen mit billigen Mietkassetten bzw. DVDs versorgen und diese an ihre noch nicht volljährigen Freunde weitergeben oder ihnen vorführen. Gerade dieser Vertriebsweg [habe] dazu geführt, dass heute schon viele Kinder und Jugendliche mit Porno-, Horror- und Gewaltdarstellungen konfrontiert“ würden. Auch seien „gerade bei Kindern und Jugendlichen, die schreckliche Gewalttaten verübt oder konkret geplant haben, (. . .) oft Gewaltvideos sichergestellt“ worden1101. Am Ende wurde die Missbrauchs-Gefahr jedoch nicht signifikant höher bewertet als beim legalen Kauf solcher Produkte. Die Fraktion scheiterte deshalb mit ihrem Antrag, ein absolutes Verleih- und Vermietverbot für „indizierte, offensichtlich schwer jugendgefährdende oder pornographische Videofilme bzw. DVDs zu schaffen“1102. 1098 Vgl. dazu BT-Drcks. 10/2546, S. 25; BT-Prot. 10/108, S. 8006; BR-Prot. 546. Sitzung, S. 2; BGH NJW 88, S. 272; 1099 Die Notwendigkeit des Vermietungs-Verbotes wurde auch schon im Rahmen des GjS kontrovers diskutiert, vgl. dazu einerseits BT-Drcks. 10/722, S. 6 f. (absolutes Vermietverbot) und andererseits BT-Drcks. 10/2546, S. 23 f. (letztlich eingeschränktes Vermietverbot). Zum Ganzen auch: Greger, JR 89, S. 30; derselbe, NStZ 86, S. 11 f.; OLG Hamburg, NJW 92, S. 1185. 1100 Hörnle, NStZ 04, S. 150. 1101 BT-Drcks. 14/9410, S. 35. 1102 Ebenda.

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a) Gewerbliche Vermietung § 15 Abs. 1 Nr. 4 JuSchG beschränkt nur die entgeltliche Gebrauchsüberlassung, nicht die kostenlose Gefälligkeit unter Privatleuten1103. Bei gewerblicher Vermietung ist in der Praxis vor allem an Videotheken zu denken, die Videos und DVDs für einen begrenzten Zeitraum gegen Gebühr aushändigen. b) Vergleichbare gewerbliche Gebrauchsgewährung Über die Vermietung hinaus werden auch andere Formen der gewerblichen Gebrauchsgewährung untersagt. Damit sollen Umgehungsgeschäfte verhindert werden, z. B. ein Verkauf mit Rückkaufsvorbehalt oder die Überlassung von indizierten Trägermedien gegen eine pauschale Clubgebühr bzw. einen Vereinsbeitrag1104. c) Überlassung an andere Person Das Abgabeverbot erstreckt sich nicht nur auf Minderjährige. Auch Erwachsenen dürfen indizierte Medien nicht gewerblich überlassen werden. d) Ausnahmen Das Vermietverbot greift nicht, wenn in einem speziellen Ladengeschäft vermietet wird, das von Kindern und Jugendlichen weder eingesehen noch betreten werden kann. Was genau ein Ladengeschäft ist, lässt das Jugendschutzgesetz offen. Die Rechtsprechung hat im Grundsatz zwei wesentliche Voraussetzungen aufgestellt. Erstens muss es sich um ein räumlich oder organisatorisch eigenständiges Einzelhandelsgeschäft handeln, das in einem Ladenlokal betrieben wird. Zweitens muss dieses Geschäft entweder direkt von der Straße her betreten werden können oder über einen Vorraum, der als Verkehrsfläche genutzt wird1105. Einzelne Abteilungen und Nebenräume eines Ladengeschäftes können danach nicht als separate Ladengeschäfte angesehen werden. Das gilt selbst 1103 Tröndle/Fischer, § 184 Rn13; LK/Laufhütte, § 184 Rn. 34; Müko/Hörnle, § 184 Rn. 61; Greger, NStZ 86, S. 12. 1104 So schon: BT-Drcks. 10/2546, S. 24; vgl. auch BGH NJW 90, S. 450. 1105 BGH NJW 88, S. 272; VGH Mannheim, NJW 87, S. 1445; BayObLG NStZ 86, S. 323; LG Stuttgart, Justiz 86, S. 99; LG Verden, NStZ 86, S. 118; ebenso: Weides, NJW 87, S. 224; Führich, NJW 86, S. 1156; Maatz, NStZ 86, S. 174; Greger, NStZ 86, S. 8.

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dann, wenn sie von der übrigen Verkaufsfläche abgetrennt sind – so genannte „shops in shops“1106. Verschlüsse oder Vorhänge innerhalb des Ladengeschäftes ändern jedenfalls nichts daran, dass solche Abteilungen nicht eigenständig sind bzw. über keinen separaten Zugang verfügen1107. Anders ist die Sachlage, wenn mehrere unabhängige Geschäfte in einem Einkaufszentrum verortet sind. Hier ist eine Einteilung der Zugangswege in allgemeine Verkehrsflächen und konkrete Eingänge (eines Ladens) kaum praktikabel. Der BGH begreift die Geschäfte in einem Einkaufszentrum deshalb jeweils als selbständige Ladengeschäfte. Für den Verleih indizierter Trägermedien reichen dann eine Einlasskontrolle und ein Sichtschutz aus1108. Nach zutreffender Auffassung des Landgerichtes Hamburg liegt auch dann noch ein Ladengeschäft vor, wenn es neben dem geforderten separaten allgemeinen Zugang noch einen weiteren Zugang in Form einer „Sicherheits-Schleuse“ gibt1109. Weder der Wortlaut des § 15 Abs. 1 Nr. 4 JuSchG noch die Gesetzesmaterialien zwingen zu der Annahme, es seien nur Ladengeschäfte mit einem einzigen separaten Zugang zulässig. Dagegen spricht, dass den befürchteten Gefahren der „kaum kontrollierbaren Fluktuation“1110 indizierter Trägermedien auch durch eine effektive Zugangskontrolle (hier: Zugang nur für Erwachsene nach Betätigung eines „Summers“ durch das Personal) Rechnung getragen werden kann. Im grundrechtssensiblen Bereich ist diese Auslegung unter Verhältnismäßigkeitserwägungen zwingend. Für die legale Vermietung ist es im Übrigen ausreichend, wenn eine Videothek nur zeitweise für Jugendliche gesperrt wird und nur in diesem Zeitraum jugendgefährdende Trägermedien ausgeliehen werden können1111. Kaum mehr mit dem gängigen Bild eines Ladengeschäftes zu vereinbaren sind vollautomatische Verleihstätten1112. Dennoch hat der BGH die Vermie1106 BT-Drcks. 10/2546, S. 23 f.; BGH NJW 88, S. 272; BayObLG NStZ 86, S. 322; LG Stuttgart, MDR 86, S. 424; zustimmend: Greger, NStZ 86, S. 12; Tröndle/Fischer, § 184 Rn. 14; Führich, NJW 86, S. 1156; Kühl, § 184 Rn. 6 a; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 25 b; Müko/Hörnle, § 184 Rn. 64; a. A. LG Essen, NStZ 85, S. 510; von Hartlieb, NJW 85, S. 832; SK/Horn/Wolters, § 184 Rn. 29 (abhängig von der Durchgangskontrolle). 1107 In diesem Punkt zustimmend: LG Essen, NStZ 85, S. 510. 1108 BGH NJW 88, S. 273. 1109 LG Hamburg, NJW 89, S. 1046; zustimmend auch LK/Laufhütte, § 184 Rn. 31; Tröndle/Fischer, § 184 Rn14; Müko/Hörnle, § 184 Rn. 64; a. A: Scholz/ Liesching, § 15 Rn. 16; Erbs/Liesching, § 15 Rn. 18; kritisch: Schönke/Schröder/ Lenckner/Perron, § 184 Rn. 25 b; wohl auch Kühl, § 184 Rn. 6 a. 1110 BT-Drcks. 10/2546, S. 25. 1111 StA Konstanz, MDR 90, S. 742; Müko/Hörnle, § 184 Rn. 64; Schönke/ Schröder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 25 b; LK/Laufhütte, § 184 Rn. 31; Greger, NStZ 86, S. 12. 1112 Gruhl, MMR 00, S. 666.

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tung pornografischer Filme durch Automatenvideotheken als zulässig angesehen1113. Dem Begriff „Ladengeschäft“ lasse sich nicht entnehmen, dass „damit nur solche Geschäfte gemeint sind, bei denen Personal im Laden und (. . .) beim Kontakt mit dem Kunden ständig anwesend“ sind. Das forderten auch die Gesetzesmaterialien nicht. § 12 Abs. 4 JuSchG stehe dieser Auslegung schon deshalb nicht entgegen, weil sich das dort formulierte Verbot, Automaten aufzustellen, auf frei zugängliche Orte beziehe und eben nicht auf Automaten in speziellen Räumlichkeiten1114. Wenn auch die Begriffsauslegung des BGH fragwürdig ist, so ist der Entscheidung beizupflichten. Alleiniger Sinn und Zweck des § 15 Abs. 1 Nr. 4 JuSchG ist es, Kinder und Jugendliche von Vermietvorgängen mit jugendgefährdenden Trägermedien fernzuhalten. Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob die Vermietung durch Menschen geschieht oder ob sie sich im vollautomatisierten Verfahren abspielt. Maßgeblich darf allein sein, ob effektive Sicherungsmechanismen existieren, die die Einsicht und den Zutritt für Kinder und Jugendliche zu solchen Vermietgeschäften verwehren1115. Die vielen Streitfragen zeigen aber auch, dass sich der Begriff des Ladengeschäftes überholt hat und nicht mehr ausreicht, um alle zulässigen Geschäftssysteme widerzuspiegeln. Sinnvoller wäre es, relativ neutral auf eine (abgeschlossene) Geschäftsstätte abzustellen und bei der Zulässigkeit noch stärker auf Einsehbarkeit und Zugänglichkeit einzugehen. Das nach aktuellem Recht maßgebliche Ladengeschäft darf weder einsehbar noch sonst für Minderjährige zugänglich sein. Verbotsschilder an der Eingangstür reichen als rein „moralische“ Hindernisse nicht aus1116. Erforderlich sind effektive Einlasskontrollen. Diese können, müssen aber nicht durch das Ladenpersonal vorgenommen werden, das vor Zutritt und Vermietung eine Alters- und Identitätskontrolle (Personalausweis) vornimmt. Ebenso geeignet wie eine Kontrolle durch Ansprache des Personals1117 sind bei vollautomatischen Videotheken auch elektronische/biometrische Zugangssperren. Diese müssen nach Ansicht des BGH aber höchsten Anforde1113 BGH NStZ 04, S. 148 f.; zustimmend: Tröndle/Fischer, § 184 Rn. 14; Müko/ Hörnle, § 184 Rn. 65; Hörnle, NStZ 04, S. 150; Liesching/Knupfer, MMR 03, S. 585; Scholz/Liesching, § 15 Rn. 16; a. A. Gruhl, MMR 00, S. 667 (noch zum GjSM); BayObLG JMS-Report 1/2003, S. 57 f.; LG Stuttgart, JMS-Report 6/02, S. 61 f. 1114 Ebenda, S. 149. 1115 Ähnlich Hörnle, NStZ 04, S. 150 (Freispruch aus teleologischen Gründen); Scholz/Liesching, § 15 Rn. 16. 1116 BGH NJW 88, S: 272 f.; Greger, JR 86, S. 29; LK/Laufhütte, § 184 Rn. 23; Kühl, § 184 Rn. 5; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 11; Müko/ Hörnle, § 184 Rn. 34. 1117 Greger, JR 89, S. 29.

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rungen genügen. Die Sicherung des Einganges durch eine Codekarte für Nutzer, deren Volljährigkeit im Vorfeld festgestellt wurde, reicht allein nicht aus. Vor der tatsächlichen Ausleihe muss zusätzlich eine biometrische Identitätskontrolle durch den Abgleich von Iris-Struktur oder Fingerabdruck erfolgen1118. Im vom BGH zu entscheidenden Fall hatte der Ladenbetreiber außerdem noch eine Videoüberwachung im Automatenraum installiert, um Missbräuche zu verhindern1119. Eine weitere Voraussetzung für die legale Vermietung indizierter Trägermedien ist die mangelnde Einsehbarkeit des Geschäfts von außen1120. Das Verbot der Einsehbarkeit bezieht sich nach überwiegender Ansicht nicht nur auf jugendgefährdende Trägermedien. Wenn eine Videothek neben jugendgefährdenden auch familienfreundliche Produkte vermietet, sollen selbst diese nicht von außen zu erkennen sein dürfen1121. Das ist jedoch unverhältnismäßig. Denn selbst wenn Kinder und Jugendliche dazu animiert würden, diese von außen erkennbaren Trägermedien zu konsumieren, so würden sie doch nur zum Konsum altersgeeigneter Trägermedien animiert. Dadurch wird aber der Schutzzweck des § 15 Abs. 1 Nr. 4 nicht berührt. Das, was Kinder und Jugendliche gefährdet, bleibt schließlich verborgen. Dann aber fehlt es an der Legitimation für die Grundrechtsbeschränkung. So ist das Merkmal „einsehbar“ aus verfassungsrechtlichen Gründen restriktiv zu interpretieren. Es bezieht sich nur auf die Möglichkeit, jugendgefährdende Trägermedien und deren Vermietung von außen erkennen zu können. Es bezieht sich dagegen nicht auf die Möglichkeit, jugendgeeignete Trägermedien und ihren Verkauf von außen sehen zu können1122. Auch, wenn man mit der vorherrschenden Ansicht ein vollständiges Einsichtsverbot befürwortet, müssen die Ladengeschäfte und ihre Inhalte trotzdem nicht für alle denkbaren Blicke hermetisch abgeriegelt sein. So ist 1118

BGH NStZ 04, S. 149; Erbs/Liesching, § 15 Rn. 18; a. A. noch BayObLG JMS-Report 1/03, S. 57 f.; LG Stuttgart, JMS-Report, 6/02, S. 61 f.; Gruhl, MMR 00, S. 666 f. 1119 BGH NStZ 04, S. 150. 1120 Technische Hilfsmittel (z. B. Fernglas) bleiben bei der Bewertung außen vor, vgl. Laubenthal, Rn. 772; Schreibauer, S. 208; SK/Horn/Wolters, § 184 Rn. 17; Kühl, § 184 Rn. 5; a. A. Nikles, § 15 Rn. 22. 1121 OLG Hamburg, NJW 92, S. 1184 (darf wegen des Wortlautes schlechterdings nicht einsehbar sein); Greger, NStZ 86, S. 12 (Wortlaut des Gesetzes); LK/Laufhütte, § 184 Rn. 32; Kühl, § 184 Rn. 5; Scholz/Liesching, § 15 Rn. 13; Nikles, § 15 Rn. 22; differenzierend Schönke/Schröder/Lenckner/Perron: Nur nicht bei Einsehbarkeit der neutralen Inneneinrichtung; unklar LG Essen, NStZ 85, S. 510: Sicht auf eine vorgelagerte Geschäftsabteilung zulässig. 1122 So auch: Beisel, S. 220; Müko/Hörnle, § 184 Rn. 35; SK/Horn/Wolters, § 184 Rn. 18.

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das kurzzeitige Öffnen einer Schwingtür im Eingangsbereich ebenso unschädlich1123 wie ein etwa 20 cm großer Bodenspalt unter einer trennenden Pendeltür1124, weil dadurch eine Gefährdung der Jugend bzw. das Wecken von einer auf ein konkretes Objekt bezogenen Neugier faktisch unmöglich ist.

VI. Werbeverbote nach § 15 Abs. 1 Nr. 6 JuSchG Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor jugendgefährdenden Trägermedien wird auch durch umfassende Werbeverbote für solche Inhalte gewährleistet. Ist ein Ort für Minderjährige zugänglich oder kann er von ihnen eingesehen werden, so dürfen jugendgefährdende Trägermedien weder öffentlich angeboten, angekündigt noch angepriesen werden. Das Verbot erstreckt sich auch auf das Verbreiten von Trägermedien außerhalb des Geschäftsverkehrs mit dem einschlägigen Handel. 1. Ort, der frei zugänglich oder einsehbar ist Der Ort ist zugänglich, wenn er von Kindern und Jugendlichen rechtmäßig oder ohne Überwindung von tatsächlich effektiven Hindernissen betreten werden kann. Einsehbar ist er, wenn er dem Blick von Minderjährigen nicht entzogen ist1125. 2. Öffentliches Anbieten Anbieten ist die Erklärung, bei Interesse jugendgefährdende Trägermedien zugänglich zu machen1126. Es äußert sich meist in der Aufforderung an potentielle Kunden, ein Kauf- oder Mietangebot zu machen, z. B. durch Plakate oder Auslagen im Schaufenster1127. Ob sich die Aufforderung an Minderjährige oder nur an Erwachsene richtet, ist für die Strafbarkeit ohne Belang1128. Der Täter handelt öffentlich, wenn er sich an einen unbestimm1123

OLG Stuttgart, MDR 87, S. 1047. BayObLG, NStE Nr. 2 zu § 184., zitiert nach OLG Hamburg, NJW 92, S. 1185. 1125 Vgl. auch die Ausführungen zu § 15 Abs. 1 Nr. 2 JuSchG. 1126 Roßnagel/Altenhain, § 5 GjS Rn. 21; Scholz/Liesching, § 15 Rn. 19. 1127 BGHSt 34, S. 98; OLG Hamburg, NJW 92, S. 1184. 1128 Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 30; Müko/Hörnle, § 184 Rn. 69. 1124

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ten, nicht durch persönliche Beziehungen miteinander verbundenen Personenkreis wendet1129, z. B. an Passanten in der Fußgängerzone. Nach Ansicht der Rechtsprechung kommt es beim Anbieten ebenso wenig wie beim Ankündigen und Anpreisen darauf an, dass der Täter aus geschäftlichem Interesse heraus handelt1130. Das ist auch überzeugend. Denn das geschäftliche Interesse und das Anpreisen sind rechtssystematisch nicht einander gegenübergestellt. Wer etwas anbietet, ankündigt oder anpreist hat nach dem allgemeinen Begriffsverständnis außerdem nicht zwangsläufig das Motiv, ein Geschäft abzuschließen1131. Schließlich kann das „Weitertragen“ einer Botschaft mittels Anbietens oder Anpreisens auch allein durch eine gute Sache an sich motiviert sein. Noch kontroverser diskutiert wird die Frage, ob man auch von einem Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen sprechen kann, wenn die Werbung selbst gar nicht jugendgefährdend ist, sondern sich lediglich auf jugendgefährdende Inhalte bezieht (so genannte: neutrale Werbung). Das beträfe zum Beispiel einen Kino-Trailer für einen jugendgefährdenden Film, wenn der Trailer selbst frei von jugendgefährdenden Sequenzen ist. Teilweise wird die Auffassung vertreten, § 15 Abs. 1 Nr. 6 JuSchG formuliere ein völliges Werbeverbot für jugendgefährdende Trägermedien. Das schließe auch die neutrale Werbung ein1132. Der Paragraph wird auch so interpretiert, dass er neutrale Werbung nicht erfasst1133. Die Rechtsprechung geht einen Mittelweg: Bei einfach jugendgefährdenden Trägermedien (§§ 18 Abs. 1, 22 JuSchG) hält sie grundsätzlich jede Werbung für unzulässig – auch die neutrale Werbung. Dagegen soll es bei schwer jugendgefährdenden Trägermedien (§ 15 Abs. 2 JuSchG) erlaubt sein, auf neutrale Art zu werben. Das gelte nur dann nicht, wenn die Angebote bereits (deklaratorisch) in die Liste der jugendgefährdenden Medien eingetragen worden seien1134. 1129 Scholz/Liesching, § 15 Rn. 22; Müko/Hörnle, § 184 Rn. 69; Beisel, S. 222; Laubenthal, § 184 Rn. 8; a. A. nur Uschold, NJW 76, S. 2250. 1130 BGHSt 34, S. 220; zustimmend: Ukrow, S. 203 Rn. 385. 1131 A. A. Lober, CR 02, S. 403, für den die Ausweitung das Bestimmtheitsgebot verletzt. 1132 Greger, JR 87, S. 210 f.; Scholz/Liesching, § 15 Rn. 18; Ukrow, S. 203 Rn. 387; Engels/Stulz-Herrenstadt, AfP 03, S. 103; von Heyl, S. 46. 1133 Schumann, NJW 78, S. 1135 f.; Beisel, S. 261 f.; Schroeder, S. 41. 1134 BGHSt 33, S. 2 f.; BGHSt 34, S. 99; BVerwG NJW 77, S. 1411 f., alle zu pornographischen Inhalten. Die Ausführungen sind aber wohl auch auf andere schwer jugendgefährdende Medien beziehbar.

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Die Ansicht der Rechtsprechung überzeugt nicht. Sie führt zu dem absurden Ergebnis, dass für die gefährlicheren Produkte (nämlich schwer jugendgefährdende Trägermedien) häufig weniger intensive Verbote gelten. Schon deshalb ist sie systemwidrig und verstößt gegen den Willen des Gesetzgebers1135. Sie missachtet darüber hinaus das Konkurrenzverhältnis von StGB und JuSchG: Im Strafgesetzbuch geht die Rechtsprechung selbst nicht von einer Strafbarkeit der neutralen Werbung bei den Pornographie-Tatbeständen aus. Es kann aber nicht nach § 15 Abs. 1 i. V. m. §§ 27 ff. JuSchG strafbar sein, was nach den spezielleren §§ 184 f. StGB straflos ist, zumal der gleiche Wortlaut zugrunde liegt1136. Das gilt jedenfalls, weil § 15 Abs. 1 JuSchG keinen über die §§ 184 f. hinausgehenden Gesetzeszweck verfolgt – er dient allein dem Jugendschutz1137. Des Weiteren darf in keiner Werbung (auch nicht in einer neutralen Werbung) auf den Abschluss eines Indizierungsverfahrens hingewiesen werden. Deshalb wird der Charakter der Werbung keineswegs „ersetzt durch die Veröffentlichung der Liste, so dass insoweit die neutrale Werbung verboten ist“1138. Wenig überzeugend ist auch die Annahme eines totalen Werbeverbotes. Dafür wird in erster Linie der Gesetzeszweck ins Feld geführt. Durch jede Form der Werbung würden die Neugierde und Phantasie der Minderjährigen geweckt. Werbung lasse sich nicht auf Erwachsene beschränken1139. Deshalb vergrößere sich selbst bei neutraler Werbung die Zahl der Jugendlichen, die sich um jugendgefährdende Erzeugnisse bemühten1140. Es sei nun aber das erklärte Ziel des Jugendschutzes, sie vor schädlichen Einflüssen fernzuhalten1141. Deshalb helfe nur ein völliges Werbeverbot weiter. Und schließlich spreche auch der Wortlaut des § 15 Abs. 1 JuSchG für eine solche Tatbestandsinterpretation. Denn hätte neutrale Werbung von dem Verbot ausgenommen werden sollen, wäre auch ein entsprechender klarstellender Hinweis in die Norm eingearbeitet worden. Das sei jedoch nicht der Fall1142. Was den Wortlaut des § 15 Abs. 1 JuSchG betrifft, so kann er in der Tat so verstanden werden, als ob neutrale Werbung verboten wäre. Aller1135

Meirowitz, S. 273; Meier, NStZ 85, S. 346; Greger, JR 87, S. 211; Schumann, NJW 78; S. 1136 Fn. 28; Beisel, S. 260; Schroeder, S. 41. 1136 Meier, NStZ 85, S. 345. 1137 Meier, NStZ 85, S. 346; a. A. Schroeder, S. 42. 1138 BGHSt 34, S. 99; BVerwG NJW 77, S. 1411. 1139 BT-Drcks. 1/1101, S. 13; Ukrow, S. 204 Rn. 387; Meirowitz, S. 274. 1140 BGHSt 33, S. 3, BVerwG DVBl 77, S. 503; BGHSt 34, S. 98. 1141 Greger, JR 87, S. 210. 1142 BGHSt 33, S. 3.

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dings stehen einer solchen Interpretation gewichtige teleologische und verfassungsrechtliche Gründe entgegen. § 18 Abs. 1 JuSchG gewährleistet auch ohne ein omnipotentes Werbeverbot einen sehr weitreichenden Schutz der Minderjährigen vor jugendgefährdenden Trägermedien. Sowohl die Präsentation als auch die Abgabe von solchen Inhalten wird Unternehmern und Privatleuten untersagt. Selbst, wenn sich ein Minderjähriger also für jugendgefährdende Trägermedien aufgrund einer nicht jugendgefährdenden Werbung interessieren würde, wäre ihm der legale Bezug des Produktes verwehrt. Das spricht gegen ein umfassendes Werbeverbot durch die Indizierung. Nicht weiter führt es, in diesem Zusammenhang zu unterstellen, Händler und Privatleute würden sich in der Praxis nicht an die Verbote halten. Denn dieses generelle Misstrauen ist bisher nicht durch repräsentative Stichproben nachgehalten worden. Fehlt es aber daran, so hat der Gesetzgeber nicht die Legitimation, auf der Basis eines diffusen kollektiven Misstrauens das Strafrecht zum vorgelagerten repressiven Jugendschutz einzusetzen1143. Das erschließt sich spätestens durch den Grundrechtsbezug des absoluten Werbeverbotes. Dieses macht es dem Unternehmer fast unmöglich, auf sein Produkt aufmerksam zu machen. Dadurch werden sowohl die Informationsfreiheit der (möglichen) erwachsenen Konsumenten als auch die Unternehmensfreiheit der Händler sowie ggf. die Kunstfreiheit der Autoren nachhaltig tangiert. Dieses Gegengewicht lässt das Verbot der neutralen Werbung unverhältnismäßig erscheinen1144. Möglicherweise verändert sich das Bild, wenn man auch das Missbrauchsrisiko durch Minderjährige berücksichtigt. Viele Jugendliche laden sich schließlich jugendgefährdende Inhalte über das Internet herunter. Dieses illegale Handeln bleibt häufig unbeobachtet und folgenlos1145. Beim grenzüberschreitenden Internet ist nicht gewährleistet, dass sich alle Anbieter an den deutschen Jugendschutz halten – viele Inhalte werden im Ausland auch schlicht nicht als jugendgefährdend angesehen. Hier ließe sich ein völliges Werbeverbot mit der Begründung diskutieren, wo überhaupt kein öffentlicher Hinweis auf jugendgefährdende Produkte erfolge, minimiere sich die Wahrscheinlichkeit der Kenntnis davon insgesamt und damit auch die des illegalen Downloads. 1143

Schumann, NJW 78, S. 2496; Beisel, S. 261. Knies, S. 280; Vlachopoulos, S. 66; wohl auch Lober, CR 02, S. 403 f. 1145 Das ist zwar grundsätzlich ein Problem des JMStV, da der illegale Download als Telemedium erfasst ist. Doch existieren jugendgefährdende Telemedien vorher normalerweise als Trägermedien, die erst noch elektronisch umgewandelt werden müssen. Das rechtfertigt es, das Missbrauchs-Problem auch bei der Betrachtung der Indizierungsfolgen nach dem JuSchG aufzugreifen. 1144

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Diese Argumentation verfängt letztlich jedoch nicht. Denn zum einen kommt der Reiz des Verbotenen nur dann zum Tragen, wenn das Verbotene auch zu erahnen ist. Nur wenn eine Werbung also den jugendgefährdenden Charakter des Trägermediums erkennen lässt, wird der Minderjährige interessiert und auf Bezugsquellen aufmerksam gemacht1146. Dann ist die Werbung aber nicht mehr neutral. Zum anderen kann die lediglich vermutete Verringerung des Missbrauchsrisikos durch die Ahnungslosigkeit der Minderjährigen nicht die gravierenden grundrechtlichen Bedenken aufwiegen. Neutrale Werbung für indizierte Trägermedien ist deshalb zulässig. Klärungsbedürftig ist noch, welche Werbung überhaupt als neutral anzusehen ist und welche nicht. Die Rechtsprechung hat in Urteilen zu den §§ 184 f.1147 (in denen sie selbst die neutrale Werbung als zulässig ansieht) mehrere Unterscheidungs-Kriterien vorgegeben. So sei die Werbung neutral, wenn das Objekt, für das geworben werde, nicht in Erscheinung trete1148. Für eine Strafbarkeit müsse sich die Werbung ihrem Charakter nach auf jugendgefährdendes Material beziehen, um dadurch „im Sinne der gesetzgeberischen Zielrichtung „gefährlich“ [zu] sein“1149. Dabei komme es entscheidend auf das Verständnis eines „durchschnittlich interessierten und informierten Betrachters der Werbung“ an1150. Auch versteckte Andeutungen in der Werbung könnten ausreichen, wenn sie nur allgemein so verstanden würden1151. Diese Rechtsprechung ist durchaus kritisch rezipiert worden. Schumann will bei der Unterscheidung von offener und neutraler Werbung entgegen dem BGH darauf abstellen, welche Bedeutung einer Werbebotschaft im allgemeinen Sprachgebrauch zukommt. „Andernfalls würde man über kurz oder lang wieder zu einem absoluten Werbeverbot gelangen“1152. Altenhain wiederum stellt nicht auf durchschnittliche, sondern auf interessierte und informierte Jugendliche ab. Außerdem geht er bereits von einer offenen Werbung aus, wenn die Möglichkeit einer harmlosen Interpretation fernliegend ist. „Andernfalls wäre bei der besonders anreizenden Bildwerbung nur eine selbst jugendgefährdende Darstellung nicht neutral“1153. Die Kritik an der Rechtsprechung geht jedoch fehl. Der durchschnittlich interessierte und informierte Betrachter ist auch in anderen Zusammenhän1146

Schumann, NJW 78, S. 2496. Die Urteile beschäftigten sich mit der Frage, ob ein „Anbieten“ im Sinne des § 184 StGB vorlag oder nicht. 1148 BGHSt 34, S. 98. 1149 So BGHSt 34, S. 99 zu pornographischen Trägermedien. 1150 Ebenda. 1151 Ebenda. 1152 Schumann, NJW 78, S. 1136. 1153 Roßnagel/Altenhain, § 5 GjS Rn. 26. 1147

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gen von maßgeblicher Bedeutung und hat sich bewährt. Allerdings ist auch das Bemühen verfehlt, das Werbeverbot auf fernliegende Deutungen auszuweiten: Der Betrachter muss erkennen und nicht bloß erahnen, dass es sich um jugendgefährdendes Material handelt. Andernfalls wäre „die Strafbarkeit maßgeblich von der Phantasie des Betrachters abhängig“, ein Zustand, der sich nicht mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG vertrüge1154. Die Werbung ist also so lange neutral, wie sie keinen Hinweis in Text oder Bild enthält, aus dem sich die Jugendschutzrelevanz des Inhalts konkret ergibt. Danach ist z. B. die Übergabe eines Porno-Werbeprospektes in einem neutralen, verschlossenen Umschlag nicht tatbestandsmäßig. 3. Öffentliches Ankündigen Ankündigen ist die Erklärung, dass die Übergabe bzw. der Konsum von jugendgefährdenden Trägermedien an Interessierte künftig möglich ist1155. Das sind meist die Fälle, in denen ein Unternehmer Kataloge mit jugendgefährdenden Trägermedien verschickt. Keineswegs ein Ankündigen stellt dagegen die kritische Auseinandersetzung mit jugendgefährdenden Trägermedien in der Öffentlichkeit dar. Zwar kann auch durch das Hinterfragen und Besprechen gefährdender Inhalte die Aufmerksamkeit von Minderjährigen auf jugendgefährdende Trägermedien gerichtet werden. Der Bundesgerichtshof hat aber überzeugend herausgearbeitet, dass jede Werbung das „wohlwollende Interesse des Publikums am Gegenstand der Werbung“ wecken oder fördern will1156. Daran fehlt es bei der kritischen Auseinandersetzung. Dies gilt selbst dann, wenn jugendgefährdende Einzelheiten erörtert werden. „Denn eine sachgerechte Kritik setzt die Wiedergabe von Einzelheiten vielfach voraus, wenn sie verständlich und überzeugend sein will“1157. 4. Öffentliches Anpreisen Von einem Anpreisen kann gesprochen werden, wenn das Trägermedium gelobt und ausdrücklich empfohlen wird. Der Täter muss auf die jugend1154

Geier, NJW 87, S. 1610 f. SK/Horn/Wolters, § 184 Rn. 36; Müko/Hörnle, § 184 Rn. 70; LK/Laufhütte, § 184 Rn. 34; Cramer, AfP 89, S. 612; Meier, NStZ 85, S. 342; Roßnagel/Altenhain, § 5 Rn. 21 GjS. 1156 BGHSt 34, S. 220. 1157 BGHSt 34, S. 221; zustimmend: Engels/Stulz-Herrenstadt, AfP 03, S. 103; Ukrow, S. 205 Rn. 388; Scholz/Liesching, § 15 Rn. 21. 1155

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gefährdenden Eigenschaften des Mediums hinweisen1158. Nicht erforderlich ist es dagegen, dass er das Trägermedium selber zugänglich machen will oder sogar sachherrschaftlich über es verfügt. Denn durch die Werbeverbote soll schon das positive Interesse der Minderjährigen an den jugendgefährdenden Inhalten unterbunden werden1159. 5. Geschäftlicher Verkehr Ausgenommen vom Werbeverbot ist der Geschäftsverkehr des einschlägigen Handels. Damit ist die Korrespondenz derjenigen Geschäftsleute beschrieben, die jugendgefährdende Trägermedien verkaufen, vermieten oder sonst vorführen1160. In der Praxis sind das vor allem Sex-Shop-Unternehmer und Erotik-Artikel-Hersteller. Die Geschäftsleute müssen nicht auf den Handel mit solchen Produkten spezialisiert sein1161. Es ist auch nicht notwendig, dass sie solche Medien bisher in ihrem Sortiment geführt haben1162.

VII. Verbot von Vorbereitungshandlungen Ist das Medium indiziert, so ist schon die Vorbereitung seines Verbreitens strafbar. 1. § 15 Abs. 1 Nr. 5 JuSchG Beispielsweise darf das Trägermedium nicht über den Versandhandel eingeführt werden. Einfuhr liegt vor, wenn die hoheitlichen Grenzen der Bundesrepublik überschritten werden1163. Der Versandhandelsbegriff ist in § 1 Abs. 4 JuSchG legaldefiniert1164.

1158 RGSt 37, S. 143; Roßnagel/Altenhain, § 5 Rn. 21 GjS; Meier, NStZ 85, S. 342; Erbs/Steindorf, § 5 GjS Rn. 5; Scholz/Liesching, § 15 Rn. 19. 1159 Müko/Hörnle, § 184 Rn. 71; a. A. LK/Laufhütte, § 184 Rn. 34; SK/Horn/ Wolters, § 184 Rn. 36; Schreibauer, S. 249 (alle unter Hinweis auf den Wortlaut). 1160 Roßnagel/Altenhain, § 5 GjS Rn. 29. 1161 Scholz/Liesching, § 15 Rn. 23; Ukrow, S. 203 Rn. 385; Erbs/Steindorf, § 5 GjS Rn. 9; Schreibauer, S. 254 f. 1162 LK/Laufhütte, § 184 Rn. 35; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron/Eisele, § 184 Rn. 35. 1163 Nikles, § 15 Rn. 39. 1164 Vgl. dazu oben V. I. c).

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2. § 15 Abs. 1 Nr. 7 JuSchG Indizierte Trägermedien dürfen auch nicht hergestellt, bezogen, geliefert, vorrätig gehalten oder eingeführt werden, um sie entgegen der in den Nr. 1–6 aufgeführten Verbote zu verwenden bzw. einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen. a) Herstellen Herstellung ist die Erzeugung einer Sache1165 – hier also grundsätzlich die Generierung eines jugendgefährdenden Trägermediums. Jedoch ist nicht nur die erneute Produktion oder Kopie von indizierten Titeln erfasst. Tatbestandsmäßig ist bereits die vorangegangene Herstellung von Kopiervorlagen und sonstigen „Masterbändern“, Druckplatten, Matrizen, Negativen oder gescannter Bilddateien. Für Manuskripte gilt das dann, wenn die Gefahr einer möglichen Verbreitung ganz nahe gerückt ist. Davon ist auszugehen, soweit die Vorlagen inhaltlich abgeschlossen und zur jugendgefährdenden Vermittlung freigegeben sind1166. b) Beziehen Wechselt das hergestellte jugendgefährdende Trägermedium entgeltlich oder unentgeltlich den Gewahrsam, so wird es bezogen. Notwendig ist jedoch das Einverständnis des vorherigen Gewahrsamsinhabers1167. c) Liefern Die Lieferung ist der umgekehrte Vorgang. Es liefert also derjenige, der einem anderen mit dessen Einverständnis den Gewahrsam verschafft1168.

1165 Kühl, § 184 Rn. 5; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 43; Scholz/Liesching, § 15 Rn. 24. 1166 So zu § 184 StGB: BGHSt 32, S. 4 f.; ähnlich: LK/Laufhütte, § 184 Rn. 41; Scholz/Liesching, § 15 Rn. 24; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 42; Schreibauer, S. 279; SK/Wolters/Horn, § 184 Rn. 69; Tröndle/Fischer, § 184 Rn. 20. 1167 LK/Laufhütte, § 184 Rn. 41; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 44; Tröndle/Fischer, § 184 Rn. 21; SK/Wolters/Horn, § 184 Rn. 69; Scholz/ Liesching, § 15 Rn. 24. 1168 Tröndle/Fischer, § 184 Rn. 21; SK/Wolters/Horn, § 184 Rn. 69; LK/Laufhütte, § 184 Rn. 41; Scholz/Liesching, § 15 Rn. 24; Schönke/Schröder/Lenckner/ Perron, § 184 Rn. 45.

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d) Vorrätig halten Ging es beim Beziehen und Liefern um eine Mehrpersonen-Beziehung, so ist mit vorrätig halten die reine Verfügungsgewalt über das Trägermedium beschrieben1169. Eine Interaktion von Personen ist deshalb grundsätzlich nicht zwingend. Entgegen der Begriffsassoziation genügt es, wenn nur einzelne Trägermedien zur Disposition stehen1170. Ausreichend ist daneben die Speicherung von jugendgefährdenden Inhalten auf der (transportablen) Festplatte eines Computers1171. e) Einführen Auch der Import entsprechender Trägermedien ist untersagt, soweit nicht bereits Abs. 1 Nr. 5 greift. Die Norm dient vor allem der Möglichkeit einer Beschlagnahme durch die Zollbehörden1172. Einfuhr ist gegeben, wenn die hoheitlichen Grenzen der Bundesrepublik überschritten werden1173. Als Täter kommt regelmäßig nur der in Betracht, der beim Grenzwechsel die tatsächliche Verfügung über die Sache innehat1174. f) Verwendung zu sanktionierter Handlung Die Handlungen müssen dazu dienen, sich selbst oder einem Dritten die Möglichkeit zu eröffnen, gegen die Beschränkungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1–6 zu verstoßen. Erforderlich ist deshalb als rein subjektives Merkmal der Nachweis einer entsprechenden Begehungsabsicht.

VIII. Informationspflichten nach § 15 Abs. 6 JuSchG Wer jugendgefährdende Trägermedien gewerblich herstellt oder vertreibt, muss seine Abnehmer auf die gesetzlichen Vertriebsbeschränkungen in den Nr. 1–6 hinweisen. Bei Verstößen wird ein Bußgeld fällig1175. Sinn und 1169

Horn, NJW 77, S. 2329; LK/Laufhütte, § 184 Rn. 41; So schon RG 42, S. 210; RG 62 S. 396 (zu § 184 a. F.); Kühl, § 184 Rn. 5; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 46. 1171 So zu § 184 StGB auch: Schreibauer, S. 280. 1172 Maurach/Schroeder/Maiwald, § 23 II Rn. 15; zum Charakter als zollrechtliches „Verbringungsverbot“ vgl. auch Kühl, § 184 Rn. 5. 1173 Nikles, § 15 Rn. 39. 1174 SK/Wolters/Horn, § 184 Rn. 69; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 47. 1170

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Zweck des Informationsgebotes ist es nicht, den späteren Abnehmer von eigenen Prüfpflichten zu befreien. Der Hinweis soll aber das rechtmäßige Verhalten der Händler und Verkäufer in der Praxis erleichtern. Denn die Hersteller und Großlieferanten wissen über den Inhalt der Lieferung meist besser Bescheid als der kleine Endverkäufer. Hinweispflichtig sind alle Gewerbetreibenden. Damit haben vor allem Produzenten, Verleger und Zwischenhändler von jugendgefährdenden Trägermedien über die gesetzlichen Beschränkungen zu informieren. Wie weitgehend die Hinweise sein müssen, bleibt nebulös. Zwar fordert § 15 Abs. 6 JuSchG einen Hinweis auf „Vertriebsbeschränkungen“ ein. Doch gleichzeitig bezieht er sich auf die gesamten Nr. 1–6, in denen sich z. T. gar keine Vertriebsbeschränkungen finden. Man kann daraus schließen, der Gesetzgeber habe die Hinweispflicht doch auf alle Indizierungsbeschränkungen des § 15 Abs. 1 JuSchG erstrecken wollen. Dann müsste der Gewerbetreibende z. B. auch auf das Verbot hinweisen, jugendgefährdende Trägermedien an Minderjährige unentgeltlich vorzuführen1176. Gegen diese Auslegung spricht jedoch das Bestimmtheitsgebot. Denn der Gesetzgeber bezieht sich expressis verbis auf Vertriebsbeschränkungen. Diese assoziiert der durchschnittliche Händler mit gewerblichem Handel. Außerdem ist gar nicht klar, ob es sich bei der Beschränkung des Wortlautes auf Vertriebsbeschränkungen um ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers handelt. Möglicherweise war es gerade Absicht, nur die besonderen verkehrstypischen Verbote noch einmal allen Gewerbetreibenden vor Augen zu führen. Der pauschale Hinweis auf die Nr. 1–6 erfüllt dann den Zweck, sich eine vollständige Einzelaufzählung der Vertriebsbeschränkungen zu ersparen und gleichzeitig den Bezug zu § 15 Abs. 1 JuSchG herzustellen. Die Hinweispflicht erstreckt sich also nur auf die klassischen gewerblichen Vertriebsbeschränkungen in § 15 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 4, Nr. 5 JuSchG.

IX. Strafbewehrung Wer die imperativen Regelungen des Jugendschutzgesetzes vorsätzlich oder fahrlässig missachtet, muss mit einer Freiheits- oder Geldstrafe rechnen.

1175 1176

§ 28 Abs. 1 Nr. 20 JuSchG. So Nikles, § 15 Rn. 105.

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1. Strafvorschriften § 27 JuSchG sanktioniert als Strafnorm vor allem Verstöße gegen Indizierungsrestriktionen. Der Gesetzgeber hat eine Missachtung hier als so schwer angesehen, dass er sie nicht nur als Ordnungswidrigkeit behandeln wollte. Strafrahmen für die vorsätzliche Tatbegehung ist bis zu ein Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Präzisere Regelungen hinsichtlich der Höhe der Geldstrafe und der Strafzumessung fehlen im JuSchG. Hier ist auf das StGB als Hauptstrafrecht zurückzugreifen: Die Grundlagen der Strafzumessung regeln die §§ 46 f. StGB. Eine sich daraus ergebende Geldstrafe kann gemäß § 40 Abs. 1 StGB schuldangemessen zwischen 5 und 360 Tagessätze umfassen. Jeder Tagessatz beträgt nach § 40 Abs. 2 StGB zwischen einem und 5.000 Euro. Die genaue Höhe hängt in der Regel vom Nettoeinkommen ab. Absolut bewegen sich Geldstrafen zwischen fünf Euro und 1.800.000 Euro. Bei fahrlässiger Tatbegehung sind höchstens sechs Monate Freiheitsstrafe möglich. Auch die Höhe der Geldstrafe ist durch § 28 Abs. 3 JuSchG auf 180 Tagessätze begrenzt – es drohen also maximal 900.000 Euro Strafe. Taten, die § 27 JuSchG verwirklichen, verjähren gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB nach drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt an dem Tag, an dem die Handlung beendet ist1177. Für die Strafbarkeit kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich eine sozialethische Desorientierung bei Kindern oder Jugendlichen eingetreten ist. § 27 Abs. 1 JuSchG ist seiner Struktur nach ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Daher genügt ein Verstoß gegen das gesetzliche Handlungsverbot1178. a) Vorsätzliche Tatbegehung nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 JuSchG Sanktioniert ist zunächst die vorsätzliche Missachtung von § 15 Abs. 1 und 2 JuSchG. Wer also jugendgefährdende Trägermedien oder schwer jugendgefährdende Trägermedien anbietet, überlässt, zugänglich macht, ausstellt, vorführt, einführt, ankündigt oder anpreist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Es reicht der Verstoß gegen eine der erwähnten Tatbestandsalternativen1179. Der Täter handelt vorsätzlich, wenn er die Umstände kennt, die Grundlage der Strafbewehrung sind, 1177 1178 1179

§ 78 a StGB. Nikles, § 27 Rn. 8. Nikles, § 27 Rn. 9.

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und sie dennoch will1180. Vorsätzlich handelt auch, wer die Verletzung des Gesetzes zwar nicht will, sie aber letztlich billigend in Kauf nimmt1181. b) Vorsätzliche Tatbegehung nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 JuSchG Wer entgegen § 15 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 2 ein Trägermedium vorsätzlich herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält oder einführt, muss mit der gleichen Strafe rechnen. c) Vorsätzliche Tatbegehung nach § 27 Abs. 1 Nr. 3 JuSchG Dies gilt auch für Täter, die § 15 Abs. 4 JuSchG missachten und die Liste der jugendgefährdenden Medien abdrucken oder veröffentlichen. d) Vorsätzliche Tatbegehung nach § 27 Abs. 1 Nr. 4 JuSchG Ebenso zieht geschäftliche Werbung wider § 15 Abs. 5 JuSchG Freiheitsstrafe oder Geldstrafe im beschriebenen Umfang nach sich. e) Vorsätzliche Tatbegehung nach § 27 Abs. 1 Nr. 5 JuSchG Besondere Bedeutung kommt § 27 Abs. 1 Nr. 5 JuSchG zu. Er sanktioniert ein Verhalten gegen eine vollziehbare Indizierungsentscheidung der Bundesprüfstelle. aa) Sinn und Zweck Die Indizierungs-Beschränkungen werden regelmäßig nur wirksam, wenn die Indizierung bekannt gemacht worden ist. In den Fällen des § 24 Abs. 3 S. 2 JuSchG wird aber auf eine Bekanntmachung verzichtet, weil die Gefahr eines illegalen Downloads durch Minderjährige als besonders hoch eingeschätzt wird. Wenn die Allgemeinheit nicht um die Indizierung des Trägermediums weiß, könnten sich das Autoren und Verlage aber zunutze ma1180 1181

St. Rechtsprechung seit: RGSt 51, S. 311. Statt vieler: Kühl, § 15 Rn. 4 f., m. w. N.

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chen. Denkbar wäre, dass sie solche Trägermedien weiterverbreiten – und zwar mangels öffentlicher Bekanntmachung sogar straflos. Dem beugt § 27 Abs. 1 Nr. 5 JuSchG vor. Die Verfahrensbeteiligten müssen mit den gleichen Strafen rechnen wie sonst auch, wenn sie das Trägermedium entgegen einer Indizierungsentscheidung selbst oder mittelbar weiterverbreiten1182. bb) Vollziehbare Entscheidung Vollziehbare Entscheidung ist jede Indizierungsentscheidung, die bestandskräftig ist bzw. deren Wirkung nicht aufgeschoben ist. Sie muss den Beteiligten bekannt gemacht oder/und entsprechend den §§ 2 f. VwZG zugestellt worden sein. cc) Sanktions-Adressaten Relevanz zeichnet der Straftatbestand bei Trägermedien vor allem für die Ur-heber und die Inhaber der Nutzungsrechte1183. f) Fahrlässige Tatbegehung nach § 27 Abs. 3 JuSchG Auch ein fahrlässiger Verstoß gegen § 27 Abs. 1 Nr. 1, 3, 4 und 5 JuSchG bleibt nicht folgenlos. Gemäß § 27 Abs. 3 JuSchG drohen eine Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten und eine Geldstrafe von maximal 900.000 e. Wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt, obwohl er sie nach den Umständen und seinen persönlichen Fähigkeiten walten lassen kann, handelt fahrlässig1184. Den Fahrlässigkeitsvorwurf muss sich erst recht jeder gefallen lassen, der die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, aber pflichtwidrig darauf baut, dass sie nicht eintritt1185. Bei aller Redlichkeit eines effektiven Jugendschutzes: Die Strafbewehrung des Fahrlässigkeitsunrechtes ist gerade bezogen auf die eo-ipso-Tatbestände des § 15 Abs. 2 JuSchG problematisch. Sie führt zu einem erheblichen Strafbarkeitsrisiko – gerade für Gewerbetreibende. Darauf ist im Einzelnen schon hingewiesen worden. Überzogene Prüfungsanforderungen wie ein Studium sämtlicher Entscheidungsgründe und der Kasuistik der Bundes1182 1183 1184 1185

BT-Drcks. 14/9013, S. 29. § 21 Abs. 8 Nr. 1 JuSchG. Statt vieler: Kühl, § 15 Rn. 35 m. w. N. So genannte „bewusste“ Fahrlässigkeit, dazu: Kühl, § 15 Rn. 35 m. w. N.

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prüfstelle wird man schlicht als unzumutbar ansehen müssen. Die Rechtsprechung verlangt trotzdem, dass jedes Trägermedium von Händlern und Gewerbetreibenden sorgfältig auf Jugendgefährdungen durchgesehen wird. Weder die Unkenntnis von Indizierungen schützt vor Strafe noch das Verkennen evidenter schwerer Jugendgefährdung1186. Notfalls muss der Gewerbetreibende die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sachkundige Dritte seine Prüfpflicht übernehmen1187. g) Ausnahmen Für Personensorgeberechtigte gilt die Strafdrohung des § 27 JuSchG nur eingeschränkt. Sie können gemäß Abs. 4 auch gegen die Verbote des § 15 Abs. 1 Nr. 1–7 i. V. m. Abs. 2 JuSchG verstoßen. Voraussetzung ist, dass sie dabei ihre Erziehungspflicht nicht gröblich verletzen. aa) Grund und Umfang der Privilegierung Personensorgeberechtigt ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 JuSchG jede Person, die allein oder gemeinsam mit einer anderen Person nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches die Personensorge zusteht. Das sind vor allem die Eltern als „geborene“ Personensorgeberechtigte1188. Ihnen ist es möglich, den Medienkonsum ihrer Schützlinge zu kanalisieren und zu kontrollieren. Denn die Personensorge umfasst neben Berechtigung und Verpflichtung zur Aufenthaltsbestimmung des Kindes auch dessen Pflege und Erziehung1189. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass gerade Eltern ihren Kindern besonders gut Medienkompetenz vermitteln können, ihnen also beibringen können, mit Medien und ihren Inhalten verantwortlich und problemorientiert umzugehen1190. Deshalb gesteht er Eltern und den anderen Personensorgeberechtigten auch zu, sich über die Indizierungsverbote des § 15 Abs. 1 i. V. m. Abs. 21191 JuSchG hinwegzusetzen. Denn zur „Vermittlung von Medienkompetenz gehört auch, dass Eltern sich (. . .) mit ihren Kindern über (. . .) jugendgefährdende Inhalte auseinandersetzen“1192. Das 1186

BVerfG NJW 88, S. 1833. BGHSt 8, S. 82; BGHSt 10, S. 134 f.; BVerfGE 11, S. 236; AG München, NStZ 98, S. 519; Ukrow, S. 206 Rn. 392; Scholz/Liesching, § 27 Rn. 13. 1188 Vgl. § 1626 Abs. 1 BGB. In Betracht kommen auch Ersatz-Pflegschaft oder Vormundschaft (§§ 1773 f. BGB). 1189 Vgl. § 1631 Abs. 1 BGB. 1190 BT-Drcks. 14/9013, S. 29. 1191 A. A. Ukrow, S. 207 Rn. 393, der wohl schwer jugendgefährdende Trägermedien nicht vom Privileg erfassen will. 1192 BT-Drcks. 14/9013, S. 29. 1187

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können sie aber nur, wenn sie sich die Medien zusammen anschauen und darüber reden1193. Teilnahmehandlungen sind insoweit straflos. Unabhängig von der überzeugenden amtlichen Begründung spricht für das Privileg, dass Eltern den individuellen Entwicklungsstand ihrer Kinder am Besten beurteilen können. Die gesetzliche Privilegierung schafft für sie die Möglichkeit, gesetzliche Beschränkungen, die für Durchschnitts-Altersgenossen angebracht sein mögen, aber für einen bestimmten Minderjährigen auf Grund seiner Reife unangebracht sind, aufzuheben1194. bb) Grenzen der Privilegierung Allerdings werden auch den Personensorgeberechtigten durch das JuSchG Grenzen gesetzt. Aus dem Schutzzweck und der Systematik des § 27 Abs. 4 JuSchG ergibt sich, dass die Privilegierung nur für die eigenen anvertrauten Schützlinge gilt. Deshalb darf z. B. keine Vorführung von jugendgefährdenden Trägermedien in Gegenwart von Freunden des Kindes stattfinden, wenn deren Eltern nicht zugestimmt haben. Die Eltern müssen sich daneben an alle gewerblichen Indizierungsbeschränkungen (auch die Werbeverbote) halten. Schließlich ist das Privileg im Rahmen des § 15 Abs. 1 Nr. 1–7 i. V. m. Abs. 2 JuSchG für Eltern kein „Freibrief“. Sie dürfen die jugendgefährdenden Trägermedien nur dann anbieten, überlassen oder zugänglich machen, wenn sie dadurch nicht ihre Erziehungspflichten gröblich verletzen. In der Praxis dürfte der Nachweis solcher gravierender Verfehlungen schwer zu führen sein. Es ist jedoch keine Lösung, wegen der Beweisschwierigkeiten nur darauf abzustellen, ob die Eltern bei der Vorführung (schwer) jugendgefährdender Trägermedien Aufklärungszwecke verfolgen wollten oder nicht1195. Wenn Eltern jugendgefährdende Inhalte aus Selbstsucht vor ihren Kindern konsumieren oder weil ihnen die Entwicklung ihres Kindes gleichgültig ist, mag das den individuellen Schuldvorwurf erhöhen. Im Rahmen eines abstrakten Gefährdungsdeliktes wie § 27 JuSchG zeichnet das jedoch nur dann Relevanz, wenn dadurch auch objektiv-abstrakt das Kindeswohl gefährdet werden kann1196. Dies richtet sich im Einzelfall nach dem Alter des Kindes, seinem 1193 Allerdings wird die abstrakte Gefahr der Jugendgefährdung durch das Einwirken der Eltern nicht per se abstrakt ungefährlich, vgl. Kühl, § 184 Rn. 9b; Schönke/ Schröder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 9; a. A. Schroeder, FS-Lange, S. 399. 1194 Kritisch dazu: Müko/Hörnle, § 184 Rn. 99. 1195 So aber: SK/Wolters/Horn, § 184 Rn. 23 – keine Privilegierung bei „Fehlen erzieherischer Motivation“. 1196 A. A. wohl Duttge/Hörnle/Renzikowski, NJW 04, S. 1069. Objektiv auf das Kindeswohl im Sinne des § 1666 BGB stellt auch Nikles ab, vgl. § 27 Rn. 15.

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seelisch-psychischen Entwicklungsstand, seiner intellektuellen Reife sowie Ausmaß und Intensität der konkret vorgespielten Inhalte1197. Deshalb lässt sich auch eine grobe Erziehungsverfehlung nicht pauschal anhand der Inhalte festmachen, die für einen durchschnittlichen Jugendlichen schwer jugendgefährdend sind1198. Es kommt immer auf den konkreten Jugendlichen an. Eine grobe Verfehlung kann allerdings auch in einem Unterlassen bestehen. Denn Eltern haben nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, ihre Kinder so zu erziehen, dass sie keinen seelischen oder psychischen Schaden nehmen. Dadurch sind sie verpflichtet, den von den Kindern angestrebten Konsum gefährlicher Trägermedien zu unterbinden. Eine schwere Verfehlung liegt jedoch nicht schon dann vor, wenn der Konsum von Minderjährigen unbeaufsichtigt bleibt, obwohl es im Haus solche Trägermedien (z. B. Pornos für Erwachsene) gibt. Die Schwelle zur groben Verletzung der Erziehungspflicht durch ein Unterlassen ist erst dann überschritten, wenn der Konsum von Inhalten entdeckt wird, die für das eigene Kind schwer jugendgefährdend sind, dieser Konsum aber geduldet wird bzw. unkommentiert bleibt1199. cc) Übertragung der Privilegierung? Das Privileg bezieht sich expressis verbis nur auf Personensorgeberechtigte. Daraus zieht die Mehrheit der Kommentatoren den Schluss, es könne nicht auf dritte Personen übertragen werden1200, wie z. B. Großeltern oder andere Vertrauenspersonen des Kindes. Eine Ausweitung des Privileges stehe im Widerspruch zu einem effektiven Jugendschutz1201. Außerdem sei § 27 Abs. 4 JuSchG der Privilegierung in § 184 StGB nachempfunden. Bei § 184 StGB habe der Vermittlungsausschuss die eigentlich geplante Erweiterung auf dritte Personen vor der Verabschiedung des Gesetzes noch zurückgenommen1202. 1197 Meist werden die beiden Ansätze zu gleichen Ergebnissen gelangen. Aber im Einzelfall sind Abweichungen denkbar: So wird ein kleines Kind – selbst, wenn Eltern das wollten – gar nicht durch rechtsradikale, volksverhetzende Botschaften gefährdet werden können, weil es sie noch nicht verstehen kann. Wer auf die Gesinnung der Eltern abstellt, muss jedoch eine schwere Erziehungsverfehlung bejahen. Auf Einwirkungsintensität und Ausmaß der Pflichtverletzung stellen ab: Kühl, § 184 Rn. 9; Müko/Hörnle, § 184 Rn. 99. 1198 A. A. Ukrow, S. 207 Rn. 393. 1199 Scholz/Liesching, § 28 Rn. 15. 1200 Nikles, S. 177 Rn. 14; Ukrow, S. 207 Rn. 393; Scholz/Liesching, § 27 Rn. 14; Liesching/Günther, MMR 00, S. 265; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 9d. 1201 Scholz/Liesching, § 27 Rn. 14. 1202 Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 9d.

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

Die Argumente überzeugen jedoch nicht. Zum einen schließt das elterliche Erziehungsrecht die Berechtigung ein, bestimmte Erziehungsaufgaben zu übertragen. Diese Berechtigung fußt bereits auf Art. 6 des Grundgesetzes – eine Beschneidung ist also verfassungsrechtlich zumindest bedenklich. Zum anderen handeln Eltern, die erkennen, dass andere Vertrauenspersonen mit ihrem Kind besser über jugendgefährdende Inhalten sprechen und sie aufklären können als sie selbst, sehr wohl im Sinne eines effektiven Jugendschutzes. Es wäre doch absurd, ein Verhalten mit Strafe zu belegen, wenn es darauf angelegt ist, das Beste für das eigene Kind zu erreichen. Außerdem steht der Wortlaut des Gesetzes dieser Auslegung nicht entgegen: Denn auch bei einer Delegation auf Dritte geht der erzieherische Impuls stets von den Personensorgeberechtigten aus. Dritte Personen sind schließlich nur dann privilegiert, wenn sie mit ihrer Einwilligung oder auf ihre Anweisung hin handeln1203. Auch Dritte können also durch Beauftragung der Personensorgeberechtigten privilegiert sein. 2. Bußgeldtatbestände Für das Indizierungsrecht spielen die Bußgeldvorschriften in § 28 JuSchG so gut wie keine Rolle. Die meisten Verstöße gegen das Indizierungsrecht werden als Straftat behandelt. Von Interesse ist allein § 28 Abs. 1 Nr. 20 JuSchG. Wer als Gewerbetreibender den Handel vorsätzlich oder fahrlässig nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig auf die Vertriebsbeschränkungen seines indizierten Produktes hinweist, kann mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 Euro belegt werden1204. Hinsichtlich der Strafzumessung und anderer Detailfragen ist das OWiG zu beachten. 3. Minderjährige und Beteiligung Kinder und Jugendliche können auch selbst wegen Verstößen gegen das Indizierungsrecht als Täter bestraft werden. Das führt zu absurden Strafbarkeits-Konstellationen. So können zwei Minderjährige, die älter als 16 Jahren sind, nach geltendem Recht zwar Sexualverkehr miteinander haben. Sie dürfen sich jedoch pornographische DVDs nicht wechselseitig besorgen und anschauen. Ein völlig befremdliches Ergebnis1205. 1203

So auch SK/Wolters/Horn, § 184 Rn. 24. Die Obergrenze der Bußgelder in § 28 JuSchG ist angesichts der Wirtschaftskraft der Unternehmen recht niedrig bemessen. Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz dürfen sich aber „insbesondere für Gewerbetreibende wirtschaftlich nicht lohnen“. Deshalb wäre es wünschenswert gewesen, wenn einem Ergänzungs-Antrag der CDU/CSU-Fraktion im Ausschuss Erfolg beschieden worden wäre, der eine Erhöhung des Bußgeldrahmens auf 500.000 Euro vorsah, vgl. BT-Drcks. 14/9410, S. 35. 1204

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Zu allem Überfluss schließt § 27 JuSchG die Möglichkeit eines Absehens von Strafe vollständig aus. Das alte GjS(M) hatte das zumindest in dem Fall für möglich erklärt, dass der Täter zur Familie des „Opfers“ gehört1206. Spätestens an dieser Stelle muss sich der Gesetzgeber kritisch fragen lassen, welchen Sinn eine Strafbarkeitsdrohung in der Familie und unter Jugendlichen haben soll. Schließlich ist es eine kriminalistische Binsenweisheit, dass jugendliche Neugierde selten durch Strafe abgeschreckt werden kann.

X. Grundrechtliche Analyse Das Jugendschutzgesetz greift durch § 15 JuSchG erheblich in die persönliche Freiheit von Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und juristischen Personen des Privatrechtes ein. Es ist jedoch fraglich, ob diese Eingriffe – gemessen an den Grundrechten – zulässig sind. Die folgende Analyse konzentriert sich aus Platz- und Relevanzgründen auf die zentralen Abgabe-, Verbreitungs- und Werbeverbote. Kurz werden allerdings auch denkbare Regelungsverschärfungen grundrechtlich betrachtet. 1. Abgabe- und Bereitstellungsverbote gegenüber Minderjährigen § 15 Abs. 1 Nr. 1 und 2 (ggf. i. V. m. Abs. 2) JuSchG untersagt es, Kindern und Jugendlichen indizierte Trägermedien anzubieten, zu überlassen oder sonst zugänglich zu machen. Sie dürfen auch nicht an Orten zugänglich gemacht werden, die von Minderjährigen eingesehen oder betreten werden können. Verstöße sind durch § 27 Abs. 1 Nr. 1 JuSchG strafbewehrt. a) Die Vereinbarkeit mit den Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 GG Es stellt sich die Frage, ob diese Beschränkungen für Filme, Videos, CDs etc. mit den Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG vereinbar sind. Da sowohl die Meinungsfreiheit als auch die Pressefreiheit, die Rundfunkfreiheit, die Filmfreiheit und die Informationsfreiheit denselben verfassungsrechtlichen Schranken unterliegen1207, soll die Prüfung insoweit ein1205

So auch Müko/Hörnle, § 184 Rn. 7. § 21 GjSM. 1207 Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes gilt das Zensurverbot gemäß Art. 5 Abs. 1, S. 3 GG allerdings nicht für die Informationsfreiheit, vgl. dazu schon Kapitel 5, I. 6. e). 1206

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heitlich erfolgen. Auf besondere Auswirkungen für einzelne Kommunikationsgrundrechte wird jedoch eingegangen, wo es notwendig ist. aa) Eingriff in den Schutzbereich Die benannten Kommunikationsfreiheiten gewährleisten die einwirkungsfreie Herstellung, Gestaltung und kommunikative Verbreitung von Medien. Wenn das Jugendschutzgesetz die Abgabe von indizierten Medien an Kinder und Jugendliche versagt und gleichzeitig auch die Verbreitung an Orten verbietet, an denen Minderjährige diese Medien mitkonsumieren können, wird in den Schutzbereich der Grundrechte eingegriffen. bb) Verfassungsmäßige Rechtfertigung Eingriffe in die Grundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG sind jedenfalls dann zulässig, wenn sie dem Jugendschutz dienen. Das ergibt sich aus Art. 5 Abs. 2 GG. Es stellt sich aber die Frage, ob die konkreten Maßnahmen auch verhältnismäßig sind. Dabei gilt es zu klären, ob die Eingriffe einem legitimen Zweck dienen, ob sie auch tatsächlich geeignet sind, den angegebenen Zweck zu erreichen, ob sie erforderlich sind, weil es kein milderes, gleich geeignetes Instrument zur Förderung des Zweckes gibt und ob schließlich die Relation von Zweck und Mittel angemessen ist1208. (1) Legitimer Zweck Das Anliegen des Gesetzgebers ist es, Kindern und Jugendlichen Medien vorzuenthalten, die ihre Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit gefährden1209. Das Bemühen, Minderjährige vor äußeren Einflüssen zu schützen, die sich auf diese Weise negativ auswirken, lässt sich sowohl über das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kinder und Jugendlichen motivieren als auch über das Primat elterlicher Erziehung1210. Im Übrigen nennt Art. 5 Abs. 2 GG den Jugendschutz selbst als legitimen Zweck für die Einschränkung der Meinungsfreiheit. 1208 BVerfGE 21, S. 155; BVerfGE 30, S. 316; BVerfGE 38, S. 302; BVerfGE 59, S. 265; BVerfGE 71, S. 214; BVerfGE 77, S. 75; Heintzen, DVBl 04, S. 721; von Mangold/Klein/Starck/Klein, Art. 1 Rn. 285; Pieroth/Schlink, Rn. 279. 1209 Vgl. nur § 18 Abs. 1 JuSchG. 1210 Vgl. dazu schon die Ausführungen in Teil 2, Kapitel 6, II.

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Problematisch ist jedoch, dass es für die tatsächliche negative Wirkung von Medienaussagen bei Kindern und Jugendlichen trotz erheblicher Forschungsbemühungen bis heute keine stichhaltigen Beweise gibt1211. Das könnte dagegen sprechen, im Vorenthalten von bestimmten Medieninhalten überhaupt einen legitimen Zweck zu sehen, um die Kommunikationsfreiheiten oder andere Grundrechte einzuschränken. Denn dann ist ja gerade unklar, ob die Persönlichkeit von Kindern und Jugendlichen durch solche Medien gefährdet werden kann. Erschwerend kommt hinzu, dass sich selbst die immer wieder angeführten positiven Wirkungsbefunde im Rahmen von Kurzzeit-Studien sehr häufig in einem numerisch so minimalen Bereich bewegen, dass ihnen in anderen Sach-Zusammenhängen lediglich Zufallswert zugestanden werden würde1212. Mit guten Gründen könnte man also verlangen, dass sich der Gesetzgeber nach den langen Jahren der Ungewissheit zunächst durch Langzeitstudien über die Auswirkung von Gewalt und sexuellen Extremdarstellungen Klarheit verschafft, bevor er – rein verdachtsgeleitet – zu repressiven Instrumenten greift, die sich ganz erheblich auf zentrale Grundrechte wie die Meinungsfreiheit auswirken1213. Es ist jedoch zu bedenken, dass dem Gesetzgeber sowohl hinsichtlich der Lagebeurteilung im Vorfeld einer Regelung, als auch bei der Beurteilung der Tauglichkeit von Instrumenten ein gewisser Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zukommt1214. Dieser ist Ausdruck seiner legislativen Gestaltungsmacht und hängt konkret von dem Sachbereich ab, um den es geht, der Möglichkeit, sich ein sicheres empirisches Urteil über die Lage zu bilden sowie der Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter1215. Der Gesetzgeber darf lediglich keine Erwägungen anstellen, die offensichtlich fehlerhaft sind und deshalb vernünftigerweise nicht Grundlage für gesetzgeberische Maßnahmen sein können. Das ist konkret der Fall, wenn er von unrichtigen Tatsachen ausgeht oder sich von Motiven und Überlegungen leiten lässt, die im Widerspruch zur Verfassung stehen1216. Als konkret betroffene Rechtsgüter stehen sich hier der Jugendschutz sowie die Meinungs-, Informations-, Presse- und Filmfreiheit gegenüber. Der Jugendschutz ist nach der Wertung des Grundgesetzes „ein Ziel von bedeut1211

Vgl. dazu schon die Ausführungen oben in Kapitel 11, II. 2. b) bb). Ebenda. 1213 So z. B. Köhne, MMR 04, S. XXV. 1214 BVerfGE 21, S. 157; BVerfGE 49, S. 131 f.; BVerfG NJW 86, S. 1242. 1215 BVerfGE 50, S. 332 m. w. N.; BVerfGE 83, S. 141; BVerfGE 109, S. 336; Sachs/Sachs, Art. 20 Rn. 151. 1216 BVerfGE 13, S. 113; BVerfGE 71, S. 215. 1212

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samem Rang und ein wichtiges Gemeinschaftsanliegen“1217. Dabei eröffnet Art. 5 Abs. 2 GG selbst die Möglichkeit, die Meinungsfreiheit durch Jugendschutzbestimmungen als Sonderrecht einzuschränken. Durch die bisher durchgeführten Kurzzeit-Studien ist nach wie vor nicht widerlegt oder belegt, dass von (bestimmten) Medien nachhaltige negative Wirkungen auf das Sozialverhalten von Kindern und Jugendlichen ausgehen können. Langzeitstudien dürften zwar zu einem noch besseren Verständnis der Wirkungsmechanismen von Medien auf Kinder und Jugendliche beitragen. Doch ließen sich diese Langzeitstudien bisher wegen der ungewissen Auswirkungen einer Konfrontation mit gefahrträchtigen Medien nicht ausreichend realisieren. Es wird auch zukünftig wegen des latenten Risikos fast unmöglich sein, eine ausreichende Zahl minderjähriger Probanden (bzw. einwilligender Eltern) zu finden, die an solchen Studien teilnehmen1218. Selbst, wenn sich eine ausreichende Zahl von Probanden fände, müsste man diese über einen längeren Zeitraum isolieren, um fremde Einflüsse auszuschließen und zu einem unverfälschten Studienergebnis in Bezug auf die Wirkung von Medieninhalten zu kommen. Umgekehrt würde sich bei einer insoweit „optimal“ durchgeführten Studie die Frage stellen, inwieweit eine alltagstypische, weniger intensive Konfrontation mit negativen Medieninhalten, das gefundene (negative) Ergebnis wieder verwässerte. Bei der Suche nach Erkenntnis stößt der Gesetzgeber hier zwangsläufig und unverschuldet an Grenzen. Unter diesen Voraussetzungen hat der Gesetzgeber die ihm zugänglichen Erkenntnisquellen (Kurzzeit-Wirkungsstudien, wissenschaftliche Gutachten, Sachverständigen-Anhörungen) voll ausgeschöpft1219. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass er sich offensichtlich der sozialen Lerntheorie angeschlossen hat, nach der ein in den Medien gezeigtes Verhalten unter bestimmten Voraussetzungen erlernbar ist. Diese Theorie ist auch heute noch als vorherrschend in der Medienwirkungsforschung anzusehen1220 und damit vertretbar. Nach alledem lässt sich zwar diskutieren, ob der Gesetzgeber bei einzelnen legislativ angeordneten Eingriffen über das verfassungsrechtlich erlaubte Maß hinausgegangen ist. An der grundsätzlichen Legitimität des Zweckes, auch präventive Maßnahmen gegen die Verbreitung und den Handel mit bestimmten Medien zu Gunsten des Jugendschutzes anzuordnen, ändert sich dadurch aber nichts. Denn wenn ein sozialschädliches Verhalten in 1217

BVerfGE 77, S. 356 m. w. N. Vgl. dazu auch Schraut, S. 58. 1219 Ukrow, S. 53 Rn. 81 (zum JuSchG); Schraut, S. 62; Vlachopoulos, S. 64 (jeweils zum GjS). 1220 Vgl. dazu schon Kapitel 11, 2. b) bb). 1218

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Medien erlernbar ist – wovon der Gesetzgeber vertretbar ausgeht – ist es von seiner Warte aus ein sachgerechtes Anliegen, Minderjährige von diesen Medien fernzuhalten1221. (2) Geeignetheit Das allgemeine Verbot, die indizierten Medien für Kinder und Jugendliche zugänglich zu machen, muss auch verfassungsrechtlich geeignet sein. Das bedeutet, es muss den vom Gesetzgeber gewünschten Erfolg – hier den Konfrontationsschutz von Kindern und Jugendlichen mit solchen Medien – auf der Grundlage bewährter Hypothesen zumindest fördern1222. Dies ist seit der Etablierung des Internets als Massenmedium fraglich geworden. Heutzutage ist es für Kinder und Jugendliche leicht, die als gefährlich eingestuften Medien über das Internet abzurufen1223. Das weltweite Datennetz ist längst zur zentralen technischen Distributions- und Kommunikations-Plattform geworden, über die Musik, Videos, Filme oder Spiele heruntergeladen oder unmittelbar „online“ (ab-)gespielt werden können. Über die simple Kombination von Schlagworten wie „Sex und Gewalt“ oder „Pornos“ lassen sich unzählige einschlägige Angebote ansteuern. Trotz einer verbesserten Filtertechnik für solche Angebote gerade auch in den Online-Suchmaschinen1224 oder am heimischen PC1225 setzt ein hundertprozentiger effektiver Schutz heute noch die ergänzende Kontrolle des „Internet-Surfens“ durch Eltern, Lehrer oder andere Aufsichtspersonen voraus1226. Denn auch wenn nationale Angebote nach Entscheidungen der Bundesprüfstelle im Internet gesperrt werden können, so gilt dies nicht für internationale Websites. Hier ist die Bundesprüfstelle auf die Kooperation und Einsicht des jeweiligen ausländischen Anbieters angewiesen, was sich schwierig 1221

BVerfG NJW 86, S. 1242; BVerfGE 83, S. 141. BVerfGE 30, S. 316 f., st. Rspr.; Maurer, S. 225 Rn. 56; Pieroth/Schlink, Rn. 283. 1223 Bredow, S. 40 f. m. w. N. 1224 Dort werden sogenannte „Crawler“-Programme eingesetzt, um gefährliche Seiten im Internet anhand bestimmter Suchvorgaben (z. B. pornographische Inhalte, Gewalt etc.) zu suchen. Allerdings sind Crawler-Ergebnisse unreflektiert – inhaltliche Kontextanalysen können sie zurzeit nicht leisten. Dadurch werden auch „harmlose“ Sachartikel allein durch bestimmte Stichworte zu jugendgefährdenden Inhalten, vgl. dazu ausführlich: Sieber, S. 106; Faber, B. III) 6). 1225 Hier werden meist Software-Programme (z. B. „Net Nanny“ oder „Cypersitter“) eingesetzt, die anhand einer Liste von verbotenen Worten den Aufruf von Internet-Seiten am heimischen PC kanalisieren (sogenanntes „Keyword-Blocking“), vgl. dazu Roßnagel/Altenhain, § 3 GjS Rn. 23. 1226 Faber, B. III) 6) d) m. w. N. 1222

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gestaltet, wenn in dessen Heimatland die Verbreitung solcher Angebote zulässig ist. Technische Sperrungen können zudem relativ leicht über eine modifizierte Codierung bei der Datenübertragung oder so genannte Proxy-Server ausgehebelt werden. Mit Hilfe von Proxy-Servern wird der Datenfluss z. B. einfach von dem gesperrten auf einen dritten Server umgeleitet, welcher dann für die Übertragung der Daten an den heimischen PC sorgt1227. Darüber hinaus haben Kinder und Jugendliche relativ leicht die Möglichkeit, sich die indizierten Medien über volljährige Geschwister, Freunde und Bekannte zu beschaffen1228. Schließlich kann man auch an der Sinnhaftigkeit und dadurch auch Geeignetheit des Mittels zweifeln, bestimmte Medien – ohne jegliche graduelle Abstufung – allen Minderjährigen vorzuenthalten, um dann davon auszugehen, dass sie quasi über Nacht mit Vollendung ihres 18. Lebensjahres mit diesen Inhalten adäquat umgehen können. Diese Überlegungen greifen jedoch im Ergebnis nicht durch. Der Gesetzgeber wäre möglicherweise besser beraten, im Jugendmedienschutz stärker auf die Prävention durch Medienpädagogik zu setzen und weniger auf Repression durch Konfrontationsverbote. Letztlich liegt eine Entscheidung über diese Grundsatzfrage aber im Rahmen seiner legislativen Einschätzungs- und Gestaltungsprärogative1229. Da sich Erziehungsberechtigte im Einzelfall auch über das Verbot hinwegsetzen dürfen, ihrem Kind indizierte Inhalte zu zeigen, um mit ihm darüber in einen Dialog zu treten (vgl. § 27 Abs. 4 JuSchG), ist ein erzieherischer und pädagogischer Ansatz zumindest indirekter Bestandteil des gesetzgeberischen Konzeptes. Was die Möglichkeit einer Ersatzbeschaffung über das Internet oder dritte Personen betrifft, so ist zu beachten, dass die Eignung der Maßnahme keine 100%ige Erfolgsquote voraussetzt. Es genügt, dass der angestrebte Zweck gefördert wird, wobei sogar die abstrakte Möglichkeit genügt, dass der Zweck erreicht werden kann1230. Es werden zahlreiche Kinder und Jugendliche durch das Konfrontationsverbot nicht oder nicht so stark in Kontakt mit indizierten Medien treten wie ohne das Verbot. Das allgemeine Verbot, Kindern und Jugendlichen indizierte Medien zugänglich zu machen, ist im Ergebnis deshalb geeignet, um sie vor schädlichen Medieneinflüssen zu bewahren. Eine mögliche Unstimmigkeit des Verhältnisses von Eingriff einerseits und Erfolg andererseits kann allenfalls bei der Frage der Angemessenheit bedeutsam werden. 1227

Vgl. dazu ausführlich Schneider, S. 21. Bredow, S. 40 m. w. N. 1229 BVerfGE 67, S. 175; BVerfGE 96, S. 23 f.; BVerfGE 100, S. 373; BVerfGE 103, S. 307; BVerfGE 113, S: 234; Sachs/Sachs, Art. 20 Rn. 150. 1230 Langenfeld, MMR 03, S. 309; Scherer, AfP 96, S. 214 m. w. N. 1228

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(3) Erforderlichkeit Damit eine gesetzliche Regelung erforderlich ist, darf es kein milderes Mittel geben, das gleich geeignet wäre, um den durch das Gesetz bezweckten Erfolg herbeizuführen1231. Ein freiwilliger Verkaufsverzicht, eine Art Selbstverpflichtung der Unterhaltungsindustrie, gefährliche Produkte nicht an Minderjährige abzugeben, wäre zwar eine Alternative zu den gesetzlichen Verbreitungsverboten. Sie wäre jedoch zweifellos nicht gleich effektiv, da sie sehr stark vom „Goodwill“ der Verkehrskreise abhinge und mangels staatlicher Sanktionsdrohung auch leichter durchbrochen werden dürfte. Schonender wäre es möglicherweise, die für Bildträger praktizierte Alterskennzeichnung gemäß § 14 Abs. 6 JuSchG auf sämtliche Medien (auch Bücher, CDs etc.) auszuweiten und darüber hinaus nicht nur für jugendbeeinträchtigende, sondern auch für jugendgefährdende Inhalte zu etablieren. Dadurch würde für alle Medien ein gemeinsamer KennzeichnungsStandard erreicht, der die Zugangsbeschränkung auch für Kinder und Jugendliche sinnvoll kanalisiert. Bisher ist es so, dass die Bundesprüfstelle ein Medium generell indizieren muss, wenn es für eine signifikante Zahl von Kindern und Jugendlichen gefährlich ist1232. Wenn also ein 12jähriges Kind durch das Medium vielleicht gefährdet, ein 15jähriger Jugendlicher dagegen allenfalls beeinträchtigt und ein 17jähriger Jugendlicher gar nicht mehr tangiert wird, müsste das Medium trotzdem indiziert werden. Der 17jährige bliebe dadurch von der Rezeption eines Mediums ausgeschlossen, von dem ihm keine Gefahr droht und durch das er nicht einmal beeinträchtigt wird. Das gegenwärtige System der Indizierung lässt also nicht nur individuelle Reifeprozesse innerhalb eines Jahrganges unberücksichtigt, sondern vernachlässigt auch die unterschiedlichen Entwicklungsstände zwischen den Jahrgängen. Dies wirkt sich deutlich stärker auf die Informationsfreiheit der Kinder und Jugendlichen aus, als es ein altersabgestuftes Prinzip der Indizierung täte. Die bestehenden Altersstufen des § 14 Abs. 2 JuSchG, die bereits für den Grad der Jugendbeeinträchtigung bemüht werden, könnten auch ohne Weiteres Grundlage für die Gefährdungseinstufung sein. Der Gesetzgeber hält es für möglich, den Grad der Beeinträchtigung von Kindern und Jugendlichen anhand von Kriterien nach Altersstufen gemäß § 14 Abs. 2 JuSchG zu differenzieren. Dann kann er sich nicht darauf berufen, solche Abstufungen ließen sich bei jugendgefährdenden Inhalten nicht vornehmen. 1231 BVerfGE 30, S. 316; BVerfGE 78, S. 50; BVerfGE 100, S. 375; BVerfGE 110, S. 164; BVerfGE 113, S. 252; Ipsen, S. 54 Rn. 178; Maurer, S. 226 Rn. 57. 1232 Das verkennt Meirowitz, S. 280; wie hier: Vlachopoulos, S. 66.

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Allerdings würde eine Ausweitung der Alterskennzeichnung auch zusätzliche Belastungen für einzelne Medienbereiche schaffen: So müssten für ein vollständiges präventiv wirkendes System z. B. auch Bücher schon vor ihrer breiten Markteinführung vorgelegt werden – ein durchaus erheblicher Eingriff in die unternehmerische Freiheit und die Kommunikationsfreiheiten. Nicht umsonst wird in der faktischen Vorlagepflicht zur Alterskennzeichnung von Medien vereinzelt sogar eine unzulässige Vorzensur erblickt1233. Eine Vorab-Kennzeichnung von Büchern hat der Gesetzgeber bisher jedoch nicht als notwendig erachtet. Da es Anzeichen dafür gibt, dass visuelle und akustische Effekte das Gefährdungspotential von Medien verstärken können1234, ist seine Entscheidung vom legislativen Einschätzungsspielraum gedeckt und verletzt auch nicht das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG. Unter diesen Gesichtspunkten ist das eben skizzierte allgemeine, präventive, abgestufte Kennzeichnungssystem nicht in jeder Hinsicht ein milderes Mittel. Es kann deshalb auch nicht als geeigneter angesehen werden, als das bestehende System. Diese Argumentation greift jedoch dann nicht, wenn man das System der Indizierung in seiner konkreten Gestalt voraussetzt und lediglich einfordert, dass beim Aussprechen der Indizierung eine Altersabstufung vorgenommen wird. Dadurch wird die Gestaltungshoheit des Gesetzgebers respektiert, während gleichzeitig nicht mehr in die Informationsfreiheit von Kindern und Jugendlichen eingegriffen wird, die durch Medieninhalte gar nicht gefährdet werden. Es bietet sich hierbei eine Differenzierung nach dem Pigotschen Altersstufenmodell an, das in § 14 Abs. 2 JuSchG Anklang gefunden hat. Indizierungen würden dann für ein Alter bis 6, 12, 16 bzw. 18 Jahren ausgesprochen. Noch sinnvoller wäre es allerdings, die Altersstufen stärker an der mittlerweile früher einsetzenden körperlichen und geistigen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen1235 auszurichten. Dann könnte es Entscheidungen für ein Alter von 6, 11, 14 und 16 Jahren geben. Fraglich ist nämlich, ob es überhaupt noch Medien gibt, die einen 17jährigen stärker beeinträchtigen als einen 18jährigen. Diese Altersstufe ist letztlich verzichtbar, wie auch der Blick in das benachbarte Europa zeigt, in dem viele Staaten Minderjährige vor Medieneinflüssen lediglich bis zum Alter von 15 oder 16 Jahren schützen1236. 1233

Vgl. dazu Erdemir, S. 180 f.; Scholz/Liesching, § 11 Rn. 2, jeweils m. w. N. Bredow, S. 68 m. w. N. 1235 Bredow, S. 109. 1236 Zu Pornographie so auch: Müko/Hörnle, § 184 Rn. 6; Weigend, ZUM 94, S. 136 m. w. N; a. A. Bredow, S. 109 m. w. N. 1234

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Da eine Indizierung mit Altersabstufungen im Ergebnis ein milderes und doch gleich effektives Mittel ist, sind die allgemeinen Verbreitungsverbote in der bestehenden Form nicht erforderlich und dadurch unverhältnismäßig1237. (4) Angemessenheit Schließlich muss der gesetzliche Eingriff auch im engeren Sinne verhältnismäßig bzw. angemessen sein, darf mit anderen Worten nicht außer Verhältnis zu dem mit ihm verfolgten Zweck stehen1238. Kriterien hierfür sind das Ausmaß und die Schwere des Grundrechtseingriffes sowie die Wirksamkeit des durch die Regelung erreichten Schutzes1239. Es stellt sich hier konkret die Frage, ob es – unabhängig von einer weniger intensiven Handhabe der Indizierungspraxis – verhältnismäßig ist, Kinder und Jugendliche vor schädlichen Medieneinflüssen durch Abgabeverbote zu schützen. Der Jugendschutz ist ein wichtiges Gemeinschaftsanliegen von Verfassungsrang. Im Verhältnis zu den Kommunikationsfreiheiten ergibt sich aus Art. 5 Abs. 2 GG die Möglichkeit, die Meinungsfreiheit, die Film- und Rundfunkfreiheit, die Pressefreiheit sowie die Informationsfreiheit zum Schutz der Jugend einzuschränken. Auch nach einer Indizierung bleibt es Erwachsenen grundsätzlich möglich, sich die indizierten Produkte in Spezialgeschäften zu beschaffen und auszuleihen1240. Allerdings gilt dies in erster Linie für pornographische Bild-Medien, für die sich ein separater, lukrativer Markt in den Sex-Shops und Videotheken entwickelt hat. Schwieriger wird der Bezug von Trägermedien, die aus anderen Gründen indiziert werden bzw. keine Bildträger sind. Nicht selten werden diese Produkte nach der Indizierung vollständig aus dem Sortiment genommen, weil es sich gerade für die großen Kaufhäuser nicht lohnt, solche Medien in einer separat gesicherten Abteilung zu verkaufen. Je unbekannter der geistige Schöpfer des Werkes ist, desto geringer wird auch die Vorab-Nachfrage für das Produkt sein. Nach der Indizierung ist eine Werbung für das Produkt nicht mehr möglich, nach Ansicht der Rechtsprechung nicht einmal mehr in einer neutralen Form1241, so dass sich diese Medien nicht mehr verkaufen lassen. 1237 So i. E. auch: Vlachopoulos, S. 66; Raue, S. 25 (jeweils zum GjS); unklar: Dankert/Zechlin/Schefold, S. 99; a. A. Ukrow, S. 53 Rn. 81 (zum JuSchG); Schraut, S. 82; Meirowitz, S. 287; Schroeder, S. 40 f. (jeweils zum GjS). 1238 BVerfGE 30, S. 316; BVerfGE 67, S. 178; BVerfGE 83, S. 19. 1239 BVerfGE 100, S. 376; Sachs/Sachs, Art. 20 Rn. 154. 1240 So schon zutreffend: BVerfGE 30, S. 348 (im Rahmen der Prüfung des Versandhandelsverbotes). 1241 Vgl. dazu schon oben VI. 2.

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Auf der anderen Seite kommt den Kommunikationsfreiheiten eine enorme Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung zu. Kommunikation setzt freie Verbreitung voraus – auch an Kinder und Jugendliche, so dass der Eingriff nicht unerheblich ist. Allerdings dienen viele indizierte Produkte primär der Unterhaltung und dem Zeitvertreib, ohne durch einen fiktionalen Plot oder die Ablichtung eines non-fiktionalen Geschehens Meinung bilden zu wollen oder zu können1242. Immer dann, wenn das Medium eine politische oder soziale Aussage hat, bzw. ein öffentliches Interesse an der Verbreitung besteht, darf es außerdem nicht unmittelbar indiziert werden. Hier sieht das Indizierungsrecht einen besonderen Tendenzschutz gemäß § 18 Abs. 3 Nr. 1 JuSchG vor, so dass der Listenaufnahme eine verhältnismäßige Abwägung der widerstreitenden Verfassungsgüter vorangestellt ist. Der Tendenzschutz gilt nicht nur für die Fälle der simplen Jugendgefährdung, sondern auch für gravierende Jugendgefährdungen im Sinne des § 15 Abs. 2 JuSchG1243. Dadurch ist gesichert, dass Kinder und Jugendliche wichtige politische und soziale Inhalte weiter mitbekommen. Als unverhältnismäßig erscheinen die Abgabeverbote an Kinder und Jugendliche aber immer dann, wenn diese von ihnen betroffen sind, obwohl für sie konkret keine Gefährdung besteht. Wenn das so ist, weil es sich um Individuen mit demselben Alter, aber einem unterschiedlichen Reifegrad handelt, lässt sich dieses Dilemma nicht befriedigend auflösen. Denn es ist schlicht unmöglich, dem Entwicklungsstand jedes einzelnen Kindes oder Jugendlichen bei der denkbaren Gefährdung durch Medieninhalte in einer abstrakten Regelung und in der gelebten Praxis gerecht zu werden. Hier muss wegen des legitimen Zweckes auch in Kauf genommen werden, dass Kindern und Jugendlichen in der Öffentlichkeit nicht alle Medien zugänglich sind, die sie eigentlich gefahrlos konsumieren könnten. Das Problem ist aber immerhin dadurch entschärft, dass Eltern den besonderen Reifegrad ihres Kindes kennen werden und ihm das Medium legal besorgen können, wenn es sie darum bittet. Schwieriger ist die Lage, wenn die Indizierung durch die Bundesprüfstelle in dem Bewusstsein erfolgt, dass lediglich einzelne Altersgruppen durch ein Medium besonders gefährdet werden. Nicht nur aus Gründen der Erforderlichkeit, sondern auch aus Gründen der Angemessenheit besteht hier die Notwendigkeit einer Indizierung mit Altersabstufungen, um die Informationsfreiheit der Kinder und Jugendlichen sowie die Meinungs-, Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit der an der Mediengenese Beteiligten nicht über Gebühr einzuschränken. 1242 1243

Meirowitz, S. 281. BVerfGE 30, S. 350.

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(5) Zwischenergebnis Das Abgabe- und Bereitstellungsverbot indizierter Medien an Minderjährige verstößt in seiner konkreten Fassung gegen alle Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG, insbesondere die Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1, 2. Hs. GG. b) Vereinbarkeit mit dem Elternrecht Erziehung ist – wie sich aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG ergibt – originäre Pflicht und originäres Recht der Eltern. Der Staat muss dies auch bei der Anordnung von Indizierungsfolgen respektieren und beachten. So wäre es ein Eingriff in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, wenn Eltern nicht das Recht hätten, ihren Kindern indizierte Trägermedien vorzuführen, um mit ihnen z. B. über deren Inhalt zu reden. Allerdings eröffnet das Indizierungsrecht über § 27 Abs. 4 JuSchG diese Möglichkeit: Personensorgeberechtigte Personen sind von den gesetzlichen Sanktionen ausgenommen, wenn sie ihre Schützlinge mit indizierten Inhalten konfrontieren bzw. sie ihnen zugänglich machen. Dadurch liegt regelmäßig schon kein Eingriff in das Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG vor. Anders sieht es allerdings aus, wenn man mit der ganz vorherrschenden Auffassung den Begriff der personensorgeberechtigten Person eng begreift. Dadurch ist es Eltern verwehrt, auch dritte Personen mit einer Konfrontation ihrer Schützlinge zu beauftragen. Dabei kann es dafür gute Gründe geben, wenn z. B. der Patenonkel oder ein guter Bekannter einen besseren Zugang zum eigenen pubertierenden Kind hat. Die Verengung des elterlichen Strafprivileges stellt gleichzeitig auch einen Eingriff in die elterliche Erziehungs-Souveränität dar. Darüber hinaus ordnet § 27 Abs. 4 S. 2 JuSchG an, dass die Privilegierung nicht greifen soll, wenn die personensorgeberechtigten Personen durch ein Zugänglichmachen der (automatisch) indizierten Medien ihre Erziehungspflicht „gröblich verletzen“. Auch diese Einschränkung der Erziehungs-Souveränität stellt einen Eingriff in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG dar. Soweit das Privileg des § 27 Abs. 4 JuSchG bei einer extremen Konfrontation für die Eltern nicht greift, kommt darin die staatliche Wächter- und Fürsorgefunktion zum Ausdruck, die Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG betont. Der Staat ist zwar in erster Linie Helfer der Erziehungsberechtigten. Letztlich muss er jedoch als Institution dafür Sorge tragen, dass Kinder und Jugendliche keinen verheerenden Schaden in ihrer seelischen und körperlichen Entwicklung nehmen. Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG darf aber nicht als allgemeiner staatlicher Lenkungs- und Erziehungsauftrag fehlgedeutet werden. Um das

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Primat der elterlichen Erziehung nicht in sein Gegenteil zu verkehren, muss sich der Staat mit imperativen Maßnahmen gegen die Erziehungsberechtigten auf Fälle der (drohenden) geistigen, seelischen oder körperlichen Verwahrlosung beschränken. Diesen Anforderungen genügt § 27 Abs. 4 JuSchG, da er auf eine gröbliche Verletzung der Erziehungspflicht abstellt. Bei der Bestimmung einer solchen gröblichen Verletzung kommt es allerdings immer auf den Einzelfall und die konkrete individuelle Entwicklung des Kindes an. Es wäre daher unzulässig, gesetzliche Automatismen für eine gröbliche Verletzung der Erziehungspflicht aufzustellen, die von der individuellen Entwicklung entkoppelt sind (z. B. stets bei der Konfrontation mit schwer jugendgefährdenden Trägermedien). Unverhältnismäßig ist dagegen die Beschränkung der elterlichen Delegations-Macht, also das Verbot, Dritte damit zu beauftragen, ihre Schützlinge mit indizierten Inhalten zu konfrontieren. Für die Delegation kann es – wie schon erwähnt – gute Gründe geben. Ein Missbrauch steht dabei nicht zu vermuten. Eltern werden für ihre Kinder zunächst einmal nur das Beste wollen. Wenn es ausnahmsweise zu einem Missbrauch der Delegation durch die Eltern käme, würde er auf dieselbe Weise geahndet werden können, wie wenn die Eltern die Konfrontation selbst herbeigeführt hätten. Es ist auch nicht nachvollziehbar, wie ein Verbot der Delegation einem vermuteten Missbrauch der Privilegierung stärker entgegenwirken könnte. Damit fehlt es in diesem sensiblen Bereich an einem sachlichen Grund für die Beschränkung des Elternrechtes. In verfassungskonformer Auslegung ist der Begriff der personensorgeberechtigten Person daher so zu begreifen, dass er sich auch auf Dritte beziehen kann, wenn sie wirksam zur Konfrontation Minderjähriger mit indizierten Inhalten autorisiert worden sind. Soweit man darin eine Überdehnung des Wortlautes erblickt, kommt man nicht umhin, die Norm als verfassungswidrig zu erachten. Nach der hier vertretenen Ansicht verstoßen die Abgabe- und Bereitstellungsverbote des § 15 Abs. 1 Nr. 1 und 2 (ggf. i. V. m. § 15 Abs. 2) JuSchG bei einem berichtigten Verständnis des § 27 Abs. 4 JuSchG aber nicht gegen Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG. c) Vereinbarkeit mit der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit Die Beschränkungen stellen auch Eingriffe in die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit dar. Künstlern und Wissenschaftlern ist es nicht möglich, Werke, die als jugendgefährdend eingestuft sind, öffentlich auszustellen, vorzutragen oder sie an Minderjährige zu vermieten, zu verkaufen bzw. sie ihnen sonst zugänglich zu machen. Da Bücher, Filme oder sonstige Medien

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häufig auch Kunstwerke sind, ist das Ausmaß der denkbaren Eingriffe größer, als es zunächst den Anschein hat. Schon durch die oben skizzierte fehlende Altersabstufung verstoßen die Konfrontationsverbote gegen die Grundrechte der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit. Es ist aber auch darüber hinaus fraglich, ob es angemessen ist, dass die gestalterischen Grundrechte bei einer Indizierung gegenüber dem Jugendschutz im Einzelfall zurücktreten müssen. Immerhin werden sowohl die Kunst- und auch die Wissenschaftsfreiheit nach dem Wortlaut der Verfassung schrankenlos gewährleistet. Anders, als bei den Kommunikationsfreiheiten, ist eine Einschränkung durch den Jugendschutz als Sonderrecht nicht explizit vorgesehen. Auch sind die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit besonders wesentlich für die Pluralität in der Demokratie, so dass ihnen im Verfassungsgefüge ein hoher Wert zukommt. Darüber hinaus beziehen sich die Verbreitungsverbote an Kinder und Jugendliche zwar nicht originär auf den kreativen Prozess an sich – also die Herstellung des Werkes. Sie strahlen aber auch auf den Werkbereich der Kunst aus. Denn eine schlechte Verbreitung des künstlerischen Werkes aufgrund der Indizierung kann sich auf die zukünftige kreative Arbeit inhaltlich auswirken (z. B. die Wahl des Themas oder die Ausgestaltung des Werkes) – sei es bewusst oder unbewusst1244. Auf der anderen Seite muss aber auch die Kunst- und die Wissenschaftsfreiheit Grenzen haben, die ihr durch die Verfassung selbst gesetzt werden. Es ist dabei mittlerweile anerkannt, dass das Persönlichkeitsrecht der Kinder und Jugendlichen, auch im Gewand des Jugendschutzes, die freie Verbreitung von Kunst und Wissenschaft beschränken darf1245. Hierbei handelt es sich schließlich gleichermaßen um ein hohes verfassungsrechtliches Gut. Allerdings darf eine Einschränkung erst nach einer umfassenden Abwägung der konkret widerstreitenden Aspekte im Einzelfall erfolgen. Lediglich dann, wenn der Grad der Gefährdung für Minderjährige schwerwiegend ist, kommt eine Einschränkung der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit in Betracht. Gesetze dürfen sich regelmäßig auch nur auf den Wirkbereich dieser Grundrechte beziehen, also ihre Vermittlung. Nur, wenn die Entstehung und die Vermittlung zeitlich und räumlich zusammenfallen (z. B. bei einem künstlerischen „Happening“), ist ausnahmsweise auch ein Eingriff in den Werkbereich, also die Entstehung des Werkes, möglich1246. 1244 1245 1246

S. 91.

Vgl. zu dieser viel zitierten „Schere im Kopf“ Frenzel, AfP 02, S. 195 m. w. N. BVerfGE 83, S. 139; BVerwGE 91, S. 215. Maunz/Dürig/Scholz, Art. 5 III Rn. 70; Meirowitz, S. 238; Müller, JZ 70,

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

Wenn man von dem Erfordernis einer altersabgestuften Indizierung absieht, erscheinen die Bereitstellungsverbote gegenüber Kindern und Jugendlichen im Lichte des Art. 5 Abs. 3 GG noch als angemessen. Dem hohen Gut der Kunstfreiheit steht das hohe Gut des Jugendschutzes gegenüber, wobei keinem ein grundsätzlicher Vorrang einzuräumen wäre. Starre, generalisierte Lösungen, verbieten sich. Das Indizierungsrecht ermöglicht durch § 18 Abs. 3 Nr. 2 JuSchG die gebotene Einzelfall-Lösung: Eine Listenaufnahme muss ausbleiben, wenn das Werk trotz seiner Jugendgefährdung der Kunst und Wissenschaft dient. Umgekehrt ist sie möglich, wenn die Interessen des Jugendschutzes im Einzelfall überwiegen. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Gleichwohl bleibt es im Ergebnis bei der Unvereinbarkeit der undifferenzierten Indizierungsfolgen mit der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit. Art. 5 Abs. 3 GG ist also verletzt. d) Vereinbarkeit mit der Berufsfreiheit Durch die Abgabe- und Vorführbeschränkungen an Kinder und Jugendliche wird auch in den Schutzbereich der freien Berufsausübung von Medienunternehmern, Gewerbetreibenden und Medienerzeugern eingegriffen. Diese können ihre Produkte nicht frei an Minderjährige verkaufen, vermieten oder sonst inhaltlich präsentieren. Der Eingriff betrifft die Betätigung ihres Berufes. Solche Berufsausübungsbeschränkungen sind zulässig, wenn sie keine unverhältnismäßige Beeinträchtigung für die Grundrechtsträger darstellen und es sachgerechte Erwägungen des Gemeinwohls gibt, die sie zweckmäßig erscheinen lassen1247. Das geltende Indizierungsrecht kennt keine Altersabstufungen und ist dadurch – wie schon dargestellt – unverhältnismäßig. Diese Unverhältnismäßigkeit betrifft nicht nur die Informationsfreiheit der Kinder und Jugendlichen und die Kommunikationsfreiheiten der Hersteller und Verbreiter, sondern schlägt auch auf die Berufsfreiheit der Unternehmer durch, die mit den indizierten Medien ihr Geld verdienen wollen. Es ist nicht einzusehen, warum sie Minderjährigen ihre Produkte vorenthalten müssen, obwohl diese sie ohne Gefahr für ihre Entwicklung konsumieren könnten. Unabhängig davon ist es aber verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber indizierte Medien bestimmten Kindern und Jugendlichen durch Abgabeverbote vorenthalten möchte. Dies dient dem Schutz ihrer persönlichen Entwicklung und damit einem Gemeinschaftsanliegen von überragendem Interesse. Zwar geht die Indizierung grundsätzlich auch 1247

BVerfGE 7, S. 377; Lexikon/Dederer, Stichwort: Berufsfreiheit, S. 10.

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mit einem deutlich erschwerten Absatz an Erwachsene einher, doch besteht für diese meist die Möglichkeit, sich solche Produkte in Spezialgeschäften, über den Versandhandel oder via Internet-Download zu besorgen. Damit können Unternehmer ihre Produkte noch ausreichend an Erwachsene absetzen1248. Dass sie auf ein möglicherweise lukratives Geschäft mit minderjährigen Käufern verzichten müssen, ist angesichts des hohen Gutes Jugendschutz als angemessen zu betrachten und hinzunehmen. Die Abgabe- und Präsentationsverbote an Kinder und Jugendliche verstoßen letztlich aber wegen Unverhältnismäßigkeit aufgrund fehlender Altersabstufungen gegen die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG. e) Vereinbarkeit mit der Eigentumsfreiheit Durch die Verbote wird die Eigentumsfreiheit regelmäßig nicht tangiert, soweit es sich bei den Betroffenen um Medienunternehmer und Gewerbetreibende handelt. Zwar dürfen sie über ihr Eigentum nicht uneingeschränkt verfügen und es zum Beispiel nicht an Kinder und Jugendliche verkaufen oder es ihnen (kommerziell) vorführen. Doch ist durch diese Beschränkung primär ihre Berufsausübung betroffen, die Freiheit ihrer Erwerbstätigkeit. Dadurch ist aber die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 Maßstab der Grundrechtsprüfung. Die Eigentumsfreiheit findet daneben keine Anwendung. Anders kann es sein, wenn es sich um einen sonstigen Eigentümer handelt, der durch das Indizierungsrecht nicht mehr frei über sein Eigentum an den (erworbenen) indizierten Medien verfügen darf. In diesem Fall wird zwar auch die wirtschaftliche Verwertungsseite der Sache betroffen, doch ist diese nicht Inhalt der Erwerbstätigkeit des Privatmannes. Der Schutzbereich der Berufsfreiheit ist dadurch nicht eröffnet. Die Beschränkungen stellen sich systematisch als Schrankenbestimmungen der Eigentumsfreiheit dar. Diese müssen für den Eigentümer verhältnismäßig, also geeignet, erforderlich und zumutbar sein1249. Außerdem kann es im Rahmen einer legitimen Inhalts- und Schrankenbestimmung notwendig werden, Handlungszwänge oder Eigentumsnutzungsversagungen finanziell zu entschädigen1250 bzw. durch Übergangsfristen abzumildern1251. 1248 So BVerfGE 30, S. 348 in einer Entscheidung zur Zulässigkeit des Versandhandel-Verbotes mit indizierten Produkten. 1249 BVerfGE 75, S. 97 f.; BVerfGE 76, S. 238; BVerfGE 92, S. 273; Jarass/ Pieroth, Art. 14 Rn. 38 f. 1250 BVerfGE 58, S. 137 f.; zur „ausgleichspflichtigen Sozialbindung“ vgl. ausführlich von Mangold/Klein/Starck/Depenheuer, Art. 14 Rn. 212, 215 und 253 f. 1251 BVerfGE 53, S. 351; BVerfGE 58, S. 351; BVerfGE 71, S. 144.

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

Die fehlenden Altersabstufungen im Indizierungsrecht schlagen auch hier durch, da Grundrechte durch unverhältnismäßige Eingriffe nicht wirksam eingeschränkt werden können. Allerdings bestehen im Übrigen keine Bedenken gegen die Einschränkung der Eigentumsfreiheit durch die Konfrontationsverbote für Kinder und Jugendliche. Der Zweck ist so bedeutsam, dass die volle Verwertungsmöglichkeit des Eigentums insoweit zurückstehen muss. Durch die geringe Intensität des Eingriffes ist dafür auch kein finanzieller Ausgleich im Einzelfall erforderlich. f) Ergebnis Das Abgabe- und Bereitstellungsverbot indizierter Medien an Kinder und Jugendliche verstößt gegen die Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG, die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG, die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG und – soweit anwendbar – die Eigentumsfreiheit gemäß Art. 14 Abs. 1 GG. 2. Die Vertriebsverbote im Einzel- und Versandhandel § 15 Abs. 1 Nr. 3 (ggf. i. V. m. Abs. 2) JuSchG legt fest, dass indizierte Trägermedien generell nicht im Einzelhandel außerhalb von Geschäftsräumen, in Kiosken oder anderen nicht betretbaren Verkaufsstellen angeboten oder überlassen werden dürfen. Das Gleiche ist festgelegt für den Versandhandel und gewerbliche Leihbüchereien oder Lesezirkel. Verstöße werden gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 JuSchG bestraft. a) Vereinbarkeit mit den Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 GG Durch diese Vertriebsverbote ist das Geschäft mit indizierten Trägermedien erheblich erschwert. Die Verbote betreffen schließlich nicht nur die Abgabe an Kinder und Jugendliche, sondern auch die Abgabe an Erwachsene. aa) Eingriff in den Schutzbereich Da die Indizierung auf inhaltlichen Kriterien beruht, ist nicht allein der Schutzbereich der Berufsfreiheit berührt. Es wird auch der kommunikative Lebensbereich tangiert, den Art. 5 Abs. 1 GG vor Beeinträchtigungen schützt1252. 1252

So auch: BVerfGE 30, S. 347.

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bb) Verfassungsmäßige Rechtfertigung Einschränkungen des Schutzbereiches sind gemäß Art. 5 Abs. 2 GG möglich, wenn dadurch die Jugend geschützt werden soll. Daran kann man konkret zweifeln; schließlich ist die Abgabe an Jedermann versagt. Doch geschieht auch dies mit einem Bezug zum Schutz von Kindern und Jugendlichen. Geschäfte mit indizierten Medien sollen sich nach dem Willen des Gesetzgebers nicht in der Öffentlichkeit unter den Augen von Minderjährigen vollziehen. Einerseits sollen dadurch mögliche Gefährdungen ausgeschlossen werden. Andererseits soll schon gar kein Interesse von Minderjährigen an jugendgefährdenden Produkten geweckt werden1253. Im Versandhandel erklärt sich das Verbot des Handels mit indizierten Trägermedien zusätzlich aus der Anonymität des Geschäfts. Es lässt sich hier nicht ohne Weiteres sicherstellen, dass lediglich Erwachsene im Versand bestellen bzw. die Produkte entgegennehmen1254. Zu klären bleibt aber, ob das generelle Verbot verhältnismäßig zum bewirkten Schutz ist. (1) Geeignetheit Die Vertriebsverbote sind faktisch geeignet, für einen besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen zu sorgen. Anonyme Bestellungen von Minderjährigen im Versandhandel werden bei gesetzestreuem Verhalten der Unternehmer verhindert. Beschaffungen über Dritte (Freunde, Bekannte, Geschwister), die durch Neugierde motiviert sind, können zumindest verringert werden. Letzteres gilt auch für Kioske, nicht begehbare Ladengeschäfte und gewerbliche Leihbüchereien, in denen Geschäfte mit indizierten Trägermedien nicht mehr von Minderjährigen beobachtet werden können. Bei Lesezirkeln schließlich wird durch das absolute Verbreitungsverbot das Risiko eines Zufallsfundes bzw. einer Zufallslektüre durch Kinder und Jugendliche deutlich verringert. (2) Erforderlichkeit Es ist aber zu prüfen, ob die Totalverbote tatsächlich die mildesten unter den gleich geeigneten Maßnahmen darstellen. Selbstverpflichtungen der Versandhändler, Kioskbesitzer und Kleinunternehmer, keine indizierten Medien an Minderjährige abzugeben, würden das Einwirkungsniveau wohl verringern, wären aber nicht gleich effektiv. 1253 Vgl. dazu BT-Drcks. 1/1101, S. 11; Erbs/Steindorf, § 4 GjSM Rn. 2; Scholz/ Liesching, § 15 Rn. 7; Ukrow, S. 196 Rn. 373; Nikles, § 15 Rn. 23. 1254 BVerfGE 30, S. 349.

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Besondere Zuverlässigkeitsprüfungen oder schärfere Sanktionen könnten einem möglichen Missbrauch zwar vorbeugen, würden jedoch nicht die Gefahr verringern, dass Minderjährige zufällig Geschäfte mit indizierten Medien beobachten und dadurch neugierig auf die Produkte werden1255. Es könnte aber ein milderes Mittel sein, den Vertrieb in Kiosken, dem sonstigen Einzelhandel, gewerblichen Leihbüchereien, Lesezirkeln oder dem Versandhandel immer dann zuzulassen, wenn sichergestellt ist, dass Kinder und Jugendliche nicht an dem Geschäft beteiligt sind und sie es auch nicht beobachten können. Im Versandhandel ist dieser Ansatz schon verfolgt worden: Jugendgefährdende Produkte dürfen ausgeliefert werden, wenn durch technische oder sonstige Kontrollen sichergestellt ist, dass kein Versand an Kinder und Jugendliche erfolgt. Dies ergibt sich nicht allein aus § 15 Abs. 1 Nr. 3 JuSchG. Es erschließt sich aber durch einen zusätzlichen Blick in § 1 Abs. 4 JuSchG, der den Begriff des Versandhandels legaldefiniert. Rein wirtschaftlich betrachtet liegt zwar auch beim Versand von indizierten Produkten an Erwachsene ein Versandhandel vor. Jugendschutzrechtlich allerdings führen effektive Konfrontationsbarrieren im Rahmen des Versandes zu einer abweichenden Einordnung. Es handelt sich dann nicht um einen ausnahmsweise erlaubten Versandhandel, sondern um gar keinen Versandhandel nach dem Jugendschutzgesetz. Versandgeschäfte mit indizierten Trägermedien sind deshalb nicht von § 15 Abs. 1 Nr. 3 JuSchG berührt, wenn es effektive Sicherungsmechanismen gibt, die eine Konfrontation der Ware mit Kindern und Jugendlichen ausschließen. Bei Kiosken, anderen nicht begehbaren Ladengeschäften sowie Leihbüchereien und Lesezirkeln ist der Vertrieb dagegen auch dann verboten, wenn sich die Händler so verhalten, dass Minderjährige nicht in Kontakt mit den indizierten Produkten kommen können. Diese Ungleichbehandlung der verschiedenen Verbreitungsformen ist fragwürdig. Dass international operierende Versandhändler zuverlässiger sind als nationale Kiosk-Besitzer oder Betreiber von Leihbüchereien, dürfte eine gewagte These sein. Hinzu tritt, dass es gerade bei den vom Gesetz im Versandbereich zugelassenen technischen Sicherung immer Manipulationsmöglichkeiten gibt, die nicht weniger massiv sein dürften, als die Wahrscheinlichkeit, dass Kioskbesitzer sich fahrlässig oder bewusst rechtsbrüchig bei Geschäften mit indizierten Produkten verhalten. Im Versandhandel kann es durch Technik-Manipulationen sogar zu einer Gefährdung von Kindern und Jugendlichen kommen, obwohl sich die Betreiber des Versandhandels normkonform verhalten und Minderjährige nicht mit indizierten Trägermedien konfrontieren wollen. 1255

Ebenda.

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Trotz dieser Überlegungen geht der Gesetzgeber offenbar davon aus, dass ein „eingeschränktes“ Vertriebsverbot im Einzelhandel als mildere Maßnahme weniger effektiv wäre als die bestehenden absoluten Verbreitungsverbote. Dies ist höchst zweifelhaft, lässt sich letztlich für Zufallsbeobachtungen von Kindern und Jugendlichen aber nicht völlig entkräften. Die Einschätzung des Gesetzgebers ist dadurch nicht ganz offensichtlich fehlsam und gerade noch von seinem gesetzgeberischen Einschätzungsspielraum gedeckt. (3) Angemessenheit Die Frage der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne lässt sich bei den kaufmännischen Vertriebsverboten nicht einheitlich beantworten. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen ist ein wichtiges Gemeinschaftsanliegen. Wenn durch Vertriebs-Beschränkungen ihr Schutz effektiver garantiert werden kann, können dadurch auch die Kommunikationsgrundrechte für alle wirksam eingeschränkt werden. Einmal bringt das Grundgesetz in Art. 5 Abs. 2 GG selbst zum Ausdruck, dass die Kommunikationsgrundrechte dem Jugendschutz weichen müssen, wenn es erforderlich und verhältnismäßig ist. Zum anderen bleiben die Auswirkungen auf die Meinungsgrundrechte im konkreten Fall noch überschaubar. Denn selbst, wenn Vermietungs-Geschäfte in Leihbüchereien und Lesezirkeln etc. untersagt sind, bleiben in der Regel noch alternative Verbreitungswege als Kommunikationskanäle eröffnet (z. B. der Verkauf in Spezialgeschäften an Erwachsene, Internet-Angebote etc.). Beim Versandhandel ist auch das Totalverbot gerechtfertigt, weil es wegen der Anonymität des Geschäftes unmöglich ist, das Alter der Vertragschließenden zu überprüfen1256. Faktisch besteht hier auch trotz des Verbotes die Möglichkeit, indizierte Waren auf dem Versandwege zu übermitteln. Erforderlich ist nur, dass für eine effektive technische oder persönliche Alterskontrolle gesorgt wird. Dies bedeutet zwar einen gewissen persönlichen Aufwand und auch Kosten1257. Der Aufwand hält sich finanziell und organisatorisch aber noch im Rahmen und sorgt zudem für einen effekti1256 BVerfGE 30, S. 349 f.; BVerfGE 77, S. 356; BVerwG NJW 77, S. 1411; OLG Düsseldorf NJW 84, S. 1978; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron/Eisele; SK/ Horn/Wolters, § 184 Rn. 25; Müko/Hörnle, § 184 Rn. 60; Beisel, S. 214 (zum GjS); Meirowitz, S. 247 (zum GjS); Schroeder, S. 42 (zum GjS); LK/Laufhütte, § 184 Rn. 27; Ukrow, S. 197 Rn. 375 Fn. 244. 1257 Mit einer „Face-to-Face“-Kontrolle wird in der Regel ein Zustellungsunternehmen (z. B. Deutsche Post oder DPD) beauftragt, wobei dieses seine Dienste üblicherweise in Rechnung stellt.

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veren Jugendschutz. Durch das Versandhandelsverbot kann sowohl die geplante als auch die zufällige Konfrontation von Minderjährigen mit indizierten Produkten deutlich verringert werden. Hinter diesem Anliegen müssen die Kommunikationsfreiheiten zurückstehen. Anders sieht es aus beim Totalverbot des Vertriebes indizierter Medien in gewerblichen Leihbüchereien. Hier gibt es rechtlich keine Möglichkeit, das Angebots-Sortiment durch effektive Sicherungen auch auf indizierte Trägermedien zu erweitern. Faktisch wäre das aber durchaus möglich, etwa durch separate Vermietungsräume, die nicht für Kinder und Jugendliche zugänglich und einsehbar sind. Das Totalverbot ist hier unverhältnismäßig. Denn der zusätzliche Erfolg, der mit einem absoluten gegenüber einem eingeschränkten Vermietverbot erreicht werden kann, ist minimal. In einer geschlossenen Räumlichkeit wie einer Leihbücherei besteht der Schutzgewinn des Totalverbotes gegenüber einem eingeschränkten Verbot nicht darin, dass hierdurch unmittelbar verbotene Geschäfte mit Minderjährigen verhindert werden können. Will sich der Händler nicht rechtstreu verhalten, um bessere Geschäfte zu machen, wird er sowohl ein Totalverbot als auch ein eingeschränktes Verbot gleichermaßen ignorieren. Der Gewinn besteht auch nicht darin, dass Kinder und Jugendliche solche Produkte nicht mehr direkt zu Gesicht bekommen oder die Abwicklung von Geschäften mit indizierten Produkten nicht mehr konkret sinnlich wahrnehmen können. Alles dies würde auch bei einer Jugendschutz-Barriere im Rahmen eines eingeschränkten Vermietverbotes erreicht werden können. Der Schutz-Gewinn besteht lediglich darin, dass Kinder und Jugendliche überhaupt nicht mehr mit Personen in einem Geschäft zusammen kommen können, die dort indizierte Trägermedien ausleihen wollen. Dadurch wird es noch etwas unwahrscheinlicher, dass Minderjährige einen flüchtigen Blick auf diese Produkte „erhaschen“. Ein anderer, allerdings äußert theoretischer Schutz-Gewinn, ist darin zu sehen, dass Kinder und Jugendliche nicht mit einem für sie verschlossenen Zugang in einer Leihbücherei konfrontiert werden und dadurch keine allgemeine Neugierde entwickeln, was sich denn dahinter verbergen könnte. Bei einer wertenden Zusammenschau erscheint dieser Schutz-Gewinn als zu gering, um ein vollständiges Vertriebsverbot indizierter Trägermedien auch für Erwachsene in gewerblichen Leihbüchereien zu rechtfertigen1258. 1258

So im Ergebnis auch: Schreibauer, S. 224 f.; Beisel, S. 216; Schroeder, JR 77, S. 231 f.; derselbe, S. 43; Vlachopoulos, S. 63 Fn. 181 (alle zum GjS); Schönke/ Schröder/Lenckner/Perron/Eisele, § 184 Rn. 17; Greger, NStZ 86, S. 12; a. A. Scholz/Liesching, § 15 Rn. 7; Nikles, § 15 Rn. 23; Ukrow, S. 53 Rn. 81; Meirowitz, S. 317 (zum GjS); LK/Laufhütte, § 184 Rn. 30; Tröndle/Fischer, § 184 Rn. 12.

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Das verdeutlichen noch weitere Überlegungen. Trotz des rigiden Vertriebsverbotes kann auch in den Leihbüchereien nicht jeder flüchtige Blick eines Kindes auf indizierte Trägermedien unterbunden werden. Denn das Gesetz verbietet es Erwachsenen nicht, woanders erworbene indizierte Produkte (zum Beispiel in einer Einkaufstüte) in die gewerbliche Leihbücherei mitzunehmen. Die Möglichkeit des „flüchtigen Blicks“ bleibt für Minderjährige also erhalten. Außerhalb der Leihbibliothek fehlt der erstrebte „innerräumliche Schutz“ dann gänzlich: Im großen Kaufhaus, auf der Straße, in der überfüllten Fußgängerzone und sogar in der Videothek, in der nur ein eingeschränktes Vermietverbot gilt. Das erscheint nicht gerechtfertigt. Soweit durch das Totalverbot bezweckt ist, die allgemeine Neugierde von Minderjährigen gar nicht erst in einer Leihbücherei entstehen zu lassen, bleibt nur festzustellen, dass diese Neugierde dann spätestens durch die Außenbeschilderung eines „Sex-Shops“ geweckt werden kann. Und das viel direkter und plastischer, als durch eine verschlossene Tür bzw. ein nüchternes Schild in einer Leihbibliothek, das den Zugang zu einer Etage für Personen unter 18 Jahren verbietet. Spätestens hier zeigt sich das Dilemma des § 15 Abs. 1 JuSchG. Die Verbots-Differenzierungen zwischen den Vertriebsformen haben keine systematische Stringenz und gehen von einem veralteten Nutzer- und Bezugsverhalten aus. Das erschwert es, die legislativen Wertungen als verbindlich und schlüssig anzuerkennen. Im Ergebnis ist jedenfalls das Totalverbot des Vertriebes von indizierten Trägermedien in Leihbüchereien unzulässig. Es besteht ein Missverhältnis von Schutz-Mehrwert einerseits und Grundrechtsbeeinträchtigung andererseits. Dieses kann auch der gesetzgeberische Gestaltungs- und ErmessensSpielraum nicht mehr relativieren. Selbst, wenn es bei den Beeinträchtigungen in erster Linie um wirtschaftliche Verluste und die Einschränkung unternehmerischer Entscheidungen geht, ist nicht einzusehen, warum die kommunikative Verbreitung derart eingeschränkt werden muss. Das Verbot des Vertriebes indizierter Trägermedien im Einzelhandel außerhalb von Geschäftsräumen ist dagegen noch angemessen. Hier kann im Massenbetrieb selbst bei persönlicher Kontrolle des Personals nur schwer sichergestellt werden, dass kein Minderjähriger die Produkte aus Interesse anschaut, durchblättert oder sich interessante Titel notiert, um den Inhalt dann z. B. via Internet herunterzuladen. Wirksamen Schutz könnten hier nur bauliche Vorrichtungen wie „Sicherheits-Schleusen“ garantieren. Das ist bei einem Verkauf außerhalb des Ladengeschäftes an „Wühltischen“ aber schon begrifflich ausgeschlossen. Die Maßnahmen sind auch noch verhältnismäßig, da es für Erwachsene alternative Beschaffungsmöglichkeiten gibt und der Eingriff in die kommunikative Verbreitung dadurch nicht so gravierend ins Gewicht fällt.

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Schwieriger ist die Beurteilung der Angemessenheit bei den von den Verboten betroffenen Kiosken und Verkaufsstellen, die Kunden gewöhnlich nicht zu betreten pflegen. Es mag sein, dass ein Kiosk ohne Ausstellung seines Angebotes nicht ertragreich wirtschaften kann1259. Das gilt aber nur dem Grunde nach und belegt in keiner Weise, dass sich Kioskbesitzer deshalb weniger rechtstreu verhalten als andere Unternehmer1260. Interessierte Kunden werden bei fehlender – weil verbotener – Werbung für indizierte Trägermedien im Zweifel einfach fragen, ob ihr Kiosk-Unternehmer solche Hefte unter der Ladentheke hat oder nicht. Solange der Gesetzgeber keine konkreten Anhaltspunkte für die Unredlichkeit der Kiosk-Unternehmer liefert, kann die Unterstellung rechtswidrigen Verhaltens nicht Grundlage einer vorsorglichen Einschränkung der Kommunikationsgrundrechte sein1261. Denn es ist auch nicht ersichtlich, wieso bei Kiosken das Risiko größer sein soll, dass Kinder indizierte Trägermedien zu sehen bekommen, als in anderen Geschäften. Werden indizierte Trägermedien nur unter der Ladentheke vorrätig gehalten und bei Wunsch an Erwachsene (ggf. nach Alterskontrolle) in einer blickdichten Tüte ausgegeben, ist die Chance einer Konfrontation „gleich Null“. Der imperative Eingriff des Totalverbotes ist in seiner Schärfe nicht angemessen. Hier wird sprichwörtlich mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Das Verbot verstößt deshalb gegen die Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG1262. Das gilt auch für die Versagung des Umlaufs von indizierten Inhalten in kommerziellen Lesezirkeln1263. Wenn sichergestellt ist, dass jugendgefährdende Zeitschriften nur an erwachsene Leser vertrieben werden und während des Umlaufs blickdicht verpackt bzw. gegen einen unerlaubten Zugriff speziell gesichert sind, besteht keine Notwendigkeit, den Vertrieb vollständig zu untersagen. Dadurch, dass es verboten ist, indizierte Medien (auch fahrlässig) an Minderjährige abzugeben oder für sie wahrnehmbar zu halten, entsteht auch keine Schutzlücke, wenn das Produkt des Lesezirkels am Bestimmungsort angelangt ist. Die gegenwärtige Rechtslage stellt deshalb einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG dar. 1259

Meirowitz, S. 247. Zweifelnd auch: Schroeder, S. 43. 1261 Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1 § 23 Rn. 10; Müko/Hörnle, § 184 Rn. 60; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron/Eisele, § 184 Rn. 17; a. A. OLG Stuttgart, NJW 76, S. 530; Scholz/Liesching, § 15 Rn. 7; Meirowitz, S. 247. 1262 So auch i. E. (unter besonderer Betonung einer Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG): Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/1 § 23 Rn. 10; Müko/Hörnle, § 184 Rn. 60; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron/Eisele, § 184 Rn. 17; a. A. BVerfG, Urt. v. 24.5.1976 MSP 2/1976, S. 73 (zum GjS); Scholz/Liesching, § 15 Rn. 7; Ukrow, S. 196 Rn. 373; Meirowitz, S. 247 (zum GjS). 1263 So auch: Schroeder, JR 77, S. 233 (zum GjS); Schreibauer, S. 225. 1260

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(4) Zwischenergebnis Die Totalverbote, indizierte Trägermedien im Versandhandel oder im Einzelhandel außerhalb von Geschäftsräumen zu vertreiben, verstoßen nicht gegen Art. 5 Abs. 1 GG. Dagegen sind die Vertriebsverbote für gewerbliche Leihbüchereien, Lesezirkel und Kioske sowie Ladengeschäfte, die der Kunde gewöhnlich nicht betritt, unverhältnismäßig und verstoßen gegen das Grundrecht. b) Vereinbarkeit mit der Berufsfreiheit Die Vertriebsverbote berühren noch viel nachhaltiger die freie unternehmerische Entscheidung der Händler und Gewerbetreibenden. Sie können die indizierten Produkte weder an Minderjährige noch an Erwachsene vertreiben. Dadurch entgehen ihnen lukrative Geschäfte in einem kompletten Geschäfts-Segment. Diese erhebliche Beeinträchtigung der Berufsausübung erfolgt aus vernünftigen Gründen des Gemeinwohles, nämlich um Kinder und Jugendliche vor gefährlichen Inhalten zu schützen. Aufgrund der schweren Intensität des Eingriffs sind die gesetzgeberischen Entscheidungen aber nur für den Versandhandel und den Einzelhandel außerhalb von Geschäftsräumen verhältnismäßig. Bei den Verboten für die gewerblichen Leihbüchereien und Lesezirkel sowie für Kioske und sonstige nicht begehbare Verkaufsstände stehen der Nutzen und die absolut Tragweite der Regelung aus den schon genannten Gründen in einem erheblichen Missverhältnis zueinander. Dadurch fehlt es an der nötigen Angemessenheit des Eingriffs. § 15 Abs. 1 Nr. 3 verstößt daher partiell gegen Art. 12 Abs. 1 GG. c) Vereinbarkeit mit der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit Art. 5 Abs. 3 GG schützt auch den Wirkbereich der Kunst und Wissenschaft, also die freie künstlerische Verbreitung. Allerdings ist davon nur die unentbehrliche Vermittlung des Kunstwerkes bzw. Wissenschaftswerkes betroffen, also die Möglichkeit, es überhaupt für andere wahrnehmbar zu machen. Trotz der Verbote des § 15 Abs. 1 Nr. 3 GG gibt es die Möglichkeit für Erwachsene, sich indizierte Kunstwerke und wissenschaftliche Werke in Spezialgeschäften zu besorgen. Man kann bereits zweifeln, ob durch das Vermietverbot ein Eingriff in die Kunstfreiheit vorliegt. Allerdings ist es zumindest bei Büchern und Periodika so, dass nicht nur die Vermietung, sondern auch der Verkauf im Spezialgeschäft oder die Ersatzbeschaffung über das Internet bzw. den Versandhandel nach der Indizierung schwierig wird. Dies spricht für einen Eingriff in den Wirkbereich der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit. In Bezug auf die Leihbüchereien und Lesezirkel lässt sich dieser

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Eingriff aus den schon genannten Gründen nicht rechtfertigen. Dadurch verstößt § 15 Abs. 1 Nr. 3 GG zumindest partiell gegen Art. 5 Abs. 3 GG. d) Vereinbarkeit mit der Eigentumsfreiheit Die Vertriebsverbote berühren im Schwerpunkt die Freiheit der Händler und Gewerbetreibenden, sich auf dem Markt unternehmerisch zu betätigen. Es geht um das „wie“ und „wieviel“ ihres beruflichen Handelns. Dadurch ist die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG Maßstab der Grundrechtsprüfung. Ihr Schutz überlagert inhaltlich die Eigentumsfreiheit, die daneben keine Anwendung findet. e) Vereinbarkeit mit dem Gleichbehandlungsgebot Art. 3 Abs. 1 GG begründet einen Anspruch darauf, dass wesentlich gleiche Sachverhalte nicht ohne sachlichen Grund ungleich behandelt werden1264. Eine Ungleichbehandlung liegt bei den Vertriebsverboten konkret in den voneinander abweichenden Regelungen für Leihbibliotheken und Leihvideotheken. Während für Leihbüchereien gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 3 GG ein absolutes Vermietungsverbot von indizierten Produkten besteht, können Videotheken gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 4 GG jugendgefährdende Trägermedien an Erwachsene vermieten, wenn das Verleih-Geschäft für Kinder und Jugendliche nicht zugänglich ist und auch nicht von ihnen eingesehen werden kann. Sachlich und inhaltlich ist der Vorgang identisch. Es geht um die kommerzielle Vermietung von jugendgefährdenden Medien. Unterschiede bestehen lediglich bei der Art des Speichermediums: In Leihbüchereien werden Bücher, Zeitschriften, Comics und andere Printmedien vermietet. In Videotheken sind es zum Teil noch Videos, in erster Linie aber DVDs. Rechtfertigende Gründe für die Regelungsunterschiede könnten ein besonders gefährlicher Massenvertrieb oder eine besonders starke Verkörperung der Jugendgefährdung sein, die in dem Charakter der unterschiedlichen Medientypen begründet ist. Beide Kriterien müssten jedoch zu einer Bevorzugung der Leihbüchereien führen. Hinsichtlich des Geschäftsumfanges ist zu konstatieren, dass es kommerzielle Presse-Vermietungen heute kaum noch gibt. Die Nutzung der Lesezirkel ist stark rückläufig1265. Dagegen wurden in Deutschlands Vi1264 1265

BVerfGE 1, S. 52 (st. Rspr.). Nikles, § 15 Rn. 27.

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deotheken im letzten Jahr 112 Millionen DvDs und Videos vermietet1266. Das Massengeschäft, auch mit indizierten Horror- und Gewaltproduktionen, wird eindeutig hier abgewickelt. Davon, dass Printprodukte tendenziell jugendgefährdender sind als audiovisuelle Produkte, kann nicht die Rede sein. Der Gesetzgeber hat mit seinen Kennzeichnungs-Pflichten für Bildträger gemäß § 14 Abs. 2 JuSchG bekräftigt, dass er visuell-akustische Medien als besonders wirkungsträchtig ansieht. Das bestätigt auch die moderne Wirkungsforschung. Mit dieser Einschätzung verträgt es sich nicht, gerade den Vertrieb dieser Medien bei bestimmten baulichen Gegebenheiten zu ermöglichen, eine Privilegierung des Vertriebes bei den Printprodukten jedoch zu versagen1267. Auf das Kriterium der medientypischen Verstärkung von Jugendgefährdung kommt es streng genommen aber beim konkreten Vergleich gar nicht an. Denn es geht bei beiden Vermietverboten um indizierte Trägermedien. Die Jugendgefährdung steht also in jedem Fall fest. Es ist deshalb völlig nebensächlich, ob es sich bei dem Mietobjekt um ein Printprodukt handelt oder um eine DVD bzw. ein Video. Das Gefährdungspotential ist jedenfalls so groß, dass ein Wirkungsrisiko für Kinder und Jugendliche besteht. Im Ergebnis lässt sich kein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung von Audio- und Bildträgern einerseits und Printmedien andererseits finden. § 15 Abs. 1 Nr. 3 JuSchG verstößt daher hinsichtlich des Vermietverbotes für Leihbüchereien gegen Art. 3 Abs. 1 GG1268. f) Ergebnis § 15 Abs. 1 Nr. 3 JuSchG verstößt gegen die Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 (soweit anwendbar), Art. 12 Abs. 1 und den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. 3. Das (eingeschränkte) Vermietverbot Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 4 (ggf. i. V. m. Abs. 2) JuSchG dürfen indizierte Trägermedien nicht gewerblich vermietet werden. Eine Ausnahme sieht das Gesetz vor, wenn die Vermietung oder eine ähnliche gewerbliche Gebrauchs1266

Quelle: GfK-Studie im Auftrag des Interessenverbandes des Video- und Medienfachhandels Deutschland, abrufbar unter www.ivd-online.de/marktdaten.html (Abruf: 31.07.2007). 1267 Greger, NStZ 86, S. 8 f.; Müko/Hörnle, § 184 Rn. 60; Schönke/Schröder/ Lenckner/Perron/Eisele, § 184 Rn. 17. 1268 Ebenda; a. A. Meirowitz, S. 318.

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gewährung in einem Ladengeschäft abgewickelt werden, das für Kinder und Jugendliche nicht zugänglich ist und von ihnen auch nicht eingesehen werden kann. Verstöße werden gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 JuSchG geahndet. a) Vereinbarkeit mit den Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 GG Diese Einschränkung der Geschäftsabwicklung berührt die Kommunikationsbeziehungen von Herstellern und Rezipienten. Sie greift dadurch in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG ein. Besonder betroffen sind die Filmfreiheit und die Meinungsfreiheit. aa) Legitimer Zweck Grundsätzlich kann der Gesetzgeber im Lichte des Art. 5 Abs. 2 GG auch Beschränkungen für Erwachsene anordnen, wenn diese einen effektiveren Jugendschutz befördern. Die Vertriebsbeschränkung wurde geschaffen, um das Geschäft mit indizierten Trägermedien von den restlichen Mietgeschäften räumlich vollständig zu trennen. Der Gesetzgeber verspricht sich davon einen besseren Konfrontationsschutz für Kinder und Jugendliche. Ihnen sollen nicht nur die Inhalte an sich verborgen bleiben, sondern auch die reine Geschäftsabwicklung, damit erst gar keine Begehrlichkeiten und kein Interesse durch die Beobachtung des Vorganges geweckt werden1269. Diese Zwecke sind nachvollziehbar und legitim. bb) Geeignetheit Es ist auch nicht auszuschließen, dass Kinder und Jugendliche durch einen zufälligen Blick auf indizierte Produkte oder die „Geheimniskrämerei“ im Umfeld dieses Geschäftes neugierig werden. Sie könnten dann versuchen, an diese Produkte (auf welchem Weg auch immer) zu kommen. Dies kann bei Mietgeschäften mit indizierten Bildträgern verhindert werden, wenn Kinder und Jugendliche erst gar keinen Zutritt zu Videotheken bzw. Videotheken-Teilen haben, in denen solche Geschäfte getätigt werden. Ob das eingeschränkte Vermietverbot angesichts der Konvergenz der Medien1270 noch so effektiv ist wie früher, kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben. 1269 1270

BT-Drcks. 10/2546, S. 24 f.; vgl. dazu auch Meirowitz, S. 288. Vgl. dazu schon ausführlich Kapitel 6, III. 2. d) bb).

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Fraglich ist die Geeignetheit aber unter einem anderen Gesichtspunkt. 81% aller Videotheken vermieten nicht nur DVDs, sondern verkaufen sie auch1271. Absurderweise ist aber nur die Vermietung von jugendgefährdenden Trägermedien an die strengen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 4 JuSchG gekoppelt, nicht jedoch der Verkauf solcher Produkte. Händler müssen zwar auch beim Verkauf das Abgabeverbot an Kinder und Jugendliche (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 JuSchG) beachten, jedoch ist dafür eine komplette räumliche Trennung bei der Geschäftsabwicklung nicht zwingend vorgeschrieben. Der zusätzliche Schutz-Effekt, der bei den Mietgeschäften durch die Markttrennung von indizierten und nicht indizierten Trägermedien für Kinder und Jugendliche erreicht werden soll, wird möglicherweise in ein und derselben Videothek durch den zulässigen Verkauf an einer gemeinsamen Kasse wieder zunichte gemacht. Das Problem fällt auch insoweit ins Gewicht, als immerhin 57% aller Videotheken in Deutschland Kombi-Videotheken sind, die sowohl über eine Erwachsenen-Abteilung verfügen, als auch über eine Familienabteilung1272. Allerdings ist zu beachten, dass die Videotheken den Verkauf in der Praxis schon aus logistischen Gründen meist ebenso strukturieren wie die Vermietung. In den Kombi-Videotheken werden dann indizierte Trägermedien auch nur im Erwachsenen-Bereich vermietet und zum Verkauf angeboten. Es bleibt also im Regelfall dabei, dass der Markt getrennt ist. Unabhängig davon reicht es für die Tauglichkeit der Maßnahme aus, dass das Konfrontationsrisiko mit indizierten Inhalten jedenfalls für die restlichen 19% der Videotheken ausgeschlossen wird, die DVDs und Videos lediglich vermieten1273. cc) Erforderlichkeit Anders, als bei den Mietbüchereien, gibt es für Videotheken die Möglichkeit, eigenständige, blickdichte und selbständig begehbare Bereiche zu schaffen und in ihnen jugendgefährdende DVDs oder Videos an Erwachsene zu vermieten. Möglicherweise wäre es ein noch milderes, gleich geeignetes Mittel, bei den Videotheken auch einzelne räumliche Abgrenzungen auf derselben Verkaufsebene zuzulassen. Bisher ist es so, dass Abteilungen und Nebenräume eines Ladengeschäftes ohne separaten Zugang nicht als ausreichend angesehen werden. Das gilt selbst dann, wenn sie von der übrigen Verkaufsfläche 1271 Quelle: Befragung des Interessenverbandes des Video- und Medienfachhandels Deutschland, abrufbar unter: www.ivd-online.de/Videotheken_D.html (Abruf: 31.07.2007). 1272 Quelle: Ebenda. 1273 So i. E. auch Meirowitz, S. 289.

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abgetrennt sind – so genannte „shops in shops“1274. Auch Verschlüsse oder Vorhänge innerhalb des Ladengeschäftes ändern nichts daran, dass solche Abteilungen nicht eigenständig sind, weil sie dann immer noch über keinen separaten Zugang verfügen1275. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass Minderjährige auch bei räumlichen Separierungen innerhalb eines übergeordneten Geschäftes stärker auf Vermietungsgeschäfte mit indizierten Medien aufmerksam werden als bei einer völligen räumlichen Geschäfts-Trennung. Denn bei einer „shop-inshop“-Lösung werden die jugendgefährdenden Trägermedien zwar in einem nur Erwachsenen zugänglichen Nebenraum ausgestellt. Der Bezahlvorgang, also die Abwicklung an sich, vollzieht sich aber möglicherweise in den allgemein zugänglichen Räumen1276. Shop-in-shop-Lösungen sind deshalb zwar ein milderes Mittel, aber – unter Berücksichtigung des legislativen Einschätzungsspielraums – nicht gleich wirksam wie das eingeschränkte Vermietverbot. dd) Angemessenheit Die Bedeutung von Videotheken hat durch die Konvergenz der Medien in den letzten Jahren abgenommen. Allein zwischen 2002 und 2006 ist die Zahl der Videotheken-Kunden von 14,7 auf 9,7 Millionen gesunken1277: Erwachsene wie Minderjährige laden sich Filme und andere Medien häufig illegal und kostenfrei über das Internet herunter. Allerdings gibt es noch immer einen bedeutenden Markt für Vermietungsgeschäfte, vor allem mit DVDs. Die Videotheken in Deutschland verzeichneten 2006 einen Umsatz von 284 Millionen Euro, bei 112 Millionen vermieteten DVDs1278. Es ist also immer noch legitim, von Massengeschäften in den Videotheken zu sprechen. Die Gefährdungen, die dadurch für Kinder und Jugendliche entstehen können, rechtfertigen auch flankierende Maßnahmen wie das eingeschränkte Vermietverbot. In kommunikativer Hinsicht bleiben die Verbrei1274 BT-Drcks. 10/2546, S. 23 f.; BGH NJW 88, S. 272; BayObLG NStZ 86, S. 322; LG Stuttgart, MDR 86, S. 424; zustimmend: Greger, NStZ 86, S. 12; Tröndle/Fischer, § 184 Rn. 14; Führich, NJW 86, S. 1156; Kühl, § 184 Rn. 6 a; Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, § 184 Rn. 25 b; Müko/Hörnle, § 184 Rn. 64; a. A. LG Essen, NStZ 85, S. 510; von Hartlieb, NJW 85, S. 832; SK/Horn/Wolters, § 184 Rn. 29 (abhängig von der Durchgangskontrolle). 1275 In diesem Punkt zustimmend: LG Essen, NStZ 85, S. 510. 1276 Meirowitz, S. 288. 1277 Quelle: BVV-Business-Report 2006/2007, Zahlen abrufbar unter: www. bvv-medien.de/facts/IWB2007.pdf (Abruf: 01.08.2007). 1278 Quelle: Interessenverband des Video- und Medienfachhandels Deutschland, Zahlen abrufbar unter: www.ivd-online.de/marktdaten.html (Abruf: 31.07.2007).

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tungswege trotz des Verbotes erhalten. Das Vorzeigen eines Personalausweises ermöglicht Kunden weiterhin das Ausleihen und auch Kaufen von indizierten Trägermedien in bestimmten Geschäften. Dass dabei möglicherweise eine „Hemmschwelle“ für Kunden überwunden werden muss, sich in eine „Schmuddel-Videothek“ zu begeben, sollte zwar nicht unterschätzt werden. Dies erscheint jedoch angesichts der denkbaren Verbesserungen für den Jugendschutz noch nicht außer jeglichem Verhältnis. ee) Zwischenergebnis Das eingeschränkte Vermietverbot ist verhältnismäßig. Ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 GG scheidet aus. b) Vereinbarkeit mit der Berufsfreiheit Die genannten Einschränkungen der Geschäftsabwicklung wirken sich auch auf die Berufsfreiheit aus. Durch die gesetzlichen Bestimmungen können Vermietgeschäfte mit indizierten Produkten nicht uneingeschränkt durchgeführt werden. Sie sind vielmehr allgemein an bestimmte bauliche Voraussetzungen und Sicherungsmaßnahmen gebunden. Die gesetzlichen Vorgaben stellen Berufsausübungsregelungen dar, da sie das „Wie“ der Vermietung von indizierten Produkten betreffen. Solche Berufsausübungsregelungen sind zulässig, wenn sie verhältnismäßig sind und es sachgerechte Erwägungen des Gemeinwohles gibt, die sie zweckmäßig erscheinen lassen. Insoweit bleibt das Anliegen des Gesetzgebers aktuell, das Mietgeschäft mit indizierten Medien vom Mietgeschäft mit nicht indizierten Medien zu trennen, umso auch einen zufälligen Kontakt von Kindern und Jugendlichen mit diesen Produkten auszuschließen. Hierbei handelt es sich um legitime und sachgerechte Erwägungen zum Schutze der Jugend und damit zum Allgemeinwohl. Dadurch, dass simple „shop-in-shop“-Lösungen nicht ausreichen, können auf Videothekenbetreiber erhebliche finanzielle Investitionen zukommen, wenn sie eine Kombi-Videothek betreiben wollen. Auch bindet die Überwachung der „Über 18“-Bereiche möglicherweise zusätzliches Personal und erhöht dadurch die Betriebskosten. Allerdings sind diese Belastungen nicht als unverhältnismäßig anzusehen. Eine Berufsausübung kann noch mit Gewinn erfolgen. Der Jugendschutz wird gleichzeitig gestärkt, ohne dass das Vermietungsgeschäft komplett untersagt werden muss. Hierdurch wird im Wege praktischer Konkordanz ein schonender Ausgleich der widerstreitenden Verfassungsgüter geschaffen. Das eingeschränkte Vermietverbot ist daher nicht nur tauglich und erforderlich, sondern auch angemessen. Ein Verstoß gegen die Berufsfreiheit liegt nicht vor.

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c) Vereinbarkeit mit der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit Das eingeschränkte Vermietverbot greift nicht unverhältnismäßig in das Verhältnis von Kunst/Wissenschaft und ihren potentiellen Rezipienten ein. Erwachsene können jugendgefährdende Trägermedien in Spezialgeschäften mieten und kaufen. Soweit Kindern und Jugendlichen das geistige oder schöpferische Werk vorenthalten wird, reicht die Wirkung des eingeschränkten Vermietverbotes nicht über die Abgabeverbote in Nr. 1 hinaus. Es kann auf die Ausführungen dort verwiesen werden. Im Ergebnis ist der Wirkbereich des Art. 5 Abs. 3 GG also nicht verletzt, sodass ein Verstoß gegen die darin garantierten Grundrechte ausscheidet. d) Vereinbarkeit mit der Eigentumsfreiheit Neben Art. 12 Abs. 1 GG findet die Eigentumsfreiheit beim eingeschränkten Vermietungsverbot keine Anwendung. Die zu § 15 Abs. 1 Nr. 3 GG formulierte Begründung gilt entsprechend. e) Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz Problematisch ist, dass das eingeschränkte Vertriebsverbot nur für Mietobjekte gilt – und sich nicht auch auf den Kauf indizierter Trägermedien erstreckt1279. Sowohl gegenständlich als auch inhaltlich geht es aber um die gleichen Medien. Mit guten Gründen könnte man daher vertreten, dass § 15 Abs. 1 Nr. 4 JuSchG den allgemeinen Gleichheitssatz verletzt. Allerdings gibt es beim näheren Hinsehen doch Unterschiede in der Geschäftsstruktur und Relevanz. Der Verkauf indizierter Trägermedien macht nach Informationen des Interessenverbandes des Video- und Medienfachhandels in Deutschland e. V. nur einen geringen Anteil des Geschäftes in Videotheken aus. In den Videotheken selbst mindert das den Handlungsbedarf, zumal die Geschäfte mit indizierten Produkten in der Praxis meist auch noch vollständig im separierten Bereich abgewickelt werden, also dabei nicht zwischen Vermietung und Kauf unterschieden wird. Dadurch können Kinder und Jugendliche auch beim Verkauf in den Videotheken keinen Blick (auch keinen zufälligen) auf die Produkte werfen und sich z. B. interessante Titel aufschreiben. Losgelöst von den Videotheken macht der Verkauf indizierter Produkte auf dem Verkaufsmarkt für DVDs lediglich 1% aus. Diese Produkte werden also nicht massenhaft verkauft, was auch an den gegenüber der Vermietung 1279

Nikles, § 15 Rn. 34.

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deutlich höheren Kaufpreisen liegen mag1280. Im Ergebnis ist die Ungleichbehandlung daher noch nicht gänzlich unvertretbar. f) Ergebnis Das eingeschränkte Vermietverbot ist verhältnismäßig und verstößt nicht gegen Grundrechte1281. 4. Die Werbeverbote des Jugendschutzgesetzes Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor jugendgefährdenden Trägermedien wird auch durch umfassende Werbeverbote für solche Inhalte gewährleistet. Ist ein Ort für Minderjährige zugänglich oder kann er von ihnen eingesehen werden, so dürfen jugendgefährdende Trägermedien nach § 15 Abs. 1 Nr. 6 JuSchG weder öffentlich angeboten, angekündigt noch angepriesen werden. Das Verbot erstreckt sich auch auf das Verbreiten von Trägermedien außerhalb des Geschäftsverkehrs mit dem einschlägigen Handel. Nach § 15 Abs. 4 ist es verboten, die Liste der jugendgefährdenden Medien zum Zwecke der geschäftlichen Werbung abzudrucken oder zu veröffentlichen. Bei geschäftlicher Werbung ist zudem der Hinweis darauf untersagt, dass ein Verfahren zur Aufnahme des Trägermediums oder eines inhaltsgleichen Telemediums in die Liste anhängig ist oder gewesen ist (§ 15 Abs. 5 JuSchG). a) Vereinbarkeit mit den Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 GG Die Verbote müssen sich an den Kommunikations-Grundrechten messen lassen. aa) Eingriff in den Schutzbereich Die Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Filmfreiheit und Informationsfreiheit ist von den Werbeverboten nur durch § 15 Abs. 1 Nr. 6 JuSchG tangiert. Denn lediglich hier wird die allgemeine, unmittelbare Kommunikations1280 Der Durchschnittspreis für eine DVD-Vermietung lag 2006 in den Videotheken bei 2,55 Euro. Der Verkaufspreis betrug durchschnittlich 12,90 Euro je DVD. Quelle: Interessenverband des Video- und Medienfachhandels Deutschland, Zahlen abrufbar unter: www.ivd-online.de/marktdaten.html (Abruf: 31.07.2007). 1281 So auch: Schraut, S. 82; Meirowitz, S. 318 (jeweils zum GjS).

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beziehung zur Öffentlichkeit inhaltlich beschnitten. Die Verbote der § 15 Abs. 4 und § 15 Abs. 5 JuSchG beziehen sich dagegen auf die geschäftliche Werbung. Nicht-kommerzielle Werbung (z. B. für den kostenlosen Besuch eines Konzertes, eines Films, einer Veranstaltung) wird also gar nicht erfasst. Der Schwerpunkt der Maßnahme liegt dadurch in einer Beeinträchtigung der Berufsfreiheit. Der Schutzbereich der Kommunikations-Grundrechte ist in diesem Fall nicht zusätzlich eröffnet. Bezogen auf § 15 Abs. 1 Nr. 6 JuSchG kommen Eingriffe in Art. 5 Abs. 1 GG auf verschiedenen Ebenen in Betracht: Die Meinungs-, Presseund Filmfreiheit wird möglicherweise dadurch tangiert, dass die Medienunternehmer und Hersteller daran gehindert sind, Informationen zu ihren Produkten frei zu verbreiten. Man kann zwar daran zweifeln, dass Werbung stets einen meinungsbildenden Charakter hat1282. Häufig wird es nur darum gehen, das Konsumverhalten der potentiellen Kunden positiv zu beeinflussen. Aber die Meinungsbildung der Werbung ist zumindest nicht auszuschließen1283. Möglicherweise macht die Werbung viele erst auf ein meinungsbildendes oder künstlerisches Produkt aufmerksam. Selbst wenn solche meinungsbildenden Produkte über § 18 Abs. 3 Nr. 1 JuSchG einen besonderen Schutz erfahren, ist doch nicht auszuschließen, dass sie indiziert werden. Dann behindert das Werbeverbot die Informationsfreiheit der potentiellen Rezipienten. Sie werden durch die erzwungene fehlende Werbung nicht auf indizierte Trägermedien aufmerksam gemacht und können sich dann nicht aus dieser allgemeinen Informations-Quelle unterrichten. bb) Verfassungsmäßige Rechtfertigung Die Kommunikationsfreiheiten können durch Gesetze zum Schutz der Jugend eingeschränkt werden, wenn diese verhältnismäßig sind. Das direkte Werben mit einem plastischen Vor-Augen-Führen der gefahrträchtigen Elemente wird schon durch das allgemeine Abgabeverbot an Kinder und Jugendliche unterbunden. Relativierende Verkürzung durch Momentaufnahmen oder textliche Verdichtungen, die den Bruch mit Werten lediglich andeuten, bleiben aber möglich. Auch diese können ausreichen, um Neugierde zu wecken. Es besteht jedoch kein Interesse daran, Kinder und Jugendliche auf etwas aufmerksam zu machen, das sie möglicherweise gefährdet. Dahinter steht die Überlegung, dass einmal neugierig gewordene Minderjährige versuchen könnten, sich gefährliche Inhalte über das Internet oder volljährige Geschwister, Freunde und Bekannte zu besorgen. 1282 So prüft BVerfGE 94, S. 372 die Werbeverbote für Apotheker tatsächlich allein am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG. 1283 BVerfGE 95, S. 182; BVerfGE 102, S. 365 f.; BVerfGE 107, S. 275 f.

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Das Werbeverbot ist also eine legislative Maßnahme, die das Abgabeverbot an Kinder und Jugendliche sowie die Vertriebsbeschränkungen ergänzen soll. (1) Geeignetheit Es ist nicht auszuschließen, dass Minderjährige erst durch Werbespots oder Anzeigen auf indizierte Produkte aufmerksam werden und eine Ersatzbeschaffung in die Wege leiten. Verbietet man Werbung für solche Inhalte generell oder Werbung mit einer tendenziösen Form, so lässt sich das Risiko ausschließen oder zumindest verringern. Daher ist die Maßnahme geeignet. (2) Erforderlichkeit Gegenüber dem absoluten Werbeverbot ist das eingeschränkte Werbeverbot ein milderes Mittel. Es ist nach der hier vertretenen Auffassung schon Grundlage des geltenden Rechtes1284. Unabhängig von der Entscheidung für ein absolutes oder relatives Werbeverbot, gibt es kein ersichtlich milderes Mittel, um die angestrebten Ziele gleich effektiv zu erreichen. Das Verbot ist dadurch erforderlich. (3) Angemessenheit Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit des Werbeverbotes im engeren Sinne ist schwer zu beantworten. Das liegt daran, dass die Eingriffsintensität sowohl in die kommunikative Verbreitung des Werkes (hinsichtlich des „wie“ der Verbreitung und der Verbreitungsmöglichkeit an sich) als auch in die unternehmerische Freiheit sehr stark ist. Andererseits wird durch ein Werbeverbot der Jugendschutz vor indizierten Produkten intensiver und effektiver, weil das Risiko einer Ersatzbeschaffung verringert werden kann. Unter Berücksichtigung der schwierigen Kollisionslage erscheint das Werbeverbot nur dann als angemessen, wenn sich die konkrete Werbung unmittelbar auf den jugendgefährdenden Gehalt des Trägermediums bezieht1285. Andernfalls besteht ein Missverhältnis zwischen der Schwere des Eingriffs und dem erreichten Erfolg. Zumindest bei Büchern und Schallplatten kommt ein absolutes Werbeverbot praktisch einem Verbot des Werkes 1284

Vgl. dazu oben VI. 2. mit ausführlicher Argumentation. Schroeder, S. 42; Vlachopoulos, S. 66; Knies, S. 280; Lerche, S. 110; Müller, S. 122; Bauer, JZ 65, S. 46; Schumann, NJW 78, S. 1134 (jeweils zum GjS); in diese Richtung auch: Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 15 Rn. 56. 1285

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nahe1286. Dies potenziert sich sogar noch, wenn der Autor des Werkes unbekannt ist1287. Man muss diesen faktischen Befund ernst nehmen, will man nicht die freie Zirkulation der Meinung über Gebühr erschweren. Allenfalls ein Verbot der Werbung mit jugendgefährdenden Sequenzen oder Botschaften wird dem wichtigen Gut der Kommunikationsfreiheit daher noch gerecht1288. Dadurch nimmt der Jugendschutz auch keinen übermäßigen Schaden. Bei einer neutral gehaltenen Werbung kommt der Reiz des Verbotenen nicht zum Tragen. Das Verbot tendenziöser Werbung ist daher beinahe genauso effektiv wie ein absolutes Werbeverbot. Damit ein Minderjähriger durch neutrale Werbung auf ein jugendgefährdendes Trägermedium aufmerksam wird, müssen mehrere Zufälle zusammenkommen: Er muss die Werbung sehen und sich für den Film interessieren, dann versuchen, in den Film bzw. an das Trägermedium zu kommen, aus Altersgründen abgewiesen werden und daraus schließen, dass es möglicherweise indiziert ist. Erst am Ende dieser Kausalkette stehen alternative Beschaffungsbemühungen aufgrund der neutralen Werbung. Identisches könnte bei einem absoluten Werbeverbot zwar nicht passieren. Allerdings wäre auch das absolute Werbeverbot nicht in der Lage, eine zufällige Konfrontation völlig zu unterbinden. Wenn der Jugendliche beispielsweise an einem Kino vorbeiläuft, bei dem es einen Hinweis (keine Werbung!) auf einen laufenden Film gibt, in den nur Erwachsene gelassen werden, gibt es denselben Effekt – sogar über weniger Umwege. Unter Berücksichtigung der faktischen und rechtlichen Umstände ist daher das Werbeverbot nur als eingeschränktes Werbeverbot der Tendenzwerbung interpretierbar. Gegenüber diesem müssen die Kommunikationsgrundrechte zu Gunsten des Jugendschutzes allerdings zurücktreten. Es ist zwar nicht zu verkennen, dass die freie Art der Darstellung und Vermittlung auch durch das Gebot der Neutralität in der Werbung beschnitten wird. Doch stehen dieser Einschränkung erhebliche Vorteile für einen effektiveren Jugendschutz gegenüber, nämlich eine Reduktion des Risikos der Ersatzbeschaffung von indizierten Trägermedien. Wenn zumindest die neutrale Werbung in Wort, Ton und Bild weiter erlaubt ist, bleibt es möglich, Meinungen, Gedanken und Informationen zu kommunizieren bzw. sich dafür durch Werbung ein Publikum zu schaffen. Wichtige politische, soziale und gesellschaftliche Anliegen bleiben wegen des Tendenzschutzes des 1286

BVerwGE 39, S. 200. Vlachopoulos, S. 66. 1288 Vgl. dazu schon ausführlich oben VI. 2.; a. A. BVerfGE 11, S. 238 f.; BVerfG NJW 86, S. 1241 f.; BVerwGE 39, S. 201 (für Periodika); BGHSt 33, S. 1; Scholz/ Liesching, § 15 Rn. 21; Ukrow, S. 53 Rn. 81; Laufhütte, JZ 74, S. 48; Schraut, S. 81; Meirowitz, S. 305 f. 1287

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§ 18 Abs. 3 Nr. 1 JuSchG zudem von der Indizierung und damit auch einem Werbeverbot ausgenommen. Insgesamt erscheint § 15 Abs. 1 Nr. 6 JuSchG daher in seiner abgeschwächten Interpretation als angemessen. (4) Zwischenergebnis § 15 Abs. 1 Nr. 6 JuSchG verstößt in seiner Interpretation als Verbot der Tendenzwerbung nicht gegen Art. 5 Abs. 1 GG. b) Vereinbarkeit mit der Kunst- und Wissenschaftsfreiheit Der Wissenschaftler ist auf die Verbreitung seiner Erkenntnisse angewiesen, der Künstler auf die Rezeption seines Werkes. Art. 5 Abs. 3 GG garantiert deshalb nicht nur die Freiheit der Herstellung von Kunst und Wissenschaft, sondern auch die Freiheit der kreativen Verbreitung. Nur durch diesen doppelten Schutz können die Kunst und die Wissenschaft Denkanstöße liefern und ein plurales Gemeinwesen bereichern. Konsequenterweise geht auch das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass Werbung eine durch die Verfassung gewünschte Zusatzfunktion erfüllt, in dem sie dem Kunstwerk die gewünschte Beachtung verschafft1289. Das Werbeverbot des § 15 Abs. 1 Nr. 6 JuSchG wirkt sich auf die Vermittlung zwischen dem geistigen Schöpfer und seinem Publikum bzw. seiner Leserschaft aus. Dadurch greift es in die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit erheblich ein, zumal, wenn der Künstler oder Wissenschaftler relativ unbekannt ist. Eingriffe aus Gründen des Jugendschutzes sind in Art. 5 Abs. 3 GG grundsätzlich möglich. Die Werbeverbote sind abstrakt verhältnismäßig, weil der effektive Jugendschutz ein Anliegen von Verfassungsrang ist und dazu auch der flankierende Konfrontationsschutz durch Werbeverbote zählt. Der besondere Wert der schrankenlos gewährleisteten Kunst- und Wissenschaftsfreiheit muss allerdings im Einzelfall ausreichend berücksichtigt werden. Dies sieht das Jugendschutzgesetz über § 18 Abs. 3 Nr. 2 vor. Überwiegen im Einzelfall die Interessen der Kunst, Wissenschaft, Forschung oder Lehre, darf das Trägermedium nicht indiziert werden. Allerdings reicht das angesichts der Intensität eines omnipotenten Werbeverbotes nicht aus. Es wäre lebensfremd auszuschließen, dass kreative Schaffensprozesse von der kommerziellen Verwertbarkeit und den Marktchancen des Produktes beeinflusst werden können. Um nicht eine weitreichende „Schere im Kopf“1290 zu riskieren, muss auch der Jugendschutz par1289 1290

BVerfGE 77, S. 257; vgl. dazu auch: Meirowitz, S. 313 m. w. N. Vgl. dazu Frenzel, AfP 02, S. 195 m. w. N.

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tiell zurückstehen. Zumindest die neutrale Werbung muss für Künstler und Wissenschaftler weiter möglich sein, um auf sich und ihre Werke angemessen aufmerksam machen zu können und daraus Profite zu generieren, die weitere Schaffensprozesse ermöglichen. Ein so interpretiertes Werbeverbot wäre auch im Lichte des Art. 5 Abs. 3 angemessen. c) Vereinbarkeit mit der Berufsfreiheit Durch die Werbeverbote wird die freie berufliche Betätigung im Wettbewerb eingeschränkt. Es handelt sich um Regelungen mit einer objektiv berufsregelnden Tendenz. Sie sind zulässig, wenn sie sich durch sachgerechte Erwägungen des Allgemeinwohles rechtfertigen lassen und verhältnismäßig sind. aa) § 15 Abs. 1 Nr. 6 JuSchG Weil durch Werbeverbote ein alternatives Bezugsverhalten von indizierten Trägermedien eingedämmt werden kann, liegen hier legitime Erwägungen des Allgemeinwohles vor. Auch die Verhältnismäßigkeit ist noch gegeben, wenn man in Rechnung stellt, dass neutrale Werbung weiter möglich bleibt. Hierdurch bieten sich Medienunternehmern und Händlern ausreichend Möglichkeiten, auch auf indizierte Produkte in der Breite hinzuweisen und sich im Markt zu behaupten. bb) § 15 Abs. 4 JuSchG Keinen Bedenken begegnet das Verbot, die Liste der jugendgefährdenden Medien zu Werbezwecken abzudrucken oder zu veröffentlichen. Kinder und Jugendliche könnten die Veröffentlichung regelrecht als Quelle für geplante Ersatzbeschaffungen missbrauchen oder durch die Veröffentlichung dazu bewegt werden – mit schweren Folgen für den Jugendschutz als überragendem Gemeinschaftsinteresse. Um das auszuschließen, muss das unternehmerische Interesse in diesem Fall zurückstehen. cc) § 15 Abs. 5 JuSchG Grundsätzlich handelt der Gesetzgeber auch legitim, wenn er Hinweise auf ein laufendes Indizierungsverfahren in der Werbung verbietet. Eine mögliche Jugendgefährdung bzw. ein denkbarer Index-Eintrag lassen sich

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dann zwar nicht als „Qualitätsmerkmal“ des Produktes herausstellen, wodurch in die unternehmerische Gestaltungsfreiheit eingegriffen wird. Doch ist das Verbot gerechtfertigt, da ja tatsächlich eine Jugendgefährdung von dem Produkt ausgehen kann und dadurch neugierige Minderjährige stärker versucht sein könnten, sich das Produkt noch schnell zu besorgen, bevor es für sie unzugänglich wird. Zweifelhaft ist allerdings die Verhältnismäßigkeit des letzten Halbsatzes der Norm. Er erstreckt das Werbeverbot inhaltlich auch auf den Fall, dass das Verfahren zwar anhängig gewesen, es später jedoch nicht zu einer Indizierung gekommen ist. Wenn es aber gerade nicht zu einer Indizierung des Produktes gekommen ist, besteht eigentlich kein Grund, die Werbung dafür (später) zu beschränken1291. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die fehlende Indizierung auch auf anderen Gründen beruhen kann. Zum Beispiel kann das Gewicht der Kunst- oder Meinungsfreiheit überwogen haben (Tendenzschutz). Dann ist das Produkt sehr wohl jugendgefährdend und es besteht ein Interesse daran, dass Kinder und Jugendliche nicht unnötigerweise darauf gebracht werden. Hierdurch bewegt sich § 15 Abs. 5 JuSchG in dieser Fallkonstellation noch im zulässigen Rahmen1292. Das Argument verfängt aber nicht mehr, wenn es tatsächlich an einer Jugendgefährdung des Trägermediums fehlte und das Verfahren mit diesem Ergebnis abgeschlossen wurde. Die Norm ist deshalb verfassungskonform in ihrem Anwendungsbereich einzuschränken: Sie greift nicht, wenn die Bundesprüfstelle oder die Gerichte zu dem Ergebnis kommen, dass keine Jugendgefährdung von dem Werk (mehr) ausgeht. Mit dieser gebotenen Auslegung werden die Grenzen des Wortlautes noch nicht überschritten, so dass vom Verdikt der Verfassungswidrigkeit abgesehen werden kann. d) Vereinbarkeit mit der Eigentumsfreiheit Das Werbeverbot berührt schwerpunktmäßig die Freiheit der Berufsausübung und die unternehmerische Gestaltungsfreiheit. Daneben findet Art. 14 Abs. 1 GG keine Anwendung. e) Allgemeiner Gleichheitssatz Anhaltspunkte für eine unzulässige Ungleichbehandlung von sachlich Gleichem gibt es nicht, wenn man das Werbeverbot des § 15 Abs. 1 Nr. 6 JuSchG nicht als Verbot der neutralen Werbung interpretiert. Geht man 1291

So: Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 15 Rn. 62. So i. E. auch: Nikles, § 15 Rn. 103; Scholz/Liesching, § 15 Rn. 44; a. A. Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 15 Rn. 62. 1292

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– entgegen der hier vertretenen Ansicht – von einem Totalverbot der Werbung aus, so ergibt sich allerdings eine Ungleichbehandlung mit dem strafrechtlichen Werbeverbot in § 184 Abs. 1 Nr. 5 StGB. Dort wird die neutrale Werbung nicht als unzulässig angesehen1293. Das Bundesverfassungsgericht, das auch das Totalverbot für zulässig hält, hat einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz dennoch verneint. Im Strafgesetzbuch werde die Wertung der Jugendgefährdung durch pornographische Medien nur abstrakt zugrunde gelegt. Dagegen werde sie bei indizierten Trägermedien in einem rechtsstaatlichen Verfahren ausdrücklich festgestellt. Die unterschiedliche Auslegung identischer Tatbestands-Merkmale möge ungereimt erscheinen. Sie führe aber nicht zu einer „Sach- und Systemwidrigkeit“. Denn das Jugendschutzgesetz (damals: GjS) markiere gegenüber dem Strafgesetzbuch zwar die äußere Grenze der Strafbarkeit. Von einer „Grundregel, einem System, das dabei durchbrochen worden“ sei, könne aber „keine Rede sein“1294. Das ist zumindest zweifelhaft, weil § 15 Abs. 1 JuSchG keinen über die §§ 184 f. hinausgehenden Gesetzeszweck verfolgt. Er dient – wie die strafrechtliche Norm – allein dem Jugendschutz1295. Letztlich kommt es darauf aber nicht an, wenn man von einer Zulässigkeit der neutralen Werbung ausgeht. f) Ergebnis Die Werbeverbote verstoßen nicht gegen Grundrechte. Für § 15 Abs. 1 Nr. 6 JuSchG gilt das allerdings nur in der Interpretation als Verbot der jugendgefährdenden, tendenziösen Werbung. § 15 Abs. 5 JuSchG ist auf Objekte beschränkt, deren Jugendgefährdungspotential festgestellt worden ist bzw. in einem laufenden Verfahren möglicherweise noch festgestellt werden wird (verfassungskonforme Auslegung). 5. Annex: Denkbare Regelungsverschärfungen Schon im Gesetzgebungsverfahren zum Jugendschutzgesetz waren sich die Parteien nicht einig, wie restriktiv der Schutz von Kindern und Jugendlichen gestaltet werden sollte. Während sich vor allem die CDU/CSU-Fraktion einen stärkeren Konfrontations-Schutz im neuen Jugendschutzrecht vorstellen konnte, waren SPD und Grüne gegen weitere Verschärfungen1296. 1293 1294 1295 1296

Vgl. dazu schon eingehend in diesem Kapitel die Ausführungen unter VI. 2. BVerfG NJW 86, S. 1243. Meier, NStZ 85, S. 346; a. A. Schroeder, S. 42. Vgl. dazu BT-Drcks. 14/9410, S. 27.

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Das geltende Indizierungsrecht ist ein Kompromiss, der seitdem immer wieder in Frage gestellt worden ist und nach jedem tragischen Amoklauf auch neu in Frage gestellt wird. Für 2009 steht eine Novellierung des Jugendschutzgesetzes an. Basis dafür sind die Ergebnisse des Hans-Bredow-Institutes, welches das Familienministerium schon 2006 mit einer Prüfung des Jugendschutzgesetzes beauftragt hatte, und dass seine Vorschläge Ende des Jahres 2007 bekannt gab1297. Derzeit ist noch völlig unklar, in welchem Umfang Verschärfungen im Gesetz Berücksichtigung finden werden. Nach dem Amoklauf von Emsdetten hat der Gesetzgeber einige Sofortmaßnahmen (u. a. Modifikation der §§ 15, 18 JuSchG) vorgezogen, die im Juli 2008 in Kraft getreten sind. Der Freistaat Bayern hat konkrete, darüber hinausreichende Vorschläge in den Bundesrat eingebracht1298. Die Initiative ist dort zwar erst einmal in die Fachausschüsse zur Beratung überwiesen worden1299. Doch soll der Entwurf Anlass sein für eine kurze verfassungsrechtliche Betrachtung denkbarer Verschärfungen. Auf eine umfassende Auseinandersetzung mit dem konkreten bayerischen Gesetzes-Entwurf muss allerdings aus Raumgründen verzichtet werden1300. a) Absolutes Vermietverbot Der Entwurf vom 2.2.2007 sieht unter anderem in seinem neu gefassten § 15 Abs. 1 Nr. 4 ein absolutes Vermietverbot für indizierte Trägermedien vor1301. Ein solches Totalverbot ist verfassungsrechtlich bedenklich. Das gilt unabhängig davon, ob es mit weiteren Verschärfungen bei der Verbreitung indizierter Medien kombiniert ist (z. B. einem eingeschränkten Verkaufsverbot) oder nicht.

1297

Vgl. dazu näher Bredow, S. 5. BuRats-Drcks. 76/07 vom 02.02.2007. 1299 Vgl. das Ergebnis der 830. Sitzung des Bundesrates am 16.2.2007 (abrufbar über www.bundesrat.de). 1300 Soweit der Entwurf eine Ausweitung des § 15 Abs. 2 JuSchG auf weitere Tatbestände vorschlägt (vgl. dazu BuRats-Drcks. 76/07, S. 6 f.), kann das aufgrund des hohen Strafbarkeitsrisikos (fahrlässiges Verkennen reicht aus), der vagen Bestimmtheit der neu kreierten Normen (insbesondere § 15 Abs. 2 Nr. 6 n. F.) sowie ihrer Rigidität (z. T. absolute Verbote auch für Erwachsene) nicht befürwortet werden. Zur Verfassungswidrigkeit einer Indizierungsentscheidung mit einfacher Mehrheit, wie sie der Entwurf auf S. 8 etablieren will, vgl. schon Kapitel 9, I. 7. 1301 Ebenda, S. 5. Der Gedanke ist nicht neu; er wurde auch schon während der Geltung des GjS(M) mehrfach parlamentarisch bzw. über den Bundesrat ins Spiel gebracht, vgl. nur BT-Drcks. 11/638, S. 3 sowie BuRats-Drcks. 12/1/85, S. 3 f. 1298

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aa) Legitimer Zweck Innerer Grund für das absolute Vermietverbot ist der Jugendschutz. Die direkte Abgabe jugendgefährdender Inhalte an Kinder und Jugendliche untersagt allerdings schon § 15 Abs. 1 Nr. 1 JuSchG. Deshalb kann es beim absoluten Vermietverbot nur darum gehen, den Jugendschutz ergänzend zu verbessern. Sein „Mehrwert“ soll darin liegen, dass Minderjährige nicht einmal indirekt mit indizierten Medien konfrontiert werden können. Hier kann man vor allem an eine mögliche Reduzierung der Ersatzbeschaffung von indizierten Medien durch Kinder und Jugendliche denken (über volljährige Freunde, Bekannte). Genau hierin liegt aber auch ein Rechtfertigungsproblem. Denn ein generelles Vermietverbot richtet sich ausschließlich an Erwachsene. Es darf aber nicht bezwecken, den generellen Umlauf von indizierten Trägermedien insgesamt zu reduzieren. Dies wäre eine Bevormundung von Erwachsenen – und so lange unzulässig, wie nicht auch für sie eine denkbare Gefährdung durch diese Medien plausibel gemacht werden würde bzw. eine Gefährdung anderer Verfassungsgüter1302. Die Legitimität des Zweckes ist dadurch zumindest fraglich. bb) Geeignetheit Zweifelhaft ist weiter, ob durch die Maßnahme wirklich ein besserer und effektiverer Schutz für Kinder und Jugendliche erreicht werden kann. Schließlich sorgt schon das relative Vermietverbot des § 15 Abs. 1 Nr. 4 JuSchG dafür, dass eine Abwicklung der Vermietung in separaten Räumen erfolgt, die von Minderjährigen weder eingesehen noch betreten werden können. Die Gefahr der Beobachtung von jugendgefährdenden Geschäften ist dadurch so gut wie ausgeschlossen. Andererseits könnte das absolute Vermietverbot auch nicht verhindern, dass Erwachsene solche Produkte (z. B. nach einem Kauf) mit in die Videothek bringen und Minderjährige zufällig einen Blick darauf werfen1303. Übrig bleibt allenfalls eine Auswirkung auf die allgemeine Verbreitung und Zirkulation indizierter Medien. Indizierte Trägermedien könnten sich durch die schlechte wirtschaftliche Verwertung insgesamt reduzieren und vielleicht sogar komplett vom Markt verschwinden. Hierdurch wäre dann 1302 Selbst dann wäre das Jugendschutzgesetz systematisch nicht der richtige Ort, um ein allgemeines Vermietverbot für Jedermann zu etablieren. 1303 Vgl. dazu schon die Ausführungen oben 2. a) bb) (3).

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indirekt auch das Risiko einer Abgabe dieser Produkte an Kinder und Jugendliche minimiert. Allerdings sollte nicht verkannt werden, dass sich Filme, Spiele und Songs heute problemlos über das Internet herunterladen lassen. Ein Weg dazu ist die Stichwortsuche über die Kombination von Suchbegriffen. Damit sind auch viele „Kindersicherungen“ bei den Suchmaschinen immer noch überfordert. Der andere Weg ist die Stichwortsuche in (illegalen) Tauschbörsen. Der BGH nimmt neuerdings zwar die Content-Provider stärker in die Pflicht und verlangt von ihnen, für mehr Jugendschutz auf ihren Plattformen zu sorgen1304. Doch prallt das zumindest an illegalen internationalen Tauschbörsen ab. Sie können sich auch über Proxy-Server-Lösungen oder Wechsel-Codierungen einer effektiven Sperrung/Filterung in Deutschland leicht entziehen. Eine Eindämmung der Ersatzbeschaffung durch das absolute Vermietverbot ist also nicht zu erwarten. Wenn das absolute Vermietverbot nicht mit einem eingeschränkten oder absoluten Verkaufsverbot kombiniert wird, sind auch die anderen „Quellen“ der Ersatzbeschaffung nicht entkräftet, z. B. der Kauf von indizierten Produkten durch volljährige Freunde und Bekannte. Der höhere Kaufpreis dürfte dabei kaum jemand abschrecken. Denn schließlich kann man in der Gruppe „zusammenlegen“. Außerdem werden DVDs immer erschwinglicher. Der Kauf an sich wiederum schafft eine deutlich stärkere Möglichkeit der Weiterverbreitung. Es bleibt mehr Zeit dafür, um das Trägermedium am PC umzuwandeln und in Tauschbörsen einzuspeisen. Viele der Tauschbörsen funktionieren nach dem Prinzip „Do ut des!“. Das heißt: Derjenige, der viel Inhalt für andere zum Herunterladen auf der elektronischen Plattform bereitstellt, darf auch mehr (bzw. schneller) von Anderen über sie herunterladen. Dies schafft Verbreitungsanreize. Durch die Kontinuität im Besitz, die der Kauf vermittelt, kann sich auch die Jugendgefährdung bei allen, die damit in Berührung kommen, stärker perpetuieren (und wiederholen) als bei der zeitlich befristeten Vermietung. Wegen der genannten Aspekte wird in der Literatur die Tauglichkeit der Maßnahme in Abrede gestellt1305. Der beabsichtigte Wirkungseffekt ist in der Tat nicht sehr wahrscheinlich. Allerdings ist er unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Spielraumes bei der Einschätzung und Würdigung von Maßnahmen auch nicht völlig auszuschließen, zumal bisher keine gesicherten empirischen Befunde zur Ersatzbeschaffung vorliegen. Daher wird man die Maßnahme noch als geeignet ansehen müssen, bis das Gegenteil empirisch fundiert erwiesen ist. 1304 BGH-Urteil vom 12.7.2007 – I ZR 18/04 (Jugendgefährdende Medien bei eBay) m. w. N. 1305 Meirowitz, S. 297; Heinig, ZUM 87, S. 438 f. m. w. N.

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cc) Erforderlichkeit Auch eine Erforderlichkeit wird man bestätigen müssen, wenn man die Tauglichkeit der Maßnahme unterstellt. Dann ist das schon bestehende relative Vermietungsverbot nicht gleich effektiv gegenüber dem absoluten Vermietverbot. Ansonsten ist eine mildere Maßnahme nicht ersichtlich. Man könnte zwar darüber nachdenken, ob diese in einer Kombination von eingeschränktem Vermietverbot und eingeschränktem Verkaufsverbot liegen könnte. Doch bewegt sich dies in einem spekulativen Bereich und vermischt im Übrigen zwei unterschiedliche Maßnahmen für zwei unterschiedliche Vertriebsarten. Unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative liegt daher trotz aller Zweifel wohl noch eine Erforderlichkeit der Maßnahme vor. dd) Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne Sie ist jedoch unangemessen. Der erreichbare Erfolg steht zur Intensität des Eingriffes in einem krassen Missverhältnis. Durch das absolute Vermietverbot wird sehr stark in die Informationsfreiheit, die anderen Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 Abs. 1, die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit sowie die Berufsfreiheit von Bürgern und Unternehmern eingegriffen. Immerhin handelt es sich bei der Vermietung um die primäre Verbreitungsform für jugendgefährdende Trägermedien. Ein generelles Verbot des Vertriebes verhindert für Videotheken-Betreiber ein lukratives Geschäft mit legalen Medien. Künstler, die ja auch finanziell ihre Grundbedürfnisse befriedigen müssen, werden nachhaltig in der Freiheit ihres Wirkens beeinträchtigt. Indizierte Werke rechnen sich womöglich für Verlage und Produzenten überhaupt nicht mehr, verschwinden vom Markt oder werden gar nicht erst auf den Markt gebracht. Dies unterminiert die Informationsfreiheit der Erwachsenen und befördert eine geistige „Schere im Kopf“. Das scheint im Übrigen auch ein Anliegen des Vorschlages der Bayerischen Landesregierung zu sein. Immerhin fordert er, die Indizierung müsse sich „stärker als bisher und explizit an ethischen Grundregeln unserer Gesellschaft orientieren“. Den im Entwurf enthaltenen absoluten Verboten komme dabei eine „Ausstrahlungswirkung“ zu1306. Gewonnen wird demgegenüber nicht viel. Selbst, wenn eine geringere Verbreitung auch das Risiko einer Ersatzbeschaffung (über kriminelles Fehlverhalten Dritter) reduzieren mag, bleibt die Bezugsquelle Internet erhalten. Im Übrigen muss man zur Kenntnis nehmen, dass irgendwo eine Grenze 1306

BuRats-Drcks. 76/07, S. 21.

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auch für den Jugendschutz gezogen werden muss, wenn die Grundrechte der Erwachsenen nicht völlig entwertet werden sollen. Immerhin hat der Jugendschutz keinen allgemeinen Wertungs-Vorrang wie die Menschenwürde, sondern steht insbesondere der Kunstfreiheit gleichrangig gegenüber. Im Ergebnis ist das absolute Vermietverbot daher unzulässig und verstößt gegen die Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 GG. b) Eingeschränkte Verkaufsverbote Ein verbesserter Wahrnehmungsschutz von Kindern und Jugendlichen vor jugendgefährdenden Trägermedien kann auch durch eine Verschärfung der Verkaufsregeln erreicht werden. So ist es denkbar, den zulässigen Verkauf im Einzelhandel an die Bedingung zu knüpfen, dass Kinder den Verkaufsbereich nicht betreten oder einsehen können (Markttrennung)1307. Der Eingriff des Verbotes in die Grundrechte der Erwachsenen und Händler ist hier nicht unverhältnismäßig zum Zweck der Maßnahme. Es kann insoweit auf die Ausführungen oben bei 3) zu den eingeschränkten Vermietverboten verwiesen werden. Eine Verletzung von Grundrechten liegt nicht vor. c) Absolute Verkaufsverbote Das vollständige Verkaufsverbot würde dagegen die Grundrechte der Erwachsenen über Gebühr einschränken. Besonders deutlich wird das bei den indizierten Print-Produkten. Wenn man das geltende (absolute) Vermietungsverbot für Leihbüchereien (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 JuSchG) noch als verfassungskonform erachtet und es nun mit einem absoluten Verkaufsverbot kombinierte, würde dies den Bezug indizierter Bücher und Zeitschriften nahezu unmöglich machen. Auch davon entkoppelt sind absolute Verkaufsverbote als zusätzliche Schutzmaßnahmen so erhebliche Restriktionen, dass sie der dadurch gewonnene, allenfalls gering erhöhte Schutz, nicht legitimieren kann. Dadurch ergibt sich jedenfalls ein Verstoß der absoluten Verkaufsverbote gegen die Grundrechte der Erwachsenen aus Art. 5 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 und ggf. Art. 14 Abs. 1 GG. d) Verbot von Killerspielen Der bayerische Bundesrat-Entwurf sieht zukünftig ein absolutes Verbreitungsverbot für sogenannte Virtuelle Killerspiele vor. Geschaffen werden soll dazu ein neuer § 131 a im Strafgesetzbuch1308. Falls durch das all1307

So z. B. BT-Drcks. 11/638, S. 3 f.

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gemeine Verbot für Killerspiele beabsichtigt wird, alle Menschen vor möglichen Beeinträchtigungen zu schützen, fehlt es am speziell jugendschutzrechtlichen Bezug, so dass das Jugendschutzgesetz nicht das richtige Gesetz wäre, um die Norm systematisch zu verorten. Inhaltlich ist eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung in diesem Fall zumindest denkbar, wenn damit der allgemeine Schutz zentraler Verfassungswerte wie der Menschenwürde besser erreicht werden kann. Allerdings ist fraglich, ob der schon bestehende § 131 StGB noch ergänzt werden muss. Bezeichnenderweise räumt auch die Entwurfs-Begründung Bayerns ein, dass das Grausamkeits-Kriterium in dem vorgeschlagenen § 131 a StGB mit dem bereits existierenden § 131 StGB übereinstimmt und die Auslegung hierzu im Wesentlichen herangezogen werden kann. Allerdings sei die „spezifische Ausrichtung“ von Killerspielen zu beachten. „Demgemäß werden an den Grad der Gewalttätigkeit hier geringere Anforderungen zu stellen sein als dort“1309. Wie sich diese geringeren Anforderungen konkret darstellen, bleibt nebulös. Dies wiegt schwer, weil das alleinige Abstellen auf den Tötungsvorgang nicht als Grundlage für eine Indizierung ausreichen kann. Sonst müsste man jegliches „Cowboy und Indianer“ – Spiel verbieten, das Generationen von Kindern selbst aktiv (nicht nur virtuell) nachvollzogen haben. Die Wirkungsforschung hat auch keine Hinweise darauf, dass der Umstand des Tötens allein zu schweren Gefährdungen bei Minderjährigen führen kann. Erforderlich ist zusätzlich eine die Jugendgefährdung befördernde Einbettung der Handlung. Hierdurch ist eine deutlich schärfere Begriffskonturierung und Tatbestandseingrenzung erforderlich, damit das Verbot im Lichte des Art. 103 Abs. 2 GG bestimmt genug und verhältnismäßig ist. Letztlich führt der § 131 a StGB des Entwurfes in seiner Interpretation durch die Begründung auch zu dem abstrusen Ergebnis, dass virtuelle – und damit nur erdachte Gewalt – schärfer sanktioniert wird als ganz reale Gewalt. Hier zeichnet sich (zumindest) ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ab. Soll die Allgemeinheit des Verbotes allein den Schutz der Minderjährigen sichern, damit überhaupt keine Möglichkeit des Kontaktes mit solchen Produkten für sie besteht, ist die Maßnahme unverhältnismäßig. Sie nimmt eine Unterdrückung der (künstlerischen) Kommunikation und der unternehmerischen Freiheit zugunsten eines höchst theoretischen und nicht signifikant ins Gewicht fallenden Schutzgewinnes in Kauf. Der Schutz könnte ebenso durch eingeschränkte Verbote erreicht werden. Unabhängig von der verfassungsrechtlichen Fragestellung sei daran erinnert, dass kriegsverherrlichende Killerspiele schon nach geltendem Recht automatisch indiziert 1308 1309

Ebenda, S. 1. Vgl. BuRats-Drcks. 76/07, S. 15.

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sind (§ 15 Abs. 2 Nr. 2 JuSchG). Die Bundesprüfstelle spricht eine Indizierung regelmäßig auch bei Spielen aus, die auf das Töten zentriert sind, wenn sie den Blick auf das Unheil und Leid des Tötens verstellen (Verrohungsgefahr) bzw. ihnen durch graphische oder akustische Aufmachung ein besonderer Reiz für Kinder und Jugendliche innewohnt1310.

XI. Nationale Restriktionen und das Europarecht In dieser Untersuchung ist bisher die Vereinbarkeit der Indizierungsnormen mit Europäischem Recht außen vor geblieben. Diese soll jetzt hinterfragt werden. Es könnte nämlich sein, dass die Abgabe-, Vertriebs- und Werbeverbote für Trägermedien gegen die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen. Womöglich sind die Indizierungsfolgen auch mit der Warenverkehrsfreiheit des EG-Vertrages unvereinbar. Die Untersuchung konzentriert sich aus Kapazitätsgründen auf die gängigen Trägermedien, die in der Regel körperlich fixiert sind1311. 1. Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) Die Europäische Menschenrechtskonvention stellt eine Art „gemeineuropäischen Grundrechtsstandard“ dar1312. Sie beruht auf einem Entwurf des Europarates und ist seit der Ratifizierung durch zehn Staaten im Jahr 1953 in Kraft1313. Die Konvention gewährleistet elementare Menschenrechte ebenso wie die freie Meinungsäußerung. Soweit sie Völkergewohnheitsrecht und allgemeine Rechtsgrundsätze widerspiegelt, gelten diese gemäß Art. 25 GG schon automatisch für das Deutsche Recht. Allgemeine Regeln des Völkerrechts sind nach Art. 25 Abs. 2 GG den einfachen Bundesgesetzen übergeordnet. Ansonsten hat die Konvention als völkerrechtlicher Vertrag den Rang eines einfachen Bundesgesetzes1314. Die Bundesrepublik hat die Europäische Menschenrechtskonvention ratifiziert1315 und in ihr Recht über1310

Vgl. dazu schon Kapitel 11, II. b) bb). Vgl. zu den seltenen Fällen der elektronischen Verbreitung von Trägermedien (etwa als Fax) oben Kapitel 10, II. 6. 1312 Herdegen, Völkerrecht, S. 327 Rn. 2. 1313 Grabenwarter, S. 2 Rn. 3. 1314 Vgl. Art. 59 Abs. 2 GG sowie: Kempen/Hillgruber, S. 318 Rn. 38; Grabenwarter, S. 17 Rn. 6. 1315 Ratifikation am 5.12.1952 (vgl. Grabenwarter, S. 2 Rn. 3). 1311

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führt1316. Dadurch besteht sowohl völkerrechtlich als auch innerrechtlich eine Bindung an die Konvention (Art. 20 Abs. 3 GG)1317. Durch die Indizierungsvorschriften kommt eine Verletzung der Meinungsfreiheit in Betracht, die Art. 10 EMRK gewährleistet. a) Schutzbereich des Art. 10 EMRK Nach dem Wortlaut von Art. 10 Abs. 1 EMRK hat jede Person das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt neben der Meinungsfreiheit auch die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Das hindert die Staaten gemäß S. 2 aber nicht daran, für HörfunkFernseh- oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben. Art. 10 Abs. 1 EMRK schützt die Kommunikation in einem umfassenderen Sinne als Art. 5 Abs. 1 GG. Neben der Meinungs- und Informationsfreiheit sowie der Presse-, Film- und Rundfunkfreiheit ist auch die Freiheit garantiert, sich durch Mittel der Kunst oder wissenschaftlich auszudrücken. aa) Meinungsfreiheit Durch die Meinungsfreiheit ist also jede Form der Kommunikation gewährleistet1318. Dem positiven Schutz der Äußerung entspricht ein Abwehrrecht gegen staatliche Indoktrinierung1319. Tatsachen und Meinungsäußerungen fallen ohne Rücksicht auf ihren Inhalt, die Richtigkeit und die Art der Verbreitung in den Schutzbereich. Das führt dazu, dass auch pornographische und gewaltverherrlichende Aussagen grundsätzlich Konventionsschutz genießen1320. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist davon zwar auf der Ebene des Schutzbereiches auch schon abgewichen, als es um eine rassistische Äußerung ging1321. Doch sollte es vermieden werden, Meinungen bereits auf der Ebene des Schutzbereiches von Art. 10 Abs. 1 EMRK zu bewerten. Dies kann systematisch stimmiger bei der Rechtfertigung des Eingriffes erfolgen1322. Geschützt ist neben reinen Kundgabe1316 BGBl. 1952 II, S. 685 f., S. 953 f.; BGBl 1968 II, S. 1111 f., S. 1120 f.; BGBl 1989 II, S. 546. 1317 BVerfGE 111, S. 367. 1318 Meyer-Ladewig, Art. 10 Rn. 5. 1319 Frowein/Peukert, Art. 10 Rn. 3 f. 1320 Grabenwarter, S. 233 m. w. N. 1321 EGMR NStZ 95, S. 239. 1322 Frowein/Peukert, Art. 17 Rn. 4.

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akten auch die politische oder kommerzielle Werbung1323. Auf die Verständigungsform oder die Verständigungstechnologie kommt es für den Schutz generell nicht an1324. bb) Informationsfreiheit Art. 10 Abs. 1 EMRK schützt auch das Recht, Informationen ungehindert weiterzugeben und Informationen frei zu empfangen. Dabei erstreckt sich der Schutzbereich bereits auf das Bemühen um Informationen. Art. 10 Abs. 1 EMRK bezieht sich allerdings nur auf den ungehinderten Zugang zu allgemein zugänglichen Informationen1325. Vertrauliche Details muss der Staat nicht öffentlich machen1326. cc) Pressefreiheit Die Pressefreiheit wird in Art. 10 Abs. 1 EMRK nicht ausdrücklich erwähnt, jedoch in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit einbezogen1327. Der Presse kommt in der wehrhaften Demokratie die wichtige Funktion eines „Wachhundes“ zu1328. Bei periodischen Druckwerken, die allgemein verbreitet werden, führt diese Rolle in der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu einem besonders starken Schutz bei der Verhältnismäßigkeits-Prüfung von Eingriffen1329. Geschützte Handlungen sind alle nötigen journalistischen Tätigkeiten zur Erstellung des Werkes (Themenfindung, Recherche, Interview etc.) sowie die für eine Verbreitung notwendigen Hilfstätigkeiten. Darüber gewährleistet Art. 10 Abs. 1 EMRK das Redaktionsgeheimnis. dd) Kunst- und Wissenschaftsfreiheit Der Schutz der künstlerisch-wissenschaftlichen Kommunikation ist in Art. 10 EMRK nicht ausdrücklich erwähnt, jedoch anerkannt1330. Er gibt die Gelegenheit zu einem freien öffentlichen Austausch von kulturellen Informationen und Forschungsergebnissen. Kunst- und Wissenschaftsbegriff 1323 1324 1325 1326 1327 1328 1329 1330

Grabenwarter, S. 233 Rn. 7 f. Meyer-Ladewig, Art. 10 Rn. 5. Grabenwarter, S. 234 Rn. 7. Meyer-Ladewig, Art. 10 Rn. 14. Grabenwarter, S. 234 Rn. 7. Meyer-Ladewig, Art. 10 Rn. 21. Grabenwarter, S. 235 Rn. 7 f. Ebenda, S. 236 Rn. 11; Meyer-Ladewig, Art. 10 Rn. 17.

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werden vom Gerichtshof offen interpretiert1331. Geschützt sind durch das Konventionsrecht sowohl die Kommunikation von Künstlern oder Wissenschaftlern zu ihrem Publikum, als auch das damit zusammenhängende künstlerische und wissenschaftliche Wirken1332. b) Eingriffe Eingriffe in den Schutzbereich können sowohl präventiv wirkende Verbote als auch nachträgliche Sanktionen sein1333. Alle Verbote des Indizierungsrechtes (§ 15 Abs. 1 und 2 i. V. m. § 27 JuSchG) wirken sich auf die Kommunikations-Garantien des Art. 10 Abs. 1 EMRK aus: Inhalte von Medien dürfen nach nationalem Recht nicht frei an Kinder und Jugendliche kommuniziert werden; der Zugang zu bestimmten, allgemein zugänglichen Informationen bzw. Informationsquellen, wird für Minderjährige und Erwachsene rechtlich oder faktisch unmöglich gemacht; die Werbung für indizierte Trägermedien ist in der Auslegung der obersten Bundesgerichte allgemein untersagt. Die Verbote haben auch eine Auswirkung auf die künstlerische und wissenschaftliche Dimension der Meinungsfreiheit im Sinne des Art. 10 Abs. 1 EMRK, weil sie sich beschränkend auf die Beziehung von Künstlern bzw. Wissenschaftlern und ihrem Publikum auswirken können. c) Rechtfertigung der Eingriffe Daher bedürfen diese Eingriffe einer Rechtfertigung. Sie sind nur dann nicht konventionswidrig, wenn sie gesetzlich vorgesehen sind, einen oder mehrere der in Art. 10 Abs. 2 EMRK genannten Ziele verfolgen und notwendig erscheinen1334. aa) Gesetzlicher Eingriff Erforderlich ist zunächst ein Eingriff durch Gesetz. Dabei genügt jedenfalls ein parlamentarisches Gesetz1335. Die Indizierungsrestriktionen ergeben sich konkret aus § 15 Abs. 1, Abs. 2; § 22 Abs. 1; § 27 f. JuSchG. Das Jugendschutzgesetz ist ein Bun1331 1332 1333 1334 1335

Meyer-Ladewig, Art. 10 Rn. 17. Grabenwarter, S. 236. Rn. 10 f. Ebenda, S. 236 Rn. 12. St. Rspr., z. B. EGMR NVwZ 00, S. 421. Grabenwarter, S. 239 Rn. 20.

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desgesetz, das ordnungsgemäß vom Parlament beschlossen wurde. Damit sind die Anforderungen an einen gesetzlichen Eingriff grundsätzlich erfüllt. Auch im Rahmen der EMRK ist es jedoch erforderlich, dass ein Gesetz so präzise formuliert ist, dass der Bürger sein Verhalten danach ausrichten kann1336. Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung hat sich gezeigt, dass dies nicht auf alle der genannten Normen zutrifft1337. Insoweit schlägt die Unbestimmtheit auch auf Konventionsebene durch. Dies wird jedoch – ebenso wie die partielle Unverhältnismäßigkeit nach nationalem Recht – hier nicht noch einmal ausführlich thematisiert werden. Es soll primär darum gehen, die bisher für verfassungsrechtlich unbedenklich befundenen Vorschriften einer europarechtlichen Vereinbarkeitsprüfung zu unterziehen. bb) Legitimer Zweck Aus Art. 10 Abs. 2 EMRK ergibt sich, dass die Ausübung der Meinungsfreiheit mit Pflichten und Verantwortung verbunden ist. Sie kann Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale Sicherheit, die territoriale Unversehrtheit oder die öffentliche Sicherheit. Weiter sind Einschränkungen möglich zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral, zum Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbreitung vertraulicher Informationen oder zur Wahrung der Autorität und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung. Die genannten Schranken gelten – anders als im deutschen Recht gemäß Art. 5 Abs. 3 GG – auch für Kunst und Wissenschaft1338. Zur Rechtfertigung der Indizierungseingriffe kommen insbesondere der Schutz der Moral, der Schutz der Gesundheit und der Schutz der Rechte anderer1339 in Betracht. (1) Schutz der Moral Eine Definition des Moralbegriffes findet sich in der Konvention nicht. Da es von Staat zu Staat ganz unterschiedliche sittliche Empfindungen gibt und in dieser heterogenen Staatenwelt auch kein inhaltlicher Konsens über 1336

EGMR EuGRZ 79, S. 386. Vgl. dazu schon Kapitel 11, IV. 2. g) dd) und Kapitel 11 IV. h) cc). 1338 Grabenwarter, S. 239 Rn. 19. 1339 So auch der EGMR bei der Prüfung einer Beschwerde zum GjS, vgl. EGMR EuGRZ 79, S. 203. 1337

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Moralverletzungen herbeizuführen ist, gewähren die Konventionsorgane den Mitgliedsstaaten einen weiten Beurteilungsspielraum bei der Frage, was sie genau unter Moral verstehen und wann die Moralvorstellungen ihres Landes verletzt sind1340. So hat der Gerichtshof es zugelassen, dass Staaten die Verbreitung bestimmter sexueller Medien und Kunstwerke regulieren und sanktionieren1341. Dabei ist auch ein (Teil-)Schutz der Moral von Kindern und Jugendlichen nicht beanstandet worden1342. Dieser kann auf Konventionsebene als Rechtfertigung für die nationalen Verbreitungs-, Abgabe- und Werbeverbote von pornographischen, kriegs- und gewaltverherrlichenden Trägermedien vorgetragen werden. (2) Schutz der Gesundheit Es ist denkbar, dass Trägermedien eine jugendgefährdende, manipulative Botschaft enthalten, die sich auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen auswirken kann (z. B. Verharmlosung oder Verherrlichung gefährlicher Suchtstoffe). Soweit die Indizierung darauf abzielt, dies zu verhindern, lässt sich ein Eingriff entsprechend rechtfertigen. (3) Schutz der Rechte anderer Rechte anderer können in einfachgesetzlich anerkannten Rechten oder Interessen Dritter bestehen1343. Die Indizierung beschränkt die Kommunikation, um das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Kindern und Jugendlichen zu schützen – ihren verfassungsrechtlich über Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG motivierbaren Anspruch auf eine individuelle psychische und körperlich gesunde Entwicklung. Dadurch taugt der Schutz der Rechte anderer auch als Grundlage für die legitime Einschränkung des Art. 10 Abs. 1 EMRK1344. cc) Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Eingriffe Die Einschränkungen müssen aber auch in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein. Der Begriff der Notwendigkeit steht im Konventionsrecht synonym für eine generelle Verhältnismäßigkeitsprüfung1345. Die 1340 1341 1342 1343 1344 1345

Grote/Wenzel, Kap. 18 Rn. 89. EGMR EuGRZ 88, S. 543. EGMR EuGRZ 77, S. 46; EKMR EuGRZ 79, S. 203. Grote/Wenzel, Kap. 18 Rn. 91. So auch: EKMR EuGRZ 79, S. 203. EGMR NStZ 95, S. 238 f.; Grabenwarter, S. 110 Rn. 4 m. w. N.

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Maßnahme muss demnach tauglich, erforderlich und angemessen sein, um die genannten Zwecke zu erreichen. Hinsichtlich der Wirkungseinschätzung und des Umfangs der Maßnahmen (sowohl der Werbeverbote als auch der eingeschränkten Vertriebsverbote und totalen Abgabeverbote an Kinder und Jugendliche) hat sich die Kommission in einer Entscheidung zum deutschen Gesetz über jugendgefährdende Schriften darauf zurückgezogen, dass „das von der Konvention errichtete Rechtsschutzsystem subsidiär“ sei und dass „staatliche Behörden in einer besseren Lage als der internationale Richter sind, um sich über die Notwendigkeit einer Einschränkung zu äußern“1346. Diese ältere Entscheidung darf man zwar nicht als „Freibrief“ für die Staaten verstehen, repressive Maßnahmen – womöglich unter dem Deckmantel des Jugendschutzes – zu erlassen und ihre Bürger dadurch zu gängeln. Aber man wird doch nicht umhinkommen, darin einen weiten Beurteilungsspielraum der Staaten bei der Regulierung zum Schutz von Moral, Gesundheit und der Rechte anderer zu erblicken. Auch, wenn man im Detail an der Tauglichkeit und Angemessenheit einzelner Maßnahmen zweifeln kann1347, so sind die Abgabe-, Vertriebs- und Werbeverbote grundsätzlich geeignet, den Schutz der Zwecke zu befördern, was angesichts der hohen in Rede stehenden Güter angemessen ist. Das Risiko einer negativen Charakterprägung durch bestimmte Medien ist wissenschaftlich nicht auszuschließen. Die Beschränkung des Verkaufs pornographischer Medien an Kinder und Jugendliche wird auch europaweit „als notwendig für diese berechtigten Ziele angesehen. Die Bekämpfung solcher Veröffentlichungen ist (. . .) Gegenstand internationaler Übereinkommen“1348. So beruht z. B. das Verbot, Kinder und Jugendliche medial in einer unnatürlich geschlechtsbetonten Haltung abzulichten, auf einer europäischen Übereinkunft1349. Aber auch unabhängig von sexualisierten Darstellungen versuchen die Mitgliedsstaaten nicht erst seit der deutschen Ratspräsidentschaft 2007, einen generellen europäischen Mindeststandard für den Jugend(medien)schutz herbeizuführen1350. 1346

EKMR EuGRZ 79, S. 203. So auch schon: EKMR EuGRZ 77, S. 41. Vgl. dazu im Einzelnen schon die Ausführungen im Rahmen der Grundrechte-Prüfung oben X. 1348 EKMR EuGRZ 79, S. 203. 1349 Art. 2 lit. b (i) des Rahmenbeschlusses sowie Art. 1 lit. c des Fakultativprotokolls des Rates der Europäischen Union zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie vom 22.12.2003 (Abl. EU Nr. L 13 v. 20.1.2004, S. 44); vgl. dazu auch schon Kapitel 11, IV. 2. h). 1350 So schon die Entschließung des Rates vom 17.2.1997 zu illegalen und schädlichen Inhalten im Internet, ABl. Nr. C 70 (6.3.1997, S. 1) und die Empfehlung des Rates vom 24.9.1998 (98/560/EG) zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch 1347

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

Insofern dürften die Kommission und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte von einer Legitimität der deutschen Indizierungsmaßnahmen ausgehen. d) Ergebnis Das deutsche Indizierungsrecht verletzt daher keine weitergehenden Rechte aus der Europäischen Menschenrechtskonvention, insbesondere nicht Art. 10 Abs. 1 EMRK. 2. Europäische Grundfreiheiten Es bleibt zu klären, ob die deutschen Indizierungs-Vorschriften gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht verstoßen. Das Jugendschutzgesetz regelt lediglich die Rechtsfolgen für indizierte Trägermedien. Die Europäische Gemeinschaft hat für diese Medien – anders als im Fernseh-Bereich1351 und zumindest ansatzweise im Bereich der elektronischen Medien1352 (Internet etc.) – noch keine europäischen Sekundärvorschriften erlassen, die eine signifikante Relevanz für den Jugendmedienschutz hätten. Daher sind Eingriffe in die freie wirtschaftliche Betätigung unmittelbar an den Grundfreiheiten des EG-Vertrages zu messen. a) Die Warenverkehrsfreiheit Grundlage für einen funktionierenden Binnenmarkt ist der freie Warenverkehr. aa) Schutzbereichseröffnung Der Schutz der Warenverkehrsfreiheit bezieht sich auf Gemeinschaftswaren. Wie bei allen Grundfreiheiten ist es für die Berufung auf das Gemeinschaftsrecht zudem erforderlich, dass der Sachverhalt einen grenzüberschreitenden Bezug hat. die Förderung nationaler Rahmenbedingungen für die Verwirklichung eines vergleichbaren Niveaus in bezug auf den Jugendschutz und den Schutz der Menschenwürde. 1351 EG-Fernsehrichtlinie 89/552/EWG vom 3.10.1989 und RL 97/36/EG. Besonders zu beachten ist in Bezug auf den Jugendschutz das Kapitel V. der Fernsehrichtlinie. Es sieht u. a. vor, dass die Fernsehveranstalter keinerlei Pornografie oder grundlose Gewalttätigkeiten zeigen dürfen. 1352 Z. B. die e-commerce-Richtlinie 2000/31/EG (Art. 3 Abs. 3).

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(1) Warenbegriff Ware im Sinne des Art. 23 Abs. 2 EGV ist jeder Gegenstand, der einen Geldwert hat und Gegenstand von Handelsgeschäften sein kann1353. Trägermedien wie PC- und Videospiele, DVDs, Videos, CDs, MDs, Cassetten, Bücher oder Zeitschriften haben in der Regel eine stofflich-körperliche Substanz. Es handelt sich dann bei ihnen um dingliche Gegenstände. Als Medien dienen sie der Information oder Unterhaltung und sind dadurch Gegenstand zahlloser Handelsgeschäfte – am Kiosk, im Kaufhaus, im Versandhandel etc. Zwar kommt es dem Medien-Konsumenten beim Kauf oder der Miete des Produktes und dessen Konsum regelmäßig nicht auf die körperliche „Hülle“ (CD, MD, DVD etc.) an, sondern die darin fixierte DatenSubstanz. Aber auch wenn diese bei audiovisuellen Medien die Essenz kreativ-ideeller Gestaltung ist, ändert dies nichts an der gegenständlichen Gebundenheit des Produktes. Es handelt sich bei Trägermedien daher in der Regel um Waren im Sinne des Art. 23 Abs. 2 EG. (2) Gemeinschaftsware Es ist darüber hinaus erforderlich, dass es sich um eine Gemeinschaftsware handelt. Gemeinschaftswaren sind alle Waren, die aus den Mitgliedstaaten selbst stammen1354. Falls auch ein Drittstaat an der Produktion beteiligt war, gilt die Ware jedenfalls dann als in dem Mitgliedstaat hergestellt, wenn dort die letzte wesentliche Bearbeitung oder Verarbeitung stattgefunden hat. Zubehör oder Ersatzteile teilen den Ursprung der Hauptware. Ausnahmsweise kann eine Ware auch dann Gemeinschaftsware sein, wenn sie komplett in einem Drittland hergestellt wurde. Das ist aber nur dann möglich, wenn in einem Mitgliedstaat bereits die Einfuhr-Förmlichkeiten erfüllt wurden und die vorgeschriebenen Zölle und Abgaben gleicher Wirkung erhoben worden sind (vgl. Art. 24 EGV). Es ist hiernach eine Frage des Einzelfalls, wann ein Trägermedium als Gemeinschaftsware anzusehen ist und wann nicht. Jedenfalls sind Computerspiele, DVDs, CDs, Comics und alle anderen Trägermedien immer dann Gemeinschaftswaren, wenn sie in Deutschland, Frankreich, England oder einem anderen EG-Mitgliedsstaat hergestellt worden sind.

1353 EuGH Slg. 1968, S. 633.; Calliess/Ruffert/Kingreen, Art. 28–30 EGV Rn. 120; Lenz/Borchardt, Art. 23 Rn. 16 EGV; von der Groeben/Schwarze/Vaulont, Art. 25 Rn. 10 EG; Streinz, S. 302 Rn. 790. 1354 Art. 23 Abs. 2 EGV.

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(3) Grenzüberschreitender Sachverhalt Damit der Schutz der Warenverkehrsfreiheit greift, bedarf es eines räumlichen Bezugs zum Gebiet der Gemeinschaft. Das ergibt sich aus Art. 28 EGV, denn dieser beschränkt das Verbot tarifärer und nicht-tarifärer Handelshemmnisse für Waren auf den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten. Daraus folgt, dass ein reiner Inlands-Sachverhalt (Beispiel: Das Trägermedium wird von einem Deutschen in Deutschland hergestellt und auch nur hier vertrieben) den Schutz durch die Warenverkehrsfreiheit regelmäßig ausschließt1355. Für Trägermedien aus EG-Drittländern, die nach Deutschland exportiert und hier vertrieben werden sollen, kommt eine Verletzung der Warenverkehrsfreiheit jedoch in Betracht. bb) Beeinträchtigung des Schutzbereiches Eine Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit kann in aktivem Tun und zielgerichtetem Unterlassen bestehen1356. Art. 23 Abs. 1 EGV formuliert ein umfassendes Verbot tarifärer Handelsrestriktionen, das in Art. 28 Abs. 2 EGV durch ein Verbot mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen sowie aller Maßnahmen gleicher Wirkung ergänzt wird. (1) Tarifäre Handelshemmnisse Eingriffe in die Warenverkehrsfreiheit sind alle tarifären Handelshemmnisse, insbesondere Zölle, Abgaben mit vergleichbarer Wirkung sowie diskriminierende Abgaben. Zölle sind alle Abgaben, die formal als Zoll bezeichnet sind und bei der Einfuhr oder Ausfuhr von Waren im Staat erhoben werden1357. Die Indizierungsvorschriften sehen allerdings keine förmlichen Zollabgaben vor, so dass das Zollverbot nicht verletzt wird. Eine dem Zoll vergleichbare Abgabe ist jede auch noch so geringe finanzielle Belastung, die einseitig wegen der Grenzüberschreitung erhoben wird1358. Auf die Bezeichnung kommt es dabei nicht an1359. Ebenso wenig 1355 EuGH Slg. 1992, I-341 Rn. 9 f.; Lenz/Borchardt/Lenz, Art. 12 Rn. 3 EGV; Calliess/Ruffert/Kingreen, Art. 28–30 Rn. 39 f EGV m. w. N. 1356 EuGH Slg. 1982, S. 4005; EuGH Slg. 1997, I-6959; von der Groeben/ Schwarze/Müller/Graff, Art. 28 Rn. 301 f. EG. 1357 Calliess/Ruffert/Waldhoff, Art. 23 Rn. 1 EGV; ausführlich zum Zollbegrif: Lenz/Borchardt/Lux, Art. 25 Rn. 8 EGV. 1358 EuGH Slg. 1969, S. 211; Oppermann, S. 411 Rn. 14; Streinz, S. 324 Rn. 847. 1359 Von der Groeben/Schwarze/Vaulont, Art. 25 Rn. 6 EG.

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ist es erforderlich, dass die Abgabe an eine binnenstaatliche Organisation (z. B. Behörde) entrichtet wird oder dass mit der Abgabe eine diskriminierende, protektionistische Intention verbunden ist1360. In den §§ 15 f. JuSchG finden sich jedoch keinerlei Zahlungsverpflichtungen für Unternehmer, die indizierte Trägermedien im- oder exportieren wollen. Tarifäre Eingriffe stellen schließlich auch diskriminierende Abgaben dar. Darunter lässt sich jede finanzielle Ungleichbehandlung von in- und ausländischen Waren subsumieren. Diskriminierend sind z. B. höhere Abgaben für ausländische Produkte als für inländische, produktschützende inländische Abgaben sowie inländische Abgaben mit niedrigerer Rückvergütung bei der Ausfuhr als bei inländischen Produkten (Art. 91 EGV). Da das Indizierungsrecht aber schlechthin keine Abgabenregelungen für den Im- und Export von Trägermedien vorsieht, liegt kein Anknüpfungspunkt für eine tarifäre Diskriminierung vor. (2) Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen Die im EG-Vertrag nicht näher erläuterten mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen lassen sich definieren als „Maßnahmen, die sich als eine gänzliche oder teilweise Untersagung der Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr darstellen“1361. Wer die entsprechenden Sicherheits-Standards zum Schutz von Kindern und Jugendlichen einhält, kann so viele jugendgefährdende Trägermedien in- und exportieren, wie er will. Daher scheidet ein Verstoß gegen das Verbot der Warenkontingentierung beim Import bzw. Export aus. (3) Maßnahme gleicher Wirkung Allerdings können die Indizierungsfolgen eine vergleichbare Wirkung haben. Der Begriff der Maßnahme gleicher Wirkung wird nämlich vom EuGH weit ausgelegt. Nach der so genannten „Dassonville“-Formel des Europäischen Gerichtshofes ist eine Maßnahme gleicher Wirkung jede „Handelsregelung der Mitgliedsstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern“1362. Auf eine Schlechterstellung von ausländischen Produkten 1360 1361 1362

EuGH Slg. 1995, I-2421; Lenz/Borchardt/Lux, Art. 25 Rn. 13 EGV. EuGH Slg. 1973, S. 865 Rn. 7.; Streinz, S. 328 Rn. 861. EuGH, Slg. 1974, S. 837 Rn. 5.

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kommt es ebenso wenig an wie auf den Grad der Beeinträchtigung1363. Entsprechend der Formel ist es nicht einmal nötig, dass die Maßnahme den freien Warenverkehr tatsächlich beeinträchtigt. Die schlichte objektive Möglichkeit dazu reicht aus1364. Da die deutschen Indizierungsvorschriften konkrete gesetzliche Vertriebs-, Abgabe- und Werbebeschränkungen formulieren, können sie sich erheblich auf den freien Umlauf von Gemeinschaftswaren im Binnenmarkt auswirken. Sie sind dem Staat als gesetzliche Folge auch unmittelbar zurechenbar. Allerdings ist neben der „Dassonville“-Formel auch die so genannte „Keck“-Formel zu beachten. Die „Keck“-Formel ist Ausdruck des Bemühens, sozio-kulturelle und sozio-ökonomische Unterschiede in den Mitgliedstaaten zu berücksichtigen1365. Sie besagt, dass Verkaufsmodalitäten in den Mitgliedstaaten unschädlich sind, wenn sie „für alle Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und (wenn) sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise berühren“1366. Im Umkehrschluss sind nur solche Handelsregelungen der Mitgliedstaaten als Maßnahmen gleicher Wirkung von Bedeutung, die produktbezogene Regeln formulieren oder sich sonst ungleich auf die Produkte auswirken1367. § 15 Abs. 1 Nr. 1 JuSchG formuliert ein Verbot, jugendgefährdende Trägermedien an Kinder und Jugendliche abzugeben. Es handelt sich dabei um eine personale Vertriebsbeschränkung, weil Minderjährige als Konsumgruppe für indizierte Inhalte auf Trägermedien ausgeschlossen werden. Das Verbot betrifft inländische und ausländische Anbieter bzw. Produkte im gesamten Bundesgebiet gleichermaßen. Eine versteckte strukturelle Benachteiligung ausländischer Anbieter drängt sich dabei nicht auf. Deshalb dürfte für das Abgabeverbot die „Keck“-Formel greifen. Eine Maßnahme gleicher Wirkung gemäß Art. 28 EGV ist also zu verneinen. Für die gewerblichen Verbreitungsbeschränkungen in § 15 Abs. 1 Nr. 2–4 JuSchG lässt sich ein vergleichbares Bild zeichnen: Auch hier knüpfen die Abgabebeschränkungen nicht an die Herkunft des Trägermediums an – inländische und ausländische Trägermedien werden völlig gleich behandelt. Entscheidend ist allein, ob das Medium seinem Inhalt nach geeignet ist, Kinder und Jugendliche zu gefährden. Darüber hinaus betreffen die gesetzlichen Vorschriften auch nicht die stoffliche Substanz des Produktes, son1363 1364 1365 1366 1367

Herdegen, S. 272 Rn. 6. EuGH, Slg. 1973, I-2361 f. Mayer, EuR 03, S. 811. EuGH Slg. 1993, I-6097, Rn. 14. Lüder, EuZW 96, S. 620; Mayer, EuR 03, S. 812 f.

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dern knüpfen an den Ort des Bezuges an. Die indizierten Produkte dürfen nur in speziellen Ladengeschäften vermietet werden. Diesbezüglich hat es der Europäische Gerichtshof in einer früheren Entscheidung als zulässig erachtet, dass nach nationalem Recht Säuglingsmilch nur in Apotheken abgegeben werden darf1368 – einem spezifischen Verkaufsort. Es ist schließlich nicht ersichtlich, dass mit den für alle Trägermedien gleichen Vertriebsmodalitäten des § 15 Abs. 1 Nr. 2–4 JuSchG eine faktische oder indirekte Schlechterstellung ausländischer Waren verbunden wäre. Deshalb stellen die gewerblichen Verbreitungsbeschränkungen keine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne des Art. 28 EGV dar. Problematischer erscheint die Beurteilung des allgemeinen Werbeverbotes für indizierte Trägermedien (§ 15 Abs. 1 Nr. 6 JuSchG). Der EuGH hat zwar bereits entschieden, dass Werbeverbote grundsätzlich den Vertrieb betreffen und keine produktbezogenen Maßnahmen darstellen1369. Er ist von dieser Einschätzung jedoch bei einem allgemeinen Werbeverbot auch schon abgewichen1370. Darüber hinaus hat das Gericht ein Werbeverbot als eine Maßnahme gleicher Wirkung charakterisiert, wenn die Werbung für einen ausländischen Anbieter die einzige Möglichkeit war, um im nationalen Markt wahrgenommen zu werden1371. Bei einer wertenden Zusammenschau der Entscheidungen stellt § 15 Abs. 1 Nr. 6 JuSchG im Ergebnis trotzdem keine Maßnahme gleicher Wirkung dar. Die Werbebeschränkungen treffen alle Unternehmer gleich. Werbung für indizierte Trägermedien ist auch nicht völlig untersagt, sondern darf zum Beispiel im Rahmen geschlossener Benutzergruppen (nur volljährige Adressaten) auch nach der h. M. legal erfolgen. Erlaubt ist darüber hinaus die geschäftliche Werbung mit jugendgefährdenden Inhalten im einschlägigen Handel. Schon hierdurch ist die Werbung für ausländische Anbieter in einem Umfang möglich, der den Zugriff auf den nationalen Markt möglich macht. Das gilt erst recht, wenn man im nationalen Recht von einer generellen Zulässigkeit der neutralen Werbung ausgeht. Die Indizierungsfolgen für Trägermedien sind daher im Ergebnis keine Maßnahmen gleicher Wirkung. (4) Ergebnis Deshalb scheidet auch ein Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit aus. 1368 1369 1370 1371

EuGH, EuGH, EuGH, EuGH,

Slg. Slg. Slg. Slg.

1995, 1993, 2001, 1997,

I-1621. I-6787. I-1795. I-3843.

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b) Die Dienstleistungsfreiheit Für Trägermedien ist in der Regel bereits der Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit eröffnet. Auch, wenn es an einer Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit im Ergebnis fehlt, bleibt daneben kein Raum für die Anwendung der subsidiären1372 Dienstleistungsfreiheit.

XII. Zusammenfassung Die Indizierung begründet eine Reihe von Verboten, deren Missachtung mit Geldstrafe oder Gefängnis sanktioniert ist. Um die Indizierungsfolgen für Trägermedien auszulösen, muss die Bundesprüfstelle das Medium in die Liste der jugendgefährdenden Medien aufnehmen und die Aufnahme im Bundesanzeiger bekannt machen. Ab diesem Zeitpunkt dürfen indizierte Trägermedien gemäß § 15 Abs. 1 JuSchG einem Kind oder einer jugendlichen Person nicht angeboten, überlassen oder sonst zugänglich gemacht werden. Daneben ist es untersagt, jugendgefährdende Trägermedien an einem Ort auszustellen, anzuschlagen, vorzuführen oder sonst zugänglich zu machen, der Kindern oder Jugendlichen zugänglich ist oder von ihnen eingesehen werden kann. Für die Tatbestandsrealisierung reicht es aus, dass die jugendgefährdenden Trägermedien potentiell in den Wahrnehmungsbereich von Minderjährigen gelangen können. Im Einzelhandel ist es außerhalb von Geschäftsräumen verboten, anderen Personen jugendgefährdende Inhalte anzubieten oder zu überlassen. Das gleiche gilt für Kioske und andere Verkaufsstellen, die Kunden nicht zu betreten pflegen. Im Übrigen erstreckt sich das Verbot auch auf den Versandhandel und die gewerblichen Leihbüchereien und Lesezirkel. Daneben ist die gewerbliche Vermietung von jugendgefährdenden Trägermedien oder eine vergleichbare gewerbliche Gewährung des Gebrauches untersagt. Das gilt nur dann nicht, wenn das Anbieten und Überlassen des Trägermediums in einem Ladengeschäft erfolgen, das von Kindern und Jugendlichen nicht eingesehen werden kann und das sie nicht betreten können. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor jugendgefährdenden Trägermedien wird auch durch umfassende Werbeverbote für solche Inhalte gewährleistet, wobei allerdings gegenstandsneutrale Werbung erlaubt ist. Daneben ist es verboten, indizierte Trägermedien herzustellen, zu beziehen, vorrätig zu halten oder einzuführen, um sie entgegen der Verbote zu verwenden oder anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen. Wer jugendgefährdende Trägermedien gewerblich herstellt oder vertreibt, muss 1372

Vgl. Art. 50 EGV.

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seine Abnehmer nach § 15 Abs. 6 JuSchG schließlich auf die gesetzlichen Vertriebsbeschränkungen hinweisen. Das allgemeine Abgabe- und Verbreitungsverbot an Kinder und Jugendliche verstößt insoweit gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, als es keine Alters-Abstufungen vorsieht. Die fehlende Differenzierung entzieht sich einer plausiblen Begründung, zumal der Gesetzgeber solche Alters-Abstufungen bei Jugendbeeinträchtigungen praktiziert. Die Frage der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne stellt sich auch bei den kaufmännischen Vertriebsverboten. Sie lässt sich hier allerdings nicht einheitlich beantworten: So ist beim Versandhandel auch das absolute Handelsverbot gerechtfertigt, weil es wegen der Anonymität des Geschäftes unmöglich ist, das Alter der Vertragschließenden zu überprüfen. Anders verhält es sich beim Totalverbot des Vertriebes indizierter Medien in gewerblichen Leihbüchereien. Der Erfolg, der mit einem absoluten gegenüber einem eingeschränkten Vermietverbot erreicht werden kann, ist minimal, was den Eingriff unverhältnismäßig macht. Das völlige Verbot des Vertriebes indizierter Trägermedien im Einzelhandel außerhalb von Geschäftsräumen ist dagegen noch angemessen. Denn hier kann im Massenbetrieb selbst bei persönlicher Kontrolle durch das Personal nur schwer garantiert werden, dass kein Minderjähriger die Produkte konsumiert oder sich interessante Titel notiert, um eine Ersatzbeschaffung in die Wege zu leiten. Bei den von den Verboten betroffenen Kiosken und Verkaufsstellen, die Kunden gewöhnlich nicht zu betreten pflegen, ist das absolute Veräußerungsverbot in seiner Schärfe dagegen unangemessen. Es fehlt an einem nachvollziehbaren signifikanten Risikopotential. In Bezug auf den Handel mit DVDs und Videos in den Videotheken ist es immer noch legitim, von einem Massengeschäft zu sprechen. Die Gefährdungen, die dadurch für Kinder und Jugendliche entstehen können, rechtfertigen flankierende Maßnahmen wie das eingeschränkte Vermietverbot. Ein Verstoß gegen die Grundrechte ist damit nicht verbunden. Das Werbeverbot schließlich erscheint unter Berücksichtigung der schwierigen Kollisionslage nur dann als angemessen, wenn sich die konkrete Werbung unmittelbar auf den jugendgefährdenden Gehalt des Trägermediums bezieht. Andernfalls besteht ein Missverhältnis zwischen der Schwere des Eingriffs und dem erreichten Erfolg. Keinen Bedenken begegnet in diesem Zusammenhang das Verbot, die Liste der jugendgefährdenden Medien zu Werbezwecken abzudrucken oder zu veröffentlichen. Kinder und Jugendliche könnten die Veröffentlichung regelrecht als Quelle für geplante Ersatzbeschaffungen missbrauchen. Um das auszuschließen, muss das unternehmerische Interesse in diesem Fall zurückstehen. Grundsätzlich handelt der Gesetzgeber auch legitim, wenn er Hinweise auf ein laufendes Indizierungsverfahren in der Werbung verbietet. § 15 Abs. 5 JuSchG greift aber

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

nicht, wenn die Bundesprüfstelle oder die Gerichte zu dem Ergebnis kommen, dass keine Jugendgefährdung von dem Werk (mehr) ausgeht. Die Indizierungsfolgen sind schließlich mit europäischem Recht vereinbar. Zwar greifen die §§ 15 f. JuSchG in die Meinungsfreiheit nach Art. 10 Abs. 1 EMRK ein, doch lässt sich dieser Eingriff über den Schutz der Moral und den Schutz der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sowie den Schutz der Rechte anderer legitimieren. In Bezug auf die Grundfreiheiten des EG-Vertrages fehlt es unter Berücksichtigung der „Keck-Formel“ schon an einem Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit. Kapitel 13

Die Aufhebung der Indizierung Bei der Indizierung handelt es sich um einen Dauer-Verwaltungsakt. Die Beschränkungen für indizierte Medien bleiben also permanent bestehen. Das ist wegen der betroffenen Grundrechte jedoch nur so lange gerechtfertigt, wie von ihnen auch tatsächlich eine Gefährdung für Kinder und Jugendliche ausgehen kann1373. Die Bundesprüfstelle und die Anbieter streiten sich in der Praxis sehr häufig über den Wegfall von Indizierungsgründen. Das liegt zum einen an der Rechtstruktur der Entscheidungsfindung. Denn nicht nur die Indizierung beruht auf einer Prognose über die denkbare Gefährdungswirkung der Inhalte. Auch die Entscheidung über den Wegfall der Gefährdungswirkung basiert natürlich auf einer Prognose – mit allen Unwägbarkeiten, die damit einhergehen. Zum anderen liegt es daran, dass Indizierungsgründe (häufig) zeitgebunden sind. Die Indizierungsgremien orientieren sich an der Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen im Moment der Entscheidung. Immer wieder kommt es deshalb zu Kontroversen darüber, ob Minderjährige einige Jahre nach der Indizierung nicht doch in der Lage sind, mit den problematischen Inhalten adäquat umzugehen. Der Gesetzgeber hat in § 18 Abs. 7 JuSchG einen Interessenausgleich zwischen dem berechtigten Freiheitsanliegen der Hersteller und Händler einerseits und einem effektiven Jugendmedienschutz andererseits geschaffen. Medien sind (von Amts wegen) aus der Liste zu streichen, wenn die Voraussetzungen für eine Indizierung nicht mehr vorliegen. Eine Listenstreichung können die betroffenen Urheber und Inhaber der Nutzungsrechte auch selbst beantragen. Davon abgesehen verliert eine Aufnahme in die Liste nach 25 Jahren automatisch ihre Wirkung. 1373 Nikles, § 18 Rn. 18; Schulz/Korte, ZUM 02, S. 720; Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 18 Rn. 93.

Kap. 13: Die Aufhebung der Indizierung

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I. Listenstreichung von Amts wegen Wird der Vorsitzenden der Bundesprüfstelle bekannt, dass ein indiziertes Medium nicht mehr als jugendgefährdend angesehen werden kann, muss sie Schritte einleiten, um das Medium von der Indizierungsliste streichen zu dürfen. Dafür ist in der Regel ein erneutes Votum des 12er-Gremiums erforderlich. Liegt die Aufnahme des Mediums über zehn Jahre zurück, kann die Bundesprüfstelle auch im vereinfachten Verfahren über die Listenstreichung entscheiden1374. Teilen die zuständigen Gremien die Auffassung der Vorsitzenden, ist das betroffene Medium unverzüglich von der Liste der jugendgefährdenden Medien zu streichen1375. Dies geschieht sogar ganz ohne Einbindung von 12er-Gremium oder 3er-Gremium, wenn das Medium länger als 25 Jahre auf dem Index steht. 1. Wegfall der materiellen Indizierungsvoraussetzungen Das Medium ist immer dann aus der Indizierungsliste zu entfernen, wenn die materiellen Indizierungsvoraussetzungen weggefallen sind1376. Dies ist der Fall, wenn ein grundsätzlicher gesellschaftlicher Wertewandel eingetreten ist und deshalb die früher beanstandeten Passagen heute nicht mehr als jugendgefährdend angesehen werden können1377. Möglich ist zum Beispiel, dass sich die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen weiterentwickelt hat. Dann kann bei einer früher gefährdenden Passage im Status quo nur noch von einer beeinträchtigenden oder vollständig relativierten Wirkung auszugehen sein. Denkbar ist auch, dass ein vormals jugendgefährdender Inhalt heute keinerlei Identifikationsmöglichkeit mehr bietet oder schlicht aufgrund seiner zeitgebundenen „Verpackung“ überhaupt nicht mehr jugendaffin erscheint1378. Schließlich können die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, wenn die Medienwirkungsforschung zu Erkenntnissen gelangt, die frühere Gefährdungsannahmen widerlegen1379. Der Wegfall der Indizierungsvoraussetzungen muss der Vorsitzenden „bekannt“ werden. Hierzu genügt, dass die Vorsitzende nach einem externen Hinweis bzw. Antrag oder aus sonstigen Umständen Zweifel daran hat, 1374

§ 23 Abs. 4 JuSchG. Das ergibt sich aus § 13 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. DVO JuSchG i. V. m. § 24 Abs. 1 und 2 JuSchG. 1376 § 18 Abs. 7 S. 1 JuSchG. 1377 BT-Drcks. 14/9013, S. 26; Nikles, § 18 Rn. 18; Scholz/Liesching, § 18 Rn. 47. 1378 BPjME Nr. A 104/04 (29.10.2004), S. 3 f. 1379 Scholz/Liesching, § 18 Rn. 47. 1375

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

dass die Voraussetzungen für eine Indizierung bei dem indizierten Medium noch vorliegen1380. 2. Wegfall durch Zeitablauf Wenn die Indizierung 25 Jahre zurückliegt, erlischt sie qua lege (§ 18 Abs. 7 S. 2 JuSchG). Der Gesetzgeber geht davon aus, dass bei einer Listenaufnahme „nicht unbeträchtliche[ ] zeitgebundene[ ] Bewertungsdifferenzen“ bestehen1381. Die immer stärkere Gewöhnung an Medien, allgemeine gesamtgesellschaftliche Liberalisierungstendenzen und die pädagogische Vermittlung von Medienkompetenz verändern Bewertungsmaßstäbe und Normengefüge. Das rechtfertigt es, die indizierten Medien nach einem Viertel-Jahrhundert automatisch zu streichen1382. Dadurch wird auch sichergestellt, dass Medien, die nach Satz 1 hätten gestrichen werden müssen, aber aus welchen Gründen auch immer noch nicht gestrichen worden sind, letztlich automatisch aus der Liste verschwinden. Die absolute Zeitgrenze trägt auch dem Umstand Rechnung, dass ein Medium nach 25 Jahren womöglich zwar noch jugendgefährdend ist, aber eine so geringe Bedeutung hat, dass die Indizierung nicht mehr aufrechterhalten werden muss. Allerdings hat die Bundesprüfstelle die Möglichkeit, Medien auch nach Ablauf der 25 Jahre erneut zu indizieren. Dafür müssen gemäß § 21 Abs. 5 Nr. 3 JuSchG die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Liste weiterhin vorliegen (Jugendgefährdung, Vorrang des Jugendschutzes gegenüber widerstreitenden Grundrechten etc.). Die Initiative für die erneute Indizierung geht von der Vorsitzenden der Bundesprüfstelle aus. Im weiteren Verfahren entscheidet das 12er-Gremium der Bundesprüfstelle1383. 3. Gerichtliche Aufhebung der Indizierungsentscheidung Indizierungsentscheidungen können selbstverständlich gerichtlich überprüft und bei Rechtswidrigkeit aufgehoben werden. In welchem Umfang das möglich ist und welche Probleme dabei entstehen können, wird im nächsten Kapitel separat beleuchtet.

1380

BT-Drcks. 14/9013, S. 26. Vgl. zum Antragsverfahren noch sogleich II. Ebenda. 1382 Ukrow, S. 291 Rn. 583; Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 18 Rn. 96; kritisch zur Länge der Frist: Köhne, AfP 02, S. 203. 1383 § 19 Abs. 5 JuSchG. 1381

Kap. 13: Die Aufhebung der Indizierung

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II. Insbesondere der Antrag auf Listenstreichung Eigentlich sind Medien nach dem Wegfall der Indizierungsgründe von Amts wegen zu streichen1384. In der Praxis sieht es jedoch so aus, dass die Bundesprüfstelle gar nicht die personellen Möglichkeiten hat, den Bestand an indizierten Medien turnusmäßig zu durchforsten. So werden fast nur diejenigen Trägermedien intensiv auf ihre nachhaltige Gefährdung geprüft, bei denen die Indizierung 25 Jahre zurückliegt und eine Listenstreichung qua lege unmittelbar bevorsteht. Es gibt jedoch für die Urheber und/oder Inhaber der Nutzungsrechte gemäß § 21 Abs. 2 i. V. m. Abs. 7, Abs. 3; § 23 Abs. 1 und 3, § 19 Abs. 5 JuSchG die Möglichkeit, schon vorher den Wegfall der Gefährdung von Medien feststellen zu lassen: Durch einen konkreten Antrag auf Listenstreichung. Im Jahr 2006 wurden insgesamt 138 solcher Listenstreichungsverfahren durchgeführt1385. Der Nachteil für den Antragsteller liegt darin, dass er für die von ihm initiierte Prüfung Verfahrensgebühren entrichten muss. Die Gebühren fallen selbst dann an, wenn der Antrag erfolgreich ist1386. Ein negativ beschiedenes Verfahren kann den Antragsteller nach der Gebührenordnung unter Umständen sogar deutlich weniger Geld kosten als ein erfolgreicher Antrag1387. Laut Regierungs-Begründung verfolgt die Kostenerhebung zwei Zwecke. Einmal soll sie Massenverfahren verhindern, bei denen „wenig Aussicht auf Erfolg besteht“1388. Zum anderen soll sie der Bundesprüfstelle Einnahmen bringen, um deren Verwaltungsaufwand zu decken1389. Wenn der Antragsteller Recht hat und das Medium ungefährlich ist, kann die Gebührenpflicht nicht dazu dienen, den Jugendschutz zu verbessern. Denn an der (weiteren) Indizierung von gefahrlosen Medien besteht kein Jugendschutz-Interesse. Da der Antrag erfolgreich war, kommt auch nicht das Anliegen zum tragen, aussichtslose Verfahren einzudämmen. Es bleibt noch der Zweck, mit den Gebühren die Verfahrenskosten zu decken. Dagegen wäre bei einer angemessenen Gebühren-Gegenleistung eigentlich nichts einzuwenden. Die Streichung von der Liste ist aber keine 1384

§ 19 Abs. 7 S. 1 JuSchG. BPjM-Aktuell 1/2007, S. 25. 1386 § 21 Abs. 10 S. 2 JuSchG i. V. m. §§ 1 S. 1 Nr. 2; 3 (Gebührenverzeichnis Teil 1, Tatbestände unter Nr. 2); Gebührenverzeichnis Teil 2, Tatbestände unter Nr. 2) GebO BPjM. 1387 Das gilt zum Beispiel für einen abgelehnten Antrag auf fehlende Inhaltsgleichheit (Gebührenverzeichnis Teil 1 Nr. 1, Unterpunkte 1.1–1.3), der gegenüber einem bewilligten Antrag auf Listenstreichung günstiger sein kann. Darauf weist zu Recht Löffler/Altenhain in JSchutz BT § 21 Rn. 51 hin. 1388 BuRats-Drcks. 110/04, S. 7. 1389 Ebenda. 1385

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

staatliche Privilegierung oder besondere Leistung. Sie stellt lediglich den Normal-Zustand wieder her, der für Medien gilt, die keine Gefahr für Kinder und Jugendliche sind. Zur Herstellung dieses Normalzustandes ist der Staat schon unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 und möglicherweise auch aus Art. 12 Abs. 1 GG verpflichtet. Andernfalls wäre nämlich der Geldbeutel mit ausschlaggebend für die uneingeschränkte Ausübung von Kommunikationsgrundrechten. Die Kundgabe einer Meinung aber bleibt auch „dann Meinungsäußerung, wenn sie wirtschaftliche Vorteile bringen soll“1390. Ein reiches Medienunternehmen wird die Gebühren aus der Portokasse entrichten. Ein armer, unbedeutender Künstler wird sich damit deutlich schwerer tun, zumal er ja selbst dann zahlen muss, wenn er Recht bekommt. Die Verordnungsbegründung führt hierzu aus, dass bei den „stattgebenden Entscheidungen (. . .) auch berücksichtigt [wurde], dass daraus den antragstellenden Personen im Hinblick auf die Vermarktung des Mediums wirtschaftliche Vorteile zukommen“1391. Das ist juristisch schief, weil die unternehmerische Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht Gegenstand der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit ist. Auch müssen Gebühren von deutlich über 1.000 Euro erst einmal durch die Vermarktung refinanziert werden. Gewinne aus legitimer Grundrechtsausübung kann der Staat möglicherweise mit allgemeinen Steuern abschöpfen. Er kann an einer vermuteten zukünftigen Vermögensverbesserung aber nicht durch Verfahrensgebühren partizipieren, wenn der Antragsteller tatsächlich nicht mehr als die Rücknahme von Repressionen verlangt, die unnötig geworden sind. Es grenzt an Zynismus, dass der Staat für die Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes Geld fordert, obwohl seine Behörde zu dieser Beseitigung schon durch die Grundrechte und das Jugendschutzgesetz unmittelbar verpflichtet wäre1392. Wenn man es sich recht besieht, ist das Gebührensystem geradezu eine Einladung für die Bundesprüfstelle, gar nicht von selbst bei der Listenstreichung tätig zu werden. Denn über einen Antrag der Betroffenen lässt sich Geld generieren und die Haushaltslage verbessern. Wie das Zitat aus der Begründung zeigt, hat der Verordnungsgeber bei den stattgebenden Verfahren sogar noch einen „Aufschlag“ auf die tatsächlichen durchschnittlichen Verfahrenskosten für legitim erachtet. Wenn es jedoch bei einem positiven Antrag auf Listenstreichung schon grundsätzlich keine Rechtfertigung für Gebühren gibt, so bleibt für einen solchen Gebühren-„Aufschlag“ erst recht kein Raum. 1390 1391 1392

BVerfGE 30, S. 352. Ebenda, S. 10. Ähnlich: Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 21 Rn. 51.

Kap. 14: Rechtsschutz gegen Indizierungen

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§ 21 Abs. 10 JuSchG und der darauf basierende § 1 Nr. 2 BPjMGebO sind daher verfassungskonform einzuschränken. Die Ermächtigung, Gebühren zu erheben, bezieht sich lediglich auf erfolglose Anträge zur Listenstreichung. Soweit das Gebührenverzeichnis dem zuwiderläuft (Anlage zu § 3 BPjMGebO, Teil 2, Nr. 2, Unterpunkte 4.1–4.6), verstößt es unmittelbar gegen Art. 5 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 und Art. 12 Abs. 1 GG und ist verfassungswidrig. Kapitel 14

Rechtsschutz gegen Indizierungen I. Rechtsbehelfe und Rechtsweg Gegen die Verfügungen der Bundesprüfstelle können die Betroffenen gemäß § 25 Abs. 1 JuSchG Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten suchen. Dabei finden die allgemeinen Regeln der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) Anwendung1393. 1. Instanzenzug Das Gericht erster Instanz ist das Verwaltungsgericht Köln1394. Berufungen werden vor dem Oberverwaltungsgericht Münster verhandelt1395, zugelassene Revisionen schließlich vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig1396. 2. Allgemeine Klageprämissen Die Klage ist gegen den Bund zu richten, vertreten durch die Bundesprüfstelle1397. § 25 Abs. 1 und 2 JuSchG erwähnen als Klagegegenstand sowohl die eigentliche Indizierungsentscheidung der Behörde als auch die Ablehnung und Einstellung eines Antrages auf Listenstreichung1398. Ergänzend muss der Rechtsschutz im Lichte des Art. 19 Abs. 4 GG aber auch für alle ande1393 1394 1395 1396 1397 1398

Nikles, § 25 Rn. 1. §§ 45, 52 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 und 2 VwGO i. V. m. § 1 e AGVwGO NRW. §§ 46 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, 1 Abs. 1 AGVwGO NRW. § 49 Abs. 1 Nr. 1, 2 Abs. 1 VwGO. Vgl. §§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO und 25 Abs. 3 JuSchG. § 21 Abs. 2, 3 und 7 JuSchG.

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

ren denkbaren Verwaltungsakte der BPjM gelten, um effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten1399. Gegen Indizierungs-Entscheidungen ist regelmäßig die kassatorische Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO statthaft1400. Die Bundesprüfstelle hat die Indizierungsliste unverzüglich zu korrigieren, wenn ihre Entscheidungen aufgehoben werden oder außer Kraft treten1401. Bei Ablehnung eines Antrages auf Listenstreichung nach bestandskräftig gewordener Indizierung muss dagegen mit der Verpflichtungsklage vorgegangen werden1402. Denn in diesem Fall will der Antragsteller letztlich die Streichung des Mediums von der Indizierungsliste erreichen. Dabei ist ihm aber mit einer bloßen Beseitigung der negativen Listenstreichungs-Entscheidung der BPjM (durch eine Anfechtungsklage) nicht geholfen. Schließlich hat dann immer noch die ursprüngliche Indizierungsentscheidung als Verwaltungsakt Bestand und steht einer Streichung im Wege. Aus diesem Grund kann auch die Leistungsklage letztlich kein statthaftes Prozessinstitut sein, obwohl der Streichvorgang und die Veröffentlichung im Bundesanzeiger rein faktischer Natur sind. Nur mit einer Verpflichtungsklage kann die Bundesprüfstelle verpflichtet werden, eine positive Entscheidung über die Listenstreichung zu fällen, womit dann (in der Regel konkludent) auch die Aufhebung der ursprünglichen Indizierungsentscheidung verbunden ist. Im Zusammenhang mit dem Antrag auf Listenstreichung1403 stellt sich die Frage, ob der Betroffene von den Verwaltungsgerichten feststellen lassen kann, dass eine Jugendgefährdung nicht mehr vorliegt. Wäre es nämlich möglich, ein Urteil zu erwirken, das ein Nicht(mehr)vorliegen der Indizierungsvoraussetzungen statuiert (Feststellungsklage), wäre die BPjM durch § 18 Abs. 7 S. 1 JuSchG schon von Amts wegen dazu verpflichtet, das Medium aus der Liste zu streichen. Sie könnte dann gegenüber dem Betroffenen keinen Kostenanspruch geltend machen. Eine Feststellungsklage ist jedoch nach § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO gegenüber anderen Gestaltungs- oder Leistungsklagen subsidiär. Deshalb kann sie allenfalls dann vor Gericht Erfolg haben, wenn der Kläger nicht durch eine andere Klageart Rechtsschutz in gleichem Umfang und mit derselben Wirkung erlangen kann1404. Hier ist 1399

Nikles, § 25 Rn. 1. Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 25 Rn. 1; Scholz/Liesching, § 23 Rn. 9; Nikles, § 23 Rn. 13. 1401 § 24 Abs. 2 S. 2 JuSchG. 1402 BVerwGE 44, S. 335; BVerwG NJW 87, S. 1435; so auch: Scholz/Liesching, § 25 Rn. 1. 1403 Vgl. zu den Kostenfragen bereits die Ausführungen in Kapitel 13 II. 1404 Hufen, § 18 Rn. 9 f. 1400

Kap. 14: Rechtsschutz gegen Indizierungen

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es dem Kläger möglich, durch einen Antrag auf Listenstreichung bzw. Verpflichtungsklage gegen die Ablehnung eines solchen Antrages sein Anliegen unmittelbar rechtlich durchzusetzen. Auch direkt nach der Indizierungsentscheidung besteht die Möglichkeit einer Anfechtungsklage. Es fehlt also am Rechtsschutzbedürfnis. Deshalb ist eine auf Nichtvorliegen der Indizierungsvoraussetzungen gerichtete Feststellungsklage unstatthaft. Für die Betroffenen ist das aber letztlich nicht von Nachteil, da die neu im JuSchG (und der entsprechenden Rechtsverordnung) verankerte Kostenforderung der Bundesprüfstelle auch bei einem erfolgreichen Antrag auf Listenstreichung nicht mit den Grundrechten in Einklang zu bringen ist1405. Klagebefugt ist nach § 42 Abs. 2 VwGO jeder, bei dem die Möglichkeit einer subjektiven Rechtsverletzung besteht. Das sind regelmäßig die beteiligten Verlage, Vertriebe und Urheber indizierter Medien1406. Einzelnen Händlern ist der Rechtsschutz gegen Indizierungen verwehrt1407. Gleiches galt bisher auch für die Stellen, die die Indizierung durch ihren Antrag in die Wege geleitet hatten1408. Über § 25 Abs. 2 JuSchG haben sie1409 nun erstmals die Möglichkeit der Klage. Dies gilt allerdings nur, wenn die BPjM das Verfahren einstellt oder eine Indizierung mangels Jugendgefährdung zurückweist. Anregungsberechtigte Institutionen1410 sind nach wie vor nicht zur Klage berechtigt. Für die Zulässigkeit der Klage ist es grundsätzlich nicht notwendig, dass ein Widerspruchsverfahren vor der Bundesprüfstelle durchgeführt worden ist1411. Bei einer vorläufigen Entscheidung des 3er-Gremiums nach § 23 ist jedoch ausnahmsweise eine Entscheidung der BPjM in voller Besetzung herbeizuführen, bevor zulässige Klage erhoben werden kann. 3. Rechtsmittelwirkung und vorläufiger Rechtsschutz Legt der Bürger Rechtsbehelfe gegen behördliche Akte ein, so werden sie nach § 80 Abs. 1 VwGO regelmäßig suspendiert. Das ist auch notwendig, da die Rechtsordnung dem Verwaltungsakt mit seiner wirksamen Verkündigung Geltung verleiht – sei er nun rechtmäßig oder nicht1412. Das Ju1405

Vgl. dazu schon Kapitel 13 II. Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 25 Rn. 5 m. w. N. 1407 OLG Köln NVwZ 94, S. 411 f.; Scholz/Liesching, § 21 Rn. 18; Löffler/ Altenhain, JSchutz BT § 25 Rn. 5. 1408 BVerwGE 19, S. 269; BVerwGE 28, S. 63. 1409 Vgl. zum Berechtigtenkreis § 21 Abs. 2 JuSchG. 1410 Vgl. dazu § 21 Abs. 4 JuSchG. 1411 § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO i. V. m. § 25 Abs. 4 S. 2 JuSchG. 1412 Vgl. § 43 Abs. 1–4 VwVfG. 1406

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Teil 3: Das geltende Indizierungsrecht

gendschutzgesetz schließt aber durch § 25 Abs. 4 S. 11413 die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klageerhebung gegen die Entscheidungen der BPjM aus. Umso wichtiger ist es, die aufschiebende Wirkung wegen einer besonderen Beeinträchtigung oder offensichtlicher Rechtswidrigkeit der Indizierung schon vor dem gerichtlichen Hauptverfahren durchsetzen zu können. Schließlich können wegen der Arbeitsüberlastung der Verwaltungsgerichte Jahre bis zur gerichtlichen Klärung vergehen. Auf Antrag des Beschwerten kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfes im Einzelfall gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anordnen. Voraussetzung dafür ist ein Überwiegen der Interessen des Klägers an der Suspendierung der Indizierung gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer Vollziehung der Indizierungsentscheidung. Dies ist dann gegeben, wenn sich die Behördenentscheidung bei summarischer Prüfung des Gerichtes als offensichtlich rechtswidrig erweist1414.

II. Das Ausmaß der richterlichen Kontrolle Es ist schon Gegenstand näherer Erörterungen gewesen, dass der Begriff der Jugendgefährdung nicht ohne Weiteres aus sich selbst heraus verständlich ist. Seine Konturen erfährt er vielmehr durch Auslegung in gelebter Prüfstellen- und Rechtspraxis1415. Auch die Frage, ob etwas als Kunst anzusehen ist und ob im Ergebnis Kunstfreiheit oder Jugendschutz der Vorrang einzuräumen bleibt, kann nur im Einzelfall nach sorgsamen Abwägungsprozessen ermittelt werden. Das hat in der Praxis recht schnell die Frage aufgeworfen, ob die richterliche Kontrolle von Indizierungsentscheidungen tatsächlich vollumfänglich sein muss oder ob der Bundesprüfstelle nicht gewisse Einschätzungsspielräume bei ihren Bewertungen zustehen müssen, die dann faktisch „gerichtsfest“ sind. 1. Methodische Vorüberlegungen Je ungenauer ein Rechtsbegriff ist, desto mehrdeutiger ist er und desto konfliktträchtiger gestaltet sich seine Anwendung im Einzelfall1416. Die an sich einzig rechtmäßige, vom Gesetzgeber vorgegebene Entscheidung lässt sich hier nicht eindeutig feststellen1417. Wem aber kommt dann das Recht zu, Sachverhalte in tatsächlichen Zweifelsfällen verbindlich zu subsumie1413 1414 1415 1416 1417

I.V.m. § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Statt vieler Löffler/Altenhain, JSchutz BT § 25 Rn. 9. Vgl. Kapitel 11 II. Wahl, NVwZ 91, S. 409. Maurer, VR § 7 Rn. 30; Peine, § 4 Rn. 72; Ossenbühl, DÖV 72, S. 403.

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ren? Soll die Rechtsprechung die Entscheidungen der Verwaltung und Kollektivgremien voll überprüfen und sogar ersetzen können, obwohl sich die eigene Kontrolle nicht mehr rational durchführen lässt1418? a) Die Figur des „Beurteilungsspielraumes“ Man kann die Frage zugunsten der Verwaltung beantworten. In der Literatur hat erstmals Bachof gewisse Schranken der richterlichen Prüfung formuliert1419. Durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe werde der Behörde häufig ein Beurteilungsspielraum zugestanden. Dies sei ein Bereich eigener, gerichtlich nicht überprüfbarer Wertung und Entscheidung, der von den Verwaltungsgerichten hinzunehmen sei1420. Allerdings könnten die Gerichte prüfen, ob die Grenzen dieses Bereiches beachtet seien. Ähnlich formuliert Ule, der in Grenzfällen die von der Verwaltung getroffene Entscheidung als rechtmäßig ansieht, wenn sie sich im Rahmen dessen bewegt, was der übergeordneten Norm bei einer vertretbaren Auslegung entnommen werden kann1421. Beide Autoren betonen die größere Sachkunde und Erfahrung der Verwaltung1422. Entscheidungen auf der Grundlage unbestimmter Rechtsbegriffe seien in gewisser Weise unvertretbar oder unwiederholbar. Der Verwaltung müsse hier ein eigener gerichtsfester Verantwortungsbereich zugestanden werden1423. Dieser theoretische Ansatz hat sich nicht flächendeckend durchsetzen können. Das Phänomen des Beurteilungsspielraumes wird von der Rechtsprechung zwar anerkannt. Allerdings geht sie nicht von einem Automatismus zwischen unbestimmten Rechtsbegriffen und Beurteilungsspielräumen aus. Unbestimmte Rechtsbegriffe seien lediglich einfache Indizien für Verwaltungsspielräume1424. Wirkliche Entscheidungsfreiräume könnten nur dann angenommen werden, wenn und soweit der Gesetzgeber durch das jeweilige Gesetz entsprechende Gestaltungs-, Ermessens- oder Beurteilungsspielräume eröffnet habe und diese mit den Grundrechten in Einklang zu bringen seien1425. Es bleibt im Grundsatz also dabei, dass die Gerichte die im konkreten Zweifelsfall verbindliche Auslegung formulieren. 1418

Erichsen/Ossenbühl, § 10 III 3 Rn. 33. Bachof, JZ 55, S. 97 f.; derselbe in JZ 72, S. 208. 1420 Bachof, JZ 55, S. 98 f. 1421 Ule, FS-Jellinek, S. 309 f.; derselbe in VerwArch 76, S. 9 f. 1422 Bachof, JZ 55, S. 100; Ule, FS-Jellinek, S. 326. 1423 Ule, FS-Jellinek, S. 326; Bachof, JZ 55, S. 99. 1424 BVerfGE 61, S. 111; Koch, Rn. 99; Peine, § 4 II 2 Rn. 73; Bamberger, VerwArchiv 02, S. 217 f.; Maunz/Dürig/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 185 f. mit weiteren Nachweisen. 1419

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b) Beurteilungsspielraum und effektiver Rechtsschutz Die Antinomie von administrativen Beurteilungsspielräumen und gerichtlicher Vollkontrolle auf der Basis „normativer Ermächtigung“ wirft verfassungsrechtliche Fragen auf. Lässt sich das Institut mit dem Rechtsstaatsprinzip und dem Gewaltenteilungsgrundsatz vereinbaren? Art. 19 Abs. 4 GG eröffnet schließlich jedem Bürger, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt ist, effektiven Rechtsschutz vor den Gerichten. Das gilt auch für die Beschwer durch die Verwaltungsentscheidung auf Grund unbestimmter Rechtsbegriffe1426. Soll diese gerichtliche Kontrolle aber effektiv sein, darf sie nicht an verwaltungsbehördlich getroffene Feststellungen gekettet werden1427. Daran ändert auch die Prognosegebundenheit und Komplexität von Verwaltungsfeststellungen nichts. Das Gericht kann sich notfalls durch Sachverständige ebenso kundig machen1428. Unter diesen Gesichtspunkten scheint die Lehre vom Beurteilungsspielraum im Widerspruch zum Rechtsstaats- und Gewaltenteilungsprinzip zu stehen. Rechtsprechung und Lehre kommen dennoch zum gegenteiligen Ergebnis1429. Art. 19 Abs. 4 GG müsse im Kontext anderer Verfassungsnormen gesehen und begriffen werden1430. Der Blick auf Art. 20 Abs. 3 GG – also der Gesetzesbindung der Verwaltung – zeige: Die gerichtliche Kontrolle müsse dort enden, wo das materielle Recht (also das Gesetz selbst) der Exekutive ganz bewusst Entscheidungen abverlange, ohne dafür hinreichend determinierte Programme vorzugeben1431. Das ist schon deshalb richtig, weil der Beurteilungsspielraum der Verwaltung dann gerade Absicht des Gesetzgebers ist. Grenzen werden solchen legislativ vorgegebenen administrativen Beurteilungsspielräumen aber durch die Grundrechte gesetzt. Sie vermitteln subjektive Abwehrrechte gegenüber 1425

Sogenannte „Normative Ermächtigungslehre“, vgl. BVerfGE 61, S. 111; Bamberger, VerwArch 02, S. 234 f.; Jarass/Pieroth, Art. 19 Rn. 64 f.; Hofmann, NVwZ 95, S. 744; Geis, NVwZ 92, S. 29; Beaucamp, JA 02, S. 315; Pieroth/ Schlink, Art. 19 IV Rn. 1021. 1426 BVerfGE 15, S. 282; BVerfGE 73, S. 373; BVerwGE 35, S. 72 f. 1427 BVerfGE 101, S. 123; BVerfGE 103, S. 156; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 116. 1428 BVerfGE 88, S. 59; Koch Rn. 101. 1429 Es gibt Autoren, die eine Unvereinbarkeit mit Art. 19 Abs. 4 GG erkennen wollen. Vgl. hierzu die Nachweise bei Maurer, VR § 7 Rn. 34. 1430 von Münch/Kunig/Krebs, Art. 19 Abs. 4 GG, S. 1078 f. 1431 BVerfGE 88, S. 61 f.; BVerfGE 103, S. 156 f.; Pieroth/Schlink, Art. 19 IV Rn. 1021; Maunz/Dürig/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 188. Kritisch zur Formulierung: Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 Rn. 128, der die Gefahr des „Zirkelschlusses“ sieht. Das Prinzip des effektiven Rechtsschutzes begrenze vielmehr umgekehrt die Einräumung von Beurteilungsspielräumen.

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dem Staat. Aus diesen subjektiven Abwehrrechten kann sich im Einzelfall unabhängig vom gesetzgeberischen Streben eine gerichtliche Vollkontrolle der Verwaltungsentscheidung ableiten lassen1432. Darüber hinaus ist auch innerhalb verfassungsrechtlich zulässiger Beurteilungsspielräume zumindest eine erweiterte Willkürkontrolle als Grundlage der Justizgewähr1433 möglich. Dabei wird hinterfragt, ob die Behörde von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist und klärende Ermittlungen vorgenommen hat, ob sie anerkannte und richtige Wertmaßstäbe angewandt hat, ob alle Beteiligten fair und gleich behandelt worden sind und ob die Verwaltung die Grenzen ihres Beurteilungsspielraumes erkannt und eingehalten hat1434. c) Das „Aufspüren“ von Beurteilungsspielräumen Die „normative Ermächtigungslehre“ krankt daran, dass der Gesetzgeber nur selten expressis verbis zum Ausdruck bringt, dass der Verwaltung ein Beurteilungsspielraum zustehen soll1435. Deshalb muss im Wege der Auslegung ermittelt werden, ob der Gesetzgeber der Verwaltung das verbindliche Letztentscheidungsrecht übertragen hat1436. Bisher ist es nicht gelungen, einen feststehenden Kanon anerkannter Beurteilungsermächtigungen zu entwickeln1437. Das macht eine sorgsame Einzelfallbetrachtung und eine punktuelle Argumentation unumgänglich1438. 2. Denkbare Wertungsspielräume bei der Medienindizierung Die Frage nach freien Wertungsspielräumen der Verwaltung hat sich in der Vergangenheit auf diejenigen Termini konzentriert, denen zentrale Bedeutung für die Indizierungsentscheidung zukommt. § 17 Abs. 2 JuSchG weist der BPjM grundsätzlich die Entscheidung über die Aufnahme von Medien in die Liste der jugendgefährdenden Medien zu. Große Bedeutung 1432 BVerfGE 84, S. 54 f.; BVerfGE 85, S. 56 f.; Geis, NVwZ 92, S. 29; Redeker, NVwZ 92, S. 308; Beaucamp, JA 02, S. 315. 1433 Bamberger, VerwArch 02, S. 228. 1434 Schoch, Jura 04, S. 618; Bamberger, VerwArchiv 02, S. 231; Ipsen, § 8 Rn. 494 f.; Bull/Mehde, S. 260 Rn. 583; Redeker, NVwZ 92, S. 307; Sendler, DVBl 94, S. 1089 f. 1435 Statt vieler: Erichsen/Ossenbühl (12. Auflage), § 10 III 3 Rn. 33. 1436 Peine, § 4 Rn. 72; Maurer, VR § 7 Rn. 34. 1437 Schoch, Jura 04, S. 616; Erichsen/Ossenbühl (12. Auflage), § 10 III 3 Rn. 34; Peine, § 4 Rn. 74. 1438 Beaucamp, JA 02, S. 316.

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hat dabei die Einschätzung, ob Medien gemäß § 18 Abs. 1 JuSchG geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu einer gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden. Ist diese Feststellung der Bundesprüfstelle gerichtlich voll überprüfbar? § 18 Abs. 3 JuSchG legt fest, dass Werke trotz Jugendgefährdung nicht aufgenommen werden dürfen, wenn sie der Kunst oder Wissenschaft dienen. Auch hier muss geklärt werden, ob die BPjM das Recht besitzt, diese Bewertung letztverbindlich zu treffen. Schließlich ist zu hinterfragen, wem die letzte Entscheidung beim Interessenausgleich von Jugendschutz und kollidierenden Grundrechten zukommt. Dabei geht es sowohl um die „Einstellungskompetenz“ der „Gewichte“ auf der Seite der jeweiligen Rechtsgüter als auch um den finalen Abwägungsvorgang. a) Die Position der Rechtsprechung Die Gerichte sind zunächst in mehreren Urteilen von einer vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit der Indizierungsentscheidungen durch die Bundesprüfstelle ausgegangen. In BVerwGE 23, S. 104 f., die sich mit der Übersetzung des Romans „The postman always rings twice“ von James M. Cain befasste, verwirft das Bundesverwaltungsgericht sogar schon den Ansatz der BPjM, eine Interessenabwägung zwischen „echter“ Kunst und dem Jugendschutz vorzunehmen. Es stellt fest, dass das damalige GjS als einfaches Gesetz nicht den schrankenlosen Art. 5 Abs. 3 GG verengen könne. Weiter heißt es, der Begriff der Jugendgefährdung sei zwar unbestimmt. Es sei aber dennoch kein behördlicher Beurteilungsspielraum anzunehmen. BVerwGE 25, S. 327 gelangt zu dem Schluss, dass die Würdigung einer Schrift als Kunst im Streitfall durch gutachterliche Ausführungen vorgenommen werden muss und dem Gericht die letzte Entscheidung in der Sache vollumfänglich zufällt. Die Entscheidung BVerwGE 39, S. 197 f. markiert eine deutliche Abkehr von dieser Rechtsprechung und räumt der Bundesprüfstelle umfassende Bewertungsspielräume ein. Gegenstand des Verfahrens war der Roman „Die Sünden der Söhne“ von Hans Nogly, der in der Illustrierten „Stern“ fortgesetzt abgedruckt wurde. Die Bundesprüfstelle hielt das Werk für sittlich roh und damit jugendgefährdend. Das Bundesverwaltungsgericht geht in seiner Entscheidung nunmehr davon aus, dass die Einschätzungen der Behörde vorausschauend und richtungsweisend seien. Der erhebliche Einschlag wertender Elemente lasse sie dabei als nicht durch andere Institutionen vertretbar erscheinen1439. Das Gremium verbinde durch 1439

BVerwGE 39, S. 203.

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seine plurale Zusammensetzung vermutete Fachkenntnisse und Elemente gesellschaftlicher Repräsentanz miteinander1440. Es sei insoweit widersprüchlich, wenn die Verwaltungsgerichte befugt wären, auf Grund eigener Ermittlungen mit Hilfe von Sachverständigen ihre Entscheidungen an die Stelle der Erwägungen der Prüfstelle zu setzen1441. Die Gerichte seien vielmehr auf eine „Willkürkontrolle“ beschränkt, was auch mit Art. 19 Abs. 4 GG in Einklang stehe. Denn Art. 19 Abs. 4 GG verlange nicht, dass die Auswahl unter mehreren denkbaren, jeweils rechtmäßigen Entscheidungen letztverantwortlich vom Gericht getroffen werde1442. Der Bundesprüfstelle stehe nach alledem ein Beurteilungsspielraum bei der Listenaufnahme zu1443. Bemerkenswert an der Entscheidung sind auch die Ausführungen zum Kunstvorbehalt des Art. 5 Abs. 3 GG: Der Kunstvorbehalt greife nur dann ein, wenn das Werk gegenüber dem Jugendschutz als höherwertiger anzusehen sei. Damit eröffnet das Gericht der Bundesprüfstelle grundsätzlich auch die Möglichkeit einer Abwägung von Kunstwerken mit dem Jugendschutz. Diesen letzten Aspekt präzisiert das Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung BVerwGE 77, S. 75 f., indem es der Bundesprüfstelle sogar einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Feststellung von Kunst zuerkennt1444. Allerdings müsse das Gremium bei seiner Bewertung den damals neu vom Bundesverfassungsgericht entwickelten1445 mehrdimensionalen Kunstbegriff zugrunde legen und dürfe sich insoweit nicht von sittlichen Wertungsgesichtspunkten im Sinne einer Niveaukontrolle leiten lassen1446. Nach fast zwanzig Jahren erschütterte das Bundesverfassungsgericht diese Rechtspraxis. Der Erste Senat hob mit Beschluss vom 27.11.19901447 die Indizierung des Romans „Josefine Mutzenbacher – Die Lebensgeschichte einer wienerischen Dirne, von ihr selbst erzählt“ auf (wegen eines Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 3 GG). In diesem Zusammenhang verneint das Gericht einen Beurteilungsspielraum der Bundesprüfstelle bei der Frage, ob ein Werk Kunst darstellt. Die Intensität des Eingriffes in die Kunstfreiheit durch eine Indizierung gebiete vollständige richterliche Kontrolle zur Gewährleistung eines effektiven Grundrechtsschutzes1448. Praktische Konkordanz lasse sich nicht durch das abstrakte Gegenüberstellen von Verfas1440 1441 1442 1443 1444 1445 1446 1447 1448

Ebenda, S. 204. Ebenda. BVerwGE 39, S. 205. Ebenda, S. 203 f. BVerwGE 77, S. 81. BVerfGE 67, S. 218 f. BVerwGE 77, S. 85 f. BVerfGE 83, S. 130 f. Ebenda, S. 130 und 148.

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sungsgütern erreichen. Sie müsse vielmehr für den konkreten Einzelfall hergestellt werden. Die Gütergewichtung erfolge dabei nach grundrechtsimmanenten Kriterien, die sich wegen Art. 1 Abs. 3 GG nicht nur für die Bundesprüfstelle, sondern auch für die Gerichte als verbindlich darstellten. Die gerichtliche Vollkontrolle sei folglich ein unmittelbar verfassungsrechtliches Postulat1449. Allerdings sei damit nicht gesagt, dass der BPjM überhaupt kein Beurteilungsspielraum verbleiben dürfe1450. Worin und auf welcher Ebene dieser Rest-Beurteilungsspielraum liegen könne, ließ das Gericht in seiner Entscheidungsbegründung offen. Hierzu bezog nun wieder das Bundesverwaltungsgericht in einem Sprung-Revisionsverfahren gegen die Indizierung von Henry Millers Buch „Opus Pistorium“ Stellung und modifizierte seine bisherige Rechtsauffassung. Das VG Köln hatte in der Angelegenheit erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dass der Bundesprüfstelle vor allem bei der Frage der Jugendgefährdung aus den seit BVerwGE 39, S. 197 f. bekannten Gründen weiterhin ein Beurteilungsspielraum zustehe. Die „Mutzenbacher“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes stehe dem nicht entgegen, denn dort habe man diese Frage ausdrücklich offen gelassen1451. In einem ähnlich gelagerten Sachverhalt war das OVG Münster dagegen auf Grund der „Mutzenbacher-Entscheidung“ von einer gerichtlichen Vollkontrolle der behördlichen Einschätzungen zur Jugendgefährdung ausgegangen1452. Es bestand also umfassender Klärungsbedarf. Das Bundesverwaltungsgericht interpretierte nun das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes dahingehend, dass die Bundesprüfstelle weder hinsichtlich der Kunstqualität eines Werkes noch bezüglich der Eignung einer Schrift zur Jugendgefährdung unmittelbare Einschätzungsprärogativen besitzt1453. Das BVerfG verlange nämlich in seiner „Mutzenbacher-Entscheidung“ eine Gewissheitsverschaffung des Gerichtes in jeder Hinsicht, welchen schädigenden Einfluss eine konkrete Schrift ausüben könne. Damit sei die Annahme eines wie auch immer gearteten Beurteilungsspielraumes der Bundesprüfstelle in diesem Bereich unvereinbar. Allerdings habe die Bewertung der Bundesprüfstelle bei der sittlichen Gefährdung von Jugendlichen auf Grund ihrer Struktur und gesetzlichen Verortung die Qualität einer sachverständigen Aussage. Sie könne nur durch fachkundigen Gegenvortrag erschüttert werden1454. Ein kleiner Einschätzungsspielraum soll der BPjM nach Ansicht des BVerwG noch zustehen: Wenn es im letzten Schritt darum gehe, die jeweiligen Aspekte des Jugend1449 1450 1451 1452 1453 1454

Ebenda. Ebenda. VG Köln, NVwZ 1992, S. 403. OVG Münster, NVwZ 92, S. 397. BVerwGE 91, S. 211, 213 und 216. Ebenda, S. 216.

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schutzes einerseits und der Kunstfreiheit andererseits auf der „Konkordanzwaage“ tatsächlich abzuwiegen, müssten die Gerichte akzeptieren, dass die letzte Abwägungsentscheidung vom Gesetzgeber der Prüfstelle zugewiesen sei. Die Gerichte hätten insoweit lediglich zu kontrollieren, ob die Entscheidung willkürfrei zustande gekommen sei1455. Nach der gegenwärtigen Rechtsprechung sind Indizierungsentscheidungen also im Wesentlichen gerichtlich voll überprüfbar. Beim finalen Ausgleich der widerstreitenden Verfassungsgüter verbleibt der Prüfstelle allerdings ein Rest-Beurteilungsspielraum1456. b) Literatur Die „Mutzenbacher“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes beinhaltete eine kategorische Absage an einen Beurteilungsspielraum der BPjM bei der Kunstbewertung von Werken. Seitdem hat sich die Diskussion um Einschätzungsspielräume der Bundesprüfstelle auf die Frage konzentriert, ob der Behörde – entgegen der Interpretation von BVerwGE 91, S. 211 f. – nicht doch bei der Frage der Jugendgefährdung durch Werke das Letztentscheidungsrecht eingeräumt werden muss. aa) Verfechter von Beurteilungsspielräumen Befürworter1457 von Beurteilungsspielräumen der Bundesprüfstelle verweisen in der Tradition der Entscheidung BVerwGE 39, S. 197 f. auf die gesetzlich vorgegebene Struktur der Behörde. Die repräsentative Zusammensetzung stelle sicher, dass das finale Votum der Jugendgefährdung eine Entscheidung der pluralen Gesellschaft sei1458. Die BPjM repräsentiere aber nicht nur Wertevielfalt, sondern kanalisiere in ihren Entscheidungen auch vermutete Fachkenntnisse1459. Der Gesetzgeber habe es in den §§ 17–21 1455

Ebenda. Kritisch dazu Geis, NVwZ 92, S. 29: Durch die Überprüfbarkeit der Abwägungsfaktoren bestehe faktisch kein exekutivischer Freiraum. Sendler bemerkt zutreffend, dass die „Gemengelage (. . .) in der praktischen Handhabung kaum trennbar ineinander übergeht“, vgl. DVBl 94, S. 1095. 1457 von Mangold/Klein/Starck/Starck, Art. 5 Abs. 3 Rn. 345; Nikles, § 18 Rn. 3; Erichsen/Ossenbühl (12. Auflage), § 10 III 3 Rn. 27; derselbe in: Ossenbühl, DÖV 72, S. 402; Reidt, DÖV 92, S. 918 und 920 f.; Gusy, JZ 93, S. 796; Würkner/KerstWürkner, NJW 93, S. 1448; Würkner, NVwZ 92, S. 312; Redeker, DÖV 71, S. 759 f.; derselbe zurückhaltender in: NJW 95, S. 2145 f. und NVwZ 92, S. 308; Bachof, JZ 72, S. 208 f.; teilweise so auch schon Eckhardt, DVBl 69, S. 862. 1458 Reidt, DÖV 92, S. 918 und S. 920. 1459 Redeker, NVwZ 92, S. 307 f.; Bachof, JZ 72, S. 209. 1456

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JuSchG darauf angelegt, die Indizierungsfrage in einer demokratischen Einzelfallentscheidung zu konkretisieren. Dies aber konterkariere die gerichtliche Vollkontrolle1460. Denn wolle der Jurist nicht nur als „gebildeter Laie“ entscheiden, so müsse er sich sachverständigen Beistand sichern. Damit sei aber ein einzelner Sachverständiger unter Berufung des Gerichtes in der Lage, die vom Gesetzgeber bewusst initiierte Gremienentscheidung qualifizierter Fachleute auszuhebeln1461. Gerichtliche Vollkontrolle sei auch deshalb unnötig, weil die Mitglieder der Bundesprüfstelle gemäß § 19 Abs. 4 JuSchG weisungsfrei und damit in richterähnlicher Unabhängigkeit entschieden. Schließlich bedeute der Beurteilungsspielraum ja auch keine „Gerichtslosigkeit“. Willkürkontrolle übten die Gerichte weiterhin aus1462. Es gehe lediglich darum, eine optimale Sachentscheidung zu erreichen. Und hier müsse der Bundesprüfstelle „im Zweifel“ – und nur dann – das Letztentscheidungsrecht über die Jugendgefährdung und die Abwägung mit widerstreitenden Verfassungsgütern zukommen1463. bb) Anhänger gerichtlicher Vollkontrolle Gegner1464 führen ins Feld, die Schaffung unabhängiger, pluraler und weisungsfreier Ausschüsse wie der Bundesprüfstelle unterlaufe die Rechtsschutzgarantie. Dies sei umso weniger hinnehmbar, als sich diese Gremien nicht nur der verwaltungsinternen, sondern auch der parlamentarischen Kontrolle entzögen1465. Wenn auch die Aufdeckung der wahren Gründe solcher Kollegialentscheidungen vor Gericht schwierig sei, so müsse dies gerade zu einer sorgfältigen Prüfung Anlass geben1466. Sie sei auch rein tatsächlich durch die Gerichte leistbar. Denn die Indizierung von Schriften unterscheide sich von Prüfungsentscheidungen ganz erheblich dadurch, dass es sich weder um unwiederholbare Vorgänge handelt, noch um fachwissenschaftliche Urteile1467. Dazu erweise sich die vermutete Sachkompetenz der 1460

Reidt, DÖV 92, S. 920. Redeker, DÖV 71, S. 759 f.; Bachof, JZ 72, S. 209. 1462 Ossenbühl, DÖV 72, S. 404 f. 1463 Ebenda. 1464 Scholz/Liesching, § 18 Rn. 10; Maurer, VR § 7 Rn. 45; Ipsen, § 8 Rn. 509; Koch, Rn. 108; Schoch, Jura 04, S. 618; Maunz/Dürig/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 GG, Rn. 196 f.; Beaucamp, JA 02, S. 318; Bull (6. Auflage), § 7 Rn. 388; Herdegen, JZ 91, S. 750; Lutz, NJW 88, S. 3195 f.; von Olshausen, JuS 73, S. 220 f.; Frenzel, AfP 02, S. 93 f.; Erbel, DVBL 73, S. 532;Ott, NJW 72, S. 1220; wohl auch von Kalm, DÖV 94, S. 26 und Geis, NVwZ 92, S. 30. 1465 Maurer, VR § 7 Rn. 45; Koch Rn. 108; Schoch, Jura 04, S. 618; Beaucamp, JA 02, S. 318. 1466 Bull/Mehde, S. 258 Rn. 580; Maunz/Dürig/Schmidt-Aßman, Art. 19 IV Rn. 196. 1461

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Behörde bei näherer Betrachtung als zweifelhaft1468: Die Bundesprüfstelle hole bei der Frage der Jugendgefährdung oft selbst Gutachten ein, und auch die Auswahl der Gutachter lasse erhebliche Zweifel an deren Fachkompetenz aufkommen1469. Schließlich seien die mangelnden Rezeptions- und Weiterbildungspflichten der Mitglieder nicht gerade dazu geeignet, einen Beurteilungsspielraum bei der Jugendgefährdung und sonstigen Abwägungsprozessen zu befürworten1470. cc) Stellungnahme Auf der Grundlage der herrschenden eingeschränkten Ermächtigungslehre ist zum einen zu klären, ob der Gesetzgeber der Bundesprüfstelle überhaupt Beurteilungsspielräume einräumen konnte. In einem zweiten Schritt muss zum anderen hinterfragt werden, ob er auch tatsächlich von seiner Delegationskompetenz Gebrauch gemacht hat. Bei der Bewertung eines Mediums als künstlerisch oder wissenschaftlich (§ 18 Abs. 3 JuSchG) kann der Gesetzgeber schon gar keine Beurteilungsspielräume einräumen. Beide Termini sind in ihrer Reichweite deckungsgleich mit den Leitbegriffen des Art. 5 Abs. 3 GG. Beständen hier Freiräume der BPjM, würde sie unabänderlich über die Anwendung oder Nichtanwendung elementarer Grundrechtsfreiheiten befinden können. Zwar wäre den Gerichten noch eine Willkürkontrolle eröffnet, um offensichtlich fehlerhafte Entscheidungen des Gremiums zu korrigieren, doch bestände die latente Gefahr, dass über geschickte, verschleiernde Argumentationstopoi in den Indizierungsbegründungen grundrechtsverkürzende Maßnahmen gerichtsfest ergingen. Eine solche Annahme ist mit der elementaren Bedeutung des Art. 5 Abs. 3 GG nicht in Einklang zu bringen. Sie verstößt gegen das Postulat effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 i. V. m. Art. 5 Abs. 3 GG. Das Grundrecht fordert nach richtigem Verständnis im Interesse einer größtmöglichen Grundrechtsfreiheit die gerichtliche Vollkontrolle der Prüfstellenwürdigung ein. Anders scheint es auf den ersten Blick bei der Einschätzung der Jugendgefährdung zu sein. Denn an dieser Stelle wird nicht die zentrale Frage be1467

Ipsen, § 8 Rn. 510. Lutz, NJW 88, S. 3195; auch: Maurer, VR § 7 Rn. 45; Ipsen, § 8 Rn. 510; Lukesch moniert die „Unwissenheit dieses Gremiums hinsichtlich der internationalen Wirkungsforschung“. Über einen „eingehenden Überblick zum Stand des Wissens“ scheine das 12er-Gremium der BPjM nicht zu verfügen, vgl. Hänsel/Lukesch, S. 119 Fn. 1. 1469 Lutz, NJW 88, S. 3195. 1470 Ebenda. 1468

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antwortet, ob etwas als Kunst, Meinung oder Tatsache anzusehen ist, ob also der Grundrechtsbereich eröffnet ist. Es steht vielmehr die Wertung und Prognose über eine Gefährdungsgefahr von Kindern und Jugendlichen im Vordergrund. Die Verfassung fordert diese Wertung ein, indem sie den Auftrag zum Jugendschutz erteilt. Art. 5 Abs. 2 GG sieht zudem die Möglichkeit einer Einschränkung der Meinungs-, Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit zugunsten des Jugendschutzes ausdrücklich vor. Aber selbst, wenn bei der Entscheidung über die Jugendgefährdung noch nicht abschließend über die Einschränkung des Grundrechtes befunden wird, die ja erst Konsequenz des verhältnismäßigen Güterausgleiches ist, so lässt sich im Ergebnis doch kein Beurteilungsspielraum der Bundesprüfstelle befürworten. Dadurch würde auch der festgestellte Grad der Jugendgefährdung einer gerichtlichen Kontrolle im Wesentlichen entzogen. Diesem aber kommt bei der finalen Güterabwägung der widerstreitenden Verfassungswerte eine fundamentale Bedeutung zu1471. Je größer nämlich das „Gewicht“ auf der Seite des Jugendschutzes im Einzelfall ist, desto größer muss auch das Interesse des Gegengutes in jedem Einzelfall sein. Bei diesem „Austarieren“ der „Güterwaage“ geht es im Ergebnis um die Realisierung grundrechtlicher Freiheiten. Insofern ist von einer verfahrensprägenden Funktion des zumeist betroffenen Art. 5 (Abs. 1 und 3) GG auszugehen, der eine gerichtliche Vollkontrolle einfordert. Demnach hat der Gesetzgeber schon keine Delegationskompetenz. Selbst wenn man – davon abweichend – eine Delegationsmöglichkeit des Gesetzgebers befürwortet, so ist es tatsächlich doch nicht zu einer Delegation im neuen JuSchG gekommen. Dem Gesetzgeber war der Streit um mögliche Beurteilungsspielräume der Bundesprüfstelle bekannt. Wäre es sein Anliegen gewesen, die Entscheidung über die Jugendgefährdung und Indizierung von Medien gerichtsfest in die Hände des von ihm installierten pluralen Gremiums zu legen, hätte er dies – in Kenntnis der gegenteiligen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes – kodifizieren müssen. Im JuSchG findet sich aber kein entsprechender Passus. Dagegen lässt sich den parallel zum JuSchG ratifizierten §§ 20 Abs. 3 und 5 i. V. m. 19 Abs. 2 JMStV ein Beurteilungsspielraum der Freiwilligen Selbstkontrollen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ausdrücklich entnehmen. Schließlich kann der vom Bundesverwaltungsgericht angenommene „Rest-Beurteilungsspielraum“ bei der finalen Güterabwägung der Verfassungswerte nicht befürwortet werden. Es entscheidet sich auf dieser Ebene, ob die grundrechtliche Freiheitsgewähr realisiert werden kann oder nicht. 1471 Vgl. zu den Abwägungskriterien die ausführliche Darstellung in Kapitel 11, II. 4. d) bb).

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Im Sinne effektiven Grundrechtsschutzes muss hier wegen der Intensität des Indizierungseingriffs eine gerichtliche Vollkontrolle gewährleistet sein. Die Rechtsprechung stößt dabei nicht an ihre Funktionsgrenzen. Medieninhalte sind keine temporären Momentaufnahmen. Sie sind für jedes Gericht reproduzierbar. Darüber hinaus verändern sich zwar die Bewertungsmaßstäbe der Jugendgefährdung von Generation zu Generation, jedoch regelmäßig nicht in einer so kurzen Zeitspanne, dass kein Platz für eine gerichtliche Gegenkontrolle bliebe. Folgt aus dem Gegenstand der Entscheidung somit die Möglichkeit des gerichtlichen Nachvollziehens und der eigenständigen Subsumtion, kann für einen nicht justiziablen Beurteilungsspielraum kein Raum sein1472. Soweit der Beurteilungsspielraum über plurale Strukturmerkmale und die richterangenäherte Weisungsfreiheit des Gremiums motiviert wird, kann auch das nicht überzeugen. Die erneute Entscheidung des Gesetzgebers zu einem aufwändigen verwaltungsfernen Entscheidungsprozess bei der Indizierung von Medien ist als Respekt und besondere Verpflichtung gegenüber den Grundrechten in ihrer Rolle als Abwehrrechte des Bürgers gegenüber staatlicher Restriktion zu begreifen. Der Staat entzieht sich einer rein administrativen Indizierungs-Wertung und verlagert die Entscheidungsmacht auf eine Gruppe, in der selbst Grundrechtsbetroffene mitentscheiden. Sie sollen im freien Diskurs und mit der Sensibilität der betroffenen Verkehrskreise im 12er-Gremium der Bundesprüfstelle eine ausgleichende Entscheidung mit den Interessen des Jugendschutzes finden. Nicht so sehr der Jugendschutz, sondern die Kunst-, Meinungs- und Berufsfreiheit legitimiert und erfordert nach diesem Verständnis die Indizierungs-Entscheidung eines pluralistischen Gremiums. Sie ist ein erster „Filter“ gegen grundrechtsrelevante Eingriffe, der in der Regel wegen des emanzipierten Selbstverständnisses der Bundesprüfstelle ausreichend ist. Gleichwohl ist die richterliche Vollkontrolle eine notwendige Ergänzung des Grundrechtsschutzes. Der oft schwierige verhältnismäßige Ausgleich der Verfassungswerte im Einzelfall und die Subsumtion unter strafrechtliche Tatbestände bspw. im Rahmen des § 15 Abs. 2 JuSchG erfordert profunden rechtswissenschaftlichen Sachverstand. Es ist nicht auszuschließen, dass die Mitglieder der Bundesprüfstelle als juristische Laien die rechtlichen Prämissen im Einzelfall verkennen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Vorsitzende regelmäßig Volljuristin ist. Sie kann die freie Entscheidung des Gremiums im Ergebnis nicht unterbinden. Umgekehrt ist es letztlich nicht auszuschließen, dass der Staat über die Vorsitzende der BPjM und die von den Ländern 1472

So auch Ott, NJW 72, S. 1221.

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zu ernennenden Beisitzer zumindest im politisch sensiblen Einzelfall erheblichen Einfluss im 12er-Gremium ausübt. Hier schafft die richterliche Vollkontrolle einen zusätzlichen Schutz vor Grundrechtsverkürzungen1473. Schließlich wird der Bedeutung der Bundesprüfstelle dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass ihre Würdigung die Qualität einer sachverständigen Aussage hat und nicht ohne Weiteres erschüttert werden kann. Die BPjM hat also im Ergebnis keine Beurteilungsspielräume. Die Gerichte können alle Entscheidungen vollständig hinterfragen.

1473

In diese Richtung auch: Frenzel, AfP 02, S. 193 f.

Teil 4

Ergebnisse der Untersuchung Abschließend werden die wesentlichen Erkenntnisse dieser Untersuchung noch einmal pointiert dargestellt. Dies soll auch ein selektives Lesen ermöglichen. Ein Hinweis auf die Seitenzahlen erleichtert dabei das Auffinden der Ergebnisse in der Analyse. 1. Unter einer Indizierung im engeren Sinne versteht man die faktische Aufnahme eines Mediums in die Liste der jugendgefährdenden Medien (= Indizierungsliste). Indizierung im weiteren Sinne kann neben der realen Listeneintragung auch die vorangegangene Indizierungsentscheidung beschreiben (S. 31 f.). 2. Das System der Indizierung ist schon vor über 80 Jahren erstmals in Gesetzesform gegossen worden: Nach dem „Schund- und Schmutzgesetz“ von 1926 waren jugendgefährdende Schmutz- und Schundschriften in eine Liste aufzunehmen, wobei dies öffentlich bekanntgemacht wurde. Nach der Bekanntmachung durfte der jeweilige Titel nicht mehr allgemein beworben und verbreitet werden (S. 36 f.). 3. Die Nationalsozialisten setzten das „Schund- und Schmutzgesetz“ außer Kraft und verabschiedeten das Reichskulturkammergesetz, um unliebsame Inhalte generell (auch für Erwachsene) zu unterbinden (S. 37). 4. Erst 1953 wurde im Bundestag ein Gesetz gegen jugendgefährdende Schriften (GjS) verabschiedet. Es sah vor, dass unsittliche sowie Verbrechen, Krieg und Rassenhass verherrlichende Schriften in eine Liste aufzunehmen waren. Indizierungsentscheidungen traf ein weisungsfreies Gremium aus sachverständigen Gruppen- und Länderbeisitzern mit Zwei-Drittel-Mehrheit. Die Listenaufnahme war für die Schrift mit zahlreichen Abgabe, Verbreitungs- und Werbebeschränkungen verbunden (S. 38). 5. Das GjS wurde im Laufe seiner 50-jährigen Gültigkeit mehrfach modifiziert und den technischen Entwicklungen angepasst: Die Möglichkeit einer (vorläufigen) Eilindizierung wurde geschaffen, der Katalog der automatisch indizierten Inhalte erweitert, die Zuständigkeit der Bundesprüfstelle sukzessive auf weitere Medien erstreckt (S. 40 f.). Wegen der zunehmenden Konvertierbarkeit von Texten, Bildern und Tönen in allen Medien konnte das GjS den Jugendschutz in den Medien trotzdem immer schlechter gewähr-

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leisten. Der Bundestag verabschiedete daher am 14.06.2002 ein neues, rechtsharmonisierendes Gesetzes – das gegenwärtige Jugendschutzgesetz (JuSchG) (S. 42 f.). 6. Wie sich eine Indizierung von (Träger-)Medien tatsächlich auf deren gewerbliche Verbreitung auswirkt, wurde bisher nicht erforscht. Das ist äußerst unbefriedigend, weil sich dadurch weder über die Wirksamkeit der Indizierung noch ihre Eingriffsintensität in die Grundrechte empirisch verlässliche Aussagen treffen lassen, die eine Differenzierung nach Mediengenre bzw. Typ der Indizierung (Voraus-Indizierung, Eil-Indizierung, Nach-Indizierung) ermöglichen (S. 43). 7. Zumindest für den Bereich der (Eil-)Indizierung von Computerspielen kann diese Untersuchung die Forschungslücke etwas verkleinern: Ein Vergleich der Verkaufszahlen eines indizierten Computerspiels („Command & Conquer Generals“) mit den Verkaufszahlen der „entschärften“ Version desgleichen Computerspieles („Command & Conquer Generäle“) belegt, dass eine (Eil-)Indizierung den Verkauf von Computer- und Videospielen in kürzester Zeit fast vollständig zum Erliegen bringen kann (S. 46 f.). 8. Trotz dieses Befundes wird die Wirksamkeit der Indizierung in der Praxis erheblich dadurch verwässert, dass eine Ersatzbeschaffung durch bzw. über Volljährige oder das Internet möglich ist. Auch hierzu gibt es leider nach wie vor keine empirisch fundierten Untersuchungen (S. 51). 9. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen tritt häufig in ein Spannungsverhältnis mit den Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Filmfreiheit, Rundfunkfreiheit, Informationsfreiheit). Das gilt auch für die künstlerischen Gestaltungsrechte in Art. 5 Abs. 3 GG (Kunstfreiheit, Wissenschaftsfreiheit), die Berufsausübungs- und Unternehmerfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 und die Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 GG (S. 52 f.). 10. Die gesetzgeberische Entscheidung zum aktiven Jugendmedienschutz durch Indizierung ist jedoch grundsätzlich verfassungsrechtlich legitimiert. Der Jugendschutz – und damit auch der Jugendmedienschutz – ist ein wichtiges Gemeinschaftsanliegen (S. 82 f.). Sein Verfassungsrang ergibt sich aus dem Schutz der Minderjährigen gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und aus dem elterlichen Erziehungsrecht gemäß Art. 6 Abs. 2 GG (S. 86 f.). 11. Damit ist noch nichts über die legislativen Regelungszuständigkeiten ausgesagt. Diese ergeben sich aus den Art. 70 f. GG. Die Materie Jugendmedienschutz ist dort nicht ausdrücklich dem Bund oder den Bundesländern als Aufgabe zugewiesen. Es kommen aber als Sachmaterien die Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 (Strafrecht), Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 (Fürsorge) und Art. 74

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Abs. 1 Nr. 11 (Wirtschaft) GG in Betracht. Diese Sachmaterien gehören zur konkurrierenden Gesetzgebung (S. 86). 12. Der Jugendmedienschutz lässt sich als Teil der öffentlichen Fürsorge charakterisieren. Es gibt zwar bei den Indizierungsmaßnahmen keinen unmittelbaren Bezug zu einer wirtschaftlichen Notlage, doch ist es legitim, den Begriff Fürsorge so dynamisch zu interpretieren, dass er die Jugendmedienfürsorge miterfasst (S. 86 f.). 13. Das Indizierungsrecht gehört außerdem zum Kompetenztitel Strafrecht – wird also von Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG erfasst. Die Indizierungsvorschriften folgen in ihrer konzeptionellen Anlage strafrechtlichen Mustern: In den §§ 27 f. JuSchG wird ein jugendgefährdendes Verhalten ausdrücklich mit Sanktionen bedroht, wobei dieses Verhalten durch die §§ 15, 18 und 22 f. JuSchG unmittelbar typisiert ist (S. 90 f.). 14. Dagegen lässt sich das Indizierungsrecht nicht über Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft) formal legitimieren. Das Jugendschutzgesetz ist in erster Linie Ausdruck öffentlicher Fürsorge aus grundgesetzlicher Verantwortung und beabsichtigt kein Einwirken aus wirtschaftlichen Gründen (S. 91 f.). 15. Eine bundeseinheitliche Regelung des Indizierungsrechtes ist allerdings nicht geboten, um gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen. Dies würde voraussetzen, dass das Sozialgefüge des Bundes beeinträchtigt wird. Es fehlen aber schon die nötigen Anhaltspunkte für eine bestehende oder konkret drohende mediale „Verwahrlosung“ (S. 94). 16. Dagegen ist eine bundeseinheitliche Regelung des Indizierungsrechtes zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich: Die Medien konvergieren technisch und kommunikativ. Nur eine bundeseinheitliche Regelung kann deshalb einen effektiven Jugendmedienschutz gewährleisten (S. 94 f.). 17. Die bundeseinheitliche Regelung des Indizierungsrechtes lässt sich wohl auch mit einer notwendigen Wahrung der Wirtschaftseinheit begründen. Unterschiedliche Länderregelungen würden die flexible Verbreitung von Waren erschweren und könnten zu einer Konzentration des Verkehrs auf „liberale“ Länder führen. Selbst eine länderübergreifende Konsensregelung (z. B. ein Staatsvertrag) wäre für den Markt noch mit größeren Unwägbarkeiten verbunden, als eine rechtsharmonisierende Bundesregelung (S. 97 f.). 18. Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes zur Errichtung der Bundesprüfstelle als Oberbehörde sowie der gesetzlichen Regelung des Verwaltungsverfahrens vor der Bundesoberbehörde ergibt sich aus Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG (S. 98). 19. Rechtsquellen des geltenden Indizierungsrechtes sind das Jugendschutzgesetz (JuSchG), die Durchführungsverordnung des Jugendschutz-

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gesetzes (DVO-JuSchG), die Verordnung über die Erhebung von Gebühren durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjMGebO) sowie ergänzend der Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (JMStV), einige strafrechtliche Vorschriften des StGB sowie das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes (VwVfG) und die Verwaltungsgerichtsordnung des Bundes (VwGO) (S. 99 f.). 20. Beteiligte Institutionen der Indizierung sind die Bundesprüfstelle (BPjM) und die Kommission für den Jugendmedienschutz (KJM). Für die Listenaufnahmen und Listenstreichungen ist im Regelfall das so genannte 12er-Gremium der Bundesprüfstelle zuständig. Es besteht aus der Vorsitzenden der Bundesprüfstelle, acht Gruppenbeisitzern und drei Länderbeisitzern (S. 101 f.). 21. Die Gruppenbeisitzer im 12er-Gremium werden von bestimmten Interessenkreisen und deren organisierten Verbänden vorgeschlagen, die in den §§ 19 f. JuSchG näher bezeichnet sind. Ihre Berufung erfolgt formal durch das Bundesfamilienministerium für jeweils drei Jahre. Hierdurch gelangen Vertreter der Kunst, der Literatur, des Buchhandels und der Verlegerschaft, der Anbieter von Bild- und Telemedien, der freien Jugendhilfe, des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, der Lehrerschaft und der religiös geprägten Körperschaften in das Indizierungsgremium (S. 104). 22. Das Prinzip der Gruppenbeisitzerbenennung begegnet grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken: Das formaldemokratische Element mag in der Ernennung der Gruppenbeisitzer durch die vom Parlament gewählte Regierung nur schwach erkennbar sein. Die weitreichende Beteiligung privater Verbände ermöglicht aber ein struktur-demokratisches Element, durch das der Konfliktausgleich von Verfassungsgütern in einem pluralen, mehrheitlich staatsfernen und weisungsfreien Gremium realisiert werden kann (S. 109 f.). 23. Allerdings hat der Gesetzgeber in Teilen das Gebot der pluralen Interessenrepräsentation und der demokratischen Gleichheit verletzt, weil er nicht alle relevanten Organisationen im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 8 JuSchG berücksichtigt hat. So wird muslimischen Organisationen – anders als den deutlich kleineren jüdischen Kultusgemeinden – kein privilegiertes Vorschlagsrecht bei der Gruppenbeisitzerbesetzung zugestanden. Dies verstößt individualrechtlich jedenfalls gegen das gleiche Wahlrecht des Art. 38 Abs. 1 GG und im Verhältnis der Religionsgemeinschaften untereinander gegen Art. 3 Abs. 1 GG (S. 112 f.). 24. Mit Blick auf § 18 Abs. 3 Nr. 2 JuSchG und Art. 5 Abs. 3 GG erscheint es zudem als verfassungswidrig, dass zwar ein Gruppenbeisitzer aus

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den Kreisen der Kunst zu ernennen ist, jedoch kein Beisitzer, der die Kreise der Wissenschaft, Forschung und Lehre in der Bundesprüfstelle repräsentiert (S. 113). 25. Die Länderbeisitzer werden – anders als die Gruppenbeisitzer – von den jeweiligen Landesregierungen ernannt. Jedes Bundesland kann einen Beisitzer bestimmen (S. 104). Die strukturelle Einbindung staatlicher Repräsentaten in den Entscheidungsprozess ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Sie fungieren als organisiertes öffentliches Interesse und Hüter des Gemeinwohles gegenüber Gruppeninteressen. Die Repräsentation fällt numerisch auch nicht so ins Gewicht, als dass durch gezielte Einflussnahme eine Indizierung gegen den Willen der anderen Beisitzer durchgesetzt werden könnte (S. 131). 26. Nicht immer werden Indizierungsfragen im 12er-Gremium entschieden. In engen Grenzen kann auch das so genannte 3er-Gremium im vereinfachten Verfahren Entscheidungen treffen. Es besteht aus der Vorsitzenden der Bundesprüfstelle und zwei Beisitzern. Einer der Beisitzer muss dabei ein Gruppenbeisitzer aus den gestalterischen Bereichen sein. Das Gremium wird auf Veranlassung der Vorsitzenden tätig, wenn diese ein Tele- oder Trägermedium als ganz offensichtlich jugendgefährdend einschätzt. Das 3er-Gremium kann bei einer hohen Verbreitungswahrscheinlichkeit auch eine vorläufige, befristete Eilanordnung aussprechen. Alle Entscheidungen müssen einstimmig ergehen (S. 106 f.). 27. Bei der Indizierung von Medien kommt auch der Kommission für den Jugendmedienschutz (KJM) eine wichtige Rolle zu. Sie kann als antragsberechtigte Behörde selber Indizierungsverfahren in Gang bringen. Ihre eigentliche Kompetenz liegt aber darin, bei der Indizierung von Telemedien eine Stellungnahme abzugeben, die für die Bundesprüfstelle in der Regel maßgeblich wird (S. 115 f.). 28. Ein Indizierungsverfahren kann durch einen Antrag oder durch eine Anregung in Gang kommen. Anträge dürfen nur das Bundesfamilienministerium, die obersten Jugendbehörden der Bundesländer, die KJM, die Landesjugendämter und die Jugendämter stellen. Wird ein Antrag gestellt, kann das Verfahren nur dann im Vorfeld eingestellt werden, wenn eine Listenaufnahme offensichtlich nicht in Betracht kommt. Anregen dürfen alle Behörden und die anerkannten Träger der freien Jugendhilfe. Die BPjM wird dann von Amts wegen tätig. Ein Indizierungsverfahren wird nur dann eingeleitet, wenn es die Vorsitzende der BPjM im Interesse des Jugendschutzes für geboten hält (S. 118 f.). 29. Bei Indizierungsverfahren für Telemedien ist eine Stellungnahme der KJM einzuholen, von der die BPjM nur dann abweichen darf, wenn die

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Listenaufnahme mit der Spruchpraxis der BPjM schlechthin unvertretbar wäre (S. 116). 30. Weitere wichtige Verfahrensschritte im Regelverfahren der Indizierung sind die Anhörung der Beteiligten und die Ansetzung der Verhandlung, bei der die Beteiligten ein Recht auf Anwesenheit bis zur Entscheidungsfindung haben. In der Verhandlung wird der Sachverhalt umfassend geklärt – strittige Sequenzen ungekürzt vorgespielt. Auch die Beteiligten werden noch einmal gehört (S. 120 f.). 31. Bei der Entscheidungsfindung ist das 12er-Gremium unter sich. Für eine Indizierung bedarf es bei voller Besetzung einer Zwei-Drittel-Mehrheit. Angesichts der unsicheren Erkenntnislage bei der Medienwirkung ist dies ausdrücklich zu begrüßen. Ist eine Entscheidung gefallen, wird die Sitzung wieder aufgenommen und das Ergebnis verkündet und später förmlich zugestellt (S. 122 f.). 32. Im Gegensatz zum Regelverfahren gibt es im vereinfachten Verfahren bei einer offensichtlich vorliegenden Jugendgefährdung keine mündliche Anhörung der Beteiligten. Die Indizierungsentscheidungen des 3erGremiums müssen einstimmig erfolgen (S. 124 f.). 33. Zusätzliche Besonderheiten ergeben sich bei Eilentscheidungen vor dem 3er-Gremium gemäß § 23 Abs. 5 und 6 JuSchG. Diese sind nur zulässig, wenn die Gefahr eines kurzfristigen Vertriebes in großem Umfang besteht, wobei ein solcher Fall von der Vorsitzenden der Bundesprüfstelle vorab eingeschätzt wird. Im Eilverfahren gibt es keine Anhörung der Beteiligten. Diese würde ein effektives Verhindern der Verbreitung gefährlicher Medien unmöglich machen. Die Eilanordnungen sind aber auf maximal zwei Monate begrenzt und bilden keinen vollwertigen Verfahrensabschluss (S. 125 f.). 34. Problematisch an den Verfahrensnormen des Indizierungsrechtes ist das organisatorische Zusammenwirken von Bund und Ländern bei der Entscheidungsfindung. Dies betrifft sowohl die Entsendung von Länderbeisitzern in die Indizierungsgremien, als auch die verbindliche Berücksichtigung der Stellungnahmen der KJM bei der geplanten Indizierung von Telemedien (S. 127 f.). 35. Die Tätigkeit der Länderbeisitzer ist aber nicht zu beanstanden. Eine klassische Beleihung oder Betrauung/Organleihe liegt nicht vor, weil es an einer umfassenden Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben in Vertretung oder an Stelle des eigentlich dafür zuständigen Verwaltungsträgers Bund fehlt. Die vielmehr vorliegende Bund/Länder-Kooperation ist auch nicht so ausgestaltet, als dass es unmöglich oder unwahrscheinlich wird, dass die Bundesprüfstelle insgesamt von einer Empfehlung der Länderbeisitzer abweicht (S. 129 f.).

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36. Auch die Stellungnahmen der KJM sind eine Form der Bund/LänderKooperation. Diese ist allerdings nach der neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes als unzulässig anzusehen. Da die Stellungnahme der KJM bei der Indizierung von Telemedien gemäß § 21 Abs. 6 S. 2 JuSchG entscheidend zu berücksichtigen ist, wird der Einfluss der Bundesverwaltung unangemessen reduziert (S. 131 f.). 37. Objekte der Indizierung können sowohl die sogenannten Trägermedien, als auch die so genannten Telemedien sein. Beide müssen am Anfang des Indizierungsverfahrens voneinander abgegrenzt werden, weil sich je nach Medium das Verfahren der Indizierung unterscheidet und auch die im Jugendschutzgesetz geregelten Indizierungsfolgen nur für Trägermedien greifen. Nicht Gegenstand der Indizierung nach dem JuSchG ist der Rundfunk (S. 132 f.). 38. Trägermedien sind alle Medien mit Texten, Bildern oder Tönen auf gegenständlichen Trägern, die entweder zur Weitergabe geeignet oder zur unmittelbaren Wahrnehmung bestimmt oder in einem Vorführ- oder Spielgerät eingebaut sind (S. 134). 39. Eine Eignung zur Weitergabe besteht, wenn sich das Medium leicht an eine Vielzahl von Konsumenten verbreiten lässt. Erfasst sind z. B. alle Printmedien, CD-Roms, CDs, DVDs und mobile Speichermedien (Wechselfestplatten). Dagegen sind fest installierte Speichermedien und Multifunktionsgeräte (PCs, Handys) nicht zur Weitergabe geeignet. Multifunktionsgeräte lassen sich zwar von einer Person zur anderen übertragen, doch steht bei ihnen die Datenverarbeitung und Individualkommunikation im Vordergrund. Es muss hier darauf ankommen, wie das Gerät im Einzelfall verwendet wird (S. 135 f.) 40. Ist der Medienkonsum ohne technische Zwischenschritte (z. B. digitale Umwandlungen) möglich, liegt eine Bestimmung zur unmittelbaren Wahrnehmung vor (S. 136). 41. Fest verankerte Speichermedien können zu Trägermedien werden, wenn sie in ein Vorführ- oder Spielgerät eingesetzt sind (z. B. MP3-Player, Speicherchips von Spielkonsolen). Multifunktionsgeräte werden ansonsten nur dann als Trägermedien erfasst, wenn sie tatsächlich dazu genutzt werden, um jugendgefährdende Inhalte wiederzugeben (S. 137). 42. Trägermedien können ausnahmsweise auch unkörperlich verbreitet werden: Ein elektronisches Anbieten und Verbreiten steht der gegenständlichen Verbreitung gleich, wenn es sich nicht um Rundfunk handelt. Das erschwert die Abgrenzung von Trägermedien und Telemedien erheblich, da auch die Telemedien unkörperlich (elektronisch) verbreitet werden (dazu noch sogleich). Im Einzelfall muss der Rechtsanwender auf die konkrete

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Verwendung des Mediums und die Verwendungsabsicht des Täters abstellen (S. 138 f.). 43. Telemedien im Sinne des § 1 Abs. 3 JuSchG sind Medien, die durch elektronische Informations- und Kommunikationsdienste nach dem Telemediengesetz übermittelt oder zugänglich gemacht werden. Dabei ist es unerheblich, ob ein Angebot an die Allgemeinheit gerichtet ist (wie z. B. eine redaktionell gestaltete Homepage) oder ob eher die individuelle Nutzung (z. B. E-Mail) im Vordergrund steht (S. 140 f.). 44. Gesetzlich ausgeschlossen ist die Indizierung von audiovisuellen Träger- oder Telemedien, falls diese eine Altersfreigabe erhalten haben. Eine solche Altersfreigabe kann von den anerkannten Freiwilligen Selbstkontrollen (z. B. FSK, USK) auf Antrag der Rechteinhaber vergeben werden. Ein Gleichklang mit den Wertungen des Indizierungsrechts soll dadurch erreicht werden, dass die Freigabe-Kennzeichnung im Falle einer Jugendgefährdung verweigert werden muss (S. 141 f.). 45. Die Einbindung gesellschaftlicher Kräfte bei der Vergabe von Alterszertifikaten liegt noch im Rahmen der Gestaltungsmacht des Gesetzgebers. Denn rechtlich bleibt der Einfluss der öffentlichen Institutionen auf die Strukturen und das Prüfverfahren der anerkannten Selbstkontrollen erhalten: Die Länder bedienen sich der Freiwilligen Selbstkontrollen nicht als Beliehener, sondern als gutachterlicher Stellen. Jedes Land darf daneben im Einzelfall der vorgeschlagenen Kennzeichnung ausdrücklich widersprechen und eine abweichende Alterseinschätzung für sein Hoheitsgebiet vornehmen. (S. 151 f.). 46. Gründe für eine Indizierung ergeben sich aus den §§ 15, 18 und 22 f. JuSchG. Nach § 18 Abs. 1 JuSchG ist ein Medium in die Liste der jugendgefährdenden Medien aufzunehmen, wenn es geeignet ist, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden. 47. Eine Jugendgefährdung liegt vor, wenn der Medienkonsum zu einer sozialethischen Grundhaltung führen kann, die der Werteordnung des Grundgesetzes extrem widerspricht. Allerdings darf die grundsätzliche Berechtigung zum Einschreiten nicht zum Vorwand werden, um unliebsame politische oder soziale Inhalte vor Kindern und Jugendlichen zu verbergen (S. 178 f.). 48. Anhaltspunkte für die Bestimmung der jugendgefährdenden Inhalte bietet auch die UN-Übereinkunft über die Rechte des Kindes. Aus ihr erwächst ein staatliches Hinwirken auf eine Erziehung zu individueller Würde, Freiheit und Gleichheit sowie Toleranz und Solidarität zur Verpflichtung (S. 181 f.).

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49. Die wichtigsten Konkretisierungen der Jugendgefährdungen stellen die Regelbeispiele in § 18 Abs. 1 S. 2 JuSchG dar. Als jugendgefährdend gelten qua gesetzlicher Vermutung unsittliche, verrohende und zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizende Medien. Seit Juli 2008 gelten auch Medien als jugendgefährdend, die Gewalthandlungen detailliert und selbstzweckhaft darstellen oder Selbstjustiz als einzig bewährtes Mittel zur Durchsetzung der vermeintlichen Gerechtigkeit nahe legen (S. 182). 50. Unsittlich ist ein Medium, wenn es erotische Inhalte aufweist, die objektiv dazu geeignet sind, die ungestörte sexuelle Entwicklung von Minderjährigen zu gefährden. Das sind vor allem Medien, die Frauen zum reinen Lustobjekt de-gradieren oder Sexualität mit Angst oder Ekel verbinden (S. 183 f.). 51. Verrohend wirkt ein Medium, wenn es Kinder und Jugendliche innerlich gegenüber dem Schicksal und Leiden ihrer Mitmenschen abstumpfen lassen kann. Die BPjM geht davon aus, wenn es Sadismus, Hinterlist und gemeine Schadenfreude weckt oder fördert. Selbstzweckhaft vorgeführte detaillierte Gewalthandlungen werden nun unmittelbar über § 18 Nr. 1 JuSchG erfasst (S. 184 f.). 52. Von einem Anreizen zur Gewalttätigkeit ist auszugehen, wenn das Medium direkt oder indirekt eine Nachahmung bewirken kann. Das liegt nahe, wenn Gewalt zu einer verlockenden Alternative gegenüber friedlichem Sozialverhalten stilisiert ist. Gewalttätigkeit setzt – wie im StGB sonst auch – eine physische Kraftentfaltung voraus. Der Gesetzgeber hätte es klargestellt, wenn er eine weitergehende Interpretation des Gewaltbegriffes gewollt hätte (S. 185 f.). 53. Medien mit einer verbrechensbejahenden Tendenz sind als jugendgefährdend anzusehen, wenn sie zu einer Verwirrung der Begriffe von Recht und Unrecht beitragen können. Der Verbrechensbegriff deckt sich mit § 12 Abs. 1 StGB. Auch hier hätte es der Gesetzgeber klargestellt, wenn er die Einbeziehung weiterer Straftaten (z. B. auch Vergehen) gewünscht hätte (S. 187). 54. Zum Rassenhass reizt ein Medium an, wenn es eine feindselige Haltung gegenüber bestimmten Religionen oder ethnischen Gruppen befördert, die über die bloße Ablehnung und Verachtung hinausreicht (S. 187 f.). 55. Darüber hinaus haben sich weitere, ungeschriebene Fallgruppen der Jugendgefährdung nach § 18 JuSchG herausgebildet: Die Missachtung personaler Würde, die Verherrlichung und Verharmlosung der NS-Ideologie, Verstöße gegen das Toleranzgebot, kriegsverharmlosende Medien, Anleitungen zum Beischlaf mit Verwandten, die Verherrlichung und Verharmlosung von Suchtmitteln sowie Medien mit selbstzerstörerischer Tendenz (S. 189 f.).

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56. Beispiele für die Missachtung personaler Würde sind die filmische Folterung von Personen, Treibjagden auf Menschen, Massakrierungen, Verstümmelungen, Kannibalismus oder die Verknüpfung von Sexualität und Erniedrigung mit handfester Gewalt (S. 190 f.). 57. NS-Unrecht wird verherrlicht oder verharmlost, wenn Medien die Gräueltaten des 3. Reiches aufwerten, leugnen oder den Kontext historischer Abläufe verzerren. Häufig werden Adolf Hitler und andere NaziSchergen glorifiziert, Verantwortlichkeiten in Frage gestellt oder der absolute Führergehorsam oder die Vaterlandstreue bis in den Tod idealisiert (S. 191 f.). 58. Verstöße gegen das Toleranzverbot liegen bei einer üblen Beleidigung, Verleumdung oder sonstigen Diskreditierung einer bestimmten sozialen oder religiösen Gruppe vor (z. B. Homosexuelle, Linke, Behinderte) (S. 193 f.). 59. Von einer Kriegsrelativierung ist auszugehen, wenn eine menschenverachtende Haltung gegenüber Nicht-Kombattanten zelebriert wird oder das kriegerische Töten spielerisch eingeübt und vom Programm belobigt wird, während die friedfertige Konfliktlösung zu Tadel und Degradierung führt (S. 194 f.). 60. Ein Medium leitet zum Beischlaf mit Verwandten an, wenn Missbrauch in der Familie als normal bewertet wird oder die Risiken des interfamiliären Geschlechtsverkehrs ausgeblendet sind (S. 196). 61. Verleugnen Medien erwiesene Risiken von Suchtmitteln oder fordern sie direkt zum unreflektierten Konsum solcher Stoffe auf, ist darin ebenfalls eine Jugendgefährdung zu erblicken. Nicht ausreichend ist es allerdings, wenn die gegenwärtige Gesetzeslage verurteilt oder infragegestellt wird (S. 196 f.). 62. Die Bundesprüfstelle hat auch Medien als jugendgefährdend erachtet, die Anreize für den realen Amoklauf setzen. Dies soll der Fall sein, wenn Gewalt an alltäglichen Orten ausgeübt wird und sich der Realitätsbezug durch die Möglichke verstärkt, gewöhnliche Gegenstände als Mordinstrumente zu verwenden. Es ist jedoch zusätzlich zu verlangen, dass die gezeigten Gewaltakte verherrlicht werden oder suggeriert wird, dass sie alltäglich und normal sind (S. 188 f.). 63. Maßgebliche Subjekte für die Bestimmung der Jugendgefährdung sind nach h. M. gefährdungsgeneigte Kinder und Jugendliche (S. 159 f.). Ein derart weiter Maßstab öffnet allerdings der Uferlosigkeit von Indizierungen Tür und Tor. Der Durchschnitt ist die sachgerechtere juristische Variable, um dem gesellschaftlichen Regelungsbedarf im Jugendmedienschutz zu entsprechen. Risikogruppen werden hierdurch nicht ausgeblendet, sondern über

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die Bildung des statistischen Mittels lediglich entsprechend ihrer Bedeutung gewichtet (S. 161 f.). 64. Die Gefahrprognose muss sich an pädagogischen und wirkungsempirischen Erkenntnissen orientieren. Dabei genügt für ein positives Risikourteil die einfache Wahrscheinlichkeit einer denkbaren Gefährdung, wie sich schon aus der Formulierung „Eignung“ in § 18 JuSchG ergibt (S. 164 f.). 65. Unmittelbare Wirkungen gewalthaltiger Medien lassen sich trotz großer Forschungsbemühungen noch immer nicht eindeutig nachweisen. Gleichwohl überwiegt in der modernen Wirkungsforschung die Ansicht, dass gewalthaltige Medien unter bestimmten Umständen negative Effekte erzeugen können. Für das Gros der Kinder und Jugendlichen besteht danach bei medialem Gewaltkonsum ein latentes Gefährdungsrisiko, dessen konkretes Ausmaß vom jeweiligen Einzelcharakter, dem individuellen sozialen Umfeld und der Einbettung des medialen Geschehens abhängig ist (S. 168 f.). 66. Bei den pornographischen Medien kann die Wirkungsforschung insoweit zu einer Präzisierung der Jugendgefährdung beitragen, als sich die restriktive Haltung von Gesetz und Behörden gegenüber plakativen sexuellen Darstellungen nur zum Teil wissenschaftlich legitimieren lässt. So ist die allgemeine Konsumfreigabe von Pornographie erst ab 18 Jahren sexualwissenschaftlich nicht mehr als zeitgemäß anzusehen (S. 173 f.). 67. Bei politischen, sozialen und religiösen sowie künstlerisch-wissenschaftlichen Inhalten kommt eine Listenaufnahme gemäß § 18 Abs. 3 JuSchG nur in Betracht, wenn die Belange des Jugendschutzes überwiegen (S. 200). 68. Die Tatbestandsmerkmale der Kunst und Wissenschaft stimmen mit den verfassungsrechtlichen Leitbegriffen überein. Medien sind jedenfalls dann Kunst, wenn sie Ausdruck einer freien schöpferischen Gestaltung sind, in der Eindrücke, Erfahrungen oder Erlebnisse des Künstlers in einer bestimmten Formsprache zur unmittelbaren Anschauung gebracht werden (S. 204 f.). Von Wissenschaft lässt sich bei einem Medium sprechen, wenn es inhaltlich und formell einen ernsthaften und planmäßigen Versuch darstellt, die Wahrheit zu ermitteln (S. 209). 69. Der politische Tendenzschutz erstreckt sich auf Medien, die theoretisch staatsrelevante Aspekte des Gemeinwohles und der Gemeinbelange thematisieren. Soziale Inhalte behandeln Medien, wenn sie sich mit gesellschaftlichen Grundlagen, Wechselwirkungen und Wandlungsprozessen beschäftigen sowie der Beziehung der Bürger untereinander. Weltanschauliche und religiöse Inhalte gehen schließlich Fragen des Seins und der Stellung des Menschen in der Welt sowie dem Glauben an eine höhere Macht nach (S. 211 f.).

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70. Nach h. M. werden verfassungsfeindliche Ansichten nicht vom politischen Tendenzschutz des § 18 Abs. 3 Nr. 1 JuSchG erfasst. Das ist jedoch nicht überzeugend. Auch solche Inhalte müssen in den Schutzbereich des Tendenzschutzes aufgenommen werden. Dadurch wird ein Gleichklang mit Art. 5 Abs. 1 GG erreicht, der solche Inhalte gerade nicht ausklammert. Im Übrigen kann eine sich anschließende Einzelabwägung von Tendenzschutz und Jugendschutz den Belangen des Jugendschutzes Rechnung tragen (S. 213 f.). 71. Für den Ausgleich von Jugendschutz und grundrechtlichen Freiheiten hat der Gesetzgeber keine verbindlichen Vorgaben aufgestellt. Als geeignete Kriterien stellen sich im Einzelfall der schädigende Einfluss des Mediums, die potentielle Beschneidung der Grundrechte von Kindern und Jugendlichen, die präsumtive Auswirkung einer Indizierung auf die zukünftige Grundrechtsausübung sowie die Bedeutung des Mediums für die demokratische Willensbildung dar (S. 216 f.). 72. Beim schädigenden Einfluss des Mediums sind die Anzahl und das Ausmaß der jugendgefährdenden Passagen zu berücksichtigen. Entscheidend ist daneben die Qualität der betroffenen sozialethischen Werte. Relevanz kommt auch zu, wie viele Kinder und Jugendliche im Einzelfall als potentiell gefährdet erscheinen. Schließlich spielt es eine Rolle, auf welche Art und Weise sich die Jugendgefährdung vermittelt. Zu berücksichtigen sind hier zum einen medien- und genretypische Besonderheiten und zum anderen die Jugendaffinität der Bild- und Tonsprache (S. 217 f.). 73. Solange das Jugendschutzgesetz keine abgestufte Teilindizierung von Medien für bestimmte Altersgruppen vorsieht, spielt es bei der Abwägung eine Rolle, wie viele Kinder und Jugendliche nach einer Indizierung vom Medienkonsum ausgeschlossen würden, obwohl für sie gar keine Gefährdung mehr bestände. Ist die Zahl der ungefährdeten Altersgruppen groß, so spricht dies gegen eine Indizierung des Mediums (S. 228 f.). 74. Richtig ist es auch zu berücksichtigen, wie stark die Maßnahme in der Zukunft die Bereitschaft mindern kann, von dem betroffenen Grundrecht Gebrauch zu machen. Allerdings lassen sich wegen der Verschiedenheit der Menschen und ihres Verhaltens dabei nur sehr allgemeine, formale Überlegungen anstellen (S. 229 f.). 75. Bei der Abwägung lässt sich indiziell auch auf die Bedeutung einer medialen Aussage für die demokratische Willensbildung abstellen. Hierbei dürfen aber lediglich formale Aspekte eine Rolle spielen, damit es nicht zu einer „Gütekontrolle“ des Mediums kommt (S. 230 f.). 76. Entgegen der Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes können für die Abwägung aber nicht das Ansehen des Werkes beim Publikum und seine

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Wertschätzung in Kritik und wissenschaftlicher Rezension fruchtbar gemacht werden. Beide Kriterien kranken daran, dass es so gut wie unmöglich ist, ein repräsentatives Meinungsbild von Publikum und Kritik zu jedem einzelnen jugendgefährdenden Werk einzuholen. Die Maßgeblichkeit von Volkes Stimme würde darüber hinaus in eine rein subjektive Kunst-, Wissenschafts- oder Themenkontrolle entarten (S. 225 f.). 77. Nicht weiter hilft es auch, auf die Einbettung der jugendgefährdenden Passagen in ein künstlerisch-dramaturgisches Konzept abzustellen. Man mag das, was insgesamt Kunst oder Wissenschaft ist, juristisch eingrenzen können und müssen. Doch weder die BPjM noch die Gerichte dürfen sich anmaßen, inhaltlich festzulegen, was künstlerisch „notwendig“ ist (S. 224 f.). 78. Schließlich verbietet sich ein Abstellen auf die künstlerische Qualität oder das publizistische Gewicht von jugendgefährdenden Passagen. Andernfalls würde der Staat sich als „Kunstrichter“ gerieren. Es geht jedoch beim Jugendschutz nicht um eine staatliche „Niveauwahrung“, sondern um den Schutz der freien Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen (S. 227 f.). 79. Jedes Abwägungskriterium ist zunächst einzeln zu gewichten (so ergibt sich z. B. bei dem schädigenden Einfluss der Schrift erst durch verschiedene Unterkriterien ein stimmiges Gesamtbild, s. o.). Schließlich sind die einzeln austarierten Gewichte zugunsten des Jugendschutzes und der Grundrechtsfreiheiten in einer Gesamtabwägung gegenüberzustellen. Notwendig ist in jedem Fall ein Mindestmaß der Differenzierung beider Interessen. Je mehr sich die Wagschalen dem Gleichgewicht nähern, desto intensiver muss versucht werden, die beiderseitigen Wertungen abzusichern und auch Einzelgesichtspunkte exakt zu wägen (S. 231 f.). 80. Die Bundesprüfstelle kann stets von einer Indizierung absehen, wenn ein Fall von geringer Bedeutung gegeben ist. Dabei sind sowohl formale Aspekte (z. B. die Verbreitung des Mediums), als auch auch materielle Gesichtspunkte (z. B. fehlende Jugendaffinität) erheblich (S. 233 f.). Die Entscheidung ist rechtsstrukturell keine nach pflichtgemäßem Ermessen (so aber die h. M.), sondern eine „gekoppelte“, bei der der unbestimmte Tatbestandsbegriff der „geringen Entscheidung“ das Ermessen vollständig aushöhlt (S. 235 f.). 81. Jugendgefährdende Medien müssen nach h. M. als Ganzes indiziert werden – ein Verbot einzelner Passagen oder Teile ist grundsätzlich untersagt. Das kann schon deshalb nicht überzeugen, weil eine Teilindizierung ein milderes, gleich effektives Mittel ist und dem Urheber oder Produzenten zusätzlich sein kreatives und unternehmerisches Gestaltungsrecht belässt (S. 236 f.).

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82. Periodisch erscheinende Trägermedien und Telemedien können gemäß § 22 JuSchG auch schon im Voraus indiziert werden. Eine Voraussetzung dafür ist, dass innerhalb eines Jahres drei oder mehr Folgen bzw. Angebote des jeweiligen Mediums indiziert worden sind. Außerdem darf das Medium nicht politisch sein oder als Tageszeitung erscheinen (S. 239 f.). 83. Bei der Zuordnung als Folge kommt es auf eine wesentliche äußere Gleichartigkeit an, wofür eine Übereinstimmung von Titel, Rubriken oder graphischer Gestaltung sprechen kann. Der Tendenzschutz erstreckt sich auf politische Zeitschriften und sonstige Magazine, die sich in der Mehrzahl mit politischen Fragestellungen befassen, wobei es auf ein Gesamtbild der Ausgaben ankommt. Die Begriffe Zeitschrift und Magazin sind – in Anlehnung an § 7 LPresseG NRW – dynamisch zu interpretieren und auch auf besprochene Tonträger, und Bildträger zu übertragen (S. 240 f.). 84. Die Verfassungsmäßigkeit der Voraus-Indizierung ist äußerst fraglich. Gerade in Bezug auf Printmedien ist eine Ersatzbeschaffung für Erwachsene kaum möglich. Auch nimmt der Gesetzgeber bewusst in Kauf, dass Ausgaben von Trägermedien nicht verbreitet werden, von denen überhaupt keine Gefährdung für Kinder und Jugendliche ausgeht. Andererseits ist die Voraus-Indizierung das Pendant zur schnelleren Verbreitungsgeschwindigkeit von Magazinen und Zeitschriften. Berücksichtigt man den besonderen Tendenzschutz für politische Medien, ist die Wertung des Gesetzgebers deshalb noch vertretbar (S. 245 f.) 85. Der präventive § 22 JuSchG und der reaktive § 18 Abs. 1 JuSchG werden durch § 15 Abs. 2 und 3 JuSchG ergänzt. Hiernach sind Trägermedien automatisch indiziert, wenn sie die Tatbestände der §§ 86, 130, 130 a, 184, 184 a und 184 b des StGB realisieren. Daneben unterfallen der automatischen Indizierung auch kriegsverherrlichende Medien sowie solche, die sterbende oder schwer leidende Menschen in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellen. Außerdem gelten die automatischen Beschränkungen für Trägermedien, die Minderjährige in einer unnatürlich geschlechtsbetonten Körperhaltung präsentieren und Trägermedien mit sonst offensichtlich schwer jugendgefährdenden Inhalten. Schließlich sind Trägermedien, die ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich mit bereits indizierten Medien sind, automatisch indiziert (S. 246 f.). 86. Über § 86 StGB ist das Verbreiten von Propagandamitteln gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung oder alternativ den Gedanken der Völkerverständigung untersagt. Eine Privilegierung erfahren allerdings Medien, die die Propaganda zur staatsbürgerlichen Aufklärung, zur Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, für künstlerische oder wissenschaftliche Zwecke, für Zwecke der Forschung oder der Lehre, zur Berichterstattung

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über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dokumentieren. Hier greift das Verbot nicht (S. 247 f.). 87. Auch volksverhetzende Inhalte unterliegen automatisch der Indizierung. Dazu zählen nach § 130 Abs. 1 StGB Medien, die gegen Teile der Bevölkerung zum Hass aufstacheln oder zu Gewalt auffordern, so dass der öffentliche Frieden gestört werden kann. Sanktioniert ist alternativ ein Angriff auf die Menschenwürde dieser Gruppen durch Beschimpfung, böswilliges Verächtlich-Machen oder Verleumdung (S. 251 f.). Über § 130 Abs. 3 StGB werden Trägermedien erfasst, die zur Störung des öffentlichen Friedens geeignet sind, indem sie eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung im Sinne des § 6 Völkerstrafgesetzbuch öffentlich billigen, leugnen oder verharmlosen (S. 254 f.). Schließlich unterliegen solche Medien der automatischen Indizierung, wenn sie nach § 130 Abs. 4 StGB den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise stören, indem sie die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigen, verherrlichen oder rechtfertigen (S. 257 f.). 88. Von selbst ist ein Trägermedium desweiteren indiziert, wenn es gemäß § 130 a StGB objektiv dazu geeignet ist, zu einer besonders schweren rechtswidrige Tat nach § 126 StGB anzuleiten (S. 259 f.). 89. Schildern Trägermedien grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen auf verherrlichende oder verharmlosende Weise, sind sie gleichfalls ipso iure indiziert. Dies gilt auch für Darstellungen, die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise zeigen. Dagegen ist Gewalt durch menschenähnliche Phantasiefiguren nicht unter § 131 StGB subsumierbar. Eine Tatbestandsmäßigkeit scheidet auch aus, wenn die Darstellung der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte dient (S. 261 f.). 90. Pornographische Inhalte im Sinne der §§ 184, 184 a und b StGB führen ebenso zu einer automatischen Indizierung des jeweiligen Trägermediums. Dabei liegt Pornographie – entgegen der h. M. – nur dann vor, wenn Sexualität unter Ausklammerung menschlicher Bezüge präsentiert wird, wobei erforderlich ist, dass für Kinder und Jugendliche ein nicht unerhebliches Risiko besteht, die gezeigten inhumanen Verhaltensmuster zu erlernen und auf den Alltag zu übertragen (S. 268 f.). 91. Den Krieg verherrlicht ein Trägermedium, wenn es kriegerische Aggressionen und die Herstellung von Waffen glorifiziert und berühmt oder das Töten von Menschen im Krieg qualifiziert positiv bewertet. Nicht beigepflichtet werden kann der h. M., wenn sie auch das Verharmlosen oder Ausblenden der Kriegsleiden bzw. von Angst und Schrecken in der Bevöl-

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kerung durch § 15 Abs. 2 Nr. 2 JuSchG erfasst wissen möchte. Diese weite Auslegung würde den Wortlaut der Norm überdehnen und das Strafbarkeitsrisiko unzulässig erhöhen (S. 275 f.). 92. Soweit Trägermedien ein reales Geschehen wiedergeben, in dem Menschen sterben oder schweren körperlichen Leiden ausgesetzt sind oder waren und die Darstellung auf eine die Menschenwürde verletzende Weise erfolgt, gelten sie von selbst als indiziert. Dies soll nicht der Fall sein, wenn ein überwiegendes berechtigtes Interesse gerade an dieser Form der Berichterstattung vorliegt. Da es jedoch im Lichte des Art. 1 Abs. 1 GG niemals ein berechtigtes Interesse an einer Darstellung geben kann, die durch sich selbst die Menschenwürde verletzt, ist diese Privilegierung unzulässig, § 15 Abs. 2 Nr. 3 JuSchG mithin verfassungswidrig (S. 277 f.). 93. Der neu geschaffene § 15 Abs. 2 Nr. 3 a JuSchG sieht eine Indizierung qua lege für Trägermedien vor, die besonders realistische, grausame und reißerische Darstellungen selbstzweckhafter Gewalt beinhalten, wenn diese das Geschehen beherrschen. Besonders realistisch ist ein Inhalt, wenn er ein Geschehen so detailgetreu und authentisch wiedergibt, dass zwischen Inszenierung und realem Vorgang keine signifikanten Unterschiede bestehen. Besonders grausam ist die Darstellung, wenn sie zeigt, wie Menschen größte Schmerzen und Qualen zugefügt werden. Dies geschieht besonders reißerisch, wenn die einzelnen Gewaltakte durch akustische oder optische Stilmittel „ausgeschlachtet“ werden. § 15 Abs. 2 Nr. 3 a JuSchG ist wegen seiner Fülle an deutungsbedürftigen Tatbestandsmerkmalen verfassungsrechtlich problematisch. Wegen der Strafbarkeit fahrlässiger TatbestandsVerkennung spricht viel dafür, die Norm am Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG scheitern zu lassen (S. 290 f.). 94. Zu den Neuerungen im Indizierungsrecht zählt auch die automatische Indizierung von Trägermedien, die reale Kinder und Jugendliche in einer unnatürlich geschlechtsbetonten Haltung zeigen. Das Abstellen auf die Unnatürlichkeit der Haltung in der Norm führt zu erheblichen Bestimmbarkeitsproblemen: Bei 16 oder 17jährigen Teenagern lässt sich eine unnatürliche sexuelle Pose angesichts unterschiedlichster Entwicklungsstände kaum determinieren. Da sich Händler und Gewerbetreibende auch beim fahrlässigen Verkennen des Tatbestandes persönlichen Sanktionen ausgesetzt sehen, verstößt § 15 Abs. 2 Nr. 4 JuSchG insoweit gegen das Bestimmtheitsgebot und ist verfassungswidrig (S. 279 f.). 95. Ohne gesonderte Feststellung sind auch Medien indiziert, die offensichtlich geeignet sind, Kinder und Jugendliche schwer zu gefährden. Das ist der Fall, wenn sie auf elementare Wert- und Lebensvorstellungen von Minderjährigen schädigend einwirken können. Offensichtlich ist die schwere Jugendgefährdung, wenn sie für jeden unbefangenen Durchschnitts-

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betrachter erkennbar ist. § 15 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG setzt keine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit voraus als die Regelindizierung nach § 18 Abs. 1 JuSchG (S. 284 f.). 96. Obwohl das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit von § 15 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG bekräftigt hat, bleiben verfassungsrechtlichen Bedenken: Auch Medien, die § 15 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG erfüllen, haben einen Tendenzschutz, den ihnen Händler und Gewerbetreibende richtigerweise zuteil werden lassen müssen. Schätzen sie dessen Reichweite auch nur fahrlässig falsch ein, sind sie strafrechtlichen Sanktionen ausgesetzt. Nicht zu unterschätzen sind auch die Folgewirkungen einer Schere im Kopf, die dann möglicherweise auf gar nicht jugendgefährdende Produkte ausstrahlen und deren Verbreitung unterbinden (S. 289 f.). 97. Ist ein Trägermedium ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich mit einem bereits indizierten Träger- oder Telemedium, gilt es kraft Gesetzes als indiziert. Bei Schnittfassungen indizierter Produkte kommt es darauf an, ob die monierten jugendgefährdenden Sequenzen qualitativ-vollständig entwertet worden sind (S. 292 f.). 98. Die Indizierung begründet eine Reihe von Verboten, deren Missachtung mit Geldstrafe oder Gefängnis sanktioniert ist. Um die Indizierungsfolgen für Trägermedien auszulösen, muss die Bundesprüfstelle das Medium in die Liste der jugendgefährdenden Medien aufnehmen und die Aufnahme im Bundesanzeiger bekannt machen (S. 296 f.). 99. Auf eine öffentliche Bekanntmachung der Listenaufnahme darf verzichtet werden, wenn das Trägermedium lediglich durch Telemedien verbreitet wird oder wenn eine Bekanntmachung der Wahrung des Jugendschutzes schaden würde. Beide Tatbestandsalternativen erweisen sich jedoch bei näherer Betrachtung als nicht konturierbar und in Teilen schlicht untauglich (S. 301 f.). 100. Die Liste der jugendgefährdenden Medien hat vier Teile. In den nichtöffentlichen Teil D sind Trägermedien einzutragen, die bestimmte Straftatbestände des StGB verwirklichen, bei denen aber die Gefahr besteht, dass eine Bekanntmachung den Interessen des Jugendschutzes schaden würde. In dem ebenfalls nichtöffentlichen Teil C werden sonstige Trägermedien geführt, wenn ihre Veröffentlichung den Interessen des Jugendschutzes schaden würde. Teil B der Liste ist öffentlich und enthält Trägermedien mit spezifischer Strafrechtsrelevanz, der öffentliche Teil A alle anderen indizierten Trägermedien (S. 300 f.). 101. Ist die Indizierung bekanntgemacht worden, unterliegen die Trägermedien nach § 15 Abs. 1 JuSchG allgemeinen Verbreitungsbeschränkungen. Dazu zählt, dass die Inhalte nicht mehr Kindern oder Jugendlichen

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angeboten, überlassen oder sonst zugänglich gemacht werden dürfen (S. 305 f.). 102. Anbieten ist jede einseitige Erklärung, bei der die Bereitschaft zum Ausdruck kommt, etwas zu überlassen. Ein Überlassen ist gegeben, wenn der tatsächliche Gewahrsam an jugendgefährdenden Trägermedien verschafft wird. Auch jedes sonstige Bemühen, Minderjährigen eine konkrete sinnliche Wahrnehmung von jugendgefährdenden Inhalten zu ermöglichen, ist verboten (S. 305 f.). 103. Gewerbliche Internet-Cafe-Betreiber schaffen schon durch die Bereitstellung eines Internet-Zugangs an Minderjährige eine Gefahrenquelle. Sie stehen dann als Garant dafür ein, dass Kinder und Jugendliche keinen Schaden durch jugendgefährdende Inhalte nehmen. Zumindest müssen Filter- und Ratingprogramme installiert werden, um den Zugriff auf bekannte jugendgefährdene Inhalte zu unterbinden (S. 309 f.). 104. Daneben ist es untersagt, jugendgefährdende Trägermedien an einem Ort auszustellen, anzuschlagen, vorzuführen oder sonst zugänglich zu machen, der Kindern oder Jugendlichen zugänglich ist oder von ihnen eingesehen werden kann. Für die Tatbestandsrealisierung reicht es hierbei aus, dass die jugendgefährdenden Trägermedien potentiell in den Wahrnehmungsbereich von Minderjährigen gelangen können (S. 310 f.). 105. Im Einzelhandel ist es außerhalb von Geschäftsräumen verboten, anderen Personen jugendgefährdende Inhalte anzubieten oder zu überlassen. Das gleiche gilt für Kioske und andere Verkaufsstellen, die Kunden nicht zu betreten pflegen. Im Übrigen erstreckt sich das Verbot auch auf den Versandhandel und die gewerblichen Leihbüchereien und Lesezirkel. Daneben ist die gewerbliche Vermietung von jugendgefährdenden Trägermedien oder eine vergleichbare gewerbliche Gewährung des Gebrauches untersagt. Das gilt nur dann nicht, wenn das Anbieten und Überlassen des Trägermediums in einem Ladengeschäft erfolgen, das von Kindern und Jugendliche nicht eingesehen werden kann und das sie nicht betreten können (S. 313 f.). 106. Wenn es beim Verschicken von Waren ausreichende technische Kontrollmechanismen gibt, die einen Konsum jugendgefährdender Inhalte durch Minderjährige verhindern, liegt schon definitorisch kein Versandhandel vor. Bei einer direkten, „manuellen“ Übergabe solcher Medien reicht es hierzu aus, wenn die Ware nach einer Gesichtskontrolle ausgehändigt wird, als Einschreiben eigenhändig oder im Zuge des so genannten Post-IdentVerfahrens (S. 314 f.). 107. Bei der elektronischen Übermittlung oder Bereitstellung von jugendgefährdenden Inhalten muss sowohl die Volljährigkeit des Bestellers sichergestellt sein, als auch das Risiko der Weitergabe von Zugangsdaten an

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minderjährige Dritte minimiert werden. Elektronische „Alters-Verifikationsprogramme“, „Regionen-Checks“ oder der Einsatz von „Dialern“ reichen hierzu nicht aus (S. 319 f.). 108. Damit ein Ladengeschäft nicht von Minderjährigen eingesehen und betreten werden kann, bedarf es effektiver Einlasskontrollen durch das Personal oder biometrischer Sicherungssysteme. Diese Voraussetzungen können auch durch eine vollautomatische Videothek erfüllt sein (S. 327 f.). Allerdings ist das Merkmal der Einsehbarkeit entgegen der h. M. restriktiv zu interpretieren und bezieht sich nicht auch auf die Möglichkeit, jugendgeeignete Inhalte von außen sehen zu können (S. 329 f.). 109. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor jugendgefährdenden Trägermedien wird durch umfassende Werbeverbote für solche Inhalte gewährleistet. Nach h. M. ist dabei auch die „neutrale“ Werbung ausgeschlossen, die für einen jugendgefährdenden Film ohne jugendgefährdende Elemente wirbt bzw. ohne sich auf solche zu beziehen. Dem kann jedoch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht gefolgt werden (S. 330 f.). 110. Ist ein Medium indiziert, wird schon die Vorbereitung seines Verbreitens strafbar. Wer es gewerblich herstellt oder vertreibt, muss seine Abnehmer zudem auf die gesetzlichen Vertriebsbeschränkungen hinweisen (S. 336 f.) 111. Vorsätzliche oder fahrlässige Verstöße gegen das Indizierungsrecht können mit Gefängnis oder Geldstrafe geahndet werden (S. 339 f.). Diese Sanktionen gelten nicht für Personensorgeberechtigte, soweit sie ihren eigenen Schützlingen jugendgefährdende Medien zugänglich machen und dadurch nicht ihre Erziehungspflicht gröblich verletzen. Ob eine Verfehlung vorliegt, richtet sich im Einzelfall nach dem Alter und der individuellen Entwicklung des Minderjährigen. Entgegen der h. M. können auch Dritte durch Beauftragung der Personensorgeberechtigten privilegiert sein (S. 345 f.). 112. Die Verbote des Indizierungsrechtes sind in einer wissenschaftlich ungeklärten Wirkungslage verfassungsrechtlich legitim und können – trotz aller faktischen Umgehungsmöglichkeiten – die Wahrscheinlichkeit verkleinern, dass Minderjährige mit jugendgefährdenden Medien konfrontiert werden (S. 348 f.). 113. Gleichwohl verletzen die allgemeinen Abgabe- und Verbreitungsverbote an Kinder und Jugendliche Art. 5 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG, weil sie keine Alters-Abstufungen vorsehen. Die fehlende Differenzierung entzieht sich einer plausiblen Begründung, zumal der Gesetzgeber solche Alters-Abstufungen bei Jugendbeeinträchtigungen praktiziert (S. 353 f.).

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114. Bei den kaufmännischen Vertriebsverboten stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Sie lässt sich hier allerdings nicht einheitlich beantworten: So ist beim Versandhandel auch das absolute Handelsverbot gerechtfertigt, weil es wegen der Anonymität des Geschäftes unmöglich ist, das Alter der Vertragschließenden zu überprüfen. Anders verhält es sich beim Totalverbot des Vertriebes indizierter Medien in gewerblichen Leihbüchereien. Der Erfolg, der mit einem absoluten gegenüber einem eingeschränkten Vermietverbot erreicht werden kann, ist minimal, was den Eingriff unverhältnismäßig macht. Das völlige Verbot des Vertriebes indizierter Trägermedien im Einzelhandel außerhalb von Geschäftsräumen ist dagegen noch angemessen. Denn hier kann im Massenbetrieb selbst bei persönlicher Kontrolle durch das Personal nur schwer garantiert werden, dass kein Minderjähriger die Produkte konsumiert oder sich interessante Titel notiert, um eine Ersatzbeschaffung in die Wege zu leiten. Bei den von den Verboten betroffenen Kiosken und Verkaufsstellen, die Kunden gewöhnlich nicht zu betreten pflegen, ist das absolute Veräußerungsverbot in seiner Schärfe dagegen unangemessen. Es fehlt an einem nachvollziehbaren signifikanten Risikopotential (S. 365 f.). 115. In Bezug auf den Handel mit DVDs und Videos in den Videotheken rechtfertigen die denkbaren Gefährdungen für Kinder und Jugendliche flankierende Maßnahmen wie das eingeschränkte Vermietverbot. Ein Verstoß gegen die Grundrechte ist damit nicht verbunden (S. 374 f.). 116. Das Werbeverbot schließlich erscheint unter Berücksichtigung der Kollisionslage nur dann als angemessen, wenn sich die konkrete Werbung unmittelbar auf den jugendgefährdenden Gehalt des Trägermediums bezieht. Andernfalls besteht ein Missverhältnis zwischen der Schwere des Eingriffs und dem erreichten Erfolg. Keinen Bedenken begegnet in diesem Zusammenhang das Verbot, die Liste der jugendgefährdenden Medien zu Werbezwecken abzudrucken oder zu veröffentlichen. Kinder und Jugendliche könnten die Veröffentlichung regelrecht als Quelle für geplante Ersatzbeschaffungen missbrauchen. Grundsätzlich handelt der Gesetzgeber auch legitim, wenn er Hinweise auf ein laufendes Indizierungsverfahren in der Werbung verbietet (S. 378 f.). 117. Im Zuge der Novellierung des Jugendschutzrechtes kann dem Gesetzgeber nicht geraten werden, ein absolutes Vermietverbot von jugendgefährdenden Medien zu statuieren. Wegen dessen einschneidenden Wirkungen ergäbe sich jedenfalls eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 GG (S. 385 f.). Gleiches gilt für die Etablierung absoluter Verkaufsverbote. Dagegen wären eingeschränkte Verkaufsverbote mit den Grundrechten vereinbar (S. 389). Problematisch erscheint auch die angedachte automatische Indizierung von „Killerspielen“ oder „gewalt-

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zentrierten Spielen“. Die Begriffe sind jedenfalls so nebulös, dass sich daraus schwerlich eine Norm kreieren lässt, die bestimmt genug ist, um auch einen fahrlässigen Verstoß mit Strafe zu bewehren (S. 390 f.). 118. Die Indizierungsfolgen sind schließlich mit europäischem Recht vereinbar. Zwar greifen die §§ 15 f. JuSchG in die Meinungsfreiheit nach Art. 10 Abs. 1 EMRK ein, doch lässt sich dieser Eingriff über den Schutz der Moral und den Schutz der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sowie den Schutz der Rechte anderer legitimieren. In Bezug auf die Grundfreiheiten des EG-Vertrages fehlt es unter Berücksichtigung der „Keck-Formel“ schon an einem Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit (S. 394 f.). 119. Eine Indizierung kann durch eine Listenstreichung von Amts wegen wegfallen. Dies geschieht automatisch nach 25 Jahren und auch schon vorher, wenn die materiellen Indizierungsvoraussetzungen nach Auffassung der Bundesprüfstelle nicht mehr vorliegen. Urheber und Inhaber von Nutzungsrechten können auch einen entsprechenden Antrag auf Listenstreichung stellen. Der Nachteil für sie liegt darin, dass ein solches Verfahren stets mit Kosten verbunden ist. Doch verstößt die Gebührenordnung zumindest insoweit gegen Art. 5 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 und Art. 12 Abs. 1 GG, als sie selbst für ein erfolgreiches Listenstreichungsverfahren Gebühren vorsieht (S. 407 f.). 120. Gegen alle Verwaltungsakte und Verfügungen der Bundesprüfstelle können die Betroffenen Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten suchen. Dabei finden die allgemeinen Regeln der Verwaltungsgerichtsordnung Anwendung. Statthafte Klage bei einer nicht bestandskräftigen Indizierung ist die Anfechtungsklage. Die Entscheidungen der Bundesprüfstelle dürfen von den Gerichten auch vollumfänglich überprüft werden. Für Beurteilungsspielräume jeglicher Art bleibt – entgegen der h. M. – kein Raum. Allerdings hat die Entscheidung der Bundesprüfstelle die Qualität einer sachverständigen Aussage und kann nicht ohne Weiteres erschüttert werden (S. 411 f.).

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Sachwortverzeichnis Abbildungen 32, 33 Abgabeverbote 304 f., 310 f., 313 f., 355, 356, 360, 376, 397 Abgrenzung – Rundfunk und rundfunkähnliche Dienste 59, 140 – Träger- und Telemedien 95, 100, 132, 138, 155, 315, 434 Abrufdienste 30, 140 Abwägung – Abwägung von Grundrechten 53, 62, 73, 180, 279 – Abwägung von Jugendschutz und Freiheitsrechten 81, 111, 112, 119, 163, 164, 204, 205, 206, 207, 208, 209, 214, 215, 216, 219, 220, 221, 224, 225, 226, 228, 229, 231, 232, 233, 235, 236, 237, 290, 291, 293, 294, 356, 359, 414, 418, 419, 420, 421, 422, 423, 424, 437, 438, 439 Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen 250, 440 Allgemeine Gesetze 62 Allgemeines Persönlichkeitsrecht 53, 64, 71, 83, 84, 348, 359, 396 Alterskennzeichnung – Alterskennzeichnung für elektronische Bildträger 133, 142, 144, 150, 154 – Alterskennzeichnung für jugendgefährdende Medien 147, 150, 158, 353, 354 Altersverifikationssystem(e) 320 Anbieten 134, 138, 305, 306, 325, 330, 331, 404, 433, 444 Anfechtungsklage 412, 413, 447 Angebote 30, 39, 41, 47, 51, 89, 95, 96, 117, 140, 141, 147, 155, 162,

199, 230, 241, 294, 305, 306, 307, 315, 320, 321, 330, 331, 351, 352, 362, 365, 368, 373, 377, 404, 440, 444 – Internetangebote, vgl. Internet – Online-Angebote, vgl. Internet Angriff 248, 252, 253, 254, 441 Anhörung, vgl. Indizierung Ankündigen 330, 331, 335 Anpreisen 330, 331, 335 Anregung der Indizierung 118, 119, 120 Antrag 36, 38, 39, 100, 106, 116, 117, 120, 122, 124, 125, 126, 147, 148, 149, 151, 196, 239, 240, 276, 277, 297, 298, 325, 406, 407, 409, 410, 411, 412, 413, 414, 431, 434, 447 – Antrag auf Listenstreichung 406, 407, 409, 410 – Antragsberechtigte der Indizierung 118 Attachment 315 Auffordern 252, 253, 289, 441 Aufstacheln 252, 441 Ausstellen 312 Automatismustheorie, vgl. Wirkungsforschung AVS, vgl. Altersverifikationssystem Beisitzer 34, 35, 36, 39, 123, 127, 149, 224 – Auswahl der Beisitzer 104, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 114, 115, 121, 122, 430, 431 – Beisitzer im 12er Gremium, vgl. Bundesprüfstelle

Sachwortverzeichnis – Beisitzer im 3er Gremium, vgl. Bundesprüfstelle – Gruppenbeisitzer 102, 104, 105, 106, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 114, 115, 200, 430 – Länderbeisitzer 104, 105, 129, 130, 131, 132, 431, 432 – Vorschlagsberechtigte Gruppen, vgl. Auswahl der Beisitzer – Vorschlagsberechtigte Kreise, vgl. Auswahl der Beisitzer – Vorschlagsberechtigte Organisationen, vgl. Auswahl der Beisitzer Bekanntgabe der Indizierungsentscheidung 296, 300, 301, 302, 303, 304 Beruf – Begriff des Berufes, vgl. Berufsfreiheit – Berufsausübung 45, 51, 52, 74, 75, 76, 77, 360, 361, 369, 375, 383, 428 – Berufsfreiheit 71, 74, 75, 76, 77, 360, 361, 362, 369, 370, 375, 378, 382, 388, 410, 425 – Berufswahl 74, 76, 77, 78 Bestimmtheitsgebot 248, 264, 284, 286, 292, 294, 311, 335, 339, 442 Beurteilungsspielraum 81, 93, 118, 119, 396, 397, 415, 416, 417, 418, 419, 420, 421, 422, 423, 424, 425, 426 Bildschirmgeräte 143, 147 Bildträger 105, 106, 110, 111, 133, 141, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 244, 353, 355, 371, 372, 440 Billigung 255, 257 BPjM, vgl. Bundesprüfstelle BPjMGebO, vgl. Bundesprüfstelle Bundesanzeiger 31, 39, 300, 301, 404, 412, 443 Bundesprüfstelle – 3er-Gremium 106, 107, 108, 111, 115, 121, 124, 125, 126, 127, 130, 131, 200, 297, 407, 413, 431, 432 – 12er-Gremium 40, 104, 105, 106, 107, 111, 115, 118, 120, 121, 122,

471

123, 124, 125, 126, 127, 130, 131, 196, 200, 236, 241, 245, 296, 297, 298, 299, 407, 408, 425, 426, 430, 431 – Vorsitzende der Bundesprüfstelle 39, 103, 115, 200 Bund-Länder-Kooperation, vgl. Mischverwaltung CD 84, 133, 138, 142, 143, 154, 244, 302, 312, 399 Darstellungen 32, 33, 168, 173, 176, 188, 189, 192, 193, 198, 222, 253, 261, 266, 276, 278, 279, 280, 281, 291, 292, 397, 437, 441, 442 Dassonville-Formel 401, 402 Demokratieprinzip 107, 108, 110, 248 Dienstleistungsfreiheit 404 Download 95, 140, 302, 303, 305, 315, 319, 323, 333, 341, 361 Drei-Stufen-Theorie 77, 78 Druckschrift 36, 44, 135, 136, 144, 242 – Magazin 37, 57, 230, 237, 238, 240, 242, 243, 246, 294, 324, 440 – Politische Druckschrift 241, 243 – Tageszeitungen 36, 241, 242, 244, 245, 246, 250 – Wochenzeitungen 242, 243 Durchführungsverordnung Jugendschutzgesetz 99, 120, 297, 429, 430 DVD 41, 51, 61, 84, 95, 133, 134, 135, 136, 138, 143, 145, 148, 154, 199, 240, 244, 245, 246, 248, 292, 302, 312, 325, 326, 346, 370, 373, 374, 376, 387, 399, 405, 433, 446 DVO, vgl. Durchführungsverordnung Jugendschutzgesetz Ego-Shooter 172, 220, 291 Eignung – Eignung zur Jugendbeeinträchtigung 146, 147, 238, 353, 405 – Eignung zur Jugendgefährdung, vgl. Jugendgefährdung

472

Sachwortverzeichnis

– Eignung zur schweren Jugendgefährdung, vgl. Jugendgefährdung Eilindizierung, vgl. Indizierung Einführen 61, 96, 338 Einschätzungsspielraum – Einschätzungsspielraum der Bundesprüfstelle, vgl. Beurteilungsspielraum – Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers 30, 272, 322, 354, 365, 374 Einzelhandel 147, 313, 324, 362, 364, 365, 367, 369, 389, 404, 405, 444, 446 Elternprivileg 268, 274, 343, 344, 345, 346 – Berechtigte 343 – Übertragung auf Dritte 345, 346 EMRK, vgl. Europäische Menschenrechtskonvention Entscheidung – Indizierungsentscheidung 31, 103, 110, 111, 114, 121, 127, 130, 131, 132, 164, 240, 246, 296, 341, 408, 411, 412, 413, 414, 417, 427 – Vollziehbare Entscheidung 342 Entwicklung 29, 34, 35, 73, 82, 85, 90, 96, 97, 132, 144, 145, 146, 157, 158, 162, 167, 173, 175, 176, 178, 181, 183, 217, 228, 293, 304, 344, 348, 354, 357, 358, 360, 396, 418, 434, 435 – Entwicklungsbeeinträchtigung 179 – Ungestörte Entwicklung 181 Eo-ipso Indizierung, vgl. Indizierung Ermessen 114, 235, 236, 245, 367, 415, 439 Ersatzbeschaffung 51, 245, 352, 369, 379, 380, 386, 387, 388, 405, 428, 440, 446 Erziehung 29, 72, 73, 82, 83, 84, 112, 147, 157, 158, 160, 174, 176, 180, 181, 228, 268, 288, 293, 304, 343, 344, 345, 346, 348, 352, 357, 358, 428, 434, 445 Europäische Menschenrechtskonvention 391 f.

Face-to-Face-Kontrolle 323 Filme 32, 33, 34, 35, 41, 44, 51, 57, 60, 61, 121, 133, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 168, 190, 227, 246, 250, 278, 293, 325, 328, 347, 351, 358, 374, 387 Filmrollen 41, 135, 136 Förderung der Tatbereitschaft 260 Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft 104, 147, 148, 149, 151, 152, 153, 154, 434 FSK, vgl. Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft Fürsorge 86, 87, 88, 89, 90, 92, 429 Garantenstellung – Garantenstellung des Internetcafebetreibers 309, 310 – Garantenstellung von Aufsichtspersonen 308 Gebühren 100, 409, 410, 411, 430, 447 Gesetzgebungskompetenz 42 – Ausschließliche Gesetzgebungskompetenz 84, 85 – Gesetzgebungskompetenz für das Jugendschutzgesetz 84, 86, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 98 – Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz 84, 85 Gesetzliche Indizierung, vgl. Indizierung Gewalt 40, 168, 169, 191, 221, 222, 252, 253, 257, 258, 259, 262, 263, 264, 265, 266, 267, 268, 273, 280, 293, 304, 317, 318, 351, 390, 442 – Definition 262 – Gewalthaltige Medien, vgl. Jugendgefährdende Medien – Gewaltzentrierte Spiele 29, 41, 182, 184, 185, 186, 198, 290, 291, 325, 435, 436, 437, 441 – Wirkung von Gewalt, vgl. Wirkungsforschung

Sachwortverzeichnis Gewerbliche – Gewerbliche Leihbüchereien 324 – Gewerbliche Lesezirkel 324 – Gewerbliche Verbreitung 313 – Gewerbliche Vermietung 325 Gruppenbeisitzer, vgl. Beisitzer Habitualisierungstheorie, vgl. Wirkungsforschung Index, vgl. Liste Indizierung 30, 32, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 52, 67, 72, 74, 80, 81, 84, 88, 90, 91, 92, 97, 98, 99, 100, 101, 132, 133, 137, 154, 155, 156, 157, 158, 159, 162, 164, 165, 166, 167, 175, 179, 180, 198, 199, 239, 240, 246, 247, 289, 290, 292, 293, 294, 340, 341, 342, 343, 344, 346, 370, 380, 381, 382, 383, 385, 388, 390, 391, 392, 394, 395, 396, 398, 400, 401, 402, 403, 405, 406, 407, 408, 409, 411, 412, 413, 414, 417, 418, 419, 420, 421, 422, 423, 424, 425 – Absehen von einer Indizierung 233, 234, 235, 236, 439 – Altersabgestufte Indizierung 353 f., 445 – Aufhebung der Indizierung 406 f., 411 – Automatische Indizierung 246 f., 440, 441, 442 – Eilindizierung 43, 46, 125, 431, 432 – Einstellung der Indizierung 118, 119, 120 – Eo-ipso Indizierung, vgl. Automatische Indizierung – Gesetzliche Indizierung, vgl. Automatische Indizierung – Indizierung im engen Sinne 31, 427 – Indizierung im weiten Sinne 31, 32, 427 – Indizierungsantrag, vgl. Antrag

473

– Indizierungseinschränkungen 141 f., 154, 200 f., 434, 439 – Indizierungsentscheidung 122, 123, 124, 432 – Indizierungsfähige Inhalte, vgl. Jugendgefährdende Medien – Indizierungsfolgen 294 f., 304 f., 442, 443 f. – Indizierungsgründe 156, 176, 182 f., 434, 435 – Indizierungsliste, vgl. Liste – Institutionen der Indizierung 101, 102, 103, 104, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 112, 114, 115, 430, 431 – Streichung der Indizierung, vgl. Aufhebung der Indizierung – Teilindizierung 236, 237, 238, 239, 439 – Verfahren der Indizierung 117, 118, 119, 120, 121, 122, 123, 124, 125, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 432 – Von Amts wegen, vgl. Verfahren der Indizierung – Von-selbst Indizierung, vgl. Automatische Indizierung – Vorausindizierung 239, 240, 241, 242, 243, 244, 245, 246, 440 – Wirtschaftliche Auswirkungen der Indizierung 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 428 Indizierungsliste, vgl. Liste Infoprogramme, vgl. Programme Informationsfreiheit 38, 44, 51, 56, 57, 59, 65, 66, 108, 162, 163, 182, 237, 238, 239, 241, 242, 244, 320, 325, 333, 347, 353, 354, 355, 356, 357, 360, 377, 378, 388, 392, 393, 428 Inhibitionsthese, vgl. Wirkungsforschung Internet 30, 42, 51, 57, 84, 88, 89, 95, 96, 117, 132, 139, 140, 155, 185, 199, 230, 241, 245, 302, 303, 304, 305, 307, 309, 310, 314, 315, 316,

474

Sachwortverzeichnis

319, 320, 321, 323, 333, 351, 352, 361, 365, 367, 369, 374, 378, 387, 388, 398, 428 – Internetcafe 309 – Internetcafebetreiber 306 f., 444 – Internetzugang 308 JMStV, vgl. JugendmedienschutzStaatsvertrag Jugendgefährdende Medien 41, 96, 97, 100, 162, 204, 207, 241, 251, 303, 430, 439, 445 – Fallgruppen 182 f., 189 f., 434 f. – Gewaltverherrlichende Medien 188 f., 441 – Selbstjustiz befürwortende Medien 198 f., 436 – Unsittliche Medien 183 f., 435 – Verrohende Medien 184, 435 – Zur Gewalttätigkeit anregende Medien 185 f., 435 – Zu Verbrechen anregende Medien 187 f., 435 – Zu Rassenhass anregende Medien 187 f., 435 Jugendgefährdung 40, 90, 96, 141, 142, 144, 146, 147, 150, 154, 156, 157, 160, 177, 178, 182, 184, 188, 189, 190, 194, 195, 197, 198, 199, 200, 203, 204, 205, 206, 207, 208, 213, 216, 217, 218, 219, 220, 221, 228, 234, 242, 298, 299, 311, 343, 356, 360, 370, 371, 382, 383, 384, 387, 389, 406, 408, 412, 413, 414, 418, 420, 421, 422, 423, 424, 425, 432, 434, 435, 436, 437, 438 – Eignung zur Jugendgefährdung 164 f., 434 – Einfache Jugendgefährdungen 177 f., 199, 434 – Gefährdungsabstufungen 106, 107, 199 – Offensichtlich einfache Jugendgefährdung 106, 107, 199

– Schwere Jugendgefährdung 199, 246 f., 440 f. Jugendliche, vgl. Minderjährige Jugend(medien)schutz 29, 32, 37, 42, 81, 82, 84, 87, 89, 90, 92, 93, 94, 96, 98, 99, 114, 115, 154, 186, 319, 352, 397, 406, 428, 429, 430, 431, 436 Jugendmedienschutz-Staatsvertrag 51, 98, 99, 133, 247, 295 Jugendschutzgesetz 29, 30, 34, 42, 51, 59, 60, 84, 88, 90, 92, 99, 101, 102, 108, 111, 132, 133, 148, 150, 154, 189, 205, 208, 215, 244, 251, 275, 280, 281, 291, 295, 296, 297, 298, 301, 304, 309, 325, 326, 339, 347, 348, 364, 377, 381, 384, 385, 390, 394, 398, 410, 413, 414, 428, 429, 430, 433, 438 Karthasistheorie, vgl. Wirkungsforschung Keck-Formel 402, 406, 447 Killerspiele 291, 389, 390, 446 Kinder, vgl. Minderjährige KJM, vgl. Kommission für den Jugendmedienschutz Kommission für den Jugendmedienschutz 115, 116, 117, 118, 120, 122, 124, 127, 129, 131, 132, 297, 298, 430, 431, 432, 433 Konvergenz 94, 95, 96, 98, 372, 374 Kriegsverherrlichung 213, 275, 276 Kultivierungstheorie, vgl. Wirkungsforschung Kunst 35, 36, 38, 39, 45, 56, 59, 61, 104, 105, 106, 109, 110, 111, 113, 123, 163, 214, 215, 237, 238, 250, 258, 261, 279, 290, 333, 358, 359, 360, 362, 369, 376, 381, 383, 388, 389, 392, 393, 396, 414, 418 – Definition von Kunst 67 f., 437 – Schranken der Kunst/Ausgleich mit anderen Grundrechten 72 f., 200 f., 216 f., 437 f.

Sachwortverzeichnis Länderbeisitzer, vgl. Beisitzer Legitimer Zweck 271, 348, 372, 386, 395 Leihbüchereien, vgl. Gewerbliche Lernprogramme, vgl. Programme Lesezirkel, vgl. Gewerbliche Leugnung 191, 192, 253, 255 Lichtspielgesetz 33, 34, 35 Liefern 337 Liste 31, 32, 36, 37, 39, 100, 103, 104, 107, 108, 117, 118, 147, 157, 167, 203, 233, 236, 240, 241, 245, 275, 293, 295, 296, 297, 300, 301, 304, 331, 332, 341, 377, 382, 404, 405, 406, 407, 408, 409, 412, 417, 427, 434, 443, 446 MD 41, 58, 199, 312, 399 Medien 29, 30, 31, 32, 33, 36, 37, 39, 41, 42, 43, 44, 51, 54, 63, 67, 74, 80, 88, 89, 91, 92, 93, 94, 96, 97, 98, 99, 100, 101, 102, 103, 104, 106, 107, 108, 110, 112, 114, 115, 116, 117, 118, 119, 128, 132, 155, 156, 157, 158, 162, 164, 166, 167, 168, 169, 170, 171, 172, 173, 174, 175, 176, 178, 179, 181, 182, 183, 184, 185, 186, 187, 188, 189, 190, 193, 194, 196, 197, 198, 199, 200, 203, 204, 206, 207, 208, 210, 211, 213, 214, 217, 218, 220, 223, 226, 229, 230, 233, 234, 236, 237, 238, 239, 240, 241, 242, 243, 244, 245, 246, 247, 248, 249, 250, 251, 254, 258, 259, 260, 268, 271, 275, 284, 285, 288, 289, 290, 294, 295, 296, 297, 300, 301, 303, 304, 307, 311, 325, 326, 331, 336, 341, 343, 344, 348, 349, 350, 351, 352, 353, 354, 355, 356, 357, 358, 360, 361, 362, 363, 364, 366, 368, 370, 371, 372, 374, 375, 376, 377, 382, 384, 385, 386, 388, 394, 396, 397, 398, 399, 404, 405, 406, 407, 408, 409, 410, 413, 417, 418, 424, 425, 427, 428, 429, 430, 431, 432, 433, 434, 435, 436,

475

437, 438, 439, 440, 441, 442, 443, 444, 445, 446 – Indizierungsfähige Medien 132 f., 433 f. – Inhaltsgleiche Medien 292, 443 – Jugendgefährdende Medien, vgl. Jugendgefährdende Medien – Pornographische Medien, vgl. Pornographie – Telemedien 30, 31, 84, 90, 92, 94, 98, 99, 100, 101, 104, 105, 106, 110, 111, 116, 117, 118, 120, 122, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 134, 137, 138, 140 f., 154, 155, 156, 182, 241, 244, 245, 247, 294, 295, 296, 297, 302, 315, 430, 431, 432, 433, 434, 440, 443 – Trägermedien 47, 51, 89, 95, 100, 106, 120, 132, 133, 134 f., 183, 208, 240, 241, 244, 245, 246, 247, 248, 249, 251, 252, 257, 261, 268, 273, 274, 275, 276, 277, 278, 279, 282, 284, 288, 289, 290, 292, 294, 295, 296, 297, 298, 300, 301, 302, 303, 304, 305, 307, 310, 312, 315, 318, 319, 322, 324, 325, 326, 327, 328, 329, 330, 331, 332, 333, 334, 335, 336, 337, 338, 339, 340, 341, 342, 344, 345, 347, 355, 357, 358, 362, 363, 364, 366, 367, 368, 369, 370, 371, 372, 373, 374, 375, 376, 377, 378, 380, 381, 384, 385, 386, 387, 388, 389, 391, 394, 396, 398, 399, 400, 401, 402, 403, 404, 405, 409, 433 f. – Wirkung von Medien, vgl. Wirkungsforschung Meinungsfreiheit 52, 53, 54, 55, 56, 62, 63, 163, 215, 229, 248, 256, 261, 268, 308, 347, 348, 349, 355, 372, 377, 383, 392, 393, 394, 395, 406, 428, 447 Menschenähnliche Wesen 263 Menschenwürde 64, 83, 84, 100, 180, 190, 191, 218, 248, 252, 253, 254, 262, 266, 267, 269, 270, 271, 277,

476

Sachwortverzeichnis

278, 279, 294, 389, 390, 430, 440, 441, 442 Minderjährige 29, 30, 31, 39, 40, 50, 51, 93, 112, 147, 162, 163, 183, 222, 247, 280, 281, 282, 283, 285, 290, 294, 297, 302, 303, 304, 306, 307, 308, 309, 310, 311, 312, 315, 316, 317, 318, 319, 321, 322, 324, 326, 328, 330, 332, 333, 334, 335, 336, 339, 341, 344, 345, 346, 347, 348, 350, 352, 353, 354, 357, 358, 359, 360, 361, 363, 364, 366, 367, 368, 369, 374, 377, 378, 379, 380, 383, 386, 390, 394, 402, 404, 405, 406, 428, 435, 440, 442, 444, 445, 446 Mischverwaltung 127, 128, 131 Multifunktionsgeräte 135, 137, 143, 433 Nachindizierung, vgl. Indizierung Notverordnung zum Schutz des deutschen Volkes 37 Ort – Einsehbarer Ort 310 – Zugänglicher Ort 310 Periodische Medien 39, 239, 245, 246 Pluralität 109, 180, 359 Pornographie – Definition 269 f. – Gewaltpornographie 273 – Kinderpornographie 274, 280 – Zoophilie 273 Praktische Konkordanz 163, 419 Pressefreiheit 57, 58, 59, 215, 347, 355, 377, 393, 428 Printmedien 51, 220, 244, 245, 370, 371, 433, 440 Prognose 81, 93, 110, 159, 162, 164, 167, 177, 219, 229, 303, 406, 416, 424 Programme 95, 141, 143, 144, 145, 146, 304, 310, 320, 321, 322, 323, 416, 444, 445

Propagandamittel 247 Proxy-Server 352, 387 Prüfstellen 34, 36, 37, 39, 414, 423 Prüfverfahren 32, 103, 148, 149, 150, 151, 434 Rechtsschutz 58, 75, 77, 99, 125, 126, 178, 210, 215, 297, 299, 397, 411, 412, 413, 416, 419, 422, 423, 425, 447 Rechtswidrige Tat 259, 441 Regelbeispiele, vgl. Jugendgefährdung Reichskulturkammergesetz 37, 427 Risikogruppen 161, 163, 198, 219, 436 Risikotheorie, vgl. Wirkungsforschung Rundfunkähnliche Dienste, vgl. Abgrenzung Rundfunkfreiheit 59, 61, 90, 347, 355, 392, 428 Schaden 119, 164, 165, 166, 182, 184, 300, 302, 304, 308, 345, 357, 380, 435, 443, 444 Schaufenstergesetz 33 Schriften 32, 33, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 45, 133, 136, 157, 203, 204, 245, 247, 249, 252, 312, 397, 422, 427 Schund- und Schmutzgesetz 34, 35, 36, 37, 38, 39, 427 Schutz – Schutz der Gesundheit 395, 396, 406, 447 – Schutz der Moral 395, 396, 406, 447 Shop-in-Shop-Lösung 374, 375 Sozial-kognitive Lerntheorien, vgl. Wirkungsforschung Spielgerät 95, 134, 137, 143, 433 Spielhalle 86, 92, 310 Spiraltheorie, vgl. Wirkungsforschung Stimulationstheorie, vgl. Wirkungsforschung

Sachwortverzeichnis Störung des öffentlichen Friedens 254, 257, 441 Strafrecht 33, 40, 41, 86, 90, 91, 11, 161, 180, 185, 186, 187, 188, 190, 192, 193, 197, 221, 247, 249, 251, 254, 255, 256, 257, 263, 264, 265, 266, 268, 269, 270, 271, 274, 280, 281, 282, 290, 291, 296, 298, 299, 300, 310, 318, 319, 322, 333, 340, 384, 425, 428, 429, 430, 443 Strafvorschriften 91, 340 Suggestionstheorie, vgl. Wirkungsforschung Tatsachen 53, 54, 60, 192, 254, 255, 260, 349, 392 Telemedien, vgl. Medien Tendenzschutz 200, 201, 203, 204, 205, 207, 208, 215, 218, 219, 235, 242, 246, 290, 299, 356, 380, 383, 437, 438, 440, 443 – Künstlerischer Tendenzschutz 200 f. – Politischer Tendenzschutz 211 f. – Wissenschaftlicher Tendenzschutz 209 f. Theorie der kognitiven Dissonanz, vgl. Wirkungsforschung Trägermedien, vgl. Medien Überlassen 30, 33, 35, 85, 97, 98, 134, 147, 157, 305, 306, 307, 313, 324, 325, 326, 344, 347, 362, 404, 444 Unmenschlichkeit 263 Unnatürlich geschlechtsbetonte Haltung 280, 281, 282, 283, 397, 442 Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle 104, 148, 150, 151, 152, 153, 434 USK, vgl. Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle Verbotsliste, vgl. Indizierungsliste Verbrechen 38, 63, 157, 182, 185, 187, 191, 192, 259, 260, 293, 427, 435

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Verbreitung 33, 37, 40, 41, 45, 51, 55, 57, 58, 60, 62, 66, 69, 71, 94, 95, 96, 97, 101, 107, 108, 134, 136, 138, 139, 141, 144, 148, 155, 156, 183, 229, 233, 235, 239, 250, 299, 308, 323, 337, 347, 348, 350, 352, 356, 359, 367, 369, 379, 381, 385, 386, 388, 392, 393, 395, 396, 428, 429, 432, 433, 439, 443 Verbreitungsbeschränkungen 36, 38, 42, 45, 90, 304, 313, 322, 402, 403, 443 Verfahren – Verfahren der Indizierung, vgl. Indizierung – Verfahrensanregung, vgl. Anregung der Indizierung – Verfahrensantrag, vgl. Antrag Verfassungswidrigkeit 261, 383 Verhältnismäßigkeit 65, 77, 78, 137, 158, 195, 206, 220, 235, 236, 237, 271, 327, 360, 361, 365, 379, 382, 383, 388, 393, 395, 396, 405, 446 – Angemessenheit 245, 352, 355, 356, 365, 368, 369, 374, 379, 397 – Erforderlichkeit 96, 299, 353, 356, 363, 373, 379, 388 – Im engeren Sinne, vgl. Angemessenheit – Legitimer Zweck 271, 348, 372, 386, 395 Verhandlung 42, 99, 103, 107, 121, 122, 124, 126, 432 Verharmlosung 191, 192, 194, 196, 213, 255, 256, 265, 267, 293, 396, 435 Verherrlichung 293, 396, 435 – Verherrlichung der NS-Ideologie 191, 258 – Verherrlichung des Krieges, vgl. Kriegsverherrlichung – Verherrlichung des Selbstmordes 188 – Verherrlichung von Betäubungsmitteln und Suchtmitteln 196

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Sachwortverzeichnis

– Verherrlichung von Gewalt, vgl. Gewalthaltige Medien/Gewaltzentrierte Spiele Verkündung der Indizierungsentscheidung 123 Verletzung der Würde von NS-Opfern 258 Vermietverbot 41, 325, 326, 366, 367, 369, 371, 372, 374, 375, 376, 377, 385, 386, 387, 388, 389, 405, 446 Verpflichtungsklage 412, 413 Versand 40, 96, 147, 324, 325, 336, 361, 362, 363, 364, 365, 366, 369, 399, 404, 405, 444, 446 – Elektronischer Versand 138 f., 319 f., 444 – Versandhandel 314 f., 362 f., 444 – Versandhandelsverbot, vgl. Vertriebsverbote Vertriebsverbote 362, 363, 365, 366, 369, 370, 397, 405, 446 Video-on-Demand 95, 140 Vorausindizierung, vgl. Indizierung Vorführen 150, 312, 325, 336, 361 Vorführgerät, vgl. Spielgerät Vorrätig halten 338 Wahrung – Wahrung von Rechtseinheit 94, 97 – Wahrung von Wirtschaftseinheit 97 Warenverkehrsfreiheit 391, 398, 400, 403, 404, 406, 447 Weimarer Reichsverfassung 33

Werbung – Kommerzielle Werbung 378, 393 – Neutrale Werbung 331, 332, 334, 380, 382, 383, 404 – Schockwerbung 55 – Tendenzwerbung 380, 381 Wirkungsforschung 29, 93, 114, 165, 166, 167, 169, 171, 172, 175, 176, 271, 272, 350, 371, 390, 407, 437 – Erotone Medien 168, 173, 175, 184 – Gewalthaltige Medien 168, 175, 437 – Langzeitwirkungen 272 – Monokausale Wirkungsmodelle 168 – Multikausale Wirkungsmodelle 169 Wissenschaft 30, 38, 67, 69, 70, 71, 72, 108, 113, 114, 115, 165, 173, 174, 197, 200, 201, 204, 209, 210, 211, 214, 215, 216, 217, 223, 224, 225, 226, 227, 228, 229, 231, 232, 250, 258, 261, 358, 359, 360, 362, 369, 376, 381, 382, 388, 393, 394, 395, 418, 428, 431, 437, 439 Zensur 32, 33, 34, 37, 38, 65, 66, 67, 162, 195, 211, 229, 246, 354 Zugänglich machen 307, 312, 336, 344, 357, 445 Zulassungsschranken – Objektive Zulassungsschranken 77 – Subjektive Zulassungsschranken 77 Zustellung der Indizierungsentscheidung 123, 301