Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution: Eine Untersuchung zur Pressefreiheit nach dem Bonner Grundgesetz [1 ed.] 9783428423897, 9783428023899

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Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution: Eine Untersuchung zur Pressefreiheit nach dem Bonner Grundgesetz [1 ed.]
 9783428423897, 9783428023899

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 145

Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution Eine Untersuchung zur Pressefreiheit nach dem Bonner Grundgesetz

Von

Dieter Stammler

Duncker & Humblot · Berlin

DIETER STAMMLER

Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution

Schriften zum ö f f e n t l i c h e n Recht Band 145

Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution Eine Untersuchung zur Pressefreiheit nach dem Bonner Grundgesetz

Von

Dr. Dieter Stammler

DUNCKER & HUMBLOT/

BERLIN

Gedruckt mit Unterstützung des Kultusministeriums Baden-Württemberg

Alle Rechte vorbehalten . Parallel zu diesem Rückgang der selbständigen wirtschaftlichen und publizistischen Einheiten fand jedoch ein starkes Wachstum i n der Gesamtauflage der Tagespresse statt. Die Gesamtauflage der deutschen Tageszeitungen (Verkaufsauflage) stieg von Dezember 1950 bis Dezember 1967 um 81,8 °/o, von 1958 bis 1967 um 29,4 °/o. Demgegenüber war i n den gleichen Zeiträumen lediglich ein Bevölkerungswachstum von 17,3 °/o bzw. 9,3 °/o zu verzeichnen 21 . Dieser Auflagenzuwachs kam freilich i m wesentlichen nur den Groß Verlagen zugute; denn von dem Anstieg der Gesamtauflage (von 1958 bis 1967) um 4,3 Mill. entfielen auf die 40 größten Tageszeitungen mit Auflagen von jeweils über 100 000 Ex. allein 3,5 Mill. = 81 °/o22. Daran hatten wiederum die Straßenverkaufszeitungen den größten Anteil, deren absoluter Auflagenzuwachs von 1958 bis 1967 63 °/o 23 gegenüber nur 10,4 °/o der Abonnementszeitungen 24 betrug. Diese Auflagenkonzentration führte dazu, daß heute die fünf größten Zeitungsverlagsgruppen allein einen Marktanteil von 48,7 % besitzen 25 . Unter diesen fünf größten Verlagsgruppen nimmt allerdings ein Verlagshaus eine ganz überragende Stellung ein, der Springer-Konzern. Sein Marktanteil beträgt bei Tages- (einschl. der Sonntags-) Zeitungen 21

Angaben nach Günther-Bericht, S. 133, 134. Günther-Bericht, S. 34. 23 Davon hatte die BILD-Zeitung allein einen Anteil von 41,9 °/o (GüntherBericht , S. 34). 24 Angaben nach Günther-Bericht, S. 34. 25 Diese Berechnung geht von den Angaben des Günther-Berichts (S. 155) aus, jedoch unter Abzug des Marktanteils der „Stuttgarter Zeitung"-Verlagsgruppe, der im Günther-Bericht zu hoch angesetzt wurde, vgl. Stellungnahme der Bundesregierung (BT-Drucksache V/3856). 22

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1. Teil: Geschichte und Struktur des Pressewesens in Deutschland

39,2 °/o26, bei Publikumszeitschriften Anfang 1969 (nach dem Verkauf mehrerer Objekte) 8,9 °/o 27 . Die nächstgrößere Zeitungsverlagsgruppe hat demgegenüber lediglich einen Anteil von 2,5 °/o28 an der Gesamtauflage der Tageszeitungen. Anders als in der Weimarer Republik, aber auch i m Gegensatz zu wohl allen anderen vergleichbaren westlichen Staaten hat i n der Bundesrepublik die Pressekonzentration somit nicht zur B i l dung mehrerer etwa gleich starker Großverlage geführt. Das B i l d der westdeutschen Presselandschaft w i r d vielmehr von einem einzigen Konzern beherrscht, der v. a. i m Bereich der Tagespresse eine geradezu erdrückende Stellung inne hat. Das starke Wachstum der Großverlage ging fast ausschließlich auf Kosten der kleineren und mittleren Lokal- und Regionalzeitungen. Sofern sie i h r Erscheinen nicht ganz einstellen 29 , sind viele Zeitungen nur noch durch wirtschaftliche oder redaktionelle Kooperation mit anderen Unternehmen am Leben zu erhalten. Dabei sind die häufigsten Kooperationsformen der Maternbezug, die Redaktionsgemeinschaft und die wirtschaftliche Zusammenarbeit mehrerer Verlage in Form einer Interessengemeinschaft (z. B. Anzeigenring) 30 . Die wohl bedenklichste Folge der Pressekonzentration aber ist die zunehmende Zahl von lokalen Zeitungsmonopolen, d. h. von Landkreisen und kreisfreien Städten, i n denen nur eine Zeitung mit lokaler bzw. regionaler Berichterstattung erscheint. Bei einer Gesamtzahl von 558 Landkreisen und kreisfreien Städten i m Bundesgebiet wuchs die Zahl derartiger Lokalmonopole von 85 (1954) auf 121 (1964) und schließlich 129 i m Jahre 196631. Diese Zahl dürfte i n der Zwischenzeit noch erheblich gestiegen sein, denn nach Angaben des Günther-Berichts 32 haben allein im Jahre 1967 15 Zeitungen ihr Erscheinen eingestellt. Ein enger Zusammenhang besteht zwischen der Pressekonzentration und dem Anzeigenwesen. Wie bereits in der Weimarer Zeit, so wurden auch nach 1945 die Anzeigeneinnahmen immer mehr zur wichtigsten wirtschaftlichen Grundlage der Zeitung. Während sich im Jahre 1956 die Vertriebs- und Anzeigenerlöse noch gegenseitig die Waage hielten, entwickelte sich ihr Verhältnis auf 37:63 i m Jahre 1967. Die stärkste Diskrepanz bestand bei den Abonnementszeitungen m i t einem Verhält26

Günther-Bericht, S. 154. Der Neue Vertrieb Nr. 485/1969, S. 530. 28 „Westdeutsche Allgemeine (Günther-Bericht, S. 154), nach Wegfall der „Stuttgarter Zeitung "-Verlagsgruppe. 29 Nach dem Günther-Bericht (S. 198 ff.) stellten seit 1958 43 Zeitungen ihr Erscheinen ein. 80 Vgl. Michel-Bericht, S. 68 ff.; Günther-Bericht, S. 197 ff. 31 Nach Angaben von Schütz, Publizistik 3,4/1966, S. 443 ff. 32 a.a.O., S. 198 ff. 27

V I . Die Entwicklung der Presse in der Bundesrepublik

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nis von 35:65 (1967)33. Da die Höhe der Anzeigeneinnahmen jedoch i m wesentlichen von der Höhe der Auflage abhängt, w i r d der Wettbewerbsvorsprung der Großunternehmen durch diese Erlösstruktur noch weiter vergrößert 34 . Angesichts des ständigen technischen Fortschritts w i r d die Pressekonzentration auch i n Zukunft mit Sicherheit weitergehen. Schon heute beträgt der Kapitalaufwand für die gewöhnliche technische Einrichtung eines Presseunternehmens m i t einer Gesamtauflage von 100 000 Ex. ca. 6 Mill. D M 3 5 . Diese Summe ist gering gegenüber den Aufwendungen, die schon i n naher Zukunft nötig sein werden, um eine Zeitung konkurrenzfähig zu halten. Von Fachleuten werden folgende technische Neuerungen für die nächsten Jahre vorausgesagt 36 : Vierfarbendruck der Tageszeitungen (aus Anzeigengründen!), vollautomatischer, computergesteuerter Zeitungssatz mit Fotosetzmaschinen, die 200—1 000 Buchstaben/sec. setzen können, Fernübertragung ganzer Zeitungsseiten, zunehmender Einsatz von Nachrichtensatelliten, schließlich die Verwendung von Computern auch bei der redaktionellen Arbeit, insbesondere i m Archiv und bei der Informationsverarbeitung. Jede weitere Technisierung aber führt zu einer Erhöhung der Rentabilitätsmarke und meist auch zu einer Erweiterung der Kapazität. Daraus wiederum resultiert ein Zwang zur Auflagensteigerung, um die vermehrten Kosten bzw. Kapazitäten decken zu können. Wer mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten kann — wobei auch bloße Kooperationen mehrerer selbständiger Unternehmen auf die Dauer keine Lösung darstellen werden —, muß aus dem Markt ausscheiden. Nach Voraussagen Springers dürfte in absehbarer Zeit selbst in Städten mit 1/2 Mill. Einwohnern nur noch eine Zeitung lebensfähig sein 37 . Nicht nur die steigende Rentabilitätskurve, sondern auch der enorme Auflagenzuwachs seit 1950, der — zumindest i m Bereich der Tageszeitungen — allmählich die Grenze der Marktsättigung erreicht 38 , haben dazu geführt, daß die Markteintrittschancen zunehmend sinken 39 . Schon heute ist für „newcomers" der Markt der Tageszeitungen so gut wie ge83

Nach Angaben des Günther-Berichts, S. 24. Deutlicher Hinweis darauf ist die Konzentration der Anzeigenumsätze, die dazu führte, daß auf die 47 auflagenstärksten Tageszeitungen ( = 9,5 °/o aller Zeitungen) 66,9 °/o des Zuwachses der Anzeigeneinnahmen in den Jahren 1961—1966 entfiel (Günther-Bericht, S. 36). 35 Günther-Bericht, S. 23. 38 Vgl. die Vorträge von Springer in Kiel (Deutsche Presse zwischen Konzentration und Subvention), sowie von Rooy und Hübner auf dem 4. Dtsch. Journalistentag (Der Journalist 6/1969). 37 Springer, Deutsche Presse zwischen Konzentration und Subvention, S. 15. 38 Vgl. Günther-Bericht, S. 36. 39 Günther-Bericht, ebd. 34

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1. Teil: Geschichte und Struktur des Pressewesens in Deutschland

sperrt. So konnten sich von den 16 zwischen 1955 und 1966 neu gegründeten Zeitungen bis heute nur 3 auf dem Markt behaupten. Davon ist jedoch nur eine (der „Express" in Köln) eine echte Neugründung und auch diese wurde von einem bereits bestehenden Verlag herausgebracht; die beiden anderen sind i m Grunde nur Nebenausgaben älterer Zeitungen 40 . Wie schwierig eine solche Neugründung ist, zeigt das Beispiel des 1964 gegründeten Düsseldorfer Boulevardblatts „Mittag", das zwar eine Auflage von 300 000 Ex. erreichte, jedoch nach drei Jahren eingestellt wurde, nachdem es einen jährlichen Zuschuß von 3 Mill. D M seinem Besitzer gekostet hatte 4 1 . Die Wettbewerbsvorteile der Großverlage werden i m Bericht der Günther-Kommission folgendermaßen zusammengefaßt 42 : 1. ständige Verbesserung und Ausdehnung der technischen Anlagen, 2. damit größere Rentabilität und steigende Auflagenzahlen, 3. mit größerer Auflage höhere Vertriebserlöse und ein höheres A n zeigenvolumen, 4. mit höherem Anzeigenvolumen höhere Anzeigenerlöse, 5

höhere Anzeigenerlöse ergeben größere Gewinne,

6. größere Gewinne bieten bessere Selbstfinanzierungsmöglichkeiten und zunehmende Kreditwürdigkeit (Finanzierungsspielraum), 7. ein gestiegener Finanzierungsspielraum führt schließlich zu einer weitergehenden Verbesserung der maschinellen Anlagen unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts. Angesichts dieser wirtschaftlichen Zusammenhänge w i r d der bereits bestehende Wettbewerbsvorsprung der Großverlage i n einer von technisch-wirtschaftlicher Dynamik geprägten Marktwirtschaft ständig vergrößert. Dies aber hat zur Folge, daß zumindest i n den Bereichen, i n denen der technische Standard und der damit verbundene Auflagenzwang am höchsten ist, nämlich i m Bereich der Tages- und Publikumspresse, der Konzentrationsprozeß unaufhaltsam weitergehen wird. 3. Die innerbetriebliche Struktur der Nachkriegspresse insbesondere die Beziehungen zwischen Verlag und Redaktion Ähnlich wie die äußere Struktur der Nachkriegspresse, stellt sich auch die Lage i m unternehmensinternen Bereich lediglich als Fortentwicklung der Weimarer Verhältnisse dar. I n personeller Hinsicht allerdings war die Kontinuität zu der Zeit vor 1933 nicht nur durch das Zwischenspiel 40 41 42

Michel-Bericht, S. 73. Günther-Bericht, S. 36. Günther-Bericht, S. 38.

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des Dritten Reichs und durch die Kriegsverluste, sondern vielleicht mehr noch durch die Lizenzpolitik unterbrochen, die dazu führte, daß eine große Zahl neuer Kräfte, v. a. auf Seiten der Verleger, i n die Presse strömte. Bei den Verlegern drückte sich diese personelle Diskontinuität anfangs i n starken Spannungen zwischen den Lizenz- und den Alt-Verlegern aus. Nach Aufhebung des Lizenzzwanges erwiesen sich jedoch sehr bald schon die Gemeinsamkeiten i n der Interessenlage nach außen als stärker gegenüber den internen Gegensätzen, so daß es 1954 zum Zusammenschluß beider Gruppen i m „Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e. V." kam. Ein gewisser Wandel gegenüber früher ist auch i n der Rechtsform der Verlage zu bemerken. Die Rechtsform der Aktiengesellschaft ist fast völlig aus der westdeutschen Presselandschaft verschwunden. Bei einer Auswertung der Impressumsangaben von 1 495 Zeitungen i m Jahre 1964 ermittelte Schütz 43 folgende Rechtsformen der Zeitungsverlage: GmbH

549 Ausgaben =

36,6%

oHG

21 Ausgaben =

1,4%

KG

162 Ausgaben =

10,8%

AG

7 Ausgaben =

0,5%

Einzelpersonen sonstige Unternehmensformen

450 Ausgaben = 30,2 % 12 Ausgaben =

0,8 %

Der weitgehende Rückgang anonymer Kapitalgesellschaften, insbesondere der Rechtsform der AG, dürfte wohl wesentlichen Anteil daran haben, daß die vor 1933 so starke Interessenverflechtung zwischen Industrie und Presse nach dem Krieg kaum mehr auftrat 4 4 . Ein weiterer wesentlicher Unterschied gegenüber der Weimarer Presse, der allerdings weniger mit der rechtlichen Konstruktion der Verlage als mit der weitgehenden Entideologisierung der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft zusammenhängt, ist der starke Rückgang der Parteipresse 45 . Wie bei den Verlegern, so trat auch auf Seiten der Journalisten infolge der Kriegsauswirkungen und der Entnazifizierung unmittelbar nach 1945 ein starker Arbeitskräftemangel ein. I n den Auf baujähren unter dem Lizenzsystem war deshalb ein starker Zustrom jüngerer und presse43

Struktur der deutschen Tagespresse, Publizistik 1/1966, S. 17. Der bekannteste Fall einer Interessenverflechtung zwischen Industrie und Presse nach 1945 ist die „Stuttgarter Zeitung", deren Mehrheitsanteile in den Händen der Familie Bosch liegen. Nach jüngsten Zeitungsberichten wurden diese Anteile allerdings verkauft. Weitere Beispiele bei Knipping, Konzentrationsprozeß in der westdeutschen Tagespresse, S. 218 ff. 45 Siehe oben, S. 41. 44

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1. Teil: Geschichte und Struktur des Pressewesens in Deutschland

fremder Kräfte i n die Journalistenberufe zu verzeichnen 46 . Schon i m Jahre 1949 trat jedoch eine rapide Verschlechterung der Arbeitsmarktlage und der sozialen Verhältnisse unter den Journalisten ein. Laut einer Statistik Hagemanns 47 blieben ihre Gehälter bis 1955 hinter der allgemeinen Entwicklung der Lebenshaltungskosten zurück. Eine Untersuchung der „Fédération Internationale des Journalistes" über „Die w i r t schaftliche Lage der Journalisten i n der westlichen Welt" aus dem Jahre 195448 kam zum Ergebnis, daß „der (west-)deutsche Journalist i n w i r t schaftlicher und sozialer Hinsicht zu den schlechtest gestellten Kollegen i n der westlichen Welt gehört" und noch i m Jahre 1957 schrieb das Organ der „Deutschen Journalistenunion" bei der I G Druck und Papier, „Die Feder": „Die große Mehrheit der Journalisten, besonders die in kleinen Zeitungen und Bezirksausgaben großer Blätter sowie fast alle nicht angestellten freien Journalisten werden mit so niedrigen Gehältern und Honoraren abgespeist, daß sie sich fortgesetzt i n wirtschaftlicher Not befinden 49 ." Seitdem vollzog sich eine kontinuierliche Besserung der sozialen Verhältnisse, die man heute i m großen und ganzen als durchaus befriedigend bezeichnen kann. Erstmals gibt es jetzt feste Gehaltstarife für angestellte Redakteure 50 und, als weiteren wesentlichen Fortschritt, einen Anspruch auf bestimmte Ruhezeiten 51 . Aus dem Tarifvertrag von 1926 wurde außerdem die von Verlegern und Journalisten gemeinsam zu finanzierende Alterssicherung übernommen, deren Träger heute das „Versorgungswerk der Presse GmbH" ist. Auch die sozialen Auswirkungen der Pressekonzentration wurden erheblich gemildert: Der Tarifvertrag vom 10. 9.1968 gewährt dem von einer konzentrationsbedingten Maßnahme betroffenen Redakteur einen Anspruch auf Zahlung einer Übergangsbeihilfe sowie auf Fortzahlung der Arbeitgeberanteile für die Sozialversicherung. Die soziale Lage der Journalisten ist nur einer unter verschiedenen anderen Hinweisen dafür, daß der journalistische Beruf heute i n noch stärkerem Maße als bereits in der Weimarer Zeit i n unser gesellschaftliches System integriert ist. I n einer Gesellschaft, die wie die westdeutsche Nachkriegsgesellschaft einen hohen Grad sozialer Mobilität auf46 Nach Hagemann (Die soziale Lage des deutschen Journalistenstands, S. 61) betrug der Anteil „berufsfremder" Kräfte in N R W 1955 37,2 °/o. 47 Hagemann, ebd., S. 54. 48 Zit. nach Knipping, a.a.O., S. 264. 49 Zit. nach Knipping, a.a.O., S. 264. 60 Nach dem Gehaltstarif vom 1.2.1970 liegt das Gehalt eines Redakteurs an einer Tageszeitung mit über 30 000 Auflage (Ortsklasse A) zwischen 953,— und 1790,— DM/mtl. 51 Nach § 7 M T V vom 10. 9.1968 beträgt die wöchentliche Mindestruhezeit für Redakteure 36 Stunden.

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weist, die durch ein geradezu hektisches Öffentlichkeitsbedürfnis — und zwar nicht i m Sinne einer kritisch-rationalen, sondern einer „public relations"-öffentlichkeit — gekennzeichnet ist, und wo Journalisten sogar zur sozialen „Elite" gerechnet werden 52 , ist der Journalismus vom Ruch der „catilinarischen Existenz" endgültig befreit. Der Journalist ist heute, nach den Worten Crons, vom gesellschaftlichen „outsider" zum „insider" geworden 53 . Während sich somit der gesellschaftliche Status des Journalisten gegenüber der Weimarer Zeit weiter verbesserte, läßt sich dasselbe von seinem unternehmensinternen Status gegenüber dem Verleger noch kaum sagen. Als entscheidendes K r i t e r i u m dafür kann die Frage der „Kompetenzabgrenzung" zwischen Verlag und Redaktion angesehen werden, nach der sich der Umfang eines eigenen, selbständigen Entscheidungsbereichs des Redakteurs bestimmt. Solange er diese Selbständigkeit nicht besitzt, ist er letztlich immer nur lohnabhängiger, auch in geistigen Dingen an Einzelweisungen gebundener Angestellter seines Verlegers, oder, um es etwas salopp auszudrücken, ist er lediglich „die Stimme seines Herrn". I n diesem Punkt nun trat gegenüber der Zeit vor 1933, zumindest juristisch gesehen, keinerlei Fortschritt, sondern im Gegenteil sogar eine Verschlechterung ein, denn die i m Tarifvertrag von 1926 enthaltene Kompetenzregelung wurde i n die Nachkriegs-Tarifverträge nicht mehr übernommen. Auch i n der Zeitungspraxis wurde das Problem der Kompetenzabgrenzung — zumindest in juristischer Hinsicht — bisher fast völlig ausgeklammert, wie eine vom Verfasser i m Oktober 1968 durchgeführte Umfrage ergab. Das Ergebnis dieser Umfrage sieht folgendermaßen aus: Von 148 angeschriebenen Zeitungsverlagen mit Vollredaktionen 54 antworteten 78. Danach haben von 78 Vollredaktionen nach eigenen Angaben eine Kompetenzabgrenzung zwischen Verlag und Redaktion — schriftlich (in Form eines Redaktionsstatuts) — in tatsächlicher Übung — in Ausarbeitung

2 21 4

Z u den zwei in der Umfrage ermittelten Zeitungsunternehmen mit schriftlicher Kompetenzabgrenzung i n Form von Redaktionsstatuten („Neue Ruhr-Zeitung" und „General-Anzeiger der Stadt Wuppertal") traten laut ZeitungsVeröffentlichungen in jüngster Zeit die „Rhein-Zei52 Vgl. die Untersuchung von Wildenmann, zit. in „Der Spiegel" 18/1969, S. 66 ff. 53 54

Eliten in der Bundesrepublik,

Cron bei Pross, Deutsche Presse seit 1945, S. 13.

Zugrunde gelegt wurden die Angaben im Günther-Bericht über die selbständigen redaktionellen Einheiten, von denen in der Zwischenzeit zwei weggefallen waren.

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1. Teil: Geschichte und Struktur des Pressewesens in Deutschland

tung" i n Koblenz, die „Süddeutsche Zeitung", die „Saarbrücker Zeitung" und der „Mannheimer Morgen" sowie die Illustrierte „Stern". Die diesbezügliche Formulierungen sind allerdings z. T. sehr vage und lassen es fraglich erscheinen, ob man von einer wirklichen Eigenverantwortlichkeit der Redaktion sprechen kann. So wurden zwar in beiden durch die Umfrage ermittelten Fällen bestimmte Grundsätze für die redaktionelle Tätigkeit schriftlich fixiert, es w i r d aber gleichzeitig dem Verleger die Befugnis zugesprochen, innerhalb dieser Grundsätze weitere Richtlinien für die Gestaltung der Zeitung zu erlassen. Die Abgrenzung dieser pauschalen Richtlinienbefugnis gegenüber dem redaktionellen Verantwortungsbereich bleibt völlig offen 55 . Die Selbständigkeit des einzelnen Redakteurs bei der „Neuen Ruhr-Zeitung" w i r d noch weiter durch den sog. „Beraterkreis" eingeschränkt, dem der Verleger, der Chefredakteur und die leitenden Redakteure angehören und der zu Tagesfragen von besonderem publizistischem Interesse die grundsätzliche Haltung der Redaktion zu definieren hat. Einen ähnlichen überredaktionellen „Beirat" als Koordinationsstelle zwischen Redaktion und Verlag soll es auch bei den Zeitungen des Springer-Konzerns geben 56 . Wenn daher die Zeitungen dieses Konzerns i n Beantwortung der Umfrage von einer völligen Freiheit und Unabhängigkeit des Chefredakteurs bei der inhaltlichen Gestaltung der Zeitung sprechen, so ist angesichts der bisherigen Erfahrungen gerade m i t den Zeitungen dieses Konzerns eine gewisse Skepsis nicht zu unterdrücken. Ähnlich dürfte es bei verschiedenen anderen Zeitungen sein, die die faktische Praktizierung einer Kompetenzabgrenzung von sich behaupten. Ein neuer und sehr interessanter Weg der Regelung der Beziehungen zwischen Redaktion und Verlag wurde kürzlich i n einer Vereinbarung zwischen Redaktion und Verlag der Illustrierten „Stern" eingeschlagen 57 . Abweichend vom traditionellen Modell der Kompetenzabgrenzung werden in dieser Vereinbarung nicht bestimmte Verantwortungsbereiche zwischen Redaktion und Verlag voneinander abgegrenzt (was bei einer Illustrierten auch wirklichkeitsfremd wäre), sondern es w i r d der Redaktion ein unmittelbarer Einfluß auf die Entscheidungen des Verlegers durch ein Mitbestimmungsrecht i n wichtigen personellen und finanziellen Fragen eingeräumt. Die Freiheit des einzelnen Redakteurs ist durch eine „Gesinnungsschutzklausel" gewahrt, wonach er nicht gezwungen werden darf, etwas gegen seine Überzeugung zu tun und ihm aus seiner Weigerung kein Nachteil entstehen darf. Dieses 55 Anders in einigen neueren Redaktionsstatuten, so insbes. beim „Mannheimer Morgen", wo innerhalb der schriftlich fixierten Richtlinien der Ressortleiter voll verantwortlich ist und ein Redaktionsbeirat weitgehende M i t bestimmungsrechte bei personellen Entscheidungen besitzt. 56 Vgl. „Der Spiegel" 5/1968, S. 64. 67 Abgedruckt in „Stern" 22/1969 vom 1. Juni 1969.

V I I . Strukturprobleme eines privatwirtschaftlichen Pressewesens

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„Stern-Statut" entspricht somit eher dem Modell der Mitbestimmung als dem einer Kompetenzabgrenzung i m herkömmlichen Sinne. Andere Zeitungen gehen, wie die Umfrage ergab, i n eine ähnliche Richtung. Bei einigen Verlagen ist der Einfluß der Redaktion auf die Entscheidungen des Unternehmens dadurch sichergestellt, daß sie Sitz und Stimme i n der Gesellschaftsversammlung hat 5 8 . I n anderen Fällen ist die Einstellung und Entlassung von Redakteuren vertraglich an ein Einvernehmen zwischen dem Verlag und dem Chefredakteur gebunden 59 . I m ganzen gesehen ist die interne Struktur des Presseunternehmens, wie die Umfrage bestätigt hat, noch rechtliches Brachland. Die Praxis dürfte wohl ganz überwiegend darauf hinauslaufen, daß die Redaktion — schon aus betriebsökonomischen Gründen — bei ihrer laufenden Arbeit weitgehend unabhängig von direkten Einwirkungen des Verlags ist 6 0 , daß der Verleger aber nach wie vor auf einem rechtlich unbegrenzten Direktionsrecht besteht und dieses jeweils dann aktualisiert, wenn er seine (ideellen oder wirtschaftlichen) Interessen gefährdet sieht. Besonders offen dürfte das Direktionsrecht des Verlegers bei kleineren (Lokal-)Zeitungen m i t nur wenigen Redakteuren in Erscheinung treten, weil hier einerseits die Verhältnisse noch überschaubar sind, um dem Verleger eine unmittelbare Anteilnahme an der redaktionellen Tätigkeit zu ermöglichen, andererseits aber auch die Verknüpfung der verlegerischen Interessen mit dem redaktionellen Teil stärker und direkter ist als bei größeren überregionalen Zeitungen. I n einem Fall der Umfrage hat der Chefredakteur eines Redaktionsringes kleinerer Tageszeitungen selbst ausdrücklich auf derartige Pressionsversuche der Verleger auf die Lokalredaktionen der dem Ring angeschlossenen Zeitungen hingewiesen.

Y I I . Strukturprobleme eines privatwirtschaftlichen Pressewesens 1. Die Zeitung als Ware Bevor die Untersuchung sich den verfassungsrechtlichen Fragen der Pressefreiheit zuwendet, sollen i m folgenden i n relativ knapper Zusammenfassung die Bedingungen und Probleme eines privatwirtschaftlichen Pressewesens dargestellt werden. Denn wenn es richtig ist, daß 58

So z. B. beim Konstanzer „Südkurier". So z.B. bei den „Kieler Nachrichten"; die Zahl der Zeitungen mit solchen oder ähnlichen Regelungen ist jedoch sehr gering. 60 Der Fall des Verleger-Chefredakteurs, der i m Gebiet der früheren USZone noch relativ häufig ist, soll hier außer Betracht bleiben. 59

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1. Teil: Geschichte und Struktur des Pressewesens in Deutschland

das Recht „objektive Lebensordnung" 1 ist und seine Funktion darin besteht, „das Gemeinschaftsleben zweckmäßig zu gestalten" 2 , so kann auch eine Theorie der Pressefreiheit nicht i m luftleeren Raum abstrakter, wirklichkeitsfremder Jurisprudenz entwickelt werden. Das richtige Verständnis von Wesen und Inhalt der Pressefreiheit i n unserem durch das Grundgesetz verfaßten politischen Gemeinwesen eröffnet sich vielmehr erst dann, wenn man die Pressefreiheit i n ihrem Bezug auf das soziale Phänomen „Presse" sieht. Versucht man nun, von diesem methodischen Ansatz ausgehend, die Struktur unseres heutigen Pressewesens zu beschreiben, so fällt als erstes und grundlegendes Merkmal die Einordnung der Presse i n das Wirtschaftsleben auf. Die Presse ist integrierter Bestandteil unserer als privatkapitalistisch zu charakterisierenden Wirtschaftsordnung. Kennzeichnend für das privatkapitalistische Wirtschaftssystem ist, daß i n ihm die wirtschaftlichen Güter von privaten Unternehmern produziert werden, die ihre Produkte i m Medium des Wettbewerbs auf dem Markt mit dem Ziel privater Gewinnmaximierung abzusetzen suchen, wobei ihnen der Kunde als Abnehmer gegenübertritt. Die Presse i n ihrer Eigenschaft als Wirtschaftsunternehmen produziert zwei Arten von Waren: (1) Die „Zeitung" als Informationsorgan für den Leser, (2) Anzeigenraum für Inserenten, dessen Preis sich nach dem Publikationswert richtet. Dieser hängt wiederum von Zahl und Zusammensetzung der Leserschaft ab. Absatz findet die Zeitung nur um ihrer Funktion als Informationsorgan willen. Die wichtigste wirtschaftliche Grundlage des Presseunternehmens ist jedoch bekanntermaßen die Anzeige, deren Marktwert aber wiederum von der Höhe des Absatzes der Zeitung als Informationsorgan beim Leser abhängt. Den Mittelpunkt des wirtschaftlichen Ablaufs in der Presse bildet somit letztlich immer der Leser, der jedoch seinerseits i m Rahmen dieses Wirtschaftsablaufs die Funktion des K u n den erhält. Beide Funktionen fallen, zumindest i m theoretischen Ansatz, auseinander, denn als Leser nimmt er eine geistige Funktion, als Kunde aber eine ökonomische Funktion wahr. Die verfassungsrechtliche Problematik dieser Rollenvertauschung des Verlegers zum Warenproduzenten und des Lesers zum Kunden soll in späterem Zusammenhang erörtert werden, nachdem die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen für ihre verfassungsrechtliche Würdigung erarbeitet worden sind. A n dieser Stelle geht es vorerst nur einmal um 1 E. Mezger bei Engisch, Einführung in das juristische Denken, Stuttgart 1956, S. 28. 2 Engisch, a.a.O., S. 30.

V I I . Strukturprobleme eines privatwirtschaftlichen Pressewesens

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die Klärung der wirtschaftlichen Zusammenhänge, die beim heutigen Pressewesen i m Spiel sind. Der Ausgangspunkt der Überlegungen hat dabei die Feststellung zu sein, daß die privatwirtschaftlich verfaßte Presse eine „Verkaufspresse" ist, die der allgemeinen Marktmechanik von Angebot und Nachfrage unterliegt 3 . Der Grad dieser Marktabhängigkeit ist je nach Vertriebsart unterschiedlich — bei der Boulevardzeitung stärker, bei der Abonnementszeitung schwächer —, i m Prinzip aber ist jede Zeitung i n diesen Marktmechanismus eingeordnet. Es ist daher — trotz des Zynismus, der i n dieser einseitigen Formulierung durchklingt — i m Grunde nur folgerichtig, wenn der Verlagsleiter eines großen Illustriertenkonzerns über seine Tätigkeit u. a. folgende Aussagen macht: „Ein Verlag ist ein Wirtschaftsunternehmen wie jedes andere", „die Kasse muß stimmen" und „ w i r wollen keine Politik, w i r wollen Geschäfte machen" 4 . Von der Erkenntnis ausgehend, daß die Presse in das allgemeine w i r t schaftliche Marktgeschehen als integraler Bestandteil eingebettet ist, hat sich die nun folgende Untersuchung mit den einzelnen Aspekten dieser Marktbeziehungen etwas eingehender zu befassen. a) Die Beziehung

zwischen Presse und

Leser

Wenn die Presse ihre Produktion auf dem Markt abzusetzen hat, ist sie den marktwirtschaftlichen Regeln von Angebot und Nachfrage unterworfen. A u f der Nachfrageseite steht bei der Presse primär der Leser, dem sie m i t ihrem Angebot „Information" 5 gegenübertritt. Die Ware der Presse ist folglich Information 6 , die sich aber, da sie auf dem Markt abgesetzt werden muß, i n Inhalt und „Aufmachung" wiederum nach der Nachfrage zu richten hat. Die Konsequenz dieser Zusammenhänge ist, daß der Publizist nicht von sich aus mit einer bestimmten Aussage oder Meinung an den Leser herantritt, daß er nicht „Politik macht", sondern daß in dem, was und wie er publiziert, für ihn die Wünsche der Leser, die er ansprechen will, maßgebend zu sein haben. Die Funktion des Publizisten kann somit mit Schelsky als die eines „Idealgüterproduzenten" beschrieben werden, „dessen Aufgabe darin besteht, die Bedürfnisse des Informations- und Unterhaltungskonsums zu befriedigen" 7 . 3 Vgl. dazu und zum folgenden die Analyse von Maseberg „Diktatur des Lesers?", in: „Der Journalist" 6/1969, S. 15; außerdem Pross, Zur Situation der Publizistik in Deutschland", in: „Neue Rundschau" 1965, S. 657; Kuntz, Die Presse, eine Industrie, in: „Es geht nicht nur um Springer", S. 37 ff. und von juristischer Seite Krüger, Die öffentlichen Massenmedien, passim. 4 „Unterhaltungskonzern Bauer", in: F A Z vom 31. 7.1968. 5 Unter Information soll hier ganz allgemein die Mitteilung geistiger Sinngehalte verstanden werden. 6 Ebenso Schelsky in Universitas 1963, S. 1170. 7 Schelsky, a.a.O., S. 1170.

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1. Teil: Geschichte und Struktur des Pressewesens in Deutschland

Einige Redaktionen, insbesondere i m Bereich der Illustriertenpresse, sind deshalb bereits dazu übergegangen, durch Leseranalysen und Meinungsumfragen systematisch zu ermitteln, was beim Leser „ankommt", u m auf dieser Basis m i t Hilfe v o n Computern den Zeitungsinhalt zu programmieren. Wenn heute immer wieder die Gefahr einer Manipulation des Lesers durch die Presse beschworen wird, so kehrt — nach den bisherigen Ergebnissen der Untersuchung — diese Behauptung die tatsächlichen Zusammenhänge geradezu um. Zugespitzt könnte man eher die gegenteilige Behauptung aufstellen, die Publizistik werde durch den M a r k t , d. h. aber durch den Leser, manipuliert 8 . Dieses erste Zwischenergebnis w i r d durch moderne kommunikationssoziologische Untersuchungen unterstützt. Die amerikanische K o m m u nikationsforschung 9 hat schon vor vielen Jahren nachgewiesen, daß die unmittelbar meinungsbildende W i r k u n g der Massenmedien sehr gering ist. Der Bürger bildet seine Meinung i m allgemeinen nicht i n direkter Anlehnung an die Massenmedien, die er liest bzw. hört, sondern richtet sich vorwiegend nach sog. „opinion leaders", d. h. persönlichen A u t o r i täten aus seinem unmittelbaren Lebensbereich 10 . Die W i r k u n g der Massenmedien besteht mehr darin, den Leser i n seinen bereits vorgefertigten Meinungen zu bestärken. I n dieser E r w a r t u n g „selektiert" 1 1 der Leser die i h m angebotenen Informationen. „Der N o r m a l l e s e r . . . kauft seine Zeitung, w e i l er zwei Dinge von i h r erwartet, von i h r fordert: die tägliche Versorgung m i t Nachrichten und Kommentaren, die i h m »liegen1, und die Fernhaltung und Bekämpfung von Tatsachen, Nachrichten, I n formationen, die i h m nicht ,liegen' 1 2 ." Die Publizistik steht i m Dienst des „mächtigen Dranges der Menschen nach Verschleierung der Dinge", wie K a r l Jaspers 13 sagte. Befriedigt die Zeitung diese Bedürfnisse nicht, so bestellt der Leser das B l a t t ab. Das darin begründete System sich wechselseitig bedingender Selektion von Information auf Seiten des Lesers wie auf Seiten der Presse f ü h r t dann zu jener Auswahl von Nach8

Maseberg, a.a.O., S. 15. Vgl. dazu die Beiträge von Schramm, Lazarsfeld und de Sola Pool, in: „Grundfragen der Kommunikationsforschung, hrsg. von Wilbur Schramm; eine gute Übersicht findet sich auch bei Silb ermann—Zahn, Konzentration der Massenmedien, S. 371 ff. 10 Von der unmittelbar meinungsbildenden Wirkung der Massenmedien ist die daneben oft übersehene Gefahr der Manipulation durch Informationsauswahl zu unterscheiden; dazu an späterer Stelle. 11 Vgl. zum Phänomen der „selektiven Wahrnehmung" die Untersuchung des Allensbacher Instituts unter den Lesern der Züricher Tageszeitung „Tages-Anzeiger" bei Noelle-Neumann, Publizistik 2-4/1968, S. 120 ff. 12 Friedrich Heer, Angst von Information, in: Information oder herrschen die Souffleure?, S. 51. 13 Werden wir richtig informiert? ebd., S. 26. 9

V I I . Strukturprobleme eines privatwirtschaftlichen Pressewesens

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richten, die der frühere Bundespressechef von Hase bei einem Vortrag i n Tutzing beschrieb: „In der Tat gibt es bestimmte Nachrichten, von denen man, wenn man sie als Material der Nachrichtenagenturen auf den Tisch bekommt, fast auf Anhieb sagen kann, daß sie morgen mit Sicherheit auf der ersten Seite bestimmter Zeitungen stehen werden, und andere, von denen man sich fragt, ob man sie überhaupt finden wird . . . 14 ."

Es ist also tatsächlich etwas Wahres an der Behauptung, daß der Leser manipuliert werde. Die Ursache der Manipulation ist jedoch weniger beim einzelnen Journalisten oder Verleger zu suchen, obwohl auch von dieser Seite ein gewisser Einfluß genommen wird; denn schon allein wegen der Fülle des Nachrichtenmaterials i m Verhältnis zur Begrenztheit des Raums w i r d sich eine Selektion, die zwangsläufig mit dem Risiko der Manipulation verknüpft ist, immer als notwendig erweisen 15 . Die eigentliche Ursache der Manipulation liegt jedoch tiefer. Sie ist i m gegenwärtigen System unserer Presse selbst begründet, das dem Leser nur das zur Kenntnis bringt, was er wissen will, nicht das, was er wissen sollte; das den Leser als Kunden und nicht als politisch verantwortlichen Staatsbürger anspricht; das die Massenmedien aus der Sphäre der Öffentlichkeit immer weiter herausrückt und i n die einst private Sphäre des Warenverkehrs zurücknimmt 1 6 ; das als obersten Maßstab nur den „Verkaufswert" einer Information gelten läßt und das alles, gleich ob Politik, Feuilleton oder Anzeigenteil, i m Eintopf der „Unterhaltung" verrührt 1 7 . Die geschilderte Abhängigkeit der Zeitung vom Leser wäre nicht so gravierend, wenn das einzelne Blatt seine Leser aussuchen könnte und dabei die Möglichkeit hätte, sich bewußt ein anspruchsvolles Leserpublikum zu bilden, das von der Zeitung wahre, objektive und vollständige Informationen erwartet. Angesichts des ständigen Zwangs zur Auflagensteigerung, der zumindest i n den besonders hoch technisierten und kapitalintensiven Pressebereichen, auch der Tagespresse, besteht, steht der Verleger jedoch vor der Notwendigkeit, immer weitere Leserkreise 14 von Hase, Wer gefährdet die Pressefreiheit?, in: Umstrittene Pressefreiheit, S. 17. 15

Vgl. dazu auch die Bemerkung Gerigks, in: „Der Journalist" 4/1967, S. 4: „Da sind die innerbetrieblichen Rücksichten, die dazu führen, daß Berichte über Preissteigerungen oder Lohnerhöhungen redaktionell als wichtig oder unwichtig gewertet werden, je nachdem, ob gerade eine Erhöhung der Abonnementspreise bevorsteht oder Tarifverhandlungen i m Druckgewerbe stattfinden. Da sind auch die Versuche, im redaktionellen Teil eine Uber- oder Unterbewertung von Ereignissen herbeizuführen, die mit den gesellschaftlichen Interessen des Verlegers zusammenhängen, mit seinen Neigungen und Abneigungen oder schließlich auch mit seinen politischen Auffassungen." 16 Habermas, Strukturwandel, S. 206. 17 Vgl. A. Arndt, der vom „Manipulieren der Menschen in der gefälligen Form der Unterhaltung" spricht (öffentliche Meinung, S. 9).

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1. Teil: Geschichte und Struktur des Pressewesens in Deutschland

anzusprechen, die er aber nur bei der breiten Mitte der Bevölkerung, dem „Durchschnittsbürger", nicht bei intellektuellen Minderheiten finden kann. Es erscheint daher höchst zweifelhaft, ob man mit Maseberg tatsächlich nur einen Prozeß der „Nivellierung des Sortiments" oder nicht auch des Niveaus konstatieren kann. Es ist zwar sicher richtig, daß sich die Presse immer mehr der Form des „Magazins" annähert, daß die Zeitung zu einem „publizistischen Universalorgan" wird, „das i n seinen Tendenzen zurückhaltend, das i n seinem Angebot weit gefächert und das i n seiner fachlichen Perfektion auf einem vorläufigen Höchststand ist" 1 8 . Das fast völlige Verschwinden einer profilierten Parteipresse ist ein deutlicher Ausdruck dieser Nivellierung. Unter dem Zwang der Massenauflage verliert jedoch nicht nur die Zeitung insgesamt, sondern auch der einzelne Beitrag an Profil. Wie jedes große Warenhaus, so unterliegt auch die Presse dem Zwang zur Konfektion 1 9 . Bezeichnend für diese Entwicklung ist die Analyse Erich Kubys über den „Spiegel", bei dem er parallel zu der Auflagensteigerung einen Verlust an politischer Schärfe, einen Trend zur Anpassung konstatiert 20 . Wenn aber diese Beobachtung richtig ist, daß sich nämlich die Presse insgesamt, jede Zeitung und jeder einzelne Beitrag in ihr aus Absatzgründen immer mehr zur Mitte hin nivellieren muß, so bedeutet dies für den anspruchsvolleren Leser, der einer Minderheit angehört, daß er seinerseits immer stärker unter die Diktatur des von Wirtschaft und Presse auf ihr Maß zurechtgeformten „Durchschnittslesers" gerät. Die Beziehung zwischen Zeitung und Leser läßt sich somit am Ende zugespitzt i n dem Paradox zusammenfassen, daß die kapitalistische Presse, die den Leser als Kunden anspricht und die von diesem Kunden abhängig ist, den Leser als Kunden sich selbst in seiner Eigenschaft als Staatsbürger manipulieren läßt. b) Die Beziehung

zwischen Presse und Inserenten

Obwohl die Zeitung letztlich immer auf den Leser angewiesen ist, bei dem sie Absatz finden muß, liegt ihre wichtigste Einnahmequelle doch i m Anzeigengeschäft. Die Gefahr liegt auf der Hand, daß Inserenten versucht sein könnten, diese finanzielle Abhängigkeit des Zeitungsunternehmens von den Anzeigenaufträgen auszunützen, um Einfluß auf die inhaltliche Gestaltung der Zeitung zu nehmen. Diese Gefahr ist u m so größer, je mehr das Unternehmen auf den einzelnen Inserenten ange18

Maseberg, a.a.O., S. 15.

19

Weiter unten spricht Maseberg daher selbst von der Gefahr eines „Wettbewerbs nach unten" (a.a.O., S. 16). 20 Zit. bei Maseberg, a.a.O., S. 15. „Der Spiegel" ist i. ü. auch ein gutes Beispiel für Manipulation von Information durch eine bestimmte „Masche" (vgl. dazu Enzensberger, Die Sprache des Spiegel, in: Einzelheiten, S. 62 ff.).

V I I . Strukturprobleme eines privatwirtschaftlichen Pressewesens

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wiesen ist. Sie ist besonders groß bei kleineren, kapitalschwachen Lokalzeitungen. Umgekehrt läßt sich sagen, daß die Zeitung um so unabhängiger ist, je umfangreicher ihr Anzeigenteil ist. Allerdings w i r d es auch einer großen Zeitung schwerfallen, den Interessen eines wichtigen Anzeigenkunden zuwiderzuhandeln, wenn sie dadurch riskiert, ihn zu verlieren. Die Fälle derartiger Einflußnahmen seitens der Inserenten sind, daran kann kein Zweifel bestehen, Legion, aber nur ein minimaler Bruchteil von ihnen dringt an die Öffentlichkeit 21 . Es zeugt von der Wirklichkeitsfremdheit mancher Juristen, wenn dieses Problem damit abgetan wird, daß „der mutige Journalist" ja „über den Druckversuch berichten oder mit der Veröffentlichung drohen und damit seinerseits den betreffenden Anzeigenkunden unter Druck setzen könne" 2 2 , denn eben dies w i r d der Verleger m i t Hilfe seines Direktionsrechts zu unterbinden wissen 23 , abgesehen davon, daß durch diese Argumentation das Problem auf die Ebene persönlicher Charaktereigenschaften abgeschoben wird. Die Abhängigkeit der Zeitung vom Inserenten darf man sich nun allerdings nicht nur i n der Weise vorstellen, daß der betreffende Anzeigenkunde unter Anwendung direkten Drucks eine bestimmte redaktionelle Haltung zu erzwingen sucht. Eine Spielart dessen ist die auch heute noch nicht verschwundene „Reklame", d. h. die Schleichwerbung i m redaktionellen Textteil. Weit häufiger und i n mancher Hinsicht auch gefährlicher jedoch ist die Begrenzung des redaktionellen Spielraums der K r i t i k , die aus der notwendigen Rücksichtnahme auf die Kundeninteressen resultiert. Die Abhängigkeit der Zeitung von den Anzeigeneinnahmen, und dabei insbesondere von der Markenartikelwerbung, dürfte letztlich wohl dazu führen, daß die Presse in ihrer Freiheit zur K r i t i k an der W i r t schaft ganz allgemein, v. a. auch i n Fragen, die die Grundinteressen der Wirtschaft berühren, beschnitten wird. Die Anzeigenabhängigkeit zwingt die Presse nicht zuletzt auch, in ihrer äußeren Gestaltung Rücksicht auf die Werbeinteressen zu nehmen. Dies beginnt bei bestimmten Platzvorschriften für die Anzeige, führt weiter zur Anpassung an neue Werbetechniken 24 und endet schließlich i m großen Maßstab damit, daß die Zeitungen unter dem Druck der Werbewirtschaft ganz neue Druckmethoden, z.B. den Vierfarbendruck, übernehmen müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben. 21 Vgl. z. B. den dem BGH-Urteil vom 17.5.1960 (AfPR 37/1960, S. 139) zugrunde liegenden Fall, wo ein Filmtheaterunternehmen durch Anzeigenboykott eine Zeitung zur Änderung ihrer kritischen Haltung dem Filmtheater gegenüber bewegen wollte. 22 So Schnur W D S t R L H. 22, S. 152. 23 Darauf weist mit Recht Mallmann hin (ebd., S. 181). 24 Ein interessantes Beispiel ist die sog. „shadow-Anzeige", die dem Textteil unterlegt wird und die bereits in einigen Organen des Springer-Konzerns erschien.

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1. Teil: Geschichte und Struktur des Pressewesens in Deutschland c) Die Presse im gesamtwirtschaftlichen

Geflecht

Diese Abhängigkeit der Presse vom Leser einerseits und dem Inserenten andererseits sind lediglich Folgeerscheinungen des grundlegenden Strukturmerkmals der privatwirtschaftlichen Presseordnung, von dem bereits zu Beginn der Rede war, nämlich der Tatsache, daß die Presse integrierter Bestandteil der Gesamtwirtschaft ist. Diese Integration äußert sich, über die bereits dargestellten Beziehungen hinaus, i n zweifacher grundlegender Weise: Die Presse ist als privates Wirtschaftsunternehmen selbst Träger privater Interessen, die i n ihren Grundzügen identisch sind m i t den Interessen der Gesamtwirtschaft. Es ist nur natürlich, daß diese Interessenverflechtungen auch auf der geistigen Seite des Unternehmens, nämlich i m redaktionellen Teil, ihren Niederschlag findet. Als integrierter Bestandteil des kapitalistischen Wirtschaftssystems nimmt die Presse aber auch innerhalb dieses Systems eine ganz bestimmte und sehr wesentliche Funktion wahr: Sie ist „Hauptinstrument aller modernen Bedürfnisweckung" und führt „diese Funkion als Werbung und Propaganda für die Unternehmen der Realgüterproduktion und für andere Organisationen" aus 25 . Auch die Wahrnehmung dieser Funktion beschränkt sich nicht darauf, daß die Presse lediglich Anzeigenraum für die werbetreibende Wirtschaft zur Verfügung stellt. Sie erstreckt sich vielmehr ebenfalls bis in den redaktionellen Teil hinein (v. a. bei der „Massenpresse"), wo der Leser i n Bericht (z. B. Gesellschaftsund Modeberichten), Illustration und Aufmachung ständig Konsumanreizen ausgesetzt ist 2 6 . d) Die Zeitung

als

Wirtschaftsunternehmen

Die Entwicklung der Zeitung zur Ware führte zu einem Wandel von der reinen Publizistik zur „Verlegerpresse" 27 . Die Unternehmen der Verlegerpresse sind große Industriebetriebe, die sich i n den Methoden ihrer Produktion und Betriebsführung von anderen Industriebetrieben nur noch insofern unterscheiden, als es der spezifische Charakter ihres Produkts unmittelbar bedingt. „Das gedruckte ,Objekt 4 ist nur noch die sichtbare Spitze eines Eisbergs, i n dessen Sockel sich Vertriebs-, Stabs- und Anzeigenabteilungen, Werbung und elektronische Datenverarbeitung, Absatzplanung und Public Relations, Hauptbuchhaltung und Justitiate, Fahrbereitschaft und Offset-Druckereien einvernehmlich 25

Schelsky, Universitas 1963, S. 1171.

26

Ein ausgezeichnetes Beispiel dafür ist die von Springer gegründete Zeitschrift „Jasmin"; vgl. dazu Kuntz, a.a.O., S. 37 ff. 27

Maseberg, a.a.O., S. 16.

V I I . Strukturprobleme eines privatwirtschaftlichen Pressewesens

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teilen. I n derartigen Großbetrieben ist die Redaktion oft nur eine und nicht einmal i n allen Fällen die wichtigste, die beachtetste Abteilung 2 8 ." I n Großbetrieben dieser A r t ist für den Journalisten alten Stils, von dem Friedrich Sieburg sagte, daß er „die Leidenschaft des Künstlers" habe 29 und dessen „Kunst" er als Schwarzweiße Magie" beschrieb, kein Raum mehr. I n ihnen w i r d ein neuer Typ von „Geschäftsjournalismus" herangebildet, „ f ü r den nur noch zwei Autoritäten gelten: Die MediaPlaner i n den Werbeagenturen und das Plebiszit am Kiosk 3 0 . Dieser moderne Typ des „Geschäftsjournalisten" unterscheidet sich i n seiner Mentalität kaum noch von der des Unternehmers: Beide sind Manager, für die nur der wirtschaftliche Erfolg zählt. Indem sie sich dieses Prinzip bedingungslos zu eigen machen, unterwerfen sie sich aber auch, bewußt oder unbewußt, seinen Zwängen: dem Zwang des Marktes und dem Zwang der Technik. Denn sobald „die freie Publizistik zu einer Sache von Generaldirektoren und ihren Stäben" wird, „verselbständigt sich das Gewerbe den Individuen gegenüber" 31 . Man kann insoweit von einer „Manipulation (des Verlegers des Journalisten) durch äußere, durch technische Zwänge" 3 2 sprechen, muß sich jedoch i m klaren darüber sein, daß diese Manipulation durch die Technik ihrerseits nur Folge der dem Gesamtsystem der kapitalistischen Presse inhärenten manipulativen Mechanismen ist. Diese System-Manipulation hat einer der größten deutschen „Presselords", der Hamburger Verleger Bucerius, mit folgenden Worten charakterisiert: „Bei der Verbindung zwischen Geist und Geschäft gerät i n der Presse durch den Zwang zum Wettbewerb der Geist auf die Verlustseite . . . Heute ist eine Zeitung erfolgreich, wenn sie ihrem Publikum nach dem Munde redet, es in seinen Ressentiments und Voreingenommenheiten bestärkt und daher zum gesellschaftlich notwendigen Wandel untauglich macht." Und er kommt zu der kategorischen Feststellung: „Bei Zeitungen und Zeitschriften versagt dieser (marktwirtschaftliche) Wettbewerb — es sei denn, man sieht sie nur als gewerbliche Produkte, als Mittel, reich zu werden 3 3 ." 2. Die Presse als Oligopol Die technische Entwicklung i m Pressewesen und seine Kommerzialisierung hatten zur Folge, daß die Herausgabe einer Zeitung immer 28

Maseberg, ebd. Schwarzweiße Magie, S. 106. 30 Maseberg, a.a.O., S. 18. 31 Pross, Zur Situation der Publizistik in Deutschland, Neue Rundschau 1965, S. 667. 82 Maseberg, a.a.O., S. 16. 83 Machtmißbrauch durch Pressekonzentration, in: Wirtschaftsdienst 9/1968, S. 489. 29

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1. Teil: Geschichte und Struktur des Pressewesens in Deutschland

höhere Kapitalaufwendungen erforderte 34 . Der Kreis derjenigen, die in der Lage sind, eine Zeitung als Verleger herauszugeben, wurde dementsprechend immer exklusiver. Darüber hinaus ist, wie bereits ausgeführt wurde, in einigen Bereichen der Presse, insbesondere bei der Tagespresse, heute bereits eine weitgehende Marktsättigung eingetreten, sodaß schon deshalb der Eintritt neuer Bewerber in den Zeitungsmarkt kaum noch Chancen hat. Geht man aber davon aus, daß der Verleger, zumindest in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber und über seine Richtlinienkompetenz, der eigentliche Herr des Gesamtunternehmens „Zeitung" ist, so hat sich damit auch der Kreis derjenigen, die unter diesen Umständen noch faktisch in der Lage sind, die Pressefreiheit wahrzunehmen, auf einen verschwindend kleinen Bruchteil der Gesamtbevölkerung reduziert. Die Pressefreiheit ist folglich, faktisch gesehen, heute kein Grundrecht mehr, das jeder Staatsbürger (zumindest potentiell) wahrnehmen könnte, sie ist zu einem Privileg weniger Reicher geworden. Paul Sethe beschrieb diesen Tatbestand i n einem Leserbrief an den „Spiegel" i n den harten und für ihn als Journalisten resignierenden Worten: „Die Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten. Journalisten, die diese Meinung teilen, werden sie immer finden. Aber wer nun anders denkt, hat der nicht auph das Recht, seine Meinung auszudrücken? Die Verfassung gibt ihm das Recht, die ökonomische Wirklichkeit zerstört es. Frei ist, wer reich ist. Und da die Journalisten nicht reich sind, sind sie auch nicht frei 35 ."

3. Die Zeitung als Privateigentum I n einem privatwirtschaftlichen Pressewesen stehen Zeitungsunternehmen im Privateigentum Einzelner. Diese an sich selbstverständliche Feststellung hat für die Pressepraxis weitreichende Auswirkungen. Ihre privatrechtliche Kapitalbasis macht die Presseunternehmen zu Objekten finanzieller Transaktionen. Durch ein schlichtes schuldrechtliches Kaufgeschäft kann ein ganzes Presseunternehmen, einschließlich der Redaktion, ja möglicherweise sogar ohne deren Wissen 36 , den Eigentümer wechseln. Der Preis bestimmt sich nach dem Publikationswert der Zeitung, der wesentlich von der Redaktion miterzeugt wurde, ohne daß dieser jedoch ein Anspruch auf Mitbeteiligung am Erlös zusteht. Der 34 Siehe oben, S. 59. Die 1967 gegründete katholische Wochenzeitschrift „Publik" verfügte nach zuverlässigen Angaben über ein Startkapital von 15 Mill. D M und ist auch heute noch auf Zuschüsse angewiesen. 35 Zit. nach Böddeker, 20 Millionen täglich, S. 106. 86 Vgl. den jüngsten Verkaufsvorgang zwischen Springer, Weitpert und Gruner + Jahr bezüglich einiger Zeitschriften, darunter „Jasmin". I n diesem Zusammenhang wurde von Journalistenseite der Vorwurf des „modernen Sklavenhandels" erhoben.

V I I . Strukturprobleme eines privatwirtschaftlichen Pressewesens

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neue Eigentümer ist berechtigt, die Grundhaltung der Zeitung nach eigenem Belieben neu zu bestimmen und damit die Hedaktion vor die Wahl zu stellen, sich der Linie anzupassen oder zu kündigen. Andererseits ermöglicht die Kommerzialisierung der Presse eine Anonymisierung der Verantwortlichkeiten. Bei Presseunternehmen i n der Form einer Kapitalgesellschaft besteht die Möglichkeit, daß jemand über den Erwerb einer einfachen Kapitalbeteiligung Einfluß auf die publizistische Aussage eine Zeitung erhält, ohne daß diese Einflußnahme aber nach außen hin erkennbar zu sein braucht 37 . Eine besondere Gefahr stellt die Möglichkeit einer Interessenverflechtung, insbesondere mit politischen oder wirtschaftlichen Gruppierungen 3 8 , dar. Ohne daß dahinter in jedem Fall die Absicht einer gezielten Beeinflussung der öffentlichen Meinung zu stehen braucht, t r i t t dadurch doch zumindest die Gefahr einer Beschränkung der Freiheit der K r i t i k ein. Da solche Kapitalverflechtungen und Einflußnahmen sich i. d. R. hinter den Kulissen und für Außenstehende kaum durchschaubar abzuspielen pflegen, läßt sich aus dem Umstand, daß dafür in der Nachkriegszeit nur sehr wenige Beispielsfälle bekannt geworden sind, nicht der Schluß ziehen, daß diese Gefahr heute nicht mehr bestehe. 4. Gefahren der Konzentration in einem privatwirtschaftlichen Pressewesen Die bedrohlichste und die Diskussion der letzten Jahre beherrschende Erscheinung der privatwirtschaftlichen Pressestruktur ist zweifellos das Konzentrationsproblem. Die Frage der Pressekonzentration ist deshalb so wichtig und brisant, weil sie die privatwirtschaftliche Ordnung unseres Pressewesens von ihren Grundlagen und theoretischen Voraussetzungen her i n Frage stellt. A n der Frage der Konzentration könnte sich möglicherweise herausstellen, daß wirtschaftliche und geistige Freiheit i n einer kapitalistischen Presse i n unlösbaren Widerspruch geraten. Hinter der Konzentration steht einerseits eine objektive Notwendigkeit. Der technische Fortschritt i m Druck- und Nachrichtensektor, der immer höhere Kapitalinvestitionen erfordert, zwingt zu größeren Unternehmenszusammenschlüssen. Kleine Lokal- und Regionalzeitungen mit beschränktem Leserkreis können für sich allein die wachsenden Kosten zunehmend weniger tragen. Immer mehr Zeitungen sehen sich daher vor die Alternative gestellt, sich entweder m i t anderen Zeitungen zu87 Eine Publizitätspflicht bez. der wirtschaftslichen Besitzverhältnisse gibt es z. Z. nur noch in Bayern (§ 8 PrG) und in Hessen (§ 5 I I PrG). 88 Und zwar nicht nur über direkte Kapitalbeteiligungen, sondern auch über indirekte finanzielle Abhängigkeiten, z.B. Bankkredite. Zum Einfluß der Banken auf die Presse, vgl. Bernhard, Der Hugenberg-Konzern, S. 35.

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1. Teil: Geschichte und Struktur des Pressewesens in Deutschland

sammenzuschließen, oder ihren Betrieb an ein größeres Unternehmen zu verkaufen bzw. ihn ganz einzustellen. Diese Entwicklung führt aber auf der anderen Seite zu einer ständigen Verringerung der quantitativen Vielfalt unseres Pressewesens. Da jedoch die kapitalistische Pressestruktur auf der theoretischen Voraussetzung basiert, daß gewerbliche Freiheit und wirtschaftlicher Wettbewerb lediglich eine instrumentale Funktion i m Hinblick auf die Gewährleistung eines freien und offenen geistigen Wettbewerbs haben, muß von dieser Voraussetzung aus eine Beschränkung der quantitativen Vielfalt notwendigerweise auch eine Minderung der qualitativen, d. h. der Meinungsvielfalt innerhalb der Presse implizieren. Dennoch hätten Maßnahmen mit dem Ziel, die bestehende quantitative Vielfalt durch Unterstützung kleinerer, an sich unwirtschaftlich arbeitender Zeitungen zu erhalten, i m Ergebnis einen sehr fragwürdigen publizistischen Wert. Denn ein an die Rentabilitätsgrenze geratenes Unternehmen w i r d trotz Subventionen oder anderer Unterstützungsmaßnahmen i n den meisten Fällen doch nicht umhin können, eingreifende Sparmaßnahmen vorzunehmen, die i n aller Regel am kostenträchtigsten Betriebsteil, nämlich der Redaktion, angesetzt zu werden pflegen. Ob sich nun der Verleger einer Redaktionsgemeinschaft mit anderen Zeitungen oder einem Maternring anschließt und damit die redaktionelle Selbständigkeit seiner Zeitung bis auf den Lokal- und Anzeigenteil aufgibt, oder ob er eine selbständige Redaktion zwar beibehält, aber ihren Etat aufs äußerste zusammenstreicht: Die Folge w i r d stets ein Verlust für die Publizistik sein, der sich i m ersten Fall als Beschränkung publizistischer Vielfalt für die Allgemeinheit, i m zweiten Fall als publizistische Qualitätsminderung für den Leser darstellt 39 . Dazu kommt, daß der Verleger einer kleineren Lokalzeitung meist starke Rücksichten auf örtliche Interessen- und Honoratiorengruppen zu nehmen hat und diesen Interessentendruck auch auf seine Redaktion weiterleiten w i r d 4 0 . Dementsprechend ist die Lage gerade von Redaktionen kleinerer Lokalzeitungen die schlechteste41 und der publizistische Ertrag ihrer Arbeit zumindest zweifelhaft. 80 Dieser Befund wird bestätigt durch eine vom Mainzer Institut für Publizistik vorgenommene Inhaltsanalyse des Lokalteils der westdeutschen Tageszeitungen. Dabei ergab sich, daß der Umfang des Lokalteils und die Häufigkeit der Kommentare — dementsprechend auch der Lokalkritik — mit der Auflage wuchs (vgl. Knoche, Kommentar und Kritik im Lokalteil der Tagespresse in der BRD, Publizistik 2—4/1968, S. 348, 352). 40 Die Ansicht Ridders, der Verleger übe gegenüber äußeren Beeinflussungsversuchen eine Art von „Blitzableiterfunktion" aus (Innere Pressefreiheit, S. 12) mag zwar im Einzelfall — je nach der Persönlichkeit und der Interessenlage des Verlegers — zutreffen; grundsätzlich jedoch dürfte die Funktion des Verlegers eher umgekehrt, nämlich die des „Transformators" sein.

V I I . Strukturprobleme eines privatwirtschaftlichen Pressewesens

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Man sollte die Konzentrationsbewegung als solche daher nicht ausschließlich nur negativ bewerten, sondern sollte sich bemühen, die sich aus ihr ergebenden Gefahren zu erkennen und ihnen durch geeignete Maßnahmen zu begegnen. Es wäre allerdings zu einfach und oberflächlich, würde man sich mit der Antwort begnügen, daß die Gefahr der Konzentration eben i n der Minderung publizistischer Vielfalt liege; denn es ließe sich zumindest theoretisch vorstellen, daß auch nach Übernahme einer Zeitung durch einen größeren Verlag die bisherige Redaktion auf der alten Linie i n voller Selbständigkeit weiterarbeiten könnte und der Zusammenschluß i n seinen Auswirkungen nur auf die technisch-wirtschaftliche Seite beschränkt bliebe 42 . Die Gefahr muß vielmehr beim Erwerber gesehen werden, der nun die Möglichkeit hat, kraft seines verlegerischen Direktionsrechts, das letztlich aus seinem Eigentum fließt, die Selbständigkeit der Redaktion aufzuheben. Oder, allgemeiner ausgedrückt: Die eigentliche Problematik der Pressekonzentration besteht i n der Zusammenballung wirtschaftlicher Macht, die zugleich publizistische Macht ist, und deren Ausübung als Ausfluß der Eigentumsrechts autonom und i m Kern nicht kontrollierbar ist. Diese sich aus der Pressekonzentration ergebende wirtschaftlich-publizistische Machtzusammenballung hat Ausstrahlungswirkungen i n vier Richtungen: gegenüber dem Leser, der Öffentlichkeit, den Mit-Wettbewerbern und den Journalisten. Diese vier Aspekte der Konzentration sollen i m folgenden näher untersucht werden. a) Die Auswirkungen

der Konzentration

auf den Leser

Jeder Verleger hat, insbesondere i n seiner meist gleichzeitigen Funktion als Herausgeber, die Möglichkeit, seiner Zeitung eine bestimmte geistige Richtung zu geben. Diese Richtungsbestimmung grenzt aber notwendigerweise den Informationsgehalt und Meinungsspielraum der Zeitung ab. Eine außerhalb des vom Verleger gesetzten Rahmens liegende Meinung oder Information w i r d die Zeitung i. d. R. entweder nicht oder nicht m i t der gleichen Hervorhebung wie eine der Haltung der Zeitung konforme Information bringen, oder sie doch i n einen anderen Bezugsrahmen stellen, der den Aussagegehalt der Information verfälschen kann. Man mag diese A r t der Berichterstattung „Manipu41 Vgl. dazu die „Dokumentation" über die redaktionellen Verhältnisse an einer süddeutschen Provinzzeitung, in: „Die Feder" 10/1968, S. 6. 42 Ein Beispiel dafür ist die Londoner Tageszeitung „Times", die 1966 von dem kanadischen Thomson-Konzern aufgekauft wurde; Lord Thomson mußte sich jedoch in dem Übernahmevertrag verpflichten, der Redaktion ihre völlige Unabhängigkeit zu garantieren (vgl. „Süddeutsche Zeitung" Nr. 237 vom 4. 10. 1966, S. 4).

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1. Teil: Geschichte und Struktur des Pressewesens in Deutschland

lation" nennen; jedenfalls ist sie i m Rahmen unseres Systems ein legitimes Recht des Verlegers und der Redaktion 43 . Zwar sind der Beeinflussung des Lesers durch manipulierte Berichterstattung nicht nur wegen des tatsächlich bestehenden Wettbewerbs mit anderen Informationsträgern Grenzen gesetzt. Die Vorstellung, daß die Leser eine knetbare Masse i n den Händen der Massenmedien sind, w i derspricht auch den Ergebnissen der modernen Kommunikationsforschung 44 . Nicht zu bezweifeln ist jedoch, daß die Presse durch die Auswahl der Nachrichten und die Form ihrer Darstellung erheblichen Einfluß auf die Meinungsbildung i n der Bevölkerung nehmen kann 4 5 ; denn Meinung beruht immer auf Tatsachen, wobei diese Tatsachen richtig und vollständig oder falsch und unvollständig sein können. Da ein Großteil der Bevölkerung nur eine Zeitung liest 4 6 und die Zeitung zudem gegenüber Rundfunk und Fernsehen nicht nur eine andere publizistische W i r kung hat, sondern auch einprägsamer ist und ihr eine relativ große Glaubwürdigkeit zugestanden wird, liegt schon allein i n der jedem Verleger gegebenen Richtlinienbefugnis ein Problem. Dieses Problem w i r d jedoch spätestens i m Zusammenhang mit der Konzentration zu einer ernsten Gefahr. Solange der Bürger zwischen einer Vielfalt von Zeitungen verschiedener geistiger Couleur wählen kann, ist zumindest die Chance einer Korrektur einseitiger Information gegeben. Durch die Pressekonzentration, die eine Minderung der Meinungsvielfalt zur Folge hat, w i r d aber auch diese Chance eingeschränkt. Ganz besonders deutlich und zugespitzt ist diese Gefahr dann, wenn ein echter Wettbewerb und demnach ein Meinungskorrektiv überhaupt fehlen, eine Situation, wie sie auf lokaler Ebene heute schon vielfach besteht 47 . I n derartigen Monopolbezirken kann also schon heute ein einzelner Verleger kraft seiner wirtschaftlichen Machtstellung praktisch allein über die „veröffentlichte Meinung" bestimmen. Dabei muß man sich vor Augen halten, daß bei den meisten Lesern gerade der Lokalteil auf das stärkste Interesse stößt 48 und die kommunale Ebene eine der entscheidenden Ebenen des politischen Lebens unseres Landes ist. 43 Das Problem, inwieweit überhaupt eine objektive Information möglich ist, ist eine zweite Frage, die hier nicht erörtert zu werden braucht. 44 Siehe oben, S. 68, Anm. 9. 45 Vgl. de Sola Pool, in: Schramm, Grundfragen der Kommunikationsforschung: „Die Überredungskraft der Medien i s t . . . w e i t geringer, als man gewöhnlich annimmt, aber ihre Informationskraft ist ungeheuer" (S. 165). 46 Laut Wildenmann—Kaltefleiter (Funktionen der Massenmedien, S. 65) lesen 80 % der deutschen Wähler nur eine Zeitung regelmäßig. 47 Siehe oben, S. 58, Anm. 31. 48 Vgl. Günther-Bericht, S. 41, wonach 84 °/o der Zeitungsleser regelmäßig den Lokalteil, aber nur 60 °/o die politischen Meldungen lesen. Andererseits deuten die Ergebnisse der bereits oben zitierten Mainzer Inhaltsanalyse darauf hin, daß die lokale Pressekonzentration — die i m ganzen zwar eine

V I I . Strukturprobleme eines privatwirtschaftlichen Pressewesens b) Die Auswirkungen

der Konzentration

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für die Öffentlichkeit

Auch wenn es wohl richtig ist, daß die quantitative Vielfalt der Presse als Vielzahl voneinander unabhängiger Zeitungen für die meisten Bürger nur eine Chance, keine Realität darstellt 4 9 , so gilt dasselbe doch nicht i m Hinblick auf die Bedeutung der Presse für die Öffentlichkeit. Denn unabhängig von der Streitfrage, ob man die Presse als „Trägerin der öffentlichen Meinung" bezeichnen kann, ist doch nicht zu bestreiten, daß die Presse eine Form der Repräsentation von i n der Gesellschaft vorhandenen Meinungsströmungen, und zwar eine sehr wichtige Form der Repräsentation, darstellt. Wer sich „ i n der Öffentlichkeit", beispielsweise als Politiker, bewegt und den Kontakt zu den gesellschaftlichen Meinungsströmungen sucht, w i r d dabei die Presse zu Hilfe nehmen, wo am deutlichsten und prononciertesten Meinungen aus dem gesellschaftlichen Bereich zum Ausdruck kommen 5 0 . Umgekehrt bedürfen i n einer Demokratie aber auch die i m öffentlichen Raum stehenden Institutionen und Personen einer Darstellung gegenüber dem Bürger. Wichtigstes „Kontakt-Instrument" ist ebenfalls wieder die Presse. Dieser Zwang zur Öffentlichkeit, zur Kommunikation und Diskussion, von dem eine Demokratie lebt, schafft jedoch eine A b hängigkeit der i n der Öffentlichkeit stehenden Personen von der Presse, die um so größer ist, je geringer die Konkurrenz innerhalb der Presse ist 5 1 . I n einer Massendemokratie, bei der die Mehrheit den Ausschlag gibt und der Einzelne auf Informationsvermittlung durch die Massenmedien angewiesen ist, liegt es nahe, der Meinung derjenigen Zeitung das größte Gewicht beizumessen, die die höchste Auflage hat. Führt die Pressekonzentration, wie i n der Bundesrepublik, zu der Vormachtstellung eines einzigen Konzerns, dessen Blätter eine einheitliche politische Grundlinie vertreten, so gerät derjenige, der sich i n der Öffentlichkeit bewegt, leicht i n Versuchung, die Meinung dieses Konzerns für die technisch-journalistische Qualitätshebung ermöglicht — im Lokalteil zu einer gegenteiligen Wirkung, nämlich einer Beschränkung der Berichterstattung und Kritik führt, und zwar sowohl in quantitativer Hinsicht als auch in Bezug auf die Schärfe und Offenheit der Kritik (vgl. Noelle-Neumann, Publizistik 2-4/1968, S. 116). 49 Darauf weist insbesondere Glotz hin, in: „Massenmedien und Kommunikation" bei Müller, Die Zukunft der SPD, S. 153. 50 Man kann diesen Aspekt der Pressekonzentration mit Silb ermann als Gefahr eines „Prestige-Monopols" bezeichnen (Silbermann—Zahn, Konzentration der Massenmedien, S. 281 ff.). Es ist jedoch völlig verfehlt, diesen Aspekt — und dazu noch lediglich unter dem Gesichtspunkt, wie oft die Zeitungen eines bestimmten Verlagshauses in anderen Presseorganen zitiert werden — als einziges Kriterium für eine Untersuchung über die Auswirkungen der Pressekonzentration heranzuziehen. 61 Vgl. Günther-Bericht, S. 42.

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1. Teil: Geschichte und Struktur des Pressewesens in Deutschland

„ V o l k s m e i n u n g " z u h a l t e n oder i h r z u m i n d e s t ganz entscheidendes Gewicht beizulegen52'53. c) Die Auswirkungen

der Konzentration

auf den Wettbewerb

E i n m a l v o r h a n d e n e M a c h t h a t die Tendenz, sich w e i t e r auszudehnen. Dieses Gesetz b e w a h r h e i t e t sich insbesondere i n d e r W i r t s c h a f t . E i n G r o ß u n t e r n e h m e n h a t d u r c h seine ü b e r l e g e n e W i r t s c h a f t s k r a f t d i e M ö g l i c h k e i t , k l e i n e r e K o n k u r r e n t e n ausschließlich m i t H i l f e seiner f i n a n z i e l l e n u n d technischen Ü b e r l e g e n h e i t a u f d e m M a r k t auszuschalten. Besonders groß ist die G e f a h r dann, w e n n e i n G r o ß u n t e r n e h m e n , w i e h e u t e bereits der S p r i n g e r - K o n z e r n i m B e r e i c h der B o u l e v a r d z e i t u n g e n , k e i n e g l e i c h r a n g i g e n M i t - W e t t b e w e r b e r h a t b z w . i h m die G e s a m t z a h l seiner P u b l i k a t i o n e n eine so s t a r k e M a r k t s t e l l u n g g i b t , daß der V e r t r i e b s h a n d e l v o n i h m a b h ä n g i g ist. 52 Wie groß diese Gefahr schon heute ist, zeigte sich im Sommer 1966, als der Bundestag unter dem Druck einer publizistischen Attake der B I L D - Z e i tung eigens während der Sommerpause zusammentrat, um die Erhöhung der Telefongebühren rückgängig zu machen. 53 Der Hinweis auf die Konkurrenzsituation der Presse mit den öffentlichrechtlichen Medien Rundfunk und Fernsehen, mit dem (insbesondere auf Verlegerseite) verschiedentlich versucht wird, die Gefahren der Pressekonzentration herunterzuspielen (vgl. die Stellungnahme Betz im Günther-Bericht, S. 52, sowie Springer, Deutsche Presse zwischen Konzentration und Subvention, S. 17 f., unter Berufung auf Dolf Sternberger), vermag diese Bedenken nicht zu zerstreuen. Zwar ist es ohne Zweifel richtig, daß sich die meinungsbildende Wirkung der Presse nicht von den übrigen Medien losgelöst beurteilen läßt. Der gesellschaftliche Kommunikationsprozeß stellt eine alle Medien umfassende Einheit dar (vgl. Glotz—Langenbucher, Presse und Monopol, Publizistik 2—4/1968, S. 157 ff.). Diese Einheit der Medien besteht jedoch nur in ihrer informierenden, meinungsbildenden Funktion an sich, nicht in der technischen Struktur des Kommunikationsvorgangs und seiner Wirkung auf den Empfänger. Es sollte inzwischen eine Binsenwahrheit sein, daß der sachliche Informationsgehalt der optisch-akustischen Medien Rundfunk und Fernsehen geringer und ihre Informationswirkung flüchtiger und damit vergänglicher ist (vgl. die Untersuchung bei Silbermann—Zahn, Konzentration der Massenmedien, S. 424 ff.), der Erlebnisgehalt v. a. des Fernsehens infolge der möglichen Kombination von Wort und Bild für den Empfänger dagegen erheblich intensiver und auch suggestiver sein kann als bei der Presse. Die Technik der Presse ermöglicht demgegenüber die Darbietung einer größeren Informationsfülle. Sie ist, da sie für den Leser jederzeit greifbar und nachprüfbar ist, stärker auf das rationale Argument ausgerichtet und ermöglicht daher eher eine kritische Auseinandersetzung. Diesen funktionalen Unterschieden entspricht es, daß die wichtigsten Informationen den Bürger zwar i. d. R. zuerst über Rundfunk und Fernsehen erreichen, daß er diese Informationen aber meist nur als „Informationsimpulse" betrachtet, die er an Hand der Lektüre von Presseorganen zu ergänzen und vertiefen wünscht (vgl. Günther-Bericht, S. 40 f.). Diese grundlegenden strukturellen Unterschiede zwischen Rundfunk/Fernsehen und Presse (vgl. dazu allgemein den Michel-Bericht, S. 138 ff.) schließen eine echte Kommunikationskonkurrenz zwischen beiden Medienbereichen aus. Die Verschiedenartigkeit ihrer Wirkungen muß vielmehr auf längere Sicht — soweit dies nicht schon der Fall ist — zu einer gegenseitigen funktionalen Ergänzung beider Medienbereiche führen.

V I I . Strukturprobleme eines privatwirtschaftlichen Pressewesens

81

Diese wirtschaftlichen Abhängigkeiten haben aber i m Bereich der Presse zwangsläufig auch ideelle Folgen. M i t der Ausschaltung eines Konkurrenzunternehmens ist gleichzeitig die Verdrängung eines bestimmten Meinungsträgers vom Pressemarkt verbunden. So befinden sich viele Presseunternehmen i n einer doppelten Abhängigkeit, nämlich i n einer Abhängigkeit vom Votum der Leser und einer Abhängigkeit von anderen Presseunternehmen als wirtschaftlichen Konkurrenten. Es ist daher durchaus denkbar, daß ein Presseorgan, das eine genügende Zahl von Lesern hat, um rentabel zu sein, durch wirtschaftliche Maßnahmen eines Konkurrenten vernichtet wird; damit w i r d gleichzeitig den Lesern dieses Blattes ihr Informationsorgan entzogen. Besonders problematisch w i r d dies dann, wenn das Großunternehmen, wie i m Fall Springer, eine dezidierte politische Linie vertritt und nun seine wirtschaftliche Stärke bewußt zur Durchsetzung seiner politisch-publizistischen Ziele einsetzt 54 . d) Die Auswirkungen

der Konzentration

für die Journalisten

Schließlich hat die Konzentration und die mit ihr verbundene Machtbildung auch Auswirkungen für den Journalisten. Dabei ist einmal an die Gefahr der Arbeitslosigkeit zu denken, die zwar bisher dank des allgemeinen Booms i n Wirtschaft und Presse noch nicht akut geworden ist, die aber bei Fortschreiten der Konzentration auf längerer Sicht keinesfalls ausgeschlossen werden kann. Die Auswirkungen der Konzentration beginnen sich für den Journalisten jedoch nicht erst i m Fall der Kündigung zu zeigen. Sie sind latent ständig vorhanden und können auch für den Journalisten, der einen festen Arbeitsplatz hat, zum Problem werden. Dies ist schon darin begründet, daß sich durch die Konzentration die Möglichkeiten eines Stellenwechsels verringern, denn um Helmuth Arndt zu zitieren: „Je weniger Zeitungen es gibt, desto geringer ist die Auswahl. Dazu kommt eine zunehmende Furcht der Journalisten vor einem Eigentumswechsel", denn „welcher Journalist kann es schon w a g e n . . . , in seinem Artikel gegen seinen potentiellen zukünftigen Arbeitgeber Stellung zu nehmen". „Diese Gefahren verstärken sich noch, wenn die Verlage gute Journalisten gehortet haben, wie dies in letzter Zeit wohl geschehen ist, was sich dann in einer Zeit konjunktureller Depression verstärkt zuungunsten der Journa54 I n der Öffentlichkeit bekannt wurden insbesondere die Fälle „Blinkfüer" und „Pardon". I m ersten Fall, der sich kurz nach dem Bau der „Berliner Mauer" abspielte, forderte Springer alle Grossisten Hamburgs per Rundschreiben auf, keine Publikationen mehr zu vertreiben, die die Radio- und Fernsehprogramme der DDR-Sender veröffentlichen, andernfalls er sich zur „Überprüfung seiner Geschäftsbeziehungen" veranlaßt sehe (vgl. B G H NJW 1964, 29; BVerfG JZ 1969, 466). I m zweiten Fall brachte die satirische Zeitschrift „Pardon" einen kritischen Artikel über Springer, der bereits auf der Titelseite angekündigt war, was die Grossisten veranlaßte, aus Furcht vor möglichen Repressalien Springers den Vertrieb dieser Nummer zu verweigern.

6

Stammler

82

1. Teil: Geschichte und Struktur des Pressewesens in Deutschland

listen auswirkt. Angesichts der Bedrohung ihrer Existenz können sie nicht mehr frei schreiben, was sie für wichtig oder notwendig halten. Es entsteht die Gefahr einer zentralen Lenkung der Meinungsbildung 55 ."

Die vorstehenden Ausführungen waren bewußt pointiert, um das Typische der Struktur unseres kapitalistischen Pressewesens herauszuarbeiten. Es gibt zweifellos (und vielleicht gerade unter den ehemaligen Lizenzverlegern) eine beachtliche Zahl von Verlegern, die sich über ihren wirtschaftlichen Überlegungen auch einer publizistischen Verantwortung bewußt und ebenso Journalisten, die ehrlich bemüht sind, ihrer publizistischen Aufgabe gegenüber allen „unmoralischen" Ansinnen und Verlockungen die Treue zu halten. Trotzdem können auch sie sich letztlich nicht den systemimmanenten Sachzwängen auf die Dauer entziehen. Für ein Unternehmen i n einer privatkapitalistischen W i r t schaftsordnung bedeutet dies aber: Selbstbehauptung auf dem Markt gegenüber Konkurrenten durch möglichst große Gewinnmaximierung. Es handelt sich dabei also nicht lediglich um das Problem des Machtmißbrauchs einzelner aus Gewinninteressen handelnder Verleger, sondern um eine Strukturfrage dieser Presse- und Wirtschaftsordnung schlechthin. Solange die Presse ihre „Produkte" auf dem Wirtschaftsmarkt absetzen und das einzelne Presseorgan seine Existenz gegenüber w i r t schaftlicher Konkurrenz behaupten muß, solange w i r d auch das Problem der kommerziellen Motivation bei der inhaltlichen Gestaltung der Zeitung bestehen. Der Dualismus unseres Pressewesens zwischen privatwirtschaftlicher Struktur und öffentlichen Funktion der Presse t r i t t am unmittelbarsten und sinnfälligsten i n der Person des Verlegers selbst in Erscheinung. Der Verleger, i n dessen Person wirtschaftliche und publizistische Funktionen i n gleicher Weise aufeinandertreffen, steht damit — nach den Worten Dahrendorfs — i n einem letztlich unlösbaren „intra-role-conflict". A n ihn werden „widersprüchliche Erwartungen" herangetragen, „die den Träger der Position vor eine unlösbare Aufgabe stellen und daher einerseits zu einem sozialen Strukturwandel zwingen, andererseits aber, solange ein solcher Wandel nicht eintritt, jeden Träger der Position zum »Gesetzesbrecher' machen bzw. von den Bezugsgruppen keineswegs beabsichtigte Verhaltensweisen hervorbringen" 5 6 .

65

Helmuth Arndt, in: „Bedroht die Pressekonzentration die freie Meinungsbildung?", Bergedorfer Protokolle Nr. 25, S. 9. 56 Dahrendorf, Homo Sociologicus, S. 59 f.

ZWEITER

TEIL

Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit I. Einleitung Nachdem i m ersten Teil der Arbeit Entwicklung und Struktur der gesellschaftlichen Institution „Presse" ausführlich erörtert worden sind, ist nun auch die Grundlage für eine verfassungsrechtliche Untersuchung des Begriffs der Pressefreiheit geschaffen; denn wie die Presse als soziales Kommunikationsinstrument, so läßt sich auch ihr Freiheitsbegriff zutreffend nur aus dem gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang heraus verstehen. Diese Verwurzelung der Pressefreiheit i n gesellschaftlichen Sachverhalten impliziert, daß sie kein abstrakter, ein für allemal feststehender Begriff sein kann. Wie die Presse selbst, so unterliegt vielmehr auch das Bewußtsein von Funktion und Bedeutung der Freiheit der Presse dem geschichtlichen Wandel. Diese historischen Bedingtheiten gilt es folglich aufzudecken, um auf den eigentlichen Wesenskern der Pressefreiheit zu stoßen und um von dort aus Inhalt und Funktion dieses Grundrechts i n unserer heutigen Verfassungs- und Gesellschaftsordnung zu definieren. Die Entwicklung der Pressefreiheit vollzog sich i n ähnlichen Etappen wie die der Presse selbst. Zwei Faktoren waren es v. a., die der Pressefreiheit ihren jeweiligen Inhalt gaben: Einmal die Presse selbst i n ihrer tatsächlichen Struktur; zum anderen die Stellung und Funktion der Presse i m Beziehungsgeflecht von Staat, Gesellschaft und Individuum. Diese Beziehungen aufzuzeigen, w i r d Aufgabe der nun folgenden Untersuchung sein.

I I . Die Zensur als Objekt des Kampfes u m die Pressefreiheit Bis ins 19. Jahrhundert, genau bis zum Inkrafttreten des Reichspressegesetzes, erhielt die Pressefreiheit ihr Gepräge durch das Gegenüber von Staat bzw. Obrigkeit und Gesellschaft bzw. Individuum. Pressefreiheit bedeutete Freiheit von obrigkeitlichen Beschränkungen der Informa6»

84

2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

tions- (einschl. der Meinungs-)verbreitung. Das Instrumentarium obrigkeitlicher Beschränkungen begann mit der Zensur als direktester und schärfster Form der Unterdrückung unliebsamer Informationen, verfeinerte sich aber i n dem Maße, i n dem die Presse selbst und die Mittel staatlicher Machtausübung sich entwickelten. Neben die Zensur traten v. a. die Freiheitsbegrenzung durch Privilegien, Zulassungsbeschränkungen zu den Presseberufen, Kautionen sowie steuerliche und postalische Maßnahmen 1 . Die Zensur blieb jedoch die ganze Entwicklung über die schärfste Waffe i m obrigkeitlichen Arsenal zur Unterdrückung der Pressefreiheit. Unter dem Oberbegriff „Zensur" wurden alle anderen Formen der Freiheitsbeschränkung schlagwortartig zusammengefaßt und ihre Abschaffung war der Schlachtruf beim Kampf um die Pressefreiheit. I n fast allen liberalen Verfassungen ist daher als wichtigste Beschränkung der Pressefreiheit nur die Zensur erwähnt und deren Beseitigung angeordnet. Die Geschichte der Zensur i n Deutschland und damit der Meinungsund Pressefreiheit läßt sich auf das Jahr 1486 zurückverfolgen, als Berthold von Henneberg, der Fürstbischof von Mainz, eine Zensurkommission für sein Bistum einsetzte 2 . Durch die Ideen der Renaissance und der Reformation war der in der strengen mittelalterlichen „ordo" eingeordnete Mensch seiner selbst als eigenverantwortliches Individuum bewußt geworden. Da das Weltbild der damaligen Zeit ein ausschließlich religiöses war und die Kirche die einzige intakte Ordnungsmacht des Spätmittelalters darstellte, mußte das zu Selbstbewußtsein erwachte Individuum zuerst und vor allem mit den kirchlichen Autoritäten kollidieren. Die Fragen, um die es ging, waren vorwiegend religiöser Art. Kampf u m Meinungsfreiheit war daher i m Europa des 16. und 17. Jahrhunderts identisch mit Kampf um Glaubens- und Gewissensfreiheit 3 . Erst i m Zuge der Säkularisierung als Auswirkung der Renaissance und v. a. der Aufklärung des 18. Jahrhunderts entwickelte sich ein eigenständiger Begriff der Meinungsfreiheit. Bereits einige Jahrzehnte nach Einführung der Zensur im kirchlichen Bereich, nämlich auf dem Reichstag zu Nürnberg 1524 und insbesondere auf dem Reichstag zu Speyer 1529, wurde die Zensur als weltliches Institut übernommen. Schutzobjekt der Zensur war jedoch auch für die 1

Vgl. § 143 Abs. 2 Reichsverfassung 1848, zit. oben S. 30, Anm. 1. Vgl. Schneider, Pressefreiheit und politische Öffentlichkeit, S. 16 f. Vgl. Schneider, a.a.O., S. 27 ff.; Scheuner V V D S t R L 22, S. 3 f.; anders ist die Entstehungsgeschichte der Pressefreiheit in den amerikanischen Staaten, wo sie zum ersten M a l kodifiziert wurde (Verf. von Virginia 1776). Dort wie auch im damaligen Europa hatte die Forderung nach Pressefreiheit inzwischen politischen Charakter erhalten (Vgl. Oestreich, Geschichte der Menschenrechte, S. 57 f.). Man darf jedoch die Geschichte der Pressefreiheit nicht von der der Meinungsfreiheit ablösen und sie erst mit dem Aufkommen der liberalen Idee von den Grundrechtsgewährleistungen einsetzen lassen. 2

8

I I I . Anfänge der Idee der Pressefreiheit im 18. Jahrhundert

85

weltlichen Obrigkeiten i n erster Linie die „wahre Religion" 4 . Die staatliche Obrigkeit leitete ihre Legitimation immer noch aus der Religion ab. Ihre Macht war i n den Augen derZeit nur das Schwert i n der einen Hand Gottes. Wenn daher die katholische Religion und ihre Einrichtungen angegriffen wurden, so richtete sich dieser Angriff gleichzeitig gegen die Grundlagen der staatlichen Herrschaft. Erst i m weiteren Verlauf der Säkularisierung, der Entwicklung eines eigenständigen weltlich-politischen Denkens und einer von der religiösen Legitimation unabhängigen Rechtfertigungslehre staatlicher Herrschaftsgewalt konnte sich auch ein von der Religion unabhängiges Schutzobjekt profaner Zensur herausbilden. Objekt der Zensur waren i n der Zeit des 16. und 17. Jahrhunderts fast ausschließlich Bücher und Flugschriften. Sie waren damals die Medien der geistig-publizistischen Auseinandersetzung. Periodische Zeitungen, soweit es sie damals überhaupt gab, hatten — wie i m ersten Teil der Arbeit ausgeführt — den Charakter bloßer Neuigkeitsblätter. Ihre Herausgabe war lediglich Annex der Tätigkeiten eines Druckers oder Postmeisters, die dabei die Absicht verfolgten, ihre Leser zu unterhalten und damit Geld zu verdienen. Die periodische Presse, um deren Freiheit es bei der späteren Diskussion um die Pressefreiheit immer gehen sollte, hatte zu dieser Zeit noch keine eigene geistige Bedeutung. Solange, wie i m Deutschland des 16. und auch noch des beginnenden 17. Jahrhunderts i m Mittelpunkt der geistigen Auseinandersetzung die religiöse Frage stand und Freiheit der geistigen Äußerung daher i m wesentlichen Glaubensfreiheit bedeutete, konnte von einem Bewußtsein der Pressefreiheit im heutigen Sinne noch keine Rede sein.

I I I . Anfänge der Idee der Pressefreiheit i m 18. Jahrhundert 1. Allgemeine geistesgeschichtliche Grundlagen Die Wende i n der Entwicklung zur modernen-Presse und dem Problem ihrer Freiheit setzte erst i m Aufklärungszeitalter ein, als sich die Erkenntnis des Humanismus von der Eigenverantwortung des Individuums über die „Gelehrtenrepublik" hinaus i n weitere Kreise des Bürgertums ausbreitete und damit endgültig die bewußtseinsmäßige Voraussetzung für die Emanzipation des Menschen aus religiöser Bevormundung geschaffen war. Zwar beruhen auch jetzt noch weltliche und geistliche Macht auf einer gemeinsamen Basis, solange die Monarchie ihre Legitimation „von Gottes Gnaden" ableitet. Das Gottesgnadentum ist jedoch 4

Schneider, a.a.O., S. 32 ff.

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

nur noch die letzte transzendentale Quelle hoheitlicher Gewalt. Die Ausübung und Organisation der Herrschaftsgewalt selbst w i r d am Prinzip der Vernunft als K r i t e r i u m gemessen. Weltliche Herrschaft transformiert sich damit zum „Staat", der i n seinen Grundlagen und seinem Aufbau zum Gegenstand kritisch-rationaler Erörterung wird. Es entsteht eine Staatstheorie und eine Wissenschaft von der Staatstätigkeit, die „ K a meralistik" oder „Polizeiwissenschaft" 1 . Die religiöse Emanzipation des Individuums hat ihre Entsprechung auch auf der Ebene des Staates. War der Monarch bisher Diener der Kirche, so ist er jetzt „erster Diener des Staates" als abstrakte Idee. Der Staat als omnipotente Herrschaftsorganisation kann eine andere, von ihm unabhängige Gewalt nicht neben sich dulden und inkorporiert daher die Kirche. Das „Religiöse" erfährt damit aber, vom Staat aus gesehen, eine Profanisierung zum „Sittlichen" und die Befolgung der sittlichen Prinzipien, deren Wächterin die Kirche bleibt, w i r d zur staatlichen Verpflichtung. M i t der Entstehung einer eigenständigen, nach rationalen Grundsätzen geordneten Staatsorganisation muß sich auch die bisherige strenge Ständeordnung auflösen. Die rationale Herrschaftsorganisation „Staat" setzt als Gegenüber den „Untertan" voraus, der zum Staat i n einem „Gewaltverhältnis" steht. Die dem Staat entgegengesetzte Sphäre ist die der „bürgerlichen Gesellschaft". M i t diesem Strukturwandel obrigkeitlicher Herrschaft eng verknüpft ist eine parallele Entwicklung innerhalb der bürgerlichen Sphäre 2 . Während sich die Tätigkeit des mittelalterlichen Menschen fast ausschließlich innerhalb des familiären Rahmens auf dem Hof oder i n der Handwerksstube abspielte und Güterproduktion wie Warenverkehr ganz überwiegend innerhalb dieses überschaubaren Bereichs stattfanden, beginnt sich auch hier mit dem Entstehen eines neuen staatlichen Selbstverständnisses eine Änderung anzubahnen. Der sich als omnipotent verstehende Staat, dessen Geldbedürfnisse gleichzeitig i m Verhältnis der Ausweitung seines Tätigkeitsbereichs ständig wachsen, entdeckt die Bedeutung der Wirtschaft für seine Zwecke und unterwirft sie seinem Einfluß. Es beginnt die Zeit des Merkantilismus. Die damit verbundene Ausdehnung der Warenproduktion und des Warenverkehrs erhebt die bisherige bürgerliche Privatsphäre zu öffentlicher Relevanz und zwar sowohl für den Staat wie für den produzierenden Bürger selbst. „Öffentlichkeit" erstreckt sich jetzt über den Raum höfischer Repräsentation hinaus in die bürgerliche Sphäre hinein. 1 2

Vgl. dazu Maier, Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre. Vgl. zum folgenden Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 24 ff.

I I I . Anfänge der Idee der Pressefreiheit im 18. Jahrhundert

87

M i t der Entstehung einer bürgerlichen Öffentlichkeit ist die entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung einer modernen Presse und zugleich — i n der Polarität zwischen Staat und Gesellschaft — der A n satz für ein Problembewußtsein „Pressefreiheit" gegeben. Hatte die Presse (worunter i m Rahmen der historischen Betrachtung nur die periodische Presse verstanden werden soll), bisher lediglich den Zweck der Unterhaltung des Lesers und eines Mitteilungsorgans des Hofes, so erhält sie nun erstmals eine öffentlich relevante Funktion als Verbindungsorgan der bürgerlichen Gesellschaft. Es beginnt die Zeit der „Moralischen Wochenschriften". Noch ist allerdings — bis zum letzten Viertel des 18. Jahrhunderts — das Bürgertum nicht zu politischem Bewußtsein gelangt. Die Institutionen bürgerlicher Öffentlichkeit sind vorwiegend das Theater und der literarische Zirkel (dessen Organ vielfach eine Zeitschrift ist) und die sie verbindenden Werte sind die Ideale der Bildung und der Humanität 8 . Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts, mit dem Einströmen der Ideen der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und der französischen Revolution, erwacht auch das deutsche Bürgertum zu politischem Bewußtsein. Das Prinzip der Aufklärung, die kritische Vernunft, auf der sich die Idee des Staates aufbaute, w i r d nun auch der Wirklichkeit des Staates i n seinem Verhältnis zur Gesellschaft entgegengehalten. Der Bürger, der bisher als Untertan nur Objekt der Staatstätigkeit war, beginnt, nachdem er sich bereits von den kirchlichen Fesseln befreit hatte, sich auch von der Bevormundung durch die staatlichen Autoritäten zu emanzipieren. Er fordert die Aufdeckung des höfischen „Arkanbereichs" und wagt es, die staatliche Machtausübung der eigenen k r i t i schen Reflexion zu unterziehen. Das Medium dieser vorwiegend politischen Auseinandersetzung war wiederum die Presse. Erst m i t Entstehen einer politischen periodischen Presse erhält die Auseinandersetzung u m die Pressefreiheit die Wesenszüge, die zu ihrer verfassungsrechtlichen Verankerung geführt haben und die auch ihren heutigen Sinngehalt entscheidend prägen. War der Kampf gegen die obrigkeitliche Zensur i m 16./17. Jahrhundert ein Kampf um religiöse Autonomie und i n der folgenden Zeit ein Kampf des Einzelnen als gebildetes, vernünftiges Wesen um seine sittliche und geistige Autonomie als „Mensch", so wurde nun die Pressefreiheit zum Kampfruf der sich ihrer selbst politisch bewußt gewordenen bürgerlichen Gesellschaft gegen absolutistische Bevormundung. Damit aber erhielt die Freiheit der Presse als dem Kommunikationsmedium der bürgerlichen Gesellschaft eine über die Freiheit der Meinungsäußerung des einzelnen Individuums hinausgehende Funktion. . Habermas, a.a.O., S.

.

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

Während die Forderung nach „Rede- und Denkfreiheit" i m Aufklärungszeitalter dem Glauben an die Selbstbestimmung und die Vernunft des einzelnen Individuums entsprang und dementsprechend unmittelbar aus dem Naturrecht abgeleitet werden konnte, war die Pressefreiheit auch — und zwar wesentlich — eine politische Forderung, die i n ihrer transpersonalen, nämlich konstitutiven Bedeutung für den bürgerlich-liberalen Verfassungsstaat erkannt wurde. Damit soll nicht behauptet werden, daß bereits von Anfang an zwischen Meinungs- und Pressefreiheit streng geschieden worden sei4. Zweck der vorstehenden, sehr allgemeinen Ausführungen war lediglich, die historische Entwicklung der Idee der „Geistesfreiheit", aus der sich i m Zuge eines Säkularisierungsprozesses die Einzelfreiheiten des Gewissens, der Meinungsäußerung und der Presse entwickelt haben, darzustellen und ihren Bedeutungswandel bis zum Zeitpunkt ihrer verfassungsrechtlichen Verankerung i m Grundrechtsteil der bürgerlich-liberalen Konstitutionen des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts zu umreißen. Da alle späteren bürgerlichen Verfassungen, auch das Grundgesetz, in ihren Grundrechtsgewährleistungen letztlich dieser liberalen Verfassungsidee entspringen, soll i m folgenden versucht werden, den Begriff der Pressefreiheit, wie er den liberalen Verfassungen der damaligen Zeit, insbesondere i n England, Frankreich und den Vereinigten Staaten, zugrunde liegt, herauszuarbeiten. 2. Die Entwicklung der Pressefreiheitsidee im westlichen Ausland a) England

Der Ursprung der neuzeitlichen Idee der Pressefreiheit dürfte in England liegen 5 . I n England, das die spanische Armada besiegt hatte und damit zur mächtigsten Seefahrer- und Handelsnation wurde, beginnen sich die neuen Wirtschaftsformen des Merkantilismus und i n dessen Gefolge ein „Wirtschaftsbürgertum" bereits im 17. Jahrhundert zu entfalten. Ihre geistige Grundlage hatte diese neue Gesellschaftsschicht i m Puritanismus als einer die Einzelpersönlichkeit betonenden und weltlichen Autoritäten gegenüber ablehnenden, doch andererseits das Gemeindeleben pflegenden Religion, die i n der Folgezeit zur geistig prägenden K r a f t Englands wurde. Der Aufstieg des Bürgertums und sein Einzug in 4 Daß dies nicht der Fall war, weist Schneider, Pressefreiheit und politische Öffentlichkeit, S. 102 f., nach. 5 Vgl. zur Geschichte der Pressefreiheit in England Braumüller, Der Weg zur Pressefreiheit, S. 1 ff.

I I I . Anfänge der Idee der Pressefreiheit im 18. Jahrhundert

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politische Verantwortung konnte sich auf Grund der spezifisch englischen Situation weitaus reibungsloser und schneller als auf dem Kontinent verwirklichen; denn in England war in Gestalt des Parlaments bereits die politische Institution i m Ansatz vorhanden, i n der sich i m Laufe der weiteren Entwicklung i n allen bürgerlich-liberalen Verfassungen das Bürgertum seine politische Repräsentation schaffen sollte. Infolge der schon seit mehreren Jahrhunderten bestehenden Machtbalance zwischen dem Monarchen und dem Parlament als Ständevertretung konnte es zu einem dem kontinentalen Absolutismus vergleichbaren Machtmonopol des Königs nicht kommen. Dieser Dualismus sicherte gleichzeitig einen gewissen Freiheitsspielraum für neue geistig-politische Strömungen. Nach der „glorious révolution" von 1688 war der Konflikt zwischen König und Parlament zugunsten des letzteren entschieden. Der Monarch war auf die Funktion eines „king i n parliament" beschränkt. Unter diesen Voraussetzungen konnten die Ideen des Rationalismus i n England früher und tiefgreifender zur Wirksamkeit gelangen als auf dem Kontinent. Anders als dort war der Rationalismus i n England nicht lediglich ein theoretisch-philosophisches Prinzip und wurde nicht auf abstrakt-spekulative Höhen wie bei Descartes und Leibniz getrieben. Die Väter des Rationalismus i n England, insbesondere Hobbes, Locke und Hume, waren Staatstheoretiker. Gegenstand ihrer Philosophie war nicht das einzelne, isolierte Individuum, sondern der Staat und der Bürger in der Gemeinschaft. Dementsprechend wurde der Freiheitsbegriff i n England, i m Gegensatz zur kontinentalen Philosophie, nicht von dem autonomen Individuum i n seiner Vereinzelung her entwickelt, sondern immer zugleich auch auf die Stellung des Einzelnen i n der Gemeinschaft bezogen. Die Idee abstrakter, dem Menschen angeborener Menschenrechte, unter deren Aspekt sich das Miteinander i n der Gemeinschaft anderer nur als Beschränkung des ursprünglich unbegrenzten Freiheitsraums auswirken kann 6 , war dem englischen Denken fremd. Ganz besoders galt dies für die Freiheit geistiger Äußerungen, der Rede- und Pressefreiheit. Sie erschien nicht, wie i n der französischen und z. T. auch in der deutschen Philosophie, als Freiheit individuellen Denkens, deren Rechtf ertigung bereits i m natürlichen Recht des Einzelnen als vernunftbegabtem Wesen auf Betätigung seines Geistes liegt, sondern sie wurde i n England von Anfang an als Freiheit sozialer Kommunikation betrachtet. Die Forderung nach Rede- und Pressefreiheit beruhte auf dem Glauben, daß sich i m freien Austausch der Meinungen auf dem Prinzip von Rede und Gegenrede am ehesten die Wahrheit ermitteln lasse zum Nutzen des menschlichen Fortschritts. Ihren klassischen Aus6 Vgl. Landshut, Menschenrechte, in: „Jahrbuch für Wirtschafts- und Sozialpolitik 1958, S. 26.

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

druck fand dieser englische Begriff der Pressefreiheit zuerst i n Miltons „Areopagitica" aus dem Jahre 1644: „Und wenn die Winde aller Lehren in freiem Spiel auf der Erde losgelassen werden, so wird die Wahrheit unter ihnen sein, und es wäre vermessen, durch Lizenzen und Verbote ihre Stärke anzuzweifeln. Laßt sie mit der Lüge kämpfen; in einem freien und offenen Kampf wird die Wahrheit niemals unterliegen, sondern siegen7."

und zwei Jahrhunderte später i n John Stuart Mills Traktat „On Liberty" (1859): „Wenn die ganze Menschheit mit Ausnahme einer einzigen Person gleicher Meinung wäre und diese eine entgegengesetzter, so wäre die ganze Menschheit nicht mehr berechtigt, diese eine Person mundtot zu machen, als sie ihrerseits, wenn sie die Macht dazu hätte, berechtigt wäre, die Menschheit zum Schweigen zu verdammen. Wäre eine Meinung nur ein Privatbesitz ohne Wert für jemand anderen als den Eigentümer, wäre die Verhinderung ihrer Ausübung nur eine private Beeinträchtigung, so würde es einigen Unterschied machen, ob diese Beeinträchtigung viele oder nur wenige träfe. Aber das eigentliche Übel der Unterdrückung einer Meinung ist ja, daß dadurch ein Raub an der Menschheit geschieht, an der künftigen wie an der gegenwärtigen Generation; an denen, die von der Meinung abweichen, noch mehr, als an denen, die ihr anhängen: Ist die Meinung richtig, so benimmt man ihnen die Gelegenheit, Irrtum gegen Wahrheit auszutauschen; ist sie unrichtig, so verlieren sie, was ebenso wertvoll ist, das tiefere Verständnis und die lebendigere Erfahrung der Wahrheit, wie das aus dem Zusammenstoß der Wahrheit mit dem Irrtum erfolgt 8 ."

Über diese philosophisch-humane Funktion als Instrument der Wahrheitsfindung hinaus erhält die Rede- und Pressefreiheit i m parlamentarischen System Englands aber schon sehr bald auch politische Relevanz. Wie bereits i m ersten Teil der Arbeit erwähnt wurde, hat sich i n England früher als auf dem Kontinent eine politisch-räsonierende Presse entwickelt. Nach 1688, als sich i m Parlament die parteiähnlichen Gruppierungen der Whigs und Tories herausbilden und damit auch das zweite Strukturprinzip einer bürgerlich-liberalen Verfassung, die Konstituierung einer Opposition, in Erscheinung tritt, kommt das Prinzip von Rede und Gegenrede auch i n der politischen Publizistik zur Geltung. 1695 w i r d die Vorzensur abgeschafft, als das Parlament sich weigert, die „licensing act" zu erneuern. „Die Aufhebung des Instituts der Vorzensur bezeichnet eine neue Stufe i n der Entwicklung der Öffentlichkeit: sie ermöglicht das Eindringen des Räsonnements i n die Presse und läßt diese sich zu einem Instrument entfalten, m i t dessen Hilfe politische Entscheidungen vor das neue Forum des Publikums gezogen werden können 9 ." Es entwickelt sich das Bewußtsein von Existenz und Bedeu7

Zit. nach Braumüller, a.a.O., S. 12. Deutsche Übersetzung von Grabowsky, 139 f. 9 Habermas, a.a.O., S. 70. 8

„Die Freiheit", Zürich 1945, S.

I I I . Anfänge der Idee der Pressefreiheit im 18. Jahrhundert

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tung einer „öffentlichen Meinung", deren F u n k t i o n innerhalb des liberalen parlamentarischen Systems Fox i n einer Hede vor dem Unterhaus i m Jahre 1792 i n allgemein gültigen Worten beschrieb: „It is certainly right and prudent to consult the public opinion... I f the public opinion did not happen to square with mine; if, after pointing out to them the danger, they did not see it in the same light with me, or if they conceived that another remedy was preferable to mine, I should consider it as my due to my king, due to my country, due to my honour to retire, that they might persue the plan which they brought better, by a fit instrument, that is by a man who thought with t h e m . . . but one thing is most clear, that I ought to give the public the means of forming an opinion 10 ."

M i t „means of forming an opinion" kann nichts anderes als die Öffentlichkeit der Parlamentsverhandlungen, insbesondere aber die Freiheit der Presse gemeint sein. Als Resümee dieser ersten Etappe i n der Entwicklung der Pressefreiheit i m Ursprungsland ihrer Idee, i n England, kann festgestellt werden, daß sie zwei Aspekte aufwies, die aber zu einer einheitlichen Idee verschmolzen waren: Die Pressefreiheit w a r Recht des Individuums, seiner Meinung i n der besonderen F o r m der Presse Ausdruck zu geben, somit ein Individualrecht. Es w a r aber nicht das I n d i v i d u u m i n seiner Vereinzelung, sondern als Mitglied der Gesellschaft, dem dieses Recht bew i l l i g t wurde. U n d i n dem Beitrag, den die Meinung durch das bloße F a k t u m ihrer Äußerung für die Entwicklung dieser Gesellschaft leistete, lag der Sinn, der „Funktionswert" der Meinungs- und Pressefreiheit. Nach dem englischen Freiheitsverständnis besaß die Pressefreiheit somit eine über sich u n d den einzelnen „Grundrechts"-Träger hinausgehende funktionale Bedeutung. b) Die Vereinigten

Staaten von

Nordamerika

Während die englische Idee der Freiheitsrechte das Ergebnis eines jahrhundertelangen kontinuierlichen Entwicklungsprozeß ist, der sich fugenlos, ohne klare Zäsur i n die Entwicklung der politischen Institutionen einfügte, läßt sich demgegenüber die Geschichte der Freiheitsrechte i n den USA auf einen festen Zeitpunkt, nämlich den amerikanischen Unabhängigkeitskampf, oder genauer: auf die „Bill of Rights of Virginia" von 1776 zurückführen. Die „ B i l l of Rights" des Staates Virginia w a r die erste und bedeutendste der Verfassungen der amerikanischen Bundesstaaten. Zwei Aspekte müssen bei einer Betrachtung des amerikanischen Verständnisses der Freiheitsrechte berücksichtigt werden: Die Väter der amerikanischen Unabhängigkeit stammten aus Europa, vorwiegend aus England. V o n England her bezogen sie i h r geistig-politisches Gepräge. 10

Zit. nach Habermas, a.a.O., S. 77.

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

Andererseits hatten die gleichen Männer England meist aus politischem oder religiösem Protest heraus verlassen und für sie hatte die amerikanische Unabhängigkeitserklärung die Bedeutung eines revolutionären Akts gegenüber dem englischen Mutterland. Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung und die mit ihr verbundene Erklärung der Menschenrechte stellte das geistige Manifest der abtrünnigen Kolonisatoren dar und sollte i n ihren Augen die verfassungsrechtliche Grundlage für einen neuen, auf den Prinzipien der Freiheit und Demokratie beruhenden Staat sein, der sich gegenüber den alten Staaten Europas als etwas bewußt Neues verstand 11 . Dieses revolutionäre Selbstverständnis findet seinen stärksten Ausdruck i n der Erklärung der Menschenrechte 12 . Nach Überzeugung ihrer Verfasser waren die Menschenrechte jedem Menschen von Natur aus angeboren, nicht vom Staat verliehen. Der Staat konnte die Ausübung dieser Rechte gewaltsam behindern, er konnte sie aber nicht entziehen. Da die Menschenrechte nicht der Verfügungsgewalt des Staates unterlagen, waren sie auch nicht Bestandteil der Verfassungen, sondern w u r den ihnen jeweils i n einer besonderen Erklärung vorangestellt. Damit sollte zum Ausdruck kommen, daß der Verfassungsgeber sich zu diesen Rechten bekannte und sie unter seinen Schutz stellte, ohne jedoch den Anspruch zu erheben, daß es sich dabei um vom Staat verliehene bürgerliche „Grundrechte" handle. Wenn dem einzelnen Menschen aber eine natürliche, ursprünglich unbegrenzte Freiheitssphäre zustand, so mußte jede staatliche Assoziation dem Argwohn der Beschränkung dieser Freiheitssphäre ausgesetzt sein und war i n ihrer Machtfülle auf das notwendigste Minimum zu beschränken. Grundsätzlich sollte der Bürger i n die Lage versetzt sein, sich so ungebunden wie möglich entfalten zu können. Eine Grenze für die individuelle Entfaltung sollte erst dort gezogen werden, wo die Freiheit des einen mit der des anderen kollidiert. Diesem naturrechtlichen Verständnis menschlicher Freiheit, von dem aus der Staat als Bedrohung erscheint, stand jedoch auch ein anderer Freiheitsaspekt gegenüber, der insbesondere i m Zusammenhang mit der Meinungs- und Pressefreiheit 13 zum Ausdruck kam: Die positive Seite der Freiheit, die Freiheit zur Meinungsäußerung, die als notwendig zur Erhaltung der Freiheit i m ganzen vorausgesetzt wird. Deutlich kommt dieser funktionale Aspekt der Pressefreiheit in der „ B i l l of Rights of Virginia" zum Ausdruck, i n der die Pressefreiheit als „one of the great bulworks of liberty" beschrieben wird. 11

Vgl. Oestreich, Geschichte der Menschenrechte, S. 58. Vgl. dazu außer Oestreich auch Landshut, Menschenrechte, in: „Jahrbuch für Wirtschafts- und Sozialpolitik", 1958, S. 25 ff. 13 Vgl. zur Geschichte und Theorie der Pressefreiheit in den USA Braumüller, Der Weg zur Pressefreiheit, passim und Voss, Meinungsfreiheit und verfassungsmäßige Ordnung, insbes. S. 74 ff. 12

I I I . Anfänge der Idee der Pressefreiheit im 18. Jahrhundert

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Die einseitige Vorstellung von Meinungs- und Pressefreiheit als einem abstrakt-individuellen Freiheitsrecht und der Meinungsäußerung als bloßer willkürlicher Verstandesemanation eines Einzelnen ohne Bezug auf einen anderen überindividuellen Zweck war der amerikanischen Staats- und Rechtstheorie wie der englischen fremd. Die funktionale Seite der Pressefreiheit wurde besonders betont von Jefferson , einem der geistigen Väter der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. I n seinen Augen hatte die Presse die Funktion, „to participate i n the education of the individual and the same time to guard against deviations b y government from its original purposes" 14 . Diese Aufgabe aber konnte die Presse nach Ansicht der amerikanischen Staatsgründer — wie des Liberalismus überhaupt — am besten dann erfüllen (und hier verband sich die individuelle m i t der funktionalen Seite), wenn dem I n d i v i d u u m als vernunftbegabtem Wesen die Möglichkeit einer vom Staat unbeeinflußten Entfaltung seiner natürlichen Fähigkeiten eingeräumt würde. Dem Staat fiel daher nur die Aufgabe zu, „to establish and maintain a framework w i t h i n which the individual could persue his o w n ends" 1 5 . Dies war deshalb möglich, w e i l nach liberaler Überzeugung der freie Wettbewerb m i t seiner i h m innewohnenden dynamischen und gleichzeitig harmonisierenden Wirkung, einen Ausgleich zwischen den subjektiven Besonderheiten der einzelnen Meinungsäußerung und den Zwecken der Allgemeinheit herbeiführen würde. Der freie Gedankenaustausch auf dem „market place of ideas" bedeutete zwar eine immerwährende Herausforderung des status quo und hielt damit einen permanenten gesellschaftlichen Entwicklungsprozeß i n Gang. Andererseits aber würden die dem Wettbewerb ebenso inhärenten harmonisierenden Kräfte eine „balance between stability and change" (Emerson ) bewirken und am Ende notwendigerweise dazu führen, daß sich aus dieser Diskussion das Gute, Wahre und Richtige herauskristallisiere 1 6 . Bei diesem unbedingten Vertrauen auf die Vernunft des Menschen und die harmonisierende W i r k u n g des Wettbewerbs, die bewirken, daß i n einem unbehinderten Austausch der Meinungen, i n dem immerwährenden „process of t r i a l and error" schließlich die Wahrheit von selbst und für jedermann einsichtig — verkörpert i n Gestalt der „public opinion" — zum Durchbruch kommen werde, w a r es nur folgerichtig, wenn Thomas Cooley i n der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sagte: „The evil to be prevented were not the censorship of the press merely, but any action of the government by means of which it might prevent such free and general discussion of public matters as seems absolutely essential to prepare the people for an intelligent exercise of their rights as citizens 17 ." 14 15 16 17

Zit. nach Siebert— Peterson —Schramm , Four theories on the press, S. 47. Siebert —Peterson —Schramm , a.a.O., S. 47. Vgl. Voss, a.a.O., S. 79 ff. Zit. nach Großmann, Inhalt und Grenzen des Rechts auf freie Mei-

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

Die Vorstellungen, von denen die Väter der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung ausgegangen waren, können kaum besser und klarer zusammengefaßt werden als i n den Worten des Justice Brandeis i n einer „dissenting opinion" aus dem Jahre 1927: „Those who won our independance believed that the final end of the State was to make men free to develop their faculties; and that in its government the deliberative forces should prevail over the arbitrary. They valued liberty to be the secret of happiness and courage to be the secret of liberty. They believed that freedom to think as you w i l l and to speak as you think are means indispensable to the discovery and spread of political truth; that without free speech and assembly discussion would be futile; that with them, discussion affords ordinarily adequate protection against the dissemination of noxious doctrine; that the greatest menace to freedom is an inert people; that public discussion is a political duty; and that this should be an fundamental principle of the American government 18 ."

Aus diesen Zitaten geht deutlich hervor, daß sich das amerikanische Freiheitsverständnis, insbesondere das der Meinungs- und Pressefreiheit, nicht i n einer bloßen „Freiheit vom Staat" erschöpfte. Die Meinungsäußerung des Individuums fand ihren eigentlichen Sinn nur i n der Funktion, die sie für das Wohl des Staates und der Allgemeinheit erbrachte. Sie war i m allgemeinsten Sinne, „the matrix, the indispensable condition of nearly all other form of freedom" 19 . Wenn die Pressefreiheit dennoch rechtstheoretisch als Individualrecht angesehen wurde, so war dies, um es nochmals zu betonen, aufs engste mit der liberalen Wettbewerbstheorie verbunden, nach der das für die Allgemeinheit Gute allein i m freien Kräftespiel des Wettbewerbs entschieden werden konnte. c) Frankreich

Die neuzeitliche Idee der Pressefreiheit hat ihre zweite historische Wurzel i n der französischen Revolution und der an ihrem Beginn stehenden Menschenrechtserklärung von 1789. Obwohl die französische Revolution gleichen geistigen Ursprungs ist wie die amerikanische Freiheitsbewegung, nämlich dem emanzipatorischen Geist des Rationalismus entspringt, und trotz der starken Einflüsse, die der amerikanische Unabhängigkeitskampf auf die politischen Köpfe Frankreichs ausübte, unterscheiden sich ihre beiderseitigen Verfassungs- und v. a. Freiheitsideen doch i n wesentlicher Hinsicht voneinander. Zwar hatten die amerikanischen Kolonisten dasselbe Ziel vor Augen wie die französischen Revolutionäre, nämlich ein neues demokratisches Gemeinwesen zu errichten, das auf den Gedanken der Freiheit und Gleichheit aller Bürger 2 0 beruhen nungsäußerung i m Spiegel der Entscheidungen des Supreme Court of the United States, JöR N F 10, 1961, S. 183 f. 18 Zit. nach Großmann, a.a.O., S. 192. 19 Zit. nach Großmann, a.a.O., S. 217. 20 Wobei allerdings heftig umstritten war, wer im einzelnen Bürgerrecht genießen sollte.

I I I . Anfänge der Idee der Pressefreiheit im 18. Jahrhundert

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sollte. Der amerikanische Unabhängigkeitskampf unterschied sich jedoch nicht nur durch die ganz andere nüchtern-pragmatische Mentalität der puritanisch-angelsächsischen Kolonisten, sondern auch durch die andersartige Ausgangssituation von der französischen Revolution. Die Erklärung der amerikanischen Unabhängigkeit bedeutete die Sezession einer Kolonie vom Mutterland, während sich i n Frankreich demgegenüber eine echte innerstaatliche Revolution abspielte, die eine Aufhebung des alten Verfassungszustands, eine Beseitigung der bisherigen Machtträger und — i m historischen Rückblick — eine säkulare Umwälzung vom absolutistischen Feudalismus zur bürgerlich-liberalen Demokratie mit sich brachte. Diese unterschiedlichen Voraussetzungen und das Erlebnis eines ideologisch-politischen Machtkampfs zwischen zwei gesellschaftlichen Klassen, mußten i n Frankreich zu einer Radikalisierung des Umsturzes und der ihn begleitenden politischen Ideen führen. Deutlichen Ausdruck finden diese Unterschiede bei einem Vergleich zwischen der „Virginia B i l l of Rights" von 1776 und der französischen „Déclaration

des Droits

de V Homme et de Citoyen"

v o n 1789. B e i d e E r -

klärungen gehen von bestimmten unveräußerlichen, jedem Menschen angeborenen Rechten aus, die daher nicht vom Staat gewährt, sondern von ihm lediglich anerkannt und gewährleistet werden können. Während jedoch die amerikanische Freiheitsauffassung stets den Menschen i n der Gemeinschaft i m Blickfeld hatte, die der Freiheitsbestätigung des Einzelnen erst ihren Sinn gab, unterschied die französische Menschenrechtserklärung — ganz i m Geiste des französichen, zu höchster Abstraktion vorangetriebenen Rationalismus — streng zwischen Freiheitsrechten als Menschenrechten und Bürgerrechten. Freiheit war i n den Augen der liberalen Verfassungstheoretiker Frankreichs der natürliche, vorstaatliche Urzustand, der lediglich insoweit begrenzt sein sollte, als es der Zweck des „Gesellschaftsvertrags", durch den sich die einzelnen Individuen zu einer staatlichen Gemeinschaft zusammengeschlossen hatten, erfordert. Freiheit kann somit — ihrem juristischen Gehalt nach — lediglich negativ bestimmt werden als die privatautonome Sphäre des Einzelnen, die soweit reicht, als sie nicht auf eine gesetzliche Schranke bzw. die Rechte der anderen stößt 21 . I n diesem Sinn definiert Art. 4 der Menschenrechtserklärung von 1789: „La liberté consiste à pouvoir faire tout ce qui ne nuit pas à autrui."

Diese rein negativ zu bestimmende Freiheit hat ihren Zweck und ihre Rechtfertigung i n sich selbst. Ihre Betätigung liegt — innerhalb der gesetzlichen Schranken — i m Belieben des Einzelnen. Das Recht hat lediglich die Aufgabe, diese individuelle Freiheit zu schützen bzw. ihren Mißbrauch zu verhindern. 21

I n gleichem Sinne Burdeau, Les Libertés Publiques, S. 12 ff.

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

I m Geiste dieser allgemeinen Freiheitsidee w i r d auch die Meinungsund Pressefreiheit i n Art. 10 und 11 der Menschenrechtserklärung gewährleistet: Art. 10: „Nul ne peut être inquiété pour ses opinions, même religieuses, pourvu que leur manifestation ne trouble pas l'ordre public établi par la Loi." Art. 11: „La libre communication des pensées et des opinions est un des droits les plus précieux de l'homme; tout citoyen peut donc parler, écrir, imprimer librement, sauf à répondre de l'abus de cette liberté dans les cas déterminés par la Loi."

Meinungs- und Pressefreiheit werden somit lediglich verstanden als natürliches Recht des einzelnen Individuums zum Sich-Äußern, dessen Bezug auf Belange der Allgemeinheit rein zufällig ist. Die Ausübung dieser Freiheit, die juristisch wieder nur negativ erfaßt werden kann 2 2 , bleibt allein der Verantwortung des Einzelnen überlassen und findet ihre Grenze an den Schranken des Gesetzes, das — als Ausdruck der höheren Vernunft der „volonté générale" — ein entpersönlichtes, ideales Abstraktum darstellt. Diese extrem rationalistisch-liberalen Prinzipien von 1789 erlebten jedoch einen totalen Umschlag i n ihr Gegenteil, als sich 1791 die Jakobiner durchsetzten und den Gedanken Rousseaus zum Durchbruch verhalfen. Rousseaus Lehre basiert, ganz i m Sinne von Hobbes, auf der Auffassung von der Unordnung als gesellschaftlichen Urzustand, i n dem das Recht des Stärkeren gelte. Um der Selbstvernichtung zu entgehen, schließen sich die Menschen i m Wege eines „Gesellschaftsvertrags" zu einem Staatswesen zusammen. I m Gesellschaf tsvertrag erklärt jeder den restlosen Verzicht auf seine „natürliche Freiheit" und verpflichtet sich gleichzeitig zur Unterwerfung unter den „Allgemeinen Willen". Stattdessen erhält er als Staatsbürger auf der Basis völliger Gleichheit die „bürgerliche Freiheit" 2 3 . Freiheit kann es von da an nur noch i m Staat, und zwar nicht mehr als „Menschenrecht", sondern nur noch als „Bürgerrecht" geben. Freiheit w i r d damit aber gleichzeitig für den „Allgemeinen Willen" verfügbar. Die Einzelexistenz geht restlos i m Gemeinwesen auf; für einen dem Staat vorgegebenen und seiner Einwirkung entzogenen privaten Bezirk ist in diesem System kein Platz mehr. Dies bedeutet nun zwar nicht, daß es i m Staate Rousseaus auch tatsächlich keinen privaten Freiheitsbezirk mehr gebe; denn i m Gesellschaf tsvertrag veräußert jeder nur so viel von seiner Freiheit, als das Gemeinwesen zur Erfüllung seiner Aufgaben nötig hat. Da der Staatskörper jedoch mit prinzipiell unumschränkter Machtfülle ausgestattet wird, kann er — d. h. die Gesamtheit der Staatsbürger, deren politischer Wille 22 23

Vgl. Burdeau, a.a.O., S. 206. contrat social, 1. Buch, 8. Kap.

I V . Die Idee der Pressefreiheit im deutschen Liberalismus

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i n der „volonté générale" zum Ausdruck kommt — allein die Notwendigkeit des abzutretenden Teils bestimmen und ein Beschluß hierüber kann jederzeit neu gefaßt werden 2 4 . I m Grunde bleibt somit nur noch das Prinzip der égalité als letzte unumstößliche Schranke des Gesetzgebers übrig. Da jedoch alle Zwangsgewalt i m Staate, auch die des Gesetzgebers, ihren Grund i m „Allgemeinen Willen" hat 2 5 , dessen Träger unmittelbar das Volk ist, fallen Staat und Gesellschaft bei Rousseau letztlich i n eins zusammen. Der liberalen dualistischen Gegenüberstellung von Staat und Gesellschaft ist bei Rousseau die Grundlage entzogen. Die Entwicklung der französischen Revolution von 1789 bis 1791 zeigt somit die ganze Spannung zwischen liberaler und demokratischer Theorie, jeweils i n ihrer letzten Radikalität, auf. Sie weist aber i n ihrer weiteren Folge ebenso die Gefahren dieser Vereinseitigungen auf. Die demokratische Theorie Rousseaus, der das liberale freiheitswahrende Gegengewicht fehlte, und bei der Staat und Gesellschaft ineinander aufgingen, mußte zwangsläufig i n eine „totalitäre Demokratie" umschlagen 26 . Der Grundgedanke Rousseaus, daß nämlich Freiheit Recht voraussetzt und daher nur i m Staat möglich ist, der Staat seinerseits aber, um frei zu sein, demokratisch und egalitär sein muß, blieb jedoch die entscheidende Herausforderung an den Liberalismus. Bei Rosseau bahnt sich die moderne „Umfunktionierung" der vorstaatlichen Menschenrechte i n Fundamentalrechte der „sozialstaatlich verfaßten Industriegesellschaft" an 2 7 .

I V . Die Idee der Pressefreiheit i m deutschen Liberalismus I m Vergleich zum westlichen Ausland, insbesondere zu England, ist i n Deutschland eine öffentliche Diskussion um die „Preßfreiheit" erst relativ spät festzustellen 1 . Die ersten Fundstellen des Ausdrucks „Preßfreiheit" datieren nach Schneider aus dem Jahr 1774, wo sie i n einer deutschen Übersetzung von Sternes „Tristram Shandy" und i n einem A r t i k e l i n den „Churbaierischen Intelligenzblättern" zu finden sind. Bezeichnungen wie „Freiheit der Presse" oder „Freiheit des Bücherschreibens" tauchen bereits einige Jahrzehnte früher auf 2 . I n der Folgezeit häufte sich die Verwendung des 24

contrat social, 2. Buch, 4. Kap. contrat social, 2. Buch, 7. Kap. 26 Vgl. dazu die Darstellung bei Talmon, Die Ursprünge der Totalitären Demokratie, 1961. 27 Habermas bei Scholler, Tagungsbericht, BayVerwBl 1963, 15. 1 Vgl. die Nachweise bei Schneider, Pressefreiheit und politische Öffentlichkeit, S. 151 ff. 2 Vgl. Schneider, a.a.O., S. 101. 25

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Stammler

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

Ausdrucks „Preßfreiheit", v. a. i n Abhandlungen über Zensurprobleme. Leider ist den Zitaten Schneiders nicht zu entnehmen, i n welchem Zusammenhang die Begriffe erstmals gebraucht wurden. Immerhin weisen die Jahreszahlen darauf hin, daß die Einführung des Begriffs „Preßfreiheit" i n Deutschland zeitlich m i t dem allmählichen Erwachen eines politischen Bewußtseins i n der bürgerlichen Gesellschaft zusammenfiel. Der Grund für das relativ späte Einsetzen einer spezifischen Pressefreiheitsdiskussion i n Deutschland lag darin, daß das deutsche Bürgertum bis weit i n die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts vorwiegend literarisch interessiert war. Die Aufklärung löste nicht, wie schon sehr früh i n England, einen politischen Entwicklungsprozeß aus, sondern schlug sich i n einem spezifisch deutschen, humanistisch-weltbürgerlich geprägten Bildungsideal nieder, das v. a. auf pädagogischem Gebiet Früchte trug. Wurde die Forderung nach Pressefreiheit erhoben, so meistens mit der Begründung ihrer Nützlichkeit für die allgemeine Bildimg und die Wissenschaften. Z u einem wirklichen Politikum w i r d die Pressefreiheit erst nach Beendigung der Befreiungskriege. I n der jetzt beginnenden Auseinandersetzung um die politische Neuordnung Deutschlands, um die Rechte des Bürgertums i n einer künftigen deutschen Verfassung, spielt die Frage der Pressefreiheit eine zentrale Rolle. Das während des Volkskriegs seiner Einheit und politischen Möglichkeiten bewußt gewordene Bürgertum verlangt nun politische Mitbeteiligung i m Staat i n Gestalt einer „Nationalrepräsentation", aber auch die verfassungsrechtliche A n erkennung seiner Freiheitsrechte, unter denen die Pressefreiheit eines der vornehmsten darstellte. Die zwischen 1813 und 1819 ermöglichte freie Diskussion i n der Presse hatte für das Verständnis der Pressefreiheit und ihrer politischen Funktion wesentliche Auswirkungen: Durch die Konfrontation der deutschen Fürsten mit den politischen Forderungen des breiten Bürgertums wurde erstmals i n Deutschland Existenz und Wirkungsweise einer „öffentlichen Meinung" unmittelbar erlebbar und zu einem politischen Faktor. Sprachrohr dieser öffentlichen Meinung aber war anerkanntermaßen die Presse. Sie war darüber hinaus Organ der politischen Forderungen des Bürgertums schlechthin, solange es keine parlamentarische Volksvertretung gab. Der Presse wuchs als Surrogat der nicht vorhandenen parlamentarischen Körperschaft, die Rolle der „Volksrepräsentation" zu, wie Welcher i n einer an den Bundestag gerichteten Petition zur Pressefreiheit zum Ausdruck bringt: „Da nun aber eine unmittelbare Theilnahme der Bürger an den Bundesberathungen nicht zulässig gefunden wurde, so erschien wirklich, so wie die freie öffentliche Nationalmeinung selbst, so natürlich ihr Organ, die politi-

IV. Die Idee der Pressefreiheit im deutschen Liberalismus

99

sehe Presse, als der unentbehrlichste Repräsentant in den Bundesangelegenheiten für ihre Einhaltung wie für ihre Begründung 3 ."

Joseph Görres, der größte Publizist dieser Zeit, spricht von den Zeitungen als „Tribunen, die die große Mehrheit des Volkes vertreten, sie sollen den Mund des Volkes und das Ohr des Fürsten seyn" 4 . Von anderen w i r d die Presse als „Organ der öffentlichen Meinung", als „öffentliches Institut, ein Organ des Volkes" bezeichnet, das ein „öffentliches Mandat" oder eine „öffentliche Magistratur" ausübt und sogar vom „öffentlichen A m t des Journalisten" ist die Rede 5 . Freilich war i m Deutschland des Vormärz auch die individuelle Auffassung der Pressefreiheit als Menschenrecht lebendig. Als Beispiel sei nur das bei Franz Schneider 6 erwähnte Zitat L u d w i g Wielands hervorgehoben: „Die Preßfreiheit ist nicht als Mittel des Unterrichts oder des Nutzens zu verwilligen oder zur rechten Zeit zu fordern, sondern sie gehört zu den angestammten Rechten jedes menschlichen Wesens, seine Gedanken zu äußern und nach Möglichkeit zu verbreiten, insofern Rechte anderer nicht dadurch verletzt w e r d e n . . . Jede Anwendung eines Begriffes von Gemeinnutzen ist hier entweder überflüssig oder störend, denn das Ausüben der Rechte i m S t a a t . . . ist eine notwendige Forderung derselben, das Nützliche ist aber nur zufällig; folglich bedingt das Rechtliche das Nützliche, nicht umgekehrt das Nützliche das Rechtliche."

Die individualrechtliche Auffassung der Pressefreiheit konnte i m Deutschland des Vormärz jedoch nie die gleiche Bedeutung erlangen wie i m westlichen Ausland, insbesondere i n Frankreich. Dies mag zu einem wesentlichen Teil auf die politischen Umstände zurückzuführen sein: Solange die Gesellschaft sich nur i n der Presse Ausdruck verschaffen konnte, mußte die politische Funktion der Pressefreiheit zwangsläufig stärker betont werden 7 . Die Pressefreiheit wurde nur insoweit als „Freiheit vom Staat" betrachtet, als die Erfüllung der öffentlichen Funktionen der Presse eine staatliche Einwirkung auf den gesellschaftlichen Kommunikationsprozeß ausschloß. Ihren Sinn fand die Pressefreiheit jedoch nicht bereits i n der staatsfreien, wertneutralen Kommunikation zwischen einzelnen, isoliert gesehenen Individuen, sondern sie war stets „Freiheit im Staat"; und gleichzeitig hatte sie die Funktion einer „Freiheit zum Staat", denn Ziel des vormärzlichen Liberalismus war die Herstellung der Einheit 8

Die vollkommene und ganze Preßfreiheit, S. 85. Die teutschen Zeitungen, Rheinischer Merkur Nr. 80 vom 1. Juli 1814. 5 Vgl. Nachweise bei Czajka, Pressefreiheit und „öffentliche Aufgabe" der Presse, S. 42 f. • a.a.O., S. 158. 7 Schneiders Ansicht (a.a.O., S. 230), daß „die Pressefreiheit mit den Augen des Vormärz gesehen eine Freiheit vom Staat war", ist daher abzulehnen. 4

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

von Staatswillen und öffentlicher Meinung, als deren Organ die Presse fungierte. Diese verschiedenen Freiheitsaspekte lassen sich allerdings erst jetzt, i m historischen Rückblick, voneinander trennen und gegeneinander ausspielen. Für den vormärzlichen Liberalismus bildeten sie eine wesensmäßige Einheit. I n seiner Sicht benötigte die Presse zur Erfüllung ihrer Funktionen lediglich die verfassungsmäßig garantierte Freiheit vom Staat, auf Grund derer dann die m i t der Freiheit verbundenen positiven Erwartungen von selbst i n Erfüllung gingen. Denn es war liberales Glaubensbekenntnis, daß nur i n einem „freien und offenen Kampf", d. h. aber für die Presse: i m freien wirtschaftlichen Wettbewerb, „die Wahrheit niemals unterliegen, sondern siegen werde" (Miltori). Während für Milton dieser Kampf um die Wahrheit aber noch rein geistiger Natur war und dies auch noch für die Zeit des Vormärz zutraf, verlagerte er sich i m Zuge der Kommerzialisierung der Presse zunehmend auf die wirtschaftliche Ebene. Damit wurde der wirtschaftliche Markt das Kampffeld, auf dem sich die Wahrheit behaupten sollte. A m Ende dieser Entwicklung steht die Feststellung Carl Brinkmanns auf dem 7. deutschen Soziologentag: „Der Weg der Presse (war) sehr viel mehr eine Entfaltung der Technik und der Apparatur als eine Erreichung der Sachziele jener bürgerlichen Marktharmonie gewesen 8 ." Die zwei veschiedenen Aspekte der Pressefreiheit, der individuelle und der funktionale, wurden besonders deutlich i n der liberalen deutschen Staatsrechtslehre des Vormärz herausgearbeitet. Die liberale Lehre vom Staat basiert auf dem Vertragsgedanken. Der Staat w i r d zurückgeführt auf den Abschluß eines „StaatsVertrags" durch das i m Besitz seiner „ursprünglichen Machtvollkommenheit" befindliche Volk. „Sogleich i m Augenblick des Zusammentreffens zum Staate (wird) die Machtvollkommenheit des Gesamtvereins vertragsmäßig i n die Hände des Fürsten niedergelegt", wodurch dieser „der Repräsentant, der sinnliche Vertreter der Souveränität geworden (ist), welchem als solchem die Majestät zukömmt, welcher aber verpflichtet ist, i n den wichtigsten Regierungsangelegenheiten die Einwilligung der vom Volk erwählten Repräsentativversammlung einzuholen" 9 . „Das Grundprinzip der repräsentativen Verfassung ist die Herrschaft des wahren Gesammtwillens. Sie setzt also voraus das Dasein eines solchen und seinen lauten Ausdruck, d. h. sie setzt eine lebenskräftige öffentliche Meinung voraus 10 ." Die öffentliche Meinung ihrerseits „ist begründet i n dem moralischen 8 Brinkmann, „Presse und öffentliche Meinung", in: Verhandlungen des 7. deutschen Soziologentags, S. 13. 9 von Aretin—von Rotteck: Staatsrecht der constitutionellen Monarchie, 2. Aufl., Bd. 1, S. 148 f. 10 ebd., Bd. 3, S. 232.

IV. Die Idee der Pressefreiheit im deutschen Liberalismus

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Urteil aller Besseren und Verständigeren. Die öffentliche Meinung muß sich zugleich aussprechen können, damit sie beitrage, dem Volk die Wohltaten der Verfassung zu sichern; damit sie Staatsregierung und die Stände mit des Volkes Bedürfnissen und Wünschen bekannt mache, damit sie das Volk selbst über seine Interessen aufkläre und verständige. Ungehemmte Verständigung über die öffentlichen Angelegenheiten, d. h. Preßfreiheit, ist daher i n jeder Repräsentativverfassung erforderlich" 1 1 . Die Pressefreiheit w i r d also i n der liberalen Staatsrechtslehre vor 1848 als Fundamentalnorm einer Repräsentativverfassung, somit als politisches Freiheitsrecht betrachtet. Gleichzeitig ist die Pressefreiheit jedoch als Sonderform der „Denk- und Redefreiheit" Bestandteil der unveräußerlichen „Urrechte" 1 2 des Menschen, die zu schützen eigentlicher Zweck des konstitutionellen Staates ist. Dieser Doppelcharakter der Pressefreiheit als Menschenrecht und als Verfassungsfundamentalnorm kommt besonders deutlich bei von Aretin-von

Rotteck i n folgendem Z i t a t z u m Aus-

druck: „Die Preßfreiheit ist also eins und dasselbe wie die Freiheit der Rede, und jeder Angriff auf dieselbe eine zweifach unselige Feindseligkeit gegen ein heiliges Menschenrecht, nicht minder als gegen den Rechtsboden des Staates. Die Wohlthaten des freien Gedankenverkehrs können hiernach von einem doppelten Gesichtspunkte betrachtet werden, einmal an und für sich, also noch ohne Beziehung auf den Staat, als Beförderungsmittel allgemeiner humaner Cultur, sodann eigens in Bezug auf den Staat, als Gewährleistung für Recht, Freiheit und Verfassung. I n erster Beziehung ist die Freiheit der Mittheilung, also auch der Presse, ein ursprüngliches, absolutes Recht aller Menschen... I n der zweiten Rücksicht ist sie ein Gegenstand schon des Verfassungsgesetzes; sie gehört zur Constitution als unentbehrlicher Bestandtheil derselben und als kostbarste Gewährleistung des Ganzen 18 ."

Die Pressefreiheit hat somit i n der liberalen Staatsrechtslehre des Vormärz die Qualität eines Menschenrechts und ist gleichzeitig eine „unentbehrliche Institution der constitutionellen Monarchie" 1 4 . Dem entspricht es, wenn die Pressefreiheit i m Lehrbuch von Aretin-Rotteck an zwei verschiedenen Stellen behandelt w i r d : Einmal unter den „bürgerlichen Freiheiten i n der constitutionellen Monarchie", zum anderen i m institu11

Jaup, Art. „Preßfreiheit", in: „Staatslexikon" 1842,13. Band, S. 341. Vgl. von Aretin—von Rotteck, a.a.O., Bd. 2, S. 34 f. 18 von Aretin—von Rotteck, a.a.O., Bd. 3, S. 228 f.; in ähnlichem Sinne Welcker(Die vollkommene und ganze Preßfreiheit, S. 151): „Die Preßfreiheit ist nun aber wirklich, nach der ganzen bisherigen Entwicklung, das allerwesentlichste Verfassungsrecht... Namentlich aber ist stets ins Auge zu fassen der doppelte Charakter dieses größesten und wichtigsten aller Rechte der Bürger. Es ist nämlich theils Privatrecht und Bestandtheil der persönlichen Freiheit, wo es, gerade wie das Recht mündlich zu reden und zu schreiben, allen Rechtsmitgliedern... zusteht... Sodann ist es aber auch politisches Recht." 14 Zoepjl, Staatsrecht, S. 296. 12

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

tionellen Teil, der „von den Garantien der Verfassung" handelt, wobei sich die Pressefreiheit auf gleicher Stufe mit der Ständeversammlung, der Gemeindeverfassung etc. befindet. Wie i n den westlichen Demokratien, so wurden also auch i n der liberalen Staatsrechtslehre Deutschlands die beiden Aspekte der Pressefreiheit, der individuelle und der funktionale, erkannt. Aber klarer als in den westlichen Ländern hat es die deutsche Staatsrechtslehre verstanden, diese beiden Aspekte i n ein verfassungsrechtliches System einzubauen. Diese theoretische Vorarbeit i n den Jahren 1813—1848 fand ihren Niederschlag i n der Verfassung

der Frankfurter

Paulskirche

v o n 1849,

der ein Grundrechtskatalog vorangestellt wurde, i n dem die Pressefreiheit garantiert und die Abschaffung aller Grundrechtsbeschränkungen angeordnet wurde 1 5 . Dieser Grundrechtskatalog erlangte zwar keine tatsächlich rechtsverbindliche Kraft. Er hatte jedoch wesentliche geistige Auswirkungen auf die weitere Grundrechtsentwicklung i n Deutschland.

V. Theorie und Praxis der Pressefreiheit i m Kaiserreich 1. Allgemeines Trotz des Scheiterns der Revolution von 1848 war das liberale Bürgertum nun endgültig zu einem politisch gestaltenden Faktor in Deutschland geworden. Nach und nach rückte es zuerst i n den Einzelstaaten, 1871 schließlich auf Reichsebene i n politische Mitverantwortung ein. Zwar entsprach die Bismarcksche Reichsverfassung nicht den Erwartungen des Liberalismus von 1848: Die Souveränität lag beim Kaiser und die mit dem Obrigkeitsstaat verbundenen Institutionen Adel, Beamtentum und Militär hatten ihre Positionen verteidigt. Doch hatte das Bürgertum i m Reichstag eine Plattform politischer M i t w i r k u n g erhalten und sah auch seine nationalen Ziele i n der Reichsgründung, obzwar unter Ausschluß Österreichs, i m wesentlichen erfüllt. Vor allem aber war ihm auf wirtschaftlichem Gebiet der Freiheitsraum gesichert, der den Bedürfnissen des i m Entstehen begriffenen kapitalistischen Systems entsprach. Das Bismarcksche Reich war zwar kein bürgerlich-liberaler Staat, aber das Bürgertum war doch i n diesen Staat integriert und konnte sich i m wesentlichen m i t i h m identifizieren. Opposition gegen das Staatswesen selbst kam daher nicht mehr aus den bürgerlich-liberalen Reihen, sondern aus den neuen unterprivilegierten Schichten, v. a. der i m Zuge der Industrialisierung ständig wachsenden Arbeiterschaft. I n der Verteidigung des Bestehenden gegenüber diesen auf gesellschaftliche Umwälzung ge15

Siehe oben, S. 30, Anm. 1.

V. Theorie und Praxis der Pressefreiheit im Kaiserreich

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richteten Kräfte waren sich die Liberalen mit Bismarck und seinen Nachfolgern einig. Diese Haltung stand durchaus i n Einklang m i t den politischen Zielen des Liberalismus vor 1871, denn die egalitär-demokratischen Züge der französischen Revolution hatte der deutsche Liberalismus stets abgelehnt. Der liberale Staat war ein Staat des Bürgertums, i n dem die Eigenschaft als Staatsbürger von Besitz und Bildung abhängig war 1 . M i t dem Auftreten der Arbeiterschaft als neuem politischem Faktor, der sich gegenüber dem Bürgertum als eigene Gesellschaftsklasse verstand, war die Fiktion der Identität von „Bürgertum" und „ V o l k " und von einer einheitlichen „öffentlichen Meinung" nicht mehr haltbar. Die zuvor allein m i t dem Bürgertum identifizierbare Gesellschaft spaltete sich nun politisch i n ideologisch profilierte Parteien und an die Stelle der vordem klar fixierbaren „öffentlichen Meinung" trat nun ein Spektrum verschiedener sich widerstreitender „öffentlicher Meinungen". 2. Der Funktionswandel der Pressefreiheit in der Pressekritik Der „Strukturwandel der Öffentlichkeit" fand auch i n der Presse seinen Ausdruck. War die Presse i n der ersten Hälfte des Jahrhunderts i m wesentlichen ein Organ des gebildeten Bürgertums, so zerfiel sie jetzt i n eine Parteipresse einerseits und eine parteiunabhängige „Geschäftspresse" andererseits, die vorwiegend kommerzielle Interessen verfolgte. Wenn auch i m Hinblick auf die politische Gesellschaft i n ihrer Gesamtheit noch nicht von einem Zerfall der „öffentlichen Meinimg" i n eine bloße „ i n sich unbestimmte stimmungsmäßige Geneigtheit" die Rede sein kann 2 , so trifft für die neu entstandene kapitalistische Geschäftspresse allerdings zu, daß ihr Ziel nicht die Bildung einer klaren politischen Meinung war. I h r Erfolg beruhte darauf, daß sie „bewußt die politisch amorphe, nicht i n Parteien formierte „Masse" ansprach, die v. a. i n den Industriezentren anzutreffen war, und deren „stimmungsmäßige Neigung" auf die Ebene publizistischer Öffentlichkeit hob 3 . Das Übergreifen kapitalistischer Wirtschaftsstrukturen auf die Presse, die ihr Ziel nicht mehr i n der Formung und Ausdrucksvermittlung der 1 Vgl. vonAretin—von Rotteck, a.a.O., Bd. 3, S. 168 f: „Denn i m Staate wie in anderen Gesellschaften richtet sich naturgemäß das Stimmrecht oder das Gewicht der Stimme nach dem Maße der Beiträge der Mitglieder in die gemeinsame Kasse. Die Reicheren nun sind nicht nur beim Gedeihen des Staates mehr interessiert als die Armen, sondern sie tragen auch aus dem Ihrigen ein Mehreres dazu bei. Billig verlangen sie daher — wie etwa die größeren Actionärs in Privatgesellschaften — ein vorzügliches Recht der Stimmgebung... ohne dieses würde unvermeidlich die Ochlokratie ausbrechen." 2 So Landshut, Volkssouveränität, S. 585. 8 Vgl. Holtzendorff, Wesen und Werth der öffentlichen Meinung, S. 90 ff.

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

„öffentlichen Meinung", sondern i m Geschäft sah, mußte entscheidende Auswirkungen auf das Verständnis der Pressefreiheit zur Folge haben. Die bisher als Freiheit v o m Staat erkämpfte Pressefreiheit w a r m i t dem Inkrafttreten des Reichspressegesetzes praktisch erreicht. Zwar w a r die Oppositionspresse, v. a. während des Bismarckschen „ K u l t u r k a m p f s " und der Geltung der „Sozialistengesetze" immer noch empfindlichen obrigkeitlichen Repressalien ausgesetzt. Auch wurde die Strafjustiz nun häufig dazu eingesetzt, politisch unliebsame Zeitungen und Publizisten mundtot zu machen. Diese Methoden repressiver staatlicher Pressekontrolle bedeuteten i m Einzelfall immer noch empfindliche Behinderungen für die Presse und wurden von ihr bekämpft. Doch die staatsgerichtete Seite der Pressefreiheit w a r kein politisches und verfassungsrechtliches Grundsatzproblem mehr. I n den Vordergrund der Pressefreiheitsdikussion w a r n u n ein gegenüber früher gänzlich neuer Aspekt gerückt, nämlich die Frage, ob die Presse die von i h r beanspruchte Freiheit auch tatsächlich i n angemessener Weise w a h r n i m m t und ob sie überhaupt i n sich selbst „ f r e i " ist. Anknüpfungspunkt für diese Fragestellung w a r das alte Schlagwort v o n der „öffentlichen Aufgabe" der Presse, unter dessen Fahne sie ihre Freiheit erkämpft hatte und u m dessentwillen sie nach Erlangung dieser Freiheit weitere Privilegien beanspruchte. Unter dem Eindruck zahlreicher Mißstände, die sich aus der Kommerzialisierung der Presse ergaben, richtete n u n das Argument der „öffentlichen Aufgabe" seine Stoßrichtung immer mehr vom Staat weg gegen die Presse selbst, ihre S t r u k t u r und auf das journalistische Standesethos 4 . Zeugnisse für diese neue Pressekritik gibt es i n der damaligen L i t e ratur viele. Insbesondere die Kommerzialisierung der Presse, die Verbindung von „öffentlicher Aufgabe" und Geschäftsinteresse, das sich am augenfälligsten i m Anzeigenwesen verkörperte, w u r d e n angegriffen. Posse 5 bezeichnet die Zeitung als „privatwirtschaftlichen Gewerbebetrieb, der m i t Nachrichten, öffentlicher Meinung und Anzeigen Geschäfte macht". Nach Ansicht von Wuttke 6 sind die Zeitungen „zugleich M i t t e l des Gelderwerbs und Mittel, über die Meinungen der Menschen zu herrschen". Die w o h l bekannteste Charakterisierung der Presse dieser Zeit stellt die bereits zitierte Definition Büchers dar, nach der die Zeitung eine „Unternehmung" ist, „welche Anzeigenraum als Ware produziert, die n u r durch einen redaktionellen Teil absetzbar w i r d " 7 . I m Zuge der kapitalistischen Entwicklung des Pressewesens w a r die Presse Teil des herrschenden Systems geworden und w a r m i t den wirtschaftlichen Interessen des Besitzbürgertums liiert. Nachdem die Gleichung „Besitz4 5 6 7

Vgl. Czajka, Pressefreiheit und „öffentliche Aufgabe" der Presse, S. 56. Wesen und Aufgabe der Presse, S. 22. Die deutschen Zeitschriften, S. 89. Das Zeitungswesen, in: Gesammelte Aufsätze, S. 21.

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bürgertum gleich V o l k " durch den Klassenkampfstandpunkt der neuen sozialistischen Kräfte widerlegt worden war, konnte Lasalle das Schlagwort des Vormärz von der „Presse als Organ des Volkes" sogar i n ihr Gegenteil verkehren: „Unser Hauptfeind, der Hauptfeind aller gesunden Entwicklung des deutschen Geistes und des deutschen Volksthums, das ist heut zu Tage die Presse! Die Presse ist in dem Entwicklungsstadium, auf welchem sie angelangt ist, der gefährlichste, wahre Feind des Volkes, ein um so gefährlicherer, als er verkappt auftritt. Ihre Lügenhaftigkeit, ihre Verkommenheit, ihre Unsittlichkeit werden von nichts Anderem überboten als vielleicht von ihrer Unwissenheit8."

Fast alle K r i t i k e r waren sich darin einig, daß die Wurzel dieser Mißstände i n der Verbindung der öffentlichen Aufgabe mit privaten Erwerbsinteressen, verkörpert durch den Anzeigenteil, liege. Die Angriffe konzentrierten sich daher auf das Inseratewesen, dessen Trennung von der privaten Presse gefordert wurde. Das Heilmittel dafür wurde von den meisten i n der Wiedereinführung des staatlichen Inseratemonopols gesehen9. Durch die Entwicklung nach 1871 hatte die Pressefreiheit ihren Inhalt i m Bewußtsein der Öffentlichkeit somit grundlegend gewandelt. I m Vordergrund stand nicht mehr, wie in der Zeit staatlicher Presseunterdrükkung, die Freiheit vom Staat, sondern die Freiheit im Staat, also der funktionale Aspekt der Pressefreiheit, schlagwortartig wiederum zusammengefaßt i m Begriff der „öffentlichen Aufgabe". Durch die Erfahrungen mit dem kapitalistischen Pressesystem war die liberale Überzeugung, daß beide Freiheitsaspekte notwendigerweise zusammenfallen, widerlegt. Nachdem die obrigkeitsstaatliche Pressepolitik des Vormärz, i n der sich „Staat" und „Gesellschaft" i n klar erkennbaren Fronten gegenüber gestanden hatten, einer differenzierteren, oft miteinander verschlungenen Frontlinie Platz gemacht hatte und, v. a. auf wirtschaftlichem Gebiet, eine Interessenidentität zwischen Staat und Gesellschaft bewußt wurde, konnte auch die Presse nicht mehr einseitig dem gesellschaftlichen i n Abgrenzung zum staatlichen Sektor zugeteilt werden. Die Presse sollte zwar unabhängig, aber doch i n ihrer Aufgabenstellung auf den Staat bezogen sein und ein Bindeglied zwischen Staat und Gesellschaft darstellen. Der Staat erschien demgemäß nicht mehr nur als feindliches Gegenüber, sondern als berechtigt und verpflichtet, durch gesetzgeberische Maßnahmen die Presse gegenüber ihrer eigenen strukturbe8 „Die Feste, die Presse und der Frankfurter Abgeordnetentag", zit. bei Roegele —Glotz, Pressereform und Fernsehstreit, S. 44. 9 Vgl. die Vorschläge von Lasalle, Schmölder, Bücher und Schairer, bei Roegele —Glotz, a.a.O.

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

dingten Unfähigkeit zur Erfüllung ihrer eigentlichen Funktionen zu befähigen 10 . Damit war der Blick für ein Problem „innere Pressefreiheit" geöffnet. M i t dem Übergang der Presse zu großindustriellen Unternehmenseinheiten, in denen der Publizist nur noch abhängiger, anonymer Angestellter eines am Gewinn interessierten Verlegers ist, wurde bewußt, daß Gefahren für die Pressefreiheit nicht nur von staatlicher Seite her, sondern i n fast noch gefährlicherer, weil undurchschaubarer Weise, von der Gesellschaft her drohen. Der Staat war unter diesem Aspekt nicht mehr Gegner, sondern Garant der Pressefreiheit. 3. Die Staatsrechtslehre des Positivismus I n der Staatsrechtslehre des Kaiserreichs hat diese Diskussion um ein neues Verständnis der Pressefreiheit i n der Öffentlichkeit keinen Niederschlag gefunden. Die liberale Staatslehre eines Welcker, Rotteck und Jaup war m i t dem Scheitern der Märzrevolution i n der deutschen Staatsrechtswissenschaft praktisch i n Vergessenheit geraten. Für die unter dem Einfluß Zacharias, Gerbers und Labands sich durchsetzende positivistische Rechtslehre war die Verfassung keine lebendige politische Ordnung des Gemeinwesens mehr, sondern ein vom Staat gesetzes Normensystem, dem jeder historische oder politisch-funktionale Bezug fehlte. Der Staat selbst gerann i m positivistischen Rechtsdenken, das sich insofern i n der geistigen Nachfolge der konservativ-idealistischen Philosophie Hegels und Stahls befand, zu einem blutlosen Abstraktum, zu einer „objektiven, geistig-sittlichen und rechtlichen Ordnung, die nicht i m Willen der Menschen... begründet ist, sondern als ,Idee' über ihnen steht" 1 1 . Der „Idee Staat" war der Einzelne als Untertan, aber auch der Monarch selbst als „erster Diener" dieses Staates unterworfen. Beide waren lediglich unselbständige Rechtssubjekte bzw. -Objekte innerhalb des Normenkomplexes „Staat". Da dem Positivismus jeder materielle Wertmaßstab fehlte, war für ihn der Begriff der „Freiheit" seiner Substanz nach etwas Metajuristisches. Freiheit wurde als die „natürliche Handlungsfreiheit" betrachtet, die juristisch lediglich negativ als „Freiheit von gesetzwidrigem Zwang" 1 2 bestimmbar war. Da der juristische Freiheitsbegriff somit keinen anderen Inhalt als den des formalen Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit staatlichen Handelns hatte, stand er i n seinem materiellen Umfang zur 10 Vgl. Posse, Zeitung, Publikum und öffentliche Meinung, Deutsche Revue 1914, Bd. 3, S. 82. Den ersten praktischen Ansatz dazu stellt § 76 BörsenG dar. 11 Ehmke, Staat und Gesellschaft, a.a.O., S. 36. 12 Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 103.

V. Theorie und Praxis der Pressefreiheit im Kaiserreich

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freien Disposition des Gesetzgebers. Einen auch vor dem Gesetzgeber unbedingt geschützten Raum freier, autonomer Persönlichkeitsentfaltung konnte es i n diesem System nicht geben, denn auch Grundrechte (soweit es sie gab) „sind Normen für die Staatsgewalt, welche dieselbe sich g i b t " 1 8 und die sie deshalb auch wieder aufheben kann. Die traditionellen liberalen Freiheitsrechte verloren unter diesen Voraussetzungen jeden historischen und funktionalen Zusammenhang. Jellinek lehnt es sogar überhaupt ab, von verschiedenen „Freiheitsrechten" zu reden, denn „es ist n u r die Freiheit i m Singular vorhanden, die nur durch ihren Gegensatz gegen bestimmte ehemalige Einschränkungen mehr i n politischer als i n juristischer Hinsicht verschieden individuell gefärbten Nuancen erhält" 1 4 . Unter dem Positivismus — und zwar erst durch ihn, nicht etwa schon durch die ältere liberale Staatsrechtslehre — erhält der Freiheitsbegriff somit jene auch heute noch fortwirkende Prägung durch die Kategorien eines „Eingriffs- und Schrankendenkens" 15 . Die politischen Freiheitsrechte werden — erstmals bei Gerber 16 — i n subjektiv-öffentliche Rechte umfunktioniert, deren Zweck sich i n der A b w e h r staatlicher Eingriffe erschöpft. Freiheit ist damit juristisch n u r noch als Negation der Staatsgewalt existent. Diese positivistische Freiheitsauffassung soll i m folgenden anhand einiger Zitate Gerbers und Jellineks verdeutlicht werden. Nach Ansicht Gerbers kann „der allgemeine Gesichtspunkt jener sogenannten staatsbürgerlichen Rechte (nur) i n etwas Negativem gefunden werden, nämlich darin, daß der Staat sich bei der Beherrschung und Unterwerfung des Einzelnen innerhalb seiner naturgemäßen Schranken h ä l t " . „ I m m e r bleiben diese Rechte n u r Negationen u n d Zurückweisungen der Staatsgewalt i n die Gränzen ihrer Befugnisse." „ D i e juristische Betrachtung kann deshalb nur die sein, daß diese Negationen i n eine positive Bestimmung der Rechte der Staatsgewalt verwandelt werden. Es sind objektive abstrakte Rechtssätze über die Ausübung der Staatsgewalt. F ü r den Einzelnen haben sie lediglich die Wirkung, daß sie unter Voraussetzung eines bestimmten Thatbestandes eine Berechtigung (ein Recht i m subjektiven Sinne) erzeugen, z. B. das Recht auf Zurücknahme einer Verfügung 1 7 ." F ü r Jellinek ist Freiheit i m juristischen Sinne „identisch m i t den für den Staat rechtlich irrelevanten Handlungen der Subjizierten. Wenn k r a f t der Pressefreiheit jemand eine Druckschrift veröffentlicht, so ist das ein Vorgang, der als solcher, d. h. abgesehen von den m i t i h m etwa verknüpften Rechtsgeschäften, niemandes, nament13

Laband, Staatsrecht Bd. 1, S. 151. Jellinek, a.a.O., S. 104. 15 Vgl. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetzes, S. 134 ff. 16 C. F. Gerber, Über öffentliche Rechte. 17 Gerber, a.a.O., S. 78 f. 14

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

lieh aber nicht des Staates Recht tangiert, der mit dem Genüsse des eigenen Weines, dem Spazierengehen auf eigenem Grundstück auf gleicher Linie steht" 1 8 . Für eine politische und verfassungsrechtliche Funktion der Freiheitsrechte, wie sie i n der Staatsrechtslehre des Vormärz so deutlich hervorgehoben wurde, war i n diesem System kein Raum mehr. Der Träger dieser Rechte, der „Bourgeois", war, vom Staat aus gesehen, lediglich Objekt seiner Herrschaftsgewalt. Freiheit gab es für ihn nur innerhalb der durch die Gesetze abgegrenzten Privatsphäre. Bewegte er sich innerhalb dieses Bezirks, so ging es den Staat nichts an, ob er „diesen Freiheitsraum ausfüllt mit der Flucht i n des Herzens heilig stille Räume, mit einem Leberecht-Hühnchen-Dasein i n Schlafrock und Pantoffeln, oder mit rücksichtslosem wirtschaftlichen Kampf" 1 9 . Die politische Freiheitslehre des westlichen und des älteren deutschen Liberalismus schmolz so i n der deutschen Staatsrechtslehre des ausgehenden 19. Jahrhunderts i m Wege „einer eigentümlichen Umbiegung" „ i n den Gedanken einer staatsfreien Sphäre des Individuums" zusammen 20 . Der Schutz des Individuums wurde nur noch i n den Kategorien der Legalität, des gerichtlichen Rechtsschutzes und der Rechtssicherheit, d. h. i n den Kategorien eines formalen Rechtsstaatssystem gesehen. Die am Anfang der Grundrechtsentwicklung stehende Idee, daß Freiheit und Recht sich wechselseitig bedingen und daß die Grundrechte selbst, insbesondere aber die Meinungs- und Pressefreiheit, dabei eine ganz wesentliche freiheitsverbürgende Funktion besitzen, war dem Positivismus fremd. Für eine Staatstheorie, die keinen Sinn dafür hatte, daß die Verfassung nicht nur einen juristischen Normenkomplex, sondern gleichzeitig eine politische „Prozeßordnung" darstellt, mußten auch die Grundrechte den Charakter relativ beliebiger und zufälliger Begrenzungen der Staatsgewalt ohne juristisch relevanten eigenen Sinngehalt besitzen 21 . 18

Jellinek, a.a.O., S. 104. Smend, Bürger und Bourgeois, in: Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 314. 20 ff. Maier, Die ältere deutsche Staatslehre, S. 17. 21 Daß es allerdings auch unter den damaligen Juristen vereinzelt andere Stimmen gab, zeigt folgendes Zitat des schweizerischen Presserechtlers Oskar Wettstein: „Der konstitutionelle S t a a t . . . bedarf der Freiheit der allgemeinen Meinungsäußerung... Sie wird auch so zu einem konstitutiven Bestandteil des Staates. Statt in Gegensatz zu der in der Presse zum Ausdruck gelangenden öffentlichen Meinung, wie der Absolutismus, tritt der Konstitutionalismus in ein fest geregeltes Verhältnis zu ihr, er nimmt sie, wenn wir so sagen dürfen, mit gewissen Vorbehalten und Garantien in sich auf. »Pressefreiheit 1 bedeutet deshalb zunächst nicht sowohl das Verhältnis zwischen dem Einzelnen und dem Staat, als dasjenige des Staates zur öffentlichen Meinung; sie erschöpft sich nicht in einem subjektiven Recht der freien Meinungsäußerung, sie ist das historisch gewachsene und konstitutionell festgelegte Recht eines Volkes, sein politisches Denken und Empfinden durch ein Organ zu äußern, das nicht gleichzeitig, wie das Parlament, Willensorgan des Staates ist. Daraus folgt auch, daß die Pressefreiheit nicht nur den negativen Begriff der 19

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4. Pressefreiheit und Rechtsprechung Ganz i m Einklang m i t der positivistischen Staatsrechtslehre stand auch die Rechtsprechung, die sich m i t der Presse speziell unter dem Gesichtspunkt des § 193 StGB zu befassen hatte. Die damals sehr häufig mit Beleidigungs- und Verleumdungsprozessen überzogene Presse nahm für sich den Rechtfertigungsgrund der „Wahrnehmung berechtigter Interessen" i n Anspruch, indem sie auf die seit den Zeiten von Görres von der Presse geltend gemachte Funktion hinwies, als „Sprachrohr des Volkes" bzw. „Organ der öffentlichen Meinung" an öffentlichen Mißständen K r i t i k zu üben. Unter Berufung auf die Motive des Gesetzgebers und i n Übereinstimmung m i t der herrschenden Staatsrechtslehre lehnte das Reichsgericht jedoch i n ständiger Rechtsprechung 22 jede Privilegierung der Presseäußerung gegenüber sonstigen Äußerungen i n mündlicher oder schriftlicher Form ab. Das Reichsgericht stand auf dem Standpunkt, daß die Presse keine öffentliche Aufgabe erfülle, sondern regelmäßig i n Ausübung eines „rein eigennützigen, persönlichen Interesses" 23 handele. Wie jeder andere Bürger müsse daher auch der Journalist, der sich auf § 193 StGB berufe, den Nachweis erbringen, daß i h n die erörterte Angelegenheit „wegen eines besonderen Verhältnisses zu ihr nahe angeht" 2 4 . Weder der Umstand, daß die Äußerung i n der Presse erfolgt sei, noch das allgemeine staatsbürgerliche Interesse an öffentlichen Angelegenheiten könne eine solche Beziehung begründen. A n diesen Grundsätzen hielt das Reichsgericht auch nach Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung i n ständiger Rechtsprechung 25 fest. Zwar sei nun „das Volk i n seiner Gesamtheit" Träger der Staatsgewalt. Der einzelne Staatsbürger habe daran jedoch nur insoweit Anteil, „als i h m i n der Verfassung ein Wahl- oder Abstimmungsrecht eingeräumt ist"; i m übrigen werde die Staatsgewalt durch die verfassungsmäßigen Staatsorgane gehandhabt 26 .

Befreiung von Präventivmaßregeln in sich schließt, sondern sie positive A n erkennung der Presse als eines der Organe der öffentlichen Meinung, auf die sich der konstitutionelle Staat stützen muß, enthält." (Über das Verhältnis zwischen Staat und Presse, S. 18 f.). 22 RGSt 23, 285 u. 422; 25, 67; 30, 41; 40, 101; 41, 277, 285. 23 RGSt 40, 102. 24 RGSt 23 422 423. 25 Vgl. RGSt 56, 380; 59, 414; 62, 83, 93; 64, 10; 65, 359; RGZ 115, 79 ff. 28 RGSt 56, 383 f.

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

V I . Die Theorie der Pressefreiheit i n der Weimarer Republik 1. Die Reformentwürfe für ein Presse- und Journalistengesetz 1918, als die alte Ordnung des Kaiserreichs zusammengebrochen war und die Staatsgewalt i n den Händen der sozialistischen Parteien, den einzigen noch intakten politischen Organisationen i n Deutschland, lag, schien auch eine Reorganisation des Pressewesens notwendig und möglich geworden zu sein; denn die sozialistischen Kräfte v. a. waren es, die schon i n der Vorkriegszeit eine grundlegende Pressereform gefordert hatten. Tatsächlich wurden auch in Kreisen der provisorisch etablierten Räteregierung Pläne für eine Sozialisierung der Presse auf der Basis eines Rätesystems ausgearbeitet 1 . Keiner dieser Reformpläne hatte jedoch eine ernsthafte Chance, i n die Wirklichkeit umgesetzt zu werden, nachdem sich innerhalb der Linken der reformistische Flügel der Sozialdemokratischen Partei durchgesetzt hatte und die Aufgabe der konstitutionellen Neuordnung Deutschlands einer verfassungsgebenden Versammlung vorbehielt. Die Weimarer Reichsverfassung stellte, wie auf den meisten anderen Gebieten, so auch auf dem Gebiet der Presse, einen Kompromiß dar. Es wurde nun zwar erstmals i n einer deutschen Reichsverfassung das Grundrecht der Freiheit der Meinungsäußerung und -Verbreitung (die Pressefreiheit war nur als „Druckfreiheit" geschützt!) garantiert. Jedoch wurde die bisherige Struktur des Pressewesens, die sich nach den ersten Nachkriegswirren schon sehr schnell wieder etabliert hatte, nicht in Frage gestellt. Die Presseentwicklung i n der Weimarer Zeit stellt sich daher — auch i n juristischer Hinsicht — als direkte, kontinuierliche Fortsetzung der Vorkriegsentwicklung dar. Da anderseits aber auch die Probleme und Widersprüche i n der Presse unverändert geblieben waren, lebte schon sehr bald wieder die Reformdiskussion auf. I m Gegensatz zur Vorkriegszeit war die Reformdiskussion in der Weimarer Zeit nicht nur Ausdruck des Unbehagens einzelner an oder i n der Presse Engagierter; sie wurde jetzt vielmehr von den Presseverbänden, insbesondere dem Reichsverband der deutschen Presse (RVdP), aufgegriffen und zum Gegenstand ihrer Verbandspolitik gemacht. Die Bemühungen des Reichsverbands konzentrierten sich auf ein Journalistengesetz, i n dem die „öffentliche Aufgabe der Presse" gesetzlich verankert, die „innere Pressefreiheit" gegenüber dem Verleger und äußeren Einwirkungen gesichert, die soziale Stellung des Redakteurs 1 Vgl. den Vorschlag Schumanns bei Roegele—Glotz, Pressereform und Fernsehstreit, S. 104 ff., der in Teil 3 der Arbeit näher zu behandeln sein wird.

V I . Die Theorie der Pressefreiheit in der Weimarer Republik

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verbessert u n d M a ß n a h m e n z u m Schutz gegen d e n M i ß b r a u c h d e r Pressef r e i h e i t g e t r o f f e n w e r d e n sollten. 1924 legte der R V d P d e n Entwurf eines Journalistengesetzes (E RVdP) v o r , a u f dessen G r u n d l a g e noch i m selben J a h r v o m R e i c h s i n n e n m i n i s t e r i u m u n t e r F e d e r f ü h r u n g des M i n i s t e r i a l rats Häntzschel e i n eigener Entwurf zu einem Journalistengesetz (E RMdl) ausgearbeitet w u r d e , d e r — i m Gegensatz z u e r s t e r e m — e r h e b l i c h d e t a i l l i e r t e r u n d j u r i s t i s c h präziser gefaßt w a r . V o n d e n R e f o r m v o r s c h l ä g e n der V o r k r i e g s z e i t unterscheiden sich die G e s e t z e n t w ü r f e d e r W e i m a r e r Z e i t 2 v o r a l l e m d a r i n , daß sie d i e p r i v a t w i r t s c h a f t l i c h e O r d n u n g der Presse, insbesondere i h r e V e r b i n d u n g m i t d e m Inseratewesen, a k z e p t i e r e n u n d l e d i g l i c h nach e i n e m A u s g l e i c h b z w . einer K a n a l i s i e r u n g der sich aus der V e r b i n d u n g p r i v a t e r Interessen u n d ö f f e n t l i c h e r A u f g a b e n ergebenden S p a n n u n g e n suchen. D e r A n s a t z p u n k t f ü r R e f o r m e n l i e g t daher j e t z t n i c h t m e h r i m Inseratewesen, sondern i n organisatorischen R e g e l u n g e n b z w . gesetzlichen G e b o t e n u n d V e r b o t e n , die das Z i e l haben, d e n V e r a n t w o r t u n g s b e r e i c h des J o u r n a l i s t e n als W a h r e r der „ ö f f e n t l i c h e n A u f g a b e " gegenüber d e m V e r l e g e r abzugrenzen. Diesem Ziel sollten im einzelnen folgende Maßnahmen dienen: (1) Verpflichtung des redaktionellen Teils auf die Wahrung öffentlicher Interessen (§ 14 E RVdP, § 3 E RMdl). (2) Kompetenzabgrenzung zwischen Verlag und Redaktion: Der Verleger wird auf eine Richtlinienkompetenz beschränkt, innerhalb derer die Redaktion Gestaltungsfreiheit besitzt. Veröffentlichungen ohne Zustimmung der Redaktion müssen als solche des Verlegers gekennzeichnet sein (§ 13 E RVdP, §§ 4, 5 E RMdl). (3) Gesinnungsschutzklausel bei Richtungsänderung: I m Falle einer Richtungsänderung der Zeitung steht dem Redakteur ein fristloses Kündigungsrecht und ein Anspruch auf Abfindung neben dem normalen Gehaltsanspruch bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zu (§ 12 E RVdP, § 13 E RMdl). (4) Maßnahmen der sozialen Sicherung des Redakteurs wie: Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfalle, Kündigungsschutz, Verbot der vertraglichen Beschränkung der Freizügigkeit (§§ 4 ff. E RVdP, §§ 15 ff. E RMdl). (5) Straftatbestände der Pressenötigung und Pressebestechung (§ 14 E RVdP, § 28 E RMdl). (6) Errichtung von Pressekammern, die paritätisch aus Vertretern der Verleger und der Journalisten unter Vorsitz eines Berufsrichters zusammengesetzt sind. Ihre Aufgabe sollte in der Erteilung von Gutachten, der Tätigkeit als Schiedsgerichte bei Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis, der Vertretung journalistischer Standesinteressen und der Funktion als Ehrengerichte bei Verstößen gegen die journalistischen Berufspflichten bestehen (§ 16 E RVdP, §§ 20 ff. E RMdl). I n den beiden letzteren Fällen sah der E R M d l die Bildung einer Schriftleiterkammer aus den dem Schriftleiterstand angehörigen Kammermitgliedern vor. 1 Sämtliche Gesetzesentwürfe sind abgedruckt bei Bringmann, und ihr Recht, in: Festschrift für A. Betz, S. 117 ff.

Die Presse

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

Die für die Wirksamkeit der Pressekammern entscheidende Frage war ihr rechtlicher Status. Hatten sie die Stellung bloßer Verbandsgerichte 3 , so konnte sich der Betroffene eventuellen Sanktionen jederzeit durch Austritt aus dem Verband entziehen. Während diese Frage i m E RVdP ungeklärt blieb, sah der E R M d l die Rechtsform einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft für die Pressekammern vor. Ein mit Berufsverbot belegter Schriftleiter durfte danach von keinem Verleger beschäftigt werden, andernfalls dieser sein aktives und passives Wahlrecht für die Pressekammer verlieren sollte. Nach dem E R M d l sollten die Pressekammern zweigliedrig auf Landes- und Reichsebene errichtet werden und jeweils unter ministerialer Rechtsauf sieht stehen. Noch entschiedener als i n der Vorkriegszeit hat sich somit nach 1918 der funktionale Aspekt der Pressefreiheit, d. h. die „öffentliche Aufgabe" der Presse und das damit zusammenhängende Problem der zur Wahrnehmung dieser Funktion erforderlichen Maßnahmen i n den Vordergrund geschoben. Dementsprechend verlagerte sich auch das Freiheitsproblem, stärker als i m Kaiserreich, von der Abwehr staatlicher Eingriffe auf die sich aus der Struktur der Presse ergebenden Gefahren für die Pressefreiheit, d.h. auf das Problem der „inneren Pressefreiheit". Alle i n den Jahren 1924—1932 ausgearbeiteten presserechtlichen Gesetzentwürfe sprachen der Presse eine „öffentliche Aufgabe" bzw. die „Wahrnehmung öffentlicher Interessen" zu. Zum Träger dieser Aufgabe wurde der Schriftleiter erklärt, der deshalb auch gegenüber den privatgerichteten verlegerischen Interesseneinflüssen geschützt wurde. Die vorgesehene Errichtimg von Pressekammern als öffentlich-rechtliche Körperschaften wäre die folgerichtige Konsequenz der Anerkennung des Journalisten als Träger einer „öffentlichen Dienstleistung" (Dovifat) gewesen und hätte dem Journalistenberuf den Charakter eines staatlich-gebundenen Berufs m i t eigenem Standesrecht, ähnlich dem des Rechtsanwalts und Arztes, gegeben. Gegenüber der individualistischen liberalen Auffasung des Journalistenberufs als „freiestem aller freien Berufe" hätte sich damit die Idee des Vormärz vom „öffentlichen A m t " des Journalisten, i n einer allerdings verstaatlichten Form, durchgesetzt. Anders als für die Publizisten des Vormärz wäre dann die öffentliche Aufgabe jedoch nicht mehr bloße Beschreibung einer von der Presse i n ihrer Gegenüberstellung zum Staat tatsächlich ausgeübten Funktion, gewesen, sondern hätte normative Bedeutung erhalten mit der Folge, daß sie notfalls auch gegen die Presse selbst mit Hilfe staatlich eingesetzter Institutionen hätte durchgesetzt werden können. Trotzdem wäre es unrichtig, die Entwürfe zu einem Journalistengesetz als direkte Vorläufer des späteren nationalsozialistischen Schriftleiter8 Wie das Ehrengericht des RVdP; näheres bei Heinrichsbauer, selbstkontrolle, S. 38 ff.

Presse-

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gesetzes zu qualifizieren. Trotz äußerer Ähnlichkeiten liegt der wesentliche Unterschied darin, daß den Weimarer Reformentwürfen die grundrechtlich abgesicherte „Staatsfreiheit" der Presse als selbstverständliche Voraussetzung zugrunde lag, während das Schriftleitergesetz den Redakteur zum staatlichen Funktionär bestellte. Zwar wurde i n der Weimarer Zeit der Staat nicht mehr nur als feindliches Gegenüber der Presse sondern auch als Garant verfassungsrechtlicher Freiheitsgewährleistung angesehen, doch wurde die Presse nach wie vor (im Gegensatz zum D r i t ten Reich) i n dem dualistischen Modell Staat — Gesellschaft dem gesellschaftlichen Bereich zugeordnet und sollte von allen materiellen Eingriffen des Staates freigehalten werden. Ebensowenig begründet ist die Ansicht CzajJcas4, daß bei Errichtung der Pressekammern als öffentlich-rechtliche Körperschaften die Pressefreiheit von einem Grundrecht der Journalisten und Verleger zu einem „Grundrecht" der Presseorganisationen und -kammer geworden wäre, und daß für die Journalisten an die Stelle der bisherigen Abhängigkeit von den Verlegern lediglich das „nicht minder weitreichende Interventionsrecht der Kammern" getreten wäre. Die Pressekammern hatten den Charakter von Selbstverwaltungseinrichtungen und können schon deshalb nicht i n der Weise, wie Czajka es tut, gegen die Journalisten und Verleger ausgespielt werden. Der Staat war auf eine bloße Rechtsaufsicht beschränkt, sodaß er allenfalls ein Ehrengerichtsverfahren hätte einleiten oder eine bestimmte Maßnahme hätte aufheben können, aber nicht selbst eine bestimmte Entscheidung hätte erzwingen können. Da die Pressekammern zudem keine eigenen publizistischen Funktionen hatten, sondern lediglich bestimmte Standesgrundsätze aufstellen und deren Einhaltung überwachen sollten, u m damit die Presse zur Abwehr sachfremder Einfllüsse und zur Wahrnehmung ihrer eigentlichen publizistischen Aufgaben zu befähigen, ist es völlig abwegig, von einer Verlagerung des Grundrechts der Pressefreiheit auf diese Kammern zu sprechen. Betrachtet man als eigentlichen K e r n der Pressefreiheit die Freiheit der publizistischen Aussage, so hätte diese Freiheit nach wie vor bei den in der Presse tätigen Personen gelegen. Die Kammern hatten nur Schutz- und Garantiefunktionen. Ihre Errichtung wäre ein Schritt zu einer institutionellen Betrachtung der Pressefreiheit gewesen. Zwar scheiterten alle gesetzlichen Reformbemühungen der Weimarer Zeit am Widerstand der Verlegerverbände und an den politischen Umständen. Die Verleger beharrten gegenüber den Intentionen des RVdP, den Journalisten zum Träger der „öffentlichen Aufgabe" und damit zum eigentlichen Träger der Pressefreiheit zu erklären, auf ihrem Stand4

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Pressefreiheit und „öffentliche Aufgabe" der Presse, S. 60, 62.

Stammler

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

punkt, daß der Redakteur „rechtlich Beauftragter des Verlegers" und „ i n der Zeitung nichts aus eigenem Recht, alles aus Verlegers Recht" 5 sei. Allerdings mußten sie sich angesichts der drohenden Gefahr eines Journalistengesetzes i m Manteltarifvertrag von 1926 schließlich doch zur tarifvertraglichen Verpflichtung der Zeitung auf die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe und zu einer Kompetenzregelung zwischen Verleger und Journalisten, die inhaltlich i n etwa den Gesetzentwürfen entsprach, bereit finden. 2. Die Pressefreiheit in der Staatsrechtslehre Ähnlich wie bereits vor 1918, ist auch i n der Weimarer Republik k a u m eine Verbindung zwischen der öffentlichen Diskussion u m die Pressereform und der Verfassungstheorie erkennbar. Die Staatsrechtslehre knüpfte nach 1919 wieder an die Vorkriegstradition an und bemühte sich, die neue Reichsverfassung ohne Berücksichtigung ihrer ganz anderen staatstheoretischen Grundlagen i n die positivistischen Denkkategorien der konstitutionellen Monarchie einzuordnen. Der für eine deutsche Reichsverfassung neue Grundrechtsteil war i n diesem System von vornherein ein Fremdkörper, der angesichts seines politischideologischen Kompromißcharakters spöttisch als „interfraktionelles Parteiprogramm" abgetan, wenn nicht sogar überhaupt als unnötig betrachtet wurde 6 . Vor ein besonderes Problem sah sich die herrschende Weimarer Staatsrechtslehre durch die verfassungsrechtliche Verankerung demokratischer Teilhabe- und sozialer Grundrechte gestellt, die dem Bürger neben dem status negativus einen status activus bzw. positivus verliehen. Diese neuen Freiheitsrechte waren m i t dem positivistischen Begriff der „ n a t ü r lichen Freiheit", die juristisch erst durch ihre Negation existent wurde, nicht mehr faßbar. Dennoch reduzierte die h. L., am klarsten formuliert durch Carl Schmitt 7, die Weimarer Verfassung ihrem Wesen nach auf die i n i h r enthaltenen Elemente eines bürgerlich-liberalen Rechtsstaats, i n nerhalb dessen insbesondere der status positivus einen den V e r f a l l des bürgerlichen Liberalismus anzeigenden Fremdkörper darstellte, und m i t dem die Staatsrechtslehre letztlich nichts anzufangen wußte 8 . Juristisch 5

Zit. nach Bringmann, a.a.O., S. 123. So u. a. auch Hugo Preuß, der „geistige Vater" der Weimarer Verfassung; auf der anderen Seite v. a. Friedrich Naumann (vgl. dazu i. e. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, S. 508 f.). 7 Verfassungslehre, S. 163 ff.; Inhalt und Bedeutung des zweiten Hauptteils der Reichsverfassung, in: Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. 2, S. 590 f. 8 Thoma (Die juristische Bedeutung der grundrechtlichen Sätze der Deutschen Reichsverfassung im allgemeinen, in: Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 1, S. 19) sieht als „Grundrechte im materiellen 6

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entledigte man sich dieses Problems dadurch, daß der gesamte Grundrechtskatalog unter die Alternative „Programm — positives Recht" gestellt wurde, wobei als positives Recht i m Grunde nur die einen Unterlassungsanspruch gewährenden Freiheitsrechte angesehen wurden, während die sozialen Grundrechte, für die keine herkömmliche Anspruchskategorie zur Verfügimg stand, als rechtlich unverbindliche „Programmsätze" aus dem juristischen Blickfeld auf die politische Ebene abgeschoben wurden. Aber auch die klassischen Freiheitsrechte wurden unter dem Einfluß des positivistischen Denkens ihrer spezifischen verfassungsrechtlichen Bedeutung weitgehend entleert. Ihre Funktion wurde nach wie vor ausschließlich i n der Gewährleistung der Freiheit vom Staat gesehen. Nach den Worten Thomas sind sie „Stationen i n dem ewig hin- und herflutenden Prozeß ,the man versus the State'" 0 . Dies gilt auch hinsichtlich der Pressefreiheit, deren fundamentale Bedeutung für die Demokratie Thoma zwar erkennt 1 0 , ohne daß er daraus jedoch juristische Konsequenzen zieht. Die herrschende Weimarer Grundrechtslehre verharrte somit bei dem positivistischen „Eingriffs- und Schrankendenken", i n dem sie sich durch die den meisten Grundrechten beigefügten Gesetzesvorbehalte bestätigt sah. Sie erblickte dementsprechend i n den Grundrechten lediglich eine (im Grunde überflüssige) „kasuistisch gefaßte Darlegung des allgemeinen Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung" und i n materieller Hinsicht „Richtlinien für spezialgesetzliche Ausgestaltungen" 11 , die jedoch i m Ergebnis ebenfalls nicht mehr als nur politisch-programmatische Bedeutung besaßen12. Da die Grundrechte allein staatlicher Setzung ihre Geltung verdanken und eine den Art. 19 Abs. 2, 78 GG vergleichbare Vorschrift i n der Weimarer Verfassung fehlte, standen sie zur freien Disposition des Gesetzgebers 13, der lediglich an die Einhaltung von Verfahrensvorschriften gebunden war. Sinne" nur die Freiheitsrechte an, wobei er nicht zwischen Verfassungsnormen und einfachgesetzlichen Freiheitsverbürgungen unterscheidet. 9 Grundrechte und Polizeigewalt, in: Festgabe für das preußische OVG, S. 187. 10 Vgl. Thoma, Das Reich als Demokratie, in: Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. 1, S. 190. 11 Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, S. 511. 12 Nur vereinzelt, zuerst von E. Kaufmann (VVDStRL 3, S. 18), später von Thoma (Die juristische Bedeutung der grundrechtlichen Sätze der Deutschen Reichsverfassung im allgemeinen, a.a.O., S. 14, 29 f.) wird darauf hingewiesen, daß den Grundrechten verbindliche Wertentscheidungen zugrunde liegen. 13 Vgl. Hellwig, Art. 118, in: Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 2, S. 5, 10 f.; Carl Schmitts Lehre von den Grenzen der Verfassungsänderung, die dort liegen, wo die Grundlagen der Verfassung selbst tangiert werden (Verfassungslehre, S. 102 ff.), fand keinen Anklang (vgl. die Kritik Thomas, a.a.O., S. 40 ff.). 8*

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

Eine sehr bedeutsame Fortentwicklung der Weimarer Grundrechtslehre stellt Carl Schmitts Lehre von den Instituts- und institutionellen Garantien der Verfassung dar. Carl Schmitt versteht darunter positivrechtlich geschaffene und durch Normenkomplexe umschriebene Rechtsinstitute, die i n ihrem Bestand verfassungskräftig gesichert werden sollen 14 . Die Gewährleistung erfolgt um der Institution selbst, nicht um eines individuellen Interesses willen, sodaß die Gewährung subjektiver Rechte, die sich aus der Institution ableiten, hinter dem institutionellen Aspekt zurücktritt 1 5 . I n seiner 1931 erschienenen Abhandlung „Freiheitsrechte und institutionelle Garantien der Reichsverfassung" differenziert Schmitt innerhalb der „Einrichtungsgarantien" 16 zwischen „institutionellen Garantien" als Gewährleistungen wesentlich öffentlich-rechtlicher Einrichtungen und „Institutsgarantien", denen privatrechtliche Einrichtungen zugrunde liegen und die er beide begrifflich scharf voneinander scheidet. Beide Arten von Einrichtungsgarantien bringt Schmitt i n engen Zusammenhang m i t den Grundrechten. I m bürgerlich-liberalen Rechtsstaat entstehen sie dann, wenn das Vertrauen auf die Achtung des Gesetzgebers vor den bürgerlichen Freiheiten unsicher wird. Zu den Freiheitsgewährleistungen treten dann „Garantien, die nicht unmittelbar die Freiheit selbst, sondern Schutznormen und -einrichtungen zur Verteidigung und Umhegung der Freiheit gewährleisten sollen" 1 7 . Einrichtungsgarantien sind somit „Konnex- und Komplementärgarantien zu einer allgemeinen Freiheit" 1 8 . Als typisches Beispiel für die Entwicklung vom allgemeinen Freiheitsrecht zu einer Institution (im untechnischen Sinne) hebt C. Schmitt die Entwicklung von der Freiheit der Meinungsäußerung zur Garantie der Pressefreiheit hervor, die den Zweck hat, ein bestimmtes technisches Mittel der Meinungsäußerung i m Hinblick auf seine Bedeutung für die Meinungsfreiheit und seine Empfindlichkeit gegenüber staatlichen Eingriffen zu schützen 19 . Die Folge der Einrichtungsgarantie ist jedoch eine „Privilegierung", i n diesem Fall der Druckerpresse. Damit aber verstößt der bürgerlich-liberale Rechtsstaat gegen seine eigenen Prinzipien, denn seinem Ursprung und Wesen nach steht er i n schärfstem Gegensatz zu den m i t dem vorbürgerlichen Feudalstaat verbundenen Exemtionen, Immunitäten und Privilegien. I n den Augen Schmitts stellt die Entwicklung „von der Freiheit 14

Verfassungslehre, S. 170 f., 173. Freiheitsrechte und institutionelle Garantien, in: Verfassungsrechtliche Aufsätze, S. 149. 16 Dieser Begriff wird von C. Schmitt wegen seiner begrifflichen Unschärfe abgelehnt. 17 Freiheitsrechte und institutionelle Garantien, S. 169. 18 Ebd., S. 171. 19 Schmitt weist ausdrücklich darauf hin, daß die Pressefreiheit nach dem Wortlaut des Art. I V der Frankfurter Grundrechte von 1848 „als institutsähnliche konnexe Sicherung dem allgemeinen Grundrecht der freien Meinungsäußerung gegenüberstünde" (a.a.O., S. 171). 15

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zur Institution" dadurch, daß sie m i t staatlich gewährleisteten, illiberalen „Privilegien" verbunden ist, eine Sünde wider den Geist des bürgerlich-liberalen Rechtsstaats dar, die aus einem Vertrauensschwund der Bürger dem Staat gegenüber resultiert. Da der Staat durch die Gewährung eines Privilegs gestaltend i n den Freiheitsraum der Gesellschaft eingreift und damit die i h m i n einer rechtsstaatlich-liberalen Verfassung gezogene Grenze überschreitet, schränkt er durch die Institutionalisierung der Freiheit i n der Konsequenz die „natürliche" liberale Freiheit ein. Die entscheidenste Gegenposition zur traditionellen Verfassungstheorie i n der Weimarer Zeit stellt Rudolf Smends „Integrationslehre" dar, die er — m i t Unterstützung Erich Kaufmanns — insbesondere auf der 4. Staatsrechtslehrertagung vertritt. Smend wendet sich gegen die A u f fassung von der Verfassung als bloßem Normenkomplex, die den Zweck habe, die Organisation des als „unbegreifliche, feste Wirklichkeit" vorausgesetzten Staates zu regeln und der Machtausübung der Staatsorgane bestimmte Schranken zu setzen. Er stellt dem seine Auffassung vom Staat als „Willensverband", als „wirkliche Lebenseinheit" entgegen, dem die Verfassung „eigentliche Substanz", d.h. Form und sachlichen Inhalt gibt 2 0 . Der Staat ist bei Smend kein statisch-zeitloses Ideengebilde, sondern ein ständiger „Integrationsprozeß", innerhalb dessen den Grundrechten ganz wesentliche Bedeutung als dynamischer Faktor zukommt 2 1 . Sie erst setzen diesen Integrationsprozeß i n Gang und geben i h m die Richtung und verbindliche Basis. I n dieser, das Staatsganze konstituierenden und „integrierenden Funktion" liegt der eigentliche verfassungsrechtlich bedeutsame Inhalt der Grundrechte 22 . Die von der h. L. i n den Vordergrund gestellten „verwaltungsrechtlichen Einzelfolgen sind (demgegenüber) eine sekundäre und untergeordnete, i m Verhältnis zu jenem staatsrechtlichen Inhalt technische Frage" 2 3 . Träger dieses zum Staat hinführenden Integrationsprozesses ist nicht mehr der liberale „Bourgeois", sondern der i m „status politicus" befindliche „Staatsbürger" und „die Grundrechte sind sozusagen das Standesrecht dieses neuen Berufs" 2 4 . Dem Staatsbürger erscheint die „Sphäre der anscheinend privaten Grundrechte nicht als trennender Vorbehalt gegenüber dem Staat, sondern als verbindende Beziehung zu ihm, als Grundlage politischer Eignung" 2 5 . 20

W D S t R L 4, S. 46. Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 18 ff., 158 ff.; darauf weist auch C. Schmitt hin (Inhalt und Bedeutung des 2. Hauptteils der RV, a.a.O., 5. 578 ff.), jedoch spricht er dem Grundrechtsteil der W R V wegen seiner Heterogenität die Funktion einer „Gesamtentscheidung" ab. 22 Wie auch z. B. der Bestimmung über die Reichsfarben. 23 W D S t R L 4, S. 49. 24 Bürger und Bourgeois, in: Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 316. 25 Bürger und Bourgeois, a.a.O., S. 318. 21

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

Innerhalb dieses politischen Integrationsprozesses nimmt das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit eine ganz wesentliche Funktion ein. Es ist zwar „zunächst ein Stück sittlich notwendiger Lebensluft für den Einzelnen, die Wahrheit sagen zu dürfen", stellt dann aber auch „eine der wichtigsten Voraussetzungen und Formen des politischen Gemeinschaftslebens überhaupt" dar. „Diese soziale, gruppenbildende Funktion der Meinungsäußerung ist nicht nur Motiv und Sinn des Grundrechts, sondern gehören zu dem von i h m geschützten Tatbestande 26 ." Obwohl Smend i n seiner Grundrechtstheorie wesentlich auf die verfassungsinstitutionelle Bedeutung der Grundrechte abstellt 2 7 und gerade bei der Meinungsfreiheit die funktionalen, überindividuellen Elemente hervorhebt, bleibt er bei der Auffassung von der Meinungsäußerungsfreiheit als „echtem Freiheitsrecht" mit ausschließlich individualrechtlichem Charakter stehen 28 . Erst in seiner 1946 erschienenen Abhandlung über das „Problem der Presse i n der heutigen geistigen Lage" distanziert er sich hinsichtlich der Pressefreiheit von einem einseitig liberalen Verständnis, indem er die Kompetenz des Staates zu einer „positiven Gestaltung des Berufsstandes" hervorhebt 2 9 . Als Außenseiter i n der Weimarer Staatsrechtslehre, der jedoch als verantwortlicher Referent für Presserechtsfragen i m Reichsinnenministerium m i t der Presserechtspraxis i n enger Berührung steht, hebt Häntzschel den Wandel von der individualistischen zur überindividuellen Auffassung der Meinungs- und Pressefreiheit und deren Funktion als „eine der wichtigsten Grundlagen des staatlichen und Gemeinschaftslebens" besonders deutlich hervor 8 0 . Er zieht daraus — entschiedener als Smend — den Schluß, daß die Pressefreiheit heute nicht mehr allein um des Einzelnen willen gewährleistet ist, „sondern zugleich und vor allem auch i m öffentlichen Interesse der Volksgesamtheit" liegt. „Die Pressefreiheit ist damit aus einem reinen Individualrecht, soweit die periodische Presse i n Frage kommt, gleichzeitig zu einem Sozialrecht geworden 3 1 ." Die i n der Nachkriegszeit entwickelte Lehre von der Doppelgesichtigkeit der Pressefreiheit als subjektiv öffentliches Recht und als institutionelle Garantie klingt i n dieser Formulierung bereits an. Häntzschel ist auch der einzige i n der damaligen Rechtswissenschaft, der die Gefahrverlagerung der Pressefreiheit vom Staat auf soziale und w i r t schaftliche Machtgruppierungen erkennt und als Ausdruck dessen auf 28

V V D S t R L 4, S. 50. Vgl. dazu auch den Diskussionsbeitrag E. Kaufmanns auf der Staatsrechtslehrertagung (VVDStRL 4, S. 77 ff.). 28 V V D S t R L 4, S. 71. 29 In: Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 389. 30 Das Recht der freien Meinungsäußerung, in: Handbuch des Deutschen Staatsrechts Bd. 2, S. 652. 31 Presserecht, S. 23. 27

V I I . Die Stellung der Presse während des Nationalsozialismus

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die „ D r i t t w i r k u n g " der Meinungsfreiheit i n Art. 118, Abs. 1, S. 2 W K V hinweist 8 2 . Wie zerrissen die Weimarer Staatsrechtslehre war, zeigt deutlich eine Bemerkung Thomas auf der 4. Staatsrechtslehrertagung, i n der er seine Besorgnis äußert über das „beunruhigende Symptom der gegenwärtigen wissenschaftlichen Situation, daß selbst i n einem so engen Kreise spezialisierter Fachgelehrter sich eine solche K l u f t des Nichtverstehens der Problematik und der Terminologie der einen Gruppe durch die andere Gruppe auftut" 8 3 . Allerdings ist dem i m folgenden Jahr erscheinenden Beitrag von Thoma i n „Grundrechte und Grundpflichten der R V " 3 4 zu entnehmen, daß die Lehre Smends schon innerhalb kurzer Zeit starke Resonanz gefunden hat. Wahrscheinlich hätte sie sich schließlich durchgesetzt, wenn der weiteren Diskussion nicht schon vier Jahre später ein gewaltsames Ende gesetzt worden wäre.

V I I . Die Stellung der Presse i n der Staatsrechtslehre des Nationalsozialismus I n der Geschichte der Pressefreiheit sind die Jahre 1933—1945 durch einen Bruch m i t allen seit der Zeit des Konstitutionalismus entwickelten Werten gekennzeichnet. Trotzdem kann diese Periode gerade i n diesem Zusammenhang nicht übergangen werden, denn das nationalsozialistische Presserecht beruhte zwar auf völlig andersartigen staats- und freiheitstheoretischen Grundlagen, knüpfte jedoch an bestimmte Vorstellungen und Begriffe der vorangegangenen Zeit an, die es aus ihrem verfassungsrechtlichen Zusammenhang löste und m i t dem Inhalt der neuen Ideologie füllte. Die Presserechtsgeschichte der NS-Zeit zeigt damit Gefahren auf, die i n Begriffen wie der „öffentlichen Aufgabe der Presse" und i n der Institutionalisierung der Grundrechte liegen. Die spezifische Ausprägung, die diese Begriffe während des Dritten Reichs erhalten haben, kann jedoch nicht ohne eine kurze Betrachtung der allgemeinen Grundlagen des nationalsozialistischen Staatsrechts gewürdigt werden. Der nationalsozialistische Staat verstand sich als revolutionäre Schöpfung, die sich zwar formal auf dem Boden der Legalität vollzog, die aber gegenüber dem Weimarer Staat etwas vollkommen Neues sowohl i n ihren geistigen Grundlagen als auch i n ihrem organisatorischen Aufbau darstellte 1 . Grundlage des nationalsozialistischen Staats ist die Einheit von „Volk, Staat und Bewegung", die verkörpert w i r d i n der Person 82 33 34 1

Das Recht der freien Meinungsäußerung, a.a.O., S. 652. W D S t R L 4, S. 86. a.a.O., S. 11 ff.; ähnlich C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 161 f. Vgl. dazu Carl Schmitt, Staat, Volk und Bewegung, S. 5 ff.

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

des „Führers" 2 . Der Staat ist kein bloßer inhaltsleerer Organisationskomplex mehr, sondern der „politisch-statistische Teil" eines von einem einheitlichen Willen durchdrungenen politischen Gesamtgefüges. Die „Bewegung" als „politisch-dynamisches Element" formte diesen Willen, während das „ V o l k " die i m Schutz und Schatten der politischen Entscheidungen wachsende unpolitische Seite verkörperte. Da kein Bereich innerhalb des Gemeinschaftslebens a priori unpolitisch war und „gerade die Entscheidung darüber, ob eine Angelegenheit oder ein Sachgebiet unpolitisch ist, i n spezifischer Weise eine politische Entscheidung darstellt", diese Entscheidung aber der Partei, verkörpert i m „Führer", vorbehalten war, war der nationalsozialistische Staat „total". Für Freiheitsrechte, die eine gegenüber dem Staat autonome Sphäre des Bürgers hätten abgrenzen sollen, war i n diesem totalen Staat kein Raum. „ A n die Stelle des isolierten Individuums ist der i n die Gemeinschaft gliedhaft eingeordnete Volksgenosse getreten, der von der Totalität des politischen Volkes erfaßt und i n das Gesamtwirken einbezogen ist. Es kann hier keine private staatsfreie Sphäre mehr bestehen, die der politischen Einheit gegenüber unantastbar und heilig wäre 3 ." Die negative „Überwindung des »subjektiven Rechts'" fand ihre positive Entsprechung i n der „konkreten Gliedstellung des Volksgenossen" 4 . Der seiner individuellen Rechte beraubte, zum „Volksgenossen" gewordene Bürger war nun ein „lebendiges Glied der Ordnung", innerhalb derer i h m die Gemeinschaft den neuen „Wirkungsraum" zuteilte, „den er nach seinen Anlagen und Kräften, nach seiner Einsatzbereitschaft und nach seinen Leistungen verdient". „Die Rechtsstellung des Volksgenossen" war „gemeinschaftsbezogen und pflichtgebunden". „Sie ist nicht um des Einzelnen willen begründet, sondern um der Gemeinschaft willen". Alle Verpflichtungen und Berechtigungen ergaben sich aus dieser Giedstellung als „Volksgenosse", konnten daher keine selbständige Bedeutung besitzen und standen stets „unter der Bindung an die Gemeinschaft und ihre konkrete Ordnung". „Insbesondere bestehen alle Berechtigungen nur als pflichtgebundene Berechtigungen; ihr Gebrauch ist stets abhängig davon, daß der Inhaber die Pflichten, die jede Berechtigung zugleich i n sich schließt, erfüllt". Innerhalb dieser pflichtgebundenen Ordnung, i n der jedem „Volksgenossen" sein jeweiliger Platz von seiten des Staates zugewiesen wurde, ist auch die Stellung der Presse unter dem Nationalsozialismus zu sehen. Die Pressefreiheit, die bereits durch die Verordnung vom 2

Carl Schmitt, a.a.O., S. 11 ff. E.R. Huber, Verfassungsrecht des Großdeutschen Reiches, S. 361; vgl. auch Otto Koellreutter, Deutsches Verfassungsrecht, S. 86 ff, der allerdings vom grundsätzlichen Fortbestehen der W R V ausging, die nun im nationalsozialistischen Sinne auszulegen sei. 4 Huber, a.a.O., S. 364 f.; von ihm stammen auch die folgenden Zitate. 8

V I I . Die Stellung der Presse während des N a t i o n a l s o z i a l i s m u s 1 2 1

28. 2.1933 außer K r a f t gesetzt worden war, ging i m NS-Staat vollkommen i n der „öffentlichen Aufgabe der Presse" auf. Die „öffentliche Aufgabe" wurde nun aber nicht mehr als Beschreibung einer lediglich tatsächlichen Funktion, um deretwillen die Presse bestimmte Privilegien beanspruchen konnte, verstanden, sondern wurde umfunktioniert in eine vom Staat gesetzte und inhaltlich normierte Aufgabe, deren Eifüllung zur Pflicht wurde. Die Presse war somit „keine bloß ,private' Tätigkeit" 5 mehr, sondern wurde ihrem „Wesen nach eine öffentliche Einrichtung" und zwar i m Sinne einer „Eingliederung i n den Kreis der Träger öffentlicher Verantwortung" 6 . Dementsprechend stellt die amtliche Begründung zum Schriftleitergesetz lapidar fest: „Das neue Recht der Presse kann nicht mehr Freiheitsgarantie sein, sondern es ist Organisationsrecht 7 ." Daß die Mehrheit der Verlage noch i n privater Hand war, spielte angesichts der „Totalität" des NS-Staates keine Rolle. Da das Schriftleitergesetz die Verantwortung für die inhaltliche Gestaltung der Zeitung praktisch allein den Journalisten übertragen hatte, und diese durch ihre Eingliederung i n die Reichskulturkammer eine quasi öffentlichrechtliche Amtsstellung erworben hatten, besaß der Staat bzw. die Partei eine jederzeitige Kontroll- und Einwirkungsmöglichkeit auf die Presse. Die seit den Zeiten von Görres immer wieder verkündeten Postulate von der „öffentlichen Aufgabe der Presse" und dem „öffentlichen A m t " des Journalisten gingen somit i m NS-Staat i n einer von den liberalen Vorkämpfern der Pressefreiheit zweifellos nicht gewünschte Weise, nämlich i. S. eines staatlichen Amtes, i n Erfüllung 8 . Es ist nicht zu übersehen, daß gewisse Ansätze des nationalsozialistischen Freiheitsbegriffes bereits i n der institutionellen Grundrechtsauffassimg begründet sind. Betrachtet man die Grundrechte nur noch als verfassungsrechtliche Strukturprinzipien bzw. als objektiv-rechtliche Verbürgungen bestimmter Institutionen, und entzieht man schließlich den Trägern dieser Institutionen jedes eigene subjektive Recht, so braucht „nur noch" die liberale Trennung zwischen einer gesellschaftlich-privaten und einer staatlich-institutionellen Sphäre aufgehoben zu 5

Koellreutter, a.a.O., S. 197. So die amtliche Begründung zum Schriftleitergesetz zit. nach Hoche DJZ 1933, S. 1324 f. 7 Zit. nach Hoche, a.a.O. 8 Wenn es somit zwar nicht zutrifft, „daß der Gedanke öffentlicher Pressefunktionen seine Entstehung in Deutschland dem Schriftleitergesetz vom 4.10.1933 des nationalsozialistischen Staates und seiner Kulturkammergesetzgebung verdankt" (so Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 483), so ist daran doch soviel richtig, daß die positive Inpflichtnahme der Presse durch den Staat und die Umbiegung des Gedankens der „öffentlichen Aufgabe" der Presse in eine staatlich-ideologische Aufgabe unter dem Nationalsozialismus in der deutschen Pressegeschichte neu war. 8

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

werden, um das „Grundrecht" unter die jederzeitige beliebige Verfügbarkeit durch den Staat bringen. Aber eben i n der Verhinderung dieses „nur noch" liegen Wesen und Aufgabe einer freiheitlichen Demokratie 9 .

V I I I . Theorie und Praxis der Pressefreiheit nach 1945 1. Die Jahre der demokratischen Erneuerung (Lizenzzeit) Nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Staates übernahmen die Alliierten die Kontrolle über das deutsche Pressewesen. Nach anfänglichem totalen Publikationsverbot erschienen Ende 1945 wieder die ersten unter deutscher Leitung stehenden Zeitungen auf der Giundlage eines Lizenzsystems. Die Herausgabe von Pressepublikationen und i n einigen Besatzungszonen auch die M i t w i r k u n g als Schriftleiter waren von der Erteilung einer Lizenz durch die Besatzungsbehörden abhängig. Obwohl i. d. R. alle zugelassenen politischen Parteien bei der Lizenzerteilung berücksichtigt wurden und die Besatzungsbehörden i m Laufe der Jahre ihr Kontrollrecht immer großzügiger handhabten, konnte von einer wirklichen Pressefreiheit noch keine Rede sein. Unter dem Lizenzsystem war nicht nur die Freiheit des Zugangs zur Presse als notwendige Voraussetzung der Pressefreiheit behindert; auch die Existenz einer Zeitung und ihr Spielraum der K r i t i k waren ständig durch die Möglichkeit eines Lizenzentzugs bedroht. Das Lizenzsystem war allerdings von Anfang an nur als Übergangsregelung bis zur Schaffung demokratischer Verhältnisse i n Deutschland gedacht1. I m Hinblick auf dieses Ziel kam in den Augen der Besatzungs9 I n dieser zum Totalitarismus führenden Negierung einer Unterscheidung zwischen einem staatlichen und einem eigenständig-autonomen gesellschaftlichen Bereich liegt auch der wesentliche Gegensatz zwischen der Pressefreiheitstheorie in der DDR und in der BRD. Nach Poppe—Beil, Das Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit in der sozialistischen Verfassung der DDR, Neue Justiz 1969, S. 353 ff. wird von der neuen DDR-Verfassung die „Freiheit der Presse... nicht um ihrer selbst willen oder als demokratischer Zierrat gewährleistet..., sondern als notwendige Voraussetzung ihrer objektiven Aufgabenstellung im gesellschaftlichen Gesamtsystem des Sozialismus in der DDR" (S. 357). Diese „objektive Aufgabenstellung" ist im Sinne einer echten Rechtspflicht zu verstehen, denn nach der marxistisch-leninistischen Lehre ist die Freiheit der Massenmedien von vornherein darauf beschränkt, „auf allen Gebieten sachlich und konstruktiv den gesellschaftlichen Fortschritt entsprechend den objektiven Gesetzmäßigkeiten mitgestalten zu können" (S. 357). Meinungsäußerungen, die nicht auf der Linie der laut Verfassung (vgl. Art. 1 I Verfassung der DDR vom 6. 4.1968) von der SED als marxistisch-leninistischer Partei zu definierenden „objektiven Aufgabenstellung" liegen, genießen demzufolge nicht den Schutz der verfassungsmäßigen Meinungs- und Pressefreiheit. 1 Vgl die amerikanische Lizenzverordnung vom 30. 9.1946, abgedruckt bei Roegele—Glotz, Pressereform und Fernsehstreit, S. 267 f.

V I I I . Theorie und Praxis der Pressefreiheit nach 1945

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mächte der Presse eine besondere Funktion zu, auf die die Lizenzträger ausdrücklich verpflichtet wurden. So heißt es i n den amerikanischen Richtlinien für Lizenzträger vom 30. 9.1946: „Jeder einzelne Teil der Zukunft der Lizenz hat er betätigen mit dem

Lizenzträger ist Treuhänder für einen lebenswichtigen Deutschlands. Durch Beanspruchung und Entgegennahme seinen Willen bekundet, sich im öffentlichen Interesse zu Ziel, Freiheit in einer Demokratie zu erlangen."

Auch wenn der Begriff des „Treuhänders" i n diesem Zusammenhang sicherlich nicht i m juristisch-technischen Sinne verstanden werden darf, so geht aus dieser Formulierung doch hervor, daß m i t der Lizenzerteilung ursprünglich nicht beabsichtigt war, die Eigentumsverhältnisse an der künftigen deutschen Presse bereits endgültig zu ordnen, sondern daß darin die Übertragung einer für die Allgemeinheit entscheidenden Funktion gesehen wurde, die der Lizenzträger i m Auftrag der Alliierten wahrzunehmen hatte. Die endgültige Neuordnung des deutschen Pressewesens sollte einer späteren, von den Deutschen selbst vorzunehmende Regelung vorbehalten bleiben. Die Diskussion um die Neuordnung des Pressewesens setzte schon sehr früh ein und ist i n engem Zusammenhang mit den Bemühungen um den Aufbau eines neuen demokratischen Staates zu sehen. Aus den Erfahrungen der Zeit nach 1918 glaubte man, Lehren für ein neues Staatsverständnis ziehen zu müssen. Demokratie sollte nicht mehr nur eine auf dem formalen Mehrheitsprinzip beruhende Spielregel für die Bildung und den Ablauf der Staatsorganisation und die Bestellung ihrer Organe sein, sondern wurde als Entscheidung für eine auf verbindlichen Wertvorstellungen gegründete politische Lebensform verstanden. Gegenüber ihren Gegnern sollte diese Demokratie „abwehrbereit" gemacht werden. Dieses neue Demokratieverständnis mußte auch für das Verständnis der Pressefreiheit Auswirkungen haben. Sollte Demokratie als ständiger politischer Willensbildungs- und Integrationsprozeß zwischen Bürger und Staat und gleichzeitig als materielle Wertordnung verstanden werden, so konnte die Presse als wesentlicher Faktor dieses Prozesses nicht mehr nur „Gewerbe noch ein Privatvergnügen" 2 sein, sondern stand unter einer „öffentlichen Verantwortung". Wie in den Zeiten des Vormärz wurde die Presse wieder als „Ausübung einer besonderen A r t von öffentlichem A m t " 3 , als ein „Organ des staatlich-gesellschaftlichen Lebens" gesehen, das „die öffentliche Meinung sowohl zu bilden wie auszusprechen" habe 4 . Es dürfte daher der überwiegenden Meinung der 2 Küster nalisten, S. 3 Küster, 4 Küster,

bei Stemb erger—Küster, 11 ff. a.a.O., S. 12. a.a.O., S. 13.

Verantwortung und Freiheit des Jour-

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

damaligen Zeit entsprochen haben, wenn Smend die liberale Ordnung des Reichspressegesetzes als den heutigen Verhältnissen nicht mehr adäquat bezeichnete und sagte: „Nicht die liberale Sicherung gegen Polizeiübergriffe, die niemand mehr erwartet, ist die Forderung des Tages, sondern eine positive Gestaltung des Berufsstandes, dem die Presse anvertraut(I) ist 5 ." Damit war nun auch der Begriff der „öffentlichen Aufgabe der Presse" wieder zu neuer Bedeutung gelangt. Aber i m Gegensatz zur Weimarer Zeit, i n der die öffentliche Aufgabe trotz der Bemühungen der Journalistenorganisationen um ein Journalistengesetz von der Presse i m wesentlichen nur als Argument für die Beanspruchung bestimmter Vorrechte dem Staat gegenüber ins Feld geführt wurde, wurde jetzt auch das i m Begriff der öffentlichen Aufgabe liegende Element der Verantwortung der Presse gegenüber der Allgemeinheit hervorgehoben. Es war weitverbreitete Ansicht, daß die Presse dieser Verantwortung nur dann gerecht werden kann, wenn sie bereit ist, auch bestimmte Pflichten und berufsständische Ordnungsgrundsätze anzuerkennen. Das Vertrauen, die Presse werde diese Aufgaben schon aus eigener Kraft erfüllen und müsse daher sich selbst überlassen bleiben, war i n breiten Kreisen der Öffentlichkeit dem Ruf nach dem gestaltenden Eingriff des demokratischen Staates gewichen. 2. Die pressegesetzliche Entwicklung a) Die Landespressegesetze

des Jahres 1949

Auf diesem Hintergrund, der sich durch den Gegensatz zwischen dem liberalen Pressefreiheitsbegriff des Reichspressegesetzes und dem neu herausgearbeiteten Prinzip der „öffentlichen Aufgabe der Presse" umreißen läßt, sind die i m Jahre 1949 ergangenen Pressegesetze der Länder Bayern 6 , Bremen 7 , Hamburg 8 , Hessen9, Nordrhein-Westfalen 10 , SchleswigHolstein 1 1 und Württemberg-Baden 12 zu sehen 18 , von denen das bayerische 5 Smend, Das Problem der Presse in der heutigen geistigen Lage, in: Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 389 f. 8 Gesetz über die Presse vom 3.10.1949 (GVB1. 1949, 243). 7 Gesetz zum Schutz der Freiheit der Presse vom 20.12.1948 (GVB1., S. 250). 8 Gesetz über die Selbstverwaltung der Presse vom 3.10.1949 iGVBl., S. 254). 9 Gesetz über Freiheit und Recht der Presse vom 23. 6.1949 (GVB1., S. 75). 10 Gesetz über die Berufsausübung von Verlegern, Verlagsleitern und Redakteuren vom 17.11.1949 (GVB1., S. 293). 11 Gesetz zur vorläufigen Regelung des Pressewesens vom 27. 9.1949 (GVB1., S. 199) und Vorläufiges Gesetz über den Presseausschuß vom 29. 11. 1949 (GVB1., S. 225). 12 Gesetz Nr. 1032 über die Freiheit der Presse vom 1. 4.1949 (RegBl., S. 59). 13 I n den Ländern der französischen Zone sowie in Berlin und Niedersachsen galt das Reichspressegesetz unverändert fort.

V I I I . Theorie und Praxis der Pressefreiheit nach 1945

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Pressegesetz noch als einziges i n Kraft ist. Davon stellen allerdings nur die Pressegesetze Bayerns und Hessens umfassende Normierungen des Rechts der Presse dar, die das Reichspressegesetz ersetzten. Die anderen Länder begnügten sich mit der Regelung von Einzelfragen, neben der das Reichspressegesetz jeweils i n dem nicht betroffenen Umfang als Landesrecht fortgalt. Alle diese Ländergesetze lassen das Bemühen erkennen, aus dem Prinzip der „öffentlichen Aufgabe" der Presse gesetzliche Konsequenzen zu ziehen, ohne dabei aber den liberalen Pressefreiheitsbegriff i m Grundsatz aufzugeben. Die i n den Ländern der amerikanischen und der britischen Zone gewählten Lösungen unterscheiden sich jedoch bereits i n ihren Grundzügen voneinander. Während die Pressegesetze der Länder der US-Zone, nämlich Bayerns, Bremens, Hessens und Württemberg-Badens, sich i n ihren Grundlagen und A u f bau i m wesentlichen an das Reichspressegesetz anlehnen und aus der „öffentlichen Aufgabe" lediglich einzelne, genau umschriebene Rechte und Pflichten für die Presse ableiten, befassen sich die pressegesetzlichen Bestimmungen der Länder der britischen Zone, Hamburg, NordrheinWestfalen und Schleswig-Holstein, fast ausschließlich m i t Fragen der „öffentlichen Aufgabe" und versuchen, die Wahrnehmung dieser Aufgabe durch Maßnahmen institutioneller Art, nämlich die Einrichtung von Presseausschüssen, sicherzustellen. aa) Die Pressegesetze der Länder der US-Zone Obwohl die „öffentliche Aufgabe" allen diesen gesetzlichen Bestimmungen zugrunde liegt, ist sie ausdrücklich nur i m bayrischen Pressegesetz (§ 3) erwähnt und i n folgender Weise umschrieben: (1) „Die Presse dient dem demokratischen Gedanken. (2) Sie hat in Erfüllung dieser Aufgabe die Pflicht zu wahrheitsgemäßer Berichterstattung und das Recht, ungehindert Nachrichten und Informationen einzuholen, zu berichten und Kritik zu üben. (3) I m Rahmen dieser Rechte und Pflichten nimmt sie in Angelegenheiten des öffentlichen Lebens berechtigte Interessen i. S. des § 193 StGB wahr.

Ein weiterer und schon vom Wortlaut her nur deklaratorischer Hinweis auf die öffentliche Aufgabe" befindet sich i n § 1 Abs. 2 des Pressegesetzes von Württemberg-Baden: „Die Pressefreiheit umschließt das Recht, Angelegenheiten des öffentlichen Interesses zu vertreten, zu kritisieren und zu erörtern, sofern dieses Gesetz dadurch nicht verletzt wird. Der Presse steht der Schutz des § 193 StGB zur Seite."

Beide Gesetze begnügen sich m i t diesen allgemeinen Umschreibungen der „öffentlichen Aufgabe", ohne deren tatsächliche Wahrnehmung durch anderweitige Maßnahmen sicherzustellen. Es blieb daher mangels w i r k samer Sanktionen letztlich dem einzelnen Presseorgan selbst überlassen, ob es sich diese Aufgabe zu eigen machen wollte, oder nicht. Wenn auch

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

das Postulat der „öffentlichen Aufgabe" allein zu allgemein war, um über die Bedeutung einer bloßen Deklamation hinauszugelangen, so war es i n der US-Zone doch immerhin Quelle verschiedener Rechte und Pflichten, die der Presse auferlegt wurden. Hervorzuheben ist dabei insbesondere der Informationsanspruch gegenüber Behörden 14 , das Zeugnisverweigerungsrecht der bei der Veröffentlichung eines Presseerzeugnisses mitwirkenden Personen bezüglich ihrer Informationsquellen 15 , das Verbot der Beschlagnahme von Presseerzeugnissen durch andere Staatsorgane als den Richter 16 , die Pflicht zur Offenlegung der Inhaberund Beteiligungsverhältnisse an Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen 17 und die Pflicht zur Kennzeichnung des Anzeigenteils 18 . Das bayrische Pressegesetz enthielt außerdem eine Strafbestimmung für die E r w i r kung einer wissentlich unwahren Pressedarstellung (§ 13 Abs. 1 lit. d). § 10 des württemberg-badischen Pressegesetzes bestimmte die Anwendbarkeit der allgemeinen Vorschriften gegen Monopolbildung auf Presseunternehmen. Alle Pressegesetze der US-Zone enthielten ein ausdrückliches Verbot jeder Form von berufsständischen Pressegerichten und erklärten, (außer dem hessischen Pressegesetz) Presseorganisationen mit Zwangsmitgliedschaft für unzulässig 19 . Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß den Pressegesetzen der Länder i n der amerikanischen Zone die Anerkennung der „öffentlichen Aufgabe" der Presse zugrunde lag und zwar durchaus i n einem Sinne, der „Privileg" und „Verantwortung" umfaßte. Die aus der „öffentlichen Verantwortung" gezogenen gesetzgeberischen Konsequenzen waren jedoch denkbar bescheiden und berührten die Presse kaum. Es blieb also i n diesen Ländern i m Ergebnis bei der traditionell-liberalen, auf das Verhältnis Presse — Staat verengten Betrachtungsweise der Pressefreiheit, für die als größter Feind der Freiheit der Staat und als ihr wichtigster Garant das freie Spiel der Kräfte i m Wettbewerb galt. Die „öffentliche Aufgabe" lief somit i m wesentlichen doch wieder nur auf die deklamatorische Beschreibung eines angeblich bestehenden Zustandes hinaus, um dessentwillen der Presse besondere Vergünstigungen zuteil werden müßten. 14 § 4 bayr. PrG, § 3 hess. PrG; in § 4 wü-ba PrG war nur eine Unterstützungspflicht der Behörden bei der Informationsbeschaffung, in § 5 brem. PrG ein Verbot der Bevorzugung bestimmter Presseorgane bei der Informationserteilung enthalten. 15 § 12 bayr. PrG, § 12 hess. PrG. 16 §§ 16 f. bayr. PrG, §§ 15 f. hess. PrG. 17 § 8 Abs. 3 bayr. PrG, § 5 hess. PrG, § 8 brem. PrG, § 9 wü-ba PrG. 18 § 9 bay. PrG, § 8 hess. PrG. 19 Das brem. PrG verbot nur Organisationen, unter denen sich eine Fremdkontrolle der Presse verbergen konnte.

V I I I . Theorie und Praxis der Pressefreiheit nach 1945

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Dieses Ergebnis ist wohl nicht nur auf das Eingreifen der amerikanischen Besatzungsbehörden zurückzuführen, sondern auch Ausdruck der „normativen K r a f t " der nach 1945 geschaffenen faktischen Verhältnisse. Eine Neuordnung des Pressewesens stieß nicht nur auf den Widerstand der m i t dem alten System der Zwischenkriegszeit identifizierbaren Kräfte, sondern nunmehr auch auf die Gegnerschaft der neuen Lizenzverleger. Diese hatten sich m i t zunehmender Konsolidierung ihrer Position denselben Interessenstandpunkt wie die „Alt-Verleger" der Weimarer Zeit zueigen gemacht und hatten ebensowenig wie diese ein Interesse an irgendeiner effektiven Begrenzung oder Kontrolle ihrer zu Eigentumsrechten umfunktionierten Lizenzen. Ein grundsätzlich anderes Verständnis von der Freiheit der Presse und ihrer Aufgabe lag noch dem Pressegesetz-Entwurf des Länderausschusses der amerikanischen Zone vom 26. 7.1946 20 zugrunde. Dieser vom Länderrat verabschiedete, aber infolge des Einspruchs der USBehörden nicht i n Kraft getretene Gesetzentwurf versuchte, durch Aufstellung eines umfangreichen Katalogs von Pflichten und Mißbrauchsbestimmungen, die mit Strafsanktionen bewehrt wurden, sowie die Errichtung einer Standesgerichtsbarkeit die „öffentliche Verantwortung" der Presse effektiv zu machen. Auf Einzelheiten des Entwurfs kann hier nicht näher eingegangen werden. U m Struktur und Stil des Entwurfs zu verdeutlichen und als Zeugnis für das Verständnis der Pressefreiheit und der „öffentlichen Aufgabe" i n der unmittelbaren Nachkriegszeit sei jedoch § 25 Abs. 1 des Entwurfs zitiert, in dem die „Aufgabe der Presse" umschrieben wird: „Oberste Aufgabe der Presse ist es, die Öffentlichkeit als sachkundiger Zeuge alles Geschehens wahrheitsgemäß und vollständig zu unterrichten, notfalls als Kläger das Urteil der öffentlichen Meinung anzurufen. Die Presse verletzt ihre Pflicht, wenn sie meldet, was sie nicht erforscht hat, oder unerforscht läßt, was sie melden müßte. Seine Pflicht gegenüber der Presse verletzt, wer ihr Zeugnis beeinflußt, oder ihr das Finden der Wahrheit erschwert."

bb) Die Pressegesetze der Länder der britischen Zone Einen ganz anderen Weg gingen die Länder der britischen Besatzungszone. Dort blieb das Reichspressegesetz, soweit es die Rechte und Pflichten der Presse sowie die gesamte nicht periodische Presse betraf, voll i n K r a f t 2 1 . Stattdessen wurde der Versuch unternommen, die „öffentliche Aufgabe" der Presse — und zwar nun ausschließlich unter dem Aspekt 20

Abgedruckt bei Küster—Sternberger, a.a.O., S. 27 ff. Lediglich die Offenlegung der Eigentums- und Finanzierungsverhältnisse von Presseunternehmen war in § 7 hamb. PrG, und § 2 nrw PrG vorgeschrieben. § 3 Abs. 2 schl. holst. PrG zur vorl. Regelung des Pressewesens machte den Betrieb eines Presseunternehmens davon abhängig, daß Textmatern nicht regelmäßig verwendet wurden. 21

128

2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

ihrer öffentlichen Verantwortung gesehen — durch Zulassungsvoraussetzungen zu den Presseberufen und durch die Einrichtung von Presseausschüssen zu sichern. Danach konnte die Ausübung einer verlegerischen oder redaktionellen Tätigkeit unter anderem bei Vorstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz der Jugend und der persönlichen Ehre 2 2 sowie bei Mißbrauch der Pressefreiheit zum Kampf gegen die freiheitlichdemokratische Grundordnung 2 3 untersagt werden. I n Hamburg und Schleswig-Holstein mußte bei Aufnahme der Tätigkeit als Verleger oder Redakteur ein Eignungsnachweis über das Vorliegen dieser Voraussetzungen erbracht werden 2 4 . Die Befugnis zum Ausspruch von Sanktionen lag jeweils bei der Regierung bzw. dem Senat, die dabei jedoch auf die M i t w i r k u n g eines Presseausschusses angewiesen waren. I n allen drei Ländern waren diese Presseausschüsse aus Vertretern der Verleger, der Journalisten und der Öffentlichkeit, sowie (mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen) zwei Personen mit der Befähigung zum Richteramt als Vorsitzenden zusammengesetzt 25 . Ihre Bestellung erfolgte jeweils durch den Landtag bzw. die Bürgerschaft. Die M i t w i r k u n g der Presseausschüsse bei Berufsverboten war in Hamburg und Nordrhein-Westfalen auf ein bloßes Vorschlags- bzw. A n hörungsrecht beschränkt. Lediglich i n Schleswig-Holstein hatten entsprechende Maßnahmen „ i m Einvernehmen" mit dem Ausschuß zu erfolgen. Die Presseausschüsse Hamburgs und Schleswig-Holsteins hatten außer ihrem Mitwirkungsrecht bei Berufsverboten die Aufgabe, auf Verlangen der Regierung bzw. des Senats zu die Presse betreffenden Fragen und Maßnahmen Stellung zu nehmen, sowie die Befugnis, selbst entsprechende Maßnahmen anzuregen. I n allen diesen Fällen blieben die Presseausschüsse jedoch auf rein konsultative Befugnisse beschränkt. Die Presseausschüsse i n der britischen Zone hatten somit von ihrer Zusammensetzung und Aufgabenstellung her nur den Charakter bloßer Beiräte der staatlichen Verwaltung. Der i n der Überschrift des hambur22 § 3 I lit. e Hamb.G, § 3 lit. e, f. nrw G; das hamb G forderte sogar positiv die Gewähr für die Einhaltung der Gesetze und der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und des Rechts der persönlichen Ehre. 23 § 3 I lit.f hamb G, § 4 nrw G, § 7 schl. holst. G zur vorl. Regelung des Pressewesens. Die nrw. Bestimmung wurde durch Beschluß des BVerfG v. ß. 10.1959 (BVerfGE 10, 118 ff.) wegen Verstoßes gegen Art. 18 G G für Verfassungswidrig erklärt. 24 § 2 hamb G, § 1 schl. holst. G zur vorl. Regelung des Pressewesens. 25 § 5 hamb G: Je 5 Vertreter der Verleger, der Journalisten und der Öffentlichkeit; § 5 nrw G: Je 4 Vertreter der Verleger, der Journalisten und der Öffentlichkeit; § 2 schl. holst. G über den Presseausschuß: Je 4 Vertreter der Verleger und Journalisten sowie 7 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, darunter die beiden Vorsitzenden.

V I I I . Theorie und Praxis der Pressefreiheit nach 1945

129

gischen Gesetzes erhobene Anspruch, ein Selbstverwaltungsorgan der Presse zu sein, war völlig verfehlt 2 6 , denn — ganz abgesehen von der parlamentarischen Wahl der Mitglieder und der M i t w i r k u n g pressefremder Personen — hatten die Ausschüsse weder die Kompetenz zu einer wirklichen Selbst-,,Verwaltung" der Presse, noch die Möglichkeit zur Ausarbeitung standesrechtlicher Grundsätze, wie sie zur Verhütung von Mißbräuchen i m Pressewesen von einem solchen Gremium erhofft wurden. Waren die weitgehenden Zulassungsbeschränkungen an sich schon bedenklich, so wurden sie durch den fehlenden Selbstverwaltungscharakter der Ausschüsse zu einer ernsthaften Bedrohung der Pressefreiheit. Ebenso wie der Gedanke der Selbstverwaltung der Presse verfälscht wurde, fand die „öffentliche Aufgabe" der Presse, die diesen Gesetzen zugrunde lag, keine wirkliche Definition oder ausreichende Ausgestaltung. Ihren Niederschlag fand sie lediglich i n der repressiven Maßnahme des Berufsverbots, das nicht nur Art. 18 GG umging, sondern dessen Ausspruch zudem auch i n den Händen der Verwaltungsbehörden lag und daher ebenfalls auf höchste verfassungsrechtliche Bedenken stoßen mußte. Ein Ansatz zu einer positiven Ausgestaltung der „öffentlichen Aufgabe" bzw. des journalistischen Berufsstandes war i n diesen Gesetzen nicht zu erkennen 27 . b) Der

Referentenentwurf

des Bundesinnenministeriums

von 1952

I m Jahre 1952 unternahm das Bundesministerium mit dem sog. „ L ü ders-Entwurf" den Versuch, i n Wahrnehmung der Rahmenkompentenz des Bundes auf dem Gebiet des Presserechts nach Art. 75 Z. 2 GG die nach dem Krieg völlig zersplitterte Presserechtsordnung bundeseinheitlich zu regeln. I m Gegensatz zu den Landespressegesetzen des Jahres 1949 knüpft dieser Entwurf in seinen Grundlagen und seinem Inhalt wieder an die Reformentwürfe der Weimarer Zeit an, wobei er sowohl die damaligen ordnungsrechtlichen wie die journalistenrechtlichen Intentionen zu einem einheitlichen Ganzen zu verbinden sucht. Wie die Reformentwürfe, so geht auch der „Lüders-Entwurf" von der Vorstellung aus, daß i n einem demokratischen Staat der Presse eine „öffentliche Aufgabe" zukommt, aus der sich bestimmte Ordnungsgrundsätze für das Pressewesen ergeben, wobei Freiheit und Verantwortung die gestaltenden Prinzipien darstellen. I m Hinblick auf ihre besondere Funktion gegenüber sonstigen Presseerzeugnissen war Regelungsgegenstand nur die periodische Presse. Ausgehend von der (deklaratorisch gemeinten 28 ) Feststellung, daß die Zeitungspresse eine öffentliche Aufgabe erfülle (§ 4), enthielt der Ent26 27 28

9

So auch Czajka, Pressefreiheit und öffentliche Aufgabe der Presse, S. 73. I n gleichem Sinne Czajka, a.a.O., S. 73. Vgl. die Begründung zum I. Abschnitt des Entwurfs.

Stammler

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

wurf einen umfangreichen Katalog von Pflichten sowie von institutionellen, straf- und verwaltungsrechtlichen Vorkehrungen und Sicherungsmaßnahmen. Charakteristisch für den Entwurf war, daß die Regelung der Verantwortungs- und Pflichtenseite der „öffentlichen Aufgabe" ganz i m Vordergrund stand. Abgesehen von gewissen Beschlagnahmebeschränkungen gewährte er der Presse keine der sonst aus der „öffentlichen Aufgabe" hergeleiteten Privilegien. Es würde zu weit führen, die zahlreichen Beschränkungen, Pflichten und Sanktionen, die der Entwurf vorsah, i m einzelnen aufzuführen. Hervorgehoben seien hier als die in diesem Zusammenhang wichtigsten Punkte nur die Wahrheits- und Sorgfaltspflicht (§§ 5, 6), die Pflicht zur Trennung von Text- und Anzeigenteil (§ 25), die Pflicht zur Offenlegung der Eigentums- und Beteiligungsverhältnisse an Presseunternehmungen (§ 29), als presserechtliches Novum das Gebot, die Gestaltung des Textteils nicht von wirtschaftlichen Vorteilen bestimmen zu lassen (§ 10), sowie die Straftatbestände der Pressebestechung (§ 50), der Pressenötigung (§ 51) und der vorsätzlichen oder fahrlässigen Veröffentlichung einer falschen Nachricht, „die geeignet ist, die Öffentlichkeit zu beunruhigen" (§ 53). Als wichtigste Einrichtung sah der Entwurf i n Übereinstimmung mit den Weimarer Reformentwürfen die Einrichtung von Landespresseausschüssen und eines Bundespresseausschusses vor. Die Presseausschüsse konnten „alle Presseangelegenheiten erörtern", hatten die Aufgabe, über die Unabhängigkeit und Freiheit der Presse zu wachen (§ 37) sowie die Funktion eines Ehrengerichts bei Verstößen gegen pressegesetzliche Pflichten (§ 39). I n letzterer Funktion besaßen sie die Sanktionsmöglichkeit der „Verwarnung", i m Falle deren Nichtbeachtung sie Antrag auf gerichtliche Verhängung eines Berufsverbots bis zur Dauer von fünf Jahren stellen konnten (§ 40). Der Bundespresseausschuß hatte daneben als wichtigste Aufgabe, die Konzentrationsbewegung i m Pressewesen zu überwachen und die Bundesregierung i n allen wichtigen Presseangelegenheiten zu beraten (§ 41). I m Gegensatz zu den Presseausschüssen der britischen Zone waren die Presseausschüsse des Referentenentwurfs paritätisch aus Vertretern der Journalisten- und Verlegerverbände zusammengesetzt, die unter Vorsitz zweier von der Regierung (!) zu bestellender Richter tagten (§ 36). I n seinem II. Abschnitt traf der Entwurf eine Abgrenzung der Kompetenz und Verantwortung zwischen Verlegern und Redakteuren. Darauf w i r d i m 3. Teil der Arbeit näher einzugehen sein. Der „Lüders-Entwurf" stieß auf heftige K r i t i k , v. a. seitens der Verlegerverbände, an deren Widerstand er letztlich scheiterte. Zweifellos war die K r i t i k i n verschiedenen Punkten berechtigt, besonders i m Hinblick auf die einseitige Betonung der Pressepflichten, die weitgehenden Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre und der Staatsinte-

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ressen sowie die übermäßigen strafrechtlichen Sanktionen. Die Ursachen dafür dürften zu einem wesentlichen Teil i n den damaligen politischen Verhältnissen, insbesondere der Atmosphäre der „Kalten-Kriegs-Polit i k " zu suchen sein, die i n der Folge zu einer allgemeinen Verschärfung und Ausuferung des politischen Strafrechts und zu einer übermäßigen Betonung der Staatsinteressen geführt hatte. Betrachtet man aber den Entwurf aus der zeitlichen Distanz von heute, so erscheint er insgesamt doch als der interessanteste und konsequenteste Versuch der Nachkriegszeit, die Ordnung des Pressewesens auf der Basis der „öffentlichen Aufgabe" der Presse i. S. ihrer öffentlichen Verantwortung neu zu regeln, ohne dabei allerdings die vorgefundene privatwirtschaftliche Struktur der Presse grundsätzlich in Frage zu stellen. c) Die

neuen

Landespressegesetze

Nachdem ein Bundespresserechtsrahmengesetz vorerst nicht mehr zu erwarten war, sich andererseits aber die Rechtszersplitterung auf dem Gebiet des Presserechts als immer unerträglicher erwies, beschloß die Ständige Konferenz der Landesinnenminister i m Jahre 1959, einen Modellentwurf für ein Landespressegesetz auszuarbeiten, der i m Wege der Parallelgesetzgebung in den einzelnen Bundesländern verabschiedet werden sollte. I n Ausführung dieses Beschlusses entstanden i n den Jahren 1960 und 1963 zwei Modellentwürfe, auf deren Grundlage dann i n den folgenden Jahren sämtliche Bundesländer m i t Ausnahme Bayerns und Hessens neue Landespressegesetze erließen. Als Vorbild für das neue Presserecht boten sich zwei Lösungsmöglichkeiten an: Das liberale Modell der Länder der ehemaligen amerikanischen Zone und das Modell des „Lüders-Entwurfs", der die Pflichten und die Verantwortung der Presse stark hervorhob. Die Modellentwürfe und daran anknüpfend die Landespressegesetze entschieden sich für das liberale Modell. Ausgangspunkt der neuen Regelungen ist die Feststellung, daß die Presse der freiheitlich-demokratischen Grundordnung diene (§ 1) und eine öffentliche Aufgabe erfülle (§ 3). Bei der Definition der „öffentlichen Aufgabe" weisen die meisten Gesetze eine eigene, i n der Sache jedoch meist unwesentliche, Modifikaton auf. Während die Pressegesetze Berlins und Bremens der Presse schlechthin eine „öffentliche Aufgabe" zusprechen, schränken die Gesetze der übrigen Länder diese Aufgabe auf bestimmte Funktionen ein. Die meist gebrauchte Formulierung lautet: „Die Presse erfüllt eine öffentliche Aufgabe, wenn sie in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse Nachrichten beschafft und verbreitet, Stellung *

132

2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

nimmt, Kritik übt oder auf andere Weise an der Meinungsbildung mitwirkt 2 9 ."

Bereits aus dieser Formulierung ergibt sich, daß die Erfüllung der „öffentlichen Aufgabe" durch die Presse von den Landespressegesetzen als Faktum vorausgesetzt bzw. von der freien Entscheidung der Herausgeber von Presseorganen abhängig gemacht wird. Die „öffentliche Aufgabe" ist i n diesen Gesetzen somit keine der Presse auferlegte Rechtspflicht, sondern dient nur i n umgekehrter Richtung als K r i t e r i u m für die Gewährung bestimmter Privilegien 8 0 . So w i r d i n sämtlichen auf Grund des Modellentwurfs ergangenen Gesetzen der Auskunftsanspruch gegenüber Behörden von der Erfüllung der „öffentlichen Aufgabe" abhängig gemacht, und i n § 3 der Pressegesetze Berlins und Bayerns w i r d der Presse i m Rahmen der „öffentlichen Aufgabe" der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB gewährt. Weitere auf dem Gedanken der „öffentlichen Aufgabe" beruhende, jedoch nicht von ihr abhängige Privilegien der Presse sind das Zeugnisverweigerungsrecht für sämtliche Presseangehörigen 8 1 sowie die Beschränkung für die Beschlagnahme von Presseerzeugnissen, die nur noch auf Grund richterlicher Anordnung erfolgen darf 8 2 . Die aus der „öffentlichen Aufgabe" abgeleiteten Pflichten nehmen sich demgegenüber äußerst bescheiden aus. A u f die „öffentliche Aufgabe" selbst lassen sich lediglich die Sorgfaltspflicht bei der Verbreitung von Nachrichten 88 und die Pflicht zur Kennzeichnung von Anzeigen zurückführen 8 4 . A l l e übrigen Pflichten, wie die Impressumspflicht, die Pflicht zur Bestellung eines verantwortlichen Redakteurs und zur A b lieferung von Pflichtexemplaren sind allgemeine Ordnungsvorschriften, die bereits das Reichspressegesetz enthielt. Die Sorgfaltspflicht stellt gegenüber der ursprünglich beabsichtigten Normierung einer allgemeinen Pflicht zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung 8 5 ein minus dar, das jedoch grundsätzlich nicht zu bedauern ist; denn ganz abgesehen davon, daß allenfalls eine Pflicht zur Wahrhaftigkeit, nicht jedoch zur objektiven Wahrheit i m Bereich geistiger Vorgänge konstruiert werden kann, würde eine solche Pflicht auch dem Wesen der Presse, nämlich dem Zwang zur aktuellen Information, widersprechen. I m übrigen bringt die Sorg29 So § 3 der Pressegesetze von Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland. 30 Vgl. Löffler, Presserecht Bd. 2, § 3, Rz. 14, 45. 31 §§ 23 ba-wü, 12 bayr., 18 berl., 23 brem., 22 hamb., 22 f hess., 23 nds., 24 nrw., 23 rhld-pf., 23 saarl., 23 schl.-holst. PrG. 32 §§ 12 berl. und hamb. PrG, 16 bayr. PrG, 13 ff. sämtl. and. PrG. 33 § 3 bayr. PrG, sonst § 6. 34 § 9 bayr., § 8 hess., sonst § 10 PrG; vgl. i m einz. Löffler, Presserecht Bd. 2 § 6, Rz. 15. 35 Vgl. Löffler, a.a.O., Rz. 12.

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133

faltspflicht so, wie sie i n den Landespressegesetzen umschrieben ist, gegenüber der bereits bstehenden Rechtslage nichts Neues. Sie bleibt i m Gegenteil noch hinter den von der Rechtsprechung entwickelten A n forderungen zurück, die die Sorgfaltspflicht auch auf Sach- und Werturteile ausgedehnt hat und i m Bereich des zivilrechtlichen Rechtsgüterschutzes — neben der Wahrnehmung der gebotenen Sorgfalt bei der Wahrheitsermittlung — der Presse auch eine Güterabwägung zur Pflicht macht 88 . Gerade bei der Sorgfaltspflicht zeigt sich wieder das alte Dilemma jeder Pressegesetzgebung: Die Frage, wer die Einhaltung der Pflichten überwacht und welche Sanktionen an ihre Verletzung geknüpft sein sollen. Beschränkt man sich, wie die Landespressegesetze, lediglich auf die Normierung eines Pflichtenstandards, so kann sie nur dort effektiv werden, wo ein Kläger vorhanden ist, der ihre Verletzung innerhalb eines ordentlichen Straf- oder Zivilverfahrens rügen kann. I m Bereich der politischen Berichterstattung, für den die Sorgfaltspflicht i m Hinblick auf die „öffentliche Aufgabe" der Presse besonders strengen Anforderungen unterliegen sollte, bleibt sie jedoch i n ihrer Wirkung i m großen und ganzen lediglich auf einen moralischen Appell an die Presse beschränkt. Wirkliche Effektivität könnte eine solche Pflicht nur dann erhalten, wenn durch institutionelle Maßnahmen, wie eine Standesgerichtsbarkeit, die Beachtung des Gesetzes unabhängig von einer konkreten individuellen Rechtsgutverletzung überwacht werden könnte. Darauf haben die Landespressegesetze jedoch ausdrücklich verzichtet, indem sie jede Zwangsorganisation und Standesgerichtsbarkeit der Presse für unzulässig erklärten 8 7 . Die Landespressegesetze erkennen somit die fundamentale Bedeutung der Presse i n einer freiheitlichen Demokratie an und sichern ihre für die Öffentlichkeit relevante Funktion. Diese Funktion verdichtet sich zwar auch nach dem Wortlaut der Gesetze zu einer „Aufgabe", um deretwillen der Presse umfangreiche Privilegien gewährt werden. Die Wahrnehmung dieser Aufgabe w i r d jedoch i n das Belieben der Presse selbst gestellt. Das in ihr liegende Moment der Verantwortung als notwendiges Korrelat der Privilegien w i r d i n dem geltenden Presserecht nicht w i r k sam; es bleibt bei einem bloßen moralischen Appell 8 8 . Der i n der Weimarer Zeit und noch stärker i n den ersten Nachkriegs jähren gehegten Erwartung nach einer die Verantwortung der Presse in der Demokratie gewährleistenden Neuordnung des Pressewesens wurde damit eine — vorerst endgültige — Absage erteilt. 36 87 38

Vgl. Löffler , Presserecht Bd. 2, § 6 Rz. 12, 15, 27. § 2 I I I hess., sonst §§ 1 I I I bzw. 4 PrG. So auch Czajka, a.a.O., S. 77.

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

3. Die Pressefreiheit in der Rechtsprechung Stärker als i n den geltenden Pressegesetzen fand das Bemühen um eine der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung" des Grundgesetzes angepaßte Auslegung der Pressefreiheit ihren Niederschlag i n der Rechtsprechung. Die Entwicklung der Rechtsprechung, v. a. der ordentlichen Gerichte, ist allerdings ziemlich widersprüchlich und läßt erst i n den jüngeren Entscheidungen des BVerfG eine etwas klarere verfassungstheoretische Konzeption erkennen. I m Ergebnis ist eine deutliche Abkehr von der rein individualistischen, positivistisch gefärbten Interpretation des RG und eine Bejahung der „öffentlichen Aufgabe" der Presse festzustellen. a) Die Rechtsprechung

zu § 193 StGB

Ihren Ausgangspunkt nahm diese Rechtsprechung bei der alten Streitfrage der „Wahrnehmung berechtigter Interessen" i.S. § 193 StGB. Beginnend mit den Urteilen des OLG Celle vom 18. 9.1948 39 und des OLG Tübingen vom 13.10.1948 40 wurde es bald allgemein anerkannter Grundsatz, daß der Presse i m Rahmen ihrer „öffentlichen Aufgabe" der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB zustehe 41 . I n den Begründungen der Urteile w i r d die Presse als „Organ" 4 2 oder „Sprachrohr der öffentlichen Meinung" 4 3 und als „Wortführerin der Öffentlichkeit" 4 4 bezeichnet. Sie habe Anspruch auf besonderen Schutz i m Hinblick auf ihre öffentliche Aufgabe der K r i t i k " 4 5 , auf ihre „öffentlichen Funktionen der Kontrolle, der Meinungsbildung und der Meinungsspiegelung" 46 . I m Urteil des OLG Celle vom 18. 9.1948 ist sogar von der „Pflicht der Presse, öffentliche Interessen wahrzunehmen" 4 7 , die Rede, und das OLG Stuttgart qualifiziert die besondere Funktion der Presse als „öffentlich-rechtliche Aufgabe" 4 8 . Dasselbe Gericht spricht an anderer Stelle von der „erzieherischen Aufgabe der Presse", die „gerade der Sinn des Grundrechts der freien Meinungsäußerung, zumal bei einem Journalisten" sei 49 . 39

Nds. Rpfl. 1948, S. 236. DRZ 1948, 495, 498. 41 Vgl. O L G Freiburg JZ 1951, 751; O L G Hamm M D R 1953, 310; O L G Celle NJW 1953, 1764; O L G Hamburg NJW 1954, 1297; O L G Köln GA 1957, 61; BayObLGSt 1961, 47; O L G München NJW 1963, 493; B G H Z 31, 308; BGHSt 40

18, 182. 42 43 44 45 46 47 48 49

O L G Tübingen, a.a.O. OLG Hamm, a.a.O. OLG Freiburg, a.a.O. O L G Celle 1948, a.a.O. OLG Köln, a.a.O. O L G Celle 1948, a.a.O. OLG Stuttgart JZ 1960, 127. Urt. v. 12. 2.1959, zit. bei Möller in AfPR 37/1960, S. 139.

V I I I . Theorie und Praxis der Pressefreiheit nach 1945

135

Diese Rechtsprechung wurde vom B G H i n seinem U r t e i l vom 22.12. 195950 i m Ergebnis übernommen. I n dieser Entscheidung lehnt der B G H die Rechtsprechung des RG zu § 193 StGB ausdrücklich mit der Begründung ab, sie werde „der im demokratischen Staat besonders bedeutsamen Funktion der Presse, die Bürger über öffentliche Angelegenheiten zu unterrichten und an der politischen Meinungsbildung mitzuwirken, nicht gerecht. Gerade wegen der Wichtigkeit dieser Aufgabe (sei) die Freiheit der Presse durch das Grundgesetz besonders geschützt". Er stimmt deshalb „der inzwischen herrschend gewordenen Meinung" zu, „daß die Presse i m Rahmen ihrer öffentlichen Aufgabe, insbesondere also bei der Behandlung politischer Angelegenheiten, zur Wahrung der Interessen der Allgemeinheit befugt ist" 5 1 . Der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB w i r d allerdings i m einzelnen davon abhängig gemacht, daß es sich bei der Veröffentlichung um eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse handelt, daß die Grundsätze der Interessen- und Güterabwägung beachtet sind und der Verfasser seiner Sorgfaltspflicht Genüge getan hat. b) Die Rechtsprechung

des

BGH

Der B G H hatte sich mit A r t . 5 — quantitativ gesehen — vorwiegend unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Persönlichkeitsrechts und des Eingriffs i n den eingerichteten und ausgerichteten Gewerbebetrieb zu befassen 52. Betrachtet man diese Rechtsprechung i m Gesamtzusammenhang, so ist eine zunehmend pressefreundliche Tendenz zu beobachten. Während der B G H anfangs noch die Ansicht vertrat, daß jedes gewerbestörende Werturteil, das den Boden sachlicher K r i t i k verlasse, einen Eingriff i n den Gewerbebetrieb darstelle, der nur bei Vorliegen eines besonderen Rechtfertigungsgrunds rechtens sei 53 , steht jetzt auf dem Standpunkt, daß die Widerrechtlichkeit des Eingriffs nicht schon durch den Tatbestand der kritischen Äußerung indiziert werde; die Widerrechtlichkeit ergebe sich vielmehr erst aus einer bereits bei der Prüfung der Tatbestandsmäßigkeit vorzunehmenden Güter- und Pflichtenabwägung, i n die Art. 5 m i t einzubeziehen sei 54 . Auch die Grenzen des der Presse eingeräumten Spielraums der K r i t i k wurden vom B G H zunehmend weiter gezogen. Die i m Constanze I - U r t e i l vertretene Auffassung, gewerbestörender K r i t i k sei nur insoweit zulässig, als sie „zur Wahrnehmung rechtlich gebilligter Interessen objektiv erforderlich" sei und sie außerdem „das kleinste Rechtsübel, das scho50

B G H Z 31, 308. a.a.O., S. 312. 52 Eine gute Übersicht über die BGH-Rspr. findet sich bei Neumann-Duesberg W M 1967, 890 ff. und bei Kubier JZ 1968, 542 ff. 53 B G H Z 3, 270 ff. (Constanze I); so auch noch B G H Z 31, 308 (Burschenschafter). 54 Vgl. B G H Z 36, 77 ff.; 39, 124 ff.; JZ 1964, 291; JZ 1965, 444. 51

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

nendste Mittel" darstelle 55 , wurde inzwischen längst aufgegeben. I n der „Höllenfeuer" — Entscheidung 56 w i r d nun von einer „Vermutung für die Zulässigkeit der ,freien Rede'" und dem „Wagnis der Freiheit" gesprochen, demgegenüber es hinzunehmen sei, „daß das Recht dem Betroffenen nicht gegenüber jeder unangemessen scharfen Meinungsäußerung Schutz gewährt"; schließlich sei der i n einer freiheitlichen Demokratie „mündige und zum eigenen Urteil i m Kampf der Meinungen aufgerufene Bürger" selbst zur Beurteilung einer unsachlichen K r i t i k fähig 5 7 . Die Grenze der Zulässigkeit sei erst bei der „böswilligen oder gehässigen Schmähk r i t i k " 5 8 zu ziehen. Dieser Entwicklung in der Rechtsprechung des B G H liegt nicht nur eine Änderung i n der Auslegung des § 823 BGB zugrunde, sondern sie ist auch Ausdruck eines vertieften Verständnisses von der Bedeutung der Pressefreiheit i n der Demokratie. Dies geht sehr deutlich aus Äußerungen hervor, die der B G H i n verschiedenen anderen U r teilen unmittelbar zur Funktion der Presse in der Demokratie und zur „öffentlichen Aufgabe" der Presse gemacht hat. I m Urteil vom 27.1.1956 59 hatte sich der B G H m i t der Frage der Wettbewerbsmäßigkeit der kostenlosen Verteilung eines Anzeigenblattes, dem ein redaktioneller Teil beigefügt ist, zu befassen. Der B G H kommt dabei zum Ergebnis, die Herausgabe eines solchen Offertenblattes sei dann rechtwidrig, wenn für die lokalen Tageszeitungen dadurch ein Inseratenverlust erheblichen Umfangs eintrete: „Würden den (Tageszeitungen) die Einnahmen aus den Inseraten in einem Ausmaß entzogen, daß sie gegebenenfalls gezwungen wären, das Niveau des Schriftleitungsteils aus Mangel an erforderlichen Mitteln für Redakteure und Korrespondenten absinken zu lassen, so könnte dies angesichts der politischen und kulturellen Aufgaben, die die Presse gegenüber der Allgemeinheit in einem demokratischen Staat zu erfüllen hat, nicht zugelassen werden . . . Ihre hohen staatspolitischen Aufgaben als Trägerin und Gestalterin der öffentlichen Meinung, als Organ des Nachrichtenwesens und als gesundes Gegengewicht gegen unerwünschte Machtkonzentration (vgl. Löffler, Presserecht, 1. Aufl. S. 3 ff.) kann die Presse nur erfüllen, wenn sie auch den gebührenden Schutz erfährt 60 ." 55

B G H Z 3, 280 f. B G H Z 45, 296 ff. 57 a.a.O., S. 308. 58 a.a.O., S. 310. 59 B G H Z 19, 392 ff. („Freiburger Wochenbericht"). Vgl. zur Problematik der Anzeigenblätter auch das jüngst ergangene Urteil des B G H JZ 1969, 792 ff. (m. Anm. Kuli), in dem der B G H auch einem Anzeigenblatt das Grundrecht der Pressefreiheit zuerkennt, jedoch gleichzeitig die Ansicht vertritt, daß sich ein Verleger um so weniger auf sein individuelles Freiheitsrecht berufen könne, je mehr sein kommerzielles Interesse gegenüber der Mitwirkung an der öffentlichen Meinungsbildung in den Vordergrund trete. Der B G H räumt damit der Sicherung des Instituts „Freie Presse" den Vorrang gegenüber dem individuellen Freiheitsrecht ein (a.a.O., S. 795). 60 a.a.O., 398 f. 56

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Der B G H leitet damit aus der „öffentlichen Aufgabe" eine Schutz- und Förderungspflicht des Staates zumindest gegenüber der politischen Tagespresse ab. I n seinem Urteil vom 14. 4.1965 81 stellt der B G H den Grundsatz auf, daß die Anzeigenaufträge der Presse keine über die gesetzlichen Schranken der Pressefreiheit hinausgehende rechtliche Bindung hinsichtlich der Gestaltung des redaktionellen Teils auferlegen; „denn auch etwaige Nebenpflichten, die der Presseverlag nach Treu und Glauben auf Grund des Anzeigenvertrags zu erfüllen haben könnte, werden durch die öffentliche Aufgabe der Presse begrenzt, die Bevölkerung über Angelegenheiten von allgemeinem Interesse zu unterrichten und an der Meinungsbildung hierüber mitzuwirken" 6 2 . Die „öffentliche Aufgabe" der Presse wurde somit zum festen Bestandteil der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Von einigen K r i t i k e r n des BGH, die — wie z. B. Czajka — insbesondere aus dem liberalen Lager kommen, w i r d jedoch bezweifelt, ob der Formel von der „öffentlichen Aufgabe" der Presse innerhalb der bisherigen Rechtsprechung eine tatsächliche Bedeutung zukomme, oder ob sie nicht nur mehr eine „beiläufige Arabeske" ohne sachliche Bedeutung darstelle 63 . Auf die Rechtsprechung zu § 193 StGB treffen die Einwendungen Czajkas i n der Tat zu. Hier dient die Verwendung des Terminus der „öffentlichen Aufgabe" nur zur Korrektur der verfehlten Grundrechtsinterpretation des RG 6 4 , denn geht man mit der neuen Rechtsprechung davon aus, daß jeder Bürger i n gleicher Weise wie der Journalist ein Recht auf Teilhabe an der Diskussion über öffentliche Angelegenheiten hat, so bedarf es nicht mehr der Zwischenschaltung der „öffentlichen Aufgabe" der Presse, um die Anwendbarkeit des § 193 StGB auf die Pressekritik zu rechtfertigen. Die Verwendung des Begriffs der „öffentlichen Aufgabe" hat i n diesem Zusammenhang nur noch historische 81

BB 1965, 723 (Zonenbericht). Vgl. dazu Klein, Zum Begriff der öffentl. Aufgabe (DÖV 1965, 755), der die Entscheidung des B G H mit der Begründung ablehnt, da zu den allgemeinen Gesetzen i. S. Art. 5 I I G G auch die bürgerlich-rechtlichen Normen gehörten, könne sich ein Verleger bis an die allgemeinen Grenzen der §§ 134, 138 BGB unbeschränkt verpflichten. Er übersieht dabei jedoch, daß Art. 5 I und die öffentliche Aufgabe der Presse i m besonderen ihrerseits ein gesetzliches Verbot i. S. § 134 BGB begründen können. 63 Czajka, a.a.O., S. 79 ff. 64 Es ist allerdings nicht richtig, wenn Czajka meint, daß die „öff. Aufg." in der Rspr. dazu diene, überhaupt erst die Rechtsgleichheit der Presse mit den anderen Bürgern zu begründen und nicht etwa, um ihr eine Sonderstellung zu verschaffen; denn es war die Presse, der der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB bei Erörterung öffentlicher Angelegenheiten zuerst zugebilligt wurde, und erst unter dem Eindruck des Lüth-Urteils des BVerfG setzte sich allmählich die Überzeugung durch, daß jedem Bürger dieses Recht nach Art. 5 I, 1 GG zustehen müsse. 62

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Bedeutung. Ähnlich verhält es sich bei der zivilrechtlichen Rechtsprechung zu § 823 BGB. Auch hier sollten der Presse ohne Rücksicht auf ihre „öffentliche Aufgabe" nicht mehr und nicht weniger Rechte zustehen als jedem anderen Bürger. Sehr deutlich w i r d dies i m Urteil des BGH in Strafsachen vom 15. 2. 1963. Darin ist zwar noch von der „öffentlichen Aufgabe" die Rede, um deretwillen die Presse als Einrichtung den besonderen Schutz der Verfassung genieße, und daß Skandal- und Sensationsberichte außerhalb dieses Bereichs lägen. Unmittelbar daran anknüpfend fährt das Gericht jedoch fort: „Im übrigen wäre zu sagen, daß nicht, wie es oft unscharf heißt, ,die Presse', sondern nur eine durch ein bestimmtes Presseorgan zur Öffentlichkeit sprechende Person berechtigte Interessen wahrnehmen kann, indem sie für die Allgemeinheit wichtige Dinge mitteilt und erörtert. Diese Befugnis beruht auf dem Recht jedes Bürgers, an der politischen Willensbildung tätigen Anteil zu nehmen. Es macht deshalb für die Frage der Rechtfertigung nach § 193 StGB grundsätzlich keinen Unterschied, ob die sich äußernde Person damit zugleich eine Berufstätigkeit als Journalist ausübt oder nicht (vgl. BVerfGE 10, 118, 121). Ebensowenig kann die Tatsache der gedruckten Verbreitung für sich genommen ein Mehr an Rechten vermitteln. Die Äußerung in einem Presseorgan, das — seinem Wesen und Zuschnitt nach — der Bildung einer öffentlichen Meinung dienen und Einfluß auf die politische Willensbildung ausüben will, kann vielmehr nur ein gewichtiges Anzeichen dafür sein, daß der sich Äußernde öffentliche Interessen im Auge hat. Ob er damit auch berechtigte Interessen wahrnimmt, ist jedoch unabhängig von dem benutzten Verbreitungsmittel nach den für alle geltenden gleichen Grundsätzen zu entscheiden (vgl. BayObLG 51, 515)65."

Wenn es für die Frage des § 193 StGB keinen Unterschied macht, ob eine Äußerung in der Presse erschienen ist, oder ob sie von einem beliebigen Bürger, u. U. auch mündlich verbreitet wurde, so ist die Erwähnung der „öffentlichen Aufgabe" in diesem Zusammenhang völlig unnötig. Anders v e r h ä l t es sich i n den F ä l l e n „Freiburger

Wochenbericht"

und

„Zonenbericht". Zumindest i m ersten Fall hat der B G H besondere rechtliche Folgerungen aus der „öffentlichen Aufgabe" der Presse abgeleitet, die von fundamentaler Bedeutung sind. Der Kerngedanke dieser Entscheidung ist, daß die Presse um ihrer „öffentlichen Aufgabe" willen Anspruch auf staatlichen Schutz, i n diesem Fall auf Schutz gegen Inserateverlust, habe. Auch wenn man der Ansicht ist, daß das konkrete Ergebnis auch ohne Zuhilfenahme der „öffentlichen Aufgabe" direkt aus § 1 UWG hätte erzielt werden können, so kommt i n dieser Begründung doch ganz allgemein zum Ausdruck, daß der B G H die „öffentliche Aufgabe" als Grundlage für bestimmte Schutz- und Förderungspflichten des Staates gegenüber der Presse ansieht. Dem liegt die Vor65

BGHSt 18, 182 ff.

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Stellung zugrunde, daß die Verfassung die Existenz einer freien Presse voraussetzt; wenn daher die Existenz der Presse aus bestimmten, möglicherweise auch wirtschaftlichen, Gründen gefährdet ist, hat der Staat die Pflicht zum Eingreifen. Damit ist die Vorstellung von Art. 5 I GG als bloßem Abwehrrecht der Presse gegenüber dem Staat eindeutig aufgegeben; der Presse w i r d i m Hinblick auf ihre „öffentliche Aufgabe" über den Status negativus hinaus ein status positivus gegenüber dem Staat eingeräumt. Ähnlich könnte auch die Entscheidung i m Fall „Zonenbericht" verstanden werden. Wenn der B G H davon spricht, daß die „öffentliche Aufgabe" etwaige Nebenpflichten aus Anzeigenverträgen begrenze, so kann dies zweifache Bedeutung haben: Es ist möglich, daß der BGH damit lediglich die seit dem Lüth-Urteil des BVerfG praktizierte Interpretation einfacher Gesetze i n Wechselwirkung mit dem Grundgesetz gemeint hat; die Formulierung könnte aber möglicherweise auch dahingehend verstanden werden, daß die „öffentliche Aufgabe" generell geeignet sei, vertragliche Pflichten der Presse zu begrenzen, mit dem Ergebnis, daß sie sich für die Presse nicht nur als Privileg sondern auch als Schranke der Vertragsfreiheit auswirkt. c) Die Rechtsprechung

des BVerfG

Das neue Verständnis vom Wesen der Pressefreiheit, das sich bereits in der Rechtsprechung der ersten Nachkriegs jähre abzeichnete, wurde vom BVerfG übernommen und verfassungsrechtlich vertieft. Während sich die ordentlichen Gerichte i m wesentlichen darauf beschränken konnten, der Presse eine dem Demokratieverständnis des GG angepaßte Rechtsstellung i m Bereich des straf- und zivilrechtlichen Rechtsgüterschutzes zu gewähren und sich dazu des Begriffs der „öffentlichen Aufgabe" bedienten, ohne daß dieser aber anfangs mehr als eine Leerformel, ein bloßer „Aufhänger" blieb, entwickelte das BVerfG in einer kontinuierlichen Entscheidungskette eine verfassungstheoretische Konzeption der Meinungs- und Pressefreiheit, die einem gegenüber der Weimarer Rechtslehre neuen Grundrechtsdenken entsprang. Spätestens seit seiner Entscheidung vom 17.1.1956 66 verließ das BVerfG den Boden der bisher herrschenden Lehre, die i n den Grundrechten ausschließlich subjektive Abwehrrechte gegenüber staatlichen Eingriffen sah und sie i n scharfen Gegensatz zu den „Einrichtungsgarantien" als objektiv-rechtlichen Verbürgungen brachte. Ausgehend von Art. 6 I GG sah das BVerfG i n den Grundrechten nun nicht mehr nur entweder subjektive Abwehrrechte oder Einrichtungsgarantien, sondern „Grundsatznormen, d. h. objektive Wertentscheidungen... für den gesamten Bereich des privaten- und öffentlichen Rechts". 66

BVerfGE 6, 55.

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Diese Rechtsprechung wurde i n der Folgezeit fortgeführt und vertieft. I m Lüth-Urteil 67 vertrat das Gericht die Ansicht, daß nicht n u r dem einzelnen Grundrecht eine Wertentscheidung zugrunde liege, sondern daß i n den Grundrechten insgesamt eine objektive Wert Ordnung zum Ausdruck komme, die die ganze Rechtsordnung durchdringe 6 8 . Steht das Grundrecht unter einem Gesetzesvorbehalt, so sind i n Konsequenz dieser Auffassung auch an die das Grundrecht einschränkenden Gesetze ihrerseits die Maßstäbe dieser Wertordnung anzulegen 69 ; allgemeine Gesetze und Grundrechte stehen somit i n enger Wechselbeziehung. Gleichzeitig erkannte damit das B V e r f G eine — w e n n auch n u r über Generalklauseln w i e § 823 B G B mittelbare — Geltung der Grundrechte i m Privatrechtsverkehr an 7 0 . Dem Lüth-Urteil sind über den konkreten Anlaß hinaus grundsätzliche Gedanken über die Bedeutung der Meinungsfreiheit i n der Verfassungsordnung des GG zu entnehmen. Das B V e r f G führt darin aus, daß die Meinungsfreiheit nicht n u r eines der vornehmsten Menschenrechte, sondern darüber hinaus „schlechthin konstituierend für die freiheitlichdemokratische Staatsordnung" sei 71 . M i t dieser Formulierung stellt das BVerfG erstmals wieder k l a r die zwei Aspekte der Meinungsfreiheit, den individualrechtlichen und den funktionalen Aspekt, heraus — eine Erkenntnis, die das Verständnis der Meinungs- und Pressefreiheit von Anfang an prägte, die auch der liberalen Staatsrechtslehre des Vormärz noch selbstverständlich war, die dann aber unter dem Rechtspositivismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts i n Vergessenheit geriet und i n Deutschland erst wieder unter dem Einfluß des institutionellen Rechtsdenkens von E. Kaufmann und Smend „endeckt" wurde. I n einer Entscheidung i m 10. Band der Entscheidungssammlung überträgt das B V e r f G diesen Gedankengang auch auf die Pressefreiheit. I n diesem U r t e i l prägt das Gericht den Begriff der „institutionellen Eigenständigkeit" der Presse, die alle Pressetätigkeiten „ v o n der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und Meinung" u m fasse 72 . Es fährt fort: „Diese institutionelle Sicherung der Presse als einer der Träger und Verbreiter der öffentlichen Meinung im Interesse der freien Demokratie schließt das subjektiv-öffentliche Recht der im Pressewesen tätigen Personen ein, ihre Meinung in der ihnen geeignet erscheinenden Form ebenso frei und ungehindert zu äußern wie jeder andere Bürger 78 ." 67

BVerfGE 7, 198 ff. BVerfGE 7, 205. 89 BVerfGE 7, 208. 70 Dies wurde vom BVerfG jüngst im Fall „Blinkfüer" freiheit bestätigt (JZ 69, 466). 71 BVerfGE 7, 208. 72 BVerfGE 10, 121. 73 BVerfGE 10, 121. 88

auch für die Presse-

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War bei dem Begriff der „institutionellen Eigenständigkeit der Presse" noch unklar, was das Gericht darunter verstand, ob er i m Sinne der Lehre v o n der „institutionellen Garantie" oder als bloße Umschreibung der schon immer anerkannten „formellen Pressefreiheit" oder ob darunter etwas ganz Neues zu verstehen war, so gewann er durch die folgenden Entscheidungen des BVerfG zunehmend an Konturen. I m „Pressefehde-Urteil" u betont das Gericht, daß m i t der Pressefreiheit auch Pflichten einhergingen. Diese Pflichten, von denen das Gericht die „Pflicht zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung" hervorhebt, habe die Presse „ u m ihrer Aufgabe bei der öffentlichen Meinungsbildung w i l l e n " zu beachten 75 . Diese Entscheidung läßt bereits erkennen, daß die Pressefreiheit nach Ansicht des BVerfG nicht n u r Quelle subjektiver Berechtigungen ist, sondern daß sich über ihre andere, institutionelle Seite auch Pflichten für die Presse herleiten. Eine weitere Verdeutlichung dessen, was das Gericht unter „institutioneller Eigenständigkeit der Presse" versteht, erfolgte i m „Fernsehurteil" 76. I n dieser Entscheidung weist das B V e r f G darauf hin, daß es der „institutionellen Eigenständigkeit der Presse" widerspräche, „die Presse oder einen T e i l von i h r unmittelbar oder mittelbar von Staats wegen zu reglementieren oder zu steuern" 7 7 . „Institutionelle Eigenständigkeit" bedeutet also unter diesem Gesichtspunkt „Staatsunabhängigkeit" und zwar nicht n u r der Presse allein, sondern aller Massenkommunikationsmittel, durch die Einfluß auf die öffentliche Meinung genommen w i r d ; dazu zählen auch Rundfunk u n d Fernsehen. Über diese Einordnung sind allerdings Mißverständnisse dadurch entstanden, daß das Gericht i n derselben Entscheidung erstmals ausdrücklich den Begriff der „öffentlichen Aufgabe" gebraucht, worunter es auch die Veranstaltung von Rundfunksendungen versteht, und gleichzeitig feststellt, daß die Veranstaltung von Rundfunksendungen i n Deutschland herkömmlicherweise zu den Aufgaben der öffentlichen Verwaltung gehöre 78 . Bei dieser engen Verknüpfung von „öffentlicher Aufgabe" und „Aufgaben der öffentlichen Verwaltung" liegt der Schluß nahe, daß das BVerfG m i t der Qualifikation als „öffentliche Aufgabe" eine besondere Nähe zum Bereich des „Staatlichen" zum Ausdruck bringen w i l l 7 9 . Wenn sich das Gericht an anderer Stelle die Ansicht Hans Schneiders zu eigen macht, daß „die Nachrichtengebung i m weitesten Sinne" „seit Entstehung des Rundfunks Anlaß und Rechtfertigungsgrund dafür (war), die Veranstaltungen von Rundfunksendungen i n den Kreis der öffent74 75 76 77 78 79

BVerfGE 12, 113 ff. BVerfGE 12, 130. BVerfGE 12, 205 ff. a.a.O., S. 260. BVerfGE 12, 243. So Czajka , a.a.O., S. 82.

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liehen Aufgaben einzubeziehen" 80 , die Presse aber unbestritten ebenfalls ein Medium der Nachrichtengebung darstellt, müßte daraus ein Gegensatz zwischen „institutioneller Eigenständigkeit" und „öffentlicher A u f gabe" der Presse hergeleitet werden. Diese Widersprüchlichkeiten lösen sich jedoch auf, wenn man den betreffenden Passus i m Gesamtzusammenhang des Urteils und der übrigen Rechtsprechung des BVerfG sieht. 81 Der Lösungsansatz wurde bereits i m „Volksbefragungs-Urteil" aufgezeigt, wo das BVerfG zwischen der „öffentlichen Meinungsbildung und Vorformung der politischen Willensbildung der Staatsbürger" einerseits und ihrer Tätigkeit als Staatsorgane i n Wahlen und Abstimmungen andererseits unterscheidet. N u r die letztere Form des „status activus" zählt zum „staatsorganschaftlichen" Bereich, während alle übrigen Formen staatsbürgerlicher Betätigung Erscheinungen des „gesellschaftlichpolitischen Bereichs" darstellen 8 2 . A u f dem Hintergrund dieser prinzipiellen Unterscheidung stellt das BVerfG i n dem späteren „Parteifinanzierungs-Urteil" 83 fest, „daß es den Staatsorganen grundsätzlich verwehrt ist, sich i n bezug auf den Prozeß der Meinungs- und Willensbildung des Volkes zu betätigen, daß dieser Prozeß also grundsätzlich ,staatsfrei' bleiben m u ß " 8 4 .

I m „Fernseh-Urteil" präzisiert das BVerfG diesen Gedankengang für die Kommunikationssphäre, die es—umschrieben durch die Begriffe der „institutionellen Egenständigkeit" bzw. der „institutionellen Freiheit" — ebenfalls ausschließlich dem „gesellschaftlich-politischen Bereich" zuweist. Lediglich infolge der besonderen technischen Bedingungen i m Rundfunkwesen, die eine Konkurrenzsituation weitgehend ausschließen, dürfen (nicht müssen!) Rundfunkanstalten staatlich organisiert werden und werden dadurch i n den Bereich der „staatlichen Aufgaben" i. S. A r t . 30 GG einbezogen. Aus dem Grundsatz der „institutionellen Eigenständigk e i t " folgt für die Presse, daß Eingriffe des Staates i n das Pressewesen nur insoweit zulässig sind, als sie „wegen der Fülle der vom Staat unabhängigen Zeitungen und Zeitschriften an dem B i l d der freien Presse substantiell nichts ändern" 8 5 . Für die Organisation von Rundfunk und Fernsehen aber leitet sich daraus die Forderung ab, daß Aufsicht und Leitung der Rundfunkanstalten i n die Hände der Gesellschaft selbst zu legen sind und der Staat grundsätzlich nur die rechtlichen Voraussetzungen und die technisch-organisatorische Infrastruktur dafür zu schaffen hat. 80 81 82 83 84 85

BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE

12, 244. 8, 104 ff. 8, 113. 20, 56. 20, 99. 12, 260.

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Neben der Verdeutlichung der „institutionellen Eigenständigkeit" der Kommunikationsmedien liegt die zweite wesentliche Bedeutung des „Fernseh-Urteils" i n der „Vielfaltsthese" als materiellem S t r u k t u r p r i n z i p der Kommunikationsphäre. Diese These besagt, daß möglichst alle relevanten Meinungsgruppen innerhalb der Gesellschaft i n den K o m m u nikationsmedien zu Wort kommen sollen. I m Bereich der Presse sieht das BVerfG dieses Postulat dadurch als gewährleistet an, daß „innerhalb des deutschen Pressewesens eine relativ große Zahl von selbständigen und nach ihrer Tendenz, politischen Färbung oder weltanschaulichen Grundhaltung miteinander konkurrierenden Presseerzeugnissen existiert" 8 6 . I m Bereich des Rundfunks und Fernsehens dagegen, wo diese Vielzahl verschiedener, miteinander konkurrierender Sender aus technischen Gründen (damals noch) nicht möglich ist (war), muß die Pluralität durch eine entsprechende Zusammensetzung der Leitungs- und A u f sichtsgremien innerhalb der einzelnen Anstalten selbst sicher gestellt werden. Während die Pluralität des Pressewesens i m Fernsehurteil noch als faktische Gegebenheit hingestellt wird, ist i m „Spiegel-Urteil" 87 bereits eine deutliche Skepsis bemerkbar, wenn das BVerfG darin dem Staat die Befugnis zuspricht, „Gefahren abzuwehren, die einem freien Pressewesen aus der Bildung von Meinungsmonopolen erwachsen könnten" 8 8 . I n dieser Feststellung ist aber zugleich impliziert, daß die Pluralität wesensmäßiger Bestandteil des grundgesetzlichen „Instituts ,Freie Presse'" ist u n d der Staat diesem Verfassungsinstitut gegenüber eine positive Gewährleistungsfunktion besitzt. I m „Spiegel-Urteil " gibt das BVerfG erstmals auch eine zusammenhängende Definition der Funktionen der Presse, d. h. ihrer „öffentlichen Aufgabe", die bisher m i t Formulierungen wie dem „Recht, die Öffentlichkeit zu informieren" 8 9 oder der „ M i t w i r k u n g an der öffentlichen Meinungsbildung" 9 0 nur unzureichend und i n Abhängigkeit von der jeweiligen Fallgestaltung angedeutet worden waren: „Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates; insbesondere ist eine freie, regelmäßig erscheinende politische Presse für die moderne Demokratie unentbehrlich. Soll der Bürger politische Entscheidungen treffen, so muß er umfassend informiert sein, aber auch die Meinungen kennen und gegeneinander abwägen können, die andere sich gebildet haben. Die Presse hält diese ständige Diskussion in Gang; sie beschafft die Informationen, nimmt selbst dazu Stellung und wirkt damit als orientierende 86 87 88 89 90

BVerfGE 12, 261. BVerfGE 20, 162 ff. Ebd., S. 176. BVerfGE 12, 130. BVerfGE 12, 260.

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Kraft in der öffentlichen Auseinandersetzung. I n ihr artikuliert sich die öffentliche Meinung; die Argumente klären sich in Rede und Gegenrede, gewinnen deutliche Konturen und erleichtern so dem Bürger Urteil und Entscheidung. I n der repräsentativen Demokratie steht die Presse zugleich als ständiges Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern in Parlament und Regierung. Sie faßt die in der Gesellschaft und ihren Gruppen unaufhörlich sich neu bildenden Meinungen und Forderungen kritisch zusammen, stellt sie zur Erörterung und trägt sie an die politisch handelnden Staatsorgane heran, die auf diese Weise ihre Entscheidungen auch in Einzelfragen der Tagespolitik ständig am Maßstab der im Volk tatsächlich vertretenen Auffassungen messen können 91 ."

Das, was die Presse „schlechthin konstituierend für die freiheitlichdemokratische Staatsordnung macht, kommt in dieser Formulierung klar zum Ausdruck: Wenn Demokratie i n der Selbstbestimmung der Staatsbürger besteht, so setzt dies voraus, daß die Bürger umfassend informiert sind, um i n der Lage zu sein, ihre grundgesetzliche Funktion als „Staatsvolk", d. h. als oberstes Staatsorgan, wahrnehmen zu können. Dies bedeutet, daß das Postulat einer freien und umfassenden Information zu einem tragenden Grundsatz dieser Verfassung wird. Daraus ergeben sich entscheidende Folgerungen für die Bedeutung der Pressefreiheit i n der Verfassungsordnung des Grundgesetzes. Die Freiheit der Presse als wichtigstem Informationsträger i n unserer Gesellschaft kann nicht mehr nur als „Freiheit vom Staat" i. S. eines subjektiven Abwehrrechts gegenüber staatlichen Eingriffen verstanden werden. Pressefreiheit unter dem Grundgesetz steht vielmehr i n engem, wesensmäßigem Bezug auf diesen Staat bzw. das „Politische" i m allgemeinsten Sinne. Dies aber hat zur Konsequenz, daß „Presse" kein bloßes Privatvergnügen Einzelner i m privaten Raum ist, sondern verfassungsrechtliche Relevanz erhält und damit i n Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit gestellt ist. Diesem Funktionswandel der Presse und ihrer Freiheit entspricht eine Änderung i n der rechtlichen Ausgestaltung des Grundrechts. Das BVerfG versteht die Pressefreiheit nicht mehr nur als „subjektives Grundrecht für die i m Pressewesen tätigen Personen und Unternehmen", sondern sieht i n ihr "zugleich auch eine objektiv-rechtliche Seite. Sie garantiert das Institut ,Freie Presse 4 " 92 . U m ihre verfassungsrechtliche Funktion erfüllen zu können, genießt die Presse eine bevorzugte Rechtsstellung und der Staat hat ihr gegenüber eine besondere Förderungs- und Gewährleistungspflicht. Diese privilegierte Stellung besitzt die Presse jedoch nur „ u m ihrer Aufgabe willen und nur i m Rahmen dieser Aufgabe" 9 3 . Ob das 91

BVerfGE 20, 174 f. BVerfGE 20, 175. 93 Ebd., S. 176, wenn Friesenhahn (Die Pressefreiheit im Grundrechtssystem des Grundgesetzes, in: Recht und Rechtsleben in der sozialen Demokratie, S. 26) daraus den Schluß zieht, das BVerfG sehe das Freiheitsrecht der in der Presse Tätigen nur als Reflexrecht der institutionellen Garantie 92

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BVerfG i n Konsequenz dessen den Genuß gewisser Presseprivilegien bzw. überhaupt den Schutz der Pressefreiheit von der faktischen Erfüllung der „öffentlichen Aufgabe" abhängig machen w i l l m i t der Folge, daß zwischen den einzelnen Presseorganen bzw. -beiträgen danach zu differenzieren ist, ob sie der „öffentlichen Aufgabe" dienen, ist den Urteilsgründen nicht eindeutig zu entnehmen. Auch die folgenden Ausführungen über die Zulässigkeit der hoheitlichen Maßnahmen gegenüber dem „Spiegel" bewegen sich (zumindest nach der dem Urteil zugrunde liegenden Auffassung) i m Rahmen herkömmlicher Güterabwägung. Es bleibt somit noch offen, ob die Erfüllung der „öffentlichen Aufgabe" durch die Presse eine echte Rechtspflicht darstellt oder lediglich ein unverbindlicher Programmsatz bleibt, der allenfalls als Rechtfertigungsgrund für die Gewährung von Privilegien dient. Diese Frage steht i n engem Zusammenhang mit einem grundsätzlichen Problem, das sich aus der Struktur der Presse selbst ergibt und sich durch die Rechtsprechung des BVerfG zu verfestigen droht. Das Gericht leitet nämlich i m „Spiegel-Urteil" aus dem Gebot der Freiheit der Presse die Forderung ab, daß sich Presseunternehmen i m gesellschaftlichen Raum frei bilden können. „Sie arbeiten nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen und i n privatrechtlichen Organisationsformen. Sie stehen miteinander in geistiger und wirtschaftlicher Konkurrenz, i n die die öffentliche Gewalt grundsätzlich nicht eingreifen darf 9 4 ." Das BVerfG gibt damit i m Ergebnis der bestehenden Pressestruktur eine verfassungsrechtliche Sanktion. Wenn es jedoch der Presse andererseits eine „öffentliche Aufgabe" zuspricht, so liegen der Pressefreiheitskonzeption des BVerfG zwei Aspekte zugrunde, die sich möglicherweise als letztlich nicht miteinander vereinbar erweisen, die aber zumindest i n einem gegenseitigen Spannungsverhältnis stehen; denn privatwirtschaftliche Unternehmen sind orientiert am privaten Gewinnstreben ihres Eigentümers, während die „öffentliche Aufgabe" ihnen die Wahrnehmung von Allgemeininteressen zum Ziel setzt. Der Liberalismus ging von dem Glauben an die Harmonisierung dieser Gegensätze durch den Wettbewerb aus; dem Sozialstaat des Grundgesetzes ist dieses Vertrauen verloren gegangen. Das i n der privatwirtschaftlichen Struktur der Presse einerseits und ihrer „öffentlichen Aufgabe" andererseits liegende Spannungsverhältnis hat das BVerfG somit offen gelassen. Gefährlich wäre es, würde das BVerfG die privatwirtschaftliche Struktur als die m i t dem Grundsatz der Pressefreiheit einzig vereinbare Ordnung für die Presse postulieren wollen und damit allen Bemühungen, dieses Spannungsverhältnis durch strukturändernde Reformen aufzuheben oder wenigstens zu mildern, sehr enge an, so reißt er diesen Passus aus dem Zusammenhang des Urteils und der übrigen Entscheidungen des BVerfG zur Pressefreiheit. 94 BVerfGE 20, 175. 10 Stammler

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

Grenzen ziehen. Die Tür zu einer Änderung seiner Haltung hat sich das Gericht allerdings dadurch offen gehalten, daß es dem Staat die Befugnis zuspricht, die aus einer Monopolbildung erwachsenden Gefahren durch gesetzliche Maßnahmen abzuwehren; denn i n dieser Feststellung ist als Grundsatz impliziert, daß der Staat das Recht und die Pflicht hat, die Pressefreiheit auch gegenüber Gefahren, die aus dem gesellschaftlichen Bereich oder sogar aus der Struktur der Presse selbst resultieren, zu schützen. Als weitere Argumentationsbasis zur Begründung einer Pressereform bliebe — auf dem Boden der Rechtsprechung des BVerfG — schließlich auch noch die Möglichkeit offen, unter bestimmten Voraussetzungen eine Parallele zur Situation i m Rundfunkwesen zu ziehen und die dafür entwickelten Grundsätze auch für die Presse fruchtbar zu machen. I n einer späteren Entscheidung hatte das BVerfG Gelegenheit, sich mit der Frage des Verhältnisses von Anzeigenteil und Pressefreiheit zu befassen 95. Die Lösung fand das Gericht darin, daß es den Anzeigen generell die Qualität von Nachrichten zuerkannte, und sie auf diese Weise unmittelbar i n den Schutzbereich des A r t . 5 1 2 GG einbezog 96 . Die Frage, ob der Anzeigenteil als wirtschaftliches Fundament der Presse durch die Pressefreiheit geschützt ist, konnte das Gericht somit offen lassen. Die jüngste Entscheidung des BVerfG zur Pressefreiheit 97 betraf das „Blinkfüer-Urteil" des BGH. Das BVerfG schloß sich der ganz überwiegenden Meinung i n der Literatur an, daß die Verbindung von Meinungsäußerung und wirtschaftlichen Boykottmaßnahmen nicht durch Art. 5 I GG gedeckt ist. I n diesem Zusammenhang ist insbesondere die Feststellung von Bedeutung, daß die Meinungs-und Pressefreiheit ausschließlich die freie geistige Betätigung und den Prozeß der Meinungsbildung in der Demokratie, nicht aber wirtschaftliche Interessen schützen. Das BVerfG betont erneut, daß „die Freiheit der geistigen Auseinandersetzung eine unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren der freiheitlichen Demokratie" sei und postuliert als maßgebendes Prinzip dieser Auseinandersetzung den Grundsatz der Chancengleichheit 98 . Nachdem das BVerfG den Grundsatz der Chancengleichheit bereits früher auf die Beziehungen der politischen Parteien zueinander und i n ihrer Stellung zum Staat anwandte 99 , w i r d durch die Ausdehnung dieses Prinzips auf die Presse die Chancengleichheit zum tragenden Grundsatz des politischen Meinungs- und Willensbildungsprozesses überhaupt. 95 98 97 98 99

BVerfGE 21, 271 ff. Ebd., S. 278 ff. JZ 1969, S. 466 ff. = E 25, 256 ff. BVerfGE 25, 256 (265). Vgl. BVerfGE 14, 132 ff.; JZ 69, 560.

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Versucht man, ein Resümmee der Entwicklung der Pressefreiheitstheorie i n der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG zu ziehen, so lassen sich folgende Grundzüge feststellen: Die Pressefreiheit hat in den Augen des BVerfG zwei Seiten: Sie ist einerseits traditionelles Grundrecht i. S. eines allgemeinen Menschenrechts, das sich rechtlich als subjektiv-öffentliches Recht der i n der Presse Tätigen gegen Eingriffe des Staates i n den Pressebereich äußert. Die Pressefreiheit stellt aber andererseits eines der tragenden Fundamente der demokratischen Staatsordnung dar und hat unter diesem Gesichtspunkt den Inhalt einer objektiv-rechtlichen Verbürgung des Verfassungsinstituts „Freie Presse". Beide Aspekte der Pressefreiheit stehen auf gleicher Ebene nebeneinander, oder besser: sie sind ineinander verflochten, sie sind zwei Seiten ein und derselben Verfassungsnorm 100 . Die institutionelle Seite der Pressefreiheit i n der Rechtsprechung des BVerfG ist sicher nicht gleichbedeutend mit der „institutionellen Garantie" bzw. „Institutsgarantie" i. S. Carl Schmitts; jedenfalls dann nicht, wenn man wie Carl Schmitt und seine Adepten, die jede „Institutionalisierung" als Sakrileg gegenüber der reinen Lehre des Liberalismus betrachten, „Freiheit" und „Institution" i m Gegensatz zueinander bringt und die subjektive Seite der Institution als der institutionellen Gewährleistung untergeordnet ansieht. Andererseits aber ist der Begriff „Institut ,Freie Presse'" mehr als nur „ein anderer Ausdruck für: die durch das (Verfassungs)Rechtsinstitut »Pressefreiheit' gewährleistete Unabhängigkeit der Presse" 101 , also lediglich Beschreibung einer verfassungsrechtlichen Realität. M i t dem Institutsbegriff w i l l das BVerfG vielmehr zum einen ganz allgemein die funktionale Bedeutung der Pressefreiheit für die demokratische Staatsordnung zum Ausdruck bringen; darüber hinaus aber bildet er die unmittelbare verfassungsrechtliche Verankerung für die „öffentliche Aufgabe" der Presse. Aus beidem, dem Institut ,Freie Presse' und der darin umschlossenen „öffentlichen Aufgabe", zusammengenommen leitet sich i n der Rechtsprechung des BVerfG die besondere Rechtstellung der Presse ab. U m ihrer Funktion i n der Demokratie willen genießt die Presse gegenüber anderen Rechtsträgern „Privilegien", steht aber andererseits auch unter besonderen Verpflichtungen. Zwar wurden bisher i n Gesetzgebung und Rechtsprechung ganz überwiegend nur die Privilegien der Presse hervorgehoben, doch führt der i n der „öffentlichen Aufgabe" zum Ausdruck kommende institutionelle Ansatz zwangsläufig zu der Frage, ob sich daraus nicht auch bestimmte Anforderungen an die Struktur der Presse ergeben, Anforderungen, die sich unter den Begriff der „inneren Presse100 101

10*

Vgl. Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 84. So Czajka, Pressefreiheit und „öffentliche Aufgabe" der Presse, S. 82.

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freiheit" zusammenfassen lassen. Wenn A r t . 5 1 2 GG die Pressefreiheit „gewährleistet", so liegt darin nicht nur die Garantie eines bestehenden Zustands; das Wesen des A r t . 5 besteht vielmehr i n der Freiheitsgarantie. Wenn diese Freiheit, die i n der sozialen Demokratie des GG nicht nur formal, nämlich nur auf den Staat bezogen, sondern materiell zu verstehen ist, infolge einer Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse gefährdet ist, dann hat der Staat—gleich aus welcher Richtung die Gefährdung kommt — die Pflicht, Maßnahmen zum Schutz der Freiheit zu treffen. Das BVerfG selbst hat i n seinem „Spiegel-Urteil" die Verpflichtung des Staats zur Verhinderung von Monopolbildungen hervorgehoben. Es könnte jedoch auch daran zu denken sein, daß sich die tatsächlichen Verhältnisse derart verändern, daß die Freiheit der Presse nicht mehr i n einer Wiederherstellung des früheren Zustands gefunden werden kann, sondern sich eine grundlegende Umgestaltung des Pressewesens als notwendig erweist. Wenn also die institutionelle Seite der Pressefreiheit dem Staat das Recht und unter Umständen auch die Pflicht zum gestaltenden Eingriff gibt, so ist darin doch gleichzeitig die Garantie der „institutionellen Eigenständigkeit" enthalten. Darunter versteht das BVerfG den freiheitlichen Charakter des Kommunikationswesens, m i t dem es unvereinbar ist, daß der Staat auf die Tätigkeit der Presse selbst inhaltlich Einfluß nimmt. Alle Maßnahmen des Staates haben i n diesem Gebot der Freiheitlichkeit der Presse ihre Grenze. Die Presse darf nie i n die staatliche Sphäre einbezogen werden. Freiheit der Presse bedeutet i n der Rechtsprechung des BVerfG schließlich auch „Vielfalt", Pluralität. Die Struktur der Presse muß so sein, daß alle wesentlichen, i n der Gesellschaft vorhandenen Meinungen i n ihr Ausdruck finden. I m „Fernseh-Urteil" sah das BVerfG diese Voraussetzung durch die zahlenmäßige „Fülle der vom Staat unabhängigen Zeitungen und Zeitschriften" als gegeben an, wobei das Gericht, wie sich aus dem Zusammenhang ergibt, davon ausgeht, daß durch diese zahlenmäßige Fülle verschiedener Presseorgane gleichzeitig die Vielfalt der Meinungen gewährleistet ist. Daß die Pluralität der Meinungen aber auch innerhalb des einzelnen Organs selbst Ausdruck finden kann, geht aus den i n derselben Entscheidung für die Ordnung des Rundfunks und Fernsehens aufgestellten Grundsätzen hervor. Ob sich daraus eventuell auch Alternativen für die gegenwärtige Struktur der Presse entwickeln lassen, w i r d an späterer Stelle zu untersuchen sein. 4. Die Pressefreiheit in der Literatur Die Rechtsprechung des BVerfG fand i m verfassungs- und presserechtlichen Schrifttum starke Resonanz. Man kann heute wohl die Lehre vom Doppelcharakter der Pressefreiheit als Individualrecht und als

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institutionelle Garantie sowie die Anerkennung einer „öffentlichen Aufgabe" der Presse als die herrschende Meinung i n der deutschen Verfassungslehre bezeichnen. Dennoch ist die Gruppe der Vertreter der traditionell-liberalen Theorie nach wie vor verhältnismäßig stark und ist gerade i n den letzten Jahren um gewichtige Beiträge vermehrt worden. I m folgenden soll nun ein Überblick über den Stand der wissenschaftlichen Meinungen zur Pressefreiheit gegeben werden. Wenn dabei um der besseren Übersicht, aber auch der Klärung der Position willen eine Einteilung nach den Kategorien „liberal", „demokratisch" und „konservativ-etatistisch" vorgenommen wird, so ist sich der Verfasser bewußt, daß die Zuordnung zur einen oder anderen Gruppe i m Einzelfall problematisch sein kann. Es soll jedoch versucht werden, die einzelnen Nuancen innerhalb der verschiedenen Gruppen deutlich hervorzuheben. a) Die traditionell-liberale

Lehre

Die hier unter der Bezeichnung „traditionell-liberal" zusammengefaßte Gruppe von Autoren 1 0 2 setzt i m wesentlichen die geistige Tradition der Weimarer Staatsrechtslehre — und dabei insbesondere der Lehre Carl Schmitts vom liberalen Rechtsstaat — fort. Allen gemeinsam ist ihr verfassungstheoretischer Ausgangspunkt, i n dem sich Staat und Gesellschaft dualistisch gegenüberstehen. Die Gesellschaft ist der Raum der Freiheit, i n dem das Individuum die Chance der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit findet 1 0 3 . Der Freiheitsbegriff dieser Lehre ist der der „natürlichen" Freiheit, die rechtlich nur negativ als die durch die Schranken der Rechtsordnung definierte Sphäre des Einzelnen umschrieben werden kann 1 0 4 , innerhalb derer er „ t u n und lassen (kann), was er w i l l " , wobei die Zielsetzung der Betätigung niemand außer ihm etwas angeht 105 . M i t der grundrechtlichen Freiheitsgewährung verbinden sich zwar bestimmte Erwartungen, die jedoch i m vorverfassungsrechtlichen Raum des „bloß Faktischen" bleiben. Die Frage nach dem „wozu" der Freiheit ist verfassungsrechtlich ohne Relevanz 106 . Vom Einzelnen aus gesehen kann der Staat i n dieser Konzeption nur die Rolle einer die Freiheit ständig bedrohenden Herrschaftsorganisation einnehmen, dessen Machtausübung durch die Verfassung rechtsstaatliche Schranken zu ziehen sind. „Jede Abschwächung des Dualismus von Staat und Gesellschaft" ist somit zwangsläufig „ m i t einer entsprechenden Einbuße an 102 Zu ihr werden hier insbesondere Czajka, Forsthoff, Rehbinder, Schnur und Windsheimer gerechnet; starke Berührungspunkte haben auch Friesenhahn, Herzog und Schüle. 103 Vgl. zum folgenden insbesondere Schnur W D S t R L 22, 102 ff. 104 Vgl. Schnur , a.a.O., S. 103: „Der Umfang des Freiheitsrechts (ergibt sich) nur aus den Schranken, nicht aus einer als vorgegeben angenommenen Substanz des Grundrechts." 105 Vgl. Schnur , a.a.O., S. 102. los vgl. Forsthoff , Zeitungspresse, S. 15.

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Freiheit verbunden" 1 0 7 . Andererseits aber ist der Staat seinerseits Bedingung für die individuelle Freiheit; daher wäre jeder Abbau der Staatlichkeit eine Bedrohung der Freiheit 1 0 8 . Freiheit setzt also das durch ein System von „checks and balances" i n der Schwebe gehaltene Gegenüber von Staat und Gesellschaft voraus. Für den Freiheitsschutz des Einzelnen stellen die Grundrechte die wichtigste Barriere gegenüber staatlicher Machtanmaßung dar. Bezugspunkt der Grundrechte ist das Individuum i n seiner Vereinzelung; sie stehen ihm um seiner selbst willen, nicht um irgendwelcher von außen herangetragener Ziele und Forderungen zu. Es w i r d zwar auch von den liberalen Theoretikern nicht verkannt, daß die Grundrechte von gesellschaftlichen Kräften selbst her bedroht sein können und daß dem Staat heute mehr und mehr die Aufgabe zufällt, das Individuum vor dieser Bedrohung zu beschützen 109 . Aber auch dann ist Schutzobjekt immer nur das vereinzelte Individuum und der Staat t r i t t als das i m Grunde unverbundene Gegenüber der Gesellschaft, als die Inkarnation der „Rechtsordnung" auf, der dem freien Spiel der Kräfte in der Gesellschaft Regeln zu setzen und deren Einhaltung zu kontrollieren hat. Der Staat, der die Freiheit ermöglicht, ist allein der bürgerlich-liberale Rechtsstaat. I n der Art, wie die Grundrechte dem Rechtsstaatsbegriff zugeordnet werden, zeigt sich nun allerdings, daß einige Autoren dieser Gruppe (wie auch schon Carl Schmitt) weniger dem ursprünglichen Liberalismus der Zeit vor 1848, als dessen positivistischer Formalisierung während des ausgehenden 19. Jahrhunderts nahe stehen. Abweichungen vom ursprünglichen liberalen Grundrechtsverständnis zeigen sich insbesondere i n der — v. a. von Forsthoff und Schnur vertretenen — Ablehnung jeder funktionalen Betrachtungsweise der Grundrechte. I n klarem Widerspruch zu den liberalen Verfassungsrechtlern des Vormärz sehen Forsthoff und Schnur i n den Grundrechten lediglich historisch mehr oder weniger zufällig entstandene Ausgrenzungen staatlicher Macht zur Sicherung einer privaten Freiheitssphäre, die allenfalls mittelbar, jedoch nicht per se eine verfassungsstrukturelle Bedeutimg hat 1 1 0 . Lehnt man die von den Vätern des Liberalismus, insbesondere Jaup, Welcker und Rotteck, immer wieder betonte funktionale Bedeutung der Grundrechte als konstitutiver Bestandteil einer freiheitlichen Verfassung ab, so wer107 108

Forsthoff, Forsthoff,

Neue Aspekte der Pressefreiheit, Der Staat 1966, S. 1 ff., 7. Verfassung und Verfassungswirklichkeit, Merkur 5/1968, S.

411. 109 V g L Forsthoff, ebd., S. 402. no vgl. Forsthoff, Verfassungsschutz der Zeitungspresse, S. 15 sowie seinen Diskussionsbeitrag auf der Staatsrechtslehrertagung W D S t R L 22, S. 189 f.; ähnlich Friesenhahn (Die Pressefreiheit im Grundrechtssystem des Grundgesetzes, a.a.O., S. 35), der zwar die Funktion der Pressefreiheit für die Demokratie erkennt, ihr jedoch lediglich verfassungspolitische Bedeutung beimißt.

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den diese zu bloßen Elementen eines juristischen Glasperlenspiels, genannt Rechtsstaat, der nach den Worten Forsthoffs nur noch „ein institutionelles Gefüge oder, um es krass zu formulieren, ein System rechtstechnischer Kunstgriffe zur Gewährleistung gesetzlicher Freiheit" darstellt 1 1 1 . Die dem Liberalismus ursprünglich durchaus geläufige Erkenntnis, daß Freiheit letztlich nicht einklagbar ist, sondern stets aufs neue i m politischen Prozeß erworben und gesichert werden muß und die Grundrechte die Teilnahme an diesem Prozeß gewährleisten, ist dem formalen Rechtsstaatsdenken der heutigen neoliberalen Schule fremd. Das Grundgesetz gebietet nicht nur Rechtsstaatlichkeit, sondern auch Demokratie. Die gegenseitige Zuordnung beider Prinzipien bleibt für jede Staatslehre eine Gretchenfrage. Für die neoliberale Lehre stehen die liberalen und die demokratischen Komponenten i n einem dualistisch unüberbrückten Gegensatz 112 , der in der Struktur der Verfassung selbst zum Ausdruck kommt. Während die Grundrechte ausschließlich liberalen Wurzeln zugeordnet werden, stellt das demokratische Prinzip ein lediglich formal bestimmtes Strukturmerkmal innerhalb des als Kompetenz- und Verfahrensordnung betrachteten organisatorischen Teils der Verfassung dar, der dem Grundrechtsteil selbständig gegenüber steht. Da i n den Augen der neoliberalen Schule „die Organisation unseres Staatswesens (ausschließlich) den Entscheidungsvorgängen gilt, den Prozessen die zu verbindlichen Entscheidungen führen" 1 1 8 , während sich der i m Vorfeld der Entscheidungsvorgänge befindliche Meinungsbildungsprozeß i m rechtlich irrelevanten gesellschaftlichen Raum abspielt, beschränkt sich die Bedeutung des demokratischen Prinzips für den einzelnen Bürger auf das allgemeine Wahlrecht, kraft dessen er sich alle vier Jahre einmal den Mantel des „citoyens" umlegen darf, um seine Repräsentanten zu wählen, die fortan für i h n die politischen Entscheidungen zu treffen haben. I n Entsprechung zum Dualismus Staat — Gesellschaft ist somit auch der Bürger i n seinen Rollen als „bourgeois" und „citoyen" i n sich dualistisch gespalten. 111 112

Forsthoff,

Die Umbildung des Verfassungsgesetzes, S. 61.

Wenn Forsthoff sein Verfassungsverständnis als „dialektisch" (Zeitungspresse, S. 15) bezeichnet, so muß ihm darin entschieden widersprochen werden; denn seiner Verfassungslehre fehlt eben gerade das dynamische Element der Dialektik, das zur Aufhebung des Widerspruchs zwischen These und Antithese in einer qualitativ neuen (später wieder zur These werdenden) Synthese drängt. Bei Forsthoff bleiben liberale und demokratische Verfassungskomponenten in einem statisch-mechanistischen Gegenüber stehen. Wenn Forsthoff es als „Sinn der Verfassung" ansieht, „ein bestimmtes Ordnungsgefüge in Normen mit zwingender Kraft festzulegen" und fortfährt: „Der Sinn dieser Normen ist zu ermitteln . . . und dann auch durchzuhalten" (Zeitungspresse, S. 12), so zeigt sich darin, daß ihm das der Dialektik inhärente Moment des geschichtlich Wandelbaren völlig abgeht. 113 Schnur, W D S t R L 22, 112.

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Wenn sich der Staat als Rechtsstaat und die auf dem freien Spiel der Kräfte basierende Gesellschaft als Trägerin des demokratischen Prinzips dualistisch gegenüber stehen, so liegt, da Freiheit Ordnung voraussetzt, die Garantie für die Freiheit des Individuums letztlich beim Staat. I n merkwürdiger Umkehr gegenüber dem frühliberalen Ausgangspunkt stellt sich daher für den von einem spätzeitlichen Kulturpessimismus geprägten Neoliberalismus folgende Alternative: „Richtig i s t . . . , daß ein starker, zugegebenermaßen ständig der Kontrolle vor einem Abgleiten in den Totalitarismus bedürftiger Staat das kleinere Übel gegenüber einer mit Sicherheit totalitär werdenden Gesellschaft ist. Es hat den Anschein, als ob die Menschheit in der nächsten Zukunft nur zwischen diesen beiden Möglichkeiten zu wählen hätte 1 1 4 ."

Die dem Grundgesetz zugrundeliegende Konzeption eines „freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats" w i r d damit i n die Bestandteile des liberalen Rechtsstaats und der Demokratie zerlegt, die gegeneinander ausgespielt und dann verschiedenen Freiheitsbegriffen zugeordnet werden. Nach dieser Operation kann Forsthoff feststellen, daß sich der liberale und der demokratische Freiheitsbegriff als miteinander unvereinbar erweisen 115 . Auf diesem verfassungstheoretischen Hintergrund ist auch die liberale Konzeption der Pressefreiheit zu sehen. Pressefreiheit hat für den Neoliberalismus ausschließlich den Charakter eines klassischen Menschenrechts 116 und stellt damit — sieht man von dem Streit, ob Art. 5 1 2 über S. 2 hinaus auch die Freiheit der Berichterstattung garantiert, ab — nur einen Unterfall der Meinungsfreiheit dar, der aus historischen Gründen (Zensur!) besonders hervorgehoben wurde 1 1 7 . Die Pressefreiheit gibt dem Bürger ein bloßes Abwehrrecht gegenüber dem Staat 1 1 8 , sie beinhaltet ausschließlich den „status negativus". Institutionelle Gehalte sind mit dieser Auffassung nicht vereinbar 1 1 9 . Zwar w i r d heute durchweg anerkannt, daß die Pressefreiheit eine wesentliche politische Funktion hat und von einigen Autoren w i r d auch ausdrücklich betont, daß die Pressefreiheit konstitutiv für die freiheitlich-demokratische Staats114

Herzog, Einleitung zum Evgl. Staatslexikon, S. X X X V I I . Forsthoff, Der Staat, 1966, S. 14. Czajka, a.a.O., S. 142 ff.; Herzog, a.a.O., Art. 5 Rz. 11, 143; Schnur, a.a.O., S. 101; Windsheimer, Die „Information" als Interpretationsgrundlage, S. 117. 117 Czajka, a.a.O., S. 149; Schnur, a.a.O.; Windsheimer, a.a.O.; Rehbinder, Presserecht, S. 201; Friesenhahn, a.a.O., S. 25 ff. Herzog (Art. 5 Rz. 153) sieht die Funktion der Pressefreiheit gegenüber der Meinungsfreiheit in der Einbeziehung der vorbereitenden Tätigkeiten des Recherchierens, Druckens etc., während Czajka und Windsheimer die Ansicht vertreten, daß jedes Grundrecht per se die vorbereitenden Hilfstätigkeiten in seinen Sdiutzbereich miteinbezieht. us Anm. 116 sowie Bettermann, DVB1. 1963, S. 42 und Forsthoff, Zeitungspresse, S. 17. 119 Neben den o.g. vgl. auch Schule, Persönlichkeitsschutz und Pressefreiheit, S. 62 Anm. 62. 115

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Ordnung ist 1 2 0 . Darin liegt jedoch nur die Anerkennung eines Faktums, ohne daß dies auf die Ebene juristischer Relevanz gelangt 1 2 1 . Grund für die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Pressefreiheit ist letztlich allein die Anerkennung des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, deren Auswirkungen auf die Allgemeinheit nur mittelbar sind 1 2 2 . Die Verlagerung der überindividuellen Funktionen der Pressefreiheit auf die außerrechtliche Ebene des rein Faktischen w i r d besonders deutlich bei Forsthoff, der — i n ganz ähnlicher Weise wie der junge Jellinek — die Presse m i t den Worten charakterisiert: „Sie ist Teil der W i r t schaft von sehr komplexer Struktur und ebensowenig ein Rechtsinstitut wie das organisierte Schneiderhandwerk 123 ." Nach dem bisher Gesagten bedarf es kaum noch eines besonderen Hinweises, daß die traditionell-liberale Lehre eine „öffentliche Aufgabe" der Presse als Rechtsbegriff rundweg ablehnt. Der Begriff der „öffentlichen Aufgabe" w i r d allenfalls als rein tatsächliche Beschreibung der Funktionen der Presse i m demokratischen Staat akzeptiert. Ob das einzelne Presseorgan diese Funktionen tatsächlich ausübt, bleibt allein ihm überlassen 124 . Lediglich i m Falle einer Kollision m i t Rechtsgütern Dritter kann die „öffentliche Aufgabe" Bedeutung als K r i t e r i u m für die Rechtsgüterabwägung erhalten 1 2 5 . Sobald jedoch darüber hinaus weitere rechtliche Folgerungen, insbesondere ein Anspruch auf Privilegien für die Presse aus der „öffentlichen Aufgabe" hergeleitet werden, ist sie „nichts weiter als eine A r t von Berufsideologie" oder „Material für Festredner" 1 2 6 . I n der Anerkennung einer institutionellen Seite der Pressefreiheit und einer „öffentlichen Aufgabe" der Presse w i r d von der liberalen Lehre eine entscheidende Gefahr für die Freiheit überhaupt gesehen: denn wenn i m Wege eines „Taschenspielertricks" 127 aus der institutionellen Seite bzw. der „öffentlichen Aufgabe" über den Gehalt eines bloßen sub120

Vgl. Czajka, a.a.O., S. 153 f.; Herzog, a.a.O., Rz. 5 ff. Herzog berücksichtigt das demokratische Prinzip lediglich als Kriterium bei der Auslegung der Grundrechte nach den Grundsätzen der Rechtsgüterabwägung (Art. 5, Rz. 168 ff.). Friesenhahn, a.a.O., S. 35 leitet dagegen aus dem Demokratiegebot die Forderung nach Vielfalt des Pressewesens ab. 122 Czajka, Pressefreiheit und „öffentliche Aufgabe" der Presse, S. 142. 123 Forsthoff, Zeitungspresse, S. 27. 124 Forsthoff, Der Staat 1966, S. 9 f.; Herzog, Art. 5, Rz. 120; Rehbinder, öffentliche Aufgabe, S. 120 ff.; ders., Presserecht, S. 21 ff.; Schnur V V D S t R L 22, 113 ff. 125 Rehbinder, öffentliche Aufgabe, S. 120 ff.; so sind wohl auch Schüles Ausführungen zu verstehen, der zwar einerseits in der „öffentlichen Aufgabe" eine „juristische Größe" sieht, die sich daran anknüpfenden Definitionen jedoch als „bloße Metaphern" verstanden wissen will, die juristisch „nicht beim Wort genommen werden dürfen" (Persönlichkeitsschutz und Pressefreiheit, S. 62). 126 Rehbinder, DVB1. 1966, 560. 127 Herzog Art. 5, Rz. 13. 121

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jektiven Abwehrrechts hinausgehende rechtliche Folgerungen hergeleitet werden, w i r d der Presse eine Sonderstellung gegenüber anderen Grundrechtsträgern zuteil, die sich i n einer Privilegierung oder aber i n einer Inpflichtnahme, meist jedoch beidem, äußern kann 1 2 8 . Eine Sonderbehandlung der Presse widerspräche nach liberalem Verfassungsdenken nicht nur der allgemeinen staatsbürgerlichen Gleichheit, sondern wäre auch ein Einfallstor für Eingriffe des Staates i n die inneren Verhältnisse der Presse. Der Staat erhielte damit die Möglichkeit, Abgrenzungen nach bestimmten Wertungsgesichtspunkten zu treffen, indem er die Gewährung von Privilegien von der positiven Erfüllung der (von i h m inhaltlich definierten) „öffentlichen Aufgabe" abhängig macht 1 2 9 . Dann aber wäre das Ende der Pressefreiheit erreicht. I m traditionell-liberalen Verfassungsmodell hat die Pressefreiheit die Funktion, die Voraussetzung für die Bildung einer dem Staat kritisch gegenüberstehenden „öffentlichen Meinung" zu schaffen, deren wichtigstes Medium die Presse ist. Art. 5 I GG gewährleistet den dazu notwendigen „verfassungskräftigen Freiheitsraum für das Bürgergespräch i n öffentlichen Angelegenheiten" 130 . Gibt der Staat sein Gegenüber auf und nimmt er aktiv Einfluß auf den Mednungsbildungsprozeß innerhalb der Gesellschaft, so verliert dieser seinen freiheitlichen Charakter. Pressefreiheit setzt — wie jede Freiheit — die Möglichkeit ihres Mißbrauchs voraus. Der Staat hat daher die Verwirklichung der m i t der Pressefreiheit verbundenen Funktionen „der eigenen Verantwortung der Presse und der Journalisten" zu überlassen. „Er nimmt die damit verbundenen Gefahren bewußt i n Kauf und beschränkt sich lediglich auf die Setzung gewisser Grenzen, die auch die übrigen Bürger einhalten müssen 131 ." b) Die institutionellen

Pressefreiheitstheorien

Den Anhängern der traditionell-liberalen Auffassung der Pressefreiheit läßt sich eine erheblich größere Gruppe von Autoren gegenüberstellen, die i n der Pressefreiheit des Grundgesetzes nicht nur ein Individualrecht, sondern auch objektiv-rechtliche Elemente sehen, und die (zum größten Teil auch) der Presse eine „öffentliche Aufgabe" zusprechen. Diese Einteilung hat jedoch kaum mehr als einen formal-äußerlichen Aussagewert, denn bei näherer Betrachtung zeigt sich, daß das verbin128 v g l Forsthoff, Zeitungspresse, S. 14; ders., Tagespresse und Grundgesetz, DÖV 1963, S. 633 f.; Herzog, Art. 5 Rz. 13 f.; Rehbinder, DVB1. 1966, 560 f.; Schnur, W D S t R L 22, 113 ff.; Windsheimer, a.a.O., S. 69 ff.; vgl. auch A. Arndt, Die Rolle der Massenmedien, S. 4 ff.; Dagtoglou, Wesen und Grenzen der Pressefreiheit, S. 23 ff. 129 Vgl. Forsthoff, Der Staat 1966, S. 11; in ähnlichem Sinne A. Arndt, a.a.O., S. 4 f. 130 Schule, a.a.O., S. 62. 131 Schule, ebd.

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dende Merkmal des „Institutionellen" keineswegs auch auf eine Gemeinsamkeit i n den verfassungstheoretischen Grundpositionen hinweist. Verschiedene Vertreter der „institutionellen Lehrmeinung" stehen insofern der traditionell-liberalen Schule weit näher als dem entgegengesetzten Flügel innerhalb der geichen „Lehrmeinung". Kriterium für eine sachgerechte Differenzierung der Pressefreiheitstheorien kann daher nicht allein ihre Stellung zur Frage der „institutionellen Garantie" sein. Bei der Suche nach dem Punkt, auf den sich die maßgebenden Unterschiede innerhalb der wissenschaftlichen Diskussion zur Pressefreiheit zurückführen lassen, stößt man letztlich auf die Frage des Verhältnisses von liberalen und demokratischen Elementen i m Grundrechtsteil des Grundgesetzes. Geht man davon aus, daß der Grundrechtsteil Ergebnis einer Verfassungsentwicklung ist, deren Wurzel i n den Gedanken des Liberalismus und der Demokratie liegen, so läßt sich — je nach Wertung dieser Komponenten i m Hinblick auf die Pressefreiheit — ein Koordinatensystem bilden, aus dem sich folgende Gruppierungen ergeben: traditionell-liberal, modern-liberal, liberal-demokratisch, radikal-demokratisch, nach denen sich die Theorie zur Pressefreiheit einteilen lassen. Daneben gibt es noch eine weitere Gruppe, die nicht in dieses Schema paßt, sondern anderen geistigen Wurzeln entspringt: Sie soll i m folgenden als konservativ-etatistische Theorie bezeichnet werden. Die modern-liberale, die liberal-demokratische und die radikal-demokratische Theorie unterscheiden sich von der traditionell-liberalen Lehre durch die Anerkennung eines institutionellen Elements i n der Pressefreiheit. Für die Abgrenzung zwischen der traditionellen und der „modernen" Richtung innerhalb der liberalen Pressefreiheitstheorien liegt darin das einzige Unterscheidungsmerkmal. Auch die liberal-demokratische Theorie erkennt neben der institutionellen Seite weiterhin eine subjektiv-rechtliche Seite als gleichrangig an; i m Gegensatz zu den liberalen Theorien stellt sie jedoch die Zuordnung der Pressefreiheit zum demokratischen Prinzip ganz i n den Vordergrund und versucht i m Hinblick darauf aus der institutionellen Seite der Pressefreiheit bzw. der „öffentlichen Aufgabe" der Presse rechtliche Folgerungen zu ziehen. Die radikal-demokratische Auffassung sieht demgegenüber i n der Pressefreiheit grundsätzlich keine Iiberalindividualrechtliche Komponente mehr, sondern nur noch ein demokratisches Teilhaberecht bzw. eine Fundamentalnorm der demokratischen Verfassung. Der Aussagewert dieser Einteilung ist zweifellos i m Einzelfall problematisch; insbesondere hinsichtlich der Unterscheidung zwischen der „traditionellen" und der „modernen" liberalen Auffassung erscheint es fraglich, ob das institutionelle Element ein ausreichend sachbezogenes K r i terium der Differenzierung ist, oder ob es bei einzelnen Autoren nicht eher nur eine Konzession an den „Zug der Zeit", insbesondere die

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Rechtsprechung des BVerfG darstellt, ohne jedoch einen wirklich sachlichen Aussagewert zu enthalten. Ebenso ist bei einigen Autoren, die nach diesem Schema der „liberal-demokratischen" Gruppe zugerechnet werden zu bezweifeln, ob diejenigen Elemente ihrer Lehre, die hier Kriterium für ihre Zuordnung zu dieser Gruppe sein soll, unbedingt Ausdruck einer demokratischen Grundposition oder nicht eher einem konservativen Ordnungsdenken zuzuschreiben ist. Dies soll nun i m einzelnen untersucht werden. aa) Die modern-liberale Theorie Der Gruppe „modern-liberaler" Autoren werden i m Rahmen dieser Darstellung Dagtoglou, W. Geiger, Leisner, Scheuner und Peter Schneider zugerechnet. (1) Für Peter Schneider ist Subjekt der Pressefreiheit—wie der Grundrechte allgemein — das Individuum als „Mensch". Eine Unterscheidung zwischen dem Status als „citoyen" und als „bourgeois" ist m i t seiner personalen Grundrechtsinterpretation unvereinbar 1 3 2 . Obwohl P. Schneider die Funktion der Pressefreiheit als Gewährleistung eines freien, für die Demokratie lebenswichtigen Meinungsbildungs- und Kommunikationsprozesses betont, ist dieser Prozeß für ihn doch kein überindividueller Vorgang; auch der gesamtgesellschaftliche Kommunikationsprozeß ist -in den Augen Schneiders vielmehr lediglich ein individueller Meinungsaustausch zwischen einzelnen Menschen 133 , ein Geflecht interindividueller Beziehungen. Jeder Bürger hat die durch Art. 5 I gewährleistete Chance, an diesem Prozeß teilzunehmen. Dementsprechend ist nach Ansicht P. Schneiders die Pressefreiheit lediglich als ein „Unterfall der allgemeinen Meinungsäußerungsfreiheit, d. h. als ein originäres Recht zu verstehen, das jedermann zur Verfügung steht" 1 3 4 . Andererseits erkennt aber auch P. Schneider an, daß das einzelne Individuum i n vielfältige gesellschaftliche Bezüge eingeordnet ist. Diese zu bestimmten „Sozialgebilden" verdichteten gesellschaftlichen Sachverhalte sind jedoch ihrerseits immer nur als auf das Individuum bezogen zu sehen, sie dienen seinem Schutz, sind Ausdruck seines persönlichen W i r kens und stellen i h m Freiheitsräume für die Entfaltung seiner Persönlichkeit zu Verfügung 1 3 5 . I n der Sicherung dieser „Sozialgebilde" nun sieht P. Schneider die Funktion der institutionellen Seite, die i n verschiedenen Grundrechten, u. a. auch der Pressefreiheit, enthalten ist. Ihrer rechtlichen Bedeutung nach ist die „institutionelle Garantie" aber immer nur „Umhegung" der Freiheit des Einzelnen 136 , die gegenüber dem indivi132 133 134 135 138

Pressefreiheit und Staatssicherheit, S. 62. Ebd., S. 30, 62 f. Ebd., S. 62. Ebd., S. 45 ff. Ebd., S. 46, 64.

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dualrechtlichen Aspekt des Grundrechts eine bloße „Ergänzungsfunktion" besitzt 137 . A u f die Pressefreiheit bezogen hat die Anerkennung einer institutionellen Garantie den Schutz des Sozialgebildes „Presseunternehmen" zum Zweck 1 3 8 . Der Schutzbereich läßt sich i n Analogie zum „Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" abgrenzen. Die daraus abzuleitenden subjektiv-öffentlichen Rechte stehen dem Inhaber des Presseunternehmens nur kraft der institutionellen Garantie, nicht aber kraft originärer Rechtsstellung zu 1 3 9 . Hat der institutionelle Aspekt der Pressefreiheit bei P. Schneider noch die Funktion, den Schutzbereich des Grundrechts über den individuellen Persönlichkeitsschutz hinaus zu erweitern, so besitzt die Anerkennung einer „öffentlichen Aufgabe" der Presse eine solche eigenständige Rechtsfunktion nicht mehr. I n der „öffentlichen Aufgabe" sieht P. Schneider lediglich die Umschreibung einer tatsächlichen, soziologisch zu bestimmenden Funktion der Presse. I m einzelnen hebt Schneider drei Aspekte hervor, i n denen er die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe durch die Presse sieht: I n ganz allgemeinem Sinne die Erzeugung von „Öffentlichkeit i m Sinne von Allgemeinzugänglichkeit", sodann die (faktische) W i r kung als „Instrument der sachgebundenen Meinungsorientierung" und schließlich die „Konstituierung eines politischen Forums" 1 4 0 . Jede freiheitsbegrenzende Wirkung der „öffentlichen Aufgabe" lehnt P. Schneider ab; für ihn ist die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Pressefreiheit bereits durch die formale Funktion der Öffentlichkeits-Erzeugung gerechtfertigt. (2) Anders als bei P. Schneider, der von der liberalen Gegenüberstellung Individuum (Gesellschaft) — Staat ausgeht, liegt Scheuners Verfassungskonzeption einer „modernen Massendemokratie" die Dreiheit: Staat — Gruppe — Individuum zugrunde 141 . Die Stellung der Presse, ähnlich wie die der Parteien, der Gewerkschaften und anderer gesellschaftlicher Gruppen, befindet sich zwischen Individuum und Staat, und zwar speziell i m Bereich der „Verformung der politischen Willensbildung" 1 4 2 . „ I m Vorfeld der politischen Entscheidung, i n der Herstellung des legitimierenden Kontakts zwischen der politischen Leitung und dem Volk, i n der von ihr bewirkten Permanenz öffentlicher K r i t i k und Kontrolle liegt die öffentliche Aufgabe der Presse i m demokratischen Staat 1 4 3 ." 137 138 139 140 141 142 143

Ebd., S. 64. Ebd., S. 69 ff. Ebd., S. 76. Ebd., S. 94 f. W D S t R L 22, 32. Ebd., S. 28. Ebd., S. 29.

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Die Presse hat bei Scheuner somit eine Mittlerfunktion zwischen Individuum und Staat Von ihrer Funktion i n der Gesamtgesellschaft her ist sie auf den Bereich des „öffentlichen" bezogen und hat darin eine für die Demokratie konstitutive Bedeutung. Ihrer verfassungssystematischen Stellung nach befindet sie sich jedoch eindeutig außerhalb der institutionellen Sphäre des Staates. Die Presse gehört „ihrem Wesen nach ganz zum Bereich der nicht formierten, auch nicht i n einem weiteren Sinne zum staatlichen Aufbau gehörenden Erscheinungen. Ihr tragendes Prinzip bleibt die Freiheit i. S. einer nicht von Staatsorganisation und Regierung gelenkten Lebensform" 1 4 4 . Diese Lebensform der Freiheit ist und kann nach Scheuners Ansicht nur sein: die privatwirtschaftliche Struktur des Pressewesens 145. Scheuner verkennt andererseits nicht, daß die Presse nicht nur Medium ist, durch das hindurch sich individuelle Meinungsfreiheit verwirklicht. I m Bereich der Presse ist die Meinungsäußerung an einen komplizierten und äußeren Eingriffen gegenüber höchst empfindlichen technisch-organisatorischen Apparat gebunden. Infolge dieser engen Bindung an einen institutionellen Unterbau hat die Pressefreiheit bei Scheuner nicht mehr ausschließlich und nicht einmal vorwiegend (wie die Meinungsfreiheit) den Charakter eines subjektiven Freiheitsrechts, sondern enthält gleichzeitig eine institutionelle Seite, die bei der Pressefreiheit „weithin i n den Vordergrund" t r i t t 1 4 6 . Das Wesen dieser institutionellen Seite, die nach Scheuners Ansicht jedes Grundrecht mehr oder weniger stark ausgeprägt aufweist 1 4 7 , besteht in dem Bezug des Grundrechts auf einen „bestimmten Lebensbereich oder ein bestimmtes Rechtsgebilde, dem sie eine erhöhte rechtliche Sicherheit zu gewähren bestimmt i s t " 1 4 8 . Die institutionelle Seite dient somit der Gewährleistung eines bestimmten, historisch gewachsenen und dadurch abgrenzbaren „Lebenssachverhalts"; ihre Wirkung aber besteht wegen dieses historischen Bezugs letzten Endes i n der verfassungskräftigen Konservierung einer vorgefundenen sozialen oder rechtlichen Struktur. Die institutionelle Seite der Pressefreiheit hat dementsprechend den Zweck, die Institution Presse i n der Gestalt, die sie i m Laufe der geschichtlichen Entwicklung bis heute gefunden hat, zu sichern. Ihr Schutz bezieht sich also nicht nur wie bei P. Schneider auf die organisatorisch-technischen Voraussetzungen der Presseproduktion, sondern schließt auch die Garantie der unternehmerischen Freiheit, des Privateigentums und des Wettbewerbs — zusammengefaßt: der privat144

Ebd., S. 30. 145 privatwirtschaftliche AfPR 22/1968, S. 726 ff. 148 V V D S t R L 22, S. 64. 147 Ebd., S. 45 f., 56. 148 Ebd., S. 45.

Struktur

und öffentliche

Aufgabe

der Presse,

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wirtschaftlichen Struktur der Presse — ein, ohne die Freiheit und Vielfalt der Presse nach Scheuners Ansicht nicht denkbar sind 1 4 0 . Da jedoch Art. 5 GG nicht nur die Presse an sich, sondern die Presse i n ihrer Funktion für die gesamte Verfassungsordnung d. h. als „freie Presse" gewährleistet, diese Freiheit aber auch durch soziale Machtbildungen (Konzentration!) eingeengt werden kann, kann sich nach Scheuners Ansicht der Sinn des Freiheitsrechts als Abwehrrecht gegenüber staatlichen Eingriffen „ i m extremen Fall" auch i n das Gebot staatlichen Eingriffs verkehren, um Offenheit und Vielfalt der Diskussion zu erhalten 1 5 0 . Sieht man von diesem untypischen Extremfall ab, so hat die institutionelle Seite der Pressefreiheit auch i n Scheuners Theorie folglich i m Grunde nur die Bedeutung, Eingriffe von außen, d. h. dem Staat, abzuwehren. Der Staat hat keine eigene, selbständige Gestaltungsfunktion i m Grundrechtsbereich, sondern lediglich die allgemeine Ordnungsaufgabe der „Mißbrauchswehr". Auch Scheuners Verfassungskonzeption läßt sich daher letztlich auf den liberalen Dualismus von Staat und Gesellschaft zurückführen, lediglich m i t der Besonderheit, daß Scheuner i m gesellschaftlichen Bereich die Kategorie der „Gruppe" einführt und dem Staat gegenüber Gefahren, die der Freiheit des Individuums durch diese sozialen Machbildungen drohen, eine gewisse Ordnungsfunktion einräumt. A u f diesen Hintergrund ist auch Scheuners Stellung zur „öffentlichen Aufgabe" der Presse zu sehen. Da Freiheit für i h n ihrem Wesen nach Unabhängigkeit von allen staatlichen Einwirkungen, Bindungen und Auflagen bedeutet und grundsätzlich mit dem gesellschaftlichen Bereich verknüpft ist, kann die „öffentliche Aufgabe" keinen selbständigen rechtlichen Gehalt besitzen. Die „öffentliche Aufgabe" hat vielmehr lediglich die Bedeutung einer soziologischen Feststellung und staatstheoretischen Aussage 151 , die als Legitimation für Privilegien, keinesfalls aber zur Begründung von „Verantwortungen, Verpflichtungen, und damit Einwirkungen des Staates" herangezogen werden kann 1 5 2 . Darüber hinaus aber besitzen nach Scheuners Ansicht nicht einmal die wenigen aus der „öffentlichen Aufgabe" entwickelten Pressepflichten, die die Landespressegesetze enthalten, wie z. B. die Sorgfaltspflicht, einen normativen Inhalt 1 5 3 . (3) I m Ergebnis ähnlich wie Scheuner, jedoch ohne eine vergleichbare grundlegende verfassungstheoretische Konzeption, vertritt Dagtoglou die 140 150 151 152 153

Vgl. AfPR 22/1968, S. 722, 730. W D S t R L 22, S. 76. AfPR 22/1968, S. 728, W D S t R L 22, S. 74 f. W D S t R L 22, S. 75 f. AfPR 22/1968, S. 728.

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

Auffassung einer „Parallelgeltung" von subjektivem Recht und „Institutsgarantie" innerhalb Art. 5 12, wobei sich das Hauptgewicht zunehmend vom Grundrecht auf die institutionelle Seite verlagert habe 1 5 4 . Die Pressefreiheit i m eigentlichen Sinne ist bei Dagtoglou „eine Institutsgarantie m i t subjektiven Rechten", also „kein Grundrecht i m rechtsstaatlichen Sinne mehr" 1 5 5 . Die Institutsgarantie i n Art. 5 12 läuft neben der allgemeinen Meinungsfreiheit her 1 5 6 . Den Begriff der „öffentlichen Aufgabe" lehnt Dagtoglou grundsätzlich ab mit der Begründung, daß es dem Wesen der Presse i n unserer Verfassung widerspreche, ihr öffentliche Aufgaben i n einem auf den Staat bezogenen Sinne zu geben 157 . Verstehe man aber darunter lediglich, daß die Tätigkeit der Presse für die Öffentlichkeit relevant sei, so habe der Begriff der „öffentlichen Aufgabe" keinen juristisch erheblichen Aussagegehalt und sei um der Gefahr von Mißverständnissen willen besser aufzugeben. Keinesfalls dürfe die „öffentliche Aufgabe" zu irgend einer Form der Inpflichtnahme der Presse oder einer Begrenzung ihrer Freiheit führen 1 5 8 . (4) Wie Dagtoglou sieht auch Leisner i m Bereich des Art. 5 1 2 ein Nebeneinander von Grundrecht und institutioneller Gewährleistung, wobei er aber i m Gegensatz zu Scheuner, jedoch ähnlich wie P. Schneider dem Grundrecht den eindeutigen Vorrang gibt. Die institutionelle Seite darf i n seinen Augen lediglich zu einer Verstärkung des Grundrechts führen, ihm aber nicht entgegengesetzt werden. „Das Grundrecht ist das Primäre; die Institution ist hier wesentlich Bündelung und dadurch Verstärkung von Individualrechten 1 5 9 ." Zweck der institutionellen Garantie ist insbesondere die Sicherung der Vielfalt des Pressewesens 160, ohne daß der Staat aber hieraus — außer vielleicht i n mehr oder weniger theoretischen Extremsituationen — ein Eingriffs- bzw. Gestaltungsrecht herleiten könne 1 6 1 . I m Gegensatz zu Dagtoglou akzeptiert Leisner den Begriff der „öffentlichen Aufgabe" der Presse 162 , betont aber gleichzeitig, daß darunter lediglich gesellschaftliche Aufgaben ohne Rechtspflichtcharakter verstanden werden könnten. Ihre rechtliche Bedeutung erschöpft sich i n der Möglichkeit einer Privilegierung der Presse bei der Erfüllung ihrer Aufgaben 1 6 3 . 154

Wesen und Grenzen der Pressefreiheit, S. 12 ff. Ebd., S. 12. 156 Ebd., S. 13. 157 Ebd., S. 23 ff. 158 Ebd., S. 27 ff., 32. 159 Werbefernsehen und öffentliches Recht, S. 201. 155

160 161 162 163

Ebd., Ebd., Ebd., Ebd.,

S. S. S. S.

201 ff. 194 f. 197. 197.

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(5) Geiger, der zwar i n Übereinstimmung m i t der liberalen Theorie noch von einem dualistischen Gegenüber von Staat und Gesellschaft ausgeht, hebt jedoch stärker als die bisher behandelten Autoren die „öffentliche Aufgabe" der Presse hervor. Er sieht insbesondere die Notwendigkeit, die Presse als soziales Machtgebilde ihrerseits unter öffentliche Verantwortung zu stellen und schlägt zur Kontrolle darüber die Errichtung von Selbstverwaltungsorganisationen, evtl. m i t obligatorischem Charakter und Disziplinarbefugnis, vor 1 6 4 . Das Gemeinsame der hier unter der Sammelbezeichnung „modernliberale Theorie" bezeichneten Autoren kann somit auf folgenden Nenner zusammengefaßt werden: I n Übereinstimmung m i t der ursprünglichen liberalen Verfassungstheorie der Zeit vor 1848 und i m Gegensatz zu einigen Autoren der „traditionell-liberalen" Gruppe, die sich fälschlicherweise auf diese Tradition berufen, haben die soeben behandelten Autoren erkannt, daß die Pressefreiheit i n einer freiheitlich-demokratischen Verfassung nicht nur ein Menschenrecht darstellt, sondern zugleich eine echte verfassungskonstitutive Bedeutung als Medium und Faktor der öffentlichen Meinungsbildung hat. Das „Moderne" dieser Theorie besteht i n der darüber hinausgehenden Erkenntnis, daß die Funktionen der Presse i n einer modernen Massendemokratie nicht mehr (auch nicht theoretisch) von jedem Bürger i n gleicher Weise wahrgenommen werden können, sondern daß i m Zuge der allgemeinen Spezialisierung und Arbeitsteilung die Wahrnehmung dieser Funktionen i n der Presse eine institutionelle Verdichtung erfahren hat. Die Presse ist auf diesem Wege zu einer „Einrichtung" innerhalb des demokratischen Staates geworden, „deren freiheitliches Vorhandensein ein konstitutives Merkmal dieser Staatsordnung i s t " 1 6 5 . Die Pressefreiheit ist i n den Augen dieser Autoren daher mehr als ein bloßer Unterfall der allgemeinen Meinungsfreiheit. U m ihrer besonderen soziologisch (nicht aber rechtlich) zu bestimmenden Funktionen willen, die sich unter der Bezeichnung „öffentliche Aufgabe" zusammenfassen lassen, ist es gerechtfertigt, der Presse bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe gegenüber anderen Grundrechtsträgern „Privilegien" zu gewähren. I n Übereinstimmung m i t der liberalen Tradition gehen jedoch auch die Anhänger der „modern-liberalen Theorie" davon aus, daß die Presse als dem gesellschaftlichen Bereich zugehörige Erscheinung bereits durch die Gewährleistung eines Freiheitsspielraums i n die Lage versetzt wird, selbstregulativ ihre Funktionen wahrzunehmen. Die Staatsgewalt hat sich auf bloße Ordnungsaufgaben zu beschränken und eine autonome gesellschaftliche Sphäre zu respektieren. 164 Gedanken zu einem neuen Presserecht, AfPR 1/1959, 42 f. 185 Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 488.

11 Stammler

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bb) Die liberal-demokratische Theorie Die liberale Freiheits- und Staatsidee w i r d i m Anschluß an das BVerfG von einer immer noch verhältnismäßig kleinen Zahl von Autoren als revisionsbedürftig erkannt. Ausgerichtet am Gedanken der „freiheitlichen Demokratie" sind sie bemüht, das liberale, freiheitliche Element der Verfassungstradition m i t dem demokratischen Prinzip i n einem neuen Grundrechtsverständnis zu verbinden. Einen der brillantesten und profundesten Entwürfe einer freiheitlich-demokratischen Konzeption der Pressefreiheit hat Adolf Arndt in seinem Vortrag „Die Holle der Massenmedien i n der Demokratie" vorgelegt. Arndts Ausgangspunkt bei der Interpretation der Pressefreiheit und gleichzeitig das, was ihn mit dem Liberalismus verbindet, ist die Betonung der Freiheit des einzelnen Bürgers, die i m Blick auf die Presse ursprünglich Freiheit der individuellen Mitteilung ist. Die Ausübung dieser Freiheit bleibt der autonomen Entscheidung des Einzelnen überlassen, bei der er weder durch einen staatlichen noch einen Verfassungsauftrag gebunden werden darf 1 6 6 . Eine „öffentliche Aufgabe" i. S. eines imperativen, freiheitsbegrenzenden Auftrags lehnt Arndt daher für die Presse als „gefährliche Sprachverwirrung" ab; denn „die freiheitliche Verfassung wendet sich imperativ mit Verfassungsaufträgen stets einzig und allein an die Staatsorgane und niemals an den Bürger" 1 6 7 . Dies schließt allerdings nicht aus, daß i n den Grundrechten ein „evokatives Element liegt", das „ u m den Bürger wirbt, daß er sich die Inhalte seines Staatlichseins aus Eigenem so schafft und formt, wie er es nur aus freiem Willen kann" 1 6 8 . Arndt erkennt nun andererseits aber durchaus, daß für eine „Freiheit für jedermann" i m Bereich der Presse heute die Voraussetzung fehlen, und daß auch die Rolle der Massenmedien i n der demokratischen Massengesellschaft eine andere gegenüber früher geworden ist. Demokratie beruht auf der Vorstellung vom „mündigen Bürger"; Mündigkeit setzt Wissen, d. h. Information und Öffentlichkeit der Entscheidungsvorgänge voraus; Öffentlichkeit aber muß i n der „industriellen Großgesellschaft" mehr und mehr erst durch „Akte der Kommunikation" erzeugt werden. Darin, i n der Herstellung von Öffentlichkeit und i n der Vermittlung von Wissen für den einzelnen Bürger, liegt die eigentliche Funktion der Massenmedien i n der Demokratie. Art. 5 verbürgt somit „ i n einem weltlich-profanen Sinne Wissensfreiheit" 160 . Diese Funktion aber kann die Presse nur dann erfüllen, wenn ihre eigene Ordnung freiheitlich-demokratischen Grundsätzen entspricht. 166 167 168 169

Die Rolle der Massenmedien in der Demokratie, S. 4 f. Ebd., S. 4. Ebd., S. 3. Ebd., S. 10.

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163

Denn i n der Demokratie — und hier zeigt sich die Abkehr Arndts vom Liberalismus alter Prägung — stehen sich Staat und Gesellschaft nicht mehr mechanisch-dualistisch gegenüber, sondern sind „komplementär" zu sehen i n der Weise, „daß sich der Staat nur demokratisiert, soweit die zugehörige Gesellschaft demokratisch ist und ihren Staat demokratisiert". Umgekehrt aber hat auch der demokratische Staat seinerseits die Aufgabe, für eine „Demokratisierung der Gesellschaft" zu sorgen. „Demokratisierung" bedeutet für A r n d t nun aber nicht Ermöglichung von „Mitbestimmung", sondern — und hier zeigt sich wieder die Nähe zum Liberalismus — i n der Sicherung bürgerlicher Freiheit. Aufgabe des Staates gegenüber der Gesellschaft und dem Einzelnen ist es daher, „Räume der Freiheit zu planen" 1 7 0 . I m Bereich der Presse besteht Freiheit i n der „Unabhängigkeit und Vielfalt derPresseveranstaltungen'Mn der industriellen Großgesellschaft sind bereits diese strukturellen Voraussetzungen der Kommunikationsfreiheit gefährdet. „Der Ansatz, um Freiheit wahrzumachen", muß daher „aus der Endphase des Kommunizierens... i n die Vorphase des Veranstaltens" 171 vorgelegt werden, das heißt dem demokratischen Staat wächst der (Verfassungs-) Auftrag zu, eine „freiheitliche Infrastruktur" für die Presse zu schaffen. Hierin sieht A r n d t die institutionelle Seite der Pressefreiheit 172 . Freiheit i. S. der Pluralität kann nun aber heute nicht mehr als Freiheit für jedermann, eine Zeitung herauszugeben, realisiert werden. „Freiheitsplanen... läßt sich nur durch den Kunstgriff der Repräsentation i n Gang bringen 1 7 3 ." I m Bereich der Presse geschieht „Repräsentation mittels der Kommerzialisierung, die i m Verfahren des Wettbewerbs ein ständiges Plebiszit der Leser . . . sein sollte 1 7 4 ." Trotz seiner vom liberalen Modell deutlich abgehobenen Konzeption einer demokratischen Gesellschaft ist „Freiheit" für A r n d t immer die Freiheit des Einzelnen i n der Demokratie. Dies gilt auch für die Pressefreiheit, deren Schwerpunkt sich zwar i n der demokratischen Industriegesellschaft von der Freiheit des Sich-Äußerns auf die des Empfangens i. S. einer „Wissensfreiheit" verlagert hat, die aber dennoch ihrem Wesen nach eine individuelle Freiheit, d. h. eine Freihet um der Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen willen geblieben ist. (2) Dieser individualistische Ansatz Arndts w i r d dann überwunden, wenn man, wie insbesondere Mallmann, das demokratische Prinzip i n den Mittelpunkt des Pressefreiheitsverständnisses stellt. Mallmann ver170 171 171 178 174

ll*

Ebd., Ebd., Ebd., Ebd., Ebd.,

S. S. S. S. S.

5. 14. 13. 20. 21.

164

2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

steht die Pressefreiheit von ihrer „verfassungsstrukturellen Bedeutung" her, wobei er als wichtigsten Bezugspunkt der Pressefreiheit innerhalb der Gesamtverfassung das demokratische Prinzip ansieht 175 . I n einer demokratischen Verfassungsordnung verläßt die Presse den Bereich des Privaten, sie w i r d zur „öffentlichen Institution i m Staat, eine Institution, die legitimiert w i r d durch den Auftrag, neben den Parteien und neben anderen Faktoren der öffentlichen Meinung bei der politischen Willensbildung des Volkes (Art. 21) mitzuwirken" 1 7 6 . Die Pressefreiheit rückt damit aus der Sphäre individueller Menschenrechte i n die Nähe der staatsbürgerlich-politischen Grundrechte des „status activus" 1 7 7 . Mallmann geht sogar so weit, der Pressefreiheit den Charakter der individuellen Freiheit gänzlich abzusprechen und sieht sie nur noch als „institutionelle Freiheit", als „Freiheit um der Aufgabe (für die Demokratie) w i l l e n " 1 7 8 . Aus seinen späteren Veröffentlichungen w i r d allerdings deutlich, daß Mallmann das Begriffspaar „individuell-institutionell" i n diesem Zusammenhang nicht i m rechtstechnischen Sinne, sondern funktional verstanden wissen w i l l als Freiheit, die nicht u m des Einzelnen, sondern um der Institution willen gewährleistet ist; denn die liberalen Wurzeln und m i t ihnen der „negatorische Effekt" der Pressefreiheit leben auch unter dem Grundgesetz noch fort 1 7 9 . Die individualrechtliche Seite ist indessen — und hier dürfte sich Mallmann mit Ehmke treffen — „von dem strukturellen Verfassungsgrundsatz ,Freie Presse'" her zu deuten. „Weiter (als dieser Grundsatz) kann das individuelle Grundrecht nicht gehen 180 ." Insbesondere w i r d die pressegewerbliche Freiheit der Verleger durch den Umfang der institutionellen Gewährleistung abgesteckt 181 . Auch wenn Mallmann stärker als A r n d t den institutionellen Gehalt der Pressefreiheit und i m Gegensatz zu ihm auch die „öffentliche Aufgabe" der Presse als Rechtsbegriff bejaht, so sieht er darin doch keinen Verfassungsauftrag i m Sinne einer Rechtspflicht für die Presse. „Die öffentliche Aufgabe ist vielmehr eine faktische Aufgabe, richtiger Funktion (i. S. von Verrichtung), die von der Rechtsordnung nicht geschaffen, 175 Pressepflichten und öffentliche Aufgabe der Presse, JZ 1966, S. 629; so auch Ehmke, Freiheit in der Presse, S. 3 f. 176 Pressefreiheit und Journalistenrecht, Publizistik 1959, S. 329; von daher konsequent vertritt Scholler die Ansicht, daß das „Recht der Schweigefreiheit", das i m liberalen PressefreiheitsVerständnis mit enthalten ist, in der institutionellen Garantie der Pressefreiheit nicht mit geschützt sei (Person und Öffentlichkeit, S. 191). 177 Publizistik 1959, S. 328 f.; so auch Scholler, a.a.O., S. 180. 178 Pressefreiheit und Journalistenrecht, a.a.O., S. 329. 179 Mallmann, JZ 1964, 144. 180 Ehmke, Freiheit in der Presse, S. 4. 181 Mallmann, Publizistik 1959, S. 329.

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sondern anerkannt ist 1 8 2 ." Trotz fehlender unmittelbarer Normqualität gegenüber dem Bürger ist die „öffentliche Aufgabe" jedoch Bestandteil der Gewährleistung des Art. 5 1 2 GG 1 8 3 . I h r eigentlicher Adressat ist der Gesetzgeber, der die „öffentliche Aufgabe" positivrechtlich zu aktualisieren hat, indem er der Presse die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen „Privilegien" gewährt, ihr andererseits aber auch entsprechende Pflichten auferlegt, die jedoch immer nur Mindestanforderungen sein können 1 8 4 . Eine sachgerechte Bewältigung dieses Verfassungsauftrags ist i n den Augen Mallmanns allerdings nur dann möglich, wenn die „öffentliche Aufgabe" primär als Strukturfrage erkannt w i r d 1 8 5 . (3) Von den bisher behandelten Autoren hebt sich M a r t i n Löffler, einer der ersten und engagiertesten Verfechter der Thesen von der „öffentlichen Aufgabe" 1 8 6 und der Verfassungsgarantie des Instituts „Freie Presse" 187 , durch seine Thesen von der Presse als „Vierter Gewalt" ab 1 8 8 . Löffler steht auf dem Standpunkt, daß das herkömmliche Gewaltenteilungsschema i n der modernen Parteidemokratie überholt sei. A n ders als zu Zeiten Montesquieus stünden alle drei Staatsgewalten i n Abhängigkeit vom Willen der jeweils regierenden Mehrheitspartei und seien somit zu einer sich gegenseitig ausbalancierenden Machtkontrolle nicht mehr fähig. I n das Konzept des Ausgleichs staatlicher Macht müßten heute auch die gesellschaftlichen Kräfte, wie Parteien, Kirchen, Gewerkschaften und die Presse einbezogen werden. Gegenüber allen anderen gesellschaftlichen Kräften spiele die Presse jedoch insofern eine ganz besonders herausragende Rolle, weil sie dank ihrer privatwirtschaftlichen Struktur die freieste und unabhängigste Stellung dem Staatsapparat gegenüber habe, und sie außerdem unmittelbar von verfassungswegen den Auftrag öffentlicher Kontrolle und K r i t i k wahrnehme. Die Presse sei somit von Aufgabe und Selbstverständnis her das „gesunde Gegengewicht" zum Machtstreben des Staatsapparats und der ihn beherrschenden Parteiengruppe. Dies lasse es gerechtfertigt erscheinen, der Presse neben den herkömmlichen „Gewalten" Legislative, Exekutive und Judikative die Funktion einer selbständigen gleichrangigen „Vierten Gewalt" zuzusprechen. Die These Löfflers von der Presse als „Vierter Gewalt" ist auf fast einhelligen Widerspruch außerhalb der Presse selbst gestoßen. Ihr wurde insbesondere entgegengehalten, daß die Presse damit i n das „institu182 Mallmann , Pressepflichten und öffentliche Aufgaben der Presse, JZ 1966, 629. 183 Ebd., S. 629. 184 Ebd., S. 629. 185 Ebd., S. 632. iss Presserecht, Bd. 1, Kap. 1, Rz. 24 ff.; Bd. 2, Komm, zu § 3. 187 Presserecht, Bd. 1, Kap. 5, Rz. 79 ff. iss Presserecht, Bd. 1, Kap. 1, Rz. 57 ff. m. w. N.; Der Verfassungsauftrag der Presse, S. 4 f.

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

tionelle Gefüge des Staates" einbezogen würde 1 8 9 , und es wurde die Frage gestellt: „Wer kontrolliert die Kontrolleure?" 1 9 0 . Beide Argumente gehen jedoch am eigentlichen Problem vorbei: Das letztere Argument wurde von Löffler selbst entkräftet 1 9 1 und das erstere verkennt, daß Löffler die Presse ja gerade als nicht-staatliche gesellschaftliche K r a f t in den politischen Machtausgleich einbeziehen, also keineswegs i n den Staatsapparat integrieren will. Die Bedenken zielen m. E. gerade i n umgekehrte Richtung, nämlich auf die Sonderstellung der Presse. Löffler weist selbst darauf hin, daß es i n der Demokratie außer der Presse (neben die heute auch noch Rundfunk und Fernsehen treten) zahlreiche gesellschaftliche Institutionen bzw. „Gewalten" gibt, die Kontrollfunktionen ausüben. Insbesondere ist i m System der freiheitlichen Demokratie i n Gestalt der Opposition eine politische Kontrolle institutionalisiert, deren Funktionsraum sich von der Basis des politischen Meinungs- und Willensbildungsprozesses innerhalb der Staatsbürgerschaft durchgängig bis zur Sphäre des staatlichen Herrschaftsapparats erstreckt. Die Presse als Informations- und Meinungsträger ist zweifellos ein wesentlicher, ja unentbehrlicher Faktor, aber eben doch nur ein Faktor innerhalb dieses demokratischen Gesamtprozesses, sodaß ihre Hervorhebung als „Vierte Gewalt" (warum nicht Fünfte oder Sechste?) willkürlich erscheint 192 . I m Grunde läuft die These von der Presse als „Vierter Gewalt" auf die Vorstellung eines unverbundenen Gegenübers von Staat und öffentlicher Meinung bzw. Gesellschaft hinaus, deren Sprachrohr die Presse ist 1 9 3 . Löffler nähert sich damit wiederum den Anschauungen des liberalen Vormärz von der Presse als „ T r i b u n des Volkes" und „Inhaberin eines öffentlichen Amtes", die i n dieser Form dem liberal-konstitutionellen, aber nicht dem demokratischen Staat von heute angemessen sind. (4) I m Gegensatz zu den vorstehend behandelten Autoren wollen Friedrich Klein und Franz Schneider — die i m übrigen ebenfalls eine Parallelgeltung subjektiv-individualrechtlicher und institutioneller Elemente i m Rahmen der Pressefreiheit bejahen — aus der „öffentlichen Aufgabe" der Presse unmittelbare rechtliche Begrenzungen der grundgesetzlichen Pressefreiheit herleiten. Klein grenzt über die „öffentliche Aufgabe" unmittelbar den Begriff der „Presse", der A r t . 5 1 2 GG zugrunde liegt, ab. „Presse" ist i n seinen 189

Scheuner, W D S t R L 22, S. 31; Schule, a.a.O., S. 24; Dagtoglou, a.a.O., S. 16, 27. 190 z. B. von Hase, in: „Umstrittene Pressefreiheit", S. 12. 191 Presserecht Bd. 1, Kap. 1, Rz. 66. 192 So auch Ridder, DVB1. 1963, 740 f. 193 So ausdrücklich Löffler, Presserecht Bd. 1, Kap. 1, Rz. 30 £

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Augen „nur die Veröffentlichung von Druckerzeugnissen i m (Rahmen des) öffentlichen (allgemeinen) Interesses, i n öffentlicher Funktion, nicht hingegen i n einem bloßen Geschäftsinteresse der Veröffentlicher oder in einem bloßen Vergnügungs- (einschl. Sensations-)interesse der Leser". Maßstab der Beurteilung ist dabei nicht notwendig nur die Zeitung i m ganzen, sondern jeder einzelne Beitrag 1 9 4 . Presseveröffentlichungen, die nicht diesem Pressebegriff entsprechen, genießen nach K l e i n folglich auch nicht den Schutz des Art. 5 12 GG. I m Ergebnis ähnlich wie K l e i n w i l l auch Schneider den Schutzbereich des Art. 5 12 GG unmittelbar durch die „öffentliche Aufgabe" begrenzen. Er geht jedoch nicht den Weg der restriktiven Auslegung des Pressebegriffs, sondern steckt m i t der „öffentlichen Aufgabe" den grundgesetzlichen Freiheitsbereich ab 1 9 5 . Druckwerke, die Schneiders Vorstellung von der „öffentlichen Aufgabe" nicht entsprechen, d. h. die lediglich von öffentlichkeits- nicht aber von öffentlichem Interesse sind, stehen deshalb ebenfalls nicht unter dem Schutz des Art. 5, sondern nur unter dem der allgemeinen Gewerbefreiheit 196 . M i t dieser Abgrenzung w i l l F. Schneider insbesondere der sog. „Geschäftspresse" den Grundrechtsschutz entziehen, die i n seinen Augen „nichts weiter ist und sein w i l l als gedrucktes Variété" und daher keine „öffentliche Aufgabe" erfüllt 1 9 7 . Nach Schneiders Ansicht „geht aus dem System des Grundgesetzes hervor, daß das Grundgesetz nicht eine Einnahmequelle des Verlegers als Einnahmequelle schützen will, sondern es w i l l sie schützen, weil durch die Zeitung neben ihrer Funktion als Einnahmequelle gleichzeitig eine öffentliche Funktion, eine Funktion im Interesse der Öffentlichkeit ausgeübt wird. Entfällt diese Funktion, so muß zwangsläufig auch der Schutz entfallen, da sonst das Grundgesetz auch eine der Pressefreiheit entsprechende spezielle Variété-, Zirkus- und Modeschaufreiheit verankern müßte; denn diese Einrichtungen stehen mit der Vergnügungspresse auf einer Stufe.. ," 1 9 8 .

F. Kleins und F. Schneiders Auffassungen laufen i m Ergebnis darauf hinaus, daß der Exekutive und Judikative die Aufgabe zugewiesen wird, von sich aus den grundgesetzlichen Freiheitsbereich abzugrenzen. Die Gefahr willkürlicher, insbesondere (partei-)politisch oder moralisch 194

von Mangold-Klein, Grundgesetz, Art. 5, V I , 3. Meinungs- und Pressefreiheit, S. 136 ff. ; so wohl auch Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 151, der den Schutzbereich des Art. 5 I, 2 durch das Postulat der Mitwirkung an der öffentlichen Meinungsbildung begrenzt und demgemäß Presseerzeugnisse, die lediglich einem Unterhaltungsinteresse dienen, vom Schutz der Pressefreiheit ausschließt. Rudolf (Presse und Rundfunk, in: Besonderes Verwaltungsrecht S. 577) begrenzt mit der „öffentlichen Aufgabe" den institutionellen Schutzbereich der Pressefreiheit, verweist jedoch zu Unrecht auf Scheuner ( W D S t R L 22, S. 75). 198 Meinungs- und Pressefreiheit, S. 117, 141; so auch Erdsiek, NJW 1963, 1992. 197 Schneider, a.a.O., S. 137. 198 a.a.O., S. 141. 195

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

motivierter Ausgrenzungen i m Einzelfall ist groß und liegt hier um so näher, als K l e i n und Schneider keine klaren inhaltlichen Maßstäbe für das, was „ i m öffentlichen Interesse" liegt, setzen, sondern lediglich die „Geschäfts- und Sensationspresse" ausgeklammert wissen wollen. Abgesehen davon, daß i m Rahmen des gegenwärtigen Pressewesens jedes Presseunternehmen auch wirtschaftliche Ziele verfolgen muß, um bestehen zu können und eine zuverlässige Beurteilung dessen, ob dieses kommerzielle Interesse i m Einzelfall die Bereitschaft, öffentliche Interessen wahrzunehmen, überwiegt, i n der Praxis nicht möglich ist; daß es weiterhin dem Wesen der Zeitung als aktuellem Publikationsorgan entspricht, sich auch am „Sensationellen" zu orientieren — abgesehen davon also, liegt bei der von F. Schneider und Klein vorgeschlagenen Differenzierung die Gefahr einer nach rein subjektiven Kriterien am Grad der „Seriosität" vorgenommenen Abgrenzung sehr nahe. Allzuleicht w i r d i m Eifer der — allerdings oft nicht unberechtigten — Entrüstung über manche Erscheinungen des „Geschäftsjornalismus" übersehen, daß das „Wühlen i m Schmutz" nicht selten ernstzunehmende Mißstände des öffentlichen Lebens ans Tageslicht zu befördern vermag 1 9 9 , und daß nicht zuletzt die Illustriertenpresse durch die sog. „Sexwelle" zu einer i m gesamtgesellschaftlichen Interesse liegenden Überprüfung überalterter Tabus beigetragen hat. Die Versuchung, statt nach klaren juristischen Kriterien für eine strukturelle Lösung des Problems zu suchen, nur an den Symptomen herumzukurieren und dabei moralisierende Bewertungen nach Maßstäben wie „gut" und „schlecht", „seriös" und „unseriös" zu treffen, ist bei den Abgrenzungen Kleins und Schneiders allemal groß. Bei Schneider kommt noch hinzu, daß er auch den Begriff der „Meinung" des Art. 5 1 1 GG durch die ethische Kategorie der „Wahrhaftigkeit" abgrenzen w i l l und dadurch „sittliche Prinzipien eines anständigen Zeitungswesens i n die Staatsverfassung als rechtlich verbindliche Staatsethik . . . hineininterpretiert" 2 0 0 . Damit rückt F. Schneider, aber auch F. Klein, i n bedenkliche Nähe eines etatistischen Staatsdenkens, das der Presse einen Erziehungsauftrag beilegt und dem Staat als „Anstalt zur Beförderung des gemeinen Wohls" die Aufgabe zuweist, die Presse — notfalls durch obrigkeitliche Sanktionen — zur Wahrnehmung dieses Auftrags anzuhalten. cc) Die radikal-demokratische Theorie I n einen von den liberalen Traditionen abgelösten, allein durch das demokratische Prinzip geprägten Bezugsrahmen w i r d die Pressefreiheit i n der „radikal-demokratischen Theorie" gestellt, unter der hier die Lehre Ridders verstanden werden soll. Ridder geht davon aus, daß das 199 200

So auch Dagtoglou D Ö V 1963, 642. A. Arndt N J W 1963, S. 193.

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Grundgesetz „klar und deutlich, normativ und revisionsfest Demokratie gebietet". Diese Staatszielbestimmung, i n deren Licht auch die Grundrechte zu interpretieren sind, darf „nicht am K u l t einer vermeintlich zeitlosen ,Formtypik' der rechtsstaatlichen Verfassung zuschanden werden" 2 0 1 . Ähnlich wie Scheuner versucht auch Ridder, die politisch-soziologischen Veränderungen der nachliberalen Zeit i n einer neuen verfassungstheoretischen Konzeption einzufangen. Er kommt dabei ebenfalls zu einem dreigliedrigen System. Während Scheuner jedoch mit seiner Dreigliederung Staat-Gruppe-Individuum die Ebene soziologischer Kategorien nicht verläßt und verfassungsrechtlich damit i m Grunde weiterhin bei dem liberalen Dualismus Staat — Gesellschaft verharrt, stellt Ridder einen genuin verfassungsrechtlichen Entwurf einer demokratischen Staats- und Gesellschaftsordnung unter dem Grundgesetz auf. Ausgangspunkt seiner Konzeption sind die i m Begriff der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung" beinhalteten Prinzipien der „Freiheitlichkeit" und der „Demokratie", die ihn zur Unterscheidung zwischen der institutionalisierten Staatssphäre, der den demokratischen Staat konstituierenden „freien politischen Gesellschaft" und der aus der staatlichen Sphäre völlig ausgegrenzten „privatautonom agierenden freien Gesellschaft" führen. I n dieser Dreiheit sieht Ridder den Ausdruck einer „freiheitlich-demokratischen Dialektik und Synchronik des intermittierenden Eintritts der Gesellschaft als Staatsvolk in den Meinungs- und Willensbildungsprozeß des rechtlich zuhöchst bleibenden Staates durch Wahlen und Abstimmungen und ihres Wiederaustritts als selbst nicht rechtlich organisierte, aber in einem regen, der staatlichen Direktion nicht unterworfenen, nicht zu rechtsverbindlichen Entscheidungen führenden Meinungs- und Willensbildungsprozeß ständig präsenten und mit aller Ausübung von Staatsgewalt konfrontierten freien politischen Gesellschaft, die von der . . . mit ihr zwar personal identischen, aber in den rechtsstaatlichen Ausgrenzungen aus der staatlichen Sphäre privatautonom agierenden freien Gesellschaft zu unterscheiden ist" 2 0 2 .

Die Differenzierung zwischen der „privatautonomen Gesellschaft" und der i n einem ständigen Meinungs- und Willensbildungsprozeß präsenten „politischen Gesellschaft" geht auf die Lehre Leibholz's vom Parteienstaat als „der rationalistischen Erscheinungsform der plebiszitären Demok r a t i e " 2 0 3 zurück. Das Parlament stellt danach nicht mehr eine Repräsentationskörperschaft des Gesamtvolks dar, innerhalb deren erst die ei201

DVB1. 1963, S. 741. Art. „Meinungsfreiheit" in Staatslexikon, S. 651; vgl. auch „Zur verfassungsrechtlichen Stellung der Gewerkschaften", S. 14 ff. 203 Leibholz, Gestaltwandel der Demokratie, S. 226 ff.; ders., Strukturwandel der modernen Demokratie, S. 93 f.; die Leibholz'sche Lehre wurde von Ridder in seiner Abhandlung über die Meinungsfreiheit", in: Die Grundrechte Bd. 2, S. 255 ausdrücklich übernommen. 202

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

gentliche politische Willensbildung stattfindet; vielmehr haben i m Leibholz'schen Parteienstaat die Wahlen den Charakter plebiszitärer Abstimmungen über die von den Parteien zur Wahl gestellten Programme und Persönlichkeiten. Dieser plebiszitäre Willensbildungsprozeß setzt eine Sphäre tendenziell unbeschränkter, pluraler Offenheit voraus — i m Ridder'schen Schema der Ort der „politischen Gesellschaft" —, welche die für plebiszitäre Entscheidungen notwendige politische Diskussion innerhalb der Gesellschaft ermöglicht. Die Dichotomie zwischen privater und politischer Gesellschaft hat für Ridder auch Auswirkungen auf die Grundrechtsinterpretation. Nur die der „Gesellschaft als privatisierendem Publikum" zuzuordnenden individuellen Freiheitsrechte haben ihren klassischen Sinn als staatsgerichtete Abwehrrechte bewahrt. Dagegen steht die Tätigkeit der politischen Gesellschaft unter dem Schutz der auf Teilhabe am politischen Prozeß gerichteten und „parallel zu den politischen Bürgerrechten des status activus anzusiedelnden" Grundrechten des „status politicus" 2 0 4 . Diese unterscheiden sich von den klassischen Freiheitsrechten einmal dadurch, daß sie keine Menschen-, sondern Bürgerrechte sind und daher nur Deutschen zustehen 205 , ferner darin, daß sie „maßgeblich durch das sozialstaatliche Gebot der Gleichheit des politisch-gesellschaftlichen status activus bestimmt", sowie daß sie unverfügbar und drittgerichtet sind 2 0 6 . Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Grundrechtsgruppen findet nach Ridder unmittelbaren Ausdruck i m Grundgesetz selbst und zwar insbesondere in Art. 21. I n dieser Norm sieht Ridder die verfassungskräftige Verankerung der politischen Gesellschaft als Sphäre des politischen Meinungs- und Willensbildungsprozesses. Wenn dort ausdrücklich auch nur die Parteien erwähnt sind, so ergibt sich doch bereits aus dem Wortlaut des Artikels, daß neben den Parteien noch andere gesellschaftliche Gruppen am politischen Willenbildungsprozeß „mitzuwirken, deren M i t w i r k u n g das Grundgesetz als legitim akzeptiert und garantiert 2 0 7 . M i t A r t . 21 I „wächst das Grundgesetz i n das Gesellschaftliche hinein" 2 0 8 , indem es die am demokratischen Willensbildungsprozeß beteiligten Gruppen ihrerseits den Strukturprinzipien der demokratischen Ordnung unterwirft. Ridder erblickt darin einen „partiellen, unmittelbaren, paradigmatischen Vollzug der Sozialstaatsklausel durch das Grundgesetz selbst, soweit sie den Zweck der Sicherung der freiheitlichdemokratischen Grundordnung durch Demokratisierung der politischen Gesellschaft verfolgt" 2 0 9 . 204 205 206 207 208 209

„Meinungsfreiheit", in: Die Grundrechte Bd. 2, S. 259. Ebd., S. 269. Gewerkschaften, S. 28. Meinungsfreiheit, S. 255 f. Gewerkschaften, S. 22. Ebd., S. 23.

V I I I . Theorie und Praxis der Pressefreiheit nach 1945

171

Daraus ergeben sich nun i m besonderen auch Konsequenzen für das Verständnis der grundgesetzlichen Meinungsfreiheit. Je nach dem Bezug der Meinungsäußerung auf die private oder die politische Sphäre unterscheidet Ridder zwischen einer „privaten" und einer „öffentlichen Meinungsfreiheit". Gegenstand der „öffentlichen Meinungsfreiheit" ist der Prozeß der öffentlichen Meinungsbildung i n politicis, der nicht nur i n der Öffentlichkeit, sondern auch innerhalb der gesellschaftlichen Gruppen selbst stattfindet und der i n die politische Willensbildung des Volkes mündet 2 1 0 . Die verfassungsrechtliche Grundlage der „öffentlichen Meinungsfreiheit" bildet wiederum Art. 21, i n dem Ridder eine institutionelle Garantie der öffentlichen Meinung", die „Haupt-und Grundnorm der institutionellen öffentlichen Meinungsfreiheit des modernen Parteienstaates" schlechthin sieht 2 1 1 . Die Trennungslinie zwischen „privater" und „öffentlicher Meinungsfreiheit" läuft mitten durch die Presse hindurch. Je nach ihrer selbstgewählten Stellung zur politischen Sphäre ist sie dem Bereich der „ p r i vaten Meinungsfreiheit" und damit Art. 5 1 1 oder dem der „öffentlichen Meinungsfreiheit" und damit Art. 21 GG zuzuordnen. Den Bereich der „politischen Presse" steckt Ridder allerdings weit genug ab, um diffizile Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden: „Die periodische Zeitungsund Zeitschriftenpresse, insbesondere die Tagespresse, ist fast ausnahmslos politisch. (Daneben) treten die anderen Funktionen der Presse ganz i n den Hintergrund 2 1 2 ." Die politische Presse erfüllt per se eine „öffentliche Aufgabe" und gerade um dieser Aufgabe willen wurden ihre grundgesetzlichen Freiheiten verbürgt 2 1 3 . Als vom einzelnen Individuum abgelöste, aufgabenbezogene Grundrechtsnorm hat die Freiheit der politischen Presse ausschließlich institutionellen Charakter 2 1 4 . Diejenigen, die sich am öffentlichen Meinungsprozeß beteiligen, können sich gegebenenfalls nur noch auf den „Rechtsreflex" der „öffentlichen Meinungsfreiheit" berufen 215 . Infolge ihrer Zuordnung zu Art. 21 GG muß sich die politische Presse auch den in Art. 21 statuierten demokratischen Ordnungsprizipien unterwerfen. „Es wäre also etwa zu lesen: Die politische Presse wirkt bei der politischen Meinungs- und Willensbildung des Volkes mit. Die innere Ordnung des Pressewesens muß demo210 „Meinungsfreiheit", in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 256, 269; Art. „Meinungsfreiheit", in: Staatslexikon, S. 651. 211 „Meinungsfreiheit", in: Die Grundrechte Bd. 2, S. 257. 212 Ebd., S. 269 f. 213 Ebd., S. 258. 214 Ridder schreibt teils nur der „öffentlichen Meinungsfreiheit" (ebd., S. 269), teils aber auch der Pressefreiheit institutionellen Charakter zu (ebd., S. 259). 216 Ebd., S. 269.

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

kratischen Grundsätzen entsprechen. Die Zeitungen müssen über die Herkunft ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft geben. (Auch Abs. 2, Satz 1 muß entsprechend gelesen werden) 816 ."

Die daraus zu ziehenden Schlußfolgerungen für die innere Struktur des Pressewesens hat Ridder allerdings nicht weiter verfolgt. Es muß nun jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß sich die vorstehende Darstellung nur auf die erste Veröffentlichung Ridders über die Meinungsfreiheit aus dem Jahre 1954 bezieht. I n der Zwischenzeit gibt es von Ridder die verschiedenartigsten Verlautbarungen zur Pressefreiheit, die sich inhaltlich teilweise nicht unwesentlich widersprechen und daher erhebliche Unsicherheit über seinen heutigen Standort aufkommen lassen. Insbesondere ist das Verhältnis von „öffentlicher Meinungsfreiheit" und Pressefreiheit des Art. 5 12 GG zueinander ziemlich unklar. Diese Unklarheit beginnt bereits in Ridders oben zitierten Veröffentlichungen, wenn er einerseits das „neue Grundrecht der Pressefreiheit mit den anderen Teilen der öffentlichen Meinungsfreiheit i n eine Reihe von Verfassungsinstitutionen" stellt und ihm ausschließlich institutionellen Charakter zuschreibt 217 , etliche Seiten später aber Art. 5 weiterhin als Spezialregelung auch für die politische Presse gelten lassen w i l l 2 1 8 . Wenn man dies auch noch i n der Weise verstehen konnte, daß Art. 5 I 2 GG lediglich als grundgesetzlicher „Aufhänger" für die auf die Presse bezogene Seite der „öffentlichen Meinungsfreiheit" dienen soll 2 1 9 , so w i r d die Unklarheit jedenfalls perfekt durch den Diskussionsbeitrag Ridders auf der Staatsrechtslehrertagung 1963, wo er sich von seiner früheren Qualifizierung der Pressefreiheit als „institutionell" ausdrücklich distanziert und den Schutz des Art. 5 1 2 GG allen, auch den nicht-politischen Presseerzeugnissen zuspricht 220 . Es gibt nur zwei Möglichkeiten der Auflösung dieser Widersprüche: Entweder wollte Ridder m i t seinen Ausführungen i m Jahre 1954, insbesondere der Kategorie der „öffentlichen Meinungsfreiheit", nicht den bestehenden Verfassungszustand unter dem Grundgesetz, sondern nur seine eigenen Vorstellungen über die Stellung der Pressefreiheit i n der Demokratie beschreiben, oder aber er hat seine früheren Ansichten, ohne dies ausdrücklich festzustellen, inzwischen aufgegeben. Die Darstellung seines Schülers Ekkehart Stein ist jedenfalls nicht überzeugend, wenn 216

„Meinungsfreiheit", in: Die Grundrechte Bd. 2, S. 257. Ebd., S. 259. 218 Ebd., S. 288 f. 219 I n diesem Sinne dürfte wohl der Passus in Ridders Beitrag zum „Staatslexikon" zu verstehen sein, wo es heißt: „Die selbständige Entfaltung der öffentlichen Meinungsfreiheit ist freilich weiterhin auf die von Art. 5 GG angebotenen Stützen angewiesen." 22 0 W D S t R L 22, S. 175. 217

V I I I . Theorie und Praxis der Pressefreiheit nach 1945

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er schreibt, Ridder habe mit dem Institut der „öffentlichenMeinungsfreiheit" den so qualifizierten Meinungsäußerungen lediglich einen höheren Schutz verschaffen wollen und das BVerfG habe sich ihm i m Lüth-Urteil angeschlossen221; denn wenn man (wie Ridder) die „öffentliche Meinungsfreiheit" des negatorischen Grundrechtsschutzes beraubt und dem Sich-Äußernden nur noch einen Rechtsreflex zuspricht, und wenn man zudem das Strukturgebot des A r t . 21 I 2 GG generell auf die „öffentliche Meinungsfreiheit" überträgt, so kann sicherlich nicht von einem erhöhten Schutz, sondern nur von erhöhten Anforderungen die Rede sein. c) Die

konservativ-etatistische

Theorie

Völlig außerhalb der bisher erörterten Theorien zur Pressefreiheit, die sich i n ein durch die Bezugspunkte „liberal" und „demokratisch" markiertes Koordinatensystem einfügen lassen, steht Herbert Krügers Lehre von Stellung und Aufgabe der Massenmedien i m modernen Staat. Obwohl Krüger keine spezielle Theorie der Pressefreiheit aufgestellt hat, sind seine Ansichten über die Massenmedien doch von großem Interesse und zwar gerade durch ihren Kontrast zu den gängigen Ansichten der heutigen Staatsrechtswissenschaft, andererseits aber auch durch gewisse Ähnlichkeiten, die seine Lehre i m Ergebnis m i t der i m folgenden vom Verfasser zu entwickelnden Konzeption zur Pressefreiheit aufweist. Krügers Theorie der Massenmedien ist i n seine „Allgemeine Staatslehre" eingebettet und nur von dort heraus zu verstehen. U m seinen Standort zu verdeutlichen, soll daher i n kurzen Umrissen seine Theorie vom „modernen Staat" dargestellt werden. Krügers Staats- und Gesellschaftsbild liegt die polare Spannung zwischen „Natur" und „Ordnung" zugrunde. Die „Natur" w i r d verkörpert durch die Gesellschaft als „legitimer Besonderheit" 222 , i n der sich die Einzelnen mit ihren egoistischen Interessen gegenüberstehen. Demgegenüber repräsentiert der „moderne Staat" das Reich der Ordnung; er ist „Überwindung des Naturzustands durch Bändigung der Urkräfte und deren Verweisung i n ein geordnetes Verfahren" 2 2 3 . Der Staat ist das „bessere Ich" der Gesellschaft 224 , er ist „Verbesserung schlechthin" 2 2 5 . Beide, Staat und Gesellschaft, stehen vor der Aufgabe, ein Verfahren zur Findung des „Richtigen" zu entwickeln. „Das staatliche Modell für die Aufsuchung des »Richtigen' ist die Idee der Repräsentation und das 221

Stein, Staatsrecht, S. 121 f. Allgemeine Staatslehre, S. 350; die Parallele zu Hegel ist offensichtlich (vgl. Rechtsphilosophie §§ 182 ff.). 223 Ebd., S. 201. 224 Ebd., S. 365. 225 Ebd., S. 609. 222

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

Organisationsprinzip der Hierarchie, das Strukturmodell der Gesellschaf t . . . ist der Wettbewerb 2 2 6 ." Repräsentation definiert Krüger als das Verfahren der „Herausbildung des ,besser en Ichs4 eines Volkes durch das V o l k " 2 2 7 , das er als einen „Vergütungsprozeß" 2 2 8 versteht. I m Rahmen des Krügerschen Modells einer repräsentativen Demokratie t r i t t der einzelne Bürger nur i m Wahlakt aus seiner Privatsphäre heraus i n Beziehung zum Staat. Zwischen den Wahlperioden befindet er sich i m Status des „Untertanen", der sämtliche politische Befugnisse auf die gewählten Repräsentanten übertragen hat und dessen höchste Tugend nun der Gehorsam ist 2 2 9 . „Der Bürger spricht sein Wort zu den Entscheidungen der Staatsgewalt i n der Wahl und durch das Parlament —, der Rest ist schweigender Gehorsam 230 ." Jede grundsätzliche Beschränkung der Staatsgewalt würde dem Wesen und der Aufgabe des Staates widersprechen. Zur „existentiellen Ausstattung" des Staates gehört eine „General- und Blankovollmacht" i n der Aufgabenstellung und der Wahl der geeigneten M i t t e l 2 3 1 . Jede verfassungsmäßige Beschränkung der Staatsgewalt i n dieser Hinsicht, insbesondere auch durch Grundrechte, lehnt Krüger ab; denn eine „Wesensgehaltssperre" i. S. Art. 19 I I GG widerspricht dem Wesen des „modernen Staats" 2 3 2 . Grundrechte — verstanden als Abwehrrechte —• haben allenfalls eine Funktion i m Bereich der Privatsphäre. I m Bereich der Gesellschaft jedoch sind sie dem Staat zugewandt und dienen der „Staatshervorbringung" 2 3 3 . Ähnlich wie i n der Staatsphilosophie Hegels ist auch bei Krüger die Beziehung Gesellschaft — Staat eine Entwicklung vom Besonderen zum Allgemeinen und zwar nicht nur i m Sinne einer Hierarchie i n Organisation und Aufgabenstellung, sondern wesentlich auch als sittliches Prinzip. Der Staat ist die Überwindung der Zufälligkeit des Besonderen i n seiner beschränkten Interessenlage, er ist das „an und für sich Vernünft i g e " 2 3 4 und zwar sowohl als „notwendiges Sein" als auch als „Wert an sich selbst" 2 3 5 . Unausgesprochen steht i m Hintergrund die Hegeische Vorstellung vom Staat als „die Wirklichkeit der sittlichen Idee" 2 3 6 . Deshalb w i r d der Mensch nur i n der staatlichen Vergesellschaftung als sittliches 226 227 228 229 230 231 232 233 234 235 236

Badura JZ 1966, S. 125; vgl. Krüger, a.a.O., S. 238, 454 ff. a.a.O., S. V. a.a.O., S. 850. a.a.O., S. 972 ff. a.a.O., S. 893. a.a.O., S. 760 f. a.a.O., S. 536. a.a.O., S. 539. Hegel, Rechtsphilosophie § 258. a.a.O., S. 677, 759. Hegel, Rechtsphilosophie § 257.

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Wesen existent und gelangt i n den Besitz von Freiheit und Rechten. Gehorsam gegenüber dem Staat w i r d damit zur sittlichen Pflicht 2 3 7 . Das Vorbild für diese Haltung sieht Krüger i n den Angehörigen der „Führenden Schicht", die sich durch „Vornehmheit", kultivierte Umgangsformen", „innere Distanz von Erwerb und Gewinn" und Opferbereitschaft für die Allgemeinheit auszeichnen 238 . Dieser von preußischprotestantischem Geist geprägte Tugendkatalog macht deutlich, daß die „Führende Schicht" nichts anderes darstellt als das mit einem neutralen soziologischen Terminus umschriebene republikanische Surrogat einer durch Herkunft und gemeinsame Wertvorstellungen legitimierten Aristokratie. Die Integrität der „Führenden Schicht" ist Voraussetzung für das Vertrauen des Bürgers als Untertan i n den Staat, Vertrauen aber ist die Basis für Gehorsam 239 . Krügers Staatslehre ist somit i m Grunde eine „säkularisierte E t h i k " 2 4 0 oder eine „Lehre vom Führungsstaat, als dessen Führer die Idee der Repräsentation in Verbindung mit dem kategorischen Imperativ erscheint" 241 . I n dieses System nun läßt sich ein Phänomen wie die „öffentliche Meinung" die von ihrem Wesen her ganz „Natürlichkeit" ist, andererseits aber den Anspruch erhebt, unter Umgehung aller repräsentativen und hierarchischen Ordnungen auf den Staat unmittelbar Einfluß zu nehmen, schwer einordnen. I n der repräsentativen Demokratie Krügerschen Modells, i n dof» die Ausübung der Staatsgewalt ausschließlich Sache der bestellten Amtswalter ist und gegen jede gesellschaftliche Einwirkung abgeschirmt sein sollte 2 4 2 , stellt die „öffentliche Meinung" notwendigerweise einen systemwidrigen Fremdkörper plebiszitärer Herkunft dar 2 4 3 . „Die öffentliche Meinung ist die große Lücke i m System eines repräsentativen Staates 244 ." Sie hat zwar einerseits „vor allen anderen gesellschaftlichen Gebilden den Vorzug, am wenigsten Besonderheit und am nächsten der Allgemeinheit zu sein" 2 4 5 ; andererseits aber ist i n ihr „das an und für sich Allgemeine, das Substantielle und Wahre . . . m i t seinem Gegentheile, dem für sich E i g e n t ü m l i c h e n und Besonderen des Meinens der Vielen v e r k n ü p f t " 2 4 6 . Es gibt keinen, der Verantwortung für die öffentliche Meinung übernimmt, es gibt aber auch „keinen , F i l t e r ' . . . , der das Schlechte der öffentlichen Meinung vom 237 238 239 240 241 242 243 244 245 246

Krüger , a.a.O., S. 191, 193, 528. a.a.O., S. 353 f., 355. a.a.O., S. 987 f. Vgl. Badura JZ 1966, S. 125, 129. Stein NJW 1965, S. 2386. Krüger , a.a.O., S. 879. Ebd., S. 642. Ebd., S. 642. Ebd., S. 641. Hegel , Rechtsphilosophie § 316.

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

Staate fernzuhalten" 2 4 7 vermöchte. „Dieser Widerspruch von energischer Herrschaft einerseits, von ausgesprochener Unverantwortlichkeit (i. S. von: nicht verantwortlich zu machen) andererseits stellt die eigentliche Problematik jeder öffentlichen Meinung dar 2 4 8 ." Dieses Problem spitzt sich für Krüger angesichts der gesellschaftlichen Realitäten, die er einer schonungslosen K r i t i k unterzieht, noch weiter zu. Die Rolle der „repräsentativen Führung i m Prozeß der B i l dung einer öffentlichen Meinung" kommt i m modernen Staat der Presse z u 2 4 9 ; darin besteht die weitaus wichtigste ihrer „öffentlichen Aufgaben" 2 5 0 . Andererseits aber befindet sich die Presse i n Privatbesitz, der von der Natur der Sache her persönlichen Interessen zu dienen bestimmt ist. Das liberale Modell sieht nun zwar i n der Institution des Wettbewerbs einen Ausgleichsmechanismus zur Harmonisierung der gegensätzlichen öffentlichen und privaten Interessen vor. Krüger legt jedoch i n einer eingehenden Analyse dar, daß die liberalen Voraussetzungen unter den heutigen Bedingungen der Presse der Wirklichkeit nicht mehr entsprechen. Der Wettbewerb als wirtschaftliches Verfahren ist ein der öffentlichen Meinungsbildung inadäquates Prinzip; denn das Ziel, das der Wettbewerb erreichen soll, nämlich die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe, ist unvereinbar m i t dem Motiv, das zum Wettbewerb anstacheln soll, nämlich dem Gewinnstreben der Unternehmer einerseits und den spezifischen Erwägungen der Kunden amiererseits 251 . I m Rahmen eines privatwirtschaftlichen Wettbewerbssystems w i r d der einzelne Bürger von dem Presseunternehmen nicht als vernünftiger Leser, sondern als Konsument, als Kunde angesprochen. I n einer Wohlstandsgesellschaft wie der unseren ist der Kunde nicht an „Meinungen" interessiert, es ist i h m vielmehr gestattet, „bis zur Schamlosigkeit seinen natürlichen Wünschen, Neigungen und Trieben zu folgen" 2 5 2 . U m sich i m Wettbewerb zu behaupten, muß der Unternehmer möglichst auch noch den letzten und damit auch „schlechtesten" Kunden anzusprechen versuchen. Dies aber bedeutet ständige Niveausenkung, bis sich „die sinkende Kurve des Niveaus und die steigende K u r v e der Käufer an einem möglichst hohen Punkte . . . schneiden" 253 . Wenn somit privatwirtschaftliche Struktur und Wettbewerb i m Bereich der Massenmedien untaugliche Instrumente zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe sind, so müssen sie durch ein besseres System er247

Krüger, a.a.O., S. 640. Ebd., S. 641. 249 Staatslehre, S. 448. 250 Die öffentlichen Massenmedien, S. 4 ff., insbesondere 6 ff. 251 Ebd., S. 38 ff. 252 Ebd., S. 46, 48. 253 Öffentliche Massenmedien, S. 55; vgl. auch den Aufsatz Krügers Ufita Bd. 38, S. 139 ff. 248

in

V I I I . Theorie und Praxis der Pressefreiheit nach 1945

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setzt werden. Da das bestehende System nach Krügers Diagnose an dem Übergewicht des „Besonderen", Privatnützigen gegenüber dem „Allgemeinen" krankt, der Staat aber gerade dieses Allgemeine per definitionem verkörpert, ist die Rezeptur Krügers klar: Übernahme der Massenmedien i n staatliche Regie 2 5 4 . Krüger v e r t r i t t diese Forderung ausdrücklich zwar nur für einen Marktbereich, nämlich den Rundfunk. Da K r ü gers gesamte K r i t i k an der Tauglichkeit der privatwirtschaftlichen Wettbewerbsstruktur für die Massenmedien jedoch prinzipieller Natur ist, kann es kaum zweifelhaft sein, daß Krüger ebenso i m Hinblick auf die anderen Massenmedien argumentieren würde 2 5 5 . Die juristische Begründung einer Verstaatlichung der Massenmedien macht sich Krüger einfach: Da das Wettbewerbssystem keine natürliche, dem Staat vorgegebene Ordnung ist, sondern vom Staat eingesetzt w u r de, kann dieser es auch durch ein anderes Wirtschaftssystem ersetzen, wenn sich die bisherige Ordnung als unzulänglich erweist 2 5 6 . Bei der Neugestaltung des Massenkommunikationswesens geht es Krüger nicht um die Übertragung und Durchsetzung bestimmter verfassungsrechtlicher Prinzipien auf gesellschaftliche Sachverhalte; denn dies wäre dem Krügerschen antithetischen Denken i n den Kategorien Staat—Gesellschaft fremd. Für Krügers K r i t i k am privatwirtschaftlichen Kommunikationswesen sind vielmehr ausschließlich Fragen des inhaltlichen Niveaus und Stils der Massenmedien maßgebend. Sie ist i m Grunde getragen vom bürgerlichen Bildungs- und Erziehungsgedanken des 19. Jahrhunderts, der angesichts der heutigen demokratisch bedingten „Massenkultur" Züge eines Kulturpessimismus m i t antidemokratischem Affekt aufweist. Gegenüber den verflachenden, eigennützigen Tendenzen der Gesellschaft ist i n Krügers Augen allein der Staat kraft seiner Verpflichtung auf das Gemeinwohl i n der Lage, die Presse auf den i h r gemäßen Stand zu heben. A u f welche Weise er dies tut, ob durch gezielte Subventionen oder eine eigene Staatspresse, dürfte für Krüger eine bloße Zweckmäßigkeitsfrage ohne prinzipielle Bedeutung sein. Dem Wert der Freiheit der Kommunikation und ihrer Gefährdung durch eine Staatsintervention schenkt Krüger keine Beachtung. Insbesondere fehlt 254

öffentliche Massenmedien, S. 69 ff.; Staatslehre, S. 450 f. Dies wird bestätigt durch Krügers Aufsatz in Ufita Bd. 38 S. 129 ff., insbesondere 142 ff., wo er eine Ersetzung des freien Wettbewerbs innerhalb der Massenkommunikation allgemein durch staatliche Unterstützungsmaßnahmen mit dem Ziel einer inhaltlichen Qualitätsverbesserung des Kommunikationswesens fordert; vgl. auch Krügers Diskussionsbeitrag in V V D S t R L 22, 193 f. Anders noch die frühere Untersuchung „Der Rundfunk im Verfassungsgefüge und in der Verwaltungsordnung von Bund und Ländern", wo Krüger eine Verstaatlichung ausdrücklich nur für den Rundfunk mit dem Argument gefordert hat, Träger „unwiderstehlicher Macht und Gewalt" dürfe nur der Staat sein (S. 52). 256 öffentliche Massenmedien, S. 69. 255

12 Stammler

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

i h m auch jedes Verständnis für eine Unterscheidung zwischen „Verstaatlichung" und „Vergesellschaftung", wie sie dem „Fernseh-Urteil" des BVerfG zugrunde liegt 2 5 7 .

I X . Das „Institut Freie Presse" unter dem Grundgesetz 1. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung als Bestimmung der Staats- und Gesellschaftsform Nach dem Abriß der Entwicklung der Presse unter dem Aspekt ihrer soziologischen Struktur und ihrer Freiheit gegenüber Staat und Gesellschaft sowie nach Darstellung des heutigen Standes der Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur zur Pressefreiheit soll nun i m folgenden der eigene Standpunkt des Verfassers entwickelt werden. Wie sich bereits aus dem Aufbau der bisherigen Abhandlung ergibt, ist der Verfasser der Ansicht, daß eine Theorie der Pressefreiheit nicht für sich isoliert, sondern nur bezogen auf eine bestimmte Verfassungskonzeption erarbeitet werden kann. Daher soll auch bei der nun folgenden Darstellung dem bisherigen Aufbau gefolgt werden und der Erörterung der Pressefreiheit eine Standortbestimmung des Verfassers zur „freiheitlich-demokratischen Grundordnung" des Grundgesetzes und dem System der Grundrechte vorangestellt werden. Der Grundgesetzgeber selbst hat i n A r t . 18, 21 I I und 91 I GG die von i h m geschaffene politische Ordnung als eine „freiheitlich-demokratische Grundordnung" bezeichnet. Sucht man nach einer inhaltlichen Bestimmung dieses Begriffs, so liegt es nahe, die A n t w o r t von der historischen Ausgangssituation her zu suchen, i n der das Grundgesetz entstand, und die das Bewußtsein des Verfassungsgebers prägte. Diese Ausgangssituation läßt sich m i t zwei Stich Worten umschreiben: Das Erlebnis der Vergangenheit einerseits, nämlich das Versagen des demokratisch-parlamentarischen Systems der Weimarer Republik und seine fast kampflose Liquidierung durch die totalitäre Diktatur des Nationalsozialismus; die Konfrontation m i t der Bedrohung durch das totalitäre System des Sowjet-Kommunismus unter Stalin und seinen Protagonisten i n der sowjetisch besetzten Zone andererseits. Geht man von dieser historischen Ausgangssituation aus, so ließe sich die „freiheitlich-demokratische Grundordnung" als das beschreiben, „was w i r von ,früher' und von ,drüben' als politische Ordnung unbedingt nicht wollen" 1 . 257 So im Ergebnis auch Bettermann, nach dessen Ansicht die Freiheit der Berichterstattung des Art. 5 auch in einer staatsunmittelbaren Organisationsform — und zwar mit besserem Erfolg als in den pluralistisch zusammengesetzten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten — gewährleistet sein kann (DVB1. 1963, S. 41 ff.). 1 Dürig, in: Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz, Art. 18 Rz. 48.

I X . Das „Institut Freie Presse" unter dem Grundgesetz

179

Seit dieser Zeit sind jedoch bereits über 20 Jahre verstrichen. Nicht nur die politische Szene hat sich seit damals entscheidend verändert, es ist auch eine neue Generation herangewachsen, die die persönlichen Erfahrungen der Väter des Grundgesetzes nicht mehr teilt und deren Hauptaufgabe nicht mehr die „Bewältigung einer Vergangenheit", sondern die „Bewältigung der Zukunft" ist. Das vom Grundgesetz konstituierte Staatsgebilde hat sich nicht nur als kurzfristiges Provisorium bis zur Wiedererrichtung eines neuen gesamtdeutschen Staatsverbandes erwiesen, sondern hat sich sowohl faktisch als auch i m Bewußtsein der deutschen Bevölkerung und der Weltöffentlichkeit als eigenständiger Staat fest etabliert, der als solcher aller Voraussicht nach noch auf längere Zeit Bestand haben wird. Unter diesen Umständen kann die Grundordnung der Bundesrepublik nicht mehr nur negativ, durch eine — meist stark emotional aufgeladene und durch Ressentiments geprägte — Abgrenzung gegenüber „etwas anderem" bestimmt werden. Die Bundesrepublik steht vor der Aufgabe, ihr eigenes Selbstverständnis zu finden. Der Begriff der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung", mit dem der Grundgesetzgeber selbst i n prägnanter und griffiger Weise den Charakter dieses Staatsgebildes umschrieben hat, bietet sich als Basis an. Zwei Komponenten sind es demnach, die unserer Verfassungsordnung ihr Gepräge geben: Freiheitlichkeit und Demokratie. Sieht man diese Begriffe nicht nur situationsbezogen auf dem Hintergrund der politischen Szene z. Z. der Entstehung des Grundgesetzes, sondern versteht man die Verfassung als Resultat einer politisch-sozialen-historischen Entwicklung, so kommen darin zwei Entwicklungslinien zum Vorschein, die i m Begriff der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung" i n einer Kurzformel zusammengefaßt sind: Liberalismus und demokratisches Prinzip, die beide zusammen und doch i m gegenseitigen Spannungsverhältnis die deutsche und die gesamte westliche Verfassungsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts geformt haben. Indem das Grundgesetz sich i m Begriff der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung" zu diesen beiden politischen Grundideen bekennt, stellt es sich i n den Gesamtzusammenhang der darin zum Ausdruck kommenden geschichtlichen Entwicklung. I m folgenden soll versucht werden, die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Struktur unseres Staatswesens i n kurzen Umrissen darzustellen. a) Der liberale

Freiheitsbegriff

Der moderne Gedanke politischer Freiheit ist eine Frucht des Sieges des bürgerlichen Liberalismus über den monarchischen Obrigkeitsstaat. Der Inhalt des liberalen Freiheitsbegriffs läßt sich nur auf dem Hinter12*

180

2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

grund von Struktur und Selbstverständnis der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts verstehen. Die bürgerliche Gesellschaft entstand, als i m Zuge der Veränderungen der Produktionsverhältnisse während des ausgehenden 18. Jahrhunderts die handwerkliche Form des Produktionsprozesses allmählich durch industrielle Produktionsformen abgelöst wurde, und damit „die Tätigkeiten und Abhängigkeiten, die bisher i n den Rahmen der Hauswirtschaft gebannt waren, . . . über die Schwelle des Haushalts ins Licht der Öffentlichkeit" traten 2 . Geistig war diese Gesellschaft vom aufklärerischen Rationalismus geprägt. I h r Leitbild war der gebildete Mensch. Besitz und Bildung waren somit die beiden Eigenschaften, durch die sich die Mitglieder der bürgerlich-liberalen Gesellschaft auszuweisen hatten. Die Gesellschaf t selbst war die ganz und gar unpolitische, eben die nichtstaatliche Sphäre der „zum Publikum versammelten Privatleute", die frei von Zwang ausschließlich nach den Regeln der Humanität, d. h. aber der Vernunft, geordnet war. Die gegenseitige Zuordnung der einzelnen für sich stehenden Individuen innerhalb der Gesellschaft kam für den Liberalen, auf die Vernunft des Menschen vertrauenden Bürger am sinnfälligsten i m Modell der sich auf dem M a r k t gegenüberstehenden, frei konkurrierenden Warenbesitzer zum Ausdruck. Die gesellschaftlichen Beziehungen innerhalb der liberalen Theorie lassen sich demnach zurückführen auf „die nach Gesetzen des freien Marktverkehrs sich herstellenden Tauschbeziehungen" 3 , als deren oberster rechtlicher Grundsatz die Privatautonomie galt. Das ordnungsstiftende Element i n diesem System war der Wettbewerb, i n dem nach liberaler Überzeugung die bereits angelegte prästablierte Harmonie zwangsläufig zur Entfaltung kommen mußte, sofern dem Wettbewerb nur freier Lauf gelassen würde. Der Wettbewerb sollte aber nicht nur ein ordnungsstiftendes, sondern auch ein dynamisches Element sein, da sich i n i h m nach seinem eigenen Gesetz notwendigerweise der Beste und Tüchtigste durchsetzen mußte. Damit aber diente der Wettbewerb gleichzeitig als Instrument der Gerechtigkeit, denn der liberale Gerechtigkeitsbegriff beruht auf dem aristotelischen Prinzip des „suum cuique tribuere", nicht der demokratischegalitären Gleichheit. Dem entsprach auch das politische Verfahren. Die Wahl war eine reine Persönlichkeitswahl, zu der nur die durch Besitz und Bildung ausgezeichneten Mitglieder der Gesellschaft zugelassen wurden. Die Gewählten galten als Repräsentanten des gesamten Volkes und nur ihrem Gewissen unterworfen. Der eigentliche politische Entscheidungs2 3

Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 29. Ebd., S. 87.

I X . Das „Institut Freie Presse" unter dem Grundgesetz

181

prozeß spielte sich allerdings noch nicht bei der Wahl selbst, sondern erst i m Parlament auf der Grundlage freier Rede und Gegenrede ab. Sowohl der Wahlvorgang wie der parlamentarische Entscheidungsprozeß entsprachen somit wiederum dem Modell des Wettbewerbs, der als Gewähr für den Sieg der besten Personen und Ideen angesehen wurde. Aus diesem Zusammenhang heraus nun erklärt sich auch der liberale Freiheitsbegriff. Liberale Freiheit ist gebunden an die i n sich ungeordnete Gesellschaft als der Sphäre autonomer, vernunftbegabter I n d i v i duen. Sie ist „natürliche", d. h. jeder heteronomen rechtlichen Regelung entzogene Freiheit, die allein durch den eigenen Willen und die Rechte anderer begrenzt werden durfte. I h r größter Widersacher ist der Staat, den der Liberalismus als Herrschafts- und Unterdrückungsapparat — notwendig zur Stiftung äußerer Sicherheit und Ordnung — verstand. Die Sicherung der Freiheit konnte daher am besten durch eine klare Trennung von staatlicher und gesellschaftlicher Sphäre erfolgen, indem die staatlichen Machtbefugnisse durch Verfassung und Gesetz begrenzt wurden 4 . Als wichtigste „Bollwerke der Freiheit" galten den liberalen Verfassungstheoretikern die Grundrechte, die eine individuelle Freiheitssphäre vor staatlichem Eingriff absichern, sowie die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung. Trotz der erbitterten politischen Kämpfe u m die Erlangung der Freiheit war der liberale Freiheitsbegriff als solcher, insbesondere i n Deutschland, ganz und gar unpolitisch, weil nicht auf den Staat als politischen Verband des Gemeinwesens bezogen. Freiheit findet i m Liberalismus ihren Endzweck i n der freien Entfaltung der Einzelpersönlichkeit und soweit Politik, wie i n den westlichen Ländern und i m frühen deutschen Liberalismus, überhaupt i n ihrer Bedeutung für die Sicherung der Freiheit erkannt wurde, hatte sie sich an diesem Maßstab auszuweisen. Politik hatte demnach keine gestaltende Aufgabe (dies war Sache der Gesellschaft), sondern lediglich ordnende und sichernde Funktionen. b) Das demokratische

Prinzip

A u f ganz anderen geistigen Grundlagen beruht die Idee der Demokratie. I h r Ziel ist die Selbstbestimmung der Bürger über die staatlichen Angelegenheiten auf der Basis materieller Gleichheit. Da Demokratie die Mitarbeit des gesamten Volkes voraussetzt, kann Gleichheit i m demokratischen Sinne nur arithmetische Gleichheit 5 bedeuten, sodaß 4 Diese — verfassungsrechtlich gesehen — negatorische Wirkung der Grundrechte und der Verfassung insgesamt gegenüber dem Staat hatte ihrer gesellschaftlichen Funktion nach gleichzeitig die positive Verbürgung der Grundlagen der liberalen Gesellschaftsordnung zum Inhalt, nämlich die chancengleiche Teilnahme am Prozeß der Produktion und der öffentlichen Meinung (vgl. Habermas, a.a.O., S. 243). 5 Vgl. Leibholz, Strukturwandel der modernen Demokratie, a.a.O., S. 86.

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

K r i t e r i u m für die Richtigkeit i m demokratischen Entscheidungsprozeß allein das Mehrheitsprinzip sein kann, i n der aufklärerischen Hoffnung, daß die „volonté générale" (im Sinne des „richtigen" Willens) m i t der „volonté des tous" zusammenfalle. Demokratische Gleichheit kann sich jedoch nicht m i t der V e r w i r k lichung des Grundsatzes „one man one vote" begnügen. Soll Demokratie wirklich zum Inhalt haben, daß jeder Bürger, unabhängig von individuellen und sozialen Unterschieden, grundsätzlich den gleichen rechtlichen und politischen Status hat, so drängt die dem demokratischen Prinzip innewohnende Eigendynamik danach, alle bestehenden Ungleichheiten, soweit sie nicht als natürliche vorgegeben sind, weitestgehend abzubauen, insbesondere aber alle nicht-staatlichen Machtakkumulationen, die zwangsläufig Ungleichheiten zur Folge haben, unter öffentliche Kontrolle zu bringen. Den unbedingten Glauben an die gerechtigkeitserzeugende K r a f t des Wettbewerbs hat die moderne sozialstaatliche Demokratie verloren. Der i n diesem Sinne als materielle Demokratie verstandene Staat ist damit notwendigerweise auch Sozialstaat. Unter diesen Voraussetzungen ändert sich das Verhältnis von Staat und Gesellschaft, ja das Wesen des Staates überhaupt, gegenüber dem liberalen Staatsbegriff grundlegend. Staat und Gesellschaft stehen sich nun nicht mehr als feindliches Gegensatzpaar gegenüber. Der Staat erhält i n der Demokratie die Rolle eines Ordnungs- und Gestaltungsfaktors auch gegenüber der Gesellschaft selbst, m i t der Aufgabe, Ungleichheiten und freiheitsbeschränkende Entwicklungen i m gesellschaftlichen Raum vorzubeugen bzw. sie zu beseitigen. Aber auch umgekehrt ist — vom Staat aus gesehen — seine Sphäre von der gesellschaftlichen nicht mehr absolut zu trennen 6 . Wenn die Staatsgewalt vom Volk ausgeht und über die Parteien ein ständiger Meinungs- und Willensbildungsprozeß zwischen Gesellschaft und Staat stattfindet, kann der Staat nicht mehr, wie z. B. i n der Staatslehre Krügers, als über der Gesellschaft schwebendes Abstraktum betrachtet werden. Auch der Ruf Forsthoffs nach „mehr Staatlichkeit" 7 muß i n der Demokratie des Grundgesetzes ebenso ins Leere gehen, wie der vermeintlichen Wahlmöglichkeit Herzogs zwischen einem starken Staat und einer „ m i t Sicherheit totalitär werdenden Gesellschaft" 8 i n einer Demokratie die Grundlage fehlt. Der sozial-demokratische Staat kann 6 I m Gesetzgebungsbereich kommt die Verwischung der Grenzen von Staat und Gesellschaft v. a. darin zum Ausdruck, daß die früher so klare und scharfe Trennungslinie zwischen öffentlichem und privatem Recht zunehmend undeutlicher wird; Beispiele dafür sind das Wirtschaftsverwaltungsrecht und die immer umfangreichere Sozialgesetzgebung. 7 Neue Aspekte der Pressefreiheit, Der Staat 1966, S. 15. 8 „Der Mensch des technischen Zeitalters als Problem der Staatslehre", in: Evgl. Staatslexikon, S. X X X V I I .

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i m Prinzip vielmehr nur noch als Funktion der (politischen) Gesellschaft gesehen werden 9 . Er ist Verkörperung des „Herrschaftsapparates", dessen sich die politische Gesellschaft zur Besorgung der öffentlichen A n gelegenheiten bedient 1 0 . Gegenüber der sich politisch organisierenden Gesellschaft hat der Staat somit keine rechtliche Existenz als eigenständige Herrschaftsordnung mehr 1 1 . Die Betonung dabei liegt auf dem Merkmal des „Eigenständigen"; denn auch wenn der Staat „ n u r " Funktion der politischen Gesellschaft ist, so steht er zu ihr doch nicht i m Verhältnis der Identifikation. Da i n der modernen Parteiendemokratie eine Identifikation zwischen Staat und Gesellschaft nie das „Allgemeine" umschließen, sondern sich nur auf einen besonderen Teil der Gesellschaft beziehen könnte, würde dem nicht nur das Prinzip der Freiheitlichkeit, insbesondere unter dem Aspekt des Minderheitenschutzes, entgegenstehen, sondern würde auch dem Wesen des Staates selbst widersprechen; denn auch für den demokratischen Staat gilt, daß seine Tätigkeit unter dem Gebot der Wahrung des Allgemeininteresses steht. Daraus folgt, daß die den Staat tragende Gesellschaft als „politische" möglicherweise i n Widerspruch m i t ihren Interessen als „private" zu treten hat — ein Interessenkonflikt, der auch von jedem einzelnen Staatsbürger immer wieder auszutragen ist. Besteht diese enge wechselseitige Abhängigkeit zwischen Staat und Gesellschaft i n der Demokratie, so hat A. Arndt recht, daß der Zustand des Staates nicht mehr isoliert von dem der Gesellschaft gesehen werden kann. Demokratisierung des Staates und der Gesellschaft bedingen sich gegenseitig 12 . Demokratie kann nicht mehr nur formal als Herrschaftsform, sondern muß als „Lebensform" 1 3 verstanden werden, die auf eine Homogenisierung staatlicher und gesellschaftlicher Strukturen drängt. Dies bedeutet, daß das demokratische Prinzip des Grundgesetzes nicht nur für den staatlichen Bereich i. e. S., sondern auch für gesellschaftliche Institutionen gilt. A r t . 2 1 1 2 GG ist daher lediglich Ausdruck eines allgemeinen Grundgedankens der Demokratie, der m i t der Idee 9 Jedoch nicht i. S. Forsthoffs (Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, S. 18) Staat als „Funktion der industriellen Gesellschaft", denn die „industrielle Gesellschaft" i. S. Forsthoffs ist Teil der „privaten", nicht der „politischen" Gesellschaft. Die politische Gesellschaft kann und sollte mit den Machtmitteln des Staates Fehlentwicklungen der mit ihr zwar personell identischen, aber willensmäßig unterschiedenen „privaten" Gesellschaft bekämpfen. Diese Zusammenhänge verkennt Ridder in seiner Kritik an Forsthoff (Gewerkschaften, S. 15). 10 Besonders augenfällig zeigt sich dieser Vorgang bei der Parteienfinanzierung. 11 I n gleichem Sinne Altmann, Das Problem der Öffentlichkeit und seine Bedeutung für die Demokratie, S. 154 f. 12 Vgl. A. Arndt, Die Rolle der Massenmedien, S. 5; Ridder, Gewerkschaften, S. 12 ff. 13 Vgl. C. J. Friedrich, Demokratie als Herrschafts- und Lebensform, passim.

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der sozialen, d. h. materiellen Demokratie wesensnotwendig verknüpft ist 1 4 . Eine funktionsfähige egalitäre Demokratie setzt i m modernen Flächenstaat einen Zusammenschluß der einzelnen Bürger zu Parteien und Verbänden voraus, über die „das V o l k " seinen politischen Willen artikulieren kann. Diese M i t w i r k u n g sozialer Gruppen, insbesondere der Parteien, an der politischen Willensbildung des Volkes w i r d durch A r t . 21 GG ausdrücklich sanktioniert. N i m m t man A r t . 21 beim Wort, so findet die politische Willensbildung „des Volkes" allerdings nicht erst innerhalb der Parteien statt. Die verfassungsrechtlich legitimierte Funktion der Parteien besteht vielmehr lediglich i n der „Verformung" des politischen Willens des Gesamtvolkes 15 . Die i n den verschiedenen Parteien vorgeformten politischen Willen werden erst durch den A k t der Wahlentscheidung der Staatsbürger, die ihre Wahl zwischen den einzelnen „Willensalternativen" der Parteien treffen, zum verfassungsrechtlich relevanten Willen des Volkes als Staatsorgan. Die Parteien dienen lediglich als „Transmissionsriemen" dieses „Volkswillens" zum Staat. Das Grundgesetz fordert somit eine Politisierung der Bürgerschaft. Daraus folgt aber, daß die Aufgabe der Parteien nicht nur darin besteht, ein politisches Management zu bilden und bei der Wahl herauszustellen, sondern auch alternative Sachprogramme zu erarbeiten, zwischen denen der Bürger sich bei der Wahl entscheiden kann; denn erst dadurch w i r d er i n die Lage versetzt, seinen politischen Willen zu artikulieren. Gleichzeitig verbindet sich damit ganz allgemein die Forderung, den politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozeß (tendenziell) unbegrenzt offen und transparent zu gestalten, denn nur unter dieser Voraussetzung kann der Einzelne seine staatsbürgerlichen Funktionen auch tatsächlich ausüben. Diese Charakteristik der Parteiendemokratie, wie sie durch A r t . 21 GG konstituiert wird, widerspricht i n wesentlichen Grundzügen dem klassischen Repräsentativsystem. Nach dem klassischen Modell der Repräsentation soll die Bildung des auf Sachfragen bezogenen politischen Willens gerade nicht innerhalb der Wählerschaft stattfinden, sondern erst durch die von den Bürgern i n das Parlament entsandten Abgeordneten auf der Basis freier Diskussion und frei von irgendwelchen A b hängigkeiten vollzogen werden 1 6 . I n der repräsentativen Demokratie klassischen Modells sind die Abgeordneten „Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Ge14

Ridder (Gewerkschaften, S. 18) leitet diesen Gedanken nur aus dem Sozialstaatsprinzip, A. Arndt (Die Rolle der Massenmedien, S. 5) wohl nur aus dem demokratischen Prinzip ab. 15 Vgl. BVerfGE 8, 113; Scheuner, Zeitschr. f. evgl. Ethik 1957, S. 34 ff.: Maunz, in: Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz, Art. 21, Rz. 5. 18 Leibholz, Der Gestaltwandel der Demokratie, a.a.O., S. 226 ff.

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wissen unterworfen" (Art. 38 GG), während i n einer Parteiendemokratie die Abgeordneten tatsächlich Vertreter ihrer Parteien sind und dies auch sein sollen 17 ; denn der Wähler entscheidet sich primär für eine bestimmte Partei und ihr Programm, für den einzelnen Abgeordneten nur insoweit als er dieses Programm vertritt. Hier nur am Rande sei erwähnt, daß die Frage des klassisch-repräsentativen bzw. plebiszitären Charakters der Demokratie auch für die Stellung der Presse innerhalb des politischen Gemeinwesens von Bedeutung ist. I n einem Verfassungssystem, i n dem die politische Willensbildung erst innerhalb des Parlaments i n mündlicher Diskussion stattfindet, hat die Presse keine unmittelbar verfassungsrechtlich relevante Funktion. Zwar gibt es auch (bzw. gerade) i n der repräsentativen Demokratie das Phänomen der „öffentlichen Meinung", deren wichtigster Faktor die Presse ist. Die „öffentliche Meinung" ist i n der repräsentativen Demokratie jedoch eine ausschließlich dem gesellschaftlichen Bereich zugehörige Erscheinung und steht i n kritischem Gegensatz zum Parlament, das i n die staatlich-institutionelle Sphäre inkorporiert ist 1 8 . Da sich die Verfassung einer repräsentativen Demokratie, i n der es eine klare Trennung zwischen Staat und Gesellschaft gibt, ausschließlich an den Staat wendet, steht die Presse als gesellschaftliche Institution som i t außerhalb des liberalen Verfassungsrechts. I n einer plebiszitären Demokratie dagegen, wo die politische Willensbildung bereits innerhalb der Bürgerschaft stattfindet, erhält die Presse, wie noch weiter unten näher auszuführen sein wird, als notwendiger Faktor dieses Willensbildungsprozesses verfassungsrechtliche Funktion. Trotzdem wäre es falsch, aus. den aufgezeigten Unterschieden zum klassischen Repräsentativsystem m i t Leibholz und Ridder i n einer radikalen Antithese den Schluß zu ziehen, die heutige vom Grundgesetz legalisierte Parteiendemokratie entspräche dem Typhus der plebiszitären Demokratie. Nicht nur das Grundgesetz selbst, das i n Art. 21 und A r t . 38 parteienstaatliche und repräsentative Einrichtungen nebeneinander stellt, sondern auch die Verfassungswirklichkeit, i n der die politischen Entscheidungen immer mehr vom Volk weg i n die Parlamente, Parteien und Verbände verlagert wird, müssen zu der Erkenntnis führen, daß derartige lehrbuchhafte antithetische Gegenüberstellungen zur 17 Vgl. das SRP-Urteil des BVerfG (E 2, 72 ff.), in dem das Gericht mit dem Partei verbot auch die Abgeordneten ihres Mandats für „automatisch" verlustig erklärte. 18 Bezeichnend dafür ist die Bemerkung O. Wettsteins (Uber das Verhältnis von Staat und Presse, S. 18 f.): „Die Preßfreiheit . . . ist das historisch gewordene und konstitutionell festgelegte Recht des Volkes, sein politisches Denken und Empfinden durch ein Organ zu äußern, das nicht gleichzeitig, wie das Parlament, Willensorgan des Staates ist"; vgl. zu dem Gegensatz zwischen Parlament und öffentlicher Meinung in England Habermas, a.a.O., S. 75 ff.

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Beschreibung des heutigen Verfassungszustands nichts beizutragen vermögen. Den Ansatz zur K r i t i k seiner Lehre vom Parteienstaat als moderner Erscheinungsform der plebiszitären Demokratie liefert Leibholz selbst, wenn er einerseits darauf hinweist, daß die Parteien sich „ m i t dem Volk identifizieren", er aber andererseits von der „Mediatisierung" des Volkes durch die Parteien spricht. Genau darin liegt der Widerspruch zwischen moderner Parteiendemokratie und plebiszitärer Staatsform. Denn da das plebiszitäre System auf der Vorstellung von der „Identität des Volkes m i t sich selbst" beruht, eine Partei jedoch von ihrem Begriff her stets nur einen Teil des Volkes, also das Besondere, nicht das Ganze, verkörpert, kann theoretisch allenfalls ein Ein-Parteiensystem, nicht jedoch das vom Grundgesetz geforderte Mehrparteiensystem plebiszitär genannt werden 1 9 . Der Widerspruch i n den jeweils für sich richtigen Feststellungen von Leibholz läßt sich nur dann auflösen, wenn man nicht dem „ K u l t einer vermeintlich zeitlosen ,Formtypik'" 2 0 erliegt und sich von den klassischen Begriffsdefinitionen der repräsentativen und plebiszitären Demokratie i n ihrer dualistischen Gegenüberstellung freimacht. Die Repräsentation als Form der Öffentlichkeit muß als geschichtlicher Begriff erkannt werden, der unter den heutigen Bedingungen einen anderen Inhalt hat als i m 19. Jahrhundert 2 1 . Das Wesen der Repräsentation kann heute nicht mehr mit dem Gedanken des „anvertrauten Amtes" 2 2 beschrieben werden, auch wenn man ihn seines ursprünglich religiösen Hintergrundes entkleidet. Der Abgeordnete, der sich mehr und mehr dem Typ des professionellen Managers i n Sachen Politik annähert, hat nichts mehr m i t dem von Hennis beschriebenen „Amtsträger" gemein 23 , sondern ist nur noch als Inhaber einer sachlich definierten Funktion zu verstehen. Er w i r d nicht von dem auf seine Persönlichkeit begründeten, letztlich irrationalen Vertrauen seiner Wähler getragen 24 , sondern hat sich durch seine sachliche Leistung und Überzeugungskraft auszuwei19

Vgl. Altmann, Das Problem der Öffentlichkeit, S. 21; schon Rousseau (contrat social, 2. Buch, 3. Kap.) sieht einen antithetischen Widerspruch zwischen der „volonté générale" und einem Parteiensystem. 20 Dieses Wort Ridders (DVB1. 1963, 741), auf die Anhänger einer übersteigerten Rechtsstaatsidee gemünzt, richtet sich gegen ihn selbst, wenn er Leibholz's Lehre vom Parteienstaat folgt. 21 So zutreffend Altmann, a.a.O., S. 23 f. 22 So aber Hennis , Amtsgedanke und Demokratiebegriff, in: Staatsverfassung und Kirchenordnung, S. 54. 23 I n der auf den lutherischen Protestantismus zurückgehenden Bedeutung des Worts, vgl. Hennis , a.a.O., S. 51 ff. 24 Wenn auch zuzugeben ist, daß gewisse irrational-emotionale Momente bei der Wahl eines Politikers immer (und heute noch sehr stark) mitschwingen.

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sen. Den Auftrag zur Wahrnehmung dieser Funktion erhält er i n der Parteiendemokratie i n Wirklichkeit nicht vom Wähler, sondern von seiner Partei, für die sich der Wähler bei der Wahl entschieden hat 2 5 . Nicht der einzelne Abgeordnete, sondern die Partei, die ihrerseits durch bestimmte „Führer" personifiziert wird, ist es daher auch, die heute als eigentliche „Repräsentantin" der Wähler angesprochen werden muß 2 6 . Leibholz ist zwar zuzugeben, daß sich durch diesen Funktionswandel die Repräsentation durch die Parteien wesentlich von der klassischen Idee der Repräsentation unterscheidet; denn die Parteien treten in der Tat mit bestimmten politischen Programmen an den Wähler heran, der daher nicht nur zwischen Personen, sondern auch zwischen sachlichen Programmen seine Wahl, und damit auch eine inhaltliche Vorentscheidung über die von der Regierung zu verfolgende Politik, trifft. Diese „Parteiprogramme sind jedoch weniger konkrete Versprechen als Ausdruck von Ordnungsbildern, die um so umfassender" und offener 27 „sein müssen, je größer und i m inneren Aufbau stabiler die Partei selbst ist" 2 8 . c) Die Verbindung liberaler und demokratischer Prinzipien im Begriff der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung" Das Grundgesetz stellt nun — i n dem Begriff der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung" auf eine prägnante Kurzformel gebracht — die Aufgabe, diese auf eine Massengesellschaft zugeschnittene neue Form der repräsentativen Demokratie, die plebiszitär überlagert ist, m i t der liberalen Idee der Freiheit i n Einklang zu bringen. Daß beide Ideen verschiedenen Wurzeln entspringen und i n gewisser Hinsicht sogar gegenläufig sind 2 9 , wurde bereits ausgeführt. Freiheit i m liberalen Sinne bedeutet Freiheit des Einzelnen und der Gesellschaft vom Staat, Selbstentfaltung des Einzelnen innerhalb der Gesellschaft unter dem Schutz der Grundrechte und der Rechtsstaatlichkeit. Demokratie setzt 25

Daher erfolgte der Mandatsentzug i m Zusammenhang mit dem SRPund KPD-Verbot zu Recht. 26 Altmann, a.a.O., S. 153. A n dem politischen Charakter der Repräsentation ist festzuhalten; daher sind nur Parteien, nicht auch sonstige Verbände zur Repräsentation befähigt. Verbände haben nur die Funktion der organisierten Interessenwahrnehmung (so richtig Kaiser, Die Repräsentation organisierter Interessen, S. 338, der allerdings — von seinem dualistischen Modell Staat—Gesellschaft aus konsequent — in der Interessenwahrnehmung durch die Verbände eine Repräsentation der Gesellschaft gegenüber dem Staat sieht, S. 360). 27 Nicht geschlossener, wie Altmann meint; die Parteiprogramme gleichen im Gegenteil immer mehr „Warenhauskatalogen", in denen sich jeder das ihm Passende aussuchen kann. 28 Altmann, a.a.O., S. 25. 29 Vgl. Leibholz, Strukturwandel der modernen Demokratie, S. 88 f.; Forsthoff, Neue Aspekte der Pressefreiheit, Der Staat 1966, S. 14.

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demgegenüber eine gegenseitige Angleichung und ständige wechselseitige Beziehung zwischen Staat und Gesellschaft voraus. Ridders dreigliedrige Konzeption von privater Gesellschaft, politischer Gesellschaft und Staat stellt den bisher überzeugensten Versuch dar, die Zusammenhänge und Wechselbeziehungen zwischen Staat und Gesellschaft i n der freiheitlichen Demokratie auch verfassungsrechtlich auf eine Formel zu bringen. Diese Konzeption soll der weiteren Untersuchung zugrunde gelegt werden. Dazu bedarf es allerdings zuvor einer nochmaligen, etwas vertieften Klärung der Begriffsinhalte und Zusammenhänge. Private und politische Gesellschaft sind lediglich zwei Kehrseiten ein und desselben personell identischen Gebildes. Demgemäß ist die private Gesellschaft nur i n der negativen Abgrenzung zur politischen Gesellschaft zu definieren, unter der nach den bereits zitierten Worten Ridders die „als Staatsvolk i n den Meinungs- und Willensbildungsprozeß des rechtlich zu höchst bleibenden Staates durch Wahlen und Abstimmungen" eintretende und „als selbst nicht rechtlich organisierte, aber i n einem eigenen, der staatlichen Direktion nicht unterworfenen, nicht zu rechtsverbindlichen Entscheidungen führenden Meinungs- und W i l lensbildungsprozeß ständig präsente und m i t aller Ausübung von Staatsgewalt konfrontierte", aus dem staatlichen Bereich wieder austretende Gesellschaft zu verstehen ist 3 0 ; wobei allerdings hinzuzufügen ist, daß die rechtlich zu unterscheidenden Meinungs- und Willensbildungsprozesse des Staates und der politischen Gesellschaft über die Parteien m i t einander permanent gekoppelt sind 3 1 . Der entscheidende Unterschied zwischen privater und politischer Gesellschaft liegt somit i n den verschiedenartigen funktionalen Bezügen. Als Mitglied der privaten Gesellschaft handelt der Einzelne als Privatmann, er besorgt seine privaten Angelegenheiten, mag er dabei aus individueller Überzeugung auch die Interessen der Öffentlichkeit i m Auge behalten. Als Mitglied der politischen Gesellschaft ist er „Staatsbürger" und n i m m t i n verfassungsrechtlicher Funktion Angelegenheiten des Gemeinwesens dar. 30

Art. „Meinungsfreiheit", in: Staatslexikon, S. 651. Der Einwand Czajkas (a.a.O., S. 120), daß mit der Abgrenzung eines eigenständigen politischen Bereichs wieder auf den alten Dualismus Staat — Gesellschaft zurückgegriffen werde, trifft für die hier vertretene Konzeption nicht zu; denn „das Politische" ist eine Kategorie, die Staat und Gesellschaft gleichermaßen umfaßt. Die Unterscheidung Czajkas zwischen „staats-, kultur- und wirtschaftsbezogen" weist darauf hin, daß Czajka selbst noch diesem Dualismus anhängt; denn in der sozialen Demokratie ist grundsätzlich kein gesellschaftlicher Bereich mehr a priori „außerstaatlich". A n die Stelle des Gegensatzpaares „staatsbezogen — nicht staatsbezogen" tritt daher das Gegensatzpaar „politisch — nicht politisch". Der Begriff „staatlich" grenzt nur noch die institutionelle Sphäre des Staates ab. 31

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Wie bei allen Abgrenzungen dieser A r t muß auch hier i m Auge behalten werden, daß sie lediglich eine theoretische, idealtypische Aussage beinhalten. I m Einzelfall können Erscheinungen der privaten bzw. politischen Gesellschaft ineinander übergehen, wenn nicht gar identisch sein. Beispielsweise läßt sich bei wirtschaftlichen Großunternehmen, Gewerkschaften, aber vor allem auch der Presse privatgerichtetes und politisches Handeln oft kaum voneinander trennen 3 2 . Das Beispiel der Wehrdienstverweigerung (Art. 4 I I I GG) zeigt, daß selbst so private Bezirke und ihre Freiheitsgewährleistungen wie die des Gewissens von politischer Relevanz sein können. Trotz enger gegenseitiger Verflechtungen zwischen politischer Gesellschaft und Staat müssen i n einer freiheitlichen Demokratie die gesellschaftliche und die staatliche Sphäre grundsätzlich voneinander unterschieden bleiben. Wesentliches Charakteristikum des Staates ist die unbedingte Verbindlichkeit seiner Entscheidungen und die Möglichkeit ihrer zwangsweisen Durchsetzung. Prinzipiell ist die Rechtserzeugung allein dem Staat vorbehalten 3 3 , obwohl sich auch i n dieser Beziehung nicht nur i n Form des Gewohnheitsrechts, sondern auch durch Erscheinungen wie die tarifliche Rechtssetzungsbefugnis und die quasi-normativen allgemeinen Geschäftsbedingungen 34 Einbrüche der Gesellschaft i n bisher dem Staat vorbehaltene Bereiche bemerkbar machen. Solange der Staat jedoch noch als Herrschaftsorganisation notwendig ist, und diese nicht von der Gesamtgesellschaft, sondern nur von einem Teil der Gesellschaft, verkörpert durch die Regierung und die sie tragende Partei bzw. Fraktion politisch gehandhabt werden kann, solange ist an der prinzipiellen Trennung von Staat und Gesellschaft festzuhalten. Daher wäre die völlige „Einsaugung des Staates durch die Gesellschaft genauso wie der umgekehrte Vorgang freiheitsgefährdend und totalitär" 3 5 ; denn der Staat könnte sich nie m i t der Gesellschaft als ganzer, sondern immer nur m i t partikularen Kräften innerhalb der Gesellschaft identifizieren 36. Nur unter der Bedingung der Nicht-Identifikation von Staat 32

Überhaupt ist die Zugehörigkeit der Wirtschaft zur privaten Gesellschaft nicht wesensnotwendig für eine freiheitliche Demokratie, auch nicht für die des Grundgesetzes. I n einer sozialisierten Wirtschaftsordnung, die nach Art. 15 GG mit dem Grundgesetz durchaus vereinbar wäre (und von einer ZentralverwaltungsWirtschaft zu unterscheiden ist), würde die Wirtschaft ganz dem politischen Bereich zuzurechnen sein. Daß auch ohne Anwendung des Art. 15 sich Wirtschaft und Politik immer enger vermengen, zeigt sich an der zunehmenden Interventionstätigkeit des Staates i m wirtschaftlichen Bereich. 33 Vgl. Ridder, Gewerkschaften, S. 14. 34 Zu erwähnen ist auch die Beteiligung gesellschaftlicher Gruppen an staatlicher Rechtsetzung, z.B. im Bereich des Preisrechts und der Marktordnungen; noch umfangreicher ist die Übertragung von Verwaltungsbefugnissen, v. a. im Bereich des Wirtschaftsrechts, auf private Verbände. 35 Ridder, Gewerkschaften, S. 15. 36 Ridder, ebd.; Forsthoff, Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, S. 18.

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und Gesellschaft hat der Staat die Möglichkeit, seine komplimentäre freiheitsgewährleistende Funktion gegenüber gesellschaftlichen Machtkonzentrationen wahrzunehmen. Dabei ist nicht nur an partikulare Machtbildungen i m gesellschaftlichen Raum zu denken, vielmehr w i r d auch die durch Wahlen und Abstimmungen konstituierte politische Mehrheit selbst durch Verfassung und Gesetz an bestimmte Grenzen der Machtausübung gebunden. Demokratische Herrschaft ist, solange sie als freiheitlich gelten w i l l , immer nur „limited government" 3 7 , und zwar nicht nur i m liberal-rechtsstaatlichen Sinne einer Begrenzung staatlicher Zuständigkeiten, sondern auch als zeitlich begrenzte Herrschaft; denn eine freiheitliche Demokratie setzt die potentielle Möglichkeit eines legalen Machtwechsels voraus. Diese Möglichkeit ist aber nur dann gewährleistet, wenn jede politische Gruppe, auch eine Minderheit, grundsätzlich die gleiche Chance i m politischen Wettbewerb hat, der i n einer freiheitlich-rechtsstaatlichen Demokratie immer nur ein Wettbewerb der besseren Argumente sein kann. Die Meinungsfreiheit ist demnach Grundlage einer freiheitlichen Demokratie überhaupt, i m besonderen aber das Hauptrecht politischer Minderheiten. Daraus folgt, daß, je mehr sich ein Sachverhalt dem Bereich der bloßen Meinungsbildung annähert, u m so höher der Grundsatz der Chancengleichheit 38 zu bewerten ist. Umgekehrt hat das Mehrheitsprinzip dort Geltung, wo es um die Findung klarer, verbindlicher Entscheidungen geht. Sieht man den Staat i n dem vorerwähnten Sinne als Sphäre politischer Willensbildungs- und Entscheidungsvorgänge, bei denen sich Mehrheits- und Minderheitsgruppen gegenüberstehen, dann muß auch der Staatsbegriff so präzisiert werden, daß der Staat nicht m i t der jeweils politisch herrschenden Gruppe gleichgesetzt werden kann. Der Staat als Institution, als das rechtlich verfaßte Gemeinwesen ist von denjenigen Kräften abzugrenzen, die der Institution ihren politischen Willen geben, die aber andererseits immer nur m i t bestimmten Teilgruppen der Gesellschaft identisch sein können 3 9 . Diese Abgrenzung ist nur dann möglich, wenn der Staatsbegriff i n Beziehung auf den politischen Willensbildungs- und Entscheidungsvorgang hin definiert wird, für den der Staat den institutionellen Rahmen bildet. I n diesem Sinne wäre der Staat — i n Anlehnung an den angelsächsischen Begriff des „government" — m i t Ehmke 40 als die Gesamtheit der „Führungs-, Ko37 Vgl. zur Theorie des „limited government" in den USA Voss, Meinungsfreiheit und verfassungsmäßige Ordnung, S. 104 ff. 38 Vgl. zum Grundsatz der Chancengleichheit die Parteienurteile des BVerfG (insbes. E 8, 51 ff. und neuestens JZ 1969, 557 ff.); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 62 f. 39 So auch Altmann, a.a.O., S. 154 f. 40 Staat und Gesellschaft als verfassungstheoretisches Problem, in: Staatsverfassung und Kirchenordnung, S. 44.

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ordinierungs- und Lenkungsinstitutionen eines politischen Gemeinwesens" (ohne Rücksicht auf die traditionellen Unterscheidungen nach dem Gewaltenteilungsschema) zu bezeichnen. Freiheit würde demnach Nicht-Identifikation des Staates m i t den das „government" tragenden gesellschaftlichen Kräften voraussetzen. 2. Die verfassungsstrukturelle Bedeutung der Grundrechte Wenn der Wandel vom konstitutionell-liberalen Rechtsstaat zur freiheitlichen Demokratie des Grundgesetzes i n seinem K e r n das Verhältnis zwischen Individuum, Gesellschaft und Staat betrifft, so muß er seinen Niederschlag vor allem i n der Interpretation der Grundrechte finden. Die darin implizierte historisch-dynamische Betrachtungsweise bereitet jedoch gerade i m Grundrechtsbereich Schwierigkeiten. Denn während die Normen des organisatorischen Teils der Verfassung von ihrem Wesen her nur dem Zweck dienen, einem konkreten Staatsgebilde seine rechtliche Ordnung zu geben, und diese Ordnung erst durch den konstitutionellen A k t selbst existent wird, handelt es sich bei den Grundrechten nicht u m lediglich „gesetzte" Normen, die erst durch den positiven Rechtsetzungsakt des Verfassungsgebers Geltung beanspruchen können. Indem nämlich das Grundgesetz sich i n A r t . 1 Abs. 2 zu „unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten" bekennt, erkennt es den Grundrechten — oder genauer: denjenigen Freiheitsrechten, die tatsächlich Menschenrechtsgehalt aufweisen — die Qualität überzeitlicher, i n ihrer Geltung von einem positiven Rechtsetzungsakt unabhängiger Normen zu. Ihre Verankerung i m Grundgesetz stellt keinen konstitutiven, sondern lediglich einen affirmativen A k t dar 4 1 . Andererseits läßt sich bei historisch-kritischer Betrachtung nicht leugnen, daß auch die Menschenrechte nicht zeitlos, sondern i n bestimmten historischen Situationen „entstanden" sind. Sie sind zudem als unselbständiger Bestandteil i n eine konkrete Verfassungsordnung eingebettet und haben erst dadurch positive Rechtsgeltung erlangt. Die Grundrechte, einschließlich der Menschenrechte, bilden daher keinen erratischen, i n sich unveränderlichen und abgeschlossenen Normenkomplex, sondern werden i n Geltung und Inhalt von ihrer Entstehungsgeschichte, noch mehr aber von ihrer Stellung innerhalb des Kontexts der Gesamtverfassung her geprägt. Wenn schon die klassischen Menschenrechte historisch bedingt und damit relativ sind, so gilt dies noch mehr für diejenigen Grundrechte, die die Rechte des Einzelnen als Staatsbürger und den Schutz von Institutionen betreffen. Sie sind überhaupt nur innerhalb einer jeweiligen Rechtsordnung und nicht als überzeitliche Rechte denkbar. 41

Dürig, in: Maunz-Dürig-Herzog,

Grundgesetz, Art. 1 Abs. 2, Rz. 73.

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Sind die Grundrechte also weder unmittelbar geltendes Naturrecht noch aus einer vergangenen Verfassungsperiode unverändert übernommen, sondern besitzen nur kraft ihrer Positivierung i n der Verfassung Rechtsgeltung, so sind daraus auch für ihre Interpretation Konsequenzen zu ziehen. Obzwar die Tradition der verfassungsrechtlichen Kodifizierung von Grundrechten liberalen Ursprungs ist, zwingt dies nicht zu einer Interpretation der Grundrechte nach dem Verfassungsverständnis der damaligen Zeit. Als unselbständiger Teil der Gesamtverfassung können die Grundrechte nicht, wie es einige Anhänger der liberalen Verfassungstheorie noch wollen, allen Veränderungen, denen das Verfassungsrecht seit den Anfängen des Liberalismus unterlag, zum Trotz aus dieser Geschichte isoliert und sorgsam i n ihrem Entstehungszustand konserviert werden. Eine genaue juristische Betrachtung kann sich nicht m i t Historizismen begnügen, sondern setzt voraus, daß die Grundrechte i n ihrer Einordnung i n die Gesamtverfassung erkannt und von dort heraus interpretiert werden. Das Bonner Grundgesetz versteht sich nicht mehr als Verfassung eines „klassischen" bürgerlich-liberalen Rechtsstaats. Es gebietet „ i n Erfüllung seines geschichtlichen Sinnes klar und deutlich, normativ und revisionsfest Demokratie", die „nicht am K u l t einer vermeintlich zeitlosen jFormtypik' zuschanden werden darf" 4 2 . Auch wenn, wie oben ausgeführt, zwischen den Prinzipien des Liberalismus und der Demokratie Gegensätze bestehen, so ist es doch nicht gerechtfertigt und zeugt von einem ahistorischen Ansatz, wenn man, wie z. B. Forsthoff 43, daraus den Schluß zieht, der Grundrechtsteil sei ausschließlich dem liberalen Freiheitsbegriff zuzuordnen. Wenn die Grundrechte heute überhaupt noch eine Bedeutung haben sollen, dann nur als Freiheitsrechte i n der Demokratie. Das Grundgesetz hat dafür den Begriff der „freiheitlichdemokratischen Grundordnung" geprägt und damit zum Ausdruck gebracht, daß es die Spannung zwischen liberaler Freiheit und egalitärer Demokratie zu einer neuen Synthese zu vereinigen aufträgt. Ganz allgemein betrachtet kann damit der Entstehungsgeschichte der Grundrechte keine ausschlaggebende Bedeutung bei ihrer Interpretation zukommen. Sie mag zwar zum richtigen Verständnis der Grundrechte unentbehrlich sein; ihre juristisch verbindliche Interpretation hat jedoch heute aus dem Grundgesetz selbst heraus zu erfolgen. Basis der Grundrechtsinterpretation sind die tragenden Grundsätze der Verfassungsordnung. Das BVerfG hat dafür folgende Richtlinien gegeben: „Die einzelnen Artikel des Grundgesetzes müssen so ausgelegt werden, daß sie mit den elementaren Grundsätzen des Grundgesetzes, insbesondere den Grundrechten und ihrer Wertordnung vereinbar sind. Vornehmstes Inter42 43

Ridder, DVB1. 1963, 741. Neue Aspekte der Pressefreiheit, Der Staat 1966, S. 14.

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pretationsprinzip ist die Einheit der Verfassung als eines logisch-ideologischen Sinngebildes, weil das Wesen der Verfassung darin besteht, eine einheitliche Ordnung des politischen und wirtschaftlichen Lebens der staatlichen Gemeinschaft zu sein 44 ."

Als solche, für die Grundrechtsinterpretation maßgebenden, elementaren Verfassungsgrundsätze kommen insbesondere die Prinzipien der personalen Würde, der Freiheitlichkeit, der Demokratie sowie der Sozial- und der Rechtsstaatlichkeit i n Betracht. Aber auch den einzelnen Grundrechtsnormen selbst liegen jeweils objektive Wertentscheidungen zugrunde, die — aufbauend auf den Verfassungsprinzipien und i n wechselbezüglicher Betrachtung — zu einem Sinnganzen zusammenzufügen sind 4 5 . Der obigen Feststellung, daß die Demokratie nicht nur Herrschafts-, sondern auch Lebensform eines politischen Gemeinwesens ist, widerspräche es, würde die Verfassung nur als etwas Statisches, als ein bloßes juristisches Normengebäude betrachtet. Das Wesen einer demokratischen Verfassung w i r d vielmehr nur dann richtig erfaßt, wenn man sie gleichzeitig als lebendigen Prozeß sieht, dessen Träger letztlich immer die einzelnen Bürger sind. So verstanden sind die Grundrechte, die die wechselzüglichen Beziehungen zwischen Individuum, Gesellschaft und Staat regeln, die konstituierenden Bestandteile — oder, bildhaft gesprochen: die Antriebselemente — dieses Prozesses, durch deren ständige Ausübung ein politisches Gemeinwesen immer neu zum Entstehen kommt 4 6 . Wenn man die Grundrechte i n dieser Weise als i n die gesamte Verfassungsordnung eingegliedert sieht und von dorther wiederum die einzelnen Grundrechte interpretiert, wenn man sie also nicht mehr nur als eine aus dem Ganzen selbständig herauslösbare „Magna Charta der Freiheiten und Rechte des Einzelnen gegenüber dem Staat", sondern als integralen Bestandteil der Gesamtverfassung sieht 4 7 , dann w i r d auch wieder der Blick für eine funktionale Betrachtung der Grundrechte frei, der unter dem Einfluß der positivistischen Staatsrechtslehre so lange verdeckt war. Für die funktionale Zuordnung der Grundrechte bietet sich Ridders Unterscheidung zwischen privater und politischer Gesellschaft an, an Hand derer er selbst zwischen Grundrechten des status negativus und des status activus sowie parallel zu den Aktivrechten anzusiedelnden Grundrechte des „status politicus" unterscheidet 48 . Diese von Ridder 44

BVerfGE 19, 220. Vgl. dazu insbesondere Häberle, We$ensgehaltsgarantie, S. 4 ff.; BVerfGE 6, 32; 7, 198; früher schon Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 164. 48 Vgl. Smends Wort von der „Wirklichkeit der Nation" als „einem sich täglich erneuernden Plebiszit" (Evgl. Staätslexikon, Art. „Integration"). 47 Vgl. zur Interpretation der Grundrechte i. S. des Prinzips der „Einheit der Verfassung" Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 119. 48 „Meinungsfreiheit", in: Die Grundrechte Bd. 2, S. 259. 45

13 Stammler

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

selbst getroffene Einteilung kann allerdings nicht ganz befriedigen; denn es bleibt nicht nur das Verhältnis zwischen dem hergebrachten „status activus" und dem neuen „status politicus" unklar, vielmehr verkennt Ridder auch, daß es neben den auf die Gesellschaft bezogenen Grundrechte noch Freiheitsrechte gibt, die den Menschen als Einzelwesen, unabhängig von seiner Stellung innerhalb der Gesellschaft, schützen wollen. Die Einteilung i n private und politische Gesellschaft ist daher i m Hinblick auf die Grundrechtsinterpretation u m die Kategorie des Individuums zu erweitern. Diese Unterscheidung war bereits der liberalen Staats- und Gesellschaftstheorie bekannt, die zwischen dem Status des Einzelnen als „rhomme", „bourgeois" und „citoyen" 4 9 unterschied. Diese funktionale Differenzierung wurde dann allerdings i n der positivistischen Grundrechtslehre und auch bei Carl Schmitt, der zwischen den Kategorien des status negativus, status activus und status positivus unterscheidet, wieder verwischt; denn Carl Schmitt versteht diese Einteilung mehr i. S. einer historischen Schichtengliederung und weist die „klassisch-liberalen Grundrechte" pauschal dem status negativus zu 5 0 . Dem Individuum sind diejenigen Grundrechte zuzuordnen, die den Einzelmenschen i n seiner personalen Würde, i n seiner geistigen und sittlichen Autonomie schützen und i h m einen Bezirk gewährleisten sollen, innerhalb dessen er sich frei von äußerer Einwirkung entfalten kann. Dazu wären also Grundrechte wie die Garantie der Menschenwürde des A r t . 1 I, das allgemeine Freiheitsrecht des A r t . 2 I, die Glaubens- und Gewissensfreiheit des A r t . 4, die Gewährleistung der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13) und des Post- und Briefgeheimnisses (Art. 10), aber auch der Schutz der Familie und des Elternrechts i n A r t . 6 zu rechnen. U m diesen Kernbereich herum ordnet sich die Sphäre des „bourgeois", der als Privatmann aus dem Intimkreis i n die bürgerliche Öffentlichkeit heraustritt, d. h. i n die Sphäre der räsonnierenden und wirtschaftenden Privatleute. I h r sind insbesondere die Grundrechte der Berufs- und Eigentumsfreiheit, der Freiheit der Kunst und, unter Vorbehalt, der Wissenschaft zuzurechnen. Dem Bereich der politischen Gesellschaft zugeordnet sind diejenigen Grundrechte, die die M i t w i r k u n g des Einzelnen an dem politischen Meinungs- und Willensbildungsprozeß sichern, und die den Bestand der für den demokratischen Prozeß unerläßlichen Institutionen gewährleistet. Dazu gehören insbesondere die staatsbürgerlichen Wahl- und Stimmrechte, das Petitionsrecht sowie die Parteiengarantie des A r t . 21. 49

Vgl. Habermas, Strukturwandel, S. 96, 243 f. Vgl. Verfassungslehre, S. 163 ff.; Inhalt und Bedeutung des zweiten Hauptteils der Reichsverfassung, in: Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. 2, S. 591. 50

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Nicht eindeutig i n dieses Schema passen die Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit sowie der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Sie können, je nach Form der Ausübung, sowohl politischen als auch auf die private Sphäre gerichteten Bezug haben. Dieser unterschiedliche Bezug der Meinungs- und Pressefreiheit kommt sehr deutlich i n der Unterscheidung Ridders zwischen „privater" und „öffentlicher Meinungsfreiheit" zum Ausdruck. I m einzelnen w i r d dies weiter unten auszuführen sein. Aus diesen unterschiedlichen funktionalen Bezüge der Grundrechte lassen sich nun auch Folgerungen für ihre rechtliche Qualifikation herleiten. Die auf den Einzelnen als „l'homme" bezogenen Grundrechte, insbesondere A r t . 1 und 2, sollen diesem einen Bereich der freien Entfaltung oder besser: der Selbstverwirklichung, sichern. Dem liegt die Vorstellung eines autonomen, freien und selbstverantwortlichen Menschen zugrunde, der befähigt ist, „seiner selbst bewußt zu werden, sich selbst zu bestimmen und sich und die Umwelt zu gestalten" 5 1 . Sinn dieser Grundrechte kann es daher nur sein, dem Einzelnen einen Raum zur freien, individuellen Entfaltung zu schaffen und diesen gegenüber allen Gefahren und Eingriffen von außen abzusichern. Es sind Menschenrechte i m klassischen Sinne, die ihrer Zielrichtung nach (vom Grundrechtsträger aus gesehen) ausschließlich abwehrenden Charakter — und zwar nicht nur gegenüber dem Staat, sondern ebenso gegenüber der Gesellschaft besitzen; denn wenn der Verfassungsgeber die „Würde des Menschen" als „unantastbar" erklärt (Art. 1 I), so handelt es sich dabei um einen absoluten Wert, der gegenüber Gefährdungen aus jeder Richtung zu schützen ist. A u f die rechtstechnische Ausgestaltung dieser Rechte kann es nicht entscheidend ankommen. Auch wenn, wie i n A r t . 6, eine bestimmte Einrichtung wie die Ehe und Familie gewährleistet wird, so ist auch diese institutionelle Garantie ihrer materiellen Zielrichtung nach gesehen dazu bestimmt, dem einzelnen Menschen Räume der Selbstverwirklichung zur Verfügung zu stellen. Eine differenziertere Betrachtung ist i m Bereich der auf die private Gesellschaft bezogenen Grundrechte geboten. Ausgangspunkt und Träger dieser Grundrechte ist zwar ebenfalls grundsätzlich das einzelne Individuum als „Eigentümer", als „arbeitender Mensch" oder als „geselliges Wesen", das m i t anderen i n Kommunikation tritt. I m Unterschied zum vorher behandelten Individualbereich geht es aber jetzt u m das Individuum als „soziales Wesen", das i m gesellschaftlichen Bereich agiert und damit nicht nur i n Kollision m i t „den anderen" gerät (dies ist auch i m Bereich der Menschenrechte möglich), sondern dessen Wirken überhaupt nur i m Zusammenhang m i t anderen 51

1 *

Dürig, in: Maunz-Dürig-Herzog,

Grundgesetz, Art. 1 Rz. 18.

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

denkbar ist. Es entstehen komplexe Herrschafts- und Machtbeziehungen, die ihrerseits soziale Ungleichheiten zur Folge haben. Gleichzeitig ist die private Gesellschaft diejenige Sphäre, i n der die materiellen Existenzgrundlagen des Gemeinwesens geschaffen werden. Angesichts dessen kann sich der Staat hier nicht auf die Funktion bloßer Gefahrenabwehr beschränken. Dies war nur so lange möglich, als i m freien Spiel der Kräfte die Garantie der Gerechtigkeit und zugleich die optimalste Form der Bedürfnisbefriedigung gesehen werden konnte. Dem Sozialstaat des Grundgesetzes ist es dagegen versagt, sich auf die Position eines bloßen Nachtwächterstaats zurückzuziehen. Dazu kommt das demokratische Prinzip als eine das gesamte Gemeinwesen durchdringende Ordnungsstruktur, dem auch innerhalb der privaten Gesellschaft Geltung zu verschaffen ist. I m Bereich der privaten Gesellschaft steht deshalb der individualrechtlichen Seite der Grundrechte als Abwehrrechte eine positive Gestaltungsfunktion des Staates gegenüber. Diese staatliche Gestaltungsfunktion hat ihre verfassungsrechtliche Grundlage i n der institutionellen Seite der Grundrechte, die gleichrangig neben der individualrechtlichen Seite steht. Wie insbesondere Häberle aufgezeigt hat, enthält jedes Grundrecht eine institutionelle Seite, die i n der „Gewährleistung freiheitlich geordneter und gestalteter Lebensbereiche" 52 besteht. Zumindest die auf die Sozialsphäre bezogenen Grundrechte setzen also, um sich ihrer Idee nach überhaupt verwirklichen zu können, eine auf diese Idee bezogene rechtsgestaltende Tätigkeit des Staates voraus 53 . Die institutionelle Seite der Grundrechte beinhaltet demnach für den Staat die Aufgabe, Einrichtungen zu schaffen oder bereits bestehende „Lebenssachverhalte" so auszugestalten, daß die Ausübung des Grundrechts i n einer der Idee dieses Grundrechts und der Gesamtverfassung entsprechenden Weise möglich ist, oder, u m es mit einem Wort C. F. von Weizsäckers auszudrücken: Der Staat hat „Räume der Freiheit zu planen" 5 4 . Trotz dieser institutionellen Seite, die eine Objektivierung und damit eine (beschränkte) Verfügungsmöglichkeit des Staates über das Grundrecht zur Folge hat, haben die auf die private Gesellschaft bezogenen Grundrechte m i t den persönlichkeitsbezogenen Grundrechten gemeinsam, daß beide ihrer eigentlichen Zielrichtung nach privatgerichtet sind. 52

55 ff.

Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 70; vgl. auch Scheuner, W D S t R L 22,

53 Vgl. Häberle, ebd., S. 116; Häberle hält allerdings zur Verwirklichung jedes Grundrechts eine gestaltende Tätigkeit des Staates für notwendig; er übersieht dabei jedoch, daß persönlichkeitsbezogene Grundrechte wie die Gewissens-, Glaubens- und allgemeine Meinungsfreiheit auch bei bloß negatorischer Grundrechtswirkung verwirklicht werden können. 54 Die Bedeutung der Planung in der Demokratie betont auch C. J. Friedrich, Demokratie als Herrschafts- und Lebensform, S. 91 ff.

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I n beiden Fällen soll letztlich dem Individuum ein Raum staatsfreier Tätigkeit gesichert werden, den es nach eigenem Belieben, auch ganz i m privatnützigen Interesse ausfüllen kann. Die institutionelle Betrachtungsweise hat lediglich den Zweck, dem Einzelnen innerhalb der sozialen Sphäre diesen Entfaltungsraum zu schaffen bzw. rechtlich abzusichern und den notwendigen Interessenausgleich zwischen kollidierenden privaten Interessen anderer und öffentlichen Interessen zu ermöglichen. Davon grundlegend zu unterscheiden sind die auf die politische Gesellschaft bezogenen Grundrechte. Träger dieser Grundrechte ist nicht mehr der Einzelne als Privatmann, sondern als Staatsbürger, der i n die politische Sphäre der demokratischen Gesellschaft eintritt und selbst aktiv handelnd am politischen Meinungs- und Willensbildungsprozeß dieser Gesellschaft teilnimmt. Zweck der politischen Grundrechte kann es daher nicht sein, einen privaten, nach außen abgeschirmten Freiheitsbezirk abzustecken. Sie verleihen i n keiner Hinsicht mehr einen status negativus; ihre Funktion besteht vielmehr darin, dem Einzelnen ein Teilnahmerecht am Prozeß der Demokratie zu gewähren (status activus) bzw. die institutionellen Voraussetzungen dieses Prozesses zu gewährleisten. Durch die aktive Ausübung der staatsbürgerlichen Grundrechte w i r d der konkrete Staat, wie er durch die Verfassung projektiert ist, überhaupt erst konstituiert. Die Grundrechte des status activus sind daher „verfassungskonstitutiv" und insofern auch „institutionell". Sie sind nicht nur u m des Einzelnen willen, sondern auch um der Funktionsfähigkeit der freiheitlichen Demokratie w i l l e n gewährleistet 5 5 —, wobei der individualrechtliche gegenüber dem funktionalen Aspekt zurücktritt. Als politische Grundrechte sind sie nicht m i t dem Menschen schlechthin, unabhängig von seiner sozialen Umgebung verknüpft, sondern existieren nur innerhalb einer bestimmten Verfassungs- und Rechtsordnung. Wenn die politischen Grundrechte aber die Demokratie i n der Weise konstituieren, daß ohne ihre tatsächliche Ausübung die demokratische Verfassung nicht Wirklichkeit ist, dann kann das „Ob" und „Wie" ihrer Ausübung nicht mehr i m Belieben des Einzelnen stehen. Als objektivrechtliche Fundamentalnormen der Verfassung wenden sie sich auch an den Staatsbürger selbst. Sie fordern i h n i n „evokativer" 5 6 Weise auf, seine Funktionen als Staatsbürger u m des Gemeinwesens willen wahr65 Dem Selbstverständnis der Demokratie nach wird dieser dialektische Gegensatz jedoch dadurch aufgehoben, daß die Demokratie als „politische Ordnung der Freiheit" dem „mündigen Menschen" erst die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung gibt. 66 Nicht in „imperativer" Weise, denn dann wäre die Demokratie keine freiheitliche mehr (vgl. A. Arndt, Die Rolle der Massenmedien, S. 3).

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

zunehmen. Zugleich wenden sie sich aber auch an den Staat m i t dem Verfassungsauftrag, der freiheitlichen Demokratie angepaßte Strukturen des politischen Meinungs- und Willensbildungsprozesses zu schaffen 5 7 , um dadurch dem Einzelnen die Teilhabe an diesem Prozeß zu ermöglichen und die Funktionsfähigkeit des demokratischen Prozesses insgesamt zu gewährleisten. Unter dem Vorbehalt modellartiger Vereinfachung läßt sich somit sagen, daß die auf das Individuum und die private Gesellschaft bezogenen Grundrechte als Menschenrechte bzw. Freiheitsrechte „klassischer" A r t Freiheit i m Sinn einer privatautonomen, staatsfreien Sphäre gewährleisten sollen. Demgegenüber sind die auf die politische Gesellschaft bezogenen Grundrechte demokratische Teilhaberechte, als solche dem Staat zugewandt und weniger u m des Einzelnen als u m der Demokratie selbst w i l l e n gewährleistet. I n der freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes kann es jedoch bei dieser Gegenüberstellung nicht bleiben. Freiheitliche Demokratie setzt die Existenz eines privaten Bereichs autonomer Persönlichkeitsentfaltung voraus, schließt aber gleichzeitig die Erkenntnis ein, daß es heute — anders als vielleicht noch unter den Verhältnissen des 19. Jahrhunderts — keine von der Politik abgesonderten privaten Schutzräume mehr geben kann. Freiheit ist tatsächlich unteilbar geworden. Daher kann private Freiheit nur i n einer der politischen Freiheit verpflichteten Demokratie bestehen, und umgekehrt ist Demokratie nur i n einer Gesellschaft selbstverantwortlicher, freier und zugleich freiheitsbewußter Bürger praktizierbar. Insofern sind die Grundrechte insgesamt „funktionelle Grundlagen" 5 8 einer freiheitlichen Demokratie. 3. Die Pressefreiheit in der freiheitlichen Demokratie des Grundgesetzes Das vorstehend dargelegte Strukturmodell Individuum — private Gesellschaft — politische Gesellschaft — Staat und die darauf bezogene Einteilung der Grundrechte sollen nun i m folgenden auf die Meinungsund Pressefreiheit übertragen werden. Es gilt, den Standort dieser Freiheit i m Spannungsfeld zwischen Individuum, politischer Gesellschaft und Staat festzustellen und von daher ihren rechtlichen Inhalt zu bestimmen. A u f einige wesentliche Aspekte der Meinungs- und Pressefreiheit wurde bereits hingewiesen. Sie sollen daher an dieser Stelle nur kurz zusammengefaßt werden: Die Meinungs- und Pressefreiheit schützt den 67 58

Vgl. A. Arndt, Die Rolle der Massenmedien, S. 13. Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 17.

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die freiheitliche Demokratie konstituierenden politischen Meinungs- und Willensbildungsprozeß. Sie ist darüber hinaus das wichtigste Schutzrecht einer politischen Minderheit, der sie die Chance sichert, durch die Überzeugungskraft des besseren Arguments zur Mehrheit zu werden. Die dabei vorausgesetzte permanente Diskussion i n politicis muß, wenn sie wirklich offen ist, zwangsläufig den status quo ständig i n Frage stellen. Da diese Infragestellung nicht nur bei den Machtträgern selbst, sondern auch i n weiten Kreisen der Bevölkerung als unbequem empfunden w i r d und Abwehrkräfte auslöst 59 , muß die Sicherung der Meinungs- und Pressefreiheit i n ganz besonderem Maße zur Aufgabe der verfassungsmäßigen Institutionen gemacht werden. Obwohl die Meinungs- und Pressefreiheit demnach eminente politische Funktionen besitzt, kann sie dennoch nicht ausschließlich i m Bereich der politischen Grundrechte angesiedelt werden. Ihre Bedeutung, besonders die der allgemeinen Meinungsäußerungsfreiheit, liegt vielmehr ebenso i m privaten Bereich des Einzelnen und der Gesellschaft. Sie ist nach alledem ein für die gesamte Gesellschaft — i n ihren privaten wie politischen Bezirken —grundlegendes, konstituierendes Freiheitsrecht. Diese allgemeine Qualifizierung der Meinungs- und Pressefreiheit ist inzwischen weithin anerkannt. Der eigentliche Streitpunkt innerhalb der wissenschaftlichen Diskussion liegt i n der rechtlichen Qualifizierung der Meinungs- und Pressefreiheit, d. h. i n der Frage, ob die Pressefreiheit als Grundrecht des Individuums zu verstehen und dem status negativus zuzuordnen ist, oder ob A r t . 5 I, 2 GG (auch) eine von der Person unabhängige institutionelle Garantie enthält. Die A n t w o r t auf diese Frage läßt sich nicht m i t dem bloßen Hinweis auf eine bestimmte wissenschaftliche Tradition geben. Der Glaube an eine „zeitlose Formt y p i k " des Rechts erweist sich angesichts der tiefgreifenden Wandlungen, die gerade das Verfassungsrecht während der letzten 150 Jahre erlebt hat, als direkte Ursache von Ideologiebildungen. Jede rechtliche Ordnung stellt lediglich „die historische A n t w o r t auf gesellschaftlichpolitische Bedingungen und Probleme dar" 6 0 . Daher muß auch bei der Suche nach dem richtigen Verständnis der Pressefreiheit „beachtet werden, daß Pressefreiheit kein feststehender und gesonderter Wortbegriff ist, der sich i n jeder Gesellschaft und zu allen Zeiten gleichbleibt. Er ist eine Funktion innerhalb der Gesellschaft und ist entsprechend der Umbildung der sozialen Struktur Änderungen unterworfen" 6 1 . Eine 59 Vgl. die instruktiven Angaben bei Voss (Meinungsfreiheit und verfassungsmäßige Ordnung, S. 84) über die Einstellung der amerikanischen Bevölkerung zu linksoppositionellen Kräften und der ihnen zu gewährenden Meinungsfreiheit während der McCarthy-Ära. 60 Ehmke, Die Generation auf die wir gewartet haben, in: Politik der praktischen Vernunft, S. 200. 81 Eine freie und verantwortliche Presse, Bericht der US-Kommission für Pressefreiheit, S. 21 f.

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

Theorie der Pressefreiheit kann deshalb nur auf der Grundlage einer kritischen Überprüfung ihrer historischen Bedingungen entwickelt werden. Es stellt sich somit die Frage, ob die für das liberale Verständnis der Pressefreiheit maßgebenden Bedingungen auch heute noch vorliegen. Da die strukturelle Entwicklung der Presse als sozialer Institution und der verfassungsrechtliche Wandel bereits ausführlich erörtert worden sind, kann sich die folgende Darstellung auf eine kurze Zusammenfassung der wesentlichen Gesichtspunkte beschränken. a) Der Strukturwandel

der Presse

Bereits seit der liberalen Pressefreiheitstheorie der Zeit vor 1848 hat sich gezeigt, daß die Pressefreiheit damals keineswegs nur i m Sinne eines Menschenrechts verstanden wurde. Bei Autoren wie Rotteck, Welcker und Jaup wurde vielmehr neben der individualrechtlichen Seite immer auch der funktionale Aspekt der Pressefreiheit als Garantie der „öffentlichen Meinung" und damit als Fundamentalnorm einer liberal-konstitutionellen Verfassung hervorgehoben, i n der Gesamtbetrachtung sogar ganz i n den Vordergrund gestellt. Wenn die Pressefreiheit, wie alle anderen Grundrechte auch, dennoch jeweils auf die einzelne sich i n der Presse äußernde Person bezogen und rechtstechnisch als Abwehrrecht gegenüber dem Staat behandelt wurde, so entsprach dies der damaligen faktischen Situation des Pressewesens. „Die Presse jener Tage bestand aus handgedruckten Blättern, die von kleinen Druckereien i n regelmäßiger Folge als Flugschriften, Broschüren oder Bücher herausgegeben wurden. Druckerpressen waren billig; der Druckereigehilfe konnte Herausgeber oder Schriftleiter dadurch werden, daß er sich das wenige (Geld) lieh, das er brauchte, um eine Druckerei aufzumachen, und einige Assistenten einstellte. M i t einer begrenzten Zahl von Leuten, die des Lesens kundig und durch ihren Besitz zur Ausübung des Stimmrechts qualifiziert w a r e n . . . , gab es keine großen Unterschiede zwischen der Zahl der Lesekundigen, die am bürgerlichen Leben tätigen A n t e i l nahmen und derjenigen, die über die finanziellen Hilfsquellen geboten, die es ihnen ermöglichten, sich mit der Publikation zu befassen 62 ." Auch nachdem eine regelmäßig erscheinende politische Presse zur festen gesellschaftlichen Institution geworden war, änderte sich an diesen Gegebenheiten nur wenig. Die Presse war wichtigster Träger des literarisch-politischen Räsonnements des bürgerlichen Publikums und wurde als Sprachrohr der öffentlichen Meinung anerkannt. „Presse" i n diesem Sinne war nur die Meinungspresse und dabei wieder 62

Eine freie und verantwortliche Presse, a.a.O., S. 23.

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vor allem die politische Presse. N u r um diese ging es, wenn von Pressefreiheit die Hede war, denn auch nur die Meinungspresse war von der Zensur bedroht, deren Abschaffung m i t dem Ruf nach Pressefreiheit bezweckt war. Die Meinungspresse ihrerseits wurde getragen von einzelnen geistig herausragenden Persönlichkeiten bzw. literarisch-politischen Zirkeln, die der jeweiligen Zeitung ihr individuelles Gepräge gaben, und die durch sie zu anderen sprachen. Presse war für sie primär kein Geschäft, sondern eine besonders wirksame Form der geistigen Kommunikation, sie war institutionalisiertes „Bürgergespräch i n öffentlichen Angelegenheiten" 63 . Die Pressefreiheit war unter diesen Voraussetzungen lediglich ein Unterfall der allgemeinen Freiheit der Meinungsäußerung. Sie wurde nur deshalb besonders hervorgehoben, w e i l die Presse einerseits das wirksamste Mitteilungsorgan war, andererseits aber gerade deshalb den stärksten Repressalien seitens des Staates ausgesetzt war und deshalb eines besonderen Schutzes bedurfte. Es entsprach der damaligen W i r k lichkeit, wenn Pressefreiheit als allgemeines Menschenrecht verstanden wurde. Sie war i n der Tat noch als Recht des Einzelnen, sich durch das Medium Presse zu äußern, erlebbar. Seitdem sich als Folge der technischen und sozialen Umwälzungen i n der Presse die kapitalistische Produktionsweise durchsetzte, haben sich auch Wesen und Struktur der Presse grundlegend geändert. Presseunternehmen sind heute industrielle Großunternehmen m i t einem Kapitalvermögen, das i n die Millionenbeträge geht. Die „Pressefreiheit" i m ursprünglichen Sinne des Wortes als Freiheit des Einzelnen, eine Druckmaschine einzurichten und m i t dieser Maschine Mitteilungen zu produzieren, ist i n der heutigen sozialen Wirklichkeit angesichts von Pressegiganten wie dem Springer- Konzern ohne reale Bedeutung mehr 6 4 . Wie andere Industrieunternehmen produziert auch die Presse Waren, nämlich „Information" und „Publizität", für die sie auf dem Markt der Leser bzw. Anzeigenkunden, dessen ökonomischen Sachzwängen sie ausgeliefert ist, Absatz finden muß. Zwangsläufige Folge dieser Entwicklung ist, daß bei der Führung eines Presseunternehmens die wirtschaftliche gegenüber der publizistischen Motivation i n den Vordergrund gerückt ist und daher nicht mehr der Journalist, sondern der Verleger (meist i n Personalunion m i t dem Herausgeber) die dominierende Funktion ausübt. Der Journalist ist heute bloßer Angestellter des Verlegers, welcher somit zum eigentlichen Träger der Pressefreiheit geworden ist 6 5 . Dies flS

Dieses Wort Schüles (a.a.O., S. 62), auf die Presse insgesamt gemünzt, trifft nur für die liberale Ära zu. 64 So C. J. Friedrich, Demokratie als Herrschafts- und Lebensform S. 48. • 5 Ebenso Scheuner, W D S t R L 22, S. 71; von der Heydte, Demokratie und Meinungsmonopol, in: Festschrift für G. Küchenhoff, S. 37.

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

aber bedeutet i n einem kapitalistischen Pressewesen gleichzeitig, daß die Pressefreiheit eine Funktion des Eigentums bzw. der wirtschaftlichen Macht geworden ist, die ihrerseits aber unter der demokratischen Verfassungsordnung des Grundgesetzes ihre Bedeutung als A t t r i b u t der Staatsbürgereigenschaft verloren haben. Die rapide technische Entwicklung und die dadurch bedingte ständige Kostenprogression führt notwendigerweise zu einer zunehmenden Schrumpfung der Zahl selbständiger Presseunternehmen und damit der Zahl der Grundrechtsträger. I m Bereich der Tagespresse ist die Marktsättigung bereits so groß, daß eine Neugründung kaum noch möglich ist und von einem Recht auf freien Zugang zur Presse — soweit es die Funktion des Verlegers betrifft — daher faktisch keine Rede mehr sein kann. Das Zugangsrecht des Journalisten ist i n einer privatwirtschaftlichen Presseordnung ohnehin fragwürdig, da es nur wirksam werden kann, wenn er einen Verleger findet, der bereit ist, i h n anzustellen. Parallel zum Vordringen kapitalistischer Wirtschaftsstrukturen i m Pressewesen fand eine Entwicklung von der Meinungs- zur Nachrichtenpresse statt. Der Zwang zur Massenauflage, aber auch die allgemeine ideologische Nivellierung der Gesellschaft führten zu einem zunehmen Verlust von klar umrissenen Meinungsprofilen innerhalb der Presse. Die periodische Presse, insbesondere die Tagespresse, ist heute nicht mehr so sehr Träger bestimmter politischer Meinungen, als vielmehr Medium der Tatsacheninformation 66 . Sie hat damit ihre Funktion als Forum oder Medium eines „allgemeinen Bürgergesprächs" weitgehend verloren. Aber nicht nur das Publikum, sondern auch die Presseproduktion selbst wurde zunehmend anonymer. Die Anonymität i n der Presse hatte ihre historische Ursache i n der Zensur 67 . Wenn auch heute noch der einzelne Autor i n der Zeitung entweder überhaupt nicht genannt w i r d oder doch zumindest i n der Regel nicht besonders hervortritt, so ist dies ebenfalls m i t dem Strukturwandel der Presse vom Persönlichkeits-Journalismus zur Presse als „ I n s t i t u t i o n " 6 8 zu erklären. Nicht mehr die individuelle Meinung eines einzelnen Journalisten, sondern „facts" und deren Kommentierung sind heute gefragt. Der „Tagesschriftsteller" als „Ideenstreiter" wurde i m Zuge dieser Entwicklung abgelöst durch den 66 Was nicht ausschließt, daß auch in der Tatsachenauswahl und -darstellung Meinung zum Ausdruck kommen kann; jedoch steht nicht diese Meinung im Vordergrund (sofern sie überhaupt klar aufgedeckt wird), sondern die Tatsache. Bezeichnend für diese Entwicklung ist, daß selbst in einer Zeitung wie der „Süddeutschen Zeitung" der Leitartikel vor einigen Jahren von der ersten auf die fünfte Seite verlegt wurde. 67 Vgl. zur Geschichte der Anonymität in der Presse Groth, Die Zeitung Bd. 4, S. 177 ff. 68 Vgl. Max Weber, der vom „Institutions-Charakter" der modernen Presse spricht (in Verhandlungen des 1. deutschen Soziologentags, S. 47 f.).

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arbeitsteilig tätigen Redakteur, der innerhalb des Gesamtapparats zur Sammlung, Sichtung und Verarbeitung von Nachrichten nur noch ein Rädchen i m Getriebe darstellt 6 9 . Die einzelne Zeitung ist heute kein individuelles geistiges Erzeugnis mehr, sondern Ergebnis eines anonymen „team-work",in dem der einzelne Journalist hinter dem Gesamtunternehmen „Zeitung" zurücktritt, deren Tendenzbestimmung der A r beit die Richtung gibt 7 0 . A u f dem Hintergrund dieser faktischen Gegebenheiten erweist sich die Charakterisierung der Pressefreiheit als allgemeines Menschenrecht als reine Fiktion, die — benützt als Argument i n der politischen Auseinandersetzung u m die Pressereform — i n eine ideologische Rechtfertigung des Besitzstandes einiger Privilegierter umzuschlagen droht. b) Der Funktionswandel

der Presse

Der soziologische Befund kann zwar i m Rahmen einer verfassungsrechtlichen Untersuchung dem Nachweis einer Ideologiebildung dienen und damit Anstoß zur kritischen Überprüfung einer Rechtsauffassung geben; er kann jedoch für sich allein keine tragfähige Grundlage einer neuen juristischen Definition sein, w i l l man sich nicht dem V o r w u r f der Kapitulation des Normativen vor dem Faktischen zuziehen. Es bleibt daher zu untersuchen, wie sich diese tatsächlichen Veränderungen zum Grundgesetz verhalten, ob sie auf einen Widerspruch zwischen Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit hindeuten, oder ob nicht sogar das Grundgesetz selbst vielleicht ein neues Verständnis der Pressefreiheit fordert. Eine A n t w o r t darauf läßt sich nur von einer funktionalen Betrachtung der Presse und der Pressefreiheit innerhalb des Gesamtsystems der Verfassung her gewinnen. I n einer liberalen repräsentativ-konstitutionellen Verfassungsordnung, die auf einer strikten Gegenüberstellung von Staat und Gesellschaft beruht, gehörte die Presse ausschließlich dem gesellschaftlichen Bereich an. Damit war gleichzeitig festgestellt, daß die Presse nicht selbst „Institution" der Verfassung sein konnte, denn eine liberale Ver69 Das Argument P. Schneiders (Pressefreiheit und Staatssicherheit, S. 63) für die individualrechtliche Auffassung, daß die Presse immer das Werk Einzelner sei, ist zwar logisch richtig. Er berücksichtigt dabei jedoch zum einen nicht die Akzentverschiebung von der Meinung zur Information, deren Wiedergabe nicht mehr Ausdruck eigener geistiger „Persönlichkeitsentfaltung" ist; zum anderen übersieht er, daß technische, aber auch geistige Leistungen heute immer mehr von „Apparaten produziert" werden, deren Erfolg nicht auf der individuellen schöpferischen Tätigkeit eines Einzelnen, sondern auf „teamwork" und „management" beruht, und daß dadurch diese Apparate gegenüber dem einzelnen Mitglied ein Eigengewicht erhalten. 70 Vgl. Ridder, DVB1. 1963, S. 741; vgl. zur Funktion der Anonymität in der heutigen Presse auch Scholler, Person und Öffentlichkeit, S. 118 ff. und für die ältere Literatur Posse, Über Wesen und Aufgabe der Presse, S. 21.

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

fassung konnte nur Regelungen für die staatlichen Gewalten enthalten und gegenüber der Gesellschaft lediglich Abgrenzungen treffen. Dies schloß nicht aus, daß die Presse eine verfassungsrechtlich relevante Funktion als „Sprachrohr der öffentlichen Meinung" erfüllte. Die Voraussetzung für die Erfüllung dieser Funktion bestand jedoch nach liberaler Auffassung allein darin, daß die Presse „frei", d. h. damals frei von Staatseinfluß, war. Ebenso bestand das Wesen der „öffentlichen Meinung" gerade darin, daß sie als spontanes gesellschaftliches Phänomen dem Staat kritisch und unabhängig gegenüberstand und jeder Beeinflussung durch ihn entzogen war. I n diesem ungeregelten Zustand „natürlicher" gesellschaftlicher Freiheit wurde die Gewähr dafür gesehen, daß jede individuelle Meinung die Chance öffentlicher Kundgabe hatte und daß i m unbehinderten Wettstreit der Meinungen sich von selbst die Wahrheit herauskristallisiere. Der liberale Konstitutionalismus gehört der Vergangenheit an. Das Grundgesetz bekennt sich heute zu den Prinzipien einer freiheitlichen Demokratie und der Sozialstaatlichkeit. Es hat damit zwar die liberale Idee bürgerlicher Freiheit übernommen, sie aber — unter Überwindung einer rein formalen und unpolitischen Auffassung von Freiheit — aus der privaten gesellschaftlichen Sphäre auf die politische Ebene (Demokratie als politische Freiheit) gehoben und m i t materiellem (sozialstaatlichem) Inhalt gefüllt. Gleichzeitig ging die innerstaatliche Souveränität auf das Volk über, das nun selbst oberster Träger der politischen Willensbildung der Nation ist. Dieser Verfassungswandel hat nicht nur zur Aufhebung der strikten Grenzziehung zwischen Gesellschaft und Staat, sondern auch zu einem Bedeutungswandel der Verfassung selbst geführt. Die Verfassung des Grundgesetzes hat nicht mehr nur die Funktion einer Organisations- und Zuständigkeitsregelung für den staatlich-institutionellen Bereich, dem sie damit zugleich Schranken seiner Befugnisse gegenüber der Gesellschaft setzt. Das Grundgesetz ist vielmehr Ordnung des „Politischen" schlechthin und umgreift unter diesem Aspekt Staat und Gesellschaft. Damit aber wurde notwendigerweise auch die Stellung politisch relevanter Institutionen der Gesellschaft, wie v. a. der Parteien und der Presse, eine andere. Die Demokratie basiert, wie A r t . 21 GG ausdrücklich festgestellt, auf dem Prinzip durchgängiger politischer Willensbildung von unten nach oben. I n diesem Willensbildungsprozeß kommt den Parteien wie der Presse eine essentielle Funktion zu. Gegenüber der „gewöhnlichen" verfassungsrechtlichen Funktion 7 1 , die alle Grundrechte besitzen, zeichnet sich die Funktion der Presse durch ihre darüber hin71 M i t der Czajka (a.a.O., S. 105) das Argument der verfassungskonstitutiven Bedeutung der Presse widerlegen zu können glaubt.

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ausgehende, „ schlechthin konstituierende" Bedeutung (BVerfG) aus, und zwar insofern, als die Presse eine ganz spezifisch abgrenzbare „ I n stitution" darstellt, die als solche ein Wesensbestandteil des Grundgesetzes als politischer Ordnung der Freiheit ist, während die meisten anderen Grundrechte einzeln weggedacht werden könnten, ohne daß sich das Wesen der Verfassung selbst ändern würde. Die Funktion der Presse hat also unmittelbar verfassungsrechtliche, nicht nur verfassungspolitische Qualität 7 2 , denn ohne sie gäbe es keine Demokratie i m Sinne des Grundgesetzes. Wenn nun aber — i m Gegensatz zum Liberalismus — der politische Meinungs- und Willensbildungsprozeß ein unmittelbarer, wesensmäßiger Bestandteil der Verfassung der Bundesrepublik ist und sich gleichzeitig die Regelungskompetenz dieser Verfassung auch i n die gesellschaftliche Sphäre hinein erstreckt, so werden damit die für den demokratischen Prozeß essentiellen Institutionen wie die Parteien und die Presse i n die Verfassung integriert. Sie werden zu Institutionen der Verfassung selbst. Trotz ihres Status als Verfassungsinstitution bleibt die Presse aber weiterhin i m Bereich der „auch nicht i n einem weiteren Sinne zum staatlichen Aufbau gehörenden Erscheinungen" 78 . I n dieser Position der Unabhängigkeit, der kritischen Distanz zum Staat, unterscheidet sich die Presse wesentlich von den Parteien. I m Gegensatz zu diesen steht die Presse nicht i m Vorhof des Staates, sie hat keinen Ehrgeiz auf Partizipation an der staatlichen Macht. Die Presse steht zum Staat vielmehr i n einem dialektischen Gegenüber, das aber auch als gegenseitiges Aufeinander-Angewiesen-Sein verstanden werden kann. Der Staat bedarf als freiheitlich-demokratischer Staat der Presse als Kommunikationsträgerin, als M i t t l e r i n zwischen den Bürgern und ihren politischen Funktionsträgern, aber auch als Kritikerin, während die Presse zur Wahrung ihrer Freiheit heute ebenfalls immer mehr auf den Staat angewiesen ist. Obwohl Parteien wie Presse Erscheinungen der politischen Gesellschaft sind, beide die verfassungsrechtliche Funktion der M i t w i r k u n g bei der politischen Meinungs- und Willensbildung besitzen und sich daraus ihr Status als Verfassungsinstitution herleitet, sind die oben erwähnten Unterschiede doch so gravierend, daß sie auch i m verfassungsrechtlichen Standort beider Institutionen zum Ausdruck kommen müssen. Entgegen Ridders Ansicht kann daher Art. 21 nicht als, auch die Pressefreiheit umfassende, Haupt- und Grundnorm einer „öffent72 Vgl. dazu die Kontroverse zwischen Forsthoff und Scheuner auf der Staatsrechtslehrertagung 1963 in W D S t R L 22, S. 191 f. bzw. S. 204; wie Forsthoff erkennt auch Friesenhahn (Die Pressefreiheit im Grundrechtssystem des Grundgesetzes, a.a.O., S. 35) der Pressefreiheit lediglich verfassungspolitische Bedeutung zu. 73 Scheuner, W D S t R L 22, S. 30.

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liehen Meinungsfreiheit" angesehen werden. A r t . 21 betrifft ausschließlich die Parteien. M i t der Meinungsfreiheit i m eigentlichen Sinne befaßt sich diese Vorschrift nicht. I h r Regelungsbereich ist einerseits enger als der der Meinungsfreiheit, denn die Parteien sind nur eine Institution unter verschiedenen anderen, die sich auf diesem Gebiet betätigen. Andererseits geht A r t . 21 erheblich über den Bereich der Meinungsäußerung hinaus, wenn er den Status der Parteien i m allgemeinen regelt. Die Aufgabe und Tätigkeit der Parteien besteht nicht nur i n Meinungsäußerungen. „ M i t w i r k u n g bei der politischen Willensbildung des Volkes" erfolgt vielmehr i n sehr vielfältiger Weise, wobei die Meinungsäußerung nur einen kleinen Ausschnitt darstellt; die M i t w i r k u n g geht bis zur Aufstellung der Wahllisten und setzt sich fort i n der parlamentarischen Tätigkeit der Parteien. Nach der bereits oben erwähnten Ansicht des Verfassers lassen sich i n A r t . 21 jedoch allgemeine Grundprinzipien der Verfassung erkennen, die ihrerseits auch auf die Presse Anwendung finden. Dazu gehören insbesondere die Aufgabe der M i t w i r k u n g an der politischen Meinungsund Willensbildung des Volkes sowie die Verpflichtung auf eine demokratische Struktur derjenigen gesellschaftlichen Organisationen, die sich selbst Öffentlichkeitsbezug beilegen 74 . Beide Grundsätze wurzeln letztlich i m Prinzip der sozialen Demokratie. Die Anwendung dieser Grundsätze muß bei den einzelnen Institutionen jedoch entsprechend ihrer unterschiedlichen Funktion und ihres Standorts innerhalb der Verfassungsordnung unterschiedlich sein. Darauf w i r d i m dritten Teil der Arbeit näher einzugehen sein. c) Die öffentliche Aufgabe der Presse Nach dem bisherigen Ergebnis der Arbeit läßt sich feststellen, daß die Presse eine verfassungskonstitutive Funktion auf dem Gebiet der Meinungs- und Willensbildung des Volkes wahrnimmt. I n dieser Funktion liegt die „öffentliche Aufgabe" der Presse. I m folgenden sollen nun die einzelnen Teilaspekte dieser „öffentlichen Aufgabe" dargestellt werden. (1) Die wichtigste Aufgabe der Presse besteht i n der Veröffentlichung von Tatsacheninformationen. Eine eigene Urteilsbildung, wie A r t . 21 GG sie voraussetzt, bedingt notwendigerweise eine umfassende Information. Ohne sie wäre der Bürger auf die — bewußte oder unbewußte — Übernahme fremder Meinungen angewiesen. Information widerlegt „ V o r urteile, zwingt zur eigenen Reflexion und macht gegenüber anderen Meinungen kritisch. Zugespitzt läßt sich sagen, daß vom Grad der In74 Nach dem Gesichtspunkt des „Öffentlichkeitsbezugs" grenzt auch Altmann (a.a.O., S. 155 ff., 160) diejenigen gesellschaftlichen Organisationen ab, die dem demokratischen Prinzip des Art. 21 I 2 unterliegen.

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formation die Richtigkeit der Meinung und damit auch die Qualität der „Willensbildung des Volkes" abhängt. (2) Eigene Meinungsbildung bedarf andererseits der ständigen K o r rektur i n der Konfrontation m i t anderen Meinungen. Auch wenn heute der liberale Optimismus, daß sich i n einem freien Wettbewerb der Meinungen zwangsläufig die Wahrheit herauskristallisiere, einem skeptischeren Menschenbild Platz gemacht hat, so ist dieses Modell der Wahrheitsfindung als „process of challenge, t r i a l and error" das einer freiheitlichen Demokratie immer noch einzig adäquate. Trotz aller dam i t verbundenen Unbequemlichkeiten besteht — i n neuzeitlichen Kategorien ausdrücklich — die Chance gesellschaftlichen Fortschritts nur bei ständiger Infragestellung des status quo auf der Grundlage einer permanenten, allseitig offenen Diskussion. Die Presse als wichtigstes Kommunikationsinstrument hat daher auch die Aufgabe der Veröffentlichung von Meinungen, und zwar einer grundsätzlich unbegrenzten Vielzahl von Meinungen. Das Gebot der Vielfalt der Meinungsdarstellung kann theoretisch auf zweifache Weise erfüllt werden: Einmal dadurch, daß möglichst jeder Meinungsrichtung innerhalb der Gesellschaft ein eigenes Presseorgan zur Verfügung steht; oder aber, indem innerhalb des einzelnen Presseorgans die verschiedenen Meinungen zur Darstellung kommen. (3) Dadurch, daß die Presse die verschiedenen gesellschaftlichen Meinungsströmungen zum Ausdruck bringt, w i r d sie zum Faktor und Medium der „öffentlichen Meinung Es würde den Rahmen dieser Arbeit überschreiten, der Frage, ob und in welcher Weise i n der heutigen pluralistischen Gesellschaft „öffentliche Meinung" i n Erscheinung t r i t t , i m einzelnen nachzugehen. Es genügt folgendes festzustellen: Auch eine i n einem Staatsverband zusammengeschlossene pluralistische Gesellschaft benötigt ein Mindestmaß an Identitätsbewußtsein. Obschon sich wahrscheinlich zu den meisten politischen Sachfragen eine bestimmte Meinung, die das Prädikat, „die öffentliche Meinung" zu sein, i n Anspruch nehmen könnte, nicht mehr feststellen läßt, besteht doch i n jeder noch leidlich intakten Gesellschaft ein Konsensus über bestimmte Grundfragen und -werte als geistige Basis der gesellschaftlichen Integration, „öffentliche Meinung" i n diesem Sinne ist nicht die „offizielle" Meinung der Staatsorgane oder der Mehrheitspartei. Sie beinhaltet vielmehr die Qualifikation, eine von der Gesamtgesellschaft oder zumindest den „maßgeblichen Kräften" dieser Gesellschaft geteilte Meinung zu sein. Bereits i m Begriff der „öffentlichen Meinung" kommen zwei konstitutive Merkmale zum Ausdruck, nämlich die Merkmale der „Öffentlichkeit" und der „Meinung", aus denen sich bestimmte Folgerungen für die

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

Qualität einer „öffentlichen Meinung" und damit auch für die Aufgabe der Presse als deren Faktor und Medium ziehen lassen. „Meinung" setzt Information und kritische Heflektion voraus, u m tatsächlich eigene Meinung und nicht bloßes emotionales Glauben oder „Für-Wahrhalten" zu sein. Daraus folgt, daß nicht von jedem grundsätzlich zu jedem Problem eine Meinung erwartet werden darf, wie es bei den demoskopischen „Meinungsumfragen" vielfach unausgesprochen geschieht 75 . Auch plebiszitär-demokratische Einrichtungen müssen an dieser Erfahrung der Begrenztheit menschlicher Urteilskraft gemessen werden. Andererseits aber verlangt „öffentliche Meinung" das Medium der „Öffentlichkeit", und zwar sowohl i m qualitativen wie i m quantitativen Sinne 76 . Daraus folgt, daß eine von einem kleinen Kreis spezialisierter Experten erarbeitete Meinung nie „öffentliche Meinung" sein kann. Aber auch dann, wenn zwischen maßgebenden Verbänden der Gesellschaft i n bestimmten Fragen Übereinstimmung bestehen sollte, könnte diese Meinung erst dann das Prädikat „öffentlich" für sich i n Anspruch nehmen, wenn sie auch innerhalb der Verbände selbst durch öffentliche Diskussion und demokratische Willensbildung legitimiert wäre 7 7 . Darin liegt nun die „mediale" Funktion der Presse bei der Bildung der „öffentlichen Meinung". Sie hat die Aufgabe, Öffentlichkeit, und zwar auch innerhalb der Gesellschaft selbst, herzustellen — nicht i. S. einer nur „öffentlich manifestierten Meinung" 7 8 von Verbandsvertretern, sondern als kritisches, die öffentliche Diskussion provozierendes und tragendes Kommunikationsmedium. „Öffentlichkeit" ist die Lebenssphäre der Demokratie überhaupt; denn nur bei tendenziell unbeschränkter Öffentlichkeit, für die es grundsätzlich keinen politischen Arkanbereich gibt, kann die Bürgerschaft ihre Organfunktion als oberster Souverän des demokratischen Staates wahrnehmen. (4) Schließlich nimmt die Presse gegenüber dem „government", aber auch gegenüber anderen öffentlichen (auch gesellschaftlichen) Institutionen die Rolle eines kritischen Gegenübers ein, das Mißstände aufdeckt und kritischen Meinungen anderer Gruppen Gehör schafft. Umgekehrt aber ergibt sich aus dieser unabhängigen Position der Presse für die öffentlichen Funktionsträger die Möglichkeit, sich über das Medium Presse über die i n der Gesellschaft auftretenden Meinungsbewegungen zu orientieren. 75 Vgl. dazu i. e. die Kritik bei Hennis, Meinungsforschung und repräsentative Demokratie, insbes. S. 32 ff. 76 Vgl. zum Merkmal des „öffentlichen" A. Arndt, Begriff und Wesen der öffentlichen Meinung, in: Die öffentliche Meinung, insbes. S. 14. 77 Vgl. Habermas, Strukturwandel, S. 268. 78 Habermas, ebd.

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Von dieser verfassungsrechtlichen „öffentlichen Aufgabe", aber auch nur von i h r her, rechtfertigen sich die weitreichenden Privilegien, die die Presse durch das Grundgesetz und den einfachen Gesetzgeber erhalten hat. Die Funktion der Presse und ihre Privilegien lassen sich nicht mehr, wie z.B. Czajkä 79 und Windsheimerversuchen, nur als besonders intensive Ausübung der jedem Staatsbürger zustehenden Funktion und Rechte begründen. Die Funktionen der Presse lassen sich zwar letztlich immer auf die Rechtsstellung des einzelnen Staatsbürgers zurückführen. Dadurch, daß sich die Presse dieser Funktionen jedoch berufsmäßig annimmt und eine Massendemokratie eine derartige „ A r beitsteilung" wesensnotwendig braucht, hat die Wahrnehmung dieser Funktionen i n der Presse eine institutionelle Verdichtung erfahren, die eine qualitativ andere rechtliche Einordnung gegenüber der Rechtsstellung des „einfachen" Bürgers verlangt 8 1 . (5) Bisher wurde ausdrücklich nur die verfassungsrechtliche „öffentliche Aufgabe" der Presse behandelt, d. h. diejenigen Funktionen, die die Presse innerhalb und unmittelbar für das Verfassungsgefüge des Grundgesetzes als politischer Ordnung des Gemeinwesens hat. Pressefreiheit wäre demnach ausschließlich ein der politischen Gesellschaft zuzuordnendes Grundrecht. Es fragt sich aber, ob damit die öffentlichen Aufgaben der Presse, die verfassungsrechtliche Anerkennung verdienen, erschöpfend behandelt sind. I n unserer heutigen arbeitsteiligen, hochspezialisierten und -differenzierten Massengesellschaft liegt es auf der Hand, daß die Presse auch innerhalb des nicht politischen, privaten Bereichs der Gesellschaft eine Aufgabe als Kommunikationsinstrument erfüllt, die für die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft unbedingt notwendig ist 8 2 . Diese Aufgabe läßt sich m i t den Begriffen der Information und der „Kommunifikation" schlagwortartig umreißen. „Information ist Anfang und Grundlage der Gesellschaft, ohne Information gibt es keine Gesellschaft und ohne Gesellschaft keine Information 8 3 ." Während i n früheren 79

Pressefreiheit und „öffentliche Aufgabe" der Presse, S. 142 ff. Die „Information", insbes. S. 99, 161. 81 Die gegenteiligen Ansichten Czajkas und Windsheimers wirken demgegenüber gekünstelt und wirklichkeitsfremd. Besonders deutlich zeigt sich dieses begriffs juris tische, den Status der Presse in der heutigen Staats- und Gesellschaftsordnung verfehlende Denken der neoliberalen Schule an ihrer Stellung zum Auskunftsanspruch der Presse gegenüber Behörden. Wenn man diesen Anspruch als ein jedem Bürger zustehendes Recht auffaßt (Czajka, a.a.O., S. 158 ff.; Windsheimer, a.a.O., S. 161), geht man an den vom demokratischen Publizitätsgebot her so unerläßlichen Einrichtungen wie der Pressekonferenz, Presseinterviews, dem bevorrechtigten Zutritt der Presse bei Veranstaltungen etc. vorbei. 82 Vgl. W. Geiger, Das Grundrecht der Pressefreiheit, in: Die Funktion der Presse im demokratischen Staat, S. 12. 83 Steinbuch, Falsch programmiert, S. 99. 80

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Jahrhunderten jedoch die notwendige Information zum größten Teil aus der unmittelbaren sinnlichen Wahrnehmung bezogen werden konnte, ist der Mensch heute angesichts der Komplexheit und Differenziertheit des modernen Lebens sowie infolge der ins Ungeheure gewachsenen Informationsfülle auf Medien angewiesen, die i h m die für ihn notwendige Information beschaffen und ordnen. Über dieses individuelle Informationsproblem hinaus steht die Gesamtgesellschaft vor der Aufgabe, zwischen ihren einzelnen, immer stärker spezialisierten und damit auch der Gefahr der Isolierung ausgesetzten Teilbereichen und Gruppierungen den notwendigen Informationsaustausch herzustellen, der nötig ist, u m dieser Gesellschaft den inneren Zusammenhalt zu geben. Diese Aufgabe, die hier als „Kommunifikation" 8 4 bezeichnet werden soll, erfüllen die Massenmedien, unter denen die Presse immer noch das wichtigste Medium ist. Die Massenmedien, und unter ihnen vor allem die Presse, stellen i n der heutigen weitgehend anonymen Industriegesellschaft, i n der der Einzelne zugleich isoliert und i n weltweite Abhängigkeiten eingebettet ist, den sozialen Kontakt und die Umweltorientierung her, die i n früheren Jahrhunderten i n den damals räumlich eng begrenzten sozialen Bereichen noch unmittelbar erlebbar war. Nach den Worten der Denkschrift der E K D über die „Gesellschaft und öffentliche Kommunikation i n der Bundesrepublik Deutschland" ermöglichen die Massenmedien „nicht nur i m technischen Sinne das soziale Leben, sie sind auch die ausschlaggebenden M i t t e l zur Selbstverständigung eine pluralen und demokratischen Gesellschaft. Ohne sie würde die Gesellschaft i n die private Existenz der Einzelnen zerfallen" 8 5 . Die gesellschaftliche Funktion der Presse wurde von der amerikanischen „Commission on Freedom of the Press" i n folgenden Sätzen zusammengefaßt: „Heutzutage braucht unsere Gesellschaft erstens einen wahrheitsgemäßen, umfassenden und verständigen Bericht über die Tagesereignisse in sinnfälliger Fassung; zweitens ein Forum für den Austausch von Erläuterungen und Kritik; drittens ein Mittel, das geeignet ist, die Auffassungen und das Verhalten der Gesellschaftsgruppen einander verständlich zu machen; viertens ein Verfahren, die Ziele und Werte der Gesellschaft darzustellen und zu erklären; und fünftens einen Weg, zu jedem Mitglied der Gesellschaft Zugang zu finden durch Ströme von Nachrichten, Ideen und Gefühlen, wie die Presse sie vermittelt 86 ."

Diese über den politischen Bereich hinausgehende Aufgabe der Presse als allgemeines gesellschaftliches Kommunikationsinstrument gehört zu 84

Dieser Begriff soll hier nicht in dem abwertenden Sinne von „künstlicher", „manipulierter" Öffentlichkeit wie bei Habermas (Strukturwandel, S. 177, 220), sondern im wörtlichen Sinne von Gemeinsammachen verstanden werden (ähnl. Altmann, Das Problem der Öffentlichkeit, S. 72). 85 Veröffentlicht i m „Evangelischen Pressedienst" (epd) vom 28.11.1968, S. 3. 88 Eine freie und verantwortliche Presse, S. 28.

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den „öffentlichen Aufgaben i m weiteren Sinne" 8 7 , die unter dem Gesichtspunkt des Sozialstaatsprinzips verfassungsrechtlichen Schutz genießen und für deren Erfüllung der Staat heute m i t einzustehen hat. Inhaltlich umfaßt die „öffentliche Aufgabe i. w. S." Informationsgebung und Meinungsbildung auf allen Gebieten, die für den gesamtgesellschaftlichen Funktionsablauf und die Bewußtseinsbildung innerhalb der Gesellschaft von Bedeutung sind. Dazu gehören beispielsweise die Bereiche der Wirtschaft, Wissenschaft und Technik (soweit sie nicht bereits, je nach der thematischen Behandlung, der politischen Sphäre zuzurechnen sind), andererseits Fragen der Bildung und Erziehung, der Kunst, der Moral und der Religion 8 8 , aber auch z. B. der Mode, die das Bewußtsein einer Gesellschaft von ihrer Identität prägen und — marxistisch gesprochen — ihren geistigen „Überbau" bilden. Von der „öffentlichen Aufgabe" i n diesem weiteren Sinne kann die Unterhaltung nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. I n unserer sozialstaatlich verfaßten Massengesellschaft gehört auch die Unterhaltung zu denjenigen Lebensbereichen, die aus der Individualsphäre heraus i n den gesellschaftlichen Bereich verlagert werden und wo dementsprechend der Gesellschaft Aufgaben zuwachsen. Angesichts der zunehmenden Interdependenz zwischen dem Einzelnen und der Gesellschaft, sowie angesichts des i n unserer spätkapitalistischen Konsumgesellschaft bestehenden Zwangs zum Massenkonsum und zur Massenkonfektion, dem ein ständig größer werdender Freizeitanteil, aber auch infolge der „Entfremdung" der Arbeit ein wachsendes Erholungsbedürfnis gegenübersteht, liegen hier, auf dem Gebiet der Unterhaltung und Erholung, legitime Aufgaben der Gesellschaft, die, wenn sie von der Presse wahrgenommen werden, durchaus i n deren öffentlichen Aufgabenbereich einzubeziehen sind 8 9 . Trotz der Nähe der „öffentlichen Aufgabe i. w. S." zum Sozialstaatsprinzip ist ihr verfassungsrechtlicher Standort nicht i n A r t . 20 GG, sondern i n A r t . 5 zu suchen, der seinerseits i m Licht des Sozialstaatsgedankens auszulegen ist. Sie zählt nicht zum unmittelbaren verfassungsrechtlichen Funktionsbereich der Presse. Die Presse ist nur i n ihrer Rolle als Faktor und Medium der politischen Meinungs- und W i l lensbildung des Volkes „Verfassungsinstitution" i m oben dargelegten Sinne. I n ihrer allgemeinen gesellschaftlichen Funktion als „Kommunifikator" nimmt die Presse lediglich eine soziologisch zu bestimmende 87 Groß schlägt dafür den kaum weniger farblosen Begriff der „Sozialfunktion" der Presse vor (Grundzüge des deutschen Presserechts, S. 40). 88 I m Einzelfall können sich dabei die verschiedenen Grundrechtsbereiche der Pressefreiheit sowie der Kunst-, Wissenschafts- und Religionfreiheit überschneiden (vgl. Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 486 f.). 89 So auch Groß, Grundzüge, S. 40; ders. NJW 1963, S. 893 ff.; Krüger, öffentliche Massenmedien, S. 25 ff. 1 *

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

Aufgabe wahr, die jedoch um ihrer Bedeutung für das Gemeinwesen w i l l e n verfassungsrechtlichen Schutz genießt. Diese Aufgabe ist allerdings i n ihrer Bedeutung nicht so wichtig und auch nicht so beschaffen, daß sie die Einräumung besonderer Privilegien rechtfertigen würde. Die der Presse eingeräumten Privilegien, wie z. B. der Auskunftsanspruch, beziehen sich daher nur auf die „öffentliche Aufgabe" i m engeren, verfassungsrechtlichen Sinne 9 0 . Steckt man den verfassungskräftig gewährleisteten Aufgabenbereich der Presse i n diesem weiten Sinne ab, so ist die immer wieder erörterte Streitfrage, ob unter „Presse" i. S. des Grundgesetzes nur die periodische Presse oder sämtliche Druckerzeugnisse einschließlich der Buchpresse zu verstehen sind, i m letzteren Sinne zu beantworten. Die Buchpresse bildet einen wichtigen Teil innerhalb des gesamtgesellschaftlichen Kommunikationssystems. Für eine Differenzierung nach der äußeren Form oder der Regelmäßigkeit des Erscheinens besteht unter diesem Aspekt kein sinnvoller Grund, ganz abgesehen davon, daß das Buch, insbesondere das Taschenbuch, heute Funktionen wahrnimmt, die den Unterschied zu Zeitschriften allmählich verwischen 91 . Eine differenziertere Betrachtung ist demgegenüber i m Hinblick auf die politische Presse geboten, die nach der hier vertretenen Ansicht den Rang einer Verfassungsinstitution hat. Institutionscharakter i n diesem Sinne kann nur der periodischen politischen Presse zugesprochen werden, die eben gerade wegen ihres regelmäßigen Erscheinens zu einem unentbehrlichen Faktor der politischen Meinungs- und Willensbildung geworden ist. I n dieser Funktion n i m m t sie auch i m Bewußtsein der Öffentlichkeit eine Sonderstellung ein, die sie von anderen Druckerzeugnissen deutlich abhebt. Die periodische politische Presse ist ein eigenständiges, und trotz der zunehmenden Bedeutung von Rundfunk und Fernsehen immer noch das weitaus wichtigste gesellschaftliche Informationsmedium. d) Die öffentliche Aufgabe als Maßstab publizistischer Verantwortung

Als vorläufiges Ergebnis der bisherigen Untersuchung über die öffentliche Aufgabe der Presse läßt sich festhalten, daß es grundsätzlich keinen thematischen Bereich gibt, der nicht unter diese Aufgabe fallen könnte. So betrachtet könnte man zu dem Schluß kommen, daß die Presse bereits dadurch, daß sie ein Thema öffentlich behandelt, — oder 00 So gewähren auch die meisten Landespressegesetze den Auskunftsanspruch gegenüber Behörden nur im Rahmen der öffentlichen Aufgabe i. e. S. 91 So auch Forsthoff, Zeitungspresse, S. 13, Anm. 8; a. A. F. Schneider, Meinungs- und Pressefreiheit, S. 58 ff.

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allgemein ausgedrückt: durch die Erzeugung von Öffentlichkeit 9 2 — auch eine „öffentliche Aufgabe" erfüllt. Damit bliebe aber ein wesentliches Element übersehen, das i m Begriff der „öffentlichen Aufgabe" selbst liegt: nämlich die Aufgabe, oder deutlicher: die Verantwortung, der Presse gegenüber der Öffentlichkeit, für das, was sie veröffentlicht. Die „öffentliche Aufgabe" w i r d damit zum inhaltlichen Maßstab für die Presse, und zwar i n mehrfacher Hinsicht: (1) Die Öffentlichkeit stellt für sich allein noch keinen Selbstwert dar. I h r gegenüber steht das Recht des Einzelnen auf Schutz seiner Privatsphäre, aber auch ein Interesse der staatlichen wie gesellschaftlichen Institutionen an der Wahrung einer der öffentlichen Diskussion entzogenen Geheimsphäre. I m Kollisionsfall hat eine Interessenabwägung stattzufinden, die sich an der Frage zu orientieren hat, ob an der betreffenden Information tatsächlich ein berechtigtes öffentliches Informationsinteresse besteht 93 . (2) Auch wenn der öffentlichkeitswert einer Information gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse überwiegt, besteht an ihrer Veröffentlichung nur dann ein berechtigtes öffentliches Interesse, wenn die Information wahr ist. Da die Wahrheit aber bekanntlich oft sehr spät an den Tag kommt, die Presse (insbesondere die Tagespresse) andererseits aber unter dem Gebot der Aktualität steht, muß auch hier wieder eine Interessenabwägung stattfinden. Die Wahrheitspflicht ist zu reduzieren auf die Pflicht, „alle Nachrichten vor ihrer Verbreitung m i t der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit, Inhalt und Herkunft zu prüfen" 9 4 . Die „öffentliche Aufgabe" ist somit Quelle der journalistischen Sorgfaltspflicht (3) Hat die Presse eine verfassungsrechtliche Funktion bei der staatsbürgerlichen Meinungs- und Willensbildung, so kann die Wahrnehmung dieser Funktion nicht allein daran bemessen werden, ob das, was sie veröffentlicht, i m allgemeinen Interesse liegt. Die Funktion i m politischen Meinungs- und Willensbildungsprozeß setzt vielmehr einen Maßstab dafür, was die Presse an Informationen zu bringen hat. Die A n t wort kann nicht anders lauten als: Die „öffentliche Aufgabe" der Presse verlangt von ihr, alle Informationen zu veröffentlichen, die von öffentlichem Interesse sind. Dieser Maßstab ist selbstverständlich sehr allgemein und gleichzeitig überspitzt, denn eine Informationsauswahl w i r d immer unumgänglich sein. Trotzdem ist er von Wert als Richtschnur für die redaktionelle Tätigkeit. 92 I n diesem Sinne versteht wohl P. Schneider die „öffentliche Aufgabe" der Presse. 93 I n diesem Sinne bedient sich die Rechtsprechung in der Regel des Begriffs der „öffentlichen Aufgabe". 04 § 6 Ba-Wü PrG, ähnlich die meisten übrigen Landespressegesetze,

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

Dem Recht der Presse zur Information steht damit korrespondierend ein (im einzelnen noch zu qualifizierender) Anspruch der Gesellschaft bzw. des Bürgers gegen die Presse auf Information gegenüber. Dieser Anspruch gegenüber der Presse ist i m Zusammenhang m i t den faktischen Veränderungen i m Pressewesen zu sehen. Solange noch davon ausgegangen werden konnte, daß grundsätzlich jeder der wollte, die Möglichkeit besaß, das was er der Öffentlichkeit mitzuteilen hatte, auch tatsächlich publik zu machen, war zur Wahrung des öffentlichen Informationsinteresses lediglich die Gewährleistung der allgemeinen Druck- und Verbreitungsfreiheit erforderlich. Heute, wo diese Fiktion nicht mehr haltbar ist, und wo außerdem die notwendigen Informationen nicht mehr lediglich verbreitet zu werden brauchen, sondern vielfach erst beschafft werden müssen, richtet sich der früher ausschließlich gegen den Staat gerichtete Freiheitsanspruch nun auch als Informationsanspruch gegen die Presse. Die bestehenden Presseorgane können nicht mehr nur Sprachrohr der Privatmeinung ihres jeweiligen Besitzers sein, sondern stehen i m Dienst der ganzen Öffentlichkeit. Die Gesellschaft kann von der Presse bzw. dem einzelnen Presseorgan erwarten, daß sie sich i n ihrer Informationsgebung nicht am subjektiven Willen ihres jeweiligen Inhabers, sondern an einem objektiven Informationsinteresse orientieren. Wie der individuelle „Meinungsstreiter" durch den Berufsjournalisten abgelöst wurde, so hat sich auch das Wesen der Presse vom Publikationsorgan individueller Meinungen zur Dienstleistung an der Öffentlichkeit gewandelt. Den Auftrag für die Dienstleistung erhält der Journalist weder von seinem Verleger noch von dem Leser, sondern von verfassungswegen als „öffentliche Aufgabe". Der Rang der Dienstleistung, die die Presse erbringt, hängt davon ab, inwieweit sie i n der Lage ist, die Öffentlichkeit m i t allen für die politische Urteilsbildung notwendigen Informationen zu versorgen und allen relevanten Meinungen innerhalb der Gesellschaft ein Forum zu geben 95 . Die amerikanische „Commission on Freedom of the Press", die i m Jahre 1946 auf Initiative des Verlegers Henry R. Luce eingesetzt wurde, umschrieb dieses i n der Pressefreiheit implizierte Moment der Verantwortung der Presse folgendermaßen: 95 Vgl. Starkulla, Presse, Fernsehen und Demokratie, Publizistik 1965, S. 384: Die Aufgabe des Journalisten besteht — schon von seinem beruflichen Selbstverständnis her — nicht in der Darstellung seiner eigenen Meinungen, sondern in der „kommunikativen Vermittlung des individuellen und kollektiven Redens und Beredens und seiner öffentlichen Präsentation bzw. Repräsentation als Darstellung gesellschaftlicher Zeit-Kommunikation. Deren Anwalt und ehrlicher Makler, nicht aber Träger ist der Journalist prinzipiell, und erfüllt ,seine1 Zeitung (weit davon entfernt, sein Organ zu sein) diese soziale Funktion, dann ist sie das gesamtgesellschaftliche offene Forum dieser Kommunikation" (vgl. auch ders., Publizistik und Kommunikation, Publizistik 1963, S. 562 ff., 566).

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Die Presse muß heute „der Gesellschaft Rechenschaft darüber geben, ob sie dem öffentlichen Bedürfnis Genüge leistet, und ob sie die Rechte der Bürger und die fast vergessenen Rechte derer unangetastet gelassen hat, die das Bedürfnis empfinden sich aussprechen zu müssen, ohne über eine Presse zu verfügen. Sie muß sich dessen bewußt sein, daß ihre Fehler und Irrtümer aufgehört haben, private Grillen zu sein und zu einer öffentlichen Gefahr geworden sind. Die Stimme der Presse, insoweit sie — wie durch einen Trieb zur Begründung einer Monopolstellung — dahin strebt, in ihrer Weisheit und Beobachtung exklusiv zu sein, beraubt andere Stimmen der Möglichkeit, sich vernehmbar zu machen und die Öffentlichkeit der Fähigkeit, ihren Beitrag zu leisten. Pressefreiheit kann in Zukunft nur als verantwortliche Freiheit fortbestehen" 98 .

Dieses Moment der Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit, das i n der „öffentlichen Aufgabe" als Kehrseite der ebenfalls abgeleiteten Privilegien wurzelt, darf keinesfalls jedoch als unmittelbare Rechtspflicht betrachtet werden. Eine solche Rechtspflicht wäre zu unbestimmt und würde die Gefahr einer „In-Verantwortungsnahme" durch den Staat i n sich bergen. Die „öffentliche Aufgabe" i. S. der Verantwortung der Presse gegenüber der Allgemeinheit kann für den Journalisten nur den Rang einer ethischen Standespflicht besitzen 97 . Für den Staat jedoch ist sie Legitimationsgrundlage, aber auch unmittelbarer Verfassungsauftrag und zugleich Richtschnur für eine gesetzgeberische Ausgestaltung des Pressewesens 98. Der Gesetzgeber ist aufgefordert, die „öffentliche Aufgabe" i n Einzelbestimmungen zu konkretisieren 9 9 , und darüber hinaus, falls erforderlich, strukturelle Regelungen zu treffen, die die Presse auch von ihrer Struktur her i n die Lage versetzen, ihre „öffentliche Aufgabe" zu erfüllen. e) Gewährleistung der Pressefreiheit um der öffentlichen Aufgabe der Presse willen

M i t der Feststellung, daß A r t . 5 I, 2 GG von einer „öffentlichen A u f gabe" der Presse ausgeht und der Beschreibung dieser Aufgabe ist jedoch noch nicht die Eingangsfrage beantwortet, ob die Pressefreiheit nur u m dieser objektiven Aufgabe w i l l e n oder auch u m der i n der Presse tätigen Personen w i l l e n grundrechtlich gewährleistet ist. Damit eng verknüpft ist die Frage, ob die Pressefreiheit des Grundgesetzes neben der bereits oben erwähnten institutionellen Seite auch noch einen traditionell individualrechtlichen Aspekt aufweist. 96

Eine freie und verantwortliche Presse, S. 26 f. Geiger (Grundrecht der Pressefreiheit, a.a.O., S. 35) bezeichnet die aus der Pressefreiheit fließende öffentliche Verantwortung der Presse als „nicht erzwingbares rechtliches Sollen". 98 Vgl. Mallmann JZ 1966, S. 629; A. Arndt, Die Rolle der Massenmedien, a.a.O., S. 13. 99 Kleine Ansätze dazu stellen die Vorschriften der Landespressegesetze über die journalistische Sorgfaltspflicht und, in Bayern und Hessen, die Pflicht zur Offenlegung der Eigentums- und Kapitalbeteiligungsverhältnisse dar. 97

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

U m auf diese Fragen eine A n t w o r t zu finden, empfiehlt es sich, nochmals kurz auf die Ergebnisse der Realanalyse des Pressewesens zurückzublenden und sich die Stellung des Einzelnen i m Verhältnis zur „Institution Presse" klarzumachen. Es wurde darauf hingewiesen, daß sich das Schwergewicht innerhalb der Presse von der Meinungs- auf die Nachrichtenpresse verlagert hat, dadurch aber der individuelle, persönlichkeitsbezogene Gehalt zurückgedrängt wurde. Die Presse verlor i n gleichem Maße ihren Charakter als individuelle Ausdrucksform und wurde zur berufsmäßigen Dienstleistung an der Gesellschaft. Es wurde weiter festgestellt, daß die Presse zum ganz überwiegenden Teil Ergebnis einer Gemeinschaftsarbeit eines Teams von Verleger, Journalisten und Vertriebsleuten ist. Das Produkt ihrer Tätigkeit, die Zeitung, ist nicht m i t einem Einzelnen identifizierbar; der einzelne Mitarbeiter, der vielfach sogar nach außen h i n anonym ist, t r i t t hinter dem „Werk 1 4 zurück. Würde man aber ein subjektives Recht an der Presse, d. h. dem einzelnen Presseunternehmen, als Bestandteil der Pressefreiheit ansehen, so käme als Träger dieses Rechts nur der Verleger i n Betracht m i t der Folge, daß das Grundrecht der Pressefreiheit zum Privileg einiger weniger Reicher würde 1 0 0 . Dies kann zweifellos nicht Sinn eines Grundrechts sein. Sicher gibt es auch Beispiele für Publikationen, die noch tatsächlich Ausdruck ganz persönlicher Tätigkeit sind. Diese Beispiele sind jedoch nicht mehr typisch für das B i l d der Presse i m allgemeinen und wie noch zu zeigen sein wird, bietet sich dafür durchaus eine adäquate Möglichkeit des Individualrechtsschutzes an. Vor allem aber läßt die individualrechtliche Betrachtung das spezifische Wesen der Presse als Kommunikationssystem außer Betracht, i n das sowohl die Presse-„Produzenten" als auch die Leser eingefügt sind und das i n seiner Gesamtheit eine wesentliche Grundlage der modernen Gesellschaft überhaupt bildet. Sieht man die Presse unter diesem Aspekt der notwendigen Wechselbeziehung zum Leser 1 0 1 , so besteht keine sachliche Rechtfertigung dafür, nur dem i n der Presse Tätigen die Pressefreiheit als Grundrecht zuzu100 Dies ist auch der Ausgangspunkt der liberalen Kritik an der institutionellen Auffassung der Pressefreiheit; sie übersieht jedoch, daß die Entwicklung der Pressefreiheit zum Privileg gerade durch den Liberalismus ermöglicht wurde und durch eine ausschließlich individualrechtliche Betrachtung noch zusätzlich verfassungsrechtlich zumentiert würde. Das aufgezeigte Dilemma kann man aber auch nicht dadurch umgehen, daß man, wie Herzog (Art. 5, Rz. 160 f.), das Grundrecht der Pressefreiheit möglichst breit unter alle irgendwie an der Presse Beteiligten streut. Träger der Pressefreiheit ist letztlich nur derjenige, der eine Zeitung gründen und damit ihre politische Richtung bestimmen kann und der die „Personalhoheit" innehat. Das ist aber in einer privatwirtschaftlichen Presse nur der Verleger. 101 Während die Meinungsäußerung als solche lediglich als A k t der Selbstverwirklichung des Individuums verstanden werden kann, setzt die Presse den Leser als notwendiges Gegenüber voraus.

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erkennen; es müßte dann auch jeder einzelne Leser — i n der für ihn relevanten Ausformung — das Grundrecht der Pressefreiheit beanspruchen können 1 0 2 . Ja, sieht man die Presse i n ihrer Dienstleistungsfunktion gegenüber dem Bürger, für den die Information durch die Presse heute eine Lebensnotwendigkeit darstellt und Voraussetzung seiner individuellen Persönlichkeitsentfaltung ist, so müßte man diesem „Informationsanspruch" des Bürgers als Ausprägung der Pressefreiheit sogar noch eher Menschenrechtsgehalt zusprechen als dem Freiheitsrecht der i n der Presse Tätigen. Spätestens m i t der Zuerkennung eines solchen Informationsanspruchs der Leser gegenüber der Presse als Ausfluß der Pressefreiheit würde aber — ganz abgesehen von der Frage der Durchsetzbarkeit — das Grundrecht seinen traditionellen Sinngehalt endgültig verlieren. Der richtige Ansatz ergibt sich erst, wenn man Meinungs- und Pressefreiheit i n funktionellem Zusammenhang betrachtet. Gegenstand der allgemeinen Meinungsfreiheit des Art. 5 I, 1 GG ist die Meinungsäußerung als Ausdruck der Persönlichkeit des sich äußernden Individuums. Sie ist daher auch heute noch echtes Individualrecht m i t menschenrechtlichem Gehalt. Die Pressefreiheit dagegen hat ihrer eigentlichen Bedeutung nach lediglich instrumentalen Charakter. Dies gilt i n gewisser Hinsicht bereits für die Frühzeit der Presse i m Liberalismus, als sie lediglich eine besonders effektive Form der individuellen Meinungsverbreitung war und die Pressefreiheit deshalb dazu bestimmt war, die instrumentalen Voraussetzungen dieser Form der Meinungsverbreitung zu schützen. Pressefreiheit war insofern ein bloßer Unterfall, sozusagen die formelle Seite, der Meinungsäußerungsfreiheit. Heute hat sich zwar die Pressefreiheit gegenüber der Meinungsfreiheit verselbständigt — die Presse ist nicht mehr Meinungs-, sondern vorwiegend Nachrichtenpresse, sie ist nicht mehr Ausdruck individueller Freiheitsbetätigung einzelner, sondern hat „Werkcharakter" —, dennoch aber hat die Pressefreiheit ihren instrumentalen Charakter — nun allerdings m i t neuem Inhalt — beibehalten. Er besteht heute i m Wesen der Presse als Dienstleistung an der Allgemeinheit. Vom einzelnen i n der Presse Tätigen her betrachtet, wäre die Pressefreiheit als I n d i v i dualrecht heute, nach diesem Strukturwandel, typischerweise nicht mehr Unterfall der Meinungsfreiheit, sondern der Berufs- und Gewerbefreiheit. I h r eigentlicher geistig-kommunikativer Sinn, u m dessentwillen sie verfassungsrechtlichen Schutz verdient, erschließt sich daher nur noch aus der Sicht der Allgemeinheit, für die die Presse alle diejenigen 102 So von der Heydte, Demokratie und Meinungsmonopol, S. 37; für denkbar hält dies auch P. Schneider, Pressefreiheit und Staatssicherheit, S. 63 f.

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

Funktionen erfüllt, die zusammengefaßt m i t dem Begriff der „öffentlichen Aufgabe" bezeichnet werden. M i t dem Wandel vom Persönlichkeits- zum Berufsjournalismus, m i t der Entwicklung von der Meinungs- zur Nachrichten- und Geschäftspresse ist auch das individuelle „Substrat" der Pressefreiheit als geistigkommunikativem Freiheitsrecht verloren gegangen. Der einzelne Verleger und Journalist kann heute die Pressefreiheit nicht mehr als „sein" persönliches Freiheitsrecht für sich beanspruchen, denn für i h n ist seine Tätigkeit i n der Presse (wenn sie auch i m Einzelfall noch auf „Berufung" zurückzuführen sein mag, so doch i n der tatsächlichen Ausübung) nur noch ein „job", m i t dem er eben sein Geld verdient. Dies aber hat zur Folge, daß er seine publizistische Tätigkeit nicht mehr u m seiner selbst willen, sondern i m Hinblick auf die Leser, die Allgemeinheit betreibt. M i t anderen Worten: diejenige Seite seiner Tätigkeit, für die er grundgesetzlichen Schutz genießt, übt er i n Wahrnehmung einer Funktion für die Allgemeinheit aus. I n dieser Hinsicht gleichen die Tätigkeiten des Verlegers und des Journalisten zwar sehr vielen anderen Berufen; denn es läßt sich nicht bestreiten, daß auch ein Unternehmer, ein Arzt, ein Rechtsanwalt oder ein Apotheker „öffentliche Aufgaben" erfüllen. Der Unterschied liegt nur darin, daß diese Aufgaben des Arztes, Rechtsanwalts, Unternehmers etc. i m Gegensatz zu denen der Presse vom Grundgesetzgeber nicht als so wichtig für die Allgemeinheit bzw. als so schutzbedürftig angesehen wurden, daß sie durch ein spezielles Grundrecht hätten gewährleistet werden müssen. Dieses Schutzes aber bedarf nach allen historischen Erfahrungen i n besonderem Maße die Presse, denn es geht ja nicht nur darum, daß die Funktion der Presse irgendwie wahrgenommen wird, sondern daß dies i n ganz spezieller Weise, nämlich i m Zustand der Freiheit, geschieht. Nach all dem kann die Pressefreiheit nicht mehr als ein um des Einzelnen willen, sondern nur als ein u m der Allgemeinheit, d. h. aber um der „öffentlichen Aufgabe" der Presse willen gewährleistetes Grundrecht angesehen werden 1 0 8 . 108 Scholler (Person und Öffentlichkeit) kommt in seiner Analyse zu einem ähnlichen Ergebnis. Er weist auf das von ihm als „Dismembrationsprozeß" bezeichnete Entfremdungsgefühl hin, daß darin besteht, daß der Einzelne in den durch die „Tochterrechte" Presse- und Rundfunkfreiheit geschützten öffentlichen Meinungsformationsträgern nicht mehr Träger des menschlichen Quellrechts sehen kann (S. 316). Der fortschreitende Dismembrationsprozeß führt zu einer „Entfunktionalisierung der Pressefreiheit" (S. 319). Parallel zu dem Dismembrationsprozeß läuft eine „Subjekt- Objektverschiebung" der Pressefreiheit, nämlich eine Subjektverschiebung von der Freiheit des Individuums zur Freiheit der Presse und der öffentlichen Meinung, eine Objektverschiebung in Gestalt der „Drittwirkung" (S. 319 ff.). Scholler betont ebenfalls den funktionalen Charakter der Pressefreiheit, der in der Garantie des

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f) Institutionelle

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Garantie und Freiheitsproblem

Wenn die Pressefreiheit nicht mehr u m des Einzelnen willen als Schutzraum für die Entfaltung seiner individuellen Persönlichkeit, sondern u m einer objektiven „öffentlichen Aufgabe" w i l l e n gewährleistet ist, besteht auch keine Berechtigung mehr dafür, i n ihr ein „klassisches" Grundrecht i. S. eines allgemeinen Menschenrechts zu sehen; denn der historische Ursprung der Pressefreiheit hat für sich allein keine „ B i n dungswirkung" für die Grundrechtsinterpretation. Wenn aber die Pressefreiheit ihrem Wesen nach nicht mehr ein Recht des Individuums darstellt, dann ist die Frage, ob sie neben der bereits erwähnten institutionellen Seite auch noch selbständige individualrechtliche Züge i. S. eines subjektiv-öffentlichen Rechts enthält, ganz neu und ohne vorgegebene Einschränkungen zu beantworten. Die Frage nach dem Rechtscharakter der Pressefreiheit erweist sich damit als bloßes rechtstechnisches Problem der effektivsten und der Bedeutung des Grundrechts am besten entsprechenden Grundrechtsausgestaltung. Ihrem Wesen als ein auf eine objektive Aufgabe bezogenes und allein u m dieser Aufgabe w i l l e n gewährleistetes Grundrecht würde es an sich am ehesten entsprechen, i n der Pressefreiheit nur noch eine objektiv-rechtliche Gewährleistung der Erfüllung dieser Aufgabe, d. h. eine Garantie des „Instituts Freie Presse" zu erblicken. Die „Beweislast" dafür, daß die Pressefreiheit außer dieser institutionellen Garantie noch ein selbständiges Individualrecht enthält, würde demnach bei den Befürwortern dieser Ansicht liegen. Das. wichtigste, vom hier vertretenen Standpunkt aus aber letzlich auch einzige Argument für eine Parallelgeltung von institutioneller Garantie und subjektiv-öffentlichem Recht liegt i n der Freiheitsgarantie, die ein selbständiges negatorisches Abwehrrecht enthält; denn die Grundrechte i m „klassischen", negatorischen Sinne errichten i n der Tat (legal) unüberwindliche Barrieren für staatliche Eingriffe — Barrieren, die Freiheitsräume umzäunen, deren Ausgestaltung allein dem Grundrechtsträger obliegt —, und sie schaffen damit gleichzeitig individuelle Rechtspositionen, die deren Inhabern nicht entzogen werden können. I m Hinblick auf die Pressefreiheit ergäben sich solche, aus der indiviKommunikationsvorgangs auf allen Ebenen und Sphären, die von Öffentlichkeit erfüllt sind, besteht (S. 349). Trotzdem hält er an einer Parallelgeltung von institutioneller Garantie und subjektiv-öffentlichem Recht fest (S. 286), wobei allerdings, ähnlich wie bei der Freiheit von Forschung und Wissenschaft, der institutionelle Charakter überwiege (S. 304 f.) Eindeutiger als Scholler sehen Hesse (Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 151) und Mallmann (Pressefreiheit und Journalistenrecht, Publizistik 1959, S. 329) den rechtfertigenden Grund für die Gewährleistung der Pressefreiheit ausschließlich in der „öffentlichen Aufgabe" der Presse; dennoch bejahen auch sie neben der institutionellen Garantie eine individualrechtliche Komponente.

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

dualrechtlichen Auffassung resultierende, schrankenumwehrte Rechtspositionen insbesondere für den Verleger, dem ein Mindestmaß an freier verlegerisch-unternehmerischer Wirkungsmöglichkeit, damit aber letztlich auch die privatwirtschaftliche Struktur der Presse verfassungsrechtlich unantastbar garantiert wäre 1 0 4 . Die Frage, ob das privatwirtschaftliche Wettbewerbssystem tatsächlich durch die Pressefreiheit garantiert ist, kann vorerst noch dahingestellt bleiben. Hier geht es lediglich darum, ob die Sicherung der Freiheit der Presse, so wie sie vom Grundgesetz konzipiert ist, m i t Hilfe der individualrechtlichen Auffassung wirkungsvoller und sachgemäßer möglich ist als durch eine bloße institutionelle Gewährleistung. U m diese Frage zu beantworten, muß zuvor Bedeutung, Wesen und Inhalt einer verfassungsrechtlichen institutionellen Garantie verdeutlicht werden. Der Verfasser schließt sich dabei i m Prinzip der Auffassung Häberles an. Häberle sieht i n dem institutionellen Gehalt eines Grundrechts, den seiner Ansicht nach jedes Grundrecht aufweist, einen grundrechtlich geschützten Lebensbereich, der erst innerhalb der Rechtsordnung als Normenkomplex Gestalt gewinnt 1 0 5 . Der Inhalt einer Verfassungsinstitution erschöpft sich allerdings nicht i n den vorgegebenen faktischen bzw. rechtlichen Verhältnissen, wie sie z. Z. der Verfassungsgebung bestanden hatten. Da eine Verfassung immer auf die Zukunft hin ausgerichtet ist, kann ihr Sinn nicht i n einer bloßen Übernahme und Garantie des Bestehenden bestehen. Sie muß offen für den gesellschaftlichen Wandel und damit auch offen für die Anpassung der Rechtsordnung an diese Entwicklung sein 1 0 6 . Wenn die Verfassung daher einen bestimmten Sach- und Normenkomplex garantiert, dann nicht i n deren vorgefundenem Zustand, sondern immer nur bis zu einem gewissen inneren Kerngehalt, den der Verfassungsgeber als unverzichtbar für die von i h m konzipierte Verfassungsordnung ansah. Diesen „Wesensgehalt", wie i h n der Grundgesetzgeber selbst i n A r t . 19 Abs. 2 bezeichnete, oder besser dieses „ L e i t b i l d " 1 0 7 — denn darin kommt das Dynamische der Verfassung 108 deutlicher zum Ausdruck — gilt es jeweils i m Wege der Interpretation herauszufinden. Es erschließt sich nur aus einer „verfassungsstrukturellen" 1 0 9 Sicht, d. h. aus der Erkenntnis der 104 Daher wurde auch noch von keinem Anhänger der individualrechtlichen Pressefreiheitsauffassung die völlige Beseitigung der privatwirtschaftlichen Wettbewerbsstruktur der Presse für zulässig erachtet. 105 Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S> 96 f. 108 Häberle, ebd., S. 213 ff. 107 Häberle, ebd., S. 182. 108 Die „Dynamik des Verfassungsrechts" betont auch Häberle, a.a.O., S. 213. 109 Ehmke, Freiheit in der Presse, S. 3.

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Stellung und Funktion des einzelnen Grundrechts bzw. des Instituts i m Ganzen der Verfassung. Dieses „Leitbild" ist vom Gesetzgeber immer von neuem so auszugestalten, daß die Grundrechtsidee i n der sozialen Wirklichkeit optimalen Ausdruck findet. Dabei ist allerdings zu beachten, daß die Grundrechtsidee selbst, wie sich gerade am Beispiel der Pressefreiheit zeigt, wandelbar ist 1 1 0 . Der Wandel w i r d insbesondere durch die dynamische Wirkung des Sozialstaatsgedankens und des demokratischen Prinzips verursacht 1 1 1 . Eine institutionelle Gewährleistung hat demnach einen doppelten Sinn: Sie enthält einen Auftrag an den Gesetzgeber zur rechtlichen Ausgestaltung bzw. zur Rechtsverwirklichung des institutionellen Leitbilds der Verfassung; sie ist aber auch gleichzeitig absolute Schranke für jeden Eingriff i n die Kernsubstanz der Institution. So betrachtet ist die Wesensgehaltssperre bereits jedem einzelnen Grundrecht selbst immanent. A r t . 19 I I GG ist daher lediglich die „institutionelle Garantie des institutionellen Gehalts der Grundrechte" 1 1 2 . Die freiheitsgewährleistende Funktion der Pressefreiheit als institutioneller Garantie ist somit an sich nicht schwächer als die eines „klassischen" individualrechtlichen Grundrechts. Sie kann auch ebenso w i r k sam effektiviert werden, denn die institutionelle Garantie ist ihrerseits Quelle subjektiver Reflexrechte 113 , auf die sich jeder Einzelne insoweit berufen kann, als gerade er A n t e i l an der Institution hat. Zweck dieser subjektiven Reflexrechte ist jedoch immer nur der Bestandsschutz der Institution — i m Fall des „Instituts Freie Presse" also der Schutz eines freiheitlichen Pressewesens — nicht der Schutz des Einzelinteresses. Die Sicherung individueller Freiheit des Einzelnen geschieht durch ein „klassisches" Freiheitsrecht zweifellos wirkungsvoller als durch eine institutionelle Garantie; denn das Grundrecht i m klassischen Sinne verleiht dem Einzelnen unmittelbar eine Rechtsposition, über die ausschließlich er verfügen und die i h m nicht entzogen werden kann. Eine institutionelle Garantie, die der Sicherung und Erhaltung einer objek110 Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 215; auch das BVerfG hält einen „Bedeutungswandel" von Verfassungsbestimmungen für möglich, wenn neue Tatbestände auftauchen (BVerfGE 2, 401; 3, 422). 111 Häberle, ebd., S. 217. 112 Häberle, ebd., S. 237; ähnlich Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 239. 113 Der Begriff der „Reflexrechte" wird hier nicht i. S. der verwaltungsrechtlichen Terminologie, sondern als echtes subjektiv-öffentliches Recht verstanden; in diesem Sinne sprechen auch Ridder und Scholler von „Rechtsreflexen" der „öffentl. Meinungsfreiheit" bzw. der Pressefreiheit (Ridder, Meinungsfreiheit, in: Die Grundrechte, Bd. 2 S. 269; Scholler, Person und Öffentlichkeit, S. 271); vgl. auch den Diskussionsbeitrag Bachofs in V V D S t R L 22, S. 184 f., der in der institutionellen Garantie ebenfalls eine Quelle subjektiver Rechte sieht, allerdings an einer Parallelgeltung von institutioneller Garantie und „klassischem" Grundrecht festhält.

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

tiv-rechtlichen Einrichtung dient, ist demgegenüber von den an i h r beteiligten Personen losgelöst. Der objektive Schutz der Einrichtung geht dem individuellen Schutz bestimmter Personen vor. Falls es sich daher u m der Freiheit der Presse i n ihrer Funktion für die Allgemeinheit als notwendig erweisen sollte, könnte von einer institutionellen Betrachtung aus die Rechtsposition des Einzelnen, sofern sie der Verwirklichung des Institutszwecks entgegensteht, eingeschränkt bzw. sogar aufgehoben werden. Daß diese Konfliktsituation i m Fall der Pressefreiheit nicht theoretische Spekulation, sondern ein ernsthaftes Problem ist, soll i m dritten Teil der Arbeit aufgezeigt werden. Nach den bisherigen Darlegungen bedarf es keiner weiteren Ausführungen mehr darüber, daß auf die hier vertretene Auffassung von der Pressefreiheit als Garantie des „Instituts Freie Presse" der Vorwurf Forsthoffs von der „Institutionalisierung zum Zwecke der Privilegier u n g " 1 1 4 nicht zutreffen kann; denn dieser V o r w u r f hat nur dann Sinn, wenn man von der Vorstellung allgemeiner staatsbürgerlicher Gleichheit ausgeht, die dadurch durchbrochen wird, daß der Staat bestimmten Personen eine besondere Rechtsstellung verleiht, die sie gegenüber anderen Personen hervorhebt. Dies bezweckt das „Institut Freie Presse" jedoch gerade nicht, wenn man in i h m lediglich die Garantie eines freien Kommunikationssystems, losgelöst von der Rechtsstellung einzelner Personen, erblickt. Der V o r w u r f Forsthoffs ist allerdings hinsichtlich derjenigen Pressefreiheitstheorien berechtigt, die die institutionelle Garantie als zusätzliche Verstärkung des individuellen Freiheitsschutzes betrachten und aus ihr die Berechtigung bzw. Pflicht des Staates zur besonderen Förderung der Presse herleiten. Wenn dies eine Privilegierung zur Folge hat, so liegt die Ursache dafür aber nicht bei der institutionellen Garantie, sondern ist bereits i n der damit verbundenen individualrechtlichen Auffassung angelegt; denn nachdem die Pressefreiheit zu einem faktischen Privileg weniger Reicher geworden ist, w i r d diese (durch den Liberalismus ermöglichte) faktische Privilegierung durch die individualrechtlich verstandene Pressefreiheit als rechtlich unangreifbar abgesichert und durch die hinzutretende institutionelle Gewährleistung noch m i t zusätzlichen Sonderrechten verstärkt. g) Pressefreiheit als objektiv-rechtliche Gewährleistung des „Instituts Freie Presse"

Die Pressefreiheit des A r t . 5 I, 2 GG hat somit ausschließlich den Inhalt einer objektiv-rechtlichen Garantie des „Instituts Freie Presse". Diese Auffassung beruht auf keinem „begriffsjuristischen Taschenspielertrick" 1 1 5 , sondern ergibt sich — wie der Verfasser glaubt nach114 115

Zeitungspresse, S. 26. Wenn Herzog (Art. 5, Rz. 13) diesen Vorwurf gegen die institutionelle

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gewiesen zu haben — unmittelbar aus der Verfassung selbst i m Lichte der ihr zugrunde liegenden gesellschaftlichen und verfassungsrechtlichen Veränderungen. Neben dieser institutionellen Garantie ist i m Rahmen des A r t . 5 I, 2 GG kein Platz mehr für ein „klassisches Grundrecht". Inhalt und Bedeutung des „Instituts Freie Presse" sind nun i m folgenden zu untersuchen. Die ganz überwiegende Mehrheit derjenigen Autoren, die i n der Pressefreiheit auch institutionelle Gehalte erblicken, sehen darin die verfassungsrechtliche Gewährleistung und Sicherung der bestehenden Presseordnung. Die institutionelle Garantie hat danach die Funktion, über den subjektiv-individuellen Grundrechtsschutz hinaus das Presseunternehmen i n seinen verschiedenen Ausformungen, seinem technischorganisatorischen Bestand zu schützen 116 und/oder generell die gegenwärtige Struktur des Pressewesens i n Gestalt des privatwirtschaftlichen Wettbewerbsystems zu gewährleisten 1 1 7 . I n beiden Fällen hat die institutionelle Garantie letztlich nur die Funktion einer zusätzlichen Sicherung der subjektiv-rechtlichen Grundrechtsseite; sie ist nichts anderes als eine „Umhegung" des Individualrechts 1 1 8 und hat darüber hinaus allenfalls noch die Funktion eines Verfassungsauftrags an den Gesetzgeber, den Bestand und die Freiheit der Presse i n ihrer heutigen Erscheinungsform auch erforderlichenfalls durch positive gesetzliche Maßnahmen zu gewährleisten. Der Auffassung, die i n der institutionellen Garantie lediglich einen Bestandsschutz des einzelnen Presseunternehmens als Sozialgebilde sieht, w i r d zu Recht entgegengehalten, daß dieses Ziel auch auf dem Boden der traditionellen Lehre, die i n der Pressefreiheit nur ein I n d i v i dualrecht sieht, erreicht werden kann 1 1 9 . Die so verstandene institutionelle Garantie ist nichts anderes als die seit jeher anerkannte „formelle Pressefreiheit", wie i n A r t . 48 des Verfassungsentwurfs von 1848 klassisch formuliert wurde. Auffassung der Pressefreiheit erhebt, so wirkt vom hier vertretenen Standpunkt aus umgekehrt seine kategorische Ablehnung jedes institutionellen Ansatzes als begriffsjuristische Fetischisierung überkommener, liberal-positivistischer Kategorien. 116 z. B. P. Schneider, Pressefreiheit und Staatssicherheit, S. 76. 117 Vgl. BVerfGE 12, 205 (260); 20, 175; Groß DVB1. 1966, 562; GüntherBericht, S. 13; Löffler, Presserecht Bd. 2, S. 24; Mallmann, Publizistik 1959, S. 331; Scheuner AfPR 1968, 727 bejaht beide Funktionen. 118 So ausdrücklich P. Schneider, a.a.O., S. 46, 64; vgl. auch Dürig, in: Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz, Art. 1 Abs. 3, Rz. 98: „der durchaus zweitrangige Dienst, der ihr (der Einrichtungsgarantie) obliegt, besteht in der zusätzlichen Absicherung der als subjektive Rechte aufgefaßten Grundrechtsnormen". 119 So Czajka, Pressefreiheit und „öffentliche Aufgabe" der Presse, S. 108, 146.

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Demgegenüber hat die institutionelle Garantie als Gewährleistung der „Freien Presse" i n ihrer heutigen privatwirtschaftlichen Struktur tatsächlich eine eigenständige Funktion. Sucht man jedoch nach einer Begründung für die Behauptung, daß m i t der Pressefreiheit auch die privatwirtschaftliche Struktur der Presse gewährleistet sei, so findet man lediglich das Argument Scheuners, Freiheit sei notwendigerweise mit unternehmerischer Freiheit gekoppelt und die Verwirklichung individueller Freiheit sei daher „ i n die reale Struktur der modernen Presse eingebunden" 1 2 0 . Von denselben Autoren, wie auch vom BVerfG, w i r d aber andererseits ausdrücklich festgestellt, daß i m Fall des Rundfunks Freiheit auch i n der Rechtsform einer öffentlich-rechtlichen Anstalt verwirklicht werden könne. Es ist jedoch nicht einzusehen, warum das, was für den Rundfunk gilt, nicht auch für die Presse grundsätzlich Geltung haben sollte. Die privatwirtschaftliche Struktur kann allenfalls — unter gewissen tatsächlichen Bedingungen — eine relativ bessere Form der Freiheitsverwirklichung i m Bereich eines Kommunikationsmediums darstellen; wie sich am Beispiel der Rundfunkanstalten zeigt, kann sie jedoch nicht als die absolut einzig mögliche Gestaltungsform für ein freiheitliches Kommunikationssystem deklariert werden. Die bisherigen Antworten auf die Frage, was Inhalt des Verfassungsinstituts „Freie Presse" ist, können somit nicht befriedigen. Bedeutung und Inhalt des „Instituts Freie Presse" lassen sich nur aus der Idee der Pressefreiheit selbst heraus, losgelöst von historischen Zufälligkeiten und Bedingtheiten, erschließen. Geht man von dieser Voraussetzung aus und versucht, das Phänomen Presse auf seinen eigentlichen Kern, auf die i h m zugrundeliegende „Idee", zu abstrahieren, so gibt es darauf nur eine A n t w o r t : Presse ist eine besondere Form der Kommunikation. Das, worum es der Pressefreiheit ihrem Wesensgehalt nach geht, ist somit die Freiheit der Kommunikation mittels des Mediums Presse 121 . Das „Institut Freie Presse" gewährleistet demnach ein freiheitliches Pressekommunikationssystem. Betrachtet man A r t . 5 i n seiner Gesamtheit, so ergibt sich das B i l d eines umfassenden freiheitlichen Kommunikationswesens, das die Gesamtgesellschaft i n ihren einzelnen Gliederungen und Tätigkeitsbereichen umspannt und das von A r t . 5 i n seinen verschiedenen Ausdrucksformen geschützt wird. Die Einzelfreiheiten des A r t . 5 zusammengenommen bilden somit die Garantie eines freien Kommunikationsprozesses innerhalb der Gesellschaft. 120

Scheuner AfPR 1968, S. 727. Die Freiheit der Kommunikation wird auch von Heck (AfPR 1968, S. 702) und von Scholler (a.a.O., S. 349 f.) als eigentliche Substanz der Pressefreiheit betrachtet. Scholler sieht in der Meinungs- und Pressefreiheit zusammengenommen die grundgesetzliche Gewährleistung der „Freiheit der öffentlichen Sinnkommunikation". 121

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Die tatsächlichen und rechtlichen Formen, innerhalb derer sich dieser Kommunikationsvorgang abspielt, erweisen sich demgegenüber als historisch bedingt und verfassungsrechtlich nur insoweit relevant, als sie ihrerseits notwendige Voraussetzungen einer freiheitlichen Kommunikation sind. Für die Pressefreiheit folgt daraus, daß sie weder an das einzelne Presseorgan geknüpft ist noch m i t einer bestimmten rechtlichen bzw. wirtschaftlichen Ordnung, z. B. der privaten Eigentumsordnung, wesensmäßig verbunden ist. Die Gestaltung der Organisationsformen, innerhalb derer sich der Kommunikationsvorgang abspielen soll, ist Sache der Gesellschaft, i m besonderen aber des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber hat durch die Normierung einer Presserechtsordnung, die sich an den Leitideen des Grundgesetzes und an den sozialen Gegebenheiten zu orientieren hat, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß sich die Pressefreiheit i n der sozialen Wirklichkeit realisieren kann. Diese vom Gesetzgeber zu gestaltende Ordnung umfaßt auch die technisch-organisatorische Infrastruktur, soweit sie für die Freiheit der Pressekommunikation von Bedeutung ist. A r t . 5 schützt somit auch die Freiheit der gewerblichen Betätigung des Presseunternehmens, allerdings nur i m Rahmen des jeweiligen Kommunikationssystems und nur insoweit, als sie i m Dienste des freiheitlichen Kommunikationsvorgangs steht 1 2 2 . Als materieller Maßstab für eine verfassungsgemäße Presseordnung wurde bisher nur das Prinzip der Freiheitlichkeit genannt, das bereits i m Begriff der Pressefreiheit selbst zum Ausdruck kommt. „Freiheitlichkeit" geht allerdings über den Sinn einer bloßen Freiheit „von" hinaus. Dieser liberale Freiheitsbegriff wurde zwar — auch i n seiner traditionellen Abwehrrichtung gegenüber dem Staat — vom Grundgesetz übernommen; er stellt heute aber nur noch einen Teilaspekt des umfassenden Prinzips der Freiheitlichkeit dar. Der Begriff der Freiheitlichkeit beinhaltet nicht nur ein Verbot jeglicher äußerer Zwangseinwirkungen, seien sie staatlicher oder gesellschaftlicher Herkunft, sondern hat darüber hinaus auch eine strukturelle Dimension. Pressefreiheit i n diesem Sinne bedeutet demnach! Freiheit der Presse selbst hinsichtlich ihrer eigenen Struktur. Diese m i t der Bezeichnung „innere Pressefreiheit" umschriebene Dimension des „Instituts Freie Presse" soll i m nächsten Abschnitt eingehender erörtert werden. Wie bereits mehrfach betont wurde, sind die Grundrechte nicht nur aus sich selbst heraus, sondern i m Lichte der tragenden Grundprinzipien der Verfassung zu interpretieren. Für die Interpretation der Pressefreiheit kommt dabei neben dem Prinzip der Freiheitlidhkeit vor allem das der Demokratie i n Betracht. Es wurde ebenfalls schon darauf hin122 Die dienende Funktion der Pressegewerbefreiheit auch Mallmann, Publizistik 1959, S. 329, 331 hervor.

15 Stammler

hebt insbesondere

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

gewiesen, daß das demokratische Prinzip sich hinsichtlich der Presse insbesondere als Postulat der Chancengleichheit für alle Meinungsgruppen innerhalb der Gesellschaft auswirkt. Die Folgerungen, die sich daraus i m einzelnen ergeben, sollen ebenfalls i m folgenden Abschnitt erörtert werden. Die Pressefreiheit des Grundgesetzes ließe sich demnach als Gebot einer freiheitlich-demokratischen Kommunikationsordnung für das Medium Presse bezeichnen. Daraus leiten sich folgende Grundsätze ab: (1) Freiheit der Information und Meinungsäußerung. Diese ist nur dann möglich, wenn die redaktionelle Gestaltung der Presse frei von allen sachfremden, d. h. ihrer „öffentlichen Aufgabe" zuwiderlaufenden Einflüssen, gleich ob aus dem staatlichen oder gesellschaftlichen Bereich und gleich welcher A r t , ist. (2) Presse als Forum der Kommunikation einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft. Dies setzt voraus, daß jede relevante Meinungsgruppe innerhalb der verfassungsmäßigen Ordnung die Chance haben muß, i m Medium Presse Ausdruck zu finden. Anders ausgedrückt: die Struktur der Presse muß pluralistisch sein. Daraus ergibt sich weiter, daß der Zugang zu den Presseberufen grundsätzlich jedem Bürger offenstehen muß, zumindest aber nicht von seinen geistigen Ansichten abhängig gemacht werden darf 1 2 3 . (3) Freiheit der Information des Bürgers durch die Presse. M i t der Freiheit der i n der Presse Tätigen korrespondiert die Informationsfreiheit des Bürgers. Diese setzt die Möglichkeit einer freien Verbreitung und des freien Bezugs aller Presseorgane voraus. Der so verstandene freie Kommunikationsvorgang kann sich nur innerhalb der Rechtsordnung verwirklichen. Die Pressefreiheit enthält daher einen Verfassungsauftrag an den Gesetzgeber, die rechtlichen Voraussetzungen für ein freiheitliches Pressewesen zu schaffen; darüber hinaus, die bestehende Ordnung ständig daraufhin zu überprüfen, ob die Freiheit des Kommunikationsvorgangs noch tatsächlich gewährleistet ist und erforderlichenfalls geeignete Maßnahmen zu ihrer Erhaltung oder Wiederherstellung zu treffen. Die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit ist, wie bereits erwähnt, nicht an überkommene Ordnungsstrukturen gebunden. Richtlinie und zugleich Grenze der Freiheit des Gesetzgebers bilden allein die Prinzipien eines freiheitlich-demokratischen Kommunikationswesens einerseits, der „öffentlichen Aufgabe" der Presse andererseits. Nur von diesem „institutionellen" Standort aus ist es möglich, 128 Subjektive Zulassungsvoraussetzungen, wie der Nachweis einer bestimmten Vorbildung, sind unter dem Aspekt der Dienstleistungsfunktion der Presse nicht generell auszuschließen.

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die Pressefreiheit i n einer den geänderten verfassungsrechtlichen und sozialen Bedingungen gerecht werdenden Weise i n den Griff zu bekommen. Die Frage der Kommunikationsordnung ist heute zu einem Problem geworden, das die existentiellen Grundlagen unserer Gesellschaft betrifft. Seine Bewältigung kann daher nicht mehr ausschließlich der zufälligen und privatorientierten Initiative Einzelner überlassen bleiben. Heute hat nicht mehr nur die Presse eine „öffentliche Aufgabe", sondern die Presse selbst ist zu einer „öffentlichen" Aufgabe geworden. Die Wahrnehmung dieser Aufgabe obliegt zuvorderst dem Gesetzgeber, der von der Verfassung dazu aufgerufen ist, den Raum für die Freiheit der Presse und für die Freiheit der Kommunikation i m allgemeinen zu planen 1 2 4 . Ob er dieser Verantwortung gerecht wird, ist eine Frage, die die gesamte politische Gesellschaft angeht. Sie gehört zum Risiko einer jeden freiheitlichen Demokratie. Es wurde bereits oben angedeutet, daß das „Institut Freie Presse" seinerseits Quelle subjektiver Berechtigungen ist, die dazu dienen, den institutionellen Schutz i n der Rechtspraxis zu effektivieren. Für diese aus der institutionellen Garantie abgeleiteten subjektiven Rechte wurde die Bezeichnung „Reflexrechte" verwendet, w e i l darin am anschaulichsten und deutlichsten zum Ausdruck kommt, daß es sich bei diesen Rechten um bloße Funktionen der Institution handelt, die daher der Institution untergeordnet sind und sich i n Inhalt und rechtlicher Ausformung nach der Gestalt der Institution richten. Anders als der verwaltungsrechtliche Begriff der „Reflexrechte", der auf eine lediglich tatsächliche Begünstigung durch eine Rechtsnorm hinweist, verleihen die aus der institutionellen Garantie abgeleiteten Rechte jedoch echte subjektive Rechtspositionen, die imKlagewege durchgesetzt werden können. Der Blick hat sich nunmehr dem Inhalt dieser Reflexrechte zuzuwenden. Die aus der institutionellen Garantie abzuleitenden subjektiven Rechte bestimmen sich i n ihrem Inhalt grundsätzlich nach den oben dargelegten Essentialien der Pressefreiheit; i m einzelnen aber erhalten sie erst durch die vom Gesetzgeber gestaltete Presserechtsordnung ihre Ausprägung. Das bedeutet: Jedem an dem Kommunikationssystem „Presse" Beteiligten stehen — je nach seiner Funktion innerhalb des Systems — diejenigen subjektiven Berechtigungen zu, die zur Effektivierung der objektiv-rechtlich gewährleisteten Freiheiten i m Rahmen der jeweiligen verfassungsmäßigen Presserechtsordnung geboten sind. So hat der Journalist ein Recht auf ungehinderten Zugang zu den Presseberufen und auf Freiheit der Berichterstattung und i n einer privatwirtschaftlichen Presseordnung der Verleger (neben einem eigenen Anspruch auf freie 124

S. 388. 15*

Ebenso Starkulla,

Presse, Fernsehen und Demokratie, Publizistik 1965,

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

Berichterstattung) ein Recht auf freie Gründung eines Presseunternehmens und auf ungehinderte Ausübung seiner pressegewerblichen Tätigkeit. I n einem anders verfaßten Pressewesen w i r d allerdings auch die Rechtsstellung des Verlegers eine andere sein. Die Sicht der Pressefreiheit als Garantie eines freiheitlich-demokratischen Kommunikationssystems legt es an sich nahe, auch den Leser i n dieses System einzubeziehen und i h n m i t seiner Rolle entsprechenden subjektiven Reflexrechten auszustatten 125 . I m Rahmen der bestehenden Presseordnung käme als einziges derartiges Recht nur die Freiheit des ungehinderten Bezugs von Presseerzeugnissen i n Betracht, die jedoch bereits i n A r t . 5 I, 1 GG i m Rahmen der allgemeinen Informationsfreiheit i n Form eines echten, „klassischen" Grundrechts geschützt ist. Für einen zusätzlichen subjektiven Rechtsschutz über A r t . 5 I, 2 GG besteht deshalb kein Bedürfnis 1 2 6 — ganz abgesehen von der Frage der Durchsetzbarkeit eines solchen subjektiven Rechts. Dies schließt allerdings nicht aus, daß dem Interesse der Leser wesentliche Bedeutung bei der Ermittlung des objektiv-rechtlichen Inhalts des Instituts „Freie Presse" zukommt. N u r auf diese Weise sind Postulate wie das der Vielfalt der Presse 127 rechtlich zu erfassen. Ein Recht des Lesers auf Wahrheit, wie es von der Heydte vorschlägt, ist aus der Pressefreiheit nicht ableitbar. Soweit der einzelne tatsächlich einen Anspruch i n dieser Richtung geltend machen kann, handelt es sich u m einen Ausfluß seines Persönlichkeitsrechts, nicht der Pressefreiheit. Ein darüber hinausgehender allgemeiner Wahrheitsanspruch ist unbedingt abzulehnen, da das Prinzip jeder freien Kommunikation das des „ t r i a l and error", an dessen Ende vielleicht die Wahrheit stehen mag, nicht aber die objektive Wahrheit selbst ist. M i t der Zubilligung subjektiver „Reflexrechte" erledigen sich auch mögliche Einwände aus A r t . 18 GG. Wer die Pressefreiheit zum Kampf gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung mißbraucht, kann auch nach der hier vertretenen Ansicht die aus der institutionellen Garantie abgeleiteten subjektiven Rechte verwirken. Diese Rechtsfolge wäre zwar keine Verwirkung eines „Grundrechts" i m herkömmlichen 125

So sieht von der Heydte (Demokratie und Meinungsmonopol, in: Festschrift für G. Küchenhoff, S. 37) in der Pressefreiheit auch ein Recht des Lesers, seine Information aus verschiedenen Zeitungen unterschiedlicher politischer Richtung zu beziehen sowie allgemein ein „Recht auf Wahrheit". Ein Informationsrecht des Lesers leiten aus Art. 5 I, 2 auch P. Schneider (Pressefreiheit und Staatsicherheit, S. 63 f.), Heck (AfPR 1968, 703) und Leaute (bei Berg, Bericht über das Salzburger Symposion des Europarats „Menschenrechte und Massenmedien", JZ 1968, 811) ab. 126 I m Ergebnis ebenso Geiger (Die Grundrechte der Informationsfreiheit, in: Festschrift für A. Arndt, S. 130). 127 Die von der Heydte (s. o. Anm. 125) ebenfalls über ein subjektives Recht des Lesers sichern will.

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Sinne. A u f diese rechtstechnische Ausgestaltung der Verwirkung kann es jedoch nicht entscheidend ankommen. Maßgebend ist, daß auch auf dem hier eingeschlagenen Weg der Sinn und Zweck des A r t . 18 GG v o l l verwirklicht werden kann, nämlich einen Mißbrauch grundsetzlicher Freiheiten zum Kampf gegen eben diese Freiheit zu verhindern. Die rechtsdogmatische Ansicht, die dem Normgeber ursprünglich vorgeschwebt haben mag, bindet den späteren Norminterpreten nicht. Dieses Argument muß sich auch Czajka entgegenhalten lassen, der aus dem Wortlaut des A r t . 18 („ . . . Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit...") den Schluß zieht, daß nach dem Grundgesetz die Pressefreiheit nur ein Unterfall der allgemeinen Meinungsfreiheit ist und die institutionelle Auffassung der Pressefreiheit daher mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sei 1 2 8 . h) Das Verhältnis zur Meinungsäußerungs-

der Pressefreiheit und Informationsfreiheit

Abschließend soll noch i n kurzen Umrissen das Verhältnis der i m Sinne einer institutionellen Garantie verstandenen Pressefreiheit zu den Freiheitsrechten des A r t . 5 I, 1 GG skizziert werden. Von der Umgestaltung der Pressefreiheit i n eine objektiv-rechtliche Gewährleistung des Instituts „Freie Presse" w i r d die allgemeine Meinungsäußerungsfreiheit selbstverständlich nicht berührt. I m Gegensatz zur Pressefreiheit ist die Meinungsäußerungsfreiheit auch i n der sozialen Wirklichkeit ein echtes allgemeines Menschenrecht geblieben, wie es auch i m Wortlaut des A r t . 5 I, 1 („jedermann") zum Ausdruck kommt. Es besteht daher kein Anlaß, ihren traditionellen Rechtscharakter als subjektives Grundrecht i n Frage zu stellen. Dieser individualrechtliche Charakter der Meinungsäußerungsf reiheit schließt nicht aus, daß Schutzobjekt dieses Freiheitsrechts nicht nur die „Meinung" als solche, sondern auch ihre Äußerung und Verbreitung einschließlich der dazu notwendigen technisch-organisatorischen Vorrichtungen ist. Auch die Meinungsäußerungsfreiheit hat i n diesem Sinne eine „formelle" Seite 1 2 9 . Das gleiche gilt von der Informationsfreiheit des A r t . 5 I, 1 GG 1 3 0 . Sie ist ebenfalls ein echtes Menschenrecht, das dem demokratischen Menschenbild des aufgeklärten, mündigen Bürgers entspricht. Über die individualrechtliche Bedeutung hinaus hat die Informationsfreiheit, wie auch die allgemeine Meinungsäußerungsfreiheit, eine eminente ver128 129

S. 146.

Pressefreiheit und „öffentliche Aufgabe" der Presse, S. 145. Ebenso Czajka, Pressefreiheit und „öffentliche Aufgabe" der Presse,

180 Vgl. dazu Geiger, Die Grundrechte der Informationsfreiheit, a.a.O.; Herzog, Grundgesetz Art. 5, Rz. 81 ff.; Windsheimer, Die „Information", passim.

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2. Teil: Entwicklung und Theorie der Pressefreiheit

fassungsstrukturelle Bedeutung i m Hinblick auf das demokratische Prinzip, ohne daß dadurch allerdings ihr Charakter als Individualrecht i n Frage gestellt wird. Die Informationsfreiheit korrespondiert eng m i t der Meinungs- und Pressefreiheit; sie stellt — als notwendiger Bestandteil eines freiheitlich-demokratischen Pressewesens — die dem Bürger zugewandte Seite der Pressefreiheit dar 1 3 1 . Zum Inhalt der Informationsfreiheit i m einzelnen kann auf die Ausführungen Herzogs verwiesen werden. I h m ist insbesondere darin beizustimmen, daß die Informationsfreiheit einen Anspruch auf freien Bezug sämtlicher tatsächlich (nicht nur rechtlich) allgemein zugänglicher, d. h. öffentlicher Informationen beinhaltet 1 3 2 . Die Informationsfreiheit schützt allerdings nur den freien Informationszugang als solchen, nicht auch das Interesse daran, daß eine bestimmte Informationsquelle erhalten bleibt 1 3 3 . Sieht man wie hier i n der Pressefreiheit lediglich die objektiv-rechtliche Gewährleistung eines freien Pressewesens, die u m der „öffentlichen Aufgabe" der Presse w i l l e n erfolgte, also von Einzelpersonen grundsätzlich völlig losgelöst ist, so muß auch die bisherige Zuordnung dieses Grundrechts zur Freiheit der Meinungsäußerung neu überdacht werden. Solange die Pressefreiheit individualrechtliche Züge enthält, also — zumindest teilweise — auch dem Schutz der Meinungsäußerung der i n der Presse Tätigen dient, solange ist es überzeugend, daß Meinungs- und Pressefreiheit sich gegenseitig ausschließen 134 ; denn die Pressefreiheit ist dann insofern gegenüber A r t . 5 I, 1 eine Spezialregelung bezüglich der i n der Presse erfolgten Meinungsäußerungen. Die Situation ist jedoch eine völlig andere, wenn die Pressefreiheit jeden individuellen Bezug verliert. Ihre Schutzwirkung bezieht sich dann nur noch auf die Freiheit der Presse als solcher, nicht mehr auf den Ein131

Ähnlich Leaute bei Berg JZ 1968, 811. Herzog, Art. 5, Rz. 90 ff.; Geiger versteht unter „allgemein zugänglichen Quellen" „die bisher dem Einzelnen traditionell offenstehenden Informationsmöglichkeiten" (a.a.O., S. 126); diese Definition ist zu eng, da sie retrospektiv ist und weder die verfassungsrechtlichen noch die tatsächlichen Veränderungen auf dem Gebiet des Informationswesens einzufangen vermag. 133 Daran scheitert auch ein aus der Informationsfreiheit abzuleitendes Abwehrrecht des Bürgers gegenüber Konzentrationsvorgängen im Pressewesen — ein Aspekt, auf den neuerdings Geiger hinweist (a.a.O., S. 128 f.). Die Pressekonzentration ist eine Strukturerscheinung, die wirksam nur der Staat, insbesondere in seiner legislativen Funktion, bekämpfen kann. Gerade an diesem Problemkreis aber wird deutlich, daß die Informationsfreiheit über das Individualrecht des Art. 5 I, 1 allein nicht zutreffend beschrieben werden kann; sie ist vielmehr auch ein Teilaspekt der institutionellen Pressefreiheit. Maßnahmen zum Schutz der Informationsfreiheit kann daher auch der Bundesgesetzgeber im Rahmen seiner Kompetenz nach Art. 75 GG treffen (a. A. Geiger, a.a.O., S. 130, der die Informationsfreiheit lediglich in Art. 5 I, 1 verankert sieht). 132

134 So die überwiegende Zahl derjenigen Autoren, die in der Pressefreiheit individualrechtliche Elemente sehen (vgl. z. B. Forsthoff, Zeitungspresse, S. 34; aber auch Ridder, Meinungsfreiheit, in: Die Grundrechte, Bd. 2, S. 259).

I X . Das „Institut Freie Presse" unter dem Grundgesetz

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zelnen, der sich i n der Presse äußert. Es ist andererseits aber nicht einzusehen, warum der sich i n der Presse Äußernde einen geringeren persönlichen Meinungsschutz genießen sollte, als derjenige, der seine Meinung i n anderer Weise kundtut. Die Meinungsäußerungsfreiheit des A r t . 5 I, 1 und die Garantie des „Instituts Freie Presse" i n A r t . 5 I, 2 stehen sich daher selbständig gegenüber und haben unabhängig voneinander Geltung 1 3 5 . I n diesem Verhältnis gegenseitiger Ergänzung und Zuordnung findet der beiden Feiheitsgewährleistungen jeweils zugrunde liegende Sinngehalt seinen adäquaten Ausdruck.

135 So auch F. Schneider, Meinungs- und Pressefreiheit, S. 25 ff.; Groß, Grundzüge des deutschen Presserechts, S. 51 f.

DRITTER T E I L

Die Innere Pressefreiheit I. Problemstellung Versteht man die Pressefreiheit als institutionelle Garantie eines freien Kommunikationsvorgangs mittels des Mediums „Presse", so stellt sie kein bloßes Abwehrrecht der Presse gegenüber dem Staat mehr dar, sondern beansprucht absolute Geltung gegenüber allen Beeinträchtigungen eines freien Informationsaustauschs. I n den Geltungsbereich der Pressefreiheit ist somit auch die gesellschaftliche Sphäre, ja die Presse selbst einbezogen. Diese Erweiterung des ursprünglichen Grundverständnisses wurde auch von Anhängern der liberalen Grundrechtsauffassung moderner Prägung vollzogen, die erkannt haben, daß unter der sozialstaatlichen Demokratie des Grundgesetzes sich die traditionellliberale Gleichung „Gesellschaft gleich Reich der Freiheit" als pure Ideologie erweisen muß. Damit wurde der Blick frei für eine von der „äußeren" Pressefreiheit gegenüber dem Staat zu unterscheidende „innere" Pressefreiheit. M i t der Gegenüberstellung von „außen" und „innen" ist allerdings nicht mehr als eine Blickrichtung angezeigt; Inhalt und Grenzen des Blickfeldes bestimmen sich nach dem verfassungsrechtlichen Standort des jeweiligen Betrachters. Geht man von der liberalen Konzeption eines dualistischen Gegenübers von Staat und Gesellschaft aus, so ist „innen" alles, was nicht staatlich, also gesellschaftlich ist 1 . Vom hier vertretenen Standpunkt aus, wonach der Staat lediglich eine Funktion der Gesellschaft ist und die Pressefreiheit ausschließlich eine objektiv-rechtliche Garantie des Instituts „Freie Presse" darstellt, hat die Unterscheidung nach „innerer" und „äußerer" Freiheit keine eigentlich verfassungsrechtliche Bedeutung mehr. Freiheit gilt absolut und „innere" Freiheitsgefährdungen sind i m Bereich institutioneller Grundrechte ebenso verfassungswidrig wie Gefährdungen von „außen". Die Unterscheidung zwischen „innen" und „außen" ist nur noch als Hinweis auf den U r sprung der Freiheitsgefährdung brauchbar, allerdings auch insoweit ohne unmittelbaren verfassungsrechtlichen Gehalt. So betrachtet erweist sich die weite Definition der inneren Pressefreiheit als der „Aspekt 1 Vgl. Löffler, Presserecht Bd. 1, Kap. 5, Rz. 67; zu den einzelnen Definitionen siehe unten.

Geschichte der Inneren Pressefreiheit

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der Pressefreiheit, der gegen die Bedrohung der Pressefreiheit von nichtstaatlicher Seite" gerichtet ist 2 , also historisch bedingt, nämlich als lediglich negative Abgrenzung gegenüber allem, was unter den traditionell-liberalen Begriff der Pressefreiheit als Freiheit von staatlichen Eingriffen i n die Presse fällt. Macht man sich von diesen liberalen Denkstrukturen frei, so kann für die Abgrenzung zwischen „innen" und „außen" nur der grundgesetzlich geschützte Rechtskreis der Institution „Presse" maßgebend sein. Unter „innerer Pressefreiheit" sind sonach alle diejenigen Freiheitsgefährdungen zu verstehen, die innerhalb der Institution „Presse" selbst wurzeln 3 , also nicht von „außen" (gleich, ob von gesellschaftlicher oder staatlicher Seite) auf die Presse wirken. Dabei ist zwischen zwei Teilaspekten der inneren Pressefreiheit zu unterscheiden: Einmal der Freiheit innerhalb des Presseunternehmens selbst, also insbesondere der Freiheit des Redakteurs gegenüber dem Verleger und sonstigen Vorgesetzten; zum anderen aber dem Problem einer freiheitlichen Struktur des Pressewesens insgesamt, wobei sich i n einer privatwirtschaftlich strukturierten Presse der Blick vor allem auf die ökonomischen Marktzusammenhänge und deren Auswirkungen auf das einzelne Unternehmen bzw. die Freiheit der Kommunikation zu richten hat. Trotzdem hat auch die Einbeziehung „äußerer" Einwirkungen aus dem gesellschaftlichen Bereich i n die Betrachtung der inneren Pressefreiheit einen gewissen Sinn; denn die Presse als gesellschaftliches Phänomen kann nicht aus ihrem Zusammenhang m i t der Gesamtgesellschaft herausgelöst werden, ohne daß dadurch das Verständnis für Funktion und Struktur der Presse selbst verloren ginge. Abgesehen davon besteht aber zwischen Freiheitsbedrohungen, die von außen aus der gesellschaftlichen Sphäre auf die Presse wirken und solchen, die i m Bereich der Presse selbst wurzeln, auch ein unmittelbarer Zusammenhang: Da innerhalb der Gesellschaft das Prinzip der Koordination, nicht der Subordination unter hoheitliche Zwangsmaßnahmen gilt, können E i n w i r kungen aus dem gesellschaftlichen Raum immer nur über eine „Schaltstelle" innerhalb der Presse selbst wirksam werden. Als wichtigster Ansatzpunkt derartiger Einwirkungen kommen dabei der Anzeigenteil und die kommerziellen Interessen des Verlegers i n Betracht.

I I . Geschichte der Inneren Pressefreiheit 1. Die Pressekritik im Kaiserreich Bereits i m ersten Teil der Abhandlung wurde hervorgehoben, daß vom Bewußtsein eines Problems der inneren Pressefreiheit erst seit der 2

Löffler, ebd., Kap. 5, Rz. 67. So auch der „streng genommene" Begriff der inneren Pressefreiheit bei Löffler (ebd.). 3

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Rede sein kann. Es entwickelte sich, als i m Zuge der technisch-ökonomischen Umwälzungen die kapitalistische Wirtschaftsweise auch i n die Presse eindrang, dadurch das Kapital zum beherrschenden Faktor innerhalb des Unternehmens wurde und der Journalismus, der i n der Zwischenzeit zu einem eigenständigen Beruf geworden war, i n wirtschaftliche und soziale Abhängigkeit vom Verleger geriet. Die Kommerzialisierung der Presse fand ihren deutlichsten und umstrittensten Ausdruck i n der zunehmenden Verlagerung der Einnahmequellen vom Vertrieb zum Anzeigenteil, der schließlich zur eigentlichen wirtschaftlichen Stütze des Gesamtunternehmens w u r de. A n diese Erscheinung knüpft K a r l Büchers bekannte Feststellung an, daß „die Zeitung den Charakter einer Unternehmung annimmt, welche Anzeigenraum als Ware produziert, die durch einen redaktionellen Teil absetzbar w i r d " . Bücher wollte m i t dieser Formulierung allerdings nicht nur einen bloßen wissenschaftlichen Befund, sondern gleichzeitig eine fundamentale K r i t i k am Pressewesen seiner Zeit zum Ausdruck bringen. Er sah, wie viele seiner Zeitgenossen, in dem Wandel der Zeitungen zu Wirtschaftsunternehmungen eine Entfremdung von ihrer eigentlichen Aufgabe und hielt für die Ursache dieser Fehlentwicklung das Inseratewesen. Die Reformdiskussion der damaligen Zeit setzte demzufolge an der Verbindung von Presse- und Inseratewesen an. Man besann sich wieder auf den Zustand vor 1850, als i n Preußen noch das staatliche Inseratemonopol galt und meinte, durch Wiedereinführung dieses Monopols die gegenwärtigen Übel des Pressewesens an ihrer Wurzel beseitigen zu können. Den w o h l schärfsten und beredsten Ausdruck fand diese K r i t i k i n der berühmten Rede Ferdinand Lasalles vor dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein über „Die Feste, die Presse und der Frankfurter Abgeordnetentag". Da Lasalle i n dieser Rede nicht nur das Anzeigewesen angreift, sondern grundlegende Widersprüche i n zwar einseitig polemischer, aber brillanter Form aufdeckt und dabei Argumente vorträgt, die auch heute noch immer wieder i n ähnlicher Form auftauchen, bzw. i m U r t e i l über die Presse nachwirken, sollen aus ihr einige längere Passagen zitiert werden 1 : Einst war die Presse „wirklich der Vorkämpfer für die geistigen Interessen in Politik, Kunst und Wissenschaft, der Bildner, Lehrer und geistige Erzieher des großen Publikums. Sie stritt für Ideen und suchte zu diesen die große Menge empor zu heben. Allmählig aber begann die Gewohnheit der bezahlten Anzeigen, der sogenannten Annoncen oder Inserate, die lange gar keinen, dann einen sehr beschränkten Raum auf der letzten Seite der Zeitungen gefunden hatten, eine tiefe Umwandlung in dem Wesen derselben hervorzubringen. Es zeigte sich, daß diese Annoncen ein sehr ergiebiges Mittel seien, um Reichthümer zusammen zu schlagen, um immense jährliche Reve1

Zit. nach Roegele-Glotz, Pressereform und Fernsehstreit, S. 47 ff.

I I . Geschichte der Inneren Pressefreiheit

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nüen aus den Zeitungen zu schöpfen. Von Stund* an wurde eine Zeitung eine äußerst lucrative Speculation für einen Kapitalbegabten oder auch für einen kapitalhungrigen Verleger. Aber um viele Anzeigen zu erhalten, handelte es sich zuvörderst darum, möglichst viele Abonnenten zu bekommen, denn die Anzeigen strömen natürlich in Fülle nur solchen Blättern zu, die sich eines großen Abonnentenkreises erfreuen. Von Stund' an handelte es sich also nicht mehr darum, für eine große Idee zu streiten, und zu ihr langsam und allmählig das große Publikum hinaufzuheben, sondern umgekehrt, solchen Meinungen zu huldigen, welche, wie sie auch immer beschaffen sein mochten, der größten Anzahl von Zeitungs-käufern (Abonnenten) genehm sind. Von Stund' an also wurden die Zeitungen, immer unter Beibehaltung des Scheins, Vorkämpfer für geistige Interessen zu sein, aus Bildnern und Lehrern des Volkes zu schnöden Augendienern der geldbesitzenden und also abonnirenden Bourgeoisie und ihres Geschmackes, die einen Zeitungen gefesselt durch den Abonnentenkreis, den sie bereits haben, die anderen durch den, den sie zu erwerben hoffen, beide immer in Hinsicht auf den eigentlichen goldenen Boden des Geschäftes, die Inserate. Von Stund' an wurden also die Zeitungen nicht nur zu einem ganz gemeinen, ordinären Geldgeschäfte, wie jedes andere auch, sondern zu einem viel schlimmeren, zu einem durch und durch heuchlerischen Geschäfte, welches unter dem Scheine des Kampfes für große Ideen und für das Wohl des Volkes betrieben wird. Habt Ihr einen Begriff von der depravirenden Wirkung, die diese täglich fortgesetzte Heuchelei, dieses Pfaffenthum des 19. Jahrhunderts, allmählig auf Verleger und Zeitungsschreiber hervorbringen mußte"? „Das lucrative Annoncengeschäft hat den Zeitungseigenthümern die Mittel gegeben, ein geistiges Proletariat, ein stehendes Heer von Zeitungsschreibern zu unterhalten, durch welches sie concurrirend ihren Betrieb zu vergrößern und ihre Annoncen-Einnahmen zu vermehren streben. Aber wer soll unter dieses Heer gehen, wer, der sich selber achtet, wer, der nur irgend welche Befähigung zu reellen Leistungen auf dem Gebiet der Wissenschaft, des Gedankens oder des bürgerlichen Lebens in sich fühlt? Ihr, Proletarier, verkauft Euren Arbeitsherrn doch nur Eure Zeit und materielle Arbeit. Jene aber verkaufen ihre Seele! Denn der Correspondent muß schreiben, wie der Redacteur und Eigenthümer will; der Redacteur und Eigenthümer aber, was die Abonnenten wollen und die Regierung erlaubt! Wer aber, der ein Mann ist, würde sich zu einer solchen Prostitution des Geistes hergeben?" „Das sind diese modernen Landsknechte von der Feder, das geistige Proletariat, das stehende Heer der Zeitungsschreiber, das öffentliche Meinung macht und dem Volke tiefere Wunden geschlagen hat, als das stehende Heer der Soldaten; denn dieses hält doch nur durch äußere Gewalt das Volk zu Boden, jenes bringt ihm die innere Fäulniß, vergiftet ihm Blut und Säfte!" „Ich habe Euch gezeigt, daß das Verderben der Presse mit Nothwendigkeit daraus hervorgegangen, daß sie unter dem Vorwand geistige Interessen zu verfechten, durch das Annoncen-Wesen zu einer industriellen Geldspeculation wurde. Es handelt sich also einfach darum, diese beiden Dinge zu trennen, die ja auch nichts miteinander zu thun haben. Insofern die Presse geistige Interessen vertritt, ist sie dem Volksschulredner oder Kanzelprediger vergleichbar; insofern sie Annoncen bringt, ist sie der öffentliche Ausrufer, der öffentliche Trompeter, der mit hunderttausend Stimmen das Publicum anzeigt, wo eine Uhrkette verloren, wo der beste Tabac, wo das Hoffsche

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

Malzextract zu haben ist. Was hat der Prediger mit dem öffentlichen Trompeter zu thun und ist es nicht eine Mißgeburt, beide Dinge miteinander zu verbinden? I n einem social-democratischen Staate muß also ein Gesetz gegeben werden, welches jeder Zeitung verbietet, irgend eine Annonce zu bringen, und diese ausschließlich und allein den vom Staate oder von den Gemeinden publicirten Amtsblättern zuweist. Von Stund' an hören die Zeitungen auf, eine lucrative Geldspeculation zu sein. Von Stund' an ziehen sich die speculirenden Capitalien von ihnen zurück. Von Stund' an verhungert das stehende Heer der Zeitungsschreiber oder wird Stiefelputzer; das ist seine Sache! Von Stund' an hört der Zeitungsschreiber von Metier auf und an seine Stelle tritt der Zeitungsschreiber von Beruf! Von Stund' an existiren nur solche Zeitungen und können nur solche Männer Zeitungen schreiben, welche ohne Rücksicht auf lucrative Bereicherung die Mission in sich fühlen, für die geistigen Interessen und das Wohl des Volkes zu kämpfen."

Der Vorschlag Lasalles, das Inseratewesen der privaten Presse zu entziehen und es kommunalen bzw. staatlichen Amtsblättern zuzuweisen, wurde i n der Folgezeit immer wieder aufgegriffen 2 . Eine erste reale Chance zur Verwirklichung dieser Vorschläge und zur Durchführung einer grundlegenden Pressereform bot sich nach dem Zusammenbruch der alten Ordnung des Kaiserreichs 1918, als überall i n Deutschland sozialistische Räteregierungen die Macht übernahmen. Insbesondere die Münchner Räteregierung ging i n der Frage der Pressereform voran. I n ihrem Auftrag wurden mehrere Reformentwürfe ausgearbeitet. Darunter befindet sich ein Gesetzentwurf K a r l Büchers zur Einführung eines Kommunalen Inseratemonopols 3 und als weitestgehender Vorschlag der Gesetzentwurf Wolfgang Schumanns zur Sozialisierung der Tagespresse 4. Schumanns Sozialisierungsvorschlag geht von der Feststellung aus, daß infolge des Doppelcharakters der Zeitung als geistiges und w i r t schaftliches Unternehmen kapitalstarke Verleger allein wegen ihres wirtschaftlichen Vermögens einen Wettbewerbsvorsprung gegenüber finanzschwächeren, aber möglicherweise eine Bevölkerungsmehrheit vertretenden Verlegern haben m i t der Folge, daß Zeitungsleser gezwungen sein könnten, eine Zeitung, die sie politisch ablehnen, zu beziehen. Schumanns Vorschlag ist über die damalige Zeit hinaus insbesondere deshalb von Interesse, w e i l er den ersten und bisher wohl einzigen Entw u r f für eine „Entprivatisierung" ohne Verstaatlichung der Presse dar2 Vgl. die Nachweise bei Maurer, Zur inneren Freiheit der Presse, S. 115 ff.; Berger, Preßbestechung und Preßnötigung, S. 45 ff. und v. a. die Quellenauszüge bei Roegele-Glotz, Pressereform und Fernsehstreit. 8 Bücher, Zur Frage der Preßreform, auszugsweise abgedruckt bei RoegeleGlotz, a.a.O., S. 78 ff. 4 Schumann, Reform und Sozialisierung der Tagespresse, auszugsweise abgedruckt bei Roegele-Glotz t a.a.O., S. 104 ff.

I I . Geschichte der Inneren Pressefreiheit

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stellt. Schumanns Vorschlag läuft auf eine „Vergesellschaftung" der Tagespresse auf der Basis eines Rätesystems hinaus. Das einzelne Zeitungsunternehmen sollte danach organisatorisch auf zwei Säulen ruhen: Dem Betriebsrat, der das kaufmännische u n d technische Personal vert r i t t u n d dem Redakteursrat f ü r die festangestellten Redakteure des Betriebs. Die verantwortliche Leitung des Gesamtbetriebs sollte bei einem v o m Redakteursrat zu wählenden „Hauptleiter" liegen. Der Betriebsrat ist i n Schumanns Vorschlag auf ein bloßes Kontrollrecht beschränkt, das sich jedoch nicht auf die geistig-politische H a l t u n g des Blattes erstreckte. Die einzelnen Zeitungsunternehmen sollten bezirksweise i n einer Zwangskörperschaft zusammengeschlossen werden, die f ü r den Papierbezug u n d die Anzeigenverwaltung die Verantwortung zu tragen hatte. Schumanns Gesetzentwurf geht — i n Übereinstimmung m i t der damaligen Situation des Pressewesens — von einer parteipolitischen Gliederung der Presse aus. U m dem Leser dennoch eine Orientierung über andere politische Meinungen zu ermöglichen, sieht er die Verpflichtung f ü r jede Zeitung vor, einen bestimmten T e i l ihres redaktionellen Raumes regelmäßig Vertretern anderer politischer Richtungen zur Verfügung zu stellen. E i n profunder K r i t i k e r a l l der Vorschläge, die das H e i l der Presse i n einer Entflechtung von Zeitungen- und Anzeigenwesen sehen, ist der damalige Chefredakteur der „Kölnischen Zeitung", Ernst Posse. Posse weist darauf hin, daß erst das Anzeigensystem die moderne Massenverbreitung ermöglicht habe, u n d daß die Wiedereinführung eines staatlichen Inseratemonopols daher i n W i r k l i c h k e i t einen politischen u n d k u l t u r e l l e n Rückschritt i n vordemokratische Zustände bedeuten würde 5 . Posse geht sogar noch weiter u n d stellt die Behauptung auf, der Anzeigenteil trage i m Gegenteil zur Verbesserung der Presse bei, denn „das Streben, m i t dem Anzeigenteil seine Einnahmen zu erhöhen, (hat) n u r Aussicht auf Erfüllung, wenn der Verleger ohne Unterlaß an der besseren Ausgestaltung des Allgemeinen Teils arbeitet, der seiner Zeitung die »Publizität 1 gibt u n d seinem Anzeigenteil die W i r k u n g sichert" 6 . Andererseit sieht auch er durchaus erhebliche Mängel i n der p r i v a t kapitalistischen S t r u k t u r der Presse, welche er letztlich auf den Gegensatz zwischen den privaten Interessen des Verlegers u n d den öffentlichen Interessen der Allgemeinheit, die bei der Zeitungsgestaltung aufeinanderstoßen, zurückführt 7 . Dennoch w i l l Posse die privatwirtschaftliche S t r u k t u r beibehalten u n d hofft, die von i h r ausgehenden negat i v e n Wirkungen, die er m i t dem Verleger personifiziert, durch innerbetriebliche Kompetenzabgrenzungen zwischen Verlag u n d Redaktion 5 Posse, Zeitung, Publikum und öffentliche Meinung, Deutsche Revue 1914 Bd. 2, S. 301. 8 Posse, Uber Wesen und Aufgabe der Presse, S. 23. 7 Vgl. Über Wesen und Aufgabe der Presse, S. 24 ff.

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

beseitigen zu können. Zur Stärkung der Unabhängigkeit der Redaktion schlägt Posse sogar die Einrichtung von Beiräten vereidigter Sachverständiger vor, die den Zeitungen beigeordnet werden sollten 8 . M i t diesen Vorschlägen leitet Posse eine bis heute fortdauernde Diskussion ein, die von der Voraussetzung ausgeht, daß die Mängel des Pressewesens durch Reformen innerhalb des bestehenden privatwirtschaftlichen Systems beseitigt werden könnten, obwohl — zumindest noch von Posse — die eigentlichen Wurzeln der Mißstände i n diesem System gesehen werden. Das einzige konkrete Ergebnis der Pressekritik i m Kaiserreich ist die Strafvorschrift des § 76 Börsengesetz von 1896, die bestellte Presseäußerungen zur Beeinflussung der Börsenkurse unter Strafe stellt. 2. Die Reformdiskussion der Weimarer Zeit War die Frage der Pressereform vor 1914 noch ein Problem, das weite Kreise der Öffentlichkeit bewegte, so verlagerte sich i n der Weimarer Zeit die Diskussion mehr und mehr i n den internen Pressebereich selbst und wurde zum Gegenstand von Verhandlungen zwischen den Interesseorganisationen der Verleger und Journalisten. Spätestens seit der Gründung der Reichsarbeitsgemeinschaft der Deutschen Presse i m Jahre 1921 waren die Reformversuche auf Maßnahmen innerhalb des bestehenden Systems beschränkt. A u f dieser Basis arbeiteten die beteiligten Verbände sowie das Reichsinnenministerium unter Federführung des Ministerialrats K u r t Häntzschel mehrere gesetzliche Reformentwürfe aus, die unter anderem auch die innere Pressefreiheit zum Gegenstand hatten 9 . Insbesondere der Entwurf eines „Gesetzes betr. die Rechtsverhältnisse der Redakteure" des Reichsverbands der Deutschen Presse aus dem Jahre 1924 und der Entwurf eines Journalistengesetzes des Reichsinnenministeriums aus demselben Jahr sind i n diesem Zusammenhang zu erwähnen 1 0 . U m Überschneidungen m i t früheren Ausführungen zu vermeiden, sollen hier lediglich nochmals die wichtigsten Punkte dieser Vorschläge, soweit sie die innere Pressefreiheit betreffen, hervorgehoben werden: (1) Kompetenzabgrenzung zwisfhen Verleger und Redakteur: Der Verleger w i r d hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Zeitung auf die Setzung von Richtlinien beschränkt, innerhalb derer die Redaktion grundsätzlich Gestaltungsfreiheit hat. 8

Ebd., S. 46. • Der Begriff der inneren Pressefreiheit kam überhaupt erst im Zusammenhang mit dieser Reformdiskussion auf (vgl. Angaben bei Maurer, a.a.O., S. 25). 10 Siehe oben, S. 110 ff.

I I . Geschichte der Inneren Pressefreiheit

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(2) Maßnahmen der sozialen Sicherung für Redakteure zur Stärkung ihrer Unabhängigkeit: Gesinnungsschutzklausel bei Richtungsänderung (fristloses Kündigungsrecht der Redakteure u n d Anspruch auf finanzielle Abfindung), allgemeiner Kündigungsschutz, Gehaltsfortzahlung i m Krankheitsfalle, Verbot vertraglicher Beschränkungen der Freizügigkeit. (3) Straftatbestände der Pressenötigung u n d Pressebestechung. (4) Errichtung von Pressekammern (nach dem E n t w u r f des Reichsinnenministeriums i n der Rechtsform einer öffentlich-rechtlichen K ö r perschaft m i t Zwangsmitgliedschaft) zur Schlichtung von Berufsstreitigkeiten u n d A b u r t e i l u n g von Verstößen gegen journalistische Berufspflichten. Keiner dieser E n t w ü r f e erlangte jedoch Gesetzeskraft. Sie gingen i m Streit zwischen den Presseverbänden bzw. i n den politischen W i r r e n der Weimarer Republik unter. V o n größerer praktischer Bedeutung sind die tarifvertraglichen Vereinbarungen zwischen den Journalisten- u n d Verlegerverbänden, die i m Rahmen der Reichsarbeitsgemeinschaft zustande kamen. I m Zusammenhang m i t der inneren Pressefreiheit ist insbesondere die bis heute noch einmalige Regelung einer Kompetenzabgrenzung zwischen Verleger u n d Redakteur v o n Interesse, die i n Abschnitt 1 des Mantel-TarifVertrags vom 9.1.1926 enthalten w a r : „Die Zusammenarbeit von Verleger und Redakteur ist bedingt durch die Pflicht zur Wahrnehmung öffentlicher Interessen durch die Zeitung. Es darf daher vom Verleger auf den Redakteur kein Gewissenszwang ausgeübt werden. Dem Redakteur wird im Rahmen der mit dem Verleger vereinbarten politischen oder wirtschaftlichen oder kulturellen Richtlinien für die Redaktionsführung die geistige Bewegungsfreiheit auch bei der Gestaltung des Textteils im einzelnen gewährleistet. Der Redakteur ist verpflichtet, das Gesamtinteresse und die Überlieferung der Zeitung im Auge zu halten. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit von Verleger und Redakteur bedingt rechtzeitige gegenseitige Fühlungnahme, insbesondere in allen Zweifelsfällen. Über die Form dieser Fühlungnahme sind vertragliche Abmachungen zulässig."

Der zusammen m i t dem Manteltarifvertrag vereinbarte NormalDienstvertrag enthielt außerdem i n §§ 13, 15 eine „Gesinnungsschutzklausel" die dem Redakteur bei Verkauf sowie bei Richtungsänderung der Zeitung bzw. Mißachtung der Richtlinien durch den Verleger ein fristloses Kündigungsrecht, jedoch unter Beibehaltung des Gehaltsanspruchs bis zum A b l a u f der ordentlichen Kündigungsfrist, gab. Bei über 5jähriger Verlagszugehörigkeit hatte der Redakteur zusätzlich einen Abfindungsanspruch i n Höhe eines halben bzw. (bei über 10jähriger Zugehörigkeit) eines ganzen Jahresgehalts.

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

Obwohl die Tarifverträge nach 1945 sich i m wesentlichen an den Manteltarifvertrag von 1926 anschlossen, wurde dessen Kompetenzregelung nicht übernommen. Ob dies lediglich auf ein Versehen zurückzuführen war, wie von Seiten des deutschen Journalistenverbands behauptet w i r d 1 1 , ist letztlich unerheblich, denn jedenfalls gelang es den Journalistenverbänden i n der Folgezeit nicht, dieses Versehen zu beheben. 3. Die Entwicklung nach 1945 Die Chance einer Neuordnung des Pressewesens, die sich nach dem Zusammenbruch 1945 bot, wurde nicht wahrgenommen. Die deutsche Öffentlichkeit betrachtete die Zeit des Lizenzsystems nur als ein von den Siegermächten auferlegtes Interim, nach dessen Ablauf i m Jahre 1945 die alten Strukturverhältnisse des Weimarer Pressewesens i m großen und ganzen wiederhergestellt wurden. Die Reformbemühungen der Journalisten scheiterten an dem Widerstand der Verleger und an dem allgemeinen restaurativen Trend i n der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft. Einen vorläufig letzten Versuch zur gesetzlichen Regelung der inneren Pressefreiheit stellt der unrühmlich untergegangene Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums für ein Pressegesetz aus dem Jahre 1952 (Lüders-Entwurf) dar 1 2 . Der Entwurf sah i n §§ 13 ff. eine detaillierte Kompetenzregelung zwischen Verleger und Redakteuren vor, die den Wünschen der Journalisten weitgehend entgegenkam. Danach sollte der Verleger als gleichzeitiger Herausgeber die Verantwortung für die grundsätzliche Haltung und Zielsetzung der Zeitung tragen (§ 13), während beim Chefredakteur die Verantwortung für den Textteil der einzelnen Ausgabe liegen sollte (§15 II); jedoch hatte er sich bei Fragen, die den wirtschaftlichen Erfolg der Zeitung entscheidend beeinflussen konnten, m i t dem Verleger ins Benehmen zu setzen (§ 15 I). Die Einstellung von Redakteuren sollte nur i m Einvernehmen m i t dem Chefredakteur erfolgen (§ 16 I), während umgekehrt die Kündigung eines Redakteurs wegen seiner geistigen Haltung nur dann zulässig sein sollte, wenn diese gegen gesetzliche Pflichten oder die Grundsätze der Zeitung verstieß (§ 19 II). Die redaktionellen Richtlinien waren i n einer schriftlichen Vereinbarung m i t dem Chefredakteur niederzulegen (§14 II). Außerdem enthielt der Entwurf das Gebot der Trennung von Textund Anzeigenteil (§ 25), eine Pflicht zur Offenlegung der wirtschaftlichen Beteiligungsverhältnisse (§ 29), sowie eine Strafbestimmung der Pressenötigung (§ 51). Zur Überwachung der Einhaltung dieser Vor11 Vgl. Giessler, Über das Verhältnis von Redakteur und Verleger im Zeitungsverlag, Sonderbeilage zu H. 10/1967 des „Journalist", S. V I I . 12 Abgedruckt bei Lüders, Rundfunk- und Presserecht, S. 260 ff.

I I . Geschichte der Inneren Pressefreiheit

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Schriften war die Errichtung von Presseausschüssen m i t disziplinarähnlichen Befugnissen vorgesehen (§§ 36 ff.). Die gegenwärtigen Bestrebungen der Journalistenverbände u m eine Regelung der inneren Pressefreiheit, wie auch die entsprechenden Überlegungen auf staatlicher Seite konzentrieren sich i m wesentlichen auf eine innerbetriebliche Kompetenzabgrenzung nach dem Vorbild des Tarifvertrags von 1926 sowie die Einführung einer Fusionskontrolle zur Bekämpfung der Pressekonzentration. Außerdem ist die Wiedereinführung einer Publizitätspflicht bezüglich der Besitzverhältnisse an Zeitungsunternehmen i n der Diskussion, nachdem eine entsprechende Regelung i n den neuen Landespressegesetzen versäumt, oder genauer, bewußt unterlassen worden w a r 1 3 . Die dahingehende Reformdiskussion wurde durch den Bericht der von der Bundesregierung eingesetzten „Kommission zur Untersuchung der Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz von Presseunternehmen und der Folgen der Konzentration für die Meinungsfreiheit i n der Bundesrepublik Deutschland" 14 (Günther-Kommission) neu belebt 1 5 . I m Gegensatz zur Weimarer Zeit bestehen gegenwärtig — auch auf Seiten des Deutschen Journalisten-Verbands — keine Bestrebungen zum Erlaß eines Journalistengesetzes i. e. S. mehr. Es w i r d allenfalls daran gedacht, i m Rahmen eines umfassenden Bundespresserechtsrahmengesetzes gem. A r t . 75 Abs. 1 Z. 2 GG auch eine allgemeine Bestimmung über die Zusammenarbeit zwischen Redaktion und Verlag aufzunehmen. Die laufenden Bestrebungen des Deutschen Journalisten-Verbandes als der zahlenmäßig größten Interessenorganisation der westdeutschen Journalisten zielen primär auf den Abschluß eines „Tarifvertrags für die Abgrenzung der Kompetenzen von Verlag und Redaktion" ab. Ein dahingehender

Entwurf

des Deutschen

Journalisten-Verbands

vom

27. 10. 196916 enthält u. a. folgende Bestimmungen: §2 „(1) Die Zusammenarbeit von Verleger (Herausgeber) und Redaktion ist bestimmt durch die öffentliche Aufgabe der Presse, die Öffentlichkeit zu unterrichten und durch Stellungnahme und Kritik an der Meinungsbildung mitzuwirken. (2) Der Redakteur darf nicht veranlaßt werden, gegen seine Überzeugung zu handeln. Aus seiner Weigerung darf ihm kein Nachteil entstehen. 13 Eine Pflicht zur Offenlegung der Besitzverhältnisse enthalten heute nur noch die Pressegesetze von Bayern (§ 8 I I I ) und Hessen (§ 5). 14 BT-Drucksache V/3122 (Schlußbericht v. 3. 7.1968). 15 Vgl. auch Gutachten der Kammer für publizistische Arbeit in der E K D über „Gesellschaft und öffentliche Kommunikation in der Bundesrepublik Deutschland" vom 28.11.1968 (veröff. in epd 49/1968). 16 Veröff. in Beilage zu „Der Journalist" 4/1970.

16 Stammler

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

§3 Die grundsätzliche Haltung der Zeitung ist vom Verleger (Herausgeber) schriftlich festzulegen. Sie ist in dieser Formulierung Bestandteil des Anstellungsvertrages für alle Redakteure. § 4 (1) Der Redakteur hat in Wahrung der grundsätzlichen Haltung der Zeitung und i m Rahmen der Redaktionsordnung Freiheit bei der inhaltlichen Gestaltung des Textteils. Dabei hat er das Gesamtinteresse der Zeitung zu beachten. Redaktionsstatuten sind im Einzelfall Gegenstand der Vereinbarung zwischen Redaktion und Verlag. (2) Der Redakteur hat das Recht und die Pflicht, seine journalistische Aufgabe nach bestem Wissen und Gewissen und unbeeinflußt von privaten und sachfremden Beweggründen wahrzunehmen. § 5 (1) Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Verleger (Herausgeber) und Redaktion über die Auslegung der Richtlinien für die grundsätzliche Haltung der Zeitung müssen der Chefredakteur und der Redaktionsbeirat gehört werden. (2) Bestehen Zweifel, ob eine einzelne Veröffentlichung den Richtlinien entspricht, so hat der Chefredakteur unter Hinzuziehen des für die Veröffentlichung verantwortlichen Ressortleiters die Auslegung der Richtlinien für diesen Fall mit dem Verleger (Herausgeber) abzustimmen. (3) Absatz 2 gilt entsprechend, wenn eine Veröffentlichung unzumutbare Folgen für Verlag oder Verleger haben kann. Bei der Entscheidung hat die öffentliche Aufgabe den Vorrang.

§6 Vom Chefredakteur ist im Benehmen mit dem Redaktionsbeirat und dem Verleger (Herausgeber) eine Redaktionsordnung aufzustellen, in der die Befugnisse und Aufgaben des Chefredakteurs, der Ressortleiter und der Redakteure festzulegen sind." Der in dem Entwurf vorgesehene Redaktionsbeirat wird von der Vollversammlung der Redaktionsmitglieder gewählt. Er hat zusammen mit dem Chefredakteur die publizistischen Interessen der Redaktion gegenüber dem Verleger (Herausgeber) wahrzunehmen. Die Zuständigkeiten des Betriebsrats bleiben davon unberührt. Neben den in den zitierten Bestimmungen enthaltenen Rechten soll der Redaktionsbeirat einen Anspruch auf Unterrichtung und Anhörung bei geplanten Änderungen, die die Redaktionsarbeit berühren, haben, insbesondere bei Änderung der Richtlinien für die grundsätzliche Haltung der Zeitung, bei Änderung der Unternehmensform, der Besitz- und Beteiligungsverhältnisse sowie bei geplanter redaktioneller Kooperation mit anderen Verlagen, bei der Festsetzung des Redaktionsetats und schließlich bei Änderung der Redaktionsleitung (§§ 7, 8). Personelle Veränderungen in der Redaktion macht der Entwurf von der Zustimmung des Chefredakteurs nach Anhörung des zuständigen Ressortleiters abhängig (§ 9).

Die I G Druck und Papier, unter deren Dach allerdings nur ein kleinerer Teil der Journalisten i n der Deutschen Journalisten-Union gewerkschaftlich organisiert ist, legte i m Oktober 1968 einen Entwurf zu einem „Bundespresserahmengesetz für Zeitungen und Zeitschriften" vor. Wich-

I I . Geschichte der Inneren Pressefreiheit

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tigster Gegenstand dieses Gesetzentwurfs sind die Fragen der Pressekonzentration und der inneren Pressefreiheit. Der Entwurf geht zwar von einem Bekenntnis zur Freiheit der gewerblichen Pressetätigkeit aus, das jedoch unter folgender Einschränkung steht: „Die unumschränkte Verfügung über Unternehmen des Pressegewerbes endet . . . dort, wo die Vielfalt der Presse gefährdet wird und die öffentliche Aufgabe der Presse Maßnahmen zum Schutz der Pressefreiheit i m Sinne des Art. 5 I GG verlangt" (§ 2 I).

Der Entwurf steht somit auf dem Boden der traditionellen Vielfaltsthese des BVerfG, wonach Pressefreiheit eine „Fülle . . . vom Staat unabhängiger Zeitungen und Zeitschriften" voraussetzt. I n Verfolgung dieses Ziels schließt sich der E n t w u r f dem Vorschlag der Günther-Kommission zur Marktanteilsbegrenzung an (§ 2 II), schlägt außerdem als Gegengewicht gegen die Tendenz zur Bildung von lokalen Pressemonopolen die Subventionierung von Konkurrenzunternehmen bzw. Neugründungen aus öffentlichen M i t t e l n vor (§ 2 IV) und w i l l i m übrigen ein generelles Genehmigungsverfahren für Zusammenschlüsse von Presseunternehmung einführen (§ 2 V), wobei die Genehmigung jedoch nur dann versagt werden darf, wenn ausreichende staatliche Hilfsmaßnahmen angeboten werden (§ 2 VI). Zur Durchführung dieser Aufgaben sollen i n den einzelnen Bundesländern Pressekommissionen aus Vertretern der Landtagsfraktionen und der Interessenorganisationen der Presse gebildet werden (§ 2 III). Der Vorschlag des Entwurfs zur innerbetrieblichen Pressefreiheit besteht i n einer Kompetenzabgrenzung zwischen Verlag und Redaktion (§ 3). Danach sind „Träger der öffentlichen Aufgabe der Presse die Redaktionen. Verleger oder von Kapitaleignern beauftragte Herausgeber sind nicht berechtigt, in die laufende Gestaltung der Presseerzeugnisse durch die Redaktionen einzugreifen, Weisungen über Art, Inhalt und Umfang von Veröffentlichungen zu erteilen oder in anderer Weise die redaktionelle Tätigkeit auf Grund wirtschaftlicher Besitzverhältnisse zu beeinflussen."

Die Berufung des Chefredakteurs und der verantwortlichen Redakteure soll nur i n Übereinstimmung m i t der Redaktion möglich sein (§ 3 II). Die Einwirkungsmöglichkeit des Verlegers auf die redaktionelle Gestaltung der Zeitung beschränkt der Entwurf i m Ergebnis auf die schriftliche Festlegungen der „grundsätzlichen publizistischen und politischen Tendenzen" des Presseerzeugnisses (§ 3 III). I n Übereinstimmung m i t der Günther-Kommission sieht somit auch die I G Druck und Papier die Lösung der gegenwärtigen Presseprobleme i n einer Entflechtung von Pressekonzernen, und zwar sowohl i n wirtschaftlicher Hinsicht, als auch innerhalb des einzelnen Unternehmens zwischen Redaktion und Verlag. A m bisherigen äußeren B i l d und der wirtschaftlichen Struktur der Presse selbst w i l l er dagegen nichts ändern, sieht man von dem Vorschlag i n § 3 I V ab, bei der Subventionierung von 16»

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

Neugründungen lokaler Konkurrenzblätter die Verlagsformen der Stiftung und Genossenschaft zu bevorzugen. Von all diesen Reformvorschlägen wurde bisher noch keiner verwirklicht. Die Verlegerverbände widersetzten sich bisher sogar den Vorschlägen des Deutschen Journalisten-Verbands zur innerbetrieblichen Kompetenzabgrenzung, deren Inhalt i n etwa der Regelung des Manteltarifvertrags von 1926 entspricht. Das einzige Entgegenkommen, zu dem sich die Verleger bisher bereiterklärt haben, ist eine „Gesinnungsschutzklausel" i m Manteltarifvertrag für Redakteure an Tageszeitungen 17 f die allerdings i n ihrer Schutzwirkung für die Journalisten immer noch hinter der entsprechenden Regelung i n §§ 13, 15 des Normaldienstvertrags von 1926 zurückbleibt. Danach ist der Redakteur berechtigt, bei Änderung der Grundhaltung der Zeitung (§ 13) bzw. bei Veräußerung des Unternehmens (§ 14) seine Tätigkeit einzustellen, ohne dadurch den Anspruch auf Zahlung seiner vertraglichen Bezüge bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zu verlieren. Die Richtlinien für die grundsätzliche Haltung der Zeitung sind i m Anstellungsvertrag des Redakteurs schriftlich niederzulegen (§ 2 Z . 2 b). E r s t seit d e m „Tarifvertrag Härten bei Maßnahmen von Kooperation

über die Abwendung sozialer und Konzentration von Tages-

zeitungen" vom 10. 9. 1968 steht Redakteuren, denen aufgrund solcher Maßnahmen gekündigt wurde, nunmehr auch (wie bereits 1926) ein Anspruch auf Zahlung einer Ubergangsbeihilfe zu, deren Höhe allerdings immer noch weit unter den Vereinbarungen von 1926 liegt. Eine weitere Einrichtung, die die soziale Sicherung der Redakteure betrifft und damit auch ihre innere Unabhängigkeit gegenüber dem Verleger i n gewissem Umfang stärken kann, ist das „Versorgungswerk der Presse GmbH", eine obligatorische Altersversicherung für festangestellte Redakteure. Schließlich ist i m Zusammenhang m i t der inneren Pressefreiheit noch auf eine Vereinbarung zwischen dem Deutschen Journalisten-Verb and und dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger über die Bekämpfung des Geschenkunwesens hinzuweisen 18 . Durch diese Maßnahmen, die — abgesehen von dem neu hinzugekommenen Gehaltstarif — i n etwa den Vereinbarungen von 1926 entsprechen, wurden zwar die gravierendsten sozialen Härten für Redakteure beseitigt und damit auch ein wesentlicher Abhängigkeitsfaktor des Redakteurs gegenüber dem Verleger gemildert. Sie stellen jedoch keines17 Zuletzt M T V für Redakteure an Tageszeitungen vom 10. 9.1968 zwischen BDZV, DJV, I G Druck und Papier (dju) und DAG. 18 Abgedr. in „Die Deutsche Tagespresse" (herausgegeben vom BDZV) 1963/ 64, S. 73.

I I I . Innere Pressefreiheit in der Rechtsprechung

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falls einen Ersatz für eine umfassende Regelung der inneren Pressefreiheit, insbesondere auch einer Kompetenzabgrenzung i m Sinne des Manteltarifvertrags von 1926 dar.

I I I . Innere Pressefreiheit i n der Rechtsprechung 1. Rechtsprechung zum Verhältnis Verleger — Redakteur Ein Blick auf die Rechtsprechung zeigt wohl am deutlichsten, daß die innere Pressefreiheit bisher fast ausschließlich ein Problem der Pressereformdiskussion, aber noch keine Frage der Rechtspraxis ist. Es gibt lediglich eine Entscheidung des Reichsgerichts vom 27. 10. 19251, die sich i n extenso m i t der Frage der inneren Pressefreiheit unter dem Aspekt der Verleger-Redakteur-Beziehung zu befassen hatte. Der Rechtsstreit ging dabei u m die Klage eines Chefredakteurs (Hauptschriftleiter) gegen die Einsetzung eines Stellvertreters von anderer politischer Couleur durch den Verleger. A n Hand dieses Falles entwickelte das RG allgemeine Grundsätze über die Stellung des Chefredakteurs gegenüber dem Verleger, die wegen ihrer symptomatischen Bedeutung für die i n der Weimarer Zeit und wohl bis heute herrschende Meinung i m folgenden ausführlich dargestellt werden sollen. Das RG betrachtete den Fall — i n Übereinstimmung m i t seiner Rechtsprechung zur Wahrnehmung berechtigter Interessen durch die Presse — allein unter zivilistischen, nicht unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten. Die Rechtsbeziehungen zwischen Verleger und Redakteur beurteilte das Gericht demgemäß ausschließlich nach Dienstvertragsrecht, innerhalb dessen die besonderen Eigenarten des Falles lediglich unter dem Aspekt von Treu und Glauben Berücksichtigung finden konnten. Von diesen Voraussetzungen ausgehend stellt das RG fest, daß ein Zeitungsunternehmern nicht nur rein wirtschaftliche Zwecke verfolge, sondern „auch den politischen Interessen des Leserkreises dienen und dessen geistigen Bedürfnissen nach verschiedenen Richtungen h i n gerecht werden" solle und fährt fort: „Zur Erfüllung dieser Aufgabe, deren Bewältigung dem Verleger — zumindest allein — in der Regel nicht möglich ist, beruft er als seine Gehilfen Schriftleiter, an deren Spitze bei großen Zeitungen ein Hauptschriftleiter zu stehen pflegt. Für den Inhalt der Zeitung ist dieser — ganz abgesehen von seiner strafrechtlichen Verantwortung — dem Verleger vertraglich und den Zeitungsbeziehern moralisch verantwortlich. Die wirtschaftliche Gefahr des Unternehmers trägt aber der Verleger allein, und daher (!) liegt es letzten Endes ihm ob, den notwendigen Zusammenhang zwischen den wirtschaftlichen und den idealen Aufgaben des Unternehmens, zwischen seinen materiellen Interessen und den geistigen Interessen der Leser aufrechtzuerhalten. 1

JW 1926, S. 368.

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

Er ist der Herr des Unternehmens und hat die Richtlinien zu bestimmen, innerhalb welcher der Hauptschriftleiter den Inhalt der Zeitung zu gestalten und ihrem Charakter Rechnung zu tragen hat 2 ."

Trotz seiner dominierenden Position werde der Verleger dem Hauptschriftleiter allerdings schon aus Gründen der gedeihlichen Entwicklung des Unternehmens „ i n reichem Maße Bewegungsfreiheit einräumen und auch bei der Wahl der Mitarbeiter auf seine Wünsche Rücksicht nehmen". Daraus leite sich jedoch kein Rechtsanspruch für den Hauptschriftleiter ab, denn dem Verleger könne es nicht grundsätzlich versagt sein, „dem Hauptschriftleiter wider dessen Willen einen Mitarbeiter oder gar einen Stellvertreter an die Seite zu setzen". Schranke der Verlegerfreiheit seien allerdings die von i h m selbst aufgestellten Grundsätze der Zeitung. Der Hauptschriftleiter brauche sich daher „die A n stellung eines Stellvertreters d a n n . . . nicht gefallen zu lassen, wenn dessen Mitarbeiterschaft nach allgemeinen Erfahrungssätzen oder den besonderen Umständen des Falles m i t der bisher verfolgten politischen, künstlerischen oder literarischen Richtung der Zeitung unvereinbar und wenn ihm, dem Hauptschriftleiter, als einem charaktervollen Manne deshalb oder aus anderen wichtigen Gründen ein Zusammenarbeiten m i t dem neuen Schriftleitungsmitgliede bei verständiger Würdigung der Sachlage nach Treu und Glauben nicht zuzumuten ist". Auch bei der Einstellung eines Redakteurs müsse letztlich der Wille des Verlegers den Ausschlag geben. N u r wenn dessen Entscheidung „dem Geist des m i t dem Hauptschriftleiter getätigten Vertrags offenbar zuwiderläuft und i h m die Erfüllung seiner Vertragspflichten ungebührlich erschwert oder gar unmöglich macht, hat dieser Anlaß zur Kündigung". Aber nur, wenn dem Verleger auch ein Verschulden nachzuweisen sei, könne dem Hauptschriftleiter darüber hinaus auch ein Schadensersatzanspruch nach § 628 I I BGB zustehen. Urteile der obersten Bundesgerichte, die sich ausdrücklich m i t der Verleger-Redakteur-Beziehung befassen, konnte der Verfasser nicht ausfindig machen. Lediglich einer Entscheidung des B G H v. 21. 2.19683, bei der es u m die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der Werbung m i t dem Slogan „größte unabhängige X-Fachzeitschrift" ging, sind einige grundsätzliche Ausführungen zur Frage der „Unabhängigkeit" einer Zeitung zu entnehmen. Das Berufungsgericht (OLG Hamm), dessen diesbezügliche Ausführungen sich der B G H zu eigen macht, stellt dazu fest, „der Begriff der Unabhängigkeit eines Presseorgans bedeute nicht, daß dieses überhaupt keine »Richtung* haben und vom Herausgeber oder Verleger überhaupt nicht beeinflußt werden dürfe. Denn bei jedem Presseorgan übe der Verleger oder der Herausgeber ein gewisses Bestimmungsrecht mindestens auf die Auswahl des Redaktionsstabs, auf den Stil, auf das Niveau des 2 8

Hervorhebungen vom Verfasser. NJW 1968, S. 1088.

I I I . Innere Pressefreiheit in der Rechtsprechung

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Blattes aus. Aus Rechtsgründen treffe den Verleger oder auch den Herausgeber eine Kontrollpflicht . . . Diese selbstverständlichen rechtlichen Bindungen eines Presseorgans an einen Verlag oder einen Herausgeber seien vielmehr wegen ihrer rein ,fach journalistischen* Natur aus der Sicht, wie das Durchschnittspublikum den Begriff der Unabhängigkeit verstehe, für die Unabhängigkeit eines Blattes . . . unschädlich. Der von der Tagespresse angesprochene Leserkreis verstehe die Unabhängigkeit einer Tageszeitung als Freiheit von bestimmten Bindungen an eine Partei, an eine weltanschauliche oder konfessionelle Gruppe oder auch an einen wirtschaftlichen oder berufsständischen Interessenverband".

Die Ausführungen des Gerichts sind allerdings zu kursorisch und außerdem unter einer anderen Fragestellung ergangen, als daß darin eine grundsätzliche Stellungnahme zur Frage der inneren Pressefreiheit — i n negativem Sinne — erblickt werden könnte 4 . Dagegen hat eine i n einem ganz anderen Zusammenhang, nämlich zur Frage des „Organisationsverschuldens" bei § 823 BGB, entwickelte Rechtsprechung wenn zwar keinen direkten Bezug, so doch sehr bedeutsame mittelbare Auswirkungen auf die internen Pressebeziehungen zwischen Verleger und Redakteur 5 . Bereits das RG hatte aus dem schadensersatzrechtlichen Grundsatz, wonach „der Eigentümer dafür zu sorgen (hat), daß unter billiger Rücksichtnahme auf die Belange anderer nach Maßgabe der i m Verkehr erforderlichen Sorgfalt die i h m gehörigen Sachen nicht andere Personen i n Gefahr bringen" auch eine „allgemeine Gefahrabwendungspflicht" 6 für den Verleger von Tageszeitungen statuiert 7 . Der Verleger sollte danach verpflichtet sein, „seine Schriftleiter sorgfältig auszuwählen und sie m i t Weisungen zu versehen, welche die Verbreitung unrichtiger Meldungen i n seiner Zeitung i m Rahmen des Möglichen hintanzuhalten geeignet sind, überhaupt alle Einrichtungen zu treffen, welche zur Erreichung dieses Ziels erforderlich sind". Der B G H gab zwar die Anknüpfung an die allgemeine Verkehrssicherungspflicht für gefährliche Sachen auf 8 , baute jedoch i m übrigen die Rechtsprechung des RG zu einer allgemeinen Aufsichts- und Kontrollpflicht des Verlegers bezüglich des Inhalts seiner Presseerzeugnisse aus. Nach dieser Rechtsprechung ist der Verleger verpflichtet, durch Weisungen an die Redakteure seines Unternehmens oder durch geeig4

So aber Reinowski, Innere Pressefreiheit, S. 19. Vgl. zum folgenden Kubier, Der Referentenentwurf für ein neues Schadensersatzrecht und die zivilrechtliche Haftung der Presse, JZ 1968, 542 ff., sowie Neumann-Duesberg, Die verlegerischen GefahrabWendungspflichten, NJW 1966, 624 ff. 6 Neumann-Duesberg, a.a.O., S. 624. 7 RGZ 148, 154 (161). 8 Vgl. Constanze II — Urteil NJW 1954, 1682 (1684); neuerdings wurde die erwähnte Entscheidung des R G wieder ohne Vorbehalt zitiert in B G H NJW 1963, 902. 5

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

nete organisatorische Maßnahmen dafür zu sorgen, daß i n der Zeitung unberechtigte Eingriffe i n fremde Hechtssphären vermieden werden. Insbesondere hat derjenige, der sich m i t „heißen Eisen" 9 oder „Sensationsberichten" 1 0 befaßt, einen verfassungsmäßig berufenen Vertreter m i t der ständigen Überprüfung derartiger Veröffentlichungen zu betrauen 1 1 . Die K r i t i k Mallmanns an der 1959 geplanten Verschärfung des Schadensersatzrechts durch die sogenannte „Ehrenschutznovelle" 12 t r i f f t auch auf die bereits zum geltenden Recht ergangene Rechtsprechung zu. Sie ist i n ihrer Konsequenz geeignet, innerhalb der Pressebetriebe die Stellung des Verlegers als finanziellem Träger des Unternehmens gegenüber dem Redakteur noch weiter zu verstärken 1 3 . Sie gibt dem Verleger die Möglichkeit, unter Berufung auf seine verlegerische „Gefahrabwendungspflicht" ständigen Einfluß auf die redaktionelle Gestaltung seiner Presseerzeugnisse auch i n Einzelfragen zu nehmen und sanktioniert dieses dem Gedanken der inneren Pressefreiheit gerade zuwiderlaufende Ergebnis noch m i t dem Mantel der Erfüllung einer Rechtspflicht. 2. Rechtsprechung zu allgemeinen Strukturfragen des Pressewesens Neben diesen die betriebsinterne Struktur der Presseunternehmen berührenden Entscheidungen gibt es einige höchstrichterliche Urteile, die sich m i t dem „äußeren Ring" der inneren Presseunternehmen untereinander und Einwirkungen von Inserenten auf die redaktionelle Gestaltung der Zeitung zu befassen haben. Insbesondere ist dabei das „Zonenbericht 11 - U r t e i l vom 14. 4.1965 14 von Interesse, i n dem der B G H unter anderem auch die Frage zu prüfen hatte, ob sich ein Zeitungsunternehmen durch eine m i t den Interessen des Inserenten kollidierenden Berichterstattung diesem gegenüber aus dem Inseratevertrag haftbar macht. Der B G H schließt sich der Ansicht des Berufungsgerichts an, „daß es regelmäßig nicht Gegenstand eines Inseratevertrages sei, die zulässige Berichterstattung einer Zeitschrift zu beschneiden" 15 . Darüber hinaus aber würden ganz generell „Anzei9

B G H NJW 1963, 902. B G H NJW 1965, 685. 11 Vgl. Kubier JZ 1968, S, 543; im Gretna Green-Fall (JZ 1965, 411) hat der B G H sogar die Überprüfung aller in der BILD-Zeitung erscheinenden Beiträge für notwendig erachtet; vgl. dazu i. ü. R G JW 1935, 2482; B G H NJW 1957, 1149; 1963, 904; 1965, 1374; 1966, 1857; JZ 1967, 94; B G H Z 24, 200; 39, 124. 12 BR-Drucksache 217/59. 13 Mallmann, Pressefreiheit und Journalistenrecht, Publizistik 1959, 325 f.; in die gleiche Richtung zielt auch die Kritik von Kubler (JZ 1968, 544) und von Scholler (Person und Öffentlichkeit, S. 131 ff.). 14 B G H L M Nr. 18 zu Art. 5 GG = BB 1965, 723 f. 15 And. noch ein Urteil des O L G Düsseldorf von 1926 (vgl. Z V 1926, Sp. 10

I I I . Innere Pressefreiheit in der Rechtsprechung

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genaufträge einem Presseverlag i m Grundsatz keine über die gesetzlichen Schranken der Pressefreiheit hinausgehenden rechtlichen Bindungen hinsichtlich der Berichterstattung i m redaktionellen Teil auferlegen. Denn auch etwaige Nebenpflichten, die der Presseverlag nach Treu und Glauben auf Grund der Anzeigenverträge zu erfüllen haben könnte, wären durch die öffentliche Aufgabe der Presse begrenzt, die Bevölkerung über Angelegenheiten von allgemeinem Interesse zu unterrichten und an der Meinungsbildung hierüber mitzuwirken" 1 6 . I n diesem Zusammenhang ist auch auf eine Entscheidung des OLG Celle 1 7 hinzuweisen, i n der die vor allem i n der Vorkriegszeit weitverbreitete Unsitte der Verbindung von redaktionellem Teil und Werbung („Reklame") als Verstoß gegen die guten Wettbewerbssitten verurteilt wird. Diese Auffassung hat nunmehr i n § 10 der neuen Landespressegesetze eine gesetzliche Verankerung erhalten. Ein praktischer Fall der Pression eines Anzeigekunden auf ein Zeitungsunternehmen wegen dessen redaktioneller Haltung lag dem Urteil des B G H vom 17. 5. i960 1 8 zugrunde: Ein Stuttgarter Filmtheaterunternehmen hatte einen Anzeigendauerauftrag bei der „Stuttgarter Zeitung" gekündigt, weil diese den Abdruck eines Filminserats des Unternehmens aus Gründen des Jugendschutzes abgelehnt und außerdem eine negative Besprechung des betreffenden Films veröffentlicht hatte. Diesen Vorfall nahm ein Filmjournalist zum Anlaß für eine Polemik gegen die Praktiken des Filmtheaterunternehmens. Der B G H hatte sich nun zwar nicht m i t dem Anzeigenboykott selbst, sondern lediglich m i t einer Klage des Filmtheaterunternehmens auf Widerruf der angeblich ehrverletzenden Behauptungen i n dem A r t i k e l zu befassen. Der B G H stellt jedoch in den Entscheidungsgründen fest, daß die publizistische Verantwortung auch den Inserateteil umfasse 19 , daß deshalb die Ablehnung des Inserats berechtigt gewesen sei und es sich folglich seitens des Filmtheaterunternehmens u m einen rechtswidrigen Boykott gehandelt habe. 1033), in dem die Zahlungsklage eines Zeitungsunternehmens gegen einen Inserenten mit der Begründung abgewiesen wird, ein im redaktionellen Teil erschienener Artikel habe den Vertragszweck verletzt; dagegen hat das R G in einer Entscheidung aus demselben Jahr dem beklagten Inserenten ein Rücktrittsrecht vom Inseratevertrag ausdrücklich nur deshalb zugebilligt, weil die Zeitung an dem Unternehmen des Inserenten Kritik „in einer jedes zulässige Maß übersteigenden Weise ausübte" (ZV 1926, Sp. 1397; beide Urteile zit. nach Berger, Preßbestechung und Preßnötigung, S. 86 ff.). 18 Dagegen Klein, D Ö V 1965, S. 755 ff. 17 GRUR 1959, S. 191. 18 AfPR 37/1960, S. 137. 19 Dieselbe Ansicht vertritt im Ergebnis das BVerfG, wenn es feststellt, daß die Anzeige eine Nachricht sei und daher von der Pressefreiheit mit umfaßt werde (BVerfGE 21, 271 ff.).

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

Eine auffallend andere Haltung nahm der B G H dagegen i m „Blinkfüer"-Fall 20 ein. Dabei ging es u m ein Rundschreiben, das der SpringerKonzern nach dem Berliner Mauerbau an sämtliche Zeitschriftenhändler i n Hamburg gerichtet hatte, i n dem er sie aufforderte, Publikationen, die w e i t e r h i n die Programme der ostzonalen Sender abdrucken würden, nicht mehr zu vertreiben; Händlern, die dieser Aufforderung nicht Folge leisten würden, drohte er m i t einer „Überprüfung der Geschäftsbeziehungen". Der B G H wies die Klage eines der betroffenen Verlage m i t der Begründung ab, der Springer-Verlag habe lediglich das i h m zustehende Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen. Er ignorierte dabei v ö l l i g den massiven wirtschaftlichen Druck, der zur Durchsetzung dieser Meinung von Springer angewendet w u r d e 2 1 . Der B G H b i l l i g t damit, daß Zeitungsunternehmen zur Verbreitung u n d Durchsetzung ihrer Ansichten nicht n u r ihre publizistischen M i t t e l , sondern auch ihre wirtschaftliche Machtstellung auf dem Pressemarkt einsetzen dürfen. D i e „Blinkfüer"-Entscheidung des B G H wurde jüngst vom B V e r f G aufgehoben 22 . Das B V e r f G stellt fest, daß die Grundrechte der Meinungsu n d Pressefreiheit lediglich geistige Schutzrechte seien und demzufolge ein Boykottaufruf durch A r t . 5 I G G dann nicht geschützt sei, „ w e n n er nicht n u r auf geistige Argumente gestützt w i r d , sich also auf die Überzeugungskraft von Darlegungen, Erklärungen u n d Erwägungen beschränkt, sondern darüber hinaus sich solcher M i t t e l bedient, die den Angesprochenen die Möglichkeit nehmen, ihre Entscheidung i n voller innerer Freiheit u n d ohne wirtschaftlichen Druck zu treffen 2 3 . Das Gericht k o m m t zum Ergebnis, daß die Pressefreiheit auch gegenüber Beeinträchtigungen von privater Seite — wenn auch n u r m i t den M i t t e l n des Zivilrechts (hier über § 823 I BGB) — zu schützen sei. Wörtlich stellt es fest: „Zum Schutz des Instituts der freien Presse muß aber die Unabhängigkeit von Presseorganen gegenüber Eingriffen wirtschaftlicher Machtgruppen mit unangemessenen Mitteln auf Gestaltung und Verbreitung von Presseerzeugnissen gesichert werden. Das Ziel der Pressefreiheit, die Bildung einer freien öffentlichen Meinung zu erleichtern und zu gewährleisten, erfordert deshalb den Schutz der Presse gegenüber Versuchen, den Wettbewerb der Meinungen durch wirtschaftliche Druckmittel auszuschalten24."

Das B V e r f G hat damit zwar i n einem besonders krassen F a l l der Ausnutzung einer wirtschaftlichen Machtstellung zur Bekämpfung 20

BGH NJW 1964, S. 29. Hierin liegt der Unterschied zum Fall Lüth (BVerfGE 7, 198 ff.); vgl. dazu die Kritik bei A. Arndt NJW 1964, S. 23; Biedenkopf, Zum politischen Boykott, JZ 1965, S. 553 ff.; Kühler, Wirtschaftsordnung und Meinungsfreiheit, S. 8 ff. 22 JZ 1969, S. 466 ff. = E 25, 256 ff. 23 JZ 1969, S. 467. 24 Ebd., S. 468. 21

IV. Innere Pressefreiheit in der Literatur

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anderer Meinungen der geistigen Freiheit zum Sieg verholfen. Es ist jedoch sehr zu bezweifeln, ob die Abgrenzung des BVerfG zwischen erlaubtem geistigen Wettkampf und verbotenem Einsatz wirtschaftlicher Machtmittel tatsächlich eine brauchbare Lösung für den Wettbewerb von Presseorganen darstellt. Das Charakteristikum eines privatwirtschaftlichen Pressewesens besteht eben gerade i n dieser unlösbaren Verbindung wirtschaftlicher und geistiger Elemente. Solange die Information durch ökonomische „Vehikel" befördert und damit selbst zur Ware wird, läßt sich ein absoluter Trennungsstrich zwischen geistigen und wirtschaftlichem Machtkampf nicht ziehen. Jedes Konkurrenzverhältnis zwischen Zeitungsunternehmen enthält zugleich eine geistige und wirtschaftliche Seite m i t der Folge, daß ein rein wirtschaftlich geführter und motivierter Machtkampf notwendigerweise zur Unterdrückung einer bestimmten Meinung führen kann und umgekehrt. Nur i n den wenigsten Fällen w i r d eine bewußte Verbindung wirtschaftlicher Machtmittel zur Durchsetzung ideeller Ziele so offensichtlich sein wie i m Fall „Blinkfüer". Immerhin ist als Ergebnis dieses Urteils festzuhalten, daß wenigstens i n derartig krassen Fällen A r t . 5 1 2 GG i m Wege mittelbarer D r i t t w i r k u n g zum Schutz der inneren Pressefreiheit angewendet werden kann.

I V . Innere Pressefreiheit i n der Literatur 1. Weimarer Zeit Seit 1924, als der Begriff der inneren Pressefreiheit erstmals i n den Beratungen zum Referentenentwurf eines Journalistengesetzes auftauchte 1 , ist zwar i n zahlreichen Veröffentlichungen, Gesetzentwürfen und Diskussionen davon die Rede; darüber, was innere Pressefreiheit ihrem Inhalt nach bedeutet und wie sie juristisch zu qualifizieren ist, besteht aber — soweit sie nicht überhaupt nur als Schlagwort benutzt w i r d — immer noch weitgehende Unklarheit. Während der Weimarer Zeit blieb die innere Pressefreiheit noch i m wesentlichen eine Forderung der Journalisten. Trotz der Drittwirkungsvorschrift des A r t . 118 I, 2 W V wurde die Problematik der inneren Pressefreiheit i n der verfassungsrechtlichen Literatur dieser Jahre kaum zur Kenntnis genommen. Maßgebend für das Verständnis der inneren Pressefreiheit während der damaligen Zeit dürfte die Definition Häntzschels i n den „Motiven der Reichsregierung zum Referentenentw u r f eines Journalistengesetzes" sein: „Als innere Pressefreiheit kann 1

Vgl. Angaben bei Maurer , Zur inneren Freiheit der Presse, S. 25.

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

die Unabhängigkeit der Presse von gemeinschädlichen Einflüssen privater Natur bezeichnet werden 2 ." Nach Häntzschels Definition, die noch reichlich unscharf ist, geht es bei der inneren Pressefreiheit also vorwiegend um die Abwehr sachfremder Einwirkungen auf die inhaltliche Gestaltung der Zeitung aus dem gesellschaftlichen Bereich, und zwar insbesondere über den A n zeigenteil. Der Reformdiskussion, ganz deutlich auch den Gesetzentwürfen selbst, ist jedoch zu entnehmen, daß es den Reformern nicht nur um das Fernhalten sachfremder äußerer Einflüsse, sondern auch um eine freiheitliche Struktur des Pressewesens selbst ging. Gegenstand der geplanten gesetzlichen Regelungen waren daher nicht nur Strafbestimmungen über Pressebestechung und Pressenötigung 3 und die Errichtung von Ehrengerichten, die über die Einhaltung der journalistischen Berufspflichten zu wachen hatten, sondern auch eine Kompetenzabgrenzung zwischen Redaktion und Verlag sowie Schutzbestimmungen für die Unabhängigkeit der Journalisten. Dieser Regelung dürfte zwar auch die Vorstellung zugrunde gelegen haben, daß äußere Einwirkungen meist über den Verleger i n die Zeitung hereingetragen werden und eine rechtliche Sicherung der Unabhängigkeit des Redakteurs gegenüber dem Verleger daher auch der Abwehr solcher Einwirkungen dient. Die Gesamttendenz der damaligen Reformdiskussion läßt jedoch keinen Zweifel daran, daß es bei der geplanten Reform tatsächlich um mehr als nur u m die Abwehr „gemeinschädlicher Einflüsse", nämlich u m die freiheitliche Struktur der Presse selbst ging, als deren Zentralproblem die Stellung des Redakteurs gegenüber dem Verleger angesehen wurde 4 . Uber die verfassungsrechtliche Einordnung der inneren Pressefreiheit machten sich die Befürworter kaum Gedanken. Sofern die innere Pressefreiheit nicht lediglich als rechtspolitische Forderung gedacht war, glaubte man, sie m i t dem herkömmlichen zivil- und strafrechtlichen Instrumentarium sichern zu können 5 . Die rechtspolitischen Forderungen 2 Zit. nach Berger, Preßbestechung und Preßnötigung, S. 73; an anderer Stelle (Das deutsche Preßrecht, S. 28) schreibt Häntzschel, bei der Frage der inneren Freiheit der Presse gehe es um „die innere Unabhängigkeit und Reinheit ihres redaktionellen Teils gegenüber privatwirtschaftlichen Einflüssen". 3 Vgl. dazu die gleichnamige Dissertation von Berger. 4 Vgl. die Angaben bei Groth, Zeitung Bd. 4, S. 29 ff.; zur Frage der Stellung des Journalisten gegenüber dem Verleger vgl. insbes. die Dissertation von Max Wolff, Rechtliche Garantien für die Unabhängigkeit des Redakteurs. 5 Vgl. Häntzschel, der in seinem Aufsatz über die „Innere Freiheit der Presse" (Deutsche Presse 33/1926, S. 2 ff.) die Ansicht vertritt, die innere Pressefreiheit könne im wesentlichen durch eine die öffentliche Aufgabe der Presse berücksichtigende Gesetzesinterpretation sowie durch neu zu schaffende Straftatbestände für Pressedelikte gesichert werden.

IV. Innere Pressefreiheit in der Literatur

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zielten darauf ab, die rechtlichen und strukturellen Voraussetzungen für die Erfüllung der „öffentlichen Aufgabe" der Presse zu schaffen. Die A r gumentation ging also von der öffentlichen Aufgabe zur inneren Pressefreiheit, wobei die öffentliche Aufgabe aus der Funktion der Presse i m modernen demokratischen Staatswesen abgeleitet wurde. Die Bestimmung des A r t . 118 Abs. 1, S. 2 WV, wonach eine arbeitsvertragliche Behinderung oder Benachteiligung bei der Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung unzulässig war, wurde i n ihrer Bedeutung für die innere Pressefreiheit kaum erkannt bzw. unter Hinweis auf angebliche praktische Schwierigkeiten ausgehöhlt 6 . Einer der ganz wenigen, die die Bedeutung des A r t . 1181, 2 erkannten war Häntzschel, der darin ein Bollwerk gegen die Bedrohung der Meinungs- und Pressefreiheit durch wirtschaftliche Mächte sah 7 . I n der Frage der Kompetenzbegrenzung zwischen Verleger und Redakteur wurde als Argument für die Unabhängigkeit des Redakteurs die Einrichtung des „verantworlichen Redakteurs" i m Reichspressegesetz herangezogen. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Redakteurs für den Zeitungsinhalt wurde als Ausdruck dessen angesehen, daß der Pressegesetzgeber selbst von der vollen Verantwortung des Redakteurs, und nicht des Verlegers, für den Inhalt der Zeitung ausgegangen sei. Der strafrechtlichen Verantwortung müsse dann aber auch die Aufgabenverteilung innerhalb des einzelnen Zeitungsunternehmens zwischen Verleger und Redakteur entsprechen 8 . 2. Heutiger Stand der Diskussion Unverhältnismäßig größere Beachtung als i n der Weimarer Zeit hat die Problematik der inneren Pressefreiheit unter dem Grundgesetz gefunden. Ursächlich dafür ist insbesondere die immer bedrohlicher werdende Konzentrationsbewegung i m Pressewesen, die seit einigen Jahren die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zieht und eine Flut von Veröffentlichungen, Gutachten und auch parlamentarischen Debatten auslöste. Über diesen aktuellen Problemen w i r d jedoch meist übersehen, daß die Frage der inneren Pressefreiheit erheblich älter ist und bereits 6 So z.B. Hellwig (Art. 118, in: Grundrechte und Grundpflichten, S. 67 ff.), der die Kündigung eines Arbeitnehmers wegen bestimmter Meinungsäußerungen auch in einem tendenzfreien Betrieb für zulässig hielt mit der Begründung, eine Umgehung des Verbots sei in der Praxis sowieso nicht zu vermeiden. 7 Das Recht der freien Meinungsäußerung, in: Handbuch des deutschen Staatsrechts Bd. 2, S. 652. 8 So schon Posse, Wesen und Aufgabe der Presse, S. 44; ebenso M. Wolff, a.a.O., S. 19; vgl. für die heutige Lit. Frankenfeld, Der Journalist 8/1966, S. 8.

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

den Grundgesetzgeber selbst beschäftigt hat 9 . Konkret ging es bei den Beratungen des Parlamentarischen Rats freilich nicht u m die innere Pressefreiheit i m allgemeinen oder die künftige Gesamtstruktur der Presse (denn bei Aufhebung des Lizenzzwangs wurde die Rückkehr zur Weimarer Pressestruktur als selbstverständlich angesehen), sondern mehr u m Fragen des Mißbrauchs der Pressefreiheit durch „hinter den Veröffentlichungen verborgene anonyme Kräfte" bzw. u m monopolistische Tendenzen. Bis zur 4. Lesung i m Hauptausschuß war die Schrankenbestimmung des Abs. 2 des A r t . 5 durch zwei Sätze ergänzt, i n denen für die Fälle eines Mißbrauchs eine besondere Pressegesetzgebung vorgesehen und Richtlinien dafür aufgestellt waren; diese fielen dann jedoch der allgemeinen Kürzungstendenz zum Opfer. Keinesfalls stand hinter dieser Streichung die Absicht, damit auch einer entsprechenden Pressegesetzgebung die Grundlage zu entziehen 10 . I n welchem Umfang i m Parlamentarischen Rat Beschränkungen der Pressefreiheit für zulässig erachtet wurden, zeigt sich insbesondere i n der „autoritativen Interpretation" des A r t . 5 durch den Ausschußvorsitzenden Carlo Schmid, der m i t allgemeinem Einverständnis einer Eingabe des Presserats der britischen Zone zustimmte, wonach zwischen der Publikationsfreiheit und der Presse-Gewerbefreiheit zu unterscheiden sei m i t der Folge, daß „neben der charakterlichen und beruflichen Eignung vor allem die politische Zuverlässigkeit der Verleger und Journalisten gewährleistet sein müsse, ehe eine Zeitung oder Zeitschrift herausgegeben werden könne". Versucht man nun, die heutigen Lehrmeinungen zur inneren Pressefreiheit systematisch darzustellen, so ergeben sich gleich zu Beginn, bei der Begriffsdefinition, Schwierigkeiten. Soweit eine solche überhaupt gegeben und nicht nur zu Einzelfragen der inneren Pressefreiheit, insbesondere dem Konzentrationsproblem Stellung genommen wird, lassen sich gemeinsame Grundvorstellungen kaum auffinden. Die allgemeinste Definitation der inneren Pressefreiheit gibt Löffler. Er rechnet alle Bedrohungen der Pressefreiheit, die von nicht-staatlicher Seite kommen, zur inneren Pressefreiheit, fügt aber hinzu, daß strenggenommen nur die Abwehr solcher Eingriffe, die aus der Presse selbst kommen 1 1 , wie der Mißbrauch des verlegerischen Direktionsrechts oder die Konzentrationsgefahr, unter innerer Pressefreiheit zu verstehen seien 12 . 9 von Mangoldt, Grundgesetz, 1. Aufl., S. 63, dessen Angaben auch den folgenden Ausführungen zugrunde liegen. 10 von Mangoldt, ebd., S. 63. 11 Ähnl. Maurer (a.a.O., S. 27), nach dessen Ansicht sich die innere Pressefreiheit „gegen die über das Presseunternehmen im weitesten Sinne (einschl. der Nachrichtendienste, Korrespondenzen und Papierlieferanten) selbst gehenden Gefahren wendet". 12 Löffler, Presserecht Bd. 1, Kap. 5, Rz. 67.

I V . Innere Pressefreiheit in der Literatur

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Eine etwas detailliertere, aber ebenfalls sehr weite Begriffsbestimmung ist bei Mallmann zu finden. Nach Mallmann geht es bei der inneren Presse- und Rundfunkfreiheit „ u m die innere Struktur von Presse und Rundfunk und u m die Verteidigung der Unabängigkeit, der Sauberkeit i n Berichterstattung, Meinungsbildung und Meinungsäußerung gegenüber finanzieller Korrumpierung und übermächtigen kommerziellen Einflüssen" 1 3 . I n dieser Definitation kommen, wenn auch unscharf, zwei Aspekte als für die innere Pressefreiheit wesentlich zum Ausdruck: Eine freiheitliche Struktur des Pressewesens und die Freiheit von sachfremden, v. a. wirtschaftlichen Einflüssen auf die redaktionelle Gestaltung. Der erste Aspekt ist objektiv-struktureller, der zweite mehr subjektiver Natur, denn er hat seinen Ansatz beim Problem persönlicher Korrumpierung bzw. des Mißbrauchs der Pressefreiheit. Beide Aspekte sind, jeweils i n verschiedener Weise, auch i n den Definitionen anderer Autoren zu finden. Der objektiv-strukturelle Aspekt der inneren Pressefreiheit w i r d von Ridder und Herzog betont. Herzog versteht unter der inneren Pressefreiheit das Problem der „ i n neren Verfassung des Pressewesens"; dabei geht es i h m einerseits u m die Frage, „wie das Pressewesen insgesamt intern verfaßt sein muß, d. h. inbesondere, ob und bejahendenfalls wie das Grundgesetz die Verteilung der mit der Pressetätigkeit verbundenen Macht auf die verschiedenen Presseunternehmen regelt", andererseits aber auch u m die „Frage nach der inneren Verfassung des einzelnen Presseunternehmens selbst, d. h. insbesondere die Frage nach der Stellung des einzelnen Journalisten gegenüber dem Verleger, dem Herausgeber und dem Chefredakteur und nach deren gegenseitigem Verhältnis" 1 4 . Ähnlich wie Herzog unterscheidet auch Ridder verschiedene strukturelle Bereiche der inneren Pressefreiheit; Ridder gebraucht dafür das B i l d der „konzentrischen Ringe" 1 5 . I m äußersten Ring geht es um „die Einbettung der Presse i n die übrige freie Gesellschaft", die nach Ridder insbesondere i n der Beziehung zwischen Presse und Inserenten i n Erscheinung t r i t t 1 6 . I n einem mittleren Ring sind die Vorgänge der Konzentration i m Pressewesen angesiedelt 17 , während der innerste Ring die Verhältnisse innerhalb der Zeitung bzw. dem Verlagshaus betrifft 1 8 . Ganz auf die Frage der inneren Unternehmensverfassung insbesondere die Beziehung zwischen Verleger und Redakteur, eingeengt ist 13 14 15 16 17 18

I n „Der Journalist" 4/1961, S. 3; ähnl. in Publizistik 1959, S. 324. In: Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz Art. 5, Rz. 157. Probleme der inneren Pressefreiheit, S. 8. Ebd., S. 10. Ebd., S. 13. Ebd., S. 12.

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

die innere Pressefreiheit bei Obermayer 19, Scheuner 20 und Forsthoff 21. Hoppe schließlich versteht unter innerer Pressefreiheit nur die „Freiheit von staatlichem Standeszwang" 22 . Eine rein subjektive Definition der inneren Pressefreiheit geben demgegenüber Franz Schneider und Scholler. Sie verstehen darunter die Freiheit von „Einwirkungen unter dem Druck irgend eines von privater Seite herangetragenen materiellen oder psychologischen Zwanges, . . . der nicht der Zwang der überzeugenderen Argumente ist" 2 3 . Von allen erwähnten Autoren mit Ausnahme von Scheuner und Forsthoff w i r d die Berechtigung einer „inneren Pressefreiheit" grundsätzlich bejaht. Es besteht insoweit auch Übereinstimmung darin, daß die innere Pressefreiheit i n A r t . 5 I GG unmittelbar verankert ist. Diese Übereinstimmung endet allerdings bei der Frage nach der rechtlichen Begründung i m einzelnen. Die juristische Argumentation zur inneren Pressefreiheit ist i m wesentlichen auf drei Gesichtspunkte zurückzuführen: Der eine Gesichtspunkt ist die Lehre von der D r i t t w i r k u n g der Grundrechte, der zweite besteht i n einer Interessen- bzw. Güterabwägung i m Rahmen des A r t . 5 und der dritte Aspekt ist schließlich die instutionelle Seite der Pressefreiheit. Teilweise werden auch die verschiedenen Gesichtspunkte, je nach dem Schutzobjekt der inneren Pressefreiheit, miteinander verbunden. Die Lehre von der D r i t t w i r k u n g w i r d insbesondere dort herangezogen, wo es u m die Unabhängigkeit des Journalisten gegenüber dem Verleger und u m die Abwehr äußerer (privater) Eingriffe i n den Pressebetrieb geht, wie Pressionen seitens der Inserenten, Boykottmaßnahmen etc. 24 . Zur Begründung für die D r i t t w i r k u n g der Meinungs- und Pressefreiheit w i r d meist auf A r t . 118 I, 2 W V hingewiesen, der auch unter dem Grundgesetz sinngemäß fortgelten soll. Das Fehlen einer entsprechenden Vorschrift i m Grundgesetz sei lediglich auf einen „entstehungs19

BayrVerwBl. 1965, S. 399. AfPR 1968, S. 729. 21 Zeitungspresse, S. 32 f. 22 Die öffentlich-rechtliche Stellung des deutschen Journalisten, S. 9. 23 Schneider, Meinungs- und Pressefreiheit, S. 86; Scholler, Person und Öffentlichkeit, S. 333, der allerdings zu Unrecht annimmt, daß Schneiders Definition allgemein anerkannt sei. I n ähnlichem Sinne Groß, Grundzüge, S. 38 und, wenn auch enger, Dovifat, Zeitungslehre Bd. 1, S. 23: „Schutz gegen nicht öffentlich vollzogene, aber mittelbar geübte Bedrohung durch Kapital- oder Kollektivmächte . . . , Pressekonzentration, Aufkauf, Anzeigenentzug, B o y k o t t , . . . aktive oder passive Bestechung oder Nötigung." 24 Löffler, Presserecht Bd. 1, Kap. 5, Rz. 70, 97; Obermayer, a.a.O., S. 399; sowohl auch Mallmann (Publizistik 1959, S. 328), nach dem sich die materielle Pressefreiheit, deren Träger der Journalist ist, gegen den Verleger richtet. 20

IV. Innere Pressefreiheit in der Literatur

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geschichtlichen Zufall" zurückzuführen 25 . Nach Leisner, der — ähnlich wie Nipperdey — eine allgemeine D r i t t w i r k u n g der Grundrechte vertritt, liegen die Grenzen der privatrechtlichen Verfügbarkeit über die Grundrechte des A r t . 5 I i n den Schranken des Abs. 2 2 6 . Abgelehnt w i r d eine D r i t t w i r k u n g des A r t . 5 I vor allem von Scheuner 27 f Forsthoff 28 und Herzog 29. Herzog weist das Argument der Fortgeltung von A r t . 118 Abs. I S. 2 W V m i t der Begründung zurück, man könne auf die Weimarer Verfassung zwar zur Interpretation des Grundgesetzes zurückgreifen, nicht aber ganze Sätze aus ihr übernehmen. Unabhängig von diesem historischen Argument sei eine D r i t t w i r k u n g der Pressefreiheit i m Verhältnis zwischen Redakteur und Verleger aber auch deshalb abzulehnen, w e i l sie zu einer m i t A r t . 5 unvereinbaren „vollständigen Depossedierung des Verlegers und seiner leitenden A n gestellten" 3 0 führen würde, deren Pressefreiheit gegenüber dem Staat dann innerhalb des Unternehmens keine Realität mehr entspräche. Herzog schlägt als Lösung des Problems der inneren Pressefreiheit statt dessen den Weg der Interessen- und Güterabwägung innerhalb des Art. 5 I ein. Dabei stellt er dem Grundrecht des Verlegers das demokratische Prinzip gegenüber, das eine Vielfalt der Grundrechtsträger voraussetze und aus dem daher i n concreto eine gewisse Weisungsunabhängigkeit der Journalisten gegenüber dem Verleger 3 1 oder ein Verbot von Pressemonopolen ableitbar sei 32 . Einen ähnlichen Weg wie Herzog schlägt Ehmke für die Lösung des Konzentrationsproblems ein, das er ebenfalls über eine Interessenabwägung zwischen der Pressefreiheit der Verleger, der Journalisten und der Informationsfreiheit der Bürger — allerdings auf dem Boden einer institutionellen Grundrechtsauffassung — geregelt wissen w i l l 3 3 . 25

Dürig in Festschrift für Nawiasky, S. 170; F. Schneider, a.a.O., S. 52; vgl. auch BAarbGE 1, 194; Löffler, a.a.O., Rz. 70; v. Mangoldt-Klein, Grundgesetz Art. 5 Anm. 4; Maurer, a.a.O., S. 16 ff.; Obermayer, a.a.O., S. 399; eine Drittwirkung der Pressefreiheit befürworten wohl auch Ridder, Art. Meinungsfreiheit, in „Staatslexikon" und Schule, Persönlichkeitsschutz und Pressefreiheit, S. 61. 26 Grundrechte und Privatrecht, S. 361, Anm. 186. 27 V V D S t R L 22, S. 58 ff. 28 Zeitungspresse, S. 29 ff. 29 In: Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz, Art. 5, Rz. 169 f.; vgl. allg. zur Kritik der Drittwirkungslehre Dürig, in: Festschrift für Nawiasky, S. 157 ff.; ders., in: Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz Art. 1, Rz. 127 ff.; Ehmke, Wirtschaft und Verfassung, S. 77 ff.; Schnur, W D S t R L 22, S. 139 ff. bestreitet mit einer eigenen, neuen Theorie überhaupt die Existenz eines spezifischen Drittwirkungsproblems. 30 Herzog, a.a.O., Rz. 170. 31 Herzog, a.a.O., Rz. 171. 32 Herzog, a.a.O., Rz. 185. 33 Verfassungsrechtliche Fragen einer Reform des Pressewesens, in: Festschrift für A. Arndt, S. 85 f. 17 Stammler

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

Als dritter Weg der juristischen Verankerung der inneren Pressefreiheit kommt schließlich die institutionelle Seite der Pressefreiheit i n Betracht. I n der verfassungsrechtlichen Garantie des „Instituts Freie Presse" w i r d ein Verfassungsauftrag an den Staat gesehen, die Freiheit der Presse auch gegenüber Gefahren, die aus der Presse selbst oder der gesellschaftlichen Sphäre der Pressefreiheit drohen, zu gewährleisten. Die institutionelle Garantie gibt dem Staat insbesondere die Befugnis zu einer Anti-Konzentrationsgesetzgebung 34 , enthält darüber hinaus aber allgemein einen Auftrag zur Schaffung grundrechtskonformer Strukturen innerhalb des Pressewesens 35. Die Anhänger dieser Lehre sehen die innere Pressefreiheit vorwiegend als rechtspolitisches Problem, das der Gesetzgeber kraft eines Verfassungsauftrags zu lösen habe. Die Gegner einer inneren Pressefreiheit sind ausschließlich i m liberalen Lager zu finden. Soweit sie eine institutionelle Seite der Pressefreiheit ablehnen, bleibt als rechtliche Grundlage einer inneren Pressefreiheit sowieso nur die Drittwirkungslehre übrig 3 6 . M i t deren Hilfe kann zwar theoretisch gegen individuelle Beschränkungen der Pressefreiheit vorgegangen werden, sie gibt jedoch keine Handhabe für die Bewältigung struktureller Probleme, wie der Pressekonzentration 37 . Verdeutlicht man sich den verfassungstheoretischen Ausgangspunkt des Liberalismus, so ist es auch nicht verwunderlich, daß bei den Anhängern v. a. der traditionell-liberalen Lehre, die sowohl eine „öffentliche Aufgabe" der Presse wie eine institutionelle Garantie ablehnen, fast durchweg nicht einmal das Bewußtsein eines Problems „innere Pressefreiheit" erkennbar ist. I m liberalen Modell der Trennung von Staat und Gesellschaft gehören die Fragen der inneren Pressefreiheit ausschließlich dem gesellschaftlichen Bereich an, der dem Verfassungsrecht grundsätzlich versperrt ist. Freiheit ist identisch m i t Unabhängigkeit vom Staat. Freiheitsgefährdende Vorgänge i m gesellschaftlichen Bereich sind — unter diesen theoretischen Voraussetzungen — Ausfluß der grundrechtlich gesicherten Freiheit und gehören zum freiheitsimmanenten, m i t der Freiheit wesensmäßig verbundenen Risiko. Die Aufgabe des Staates besteht ausschließlich i n der Verbürgung formaler Rechtsgleichheit unter den Mitgliedern der Gesellschaft, deren materielle Beziehungen untereinander sich nach den Grundsätzen der Privatautonomie und des freien Wettbewerbs gestalten. Dementsprechend richtet sich das Augenmerk der liberalen Verfassungsrechtler vorwiegend darauf, 34

So insbes. BVerfGE 20 S. 176; Scheuner W D S t R L 22, S. 77; GüntherBericht, S. 14. 35 Vgl. Löffler, a.a.O., Rz. 81; Mallmann, JZ 1966, S. 632; A. Arndt, Die Rolle der Massenmedien, S. 12 f. 36 So Schule, a.a.O., S. 61; vgl. auch Rehbinder, DVB1. 1966, 561. 37 So auch Scheuner, W D S t R L 22, S. 202.

I V . Innere Pressefreiheit in der Literatur

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daß der Presse keine „Privilegien" von staatlicher Seite gewährt werden, durch die die Hechtsgleichheit m i t dem „Normalbürger" gestört werden könnte 3 8 . Da den Anhängern der traditionell-liberalen Lehre meist auch das Verständnis für die verfassungsstrukturelle Bedeutung der Presse und ihrer Freiheit abgeht 89 , sind auch die Zweifel Rehbinders an einer rechtlichen Grundlage für eine Pflicht des Staates zur Bekämpfung der Pressekonzentration 40 und die Ansicht Lerches, daß nach dem Grundgesetz die Presse nur frei, nicht aber unbedingt existent sein müsse 41 , nicht mehr verwunderlich. Inkonsequent ist demgegenüber die Haltung Czajkas, der — als Gegner der institutionellen Lehre — zwar folgerichtig den Staat auf ein Verbot konzentrationsfördernder Maßnahmen bzw. zur Konzentrationsabwehr auf die allgemeinen M i t t e l des Kartellrechts beschränken w i l l 4 2 , jedoch dann, wenn eine Monopolbzw. Oligopolsituation tatsächlich eingetreten ist, auch für die Presse eine den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten analoge Organisationsverfassung fordert 4 3 . A u f welcher verfassungsrechtlichen Basis der liberale, nur der Gefahrenabwehr verpflichtete Staat diese Maßnahmen treffen soll, bleibt unklar. Für die liberale Lehre stellt sich die „innere Presse-Unfreiheit", insbesondere i m Verhältnis Verleger-Redakteur, letztlich als Folge der — verfassungsrechtlich garantierten — privatwirtschaftlichen Ordnung des Pressewesens dar. Wollte der Gesetzgeber sich der inneren Pressefreiheit annehmen, so würde er die Grundprinzipien dieser liberal verstandenen Ordnung angreifen und damit i m Endergebnis die Pressefreiheit selbst, die nur i n einer privatwirtschaftlichen Ordnung existent ist, aufheben 44 . Nach der hier vertretenen Auffassung, wonach die Pressefreiheit ausschließlich institutionell als Garantie eines freiheitlichen Kommunikationsprozesses qua Presse zu verstehen ist, bedarf die Notwendigkeit einer inneren Pressefreiheit keiner weiteren Begründung mehr. I m folgenden sollen nun Konsequenzen und Lösungsmöglichkeiten einer inneren Pressefreiheit speziell i m unternehmensinternen Bereich der periodischen Presse näher untersucht werden. Der Verfasser sieht i n diesem Aspekt den Angelpunkt des Freiheitsproblems für die Presse schlechthin; denn betrachtet man die Pressefreiheit als Freiheit der 88

Vgl. insbes. Forsthoff, D Ö V 1963, S. 633 ff. Vgl. die Kontroverse zwischen Forsthoff und Scheuner, in: W D S t R L 22, S. 189 f. bzw. 204. 40 Rehbinder DVB1. 1966, S. 561. 41 Ubermaß und Verfassungsrecht, S. 241 f., Anm. 336. 42 So auch Rehbinder, a.a.O. 48 Czajka, Pressefreiheit und „öffentliche Aufgabe" der Presse, S. 155 ff. 44 So insbes. Czajka, a.a.O., S. 1 7 1 t ; Scheuner AfPR 1968, S. 729 f.; skeptisch gegenüber einer inneren Pressefreiheit auch Heck, AfPR 1968, S. 706. 89

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

geistigen Kommunikation, so drohen ihr Gefahren aus dem nichtstaatlich-hoheitlichen Bereich nur insoweit, als sich aus der jeweiligen Unternehmensverfassung sachfremde Abhängigkeiten bzw. direkte Einwirkungsmöglichkeiten hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Zeitung ergeben. Dieser unternehmensinterne Aspekt der inneren Pressefreiheit w i r d i m juristischen, aber auch größtenteils i m publizistischen Schrifttum als Frage der Unabhängigkeit der Redakteure gegenüber dem Verleger dargestellt und die Lösung i n einer gegenseitigen Kompetenzabgrenzung gesucht. Hinter dieser Auffassung steht meist die Überlegung eines Interessendualismus zwischen öffentlichen und privaten (kommerziellen) Interessen, die auf den Redakteur bzw. Verleger als jeweiligen Interessenträger projiziert werden; gewähre man dem Verleger ein uneingeschränktes Direktionsrecht gegenüber der Redaktion, so wäre nicht nur die individuelle Freiheit des einzelnen Redakteurs, sondern auch die Unabhängigkeit der inhaltlichen Gestaltung der Zeitung von sachfremden, v. a. kommerziellen, Einflüssen beeinträchtigt. Es w i r d daher Aufgabe der folgenden Untersuchung sein, die Stichhaltigkeit dieser Argumentation zu überprüfen.

V. Die Pressefreiheit innerhalb des Presseunternehmens 1. Begriffsbestimmungen Bevor i n eine nähere Untersuchung über die Rechtsbeziehungen zwischen den an einem Zeitungsunternehmen Beteiligten eingegangen wird, empfiehlt es sich, begriffliche Klarheit über die wichtigsten Funktionsträger innerhalb des Presseunternehmens, nämlich den Verleger, Herausgeber, Redakteur und verantwortlichen Redakteur zu schaffen. a) Verleger Nach ganz überwiegender Ansicht ist Verleger i m Sinne des Presserechts derjenige, „der das Erscheinen und Verbreiten des Druckwerks b e w i r k t " 1 . Anders als i m Verlagsrecht 2 ist also nicht auch die Vervielfältigung, sondern nur die Verarbeitung entscheidend, und es kommt nicht darauf an, ob die Verarbeitung auf eigene oder auf fremde Rechnung (Kommissionsverlag), m i t oder ohne Berechtigung gegenüber dem Autor, gewerbsmäßig oder etwa i m Selbstverlag erfolgt 3 . 1

Löffler f Presserecht Bd. 2, § 8, Rz. 33. Vgl. § 1 Verlagsgesetz v. 19. 6.1901 (BGBl. I I I 441-1). 3 Löffler, a.a.O.; Reh-Groß, Hess. PrG § 6 Anm. 4 b; Rebmann-Ott-Storz, ba-wü PrG, § 23 Rz. 8; Kitzinger, Das Reichsgesetz über die Presse, S. 35 f.; Mannheim, Preßrecht, S. 11 f.; a. A. („auf eigene Rechnung") Scheer, Deutsches Presserecht, S. 249. 2

V. Die Pressefreiheit innerhalb des Presseunternehmens

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Verleger kann eine natürliche oder juristische Person sein; maßgebend ist, wer Inhaber des Verlagsunternehmens ist 4 . Ist Inhaber des Verlags eine Gesellschaft, so ist diese „Verleger" und bedient sich zur Ausübung der verlegerischen Tätigkeit ihrer Organe. A u f das Eigentum am Unternehmen kommt es für die Frage der presserechtlichen Verleger-Eigenschaften nicht an 5 . Dagegen ist für die arbeitsrechtliche Frage, wer gegenüber den Redakteuren und sonstigen Beschäftigten eines Presseunternehmens das verlegerische Direktionsrecht ausübt, grundsätzlich nicht die presserechtliche Definition des Verlegers, sondern der arbeitsrechtliche Begriff des „Arbeitgebers" i. S. des „Trägers der Befehlsgewalt" 6 maßgebend. Dieser kann immer nur eine geschäftsfähige physische Person, bei Verlagsgesellschaften also die Vorstandsmitglieder bzw. Gesellschafter, sein. Diese können ihrerseits wiederum ein spezielles Organ zur Ausübung des Direktionsrechts, einen sog. „Verlagsdirektor", bestellen. Wenn i m folgenden vom „Verleger" die Rede ist, so soll damit (sofern nicht ausdrücklich eine andere Definition angefügt ist) der Einfachheit halber derjenige bezeichnet werden, der Träger des verlegerischen Direktionsrechts gegenüber den Redakteuren des Presseunternehmens ist. b) Herausgeber Erheblich unklarer als die Definition des Verlegers sind Wesen und und Aufgabe des Herausgebers. Die Landespressegesetze 7 wie auch das Reichspressegesetz nennen i h n i n Zusammenhang m i t der Impressumspflicht und zwar nur hinsichtlich des Selbstverlags, wobei der Herausgeber m i t dem Verfasser der Druckschrift gleichgestellt wird. Daraus wurde i n der älteren Presserechtslehre teilweise abgeleitet, daß es einen Herausgeber i m Sinne der Pressegesetze nur bei nicht-periodischen Druckschriften gebe 8 . Dem wiederspricht jedoch die Pressepraxis. Zahlreiche periodische Druckschriften weisen i n ihrem Impressum einen Herausgeber aus. Die deutschen Zeitungsverleger verstehen sich sogar laut ihrer Verbandsbezeichnung (Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e. V., Herausgeber der deutschen Tageszeitungen) allesamt nicht nur als Verleger, sondern gleichzeitig als Herausgeber ihrer Blätter. A n diesem Selbstverständnis kann auch der Jurist nicht vorbeigehen. Es ist daher 4 5 6 7 8

Löffler, a.a.O., Rz. 37. Löffler, a.a.O., Rz. 42 f. Hueck-Nipperdey, Grundriß des Arbeitsrechts, S. 36. Vgl. § 8 der neueren Landespressegesetze. z. B. Berner, Lehrbuch des Deutschen Preßrechts, S. 188.

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

heute wohl allgemein anerkannt, daß es „Herausgeber" i. S. des Presserechts auch bei periodischen Druckschriften geben kann 9 . Die Gleichstellung des Herausgebers m i t dem Verfasser i n den Landespressegesetzen gibt jedoch einen Hinweis auf das Verständnis des Gesetzgebers von der Funktion des Herausgebers. Sie läßt den Schluß zu, daß der Herausgeber eine dem Verfasser gleichwertige Funktion erfüllt. Andererseits muß, insbesondere i m Bereich der periodischen Presse, die Unterscheidung zwischen Hedakteur und Herausgeber auch i n der Funktionsbestimmung zum Ausdruck kommen 1 0 . Nach einhelliger Ansicht w i r d als Herausgeber bei periodischen Druckwerken daher derjenige bezeichnet, der die »¿geistige Oberleitung" des Presseunternehmens innehat 1 1 . Es fragt sich nun allerdings, ob es m i t diesen Tätigkeitsmerkmalen vereinbar ist, daß als Herausgeber auch eine juristische Person fungiert. Löffler und Häntzschel stehen auf dem Standpunkt, daß „von der Natur der Sache her" als Herausgeber nur eine natürliche Person i n Betracht kommt 1 2 . Löffler führt als Begründung für seine Ansicht außer der „Natur der Sache" die innere Verwandschaft der Tätigkeit des Herausgebers m i t der des Verfassers und des Chefredakteurs sowie die Regelung einiger Landespressegesetze an, die zwar beim Verleger und Drukker, nicht aber beim Herausgeber die Ersetzung des Familiennamens durch eine Firma i m Impressum zulassen 13 . Das letztere Argument ist deshalb nicht durchschlagend, w e i l sämtliche Landespressegesetze den Herausgeber nur i m Zusammenhang m i t dem Selbstverlag erwähnen, der gegenüber anderen Persseunternehmen sowieso eine Sonderstellung einnimmt. Außerdem könnte gerade aus dem hessischen Pressegesetz ein Gegenargument zu Löfflers Ansicht hergeleitet werden. Dort w i r d nämlich ausdrücklich nur für den Drucker die Nennung des Familiennamens zugelassen, während für den Verleger, der unter einer Firma tätig ist, die Angabe von Name und Wohnsitz des Vertretungsberechtigten bestimmt ist. Der hessische Pressegesetzgeber differenziert also hinsichtlich des Verlegers zwischen dem Inhaber des Verlagsunternehmens, der eine juristische Person sein kann, und dem Vertretungsberechtigten; nur der letztere, also die rechtlich verantwortliche Verleger-„Persönlichkeit", ist i m Impressum aufzuführen 14 . Es ist nicht einzusehen, warum eine ähnliche Differenzierung nicht auch • Vgl. statt aller Löffler, a.a.O., § 8, Rz. 49. 10 I n der älteren Lehre werden beide Begriffe teilweise miteinander vermengt, vgl. Kitzinger, a.a.O., S. 45 f. 11 Löffler, a.a.O., § 8, Rz. 49; Mannheim, a.a.O., S. 13. 12 Löffler, a.a.O., § 8, Rz. 49; Häntzschel, Deutsches Preßrecht, S. 47. 13 § 8 I brem. u. nieders. PrG, § 6 hess. PrG. 14

Reh-Groß, a.a.O., § 6 Anm. 5.

V. Die Pressefreiheit innerhalb des Presseunternehmens

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beim Herausgeber möglich sein sollte. I n der Pressepraxis ist es vielfach üblich, daß als Herausgeber einer Publikation eine juristische Person, z.B. ein Verein oder eine Gesellschaft, auftritt. Diese Organisation ist der ideelle Träger der Druckschrift und gibt — evtl. i n Verbindung m i t ihrer Satzung — die Richtlinien für die inhaltliche Gestaltung. Die Ausübung der Herausgeberfunktionen i m einzelnen w i r d dagegen einem eigens dafür bestellten Organ übertragen. So ist z. B. denkbar, daß eine Verlagsgesellschaft i n sich die Funktionen von Verleger und Herausgeber vereinigt, daß i m Innenverhältnis aber die Wahrnehmung der entsprechenden Funktionen auf die einzelnen Gesellschafter verteilt wird. Herausgeber i m presserechtlichen Sinne kann somit auch eine j u r i stische Person sein 15 . Falls Verleger und Herausgeber nicht miteinander identisch sind, kann sich die Frage erheben, wer von beiden der eigentliche „Herr des Unternehmens", d.h. der Zeitung oder Zeitschrift, ist. Eine allgemein gültige A n t w o r t kann es darauf nicht geben. Die Lösung ist immer nur unter Berücksichtigung der individuellen Gestaltung der Beziehungen zu finden 1 6 . Gegenüber der Redaktion ist jedenfalls immer der Herausgeber der entscheidende Gegenüber, dem die Redakteure i n ihrer journalistischen Tätigkeit unmittelbar verantwortlich sind. Unter dem Aspekt der inneren Pressefreiheit nimmt daher — streng juristisch betrachtet — weniger der Verleger als der Herausgeber die Schlüsselstellung ein. I n der Praxis, insbesondere bei der Zeitungspresse, ist dieses Problem jedoch dadurch weitgehend gegenstandslos, daß fast durchweg Verleger und Herausgeber identisch sind. Es wurde bereits erwähnt, daß gerade bei dem wichtigsten Teil der Presse, den Tageszeitungen, sich die Verleger selbst als Herausgeber betrachten. Insofern ist es auch zulässig, den innerbetrieblichen Aspekt der inneren Pressefreiheit auf das Gegenüber von Verleger und Redakteur schlagwortartig zu reduzieren. c) Redakteur I m Einklang m i t ihrer Absicht, lediglich ein Ordnungsrecht für die Presse, ohne Einmischung i n die internen Presseangelegenheiten, zu schaffen, beschäftigten sich die Landespressegesetzgeber, wie auch das Reichspressegesetze nicht m i t der Person des Redakteurs, sondern nür m i t dem „verantwortlichen Redakteur". I m Rahmen einer Untersuchung über die innere Pressefreiheit ist jedoch eine Begriffsbestimmung des Redakteurs unumgänglich, und zwar nicht nur aus logisch-systematischen Gründen, sondern w e i l i n der Pressepraxis der Redakteur, nicht der „verantwortliche Redakteur", die Zentralfigur darstellt. Der 15 16

So auch Mannheim, a.a.O., S. 13. Vgl. RGZ 69, 49; B G H N J W 1955, 138,

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

„verantwortliche Hedakteur" ist eine Schöpfung des Pressegesetzgebers, während sich der Begriff des Redakteurs innerhalb des Pressewesens selbst geschichtlich entwickelt hat 1 7 . Die Definition des Redakteurs kann daher nur unter Berücksichtigung der Pressewirklichkeit erfolgen 18 , wobei sich allerdings die Schwierigkeit erhebt, daß es innerhalb der Presse außer dem Begriff des Redakteurs noch verschiedene andere Berufsbezeichnungen für redaktionelle Tätigkeiten gibt, die sich teilweise überschneiden. Dabei ist insbesondere an die Begriffe des Publizisten, des Journalisten und des Schriftleiters zu denken. aa) Für den Begriff des Publizisten, der schillerndsten unter den genannten Beruf sbezeichnungen, gibt es wohl entgegen der Ansicht Löf flers keine allgemein anerkannte Definition. Löffler sieht i n i h m den Oberbegriff „ f ü r alle Personen, die haupt- oder nebenberuflich auf dem Gebiet der Publizistik tätig sind" 1 9 , ohne jedoch den ebenso unklaren Begriff der „Publizistik" 2 0 zu erklären. Für die Zwecke dieser Arbeit w i r d unter „Publizistik" ganz allgemein jede am aktuellen Zeitgeschehen orientierte informierende, kommentierende und schriftstellerische Tätigkeit verstanden. „Publizisten" sind dementsprechend alle i n dieser Weise tätigen Personen. bb) Unter dem Begriff des Journalisten versteht Löffler alle „hauptund nebenberuflich tätigen, freien und festangestellten Presse-Publizisten". Der Deutsche Journalistenverband hingegen erklärt i n seinem auf dem Verbandstag 1966 beschlossenen „Berufsbild des Journalisten": „Journalist i m Sinne dieses Berufsbilds kann nur sein, wer hauptberuflich durch Berichterstattung, Stellungnahme, K r i t i k oder auf andere Weise an der geistigen Gestaltung der aktuellen Veröffentlichung in Presse, Hörfunk, Fernsehen und F i l m i n Wort und B i l d m i t w i r k t und so zur Meinungsbildung beiträgt." Diese Definition ist derjenigen Löf flers vorzuziehen, denn erstens entspricht die Ausdehnung auf die Massenmedien Rundfunk und Fernsehen dem inzwischen eingebürgerten Sprachgebrauch und zweitens ist bei Löfflers Definition weder der Begriff des „Presse-Publizisten" (zur Presse i. S. der Landespressegesetze gehört auch die Buchpresse!) klar noch ist es angängig, alle für die Presse nebenberuflich tätigen Personen, also auch bloße Gelegenheitsmitarbeiter als Journalisten zu bezeichnen. 17

Vgl. Löffler, a.a.O., vor § 8, Rz. 5. Vgl. Kitzinger, a.a.O., S. 44. 19 Löffler, a.a.O., vor § 8, Rz. 7. 20 Die Definition Dovifats (Die publizistische Persönlichkeit, Gazette 1956, S. 157f.): Publizistik ist „jede öffentlich bestimmte und öffentlich bewirkte geistige Unterrichtung und Leitung (!), die mit Gesinnungskräften (!) führt (!) und Tun und Handeln der Geführten (!) beeinflussen und ausrichten (!) möchte", bei der in die Begriffsbestimmung ethische undemokratisch-elitäre Wertmaßstäbe hineingetragen werden, ist jedenfalls entschieden abzulehnen. 18

V. Die Pressefreiheit innerhalb des Presseunternehmens

265

ce) Der Begriff des Schriftleiters ist lediglich der unglückliche Versuch einer Eindeutschung des „Redakteurs". Der Begriff des Schriftleiters konnte wohl nicht nur wegen der unseligen Assoziationen m i t dem nationalsozialistischen Schriftleitergesetz, sondern auch wegen seiner Farblosigkeit und wohl nicht zuletzt auch wegen des dahinter stehenden deutschtümelnden Provinzialismus i n der Pressepraxis nicht Fuß fassen und sollte daher besser fallen gelassen werden. dd) Nach Skizzierung der dem Beruf des Redakteurs verwandten Berufe, läßt sich nun auch der Begriff des Redakteurs selbst leichter und schärfer präzisieren. Sieht man von der inhaltsgleichen Berufsbezeichnung des „Schriftleiters" ab, so ist die dem Redakteur nächststehende Berufbezeichnung die des „Journalisten". Vereinfachend lassen sich beide Begriffe i n der Weise voneinander abgrenzen, daß Redakteur der festangestellte Journalist ist. Dementsprechend definiert § 1 des Entwurfs des RVdP zu einem Journalistengesetz den Redakteur als denjenigen, der „dem Unternehmer (Verleger) einer periodischen Druckschrift vertraglich durch Sammlung, Sichtung, Überarbeitung und Bearbeitung des Stoffes für die Veröffentlichung i m redaktionellen Teil oder durch Beiträge eigener Urheberschaft berufsmäßig Dienste höherer Art leistet"21'22. Diese Definition ist hinsichtlich ihrer presserechtlichen Relevanz i m einzelnen allerdings nicht ganz unbestritten. Strittig ist insbesondere, ob für den Begriff des Redakteurs wesentlich auch eine Entscheidungsbefugnis ist 2 3 , die i n der Tätigkeit des „Redigierens" besteht. Löffler knüpft an dieses Merkmal die Unterscheidung zwischen einem arbeitsrechtlichen und einem presserechtlichen Begriff des Redakteurs 24 . Überprüft man allerdings die Argumente dafür, daß für den presserechtlichen Begriff des Redakteurs das Merkmal der Entscheidungsbefugnis konstituierend sei, so zeigt sich, daß sie durchweg auf den „verantwortlichen Redakteur" abzielen. Insbesondere treffen die Literatur- und Gesetzeshinweise 25 , die Löffler und Kitzinger für das Merkmal der Entscheidungsbefugnis geben, nur für den verantwortlichen Redakteur zu. Es ist jedoch nicht angängig, zwischen einem arbeitsrechtlichen und einem presserechtlichen Begriff des Redakteurs in der Weise zu unterscheiden, daß als Redakteur i m presserechtlichen Sinne nur der verantwortliche Redakteur i n Betracht kommt. Solange w i r nur ein allge21

Löffler, a.a.O., vor § 8, Rz. 7. Ganz ähnlich der Entwurf des R M d l zu einem JournG von 1924. So Löffler, a.a.O., vor § 8, Rz. 6; Kitzinger, a.a.O., S. 45; Rebmann-OttStorz, a.a.O., § 8, Rz. 20; Scheer, a.a.O., S. 250. 24 Löffler, ebd.; Häntzschel, Preßrecht, S. 70 f. 25 So z.B. der Hinweis auf § 7 I I RPrG (Löffler, Kitzinger), in dem die „Besorgung der Redaktion", also die Tätigkeit des Redigierens, nicht von jedem Redakteur, sondern nur von dem verantwortlichen Redakteur gefordert wird. 22

23

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

meines Ordnungsgesetz für die Presse und kein Journalistengesetz haben, gibt es eben auch keinen spezifisch presserechtlichen Begriff des Hedakteurs. Presserechtlich ist nur der verantwortliche Redakteur relevant, der jedoch gegenüber dem Redakteur i m allgemeinen Sinne eine Sonderfunktion besitzt. Da diese Sonderfunktion nicht i m Sinne einer Spezialisierung, sondern eines „aliud" zu verstehen ist, können auch keine Rückschlüsse von der Begriffsbestimmung des „verantwortlichen Redakteurs" auf die des „Redakteurs" gezogen werden. Der verantwortliche Redakteur braucht nämlich nicht selber Redakteur i m allgemeinen Sinne zu sein. Verantwortlicher Redakteur kann der Verleger, der Drucker, ja u. U. sogar ein außerhalb des Zeitungsbetriebes selbst stehender Dritter (z.B. ein Rechtsanwalt) sein 26 . Für den verantwortlichen Redakteur sind ausschließlich das Merkmal der Entscheidungsbefugnis über die zu veröffentlichenden Beiträge und die damit zusammenhängende strafrechtliche Verantwortlichkeit maßgebend. Das eigentliche Charakteristikum des verantwortlichen Redakteurs besteht i n einer rein negativen Funktion (Vetorecht), nämlich der Verpflichtung, „Druckwerke von strafbarem Inhalt freizuhalten" 2 7 . Für die Definition des Redakteurs ist somit der pressegesetzliche Begriff des „verantwortlichen Redakteurs" irrelevant. A u f eine selbständige Entscheidungsbefugnis kann es für die Eigenschaft als Redakteur nicht ankommen 2 8 . Wenn man, wie i n § 1 des JournGE des RVdP, i n den Begriff des Redakteurs das Merkmal der Dienstleistung für den Verleger aufnimmt, so w i r d allerdings der nicht selten auftretende Fall einer Personalunion von Verleger und (Chef-)Redakteur von der Definition nicht erfaßt. Unter dem Aspekt der inneren Pressefreiheit sind Verleger und Redakteur jedoch nicht jeweils für sich allein, sondern nur i n ihrer gegenseitigen Zuordnung von Interesse. Abstrakt ausgedrückt geht es dabei u m das Problem der Pressefreiheit i m Rahmen eines redaktionellen Anstellungsverhältnisses. Daher ist für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung an der Person des Verleger-Chefredakteurs an sich nicht seine Eigenschaft als Redakteur, sondern als Verleger von Bedeutung, wobei die Personalunion sich nur insofern als Problem darstellt, als zu den Verlegerfunktionen hinzu noch redaktionelle Funktionen treten und dadurch die Machtfülle des Verlegers gegenüber den Redakteuren noch mehr erweitert wird. Auch wenn man zwischen einem presse- und einem arbeitsrechtlichen Begriff des Redakteurs unterscheidet, kommt es daher i m Zusammenhang m i t der inneren Pressefreiheit nur auf den 26 Vgl. Löffler, a.a.O., vor § 8, Rz. 28 ff.; Rebmann-Ott-Storz, Rz. 25; unklar Scheer, a.a.O., S. 250. 27 Vgl. § 20 Abs. 2, Z. 1 ba-wü PrG. 28 So auch Mannheim, a.a.O., S. 13 f.

a.a.O., § 8,

V. Die Pressefreiheit innerhalb des Presseunternehmens

267

arbeitsrechtlichen Begriff des Redakteurs an. Für diese Zwecke aber ist die Definition des Redakteurs i n § 1 JournGE des RVdP die bisher m i t Abstand beste und soll deshalb auch dieser Arbeit zugrundegelegt werden. ee) Die Definition des Chefredakteurs ergibt sich aus der des Redakteurs. Er ist der unmittelbare Leiter der Gesamtredaktion. d) Verantwortlicher

Redakteur

Es wurde bereits erwähnt, daß der „verantwortliche Redakteur" eine bloße Rechtseinrichtung darstellt, die nicht aus den Bedürfnissen des Zeitungswesens selbst heraus entstanden ist, sondern die der deutsche Pressegesetzgeber 29 nach Abschaffung der Zensur zum Zwecke der Erleichterung der strafrechtlichen Verfolgung von Pressedelikten der Presse zwangsweise oktroyierte 3 0 . Statt eines staatlichen Zensors wurde nun die Presse selbst für die Einhaltung staatlicher Ordnungsgrundsätze verantwortlich gemacht. Für den Fall eines Gesetzesverstoßes sollte i n der Person des „verantwortlichen Redakteurs" immer jemand da sein, an den sich der Staat i m Zweifel halten könnte. Nicht zu Unrecht wurde daher der verantwortliche Redakteur als „Nachfolger des Zensors i m Wege der Selbstverwaltung" 3 1 bezeichnet. Wenn Wettstein dem entgegenhält, der verantwortliche Redakteur sei nicht, wie der Zensor, „staatlich bestellter Unterdrücker", sondern umgekehrt „staatlich anerkannter Vertreter der öffentlichen Meinung" 3 2 , so t r i f f t dies als Beschreibung des m i t der Einrichtung des verantwortlichen Redakteurs verfolgten gesetzgeberischen Zwecks sicher nicht zu. Die Abschaffung der Zensur mag zwar Ausdruck dafür sein, daß sich die Idee der „öffentlichen Meinung" und der Presse als ihrem „Sprachrohr" durchgesetzt hatte; wenn der Staat aber stattdessen die Einrichtung des „verant29 Erstmals im bad. PrG v. 28. 12. 1831. Von einigen Autoren (z. B. Löffler, a.a.O., vor § 8, Hz. 2) wird der verantwortliche Redakteur als Weiterentwicklung des französischen Systems der „Garantenhaftung" (gérant responsable) angesehen. Kitzinger (a.a.O., S. 43 f.) bestreitet diese Verbindung unter Hinweis auf die Gesetzgebungsmaterialien. Bemerkenswert ist jedenfalls, daß in Frankreich die strafrechtliche Verantwortung den Eigentümer, in Deutschland grundsätzlich den geistigen Träger der Zeitung, den Redakteur, trifft. Posse (Wesen und Aufgabe der Presse, S. 45) sieht darin ein charakteristisches Unterscheidungsmerkmal zwischen der deutschen und der französischen Presse; in Frankreich gelte die Presse lediglich als Gewerbebetrieb, durch den der Unternehmer Geld verdienen wolle. Vgl. zur Geschichte des verantwortlichen Redakteurs und zu den ausländischen Systemen der Pressehaftung Mannheim, a.a.O., S. 43 ff. 30 So Häntzschel nach Hoppe, Die öffentlich-rechtliche Stellung des deutschen Journalisten, S. 140; vgl. auch Löffler, a.a.O., vor § 8, Rz. 2; Kitzinger, a.a.O., S. 43 f. 31 Loenig bei Weitsten, Über das Verhältnis von Staat und Presse, S. 26; ähnl. Hoppe, a.a.O., S. 140. Wettstein, ebd.

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

wortlichen Redakteurs" schuf, so zeigt dies, daß das Mißtrauen gegenüber der Presse immer noch vorhanden war, und daß der Staat glaubte, gegen die von der Presse herrührenden „Gefahren" Vorsorge treffen zu müssen 33 . I m Zusammenhang m i t der inneren Pressefreiheit ist das Institut des verantwortlichen Redakteurs nicht als solches, sondern nur als Ausdruck dessen von Bedeutung, daß der Gesetzgeber selbst die Verantwortung für den Inhalt der Zeitung nicht beim Verleger, sondern bei der Redaktion sieht 3 4 . Die möglichen Schlußfolgerungen, die daraus abgeleitet werden können, sollen später erörtert werden. A n dieser Stelle gebietet es die Vollständigkeit der Darstellung, Begriff und Funktion des verantwortlichen Redakteurs noch kurz zu umreißen, ohne auf den Theorienstreit i m einzelnen einzugehen 35 , der ein Musterbeispiel deutscher Juristengelehrsamkeit bietet. Seit der Entscheidung des RG i n RGSt27,246 hat sich die von Bülow Zß begründete „Stellungstheorie" als h. L. durchgesetzt 37 . Danach ist verantwortlicher Redakteur derjenige, „dem diese Stellung von dem Eigentümer (oder Unternehmer 3 8 ) des Blattes übertragen worden ist. K r a f t der i h m übertragenen Stellung hat er dann das Recht und die Pflicht, die eingegangenen Beiträge vom strafrechtlichen Gesichtspunkte aus zu prüfen und die Aufnahme von A r t i k e l n strafbaren Inhalts zu beanstanden 39 . Die Benennung i m Impressum ist somit nur deklaratorischer 33 Interessant ist, daß das SchriftlG das Institut des verantwortlichen Redakteurs nicht kannte, sondern auf dem Prinzip der Verantwortung jedes einzelnen Schriftleiters für seinen individuellen Beitrag beruhte; vgl. dazu Schmidt-Leonhard-Gast § 20, Anm. 1: „Im Mittelpunkt der bisherigen Regelung steht die Einrichtung des verantwortlichen Redakteurs, der, ohne der wirkliche Schuldige, ja, ohne auch nur wirklich ein berufsmäßiger Schriftleiter sein zu müssen, in der Stellung einer Art Privatzensors der Staatsgewalt gegenüber die Haftung für den Inhalt der Zeitung zu tragen hatte. A n die Stelle dieser rein polizei- und strafrechtlichen Verantwortungen setzt der Entwurf die persönliche, durch nichts zu verschleiernde oder zu beschränkende Berufs Verantwortung des einzelnen Schriftleiters." 34 Der untypische Fall, daß verantwortlicher Redakteur ein Nicht-Redakteur ist, kann hier außer Betracht bleiben. 35 Vgl. dazu die Darstellung bei Löffler, a.a.O., vor § 8, Rz. 9 ff.; Mannheim, a.a.O., S. 49 ff. 36 GA 40, 241; 43, 324; ZStW 14, 643. 37 Ständige reichsgerichtliche Rspr.; B G H NJW 1963, 665 (666); Mannheim, a.a.O., S. 54 ff.; Rebmann-Ott-Storz, a.a.O. § 8, Rz. 31; Reh-Groß, a.a.O., § 7, Anm. 2; Rehbinder, a.a.O., Rz. 31; Löffler, a.a.O., vor § 8 Rz. 15. 38 Bülow, GA 43, 338 f. Nach Häntzschel und Mannheim ist zur Bestellung des verantwortlichen Redakteurs auch der Chefredakteur und für die Bestellung eines Ersatzmanns auch der verantwortliche Redakteur selbst befugt; dem stimmt Löffler (a.a.O., vor § 8, Rz. 20) unter der Voraussetzung zu, daß der Chefredakteur i m (vermuteten) Einverständnis mit dem Verleger handelt. 39 Bülow, GA 40, 250.

V. Die Pressefreiheit innerhalb des Presseunternehmens

269

Natur und hat allenfalls die Bedeutung eines „außergerichtlichen Geständnisses 40 . Der verantwortliche Redakteur hat den gesamten redaktionellen Stoff auf strafbare Inhalte hin zu prüfen und bedenkliche Teile auszuscheiden. Außerdem ist er (neben dem Verleger) für den Abdruck von Gegendarstellungen haftbar 4 1 . Daraus resultiert die bereits i m Zusammenhang m i t der Definition des Redakteurs geäußerte Ansicht, daß der verantwortliche Redakteur i n seiner pressegesetzlichen Aufgabenstellung nicht Redakteur i m standesmäßigen Sinne ist. Seine Aufgabenstellung besteht lediglich i m Redigieren unter rechtlichen Gesichtspunkten, und er muß insofern auch tatsächlich entscheidungsbefugt sein. Obwohl der verantwortliche Redakteur i n der Regel auch Redakteur i m standesrechtlichen Sinne ist, braucht er dies — presserechtlich gesehen — nicht zu sein 42 . 2. Die innerbetriebliche Pressefreiheit als Problem der Kompetenzabgrenzung zwischen Verlag und Redaktion a) Die innerbetriebliche Selbstverständnis

Pressefreiheit der Presse

im

Bevor auf die rechtswissenschaftlichen Stellungnahmen zum Problem der unternehmensinternen Pressefreiheit eingegangen wird, soll zuerst ein kurzer Überblick über die Argumente der unmittelbar Beteiligten, nämlich der Verleger und Journalisten, gegeben werden; denn sie sind es, von denen die Diskussion um diesen Aspekt der Pressefreiheit überhaupt erst ausging. Als Rechtsproblem wurde die innerbetriebliche Pressefreiheit erst sehr viel später erkannt, nachdem die presseinterne Diskussion durch die Tarifverträge von 1926 bereits einen gewissen vorläufigen Abschluß erreicht hatte. I m pressegeschichtlichen Abriß des ersten Teils wurde bereits hervorgehoben, daß die Frage der inneren Pressefreiheit von der Ebene der Grundsatzdiskussion über die kapitalistische Struktur des Pressewesens in der Weimarer Zeit allmählich auf die unternehmensinterne Ebene verlagert wurde m i t dem Ziel, durch eine Kompetenzabgrenzung den Journalisten eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber den Verlegern zu sichern. Die Argumente beider Seiten sind damals wie heute ungefähr dieselben: Die Forderung nach einer Kompetenzabgrenzung w i r d teilweise schlicht auf die Behauptung gestützt, daß die aufgabenbezogene Funktionstrennung zwischen Verleger und Redakteur auch rechtlich ver40 41 42

RGSt 27, 246. § 10 bay. und hess. PrG, sonst § 11. So auch Löffler, a.a.O., Rz. 21.

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

ankert werden müsse 48 , ohne jedoch eine A n t w o r t auf die Frage zu geben, warum einer tatsächlichen (und auch nur i m Rahmen des normalen Arbeitsablaufs geübten) Aufgabenteilung auch rechtliche Verbindlichkeit zukommen soll. Überprüft man die Argumente der Befürworter einer Kompetenzabgrenzung näher, so lassen sich die verschiedenen Begründungen auf zwei Gesichtspunkte zurückführen: Die Kompetenzabgrenzung w i r d einmal u m des Journalisten bzw. „seiner Aufgabe" selbst w i l l e n gefordert. So weist insbesondere Groth u darauf hin, daß die geistige Arbeit des Journalisten auch ein gewisses Maß an innerer Freiheit voraussetze, die nur bei geistiger Selbständigkeit gegenüber dem Verleger gewährleistet sei. Zu dieser Gruppe gehört auch die Behauptung, der Redakteur sei Träger eines unmittelbaren öffentlichen Auftrags und vornehmlich i h m obliege die Wahrnehmung der „öffentlichen Aufgabe" der Presse, wozu eine sachliche Unabhängigkeit gegenüber dem Verleger notwendig sei 45 . Andererseits w i r d die Kompetenzabgrenzung auch als M i t t e l zur Erreichung eines anderen, allgemeineren Zwecks betrachtet. Insbesondere hofft man, durch eine Kompetenzabgrenzung der schon seit den Anfängen der modernen Presse immer wieder beschworenen Gefahr einer Vermengung öffentlicher und privater Interessen i m redaktionellen Teil begegnen zu können 4 6 . Dahinter steht die schon oben erwähnte Ansicht, daß der Journalist — i m Gegensatz zum privatnützig orientierten Verleger — der berufene Vertreter „öffentlicher Interessen" sei, deren Wahrnehmung der Presse kraft ihrer „öffentlichen Aufgabe" obliege. I n neuerer Zeit v. a. w i r d die Kompetenzabgrenzung auch als Maßnahme gegen die Pressekonzentration vorgeschlagen. Die Stärkung der Unabhängigkeit des Journalisten soll dazu dienen, daß trotz der fortschreitenden Verlagskonzentration die redaktionelle Vielfalt der Presse erhalten bleibt 4 7 . Den Befürwortern einer Kompetenzabgrenzung w i r d von Verlegerseite entgegengehalten, daß damit die organische Einheit des Zeitungsunternehmens gesprengt werde. „Die wirksame Funktion und sichere Existenz eines jeden Zeitungsbetriebs" beruhe „nicht auf Absonderung 43 Vgl. Gerschel, Der Journalist 9/1966, S. 6; Giessler, Über das Verhältnis von Redakteur und Verleger, a.a.O., S. V I . 44 Die unerkannte Kulturmacht, Bd. 4, S. 151 f.; vgl. auch Nell-Breuning in „Die Feder" 6/1968, S. 1 ff. 45 Vgl. Dovifat, Die Zeitungen, S. 37; Frankenfeld, Der Journalist 8/1966, S. 8; Vorschläge des D J V zur Stärkung der Unabhängigkeit der Redaktion, Der Journalist 11/1968, S. 2; vgl. auch den Gesetzentwurf der I G Druck und Papier (§ 3), oben S. 299. 46 So schon Posse, Wesen und Aufgabe der Presse, S. 44 ff.; Dovifat, Die Zeitungen, S. 37 f.; Groth, a.a.O., S. 149; Höpker, Deutschland, Deine Presse, Sonderdruck aus „Christ und Welt" März 1966, S. 2. 47 Vgl. Günther-Bericht, S. 41; EKD-Denkschrift, S. 21.

V. Die Pressefreiheit innerhalb des Presseunternehmens

271

seiner Teile, sondern auf engem und planvollem Zusammenwirken der ihn tragenden K r ä f t e " 4 8 . Mehr als jedes andere Wirtschaftsunternehmen benötige gerade der Pressebetrieb angesichts der i n i h m vereinigten divergierenden Kräfte eine oberste Leitung, einen ruhenden Pol, der nur der Verleger sein könne 4 9 . I n einer privatwirtschaftlichen Presseordnung müsse immer der Eigentümer, d. h. der Verleger, das letzte Wort haben 5 0 ; denn schließlich trage er das wirtschaftliche Risiko, das von der Gestaltung des Zeitungsinhalts nicht zu trennen sei 51 . I m übrigen sei auch der Verleger Publizist und daher gemeinsam m i t dem Journalisten Träger der „öffentlichen Aufgabe" der Presse 52 . Ganz allgemein w i r d von Verlegerseite der Forderung nach einer rechtlichen Kompetenzabgrenzung immer wieder die angeblich gute Zusammenarbeit von Verleger und Redakteuren i n der Pressepraxis entgegengehalten. I m Pressealltag sei eine „Kompetenzabgrenzung" i n der Weise, daß der Verleger sich auf die Setzung gewisser Richtlinien beschränke, innerhalb derer die Redaktion selbständig arbeiten könne, allgemein üblich. Eine rechtlich verbindliche Fixierung dieser tatsächlichen Übung sei unnötig und würde nur die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Verlegern und Redakteuren erschweren 53 . b) Rechtswissenschaftliche

Literatur

aa) Es wurde bereits hervorgehoben, daß während der Weimarer Zeit die noch vom Positivismus geprägte Rechtswissenschaft der Pressereformdiskussion, die innerhalb der Öffentlichkeit und v. a. der Presse selbst geführt wurde, weitgehend ignorierte. Die Frage der inneren Pressefreiheit wurde überwiegend nicht als Problem des geltenden Rechts, insbesondere des Verfassungsrechts, sondern als pressepolitisches Problem angesehen 54 . Zum damals w o h l meistdiskutierten Problem, 48 Jaenecke, Verleger-Redakteur, in: Festschrift für A. Betz, S. 59; ders. in Z V + Z V 1963, S. 942 ff. 49 Jaenecke, a.a.O., S. 60; Betz, Das Geld in der Zeitung, in: Die Funktion der Presse im demokratischen Staat, S. 114; Kluthe, Z V + Z V 1962, S. 921. 50 Kluthe, a.a.O.; vgl. auch Scheuner, AfPR 1968, S. 730. 51 Jaenecke, a.a.O., S. 60; Esser, Der Zeitungsverleger, S. 14 f. 62 Jaenecke, a.a.O., S. 60; Carbe bei Mannheim, a.a.O., S. 95; Esser, a.a.O., S. 14 f. 53 Esser, a.a.O., S. 14 f.; Jaenecke, a.a.O., S. 63; Springer, Viel Lärm um ein Zeitungshaus, S. 24 f.; vgl. aber andererseits die Stellungnahme des Vorsitzenden des hessischen Zeitungsverlegerverbands, Reinowski, der — in offenem Widerspruch zu der h. M. unter den Verlegern — eine Kompetenzregelung entsprechend dem M T V v. 1926 befürwortet (Innere Pressefreiheit, S. 34 f.). 54 Vgl. z.B. die Darstellung bei Mannheim (a.a.O., S. 93ff.), der in seiner Abhandlung über das geltende Presserecht zwar auch die innere Pressefreiheit erwähnt, dabei jedoch nur die pressepolitischen Standpunkte der Standesorganisationen gegenüberstellt, ohne selbst rechtliche Gesichtspunkte dazu aufzuzeigen.

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

nämlich der Stellung des Redakteurs gegenüber dem Verleger, gibt es auf rechtswissenschaftlicher Seite lediglich eine Dissertation von Max Wolff aus dem Jahre 1929 unter dem programmatischen Titel „Rechtliche Garantien für die Unabhängigkeit des Redakteurs". Bezeichnenderweise geht Wolff, trotz der Drittwirkungsbestimmung des A r t . 118 I, 2 WV, an die Frage der Freiheit des Journalisten gegenüber dem Verleger ausschließlich unter presserechtlich-zivilistischen, nicht unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten heran. Er glaubt, die Lösung des Problems unmittelbar aus dem Dienstvertrag ableiten zu können und zwar dadurch, daß er die von den Verlegern als Privileg erstrebte Anerkennung einer „öffentlichen Aufgabe" der Presse nun ihnen selbst als Pflicht entgegenhält und als deren Träger ausschließlich den Redakteur ansieht. Wolff unterscheidet „zwischen den Beziehungen des Redakteurs zur Zeitung als wirtschaftlichem Unternehmen und den Beziehungen zur Zeitung als Faktor des öffentlichen Lebens, als geistiger Potenz 55 . I n ersterer Hinsicht sei der Redakteur lediglich Angestellter und Beauftragter des Verlegers. Als Gestalter des redaktionellen Teils sei er dagegen zur Vertretung öffentlicher Interessen verpflichtet; denn indem der Verleger einen Redakteur zur geistigen Gestaltung der Zeitung anstelle, übertrage er i h m gleichzeitig die Wahrnehmung der sich aus der „öffentlichen Aufgabe" ergebenden Pflichten. Der Verleger habe sich durch den Abschluß des Dienstvertrags m i t dem Redakteur auf die Befugnis zur Setzung von Richtlinien für die Zeitung beschränkt und sich des Rechts zur Gestaltung des Zeitungsinhalts i m einzelnen zugunsten des Redakteurs begeben. „Der m i t dem Unternehmer abgeschlossene Dienstvertrag hat eben zum Zweck die Verpflichtung als Redakteur, erzeugt aber selbstverständlicherweise auf Unternehmerseite die Pflicht, dem Vertragspartner innerhalb des Betriebs den W i r kungskreis zu überlassen und die Selbständigkeit einzuräumen, die seiner Berufsstellung entspricht, und die zur Lösung der i h m gestellten Aufgaben erforderlich ist 5 6 ." I m einzelnen werde der Redakteur durch den Anstellungsvertrag verpflichtet, „den i h m zugewiesenen Teil des Allgemeinen Teils der Zeitung bis zur Druckreife selbständig und i m Rahmen vorgeschriebener Richtlinien völlig frei von Einzelanordnungen vorzubereiten". I n der Einrichtung des verantwortlichen Redakteurs komme zum Ausdruck, daß der Gesetzgeber selbst von dieser Aufgabenverteilung ausgegangen sei 57 . bb) Die erste Abhandlung nach 1945, die sich m i t der Frage der inneren Pressefreiheit unter juristischem Blickwinkel eingehender befaßte, 55 56 57

Wolff, a.a.O., S. 16. Ebd., S. 18. Ebd., S. 19.

V. Die Pressefreiheit innerhalb des Presseunternehmens

273

war die Dissertation von Bernhard Maurer. I n der Analyse des Problems und seinen eigenen Lösungsvorschlägen lehnt sich die Arbeit stark an die Vorkriegsdiskussion an. Maurer bejaht eine D r i t t w i r k u n g der Pressefreiheit, ohne daraus jedoch weitere verfassungs- oder presserechtliche Konsequenzen zu ziehen. Er setzt sich eingehend m i t den gesetzlichen Regelungen bzw. Vorschlägen über die Einführung besonderer Strafbestimmungen für Pressenötigung und -bestechung, Offenlegungsvorschriften bezüglich der Eigentumsverhältnisse und Selbstverwaltungseinrichtungen auseinander, kommt dabei jedoch zum Ergebnis, daß sie gegenüber den eigentlichen Gefährdungen der inneren Pressefreiheit weitgehend w i r kungslos bleiben müssen. Maurers Arbeit schließt m i t der resignierenden Feststellung, daß die Frage der inneren Pressefreiheit unlösbar m i t der dualistischen Struktur der Presse verbunden ist, die ihrerseits jedoch notwendiger Bestandteil einer freien Presse sei. Gefährdungen der inneren Pressefreiheit könnten daher allenfalls eingedämmt, aber nie ganz ausgeschaltet werden. cc) Den ersten überzeugenderen Versuch zur Lösung des innerbetrieblichen Freiheitsproblems von einem verfassungsrechtlichen Ansatz her hat Mallmann unternommen. Mallmann geht von der historischen Feststellung aus, daß die Pressefreiheit — ursprünglich als publizistische Freiheit erkämpft und gewährt — i m Zuge der Kommerzialisierung weithin zur Verlegerfreiheit geworden sei 58 . Dadurch drohe die Pressefreiheit in ihrem Wesen verfälscht zu werden, denn der Verleger sei von seiner natürlichen Interessenlage her weniger auf die publizistische Aufgabe als auf seinen persönlichen Gewinn h i n orientiert. Der soziale Wandel innerhalb des Pressewesens habe dazu geführt, daß der Journalist heute nur noch als Angestellter des Verlegers betrachtet werde und sein Verhältnis zum Verleger damit den „nivellierenden Kategorien des Arbeitsrechts" unterliege, das den Journalisten zu Gehorsam und Treue, zur Wahrung des wirtschaftlichen Betriebsinteresses verpflichte und dem Verleger als „Herrn des Unternehmens" ein umfassendes Direktionsrecht gebe 59 . Diese Betrachtungsweise aber stehe bereits i n Widerspruch zu den Intentionen des Reichspressegesetzes von 1874, das — wie sich am Institut des verantwortlichen Redakteurs zeige — die Pressefreiheit keineswegs primär als Verlegerfreiheit verstehe. A n diese Vorstellungen habe der Grundgesetzgeber angeknüpft. Schon nach dieser traditionellen Konzeption könne als primäres Schutzgut des A r t . 5 I, 2 GG nur 68 Pressefreiheit und Journalistenrecht, Publizistik 1959, S. 326; vgl. auch „Über Journalistenfreiheit sprechen ist ein Wagnis", in: „Der Journalist" 4/1961, S. 2 ff. 59 Pressefreiheit und Journalistenrecht, a.a.O., S. 326 f.

18 Stammler

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S.Teil: Die Innere Pressefreiheit

die materielle Pressefreiheit, zistischen Meinungsäußerung" der Journalist sei und u m die formelle Pressefreiheit, d. h. lege 60 .

d. h. das „Grundrecht der freien publiangesehen werden, deren erster Träger herum sich „als eine A r t Schutzring" die die Freiheit des Presseverlagsgewerbes

Mallmann entwickelt damit aus der Verfassung selbst, nämlich i m Wege einer funktionalen Aufspaltung der Pressefreiheit, eine Theorie der inneren Pressefreiheit. Der Verleger sei lediglich Träger der Pressegewerbefreiheit. Träger der materiellen Pressefreiheit dagegen der Journalist. Der Verleger habe Einfluß auf die publizistische Funktion nur insoweit, als seine (gewerbliche) Freiheit reiche. Überschreite er diese Grenze, so verletze er die materielle Pressefreiheit des Journalisten, die damit nicht nur „staatsgerichtet", sondern auch „verlegergerichtet" sei 61 . Diese sich schon aus der traditionellen Freiheitskonzeption ergebende unabhängige Stellung des Journalisten gegenüber dem Verleger werde durch den demokratischen Charakter des Grundgesetzes noch weiter verstärkt. Die Presse sei heute eine „öffentliche Institution i m Staat", die legitimiert werde „durch den Auftrag, neben den Parteien und neben anderen Faktoren der öffentlichen Meinung bei der politischen Willensbildung des Volkes 4 (Art. 21 GG) mitzuwirken". Die Pressefreiheit sei daher keine individuelle Freiheit, sondern „eine institutionelle Freiheit, eine Freiheit u m der Aufgabe w i l l e n " 6 2 . Diese Aufgabe werde von den Journalisten ausgeübt. Daher gelte auch ihnen i n erster Linie der Schutz der Verfassungsgarantie. Der Verleger werde von der institutionellen Pressefreiheit nur insoweit geschützt, als seine (pressegewerbliche) Funktion reiche. Soweit er darüber hinaus i n die Meinungsfreiheit des Journalisten eingreife, sei er „nicht Träger, sondern Verletzer der Pressefreiheit". Die Stellung des Journalisten sei somit nicht mehr die eines bloßen Angestellten des Verlegers. Der Journalist leiste vielmehr „öffentliche Dienste", sein Beruf sei einer der (i. S. Triepels) staatlich, oder besser öffentlich-rechtlich, gebundenen Berufe. Daraus ergebe sich die Konsequenz, daß „Pressegewerbefreiheit und privatwirtschaftliche Struktur die notwendige, aber dienende Grundlage der Pressefreiheit" seien 63 . Als ideale Lösung für eine Unternehmensverfassung sieht Mallmann die Rechtsform der gemeinnützigen Stiftung an 6 4 . 60

Ebd., S. 328. Ebd., S. 328; ebenso Scholler, Person und Öffentlichkeit, S. 132. 62 Pressefreiheit und Journalistenrecht, a.a.O., S. 329; dies dürfte jedoch nicht ganz wörtlich zu nehmen sein, denn Mallmann erkennt auch weiterhin eine materielle Pressefreiheit an, die subjektiv-rechtlichen Inhalt hat (vgl. den vorhergehenden Text, sowie JZ 1964, S. 141 ff., 144). 63 Ebd., S. 331. 64 Vom StiftungsVorschlag ist Mallmann allerdings in jüngster Zeit wieder 61

V. Die Pressefreiheit innerhalb des Presseunternehmens

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Die öffentliche Bindung der Presseberufe schränke das Direktionsrecht einerseits, die Gehorsams- und Treuepflicht andererseits so stark ein, daß sie als Grundsätze ihren Sinn verlören. Grundsätzlich habe der Verleger kein Direktionsrecht gegenüber dem Redakteur. Nur solche Befugnisse könnten i h m zukommen, die sich aus seiner Unternehmerstellung bzw. aus der privatwirtschaftlichen Ordnung des Pressebetriebs ergäben, also i n erster Linie Anordnungen rein organisatorischer A r t , die die Meinungsfreiheit und Verantwortung der Redakteure nicht berührten. Aus der privatwirtschaftlichen Grundlage ergebe sich allerdings die Befugnis des Verlegers, die grundsätzliche politische, wirtschaftliche und kulturelle Richtung des Blattes i n Richtlinien festzulegen, innerhalb derer die Redakteure unabhängig und verantwortlich den geistigen Inhalt der Zeitung zu gestalten hätten 6 5 . Mallmann siedelt die innere Pressefreiheit somit i m Bereich des A r t . 5 selbst an und sieht die Lösung i n einer Aufspaltung der Pressefreiheit entsprechend den unterschiedlichen Funktionen von Verleger und Redakteur. Der Redakteur ist alleiniger Träger der „materiellen Pressefreiheit", die er — wohl nach den Grundsätzen der Drittwirkungslehre — dem Verleger als Inhaber einer bloßen Pressegewerbefreiheit entgegenhalten kann. Zugleich kann sich der Journalist auf den Schutz der institutionellen Seite der Pressefreiheit berufen, wenn der Verleger i n die journalistische Meinungsfreiheit eingreift. Wie dieser institutionelle Schutz allerdings rechtstechnisch zu realisieren ist, bleibt bei Mallmann unklar. dd) Löffler sieht die innere Pressefreiheit insgesamt und damit auch die Beziehung zwischen Redakteur und Verleger — i m Gegensatz zu Mallmann — nicht als Frage der materiellen Pressefreiheit, sondern als Unterfall der formellen, negatorischen Pressefreiheit an, die nach den Grundsätzen der Drittwirkungslehre auch i m Privatrechtsverkehr Geltung habe 66 . Das Problem der Journalistenfreiheit bildet bei Löffler nur einen relativ untergeordneten Nebenaspekt der inneren Pressefreiheit, wobei er ebenfalls zu einer Kompetenzaufteilung zwischen Richtlinienbefugnis des Verlegers und Ausgestaltung dieser Richtlinien durch den Redakteur kommt. Diese Kompetenzaufteilung, bei der unklar bleibt, ob sie verfassungsrechtlich verbindlich oder nur politisch wünschenswert sein soll, sieht Löffler offensichtlich bereits durch die bestehenden Abmachungen zwischen Verleger- und Journalistenverbänden, insbesondere die tariflichen Gesinnungsschutzklauseln, als gewährleistet an 6 7 . etwas abgerückt (vgl. den Bericht über einen Vortrag Mallmanns, in: „Der Journalist" 12/1968, S. 2 f. 65 Pressefreiheit und Journalistenrecht, a.a.O., S. 332. 66 Löffler, Presserecht Bd. 1, Kap. 5, Rz. 70. 67 Ebd., Rz. 72. 18*

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ee) Einen ganz anderen Standort n i m m t Herzog ein. Herzog lehnt als Anhänger der liberalen Pressefreiheitstheorie sowohl die Lehre von der „öffentlichen Aufgabe" der Presse und der institutionellen Garantie der Pressefreiheit, als auch die unmittelbare Erstreckung der Grundrechte i n die Privatrechtssphäre über die Lehre von der D r i t t w i r k u n g ab. Was die Frage der Journalistenfreiheit betrifft, ist die D r i t t w i r kungslehre nach Herzogs Ansicht schon deshalb abzulehnen, w e i l sie zu einer „Depossedierung des Verlegers und seiner leitenden Angestellten" führe 6 8 . Herzogs Lösungsansatz liegt i n einer Güterabwägung. Gegenüber dem Staat seien sowohl der Verleger wie der Redakteur Träger des Grundrechts der Pressefreiheit. Da der Verleger aber i m Innenverhältnis gegenüber dem Redakteur der wirtschaftlich Stärkere sei, drohe diese verfassungsrechtliche Gleichstellung i m Außenverhältnis durch das w i r t schaftliche Ungleichgewicht i m Innenverhältnis unterhöhlt und damit auf eine bloß formale Rechtsposition des Journalisten reduziert zu werden. Eine derartige Schrumpfung des Grundrechts sei jedoch mit dem demokratischen Prinzip nicht vereinbar. Der Rechtsstellung des Journalisten nach außen müsse vielmehr auch eine gewisse Selbständigkeit nach innen gegenüber dem Verleger entsprechen 69 . Ein gerechter Ausgleich zwischen Verlegerfreiheit und demokratischem Prinzip könne nur dadurch erzielt werden, daß der Verleger auf eine Richtlinienkompetenz beschränkt werde, innerhalb derer der Journalist den redaktionellen Inhalt i n eigener Verantwortung selbständig zu gestalten habe 70 . ff) Einen zweifellos interessanten Lösungsansatz für die innere Pressefreiheit hätte Ridders Lehre von A r t . 21 GG als „Haupt- und Grundnorm der institutionellen öffentlichen Meinungsfreiheit" 7 0 * geboten. Da Ridder das Gebot der „innerparteilichen Demokratie" des A r t . 21 X, 2 auch auf die politische Presse überträgt, hätte er die verfassungsrechtliche Grundlage für eine umfassende Umgestaltung der inneren und äußeren Strukturen des Pressewesens gehabt. Leider hat Ridder diesen Gedanken weder i n seiner Abhandlung i n dem Sammelband „Die Grundrechte" noch i n seinen späteren Veröffentlichungen weiter ausgeführt. I n seinem Vortrag über „Probleme der inneren Pressefreiheit" aus dem Jahre 1962 stellt Ridder lediglich lapidar — ohne nähere Begründung — fest, daß die innere Pressefreiheit aus Gründen der kommerziellen Struktur unserer Presse eine „Gewaltenteilung" zwischen Ver68

In: Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz, Art. 5, Rz. 168 ff. Herzog, a.a.O., Rz. 171. 70 Ebd., Rz. 174. 7 °a Meinungsfreiheit, in: Die Grundrechte Bd. 2, S. 257. 69

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leger und Hedakteur gebiete, die darauf hinauslaufe, daß der Verleger auf eine bloße Richtlinienkompetenz zu beschränken sei 71 . Ridder schwebt dabei vor, daß der Verleger über eine derartige Kompetenzaufteilung die Funktion eines „Prellbocks für unkeusche Zumutungen von außen" erhalte und dadurch dem Redakteur die unbeeinflußte Erfüllung seiner „öffentlichen Aufgabe" ermögliche. c) Kritik: Das Versagen der Lehre von der Drittwirkung der Grundrechte Unterzieht man die bisherigen Versuche, das Problem der innerbetrieblichen Pressefreiheit juristisch i n den Griff zu bekommen, einer kritischen Überprüfung, so stößt man sehr bald schon auf Unklarheiten und Widersprüche. aa) Der Versuch Wolffs, eine Kompetenzabgrenzung zwischen Verleger und Redakteur bereits aus dem Dienstvertrag selbst herleiten zu können, ist zwar sehr originell, aber juristisch nicht haltbar. Stellt man die innerbetrieblichen Beziehungen lediglich auf das Dienstvertragsrecht ab, dann muß man konsequenterweise diesen ganzen Fragenkomplex ausschließlich als arbeitsrechtliches Problem behandeln. Einen über den allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen stehenden rechtlichen Maßstab gibt es dann nicht. Das heißt aber, daß auch auf den Redakteursvertrag prinzipiell die allgemeinen Grundsätze über das Direktionsrecht, die Gehorsams- und Treuepflicht etc. anwendbar sind. Diese Grundsätze sind zwar vertraglich einschränkbar bzw. abdingbar. I m Einzelfall ist es daher durchaus möglich, i m Wege der Vertragsauslegung zu der von Wolf angestrebten Kompetenzabgrenzung zu kommen. Diese Vertragsauslegung ist jedoch keineswegs zwingend. Die gegenseitigen Rechte und Pflichten zwischen Redakteur und Verleger können vielmehr genausogut vertraglich anders, nämlich i. S. eines umfassenden Direktionsrechts des Verlegers geregelt werden. Da der Verleger der wirtschaftlich Stärkere ist, w i r d er sich i. d. R. auch m i t entsprechenden Forderungen gegenüber neu eintretenden Redakteuren durchsetzen können. Solange kein außerhalb der Parteidisposition befindlicher höherrangiger Rechtssatz gefunden wird, ist eine Kompetenzabgrenzung zwischen Verleger und Redakteur daher rechtlich nicht belegbar. bb) Einen solchen höherrangigen Rechtssatz glauben einige Autoren in der Lehre von der D r i t t w i r k u n g des Grundrechts der Pressefreiheit gefunden zu haben. Wenn man der i n der vorliegenden Arbeit vertretenen Auffassung folgt, daß die Pressefreiheit ausschließlich objektiv-rechtlichen Gehalt 71

Beilage zu „Der Journalist" 5/1962, S. 12.

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als Garantie des Instituts „Freie Presse" hat, so ist damit gleichzeitig ausgesagt, daß die Pressefreiheit auch Geltung i m Privatrechtsverkehr besitzt; denn als institutionelle Garantie, die nicht u m einzelner Personen, sondern u m der Funktion der Presse i n Staat und Gesellschaft w i l l e n gewährleistet ist, ist sie der privaten Disposition entzogen. Von der institutionellen Garantie selbst sind allerdings die daraus fließenden „Reflexrechte" zu unterscheiden. Diese unterliegen grundsätzlich, ebenso wie alle anderen subjektiven Rechte, der Privatautonomie. Da die Reflexrechte jedoch nicht u m des Einzelnen, sondern u m der Sicherung der Institution w i l l e n gewährt werden, findet die individuelle Dispositionsmöglichkeit ihre Grenze i m institutionellen Schutzzweck. Sie können daher nur insoweit der vertraglichen Disposition unterliegen, als dadurch nicht der institutionelle Gehalt als solcher angetastet wird. Dieses Ergebnis dürfte i n etwa der traditionellen Drittwirkungslehre entsprechen, denn auch diese erkennt dem Einzelnen innerhalb des Grundrechtsbereichs einen Spielraum für die privatautonome Gestaltung seiner Rechtssphäre zu, die erst an den allgemeinen, auch für den Gesetzgeber geltenden Grundrechtsschranken ihre Grenze findet 7 2 . Die Lehre von der D r i t t w i r k u n g der Grundrechte kann jedoch für das betriebsinterne Verhältnis zwischen Redaktion und Verlag nicht die Lösung bieten, die sich ihre Befürworter versprechen. Dagegen sprechen bereits Gründe der praktischen Durchsetzbarkeit. Soll m i t Hilfe der Drittwirkungslehre dem einzelnen Redakteur ein Abwehrrecht gegenüber dem Verleger eingeräumt werden, ohne daß dies durch bestimmte institutionelle Maßnahmen, wie z. B. eine gesetzliche oder vertragliche Kompetenzabgrenzung, abgestützt ist, so erscheint es angesichts der sozialen Abhängigkeit des Redakteurs äußerst zweifelhaft, ob dieser sein Recht gegenüber dem Verleger auch tatsächlich geltend machen kann bzw. die nötige Courage dazu aufbringt 7 3 . I m übrigen ist den Verlegern nicht zu bestreiten, daß sie als Kapitalgeber ein erhebliches w i r t schaftliches Risiko tragen, das ganz wesentlich von der redaktionellen Gestaltung der Zeitung beeinflußt wird. Der Verleger kann schon aus diesem Grund nie völlig auf eine Einflußnahme i n redaktionellen A n gelegenheiten verzichten. Es ist Richard Schmid i m Prinzip zuzustimmen, wenn er sagt, er halte es „für ein m i t der Durchschlagskraft eines Naturgesetzes wirksames ökonomisches, soziales und psychologisches 72 Vgl. Leisner, Grundrechte und Privatrecht, S. 384 ff.; die Frage, ob auch das Zensurverbot des Art. 5 I, 3 Drittwirkung besitzt (so Noltenius, Filmselbstkontrolle, S. 117) kann hier dahingestellt bleiben; das Zensurverbot dürfte jedoch historisch auf eine Abwehrrichtung gegen den Staat festgelegt sein (so auch Leisner, a.a.O., S. 361, zweifelnd Scholler, Person und Öffentlichkeit, S. 324). 73 Gleiche Bedenken bei Maurer, a.a.O., S. 100, 107 und F. Schneider, Meinungs- und Pressefreiheit, S. 79, 86.

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Gesetz, daß sich die Interessen des Inhabers und Kapitalbesitzers durchsetzen" und präzisiert: „Die wirtschaftlichen Interessen des Verlegers setzen sich i n der Redaktion des Blattes, i n der Auswahl und Leitung der Redakteure und Mitarbeiter, i n dem, was das Blatt bringt und nicht bringt, i n der Stilisierung und Aufmachung unbedingt durch 7 4 ." Sieht man einmal von den Besonderheiten des Pressebetriebs ab, so w i r d auch von den Anhängern der Drittwirkungslehre eingeräumt, daß i m Arbeitsleben das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit weitgehende Einschränkungen erfährt. So hat beispielsweise der 1. Senat des B A r b G entschieden, daß die Meinungsäußerungsfreiheit des Arbeitnehmers innerhalb des Betriebs durch die allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätze, insbesondere über die Wahrung des Betriebsfriedens, eingeschränkt w i r d 7 5 . Wie stark die Stellung des Arbeitgebers gegenüber den Arbeitnehmern gerade i n „Tendenzbetrieben" ist, zu denen nach h. M. auch richtungsneutrale Presseunternehmen zählen 76 , zeigt die Vorschrift des § 81 BetrVG. Innerhalb von Presseunternehmen ist die Anwendungsmöglichkeit der Drittwirkungslehre aber noch problematischer. Hier geht es weniger um die Frage der Meinungsfreiheit innerhalb des Betriebs selbst, als vielmehr darum, i n den von dem Unternehmen verlegten Publikationen eine bestimmte Meinung verbreiten zu dürfen. Dieses Recht kann keinesfalls a priori nur auf die Redakteure beschränkt werden. A u f dem Boden des privatwirtschaftlichen Pressewesens muß es auch, ja gerade vor allem, dem Verleger zustehen. Er ist i. d. R. derjenige, der die Zeitung ins Leben gerufen hat. Verfolgt das Blatt eine bestimmte geistige Richtung, so w i r d sie unbestritten vom Verleger bestimmt. I m deutschen Pressewesen ist es zudem feste Tradition, daß die Verleger von Tageszeitungen für sich auch die Stellung des Herausgebers, also die „geistige Oberleitung" der Zeitung, beanspruchen. Sie bringen damit zum Ausdruck, daß sie m i t dem Presseunternehmen nicht nur rein wirtschaftliche, sondern auch publizistische Ziele verfolgen. Dieser Anspruch kann ihnen nicht generell bestritten werden. Für den Verleger ist somit aber die Herausgabe einer Zeitung ebenfalls eine Form individueller Meinungsäußerung. Die Anstellung von Redakteuren bedeutet zwar, daß er die laufende Gestaltung der Zeitung auf andere überträgt; keinesfalls aber kann man darin etwa einen generellen Verzicht des Verlegers darauf erblicken, i n der Zeitung und durch die Zeitung „seine" Meinung zu verbreiten. 74 „Wer ist frei bei der Presse?", Manuskript eines Rundfunkvortrags vom 6.12.1966, S. 22. 75 B A G E 1, 185, 191 ff. 76 Vgl. Bericht über 21. Arbeitstagung des Studienkreises für Presserecht und Pressefreiheit in JZ 1967. 612, sowie B A G E 2, 91; neuerdings aber einschränkend B A G N J W 1966, 1578.

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

I m Rahmen des privatwirtschaftlichen Pressewesens und auf dem Boden der individualrechtlichen Grundrechtstheorie ist es daher schlechterdings unhaltbar, den Redakteur als ausschließlichen Träger der materiellen Pressefreiheit zu bezeichnen. Der Verleger nimmt zumindest i m A k t der Gründung der Zeitung und i n der Folgezeit i n seiner Position als Herausgeber materielle Pressefreiheit wahr. Wenn er die Gestaltung der Zeitung Redakteuren überträgt, so bedeutet dies für ihn lediglich eine auf vertraglicher Grundlage basierende und zu regelnde Übertragung der Ausübung der Pressefreiheit, nicht aber einen völligen Verzicht auf sein Grundrecht. Man kann dieses Problem auch nicht dadurch umgehen, daß man den Redakteur als „Angestellten i m öffentlichen Auftrag" ansieht. Abgesehen davon, daß diese Konstruktion — nimmt man sie ernst und nicht nur als Schlagwort — systemfremd ist, keine rechtliche Grundlage besitzt und daß man damit i n das Unternehmen einen institutionalisierten Konflikt hineintragen würde, der ständiger Sprengstoff wäre, bliebe dadurch die materielle Pressefreiheit des Verlegers als Herausgeber auch weiterhin unberührt; denn sieht man i n der Gestaltung einer Zeitung einen „öffentlichen Auftrag", so wäre der Herausgeber nicht weniger als Redakteur Träger dieses Auftrags. I m Rahmen des bestehenden privatwirtschaftlichen Pressewesens ist es somit nicht möglich, das Problem der inneren Pressefreiheit auf einen K o n f l i k t zwischen der Meinungsfreiheit (als Unterfall der Pressefreiheit) der Redakteure auf der einen Seite und einem nur auf allgemeine arbeitsrechtliche Grundsätze gestützten Direktionsrecht des Verlegers zu reduzieren. Vielmehr sind i n einer privatwirtschaftlichen Presseordnung sowohl Redakteur wie Verleger Träger der Meinungs- und Pressefreiheit. Das Problem besteht darin, daß die Meinungsfreiheit beider Seiten i n dem Anspruch auf die Gestaltung der Zeitung kollidiert 7 7 . Die individualrechtliche Auffassung der Pressefreiheit kann keinen Maßstab für eine Lösung dieses Konflikts auf Grundrechtsebene liefern. cc) Eine diesen Konflikt lösende höherrangige Norm zugunsten der Redakteure glaubt nun allerdings Herzog i m demokratischen Prinzip gefunden zu haben. Er legt der Auslegung des A r t . 5 den Gleichheitsgrundsatz i n Verbindung m i t dem demokratischen Prinzip zugrunde und kommt i m Wege der Güterabwägung zum Ergebnis, daß den Redakteuren „eine gewisse Weisungsunabhängigkeit" gegenüber dem Verleger zustehe 78 . 77 Die Anwendbarkeit der Drittwirkungslehre im Verhältnis VerlegerRedakteur wird auch von Ehmke (Pressereform, a.a.O., S. 109), Forsthoff (Zeitungspresse, S. 33 f.) und Scheuner ( W D S t R L 22, S. 73 f.) abgelehnt. 78 Herzog, in: Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz, Art. 5, Rz. 171; vgl. auch Rudolf, Presse und Rundfunk, in: Besonderes Verwaltungsrecht, S. 579.

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Die Schwäche dieser Begründung von der individualrechtlichen Theorie aus zeigt sich schon darin, daß die maßgebende Erwägung für Herzog ist, den Kreis der Träger des Grundrechts der Pressefreiheit „nicht unangemessen klein" zu halten. Damit versucht Herzog die Folgen, die die liberale Pressefreiheitstheorie i n der Praxis gezeitigt hat, durch die Einführung des demokratischen Prinzips nachträglich wieder auszugleichen. Ob diese Konstruktion nicht noch weit eher den V o r w u r f des „Griffs i n die juristische Trickkiste" verdient, m i t dem Herzog die Anhänger einer institutionellen Auffassung der Pressefreiheit belegt, mag dahingestellt bleiben. Die Theorie Herzogs ist v. a. aber aus anderen Gründen nicht überzeugend: Seinen Ausführungen ist kein wirklich überzeugender Grund dafür zu entnehmen, daß das demokratische Prinzip einen Ausgleich der Grundrechte von Redakteur und Verleger ausgerechnet i n der Weise fordert, daß der Verleger nur noch die Richtlinien seiner Zeitung bestimmen darf und die Redaktion innerhalb dieser Richtlinien weisungsunabhängig ist 7 9 . Wohlgemerkt geht es Herzog nicht u m eine „Demokratisierung" des Zeitungsunternehmens als solches, die er von seiner individualrechtlichen Ausgangsstellung her sowieso nicht vertreten könnte. Vielmehr w i l l er durch die Einführung des demokratischen Prinzips lediglich die subjektiven Freiheitsrechte der einzelnen Redakteure effektivieren. Unter diesem Gesichtspunkt aber erscheint sein Ergebnis reichlich willkürlich, oder genauer als der Versuch, ein aus anderen (politischen, publizistischen) Gründen erwünschtes Resultat durch manipulative Verteilung bzw. Einschränkung von Grundrechten zu erreichen, und zwar m i t dem Anspruch, daß dieses Ergebnis unmittelbar zwingend aus dem Grundgesetz selbst hergeleitet sei. Gerade bei Herzog zeigt sich die Aporie der traditionell-liberalen Pressefreiheitstheorie angesichts der jüngsten Entwicklung i m Pressewesen am deutlichsten. Sie meint einerseits, das liberale Dogma des ausschließlich individualrechtlichen Charakters der Grundrechte nicht aufgeben zu können, hat aber andererseits das m i t der individualrechtlichen Freiheitsauffassung i m Ursprung wesensmäßig verbundene Vertrauen auf die gerechtigkeitsstiftende, harmonisierende Wirkung eines freien Wettbewerbs verloren und w i l l die praktischen Resultate ihrer Betrachtung der Grundrechte als „Magna Charta" des autonomen Individuums nicht anerkennen. Da eine Ausdehnung der Grundrechte i n den gesellschaftlichen Bereich über die Drittwirkungslehre weder m i t den liberalen Glaubenssätzen vereinbar ist noch i m Fall der Presse zu einer Lösung des Problems führen kann, schreitet Herzog zur Korrektur des 79 Friesenhahn (Die Pressefreiheit im Grundrechtssystem des Grundgesetzes, a.a.O., S. 35) leitet aus dem Demokratiegebot einen ganz anderen Gedanken ab, nämlich das Prinzip der Vielgestaltigkeit der Presse.

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

Grundrechts selbst, indem er m i t Hilfe allgemeiner Verfassungsprinzipien die Freiheitsrechte der Einzelnen i n einer gerade vom liberalindividualrechtlichen Standpunkt aus manipulativ wirkenden Weise zum Ausgleich zu bringen sucht, ohne zu erkennen, daß er damit der politischen Ausgestaltung des institutionellen Grundrechtsrahmens durch den Gesetzgeber vorgreift.

V I . Die eigentliche Problemstellung 1. Die ratio der inneren Pressefreiheit Die Meinungsverschiedenheiten über Inhalt und verfassungsrechtlichen Standort der inneren Pressefreiheit sind zu einem Gutteil darauf zurückzuführen, daß noch zu wenig Klarheit über Sinn und Zweck der Forderung nach innerer Pressefreiheit besteht. Verfolgt man die Diskussion darüber i n der juristischen und publizistischen Literatur, so kann man sich gelegentlich des Eindrucks nicht erwehren, daß die unterschiedlichen Meinungen zur inneren Pressefreiheit eher den Charakter eines Glaubenssatzes (der wiederum von bestimmten Stereotypen „des Verlegers", „des Journalisten" und dem jeweiligen eigenen Erfahrungshorizont geprägt wird) als den Charakter einer wissenschaftlichen Theorie besitzen. Besonders deutlich zeigt sich diese Haltung bei der Frage der innerbetrieblichen Pressefreiheit, wo es also u m das Freiheitsproblem i n der Beziehung zwischen Verleger und Redakteur geht. Versucht man einmal, sine ira et studio und unabhängig von den verschiedenen i m Spiel befindlichen Interessenstandpunkten, die Frage nach der eigentlichen ratio einer inneren Pressefreiheit i m Verhältnis Verleger-Redakteur zu beantworten, so stößt man wieder auf die Grundfrage, die bereits i m Zusammenhang m i t der allgemeinen Pressefreiheit erörtert wurde: Der Frage danach, ob die Freiheit der Presse um des Einzelnen oder u m eines überindividuellen Wertes, nämlich der „öffentlichen Aufgabe" der Presse w i l l e n gewährleistet ist. a) Stellt man sich auf den Standpunkt, daß die Pressefreiheit u m des einzelnen Individuums w i l l e n gewährleistet ist, so kann es bei der innerbetrieblichen Pressefreiheit nur darum gehen, den einzelnen Redakteur i n seiner individuellen Freiheit zu schützen. Dies aber hat zur Konsequenz, daß das Freiheitsproblem nicht nur auf einen Konflikt zwischen Redakteur und Verleger zu reduzieren ist, sondern auch — ja vielleicht vor allem, w e i l für den Redakteur i n seiner täglichen Arbeit viel spürbarer — die Weisungsabhängigkeit des Redakteurs gegenüber redaktionellen Vorgesetzten, insbesondere dem Chefredakteur, einzubeziehen hat. I n der Diskussion u m die Kompetenzabgrenzung zwischen Verlag und Redaktion w i r d meist übersehen, daß das Direktionsrecht

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des Verlegers für den einzelnen Redakteur nur i n Ausnahmefällen i n Erscheinung tritt. Verlag und Redaktion sind — zumindest i n größeren Zeitungsunternehmen — zwei voneinander organisatorisch getrennte Unternehmensabteilungen, die jeweils nur über die Abteilungsspitzen miteinander verbunden sind. Unmittelbarer Adressat des verlegerischen Direktionsrechts w i r d daher i. d. R. nur der Chefredakteur sein, über den die Weisungen und Wünsche des Verlegers an das einzelne Redaktionsmitglied weitergeleitet werden, der aber als Chef der Redaktion vor allem selbst Inhaber einer eigenen „Befehlsgewalt" gegenüber den i h m unterstellten Redakteuren ist. Wer die Pressefreiheit als individuelle Freiheit ansieht, kann eine Lösung des innerbetrieblichen Freiheitsproblems folglich nicht schon i n einer Kompetenzabgrenzung i m Verhältnis zwischen Verlag und Redaktion sehen. Für i h n hat die Freiheit des einzelnen Redakteurs, gleich welchen Einwirkungen gegenüber, i m Mittelpunkt zu stehen. b) Nach der vom Verfasser vertretenen institutionellen Theorie, wonach Pressefreiheit nicht u m der einzelnen Person, sondern u m der „öffentlichen Aufgabe" der Presse w i l l e n gewährleistet ist, muß auch die innere Pressefreiheit ihre Rechtfertigung i n einem über dem einzelnen Journalisten stehenden Wert finden. Innere Pressefreiheit stellt sich danach als die „innere", d. h. als die der Presse selbst zugewandte Seite des Gebots freier Kommunikation dar. Die Struktur des Pressewesens selbst muß danach so sein, daß freie Kommunikation innerhalb und durch das Medium Presse gewährleistet ist. Für die innere Pressefreiheit ergeben sich daraus zwei Teilaspekte: (1) Innere Pressefreiheit verlangt, daß die Kommunikation über das Medium Presse frei von sachfremden Einflüssen ist. Als Einflüsse dieser A r t kommen insbesondere Einwirkungen der kommerziellen Seite des Pressewesens auf den redaktionellen Teil i n Betracht. Da i m Rahmen einer privatwirtschaftlichen Presseordnung sich die kommerziellen Interessen innerhalb der Presse i n der Person des Verlegers konzentrieren, wäre die Forderung nach einer Kompetenzabgrenzung zwischen Verlag und Redaktion also i n diesem Zusammenhang zu erörtern. (2) Innere Pressefreiheit ist aber möglicherweise auch i m Zusammenhang m i t dem Postulat der Pluralität des Pressewesens von Bedeutung. Das BVerfG und m i t i h m der ganz überwiegende Teil der Rechtslehre verstehen unter Pluralität des Pressewesens die i n eine Vielzahl von Zeitungen unterschiedlicher geistiger Couleur gegliederte Presse. Demgegenüber wurde i n letzter Zeit unter dem Eindruck der Konzentrationsbewegung verschiedentlich die Frage aufgeworfen, ob Pluralität nicht auch bei einer verhältnismäßig kleinen Zahl von Zeitungen, die

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in sich jedoch pluralistisch strukturiert sind, gewährleistet sein kann 1 . Vorbild für dieses Pluralitätsverständnis wären die öffentlich-rechtlichen Hundfunkanstalten. Wenn der Konzentrationsprozeß, wie m i t Sicherheit zu erwarten ist, weiter fortschreitet, könnte sich dieser letztere Modus für die Verwirklichung der Pluralität i m Pressewesen als der einzig mögliche erweisen. Von dieser Überlegung aus ergibt sich aber auch von der institutionellen Seite her ein Zugang zu einer auf das Individuum bezogenen Sicht der inneren Pressefreiheit; denn Pluralität innerhalb des einzelnen Presseunternehmens bedeutet Meinungspluralität innerhalb der Redaktion, die wiederum eine Unabhängigkeit des einzelnen Redakteurs i n seiner redaktionellen Tätigkeit voraussetzt. Gegenstand der nun folgenden Untersuchung w i r d es sein, diese beiden Teilaspekte der innerbetrieblichen Pressefreiheit näher zu analysieren. 2. Innere Pressefreiheit als Problem des Spannungsverhältnisses zwischen öffentlicher Aufgabe und privatwirtschaftlicher Struktur der Presse Der Streit u m die innerbetriebliche Pressefreiheit, der allgemein als Konflikt zwischen Redakteur und Verleger wird, ist kein Problem der Beziehung zwischen Personen, sondern ein Strukturproblem, nämlich Ausdruck der Kollision publizistisch-öffentlicher und kommerziell-privater Interessen. Letztlich wurzelt diese Interessenkollision ihrerseits i n der gegenwärtigen Ordnung der Presse selbst, die auf einem Spannungsverhältnis zwischen „öffentlicher Aufgabe" und privatwirtschaftlicher Struktur beruht. Dies soll i m folgenden verdeutlicht werden. Bereits i m ersten Teil der Arbeit wurde darauf hingewiesen, daß die privatwirtschaftlich strukturierte Presse integrierter Bestandteil der Gesamtwirtschaft ist, innerhalb deren sie gegenüber dem Leser die Funktion eines „Idealgüterproduzenten", für die übrige Wirtschaft die Funktion eines Instruments zur Bedürfnisweckung wahrnimmt. Diese gegenseitige Verflechtung von Presse und Wirtschaft läßt schon für sich allein erhebliche Zweifel an der Erfüllung der „öffentlichen Aufgabe" aufkommen. Als privates Unternehmen verfolgt ein Pressebetrieb primär private Ziele, seien sie ideeller oder kommerzieller Natur. Eine Harmonisierung dieser privaten Ziele m i t den öffentlichen Interessen erscheint nur dann möglich, wenn man m i t der liberalen Wirtschaftstheorie den Wettbewerb als Instrument zur Verwirklichung des Gemeinwohls — und zwar nicht nur auf der Ebene der materiellen, sondern auch der geistigen Bedürfnisbefriedigung einer Gesellschaft — betrachtet. 1 So insbes. Glotz, Massenmedien und Kommunikation, in: Die Zukunft der SPD, S. 154; Starkulla, Presse, Fernsehen und Demokratie, Publizistik 3/1965, S. 368 f.

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Diese Voraussetzung kann schon deshalb nicht zutreffen, w e i l zu den von der Presse wahrzunehmenden öffentlichen Aufgaben auch die Funktion der K r i t i k , und zwar der K r i t i k gegenüber staatlichen wie gesellschaftlichen Machtgebilden und -betätigungen gehört. K r i t i k setzt Unabhängigkeit desjenigen, der kritisiert, gegenüber dem kritisierten Objekt voraus. Ist die Presse aber, wie i m privatwirtschaftlichen System, m i t den Interessen der Gesamtwirtschaft substantiell verflochten, so fehlt ihr die zur Ausübung der K r i t i k notwendige Distanz gegenüber diesem Bereich der Gesellschaft. A n dieser strukturbedingten interessemäßigen „Befangenheit" der Presse kann auch der Wettbewerb nichts ändern; denn bei noch so großem Zutrauen i n die Wunderwirkung des Wettbewerbs muß man erkennen, daß mit seiner Hilfe nur systemkonforme Verbesserungen, nicht jedoch Wirkungen erzielt werden können, die das System selbst und das einzelne Unternehmen sprengen würden. Darüber hinaus muß auch die gesamtwirtschaftliche Funktion der Presse als Instrument der (materiellen) Bedürfnisweckung m i t ihrer „öffentlichen Aufgabe" kollidieren. Diese Funktion w i r d nämlich nicht allein dadurch erfüllt, daß die Presse der Wirtschaft Anzeigenraum zur Verfügung stellt; die Einflüsse des wirtschaftlichen Konsumdenkens wirken vielmehr auch auf den Inhalt der Medien selbst zurück. Der Grund dafür ist wiederum i m privatwirtschaftlichen Wettbewerbssystem zu suchen, das nun i m folgenden einer eingehenden K r i t i k unterzogen werden soll. Es wurde bereits i m ersten Teil der Arbeit dargelegt, daß i n einem privatwirtschaftlichen Pressesystem die Zeitung, d. h. aber die Information, eine Ware ist, die i m Medium des Wettbewerbs auf dem Markt der Leser als Kunden m i t dem Ziel privater Gewinnmaximierung abgesetzt wird. Unter dem Aspekt der „öffentlichen Aufgabe" w i r d die Information an den Kriterien der Wahrheit 2 und Vollständigkeit, also unabhängig von subjektiven Interessen Einzelner, gemessen. Als Ware dagegen unterliegt sie den Marktgesetzlichkeiten von Angebot und Nachfrage. Bezugspunkt dafür sind die „Bedürfnisse" des Lesers als Kunde. Vom Markt her gesehen unterliegt die Zeitung, oder genauer die Information, i n ihrer Eigenschaft als Ware damit nicht dem ihr eigentlich adäquaten K r i t e r i u m der Wahrheit, sondern dem Maßstab der „Beliebtheit" beim Kunden. Diese verschiedenen Aspekte würden sich dann nicht gegenseitig ausschließen, wenn sich die Bedürfnisse des Lesers, die den Markt beherrschen, m i t den sich aus der „öffentlichen Aufgabe" der Presse erge2 Es soll hier nochmals ausdrücklich betont werden, daß der Begriff der Wahrheit in diesem Zusammenhang nicht als absoluter Wertmaßstab, sondern i. S. des „Strebens nach Wahrheit", d. h. als bloße Richtschnur für die redaktionelle Tätigkeit mit standesethischer Verbindlichkeit verstanden wird.

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benden Erwartungen decken würden. Eine solche Übereinstimmung läge dann vor, wenn der auf dem Markt als Kunde auftretende Leser identisch wäre m i t dem mündigen und seiner staatsbürgerlichen Verantwortung bewußten Bürger, wie ihn das demokratische Modell voraussetzt. Dies ist jedoch gerade nicht der Fall. Der Leser w i r d i m Rahmen eines privatwirtschaftlichen Wettbewerbssystems vielmehr als Konsument, d. h. aber nicht i n seinem Bezugsrahmen als Staatsbürger und den darin enthaltenen Verantwortlichkeiten, sondern als Privatmann angesprochen, als der er ganz ungeniert und offen seinen privaten Wünschen und Bedürfnissen freien Lauf geben darf. Die Erfahrung zeigt, daß diese privaten Bedürfnisse ganz andere sind, als von der „öffentlichen Aufgabe" der Presse her zu wünschen wäre: Es sind Bedürfnisse nach Selbstbestätigung i n der eigenen, bereits vorgefaßten Meinung, der Lebenseinstellung, dem nationalen Selbstgefühl etc., gleichzeitig aber auch der Wunsch nach Führung durch Lieferung geistiger Schablonen, und schließlich das Bedürfnis nach Unterhaltung und Klatsch 3 . Die Presse, die sich dieser Bedürfnisse annimmt — und keine Zeitung kann es sich leisten, daran völlig vorbeizugehen — entwickelt einen "Journalismus der Lustbefriedigung" dessen Methode die der „bruchstückhaften Schlagzeilen-Berichterstattung" ist, die jeden thematischen Bereich der Zeitung durchdringt. Gleich ob Politik, Sport oder K u l t u r , alles w i r d so „zu einer losen Folge mehr oder weniger amüsanter ,Happenings' zur Unterhaltung des Lesers" 4 . Die der periodischen Presse an sich schon eigentümliche Orientierung am Aktuellen mehr als an durchgängigen politischen Grundfragen w i r d dadurch noch weiter akzentuiert: Maßstab des Aktuellen wird, je mehr sich die Zeitung dem Boulevardstil nähert, das Sensationelle. Meinungen, hinter denen keine mächtigen Organisationen stehen, finden i n der Presse meist nur noch dann Ausdruck, wenn sie m i t dem Reiz des Sensationellen behaftet sind. W i l l daher eine solche Meinungsgruppe auf die vorderen Seiten einer Zeitung gelangen, wo allein sie eine gewisse Aufmerksamkeit erhoffen kann, ist sie daher genötigt, sich des Spektakels zu bedienen, u m so die Reizschwelle der Presse und damit des breiten Publikums zu überwinden. Daß, u m sich die Aufmerksamkeit 3 Es soll allerdings nicht bestritten werden, daß es in Randzonen der Presse, insbesondere im Bereich der Buch- und Zeitschriftenpresse, noch Publikationen gibt, die infolge eines kleinen und durch gemeinsame sachliche Interessen verbundenen Leserkreises und der dadurch ermöglichten relativen Unabhängigkeit von kommerziellen Erwägungen dem Typus der früheren bürgerlich-liberalen „Gesinnungspresse" noch ähneln. Diese Publikationen sind jedoch nicht mehr typisch. 4 Kägi, Recht auf Verantwortungslosigkeit? in NZZ, Nr. 353 vom 24.12. 1968, S. 13.

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der Presse zu erhalten, daraus ein Zwang zur Eskalation des Spektakels resultieren kann, zeigt deutlich die Entwicklung der linken Studentenbewegung während der letzten Jahre. Wenn dieser Befund richtig ist — und i h m kann wohl ernsthaft nicht prinzipiell, sondern nur i n den Nuancen widersprochen werden —, so sind die Erwartungen, die der „Durchschnittsleser" an die Presse stellt, nicht identisch m i t den Forderungen, die sich aus der „öffentlichen A u f gabe" der Presse ergeben, sie tendieren sogar eher i n die entgegengesetzte Richtung. Da man also von Seiten des Leser keinen Anreiz zur Erfüllung der „öffentlichen Aufgabe" erwarten kann, richtet sich an den Verleger die Frage, ob er sich den Marktgesetzlichkeiten bedingungslos unterwirft, oder ob er bereit ist, der „öffentlichen Aufgabe" den von der Verfassung erwarteten Tribut entgegen seinem eigenen Gewinninteresse zu zollen. Aber auch hier läßt die bisherige Erfahrung es geraten erscheinen, die Hoffnungen nicht zu hoch zu schrauben. Es wäre auch ab wegig, dem Verleger, der i m Konfliktsfall seinem Gewinninteresse den Vorrang vor der „öffentliche Aufgabe" gibt, einen Schuldvorwurf zu machen; denn eingeordnet i n das Gesamtsystem der privatwirtschaftlichen Presse, muß auch er dessen „Spielregeln" beachten. Da er seine verlegerische Existenz auf dem Markt i m Wettbewerb m i t anderen Unternehmen behaupten muß, kann er — auch wenn er sich seiner „öffentlichen Aufgabe" verpflichtet fühlt —, den Marktzwängen allenfalls vorübergehend und i n gewissem Umfang, keinesfalls aber generell Widerstand entgegensetzen. Da die kommerziellen Einflüsse auf die Zeitungsgestaltung dem privatwirtschaftlichen System als solchem inhärent, also unabhängig von einzelnen Personen sind, könnte auch eine Kompetenzabgrenzung zwischen Verlag und Redaktion, die die wirtschaftliche Struktur der Presse insgesamt unberührt läßt, die Abhängigkeit der geistigen von der kommerziellen Seite allenfalls mildern, aber keinesfalls aufheben. Letztlich sind nämlich auch die Journalisten ebenso Gefangene dieses Systems wie die Verleger; auch ihre berufliche Existenz hängt vom „ M a r k t " ab. Sieht man als Kernproblem der inneren Pressefreiheit die Sicherung der individuellen Freiheit des Redakteurs — und zwar nicht als Selbstzweck, sondern als M i t t e l zum Zweck, nämlich der Eindämmung dieser kommerziellen Einflüsse — an, so ist die Kompetzenabgrenzung insoweit ein prinzipiell untauglicher Weg. Aufgrund dieser Zusammenhänge kommt Krüger ganz allgemein zu dem Fazit: „ E i n auf Gewinnerzielung gerichteter Wettbewerb ist notwendigerweise nicht imstande, denjenigen Leistungsgrad der Massenmedien zu bewirken, den Gesellschaft und Staat, v. a. unter dem Ge-

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

sichtspunkt ,öffentliche Meinung 4 ebenso fordern wie voraussetzen 5 ." Privatwirtschaftliche Struktur und „öffentliche Aufgabe" der Presse stehen i n einem antagonistischen Widerspruch, oder, u m F. Schneider zu zitieren, sie stellen die Presse i n einen „institutionellen Dualismus" 6 . Wer, wie es insbesondere i m liberalen Lager geschieht, die Pressekritik auf einen bloßen K o n f l i k t zwischen „seriöser" und „unseriöser" Presse reduziert, übersieht, daß das „Unseriöse" keine bloße Entartungserscheinung darstellt, die auf einen bestimmten Bereich von Presseprodukten zu lokalisieren wäre, sondern als Strukturmerkmal unser gesamtes Pressewesen durchzieht. Die privatwirtschaftliche Wettbewerbsordnung enthält eine weitere Gefahr: Ursprünglich als Garantie des zweiten Grundpfeilers einer freiheitlich-demokratischen Presse, nämlich ihrer pluralistischen Struktur gedacht, droht sie i m Zuge der technisch-ökonomisch bedingten Unternehmenskonzentration heute mehr und mehr zu einer Bedrohung eben dieses Meinungspluralismus zu werden. Diese Beschränkung der Meinungsvielfalt hängt nicht notwendigerweise m i t der Konzentration selbst zusammen; denn, wie das Beispiel der Rundfunkanstalten zeigt, ist Pluralität nicht nur durch Konkurrenz einer Vielzahl von Zeitungen verschiedener Richtungen, sondern auch durch Meinungsvielfalt innerhalb des einzelnen Unternehmen selbst zu verwirklichen. Einem i n das einzelne Presseunternehmen verlegten Pluralismus steht heute jedoch das m i t der privatwirtschaftlichen Ordnung wesensmäßig verknüpfte Direktionsrecht des Verlegers entgegen, das i h m erlaubt, auf die redaktionelle Gestaltung i m Sinne seiner persönlichen materiellen und ideellen Interessen einzuwirken. Da der geschäftliche Erfolg einer Zeitung m i t ihrer geistigen Haltung untrennbar verbunden ist, kann es einem Verleger, der sein Geld i n eine Zeitung investiert, grundsätzlich nicht verwehrt werden, auf diese geistige Haltung Einfluß zu nehmen. Seine Befugnisse gegenüber der Redaktion lassen sich zwar begrenzen, aber es kann i h m schlechterdings nicht die Befugnis abgesprochen werden, die redaktionelle Haltung der Zeitung insoweit zu beeinflussen, als seine geschäftlichen Interessen ernsthaft berührt sind. Unter welchen Gesichtspunkten, kommerziellen oder ideellen, diese Einflußnahme erfolgt, ist Sache des Verlegers; als Unternehmer muß er jedenfalls darauf bedacht sein, die Zeitung so zu gestalten, daß er wenigstens keinen finanziellen Verlust erleidet. A n dieser Grenzmarke findet jede redaktionelle Freiheit zwangsläufig ihre Grenze. Daran würde sich auch dann nichts ändern, wenn die Rolle des Verlegers von den Journalisten selbst 5 6

Krüger, Die öffentlichen Massenmedien, S. 61.

F. Schneider, Meinungs- und Pressefreiheit, S. 74 ff.; Schneider ist allerdings insofern nicht zu folgen, als er das ganze Problem der inneren Pressefreiheit auf eine lediglich ethisch-standesrechtliche Ebene verlagert.

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übernommen würde; denn auch sie stünden dann vor genau demselben wirtschaftlichen Zwang wie der Verleger alten Stils. I n einer privatwirtschaftlichen Wettbewerbsordnung haben diese Marktabhängigkeiten, die über das verlegerische Direktionsrecht auf die Redaktion weitergeleitet werden, nun folgende restriktive Wirkung auf die Meinungspluralität der Presse: Je größer die Auflage einer Zeitung ist bzw. (aus Kostengründen) sein muß, desto stärker ist der Zwang zur Meinungsnivellierung, zum Ausschluß extremer Ansichten; denn solange der Leser i n der Zeitung primär nicht objektive Information, sondern Selbstbestätigung sucht, gilt nicht (nur) das Motto: Wer vieles bringt, bringt jedem etwas, vielmehr w i r d der Leser bei Häufung i h m unbequemer Informationen schlicht sein Abonnement kündigen, oder — was für die Zeitung möglicherweise noch schlimmer ist — der Inserent w i r d seinen Auftrag entziehen. Da neue Leser i. d. R. nicht i n Randzonen der Bevölkerung, sondern i n quantitativ nennenswertem Umfang nur bei der breiten Masse der „Durschnittsbürger" zu finden sind, hat der stetige Zwang zur Auflagensteigerung zur Folge, daß sowohl die Zeitungen i m ganzen als auch die einzelnen Beiträge immer mehr an klarem Meinungsprofil verlieren und sich um eine — statistisch zu ermittelnde — Meinungsmitte herumgruppieren 7 . Entsprechend werden als Folge der Pressekonzentration die übriggebliebenen Blätter nicht etwa die Meinungsrichtungen aller zuvor existierenden Zeitungen i n sich aufnehmen, sondern sich ebenfalls dem geschilderten Trend zur Meinungsnivellierung anpassen. Andererseits w i r d sich auch der Wettbewerb, soweit er überhaupt noch existiert 8 , mehr und mehr von der Ebene geistiger Auseinandersetzung i n die sekundären Bereiche der Aktualität, der „Aufmachung", des Vertriebs etc. verlagern. Die vorliegende Untersuchung kommt somit zum selben Ergebnis wie Krüger, daß nämlich die Presse i n einer privatwirtschaftlichen Wettbewerbsordnung ihre „öffentliche Aufgabe" notwendigerweise verfehlen muß. Die Forderung nach einer radikalen Änderung dieser Struktur erscheint somit unabweislich 9 . I h r Ziel hätte zu sein, die Presse von ihren privatwirtschaftlichen Marktabhängigkeiten zu befreien. 7 Vgl. Gehlen, Das Meinungsproblem, in: Michel-Bericht, S. 253: „ . . . es ist wahrscheinlich, daß die überwiegende Zahl der Publikationsorgane in der Auswahl und Kommentierung von Informationen um einen inhaltlichen Mittelwert schwankt, während Extremmeinungen nur in kleiner Zahl vorkommen." 8 Auf lokaler und regionaler Ebene führt die Konzentration zu einer zunehmenden Zahl von Monopolzeitungen (vgl. oben, S. 58). 9 Krüger selbst beschränkt sich in seiner Abhandlung „!Die öffentlichen Massenmedien" — entsprechend dem Zweck der Arbeit — darauf, die Aufrechterhaltung der öffentlich-rechtlichen Ordnung des Rundfunkwesens als Gegengewicht zur privaten Presse zu fordern. I n seinem Aufsatz Ufita Bd. 38, S. 129 ff. fordert Krüger dagegen ein System staatlicher Eingriffe in die Presse mit dem Ziel ihrer Niveauanhebung.

19 Stammler

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3. Rechtfertigungsargumente für die privatwirtschaftliche Struktur der Presse Die Forderung nach einer strukturändernden Pressereform stößt allerdings auf zwei grundsätzliche Argumente, die darauf zielen, das privatwirtschaftliche Wettbewerbssystem für die Presse i n der Verfassung selbst zu verankern. Es w i r d behauptet, i m privatwirtschaftlichen Wettbewerb verwirklichten sich die Prinzipien der Freiheit und der Demokratie; es sei daher konstitutiv für eine freie Presse. Besonders anschaulich und schlagkräftig kommt diese Argumentation i n dem Wort Springers von der „täglichen Abstimmung an den Kiosken" 1 0 zum Ausdruck. Eine erste Auseinandersetzung m i t diesem Argument erfolgte bereits i m Zusammenhang m i t der Frage nach dem individualrechtlichen oder institutionellen Charakter der Pressefreiheit. Dort wurde festgestellt, daß die Pressefreiheit als Garantie eines freiheitlich-demokratischen Kommunikationssystems grundsätzlich unabhängig von einer bestimmten technisch-ökonomischen Infrastruktur ist. A n dieser Stelle soll nun i m Licht der vorstehenden Untersuchungsergebnisse geprüft werden, ob speziell das auf Gewinnerzielung gerichtete privatwirtschaftliche Wettbewerbssystem die einzige einer freiheitlich-demokratischen Verfassungsordnung gemäße Pressestruktur darstellt. Dem Wettbewerbssystem kann man grundsätzlich zwei Funktionen zuordnen: Eine instrumentale Funktion zur Erzielung besserer Leistungen bzw. einer „Vielfalt" des Pressewesens oder eine Eigenfunktion als Ausdruck der Wahlfreiheit des Bürgers, die ihrerseits von den Verteidigern der bestehenden Presseordnung als notwendiger Bestandteil der freiheitlichen Demokratie bezeichnet wird. a) Die privatwirtschaftliche

Struktur

als

Freiheitspostulat

Daß das privatwirtschaftliche Wettbewerbssystem i m Bereich der Presse seine instrumentale Funktion nicht erfüllen kann, sondern i m allgemeinen eher verfehlen muß, wenn man als zu erreichendes Ziel die Wahrnehmung der „öffentlichen Aufgabe" betrachtet, ergibt sich aus den obigen Darlegungen. Allerdings ist durch die m i t der privatwirtschaftlichen Presseordnung gemachten Erfahrungen noch nicht erwiesen, daß das Wettbewerbsystem als solches m i t dem Wesen der Presse unvereinbar ist 1 1 . Der unserem gegenwärtigen Pressesystem in10 So sagte Springer in einer Hede vor dem Hamburger „Übersee-Club" am 26.10.1967: „Jeden Tag, jeden Monat findet am Kiosk und an der Haustür eine Art demokratischer Abstimmung in Deutschland statt, ob die Leser diese Zeitungen kaufen wollen oder nicht. Alle Leute haben die Möglichkeit, eine andere Zeitung zu lesen." 11 So offensichtlich Krüger, der zwar ausdrücklich nur den „auf Gewinn-

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härente Widerspruch ist vielmehr i n dem privatwirtschaftlichen Charakter der Presse begründet, der bewirkt, daß primäres Wettbewerbsziel nicht Qualitäts-, sondern Quantitäts-, nämlich Auflagensteigerung zum Zweck der Gewinnmaximierung ist, und demzufolge der Leser nicht als „Bürger und Mensch", sondern als Kunde angesprochen wird. Falls jedoch das Gewinnmotiv eliminiert wäre, würden die heute m i t der Presseproduktion verknüpften privaten, kommerziellen Interessen entfallen und könnte sich der Wettbewerb daher möglicherweise von der quantitativ-ökonomischen Ebene auf die dem Wesen der Presse angemessene qualitativ-geistige Ebene verlagern, also zu einem echten Leistungswettbewerb werden. Auch dann allerdings würde der Wettbewerb nicht nur als rein geistiger Wettstreit zwischen Journalisten i. S. eines esotherischen l'art pour l'art ausgetragen, sondern wäre letztlich immer noch die Leserschaft das Publikum, vor dem und u m dessen Gunst der Wettbewerb stattfindet. Indessen müßte sich dann erweisen, ob der Bürger seiner Verantwortung, die die Demokratie voraussetzt, wirklich gewachsen ist 1 2 . Bejaht man die Staatsform einer freiheitlichen Demokratie, so muß dieses Risiko i n Kauf genommen werden. Als Alternative läßt sich eine Presse denken, i n der Journalismus als literarische Selbstbefriedigung betrieben w i r d oder aber die geradewegs zu der seit Piaton immer wieder beschworenen „moralischen Anstalt" führt, i n der die „Philosophen" sich anmaßen, das Volk zu seinem Glück zu zwingen. Es wäre aber auch denkbar, daß die Presse ohne Wettbewerb sich zu einem gigantischen, bürokratisch-geistlosen Informationsapparat aufbläht, der Informationen verbreitet, aber nicht mehr i m lebendigen Kontakt zur Gesellschaft „verarbeitet". Diesen Gefahren kann wohl nur ein Wettbewerbssystem begegnen. b) Die privatwirtschaftliche Struktur als Ausdruck des demokratischen Prinzips

Verfassungsrechtlich bedeutsamer und diffiziler ist das Argument, das privatwirtschaftliche Wettbewerbssystem sei Voraussetzung für die Wahlfreiheit des Bürgers. Eng damit zusammen hängt das Argument von der „Vielfalt" der Presse, die ihrerseits durch den Wettbewerb gewährleistet werde. erzielung gerichteten Wettbewerb" für die Massenmedien ablehnt; wie sich jedoch aus dem Gesamtzusammenhang seiner Ausführungen ergibt, ist für ihn der Begriff des Wettbewerbs wesensmäßig mit dem Motiv der Gewinnmaximierung verknüpft (vgl. öffentliche Massenmedien, S. 33, 76); Krüger übersieht dabei jedoch Phänomene wie den sportlichen oder künstlerischen Wettbewerb, die sich auch heute trotz starker Kommerzialisierung nicht lediglich mit dem Motiv der Gewinnerzielung erklären lassen. 12 Diese Frage wird von Krüger offensichtlich von vornherein verneint. 19*

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Die Behauptung, daß der privatwirtschaftliche Wettbewerb eine Meinungspluralität innerhalb des Pressewesens gewährleistet, wurde bereits oben widerlegt. Es wurde auch darauf hingewiesen, daß eine Vielfalt verschiedener Meinungen nicht notwendigerweise eine ebensolche Vielfalt von Zeitungen voraussetzt, sondern auch innerhalb eines einzelnen Publikationsorgans Ausdruck finden kann. Für den „Normalbürger" dürfte die zweitere Form einer pluralen Pressestruktur sogar von größerem Vorteil sein als eine über eine Vielzahl verschiedener Zeitungen zersplitterte Darstellung der Meinungen. „Denn wenn lediglich alle Zeitungen zusammen die gesellschaftliche Kommunikation repräsentierten . . . , wem käme diese Repräsentanz zugute? Allenfalls ein paar sich berufmäßig universal informierenden . . . Politikern und Publizisten, nicht aber ,dem L e s e r ' . . . , weil dieser Leser regulär ja nur eine . . . Zeitung liest 1 3 ." I m übrigen dürfte m i t Fortschreiten der Pressekonzentration die herkömmliche Vielfaltsvorstellung schon bald ihre tatsächlichen Voraussetzungen verlieren. Von diesen Überlegungen zur Pluralität des Pressewesens aus läßt sich auch das Postulat der „Wahlfreiheit" des Bürgers i n Form einer freien Kaufentscheidung i n Frage stellen. Es ist schon vom Grundsatz her fraglich, ob zum Wesen einer „freien Presse" auch die Möglichkeit einer freien Kaufentscheidung der Leser zwischen mehreren Presseorganen gehört. Schließt man sich der hier vertretenen Ansicht an, daß der Wesensgehalt der grundgesetzlichen Pressefreiheit i n der Garantie eines freien Pressekommunikationssystems besteht, so wäre daraus nur die Forderung herzuleiten, daß die Kommunikation innerhalb und über das Medium Presse vollständig, offen und frei sein muß, d. h. daß die Presse alle gesellschaftlich und insbesondere politisch relevanten Nachrichten und Meinungen darstellt. Diese Forderung aber könnte, wie bereits erwähnt, theoretisch auch durch ein einziges Presseorgan erfüllt werden 1 4 . Dort, wo eine Auswahl zwischen mehreren gleichartigen Publikationsorganen aus technischen Gründen nicht möglich ist, wie zum Beispiel auf dem Gebiet des Rundfunks und Fernsehens bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt, wurde daher von keiner Seite ernsthaft bestritten, daß auch unter diesen „monopolistischen" Bedingungen die Freiheit der Kommunikation gewährleistet werden kann. Sieht man von dem besonderen Problem der „Lokalmonopole" ab, so sind i m Bereich der Presse diese Voraussetzungen zwar gegenwärtig noch nicht gegeben; doch man muß sich schon jetzt darauf einstellen, daß die weitere Entwicklung auch hier zu einer ständigen 13 Starkulla, Presse, Fernsehen und Demokratie, Publizistik 3/1965, S. 386; ebenso Glotz, Massenmedien und Kommunikation, in: Die Zukunft der SPD, S. 154; Glotz-Langeribucher, Monopol und Kommunikation, Publizistik 2—4/ 1968, S. 154. 14 Vgl. Starkulla, a.a.O., S. 368 f.; eine andere Frage sind die praktischen Probleme einer Monopolpresse, die oben erörtert worden sind.

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Verringerung des Angebots an verschiedenen, voneinander unabhängigen Zeitungen und damit zu einer Einengung der Wahlfreiheit des Lesers führen wird. Noch aus einem anderen Grund aber besteht zu Zweifeln Anlaß, ob man unter den gegenwärtigen Bedingungen von einer echten Wahlfreiheit des Bürgers sprechen kann: Der Bürger kann nur zwischen Publikationen wählen, die von anderen auf den M a r k t gebracht werden. Derjenige, der unter dem bestehenden Angebot nichts findet, was i h m „zusagt", hat folglich keine echte Wahl. Anders als i m Parteienwesen, wo jeder zumindest die formale Chance der Gründung einer eigenen Partei hat, besteht diese Möglichkeit i m Bereich der Presse nicht, denn zur Gründung einer Zeitung ist Geld, sehr viel Geld sogar, erforderlich, über das die meisten nicht verfügen. Besonders deutlich w i r d die schon heute bestehende Beschränkung der Wahlfreiheit dort, wo die Pressekonzentration bereits zu einer monopolähnlichen Situation geführt hat, insbesondere i m Bereich der Boulevard- und Lokalpresse. Wer sich als Bewohner einer der ca. 150 Städte bzw. Landkreise, die nur über eine Tageszeitung verfügen, über lokale Angelegenheiten informieren w i l l , hat keine Wahlfreiheit mehr. Die gleiche Situation stellt sich für denjenigen, der z.B. morgens auf dem Weg zur Arbeit in Schlagzeilen kurz zusammengefaßt das Wichtigste vom vergangenen Tage überfliegen möchte und sich daher eine Boulevard-Zeitung kauft. I n den meisten Gegenden Deutschlands hat dieser Mann keine andere Wahl als die Bild-Zeitung zu kaufen, auch wenn er m i t den Ansichten dieses Blattes i n keiner Weise übereinstimmt. Nun w i r d zwar von seiten dieser „Monopolverleger" die dominierende Marktstellung ihrerseits auf einen plebiszitären Entscheid der Leser zurückgeführt; aber auch dieses Argument erweist sich bei näherem Zusehen als brüchig. Wie fragwürdig die „Entscheidung" der Leser ist, ergibt sich schon aus der obigen Charakterisierung des privatwirtschaftlichen Pressewesens. Der Leser w i r d als Kunde angesprochen, wobei m i t den modernsten psychologischen Werbemethoden operiert wird. Die jeweilige Zeitung bzw. Zeitschrift w i r d von Werbemanagern zu einer „Marke" m i t bestimmten psychischen oder sozialen Attributen „aufgebaut", sodaß der Leser das Blatt nicht mehr unbedingt deshalb kauft, weil er dessen redaktionelle Haltung bejaht, sondern w e i l er als „ k l u ger Kopf" oder als „jung, modern und fortschrittlich" i n den Augen seiner Umwelt gelten w i l l . Die von der Bundesregierung eingesetzte Pressekommission hat daher m i t Recht festgestellt, daß die „tägliche Abstimmung an den Kiosken" keine echte Wahl, sondern „Ausfluß von Marktgeltung" sei, „der sich der Käufer nicht entziehen kann" 1 5 . 15

Günther-Bericht,

S. 39.

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

Es kommt noch ein weiteres Moment hinzu, das i m „institutionellen Dualismus" der Presse begründet ist: I m privatwirtschaftlichen Pressewesen hat der Verleger die Möglichkeit, dem ideellen Erzeugnis „Zeitung" m i t Hilfe ökonomischer M i t t e l eine bestimmte Marktstellung zu verschaffen. Ein Großverleger kann seine überlegenen finanziellen und organisatorischen Möglichkeiten dazu verwenden, durch groß angelegte Werbeaktionen, durch günstigere Vertriebs- und Anzeigenpreise, durch Druck auf den Großhandel etc. andere Konkurrenten, deren Zeitungen für sich betrachtet durchaus lebensfähig wären, vom Markt zu verdrängen; umgekehrt sind seine Chancen, ein neues „Obj e k t " auf den M a r k t zu bringen, unvergleichlich viel besser als die der Konkurrenz 1 6 . Das privatwirtschaftliche System ermöglicht es, daß grundlegende Änderungen auf dem Pressemarkt allein i m Wege kommerzieller Aktionen und Transaktionen bewerkstelligt werden können, ohne daß der Leser darauf den geringsten Einfluß nehmen kann. Diese Vorgänge widerlegen nicht nur die Behauptung, daß die Situation auf dem Pressemarkt durch ein demokratisches Plebiszit legitimiert sei, sie weisen auch auf einen weiteren ernstzunehmenden Umstand hin: Das privatwirtschaftliche Pressesystem tendiert dazu, Minderheitengruppen — sei es durch den allgemeinen Zwang zur ständig größer werdenden Auflage, sei es durch direkten ökonomischen Druck — vom M a r k t auszuschließen. Auch wenn das Argument des „täglichen Plebiszits" zuträfe, vyäre dieser Vorgang dadurch nicht gerechtfertigt. Das Wesen der Demokratie besteht nicht i m Mehrheitsprinzip; dieses ist vielmehr nur ein technisches Hilfsmittel zur Herbeiführung von Entscheidungen und kann daher auch nur insoweit Geltung beanspruchen. I m Vorfeld dieser Entscheidungen, nämlich i m Bereich der Meinungsbildung, schließt die demokratische Idee das Mehrheitsprinzip dagegen geradezu aus und ersetzt es durch das allgemeine Prinzip der Chancengleichheit. Hier muß jede gesellschaftliche Gruppe grundsätzlich die gleiche Chance haben, innerhalb dieses Meinungsbildungsprozesses zu Wort zu kommen, damit i m freien Austausch der Meinungen die beste Entscheidung getroffen werden kann. Es zählt nur das bessere Argument, nicht die Lautstärke, m i t der es vorgetragen wird. Soll die Presse ihre Funktion als Faktor und Medium der öffentlichen Meinungsbildung i n einer freiheitlich-demokratischen Verfassung erfüllen, so kann i n ihr das reine Mehrheitsprinzip keine Geltung beanspruchen, sondern es gilt umgekehrt der Grundsatz des Minderheitenschutzes. Das privatwirtschaftliche Wettbewerbssystem vermag zumindest i n den besonders 16 Ein bezeichnendes Beispiel dafür ist der im deutschen Pressewesen noch nie dagewesene Aufwand, mit dem Springer die Zeitschrift „Jasmin" herausbrachte und auf Anhieb eine Auflage zwischen 1—2 Mill. Ex. erzielte; dies wäre wohl keinem anderen deutschen Verleger möglich gewesen (vgl. dazu Kuntz, Die Presse, eine Industrie, a.a.O., S. 37 ff.).

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kapitalintensiven Teilen der Presse, also insbesondere i m Bereich der Tageszeitungen und der Publikumszeitschriften, diesen Anforderungen nicht zu genügen, sondern läuft ihnen i m Gegenteil geradezu zuwider. Obwohl ein wesentlicher Ansatzpunkt unserer K r i t i k die inhaltliche Unzulänglichkeit des bestehenden Pressewesens war, sollte aus dem Vorhergehenden doch deutlich geworden sein, daß Ziel dieser K r i t i k nicht die Etablierung einer „Erziehungsdiktatur" 1 7 durch eine sich als Elite betrachtende intellektuelle Minderheit ist. Zwar steht der Verfasser auf dem Standpunkt, daß Demokratie ein entsprechendes geistiges Bewußtsein der Bürger voraussetzt und daher einen laufenden Erziehungsprozeß verlangt. Die Vermittlung dieses „richtigen Bewußtseins" ist jedoch primär nicht Aufgabe der Massenmedien, sondern der allgemeinen Erziehungseinrichtungen. Eine demokratische Presse hat als Adressaten den mündigen Staatsbürger — ein Leitbild, das die heutige, auf den Konsumenten orientierte kapitalistische Presse notwendig verfehlt. A l l e i n diese richtige Ordnung wiederherzustellen und die Grundsätze der freiheitlichen Demokratie auch i n der Presse zu realisieren ist Ziel der hier vorgetragenen K r i t i k und der darauf aufbauenden Vorschläge. Durch die vorstehenden Überlegungen zur Stellung von Minderheiten i n unserer Presse sollte allerdings der Gedanke Adolf Arndts widerlegt sein, der i n der privatwirtschaftlichen Struktur der Presse eine „Repräsentation mittels der Kommerzialisierung" sieht, „die i m Verfahren des Wettbewerbs ein ständiges Plebiszit der Leser bei der Presse... sein sollte" 1 8 ; denn weder ist die Verlegerschaft selbst als „Geldaristokratie" repräsentativ für die Gesamtbevölkerung, noch ist das Wettbewerbssystem aus den oben erwähnten Gründen i n der Lage, eine „Ideenrepräsentation" aller gesellschaftlichen Gruppen innerhalb der Presse zu bewirken. 17 Glotz-Langenbucher, Monopol und Kommunikation, Publizistik 2—4/ 1968, S. 152; wenn sie anschließend Franz Böhms auf die allgemeine W i r t schaft gemünzten (aber auch schon für sie fraglichen) Ausspruch zitieren: „Die Wahl, die der freie Kunde unter den konkurrierenden Angeboten trifft, kann nicht unter dem Gesichtspunkt rechtlich beanstandet werden, der Kunde verstehe sein eigenes Interesse nicht. Der Schaden, der für die Gesamtwirtschaft wie für den Einzelunternehmer daraus entstehen kann, daß die Fähigkeit zu verständiger Interessenwahrnehmung bei den Nachfragenden, sei es im ganzen, sei es in Einzelfällen, versagt, muß als ,höhere Gewalt', als Schicksal, als Folge des Systems hingenommen werden. Es gibt keinen Rechtsanspruch darauf, daß der Kunde sein wirtschaftliches Selbstinteresse in intelligenter Weise wahrnimmt" — so verkennen sie die Wesensunterschiede von Wirtschaft und Presse, in der der Leser eben nicht als Kunde angesprochen werden sollte und wo es nicht um dessen wirtschaftliches, sondern sein geistiges Selbstinteresse und darüber hinaus um das Interesse der Gesamtgesellschaft geht. 18 A. Arndt, Die Rolle der Massenmedien in der Demokratie, S. 21.

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Als Ergebnis läßt sich somit festhalten, daß die privatwirtschaftliche Wettbewerbsstruktur der Presse keineswegs Ausdruck freiheitlich-demokratischer Grundsätze ist, sondern ihrer Verwirklichung i m Bereich der Presse eher entgegensteht. 4. Das Strukturproblem der Presse in der Sicht des westlichen Auslands K r i t i k , die bis zu grundsätzlichen Zweifeln an der Tauglichkeit des privatwirtschaftlichen Wettbewerbsystems für die Presse geht, findet sich auch i n zahlreichen Veröffentlichungen des westlichen Auslands. Die erste „Welle" kritischer, weltweiter Selbstüberprüfung des Pressewesens läßt sich auf das Ende des letzten Weltkriegs datieren, als unter dem Eindruck der Brüchigkeit und Fragwürdigkeit tradierter Institutionen und Werte versucht wurde, auf der Basis dieser gemeinsamen Erfahrungen neue verbindliche Maßstäbe für eine friedliche und menschenwürdige Staats- und Gesellschaftsordnung auf nationaler und übernationaler Ebene zu finden. Die i n unserem Zusammenhang wohl bedeutsamsten Marksteine dieser Jahre sind einmal die Diskussion um die Menschenrechtserklärung der UN, zum anderen der Bericht der amerikanischen „Commission on Freedom of the Press" aus dem Jahre 1946, der das moderne amerikanische Massenkommunikationswesen einer grundlegenden K r i t i k unterzog. a) Die Diskussion u m die UN-Menschenrechtserklärung, wie auch die Erklärung selbst, sind durchzogen von einer tiefen Skepsis an der bisherigen formal-liberalen Auffassung der Freiheitsrechte. Es wurde erkannt, daß die einseitige Betonung der „liberté" die Freiheitsrechte zu einem Privileg weniger, d. h. aber i n der Konsequenz zum Instrument der Ausbeutung werden ließ, und daß erst dann, wenn den Prinzipien der „égalité" und „fraternité" wieder ihr ursprünglicher Rang neben der „liberté" eingeräumt wird, die Grundrechte zu wirklichen Menschenrechten werden. Die Folgerungen dieser K r i t i k für die Meinungs- und Pressefreiheit kommen sehr deutlich i n dem Diskussionsbeitrag von René Maheu zum Ausdruck. Maheu stellt fest, daß „es heute einen sehr bedeutsamen Industriezweig (nämlich die Presse gibt), der seine Aufgabe darin sieht, auf die Meinung der Massen einzuwirken oder diese auszuwerten". „Die Struktur und die Praxis des Nachrichtenwesens machen aus i h m ein Instrument der Ausbeutung; sie beeinflussen nämlich die Meinung der Massen i n der Absicht, Kapital oder Macht herauszuschlagen 19 ." Daran w i r d i n dem zusammenfassenden Abschlußbericht der UNESCO die ver19 Maheu, Das Informationsrecht und das Recht der freien Meinungsäußerung, in: U m die Erklärung der Menschenrechte, S. 287 f.

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fassungsrechtlich bedeutsame Feststellung geknüpft, daß die Pressefreiheit nicht nur durch den Staat, sondern durch die Gesellschaf t selbst eingeschränkt werde, indem sich „die Presse weitgehend i n ein Unternehmen der Hochfinanz oder der Staats- oder Parteipolitik verwandelte, und die dazu führte, daß Pressetrusts und Presseagenturen das Nachrichtenmonopol bekamen" 2 0 . Aus dieser und der politischen Entwicklung zur Demokratie w i r d nun von dem UNESCO-Bericht 2 1 und von Maheu 2 2 die Folgerung gezogen, daß die Pressefreiheit i n Zusammenhang m i t einem Informationsrecht des Bürgers gesehen werden müsse. „Das Nachrichtenwesen w i r d dann notwendigerweise eine soziale Funktion i m Dienst der intellektuellen Emanzipation 2 3 ." Dies aber bedeutet, daß die oben charakterisierte Struktur und Praxis des Nachrichtenwesens nicht mehr weiter geduldet werden kann 2 4 . b) Der UNESCO-Bericht zur UN-Menschenrechtserklärung konnte sich auf die ein Jahr zuvor erschienene profunde Untersuchung der a m e r i k a n i s c h e n „Commission

on Freedom

of the Press"

25

, die v o n dem

Verleger der Zeitschrift „Time", Henry R. Luce, angeregt und finanziert worden war und an der sich maßgebende Wissenschaftler und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens der Vereinigten Staaten beteiligten, stützen. Die Kommision geht von dem schon der amerikanischen „ B i l l of Rights" zugrunde liegenden Gedanken aus, daß „Pressefreiheit eine der wesentlichen Grundlagen für die politische Freiheit" ist: „Wo freie Meinungsäußerung besteht, ist eine freie Gesellschaft i m K e i m bereits vorhanden, und ein M i t t e l für die Entwicklung jedweder Freiheit zur Hand. Freie Meinungsäußerung ist deshalb unter den Freiheiten von einzigartiger Bedeutung als Beschützerin und Förderin der anderen Freiheiten 2 6 ." Diese Funktion für die demokratische Gesellschaft kann die Presse aber nur dann erfüllen, wenn i n ihr allen „Ideen, die es verdienen zur allgemeinen Kenntnis gebracht zu werden, die Möglichkeit geboten wird, Gehör zu finden" 2 7 ; denn „es gehört i n der Tat zum Endzweck der Pressefreiheit, daß ein Gedankengang seine Chance haben muß, selbst wenn i h n diejenigen nicht billigen, denen die Presse zugehört oder die sie handhaben" 2 8 . „Die Entscheidung darüber, welche Ideen dessen für wert erachtet werden, muß (daher zum Teil der öffent20

U m die Erklärung der Menschenrechte, S. 350. Ebd., S. 368. 22 Maheu, a.a.O., S. 286 ff. 23 Maheu, a.a.O., S. 288. 24 Maheu, ebd. 25 A Free and Responsible Press, dtsch.: Eine freie und verantwortliche Presse; vgl. zur amerikanischen Pressefreiheitskritik auch Carr, Die Grundrechte in den Vereinigten Staaten, in: Bettermann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 1/2, S. 873 ff. 26 Eine freie und verantwortliche Presse, S. 98. 27 Eine freie und verantwortliche Presse, S. 108. 28 Ebd., S. 19 f. 21

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lichkeit und nicht allein den besonderen Neigungen der Schriftleiter und Eigentümer der Presse überlassen sein 2 9 ." Dieser Funktion der Presse als gesellschaftliches Meinungsforum korrespondiert ein Anspruch des Bürgers auf umfassende und unverfälschte Information. „Das Bedürfnis des Empfängers nach angemessener und unverdorbener Kost ist derart dringend, daß sie i h m nicht vorenthalten werden darf. Und wegen dieser Pflicht wächst sich sein Interesse zu einem Rechtsanspruch aus. Die Auffassung, daß die Menschen ein moralisches Recht auf Unterrichtung haben, die für sie von Nutzen ist, gew i n n t eine gesetzliche Grundlage 3 0 ." Diese Erwartungen, die aus der heutigen gesellschaftlichen und verfassungsrechtlichen Situation heraus an die Presse zu stellen sind, konfrontiert die Kommission m i t den tatsächlichen Verhältnissen i m Pressewesen und stößt dabei auf dieselben Widersprüche, die auch i n der vorliegenden Arbeit aufgezeigt wurden: „Die wirtschaftliche Logik privatwirtschaftlicher Unternehmungen zwingt die meisten Betriebe der Industrie des Massen-Nachrichtenwesens, sich um ständige Vergrößerung ihres Kundenkreises zu bemühen. Das Ergebnis ist eine Art,Omnibus', der, indem er vieles bringt, jedem etwas bringt 31 ." „Information und Diskussion über öffentliche Angelegenheiten als Ertrag der Fahrt auf dem Omnibus für Massenkommunikation passen sich dem Charakter der anderen Fahrgäste an und werden denselben Gesetzen unterworfen, die bereits für ihre Auswahl maßgebend waren; solche Information und Diskussion müssen so geformt werden, daß sie sich bezahlt machen, indem sie für den größten Leserkreis werbekräftig sind 32 ." „Um eine möglichst große Leserzahl zu fesseln, legt die Presse mehr Nachdruck auf das Ungewöhnliche als auf Vorbildlichkeit, auf das Sensationelle mehr als auf das Bedeutsame." „Das geschieht in einem Ausmaß, daß dem Bürger diejenige Unterrichtung und Erörterung vorenthalten wird, deren er bedarf, damit er nicht das Gefühl hat, der Öffentlichkeit die Verantwortung schuldig geblieben zu sein 33 ."

Unter den bestehenden Verhältnissen ist aber weder von seiten der Leser noch von seiten der Presse selbst ein gegenteiliger Einfluß zu erwarten; denn: „Die Leute wünschen selten zu lesen und zu hören, was ihnen nicht gefällt 3 4 " und: „Die Betriebe des Massen-Nachrichtenwesens sind Unternehmungen des ,großen Geschäfts', und ihre Eigentümer sind große Geschäftsleute 35 ." Einen überzeugenden Ausweg aus diesen Widersprüchen weiß die Kommission nicht, da sie es nicht wagt, dem Problem an die Wurzel zu 29 30 31 32 33 34 35

Ebd., Ebd., Ebd., Ebd., Ebd., Ebd., Ebd.,

S. 108. S. 113. S. 53. S. 54 f. S. 56. S. 57. S. 58.

V I . Die eigentliche Problemstellung

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gehen u n d die privatwirtschaftliche S t r u k t u r der Presse i n Frage zu stellen. Sie erkennt zwar, daß die „Fehler u n d I r r t ü m e r (der Presse) aufgehört haben, private G r i l l e n zu sein u n d zur öffentlichen Gefahr geworden s i n d . . . Die Presse hat ihre allgemeine u n d uralte menschliche Freiheit verloren, i n ihrer F u n k t i o n unzureichend zu sein oder eine halbe als ganze Wahrheit anzubieten" 3 6 . „Sie muß sich dazu bekennen, daß sie einen öffentlichen Dienst von berufswegen verrichtet 3 7 ." Doch die Kommission beläßt es mehr oder weniger bei bloßen moralischen Appellen, wobei sie sich allerdings bewußt ist: „Die Lage k o m m t einem Dilemma nahe. Die Presse muß p r i v a t und frei bleiben, ergo menschlich und fehlbar sein. Aber sie darf es nicht mehr wagen, dem Trügerischen zu frönen — sie muß dem öffentlichen Bedürfnis genügen 3 8 ." Die Frage: „ W i e kann ein solches Nachrichtenmittel, das fast begriffsmäßig sich darum bemühen muß, jedermann zu gefallen, die Aufgabe zu erfüllen, die es heutzutage erfüllen muß? 3 9 " bleibt somit von der „Commission on Freedom of the Press" letztlich doch unbeantwortet. c) Ä h n l i c h ist die Lage i n Großbritannien. Auch dort k l i n g t i n den Berichten der eigens von der Regierung zur Untersuchung der Situation auf d e m P r e s s e m a r k t eingesetzten „Royal Commissions

on the Press"

grundsätzliche K r i t i k an den bestehenden Verhältnissen an: „Die potentielle Gefährdung öffentlicher Interessen durch weitere Konzentrationsbewegungen und durch eine Kontrolle über die Zeitungspresse mittels Verschmelzungen steht außer jedem Zweifel, und es entsteht die Frage, ob die Öffentlichkeit sich weiterhin für die ordnungsgemäße Befriedigung ihrer verschiedenartigen Bedürfnisse auf ein System verlassen kann, das großen Unternehmen die Ausdehnung ihrer Kontrolle über die Presse gestattet, gleichgültig, ob diese ihre so erlangte Macht mißbrauchen oder nicht 40 ."

Die Folgerungen, die die Shawcross-Kommission daraus zieht, lassen das System selbst allerdings unangetastet. I m m e r h i n konnte sie sich zu dem Vorschlag entschließen, die Presse einer allgemeinen Fusionskontrolle zu unterstellen, u n d konnte damit auch bei den verantwortlichen politischen Instanzen durchdringen. d) Grundsätzliche K r i t i k an der privatwirtschaftlichen S t r u k t u r des Pressewesens ist auch i n Frankreich zu vernehmen. A u f die aus dieser K r i t i k entwickelten u n d z. T. bereits praktizierten Reformvorschläge i n Frankreich w i r d noch i n einem anderen Zusammenhang einzugehen 36

Ebd., S. 108. Ebd., S. 87. 38 Ebd., S. 118. 39 Ebd., S. 58. 40 Royal Commission on the Press 1961—1962, zit. nach „Rundfunkanstalten und Tageszeitungen", Dokumentation 1, S. 371 f. 37

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

sein. A n dieser Stelle soll anhand der Ausführungen einiger namhafter französischer Verfassungsrechtler die K r i t i k selbst i n kurzen Umrissen dargestellt werden. Maurice Duverger und Lucien Sfez weisen i n ihrem Beitrag über die „Freiheitsrechte i n Frankreich" i n dem Sammelband „Die Grundrechte" 4 1 darauf hin, daß die Pressefreiheit i n Frankreich heute kein Problem der Freiheit vom Staat mehr sei, sondern daß heute die Freiheit gegenüber „dem Geld" i m Vordergrund stehe; denn die Herausgabe einer Tageszeitung erfordert heute „enorme Summen, sodaß nur große Finanzmächte dazu i n der Lage sind. Die Pressefreiheit i n ihrer traditionellen Vorstellung ähnelt ein wenig der Freiheit des Dschungels: alle Tiere fühlen sich sicher vor dem Jäger (dem Staat), aber wer schützt die Kleinen und Mittleren vor den Tigern" 4 2 ? Duverger/Sfez sind sich über die Mechanismen der privatwirtschaftlichen Wettbewerbstruktur i m klaren: „Die Unternehmer, die ihre Zeitungen, die eine Handelsware sind, zu verkaufen suchen, werden vor allem den Geschmack der Kunden befriedigen wollen; sie werden also selbstverständlich versuchen, die in der öffentlichen Meinung vorherrschenden Tendenzen wiederzugeben, indem sie den besten demokratischen Regeln folgen; das »Plebiszit der Leser' wird ein Anwendungsfall des von den Schülern Adam Smiths so geliebten »Plebiszits der Verbraucher' sein 43 ."

I n Frankreich allerdings bestehen insofern gewisse Abweichungen von der Situation anderer Länder, „weil in der Praxis die Unternehmen der Presse durchaus nicht immer wie gewöhnliche kapitalistische Unternehmungen geführt werden; anstatt vor allem zu versuchen, ihre Ware zu verkaufen und Gewinne zu erzielen, wollen viele unter ihnen gerade einen Einfluß auf die Öffentlichkeit und die Regierenden ausüben, selbst wenn sie dadurch Geld verlieren. Dieser politische Einfluß erlaubt ihnen nämlich, wirksam die Interessen der Finanz- und Wirtschaftsgruppen, die die Zeitung unterstützen zu verteidigen; das Geld, das sie auf der einen Seite ausgeben, gewinnen sie auf der anderen wieder zurück 44 ."

Trotz dieser Abweichungen ist das Grundproblem i n Frankreich dasselbe, nämlich der Widerspruch zwischen privatwirtschaftlicher Strukt u r und öffentlicher Aufgabe; er zeigt sich nur i n einer anderen Form. Ähnlich, aber noch schärfer, ist die Analyse der modernen Presse bei Georges Burdeau 45, die anhand einiger Zitate belegt werden soll: 41 „Die staatsbürgerlichen Freiheitsrechte in Frankreich und in der Union Française", in: Die Grundrechte, Bd. 1/2, S. 543 ff. 42 Ebd., S. 587. 43 Ebd., S. 590. 44 Ebd., S. 590 f.; vgl. auch die Ausführungen von Leauté auf dem Salzburger Symposion des Europarats über „Menschenrechte und Massenmedien" bei Berg JZ 1968, 811. 45 Les Libertés Publiques (dtsch. Übers, vom Verf.), S: 207.

V I . Die eigentliche Problemstellung

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„Das Emporkommen einer Zeitung fordert Kapitalkräfte in einem solchen Ausmaß, daß praktisch die Finanzierung viel wichtiger ist als die Meinung aufrechtzuerhalten. Die Kapitalkräftigen können die Ideen wählen; die Ideen aber können nicht die Kapitalkräfte finden." „Aber schwerwiegender ist, daß die Kapitalkräfte die Ideen heute nicht mehr nötig haben. Das Verschwinden der Meinungspresse ist ein Beweis dafür. Der Leser, der denkt, ist ein schlechter Kunde; wichtig ist, den Leser zu verdummen, um ihn sich treu zu machen." „Die Objektivität der Presse . . . ist noch gefährlicher (als durch die Regierung) durch den Geschmack des Lesers bedroht, der keinen Widerspruch duldet." Angesichts dieser wirtschaftlichen Zusammenhänge „ist die Freiheit der Presse nur noch eine Freiheit der Presseeigentümer".

Burdeau zieht daraus das Resümmee: „Bei Kenntnis dieser neuen Gegebenheiten des Presseproblems w i r d es klar, daß die klassische A u f fassung von der Pressefreiheit ihnen nicht entspricht." Er knüpft daran die Forderung nach einem grundsätzlichen Umdenken, nach einer I n fragestellung der Pressestruktur selbst, die notwendig sei, u m die gegenwärtigen Probleme zu bewältigen. Burdeaus K r i t i k schließt m i t folgendem Zitat aus einer Schrift von R. Pinto 46 : „Die gegenwärtige Situation der Presse resultiert aus ihrer organischen Struktur . . . Es wäre deshalb vergeblich, eine Reform auf einer direkten Regelung dieser Aktivitäten (der Presse), die strafrechtlich sanktioniert wird, aufzubauen: nämlich falsche Nachrichten und trügerische Propaganda zu verbieten, ihr die Darstellung der Meinungen in ihren verschiedenen Aspekten aufzuerlegen . . . Eine solche Regelung, die durch ihren repressiven Charakter der traditionellen Auffassung der Pressefreiheit gemäß ist, wäre unwirksam. Sie läßt die organische Struktur bestehen, d. h. die Ursache des für schlecht Befundenen."

Den Weg, der stattdessen einzuschlagen ist, zeigt Burdeau allerdings nicht auf. Er beläßt es bei der Feststellung: „Die Freiheit hat die Presse geschaffen, und die Presse ist die Gebieterin (maîtresse) der Freiheit geworden." 5. Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse Versucht man, die vorstehenden Überlegungen zur inneren Pressefreiheit i n kurzen Zügen zusammenzufassen, so läßt sich feststellen, daß die innere Pressefreiheit keine Frage der Abwehr von individuellem Freiheitsmißbrauch bzw. Freiheitsbeeinträchtigung ist, ja daß es dabei i m K e r n überhaupt nicht um Freiheit und Unabhängigkeit des einzelnen in der Presse Tätigen geht. Eine Kompetenzabgrenzung zwischen Verlag und Redaktion würde daher ebenso wie lediglich Einzelfälle betreffende Mißbrauchs- und Verbotsnormen den eigentlichen Kern des Problems verfehlen. Die innere Pressefreiheit ist vielmehr ein Strukturproblem und kann nur i n Zusammenhang m i t der Gesamtstruktur der Presse gesehen wer46

La liberté d'opinion et d'information, Paris 1955.

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

den. Versteht man die Pressefreiheit allgemein als Garantie eines freiheitlich-demokratischen Kommunikationssystems qua Presse, so ist Ziel der inneren Pressefreiheit, die Kommunikation frei von sachfremden, i n der Presse selbst wurzelnden Einflüssen zu halten und den Kommunikationsprozeß i n freiheitlich-demokratischem Sinne, d. h. offen und pluralistisch, zu gestalten. Es zeigte sich, daß beide Essentialien der inneren Pressefreiheit i n einem Spannungsverhältnis zur privatwirtschaftlichen Wettbewerbsstruktur der Presse stehen. Die privatwirtschaftliche Wettbewerbsordnung ermöglicht nicht nur die direkte Einflußnahme kommerzieller Interessen auf die inhaltliche Gestaltung der Zeitung, sondern sie führt ganz allgemein dazu, daß die Information zur kommerziellen Ware wird, die nicht mehr den Kriterien der Wahrheit und Vollständigkeit unterliegt, sondern deren Wert am Maßstab der Beliebtheit beim (Durchschnitts-) Leser gemessen wird. Überdies erschwert die privatwirtschaftliche Wettbewerbsordnung eine pluralistische Öffnung des einzelnen Zeitungsunternehmens, die u m so notwendiger wird, je mehr die Pressekonzentration zu einer Abnahme der Vielfalt an verschieden orientierten Zeitungen führt. Es wurde ebenfalls dargelegt, daß die privatwirtschaftliche Wettbewerbsordnung nicht etwa durch A r t . 5 I GG verfassungsrechtlich geschützt ist. Die Pressefreiheit gewährleistet lediglich Freiheit der geistigen Kommunikation und umgreift die technisch-ökonomische Infrastruktur der Kommunikation nur insoweit, als diese ihrerseits Voraussetzung einer freiheitlichen Kommunikationsordnung ist. Wie das Beispiel der Rundfunkanstalten zeigt, ist eine freie Kommunikation nicht wesensnotwendig an die privatwirtschaftliche Struktur gebunden. Die gegenwärtige Pressestruktur ist vielmehr Produkt der bürgerlich-liberalen Gesellschaftsordnung des 19. Jahrhunderts und hat i n dem Selbstverständnis dieser Gesellschaft ihre geistigen Voraussetzungen. Unter den gewandelten Umwelt- und Verfassungsbedingungen von heute muß sich die Presse daher von Grund auf i n Frage stellen lassen. I m Rahmen seines Verfassungsauftrags, den Grundrechtsraum verfassungs- und funktionskonform auszugestalten, hat der Gesetzgeber zwar von den vorgefundenen Verhältnissen auszugehen und darf eine Revision daher nur i m Rahmen des Erforderlichen durchführen; denn da das Grundgesetz keine revolutionäre Neugestaltung darstellt, sondern sich i n die Kontinuität deutscher Verfassungsentwicklung stellt, spricht eine gewisse Vermutung dafür, daß der Grundgesetzgeber die von i h m vorgefundenen Institutionen, soweit er sie nicht ausdrücklich aufhob, unter Anpassung an die neue Verfassungsordnung grundsätz-

V I I . Aufgabe und Möglichkeiten einer Pressereform

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lieh fortbestehen lassen wollte 4 7 . Zeigt sich aber, wie insbesondere i m Bereich der Tagespresse, daß die vorhandenen Strukturen ihre Funktion innerhalb der heutigen Verfassungs- und Gesellschaftsordnung nicht mehr zu erfüllen vermögen, so ist es Aufgabe des Gesetzgebers, die rechtlichen Voraussetzungen für die Entwicklung neuer, verfassungs- und funktionsgerechter Strukturen zu schaffen. Inhalt und Umfang der Gestaltungsfunktion des Gesetzgebers bestimmen sich ausschließlich nach der Verfassung selbst. Soweit sich nicht unmittelbar aus der Verfassung entsprechende Bindungen ergeben, ist er weder an bestimmte Traditionen, noch an subjektive Interessen, die mit diesen Traditionen verknüpft sind, gebunden. A u f der Grundlage einer institutionellen Betrachtung der Pressefreiheit — aber auch nur auf ihr — ist der Gesetzgeber i n der Lage und zugleich von Verfassungswegen verpflichtet, eine Pressereform diesen Grundsätzen entsprechend durchzuführen.

V I I . Aufgabe und Möglichkeiten einer Pressereform 1. Allgemeine Grundsätze einer Pressereform Es gilt nun, aus den bisherigen Überlegungen über Wesen und Funktion der Presse und ihrer grundgesetzlichen Freiheit Grundsätze für eine Pressereform zu entwickeln. Leitgedanke einer jeden Pressereform hat die Funktion der Presse innerhalb der Gesellschaft, i m besonderen aber ihre verfassungsrechtliche Funktion i n der freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes zu sein. Als Institution innerhalb der Gesellschaft ist die Presse wichtigster Träger des gesamtgesellschaftlichen Kommunikationsprozesses. Die periodische politische Presse hat darüber hinaus eine unmittelbare verfassungsrechtliche Funktion als Faktor und Medium der staatsbürgerlichen Meinungs- und Willensbildung und hat i n dieser Eigenschaft den Status einer Verfassungsinstitution. Da das Grundgesetz als demokratische Verfassung sich nicht mehr nur auf die Regelung der staatlichen Organisation beschränkt, sondern eine Grundordnung für das gesamte Gemeinwesen sein w i l l , hat es auch unmittelbare Ausstrahlungen auf den gesellschaftlichen Bereich. Auch gesellschaftliche Institutionen von Öffentlichkeitsbezug bzw. Verfassungsrang, wie die Presse, müssen daher i n ihren Strukturprinzipien m i t den tragenden Grundsätzen der Verfassungsordnung i n Einklang stehen. Die für die Presse maßgebenden Grundsätze sind die Prinzipien 47 Auch das BVerfG dürfte in seinem Fernsehurteil von dieser Überlegung ausgegangen sein, wenn es (konkludent) feststellt, daß eine öffentlich-rechtliche Organisation des Pressewesens solange unzulässig ist, als die Presse dem historisch überkommenen Bild der Meinungs-Vielfalt entspricht.

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

der Freiheitlichkeit und der Demokratie. Daraus leiten sich i m einzelnen folgende Forderungen ab: Die Presse, oder genauer der Kommunikationsprozeß qua Presse, muß freiheitlich sein. Das grundgesetzliche Postulat der Freiheit richtet sich nicht nur gegen den Staat, sondern w i l l alle sachfremden Einflüsse ausschalten, die einen freien gesellschaftlichen Informations- und Meinungsaustausch behindern, auch wenn sie aus der Presse selbst herrühren. Insbesondere sind Einwirkungen kommerzieller Natur von der redaktionellen Gestaltung eines Presseorgans fernzuhalten. Als demokratische Presse unterliegt sie außerdem dem Prinzip der Pluralität, das fordert, daß jede gesellschaftlich relevante Meinungsgruppe die Chance haben muß, über das Medium Presse an der öffentlichen Diskussion m i t w i r k e n zu können. Der Grundsatz der Pluralität kann entweder dadurch verwirklicht werden, daß die Presse i n ihrer Gesamtheit über eine Vielzahl verschiedener Zeitungen den gesellschaftlichen Meinungsströmungen Ausdruck gibt; es kann aber auch das einzelne Presseorgan selbst Forum pluraler Kommunikation sein. I n Monopol- bzw. Oligopolbereichen der Presse, die sich i m Zuge der Konzentration immer weiter ausdehnen, kann der Grundsatz der Pluralität nur noch über das einzelne Presseorgan selbst verwirklicht werden. Die Forderung nach Pluralität als Ausdruck des demokratischen Prinzips 1 richtet sich an die i n der Presse Tätigen als Frage nach ihrer demokratischen Legitimation. I n der bürgerlich-liberalen Gesellschafts- und Verfassungsordnung des 19. Jahrhunderts konnte die demokratische Legitimation der Presse damit fingiert werden, daß jeder Bürger als Grundrechtsträger die Möglichkeit hatte, eine Zeitung zu gründen. I m Zuge der technisch-ökonomischen Umwälzung des Pressewesens gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts ist diese Möglichkeit jedoch mehr und mehr zu einem nur noch formalen Rechtsanspruch verblaßt, dem i n Wirklichkeit ein Privileg weniger Reicher gegenübersteht. I n der sozialen Demokratie des Grundgesetzes ist die liberale Fiktion nicht mehr haltbar. Die Frage nach der demokratischen Legitimation der in der Presse Tätigen muß daher neu beantwortet werden. Die A n t w o r t kann nur i n der Idee der Repräsentation liegen. Angesichts der gewaltigen und immer weiter steigenden Kosten der Zeitungsherstellung bietet allerdings die Kommerzialisierung der Presse, entgegen der Ansicht A. Arndts 2 , kein geeignetes Auswahlprinzip für eine demokratische Repräsentation. Diese ist nur dann gewährleistet, wenn allen Meinungsgruppen der Gesellschaft die Möglichkeit geboten wird, 1 So auch Friesenhahn, Die Pressefreiheit Grundgesetzes, a.a.O., S. 35. 2 Siehe oben Anm. 18.

im

Grundrechtssystem

des

V I I . Aufgabe und Möglichkeiten einer Pressereform

305

an der Gestaltung der Presse mitzuwirken. Dies setzt einmal einen freien Zugang zur Presse voraus, und zwar nicht nur für Verleger, sondern vor allem auch für Journalisten. Darüber hinaus ist aber auch durch Maßnahmen institutioneller A r t , z. B. die Einrichtung von A u f sichtsgremien ähnlich wie i m Bereich des Rundfunks, eine Beteiligung aller Meinungsgruppen am Kommunikationsprozeß sicherzustellen. Wie bereits früher betont wurde, gelten für die Repräsentation i m Bereich der Meinungsbildung andere Kriterien als auf dem Sektor politischer Entscheidungen, wo das Mehrheitsprinzip maßgebend ist. Das Mehrheitsprinzip kann nur dort ausschließliche Geltung besitzen, wo es u m die Herbeiführung klarer Entscheidungen geht. I m Bereich der Meinungsbildung, müssen dagegen auch Minderheitsgruppen eine echte Chance haben, die Mehrheit von der Richtigkeit ihrer Argumente zu überzeugen. Würde als Maßstab der Repräsentation ausschließlich das Proporzprinzip auf der Basis der bestehenden Mehrheitsverhältnisse herangezogen, so wäre eine geistige Erstarrung die Folge. Maßgebend i m Bereich der Meinungsbildung, zu dem auch die Presse zählt, muß der Grundsatz der Chancengleichheit aller Gruppen sein. I m Lichte dieser Überlegungen ist nun auch die Eignung der privatwirtschaftlichen Wettbewerbstruktur für die Presse zu beurteilen. Da diese Struktur nicht selbst verfassungsrechtlich garantiert ist, sondern lediglich instrumentale Funktion i m Hinblick auf die geistige Komunikation hat, kann sie auch nur insoweit Bestand haben, als sie diese instrumentale Funktion tatsächlich erfüllt. Dies ist nach den obigen Ausführungen i n denjenigen Pressebereichen nicht mehr der Fall, die einem hohen Auflagen- und Kostendruck ausgesetzt sind und wo daher die kommerziellen Einflüsse besonders stark und der Konzentrationsgrad besonders hoch ist, die andererseits aber i n engem Zusammenhang m i t der verfassungsrechtlichen Funktion der Presse stehen. Diese K r i t e rien treffen i n besonderem Maße auf die politische Tagespresse zu. Hier sind die Verhältnisse schon so weit fortgeschritten, daß das privatwirtschaftliche Wettbewerbsystem seiner instrumentalen Funktion für eine freiheitlich-demokratische Presseordnung und die Erfüllung der „öffentlichen Aufgabe" der Presse nicht mehr gerecht werden kann. I n diesem Bereich stellt sich daher schon heute für den Gesetzgeber die Aufgabe, neue Strukturformen zu entwickeln, die den von der Verfassung gesetzten Zielen eher entsprechen 3 . s

Der erste Ansatz zu einer Differenzierung zwischen periodischer politischer und nicht politischer Presse durch den Gesetzgeber findet sich im „Gesetz über die Gewährung einer einmaligen Umsatzsteuervergütung für Presseunternehmen" (BGBl. 1968 I, S. 469); eine differenzierende Behandlung der Tagespresse gegenüber den übrigen Pressebereichen um ihrer besonderen verfassungsrechtlichen Funktion willen ist bereits bei Häntzschel (Presserecht, S. 23) angedeutet. 20 Stammler

306

3 Teil: Die Innere Pressefreiheit

Anders ist die Situation i m Bereich der Wochenzeitungen, der Zeitschriften und der Buchpresse. Soweit es sich dabei u m nicht politische Massenblätter handelt, besteht zwar ebenfalls ein faktisches „Monopol" der etablierten Verlage. Auch der kommerzielle Einfluß ist zweifellos noch deutlicher und uneingeschränkter als bei der Tagespresse. Andererseits aber haben diese Zeitschriften — trotz ihres nicht zu unterschätzenden Einflusses auf die gesellschaftliche Bewußtseinsbildung, insbesondere i m Bereich der moralischen Werte und der Konventionen einer Gesellschaft — doch keinen so unmittelbaren verfassungsrechtlichen und für das politische Leben einer Gesellschaft so ausschlaggebenden Rang wie die Tagespresse. Diese A r t von Presse ist eher dem Bereich der Unterhaltungsindustrie zuzurechnen; solange diese nicht generell einer stärkeren öffentlichen Kontrolle unterstellt wird, ist auch nicht unbedingt einzusehen, warum die Unterhaltungspresse einer Sonderbehandlung unterworfen werden soll. Ganz anders ist die Lage auf dem Gebiet der politisch-literarischen Zeitschriften, der Fachzeitschriften und der Buchpresse. Dieser Teil der Presse verfügt noch i n weitem Umfang über einen Leserkreis, der i n sich homogen ist und aus echtem Sachinteresse heraus die betreffende Publikation liest. Da hier zudem die technisch-ökonomische Struktur eine andere und relativ konstant ist, insbesondere die Produktionskosten nach unten stark variabel sind, die Einnahmen noch ganz überwiegend aus dem Vertrieb resultieren, der Kaufpreis deshalb verhältnismäßig hoch, die Auflage entsprechend klein und der kommerzielle Einfluß gegenüber dem geistigen noch nicht i n der Weise wie bei der periodischen Massenpresse dominierend ist, hat die Situation auf diesem Pressesektor noch starke Ähnlichkeiten m i t dem Pressewesen des 19. Jahrhunderts. Hier ist die privatwirtschaftliche Struktur noch nicht Gefahr, sondern eher Garantie einer freiheitlich-demokratischen Pressestruktur. Es besteht daher gegenwärtig auch noch kein zwingender Anlaß, an diesen Gegebenheiten durch staatliche Eingriffe i n grundsätzlicher Hinsicht Änderungen vorzunehmen. Das freiheitsgefährdende Risiko wäre voraussichtlich größer als der daraus erwachsende Nutzen. Eine Zwischenstellung nimmt die politische Wochenpresse ein. Die bekannten überregionalen Zeitungen dieses Pressebereichs haben Auflagen, die denen der entsprechenden Tageszeitungen vergleichbar sind; die Produktionskosten sind demgemäß verhältnismäßig hoch 4 und die Möglichkeiten einer Neugründung erwiesen sich bisher als ziemlich 4 Die im September 1968 gegründete Wochenzeitung „Publik", wohl die einzige nennenswerte Neugründung einer Wochenzeitung während der letzten 15 Jahre, verfügte über ein Startkapital von 15 Mill. D M , hatte Anfang 1969 erst einen Abonnentenstamm von ca. 30 000 und ist bis heute noch auf Zuschüsse angewiesen.

V I I . Aufgabe und Möglichkeiten einer Pressereform

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schlecht. Allerdings deutet ein Vergleich m i t den Marktverhältnissen in den USA und i n England darauf hin, daß die Aufnahmekapazitäten auf dem Markt der Wochenzeitungen i n der Bundesrepublik noch bei weitem nicht ausgeschöpft sind. Insbesondere läßt es das angelsächsische Beispiel als nicht ausgeschlossen erscheinen, daß gerade auf den lokalen und regionalen Märkten Wochenzeitungen als Gegengewicht gegen die dortige Monopolpresse eine Zukunft haben könnten 5 , zumal die Investitionskosten für derartige Blätter verhältnismäßig gering wären. Außerdem ist auch die publizistische Struktur der Wochenzeitungen eine andere als die der Tageszeitungen. I m Vergleich zum Durchschnitt der Tageszeitungen weisen sie zur Zeit ein relativ hohes publizistisches Niveau auf, das wesentlich auf die Zusammensetzung der Leserschaft zurückzuführen ist. Da die Nachrichteninformation gegenüber dem Meinungsteil bei Wochenzeitungen naturgemäß stark zurücktritt, hat die technisch-ökonomische Seite noch nicht die dominierende Stellung wie bei der Tagespresse, und auch der Journalismus ist noch nicht i n gleichem Maße wie dort bzw. wie i m Bereich der Publikumszeitschriften den Interessen des Managements unterworfen. Infolge ihrer geringeren Aktualität ist die Bedeutung der Wochenpresse schließlich auch i n verfassungsrechtlicher Hinsicht m i t der Funktion der Tagespresse nicht vergleichbar. Diese Gründe zusammengenommen lassen die p r i v a t w i r t schaftliche Struktur i m Bereich der politischen Wochenpresse zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch als tolerierbar erscheinen. Dies bedeutet jedoch nicht, daß das privatwirtschaftliche Wettbewerbssystem i n seiner heutigen Form ohne Änderungen für die Buchund Zeitschriftenpresse sowie die Wochenzeitungen beibehalten werden sollte. Die obigen Feststellungen bezogen sich vielmehr nur auf die grundsätzliche Funktionsfähigkeit des bestehenden Systems unter den gegenwärtigen tatsächlichen Bedingungen, oder anders ausgedrückt: I m Bereich der Buch- und Zeitschriftenpresse sowie der Wochenzeitungen dürften i n der heutigen Situation systemkonforme Reformmaßnahmen ausreichen, u m die Presse i n diesen Teilbereichen zur Erfüllung ihrer „öffentlichen Aufgabe" i m notwendigen Umfang zu befähigen. Über diese Einzelaspekte hinaus sollte man aber — angesichts der nicht zu leugnenden Risiken einer grundlegenden Strukturänderung — ganz allgemein i n der Beibehaltung des privatwirtschaftlichen Systems innerhalb einiger Teilbereiche der Presse ein jedenfalls vorerst noch unbedingt wünschenswertes Gegengewicht zu anderen nicht p r i v a t w i r t schaftlich verfaßten Kommunikationsträgern sehen. Allerdings sollte die gegenwärtige Konkurrenzlage zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Kommunikationsmedien, etwa 5 Vgl. Noelle-Neumann, blizistik 2—4/1968, S. 134. 20*

Pressekonzentration und Meinungsbildung, Pu-

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

unter dem Gesichtspunkt einer „Gewaltenteilung" 6 , nicht zum verfassungsrechtlichen Dogma erhoben werden 7 . Durch eine solche Doktrin, die vom Grundgesetz selbst nicht unmittelbar gefordert wird, würde lediglich ein historisch gewachsener und damit auch historisch bedingter Zustand m i t dem Prädikat des verfassungsrechtlichen Unabänderlichen versehen und damit dem gesellschaftlichen Wandel ein unnötiger Riegel vorgeschoben. 2. Die Pressefreiheit im Beziehungsgeflecht der Grundrechte Bevor die Möglichkeiten einer Pressereform i m einzelnen erörtert werden, sollten die verfassungsrechtlichen Grenzen einer solchen Reform abgesteckt werden. Obwohl eine Pressereform, die sich an den vorstehend erörterten Gesichtspunkten orientiert, darauf angelegt sein muß, die strukturellen Grundlagen des Pressewesens zu verändern, können diese Strukturüberlegungen allein eine Pressereform nicht legitimieren. Die Bindung des Gesetzgebers an das Grundgesetz läßt es nicht zu, lediglich einen strukturellen Aspekt herauszugreifen und — nachdem man wie Krüger zu dem Ergebnis gekommen ist, daß das privatwirtschaftliche Wettbewerbssystem keine dem Kommunikationswesen adäquate Organisationsstruktur darstellt — eine Pressereform allein m i t dem Argument zu rechtfertigen, daß dieses System vom Staat gesetzt sei und daher auch von i h m wieder aufgehoben bzw. abgeändert werden könne 8 . Jede Pressereform, insbesondere aber jede grundsätzlich angelegte Reform, berührt neben diesen Strukturfragen notwendigerweise auch die grundrechtlich geschützte Freiheitssphäre der i n der Presse Tätigen. A n diesen Freiheitsrechten findet die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit ihre Schranken. Für den Problemkreis Pressereform sind vor allem die A r t i k e l 21, 12, 14, 15 GG, 10 EurMRK von Bedeutung. I h r Verhältnis zur Pressefreiheit sowie die Einwirkung des Übermaßverbotes sollen daher i m folgenden untersucht werden. Die Untersuchung beschränkt sich auf die Frage nach der Zulässigkeit einer grundlegenden Strukturänderung des Pressewesens i. S. der vorstehend erörterten Gesichtspunkte. Bezüglich der verfassungsrechtlichen Probleme einer sich innerhalb der bestehenden privatwirtschaftlichen Presseordnung bewegenden Reform kann auf den bereits mehrfach zitierten Beitrag Ehmkes i n der Festschrift für Adolf A r n d t verwiesen werden. 8 Vgl. Ehmke, Pressereform, S. 87 f., der allerdings die Pressestrukturprobleme und die Frage des „Verlegerfernsehens" miteinander vermengt. 7

So aber Günther-Bericht, S. 13; Heck AfPR 8/1968, S. 702.

8

Krüger, Die öffentlichen Massenmedien, S. 69.

V I I . Aufgabe und Möglichkeiten einer Pressereform a) Artikel

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2 Abs. 1 GG

Das allgemeine Freiheitsrecht des A r t . 2 I GG w i r d von der ganz überwiegenden Rechtsprechung und Lehre als echtes Grundrecht, das seinem Träger ein subjektiv-öffentliches Recht verleiht, anerkannt 9 . Art. 2 I stellt nach dieser Ansicht das „Hauptfreiheitsrecht" dar, das die Funktion eines „Auffangrechts" „zur Abwehr aller praktisch werdenden Gefährdungen der Freiheit" 1 0 besitzt. Als solches hat A r t . 2 I gegenüber den nachfolgenden Spezialfreiheiten" lediglich subsidiären Charakter und w i r d somit von diesen spezielleren Freiheitsrechten insoweit verdrängt, als deren Regelungsbereich reicht 1 1 . Geht man m i t der hier vertretenen Auffassung davon aus, daß die Meinungsäußerungsfreiheit des A r t . 5 I, 1 ein klassisches, individuelles Grundrecht, die Pressefreiheit dagegen nur eine institutionelle Garantie beinhaltet, so ist hinsichtlich des Verhältnisses beider Spezialfreiheiten zum allgemeinen Freiheitsrecht des A r t . 2 I zu differenzieren. Die Meinungsäußerungsfreiheit regelt i n ihrem Bereich die individuelle Rechtsstellung abschließend. Neben ihr ist für einen weiteren Individualrechtsschutz weder Raum noch Bedürfnis. Etwas anderes muß dagegen i m Hinblick auf eine lediglich als objektiv-rechtliche Institutsgarantie verstandene Pressefreiheit gelten. Zwar umfaßt der institutionelle Schutz der Pressefreiheit auch nach der hier vertretenen Auffassung sämtliche Pressetätigkeiten von der redaktionellen Gestaltung und ihrer Vorbereitung bis zum Druck- und Verlagswesen. I m Unterschied zum allgemeinen Freiheitsrecht des A r t . 2 I gilt dieser Schutz jedoch nicht ausschließlich und nicht einmal vorwiegend der einzelnen i n der Presse tätigen Person, sondern lediglich der Institution „Presse". Richtung und Zweck der Freiheitsverbürgung beider Normen gehen daher prinzipiell auseinander, sie liegen auf verschiedenen Ebenen. I m praktischen Ergebnis läßt sich diese Unterscheidung zwischen individueller und institutioneller Freiheit auf das Dilemma zuspitzen, daß unter bestimmten Voraussetzungen der Institutionsschutz Beschränkungen der individuellen Freiheit der i n der Presse Tätigen zuläßt, die praktisch ein Verbot gewisser Freiheitsbetätigungen (insbesondere des privaten Verlegens) bewirken, während umgekehrt das Dogma der Unantastbarkeit eines bestimmten individuellen Freiheitsraums zum Verlust der Freiheit der Institution i m ganzen führen kann. Geht man daher davon aus, daß A r t . 2 I ein echtes Grundrecht darstellt, das die individuelle Freiheitsentfaltung ganz allgemein und i n jeder Form schützt und von anderen nachfolgenden Grundrechten nur inso® Vgl. Nachweise bei Dürig, in: Maunz-Dürig-Herzog , Grundgesetz, Art. 2 I, Rz. 5; BVerfGE 6, 32. 10 Vgl. Dürig, ebd., Rz. 6, 8 m. w. N. 11 Vgl. BVerfGE 4, 52 (57); 11, 234 (238); neuerdings 25, 88 (101).

310

3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

weit verdrängt wird, als sich deren individueller Schutzbereich m i t dem des A r t . 2 I tatsächlich deckt, so muß man zu dem Ergebnis kommen, daß sich A r t . 2 I und die institutionelle Pressefreiheit i n A r t . 5 I, 2 nicht gegenseitig ausschließen. Dies gilt jedoch nicht für die Ansicht Nipperdeys, soweit er i n A r t . 2 I die verfassungsrechtliche Garantie der „sozialen Marktwirtschaft" sieht 1 2 . Denn da das Grundgesetz die Presse ihrem Wesen nach nicht als wirtschaftliche, sondern als geistig-kommunikative Institution betrachtet, sind für die Presse nicht die allgemeinen Regeln der Wirtschaft, sondern allein A r t . 5 I als spezielle Gewährleistung der Kommunikationsfreiheit maßgebend. Der gegenständliche Wirkungsradius des A r t . 2 I i m Pressebereich reicht andererseits aber auch nicht über den der Pressefreiheit hinaus; denn die anderen m i t der Presse i n Beziehung stehenden Grundrechte (insbesondere A r t , 12 und 14) weisen sämtlich individualrechtliche Inhalte auf und verdrängen daher die allgemeine Handlungsfreiheit. Es fragt sich nun allerdings, inwieweit A r t . 2 I ein effektives Bollwerk der Individualfreiheit gegen die hier i n Betracht gezogenen strukturverändernden Reformmaßnahmen darstellt und insbesondere eine „Vergesellschaftung" der Presse hindert. Diese Frage läßt sich nicht m i t dem bloßen Hinweis auf die Schrankenbestimmung des A r t . 2 I, insbesondere den i. S. des BVerfG weit verstandenen Begriff der „verfassungsmäßigen Ordnung" 1 3 beantworten. Denn das BVerfG hat ebenso deutlich hervorgehoben, daß das Verhältnis zwischen der Freiheitsgarantie und der sie begrenzenden Schrankentrias i n A r t i k e l 2 I nicht lediglich „eindimensional" zu sehen ist, sondern daß über die Wesensgehaltssperre des A r t . 19 I ein gewisser Kernbestand individueller Freiheit auch i m Bereich des A r t . 2 I absolut geschützt ist, der seinerseits auf die Interpretation der Schrankentrias restriktiv e i n w i r k t 1 4 . Klare Kriterien für die Bestimmung des Wesensgehalts des A r t . 2 I lassen sich der bisherigen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung allerdings nicht entnehmen. Das BVerfG hat i n seinem Elfes-Urteil lediglich ganz allgemein von einem „letzten unantastbaren Bereich menschlicher Freiheit" gesprochen, „der der Einwirkung der gesamten öffentlichen Gewalt entzogen" sei 15 . Die Freiheit der verlegerischen Tätigkeit fällt unter diesen letzten Bereich menschlicher Freiheit sicherlich nicht. 12 Freie Entfaltung der Persönlichkeit, in: Die Grundrechte, Bd. IV/2, S. 870 ff. 13 Vgl. BVerfGE 6, 32 (37 f.). t4 Vgl. BVerfGE 6, 32 (41). 15 Ebd.

V I I . Aufgabe und Möglichkeiten einer Pressereform

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Andererseits läßt sich der Wesensgehalt der über A r t . 2 I geschützten individuellen Entfaltungsfreiheit i m Bereich der Presse nicht von vornherein auf die Freiheit der bloßen Meinungsäußerung qua Presse reduzieren, also praktisch m i t dem Inhalt des A r t . 5 I, 1 gleichsetzen. Denn Art. 2 I als allgemeines Hecht auf freie und autonome Persönlichkeitsentfaltung schützt i m Prinzip jede A r t der Freiheitsbetätigung, also auch die publizistische Tätigkeit i n der Funktion des Verlegers. Dies kann jedoch nicht dazu führen, daß jede nur denkbare vom einzelnen Bürger gewählte Form der Freiheitsbetätigung i n einem gewissen Kernbereich für unantastbar erklärt wird. Andernfalls würde der Schutzumfang des A r t . 2 I i n wesentlicher Hinsicht nicht mehr von der Verfassung selbst, sondern vom einzelnen Bürger bestimmt und wäre der i m Interesse des Gemeinwohls notwendigen gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit eine unerträgliche Grenze gesetzt. Man w i r d den Wesensgehalt des A r t . 2 I vielmehr i n der Weise bestimmen müssen, daß man i m Wege einer wertbezogenen Interpretation jeweils für den Einzelfall ermittelt, ob eine bestimmte Maßnahme die Persönlichkeit bzw. ihre Entfaltung in bestimmten typischen Lebensbereichen i n einer Weise beschränkt, die m i t unserer Gesellschafts- und Verfassungsordnung zugrunde liegenden Vorstellung menschlicher Freiheit schlechthin unvereinbar ist. Die Schrankenbestimmung des A r t . 2 I w i r k t daher nicht nur vertikal, nämlich i. S. der Zulässigkeit der Begrenzung von A r t und Weise der Freiheitsbetätigung innerhalb bestimmter vom Bürger gewählter Tätigkeitsformen und -bereiche, sondern gibt dem Gesetzgeber auch die Möglichkeit, die der individuellen Freiheitsentfaltung zur Verfügung stehenden räumlich-gegenständlichen Bereiche selbst einzugrenzen. Der hier i n Frage stehende Lebensbereich, innerhalb dessen A r t . 2 I ein M i n i m u m individueller Entfaltungsfreiheit jedem staatlichen Eingriff entzieht, kann nicht der des Verlegers oder des Redakteurs etc. sein, sondern nur die Institution „Presse" als solche, innerhalb derer die Tätigkeiten des Verlegers und Redakteurs lediglich funktional begrenzte und von der gesellschaftlich-technischen Entwicklung abhängige Betätigungsformen darstellen. Diese einzelnen Tätigkeitsformen ihrerseits zählen als solche nicht zum unerläßlichen Kernbestand einer freien Persönlichkeitsentfaltung i m Bereich der Presse. Der Wesensgehalt individueller Persönlichkeitsentfaltung i m Pressewesen besteht vielmehr i n der Tat i n nichts anderem als i n der Freiheit geistiger Kundgebung, wie sie i n A r t . 5 I, 1 geschützt ist. D a die Meinungsäußerungsfreiheit des Art. 5 I, 1 jede Form der Meinungsverbreitung, auch i n Gestalt des Druckerzeugnisses, schützt, deckt sich der durch A r t . 5 I, 1 gewährleistete Mindestraum individueller Freiheitsbetätigung m i t dem des Art. 2 I.

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

M i t der Feststellung, daß die freie verlegerische Betätigung nicht zum absoluten Mindestbestand der von A r t . 2 I geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit zählt, ist die Bedeutung dieser N o r m allerdings noch nicht erschöpft. Wenn man sich nämlich der i m Lüth-Urteil des B V e r f G entwickelten und heute w e i t h i n anerkannten Theorie der wechselbezüglichen Auslegung von Freiheitsrecht u n d Schrankenbestimmung anschließt, so hat der Gesetzgeber auch innerhalb des i h m nach A r t . 2 I offenstehenden Gestaltungsbereichs ständig die prinzipielle Freiheitsentscheidung des Verfassungsgebers, die i m ersten Halbsatz dieser V o r schrift zum Ausdruck kommt, i m Auge zu behalten. I m Ergebnis w i r k t sich diese Theorie dahin aus, daß die individuelle Freiheit auch i n Ausübung der Schrankensetzungsbefugnis, die A r t . 2 I dem Gesetzgeber gewährt, n u r insoweit eingeschränkt werden darf, als dies der Schutz eines höherrangigen Rechtsguts erfordert 1 6 . A r t . 2 I ist somit der verfassungsrechtliche Standort des allgemeinen Übermaßverbotes 1 7 . A u f die Presse übertragen folgt daraus, daß die individuelle Freiheit der i n der Presse Tätigen n u r insoweit eingeschränkt werden darf, als es der Schutz der i n A r t . 5 I, 2 garantierten I n s t i t u t i o n „Freie Presse" unbedingt erfordert. Da diese Überlegung über den engeren Bereich des A r t . 2 I hinausgreift u n d für alle i n der Presse implizierten Grundrechtsbereiche gilt, soll die Erörterung des Übermaßverbots i n einem besonderen Abschnitt am Ende dieses Kapitels erfolgen. b) Artikel

12 GG

Konkretere Bedeutung als A r t . 2 I k o m m t i m Zusammenhang m i t einer Pressereform der Berufsfreiheit des A r t . 12 zu. Nach dem W o r t laut der Vorschrift u n d ihrer Auslegung durch das B V e r f G ist dabei zwischen der Freiheit der Berufswahl u n d der Freiheit der Berufsausübung zu unterscheiden. Während das B V e r f G i m Apothekenurteil 18 noch ziemlich formal zwischen drei Stufen der Intensität des Eingriffs i n die Freiheitssphäre — nämlich Berufswahlregelung i n Gestalt objektiver Zulassungsvoraussetzungen, Berufswahlregelungen i n Gestalt subjektiver Zulassungsvoraussetzungen sowie bloßen Regelungen der Berufsausübung — unterschied, g i l t nach den neueren Entscheidungen des Gerichts, insbesondere dem Kassenarzt-Urteil 19, das Differenzierungsgebot n u n auch f ü r Eingriffe auf der Stufe der Ausübungsregelung, die — bei entsprechender Intensität des Eingriffs — nach den strengen Voraussetzungen der Zulassungsregelungen zu beur16

Vgl. BVerfGE 17, 306 (314); 20, 150 (159). I n BVerfQE 19, 349 wird der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aus dem Rechtsstaatsprinzip, letztlich aber aus dem Wesen der Grundrechte selbst abgeleitet. 18 BVerfGE 7, 377 ff. 19 BVerfGE 11, 30 (42 f.). 17

V I I . Aufgabe und Möglichkeiten einer Pressereform

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teilen sein können. Entscheidend ist also nicht mehr die formale Zugehörigkeit einer Regelung zu einer bestimmten Stufe, sondern die Nachhaltigkeit der Regelung i n ihrer Einwirkung auf die Berufsfreiheit 2 0 . Ein Eingriff i n die Freiheit der Berufswahl ist nach der Rechtsprechung des BVerfG nur zum Schutz überragender Gemeinschaftsgüter, die der Freiheit des Einzelnen vorgehen, zulässig 21 . Objektive ZulassungsVoraussetzungen als die intensivste Form der Freiheitsbeschränkung sind nur zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlich schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut gerechtfertigt 2 2 . Obwohl diese Anforderungen der gerichtlichen Nachprüfung unterliegen, kommt dabei doch der Auffassung des Gesetzgebers über das Vorliegen einer Gefahr sowie über die zur Abwehr gebotenen Maßnahmen i m Zweifel entscheidendes Gewicht zu 2 3 . Eine dem Rundfunkwesen analoge öffentlich-rechtliche Presseordnung hätte zweifellos eine Aufhebung der Freiheit der Berufswahl für Verleger zur Folge, denn dadurch würde der Beruf des Verlegers für den öffentlichen Dienst monopolisiert. A n dieser Beurteilung würde sich auch dann nichts ändern, wenn nur bestimmte Marktbereiche der Presse, z. B. die Tagespresse, „vergesellschaftet" würden. Die einzelnen Teilsektoren innerhalb der Presse besitzen jeweils ein so eigenständiges Gepräge, daß sich aufgrund dessen spezifische Berufsbilder des „TageszeitungsVerlegers", des „IllustriertenVerlegers", des „BuchVerlegers" etc. herausgebildet haben, die jedes für sich als Beruf den Schutz des A r t . 12 genießen. Wie bei A r t . 2 I, so stellt sich allerdings auch bei A r t . 12 die Frage, ob diese Norm nicht durch A r t . 5 I abschließender Regelung des Kommunikationswesens verdrängt wird. Diese Ansicht w i r d neuerdings von Forsthoff vertreten 2 4 . Es mag dahingestellt bleiben, ob Forsthoffs A n sicht vom Boden seiner eigenen individualrechtlichen Pressefreiheitstheorie aus richtig ist; dafür sprechen durchaus einleuchtende Gründe. Vom hier vertretenen Standpunkt aus, wonach die Pressefreiheit lediglich eine institutionelle Garantie darstellt, muß diese Ansicht jedenfalls abgelehnt werden. Presse- und Berufsfreiheit zielen danach i n jeweils ganz unterschiedliche Richtungen. Während A r t . 5 I, 2 nur das Institut „Freie Presse" als solches schützt und die daraus abgeleiteten subjektiven Rechte nur soweit reichen, als es der Schutz des Instituts erfordert, ist die Berufsfreiheit ein echtes Individualrecht, das den Einzelnen 20 Bachof, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, Bd. I I , S. 105. 21 BVerfGE 7, 407; 9, 345. 22 BVerfGE 7, 408; 11, 183. 28 BVerfGE 11, 185. 24 Zeitungspresse, S. 43 ff.

in

der

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3. f e i l : Die Innere Pressefreiheit

u m seiner freien Persönlichkeitsentfaltung w i l l e n schützt. Beide Grundrechte divergieren somit nicht n u r i n ihrem Schutzbereich, sondern liegen auch auf einer jeweils anderen Ebene. Die Anwendbarkeit des A r t . 12 w i r d deshalb durch die Pressefreiheit nicht ausgeschlossen. M i t dieser grundsätzlichen Feststellung ist allerdings noch nicht die Frage beantwortet, ob A r t . 12 auch auf die staatliche Monopolisierung eines Berufs anwendbar ist. I n Rechtsprechung u n d Lehre gehen die A n t w o r t e n darauf auseinander. Das B V e r f G beurteilt die Zulässigkeit staatlicher Berufsmonopole nach den von i h m i n ständiger Rechtsprechung zu A r t . 12 aufgestellten Grundsätzen. So erklärte es das staatliche Arbeitsvermittlungsmonopol unter folgenden zwei Bedingungen f ü r zulässig: „Erstens muß das Monopol den Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter bezwecken, denen der Vorrang vor der Freiheit des einzelnen . . . eingeräumt werden muß; dabei müssen die Gefahren, von denen das Gemeinschaftsgut bedroht ist, schwerer sowie nachweisbar oder höchst wahrscheinlich sein. Zweitens muß das Monopol als M i t t e l zur A b w e h r dieser Gefahren unentbehrlich sein 2 5 ." Demgegenüber w i r d von Bachof die Ansicht vertreten, daß „monopolisierte Tätigkeitsbereiche der öffentlichen Hand v o n vornherein der Berufsfreiheit des A r t . 12 I nicht unterfallen, dieses Grundrecht vielmehr auf solche Tätigkeitsbereiche beschränkt ist, die überhaupt einer privaten Tätigkeit offenstehen" 2 6 . I n Anlehnung an die Rechtsprechung des B V e r f G hält allerdings auch Bachof die staatliche Monopolisierung von Berufen n u r dann f ü r zulässig, w e n n sie „Tätigkeiten zum I n h a l t haben, welche nach heutigen V o r s t e l l u n g e n . . . der organisierten Gemeinschaft, i n erster L i n i e dem Staat vorbehalten werden müssen", wobei dieses „Müssen" jedoch dem Gesetzgeber „ein w e i t gespanntes Ermessen zur Berücksichtigung des Gemeinschaftsinteresses" 27 belassen soll. Noch weiter als Bachof geht Maunz, der Staatsmonopole bereits dann f ü r zulässig hält, „ w e n n der Staat seine Tätigkeit auf diesen Bereich erstrecken w i l l " 2 8 , also die Entscheidung praktisch ins freie Ermessen des Staates stellt. Schließt m a n sich der hier vertretenen Beurteilung der Tagespresse an, so wäre ihre „Vergesellschaftung" i m Prinzip nach beiden Ansichten zulässig; denn sie diente dem Schutz der freien gesellschaftlichen Infor25

BVerfGE 21, 245 (251); vgl. auch BVerfGE 7, 377 (405, 408); 11, 168 (183). Freiheit des Berufs, in: Die Grundrechte Bd. I I I / l , S. 201; ähnlich st. Rspr. des BVerwG (zit. bei Bachof). 27 Bachof, a.a.O., S. 202 f. 28 In: Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz, Art. 12, Rz. 97; Maunz setzt sich damit allerdings in Widerspruch zu seinen Ausführungen über Berufsverbote (Rz. 53), wo er das Urteil des BVerfG zum staatlichen Arbeitsvermittlungsmonopol widerspruchslos übernimmt; ähnl. wie Maunz Herzog, Art. „Berufsfreiheit" in Evgl. Staatslexikon, S. 155. 29

V I I . Aufgabe und Möglichkeiten einer Pressereform

315

mation und Kommunikation, letztlich der Funktionsfähigkeit der Demokratie überhaupt, deren besondere Wichtigkeit außer Frage steht. Die Gefahren, denen diese Rechtsgüter durch das privatwirtschaftliche System ausgesetzt sind, wurden aufgezeigt. I m Vergleich zu der aus einer Monopolisierung des Verlegerberufs beim Staat resultierenden Freiheitsbeeinträchtigung der betroffenen Verleger wiegen diese Gefahren schwerer. Soweit lediglich die Berufsfreiheit i n Frage steht, ist ohne weiteres einsichtig, daß deren partielle Beschränkung i n keinem Verhältnis zur Bedeutung steht, die der Funktionsfähigkeit der Demokratie nach der Verfassung zukommt. Dies gilt aber auch für die m i t der Monopolisierung des Verlegerberufs notwendigerweise verbundene Beschränkung der verlegerischen Meinungsäußerungsfreiheit. Zwar w i r d dadurch dem Einzelnen die Möglichkeit genommen, seine Meinung gerade i n der für den Verleger typischen Weise zu verbreiten. Schließt man sich jedoch der vom Verfasser vertretenen Ansicht zur Meinungsund Pressefreiheit an, so w i r d von Art. 5 I nicht diese spezifische Form der Meinungsäußerung, sondern lediglich die Freiheit der Mitteilung als solcher geschützt. Die Formen, die dafür zur Verfügung stehen, können vom Gesetzgeber i m Rahmen eines weiten Ermessensspielraums gestaltet werden. So betrachtet w i r d durch die Monopolisierung des Verlegerberufs lediglich die äußere Form der Meinungsverbreitung, nicht jedoch die Freiheit der Meinungsäußerung betroffen. Eine Monopolisierung des Berufs des Tageszeitungsverlegers wäre somit, unter diesem Aspekt allein betrachtet, m i t dem Grundgesetz vereinbar. c) Artikel

14 GG

I m Zuge einer „Vergesellschaftung" des Pressewesens würde allerdings nicht nur der Beruf des freien Verlegers beseitigt, sondern gleichzeitig das verlegerische Eigentumsrecht betroffen. Eine solche Maßnahme muß sich daher auch an A r t . 14 GG messen lassen. Nun soll allerdings nach Forsthoffs Ansicht aus ähnlichen Gründen wie A r t . 12 auch A r t . 14 I I I i m Bereich des A r t . 5 nicht anwendbar sein 29 . Konnte man — von der individualrechtlichen Grundrechtsauffassung aus — zu A r t . 12 noch die Ansicht vertreten, daß der Schutz der Presseberufe einen notwendigen Bestandteil der Pressefreiheitsgarantie bildet und daher für die Anwendung des A r t . 12 neben A r t . 5 kein Bedürfnis besteht, so t r i f f t dieses Argument selbst von einem liberalen Grundrechtsverständnis her für die Eigentumsgarantie des A r t . 14 nicht mehr zu. Sofern man nämlich i n der Pressefreiheit ein eigenständiges geistig-kommunikatives Schutzrecht und keine bloße Funktion des verlegerischen Eigentums am Presseunternehmen sieht, zielen beide Grundrechte i n eine 29

Zeitungspresse, S. 44 ff.

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

jeweils andere Richtung. Während vom individualrechtlichen Standpunkt aus A r t . 5 I unter anderem auch den freien Zugang zum Beruf des Verlegers schützt und damit die verlegerische Berufsfreiheit notwendigerweise mitumfaßt, w i r d das Eigentum an Presseunternehmen von A r t . 5 I nach dessen Schutzzweck nur reflexweise und nur insoweit geschützt, als es die Freiheit der Kommunikation erfordert. Eigentumsgarantie und Pressefreiheit liegen demnach auf völlig verschiedenen Ebenen und haben, wenn auch — vom privatwirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen — notwendige, so ihrem Wesensgehalt nach doch nur zufällige Berührungspunkte. Wenn Forsthoff die Anwendbarkeit des Art. 14 I I I neben A r t . 5 I verneint, so w i l l er damit jedoch sicherlich nicht den Grundrechtsschutz der Presseeigentümer schwächen, sondern i m Gegenteil wohl eher das Eigentum an Presseunternehmen über A r t . 14 I I I hinaus praktisch dem staatlichen Zugriff entziehen. Er übersieht dabei jedoch, daß der Schutz des Eigentums auch i m Bereich der Presse nicht absolut ist, sondern u m der Pressefreiheit selbst oder der i n A r t . 5 I I genannten Schutzgüter w i l l e n beschränkt bzw. aufgehoben werden kann. Sollte sich eine Enteignung i m Einzelfall als notwendig erweisen, so wäre neben A r t . 5 I daher auch A r t . 14 I I I als besondere Ausprägung des Eigentumsschutzes zu beachten. Vom Standpunkt einer institutionellen Pressefreiheitsauffassung aus steht die Anwendbarkeit des A r tikel 14 neben A r t . 5 außer Frage. Da Art. 14 das Eigentum jedoch nicht absolut, sondern — über die Junktimsklausel des Abs. 3 — lediglich i n seinem Vermögenswert schützt, stellt er kein grundsätzliches Hindernis für eine Pressereform dar. M i t diesen grundsätzlichen Feststellungen zum Eigentumsschutz i m Bereich der Presse ist allerdings noch nicht gesagt, ob sich aufgrund von A r t . 14 I I I auch eine großangelegte Umstrukturierung der Presse bzw. eines bestimmten Teilbereichs von ihr durchführen läßt. Bedenken ergeben sich unter zwei Gesichtspunkten: Da A r t . 14 neben einem Grundrecht auch eine Institutsgarantie des Privateigentums beinhaltet 3 0 und gleichzeitig eine Wertentscheidung zugunsten des privaten Eigentums enthält, die für den Gesetzgeber bindend ist 3 1 , eine „Vergesellschaftung" der Presse aber für diesen Bereich der grundgesetzlichen Wertentscheidung zugunsten des privaten Eigentums geradewegs zuwiderlaufen würde, stellt sich die Frage, ob A r t . 14 einer „Vergesellschaftung" der Presse nicht einen grundsätzlichen Riegel vorschiebt. Verneint man dies, so erscheint es des weiteren zweifelhaft, ob das Ent30 31

Vgl. BVerfGE 1, 276; 4, 240. Vgl. BVerfGE 20, 355.

V I I . Aufgabe und Möglichkeiten einer Pressereform

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eignungsverfahren des A r t . 14 I I I überhaupt das richtige Instrument für strukturelle eigentumsumgestaltende Maßnahmen der i n Frage stehenden A r t darstellt. aa) Daß die i n A r t . 14 enthaltene Wertentscheidung zugunsten des Privateigentums nicht absolut ist, ergibt sich bereits aus der Enteignungsmöglichkeit des Art. 14 I I und vor allem aus A r t . 15. Darüber hinaus erleidet jedes einzelne Grundrecht aber auch durch sein Zusammenspiel m i t anderen Grundrechten Einschränkungen. Die i n dem einzelnen Grundrecht enthaltene Wertentscheidung steht nicht für sich allein und absolut, sondern befindet sich i n einem komplexen Zusammenhang m i t den anderen Grundrechten zugrunde liegenden Wertentscheidungen, durch die sie i n ihrer Geltung möglicherweise beschränkt oder i m Einzelfall sogar ganz zurückgedrängt werden kann. Für den Kommunikationsbereich, zu dem die Presse zählt, hat der Grundgesetzgeber i n A r t . 5 I die zentrale Wertentscheidung getroffen. Nach der hier vertretenen Ansicht besteht diese i n der Entscheidung für ein freiheitliches und — i m Zusammenspiel mit dem demokratischen Prinzip — demokratisches Kommunikationswesen und zwar allein auf den Kommunikationsvorgang als solchen bezogen. Die technischökonomische Infrastruktur des Kommunikationswesens, wozu auch die Eigentumsverhältnisse zählen, hat demgegenüber nur dienende Funktion. Besonders deutlich w i r d dies, wenn man — wie die liberale Verfassungslehre — die einzelnen Grundrechte als besondere Ausprägungen des allgemeinen Freiheitsprinzips auffaßt; denn dann stellt sich die Kommunikationsfreiheit des A r t . 5 I für diesen gesellschaftlichen Sektor als die gegenüber A r t . 14 speziellere Freiheitsausprägung dar. Die oben geäußerte K r i t i k an Forsthoffs Ansicht, daß A r t . 5 I die Anwendung des A r t . 14 ausschließe, bedarf demnach folgender Präzisierung: Der individuelle Grundrechtsschutz des Eigentums, wie er i n A r t . 14 Abs. 1 und — über die Junktimsklausel — auch i n Abs. 3 zum Ausdruck kommt, greift auch gegenüber A r t . 5 I Platz. Dagegen w i r d die der Eigentumsgarantie zugrunde liegende Grundsatzentscheidung i m Kommunikationsbereich durch die Wertentscheidung des A r t . 5 I für eine freiheitliche Kommunikationsordnung verdrängt. Soweit diese es zuläßt, kann demnach i m Bereich des Kommunikationswesens das Privateigentum aufgehoben werden — allerdings unter Beachtung der in A r t . 14 Abs. 1 und 3 gewährleisteten individuellen Eigentumsrechte. bb) Wenn demnach A r t . 14 einer „Vergesellschaftung" der Presse nicht entgegensteht und A r t . 5 I diese zuläßt bzw. — wie oben ausgeführt wurde — sie i n bestimmten Bereichen wie der Tagespresse sogar fordert, so stellt sich die Frage, ob für die danach gebotenen eigentumsentziehenden Maßnahmen die Enteignung des A r t . 14 I I I das geeignete

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

Instrument ist. Nach der traditionellen Enteignungstheorie 82 , wonach die Enteignung stets einen individuellen A k t der Eigentumsentziehung darstellt, wäre dies zu verneinen; denn eine „Vergesellschaftung" wäre keine gegen das Eigentum einzelner Presseunternehmer gerichtete Maßnahme, sondern hätte die — keineswegs nur auf das Eigentum bezogene — Umgestaltung eines ganzen Kommunikationsbereichs zum Ziel. Die Voraussetzung des „Einzelakts" wurde auch von der Rechtsprechung des BGH, die i n der Enteignung wesensmäßig einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz sieht, übernommen 83 . Dagegen würde nach der vom BVerwG vertretenen „Schweretheorie", die auf die materiellen Kriterien der Schwere und Tragweite des Eingriffs abstellt 8 4 , das Erfordernis des Einzelakts entfallen. Dennoch wäre auch dann, wenn man auf die Voraussetzung des Einzeleingriffs verzichtet, die Enteignung nicht das geeignete Verfahren, u m die „Vergesellschaftung" der Presse durchzuführen; denn prinzipiell ist die Enteignung nur dazu vorgesehen, auf der Basis einer bestehenden Eigentums- und Wirtschaftsordnung eine Eigentumsveränderung i m Einzel-(nicht unbedingt Individual-)fall u m eines konkreten öffentlichen Bedürfnisses w i l l e n vorzunehmen. Zur Durchführung einer auf die Veränderung der Eigentums- bzw. Wirtschaftsordnung als solcher gezielten Reform hat das Grundgesetz das Institut der Sozialisierung i n A r t . 15 bereit gestellt 35 . d) Artikel

15 GG

Es hat somit den Anschein, als ob eine die „Vergesellschaftung" der Presse intendierende Reform auf die Sozialisierungsmöglichkeit des Art. 15 angewiesen wäre. Bei näherer Überlegung ergeben sich aber auch hier Bedenken: A r t . 15 beschränkt die Möglichkeit der Sozialisierung auf bestimmte Objekte, von denen hinsichtlich der Pressereform lediglich die „Produktionsmittel" von Interesse sind. Die Schwierigkeiten beginnen bei der Auslegung dieses Begriffs 3 6 . Außer Zweifel steht lediglich die Einbeziehung der Druckereien i n den Kreis der „Produktionsmittel". Vom rein wirtschaftlichen Standpunkt aus sind jedoch auch Verlage und 82 Vgl. zu den verschiedenen Enteignungstheorien die Darstellung bei Kimminich, Bonner Kommentar, Art. 14, Rz. 46 ff. 33 Vgl. B G H Z 6, 270 (279 f.); 32, 308. 34 Vgl. BVerwGE 5, 143; NJW 1962, 2171. 35 So auch Krüger, Sozialisierung, in: Die Grundrechte, Bd. I I I / l , S. 317; Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, S. 141 ff.; hinsichtlich der Abgrenzung gegenüber der Enteignung auch Kimminich, Bonner Kommentar, Art. 15, Rz. 37. 36 Vgl. dazu die engere Definition von E. R. Hub er (s. u. Anm. 37) und Kimminich (Bonner Kommentar, Art. 15, Rz. 30 ff.) einerseits, die weite „sozialistische" Definition W. Webers (NJW 1950, 404) andererseits.

V I I . Aufgabe und Möglichkeiten einer Pressereform

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Redaktionen als „Produktionsmittel" anzusehen, denn sie sind es ja vor allem, die — wenn auch vorwiegend durch geistige Arbeit — die „Ware Zeitung" produzieren. Aber auch wenn man den von Hub er 37 geprägten Begriff der „Produktionsmittel" als „die der Gewinnung und Herstellung wirtschaftlicher Erzeugnisse dienenden Gegenstände und Rechtstitel" zugrunde legt, könnten die Presseunternehmen darunter subsumiert werden 3 8 , zumal Huber unter sozialisierungsfähigen Produktionsmitteln auch die Urheberrechte versteht. Dennoch muß die Zuordnung der Presse zum Kreis der „Produktionsmittel" i.S. A r t . 15 auf Bedenken stoßen. Die Sozialisierung nach A r t . 15 zielt ihrem verfassungsrechtlichen und politischen Hintergrund nach ausschließlich auf die Umgestaltung der Eigentums- und Wirtschaftsordnung, wenn auch nicht unbedingt i n dem umfassenden Sinne einer Umgestaltung der gesamten Wirtschaftsverfassung 39 , so doch wenigstens als partielle Maßnahme einer Änderung der Wirtschafts- und Eigentumsstruktur i n einem bestimmten Teil der Wirtschaft 4 0 . Eines der wichtigsten Anliegen dieser Arbeit war jedoch die Betonung dessen, daß die Presse ihrem eigentlichen Wesen nach kein Teil der Wirtschaft als System der materiellen Bedürfnisbefriedigung ist, sondern dem Kommunikationsbereich als Teil des „geistigen Überbaus" der Gesellschaft angehört. Eigentum und ökonomische Infrastruktur haben lediglich Hilfsfunktionen gegenüber der kommunikativen Seite der Presse. Die durch die privatwirtschaftliche Struktur bedingte Integration der Presse i n die Wirtschaftsordnung ist auf die historische Entwicklung des Pressewesens zurückzuführen, jedoch keineswegs wesensnotwendig. Dies gilt auch für die verfassungssystematische Stellung der Presse, die vom Grundgesetz um ihrer Funktion als Kommunikationsträger, nicht jedoch als Wirtschaftsobjekt geschützt wird. Die Presse als Institution und ihre Strukturverfassung haben ihre Regelung daher ausschließlich i n A r t . 5 I. A r t . 5 bezieht sich auch auf die Eigentumsordnung innerhalb der Presse, denn diese bildet lediglich die dienende — vom Kommunikationszweck her gesehen instrumentale — Grundlage der Kommunikationsordnung. Nur soweit der Schutz des Einzelnen wie bei A r t . 12 und 14 i n Frage steht, können andere Grundrechte neben A r t . 5 I Anwendung finden. Da A r t . 15 37

Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, S. 165. So in der Tat Groß, Grundzüge des Presserechts, S. 66; a. A. Forsthoff , Zeitungspresse, S. 46 f.; Heck NJW 1967, S. 2196. 39 Vgl. Kimminich, Bonner Kommentar, Art. 15, Rz. 37. 40 Vgl. die Erklärung des Abg. Schmid bei der 1. Lesung des GG in der 18. Sitzung des Grundsatzausschusses des Parlamentarischen Rats am 4.12. 1948 (Sten. Prot., S. 216), wonach die Sozialisierung ein Fall der „strukturellen Änderung der Wirtschaftsverfassung" sei; ebenso Huber, a.a.O., S. 157; von Mangoldt-Klein, Grundgesetz, Art. 15, Anm. I I I 3 c, I V 1. 38

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

seiner eigentlichen Zielrichtung nach kein Grundrecht des Individuums, sondern Instrument für eine strukturelle Umgestaltung der Eigentums« und Wirtschaftsordnung sein soll, w i r d er folglich i m Bereich der Presse von A r t . 5 I verdrängt. Die vorstehenden Ausführungen zu A r t . 14 und 15 beschäftigten sich allerdings nur m i t der Frage nach der verfassungsrechtlichen Legitimationsgrundlage für die Umgestaltung der Presseordnung. Diese ist ausschließlich i n A r t . 5 I zu suchen. Davon zu unterscheiden ist jedoch der individuelle Eigentumsschutz der Presseunternehmer. Die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie gilt selbstverständlich auch für die in der Presse Tätigen. Wenn A r t . 5 I u m einer allgemeinen Pressereform w i l l e n die Beseitigung privaten Eigentums an Presse-,,Produktionsmitteln" zuläßt, so ergibt sich aus den Grundgedanken der A r t . 14 I I I und 15, daß die damit verbundene „Enteignung" einzelner Eigentümer einen wertmäßigen Ausgleich verlangt. Auch bei einer mit einer Eigentumsentziehung verbundenen Pressereform ist daher die Junktimsklausel des A r t . 14 I I I zu beachten. e)

Übermaßverbot

Gegenstand der bisherigen Untersuchung war lediglich die Frage nach den „an sich zulässigen" Maßnahmen innerhalb der einzelnen Grundrechtsbereiche. Die Feststellung, daß eine bestimmte Maßnahme mit der Verfassung grundsätzlich vereinbar ist, besagt jedoch noch nicht, daß sie dies auch unter den konkreten Umständen des Einzelfalls ist. Dabei ist insbesondere dem „Übermaßverbot" Beachtung zu schenken, das den Gesetzgeber an die Prinzipien der „Erforderlichkeit" und der „Verhältnismäßigkeit" bindet und das die gesamte Rechtsordnung durchzieht 41 . Das Übermaßverbot kann allerdings nicht überall — auch nicht im Bereich der Grundrechte — i n gleicher Weise zur Anwendung kommen. Da Zweck des Übermaßverbots der Schutz des Einzelnen vor ungerechtfertigten Eingriffen i n seine Rechtssphäre ist 4 2 , besitzt es nur dort Geltung, wo der Gesetzgeber i n rechtlich geschützte Individualräume einbricht. Umgekehrt kann das Übermaßverbot den Gesetzgeber dort nicht beschränken, wo er den Inhalt der Grundrechte — i n verfassungsmäßig zulässiger Weise — überhaupt erst gestaltend prägt 4 3 . 41

Vgl. dazu i.e. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 19ff.; die beiden Prinzipien der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit werden vielfach, insbesondere auch in der Rspr. des BVerfG (vgl. BVerfGE 19, 349) miteinander vermengt. 42 Vgl. BVerfGE 19, 349. 48 Vgl. Lerche, a.a.O., S. 140 ff.

V I I . Aufgabe und Möglichkeiten einer Pressereform

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Der typische Anwendungsfall derartiger „grundrechtsprägender Normen" (Lerche) ist die Inhalts- und Schrankenbestimmung des A r t . 14 I, 2 GG. Dies gilt aber auch für die Pressefreiheit und zwar nicht nur von der hier vertretenen Auffassung aus, die i n A r t . 5 I, 2 GG nur eine institutionelle Garantie der freien Kommunikation mittels des Mediums Presse sieht. Vielmehr hat der Grundgesetzgeber selbst i n A r t . 5 I I auf die Ausgestaltung des Freiheitsbereichs durch „allgemeine Gesetze" verwiesen 44 . Zwar kann der Gesetzgeber diesen i h m vom Grundgesetz zur Verfügung gestellten Gestaltungsraum überschreiten m i t der Folge, daß sein Handeln am Übermaßverbot zu messen ist. Stets muß es sich dabei aber um einen Eingriff i n die grundrechtlich geschützte Individualsphäre handeln 4 5 . aa) Folgt man der hier vertretenen Auffassung zur Pressefreiheit, so ergibt sich aus den vorstehenden Überlegungen zum Übermaßverbot, daß der Gesetzgeber innerhalb des Rahmens einer freiheitlichen und — aufgrund der Einwirkung des Demokratiegebots — demokratischen Kommunikationsordnung freien Spielraum bei der Gestaltung einer Presseordnung hat. Wie Lerche am Beispiel der Eigentumsgarantie nachgewiesen hat 4 6 , w i r d er dabei außerhalb der verfassungsmäßigen Mindestgarantie nicht durch einen tradierten Pressefreiheitsbegriff eingeengt. Da die privatwirtschaftliche Organisationsform der Presse nicht zu diesem grundrechtlich geschützten Mindestbestand gehört, würde eine „Vergesellschaftung" der Presse sich folglich innerhalb des Rahmens der bloßen Grundrechtsausgestaltung bewegen. Sie wäre — immer unter dem Aspekt des A r t . 5 I, 2 — auch nicht über das Argument des „eingriffsgleichen Tatbestands" 47 m i t dem Übermaßverbot angreifbar, denn eine „Vergesellschaftung" der Presse verändert nur den äußeren institutionellen Rahmen der Pressefreiheit, läßt jedoch die grundrechtlich geschützte Individualsphäre der ideellen Meinungsäußerungsfreiheit selbst unberührt. bb) Wenn demnach das Übermaßverbot für die institutionelle Preisfreiheit schon vom Grundsatz her keine wesentliche Relevanz hat, so gilt dies doch nicht i n gleicher Weise für die i n A r t . 5 I, 1 geschützte allgemeine Meinungsäußerungsfreiheit. Inhalt dieses Grundrechts ist nicht nur die abstrakte Freiheit des Sich-Äußerns, sondern es schützt — über seine formelle Seite — auch die A r t und Weise des Sich-Äußerns, d. h. den technischen Vorgang der geistigen Kundgabe einschließlich ihrer Verbreitung. Obwohl daher A r t . 5 I, 1 auch für die Meinungsäußerung i n der Presse gilt und als individuelles Freiheitsrecht Parallelgeltung neben 44 45 46 47

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

21 S t a m m l e r

Lerche , Lerche , Lerche, Lerche,

a.a.O., a.a.O., a.a.O., a.a.O.,

S. S. S. S.

149. 114. 140 f. 114.

322

3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

der institutionellen Pressefreiheit besitzt 48 , gelten für den Bereich der Presse — wie auch für Rundfunk/Fernsehen und F i l m — besondere Grundsätze. Da nämlich das Grundgesetz für diese Medien spezielle Regelungen getroffen hat, sind — soweit der Wirkungsradius dieser Spezialregelung reicht — diese und nicht die allgemeine Meinungsäußerungsfreiheit maßgebend. Versteht man die Pressefreiheit als Freiheitsgarantie für die Institution Presse, so stellt daher A r t . 5 I, 2 eine abschließende Regelung für den Gesamtbereich der Presse als sozialer und verfassungsrechtlicher Institution dar. Dies bedeutet, daß für die Fragen der Presseordnung, der Herstellung und Verbreitung der Presse, überhaupt für alles das, was die Eigenart der Presse gegenüber sonstigen Kommunikationstechniken ausmacht, allein A r t . 5 I, 2 bestimmend ist. Lediglich insoweit, als sich die individuelle geistige Meinungsäußerung von ihrer Bindung an den technischen Apparat abstrahieren läßt, kommt die allgemeine Meinungsäußerungsfreiheit als Individualrecht neben der institutionellen Freiheitsgarantie zum Zuge. Sieht man das Verhältnis der allgemeinen Meinungsfreiheit zur Pressefreiheit i n dieser Weise, dann kommt das Übermaßverbot gegenüber der Freiheit der Institution jedenfalls insoweit nicht mehr als Beurteilungsmaßstab i n Betracht, als die Beschränkung der individuellen Freiheit spezifischer, an die Institution gebundener Tätigkeiten (z. B. des Verlegens) i n Frage steht. Das Übermaßverbot ist dagegen dort zu beachten, wo i n die geistige Freiheit individueller Meinungsäußerung eingegriffen werden soll. Dies könnte u. U. dann relevant werden, wenn der Gesetzgeber zur Sicherung der institutionellen Freiheit der Presse bestimmte Vorschriften für die inhaltliche Gestaltung eines Presseorgans erließe und — etwa u m der inhaltlichen Ausgeglichenheit bzw. der Wahrung der Meinungspluralität w i l l e n — der einzelne Journalist i n seiner individuellen Äußerungsfreiheit gesetzliche Auflagen erhielte 4 9 . Diese gesetzlichen Begrenzungen der individuellen Meinungsäußerungsfreiheit müßten jedoch ihrerseits vom Freiheitspostulat der institutionellen Garantie her geboten sein. Ist dies der Fall, dann stellen sie aber andererseits auch keine „übermäßige" Beschränkung der individuellen Freiheit dar. cc) Kritischer ist die Wirkung des Übermaßverbots unter dem Aspekt der Berufs- und Eigentumsfreiheit. I n beide Grundrechte würde durch eine „Vergesellschaftung" der Presse bzw. eines Teilbereichs von ihr der 48

s. o. S. 229 ff. Solche über die allgemeinen gesetzlichen Sorgfaltspflichten hinausgehenden Auflagen erfährt der Journalist selbstverständlich auch schon heute, allerdings — und hier liegt der wesentliche Unterschied für die traditionelle Grundrechtslehre — nicht durch Gesetz, sondern den privatrechtlichen Anstellungsvertrag. 49

V I I . Aufgabe und Möglichkeiten einer Pressereform

323

Substanz nach eingegriffen. Das Übermaßverbot setzt daher insoweit der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit Grenzen. Nach der vom BVerfG zur Berufsfreiheit entwickelten Rechtsprechung sind dabei i m einzelnen folgende Grundsätze zu beachten: Jeder gesetzliche Freiheitseingriff muß sich am Maßstab der Erforderlichkeit messen lassen, der vom Gesetzgeber verlangt, das zur Erreichung des gesetzten Ziels gerade noch mögliche M i t t e l m i t den geringsten freiheitsbeschränkenden Auswirkungen zu wählen. Speziell für Eingriffe i n die Berufsfreiheit ergibt sich daraus, daß eine Regelung jeweils auf der Stufe vorzunehmen ist, die den geringsten Eingriff i n die Freiheit der Berufswahl m i t sich bringt, und daß die nächste Stufe erst dann betreten werden darf, wenn m i t hoher Wahrscheinlichkeit dargetan werden kann, daß die befürchteten Gefahren m i t verfassungsgemäßen M i t t e l n der vorhergehenden Stufe nicht wirksam bekämpft werden können 5 0 . Die Errichtung objektiver Zulassungsschranken bzw. die gänzliche Sperrung eines Berufs durch staatliche Monopolisierung ist nur zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlich schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut gerechtfertigt 51 . Bei der Beurteilung dieser Gefahren muß der Ansicht des Gesetzgebers allerdings ein erhebliches Gewicht beigelegt werden 5 2 . Eine zu starke Eingrenzung dieses gesetzgeberischen „Beurteilungsspielraums" würde den Gestaltungsauftrag, den das Grundgesetz dem Parlament gibt, seines eminent politischen Inhalts berauben und damit Entscheidungen, die einem offenen demokratischen Meinungs- und Willensbildungsprozeß überlassen bleiben sollten, den Gerichten zuschieben. dd) Diese Grundsätze gelten — i n abgewandelter Form — auch für die Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit des A r t . 2 I. Wie schon oben ausgeführt wurde, ist A r t . 2 I nicht nur Sitz des allgemeinen Übermaßverbots, sondern kann als echtes Grundrecht auch seinerseits nur unter Beachtung des (speziellen) Übermaßverbots beschränkt werden 5 3 . I n Anbetracht des praktisch unbegrenzten Geltungsbereichs der allgemeinen Handlungsfreiheit und des vom Verfassungsgeber selbst vorgesehenen weiten Schrankenvorbehalts können an das Übermaßverbot i m Rahmen des A r t . 2 I keine so strengen Anforderungen gestellt werden wie bei bestimmten Spezialfreiheiten. Zwar ist nach den Worten einer erst jüngst ergangenen Entscheidung des BVerfG auch für A r t . 2 I fordern, daß die grundrechtsbeschränkende „Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet und erforderlich ist und daß der m i t ihr verbundene Eingriff nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der 50 61 62 68

2

BVerfGE 7, 377 (408); 25, 1 (11 f.). BVerfGE 7, 377 (408); 11, 168 (183); 21, 245 (251). BVerfGE 11, 168 (185); 25, 1 (12); vgl. auch 13, 97 (107). Vgl. BVerfGE 20, 150 (155).

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

Sache... steht". Doch hält sich das BVerfG nicht für befugt, die getroffenen Maßnahmen i n allen Einzelheiten zu überprüfen, sondern nur darauf, „ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat und ob die hierbei zugrunde gelegten Beurteilungsmaßstäbe der Verfassung entsprechen" 54 . ee) Die Frage, ob die Ersetzung der privatwirtschaftlichen Ordnung des Pressewesens durch eine andere, gemeinschaftsbezogene Pressestruktur m i t dem Übermaßverbot vereinbar ist, ist nach alledem letztlich ein Problem der Rechtsgüterabwägung zwischen der individuellen Freiheit der i n der Presse Tätigen einerseits und der institutionellen Freiheit des Kommunikationsmediums Presse andererseits. Von dem i n dieser Arbeit vertretenen Standpunkt aus können beide Freiheitsaspekte allerdings nur hinsichtlich der Person dessen, der Presse technischökonomisch „veranstaltet", d. h. des Verlegers, i n echte Kollision geraten. Die Freiheit des einzelnen Journalisten dagegen bleibt weitgehend unberührt ( sie sollte i m Vergleich zu seiner heutigen Abhängigkeit vom Verleger i m Gegenteil sogar gestärkt werden), da die Freiheit der Institution ja unbedingt eine möglichst unbegrenzte Freiheit der geistigen Kommunikation voraussetzt. Die Entscheidung bei dieser Rechtsgüterabwägung w i r d davon abhängen, ob man sich der Ansicht des Verfassers anschließt, daß die privatwirtschaftliche Struktur i n ihrer heutigen kapitalistischen Form i m Bereich der Tagespresse dem verfassungsrechtlich vorausgesetzten Wesen der Presse als Medium geistiger Kommunikation widerspricht, sie an der Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Funktionen hindert, u m deretw i l l e n ihre Freiheit gewährleistet ist, und daß die Behebung dieser Gefahren durch keine andere systemkonforme Maßnahme zu erreichen ist. f) Artikel

10

EurMRK

Der weite Gestaltungsraum, den das Grundgesetz somit einer Pressereform zur Verstärkung stellt, w i r d allerdings durch A r t . 10 EurMRK wieder eingeschränkt. Wenn dort i n Abs. 1, S. 3 bestimmt ist, daß Rundfunk-, Lichtspiel- oder Fernsehunternehmen einem Genehmigungsverfahren unterworfen werden dürfen, so liegt nach dem Gesamtzusammenhang dieser Bestimmung der zwingende Umkehrschluß nahe, daß für die Presse ein solches Genehmigungsverfahren generell unzulässig sein soll 5 5 . Ganz offensichtlich stellt diese Klausel einen politischen Kompromiß dar, durch den die bestehenden Beschränkungen in54

BVerfG JZ 1970, 136 (137). So auch Guradze, EurMRK, Art. 10, Anm. 10; a. A. offensichtlich Schorn, EurMRK, Art. 10, Anm. 12, dessen Ausführungen zu dieser Frage allerdings nicht überzeugen. 55

V I I . Aufgabe und Möglichkeiten einer Pressereform

325

nerhalb der Mitgliedsländer des Europarats sanktioniert wurden, i m übrigen aber — i m Einklang m i t dem bürgerlich-liberalen Freiheitsbegriff und i n negativer Fixierung auf die zurückliegende Ära des Faschismus einerseits und das sozialistische Gegenmodell andererseits — jeder staatliche Eingriff i n die Presseordnung abgewehrt werden sollte. Jedenfalls ist durch diese Bestimmung jede A r t von Lizenzierungsverfahren, insbesondere eine Regelung — sei es für die Gesamtpresse oder nur einen Teilsektor —, die derjenigen des Rundfunkwesens entspricht, ausgeschlossen. Dagegen bezieht sich das Verbot behördlicher Eingriffe von dem i n dieser Arbeit vertretenen Pressefreiheitsverständnis aus, das i n Einklang m i t dem Wortlaut des A r t . 10 I, 2 EurMRK steht 5 6 , nur auf die Ebene der geistigen Kommunikation, nicht auf die technisch-ökonomische Infrastruktur der Presse und deren rechtliche Gestaltung. Als Ergebnis der vorstehenden Untersuchung läßt sich somit festhalten, daß der durch A r t . 5 I GG gezogene Rahmen einer Pressereform auf verfassungsrechtlicher Ebene nur durch A r t . 10 E u r M R K insoweit eingeschränkt wird, als diese Vorschrift die Einführung eines Genehmigungsverfahrens für die Gründung von Presseunternehmen verbietet. Die Möglichkeit einer Organisation der Presse insgesamt oder eines Teilsektors von ihr nach dem Modell des Rundfunkwesens i n Deutschland scheidet somit aus. 3. Vorschläge für eine Pressereform A u f dem Hintergrund der vorstehenden Analyse des Pressewesens und der verfassungsrechtlichen Zusammenhänge soll sich die nun folgende Untersuchung m i t konkreten Vorschlägen für eine Pressereform befassen 57 . Die nachfolgenden Überlegungen beziehen sich nur auf die periodische Presse, da die Situation der Buchpresse eine völlig andere und auch noch nicht i n gleicher Weise reformbedürftig ist. Innerhalb der periodischen Presse steht die Reform der Tagespresse i m Vordergrund. a) Aktuelle

Vorschläge

zur Bekämpfung

der

Pressekonzentration

Die gegenwärtige Diskussion u m die Pressereform i n der deutschen Öffentlichkeit hat ihren Bezugspunkt fast ausschließlich i n dem Problem der Pressekonzentration. Von dorther sind fast alle maßgebenden 59 Diese Vorschrift verbietet nur „Eingriffe öffentlicher Behörden" in „die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen". 67 Die beste Zusammenstellung der heute in der Diskussion befindlichen Reformvorschläge und ihre verfassungsrechtliche Erörterung findet sich bei Ehmke , Verfassungsrechtliche Fragen einer Pressereform, in: Festschrift für A. Arndt, S. 77 ff.

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

Reformvorschläge der letzten Zeit motiviert, wenn sie auch, je nach ihrer Herkunft, teilweise recht unterschiedlichen Inhalt und Zielrichtung haben. Der verfassungsrechtliche Gesichtspunkt, unter dem das Konzentrationsproblem angepackt und zu lösen versucht wird, ist fast durchweg die „Vielfalts"-These des BVerfG, also die Ansicht, daß die Pressefreiheit des Grundgesetzes eine „relativ große Zahl von selbständigen und nach ihrer Tendenz, politischen Färbung oder weltanschaulichen Grundhaltung miteinander konkurrierenden Presseerzeugnissen" voraussetzt. A u f Verlegerseite wurde ursprünglich rundweg bestritten, daß die Ursachen der Pressekonzentration i n der Struktur der Presse selbst zu suchen sein könnten. Die „Schuld" wurde vielmehr beim Fernsehen gesucht, das insbesondere durch seine Werbesendungen der Presse ihre wirtschaftliche Grundlage entziehe 58 . Die Verleger gingen m i t ihren Forderungen gleich aufs Ganze: Sie verlangten, die Herstellung und Lieferung des Programms des Zweiten Deutschen Fernsehens einer von den Zeitungsverlegern zu gründenden privaten Fernsehgesellschaft zu übertragen 59 , zumindest aber die Privatisierung des Werbefernsehens. Zur Propagierung dieser Forderungen setzten sie ihre ganze publizistische Macht ein. Nachdem durch die von der Bundesregierung eingesetzte Pressekommissionen, insbesondere die Michel-Kommission, nachgewiesen wurde, daß die Voraussetzungen, von denen die Verleger ausgegangen waren, nicht stimmten, daß i m Gegenteil die Einführung des Fernsehens zu einer allgemeinen Belebung der Wirtschaftswerbung, die auch der Presse zugute kam und gleichzeitig zu einer Hebung des allgemeinen Leserinteresses geführt hat und weiter nachgewiesen wurde, daß die Ursachen der Konzentration vorwiegend i n der Presse selbst liegen, änderten die Verleger ihre T a k t i k 6 0 . Sie machten sich nun die These von den wirtschaftlichen Ursachen der Pressekonzentration zu eigen und stützten darauf Ansprüche auf staatliche finanzielle Unterstützung der Presse i n Form von Steuererleichterungen und Subventionen 6 1 . A u f Seiten der Verlegerorganisationen selbst wurden Richtlinien zur Bekämpfung des „Vernichtungswettbewerbs" ausgearbeitet 62 . Der Vorschlag einer wirtschaftlichen Unterstützung der Presse, allerdings gezielt auf die Unterstützung kleinerer und mittlerer Presseunter58 Vgl. Denkschrift des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) „Pressefreiheit und Fernsehmonopol". 59 Vorschlag des B D Z V vom 27.11.1964, vgl. dazu Michel-Bericht, S. 236 ff. 60 Die Vorgänge um die Einführung eines privaten Fernsehens im Saarland, das „Kabelfernsehen" in Berlin und sonstige Bestrebungen zur Einführung lokaler Fernsehprogramme unter Beteiligung der Verleger zeigen allerdings, daß die diesbezüglichen Bestrebungen aus dem Licht der Öffentlichkeit nun auf die Ebene lobbyistischer Interessenpolitik verlagert wurden. 61 Vgl. dazu Stellungnahme Betz in Günther-Bericht, S. 49 ff. 62 Vgl. dazu Ehmke, Pressereform, S. 94.

V I I . Aufgabe und Möglichkeiten einer Pressereform

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nehmen sowie der Neugründung von Zeitungen, findet sich i n den Vorschlägen der Günther-Kommission 63 und i n der dazu ergangenen Stellungnahme der Bundesregierung 64 . Die Günther-Kommission schlug darüber hinaus als wichtigste Maßnahme die gesetzliche Begrenzung von Marktanteilen vor 6 5 , die jedoch i n der Stellungnahme der Bundesregierung abgelehnt wurde. I n Anlehnung an das englische Beispiel des „Monopolies and Mergers A c t " von 1965 w i r d auch bei uns gelegentlich die Einführung einer Fusionskontrolle empfohlen 66 . A u f die Tranzparenz der Besitzverhältnisse und Abhängigkeiten i m Pressewesen zielt schließlich der Vorschlag einer allgemeinen gesetzlichen Publizitätspflicht nach dem Muster des bayrischen und des hessischen Landespressegesetzes 67. Neben diesen wirtschaftlichen Maßnahmen w i r d teilweise auch die Stärkung der Unabhängigkeit der Redakteure gegenüber dem Verleger als M i t t e l zur Bekämpfung der Auswirkungen der Pressekonzentration angesehen. Dabei steht der Gesichtspunkt i m Vordergrund, daß die Unabhängigkeit der Redaktion dem konzentrationsbedingten Verlust an Vielfalt des Pressewesens teilweise entgegenwirken könnte 6 8 . b)

Strukturvorschläge

aa) Kompetenzabgrenzung zwischen Verlag und Redaktion Der Vorschlag einer Kompetenzabgrenzung zwischen Verlag und Redaktion geht allerdings über eine lediglich zweckbestimmte Maßnahme zur Konzentrationsbekämpfung hinaus und berührt bereits die innerbetriebliche Struktur der Presseunternehmen. Fast alle darauf abzielenden Vorschläge berufen sich auf die Regelung i n § 1 des Tarifvertrags von 1926, wonach die Redaktion innerhalb der vom Verleger bestimmten Richtlinien bei der Gestaltung des Zeitungsinhalts unabhängig sein sollte 6 9 . 63 a.a.O., S. 48; ebenso Denkschrift der E K D (s. o. S. 210, Anm. 85), Stellungnahme des Presserats v. 19. 9. 68; Gesetzentwurf der I G Druck und Papier (s. o. S. 299). 64 BT-Drucksache V/3856. 65 Günther-Bericht, S. 44; vgl. dazu auch Bucerius , Wirtschaftsdienst 9/ 1968, S. 489. 66 Nachweise bei Ehmke , Pressereform, S. 99; vgl. dazu auch Kübler-Simitis JZ 1969, 445 ff., insb. S. 453 f., die bereits auf der Grundlage des § 22 GWB eine Fusionskontrolle für marktbeherrschende Unternehmen für möglich halten. 67 Vgl. Günther-Bericht, S. 47. 68 Vgl. Günther-Bericht, S. 41; Entwurf der I G Druck und Papier für ein Bundespresserechtsrahmengesetz; EKD-Denkschrift; Stellungnahme des Presserats vom 19. 9. 1968; Tarifvertragsentwurf des DJV für eine Kompetenzabgrenzung von Verlag und Redaktion (s. o. S. 241 f.). 69 Siehe oben, S. 239.

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

bb) Mitbestimmung der Redaktion Über eine bloße Kompetenzabgrenzung hinaus gehen diejenigen Vorschläge, die auf eine echte Mitbestimmung der Redaktion neben den Kapitaleignern i n allen Angelegenheiten des Unternehmens abzielen. Zur Verwirklichung dieser Vorstellung gibt es verschiedene Modelle. I m Widerspruch zur h. M. vertreten einge Stimmen, die insbesondere i n den Reihen der Gewerkschaft Druck und Papier zu finden sind, die Ansicht, daß „gesinnungsneutrale" Presseunternehmen nicht als Tendenzbetriebe i. S. § 81 BetrVG anzusehen seien und daher die Mitbestimmung nach dem BetrVG auch auf Presseunternehmen ausgedehnt werden müsse 70 . Diese Form der Mitbestimmung nach dem BetrVG w i r d von den meisten Befürwortern einer redaktionellen Mitbestimmung m i t der Begründung abgelehnt, Träger der Mitbestimmung i m Presseunternehmen dürfe nicht wie i n anderen Wirtschaftsunternehmen die Gesamtbelegschaft, einschließlich des technisch-kaufmännischen Personals, sein; es gehe hier vielmehr u m ganz andere Zielsetzungen, nämlich um den Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit, deren Träger allein die Redakteure seien 71 . Von den Anhängern dieser Ansicht w i r d daher ein ganz neues, auf die spezifischen Bedürfnisse der Presseunternehmen abgestelltes Mitbestimmungsmodell gefordert. A m weitesten gehen dabei diejenigen Vorschläge, die ein obligatorisches Mitsprache- und -entscheidungsrecht der Redaktion auch i n wirtschaftlichen und personellen A n gelegenheiten befürworten. Das erste i n Deutschland praktizierte Modell, das i n diese Richtung zielt, bietet das i m Mai 1969 vereinbarte Redaktionsstatut der Illustrierten „Stern" 7 2 . Darin w i r d die Bildung eines Redaktionsbeirats vorgesehen, der unter anderem ein Widerspruchsrecht bei der Bestellung des Chefredakteurs und der leitenden Redakteure sowie ein Anhörungsrecht i n Fragen des Redaktionsetats und bei Änderung der Besitzverhältnisse hat. cc) Das Modell „Le Monde" Eine Mitbestimmung ganz anderer A r t , nämlich über eine Kapitalbeteilung der Redakteure gibt es bei einigen Zeitungen i n Frankreich 7 3 . 70 So insbes. Frey, vgl. Bericht über die Studientagung des Arbeitskreises für Presserecht und Pressefreiheit in JZ 1967, 612; ähnl. neuerdings B A G NJW 1966, 1578, wo das Gericht die Ansicht vertritt, ein nach Gewinn strebendes Presseunternehmen ohne erkennbares geistig-ideelles Gepräge sei kein Tendenzunternehmen i. S. § 81 BVetrVG. 71 Vgl. die Mitbestimmungs-Diskussion in „Die Feder" 6/1968. 72 Veröffentlicht in „Stern" 22/1969 vom 1. 6. 1969; ähnl. Inhalt hat das neue Redaktionsstatut des „Mannheimer Morgen" (Der Journalist 11/1969, S. 6). 73 Einen ausgezeichneten Überblick über Hintergründe, Ziele und Struktur

V I I . Aufgabe und Möglichkeiten einer Pressereform

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Das bedeutsamste Beispiel einer solchen „société de rédacteurs" bietet die Pariser Tageszeitung „Le Monde". A m Gesellschaftskapital dieser Zeitung hat die Gesellschaft der Hedakteure einen A n t e i l von 40 °/o, der gleich groß ist wie der A n t e i l der Unternehmensgründer und ihrer Nachfolger, 5 °/o besitzt die Gesellschaft der leitenden Angestellten, 7 % hält der Chefredakteur und je 4 % betragen die Anteile der Verwaltungsangestellten und des Verwaltungsdirektors 7 4 . Die Anteile der Redakteure stehen i m Kollektiveigentum der von ihnen gegründeten „société de rédacteurs" und sind an ihre Zugehörigkeit zur Redaktion von „Le Monde" geknüpft. Die Redakteursgesellschaft verfolgt keine Profitbestrebungen, sondern betrachtet ihre Kapitalbeteiligung ausschließlich als M i t t e l zur Mitbestimmung i n Unternehmensangelegenheiten 7 5 . M i t Recht weist Ehmke darauf hin, daß diese Redakteursgesellschaften entgegen teilweise anders lautenden Ansichten keine Genossenschaften nach deutschem Recht darstellen 78 . dd) Der Stiftungsvorschlag Über die bloßen innerbetrieblichen Strukturreformen, die an der äußeren Rechtsform des Unternehmens und seiner Einordnung i n das privatwirtschaftliche Wettbewerbssystem nichts ändern, gehen die Vorschläge hinaus, die auf eine Änderung des rechtlichen Status des Zeitungsunternehmens abzielen und es insbesondere aus einer Abhängigkeit von kommerziellen Interessen lösen wollen. Der am häufigsten diskutierte Vorschlag dieser A r t sieht die Umwandlung der Zeitungsunternehmen i n Stiftungen vor 7 7 . Nach Übernahme der Stiftung „Die Welt" durch den Springer-Konzern ist das einzige nennenswerte Beispiel einer stiftungsähnlichen Unternehmensform i n der deutschen Presse die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" 7 8 . Die F A Z steht i m Eigentum der FAZ-GmbH, deren dieser „sociétés de rédacteurs" geben die Aufsätze von J. L. Hébarre, „Frankreichs Journalisten kämpfen um Mitbestimmung" (Der Journalist 8/1967, S. 4 ff.) und „Die klassische Pressefreiheit ist tot" (Der Journalist 11/1968, S. 8 ff.). 74 Angaben bei Hébarre , Der Journalist 11/1968, S. 12; Ehmke , Pressereform, S. 104. 75 Vgl. Hébarre , Der Journalist 11/1968, S. 12. 76 Ehmke , Pressereform, S. 104; der Vorschlag der Genossenschaft taucht neuerdings wieder im Gesetzentwurf der I G Druck und Papier auf. 77 Einer der engagiertesten Vorkämpfer der Stiftungsidee ist der langjährige Sprecher des Presserats und Ehrenvorsitzende des DJV, Helmut Cr on (vgl. seinen Jahresbericht des DJV aus dem Jahre 1951 sowie seine Aufsätze, in: Der Journalist 4/1967, S. 2 und 9/1968, S. 2); vgl. auch Sänger , Der Journalist 10/1968, S. 12 und Henrich „Die Feder" 6/1968, S. 4. 78 Vgl. F A Z (Herausg.), Satzung der Fazit-Stiftung und Gesellschaftsvertrag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (o. J.); Ehmke, Pressereform, S. 104 f.

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

Mehrheitsgesellschafterin wiederum eine GmbH ist, die den Namen „Fazit-Stiftung" führt und auf gemeinnützige Zwecke festgelegt ist. Die Gesellschafterversammlung der Stiftungs-GmbH führt die Bezeichnung „Kuratorium". Ihre ehrenamtlich tätigen Mitglieder, fünf Persönlichkeiten des öffentlichen und wissenschaftlichen Lebens, verfügen über einen nominellen, nicht gewinnberechtigten A n t e i l am Stammkapital und ergänzen sich durch Zuwahl bei Ausscheiden eines Mitglieds. Die wichtigste innerbetriebliche Funktion des Kuratoriums besteht i n einem Mitspracherecht bei der Aufnahme von Krediten und der Anstellung bzw. Entlassung höherer Angestellter. I h r spezifisches Gepräge erhält die F A Z aber weniger durch die Beteiligung einer „Stiftung" als vielmehr durch ihre Redaktionsverfassung, die ihre eigentliche Sonderstellung innerhalb der deutschen Presselandschaft begründet. Die Zeitung w i r d geleitet von einem Kollegium von sechs Herausgebern, die gleichzeitig i n der Redaktion mitarbeiten. Dieses Kollegium bestimmt die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Richtlinien für die redaktionelle Arbeit. Es gehört kraft Amtes der Gesellschaftsversammlung der FAZ-GmbH, der Verlagsgesellschaft der FAZ, an. Die Herausgeber haben satzungsmäßig über die Unabhängigkeit der Zeitung zu wachen und können unter diesem Gesichtspunkt Einspruch gegen die Abtretung eines Gesellschaftsanteils einlegen. Kommt keine Einigung m i t den übrigen Gesellschaf tern zustande, so entscheidet eine Schiedsstelle, deren Mitglieder i m Einvernehmen zwischen Verwaltungsrat und Herausgeber ernannt und bei Ausscheiden von den Herausgebern allein ergänzt werden. Dasselbe Einspruchsrecht steht den Herausgebern gegen Beschlüsse des „Stiftungs"-Kuratoriums zu. Die F A Z stellt somit ein interessantes Modell für eine Strukturreform der Presse dar, das — m i t dem Ziel einer Sicherung der Unabhängigkeit der geistigen Gestaltung der Zeitung — innerbetriebliche Maßnahmen m i t neuen gesellschaftsrechtlichen Lösungen verbindet. Die starke Stellung der Herausgeber ermöglicht zweifellos eine gewisse Abschirmung der redaktionellen Arbeit gegenüber direkten Einwirkungen außerredaktionellen Kräfte. Gleichzeitig gewährt die stiftungsähnliche Konstruktion einer gemeinnützigen GmbH eine relative Unabhängigkeit von kommerziellen Einflüssen auf die inhaltliche Gestaltung der Zeitung. Allerdings kann die F A Z nicht als Modell für eine freiheitlichdemokratische Unternehmensverfassung i n dem hier vertretenen Sinne angesehen werden. Denn weder ist die Redaktion selbst nach diesen Grundsätzen aufgebaut — das Herausgeberkollegium als „Redaktionsvorstand" entspricht eher einer altgriechisch-aristokratischen „Gerousia" — noch ist sie i n ihrer geistigen Ausrichtung wirklich offen und unabhängig von äußeren Bindungen. Dafür sorgt schon die gegenwärtige Zusammensetzung der Gesellschaftsgremien, insbesondere des

V I I . Aufgabe und Möglichkeiten einer Pressereform

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„Stiftungs"-Kuratoriums, die von ihrer personellen Struktur her Gewähr für eine traditionell-liberale, unternehmerfreundliche Haltung der Zeitung bieten. I n dieser Hinsicht hat sich gegenüber früher, als die von der deutschen Großindustrie getragene „Allgemeine Verlagsgesellschaft mbH" bis 1959 Hauptgesellschafterin der F A Z - G m b H w a r 7 9 , nichts grundlegend geändert. Die Anhänger des Stiftungsgedankens betrachten das Beispiel F A Z daher auch nicht unbedingt als nachahmenswertes Modell eines Pressestiftungsunternehmens. Sie wollen über die Stiftung durch geeignete institutionelle Vorkehrungen eine echte, gleichberechtigte Mitbestimmung der Redaktion i n allen Angelegenheiten des Unternehmens und gleichzeitig eine Unabhängigkeit der redaktionellen Arbeit von privaten Zweckbestimmungen und Einflüssen, seien sie kommerzieller oder ideeller A r t , erreichen. Die Zeitung soll, auch von ihrer Rechtsform her, ein Unternehmen sein, das ausschließlich öffentliche Interessen verfolgt 8 0 . ee) öffentlich-rechtliche Zeitungsanstalten I n Tragweite und Radikalität über die Stiftungsidee hinaus geht der Vorschlag, öffentlich-rechtliche Zeitungsanstalten zu gründen, deren Aufbau und Struktur den westdeutschen Rundfunk- und Fernsehanstalten entspräche. Falls nicht nur einzelnen Presseunternehmen diese Rechtsform gegeben, sondern das gesamte Pressewesen bzw. ein bestimmter Teilbereich der Presse auf dieser Basis organisiert würde, liefe dieser Vorschlag auf ein echtes Gegenmodell zur bestehenden p r i v a t w i r t schaftlichen Wettbewerbsstruktur der Presse und zur Vielfaltsthese des BVerfG hinaus. • Der Vorschlag öffentlich- rechtlicher Zeitungsanstalten wurde allerdings bisher nur als ferne Möglichkeit am Horizont angedeutet und hinsichtlich der A r t und Weise seiner Verwirklichung noch zu wenig präzisiert, um näher darüber referieren zu können. Insbesondere ist unklar, ob den Zeitungsunternehmen i n ihrer Gesamtheit oder nur den Redaktionen der Status öffentlich-rechtlicher Anstalt gegeben werden sollte 8 1 . 79 Nähere Angaben dazu bei Knipping, Voraussetzungen und Ergebnisse des Konzentrationsprozesses, S. 227 ff. und Pritzkoleit , Wem gehört Deutschland?, S. 223. 80 So insbes. Cron und Sänger (a.a.O.), die in ihren Veröffentlichungen bisher allerdings nur ihre mit der Stiftungsidee verfolgten Ziele propagiert haben, ohne klare Vorschläge für die organisatorischen und rechtlichen Maßnahmen, die zur Verwirklichung dieser Ziele i. e. notwendig sind, zu machen. 81 Vgl. Kogon, Anmerkungen zum Thema „Informationsnotwendigkeit — Informationsfreiheit — Informationspflicht", in: Information — oder herrschen die Souffleure, S. 108. Auf die Rechtsform öffentlich-rechtlicher Anstalten für sämtliche Massenmedien läuft auch Krügers Analyse, in: „Die öffentlichen Massenmedien" hinaus; ebenso deutet Zippelius (Demokratie und Meinungslenkung, JuS 1965, S. 383 f.) eine „Institutionalisierung" der

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

Da sich die Anhänger der Idee öffentlich-rechtlicher Zeitungsanstalten auf die Ordnung des Kundfunkwesens i n Deutschland beziehen, soll i m folgenden ein kurzer Überblick über Aufbau und Struktur der westdeutschen Rundfunk- und Fernsehanstalten gegeben werden, u m von dieser Grundlage aus den Vorschlag der Zeitungsanstalten besser beurteilen zu können. Exkurs: Die Organisation und Fernsehanstalten

der Rundfunkin der BRD

Sämtliche Kundfunk- und Fernsehanstalten i n Westdeutschland 8 2 ' 8 3 haben die Rechtsform einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts und besitzen weitgehende Selbstverwaltungsbefugnis 84 . I m Gegensatz zu den später errichteten Anstalten — insbesondere dem Norddeutschen Rundfunk (NDR), dem Westdeutschen Rundfunk (WDR) und dem Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) —, die staatlicher Rechtsaufsicht unterstellt sind, sind die Anstalten der früheren amerikanischen Besatzungszone — der Bayerische Rundfunk (BR), der Hessische Rundfunk (HR) und der Süddeutsche Rundfunk (SDR) — ausdrücklich von jeder Staatsaufsicht befreit. Die meisten Anstalten verfügen als Organe über einen Rundfunkrat, einen Verwaltungsrat sowie den Intendanten, zu denen beim NDR und WDR ein Programmbeirat tritt. Die Kompetenzen sind regelmäßig i n der Weise abgegrenzt, daß beim Rundfunkrat die Wahlfunktionen konzentriert sind, während sich i n die Kontrollfunktionen Rundfunkrat und Verwaltungsrat teilen. Die laufende Geschäftsführung liegt beim Intendanten 8 5 . Hinsichtlich der Zusammensetzung des Rundfunkrats als d e m höchsten G r e m i u m lassen sich die Anstalten w i e d e r u m i n z w e i Gruppen einpresse in Entsprechung zu der Rundfunkorganisation als Möglichkeit einer Pressereform an. Sogar Windsheimer spricht angesichts der Konzentrationsentwicklung im Pressewesen dem Staat die Befugnis zu, eine „Umstrukturierung großen Stils" einzuleiten und deutet dabei die Möglichkeit der Errichtung von Presseunternehmen in der Rechtsform der Stiftung oder der öff.rechtl. Anstalt an (Die „Information", S. 44, Anm. 8; ähnl. Czajka, Pressefreiheit und „öffentliche Aufgabe" der Presse, S. 156 f.). Eine solche „Umstrukturierung großen Stils" läßt sich aber auf dem Boden der von Windsheimer vertretenen individualrechtlichen Pressefreiheitstheorie ganz sicher nicht durchführen, schon allein deshalb, weil dadurch das Grundrecht des 82 Verlegers praktisch aufgehoben würde. Kogon (a.a.O.) denkt wohl nur an die Redaktionen. 83 Vgl. dazu insbes. den Aufsatz von Jank, Die Verfassung der deutschen Rundfunkanstalten, DVB1. 1963, S. 44 ff., sowie Brack, Organisation und wirtschaftliche Grundlagen des Hörfunks und Fernsehens in'Deutschland, passim. 84 Der Saarländische Rundfunk wurde bis 1956 als GmbH betrieben; das Saarl. Ges. Nr. 844 v. 7. 6. 1967 (Amtsblatt Saar, S. 478) sieht nunmehr auch die Zulassung von Aktiengesellschaften zur Veranstaltung von Rundfunkund Fernsehsendungen unter bestimmten Voraussetzungen vor. 85 Abw. Regelung beim Südwestfunk (SWF), NDR und WDR.

V I I . Aufgabe und Möglichkeiten einer Pressereform

333

teilen 8 6 . Die älteren, von den Besatzungsmächten gegründeten Anstalten basieren auf dem Prinzip der unmittelbaren Gruppenrepräsentation. Mitglieder des Rundfunkrats sind zum ganz überwiegenden Teil Vertreter bedeutender Organisationen und Institutionen des öffentlichen Lebens, insbesondere Kirchen, Wirtschaftsverbänden, Institutionen und Verbänden des wissenschaftlichen und kulturellen Lebens, Kommunen, Sport-, Jugend- und Frauenverbänden, die von diesen unmittelbar entsandt werden. Der politische Bereich w i r d durch Vertreter der Landtage sowie (mit Ausnahme des SFB und des SDR) der Landesregierung repräsentiert; ihr A n t e i l an der Gesamtmitgliederzahl beträgt zwischen V5 bis Va. Demgegenüber ist bei den späteren Anstaltsgründungen der politische Einfluß erheblich stärker. Die Rundfunkräte des NDR und WDR werden von den Länderparlamenten gewählt, wobei die betreffenden Gesetze als Auswahlkriterium lediglich Erfahrungen auf dem Gebiet des Rundfunks erwähnen. Bei diesen Anstalten haben die Rundfunkräte also keine repräsentativen Funktionen mehr, sondern eher die Stellung eines Sachverständigengremiums 87 . Beim ZDF herrscht zwar wieder das Repräsentationsprinzip, jedoch werden die Fernsehratsmitglieder — m i t Ausnahme der Vertreter der Landesregierungen, der Parteien und Kirchen — nicht unmittelbar von den jeweiligen Gruppen entsandt, sondern von den Ministerpräsidenten der Bundesländer berufen, die lediglich bei einigen Verbandsvertretern an eine Dreier-Vorschlagsliste gebunden sind. Unter ähnlich starkem politischem Einfluß stehen die Bundesrundfunkanstalten. Deren Ratsmitglieder werden etwa zu 2/z vom Bundestag oder Bundesrat gewählt bzw. der Bundesregierung ernannt; die übrigen Mitglieder entsenden die Kirchen und der Zentralrat der Juden sowie beim Deutschlandfunk die Spitzen verbände der Arbeitgeber und der Gewerkschaften. Sieht man die Struktur der westdeutschen Rundfunk- und Fernsehanstalten i n der chronologischen Abfolge ihres Entstehens, so läßt sich ein deutlicher Zug zu einer Verstärkung des staatlich-politischen Einflusses auf die Zusammensetzung der maßgebenden Anstaltsgremien erkennen. Wenn man sich der Forderung des BVerfG anschließt, daß i n den Organen der Rundfunk- und Fernsehanstalten alle „bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen i n angemessenem Verhältnis" repräsentiert und die diesem Postulat zugrunde liegenden organisatorischen und materiellen Prinzipien durch Gesetz verbindlich verankert sein müssen, und wenn man weiter der Ansicht ist, daß Kommunikationsfreiheit — die auch für Rundfunk und Fernsehen verfassungsrechtlich garantiert ist —, Freiheit von gouverne86 87

Dieser Unterschied wird insbes. von Jank betont. So auch Jank, a.a.O., S. 47.

334

3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

mentalem Einfluß voraussetzt, so müssen erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Rundfunk- und Fernsehanstalten jüngeren Datums bestehen 88 . c) Vorschläge

zu einer öffentlichen

Kontrolle

der Presse

A n das Modell der Rundfunkanstalten knüpft ein anderer Vorschlag an, der i n jüngster Zeit i n die Diskussion kam: Die Etablierung einer öffentlichen Kontrolle über die Presse i n Form von Presseausschüssen bzw. -beiräten, die die Funktion haben, eine Informationsvielfalt innerhalb der einzelnen Publikationsorgane selbst zu gewährleisten 89 . Die Anhänger dieses Vorschlags rücken damit von der Vielfaltsthese des BVerfG, wonach das gesellschaftliche Meinungsspektrum i n einer Vielzahl verschieden orientierter Zeitungen zum Ausdruck kommen soll, ab und wollen die Meinungspluralität i n das einzelne Presseorgan selbst hineintragen, u m sie so für den einzelnen Bürger erst richtig wirksam und erlebbar zu machen. Dazu sind nach Ansicht von Starkulla und Glotz nicht unbedingt Maßnahmen erforderlich, die i n die Unternehmensstruktur selbst eingreifen; vielmehr soll die Einsetzung von Ausschüssen bzw. Beiräten ausreichen, die nach den vom BVerfG für die Rundfunkanstalten entwickelten Kriterien zusammengesetzt sind und lediglich von außen über die Einhaltung bestimmter redaktioneller Richtlinien zu wachen haben. Glotz, von dem dieser Vorschlag i n Form eines Gesetzentwurfs präzisiert wurde, w i l l das Pluralitätsgebot allerdings nur auf den Nachrichtenteil und nur auf marktbeherrschende Presseunternehmen angewandt wissen, während es i m übrigen der Redaktion unbenommen sein soll, eine bestimmte politische oder weltanschauliche Linie zu vertreten. Das Pluralitätsprinzip w i r d damit zu einem Gebot ausgewogener Berichterstattung abgeschwächt. Auch sieht Glotz für diese Presseausschüsse keine echte Sanktionsbefugnis, sondern lediglich die Möglichkeit vor, die Gewährung bestimmter staatlicher Vergünstigungen, Subventionen etc. von der Einhaltung der Richtlinien abhängig zu machen. Der Vorschlag von Glotz und Starkulla hat nur i n der äußeren Form Ähnlichkeiten m i t den Presseausschüssen i n den Gesetzentwürfen der Weimarer Zeit und i m Lüders-Entwurf von 1952 bzw. i n den früheren Pressegesetzen der Länder der britischen Zone; inhaltlich hatten diese 88

So auch Herzog, in: Maunz-Dürig-H erzog, Grundgesetz, Art. 5, Rz. 228 ff. und Jank, a.a.O., S. 49 f.; a. A. Lenz, JZ 1963, S. 347. 89 Vgl. Starkulla, Publizistik 3/1965, S. 382 ff.; Glotz-Langenbucher, Massenmedien und Kommunikation, Publizistik 2—4/1968, S. 150, 160 ff.; Glotz, Entw. eines Bundesgesetzes gegen den Mißbrauch der Pressefreiheit nebst Begründung, Analyse zum Tagungsbericht der Georg-Volkmar-Schule v. 16. 7. 1968.

V I I . Aufgabe und Möglichkeiten einer Pressereform

335

Presseausschüsse ganz andere, nämlich standesrechtliche bzw. i m Fall der Landespressegesetze politisch beratende Funktionen. d)

Presseselbstkontrolle

A n das letzterwähnte Ausschußmodell knüpft dagegen eine andere Idee, die der Presseselbstkontrolle 90 , an. Der Gedanke der Presseselbstkontrolle zielt darauf ab, bestimmte, an der öffentlichen Aufgabe der Presse orientierte, standesrechtliche Grundregeln publizistischen Verhaltens zu entwickeln, über deren Beachtung ein berufsständisches Grem i u m zu wachen hat. Die Presseselbstkontrolle kann, wie i m Fall der Presseausschüsse der Weimarer Pressegesetzentwürfe bzw. des LüdersEntwurfs, obligatorisch sein oder nur auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhen. Ein wirksames Sanktionssystem ist praktisch wohl nur i m ersteren Fall zu entwickeln. Das bekannteste Beispiel einer Selbstkontrolle i m Bereich der Massenmedien ist die Freiwillige Filmselbstkontrolle 91. A u f dem Gebiet der Presse ist insbesondere die freiwillige Selbstkontrolle Illustrierter Zeitschriften (SIZ) zu erwähnen, die — mit einer wechselhaften Geschichte — seit 1957 besteht. Die SIZ ist allerdings insofern kein reines Selbstkontrollorgan, als ihr, wenn auch nur zum kleineren Teil, neben den Pressevertretern auch sogenannte „Persönlichkeiten des öffentlichen Leben" angehören. Die SIZ hat gewisse Sanktionsbefugnisse, denen sich die Mitglieder jedoch durch Austritt entziehen können. Eine Sonderstellung nimmt der 1954 gegründete Deutsche Presserat ein. Seine Aufgaben bestehen nicht nur i n der Bekämpfung von Mißständen i m Pressewesen, also Selbstkontrollfunktionen i. e. S., sondern darüber hinaus i n einer Interessenvertretung der Presse gegenüber der Regierung und der Öffentlichkeit und ganz allgemein i m Schutz der Pressefreiheit. Anders als die SIZ ist der Presserat paritätisch aus Vertretern der Verleger und der Journalisten zusammengesetzt, die von ihren Berufsverbänden entsandt werden. Er kann sich nach außen i n Form von Resolutionen, Empfehlungen, gutachtlichen Äußerungen, aber auch Mißbilligungen äußern, ohne daß diesen jedoch mehr als lediglich moralische Wirkung zukommen würde 9 2 . 90 Vgl. zur Geschichte der Presseselbstkontrolle Heinrichsbauer , Presseselbstkontrolle; vgl. zur heutigen Situation Löffler , Cron u. a.t Selbstkontrolle von Presse, Funk in Film sowie Löffler-Hebarre, Form und Funktion der Selbstkontrolle in weltweiter Sicht. 91 Vgl. dazu Noltenius, Die freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft und das Zensurverbot des GG, die in der gegenwärtigen Struktur der Filmselbstkontrolle einen Verstoß gegen Art. 5 I, 3 GG sieht. 92 Das O L G Hamburg (AfPR 38/1960, S. 151 f.) hat die Tätigkeit des Presserats als durch Art. 9 G G gedeckt angesehen.

3. Teil: Die Innere Pressefreiheit e) Vorschlag

des Republikanischen

Clubs

Berlin

Eine interessante Verbindung verschiedener Ideen und daher schwer i n ein bestimmtes Schema einzuordnen ist der Reformvorschlag des Republikanischen Clubs Berlin vom Oktober 1967, der i n einem „Entw u r f eines Bundesgesetzes zur Wahrung der Pressefreiheit" niedergelegt wurde 9 3 . Der Entwurf versucht, einen praktikablen Vorschlag für die Verwirklichung einer Marktanteilsbegrenzung zu geben und verbindet diesen m i t dem alten Gedanken der Abtrennung des Anzeigenwesens von der Presse. I m einzelnen sieht der Gesetzentwurf vor, daß Presseunternehmen i m Bereich der Tageszeitungen auf eine Auflage von 1 M i l l . Exemplare, bei Zeitschriften auf einen Marktanteil von 20 °/o zu begrenzen und bei Überschreitung dieser Höchstgrenze zu entflechten seien, notfalls i m Wege der Enteignung. I m Fall der Enteignung, die nur Verlag und Redaktion betreffen soll, sei das Presseunternehmen i n eine A G umzuwandeln und auf breiter Publikumsbasis zu reprivatsieren, wobei das Stimmrecht auf max. 1 °/o des Grundkapitals beschränkt sein soll. Außerdem sieht der Gesetzentwurf den zwangsweisen Zusammenschluß aller Tages- und Wochenzeitungen zu Anzeigengenossenschaften vor, an die 80 °/o der Anzeigenerlöse, abzüglich der Selbstkosten, abzuliefern sind. Die überschießenden Beträge sollen dann i m Verhältnis der Verkaufsauflagen der einzelnen Zeitungen unter den Genossenschaftsmitgliedern verteilt werden. Die Verfasser des Entwurfs versprechen sich dadurch eine Unabhängigkeit der Zeitungen von ihren Inserenten. Modifikationen

einer

Staatspresse

Die Forderung nach Überführung der Presse i n unmittelbar staatliche Hand wird, soweit ersichtlich, von keiner Seite ausdrücklich vertreten. Es gibt jedoch verschiedene Vorschläge und Ansichten, die sich in bedenklicher Nähe einer Staatspresse befinden. Anlaß zu solchen Bedenken besteht vor allem gegenüber den Ansichten Herbert Krügers, die er i n seinem Rechtsgutachten über „Die öffentlichen Massenmedien als notwendige Ergänzung der privaten Massenmedien" vertreten hat. Entsprechend dem Zweck des Gutachtens geht es Krüger darin zwar nur u m die Verteidigung der bestehenden Ordnung des Rundfunkwesens. Aus der Verteidigung der Rundfunkanstalten w i r d jedoch ein Plädoyer für die „öffentlichen Massenmedien" schlechthin, wobei Krüger als Träger und Veranstalter dieser Medien ganz selbstverständlich „den Staat" voraussetzt, ohne sich über die 93 I n „Springer enteignen?", hrsg. vom Presse-Arbeitskreis des Republikanischen Clubs e. V. Westberlin.

V I I . Aufgabe und Möglichkeiten einer Pressereform

337

Organisation i m einzelnen Gedanken zu machen. Der Gesamttenor seiner Ausführungen läßt den Schluß zu, daß f ü r K r ü g e r das Problem lediglich i n der Frage private oder öffentliche Massenmedien besteht und i h m die weitere u n d eigentlich wesentliche Frage nach der Organisation dieser öffentlichen Massenmedien als v ö l l i g zweitrangig, w e n n nicht überhaupt als unwichtig erscheint. K r ü g e r hätte daher w o h l auch gegen eine i n unmittelbarer Staatsverwaltung betriebene Presse nichts einzuwenden 9 4 . Deutlicher als K r ü g e r äußert sich Bettermann 95, der — ausdrücklich allerdings n u r auf den Rundfunk bezogen — die Ansicht v e r t r i t t , wesentlich sei nicht die Frage der Staatsmittel- oder -unmittelbarkeit, sondern die Staatsunabhängigkeit der Massenmedien. Diese könne auch, sogar m i t besseren Ergebnissen, bei einer staatsunmittelbaren Veranstaltung gewährleistet sein 9 6 . Neben diesen direkt auf eine staatsunmittelbare Organisation der Massenmedien hinzielenden Ansichten gibt es andere Äußerungen, nach denen dem Staat, zumindest i n partiellem Umfang, eine unmittelbare Tätigkeit i m Bereich der Presse nicht verwehrt sein soll. So halten es einige Autoren f ü r zulässig, daß der Staat, über die herkömmlichen amtlichen Informationsblätter hinaus, auch einzelne Meinungszeitungen herausbringt 9 7 . Nach dem Enteignungsvorschlag des Republikanischen Clubs B e r l i n würde der Staat ebenfalls — zumindest vorübergehend — i n Besitz enteigneter Presseorgane sein. 4. Kritik und eigener Standpunkt a) Die Unzulänglichkeit einer Konzentrationsbekämpfung

bloßen

Jede Pressereform hat sich auf i h r Ziel u n d das zur V e r w i r k l i c h u n g des Ziels eingesetzte M i t t e l h i n befragen zu lassen. N u r wenn das Ziel verfassungs- u n d realitätskonform und der vorgeschlagene Weg dem Ziel angepaßt u n d tatsächlich erfolgversprechend ist, ist auch die Reform sinnvoll. 94 Vgl. auch Krügers Aufsatz in Ufita Bd. 38 (1962), 129 ff., wo er generell die Tauglichkeit des privatwirtschaftlichen Wettbewerbssystems für die Massenkommunikation bestreitet und materiell gestaltende Staatseingriffe in das Kommunikationswesen fordert (S. 142 ff.). 95 Rundfunkfreiheit und Rundfunkorganisation, DVB1. 1963, S. 41 ff. 98 Gegen eine staatsunmittelbare Organisation des Rundfunks haben auch Scheuner (VVDStRL 22, S. 14 f.) und — „theoretisch" — auch Herzog (a.a.O., Art. 5, Rz. 213; vgl. aber seine „praktischen" Bedenken Rz. 228, Anm. 4) keine grundsätzl. Einwendungen. 97 Z.B. Hans Schneider , Rechtsgutachten, S. 24; W. Geiger , Grundrecht der Pressefreiheit, a.a.O., S. 15 f.; Czajka , Pressefreiheit und „öffentliche Aufgabe" der Presse, S. 162 ff. 2

Stammler

338

3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

Prüft man unter diesem Gesichtspunkt die Vorschläge, die lediglich eine Bekämpfung der Pressekonzentration bezwecken, so erheben sich verschiedene Bedenken. Wie bereits oben dargelegt wurde, sind sich die Presseexperten fast durchweg darin einig, daß die Konzentration auf die technisch-ökonomische Entwicklung und die dadurch bedingte Kosten- und Auflagenprogression i m Pressegewerbe zurückzuführen ist. Diese Entwicklung w i r d m i t Sicherheit weitergehen 98 , ja, es könnte sich sogar i n späterer Rückschau erweisen, daß w i r heute am Beginn ganz neuer, unvergleichlich viel umfassenderer, perfektionierterer und entsprechend kostenintensiverer Kommunikationssysteme stehen, die auch das Gesicht der Presse grundlegend verändern werden 9 9 . Läßt man dieser Entwicklung ihren Lauf — und i n unserer, i n weltweite Bezüge eingeordneten Industriegesellschaft dürfte keine Instanz da sein, die diese Entwicklung auf die Dauer aufhalten könnte —, so w i r d auch die Pressekonzentration zwangsläufig i n immer schnellerem Tempo fortschreiten; denn nur ganz große Pressekonzerne, die die heutigen Durchschnittsgrößen u m ein Vielfaches übertreffen, werden die Kosten für Nachrichtensatelliten, vollautomatische Fotosetzmaschinen und Computer, die „Produktionsmittel" für die Tagespresse der Zukunft, tragen können. Angesichts dieser Zukunftsperspektiven erweist sich der Versuch, durch wirtschaftliche Hilfsmaßnahmen die „Schrebergartenlandschaft" des deutschen Pressewesens zu restaurieren bzw. zu konservieren als eindeutig reaktionär 1 0 0 , oder aber als nackte Interessenpolitik zugunsten kleinerer Verlags- und Druckereibesitzer, die — wie sich bei der Landwirtschaft und i m Kohlebergbau gezeigt hat— die Entwicklung zwar vielleicht für einige Jahre abbremsen, aber keinesfalls ganz aufhalten kann. Die Kosten, die dazu nötig sind, stehen i n keinem Verhältnis zum Erfolg. M i t der Erhaltung kleinerer und wenig leistungsfähiger Betriebe wäre i m Ergebnis weder dem Leser 1 0 1 noch der Presse selbst gedient, die durch die Annahme von Subventionen i n gefährlichem Maße i n Abhängigkeit vom Staat geriete 1 0 2 . 98

So auch Günther-Bericht, S. 13 f. Vgl. Steinbuch, Falsch programmiert, S. 106 ff. 100 Ähnl. Kubier-Simitis, JZ 1969, S. 453, die dennoch grundsätzlich eine Politik der Konzentrationsbekämpfung auf der Basis der Vielfaltsthese des BVerfG befürworten. 99

101 Vgl. Untersuchung von Noelle-Neumann, Publizistik 2—4/1968, S. 107, über die publizistische Leistung von Lokalzeitungen. 102 Auf diese Gefahr weist auch Betz (Günther-Bericht, S. 49 ff.) hin; er verbindet damit jedoch nur die Forderung, statt gezielter Unterstützung notleidender Betriebe diese Hilfe allen Presseunternehmen, ohne Rücksicht auf ihre wirtschaftliche Lage, zukommen zu lassen.

V I I . Aufgabe und Möglichkeiten einer Pressereform

339

Diese Bedenken richten sich allerdings nicht so sehr gegen den Vorschlag einer prozentualen Marktanteilsbegrenzung 1 0 3 ; denn m i t der Marktanteilsbegrenzung ist — i m Gegensatz zur Auflagenbegrenzung 104 — nicht eine absolute Begrenzung der Unternehmensgröße beabsichtigt, sondern sie soll lediglich verhindern, daß ein einzelnes Unternehmen gegenüber seinen Konkurrenten und damit auch gegenüber der Öffentlichkeit eine überragende Machtstellung erwirbt. Die Konzentration würde also durch eine Marktanteilsbegrenzung nicht aufgehalten, vorausgesetzt, es sind mehrere etwa gleich starke Konkurrenten auf dem Markt — eine Voraussetzung, an der es allerdings gerade i m Bereich der deutschen Tagespresse fehlt 1 0 5 . Die eigentliche Rechtfertigung einer Marktanteilsbegrenzung für Presseerzeugnisse liegt allerdings nicht auf wirtschaftlichem, sondern auf publizistischem Gebiet. Es geht u m die Frage der Sicherung der Meinungs- und Pressefreiheit, die durch einen übermächtigen Konzern i n mehrfacher Hinsicht gefährdet wird. Das Entstehen eines solchen Konzerns führt zu einer Minderung der publizistischen Vielfalt und schränkt dadurch die Informationsfreiheit des Bürgers, aber auch die Freiheit der öffentlichen Meinungsbildung ein; er bringt außerdem, allein durch die Faktizität seiner Machtstellung, andere Verlage und Journalisten sowie den Pressevertrieb i n Abhängigkeit. U m Vorkehrungen gegen diese Gefahren treffen zu können, braucht ein tatsächlicher Mißbrauch der Marktstellung nicht nachgewiesen zu werden 1 0 6 . Bei dem empfindlichen Rechtsgut der Meinungs- und Pressefreiheit — wo es dann, wenn die Freiheitsgefährdung konkret nachgewiesen werden kann, für einen korrigierenden Eingriff meist schon zu spät ist — muß bereits die Möglichkeit einer Gefährdung bzw. eines tatsächlichen Mißbrauchs genügen, u m Abwehrmaßnahmen zu legitimieren 1 0 7 . Verfassungsrechtlich läßt sich die Marktanteilsbegrenzung von einer institutionellen Sicht der Pressefreiheit aus als Maßnahme zum Schutz 108 Z u der rechtlichen Durchführbarkeit einer Marktanteilsbegrenzung vgl. die Untersuchung von Kühler-Simitis, JZ 1969, S. 445 ff. 104 Diese lehnt Ehmke (Pressereform, S. 102 f.) mit Recht als verfassungswidrig ab; differenzierend Heck , AfPR 8/1968, S. 703 f. los Darin v. a. unterscheidet sich die gegenwärtige deutsche Pressesituation von der des westlichen Auslands und der Weimarer Zeit; während vor 1933 in der deutschen Presse, ähnlich wie heute in England und den USA, mehrere etwa gleich große Pressekonzerne (von denen allerdings nicht einmal der Hugenberg-Konzern die heutige Größe des Springer-Verlags erreichte) miteinander konkurrierten, zeichnet sich die Presse der BRD dadurch aus, daß in ihr ein einziger großer Pressekonzern, nämlich der Springer- Verlag, die Presselandschaft beherrscht. 108 Dieses Argument wird insbesondere von Verlegerseite immer wieder vorgetragen; vgl. Stellungnahme Betz , in: Günther-Bericht, S. 51 f.; vgl. auch Tagungsbericht der 24. Arbeitstagung des Studienkreises für Presserecht und Pressefreiheit in Hamburg, JZ 1969, S. 84 ff. 107 Wie hier Kühler-Simitis, JZ 1969, S. 453 f. 2 *

340

3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

des „Instituts Freie Presse" ohne Schwierigkeiten rechtfertigen. Sieht man i n der Pressefreiheit auch ein Individualrecht, so ließe sich die Marktanteilsbegrenzung als Ergebnis einer Güterabwägung zwischen der individuellen Pressefreiheit des Verlegers und den über die Institution geschützten gesamtgesellschaftlichen Funktionen der Pressefreiheit legitimieren 1 0 8 . Trotz der fehlenden wissenschaftlichen Unterlagen über die Beziehungen zwischen den Kommunikationsmedien untereinander 1 0 9 , sollte die Einführung einer gesetzlichen Marktanteilsbegrenzung deswegen nicht aufgeschoben werden 1 1 0 . Die von der Günther-Kommission vorgeschlagenen Höchstgrenzen 111 bewegen sich i n einer Höhe, wo die Gefahren für die Pressefreiheit auf der Hand liegen. Da diese Margen zur Zeit noch von keinem deutschen Presseunternehmen erreicht werden, hätten sie lediglich eine Warnfunktion. U m eine differenziertere Regelung des Pressemarktes zu ermöglichen, wäre allerdings i n der Tat eine eingehende Untersuchung der damit zusammenhängenden Kommunikationsprobleme notwendig. b) Notwendigkeit

und Aufgabe

einer

Strukturreform

aa) Kompetenzabgrenzung Während die Marktanteilsbegrenzung lediglich eine Einzelmaßnahme zur Beseitigung einer besonders extremen Gefahr für die Pressefreiheit darstellt, zielen die Strukturvorschläge auf eine echte Reform des Pressewesens ab. Reichweite und Gewicht dieser Vorschläge sind allerdings sehr unterschiedlich. Derjenige Vorschlag, der gegenwärtig die größten Chancen der Verwirklichung hat, dafür aber auch die relativ geringsten Auswirkungen haben dürfte, ist die Kompetenzabgrenzung zwischen Verlag und Redaktion. A u f die Bedenken hinsichtlich der Tauglichkeit einer Kompetenzabgrenzung für die damit angestrebten Zwecke wurde bereits oben hingewiesen. Ist Ziel des Vorschlags die Gewährleistung eines individuellen Freiheitsraums für den einzelnen Redakteur, so darf sich die Kompetenzabgrenzung nicht allein auf das Verhältnis des Redakteurs los vgl. dazu i.e. Ehmke, Pressereform, S. 101 f.; Berger bei Studienkreis, oben Anm. 106. 109 Darauf weist u. a. Ehmke, Pressereform, S. 91 f., hin. 110 Ebenso Kubier-Simitis, JZ 1969, S. 449 f., 454; wenn sie sich jedoch von einer Wettbewerbsstärkung durch Wiederherstellung des Marktgleichgewichts auch eine Verbesserung der Markteintrittschancen erhoffen (vgl., a.a.O., S. 449), so dürfte dies angesichts der geschilderten tatsächlichen Situation und der allgemeinen Entwicklungstendenz im Pressewesen eine Wunschvorstellung bleiben. 111 Danach liegt die Grenze der Gefährdung der Pressefreiheit bei einem Anteil von 20 °/o, die Grenze der Beeinträchtigung bei einem Anteil von 40 °/o der Gesamtauflage eines Marktbereichs (Günther-Bericht, S. 45).

V I I . Aufgabe und Möglichkeiten einer Pressereform

341

zum Verleger beschränken, sondern müßte auch seine Stellung innerhalb der Redaktion einbeziehen. Geht es dagegen um die Abwehr sachfremder Einflüsse von der redaktionellen Tätigkeit, so läßt der Vorschlag der Kompetenzabgrenzung außer acht, daß sich nicht nur der Verleger, sondern auch der einzelne Redakteur selbst i n dem Geflecht kommerzieller Marktabhängigkeiten befindet. Darüber hinaus w i r d sich bei Aufrechterhaltung der bisherigen Unternehmensstruktur i m übrigen der Verleger letztlich immer als der wirtschaftlich und sozial Stärkere erweisen, von dem der Redakteur abhängig ist, und dem er sich daher i n einem wirklich ernsthaften Konfliktsfall zu beugen hat. bb) Mitbestimmungsmodelle Zumindest das letzte Bedenken entfällt bei einer Lösung, die die Redaktion an der Unternehmensleitung gleichberechtigt neben den Kapitaleignern beteiligt. Es stellt sich jedoch die Frage, ob über eine redaktionelle Mitbestimmung auch das andere Reformziel, nämlich die Befreiung der Presse aus sachfremden kommerziellen Marktabhängigkeiten, verwirklicht werden kann. Für die „Le Monde "-Lösung w i r d man hier differenzieren müssen. Bei dieser Unternehmenskonstruktion sind die einzelnen Presseunternehmen ihrer Rechtsform und Marktstellung nach privatnützige Kapitalgesellschaften, die sich von anderen Unternehmen dieser A r t lediglich dadurch abheben, daß an ihrem Gesellschaftskapital auch die Arbeitnehmer beteiligt sind. Die Redakteure erhalten dadurch eine publizistisch-unternehmerische Doppelfunktion. Sind ihre Kapitalanteile gewinnberechtigt, so führt dies dazu, daß sich m i t ihrer Arbeit unmittelbar eigene kommerzielle Interessen verbinden. Die bei der p r i v a t w i r t schaftlichen Pressestruktur bemängelte widersprüchliche Verbindung privater Interessen m i t der Erfüllung öffentlicher Aufgaben wäre damit vollkommen. Es dürfte dann nur noch eine Charakterfrage sein, ob sich i m Einzelfall das publizistische Verantwortungsbewußtsein gegenüber dem privaten Gewinninteresse durchzusetzen vermag. Sind die Kapitalanteile der Redakteure dagegen nicht gewinnberechtigt, sondern werden sie lediglich als Instrument einer systemkonformen Mitbestimmung i n einem privatwirtschaftlichen Presseunternehmen betrachtet — und das dürfte wohl bei den meisten französischen „sociétés de redacteurs" der Fall sein 1 1 2 , so wäre das Modell „Le Monde" lediglich ein Unterfall der allgemeinen Mitbestimmungsvorschläge. Der Mitbestimmungskomplex überschneidet sich i n mehrfacher H i n sicht m i t der bereits behandelten Frage der Kompetenzabgrenzung. 112

Vgl. Hébarre, Der Journalist 8/1967, S. 9.

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

Ähnlich wie bei der Kompetenzabgrenzung geht es auch den Anhängern der Mitbestimmungsidee darum, die publizistischen Interessen innerhalb des Zeitungsunternehmens gegenüber der kommerziellen Seite stärker zur Geltung zu bringen. Darüber hinaus sehen einige i n der redaktionellen Mitbestimmung auch einen Schritt zur Demokratisierung des Unternehmens, die innerhalb der Presse, wo die geistige Arbeit i m Mittelpunkt steht, zugleich Sicherung der Geistesfreiheit des einzelnen Journalisten bedeutet und daher anders zu verwirklichen ist als i n den übrigen Bereichen der Wirtschaft. Zur K r i t i k dieser Argumentation kann weitgehend auf das zur Kompetenzabgrenzung Gesagte verwiesen werden. Allerdings ist zuzugeben, daß der Mitbestimmungsgedanke eine weitaus umfassendere und die Probleme tiefer anpackende Konzeption darstellt als die Kompetenzabgrenzung und daher auch eher die Bezeichnung „Reform" verdient. Gleichwohl werden auch durch das Mitbestimmungskonzept die gegenüber der Kompetenzabgrenzung angemeldeten Bedenken nicht grundsätzlich ausgeräumt; denn i m Grunde w i r d m i t der Mitbestimmung dasselbe Ziel i n ähnlicher Weise, nur auf höherer Ebene, angestrebt, indem den Redakteuren ein über den redaktionellen Bereich hinausgehendes Mitentscheidungsrecht i n allen Angelegenheiten des Unternehmens eingeräumt wird. Da aber an der Struktur des Pressewesens i m ganzen durch die Mitbestimmung nichts geändert wird, führt dies dazu, daß die Redakteure noch unmittelbarer als durch ihre bloße redaktionelle Tätigkeit i n das Markt- und Wettbewerbsgeschehen einbezogen und von dieser Erfahrung her möglicherweise wiederum i n ihrer redaktionellen Arbeit beeinflußt werden. Sieht man, wie i n der vorliegenden Arbeit, die Hauptsache der gegenwärtigen Presseprobleme i n eben dieser erwerbswirtschaftlichen Wettbewerbsstruktur der Presse, so w i r d durch die Mitbestimmung allein an diesen Ursachen letztlich überhaupt nichts geändert 1 1 8 . Es kann zwar durchaus sein, daß die Re113

Diese Bedenken gelten auch für den Gesetzentwurf des RC Berlin. Der Entwurf stößt darüber hinaus auf folgende Einwände: Eine Enteignung von Pressebetrieben nach dem Modell des Entwurfs ist verfassungswidrig, da sie die betreffenden Presseunternehmen in staatliche Hand bringt (so auch Ehmke, Pressereform, S. 101, Anm. 76); diese Bedenken könnten allerdings behoben werden, wenn mit der Durchführung der Enteignung gesellschaftliche Gremien beauftragt würden; verfassungsrechtlich bedenklich ist auch die vorgeschlagene Auflagenbegrenzung, durch die die Informationsfreiheit des Bürgers beschnitten würde (so auch Ehmke, a.a.O., S. 102 f.). Praktische Bedenken richten sich gegen die Durchführbarkeit der Reprivatisierung enteigneter Unternehmen, die auch kaum zu dem von den Initiatoren des Entwurfs erwarteten Ergebnis führen dürfte. Der Vorschlag einer Anzeigengenossenschaft mit Zwangsmitgliedschaft orientiert sich an längst überholten Vorbildern und hebt zudem nicht einmal die Abhängigkeit von den Anzeigenkunden auf, da diesen die Möglichkeit belassen werden soll, ihre Anzeigenaufträge nach eigener Wahl zu vergeben und die Einnahmen ganz überwiegend der beauftragten Zeitung zufließen sollen.

V I I . Aufgabe und Möglichkeiten einer Pressereform

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dakteure, besonders wenn sie nicht unmittelbar am Gewinn des Unternehmens beteiligt sind, bei ihrer Mitbestimmungstätigkeit stärker, als es vom Verleger zu erwarten wäre, die publizistischen Interessen und damit auch die „öffentliche Aufgabe" der Presse zur Geltung bringen. Dies könnte jedoch allenfalls zu einer gewissen Abschwächung, nicht aber zu einer völligen Aufhebung des dem privatwirtschaftlichen Pressewesen inhärenten Widerspruchs zwischen privaten und öffentlichen Interessen führen. Umgekehrt ist aber auch — und zwar vor allem bei der Massenpresse — denkbar, daß die Redakteure durch die Mitbestimmung noch stärker und unmerklicher als bisher i n das „System" integriert werden und sich seine Gesetzmäßigkeiten bewußtseinsmäßig zu eigen machen. Für die Mitbestimmung gilt ganz allgemein das folgende: Sie ist wesentliche Voraussetzung einer Demokratisierung und Humanisierung der Arbeit, aber gegenüber der Wirtschaftsstruktur als solcher grundsätzlich wertneutral. Gleich ob kapitalistische oder sozialistische W i r t schaftsordnung, privatwirtschaftliches oder am Gemeinwohl orientiertes Pressewesen, das Problem der Mitbestimmung stellt sich i m Prinzip unabhängig davon, ist aber i m Hinblick auf die Belange der Gesamtgesellschaft gegenüber diesen Grundfragen nur sekundär. Versucht man, die Mitbestimmung über eine als persönliches Eigentum behandelte Kapitalbeteiligung zu erreichen, so besteht die Gefahr, daß dadurch die Entscheidung über die Grundstruktur der Presse zugunsten der bestehenden Ordnung präjudiziert und damit die Problembewältigung noch mehr erschwert wird. I n den Bereichen der Presse allerdings, i n denen die privatwirtschaftliche Wettbewerbsstruktur i m ganzen gesehen als noch funktionsfähig angesehen werden kann, nämlich der Buchpresse und Teilen der Zeitschriftenpresse, ist die Mitbestimmung der Redakteure eine sinnvolle und wünschenswerte Reformmaßnahme. Ob die Mitbestimmung durch eine Beschränkung der Eigentumsrechte oder aber umgekehrt durch die Einräumung eines Eigentumsanteils an die Redakteure ohne persönliche Gewinnbeteiligung verwirklicht wird, ist eine mehr technisch-sekundäre Frage. A u f jeden F a l l muß die M i t bestimmung der Redakteure als spezifisches Problem der Presse erkannt werden, das daher auch eine andere Lösung verlangt als i n der übrigen Wirtschaft. Es geht dabei nicht nur u m die allgemeinen Ziele der Demokratisierung und Humanisierung der Arbeit, sondern die M i t bestimmung i m Pressebereich soll darüber hinaus i n besonderer Weise dem Schutz der Geistesfreiheit der Journalisten und schließlich ganz allgemein der besseren Erfüllung der „öffentlichen Aufgabe" der Presse dienen.

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

cc) Der Stiftungsvorschlag Während die Mitbestimmungsidee eine lediglich auf die innere Unternehmensverfassung bezogene, i m übrigen systemneutrale Konzeption darstellt, zielt der Stiftungsvorschlag i n seiner Konseqenz auf eine fundamentale Veränderung der gegenwärtigen Pressestruktur. Stiftungsunternehmen sind selbständige, von einzelnen Privatpersonen losgelöste Rechtspersönlichkeiten m i t dauernder, bestimmter Zweckbindung. Die Verfolgung rein privater Gewinninteressen ist m i t der Rechtsform der Stiftung regelmäßig nicht vereinbar. Allerdings braucht der Stiftungszweck nicht i m steuerrechtlichen Sinne gemeinnützig zu sein, wenn dies auch i n der Praxis die Regel sein dürfte. Grundsätzliche K r i t i k an dem Stiftungsvorschlag wurde bisher fast ausschließlich nur aus Pressekreisen selbst vorgetragen 114 . Die Argumente der K r i t i k e r bestehen i m wesentlichen i m Hinweis auf die Gefahr eines „Proporzsystems" wie bei den Rundfunk- und Fernsehanstalten, dem angeblichen Fehlen einer obersten Instanz, die letztlich verbindliche Entscheidungen trifft, sowie verfassungsrechtlichen Bedenken i m Hinblick auf die staatliche Stiftungsaussicht 115 und auf Art. 12, 14 GG. Verfassungsrechtliche Einwendungen aus A r t . 12 und 14 GG wären allenfalls dann begründet, wenn die Rechtsform der Stiftung durch Gesetz für alle Presse- bzw. Zeitungsunternehmen vorgeschrieben würde; diese Möglichkeit ist weiter unten näher zu behandeln. Dagegen sind die Bedenken hinsichtlich der staatlichen Stiftungsaufsicht auch dann begründet, wenn die Rechtsform der Stiftung nur fakultativ wäre. Die staatlichen Befugnisse gegenüber Stiftungen beschränken sich zwar i m allgemeinen auf eine bloße Rechtsauf sieht; sie können jedoch unter den Voraussetzungen des § 87 BGB zu einer echten materiellen Einwirkungs- und Gestaltungsbefugnis des Staates bezüglich Satzung und Zweckbestimmung der Stiftung erstarken. Wenn der Staat dadurch die Möglichkeit erhielte, nach freiem Belieben materiellen Einfluß auch auf den Kommunikationsvorgang selbst zu nehmen, wäre die Rechtsform der Stiftung für Presseunternehmen verfassungsrechtlich unzulässig. Dies wäre dann der Fall, wenn der Staat ohne bestimmte rechtliche Bindungen den Stiftungszweck nach eigenem Ermessen abändern könnte. Bei verfassungskonformer Auslegung lassen sich jedoch aus § 87 BGB bzw. unmittelbar aus dem Grundgesetz selbst klare und verbindliche Richtlinien für die Ausübung der staatlichen Gestaltungsbefugnis finden, die der Aufsichtsbehörde keinen Ermessensspielraum belassen. Eine solche Richtlinie enthält einmal § 87 Abs. 2 BGB selbst, wo be114 Vgl. Meyne, Der Journalist 6/1967, S. 6; Vogel und Ulrich, Der Journalist 10/1968. 115

Diese Bedenken werden von Ehmke (Pressereform, S. 105) geteilt.

V I I . Aufgabe und Möglichkeiten einer Pressereform

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stimmt ist, daß bei der Zweckänderung „die Absicht des Stifters tunlichst zu berücksichtigen" sei. Diese Vorschrift ist so auszulegen, daß die Stiftungsbehörde i. S. des Gebots des „denkbar geringsten Eingriffs" Änderungen am Stiftungszweck bzw. der Satzung nur i n der Weise und i n dem Umfang vornehmen darf, daß die Erfüllung des Stiftungszwecks unter größtmöglicher Beachtung des Stifterwillens „gerade noch" (wieder) möglich bzw. zulässig wird. Ist eine Zweckänderung i n dieser Weise nicht möglich, so gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder ist die Stiftung aufzulösen, oder aber muß die Stiftungsbehörde selbst eine neue Zweckbestimmung vornehmen, wobei es für sie als staatliche Behörde nur eine einzige Richtlinie geben kann, nämlich die grundsätzliche Staatszielbestimmung des freiheitlich-demokratischen, sozialen Rechtsstaats. A l l e i n das Eintreten für diesen Grundsatz könnte die Stiftungsbehörde von sich aus als neuen Stiftungszweck festsetzen. Die Beachtung dieser Grundsätze könnte von den Gerichten auf Antrag des Stifters bzw. der Stiftung überprüft werden. Legt man § 87 BGB i n dieser verfassungskonformen Weise aus, so ist die staatliche Stiftungsaufsicht kein Hindernis mehr für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines Presse-Stiftungsunternehmens. A n die Verfechter der Stiftungsidee ist nun jedoch die Frage zu richten, ob die Stiftung die oben skizzierten Erwartungen, die m i t einer Pressereform verknüpft sind, auch tatsächlich zu erfüllen vermag. Es geht also, kurz gesagt, darum, ob die Stiftung Modell für ein Presseunternehmen m i t freiheitlich-demokratischer Struktur sein kann. Die entscheidenden Kriterien dafür sind: Freiheit der inhaltlichen Gestaltung der Zeitung von sachfremden kommerziellen Einflüssen; i n den bereits stark monopolisierten Pressebereichen, insbesondere der Tagespresse, außerdem Freiheit des einzelnen Redakteurs, u m so — eventuell i n Verbindung m i t geeigneten anderen institutionellen Maßnahmen — eine demokratische Meinungsvielfalt innerhalb der Zeitung zu gewährleisten. Wenn bisher immer nur ganz allgemein von der Rechtsform der Stiftung geschrieben wurde, so ist nun, wo sich die Untersuchung der Frage der tatsächlichen Verwirklichung dieser Idee zuwendet, zu differenzieren. Die Errichtung einer Stiftung ist — organisatorisch gesehen — i m Bereich der Wirtschaft bzw. Presse i n zweifacher Weise möglich: Es kann entweder das Unternehmen selbst als wirtschaftliche Einheit die Rechtsform der Stiftung erhalten 1 1 6 und wäre damit i n seiner Tätigkeit an den Stiftungszweck gebunden; die Stiftung kann jedoch auch eine von einem bestimmten Wirtschafts- bzw. Presseunternehmen rechtlich selbständige Identität besitzen und lediglich Trägerin von Kapital116

Ein Beispiel dafür ist die Carl-Zeiß-Stiftung.

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

anteilen an derartigen Unternehmen sein. I m letzteren Fall, der dem FAZ-Modell entspricht 1 1 7 , stünde nur die Verwendung der Gewinnanteile, nicht aber die Unternehmenstätigkeit selbst unter dem Stiftungszweck. I m folgenden ist nur die Zeitungsstiftung i m eigentlichen Sinne, wo also das Zeitungsunternehmen selbst die Rechtsform der Stiftung besitzt, von Interesse. Eine weitere Differenzierung ist danach möglich, ob der Stiftungszweck gemeinnützig ist („milde Stiftung") oder nicht. Diese Unterscheidung ist jedoch i m Lichte der hier erörterten Fragestellung ohne wesentliche Bedeutung, und zwar aus folgendem Grund: Für eine Zeitungsstiftung ist allein ausschlaggebend, ob sich ihr Stiftungszweck m i t der „öffentlichen Aufgabe" der Presse deckt. Nach der i n dieser Arbeit vertretenen Auffassung besteht die „öffentliche Aufgabe" i. e. S. i n der M i t w i r k u n g der Presse an der politischen Meinungs- und Willensbildung des Volkes; diese geschieht, insbesondere i m Bereich der Tagespresse, durch eine objektive und umfassende Information über alle politisch bedeutsamen Vorgänge und durch Darstellung aller relevanten Meinungsgruppierungen innerhalb der Gesellschaft. Der Zweck einer Stiftung kann demgegenüber, auch wenn er gemeinnützig ist 1 1 8 , i n ganz andere Richtung gehen: Denkbar sind z. B. kulturelle, religiöse und pädagogische Zwecke; die staatsbürgerliche Bildung und Unterrichtung ist nur einer unter vielen i n Betracht kommenden Gesichtspunkten. Dabei ist — speziell i m Hinblick auf Zeitungsstiftungen — nicht einmal die einseitige Vertretung einer ganz bestimmten Meinung ausgeschlossen. Überläßt man die Gründung von Zeitungsstiftungen und die Festsetzung des Stiftungszwecks der Privatinitiative, so w i r d demnach den individuellsten Eigenheiten freier Raum gelassen. Eine ähnliche Freiheit hat der Stifter auch bei der Ausgestaltung der betriebsinternen Struktur des Stiftungsunternehmens. K r a f t der stiftungsrechtlichen Privatautonomie kann er der Stiftung eine demokratische Verfassung m i t Mitwirkungsrechten der Redakteure, aber auch eine „diktatorische" Verfassung geben. Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich die Bildung eines Vorstands (§ 86 BGB), dessen Zusammensetzung wiederum dem Willen des Stifters anheimgestellt ist. I m Rahmen des geltenden Stiftungsrechts wäre der einzige Vorteil der Rechtsform der Stiftung für Zeitungsunternehmen, daß die Stiftung von ihrer Zweckbindung her fremdnützig zu sein hätte, also keine rein persönlichen Gewinninteressen verfolgen dürfte, und daß der Unter117 Es soll hier jedoch nochmals darauf hingewiesen werden, daß die FazitStiftung keine Stiftung im Rechtssinne, sondern eine gemeinnützige Zwecke verfolgende G m b H ist. 118

Vgl. §§ 17 ff. Steueranpassungsgesetz.

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nehmenszweck, d. h. die geistige Richtung der Zeitung und die Verwendung ihrer Einnahmen, ein für allemal verbindlich festgelegt werden müßte, also Dispositionen Dritter entzogen wäre. Eine Stärkung der publizistisch-redaktionellen Seite des Unternehmens dürfte daraus wohl in gewissem Umfang zu erwarten sein. Dennoch ist auch ein Stiftungsunternehmen keineswegs ganz von kommerziellen Abhängigkeiten und Rücksichtnahmen befreit, solange es i n die Marktbeziehungen eingeordnet ist und sich den Spielregeln des Marktes zu unterwerfen hat. Diese Abhängigkeiten würden allerdings weitgehend entfallen bzw. eine andere Form annehmen, wenn sämtliche Unternehmen eines bestimmten Pressebereichs Stiftungscharakter hätten. Auch dann wäre zwar der Wettbewerb nicht ausgeschaltet, er würde jedoch nicht mehr von privaten, auf persönlichen Gewinn ausgerichteten Unternehmen diktiert, sondern wäre, da das persönliche Gewinnmotiv fehlt, vermutlich stärker auf publizistische Leistungskriterien hin orientiert. Es erhebt sich daher die Frage, ob der Gesetzgeber die Rechtsform der Stiftung für Zeitungsunternehmen zwingend vorschreiben, d. h. ein Stiftungsmonopol verordnen darf. Wenn der Gesetzgeber schon i n dieser Richtung aktiv werden sollte, wäre er vor die weitere Frage gestellt, ob das bestehende Stiftungsrecht den Bedürfnissen der Presse angepaßt ist, oder ob er nicht eine pressespezifische Stiftungsform, die an den Kriterien der „öffentlichen Aufgabe" der Presse orientiert wäre, zu schaffen hätte. Die zweite Frage stellen, heißt nach den obigen Ausführungen, sie m i t ja beantworten. W i r d schon ganz allgemein von vielen Fachleuten das Fehlen eines bundeseinheitlichen, den modernen Bedürfnissen angepaßten Stiftungsrechts bedauert, so gilt dies i n ganz besonderem Maße für die Pressestiftung. Dieses neu zu schaffende Stiftungsrecht müßte einerseits den Anforderungen moderner Unternehmensführung Rechnung tragen, andererseits aber ganz klar den Sondercharakter eines Presseunternehmens, dessen „Ware" geistig-publizistischer Natur ist und eine öffentliche Funktion erfüllt, herausarbeiten. I n einem solchen Stiftungsgesetz für Presseunternehmen könnten alle vorstehend erörterten Kriterien, die zusammengenommen die freiheitlich-demokratische Struktur der Presse bilden, verankert werden, nämlich: Abgestufte Mitbestimmung für Redakteure und sonstige Belegschaftsmitglieder sowie innerbetriebliche Pluralität, die durch eine entsprechende Zusammensetzung der Stiftungsgremien, z. B. durch Beiordnung eines Kuratoriums aus Repräsentanten der gesellschaftlichen Gruppen, gesichert werden könnte. Stellung und Zusammensetzung dieses Kuratoriums könnte i n Anlehnung an den Vorschlag von Glotz geregelt werden: Die Mitglieder werden von den betreffenden Gruppen — auf der

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Grundlage verbandsinterner Wahlen — unmittelbar delegiert 1 1 9 und das Kuratorium müßte außerhalb des eigentlichen Unternehmens stehen und dürfte keine Möglichkeit haben, i n die laufende redaktionelle Arbeit unmittelbar einzugreifen. Seine Befugnisse dürften über ein bloßes Einspruchsrecht i n besonders wichtigen, v. a. personellen Fragen, nicht hinausgehen; noch besser wäre eine Beschränkung auf ein bloßes Kontrollrecht. Als Sanktionen zur Durchsetzung dieser Richtlinien, die von dem Kuratorium zu verhängen wären, kämen die von Glotz vorgeschlagenen Maßnahmen indirekter Art, z. B. Entzug staatlicher Vergünstigungen, insbesondere von Subventionen, i n Betracht. Dann könnte auch die aus obrigkeitlicher Zeit stammende staatliche Stiftungsaufsicht abgeschafft werden; die notwendige öffentliche Kontrolle 1 2 0 würde über das Kuratorium von der Gesellschaft selbst wahrgenommen. Umgekehrt könnte durch die Gewährung von Vergünstigungen für Stiftungsunternehmen ein Anreiz zur Gründung von Pressestiftungen geschaffen werden. Es stellt sich nun die Frage, ob diese neue stiftungsrechtliche Unternehmensform für die Presse insgesamt oder einen bestimmten Teilbereich von ihr zwingend gesetzlich vorgeschrieben werden darf. A r t . 5 GG stünde nach der hier vertretenen institutionellen Auffassung nicht entgegen. Die Umwandlung der Presseunternehmen i n Stiftungen würde vielmehr umgekehrt gerade den Schutz der Pressefreiheit bezwecken und wäre — zumindest i m Bereich der heute schon ein Oligopol bildenden und einem starken Monopolisierungsdruck unterworfenen Tagespresse — auch zur Sicherung der Pressefreiheit erforderlich 1 2 1 . Der Beruf des erwerbswirtschaftlich tätigen Verlegers würde zwar abgeschafft; diese Maßnahme wäre jedoch ebenfalls durch ihren Zweck, nämlich die Sicherung des überragenden Gemeinschaftguts „Pressefreiheit", gerechtfertigt. Dasselbe gilt für A r t . 14, sofern die Eigentümer der betroffenen Presseunternehmen, deren private Eigentumsrechte abgeschafft würden, für ihren Verlust gemäß Art. 14 I I I eine Entschädigung erhielten. A m problematischsten ist A r t . 10 EurMRK, der ein staatliches Genehmigungsverfahren für die Gründung von Presseunternehmen verbietet. 119 Grundsätze für die Auswahl der Mitglieder i. e. werden unten im Zusammenhang mit der Rechtsform der öffentlich-rechtlichen Anstalt eingehend erörtert. 120 Cron (Der Journalist 4/1967, S. 2 f.) bejaht unter gewissen Voraussetzungen ebenfalls eine öffentliche Kontrolle nach dem Muster der Rundfunkanstalten in einer „den besonderen Bedingungen der Presse gemäßen Form", ohne diese Bedingungen jedoch näher zu definieren. 121 Anders Ehmke (Pressereform, S. 105), der bei Bejahung einer individuellen Pressefreiheit des Verlegers die allgemeine Überführung des Pressewesens in die Rechtsform der Stiftung als unvereinbar mit Art. 5 I, 2 GG ansieht.

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I m Rahmen des bestehenden Stiftungsrechts, wonach die Stiftung zu ihrer Entstehung der behördlichen Genehmigung bedarf (§ 80 BGB), wäre eine Beschränkung auf die Rechtsform der Stiftung m i t der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht vereinbar. Nach dem hier vertretenen Vorschlag würde die staatliche Stiftungsaufsicht und -genehmigung jedoch entfallen. Die Gründung von Pressestiftungen und die Mitarbeit i n ihnen stünde jedermann frei. Lediglich die innere Struktur der Unternehmen wäre an bestimmte gesetzliche Voraussetzungen gebunden, die sich jedoch i m Grundsatz von den gesetzlichen Bindungen anderer Gesellschaftsformen nicht unterscheiden. Auch die vorgeschlagene Zweckbindung wäre weder nach dem Grundgesetz noch nach der Europäischen Menschenrechtskonvention zu beanstanden, denn sie dient allein der Verwirklichung der Pressefreiheit und würde auch weder über ein staatliches Genehmigungsverfahren noch einen direkten Eingriff des Staates, sondern lediglich über die skizzierten Maßnahmen institutioneller A r t durchgesetzt werden. Trotz dieser zweifellos weitgehenden rechtlichen Einschränkungen der Privatautonomie des Stifters, verbliebe diesem doch noch ein gewisser Gestaltungsraum, und zwar sowohl hinsichtlich der inneren Unternehmensverfassung als auch i m Hinblick auf die Verwendung der Gewinne. I m Kern geht es bei dem Stiftungsvorschlag letztlich nur um die Abschaffung des Privateigentums und die damit verbundene private Verfügungsbefugnis über Presseunternehmen. Aber weder das Grundgesetz noch die Europäische Menschenrechtskonvention enthalten eine Garantie dafür, seine Meinung gewerbsmäßig und m i t Gewinnabsicht verbreiten zu dürfen 1 2 2 . Einem gesetzlichen Stiftungsmonopol für Presseunternehmen stünde somit verfassungsrechtlich kein grundsätzliches Hindernis entgegen. dd) öffentlich-rechtliche Zeitungsanstalten I n engem Zusammenhang m i t dem vorstehend skizzierten Stiftungsmodell steht der Vorschlag der öffentlich-rechtlichen Zeitungsanstalt. Der Unterschied liegt i m wesentlichen darin, daß eine Stiftung aufgrund privater Initiative ins Leben gerufen w i r d und der Stifter innerhalb des gesetzlichen Rahmens die Möglichkeit hat, Zweck und Organisation seiner Stiftung frei zu bestimmen, während öffentlich-rechtliche Zeitungsunternehmen auf Veranlassung des Staates gegründet würden und ihre Organisation und Zweckbestimmung unmittelbar gesetzlich verankert sein muß. Wichtigste Gemeinsamkeit zwischen beiden Unternehmensarten wären ihre Unabhängigkeit von privaten kommerziellen Interessen, überhaupt ihr selbständiger „Anstalts"-Charakter, kraft dessen sie vom W i l len bestimmter Privatpersonen losgelöst sind, sowie ihre Unterstellung 122

So mit Recht Henrich, Die Feder 6/1968, S. 5.

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

unter eine öffentliche, von gesellschaftlichen Kräften getragene Leitung bzw. Kontrolle. Auch bei öffentlich-rechtlichen Medien ist diese gesellschaftliche Leitung und Kontrolle unerläßlich, denn lediglich ein am Wohlfahrtsstaat obrigkeitlicher Prägung orientiertes idealistisches Staatsdenken kann der Überzeugung sein, „der Staat" sei per se neutral und nur „am Gemeinwohl orientiert" 1 2 3 und „jegliche staatliche Herrschaft ihrem Wesen nach dem Wohl der Beherrschten, nicht dem Wohle der Herrscher gewidmet" 1 2 4 . Die Entstehung der Parteiendemokratie ist an dieser Lehre offensichtlich spurlos vorübergegangen 125 . Bei Stiftungsunternehmen wie bei öffentlich-rechtlichen Zeitungsanstalten sollten Redaktion und Verlag und möglichst auch die Druckerei i n dieser Rechtsform als Unternehmenseinheit zusammengefaßt werden. Würde die Redaktion herausgelöst und allein i n einer dieser Rechtsformen organisiert werden, so bestünde die Gefahr erneuter Abhängigkeiten und Einflußmöglichkeiten von privater Seite; außerdem würden sich nur schwer lösbare vermögensrechtliche Probleme ergeben, da die Redaktion selbst ja sich finanziell nicht allein tragen kann. Das Hauptproblem derartiger öffentlich-rechtlicher Zeitungsanstalten, an dem sich auch die stärkste K r i t i k entzündet, ist die Frage ihrer Struktur. Nach den bisherigen Ausführungen, die sich insoweit dem Fernsehurteil des BVerfG anschließen, bedarf es keines besonderen Hinweises mehr darauf, daß Veranstalter (im materiellen Sinn) dieser öffentlich-rechtlichen Zeitungsunternehmen nicht der Staat, sondern nur die Gesellschaft selbst über ihre verschiedenen Gruppen sein kann. Die Zusammensetzung der maßgebenden Gremien kann i n Anlehnung an das Beispiel der Rundfunk- und Fernsehräte erfolgen, wobei allerdings sorgfältig zwischen den verschiedenen Anstaltsmodellen zu unterscheiden ist 1 2 6 . Grundprinzip muß das Leitbild einer freiheitlich-demokratischen Presse sein. Daraus leiten sich als wichtigste Forderungen das Gebot der unbedingten „Staatsfreiheit" (im materiellen Sinn) und der Pluralität her. Staatsfreiheit kann i n der heutigen Parteiendemokratie nicht mehr nur auf den institutionalisierten Staat als Hoheitsträger bezogen sein. I m unmittelbaren Vorfeld des Staates befinden sich heute auch die Parteien, die erst den politischen „Willen des Staates" formen und die über ihre Parlamentsfraktionen direkten A n t e i l an der staatlichen Macht besitzen. Sie sind Teil des „government", das zu kontrol123

Bettermann, DVB1. 1963, S. 41 ff. Krüger, Massenmedien, S. 72. 125 Vgl. dazu die Kritik bei Lenz, JZ 1963, S. 338 ff. 128 Herzog (Art. 5, Rz. 227) wirft zu Recht dem BVerfG vor, daß es im Fernsehurteil diese differenzierende Analyse unterlassen hat, wodurch der Eindruck entstehen kann, als sei es dem Gericht nur um die pauschale Legitimierung der bestehenden Rundfunk- und Fernsehanstalten gegangen. 124

V I I . Aufgabe und Möglichkeiten einer Pressereform

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lieren und kritisieren Aufgabe der Presse ist. U m diese K o n t r o l l f u n k tion wahrnehmen zu können, darf die Presse unter keinen Umständen unter maßgebenden Einfluß der politisch-staatlichen Machtträger, einschließlich der Regierungsparteien, geraten. Es ist daher unabdingbare Voraussetzung eines freien Kommunikationswesens, daß Regierung und die sie tragenden Parteien zusammengenommen i n keinem der am Rundfunk- und Pressewesen beteiligten Gremien, soweit sie irgendeinen Einfluß auf den eigentlichen Kommunikationsvorgang nehmen können, eine dominierende Machtstellung erhalten dürfen. Dabei ist zu beachten, daß staatlicher Einfluß nicht n u r über eine unmittelbare Repräsentanz staatlicher Vertreter, sondern auch dadurch ermöglicht werden kann, daß die gesellschaftlichen Gruppenvertreter von Staatsorganen berufen werden 1 2 7 . Auch wenn dabei den Gruppen ein V o r schlagsrecht zugebilligt wird, liegt die Gefahr nahe, daß unter dem Mantel des „Sachverstands" der Berufenen politische Bindungen verschleiert werden. Aus dem zweiten Grundprinzip, der Pluralität, folgt, daß die zu schaffenden Gremien eine Repräsentanz der verschiedenen (insbesondere politisch) meinungsbildenden Gruppen der Gesellschaft darstellen müssen. Diese Forderung impliziert allerdings zwei letztlich kaum ganz befriedigend zu lösende Probleme: Welche Gruppen haben Anspruch auf Repräsentanz und wonach soll die Stärke der jeweiligen Repräsentanz bemessen werden? Es ist klar, daß nicht alle meinungsbildenden gesellschaftlichen Gruppen i n diesen Gremien vertreten sein können. Es muß schon aus praktischen Gründen eine Auswahl getroffen werden. Eine einigermaßen befriedigende Lösung kann w o h l nur dann gefunden werden, wenn man zwischen der personellen Repräsentanz und der Meinungsrepräsentanz unterscheidet. Die Publizierung ihrer Meinung muß jeder auch nur irgendwie relevanten Gruppe möglich sein. Personelle Repräsentanz können dagegen nur die wichtigsten Gruppen der Gesellschaft für sich i n Anspruch nehmen. F ü r ihre Auswahl kommen nur formale K r i t e r i e n i n Betracht, da — abgesehen von dem Verbot verfassungsfeindlicher Gruppen — inhaltliche Maßstäbe dem Grundgesetz nicht zu entnehmen sind, und da der Staat selbst i n politischweltanschaulicher Hinsicht neutral zu sein hat. Den bisher überzeugendsten, wenn auch immer noch einen Unsicherheitsspielraum enthaltenden Vorschlag für die Gruppenauswahl hat Lenz 128 gemacht: Nach i h m soll 127

Wie bei den Rundfunk- und Fernsehanstalten jüngeren Datums, worauf insbesondere Jank (DVB1. 63, S. 44 ff.) hinweist; dieser Unterschied wird von Lenz (JZ 63, S. 347) zu Unrecht bagatellisiert. Es kommt wohl nicht von ungefähr, daß beim ZDF, wo der Regierungseinfluß bei Personalentscheidungen am stärksten ist, der Anteil der politischen Sendungen am Gesamtprogramm geringer und ihr Inhalt im ganzen weniger kritisch ist als bei den Sendern der ARD. 128 JZ 1963, S. 344 ff.

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

K r i t e r i u m für den Repräsentationsanspruch einer Gruppe das Maß ihres Engagements bei der öffentlichen Meinungsbildung einerseits sowie — i m Anschluß an Ridder — der Nachweis ihrer demokratischen Struktur andererseits sein. Hinsichtlich der Stärke der jeweiligen Gruppenrepräsentanz ist der funktionale Unterschied zwischen dem Bereich der Meinungsbildung und dem der politischen Entscheidung zu beachten. I m Meinungsbildungssektor, zu dem auch die Kommunikationsmedien zählen, gilt der Grundsatz der Chancengleichheit, wonach auch Minderheitsgruppen die Möglichkeit gegeben sein muß, ihre Meinung i n effektiver Weise zum Ausdruck zu bringen und die Mehrheit von der Richtigkeit ihrer Argumente zu überzeugen. Dies aber setzt voraus, daß die Gewichtsverteilung innerhalb der Kommunikationsmedien, auch i n ihren maßgeblichen Beschlußgremien, nicht lediglich eine proportionale Widerspiegelung der bestehenden Kräfteverteilung sein darf, denn andernfalls wäre die Kommunikation i n diesen Medien nur Selbstdarstellung der heutigen Gesellschaft und ihrer Verhältnisse, die zu einer Verhärtung der bestehenden Fronten, nicht zu einem i n die Zukunft hin offenen Meinungswettstreit führt; anders ausgedrückt: Die Repräsentation i m Kommunikationsbereich darf nicht am B i l d einer formierten, sondern muß an der Perspektive einer offenen, sich wandelnden Gesellschaft orientiert sein. Die Problematik der Gruppenauswahl w i r d dann entschärft, wenn die Räte nicht als partikuläre Interessenvertretungen, sondern als nicht weisungsgebundene Repräsentanten der Gesamtgesellschaft 129 fungieren, die sich zudem intern wieder selbst gegenseitig kontrollieren. Unter diesem machtausgleichenden „Dach" müssen die Redaktionen völlige Freiheit innerhalb des gesetzlich bzw. satzungsmäßig abgesteckten Rahmens besitzen. Bei den redaktionellen Personalentscheidungen selbst sollte der Gesichtspunkt der Gruppenrepräsentation gegenüber dem journalistischen Können i n den Hintergrund treten, denn die Tätigkeit der Redaktion hat unter dem Gebot vollständiger Offenheit und Pluralität zu stehen. Dieser Vorschlag dürfte dann akzeptabel erscheinen, wenn man den Journalisten nicht als Propagandisten seiner eigenen oder fremder Ideen, sondern als Träger eines „öffentlichen Amtes" erkennt, dessen Hauptaufgabe darin besteht, unparteiisch Bericht zu erstatten und zu erläutern, und der damit eine Dienstleistungsfunktion für die Gesamtgesellschaft erfüllt. 129 So ist auch die Stellung der Rundfunkräte nach den geltenden Rundfunkgesetzen; hierin liegt ein allgemeines Grundprinzip der Repräsentationsidee, das in Art. 38 I GG für den politischen Bereich speziellen verfassungsrechtlichen Ausdruck gefunden hat.

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Aus den vorerwähnten Grundsätzen folgt für die Programmgestaltung der Kommunikationsmedien selbst, daß weder eine statistische Repräsentanz der verschiedenen Meinungsgruppen- noch ein möglichst allen Gruppen zugleich gerecht werdender „Einheitsbrei" das Ziel sein darf. Der Grundsatz der Neutralität gilt nur für die Anstalt als solche — sie ist nicht selbst Faktor, sondern nur Medium der öffentlichen Meinungsbildung —, nicht dagegen für den einzelnen Meinungsbeitrag. Der Kommunikation einer offenen, zum Wandel bereiten, freiheitlichen Demokratie entspricht nur das Modell des öffentlichen Meinungsaustauschs i n Rede und Gegenrede. Der der „Opposition" (im untechnischen Sinne) zustehende Raum bemißt sich daher nicht nach der zahlenmäßigen Stärke der sie jeweils tragenden Gruppe, sondern allein nach dem von der Gegenseite beanspruchten Raum und dem (nach journalistischen Grundsätzen zu bemessenden) Gewicht ihrer beiderseitigen Argumente. U m dieses Leitbild i n der Praxis durchzusetzen, genügt nicht die bloße Aufstellung von Richtlinien, auch nicht die repressive nachträgliche Kontrolle 1 3 0 . Entscheidend ist vielmehr die Personalpolitik. Daher muß bei öffentlich-rechtlichen Presse- wie Rundfunkanstalten den gesellschaftichen Räten ein Mit-Entscheidungsrecht (neben der Redaktion) bei der Besetzung der maßgebenden Personalstellen eingeräumt werden 1 3 1 . Bei diesen Personalentscheidungen allerdings ist — ähnlich wie bei der Zusammensetzung der Redaktionen selbst — die Wahl eines unabhängigen, nicht direkt gruppengebundenen, aber dennoch engagierten Mannes, der ausgleichend wirken kann und der das Vertrauen aller Gruppen besitzt, durchaus zu begrüßen. Der durch den Gruppenpluralismus erzwungene Kompromiß kann die Wahl eines solchen Mannes sogar möglicherweise begünstigen. I m Gegensatz zu der Rechtsform der Stiftung ist ein Monopol von öffentlich-rechtlichen Anstalten für die Presse insgesamt oder einen geschlossenen Teilbereich i n ihr unzulässig. Da die Errichtung derartiger Anstalten notwendigerweise eines staatlichen Hoheitsaktes bedarf, würde ein Anstaltsmonopol gegen A r t . 10 EurMRK verstoßen. Gegen die Errichtung öffentlich-rechtlicher A n stalten neben den privaten Zeitungsverlagen bestehen dagegen keine prinzipiellen verfassungsrechtlichen Bedenken, höchstens Zweifel hinsichtlich der Zweckmäßigkeit, öffentlich-rechtliche Zeitungsanstalten müßten sich nämlich genau wie private Zeitungsverlage i n den Markt einordnen und sich seinen Spielregeln unterwerfen. Das Recht der Ge180 Ein präventiver Einfluß auf die Programmgestaltung seitens der Räte ist aus praktischen Gründen, noch mehr aber um der inneren Pressefreiheit der Redakteure willen abzulehnen. 131 Wenn Herzog die Unzulänglichkeit der präventiven Programmlenkung bei den Rundfunkanstalten bedauert (Art. 5, Rz. 228), so verkennt er dabei die Möglichkeiten einer guten Personalpolitik. 23 S t a m m l e r

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

bührenerhebung, aber auch der Weg staatlicher Subventionen scheidet aus, da beide dem Grundsatz der „Freien Presse" widersprechen w ü r de 1 3 2 . Da öffentlich-rechtliche Zeitungsanstalten demnach i m Prinzip nicht anders als private Verlage den Markteinflüssen m i t ihren bedenklichen Folgen ausgesetzt wären, erhebt sich die Frage, wodurch die Gründung derartiger Anstalten dann überhaupt noch gerechtfertigt wäre. Noch eher als bei der Stiftung ist jedoch von öffentlich-rechtlichen Zeitungsanstalten zu erwarten, daß infolge ihrer eindeutig auf die „öffentliche Aufgabe" der Presse ausgerichteten Struktur und Zweckbestimmung der antagonistische Widerspruch zwischen privatem Gewinninteresse und öffentlicher Aufgabe aufgehoben und dadurch die Markteinflüsse auf die redaktionelle Tätigkeit zumindest abgeschwächt w ü r den. Außerdem könnte die Rechtsform einer öffentlich-rechtlichen A n stalt auch gezielt dort eingesetzt werden, wo bereits verfestigte Marktverhältnisse bestehen und somit ein systemkonformes Gegengewicht zu Monopoltendenzen bilden. Und schließlich sollte nicht von vornherein die Hoffnung aufgegeben werden, daß derartige, der „öffentlichen A u f gabe" verpflichtete Zeitungsanstalten einen höheren Leistungsmaßstab setzen könnten, der den Leser überzeugt und an dem sich daher auch die privaten Konkurrenten zu orientieren hätten 1 3 3 . c)

Systemwidrigkeit

bloßer

Kontrollmaßnahmen

Obwohl vorstehend die Notwendigkeit der Etablierung einer öffentlichen, von der Gesellschaft getragenen Kontrolle über die Presse stark betont wurde, bestehen erhebliche Bedenken dagegen, eine derartige Kontrolle als singuläre Reformmaßnahme einzuführen, die nicht i n Zusammenhang m i t einer strukturellen Reform des Pressewesens steht. Würde i m Rahmen des bestehenden privatwirtschaftlichen Pressewesens das Direktionsrecht des Verlegers durch öffentlich-rechtliche Bindungen ernsthaft beschnitten und würden zu diesem Zweck öffentliche Kontrollinstanzen dem Unternehmen von außen her oktroyiert, so wären dies systemfremde Maßnahmen, die nur zu einer Verschärfung der schon bestehenden Widersprüche i m Pressewesen führen würden und auf die Dauer nicht haltbar wären. Sie würden einen Schwebezustand schaffen, der zu einer Auflösung drängt und zwar entweder i m Sinn einer grundlegenden Systemänderung oder durch eine Wiederherstel132 So mit Recht Ehmke (Pressereform, S. 115 f.), der i. ü. offensichtlich ebenfalls keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen öffentlich-rechtliche Zeitungsanstalten hat, jedoch die oben angeführten Zweckmäßigkeitserwägungen einwendet. 133 Anders Krüger (öffentliche Massenmedien, S. 92), an den jedoch die Frage zu richten ist, ob er aufgrund dieses pessimistischen Menschenbilds überhaupt noch die demokratische Staatsform bejahen kann.

V I I . Aufgabe und Möglichkeiten einer Pressereform

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lung des vorigen Zustands. I n einem Pressesystem, das auf der unternehmerischen Initiative und Risikobereitschaft des Verlegers beruht, ist es diesem schlechterdings nicht zumutbar, Auflagen zu akzeptieren, die i h m über bloße Ordnungs- und Mißbrauchsvorschriften hinaus sein freies Entscheidungsrecht darüber, was und wie er publizieren darf, i m Kern beeinträchtigen. Der Verleger würde dann zu einer ständigen Verleugnung seiner eigenen Interessen, von denen letztlich seine Tätigkeit bestimmt wird, gezwungen. Er müßte sich als Amtsträger der Öffentlichkeit auf eigene Kosten gerieren. A u f dieses Dilemma laufen letztlich alle Vorschläge einer öffentlichen Kontrolle, sofern sie eine wirkliche Pressereform und keine bloßen Schönheitskorrekturen intendieren, hinaus. Nach offensichtlicher, aber i n der Konsequenz auch eindeutiger ist dieses Problem bei dem Vorschlag der Presseselbstkontrolle. A l l e bisherigen Versuche, insbesondere auf dem Illustriertensektor, haben gezeigt, daß hier Mißstände behoben werden sollen, die das p r i v a t w i r t schaftliche System selbst hervorgebracht hat, und daß eine Behebung dieser Mißstände durch die Vertreter eben dieses Systems selbst unmöglich ist. Durch eine Selbstkontrolle können allenfalls gewisse berufsethetische Mindeststandards entwickelt werden, die, wenn sie vom Bewußtsein der Öffentlichkeit mitgetragen sind, dem Verleger und Journalisten i m Einzelfall eine gewisse Orientierung zu geben vermögen. Eine Selbstkontrolle kann jedoch die Mißstände des gegenwärtigen Pressewesens nicht an der Wurzel beseitigen, denn dazu müßte sich die Presse i n ihrer bestehenden Struktur selbst aufheben. d) Verfassungswidrigkeit

einer

Staatspresse

Nach den vorstehenden Darlegungen braucht über die Verfassungswidrigkeit einer staatsunmittelbaren Betätigung i m Bereich der Presse — gleich i n welcher Form, insofern sie über die Herausgabe bloßer amtlicher Informationsblätter hinausgeht — nicht mehr viel ausgeführt zu werden. Die Presse als Faktor und Medium der öffentlichen Meinungsbildung ist ausschließlich Sache der Gesellschaft. Der Staat kann nur die zu ihrer Veranstaltung notwendigen rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen schaffen, darf aber nicht selbst eine materielle Pressetätigkeit entfalten 1 8 4 . Eine staatliche Meinungspresse ist schon aus Gründen der juristischen Logik unzulässig: „Der Staat" manifestiert sich gegenüber dem Bürger ausschließlich i n Maßnahmen und Entscheidungen, die Allgemeinverbindlichkeit für sich beanspruchen. Ihnen liegt zwar eine von einer 134 So i m Erg. auch Ehmke , Pressereform, S. 116 f., und Ridder , Innere Pressefreiheit, S. 6 f. 23*

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3. Teil: Die Innere Pressefreiheit

bestimmten gesellschaftlichen Gruppe, einer „Partei", getragene Meinung zugrunde. Sobald diese Meinung jedoch durch den A k t der Entscheidung eines Staatsorgans „staatlich" wird, verliert sie diesen relativen Meinungscharakter und beansprucht allgemeine Geltung 1 8 5 . „Meinungen" können somit nur Parteien, nicht aber der Staat publizieren. Würde „der Staat", d. h. ein staatlicher Funktionsträger, eine Meinung äußern, so wäre dies i n Wirklichkeit nie „Staatsmeinung", sondern Parteimeinung. Wenn Bettermann, Scheuner und Herzog die Zulässigkeit staatsunmittelbarer Kommunikationsmedien bejahen, so bezieht sich das allerdings wohl lediglich auf die Organisation, nicht auf den Kommunikationsinhalt selbst; dieser sollte wohl auch nach ihrer Ansicht „neutral" bzw. „plural" sein. Gerade darin zeigt sich jedoch das Unverständnis dieser liberalen Autoren gegenüber dem modernen Parteienstaat. Dieser ist i n seiner Gestalt als politisch handelndes „government" kein neutrales, über allen „Parteiungen" schwebendes und nur i m Allgemeinwohl handelndes Gebilde, sondern erhält seinen politischen Willen von einer bestimmten Teilgruppe der Gesellschaft, einer Partei. U m die Meinungspluralität der Kommunikation sicherzustellen, bedarf es daher geeigneter institutioneller Vorkehrungen, eben der Staatsmittelbarkeit und einer pluralistischen Organisation der Medien. Gegen Czajkas Vorschlag, alle i m Parlament vertretenen Parteien i n einer solchen „Staatszeitung" zu Wort kommen zu lassen 136 , wäre dann nichts einzuwenden, wenn es sich dabei lediglich u m ein reines Informationsblatt des Parlaments, etwa m i t Auszügen aus Parlamentsdebatten, handeln würde. Würde die Zeitung dagegen auch Parteimeinungen veröffentlichen, so handelte es sich nicht mehr um eine „Staatszeitung", sondern u m eine Parteienzeitung, wobei — ganz abgesehen von grundsätzlichen Bedenken gegenüber Pressesubventionen — der Grundsatz der Chancengleichheit verletzt würde, wenn die M i t w i r k u n g an dieser Zeitung nur den parlamentarisch vertretenen Parteien und nicht sämtlichen Parteien offen stünde.

135

Ähnl. Lenz, JZ 1963, S. 342. iss Pressefreiheit und „öffentliche Aufgabe" der Presse, S. 166 f.

Zusammenfassung und Schlußbetrachtung M i t der vorliegenden Arbeit sollte der Versuch unternommen werden, eine der heutigen verfassungsrechtlichen und soziologischen Funktion der Presse i n der freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes adäquate Bewertung der Pressefreiheit zu finden. Dies war nicht möglich, ohne die geschichtliche Bedingtheit des Verständnisses von Wesen und Funktion der Presse und ihrer grundgesetzlichen Freiheit aufzuzeigen. Andererseits glaubte der Verfasser, praktische Konsequenzen aus den aufgezeigten Widersprüchen zwischen tatsächlicher Struktur und verfassungsrechtlicher Funktion der Presse ziehen und Lösungsmöglichkeiten für eine verfassungs- und funktionsgerechte Reform des Pressewesens aufzeigen zu sollen. Die Arbeit versteht sich daher auch als verfassungsrechtlicher Beitrag zu der i n den letzten Jahren, insbesondere unter dem Eindruck der Konzentrationsbewegung i m Pressewesen neu entbrannten Reformdiskussion. Die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit sollen i m folgenden nochmals i n kurzen Umrissen skizziert werden. Die moderne Idee des Grundrechts der Pressefreiheit ist zurückzuführen auf die Zeit des Liberalismus, der i n Deutschland seit dem beginnenden 19. Jahrhundert zur geistig prägenden K r a f t wurde. A u f dem Hintergrund der liberalen Vorstellung einer dualistischen Gegenüberstellung von Staat und Gesellschaft wurde damals die Pressefreiheit als allgemeines Menschenrecht verstanden, das sich verfassungsrechtlich als Recht des Einzelnen auf von obrigkeitlichen Eingriffen ungestörte Verbreitung seiner Meinung ausdrückte. Gleichzeitig wurde von den liberalen Verfassungsrechtlern des Vormärz aber auch die funktionale Bedeutung der Pressefreiheit für eine freiheitlich-liberale Verfassung hervorgehoben. Dieses einseitig individualrechtliche Verständnis der Pressefreiheit als Unterfall der allgemeinen Meinungsäußerungsfreiheit entsprach der damaligen Presse Wirklichkeit. Presse und Pressefreiheit waren i m allgemeinen Bewußtsein dieser Zeit m i t der Meinungspresse verknüpft, die allein auch von der Zensur bedroht war. Diese Meinungsblätter, die jeweils von einer oder einigen wenigen geistig-politisch engagierten Persönlichkeiten getragen wurden, hatten für heutige Verhältnisse eine sehr niedrige Auflage und einen kleinen Leserkreis, der sich ausschließlich aus Angehörigen des „gebildeten Bürgertums" zusammensetzte;

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Zusammenfassung und Schlußbetrachtung

ihre Herausgabe erforderte dementsprechend relativ geringe finanzielle Mittel. Da i n der liberalen Verfassung die Rechtsstellung als A k t i v bürger von Besitz und Bildung abhängig war, läßt sich aufgrund der geschilderten tatsächlichen Verhältnisse vereinfachend sagen, daß damals jeder Bürger, der der Öffentlichkeit etwas mitzuteilen hatte, sich dazu des Mittels der Presse bedienen konnte, oder anders ausgedrückt: Jeder Bürger war zugleich (potentieller) aktiver Träger des Grundrechts der Pressefreiheit. Eine grundlegende Veränderung dieser Verhältnisse vollzog sich i n der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als i m Zuge der sozialen und technischen Umwälzungen die kapitalistische Wirtschaftsform auch i n das Pressewesen eindrang. Während früher die technisch-ökonomische Seite der Presse und also auch das Eigentum nur „Vehikel" der Meinungsfreiheit war, w i r d nun die Zeitung, d. h. die Information, zur Ware, die nach kommerziellen Gesichtspunkten auf dem M a r k t zum Zweck der Gewinnerzielung gehandelt wird. I n den Mittelpunkt des Pressewesens rückt damit mehr und mehr der Verleger. Die Folge dieser Entwicklung ist, daß die Pressefreiheit i n der sozialen Wirklichkeit zur bloßen Verlegerfreiheit w i r d und dadurch von der Meinungsfreiheit weg i n die Nähe der Eigentums- und Gewerbefreiheit rückt. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch die gegen Ende des vorigen Jahrhunderts herrschende positivistische Verfassungslehre, die die bürgerlichen Freiheitsrechte zu einem System subjektiv-öffentlicher Rechte formalisierte, und die dementsprechend auch i n der Pressefreiheit nur noch ein subjektives Abwehrrecht gegenüber staatlichen Eingriffen i n den Pressebereich sah; der funktionale Aspekt der Pressefreiheit war i n Vergessenheit geraten. Durch die sozialen Umwälzungen i m Zuge des Kapitalismus ausgelöst und durch die sprunghafte Ausbreitung der Presse zur „Massenpresse" mitbegünstigt entwickelte sich zur gleichen Zeit die demokratische Idee zum neuen, geistig prägenden Faktor der Gesellschaft. Sie setzte dem mehr und mehr formalisierten liberalen Freiheitsprinzip den Gedanken materieller, staatsbürgerlich-sozialer Gleichheit entgegen. Heute unter dem Grundgesetz, bildet die demokratische Idee zusammen m i t der bürgerlich-liberalen Freiheitsidee die trägende Grundlage der Verfassung, die der Verfassungsgeber selbst als „freiheitliche demokratische Grundordnung" beschrieb. Unter dem demokratischen Prinzip erhält die Pressefreiheit über ihre liberale freiheitsgewährleistende Funktion als „bulwork of liberty" hinaus eine neue verfassungsfundamentale Funktion als konstitutive Voraussetzung des demokratischen Meinungs- und Willensbildungsprozesses. Beide Funktionen zusammengenommen liegen der „öffentlichen Aufgabe" der Presse zugrunde, die damit zum Bestandteil der grundrechtlichen Gewährleistung der Presse-

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freiheit wird. I m einzelnen besteht die verfassungsrechtliche Aufgabe der Presse i n den liberalen Funktionen eines Mediums und Faktors der öffentlichen Meinung und damit verbunden i n der Kontrolle und K r i t i k der Staatsgewalt wie auch maßgebender gesellschaftlicher Institutionen, andererseits i n der für die Demokratie wesentlichen Funktion eines Informationsträgers für die staatsbürgerliche Meinungsbildung. Darüber hinaus erfüllt die Presse i n der heutigen hochspezialisierten und anonymen Massengesellschaft ganz allgemein die lebensnotwendige Funktion eines „Kommunifikators" i. S. eines Forums für die öffentliche Kommunikation, aber auch einer Institution, die Öffentlichkeit erst herstellt. Sie h i l f t dem Einzelnen, sich i n der für ihn immer verwirrenderen Vielfalt seiner sozialen Umwelt zu orientieren und stellt die notwendige geistig-soziale Verbindung zwischen den einzelnen Teilbereichen der Gesellschaft her. Dieser Funktionswandel der Presse und ihrer verfassungsmäßigen Freiheit muß auch Rückwirkungen auf die Grundrechtsinterpretation haben. Die Pressefreiheit kann i n einer demokratischen Verfassung nicht mehr allein als die Freiheit der i n der Presse Tätigen verstanden werden; an ihr hat vielmehr heute jeder einzelne Bürger kraft seines Informationsrechts A n t e i l und sie ist gleichzeitig eine verfassungsrechtliche Fundamentalnorm. Dem verfassungsrechtlichen Bedeutungswandel der Pressefreiheit entsprechen Veränderungen i n Struktur und Selbstverständnis der Presse. Das Schwergewicht der Presse verlagert sich zunehmend von der politisch-weltanschaulich gebundenen Meinungspresse auf die „neutrale" Nachrichtenpresse, was gleichzeitig zu einer Entpersönlichung des Journalismus führte. Funktions- und Strukturwandel der Presse und ihrer Freiheit zusammengenommen lassen den Anspruch der Presse, ein „öffentliches A m t " zu erfüllen, m i t dem sie seit den Zeiten von Görres zuerst die verfassungsmäßige Garantie der Pressefreiheit und danach die Gewährung zusätzlicher Privilegien rechtfertigte, i n einem neuen Licht erscheinen: Die Presse übt heute nicht nur eine tatsächliche, sondern auch eine von der Verfassung selbst vorausgesetzte, für die freiheitlich-demokratische Grundordnung konstitutive Dienstleistungsfunktion aus. Eine Betrachtung der Pressefreiheit als Individualrecht widerspräche angesichts dessen nicht nur ihrer Stellung innerhalb der Gesamtverfassung; i h r würde außerdem i n der sozialen Wirklichkeit der tatsächliche Bezugspunkt fehlen. Pressefreiheit als Individualrecht wäre unter den heutigen Gegebenheiten nur als Freiheit des Verlegers zu effektivieren. Sie würde damit aber von einem geistigen Freiheitsrecht, das sie ihrem eigentlichen Sinn nach ist, zu einem Unterfall der Eigentumsund Gewerbefreiheit umfunktioniert werden und diente als solcher i n praxi lediglich der Sicherung eines vermögensrechtlichen Besitzstands,

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der angesichts der ständig steigenden Kosten und der dadurch bedingten Konzentration i m Pressewesen nur noch wenigen, die immer weniger werden, zugute käme. Die Pressefreiheit würde also i m Ergebnis zum persönlichen Privileg einiger weniger Reicher werden. Ein verfassungs- und wirklichkeitsgerechtes Verständnis der Pressefreiheit ist nur dann möglich, wenn das Verhältnis der einzelnen Freiheitsrechte des A r t . 5 I GG zueinander von ihrer funktionalen Bedeutung i n der freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes her neu überdacht wird. A l l e i n die Rechte der freien Meinungsäußerung und der freien Information des A r t . 5 I, 1 haben heute noch die Funktion individueller Freiheitsrechte, die dem einzelnen u m seiner Menschenwürde und u m der Entfaltung seiner Persönlichkeit w i l l e n gewährleistet sind. Die anderen Freiheitsrechte, nämlich die Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit, haben sich gegenüber der Meinungsäusserungsfreiheit verselbständigt und beziehen sich lediglich auf die ihnen zugrundeliegenden, von der Verfassung vorausgesetzten, rechtlich-tatsächlichen Institutionen, i m Fall der Pressefreiheit also auf die Institution „Freie Presse". Der Einzelne hat dieser institutionellen Garantie nur über ein subjektives „Reflexrecht" Anteil, das i h m jedoch eine echte, einklagbare Rechtsstellung verleiht. Für den an den Kommunikationsmedien selbst unbeteiligten Bürger ist sein „Rechtsreflex" an den institutionellen Gewährleistungen i n dem allgemeinen Informationsrecht des A r t . 5 I, 1 unmittelbar von Verfassungswegen i. S. eines „klassischen" Grundrechts garantiert. A r t . 5 I i n seiner Gesamtheit bildet die verfassungsrechtliche Gewährleistung einer freiheitlichen Kommunikation innerhalb der Gesellschaft. Die eigentliche Substanz der Pressefreiheit besteht i n der Gewährleistung eines freien Kommunikationsprozesses mittels des Mediums Presse, unabhängig von Besitzanteilen Einzelner an den Kommunikationsmedien. Die Ausgestaltung der Kommunikationsordnung i m einzelnen ist Aufgabe des Gesetzgebers. Er ist dabei lediglich an die verfassungsrechtlichen Grundprinzipien der Freiheitlichkeit und der Demokratie gebunden, die immer wieder neu entsprechend den sich wandelnden sozialen Gegebenheiten zu realisieren sind. Vorgefundene Strukturen erweisen sich bei näherer Betrachtung als relativ, nämlich als A n t w o r t auf bestimmte historische Situationen. Dies gilt auch von der privatwirtschaftlichen Wettbewerbsstruktur unseres heutigen Pressewesens, die keineswegs i n der Verfassung selbst verankert ist. Bei der Ausgestaltung eines Grundrechts muß der Gesetzgeber zwar von den jeweilig vorgefundenen Gegebenheiten ausgehen, kann diese jedoch i m Rahmen des verfassungsrechtlich Erforderlichen weiterentwickeln und darf sich schließlich, falls es sich als notwendig erweisen sollte, durch neue Strukturen ersetzen.

Zusammenfassung und Schlußbetrachtung

Versteht man die Pressefreiheit i n Verbindung m i t dem demokratischen Prinzip als Garantie eines freiheitlich-demokratischen Kommunikationsprozesses qua Presse, so wendet sich die Pressefreiheit auch an die Presse selbst als Gebot der inneren Pressefreiheit. Die Presse muß als öffentlichkeitsbezogene und verfassungskonstitutive Institution innerhalb eines freiheitlich-demokratischen Grundsätzen verpflichteten Gemeinwesens i m allgemeinen, u m ihrer „öffentlichen Aufgabe" willen i m besonderen, i n ihrer inneren Struktur freiheitlich-demokratischen Grundsätzen entsprechen. Ihre Struktur muß sie darüber hinaus auch zur Erfüllung eben dieser „öffentlichen Aufgabe" befähigen. Wesentliche Kriterien einer diesen Grundsätzen entsprechenden Pressestruktur sind die Freiheit von sachfremden Einflüssen auf die Kommunikation — gleichgültig, ob diese Einflüsse staatlicher oder privater, insbesondere kommerzieller, Herkunft sind — zum anderen die Pluralität des Pressewesens. Der Grundsatz der Pluralität besagt, daß jede relevante Meinungsgruppe innerhalb der Gesellschaft die Chance effektiver Beteiligung an der öffentlichen Diskussion über das Medium Presse haben muß. Mißt man daran das privatwirtschaftliche Wettbewerbssystem, das unserem heutigen Pressewesen zugrunde liegt, so ergeben sich grundsätzliche Bedenken an dessen Eignung für die Presse. Diesem System ist ein antagonistischer Widerspruch inhärent, nämlich der Widerspruch zwischen der öffentlichen Aufgabe einer objektiven, wahrheitsgemäßen und vollständigen Information des Lesers einerseits und der privaten, kommerziellen Zielsetzung des Verlegers andererseits. Zudem führt das privatwirtschaftliche Wettbewerbssystem, indem es die Unternehmenskonzentration fördert, i n wesentlichen Bereichen der Presse allmählich zu einer Aufhebung seiner eigenen Grundlage, nämlich des Wettbewerbs und damit auch der Pluralität des Pressewesens. Da die privatwirtschaftliche Wettbewerbsordnung nicht die einzig mögliche Ausformung einer freiheitlich-demokratischen Kommunikationsstruktur ist, muß sie für jeden einzelnen Pressebereich einer kritischen Überprüfung unterzogen werden. Dabei zeigt sich, daß insbesondere die politische Tagespresse einer neuen Kommunikationsverfassung bedarf. Die Organisation der öffentlichen Kommunikation muß heute und i n Zukunft immer mehr als lebensnotwendige Gemeinschaftsaufgabe erkannt werden, die nicht mehr allein der Initiative und dem Belieben Einzelner i n ihrer Zufälligkeit überlassen werden kann. Es müssen neue, sozialere Formen der Kommunikationsstruktur entwickelt werden, die den gesellschaftlich-technischen Gegebenheiten der Gegenwart und näheren Zukunft adäquat sind. Die herkömmlichen ökonomischen Wettbewerbsmodelle des Liberalismus sind Antworten des 19. Jahrhunderts und heute überholt. I n der Gestalt des Kapitalismus waren sie

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für die Presse von Anfang an unpassend, weil sie i n Verkennung der geistig-ökonomischen Doppelnatur der Presse die ökonomische Seite i n den Mittelpunkt rückten und damit die geistige Seite lediglich zu einer Funktion des ökonomischen Gewinnprinzips werden ließen. Die Presse wurde dadurch aus einem eigenständigen, ausschließlich dem Kommunikationsbereich zuzuordnenden Faktor der Gesellschaft zu einem bloßen Bestandteil der allgemeinen Wirtschaftsordnung, dessen „Ware" Information und Publizität (für Inserenten) ist. Die Presseunternehmen der Zukunft sind aus diesen privaten, kommerziellen Bindungen herauszulösen und auf eine gemeinnützige, an der „öffentlichen Aufgabe" der Presse orientierte Basis zu stellen 1 . Sie müssen groß genug sein, u m den technischen Ansprüchen der Zukunft genügen zu können. Da dies eine bewußte Bejahung der Konzentration impliziert, kann auch die notwendige Pluralität des Pressewesens nicht mehr i n herkömmlicher Weise durch eine Vielzahl einzelner, voneinander unabhängiger Zeitungen gewährleistet werden, sondern muß nun i n das einzelne Presseunternehmen selbst hineinverlegt werden. Jedes einzelne Presseunternehmen sollte i n seiner inneren Struktur die gesellschaftliche Pluralität widerspiegeln. Als Rechtsform für diese Presseunternehmen der Zukunft kommt die gemeinnützige Stiftung i n einer neuen, speziell auf die Bedürfnisse der Presse zugeschnittenen gesetzlichen Ausgestaltung, sowie die m i t Selbstverwaltungsrechten ausgestattete, allenfalls der staatlichen Rechtsaufsicht unterstehende, pluralistisch strukturierte öffentlich-rechtliche Anstalt i n Betracht. Die Kommunikationsprobleme der heutigen und noch mehr der künftigen Gesellschaft können nur dann bewältigt werden, wenn sich die Erkenntnis der „öffentlichen Aufgabe" der Presse m i t der Bereitschaft verknüpft, die Presse selbst als öffentliche Aufgabe zu behandeln.

1

Zu ähnlichen Ergebnissen gelangen auch Wissenschaftler wie Karl Steinbuch, die sich vom technisch-naturwissenschaftlichen Standpunkt aus mit dem Problem der „Zukunftsforschung" befassen. Steinbuch selbst kommt in seinem Buch „Falsch programmiert" zu folgendem Ergebnis: „Mir scheint es ziemlich sicher zu sein, daß im Zustande der perfekten Technik Grundstoffe, Energiequellen und Kommunikationsmittel unter gesellschaftlicher Kontrolle verwaltet werden müssen. »Müssen4 nicht etwa auf Grund irgendwelcher irrationaler Vorurteile: Wie anders kann sonst bewirkt werden, daß die Belange menschlicher Existenz — und nicht individueller Egoismus — die Entscheidungen über deren Verwendung in letzter Instanz bestimmen? Und wenn wir einsehen, daß diese Entwicklung langfristig unvermeidbar ist, dann sollten w i r — organisch und ohne revolutionären Bruch — auf die gesellschaftliche Kontrolle . . . der Kommunikationsmittel hinwirken" (S. 154).

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