Jugendgedichte [Reprint 2019 ed.]
 9783111458359, 9783111091013

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Inhalt und Erläuterung
Vorworte
Erste Abteilung
Zweite Abteilung
Dritte Abteilung
Vierte Abteilung

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Jugendgedichte von

Siegmar Freund.

Berlin, 1829. Gedruckt und verlegt bei G. Reimer.

Inhalt und Erläuterung Vorworte.

Seite

Sonette. (1808. Die wenigsten der hier erscheinenden Lieder gab die spätre, in ernstre Beschäftigun­ gen, in ernstre Erfahrungen geteilte Zeit.)

I. Die göttlichere Lehre. Sonett. Maria's Nachtwache. . . . . 2fm Früh morgen de- Isten Februar 1808, da die Nachricht der Geburt eines königlichen Kin« des Königsbergs Bewohner wekkte, entstanden diese Zeilen ohne Anforderung, und damals ohne Absicht. Von Freundes H.ind mit Gesang­ weise begleitet, wurden sie hinterher Geburts­ tag - Angebinde.

3 — 4

IV

Seite Der Königinn....................................................... 10 Vor Cäsars B üste. (1808.) ... 13 Die Berufs weisen................................... 17 Die GefärLen des MissgeschikkS. . ♦ 19 Die Rükkehr. Sonett. (1809.)... 20 Oer Lehrling............................................. 21 Die Holdseligen........................................ 23 Sylvien zum 16ten Jahrestag. . . 24 Zur Wanderschaft................................................ 25 Nänien. 4. auf den Tod der Königinn. So­ nette. (1810.).......................................... 27 — 31 1812................................. ... 32 „ Den Freund der Gottheit ?c. ” — Man denke sich in die Zeit des Ursprunges zurükk. Psalmen. 2. Sonette. . . . .35 — 36 B e L Eröffnung des Kriegs. (1813.) . 37 DLe Geschwister. Sonett..................................... 42 (An seine Schwester und die Zahl derer, die sich in änlichen Besorgnissen der Trennung be­ fangen füllen. *—) „Leopold von Hessen - Homburg" (Bruder der Prinzessinn Wilhelm von Preu-

V

Seite ßen) „war mit dem General v. Ziethen, dem „er zugeordnet worden, in das Dorf Gr. Gör„schen eingedrungen, als dieses von Unsrigen „zum erstenmal bestürmt wurde. Das Gewehr„feuer war fürchterlich, und der General, in „der Absicht, den Prinzen von einem so gefär„lichen Standpunkt zu entfernen, übertrug ihm „eine Bestellung. Der Prinz, dem die Absicht „nicht entging, antwortete: „ „er werde den „„Auftrag ausrichten, sobald das Dorf genom„,,men sei."" — „Der General bat ihn, sich „nicht ohne Noth der Gefahr auszusetzen, al„lein der Prinz erwiederte: „„dies sei der „„Platz der ihm gezieme."" „Der General „bat ihn nun, wenigstens seinen Stern abzu, „nehmen; aber vergeblich. Da emsing der „Heldenmütige den Lodesschuff." — Berli­ ner Zeitungen. Mai 1813,

II. Die Spindel. (1811.) .... Sinnesänderung. . • . . . „Unglükk in der Liebe k.’’ Hippels Mei­ nung in seinem Buch über die Ehe. Reigen. Ueber die Verschmelzung des Nebeneinanderund Nacheinander-Seins durch Lanz und Lied,

45 57

58

VI

vergleiche die treffliche Abhandlung in Her­ der 'S Terpsichore, Seite 401 und 476, Die Erscheinung. . An Eurial. (1808.) . Im Frühling. . . Der Ausgang. Bekenntniss. • . . ♦ Die Blumenspende. . . Apotheose.................................. Der Knabe und der Bogel. Der Kirchgang. Sonett. . Mysterien der Hiebe. . . An Agathonia. . . . An Agathonia. Sonett. Ihr............................................... Lebewohl. .... 9

Geite

60 61 64 68 70 73 75 76 78 79 81 83 84 85

IIL Daß Blumengrab. (1808.) . . . Der Ungetreuen. ...... Zefyrß Liebschaft. (Nach frühern Vorbildern.)

89 99 100

VII

Seite Abendgefül. . 103 Dahin................................................................................. 104 Dahin. , , » • . . . . 105 L äuterung.............................................................. 107 Die Nachtigallen............................................... 108 Geisternähe. . . . . • . . 112 Die S ommernacht..............................................113 Die trauernde Najade. .... 114 Kamf und Sieg. Sonett.(1810.) . . 122 Mä dche nklage. ...... 123 Iwiesprach. . . . . . . 125 Ermina und Fedoro. ..... 130 Der Fang................................................................ .134 (Zur süddeutschen Volksweise; deren liebliche Naivetät bewog, der beibehaltencn ersten Stro­ ke, statt der weniger als zweideutigen folgen­ den, andre zuzureihen.) Der Fang. (1807.)..................................... 136 In der Einsamkeit..............................................140 Aussönurrg. 144

VIII

Seite

v. Sein und Werben.

(1808.)

Sonett.

Kunstwerke und ihr Urquell.

.

149

.....

Der Berufne.

147 148

Sonett.

....

151

Originalität....................................

151

14...................................

152 157

Der Ungläubige.

Distichen

Reichthums Loos.



An meine Wiege. Das Traumbild.

(1807.) Sonett.

Eurial an Klementine. Die Sonnenwende.

Frühlingsfeier.

161 169

.

.

Sonett.

(1808.)

Apologie............................................

.

.

170

.

.

172 ♦

173

183

Vorworte.

3

Die Kunst. Zur Hekmat winkt die Kunst.

Des Himmels Friede

Dlikkt aus den € trafen, die ihr Antlitz fronen. Was irdisch, weicht der Stimme der Ksmönen,

Und dem Jahrtausend trotzt der Maouide.

Nicht in des Wettlaufs ödem Kreis, ün Liede Erschleusst dem Glauben sich das Heil des Schönen,

Und Tod und Leben, Form und Stoff Personen

Sich brüderlich im Schatkerr der Aegidr. — Am Mtffrvm fein, auf jähen Felsgestadm,

Siehst du, o Götterjungfrarr, Myriade« Zu deinem lichten HMgknme masten.

Em Jünger nähr beherzt $cn steifen Pfaden: Lass sein bescheiden Opfer die gefasten,

0 nim ihn auf in deines Tempos Hastens

4

6avak

»]♦

Ein hehrer Trieb, ein wunderbares Watten Heißt Licht und Kraft das todte Nichts verlassen.

Facht Lebenspulse durch des Chaos Massen Und wekkt der Töne Welt und der Gestalten. Was roh erglühn, was mutlos will erkalten,

Strebt sünend er als Mittler zu umfassen; In Lieben wandelt er der Schöpfung Hassen, Dass, sinnvoll. Maß und Einklang sich entfalten.

Der Drang der Form gehört den Wesen allen: Erblühen wollen Kiesel zu Kristallen,

Und Sonnenstäubchen sich zur Sonne ballen;

So wird die Harf' erregt von Gottes Wehen, llnb wie ihr Kindesruf zu seinen Höhen Kann in der Sehnsucht mir das Lied entstehen.

C r st e

Abteilung.

Die Gottseligkeit soll kein Schnärleib fein, sondern ein Harnisch. Hamann.

7

Die göttlichere Lehre. Sonett. In Hellas hellem Stern erstanden Sieben, Die sich der Weisheit Dienst vor Andern weihten;

Verkündet ward ihr Wort dem Ohr der Zeiten

Und mancher Pflichten Satzung vorgeschrieben.

Ihr Glanz erblich.

Von Gottgefül getrieben.

Die Menschheit zu des Heiles Pfad zu leiten,

Erschien der Sohn der Hochgebenedeiten; Er sprach: der Tugend Erstgebot ist — Lieben.

Und seine Boten, voll der Heilgen Lehren,

Auf dass die Welt nur eines Geistes würde, Zerstreuten sich, die Völker zu bekehren.

Er brach den Oelzweig freier Seelenwürde; So lasst uns treu des Meisters Weisung ehren,

Sein Joch ist sanft, und leicht ist seine Bürde.

8

Marias Nachtwache.

Weine nicht, geliebtes Kind, —

Horch! cs toben Nacht und Wind:

Draußen ist finster, draußen ist kalt,

Saaten zernichtet des Regens Gewalt, Schlossen schlagen ans Fenster.

Weine nicht! vor jedem Leid Schirmt dich Mutterzärtlichkcit;

Vater ist gangen weit über Feld, Sorge fürs Kindlein zu Hause mich hält,

Sorglich wart ich des Lieblings, —

9 Hüllt der Schlaf dein Ange schon.

Ist dein Blikk der Well entstehn? —

Wie du im Traume lächelst so mild, Wanderten Engel vom Sternengefild Mit dem Schläfer zu spielen?

Schlummre selig, holdes Kind! Härmst dich nicht um Nacht und Wind,

Wirst nicht durch eitles Sehnen besiegt; Schlummre von himmlischen Träumen gewiegt, Wunderlicblicher Engel 1

10

Der

Königinn.

*)

Am loten März 1808.

Es ivatibdt durchs Gebiet der heimatliche» Gauen Ein Mägdlein segenkündender Natur: Sie lächelt hehr und züchtig anzuschauen.

Und Wohlthuu zeichnet ihre Spur.

Zum Trost in Harm und Trübsal ward sie uns gesendet, Wohl zieht mit ihrer Demut Heilgenschein, Zu welcher Hütte sie den Schritt auch wendet.

Der Stral der reinsten Freuden ein.

•) Siehe: „Inhalt und Erläuterung", zu vorstehendem Wiegenlied.

11 Sie spendet, cigenlos, rem Pilger ihre Habe, Der sich ihr neigt in frommer Huldigung; Sie übt des Zartsinns milde Tugendgabe,

Man nennet sie — Beschäftigung. Ihr weiht' ich, kaum entwekkt, den Frieden meiner Seele,

Ich forschte nach mit jugendlicher Glut, Was gern dem Heil der Menschheit sich vermale.

Was herrlich sei und schön und g«t. —

Zürnst du, o Königinn, dass sich zu dir erhebe Was kluger Schranken sinnig achten lehrt? Es weicht der Strenge peinlich Kunstgewcbe,

Wenn dieser Tag uns wiederkehrt. Auch der, den Hofbranch mahnt, den Liebesthron z« meiden, Naht heute dir in freudgcr Dankbarkeit:

So mm es hin, was, huldig und bescheiden. Das Herz dem Muttcrhcrzcn beut.

12 Es ist ein Blütenstäubchen jener Wonnestunde, Die mit des Taumels Macht dein Volk umschlang. Als jüngst im Donnerhall die frohste Kunde

Laut seiner Jubel Ruf durchdrang.

Was hier mit LIebestren, mit kindlichem Gemüte

Die Mutter zum geliebten Kinde spricht, — Versag ihm nicht den Himmel deiner Güte,

Verkenne seine Einfalt nicht!

Und ist es mir vergönnt, im magischen Entzükken, Das heut der frommen Beter Schar vereint, Auch mein Gebet für dich empor zu schikken,

So ist es gläubig dir gemeint. Das Frühroth, welches deinen Jugendtraum umglühte, Verbleibe freundlich dir dein Lebenlang!

Es bleibe dir der Hoffnung Zauberblüte, Des Mitgefüles süßer Klang!

13

Vor Cäsars Büste. 1808.

Wessen das Haupt

Das — geisterblcich — Fluchgckrönt —

Das verhasste Antlitz Starrend cmporhebt Aus dem Grabschutt wüster Vergangenheit?

Dein Purpur, Götze des Wahns, Ist Vblkcrblut; Der Verzweiflung Schrei

Dir Huldigung;

Des Herrschtnms Mantel Aus den Lebensfäden

Webtest du deiner Geopferten!

14

Vorüber rauschte. Seit deines Sterbens Heil, Ein Jahrtausend, Und sein Bruder, Nach der Mündung, — Ach nicht der Mündigkeit! — Duldet mahnende Graul Ans des Zeitstroms finstrer Doge.

Ganz — ganz zn erfiegen Das seenmgürtet- Weib, Dürstest du? — Und wirst zagen, Unmännlich, Bent sie dir einst Len fichern Schoß. Deiner Legionen Eisern freche Gewalt Mag sie in Fesseln schmieden;

15

Dennoch, — Gewalt bezwingt Freiheit nie: Frendig giebt sie sich dar. Wahrer Größe, Nicht dir. Lass es genug sein Dergcndeten Dlnts! Der herberen Zäre Lass es genug fein! Begkükkend beglükkt, Tausche das triefende Schwert Mit dem rebenbesiederken Stab! Sune die Menschheit, Die weinende. Und der Jubel Ihrer Ernten und Feste Lohne schmeichelnder

10 Dem cntwönten Ohr, Denn das Toben der Schlacht! Vergeblich Wort!

So stürze denn fürder dich, lieber Grans nnd Leichen,

Dem Blutpfade nach, lind tracht' indess,

Wie du mit 'Anstand sinkest. Taucht der Schwerter

Jauchzende Schar In dein treuloses Herz!

17

Die Berufsweisen.

Durch die Gassen schwärme«. Jubeln, trinken, lärmen. Ist Studentenart; Doch der Bursch muss Bessres lernen. Und bald traut sein Fleiß den Sternen, Wird ihm erst die Weihung offenbart. Putzen, Wache stehen, Weibern nachzugehen. Ist Soldatenart, Doch des Kriegers höchstes Leben: Frei dem Tod sich hinzugeben. Ihm nur für die Feldschlacht aufgefpar». 2

18 Putzen, angeln, schmähen, Leis nach Männern spähen. Ist wohl Mädchenart;

Aber fern von Ball und Schmause Dient die Klügrc gern dem Hause, Fragt nicht, ob ein Mann sie auch gewahrt. Innern Zug ergründen,

Freud und Schmerz verkünden,

Ist des Dichters Art; Hoch in Bildern, reich und zierlich,

Oder schmukklos und natürlich, — Immer bietet er es treu und zart.

19

Die Gefärten des MissgeschikkS. Filomcle, wenn den kargen Raum Ihres Kerkers — Trost und Mitleid fliehen,

Wiegt die herbe Sehnsucht in den Traum Süßer Melodien. Grausam auch des Lichtes noch beraubt,

Schmettert sie mit fcffelndcrm Gemüte,

Als im Wipfel, welcher dichtbelaubt Einst ihr Nest umblühte. —

So entfaltet bei des Trübsals Nacht, Bei des Unglükks rauhem Sturmgewüle, In der schönen Seele, sich die Macht

Schönrer Hochgcfüle.

r

20

Die Rükkehr. Sonett.

Dem -den Gram Seit wir der Ihr muntres Die Zukunft

war Alles überlassen, Herrinn milden Stift verloren; Amt versäumten selbst die Horen, lag entfernt in trägen Massen;

Wir konnten nicht der Sehnsucht Bild erfassen; Dergeblich stand das Volk an offnen Thoren; Ein fremd Geschiss war gegen uns verschworen Und wälzte Graun und Trauer durch die Gaffen. Entsteigt der trüben Nacht ein frohes Leben? Soll wiederum des Lichtes Tag beginnen, Erscheint un- neu des Himmels reiner Segen?

Don Huld, von stiller Herrlichkeit umgeben, Naht sie, die Königinn der Königinnen, Und alle Herzen schlagen ihr entgegen.

21

Der Lehrling. Laß mich ins Freie gehn. Grün ist die Welt, Leuchtet gcschmükkt und schön.

Zeigt uns Gebüsch und Höhn

Sonnig erhellt. „Schaffe dein Tagewerk, Nutze die Zeit,

Fleiß sei dein Augenmerk —

Arbeit erfreut." Laff mich ins Freie gehn

Weit aus der Stadt,

Zwischen Gebirg und Seen Wandeln durch Lauballccn

Einsamen Pfad!

22 „Bist mir als trüg bekannt,

Lass das Gcträum, Passt nicht für deinen Stand,

Bleibe daheim." Lass mich ins Freie gehn,

Oed ist das Haus; Will mir die Welt bcsehn,

Lass mich ins Freie gehn. Lass mich hinaus! „Hang dem Gelüst nicht nach, Das dich verzehrte

Tändeln bringt Noth und Schmach, Nutzen gibt Werth. "

23

Die Holdseligen. Sahst du die Blume, die mit Huld •. Erröten

Das Leben ihrer Schwcsterblumcn schmükkt? — Sahst du die Blüte, die den Morgenröten Mit kindlich treuem Aug' entgegen blikkt? —Sahst du der Erde schönste Dlumenkrone,

Die aus der Frühlingskinder lichtem Chor

Die milde Fürstinn ans dem Liebcsthrone Zur freundlichen Begleiterinn erkor? — Du wirst umsonst der Garten Pracht durcheilen.

Du suchest sie vergebens auf der Flur; Denn nur, wo drei der Schwestern segnend weilen. Da blühen Unschuld, Anmut und Natur,

24

Sylvien zum sechszehnten Jahrestag. Noch einmal klikkcn auf das Hcrbstgcfild

Der Sonne mütterliche Stralen nieder;

Noch einmal wandelt durch der Erde Glieder Des Maies Anmut liebesam und mild:

Dom rauhen Hauch des Nordes unenthüllt Steht noch der Baum; die Felder grünen wieder;

Den Hain durchströmen frohcrwachte Lieder; Und Alles zeigt des Lenzes prangend Bild. Dir, holde Freundinn, sind die ersten Stunden,

Im muntern Tanz der Jugcndwelt entschwunden, Und heiter lächelt dir die Gegenwart: 0 sieh in jenem deutungrcichen Bilde — Sieh in des Tages sanftvcrklärtcr Milde

Die schönre Zukunft, welche deiner harrt!

25

Zur Wanderschaft.

Ach Reisen, Reisen,

Dich muss ich preisen.

Wie süß bist du! Nur fern dem Heerde,

Auf fremder Erde Erblüht die Ruh. Die Ruh des Armen, Der kein Erwärmen Daheim mehr fand,

Des einst Bcglükktcn —

Des Grambedrükkten,

Dem Hoffnung schwand.

26 Auf Herz! — entwinde

Dich stolz der Sünde Der Traurigkeit, —

Wie Luft und Sonne,

Webt Lust und Wonne

Wohl weit und breit! Getrost und heiter.

So komm ich weiter Von Ort zu Ort;

Der Stadt vorüber,

Zum Gau hinüber, — Nur fort, nur fort! Dort lasst die Freude

Auf dürrer Haide Noch Rosen glühn,

Dort blümt sie Matten,

Dort streut sie Schatten, Dort Hoffnnngsgrün.

27

Ach Reisen, Reisen, Du Stab der Weisen, Du Quell der Ruh, — 0 Kost des Lebens, Genuss des Strebens, Wie süß bist d»!

28

N ä n i e n. (Auf den Stob der Königinn.)

I.

Es stand ein Gnadenbild wohl an der Quelle, Die segenströmend unser Thal durcheilte. Wo gern der Hirten Kreis in Demut weilte. Und Frieden sog aus jeder Lebenswelle. Hier dienten Melodien, rein und helle. Der Andacht, die der Pilger gläubig teilte; Und der Beglükktre schied und der Geheilte Mit Lieb und Dank von dieser Heilgen Stelle. — Das Bild ist fort, sein Stralenkranz erblichen, Der Bach — die Waller — die Gesänge fehlen: Sie flüchteten zu mildern Himmelsstrichen. 0 weint der Wandlung, weint, ihr fromme Seelen. Das süße Licht, das von uns ist gewichen. Wird nie sich wieder unserm Loos vermälen!

29 II. Der Fluch des Wechsels folgt dem niedern Staube, Es kann kein Gott ihn dieser Macht entbinden: Der Bessre sieht getrost das Glükk erblinden.

Wird ihm das heiligste nur nicht zum Raube! Doch dehnt der reinsten Hoffnung zarte Tanbe

Fruchtlos die Schwingen, aus den Irrgewindcn Verruchter Wirklichkeit den Weg zu finden, Füll kummervoll die Brust, es wank' ihr Glaube. — Ich sah das Diadem auf deinem Haupte, — Ich sah dich in der Dornenkrone leiden.

Wie keine Marter dir dein Lächeln raubte.

Jetzt musst du, da der Kranz von jungen Freuden Kaum wieder deine Götterstirn umlanbte,

Im Pcrlcnschmukk — ach! heißer Tranen, scheiden.

30

HI.

Der Herr der Höhen hatte sie gesendet, Auf dass-sie in der Wahrheit Lichtgewande Die Welt umschlänge mit dem schönen Baude, Das jeden Streit und jeden Hader endet. Doch müde des verkannt Amtes, wendet Sie weinend wieder sich zum Heimatlande, Und nberlaßt den Menschen seiner Schande, Da Frevel nur ihn labt, und Lug ihn blendet. Nicht also, Lied, dass einst der Wahn sich gründe, Du fangest hier nach längst verrauschter Sage Ästräens Aufflug aus dem Reich der Sünde.

Ach nein! die Wiege meiner Trauerklage, — Das bange Schrekkenswort, das ich verkünde, Es ist die finstre Botschaft unsrer Tage!

31

IV. Du hast, Verklärte, schon das Ziel errungen,

Zn dem wir noch der Sehnsucht Arme breiten; Du wandelst durch der Lichtwelt Herrlichkeiten,

Wir irren noch im Thal, von Nacht bezwungen; Du darfst, im Reihn der Cherubim verschlungen.

Ein würdig Lob dem Ewigen bereiten;

Und ach! es blieb im Schmachgefül der Zeiten Fast nur der Schrei der Folter unsern Zungen. —-

Auf deine Schultern unsre Schuld zu laden Erkorst du, dass dein Leiden uns Genesung,

Dass deine Wallfart unsre Wohlfart werde. Da rauschte fernher aus dem Meer der Gnaden, Wie Frühlingswehn, die Losung zur Erlösung,

Und rettend nam ein Gott dich von der Erde.

32

18 12.

Erwach ans deinem thatlos müden Schlummer,

Erwach, entweihtes Vaterland!

Sich diese Wnchersaat von Schmach und Kummer,

Und dein Geschlecht in Fremdlings Hand! Sich her! des Ausgangs nnwirtbare Länder Düngt deiner Hcldcnsöhne Blut. Für wen? — für Knechtes Joch — für Ehrcnschänt

Für eine scheuslich feile Brut. — Zurükk von diesem Netz verruchter Schwüre!

Vergiss es nicht das arge Wort: „Dass sanfter dich das Seil des Henkers fürc.

Sei dein Panier Verrath nnd Mord!"

33

Den Freund der Gottheit sollst du würgen helfen. Der lautern Herzens dich umschlang!

Schon wetzt den blutgen Zahn der Schwarm von Wölfen, Scho» lauert er dem Doppelfang.

Dein blühend Reich verheerten ihre Züge, Die Zwietracht sog an deinem Mark;

Doch Trotz zn bieten jedem Werk der Lüge, Sind wir noch reich und kün und stark. Auf denn! lasst uns die ehrne Zeit erneuen, Wo hier der Waffcnstrom gebraust!

Destel! schon harrt die Heerschar deiner Treuen, Schon jauchzt daS Schwert in ihrer Faust.

Für heilgc Freiheit, für den Gott der Väter, Schwillt dieses Streites jäher Lauf. Wo nagt die Brut? wo Hausen die Verräthcr?

Sucht sie in ihren Klüften auf!

34

Den grünen Boden soll ihr Herzblut färben, Der Sattis sei mühevoll und heiß! — Hinaus zum ernsten Spiel! — Fluch und Verderben Dem gallischen Geschmeiß!

35

Psalmen. I. Du dessen Winke tausend Weltenalter

Und Irrgcstirn' und Sonnenheere zügeln, — Der glorreich ans der Morgenröte Flügeln Dem Dulder naht, o Herrscher und Erhalter!

Vergib dem Staub, der sich vermaß in kalter

Zerfallenhcit ob deiner Macht zu klügeln: Ein süncnd Opfer raucht von diesen Hügeln, Und Preis und Rettnugsdank entsteigt dem Psalter.

Wer dich erkennen will, muss dich cmfinden.

Muss dich mit heißem, liebenden Vertrauen An jeden Pulsschlag seines Herzens binden.

O lass auf deine Daterhulb uns bauen. Lass zu des Kindes Einfalt uns erblinden.

Um deiner Gnade Himmelslicht zu schauen!

36

IT. Erhebt des Ewgen Ruhm mit froher Stimme,

Und lobet seiner Stärke treulich Walten!

Errettung will er ans dem Graus gestalten, So frech der Willkür Schlange sich auch krümme. Er hat, dass hier der Funke nicht verglimme,

Der von ihm zeugt, ein streng Gericht gehalten, Und die versucht ob Gottes Reich zu schalten.

Wie Spreu vertilgt in seinem heilgcn Grimme. 0 Herr! — es sind die Köpfe jener Hyder,

So kaum vom giftgcschwollnen Rums geschlagen.

Noch zukkend sich zu deinen Füßen regen. Schon wachsen die gefällten Häupter wieder:

Ach würdig' uns, mit Hand ans Werk zu legen Und glutbewehrt den fürdern Kams zn wagen!

37

Bei Eröffnung des Krieges. 1813.

WaS regt die Flut, dass tausend Kräfte gären? Was schrie des Sturmes sürchtcrlichcr Schwur? An Felsenherzcn schlägt ein Strom von Zären, Und tobt durch des Entsetzens öde Flur; Welch Schrekkenskind soll noch die Zeit gebären? Was kündet uns der Aufruhr der Natur? Ach! wird ein Fluchgcschikk mit Wog' und Wettern Noch unsre letzte Pflanzung nicderschmettern?

38 Dass herrlicher sich Dlüt »nd Frucht entfalte, Ergrollt der Donner, wütet der Orkan.

Dass wieder Freiheit auf der Erde walte, — Unangetastet von des Pöbels Wahn,

Die Glut auf dem Altare sich erhalte, — Dass Glaub und Sitte freundlich wieder nahn,

Vereinen sich getrennter Volker Scharen Und stürzen sich in Kamf und in Gefahren.

Die Schlachttrompete ruft — die Fahnen wehen —

Die stolzen Heere rükkcn frei ins Feld. Heiß sei der Streit, dem wir entgegen gehen: Erlösung hofft die unterjochte Welt!

Heiß sei der Streit — wir werden ihn bestehen.

Wie auch der drohend blutgc Würfel fällt, — Wie auch des Kriegs unstäte Wogen treiben, Wir werden treu dem ernsten Ziele bleiben.

39 Es leuchtet uns voran ein teures Leben, Ein vielgeprüftes, fromm beseeltes Haupt;

Sein Schwertschlag wird dem Volke wiedergcben, Was ihm der Willkür herber Zwang geraubt;

0 dass des Sieges Geister ihn umschweben, Der uns den Stab der Hoffnung neu belaubt!

Verschwistert, in geheiligtem Vereine Ist ewig unsre Wohlfahrt und die seine.

Wir bluten für das Recht, wir dürfen bauen Auf Schutz und Beistand einer höher« Hand:

Ihm folget nach, ihm gebt euch mit Vertrauen, Der nie noch von den Seinen sich gewandt!

Er wird mit Huld auf uns vom Himmel schauen, Wenn heilge Kamflust unsre Sehnen spannt; Denn wer zu ihm sich naht mit reinen Händen,

Dem will er hilfreich seine Boten senden.

40 Und seht! aus heitern Höhn winkt unter ihnen Herab ein unvergeßlich Liebesbild;

Wohl ist cs einst auf Erden uns erschienen, Wie das Erbarmen segenvoll und mild; Gewohnt, in dem Bedrängten Gott zu dienen, — So war es sonst des Landes Hord und Schild:

So wird es jetzt auch freudgcr Krieger Reihen Durch Glaubenmut zu Heldenthaten weihen. —

Nicht eh" sei unsrer Fehde Lauf geendet, Als bis der Feind vom deutschen Boden weicht, Dis wir die Geißel, die uns lang" geschändet,

Den Hohn und Dünkel jener Brut verscheucht, Dis das Gesindel, staunend und entblendet,

Uns still den Kranz verdienter Ehrfurcht reicht; Die früher sich des Werks Vollbringer achten,

Sie kennen nicht gediegnen Sinnes Trachten.

41 Jetzt schäume jede Kraft und ring" und werbe

Für diesen Bund, der Lug und Frevel rügt;

Doch ist der letzte Streich,'der ihn verderbe, Dem schnöden Feind der Menschheit zugefügt,

Dann kehren wir zum heimatlichen Erbe, Wo schlichter Eintracht Wandel uns genügt.

Und preisen, tief gerürt, mit unsern Lieben Den Gott, der unser Siern und Schirm geblieben.

42

Die Geschwister. 2sn Eugenia und ihre Gefärtinnen. May 1813.

Ihn neid ich, der im Drang erhabner Sorgen

Für Recht und Freiheit, mutig, »»bezwungen,

Das Loos ergriff der größten Opferungen; Denn hoch und herrlich ist, dem Schiksal borgen.

Noch stralt der Welt das Licht der Sankt Georgen, Das der Thusnelden, das der Nibelungen;

Und von dem Kranz, auf Lützens Flur errungen. Tagt Enkeln noch ein zwiefach schöner Morgen. Der Schwester heilig Bild an seiner Seite,

Wird ernst der Geist des Fürsten uns umschweben,

Der dort dem Heldentode jüngst sich weihte.

Euch ziemt ihr folgen; — trostvoll, gottergeben,

Entsagt sie — hehr wie die Gebenedeite — Der Trauer um das früh verwaiste Leben.

Zweite

Abteilung.

Es bildet ein Talent sich in der Stille, Sich ein Karakter in dem Strom der Welt. Göthe.

45 D i e Spindel. Strofe.

Nicht das Würfelspiel der Schlachten, Nicht der Völker Schmach und Ruhm, Häuslichkeit sei unser Trachten,

Einfalt unser Heiligthum. Fromme Künste hat Athene

Früh der Weiber Sinn gelehrt. Dass er sich in Demut sehue Nach des Lebens innerm Werth.

Was die Spindel nied und leise,

Was des Garnes Spule beut. Heimisch in des Hauses Kreise

Teilt es Freude, teilt es Leid:

Fremd betritt in Angst und Zagen, — Nakt der Mensch des Lebens Bahn,

-46

lind des Kindes Tränen klagen Bitterlich sein Schikksal an;

Doch die Liebe stillt sein Weinen, Doch die Treue wartet sein,

Doch die Mutter hüllt in Leinen Sorglich, traut den Säugling ein.

Ward sie nicht vom Schmerz verschonet. Traf sie manches Ungemach,

Kind! dein erstes Lächeln lohnet Ihre Leiden tausendfach.

Gegenstrofe. Und das Mägdlein, schlicht erzogen, Eilt dem Knaben bald voraus: Fassen ihn des Lebens Wogen,

Wahrt die Jungfrau still das Haus.

So Arachne.

Kunstcrfahren

Trug sie noch der Kindheit Sinn,

47

Und der Hütte frohe Laren Segneten die Weberinn. Eilig füllt die weiten Gauen Lydiens der wache Ruf, Eilig strömt das Volk, zu schauen Was die Jungfrau liebend schuf. Fördernd ihr Gewerb mit schnelle» Handen, mit geübtem Griff, Treibt sie durch der Garne Wellen Das beschwingte Webeschiff. Und ein schmeichelndes Gelingen Spornt der Ruhmgier eitcln Lauf: Um der Ehre Preis zu ringen. Ruft sie dreist Athenen auf. Doch zu des Verderbens Rand« Geißelt sie des Eifers Wut, Und sie büßt in ewger Schande Tief der Seele Frevelmut.

48

Epode.

Denn fein Sterblicher versuche Frech die Gottheit! Ihrem Fluche

Leihen des Kozytus Mächte Willig die verborgne Rechte. Wer in seinem Wahn verwegen

Trotzet auf des Elükkes Segen, Sieht vom Glükk sich bald gemieden;

Schleunig nahn die Eumeniden, Und von keiner Reu gewendet

Auf des Schuldgcn Haupt gesendet,

Zukkct der Vergeltung Rache, St'incnd die gerechte Sache.

Drum, die sich in Elükkes Tagen Liebt der Fessel zn cntschlagen,

Jugend! sei gedenk der Lehre,

Dass die Furcht die Götter ehre!

49

Strofe 2.

Spinnt, ihr Mädchen, in die Welte! Diese Arbeit dieser Fleiß Kleidet bräutlich euer Bette Mit derReinheit zartem Weiß. Du des Menschen höchste Zierde, Reinheit, — stumm vor deinem Glanz, Legi die stolze Herschbcgierde Nieder den errungncn Kranz! — Unstät lauscht der Mann den Schern — Sucht den Kams — gebeut dem Markt; Seine Sehnen werden ehern, Seines Herzens Kraft erstarkt Doch im öden Weltgcwüle Sehnt er müde sich nach Ruh, Sehnt er sich dem Mitgcfüle Einer schöne« Seele zu.

50 Die der Unschuld Zauber gürten Walt er aus der Mädchen Schar,

Deut ihr froh das Pfand der Mitten,

Ihr dm Schmnkk der Liebe dar: Und zum Votlgenuss der Freuden,

Die in ihrer Seligkeit

Selbst die Himmelwohner neiden,

Wird der Torus eingeweiht.

Gegen strofe.

Thebens Held, der in der Wiege Schon die Nattern kün erschlug,

Schon als Jüngling seine Siegel

Durch den halben Erdkreis trug, —

Rauchend von dem Blut der Hyder,

Rastend von der Städte Ban, Sank er liebeglühend nieder

Au der Spindel einer Frau.

51

Dass der mut'ge Ueberwinder

Zweimal den Avcrn betrat. Ehrt den Man», den Gott nicht minder Jene menschlich schöne That. Und so fliegt vom Mund zu Munde

Mancher Weberinnen Preis; Zwei vor Allen nennt die Kunde

Prangend in der Helden Kreis:

Die im Drang von zwanzig Jahren Dem Gemahl, mit festem Sinn Treu blieb gegen Frcierscharen, Jthaka's Beherrscherinn,

Und Antigone, der Schönen

Schönste, die beherzt und groß.

Um der Brüder Schmach zu fönen. Zog des Todes traurig Loos.

Was Erhabnes je geschehen, Was an des Olympos Höhen Streifte mit den goldncn Schwingen, Konnte Liebe nur vollbringen! Haltet heilig sie: was bliebe Noch dem Herzen ohne Liebe! Wohl dem — Glükk ist ihm bereitet, — Den sie mild durchs Leben leitet, —. Und entwandert er dem Leben Wird ihr Hauch ihn noch umschweben, 2hm die heiße Stirne fächeln; — Und der Mensch, der einst das Lächeln, Das an seiner Wiege wohnte. Mit der Tränen Vorwurf lohnte. Lächelt selig, wenn die Seinen Laut an seiner Bahre weinen.

53

Strofe 3. Seht! daher mit leisen Tritten

Still und zögernd wankt ein Zug. — War, o Herz! was du gelitten

Dem Verhöngniss nicht genug?

Manches Gut, das dich ergetzte,

Triel) es ein mit hartem Sinn,

Ach! und deiner Freuden letzte Nimt cs achtlos noch dahin. — Lasst mich bergen, lasst mich schweigen, Was hier deutungvoll geschah!

Jeder ist dem Schikksal eigen, Jeder ist dem Uuglükk nah. —

Bleiche Fakkeln seh ich schimmern

Um den gramverhüllten Chor, Und der Klageweiber Wimmern

Dringt zerreissend in mein Ohr. —

54 Süße Bilder aus dem Leben,

Unsrer Liebe letztes Pfand, Treu dem Treuen mitgcgcben,

Folgen ihm ins finstre Land:

Sein Gerälhc, seine Waffen.

Und du köstliches Gewand, Das der frühe Fleiß erschaffen Mit der Zukunft unbekannt!

Gcge nstro fe.

Wo auf dürren, nacht'gcn Fluren Einsam die Granate reift. Wo von lebenden Naturen

Nie ein Laut hinüber schweift, Mühen ernsten, starren Blikkes, Stumm im schwesterlichen Kranz,

Sich die Töchter des Gcschikkes Emsig um der Spindel Tanz.

55

Wie sie scheu, verborgen spinnen An dem grauenvollen Ort,

Schwindet unser Dasein, rinnen Unsre Stunden eilend fort.

Wohlfart gattet sich mit Plage In der Faden leichtem Spiel,

Und dem Wandel unsrer Tage

Setzen sie ein schaurig Ziel;

Denn so ost mit flüchtgem Beben Atropos die Scheere schnellt

Wendet ein geliebtes Leben Weinend sich von dieser Welt. —

Auf! den Schwestern flechtet Kronen, Dass sie mit vcrsönter Hand

Lange noch der Teuern schonen, Die das Schiksal uns verband!

LS Epode.

Wechsellos auf treuer Wage Ruhn die zugemcssnen Tage, Die des Menschen Leben reisen;

Doch wer mag den (Sott begreifen, Der den Jüngling gleich dem Greise Abruft aus des Lichtes Kreise, Unerbittlich, ungerürct,

Ihn ins Reich der Nachte füret! — Darum, was der Mensch beginne. Zeitig richt' er seine Sinne

Auf das Bleibende, das Wahre, Dass, wenn einst im Strom der Jahre

Hin des Lebens Lüge schwindet,

Sein That ihn noch verkündet. Und bei seinem Werk und Namen

Enkel glühn, ihm nachzuahmen l

-7

Sinnesänderung.

Trauernd blieb ich und betreten Don des Staunens Uebermaß,

Seit ich jüngst das Wort des Weisen las; ^Uuglükk in der Liebe bilde den Posten." Heimlich wünscht' ich wohl vor Zeiten,

Dass dem Himmel es gefiel',

Einst durch ein gefällig Saitenspiel

Den beschcidnern Lorberkranz mir zu bereiten. Doch ein jedes Ding auf Erden,

Jeder Wunsch ist wandelbar: Wende, Klärchen, wende die Gefahr, — Gutes Klärchen, lass mich nicht zum Dichter werden.

58

Reigen. (Seiner Tänzerinn)

Flüchtig und leicht, wie die Woge des Lebens Fürt uns der Tanz durch die wechselnde Bahn, Magisch erglühn wir entfesselten Strebens; Stimme der Zeiten, du mahnst uns vergebens!

Kränkelnde Sorge, nicht darfst du uns nahn!

Einzig die Gegenwart hält uns umwunden, — Zukunft, Vergangenheit fliehen den Blikk; Aufwärts geflügelt, des Stoffes entbunden. Ahnen wir kaum noch die Trennung der Stunden,

Athmen wir näher dem Göttergcschikk.

59 Ist cs der Schöpfung Getön, was wir hören? Reißt uns der wachsende Strom mit sich fort?

Schauet die Welten! in taumelnden Chören

Wirbeln sie frei durch harmonische Sfaren, Schwelgen sie selig in Einem Akkord.

Freud' ist die Andacht, in der sie erflammen, —

Freude die Göttlichkeit, die uns durchglüht! Sie, die verschwistert der Menschheit entstammen, Zeiten und Räume sie fluten zusammen. Einen sich rhythmisch dem trunknen Gemüt.

Flüchtig und leicht wie die Woge des Lebens,

Fürt uns der Tanz durch die wechselnde Bahn, — Magisch erglühn wir entfesselten Strebens;

Stimme der Zeiten, du mahnst uns vergebens!

Kränkelnde Sorge, nicht darfst du uns nahn!

60

Die Erscheinung. War es Wirklichkeit, was noch mit bangen,

Süßen Schauern meinen Busen füllt? Treulos floh das heilig schöne Bild,

Das im Morgenschlumincr mich umfangen. Ach! zu schnell dem regen Glutvcrlangen, Ist der Glanz erloschen, der so mild.

So beseligend sich mir enthüllt. Ist des Wahnes Herrlichkeit vergangen. —

Wohnt, waS hier entzükkt die Sinne träumen. Nur in jenen heimatlichen Räumen?

Weill kein Friede hier für das Gemüt?

Holdes Traumbild, nahe dich dem Leben, — Steige nieder, mir das Elükk zu geben.

Das mir fern im Reich der Sehnsucht blüht!

61

An Eurial.

Sich, Freund, die Menschen dort in dichten Haufen

Mit Angst und Gier zum Lebensmarkte laufen, Sie Alle »volle» sich Genuss erkaufen.

Sie geizen, eifern, listen, trachten, wagen. Sie spähn und lauern, knechten und ertragen, Um diese karge Waare zu erjagen.

Die sich um titeln Tand zu überbieten. In blindem Wahn ihr Heiligstes verrieten,

Sie finden sich am Ziel, sie zogen — Nieten.

So greift, laut schauerlichen Volksgerüchlen,

Im Orkus der Tmolid' nach goldnen Früchten Und sieht vor seiner Hand sie wieder flüchten. —

62 Willst du dem Mcnschenmecre dich gesellen,

Bewahre d i ch, dass nicht im Spiel der Wellen An Klippen deine Hoffnungen zerschellen.

Du magst die Welt mit deinem Segel teilen, Das Unbekannte wirst du nicht ereilen.

In dessen Raumen Wunsch und Sehnsucht weilen:

Nicht deine Heimat findest du hieniedcn, Und willst mit ehrncn Banden deinen Frieden Ins Joch vergänglicher Momente schmieden!

Entschwinge dich dem niedern Erdenleben, Um dich, in Lust und Liebe hingcgebcn,

Zum Urquell ewger Schöne zu erheben. Die Menschheit reift in Thaten und Entwürfen; Die werth des Wonnekclchcs, sic nur dürfen Ihn ungestraft bis auf die Hefen schlürfen.

63

Arm der Fantasie wirst dn gesunden, Oft schöner als im Rausch der schönen Stunden Wird der Genuss geahnt und nachemfunden. Auf! waffne dich zum Kams mit dem Gemeinen! Don seinen Schlakken das Gemüt zu reinen, Musst du dem Ideale dich vereinen!

64

Im Frühling.

Der Lenz ist erschienen,

Noch eh wirs gedacht,

Auf freundlichen, grünen, Romantischen Dünen

Doll Hoheit und Pracht.

Und wunderbar waltet Und ruft er hervor, Und schafft und gestaltet,

Und webt und entfaltet Elisiums Flor.

65

Wie stralst du, Gefilde! Wie spiegelst du, Au, Der Anmut Gebilde So malerisch milde Im sonnigen Thau! —

Die Schwalben erlasen Ihr heimisches Dach; Die Herden nmgrasen. Auf schwellendem Rasen Den silbernen Bach.

Der Nachtigal Flöten Beseelet den Wald, Und Blumen erröten Auf duftigen Beeten In holder Gestalt.

66

Und Alles lacht Freude;

Und Alles erscheint.

Auf Feld und auf Weide, Auf Trift und auf Haide, Durch Liebe vereint. —

Ihr, die ihr hicnicdcn. Von Kummer betört,'

Den tröstenden Frieden In dumfigem, müden

Erdulden entbehrt, —

Auf! — fliehet die Mauern, Wo Trübsal und Zwist Und Feindlichkeit lauern,

Und wo man im Trarwrn Des Lebens vergisst!

67 Verlasset die Städte, Betretet die Höhn, In bräutlicher Röte

Die Gärten und Beete

Des Bundes zu sehn!

Und zauberisch tage Die Hoffnung dem Schmerz; Der lastenden Plage, Der Schwermut und Klage

Entreißet das Herz:

In fcölichem Schwarme

Durchirret die Flur, Damit es erwärme

Im liebenden Arme Der Mutter Natur!

68

Der Ausgang.

Knabe, komm! der Abend ist schön,

Gib mir das Kleid aus dem Schrank: Will genesen am Busen der Höhn,

Din im Herzen krank. Wandern will ich zum Dörfchen hinan.

Kaum fasst der Weg die Schar;

Schreitet dort mancher Bürgersmann,

Manches ehrsame Paar. Jeder genießt den festlichen Tag,

Thut sich was zu gut.

Ach, dass ich nicht es vermag!

Hin ist mein froher Mut.

69

Hurtig, Knabe, das Kleid gereicht, Will unter Menschen gehn; Dort erblikk ich das Mädel vielleicht.

Das mein Herz sich ersehn.

70

Bekenntniss.

Ferne Holde, darf ich wagen Dir mein heimlich Leid zu klagen'?

Darf auf Mitgefül ich baun? Darf in diesen heitern Tagen Wohl ein Wörtchen dir vertraun?

Wollt' ich schweigend hier verweilen Ohne mich dir mitznteilen,

Würde mir kein Mai erblühn,

Würd mir der Lenz enteilen

Freudlos, in Melancholien.

71

Seit mit eines Engels Mienen, Du, Erwälte, mir erschienen,

Wohn ich einsam auf der Flur: Unter Felsen und Ruinen Sieht mich hier nur die Natur.

Ueberdekkt von Dlütcnbäumcn, Schwankend in der Sehnsucht Träumen Sinn' ich deinem Zauber nach, Mag ich irren, mag ich säumen, Bleibt in mir die Liebe wach.

Und vom Dämmerschein durchbcbet. Ist der Busch, der mich umwebet, Nur mit ödem Gram erfüllt: Was hier täuschend mich umschwebet, Ach! es ist ja nur dein Bild.

72

Würdest du dich zu mir neigen, Würde dieses Dach von Zweigen, Huldinn, enger uns umzieha — Meine Klage würde schweigen Und der Lenz mir wieder blühn!

73

Die Blumenspende. Euch freundliche Kinder der Horen, Sie hat euch zur Sendung erkoren: 2hr seid mir der Freude Geschmeide. Gedenk ich, was ihr mir bezeuget, Verschmerz ich — auch wenn Trennung beuget, Den Kummer der Ferne So gerne.

Wie will ich mit sorglicher Treüe, Dass oft sich die Tröstung erneue, Euch liebliche Blüten Behüten'. —

74 Ach, gattet kein Glükk sich der Dauer? Schon seh ich, mit ahnender Trauer, Die Rosen und Nelken Verwelken:

Bald zieht ihr zum Reiche der Todten; 0 wäret ihr sichere Boten, Dass treu ihre Liebe Mir bliebe!

75

Apotheose. Fest umranken, wie den Stamm die Reben, Eötterfrcnden deine Gegen,vart;

Seelen sehn den Himmel offenbart, Wenn Gesänge deinem HaKch entbeben.

Für die Reize, welche dich umweben, Hat die Flur ihr Schönstes aufgespart: Wo du weilst, prangt Alles neu und zart, Ueberall beglükkt, beseelt dein Leben. — Seh ich so des Gartens Blütcnhallen

Deine lichte Huldgestalt cntwallcn. Fesselt mich ein bange süßer Wahn: Staunend wän' ich, Anadyomene

Walle noch in erster Iugendschöne Ans der Erde heimatlicher Bahn,

76

Der Knabe und der Vogel.

Neulich im Ulmenhain Saß ich auf Matten, Träumte mich ganz allein Weilend im Abendschein Unter den Schatten.

Und durch den Abendschein Und durch die Blätter Schwang sich ein Vögelcin, Munter, vergnügt und fein War sein Geschmetter.

77 Munter, vergnügt und fein Sang es mir Lieder; Naher bei mir zu sein, Mitgefül mir zu leihn Kam es hernieder.

Mitgefül mir zu leihn, Teilend mein Leiden, Seufzt es voll Lieb und Pein, Seufzt es den Namen dein. Mehrte mein Leiden.

Ach und der Name dein Murmelt im Bache, Hallet im Fclsgestein, — Ruhe kehrt nimmer ein Zu meinem Dache!

78

Der Kirchgang. Sonett. Ich schloss mich an die Schar, und fröhlich zogen Den heitern Weg zur Kirche die Genossen.

Und uns entgegen, wie ein Strom, ergossen Sich schon der Orgel, schon des Chores Wogen. Wir traten ein, und Wanten uns betrogen.

Als wir am Hochaltar, von Licht umflossen, Ein Mädchen sahn, um deren Haupt die Sprossen Der Mirte huldig sich und schmeichelnd bogen.

Und brünstig trieb es mich mit den Gcfärten

Die Statte der Dersönung zu betreten. Wo Friedenscngcl ihr Gehcimniss «arten. Doch nicht empor zum Heiland stieg mein Beten;

Ach nein! es neigte sich zur Gottverklärten, Um die der Andacht heilge Schauer wehten.

79

Mysterien der Liebe.

O Heil dir, Seele, Die Lieb' cmfunbcn]! Verbirg, verhehle Die teuern Wunden! Der süßen Leiden Genieß in Demut, still, bescheiden!

Geheimer Garten Voll Hoffnnngblütcn, Will deiner warten, Will fromm dich hüten, Will dich umranken Mit heilger Anbetung Gedanken!

80

Von Lcbcnsbaumcn Sich Früchte streifen ■— In Kindesträumen Dem Himmel reifen —

Hab ich dich inne. Du Paradies geweihter Minne? • O Heil dir Seele/ Die Lieb' emfunden l Verbirg, verhehle Die teuern Wundenl Der süßen Leiden Genieß in Demut still.- bescheiden!

81

An Agathonia.

Erwartend stand ich da im Treiben Der räthsclhast bewegten Welt:

„Wird treu der Glaube dir auch bleiben An dem dein Herz so ängstlich hält?" Den Fluch der Lüge musst ich schauen,

Die frech das Blut der Menschheit sog:

„0 weile, schützendes Vertrauen, Wie oft die Welt dich auch belog!" Und schon begann die Brust zu hassen,

Und an der Seele fraß der Gram; Und weinend harrt' ich und verlassen Der Nacht, die mir entgegen kam.

6

82

Da tagt' es auf, wo du im Lichte Verklarter Einfalt mir erschienst; Ich hing an deinem Angesichte, Und Liebe ward mir Gottesdienst. Du gabst mir einen schöner» Glauben, Als ich ihn je zuvor gekannt. Und nichts soll mir den Himmel rauben, Den ich in deinem Herzen fand!

83

An Agathonia. Sonett.

Der Mensch, gewohnt den leichten Wunsch zu üben, Wält aus der Zukunft nie erschöpftem Rade

Bald Erdengüter, bald des Himmels Gnade,

Als heitres Loos für sich und seine Lieben.

Denn Sehnsucht ward dem Herzen eingeschrieben.

Damit der Pilger auf dem weiten Pfade Der Schuld des citeln Säumens sich entlade.

Und gläubig schau nach einem bessern Drüben. Nur Gott vermag dir Wohlfart zu gcwärcn

Und jeden Gram von deinem Haupt zu fernen,

Nur leises Ahnen darf der Busen naren: Doch sinkt Erhörung nieder von den Sternen,

Wird nie dein heilig Auge andre Zären, Als die der Hellen Freude, kennen lernen.

64

I h r. Wie der Keim, im Grab verschlossen,

Sich empor zum Lichte sehnt, Ans dem dunkeln Schoß die bleichen Sprossen

Nach der Farbenhcimat dehnt, —

Wie der Aar von seiner Kette Frei zum freien Aether schweift, —

Wie der Sünder auf dem Sterbebette Nach dem Sakramente greift, So erregen und umfangen Mich Geheimniss und Begier,

So entreißt ein namenlos Verlangen Zauberinn, mich hin zu dir!

85

Lebewohl.

Muss der kargen Pflicht die Neigung weichen

Greift der Zwang in unsre Freuden ein, — Keine Klage soll dein Ohr erreichen.

Keine Träne diesen Schmerz entweihn. Zieh dahin, und jeder Tag bekunde, Welcher Sinn die scheue That vollbracht;

Zieh dahin, nur unsrer Trcnnungstunde

Gönne noch den Stempel eigner Macht!

Uns im Lcbensmoste zu berauschen

Biete frei den Kelch der Laune dar, Lass die Seelen einmal noch uns tauschen,

Ach! und scheiden dann auf immerdar!

86

Ruhig mag die Stunde dann verbluten, — Ruhig starre dann der öde Blikk, Abgewendet von der Liebe Gluten, Auf das kalte, schweigende Geschikk!

Dritte

Abteilung

Die Probe eines Genusses ist seine Erinnerung. Richte

89

Das Blumengrab.

Knabe. Nimmer, nimmer fül ich Frieden Unter Menschen mir bcschieden, Was ich treibe, was ich thu;

Hier bei diesen Blnmenkindern Such ich Trost und Ruh:

Könnt ihr meinen Kummer lindern, Sprecht mir freundlich zu!

Maiglökkchen. Wir Glokken lauten

Zur Ruhstatt hin: Wirst du es deuten

Mit zartem Sinn? —

so D i r steht sie offen Die schöne Welt, Du kannst noch hoffen Was dir gefällt,

Das Glükk erbeuten Mit wachem Sinn; — Wir Glokken lauten Zur Ruhstatt hin. Knabe.

Jedem Glükk will ich entsagen; Lieb nur sind mir meine Klagen, Wunsch und Hoffnung mir verhasst. Was ich bin und was ich habe. Wird mir Lebenslast: Glökkchen! lautet bald zu Grabe Eucrm neuen Gast.

91

Dergissmeinnich t.

Süß ist, in Wort und Lied Den stillen Schmerz erneuen; Treu bleibe dem Getreuen Der segnend von dir schied. Der Liebling, welcher starb, Lebt fort im Angedenken. Das treue Herzen schenken. Das treu sein Herz erwarb. -

Tagt dir der Zukunft Licht, Hat wieder dir das Leben Der Freude Mut gegeben, — Vergiss des Todten nicht!

92 Knabe.

Ach wie sollt ich sein vergessen: Unerforschlich dem Ermessen:

Muss des Himmels Härte sein; Mich auf immerdar zu beugen

Brach sein Zorn herein, — Brüder! euch rief ich zu Zeugen:

Wen tras gleiche Pein? Veilchen. In einsamer Zelle

Da näre den Harm, An Mitleiden arm

Ist Anderer Schwelle.

Lass Schmerzen den Willen, Lass Tranen den Laus;

So hältst du ihn aus, So wirst du sie stillen.

93

Erdulde verborgen Und weine dich aus: Durch Nacht und durch Grans Errötet der Morgen. Knabe.

Auch für mich noch? — ach, es glühte Unsers Bundes früher Blüte Einst ein heitres Morgenroth. Jugend, frei von Sorg und Lasten, — Lust, die reich sich bot, — Glükk, das kaum die Seelen fassten, — Du bist hin und todt! —

Au r if ein. Nicht du allein Füllst Gram und Pein, Die Zare netzt auch unsre Augen;

94 Manch Lüftchen küsst

Uns mit Gelüst Und sucht die Perlen wegzusangen;

Es schmeichelt zart

Nach Buhlenart/ Es thut verschämt, es tändelt lüstern, — Es spielt und kost.

Doch keinen Trost Dcrmags dem Kummer zuzuflüstern. Knabe.

Nicht der feuchte Schmukk der Auen, Tropfen sollen euch bethaucn,

Die der Freundschaft heilig sind

Weinend lausch ich euer» Winken:

Tranen wird der Wind, Wird die Mnrmelquelle trinken,

Die hier leiser rinnt.

95

Moosröschcn.

Dom Stral des Sonnenblikkes Schwillt meine Brust, Des waltenden Geschikkes Sich kaum bewusst; So weih' der Freud, o Knabe, Dein zart Gemüt: Mein Moos gehört dem Grabe, Der Lenz verblüht. Ein anderes.

Ich Morgcnknospe liege Noch sorgenlos In meiner grünen Wiege Von Laub und Moos; So ruht in küler Hülle Der Dich verließ. Er schlaft in Iugcndfülle; So süß — so süß!

96

Knabe.

Ach! auf ewig mir entrissen Ist in jenen Finsternissen,

Der sich mir auf ewig gab!

Schwinde, Kranz auf meinem Haupte, — Blüten, fallet ab! Was ich hoffte, was ich glaubte,

Sank in dieses Grab.

Immortelle. Die Saat muss sich neigen

Zum Erdenschoß; Wir Blumen zeigen

In Wechsel und Reigen Des Menschen Loos.

97 In blühenden Zweigen, — Auf welker Flur, — Sich ewig eigen. In heiligem Schweigen Webt die Natur:

Sieh! Blumen entsteigen Dem Grabesschoß, Und deuten und zeigen In Wechsel und Reigen Des Menschen LooS.

Knabe.

Blühe, holdes Grabgcfilde! Deinem Auferstehung-bilde Lächelt, der zuvor geweint; 7

98

Seif’ im Hauch der Abendwinde

Ruft der Freund dem Freund: —

Wie ich auch das Jenseit finde.

Nur mit ihm vereint!

99

Der Ungetreuen. Und so ist der schöne Kranz zerrissen, Der sich einmal nur im Leben flicht? Und so soll ich deine Liebe missen? Fühllos sein vor deinem Angesicht?

Einem andern Reich anzngehören. Willst du deine Neigung mir entzieh«, — Willst den süßen Minnetraum zerstören. In geweihtem Flammen zu erglühn? Fromme Streiterinn! du erntest Nieten, Du erheerest dein' und meine Ruh: Ach! dem Herzen lasst sich nicht gebieten, Und nur Liebe fürt dem Himmel zu.

100

Zefyrß Liebschaft.

Des Lenzes milde Wiederkehr Erfreute schon das Land, Doch Zcfyr rauschte hin und her Und seufzte bang und seufzte schwer, Dass er kein Liebchen fand.

»Wo säumt ihr, holde Blümelein? Schon tönt der Lerche Lied, Schon füllt der Sänger Chor den Hain, — Ich such umsonst Feld ans Feld ein, Für mich kein Liebes blüht."

101 Und wieder fällt der Sonne Stral Erwärmend auf die Au,

Und Blumen sonder Maß und Zahl Entsteigen rings dem Frühlings-Thal

Und stellen sich zur Schau.

„Euch Alle ehrt des Lenzes Beet,

Ihr Schönen zart und fein. Doch unter allen Eine steht Doll Anmut und voll Majestät,

Die soll mein Liebchen sein. "

Und zu der Rose fliegt er hin

Und schmeichelt los' und leicht Auf dass er ihre Gunst gewinn'.

Und flüstert mit verschämtem Sinn, Dass nichts dem Röschen gleicht.

102

Er trägt ihr, wenn der Abend thaut Der Külung Labe zu, Und buhlt um sie, und scherzt vertraut. Und wiegt sich auf dem Schoß der Braut, Und schwelgt in süßer Ruh.

Doch ach! nach kurzem Lenz beschlich Der Herbst das holde Thal, Und wo sein kalter Odem strich. Da sanken und entfärbten sich Die Blumen allzumal.

Wenn jetzt der Abend wieder thaut. Klagt Zefyr seine Noth, Ruft bang uud ängstlich seiner Braut, Und härmt sich, und bejammert laut Des Rösleins frühen Tod.

103

Abendgefül. Aus dcm ungewissen Schattenbilds,

Das im Flammenmeer der Lüfte wallt. Tritt die Gegend; schauerlich und kalt

Ziehn am See der Nebel Truggcbildc; Balsamträufclnd feiern die Gefilde,

Des verwirrten Tages Laut verhallt, — Schon entströmt dem weiten Buchenwald,

Wie ein Traum, des Friedens Wonnemilde. Scheidend weint die Frühlingsängcrin, Und bei ihrer Trauer dunkeln Tönen,

Uebermannt mich still erwachtes Sehnen: 0 wie lechzet, fessellos, mein Sinn,

Mit dem Blumenstaub, von Abendwinden Fortgerafft, im Spätroth hinzuschwinden!

104

Dahin.

Ihr vertraute Stunden

Früher Seligkeit,

Ach zu bald entschwunden Dient ihr nur dein Leid. Von geheimem Drange

$ litt das Herz sich schwer, Harret schmerzlich bange

Eurer Wiederkehr. Armes Herz! vergangen

Ist dein stolzes Glükk;

Rufst ihm mit Verlangen, Kehrt doch nicht znrükk!

105

Dahin.

Heiter zum Bache hin

Spielte der Knabe, Freude war sein Gewinn,

Kam ihm nicht in den Sinn. Was er nicht habe.

Sah einen Schmetterling Dort mit Entzükken

Wie er noch nimmer fing, Als er am Ufer ging

Blumen zu pflükken.

106

Flehte mit Wort und Wink: »Schmetterling säume," Aber der Schmetterling Spottete leicht und flink Irdischer Räume.

107

Läuterung. Schlummernd wänt ich jüngst, dass um das Eppichband

Meiner Schläfe gaukelnd Amoretten spielten;

Ihr Gewand, worin des Zefyrs Launen wülten, Dckkte spärlich ihrer Anmut Wunderland.

Meine Götterträume hatten nicht Bestand: Ich erwachte; Nüchternheit und Leere külten

Mir die Sinne, die sich schnell entzaubert fülten. Und der süßen Täuschung zögernd Bild entschwand. — Keine Blüte dieses Lebens blüht der Dauer, Immerdar vermält der Freude sich die Trauer —

Nur des Glükkes Wechsel hat Beständigkeit. „Wünsche, was den schnöden Selbstbetrug dir raube,

Auf des Wahnes Trümmern nur erwacht der Glaube,

Nur der Mann aus Träumen goldner Kinderzeit!"

108

Die Nachtigallen. Nur so lang' sie liebten, waren sie.

Die herrlich die Natur in früher Schöne Dem Buchenhaine lieh, Sie sind verhallt die wunderbaren Töne Der süßen Melodie: Es schweigt das hohe Lied, in dessen Fülle Des Wandrers lauschend Ohr, Gerürt vom Gruß der heitern Sabbathstille, Sich oft und gern verlor.

109

Wenn sonst in zahllos forinenreichen Fugen, Hier auf den Schattenhöhn, Am Gießbach dort die Nachtigallen schlugen. Wie war der Wald so schön! Wie dämmerten die hell belaubten Steige So neu und schauerlich, Wie regte dann in jedem jungen Zweige Ein frisches Leben sich! —

Erschallen noch die Hymnen fern am Quelle? Hatt ich es nur geträumt? Es ist der dumpfe Murmelklang der Welle, Die dort vom Felsen schäumt. Der Lenz ist hin, doch jene holde Weise Spricht im Erinnrungswahn, Gleich fernen Aeolsharfenlispeln, leise Die Sinnesstimmung an.

110

Warum verstummt ihr, süße Sängerinnen Dcglükkter Dlütenzcit? Kana nichts euch einen Laut noch abgewinnea In eurer Einsamkeit? Ihr grüßt nicht mehr den Morgenstral, bezwungen Don seiner Götterpracht — Ihr klagt nicht mehr dem Ohr der Dämmerungen, Nicht mehr der stillen Nacht? —

Jezt da der Sommer kommt, und in den Zweigen, Jüngst euer Aufenthalt, Die Harmoniern eurer Liebe schweigen Und euer Reich verhallt; Da öd und leer die Laubgewölbe trauern. Kein Leben sich bewegt. Und Schwermut nur mit seltsam tiefen Schauern Die finstern Wipfel regt:

111 Iczt forsch ich, ängstlich sehnend, hin und wieder Durch das Gehölz am Bach Und durch den Hochwald, eurer Minnelieder Beseeltem Wandel nach. Denn o! wie drükket mich so schwer, so trübe Mein ehmals froher Sinn! Auch mir nam den beglükkten Traum der Liebe Der kurze Lenz dahin.

112

Geisternähe. Zieh» in stiller Nacht durch Aetherzonen

Die Gestirne ruhvoll ihre Dahn,

Starr ich auf zum Weltenozean,

Denke meiner Trauten, die dort wohnen: Euch, ihr teure Frühverklärte, lohnen, Frei von jeder Fessel, jedem Wahn,

Keiner fremden Satzung Unterthan, Schon des erogen Lichtes goldnc Kronen.

0 dann sehnet sich zu jenen Höhen, Wo des Friedens hchre Palmen rochen.

Ahnend mein cmpmgehobner Geist;

Fernher dämmert mir ein süßer Morgen, Und vergessend tauch ich meine Sorgen In das Lichtmecr, welches mich umfleußt.

113

Die Sommernacht. Ja der Himmelsbläue tiefen Raumen Blinkt der Sterne Reigen licht und klar;

Blumen, die des Lenzes Schoß gebar.

Wiegen, küssend, sich in süßen Traumen; Wo des Daches Silberwellen schäumen.

Hüpft und buhlt der Fische muntre Schar;

Und ein zärtlich waches Turtclpaar Lokkt vertraut in diesen Schattenbanmen. Trunknen Sinnes sch ich deine Gluten,

Geist der Liebe, durch den Weltkrcis fluten, Alles schwelgt in Tausch und in Verein. Schmeichellüste wehn im Dlütenstranchc,

Wekkcn, flüsternd, mich mit lindem Hauche, Sagen leise mir: Du bist allein!

114

Die trauernde Najade.

Wie war vor kurzem noch so klar und froh und rein, — so ungetrübt und hell wie dieser Quell mein Glükk! — Der Friede floh, die Ruh ist hin:

115

und nie gewinn' ich sie zurükk! Jetzt weint die Najade am öden, verlassnen Gestade, und schaut, zu tief verktzt, voll Gram zur Welle, die laut und kalt und ungerürt, mit feindlicher Schnelle, mit roher Gewalt die Tränen entfürt! — 8 *

116

Im Wolkenwagen, von Schwänen getragen, nach Pafos Gebiete zu eilen, kam, Afrodite, mit Bogen und Pfeilen dein Knabe daher gezogen.

Er lechzt' und glühte und stillte den Brand mit kekkem Gemüte hier in den Wogen, die schmeichelnd den Lieblichen külten.

117

Sie spülten und gaukelten leicht und gewandt am silberumschaukelten blumigen Strand, und wiegten das flüsternde Rohr. Sie trieben an Stauden und Baume mit Murmeln empor, und zauberten selige Träume von Lieben uns vor.

Und sehnend belauschte mit trunkenem Ohr die Sinnig-berauschte den fröhlichen Chor.

118

Die schlanken gekräuselten Erlen neigten sich, säuselten, tranken die Perlen der Hellen schäumenden Wellen, und regten der Träumenden Minnegedankcn.

Und immer vergänglicher, heimlich und sacht, licbkos't' er mit trüglicher, schelmischer Macht.

119

Er lächelte fein sittig; süß fächelte sein Fittig, und trug mir Labung zu. Ich sank in Ruh, und gab mit leichtem Sinn ihm meinen Frieden hin. — Jetzt weint die Najade am öden Gestade, und schaut voll Kummer zum Quell, der laut und ungerürt, vorwitzig - schnell die Tränen entfürt.

120

Dass ja fein Mädchen künftig wage des Schlauen verschämter Bitte, leiser Klage zu trauen! Ach schon am nächsten Tage ist, voll Hohn und arger List, er treulos mir entfloh»! —> Mit ihm mein Glükk. — —

O sieh von deinem Thron mit mildem Blikk,

121

Zythere, wie ich Dich mit reicher Opferspende verehre, — o sende, sende den Sohn zurükkü

122

K ampf und Sieg. Sonett. Gerechter Zorn gärt in des Römers Adern, Die Eigenliebe buhlt mit Heilgen Pflichten ; Er glüht, und will der Hoffnung Anker lichten,

Und mit den Menschen — mit dem Schiksal hadern. Ihn reißt das Volk aus Roma's stolzen Quadern,

Heißt ihn den Streit des Vaterlandes schlichten.

Und um Aegyptens Herrschaft zn vernichten

Fliegt er aufs Meer mit jauchzenden Geschwadern. Und freudig teilt sein Schiff der Wogen Bette, Und mit ihm kamst das Glükk vom Stralenwagcn,

Auf daff er schnell von Gram die Heimat rette. Da sieht er, Schönheit, deine Glorie tagen

Und ach! der Sieger küsst, besiegt, die Kette, Die Myriaden Sklaven dankbar tragen.

123

Mädchenklage über Untreue.

Wo weilst du, meine Taube? Du flogst von dannen weit — Mich ließest du voll Leid In meiner Gartenlaube; Mich ließest du voll Leid?

Bei jedem Dlütenstaube, Der von den Wipfeln schneit, Mein' ich, zum Wahn bereit, Du seist es, holde Taube, Die Blüten niedcrstreut.

124 Was ich mir auch erlaube.

Das Herz, mit sich im Streit,

Wird nicht vom Harm befreit. Such dich nur, meine Taube, —

Such dich voll Harm und Leid. Wardst du dem Aar zum Raube

Durch Unerfahrenheit? Dckkt Blut dein Unschuldkleid?

Zerriss dich, meine Taube,j

Des Falken Grausamkeit? In meiner Gartenlaube, —

In Gram und Einsamkeit Vermein ich meine Zeit. Wo weilst du, süße Taube?

Bringt nichts von dir Bescheid? —

125

Z wie sprach.

Sitzt nicht an meiner Zelle Gitter Ein Täubchen dort mit fettem Sinn?

Ach! Alles mahnt mich laut und bitter, Dass ich gefesselt, elend bin; In engen Felsenmauern

Muss ich den Lenz vertrauern,

Mir schleicht der Tag in Sehnsucht hin.

Frisch in Jugcndprangcn Steht der Fluren Grün: Sichst im Turm gefangen,

RingS die Welt erblühn.

126

Liegst in Schmach und Ketten, Liegst auf hartem Plan, — Könnt ich dich erretten, Armer Rittersmann!"

Blieb Mitgefül in deiner Seele Wo selbst der Freund gefülloS war? Was ich so gern mir selbst verhehle, Es stellt in deinem Bild sich dar: Der Freiheit süßes Leben Ist, Taube, dir gegeben. Dir droht nicht Sorge, nicht Gefahr.

„Ueber Berg und Wogen, Ueber manches Land Kam ich Hergestogen, Fremd und unbekannt;

127

Diele mir erschienen Ohne ©lüft und Ruh, Keiner unter ihnen Kummervoll wie du."

Der Schwalbe Fluch, des Windes Sausen, Der frei durch diese Gitter wallt. Sagt mir: du musst in Knechtschaft Hausen, Ein Kerker ist dein Aufenthalt. — Und doch! zum fernen Strande, Zum teuern Hcimatlande, Da zieht michs hin mit Allgewalt.

„Fern von dieser Gegend, Einsam und allein Süller Treue pflegend. Harrt ein Mägdelein,

128 Schikkt zur frühen Stunde Mich ins Land hinaus. Aber ohne Kunde Kehr ich spät nach Haus."

Wen, Taube, suchst du zu erfragen? D sag es sonder Hehl und Scheu! Wem gilt des Mädchens heimlich Klagen? Wem blieb der keusche Dusen treu? Mein Trachten und mein Sinnen Es irret weit von hinnen: O wär' es wahr, dass sie cs fei!

7,Treulich und ergeben Blieb die holde Maid Dir im rauhen Leben, Treu und unentweiht.

129

Gleich flieg ich von dannen, End' ihr langes Leid, Und durch deine Mannen Wirst du bald befreit. —” *

*

Sie flog davon auf leichte» Schwingen, Nach sah der Ritter ihre»« Flichn; Und Monde kamen, Monde gingen. Die Welt erblich und wurde grün: Wohl manche Tranen rannen Ob Liebchen und ob Mannen, — Sein Rettungstag ihm nicht erschien.

130

Ermina und Fedoro.

Di^r Sonne sank ins Bett der Wogen; Im Spatroth auf dem Spiegelmeer Schwamm eine Barke fern daher. Von zartem Wiederschein umzogen, Strich längs dem Jnselland der Kahn; — Iezt lenkt er nah und naher her, Und legt beim schilfumkranzten Wehr ?lns Felsenufer an.

131 Ermina unter Geisblattranken, Auf hohem Felsen hart am Strand, Den Blikk zur Insel hingewandt,

Steht da, versunken in Gedanken.

Sie seufzt mit dem verrauschten Tag

Dem Trauten nach, der Mondenlaug

Nun schon auf jener Stätte krank Und schwach darniederlag.

Es pflegre täglich sonst zu kommen Ein Bote von dem Eiland her,

Doch nun seit Tagen schon nicht mehr. Sie stand und harrte hier beklommen,

Und ach! ihr Angesicht erbleicht, Als jezt ein hagrer, finstrer Mann,

Mit Trauerkleidern angethan.

Dem Ruderkahn entsteigt.

132

„0 sprich das Wort, das mich vernichtet." Verhcl' es nicht, o Trauermann, Verhole nicht mit falschem Wahn, Was schon dein Antlitz mir berichtet!" „„0 meine Botschaft drükkct schwer! 0 weinet, schöne Herrinn, weint! Ach euer Liebling, euer Freund, — Fedoro krankt nicht mehr.""

Sie schwieg entseelt; ihr Ange neigte Sich zu des Abends Purpursanm. So träumte sie den schweren Traum, Bis lauter Jammer ihn cntschcnchte: „Ach hielt ihn nicht der Treue Band? Ach ist er wirklich mir entstört? — Was zögerst du? was dir gebtört, Ihm nach ins stille Land!"

133 Schon kämst mit stürmischem Verlangen,

Schon blikkt sie wild zur Meeresflut,

Als mit Verwegenheit und Glut

Vom Fremdling sie sich fült umfangen, Der Helle Freudentränen weint.

Da starrte sie den Retter an — Da schaute sie im Trauermann

Den todtgeglaubten Freund.

134

Der Fang.

(Jur süddeutschen Volksweise.)

Dor Abend war ich ausgegangen.

Hab mir ein Vögelchen gefangen. Das Ding hat mich gefreut. Weil's gar zu schön schreit: Warum bist du ins Häuslein gangen?

»Hoch im Gezweig bin ich geboren, Hab meine Freiheit jetzt verloren,

Hatt'st Körner hingestreut. Kam nieder ungescheut: Hab meine Freiheit früh verloren."

135 Gib, kleiner Wildfang, dich zufrieden. Ist ja kein Unglükk dir bcschiedcn:

Lebst bei mir allezeit In Füll und in Freud, —

Gib, kleiner Wildfang, dich zufrieden!

»Lass mich zurükk zu meinem Neste, Zurükk zur Wohnstatt grüner Aeste,

Mein Herz hat keinen Neid

Nach Füll und nach Freud, — 0 lass mich heim zum grünen Neste!"

Was wollt ich thun, was wollt ich machen, Musst' übers Thierchcn herzlich lachen: Ich ließ es auf die Haid,

Es flog von dannen weit; Was wollt ich thun, was wollt ich machen!

136

Der Fang.

Bleicher wurden schon die Sterne, Und die Dämmerstunde schwieg.

Als den Blikk zur blauen Ferne Severin den Kahn bestieg.

Sehnend sah er längs dem Strande

Nach dem Weibe wohl zurükk. Das durch frommer Eintracht Bande

Wahrte seines Hauses Elükk.

Sie hatte die Kinder am Abend umfangen

Mit zärtlichen Tranen und ängstlichem Blikk; Sie war über Feld zu der Mutter gegangen, Und wollte zur Morgenzeit kehren zurükk.

137 Bald im Hauch der frühen Milde

Traufte Seetenruh auf ihn. — Iezt erwachten die Gefilde Und des Haines Melodien;

Lieblich wehten Schmeichellüfte,

Höher stieg der Sonne Glut, Und der frohe Schiffer schiffte Durch die morgenrothe Flut.

Bei Liedern bereitet er emsig die Maschen,

Verfolgend der Hoffnungen trügrisches Gut;

Denn frölich gedacht er in Menge zu haschen Der spiegelnden Wellen betrogene Brut.

Leicht gewiegt von süßem Wahne, Sorgend für Verdienst und Haus, Wirft er aus dem Fischerkahne

Seine Netze freudig aus.

138 Ach! ,'es schwanden ihm die Sinne, Als er aus dem Binscnrohr,

Träumend von des Fangs Gewinne, Zog ein todt Gebild empor.

Dem Fischer erbebte vor Jammer die Seele! Sein Weib war's, die hier in den Fluten der Ducht,

Verzweifelnd ob Einem begangenen Fehle,

Ihr richtend Gewissen zu stillen gesucht.

Sinnlos auf die Todesbleiche Sank er hin in Glut und Schmerz,

Auf die vielgeliebte Leiche, An das heißgeliebte Herz. —

Trotz dem Härmen, trotz dem Sehnen, Fluchend seinem Miffgeschikk,

Rief die Fülle seiner Tränen Nicht ins Leben sie zurükk.

139

Der Nebel verhüllte d!e traurige Szene, Es woget' und weht' um den schaukelnden Kahn, Den Wellen entrang sich ein banges Getöne, Und leer trieb die Barke zum Ufer hinan.

140

In der Einsamkeit.

Werd ich immerdar allein mich finden?

Wird kein liebendes Gemüt Liebevoll dem meinen sich verbinden?

Soll denn auch der letzte Stern entschwinden,

Der in ferner Dammrung mir geglüht?

Wo ich sonst den trunknen Sinn geweidet An der Schöpfung hehrer Pracht, Weint mein Herz. — Ach! dem Gemüt, das [eiter, Ist die Herrlichkeit der Welt vergeudet,

Ist der Sfären Glanz nur Grabesnacht.

141 Früh ist meiner Seele Rausch verflogen, Nakt erscheint die Wirklichkeit,

Auf des Zeitstroms feindlich schnellen Wogen Wird der Sehnsucht Nachen fortgezogen,

Zwckk und Folge stehn in Widerstreit.

Dir, Natur! bracht ich die schönern Blüten Meines Lenzes gläubig dar; Diese Opfer im Orkan zu hüten,

Klammre bei der Elemente Wüten Ich mich fest an deinem Hochaltar:

Muss ich, was ich kindlich dir vertraute. Ewig mir verloren sehn?

Muss das höhre Leben, das ich schaute, Jene Zukunft, die ich stolz erbaute.

In des Leidens Ankamf untergchn? —

142

Unaufhaltsam, taub für jedes Flehen, Rollt der Dinge finstrer Lauf; Keine Blüte kann dem rauhen Wehen Der ergrimmten Stürme widerstehen, Und kein Leitstern geht am Himmel auf. Grauenvolle Nacht, die ihre Schrekken Sparsam nur mit Blitzen hellt, Brütet auf des Lebens öden Strekken; — Eine Hölle droht sie zu cnvekken. Und des Schikksals grauser Schleier füllt.

Das Verderben bricht mit Wctterfluten. In das stille Thal herein, Wo des Friedens Göttertrüumc ruhten. — Wehrlos soll ich am Altar verbluten? Soll noch selbst des Wahnes Opfer sein?

143 Ach! noch konnte rettend sich gestalten Eine Zukunft dem Gemüt,

Wo, cnlstrikkt von jenen Missgewalten,

Neu des Lebens Zander sich entfalten. Wo der Sehnsucht milde Heimath blüht.

Liebe nur in deinem Götterarme Dämmert mir dies Paradies! —

Schleicht mein Leben fort in dumfem Harme, Ohne dass in Lieb' es neu erwärme, Fluchte mir, der mich ins Dasein stieß! —

Gib ein Herz, das mir entgegenschlage,

Allerbarniendes Gcschikk,

Oder nim die Bürde meiner Tage, Dein Geschenk, das ich erduldend trage,

Nim es — nim es schonungslos zurükk!!

144

Aussönung.

Mir blieb dein heilig Herz ergeben,

Als trüber Wahn dich mir cntfürt?

Arm findest du und leer das Leben,

Wo stille Treue nicht mehr rürt? Wie bei dem ersten Stral der Sonne,

Die hell und hehr der Nacht entschwebt.

Die Lerche, froh der süßen Wonne, Im Iubelton empor sich hebt, —

So jauchz ich trunken dir entgegen. So grüßet dich mein froher Blikk,

So kehrt das Glükk auf allen Wegen

Mit dir, Erwälte, mir zurükkl

Vierte

Abteilung.

Deine einzige Kunst hienieden, o Mensch, ist Maß Herder.

147

Sein und Werden. (Frühling 1808.) Sonett. Das junge Jahr hat seinen Tanz begonnen, Schon winkt der Lenz mit freundlicher Gebcrde; Der Haft cntflohn, eilt zum Gebirge die Herde,

Auf lichtem Grün in Acther sich zu sonnen. Wie im Gcfül der Brautlichkeit zeronnen,

Prangt die Natur; der Himmel naht der Erde, Damit sie fruchtbar neuer Schöpfung werde.

Und Alles schwelgt in frühen Lebcnswonnen. »Dem Tode blühst du frohe Jugendblüte!

Entfaltet kaum, wirst du ein Raub der Horen; Denn schonunglos verheert ihr flüchtger Reigen."

Betört der Schmerz? — dem gläubigen Gemüte Ist das Vergangne darum nicht verloren,

Und nur der Knospe kann die Frucht entsteigen.

148

Knnstwerke und ihr Urquell. Sonett. Ein Reich beglükktrcr, seliger Naturen Erglänzt auf ferner Wallfart uns entgegen;

Dort leuchtet Freud aus grünem Lustgehegen,

Die nie des Winters Todeshauch erfuhren; Dort überwölbt ein reiner Blau die Fluren;

Beim Schmelz der Blüte reift der Goldfrucht Segen; Dort träufen Silberthan und Nektarregen, Dort schmükkt die Blume sich mit Götterspuren. —.

Wer ist, der sich in seinem Wahn erküne. Der Katarakten Pracht, der Ufer Grüne, Der Dlütensänger Leben treu zu schildern?

Was dort das Ohr vernam, das Auge schaute, Ach! — nur sein Nachhall tönt in unserm Laute

Sein Schatten nur erscheint in unsern Bildern.

149

Der Berufne.

Wanst du des Gottes Stimme zu vernehmen,

Bestrikkt die Täuschung leuchtend deinen Sinn, Und fliegt ein Aufzug gaukelhafter Schemen

Vor dem erstaunten Seelenauge hin, Erküne dich die Lokkung zu bezamen,

Hier ist der Ernte Aufschub dir Gewinn; Die Gier der Ucbcreilnng ziemt dem Thoren,

Dem Weisen bleibt sein Reichthum unverloren.

150 Doch hast du in der Abwehr herbem Streite Ein Held gerungen mit der Leidenschaft,

Fülst dn, des übermächtgen Stromes Beute, Durch alle Welt dich schwindelnd fortgcrafft,

Graut deinem Geist der unermessnen Weite, Erbraust im Innersten die Schöpferkraft Und droht sie deinen Busen zu zersprengen, Dann flute hin in rauschenden Gesängen!

Und alle Hörer werden dir sich neigen, Und, dankbar, deines Wortes Boten fein; Und wo du nahst des Lebens heiterm Reigen,

Wird Freude dir und Mitgefül sich weihn, Und jede Brust sich offen vor dir zeigen Und höher pochen in dem Glutverein;

Und jubelnd wird dein Lied zu fernen Tagen Auf Schwingen der Vergötterung getragen.

151

Der Ungläubige. Oft verkehrt, — Selten strenge, — Nie belehrt, — Richtet die Menge Ueber den Werth Deiner Gesänge.

Originalität. Sagt Kunstgenossen, wer verdient wohl mehr Den Namen des Originellen: — Der, Der stets dieselbe, eigne Weise sang? Nur oder der, der zu dem Urquell drang, — Der formenreich, wie ste der Gott ihm giebt, Die Wechseltöne des Gesanges übt?

152

Distichen.

Die Schöpf»ng. Jegliches Kunstwerk fordert der Ruhe fördernden Aufschub; Plötzlich schießt der Kristall dann aus den Tiefen empor. Der Markt. Wahn und Satzungen leiten den Markt der Sterblichen. Deinen Preis bestimmt was du scheinst, nur was du bist dei­ nen Werth.

Schale und Kern. Guter', verstch dich der Maske, die leicht dir und schel­ misch begegnet. Hinter jeglichem Scherz lauscht ein verborgener Ernst.

153

Der Ruhmredige. Lorber nmdichtet sein Haupt, wie seine Dichtung behauptet: Lorber, hat sein Gedicht etwa gedichtet auch dich?

Der Dekehrte. Fülle nur frisch den Pokal! o Freund, du gleichst dem Insekte, Welches, seit Jahren schon todt, auflcbt im heimischen Nass., Der Bestirnte.

Reißt ihn vom Busen.hinweg, der Stirne heftet den Stern an. Fälschlich zieret sein Herz was nur dem Kopfe gebürt. Wort der Süne.

Gleichet der Sonne die Liebe, so teile den Stral doch mit Andern! Was gewinnst du an Licht, hüllet der Schatten sie ein?

154 An M. Ehret den Arzt mir! cs bieten die Hande sich Freundschaft

und Heilkunst: Jeglicher Arzt ist ein Freund, jeglicher Freund dir ein

Arzt.

Die Wahl.

Zart und dem Auge zur Lust umflattern mich Bilder des Lebens,

Aber aus Tausenden eins walt und bewahrt sich das Herz.

Das Unentbehrliche. Vielem entsagte mein Leben, von Einem nur kann ich

nicht lassen,

Aber ach! ohne dies Eins wäre das Leben mir Tod.

155 Das Ballspiel.

Luftiger Bote, so sprich, wie regest du seltsam die Brust mir?

Herz, was klopfst du dem Wicht, leiser entgegen dem

Freund? „Zürne nicht, Euter! es knüpfte den Bund die Gleichheit

der Loose:

Beide sind wir ein Spiel in Agathonicns Hand."

Grabsch rift. Medor liegt hier.

Sein Grab beweinet die schönste der

Jungfraun. Ach um den köstlichen Preis litt' ich —- wie gerne! sein Loos.

156

Einschrän kung. Freund! dein Schikksal machet dich weder verächtlich noch achtbar; Werth nur gewähret die Art, wie du es erntest und trägst. Nach dem Russischen.

Ich empfang dich nach deinem Kleid, Nach deinem Betragen ich dich begleit.

157

Reichtums Loos.

Der Klugheit müde Naht' ehelich Der holde Friede Der Sorge sich.

Den Jüngling reute Die rasche That, Die Alte freute Sich ihrer Saar. Denn als die Stunde Sich stellte ein. Entsprang dem Bunde Ein Knäbelein.

158 ..Gebt einen Namen Dem lieben Kind!" Der Pfaff sagt: Amen,

Und kommt geschwind, „Mach Platz ihm, Haufe.!" Das teure Pfand Wird in der Taufe Reichtum genannt. Und manche Gabe

Fiel seinem Loos;

Es ward der Knabe Bald stattlich gross;

Ein Schwarm von süßen Gerürteu Herrn Eilt sich, zu grüßen

Den neuen Stern.

159 Der Larin der Feste

Erfüllt sein Haus, Vergnügte Gäste

Vereint sein Schmaus.

Im Ucberflusse Darbt er allein, Kann dem Genusse

Nie recht sich weihu.

Denn ach! die Alte

Verläßt ihn nicht, Lokkt manche Falte

In sein Gesicht.

Zum goldnen Saale Schleicht sie herein, Beim lauten Mahle Drängt sie sich ein.

160 Er sucht der Lehren Der Mutter kün Sich zu erwehren;

Vergeblich Mühn!

Sie warnt voll Kummer Den Schmerzensohn; —

Selbst seinen Schlummer Verscheucht ihr Drohn.

So plagt die Sorge

Ihn immerhin,

So hat der Reichthum Bedrükkten Sinn.

161

An meine Wiege.

O nehmt mich auf, ihr wirtlich küle Schatten! Du schönes, stilles Friedensland! Du Ulmenhain! ihr buntbeblümte Matten, Wo ich der Kindheit Kränje wand! Wie lächeln mir die heimatlichen Auen In der Erinnrung Zauberschcin! Wie schließt dein Geist, o kindliches Vertrauen In diese Dämmerung sich ein! Mit dir, mit dir will ich mich selig wänen, Und unter süßen Fantasien Die Jugendbilder träumen, die mit Sehnen Dem Auge hier vorüberziehn.

162 Noch überbaut mit Hellem Frühjahrlaube Der Ahorn diese Nasenbank,

Wo der Vernichtung und der Zeit znm Raube Schon meines Zeisigs Grab versank.

Noch brütet hier in schauerlicher Hülle Des Taxuswäldchens ernste Nacht, Wo schon der Knabe deiner Segensfülle, Natur, mit Nürung nachgedacht.

Noch ragen dort die beiden Schwesterlinden,

Die mütterlich uns oft geschützt; 0 sieh! die Spuren sind noch jetzt zu finden, Wo wir einst Namen eingeschnitzt.

Noch blikken traulich durch das Gartengitter

Des Hüttendaches Trümmer dort, Bei Wolkenguss und nahendem Gewitter Der bangen Kinder Zufluchtort;

163 Hier weintest du mit stillem Zartgefüle, O Bruder, als der Küchlein Schar

An hoher Schwell' in ängstlichem Gewüle

Dem Regen preis gegeben war. O mein Georg! wo auch die Sehnsucht spähet, Du bist es, dem die Sehnsucht ruft!

Umsonst! der Klagelaut der Weste wehet Schon um die Blumen deiner Gruft. —

Wie kehren mir die Traumgcstalten wieder Aus jener Laube dort am Zaun,

Wo Geißblattranken unter welschem Flieder Ihr Bild im Wasserspiegel schaun:

Oft teilten wir das Morgenbrot am Weiher Dort mit der Karpfen reger Brut;

Oft weilten wir dort unter nachtgem Schleier Im Silberlicht der Sternenglut.

lt *

164 Dort-prangt der Apfelbaum mit Blütenzweigen, An dem mein Blikk oft feiernd hing.

Wo einst mit Andacht unser Trauerreigen Des Hofhunds Todtenmahl beging. Des Felsenbachs, der Müle dort am Hügel,

Der Brükke werd ich noch gewahr. Wo dies getreue Thier mit Zaum und Bügel

Geduldig unser Reitpferd war.

Hier schifften wir auf leichten Taumelwellea Den bunten Blumenstrand entlang,

Hier wars, wo unser Eistanz sich in schnellen

Gewagten Wirbelkreisen schwang. Hier summt der Freistaat arbeitvoller Bienen; Dort im Gehöf des Pfarrherrn steht

Da- Taubenhaus; dort der Abtei Ruinen,

Und hier das breite Gartenbeet,

165 Wo aus des Spargels wilderndem Gesträuche

Ein Lnstwald von geheimer Hand,

Nach unserm kindischen Ideenreiche

Für die Pygmäenwelt entstand; Bald waren an den Stauden Bänk' und Tische,

Bald kleine Schaukeln fcstgemacht, — Bald wieder Hekkenreihn, bald im Gebüsche Derstekkte Hüttchen angebracht. —

Hier brach der Gärtner mir die Hyazinthe

Die meiner Kleinen so gefiel. — Noch winken mir die Buchcnlabyrinthe, Des Tulpengärtchcns Farbcnspiel,

Der runde Platz voll alter Lcichcnstcine, Der Laubengang zur Kegelbahn,

Und dort von fern in lichtem Wiederscheine Der oft besuchte Wicscnplan.

166 Doch, teurer mir, als diese Herrlichkeiten, Schaut, — ruhig wie des Freundes Grab, Um das der Wehmut Schauer sich verbreiten, —

Das Tanncndunkel dort herab:

Dort, wo verlassne Lebensgeister ziehen,

Hat oft der Knabe, tief berauscht, Der Nachtigallen Zaubermelodieen Mit bangem Mitgefül belauscht;

Dort wars, wo er vor Anbetung und Wonne In früher Einfalt niedersank,

Wenn bei dem Scheideblikk der Sonne Die Seele Himmelahnung trank. —

O wer entfürte mir den süßen Frieden? Bringt kein erbarmendes Geschikk, Kein stummes Dulden deinen Traum hienieden,

0 holde Kindheit, mir zurükk?

167 Umfangt mein heißes, glühendes Verlangen Nur dein entseeltes Schattenbild? Soll stets mein Aug" an deinem Zauber hangen

Und bleibt mein Sehnen ungestillt? — Gehabt euch wohl, ihr goldne Jugendauen, Ihr meines Lenzes Fantasien!

Der Knabe konnte freudig euch vertrauen,

Mit Schmerz muss euch der Jüngling fliehn. Doch siehe! nur der Menschen Werke tragen

Der feindlichen Vernichtung Spur;

Noch eben so, als jenen Wonnetagen, Beut diesem Tag sich die Natur.

Noch lenkt sie in des Wesenreichs Bezirken

Geheimnissvoll des Werdens Lauf, Noch blüht sie, jugendlich in ihrem Wirken,

Mit jedem neuen Frühling auf?

163 O lasset mich die Deutung nicht verkennen. Die Licht in dieses Nachtstükk webt. Die, wenn sich alle Erdcngüter trennen. Noch ahnungfroh das Herz durchbebt: Auch für den Frieden, welchen hier verborgen Der Kindheit Göttertrauin emfand. Tagt wieder irgendwo ein schöner Morgen, Blüht wieder einst ein stilles Land!

169

Das Traumbild. Sonett.

Dom Lächeln der Gestirne ring- umflossen. Schwebt eine Traumerscheinnng zu mir nieder. Hat über der verstummten Erde Glieder Die Nacht den külen Schlummer ausgegoffen.

Sie stralt int Abglanz ihrer Lichtgenossen, Doll süßen Staunens find in ihr ich wieder. Was heimlich sich im Zauberquell der Lieder, Im Gruß der Ideale mir erschlossen. Bist Du cs, ruft mein Wahn ihr dann entgegen, Du bist's? du willst mit deinem Göttcrsegen Das Heil, das ich verloren, mir erstatten?

Und nach dem Bilde breit ich heiß die Arme, Damit an meinem Busen es erwärme. Doch ach! es bleibt ein kalter, leerer Schatten.

170

Eurial an Klementine. Wenn Nachts im schwarzen Kleid die Fluren trauern. Betret ich der Abtei verfallne Mauern, Wo sich die Brust dem Gram erschleußt;

Dort, aufgeregt von ahnungvollen Schauern Der ernsten, heiligen Ruine,

Umweht fantastisch, bange mich dein Geist, Klementine! Beginn' am Horizont empor zu tagen, —

0 leuchte, Fakkel, lindernd dem Entsagen,

Das fern durch öde Meere schifft!

Nicht brüte das Gemüt in dumfen Fragen,

0 Liebe, wer dein Heil verdiene; Du schriebst in dieses Herz mit Flammenschrift: Klementine.

171 Die Nacht entfleucht.

Auf lichtem Prachtgeficder

Begrüßt der Morgen seine Schöpfung wieder,

Die er mit Milde tränkt und närt. Da schwebst du aus dem Frühroth zu mir nieder, 3in Abglanz jener Engelmiene,

Die jüngst am Kelch des Bundes dich verklärt, — Klementine.

Wie sich, was eben noch mit Nacht gerungen, Von süßem Licht jetzt liebend fült umschlungen,

Ruht dieses Busens Kamf einst auch.

O dass mir dann im Traum der Dämmerungen Des Todes Genius erschiene!

Dann stammle noch mein letzter Lebenshauch: Klementine!

172

Die Sonnenwende. Sonett. Der Sonne Pracht durchfliegt den Bau der Sfären,

Doch tief im Thale steht die Sonnenwende, Harrt ruhig, ob sie einen Blikk ihr sende.

Will aus der Ferne nur die Sehnsucht nären. Sobald die Nachtgewölke sich verklären.

Schaut sie gen Osten, froh der künftgen Spende, Und naht in gleichem Kreis des Tages Ende,

Schließt leis' ihr müdes Auge sich mit Zären. —

Was, Blume, hilft dein Wenden, was dein Weinen? Du kehrst das Haupt zur hohen Wunderbaren,

Doch du erreichst sie nicht mit deinen Sinnen. »Darf nicht das Herz dem Herzen sich vereinen.

So wird es treu doch sein Gefül bewahren

Und endlich seine Leiden liebgewinnen."

173

Frühlingsfeier.

Auf! — reihet die Blumen und bindet den Kranz! Begehet mit Spielen und Liedern und Tanz Die opferbereitete Feier! Versammelt euch rings im begeisterten Kreis, Nur Wettgesang töne und Jubel und Preis, Dem Lenz ertöne die Leier!

Warum flammt aus allen Dlikken Ahnungvolles Hochentzükken? Oeffnet schöpferisch und zart Hier sich Edens Wonncmilde? — Wird ein Wunder offenbart? Oder athmen die Gefilde Eines Gottes Gegenwart? —

174 O wer nennt die Freudenscharen,

Die dem Vlckk sich offenbaren!

Aus dem finstern Schoß der Zeit Windet lächelnd sich ein Knabe;

Alles eilt herbei und weiht Ihm der Auen schönste Gabe, Ihm der Herzen Dankbarkeit.

Und der Knabe, kaum geboren, Wird das Lieblingkind der Horen.

Früher Anmut Zaubermacht Lohnet reich, die seiner warten;

Alles lächelt, wenn er lacht, —

Seht! mit ihm erblüht der Garten

Der Natur in Festes Pracht.

Eos, deren Farbenstralen

Busch und Feld ätherisch malen, Säumet auf der Rosenspur,

175 Schaut verklarender und Heller Auf der Erde bunte Flur, Und das Leben kreiset schneller In den Adern der Natur.

Und verherrlicht und befangen Sceht er da in süßem Prangen,

Wie beim ersten Minnelohn, Neu der Lust und Scham verbündet, Glüht der Einfalt holder Sohn, —

Und des Jünglings Sinn verkündet,

Seiner Jugend milden Thron. Alles in der Andacht Flammen Stimmt zu seinem Ruhm zusammen, — Alles, dem er Aufschwung gab,

Scheint nach Huldigung zu dürsten, — Alles, Fluren auf und ab.

Grüßt den Sieg des jungen Fürsten,

Huldigt seinem Herrscherstab.

176 O nahet dem mirtenumflochtenen Throne! Durchwebet mit Rosen die Lilienkrvne, Dem Frühling znm dankbaren Opfer gebracht! Lobsinget mit freier beflügeltem Tone/ Der gütigen Gottheit gesendetem Sohne, Der niedergesticgen in himmlischer Pracht.

Preis dir lieblicher Lenz, Wonnetrunkner Jüngling Im Stufenalter des Jahrs! Dir, o Dlumenfürst, Reizender Herzenbezwinger, Dir vor Allen gebürt Der Hymnen rauschende Feier! Löste dein mächtiger Ruf, Dein segenwehender Odem Nicht den Schlummer der Welt? —

177

Lange starrte die Erde, Dom Leichengewand umhüllt, Bis mit wachsender Glut Endlich d u sie erwekktest Zur herrlichen Auferstehung; Jetzo leuchtet sie hehr Im heitern Schmukke des Mais, Eine göttliche Braut. — Sieh! o feuriger Lenz, Mutiger Reigenfürer Beim Tanz der Jahreszeiten, — Sieh! was nur Labung durchströmt. Jubelt deiner Botschaft, Fütt mit dir sich verjüngt, — Und du streust beseligend Blüten zarter Emssndung Ueber der Schöpfung Gebiet!

178 Seht wie Genuss, wie Gcdeihn sich entfaltet, Wo nut die Schwinge des Frühlinges walter: Wesen mit Wesen durch Liebreiz vermalt,

Fület sich Alles von Taumel beseelt. Seht! der Geschöpfe verschwisterte Kette

Streitet zum festlichen Dienst in die Wette,

Jedem Geschlechte zum Wonncgewinn Gattet sich Wohllaut mit liebendem Sinn. Lust und Lieder

Schwärmen wieder Durch den Hain in weichen Miunetöiicn;

Leuzgcfül durchbcbt Alles was da lebt,

Alles scheint ein höhrer Sinn zu krönen:

Fester weben Treue Reben

Um die Ulme junge Liebesrankcn;

179 In den Pappeln rauscht

Wo Gehciiuniss lauscht

Geisteslispel zärtlicher Gedanken;

Filomele

Aus der Seele Reißt ihr Ach in schmelzenden Akkorden;

Fern am Wasserfall Mit der Nachtigall

Ist das Echo sehnend wach geworden;

Und die Taube Girrt im Laube, Das sich baut zu schattenreichen Hallen; Auf Gebirg und Flur

Hört man Liebe nur. Lieb und Freud und Mitgcfül erschallen.

12 *

180 Wenn sich die Schöpfung des Lenzes erneut, Fület, von irdischer Fessel befreit.

Näher znr Heimat der Geist sich erhoben;

Diese dem Himmel entstammende Zeit Werde der süßen Betrachtung geweiht.

Würdig die Werke der Gottheit zu loben!

Der du in Morgentraumes Hülle Tränkest die siegende Welt Mit dem Moste der Lebensfülle,

O Frühling, Jugendheld! Dir stralt das Geschmeide der Anen,

Schimmernd wie Heras Pfauen, Wie Iris Dogen zu schauen;

Dir breitet die Flur in frohem Gepränge Den Hochzeitteppich, Dir windet der Eppich Blütengehänge;

181 Dir flüstert das Rohr, dir flötet der Dach; Dir wölbt fich Büsche Gedränge

Zum Drautgemach.

Knospen, erregt von deinem Hauch,

Liebäugeln vom wirtlichen Strauch, Bieten, errötend, in huldiger Schar

Nektardüste zur Weihe dar.

Und herauf Wiegt sich mit brausendem Lauf,

In Silbers Glanz Des Quelles freudiger Wogentanz, Küsst am Rand seines Dekkens trunken

Den Blütenschnee

Und sprüht in blitzenden Funken Jauchzend den Gäscht in die Höh.

Und sie, die heilge Natur, — Hingegeben

Mit namenloser Liebe

182 Dein stillen, schaffenden Leben,

Legt sie den tausendfarbigten Gürtel Um die ewge Jugendbrust. Unter des Lenzes entwölkendem Schilde Uebet des Zartsinncs kindliche Milde, Wandelt der Eintracht beglükkcnde Spur Folgend dem Winke der Mutter Natur! —

Eint euch, Gefarten, in liebende Paare!

Nahet zum Opfer dem Blumenaltare! Schließet der Andacht verstummenden Chor!

Deute die Flamme zum Aether empor!

183

Apologie. Unaufhaltsam, mit gewaltgem Streben Reiht die Flut der Zeiten Jahr an Jahr; Trauernd wird der Mensch des Stroms gewahr.

Sieht sein Liebstes, Theuerstes entschweben.

Doch aus dem vergänglich bunten Leben Rettet er, was ihm verloren war:

Gütig ward dem Fremdling ein Altar,

Unbewegt von Sturm und Flut gegeben. — Mag in der Orkane rauhem Wehen

Des Genusses Blüte untcrgchcnSchwinden hin der Erde Glükk und Ruhin: Was in reinern Formen ihm erschienen.

Ringt sich frei empor aus den Ruinen, Bleibt des Herzens heilig Eigenthum!

Drukkfehler, welche der Leser zuvor berichtigen wolle. Lie- Seite 14. Nah der Mündung, statt: nach;



— —

40.

Hort statt Hord;

73.

wenn Trennung auch, statt: auch wenn

86. 93.

Trennung rc. Wunde statt Stunde;

fülst statt füllst;

— 118.

vergnüglicher statt vergänglicher;

— 127.

Flug statt Fluch;

— 149. buhlend statt leuchtend; Geringere unterlassene Berichtigungen: z. B. — 56. — 70. — 124. — 147.

Seine That, statt: Sein That; Würde statt Würd; Sucht statt such; Gebirg statt Gebirge.

— 158. groß statt gross; so wie andre, auch der Jnterpunktazion, möge die Entfer­ nung des Herausgebers vom Drukkort entschuldigen.