Jugendgedichte [Reprint 2019 ed.]
 9783111458342, 9783111091006

Table of contents :
Inhalt und Erläuterung
Vorwaltendes
Vorworte
Erste Abteilung
Zweite Abteilung
Dritte Abteilung
Vierte Abteilung

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Die am Ostseestrand, der Heimat HaNian's, Herber, Hippel, Hoffmann, (F. A.) — Kant'S, übliche Schreibung, ob zwar weni­ ger in Drukksachen als im Verkehr der Geschäfte üblich, kennt c, py und y, nur in Namen; übergeht daS Dehnzeichen h in Silben, welche durch Zwielaut (Diphthong) ohnehin lang sind; unterscheidet das dehnende ß von dem kürzenden ff auch am Ende, lässt das unhörbare p, das, mit b wechselnd, sonst fast immer dem m folgte, endlich auch zwischen m und f aus. -Hiebei sind Sprachfreunde dort stehn geblieben, da auf deutschem Boden jede Annäherung zum Einfältigern, wie jede Rükkehr von Vor­ urteilen, nur allmälig gedeih« kann.

„Zn der edeln Zunft Wo man anklingt und triumft, (Tön' es in der Ferne dumf

Zn den schallenden Triumf.)"

So reimte ein Voß; und Ottfried schrieb: „infangen" (statt empfangen.) Oder wäre pf in „emfangen" hörbarer, als in „um­ fangen?" Siehe eine nähere Würdigung dieser Schreibweise in der kleinen Schrift: Probe und Bruchstükk einer deutschen Grammatik für^ie Rhein­ lande, mit Beiträgen zur vergleichenden Sprachkunde und einer Nachlese von lesbarem Ungelesnen, von S. Freund. Berlin 1832. bei G. Reimer.

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Zugendgedichte von

Siegmar Freund.

Zweite durchgesehene und vermehrte Ausgabe. Mit dem Bruchstükk einer Reise durch Italien.

Berlin. Verlag von G. Reimer. 183 2.

Gedruckt bei Z. P. Bachem, Hofbuchdrucker in Köln.

Inhalt und Erläuterung.

Seite

Vorworte.

! S..«............................................... 3-4 dayaxy, (1808.

) Die wenigsten der hier erscheinenden Lieder gab

die spätre, iS ernstre Beschäftigungen, in ernstre Erfah­ rungen geteitte Zeit.)

L Die göttlichere Lehre. Sonett.............................. Maria's Nachtwache................................................ Am Frühmorgen deS isten Februar 1808, da die Nach­

richt der Geburt eines königlichen Kindes Königsbergs Be­

wohner wekkte, entstanden diese Zeilen ohne Anforderung, und damals ohne Absicht.

Bon Freundes Hand mit Ge­

sangweife begleitet, wurden sie hinterher GeburtstagAngelinde.

7 7

IV Seite

Der Königinn................................... ............. 10 Vor Cäsars Büste. (1806.)............................... 13 Die Berufsweisen. (1807.)............................... 17 Die Gefärten des Missgeschikks. (1808.)........... 19 Die Rükkehr. Sonett. (1809.)........................ 20 Der Lehrling, (v. Karl Blum in M.gesetzt.) ... 21 Die Holdseligen, d. Fr. v. M. und Gr. Julien v. E. mit deren Schw......... ......................... 23 Sylvien zum löten Jahrestag. (Sergi. III 1.).. 24 Jur Wanderschaft, wie Mehrers von Sr. Durchl. dem Fürst Raziwill mit Gesangweise beglei­ tet. (Zweistimmig.)............................. 25 Nänien, 4., auf den Tod der Königinn. Sonette. (1810.) 27—31 1812............................................................... 32 „Den Freund der Gottheit re." — Man denke sich in die Zeit des Ursprunges zurükk.

Psalmen. 2. Sonette....................................... 35—36 Bei Eröffnung des Kriegs. (1813.)................. 37

V Anhang: Die Geschwister.

Veite

Sonett.

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(An seine Schwester und die Zahl derer, die sich in änlichen Besorgnissen der Trennung befangen ffiltert. —) „Leopold von Hessen-Homburg" (Bruder der Prinzess Wilhelm von Preußen) „war mit demGe„neral v. Ziethen, dem er -«geordnet worden, in daö „Dorf Gr. Görschen eingedrungen, als dieses von den Un„srigen -um erstenmal bestürmt wurde. Das Gewehrfeuer „war fürchterlich, und der General in der Absicht, denPrin-

,,-en von einem so gefärlichen Standpunkt zu entfernen, „übertrug ihm eine Bestellung. Der Prinz, dem die Ab„sicht nicht entging, antwortete: „„er werde den Auftrag „„auSrichten, sobald das Dorf genommen sei."" — Der „General bat ihn, sich nicht ohne Noth der Gefahr aus-use„tzen, allein der Prinz erwiederte: „„dies sei der Platz der „„ihm gezieme."" „DerGeneral bat ihn nun, wenigstens „seinen Stern ab-unehmen; aber vergeblich. Da emfing „der Heldenmütige den Todesschuss." — Berliner Nach­ richten. Mai 1813.

Bei Übersendung der Cortesverfassung..................... Spaniens Staatsverfassung durch die CorteS, aus der Urschrift übertragen und herausgegeben v. Friedr. v. Grü­ nenthal uud K. G. Dengel. Berlin 1819. (Wahlspruch: Flucht des Gemeingeiftes ist Tod. Novalis Hardenberg.) Preis 15 Sg. VelinAuSgabe ist vekgriffen.

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VI Seite

Außer dieser ersten deutschen Übersetzung ist eine

erste französische vorhanden, welche in Petersburg soll gedrukkt sein. „W oh in der Bruder Heldenschar gez?oge it." Gern nennen wir einige Preußen, welche in Spanien 1812 wider Frankreichs Waffen fochten. GcneralMai. v. Lützow li.; Major Dekker jetzt (1831) in Koblenz; Carisien, jetzt Hauptmann» im Generalstab; v. Hirschfeld Oberstleutnant im 25. Jnfant. Reg.; v. Barner Oberst­ leut. der König!. Garde, und einen — dem ganzen Heer, jedem Deutschen teuern Namen, den Generalleut. v. Grolmann (ältesten Sohn des OberTribunalPräs. v. Gr. zu Berlin.) Preußen konnte, nach seiner äußern Stellung, durch ei­ ne Hülfe der Behörden dem Unternehmen keinen Vorschub gewären, und nur die Reichern vermochten die Kosten zu erschwingen. Aber eine kernige Schar stammverwandter Braun­ schweiger , meist Söne aus Bürger- und BauernFamilien, gesellte sich frei und begeistert jenem denkwürdigen Zug, der neue WestGothen, eine nicht zahlreiche aber gute Faust, nach Spanien brachte.

Aus der Fremde. (Rom 1820.)................................. „Mit verhasster Schadenlust," — verhasst, mit Hass erfüllt, wie verliebt, mit Liebe erfüllt. „Nim ihn auf in deine Gunst," zu redlicher For-

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VII Seite schung in den bildenden Künsten, in her Tonkunst und der Kritik, einer, gleich dem Lebern, arg schwierigen

Kunst.

Lrinkspruch an Str'ödel. (vor dem Juni 1830.)..

57

„Nicht um Kotzebue und Sand." — Folgendes Epigramm Mültners ward mit Recht von dessen Freunden 1819 rirrterdrükkt: Warum erschrikkst du, Deutsches Land? Die That ist nicht so arg; erwäge:

Auf Dintenklexe streut man Sand Und bessert damit koth'ge Wege.

Wachterruf. Köln a/R. (am 4. Nov. 1830.)......... Wir können unS nicht versagen, hier ein golden Wort aus Derri's römischen Nächten mitjuteilen. Es lautet: Nie wurde ein Bürgerkrieg noch um Freiheit, immer nur um die Wahl eines Tirannen gefürt. (Derri's römische Nächte, oder GeisterErscheinungem im Grab der Szipionen, haben jenseit der Alpen kurz Nachein­ ander 10 Auflagen erlebt. Eine gute deutsche Übersetzung

ist nach 2 englischen und einer französischen vorlängst zu Berlin bei Ouien erschienen.) Dieselbe Lehre, welche der geistreiche Italiener einem großen Römer alter Zeit in den Mund legt, findet sich wis­ senschaftlich erörtert in Humes politischen Versuchen (Kö-

58

VIII Seite

nigsberger Übersetzung, sachkundige, bei NicoloviuS, zu de des einzelnen, mäßigen Oktavbandes.) WaS aber schon der filologische Papst seiner Zeit, Er aSmus, nicht von den Franzosen, sondern von den Affen der Franzosen oder (mit dem spätern filologischen Papst F. A. Wolf:) von den Afterfranzosen hielt, ergibt fol­ gende Äußerung in der Moria: Wie das Alter Andre klug macht, so sagt mau den Brabantern nicht ohne Grund nach, dass je weiter ihreZahre vorrükken, sie mehr und mehr in Thorheit verfallen. Canaux, canards, Canaille. Voltaire.

Die Spindel. (Bergt, das Titelkupfer.) Zunächst dem elterlichen Hausstand, bei einem Familienfest ; und, wie unschwer zu bemerken, Heydenreich's unvergleich­ lichem Tischlerlied nachgebildet. Ob Schillers Glokke ihr Dasein wol an derselben Quel­ le schöpfte? Siegmar Fr. ist mit Heydenreich bei: Wiege, Brautbett und Sarg stehn geblieben. Der riesenhafte Licbling uusrer Tage erhöhte seine Glokke zum politischen Gelegen­ heitsgedicht und schmükkte sie mit Versen, wie: „Weh' denen, die dem Ewigblinden Des Lichtes Himmelsfakkel leihn." —

63

IX Seite (wofür ihm billig ein ***scher Orden gebürt hätte.)

Im

grellsten Widerspruch hiemit vergleiche Schillers Briefe über ästhetische Erziehung, über Fortschreitung deS Men­ schengeschlechts, und seine Prolegomena zur Weltgeschichte.

Andre Gegensätze, waren:

welche S. Fr.

vorausbestimmte,

i) Der Schmukk griechischer Mythe sei einmal, hier, nicht zu verschmähn; r) vorherrschende Trochäen als passender-Maß; 3) statt der losen Zerrissenheit der Glokke strengste Bedin­ gung der Form. » 4

Bei der Teilung in Strofe, Gegenstrofe und Epode wur­ de für letztre da- Muster: „Heilge Ordnung, segenreiche Himmel-tochter re."

erwält und diese- den Angehörigen durch „der Städte

Bau" dargelegt; *) wie später Händel'- AlexanderFuge den Freischütz krönte, wie der süße Klang aus Cosa rara im Do» Inan wiederhallt, wie in Weber- Oberon der Volkstanz der Ostpreußen dem dritten Aufzug malerisch eingestochten ist. — Huldigung und Zueignung dem al- HochherrlichErkannten, leitete ohne Zweifel Webers goldnen Wurf, die

Fuge aus dem Alexanderfest, beim Abschluss des beinah far-

♦) Siegmars besstes Gedicht unsrer Sammlung trägt also

ebenfalls das Gepräg der Gelegenheit und zugleich einer IugendÜbung, der Überschrift des Ganzen ent­ sprechend.

X bendikk hinrollenden Schnell- und Freischützen einzuschießen. — Die ersten Berichterstatter für deutsche Tages­ blätter meinten. „Im Oberon spiegle sich das allmälige Ermatten eines Hinsterbenden." Tieck hatte andre Worte für cute änliche Wahrnehmung, wenn er sie beiläufig so zusammenfasste. „In dergleichen Gestaltungen prägt sich zuweilen ein „Ausdrukk ab, den wir, weil er zu holdselig und gei„stig-lieblich ist, überirdisch oder himmlich nennen müs. „fett, und gewönlich überfällt uns bei solchen verklärten „und fast durchsichtigen Erscheinungen die Furcht, dass „sie zu zart und fein für dieses Leven sind — dass der „Tod oder vielmehr Unsterblichkeit es ist, was uns „so bedeutend aus glänzenden Augen anschaut." *) Mit änlicher Virtuosität, nur mit ihr, sollten die Gei­ sterchöre und Feenszenen im Oberon beurteilt werden. Aber — leider! leider! wer zum Genuss noch nicht herangercift ist, hält sich bereits zur Kritik gut genug. —„Genieße, wer nicht glauben kann." Wer weder glauben kann noch genießen, entbehre — auch des Urteils.

Sinnesänderung.......................................................... „Unglükk in der Liebe k." Hippels Meinung in sei­ nem Buch über die Ehe.

*) Vorrede zu Novalis Ofterdingen, (dessen 2r Tcil zur Ehre des Dichters unterblieben ist.)

Seite

75

XI Seite

Rekgen

.................

76

Über die Verschmelzung des Nebeneinander- und Nachein­ ander-Seins durch Tanz und Lied, vergleiche die hellleuch­ tende

Abhandlung

in Herder'S Terpsichore, Seite

401 und 476., später in die Sammlung seiner Schriften ausgenommen.

-

Die Erscheinung................................................ 78 An Eurkal. (1808.) .................................... 79 Im Frühling....................... ...................... 82 Der Ausgang. Mit Gesangweife von Karl Blum. 86 Bekenntniss. Ebenso....................... 88 Die Blumenspende................................... 91 Apotheose.......................................... 93 Der Knabe und der Vogel. M. G. v. K. Blum. 94 Der Kirchgang. Sonett............ . ................ 96 Mysterien der Liebe.................................... 97 An Agathonia. .. ................................ 99 An Agathonia. Sonett......... ........................... 101 Ihr.................. 102 Lebewol.............. 103

XII III. Seite

Das Blumengrab. (1808.) Der Fr. Pr. W. zu ihrer Hochzeitfeier...................................... Der Ungetreuen................................................ Läuterung. (1806.)............................. Abendgefül....................................................... Die Nachtigallen............................................... Geisternähe....................................................... Die Sommernacht.................

107 117 118 119 120 124 125

(Einspruch 1831. gegen den Widerspruch vor 22 Jahren.)

In solcher Innigkeit mit der Natur selber vermalt, darf man eigentlich nicht über Einsamkeit klagen.

Dahin. Mit Gesang v. K. Blum.................... Dahin. Desgleichen........................................ Zefyrs Liebschaft. (Nach frühern Vorbildern.)... Die trauernde Najade...................... Kamf und Sieg. Sonett. (1810.) ................... Mädchenklage. M. Ges. v. KarlBlum............... Awiesprach........................................................ Ermina und Fedoro...................................... ..

126 127 129 132 140 141 143 148

XIII Seite

Der Fang......................................

152

(Zur süddeutschen Volksweise; deren liebliche Naivetät bewog, der beibehaltenen ersten Strofe, statt der weniger als zweideutigen folgenden, andre -uzureihen.)

Der Fang. (1807.)

.......................................

154

Für Liebhaber schärfrer Zeichnung und malerischen Tondie ursprüngliche Lesart: „der Untreu Bewusstsein zu stil­ len gesucht."

In der Einsamkeit....................................................... Auösönung................................................................

158 162

IV. Sein und Werden. (1808.) Sonett.......................... Der Kunstwerke Heimat.Sonett............................... Der Berufne................................. .. .............................

165 166 167

„Dem Weisen bleibt re. omnia sua secnm portans." Ein Freund bemerkte auf anderweiten Anlass, „bekanntlich gebe es zweierlei Weisheit: Weltweisheit und Nase Weis­ heit;" (siehe die Widerspiele in D. Freunds Sprachwerk: Probe und Bruchstükk einer Grammatik für. die Rheins lande 1832.)

Der Ungläubige........................................................... Orginalität.....................................................................

169 169

XIV Seite

Distichen 14................................................................... Reichtum- LooS............................................................. An meine Wiege. (1807.) ................... Das Traumbild. Sonett............................................ Eurial an Klementine. (Der Gr. K.)................... Die Sonnenwende. Sonett. (Derselben.)................. Frühlingsfeier. (1806.)..............................................

170 175 179 187 188 190 191

Apologie. (Vorbedacht.).............................................. Druchstükk einer Reise durch Italien. 1820....

201 203

Verwaltendes. I. Gläubigkeit, Beruf, Krieg. (Anhang; Politik.) II. Friede, Freu­ de und Freiung. HL Elegien und Romanjen. IV. Kritik. Früheste-.

(Durch die wenig geänderte Ortografie dieser kl. Schrift sind 2060

bi- 2600 Lettern gespart.)

Zugendgedichte von

Siegmar Freund.

Borworte.

Nur die Poesie ist schon, die Lügend ist auch eine.

Zueignung Zur Heimat winkt die Kunst.

Des Himmels Friede

Blikkt aus den Stralen, die ihr Antlitz krönen. Was irdisch, weicht der Stimme der Kam'önen,

Und dem Jahrtausend trotzt der Maonide.

Nicht in des Weltlaufs ödem Kreis, im Liede Erschleußt dem Glauben sich das Heil des Schönen,

Und Tod und Leben, Form und Stoff verjonen

Sich brüderlich im Schatten der Ägide. — Am Aeitstrom hin, auf jähen Felögestaden, Siehst du, o Götterjungfrau, Miriaden

Au deinem lichten Heiligtume wallen.

Ein Jünger naht beherzt den stellen Pfaden:

Lass sein bescheiden Opfer dir gefallen, O nim ihn auf in deines Tempels Hallen!

4 zi a v « y. T}.

Ein hehrer Trieb, ein wunderbares Walten Heißt Licht und Kraft das todte Nichts verlassen, Facht Lebenspulse durch des Chaos Massen Und wekkt der Töne Welt und der Gestalten. Was roh erglühn, waS mutlos will erkalten, Strebt sünend er als Mittler zu umfassen; In Lieben wandelt er der Schöpfung Hassen, Dass, sinnvoll, Maß und Einklang sich entfalten. Der Drang der Form gehört den Wesen allen: Erblühen wollen Kiesel zu Kristallen, Und Sonnenstäubchen sich zur Sonne ballen; So wird die Harf' erregt von Gottes Wehen, Und wie ihr Kindesruf zu seinen Hohen Kann in der Sehnsucht nur das Lied entstehen.

Erste Abteilung.

Die Gottseligkeit soll kein Schnürleib sein, sondern ein Harnisch. Hamann.

7

Die göttlichere Lehre. Sonett.

In Hellas hellem Stern erstanden Sieben, Die sich der Weisheit Dienst vor Andern weihten;

Verkündet ward ihr Wort dem Ohr der Zeiten Und mancher Pflichten Satzung vorgeschrieben. Ihr Glanz erblich. Don Die Menschheit zu deErschien der Sohn der Er sprach: der Lugend

Gottgefül getrieben, Heiles Pfad zu leiten. Hochgebenedeiten z Erstgebot ist — Lieben.

Und seine Boten, voll der Heilgen Lehren, Auf dass die Welt nur eines Geistes würde, Zerstreuten sich die Völker zu bekehren. Er brach den Ölzweig freier Seelenwürde; So lasst uns rreu des Meisters Weisung ehren, Sein Joch ist sanft, und leicht ist seine Bürde.

8

Maria's Nachtwache.

Weine nicht, geliebtes Kind, — Horch! es toben Nacht und Wind: Draußen ist finster, draußen ist kalt, Saaten zernichtet des Regens Gewalt, Schloffen schlagen ans Fenster.

Weine nicht! vor jedem Leid Schirmt dich Mutterzärtlichkeit; Vater ist gangen weit über Feld, Sorge fürs Kindlern zu Haufe mich hält, Sorglich wart ich des Lieblings. — Hüllt der Schlaf dein Auge schon, Zst dein Blikk der Erd' entflohn? — Wie du im Traume lächelst so mild, Wanderten Engel vom Sternengefild Mit dem Schläfer zu spielen?

9 Schlummre selig, holdes Kind I Härmst dich nicht um Nacht und Wind,

Wirst nicht durch weltlich Sehnen besiegt;

Schlummre von himmlischen Träumen gewiegt,

Wunderlieblicher Engel!

10

Der Königinn. *) Am loten März 1808,

Es wandelt durchs Gebiet der heimatlichen Gauen Ein Mägdlein segenkündender Natur: Sie lächelt hehr und züchtig anzuschauen, Und Wolthun zeichnet ihre Spur.

Zum Trost in Harm und Trübsal ward sie und gesendet, Wol zieht mit ihrer Demut Heilgenschein, Zu welcher Hütte sie den Schritt auch wendet, Der Stral der reinsten Freuden ein.

Sie spendet, eigenlos, dem Pilger ihre Habe, Der sich ihr neigt in frommer Huldigung z Sie übt des Zartsinns milde Tugendgabe, Man nennet sie — Beschäftigung. ♦) Siehe: „Anhalt und Erläuterung" zu vorstehendem Wiegenlied.

11 Ihr weiht' ich, kaum entwekkt, den Frieden meiner Seele, Ich forschte nach mit jugendlicher Glut, Was gern dem Heil der Menschheit sich vermale,

Was herrlich sei und schön und gut. — Zürnst du, o Königinn, dass sich zu dir erhebe Was kluger Schranken sinnig achten lehrt? ES weicht der Strenge peinlich Kunstgewebe, Wenn dieser Lag uns wiederkehrt. Auch der, den Hofbrauch mahnt, den Liebesthron zu meiden, Naht heute dir in freudger Dankbarkeit: So nun es hin, was, huldig und bescheiden, Das Herz dem Mutterherzen beut.

Es ist ein Blütenstäubchen jener Wonnestunde, Die mit des Taumels Macht dein Volk umschlang, Als jüngst im Donnerhall die frohste Kunde Laut seiner Jubel Ruf durchdrang.

12 Was hier mit Liebestreu, mit kindlichem Gemüte

Die Mutter zum geliebten Kinde spricht, —

Versag ihm nicht den Himmel deiner Güte,

Verkenne seine Einfalt nicht!

Und ist es mir vergönnt, im magischen Entzükken, Das heut der frommen Beter Schar vereint,

Auch mein Gebet für dich empor zu schikken,

So ist es gläubig dir gemeint.

Das Frühroth, welches deinen Jugendtraum umglühte, Verbleibe freundlich dir dein Lebenlang!

Es bleibe dir der Hoffnung Zaubecblüte,

Des Mitgefüles süßer Klang!

13

Vor Cäsars Büste. 1806.

Wessen da- Haupt

Das — geisterbleich —

Fluchgekrönt — DaS verhasste Antlitz

Starrend emporhebt Aus dem Grabschutt wüster Vergangenheit?

Dein Purpur, Götze des Wahns, Ist Völkerblut;

Der Verzweiflung Schrei Dir Huldigung; Des Herrschtums Mantel

Aus den Lebensfäden Webtest du deiner Geopferten?

14 Vorüber schäumte, Seit deines Sterbens Heil, Ein Jahrtausend, Und sein Bruder, Nah' der Mündung, — Ach nicht der Mündigkeit! — Duldet mahnende Graul Auf des Aeitstromö finstrer Woge. Ganz — ganz zu ersiegerr Das seeumgürtete Weib, Dürstest du? — Und wirst zagen, Unmännlich, Beut sie dir einst den sichern Schoß.

Deiner Legionen Eisern freche Gewalt Mag sie in Fesseln schmieden r Dennoch, —

15 Gewalt bezwingt Freiheit nie: Freudig gibt sie sich dar Wahrer Große, Nicht dir.

Lass es genug sein Vergeudeten BlutS! Der Herbern Aare Lass es genug fein 1 Deglükkend beglükkt, Lausche das triefende Schwert Mit dem rebenbefiederten Stab! Sune die Menschheit, Die weinende, Und der Jubel Ihrer Ernten und Feste Lohne schmeichelnder Dem entw'önten Ohr, Denn das Toben der Schlacht!

16

Vergeblich Wort! So stürze fürder dich, Über Graus und Leichen, Dem Blutpfade nach, Und tracht' indess, Wie du mit Anstand sinkest, Taucht der Schwerter Jauchzende Schar In dein treuloses Herz!

17

Die Berufsweisen.

Durch die Gaffen schwärmen, Jubeln, trinken, lärmen, Ist Studentenart; Doch der Bursch soll Bessers lernen, Und bald traut sein Fleiß den Sternen, Wird ihm erst die Weihung offenbart. Putzen, Wache stehen, Weibern nachzugehen, Ist Soldatenart, Doch des Kriegers höchstes Leben: Frei dem Tod sich hinzugeben, Ihm nur für die Feldschlacht aufgespart.

Putzen, äugeln, schmähen, Leis nach Männern spähen, Ist wol Mädchenartz

18 Aber fern von Ball und Schmause Dient die Klügre still dem Hause, Fragt nicht, ob ein Mann sie auch gewahrt. Innern Zug ergründen, Freud' und Schmerz verkünden, Ist des Dichters Artz Hoch in Bildern, reich und zierlich, Oder schmukkloS und natürlich, — Immer bietet er es treu und zart»

19

Die Gefärten des Missgeschikks. (Bei der Trauer einer hohen Frau.)

Filomele, wenn den kargen Raum Ihres Kerkers — Trost und Mitleid fliehen. Wiegt die herbe Sehnsucht in den Traum Süßer Melodiken.

Grausam auch des Lichtes noch beraubt, Schmettert sie mit zärtlicherm Gemüte, Als im Wipfel, welcher dichtbelaubt Einst ihr Rest umblühte. — So entfaltet bei des Trübsals Nacht, Bei des Unglükks rauhem Sturmgewüle, Zu der schönen Seele, sich die Macht Schönrer Hochgesüle.

20

D i e Rükkehr. Sonett.

Dem 'öden Gram war Alles überlassen. Seit wir der Herrinn milden Blikk verloren; Zhr muntres Amt versäumten selbst die Horen, Die Zukunft lag entfernt in trägen Massen;

Wir konnten nicht der Sehnsucht Bild erfassen; Vergeblich stand das Volk an offnen Thoren; Ein fremd Geschikk war gegen uns verschworen Und wälzte Graun und Trauer durch die Gaffen. — Entsteigt der trüben Nacht ein frohes Leben? Soll wiederum des Lichtes Tag beginnen, Erscheint uns neu des Himmels reiner Segen? Don Huld, von stiller Herrlichkeit umgeben, Naht sie, die Königinn der Königinnen, Und alle Herzen schlagen ihr entgegen.

21

Der Lehrling.

Lass mich ins Freie gehn, Grün ist die Welt, Leuchtet geschmükkt und schön,— Zeigt uns Gebüsch und Höhn Sonnig erhellt. „Schaffe dein Tagewerk, Nutze die Zeit, Fleiß sei dein Augenmerk — Arbeit erfreut."

Lass mich ins Freie gehn Weit aus der Stadt, Zwischen Gebirg und See'n Wandeln durch Laub-Allee'n Einsamen Pfad!

22 „Bist mir als trag bekannt, Lass das Geträum, Pafft nicht für deinen Stand, Bleibe daheim."

Lass mich ins Freie gehn, Öd ist das Haus; Will mir die Welt besehn, Lass mich ins Freie gehn, Lass mich hinaus! „Häng dem Gelüst nicht nach, Daß dich verzehrt: Tändeln bringt Noth und Schmach, Nutzen gibt Werth."

23

Die Holdseligen. Sahst du die Blume, die mit Huld-Erröten

Das Leben ihrer Schwesterblumen fchmükkt?— Sahst du die Blüte, die den Morgenröten

Mit kindlich treuem Aug' entgegen blikkt? — Sahst du der Erde schönste Blumenkrone, Die aus der Frühlingskinder lichtem Chor Die milde Fürstinn auf dem Liebesthrone Jur freundlichen Begleiterinn erkor? — Du wirst umsonst der Garten Pracht durcheilen,

Du suchest sie vergebens auf der Flur; Denn nur, wo drei der Schwestern segnend weilen, Da brühen Unschuld, Anmut und Natur.

24

Sylvien zum sechszehnten Jahrestag. (Der Braut des Pr. W.)

Noch einmal Mitten auf das Herbstgesild Der Sonne mütterliche Stralen nieder; Noch einmal wandelt durch der Erde Glieder Des Maies Anmut liebesam und mild:

Dom rauhen Hauch des Nordes unenthüllt Steht noch der Baum; die Felder grünen wieder; Den Hain durchströmen froh erwachte Lieder; Und Alles zeigt des Lenzes prangend Bild. Dir, holde Freundinn, sind die ersten Stunden, Im muntern Tanz der Jugendwelt entschwunden, Und heiter lächelt dir die Gegenwart: O sieh in jenem deutungreichen Bilde — Sieh in des Tages sanftverklärter Milde Die schönre Zukunft, welche deiner harrt!

25

Zur Wanderschaft.

Ach Reisen, Reisen, Dich muß ich preisen,

Wie süß bist du! Nur fern dem Heerde, Auf fremder Erde

Erblüht die Ruh.

Die Ruh des Armen, Der kein Erwärmen Daheim mehr fand, Des einst Beglükkten — DeS Grambedrükkten, Dem Hoffnung schwand.

Auf Herz! — entwinde

Dich stolz der Sünde

26 Der Traurigkeit, —

Wie Luft und Sonne, Webt Lust und Wonne

Wohl weit und breit!

Getrost und heiter, So komm ich weiter Von Ort zu Ort; Der Stadt vorüber,

Aum Gau hinüber, — Nur fort, nur fort!

Dort lässt die Freude Auf dürrer Haide

Noch Rosen glühn,

Dort blümt sie Matten, Dort streut sie Schatten,

Dort HoffnungSgrün.

27 Ach Reisen, Reisen, Du Stab der Weisen, Du Quell der Ruh, — O Kost des Leben-, Genuss des Streben-, Wie süß bist du!

SS

N ä n i e n. (Auf den Tod der Königinn.)

I. ES stand ein Gnadenbild an heitrer Quelle, Die segenströmend unser Thal durcheilte, Wo gern der Hirten Kreis in Demut weilte, Und Frieden sog auS jeder Lebenswelle.

Hier dienten Melodieen, rein und helle, Der Andacht, die der Pilger gläubig teilte; Und der Beglükktre schied und der Geheilte Mit Lieb und Dank von dieser Heilgen Stelle. — DaS Bild ist fort, sein Stralenkranz erblichen, Der Bach — die Waller — die Gesänge fehlen: Scheu flohen sie zu sanftern Himmelsstrichen. O weint der Wandlung, weint, ihr fromme Seelen: DaS süße Licht, das von uns ist gewichen, Wird nie sich wieder unserm Loos vermälen!

2S IL Der Fluch des Wechsels folgt dem niedern Staube, ES kann kein Gott ihn dieser Macht entbinden: Der Bessre sieht getrost das Glück erblinden, Wird nur das Heilge nimmer ihm znm Raube! Doch dehnt der reinsten Hoffnung zarte Laube Fruchtlos die Schwingen, aus den Jrrgewinden Verruchter Wirklichkeit den Weg zu finden, Fült kummervoll die Brust, es wank' ihr Glaube. —

Ich sah das Diadem auf deinem Haupte, — Ich sah dich in der Dornenkrone leiden, Wie keine Marter dir dein Lächeln raubte.

Jetzt musst du, da der Kranz von jungen Freuden Kaum wieder deine Götterstirn umlaubte, Im Perlenschmukk — ach! heißer Thränen scheiden.

30

III. Der Herr der Hohen hatte sie gesendet, Auf dass sie in der Wahrheit Lichtgewande Die Welt umschlänge mit dem schonen Bande, Das jeden Streit und jeden Hader endet. Doch müde des verkannten Amtes, wendet Sie weinend wieder sich zum Heimatlande, Und überlasst den Menschen seiner Schande, Da Frevel nur ihn labt, und Lug ihn blendet.

Nicht also, Lied, dass einst der Wahn sich gründe, Du sangest hier nach längst verrauschter Sage Astraens Aufflug aus dem Reich der Sünde.

Ach nein! die Wiege meiner Trauerklage, — Das bange Schrekkenswort, das ich verkünde, Es ist die finstre Botschaft unsrer Tage!

31

IV. Du hast. Verklarte/ schon das Ziel errungen,

Zu dem wir noch der Sehnsucht Arme breiten z Du wandelst durch der LichLwelt Herrlichkeiten/

Wir irren noch im Thal, von Nacht bezwungen;

Du darfst, im Reihn der Cherubim verschlungen, Ein würdig Lob dem Ewigen bereiten;

Und ach! es blieb im Schmachgefül der Zeiten Fast nur der Schrei der Folter unsern Zungen.—

Auf deine Schultern unsre Schuld zu laden Erkorst du, dass dein Leiden uns Genesung, Dass deine Wallfart unsre Wolfart werde.

Da rauschte fernher aus dem Meer der Gnaden,

Wie Frühlingswehn, die Losung zur Erlösung, Und rettend nam ein Gott dich von der Erde.

32 18 12.

Erwach aus deinem thatloS müden Schlummer, Erwach, entweihtes Vaterland! Sieh diese Wuchersaat von Schmach und Kummer, Und dein Geschlecht in Fremdlings Hand!

Sieh her! des Ausgangs unwirtbare Länder Düngt deiner Heldensöne Blut. Für wen ? — für Knechtes Joch — für Ehrenschänder — Für eine scheuslich fette Brut.—

Aurükk von diesem Netz verruchter Schwüre! Vergiss es nicht das arge Wort: „Dass sanfter dich das Seil des Henkers fürs, Sei dein Panier Verrath und Mord!"

33 Den Freund der Gottheit sollst du würgen helfen. Der lautern Herzens dich umschlang l

Schon wetzt den blutgen Zahn der Schwarm von Wolfen, Schon lauert er dem Doppelfang.

Dein blühend Reich verheerten ihre Züge, Die Zwietracht sog an deinem Mark;

Doch Trotz zu bieten jedem Werk der Lüge, Sind wir noch reich und kün und stark.

Auf denn! lasst uns die ehrne Zeit erneuen, Wo hier der Waffenstrom gebraust!

Befiel! schon harrt die Heerschar deiner Treuen,

Schon jauchzt das Schwert in ihrer Faust.

Für heilge Freiheit, für den Gott der Väter,

Schwillt dieses Streites jäher Lauf.

Wo nagt die Brut? wo Hausen die Verräter? Sucht sie in ihren Klüften auf!

Z

34

Den grünen Boden soll ihr Herzblut färben, Der Kampf sei mühevoll und heiß! — Hinaus zum ernsten Spiel! — Fluch und Verderben Dem gallischen Geschmeiß!

35

Psalmen. i. Du dessen Winke tausend Weltenalter Und Jrrgestirn' und Sonnenheere zügeln, —

Der glorreich auf der Morgenröte Flügeln

Dem Dulder naht, o Herrscher und Erhalter! Vergib dem Staub, der sich vermaß in kalter

Aerfallenheit ob deiner Macht zu klügeln:

Ein sünend Opfer raucht von diesen Hügeln,

Und Preis und Nettungsdank entsteigt dem Psalter. Wer dich erkennen will, muff dich empfinden,

Muff dich mit heißem liebenden Vertrauen

An jeden Pulsschlag seines Herzens binden. O lass auf deine Vaterhuld uns bauen, Lass zu des Kindes Einfalt uns erblinden, Um deiner Gnade Himmelslicht zu schauen!

36

II.

Erhebt des Ewzen Ruhm mit froher Stimme, Und lobet seiner Stärke treulich Walten! Errettung will er aus dem Graus gestalten, So frech der Willkür Schlange sich auch krümme. Er hat, dass hier der Funke nicht verglimme, Der von ihm zeugt ein streng Gericht gehalten, Und die versucht ob Gottes Reich zu schalten, Wie Spreu vertilgt in seinem Heilgen Grimme. O Herr! — es sind die Köpfe jener Hyder, So kaum vom giftgeschwollnen Rums geschlagen, Roch zukkend sich zu deinen Füßen regen. Schon wachsen die gefällten Häupter wieder: Ach würdig' uns, mit Hand ans Werk zu legen Und glutbewehrt den fürdern Kamf zu wagen?

37

Bei Eröffnung des Krieges. 1813.

Was regt die Flut, dass tausend Kräfte garen?

Was schrie des Sturme- fürchterlicher Schwur? An Felsenherzeu schlägt ein Strom von Aaren,

Und tobt durch de- Entsetzen- öde Flur;

Welch SchrekkenökLnd soll noch die Zeit gebären? Was kündet uns der Aufruhr der Natur? Ach! wird ein Fluchgeschikk mit Wog und Wettern

Roch unsre letzte Pflanzung niederschmettern?

38 Daß herrlicher sich Blut und Frucht entfalte, Ergrollt der Donner, wütet der Orkan.

Dass wieder Freiheit auf der Erde walte, —

Unangetastet von des Pöbels Wahn,

Die Glut auf dem Altare sich erbalte, — Dass Glaub und Sitte freundlich wieder nahn, Vereinen sich getrennter Völker Scharen

Und stürzen sich in Kamf und in Gefahren.

Die Schlachttrompete ruft — die Fahnen wehen —

Die stolzen Heere rükken frei ins Feld. Heiß sei der Streit, dem wir entgegen gehen: Erlösung hofft die unterjochte Welt!

Heiß sei der Streit — wir werden ihn bestehen, Wie auch der drohend blutge Würfel fällt, —

Wie auch des Kriegs unstäte Wogen treiben,

Wir werden treu dem ernsten Ziele bleiben.

39

Es leuchtet uns voran ein teure- Leben, Ein vielgeprüftes, fromm beseeltes Haupt) Sein Schwertschlag wird dem Volke wiedergeben,

Was ihm der Willkür herber Zwang geraubt;

O dass des Siege- Geister ihn umschweben,

Der uns den Stab der Hoffnung neu belaubt! Verschwistert, in geheiligtem Vereine Ist ewig unsre Wolfahrt und die seine.

Wir bluten für das Recht, wir dürfen bauen

Auf Schutz und Beistand einer höher» Hand: Ihm folget nach, ihm gebt euch mit Vertrauen, Der nie noch von den Seinen sich gewandt!

Er wird mit Huld auf uns vom Himmel schauen, Wenn heilge Kamflust unsre Sehnen spannt;

Denn wer zu ihm sich naht mit reinen Händen,

Dem will er hülfrcich seine Voten senden.

40

Und seht! aus heitern Höhn winkt unter ihnen Herab ein unvergesslich Liebesbild;

Wol ist es einst auf Erden uns erschienen,

Wie das Erbarmen segenvoll und mild; Gewohnt, in dem Bedrängten Gott zu dienen, — So war es sonst des Landes Horr und Schild:

So wird es jetzt auch freudger Krieger Reihen Durch Glaubenmut zu Heldenthaten weihen. —

Nicht eh sei unsrer Fehde Lauf geendet,

Als bis der Feind vom deutschen Boden weicht, Bis wir die Geißel, die uns lang geschändet,

Den Hohn und Dünkel jener Brut verscheucht,

Bis das Gesindel, staunend und entblendet, Uns still den Kranz verdienter Ehrfurcht reicht;

Die früher sich des Werks Vollbringer achten, Sie kennen nicht gediegnen Sinnes Trachten.

41 Jetzt schäume jede Kraft und ring und werbe Für diesen Bund, der Lug und Frevel rügt;

Doch ist der letzte Streich, der ihn verderbe, Dem schnöden Feind der Menschheit zugefügt, Dann kehren wir zum heimatlichen Erbe,

Wo schlichter Eintracht Wandel uns genügt,

Und preisen, tief gerürt, mit unsern Lieben Den Gott, der unser Stern und Schirm geblieben.

Nur einen Unterschied kenne ich bei ihnen, — Menschen, die der Begeisterung fähig sind, und die es nicht sind.

Der berümte Schriftsteller Fr. v. Stael.

Anhang.

Die Keulen für das Volk, Die Knochen für die Hunde. Hamann.

45

Die Geschwister. An Eugenie und ihre Gefärtinnen.

Mai 1813.

2hn neid ich, der im Drang erhabner Sorgen Für Recht und Freiheit, - standhaft, unbezwungen, Das Loos ergriff der größten Opferungen z Denn hoch und herrlich ist, dem Schikksal borgen.

Noch stralt der Welt das Licht der Sankt Georgen, Das der Thusnelden, das der Nibelungen, Und hell vom Kranz auf Lützens Flur errungen. Tagt Enkeln noch ein zwiefach schöner Morgen. Der Schwester heilig Bild an seiner Seite, Wird ernst der Geist des Fürsten uns umschweben, Der dort dem Heldentode jüngst sich weihte.

Euch ziemt ihr folgen; — trostvoll, gottergeben, Entsagt sie — hehr wie die Gebenedeite — Der Trauer um das früh verwaiste Leben.

46

Bei Übersendung der Kortesvcrfassung. *) Berlin 1SI9.

Wehrn oft unsre Fantasie geflogen, — Wo Sonn und Brust in Wechselfeuer glüh'n, Wo manche stolze Hoffnung sich betrogen, Doch treu die Herzen schlagen, treu und kün, Wohin der Brüder Heldenschar gezogen, Und Cid Campeadorö Geschlechter blühn, Dahin erging so manche bange Frage Und ward im Wiederhall zu Freud und Klage. *) Wir schmükken mit dieser Zueignung unsre Sammlung, ob* wol die schönen Verse nicht Siegmar Freund, sondern des­ sen edelm Genossen Sieb mann, dem feinsinnigen Übersetzer der Novellen Cervantes, dem freisinnigen des spanischen Grundgesetzes angehören.

47 Den blutgen Mord, die Schrekken der Meduse, Der Glaubenthaten furchtbar schönen Kranz, Die Siege von Medina biö Toulouse, Der Königliebe segenreichen Glanz, — Die schilderte die ernste SchikksalMuse, Allein noch füllte sie den Kreis nicht ganz: Das Werk, das ächtem Bürgersinn entstiegen, Hat noch die ernste Göttinn uns verschwiegen.

So nehmt es hin! und strenges Urteil richte, Nur prüfet mehr der Gabe innern Werth; Ein Spiegelbild, ein Denkblatt der Geschichte, Mehr haben wir zu bringen nicht begehrt; Der Bürger, der erfahrne Staatsmann sichte, Was dem Moment, was keiner Zeit gehört, — Doch wollt vor Allem stets darin erkennen: „Wie nimmer Vaterland und Fürst sich trennen."

48

Aus der Fremde. (Rom 1820.)

Ein garstig Lied, pfui! ein politisch Lied Göthe.

Mit Fantomen Mich zu plagen. Mich mit Gnomen

'rum zu schlagen,

Hieß mein Frohndienst Tag für Tag;

Und ich sah die schwarze Wolke,

Die wie Jrrsal auf dem Volke Drohend lag.

49 Und nicht lange,

Ward der Ahnung Schrekkenbange,

Dunkle Mahnung Qual unselger Wirklichkeit:

Kein Vermittler mehr, kein Hüter Jämte sünend der Gemüter Widerstreit.

Und die Schande, Die vor Jahren

Unserm Lande Widerfahren,

Wies die Farbenhäutung neu, Und schon zischte mit verhasster Schadenlust die Brut der Laster

Sonder Scheu. 4

50

Weh ergrausend Gramzerrissen, Sank von tausend Schlangenbissen Hin manch Edler in den Staub, Denn dem Schächerwol zum Pfande Trieb der Willkür feile Bande Lugendraub.

Des Verdrusses Feiges Grollen, Statt Entschlusses Halbes Wollen Zerrten an der Gegenwart: Volk! du wurdest von Vernünftlern — Päpstlern — Adelskettlern — Zünftlern Wund genarrt.

51 Gleicher Rechte

Heil vernichten, —

Hier dem Knechte

Joches Pflichten, Überfug dem Dränger dort, — „Altem Siechthum neu die Siegel!"

Ward die Losung — und der Riegel Freiem Wort.--------

Um dem Treiben Jener Rotte

Fern zu bleiben, — Meinem Gotte Näher und dem Nächerblitz, Walt ich frei vom Qualm des Tadler-

Mir zur Wohnung eines AdlerFelsensitz.

52

Und es pakkte Auf der Klivpe Mich das nakte

Beingerippe

Starrer, kalter Zweifelsucht: „Nicht von Ketten zu erlösen „Troff dein Herzblut, — Thor! dem Bösen „Trug es Frucht." —

FLeberbilder — Fantasieen,

Wild nur wilder

Ausgespieen

Aus der Tiefe nächtgem Schlund, Lokkten schon, du nichtig Leben, Feind dem Treubruch, aufzuheben Unsern Bund.

53 Da entlenkten

Noch den kranken.

Scheu gesenkten Erdgedanken

Leise Klange himmelwärts:

Engelzuspruch, mild Erbarmen

Flößten einmal noch Erwärmen In dies Herz.

Wahnsinns Raumen Mich entwindend,

Sehnsucht-Traumen Sich verbindend, Fasste fürder mich der Strom Wanderfroher Pilgerscharen, Brachte mich zu deinen Laren,

Fürstinn Rom.

54

Wo Zitronen Bei Granaten, Lorberkronen Deinen Thaten Blühen an Soraktes Fel-, Wo Buonarrotis Siege Hehr erglänzen, — an der Wiege Rafaels; —

Wo Sankt Peters Säulenreihe, — Wo in Äthers Duftge Bläue Seine Niesenkuppel ragt; — Dort wo der Apostel Stärke, Wo des Glaubens Wunderwerke Hell getagt, —

55 Fült der müde

Waller wieder Dich, o Friede,

Säuseln nieder — Rauschen, von der Sterne Zelt, Sieht die Zukunft sich verklären

Und entsagt mit Reuezären Still der Welt I

Was ihr raubtet, Finstre Mächte! —

Stolz behauptet Seine Rechte

Wider euch das Geisterreich.

Hier wohnt Licht; auf heitern Hohen

Rings der Freiheit Palmen wehen

Bannern gleich.

56

Der der Ferne Wahrbild schaute, Deinem Sterne Früh vertraute, Neu umfang ihn deine Gunst, Freiheitflamme, heiß erkorne, Küne, hohe, Gott-geborne Heilge Kunst! —-

Au den treuen Eng vermalten, — Au den zweien Auserwälten Tritt ein drittes Liebespfand: — Was ist Freiheit, — Huld den Musen, Fern von deinem, deinem Busen, Vaterland!!

57

Trinkspruch vor dem Juni 1830.

Dass wir nicht verstimmt, verkannt. Nicht vom Leben abgewandt,

Nicht um Kotzebue und Sand, — Nicht um Maasland und Brabant Freundschaft brechen mögen r

58

Wücht erruf. Köln den 4. November 1830.

Nachbar! — schlicht die Wahrheit spricht Die Lehre, Dass der Krieg den Wohlstand nicht Vermehre. Um beim Würfelspiel den Pasch Au werfen, Hilft es nicht die Dolche rasch Au schärfen.

Frommte sonst dem Fürsten treu Au sterben, — Jetzt der Nachlass Noth und Neu Den Erben?

59 Leidlich wohnen Ratt und Maus Beisammen: Thorheit stellt das eigne HauS In Flammen!

Die Unersättlichen sind immer die Unfruchtbarsten.

Hamann.

Zweite Abteilung.

Es bildet ein Talent sich in der Stille, Sich ein Aarakter in dem Strom der Welt.

63

Die Spindel.

Strofe. Nicht das Würfelspiel der Schlachte«/ Nicht der Völker Schmach und Ruhm, Häuslichkeit sei unser Trachten, Einfall unser Heiligthum. Fromme Künste hqt Athene Früh der Weiber Sinn gelehrt, Dass er sich in Demut sehne Nach des Lebens innerm Werth. Was die Spindel nied und leise, Was des Garnes Spule beut, Heimisch in des Hauses Kreise Teilt es Freude, teilt es Leidr Fremd betritt in Angst und Jagen, — Nakt der Mensch der Erde Bahn,

64 Und des Kindes Tränen klagen

Bitterlich sein Schicksal an; Doch die Liebe stillt sein Weinen, Doch die Treue wartet sein,

Doch die Mutter hüllt in Leinen Sorglich, traut den Säugling ein. Ward sie nicht vom Schmerz verschonet,

Traf sie manches Ungemach,

Kind! dein erstes Lächeln lohnet Ihre Leiden tausendfach.

Gegenftrofe. Und das Mägdlein, schlicht erzogen, Eilt dem Knaben bald voraus: Fassen ihn des Lebens Wogen,

Wahrt die Jungfrau still das Haus.

So Arachne.

Kunsterfahren

Trug sie noch der Kindheit Sinn,

65 Und der Hütte frohe Laren Segneten die Weberinn. Eilig füllt die weiten Gauen Lydiens der wache Ruf, Eilig strömt das Volk, zu schauen Was die Jungfrau liebend schuf. Fördernd ihr Bewerb mit schnellen Händen, mit geübtem Griff, Treibt sie durch der Garne Wellen Das beschwingte Webeschiff. Und ein schmeichelndes Gelingen Spornt der Ruhmgier titeln Lauf: Um der Ehre Preis zu ringen. Ruft sie dreist Athenen auf. Doch zu des Verderbens Rande Geißelt sie des Eifers Wut, Und sie büßt in ewger Schande Tief der Seele Frevelmut.

66

Epode.

Denn kein Sterblicher versuche Frech die Gottheit! Ihrem Fluche Leihen des Kozytus Mächte Willig die verborgne Rechte. Wer in seinem Wahn verwegen Trotzet auf des Glükkes Segen, Sieht vom Glükk sich bald gemieden; Schleunig nahn die Eumeniden, Und von keiner Reu gewendet Auf des Schuldgen Haupt gesendet, Zukket der Vergeltung Rache, Sünend die gerechte Sache. Drum die sich in Glükkes Tagen Liebt der Fessel zu entschlagen, Jugend! sei gedenk der Lehre, Dass die Furcht die Gotter ehre!

67

Strofe 2.

Spinnt ihr Mädchen, in die Wette! Diese Arbeit, dieser Fleiß Kleidet bräutlich euer Bette Mit der Reinheit zartem Weiß. Du des, Menschen höchste Zierde, Reinheit, — stumm vor deinem Glanz, Legt die stolze Herschbegierde Nieder den errungnen Kranz! — Unflat lauscht der Mann den Sehern — Sucht den Kams—gebeut dem MarktSeine Sehnen werden ehern, Seines Herzens Kraft erstarkt. Doch im öden Weltgewüle Sehnt er müde sich nach Ruh, Sehnt er sich dem Mitgefüle Einer schönen Seele zu.

68 Die der Unschuld Zauber gürten Wält er aus der Mädchen Schar, Beut ihr froh das Pfand der Mirten, Ihr den Schmukk der Liebe dar: Und zum Vollgenuff der Freuden, Die in ihrer Seligkeit Selbst die Himmelwohner neiden, Wird der Torus eingeweiht.

Gegenftrofe.

Thebens Held, der in der Wiege Schon die Nattern kün erschlug. Schon als Jüngling seine Siege Durch den halben Erdkreis trug, — Rauchend von dem Blut der Hyder, Rastend von der Städte Bau, Sank er liebeglühend nieder An der Spindel einer Frau.

69 Dass der mut'ge Überwinder Zweimal den Avern betrat,

Ehrt den Mann, den Gott nicht minder

Jene menschlich schöne That. Und so fliegt vom Mund zu Munde

Mancher Weberinnen Preis) Zwei vor Allen nennt die Kunde Prangend in der Helden Kreis:

Die im Drang von zwanzig Jahren

Dem Gemahl, mit festem Sinn Treu blieb gegen Freierscharen,

Jthaka'S Beherrscherinn, Und Antigone, der Schönen Schönste, die beherzt und groß,

Um der Brüder Schmach zu sonen, Sog des Todes traurig LooS.

70

Spode.

Was Erhabnes je geschehen, Was an des Olympos Hohen Streifte mit den goldnen Schwingen, Konnte Liebe nur vollbringen! Haltet heilig sie: was bliebe Noch dem Herzen ohne Liebe Wohl dem — Glükk ist ihm bereitet, — Den sie mild durchs Leben leitet, — Und entwandert er dem Leben Wird ihr Hauch ihn noch umschweben, Ihm die heiße Stirne fächeln; — Und der Mensch, der einst das Lächeln, Das an seiner Wiege wohnte, Mit der Tränen Vorwurf lohnte, Lächelt selig, wenn die Seinen Laut an seiner Bahre weinen.

71

Strofe 3.

Seht! daher mit leisen Tritten, Düster zögernd wankt ein Zug. — War, o Herz! was du gelitten Dem Verhängniff nicht genug? Manches Gut, das dich ersetzte, Trieb eS ein mit hartem Sinn, Ach! und deiner Freuden letzte Nimt eö achtlos noch dahin. — Lasst mich bergen, lasst mich schweigen, Was hier deutungvoll geschah! Jeder ist dem Schikksal eigen, Jeder ist dem Unglükk nah, — Bleiche Fakkeln seh ich schimmern Um den gramverhüllten Chor, Und der Klageweiber Wimmern Dringt zerreissend in mein Ohr. —

72

Süße Bilder aus dem Leben, Unsrer Liebe letztes Pfand, Treu dem Treuen mitgegeben, Folgen ihm ins finstre Land: Sein Geräte, seine Waffen, Und du köstliches Gewand, Das der frühe Fleiß erschaffen Mit der Zukunft unbekannt!

Gegenftrofe.

Wo auf dürren, nächtgen Fluren Einsam die Granate reift, Wo von lebenden Naturen Nie em Laut hinüber schweift, Mühe» ernsten, starren BlikkeS, Stumm im schwesterlichen Kranz, Sich die Töchter des Geschikkes Emsig um der Spindel Tanz.

73 Wie sie scheu, verborgen spinnen An dem grauenvollen Ort, Schwindet unser Dasein, rinnen Unsre Stunden eilend fort. Wolfart gattet sich mit Plage In der Fäden leichtem Spiel, Und dem Wandel unsrer Lage Setzen sie ein schaurig Ziel; Denn so oft mit flüchtgem Beben Atropos die Scheere schnellt, Wendet ein geliebtes Leben Weinend sich von dieser Welt. — Auf! den Schwestern flechtet Kronen, Dass sie mit versönter Hand Lange noch der Teuern schonen, Die das Schikksal und verband l

74

Spove.

WechfelloS auf treuer Wage Ruhn die zugemessnen Tage, Die des Menschen Dasein reifen; Doch wer mag den Gott begreifen, Der den Jüngling gleich dem Greise Abruft aus des Lichtes Kreise, Unerbittlich, ungerüret, Ihn ins Reich der Nächte füret! — Darum, was der Mensch beginne, Zeitig richt' er seine Sinne Auf das Bleibende, das Wahre, Dass, wenn einst im Strom der Jahre Hin des Lebens Lüge schwindet. Seine That ihn noch verkündet, Und bei seinem Werk und Namen Enkel glühn, ihm nachzuahmen!

75

Sinnesänderung.

Trauernd blieb ich und betreten Von des Staunens Übermaß, Seit ich jüngst das Wort des Weisen laS: „Unglükk in der Liebe bilde den Poöten."

Heimlich wünscht' ich wol vor Zeiten, Dass dem Himmel es gefiel', Einst durch ein gefällig Saitenspiel Den bescheidner» Lorberkranz mir zu bereiten. Doch ein jedes Ding auf Erden, Jeder Wunsch ist wandelbar: Wende, Klärchen, wende die Gefahr, — Gutes Klärchen, lass mich nicht zum Dichter werden.

76

Reigen. (Seiner Tänzerinn.)

Flüchtig und leicht, wie die Woge des Lebens Furt uns der Tanz durch die wechselnde Bahn, — Magisch erglühn wir entfesselten Strebens; Stimme der Zeiten, du mahnst uns vergebens! Kränkelnde Sorge, nicht darfst du uns nahn!

Einzig die Gegenwart halt uns umwunden, — Zukunft, Vergangenheit fliehen den Blikk; Aufwärts geflügelt, des Stoffes entbunden, Ahnen wir kaum noch die Trennung der Stunden, Athmen wir näher dem G'öttergefchikk.

77 Zst es der Schöpfung Getön, was wir Horen? Reißt uns der wachsende Strom mit sich fort? — Schauet die Wetten! in taumelnden Chören Wirbeln sie frei durch harmonische Sfären, Schwelgen sie selig in Einem Akkord.

Freud' ist die Andacht, in der sie erflammen, — Freude die Göttlichkeit, die uns durchglüht! Sie, die verschwistert der Menschheit entstammen, Zeiten und Raume sie Puten zusammen, Einen sich rhythmisch dem trunknen Gemüt.

Flüchtig und leicht wie die Woge des Lebens, Fürt uns der Tanz durch die wechselnde Bahn,— Magisch erglühn wir entfesselten Strebens; Stimme der Zeiten, du mahnst uns vergebens! Kränkelnde Sorge, nicht darfst du uns nahn!

78

Die Erschein»«g. War eS Wirklichkeit, was noch mit bangen, Süßen Schauern meinen Busen füllt? Treulos floh das heilig schöne Bild, Das im Morgenschlummer mich umfangen.

Ach! zu schnell dem regen Glutverlangen, Ist der Glanz erloschen, der so mild, So beseligend sich mir enthüllt, Ist des Wahnes Herrlichkeit vergangen. — Wohnt* was hier entzukkt die Sinne träumen, Nur in jenen heimatlichen säumen? Weilt kein Friede hier für das Gemüt? Holdes Traumbild, nahe dich dem Leben, — Steige nieder, mir das Glükk zu geben, Das mir fern im Reich der Sehnsucht blüht!

79

An Eurial.

Sieh, Freund, die Menschen dort in dichten Haufen Mit Angst und Gier zum Lebensmarkte laufen, Sie Alle wollen sich Genuss erkaufen. Sie geizen, eifern, listen, trachten, wagen. Sie spähn und lauern, knechten und ertragen, Um diese karge Waare zu erjagen.

Die sich um eitlen Tand zu überbieten, In blindem Wahn ihr Heiligstes verrieten, Sie finden sich am Ziel, sie zogen — Nieten. So greift, laut schauerlichen Volksgerüchten, Im Orkus der Tmolid' nach goldenen Früchten Und sieht vor seiner Hand sie wieder flüchten.—

80

Willst du dem Menschenmeere dich gesellen, Bewahre dich, dass nicht im Spiel der Wellen An Klippen deine Hoffnungen zerschellen. Du magst die Welt mit deinem Segel teilen, Das Unbekannte wirst du nicht ereilen, In dessen Räumen Wunsch und Sehnsucht weilen : Nicht deine Heimat findest du hienieden, Und willst mit ehrnen Banden deinen Frieden Ins Joch vergänglicher Momente schmieden! Entschwinge dich dem niedern Erdenleben, Um dich, in Lust und Liebe hingegeben. Zum Urquell ewger Schöne zu erheben. Die Menschheit reift in Thaten und Entwürfen; Die werth des Wonnekelches, sie nur dürfen Ihn ungestraft bis auf die Hefen schlürfen.

81 Im Arm der Fantasie wirst du gesunden, Ost schöner als im Rausch der schönen Stunden Wird der Genuss geahnt und nachemfunden.

Aus! waffne dich zum Kams mit dem Gemeinen! Don seinen Schlakken das Gemüt zu reinen, Mufft du dem Ideale dich vereinen!

82

Im Frühling.

Der Lenz ist erschienen, Nach eh wirS gedacht,

Auf freundlichen, grünen, Romantischen Bünen Voll Hoheit und Pracht.

Und wunderbar waltet Und ruft er hervor,

Und schafft und gestaltet, Und webt und entfaltet Elisiums Flor.

83 Wie stralst du, Gefilde! Wie spiegelst du, Au, Der Anmut Gebilde So malerisch milde

Im sonnigen Thaut

Die Schwalben erlasen Ihr heimische- Dachz Die Herden umgrasen Auf schwellendem Rasen

Den silbernen Bach.

Der Nachtigal Flöten Beseelet den Wald,

Und Blumen erröten

Auf duftigen Beeten In holder Gestalt.

84 Und Alles lacht Freude;

Und Alles erscheint,

Auf Feld und auf Weide, Auf Trift und auf Haide,

Durch Liebe vereint. —

Ihr, die ihr hienieden, Von Kummer betört,

Den tröstenden Frieden

Zn dumfrgem, müden Erdulden entbehrt, —

Auf! — fliehet die Mauern,

Wo Trübsal und Zwist Und Feindlichkeit lauern,

Und wo man im Trauern Des Lebens vergisst!

85 Verlasset die Stabte, Betretet die Hohn, In bräutlicher Rote

Die Gärten und Beete

Des Bundes zu sehn!

Und zauberisch tage

Die Hoffnung dem Schmerz;

Der lastenden Plage, Der Schwermut und Klage Entreißet das Herz:

In fröhlichem Schwarme

Durchirret die Flur, Damit es erwärme

Im liebenden Arme

Der Mutter Natur I

86

Der Ausgang.

Knabe, komm der Abend ist schön, Gib mir das Kleid aus dem Schrank: Will genesen am Busen der Höhn, Bin im Herzen krank.

Wandern will ich zum Dorschen hinan, Kaum fasst der Weg die Schar; Schreitet dort mancher Bürgersmann, Manches ehrsame Paar.

Jeder genießt den festlichen Lag, Thut sich was zu gut, Ach, dass ich nicht es vermag! Hin ist mein froher Mut.

87 Hurtig, Knabe, das Kleid gereicht, Will unter Menschen gehn; Dort erblikk ich das Mädel vielleicht. Das mein Herz sich ersehn.

88

Bekenntniss.

Ferne Holde, darf ich wagen Dir mein heimlich Leid zu klagen? Darf auf Mitgefül ich baun? Darf in diesen heitern Tagen Wol ein Wörtchen dir vertraun?

Wollt' ich schweigend hier verweilen, — Ohne mich dir mitzuteilen Würde mir kein Mai erblühn, Würde mir der Lenz enteilen Freudlos, in Melancholien.

89 Seit mit eines Engels Mienen Du, Erwälte, mir erschienen.

Wohn ich einsam auf der Flur: Unter Felsen und Ruinen

Sieht mich hier nur die Natur.

Überdekkt von Blütenbäumen, Schwankend in der Sehnsucht Träumen Sinn' ich deinem Zauber nach;

Mag ich irren, mag ich säumen, Bleibt in mir die Liebe wach.

Und vom Dämmerschein durchbebet, Ist der Busch, der mich umwebet,

Nur mit ödem Gram erfüllt: Was hier täuschend vor mir schwebet, Ach! es ist ja nur dein Bild.

90

Würdest du dich zu mir neigen, Würde dieses Dach von Zweigen, Huldinn, enger uns umziehn — Meine Klage würde schweigen Und der Lenz mir wieder blühn!

91

Die Blumenspende.

Euch freundliche Kinder der Horen, Sie hat euch zur Sendung erkoren: Ihr seid mir der Freude Geschmeide.

Gedenk ich, was ihr mir bezeuget, Verschmerz ich — wenn Trennung auch beuget, Den Kummer der Ferne So gerne.

Wie will ich mit sorglicher Treue, Dass oft sich die Tröstung erneue, Euch liebliche Blüten Behüten! —

92

Ach, gattet kein Glükk sich der Dauer? Schon seh ich, mit ahnender Trauer, Die Rosen und Nelken Verwelken:

Bald zieht ihr zum Reiche der Todten; O wäret ihr sichere Boten, Dass treu ihre Liebe Mir bliebe I

93

Apotheose. Fest umranken, wie den Stamm die Reben, Götterfreuden deine Gegenwart; Seelen sehn den Himmel offenbart, Wenn Gesänge deinem Hauch entbeben.

Für die Reize, welche dich umweben, Hat die Flur ihr Schönstes aufgespart: Wo du weilst, prangt Alles neu und zart, Überall beglükkt, beseelt dein Leben. — Seh ich so des Gartens Blütenhallen Deine lichte Huldgestalt entwallen, Fesselt mich ein bange süßer Wahn: Staunend wän' ich, Anadyomene Walle noch in erster Jugendschöne Auf der Erde heimatlicher Bahn.

94

Der Knabe und der Vogel.

Neulich im Ulmenhain Saß ich auf Matten, Träumte mich ganz allein Weilend im Abendschein Unter den Schatten.

Und durch den Abendschein Und durch die Blatter Schwang sich ein Vögelein, Munter, vergnügt und fein War sein Geschmetter.

95 Munter, vergnügt und fein Sang es mir Liederz Näher bei mir zu fein, Mitgefül mir zu leihn Kam es hernieder.

Mitgefül mir zu leihn, Teilend mein Leiden, Klagt es voll Lieb und Pein, Klagt' es den Namen dein, Mehrte mein Leiden.

Ach und der Name dein Murmelt im Bache, Hallet im Felsgestein, — Ruhe kehrt nimmer ein Zu meinem Dache!

96

Der Kirchgang. Sonett.

Ich schloff mich an die Schar, und fröhlich zogen Den heitern Weg zur Kirche die Genossen. Und uns entgegen, wie ein Strom, ergossen Sich schon der Orgel, schon des Chores Wogen. Wir traten ein, und Wanten uns betrogen, Als wir am Hochaltar, von Licht umflossen, Ein Mädchen sahn, um deren Haupt die Spross Der Mirte huldig sich und schmeichelnd bogen.

Und brünstig trieb es mich mit dem Gefärten Die Stätte der Versönung zu betreten, Wo Friedensengel ihr Geheimnisi närten. Doch nicht empor zum Heiland stieg mein Beten; Ach nein! es neigte sich zur Gottverklärten, Um die der Andacht heilge Schauer wehten.

97

Mysterien der Liebe.

O Heil btt, Seele, Die Lieb' emfunden! Verbirg, verhehle Die teuern Wunden! Der süßen Leiden Genieß in Demut, still, bescheiden!

Geheimer Garten Voll Hoffnungblüren, Will deiner warten, Will fromm dich hüten, Will dich umranken Mit heilger Anbetung Gedanken!

98

Von Lebensbaumen Sich Früchte streifen — In Kkndesträumen Dem Himmel reifen — Hab ich dich inne. Du Paradies geweihter Minne?— O Heil dir Seele, Die Lieb' emfunden! Verbirg, verhehle Die teuern Wunden! Der süßen Leiden Genieß in Demut still-bescheiden!

SS

An Agathonia.

Ewartend stand ich da im Treiben Der rätselhaft bewegten Welt: „Wird treu der Glaube dir auch bleiben/ An dem dein Herz so ängstlich hält?"

Den Fluch der Luge musst ich schauen/ Die frech das Blut der Menschheit sog: /,O weile, schützendes Vertrauen, Wie oft die Welt dich auch belog!" Und schon begann die Brust zu hassen, Und an der Seele fraß der Gram; Und weinend harrt ich und verlassen Der Nacht, die mir entgegen kam.

100

Da tagt' es Verklärter Ich hing an Und Liebe

auf, wo du im Lichte Einfalt mir erschienst; deinem Angesichte, ward mir Gottesdienst.

Du gabst mir einen schönern Glauben, Als ich ihn je zuvor gekannt. Und nichts soll mir den Himmel rauben, Den ich in deinem Herzen fand!

101

An Agathonia. Sonett.

Der Mensch, gewohnt den leichten Wunsch zu üben, Walt aus der Zukunft nie erschöpftem Rade Bald Erdengüter, bald des Himmels Gnade, Als heitres Loos für sich und feine Lieben.

Denn Sehnsucht ward dem Herzen eingeschrieben, Damit der Pilger auf dem weiten Pfade Der Schuld des eiteln Säumens sich entlade, Und gläubig schau nach einem bessern Drüben. Nur Gott vermag dir Wolfart zu gewären Und jeden Gram von deinem Haupt zu fernen, Nur leises Ahnen darf der Busen nären r Doch sinkt Erh'örung nieder von den Sternen, Wird nie dein heilig Auge andre Zären, Als die der Hellen Freude, kennen lernen.

102

IhrWie der Keim, im Grab verschlossen, Sich empor zum Lichte sehnt. Aus dem dunkeln Schoß die bleichen Sprossen Nach der Farbenheimat dehnt, — Wie der Aar von seiner Kette Frei zum freien Äther schweift, — Wie der Sünder auf dem Sterbebette Nach dem Sakramente greift;

So erregen und umfangen Mich Geheimniss und Begier, So entreißt ein namenlos Verlangen, Zauberinn, mich hin zu dir!

103

Lebewvl.

Muff der kargen Pflicht die Neigung weichen, Greist der Zwang in unsre Freuden ein, — Keine Klage soll dein Ohr erreichen, Keine Träne diesen Schmerz entweihn. Zieh dahin, und jeder Tag bekunde, Welcher Sinn die scheue That vollbracht; Zieh dahin, nur unsrer Trennung Stunde Gönne noch den Stempel eigner Macht!

Uns im LebenSmoste zu berauschen Biete frei den Kelch der Laune dar, Lass die Seelen uns noch einmal tauschen, Ach! und scheiden dann auf immerdar;

104

Ruhig mag die Wunde dann verbluten, — Ruhig starre dann der öde Blikk, Weggewandt vom Drang der Liebesgluten, Auf das kalte, schweigende Geschikk?

Dritte Abteilung.

Die Probe eines Genusses ist seine Erinnerung. I ean Paul.

107

Das Blumengrab.

Knabe. Nimmer, nimmer fül ich Frieden

Unter Menschen mir beschieden, Was ich treibe, was ich thu;

Hier bei diesen Blumenkindern Such ich Trost und Ruh:

Konnt ihr meinen Kummer lindern.

Sprecht mir freundlich zu!

Maiglökkchen. Wir Glokken läuten

Zur Ruhstatt hin:

Wirst du es deuten

Mit zartem Sinn? —

108 Dir steht sie offen Die schone Welt, Du kannst noch hoffen Was dir gefällt,

Das Glükk erbeuten Mit wachem Sinn; — Wir Glokken läuten Jur Ruhstatt hin»

Knabe. Jedem Glükk will ich entsagen; Lieb nur sind mir weine Klagen, Wunsch und Hoffnung mir verhasst. Was ich bin und was ich habe, Wird mir Lebenslast: Glokkchen! läutet bald zu Grabe Euerm neuen Gast.

109

Vergissmeinnicht. Süß ist, in Wort und Lied Verstummten Schmerz erneuen; Treu bleibe dem Getreuen Der segnend von dir schied.

Der Liebling, welcher starb, Lebt fort im Angedenken Das treue Herzen schenken, Das treu sein Herz erwarb. —

Tagt dir der Zukunft Licht, Hat wieder dir das Leben Der Freude Mut gegeben, — Vergiss des Todten nicht I

110

Knabe.

Ach! wie sollt ich sein vergessen: Unerforschlich dem Ermessen Muss des Himmels Härte sein; Mich auf immerdar zu beugen Brach sein Zorn herein, — Brüder! wäret ihr doch Zeugen: Wen traf gleiche Pein? Veilchen.

Zn einsamer Zelle Da näre den Harm, An Mitleiden arm Ist Anderer Schwelle. Lass Schmerzen den Willen, Lass Tränen den LaufSo hältst du ihn auf, So wirst du sie stillen.

111 Erdulde verborgen Und weine dich ausr

Durch Nacht und durch Graus Errötet der Morgen.

Knabe. Auch für mich noch? — ach, es glühte Unsers Bundes früher Blüte Einst ein heitres Morgenroth. Jugend, frei von Sorg und Lasten, — Lust, die reich sich bot, —

Glükk, das kaum die Seelen fassten, — Du bist hin und todt! —

Aurikeln. Nicht du allein Fürst Gram und Pein/

Die Zäre netzt auch unsre Augen;

112

Manch Lüftchen küsst

Uns mit Gelüst Und sucht die Perlen wegzusaugen;

Es schmeichelt zart Nach Buhlenart,

Es thut verschämt, es tändelt lüstern, — Es spielt und kost, Doch keinen Trost Vermags dem Kummer zuzuflüstern.

Knabe. Nicht der feuchte Schmukk der Auen, Tropfen sollen euch bethauen,

Die der Freundschaft heilig sind!

Weinend lausch ich euern Winken: Tränen wird der Wind, Wird die Murmelquelle trinken,

Die hier leiser rinnt.

113

MooSröschen. Vom Stral des SonnenblikkeS Schwillt meine Brust, Des waltenden GeschikkeS Sich kaum bewusst; So weih' der Freud, o Knabe, Dein zart Gemüt: Mein Moos gehört dem Grabe, Der Lenz verblüht.

Ein andres. Ich Morgenknospe liege Noch sorgenlos In meiner grünen Wiege Von Laub und Moos; So ruht in küler Hülle Der dich verließ, Er schläft in Jugendfülle, So süß — so süß!

114

Knabe» Ach I auf ewig mir entrissen Zst in jenen Finsternissen, Der sich mir auf ewig gab! Schwinde, Kranz auf meinem Haupte, — Blüten, fallet ab! Was ich hoffte, was ich glaubte. Sank in dieses Grab.

Immortelle. Die Saat muss sich neige» Zum Erdenschoß; Wir Blumen zeigen In Wechsel und Reigen Des Menschen Loos.

115

Zn blühenden Zwergen, —

Auf welker Flur, — Sich ewig eigen,

In heiligem Schweigen Webt die Natur:

Sieh! Blumen entsteigen Dem GrabeSfchoß,

Und deuten und zeigen In Wechsel und Reigen

Des Menschen Loos.

Knabe. Blühe holdes Grabgefilbe! Deinem Auferstehung-bilde Lächelt, der zuvor geweint;

116

Sets im Hauch der Abendwinde Ruft der Freund dem Freund: — Wie ich auch das Jenseit finde,

Nur mit ihm vereint!

117

Der Ungetreuen. Und so ist der schone Kranz zerrissen, Der sich einmal nur im Leben flicht? Und so soll ich deine Liebe missen? Fühllos sein vor deinem Angesicht?

Einem andern Reich anzugehören, Willst du deine Neigung mir entziehn, — Willst den süßen Minnetraum zerstören. In geweihtern Flammen zu erglühn? Fromme Streiterinn! du erntest Nieten, Du verheerest dein' und meine Ruh: Ach! dem Herzen lässt sich nicht gebieten, Und nur Liebe fürt dem Himmel zu.

118

Läuterung. Schlummernd want ich jüngst, dass um das Eppichband Meiner Schläfe gaukelnd Amoretten spielten; Ihr Gewand, worin des Zefyrs Launen wülten, Dekkte spärlich ihrer Anmut Wunderland. Meine Götterträume hatten nicht Bestand: Ich erwachte; Nüchternheit und Leere füllen Mir die Sinne, die sich schnell entzaubert füllen, Und der süßen Täuschung zögernd Bild entschwand. —

Keine Blüte dieses Lebens blüht der Dauer, Immerdar vermält der Freude sich die Trauer — Nur des Glükkes Wechsel hat Beständigkeit. „Wünsche, was den schnöden Selbstbetrug dir raube, Auf des Wahnes Trümmern nur erwacht der Glaube, Nur der Mann aus Träumen goldner Kinderzeit!"

119

Ab endgefül. Aus dem ungewissen Schattenbilde, Das im Flammenmeer der Lüste wallt, Tritt die Gegend; schauerlich und kalt Iiehn am See der Nebel TrugGebilde;

Balsamträufelnd feiern die Gefilde, Des verwirrten Tages Laut verhallt, — Schon entströmt dem weiten Buchenwald, Wie ein Traum, des Friedens Wonnemilde.

Scheidend weint die Frühlingsängerinn, Und bei ihrer Trauer dunkeln Tönen, Übermannt mich still erwachtes Sehnen:

O wie lechzet, fessellos, mein Sinn, Mit dem Blumenstaub, von Abendwinden Fortgerafft, im Spätroth hinzuschwinden !

120

Die Nachtigallen. Nur so lang' sie liebten, waren sie.

Die herrlich die Natur in früher Schone Dem Grün der Buchen lieh/

Sie sind verhallt die wunderbaren Tone Der süßen Melodie:

ES schweigt das hohe Lied, in dessen Fülle Des Wandrers lauschend Ohr/

Gerürt vom Gruß der heitern Sabbathstille/ Sich oft und gern verlor.

121 Wenn sonst in zahllos formenreichen Fugen,

Hier auf den Schattenhöhn, Am GLeßbach dort die Nachtigallen schlugen, Wie war der Wald so schön!

Wie dämmerten die hell belaubten Steige So neu und schauerlich,

Wie regte dann in jedem jungen Zweige Ein frisches Leben sich! —

Erschallen noch die Hymnen fern am Quelle?

Hatt ich es nur geträumt? ES ist der dumfe Murmelklang der Welle, Die dort vom Felsen schäumt. Der Lenz ist hin, doch jene holde Weise

Spricht im Exinnrungswahn, Gleich fernen Äolsharfenlispeln, leise Die Sinnesstimmung an.

122 Warum verstummt Lhr, süße Sängerinnen Beglükkter Blütenzeit?

Kann nichts euch einen Laut noch abgewinnen In eurer Einsamkeit?

Ihr grüßt nicht mehr den Morgenstral, bezwungen Von seiner Götterpracht —

Ihr klagt nicht mehr dem Ohr der Dämmerungen, Nicht mehr der stillen Nacht? —

Jezt da der Sommer kommt, und in den Zweigen,

Jüngst euer Aufenthalt, Die Harmoniken eurer Liebe schweigen Und euer Reich verhallt;

Da öd und leer die Laubgewölbe trauern,

Kein Leben sich bewegt,

Und Schwermut nur mit seltsam tiefen Schauern Die finstern Wipfel regt:

123 3ezt forsch ich, ängstlich sehnend, hin und wieder

Durch das Gehölz am Bach Und durch den Hochwald, eurer Minnelieder Beseeltem Wandel nach. Denn o! wie drükket mich so schwer, so trübe

Mein ehmals froher Sinn) — Auch mir nam den beglüRten Traum der Liebe Der kurze Lenz dahin.

124

Geisternähe. Aiehn in Mer Nacht durch Ätherzonen Die Gestirne ruhvoll ihre Bahn, Starr ich auf zum Weltenozian, Denke meiner Trauten die dort wohnen: Euch, ihr teure Frühverklärte, lohnen. Frei von jeder Fessel, jedem Wahn, Keiner fremden Satzung Unterthan, Schon des ewgen Lichtes goldne Kronen.

O dann sehnet sich zu jenen Hohen, Wo des Friedens hehre Palmen wehen, Ahnend mein emporgehobner Geist; Fernher dämmert mir ein süßer Morgen, Und vergessend tauch ich meine Sorgen In das Lichtmeer, welches mich umfleußt.

125

Die Sommernacht. In der Himmelsbläue tiefen Raumen Blinkt der Sterne Reigen licht und klar; Blumen, die de- Lenzes Schoß gebar, Wiegen, küssend, sich in süßen Träumen;

Wo des Baches Silberwellen schäumen, Hüpft und buhlt der Fische muntre Schar; Und ein zärtlich waches Turtelpaar Lokkt vertraut in diesen Schattenbäumen.

Trunknen Sinnes seh ich deine Gluten, Geist der Liebe, durch den WeltkreiS fluten, Alles schwelgt in Tausch und in Verein. Schmeichellüfte wehn im Blütenstrauche, Wecken, flüsternd, mich mit lindem Hauche, Sagen leise mir: Du bist allein!

126

Dahin.

Ihr vertraute Stunde» Früher Seligkeit, Ach zu bald entschwunden Dient ihr nur dem Leid.

Von geheimem Drange Fült das Herz sich schwer, Harret schmerzlich bange Eurer Wiederkehr. Armes Herz! vergangen Ist dein stolzes Glükkz Rufst ihm mit Verlangen, Kehrt doch nicht zurükk!

127

Dahin.

Heiter zum Bache hi» Spielte der Knabe/

Freude war sein Gewinn/ Kam ihm nicht in den Sin«/

Was er nicht habe.

Sah einen Schmetterling

Dort mit Entzükken

Wie er noch nimmer fing/ Als er am Ufer ging Blumen zu pflükken.

128

Flehte mit Wort und Wink: „Schmetterling säume," — Aber der Schmetterling Spottete leicht und flink Irdischer Räume,

129

Zefyrs Liebschaft.

Des Lenzes milde Wiederkehr

Erfreute schon das Land, Doch Zefyr rauschte hin und her

Und seufzte bang und seufzte schwer,

Dass er kein Liebchen fand.

„Wo säumt ihr, holde Blümelein? Schon tönt der Lerche Lied,

Schon füllt der Sänger Chor den Hain, —

Ich such umsonst Feld aus Feld ein,

Für mich kein Liebe- blüht."

130

Und wieder fallt der Sonne SLral Erwärmend auf die Au,

Und Blumen sonder Maß und Zahl Entsteigen rings dem Frülings-Thal

Und stellen sich zur Schau.

„Euch Alle ehrt des Lenzes Beet,

Ihr Schönen zart und sein, Doch unter allen eine steht

Doll Anmut und voll Majestät,

Die soll mein Liebchen sein."

Und zu der Rose fliegt er hin Und schmeichelt los und leicht

Auf dass er ihre Gunst gewinn', Und flüstert mit verschämtem Sinn, Dass nichts dem Röschen gleicht.

131

Er trägt ihr, wenn der Abend thaut, Der Külung Labe zu, Und schwärmt um sie, und scherzt vertraut, Und wiegt sich auf dem Schoß der Braut, Und schwelgt in süßer Ruh.

Doch ach! nach kurzem Lenz beschlich Der Herbst das holde Thal, Und wo sein kalter Odem strich, Da sanken und entfärbten sich Die Blumen allzumal.

Wenn jezt der Abend wieder thaut, Klagt Jefyr seine Noth, Ruft bang und ängstlich seiner Braut, Und härmt sich, und bejammert laut Des Rösleins frühen Tod.

132

Die trauernde Najade.

Wie war vor kurzem noch so klar und froh und rein, —

so ungetrübt und hell wie

dieser Quell mein Glükk! — Der Friede floh, die Ruh ist hin:

133 und nie gewinn' ich sie zurükk!

Letzt weint die Najade am öden, verlaffnen Gestade, und schaut, zu tief verletzt, voll Gram zur Welle, die laut und kalt und ungerürt, mit feindlicher Schnelle, mit roher Gewalt die Tränen entfürtl —

134

Im Wolkenwagen, von Schwanen

getragen, nach Pasos Gebiete

zu eilen, kam, Afrodite, mit Bogen

und Pfeilen

-ein Knabe daher gezogen.

Er lechzt' und glühte

und stillte den Brand mit kekkem Gemüte

hier in den Wogen,

die

schmeichelnd den Lieblichen külten.

135 Sie spülten und gaukelten leicht und gewandt am silberumschaukelten blumigen Strand, und wiegten das flüsternde Rohr. Sie trieben an Stauden und Bäume mit Murmeln empor, und zauberten selige Träume von Lieben uns vor.

Und sehnend belauschte mit trunknem Ohr die Sinnig-berauschte den srolichen Chor.

136

Die schlanken gekräuselten Erlen neigten sich, säuselten, tranken die Perlen der Hellen schäumenden Wellen, und regten der Träumenden Minnegedanken.

Und immer vergnüglicher, heimlich und sacht, liebkos't' er mit trüglicher, schelmischer Macht,

137

Er lächelte

fein fittigr

süß fächelte sein

Fittig, und trug mir Labung zu.

Ich sank in Ruh, und gab mit leichtem Sinn ihm meinen Frieden hin. —

Jetzt weint die Najade am öden Gestade und schaut

voll Kummer zum Quell,

der laut

und ungerürt, vorwitzig-schnell

die Tränen entfürt.

138

Dass ja kein Mädchen künftig wage des Schlauen verschämter Bitte, leiser Klage zu trauen!

Ach schon am nächsten Tage ist, voll Hohn und arger List, er treulos mir entflohn! — Mit ihm mein Glükk.------

O sieh von deinem Thron mit mildem Blikk,

139

Zythere, wie Ich

Dich

mit reicher Opfrrspende

verehre, — o sende, sende

den Sohn hurüN»

140

Kssrnf und Sieg. Sonett.

Gerechter Zorn gart in des Romers Adern, Die Eigenliebe buhlt mit Heilgen Pflichten; Er glüht, und will der Hoffnung Anker lichten. Und mit den Menschen — mit dem Schikksal Habern.

Ihn reißt das Volk aus Roma's stolzen Quadern, Heißt ihn den Streit des Vaterlandes schlichten,' Und um Ägyptens Herrschaft zu vernichten Fliegt er aufs Meer mit jauchzenden Geschwadern.

Und freudig teilt sein Schiff der Wogen Bette, Und mit ihm kämst das Glükk vom Stralenwagen, Auf daff er schnell von Gram die Heimat rette.

Da sieht er, Schönheit, deine Glorie tagen Und ach! der Sieger küsst, besiegt, die Kette, Die Myriaden Sklaven dankbar tragen.

141

Mädchenklage über Untreue.

Wo werkst du, meine Taube? Du flogst von dannen weit — Mich ließest du voll Leid In meiner Gartenlaube; Mich ließest du voll Leid?

Bei jedem Blutenstäube, Der von den Wipfeln schneit, Mein' ich, zum Wahn bereit, Du seist es, holde Taube, Die Blüten niederstreut.

142

Was ich mir auch erlaube. Das Herz, mit sich im Streit, Wird nicht vom Harm befreit, Sucht dich nur meine Laube,— Sucht dich voll Harm und Leid. Wardst du dem Aar zum Raube Durch Unerfahrenkeit? Dekkt Blut dein Unschuldkleid? Zerriss dich, meine Taube, Des Falken Grausamkeit?

In meiner Gartenlaube, — Zn Gram und Einsamkeit Verwein ich weine Zeit. Wo weilst du, süße Taube? Bringt nichts von dir Bescheid?

143

Zwiesprach.

Sitzt nicht an meiner Aelle Gitter Ein Täubchen dort mit kekkem Sinn? Ach! Alles mahnt mich laut und bitter. Dass ich gefesselt, elend bin; In engen Felsenmauern Muss ich den Lenz vertrauern, Mir schleicht der Tag in Sehnsucht hin. „Frisch in Jugendprangen Steht der Fluren Grün: Siehst, im Turm gefangen, Rings die Welt erblühn,

144 Liegst in Schmach und Ketten,

Liegst auf hartem Plan, — Könnt ich dich erretten,

Armer Rittersmann!"

Blieb Mitgefül in deiner Seele Wo selbst der Freund gefüllos war?

Was ich so gern mir selbst verhehle,

Es stellt in deinem Bild sich dar: Der Freiheit süßes Leben Ist, Taube, dir gegeben,

Dir droht nicht Sorge, nicht Gefahr.

„Über Berg und Wogen, Über manches Land Kam ich hergeflogen,

Fremd und unbekannt;

145 Viele mir erschienen Ohne Glukk und Ruh, Keiner unter ihnen Kummervoll wie du."

Der Schwalbe Flug, des Windes Sausen, Der frei durch diese Gitter wallt, Sagt mir: du musst in Knechtschaft Hausen, Ein Kerker ist dein Aufenthalt. — Und doch! zum fernen Strande, Ium teuern Heimatlande, Da zieht michs hin mit Allgewalt.

„Fern von dieser Gegend, Einsam und allein Stiller Treue pflegend, Harrt ein Mägdelein, 10

146

SchM zur frühen Stunde Mich ins Land hinaus.

Aber ohne Kunde Kehr ich spät nach Haus."

Wen, Taube, suchst du zu erfragen?

O sag es sonder Hehl und Scheu!

Wem gilt des Mädchens heimlich Klagen? Wem blieb der keusche Busen treu? Mein Trachten und mein Sinnen

Es irret weit von hinnen: O wäre wahr, dass sie es sei!

„Treulich und ergeben Blieb die holde Maid

Dir im rauhen Leben, Treu und unentweiht.

147

Gleich flieg ich von dannen, End' ihr langes Leid, Und durch deine Mannen Wirst du bald befreit. —" * ♦ * Sie flog davon auf leichten Schwingen, Nach sah der Ritter ihrem Fliehn z Und Monde kamen, Monde gingen, Die Welt erblich und wurde grün: Wohl manche Tränen rannen Ob Liebchen und ob Mannen, Sein Rettungstag ihm nicht erschien.

14$

Ermina und Fedoro.

Die Sonne sank ins Bett der Wogen z Im Spätroth auf dem Spiegelmeer Schwamm eine Barke fern daher. Von zartem Wiederschein umzogen, Strich längs dem Jnselland der Kahn; Jezt lenkt er nah und näher her, Und legt beim schilfumkränzten Wehr Ans Felsenufer an.

149 Ermina unter GeisblattRanken, Auf hoher Klippe hart am Strand, Den Blikk zur Insel hingewandt,

Steht da, versunken in Gedanken.

Sie seufzt mit dem verrauschten Tag Dem Trauten nach, der Mondenlang

Nun schon auf jener Stätte krank

Und schwach darniederlag.

Es pflegte täglich sonst zu kommen

Ein Bote von dem Eiland her, Doch nun seit Tagen schon nicht mehr. Sie stand und harrte hier beklommen, Und ach! ihr Angesicht erbleicht,

Als jetzt ein hagrer, finstrer Mann, Mit Lrauerkleidern angethan,

Dem Ruderkahn entsteigt.

150

„O sprich das Wort, das mich vernichtet." Verhehl' es nicht, o Lrauermann, Verhehle nicht mit falschem Wahn,

Was schon dein Antlitz mir berichtet!"

,,„O meine Botschaft drükket schwer!

O weinet, schöne Herrinn, weint! Ach euer Liebling, euer Freund, —

Fedoro krankt nicht mehr.""

Sie schwieg entseelt; ihr Auge neigte

Sich zu des Abends Purpursaum.

So träumte sie den schweren Traum,

Bis lauter Jammer ihn entscheuchte: „Ach hielt ihn nicht der Treue Band? Ach er ist wirklich mir entfürt? — Was zögerst du? was dir gebürt,

Ihm nach ins stille Land!"

151 Schon kamst mit stürmischem Verlangen,

Schon, blikkt sie wild zur Meeresflut, Als mit Verwegenheit und Glut Vom Fremdling sie sich fült umfangen,

Der Helle Freudentränen weint. Da starrte sie den Retter an —

Da schaute sie im Trauermann

Den todtgeglaubten Freund.

152

Der Fang. (Zur süddeutschen Volksweise.)

Vor Abend war ich ausgegangen, Hab mir ein Vögelchen gefangen.. Das Ding hat mich gefreut, Weil's gar zu schön schreit: Warum bist du ins Häuslein gangen?

„Hoch im Gezweig bin ich geboren, Hab meine Freiheit jetzt verloren; Hatt'st Körner hingestreut, Kam nieder ungescheut: Hab meine Freiheit früh verloren."

153 Gib, kleiner Wildfang, dich zufrieden, Ist ja kein Unglükk dir beschieden: Lebst bei mir allezeit In Füll und in Freud, — Gib, kleiner Wildfang, dich zufrieden!

„Lass mich zurükk zu meinem Neste, Zurükk zur Wohnstatt grüner Äste, Mein Herz hat keinen Neid Nach Füll und nach Freud, — O lass mich heim zum grünen Neste!"

Was wollt ich thun, was wollt ich machen, — Musst übers Tyierchen weidlich lachen: Ich ließ es auf die Haid, Es flog von dannen weit, Was wollt ich thun, was wollt ich machen!

154

Der Fang.

Bleicher wurden schon die Sterne, Und die Dämmerstunde schwieg. Als den Blikk zur blauen Ferne Severin den Kahn bestieg. Sehnend sah er längs dem Strande Nach dem Weibe wohl zurükk, Das durch frommer Eintracht Bande Wahrte seines Hauses Glükk;

Sie hatte die Kinder am Abend umfangen Mit zärtlichen Tranen und ängstlichem Blikk; Sie war über Feld zu der Mutter gegangen, Und wollte zum kommenden Morgen zurükk.

155 Bald im Hauch der frühen Milde Traufte Seelenruh auf ihn. — Jezt erwachten die Gefilde Und des Haines Melodien; Lieblich wehten Schmeichellüfte, Hoher stieg der Sonne Glut, Und der frohe Schiffer schiffte Durch die morgenrothe Flut.

Bei Liedern bereitet er emsig die Maschen, Verfolgend der Hoffnungen trügrisches Gut; Denn fröhlich gedacht er in Menge zu haschen Der spiegelnden Wellen betrogene Brut.

Leicht gewiegt von süßem Wahne, Sorgend für Verdienst und Haus, Wirft er aus dem Fischerkahne Seine Netze freudig aus.

156

Ach! es schwanden ihm die Sinne, Als er aus dem Binsenrohr, Träumend von des Fangs Gewinne, Zog ein todt Gebild empor.

Dem Fischer erbebte vor Jammer die Seele! Sein Weib war's, die hier in den Fluten der Bucht, Verzweifelnd ob Einem begangenen Fehle, Ihr lautes Gewissen zu stillen gesucht.

Sinnlos auf die Todesbleiche Sank er hin in Glut und Schmerz, Auf die vielgeliebte Leiche, An das heißgeliebte Herz. Trotz dem Härmen, trotz dem Sehnen, Fluchend seinem Missgeschikk, Rief die Fülle seiner Tränen Nicht ins Leben sie zurükk.

157 Der Nebel verhüllte die traurige Szene, Es woget' und weht' um den schaukelnden Kahn, Den Wellen entrang sich ein banges Get'öne, Und leer trieb die Barke zum Ufer hinan.

158

In der Einsamkeit.

Werd ich immerdar allein mich finden? Wird kein liebendes Gemüt Liebevoll dem meinen sich verbinden? Soll denn auch der letzte Stern entschwinden. Der in ferner Dämmrung mir geglüht?

Wo ich sonst den trunknen Sinn geweidet An der Schöpfung hehrer Pracht, Weint mein Herz. — Ach! dem Gemüt, das leidet, Ist die Herrlichkeit der Welt vergeudet, Ist der Sfären Glanz nur Grabesnacht.

159

Früh ist meiner Seele Rausch verflogen, Nackt erscheint die Wirklichkeit, Auf de- Zeitstroms feindlich schnellen Wogen Wird der Sehnsucht Rachen fortgezogen, Zwekk und Folge stehn in Widerstreit.

Dir, Natur i bracht ich die schönern Blüten Meines Lenzes gläubig dar; Diese Opfer im Orkan zu hüten, Klammre bei der Elemente Wüten Ich mich fest an deinem WeihAltar:

Muss ich, was ich kindlich dir vertraute, Ewig mir verloren sehn? Muff das höhre Leben, das ich schaute, Jene Zukunft, die ich stolz erbaute, In des Leidens Ankamf untergehn? —

160

Unaufhaltsam, taub für jedes Flehen, Rollt der Dinge finstrer Lauf z Keine Blüte kann dem rauhen Wehen Der ergrimmten Stürme widerstehen, Und kein Leitstern geht am Himmel auf.

Grauenvolle Nacht, die ihre Schrekken Sparsam nur mit Blitzen hellt, Brütet auf des Lebens öden Strekken z — Eine Hölle droht fie zu erwekken, Und des Schikksals grauser Schleier fallt.

DaS Verderben bricht mit Wetterfluten In das stille Thal herein, Wo des Friedens Wonneträume ruhten. — Wehrlos soll ich am Altar verbluten? Soll noch selbst des Wahnes Opfer sein?

161 Ach! noch konnte rettend sich gestalten Eine Zukunft dem Gemüt, Wo, entstrikkt von jenen Miffgewalten, Neu des Lebens Zauber sich entfalten, Wo der Sehnsucht milde Heimat blüht.

Liebe, nur in deinem Götterarme Dämmert mir dies Paradies! — Schleicht mein Leben fort in dumfem Harme, Ohne dass in Lieb' es neu erwärme, Fluchte mir, der mich ins Dasein stieß! —

Gib ein Herz, das mir entgegenschlage, Allerbarmendes Geschikk, Oder nun die Bürde meiner Tage, Dein Geschenk, das ich erduldend trage, Nkm es — nun es schonungslos zurükk!!

162

Aussönung. Mir blieb dein heilig Herz ergeben. Als trüber Wahn dich mir entfürt? Arm findest du und leer das Leben, Wo stille Treue nicht mehr rüst? Wie bei dem ersten Stral der Sonne, Die hell und hehr der Nacht entschwebt, Die Lerche, froh der süßen Wonne, Im Zubelton empor sich hebt, —

So jauchz ich trunken dir entgegen, So grüßet dich mein froher Blikk, So kehrt das Glükk auf allen Wegen Mit dir, Erwätte, mir zurükk!

Vierte Abteilung.

Deine einzige Kunst hienicden, o Mensch, ist Maß. Herder.

165

Sein und Werden. (Frühling 1808)

Sonett.

Das junge Jahr hat seinen Lanz begonnen. Schon winkt der Lenz mit freundlicher Geberde; Der Hast entfloh», eilt zum Gebirg die Herde, Auf lichtem Grün in Äther sich zu sonnen.

Wie im Gefül der Bräutlkchkeit zerronnen, Prangt die Natur; der Himmel naht der Erde, Damit sie fruchtbar neuer Schöpfung werde, Und alles schwelgt in frühen Lebenswonnen.

„Dem Tode blühst du frohe Jugendblüte! Entfaltet kaum, wirst du ein Raub der Horen; Denn schonungslos verheert ihr flüchtger Reigen." Betört der Schmerz? — dem gläubigen Gemüte Ist das Vergangne darum nicht verloren, Und nur der Knospe kann die Frucht entsteigen.

166

Der Kunstwerke Heimat. Sonett.

Ein Reich beglükktrer, seliger Naturen

Erglänzt auf ferner Wallfart uns entgegen;

Dort leuchtet Freud aus grünern Lustgehegen, Die nie des Winters Todeshauch erfuhren; Dort überwölbt ein reiner Blau die Fluren; Beim Schmelz der Blüte reift der Goldfrucht Segen; Dort Käufen Silberthau und Nektarregen,

Dort schmükkt die Blume sich mit G'ötterspnren. —

Wer ist, der sich in seinem Wahn erküne,

Der Katarakten Pracht, der Ufer Grüne, Der Blütensänger Leben treu zu schildern?

WaS dort das Ohr vernam, das Auge schaute, Ach! — nur sein Nachhall tont in unserm Laute,

Sein Schatten nur erscheint in unsern Bildern.

Der Berufne.

Wanst du des Gottes Stimme zu vernehmen, Bestrikkt die Täuschung buhlend deinen Sinn, Und fliegt ein Aufzug gaukelhafter Schemen

Dor dem erstaunten Seelenauge hin,

Erküne dich die Lokkung zu bezämen, Hier ist der Ernte Aufschub dir Gewinn; Die Gier der Übereilung ziemt dem Thoren, Dem Weisen bleibt der Reichthum unverloren.

168

Doch hast du in der Abwehr herbem Streite Ein Held gerungen mit der Leidenschaft, Fülst du, des Übermachtgen Stromes Beute, Durch alle Welt dich schwindelnd fortgerafft, Graut deinem Geist der unermeffnen Weite, Erbraust im Innersten die Schöpferkraft Und droht sie deinen Busen zu zersprengen, Dann flute hin in rauschenden Gesängen Und alle Hörer werden dir sich neigen, Und, dankbar, deines Wortes Boten sein; Und wo du nahst des Lebens heiterm Reigen, Wird Freude dir und Mitgesül sich weihn, Und jede Brust sich offen vor dir zeigen Und höher pochen in dem Glutverein; Und jubelnd wird dein Lied zu fernen Tagen Auf Schwingen der Vergötterung getragen.

169

Der Ungläubige. Ost verkehrt, — Selten strenge, — Nie belehrt, — Richtet die Menge Über den Werth Deiner Gesänge.

Originalität. Sagt Kunstgenossen, wer verdient wohl mehr Den Namen des Originellen: — Der, Der stets dieselbe, eigne Weise sang? Wie oder der nur, der zum Urquell drang, — Der formenreich, wie sie der Gott ihm giebt, Die Wechselt'öne des Gesanges übt?

170

Die Schöpfung. Jegliches Kunstwerk fordert der Ruhe fördernden Aufschub; Plötzlich schießt der Kristall dann aus den Tiefen empor.

Der Markt. Wahn und Satzungen leiten den Markt der Sterblichen. Deinen Preis bestimmt was du scheiost, nur was du bist deinen Werth.

Schale und Kern. Guter, versieh dich der Maske, die leicht dir und schel­ misch begegnet, Hinter jeglichem Scherz lauscht ein verborgener Ernst.

171

Der Ruhmredige. Lorber umdichtet fein Haupt, wie seine Dichtung behauptet: Lorber, hat sein Gedicht etwa gedichtet auch dich?

Der Wiedergewonnene. Fülle nur frisch den Pokal! o Freund, du gleichst dem Insekte, Welches, seitIahren schon todt, auflebt im heimischen Nass.

Der Bestirnte. Reißt ihn vom Busen hinweg, der Stirne heftet den Stern an, Fälschlich zieret sein Herz was nur dem Kopfe gebürt.

An M. Ehret den Arzt mir! es bieten die Hände sich Freundschaft und Heilkunst: Jeglicher Arzt ist ein Freund, jeglicher Freund dir ein Arzt.

172

Die Wahl. Zart und dem Auge zur Lust umflattern mich Bilder des Lebens, Aber aus Tausenden eins walt und bewahrt sich das Herz.

Das Unentbehrliche. Vielem entsagte mein Leben, von Einem nur kann ich nicht lassen. Aber ach! ohne dies Eins wäre das Leben mir Tod.

Das Ballspiel. Luftiger Bote, so sprich, wie regest du seltsam die Brust mir? Herz, was klopfst du dem Wicht, leiser entgegen dem Freund? —

173 „Zürne nicht, Guter! es knüpfte den Bund die Gleichheit der Loose: Beide sind wir ein Spiel in Agathoniens Hand."

Wort der Süne. Gleichet der Sonne die Liede, so teile den Stral doch mit Andern! Was gewinnst du an Licht, hüllet der Schatten sie ein?

Grabschrift. Medor liegt hier. Sein Grab beweinet die schönste der Jungfraun. Ach, um den köstlichen Preis litt’ ich — wie gerne! sein Loos.

174

Einschränkung. Fr^nd! dein Schikksal machet dich weder verächtlich noch achtbar; Werth nur gewahret die Art, wie du es erntest und trägst.

Nach dem Russischen. Ich emfang dich nach deinem Kleid, Nach deinem Betragen ich dich begleit.

Auf lichter Bahn, in Jrrgewinden, Wirst du mich wahr und wanklos finden.

Der Himmel ist hoch, der Kaiser fern, Nied.ist besser — die Nähe gern.

175

Reichtums Loos.

Der Klugheit müde Naht' ehelich Der holde Friede Der Sorge sich. Den Jüngling reute Die rasche Tat.

Die Alte freute Sich ihrer Saat. Denn als die Stunde Sich stellte ein, Entsprang dem Bunde Ein Knäbelein.

176 „Gebt einen Namen Dem lieben Kind !"

Der Pfaff sagt: Amen, Und kommt geschwind, „Mach Platz ihm, Haufe!" —

Das teure Pfand

Wird in der Taufe

Reichtum genannt. Und manche Gabe

Fiel seinem Loos; ES ward der Knabe

Bald stattlich groß;

Ein Schwarm von süßen

Gerürten Herrn Eilt sich, zu grüßen Den neuen Stern.

177 Der Lärm der Feste Erfüllt sein HauS, Vergnügte Gäste

Vereint sein Schmaus, Im Überflüsse

Darbt er allein, Kann dem Genusse Nie recht sich weihn. Denn ach! die Alte

Verlässt ihn nicht, Lokkt manche Falte In sein Gesicht.

Zum goldnen Saale

Schleicht sie herein, Beim lauten Mahle Drangt sie sich ein.

178

Er sucht der Lehren Der Mutter kün

Sich zu erwehren; Vergeblich Mühn!

Sie warnt voll Kummer Den Schmerzensohn; —

Selbst seinen Schlummer

Verscheucht ihr Drohn. So plagt die Sorge

Ihn immerhin. So hat der Reichtum

Bedrükkten Sinn.

179

An meine Wiege.

O nehmt mich auf, ihr wirtlich küle Schatten! Du schönes, stilles Friedensland! Du Ulmenhain! ihr buntbeblümte Matten, Wo ich der Kindheit Kranze wand!

Wie lächeln mir die heimatlichen Auen, In der Erinnrung Zauberschein! Wie schließt dein Geist, o kindliches Vertrauen, In diese Dämmerung sich ein!

Mit dir, mit dir will ich mich selig wänen, Und unter süßen Fantasien Die Iugendbilder träumen, die mit Sehnen Dem Auge hier vorüberziehn.

180

Noch überbaut mit Hellem Frühjahrlaube Der Ahorn diese Rasenbank, Wo der Vernichtung und der Zeit zum Raube Schon meines Zeisigs Grab versank.

Noch brütet hier in schauerlicher Hülle Des Taxuswäldchens ernste Nacht, Wo schon der Knabe deiner Segensfülle, Natur, mit Rürung nachgedacht.

Noch ragen dort die beiden Schwesterlinden, Die mütterlich uns oft geschützt; O sieh! die Spuren sind noch jetzt zu finden, Wo wir einst Namen eingeschnitzt. Noch blikken traulich durch das Gartengitter Des Hüttendaches Trümmer dort, Bei Wolkenguss und nahendem Gewitter Der bangen Kinder Zufluchtort;

181 Hier weintest du mit frommem Zartgefüle,

O Bruder, als der Küchlein Schar An hoher Schwell' in ängstlichem Gewüle

Dem Regen preis gegeben war.

O mein Georg! wo auch die Sehnsucht spähet,

Du bist es, dem die Sehnsucht ruft! Umsonst! der Klagelaut der Weste wehet Schon um die Blumen deiner Gruft. —

Wie kehren mir die Lraumgestalten wieder Aus jener Laube dort am Zaun, Wo GeißblattRanken unter welschem Flieder

Ihr Bild im Wasserspiegel schaun:

Oft teilten wir das Morgenbrot am Weiher Dort mit der Karpfen reger Brut;

Oft weilten wir dort unter nächtgem Schleier Im Silberlicht der Sternenglut.

182

Dort prangt der Apfelbaum mit Blutenzweigcn, An dem mein Blikk oft feiernd hing, Wo einst mit Andacht unser Trauerreigen Des Hofhunds Todtenmal beging.

DeS Felsenbachs/ der Mule dort am Hügel, Der Brükke werd ich noch gewahr, Wo dies getreue Thier mit Zaum und Bügel Geduldig unser Reitpferd war. Hier schifften wir auf leichten Taumelwellen Den bunten Blumenstrand entlang, Hier wars, wo unser Eistanz sich in schnellen Gewagten Wirbelkreisen schwang.

Hier summt der Freistaat arbeitvoller Bienen; Dort im Geh'öf des Pfarrherrn steht Das Taubenhaus; dort der Abtei Ruinen, Und hier das breite Gartenbeet,

183 Wo aus deS Spargels wilderndem Gesträuche Ein Lustwald von geheimer Hand, Nach unserm kindischen Ideenreiche Für die Pygmäenwelt entstand;

Bald waren an den Stauden Bank' und Tische, Bald kleine Schaukeln fcstgemacht, — Bald wieder Hekkenreihn, bald im Gebüsche Verstekkte Hüttchen angebracht. —

Hier brach der Gärtner mir die Hyazinthe Die meiner Kleinen so gefiel. — Noch winken mir die Buchenlabyrinthe, Des Tulpengartchens Farbenspiel,

Der runde Platz voll alter Lerchensteine, Der Laubengang zur Kegelbahn, Und dort von fern in lichtem Wiederscheine Der oft besuchte Wiesenplan.

184

Doch, teurer mir, als diese Herrlichkeiten, Schaut, — ruhig wie des Freundes Grab, Um das der Wehmut Schauer sich verbreiten,— Das Tannendunkel dort herab:

Dort, wo verlassne Lebensgeister ziehen, Hat oft der Knabe, tief berauscht, Der Nachtigallen Aaubermelodieen Mit bangem Mitgefül belauscht;

Dort wars, wo er vor Anbetung und Wonne In früher Einfalt niedersank, Wenn bei dem Scheideblikk der Sonne Die Seele HimmelAhnung trank. —

Ach! wer entfürte mir den süßen Frieden? Bringt kein erbarmendes Geschikk, Kein stummes Dulden deinen Traum hienieden, O holde Kindheit, mir zurükk?

185

Umfängt mein heißes, glühendes Verlangen Nur dein entseeltes Schattenbild? Soll stets mein Aug an deinem Zauber hangen Und bleibt mein Sehnen ungestillt?

Gehabt euch wol, ihr goldne Jugendauen, Ihr meines Lenzes Fantasien! Der Knabe konnte freudig euch vertrauen, Mit Schmerz muff euch der Jüngling fliehn.

Doch siehe! nur der Menschen Werke tragen Der feindlichen Vernichtung Spur: Noch eben so, als jenen Wonnetagen, Beut diesem Tag sich die Natur. Noch lenkt fle in des Wesenreichs Bezirken Geheimniffvoll des Werdens Lauf, Noch blüht sie jugendlich in ihrem Wirken, Mit jedem neuen Frühling auf.

186

O lasset mich die Deutung nicht verkennen. Die Licht in dieses Nachtstükk webt, Die, wenn sich alle Erdengüter trennen, Noch ahnungfroh das Herz durchbebt:

Auch für den Frieden, welchen hier verborgen Der Kindheit Göttertraum emfand, Tagt wieder irgendwo ein schöner Morgen, Blüht wieder einst ein stilles Land!

187

Das Traumbild. Sonett.

Vom Lächeln der Gestirne rings umflossen, Schwebt eine Traumerscheinung zu mir nieder. Hat über der verstummten Erde Glieder Die Nacht den külen Schlummer auSgegoffen. Sie stralt int Abglanz ihrer Lichtgenossen, Voll süssen Staunens find in ihr ich wieder, Was heimlich fich im Zauberquell der Lieder, Im Gruß der Ideale mir erschlossen. Bist du es, ruft mein Wahn ihr dann entgegen, — Du bists'? du willst mit deinem Göttersegen Das Heil, das ich verloren, mir erstatten?

Und nach dem Bilde breit ich heiß die Arme, Damit an meinem Busen es erwärme, Doch ach! es bleibt ein kalter, leerer Schatten.

188

Eurial an Klementine.

Wenn Nachts im schwarzen Kleid die Fluren trauern, Betret ich der Abtei verfallne Mauern, Wo sich die Brust dem Gram erschleußt; Dort, aufgeregt von ahnungvollen Schauern Der ernsten, heiligen Ruine, Umweht fantastisch, bange mich dein Geist, Klementine!

Beginn am Horizont empor zu tagen, — O leuchte, Fakkel, lindernd dem Entsagen, DaS fern durch öde Meere schifft! Nicht brüte das Gemüt in dumfen Fragen, O Liebe, wer dein Heil verdiene; Du schriebst in diese- Herz mit Zlammenschrift: Klementine!

189 Die Nacht entfleucht.

Auf lichtem PrachtgefLeder

Begrüßt der Morgen seine Schöpfung wieder,

Die er mit Milde tränkt und närt. Da schwebst du aus dem Frühroth zu mir nieder,

Im Abglanz jener Engelmiene, Die jüngst am Kelch des Bundes dich verklärt, —

Klementinei

Wie sich, was eben noch mit Nacht gerungen,

Von süßem Licht jetzt liebend fült umschlungen. Ruht dieses Busens Kamf einst auch.

O dass mir dann im Traum der Dämmerungen Des Todes Genius erschiene!

Dann stammle noch mein letzter Lebenshauch: Klementine!

190

Die Sonnenwende. Sonett.

Der Sonne Pracht durchfliegt den Bau der Sfären, Doch tief im Lhale steht die Sonnenwende, Harrt ruhig, ob sie einen Blikk ihr sende, Will aus der Ferne nur die Sehnsucht nären.

Sobald die Nachtgewolke sich verklären, Schaut sie gen Osten, froh der künftgen Spende, Und naht in gleichem Kreis des Tages Ende, Schließt leis ihr müdes Auge sich mit Zaren. — Was, Blume, hilft dein Wenden, was dein Weinen? Du kehrst das Haupt zur hohen Wunderbaren, Doch du erreichst sie nicht mit deinen Sinnen.

„Darf nicht das Herz dem Herzen sich vereinen, So wird es treu doch sein Gefül bewaren Und endlich seine Leiden liebgewinrrerr."

191

Frühlingsfeier.

Auf! — reihet die Blumen und bindet den Kranz! Begehet mit Spielen und Liedern und Tanz Die opferbereitete Feier! Versammelt euch rings im begeisterten Kreis, Nur Wettgesang töne und Jubel und Preis, Dem Lenz ertöne die Leier!

Warum flammt aus allen Blikken Ahnungvolles Hochentzükken? Oeffnet schöpferisch und zart Hier sich Edens Wonnemilde? — Wird ein Wunder offenbart? Oder athmen die Gefilde Eines Gottes Gegenwart? —

192

O, wer nennt die Freudenscharen, Die dem Blikk sich offenbaren! Aus dem finstern Schoß der Zeit Windet lächelnd sich ein Knabe; Alles eilt herbei und weiht Ihm der Auen schönste Gabe, Ihm der Herzen Dankbarkeit.

Und der Knabe, kaum geboren, Wird das Lieblingskind der Horen. Früher Anmut Zaubermacht Lohnet reich, die feiner warten; Alles lächelt, wenn er lacht, — Seht! mit ihm erblüht der Garten Der Natur in Festes Pracht.

Eos, deren Farbenstralen Busch und Feld ätherisch malen, Säumet auf der Rosenspur,

193 Schaut verklärender und Heller Auf der Erde bunte Flur, Und das Leben kreiset schneller Zn den Adern der Natur.

Und verherrlicht und befangen Steht er da in süßem Prangen, Wie beim ersten Minnelohn, Neu der Lust und Scham verbündet. Glüht der Einfalt holder Sohn, — Und des Jünglings Sinn verkündet, Seiner Jugend milden Thron. Alles in der Andacht Flammen Stimmt zu seinem Ruhm zusammen, — Alles, dem er Aufschwung gab, Scheint nach Huldigung zu dürsten, — Alles, Fluren auf und ab, Grüßt den Sieg des jungen Fürsten, Huldigt seinem Herrscherstab. 13

194 O nahet dem mirtenumflochtenen Throne! Durchwebet mit Rosen die Lilienkrone, Dem Frühling zum dankbaren Opfer gebracht! Lobsinget mit freier beflügeltem Tone Der gütigen Gottheit gesendetem Sohne, Der niedergestiegen in himmlischer Pracht.

Preis dir lieblicher Lenz, Wonnetrunkner Jüngling Im Stufenalter des Jahrs! Dir, o Blumenfürst, Reizender Herzenbezwinger, Dir vor Allen gebürt Der Hymnen rauschende Feier! Loste dein mächtiger Ruf, Dein labsalwehender Odem Nicht den Schlummer der Welt?—

195 Lange starrte die Erde, Dom Leichengewand umhüllt, Bis mit wachsender Glut Endlich d u sie erwekktest Zur herrlichen Auferstehung; Jetzo leuchtet sie hehr Im heitern Schmukke deS Mais, Eine göttliche Braut. — Sieh! o feuriger Lenz, Mutiger Reigenfürer Beim Tanz der Jahreszeiten, — Sieh! was nur Segen durchströmt, Jubelt deiner Botschaft, Fült mit dir sich verjüngt, — Und du streust beseeligend Blüten zarter Emsindung Über der Schöpfung Gebiet!

196 Seht wie Genuss, wie Gedeihn sich entfaltet, Wo nur die Schwinge des Frühlinges waltet: Wesen mit Wesen durch Liebreiz vermalt, Fület sich Alles vom Taumel beseelt.

Seht! der Geschöpfe verschwisterte Kette Streitet zum festlichen Dienst in die Wette, Jedem Geschlechte zum Wonnegewinn Gattet sich Wohllaut mit liebendem Sinn. Lust und Lieder Schwärmen wieder Durch den Hain in weichen Minn-tönenz Lenzgefül durchbebt Alles was da lebt, Alles scheint ein höhrer Sinn zu krönen:

Fester weben Treue Reben Um die Ulme junge Liebesranken,

197 In den Pappeln rauscht Wo Geheimniff lauscht GeisteSlispel zärtlicher Gedanken;

Filomele Aus der Seele Reißt ihr Ach in schmelzenden Akkorden; Fern am Wasserfall Mit der Nachtigall Ist das Echo sehnend wach geworden Z

Und die Laube Girrt im Laube/ Da- sich baut zu schattenreichen Hallen; Auf Gebirg und Flur Hört man Liebe nur, Lieb und Freud und Mitgefül erschallen.

198 Wenn sich die Schöpfung des Lenzes erneut, Fület, von irdischer Fessel befreit, Naher zur Heimat der Geist sich erhoben;

Diese dem Himmel entstammende Zeit Werde der süßen Betrachtung geweiht, Würdig die Werke der Gottheit zu loben!

Der du in Morgentraumes Hülle Trankest die siegende Welt Mit dem Moste der Lebensfülle, O Frühling, Jugendheld! Dir stralt das Geschmeide der Auen, Schimmernd wie Hera- Pfauen, Wie Iris Bogen zu schauen; Dir breitet die Flur in frohem Gepränge Den Hochzeitteppich, Dir windet der Eppich Blütengehänge;

199 Dir flüstert das Rohr, dir flötet der Bach; Dir wölbt fich Büsche Gedränge

Zum Brautgemach. Knospen, erregt von deinem Hauch,

Liebäugeln vom wirtlichen Strauch,

Bieten, errötend, in huldiger Schar Nektardüfte zur Weihe dar. Und herauf Wiegt sich mit brausendem Lauf,

In Silbers Glanz

Des Quelles freudiger Wogentanz, Küsst am Rand seines Bettens trunken Den Blütenschnee

Und sprüht in blitzenden Funken

Jauchzend den Gäscht in die Höh.— Und sie, die heikge Natur, — Hingegeben Mit namenloser Liebe

200 Dem stillen, schaffenden Leben, Legt sie den tausendfarbigten Gürtel Um die ewge Jugendbrust. Unter des Lenzes entwölkendem Schilde Übet des IartsinneS kindliche Milde, Wandelt der Eintracht beglükkende Spur Folgend dem Winke der Mutter Natur! — Eint euch, Gefärten, in liebende Paare! Nahet zum Opfer dem Blumenaltare! Schließet der Andacht verstummenden Chor! Deute die Flamme zum Äther empor!

201

Apologie. Unaufhaltsam, mit gewaltgem Streben Reiht die Flut der Zeiten Jahr an Jahr z Trauernd wird der Mensch des Stroms gewahr, Sieht sein Liebstes, Theuerstes entschweben.

Doch aus dem vergänglich bunten Leben Rettet er, was ihm verloren war: Gütig ward dem Fremdling ein Altar, Unbewegt von Sturm und Flut gegeben. —

Mag in der Orkane rauhem Wehen Des Genusses Blüte untergehen, Schwinden hin der Erde Glükk und Ruhm: Was in reinern Formen ihm erschienen, Ringt sich frei empor aus den Ruinen, Bleibt des Herzens heilig Eigenthum!

Ander- malt sich das Sonnenbild im weltumgürtenbea Ojcan, anders im Thautropfen des Morgens. Schiller.

Bruchstükk einer Reise durch Italien.

1820.

(Von Siegmar Freund.)

Etwa- verspätet trat ich in die Vignia. *) Die kleinen Tische waren ring- von den zahlreichen Gasten besetzt. Nach Metzger und Vogel sah ich mich vergeblich um, selbst der Picolo meinte r „so spät kamen sie schwerlich noch." — Hr. v. Q., den ich im Hause unser-Gesandten in Rem hatte kennen lernen, winkte von der andern Sei­ te de- großern Saals. Gern folgte ich der Einladung und begrüßte vorab seine artige Gattinn, die mit ihm reisete. Bald hatte sich da- Gespräch der Männer zu Ger genständen der Kunst gewandt, und al- der Meinungs♦) So heißt ein beliebte- Speisehau- zu Florenz; in einem zweiten heißt der Wirt oder der Strohmann de- Wirt- ebenso, wa- zu Zrrungen und zu belustigenden kleinen Tauschereien häufigen An-

204 tausch lange genug gewärt haben mochte, fragte sie etwas ungeduldig, „ob die schöne Umgebung der Blumenstadt mir ebenfalls Anteil abgewonnen habe." Meine Einsei­ tigkeit verbessernd nannte ich die herrlichen Schattenufer des Arno, die Orte, welche ich in seinem erquikkenden Thal besucht hatte. — „Und die fernern Punkte am Bu­ sen des Gebjrgs haben Sie noch nicht bewandert?" — „Nach Fiesole wenigstens, diesem Mond an dem rei­ chen Sternenhimmel ♦) glänzender Billen und Flekken will ich noch hinaufsteigen. Leider nur noch wenige Ta­ ge darf ich in Florenz bleiben." — „Unterlassen Sie nicht von Fiesole aus auch Pratolino aufzusuchen. Sie könnten denselben Tag noch zurükk sein, und Mittag im Gärtnerhause halten. Der Garten ist im deutschen Geschmakk angelegt, eine Seltenheit in diesem Landstrich. — Es thut ja so überaus wol, etwas Heimat­ liches in der Fremde zu finden, und wäre es eine Nach­ richt wie die, auf die italienische Dogana gemünzte Neuig­ keit der gestrigen Gazetta, dass der Berliner Spottdichter

205 Friedrich

unverhofft

einen

Besuch von

einem barschen

Steuerbeamten erhalten habe, der sich aufbürden lassen, der Zurükkgezogne

besitze in seinem unscheinbaren Haus­

bedarf einen guten Vorrath attischen Salzes." — Wir lach­

ten dass die Nahesitzenden sich nach uns umsahn. —

Mit dem ersten Stral des andern Morgens streifte ich

im etwas vernachlässigten leichten Sommerkleid, selbst leicht

und

froh, den Anhvhn

Fiesole tranken

entgegen.

Auf der Teraffe in

bejahrte Herrn ihren Kaffe.

Sie redeten

zuvorkommend den Fremden an, der eine Taffe Mlscoe *)

forderte.

Sie fürten mich in die Kirche und unter alte

Klostermauern, und indem sie auf die Pracht der unten­ liegenden

Tochterstadt wiesen,

erzalten sie mir von dem

Mönch, **) der aus seiner Aelle Florenz und die Welt mit jenen wunderbaren Gebilden frommer Einfalt beschenkte.

*) Chokolade mit Kaffe. **) Giovanni da Fiesole, eine der liebevollsten Erscheinungen der älte­ sten Florentiner Malerschule. Er war durch keine Vorspiegelung, durch keinen verheißenden Lohn der Welt zu bewegen gewesen, sei-

206

Die Sonne entwikkelte bereit- ihre Kraft. Auf der Weiterwanderung gelangte ich zu den erfrischenden Schat­ tenbäumen einer Mule. — „So traurig, Alter, unter diesem klaren Himmel?" — „ich dank Euch! wo kommt ihr her? Ihr seid kein Ro­ mer?" — „Warum?" — „Ihr habt etwas von dortiger Aussprache;" —„ich war lange dort, ich bin aus Deutsch­ land — (sein Aussehn verfinsterte sich) ein Preusse (c8 wurde heiter) ich will nach Pratolino: sagt mir, Freund, werde ich dort gute Unterkunft finden?" — „Vielleicht bei der Familie des alten Gärtners; ihn werdet Ihr schwerlich zu Haus treffen." — „Sind dort ihrer Zwei?" — „Zwei: der Neue ist ein Deutscher: oder wie Ihr sagt, ein Ostreicher." — „Was drükkt Euch aber?" — „Die Noth, ein andres Übel, als Jenen — die Krankheit dieser Mule." — „Sie ist also nicht Euer Eigenthum?" — „Schon mein Urgroßvater hat darauf gewohnt." — „Und sich gut befunden, und Ihr nicht?" — „Weder ev »e Klause, sein Schwalbennest (wie jene bildlich meinten) auf r» geben und schlug deshalb sogar die Bischofswürde aus.

207 noch ich, noch irgend einer unsrer Nachkommen, noch ein Andrer unsres Schlags, so lang es bei der gegenwärti­ gen Ordnung der Dinge bleibt." — „Und warum ?" — „Kein Besitztum, keine Scholle ist käuflich; Alles befindet fich in den Händen des Adels und der Geistlichkeit — in todter Hand. Die Regierung lässt uns arme Arbeiter ver­ kommen , und der Müßiggang vergeudet den Ertrag un­ sers Schweißes. Herr der Mule, die nicht verkauft wer­ den darf, ist einer der blanken Kavallire, welche Ihr da unten in Florenz gesehn habt; ich bin nur Erbpächter. Den Pachtzins kann er gleichwol nach Belieben erhöhn. Ausserdem muss ich alles Getreide, das er mir liefert — eS ist keine bestimmte Scheffelzahl— unentgeltlich mahlen; und von der Mahlmetze, deren Belauf er festsetzt, muff ich ihm ausserdem die Hälfte als seinen Anteil berech­ nen. Außerdem" — „Haltet ein! Alter, ich kann bei Euerm vierfachen Tod nicht der Freisprecher sein: lieber eil ich nach Pratolino." *) — „Daran thut ihr wol, die Sonne steigt."------- — Tic Ausleaer welche Tassos ratnselhaftes Sonett: ..Taecin omai

209 Ich tauchte in die Küle des schattenden Gartens. Die Anlagen, nur zum Teil neu, bildeten mit ihrem Grün, —

mit den

abweichendsten Baumgattungen,

mit allerhand

Sträuchern und Pflanzen, und dem Silber der Quellen und Wasserbehälter jenes schön

gerundete Ganze, welches die

Gärtnerei zur Gartenkunst erhebt.

sam

Lange weilte ich ein­

bei dieser Natur im kleinen, und Beruhigung und

Friede

ward

die

Stimmung

meiner Seele. - Keiner der

ab- und zugehenden Arbeiter hatte mich gestört,

Niemand

mich über den Zwekk meines Aufenthalts gefragt. — Der Mittag kam.

Ohne mich weiter zu erkundigen,

ging ich dem ältern, von hohen Bäumen geschützten, ab­

gelegnen

Hause zu.

Die Anstalten

des Mahls

waren

getroffen; wie das Abstechende des häuslichen Dunstkreises Roma, taccia il gran Egitto etc.“ auf Pratolino beziehn, scheinen sehr in Irrthum. Es ist Dort nichts was man prunkenden Riesen­ bauen vergleichen könnte, nichts in Spuren aufzufinden, was in der Vorzeit solches Gepräge getragen hätte. Des Obelisk's am Vatikan, wie Andre vielleicht wieder nur gleichnissweise deuten,

ist hierbei eben so wenig mit Befriedigung zu gedenken. — Sollte in Tasso's hochgestelltem vollendeten Sonett vielleicht ein geistiger Bau, vielleicht die Gründung eines Kirchenbaues gemeint sein?

209 den

gegen

zu

Blumendust des würzegeschwängerten Gartens

verrathen

schien.

Eine wolgebildete Matrone mittlern

Alters trat mir entgegen und nötigte mich mit jenem Frei­

mur in das geräumige Speisezimmer, der nicht nach Ge­

oder Anliegen

schäft

fragt,

sondern der Vorbote ächter

Gastfreundschaft ist; ich meldete ihr meinen Wunsch, für den

gewohnten

Mittagstisch

als Reifender

zuzutreten,

und fügte, etwas rükkhaltend, die Bitte bei, die Bekösti­

gung, aber nicht die Gesellschaft, nach dem Preis vergel­

ten zu dürfen, der mir in meiner florentiner Herberg fest­ gesetzt Schein

sei."

nach

Sie

lehnte

dem,

letztres

ab,

und ich griff zum

bereits dem nahen Sessel anheim ge-

fattnen Hut. — Unter den zahlreichen Hausgenossen, die sich einfanden, zog eine schlanke Mädchengestalt mich an.

Sie glich auf­

fallend Zulien, nur dass ihr Haar anders war.

Annun­

ziata beschäftigte sich scherzend mit einer jüngern Schwe­ ster , die krank gewesen sein musste.

Das Treiben artete

aus, woran die Misslaune der Presshaften schulden mochte; sie geberdete sich

Übermut gab

äußerst lebhaft,

und in befremdlichem

die aufgebrachte Ältre

der Kleinen einen

14

210 Fußtritt.

Ich hatte mit den Familiengliedern, bald mit

diesem, bald mit jenem gesprochen.

Mein Anteil für

Annunziata war plötzlich erloschen. —

Es wurde aufgetragen. und berieten sich.

Die Genossen fragten einander,

„Setzen wir uns?" „warten wir noch

länger?" — Die Türe that sich rasch auf.

Eine Jung­

frau des h'öhern Chors jener Südländer trat ein. — „Mei­

ne älteste Tochter — und

seitwärts

gegen

Assunta."

den

Gast,

Sie neigte sich leicht und

legte den kleinen

Strohhut ab, der sich auf der hellbraunen Lokkenfülle wiegte. — „Was ist cs heiß im Obstgarten, wir bekom­

men

Gewitter." —

Die Stille begann wieder.

Jedem

ward Zeit gelassen, das Tischgebet innerlich herzusagen.—

Scherz und Laune drangen mir dem ersten Gericht herein. — Assunta übte die stolzeste toskanische Mundart in tonvoller Überlegenheit; sie sog und stieß langsam die

Laute aus ihren beweglichen Lippen hervor, gleich als woll­

te sie, dem Römer gegenüber, ihr angestammtes Vorrecht, die Überwucht

behaupten.

ächt pomhaft überkommnen SprachErbeS

Die blühende Nachbarinn verließ ihren Sitz

und flüsterte in das Ohr der Mutter.

Die Errathenden

211

lachten. — „Sie bleibt hoffentlich nicht lange aus," rief es in meinem Innern. — Sie zögerte. Endlich erschien sie wieder. Unter schallendem Zujauchzen der Angehörigen brachte sie dem Fremdling einen riesigen Strauß — einen Strauch/ einen Strauch ausgesuchtester Gartenblumen ; sie schikkte ihn nicht, sie brachte ihn selbst. — Von dem Geschenk wusste ich keinen bessern Gebrauch zu machen, als ihn vor uns hinzupflanzen. Er war groß genug, aller­ hand Tändeleien darunter zu verbergen. Etwas spät fiel mir ein, die Mutter, meine andre Nachbarinn, ebenfalls der Aufmerksamkeit werth zu behandeln. Die Familie hatte wenig rothen Wein mit Wasser, ich gar keinen ge­ nossen. Das Süd-Obst, das aufgetafelt wurde, kündete das Ende der Mahlzeit. Assunta streute Blumen in ihr Lrinkgefäß und reichte es mir; ich ließ nicht nach, die Mutter muffte zuerst trinken, dann die erblassende Schöne, dann ich. — Wir traten in das rebenbehangne Fenster, sie sürte die Schwester mit, die sich aber bald los machte. — Waren wir schon bei Tisch zu innig gewesen, so moch­ te unser näheres Beisammensein im Ausbau des Fensters wol Bedenken erregen» erregte es doch bei uns selbst Be-

212 denken. — „Ich bin Braut, Lieber, ich werde an den be» güterten Bruder meiner Mutter verkauft.

Sieh diese zahl­

reiche Geschwisterschar! ich sprach offen mit meiner Mutter, sie verlangt das Opfer nicht, aber ich bringe es." — Ihr

hellbraunes Auge

leuchtete

begeistert.

Leise zog ich die

leicht und rund gegliederte Gestalt an mich. — „Ich gehe die Woche ein- oder zweimal zum Onkel nach Florenz. —

Stille! — wir geben Anstoß. — Bleibe bei uns.

leicht spreche ich dich noch vor Abend.

Viel­

Du kannst allem

in dem großen obern Aimmer schlafen." Mit einer

anmutigen Verbeugung

Unterhaltung.

entzog sie sich der

Die harrende Mutter sprach ernst mit ihr;

sie schied und sah an der Tür noch in den Saal zurükk. „Fürwahr, geehrte Frau, ein gerechter Stolz würde

Euch nicht miffkleiden.

Ihr habt viel für Erziehung und

Entwikkelung einer reichlichen Nachkommenschaft gewirkt." — „Ich bitte" —- „Eure Töchter, Annunziata, Assun­ ta."

„Vorhin sagten Sie: Assunta und Annunzia­

ta." --

„Die

andre Folge ist gemäßer:

das Fest der

Verkündigung beginnt, die Himmelfahrt endet." — „Sie

schenkten der Aufgestiegnen

die meiste

Achtsamkeit.

213 Meine Älteste ist Braut; sie hat es Ihnen vielleicht selbst

gesagt." — „Und Ihr Gatte, meine Gütige, nach welchem ich

schon

über Lisch

fragte?" — „Er kommt vielleicht

nicht einmal zur Nacht nach Haus.

Er ist viel auswärts,

-*• Geschäfte! — Wir haben noch eine andre kleine Wirt­ schaft , die der Großherzog aus altgewohnter Gnade uns in

Pacht

überlassen hat.

Schon

unsertwegen wünschen

wir, dass Sie dem neuen Gärtner ebenfalls einen Besuch

abstatten.

Sie

Sie übernachten aber in dem Haufe, welches

zuerst mit Ihrem Besuch geehrt haben.

Sie ja morgen bei guter Zeit,

Dann sind

und mit Bequemlichkeit

wieder in Florenz."

Da ich den neuen Gärtner nicht in seiner stattlichen Be­

hausung traf, suchte ich ihn im Garten auf, in dem licht-

durchbrochnen herrlichen Garten, der mir gänzlich aus dem Sinn

gekommen

war.

Der Vorbereitete, so schien es,

sürte mich in seiner umgestatteten Schöpfung umher.

Als

er hörte, ich sei Willens die Nacht in Pratolino zu blei­

ben, ladete er mich mit der Zuvorkommenheit eines Wie-

214

nerS auf den andern Lag zu Mittag. Ich eilte der ent legnern, im Grün der Platanen verstellten Wohnung wieder zu. Die gestimmte Familie emfing mich, nur As­ sunta fehlte, ich fragte unbefangen nach ihr; unbefan­ gen antwortete man mir: „sie werde sich wol noch ein­ stellen.^ —

Der Morgen brach hervor, ich hatte kein Auge zuge­ than ; der rollende Donner, die Pracht der Gewitterschläge hatte mich wach erhalten. Die Dämmerung warf ihr Zwielicht in mein Zimmer, ich sah der kommenden Helle entgegen. — Ein leises Geräusch störte mich auf. — „Keh­ re in dich zurükk, hoffende Seele; es war nichts." — Es schleicht kaum vernehmlich längs der äußern Wand, es streift näher. Mit Vorsicht öffnet sich die Thür. ES naht meinem Lager. — Prüfend neigt eS über mich hin. — „Sie werden ebenfalls nicht geschlafen haben — sagte die Mutter, — das Wetter war fürchterlich ; ich glaubte schon, eS würde Ihre Fenster aufgeriffen haben. Die Hausfrau muff jederzeit die früheste auf fein, wie sie die letzte zur

215 Ruhe geht." — ich suchte noch einzuschlafenz eS wollte nicht werden. Von dem Morg'enspaziergang *) zurükkgekehrt srühstükkte ich mit der Familie, ich vermisste nur eine — „Beide nehmen oben das Morgenbrod ein." — Der neue Gärtner unterrichtete mich an Ort und Stel­ le über alle Schwierigkeiten, mit denen er bei Verteilung und Sammlung des Gewässers, beim Aufschütten und Eb­ nen des Grundes, bei den Baumpflanzungen und Gruppirungen zu kämfen gehabt hatte. — Das häusliche Mahl machte der mitgebrachten Wiener Köchinn Ehre, und der Aleatico war der besste. — Die Antworten über Assunta widersprachen sich im elterlichen Hause. „Sie sei nicht wol," „sie sei beim Nach­ bar," bald „dringende Beschäftigung," bald „ein Brief den sie zu schreiben, entschuldige sie, nicht einmal der üblichen Artigkeit zu genügen." — Man schwieg traurig.---------„Himmel! ihr ist doch kein Unheil zugestoßen? — wo ist Assunta?" — „Beruhigen Sie sich! sie ist nicht da; ♦) Ein Landbauer, der sich nach meiner Begangenschaft erkundigt hatte, sagte freundlich aufgewekkt: „bravo! Andate spaziaudo pel Mundo!"

216 aber sie ist weder ernstlich krank, noch beschädigt." — Mir höflichem Stolz, mit hergestellter Güte erwiederte die Mute ter das Lebewol des bald wieder Gefassten. Von den 2 Kronen, die ich leise zur Seite geschoben hatte- nam sie nach vielem Zögern, und „nur um mich nicht länger zu verweilen," statt der zwei, die ich ablehnte, letztlich eine zurükk und legte sie überseit. — Rüstig und entrüstet bog ich istn die Ekke des Hauses, die Familie war in die Wohnung zurükkgetreten. Nicht mehr gesehn, kehrte ich rasch unter den Erker der Nebenseite zurükk, wohin mir das weiße Luch der Eingesperrten gewinkt hatte. — „ti rivedro“ war das letzte süße Wort, welches den Lippen des Mäd­ chens enrsauselte.— Spät, versäumt, verstört, an den Felsen­ wänden herab, um Fiesole zu vermeiden, war ich nach Flo­ renz zurükgekkehrt. — Ich legte noch einige Lage meinem Aufenthalt zu. Gegen Mittag und um die Vesperstunde ging ich an das Stadtthor, das nach Fiesole sah; durch das Thorgewölbe, dem es aufgespart sein sollte, sie wenig­ stens zwei Augenblikke zu umfangen; ich habe sie nicht wiedergesehn.

Honeste sexvit qui succumbit (tempori.) Pub. Syr. Fragm. Man sollte nicht müde werden, Hamanns Schriften unsrer auf­ strebenden Jugend immer von neuem zu emfehlen. Er liegt zu Münster im Garten der Fürstinn Gallizin begraben, und hatte es in seiner männlichsten Reife unter dem großen König im Staatsdienst dahin gebracht, dass er vom Kanzlisten zum PakkhofZnspektor befördert ward. Göthe, Herder, Kant, Heinr. Zaeobi, Aean Paul, Hemsterhuis re. schildern in ihren Schriften den gewaltigen Einfluss dieses erhabnen Sonderlings auf sie und Andre, der nichts unter sei­ nem Namen, vieles nur hinter Entbindungsanzeigen, Versteigerungs­ kundmachungen und Brodtaxen drukken ließ. Ha—männliches. Wer Schmeichler zu entbehren weiß, ist werth Freunde zu haben. — Schäme dich weniger deiner Fehler, so wirft du dein Gutes mehr mitteilen können. — Die Unersättlichen sind immer die Unfruchtbar­ sten. — Satyre, die Läusesucht des Wiyes. — Pedant und Stutzer sind Sntwikkelungen einer einzigen Grundlage. — Die Tränensaat einer Nacht verwandelt sich oft in ein Ernte- oder Weinleselied des darauffol­ genden Morgens. — Die beste Kunst zu regiren, gründet sich, wie die Beredsamkeit, auf die Sittenlehre. — Die Wahrheit allein kann uns frei machen. — Lügen und Romane müssen wahrscheinlich sein, aber nicht die Wahrheit und die Grundlagen unsers Glaubens. — Durch den Handel ist dasjenige allenthalben was irgendwo ist. — Wenn eine Stadt nicht mehr als Einen rechtschaffnen Bürger in sich schließen möchte, so sind die Gesetze seinetwegen gegeben und die Obrigkeit seinetwegen eingesetzt.