Johannes Popitz (1884-1945): Görings Finanzminister und Verschwörer gegen Hitler. Eine Biographie
 9783412218300, 9783412224561

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Anne C. Nagel

Johannes Popitz (1884–1945)

Görings Finanzminister und Verschwörer gegen Hitler. Eine Biographie

2015 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Portät Johannes Popitz am Schreibtisch sitzend, 1934. Bundesarchiv, Bild 183-H27728 / Schäfer

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Inhalt

9

Goethe und Fontane

Privilegierter Hochverräter. Trost der Literatur. Biographie und Geschichte 21

Kindheit und Jugend

Geburtsort Leipzig. Jugendjahre in Dessau. Der Großvater als Erzieher 29

Ein Mann will nach oben

Gezielte Berufswahl. Referendar im preußischen Staatsdienst. Im Ersten Weltkrieg 47

Sprungbrett Republik

Reichsbeamter. Unentbehrlicher Staatssekretär. Kalkulierter Rücktritt 79

Gewagtes Spiel

Im Wartestand. Reichskommissar in Preußen. Nationale Revolution 113

Görings Finanzminister

Im Zentrum der Macht. Die ruhigen Jahre. Erste Zweifel 145

Stiller Seitenwechsel

Neue Freunde, neue Ziele. Reichspogrom und Kriegsbeginn. Attentat und Verhaftung 183

Das Ende

Anklage. Prozeß. Tod 195 Anmerkungen Inhalt  5

229 Dank 231 Anhang

231 Quellenverzeichnis 232 Literaturverzeichnis 246 Abkürzungsverzeichnis 247 Verzeichnis der Abbildungen 248 Personenregister

6  Inhalt

Für Berni Berten (1909–2008)

Goethe und Fontane Privilegierter Hochverräter. Trost der Literatur. Biographie und Geschichte

In der Berliner Prinz-Albrecht-Straße Nr. 8 hielt die Geheime Staatspolizei gewöhnliche Untersuchungsgefangene und solche mit einem Sonderstatus fest. Die Gefängniszellen lagen im Erdgeschoß, waren vielleicht zwei Meter breit und sechs Meter lang, dazu mit Feldbett, Tisch und Stuhl, einem Heizkörper sowie einem Garderobenhaken an der Wand ausgestattet. Waschgelegenheit und Toilette fehlten. Durch ein schmales Fenster an der Stirnseite fiel bei Tag ein fahles Licht, während nachts eine ziemlich helle Glühbirne dafür sorgte, daß es nicht dunkel wurde. Nur für „privilegierte“ Gefangene war die Verpflegung großzügig bemessen. Familien und Freunde durften außerdem weitere Nahrungsmittel, Kleidung und andere persönliche Dinge sowie, kaum weniger wichtig, Nachrichten von Zuhause bringen. Schließlich war es gestattet, Bücher, Zeitungen und Arbeitsmaterialien kommen zu lassen, so daß manches dringende Dienstgeschäft noch aus der Zelle heraus Erledigung fand. Dagegen blieb der Kontakt zu den Mithäftlingen strikt unterbunden.1 Für Sondergefangene war neben dem Gefängnispersonal ein in zivil gekleideter Aufseher zuständig, der regelmäßig durch den Spion in der Zellentür spähte. Der Beamte konnte mit einer Klingel gerufen werden, kam oft aber auch von sich aus, um etwaige Bedürfnisse zu erfragen. Die Tage waren durch die Mahlzeiten, den Gang zum Gemeinschaftsbad und einen kurzen Aufenthalt im Lichthof eingeteilt. Von Formen der „verschärften Vernehmung“, d. h. von Folter, blieben die Sondergefangenen meist verschont, was jedoch keiner von ihnen sicher wußte, und sie daher wie alle anderen in der Angst vor physischer Gewalt lebten. Dazu häufte sich gegen Kriegsende der Fliegeralarm. Die Gestapo ließ ihre Gefangenen in den Zellen sitzen, während Berlin in Goethe und Fontane  9

Schutt und Asche fiel. Panik muß die Insassen erfaßt haben, wenn sie die Bomben erst in der Luft heruntersausen und dann in nächster Nähe detonieren hörten. Die schweren Eisentüren rissen in den Angeln, das Glas flog aus den Fenstern, Qualm und Staub wälzten sich ins Zelleninnere. Es dürfte eine erfundene Geschichte sein, daß Johannes Popitz, der während solcher Angriffe aneblich sogar einen Schutzraum aufsuchen durfte, lieber in seiner Zelle geblieben sei, „weil ihm das bequemer war“. 2 Der letzte Finanzminister Preußens war seit dem 21. Juli 1944 ein Gefangener des Regimes. Nach Wochen im Konzentrationslager Ravensbrück bezog er im Anschluß an seinen Prozeß vor dem Volksgerichtshof eine Zelle im „Hausgefängnis“ der Berliner Gestapo. Von nun an konnte jeder Tag der letzte sein. Das Todesurteil wegen Hochverrats war verkündet, aber der Termin zur Vollstreckung noch ungewiß. Die Nationalsozialisten verfuhren darin ganz pragmatisch. Wenn ein Aufschub Gewinn verhieß, ließen sie die Todeskandidaten noch eine Weile am Leben. Von Popitz, dem überragenden Finanzfachmann und altgedienten Verwaltungsbeamten, verlangten sie eine Expertise zur Neuordnung des Reichs nach dem Krieg. Über diesen letzten Auftrag gebeugt, hockte der Mann zur Jahreswende 1944/45 in seiner klammen Zelle, brachte unbeirrt seine Gedanken zuerst mit Bleistift zu Papier, um sie später einer Sekretärin in die Maschine zu diktieren. Er genoß die geringen „Privilegien“ eines Sondergefangenen, bekam auf Wunsch eine stärkere Glühbirne sowie genügend Schreibmaterial und soll auch sonst korrekt behandelt worden sein. Geklagt über sein Schicksal hat er nicht. Seinen Besuchern sei er mit „gelassener Heiterkeit“ begegnet und habe sich auch sehr sachlich über die Umstände seiner Verhaftung geäußert. Johannes Popitz, so scheint es, bewahrte Haltung als einer, der mit sich und seinem Handeln im Reinen war. Außer mit der Auftragsarbeit verbrachte der prominente Gefangene seine Haftzeit mit Lesen. Bücher übten schon immer große Anziehung auf ihn aus und begleiteten ihn von Kindesbeinen an. Ein schier unersättlicher Konsument, waren Popitz die Klassiker der Weltliteratur vertraut, von denen er viele in den Originalsprachen gelesen hatte. Goethe und Fontane nannte er seine „besten Freunde“. Zu ihren 10  Goethe und Fontane

Im Krieg zerstörte Einzelzelle im „Hausgefängnis“ der Gestapo, Prinz-AlbrechtStraße Nr. 8

Werken griff er, wenn private oder berufliche Sorgen ihn bedrückten und er Ablenkung suchte. Dann fesselten ihn ihre Geschichten stets aufs neue, was dem einen im breiten Strom des Erzählens, dem anderen im munteren Plauderton gelang, und jedenfalls dafür sorgte, daß ihm die Autoren persönlich als „Gedankenpartner“ gegenüberzutreten und den Dialog mit ihm aufzunehmen schienen. „Was ich ihnen danke, ist nicht nur Belehrung, Genuß und Unterhaltung, es ist etwas Köstliches: Trost“, beschrieb Popitz im Vermächtnis an seine Kinder die Wirkung seiner literarischen Freunde auf ihn.3 An Goethe verehrte er die Ungezwungenheit, mit der der Dichter Persönliches in sein Werk eingeflochten hatte. In der selbstbewußten Annahme, daß die eigene Erfahrung ebenso für andere Menschen von Goethe und Fontane  11

Interesse sei, habe Goethe die verschiedenen Entwicklungsstadien seines Lebens ausgebreitet, freilich ohne damit den Leser in eine bestimmte Gedankenrichtung lenken oder ihn gar belehren zu wollen. Aber die Fragen, auf die er Antworten gesucht hatte, waren wohl solche, die auch Popitz berührten. So fügte sich Goethes Leben in seinem Verständnis zu einem regelrechten „Lebensbuch“ mit weisen Handlungsanleitungen für das eigene Sein. „Es tritt in unsere Einsamkeit, in unsere Zweifel über Gott, Welt und uns selbst ein anderer Mensch und stellt sein Leben über das unsere und zeigt, daß wir uns abfinden müssen mit diesem Dasein und seinen Grenzen.“ Sich „abfinden“ war hier wohl nicht fatalistisch gemeint, sondern sollte im Gegenteil zum bewußten Handeln anspornen. Popitz sah mit Goethe die vornehmste Aufgabe eines Menschen darin, sich „Höchstes“ abzuverlangen an dem Platz, der ihm vom Leben zugewiesen worden war.4 Auch in der Auffassung von Geschichte stand der Minister dem Weimarer Geheimrat nahe. Dessen konservative Sicht auf den Staat sprach ihn an, und er war wohl mit Goethe der Überzeugung, daß in den Geschichtsverlauf einzugreifen nur um den Preis größter Turbulenzen möglich sei, also besser unterbleibe. Es ist bekannt, wie der Dichter über die ständische Gesellschaft seiner Zeit dachte und wie selbstverständlich er die soziale Grenze zwischen Adel und Bürgertum respektierte. Das ist zeitgenössisch wie in der Goethe-Forschung vielfach erwähnt und auch getadelt worden, stieß bei Popitz indes auf Verständnis. Goethe habe den eigenen Stand nicht für reif genug gehalten, den Staat politisch mitzugestalten und sei deshalb auf Distanz zu den bürgerlichen Reformbestrebungen seiner Gegenwart geblieben. Statt dessen habe er sich derjenigen Aufgabe verschrieben, auf die er sich kraft seiner Begabung am besten verstand, nämlich einem „geistigen Deutschland“ den Weg zu ebnen.5 Ähnliche Sympathie empfand Popitz beim Blick auf den Konservativismus seines zweiten Dichterfreundes. Mit Goethe teilte Fontane das Interesse an der sozialen Mechanik seiner Gegenwartsgesellschaft, in welcher der Adel nun keine dominierende Rolle mehr spielte, aber doch noch eine anerkannte Sonderstellung einnahm. Vom Selbstbewußtsein dieses Standes angezogen, porträtierte Fontane besonders 12  Goethe und Fontane

„Meine beiden Freunde: Goethe und Fontane“. Faksimile des 1944/45 im Gefängnis verfaßten Textes von Johannes Popitz an seine Kinder

Goethe und Fontane  13

gern die oft knorrigen Charaktere märkischer Provenienz, „als wolle er noch einmal festhalten, was die neue Zeit dem Untergang geweiht“ hatte. Um wie vieles flacher erschien ihm dagegen die neue tonangebende Gesellschaftsschicht, die Bourgeoisie, der er mit Jenny Treibel ein Denkmal setzte. Popitz fand in den beiden Hauptfiguren des Romans die „Typen ihrer Zeit“ eingefangen, denen der ökonomische Erfolg maßgeblichen Einfluß auf die Gesellschaft einräumte, ohne daß es auch schon geistig, menschlich und moralisch für eine Vorbildfunktion gereicht hätte. In der hochfahrenden Stimmung des Reichsgründungsjahrzehnts sei der Sinn für die Ausbildung von „Persönlichkeit“ rasant verlorengegangen mit schwerwiegenden Folgen für die politische Führungsschicht im Lande: „Wir wissen, wie groß die Verwüstung ist, die diese Zeit, die schließlich in die wilhelminische übergeht, angerichtet hat“, urteilte er vielsagend. Für Popitz hatte sich die deutsche Gesellschaft nicht erst seit der Regentschaft Wilhelms II. auf einen abschüssigen Weg begeben.6 Gewiß war Popitz’ literarische Vorliebe nicht ungewöhnlich. Solide Goethe-Kenntnisse verstanden sich in seiner Generation fast von selbst, während es bei Fontanes Werk die Konzentration auf Preußen, auf Berlin und die umgebende Mark Brandenburg sein mochte, die ihm besonders unter den preußischen Staatsdienern eine treue Anhängerschaft eintrug.7 Bemerkenswert ist etwas anderes. Der nicht zur Veröffentlichung gedachte Text entstand wenige Wochen vor der Hinrichtung, und man hätte in dieser existenziellen Notlage vielleicht eine intimere Form der Mitteilung an seine Angehörigen erwartet. Doch Popitz wurde kaum einmal unmittelbar persönlich, sondern blieb hinter der Beschreibung seiner Lieblingsautoren verborgen: Nur mit dem, was er an ihnen schätzte, sprach er über sich. En passant wurden „schwere Stunden“ in seinem Leben angedeutet, war von Einsamkeit, einmal auch von der Ohnmacht, in den Lauf der Welt einzugreifen, die Rede. Es gehört gewiß beträchtliche seelische Kraft dazu, im Moment der Not so konsequent vom eigenen Schicksal abzusehen.8 Aber dadurch erscheint Popitz’ literaturgeschichtlicher Exkurs auch wie ein Dokument zur Selbststilisierung. Preußens letzter Finanzminister wollte als loyaler Beamter in Erinnerung bleiben, konservativ14  Goethe und Fontane

national geprägt, konventionell im Geschmack und vom dauernden Wert humanistischer Bildung überzeugt. Tatsächlich hat sich dieses Bild in der Literatur über ihn allgemein durchgesetzt. Ob es sich darin auch schon erschöpft, steht auf einem anderen Blatt.9 Johannes Popitz ist als Figur im deutschen Widerstand eher blaß geblieben. Dabei war er der einzige aktive Minister im „Dritten Reich“, der sich auf ein überaus gewagtes Spiel einließ. Er wird mit Ulrich von Hassell, Carl Friedrich Goerdeler, Jens Jessen und Erwin Planck zur „nationalkonservativen“ Opposition gezählt, die sich am Vorabend des Zweiten Weltkriegs gegen das Hitler-Regime verschworen hatte. Man traf sich privat zu Gesprächen, nutzte die Vortragsabende der Berliner Mittwochsgesellschaft zum konspirativen Meinungsaustausch und sah sich bei aller Differenz im Detail bald in der Überzeugung geeint, daß der Diktator beseitigt gehöre – ob abgesetzt oder getötet, spielte zunächst keine Rolle.10 So entstanden Pläne konservativ-monarchischen Zuschnitts für einen Staatsaufbau nach Hitler, in denen zeitweise auch Popitz zur Verwendung vorgesehen war. Aller Vorsicht zum Trotz blieb die Verschwörung nicht verborgen, und die Gestapo begann, den Kreis zu observieren. Obgleich ohne konkrete Kenntnis über den Attentatsplan, wurden Popitz und von Hassell unmittelbar nach dem 20. Juli 1944 verhaftet, vor den Volksgerichtshof gestellt und schließlich durch den Strang hingerichtet.11 Schon dieses über Jahre durchgehaltene Doppelspiel in einer führenden Position des „Dritten Reichs“ macht Popitz zu einer markanten Figur der Zeitgeschichte. Aber auch die Lebensjahre davor erweisen ihn als einen Mann von ganz ungewöhnlichem Format. Im Kaiserreich in den preußischen Staatsdienst eingetreten, kam seine Karriere nach 1918 im neugegründeten Reichsfinanzministerium in Gang. Rasch stieg er die Beamtenleiter hoch, deren oberste Sprosse 1925 erreicht war. Als „Staatssekretär von Ewigkeit zu Ewigkeit“, wie die Tagespresse spottete, sorgte Popitz unter ständig wechselnden Ministern für Kontinuität im Reichsfinanzministerium. Zugleich konnte er damit den eigenen Gestaltungsspielraum maximal vergrößern.12 Doch im Dezember 1929, mitten in der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise, trat auch er von seinem Amt zurück, um gut zwei Jahre Goethe und Fontane  15

später als Reichskommissar für die Preußenfinanzen nun selbst in politisch verantwortlicher Position die öffentliche Bühne zu betreten. Wenige Monate darauf machte ihn Hermann Göring zu „seinem“ Finanzminister in Preußen. Was bewog einen feinsinnigen, klugen und kultivierten Mann wie Popitz, diesen Pakt mit dem Teufel einzugehen? Eine umfassende monographische Bearbeitung seines Lebens fehlt; und die Antworten in den bislang vorgelegten kleineren Versuchen über Popitz blieben unbefriedigend. Nachfolgend soll also im Medium der Biographie versucht werden, dem Rätsel auf die Spur zu kommen. Leben und Werk von Johannes Popitz werden als aufeinander bezogene Bereiche untersucht und im Kontext der Zeit analysiert. Über den spezifischen Erkenntniswert biographischer Forschung herrscht unter Historikern längst wieder Einigkeit. Die in den letzten Jahren erschienenen Studien haben die methodischen Einwände gegen die historische Biographie entkräftet und dieses Genre erneut wissenschaftlich satisfaktionsfähig gemacht. Schließlich hat sich die Biographieforschung seit Rankes Tagen erheblich weiterentwickelt und bedient sich heute verschiedener Ansätze, um das persönliche Element im Ablauf der Geschichte herauszuschälen, es zu gewichten und zu werten. Gerade zur Erforschung der bürgerlichen Welt des 19. Jahrhunderts, als Politik noch wesentlich Sache kommunaler Honoratioren war, hat sich eine kulturwissenschaftlich ansetzende Biographik bewährt. Zum Verständnis eines Mannes wie Popitz mit „ausgeprägt bürgerliche[r] Individualität“13 erscheint ein solcher Zugriff darum nicht nur naheliegend, sondern besonders vielversprechend zu sein. Eine Untersuchung des „Wahlpreußen“ Popitz, der in Berlins bester Gesellschaft verkehrte und im Zentrum gleich mehrerer intellektueller Zirkel stand, führt dicht an die damalige bürgerliche Lebenswelt und ihre Denk- und Verhaltensweisen heran. Unter den vielen Bekanntschaften, die Popitz in jenen turbulenten Berliner Jahren pflegte, war die mit Carl Schmitt gewiß die erstaunlichste. Dem Umgang mit ihm kommt schlüsselhafte Bedeutung zum Verständnis des Finanzministers und Oppositionellen zu. Die beiden begegneten sich im Krisenjahr 1929 das erste Mal und fanden offenbar spontan Gefallen aneinander. Popitz wurde Schmitts „wichtigster 16  Goethe und Fontane

Freund“, was angesichts ihrer grundverschiedenen Charaktere und Lebensentwürfe einigermaßen verwunderlich ist: Hier der kluge staatsloyale Beamte mit eher konventionellem Kunst- und Kulturgeschmack, dort der von inneren Trieben zerrissene, ewig rastlose Intellektuelle und Avantgardist. Von sprühender Geistigkeit waren sie beide, aber ob dies und die vielzitierte Anziehungskraft von Gegensätzen auf Dauer eine so enge Freundschaft begründen konnten, darf hinterfragt werden. War Schmitt vielleicht doch kein ganz so radikaler Bohemien und Popitz weniger bieder? Über den „Kronjuristen des Dritten Reichs“ herrscht scheinbar größere Klarheit, weil er Tagebuch geführt und der Nachwelt außerdem eine umfangreiche Korrespondenz hinterlassen hat. Doch trotz dieser Fülle an intimen Selbstzeugnissen zum Verständnis seiner Person gibt Schmitts Verhältnis zum Nationalsozialismus noch immer Rätsel auf und schwankt das Urteil über ihn bis heute zwischen Bewunderung und Ablehnung. Anders verhält es sich mit seinem Freund Popitz, der, obwohl weit weniger bekannt und erforscht, allein wegen seines Engagements im Widerstand positiv in Erinnerung geblieben ist. Licht zu bringen in die sonderbare Freundschaft zweier Männer, deren Rolle im „Dritten Reich“ unterschiedlicher kaum hätte sein können, markiert darum ein weiteres wesentliches Ziel dieses Buches.14 Nicht minder rätselhaft war das Verhältnis von Popitz zu NS-Größen wie Hermann Göring. Popitz empfand lange Zeit echte Sympathie für den preußischen Ministerpräsidenten und hielt es für realistisch, politischen Einfluß auf ihn zu gewinnen. Sein Vertrauen reichte so weit, daß er Göring ernsthaft in die Staatsstreichpläne einweihen wollte. Ebenso glaubte er, auf Heinrich Himmler einwirken zu können, den er 1943 in einem Gespräch vorsichtig über die Chancen einer Regierungsumbildung ausfragte.15 Das war ein kühner Vorstoß, der großes Selbstbewußtsein, aber vielleicht weniger politischen Instinkt und Menschenkenntnis verrät. Verschätzte sich Popitz in der Bedeutung, die er für den NS-Staat besaß? Überschätzte er seine Fähigkeit zur Menschenführung? Und wie perfekt muß sein Doppelspiel gewesen sein, daß er so spät ernstes Mißtrauen bei den Machthabern erregte? Als Herr über die preußischen Staatsfinanzen war er gewiß der wichGoethe und Fontane  17

tigste Mann in Görings Kabinett. Popitz wachte über ein beträchtliches Budget zur Finanzierung der dem Staat Preußen verbliebenen Verwaltungsaufgaben, führte die Aufsicht über die Preußische Staatsbank und einige große staatliche Industrieunternehmen. Er war federführend am Rückkauf des berühmten Welfenschatzes beteiligt. Und schließlich gelang es unter seiner Ministerschaft bis 1942, den seit der Weltfinanzkrise hochverschuldeten preußischen Haushalt zu sanieren – wie ihm das gelang, dürfte angesichts der anhaltenden Krise der öffentlichen Haushalte gerade heute von besonderem Interesse sein. Als Staatssekretär im Weimarer Staat und als Minister im „Dritten Reich“ focht Popitz alljährlich den Zank ums Geld aus. Es ist vielfach bezeugt, daß er in den Budgetverhandlungen mit den Ressorts ein unangenehm harter Verhandlungspartner war. Schließlich handelt Finanzgeschichte „von politischen Konflikten um Verteilung und Umverteilung gesellschaftlicher Mittel“.16 Die damit zusammenhängenden ordnungspolitischen Fragen sind nachgerade zeitlos und beherrschen gegenwärtig wieder die politische Agenda: Fragen nach dem Grundverständnis vom Staat, seiner Legitimität und politischen Ordnung, nach der Zukunft des Sozialstaates und den Grenzen der steuerlichen Belastbarkeit seiner Bürger. Welchen Maximen folgte der letzte preußische Finanzminister? Daß der eiserne Sparsinn seine Beliebtheit unter den Kollegen nicht gerade förderte, dürfte Popitz mit den Finanzministern der Welt bis heute teilen. Es überwiegen jedoch die Zeugnisse darüber, daß er wegen seines außerordentlichen monetären Geschicks, aber auch wegen seiner staatspolitischen Überlegungen allgemein geschätzt wurde. So erregte sein zehnjähriges Dienstjubiläum 1942 ein erstaunliches Echo mit Artikeln in mehr als 60 Tageszeitungen im Deutschen Reich. Zwei Jahre später fiel derselbe Mann aufgrund seiner Widerstandstätigkeit in Acht und Bann. Mit dem Blick auf das Leben eines Menschen öffnet sich ein Raum in die Zeit. Geburt und Tod begrenzen diesen Raum, die einzelnen Entwicklungsphasen geben ihm innere Struktur. Hinzu kommen die gesellschaftlichen Einflüsse, die einem Leben den Stempel aufdrücken: Wie der geographische Raum vergeht die Biographie im Medium der Zeit, sind Lebensgeschichten immer auch Teilgeschichten einer Epo18  Goethe und Fontane

che.17 Die Studie über Johannes Popitz zeichnet ein einzelnes Leben nach und läßt zugleich Miniaturen aufscheinen von drei Epochen deutscher Geschichte zwischen 1880 und 1945.

Goethe und Fontane  19

Kindheit und Jugend Geburtsort Leipzig. Jugendjahre in Dessau. Der Großvater als Erzieher

Als sich der Vater, Heinrich Popitz, 1874 in Leipzig niederließ, zählte die Universitätsstadt mit den umliegenden Gemeinden rund 200.000 Einwohner. Zehn Jahre später hatte sich die Zahl um die Hälfte auf knapp 300.000 erhöht und bis 1895 verdoppelt. Leipzig war die größte Stadt im Königreich Sachsen und nach Berlin, Hamburg und München die viertgrößte im Deutschen Reich. Schon immer ein bedeutender Industrie- und Handelsplatz, nahm die Kommune in der zweiten Jahrhunderthälfte einen kräftigen Aufschwung mit Sonnen- und Schattenseiten. Der Zuzug vieler Menschen, die Arbeit und Brot suchten, stellte den Magistrat vor große Herausforderungen und veränderte rasant das Gesicht der Stadt. Wohnungs- und Straßenbau boomten und konnten doch kaum Schritt halten mit dem eiligen Zeitalter. Zugleich sorgte ein prosperierendes Bürgertum mit Steuern und Stiftungen für einen gut gefüllten Stadtsäckel. Der Haushaltsplan war ausgeglichen, das Vermögen der Stadt sogar höher als ihre Schulden. Beachtliche Summen flossen in den Bildungssektor, in gemeinnützige Anstalten und Vereine sowie in die Kranken- und Armenpflege. Das 1871 eingeweihte Städtische Krankenhaus St. Jakob war eine Frucht davon. Als eine der modernsten Einrichtungen ihrer Art gehörte die Krankenanstalt zu den vorbildlichen im ganzen Deutschen Reich.18 In der Krankenhausapotheke von St. Jakob fand Heinrich Popitz zum 1. Januar 1874 eine Anstellung. Seinem Herkommen nach fiel die Berufswahl aus der Reihe. Für den 1845 in Oranienbaum geborenen Sohn des Hof- und Garnisonspredigers Friedrich Popitz hätte ein Studium nahegelegen, vielleicht der Theologie, um dem Vorbild des Vaters nachzueifern, oder der Rechtswissenschaften, wie es sein älterer Bruder Hermann absolviert hatte. Aber der Nachzügler in der Kindheit und Jugend  21

Familie besaß einen eigenen Kopf. Mag sein, daß er dem Trend der Zeit folgte und mehr Gefallen an den gerade zu immer neuen Entdeckungen vorstoßenden Naturwissenschaften fand als am Predigerberuf des Vaters. Entdeckerfreudig muß Heinrich Popitz gewesen sein, denn er reiste gern und kam bis nach Ägypten, einem damals noch ziemlich exotischen Reiseziel.19 Die Ausbildung zum Apotheker war langwierig und an der Praxis orientiert. Mit dem „Einjährigen“ als schulischer Voraussetzung bestand sie aus insgesamt sechs praktischen Jahren sowie einem dreisemestrigen Universitätsstudium. Staatsprüfung und Approbation berechtigten zur Übernahme einer Apotheke. Ihr Besitz war im Deutschen Reich aber an eine Konzession gebunden, deren Verteilung strikt reglementiert war und sich nach dem Bedarf einer Kommune richtete. Bestehende Apotheken konnten nach Ausscheiden oder Tod des Inhabers verkauft werden, doch war der Erwerb eine kostspielige Angelegenheit. In den 1870er Jahren lag der Preis bei rund 150.000 Mark. Soviel Vermögen besaß Heinrich Popitz nicht und trat deshalb 1874 in den Dienst der Stadt Leipzig. Die Krankenhausapotheke stand unter Aufsicht der Stadt und war auf die Medikamentierung der Krankenhauspatienten beschränkt. Darauf achteten die öffentlichen Apotheken Leipzigs peinlich genau, die ansonsten die Konkurrenz fürchteten. Die Apotheke an St. Jakob besaß bis in die 1890er Jahre nur ein provisorisches Labor, das von den drei angestellten Apothekern, einem leitenden Pharmazeuten und zwei Gehilfen zur vollsten Zufriedenheit der städtischen Kontrolleure geführt wurde. Als Hilfsapotheker verdiente Heinrich Popitz anfangs ein Jahresgehalt von 900 Mark bei „freier Station“ und Verpflegung. Das war nicht wenig, lag aber doch weit unter dem, was für eine bürgerliche Lebensführung aufzuwenden war. Zwei Jahre später, in der Zeit allgemeiner wirtschaftlicher Depression, kürzten die sparsamen Stadtväter sein Gehalt auch noch um 150 Mark. Selbst der Aufstieg in eine leitende Position brachte zunächst keine Verbesserung, die sich erst mit den Jahren allmählich einstellen und 1889 dann mit 2.500 Mark ihr Maximum erreichen sollte. Doch blieb Heinrich Popitz nur noch kurze Zeit im Genuß eines höheren Einkommens. Im Frühjahr 22  Kindheit und Jugend

1892 infizierte er sich mit Influenza und verstarb Anfang April an einer doppelseitigen Lungenentzündung. Zurück blieb seine Frau mit zwei minderjährigen Buben.20 Wenn in den biographischen Abrissen über Johannes Popitz zu lesen steht, der Vater sei Apotheker gewesen und habe in Leipzig „eine Apotheke übernommen“, so ist das nicht ganz richtig. Heinrich Popitz war ein städtischer Angestellter und kein selbständiger Pharmazeut. Die übliche Vorstellung vom Apotheker jener Jahre als wohlhabendem und angesehenem Bürger einer Stadt trifft auf ihn nicht zu. Besonders in den ersten Jahren in einer untergeordneten Position verdiente er schlecht, und als das Salär mit seinem Aufstieg langsam wuchs, starb er nur wenige Jahre später. Ein Vermögen hatte er bis dahin nicht ansammeln können, weshalb die Familie unmittelbar in Not geriet.21 Johannes Popitz wurde am 2. Dezember 1884 als zweiter Sohn der Eheleute Heinrich und Anna Popitz geboren. Beim Tod des Vaters war er gerade einmal sieben, sein Bruder Heinrich neun Jahre alt. Die Mutter war um einiges jünger als der Vater, stammte aus Dessau und war die älteste Tochter des Geheimen Justizrats am dortigen Landgericht, Moritz Rudolph. Nachrichten über sie sind spärlich, doch ist bekannt, daß sie mit Talent malte, was eher auf eine zur Romantik neigende denn auf eine zupackende Natur schließen läßt. Immerhin war sie das Wagnis der Ehe mit einem Mann eingegangen, dessen berufliche Zukunft zumindest unsicher war, und hatte die materiell schwierigen Jahre mit geringem Gehalt an seiner Seite durchgestanden. Nach seinem Tod war sie freilich gezwungen, in ihr Elternhaus zurückzukehren. Das Verhältnis zu ihren beiden Kindern dürfte liebevoll gewesen sein; es bestand jedenfalls ein enger Kontakt zu den Söhnen, wovon regelmäßige Besuche des späteren Finanzministers zeugen. Anna Popitz starb 1945 in ihrer Heimatstadt Dessau. Frühe Kindheitserinnerungen von Johannes Popitz fehlen vollständig, und es ist bloßer Zufall, daß sich Parallelen ausgerechnet zum Leben seines „Dichterfreundes“ Theodor Fontane ziehen lassen. Dessen Vater war ebenfalls Apotheker gewesen, stürzte die Familie aber ins Unglück, als er das Familienvermögen verspielte und die Apotheke in Neuruppin verlorenging. Gleichwohl trat der Sohn in die FußstapKindheit und Jugend  23

fen des Vaters und absolvierte eine pharmazeutische Ausbildung in der Leipziger Adler-Apotheke. Später wurde Fontane der wohl berühmteste Krankenhausapotheker seiner Zeit, als er nämlich neben seiner literarischen Arbeit an der Dispensieranstalt des Berliner DiakonissenKrankenhauses Bethanien tätig war und sie auf ein weithin anerkanntes Niveau hob. Erst 1849 gab er den erlernten Beruf zugunsten der Schriftstellerei ganz auf. Popitz wird diese biographische Gemeinsamkeit bei seiner Beschäftigung mit Fontane nicht entgangen sein und sich dem Dichter dadurch vielleicht noch einmal mehr verwandt gefühlt haben.22 Anders als Louis Henri Fontane war der Vater von Johannes Popitz kein Spieler, der zeitlebens in finanzieller Bredouille gelebt und damit seine Familie gefährdet hätte. Vielmehr darf man sich ihn neugierig, fleißig und gewissenhaft vorstellen, gepaart freilich mit einem gehörigen Schuß Eigenwilligkeit. Dafür spricht neben der ausgeprägten Reiselust die Berufswahl, die eben nicht dem Herkommen entsprach, sondern in seinen Kreisen als nicht ganz satisfaktionsfähig galt. Die Arzneikunde war wohl eine alte Wissenschaft, aber im universitären Fächerkanon noch keine eigenständige Disziplin. Zum Renommieren in einer Theologenfamilie oder in Kreisen des höheren Staatsbeamtentums war der Apothekerberuf also kaum geeignet, zumal dann nicht, wenn er unselbständig ausgeübt wurde. Moritz Rudolph wird mit einigem Mißmut auf das Schicksal seiner Tochter Anna geschaut haben, die 1892 unmittelbar nach dem Tod ihres Mannes mit ihren beiden Söhnen zu ihm nach Dessau zurückzog.23 Die Haupt- und Residenzstadt des Herzogtums Anhalt war im Vergleich mit der Großstadt Leipzig ein beschaulicher Ort, wenngleich auch hier die Einwohnerzahl zwischen 1890 und 1900 beträchtlich anwuchs. Im expandierenden Maschinenbau, im Textilgewerbe oder im Dienstleistungsbereich, der mit einem Hof und einer Garnison am Ort entsprechend ausgeprägt war, fanden viele Menschen Arbeit. Dessau war berühmt für sein lebendiges Theaterwesen und – lange Zeit, bevor Walter Gropius sich hier vorübergehend niederließ – für seine hochstehende Architektur. Politisch-kulturell gab sich die überwiegend protestantisch geprägte Einwohnerschaft tolerant. 1890 wurde 24  Kindheit und Jugend

ein Denkmal zur Erinnerung an einen berühmten Sohn der Stadt, Moses Mendelssohn, errichtet, und im Reichstag ließ man sich von dem Liberalen Richard Roesicke vertreten. Mit einem Humanistischen Gymnasium und einem Realgymnasium, einem Lyzeum sowie einem gut ausgebauten Mittel- und Volksschulwesen befand sich das Bildungswesen auf der Höhe der Zeit. Den Dessauern lag die Hebung der Volksbildung am Herzen, wovon etwa die Einrichtung einer Volksbibliothek zeugt, die mit rund 7.000 Bänden einen beachtlichen Umfang erreichte. Zu ihren Stiftern hatte der Archidiakon Friedrich Popitz gehört, der auch sonst wegen seiner tüchtigen „Kanzelreden“ an der Schloßkirche noch über seinen Tod 1870 hinaus seiner Gemeinde in Erinnerung blieb. Solch großzügiges Mäzenatentum ist vom Großvater mütterlicherseits nicht überliefert. Moritz Rudolph war ausgesprochen sparsam.24 1830 in eine alte Handwerkerfamilie der Residenzstadt Dessau hineingeboren, war Moritz der erste Akademiker in seiner Familie. Gewöhnlich erfolgte der soziale Aufstieg über ein Studium der Theologie, weil es hier die meiste Unterstützung in Form von Stipendien gab. Aber nach einem Semester in Halle wechselte er das Fach und verlegte sich auf die Rechtswissenschaften. 1853 trat er als Referendar in den anhaltischen Staatsdienst und wurde nach dem Zweiten Staatsexamen 1856 Hilfsrichter an verschiedenen Kreisgerichten im Herzogtum. Ab Mitte der sechziger Jahre ging es dann zügig voran mit dem Aufstieg, und 1879 war das Karriereziel mit einer Position am neugegründeten Landgericht Dessau erreicht. Hier wurde Rudolph 1897 zum Landgerichtspräsidenten ernannt, er residierte in einer repräsentativen Dienstwohnung in der Leopoldstraße und verfügte nun mit 8.000 Mark Jahresgehalt über ein üppiges Einkommen.25 Die Aufnahme der verwitweten Tochter dürfte räumlich und materiell also kaum eine Belastung gewesen sein. Eher schon mochte er in den beiden Jungen eine Gefahr für unliebsame Störungen im Tagesablauf erblickt haben. Um dem vorzubeugen und vielleicht auch generell vom Wert männlicher Autorität im Umgang mit Knaben überzeugt, überließ Moritz Rudolph die Erziehung seiner beiden Enkel nicht der Mutter, sondern nahm sie selbst in die Hand. Er führte ein strenges Kindheit und Jugend  25

Regiment, forderte Disziplin und Gehorsam. Größten Wert legte er auf die Schulbildung. Beide Brüder besuchten das Fridericianum und zählten immer zu den Klassenbesten. Viel freie Zeit oder Gelegenheit zum Über-die-Stränge-Schlagen blieb ihnen während der Dessauer Jahre nicht; es wäre vom Großvater gewiß nicht toleriert worden. So verlebte Johannes Popitz eine bescheidene und von Leistungserwartung dominierte Kindheit und Jugend. Gegen die Erziehungsmacht des Großvaters kam die sensible und materiell mittellose Mutter nicht an, von der Großmutter ist nirgends die Rede.26 Das herzogliche Gymnasium Fridericianum war eine Gründung aus dem Jahre 1785 und besaß einen vorzüglichen Ruf. In diese Anstalt gab die Elite der Stadt ihre Söhne zur Ausbildung, die auf ein Universitätsstudium vorbereitete. Der Kanon humanistischer Bildung wurde den Knaben mit nachsichtiger Strenge eingepflanzt. Deutsch, Geschichte, Religion, Philosophie und nicht zuletzt die alten Sprachen standen im Vordergrund, ohne daß eine gründliche Unterweisung in Mathematik und Physik darüber vernachlässigt worden wäre. Aber auf Johannes Popitz, so heißt es, übten Geschichte und die sprachlichen Fächer schon früh besonderen Reiz aus. Ein Mitschüler erinnerte sich Jahre später an ihn als ungewöhnlich sprachbegabt. Als ein „großer Verehrer der Klassik und der Literatur“ habe Popitz „die deutsche Sprache in Wort und Schrift mit seltener Gewandtheit“ beherrscht. Nichts habe auf seine spätere Berufung als Herr über die Preußenfinanzen hingedeutet. Doch sollte die gründliche Ausbildung am Fridericianum darin langfristige Wirkung zeigen, daß es Popitz wie kaum ein anderer Experte verstand, komplexe juristische oder fiskalische Zusammenhänge in gut verständlicher, dabei eleganter Sprache auszudrücken. 27 An der Geschichte scheint ihn das Schicksal großer Staatsmänner besonders fasziniert zu haben. Dafür legte der Gymnasiast kleine Hefte mit Charakterisierungen berühmter europäischer Herrscher sowie von bedeutenden Militärs an. Ein weiteres Steckenpferd war die Architektur, in deren Geschichte er sich vertiefte und kleine Listen mit denkwürdigen Bauten in den verschiedenen Städten des Deutschen Reichs erstellte. Schließlich interessierte den jungen Popitz, darin dem Vater 26  Kindheit und Jugend

ähnlich, die große weite Welt. Weil an ausgedehnte Reisen wegen des Großvaters Geiz nicht zu denken war, mußte er mit Reiseberichten wie Grubes „Geographische Charakterbilder“ vorliebnehmen. Als er später selbst Fernreisen unternahm, pflegte er stets eingehende Beschreibungen mit sehr genauen Beobachtungen der Menschen, ihrer Religion und Kultur zu verfassen.28 Die Erziehung der beiden Jungen im evangelisch-lutherischen Glauben war eine Selbstverständlichkeit. Johannes Popitz wurde im April 1900 in der Dessauer Stadt- und Schloßkirche St. Marien mit dem Spruch konfirmiert: „Gieb mir, mein Sohn dein Herz und laß deinen Augen Meine Wege wohlgefallen.“ (Spr. 23,26). Der Religionsunterricht im Fridericianum bei Diakon Frierleben war anspruchsvoll und scheute auch die Diskussion der im Protestantismus jener Jahre mit Macht aufkommenden Zweifelsfragen nicht. So stand in der Unterprima der Römerbrief auf dem Programm, das ausführlichste und für die Beurteilung der Paulinischen Lehre wichtigste Schreiben des Apostels an die Christen Roms, dessen beide letzten Kapitel bereits in der damaligen Theologie kritisch erörtert wurden. Vom Interesse des jungen Popitz zeugt ein sorgfältig geführtes Heft, worin er in winzig kleiner Schrift seine Gedanken über den Römerbrief festhielt. Zum dogmatischen Protestanten entwickelte sich Popitz freilich nicht. Er pflegte zeitlebens eher eine tolerante Sicht auf Glaubensdinge, vergleichbar vielleicht der Haltung seines großen Vorbildes Goethe.29 Am 25. Februar 1903 nahm Johannes Popitz ein erstklassiges Reifezeugnis aus der Hand des Rektors entgegen. Von zierlicher Gestalt und mit einer Brille im Gesicht dürfte der Abiturient nicht ganz dem Ideal des deutschen Mannes entsprochen haben, der sich groß und schneidig auftretend für den Militärdienst oder wenigstens als Reserveleutnant empfahl. Die im Jahr darauf erfolgte Musterung für den einjährig-freiwilligen Dienst fiel erwartungsgemäß negativ aus, 1907 wurde er für den Heeresdienst dauerhaft untauglich geschrieben und dem „Landsturm erstes Aufgebot mit der Waffe“ überwiesen. Popitz lernte weder Schwimmen, Radfahren, Reiten noch den Umgang mit der Waffe, er war schlichtweg unsportlich. Auch sollte er niemals selbst hinter dem Steuer eines Autos sitzen. Mag sein, daß ihn seine Kindheit und Jugend  27

zarte Konstitution zeitlebens zu größerer Geistigkeit anspornte; was er körperlich nicht leisten konnte, sollte der Verstand kompensieren. Es heißt, Popitz sei ein einsamer Schüler ohne Freunde gewesen und habe bewußt keinen Kontakt zu Gleichaltrigen gesucht. Aber die Quellen lassen darüber eigentlich keine verläßlichen Aussagen zu. Immerhin wuchs er mit seinem nur zwei Jahre älteren Bruder Heinrich auf. Die strenge Erziehung im Hause Rudolph dürfte die Geschwister eng aneinander gebunden und zu gegenseitiger Hilfe gegen den autoritären Großvater angehalten haben. Die Beziehung zwischen Johannes Popitz und seinem Bruder blieb bis zu dessen Tod 1924 herzlich.30 Der junge Popitz startete 1903 mit besten Voraussetzungen und zugleich einer großen seelischen Hypothek ins Erwachsenenalter. Der frühe Tod des Vaters trägt für ein Kind stets traumatischen Charakter, und es läßt sich nur ahnen, wie sehr er unter dem Verlust und den dadurch bedingten Veränderungen gelitten hat: das wochenlange Krankenlager des Vaters, die materiellen Sorgen der Mutter, der Wohnungswechsel von Leipzig zum herrischen Großvater nach Dessau. Von seiten der väterlichen Familie war kaum Unterstützung zu erwarten, zumal der Onkel, Hermann Popitz, erneut geistig schwer erkrankt und zwangsweise in die psychiatrische Klinik Bernburg eingewiesen worden war. Auch über ihn führte Landgerichtspräsident Rudolph die Vormundschaft. Dieses Beispiel wie das des mäßig erfolgreichen Schwiegersohnes in Leipzig vor Augen könnten den Großvater in seiner Haltung bestärkt haben, daß eine möglichst autoritäre Erziehung alle Neigung zu Experiment und Abenteuerlust in den Jungen beizeiten ersticken würde. Selbst der erste Akademiker in seiner Familie, aber ohne männlichen Nachwuchs geblieben, gab er seinen unbedingten Aufstiegswillen an die Enkel weiter. Allzu schlecht scheint seine Pädagogik am Ende nicht gewirkt zu haben, denn der persönliche Kontakt zu ihnen riß niemals ab, sondern blieb im Gegenteil lebenslang erhalten. Noch im hohen Alter pflegte Landgerichtspräsident Rudolph sich alljährlich von Dessau nach Steglitz auf den Weg zu machen, um seinen berühmten jüngeren Enkelsohn zu besuchen.31 Zum Osterfest 1903 stand der mit einem glänzenden Reifezeugnis in der Hand vor der Entscheidung, welche Richtung sein weiteres Leben nehmen sollte. 28  Kindheit und Jugend

Ein Mann will nach oben Gezielte Berufswahl. Referendar im preußischen Staatsdienst. Im Ersten Weltkrieg

Zum Sommersemester 1903 schrieb sich Johannes Popitz in der Juristischen Fakultät der Universität Lausanne ein. Für einen deutschen Juristen war der Studienbeginn im Ausland eigentlich ungewöhnlich, meist wurde an einer Hochschule in der Heimat begonnen und erst später ein Auslandssemester eingelegt. Schließlich war ein Studium zu einer Zeit, als staatliche Hilfen und Stipendien noch rar waren, mit erheblichen Kosten verbunden. Seit 1902 bestand jedoch an der Universität Lausanne ein Lehrstuhl für Deutsches Recht, so daß von nun an deutsche Studenten ihre rechtswissenschaftlichen Studien ohne großen Zeit- und Geldverlust auch hier beginnen konnten. Was darüber hinaus die Wahl Lausannes als Studienort des jungen Popitz bestimmt hat, liegt im Dunkeln. Beseelt von der neuen Aufgabe und der Aussicht, nun erste eigene Schritte in die Welt zu tun, legte er sein Kollegheft mit besonderer Sorgfalt an. Die Titelseite beschrieb er mit schwungvoller Feder: „Livret d’Etudiant de livre a Monsieur Johannes Popitz de Dessau immatricule le 20. Avril 1903“.32 Das in der Westschweiz gelegene Lausanne war um die Jahrhundertwende eine Stadt mit rund 50.000 Einwohnern. Die Hauptstadt des Kantons Waadt verfügte weder über nennenswerte Industrie noch über großen Handel, sondern erwirtschaftete ihren Reichtum nahezu allein mit dem Fremdenverkehr. Als ein „Ort der Erziehung“ war Lausanne darüber hinaus für die private Ausbildung von begüterten jungen Männern und höheren Töchtern aus aller Welt bekannt, die hierhin „in Pension“ gegeben und in der französischen Sprache, im „Benimm“ und sonstigen Kulturtugenden unterwiesen wurden. Das angenehme Klima, der Genfer See und die Berge boten viele Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung, was die Attraktivität der Stadt vor allem Ein Mann will nach oben  29

bei den Studenten begründete. Aus einer 1537 gegründeten Akademie zur Ausbildung von protestantisch-reformierten Geistlichen hervorgegangen, nach 1806 um juristische und philosophische Lehrstühle erweitert und 1890 schließlich zur Universität erhoben, handelte es sich mit 850 Hörern um eine Hochschule mittlerer Größe. Viele deutsche Juristen haben hier ein Studienjahr verbracht, wobei weniger das besondere wissenschaftliche Niveau als vielmehr das mondäne Drumherum den Ausschlag für Lausanne als Studienort gaben. Ein Auslandssemester im Lebenslauf zu führen, gehörte damals schon zum guten Ton und war der Karriere vielfach zuträglich.33 Die Wahl des Studienfachs ging mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den Großvater Rudolph zurück. Seinen sonstigen Interessen nach hätte der jüngere Enkel auch eine Geisteswissenschaft studieren können, doch war eine akademische Karriere in diesen Fächern eine unsichere Sache und der Beruf des Gymnasialprofessors für ihn ohne Reiz. Jura hingegen verhieß vielfache Optionen im Staatsdienst, in Wirtschaft und Industrie, war aber auch in freier Ausübung allgemein angesehen. Es dürfte also der Großvater, falls Johannes Popitz überhaupt von den Vorzügen eines juristischen Studiums überzeugt werden mußte, mit denjenigen Erfahrungen geworben haben, mit denen ihm selbst seinerzeit der gesellschaftliche Aufstieg gelungen war. Zusätzlich mag Johannes Popitz noch das Beispiel des älteren Bruders bestärkt haben, der zwei Jahre zuvor sein Jurastudium aufgenommen hatte.34 In der Avenue de Georgette, eingemietet in einer privaten Pension, belegte Popitz in seinem ersten Semester ausschließlich Veranstaltungen in französischer Sprache, fünf an der Zahl und zumeist einführender Art, wie es bei Studienbeginn üblich war. Daneben besuchte er die Vorlesung des wohl einzigen „Stars“ an der Universität Lausanne jener Jahre, Vilfredo Pareto. Der namhafte Soziologe und Verfechter der sogenannten Wohlfahrtsökonomie las im Sommersemester über „Politische Ökonomie“, doch es ist schwer zu sagen, wieviel davon beim jungen Popitz hängenblieb. In seinem akribisch auf Französisch geführten Kollegheft fand sich jedenfalls kein unmittelbarer Niederschlag der visionären Gedanken Paretos, doch könnte sein späteres Interesse an sozialökonomischen Fragen hier begründet sein. Im zweiten Studien30  Ein Mann will nach oben

semester dominierte dann der Besuch deutschsprachiger Veranstaltungen beim damaligen Lehrstuhlvertreter für Deutsches Recht, Kublenbeitz. Bei ihm eignete er sich die Grundzüge des deutschen Privatrechts an und verschaffte sich einen Überblick über das römische Zivilprozeßrecht. Allein an Kolleggebühren waren in den zwei Semestern 170 Franken angefallen, was zusammen mit dem gewiß nicht geringen Betrag für den Lebensunterhalt in Lausanne ein kleines Vermögen ausmachte. Es ist anzunehmen, aber nicht sicher belegt, daß Popitz in dieser Zeit auch seiner Reiselust nachging und die Schweiz sowie die angrenzenden Staaten erkundete. Er soll sich in Lausanne außerdem einer studentischen Verbindung angeschlossen und sogar eine „schwere Säbelmensur“ ausgefochten haben, was angesichts seiner ausgesprochenen Unsportlichkeit kaum glaublich scheint. Zum Sommersemester 1904 folgte der Wechsel an die Universität seiner Geburtsstadt Leipzig.35 Die Universität Leipzig genoß in wilhelminischer Zeit einen exzellenten Ruf, wobei die Juristenfakultät mit Kapazitäten wie Rudolph Sohm und Ernst Rabl besonderes Renommee besaß. Leipzig war außerdem seit 1871 Sitz des Reichsgerichts. Popitz belegte Veranstaltungen zur Deutschen Rechtsgeschichte und zu den Pandekten, hörte eine Einführung ins Bürgerliche Gesetzbuch und in Allgemeine Volkswirtschaftslehre und versuchte schließlich auch, seine Französischkenntnisse mit einer Übung bei Lektor Blondeaux lebendig zu halten. Daß er sich nicht nur pro forma einschrieb, wie das viele Kommilitonen taten, die zu den Seminaren nicht erschienen und lieber den Genüssen eines freien Studentenlebens nachgingen, zeigen seine meist sehr sorgfältig geführten Mitschriften in den Kollegheften. Nur sporadisch finden sich darin Notizen anderen als juristischen Inhalts, die von einem Leben jenseits des Studiums zeugen. Daß dies keinesfalls übermäßig kostspielig wurde, stellte der Großvater sicher. Kost und Logis nahm Popitz zum Preis von 50 Mark bei der Familie des kleinen Postbeamten Pfeiffer in der Emilienstraße, an Kolleggebühren fielen 120 Mark an. Doch schon zum Wintersemester 1904/05 zog er weiter an die erste Universität im Reich, nach Berlin.36 Die Reichshauptstadt war damals das, was man heute eine Boomtown nennen würde, sie expandierte auf allen Ebenen. Ihre Bevölkerung Ein Mann will nach oben  31

hatte sich im Jahrzehnt nach der Reichsgründung sprunghaft von etwas mehr als achthunderttausend auf über eine Million Einwohner vermehrt und bewegte sich nach der letzten Volkszählung im Dezember 1900 knapp vor der Zwei-Millionen-Grenze. Die Industrie stellte den stärksten Erwerbszweig, 1895 war über die Hälfte aller im Hauptberuf Erwerbstätigen im industriell produzierenden Gewerbe und im Bauwesen beschäftigt. Es dominierte die Konfektionsbranche, gefolgt vom Maschinenbau. Den zweiten großen Erwerbszweig bildete der Handel, Berlin war als Umschlagsort für Getreide von großer Bedeutung. Diese rasche Expansion besaß Licht- und Schattenseiten. Schon mit dem ersten Industrialisierungsschub im 19. Jahrhundert war die Soziale Frage aufgekommen und seither virulent geblieben, aber zugleich war auch der Reichtum an vielen Stellen der Stadt sichtbar gewachsen. Die Infrastruktur wurde ausgebaut, neue Wohn- und Villenviertel wurden aus dem Boden gestampft. Um und nach der Jahrhundertwende entstanden die großen Kunst- und Antikensammlungen, zu deren Ausstellung man prachtvolle Gebäudekomplexe errichtete, finanziert aus staatlichen Mitteln und privaten Spendengeldern. Das bürgerliche Mäzenatentum, das jüdische zumal, erlangte im Jahrzehnt vor dem Ersten Weltkrieg ein in Deutschland nie wieder erreichtes Niveau.37 Von dieser allgemeinen günstigen Entwicklung profitierte die 1810 gegründete Friedrich-Wilhelms-Universität. Die Hochschule hatte nach ihrer Errichtung zunächst noch einige Zeit im Schatten der berühmten alten Universitäten im Reich gestanden, nahm aber mit dem Aufstieg Preußens Fahrt auf, um bald nach 1871 im geheimen Universitätsranking die Spitzenposition einzunehmen. Ein Ruf an die Universität Berlin war für viele Gelehrte ein Karriereziel, und der preußische Staat tat einiges dafür, die Besten an die Ufer der Spree zu holen. Dementsprechend rasant stiegen die Studentenzahlen, die im Wintersemester 1904/05, als Johannes Popitz die Alma mater bezog, auf rund siebentausend anstiegen. Er nahm in der Cuxhavenerstraße, nahe am Tiergarten, Pension und legte sich mit der Einschreibung in elf Veranstaltungen ein strammes Programm auf.38 Popitz ging bei den jeweiligen Kapazitäten auf ihrem Gebiet in die Lehre, hörte Strafrecht bei dem linksliberalen Franz von Liszt, der ein 32  Ein Mann will nach oben

neues soziologisch begründetes Verständnis von Strafe als Zwang zur Besserung des Täters vertrat, Wirtschaftsrecht bei Otto von Gierke, der als Experte für Staats- und Genossenschaftsrecht eine Besonderheit des deutschen Rechts vermittelte. Bei Conrad Bornhak studierte er die historische Rechtsentwicklung Preußens sowie deutsches Kolonialrecht, um sich anschließend zum Grandseigneur bürgerlicher Sozialreform, zu Adolph Wagner, in den Hörsaal zum Thema „Sozialismus“ zu setzen. Schließlich vertiefte Popitz seine historischen Kenntnisse mit dem Besuch einer Vorlesung bei Otto Hintze, der in diesem Wintersemester einen Überblick über die Geschichte des europäischen Staatensystems gab.39 Bemerkenswert an diesem Stundenplan ist neben der Dichte an einschlägig juristischen Veranstaltungen die historische Neigung, der er mit dem Besuch bei Bornhak und Hintze nachging. Darüber hinaus fällt sein anhaltendes sozialpolitisches Interesse auf. Nach Vilfredo Pareto in Lausanne hörte er beim „Kathedersozialisten“ Wagner, der mit seiner Forderung nach Abschaffung des Privateigentums zeitweise für Furore gesorgt hatte. Der Berliner Professor verkörperte die ältere Generation bürgerlicher Sozialreformer, die es noch für eine sittliche Pflicht des Staates gehalten hatte, „Mißstände auf dem Gebiet der Verteilungsprozesse mit Mitteln der Gesetzgebung und Verwaltung“ zu beseitigen. Die Wissenschaft sollte die notwendigen Grundlagen dazu schaffen und entsprechende Distributionskriterien entwickeln, damit der Staat seinem „ethischen Kulturzweck“ dienen konnte. Die Vorstellung, eine wissenschaftlich basierte Sozialpolitik könne zur Lösung der Sozialen Frage beitragen, war unter den Gebildeten im Deutschen Reich verbreitet. Viele höhere Staatsbeamte in den Regierungen und Verwaltungen hatten bei Wagner, Gustav Schmoller oder anderen Vertretern des „Kathedersozialismus“ in den Kollegs gesessen und strebten im Beruf nach der praktischen Umsetzung ihrer Lehren. Auch Popitz scheint von der Gefährlichkeit sozialer Mißverhältnisse für eine Gesellschaft und der Aufgabe des Staates, hier Abhilfe zu schaffen, überzeugt gewesen zu sein.40 Im Herbst 1905 wechselte Popitz erneut und ging für das letzte Studiensemester nach Halle. Nur etwa zwei Bahnstunden von Dessau entfernt, hatte sich die Stadt an der Saale mit vielleicht 150.000 EinEin Mann will nach oben  33

wohnern bis zur Jahrhundertwende zur kleinen Handels- und Industriemetropole im preußischen Regierungsbezirk Merseburg entwickelt. Seit dem Westfälischen Frieden war Halle preußisch und damit der Protestantismus lutherischer Ausformung die dominierende Konfession geworden. Daran erinnerten die weithin berühmten Francke’schen Stiftungen, ein auf Hermann August Francke zurückgehendes soziales Hilfswerk mit einer Vielzahl von Einrichtungen. Die 1694 gegründete Universität mit markanten Schwerpunkten in der Theologie sowie in den Rechts- und Staatswissenschaften besaß einen guten Ruf, wenn sie auch im Schatten der Großstadtuniversitäten Leipzig und Berlin stand. Die Wahl dürfte auf Halle als letzte Studienstation gefallen sein, weil die strapaziöse Examenszeit inzwischen herangerückt und die Ruhe einer mittelgroßen Stadt einem Abschluß gewiß zuträglicher war als die laute Hektik Berlins. Schließlich mochte auch die Nähe zum Großvater Rudolph in Dessau und dessen Verbindungen in die höheren Justizkreise eine Rolle gespielt haben.41 In seinem letzten Semester konzentrierte sich Popitz zunächst auf kernjuristische Fächer wie Verwaltungs-, Verfassungs- und Strafprozeßrecht, befaßte sich daneben noch mit Rechtsphilosophie, die in Halle von Rudolf Stammler prominent vertreten wurde. An Fleiß ließ es der Musterstudent auch in der Schlußphase nicht fehlen, so daß sich die Inanspruchnahme eines kostspieligen Repetitors erübrigte. Im März 1906 begann das Examen. Dafür war zunächst eine schriftliche Aufgabe zu lösen, deren Ergebnis binnen sechs Wochen, ohne jede Verlängerungsoption, dem Oberlandesgericht in Naumburg vorzulegen war. Popitz wurde die Klärung eines Rechtsgeschäfts mit anschließendem Konkurs aufgetragen, woran sich Fragen nach der Verteilung der Konkursmasse und den Rechten des Verkäufers anschlossen. Der Kandidat löste die Aufgabe zur vollen Zufriedenheit der Gutachter und wurde zur mündlichen Prüfung zugelassen. Als Examenstag hatte der Kommissionsvorsitzende Mommsen den 16. Juni 1906 anberaumt, geprüft wurde im Geschäftslokal des Oberlandesgerichts von morgens 9 Uhr bis nachmittags 15 Uhr. Das Ergebnis fiel erwartungsgemäß positiv aus, und Popitz erhielt für seine Leistung das seltene Prädikat „Mit Auszeichnung“. Einer Aufnahme in 34  Ein Mann will nach oben

den Vorbereitungsdienst stand damit nur noch eines im Wege, nämlich die Erklärung finanzieller Unabhängigkeit. Popitz mußte seine Vermögensverhältnisse offenlegen und nachweisen, daß er über genügend große Mittel verfüge, „für die Dauer von fünf Jahren hindurch standesgemäß leben zu können, oder die schriftliche Erklärung eines Dritten beibringen“, wonach dieser den Unterhalt bestreiten würde. Auf recht simple Weise sorgte der preußische Staat für eine exklusive Auslese seiner höheren Beamten. Da Popitz selbst kein Vermögen besaß, wird vermutlich der Großvater, vielleicht gemeinsam mit dem vermögenden Onkel väterlicherseits, Emil Blenck, die notwendige Versicherung abgegeben haben. Am 21. Juni erhielt der Kandidat die Mitteilung, für neun Monate dem Amtsgericht Schkeuditz als Gehilfe überwiesen worden zu sein. 42 Das Investment des Großvaters in seinen Enkel hatte sich gelohnt. Schon seit Schülertagen durch ihn an strenge Disziplin gewöhnt, hatte Johannes Popitz keine Schwierigkeiten gehabt, konzentriert zu studieren und nach gerade einmal sechs Semestern ein exzellentes Examen abzulegen. Die Bewältigung und Aneignung großer Wissensmengen scheint für ihn keine besondere Anstrengung gewesen zu sein, wenn er neben dem Besuch von juristischen Veranstaltungen noch Zeit fand, seinen soziologischen und historischen Neigungen nachzugehen. Seine Wißbegier war grenzenlos, und ein brennender Ehrgeiz sorgte dafür, daß er stets zu den Besten seines Jahrgangs zählte. 1907 schloß er auch die Promotion an der juristischen Fakultät der Universität Halle mit „Summa cum laude“ ab. In seiner Doktorarbeit hatte er den „Parteibegriff im preußischen Verwaltungsstreitverfahren“ behandelt, was sozusagen eine theoretische Vorwegnahme dessen war, was er in den nächsten Jahren als Justizreferendar praktisch kennenlernen sollte.43 Nach alldem ist es kaum überraschend, daß Popitz auch die einzelnen Stationen im preußischen Referendardienst erfolgreich absolvierte. Dieser Teil der Ausbildung in verschiedenen preußischen Provinzen erstreckte sich über vier Jahre und sollte den angehenden Staatsdienern zunächst Einblicke in die Tätigkeit von Richtern, Staats- und Rechtsanwälten vermitteln, dann in die verschiedenen Verwaltungsinstanzen Ein Mann will nach oben  35

des Königreichs einführen. Bei Gericht etwa übernahmen die Referendare in der Regel die Protokollführung, eine nicht besonders anspruchsvolle, aber doch wichtige Aufgabe. Da der Staat aber keinerlei Vergütung zahlte, ging mancher Kandidat die Sache lieber lässig an und bestimmte sein Arbeitspensum, d. h. seine im Büro oder am Gericht verbrachte Zeit, selbst. An Gelegenheit zur Ablenkung mangelte es den jungen Herren nicht, die in der besseren Gesellschaft am Dienstort meist gern gesehen waren. Ein amouröses Abenteuer hier, eine Einladung zur Jagd dort oder auch ein Jeu am Kartentisch dürfte manchem von ihnen die sauren Lehrjahre versüßt haben. Von Popitz, der durchaus nicht ungesellig war, sind Ausschweifungen der genannten Art nicht bekannt. Er tat nicht nur pflichtbewußt seinen Dienst, sondern nutzte über die Arbeitsstunden hinaus jede Gelegenheit zur juristischen Weiterbildung.44 Nach den Monaten am Amtsgericht Schkeuditz folgte 1907 die Versetzung als Regierungsreferendar nach Köln, von wo er im Februar 1908 für ein Jahr dem Landratsamt in Gummersbach überstellt wurde. Mit dem vorgesetzten Landrat David Fischer, dem späteren Staatssekretär im Reichsfinanzministerium, wie mit seinen Konreferendaren verstand sich Popitz ausgezeichnet, er war nun gesellig, nahm an den obligatorischen „Betriebsausflügen“ teil und sprach bei solchen Gelegenheiten wohl auch tüchtig dem Alkohol zu. Nur vom gern geübten Glücksspiel seiner Kollegen hielt er sich fern. Jeweils zum Jahresende zog man Bilanz in der illustren Runde über das gemeinsam Erlebte, und in selbstgefertigten Bierzeitungen wurden die markanten Charaktereigenschaften der Kollegen in Form von harmlosen Karikaturen und Knittelversen aufs Korn genommen. An Popitz und den wohl ähnlich strebsamen Kollegen Weber weckte das stupende Wissen den Spott, vielleicht auch den Neid der anderen, was zu einem Vierzeiler mit dem Titel „Weihnachtswünsche“ führte: „Ich wünscht’ – ich hätt’ so viel wie beide Popitz und Weber je geschafft Ach, wie ich diese zwei beneide doch bloß – um ihre Wissenschaft.“ 36  Ein Mann will nach oben

Johannes Popitz, dritter von links, 1908/09 im Kreis seiner Referendarkollegen vor dem Bahnhofsgebäude in Wiehl

Auf den wenigen Photographien dieser Jahre ist der Dreiundzwanzigjährige mit Melone und Gehstock zu sehen, eine im Kreis der Kollegen auffallend kleine Gestalt, die offenbar Wert auf ein würdiges Äußeres legte. Allerdings verlangte der preußische Staat von seinen Referendaren auch ein selbstsicheres Auftreten. Als der Bürgermeister in WiehlBielstein für gut einen Monat krankheitsbedingt ausfiel, wurde Popitz mit seiner Vertretung beauftragt. Unter seinem Vorsitz beschloß der Gemeinderat die Einrichtung einer „Rektoratsschule in Wiehl“ und fand die Einweihung des Kreiselektrizitätswerks Gummersbach statt. Sehr nachhaltig dürfte der Eindruck freilich kaum gewesen sein, den der junge Referendar im Oberbergischen Land hinterließ. Nur als Popitz im Juli 1942 offiziell den Regierungsbezirk Köln bereiste und dabei auch dem Landratsamt Gummersbach einen Besuch abstattete, erinnerte die Lokalpresse sehr freundlich an die rheinischen „Lehrjahre“ des Finanzministers.45 Ein Mann will nach oben  37

Im November 1910 fand die Prüfung für Höhere Verwaltungsbeamte statt, ein letzter Examensmarathon, der sich über eine ganze Woche erstreckte. Zwei Klausuren waren zu schreiben, ein mündlicher Vortrag war quasi aus dem Stand „auf Grund von Akten“ zu halten und eine mündliche Prüfung abzulegen. Dazu verlangte der preußische Staat noch einmal Gebühren in Höhe von 150 Mark. Am Sonnabend, dem 5. November 1910, war die letzte Hürde genommen. Popitz hatte das zweite Examen mit „gut“ bestanden und erhielt die erstrebte Urkunde über seine Ernennung zum Regierungsassessor. Bereits eine Woche später folgte die Versetzung an das Landratsamt im schlesischen Beuthen, Regierungsbezirk Oppeln. Der wiederholte Wechsel markierte eine weitere Station in der Laufbahn jedes Verwaltungsbeamten, der mit der Verschiedenheit der einzelnen Provinzen des preußischen Königreichs möglichst vertraut werden sollte.46 Die oberschlesische Stadt Beuthen verzeichnete im Jahrzehnt vor dem Weltkrieg rund 60.000 Einwohner, mehrheitlich katholischer Konfession, und war mit einem expandierenden Bergbau und regem Handel ein prosperierender Wirtschaftsstandort. Breite Boulevards, großzügig bemessene Plätze und ein weitläufiger Stadtpark bezeugten den wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt nach 1871, die sich mit Konzerthaus und Theater ein reges Kulturleben leistete und auch das Bildungswesen mit mittleren und höheren Schulen auf der Höhe der Zeit hielt. Aber Beuthen war nicht nur bürgerlich geprägt, sondern besaß durch Bergbau und Eisenindustrie auch einen beträchtlichen Arbeiteranteil. Hinzu kam die Nationalitätenfrage, die ganz Oberschlesien um und nach der Jahrhundertwende stark bewegte. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung im Regierungsbezirk Oppeln gab Polnisch bzw. ein aus polnischen und deutschen Sprachelementen bestehendes Idiom, das „Wasserpolnisch“, als Muttersprache an. Deutsch war seit der Reichsgründung Amtssprache, aber der slawische Bevölkerungsanteil pflegte die eigene Sprache und landestypischen Bräuche mit wachsendem Selbstbewußtsein, das bald nach größerer kultureller Autonomie drängte. Im Jahrzehnt vor dem Ersten Weltkrieg kam es darüber zu scharfen Auseinandersetzungen, in denen die Obrigkeit rücksichtslos das deutsche Interesse durchzusetzen versuchte und zeit38  Ein Mann will nach oben

weilig sogar verbot, den Religionsunterricht in polnischer Sprache abzuhalten. Das schürte die Feindschaft mit der katholischen Kirche und verbitterte die preußischen Staatsbürger polnischer Nation. Eine latent aggressive Stimmung in Oberschlesien war die Folge, die sich nur mit Mühe im Zaum halten ließ.47 Parteipolitisch war das Zentrum stark in dieser Provinz, das bei den preußischen Landtagswahlen 1913 mit acht von zehn Wahlkreisen des Regierungsbezirks Oppeln eine Mehrheit auf sich verbuchen konnte. Vom Herkommen meist Gutsbesitzer, Adelige, gelegentlich auch katholische Geistliche wirkte sich das zensusbasierte Dreiklassenwahlrecht für die Zentrumskandidaten günstig aus. In der Stadt Beuthen allerdings machte Generaldirektor Otto Junghann für die Nationalliberalen das Rennen, was auf das hier konzentrierte Wirtschaftsbürgertum mit entsprechendem Steueraufkommen zurückzuführen war. Ein ganz anderes Bild bot sich bei den Wahlen zum Reichstag. Das demokratischere Wahlrecht sorgte dafür, daß 1912 ein Vertreter der Polenpartei, der Beuthener Zeitungsredakteur Paul Dombek, zum Zuge kam und sich zum Anwalt der polnischen Bevölkerung machte.48 Das Interesse an Land und Leuten vorausgesetzt, besaß die oberschlesische Provinz für einen angehenden Verwaltungsbeamten viele lehrreiche Seiten, nicht zuletzt, um eine realistische Vorstellung von den gesellschaftlichen Verwerfungen im Königreich Preußen zu gewinnen. In Beuthen befand sich das Landratsamt für den Landkreis in einem repräsentativen Gebäude aus der Gründerzeit. Popitz hatte dem Landrat, Erwin William Trappenberg, zur Hand zu gehen und war auch als dessen Vertreter vorgesehen, allerdings „längstenfalls für 14 Tage und ausschließlich des Vorsitzes beim Kreistag“. Sehr bedeutend dürfte das Aufgabenspektrum des jungen Beamten also nicht gewesen sein. Über seine Erfahrungen aus den Beuthener Jahren schweigen die Akten denn auch. Fest steht, daß er an gleich zwei staatswissenschaftlichen Fortbildungskursen im Jahre 1912 teilnahm, vielleicht, weil der Beuthener Verwaltungsalltag den ehrgeizigen Assessor nicht ausfüllte, dafür aber Muße gewährte zum Selbststudium. Endlich erreichte ihn im Herbst 1913 die ersehnte Mitteilung aus dem Innenministerium über seine Versetzung an das Oberverwaltungsgericht in Berlin-CharlotEin Mann will nach oben  39

tenburg. Nach ausgiebiger Erkundung der Peripherie stand nun die Erforschung des Zentrums preußischer Verwaltung an. Bevor Popitz den Dienst in der Hardenbergstraße antrat, gönnte er sich eine ausgiebige Reise nach Athen, dem Herz der griechischen Antike.49 Schon mit Dienstbeginn in Beuthen hatte Popitz materiell auf eigenen Füßen gestanden. Nun, als Gerichtsassessor in Berlin, bezog er ein Jahresgehalt von rund 4.000 Mark, was für einen Junggesellen mehr als auskömmlich war und einer standesgemäßen Lebensführung im Berliner Westen genügte. Unter den Kollegen am Gericht ging Popitz der Ruf voraus, etwas Besonderes zu sein. Vom „klugen Kind“ war die Rede, was gewiß wohlmeinend auf sein junges Alter, das immense Wissen wie auf seine körperliche Zierlichkeit anspielte. Untergründig mochte sich darin auch ein Quentchen Kritik ausdrücken und sein Charakter streberhafte Züge aufgewiesen haben, wie sie klugen Kindern schon mal eigen sind. Rolf Grabower, der gemeinsam mit Popitz den Dienst begann, beteuerte indes, wie aufrichtig er und seine Kollegen dessen Gelehrsamkeit bewunderten, „turmhoch“ habe Popitz „in geistiger Beziehung“ über ihnen gestanden, alles an ihm sei distinguiert und Kultiviertheit sei ihm das Höchste gewesen. Nach übereinstimmenden Aussagen stand Popitz 1913 am Beginn einer vielversprechenden Beamtenkarriere. Der wenige Monate später ausbrechende Weltkrieg sollte daran nichts ändern, sondern im Gegenteil beschleunigend wirken.50 Im Rückblick erscheint es erstaunlich, wie wenig die Ereignisse im August 1914 von den Zeitgenossen vorausgesehen worden waren. Gewiß, an internationalen Konflikten hatte es bis dahin nicht gemangelt, die Stimmung unter den europäischen Großmächten war wechselhaft ebenso wie die Lage im Völkergemisch auf dem Balkan explosiv. Aber an das Auf und Ab im Beziehungsgeflecht der Staaten hatten sich die Menschen gewöhnt, wie an das kostspielige Wettrüsten oder das auftrumpfende Gebaren der Nationalisten, so daß es schwer geworden war zu unterscheiden, wann ernste, wann scheinbare Kriegsgefahr herrschte. Sicher ist nur, daß weite Teile der europäischen Bevölkerung kein Interesse an einem Krieg besaßen. Die Friedensbewegung hatte sich von einem Häuflein sektiererischer Idealisten zu einer beachteten 40  Ein Mann will nach oben

Instanz emanzipiert, die sich selbst im Deutschen Reich wachsenden Zulaufs erfreute. Ein Europa der friedlich kooperierenden Nationalstaaten war nicht nur hier ein frommer Wunsch, sondern auch in der Politik, für Demokraten, Sozialdemokraten und Sozialisten zumal, das Ziel. So dachte niemand im Frühsommer 1914 an einen großen Krieg, was die Sinne für ernste Gefahr allgemein schwächte und in den Regierungen schließlich zu falschen Reaktionen auf den Mord in Sarajewo führte. Im Moment der Entscheidung kannten die Patrioten aller Länder dann kein Halten mehr. Wenngleich das Ausmaß der Kriegsbegeisterung im August weit weniger umfassend war als eine geschickte zeitgenössische Propaganda den Historikern lange zu suggerieren vermochte, besteht doch kein Zweifel daran, daß die Menschen in den beteiligten Staaten nun vom Recht wie von der Notwendigkeit dieses Waffengangs überzeugt waren.51 Von Johannes Popitz existieren keine Dokumente mehr, wie er den Kriegsbeginn erlebte und beurteilte. Staatsloyal erzogen und ausgebildet, spricht wohl viel dafür, daß der patriotische Aufschwung auch ihn nicht unberührt ließ, er den Krieg wie die meisten für unvermeidbar und zeitlich wie räumlich für eingrenzbar hielt. Als nicht kriegsverwendungsfähig forderte ihn das preußische Innenministerium Mitte August „zur aushilfsweisen Anstellung“ an. Allein materiell bedeutete diese Veränderung einen bemerkenswerten Sprung nach oben. Popitz bezog nun neben einem Jahresgehalt von 3.000 Mark zusätzlich eine monatliche „diätetische Remuneration“ von 1.800 Mark. Das preußische Königreich hielt auf seine höhere Beamtenschaft, belohnte deren Sachkenntnis und Loyalität großzügig und hob sie damit sichtbar über die anderen Gesellschaftsklassen hinaus. Ein Arbeiter in Berlin hatte zu dieser Zeit nicht einmal ein Siebtel solch eines Beamtenbezugs im Jahr und stand sich darüber hinaus in Hinblick auf die Versorgung bei Krankheit und im Alter unvergleichlich schlechter als ein Staatsdiener.52 Ersten sichtbaren Niederschlag fand Popitz’ neue Tätigkeit bereits am zweiten Tag, als er einer Konferenz im Innenministerium beiwohnte und protokollierte. Gegenstand der Besprechung war die Lage in Ostpreußen, nachdem die russische Armee im August 1914 die GrenzEin Mann will nach oben  41

kreise Stallupönen und Pillkallen überrannt und ein „wildes Flüchten fast der ganzen ländlichen Bevölkerung“ ausgelöst hatte. Einem Bericht des Regierungspräsidenten von Gumbinnen zufolge waren alle Versuche zur Beruhigung der Menschen vorab gescheitert, die von Gerüchten wissen wollten, wonach sich der Feind besonders grausam gegenüber Frauen und Kindern gebärdete. Mit dem Feindeinfall und der Massenflucht war nicht nur den Provinzen Ost- und Westpreußen, sondern auch der deutschen Armee ein großes Problem erwachsen. Rund 500.000 Flüchtende verstopften mit schwerbeladenen Wagen und mitgeführtem Vieh die Chausseen Richtung Westen und behinderten die militärischen Operationen. Schwierig gestaltete sich auch ihre Versorgung an den Sammelpunkten jenseits der Weichsel, zumal nicht absehbar war, wie lange der Zustand währen würde. So suchten die Regierungen in Ost- und Westpreußen um staatliche Direktive aus Berlin nach, wie in der gegenwärtigen Situation zu verfahren sei.53 Die in der Besprechung unter Vorsitz von Staatsminister Friedrich Wilhelm von Loebell beschlossenen Maßnahmen waren vielfältig. Es erging zunächst Weisung, daß an eine Rückführung der Geflohenen solange nicht zu denken sei, wie das Militär seine Genehmigung nicht erteile. Nur die Regierungsspitze sollte sofort nach Gumbinnen zurückkehren, während die Landräte die Versorgung der Menschen in der Evakuierung sicherzustellen hatten. Dazu waren drei Millionen Mark Soforthilfe beim Finanzminister anzufordern, die auch umgehend bewilligt wurden, sowie Spendenaufrufe an die Öffentlichkeit zu richten. Schließlich zeigte man sich um die Reputation der ostpreußi­ schen Regierung besorgt und beschloß, vorsorglich eine Pressemitteilung zu lancieren, wonach sich die dortige Beamtenschaft in der Krisensituation korrekt verhalten habe. Das Protokoll trug die Unterschriften des Landrats Wilhelm Kutscher und des Regierungsassessors Dr. Popitz.54 Tatsächlich währte das Exil für die ostpreußische Bevölkerung nur kurz. Schon Ende August 1914 hatte die deutsche Armee unter Hindenburg in der Schlacht von Tannenberg den Feind vernichtend geschlagen. Und so hieß es am 12. September auf einer weiteren Besprechung im Innenministerium, daß die Rückführung eines Teils der 42  Ein Mann will nach oben

Flüchtlinge in den Regierungsbezirk Gumbinnen eingesetzt habe und nur einige wenige Regionen noch auf die Freigabe durch das Militär warteten.55 Unmittelbar mit der Heimkehr galt es, den Wiederaufbau zu organisieren und Entschädigungsfragen zu klären. Über den Grad der Zerstörung lagen anfangs unterschiedliche Angaben aus den einzelnen Regierungsbezirken vor. Mal hatte der Feind wüst gebrandschatzt und geplündert, mal waren ganze Landstriche verschont geblieben. Auch erwiesen sich die Berichte über Greueltaten oft als übertrieben; doch sei es unbestrittene Tatsache, urteilte der Regierungspräsident in Allenstein, daß „das russische Heer, insbesondere die Kosacken durch Brandstiftung, Raub und Gewalttaten gegen die Zivilbevölkerung, die durch das Völkerrecht gezogenen Grenzen in brutaler Weise überschritten“ hätten.56 Die russischen Soldaten hätten sich, hieß es in dem Bericht weiter, in den eroberten Gebieten vielfach wie die neuen Herren aufgeführt, „[m]an kann ohne Weiteres sagen, daß, wo die Russen dauernd lagen, alles vernichtet ist“. Gelobt wurde dagegen die Moral der Ostpreußen, die trotz des „Kriegstrubels“ noch lange unbeirrt ihren landwirtschaftlichen Pflichten nachgekommen seien.57 Nach § 35 des Kriegsleistungsgesetzes von 1873 gingen sämtliche Verluste zu Lasten des Reiches, das „jede Art von Schaden an Eigentum“ ersetzen mußte. Bis eine entsprechende Regulierung auf den Weg gebracht war, trat der preußische Staat in Vorleistung. Die ersten 300.000 Mark, die der Oberpräsident in Königsberg an Soforthilfe erhalten hatte, sollten sich als der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein erweisen und waren rasch verbraucht. Schon am 13. September wandte er sich erneut an den Innenminister. Die am Vortag zugesagten drei Millionen würden nicht entfernt ausreichen, sondern mindestens 20 Millionen notwendig sein. Daß dies keineswegs eine übertriebene Schätzung war, sollte zwei Jahre später feststehen. Bis zum November 1916 brachte das Königreich Preußen die enorme Summe von 656 Millionen Mark zur Beseitigung der Kriegsschäden im Osten des Landes auf. Im Innenministerium war dazu eigens eine Kommission eingesetzt worden. Sie diente der Unterstützung des Oberpräsidenten bei der Verteilung der Hilfen und umfaßte Vertreter aller betroffenen Instanzen. Nur „Parlamentarier müßten ferngehalten Ein Mann will nach oben  43

werden“ aus der Kommission, wurde der Protokollant Popitz angewiesen, ausdrücklich festzuhalten.58 Der Wiederaufbau Ostpreußens stieß auf ein unerwartet großes öffentliches Interesse. 30.300 zerstörte Gebäude warfen die Frage nach den architektonischen Grundsätzen auf, nach denen bei den Neubauten zu verfahren sei, ob nach rein pragmatischen oder historischen. Im preußischen Innenministerium wollte man diesbezüglich lieber nichts dem Zufall überlassen. Aus Sorge vor einer wilden, ungeregelten Bebauung fanden im Winter 1916 in den Städten der Provinz Lichtbildvorträge statt, damit der Bevölkerung „richtige Vorstellungen von guter bürgerlicher und ländlicher Bauweise und guter Heimkunst anerzogen“ würden. Veranstalter waren die Bezirksarchitekten in Zusammenarbeit mit dem „Bund für Heimatschutz“, die im Auftrag der Regierung den Zuschauern „schlichte, gute und bodenständige Bauweise einerseits und moderne, kitschige und nach Ostpreußen nicht passende Bauweisen“ anderer Art vor Augen stellten. Sehr bald wurde das Thema reichsweit diskutiert. Eingaben von Architekten, Historikern und Heimatschützern erreichten das Innenministerium in Berlin mit jeweils empfohlenen Neubauplänen. Die Debatte beschäftigte nicht zuletzt die einschlägigen Architekturzeitschriften. Viele Autoren hielten die Kriegszerstörung für eine gute Gelegenheit, vermeintliche Bausünden der Vergangenheit planvoll zu korrigieren. Während die einen eine zeitgemäße, soziale und wirtschaftliche Bebauung forderten, legten andere das Schwergewicht auf eine historisierende bzw. „heimatliche“ Architektur. Letzte Instanz in dieser Frage war das Innenministerium, dem die Fixierung des Baurechts oblag.59 Kaum weniger wichtig als der konkrete Wiederaufbau Ostpreußens waren Fragen der inneren Kolonisation. Seit jeher dünn besiedelt, litten die östlichen Provinzen des Königreichs spätestens seit der Jahrhundertwende an einer gravierenden Landflucht. Die Evakuierung einer halben Million Flüchtlinge aus Ostpreußen brachte die Gefahr mit sich, daß sich ein guter Teil von ihnen dauerhaft in den Westen absetzen und damit dem Land als Einwohner verlorengehen könnte. Auch deshalb trieb das Innenministerium den Wiederaufbau schnellstmöglich voran, um diese Menschen „der Provinz zu erhalten“. Ende 44  Ein Mann will nach oben

1916 wurde die Unterstützung der Ostpreußenflüchtlinge an den Sammelpunkten im Westen auf Alte und Kranke beschränkt, um die übrigen zur Rückkehr in die Heimatregion zu bewegen. Ebenso dringend wurde um die rund 20.000 „wolhynischen Rückwanderer“ geworben, die beim Durchbruch der österreichischen Front in Galizien im September 1914 unter Zurücklassung sämtlicher Habe nach Ostpreußen geflohen waren. Die meisten von ihnen hatten bereits eine befristete Arbeit in Landwirtschaft oder Handwerk gefunden. Andere brachten zum Teil beträchtliche Ersparnisse mit und zeigten sich an einer „Seßhaftmachung“ interessiert: „Der auf diese Weise der inneren Kolonisation Ostpreußens zuströmende Menschen- und Vermögenszuwachs darf nicht unterschätzt werden“, hieß es im Bericht des Oberpräsidialrats von Bülow. Allgemein wurden die deutschen „Wolhynier“ von ihren Arbeitgebern geschätzt, ihre „anständige, vaterländische nationale Gesinnung gerühmt und ihr religiöses, solides Wesen hervorgehoben“. Bei weiterer guter Behandlung, so hoffte man im Innenministerium, würden sie der Provinz erhalten bleiben.60 Johannes Popitz wuchs schnell aus der Rolle des bloß protokollierenden Regierungsassessors heraus. Er befaßte sich eingehend mit der Kriegsentschädigungspraxis, wie sie zwischen dem Reich und den Ländern während des Krieges ausgehandelt werden mußte. Schon nach kurzer Zeit galt er als Spezialist auf diesem Gebiet, der dem preußischen Innenminister gezielte Ausarbeitungen für die Landtagsverhandlungen erstellte. Überhaupt zeigte Popitz angesichts der Kriegszerstörungen in Ostpreußen ein ausgeprägtes Talent zum Krisenmanagement. Seine Expertisen waren sachlich knapp und kamen stets unmittelbar auf den Punkt. Im August 1918 nahm er als Mitglied einer Delegation des Haushaltsausschusses des preußischen Abgeordnetenhauses an einer Dienstreise nach Kurland und Ostpreußen teil, um den Parlamentariern die dort vollbrachte organisatorische Leistung der Regierung zu demonstrieren. Im Wiederaufbau Ostpreußens dürfte eine Wurzel liegen für seine spätere Sachkunde bei der architektonischen Um- und Neubebauung Alt-Berlins.61 Popitz’ guter Ruf machte schnell die Runde. Sein Arbeitseifer wurde als legendär geschildert, seine Kompetenz in rechtlichen wie finanziEin Mann will nach oben  45

ellen Belangen war allseits anerkannt. Kaum je schien dem schmächtigen Regierungsassessor etwas zuviel zu werden, im Gegenteil. 1917 wurde er neben seiner Tätigkeit im Innenministerium zusätzlich im Reichsschatzamt eingesetzt, in dem er als Referent die Vertretung der preußischen Kommunalinteressen übernahm. Zu dieser Zeit steckte das Reichsfinanzsystem noch in den Kinderschuhen. Den hohen Geldbedarf im Krieg zu befriedigen, war das Reichsschatzamt kaum in der Lage, weil die Erhebung der ertragreichen Steuern wie der Einkommenssteuer den Ländern zustand, während sich das Reich mit festgesetzten Matrikularbeiträgen sowie einigen marginalen Reichssteuern begnügen mußte. 1917, auf dem Höhepunkt des Krieges, suchte man daher händeringend einen Weg, um mehr Geld in die Reichskasse zu spülen. Eine kleine Steuerreform war die Folge mit einer Vorstufe der späteren Umsatzsteuer im Gepäck. Wenn Popitz die diesbezüglichen Verhandlungen im Reichsschatzamt auch nur als Beobachter begleitete, trat ihm das aus der Bismarck’schen Reichsverfassung resultierende Problem des unterfinanzierten Reichs drängend vor Augen. Wenige Monate später sollte er mit Eifer an einer Neuordnung arbeiten. Die Sonderbedingungen des Krieges zwangen viele zur Bewältigung eines Übermaßes an Arbeit, boten aber zugleich auch mannigfach Gelegenheit zur Bewährung für den, der wie Popitz, ganz nach oben strebte. Für sein Engagement während des Krieges erhielt er 1918 das Eiserne Kreuz am weißen Bande. Zugleich erklomm er mit der Ernennung zum Geheimen Regierungsrat eine weitere Stufe seiner Beamtenlaufbahn. Schließlich fügte sich auch das private Leben glücklich, als er im Mai desselben Jahres Cornelia Slot, eine aus den Niederlanden stammende Frau, heiratete. Die erste Begegnung mit ihr, einer blonden, hochgewachsenen Schönheit, ging auf seine Kölner Zeit zurück. Mitten im Glück gerade gewonnener Zweisamkeit bereiteten Niederlage und Revolution der alten Welt ein Ende.62

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Sprungbrett Republik Reichsbeamter. Unentbehrlicher Staatssekretär. Kalkulierter Rücktritt

So siegesgewiß die Deutschen im August 1914 in den Krieg gezogen waren, so fassungslos starrten sie im November 1918 auf die Trümmer des alten Reichs. Niemand hatte sie auf eine Niederlage vorbereitet. Es war im Gegenteil in den Monaten zuvor die Siegeserwartung noch einmal geschürt worden, so daß das Land im Moment der Schreckensnachricht im Schock erstarrte. Dann kam die deutsche Revolution: zuerst in Kiel durch meuternde Matrosen, dann durch die Arbeiterschaft der Industriegebiete und Ballungsräume, im Ruhrgebiet, in Thüringen, Schlesien, in Berlin und München. Wie ein Lauffeuer fraß sich der Aufruhr durch das Reich, worauf sich die alte Herrschaft feige zurückzog und die Sorge um den Staat lieber dem politischen Gegner überließ. Am Morgen des 9. November 1918 brachte ein Generalstreik das öffentliche Leben Berlins zum Erliegen. Am selben Morgen trat Prinz Max von Baden die Regierungsgeschäfte des Reichskanzlers an den Sozialdemokraten Friedrich Ebert ab. Es folgte spontan die doppelte Ausrufung der Republik jeweils an denkwürdigem Ort, durch Philipp Scheidemann vom Balkon des Reichstags, durch Karl Liebknecht vom Balkon des Berliner Stadtschlosses aus. Beidesmal nahm eine große Menschenmenge die Nachricht jubelnd entgegen. Schon begann im Hintergrund das Ringen um die Macht im neuen Staat.63 Hatte es anfangs so ausgesehen, als könnten sich Sozialdemokraten und Sozialisten über ein gemeinsames politisches Ziel verständigen, stand bald die Unvereinbarkeit der beiden Positionen fest: Ebert strebte die parlamentarische Demokratie an, die radikale Linke ein Rätesystem nach sowjetischem Muster. Letzteres war kaum mehrheitsfähig, und so fiel auf dem Berliner Kongreß der Arbeiter- und Soldatenräte im Dezember 1918 eine klare Entscheidung für Wahlen zu einer NatioSprungbrett Republik  47

nalversammlung am 19. Januar. Ebert hatte gesiegt; aber ein Teil der linken Kräfte, zusammengesetzt aus meuternden Marinesoldaten und streikenden Arbeitern, ging nun in die Offensive, hielt das Berliner Schloß besetzt mit Otto Wels als Geisel. In einer Nacht-und-NebelAktion faßte Ebert den Entschluß, ausgerechnet die Reichswehr zu Hilfe zu holen, was dann an den Weihnachtstagen zu blutigen Kämpfen mit Toten und Verletzten führte. Die drei sozialistischen Minister im Rat der Volksbeauftragten fühlten sich von den Sozialdemokraten hintergangen und verließen die Regierung. Die Gründung der Kommunistischen Partei am 1. Januar 1919 war eine Folge davon.64 Das neue Jahr begann in Berlin so unruhig, wie das alte geendet hatte. Gleich in den ersten Tagen organisierten die Kommunisten Großdemonstrationen, besetzten Bahnhöfe und Zeitungsredaktionen und riefen am Dreikönigstag öffentlich zum Sturz der Regierung Ebert auf. Die Luft flirrte vor Gewalt, in den bürgerlichen Quartieren der Stadt entstanden Einwohnerwehren zum Schutz von Hab und Gut. Erneut gelang es der Regierung nur im Bündnis mit dem Militär, den im Zentrum konzentrierten Aufstand niederzuschlagen, allerdings um den Preis von mehr als 150 Toten. Auf beiden Seiten wuchs der Haß auf den politischen Gegner, der nun mit allen Mitteln gejagt wurde. Die Sozialistenführer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht starben am 15. Januar einen gewaltsamen Tod durch Angehörige eines Freikorps, nachdem die Bürgerwehr Wilmersdorf die beiden in ihrem Versteck aufgespürt und den Mördern überstellt hatte. Daß die Wahl zur Nationalversammlung überhaupt ordnungsgemäß stattfand, grenzte an ein Wunder. Weniger verwunderlich war das Ergebnis, das eine solide Mehrheit für die parlamentarische Republik verzeichnete: Den Wählern stand nicht der Sinn nach politischen Experimenten. Weil Berlin als Versammlungsort aus Sicherheitsgründen nicht in Frage kam, trat das Parlament in Weimar zusammen, wo Friedrich Ebert es am 6. Februar eröffnete und fünf Tage später zum vorläufigen Präsidenten der ersten deutschen Republik gewählt wurde.65 Noch bis in den Mai hinein herrschte in Berlin Bürgerkrieg. Anfang März verhängte die Regierung den Ausnahmezustand über die Stadt, nachdem der Arbeiter- und Soldatenrat abermals zum Generalstreik 48  Sprungbrett Republik

aufgerufen hatte. Der Revolutionsherd war noch warm, und die Unabhängigen hatten ihre Ziele keineswegs aufgesteckt, die sie vielmehr mit einigem propagandistischen Aufwand unter die Leute brachten. Um ihre Wortführer herum sammelten sich im Zentrum Berlins die Menschen – Unter den Linden, Ecke Leipziger Straße und Friedrichstraße – und lauschten der scharfen Kritik an Ebert und Scheidemann. Es wurde rege diskutiert und agitiert in diesem „Straßenparlament“, von dem ein interessierter Beobachter wie Martin Rade feststellte, daß radikale Positionen nur geringe Zustimmung unter den Zuhörern fanden: „Es stand doch gar nicht so, daß die extreme Meinung gesiegt, den größten Beifall gefunden hätte. Nur wenn die Anti-RegierungsSoldaten redeten, kochte und spie es, und war die aufregende Wirkung groß. Und wenn es auf die Toten kam, die der Straßenkampf eben wieder gekostet hatte, sagten auch die Frauen ihre radikale Meinung.“ Dem liberalen Publizisten imponierte der Freimut, mit der nun nach Jahren der politischen Zensur in aller Öffentlichkeit diskutiert wurde. Aber die Regierung fürchtete eine Eskalation der Stimmung. Unter dem Befehl von Gustav Noske griffen die Regierungstruppen außerordentlich hart gegen die Aufrührer durch, so daß der Kampf um die Macht im Staat den Tod von mehreren hundert Menschen kostete. Ob diese vielen Opfer vermeidbar gewesen wären, darüber streiten noch heute die Experten. Gewiß ist nur, daß die erste deutsche Republik mit erheblichen politischen Belastungen startete.66 Johannes Popitz war kein Freund der Revolution. Bis nach Wilmersdorf hatten sich die Unruhen zwar nicht erstreckt, hier herrschte vielmehr selbst im Ausnahmezustand noch die gewohnte Ruhe und gingen die Menschen ihren täglichen Geschäften nach. Dennoch hatte sich das Ehepaar entschieden, die Niederkunft des ersten Kindes besser nicht in Berlin, sondern an sicherem Ort zu erwarten. Popitz selbst war freilich unabkömmlich und hielt nun seine Frau in Briefen über das Geschehen auf dem laufenden. In Berlin herrschte unterdessen ein doppelter Ausnahmezustand. Während im Zentrum mit scharfen Waffen um die Macht gekämpft wurde, suchten die Menschen in anderen Teilen der Stadt Zerstreuung. An Abenden und Wochenenden dominierte das Amüsement, Lokale und Cafés waren voll mit vergnüSprungbrett Republik  49

gungshungrigen Gästen, die meinten, nach vier Jahren der Abstinenz etwas nachholen zu müssen. „Das Großstadtleben ging seinen Weg weiter“, beschrieb Ernst Troeltsch die Szene, „die Theater spielen weiter und versammeln ihr an Gewehrschüssen vorbeieilendes Publikum in gewohnter Masse, vor allem wird, wo irgend möglich, getanzt.“ Auch dies dürfte kaum nach dem Geschmack des gerade ganz in den Dienst des Reiches getretenen und im März 1919 zum Geheimen Regierungsrat im Finanzministerium beförderten Popitz gewesen sein. Unruhen und Vergnügungssucht gingen ihm gleichermaßen gegen den Strich zu einer Zeit, in der die Zukunft des Deutschen Reichs auf dem Spiel stand.67 Was die kapitalen Unruhen im Winter 1919 betraf, so befürwortete Popitz das harte Durchgreifen der Regierung, ja zieh Ebert sogar der Schwäche, wenn er nicht sofort mit schwerem Geschütz gegen die Aufständischen auszurücken befahl. Vom „schlappen Kerl“ war dann in Briefen an seine Frau die Rede, was erst einmal wenig Hochachtung vor dem neuen Staatsoberhaupt verriet. Auch daß seine Ernennungsurkunde nun die Unterschrift eines Politikers und nicht mehr die eines Monarchen trug, habe ihm „recht weh“ getan, vertraute er seiner Gattin an. Daß er damals erwog, den Dienst zu quittieren, ist dennoch wenig wahrscheinlich, denn den Beamteneid legte er widerspruchslos ab. Und als ihn Reichsfinanzminister Eugen Schiffer im Februar 1919 beiseite nahm und ihm bedeutete, daß von der Umsetzung seiner Steuerpläne „ein großer Teil des Schicksals unserer Finanzen“ abhinge, schließlich könne noch immer alles zusammenbrechen, ließ er sich bereitwillig in die Pflicht nehmen. Es galt, wie er seine Frau wissen ließ, „das größte Unglück“ abzuwenden, gegen das „Krieg und Revolution ein Kinderspiel“ seien.68 Popitz arrangierte sich rasch mit den neuen Verhältnissen. Er war jung, glücklich verheiratet und seit dem 2. März 1919 zudem Vater eines Sohnes. Auch dies dürfte ihm Ansporn gewesen sein, seine Karriere im Staatsdienst nicht zu vernachlässigen, sondern energisch voranzutreiben. An Aufgaben mangelte es nicht, seine Expertise wurde dringend gebraucht. So galt es zunächst, die deutschen Friedensverhandlungen mit vorzubereiten, soweit das Reichsschatzamt davon 50  Sprungbrett Republik

berührt war. Als im Mai die harten Bedingungen der Siegermächte ruchbar wurden, empfand Popitz dies als einen herben Rückschlag für die gerade zaghaft keimende Zuversicht im Land. Alle Arbeit erschien ihm nun „wie die letzte Schlacht, nur daß man in ihr nicht in Ehren fallen kann“. Das „Unannehmbar“, wie es im ersten Moment aus allen politischen Lagern tönte, dürfte auch seiner Überzeugung entsprochen haben. Allein die deutsche Position ließ kaum einen Verhandlungsspielraum und führte zur Annahme des desaströsen Versailler Friedensvertrags.69 Unterdessen rangen die Beamten im Reichsfinanzministerium verzweifelt die Hände über die Frage, wie der völlig aus dem Ruder laufenden Staatsfinanzen wieder Herr zu werden sei. Das Deutsche Reich hatte den Krieg allein auf der Basis von Kriegsanleihen finanziert, hatte die Kosten als sogenannte schwebende Schuld in den außerordentlichen Haushalt eingestellt und von Jahr zu Jahr fortgeschrieben. So war während des Krieges zwar eine formal korrekte Etatführung möglich gewesen, aber gleichzeitig die Gesamtschuld des Reiches bis zum 3. Dezember 1918 auf die ungeheure Summe von 148,78 Milliarden Mark gestiegen.70 Nach Kriegsschluß explodierten dann die sozialen Ausgaben zur Versorgung der Kriegsopfer und Hinterbliebenen, für die Arbeitslosenunterstützung und Kosten der Demobilisierung. Schon erfolgte keine genaue Verbuchung der einzelnen Posten mehr, sondern wurden die Mittel auf dem Weg pauschaler Bewilligung bereitgestellt. Entsprechend unübersichtlich wuchs das Defizit, dem auf der Einnahmeseite nahezu nichts gegenüberstand. Hinzu kam die Ungewißheit über die Höhe der künftigen Reparationen und vor allem der Umstand, daß dem Deutschen Reich der Zugang zum Auslandskapitalmarkt verwehrt war. Es blieb nur der Weg, im großen Stil Geld zu drucken mit den bekannten negativen Folgen für die Währungsstabilität. Hatte die Mark zum Jahresende 1918 noch etwas mehr als die Hälfte ihres Vorkriegswerts besessen, schritt nun der Prozeß der Geldentwertung unaufhaltsam voran.71 Den Kontrapunkt zu einer Finanzentwicklung, die ins Bodenlose abzustürzen drohte, setzte Matthias Erzberger. Im Juni 1919 zum Reichsfinanzminister ernannt, bestand das Ziel des ehrgeizigen ZenSprungbrett Republik  51

trumspolitikers darin, den Haushalt zu sanieren und zugleich die Schulden deutlich abzutragen. Dies war freilich, wie er meinte, nur durch eine energische Sparpolitik, verbunden mit drastischen Steuermaßnahmen, erreichbar. Beides waren bei den Bürgern schon zu normalen Zeiten höchst unbeliebte Instrumente, die nun aber angesichts der Niederlage im Krieg wie die sprichwörtliche Roßkur erscheinen mußten. Erzberger wurde zur Zielscheibe höchst gehässiger Kritik seitens der Opposition und fiel schließlich 1921 einem Attentat zum Opfer.72 Unter Erzbergers Finanzreform stieg das Reich zum „großen Steuersouverän“ auf, d. h. die einträglichen, bis dahin den Ländern vorbehaltenen direkten Steuern flossen fortan der Zentrale zu. Aus dem gemeinsamen Berliner Topf erfolgten dann die Zuwendungen an die Einzelstaaten, deren Höhe sich nach dem jeweiligen Steueraufkommen im Land bemaß, bis 1923 waren das zwei Drittel der Einkommensund Körperschaftssteuer. Außerdem erhielten die Länder 10% der Umsatzsteuer, deren Verteilung sich jedoch nicht nach dem Steueraufkommen, sondern nach der Einwohnerzahl richtete. Dadurch gewann das Reich einen gewissen Verteilungsspielraum, indem es im Falle besonderer Belastungen in den Ländern ausgleichend eingreifen konnte. Diese Verlagerung der Finanzhoheit markierte eine scharfe Zäsur im föderativen Staatsaufbau. Die Position des Reichs wurde gestärkt, es hatte die Rolle des „Kostgängers“ abgelegt und führte nun seinerseits, gestützt auf eine breite Reichsgesetzgebung, die Länder finanziell am Gängelband. Vielen Beobachtern ging der stark unitarische Zug deutlich zu weit. Unter anderem deswegen stand die Reform Erzbergers von Anfang an in der Kritik.73 Flankierend zu den Reichssteuergesetzen setzte Erzberger den Aufbau eines vom Reich ausgehenden einheitlichen Finanzverwaltungsapparates in Gang. Auch dafür mußte tief in alte Länderrechte eingegriffen werden. Das Projekt laufe auf die „Mediatisierung der Einzelstaaten“ hinaus, lautete ein empörter und durchaus zutreffender Einwand aus Bayern. Schließlich kam es darüber sogar zur Abspaltung des bayerischen Zentrumsflügels und zur Gründung der Bayerischen Volkspartei. Aber funktionierende Verwaltungsstrukturen waren eine Conditio sine qua non für eine effektive Steuererhebung. Die Beibe52  Sprungbrett Republik

haltung der bisherigen Praxis hätte das Reich wieder in Abhängigkeit der Länder gebracht, wo die Steuererhebung höchst uneinheitlich geregelt war und erst einmal der durchgreifenden Erneuerung bedurfte. Darauf zu warten, blieb dem Reichsfinanzminister, den drohenden Staatsbankrott vor Augen, aber keine Zeit.74 Johannes Popitz stand dem Erzberger’schen Reformwerk positiv, aber nicht kritiklos gegenüber. Grundsätzlich bejahte er die steuerlichen Neuerungen, die so, wie sich die Lage nach dem verlorenen Krieg darstellte, zur „Lebensfrage“ für das Reich geworden waren. Er sah ein, daß die finanzielle Not zu drastischen Eingriffen nötigte, aber war deswegen nicht gleich blind für die damit einhergehenden Gefahren. Das bewährte, im Laufe von Jahrzehnten gewachsene Prinzip der Selbstverwaltung wurde beschnitten und damit ein Stück föderaler Eigenart verletzt, ohne jede Gewähr, daß die erzwungene Vereinheitlichung auch tatsächlich zum erhofften Ziel führen würde. Schließlich war ihm das hohe Tempo nicht geheuer, das keine Zeit ließ zum abwägenden Überlegen und Probieren. „Wer an den alten Staatsgebilden, ihrer Geschichte und ihren kulturellen und wirtschaftlichen Missionen hängt, wem Tradition und Kontinuität nicht leere Begriffe sind, wird voll Bedauern und voll Sorge vor allem über die Schnelligkeit und Übergangslosigkeit des Prozesses dem entgegensehen, was aus dieser Entwicklung entstehen kann.“75 Wie Popitz dürften viele Bürger gedacht haben. Er betrachtete die Lage jedoch mit aufgeklärt konservativem Blick in der festen Überzeugung, daß ohnehin nichts bleibt, wie es ist. In diesem Sinne meldete er sich regelmäßig mit Kommentaren zur finanzpolitischen Entwicklung öffentlich zu Wort. Seiner eigenen Rolle blieb er sich freilich bewußt und verwechselte seinen Aufgabenbereich nicht mit dem des Politikers. „So, wie die Verhältnisse liegen, wird nicht der Fachmann, und sei es der tüchtigste, die große Aufgabe zur Lösung bringen können, sondern nur der Politiker, und zwar nur der, der gerade unter den obwaltenden Parteiverhältnissen den Weg findet, die Pläne mit der erforderlichen Energie durchzusetzen.“ Popitz hielt Erzberger für den richtigen Mann und unterstützte dessen finanzpolitischen Kurs. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte man allerdings das Sparsamkeitspostulat des Ministers noch ernster Sprungbrett Republik  53

genommen. Aber gegen die „Bewilligungsfreude“ des Parlaments zu immer neuen Ausgaben sei damals, wie Popitz im Rückblick ironisch bemerkte, kein Kraut gewachsen gewesen. Erst unter dem nachfolgenden Minister nahm mit Friedrich Saemisch ein von der Regierung bestellter „Sparkommissar“ die Arbeit auf.76 Der Umbau des bisherigen Steuersystems war eine Sache, das, was der Staat seinen Bürgern finanziell zumutete, noch etwas anderes. Während die Reform tatsächlich vielen unter den gegebenen Umständen unvermeidlich erschien, erzeugten die Steuertarife maßlose Erregung. In einem bis dahin nicht gekannten Ausmaß wurden die Bürger zur Kasse gebeten. Erzberger setzte die progressive Einkommensbesteuerung mit einem Höchstsatz von 60% durch. Zugleich fielen Kapitalertrags- und Körperschaftssteuern an und waren die Sätze der einmaligen Steuern, wie es das Reichsnotopfergesetz vom Dezember 1919 erzwang, empfindlich hoch. Auch hier schlug die Progression drastisch durch, reichte der Tarifsatz von 10% auf Kapitalvermögen von 5.000 Mark bis zu einem Höchstsatz von 65%. Schließlich wurde an der Steuerschraube für Verkehrs- und Verbrauchsabgaben tüchtig gedreht, so daß auch die breite Masse der Besitzlosen stark beansprucht wurde. Aber in der Hauptsache zielte die Reform auf die Vermögenden, sollten vor allem die sogenannten Kriegsgewinnler ihren Teil zur finanziellen Gesundung des Reichs beisteuern. Dies war von Erzberger ausdrücklich gewollt, der sich, vom „Kathedersozialismus“ der Jahrhundertwende inspiriert, als Agent einer sozialverträglichen Politik verstand. Und das hieß, die starken Schultern stärker zu belasten als die schwachen. Seine Steuersätze lösten einen Sturm der Entrüstung aus und zwar sowohl im bürgerlichen Lager, dem sie zu hoch, als auch im linken, dem sie nicht hoch genug waren. In der Praxis wirkte sich das „Notopfer“ auf die kleinen und mittleren Vermögen tatsächlich verheerend aus, weil der Staat hier sofort zugriff, während die Inhaber sehr großer Geldvermögen die oft gewährten späteren Einzugstermine zur „Kapitalflucht“ nutzten. Politisch schlimmer war jedoch, daß das Steueraufkommen am Ende weit unter den Erwartungen blieb.77 Unter allen Steuern schätzte Popitz die Umsatzsteuer am meisten. Von ihrem Potential für den geldhungrigen Staat hatte er sich schon 54  Sprungbrett Republik

während des Krieges ein Bild gemacht, als im Zuge der „kleinen“ Steuerreform des Sommers 1918, genauer mit der Erhebung von sage und schreibe einem halben Prozent auf jeden Warenumsatz, die erste Finanzkrise des Reichs noch gemeistert worden war. Nach dem Krieg, angesichts des drohenden Staatsbankrotts, ging es nun um den raschen Ausbau dieser lukrativen Einnahmequelle. Eine Erhöhung war politisch ausgesprochen schwer durchsetzbar, bedeutete dies doch eine Belastung vor allem der „kleinen Leute“, denen die Dinge des täglichen Lebens teurer gemacht wurden. Deswegen rangen die Sozialdemokraten schwer damit, Sozialisten und Kommunisten lehnten die Regierungsvorlage von vornherein kategorisch ab. Nach zähen Beratungen stimmte schließlich die sozialdemokratische Fraktion in der Nationalversammlung einer Erhöhung auf 1,5% zu, auch um gegenüber den bürgerlichen Parteien die Opferbereitschaft der unteren Schichten zu signalisieren. Hier sah man das freilich völlig anders. Bis ins Reichsfinanzministerium reichte der Protest der Kleinhändler, Handwerker und Ladenbesitzer, die sich über die Erhöhung der Umsatzsteuer beschwerten. Als mit der wenig später eingeführten generellen Besteuerung gewerblicher Leistungen auch die Vertreter der freien Berufe miteinbezogen wurden, stimmten Ärzte, Journalisten und Künstler in das Protestgeheul ein. Popitz verstand den Unmut der Leute, achtete aber bei der Ausgestaltung des Gesetzes darauf, die Zahl der steuerlichen Ausnahmeregelungen so gering wie möglich zu halten.78 In einem merkwürdigen Gegensatz zur angespannten finanziellen wie zur instabilen politischen Lage der jungen Republik stand das allgemeine Hochgefühl, das sich zwischen 1919 und 1921 ausbreitete. Handel und Gewerbe florierten, es herrschte Vollbeschäftigung, und es wurde kräftig konsumiert im Land. Die Zahl der Lustbarkeiten an Orten wie Berlin, Hamburg oder München schien grenzenlos zu sein, die Zahl der Vergnügungssüchtigen auch, was in der Rückschau angesichts des gerade verlorenen Krieges mit seinen Millionen Kriegstoten und Versehrten einigermaßen seltsam wirkt – doch werden „Krisenzeiten“, wie gezeigt worden ist, eben „häufig als Tanzzeiten erlebt“. Mag sein, daß dies eine verständliche psychische Reaktion der MenSprungbrett Republik  55

schen auf die zurückliegenden Entbehrungen war. Schon bald sollte sich die günstige ökonomische Situation nach Kriegsende als bloße Scheinblüte erweisen. Der Verfall der Finanzwirtschaft im Reich begann und ließ sich vorerst von keiner noch so rigorosen Steuerpolitik aufhalten. 79 Die prognostizierten 28 Milliarden Mark Steueraufkommen für das Rechnungsjahr 1920 – immerhin eine Steigerung um fast das Siebenfache gegenüber dem Vorjahr – konnten weder die Schulden decken noch reichten sie für die aus dem Friedensvertrag resultierenden Verpflichtungen aus. Das Haushaltsdefizit stieg von 123 Milliarden Mark im Jahr 1920 auf gut 7 Billionen 1922, die Zahlungsunfähigkeit des Reichs konnte nur durch weitere Anleihen bei der Reichsbank abgewendet werden. Nicht zuletzt sorgten die hohen Steuern selbst für eine immer rascher fortschreitende Inflation, weil die erhöhten Vermögensund Einkommensabgaben schlicht auf die Warenpreise umgelegt wurden. Erzbergers Finanzreform, diese Mischung aus Höchstbesteuerung und Sparprogramm, war zwar im Prinzip richtig und wurde korrekt ins Werk gesetzt, führte aber angesichts der Nachkriegsverhältnisse zu keiner Haushaltskonsolidierung, sondern schwächte die Geldwertstabilität. Glücklos blieb auch sein Parteifreund und Nachfolger im Amt, Joseph Wirth. Er fuhr auf dem eingeschlagenen Kurs weiter, ja verschärfte ihn 1921 sogar noch, als es galt, ultimativen Forderungen der Reparationskommission nachzukommen. 14 neue Steuergesetze entstanden, die Umsatzsteuer wurde auf 2% erhöht und eine Reichsvermögens- sowie Vermögenszuwachssteuer mit happigen, nun zum Teil schon in Goldmark zu entrichtenden Tarifsätzen erhoben.80 Im fünften Jahr der Republik liefen die Reichsfinanzen dann vollends aus dem Ruder. Mitte Januar 1923 besetzte Frankreich das Ruhrgebiet, worauf die deutsche Regierung zum passiven Widerstand aufrief mit der Folge weiterer enormer Belastungen für die Reichskasse. Im Juni des Jahres waren nur noch ganze 19% der Ausgaben durch Einnahmen gedeckt. Verzweifelte Versuche zur Aktivierung des Steueraufkommens und weitere Zwangsabgaben für die „Opfer von Rhein und Ruhr“ brachten keine nennenswerte Entlastung. Die Inflation schlug in Hyperinflation um, die Währung des Deutschen Reichs war 56  Sprungbrett Republik

im freien Fall. Auf den Finanzämtern spielten sich bizarre Szenen ab: „Wer damals die Finanzkassen gesehen hat, wird den geradezu phantastischen Anblick nie wieder vergessen“, beschrieb Popitz die Lage. „Das Papiergeld lag in Körben und Kisten, auf Regalen und auf den Kassentischen in hoffnungslosen Mengen. Echtheit und Gültigkeit der ja schließlich sozusagen im Privatdruck hergestellten Papiere waren nicht mehr nachprüfbar.“81 In dieser Situation konnte nur noch ein radikaler Schnitt helfen. Unter dem Sozialdemokraten Rudolf Hilferding vorbereitet, von Hans Luther und Hjalmar Schacht umgesetzt, wurde nach zähen Verhandlungen am 15. November 1923 mit der Einführung der Rentenmark zum Kurs von 1 Billion Papiermark = 1 Rentenmark der Anfang grundlegender Stabilisierung gemacht. Bis Ende 1924 war eine erste wichtige Etappe auf diesem Weg erreicht. Wirtschaft und Währung waren gefestigt, das Reich verfügte endlich über genügend Mittel zur geordneten, freilich immer noch sparsamen Haushaltsführung. Möglich geworden war die Rettung auch, weil bei den Siegermächten inzwischen ein Umdenken eingesetzt hatte, wonach das Deutsche Reich ohne ausreichende Wirtschaftsleistung und stabilem Geld niemals würde Reparationen entrichten können. Diese Einsicht führte zum sogenannten Dawes-Plan vom 30. August 1924, der dem Reich einen Zahlungsaufschub bis 1926/27 gewährte und die Wiedereinführung der Goldmark sowie die Errichtung einer unabhängigen Notenbank gestattete. Außerdem konnte eine Auslandsanleihe über 800 Millionen Goldmark aufgenommen werden. Wer der eigentliche Urheber der Rentenmark war, ob Hilferding, Luther oder Schacht, darüber wurde schon zeitgenössisch spekuliert. In seinem Rückblick aus dem Jahr 1928 gab Popitz die Version zum besten, daß Luther, auf die Frage, ob er der Vater der Rentenmark sei, geantwortet habe, „der Vater sei ungewiß, aber die Mutter sei jedenfalls das Reichs­ finanzministerium“.82 Die Gesundung von Währung und Wirtschaft kostete einen hohen Preis. Vor allem der Mittelstand wurde brutal geschröpft, denn hier war man schon im Krieg besonders zahlreich den patriotischen Aufrufen gefolgt und hatte die insgesamt neun Kriegsanleihen in der Sprungbrett Republik  57

sicheren Erwartung gezeichnet, daß der Staat seinen Verpflichtungen nachkommen würde. Nun war endgültig alles Sparvermögen verloren, die Aussteuerpolicen der Töchter waren wertlos geworden wie die Rücklagen für das Studium der Söhne. Das gewerbliche und gebildete Bürgertum verarmte auf breiter Front und sah sich dem sozialen Abstieg preisgegeben. Diese Erfahrung erreichte traumatische Qualität. Das Vertrauen der Mittelschicht in den Staat hatte einen empfindlichen Schlag erhalten, der noch heute in der verbreiteten Inflationsangst vieler Deutscher nachwirkt. Jemand ohne größeres Geldvermögen wie Johannes Popitz stand sich da im Grunde besser. Der hohe Reichsbeamte in zentraler Funktion wurde nicht von sozialen Abstiegsängsten geplagt, für seine junge, nach der Geburt der Tochter Cornelia 1922 und bald darauf des zweiten Sohnes Heinrich auf fünf Personen angewachsene Familie sorgte er mit ausdauernder Arbeitsenergie selbst. Aber er wußte um die geistigen und politischen Verwerfungen, die Revolution und Inflation in die staatsnahen Milieus getragen hatten. Die Autorität des Staates, der sich gleich zweimal als „Betrüger“ gegenüber dem Bürger gezeigt hatte, war schwer erschüttert. Popitz’ eigene staatstreue Haltung blieb davon, wie es scheint, unberührt. Darin war er sich mit den politisch gemäßigten Vertretern der Republik einig und arbeitete wie sie fieberhaft an der Konsolidierung der soeben angebahnten Gesundung. Ohne Geld war kein Staat zu machen – und Steuern waren das gebotene Mittel zur Geldbeschaffung.83 Seit September 1921 amtierte Popitz als Ministerialdirektor im Reichsfinanzministerium, er hatte die Steuerabteilung übernommen mit der Zuständigkeit für die Besitz- und Verkehrssteuern, den Finanzausgleich zwischen Reich und Ländern und war für die Personalverwaltung verantwortlich. Zu seinen Mitarbeitern besaß er, wie es scheint, ein gutes Verhältnis, wenngleich er übereinstimmenden Aussagen nach alles andere als ein „bequemer Vorgesetzter“ war. Er verlangte viel, mitunter zuviel von seinen Leuten. Sein Führungsstil war autoritär distanziert, Bummelei im Dienst oder Umständlichkeit in der internen Kommunikation waren ihm verhaßt, und oft genug stöhnten die Beamten unter den hohen Anforderungen. Er selbst ging mit gutem Beispiel voran, obwohl seine schwächliche Konstitution oft genug der 58  Sprungbrett Republik

Schonung bedurft hätte. Ein „Vorbild und Ärgernis“ zugleich, sahen die meisten Beamten dennoch zu Popitz auf und ließen sich von ihm zu Höchstleistungen motivieren. Zu Popitz’ Geheimnissen als Abteilungschef zählte, daß er offenbar bewußt „Reibungen“ in den Verwaltungsablauf einbaute, wohl um dem Aufkommen gedankenloser Routine vorzubeugen und die Beamten zum konzentrierten Mitdenken anzuhalten. Daneben zeigte er sich mal unnahbar, wenn er ein Arbeitsergebnis scharf kritisierte, mal zugänglich, wenn er bisweilen den Sorgen eines Mitarbeiters zuhörte. Er habe mit den Menschen gespielt „wie die Katze mit der Maus“, heißt es bei Wilhelm Markull, einem langjährigen Mitarbeiter, und er habe diese Spiele in aller Regel gewonnen. Doch muß er es darin auch schon mal übertrieben haben und mitunter blind gewesen sein für die Gefühle anderer. „Es ist doch etwas Eigenartiges um einen Menschen, der eine Haupt- und Nebenbefriedigung darin sucht, andere zu kränken und zu ärgern und desto mehr, je treuer sie ihm an sich ergeben sind“, klagte Rolf Grabower 1922 gegenüber seiner Mutter. Da stand er, Popitz’ Mitarbeiter der ersten Stunde, gerade vor einer Dienstreise gemeinsam mit dem Chef, auf die er sich so gar nicht freute. Später führte er sogar das Scheitern seiner Ehe mit einer Enkelin Rudolf Virchows auf die vom Vorgesetzten Anfang der zwanziger Jahre erzwungene hohe Arbeitsbelastung zurück. Popitz hatte seine Leute im Griff und nahm sie, wenn es ihm opportun erschien, über die Grenzen der Belastbarkeit hinaus in die Pflicht.84 Im August 1922 verlieh die Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität Popitz die Würde eines Honorarprofessors in der Juristischen Fakultät. Das war damals anders als heutzutage eine seltene Ehre für den, der sich außerhalb der Universität wissenschaftlich verdient gemacht hatte. In diesem Fall wird man sogar mit der Behauptung nicht zu weit gehen, daß Popitz mit seinen Arbeiten zur Begründung einer modernen Finanzwissenschaft erheblich beigetragen hat. Sein 1921 erschienener Kommentar zum Umsatzsteuergesetz war ein voluminöses Werk von über tausend Seiten, das neben seiner Ministeriumstätigkeit entstanden war und allein schon den akademischen Ritterschlag rechtfertigte. Dies wie seine übrigen Arbeiten wurden wegen ihrer Sprungbrett Republik  59

Präzision und gedanklichen Klarheit allgemein hoch gelobt. Der muntere Ministerialrat vom Wilhelmsplatz sollte damit an gleich zwei Orten auf sich aufmerksam machen. Schon im Herbst 1919 war die Berliner Handelshochschule auf Popitz zugekommen und hatte ihn um die Organisation einer Vorlesungsreihe gebeten. Er gab dieser Bitte bereitwillig nach und übernahm für gut zwei Jahre die Leitung der „Fachgruppe Steuerwesen“ an der Hochschule. Eine solche Dozentur war sowohl ideell wie materiell einträglich und sorgte für die Verbreitung seines wissenschaftlichen Ruhms. Kaum ein Jahr später hatte auch die Juristische Fakultät an der Berliner Universität Popitz’ Talent entdeckt und ihn sogleich auf eine Berufungsliste gesetzt. In der Begründung hieß es von ihm, er sei eine wissenschaftliche „Autorität auf dem Gebiet des Steuerrechts“, verfüge darüber hinaus aber auch über umfassende Kenntnisse des Staats- und Verwaltungsrechts, so daß eine Berufung „für die Universität entschieden von Wert sein“ würde. Es wurde dann nichts daraus. Eine Plazierung an dritter Stelle hinter zwei namhaften ordentlichen Professoren reichte bei weitem nicht für einen Ruf, aber ehrenvoll war die Sache allemal für ihn. Immerhin handelte es sich um die Nachfolge von Erich Kaufmann, eines der führenden Staatsrechtler in der Weimarer Republik. Daß man Popitz in der Fakultät erwog, unterstreicht zudem, wie sehr er als Repräsentant des neuen Staats wahrgenommen wurde. Die Universität wußte freilich, sich auf andere Weise seiner Mitarbeit zu versichern, und nahm ihn als Honorarprofessor in den Lehrkörper auf. Popitz scheint auch in dieser Funktion erfolgreich gewesen zu sein, denn er las, wie es heißt, stets im Auditorium maximum vor gutgefüllten Rängen. Sein Lehrerfolg führte dazu, daß sich 1931 schließlich auch die Philosophische Fakultät um ihn als Dozenten bemühen sollte.85 Wie Popitz über die politische Entwicklung seit 1918 dachte, wie er die wiederholten Umsturzversuche und politischen Morde erlebte und wie er es auf die Dauer mit der Republik hielt, läßt sich nur vermuten. Sicher ist, daß er sich willig einspannen ließ, um den festgefahrenen „Deutschlandkarren“ wieder auf Erfolgskurs zu ziehen. Die Monarchie war ihm anfangs gewiß die sympathischere Staatsform, aber er wußte sich, Pragmatiker, der er war, mit der parlamentarischen 60  Sprungbrett Republik

Republik zu arrangieren, zumal dann, wenn es nun einmal nicht anders ging. Die auf den chaotischen Start folgenden „stabilen Jahre“ der Republik fügten sich jedenfalls beruflich wie privat bestens für Popitz. Im Reichsfinanzministerium rückte er im Januar 1925 neben David Fischer zum zweiten Staatssekretär auf, um nach dessen Weggang anderthalb Jahre später allein in dieser Position zu amtieren. Die zweite große Finanzreform 1925/26 trug seine Handschrift und stärkte seinen Ruf als exzeptioneller Finanzfachmann weiter. Nolens volens wuchs die Identifikation mit dem Weimarer Staat, wofür sein Beitrag im Jubiläumsband Zehn Jahre deutsche Geschichte 1918–1928 vielleicht den besten Beleg abgibt. Darin versammelten sich die Repräsentanten des Weimarer Staates zum Rückblick auf den erfolgreichen Wiederaufbau Deutschlands nach dem Desaster des verlorenen Weltkrieges. Neben Hans Luther, Hermann Oncken, Eugen Schiffer und vielen anderen Prominenten hatte auch Popitz einen engagierten Beitrag geliefert.86 Der oft zitierte Ausspruch des Historikers Friedrich Meinecke, er habe sich nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs vom Herzensmonarchisten zum Vernunftrepublikaner entwickelt, könnte also ebensogut aus Popitz’ Munde stammen. Schließlich trug zur Versöhnung mit der Gegenwart auch der private Erfolg bei. Das Beamtengehalt zusammen mit den Einnahmen aus seinen Publikationen hatte zum Bau einer Doppelhaushälfte in Berlin-Steglitz gereicht, die 1925 bezogen wurde. Es war ein geräumiges, aber nicht übermäßig großes Haus, der Baustil dem sachlichen Geschmack der Zeit entsprechend schlicht, doch mit deutlichen Anklängen an den preußischen Klassizismus verziert. Hinter dem Haus erstreckte sich ein großer Garten, der zum Verweilen einlud, aber in Notzeiten auch dem Anbau von Obst und Gemüse dienen mochte. Der Brentanostraße 50 hatten bewußter Gestaltungswille und kluges Augenmaß den Stempel aufgedrückt, Charakteristika, wie sie wohl generell dem Ehepaar Popitz eigen waren. Beiden lag viel an einem harmonischen Familienleben, in dem der Pater familias die Verbindungen ins öffentliche Leben schlug und die materielle Grundlage sicherte, die Mutter nach innen das Regiment führte. Darüber hinaus wurden enge verwandtschaftliche Kontakte Sprungbrett Republik  61

Wohnhaus von Johannes Popitz in Berlin Steglitz, Brentanostraße 50. Das Gebäude gehört heute der Freien Universität Berlin.

nach Haarlem wie nach Dessau gepflegt. Ein schwerer persönlicher Schlag traf Popitz 1924, als sein zwei Jahre älterer Bruder starb. In Erinnerung an ihn erhielt der im Jahr darauf geborene zweite Sohn den Rufnamen Heinrich.87 Mit dem beruflichen Aufstieg erwachte die vom Vater ererbte Reiselust, und Popitz unternahm die ersten großen Fahrten nach Übersee und Fernost. Hier trat ein anderer als der vermeintlich biedere Reichsbeamte zum Vorschein, jemand, der mit offenen Augen und Lust an der Erfahrung den Fuß in die Welt setzte. Seine lebhaften Reiseschilderungen verraten einen menschenfreundlichen Blick auf fremde Kulturen, deren Vorzüge und Nachteile mit den heimischen Verhältnissen verglichen wurden, ohne sich über Zeichen vermeintlicher Rückstän62  Sprungbrett Republik

digkeit zu mokieren. Im Gegenteil: Vielen Früchten der westlichen Kultur, wie sie durch Europäer und Amerikaner ins Reich der Mitte getragen worden waren, stand Popitz skeptisch gegenüber, wie den „klotzigen Geschäftsgebäuden mit derselben gräßlichen Architektur wie zuhaus“. Er riet dazu, China in der Provinz zu erkunden, dort, wo der westliche Einfluß noch gering, Land und Leute noch ursprünglich waren. „Wenn Du Dich nicht scheust, zu Fuss durch das Gewimmel der Rikschas, Wagen, Lastträger, Müssiggänger, Bettler, Soldaten und sonstigen Völker, durch Staub oder Schmutz und tausenderlei Gerüche und Düfte zu pilgern, wirst Du oft Gelegenheit haben, rechts und links der Strasse durch breite Torbögen Blicke in tiefgestreckte Höfe und Gärten mit hübschen Baum- und Blumengruppen und reizvollen architektonischen Details an den im Hintergrund versteckten Wohnhäusern zu werfen.“ Seinen Respekt rief der weithin reibungslose Verkehr auf den verstopften Straßen hervor, das Geschick der RikschaKulis, durch das Gewühl an Menschen und Fahrzeugen unfallfrei hindurchzufinden.88 Die alten Städte Chinas, meist noch mit Mauern und Türmen bewehrt, imponierten ihm, die Tempelanlagen und Pagoden vor allem der alten Kaiserstadt Peking fanden seine volle Bewunderung. Popitz pries die hochstehende Architektur und ihre kunstvolle Verarbeitung, in der sich die „Tradition einer alten Kultur mit reichen Überlieferungen und fein entwickeltem Form- und Farbgefühl“ aufs beste verbunden habe. Ihr Anblick erinnerte ihn an die Großartigkeit vieler heimischer Kulturdenkmäler und ließ ihn darüber räsonieren, „dass auch hier, in der fernen Provinz-Grosstadt in Inner-China das, was aus älterer Zeit stammt, reiner und starker Ausdruck der eigenen Kultur und Geschichte ist, gefällt, ‚stilvoll‘ wirkt, während das Neue, europäisch Beeinflusste, völlig aus dem Rahmen fällt und Missbehagen weckt“. Er schloß daraus, daß offenbar alle großen Nationen in ihrer Geschichte auf eine „,gute alte Zeit‘“ als Periode höchster kultureller Entfaltung zurückblicken konnten. Der Moderne mit all ihren Folgeerscheinungen mochte Popitz kaum Gutes abzugewinnen. Er legte eine modernisierungsskeptische Haltung an den Tag, die typisch für den gebildeten Konservativen der Zeit war und in zivilisationskritischen Sprungbrett Republik  63

Werken wie Der Untergang des Abendlandes erfolgreich unter die Leute gebracht wurde.89 Bevor Popitz ein Land bereiste, informierte er sich gründlich, nahm Reiseberichte und -führer zur Hand. Ihn interessierten die geographischen, historischen und politischen Besonderheiten ebenso wie Infrastruktur und Wirtschaft. Er legte die europäische Brille ab, um möglichst viel von dem wahrzunehmen, was die jeweiligen Eigenarten eines Landes ausmachte. Im Juli 1924 bereiste er Korea, das damals noch unter japanischer Herrschaft stand und im Horizont der meisten, selbst der gebildeten Deutschen, bestenfalls als geographischer Begriff existierte. Über die bornierte Unwissenheit seiner Landsleute machte sich Popitz keine Illusionen. Koreaner hielt man hier, wie er in seinem Bericht spöttisch aufspießte, für „putzig angezogene Menschen“, die geistig und kulturell auf primitiver Stufe stünden, ähnlich den Einwohnern Samoas. „Ist ja immer dasselbe mit diesen exotischen Völkern, die man hier und da im Zoo besichtigen kann“, ahmte er das undifferenzierte Geschwätz der Leute nach.90 Der Ferne Osten, namentlich Korea, faszinierte Popitz. So lobte er die Disziplin auf der Halbinsel, etwa die „pünktlich auf die Minute“ verkehrenden Eisenbahnlinien, die gute Ausstattung und den Service in den Zügen. Noch die kleinste Bahnhofsstation „machte einen ausgezeichneten Eindruck“, war geschmackvoll angelegt und gepflegt. Das Gleiche galt für die Hotels in Seoul, deren Gäste keinerlei Bequemlichkeiten zu missen brauchten, so daß Popitz wünschte, „in Deutschland immer so gut gereist“ zu sein wie hier. Nicht zu übersehen gewesen sei allerdings, daß es sich um ein besetztes Land handelte. Die Japaner übten eine strenge Herrschaft aus, wovon allein schon die hohe Präsenz von Polizei und Militär zeugte. Ausweis und Gepäck wurden intensiv kontrolliert und jeder Reisende an der Grenze über Zweck und Ziel ausgefragt. Als Popitz mit dem Schiff die Hafenstadt Fusan erreichte und das lebhafte Treiben an Land mit der Kamera festhalten wollte, signalisierten ihm japanische Polizisten, heftig mit den Armen rudernd, dies zu unterlassen. Nur weil er der Anweisung unmittelbar nachgekommen sei und den Apparat sogleich „folgsam“ wieder eingepackt habe, sei es beim bloßen Verhör an Land geblieben. 64  Sprungbrett Republik

Ausdrücklich vermerkt wurde, daß Deutsche gern gesehene Gäste in Korea waren. Popitz verwies auf das große wirtschaftliche Potential des Landes, das vorerst noch allein Japan zugute komme, aber in Zukunft vielleicht auch für deutsche Investoren interessant sein könnte. Die japanische Herrschaft über die Halbinsel sei nur eine Frage der Zeit. Er hielt es für ausgemacht, daß die Koreaner als ein Volk mit großer Geschichte und reicher Kultur wieder an Selbstbewußtsein gewinnen und die Fremdherrschaft irgendwann abschütteln würden. Schon sei der Slogan „,Korea den Koreanern‘“ zu vernehmen, „der den japanischen Herren vielleicht noch einmal schwere Sorgen bereiten wird“.91 Abschließend warb Popitz darum, daß sich Europa in diesem Teil der Erde wirtschaftlich mehr engagiere. Das Potential sei gewaltig, und es würde auch politisch von Vorteil sein, an seiner Erschließung beteiligt zu werden. Ansonsten sah er, allein mit dem Blick auf China, für die Zukunft des Abendlandes düstere Wolken aufziehen, zumal dann, wenn die europäischen Staaten sich weiterhin bekämpften, statt der Welt als Einheit gegenüberzutreten. Die „bisherige Weltbeherrschung“ sei keineswegs bis in alle Ewigkeit garantiert, vielmehr bestehe die Gefahr, daß Europa von den Menschenmassen Asiens einmal buchstäblich überrannt werden könnte: „Europa ist klein, und die Erde ist gross, und der ferne Osten ist ihr grösstes Menschenreservoir!“ Die Angst vor der aufstrebenden Macht Asiens, der „gelben Gefahr“, war seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert tief im Gedankenrepertoire auch der deutschen Eliten verankert.92 Eine Ostasienreise, wie sie Popitz in den 1920er Jahren unternahm, war eine kostspielige Seltenheit und konnte sich selbst ein Staatssekretär im Reichsfinanzministerium keineswegs jedes Jahr erlauben. Um so mehr dürfte sich Popitz über die Schiffspassage Hamburg – Montreal gefreut haben, die ihm Reichspräsident Hindenburg 1929 als Anerkennung für „seine außerordentlichen Verdienste“ zukommen ließ. Für die rund 3.700 Seemeilen brauchte ein Passagierdampfer der Hapag damals gut zehn Tage. Darum sorgten ein reges Gesellschaftsleben und eine abwechslungsreiche Freizeitgestaltung dafür, daß unter den Schiffsgästen keine Langeweile aufkam. Auch über diese Fahrt Sprungbrett Republik  65

Johannes Popitz, links, mit Frau Cornelia und Herbert Dorn auf einer Schiffsreise, ca. 1928

verfaßte Popitz einen Reisebericht, der ihn als launigen Beobachter seiner Umgebung ausweist. Mokant schilderte er die Bemühungen „eine[r] junge[n] Dame im Alter von mindestens 60 Jahren“, tagsüber mit lässiger Freizeitkleidung, abends in großer Toilette aufzufallen, tief ausgeschnitten und mit „nackten Armen (ein Anblick, um seekrank zu werden)“. Eine andere „reife ‚schöne‘ Frau“ habe sich am liebsten in Begleitung ihrer vollkommen reizlosen Tochter gezeigt. Für die Renommier- und Geltungssucht solcher Damen besaß Popitz wenig Verständnis, dem Natürlichkeit und Anmut attraktive Attribute von Weiblichkeit waren, vielleicht so, wie sie Fontane der Lene im Roman Irrungen und Wirrungen zugeschrieben hatte. Die nach dem Krieg in Mode gekommene Zigaretten rauchende Frau war Popitz, der selbst 66  Sprungbrett Republik

Raucher war, dagegen ein Graus. Markante „Typen“ fand er indes auch unter den Männern auf dem Schiff, den jungen reichen Amerikaner, der von „Beruf Sohn“ zu sein schien, oder den englischen Lord, der seine Umgebung stets in derselben „steifen ablehnenden Haltung“ gemustert habe. Es sei sehr förmlich zugegangen auf der AtlantikPassage, anders als auf den Pazifiklinern seiner Asienreise, die, von Chinesen bewirtschaftet, eine weit ungezwungenere Atmosphäre besessen hätten. Dort sei auch schon mal „ein dicker Mr. Cohen aus Chicago“ anzutreffen gewesen, der „ohne Rock und Weste und mit herunterhängenden Hosenträgern im Rauchzimmer beim Bridge sitzt“. Solche Freizügigkeit verbot sich natürlich in der feinen anglo-amerikanischen Gesellschaft. Und auch Popitz selbst hätte sich niemals in dieser Form öffentlich gehen lassen.93 Die Eheleute genossen die Schiffsreise in vollen Zügen, zumal Crew und Mitreisende sich ihnen gegenüber korrekt und höflich verhielten, wie der Bericht ausdrücklich vermerkte. Die jahrelange Ächtung alles Deutschen nach dem großen Krieg hatte die Menschen empfindlich gemacht. Um so dankbarer reagierten sie, als man sich wieder als ebenbürtig angenommen fühlte in der Welt. Hindenburgs Reisegeschenk kam aber noch in anderer Hinsicht zur rechten Zeit. Popitz war gesundheitlich erschöpft, aufgerieben in den Auseinandersetzungen um die Abwehr des stets von neuem drohenden Staatsbankrotts infolge der seit 1928 andauernden Konjunkturkrise im Reich. Es war eine kräftezehrende Situation mit überraschendem Ausgang, als nämlich Reichsfinanzminister Hilferding und Popitz im Dezember 1929 gemeinsam von ihren Ämtern zurücktraten. Die Entscheidung erregte Aufsehen in der Öffentlichkeit und ließ den Staatssekretär „von Ewigkeit zu Ewigkeit“ mit einem Schlag in neuem Licht erscheinen. Mit der Durchführung der zweiten Finanzreform Mitte der 1920er Jahre war Popitz eine bekannte Figur im öffentlichen Raum geworden. Man wird Ähnliches von keinem anderen Staatssekretär dieser Jahre sagen können, obwohl es gewiß viele fähige Leute unter ihnen gab, die ähnlich gute und wichtige Arbeit leisteten. Aber Popitz überspielte sie alle. Allein, daß er die Regierungsposition im Reichstag stets engagiert mit Eloquenz und Witz verteidigte, war nicht selbstverständlich und Sprungbrett Republik  67

Johannes Popitz, Kreidezeichnung eines Unbekannten, 1928/30

brachte ihn manches Mal prominent in die Tagespresse. Hier berichtete man je nach politischem Standort ganz unterschiedlich und nicht immer nobel über seine Auftritte, ließ aber an der außerordentlichen Befähigung wie am Durchsetzungswillen gerade dieses Staatssekretärs keinen Zweifel. „Der Prokurist im Steuerschlachthaus“ hieß es im August 1925 im linksliberalen Montag Morgen unter der Rubrik „Kopf der Woche“ verstohlen beifällig über ihn. Und im Januar 1927 machte das Blatt abermals mit einer Karikatur und passender Bildunterschrift „Staatssekretär Popitz: Der Seiltänzer überm Defizit-Abgrund“ auf. Nicht die vielfach wechselnden Finanzminister, sondern Popitz firmierte als der „Steuergewaltige in Deutschland“, als der, für den es eine Ehrensache sei, „in der Frage, in der er sich festlegt, nicht zu unterliegen“.94 68  Sprungbrett Republik

Als man 1925 an die Überarbeitung des Erzberger’schen Steuersystems ging, war die Anpassung der Tarife an die inzwischen konsolidierten Wirtschaftsverhältnisse das Ziel. Das zurückliegende Steuerjahr hatte einen namhaften Überschuß in die Staatskasse gespült, und auch die Voraussagen für das laufende Jahr sahen zunächst günstig aus. Fast alle Steuern erfuhren im Zusammenspiel von Reichsregierung, Reichsrat und Reichstag nun eine Neuregelung, und zwar mittels eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens, nachdem die Maßnahmen zur Währungsreform noch als Steuernotverordnungen auf dem Erlaßweg durchgesetzt worden waren. Die Einkommens- und Körperschaftssteuer wurde auf ein einheitliches Veranlagungsverfahren umgestellt, die Lohnsteuer mehrmals herabgesetzt. Auch die Verbrauchssteuern sanken durchweg, nur die auf Tabak und, politisch besonders hart umkämpft, diejenigen auf Bier stiegen. Die Umsatzsteuer fiel 1925 erst auf 1%, 1926 dann durch ein weiteres Steuermilderungsgesetz auf nur noch 0,75%. Dies war freilich schon der schweren Wirtschaftskrise geschuldet, die Deutschland im Herbst 1925 erreicht und für einen rasanten Anstieg der Arbeitslosenzahlen gesorgt hatte.95 Unter den vier im Zeitraum zwischen 1925 und 1928 amtierenden Reichsfinanzministern war der liberale Demokrat Peter Reinhold der mit dem energischsten Impuls zur steuerlichen Entlastung der Wirtschaft bei gleichzeitig sparsamster Haushaltsführung. Der studierte Nationalökonom hatte sich als Finanzminister in Sachsen einen Namen gemacht und war im Januar 1926 von Reichskanzler Hans Luther in das Regierungskabinett berufen worden. Reinhold schwor auf die Ideen John Maynard Keynes’ und dessen Programm einer marktwirtschaftlich orientierten Staatsordnung mit schlankem Steuersystem. Die Thesaurierungspolitik seines Vorgängers Otto von Schlieben lehnte er schroff ab und verordnete dem Reich eine Finanzpolitik „hart am Defizitabgrund“: Es sollten die staatlichen Einnahmeüberschüsse des letzten Jahres über Steuerentlastungen dem Wirtschaftskreislauf wieder zurückgegeben und weitere Überschüsse künftig vermieden werden. Gleich nach Amtsantritt führte Reinhold gegen starken Widerstand im Reichstag die entsprechenden Maßnahmen durch. Gleichzeitig wandte er sich im Mai 1926 mit einem Schreiben an seine MinisterSprungbrett Republik  69

kollegen und bat mit dem Hinweis auf die prekäre Finanzlage des Reichs um sparsamste Ausgabenpolitik.96 Reinholds finanzpolitischer Kurs war ganz nach dem Geschmack von Popitz, und die durch die wiederbelebte Wirtschaft 1927 wieder stärker sprudelnden staatlichen Einnahmequellen gaben beiden recht. Allerdings wurden in der Ära Reinhold auch die Grundlagen für die spätere schwere Finanzkrise im Reich gelegt, als der Minister nämlich dazu überging, Ausgaben des außerordentlichen Haushalts mittels Anleiheermächtigungen zu begleichen. Die Reinhold-Anleihe diente der Finanzierung großer Arbeitsbeschaffungsprogramme, ein Lieblingskind von Sozialdemokraten und Zentrum, das auch in der Bevölkerung große Zustimmung fand. So geriet die Regierung unter beträchtlichen Druck, während der Finanzminister selbst gar nichts von solchen Programmen hielt. Er setzte ganz auf die private Initiative des Unternehmers und war ein scharfer Gegner sowohl der künstlichen Belebung des Arbeitsmarktes wie der staatlichen Finanzspritzen für notleidende Betriebe. Letzteres bezeichnete er als „fatale Subventionspolitik“. Aber auch die schier unstillbare Ausgabenfreude der Parlamente war Reinhold ein Dorn im Auge. In den stabilen Jahren der Republik hatte nicht nur das Reich, sondern hatten auch Städte und Gemeinden an eigener Wirtschaftstätigkeit Gefallen gefunden und sich vielfach zu Großbetrieben gemausert. Krankenhäuser, Schulen, Schwimmbäder und sonstige Einrichtungen entstanden allerorten im Reich durch die öffentliche Hand, wobei die Mittel in aller Regel kreditfinanziert waren. Popitz blickte skeptisch auf die Ausdehnung der kommunalen Stellenpläne wie auf den lebhaften „Unternehmungsgeist der Gemeindewirtschaft“, den er im Rahmen des Finanzausgleichs sowie der anstehenden Verfassungs- und Verwaltungsreform einmal „zu zügeln“ hoffte. Aber vorerst schien kein Kraut gewachsen gegen die Investitionslust der Stadtväter. Auch deshalb stimmte Popitz gemeinsam mit seinem Minister für die dauerhafte Beschäftigung des Reichssparkommissars Saemisch, der die öffentlichen Ausgaben überwachen sollte.97 Die an sich kluge Überlegung Reinholds, die Kosten für langfristige Vorhaben wie das große Arbeitsbeschaffungsprogramm im Reich zum Kanal- und Autobahnbau auch langfristig zu finanzieren, scheiterte 70  Sprungbrett Republik

am Ende daran, daß die Anleihen am Markt kaum absetzbar waren. Trotzdem erteilte die Regierung immer wieder neue Anleiheermächtigungen, die sich 1928 auf eine Höhe von 661 Millionen Reichsmark summierten. Die Ausgaben, zu deren Deckung das Verfahren dienen sollte, mußten nun doch aus laufenden Einnahmen bestritten werden, was wiederum die Haushaltsaufstellung wie die Kassenlage gefährdete. Schließlich lasteten alljährlich beträchtliche Reparationszahlungen auf dem Finanzhaushalt. Auf diese Schieflage machte Popitz in den Ministerbesprechungen wiederholt aufmerksam, und im schon erwähnten Beitrag zur Festschrift Zehn Jahre deutsche Geschichte drückte er seine Sorge darüber auch öffentlich aus. Spätestens 1928 lag dann das Kind im Brunnen und war guter Rat, wie es wieder herauszubringen sei, teuer. Die Ära Reinhold gehörte da schon geraumer Zeit der Vergangenheit an. Seit dem 28. Juni 1928 residierte Rudolf Hilferding im Ministerium am Wilhelmsplatz.98 Nach seinem Intermezzo im Krisenjahr 1923 trat der Sozialdemokrat im Sommer 1928 ein zweites Mal an, nun als Mitglied einer Großen Koalition unter Reichskanzler Hermann Müller. Von den vielen Reichsregierungen der Weimarer Republik sollte diese am längsten halten, nämlich von Juni 1928 bis März 1930. Es sollte allerdings auch das letzte auf eine Parlamentsmehrheit gestützte Kabinett sein. Die Sozialdemokraten hatten mit dem Austromarxisten Hilferding ihren besten Mann an die Front geschickt, einen Theoretiker von Rang, dessen ökonomischer Sachverstand seit Erscheinen seiner großen Studie Das Finanzkapital 1910 weithin anerkannt war. Aber angesichts der desolaten Finanzlage stachen auch seine Karten nicht. Unter anderem hatte das Reich mit gewaltigen Liquiditätsproblemen zu kämpfen, die dem Minister und seinem höchsten Beamten an jedem Monatsende und zu jedem Quartalswechsel den Schweiß auf die Stirn trieben. Außer den Fehlern, die mit der Anleihepolitik seit Reinhold gemacht worden waren, und der finanziellen Dauerbelastung durch die Reparationszahlungen rührte die Finanzknappheit ab dem Sommer 1928 aus der erlahmenden Binnenkonjunktur. Die Steuerschätzungen trafen nicht mehr zu, was die Etataufstellung erschwerte, zu weiteren Kreditaufnahmen zwang und das Defizit kontinuierlich erhöhte. Mit Sprungbrett Republik  71

einbrechender Konjunktur stiegen die Arbeitslosenzahlen und damit verbunden die Sozialkosten. Die 1927 im Reich eingeführte Arbeitslosenversicherung hatte man allzu optimistisch auf einen Höchststand von 800.000 Arbeitslosen berechnet, der nun rasant nach oben schnellte und zwei Jahre später bereits bei drei Millionen lag. Das riesige Loch in der Versicherungskasse mußte immer wieder durch Zuschüsse aus dem klammen Reichshaushalt gestopft werden. Wie dieses Dilemma zu überwinden, wie der Haushalt zu konsolidieren und dabei der soziale Friede zu erhalten sei, darüber stritten sich im Parlament die Geister. Die wirtschaftsnahen Parteien hielten Ausgabenverringerung in Kombination mit einer Erhöhung der Verbrauchssteuern für das beste Rezept und forderten Leistungskürzungen im sozialen Sektor. Das war mit den Parteien auf der Linken und dem Zentrum nicht zu machen, die beides rigoros ablehnten oder allenfalls partiell einwilligen wollten, wenn auch die Reichen durch höhere Besitz- und Einkommenssteuern zur Kasse gebeten würden. Aber das wiederum erzeugte im bürgerlichen Lager Widerstand. Ein Kompromiß war nicht in Sicht. Durch Notverordnungen ein Machtwort zu sprechen, blieb Reichskanzler Müller durch Hindenburg verwehrt.99 Als sei damit der Malaisen noch nicht genug, kam mit dem manifesten Streit um die Ratifizierung des Young-Plans 1929 noch eine weitere Schwierigkeit hinzu. Der nach zähen Verhandlungen in Paris endlich vorgelegte Vertrag versprach dem Reich spürbare Erleichterungen bei den Reparationslasten und stellte die weitere Räumung des Ruhrgebiets in Aussicht. Selbst wenn sich Reichsregierung und Reichsbank auch deutlich mehr erhofft hatten, war das Vertragswerk ein Erfolg. Aber die politische Rechte machte Front dagegen. Deutschnationale und Nationalsozialisten zogen gemeinsam mit enormem Propagandaaufwand gegen die Reichsregierung zu Felde und forderten ein Volksbegehren zur Ablehnung des Vertrages. Die Anti-Young-PlanKampagne war das beherrschende Thema in den Herbst- und Winterwochen des Jahres 1929 und fachte die aufgeheizte politische Stimmung im Land weiter an. Daneben setzte mit der Weltwirtschaftskrise der konjunkturelle Abschwung im Deutschen Reich ein.100

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Schließlich fehlten dem Reich gegen Ende des Jahres rund 330 Millionen Mark in der Kasse, und wieder einmal drohte zum Jahreswechsel der Staatsbankrott. Mit Einverständnis der Reichsregierung, doch an der Reichsbank vorbei, sondierten Hilferding und Popitz nun in den USA die Chancen für einen kurzfristigen Überbrückungskredit. Die Verhandlungen mit dem Bankhaus Dillon, Read & Co. gestalteten sich mühsam, bis sie am Ende scheiterten. Denn inzwischen hatte Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht Wind bekommen von der Aktion und „war außer sich vor Wut“, weil sich Hilferding der Kontrolle durch die Reichsbank entzogen hatte. Mit einer Mitteilung an die amerikanischen Verhandlungspartner des Finanzministeriums vereitelte Schacht das Zustandekommen des Geschäfts. Ein energischer Kritiker der Regierung Müller, deren Finanzpolitik er öffentlich als unsolide abqualifizierte, sah Schacht nun beim Bittgang der Reichsregierung um Kredit eine günstige Gelegenheit zur Disziplinierung. Er setzte dem Kanzler die Pistole auf die Brust und forderte die sofortige Einrichtung eines Tilgungsfonds, gespeist aus umfänglichen Mittelkürzungen und Steuererhöhungen, wohl wissend, wie schwer seine Forderungen im Reichstag umzusetzen sein würden. Außerdem sollte die Beschaffung von Auslandskrediten künftig allein Sache der Reichsbank sein, was die Regierung unmittelbar in deren Abhängigkeit brachte. Im Reichsfinanzministerium hielt man Schachts „Diktat“ schlicht für Erpressung.101 Der Reichsbankpräsident wagte ein gefährliches Spiel im elften Jahr der Republik. Dabei schienen weniger sachliche Gründe als vielmehr die Umstände sowie beträchtlicher Eigensinn sein Verhalten bestimmt zu haben. Der 1877 im deutsch-dänischen Grenzgebiet geborene Schacht war brennend ehrgeizig und hatte es nach dem Studium der Volkswirtschaft noch im Kaiserreich zielstrebig bis in die Vorstandsetage der Dresdner Bank geschafft. Politisch von Friedrich Naumann herkommend, gehörte er 1918 zu den Mitbegründern der DDP. Seine Wahl an die Spitze der Reichsbank 1923 verdankte er der Vermittlung Gustav Stresemanns, nachdem kurz zuvor sein Versuch, als Nachfolger Rudolf Hilferdings das Reichsfinanzministerium zu übernehmen, am Widerstand der höheren Beamten in der Wilhelmstraße gescheitert Sprungbrett Republik  73

war. Hier präferierte man klar den Deutschnationalen Karl Helferich. Um Schacht, den „ausgewiesenen Liberalen und Gegner von Sonderinteressen“, zu verhindern, hatte Staatssekretär Franz Schroeder der Reichsregierung eine alte, den Kandidaten angeblich belastende Geschichte aus dem Weltkrieg gesteckt. Diese gezielte Denunziation begründete die Spannungen im Verkehr zwischen Reichsbank und Finanzministerium, wobei Popitz bald zu den „schärfsten Kritikern“ Schachts zählte. Doch dessen Stellung war praktisch unangreifbar. Weder die Reichsregierung noch der Reichspräsident, sondern allein eine Mehrheit im Reichsrat hätte einen Wechsel an der Reichsbankspitze herbeiführen können. Schließlich spielte die schwierige finanzielle Lage zur Jahreswende 1929/30 Schacht in mehr als einer Hinsicht in die Hände. Er nutzte die Situation, um seinen Einfluß auf die Ausgabenpolitik des Reichs zu vergrößern und sich zugleich aus der Mitverantwortung für das Young-Abkommen zu stehlen. Vor allem aber ergriff er die günstige Chance, den ihm verhaßten Rudolf Hilferding aus dem Amt zu drängen.102 Schon während der kurzen ersten Ministerschaft Hilferdings 1923 hatte sich Schacht vielfach abschätzig über den Sozialdemokraten geäußert, dessen Vorstellungen vom „organisierten Kapitalismus“ konträr zu seiner Auffassung vom Spiel der freien Kräfte in der Wirtschaft standen. Die Abneigung war mit den Jahren nur weiter gewachsen, woraus Schacht auch öffentlich kein Geheimnis machte. Nun prangerte er die vermeintliche Unfähigkeit Hilferdings bei jeder Gelegenheit an und schlug einem Journalisten während eines Gespräches sogar einmal spaßeshalber vor, „eine Volksversammlung zum Lustgarten ein[zuberufen] und einen Ball unter die Menge [zu werfen], und den, den der Ball trifft, den machen Sie zum Finanzminister, der wird immer noch besser sein als Hilferding“. Eine solche Äußerung mochte aus dem Munde eines Privatmanns witzig klingen, bei einem Reichsbankpräsidenten ging dies aber entschieden zu weit. Verbale Attacken wie diese sowie Schachts maßlose Kritik an den Kreditverhandlungen mit Dillon, Read & Co. provozierten schließlich Forderungen der politischen Opposition nach einem Rücktritt des Finanzministers. Schon kursierte in der Tagespresse die Meinung, daß nicht nur der 74  Sprungbrett Republik

Minister, sondern auch sein höchster Beamter fällig sei. Hilferding zögerte. Sein Staatssekretär besaß ein feineres Sensorium für die Situation und entschloß sich einen Tag vor dem Minister zur Amtsniederlegung. Reichspräsident Hindenburg gab schließlich beiden Rücktrittsgesuchen am 21. Dezember 1929 statt.103 Nun waren politische Demissionen in der Weimarer Republik keine Seltenheit und erregten zu dieser Zeit gewöhnlich kein großes Aufsehen mehr – doch in diesem Fall war das anders. „Dramatischer als je bis dahin vollzog sich der Rücktritt dieses Staatssekretärs“, klang es noch zwei Jahre später in der Vossischen Zeitung nach. Denn „entgegen bestehender Gepflogenheiten“, so das Blatt weiter, hatte Popitz „sein Abschiedsgesuch“ öffentlich mitgeteilt. Das war ungewöhnlich für einen Staatssekretär und mußte etwas zu bedeuten haben. Alle großen Tageszeitungen kommentierten das unerhörte Ereignis: Der „Steuergewaltige“ hatte kapituliert.104 In seiner Erklärung nannte Popitz im wesentlichen zwei Gründe für seine Entscheidung. Zum einen machte er die erzwungene „Unterwerfung unter die Bedingungen des Reichsbankpräsidenten“ geltend. Damit würde massiv in die Arbeit des, wie er meinte, „wichtigsten Ministeriums“ im Reich eingegriffen und zugleich das bisher dort Geleistete abgewertet. Vor allem aber sah er die Autorität der Reichsregierung erschüttert; „die Reichsbank“, so hatte er in einer Besprechung argumentiert, „sei der Berater, nicht der Vormund des Reiches“. Zum anderen verwies er auf die zunichte gemachten Pläne des Hauses, der schwächelnden Konjunktur mit einer neuerlichen „Steuersenkungsaktion“ aufzuhelfen. Schachts Forderung nach Steuererhöhungen zielte aber in die entgegengesetzte Richtung und war angesichts der Weltwirtschaftskrise „konjunkturpolitisches Gift“. Solches wollten Hilferding und Popitz dem Reich keinesfalls verabreichen. Der Minister brachte die gemeinsame Position in einem Dankschreiben an seinen Staatssekretär wenige Tage nach dem Rücktritt auf den Punkt: „Wir sind im Kampf um die Bewahrung der Autonomie der verfassungsmäßigen Gewalten gegen Einflüsse von außen jetzt unterlegen. Aber dieser Kampf war nötig für die zukünftige Entwicklung und Stärkung der Demokratie in Deutschland.“ Eine Reaktion von Popitz Sprungbrett Republik  75

darauf fehlt, doch dürfte er da noch die Auffassung Hilferdings im wesentlichen geteilt haben.105 Popitz Entscheidung erfolgte nicht spontan, allein aus Ärger über Schacht, angesichts der akuten Finanzkrise oder aus Mitgefühl mit seinem Chef. An Störungen war er sattsam gewöhnt, auch hatte er im Laufe der Jahre gelernt, schwierige finanzpolitische Situationen zu meistern und dabei mit Ministern ganz unterschiedlicher Couleur virtuos umzugehen. Eben dies hatte ja seine Unentbehrlichkeit im Ministerium begründet und ihm einen ungewöhnlich großen Freiraum verschafft, so daß mancher Zeitgenosse in ihm die eigentliche Ministeriumsspitze zu sehen meinte. Popitz zog im Hintergrund die Fäden und sorgte dafür, daß seine Chefs ihm möglichst blind vertrauten. Im Deutschen Volkswirt hieß es nach dem Rücktritt etwa über ihn, er sei „stärker und klüger [gewesen] als alle Minister, deren Politik er machte“. Und für die Industrie- und Handelszeitung war Popitz „eben im Laufe seiner Entwicklung mehr geworden als nur der erste technische Berater seiner Minister“. Nicht alle goutierten diese Selbständigkeit, dem Zentrumsmann Heinrich Köhler ging sie sogar entschieden zu weit.106 Der Chef am Wilhelmsplatz in den Jahren 1927/28 malte in seinen Memoiren ein wenig schmeichelhaftes Bild seines Staatssekretärs, der „an Zynismus, Verschlagenheit, Überheblichkeit, einem fast bis ins Krankhafte gesteigerten Ehrgeiz und einer manchmal geradezu lächerlichen Eitelkeit kaum seinesgleichen“ gefunden habe. Popitz habe das Ministerium vollkommen beherrscht, nichts sei seiner Kontrolle verborgen geblieben. Direkt unheimlich sei ihm der Mann gewesen – „ein wahrer Fouché des 20. Jahrhunderts!“ Köhlers Vergleich mit Napoleons Geheimdienstchef erscheint nur auf den ersten Blick absurd. Schon die Zeitgenossen vermerkten mit Unbehagen die „unkontrollierbare“ Macht des Staatssekretärs. Darüber hinaus besaß Popitz aber auch ein sicheres Gespür dafür, wann ein politisches Machtspiel verloren war. 1929 zog er noch vor dem Minister im Moment „des Unterliegens von Macht gegen Macht“ die Konsequenzen, nicht zuletzt, um politisch nicht dauerhaft zu „verbrennen“. So wie die Dinge lagen, war das parlamentarische System am Ende des Jahrzehnts an eine Grenze gestoßen. In welcher Form auch immer, es würde etwas Neues kommen, 76  Sprungbrett Republik

und dafür nahm sich Popitz schon einmal vorsorglich selbst aus dem Spiel. Jedenfalls wollte das die Tagespresse im Rückblick aus dem Jahr 1932 so sehen: Mit der öffentlichen Begründung seines Rücktritts, so meinte man hier, habe sich der Anspruch auf Wiederkehr verbunden. Nur für den Moment habe der eigentliche „Beherrscher des Finanzressorts“ eine kühl kalkulierte Pause eingelegt.107 Die Veränderung an der Finanzministeriumsspitze führte zu keinem grundsätzlichen Kurswechsel in der Steuer- und Finanzpolitik. Auch unter dem Nachfolger Paul Moldenhauer fuhr man auf dem bisherigen Gleis weiter und legte ein Deckungsprogramm auf, das eine Erhöhung der Verbrauchssteuern vorsah und zugleich für das nächste Jahr eine Steuersenkung in Aussicht stellte. Mit der Notverordnungspolitik sollte das erste Präsidialkabinett Brüning dann auch jenes zur Durchsetzung seiner Maßnahmen notwendige Instrument in die Hand bekommen, das Hindenburg der Großen Koalition noch hartnäckig verweigert hatte. Der eigensinnige Hjalmar Schacht quittierte im März 1930 den Dienst, sympathisierte danach offen mit den Nationalsozialisten, indem er energisch für deren weiteren Aufstieg warb. Drei Wochen später zerbrach die Große Koalition. Es knisterte hörbar in der Berliner politischen Luft zur Wende vom dritten zum vierten Jahrzehnt des Jahrhunderts.108 Der Privatmann Popitz blieb nicht untätig. Nach der Genesung von einer Tuberkuloseinfektion sowie einer ausgedehnten Erholungsreise nach Sizilien und Nordafrika nahm er sein reges Gesellschaftsleben wieder auf. Neben seiner Lehrtätigkeit an der Berliner FriedrichWilhelms-Universität übernahm er auftragsweise die Erstellung eines Gutachtens über die künftige Gestaltung des Reichsfinanzausgleichs. Daneben war er ein gern gesehenes Mitglied in verschiedenen Vereinigungen und Klubs der Hauptstadt. Hier traf man sich an exklusivem Ort zum geselligen Beisammensein und tauschte sich über Neuigkeiten aus. Schließlich rührte aus dieser Zeit die Verbindung zu dem Staatsrechtler Carl Schmitt. Irgendwann im Frühjahr 1929 begegneten sich die beiden Männer das erste Mal und wurden schließlich, trotz markanter Unterschiede in Charakter und Interesse, bald beste Freunde. Schmitts Tagebuch verzeichnet jedenfalls ab Januar 1930 regelmäßige Sprungbrett Republik  77

Einträge über gemeinsam im Restaurant der Deutschen Gesellschaft 1914 verbrachte Mittagsstunden. Oft stand die Tagespolitik zur Debatte. Aber es mangelte zu dieser Zeit auch sonst nicht an aufregenden Anlässen.109 Die Schwierigkeiten in den Anfangsjahren der Republik waren am Ende nicht kleiner geworden. Die Folgen der Weltwirtschaftskrise – Massenarbeitslosigkeit, Hunger und soziales Elend – wirkten sich in einem politisch und moralisch instabilen Gemeinwesen wie dem Deutschen Reich rasch gravierend aus. Rechter und linker Extremismus wuchsen und sorgten zumal in Großstädten wie Berlin oder Hamburg zeitweilig schon wieder für bürgerkriegsähnliche Zustände. Ihre Repräsentanten beherrschten freilich ebensogut das parlamentarische Spiel. Bei den Septemberwahlen 1930 trugen die Nationalsozialisten den Sieg davon, was ihre Zustimmungsfähigkeit in der Bevölkerung nachdrücklich befestigte. Die nationalsozialistische „Bewegung“ kam jung daher und schien Zukunft zu verheißen. Vertreter wie Programme der etablierten Parteien wirkten dagegen müde und abgegriffen. „Sie haben ihre Chance gehabt“, mochte mancher Wähler gedacht haben und sein Kreuz auf dem Wahlschein bei der NSDAP oder der KPD machen. Die parlamentarische Republik, so wie sie war, funktionierte einfach nicht. Sie würde sich verändern müssen.

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Gewagtes Spiel Im Wartestand. Reichskommissar in Preußen. Nationale Revolution

Berlins Aufstieg zur Kultur- und Kunstmetropole im Deutschen Reich setzte vergleichsweise spät, erst nach der Mitte des 19. Jahrhunderts, ein. Bis dahin hatte man in London, Paris, Rom oder Wien mit Geringschätzung auf die arme Stadt an der Spree gesehen, wo der Bau moderner repräsentativer Kultureinrichtungen und so profaner Dinge wie eine funktionstüchtige Kanalisation zeitlich in etwa zusammenfielen. Aber ziemlich schnell war die Verspätung aufgeholt, und um 1900 stand Berlin anderen großen Residenzen im Reich wie Dresden, München oder Stuttgart nicht nur ebenbürtig zur Seite, es übertraf sie in mancher Hinsicht noch. Auch brauchte die Reichshauptstadt den Vergleich mit den Weltstädten Europas nun nicht mehr zu fürchten. Wie ein Magnet zog Berlin die Avantgarde der Moderne an, bildende Künstler, Literaten, Intellektuelle und Musiker aus aller Welt ließen sich hier nieder. Wer auf sich hielt und etwas erreichen wollte im Leben, der kam an dieser Stadt und ihren Möglichkeiten kaum vorbei. Ihre Attraktivität ließ nach dem Krieg nicht nach, ja sie steigerte sich noch, als aus der Monarchie eine Republik geworden war.110 Die Erinnerungen an Berlin in den zwanziger Jahren, an das „goldene Zeitalter“ der Stadt, sind Legion. Sie wurde bewundert und geliebt, aber auch verachtet und gehaßt von denen, die keinen Gefallen finden mochten am avantgardistischen Experiment wie an der ungehemmt ausgekosteten Libertinage. Berlin besaß „ein Theaterleben der größten Mannigfaltigkeit und Erneuerungskraft, das ich so nie wieder gefunden habe“, schwärmte Hans Jonas von den modernen Inszenierungen Erwin Piscators oder Max Reinhardts und pries die regelmäßigen Schauspielbesuche im Rückblick als „wirkliche Kulturerlebnisse“. Kaum weniger enthusiastisch wurde das Musikleben der Gewagtes Spiel  79

Stadt gefeiert. Das befand sich freilich schon länger auf hohem Niveau, eilte aber nun mit den Philharmonikern unter Wilhelm Furtwängler von Höhepunkt zu Höhepunkt. Dazu kam das revolutionäre Medium Film, dargeboten in eigens errichteten Palästen, ein reiches Angebot an Vorträgen aller Art sowie eine ausgedehnte Presselandschaft, die keine Nachricht verschmähte und ihre Leserschaft morgens, mittags und abends mit Informationen versorgte. Jedermann konnte jederzeit auf seine Kosten kommen. Wer es weniger anspruchsvoll liebte, suchte das leichte Vergnügen in den Revuen der Varietees, wer auf erotische Abenteuer aus war, konnte auf ein ganzes Heer an Liebesdienern beiderlei Geschlechts zugreifen. Geselligkeit wurde groß geschrieben in der Stadt an der Spree, alleine mußte niemand bleiben. In rastloser Hast gingen die Menschen an die Verarbeitung der Depression, die Krieg, Niederlage und Revolution ausgelöst hatten.111 Auf Johannes Popitz übten die rauschhaften Seiten Berlins auch in reiferen Jahren keine Attraktion aus. Weder dem Dadaismus in der Literatur noch der abstrakten Malerei oder der musikalischen Avantgarde vermochte er viel abzugewinnen. Sein Kunstgeschmack blieb bürgerlich bieder, in der Malerei an den alten Meistern orientiert, in der Bildhauerei an Antike und Klassizismus und in der Musik am klassischen Repertoire von Bach über Beethoven bis Chopin. Was die schöne Literatur anlangt, so dürfte ihm das vor Augen gekommen sein, was das gebildete Bürgertum in den zwanziger Jahren neben Goethe und Fontane sonst noch so las: hoch im Kurs stehende Gegenwartsautoren wie Thomas Mann, Stefan Zweig, gelegentlich auch die mit Sozialkritik gewürzten Romane Hans Falladas. Aber ein großer Freund der modernen Belletristik war Popitz nicht. Eher fragte er sich manches Mal, warum das, was an menschlichem Schicksal von Goethe bereits in Vollendung geschildert worden sei, immer wieder von neuem aufgegriffen und – in der Regel schlechter – verarbeitet würde.112 Obwohl beruflich in ein enges Zeitkorsett gezwungen, führte Popitz in den 1920er Jahren ein reges Gesellschaftsleben – allerdings keines, das allein dem persönlichen Vergnügen nachging, sondern das sich stets zugleich einer höheren Zielsetzung verpflichtet wußte. Der Profession war geschuldet, daß er 1925 Mitglied in der gerade neugegrün80  Gewagtes Spiel

deten Friedrich-List-Gesellschaft wurde, einem Expertenkreis zum Auf- und Ausbau einer modernen Wirtschafts- und Finanzwissenschaft. Einer Herzensneigung folgte Popitz hingegen, als er, der glühende Liebhaber des antiken Griechenlands, im selben Jahr der Gesellschaft für antike Kultur beitrat. Hier übernahm er 1929 den Vorsitz und behielt ihn bis 1944.113 Mit der Gesellschaft untrennbar verbunden war der Name des damals wohl bedeutendsten Altphilologen im Deutschen Reich, Werner Jaeger. Der 1888 am linken Niederrhein geborene Gelehrte war ein Schüler des berühmten Gräzisten Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, dem er nach Stationen in Basel und Kiel 1921 auf dem Berliner Lehrstuhl nachgefolgt war. Jaeger war der Hauptvertreter des sogenannten Dritten Humanismus, einer zeitgenössischen Strömung in den Geisteswissenschaften, der es maßgeblich um die Bewahrung und Belebung des griechischen Bildungsgedankens im deutschen Erziehungswesen ging. Bekanntlich wurzelte das preußische Gymnasium wie überhaupt die gesamte höhere Bildung im Reich in diesem Ideal, von dem aber im latenten Konflikt für eine mehr an den Realien orientierte Schulbildung seit der Jahrhundertwende mehr und mehr abgerückt worden war. Die auf Demokratisierung und Egalisierung zielende Weimarer Bildungspolitik beschleunigte diesen Trend. Um der befürchteten geistigen Verflachung vorzubeugen, wurde Jaeger gemeinsam mit seinem Freund Eduard Spranger unermüdlich tätig. Beide beschworen sie die Gefahren, die sich mit einer allzu rationalistischen, ganz auf den raschen Wissenserwerb konzentrierten Erziehung verbinden würden, während es an Muße für die geistige Formung junger Menschen immer mehr fehle. „Rationalistische Entleerung und Abplattung des Lebens“ wurden vorausgesehen wie der Verlust „geistiger Individualität“. Dem wollte Jaeger mit dem humanistischen Programm der „Bildung des Menschen zum Menschen“ wirksam begegnen.114 Im Dessauer Fridericianum durch den strengen Lehrplan des Humanismus gegangen, teilte Popitz Jaegers Leidenschaft für die griechische Kultur. „Die Beschäftigung mit der Antike ist mir weit mehr als ein lieber Zeitvertreib“, bekannte er gegenüber Kollegen und Freunden. Sie beschränkte sich keineswegs auf Reisen an die berühmten Stätten Gewagtes Spiel  81

des Klassischen Altertums. Sein privates Studium der griechischen Philosophie und Staatsrechtslehre war umfassend und bildete das Fundament seiner politischen Überzeugung. Hier gründete sein Selbstbild als „Mann des Staates“, und hieraus entwickelte er sein Rechts- und Staatsverständnis. Er bewunderte die analytische Schärfe wie die Zeitlosigkeit des antiken politischen Denkens, das alles andere als „antiqarische Rarität“ sei, sondern der Gegenwart noch viel zu sagen habe. „Gewiß, wir sind keine Griechen, ganz andere Geistesströmungen und vor allem völlig veränderte wirtschaftliche Verhältnisse heischen Beachtung. Aber durch die Jahrhunderte hindurch erhellt dem Denkenden die menschlichen und staatlichen Zusammenhänge der griechische Geist.“ Am 23. April 1929 fand die erste Sitzung der Gesellschaft für antike Kultur unter seinem Präsidium statt. Tags darauf brachte der Berliner Börsen-Courier die Eröffnungsansprache „Was bedeutet die Antike für unsere Zeit?“ Popitz führte den Vorsitz der Gesellschaft mit leidenschaftlicher Sorgfalt und ließ keine Gelegenheit zur Mitgliederwerbung aus. Auch die im August des Jahres noch junge Bekanntschaft mit Carl Schmitt wurde dahingehend ausgelotet. Nur scheint den juristischen Feuerkopf das humanistische Anliegen des Kreises eher kalt gelassen zu haben. Er beließ es bei gelegentlichen Vortragsbesuchen. Der sich anbahnenden Freundschaft mit Popitz tat das keinen Abbruch – aber davon später.115 Einer alten Tradition folgend, wie sie in vielen großen und kleineren Städten des Reichs seit der Aufklärung gepflegt wurde, fand Popitz Aufnahme in einem der Berliner politischen Klubs, der Deutschen Gesellschaft 1914. Angeregt von Männern aus dem Regierungsumfeld Bethmann-Hollwegs, ins Werk gesetzt von namhaften Vertretern des öffentlichen Lebens wie Hans Delbrück, Walther Rathenau und Wilhelm Solf, hatte sich der Kreis im zweiten Kriegsjahr als politikberatendes Gremium konstituiert. Politisch war man auf keine bestimmte Richtung festgelegt, vielmehr fanden sich Anhänger ganz verschiedener Überzeugungen im Palais Pringsheim mit dem Ziel zusammen, „die innere Geschlossenheit der Nation“ vom August 1914 möglichst über den Krieg hinaus zu retten. Mit welchen Mitteln dies zu erreichen sei, sollte in zwanglosem Beisammensein bei anregender Atmosphäre 82  Gewagtes Spiel

erörtert werden. Der Klub verfügte über eigene Räumlichkeiten zunächst in der Wilhelmstraße 67, ab 1924 dann in einem Haus der nahe gelegenen Schadowstraße. Dort stand eine gutsortierte Bibliothek zur Verfügung, und es gab ein Restaurant, das von den Mitgliedern und deren Freunden gern zum gemeinsamen späten Frühstück, zum Mittag- oder Abendessen aufgesucht wurde.116 Die ursprünglich angestrebte Exklusivität mit höchstens 400 Klubmitgliedern war bald eingebüßt, und die Gesellschaft zählte 1921 schon rund 2.800 Mitglieder. Unter ihnen war das höhere Beamtentum am stärksten vertreten, gefolgt von Direktoren, Journalisten, Schriftstellern, Verlegern, Universitätsprofessoren und Künstlern. Spitzenpolitiker wie Friedrich Ebert, Matthias Erzberger und Gustav Stresemann gehörten dem Klub an, daneben einige ranghohe Militärs und namhafte Adlige. Bedeutend war auch die Zahl der Juden in dem Kreis. Neben Walther Rathenau schätzten Albert Ballin, Samuel Fischer, Rudolf Mosse, James Simon und viele andere den Klub und die dort gepflegte Geselligkeit. In öffentlichen Vorträgen wurde beinahe alles thematisiert, was die deutsche Gegenwart berührte. Die Vortragsabende waren stets gut besucht, und die Presse pflegte über sie jeweils ausführlich zu berichten. Im April 1932 ergriff Stardirigent Furtwängler die Gelegenheit zum Vortrag über die „allgemeine Notlage des deutschen Musiklebens“, worin er die prekäre finanzielle Situation der Berliner Philharmonie schilderte und grundsätzliche Betrachtungen über das Musik- und Konzertwesen seiner Gegenwart anstellte. Popitz trug das Seine zum Programm bei und referierte wiederholt über die finanzpolitische Lage. Ab 1927 saß er zudem mit Sitz und Stimme im Präsidium der Gesellschaft. Er war regelmäßig am Dienstag, meist gegen Mittag in der Schadowstraße anzutreffen, ab 1930 immer öfter in Begleitung des blitzgescheiten, vielen freilich rätselhaft erscheinenden Carl Schmitt.117 Es wurde viel debattiert und diskutiert in Berlins gehobener Gesellschaft, nicht nur, doch zumeist über Politisches, vielleicht weil die Sorge um Staat und Politik dem Bürgertum damals ein echtes Anliegen war. In dieser Hinsicht lebte das bürgerliche 19. Jahrhundert mit seinen späterhin so gern verspotteten Idealen und Werten noch fort, dessen tragende Schicht ja auch nur einem verbreiteten Fehlurteil nach Gewagtes Spiel  83

unpolitisch oder, schlimmer noch, ganz von Untertanengesinnung erfüllt gewesen sei. Ein Gesprächsforum der besonderen Art besaß die Reichshauptstadt mit der Mittwochsgesellschaft für wissenschaftliche Unterhaltung, ein seit 1863 bestehender Kreis vor allem aus Gelehrten der Universität und der Berliner Akademie. Man traf sich regelmäßig im privaten Umfeld zum Vortrag mit anschließender Diskussion, und die Dame des Hauses sorgte jeweils für das leibliche Wohl. Hier war die Mitgliederzahl streng begrenzt, die Aufnahme erfolgte mittels Kooptation und war an ein einstimmiges Votum gebunden. Aufgenommen wurde auf Vorschlag, wenn ein Mitglied dauerhaft krankheitsbedingt ausfiel, verstarb oder die Stadt verließ. Es dominierten die geisteswissenschaftlichen Disziplinen, aber der Zirkel war darauf nicht beschränkt, zu den Theologen, Historikern und Philosophen gesellten sich Juristen, namhafte Naturwissenschaftler und Mediziner. Entsprechend weitgefächert war das Vortragsspektrum, in dem nur die Erörterung der Tagespolitik satzungsgemäß ausgespart bleiben sollte – was freilich im Krieg, in den späten Jahren der Republik wie in der Diktatur kaum konsequent durchzuhalten war. Jeder Vortrag wurde protokolliert und zu den Akten genommen. Popitz stieß 1932 als Nachfolger für den Diplomaten Friedrich Stieve dazu. Mit derselben Ernsthaftigkeit, die er seinen übrigen Mitgliedschaften entgegenbrachte, wurde er in der Mittwochsgesellschaft aktiv. Auch in dieser Runde brillierte er mit seinem scharfen Verstand und wurde von den Kollegen nach wenigen Jahren zum Vorsitzenden gewählt.118 Außer der Geselligkeit, dem Stillen von Wissensdurst und Neugier, dienten diese Orte der Kontaktpflege. Gezieltes Networking gehörte zur Karriereplanung dazu, es half im Geschäftsleben und erleichterte Politikern das Handwerk. Deshalb war die Aufnahme in einem Klub eben auch so begehrt. Denn müheloser als hier ließen sich Verbindungen bis in die höchsten Regierungskreise oder in die Wirtschafts- und Finanzwelt hinein kaum knüpfen. Bei einer guten Zigarre und feinem Port, in einem Sessel des Herrensalons versunken, wurde manch lukrative Position verhandelt, mancher politische Schlachtplan entworfen. Dem Journalismus diente die Deutsche Gesellschaft als erstklassige Informationsbörse. Auch bei den Zusammenkünften der Mittwochs84  Gewagtes Spiel

Johannes Popitz, Bildmitte mit verschränkten Armen, in privater Gesellschaft ca. 1937

gesellschaft wurden Neuigkeiten ausgetauscht und mochte in der Geborgenheit des Privaten ein offenes Wort schon mal leichter fallen.119 Die Welt der politischen Klubs und gelehrten Zirkel war zu dieser Zeit noch eine reine Männergesellschaft, der Frauen bei offiziellen Anlässen, Festen und Feiern äußeren Glanz verliehen, in der sie ansonsten aber keine Rolle spielten. Weder der Mittwochsgesellschaft noch der Deutschen Gesellschaft 1914 gehörten Frauen als reguläre Mitglieder an. Mehrfachmitgliedschaften, wie sie Popitz pflegte, waren die Regel, sie erhöhten die Zahl der Kontakte und verdichteten die Netzwerke. Schließlich ließ sich hieran der persönliche Rang in Berlins besserer Gesellschaft ablesen. Die vier Mitgliedschaften unterstrichen Popitz’ Bedeutung und seinen Anspruch, eine Figur des öffentlichen Lebens zu sein. Wurde einmal kein Klub angesteuert oder keiner privaten Einladung gefolgt, boten sich schließlich noch die großen Hotels – Adlon, Bristol, Continental, Kaiserhof – und feinen Restaurants der Stadt wie Eden oder Horcher zur Zusammenkunft an. Im noblen Ambiente des Adlons blieb man ebenso unter sich wie in einem der exklusiven Klubs. Popitz bewegte sich wie selbstverständlich in diesem Milieu. Von den Schattenseiten der Stadt hielt er sich fern.120 Gewagtes Spiel  85

Die erste Begegnung mit Carl Schmitt fiel in das Jahr 1929. Der Staatsrechtler hatte seine Wirkungsstätte an der Universität Bonn mit einem Lehrstuhl an der Berliner Handelshochschule vertauscht, an die er im Jahr zuvor als Nachfolger für den liberalen Demokraten Walther Schücking berufen worden war. Im Herbst bezog Schmitt eine zentral gelegene Wohnung am Tiergarten und nahm sein Doppelleben früherer Tage wieder auf: als staatsrechtliche Kapazität und gefragter Vortragsredner wie als „Don Juan“, der seine starke Sexualität in der Berliner Prostituiertenszene auslebte. In einer Stadt mit rund 25.000 Prostituierten war die käufliche Liebe keine Mangelware. Sie wurde vielmehr an der Friedrichstraße und der Oranienburger Allee von Frauen jeglichen Alters für kleines Geld offen feilgeboten. Hier wurde Schmitt ein guter Kunde, ohne darüber andere sich bietende Abenteuer auszuschlagen. Es scheint, als sei kein Rock vor ihm sicher gewesen, sobald ihn der „Schlag“ der „langen Beine“ und des „weißen Fleisches“ beim Anblick junger Frauen traf. Die Ehe mit seiner zweiten Frau Duška wurde dadurch auf harte Proben gestellt, aber sie zerbrach nicht daran. Sie diente als Ausweis seiner bürgerlichen Existenz, auf die Schmitt trotz gern daran geübter Kritik nicht verzichten mochte.121 Das wüste Liebesleben der neuen Bekanntschaft, aus der dann unerwartet eine Freundschaft wurde, blieb Popitz entweder verborgen – was einigermaßen unwahrscheinlich ist –, oder er nahm es schlicht hin, wie es war. Einfach darüber hinwegzusehen, wäre zumal für einen Goethe-Kenner nicht ungewöhnlich gewesen, weil er wußte, wie sehr auch der Dichterfürst der erotischen Stimulanz bedurft hatte. Außerdem achtete Popitz Privatheit für ein hohes Gut, und was war privater als Sexualität? Er schätzte an Schmitt dessen brillante Intelligenz und sprühende Geistigkeit, die fast jedes Zusammensein zu einem intellektuellen Vergnügen machten. Schmitt war vielseitig interessiert und reich begabt, ein Selbstdenker mit unkonventionellen und originellen Gedanken, die er in metaphernreicher Sprache einprägsam auf den Punkt zu bringen verstand. Der Katholik aus Südwestfalen war fachlich wie gesellschaftlich ein Außenseiter, und mit der Neigung zur pointierten Zuspitzung seiner Thesen machte er das nur zu gern immer 86  Gewagtes Spiel

wieder publik. Vielleicht hat gerade dies Popitz’ Aufmerksamkeit erregt, dieser starke Wille nach Unterscheidbarkeit. Schmitt war auf attraktive Art anders als er selbst – war undiszipliniert, leicht erregbar und zugleich empfindsam. Im Urteil über ihn scheiden sich bis heute die Geister. Popitz sah in Schmitt vor allem den Freund. Es ist schwer zu entscheiden, von wem der stärkere Impuls zu dieser Männerfreundschaft ausging. Die Begegnungen beschränkten sich anfangs auf den öffentlichen Raum, fanden in der Deutschen Gesellschaft, der Preußischen Staatsbibliothek oder bei Vorträgen statt. Schmitts frühe Tagebucheinträge zeugen noch von beträchtlicher Unsicherheit, was von Popitz zu halten sei. Mal fand er ihn „sympathisch und fein“, bemerkte aber auch etwas unerklärlich „Schwaches“ an ihm. Mal war er „enttäuscht“ von einem Gespräch, dann wieder hocherfreut, wenn Popitz „besonders nett gegen“ ihn war. Nach gut einem Jahr notierte er, ihn „sehr lieb“ gewonnen zu haben, doch es blieb ein Rest „Mißtrauen“. Am Tag vor Silvester 1930 wagte er einen Vorstoß und schenkte Frau Popitz zum Jahreswechsel eine Ausgabe von Ernst Jüngers „Feuer und Blut“. Unsicher geworden über die spontane Tat, notierte er: „Vielleicht eine Dummheit“. Dann lud er das Ehepaar Popitz zum ersten privaten Treffen nach Hause ein. Der Samstagabend gelang, man fühlte sich wohl und saß bei anregender Unterhaltung bis Mitternacht beieinander. Duška sei „entzückt“ gewesen „von diesen vornehmen und feinen Leuten“. Fortan wurden beide Familien in den Kontakt miteinbezogen. Man besuchte sich gegenseitig, feierte gemeinsam Geburtstag und beging am 2. Januar 1932 bei einem guten Essen die Taufe von Schmitts einziger Tochter Anima Louise.122 Schmitt blieb, was Popitz betraf, noch lange einem Wechselbad der Gefühle ausgesetzt. Argwöhnisch registrierte er jede Reaktion des Freundes, der, wenn sie einmal nicht der Erwartung entsprach, als „kühl und gleichgültig“, als „langweilig“, „doktrinär und abstrakt“ getadelt wurde. Der Staatsrechtler glaubte sich intellektuell überlegen und nahm an, den Politiker lenken zu können. Als im Herbst 1932 Popitz’ Ernennung zum Preußischen Finanzminister bevorstand, schienen sich die beiden zuvor darüber ausgetauscht zu haben, denn Schmitt Gewagtes Spiel  87

Carl Schmitt mit Ehefrau Duška in den 1920er Jahren

notierte selbstzufrieden: „Freute mich über meinen Einfluß“. Aber die Freude hielt nicht an. Zwei Wochen später, Popitz hatte ihn zu sich ins Ministerium bitten lassen, fand er den Freund „überlegen und gegen mich sehr verändert“. Als der Minister dann auch noch den Besuch zu einem Vortrag Schmitts absagte und andeutete, seine Frau werde ebenfalls nicht erscheinen, fühlte er sich von oben herab abgekanzelt. Sich selbst zum Trost hielt er trotzig fest: „Freute mich dieser Erkenntnis ohne jeden Gram [...]. Eigentlich wußte ich es, denn ich habe ihn niemals besonders geliebt.“ Gerade zehn Tage später war die Welt wieder in Ordnung. Beim Telephonat habe Popitz „sehr nett und sympathisch“ mit ihm gesprochen. So ging es noch eine Weile weiter, bis sich Schmitt endgültig über sein Verhältnis zu Popitz klar geworden 88  Gewagtes Spiel

war. Die Begegnung mit ihm sei „die wichtigste [s]eines Lebens“ gewesen, bekannte der nach 1945 in Acht und Bann geschlagene „Kronjurist des Dritten Reichs“. Nicht ganz so gewiß ist, ob Popitz das auch so sah.123 Die Verbindung zu Schmitt brachte frischen Wind in Popitz’ Leben. Sie begann im Moment des Rücktritts, als er, von den Zwängen des Amtes entlastet, freier wurde für die Aufnahme neuer Impulse. Nun war Muße für Begegnungen mit ungewöhnlichen Charakteren, darunter auch Ernst Jünger, den er samt Frau auf einer Abendeinladung bei Schmitts traf. Wenn der bekennende Zivilist Popitz dem Bellizismus Jüngers gewiß nur wenig abgewonnen haben dürfte, so schätzte er den Bestsellerautor doch und lud ihn zu sich in die Brentanostraße ein. Es war zudem die Zeit, als die Republik bedingt durch die globale Wirtschafts- und Finanzkrise in immer tiefere Schwierigkeiten rutschte. Damals begann das gewagte Spiel um die Macht im Staat, das schon den gewöhnlich interessierten Bürger nicht kaltlassen konnte, noch mehr aber Experten wie Schmitt und Popitz beschäftigte und auf Auswege sinnen ließ. Bei der Analyse ihrer Beobachtungen ergänzten sich die beiden prächtig, der eine mehr von der praktischen Politik, der andere vom Verfassungsrecht her kommend. Im Wettstreit der Ideen spornten sie sich gegenseitig an.124 Am 27. März 1930 zerbrach die große Regierungskoalition im Reich. Es folgte das erste Präsidialkabinett unter dem Zentrumspolitiker Heinrich Brüning. Der promovierte Jurist, 1885 im westfälischen Münster geboren, hatte sich im Weltkrieg als Frontoffizier bewährt und danach als Mitglied in einem Freikorps die Revolution bekämpft. 1920 übernahm er die Geschäftsführung einer christlichen Gewerkschaft und 1924 ein Reichstagsmandat. In seiner Fraktion genoß er allgemein Ansehen, der Arbeitnehmerflügel schätzte seine soziale Grundhaltung, die wirtschaftsnahen Abgeordneten seinen kompromißlosen Patriotismus. Mit letzterem kam er den Plänen Hindenburgs und dessen Entourage gerade zupaß. Der Parlamentarismus war Konservativen und Monarchisten im Land schon lange ein Dorn im Auge. Nun schien die Gelegenheit günstig, mit gezielten Eingriffen in das Verfassungssystem die alten Machtverhältnisse im Staat wieder herzuGewagtes Spiel  89

stellen. In diesem Sinne hatten die Urheber des Plans auf den betagten Reichspräsidenten eingewirkt und schon im Januar 1930 dessen Zustimmung zu einem Coup d’État erreicht. Das Parlament sollte in seinen Rechten eingeschränkt, die Sozialdemokratie dauerhaft ausgeschaltet werden. Beim Bruch der Regierungskoalition im März lauerte das sogenannte Hindenburg-Kabinett also schon im Hintergrund, und sein Frontmann Brüning stellte sich ohne Zögern an die Spitze einer Minderheitsregierung. Zur Durchsetzung seiner Politik hatte ihm Hindenburg bereitwillig die Anwendung des Artikels 48 der Weimarer Reichsverfassung zugesichert. Damit war der Anfang zur „Desintegration des politischen Systems“ gemacht, an dessen Ende gut zweieinhalb Jahre später die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler stehen sollte. Aber so klar wie in der Rückschau registrierten die meisten Zeitgenossen diesen ersten Ruck im Staatsgefüge und seine Folgen nicht. Vorerst lag der besondere Charakter dieser Regierung als einer „Präsidialregierung“ noch verborgen.125 Was die Sanierung des überschuldeten Staatshaushalts anlangte, so leitete Brüning einen rigorosen Sparkurs ein. Die Regierungsvorlage vom Juli 1930 sah eine drastische Kürzung der Ausgaben bei gleichzeitiger Erhöhung der Steuern und Abgaben vor, verschärfte die Vermögensbesteuerung und erlegte den Beschäftigten im öffentlichen Dienst die Zahlung eines Notopfers auf. Diese neuerliche Radikalkur besaß sowohl Befürworter als auch Kritiker, verschärfte aber vor allem die bittere Stimmung im Land. Nach erregter Aussprache im Reichstag scheiterte die Vorlage wie erwartet am 16. Juli 1930, worauf umgehend ihre Durchsetzung per Notverordnung folgte. Tags darauf erreichte Reichstagspräsident Paul Löbe ein Schreiben der Sozialdemokraten, das, gestützt auf Absatz 2 des Artikels 48, die Aufhebung dieser Verordnung beantragte. Mit einer deutlichen Mehrheit stimmte das Parlament am 18. Juli dem Antrag zu. Da trug Brüning freilich schon das Schreiben Hindenburgs in der Tasche, mit dem die Auflösung des Reichstags verfügt wurde. Der Reichspräsident hatte von seiner Diktaturgewalt Gebrauch gemacht; der „Übergang von der verdeckten zur offenen Präsidialregierung“ war vollzogen.126

90  Gewagtes Spiel

Der schleichende Verfassungswandel lenkte Wasser auf die Mühlen des rechten wie linken Extremismus, dessen Parteien bei den Septemberwahlen 1930 für eine böse Überraschung sorgten: die KPD erhielt 77, die NSDAP 107 Sitze. Fortan bildeten die Nationalsozialisten die zweitstärkste Fraktion im Reichstag hinter der SPD. Mit einer positiven Mehrheit im Parlament war es nun vorbei, an eine neue Große Koalition gar nicht zu denken. Schließlich verständigten sich die Sozialdemokraten schweren Herzens auf die Tolerierung der Präsidialregierung – aus Staatsräson und um die in Preußen regierende Koalition unter Otto Braun nicht zu gefährden. Mißtrauensanträge fanden nun keine Mehrheit mehr, und die Notverordnungen der Regierung behielten Gesetzeskraft. Dieses politische Opfer, das die Sozialdemokratie zu Komplizen einer parlamentarismusfeindlichen Regierung zu stempeln schien, konnten die Parteiführer ihren Anhängern kaum vermitteln. Den Verfall der Republik haben sie damit nicht aufgehalten.127 Popitz kannte Brüning gut und schätzte den Zentrumsmann. Zum Amtsantritt im März hatte er dem Reichskanzler mit einem persönlichen Brief gratuliert. Wie ihm mochte das Präsidialregime vielen Zeitgenossen als probater Weg aus der Not erschienen sein. Schließlich hatten die Verfassungsväter bewußt für eine starke Stellung des Reichspräsidenten gesorgt und ihm, sollte das Parlament versagen, mit dem Notstandsartikel ein schlagkräftiges Instrument zur Krisenbewältigung an die Hand gegeben. Je länger, desto mehr schien es jedoch fraglich, wohin die Reise ging. Würde man nach dem Einsetzen „normaler“ Verhältnisse zur parlamentarischen Demokratie zurückkehren oder war mit dem Übergang zur Präsidialpolitik der Rubikon Richtung Diktatur überschritten? Diese Sorge beschäftigte die Tagespresse und löste hitzige Kontroversen unter Intellektuellen und Gelehrten aus. Auch Popitz blieb nicht stumm: „Wer ist Hüter der Verfassung“ fragte er in einem Artikel der Germania und warb damit für eine gerade auf dem Buchmarkt erschienene Studie Carl Schmitts. Der hatte sich, als Popitz ihm seine Besprechung ankündigte, ziemlich geschmeichelt gefühlt über „diese Aktivität“. Aber Popitz stiftete auch eigene Gedanken zur Überwindung der politischen Notzeit bei, die für ihn übrigens keineswegs nur schlechte Seiten besaß. Vielmehr boten sich nun, wie Gewagtes Spiel  91

er meinte, Chancen für Veränderungen, an die in den zehn Jahren zuvor kaum zu denken gewesen sei. Für besonders wünschenswert hielt er eine durchgreifende Reform des Reichs, das im Kampf der Interessen gerade unterzugehen drohe. An Brünings Präsidialpolitik begrüßte er darum alle Ansätze zur Verwirklichung einheitsstaatlicher Tendenzen.128 Die „Polykratie“ im Reich, dieses „Durcheinander von Zuständigkeiten“ und Widerpart eines einheitlichen Gesamtinteresses, hielt Popitz schon lange für verhängnisvoll. Das Problem sah er im föderalen Staatsaufbau angelegt, in dem außer im Reichstag noch in 17 Landtagen die politischen Parteien den Kurs des Staatsschiffs bestimmten. Zwar war er überzeugt, daß „ein Regieren ohne Parlamentarismus auf die Dauer in einem großen Volke nicht denkbar“ sei, fragte sich aber, „ob es neben einem Reichsparlament voll parlamentarisch ausgestattete Landtage geben“ müsse. Noch 1929, auf einer Konferenz der Friedrich-List-Gesellschaft in Bad Eilsen, hatte er die parlamentarischen Schwierigkeiten des jungen Staates als „Kinderkrankheiten“ abgetan und auf baldige Genesung gehofft. Diese Hoffnung sollte mit der einsetzenden Selbstblockade des Parlamentarismus nach 1930 rasch schwinden. Für Popitz warf das die Frage auf, mit welchen Mitteln den Mißständen beizukommen, wie das „parlamentarische System vor seinen Auswüchsen“ zu schützen sei. Außer auf die föderale Struktur zielte seine Kritik auf die politischen Parteien und sozialen Verbände, die auf die Durchsetzung ihrer jeweiligen Interessen bestanden, statt der „Einheit und Ganzheit des Staates“ zu dienen.129 Schließlich war der moderne Staat längst kein reiner Verwaltungsstaat mehr. Verglichen mit dem Kaiserreich war die Weimarer Republik ein Wohlfahrtsstaat mit starker Tendenz zum Versorgungsstaat – so sahen es jedenfalls Konservative und Liberale. Tatsächlich hatte der Staat eine Vielzahl neuer, meist sozialer Aufgaben übernommen, die von Sozialversicherungsträgern, öffentlichen Anstalten und wirtschaftenden Unternehmungen der öffentlichen Hand wahrgenommen wurden. Gesetzlich gut geschützt, waren diese Einheiten neben den politischen Parteien machtvolle Gebilde, die mit voluminösen Apparaten und geschulten Funktionären überaus durchsetzungsfähig waren. 92  Gewagtes Spiel

Die „Gewalt der Vielen“ sei eine politische Realität in der Weimarer Republik, die sich, wie Popitz festhielt, nun selbst paralysiere. Der Staat sei keiner übergeordneten Idee mehr verpflichtet, sondern „in weitem Umfang zum Verfahrensforum intentionaler interessenmäßiger Größen herabgesunken“. Der Interessenpluralismus könne auch für die Verfassung zur Gefahr werden, was die Frage aufwarf, wer „die Verfassung gegen die Gesetzgebung, die solchen Kräften ausgeliefert ist“, schütze. Für Popitz wie für Schmitt lautete die Antwort: Hindenburg. Der Reichspräsident sei „Hüter der Verfassung“ und, in parlamentarischen Notzeiten wie dieser, zugleich gesetzgebende Ordnungsmacht. Gestützt auf eine großzügige Auslegung des Artikels 48 sollten seine Befugnisse bis zur Feststellung des Staatshaushalts reichen, um „Kontinuität und Permanenz der staatlichen Einheit“ zu gewähren. Da der Reichspräsident direkt und demokratisch gewählt werde, sei er ausreichend legitimiert. Eine offene Frage stelle sich jedoch, wenn er seinen überparteilichen Standpunkt eines Tages aufgeben und ins verfassungsfeindliche Lager wechseln würde. „Zwei Reichspräsidenten haben sich als wahre Hüter der Verfassung erwiesen“, beruhigte Popitz die Leser. Zu hoffen sei, daß bei der dritten Reichspräsidentenwahl 1932 ein ebenso treuer Hirte ins Amt gelange.130 Wenn doch, wie Popitz meinte, die Not der „größte Überzeuger“ sei, spekulierte er in seinen publizistischen Verlautbarungen auf eine grundsätzliche Revision des Regierungssystems? Über die maximale Dauer einer Präsidialregierung äußerte er sich nicht. Doch ist anzunehmen, daß er in ihr keine dauerhafte Lösung sah. Gewiß war Popitz kein großer Freund der parlamentarischen Republik; er lehnte sie aber auch nicht kategorisch ab. Sein Blick war pragmatisch auf die Probleme gerichtet und zielte auf Lösungen im vorgegebenen Rahmen. Problematisch fand er zwar vieles, und manches sei so reformbedürftig, daß direkte Eingriffe in die Verfassung nötig seien. Ein politischer Reaktionär, ein „planvoller Verhinderer aller Veränderung“ vom Schlage Metternichs war er nicht. Nur wuchs in ihm der Wunsch nach einer starken Regierung, nach dem krisenbewältigenden „Macher“ unaufhaltsam. Vorerst genügte noch die Übernahme der „Führerfunktion“ durch den Reichspräsidenten, der das Wesen des Staates „als den AusGewagtes Spiel  93

druck der politischen Einheit des Volkes“ über die Notzeit retten sollte.131 Die Wirtschafts- und Finanzsituation im Deutschen Reich spitzte sich in den Sommer- und Herbstmonaten 1931 dramatisch zu, als massenhafte Kapitalflucht und der Abzug ausländischer Kredite das deutsche Bankwesen an den Rand des Ruins brachten. Mit einem Mal war das Elend der frühen Weimarer Jahre wieder sichtbar. Vor den Geldinstituten standen die Menschen in langen Schlangen zur Rettung ihrer Ersparnisse an. Die Suppenküchen der Wohlfahrt hielten dem Ansturm hungriger Menschen, die Nachtasyle dem der Obdachlosen kaum stand. Auf den Chausseen waren ganze Kolonnen verzweifelter Familien auf der Suche nach Arbeit unterwegs. Es kursierten Gerüchte, wonach die Arbeitslosenzahlen im bevorstehenden Winter die SiebenMillionen-Grenze übersteigen könnten. In dieser angespannten Lage fand Popitz die Ruhe zur Ausarbeitung eines umfangreichen Gutachtens Der künftige Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden.132 Das Werk erschien Anfang 1932. Es war ein ungewöhnlicher Text, keine politische Kampfschrift, eher ein Bekenntnis im Gewand sachlich nüchterner Expertise. Dem Unternehmen waren Beratungen im Arbeitsausschuß der Studiengesellschaft für den Finanzausgleich vorangegangen, aber das Gutachten wurde von Popitz allein verfaßt und wissenschaftlich verantwortet. Die systematische Durchdringung der Materie, die Fülle an Fakten und die klare Darstellung waren beeindruckend, ebenso das unerwartete Ergebnis. Mit einem Mal war Popitz wieder in aller Munde. Die großen Tageszeitungen und Fachzeitschriften brachten Besprechungen, in denen sich Zustimmung und Ablehnung die Waage hielten. Einhellig wurde die stupende Sachkenntnis des Autors gelobt. Weniger einig waren die Kritiker sich darüber, was das Gutachten politisch bedeutete. Denn es bot mehr als nur eine Antwort auf die finanztechnische Frage, wie das im Reich erwirtschaftete Geld künftig günstiger zu verteilen sei.133 Hatte die bisherige Gesetzgebung den Finanzausgleich als eine zwischen dem Reich und den Ländern auszuhandelnde Sache angesehen, so schlug Popitz einen grundsätzlich anderen Verfahrensweg vor. 94  Gewagtes Spiel

Er definierte Reich und Länder als eine „Einheit Staat“ mit den Gemeinden und Gemeindeverbänden als Partnern gegenüber. Zunächst müsse der „feste Unterbau“ auf kommunaler Ebene errichtet werden, über dem sich dann „der Staat erhebt“. Unter Staat verstand Popitz in Anlehnung an die idealistische Staatstheorie des 19. Jahrhunderts einen „Verband zusammenlebender Menschen mit einer in der Welt der Ideen bestehenden Bestimmung“. Staat war also mehr als tote Organisation und Verwaltung, „der Staat“ war die gelebte Idee eines Volkes und trug wesenhafte Züge. Die Fähigkeit zu „einheitlicher Willensbildung“ begründete die Stärke eines Staatswesens nach innen und außen. Für Popitz lag nun alles daran, daß das Reich zu dieser „Einheit der öffentlichen Willensbildung“ zurückfinde. Dies sei die Schicksalsfrage des deutschen Volkes schlechthin. Seine Antwort lief auf einen von Grund auf reformierten Reichsfinanzausgleich hinaus: „Wird [...] dieses Ziel im Auge behalten, so kann die schwere Zeit, die wir durchleben, das Gründungsdatum eines Staates umschließen, der endlich das deutsche Volk zum Zustand politischer Einheit erhebt.“ Popitz’ Gutachten war nur auf den ersten Blick der sachliche Reformvorschlag eines Finanzsachverständigen. Bei näherem Hinsehen wies es den Weg zu einer Reichsreform über die Neuordnung des Finanz- und Steuerwesens. Daß sein Modell allem widersprach, was er in den zehn Jahre zuvor beim Aufbau der Reichsfinanzverwaltung vertreten hatte, sorgte ihn nicht.134 Das Thema Reichsreform wurde viel diskutiert in der Weimarer Politik, aber die Beratungen führten zu keinem Ergebnis. Im Kern ging es um zwei Kritikpunkte. Zum einen wurde die öffentliche Verwaltung im Reich als hypertroph, dysfunktional und viel zu teuer bemängelt. Die Beamten würden nach Parteiproporz und nicht nach sachlichen Gesichtspunkten ernannt, was den Apparat unnötig aufgebläht und die Gesinnung der Beamten als loyale Staatsdiener ausgehöhlt habe. Zum anderen erschien der Dualismus zwischen Preußen und dem Reich je länger, desto mehr als Systemfehler. Denn ohne die Zustimmung des bei weitem größten Einzelstaats war politisch nichts zu machen im Reich, was die übrigen deutschen Staaten zunehmend verdroß. Beide Kritikpunkte zusammen galten als Hauptursache für Gewagtes Spiel  95

die politische Schwerfälligkeit der Republik im Moment der Krise. Hinzu kam, bedingt durch die ständig wechselnden Mehrheitsverhältnisse im Reichstag, die mangelnde Kontinuität in der politischen Führung. Die Reformrufe wurden in der Spätphase der Republik lauter. Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft forderten die verfassungsmäßige Überwindung der Mißstände und die Festigung des „Führergedankens“ im Staat. Im Lutherbund, einer Vereinigung zur Popularisierung dieser Ziele, galt Popitz bald als führender Kopf. Je mehr das Reich in der Endphase der Republik zerfiel, desto eindringlicher warb er für den dezentralisierten Einheitsstaat: „Man kann dezentral verwalten, aber nicht dezentral regieren.“ Eigentümlich unentschieden blieb er nur, was die Rolle der Einzelstaaten in seinem Modell anlangte. Er schätzte die Länder als Ausdruck kultureller Vielfalt und als historisch gewachsene Größen, so daß sich ihre umstandslose Auflösung eigentlich verbot. Als bestimmenden Faktor in der Reichspolitik hielt er sie aber für problematisch. Gerade Preußen stelle in dieser Hinsicht eine Gefahr für das Reich dar.135 In den Monaten nach Erscheinen des Gutachtens trug Popitz die Summe seiner Gedanken auch öffentlich vor. Außer aus Berlin erreichten ihn Vortragseinladungen aus Ostpreußen und dem Rheinland, aus Flensburg und München. Mal war es der Reichsverband der Chemischen Industrie e. V., mal eine Konferenz der Lehrerschaft, die den ehemaligen Staatssekretär hören wollten. Das Publikum empfand den hohen Problemdruck im Land und verlangte nach politischer Orientierung. Und Popitz wußte seine Sicht der Dinge allgemeinverständlich auszudrücken. „Für heute scheint mir das Mittel, das allein entscheiden kann, klar zu liegen. Es ist das Mittel, einen Gesamtkurs in der Staatsführung herzustellen, das herzustellen, was wahrhaft regieren heißt, nämlich das Wesentliche für ein Volk herauszuheben, es zu regeln und die Durchführung bis zum letzten sicherzustellen.“ Das war nicht übermäßig komplex formuliert und klang auch nicht nach Umsturz. Es schien zur Konzentration auf das Wesentliche zu raten und zum überlegten Handeln anzustiften. Mit harter Regierungsarbeit sei aus der Krise herauszukommen, lautete die optimistische Botschaft. Das mochte den verunsicherten Bürger beruhigen. Der „Gretchenfrage“ 96  Gewagtes Spiel

jedoch, mit welcher politischen Kraft die Regierung wieder auf „Gesamtkurs“ zu bringen sei, wich Popitz in der Öffentlichkeit aus. Im Frühsommer 1932 verdichteten sich die Gerüchte über ein Comeback in die Politik. Am 17. Juni informierte das liberale Berliner Tageblatt unter dem Titel Der Rat der Drei. Eine neue Regierungsinstanz besorgt über die Gründung eines Sachverständigenrats. Einen der drei Posten im Präsidial-Wirtschaftsrat, hieß es in dem Artikel, würde Popitz erhalten. Als Urheber des Plans wurde Reichswirtschaftsminister Hermann Warmbold genannt, der verlangt habe, daß bei Differenzen zwischen ihm und der Mehrheit im Kabinett künftig der Rat den Ausschlag geben solle. Dem Tageblatt ging das entschieden zu weit. Denn damit erhielte das Gremium „ein Vetorecht gegenüber den Kabinettsentschlüssen“ und würde quasi in den Rang einer Regierungsinstanz erhoben, was verfassungswidrig sei. Am nächsten Tag erschien zwar ein offizielles Regierungsdementi, aber die Zeitungsredakteure blieben mißtrauisch. Das liberal-demokratische Lager war alarmiert, seitdem die Regierung Brüning nicht mehr im Amt war. Der Reichskanzler hatte am 30. Mai 1932 demissionieren und Franz von Papen mit seinem „Kabinett der Barone“ das Feld überlassen müssen. Alles deutete auf eine Verschärfung des autoritären Regierungskurses. Tatsächlich sollte mit dem Sturz Brünings die „gemäßigte Phase des Präsidialsystems“ auslaufen.136 Auch der neue Reichskanzler war ein Mann des Zentrums, freilich einer vom Rand des rechten Parteiflügels. 1879 auf einem westfälischen Gutshof geboren, hatte von Papen die militärische Laufbahn eingeschlagen und es im Weltkrieg bis in den Generalstab gebracht. Niederlage und Revolution konnte er nie verwinden, mit der Republik sich nicht versöhnen. Der katholische Konservative wurde gleichwohl politisch aktiv und saß über Jahre im preußischen Landtag, wo er die agrarischen Interessen seines Milieus vertrat. Ins Kanzleramt gelangte er durch eine geschickte Intervention des Generals von Schleicher bei Hindenburg, dem er den westfälischen Baron als Alternative zu Brüning schmackhaft zu machen wußte. Zur Verblüffung seiner Partei ließ sich Papen auf das Spiel ein und wartete quasi über Nacht mit einem vorGewagtes Spiel  97

wiegend aus Rechtsnationalen besetzten Kabinett auf. Acht von zwölf Ministern waren adelig, daher der Name „Kabinett der Barone“. Der Reichskanzler selbst fand die Bezeichnung „Kabinett der nationalen Konzentration“ passender. Seiner Partei kehrte von Papen nun den Rücken. Das unverhohlen anvisierte Ziel war die Errichtung eines autoritären Staatsgefüges, am Ende vielleicht sogar die Restitution der Hohenzollernmonarchie. Die Sorgen der republiktreuen Presse waren also mehr als berechtigt.137 Im Hintergrund des Wechsels von Brüning zu Papen standen die politischen Vorgänge in Preußen. Hier hatten die Nationalsozialisten bei den Landtagswahlen Ende April zwar keinen Triumph erzielen können. Aber der Stimmenverlust bei den demokratischen Parteien war beträchtlich, so daß die Koalition aus SPD, Zentrum und Staatspartei keine Mehrheit mehr im Parlament besaß. Ministerpräsident Otto Braun amtierte nur noch geschäftsführend bis zur nächsten Reichstagswahl. Im Vorfeld dieser Wahl im Juli breiteten sich Unruhen vor allem in Preußen aus. Kommunisten und Nationalsozialisten, Freunde und Feinde der Republik lieferten sich mit ihren paramilitärischen Verbänden erbitterte Straßenkämpfe. In Berlin berichteten die Zeitungen fast täglich von gegenseitigen bewaffneten Überfällen. Die preußische Polizei zählte im Juni zwanzig Todesfälle mit politischem Hintergrund, im Juli 86, darunter 38 Nationalsozialisten und 30 Kommunisten. In Schlesien wurde eine Kavallerieeinheit zur Beendigung einer Straßenschlacht eingesetzt, weil die Ortspolizei mit der Situation vollkommen überfordert war. Aber auch andernorts ging es zur Sache. Die Angst vor einem Bürgerkrieg wuchs im Land. Ein Sieg der Nationalsozialisten bei der nächsten Landtagswahl und damit eine mögliche Regierungsübernahme schienen immer wahrscheinlicher. Der „Altonaer Blutsonntag“ mit Toten und Verletzten wurde für Preußen zum Menetekel.138 Mit der Begründung, einem drohenden Bürgerkrieg vorzubeugen, Ruhe und Ordnung im Land wieder herzustellen, griff die Reichsregierung in Preußen ein. Am 20. Juli 1932 verfügte eine Notverordnung Hindenburgs die Absetzung des Ministerpräsidenten Braun und übertrug die preußische Staatsgewalt der Reichsregierung. Über Berlin und 98  Gewagtes Spiel

die Mark Brandenburg wurde der Ausnahmezustand verhängt. Der „Preußenschlag“ war zwar staatsrechtlich durch die Verfassung gedeckt, aber politisch riskant. Für Reichskanzler von Papen sollte das nur der Anfang einer tiefgreifenden Reichsreform sein. Mit dem lästigen Dualismus Preußen versus Reich würde nun ein Ende gemacht. Auch die Sozialdemokraten meinte die Reichsregierung auf absehbare Zeit von der Macht entfernt zu haben. Und sollten die Nationalsozialisten tatsächlich weiter an Boden gewinnen, so würden Wege gefunden, sie im Zaum zu halten – notfalls durch eine Einbindung Hitlers in die Regierungsverantwortung. Solchermaßen selbst beruhigt, blickte die Staatsspitze der von Braun angestrengten Klage vor dem Staatsgerichtshof in Leipzig gelassen entgegen. In dem Verfahren übernahm der Staatsrechtler Arnold Brecht die Verteidigung Preußens, Carl Schmitt die des Reiches. Seine publizistischen Stellungnahmen wie die intensive Kontaktpflege in den Berliner Klubs hatten sich ausgezahlt und ihn zum juristischen Chefberater der Präsidialregierung avancieren lassen. Die in Leipzig vertretene Linie dürfte ganz auf derjenigen von Popitz gelegen haben. Mit dem am 25. Oktober gefällten Schiedsspruch allerdings konnten beide nur bedingt zufrieden sein. Die Richter bestätigten zwar die Rechtmäßigkeit der Reichsexekution, entschieden aber zugleich, daß die staatsrechtliche Stellung der geschäftsführenden Regierung Braun davon unberührt blieb. So kehrten der Ministerpräsident samt Kabinett als „Hoheitsregierung“ in ihre Ämter zurück.139 Der Kontakt zwischen Schmitt und Popitz gewann in diesen wirren Wochen an Intensität. Die beiden besprachen sich häufig und tauschten sich auch in geselliger Runde im Beisein von Familie und Freunden über die politische Lage aus. Fragen wurden erwogen wie die, ob Hitler oder Brüning besser als Nachfolger für den betagten Hindenburg geeignet sei, und wann Hitler wohl zum Reichskanzler ernannt werde. Bis dahin waren die Nationalsozialisten und ihr sonderbarer Parteichef eher selten ein Thema gewesen. In seinem Tagebuch vermerkte Schmitt überhaupt nur ein einziges Mal ein solches Gespräch mit Popitz, nämlich zwei Jahre zuvor im Januar, ausgerechnet am Abend des ersten privaten Zusammenseins bei Schmitts. Damals war der Eindruck vom triumphalen Sieg der Nationalsozialisten bei den Septemberwahlen Gewagtes Spiel  99

noch frisch und dürfte schon deswegen zur Abendunterhaltung getaugt haben. Später scheint der Nationalsozialismus im Hause Popitz nachdrücklicher als bei den Freunden gewirkt zu haben. Cornelia Popitz schwärmte geradezu für Hitler, nannte den Parteiführer „einen Christus, ein Genie“, sagte ihm allerdings auch ein „tragisches Ende“ voraus. Ihr Gatte urteilte nüchterner. Er schätzte die politische Standhaftigkeit Hitlers, glaubte ihm dessen Legalitätsbeteuerungen und hielt ihn letztlich für beherrschbar. Im Oktober 1932 war für Popitz der Punkt erreicht, an dem „die Verfassung am Ende und Hitler nicht mehr zu verhindern sei“. Nun galt es, wie er meinte, „das beste daraus zu machen“. Seine Rückkehr in die Politik war da schon längst abgemachte Sache. „Es sei nun baldigst erforderlich“, gab der Reichskanzler am 25. Oktober 1932 in einer Kabinettsbesprechung bekannt, „Staatssekretär Popitz zum preußischen Finanzminister und zum Reichsminister ohne Portefeuille [...] zu machen“. Gleichzeitig mit ihm sollte Franz Bracht als Reichskommissar das preußische Innenministerium übernehmen. Vier Tage später erfolgten die Ernennungen.140 Im Palais Am Festungsgraben, seit 1808 Ministeriumssitz des preußischen Fiskus, standen mit einem Schlag zwei Herren an der Spitze – der soeben vom Staatsgerichtshof im Amt bestätigte preußische Finanzminister Otto Klepper und eben Popitz als frisch verpflichteter Reichskommissar. Den Neuen plagten keine Zweifel, wer wahrer Herr im Hause sei. Am Tag nach seiner Bestallung, einem gewöhnlichen Dienstag, betrat Popitz das Palais und nahm wie selbstverständlich das Ministerbüro in Beschlag. Klepper wurde ignoriert. So bedenkenlos wie Popitz war in den Wochen zuvor schon der Reichskanzler gegen den preußischen Ministerpräsidenten vorgegangen, er hatte das preußische Staatsministerium militärisch besetzen lassen und Braun Hausverbot erteilt. Nun, da der Leipziger Schiedsspruch ihm den Rücken gestärkt hatte, beschwerte sich der preußische Ministerpräsident bei Hindenburg über das taktlose Vorgehen der Reichsvertreter. Es hätte sich wohl gehört, hielt Braun dem Reichspräsidenten vor, daß sich die Kommissare der Landesregierung wenigstens persönlich vorstellten, aber weder von Papen noch einer der anderen habe das für nötig befunden. „Herr Reichsminister Popitz hat am Dienstag im Gebäude 100  Gewagtes Spiel

des Preußischen Finanzministeriums sogar das Zimmer des vom Staatsgerichtshof als aktiven preußischen Staatsminister anerkannten Staatsminister Klepper in Besitz genommen“, entrüstete sich Braun, „ohne sich auch nur mit Herrn Minister Klepper darüber in Verbindung zu setzen, wie dies selbst in Kriegszeiten bei ausländischer Besatzung üblich wäre.“ Vergeblich habe ihn Staatssekretär Schleusener noch auf die besondere Lage aufmerksam gemacht. Für Braun wurden damit die „einfachsten Regeln des menschlichen und politischen Anstandes im Verkehr zwischen einer Reichsregierung und einer Landesregierung“ verletzt. Auch für Arnold Brecht wäre es ein „selbstverständlicher Akt guter Manieren“ gewesen, wenn Popitz sich zuvor mit Klepper verständigt hätte. Niemand habe ihn daran gehindert, „sich ziviler zu verhalten“. Was in Popitz vorging, kann indes nur vermutet werden. Es sieht jedoch so aus, als habe ihm hier, so kurz vor dem Ziel, bewußt wenig an Takt- und Formfragen gelegen. Es ging einzig und allein darum, Fakten zu schaffen. Und die Demonstration von Autorität steht nun einmal am Anfang jeder Herrschaft, während sich allzu große Rücksichtnahme gegenüber dem politischen Gegner verbietet, sonst geht der nötige Schwung verloren. Nicht umsonst hatte sich Popitz mit klassischer Staatslehre befaßt. Sein politisches Comeback war ihm gelungen, seine Frau „sehr glücklich, daß ihr Mann Minister ist“. Mit forscher Energie machte er sich an die Umsetzung seiner politischen Ziele, die mit denen des Reichskanzlers größtenteils übereinstimmten.141 Popitz’ Ernennung war gegen Widerstand im Kabinett erfolgt. Als Papen seinen Namen in der Runde nannte, warf Arthur Zarden besorgt ein, daß Geld zur Besoldung eines weiteren Reichsministers ohne Geschäftsbereich aber keines vorhanden sei. Und Reichsjustizminister Gürtner gab zu bedenken, daß diese Ernennung in den süddeutschen Staaten bestimmt einige „Unruhe auslösen werde, weil Popitz als reiner Unitarier bekannt“ sei. Im privaten Gespräch zeigte sich die Ablehnung noch sehr viel offener. Zarden sei „an die Decke gegangen, als er von dem Gedanken gehörte habe“, hielt der Staatssekretär im Kanzleramt, Erwin Planck fest, und auch General von Schleicher sei wegen der starken einheitsstaatlichen Gesinnung gegen Popitz gewesen. Für den Kanzler dürfte freilich genau das den Ausschlag gegeben haben. Gewagtes Spiel  101

Das preußische Finanzministerium Am Festungs­ graben. Wegen der davor stehenden Kastanien firmierte es zeitgenössisch auch unter der Adresse „Am Kastanienwäldchen“.

Die mit dem „Preußenschlag“ begonnene „Aktion der Reichsregierung“ müsse nun forciert, das Ziel einer autoritären Verfassungsreform unbedingt im Auge behalten werden. Eben darin wußte Papen sich einig mit Popitz, mit dem er durch die Arbeit im Lutherbund wie über die noble Welt der Berliner Klubs gewiß gut bekannt, wenn auch nicht direkt befreundet war. Mit der Ernennung von Popitz und Bracht zu Kommissaren wollte der Kanzler die preußische mit der Reichsregierung zu einer „Kampfgemeinschaft“ zusammenfassen. Selbstgewiß erklärte er sich und seine Mitstreiter schon mal im Recht vor der Geschichte, als unbeirrbar im „Kampf für die Sache und das Land“. Wer wollte es da noch wagen, die unwürdige Behandlung der Regierung Braun durch Papens Kommissare zu kritisieren.142 102  Gewagtes Spiel

Auf ein gemischtes Echo stieß die Personalie Popitz in der Presse. Von den drei neuernannten Reichskommissaren erregte er die größte Aufmerksamkeit. Während Der Volkswirt große Hoffnungen mit dieser Ernennung verband, weil endlich einmal eine Persönlichkeit echten „staatsmännischen Zuschnitts“ zum Zuge gekommen sei, zeigte sich der politisch liberale Journalismus eher besorgt. Die Vossische Zeitung brachte einen ausführlichen Artikel, in dem Vorzüge und Defizite seiner Persönlichkeit und bisherigen Tätigkeit aufgeblättert wurden. Autor des Beitrags war Hans Schäffer, der Popitz 1929 im Amt des Staatssekretärs nachgefolgt war. Ein „großer Taktiker“ mit eher dunklem Menschenbild sei Popitz, ein Mann, dem die Durchsetzung seiner Überzeugung, egal auf welchem Wege, stets über alles gegangen sei. Die dramatischen Umstände seines Rücktritts als Staatssekretär zeugten davon. Damals habe sich Popitz gegenüber der Reichsbank allzu sehr auf seine Positionen versteift, statt gemeinschaftlich mit Schacht nach Auswegen aus der Kreditklemme zu suchen. Seine Demission sei so unvermeidlich wie unfreiwillig erfolgt, die Rückkehr in die Politik von Anfang geplant gewesen. Die im Ruhestand verfaßten finanzpolitischen Arbeiten taugten kaum für eine Empfehlung als Politiker. Mit Blick auf das Gutachten zum Reichsfinanzausgleich lobte Schäffer zwar die „geleistete geistige Arbeit“, war aber zugleich irritiert über die Leichtigkeit, mit der „hier Dinge als politisch durchsetzbare Programmpunkte aufgestellt wurden, um die der Verfasser während seiner Amtstätigkeit mit unübertrefflicher Vorsicht herumgegangen war“. Für ebenso erstaunlich hielt er es, wie darin erwartbare politische Widerstände „einfach als nicht vorhanden behandelt wurden“. Mit „Politik als der Kunst des Möglichen“ habe Popitz’ Programm jedenfalls nichts zu tun. Als direkt gefährlich betrachtete Schäffer die in letzter Zeit von Popitz reichlich unverblümt geäußerte Kritik an Verfassung und Währung des Reichs. Ohne den Namen zu nennen, spielte er gezielt auf dessen Verbindung zu Carl Schmitt an: „Der Umgang mit Theoretikern, für die das Geltende immer nur eine Form der vorhandenen Möglichkeiten darstellt, läßt wohl gelegentlich die Gedanken in das Paradies der Diktatur und der unbehinderten Währungsgestaltung hinüberschweifen. Der Strom der Dialektik bringt klare Gewagtes Spiel  103

Begriffe ins Kreiseln und läßt sie schließlich in die Pilatusfragen ‚Was ist Legalität?‘ und ‚Was ist Geld?‘ auslaufen.“ Eindringlich appellierte Schäffer an das „Verantwortungsbewußtsein“ seines Amtsvorgängers, der doch gewiß zwischen der Freiheit im Dozentenzimmer oder dem Salon der Deutschen Gesellschaft und der harten Arbeit am Regierungstisch zu unterscheiden wisse. Bloß – ganz sicher war er sich nicht damit. Aus seinem Artikel sprachen zweierlei Sorgen: zum einen die um einen hoch geschätzten, aber auf Abwege geratenen Kollegen und Freund, zum anderen die um die Zukunft der parlamentarischen demokratischen Republik.143 Reichskanzler von Papen steckte reichlich Kritik wegen seiner Personalentscheidung ein. Für die süddeutschen Staaten war Popitz tatsächlich das sprichwörtliche „rote Tuch“ und der Anlaß für verbale Attacken seitens des bayerischen Ministerpräsidenten Heinrich Held. Auch sonst herrschte allgemein Unsicherheit darüber, was von diesem Minister politisch zu halten sei. Popitz ließ sich nicht in die Karten schauen und hielt mit seinen Plänen selbst gegenüber näheren Bekannten und Freunden zurück. So nahm Bernhard Harms sicher an, er sei dem Ruf auf die Regierungsbank nur „schweren Herzens“ gefolgt. Hans Schäffer dagegen ging vom Gegenteil aus, er wähnte Popitz „in seinem Element“ und sah mit gemischten Gefühlen auf dessen Neigung „für gewaltsame Lösungen in der Verfassungsfrage, und [...] für Währungsexperimente“. Letztlich dürfte Schmitt am besten über die Ziele seines Freundes orientiert gewesen sein. Popitz hielt spätestens im Herbst 1932 die Zeit zum Handeln für gekommen. Seiner Ernennung zum Preußischen Finanzminister soll er nur unter der Voraussetzung zugestimmt haben, gleichzeitig Reichsminister zu werden. Er nutzte die Gunst der Stunde beim Spiel um die Macht im Staat und forderte einen Platz am großen Regierungstisch. „Im Staatsleben wie im Menschenleben darf die einmal gegebene Konstellation nicht ungenutzt bleiben; Ungeschehenes wirkt wie Geschehenes, und aus Zögern und Verzögern entstehen Folgen wie aus dem Handeln.“ Ein echter Staatsmann sei der, der zum richtigen Zeitpunkt die Entscheidung, abzuwarten oder zu handeln, treffe.144

104  Gewagtes Spiel

Anfang November 1932 wurden die Deutschen ein drittes Mal in diesem Jahr zur Reichstagswahl an die Urnen gerufen. Der Wählerei inzwischen überdrüssig, drückte in Berlin obendrein graues, naßkaltes Wetter auf die Stimmung. Hinzu kam der Streik im öffentlichen Verkehrswesen. Nachdem drei Tage zuvor die Lohnverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Verkehrsbetrieben gescheitert waren, blieben Busse und Bahnen in den Depots. Nationalsozialisten und Kommunisten hatten den Arbeitskampf gemeinsam angezettelt, was angesichts ihrer sonstigen abgrundtiefen Feindschaft schon ungewöhnlich war. Aber im vorliegenden Fall wußte man sich eben einig im Erreichen eines gemeinsamen Ziels, nämlich der Zerstörung der Republik. Das Wahlergebnis an diesem Sonntag brachte dennoch eine kleine Überraschung. Erstmals seit Beginn ihres parlamentarischen Siegeszuges im September 1930 verloren die Nationalsozialisten deutlich an Stimmen, während die Kommunistische Partei Gewinne verbuchte. An der Gesamtkonstellation änderte dies freilich nichts, das Reich blieb parlamentarisch unregierbar. Im Kabinett sprach sich nun Reichsfinanzminister von Graf Schwerin Krosigk, unterstützt von Popitz und Bracht, offen für eine Beteiligung der Nationalsozialisten an der Regierung aus. Hitler indes blieb bei seiner Linie des alles oder nichts: entweder Kanzler werden oder Rebell bleiben. Unterdessen verlor Hindenburg einmal mehr das Vertrauen in seinen Kanzler, und Papens Kabinett war schon bald nach der Wahl nur noch Makulatur. Sein letzter Versuch, den Reichspräsidenten zur Gewährung weitreichender Vollmachten für eine Präsidialdiktatur zu überreden, mißlang. Im Hintergrund brachte sich nun General Kurt von Schleicher in Stellung. Seine Sorge galt der Reichswehr und der Frage, wie deren weitere Politisierung nach rechts einzudämmen sei. Er hielt einen Ausgleich mit den Nationalsozialisten für möglich, wenn es gelänge, den linken Parteiflügel der NSDAP unter Gregor Strasser von der Gesamtpartei abzuspalten. Schleicher wurde Kanzler – aber sein Plan scheiterte.145 Es vergingen Wochen fiebriger Ungewißheit. Daß die sachliche Arbeit bei aller Turbulenz nicht ganz zum Erliegen kam, dafür sorgte unter den Ministern auch Popitz. Er warf erste prüfende Blicke auf den maroden preußischen Staatshaushalt, beteiligte sich an der Planung Gewagtes Spiel  105

von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und machte sich für die Reorganisation des preußischen Beamtentums stark. Letzteres war ihm schon länger ein Anliegen, seitdem, wie er meinte, der Parteiproporz bei der Bestallung von Beamten eine zunehmend schädliche Rolle zu spielen begonnen und eine ungesunde Aufblähung des Verwaltungsapparates verursacht habe. Die erste politische Überprüfung des öffentlichen Dienstes fand geraume Zeit vor Erlaß des Berufsbeamtengesetzes vom 7. April 1933 statt und kostete vielen höheren Beamten in Preußen die Stellung. Schließlich warb Popitz für mehr Optimismus im Land. In einer Rede vor den preußischen Landgemeinden verurteilte er die allgemein verbreitete Kritik, die jeden positiven Impuls im Keim zu ersticken drohe. Immerhin seien erste Zeichen der Besserung in den Gemeindefinanzen schon bemerkbar. Popitz appellierte an den Willen der Gemeinden zur Selbstverwaltung und beschwor die Konservierung dieses Urprinzips preußischer Verwaltungskunst am Beispiel des Freiherrn vom Stein. Ebenso oft erinnerte er die Gemeinde-, Stadtund Landräte an Sparsamkeit als eine besondere preußische Tugend. Seine öffentlichen Auftritte und Äußerungen wurden von den Medien genau registriert. Manch pointierter Satz von ihm brachte es bis auf die Titelseiten der Tagespresse, wie der, der seine Erfahrung als Finanzpolitiker lakonisch auf den Punkt zu bringen schien: „Wenn die Länder Geld brauchen, hören alle Prestigerücksichten auf.“ 146 Ob es seine politische Reaktivierung war oder ob private Gründe den Ausschlag gaben, das harmonische Familienleben, die Freundschaft mit Schmitt: Um die Jahreswende 1932/33 sah Popitz zuversichtlich nach vorn. Noch keine fünfzig Jahre alt, war er voller Elan, wenn er auch bisweilen erschöpft nach einem langen Tag im Ministerium nach Hause kam. Er behielt sein reges Gesellschaftsleben bei, nahm Einladungen wahr, sprach selber welche aus. Am 2. Dezember 1932, von Papens Demission stand bevor, fanden sich abends einige Freunde bei Popitz zur Geburtstagsfeier ein. Beim Genuß von Austern und Perlhuhn, dazu einem guten Wein, wurde „über die Krise“ im Land „geplaudert“ und nicht etwa sorgenvoll darüber diskutiert. Eine Woche später erwiderte die ganze Familie Popitz den Besuch bei Schmitts, wo der ältere Sohn, der „kleine Hannes“, den „Ring des Polykrates“ vortrug. 106  Gewagtes Spiel

Und im Januar 1933 wohnten Popitz und Schmitt gemeinsam einer Aufführung der Elektra bei, die, von Furtwängler dirigiert, als das Konzertereignis der Saison gerade in aller Munde war. Der schwelende Staatsbrand war die eine, der Alltag mit seinen großen Sorgen und kleinen Freuden die andere Seite damaliger Realität. Es war durchaus nicht so, daß die Menschen immer nur wie gebannt auf die nahende Katastrophe starrten. Gerade diejenigen, die wie Popitz Teil des politischen Systems waren, glaubten den Staat wie das eigene Leben nun wieder sicher auf einem guten Weg. Die autoritäre Wende der Reichsregierung seit 1930 und mehr noch die mit dem Preußenschlag begonnene Reichsreform hatte Popitz angestrebt und begrüßt. Hinter das Erreichte wollte er politisch um keinen Preis zurück.147 So einig sich Popitz in vielen politischen Fragen mit Schmitt wußte, in der sogenannten Judenfrage waren sie konträrer Auffassung. Schmitt war Antisemit, Popitz nicht. Im Gegenteil, während seiner Amtszeit im Reichsfinanzministerium hatte er sich bevorzugt mit jüdischen Mitarbeitern umgeben, deren Kompetenz, Sachlichkeit und Fleiß er schätzte. Die leitenden Funktionen in seinem Bereich waren fast alle mit Juden besetzt, etliche Ministerialräte und auch der Dolmetscher jüdisch. Dem früheren Finanzminister Köhler, besorgt um die Berücksichtigung seiner Parteifreunde bei Stellenbesetzungen, war die Personalpolitik seines Staatssekretärs direkt ein Dorn im Auge. Er sprach Popitz auf dessen „Vorliebe“ an und erhielt von ihm „salopp“ zur Antwort, „ob die Leute nicht besonders tüchtig seien“. Religiös motivierte Ressentiments kannte Popitz nicht, den angeblich zersetzenden Charakter jüdischer Intellektualität hielt er für ein Märchen. Auch privat pflegte er Umgang mit Juden, der Basler Nationalökonom Edgar Salin war wiederholt Gast bei ihm zu Hause. Und in der Deutschen Gesellschaft war der Anteil jüdischer Mitglieder ausgesprochen hoch. „Der arme Popitz zwischen diesen schauerlichen Juden, ich hielt es kaum aus vor Ekel und Widerwillen“, vertraute Schmitt nach einem Besuch in der Schadowstraße seinem Tagebuch an. Popitz würde sich über diesen Eintrag arg gewundert haben, wenn er ihn denn hätte lesen können. Als nach dem 30. Januar 1933 die Gespräche zwischen ihm und Schmitt vermehrt um das Thema Antisemitismus kreisten, Gewagtes Spiel  107

verteidigte er seinen Standpunkt und machte liberale und rechtsstaatliche Bedenken gegen eine diskriminierende Behandlung der Juden geltend. Ihre bald einsetzende staatliche Verunrechtung war für ihn der Wermutstropfen in einer ansonsten für gelungen gehaltenen Wende deutscher Politik.148 Trotz eines vielversprechenden Starts und mancher kleiner Erfolge hatte die Regierung Schleicher in der Öffentlichkeit, bei den Parteien und schließlich auch beim Reichspräsidenten binnen Monatsfrist abgewirtschaftet. Der Kanzler hatte seine Ziele nicht erreicht. Hitler behauptete sich gegen Strasser und hielt, was die Regierungsbeteiligung anbelangte, seine Linie. Erfolglos blieb auch Schleichers „Querfront-Konzept“, das der Reichsregierung mit einem Brückenschlag von rechts nach links zu einer Tolerierungsmehrheit hatte verhelfen sollen. Zu einem gefährlichen Widersacher wurde ausgerechnet sein früherer Parteifreund Franz von Papen, der ihm erst unlängst in den Sattel geholfen hatte. Nun allerdings nutzte der Baron seine guten Kontakte mit einer anderen Zielsetzung und intrigierte bei Hindenburg gegen den General, was das Zeug hielt. Zugleich setzte er alles daran, Hitlers NSDAP an einer Reichsregierung unter seiner Kanzlerschaft zu beteiligen. Papens Intrigengespinst brachte ihn nicht sofort ans Ziel, aber es tat subkutan seine Wirkung, als die Republik vom Skandal um die Osthilfe erschüttert wurde. Es ging um beträchtliche Geldsummen, die aus der klammen Staatskasse zur finanziellen Sanierung einiger ostpreußischer Rittergüter bereitgestellt, dann aber zweckentfremdet ausgegeben worden waren. Hindenburg drohte darüber ins Gerede zu kommen, weil sein Gutsnachbar und Freund, Elard von Oldenburg-Januschau, mit von der Partie war. Die aufgeregte Berichterstattung in den Medien machte den greisen, um seinen Ruf besorgten Feldmarschall noch empfänglicher für die Einflüsterungen seiner Berater.149 Schließlich stand die Konfrontation der Regierung mit dem Reichstag noch aus, dessen Zusammenkunft auf einen Termin Ende Januar verschoben worden war. Der Kanzler mußte mit einer empfindlichen Niederlage rechnen, an eine Tolerierung der Regierung war nicht zu denken. Auf der Ministerbesprechung am 16. Januar schlug er daher 108  Gewagtes Spiel

die Auflösung des Reichstags vor und einen Termin für Neuwahlen im Herbst des Jahres. Schleicher spielte auf Zeit. Sein Programm sollte erst sichtbare Früchte tragen, bevor der Souverän wieder an den Urnen über die Regierung abstimmen würde. Vielleicht entsprach der Plan tatsächlich der politischen Stimmung im Land, wie der Kanzler dem Kabinett erklärte. Aber er war verfassungswidrig. Die Reichsverfassung sah vor, daß nach der Auflösung des Parlaments binnen zweier Monate Neuwahlen anzuberaumen seien. Alles kreiste in jenen Tagen um die Frage, wie angesichts des latenten Staatsnotstandes mit der Verfassung umzugehen sei. Viele Gespräche wurden geführt, Gutachten verfaßt und Expertisen eingereicht, die Luft schwirrte vor Lösungsvorschlägen. Über ihren gemeinsamen Bekannten, Eugen Ott, erhielten auch Schmitt und Popitz Einfluß auf die Debatte. Der persönliche Adjutant des Kanzlers stand mit verschiedenen Staatsrechtlern in Verbindung und galt im Reichswehramt als „Spezialist für Artikel 48“, der um „neue Gedanken“ nicht verlegen sei. Ott hatte dem Kanzler zur Auflösung des Reichstags und Aussetzung der Neuwahlen auf unbestimmte Zeit geraten. Auch Popitz hielt das für den besten Weg und gab dem zögernden Kabinett auf der Besprechung zu bedenken, ob es denn „klug sei, sich sofort auf einen Neuwahltermin festzulegen“. Allein der Reichspräsident ließ alle diese Erwägungen am Ende ins Leere laufen. Schleichers Bitte um die Auflösungsorder für den Reichstag, verbunden mit der Verschiebung der „Neuwahl auf einige Monate“, glaubte Hindenburg „nicht verantworten zu können“.150 Am 28. Januar 1933 trat das Kabinett Schleicher zurück, und Hindenburg beauftragte zum zweiten Mal Franz von Papen mit der Regierungsneubildung. Im letzten Gespräch mit dem Reichspräsidenten hatte der General noch dringend vor einer Beteiligung der Hitlerpartei gewarnt. Vor allem das Reichswehrministerium dürfe nicht in ihre Hände fallen, denn das bringe „die Reichswehr in große Gefahr“. Angeblich habe auch Hindenburg den Gedanken „absolut“ abgelehnt – um dann zwei Tage später Hitler doch zum Reichskanzler zu ernennen. Papen hatte ganze Arbeit geleistet und die Sache in der Nacht von Sonntag auf Montag, dem 30. Januar 1933, eingefädelt. Gegen Gewagtes Spiel  109

12 Uhr an diesem Tag fand die Vereidigung des neuen Kabinetts statt. Hitler war am Ziel und die Republik am Ende.151 Gemessen an der bald zwei Jahre währenden Agonie des Weimarer Staates kam sein Ende buchstäblich über Nacht, zur Überraschung nicht nur der Medien und vieler beteiligter Politiker, sondern offenbar auch Hitlers selbst. Seit dem Blick in das Tagebuch von Joseph Goebbels ist bekannt, wie unsicher sich die Parteispitze in jenen Tagen war, wann und ob es überhaupt je zur Regierungsübernahme kommen würde. Die Partei hatte kurz vor dem finanziellen Bankrott gestanden und die Wählergunst begonnen abzubröckeln. Es scheint, als hätte nicht mehr viel gefehlt, und Hitler wäre dem Deutschen Reich erspart geblieben. Endlich im Sattel, besann sich der Parteiführer nicht lange und begann sofort mit der Konsolidierung seiner Macht. Schlag auf Schlag erfolgten die Verordnungen und Maßnahmen, die der freiheitlichen Grundordnung Weimars den Todesstoß versetzten und das „Dritte Reich“ begründeten. Als Popitz am 26. April 1933 im Kreise der Mittwochsgesellschaft seinen ersten Vortrag hielt, war die „nationale Revolution“ in vollem Gange. Der Referent ließ keinen Zweifel daran, daß er die Vorgänge für unabwendbar, ja für richtig hielt, nachdem alle Schritte in Richtung Reform seit 1930 gescheitert waren. Die Verbindung zwischen Volk und Regierung sei verlorengegangen, der Staat zum Spielball polykratischer Interessen herabgesunken, die Staatsorgane verfallen und kraftlos. Überhaupt sei die Republik nicht genügend national gewesen, und der Materialismus habe Überhand genommen. „Der Zustand drängte zur Änderung“, Revolution sei also unvermeidlich gewesen. Alles andere als ein Freund revolutionärer Umbrüche hob Popitz anerkennend hervor, daß sich die Veränderungen „im wesentlichen unblutig, jedenfalls kampflos und in legalen Formen“ vollzogen hätten. Es bleibe jedoch abzuwarten, ob sich Hitler in Zukunft als autoritärer Führer behaupten könne und ob der „nationale Schwung“ im Land auch die Entwicklung einer „neuen geistigen Anschauung“ mit sich bringen werde. Popitz fürchtete, daß auch die „Bewegung“ ihre Anhänger nur mit Staatsstellen „versorgen“ wolle, statt sachlichen Gesichtspunkten beim Neuaufbau des Staates den Vorrang einzuräumen. Ungewiß war ihm zudem, 110  Gewagtes Spiel

welcher Freiraum dem Privaten und der Entwicklung von „Persönlichkeitswerten“ noch bleibe, wenn der Staat die Erziehung des Menschen an sich reiße. Und mit dem Blick auf den italienischen Faschismus hielt er es für eine offene Frage, ob endlich eine auf „Verantwortungsbewußtsein und Wissen gegründete, mit dem Volk verbundene und dienende Herrenschicht“ entstehen werde.152 Auch wenn Popitz also nicht gänzlich kritiklos in den Jubel um die „nationale Revolution“ einstimmte und schon in den ersten Wochen Abstriche machen mußte – er stand hinter den Ereignissen und bejahte den Umbruch. Von den Zuhörern in der Runde erhielt er Beifall für seine Ausführungen. Allein General Groener und der Kunsthistoriker Werner Weisbach reagierten zurückhaltend. Weisbach war Jude und hatte sich angesichts der ersten Boykotte jüdischer Geschäfte von der Friedfertigkeit des Nationalsozialismus ein ganz anderes Bild gemacht. Er fand den „frivolen Zynismus“, mit dem Popitz die Folgen des Ermächtigungsgesetzes erläuterte, ebenso abstoßend wie die Verharmlosung der „auf Anordnung der Regierung geschehenen“ Gewaltausbrüche. Allerdings habe sich Popitz im Kreis der Mittwochsgesellschaft niemals offen für die nationalsozialistische Ideologie eingesetzt; dazu, meinte Weisbach, sei er „viel zu gerissen“ gewesen. Die gelegentlich von Popitz an der nationalsozialistischen „Rechtspflege“ und anderen Mißständen geübte Kritik hielt der Kunsthistoriker für taktische Zugeständnisse an das bürgerlich-konservative Milieu der Mittwochsgesellschaft. Tatsächlich habe bei Popitz eine positive Grundstimmung zum Geschehen vorgeherrscht. Und aus der „Freundschaft mit Göring“ habe er kein Geheimnis gemacht.153 Hermann Göring wurde am 30. Januar der starke Mann in Preußen. Schon im Krieg ein tollkühner Jagdflieger, zögerte er auch jetzt keinen Moment, ergriff seine Chance und trieb den Machtausbau voran. Bürokratische Bedenken hemmten ihn nicht, er gab sich ganz als ein „Mann der Tat“ und schlug damit seine Umgebung in den Bann. Nicht nur Popitz sah zu ihm auf, auch Schmitt, von seinem Freund zur staatsrechtlichen Beratung bei den neuen Machthabern eingeschleust, bewunderte den Fliegerhelden. Im April berieten beide mit an der Abfassung des Reichsstatthaltergesetzes. Als die Diskussion auf einer Gewagtes Spiel  111

Sitzung im Innenministerium ins Stocken geriet und Göring verspätet dazu stieß, „schmiß er die Sache in wenigen Minuten. [...] Großartig, wir waren berauscht“.154

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Görings Finanzminister Im Zentrum der Macht. Die ruhigen Jahre. Erste Zweifel

Über Hermann Göring heißt es, daß er in vielem maßlos war. Maßlos draufgängerisch war er als Jagdflieger im Krieg, übertrieben treu seinem „Führer“ im „Dritten Reich“. Er schwelgte in Prunk und Pomp, aß und trank sich fett, schätzte aber ebenso die Jagd als Ausdruck urtümlichen Lebens. Göring war maßlos geltungssüchtig und inszenierte sich wie eine Diva, doch ging ihm der Nimbus, ein guter Kerl, ein wahrer Teufelskerl zu sein, dennoch bis zuletzt nicht verloren. Der zweite Mann im Deutschen Reich galt als ein Macher und war gewiß auch ein begabter Politiker, aber mit einer bezeichnenden Schwäche: Göring besaß wenig Stehvermögen. Sobald er die Lust an einer Sache verlor, schied er lieber vorzeitig aus dem Rennen. Daher verlief sein Leben ohne rechte Konstanz. Phasen höchster Anspannung und trägen Rückzugs wechselten einander ab, so daß beim Blick auf diese Biographie der Eindruck des Unsteten, des leichtfertigen Abenteurertums zu überwiegen scheint. „Wenigstens zwölf Jahre anständig gelebt“, soll er bei seiner Verhaftung durch die Amerikaner im Mai 1945 gesagt haben. Da lag das Deutsche Reich in Trümmern, und Millionen Tote waren zu beklagen.155 Göring wurde 1893 in Rosenheim als neuntes Kind eines Landgerichtsrats im Kolonialdienst geboren. Der Beruf des Vaters brachte es mit sich, daß der Junge die ersten drei Lebensjahre nicht im Kreis der Familie verbrachte, sondern bei einer Freundin der Mutter in Bayern aufwuchs. Mag sein, daß die frühe Trennung von den Eltern seine emotionale Entwicklung negativ beeinflußte. Erst ab 1896, mit dem Eintritt des Kolonialbeamten in den Ruhestand, lebte die Familie zusammen. Doch die Lebensumstände blieben sonderbar. Hermann Göring verbrachte einen wesentlichen Teil seiner Kindheit auf Burg Veldenstein, einer neunhundert Jahre alten Festungsanlage unweit von Nürnberg. Das Anwesen gehörte Hermann von Epenstein, einem Görings Finanzminister  113

vermögenden Arzt jüdischer Abstammung, der mit dem Vater eng befreundet und zugleich der Geliebte der Mutter war. Epenstein war der Taufpate Hermanns. Dessen späterer Spleen für alles Mittelalterliche dürfte in Veldenstein seine Wurzeln haben. Der Junge soll wie vernarrt in die Burg gewesen sein und sich dort ganz einer mittelalterlichen Phantasiewelt hingegeben haben.156 Görings Schulzeit ab 1898 in Fürth war von Renitenz geprägt. Er war ein schlechter Schüler, desinteressiert, faul und launisch. Nach drei Jahren kehrte er der Schule eigenmächtig den Rücken. Erst die Aufnahme in die Karlsruher Kadettenanstalt 1909, schließlich der Wechsel an die Hauptkadettenanstalt in Lichterfelde bei Berlin brachten die Wende. Mit einem Mal brannte Göring für ein Ziel, er wollte unbedingt preußischer Offizier werden. 1911 bestand er das Fähnrichsexamen mit dem seltenen Prädikat „Vorzüglich“. Die Reifeprüfung und das Offiziersexamen im Jahr darauf absolvierte er ebenfalls mit Bravour. Sobald er sich für eine Sache interessierte, lernte Göring, dem man später einen Intelligenzquotienten von 138 bescheinigte, spielerisch leicht. Darüber hinaus zeichnete er sich während seiner militärischen Ausbildung durch Disziplin, Mut und Tapferkeit aus. Der Erste Weltkrieg brachte die Gelegenheit zur ersehnten Bewährung. Zunächst bei der Infanterie an der Westfront eingesetzt, ging Göring 1915 zur Fliegertruppe, nahm an etlichen Aufklärungsflügen teil und wurde mit dem Eisernen Kreuz Erster Klasse ausgezeichnet. 1916 schloß sich die Ausbildung zum Jagdflieger an. Nach dem Tod Manfred von Richthofens erhielt Göring das Kommando über das berühmte Richthofen-Geschwader. An Verwegenheit mangelte es dem jungen Leutnant nicht, war der Luftkampf doch, damals noch ritterlich Mann gegen Mann ausgetragen, so richtig nach seinem Geschmack. Im Sommer 1918 empfing Göring für seine Leistungen den höchsten preußischen Militärorden Pour le mérite. Für einen kurzen Moment war er ein Held im Deutschen Reich. Der ruhmlose Zusammenbruch der Monarchie bereitete dem Hochgefühl dann ein abruptes Ende. Es folgten ruhelose Jahre als Kunstflieger und Vertreter für Flugmotoren in Skandinavien, danach als Student der Geschichte und der Nationalökonomie an der Universität München. Aber konzentrierte 114  Görings Finanzminister

Geistesarbeit war Görings Sache nicht, er schmiß das Studium bald wieder und blieb ohne Abschluß. 1922 kam es zur ersten Begegnung mit Hitler, dem er sich sogleich aufs engste zugesellte. Göring war beim Putschversuch 1923 dabei und wurde beim Marsch auf die Feldherrnhalle schwer verletzt. Mit Hilfe von Freunden entzog er sich der polizeilichen Verfolgung und floh erst nach Österreich, später nach Italien. Die hochdosierten Morphiumgaben bei der Behandlung seiner Schußverletzung machten ihn drogenabhängig. Zwei Jahre später unterzog er sich einer Entgiftungskur in Schweden, dem Heimatland seiner ersten Frau, Carin von Kantzow. Die Görings blieben bis 1927. Er verdiente weiterhin mit Kunstflügen und als Pilot der ersten Passagiermaschinen sein Geld. Mit der 1928 erlassenen Amnestie für die Teilnehmer am sogenannten Novemberputsch kehrte das Paar nach Deutschland zurück.157 In Berlin faßte Göring nun eine politische Karriere ins Auge. Die Verbindung zu Hitler war während der Auslandsjahre nicht abgerissen und schnell wieder gefestigt. Der Hauptmann a. D. wurde für den Parteiführer wegen seiner guten gesellschaftlichen und militärischen Verbindungen überaus nützlich. Göring warb erfolgreich Spenden ein für die NSDAP und brachte die nationalsozialistische Ideologie auch sonst unter die Leute. Hochgewachsen, gut aussehend und mit selbstsicherem Auftreten war Göring ein glänzender Redner, dem nicht nur das weibliche Publikum gern zuhörte. Auch Männer hingen an seinen Lippen. 1928 zog er für die NSDAP in den Reichstag ein, 1930 ernannte ihn Hitler offiziell zu seinem politischen Berater. Erneut hatte Göring Feuer gefangen für eine Idee, nämlich der nationalsozialistischen „Bewegung“ zum Durchbruch zu verhelfen. Dafür war ihm jedes Mittel recht, keine Mühe zuviel. Als Organisator der SA, als Propagandist wie als Abgeordneter war er rastlos tätig für den Erfolg. Hermann Göring gab der Partei in diesen Jahren ein seriöses Gesicht, das sich wohltuend von ihren oft proletenhaften Zügen abzuheben schien. Seine Brutalität beim Umgang mit dem politischen Gegner wurde dagegen kaum recht registriert. Mit einem wie ihm, mochte mancher besorgte Zeitgenosse denken, war vielleicht ein Staat zu machen.158 Görings Finanzminister  115

Wann genau Popitz Göring das erste Mal persönlich traf, ist ungewiß. Aufmerksam auf den Mann neben Hitler dürfte er spätestens 1932 geworden sein, als Göring zum Reichstagspräsidenten gewählt worden war. Aber vorerst fehlte es an Berührungspunkten; zwischen Schmitt und Popitz war Göring zunächst kein Thema. Unmittelbar eng wurde der Kontakt dann mit dem 30. Januar 1933. An diesem Tag ernannte Hitler seinen „treuesten Paladin“ zum Reichsminister ohne Geschäftsbereich und kommissarischen Innenminister in Preußen. Letzteres sicherte den Nationalsozialisten den langerstrebten Zugriff auf die preußische Polizei und damit auf ein schlagkräftiges Instrument zur Bekämpfung der politischen Gegner. Zudem gebot der Innenminister als oberster Dienstherr über die preußische Beamtenschaft. Deren politische Überprüfung sollte, vom Kabinettskollegen Popitz energisch bestärkt, zu den ersten Maßnahmen von Görings Ministerschaft zählen.159 Popitz lernte Göring in einer psychischen Hochphase kennen, als er dynamisch auftrat, tatkräftig und fleißig war, mit nichts als dem politischen Erfolg im Sinn. Noch war die Neigung zum Lotterleben verborgen, hatte sich der „Renaissancemensch“ nicht entfaltet. Görings Unerfahrenheit mit dem preußischen Beamten- und Verwaltungsrecht bot Popitz die Chance, sich ihm helfend an die Seite zu stellen. In vielem besaß der neue Innenminister ja tatsächlich ein sicheres Gefühl für Qualität, so daß er sich die Zuarbeit des Spitzenbeamten gern gefallen ließ. Rasch lernte er den ungedienten, aber eben blitzgescheiten Juristen schätzen. Göring und Popitz stiegen gemeinsam auf im Dritten Reich, am 11. April wurde der eine zum Preußischen Ministerpräsidenten ernannt, zehn Tage später der andere zum Preußischen Finanzminister. Ungeachtet aller persönlichen Verschiedenheit wuchs in den kommenden Jahren ein vertrautes Verhältnis zwischen beiden Männern. Der Finanzminister war zeitweilig der Stellvertreter des Ministerpräsidenten und damit der zweite Mann in Preußen. Popitz stand beruflich im Zenit.160 Als sich am 19. Mai 1933 die neue Ministerriege dem preußischen Landtag präsentierte, saßen Göring und Popitz einträchtig nebeneinander auf der Regierungsbank. Zuvor hatte das Kabinett „unter den 116  Görings Finanzminister

Hermann Göring und Johannes Popitz am 10. März 1934 vor einer Sitzung in der alten Reichskanzlei

Klängen des alten preußischen Präsentiermarsches“ eine vor dem Landtagsgebäude aufmarschierte Front aus berittener Polizei und Schutzpolizei feierlich abgeschritten. „Das ist mehr als ein symbolischer Akt, ist eine typisch Göringsche Demonstration des Staatswillens und der Staatsmacht“, bejubelte der Hofbiograph Görings, Erich Gritzbach, das feierliche Zeremoniell. Gritzbach, ein promovierter Jurist, war zugleich ein Vertrauter von Popitz. Beiden dürfte die „staatsmännische“ Ansprache Görings an diesem Tag gut gefallen haben. „Diese Rede ist konservativ-revolutionär. Konservativ im Sinne des Staatsdenkens Adolf Hitlers – erhalten, was gut ist und sich bewährt hat, darüber hinaus aber die unerfüllten staatsnotwendigen Pflichten der Vergangenheit wieder aufnehmen und ihrer endlichen Verwirklichung zufühGörings Finanzminister  117

ren“, faßte Gritzbach Görings Worte für die Nachwelt zusammen. Sie dürften Popitz aus der Seele gesprochen haben. Selbst der Vergleich Görings mit Friedrich dem Großen wurde nicht gescheut; „fritzischer Geist“ sei aus den Ausführungen des Ministerpräsidenten herauszuhören gewesen. „Preußen hat wieder einen in alter Tradition verwurzelten Ministerpräsidenten. [...] Er ist nicht Vorsitzender des Preußischen Staatsministeriums, der nur die allgemeinen politischen Richtlinien anzugeben hatte, er ist Staatschef, der die Verantwortung für das gesamte preußische Kabinett und für das gesamte Land Preußen trägt, dem der Führer nach dem Statthaltergesetz alle seine Rechte als Statthalter übertragen hat.“ Nach dieser Rede stimmte der Landtag dem preußischen Ermächtigungsgesetz zu. Es ermöglichte der Regierung, verfassungsändernde Gesetze zu beschließen und umzusetzen. Mit diesem letzten parlamentarischen Akt hatte sich der Landtag selber abgeschafft. Seine endgültige Auflösung im Oktober des Jahres war nur noch eine Formsache.161 Beim autoritären Umbau des preußischen Staates zogen Göring und Popitz an einem Strang. Nachdem der Landtag alle Bedeutung verloren hatte, erhielt der Preußische Staatsrat eine neue Funktion. Aus der bisherigen Zweiten Kammer im preußischen Staat, demokratisch legitimiert und mit beratender Gesetzgebungs- und Exekutivbefugnis versehen, wurde ein „Ehrenrat“. Er setzte sich aus den Mitgliedern der Staatsregierung sowie aus von Göring persönlich Ernannten zusammen. Verdiente Parteigenossen, Vertreter der Kirchen, aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst kamen als Staatsräte zu Ehren. Der Ministerpräsident führte den Vorsitz im Staatsrat, er berief ihn ein und setzte auch die Tagesordnung fest. Auf Abstimmungen wurde verzichtet, weil es die „klare und selbstverständliche Grundidee ausschließlichen Führertums“ nun so verlangte. Spiritus rector des reformierten Staatsrats war Popitz. Er beriet Göring bei seiner Entstehung und unterbreitete ihm Vorschläge, als es um die Berufung der fünfzig Mitglieder ging. Die Ernennung von Popitz’ bestem Freund Carl Schmitt ging auf seinen Rat zurück. Am Freitag, dem 15. September 1933, um 11 Uhr fand in der Aula der Berliner Universität die Eröffnung statt. Im ganzen Land war 118  Görings Finanzminister

geflaggt an diesem Tag, und Kultusminister Bernhard Rust hatte schulfrei gegeben. Die öffentlichen Amtsgeschäfte wurden für die Dauer der Zeremonie unterbrochen, damit Beamte, Angestellte und Arbeiter an den Rundfunkgeräten diesen „geschichtlichen Akt in der preußischen Staatsentwicklung“ verfolgen konnten. Im Finanzministerium fand sich die Belegschaft „pünktlich um 10:45 Uhr im großen Festsaal zur Teilnahme an der Feier“ ein. Vor der Universitätsaula, auf dem alten Forum Fridericianum, erfolgte zuerst die Vereidigung von Anwärtern für den Dienst in der neuen sogenannten Schutzpolizei. Anschließend wurden die Staatsräte von Göring auf ihre Aufgabe eingeschworen. Das gesamte diplomatische Korps, die Reichsminister und Staatsminister der Länder wohnten dem pompösen Staatsakt bei. „Tiefe Ergriffenheit“ soll die Versammlung erfaßt haben, als der Ministerpräsident die Festansprache hielt. „Unsere Arbeit gilt nicht nur Preußen, unsere Arbeit gilt dem Reiche“, versicherte Göring. Um große Worte war er bekanntlich nie verlegen.162 Mag der Festakt den heutigen Geschmack auch nicht mehr treffen, auf die damaligen Teilnehmer verfehlte er seine Wirkung nicht. Ein Mann wie Popitz, geschichtsbewußt, patriotisch und stolz, wußte gewiß vom Ereignis 71 Jahre zuvor, als am gleichen Tag und zur gleichen Stunde Bismarck als preußischer Ministerpräsident vereidigt worden war. Noch immer wie „berauscht“ vom revolutionären Geschehen, stellte sich Popitz nur zu gern in diese preußische Tradition. Er überhörte den falschen Zungenschlag der neuen Machthaber und übersah das Unrecht, daß sich von Beginn an vor seinen Augen vollzog. Popitz stand so fest im Zentrum der Macht, daß ihm der Sinn für eine nüchterne Lagebeurteilung fehlte. Er war es, der Schmitts anfängliche Reserven gegen den totalen Machtanspruch der Nationalsozialisten überwand und ihn zur Mitarbeit am Reichsstatthaltergesetz überredete. Der Staatsrechtler fand bald Geschmack an seiner Beraterfunktion und trat am 27. April 1933 der NSDAP bei. „Popitz war mein bewährter Freund, seit Jahren – ein naher Freund. Und wenn der mir telegraphierte: ‚Morgen Nachmittag 5 Uhr Berlin Staatsministerium‘, dann machte ich einfach mit“, verteidigte Schmitt sein Engagement im Nachhinein. Viele seiner Freunde und Schüler, von denen etliche Görings Finanzminister  119

wegen politischer Verfolgung das Land verlassen mußten, haben ihm dies zeitlebens nicht verziehen. Popitz hingegen verzichtete vorerst auf eine Parteimitgliedschaft. Aber es spricht wenig dafür, daß ihn moralische Skrupel oder politische Vorbehalte von diesem Schritt abgehalten hätten. Es machte sich einfach besser, dem Kabinett als reiner Fachmann anzugehören und damit den überparteilichen Charakter der Regierung zu stärken.163 Im Kreis der Ministerkollegen nahm Popitz eine Sonderstellung ein. Göring hielt große Stücke auf seinen klugen Finanzminister und räumte der „grauen Eminenz“, wie er bald heimlich hieß, beträchtlichen Einfluß ein. Legte Popitz in einer Finanzangelegenheit sein Veto ein, so konnte dies nur durch einstimmigen Ministerbeschluß und ein Votum Görings aufgehoben werden. Und bei der Konsolidierung des Staatshaushalts erhielt er freie Hand. Wie alle deutschen Staaten und das Reich war Preußen hochverschuldet. Für das abgelaufene Rechnungsjahr 1932 belief sich das Defizit im ordentlichen Haushalt auf rund 175, im außerordentlichen auf 4 Millionen Reichsmark. Popitz’ ganze Konzentration richtete sich auf die Verringerung dieser Schuldenlast. Eine Besserung der Finanzlage glaubte der Minister in erster Linie durch Steuererleichterungen zur Belebung von Konsum und Wirtschaft sowie durch gravierende Einsparungen erzielen zu können. Dementsprechend wurden Grund- und Hausbesitz, Land- und Forstwirtschaft steuerlich entlastet und Personalstellen im Staatsdienst abgebaut. Daneben nahm er Umschichtungen von Geldern vor wie die 25 Millionen Reichsmark aus dem Aufkommen der Hauszinssteuer, die eigentlich den Gemeinden zustanden, nun aber in der Not dem allgemeinen Finanzetat zuflossen. Auf diese Weise konnte der Haushalt für 1933 um rund 350 Millionen Reichsmark verringert werden. Aber eine anhaltende Verbesserung der Finanzlage war nur im Verein mit dem Reich zu erzielen, auf dessen Zahlungen im Rahmen des Reichsfinanzausgleichs Preußen angewiesen war. Alles hing von der Entwicklung der Wirtschaft und der Lösung des Arbeitslosenproblems ab. In diesem Zusammenhang erhielt Popitz zweimal Gelegenheit, seine steuerpolitischen Überlegungen Hitler im persönlichen Gespräch zu unterbreiten. Der Reichskanzler scheint beeindruckt gewesen zu sein und bat um 120  Görings Finanzminister

Kabinettssitzung am 16. März 1935: Johannes Popitz, fünfter von links, rechts daneben Reichserziehungsminister Bernhard Rust, Hermann Göring und Adolf Hitler

eine schriftliche Zusammenfassung seiner Gedanken. Außerdem wurde der preußische Finanzminister auf Wunsch Hitlers ständiger Teilnehmer an allen Kabinettssitzungen der Reichsregierung.164 Für seine umfangreiche Denkschrift hatte Popitz die Beamten seines Ministeriums mehrere Wochen hart arbeiten lassen. Anfang August lag das Ergebnis vor und ging als „Vertraulich!“ gekennzeichnet an den Staatssekretär im Reichskanzleramt, Hans Heinrich Lammers. Er sollte es Hitler in einem passenden Moment vorlegen. Den Wünschen des Reichskanzlers entsprechend enthielt das Gutachten mehrere Vorschläge, wie mit steuerlichen Maßnahmen Arbeitsplätze zu schaffen seien. Darüber hinaus wies er Hitler auf die dringend notwendige Sanierung der Gemeindefinanzen hin. Die hochverschuldeten Kommunen und Kommunalverbände könnten ihren vielfältigen sozialen Aufgaben schon lange nicht mehr nachkommen und müßten vor allem anderen finanziell wieder auf eine gesunde Grundlage gestellt werden. Eine reichsweite Gemeindereform sei daher unabdingbar. Popitz schlug für den Moment zwei Hilfsmaßnahmen vor. Es sollten die Gemeinden Görings Finanzminister  121

zum einen bei den Kosten für die Arbeitslosenhilfe durch verstärkte Zuschüsse aus dem Reichshaushalt entlastet werden. Zum anderen müsse ihre Umschuldung mittels einer umfassenden Kreditaktion zur „Konvertierung langfristiger wie der Konsolidierung kurzfristiger Schulden“ eingeleitet werden. Popitz wollte darüber nach Ablauf der Ferienzeit in „eingehende Beratungen, zunächst in einem kleinen Kreise“ eintreten. Als er mit seiner Denkschrift den Vorstoß bei Hitler unternahm, liefen die Arbeiten an der preußischen Gemeindereform bereits auf Hochtouren. Der aus Mitgliedern des Preußischen Staatsrats gegründete Ausschuß stand unter seinem Vorsitz.165 In dem Gutachten bot Popitz mehrere steuerpolitische Anreize zur Belebung der Bauwirtschaft an. Damit griff er eine Anregung Hitlers auf, der auf einer Kundgebung zum 1. Mai 1933 die Hebung dieses Sektors durch staatliche Maßnahmen angeregt hatte. Eine erhöhte Bautätigkeit würde nicht nur das Bauwesen befördern, meinte der Staatschef, sondern zugleich vielen mittelbar daran beteiligten Wirtschaftszweigen Auftrieb geben und damit Arbeitsplätze schaffen. Eine Senkung, wenn nicht gar die Abschaffung der Hauszinssteuer schien das gebotene steuerliche Mittel dafür zu sein. Diese seit 1924 zur Vermeidung unbilliger Inflationsgewinne allen Immobilienbesitzern auferlegte Reichssteuer, floß den Ländern resp. deren Gemeinden zu, wo ihr Ertrag teils den allgemeinen Finanztopf füllte, teils der Wohnungsbauförderung zugute gekommen war. Aber die Einnahmen sanken bedingt durch die Wirtschaftskrise seit Jahren, weil die Hausbesitzer die Steuer nicht mehr entrichten konnten oder wollten und ihre Immobilien lieber unvermietet ließen. So hätte 1932 der Ertrag in Preußen eigentlich bei 900 Millionen Reichsmark gelegen, aber der Fiskus strich nur 600 Millionen ein. Alle politischen Maßnahmen zur Abhilfe blieben fruchtlos. Schließlich war ein gravierender Sanierungsrückstand bei den Altbauten die Folge, so daß die Politik nun hoffte, mit einer Reform der Hauszinssteuer zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: die Bauwirtschaft anzukurbeln und damit Arbeit zu schaffen sowie die allgemeine Wohnungsnot zu lindern. Aber so einfach, wie sich ein finanzpolitischer Laie Eingriffe in das komplexe Steuersystem vorgestellt haben mochte, lag die Sache nicht.166 122  Görings Finanzminister

Für Popitz zeigte die Hauszinssteuer „alle Eigenschaften einer schlechten Gelegenheitssteuer“, die, einst aus der Not geboren, schon lange nicht mehr zeitgemäß sei und im Grunde abgeschafft gehöre. Nur würde ihre Beseitigung, wie er dem Reichskanzler detailliert vorrechnete, den Fiskus aktuell vor größte Probleme stellen. Allein der preußische Staat verlöre bei ihrem Wegfall nicht weniger als sein finanzielles Rückgrat. „Man kommt also zu dem zwingenden Schluß, daß eine Aufhebung oder auch nur entscheidende Senkung der Hauszinssteuer schlechterdings unmöglich ist, solange nicht – was zunächst nicht erwartet werden kann – die sonstigen Steuern um den Betrag der Hauszinssteuer erhöhte Einnahmen bringen oder solange nicht ein Ersatz sonstiger Art geschaffen werden kann.“ Die durch einen Aufschwung der Bauwirtschaft zu erwartende Steigerung der Umsatz-, Einkommens-, Gewerbe- und Vermögenssteuer könnte zwar rein rechnerisch den Steuerausfall kompensieren, aber dies würde erst mit beträchtlicher Verzögerung eintreten, und die Mehreinnahmen würden auch nur dem Reich, nicht den Ländern zufließen. Eine Zwischenfinanzierung sei daher unabwendbar. Im weiteren Verlauf seines Gutachtens spielte Popitz verschiedene Szenarien durch, um Hitler am Ende die von ihm favorisierte „kleine Lösung“ schmackhaft zu machen. Das Konzept sah die Beibehaltung der Hauszinssteuer vor, die aber über einen Zeitraum von sieben Jahren kontinuierlich gesenkt werden sollte. Gleich zum 1. Oktober 1933 war eine drastische Kürzung um 30% vorgesehen. Den erwarteten Steuerausfall von etwa 500 Millionen sollte ein Kredit überbrücken. „Ich möchte glauben, daß man diese ‚kleine Lösung‘ ernstlich erwägen sollte“, legte Popitz dem Reichskanzler nahe. Die Regierung folgte dem Vorschlag des allmählichen Steuerabbaus samt umfassender Kreditoperation, während sich die endgültige Abschaffung der Hauszinssteuer noch über gut ein Jahrzehnt bis 1943 hinzog.167 Popitz wirkte an verschiedenen großen Gesetzgebungsmaßnahmen der Anfangszeit mit. Er war an der Reform der preußischen Gemeindeordnung wie an der Reichskommunalordnung maßgeblich beteiligt. Das Regime bediente sich nur zu gern seines brillanten Sachverstandes, und er stellte seine Expertise bereitwillig zur Verfügung. Langatmige Görings Finanzminister  123

parlamentarische Diskussionen und lästige Abstimmungsverfahren erübrigten sich ja nun im autoritären Staat, in dem ein Kabinettsbeschluß genügte. In dieser Hinsicht mochte sich der Minister wie in vorkonstitutionelle Verhältnisse zurückversetzt gefühlt haben, als Regierungspläne noch mit einem Federstrich verwirklicht worden waren. Selbst wenn er keineswegs immer mit seinen Vorstellungen durchdrang, sondern wie im Falle der Arbeitslosenfürsorge, die er lieber in Zuständigkeit der Gemeinden statt des Reichs gesehen hätte, auch schon mal eine herbe Niederlage einstecken mußte, hatte sich sein politischer Gestaltungsspielraum doch erheblich vergrößert. Aber die Freude darüber währte nicht lange. Die neuen Herrschaftsstrukturen erstarrten so schnell, wie sie geschaffen worden waren und erwiesen sich als Klotz am Bein jeder vernünftigen Verwaltungsarbeit. Sein mit großer Energie vor 1933 betriebener Plan einer umfassenden Reichsreform mit dem dezentralisierten Einheitsstaat als Ziel, wurde mit Elan begonnen, kam jedoch über vielversprechende Ansätze nicht hinaus. Er wurde 1937 von Hitler auf Eis gelegt. Darüber hinaus sorgte der Diktator mit seinem exzentrischen Führungsstil für erhebliche Reibungen im Regierungsgeschäft. Hinzu kam die Partei, die sich alsbald wie eine Krake über das öffentliche Leben legte und bei allem und jedem ein Mitspracherecht reklamierte. Davon blieb auch die Beamtenschaft nicht unberührt, für deren Neuausrichtung sich Popitz 1933 kräftig ins Zeug legte. Schon der „Preußenschlag“ 1932 hatte einen Vorgeschmack darauf geboten, was mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten auf die gesamte Beamtenschaft im Reich zukommen würde. Jeder Mann und jede Frau im Staats- oder Kommunaldienst wurde einer gesinnungsmäßigen Überprüfung unterzogen. Für den Fall, daß jemand nicht den nun herrschenden Kriterien entsprach, drohten die zwangsweise Versetzung auf eine andere Position oder in den Ruhestand, wenn nicht gar die Entlassung. Es sollte Tabula rasa gemacht werden mit dem politischen Beamtentum der sogenannten Systemzeit, und entsprechend sorgfältig ging man dabei vor. In den letzten Monaten der Republik hatten Nationalsozialisten und Deutschnationale heimlich Listen mit den Namen politisch unliebsamer Beamter angelegt. Mit 124  Görings Finanzminister

dem 30. Januar 1933 wurden sie hervorgeholt. „Göring mistet aus“, notierte Goebbels zufrieden in sein Tagebuch, „[e]in Oberpräsident nach dem anderen wird umgekippt“. Dem preußischen Innenminister dienten anfangs nur eine preußische Verordnung aus dem Jahre 1919 sowie Bezugnahmen auf das „Republikschutzgesetz“ als rechtliche Grundlagen. Seit dem 7. April 1933 lag dann das berüchtigte „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ auf dem Tisch. Nach dessen Maßgabe wurde nun der gesamte öffentliche Dienst im Reich auf seine politische Zuverlässigkeit durchleuchtet. An der Ausarbeitung des Gesetzes war Popitz neben Göring, Frick, Gürtner und von Krosigk federführend beteiligt. Der preußische Finanzminister steuerte einen harten Kurs auf sein Ziel, nämlich das Beamtentum mit den Tugenden und Fähigkeiten zu durchdringen, wie sie seiner Meinung nach zuletzt im Kaiserreich vorgeherrscht hätten. Um sich aller ungeeigneten Kräfte rasch zu entledigen, sollte es für einen befristeten Zeitraum sogar möglich sein, jeden Beamten ohne Angabe von Gründen in den Ruhestand zu versetzen. Aber das ging selbst Wilhelm Frick zu weit. Popitz’ Idee fand nur in abgeschwächter Form Berücksichtigung. Am 7. April war Beratungsschluß, und damit erlangte das Berufsbeamtengesetz mit der Zustimmung des Kabinetts Gesetzeskraft. Es wurde sinngemäß auch auf Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst angewendet.168 Dem Finanzminister war, was seinen direkten Geschäftsbereich betraf, an einer sorgfältigen, aber raschen Bearbeitung gelegen. Jeder der 331 Mitarbeiter im Haus am Kastanienwäldchen wurde zu einer dienstlichen Erklärung über seine „arische Abstammung“ aufgefordert und erhielt einen Fragebogen, in dem wahrheitsgemäße Angaben über den beruflichen Werdegang und die politische Betätigung einzutragen waren. Als Ende Juli 1933 bei einem Großteil der Verfahren schon Entscheidungen gefallen waren, einige aber noch zur Erledigung anstanden, drängte Popitz seine Beamten zu mehr Tempo. „Ich lege Wert darauf, daß die Aktion innerhalb des Hauses zum Abschluß kommt, da grade für das Finanzministerium derart bedeutsame Aufgaben mittelbar bevorstehen, daß alsbald eine unbedingt zuverlässige und ruhige Beamtenschaft zur Verfügung stehen muß“, mahnte der Minister und forderte binnen Wochenfrist schriftliche Auskunft. Es waren da 38 Görings Finanzminister  125

von insgesamt 41 Verfahren unter der Ministeriumsbelegschaft bereits abgewickelt worden. In fünf Fällen war die Entlassung des Beamten oder die Versetzung in den Ruhestand aufgrund des sogenannten Arierparagraphen erfolgt, bei den übrigen hatten politische Gründe den Ausschlag gegeben. Diese Beamten wurden ebenfalls entweder entlassen, in den Ruhestand oder ein anderes Amt versetzt. Die Überprüfung des großen Personalbestands in den Finanz- und Katasterämtern des Landes dauerte länger und führte ebenfalls zu gravierenden Personalveränderungen.169 In den einzelnen Personalverfahren kam viel darauf an, wer in der Personalabteilung die Untersuchung führte und wie genau es derjenige nahm. Als Grundlage dienten die Selbstangaben in den Fragebögen. Oft kamen aber noch Denunziationen von gehässigen Zeitgenossen hinzu. Es lag in der Hand des Untersuchungsbeamten, wie gewissenhaft er dem jeweils nachging. So war Narziß Volk, ein mittlerer Ministerialbeamter des Jahrgangs 1880, wegen vermeintlicher politischer Unzuverlässigkeit zunächst in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden. Volk war praktizierender Katholik und stand der Zentrumspartei nahe. Er legte Widerspruch ein, und der Sache wurde nachgegangen. Die Anfrage bei der NSDAP-Gauleitung Berlin ergab jedoch nichts weiter Negatives, im Gegenteil, „die Leute sind gute Deutsche, jederzeit hilfsbereit“, hieß es von dort über die Familie Volk, und in diesem Sinne habe sich zuletzt selbst eine „alte Parteigenossin mit drei Kindern, die ebenfalls Parteigenossen sind“, geäußert. Aber dann wurde Volk von einem Nachbarn schriftlich angezeigt. Der Denunziant wurde zur Vernehmung ins Ministerium einbestellt, wo er Volk als politisch unzuverlässig beschuldigte und dafür auch einen weiteren Zeugen benannte. Als der die Angaben bestätigte, erfolgte mit Bescheid vom 13. September die Versetzung des Beamten in den dauernden Ruhestand.170 Das Denunziantentum blühte im „Dritten Reich“, besonders zu Anfang, als so herrlich viele Stellen im öffentlichen Dienst vakant wurden. Die „alten Kämpfer der Bewegung“ forderten nun ihre Belohnung mit einer Sinekure im Staats- oder Kommunaldienst. Dafür wurde mit allen Tricks gearbeitet und noch das kleinste Vergehen eines 126  Görings Finanzminister

potentiellen Mitbewerbers zur Staatsaffäre aufgebauscht. Auch dem unliebsamen Nachbarn oder Kollegen konnte nun leicht eins ausgewischt werden. So sollte Kasterobersekretär Geyer, ein Sozialdemokrat, bei der Einführung des Hitlergrußes in privater Runde gesagt haben: „Ich tue es nur, weil ich es muß.“ Geyer wurde entlassen. Sein Kollege Herrmann hatte sich zu der Bemerkung hinreißen lassen: „Daß wir Idioten haben, weiß ich schon lange, daß es aber in Deutschland sechs Millionen Idioten an Wählern gibt, das wußte ich allerdings nicht.“ Auch Herrmann mußte gehen. In Aachen traf es Katasterobersekretär Schumacher. Er war wegen verächtlicher Äußerungen gegen das Regime auffällig geworden, aber der Regierungspräsident gab im Einvernehmen mit der Gauleitung zunächst nichts darauf und hielt an dem Mann fest. Doch am Kriegsopferehrentag, beim Festumzug im niederrheinischen Heinsberg, sollte Schumacher angeblich die Hakenkreuzfahne nicht gegrüßt haben und auch nach mehrmaliger Aufforderung ungerührt an seinem Tisch in einer Gartenwirtschaft sitzen geblieben sein. Nun befürworteten auch Regierungspräsidium und Gauleitung die Entlassung.171 Etwas anders lag der Fall bei Ministerialrat Dr. Wüllenweber, ein direkt im Finanzministerium tätiger Mann. Der Beamte hatte am 1. April 1933 bei Popitz persönlich eine Selbstanzeige eingereicht. An diesem Tag fand bekanntlich der Boykott jüdischer Geschäfte statt, den Wüllenweber aber demonstrativ ignorierte und an postierenden SA-Leuten vorbei ein jüdisches Geschäft betrat. Er wurde aufgehalten, um seine Personalien angegangen, anschließend abgeführt, aber kurz darauf wieder freigelassen. Beim nächsten jüdischen Geschäft erlebte er das gleiche. Nur schlug ihm dieses Mal ein SA-Mann so heftig ins Gesicht, daß seine Brille zu Bruch ging. Wüllenweber war klar, daß die gezeigte Zivilcourage Folgen haben würde. Deshalb meldete er vorsorglich den Vorfall. In einem persönlichen Brief an Popitz begründete er seine Handlungsweise mit der Dankbarkeit gegenüber den Juden, von denen er stets nur Gutes erfahren habe. Außerdem gab er an, den Boykott für sittenwidrig und eines Rechtsstaates unwürdig zu halten. Womöglich hoffte er mit dieser Bemerkung bei Popitz auf Nachsicht, dessen ausgeprägtes Rechtsverständnis allgemein bekannt Görings Finanzminister  127

war. Aber der Minister mochte das Verhalten des Ministerialrats nicht „als zweckmäßig anzuerkennen“ und schickte ihn bis auf weiteres in Urlaub. Vier Wochen später erhielt er seine Entlassung aufgrund der §4 und 7des Berufsbeamtengesetzes. Inzwischen lag nämlich sein Fragebogen auf dem Tisch und seine Mitgliedschaft in der SPD vor aller Augen. Weitere Versuche, noch eine Änderung an der Entscheidung herbeizuführen, scheiterten. Persönlich empfangen wollte ihn der Minister nicht und verwies den Bittsteller an Staatssekretär Friedrich Landfried.172 Als Miturheber des Gesetzes stand Popitz hinter den Sanktionen, auch wenn ihm manches persönliche Schicksal unangenehm berührte. Besonders dürfte dies bei denjenigen Entscheidungen der Fall gewesen sein, die aufgrund des „Arierparagraphen“ entschieden wurden. Er selbst war kein Antisemit, sondern hatte im Gegenteil seine tüchtigen jüdischen Mitarbeiter stets zu schätzen gewußt. Daß sie nun dem Rassenwahn des Regimes zum Opfer fielen, tat ihm leid. Popitz hielt diese Behandlung der Juden für einen kapitalen Fehler, konnte aber nur im Einzelfall helfen. Rolf Grabower, sein früherer, ihm zudem freundschaftlich verbundener Mitarbeiter, war so ein Fall. Nach den nationalsozialistischen Rassenkategorien zu Dreivierteln jüdisch, blieb er vom Berufsbeamtengesetz unberührt, da er Kriegsteilnehmer war. 1934 verließ er seine Stellung im Reichsfinanzministerium und wechselte zum Reichsfinanzhof nach Nürnberg. Mit Inkrafttreten des Reichsbürgergesetzes 1935 durften Juden aber keine Beamte mehr sein, so daß Grabower zum Jahresende die Entlassung drohte. Als letzten Ausweg wandte er sich ratsuchend an seinen einstigen Chef in Berlin. Popitz zögerte nicht und erörterte den Fall mit dem Reichsfinanzminister, der auch sogleich bereit war, einen Ausnahmeantrag zu unterstützen. Grabower erhielt den Rat, ein kurzes Schreiben direkt an von Krosigk zu richten. Die Antragsbegründung sollte „nur ganz kurz sein“, auf den Kriegsdienst und die sonstigen Verdienste als Beamter im Reichsfinanzministerium verweisen. Schließlich riet Popitz zu ein paar distanzierenden Sätzen über die jüdische Abstammung. Grabower war evangelisch getauft und sollte nun betonen, dem Glauben seiner 128  Görings Finanzminister

Väter immer schon gleichgültig gegenübergestanden und sich zeitlebens nur „als deutscher Beamter und Offizier gefühlt“ zu haben. Als ahnte Popitz, wie diese Anstiftung zur Selbstverleugnung, wie überhaupt das ganze unwürdige Prozedere den Freund verletzen würde, sprach er ihm gut zu. „Ich meine, Sie sollten es tun. Sie vergeben sich nichts.“ Aber viel Hoffnung auf Erfolg wollte und konnte er ihm nicht machen. Entsprechend karg war der Trost von Mann zu Mann am Ende des Briefes: „Wird nichts draus, so muss es getragen werden.“ Popitz’ Engagement führte zu nichts. Der Antrag wurde abgelehnt, und Grabower erhielt im Februar 1936 seine Entlassungsurkunde. Einige Male besuchte der Finanzminister ihn noch in München. Die beiden flanierten gemeinsam durch die Stadt und besuchten die Gemäldegalerie. Das geschah freilich schon zu einer Zeit, als das öffentliche Zusammentreffen mit einem Juden demonstrativen Charakter besaß. Bis 1945 durchlitt Grabower alle Stadien der Verfolgung, schließlich auch die Deportation in das Konzentrationslager Theresienstadt. Er überlebte das „Dritte Reich“ nur knapp, wurde beruflich rehabilitiert, aber kein glücklicher Mensch mehr. Er starb 1963 in München.173 Wie für Grabower setzte sich Popitz auch für Werner Weisbach ein, den Kunsthistoriker aus der Berliner Mittwochsgesellschaft. Die beiden mochten einander nicht besonders. Doch als mit einer Order des Kultusministeriums 1938 Juden die Berliner Staatsbibliothek nicht mehr betreten durften, erwirkte Popitz eine Sondergenehmigung für Weisbach. Mehr war nicht drin in einem Land, in dem 1933 der Antisemitismus zur Staatsräson erhoben worden war. Die Ausschaltung der Juden aus dem öffentlichen Leben erfolgte vor aller Augen zielstrebig, systematisch und in sämtlichen Bereichen. Im Juni 1933 ordnete der preußische Finanzminister an, daß zur „Vertretung des Fiskus in Rechtsstreitigkeiten [...] nichtarische Rechtsanwälte nicht mehr zu beauftragen“ seien. Die Namen „geeigneter arischer Rechtsanwälte“ gab der Justitiar im Haus auf Anfrage heraus. Und im November 1936 ließ Popitz seine Beamten „besonders“ darauf hinweisen, daß im Krankheitsfall keine jüdischen Ärzte mehr aufgesucht werden durften. Bei Nichtbeachtung wurde die staatliche Beihilfe gestrichen. Im Geschäftsbereich des Preußischen Finanzministers hielt man peinlich genau auf Görings Finanzminister  129

die korrekte Umsetzung aller Gesetze. Dies traf nicht zuletzt auf das große Feld der sogenannten Arisierung zu, als jüdischer Grund- und Immobilienbesitz, Firmen und Geschäfte meist weit unter Wert in „arische“ Hände übergingen.174 Der „Arisierung“ ging zunächst die Beschlagnahme und Einziehung des Vermögens von Gewerkschaften, politischen Parteien, Stiftungen und Verbänden voraus. Auch Einzelpersonen – Liberale, Demokraten, Sozialisten und Pazifisten – wurden vielfach um Geld und Gut gebracht. Anfangs veranstalteten Polizei und SA wilde Razzien in den Wohnungen und Häusern der politischen Opposition, bis mit zwei Reichsgesetzen vom Mai und Juli 1933 der Willkür eine Ende gesetzt wurde. Nun begann die Phase gesetzmäßig geregelter Enteignungen. Für Preußen gab eine Ausführungsverordnung alle näheren Einzelheiten vor. Das Bankgeheimnis spielte keine Rolle mehr, die Geldinstitute kooperierten vielmehr auf das schönste mit dem Staat und erteilten bereitwillig jede Auskunft über das Vermögen ihrer Kunden. Beamte der Geheimen Staatspolizei spürten im Verein mit dem Fiskus Kontostände, Wertpapiere und Hypothekenbriefe auf. Arbeitsfront, Innenministerium und Finanzministerium konkurrierten sodann um die Verwertung des beschlagnahmten Guts. Am Ende erhielt der Finanzminister durch einen Erlaß Görings den Zuschlag. Am Kastanienwäldchen fiel auch die letzte Entscheidung darüber, ob ein vom Staat bereits eingezogenes Vermögen rückerstattet wurde. Aber das war für die Betroffenen ein langer Instanzenweg, der auch nur eingeschlagen werden konnte, wenn neue, im vorausgegangenen Enteignungsverfahren noch nicht vorliegende Fakten aufgetaucht waren. Ansonsten waren die Beamten gehalten, derlei Gesuche „von vornherein“ abzulehnen. „Ich verhehle nicht, daß die Einziehung in manchen Fällen Härten mit sich bringt. Das ist aber im Interesse des Gemeinwohls nicht zu vermeiden“, ließ der Finanzminister verlautbaren.175 Es war eine Menge Geld, das auf diese Weise zusammenkam. 1933 verbuchte der entsprechende preußische Haushaltstitel satte 3,5 Millionen Reichsmark, 1934 weitere rund 320.000 Reichsmark. Aber Geld war längst nicht alles. Umfänglicher als der Bar-, Wertpapier- und Aktienbestand war der oft reichliche Immobilienbesitz vieler politischer 130  Görings Finanzminister

Gegner. Allein die „Konzentrations AG“, eine 1925 gegründete Dachgesellschaft für sozialdemokratisch betriebene Druckereien und Verlage mit Sitz in Berlin, verfügte über Grundstücke und Häuser im Wert von 15 Millionen Reichsmark. Gut die Hälfte davon fiel mit der endgültigen Liquidierung 1938 an den preußischen Fiskus, der Rest an das Reich.176 Kein Betrag war zu gering, als daß der Finanzminister ihn nicht hätte einstreichen wollen. Der Arbeitersportverein Brackwede bei Bielefeld hatte sich 1933 selbst aufgelöst, wobei seinerzeit Vermögen „bei dem Verein nicht beschlagnahmt werden konnte“. Später wurde die Existenz eines Postbankguthabens über 4,85 Reichsmark ruchbar. Der Betrag wurde beschlagnahmt und eingezogen. Ähnlich erging es hunderten von Vereinen und zahllosen Einzelpersonen im Land, wie etwa Gertrud Eisfelder in Berlin, deren „Vermögen“ von 14,85 Reichsmark beschlagnahmt und eingezogen wurde. Die Politiker der sogenannten Systemzeit standen durchweg unter Verdacht, Parteigelder zu besitzen. Im Fall des SPD-Reichstagsabgeordneten und kurzzeitigen Innenministers Wilhelm Sollmann und seiner Frau hatte dies den Verlust gleich des gesamten privaten Vermögens zur Folge. Nach einer Hausdurchsuchung, bei der Sollmann von SA-Leuten übel zugerichtet worden war, hatte er sich ins Saarland gerettet. Seine Frau Käthe kämpfte unterdessen um die Freigabe des beschlagnahmten Geldes. Der Kölner Regierungspräsident wie der zuständige Sachbearbeiter im preußischen Finanzministerium, Dr. Meyer, stellten sich stur und verweigerten die Herausgabe. Im April 1934 entschied dann aber die Geheime Staatspolizei Berlin, daß wenigstens das private Vermögen der Ehefrau in Höhe von 3.000 Reichsmark zurückzuerstatten sei.177 Im Preußischen Geheimen Staatspolizeiamt, das hier Hand in Hand mit dem preußischen Finanzministerium arbeitete, spielte ab 1934 der Jurist Werner Best eine maßgebliche Rolle. Zahllose Einsprüche gegen die Beschlagnahme von Vermögenswerten gingen über seinen Tisch. Best hielt wie Popitz auf die stets korrekte Anwendung der zugrundeliegenden Reichsgesetze, und es konnte auch schon mal vorkommen, daß ein Rückerstattungsantrag von ihm positiv beschieden wurde. So erhielt der frühere Gewerkschaftssekretär Karl WussGörings Finanzminister  131

mann sein Geld zurück, weil „Beweise dafür, daß es sich um Vermögen der früheren SPD handelt, oder das Vermögen zur Förderung staatsfeindlicher Bestrebungen gebraucht wird oder bestimmt ist, nicht vorliegen“. Der Umstand allein, daß Wussmann einmal im Dienst der Sozialdemokraten gestanden habe, könne den dauerhaften Entzug der 3.221,91 Reichsmark nicht begründen. Solche Großzügigkeit bei der Behandlung von Anträgen blieb freilich selten.178 Es wurden nicht nur einträgliche Güter enteignet. Auch den kleinen Leuten ging es ans Zeug, sobald sie verdächtig schienen, Gegner der neuen Regierung zu sein. Ihnen nahm man Fahrräder, Krafträder, Handwagen, Karren, Boote, einfach alles das weg, was der Mobilität dienen mochte. Selbst auf die Brieftauben warf der Staat ein Auge und schritt beim kleinsten Verdacht zur Enteignung. Auf diese simple Weise sollte der Verbreitung von oppositionellem Propagandamaterial, sollte der Kommunikation im gegnerischen Lager ein Riegel vorgeschoben werden. So füllten sich im Februar und März 1933 die örtlichen Polizeidienststellen mit Rädern, daß bald Platznot herrschte. Da half es nichts, wenn ein Besitzer auf sein Fahrrad für den täglichen Weg zur Arbeit, oft über viele Kilometer, dringend angewiesen war. Einmal kassiert, war es in der Regel für immer verloren. Arm wie die Arbeiter waren, kam die Anschaffung eines neuen Rads nicht in Frage. Daher flatterten den Behörden zahllose Rückerstattungsanträge auf die Tische. Das Finanzministerium wies die Regierungspräsidenten nachdrücklich an, strengste Maßstäbe bei der Beurteilung von Freigabeanträgen anzulegen. Hier war man überzeugt, daß die Fahrräder der Bittsteller generell im „Dienst staatsfeindlicher Betätigung“ stünden. Auch „eine veränderte politische Einstellung der Betroffenen“, wie sie in den Anträgen häufig geltend gemacht wurde, „ändert an dieser Beurteilung der Rechtslage nichts“. Unter Maßgaben wie diesen konnte selbst ein unbescholtener Fahrradhändler in Schwierigkeiten geraten. 179 1934 führte Emil Schütz, Inhaber der Fa. A. Gieseler in Aschersleben, Beschwerde über die Beschlagnahme einiger Kundenfahrräder. Der Händler hatte sie mittels Ratenkrediten an den Mann gebracht, so auch an Josef Mischewski. Bereits im September 1932 hatte der Bergmann ein Fahrrad zum Preis von 72,70 Reichsmark erworben, 132  Görings Finanzminister

16 Reichsmark angezahlt und seither den Restbetrag mit wöchentlichen Raten zu 2,50 Reichsmark abgestottert. Nun war das Rad weg, die Raten blieben aus, woraufhin Schütz die Behörden ziemlich unverblümt um finanzielle Entschädigung anging. Aber das Finanzministerium war dafür die falsche Adresse. Es drehte den Spieß einfach um: Der Händler, hieß es im Schreiben an das mitbeteiligte Innenministerium, müsse doch von der politischen Einstellung seines Kunden gewußt haben! Berechnungen zeigten zudem, daß die Ratenzahlung im März 1933 hätte abgeschlossen sein müssen, ob Schütz dem Mischewski also das Geld gestundet habe? „Diese Tatsachen lassen die Annahme berechtigt erscheinen, daß der Verkäufer mit der Hingabe des Fahrrades bewußt staatsfeindliche Bestrebungen gefördert hat. Wie sind der Firmeninhaber und der gesetzliche Vertreter, der den Kauf abschloß, politisch eingestellt?“ Eine solche Nachfrage konnte brandgefährlich werden. Wären Schütz die Folgen seines Gesuchs bewußt gewesen, er hätte von einem Entschädigungsantrag gewiß abgesehen.180 Sobald die Einzugsverfahren abgeschlossen waren, lag die Verfügung über die Fahrzeuge beim preußischen Finanzministerium. Ein Erlaß Görings vom Januar 1934 regelte ihre Verwertung. Polizei, SA und die Landjäger nahmen die Fahrräder gern, die ihnen für kleines Geld vielfach überlassen wurden. Eine kostenlose Abgabe kam hingegen keinesfalls in Frage, je nach Zustand lag der Kaufpreis zwischen 2 und 35 Reichsmark. Die Nachricht günstigen Erwerbs verbreitete sich wie ein Lauffeuer und sorgte im Finanzministerium für einen sprunghaften Anstieg von persönlichen Nachfragen. Daraufhin ließ der Minister feste Bürozeiten festlegen, in denen die Interessenten im zuständigen Referat vorsprechen konnten. Was nicht auf diese Weise fortkam, ging zur Versteigerung. Tausende Fahrräder wechselten in den ersten beiden Jahren des „Dritten Reichs“ zwangsweise den Besitzer, und der Erlös floß zur Sanierung der Finanzen in den preußischen Staatshaushalt ein. Allerdings ließ sich nicht alles an mobilen Objekten optimal verwerten, wie das Sportschiff „Niederwald“ der „Freien Wasserfahrer Düsseldorf 1921 e. V.“. Es war eigentlich auf 26.000 Reichsmark taxiert, aber in eben dieser Höhe auch mit Hypotheken belegt. Die Gläubiger konnten oder wollten sie nicht ablösen. Am Ende wurde Görings Finanzminister  133

das Schiff in „Wotan“ umgetauft und ging für 4.000 Reichsmark an den „Völkischen Schwimm- und Wassersport e. V.“ Ähnliches erlebte Albert Einstein, der bekanntlich ein „Spezialfeind“ der Nationalsozialisten war und darum einer besonders intensiven Prüfung seiner Besitzverhältnisse unterzogen wurde. Dabei verlor er unter anderem sein am Caputher See liegendes Segelboot an den Staat. Ein Zahnarzt ersteigerte es für 1.300 Reichsmark. Selbst die beschlagnahmten Brieftauben wurden noch zu Geld gemacht und im September 1933 bis auf wenige „ganz wertvolle Zuchtexemplare“ geschlachtet. Der Erlös aus dem Fleisch wurde gegen die Pflege- und Futterkosten während des Enteignungsverfahrens aufgerechnet und der verbleibende Rest im Nachtragshaushalt für 1933 verbucht.181 Die staatlich gelenkte Enteignungspolitik gehörte zu den frühesten Maßnahmen der Regierung und diente der Verunrechtung und Verfolgung des politischen Gegners. Sie reichte bis tief in die Gesellschaft hinein und konnte jedermann, egal ob arm oder reich, treffen. Es ist leicht vorzustellen, wie es zur Verunsicherung und innerlichen Abstumpfung der Menschen beitrug, wenn sie die Beschlagnahme solch profaner Dinge wie Fahrräder, Holzkarren oder Flugtauben beobachteten, und dies oft genug allein auf den vagen Verdacht einer oppositionellen Betätigung ihrer jeweiligen Besitzer hin. Wer nicht persönlich betroffen war, hörte vielleicht aus der Nachbarschaft, dem Freundes- oder Bekanntenkreis davon. Der disziplinierende Effekt dürfte hoch gewesen sein, vielleicht weniger bei den organisierten Regimegegnern, dafür umso mehr bei denen, die nicht sonderlich politisch interessiert und engagiert waren. Allen wurde damit auf handfeste Weise klargemacht, daß mit dem neuen Staat nicht zu scherzen und Wohlverhalten in der „Volksgemeinschaft“ angesagt sei. Für Popitz war das durchaus in Ordnung. Bei Umwälzungen so ungeheuren Ausmaßes wie der „nationalen Revolution“, meinte er, lasse sich Unrecht einfach nicht vermeiden und müsse hingenommen werden. So gewaltig kam ihm der gesellschaftliche Umbruch seiner Gegenwart vor, daß er ihn mit der Säkularisation zu Beginn des 19. Jahrhunderts verglich, als sich die Besitzverhältnisse infolge der Auflösung des Alten Reichs schon einmal stark verschoben hatten. Zudem war der Geld134  Görings Finanzminister

bedarf des Staates enorm und zugleich der Ehrgeiz des Finanzministers groß, diesen schuldenfrei zu bekommen. Jede Reichsmark war willkommen. Daß er darüber nicht die immer noch bei vielen im Land herrschende Not vergaß, zeigt sein Engagement für das Winterhilfswerk. Er spendete monatlich 200 Reichsmark von seiner Aufwandsentschädigung als Staatsrat. Und er stellte sich am „Tag der nationalen Solidarität“, wie der alljährliche Auftakt zur reichsweiten Spendenaktion hieß, mit der Sammelbüchse in der Hand persönlich vor das Café Kranzler am Kurfürstendamm.182 Als gegen Mitte der 1930er Jahre die systematische „Arisierung“ jüdischen Besitzes begann, war die Gesellschaft also schon an Beschlagnahme, Enteignung und Einziehung „staatsfeindlichen Gutes“ gewöhnt und unempfindlich geworden. Nun traf es die ungeliebte Minderheit. Mit einer rasch geschaffenen Gesetzesgrundlage forcierte das Regime die Dissimilation der Juden von der Mehrheitsgesellschaft. Geheime Staatspolizei und Reichsinnenministerium überwachten den Prozeß, während die beiden Finanzministerien für die sukzessive Überführung des jüdischen Grund- und Immobilienbesitzes sowie des sonstigen Vermögens an Nichtjuden sorgten. Erst wurden Juden staatlicherseits um ihre Verdienstmöglichkeiten gebracht, dann wurden ihnen Sonderabgaben auferlegt, die viele in den finanziellen Ruin trieben. Juden wurden keine Steuererleichterungen bei den Grundbesitzabgaben mehr gewährt, wie sie üblich waren, wenn Grundstücke und Häuser wenig oder keinen Ertrag abwarfen. Kam es zur Stundung von Steuerschulden, griff der Fiskus sofort auf die Grundstückserträge, schließlich auf die Grundstücke selbst zu. Oft blieb nur noch die Schenkung des Besitzes an einen Nichtjuden als vorläufiger Ausweg. Doch selbst dies nahmen Popitz’ Finanzbeamte genau unter die Lupe und prüften, ob es sich nicht etwa um eine Scheinkonstruktion handelte und die Schenkung nur pro forma vollzogen worden sei. Daher mußte die jüdische Eigentümerin eines Mietshauses in Breslau im Oktober 1938 nachweisen, daß nicht sie, sondern ihr minderjähriger Sohn, „Mischling 1. Grades“, in den Nießbrauch der Mieteinnahmen kam. Zur Sicherstellung hatte eigens ein juristischer Beistand für die Rechtswahrung des Sohnes benannt werden müssen.183 Görings Finanzminister  135

Von der „Arisierung“ profitierten der Staat, unzählige Spekulanten, Bankiers, Geschäftspartner und Konkurrenten der Juden. Eine Bereicherungswelle wälzte sich durch das Land, wie es sie in der deutschen Geschichte lange nicht gegeben hatte. Kaum ein Besitz wechselte zum realen Wert den Eigentümer, sondern fand als „Schnäppchen“ seine Abnehmer. Äußerungen von Popitz dazu fehlen. Aber er dürfte auch hier eine höhere Staatsräson für sich geltend gemacht und auf die reibungslose Umsetzung der Maßnahmen gedrungen haben. Während die Entlassung der jüdischen Beamten, der Professoren und Hochschullehrer zumal, 1933 noch moralische Bedenken in ihm ausgelöst hatte, scheint er mit der materiellen Drangsalierung der deutschen Juden kein Problem gehabt zu haben.184 Mitte der dreißiger Jahre mußte sich Popitz über den wahren Charakter des Regimes im klaren gewesen sein. Inzwischen hatte sich der Mann, dessen energisches Auftreten, dessen Rationalität und Disziplin er anfangs bewundert hatte, die Maske vom Gesicht gerissen. Bald nachdem der Siegesrausch verflogen, die errungene Macht konsolidiert war, zeigte Göring die andere Seite seines Charakters. Aus dem kühnen Revoluzzer der ersten Stunde war ein prunksüchtiger Morphinist geworden, der den preußischen Staat vielfach bestahl. Was Göring an Luxusgütern, Häusern, Ländereien, Antiquitäten und Kunstgegenständen an sich brachte, war eines orientalischen Herrschers längst vergangener Zeiten würdig. Zur kargen Gegenwart paßte es freilich nicht, noch weniger zum kompromißlosen Sparen, das Popitz dem preußischen Staatshaushalt zu seiner Gesundung verordnet hatte. Görings Prachtentfaltung, sein sonderbarer Lebensstil wirkten einigermaßen lächerlich und trugen zum Machtverlust in der Führungsriege der Partei bei. Schon spekulierten Konkurrenten wie Himmler und Goebbels darauf, daß der Reichsmarschall in der Gunst Hitlers sinken möge. Aber das geschah vorerst nicht.185 Für Popitz stellte sich indes die Frage, wie aus der Situation herauszukommen sei, der persönlichen Bereicherung seines Dienstherrn nicht weiter Vorschub zu leisten, ohne das Staatsschiff vollends an Hitler, Himmler und Goebbels auszuliefern. Wenig attraktiv schien es, einfach von Bord zu gehen, noch war die Hoffnung größer, daß sich das Ruder 136  Görings Finanzminister

herumreißen ließe. Es gab ja auch manche vielversprechenden Ansätze zu verzeichnen. Die Konjunktur sprang an, die Arbeitslosigkeit sank, Wirtschaft und Finanzen schienen auf einem guten Weg zu sein. Schon 1935 pries das Berliner Tageblatt die preußische Finanzpolitik als grundsolide. Die Pro-Kopf-Verschuldung im Staat Preußen sei kleiner als in jedem anderen Land außer Württemberg, und die alljährliche Furcht vor dem Staatsbankrott gehöre wegen der gut gefüllten Staatskasse der Vergangenheit an. Im neuen Haushaltsjahr, lobte das Blatt weiter, seien staatliche Millionen-Investitionen aus ordentlichen Mitteln für Forstwirtschaft und Bergverwaltung vorgesehen. Schon war von einer „Morgengabe“ Preußens an das Reich die Rede, sollte es je zum Einheitsstaat kommen: Dann werde Preußen „einen Staatsschatz von hohem Wert mitbringen, einen ausgeglichenen Haushalt, hohe Vermögenswerte und eine flüssige Kasse, deren Mittel kaum kleiner sein werden als die Hinterlassenschaft Friedrich des Grossen“. Welcher Finanzminister würde sich nicht geschmeichelt fühlen, angesichts eines solchen Vergleichs! Daß es in Wahrheit lange noch nicht so prächtig um Preußens Staatsfinanzen stand, behielt Popitz dem engsten Ministerkreis vor. „Der preußische Etat sei, wenn auch geschickt verhüllt, ein Defizit-Etat“, ließ er 1938 die Kollegen wissen.186 Schließlich gewann das „Dritte Reich“ aber auch außenpolitisch zusehends an Reputation zurück. Was dies für den Nationalstolz der Menschen im Land, der national-konservativen zumal, bedeutete, sollte nicht unterschätzt werden. Zu den Olympischen Spielen 1936 zeigte sich das Deutsche Reich von seiner besten Seite. Beim Staatsempfang, den Preußen zur Eröffnung der Spiele im Alten Museum gab, begrüßten Göring, Popitz und Rust einträchtig nebeneinander die Gäste aus aller Welt. Vorerst hielt der Finanzminister also aus und wartete auf Zeiten, in denen sein Einfluß auf den Ministerpräsidenten wieder wachsen würde.187 Görings Geldhunger war mitbestimmend dafür, daß das preußische Finanzministerium als einziges Ressort im Land bestehen blieb und nicht wie die übrigen mit dem Reichsministerium fusionierte. Eine Zusammenlegung war jedoch vorgesehen. Popitz entwickelte Pläne für ein Reichsschatzamt, gebildet aus dem preußischen und dem ReichsGörings Finanzminister  137

finanzministerium mit ihm an der Spitze. Doch bis zum Kriegsausbruch war es über erste Vorarbeiten für einen Zusammenschluß nicht hinausgegangen, und danach war aus naheliegenden Gründen nicht mehr daran zu denken. Das preußische Finanzministerium mit einem Etat von zwei bis 2,5 Milliarden Reichsmark behauptete sich. Göring dürfte das nur recht gewesen sein, denn umso leichter ließ sich staatliches Geld für sein Luxusleben abzweigen. Allein der Umbau von Karinhall, dem nach Görings erster Frau benannten Landsitz nordöstlich von Berlin, verschlang bis Mitte der dreißiger Jahre mehrere hunderttausend Reichsmark. Bald kamen weitere Sommerhäuser, die Errichtung eines Wisentgeheges sowie die Ansiedlung von sieben neuen Dörfern in der Schorfheide hinzu. Im Juni 1935 verlangte der Ministerpräsident, daß ihm Karinhall auf Lebenszeit vom preußischen Staat geschenkt werde, wozu der Staatsrat bereitwillig sein Placet erteilte. Unterdessen rauften sich Popitz‘ Beamten wegen der Kosten die Haare. Ein vergeblicher Vorstoß aus dem Finanzministerium, es mit den privaten Ausgaben nicht länger zu übertreiben, folgte dem anderen. Es würden Dinge gekauft und Arbeiten verrichtet für Karinhall, ohne sich zuvor nach deren Finanzierung zu erkundigen, merkte ein kritischer Brief aus dem Finanzministerium an. Einige verspätet eingetroffene Rechnungen habe man noch beglichen. Aber es sei „mit Rücksicht auf die Rechtslage und die bindenden Vorschriften des Haushaltsrechts leider nicht zu verantworten, einige neu beschaffte Gegenstände, wie den Tontaubenschießstand und verschiedene Möbel, Gesamtpreis etwa 3.000 Reichsmark, auf die Staatskasse zu übernehmen“. Der preußische Ministerpräsident dürfte über die Höhe der Summe wie über den Anstoß zur Mäßigung nur gelacht haben. Und er fand sicherlich eine Lösung.188 Unterdessen gab auch sein emsiger Finanzminister viel Geld aus, allerdings nur für wohlerwogene öffentliche Zwecke. Der Ankauf des Welfenschatzes war so ein Fall. Diese für das nationale Gedächtnis bedeutsame Sammlung war 1929 vom Haus Braunschweig-Lüneburg an ein Frankfurter Kunsthändlerkonsortium verkauft worden, weil es schon damals an Mitteln zum eigentlich erwünschten Erwerb des Schatzes durch den preußischen Staat oder das Deutsche Reich gefehlt 138  Görings Finanzminister

hatte. 1934 bot sich die Gelegenheit zum Rückkauf, und prompt erklärte Popitz die Angelegenheit zur Chefsache. Alle Sparsamkeit war vergessen, denn in Sachen Welfenschatz schlug sein nationales Gewissen. Über 4 Millionen Reichsmark ließ sich der preußische Finanzminister alles in allem die Sache kosten.189 Angebahnt und abgewickelt wurde das „streng vertrauliche“ Geschäft von der Dresdner Bank als Treuhänderin des preußischen Staates. Die Gegenseite wurde durch das „Welfenschatzkonsortium“ vertreten, bestehend aus den Frankfurter Firmen Goldschmidt und Hackenbroch sowie den früheren jüdischen Inhabern der inzwischen liquidierten Frankfurter Firma Rosenbaum aus Amsterdam. Das Konsortium hatte 1929 gemeinsam mit in- und ausländischen Geschäftsfreunden den Schatz erworben und ins Ausland verbracht. Seither waren einige Teile auf dem internationalen Kunstmarkt verkauft worden, der Rest befand sich in den Niederlanden. Bis ins Detail wurden die Modalitäten des Verkaufs festgelegt: Ein Barpreis in Höhe von rund 3,6 Millionen Reichsmark wurde vereinbart, zu zahlen an die Firma Hackenbroch in Frankfurt, und 100.000 Reichsmark Vermittlungsprovision gingen an einen namentlich nicht genannten „Deviseninländer“. Schließlich überwies der preußische Staat noch einmal rund 800.000 Reichsmark auf ein Sperrkonto in Amsterdam. Dieser Betrag sollte weiteren ausländischen Beteiligten am Welfenschatz zugehen, konnte aber aufgrund der deutschen Devisenknappheit nicht direkt ausgezahlt werden. Darum legte der Kaufvertrag fest, daß das Konsortium dafür „freihändig“ Kunstgegenstände in Deutschland erwerben und ausführen durfte. Sollte der Kunstmarkt Käufe in dieser Höhe nicht hergeben, konnte sogar auf die staatlichen Museumsbestände zurückgegriffen werden. Bei der Preisfestsetzung für solche Stücke wurde ein von beiden Seiten akzeptierter Sachverständiger hinzugezogen. Er hatte darauf zu achten, daß sich der Wert an dem orientierte, was auf dem internationalen Kunstmarkt dafür zu erzielen sein würde. Das Mißtrauen war auf beiden Seiten groß. „Unverzüglich“ gezahlt werden sollte erst, wenn die Übergabe an einen von der Dresdner Bank bevollmächtigten Vertrauensmann erfolgt war. Und das Konsortium konnte vom Vertrag zurücktreten, sollte es zwischen dem Preußischen Görings Finanzminister  139

Staat und dem Verhandlungsführer Rosenberg zu keiner Einigung über die Kunstgegenstände aus staatlichem Fundus kommen. Am 14. Juni 1935 erteilten Popitz und der am Ankauf ebenfalls beteiligte Reichskultusminister Rust der Dresdner Bank die Ermächtigung zum Abschluß des Kaufvertrags. Bis 1939 brüteten die Beamten im preußischen Finanzministerium darüber, wie der Millionenbetrag im defizitären Staatshaushalt wohl am besten zu verbuchen sei. Allein die Rückkehr des Welfenschatzes überstrahlte in der Öffentlichkeit sämtliche Schwierigkeiten. Er wurde mit allem Pomp gefeiert, zu dem das „Dritte Reich“ imstande war. Die kostbaren Kleinodien wurden im Schloßmuseum ausgestellt und zu Insignien wiedererlangter nationaler Größe stilisiert. Kein Zweifel, Popitz war ein Coup gelungen, der in der öffentlichen Wahrnehmung positiv zu Buche schlug. Auch Hitler dürfte er damit einmal mehr überzeugt haben. Er verlieh Popitz am 30. Januar 1937 zusammen mit einer Reihe weiterer Staatsminister persönlich das Goldene Parteiabzeichen der NSDAP.190 Außer um den Welfenschatz sorgte sich der Finanzminister um den Erhalt historischer Bauten in Berlin. Als Chef der preußischen Hochbauabteilung fiel dies unmittelbar in seine Zuständigkeit, und er wandte sich dieser Aufgabe gern und ausdauernd zu. So ordnete er als erstes die umfassende Sanierung seines Ministeriumsgebäudes an. Dafür war Popitz keine Mark zuviel. Er ließ die Innenausstattung eines zum Abbruch bestimmten Privathauses, das noch auf Preußens berühmten Baumeister Karl Friedrich Schinkel zurückging, in den Festsaal integrieren und zum „Schinkelsaal“ ausbauen. Nach Fertigstellung der Bauarbeiten lud ein Tag der offenen Tür die Bürger zur Besichtigung des Gebäudes ein. Über dessen Geschichte erschien zudem eine kleine Broschüre, zu der Popitz das Vorwort verfaßt hatte. Darüber hinaus sorgte der Minister für die Neugestaltung vieler historischer Plätze Berlins. Zum Umbau des Lustgartens legte er Hitler seine Pläne persönlich vor, die dieser auch genehmigte. Am 1. Mai 1936 erfolgte die feierliche Wiedereröffnung. Schloß Bellevue wurde komplett saniert und dem Museum für Volkskunde zur Verfügung gestellt. Die Beispiele ließen sich leicht vermehren, und alle weckten sie ein reges Presseecho. Der Kunst- und Architektursachverstand des 140  Görings Finanzminister

Vortragszimmer im preußischen Finanz­ ministerium

Finanzministers wurde allgemein anerkannt. Popitz war von der hohen kulturellen wie politischen Bedeutung staatlicher Bautätigkeit überzeugt, in der sich Stolz und Anspruch einer Nation als „Kulturnation“ manifestierten. Die Relikte aus der Zeit des preußischen Klassizismus für die Zukunft zu bewahren, war ihm besonders wichtig. Nie wieder seither, meinte er, seien Staat und Politik, Kunst und Kultur so fruchtbar miteinander verbunden gewesen wie im ausgehenden 18. Jahrhundert. Die Nationalsozialisten ließen ihn gewähren und pflegten derweil ihre eigenen Utopien. Wie Popitz zu den Neubauplänen, zu einer Hauptstadt „Germania“ stand, ist unbekannt. Er wird sie kaum gemocht und schon allein der Kosten wegen vermutlich für undurchführbar gehalten haben.191 Görings Finanzminister  141

Einweihung des Horst-Wessel-Hauses am 16. November 1935. Göring schreitet die SAFormation ab, rechts neben dem Rednerpult Johannes Popitz mit erhobenem Arm.

Zuletzt lohnt noch der Blick auf ein weiteres Sanierungsprojekt in Berlin, für das Popitz mit innerer Anteilnahme Pate stand. Es handelte sich um kein öffentliches Gebäude von besonderem historischen oder architektonischen Wert, sondern um ein politisches Prestigeobjekt ersten Ranges. Im März 1933 hatten SA und Schutzpolizei die ehemalige, nach Karl Liebknecht benannte Berliner KPD-Zentrale gestürmt. Bald darauf wurde das Haus vom Staat beschlagnahmt und in Besitz genommen. Es folgten ein teurer Umbau mit öffentlichen Mitteln und anschließend die Umwidmung des Hauses zum Gedenken an Horst Wessel, des 1927 bei einer Straßenschlacht mit der Berliner Polizei ums Leben gekommenen SA-Mannes. Der Symbolwert für den nationalsozialistischen Staat war beträchtlich, so daß das Gebäude im November 1935 von Popitz im Beisein Görings eingeweiht und seiner künftigen Bestimmung übergeben wurde, nämlich Sitz von mehreren Katasterämtern Großberlins zu sein. Der Finanzminister hielt die Ansprache, in der die Genugtuung über die Aushebung dieses „raffiniert ausgestatteten Räubernestes“ 142  Görings Finanzminister

vorherrschend war. Aus der einstigen „Hochburg des Kommunismus“ sei ein „Haus des Staates geworden“, hielt Popitz befriedigt fest. Er würdigte die Mitarbeiter seiner preußischen Hochbauabteilung, die sich um die handwerkliche und künstlerische Ausgestaltung des Hauses verdient gemacht hätten. Unter anderem waren in der Eingangshalle links und rechts an den Wänden Steinreliefs im Stil damaliger Bauplastik angebracht worden. An der einen Seite erinnerte eine mit dem Porträt Horst Wessels verzierte Gedenktafel an die „Kampfzeit“ der Partei, an der anderen war eine Steinplatte angebracht mit einem Zug marschierender SA-Männer darauf. Popitz lobte die „markigen und straffen Figuren“, deren Ästhetik der griechischen Antike nachempfunden sein mochte. „Sie verkörpern die Idee der, furchtlos und alle Widerstände überwindend, vorwärts schreitenden politischen Soldaten Adolf Hitlers, [...], den Marsch gegen die Kräfte der Unterwelt, den Marsch zum Siege“, erläuterte der Minister das schlichte Bildprogramm. Popitz war ein ausgeprägter Anti-Kommunist und dürfte die Umwidmung des früheren Karl-Liebknecht-Hauses als wirklichen Triumph empfunden haben.192 In den Friedensjahren des „Dritten Reichs“ entfaltete der preußische Staat überall im Land eine rege Bautätigkeit. Popitz reiste umher, besichtigte, begutachtete und weihte ein, was an Neu- und Umbauten hervorgebracht wurde. Im August 1938 hielt er die Ansprache zur Richtfestfeier im Arbeiterstandortlager Fullen bei Meppen. Und am Tag darauf besichtigte er acht neu errichtete Lager im Emsland mit rund 270 Barackenbauten. Das Lager in vollkommen unbewohnter Gegend war für Strafgefangene vorgesehen, die zur Landgewinnung in den Mooren mit dem Spaten in der Hand schuften mußten, eine Aufgabe, wie Popitz im Gespräch mit Journalisten meinte, die größer sei „als die Trockenlegung der Pontinischen Sümpfe Italiens“. Daß Strafgefangene für die Kultivierungsaufgaben zwangsweise eingesetzt wurden, störte ihn keineswegs. Im Gegenteil, er könne sich keine bessere Sühnemaßnahme für sie vorstellen als die „Gewinnung neuen Lebensraumes für unser schaffendes Volk“, hielt er den Nachfragen entgegen. Ob er über die Lagerverhältnisse der dort ab Herbst untergebrachten „Moorsoldaten“ im Bilde war, weiß man nicht.193 Görings Finanzminister  143

Popitz bejahte das „Dritte Reich“ bis weit in die 1930er Jahre hinein. Vieles von dem, was er vor 1933 politisch gewollt hatte, war umgesetzt oder immerhin angefangen worden. Er selbst war bis ins Machtzentrum vorgedrungen und hatte einen Gestaltungsspielraum erlangt, von dem er vorher allenfalls hatte träumen können. Ohne Kompromisse war freilich auch mit dieser Machtfülle nichts anzufangen. Unterdessen wuchsen seine drei Kinder äußerlich unbeschwert in den NS-Staat hinein. Weder er noch seine Frau hatten Einwände gegen ihre Mitgliedschaft in den NS-Jugendorganisationen, ja sie beförderten das Engagement. „Bist Du schon Jungvolkmann?“, wurde der zehnjährige Heinrich 1934 von der Mutter erwartungsvoll gefragt, als sie wegen eines längeren Klinik- und Kuraufenthalts von Zuhause abwesend war. Cornelia Popitz war 1933 an Krebs erkrankt und mußte sich mehreren Operationen unterziehen. Aber der drohende Verlust für die Familie ließ sich nicht abwenden. Sie starb am 29. April 1936 im Alter von sechsundvierzig Jahren und hinterließ einen zutiefst bekümmerten Mann mit den minderjährigen Kindern. Popitz, der bei aller Geselligkeit dem Urteil seiner Freunde zufolge stets von einer Aura der Einsamkeit umgeben war, sah sich nun noch einmal mehr auf sich selbst zurückgeworfen. An den Verlust naher Angehöriger war er wohl von Kindheit an gewöhnt, doch mit diesem Tod brach das Zentrum seiner eigenen Familie weg. Die Sorge um die Kinder hielt ihn aufrecht, auch die Arbeit im Ministerium. Selbst der preußische Ministerpräsident fühlte mit ihm. Göring hatte seine erste Frau Carin durch einen frühen Tod verloren und anschließend lange um sie getrauert. Er kondolierte seinem Finanzminister telegraphisch, der Text wurde im Berliner Tageblatt abgedruckt. Zwei Tage später erfolgte die Beisetzung von Cornelia Popitz auf dem Dahlemer Waldfriedhof. Die Trauerrede hielt ein Freund der Familie, der Königsberger Dompfarrer Ewalt Quittschau, über den 1. Korintherbrief 13,8: „Die Liebe höret nimmer auf.“194

144  Görings Finanzminister

Stiller Seitenwechsel Neue Freunde, neue Ziele. Reichspogrom und Kriegsbeginn. Attentat und Verhaftung

„Internationale Gewitterstimmung. Innen wachsende Depression unter dem Druck der Parteiherrschaft und der Kriegsfurcht. [...] Der gesteigerte Haß gegen die Oberschicht ist besonders hervorgerufen durch die Warnung der Generäle (außer Keitel) vor dem Kriege. Hitler ist sehr geladen gegen sie und beschimpft sie als ‚feige‘. Zugleich nimmt die Abneigung gegen selbständige Charaktere zu. Wer nicht kriecht, gilt als hochmütig.“ Es war ein düsteres Stimmungsbild, das Ulrich von Hassell im September 1938 nach einem Besuch in Berlin seinem Tagebuch anvertraute. Der Diplomat wußte, wovon er schrieb, nachdem er im Februar des Jahres von seinem Posten als Botschafter in Rom plötzlich abberufen und in den Wartestand versetzt worden war. Man brauchte ihn nicht mehr, wie es schien, was ihm einerseits entgegenkam. Denn schon länger regten sich Zweifel in ihm, ob einem unmoralischen Regime wie dem „Dritten Reich“ zu dienen überhaupt noch vertretbar sei. Andererseits sagte er sich, daß die ohnehin geringen Chancen zur Einflußnahme nur weiter abnähmen, wenn er „draußen“ bliebe. Also war er in die Reichshauptstadt gefahren und hatte seine berufliche Lage sondiert. Allerlei Gespräche wurden geführt, die gespannte außenpolitische Lage diskutiert, schließlich auch die neuesten Klatschgeschichten über das Parteibonzentum in Erfahrung gebracht: Goebbels habe wegen seiner Affären mit jungen Schauspielerinnen Hitlers Zorn erregt und dergleichen Skandälchen. Das war nichts weiter Besonderes, und doch hatte sich das politische Klima in Berlin, wie von Hassell meinte, verändert. Hitler rückte von den alten Eliten ab. Nun, wo das Staatsschiff ganz ordentlich lief und zudem ein weltanschaulich gefestigter Nachwuchs bereitstand, die entstehenden Lücken auszufüllen, ließ er jede Rücksicht fallen. Er begann, sie Stiller Seitenwechsel  145

öffentlich zu verhöhnen, die Professoren und Intellektuellen, Diplomaten und Generäle, die biederen Vertreter von Banken, Handel und Industrie. Sie alle störten nur, weil sie seinen Kriegs- und Eroberungsplänen mit ihren kleinlichen Bedenken im Weg standen.195 Ulrich von Hassell stammte aus einer Soldatenfamilie. 1881 in der Hansestadt Anklam geboren, hatte er nach dem Abitur Rechtswissenschaften in Lausanne, Tübingen und Berlin studiert und war 1909 ins Auswärtige Amt eingetreten. Am Ersten Weltkrieg nahm er als Offizier teil, wurde gleich im September 1914 in der Marneschlacht schwer verwundet und nach langer Genesung ab 1916 im preußischen Verwaltungsdienst eingesetzt. Nach dem Krieg nahm er die diplomatische Laufbahn wieder auf und ging als Botschaftsrat nach Italien. Es folgten verschiedene Auslandsstationen, bis er 1932 an den Ausgangsort seiner Karriere nach Rom, nun als Botschafter des Deutschen Reichs, zurückkehrte. Eine weltoffene, feingebildete und gesellige Natur, zählte von Hassell zur diplomatischen Elite Europas. Sein Bekanntenkreis war ungewöhnlich groß, wurde von ihm sorgsam gepflegt und reichte weit in verschiedene Gesellschaftsbereiche hinein. Politisch hatte er sich in der Weimarer Republik den Deutschnationalen angeschlossen. Beim Umbau der Republik in ein autoritäres Regime plagten ihn keine Bedenken, und er legte auch nach dem Regierungsantritt Hitlers sein diplomatisches Amt nicht nieder. Erst allmählich, bedingt durch die zunehmend aggressive Außenpolitik Hitlers, geriet von Hassell in wachsende Distanz zum „Dritten Reich“. Seine Freisetzung im Februar 1938 war der erklärten Gegnerschaft zum Antikominternpakt geschuldet, der zwischen Deutschland, Japan und Italien im Jahr zuvor geschlossen worden war. Mit dem sogenannten Anschluß Österreichs an das Reich wurde der außenpolitische Bogen weiter angespannt, um schließlich während der Sudetenkrise im Herbst des Jahres kurz vor dem Zerreißen zu stehen. Nur mit erheblichem diplomatischem Aufwand wurde ein europäischer Krieg noch einmal abgewendet. Das Münchener Abkommen vom 29. September 1938 zwischen Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland ließ das politische Berlin aufatmen. Aber die Angst blieb, daß es mit der Friedenszeit bald vorbei sein könnte.196 146  Stiller Seitenwechsel

Ulrich von Hassell

Seit wann sich Popitz und von Hassell persönlich kannten, läßt sich nicht genau datieren. Aber erste Begegnungen dürften bereits in den 1920er Jahren gelegen haben, als der Diplomat regelmäßig Berlin besuchte und sich in den politischen Klubs der Stadt sehen ließ, in denen auch Popitz verkehrte. Im Herbst 1938 verdichtete sich der Kontakt. Das „Dritte Reich“ steuerte auf einen Krieg zu, davon war man im Kreis der alten Eliten inzwischen überzeugt. Dazu trat die bittere Erkenntnis immer mehr an Einfluß auf den Gang des Geschehens einzubüßen, jetzt wo Hitler gegen jeden auftrumpfte, wie es ihm gefiel. „Miese Stimmung wegen drohender Kriegsgefahr und einer Rede Hitlers gegen die Oberschicht“, vermerkte von Hassell die Atmosphäre beim gemeinsamen Frühstück mit Popitz und weiteren BekannStiller Seitenwechsel  147

ten im Hotel Continental in seinem Tagebuch. „Jeden anständigen Menschen packt der physische Ekel, wie sich der aktive Finanzminister Popitz ausdrückte, wenn er Reden hört wie diese letzte pöbelhafte von Hitler im Sportpalast.“ Von der Bewunderung für den Staatsmann Hitler, die der Finanzminister 1933 stark empfunden hatte, war nicht viel geblieben. Seine Enttäuschung über den wahren Charakter dieses Mannes muß groß gewesen sein, noch größer die Scham, einst auf ihn hereingefallen zu sein.197 Es war ein illustrer Kreis um Popitz, der sich über Jahre wöchentlich zum Frühstück traf: Staatssekretär a. D. Dr. Carl Heinrici, Staatssekretär a. D. Dr. Franz Kempner, der Direktor des Reichslandbundes und Reichstagsabgeordnete für die NSDAP, Heinrich Ernst von Sybel, Ministerialdirektor Dr. Friedrich Tischbein sowie Dr. Erwin Planck, der Sohn des Nobelpreisträgers Max Planck. Sie alle verband mehr oder weniger große Unzufriedenheit mit dem Regime, mit dem bis 1938 jeder von ihnen seine eigenen Erfahrungen gemacht hatte. Von Sybel etwa zählte zu den frühen Parteigängern der Nationalsozialisten, war noch vor der „Machtergreifung“ der NSDAP beigetreten, für die er bis 1945 im Reichstag saß. Doch das half ihm wenig, als er im Februar 1939 von einem „persönlichen Feind“ denunziert wurde. Sybel solle sich regimefeindlich geäußert haben, wie Heinrici dem Kreis zu berichten wußte. Knapp zwei Monate saß von Sybel im Gefängnis Moabit und kehrte dann, fast als sei nichts gewesen, zur geselligen Runde zurück: „Frühstück im Conti mit Popitz, Heinrici, Sybel, der aus dem Konzentrationslager heraus ist und so wie ein vom Urlaub Zurückgekehrter nun wieder fröhlich mit dem preußischen Finanzminister speiste!“, vermerkte von Hassell ein bißchen irritiert. Sybels Beispiel lehrt, wie nah am Abgrund Menschen mit „eigenem Kopf“ damals lebten und wie „normal“ es war, aus politischen Gründen einige Zeit aus dem Verkehr gezogen zu werden.198 Franz Kempner ging die nationalsozialistische Kirchenpolitik gegen den Strich, und er mißbilligte die Behandlung der Juden. In den Weimarer Jahren hatte der Jurist einige Zeit in der Reichskanzlei als Staatssekretär gedient und sich politisch den Deutschnationalen angeschlossen. Nach dem 30. Januar 1933 sah er keine Zukunft mehr für sich 148  Stiller Seitenwechsel

beim Staat und zog sich, das politische Geschehen aufmerksam verfolgend, ins Private zurück. Ähnlich war es Erwin Planck ergangen, mit 44 Jahren der jüngste im Bunde und vielleicht sein politischster Kopf. Er hatte seine Karriere beim Militär begonnen, früh Freundschaft mit Kurt von Schleicher geschlossen und war darum in den Krisenjahren der Republik nahe am Zentrum der Macht. Zuerst diente er als Staatssekretär in der Reichskanzlei unter Papen, danach unter seinem Freund Schleicher. Während dieser Monate hatte er auch intensive Bekanntschaft mit Popitz geschlossen. Eine Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten kam für Planck allerdings nicht in Frage. Er beantragte seine Entlassung zum 31. Januar 1933 und wurde im September des Jahres unter Gewährung voller Pensionsbezüge in den Ruhestand versetzt. Planck wurde in der Wirtschaft tätig und übernahm eine leitende Stellung in einem Kölner Eisenwerk. Dagegen war Friedrich Tischbeins Karriere ohne große Störungen verlaufen, Studium der Rechtswissenschaften, danach Eintritt in den Staatsdienst, in dem er bis 1934 zum Ministerialdirektor im Reichswehrministerium aufstieg. Vier Jahre später wurde er versetzt und erhielt die Leitung über die Haushaltsabteilung beim Oberkommando der Wehrmacht. Carl Heinrici schließlich, der Senior in der Runde, war Sproß einer alten Marburger Gelehrtenfamilie. Er hatte wie Popitz nach dem juristischen Studium die Staatslaufbahn ergriffen und es bis zum Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium gebracht. Aber schon 1923 quittierte er den Dienst und fand in der freien Wirtschaft sein Auskommen. Zuletzt führte Heinrici die Geschäfte der Wirtschaftsgruppe Kraftstoffindustrie in Berlin. 199 Popitz’ Frühstückskreis tagte regelmäßig im „Conti“ bei variierender Besetzung: Wer konnte, der kam. Auffällig war die Nähe der Mitglieder zu Staat und Militär bei gleichzeitiger Distanz zur Partei. Keiner von ihnen hatte als Funktionär der NSDAP Karriere gemacht, obwohl dies gewiß vorteilhaft gewesen wäre und manche Tür leichter geöffnet hätte. Aber deren proletenhafter Charakter schreckte die vormals staatstragenden Kräfte doch zu sehr ab, als daß sie sich über eine bloße Mitgliedschaft oder Spenden an eine Unterorganisation hinaus in der Partei engagieren wollten. Man begnügte sich, lose VerStiller Seitenwechsel  149

bindung zu einigen Parteioberen zu halten und blieb ansonsten lieber unter sich. Die andere Seite registrierte solche arkanen Tendenzen freilich sehr genau, die Gestapo war auf der Hut. Jemand wie von Sybel stand bereits auf ihrer schwarzen Liste, trotz seines NSDAPMandats im Reichstag. Popitz ließ sein Goldenes Parteiabzeichen als Signal und Schutzschirm zugleich am Revers blitzen.200 Besagte „Gewitterstimmung“ sollte sich dann im Spätherbst 1938 in ganz anderer Weise entladen, als von Hassell und seine Freunde es erwartet hatten. Während die Sudetenkrise noch einmal glimpflich beigelegt worden war, setzte das Regime in der Nacht vom 9. auf den 10. November einen Feldzug gegen die Juden ins Werk, der jedem kultivierten Menschen das Blut in den Adern gefrieren ließ. Synagogen wurden in Brand gesteckt, jüdische Geschäfte geplündert und verwüstet, SA-Stürme drangen in die Wohnungen von Juden ein, wüteten wahllos gegen Männer, Frauen und Kinder. Der materielle Schaden war gewaltig, höher noch das Leid der betroffenen Menschen, die gedemütigt und geschlagen, vielfach sogar umgebracht oder in den Selbstmord getrieben wurden. Kaum eine Stadt im Deutschen Reich blieb ohne dramatische Szenen in jener Nacht. Widerstand war selten, wenngleich sich Scham und Entsetzen in die Gesichter vieler stummer Beobachter malten. Anders als die Initiatoren, vorneweg Propagandaminister Goebbels, angenommen hatten, stieß der Pogrom beim größten Teil der deutschen Bevölkerung auf Ablehnung. Entsprechend kleinlaut klangen die ersten offiziellen Kommentare am nächsten Morgen, als das Ausmaß der Zerstörung sichtbar vor aller Augen lag. Die erschreckende Bilanz verzeichnete am Ende mindestens 400 Tote, zahllose Verhaftungen, etwa 7.500 verwüstete Geschäfte und Wohnungen, rund 1.500 zerstörte Synagogen. Nun wollte keiner mehr Urheber gewesen sein, Goebbels nicht, Himmler nicht, der „Führer“ schon gar nicht. Der Propagandaminister ließ schließlich vermelden, daß die Ausschreitungen nach dem Mord an Ernst vom Rath durch den polnischen Juden Herschel Grynspan der „spontanen Volkswut“ entsprungen wären. Und nach wenigen Stunden hätte man dem Treiben ein Ende gemacht. Niemand glaubte ihm das, schon allein die perfekte Synchronisation der Vorgänge sprach dagegen. Der interna150  Stiller Seitenwechsel

tionale Ansehensverlust für das Deutsche Reich war jedenfalls immens. „Seit dem Weltkrieg haben wir noch niemals so an Kredit in der Welt verloren wie dieses Mal, und das kurz nach den größten außenpolitischen Erfolgen“, hielt von Hassell deprimiert in seinem Tagebuch fest. Er wußte weiter zu berichten, daß in Bayern ganze Schulklassen, in Feldafing sogar mit Ziegelsteinen bewaffnet, zur Teilnahme am Pogrom regelrecht abkommandiert worden seien.201 Wie viele andere war Popitz zutiefst angewidert von den Vorgängen in der sogenannten Reichskristallnacht. Seine persönliche Betroffenheit reichte so weit, daß er Göring einige Tage später persönlich aufsuchte und seinen Rücktritt vom Amt des Finanzministers anbot. Er habe nicht lange um den heißen Brei herum geredet, wie Popitz von Hassell später berichtete, sondern Göring sehr deutlich gemacht, daß es nicht angehe, „so etwas mitzumachen“. Der Ministerpräsident sei aufrichtig erschüttert und mit ihm auch vollkommen einer Meinung gewesen, aber zu einem sichtbaren Zeichen dann doch nicht zu bewegen gewesen. Immerhin habe er Himmler und Heydrich in „ganz grober Sprache“ die Meinung gesagt und ihnen angekündigt, „jetzt auch etwas zu verbrennen, nämlich die ihm verliehenen Ehrenuniformen der SA und SS“. Anschließend hätten die einbestellten Gauleiter eine verbale Abreibung erhalten, „daß das ganze Haus gedröhnt habe“. Aber aus dem Rücktrittsgesuch des Finanzministers wurde nichts – Popitz blieb ohne Antwort und im Amt. Ob Hitler überhaupt je Kenntnis von seinen Absichten erhalten hat, ist bis heute ungeklärt.202 Görings gegenüber Popitz gezeigte Bestürzung war echt, auch die wütenden Reaktionen gegen seine Parteifreunde sind gut verbürgt. Aber sein Zorn hielt nicht an. Es war mehr die Form, die ihn abstieß, nicht die eigentliche Intention hinter der Novemberaktion. Er verurteilte die willkürliche Gewalt an Juden und wandte sich gegen die Zerstörung ihres Besitzes, während er an ihrer gesetzlich geregelten Enteignung und Entfernung aus dem deutschen Wirtschaftsleben sehr wohl interessiert war. Im Herbst 1936 hatte Hitler den preußischen Ministerpräsidenten zum „Beauftragten für den Vierjahresplan“ mit dem Ziel ernannt, das Deutsche Reich in dieser Frist bis zur Kriegsbereitschaft aufzurüsten. Binnen kurzem entstand eine mit dem ReichsStiller Seitenwechsel  151

wirtschaftsministerium unter Hjalmar Schacht konkurrierende Großbehörde. Vor allem war Göring nun für die Bewirtschaftung der im Deutschen Reich chronisch knappen Rohstoffe und Devisen zuständig, deren Beschaffung er planmäßig, oft gegen den Einspruch Schachts forcierte. Den daraufhin von Schacht angestrengten Machtkampf gewann Göring und war damit bis 1938 zur maßgeblichen Instanz in der deutschen Wirtschaftspolitik emporgestiegen. Es konnte ihm also nicht egal sein, daß in der sinnlos vom Zaun gebrochenen „Kristallnacht“ ein Schaden von rund 25 Millionen Reichsmark entstanden war. Und der drohte auch noch zu Lasten der Volkswirtschaft zu gehen. Denn in der Regel führten die jüdischen Geschäftsleute ihre Unternehmen nur als Mieter in nichtjüdischem Hausbesitz und hatten ihre Ladenlokale zudem gut versichert. Auch waren bei rund 7.500 verwüsteten Geschäften beträchtliche steuerliche Ausfälle zu erwarten. Als das Reichskabinett am 12. November zu einer außerordentlichen Sitzung zusammentrat, richtete sich Görings Zorn direkt gegen den Urheber der Aktion, gegen Goebbels. Er habe diese „Demonstrationen satt“, beschimpfte er den Propagandaminister, „sie schädigen nicht den Juden, sondern schließlich mich, der ich die Wirtschaft als letzte Instanz zusammenzufassen habe“.203 Am Ende erwies sich Göring einmal mehr als Pragmatiker. Nun, da die Zerstörung einmal geschehen, der Schaden entstanden war, war er um schnelle Lösungen nicht verlegen, wie doch noch Kapital daraus zu schlagen sei. Hitler hatte ihm auf einer Besprechung am Vortag den Wink gegeben, durch eine zentrale Gesetzgebung die „Arisierung“ aller jüdischen Unternehmen abschließend auf den Weg zu bringen. Daran knüpften die Minister auf besagter Kabinettssitzung an und legten fest, daß zunächst die von den Versicherungen an die jüdischen Beschädigten zu erstattenden Leistungen dem Staat zufließen würden. Der Schaden sollte allein aus deren privaten Mitteln bestritten werden. Weiterhin wurde ein Gesetz „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ verabschiedet und ihnen eine „Sühneleistung“ an das Deutsche Reich in Höhe von einer Milliarde Reichsmark auferlegt. Besonders letzteres paßte den Machthabern gut ins Konzept, da sich das Reich gerade in akuter Finanznot befand. Auf 152  Stiller Seitenwechsel

Popitz und von Hassell wirkten diese „Strafmaßnahmen“, die außer der Unterschrift Görings auch die von befreundeten Vertrauten wie Schwerin-Krosigk und Franz Gürtner trugen, tief beschämend. „Sie merken wohl gar nicht mehr, wie sie sich entwürdigen und wie sie als Feigenblatt dienen.“204 Für Popitz und seine Freunde, die den Glauben an Recht und Moral noch nicht aufgegeben hatten, war mit dem Reichspogrom eine Grenze überschritten worden. Schon länger mit dem Verlauf der Dinge hadernd, zumal mit der von Hitler immer offener gezeigten Kriegslust, stieg der Unmut. Was tun? Sie besprachen sich zunächst im vertrauten Kreis, immer persönlich, nie medial per Post oder Telephon, weil die Gestapo ihre Spitzel überall plazierte und Görings „Forschungsamt“ so gut wie jedes Gespräch von bekannteren Personen überwachte. Man mußte nicht erst durch einen Nachbarn denunziert werden. Mangelnde Vorsicht genügte, und die Aufmerksamkeit der Geheimpolizei war geweckt. Über Carl Goerdeler etwa hielt von Hassell fest, daß er „ziemlich überwacht“ wurde, weil der Mann, „frisch, klar, aktiv“, wie es seine Art sei, leider zur Unvorsichtigkeit neige. Verschwiegenheit war eine hochgeschätzte Tugend im „Dritten Reich“, die freilich nicht jedem Oppositionellen zu Gebote stand. Popitz war in dieser Hinsicht ein perfekter Verschwörer. Er war klug, listig, erfahren im taktischen Spiel der Politik, und, worauf es nun besonders ankam, er war verschlossen. Was außer seiner Empörung über die Vorgänge in jener Novembernacht zu seinem stillen Seitenwechsel beigetragen haben mochte, bleibt jedoch spekulativ. Gewiß spielte seine Staatstreue eine Rolle, sein Stolz auf das Deutsche Reich als Macht-, Rechts- und Kulturstaat, das ihm nun in den Grundfesten erschüttert schien. Um zu retten, was noch zu retten war, um Recht und Anstand dem Gemeinwesen wieder einzupflanzen, mußte nun, seiner Überzeugung nach, rasch gehandelt werden. Ein starkes persönliches Motiv wird überdies die Sorge um seine drei minderjährigen Kinder gewesen sein. Schließlich dürfte die aggressive Außenpolitik der Nationalsozialisten und die wachsende Kriegsgefahr einen Prozeß befördert haben, der sich bald zur Verschwörung verdichtete.205

Stiller Seitenwechsel  153

1. Juni 1939: Prinzregent Paul von Jugoslawien begrüßt Finanzminister Popitz mit Handschlag, rechts hinter dem Prinzen Hermann Göring, links Adolf Hitler.

Während der ersten Jahreshälfte 1939 reifte der Entschluß zur konzentrierten Opposition weiter. Im März besetzte deutsches Militär den Westen der Tschechoslowakei, der als „Reichsprotektorat Böhmen und Mähren“ mit dem Deutschen Reich verbunden wurde. Eine Woche später folgte der Einmarsch ins Memelgebiet. Beide Aktionen weckten zwiespältige Gefühle in der alten Oberschicht. Hier hieß man einerseits die Revision der deutsch-tschechoslowakischen Grenze von 1919 gut und wertete sie als außenpolitischen Erfolg, traute andererseits Hitler aber nicht mehr über den Weg. Zu ungestüm und brutal, ohne jedes Gefühl für das klassische diplomatische Spiel hatte der Staatschef Fakten geschaffen und die Landkarte nach seinem Gusto verändert. Würde er es dabei bewenden lassen? Würden Frankreich und vor allem England auch zukünftig stillhalten, falls das Reich mit weiteren Gebietsansprüchen gegen Polen aufwartete? Und schlußendlich: Was war mit Rußland? Es vergingen Wochen nervöser Anspannung, in denen die Kriegsgefahr wie ein drohendes Schwert über Europa hing. In die gereizte Atmosphäre platzte im August die Nachricht über den zwischen 154  Stiller Seitenwechsel

Einlaßkarte für die Reichstagssitzung am 1. September 1939 in der Krolloper in Berlin

Sowjetrußland und dem Reich geschlossenen Nichtangriffspakt. Dieser unerwartete Schachzug Hitlers ließ die diplomatische Welt staunen. Zugleich sah man darin den Beweis, wie skrupel- und charakterlos Hitler die deutsche Außenpolitik bestimmte. Offenbar kalkulierte er, daß die Westmächte und Polen nun in der Danzig- wie in der „Korridorfrage“ einlenken würden. Aber er hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Großbritannien gab nicht noch einmal nach. Nachdem Hitler am frühen Morgen des 1. Septembers 1939 den Befehl zum Angriff auf Polen gegeben hatte, dauerte es zwei Tage, bis die britischfranzösische Kriegserklärung auf dem Tisch lag.206 Im Kreis um Popitz und von Hassell herrschte tiefe Resignation. Große Hoffnungen hatten beide in Göring gesetzt, dessen Abneigung gegen einen Krieg allgemein bekannt war. Der „Beauftragte für den Vierjahresplan“ und „Bevollmächtigte der Wirtschaft“ war über den Stand der Aufrüstung genau orientiert und wußte, daß das Reich keineswegs kriegsbereit war. Und an die lokale Begrenzbarkeit eines militärischen Konflikts mit Polen mochte er angesichts der vertraglichen Stiller Seitenwechsel  155

Verbindung Polens mit Frankreich und England nicht glauben. Schon der Konflikt mit der Tschechoslowakei war Göring nicht recht gewesen. Als Hitlers Pläne für eine militärische Intervention bekannt wurden, tat er sie als schlichtweg „blödsinnig“ ab, um kurz darauf eines Besseren belehrt zu werden. Ihm lag viel an guten Kontakten zu Großbritannien, dessen Weltreich ihm imponierte. Mit dem britischen Botschafter, Neville Henderson, traf er häufig zusammen und ließ in den Gesprächen mit ihm an seinem Friedensinteresse keinen Zweifel. In Berlin, so erklärte Göring im Februar 1939 gegenüber Henderson, wolle, abgesehen von ein paar unbelehrbaren Narren, niemand einen Krieg. Das war vielleicht sogar richtig, traf aber eben nicht auf Hitler zu. Seit dem „Anschluß“ Österreichs ging der Staatschef außenpolitisch auf volles Risiko, und sein Außenminister Joachim von Ribbentrop sekundierte ihm dabei. Verschiedene Stimmen drängten Göring, mäßigend auf den „Führer“ einzuwirken, und er tat wohl auch, was er konnte. Noch in den letzten Augusttagen hatte er Hitler gemahnt: „Wir wollen doch das Vabanquespielen lassen.“ Er handelte sich dafür aber nur die prahlerische Antwort ein: „Ich habe in meinem Leben immer va banque gespielt!“207 Ulrich von Hassell war mit Göring gut bekannt, seitdem er ihm bei dessen Italienmission 1933 diplomatisch beraten hatte. Auch verband ihn mit Olga Rigele, der älteren Schwester Görings, und mit dessen Cousine Ilse ein freundschaftliches Verhältnis. Man besuchte einander, ging gemeinsam ins Theater oder in die Oper und traf sich gelegentlich in Karinhall. Wenn von Hassell deswegen nicht schon zu den engsten Vertrauten des Feldmarschalls zählte, legten die Verbindungen doch nahe, über ihn noch eine letzte Intervention zu versuchen. Am 31. August morgens, die Lage war „furchtbar ernst“, bat von Hassell seine Freundin Rigele, ihn telephonisch mit ihrem Bruder zu verbinden, „was die Gute auch unter Tränen sofort tat“. In dem Gespräch drang von Hassell energisch auf Göring ein, berichtete von den rastlosen Friedensbemühungen Hendersons und bat ihn dringend, das Polen gestellte Ultimatum bis zum Eintreffen eines bereits avisierten polnischen Unterhändlers auszusetzen. Göring sagte dies zu, aber die Ereignisse überschlugen sich und nahmen schließlich einen ande156  Stiller Seitenwechsel

ren Verlauf. Seinen Aufzeichnungen vertraute Hassell später an, daß er nach dem Gespräch mit Göring von dessen Friedensabsichten überzeugt gewesen sei. „Olga erzählte mir vorher weinend, er habe sie neulich umarmt und ihr gesagt, nun siehst du, alle sind für den Krieg, nur ich, der Soldat und Feldmarschall, nicht!“ Tatsächlich war Görings Haltung bis zuletzt schwankend. Als Hitler ihn jedoch, psychologisch geschickt, am Tag des Kriegsbeginns öffentlich zu seinem Nachfolger erklärte und zum Vorsitzenden des „Ministerrats für die Reichsverteidigung“ ernannte, hatte ihn das mit der Politik des Diktators schon wieder halb versöhnt. In seiner am 9. September gehaltenen Rede nahm Göring ganz die vom „Führer“ vorgegebene Linie ein. Er stilisierte den Einmarsch in Polen zur Notwehrmaßnahme und betonte die absolute Entschlossenheit des Reichs zum Kampf für eine dauerhafte Revision seiner Ostgrenze.208 Nach Kriegsbeginn hielt sich im Kreis um Popitz und von Hassell zunächst die Überzeugung, daß sich zusammen mit Göring die Gefahr eines großen europäischen Krieges noch abwenden ließe. Und vielleicht, so dachte man weiter, war sogar noch mehr und anderes mit dem „zweiten Mann im Staate“ möglich. Am längsten hielt Popitz an dieser Vorstellung fest, der zwar mittlerweile auch die dunklen Seiten im Charakter des Feldmarschalls näher kannte, aber immer noch an einen guten Kern in ihm glaubte. Genährt wurde seine Hoffnung durch das, was ihm aus dem engsten Umfeld Görings zu Ohren kam. So erzählte ihm Erich Gritzbach, daß Hitler doch offensichtlich verrückt sei und beseitigt gehöre, und daß der Feldmarschall die Sache ähnlich ansehe. Wenn also hier schon so unverblümt gesprochen wurde, mochte Popitz denken, stand es um die Chancen für einen Staatsstreich nicht schlecht. Aber der Finanzminister nahm auch noch anderes wahr, wie die Heidenangst Görings vor der Gestapo. Der Feldmarschall fürchte, daß sie belastendes Material gegen ihn in der Hand halte, meinte Popitz im Gespräch mit von Hassell: „Wenn man ihm garantieren würde, daß man ihm diese Akten ungelesen überantworte, so würde er ohne Besinnen handeln“. Der Diplomat blieb skeptisch, weil er die Nibelungentreue, die Göring für Hitler empfand, für unüberwindlich hielt.209 Stiller Seitenwechsel  157

Als in Berlin erste Nachrichten über die brutale Kriegführung der Deutschen in Polen die Runde machten, bestärkte dies den Entschluß zur Verschwörung. Fast noch mehr als den realen fürchteten Popitz und von Hassell den moralischen Untergang des Deutschen Reichs im Kreis der europäischen Kulturstaaten. Zu beraten war nun, wer ins Vertrauen zu ziehen sei oder lieber unberücksichtigt bliebe, an welchen einflußreichen NS-Funktionär womöglich heranzutreten sei, an wen besser nicht. Die Gestapo-Spitzel lauerten überall und zwangen zu sorgfältiger Überlegung. Große Stücke hielten beide zunächst auf Carl Goerdeler. Gleichen Alters wie Popitz und ebenfalls Jurist, hatte der langjährige Oberbürgermeister von Leipzig und zeitweilige Reichskommissar für die Preisbildung reichlich unangenehme Erfahrung mit den Nationalsozialisten gesammelt. Sein Bürgermeisteramt hatte er 1937 aus Protest niedergelegt, nachdem die Nationalsozialisten das Denkmal für Felix Mendelssohn einfach abgerissen hatten. Seither stand er im Dienst der Stuttgarter Firma Robert Bosch, war in deren Auftrag oft unterwegs und traf viele einflußreiche Leute im In- und Ausland. Mit Popitz verband ihn berufsbedingt eine längere Bekanntschaft. Schon wegen des gemeinsamen Interesses an Belangen der Kommunalpolitik wie generell an Steuer- und Finanzfragen war man sich wiederholt auf Tagungen begegnet. Sie mochten einander nicht besonders, entschlossen sich aber gleichwohl zur gemeinschaftlichen Opposition. Auch von Hassell war von der Lauterkeit Goerdelers überzeugt. Im August 1939 suchte er ihn das erste Mal bewußt auf: „Endlich ein Mann“, notierte er in sein Tagebuch, „auf alle Fälle eine Wohltat, einmal mit solchem Mann zu sprechen, der nicht ‚meckert‘, sondern handeln will.“ Damit rührte von Hassell an einem Kernproblem jener Jahre. Unzufrieden mit dem Regime waren viele, dessen Repräsentanten man lieber heute als morgen zum Teufel gejagt hätte. Aber die wenigstens gerade aus dem Kreis der alten Eliten brachten die Tatkraft und den notwendigen Mut auf, sich direkt gegen den Nationalsozialismus aufzulehnen.210 Außer Goerdeler wurde Ludwig Beck, seiner Geistigkeit wegen der „Philosoph unter den Generälen“ genannt, eine feste Größe im Kreis der nationalkonservativen Verschwörer. 1880 in Wiesbaden-Biebrich 158  Stiller Seitenwechsel

Carl Friedrich Goerdeler

geboren, hatte sich der Berufsoffizier 1938 strikt gegen die Kriegspläne Hitlers gestellt und versucht, die übrigen Generäle dagegen zu mobilisieren. Auch wenn viele von ihnen wie er der Meinung waren, daß ein Krieg das Reich in die Katastrophe führen würde, konnte er sie zu keiner geschlossenen Haltung bewegen. Unter anderem deswegen bat Beck im August 1938 um seine Abberufung als Generalstabschef des Heeres und schied im November aus dem aktiven Militärdienst aus. Als Privatmann schloß er sich der nationalkonservativen Opposition an und stellte seine Wohnung in Berlin-Lichterfelde für konspirative Zusammenkünfte zur Verfügung. Durch die Vermittlung von Popitz stieß bald nach Kriegsbeginn der Nationalökonom Jens Jessen zum Kreis dazu. An dem 1895 in Flensburg geborenen Sohn eines RitterStiller Seitenwechsel  159

gutsbesitzers hatte Popitz schon länger Interesse genommen und ihn in seiner Hochschulkarriere unterstützt. Wie er hatte sich Jessen anfangs vom Nationalsozialismus begeistern lassen und hatte mitgewirkt, bis er die Augen vor dem Unrechtscharakter des Regimes nicht länger verschließen konnte. Popitz führte ihn im Dezember 1939 in die Mittwochsgesellschaft ein: „[...] neulich glänzender Vortrag von Popitz über den Reichsgedanken. Danach lange Unterhaltung mit Popitz, Sauerbruch und einem jüngeren Nationalökonomen Jessen (ganz früher Nazi, jetzt bitterer Feind) über die Lage“, hielt von Hassell über den Abend in der Brentanostraße fest. Vom „famosen“ Jessen war danach immer wieder die Rede.211 Was Popitz’ Engagement als Verschwörer im Alltag bedeutete, läßt sich heute nur noch schwer ermessen. Als Finanzminister sah er sich weiterhin in der Pflicht zum loyalen Dienst am Staat, was ihm freilich immer schwerer fiel, je mehr die Sphären von Staat und Partei miteinander verschmolzen. Der Parteieinfluß war seit 1933 gewaltig expandiert und nahezu allgegenwärtig geworden durch einen gezielt ausgebauten Apparat, in dem Martin Bormann nach Kriegsbeginn die Regie übernahm. Engagement für den Staat hieß für ihn Dienst an der Partei. Bormann machte da keinen Unterschied, sondern forderte im Gegenteil den absoluten Primat der Partei im Volksstaat. Daß dies staatstreuen Konservativen wie Popitz gegen den Strich ging, wußte der mächtige Parteisekretär ebenso wie der Gestapo-Chef Heinrich Himmler. Beide hatten die eigenwillige „graue Eminenz“ schon länger im Visier. Umgekehrt dürfte Popitz ihr Mißtrauen nicht verborgen geblieben sein und sein Verhalten genau darauf abgestimmt haben. Er war sich der Risiken seiner Doppelrolle als Görings Finanzminister und stiller Verschwörer sehr wohl bewußt. Sein privates Umfeld, Familie und enge Freunde, hielt er weitgehend aus allem heraus. Selbst vor Carl Schmitt, zu dem die Freundschaft in den dreißiger Jahre weiter an Intensität gewann, hielt er die Widerstandsaktivitäten verborgen. Er wird dem impulsiven Freund die nötige Verschwiegenheit nicht zugetraut haben. Vielleicht spielte auch der Gedanke eine Rolle, daß im Falle des Scheiterns die Schmitts sich seiner Kinder annehmen müßten. Seit dem Tode seiner Frau hatten die drei Geschwister vor 160  Stiller Seitenwechsel

allem zu Duška Schmitt ein vertrauliches Verhältnis aufgebaut, das solche Hoffnungen nähren mochte.212 Unterdessen wirkte Popitz weiter als unbestechlicher Finanzminister mit nichts als der Sanierung des preußischen Haushalts im Sinn. In seinem Eifer für das Staatswohl ließ er nicht nach, Sabotage im Amt war keine Option für ihn. Das schien manchem aus dem Verschwörerkreis nicht geheuer und ist auch von späteren Betrachtern bisweilen kritisch vermerkt worden. Aber Popitz hielt in den ersten Wochen nach Kriegsbeginn einen erfolgreichen Staatsstreich offenbar für wahrscheinlich. Und je besser es dann um die preußischen Finanzen, um Wirtschaft und Industrie im Land stünde, desto leichter würde es jede neue Regierung haben. Unter diesen Vorgaben betrieb Popitz seit Herbst 1939 u. a. die Enteignung Fritz Thyssens. Der machtvolle Konzernchef und frühere Sponsor Hitlers hatte sich offen gegen den Krieg erklärt und war, als der Diktator mit dem 1. September 1939 Fakten geschaffen hatte, zwei Tage später mit seiner Frau nach Frankreich geflohen. Hier offenbarte er sich der internationalen Presse, gab Interna preis über seine früheren Spenden für die NSDAP und verurteilte die verbrecherische Dimension des „Dritten Reichs“. Die Nationalsozialisten erkannten ihm daraufhin kurzerhand die deutsche Staatsbürgerschaft ab und beschlagnahmten sein beträchtliches Vermögen. Am 11. Dezember 1939 erfolgten die Einziehung und die Umbenennung der Thyssen AG in „Rheinisch-Westfälische Industriebeteiligung“. Aber Fritz Thyssen war nicht Alleineigentümer, die in der Gesellschaft zusammengefaßten Betriebe waren vielmehr Teil einer komplizierten Konzernkonstruktion, an der er mit drei Fünfteln, seine beiden Vettern Hans und Julius Thyssen mit je einem Fünftel beteiligt waren. Mit mehr als 25% Aktienkapital übte das Unternehmen erheblichen Einfluß auf die gesamte Stahlindustrie des Ruhrgebiets aus. Nun war der Staat in diese „Schlüsselstellung“ eingerückt, und es galt, wie Popitz dem preußischen Ministerpräsidenten in einem Brief detailliert auseinanderlegte, diesen Einfluß Preußens „unter allen Umständen zu erhalten“. Als Konkurrenten standen ihm freilich ausgerechnet die Reichswerke Hermann Göring gegenüber.213

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Popitz war der Chefberater Görings in den Verhandlungen über das vom Staat energisch betriebene Ausscheiden der Miteigentümer. Die beiden Vettern hatten sich bereiterklärt, ihren Anteil an dem Grundkapital des Konzerns in Höhe von 6 Millionen Reichsmark gegen eine Abfindung von 54 Millionen Reichsmark aufzugeben. Dafür machten sie zur Bedingung, daß diese Summe nicht in bar, sondern durch die Überlassung von Effekten beglichen und außerdem Steuerfreiheit gewährt würde. Nun sah sich der preußische Finanzminister aber außerstande, die fälligen Millionen aus eigenen Haushaltsmitteln zu bestreiten, und schlug eine Mischkalkulation vor. Rund 10 Millionen sollten direkt aus Teilen des Konzernvermögens wie Grundstücken, Hypotheken und Wertpapieren aufgebracht werden. Für den Restbetrag faßte Popitz den Verkauf von Aktienbesitz an der Bergbau AG Ewald-König Ludwig ins Auge, womit sich die Gegenseite einverstanden erklärt hatte.214 An eben diesem Aktienpaket besaßen die Reichswerke Hermann Göring größtes Interesse, die damit ihre Steinkohlebasis sichern und erweitern wollten. Deswegen hatte sich ihr Generaldirektor Paul Pleiger in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Ausübung des Stimmrechts der Thyssen & Co. Aktiengesellschaft gesichert und für eine Erweiterung des Aufsichtsrats der Gesellschaft durch die Zuwahl von Vorstandsmitgliedern der Göring-Werke gesorgt. „Unter diesen Umständen wird von einer Abgabe dieser Beteiligung an die Verwandten [...] abzusehen sein“, gab sich Popitz geschlagen. Aber einen Vorzugspreis sollten die Reichswerke deswegen noch lange nicht erhalten. Vielmehr wollte er die Aktienbeteiligung nur zu den Konditionen veräußern, „die der Treuhänder jederzeit bei einem Verkauf an die Verwandten selbst oder an andere Bewerber erzielen kann“. Popitz setzte 48 Millionen Reichsmark als Kaufpreis fest, was den Bewertungsgutachten zufolge vielleicht ein wenig überbewertet, dem Reichsfinanzminister aber in jedem Fall viel zu viel war. Doch Popitz lehnte eine Herabsetzung zunächst kategorisch ab. Zur Begründung führte er an, daß dieser Betrag für den Erwerb der Wertpapiere benötigt würde, die das Land Preußen zur Abfindung der beiden Vettern dem Reich abkaufen müsse. Hierbei handelte es sich um Papiere, die im Wertpapierdepot der Preußischen 162  Stiller Seitenwechsel

Staatsbank ruhten und aus den „Sühneabgaben der Juden stammten“. Daraufhin bot das Reichsfinanzministerium an, die beiden Vettern doch direkt mit diesen Effekten, ohne den Umweg über Preußen, auszuzahlen. Der Verkauf des Aktienpakets an die Hermann-GöringWerke könne sodann unabhängig von der Abfindung und zum tatsächlichen Wert erfolgen. Gauleiter Josef Terboven hatte sich mit diesem Angebot bereits einverstanden erklärt, aber Popitz lehnte ab, weil er einen zu großen Einfluß des Reichs auf die rheinländische Stahlindustrie fürchtete. Statt dessen kam er dem Reichsfinanzminister mit der Senkung des Kaufpreises auf zuerst 40, dann sogar auf 36 Millionen Reichsmark entgegen. Eine schriftlich fixierte Vereinbarung zwischen beiden Ministerien sah am Ende den Verzicht des Reichs auf eine Beteiligung an der Rheinisch-Westfälischen-Industriebteiligung AG vor. Dafür räumte das Land Preußen ein, sich bei der Verwaltung des Thyssen-Vermögens „gleichsam als Beauftragter des Reichs“ zu betrachten und dieses über alle wichtigen Belange zu informieren. Und im Aufsichtsrat des Konzerns würden künftig sowohl ein Vertreter des Reichsfinanz- wie des preußischen Finanzministeriums sitzen.215 Wie ein Löwe verteidigte Popitz hier wie bei vielen anderen Vorgängen Preußens Wirtschafts- und Finanzinteressen gegenüber dem Reich und achtete darauf, daß dessen Einfluß im Land nicht über das gesetzlich geregelte Maß hinaus anwachsen würde. Vergessen war, daß er selbst noch keine zehn Jahre zuvor solchen „Länderegoismus“ öffentlich kritisiert hatte. Konflikte mit dem Reichsfinanzminister waren nun an der Tagesordnung, und auf den Etatberatungen kreuzten er und Popitz regelmäßig die Klingen. Allerdings versah auch SchwerinKrosigk alles andere als einen leichten Job. Die Finanzlage des Reichs blieb trotz erheblich angewachsener Einnahmen defizitär, und dazu lief mit den Jahren ein gigantischer Schuldenberg auf, was außer an teuer finanzierten Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung an der forcierten Aufrüstung lag. Sie verschlang ab 1934 gigantische Summen und zwang den Reichsfinanzminister dazu, alle nur erdenklichen Geldquellen auszuschöpfen. Die Zuschüsse des Reichs an die Länder boten einen gewissen Spielraum, den Popitz weidlich nutzte, indem er die Ausgleichszahlungen des Reichs an die Länder soweit es nur ging Stiller Seitenwechsel  163

drosselte. Zuerst traf er damit sogar auf ein gewisses Verständnis bei seinen Ministerkollegen, selbst beim preußischen Finanzminister, denn von der notwendigen „Wehrhaftmachung“ des Reichs waren sie anfangs alle überzeugt. Aber für Popitz war das Maß voll, sobald die Länder die ihnen verbliebenen Aufgaben finanziell nicht mehr stemmen konnten. In Preußen betraf dies etwa die Bereiche Polizei, Kultus und die öffentliche Bautätigkeit, für die von Jahr zu Jahr höhere Mittel aufzubringen waren. Schon das 1935 verabschiedete Reichsgesetz zur Änderung des Finanzausgleichs, das sogenannte Plafondgesetz, markierte einen empfindlichen Eingriff in den Landesetat. Das Gesetz sah für das Haushaltsjahr 1935 eine Kürzung der Einkommens-, Körperschaftsund Umsatzsteueranteile, die das Reich den Ländern alljährlich überwies, um zwei Drittel vor, sobald ein jeweils festgesetzter Betrag überschritten war. Als Schwerin-Krosigk 1936 die dauerhafte Deckelung der Reichsüberweisungen anstrebte, legte Göring auf Geheiß von Popitz ein Veto ein. Sollte der Reichsfinanzminister mit seinen Plänen durchdringen, hatte er dem Ministerpräsidenten klargemacht, würde in Preußen, namentlich in den Gemeinden, jede Entwicklungschance erstickt. Zwar gelang es nicht, die Verlängerung des Plafondgesetzes ganz abzuwenden. Aber auf Popitz’ Intervention hin wurde eine Regelung in Aussicht genommen, bei der Länder und Gemeinden „von der weiteren Entwicklung der drei großen Reichssteuern [...] nicht vollständig ausgeschlossen werden sollen“.216 Unter Maßgaben wie diesen war die angestrebte Konsolidierung des preußischen Staatshaushalts eine Herkules-Aufgabe. Bei ihrer Lösung war Popitz um Einfälle nicht verlegen, wenn es etwa galt, dem Reichsfinanzministerium einen allzu genauen Einblick in die Finanzentwicklung Preußens zu erschweren. Nur keine Begehrlichkeiten wecken, gab der Finanzfuchs gegenüber seinen Beamten als Losung aus. Doch nicht jede zu diesem Zweck erdachte List stach, wie der 1936 unternommene Versuch, Schwerin-Krosigk den „Jahreskassenausweis für 1935“ möglichst vorzuenthalten, „da die herausspringenden Mehreinnahmen im ordentlichen und außerordentlichen Haushalt allzu leicht zu einer unrichtigen Auslegung der Finanzverhältnisse Preußens führen“ könnten. Sollte der Reichsfinanzminister den Bericht 164  Stiller Seitenwechsel

aber von sich aus „doch noch anfordern“, müsse auf die Verwendung der 78,5 Millionen Reichsmark Mehreinnahmen im ordentlichen Haushalt zur Tilgung von „Restverpflichtungen“ aus dem Vorjahr ausdrücklich hingewiesen werden. Besagte Unterlagen wurden gegen Ende des Jahres in der Wilhelmstraße tatsächlich vermißt und mußten nachgereicht werden. Popitz’ Beamte verfuhren wie geheißen und formulierten als Abschlußergebnis: „Unter Einbeziehung dieser Restverpflichtungen bei den übertragbaren Ausgabenfonds schließt die Rechnung des ordentlichen Haushalts also ohne Überschuß, aber auch ohne Fehlbetrag ab.“ Dieser Satz sollte in den nächsten Jahren wie ein Mantra wiederholt werden, um die kleinen erwirtschafteten Überschüsse Preußens vor dem Reich zu verbergen.217 Außer einem alljährlich ausgeglichenen Etat und größerer Kassenliquidität ging es Popitz um Schuldenabbau. Hier drückten die sogenannten schwebenden Schulden besonders, die noch aus den Krisenjahren rührten und seither von Jahr zu Jahr im außerordentlichen Etat mitgeschleppt wurden. Die rund 460 Millionen Reichsmark aus 1933 hatten sich binnen fünf Jahren gerade mal um 15 Millionen auf 445 Reichsmark verringert. Sie wurden auf dem Wege kurzfristiger Anleihen finanziert, „fällige Schatzanweisungen wurden durch neue Schatzanweisungen ersetzt“, weil das Reich den Ländern die Aufnahme langfristiger Anleihen bis auf weiteres verboten hatte. Popitz wartete Jahr um Jahr auf die Aufhebung des Verbots und drängelte deswegen wiederholt bei Schwerin-Krosigk und bei Reichsbankchef Schacht. „Es ist für mich als den letzten Finanzminister Preussens mehr als eine reine Frage des Prestiges, dass, wenn über kurz oder lang, Preussen im einheitlichen Reich aufgeht, die Bücher der Finanzgeschichte des größten deutschen Landes mit sprichwörtlich vorbildlicher Tradition gerade auf diesem Gebiet, nicht mit einem Fehlbetrag von fast einer halben Milliarde Reichsmark abgeschlossen wird.“ 1940 war es endlich soweit. Mit der Ausgabe von „500 Millionen vierprozentiger preußischer Konsols“ wurden die Schatzanweisungen in langfristige Stücke umgetauscht. Damit verschwand der Fehlbetrag aus der Haushaltsrechnung und würde mit der Tilgung der Anleihe, dies freilich erst in ferner Zukunft, endgültig „abgebürdet“ sein. Für den Moment waren Stiller Seitenwechsel  165

Preußens Finanzen konsolidiert. Der Kriegsverlauf und die Ereignisse im Sommer 1944 sollten am Ende allen Einsatz zunichte machen.218 Popitz’ zehnjähriges Dienstjubiläum am 1. November 1942 war ein öffentliches Ereignis. Die Gratulanten gaben sich an diesem Sonntag buchstäblich die Klinke in die Hand, dazu erreichten ihn zahllose Gratulationsbriefe und Telegramme. Mehr als 60 Artikel erschienen in den Tageszeitungen und Wochenschriften des Reichs, und noch das kleinste Blatt brachte wenigstens die Information, daß Göring seinem Finanzminister für dessen „schöpferische Arbeit Dank und Anerkennung ausgesprochen“ habe. Die Medienöffentlichkeit würdigte Popitz als Hüter der Finanzen und, was erstaunlich war, als Repräsentanten der „alten Ordnung“. Daß dies so offen ausgesprochen wurde, dürfte Wasser auf die Mühlen seiner Neider in der Partei gewesen sein. Aber auch unter seinen Freunden aus früheren Tagen weckte das Jubiläum offenbar nicht nur gute Gefühle. Eine anonyme Stimme versuchte Popitz mit einem kleinen Gedicht zum Handeln anzustiften: „10 Jahre preußischer Finanzminister! Ein Mensch, den es nach Ruhm gelüstet, Besteigt, mit großem Mut gerüstet, Ein Sprungbrett – und man denkt, er liefe, Nun vor und spränge in die Tiefe, Mit Doppelsalto und dergleichen Der Menge Beifall zu erreichen. Doch läßt er, angestaunt von vielen, Um dann erhaben vorzutreten, Als gält’s, die Sonne anzubeten. Ergriffen schweigt das Publikum – Doch dreht er sich gelassen um Und steigt, fast möcht’ man sagen, heiter Und vollbefriedigt von der Leiter. Denn, wenn auch scheinbar nur entschlossen Hat er doch sehr viel Ruhm genossen, Genau genommen schon den meisten – Was sollt’ er da noch etwas leisten?219 166  Stiller Seitenwechsel

Staatsoper Berlin Unter den Linden, 7. November 1935, in der ersten Reihe der Ehren­loge von rechts: Hermann Göring, Adolf Hitler, Emmy Göring und Johannes Popitz.

Reaktionen von Popitz darauf fehlen. Es läßt sich nur mutmaßen, ob Aufforderungen wie diese ihn in seiner oppositionellen Tätigkeit weiter bestärkten. Das ungebremste Engagement des Finanzministers für die materiellen Belange Preußens war jedenfalls über Jahre eine perfekte Tarnung. Abgesehen vom chronisch mißtrauischen Gestapo-Chef Himmler traute kaum einer aus dem engeren Machtbereich Popitz ein doppeltes Spiel zu. Er genoß das ungetrübte Vertrauen Görings und Hitlers, fehlte so gut wie nie bei wichtigen Besprechungen und achtete sehr genau darauf, immer eine Einladung zu erhalten. Selbst die VorfühStiller Seitenwechsel  167

rungen neuester Kriegswaffentechnik ließ er sich nicht entgehen. Und im September 1942 unternahm er sogar eine gut dreiwöchige Inspektionsreise an die Ostfront. Popitz war Geheimnisträger und in der nationalsozialistischen Führungsriege eine wichtige Figur. Daß er gegen diesen Krieg gewesen war, teilte er mit Göring, und beide hatten daraus ja kein Geheimnis gemacht. Aber wie der Feldmarschall schien sich Popitz nach Kriegsbeginn in das Unabänderliche gefügt zu haben und nur noch dafür zu interessieren, wie das Reich siegreich aus dem Kampf herauszubringen sei. Höchste Dringlichkeit kam etwa der Kriegsfinanzierung zu. Ein Kreis namhafter Ökonomen legte dazu Anfang Dezember 1939 ein gemeinschaftlich verfaßtes Gutachten vor. Mit dem Stempel „Geheime Reichssache!“ versehen, kalkulierten die Experten, darunter die mit Popitz gut bekannten Professoren Walter Eucken und Jens Jessen, die Kriegskosten und sondierten verschiedene Wege zu ihrer Finanzierung. Sie alle setzten freilich voraus, daß der Krieg auch gewonnen würde. Ein weiteres Gutachten zum Problem der Preissteigerung stammte aus der Feder Carl Goerdelers. Er kritisierte die Verteuerung frei verkäuflicher Waren, die „teurer oder schlechter, oder teurer und schlechter“ würden, während viele „kartenbewirtschaftete“ Produkte nur dem Schein nach im Preis stabil blieben, weil hier systematisch getrickst würde. „So enthält die Butter mehr Wasser als früher, die Wurst wird frisch und nicht abgelagert verkauft, enthält also auch mehr unverdunstete Bestandteile.“ Die vom Propagandaministerium inszenierten, scheinbar gut bestückten Schaufensterauslagen seien von der Bevölkerung längst als Attrappen entlarvt. Goerdeler hielt die „psychologische Wirkung des nicht gedeckten Bedarfes“ auf die Menschen für verheerend. Die staatliche Zwangsbewirtschaftung, meinte er, müsse durch Tatkraft und Eigeninitiative des Einzelnen alsbald abgelöst werden.220 Schon immer am Zusammenhang von Wirtschaft, Finanzen und Sozialpolitik interessiert, hatte Popitz geraume Zeit vor Kriegsbeginn seine wissenschaftliche Beschäftigung mit diesen Themen intensiviert. Er scharte einen privaten Arbeitskreis aus Mitarbeitern seines Ministeriums um sich und trat in regen Gedankenaustausch mit dem kleinen privaten Institut „Neue Wirtschaftsfront e. V. Forschungsstelle 168  Stiller Seitenwechsel

Zwei für Johannes Popitz ausgestellte Passierscheine in die Bezirke Bialystok und „Ostland“ 1942

für Nationalwirtschaft“ von Johanna Bödeker. Die junge Volkswirtin hatte sich 1931, mitten in der Weltwirtschaftskrise, selbständig gemacht und war mit ihren Untersuchungsergebnissen direkt bis zu Popitz vorgedrungen. Von ihren Ideen angetan, förderte er das Unternehmen nach Kräften und setzte später sogar eine Dauerfinanzierung über das Reichsfinanzministerium durch. Seither ging immer wieder Erstaunliches aus dem Institut hervor. 1940 überreichte ihm Bödeker eine Denkschrift „Die Sozialorganische Wirtschaft“. Schon in der Einleitung überraschte der frische Ton, mit dem Kritik am Nationalsozialismus, aber auch einige Selbstkritik geübt wurde. „Wir sind alle mehr oder weniger den verwirrenden Einflüssen erlegen, welche die gewaltigen Erlebnisse der letzten Jahrzehnte ausgeübt haben, wir sind dazu noch jahrelang planmäßig in Unklarheit und Benommenheit versetzt worden. Frevelhaft und lächerlich zugleich ist die Behauptung, ein Mensch, oder eine von Menschen gezimmerte Weltanschauung habe immer recht. Je eher wir uns der Macht systematisch verbreiteter Lügen entziehen, um so besser erschließen wir uns den natürlichen Sinn, der in Stiller Seitenwechsel  169

den Sachgebieten unseres Lebens enthalten ist, gerade auch in der Wirtschaft.“ Es folgten weit ausgreifende Erörterungen zu Geld- und Warenwirtschaft, dann Ausführungen über die Schädlichkeit der Planwirtschaft und abschließend ein Kapitel mit Thesen für eine „gesunde Wirtschaft“, wie Bödeker sie sich dachte. Politisch changierten ihre Ideen zwischen Marktliberalismus und Staatssozialismus, ethisch basierten sie auf einem christlichen Fundament. Ein bisweilen wirres Sammelsurium an Gedanken, handelte es sich hierbei kaum um ein konzentriertes Wirtschaftsprogramm. Popitz’ zahlreiche Anstreichungen lassen darauf schließen, daß er längst nicht alles für zustimmungsfähig hielt.221 Aber die jahrelangen Diskussionen mit Bödeker taten trotzdem ihre Wirkung. Im Sommer 1943 hielt Popitz einen Vortrag vor der Mittwochsgesellschaft zur Neugestaltung der Sozialordnung nach dem Krieg. Nachdem er in den Jahren zuvor über „Alternativen in der deutschen Geschichte zwischen 1555 und 1618“ und „Über den Begriff ‚Reich‘“ referiert hatte, fiel dieses Thema aus dem Rahmen. Allerdings war Popitz’ Interesse an sozialpolitischen Belangen auch nicht neu, es reichte bis in seine Studentenzeit zurück, als er sich mit dem „Kathedersozialismus“ befaßt und Vorlesungen bei Adolph Wagner besucht hatte. An der Dringlichkeit der Sozialen Frage habe sich seither nichts geändert, stellte Popitz seinem Vortrag einleitend voran, im Gegenteil: „Es besteht die Gefahr, ja die Wahrscheinlichkeit, daß solange nicht eine befriedigende Lösung der sozialen Frage gefunden wird oder wenigstens für sie ein Programm vorliegt, jede politische Ordnung alsbald nur mit diktatorischen, ja mit terroristischen Mitteln aufrecht erhalten werden kann.“ Dabei handele es sich keineswegs um ein bloß innenpolitisches Problem, sondern es sei auch der internationale Friede latent bedroht. Soeben habe England mit der Veröffentlichung des Beveridge-Plans auf die soziale Schieflage im Land reagiert, während in den USA Massenstreiks den sozialpolitischen Handlungsbedarf unterstrichen.222 Für den Finanzminister verband sich mit der Sozialen Frage die grundsätzliche Besserung und Sicherung der Lebensverhältnisse von Menschen, die nur über ihre Arbeitskraft als Einkommensquelle ver170  Stiller Seitenwechsel

fügten. Die Existenzen von gut zwei Dritteln der deutschen Gesellschaft seien mit beträchtlichen Unwägbarkeiten behaftet: mit unsicheren Arbeitsgelegenheiten, mit den von Krankheit und Alter ausgehenden Gefahren, schließlich mit Sorgen um die Familie. Bei geringer Bildung sei der soziale Aufstieg die Ausnahme und die „Begabtenauslese ausserordentlich erschwert“. Das gemeinsame Lebensschicksal der Arbeiter stifte zwar Verbundenheit untereinander, schüre aber die Gegnerschaft zur dünnen Schicht der Besitzenden, die man als „Ausbeuter“ der arbeitenden Bevölkerung ansehe. Und Geistesarbeit, bemerkte Popitz, sei unter Arbeitern „gar als eine besonders raffinierte Art des Nichtstuns“ verschrien. Begonnen habe dieser Spaltungsprozeß im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts. Die seither unternommenen Gegenmaßnahmen seien sämtlich unbefriedigend geblieben, die karitativen Hilfen der Kirchen ebenso wie die gewiß gutgemeinten, aber eben nicht grundsätzlich wirksamen sozialen Unternehmerinitiativen oder die staatliche Sozialgesetzgebung seit Bismarck. Spürbare Verbesserungen für die Arbeiterschaft seien wohl von den Gewerkschaften ausgegangen, aber sie hätten zugleich den „Klassengegensatz“ verschärft und den „Klassenkampf“ gepredigt. Seit ihrem Verbot unter dem Nationalsozialismus habe die Arbeitsfront ihre Stelle eingenommen, was eine gewaltsame „Machtenteignung“ der Arbeiterschaft gewesen sei. Zwar seien Löhne und Sozialleistungen nach 1933 gestiegen, sei für Freizeit, Erholung und für die „Schönheit der Arbeit“ viel getan worden. Aber mit dem Verbot der Gewerkschaften und Arbeiterparteien sei nicht, wie von der Regierung gern behauptet, zugleich die überkommene Spaltung der Gesellschaft überwunden worden. „Wollte man darüber Klarheit haben, ob die Arbeiterschaft keinen Klassengegensatz mehr empfindet, so müßte man das Arbeitertum selbst fragen. Ich stelle anheim, wie die Antwort darauf wohl ausfiele“, merkte Popitz lakonisch an.223 Die großen Lösungsversuche Marxismus, Sozialismus und Kommunismus lehnte der Finanzminister als realitätsferne Utopien ab: „Ich höre den alten Adolf Wagner [sic!] sein publicum über Sozialismus schließen mit den Worten: ‚Ja, wenn die Menschen Engel wären.‘ Sie sind keine.“ Die praktische Umsetzung des Kommunismus in Rußland Stiller Seitenwechsel  171

habe deutlich gezeigt, wohin die Erstickung aller Privatinitiative und die Selbstermächtigung der politischen Funktionäre führe, nämlich in die „grausige Vollendung der Technokratie“. Gebe es also unter den vorherrschenden Bedingungen überhaupt keine befriedigende Antwort auf die Soziale Frage, fragte Popitz abschließend in den Raum? Weiter wie bisher an den Symptomen zu kurieren, würde für die Allgemeinheit auf Dauer unbezahlbar und mit Rücksicht auf die Abhängigkeit der Löhne von Preisbildung, Wirtschafts- und Währungslage auch wenig wirksam sein. An diesem Punkt präsentierte er die Überlegungen Johanna Bödekers.224 Für die Ökonomin lag der Kardinalfehler im bestehenden Wirtschaftssystem darin, daß die Arbeitskraft des Arbeiters für den Unternehmer eine Ware sei, die in der Bilanz neben anderen Kostenfaktoren auftauche. Berechnet werde aber nur die direkt im Produktionsprozeß aufgewandte Arbeitskraft, d. h. die konkrete vom Arbeiter am Arbeitsplatz verbrachte Zeit. Hier gelte es umzudenken und den Kapitalcharakter der Arbeitskraft für den Arbeiter anzuerkennen. Für den Erhalt seines „Kapitals“ müsse der Arbeiter ebenso Vorsorge treffen können wie der Unternehmer, der bei den Sachkosten in seiner Ertragsermittlung nicht nur die reinen Produktionskosten, sondern auch die Abnutzung seiner Maschinen mittels Abschreibung einrechne. Werde die Arbeitskraft aber als ein Kapitalwert angesehen, müsse darauf auch der Teil des Gewinns entfallen, „der dem Verhältnis des Wertes des Leistungskapitals der Arbeit zum im Unternehmen eingesetzten Sachkapital entspräche“. Das „Leistungskapital“ würde nach den Gestehungskosten errechnet, in die Aufwendungen für Ausbildung, Mutterschaft, Kinder und die Versorgung der Alten einzubeziehen seien. Der Gewinnanteil und die Aufwendungen zur Regeneration würden einem staatlichen Sozialfonds zufließen, der die am Leistungskapital Beteiligten auszahle. Sozialversicherungsbeiträge entfielen damit. Da auch der Arbeiter selbst aus dem Fonds einen Gewinnanteil erhalte, könne der Lohn niedrig bleiben, und es entstünden geringere Kosten in der Preiskalkulation. Schließlich müßten, um die unterschiedliche Leistungsfähigkeit der Betriebe wie der Arbeiter zu berücksichtigen, die Zahlungen an den Sozialfonds nach dem alljährlich ermittelten 172  Stiller Seitenwechsel

Durchschnitt aller Unternehmergewinne in der Volkswirtschaft erfolgen. Indem auch die Ausschüttungen an die Arbeiter nach diesem Durchschnittswert erfolgten, erhielte die künftige Sozialordnung einen ganz neuen Charakter, weil „die Masse der Arbeiter [...] aus ihrer bisherigen Isolierung [heraustritt], der Arbeiter [...] zum echten Partner des Gedeihens der Gesamtwirtschaft“ aufsteige.225 Popitz bekannte am Ende ausdrücklich, daß dieser Plan nicht von ihm stamme, gab aber den Namen des eigentlichen Urhebers nicht preis. Er habe dazu „vor vielen Jahren“ unbeabsichtigt die Anregung gegeben, als es um die Einkommenssteuer gegangen sei. Damals habe er in der Diskussion angemerkt, wie ungerecht es sei, daß der Arbeiter seinen Lohn versteuern müsse, ohne daß er wie der Unternehmer als Sachbesitzer auch eine Abnutzungsquote geltend machen könne. Daraus sei dann die vorgestellte „Utopie“ hervorgegangen, die, sollte sie verwirklicht werden, die überkommene Wirtschaftswelt revolutionieren würde. Popitz selbst blieb hinsichtlich der Umsetzbarkeit skeptisch und beschloß seinen Vortrag mit dem Schiller-Zitat: „Gerechtigkeit gibt es nur auf der Bühne.“226 Die Vorstellung des Bödeker-Plans unterstreicht die ausgeprägte Lust des Finanzministers am gelegentlichen Querdenken. Schon viele kluge Köpfe hatten sich an der Sozialen Frage versucht, ohne einer Lösung nähergekommen zu sein, warum also nicht einmal in ungewohnten Bahnen denken? Das Problem beschäftigte Popitz seit Studententagen und berührte täglich seine finanzpolitische Arbeit. Angesichts des Krieges, dessen Verlauf bis 1943 kaum mehr Hoffnungen auf einen Sieg ließ, lagen Gedanken über die zukünftige soziale Verfassung des Gemeinwesens nahe. Und schließlich war dies die Frage, die im Verschwörerkreis am kontroversesten diskutiert wurde. So gesehen war der Vortrag weniger ungewöhnlich, als es auf den ersten Blick scheinen mochte. Es ist auch vermutet worden, daß Popitz’ Interesse am Bödeker-Plan nur instrumenteller Natur und vielleicht kein echtes gewesen sei. Er habe damit seine Stellung im Kreis des zivilen Widerstands festigen und seinen Einfluß stärken wollen. Tatsächlich war es, als man nach Kriegsbeginn zu konspirieren begann, schon bald zu ernsten Konflikten unter den Verschwörern gekommen. Stiller Seitenwechsel  173

Den Anstoß boten Differenzen über die eigentlichen Ziele der Widerstandstätigkeit, nach der künftigen Gestalt des Staates, seiner politischen und sozialen Verfaßtheit. Es kursierten kontroverse Vorstellungen darüber unter den Verschwörern, die kaum auf einen Nenner zu bringen waren und hitzige Debatten zwischen Älteren und Jüngeren auslösten. So einig sich alle in dem Entschluß waren, daß die Regierung Hitler beseitigt gehöre, so uneins war man sich darüber, wie es danach weitergehen solle. Heterogen zusammengesetzt und in mehrere Zirkel fraktioniert, war der bürgerliche Widerstand eben keine festgefügte Einheit mit einem klaren politischen Programm.227 Erste Vorstellungen über die Zeit nach einem Staatsstreich wurden im Kreis um Popitz und von Hassell Anfang 1940 zu Papier gebracht. Sie stammen vermutlich aus der Feder des Diplomaten, der sich über den Sachgehalt in mehreren Besprechungen mit Popitz zuvor verständigt hatte. Schon im Oktober 1939 hatte der Preußische Finanzminister angemahnt, am besten jetzt schon „im kleinsten Kreis“ zu besprechen, wie im Ernstfall vorzugehen sei. Goerdeler und Planck, später auch Jessen wurden zu den Beratungen hinzugezogen. Und am 28. Dezember hielt von Hassell in seinem Tagebuch fest, daß er eine Stunde mit Popitz „über das praktische Vorgehen einer neuen Regierung eingehend gesprochen“ habe. Das „Programm für erste Maßnahmen bei einem Umsturz“ dürfte auf diesen Unterredungen basieren. Aber der rasche Putsch blieb aus, und damit war das Programm obsolet. Es diente wohl noch als Diskussionsgrundlage, als man 1941 vermehrt Anschluß an die jüngere Generation um die beiden Grafen Peter York von Wartenburg und Helmuth James Moltke, Adam Trott zu Solz und Eugen Gerstenmaier suchte. Mit dem nach dem schlesischen Landgut der Moltkes benannten Kreisauer Kreis tauschten sich Beck, Goerdeler, Popitz und von Hassell wiederholt aus. Die politischen Positionen der unterschiedlichen Generationen waren freilich nur schwer in Einklang zu bringen. Während die Jungen nach einer kompletten Neuordnung des Staatswesens inklusive der Besitzverhältnisse verlangten, dachten die Alten eher an die Wiederherstellung früherer staatlicher Zustände. Davon zeugen die wahrscheinlich von Popitz abschließend redigierten Texte „Gesetz über die Wiederherstellung geordneter Ver174  Stiller Seitenwechsel

hältnisse im Staats- und Rechtsleben (vorläufiges Staatsgrundgesetz)“ und „Richtlinien zur Handhabung des Gesetzes über den Belagerungszustand“. Beides kam gewichtig daher, war aber mit den romantischidealistischen Vorstellungen der Jungen inkompatibel.228 Alle drei Texte trugen starke autoritäre Züge. Von Demokratie, Parlamentarismus oder gesellschaftlicher Mitbestimmung war an keiner Stelle die Rede, statt dessen von Staatsorganismus, Regentschaft und Reichsverweser. Erstaunlich an dem „Programm“ von 1940 war das Bekenntnis, den Krieg „mit aller Kraft weiterzuführen“, bis ein für das Deutsche Reich in jeder Hinsicht annehmbarer Friede erreicht sei. Bemerkenswert war auch, daß auf die Verdammung des Nationalsozialismus ausdrücklich verzichtet wurde und man das Urteil lieber einer späteren Geschichtsschreibung überlassen wollte. Die Verschwörer erkannten die „gesunden und vorwärtsführenden Gedanken [...], die in ihm enthalten waren“ durchaus an, wenn sie zwischen der nationalsozialistischen Weltanschauung und ihrer Realisierung durch die NSDAP unterschieden. Das „Parteibonzentum“, die Rechtsverletzungen und Verfolgung von Minderheiten, insbesondere der Juden, wurden scharf verurteilt, während am Gedanken der Volksgemeinschaft festgehalten wurde. Gewiß sollte der Rechtsstaat wieder hergestellt werden, ebenso die Freiheit der Person. Aber für eine Übergangszeit bis zum Eintreten in ein „normales Verfassungsleben“ würde eine Art Ausnahmezustand gelten müssen. Es war eine Regierung aus Reichsverweser und zwei Mitregenten vorgesehen. Die Wehrmacht sollte auf dieses Triumvirat vereidigt werden, der Reichsverweser den Oberbefehl erhalten. Regelungen, um einem Machtmißbrauch vorzubeugen, fehlten. Das ähnelte in der Tat einer Militärdiktatur, „mit den besten Absichten, versteht sich“, wie Peter Hoffmann den Plan ironisch kommentiert hat.229 Konkreter wurde es dann in den beiden anderen gemeinschaftlich verfaßten Texten, deren letzte Überarbeitung vermutlich von Popitz stammte. Die allgemeinen Forderungen fielen freilich auch hier reichlich unbestimmt aus. So wurde erklärt, daß alles Handeln wieder den „Regeln des Anstandes und der guten Sitten“ zu unterwerfen sei. Jedermann solle Anspruch auf einen „menschenwürdigen LebensstanStiller Seitenwechsel  175

dard“ erhalten, solange er seine Pflichten gegenüber Staat und Gesellschaft erfülle. Großer Wert wurde auf die Wiederherstellung eines staatsloyalen Beamtentums gelegt, Forschung und Lehre sowie die Kunst sollten frei ausgeübt werden, aber nur soweit es „die Sicherheit nach außen und innen und die gebotene Ehrfurcht vor den geistigen und sittlichen Gütern des Volkes erfordern“. Kaum eine Regel würde also uneingeschränkt gelten, wobei unbestimmt blieb, wann genau eine Regelverletzung vorläge. An der Spitze des Staates sollte auch hier ein Reichsverweser stehen, der Befugnisse erhielte, wie sie gewöhnlich einem Monarchen zukamen. Darunter fielen die Vertretung des Reichs nach außen oder der Oberbefehl über das Militär. Reichskanzler und Minister würden vom Reichsverweser zu ernennen sein, der sie auch entlassen konnte. Ein Staatsrat, gebildet aus hervorragenden Persönlichkeiten und vom Regenten ernannt, war als beratende Instanz vorgesehen. Staatsaufbau und Verwaltungsstruktur würden an frühere Überlegungen zur Reichsreform anknüpfen. Die Staatsgewalt habe vom Reich auszugehen, das neu in Länder aufzuteilen sei: „Preußen vollendet seine reichsbildende Mission, indem es auf den staatlichen Zusammenhang seiner Provinzen verzichtet.“230 Vor allem die allgemeinen Passagen verrieten geringes Zutrauen in die politische Urteilsfähigkeit des deutschen Volkes. Hier wurde gelenkt und bevormundet wie in vorkonstitutioneller Zeit, so als habe es eine Demokratiebewegung im Reich nie gegeben. Gewiß wirkten die politischen Erfahrungen der zurückliegenden Jahre nach, die gescheiterte Republik, die Angst vor dem Kommunismus, die fatale Begeisterung der Massen für Hitler. Letzteres war ja in der Tat ein Problem und durfte nicht unterschätzt werden, sollte es zum Umsturz kommen. „Keiner von uns wird erleben, daß das, was wir hier vorbereiten, Wirklichkeit wird“, prophezeite Popitz im Gespräch mit Bödeker, als man gemeinsam über Fragen einer künftigen Wirtschaftsordnung brütete. „Entweder hängen uns die Nazis vorher auf, oder das Volk schlägt uns tot, weil wir ihm seine Götzen geraubt haben. Erst die, die dann kommen, werden handeln können.“ Schon um einer Neuauflage der „Dolchstoßlegende“ vorzubeugen, mußte der Führerkult im Plan berücksichtigt werden. Aber es bleibt ein Nachgeschmack beim Blick 176  Stiller Seitenwechsel

auf die vorläufige politische Zielsetzung der konservativen Verschwörer, von denen einige doch selber dem Nationalsozialismus auf den Leim gegangen waren und dem Regime gedient hatten. Die Frage war nicht unberechtigt, woher sie nun die Legitimation nahmen, über die künftige Gestalt des Staates mitzubestimmen.231 Unter den Jungen im Kreis kursierten beträchtliche Vorbehalte namentlich gegen Goerdeler und den Preußischen Finanzminister. Popitz warf man die jahrelange „Unterordnung unter Göring“ sowie angebliche „schwere finanzpolitische Fehler“, schließlich sein „allzulanges Mitmachen im System“ vor. Das war nicht leicht vom Tisch zu wischen, und doch wurde Popitz nicht müde, seine jüngeren Kritiker zu umwerben. Von den älteren Verschwörern war neben von Hassell er es, der energisch nach einem Ausgleich der Positionen strebte. So kam Anfang Januar 1943 eine Aussprache zwischen den Kreisauern und der Gruppe um Popitz und von Hassell zustande. Insgesamt zwölf Personen fanden sich in Berlin-Lichterfelde West in der Wohnung des Grafen York von Wartenburg ein. Das Treffen war inhaltlich von Popitz und von Hassell auf der einen, von Eugen Gerstenmaier auf der anderen Seite vorbereitet worden. Ludwig Beck führte die Gesprächsleitung. Es scheint hoch hergegangen zu sein auf dieser Zusammenkunft, in deren Verlauf von Moltke sich zu polemischen Zwischenrufen beim Vortrag Goerdelers hinreißen ließ. Mehr noch als Popitz war Goerdeler für die Kreisauer das schwarze Schaf im Verschwörerkreis, dessen Gesellschaftsbild man hier für reaktionär hielt und dessen „pädagogisierende Verschleierung der Gegensätze“ aufs äußerte reizte. Eine Annäherung brachte die „große Aussprache“ am Ende nicht. „Einig war man aber in der Notwendigkeit, möglichst schnell den Staatsstreich herbeizuführen.“ Aber die Distanz der Jüngeren zu Popitz wuchs und erwies sich am Ende als unüberbrückbar. Im Schattenkabinett einer Nachkriegsregierung war er für kein Ministeramt mehr vorgesehen.232 Im Kreis um Popitz war man lange der Meinung, daß ein Umsturz am besten über das Militär herbeizuführen sei. Aber es fehlte den Generälen die Entschlossenheit zum Handeln, sehr zum Verdruß des Preußischen Finanzministers wie von Hassells. Der allseits geschätzte Beck blieb ein zaudernder Taktierer, und der vorsichtige Erwin von WitzleStiller Seitenwechsel  177

ben mußte, wie manch anderer Militär, immer wieder auf Kurs gebracht werden. Als im März 1943 zwei von Offizieren verübte Attentate auf Hitler mißlangen und im Monat darauf eine Widerstandsgruppe im „Amt Ausland des OKW“ aufflog, wuchs die Ratlosigkeit unter den Verschwörern. In diesen Monaten schlug Popitz im Kreis der Verschwörer vor, doch einmal bei Himmler vorzufühlen, wie er sich zu einem Umsturz stellen würde. Dem waren frühere Überlegungen vorausgegangen, ob nicht überhaupt gemeinsame Sache mit der SS zu machen sei, der man sich nach erfolgtem Putsch dann nur noch irgendwie entledigen müßte. Ein Gespräch mit Himmler glaubte Popitz leicht über Karl Langbehn herbeiführen zu können. Der Rechtsanwalt war ein Vetter von Edgar Haverbeck, der Wand an Wand mit Popitz in der anderen Doppelhaushälfte Brentanostraße 50 wohnte. Um 1940 waren sich Langbehn und Popitz das erste Mal begegnet. Ein Schüler des Göttinger Rechtswissenschaftlers Fritz Pringsheim, hatte Langbehn in Berlin als Strafverteidiger Karriere gemacht und für seinen im November 1938 in ein Konzentrationslager verschleppten Doktorvater erfolgreich bei Himmler interveniert. Es schien also nicht übermäßig gefährlich zu sein, beim Reichsführer-SS die Lage zu sondieren, zumal die Verschwörer von dessen geheimen Kontaktaufnahmen zu den westlichen Alliierten wußten. Langbehn hatte in dieser Sache als Verbindungsmann Himmlers fungiert und Popitz und von Hassell darüber informiert. Ein Versuch war es wert, mochte Popitz gedacht haben, und ging am 26. August 1943 zum Teufel in die Audienz.233 Am Ende scheiterte der Versuch vollkommen. Dabei schien das Gespräch nach allem, was Popitz darüber verlauten ließ, gar nicht mal schlecht verlaufen zu sein. Himmler soll „offen gewesen sein“ für politische Alternativen und auch zu einem zweiten Gespräch bereit gewesen sein. Daß der Gestapo-Chef ebenfalls ein doppeltes Spiel spielen könnte, scheint Popitz entweder nicht bedacht oder doch für ein begrenztes Risiko gehalten zu haben. Himmler hatte sich aber bei Hitler zuvor abgesichert und sich dann in aller Ruhe ein Bild gemacht von dem, was es an Plänen zur Insurrektion im Reich kursierte. Er wird sich gewundert haben, wie leicht ihm die „graue Eminenz“ ins Netz gegangen war. Aber vorerst wiegte er Popitz in Sicherheit, griff 178  Stiller Seitenwechsel

nicht sogleich zu, sondern beließ ihn auf freiem Fuß. Um so bestürzter waren der Finanzminister und seine Freunde, als sie von der Verhaftung Karl Langbehns am 22. September erfuhren.234 Vielleicht ein, zwei Tage nach der Inhaftierung des Rechtsanwalts suchte Oskar Stark, ein liberaler Journalist der Frankfurter Zeitung, Popitz in einer beruflichen Angelegenheit auf. Er fand den Finanzminister „nervös und angegriffen“ aussehend und „ununterbrochen Zigaretten“ rauchend vor. Und er begann das Gespräch sonderbarerweise mit der Bemerkung, daß man sich zunächst darüber unterhalten müsse, „wie wir den Verbrecher loswerden“. Damit hatte Stark nicht gerechnet, wie er sich später erinnerte, und sah sich sofort im Zimmer besorgt um, ob niemand mithöre. Popitz habe ihm sodann über die Pläne für einen Umsturz berichtet, jetzt, „da der Krieg ja verloren sei“. Er empfange Besuche von vielen hohen Repräsentanten des Regimes, zivilen und militärischen, und bespreche mit allen die Lage. „Auch Sie stehen auf unserer Liste“, bekannte er Stark, der daraufhin dringend bat, bloß vorsichtig mit solchen Aufzeichnungen zu sein, damit niemand, nur weil sein Name auf einer Liste stehe, „per Genickschuß erledigt“ werde, wie es in der Röhm-Affäre vielfach geschehen sei. Stark habe anschließend Popitz’ allzu kühnen Optimismus gegenüber dem Militär zu dämpfen versucht mit der lateinischen Weisheit miles semper insanis. Aber Popitz sei unbeirrbar gewesen. Schließlich habe der Minister auch ganz unbefangen von der Unterredung mit Himmler erzählt und betont, daß der Reichsführer durchaus verständnisvoll gewesen sei. Stark wußte sich vor Erstaunen kaum zu fassen: „Mich verwunderte das dermaßen, daß ich ihn fragte, wie er sich denn erkläre, daß Himmler und die ganze Partei mit allen Sicherheitsorganen, über die sie verfügten, ihn und seine Freunde in dieser Art Vorbereitungen treffen ließen, ohne einzugreifen. Die Antwort, die mir Dr. Popitz darauf gab, glaube ich ziemlich genau im Wortlaut in Erinnerung zu haben: ‚Ja, das wundert mich auch; aber ich denke mir, entweder wollen sie mir Narrenfreiheit geben oder sie glauben, sie brauchten mich noch einmal.‘“ Stark glaubte weder das eine noch das andere. Als Popitz ihn beim Abschied zu einem weiteren Besuch ermunterte, habe er ausweichend geantwortet, aber im Stillen schon den Entschluß für sich gefaßt, Stiller Seitenwechsel  179

„kein zweites Mal dieses Haus zu betreten, weil mir vor Augen stand, daß wahrscheinlich jeder Besucher des Ministers beschattet werde, und ich für ungewiß hielt, ob man bei einem zweiten Besuch das Haus auch wieder frei verlassen könne“. Tatsächlich ließ die Gestapo den Minister keine Minute mehr aus den Augen. Im Verschwörerkreis breitete sich die Angst vor Entdeckung aus, und die Zusammenkünfte wurden seltener. „Es ist ja auch nichts zu machen“, stellte von Hassell resigniert fest.235 War es Naivität, Selbstüberschätzung oder mangelnde Phantasie, wenn der Preußische Finanzminister ungeschützt Gespräche über Staatsstreichpläne führte? Fürchtete er nicht die Rache des Regimes? Auch sein langjähriger Freund Grabower sprach von der „offenen“, „unverstellten“ Art, die Popitz in Gesprächen pflegte. Andere Zeitzeugen wiederum betonten die Vorsicht, mit der er sonst zu Werke ging. Seine Tochter Cornelia berichtete nach dem Krieg von den besonderen Vorkehrungen bei Zusammenkünften in ihrem Elternhaus. So hätten sich die Verschwörer als Besucher der Nachbarfamilie Haverbeck in der angrenzenden Doppelhaushälfte getarnt und seien durch eine Verbindungstür im gemeinsamen Luftschutzkeller in Popitz’ Wohnung gelangt. Demnach ging der Finanzminister durchaus nicht fahrlässig mit der Sicherheit Dritter um. Nur was ihn selbst betraf, zeugt doch von arger Nonchalance, obwohl es an Warnungen aus dem Bekanntenkreis nicht gefehlt hatte. Daß spätestens seit dem Gespräch mit Himmler das Damoklesschwert der Verhaftung über ihm schwebte, wußte er – aber die Nationalsozialisten hielten ihn ja, wie er überzeugt war, entweder für einen Narren oder „brauchten“ ihn noch. Mit dieser scheinbaren Gewißheit fragte Popitz mehrfach im Hauptquartier des Teufels nach dem Schicksal seines Freundes Langbehn und erwog ernsthaft, Himmler ein persönliches Gespräch über den Fall anzubieten. Aber der Reichsführer-SS ließ alle seine Versuche ins Leere laufen und empfand eine sadistische Freude daran. Noch in der Rede vor den Gauleitern im August 1944 gab Himmler der Genugtuung darüber Ausdruck, den verhaßten Finanzminister endlich zur Strecke gebracht zu haben. Nach der Verhaftung Langbehns habe Popitz „so käsig“ ausgesehen und sei wie das personifizierte „schlechte Gewissen“ her180  Stiller Seitenwechsel

umgelaufen. Der Finanzminister habe Fernschreiben an ihn gerichtet, ihn antelephonieren und fragen lassen, was mit Langbehn sei: „Ich gab sphinxhafte Äußerungen von mir, so daß er nie wußte, ist es so oder so passiert, geschieht es aus meinem Willen oder gegen meinen Willen. Ich sagte mir: Zum Weglaufen ist der Kerl zu feige, und tun wird er im Moment auch nichts, dazu hat er im Moment zu große Angst. Das hat sich auch als richtig herausgestellt.“236 Johannes Popitz wurde in der Nacht vom 20. auf den 21. Juli 1944 von der Gestapo in seinem Berliner Haus abgeholt. Vom Attentat auf Hitler an diesem Donnerstag, rund sechshundert Kilometer weiter östlich in der Wolfsschanze, hatte er keine Kenntnis. Was er von den dramatischen Vorgängen im Regierungsviertel wahrnahm, ist unbekannt geblieben.

Stiller Seitenwechsel  181

Das Ende Anklage. Prozeß. Tod

Nun schweigt es still, das alte Haus; Mir aber ist’s, als schritten Die toten Väter all‘ heraus, Um für ihr Haus zu bitten, Und auch in meiner eignen Brust Ruft alter Zeit Erinnerung Lust: Laß stehn das Haus, laß stehen!237

Im Bombenkrieg der Jahre 1943 und 1944 wurde das Berliner Regierungsviertel weitgehend zerstört. Die Gebäude der Ministerien erlitten verheerende Schäden, was den laufenden Betrieb stark beeinträchtigte und zum Ausweichen in eilig ausgestattete Notunterkünfte zwang. Das aus dem preußischen Kultusministerium hervorgegangene Reichserziehungsministerium Unter den Linden hatte im November 1943 einen Volltreffer erhalten und war bis auf einen Seitenflügel ausgebrannt. Seither residierten die verschiedenen Abteilungen in Ausweichquartieren verteilt über die ganze Stadt. Auch das Palais am Festungsgraben, seit 1808 Sitz des preußischen Finanzministeriums, wurde schwer in Mitleidenschaft gezogen, aber nicht vollkommen zerstört. Ein detaillierter, vom Minister frühzeitig ausgegebener Plan, hatte das Verhalten der Belegschaft im Ernstfall genau geregelt. Jeder einzelne Gebäudeabschnitt erhielt eine Mitarbeitergruppe zugewiesen. Eigenes Handwerkszeug war von Zuhause mitzubringen, Hammer, Zange, eine kleine Stichsäge, damit im Bedarfsfall jeder selbst Hand anlegen konnte. „Ich erwarte, daß alle Beteiligten des Hauses sich voll für dessen Schutz in dieser Weise einsetzen“, ermahnte Popitz seine Leute. Aber letztlich dürfte es kaum handwerkliches Geschick als vielmehr großes Glück gewesen sein, daß der spätklassizistische Bau den Bombenkrieg vergleichsweise glimpflich überstand. „Mein Das Ende   183

Ministerium gehört zu den wenigen, die bisher noch stehen“, schrieb Popitz im Dezember 1943 an Carl Schmitt. „Auch Opernhaus und Schauspielhaus sind noch vorhanden. Viele andere signa Borussiae.“ Die meisten davon fielen später doch noch den alliierten Bomben zum Opfer; von der Quadriga auf dem Brandenburger Tor sollte bis zum 8. Mai 1945 nur noch ein kläglicher Rest erhalten bleiben.238 Popitz war stolz auf seinen Amtssitz. Als man 1934 die Hundertjahrfeier des Deutschen Zollvereins beging, ließ er eine kleine Studie über die Geschichte des zwischen 1751 und 1753 erbauten früheren Palais Donner anfertigen und verfaßte selbst die Einführung dazu. Damals waren die Pläne für eine Reichsreform noch aktuell und schien das Schicksal seines Ministeriums, eines Tages im Reichsfinanzministerium aufzugehen, besiegelt: „[M]ag auch in einem einigen Reich mit organischer Fügung seiner Verwaltung, wenn sich Preußens Sendung erfüllt hat, ein Preußisches Finanzministerium keinen Platz mehr haben, sein Gebäude sollte erhalten bleiben und stets eine seiner Tradition entsprechende Bestimmung erhalten.“ Aber die Geschichte nahm einen anderen als den erhofften Verlauf. Sechs Wochen nach der Verhaftung des Ministers verfügte Göring am 6. September 1944 auf „Anordnung des Führers“ die Auflösung des preußischen Finanzministeriums. Die materiellen Belange gingen auf das Reichsfinanzministerium über. Lediglich in Personalfragen behielt sich der Ministerpräsident ein Konsultationsrecht vor. Als Grund für den abrupten Schritt gab Göring der Öffentlichkeit freilich die Vereinfachung der Verwaltung und nicht etwa die Teilnahme der Ministeriumsspitze an der Verschwörung gegen Hitler bekannt. Seine Stellung im Machtgefüge, ohnehin durch das Versagen der Luftwaffe im Krieg stark geschwächt, hatte durch den Komplott weiter an Bedeutung eingebüßt. So mancher Parteifreund frohlockte innerlich, wie Martin Bormann, dem es gefallen hätte, wenn mit dem Finanzministerium auch gleich die preußische Ministerpräsidentschaft kassiert worden wäre. Doch konnte er sich damit nicht durchsetzen.239 Es fehlt bis heute an Äußerungen, wie Göring die Beteiligung seines Finanzministers an der Verschwörung gegen Hitler sah. Er selbst hatte sich zum Widerstand nicht aufraffen können, obwohl er mit dessen 184  Das Ende

Kriegführung längst nicht immer einverstanden gewesen und spätestens nach Stalingrad des Krieges überhaupt überdrüssig geworden war. Aber den zaghaft vorgebrachten Vorschlag seines Mitarbeiters Fritz Görnnert im September 1944, Hitler doch in irgend einer Form aus dem Weg zu schaffen, man müsse ihn ja nicht gleich umbringen, überhörte er geflissentlich. Göring stand der Umgang mit Verrätern nach dem letzten Hitler–Attentat plastisch vor Augen, und er hing an seinem Leben. „Lieber an den Endsieg glauben, als ohne Kopf rumlaufen“, soll man sich in Berlin erzählt haben. Es steckte nicht nur Mutterwitz, sondern auch Weisheit in der Haltung, durch Heuchelei das eigene Überleben in einer wahnsinnig gewordenen Welt zu sichern.240 Die Beamten, Angestellten und Arbeiter im preußischen Finanzministerium wurden entweder vom Reichsfinanzministerium übernommen oder, falls ein entsprechendes Alter schon erreicht war, in den Ruhestand versetzt. Auch hier liegen begreiflicherweise keine zeitgenössischen Stimmen vor, wie über die Konspiration des Behördenchefs gedacht wurde. Eine Art stiller Protest war vielleicht die gesunkene Bereitschaft der Mitarbeiter und ihrer Angehörigen, an der alljährlich vom Ministerium resp. der Deutschen Arbeitsfront ausgerichteten Weihnachtsfeier teilzunehmen. Die von den Abteilungsleitern zu verteilenden Eintrittskarten blieben größtenteils liegen und wurden auch nach energischer Aufforderung aus dem Ministerbüro nicht in der gewohnten Zahl abgenommen. Der zuständige Beamte begründete das mangelnde Interesse vordergründig mit der Evakuierung vieler Familien und dem Kriegseinsatz der Frauen. Aber es mochte eben auch das Vorbild des Finanzministers eine Rolle gespielt haben, sich dieses Mal nicht unter der Regie der Partei einer falschen Besinnlichkeit hinzugeben.241 Die Verhaftungen im Popitz–Kreis erfolgten zu einer Zeit, als man jegliche Konspiration bereits länger eingestellt hatte. Die Verschwörer rechneten nicht mehr mit einem baldigen Umsturz, und Resignation machte sich unter ihnen breit, nachdem die Generäle zu lange gezaudert und sich die politischen Meinungsverschiedenheiten untereinander als schwer überwindlich herausgestellt hatten. Dies hatte die Atmosphäre vergiftet und zu ernster Verstimmung vor allem bei Popitz Das Ende   185

geführt. Seit dem Spätherbst 1943 traf man sich daher nur noch sporadisch zum Gespräch, meist zu zweit, um weiter keinen Verdacht zu erregen. Wie berechtigt solche Vorsicht war, zeigte sich gleich zu Beginn des Jahres 1944, als die Gestapo Helmuth James von Moltke, die zentrale Figur im Kreisauer Kreis, in „Schutzhaft“ nahm. Man warf ihm vor, einen Kollegen vor Bespitzelung gewarnt und außerdem dessen Teilnahme an einer konspirativen Gesprächsrunde nicht angezeigt zu haben. Von Moltkes tatsächlicher Konspiration wußte die Gestapo da scheinbar noch nichts. Die Nervosität im Kreis stieg weiter, als im Frühjahr 1944 Popitz’ Nachbar, Edgar Haverbeck, verhaftet und eingehenden Verhören unterzogen wurde. Nach sechs Wochen kam er wieder frei und berichtete Popitz, daß Gegenstand der Befragungen natürlich sein Vetter Carl Langbehn gewesen, es daneben aber immer wieder auch um die Causa Popitz–Himmler gegangen sei. Kriminalrat Lange habe sogar gemeint, daß er eigentlich Popitz selbst befragen müßte, aber dies „sei so schwierig“. Am 14. Juli ging das Regime schließlich unmittelbar gegen ein Mitglied der Gruppe um Popitz vor, als die Gestapo einen Haftbefehl für Carl Goerdeler ausstellte. Von Freunden gewarnt, konnte er nach Westpreußen fliehen, wo er die Vorgänge um den 20. Juli überdauerte. Goerdeler wurde am 12. August verhaftet, nachdem er in einem Wirtshaus von einer Frau erkannt und verraten worden war. Da saßen seine Freunde bereits fest: Popitz seit dem 21., von Hassell seit dem 29. Juli. Der Gestapo waren in der Bendlerstraße, dem Zentrum des militärischen Widerstands am Tag des Attentats, Papiere in die Hände gefallen, die den schon länger beargwöhnten Kreis endlich als einen Hort der Verschwörung entlarvten.242 Die erste Gefängnisstation war für Popitz wie für die meisten Verschwörer das Konzentrationslager Ravensbrück, etwa 100 km nördlich von Berlin nahe Fürstenberg in der Uckermark gelegen. Das zur Inhaftierung von Frauen eingerichtete Lager verfügte über einen Zellentrakt, von dem ein Teil nach den schweren Bombenangriffen auf Berlin als Untersuchungsgefängnis für politische Gefangene diente. Die Zellen waren im Vergleich mit denen im Gestapo–Hausgefängnis nachgerade komfortable ausgestattet mit WC und Waschbecken, Tisch und Stuhl, 186  Das Ende

einem Bett, Nachtkonsole und Heizung. Einmal am Tag konnten sich die Gefangenen in einem kleinen Hof die Beine vertreten. Kontakt untereinander durften sie nicht aufnehmen. Dennoch fanden sich Mittel und Wege, um Informationen darüber zu bekommen, wer noch in den Strudel der Verhaftungen geraten und nach Ravensbrück verschleppt worden war. Unter anderem war die Bildhauerin Marie–Louise Sarre darunter, die als eine Freundin Langbehns der Mitwisserschaft bezichtigt wurde. „Es war verabredet, im Falle der Festnahme irgend eines Mitglieds des Kreises, in jedem Fall alles zu leugnen“, berichtete sie nach dem Krieg. Daß Popitz in den Verhören die Namen seiner Mitverschwörer genannt hatte, erklärte sie überzeugend damit, daß man ihm vermutlich deren schriftliche Aussagen vorgelegt habe, „aus denen seine Beteiligung und die seiner Freunde so klar hervorgingen, dass er ein Leugnen nutzlos und unter seiner Würde fand“. Tatsächlich stellte sich Popitz seinen Gegnern mit offenem Visier. In den Verhören gab er seine Teilnahme an der Konspiration unumwunden zu, informierte über die Zielsetzung und begründete seine Motive. Die Vernehmungsprotokolle wie die Anklageschrift des Oberreichsanwalts Ernst Lautz bieten daher eine erstaunlich sachliche und nüchterne Bestandsaufnahme dessen, was sich im Verschwörerkreis um Popitz seit Kriegsbeginn ereignet hatte.243 Die Anklageschrift gegen Popitz und Langbehn umfaßte 16 Schreibmaschinenseiten. Sie begann mit Lebenslauf und beruflichem Werdegang, woran ein Bericht über die „Taten“ der Angeklagten anschloß. Wahrheitsgemäß hatte Popitz angegeben, die Regierungsübernahme der Nationalsozialisten zunächst „aus vollem Herzen begrüßt“ zu haben, im Laufe der Jahre aber in kritische Distanz zum Regime geraten zu sein. Zuletzt habe die riskante Außenpolitik Hitlers und Ribbentrops ihn davon überzeugt, „daß die Politik lebensgefährlich für das Reich werden würde“ und sich seit Kriegsbeginn mit Gleichgesinnten konspirativ zusammengetan. Popitz erläuterte seine politischen Pläne zum Staatsaufbau, wonach Göring „nach einer Zurückdrängung des Führers [...] an die Spitze treten“ sollte, und das Militär für eine Übergangszeit als maßgeblicher Ordnungsfaktor vorgesehen sei. Auch die Konflikte im Verschwörerkreis über innen– und sozialpolitische Das Ende   187

Fragen kamen zur Sprache, über die es dann zur „Entfremdung“ zwischen Goerdeler und Popitz gekommen sei. Oberreichsanwalt Lautz faßte die politischen Ziele von Popitz grob verkürzt dahingehend zusammen, daß an die „Einführung einer zentralistisch ausgerichteten Diktatur einiger Männer unter völliger Ausschaltung des Volkes und Niederhaltung der Arbeiterschaft“ gedacht worden sei. Ausführlich ging die Anklage auf die politisch heikle Mission von Popitz bei Himmler ein, den Popitz zwar vorsichtig, aber unmißverständlich für einen Umsturz zu gewinnen gesucht habe. Mit dem Hinweis auf die in allen Bereichen inzwischen prekäre Lage habe Popitz dem Reichsführer SS düstere Kriegsaussichten prophezeit: „Es frage sich nur, ob er [der Krieg, A. C. N.] verloren gehe oder wenigstens noch remis zu beenden sei. Dazu gehöre aber eine Persönlichkeit, die einen Namen habe, Rückgrat besitze und mutig sei. Der Führer sei ein Genie und habe seine eigenen Gesetze. Das solle keine Kritik sein, aber man müsse die Zivilcourage haben, zu sagen, die und die Vorschläge seien zu machen und müßten akzeptiert werden.“ Popitz habe sodann mit Verweis auf die Bolschewismusfurcht der Alliierten Initiativen zum Friedensschluß angeregt. Dazu würde es freilich akzeptabler Verhandlungspartner bedürfen, denn mit „Ribbentrop können Sie nicht verhandeln“. Hitler müsse mit Menschen umgeben werden, „die für sich Persönlichkeiten und für den Gegner verhandlungsfähig seien, nicht mit Kreaturen und korrupten Menschen“. Zum Schluß habe sich Popitz für weitere Beratungen angeboten und Himmler gebeten, „ihn aber im Schatten stehen zu lassen“.244 Die Hauptverhandlung gegen Popitz und Langbehn fand am 3. Oktober 1944 vor dem Volksgerichtshof mit Roland Freisler als Vorsitzendem statt. Zuvor hatte der Chef des Reichssicherheitshauptamtes, Ernst Kaltenbrunner, Weisung erteilt, nur eine fingierte Öffentlichkeit im Gerichtssaal zuzulassen, er selbst werde entsprechendes „Personal“ besorgen. Die SS–Spitze traf also vorab schon Vorsichtsmaßnahmen wegen der fraglos zur Sprache kommenden Verbindung zwischen den beiden Angeklagten und Himmler. Popitz verteidigte sich offensiv und griff nicht zu entlastenden Ausflüchten. Er gab den Verrat auch gegenüber Freisler freimütig zu. Vom Richter auf den 188  Das Ende

Versuch angesprochen, Himmler für seine Pläne zu gewinnen, antwortete Popitz mit der Gegenfrage, ob es denn „verboten [sei], dass ein Minister mit dem Reichsführer SS derartiges bespreche?“ Seine gradlinige Haltung vor Gericht rang selbst Goebbels Respekt ab, dem sein Staatssekretär vom Prozeßverlauf berichtete. Popitz habe „sich sehr geschickt verteidigt und vor allem als Entschuldigung für sich seine Verhandlungen mit dem Reichsführer SS zur Darstellung gebracht“. Und sein Hinweis, „daß die gegenwärtige Regierung nicht verhandlungsfähig sei, insbesondere aber Ribbentrop, der weder nach dem Westen noch nach dem Osten Fühler ausstrecken könne“, hielt Goebbels immerhin für „nicht so ganz unrichtig.“ Daß der frühere Kabinettskollege gleichwohl den Tod verdient hatte, war für ihn keine Frage. Verrat war Verrat und wurde zu allen Zeiten bestraft, mochten Umstände und Motive noch so verschieden sein. Popitz war, wie es scheint, viel an einem aufrichtigen Geständnis gelegen, vielleicht in der Annahme, damit die Existenz ernsten Widerstandes für die Nachwelt zu bezeugen. Er nahm das Urteil gelassen auf, weil es ihn zum Verräter an einem Unrechtsstaat machte. Tatsächlich hat seine aufrechte Haltung manchen seiner Freunde wieder mit ihm versöhnt, nachdem ihm seine langjährige Mitarbeit im Nationalsozialismus schwer verübelt worden war. So äußerte ein Emigrant gegenüber Rolf Grabower, daß Popitz später sehr genau gewußt habe, was er tat: „Er hat auch in dem Strafverfahren keine Mätzchen gemacht und nicht einmal versucht, sich aus der Schlinge zu ziehen.“245 „Für immer ehrlos“ geworden und „mit dem Tode bestraft“ fiel mit der Urteilsverkündung Popitz’ gesamtes Vermögen an das Reich, darunter auch das Wohnhaus Brentanostraße 50. Popitz’ ältester Sohn Hans stand zu dieser Zeit als Hauptmann an der Ostfront; er sollte um die Jahreswende 1944/45 herum fallen. Der jüngere Sohn Heinrich schloß gerade seine militärische Ausbildung ab und sah einem Fronteinsatz entgegen. Tochter Cornelia blieb in Berlin, war zum Arbeitsdienst eingeteilt und regelte, so gut es ging, die familiären Belange. Von Sippenhaft blieben die Geschwister, anders als die Familie von Hassell, verschont. Eine in Italien lebende Tochter Hassells kam in Haft, ihre zwei kleinen Buben wurden unter falschem Namen in ein Das Ende   189

Popitz in verteidigender Geste vor dem Volksgerichtshof. Links daneben sitzend Carl Langbehn.

Kinderheim verschleppt. Erst im Sommer 1945 gelang es Ilse von Hassell nach wochenlanger Suche ihre Enkelkinder aufzuspüren. Auch der jüngere Sohn, Hans Dieter von Hassell wurde nach dem 20. Juli in einem Wehrmachtsgefängnis inhaftiert und bis Kriegsende festgehalten. Zum generellen Haß auf die Verschwörer kam in diesen Fällen noch die manifeste Adelsverachtung der Nationalsozialisten hinzu. Ulrich von Hassell wurde am 8. September 1944 kurz nach der Urteilsverkündung in Berlin Plötzensee hingerichtet. Carl Langbehn starb, schwer von Folter gezeichnet, vier Wochen später, und Jens Jessen schließlich am 30. November. Die Urteilsvollstreckung gegen Popitz und Goerdeler wurde nach der Verkündung auf ungewisse Zeit verschoben.246 War es die Verbindung zu Himmler, die den Aufschub bewirkte? Hatte Popitz in dem Gespräch doch etwas in ihm angestoßen? Oder war es bloß die verwaltungs– und finanzpolitische Expertise der Delinquenten, die man sich sichern wollte? Die Idee, auf das Expertenwissen der beiden zurückzugreifen, stammte aus dem Reichssicherheitshauptamt. Hier, im Amt III „Inlandnachrichtendienst“, war seit 1939 der Jurist und Volkswirt Otto Ohlendorf der Chef. Bevor Mitte der 190  Das Ende

dreißiger Jahre seine Karriere in der SS Fahrt aufnahm, hatte Ohlendorf als Assistent von Jens Jessen am Kieler Institut für Weltwirtschaft gearbeitet und sich eingehend mit einem Vergleich von Nationalsozialismus und italienischem Faschismus befaßt. Ohlendorf galt als hochintelligent, besaß solide Wirtschaftskenntnisse und trat als ein entschiedener Gegner staatlich gelenkter Wirtschaft auf. Er soll Popitz wegen seiner stupenden finanz– und verwaltungspolitischen Kenntnisse sehr bewundert und deshalb die Abfassung einer Denkschrift angeregt haben – so lautet die Version seines Oberregierungsrates Erhard Mäding in Amt III nach dem Krieg. Mäding habe von Ohlendorf den Auftrag erhalten, beiden Gefangenen entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. Popitz sei „sehr bereitwillig“ darauf eingegangen und über Wochen von morgens bis abends mit der Niederschrift befaßt gewesen. Verlangt worden waren Ausführungen über Grundprobleme der Staats– und Verwaltungsreform, zur Überleitung von der Kriegs– zur Friedenswirtschaft, zum Wiederaufbau und zur künftigen Regionalgliederung des Reichs. Mitte Januar 1945 lag ein drei- bis vierhundert seitenstarkes Manuskript vor, von dem es drei Abschriften gab. Inhaltlich scheint das Ergebnis mit dem übereingestimmt zu haben, was Popitz zuvor im Amt wie im Kreis der Verschwörer politisch vertreten hatte.247 Insgesamt dreimal will Mäding Popitz aufgesucht haben, einmal in Gegenwart von zwei weiteren Beamten in einem Vernehmungsraum, danach noch zweimal allein in seiner Zelle. Jedesmal sei er von der Persönlichkeit des Gefangenen stark beeindruckt gewesen, der die Haft in scheinbar „stoischer Gelassenheit“ ertrug. Seine Lage soll er vollkommen sachlich dahingehend kommentiert haben, daß, wenn ein Mann in seiner Position sich zum Handeln entschlossen habe, er im Falle des Scheitern auch die Konsequenzen tragen müsse. Am 2. Februar 1945 wurden Johannes Popitz, Carl Friedrich Goerdeler und der katholische Geistliche Alfred Delp vor den Scharfrichter geführt und erhängt. Die Leichen wurden anonym verbrannt, ihre Asche an unbekanntem Ort verstreut.248 Carl Schmitt blickte nach 1945 mit Mißmut auf die Konspiration seines Freundes, vielleicht weil der ihn so konsequent aus allem rausgehalten hatte. Was er gleichwohl von dem Vorhaben aus Gesprächen Das Ende   191

mit Popitz und Jessen „aus nächster Nähe beobachtet“ haben wollte, fand kaum seine Achtung, lieber spottete er über diese „Helden“ des Widerstands. Mag sein, daß dies Schmitts spezielle Art des Umgangs mit dem Verlust seines besten Freundes war. Schmitt hatte Popitz mehrmals im Gefängnis besucht und jeweils längere Gespräche mit ihm geführt. Wenn ihm die Tat selbst auch von lächerlicher Sinnlosigkeit zu sein schien, die ruhige Gefaßtheit von Popitz, der sich klaglos, ohne Reue seinem Schicksal fügte, imponierte ihm dennoch: „Er hatte etwas von der humanistischen Heiligkeit des Thomas Morus; er drängte sich nicht zum Martyrium, er gab nach, solange es ging, und blieb heiteren Gemüts, als der Tod unvermeidlich wurde.“ Thomas More starb für seine religiöse Überzeugung, Popitz für seinen Glauben an den Staat. Dessen reale und ideale Gestalt über die Zeit zu retten, war sein wichtigstes Ziel. Daß er damit nicht den Zeitgeschmack der deutschen Nachkriegsgesellschaft traf, rührt nicht im mindesten an seiner Integrität.249 In den ihm verbliebenen Wochen las Popitz ein letztes Mal Goethe. Was ihm diese Lektüre bedeutet hat, dürfte nur schwer zu ermessen sein. Fest steht freilich, daß er Goethe keineswegs nur als Dichter verehrte. Er bewunderte den Weimarer Minister als vorbildlichen Menschen, dem es gelungen sei, „das Leben schlechthin auf sich zu nehmen und durchzuhalten“, wie er seinem ältesten Sohn im November 1944 an die Front schrieb. Den Wilhelm Meister hielt Popitz für Goethes tiefgründigstes Werk und legte dem Sohn die im Roman entfaltete Weisung „Gedenke zu leben!“ nahe, immer und über alle Anfechtungen hinweg das „Leben zu leben, wie es ist und was auch kommt“. Er warb für eine spätere Beschäftigung mit Goethes Werk und hoffte, der Sohn möge dann „an den Alten denken, der hier seinen größten Trost fand“.250 Popitz’ existenzielle Lesart Goethes besaß in der frühen Bundesrepublik kaum noch Anhänger. Der Vorschlag des Historikers Friedrich Meinecke, mit der Gründung möglichst vieler Goethe–Gemeinden zur inneren Erneuerung der Nation beizutragen, galt bald als Ausdruck einer wirklichkeitsfremden professoralen Weltsicht. An einem tieferen Verständnis des konservativen Widerstands bestand kaum Interesse, 192  Das Ende

zumal dessen politische Zielsetzungen in die falsche Richtung zu weisen schienen. Inzwischen ist die Selbstgewißheit der Wirtschaftswunderzeit längst verflogen und beginnen wieder mehr Menschen, sich mit Goethe zu beschäftigen, weil sie an einer tristen Wirklichkeit nicht verzweifeln wollen. Allzu fern von Popitz’ Haltung ist dies nicht. Und so lohnt wohl der genaue Blick auf einen Menschen, der in Goethe einst die Kraft für eine grundlegende Entscheidung fand.

Das Ende   193

Anmerkungen

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Die Beschreibung der Zelle und des Gefängnisalltags von „Sondergefangenen“ in der Prinz-Albrecht-Straße 8 eindringlich bei: von Moltke, Land, S. 52ff. 2 Brief von Erhard Mäding an Werner Münchheimer, 14.10.1947: Popitz habe „mehrfach die Erlaubnis erhalten“, in seiner Zelle bleiben zu können, statt einen „sehr sicheren Bunker im Garten der Prinz Albrecht Straße“ aufzusuchen, BA Koblenz, NL Mäding, N 1561, Nr. 11, dort auch die folgenden Zitate im Text. Von Helmuth von Moltke ist überliefert, daß alle Gefangenen bei Alarm in ihren Zellen bleiben mußten, siehe ebd., S. 60f. 3 Popitz, Meine beiden Freunde, S. 37. Der Text wurde nach dem Krieg mit Genehmigung von Cornelia und Heinrich Popitz in der Festschrift „Antidoton. Edgar Salin zum 70. Geburtstag“, abgedruckt. Beide Männer waren gut miteinander bekannt gewesen. 4 Das Zitat im Text ebd., S. 39. 5 Über Goethes gesellschaftspolitische Vorstellungen zuletzt: Safranski, Goethe und Schiller, S. 80ff. 6 Die Zitate im Text bei Popitz, Meine beiden Freunde, S. 49f. 7 Beispielhaft: du Mesnil, Preußisch dienen, S. 199. 8 „In allen schweren Stunden meines Lebens – und sie waren zahlreich –, wenn keine Lektüre die Aufmerksamkeit fesseln wollte, wenn die Gedanken von dem Traurigen, Erregenden, Bedrückenden sich nicht loslösen ließen, wenn sie ruhelos umherschweiften, hat einer der beiden mich freund­lich bei der Hand genommen und mich mitgenommen in sein Reich, der eine in sein weltumfassendes, vielgegliedertes Kaiserreich, der andere in sein wohlangebautes Fürstentum.“ Popitz, Meine beiden Freunde, S. 37. 9 Popitz sei „[u]mfassend gebildet, von brillanter Intelligenz und mit einer starken Neigung zur Antike [ausgestattet]“ gewesen: Scholder, Mittwochsgesellschaft, S. 17; ähnliche Urteile bei Dieckmann, Johannes Popitz; Voß, Johannes Popitz; Fest, Staatsstreich, S. 149, 157f.; Schulz, Johannes Popitz; ders., Über Johannes Popitz; Hettlage, Johannes Popitz. Anmerkungen  195

10 Hoffmann, Widerstand, S. 235ff., dort auch biographische Angaben zu den einzelnen Protagonisten. Als Quelle bedeutsam: Hassell-Tagebücher; Scholder, Mittwochsgesellschaft. 11 Im Schattenkabinett der Verschwörer war Popitz zunächst als Finanz-, später als Kultusminister vorgesehen, Hettlage, Johannes Popitz, S. 347. 12 Frankfurter Zeitung, 31.10.1942. 13 Schulz, Johannes Popitz, S. 237. 14 Aus der reichen Literatur zu Schmitt hier nur: Mehring, Carl Schmitt; van Laak, Gespräche; und zuletzt mit anregendem Bezug zu Popitz: Tielke, Dunkelmann und Lichtgestalt. 15 Das Gespräch zwischen Popitz und Himmler fand am 26.8.1943 statt, dazu Dulles, Verschwörung, S. 207–224, hier bes. 220f.; Tagebuchvermerk Ulrich von Hassells: Hassell-Tagebücher, S. 388, ferner auch Hettlage, Johannes Popitz, S. 346. 16 Ullmann, Steuerstaat, S. 10. 17 Zum Zusammenhang von Raum, Zeit und Geschichte: Schlögel, Im Raume lesen wir die Zeit. 18 Zu Leipzig den Eintrag in Brockhaus’ Konversationslexikon, 14. Aufl., 1898, Bd. 11, S. 56–68; zu St. Jacob: ebd., Bd. 10, Artikel „Krankenhaus“, S. 684–687, mit einem „Situationsplan des Krankenhauses St. Jacob in Leipzig“, S. 685, sowie Becker, Jakobshospital, S. 6ff. 19 Hermann Popitz, Jg. 1833, war zwölf Jahre älter als sein Bruder Heinrich; seit 1879 amtierte er als Amtsgerichtsrat in Dessau, dies nach den Akten im LHASA, Abtlg. Dessau, Z 121, Nr. 1087. Von der Reiselust Heinrich Popitz’ sowie vom familiären Herkommen berichtet u. a. Schulz, Über Johannes Popitz, S. 485ff., dessen Urteil über die Familien Reil und Popitz, die „seit Jahrhunderten am sogenannten Wörlitz-Dessauer Kulturkreis Anteil genommen“ hätten, allzu hoch gegriffen ist. Noch der Urgroßvater Dr. Friedrich Reil (1772–1849), Probst zu Wörlitz, stammte aus einer Bäckerfamilie in Halle, und der Urgroßvater Christoph Friedrich Popitz (1770–1827) hatte als Oberjäger am Dessauer Hof gedient. 20 Totenschein des Heinrich Popitz in den Krankenhausakten der Stadt Leipzig, Stadtarchiv Leipzig, Polizeiamt 207, Bl. 60. Zur Geschichte des Krankenhauses und seiner Apotheke: Scheffler, Leipziger Allgemeine Krankenhaus zu St. Jacob, dort auch die Angaben zum Gehalt des Hilfsapothekers 196  Anmerkungen

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und späteren Leitenden Apothekers Heinrich Popitz; zur Krankenhausapotheke: Stich, Mitteilungen, S. 14f.; nach Lieske, Arbeiterkultur, S. 81–83, lag man in Leipzig nach der Reichsgründung mit einem Einkommen zwischen drei- und viertausend Mark „an der Grenze zur Bürgerlichkeit“, der Hilfsapotheker Popitz wäre demnach zum unteren Mittelstand zu rechnen. Das Zitat im Text bei Schulz, Johannes Popitz, S. 239, dort auch der Hinweis auf die Mittellosigkeit der Witwe. Fontane hat dem Vater die Spielleidenschaft nicht nachgetragen, hierzu der erstmals 1894 erschienene autobiographische Text: Fontane, Kinderjahre, S. 25–28. Die Großeltern väterlicherseits kamen nicht in Frage: Friedrich Popitz, 1802 geboren, war bereits 1870 gestorben, seine Frau Sidonie, Jg. 1810, schon 82 Jahre alt. Daß der Großvater Friedrich Popitz ein „tüchtiger Kanzelredner“ und Stifter der Volksbibliothek Dessau gewesen sei, steht bei Würdig, Rundgang, S. 39f.; die Angaben zu Dessau: Brockhaus’ Konversationslexikon, 14. Aufl., 1898, Bd. 4, S. 978ff. Richard Roesicke war herzoglich-anhaltischer Kommerzienrat und hatte mit sozialpolitischen Schriften für Aufmerksamkeit gesorgt; er gewann den Reichstagswahlkreis Anhalt viermal hintereinander (1890–1903). Amtliches Reichstagshandbuch, Bd. 1898/1903, S. 252f.; vom „eisernern“ Sparsinn des Großvaters Rudolph berichtet Schulz, Johannes Popitz, S. 239. Dies nach der Personalakte Rudolphs im LHASA, Abtlg. Dessau, Nr. 380. Moritz Rudolph war mit Anna Porse-Viethaler (1831–1900) verheiratet; die karge Kindheit von Johannes Popitz betont Schulz, Johannes Popitz, S. 239; ebenso Hildebrandt, Wir sind die letzten, S. 80. Dokumente aus der Schulzeit von Popitz befinden sich im Nachlaß: BA Koblenz, N 1262, Nr. 70; die vorstehenden Zitate stammen aus einem anonym verfaßten Artikel der Züricher Zeitung vom 9.11.1932. Hierzu beispielhaft die Typoskripte: „Momentbilder aus einer Überseefahrt“; „Provinzstadt in Nordchina“; „Fahrt durch Korea“, in: BA Koblenz, NL Popitz, N 1262, Nr. 109, die Notizhefte aus der Schulzeit ebd., Nr. 70. Die Konfirmationsurkunde vom 8.4.1900: ebd., Nr. 75, das Heft mit Notizen zum Römerbrief: ebd., Nr. 70. Anmerkungen  197

30 Von der Einsamkeit Popitz’ schreibt etwa Hildebrandt, Wir sind die letzten, S. 80. Das Ergebnis der Musterung: BA Koblenz, NL Popitz, N 1262, Nr. 75. Die Unsportlichkeit wird betont im Brief von Friedrich Mössinger an Heinrich von zur Mühlen, 6.1.1948, Kopie im TNL Popitz. 31 Moritz Rudolph erreichte mit 98 Jahren ein biblisches Alter. Er starb 1929 in Dessau an den Folgen einer Grippeinfektion. Ein Nachruf auf ihn: „Landgerichtspräsident Rudolph †. Der älteste Jurist Deutschlands“, in: Dessauer Anzeiger, 19.2.1929. Hermann Popitz verbrachte insgesamt zehn Jahre in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt, die Diagnose lautete „Paranoia“. 1895 wurde er als „gebessert“ entlassen und lebte als Pensionär bei seiner Schwester Agnes Popitz in Dessau, dies nach der Personalakte Hermann Popitz sowie der umfänglichen Krankenakte: LHASA, Abtlg. Dessau, Z 121, Nr. 376 u. 1087. 32 BA Koblenz. NL Popitz, N 1262, Nr. 71. 33 Zu Lausanne und seiner Universität die Artikel in: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Aufl. 1908, Bd. 12, S. 252f.; Brockhaus’ Konversations-Lexikon, 14. Aufl., Bd. 10, S. 1015; Universitäten und Hochschulen, S. 239f.; u. a. hatte der Staatssekretär im Reichserziehungsministerium, Werner Zschintzsch, zwei Semester Jura in Lausanne studiert, mit dem Popitz in vielen kultuspolitischen Fragen gut zusammenarbeitete, Nagel, Hitlers Bildungsreformer, S. 101f. 34 Den Einfluß des Großvaters auf die Studienwahl vermutet auch Schulz, Johannes Popitz, S. 239. 35 Die Kolleghefte: BA Koblenz, NL Popitz, N 1262, Nr. 71, darin auch die Höhe der Kolleggelder, ebd., Nr. 72 enthält eine Sammlung von Heften mit den Aufzeichnungen Popitz’; Pareto (1848–1923) lehrte seit 1894 mit großem Erfolg an der Universität Lausanne, dazu Eisermann, Vilfredo Pareto, S. 17ff. Der Hinweis auf die Mitgliedschaft in einer Verbindung geht aus einem Brief von Friedrich Mössinger an Heinrich von zur Mühlen hervor, 6.1.1948, Kopie im TNL Popitz. 36 Geschichte der Leipziger Universität 1409–2005, Bd. 2: Hartmut Zwahr, Jens Blecher: Das neunzehnte Jahrhundert 1830/31–1909, Leipzig 2010; in einem seiner Kolleghefte notierte Popitz eine Kochanleitung für Kartoffeln und Reis: BA Koblenz, NL Popitz, N 1262, Nr. 71.

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37 Die Beschreibung Berlins nach Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Aufl. 1908, Bd. 2, S. 692–704. 38 1905 studierten genau 6.736 Studenten an der Berliner Universität, McClelland, Studium, S. 514; das Anmeldebuch von Popitz mit dem Verzeichnis der besuchten Lehrveranstaltungen: BA Koblenz, NL Popitz, N 1262, Nr. 71. 39 Dies nach ebd., zur juristischen Fakultät der Berliner Universität: Neumann, Das öffentliche Recht 1871–1945, S. 129ff., sowie Schröder, Zivilrecht, S. 156–165. 40 Zum sogenannten Kathedersozialismus um Adolph Wagner, Gustav Schmoller u. a.: vom Bruch, Sozialreform, S. 69ff., 122ff., das Zitat 65. 41 Zur Universität Halle: Universitäten und Hochschulen, S. 174–181; Meyers Großes Konversationslexikon, 6. Aufl., Bd. 8, S. 656ff. 42 Dazu die Schreiben vom Vorsitzenden der Prüfungskommission, Oberlandesgerichtsrat Mommsen, 6.3., 16.6. u. 21.6.1906: BA Koblenz, NL Popitz, N 1262, Nr. 75, dort auch die Aufgabenstellung für die schriftliche Hausarbeit. Für die Beteiligung des Onkels in der Vermögensfrage könnte die Widmung in Popitz’ 1907 erschienener Doktorarbeit „Dem hochverehrten Onkel und Gönner“ sprechen. Blenck war Direktor des Königlich Preußischen Statistischen Landesamts Berlin. 43 Erschienen Berlin 1907. 44 Als Beispiel für einen weniger beflissenen preußischen Referendar: du Mesnil, Preußisch dienen, hier S. 183–240. Popitz nahm regelmäßig an Weiterbildungsveranstaltungen teil, so 1910 beim „Cölner Fortbildungsverein für rechts- und staatswissenschaftliche Fortbildung“ oder 1912 bei der „Königlichen Akademie Posen“, bei der er einen vierwöchigen Kurs besuchte: BA Koblenz, NL Popitz, N 1262, Nr. 69. 45 Zur Referendarszeit im Regierungsbezirk Köln einige Unterlagen und Photos in: ebd., Nr. 74. Popitz vertrat den Bürgermeister vom 3.11. bis 5.12.1908. Über den Besuch von Popitz im Sommer 1942 berichtet der Oberbergische Bote am 20.7.1942 „An den Stätten einstigen Wirkens. Der preußische Finanzminister im Oberbergischen Kreise“, Ausschnitt ebd., Nr. 76. Daß Popitz das Kartenspiel mit seinen Kollegen mied, wird im Brief von Friedrich Mössinger an Heinrich von zur Mühlen, 6.1.1948, Kopie im TNL Popitz, bemerkt. Anmerkungen  199

46 Nachweis über die bestandene Prüfung für den höheren Verwaltungsdienst sowie die Mitteilung über die Versetzung an das Landratsamt Beuthen vom 10.11.1910, BA Koblenz, NL Popitz, N 1262, Nr. 75. 47 Zum Nationalitätenkonflikt in Oberschlesien allgemein: Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 1068–71; Baier, Der deutsche Osten, S. 26–33, 126–130. 48 Kühne, Handbuch, S. 205; ders., Dreiklassenwahlrecht; Reichstags-Handbuch, S. 234f., 484; Artikel „Beuthen“ in: Meyers Großes KonversationsLexikon, 6. Aufl. 1908, Bd. 2, S. 786; Mitteilung des preußischen Innenministeriums über die mit „gut“ bestandene Staatsprüfung vom 24.11.1910 sowie die Information über den Prüfungsablauf: BA Koblenz, NL Popitz, N 1262, Nr. 75. 49 Dazu die persönlichen Unterlagen in ebd., Nr. 75, sowie die Personalakte von Popitz: GStA PK Berlin, I. HA Rep. 184, Nr. 2166. 50 Dies nach den Erinnerungen von Rolf Grabower, Johannes Popitz, die freilich aus der zweiten Nachkriegszeit stammen, zitiert nach dem Exemplar in der Bundesfinanzakademie Brühl, NL Grabower; Popitz lebte in BerlinWilmersdorf, Rüdesheimerstraße 2: BA Koblenz, NL Popitz, N 1262, Nr. 73. 51 Clark, Schlafwandler, S. 85–105; Münkler, Der große Krieg, S. 82–106; Leonhard, Die Büchse der Pandora, S. 83–145; Sieg, Geist und Gewalt, S. 103–149; ders., Jüdische Intellektuelle, S. 53–69; Nagel, Fanfare der Friedensbewegung, S. 82. 52 Winkler, Weimar, S. 144. Popitz’ Wechsel ins Innenministerium erfolgte zum 1.9.1914: GStA PK Berlin, I. HA Rep. 184, Nr. 2166. 53 Bericht des Regierungspräsidenten von Gumbinnen, 27.8.1914: GStA PK Berlin I. HA, Rep. 77, Tit. 1310, Nr. 1, Bd. 1, Bl. 26–30. Der militärische Hintergrund bei Münkler, Der Große Krieg, S. 138–158. 54 Sitzungsprotokoll vom 2.9.1914 im preußischen Innenministerium, GStA PK Berlin I. HA, Rep. 77, Tit. 1310, Nr. 1, Bd. 1, Bl. 33–35. 55 Sitzungsprotokoll vom 12.9.1914 im preußischen Innenministerium, ebd., Bl. 74–84. Die Schlacht von Tannenberg fand vom 26. bis 30.8.1914 statt. 56 Bericht des Regierungspräsidenten von Allenstein an den preußischen Innenminister, 8.9.1914, ebd., Bl. 110ff.

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57 Bericht des Landrats von Osterode an den preußischen Innenminister, 7.9.1914, ebd., Bl. 125–130. 58 Ebd., Bl. 84. Vermerk des Vorgesetzten für Popitz auf der Vorderseite: „Das Protokoll ist vorzüglich“, ebd., Bl. 74, der Beschluß zur Bildung einer Kommission fiel in dieser Besprechung. Telegramm des Oberpräsidenten in Ostpreußen an den preußischen Innenminister, 13.9.1914, ebd., Bl. 103, worin er zudem dringend um Besichtigung der Schäden durch Landwirtschafts- und Innenminister bat: „Alleinige Anwesenheit von Kommissaren eines Ministeriums ist bei der hiesigen Sachlage zwecklos.“ Der Schadenstand zum 1.11.1916 im Bericht des Oberpräsidenten in Ostpreußen vom 8.1.1917, ebd., Fasz. 9a. 59 Bericht des Oberpräsidialrats von Bülow, 19.12.1926 betr. „Stand des Wiederaufbaus und Ergänzung der Denkschrift“, ebd. 60 Ebd. Im 19. Jahrhundert hatte das Zarenreich deutsche Kolonisten zur Ansiedlung im Gouvernement Wolhynien, das im Norden an Polen, im Westen an Galizien grenzte, angeworben. Um 1910 waren etwa 5% der dortigen Einwohnerschaft deutschstämmig. Mit Kriegsbeginn setzte eine erste Rückwanderungswelle der Kolonisten nach Ostpreußen ein, und am 15.7.1917 erging ein Verbannungsbefehl der russische Regierung, der eine weitere Rückwanderung auslöste, dies nach: Günther, Rückwanderung. 61 Beispielhaft die Vorlage von Popitz für den preußischen Innenminister: „Ostpreußen. Ausarbeitung für die Landtagsverhandlungen S. Exz. Herrn Minister gehorsamst vorgelegt“, vorn auf dem Dokument handschriftlicher Zusatz „Verfasser RA Popitz“, GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 77, Tit. 1310, Nr. 1, Fasz. 9a. 62 Das Eiserne Kreuz am weißen Bande war eine im Ersten Weltkrieg ausgegebene Ehrung für zivile Kriegsverdienste. – Die Heirat mit Cornelia Slot (*1890 in Haarlem, †1936 in Berlin) fand am 7.5.1918 statt. 63 Schivelbusch, Kultur, S. 227–343, hier bes. 236; Münkler, Der große Krieg, S. 723f., 750. 64 Winkler, Weimar, S. 33–68; Ullrich, Revolution; Mühlhausen, Friedrich Ebert. 65 Das Wahlergebnis bei Winkler, Weimar, S. 69. 66 Das Zitat Rades im Text: Die Christliche Welt 33 (1919), Nr. 12, S. 190. Über den Marburger Theologen, Publizisten und liberalen Politiker: Nagel, Anmerkungen  201

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Martin Rade; harsche Kritik an der Sozialdemokratie während der Revolution übt: Haffner, Revolution, S. 210f. Zum Befehlshaber der Regierungstruppen Wette, Gustav Noske. Das Zitat von Ernst Troeltsch im Text zitiert nach Schivelbusch, Kultur, S. 319. Die Briefzitate von Popitz bei Herzfeld, Johannes Popitz, S. 152; der Eid auf den neuen Staat wurde von etlichen monarchisch gesinnten Beamten verweigert, dazu: Conze, Treue schwören, S. 354, 369–381. Das Zitat im Text bei Herzfeld, Johannes Popitz, S. 152; zur erregten Diskussion im Vorfeld der Vertragsunterzeichnung: Lorenz, Weltgericht, S. 59, Krüger, Außenpolitik, S. 72–76; zur Kriegsschuldfrage als Dauerthema der Weimarer Öffentlichkeit: Heinemann, Niederlage. Popitz, Die deutschen Finanzen, S. 182; Münkler, Der große Krieg, S. 588– 593; Dieckmann, Johannes Popitz, S. 18f. Die Geldentwertung vollzog sich bis 1923 in mehreren Schüben, eine erste Phase erstreckte sich von Mai 1919 bis Februar 1920, und der Dollar stieg gegenüber der Mark von 12,85 auf 99,11: Winkler, Weimar, S. 143f.; mit dem Abstand von zehn Jahren auch Popitz, Die deutschen Finanzen, S. 182. 1875 im Oberschwäbischen geboren, hatte Matthias Erzberger vor seiner politischen Laufbahn den Beruf des Volksschullehrers ausgeübt, dazu Dowe, Matthias Erzberger, sowie mit dem Fokus auf die finanzpolitischen Reformen Möller, Reichsfinanzminister. Winkler, Weimar, S. 109f.; Dieckmann, Johannes Popitz, S. 19f. Ebd., S. 21, das Zitat des Volksparteilers Becker Anm. 15. Das Zitat im Text stammt aus einem Aufsatz von Johannes Popitz im Preußischen Verwaltungsblatt, 10.4.1920, hier zitiert nach ebd., S. 22. Popitz, Die deutschen Finanzen, S. 185; das Zitat im Text nach Dieckmann, Johannes Popitz, S. 25, es handelt sich um einen Artikel Popitz’ in der Zeitschrift Recht und Wirtschaft, Jg. 1920, S. 58. Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 158; Winkler, Weimar, S. 109ff. Mit dem Reichsnotopfer vom 31.12.1919 wurde gerade einmal ein Drittel der erwarteten Summe erzielt. Popitz, Die deutschen Finanzen, S. 190. Ebd., S. 31. Die Beförderung zum Geh. Regierungsrat erfolgte zum 15.3.1919: BA Berlin DS, A0052, Nr. 1460.

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79 Schivelbusch, Kultur, S. 319–322, das Zitat und der Hinweis, daß selbst auf einer Gedenkfeier für den ermordeten Karl Liebknecht getanzt wurde, ebd., S. 319. 80 Winkler, Weimar, S. 110f.; Dieckmann, Johannes Popitz, S. 32, dort auch die Zahlen im Text. 81 Popitz, Die deutschen Finanzen, S. 194. 82 Ebd., S. 195. Winkler, Weimar, S. 141ff., 199f.; Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, S. 240–252, zum Dawes-Plan: Krüger, Außenpolitik, S. 237–242. 83 Daß die noch heute wirksame Inflationsfurcht der Deutschen hier ihre Wurzeln hat, wird von den Historikern übereinstimmend vertreten, beispielhaft dazu ebd.; zum Gefühl der Menschen, vom Staat betrogen worden zu sein: Schivelbusch, Kultur, S. 322. 84 Gleichzeitig betonte Grabower wiederholt die aufrichtige Freundschaft zu Popitz, den er seit 1913 kannte; 1919 holte Popitz ihn als ersten Mitarbeiter ins Reichsfinanzministerium: Brief von Rolf Grabower an Josef Müller, 8.9.1947, Bundesfinanzakademie, NL Grabower, Brief von Rolf Grabower an Gertrud Grabower, 19.9.1922, ebd.; Brief von Rolf Grabower an Ottmar Bühler, 11.8.1947, ebd., auch abgedruckt in: Wenn im Amte, S. 164ff., worin es S. 165 heißt, Popitz habe ihm sein „Privatleben restlos zerschlagen“. Von den bewußt inszenierten „Reibungen“ berichtet Grabower in seinen Erinnerungen an Johannes Popitz, ebd., Typoskript, hier S. 4; über Popitz als „Spieler“ und „Zauberkünstler“: Wilhelm Markull, Rede zum Abschied von Johannes Popitz am 7. April 1930, Berlin 1930, S. 9. 85 Die Ernennungsurkunde mit Datum vom 16.8.1922: BA Koblenz, NL Popitz, N 1262, Nr. 75, auch enthalten in den Akten des Berliner Universitätsarchivs: UK PA, Johannes Popitz, Nr. 158, Bl. 2; in der Akte befindet sich auch die Beauftragung durch den Minister vom 3.2.1931, Vorlesungen und Übungen über Staatswissenschaft in der Philosophischen Fakultät zu halten. Die Berufungsliste Nachfolge Erich Kaufmann datiert auf den 13.12.1920, ebd., Akten der Juristischen Fakultät, Nr. 496, Bl. 121, 330f. Im Archiv der Humboldt-Universität befinden sich auch die Akten der Berliner Handelshochschule, PA Johannes Popitz. Er erhielt für seine Lehrtätigkeit 1920 „ohne Rücksicht auf die Hörerzahl [...] 1.000 Mark pro Stunde und Semester“, ebd., Bl. 12. Mit Schreiben vom 8. September 1922 Anmerkungen  203

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legte Popitz die Leitung der Fachgruppe Steuerwesen nieder und schlug seinen Ministerialkollegen Dorn als Nachfolger vor, ebd., Bl. 19. Das rund 600 Seiten starke Werk erschien mit Geleitworten von Hermann Müller und Gustav Stresemann 1928 in Berlin und erreichte im selben Jahr noch eine zweite Auflage. Von Popitz stammt der Aufsatz „Die Finanzpolitik seit 1918“; seine Ernennungsurkunde vom 21.1.1925 sowie die Übertragung der „gesamten Staatssekretärsgeschäfte“ nach dem Ausscheiden Fischers durch Reichsfinanzminister Reinhold vom 8.9.1926 auf ihn: BA Koblenz, NL Popitz, N 1262, Nr. 75. Ursprünglich lautete die Adresse Kleiststraße Nr. 41; Anfang der 1930er Jahre erfolgte eine Umbenennung in Brentanostraße, wobei das Haus erst die Nr. 44, 1936 dann die Nr. 50 erhielt. Wie durch ein Wunder blieb es vom Bombenkrieg verschont, diente nach dem Krieg den Amerikanern als Verwaltungsgebäude und ist heute im Besitz der Berliner Freien Universität. UK PA, Johannes Popitz, Nr. 158, UA Humboldt Universität. Heinrich Popitz war Amtsrichter in Steinbach-Hallenberg. „Provinzstadt in Nordchina“, Ms., BA Koblenz, NL Popitz, N 1262, Nr. 109, S. 5. Der undatierte Text ist vermutlich 1924 entstanden. Die Zitate im Text: ebd. Spenglers Monographie „Der Untergang des Abendlandes“, 1918 erschienen, gehört zu den erfolgreichsten kulturphilosophischen Werken des 20. Jahrhunderts; große Wirkung auf den Nationalkonservativismus entfaltete auch seine im Jahr darauf publizierte Schrift „Preußentum und Sozialismus“; die Rezeption durch Popitz ist zwar nicht ausdrücklich belegt, darf aber angenommen werden. „Fahrt durch Korea“, Ms., NL Popitz, BA Koblenz, NL Popitz, N 1262, Nr. 109, S. 1. Tatsächlich war es im späten Kaiserreich Mode, sogenannte Eingeborene aus den Kolonien auf Jahrmärkten und in den großen Tierparks regelrecht „auszustellen“. Ebd., S. 1ff. Ebd., S. 6; wie stark Asien die europäische und nordamerikanische Öffentlichkeit beschäftigte, zeigt Gollwitzer, Gefahr, bes. S. 163–218. „Momentbilder aus einer Ueberseefahrt“, Ms., BA Koblenz, NL Popitz, N 1262, Nr. 109. Der Hinweis auf die Reise als ein Geschenk Hindenburgs ebd., Nr. 75. Hindenburg hatte insgesamt fünf Reisen von Hapag geschenkt bekommen, die er an verdiente Figuren des öffentlichen Lebens weitergab.

204  Anmerkungen

– Fontanes Roman „Irrungen und Wirrungen“ gehörte zu den Lieblingsstücken von Popitz. 94 Montag Morgen, 10.8.1925, S. 1: „Kopf der Woche. Dr. Popitz Staatssekretär im Finanzministerium“, darunter sein Porträt als Strichzeichnung; Alfred Brodauf, „Steuerunsinn“, in: Börsenkurier, 15.8.1925, S. 3. 95 Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 159f.; Steuermilderungsgesetz vom 31.3.1926, neben der Umsatzsteuer wurde auch die Vermögenssteuer gesenkt und die Luxus- und Weinsteuer abgeschafft, Blaich, Wirtschaftskrise, S. 106ff. 96 Akten der Reichskanzlei, Kabinette Marx III u. IV, Bd. 1, Dok. 7, Der Reichsminister der Finanzen an die Reichsminister, 21.5.1926, S. 13–16; zur Person Reinholds: Frölich, Reinhold, S. 369f.; zur ersten Orientierung über John Maynard Keynes: Kromphardt, Ökonomen. 97 Seit 1922 war der Präsident des Reichsrechnungshofes Friedrich Moritz Saemisch zugleich der Sparkommissar im Reich: Dommach, Reichssparkommissar; das Zitat im Text bei Popitz, Die Finanzpolitik seit 1918, S. 200; zur Bautätigkeit von Städten und Gemeinden Winkler, Weimar, S. 325. 98 Reinhold amtierte bis zum 29.1.1927 und wurde von dem Zentrumspolitiker Heinrich Köhler abgelöst. Als es im Juni 1928 zum zweiten Kabinett Hermann Müller kam, übernahm Rudolf Hilferding das Reichsfinanzministerium; Popitz’ Besorgnis über die verfehlte Anleihepolitik: Popitz, Finanzen, S. 200f., generell zur prekären Haushaltslage am Vorabend der Weltwirtschaftskrise Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 234. 99 Winkler, Weimar, S. 352ff. 100 Krüger, Außenpolitik, S. 483–488; Winkler, Weimar, S. 354f., 364f. Knortz, Wirtschaftsgeschichte, S. 111ff. 101 Dazu Kopper, Hjalmar Schacht, S. 158–169, Winkler, Weimar, S. 358ff. 102 Ebd., zum Versuch, 1923 Reichsfinanzminister zu werden, S. 70, dort auch das Zitat im Text. Die gezielte Intrige Schroeders spielte auf einen Vorfall während Schachts Stationierung in Belgien an, wo es angeblich zu zweifelhaften Geldgeschäften gekommen sei. Damals hatte Schacht selber eine genaue Untersuchung angestrengt und war schließlich vollkommen rehabilitiert worden. 1923 konnte er die entlastenden Unterlagen nicht rasch genug beibringen. Anmerkungen  205

103 Ebd., S. 168f., das Zitat S. 168. Im 8 Uhr-Blatt vom 20.12.1929 erschien ein Artikel mit Photo von Popitz und der Unterschrift: „Sein Kopf wird gefordert. Staatssekretär Dr. Popitz, dessen Rücktritt fast alle Parteien wünschen.“ Und der Berliner Börsen-Courier vom 20.12.1929 berichtete von „starken Verstimmungen“ der Deutschen Volkspartei gegen Popitz, „den man, bei aller Anerkennung seiner ungewöhnlichen Sachkenntnis, vor allem für die Niederlage in der Dillon-Read-Angelegenheit verantwortlich machen wollte“. 104 Vossische Zeitung Abendausgabe 31.10.1932 „Bracht, Popitz, Kaehler ernannt“; die von Hindenburg unterschriebene Entlassungsurkunde datiert vom 21.12.1929: BA Koblenz, NL Popitz, N 1262, Nr. 75. 105 Das Zitat im Text: Brief von Rudolf Hilferding an Johannes Popitz, 25.12.1929, ebd., auch Popitz’ Abschiedserklärung an die Belegschaft im Reichsfinanzministerium. 106 Die Zitate bei Dieckmann, Johannes Popitz, S. 90, Anm. 272. 107 Vossische Zeitung 31.10.1932, Abendausgabe „Bracht, Popitz, Kaehler ernannt“; das Zitat im Text bei Köhler, Lebenserinnerungen, S. 195f., wo es weiter heißt: „Das Fädenziehen hinter den Kulissen war ihm so zum Lebensbedürfnis geworden, daß er eine Zeitlang stets gegen seinen amtierenden Minister mit dem voraussichtlichen Nachfolger oder dessen Partei konspirierte“, dort auch der Vergleich von Popitz mit Joseph Fouché, der in der französischen Revolution die Köpfe rollen ließ und auch unter Napoleon eine unrühmliche Rolle spielte. Immer noch lesenswert: Zweig, Joseph Fouché. 108 Kopper, Hjalmar Schacht, S. 173ff., 188–191. Im März 1930 wurde die Regierung Müller durch das erste Präsidialkabinett unter Heinrich Brüning abgelöst, Winkler, Weimar, S. 375ff. 109 Dazu das folgende Kapitel. 110 Stöver, Geschichte, S. 32–44; Ribbe (Hrsg.), Geschichte, S. 780–791, 876–897; Braun (Hrsg.), Mäzenatentum, S. 39–71. 111 Aus zeitgenössischer Perspektive betrachtet Berlin: Hessel, Spazieren, S. 42–52, 121–128; das Zitat im Text: Jonas, Erinnerungen, S. 91f.; Fulda, press and politics.

206  Anmerkungen

112 Zu Popitz’ literarischen Interessen: Popitz, Meine beiden Freunde, S. 36f. Musikalisch habe Popitz die Musik der alten Meister mehr als die Richard Wagners gemocht, Grabower, Persönliche Erinnerungen, S. 518. 113 Die Friedrich-List-Gesellschaft wurde 1925 von Edgar Salin gegründet; neben ihm spielten der Direktor des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Bernhard Harms, sowie der Präsident des Reichsrechnungshofs, Friedrich E. Saemisch, eine maßgebliche Rolle; Bentin, Johannes Popitz, S. 28–31. – Popitz war außerdem Vorsitzender im Verein für Städteausgrabungen in Ägypten. Gegraben wurde in Hermapolis mit dem Ziel, eine Karte der antiken Stadt in ägyptischer Zeit anzufertigen, BA Koblenz, NL Popitz, N 1262, Nr. 68. 114 Der preußische Kultusminister Carl Heinrich Becker hatte Jaeger 1921 eigens mit Blick auf die geplante Bildungsreform berufen: Wegeler, „... wir sagen ab“, S. 55–60, hier S. 56; zu Jaeger auch Calder III, Werner Jaeger. 115 Brief von Johannes Popitz an Carl Schmitt, NL Schmitt. HStA Düsseldorf, auch erwähnt bei Mehring, Carl Schmitt, S. 281; das Zitat im Text aus einer Rede von Popitz zu seiner Verabschiedung als Staatssekretär am 7. Februar 1930, BA Koblenz, NL Popitz, N 1262, Nr. 90; Berliner BörsenCourier, 24.4.1929. 116 Zur Geschichte der Deutschen Gesellschaft 1914 und ihrer Bedeutung für das politische Leben Berlins in den 1920er Jahren: Sösemann, Kommunikation, sowie ders., Partei, S. 169–178. 117 Ebd., S. 172; zu Furtwänglers Vortrag 1932 Wessling, Furtwängler, S. 239– 244; die regelmäßigen Dienstagstreffen von Popitz und Schmitt vertraute Schmitt seinem Tagebuch an, Schmitt, Tagebücher, S. 5 (14.1.1930), 7 (21.1.1930), 10 (28.1.1930) und passim. 118 Das politische Interesse des Bürgertums im 19. Jahrhundert unterstrich zuletzt eindrucksvoll Clark, Preußen, hier bes. S. 573–582; Scholder, Mittwochsgesellschaft, S. 17, 66–69. 119 Sösemann, Partei, S. 176, betont, daß Walther Rathenau den Informationsaustausch in der Deutschen Gesellschaft schätzte und zu nutzen wußte, ebd., S. 173 eine Abbildung des Herrenzimmers im Klub. 120 Außer den hier genannten, von Popitz favorisierten Kommunikationsorten waren in Berlin noch der 1924 gegründete „Deutsche Herrenklub“, Anmerkungen  207

der „Nationale Klub“ sowie der seit 1864 bestehende „Club von Berlin“ bedeutende Orte, die in vielen zeitgenössischen Erinnerungen auftauchen, so bei Glum, Wissenschaft, S. 406ff., oder in den Hassell-Tagebüchern, S. 58, 67 und passim. 121 Mehring, Carl Schmitt, S. 235ff., dort die Zitate im Text, dazu auch Tielke, Dunkelmann, S. 493ff. Die Literatur zu Schmitt ist uferlos, außer der hier genannten Biographie sei noch auf die frühe Studie von Bentin, Johannes Popitz und Carl Schmitt, sowie auf Blasius, Carl Schmitt, verwiesen. 122 Mehring, Carl Schmitt, S. 271, an der Tauffeier nahm außer dem Ehepaar Popitz noch der katholische Philosoph Romano Guardini teil. Die Zitate im Text aus Schmitt, Tagebücher, S. 7 (21.1.1930), 48 (21.10.1930), 50 (28.10.1930), 78 (10.1.1931). Die Einladung fand am 10.1.1931 statt; Schmitts Verhältnis zu Freunden und Kollegen war oft verdreht und von Zwiedenken geprägt, wie zu Rudolf Smend, dem er persönlich liebenswürdig begegnete, um in seinem Tagebuch dann ganz andere Eindrücke festzuhalten: Mehring (Hrsg.), Straße, S. 85, passim. 123 Es fehlt an eindeutigen Zeugnissen von Popitz über das Verhältnis zu Schmitt, dessen Zitat bei Tielke, Dunkelmann, S. 486. Die vorhergehenden Zitate im Text aus Schmitt, Tagebücher, S. 171 (25.1.1932), 180 (24.2.1932), 198 (22.6.1932), 228 (27.10.1932), 232 (8.11.1932), 236 (19.11.1932). Auch Carl Bilfinger ging von einer politischen Mentorenfunktion Schmitts für Popitz aus; in einem Brief an Schmitt warnte er ihn mit dem Hinweis „Sie überschätzen Popitz, weil Sie Einfluß auf ihn haben“, ebd., S. 154 (10.12.1931). 124 Popitz traf Jünger am 14.1.1933, Schmitt, Tagebücher, S. 252. Noch gut fünfzig Jahre später erinnerte sich Jünger „eines langen Abends“ bei Popitz, an dem über Heinrich Kleist gesprochen wurde, hier zitiert nach Blasius, Carl Schmitt, S. 26. Das Verhältnis Schmitts zu Jünger beleuchtet: Tielke, Bürgerkrieg; von langen nächtlichen Gesprächen zwischen Popitz und Schmitt berichtet ders., Dunkelmann, S. 490, sowie Bentin, Johannes Popitz, S. 104. 125 Kolb, Weimarer Republik, S. 123ff. Der Artikel 48 Weimarer Reichsverfassung regelte den Ausnahmezustand im Reich, in dem alle Gewalt in der Hand des Reichspräsidenten lag, ebd., S. 19; Winkler, Weimar, S. 363f.; zu Brüning Hömig, Brüning, sowie Eschenburg, Rolle, S. 265ff. 208  Anmerkungen

126 Winkler, Weimar, S. 381. 127 Für die sozialdemokratischen Führer standen die Verhinderung einer Rechtsdiktatur und die Wahrung der parlamentarischen Grundlage des Gemeinwesens im Vordergrund, ebd., S. 393f. 128 Brief von Johannes Popitz an Heinrich Brüning, 4.4.1930, BA Koblenz, NL Popitz, N 1262, Nr. 75, der Brief wurde in Tunis aufgegeben, wo Popitz gerade im Urlaub war. Brüning bedankte sich mit Schreiben vom 24.4.1930, er sei buchstäblich über Nacht ins Amt gekommen und das gegen seinen Willen: „Angenehm ist die politische Lage nicht“, ebd.; Schmitt, Tagebücher, S. 102 (1.4.1930). Popitz, Hüter, der Artikel erschien in der zentrumsnahen Tageszeitung Germania in der Ausgabe vom 17.4.1931; zu den von Schmitt ausgehenden Kontroversen Mehring, Carl Schmitt, S. 264ff. 129 „Polykratie“ war ein von Popitz geprägter Begriff, auf den auch Carl Schmitt in seinen Schriften gern zurückgriff, Dieckmann, Johannes Popitz, S. 132; die folgenden Zitate im Text nach Bentin, Theorie, S. 13; Popitz, Hüter. 130 Die Zitate im Text nach der stenographischen Mitschrift einer Rede von Popitz „Vielgestaltigkeit der öffentlichen Willensbildung und ihre finanziellen Folgen“, die er vermutlich im Frühjahr 1931 auf der Hauptversammlung des Verbands der Chemischen Industrie gehalten hat, BA Koblenz, NL Popitz, N 1262, Nr. 108, sowie in Popitz, Hüter. 131 Ebd.; das Zitat über Metternich bei: Brandt, Metternich, S. 13. 132 Das Zitat von Popitz bei Dieckmann, Johannes Popitz, S. 130; das folgende in Popitz, Hüter. Zur dramatischen Entwicklung der Wirtschaftskrise: Borchardt/Schötz (Hrsg.), Wirtschaftspolitik. 133 Die Schrift umfaßte 345 Seiten und erschien im Verlag Otto Liebmann Berlin 1932. Sie beruhte auf jahrelangen Vorarbeiten, wovon umfangreiches Material im BA Koblenz, NL Popitz, N 1262, Nr. 30 und 31, zeugt. Eine Zusammenstellung der darüber erschienenen Besprechungen bei Dieckmann, Johannes Poitz, S. 113, Anm. 6. 134 Popitz, Finanzausgleich, S. 5. 135 Der „Lutherbund“ war nach seinem Mitbegründer und ersten Vorsitzenden Reichskanzler Hans Luther benannt. Ihm gehörten so bekannte Figuren wie Max Planck, Ernst Troeltsch sowie eine ganze Reihe namhafter Anmerkungen  209

Politiker an, viele von ihnen aus den Reihen der DVP; das Popitz-Zitat im Text aus seinem Vortrag „Der Dienst am Staat und das Bildungsproblem“, 1932 in Tilsit gehalten, hier zitiert nach einem Bericht in der Tilsiter Lokalzeitung: BA Koblenz, NL Popitz, N 1262, Nr. 108. 136 „Es begann eine zweite, autoritäre, offen antiparlamentarische Phase“, so Winkler, Weimar, S. 472; ders., Weg, Bd. I, S. 510; der Artikel im Berliner Tageblatt vom 17.6.1932, Morgenausgabe, das Dementi ebd., 18.6.1932. Wirtschaftsminister Warmbold war von seinem Amt zurückgetreten und zur Rückkehr angeblich nur dann zu bewegen, wenn der Präsidialwirtschaftsrat eingerichtet würde. Außer Popitz sollten die Herren Schmitz und Wagemann als Mitglieder bestellt werden, getagt werden sollte unter dem Vorsitz des Reichspräsidenten. Bemängelt wurden schließlich auch die einseitige Zusammensetzung sowie die angeblichen Verbindungen freundschaftlicher und verwandtschaftlicher Natur unter den Räten. 137 Zu Papen: Petzold, Franz von Papen; Morsey, Papen, Franz von; Eschenburg, Franz von Papen. 138 Die Unruhen in Altona fanden am 17.7.1932 statt, Winkler, Weimar, S. 492f. 139 Mehring, Carl Schmitt, S. 292; generell zur Reichsexekution gegen Preußen: Schulz, Demokratie, S. 924ff., zum Urteil des Staatsgerichtshofs, ebd., S. 1000ff.; Biewer, Preußenschlag; Winkler, Weimar, S. 494–504, die Zahlen im Text ebd., S. 490; Büttner, Weimar, S. 471ff. 140 Am 29. Oktober 1932 ernannte Hindenburg Popitz zum Reichsminister ohne Geschäftsbereich, tags drauf übertrug ihm Reichskanzler von Papen die kommissarische Leitung des preußischen Finanzministeriums. Mit ihm waren Bracht und Wilhelm Kähler als Kommissare ernannt worden, Akten der Reichskanzlei, Kabinett von Papen, Bd. 2, Dok. 179, Anm. 17, S. 818; die im Text genannten Gesprächsvermerke bei Schmitt, Tagebücher, S. 74 (10.1.1932), 207 (8.8.1932), 214 (6.9.1932), 280 (9.4.1933). Popitz äußerte seine Einschätzung der politischen Lage im Oktober 1932 gegenüber Ernst Forsthoff, das Zitat im Text bei Meinel, Jurist, S. 70. 141 Die Zitate bei Brecht, Kraft, S. 236. Otto Klepper war seit 1931 Preußischer Finanzminister im Kabinett Braun; der Brief Brauns an Hindenburg: Akten der Reichskanzlei, Kabinett von Papen, Bd. 2, Dok. 192, Der 210  Anmerkungen

Preußische Ministerpräsident Braun an den Reichspräsidenten, 3.11.1932, S. 872–876. Die Behandlung durch die Reichsregierung habe Braun als „überaus kränkend“ empfunden, notierte Hans Schäffer unter dem 28.7.1932 in sein Tagebuch, hier zitiert nach Pufendorf, Die Plancks, S. 276; über das „Glück“ von Frau Popitz: Schmitt, Tagebücher, S. 230f., Eintrag vom 4.11.1932: „Zuerst kam Frau Popitz, sehr glücklich, daß ihr Mann Minister ist. Sie ist außerordentlich klug und fein.“ 142 Dies nach dem Protokoll über die Sitzung der Kommissarischen Staatsregierung am 1.11.1932, der ersten im Beisein von Popitz als Reichsminister: Akten der Reichskanzlei, Kabinett von Papen, Bd. 2, Dok. 183, S. 835f., die Zitate zuvor im Text ebd., Dok. 179, Ministerbesprechung von 28.10.1932, hier S. 816ff., mit Anm. 17, S. 818. Arthur Zarden war seit Mai 1932 Staatssekretär im Reichsfinanzministerium. 143 Der letzte Satz des Artikels lautet: „Gut wäre es, wenn er hierüber möglichst bald die Öffentlichkeit und seine Freunde beruhigen würde, denen Äußerungen des Theoretikers Popitz gelegentlich den ruhigen Nachtschlaf geraubt haben.“ Vossische Zeitung, Morgenausgabe, 31.10.1932, Artikel „Bracht, Popitz, Kaehler ernannt“. Zu Schäffer: Wengst, Schäffer, Hans. 144 Zur Kritik der bayerischen Staatsregierung: Akten der Reichskanzlei, Kabinett von Papen, Bd. 2, Dok. 212, Informationsbericht des Redakteurs Falk vom 16.11.1932, S. 948ff., hier 949, dort auch die Information, daß Popitz seine Ernennung zum Reichsminister als Bedingung genannt hatte. Die im gemeinsamen Gespräch gefallenen Äußerungen von Harms und Schäffer nach einer Tagebuchnotiz Schäffers vom 29.10.1932, hier zitiert nach Bentin, Theorie, S. 37; am 7.8.1932 hatte Schäffer über Popitz festgehalten: „Man sagte ihm nach, „in aufgeregten Zeiten immer für Diktatur und gegen das Parlament gesprochen zu haben“. Jetzt sei er „in seinem Element“, hier zitiert nach Pufendorf, Die Plancks, S. 274; das letzte Zitat im Text stammt von Popitz aus dem Jahre 1932. Unter Verwendung dieser Sätze widmete Carl Schmitt dem „Herrn Staatsminister Staatsrat Professor Dr. Johannes Popitz in alter Verehrung und Anhänglichkeit“ im Dezember 1933 seine Studie „Politische Theologie“, HStA Düsseldorf, NL Carl Schmitt, RW 265, Nr. 20770. 145 Zum Streik der Berliner Verkehrsbetriebe: Winkler, Weimar S. 533–536, sowie Akten der Reichskanzlei, Kabinett von Papen, Bd. 2, Dok. 191, Anmerkungen  211

Ministerbesprechung vom 3.11.1932, S. 863–872. Während des Streiks war es zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen, Menschen waren verletzt, Fahrzeuge zerstört worden. Zu Papens Plan einer Präsidialdiktatur auf Zeit ebd., Dok. 239a, Ministerbesprechung am 2.12.1932, S. 1035f.; zu Schleicher: Vogelsang, Kurt von Schleicher, S. 89–99. 146 Zur Entlassungswelle in der preußischen Beamtenschaft: Schulz, Demokratie, S. 951; über die Rede von Popitz auf der Tagung der preußischen Landgemeinden berichtete der Berliner Börsenkurier, 12.11.1932; das Zitat im Text: Berliner Zeitung Nr. 212, 2.8.1932. 147 Die Zitate im Text bei Schmitt, Tagebücher, S. 241 (2.12.1932, Popitz’ Geburtstag „schöner Wein, das Essen nicht gut“); S. 244 (10.12.1932), S. 254 (20.1.1933, „Mit Popitz in ‚Elektra‘, Furtwängler dirigierte“). 148 Köhler, Lebenserinnerungen, S. 196; Schmitt, Tagebücher, S. 278 (4.4.1933), 279 (5.4.1933), 268 (6.3.1933), 273 (25.3.1933); Sösemann, Jenseits von Partei und Parlament, S. 174. Schmitt meinte von sich selbst, nicht antisemitisch, sondern „judenkritisch“ eingestellt zu sein, dazu Gross, Carl Schmitt, S. 9. 149 Zum Skandal um die „Osthilfe“ Winkler, Weimar S. 578f.; Akten der Reichskanzlei. Das Kabinett von Schleicher, Dok. Nr. 56, Anm. 22, S. 237. 150 Mit Eugen Ott, Staatssekretär im Reichswehrministerium, pflegten Popitz und Schmitt auch privaten Umgang, dazu die Einträge bei Schmitt, Tagebücher, S. 219 (25.9.1932, Ott und Schmitt bei Popitz), S. 244 (10.12.1932, Familie Popitz und Ott bei Schmitt), S. 264 (22.2.1933, Popitz und Ott bei Schmitt); das Zitat oben im Text vom Chef des Ministeramts im Reichswehrministerium, Ferdinand von Bredow, hier zitiert nach: Akten der Reichskanzlei. Das Kabinett von Schleicher, Dok. Nr. 56, Anm. 40, S. 243, sowie ebd., Dok. Nr. 65, Niederschrift aus dem Büro des Reichspräsidenten über den Empfang des Reichskanzlers durch den Reichspräsidenten am 23. Januar 1933, S. 284f. 151 Dazu ebd., Dok. Nr. 72, Niederschrift aus dem Büro des Reichspräsidenten über den Empfang des Reichskanzlers durch den Reichspräsidenten am 28. Januar 1933, S. 310f., dort auch die Zitate im Text; Dok. Nr. 79, Tagebuchaufzeichnungen des Reichsfinanzministers über Vorgänge in

212  Anmerkungen

Berlin am 29. und 30. Januar 1933 und die Bildung des Kabinetts Hitler, S. 320–323; Vogelsang, Kurt von Schleicher, S. 96–99. 152 Scholder, Mittwochsgesellschaft, S. 66–69 (95. Sitzung am 26. April 1933 im Hause des Vortragenden Popitz). 153 Weisbach, Geist, S. 337ff. Weisbach mochte Popitz nicht und hielt ihn für einen Opportunisten. 154 Mehring, Carl Schmitt, S. 308; Schmitt, Tagebücher, S. 276 (3.4.1933). 155 Die bislang ausführlichste, intensiv die Kindheits- und Jugendjahre berücksichtigende Biographie Görings von Irving, Göring, dort S. 33 das Zitat im Text; mit dem Fokus auf das „Dritte Reich“ wird Göring beleuchtet bei Martens, Hermann Göring, sowie Kube, Pour le mérite. Zeitgenössisch erschien eine von Göring autorisierte Biographie seines Vertrauten Erich Gritzbach, Hermann Göring. 156 Der Vater Hermann Görings, Dr. Heinrich Ernst Göring, Jg. 1831, war zweimal verheiratet und hatte insgesamt zehn Kinder. Görings Interesse für das Mittelalter betonen Kube, Pour le mérite, S. 5, sowie Irving, Göring, S. 40; aus dem Verhältnis zwischen Fanny Göring und Hermann von Epenstein ging auch ein Halbbruder Hermanns, Herbert L. W. Göring hervor, ebd., S. 41. 157 Ebd., S. 37–60, zu Görings IQ S. 740; Kube, Pour le mérite, S. 4–7. 158 Ebd., S. 8–21; Irving, Göring, S. 61–141. 159 Göring wurde am 30.8.1932 zum Reichstagspräsidenten gewählt, auch die Zentrumspartei hatte für ihn gestimmt, ebd., S. 146–152; Kube, Pour le mérite, S. 20. Zur Personalpolitik Görings ebd., S. 33, sowie MühlBenninghaus, Beamtentum, S. 11–20. 160 Hitler ernannte Göring zum Ministerpräsidenten in Preußen, Göring sodann Popitz zum Preußischen Finanzminister, Kube, Pour le mérite, S. 31ff, sowie Gritzbach, Hermann Göring, S. 25; Artikel „Ermächtigung für das Preußenkabinett“, Der Tag, 19.5.1933. Auf dem Photo sitzt Popitz direkt neben Göring, dann Landwirtschaftsminister Alfred Hugenberg und Bildungsminister Bernhard Rust. Popitz vertrat den preußischen Ministerpräsidenten bei Sitzungen des Preußischen Staatsministeriums, so am 11.5.1933: Akten der Reichskanzlei, Die Regierung Hitler, T. I, Bd. 1, Dok. 124, S. 440–443, oder während Görings Kuraufenthalts vom 3. März bis zum 5. April 1939, GStA PK Berlin, I, HA Rep. 151, Nr. 43, Anmerkungen  213

Bl. 77. Zum Einspruchsrecht von Popitz, das den Kabinettsmitgliedern durch Rundschreiben Görings vom 15.7.1933 mitgeteilt wurde: Schulz, Anfänge, S. 135. 161 Die Zitate nach Gritzbach, Hermann Göring, S. 25f. Daß Gritzbach (1896– nach 1955) ein Vertrauter von Popitz war, nach Kube, Pour le mérite, S. 59 mit Anm. 34. 162 Die Zitate im Text bei Gritzbach, Hermann Göring S. 57f.; den Anteil von Popitz am neugebildeten Staatsrat betont Schulz, Anfänge, S. 181. Mit Schreiben vom 12.9.1933 verfügte Popitz die Teilnahme der Ministeriumsbelegschaft im Festsaal des Hauses, GStA PK Berlin, I, HA Rep. 151, Nr. 27; von der feierlichen Einweihung in der Aula der Berliner Universität berichtete u. a. die Vossische Zeitung, Nr. 39, 24.9.1933. 163 Auf die Parallele zu Bismarck verweist Gritzbach, Hermann Göring, S. 58; Schmitts Zweifel am Anfang des „Dritten Reichs“ bei Mehring, Carl Schmitt, S. 304–313, die Zitate im Text S. 313 u. 314, zur Mitgliedschaft 309. Schmitt wurde von Popitz zur Mitarbeit am Reichsstatthaltergesetz herangezogen. 164 Zur Haushaltslage der Vortrag von Popitz in der Sitzung der Kommissare des Reichs am 8.3.1933. Der Haushaltsgesetzentwurf 1933 nebst Haushaltsplan 1933 wurde vom Kabinett verabschiedet: Akten der Reichskanzlei, Die Regierung Hitler, T. I, Bd. 1, Dok. 48, S. 172–181, hier 174–179. Die Teilnahme von Popitz an den Sitzungen der Reichsregierung wurde ihm mit Schreiben Hitlers vom 3.2.1933 mitgeteilt, ebd., S. 36, zur Denkschrift ebd., S. 705–708. Popitz war ein gewissenhafter Teilnehmer an fast jeder Kabinetts- und Ministerratssitzung. 165 Das Begleitschreiben zum Gutachten „Steuerliche Maßnahmen zur Behebung der Arbeitslosigkeit“ mit Datum vom 8. 8.1933 ist abgedruckt: Akten der Reichskanzlei, Die Regierung Hitler, T. I, Bd. 1, Dok. 201, S. 705–708, eine Abschrift des Gutachtens in: GStA PK Berlin, I, HA Rep. 151, Nr. 48, S. 1–27. 166 Der „Geldentwertungsausgleich bei bebauten Grundstücken“, kurz „Hauszinssteuer“ war 1924 mit der dritten Steuernotverordnung vom 14.2. eingeführt worden, zur Wirkung der Steuer Haerendel, Wohnungspolitik, S. 112–139.

214  Anmerkungen

167 Die Zitate im Text nach der Abschrift des Gutachtens: „Steuerliche Maßnahmen zur Behebung der Arbeitslosigkeit“ vom 8.8.1933 in: GStA PK Berlin, I, HA Rep. 151, Nr. 48, S. 1–27, hier S. 7, 9, 24. 168 Das Tagebuchzitat von Goebbels datiert auf den 15.2.1933: Reuth, Joseph Goebbels, S 262. Zum Berufsbeamtengesetz: Mühl-Benninghaus, Beamtentum, S. 5f., 11, 18–22. Generell zur Geschichte der Beamten nach 1933: Mommsen, Beamtentum. 169 Schreiben des Finanzministers an die Belegschaft, sich zur Abstammung zu erklären, 20.4.1933: GStA PK Berlin, I, HA, Rep. 151, HB, Nr. 96w, Bl. 4; ein Exemplar des Personalfragebogens, ebd., Bl. 4, sowie die Mahnung Popitz’ zur beschleunigten Bearbeitung der Vorgänge vom 31.7.1933, ebd., Bl. 76. Zum Inhalt des Gesetzes: Mühl-Benninghaus, Beamtentum, S. 27–32. 170 Dies nach den Unterlagen: GStA PK Berlin, I, HA, Rep. 151, HB, Nr. 97. 171 Viele solcher Fälle in: ebd., HB, Nr. 96, w. 172 Das Schreiben Wüllenwebers vom 1.4.1933 sowie das zwei Tage später erfolgte Antwortschreiben von Popitz und die weiteren Versuche des Beamten, eine Änderung der Ministerentscheidung herbeizuführen: ebd., Nr. 97. 173 Der Vorgang wie die gesamte Lebensgeschichte Grabowers sind dokumentiert: Wenn im Amte, arbeite, wenn entlassen, verbirg dich, dort S. 42 das Zitat im Text; über Popitz’ Besuche in München heißt es: „In München hat er mich dann und wann besucht, obwohl ich von den meisten ängstlich gemieden wurde“, ebd., S. 25. 174 Weisbach, Geist, S. 353; Brief des Preußischen Finanzministers an die Oberpräsidenten, 20.6.1933, sowie Brief des Preußischen Finanzministers an die Mitarbeiter im Haus, 16.11.1936: GStA PK Berlin, I. HA, Rep. 151, Nr. 306w, beide Schreiben trugen die Unterschrift des Staatssekretärs Friedrich Landfried. 175 Gesetz über die Einziehung kommunistischen Vermögens vom 26.5.1933, Reichsgesetzblatt, T. I, S. 293; Gesetz über die Einziehung staatsfeindlichen und volksfeindlichen Vermögens vom 14.7.1933, ebd., S. 479; preußische Ausführungsverordnung vom 31.5.1933, Preußische Gesetzsammlung 1933, S. 207; Brief des Preußischen Finanzministers an die Regierungs-

Anmerkungen  215

präsidenten, 22.5.1934, GStA PK Berlin, I HA, 151, IA, Nr. 7929, Bd. 2. 176 Die Zahlen nach dem Brief des Ministerialrats Dr. Meyer, Referats II G im preußischen Finanzministerium, an Generalreferat, 7.3.1934: ebd., Nr. 7967; zur „Konzentrations AG“: ebd., Nr. 7931. Der an den preußischen Staat fallende Vermögensanteil belief sich auf genau 7.217.387 Reichsmark, wie ein internes Rundschreiben vom 15.6.1938 mitteilte. 177 Zum Fall Brackwede ebd., Nr. 7972, zum Ehepaar Sollmann ebd., Nr. 7970. 178 Schreiben von Werner Best an den Regierungspräsidenten in Liegnitz den Fall Karl Wussmann betreffend, 28.8.1935, ebd., Nr. 7974, Bd. 6; zur Biographie des Gestapo-Beamten: Herbert, Best, hier S. 147ff. 179 Das Fahrrad des Weberlehrlings Herbert Müller hatte man am 21.9.1933 eingezogen, weil er es angeblich als kommunistisches Propagandafahrzeug gebraucht hatte. Es war ein altes Rad im Wert von vielleicht 10 Reichsmark, das Müller auch dringend für den zwölf Kilometer langen Weg zur Arbeit brauchte. Mittel für ein neues Rad fehlten. In diesem Fall trug der Regierungspräsident jedoch „grundsätzliche Bedenken, eingezogene Gegenstände dem früheren Eigentümer wieder zurückzugeben“. Brief des Regierungspräsidenten Stüber an den Preußischen Innenminister, 16.1.1934, GStA PK Berlin, I HA, 151, IA, Nr. 8319, Bd. 4; das Zitat im Text im Brief des Preußischen Finanzministers an den Regierungspräsidenten in Magdeburg, 4.4.1934, ebd., Nr. 8321, Bd. 6. 180 Über den weiteren Verlauf des Vorgangs findet sich nichts in den Akten: ebd., Nr. 8318, Bd. 3, das Zitat im Text aus einem Brief des Ministerialrats Dr. Meyer im preußischen Finanzministerium an das Innenministerium, 31.7.1934. 181 Zur Verwertung der eingezogenen Vermögensgegenstände ebd., Nr. 7772/1, Bd. 1a und 7929, Bd. 2 (hierin die Verwertung der Brieftauben); Nr. 7934, Bd. 1, Nr. 7968; Nr. 8316, Bd. 1; Nr. 8317, Bd. 2; Nr. 8318, Bd. 3 (hierin der Vorgang um Fahrradhändler Schütz); Nr. 8319, Bd. 4 (hierin der Vorgang um das Sportschiff „Niederwald“); Nr. 8320, Bd. 5 (hierin die Verwertung von Einsteins Segelboot); Nr. 8321, Bd. 6; Nr. 310 (hierin die Festlegung von Besuchszeiten im Referat II G, 20.2.1934).

216  Anmerkungen

182 Zum Mythos „Volksgemeinschaft“: Bajohr, Volksgemeinschaft, sowie Frei, Volksgemeinschaft. Den Vergleich zwischen der Säkularisation nach 1806 und seiner Gegenwart zog Popitz in einem Brief an den Reichswirtschaftsminister vom 4.1.1935: Friedenberger, Ausplünderung, S. 54; Quittungen über die Spenden an das Winterhilfswerk: GStA PK Berlin, I HA, 151, IA, Nr. 43, Bl. 29–31. Die Finanzbeamten wurden zur regen Beteiligung an der alljährlichen Spendensammlung ermuntert, 1934 kamen 476,10 Reichsmark zusammen, was der Minister „umso erfreulicher“ fand in seinem Dankbrief an die Belegschaft, „als die Sammlung in einem der ärmsten Arbeiterbezirke Berlins, fernab von der großen Sammelgegend stattfand“, ebd., Nr. 252, Bl. 268. Weit erfolgreicher war aber die Aktion 1938, als die Mitarbeiter samt Minister und Staatssekretär zusammen über 6.000 Reichsmark zusammenbekamen, ebd., Nr. 253, w. 183 Weitere Beispiele zum Umgang mit jüdischem Grund- und Immobilienbesitz finden sich in den Akten des preußischen Finanzministeriums: GStA PK Berlin, I HA, 151, IA, Nr. 12374, dort der Vorgang der Breslauer Hausbesitzerin Käte Küter, Nr. 12375; siehe auch: Friedenberger, Ausplünderung, S. 45–66, passim. 184 Zur „Arisierung“ im Deutschen Reich, die maßgeblich vom Reichsfinanzministerium ausging: zuletzt Kuller, Bürokratie; siehe auch Wojak/Hayes, „Arisierung“. 185 Zur orientalischen Prunksucht Görings detailfreudig Irving, Göring, S. 192–196, passim. 186 Dies nach dem Protokoll der Chefbesprechung im Reichsfinanzministerium vom 26.3.1938, auf der es um die Kürzung der gemeindlichen Steuereinnahmen zugunsten der Länderhaushalte ging: Akten der Reichskanzlei, Die Regierung Hitler, Bd. V 1938, S. 234–245, hier 239. Der Artikel „Geschichte der Solidität. Betrachtungen zum preußischen Etat“, in: Berliner Tageblatt, 7.4.1935: Die Deutsche Allgemeine Zeitung schloß sich dem Urteil mit einem Artikel in der Ausgabe vom 30.4.1935 an: „Soweit die etwas summarische Publizität der preußischen Haushaltswirtschaft einen Einblick erlaubt, sind die Finanzen des preußischen Staates trotz der Beengung, die vorläufig noch das Schicksal aller öffentlichen Haushalte in Deutschland ist, auf dem Wege zur vollen Gesundung.“

Anmerkungen  217

187 Über den Olympia-Empfang im Alten Museum ein Bericht mit Bildern in: Saarbrücker Zeitung, 3.8.1936, sowie generell zur Inszenierung: Grothe, Spiele. 188 Von der Zusammenlegung des preußischen Finanz- mit dem Reichsfinanzministerium ist im Schreiben von Göring an Popitz, 25.8.1939, die Rede: GStA PK Berlin, I HA, 151, HB, Nr. 100. 1935 kursierten in Paris bereits Gerüchte, daß Reichsfinanzminister von Krosigk Rücktrittsabsichten habe und durch Popitz ersetzt werde, dies nach einer Presseinformation vom 11.5.1935 in BA Koblenz, NL Popitz, N 1262, Nr. 76; zu den Plänen auch Schulz, Anfänge, S. 284. Popitz soll von Göring als Dieb an den Staatsfinanzen gesprochen haben: „Was sagen Sie dazu? Der Göring stiehlt“, zitiert nach Herzfeld, Johannes Popitz, S. 3, Anm. 17; zu den staatlichen Aufwendungen für Karinhall und Umgebung: GStA PK Berlin, I HA, 151, IA, Nr. 85, dort auch das Schreiben des Staatssekretärs im preußischen Finanzministerium, Landfried, an den Staatssekretär in der preußischen Staatskanzlei, Körner, 6.12.1935, worin von „grundsätzlichen Bedenken“ des Ministers Popitz wegen der ausufernden Ausgaben für Karinhall die Rede ist. 189 Das Folgende nach ebd., Nr. 869,1. 190 Über die Ausstellung des Schatzes im Berliner Schloßmuseum berichtete u. a. die Deutsche Allgemeine Zeitung, 19.8.1936. 191 Die Bestandteile des „Schinkelsaals“ stammten aus dem „Weydingerhaus“ in der Unterwasserstraße, das dem Neubau des Reichsbankgebäudes weichen mußte, Berliner Börsenzeitung, 21.1.1934, siehe dazu auch den reichbebilderten Artikel: „Ein Kleinod Berliner Baukunst. Das Amtsgebäude des Preußischen Finanzministers Am Festungsgraben“, in: Die Weite Welt, 14.3.1937. „Ansprache des Preussischen Staats- und Finanzministers Professor Dr. Popitz bei der Übergabe des Schlosses Bellevue“, in: Zentralblatt für Bauverwaltung 55 (1935), H. 43. Der Völkische Beobachter führte 1936 ein Interview mit Popitz, in dem es u. a. um die Bautätigkeit ging: „Unterredung mit Finanzminister Prof. Dr. Popitz“, Ms. [1936], im BA Koblenz, NL Popitz, N 1262, Nr. 101. Weitere Akten im Nachlaß mit Zeitungsausschnitten zum baulichen Engagement des Ministers Nr. 76, 77, 78, generell Bentin, Johannes Popitz, S. 48–53.

218  Anmerkungen

192 Unterlagen zu diesem Vorgang: GStA PK Berlin, I HA, 151, HB, Nr. 2544, die Ansprache von Popitz dort Bl. 180–185. Vor der Einweihung hatte es Sabotageversuche gegeben, worauf Staatssekretär Landfried beim Reichsinnenminister Frick darum bat, das Haus polizeilich zu bewachen. Schließlich habe der preußische Staat viel Geld aufgewandt, „um das Gebäude durch eine völlige Umgestaltung von seinem ihm durch die frühere Benutzung als kommunistische Zentrale anhaftenden Ruf zu befreien“, ebd., Brief vom 10.5.1935. 193 Über das Richtfest informiert ein Programmheft im BA Koblenz, NL Popitz, N 1262, Nr. 78, 1934–39, hier auch Zeitungsausschnitte über seine zahlreichen Reisen durch Preußen; die Zitate im Text aus einem Artikel des Berliner Tageblatts, Nr. 374, 10.8.1938, „Acht neue Lager im Emsland“. 194 Das Zitat im Text von einer Postkarte Cornelia Popitz’ an Heinrich Popitz, undatiert [1934], BA Koblenz, NL Popitz, N 1262, Nr. 104; vom Engagement der Kinder in den NS-Jugendorganisationen zeugen einige wenige private Dokumente ebd.; das Telegramm Görings, im Berliner Tageblatt am 30. April 1936 veröffentlicht, ebd., Nr. 76. Dr. Ewalt Quittschau (1888–1945) war von 1929 bis 1937 Gemeindepfarrer an der evangelischen Matthäus-Gemeinde Berlin-Steglitz, danach bis 1945 Dompfarrer in Königsberg. 195 Das Zitat am Anfang: Hassell-Tagebücher, S. 49, der Eintrag datiert auf den 17.9.1938, über Goebbels „Weibergeschichten“ S. 51f. 196 Die Lebens- und Karrieredaten nach: Hassell-Tagebücher, S. 19–37, zu seiner Entlassung aufgrund des deutsch-italienisch-japanischen Bündnisses S. 94, mit Anm. 36. Siehe ferner die biographische Skizze von Schöllgen, Ulrich von Hassell. 197 Hassell-Tagebücher, S. 53, Eintrag vom 29.9.1938. 198 Heinrich Ernst von Sybel (1885–1969), die Einträge von Hassells in: Hassell-Tagebücher, S. 83 u. 87, die biographischen Daten Sybels: www. bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919–1933/0000/adr/getPPN/130180572. 199 Die biographischen Angaben zu Franz Kempner (1879–1945): www. bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919–1933/0000/adr/getPPN/133514854; zu Erwin Planck (1893–1945): Boberach, Planck, sowie Anmerkungen  219

Pufendorf, Die Plancks; zu Friedrich Tischbein (1880–1970): www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919–1933/0000/adr/getPPN/133789292; Popitz hatte das Ausscheiden Plancks sehr bedauert und dies auch in einem Brief an ihn deutlich zum Ausdruck gebracht: Brief von Johannes Popitz an Erwin Planck, 2.2.1933, BA Koblenz, NL Popitz N 1262, Nr. 76. Zu Carl Heinrici: www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919–1933/0000/adr/getPPN/133463575. 200 Von Sybel kam politisch ursprünglich vom konservativen Reichslandbund her, dessen Vorsitzender er 1926 wurde. Von 1928–1931 saß er für die christlich-nationale Bauern- und Landvolkpartei im Reichstag, die 1931 mit der NSDAP fusionierte. Als Rittergutsbesitzer besaß er auch nach 1933 seinen eigentlichen politischen Rückhalt auf dem Land. Daß Popitz das Goldene Parteiabzeichen trug, geht aus einer Nachkriegsaufzeichnung von Oskar Stark zurück, TNL Popitz, und ist auch auf zeitgenössischen Photographien zu sehen. 201 Hassell-Tagebücher, S. 62, Eintrag vom 25.11.1938, dort auch das Zitat von Goebbels. Ernst vom Rath war Gesandtschaftsrat an der deutschen Botschaft in Paris. Den Zahlen im Text liegen Schätzungen zugrunde. Dazu wie allgemein zu den Vorgängen: Gross, November 1938, S. 45, und Graml, Reichskristallnacht; aus zeitgenössischer Perspektive bewegend: Heiden, Nacht im November. 202 Wann genau Popitz Göring in dieser Angelegenheit sprach, steht nicht fest. Es muß aber, dem Tagebucheintrag von Hassells zufolge, nach dem 12.11. gewesen sein, Hassell-Tagebücher, S. 70, Eintrag vom 17.12.1938. 203 Görings „Beauftragung“ für den Vierjahresplan durch Hitler erfolgte am 18. Oktober 1936, hierzu Kube, Pour le mérite, S. 151–163. Zum Konkurrenzkampf mit Schacht, der im November vom Amt des Reichswirtschaftsministers entbunden wurde, S. 187–198, das Zitat im Text S. 160f. 204 Irving, Göring, S. 348f.; Kube, Hermann Göring, S. 160f., Martens, Pour le mérite, S. 204. Das Zitat im Text: Hassell-Tagebücher, S. 67. Zur Finanzlage des Reichs 1938 die „Niederschrift über die Chefbesprechung im Reichsfinanzministerium über die Finanzlage des Reichs und den Reichshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1938 am 11. Januar 1938“, in der es im Bl. 157 heißt: „Das Rechnungsjahr werde – trotz Erhöhung des Steueraufkommens und sonstiger Einnahmeverbesserungen – mit einem 220  Anmerkungen

voraussichtlichen Fehlbetrag von einer Milliarde Reichsmark abschließen.“ GStA PK Berlin, I, HB, Rep. 151, Nr. 45, w. 205 Göring hatte seinen persönlichen Geheimdienst unter dem Tarnnamen „Forschungsamt“ bereits am 10.4.1933 gegründet. Die Einrichtung brachte es bis 1945 immerhin auf eine halbe Millionen Berichte über abgehörte Gespräche, dazu Irving, Göring, S. 174–179. Die Charakterisierung Goerdelers durch Hassell: Hassell-Tagebücher, S. 109f., das Zitat S. 109. 206 Zur außenpolitischen Entwicklung seit 1939: Frei, Führerstaat, S. 130–135; zum Hitler-Stalin-Pakt vom 23.8.1939, an den am 28.9. noch ein Freundschaftspakt anschloß: Overy, Diktatoren, S. 640–644; zur gespannten Atmosphäre in Berlin und den Bemühungen zur Friedenswahrung 1939: Hassell-Tagebücher, S. 77–125. 207 Zu Görings Friedensengagement: Irving, S. 317–395, die Zitate im Text S. 320, 391. 208 Das Zitat von Hassells: Hassell-Tagebücher, S. 121, über dessen Verbindungen zu Göring S. 69, Anm. 43. Zu Göring und der Friedensfrage auch Martens, Hermann Göring, S. 195–200; Kube, Pour le mérite, S. 312–323; Irving, Göring, S. 378–395. 209 Hassell-Tagebücher, S. 136, Eintrag vom Oktober 1939. 210 Zur raschen Niederwerfung Polens durch die Wehrmacht, der Bombardierung Warschaus und den SS-Greueln an der Zivilbevölkerung: Böhler, Auftakt, hier bes. S. 147–168. Zu Carl Goerdeler (1884–1945): Reich, Carl Friedrich Goerdeler, zu Denkmalsstreit und Rücktritt hier S. 257–267, zu Bosch und Goerdeler: Scholtyseck, Widerstand, S. 188–223, ferner Fest, Staatstreich, S. 71f., 148ff., sowie Kosthorst, Carl Friedrich Goerdeler. Das Zitat im Text: Hassell-Tagebücher, S. 109f., Eintrag vom 18.8.1939. An anderer Stelle heißt es, Goerdeler sei „zweifellos [...] einer der wenigen wirklich Tätigen und Furchtlosen“, ebd., S. 136, Eintrag vom 30.10.1939. Johanna Bödeker datiert den gemeinsamen Entschluß von Goerdeler und Popitz zum Widerstand bereits auf „Ende 1936“, was freilich reichlich früh erscheint, Bödeker, Johannes Popitz, S. 521. 211 Die biographischen Daten zu Ludwig Beck bei Foerster, Ludwig August Theodor Beck; den Weg in den Widerstand zeichnen Fest, Staatsstreich, S. 72ff., 86–89, sowie Krausnick, Ludwig Beck; seinen Umsturzplan 1938 beschreibt: Hoffmann, S. 94–109. Zur Biographie Jens Jessens: Braeuer, Anmerkungen  221

Jessen, Jens, das Zitat im Text: Hassell-Tagebücher, S. 220 mit Anm. 113, Eintrag vom 23.12.1940. 212 Zu Martin Bormann (1900–1945), seit 1933 Reichsleiter der NSDAP und ein enger Mitarbeiter des „Stellvertreters des Führers“ Rudolf Heß: Lang, Sekretär, sowie Longerich, Hitlers Stellvertreter. Zum Mißtrauen, das Popitz bei Himmler und Bormann erregte: Nagel, Hitlers Bildungsreformer, S. 315–329. Daß Popitz seinen Freund Schmitt von allen Widerstandsaktionen fernhielt, betont Tielke, Dunkelmann; beispielhaft für den Kontakt der Kinder zu Duška Schmitt: Feldpostbrief von Hans Popitz an Duška Schmitt, 10.12.1943, NL Carl Schmitt, Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, RW–265–18756. Popitz’ ältester Sohn Hans stand ab 1940 als Offizier im Feld, Cornelia und Heinrich lebten noch beim Vater in Berlin. Nach dem Krieg versicherte die Tochter, in vollem Umfang über dessen Widerstandstätigkeit im Bilde gewesen zu sein, was sich allerdings nicht weiter erhärten ließ: Eidesstattliche Erklärung von Cornelia Popitz für Edgar Haverbeck, 28.3.1946, (Durchschlag) TNL Popitz. 213 Dies nach den Unterlagen in: BA Berlin, R 2, Nr. 17840, hier das Schreiben von Johannes Popitz an den Herrn Ministerpräsidenten Generalfeldmarschall Göring, 4.4.1940, S. 1–8; zur Biographie des Großindustriellen Thyssen (1873–1951): Eglau, Fritz Thyssen, hier bes. S. 203–242, sowie Brakelmann, Mitschuld; zur Familiengeschichte: Plumpe/Lesczenski, Die Thyssens. Zu den Reichswerken Hermann Göring: Meyer, Syndikat, S. 44–117, passim. 214 Die Bergbau AG Ewald-König Ludwig wurde 1935 gegründet und bestand aus den Gewerkschaften „Ewald“ und „König Ludwig“ sowie aus den Zechen „Ewald“ in Herten, „Ewald Fortsetzung“ in Oer-Erkenschwick sowie „Haus Aden“ in Bergkamen. 215 Zu Paul Pleiger (1899–1985): Riedel, Eisen, sowie Stremmel, Pleiger, Paul. Zum Gauleiter von Essen, Josef Terboven (1898–1945): Wistrich, Wer war wer im Dritten Reich, S. 271. 216 Denkschriften „Betrifft die Lage der preußischen Finanzen“, 3.1.1936, sowie „Betrifft Staatshaushalt 1936“, 7.3.1936, in: GStA PK Berlin, I, HB, Rep. 151, Nr. 57, Bl. 58–75, 83–91. Schätzungen zufolge sollen die Gesamtausgaben für Rüstung in den Jahren 1934 bis 1939 zwischen 64 und 65 Milliarden Reichsmark betragen haben, dies nach: Deutsche Ver222  Anmerkungen

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221

waltungsgeschichte, Bd. 4, S. 836, 848f. Popitz’ energisches Eintreten für die finanziellen Gemeindebelange zeigt auch die Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Reichsfinanzminister auf einer Chefbesprechung am 28.3.1938, an der auch Reichsinnenminister Frick und dessen Staatssekretär Pfundtner teilnahmen. Zwischen Pfundtner und Popitz kam es auf dieser Sitzung zum Eklat, als der Finanzminister dem Staatssekretär vorwarf, „von den Dingen“ nichts zu verstehen. Auch gebe man sich im Reichsinnenministerium „keine Mühe [...], den berechtigten Interessen der Länder und der Wichtigkeit ihrer Aufgaben Rechnung zu tragen“, zitiert nach: Akten der Reichskanzlei, Die Regierung Hitler, Bd. V 1938, Dok. 70, S. 234–245, Anm. 26. Dies nach: GStA PK Berlin, I, HB, Rep. 151, Nr. 50, Bl. 35 u. 37. Die Mehreinnahmen vor allem der ersten drei, vier Jahre wurden u. a. mit einem vermehrten Holzeinschlag in den preußischen Forsten erzielt. Das Zitat im Brief von Johannes Popitz an Hjalmar Schacht, 1.12.1938, in: ebd., Nr. 11, Bl. 32–38; die Zahlen aus dem ordentlichen und außerordentlichen Haushalt Preußens, ebd., Nr. 11 (1935–43), Nr. 40 (1937), Nr. 50, H. 1 (1935–36), 51, H. 2 (1937–43), Nr. 57 (1935–36). Postkarte mit Datum vom 1.11.1942 in: BA Koblenz, NL Popitz N 1262, Nr. 93, unterzeichnet war der Text mit: „Diese Bosheit schickt nicht ganz ohne Hoffnung ein ehrlicher Freund.“ Popitz’ Fahrt in die Bezirke „Bialystok und Ostland“ sowie in das „Operationsgebiet UdSSR“ fand vom 11. bis 26.9.1942 statt, dies nach den Papieren in: BA Koblenz, NL Popitz N 1262, Nr. 76. „Kriegsfinanzierung. Gutachten erstattet am 9. Dezember 1939 von: Berkenkopf/Münster, Eucken/Freiburg, Hasenack/Leipzig, Jessen/Berlin, Lampe/Freiburg, Frhr. v. Stackelberg/Berlin, Stucken/Erlangen, Teschemacher/Tübingen“, ein Exemplar in: BA Koblenz, NL Popitz N 1262, Nr. 106, siehe dazu auch: Schulz, Über Johannes Popitz, S. 500. Die Denkschrift von Goerdeler datiert auf den 15.6.1940, BA Koblenz, NL Popitz N 1262, Nr. 106; dort weitere Gutachten, „Probleme der Nachkriegswirtschaft. Reichsschuld und Steuerlast“, eines unbekannten Verfassers. Johanna Bödeker, Die Sozialorganische Wirtschaft, Ms., mit Datum vom 10.8.1940, in: BA Koblenz, NL Popitz N 1262, Nr. 87. Zum Privatinstitut: Bödeker, Johannes Popitz, S. 520. Die Volkswirtin war 1932 mit Anmerkungen  223

der Publikation „Greifbare Milliarden für sofortige Arbeitsfinanzierung“ öffentlich hervorgetreten. Zur Wirtschaftskonzeption Bödekers: Rüther, Widerstand, S. 416–448, die eine Biographie Johanna Bödekers (1900– 2000) vorbereitet. 222 Eine Zusammenfassung des Vortrags am 2.6.1943 bei Scholder, Mittwochsgesellschaft, S. 327–330; das komplette Typoskript in: BA Koblenz, NL Popitz N 1262, Nr. 79, das Zitat in der Einleitung S. c. Der britische Volkswirt William Henry Beveridge (1879–1963) legte im Dezember 1941 eine umfangreiche Denkschrift zur Reform des Sozialversicherungssystems, den sogenannten Beveridge-Report vor, der zur Grundlage für den britischen Sozialstaat wurde, dazu Brown, Welfare state, sowie Möller, Beveridge-Plan; zur Biographie Beveridges: Munzinger Archiv 20/1963. 223 Die Zitate im Text nach dem Typoskript in: BA Koblenz, NL Popitz N1262, Nr. 79, S. 2, 4, 21. 224 Ebd., S. 23f. 225 Ebd., S. 27–37. 226 Daß Johanna Bödeker hinter dem Plan stand, geht aus einem Nachkriegsbeitrag von ihr hervor, Bödeker, Johannes Popitz, S. 523. Popitz war immerhin soweit überzeugt, daß er ihre Texte an verschiedene Wirtschaftsexperten versandte und sie persönlich auf „Professorenreise“ zur Verbreitung ihrer Ideen schickte, so Rüther, Widerstand, S. 431. Das Schiller-Zitat stammt aus dem Lustspiel „Der Parasit oder Die Kunst sein Glück zumachen“, das Schiller nach einer Vorlage von Louis Benoît verfaßt hatte und das 1802 uraufgeführt wurde. Über die Wirkung des Vortrags auf von Hassell ein Brief an dessen Frau, 3.6.1943: Hassell-Tagebücher, S. 369. 227 Für eine „strategisch-instrumentelle“ Verwendung der Gedanken Bödekers argumentiert Rüther, Widerstand, S. 416–448. Den heterogenen Charakter der bürgerlichen Widerstandsbewegung betonen einhellig: Fest, Staatsstreich, S. 150; Hoffmann, Widerstand, S. 233–253; Mommsen, Bürgerlicher (nationalkonservativer) Widerstand; ders., Gesellschaftsbild; ders., Verfassungs- und Reformpläne. 228 Die Texte sind im Anhang abgedruckt: Hassell-Tagebücher, S. 449–465. 229 Hoffmann, Widerstand, S. 234.

224  Anmerkungen

230 Artikel 2, Absatz 2 des Gesetzes über die Wiederherstellung geordneter Verhältnisse im Staats- und Rechtsleben (Vorläufiges Staatsgrundgesetz), zitiert nach der Fassung in Hassell–Tagebücher, S. 454. 231 Das Zitat im Text bei Bödecker, Johannes Popitz, S. 523. 232 Die Kritik der Kreisauer an Popitz und Goerdeler: Hassell-Tagebücher, S. 345ff, Eintrag 22.1.1943, S. 399f., Eintrag 13.11.43, sowie S. 414, Eintrag vom 27.12.43, wonach Popitz „sehr deprimiert“ darüber gewesen sei, im Falle eines Umsturzes nicht mehr „in vorderster Front, jedenfalls nicht an der von ihm gewünschten Stelle (Unterrichtsminister)“ vorgesehen zu sein. Die beiden letzten Zitate im Text aus einem Brief von Eugen Gerstenmaier an Wolf Ulrich von Hassell vom 25.7.1946, in Auszügen abgedruckt: ebd., S. 577f. Dazu auch Hoffmann, Widerstand, S. 443–446, eine Aufstellung der Kabinettslisten mit wechselnden Besetzungen S. 453f. 233 Am 5.4.1943 waren Hans von Dohnanyi, seit August 1939 im „Amt Ausland“ beschäftigt, festgenommen worden, was den Verschwörerkreis stark beunruhigte: Hassell-Tagebücher, S. 362, Eintrag vom 20.4.1943. Über Carl Langbehn: Langbehn, Spiel. Zum Besuch von Popitz bei Himmler: Fest, Staatsstreich, S. 232f.; Hoffmann, Widerstand, S. 368. Zu Himmler: Longerich, Heinrich Himmler, sowie die Erinnerung einer Großnichte des Reichsführers SS, Himmler, Die Brüder Himmler. 234 Dafür, daß Himmler Hitler über das Gespräch informiert hat, spricht eine Notiz des Propagandaministers vom 23.9.1943: „Der Führer ist sich absolut im klaren darüber, daß Popitz unser Feind ist. Er läßt ihn übrigens schon etwas beobachten, um geeignetes Material gegen ihn zur Verfügung zu haben, sobald Popitz aus seiner Reserve heraustreten würde; er hätte ihn in der Hand.“ Goebbels–Tagebücher, Teil III, Bd. 9, S. 388. Von Hassell trug in sein Tagebuch über das Gespräch zwischen Popitz und Himmler ein: „[Popitz] erzählte interessant von seinem Gespräch mit [Himmler], der zwar die Katze nicht aus dem Sack gelassen habe, aber doch sehr offen gewesen ist. Popitz hat, wie es scheint, ganz gut operiert.“ Hassell–Tagebücher, S. 388, Eintrag vom 30.8.1943. Zur Verhaftung Langbehns: ebd., S. 394, 399, sowie Hoffmann, Widerstand, S. 368. 235 Das Gespräch zwischen Popitz und Stark nach der Niederschrift von Oskar Stark „Gespräch mit Finanzminister Dr. Popitz im Herbst 1943. Aufzeichnung vom 15. Februar 1965“, TNL Popitz. Stark war politischer RedakAnmerkungen  225

teur und „Chef vom Dienst“ bei der Frankfurter Zeitung. Er zählte zu den liberalen Kritikern des Nationalsozialismus und setzte sich u. a. für Theodor Heuss ein, dem er zu einer festen Stelle bei der Frankfurter Zeitung verhalf: Burger, Theodor Heuss, S. 360f. Das letzte Zitat im Text: Hassell-Tagebücher, S. 363, Eintrag vom 20.4.1943. 236 Über die vergeblichen Interventionsversuche von Popitz: ebd., S. 399, Eintrag vom 13.11.1943: „G. [Popitz] wollte durchaus an ihn [Himmler, A. C. Nagel] schreiben und Aufklärung anbieten, falls etwa sein Gespräch mit ihm in der Sache K. [Langbehn] eine Rolle spiele. Ich sprach mich lebhaft dagegen aus.“ Die Rede Himmlers vor den Gauleitern am 3.8.1943 in Posen ist abgedruckt und dokumentiert in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 1 (1953), H. 4, S. 357–394, hier 376. 237 Vers aus dem Gedicht von Friedrich Hebbel „Das alte Haus“, hier zitiert nach der Ministeriumsschrift: Das Haus des Preußischen Finanzministeriums, S. 7. 238 Das Gebäude des Reichskultusministeriums Unter den Linden wurde am Abend des 23.11.1943 zentral getroffen: Nagel, Hitlers Bildungsreformer, S. 14. Brief von Johannes Popitz an Carl Schmitt, 4.12.1943, HStA Düsseldorf, NL Carl Schmitt, RW–265–11159. Die Bergung der Quadriga war wiederholt von Beamten des Reichskultusministeriums wie von Kunsthistorikern der Berliner Hochschulen gefordert worden, aber aus „wichtigen psychologischen Gründen“ von der Parteiführung abgelehnt worden. 1942 wurde nur ein Gipsabdruck genommen, das Original hingegen zerstört: BA Berlin, R 4901, Nr. 12306. 239 Das Zitat im Text in: Das Haus des Preußischen Finanzministeriums, S. 5. Am 30.8.1944 telegraphierte Bormann aus dem Führerhauptquartier an Staatssekretär Klopfer: „tatsaechlich steht ja die ganze preussische ministerpraesidentschaft auf dem papier. es ist also wirklich nicht einzusehen, warum sie nicht ohne jede schwierigkeit wegfallen kann. [...] reichsleiter dr. lammers gab die richtigkeit meiner hinweise an, betonte aber, aus ansehensgruenden werde der reichsmarschall schwerlich dem fortfall der ministerpraesidentschaft zustimmen.“ BA Berlin, NS 6, Nr. 781, Bl. 1f. Zum Machtverfall Görings in der zweiten Kriegshälfte wie zur wachsenden Feindschaft Bormanns: Irving, Göring, S. 665–682.

226  Anmerkungen

240 Zum Vorstoß von Görnnert bei Göring: ebd., S. 670. Die Berliner Redewendung „Ick will lieber an den Sieg jloben, als ohne Kopp rumloofen!“: Hassell–Tagebücher, S. 424. 241 Die Weihnachtsfeier sollte am 20.12.1944 stattfinden, dazu den Briefwechsel zwischen dem Ministerbüro und Ministerialdirigent Jänke, vom 14.12. und 15.12.1944: GStA PK I, Rep. 151, HB, Nr. 253. 242 „Der Kreis um Geißler [Popitz] usw. sehr zersprengt“, hielt von Hassell am 23.2.1944 fest: Hassell–Tagebücher, S. 421, Geißler stand als Tarnname für Popitz; über die Stimmung im Kreis und die Enttäuschung von Popitz ebd., S. 418; das Gespräch über Haverbeck wurde unter dem 12.6.1944 festgehalten, ebd., S. 431. Zur Verhaftung von Moltkes: Moltke, Land, S. 19, Gerstenmaier, Helmuth James Graf von Moltke, S. 203f. Goerdelers Flucht und Verhaftung: Ritter, Carl Goerdeler, S. 309, Kosthorst, S. 131f. Zur Verhaftung von Hassells: Hassell–Tagebücher, S. 443ff. 243 Eine Beschreibung des Zellentrakts in Ravensbrück bei Moltke, Land, S. 26–30. Marie–Louise Sarre (1906–1999) gab nach dem Krieg Auskunft über den Verschwörerkreis, das Zitat im Text aus einer Mitteilung Sarres vom 28.1.1946, hier nach einer Kopie im TNL Popitz, dort auch eine Kopie des Volksgerichtsurteils. Einen Eindruck vom inhaltlichen Ertrag der Gestapo-Verhöre bieten die Kaltenbrunner–Berichte: Spiegelbild. Die Anklageschrift gegen Popitz/Langbehn in: BA Berlin, R 3001, Nr. 186867. 244 Ebd., S. 4f., 7, 13. 245 Popitz Antwort auf die Frage Freislers im Urteil: TLN Popitz, S. 4. Der Tagebucheintrag des Propagandaministers vom 6.10.1944: Goebbels– Tagebücher, S. 46f. Das Zitat am Ende des Absatzes aus dem Brief eines Emigranten an Rolf Grabower: BA Koblenz, NL Popitz, N 1262, Nr. 81. 246 Die Zitate im Text aus dem Urteil des Volksgerichtshofs: TLN Popitz, S. 1. Auch Ilse von Hassell und Tochter Almuth wurden für einige Tage festgehalten, dann aber wieder freigelassen: Hassell–Tagebücher, S. 443f. Carl Langbehn wurde am 12. Oktober 1944 hingerichtet. Langbehn, Spiel, S. 150. 247 Dies nach den Aufzeichnungen des Oberregierungsrats a.D. Erhard Mäding: BA Koblenz, NL Erhard Mäding, N 1561, Nr. 11. Mäding war nach dem Krieg zeitweilig bei der britischen Militärregierung beschäftigt und sagte als Zeuge bei den Gerichtsverhandlungen in Nürnberg aus. Die Anmerkungen  227

Unterlagen gingen bis auf Weniges in den Nachkriegswirren verloren, Reste davon sind im Nachlaß erhalten. Zu Ohlendorf, der außer im Nachrichtendienst auch als Führer einer Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei im Ostern tätig und für die Ermordung von rund 90.000 Menschen verantwortlich war: Boberach, Otto Ohlendorf; Wistrich, Wer war wer im Dritten Reich, S. 200f. 248 Das Zitat im Text: Brief von Erhard Mäding an Werner Müncheimer, 14.10.1947, BA Koblenz, NL Erhard Mäding, N 1561, Nr. 11. 249 Das Zitate am Anfang dieses Absatzes bei Mehring, Carl Schmitt, S. 481, siehe auch den Briefwechsel Carl Schmitt –Ernst Rudolf Huber, S. 341; das letzte Zitat im Text bei Hertwecke, Imperium, S. 161. Sir Thomas More (1478–1535) war ein englischer Gelehrter, Schriftsteller und Kanzler Heinrichs VIII. Er starb auf dem Schaffot, weil er gegen die Einführung der Reformation auftrat und die Ehescheidungen des Königs nicht tolerierte. 250 Brief von Johannes Popitz an Hauptmann Hans Popitz, 1.11.1944, TNL Popitz.

228  Anmerkungen

Dank

An dieser Stelle heißt es Dank abzustatten all denen, die mit Interesse, Anregung und Geduld die Entstehung dieses Buches begleitet haben. Dirk van Laak sorgte mit der Einwerbung von Drittmitteln bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft für eine sorgenfreie Durchführung des Projekts. Dafür wie für seine nimmermüde Neugier am Leben des besten Freundes von Carl Schmitt danke ich ihm sehr. Ulrich Sieg, der Freund und Gefährte so vieler Jahre, hat mich auch dieses Mal großartig unterstützt. Auf ihn gehen zahlreiche Anregungen zurück, er hat mich in Phasen des Kleinmuts positiv bestärkt und zuletzt auch für einen zügigen Abschluß der Studie gesorgt. Ihm ebenso wie unserem gemeinsamen Freund, Ewald Grothe, der sich mit fabelhafter Akribie um die Lesbarkeit des Textes verdient gemacht hat, danke ich sehr herzlich. Daniel Schuster hat einiges zur Aufhellung des dunklen Leipziger Ursprungs der Familie Popitz beigetragen, wofür ihm ausdrücklich gedankt sei. Eine angenehme Überraschung gab es in der Schlußphase der Niederschrift. Bedingt durch einen Umzug tauchten Papiere von und über Johannes Popitz auf, die sein einst an der Freiburger Universität lehrender Sohn, Heinrich Popitz, einmal zusammengetragen und über Jahre im Keller verwahrt hatte. Es handelt sich um wenige originale Briefe, Kopien aus deutschen und amerikanischen Archiven sowie einigen gedruckten steuer- und finanzwissenschaftlichen Studien des Vaters. Prof. Ulrich Bröckling vom Soziologischen Institut sorgte für die zügige Überstellung des Materials, wofür ich ihm ausgesprochen dankbar bin. Es haben schließlich auch die „Dienstagsfrauen“ im Elnhäuser Reitverein, das gelegentliche Gießen-Marburger Frauenfrühstückskränzchen sowie viele andere Freundinnen und Freunde aus Marburg und Waßmuthshausen ihren Anteil am Gelingen des Projekts gehabt. Ihnen allen sei herzlich gedankt für Ermunterung, Abwechslung und EntDank  229

spannung. Im Verlag Böhlau hat Frau Elena Mohr das mögliche Potential dieser Biographie erkannt und für die Aufnahme in das Verlagsprogramm gesorgt. Dafür wie für die umsichtige Lektorierung des Textes bin ich ihr dankbar verbunden. Gleichwohl sei ausdrücklich gesagt: Für alle im Text verbliebenen Fehler trage natürlich ich allein die Verantwortung! Marburg, im November 2014

230  Dank

Anne C. Nagel

Anhang

Quellenverzeichnis Bundesarchiv Koblenz (BA Koblenz)

N 1262, Nachlaß Johannes Popitz N 1221, Nachlaß Theodor Heuss N 1171, Nachlaß Friedrich Saemisch N 1113, Nachlaß Carl Friedrich Goerdeler N 1561, Nachlaß Erhard Mäding N 248, Nachlaß Erich Seeberg Bundesarchiv Berlin/Lichterfelde (BA Berlin)

R 2, Reichsfinanzministerium R 4901, Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung R 3001, Volksgerichtshof Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin (GStA PK Berlin)

I HA Rep. 151 HB, Preußisches Finanzministerium I HA Rep. 90, Preußisches Staatsministerium I HA Rep. 80, Staatsrat und Staatssekretariat I HA Rep. 77, Ministerium des Innern I HA Rep. 184, Preußisches Oberverwaltungsgericht Bundesfinanzakademie Brühl

Nachlaß Rolf Grabower Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Landesarchiv NRW, Abtl. Rheinland (HStA Düsseldorf)

RW–265, Nachlaß Carl Schmitt

Quellenverzeichnis  231

Privatarchiv Nagel

Teilnachlaß Johannes Popitz Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin (Berliner Universitätsarchiv)

UK PA Johannes Popitz Akten der Berliner Handelshochschule: PA Johannes Popitz

Literaturverzeichnis Akten der Reichskanzlei. Das Kabinett von Papen: 1. Juni bis 3. Dezember 1932, Bd. 2: September bis Dezember 1932, bearb. von Karl-Heinz Minuth, Boppard am Rhein 1989 Akten der Reichskanzlei. Die Regierung Hitler 1933–1945, Teil I: 1933/34, 2 Bde., bearb. von Karl-Heinz Minuth, Boppard am Rhein 1983 Akten der Reichskanzlei. Die Regierung Hitler 1933–1945, Bd. V: 1938, bearb. von Friedrich Hartmannsgruber, München 2008 Baier, Roland: Der deutsche Osten als soziale Frage. Eine Studie zur preußischen und deutschen Siedlungs- und Polenpolitik in den Ostprovinzen während des Kaiserreichs und der Weimarer Republik, Köln, Weimar, Wien 1980 Bajohr, Frank: Volksgemeinschaft. Neue Forschungen zur Gesellschaft des Nationalsozialismus, Frankfurt am Main 2009 Becker, Cornelia/Schöpp, Wulfdieter: Vom Jakobshospital zum Universitätsklinikum. Baugeschichte und Bauplanung am traditionellen Standort in Leipzig, Leipzig 1999 Bentin, Lutz-Arwed: Johannes Popitz und Carl Schmitt. Zur wirtschaftlichen Theorie des totalen Staates in Deutschland, München 1972 Berghoff, Hartmut/van Rahden, Till (Hrsg.): Vom Donner der Weltgeschichte. Finanzgeschichte als Schlüssel zum Verständnis der Moderne, in: Hans Peter Ullmann, Staat und Schulden, Öffentliche Finanzen in Deutschland seit dem 18. Jahrhundert, hrsg. von Hartmut Berghoff u. Till an Rahden, Göttingen 2009, S. 7–17 Biewer, Ludwig: Der Preußenschlag vom 20. Juli 1932, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 119 (1983), S. 159–172

232  Anhang

Privatarchiv Nagel

Teilnachlaß Johannes Popitz Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin (Berliner Universitätsarchiv)

UK PA Johannes Popitz Akten der Berliner Handelshochschule: PA Johannes Popitz

Literaturverzeichnis Akten der Reichskanzlei. Das Kabinett von Papen: 1. Juni bis 3. Dezember 1932, Bd. 2: September bis Dezember 1932, bearb. von Karl-Heinz Minuth, Boppard am Rhein 1989 Akten der Reichskanzlei. Die Regierung Hitler 1933–1945, Teil I: 1933/34, 2 Bde., bearb. von Karl-Heinz Minuth, Boppard am Rhein 1983 Akten der Reichskanzlei. Die Regierung Hitler 1933–1945, Bd. V: 1938, bearb. von Friedrich Hartmannsgruber, München 2008 Baier, Roland: Der deutsche Osten als soziale Frage. Eine Studie zur preußischen und deutschen Siedlungs- und Polenpolitik in den Ostprovinzen während des Kaiserreichs und der Weimarer Republik, Köln, Weimar, Wien 1980 Bajohr, Frank: Volksgemeinschaft. Neue Forschungen zur Gesellschaft des Nationalsozialismus, Frankfurt am Main 2009 Becker, Cornelia/Schöpp, Wulfdieter: Vom Jakobshospital zum Universitätsklinikum. Baugeschichte und Bauplanung am traditionellen Standort in Leipzig, Leipzig 1999 Bentin, Lutz-Arwed: Johannes Popitz und Carl Schmitt. Zur wirtschaftlichen Theorie des totalen Staates in Deutschland, München 1972 Berghoff, Hartmut/van Rahden, Till (Hrsg.): Vom Donner der Weltgeschichte. Finanzgeschichte als Schlüssel zum Verständnis der Moderne, in: Hans Peter Ullmann, Staat und Schulden, Öffentliche Finanzen in Deutschland seit dem 18. Jahrhundert, hrsg. von Hartmut Berghoff u. Till an Rahden, Göttingen 2009, S. 7–17 Biewer, Ludwig: Der Preußenschlag vom 20. Juli 1932, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 119 (1983), S. 159–172

232  Anhang

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Literaturverzeichnis  245

Abkürzungsverzeichnis

BA Bundesarchiv Bd. Band Bl. Blatt Ebd. Ebenda f. folgende Seite ff. folgende und folgende Seite Gestapo Geheime Staatspolizei GStA PK Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz HStA Hauptstaatsarchiv LHASA Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt NL Nachlaß NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei SA Sturmabteilung SD Sicherheitsdienst SS Schutzstaffel TL Teilnachlaß

246  Anhang

Verzeichnis der Abbildungen

Die Ziffern verweisen auf die Seitenzahlen. 11, 190  In: Das Hausgefängnis der Gestapo-Zentrale in Berlin. Terror und Widerstand, hrsg. von der Stiftung Topographie des Terrors, Berlin 22006 13  Archiv der Verfasserin 37  Bundesarchiv N 1262_Nr. 74 62  Foto: Verfasserin 66  Finanzgeschichtliche Sammlung der Bundesfinanzakademie im Bundesministerium der Finanzen 68  Bundesarchiv N 1262 Nr. 77 85  Bundesarchiv N 1262 Nr. 78 88  Carl Schmitt Gesellschaft 102  bpk/Geheimes Staatsarchiv, SPK/Bildstelle GStA PK 117  Bundesarchiv N 1262_Nr 76 121  bpk/Bayerische Staatsbibliothek/Heinrich Hoffmann 141  bpk/Geheimes Staatsarchiv, SPK/Bildstelle GStA PK 142 bpk 147 bpk 154 bpk 155  Bundesarchiv N 1262_Nr 76 159  Archiv des Verlags 167  Bundesarchiv N 1262_Nr 76 169  Bundesarchiv N 1262_Nr 76

Verzeichnis der Abbildungen  247

Personenregister

Bach, Johann Sebastian 80 Baden, Prinz Max von 47 Ballin, Albert 83 Beck, Ludwig 158, 174, 177, 221 Beethoven, Ludwig van 80 Benoît, Louis 224 Best, Werner 131f., 216 Bethmann-Hollweg, Theobald von 82 Beveridge, William Henry 224 Bilfinger, Carl 208 Bismarck, Otto von 119, 171 Blenck, Emil 35, 199 Bödeker, Johanna 169, 170, 173, 176, 223f. Bormann, Martin 160, 184, 226 Bosch, Robert 158 Bracht, Franz 100, 102, 105 Braun, Otto 91, 98, 100ff., 211 Brecht, Arnold 101 Bredow, Ferdinand von 212 Brüning, Heinrich 89–92, 97ff., 209 Bülow, Friedrich von 45 Chopin, Frédéric 80 Dawes, Charles Gates 57 Delbrück, Hans 82 Delp, Alfred 191 Dohnanyi, Hans von 225 Dombek, Paul 39 Ebert, Friedrich 47, 49f., 83 Einstein, Albert 134 Eisfelder, Gertrud 131 Epenstein, Hermann von 113f., 213 248  Anhang

Erzberger, Matthias 51–54, 56, 83, 202 Eucken, Walter 168 Fallada, Hans 80 Fischer, David 36, 61 Fischer, Samuel 83 Fontane, Louis Henri 23f. Fontane, Theodor 9f., 12f., 23, 80, 205 Fouché, Joseph 76, 206 Francke, Hermann August 34 Freisler, Roland 188, 227 Frick, Wilhelm 125, 219, 223 Friedrich II., König von Preußen 118 Frierleben (Archidiakon) 27 Furtwängler, Wilhelm 80, 83, 107, 212 Gerstenmaier, Eugen 174, 177, 225 Geyer (Katasterobersekretär) 127 Gierke, Otto von 33 Goebbels, Joseph 110, 125, 136, 150, 152, 189, 220 Goerdeler, Carl Friedrich 15, 153,158f., 168, 174, 177, 190f., 221 Goethe, Johann Wolfgang von 9–13, 27, 80, 86, 192f., 195 Göring, Carin geb. von Kantzow 115, 144 Göring, Emmy geb. Sonnemann 167 Göring, Fanny 114, 213 Göring, Heinrich Ernst 213

Göring, Hermann 16ff., 111–121, 125, 133, 136ff., 142, 144, 152–157, 160, 162, 164, 167f., 184f., 187, 214, 218, 220f. Göring, Ilse 156 Görnnert, Fritz 227 Grabower, Rolf 40, 59, 128f., 180, 189, 200, 203, 215 Gritzbach, Erich 117f., 157 Groener, Wilhelm 111 Gropius, Walter 24 Grynspan, Herschel 150 Guardini, Romano 208 Gürtner, Franz 101, 125, 153 Harms, Bernhard 104, 207, 211 Hassell, Hans Dieter von 190 Hassell, Ilse von 189, 224 Hassell, Ulrich von 15, 145–148, 150f., 153, 155–158, 174, 177f., 180, 224f., 227 Hassell, Wolf Ulrich von 225 Haverbeck, Edgar 178, 180, 186, 227 Heinrici, Carl 148f. Held, Heinrich 104 Helferich, Karl 74 Henderson, Neville 156 Herrmann (Katastersekretär) 127 Heuss, Theodor 226 Heydrich, Reinhard 151 Hilferding, Rudolf 57, 67, 71, 73–76, 205 Himmler, Heinrich 17, 136, 150f., 160, 167, 178ff., 188ff., 196, 225f. Hindenburg, Paul von 42, 65, 72, 75, 77, 89f., 93, 97–100, 105, 108f., 204, 210

Hitler, Adolf 15, 90, 99f., 105, 108ff., 113, 115, 117, 120–124, 136, 140, 145f., 148, 150–157, 159, 167, 178f., 181, 184f., 187f., 213 Hoffmann, Peter 175 Hugenberg, Alfred 213 Jaeger, Werner 81 Jessen, Jens 15, 159f., 168, 174, 190, 192 Jonas, Hans 79 Jünger, Ernst 87, 89, 208 Junghann, Otto 39 Kaehler, Wilhelm 210 Kaltenbrunner, Ernst 188 Kaufmann, Erich 60, 203 Kempner, Franz 148f., 219 Keynes, John Maynard 69 Kleist, Heinrich von 208 Klepper, Otto 100f., 210 Köhler, Heinrich 76, 107, 206 Körner, Paul 218 Krosigk, Lutz Graf Schwerin von 105, 125, 128, 153, 163ff., 218 Kublenbeitz (Prof. f. Deutsches Recht Lausanne) 31 Küter, Käte 217 Kutscher, Wilhelm 42 Landfried, Friedrich 215, 219 Langbehn, Julius 178–181, 187f., 190 Lange, Herbert 186 Lautz, Ernst 187f. Liebknecht, Karl 47f., 142f. Liszt, Franz von 32 Löbe, Paul 90 Loebell, Friedrich Wilhelm von 42 Luther, Hans 57, 61, 69, 209 Luxemburg, Rosa 48 Personenregister  249

Mäding, Erhard 191, 195, 227 Mann, Thomas 80 Markull, Wilhelm 59 Meinecke, Friedrich 61, 192 Mendelssohn, Moses 25 Meyer, Dr. (Ministerialbeamter) 131, 216 Mischewski, Josef 132f. Moldenhauer, Paul 77 Moltke, Helmuth James Graf von, 186, 195 Mommsen (Oberlandesgerichtsrat) 34, 199 More, Thomas 192, 228 Mosse, Rudolf 83 Müller, Herbert 216 Müller, Hermann 71f., 204f. Napoleon Bonaparte 76 Noske, Gustav 49 Ohlendorf, Otto 190, 228 Oldenburg-Januschau, Elard von 108 Oncken, Hermann, 61 Ott, Eugen 109 Papen, Franz von 97–102, 104ff., 108f., 149, 212 Pareto, Vilfredo 30, 33 Paul, Prinz von Jugoslawien 154 Pfundtner, Hans 223 Piscator, Erwin 79 Planck, Erwin 15, 101, 148f., 174, 209, 220 Planck, Max 148 Pleiger, Paul 162 Popitz, Agnes 198 Popitz, Anna 23ff. Popitz, Christoph Friedrich 196 Popitz, Cornelia 58, 180, 189, 195, 219, 222 250  Anhang

Popitz, Cornelia geb. Slot 46, 50, 67, 87, 100f., 144, 201, 211 Popitz, Friedrich 21, 25, 197 Popitz, Hans 106, 189, 192, 222, 228 Popitz, Heinrich (Bruder von Johannes Popitz) 23ff., 28, 62 Popitz, Heinrich (Sohn von Johannes Popitz) 58, 144, 189, 195, 219, 222 Popitz, Heinrich (Vater von Johannes Popitz) 21ff., 26, 28, 62, 196, 197 Popitz, Hermann 28, 196, 198 Popitz, Sidonie 197 Pringsheim, Fritz 178 Quittschau, Ewalt 144, 219 Rabl, Ernst 31 Rade, Martin 49 Ranke, Leopold von 16 Rath, Ernst von 150, 220 Rathenau, Walther 82f., 207 Reil, Friedrich 196 Reinhardt, Max 79 Reinhold, Peter 69f. Ribbentrop, Joachim von 156, 187ff. Richthofen, Manfred von 114 Riegele, Olga 156f. Roesicke, Richard 25, 197 Röhm, Ernst 179 Rosenberg, Samy 140 Rudolph, Moritz 23f., 26ff., 30f., 197f. Rust, Bernhard 119, 121, 137, 140, 213 Saemisch, Friedrich 54, 205 Salin, Edgar 107, 207 Sarre, Marie Louise 187

Sauerbruch, Ferdinand 160 Schacht, Hjalmar 57, 73–77, 103, 152, 165, 205, 223 Schäffer, Hans 103f., 211 Scheidemann, Philipp 47, 49 Schiffer, Eugen 50, 61 Schiller, Friedrich von 173 Schinkel, Karl Friedrich 140 Schleicher, Kurt von 97, 101, 105, 108f., 149 Schleusener, Franz 101 Schlieben, Otto von 69 Schmitt, Anima Louise 87 Schmitt, Carl 16f., 77f., 82f., 86–89, 91, 93, 99, 103f., 106f., 109, 111f., 118, 160, 184, 192, 207, 209, 211f., 214 Schmitt, Duška 86ff., 161 Schmoller, Gustav 33 Schroeder, Franz 74 Schücking, Walther 86 Schumacher (Katasterobersekretär) 127 Schütz, Emil 132f. Simon, James 83 Smend, Rudolf 208 Sohm, Rudolf 31 Solf, Wilhelm 82 Sollmann, Wilhelm 131 Spranger, Eduard 81 Stark, Oskar 179, 220, 225f.

Stein, Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum 106 Stieve, Friedrich 84 Strasser, Gregor 105, 108 Stresemann, Gustav 73, 83, 204 Sybel, Ernst von 148, 150 Terboven, Josef 163 Thyssen, Fritz 161 Tischbein, Friedrich 148f., 220 Trappenberg, Erwin Wilhelm 39 Troeltsch, Ernst 50, 209 Trott zu Solz, Adam von 174 Virchow, Rudolf 59 Wagner, Adolph 33, 170f., 199 Wagner, Richard 207 Warmbold, Hermann 97, 210 Weber (Konreferendar) 36 Weisbach, Werner 111, 129, 213 Wels, Otto 48 Wessel, Horst 142f. Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von 81 Wilhelm II. 14 Wirth, Joseph 56 Witzleben, Erwin von 177 Wüllenweber, Dr. (Ministerialrat) 127f. Wussmann, Karl 131f. York von Wartenburg, Peter Graf 174, 177 Zarden, Arthur 101, 211 Zweig, Stefan 80

Personenregister  251

Carl Goerdeler gegen die Verfolgung der Juden PETER HOFFMANN Peter Hoffmann

CARL GOERDELER GEGEN DIE VERFOLGUNG DER JUDEN

Carl Friedrich Goerdeler war einer der führenden Köpfe der konservativen Widerstandsbewegung im „Dritten Reich“. Seine Vorstellungen über eine Neuordnung der Stellung der Juden in der Welt brachten ihm von einigen Historikern den Vorwurf des Antisemitismus ein. Peter Hoffmann, Kenner des deutschen Widerstands und Stauffenberg-Biograf, zeigt dagegen auf Grundlage neu ermittelter und analysierter Quellen Goerdelers unablässiges Bemühen um den Schutz der Juden vor Verfolgung, Verlust ihrer Staatsangehörigkeit und Ermordung. Eine zentrale Persönlichkeit der bürgerlichen Opposition und der Umsturzbewegung gegen den Nationalsozialismus erfährt hier eine neue Bewertung und Würdigung.

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DIE WANNSEE-KONFERENZ AM 20. JANUAR 1942 DOKUMENTE – FORSCHUNGSSTAND – KONTROVERSEN

Mit der Wannsee-Konferenz wurde der gesamte deutsche Staatsapparat zum Mitwisser und Mittäter bei der Ermordung der europäischen Juden. Der bereits stattfindende Massenmord wurde zum systematischen Völkermord. Das Konferenzprotokoll als schriftliche Quelle und seine Überlieferung, die Interpretation seiner bürokratischen Sprache, die Interessen der Konferenzteilnehmer, aber auch die Kontextualisierung in Geschichtsschreibung, Erinnerungskultur und Pädagogik werden in diesem Buch analysiert. Alle wichtigen Dokumente zur Konferenz und ihrem Umfeld sowie Eichmanns zahlreiche Äußerungen hierzu in Argentinien und Israel sind als Faksimilie oder in Abschrift wiedergegeben. 2013. 482 S. 43 S/W-ABB. GB. 170 X 240 MM. | ISBN 978-3-412-21070-0

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SPRACHE UNTERM HAKENKREUZ EINE ANDERE GESCHICHTE DES NATIONALSOZIALISMUS

Diktatorische Herrschaft beruht in erster Linie auf physischer Gewalt. Sie nutzt aber auch sprachliche Mittel, um ihren Machtanspruch durchzusetzen und zu etablieren. Die NS-Diktatur ist in dieser Hinsicht ein besonders eindrückliches Beispiel. Das neue Buch des Sprachwissenschaftlers Horst Dieter Schlosser widmet sich der „Sprache unterm Hakenkreuz“ und ihren Mechanismen zur Machterhaltung. Er arbeitet insbesondere das Wechselspiel zwischen sprachlicher Diskriminierung und Vernichtung von tatsächlichen und mutmaßlichen Gegnern des Regimes heraus und stellt auch die Positionen des Widerstands gegen das Regime umfassend dar. Schlossers Analyse bietet eine profunde Basis zum Verständnis der Massenwirksamkeit von Propaganda und eine Grundlage, ihr mit sprachlichen Mitteln zu begegnen. 2013. 424 S. GB. 155 X 230 MM ISBN 978-3-412-21023-6 [BUCH] | ISBN 978-3-412-21654-2 [E-READER]

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CHRISTIANE FRITSCHE, JOHANNES PAULMANN (HG.)

»ARISIERUNG« UND »WIEDERGUTMACHUNG« IN DEUTSCHEN STÄDTEN

»Arisierung« und Wiedergutmachung werden in der historischen Forschung oft getrennt voneinander betrachtet. Der vorliegende Band nimmt beide Prozesse in den Blick und verbindet damit aktuelle Ergebnisse zu diesen beiden Forschungsfeldern. Im Mittelpunkt steht der Umgang der deutschen Städte mit »Arisierung« und »Wiedergutmachung«, schließlich berührten beide Vorgänge die Kommunen unmittelbar. Die einzelnen Beiträge spüren den lokalen Unterschieden nach und analysieren das Verhalten von Stadtverwaltungen sowie anderen Akteuren vor Ort. Dabei spannt der Band einen weiten Bogen von der Vernichtung jüdischer Gewerbetätigkeit in deutschen sowie österreichischen Städten und der »Arisierung« von Kunstsammlungen über die finanzielle Ausplünderung und die »Verwertung« von jüdischem Besitz nach den Deportationen bis hin zur Soforthilfe für jüdische Überlebende nach 1945 und den Entschädigungsleistungen durch die Bundesrepublik Deutschland. 2014, 395 S. 33 S/W-ABB. GB. 155 X 230 MM. ISBN 978-3-412-22160-7 [BUCH] | ISBN 978-3-412-21814-0 [EBOOK]

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