Johann Wilhelm und Johanna Eleonora Petersen: Eine Biographie bis zur Amtsenthebung Petersens im Jahre 1692 9783666558146, 3525558147, 9783525558140

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Johann Wilhelm und Johanna Eleonora Petersen: Eine Biographie bis zur Amtsenthebung Petersens im Jahre 1692
 9783666558146, 3525558147, 9783525558140

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V&R

ARBEITEN ZUR GESCHICHTE DES PIETISMUS IM AUFTRAG DER

HISTORISCHEN KOMMISSION Z U R E R F O R S C H U N G DES PIETISMUS

HERAUSGEGEBEN VON

K. ALAND, E. PESCHKE UND G. SCHÄFER

BAND 30

VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN

JOHANN WILHELM UND JOHANNA ELEONORA PETERSEN EINE BIOGRAPHIE BIS ZUR AMTSENTHEBUNG PETERSENS IM JAHRE 1692

VON

MARKUS MATTHIAS

VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN

Die ersten 16 Bände dieser Reihe erschienen im LutherVerlag, Bielefeld. Ab Band 17 erscheint die Reihe im Verlag von Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen

Die Deutsche Bibliothek -

CIP-Einheitsaujhahme

Matthias, Markus: J o h a n n Wilhelm u n d Johanna Eleonora Petersen: eine Biographie bis zur A m t s e n t h e b u n g Petersens im Jahre 1692 / v o n M a r k u s Matthias. - Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1993 (Arbeiten zur Geschichte des Pietismus; Bd. 30) Z u g l . : Erlangen, N ü r n b e r g , U n i v . , Diss., 1988 I S B N 3-525-55814-7 NE: GT

© 1993 Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen Printed in G e r m a n y . - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist o h n e Z u s t i m m u n g des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere f ü r Vervielfältigungen, Übersetzungen, M i k r o v e r f i l m u n g e n u n d die Einspeicherung u n d Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gesetzt aus B e m b o auf Linotron 202 System 4 (Linotype). Satz u n d Druck: G u i d e - D r u c k G m b H , T ü b i n g e n Bindearbeit: H u b e r t & C o . , Göttingen

Vorwort Eröffnen soll dies Buch ein Wort des Dankes an Herrn Professor Dr. Hans Schneider (Marburg), der mir mit seinem Vorschlag, das pietistische Ehepaar Petersen biographisch darzustellen, den Weg in das in seinen geistigen Umbrüchen so spannende 17. Jahrhundert gewiesen hat. Da er zur Zeit der Abfassung der Arbeit noch an der Kirchlichen Hochschule in Neuendettelsau lehrte, wurde die Arbeit bei der Theologischen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg eingereicht und dort im Sommersemester 1988 mit einem etwas längeren Titel als kirchengeschichtliche Dissertation angenommen. Herr Professor Dr. Berndt Hamm (Erlangen) hat dankenswerterweise das Zweitgutachten erstellt. Im Druck erscheint die Arbeit jetzt in etwas überarbeiteter Form. Das Werkverzeichnis der Petersens, das zu der Dissertation gehörte, soll demnächst folgen. Die Veröffentlichung der ersten, eigenständigen wissenschaftlichen Arbeit gibt rückblickend Anlaß zu vielfachem Dank. Stellvertretend für meine germanistischen und theologischen Lehrer in Göttingen, Tübingen, Jerusalem und Straßburg möchte ich Herrn Professor Dr. Bernd Moeller (Göttingen) nennen. Er hat mir mit der Stelle eines Wissenschaftlichen Mitarbeiters bei der Kommission zur Herausgabe der Werke Martin Luthers nicht nur eine mensa für ein unbeschwertes Forschen geboten, sondern mir darüber hinaus manche Förderung zuteil werden lassen. Schließlich danke ich denjenigen Institutionen, die diese Arbeit mit finanziellen Zuwendungen unterstützt haben: der Hessischen Lutherstiftung für ein Doktorandenstipendium und für Druckkostenzuschüsse der Evangelisch-lutherischen Kirche von Hannover, der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, dem Kirchenkreis Eutin sowie dem Ritterschaftlichen Kollegium des Fürstentums Lüneburg. Bochum, im Oktober 1992

Markus Matthias

5

Inhalt Vorwort

5

Einleitung

11

Erster Teil: Herkunft

und

Bildung

I. Herkunft und Kindheit in Lübeck Geburtsort Osnabrück 18 Eltern und Familie 21 Andreas Prätorius 24 Kindheit in Lübeck 26 Das Katharineum 28 Die Lehrer 30

18

II. Studienjahre Philosophisches Grundstudium in.Gießen 32 Studium in Rostock und Magisterpromotion 36 Theologiestudium in Gießen 37 Magister legens 39

32

Zweiter

Teil: Begegnung

mit dem

Pietismus

I. Die pietistische B e w e g u n g in Frankfurt a. Μ Einleitung 46 Begegnung mit Ph. J. Spener 47 Die Collegia pietatis 50 Der Dilfeldstreit 60 „Enthusiastische" Theologie 74J.J. Schütz und der Chiliasmus 76

46

II. Johanna Eleonora von Merlau Herkunft 79 Übersiedlung nach Frankfurt a. M. 84 Begegnung mitj. W. Petersen 88 J. E. v. Merlau und die pietistische Bewegung 89

79

Dritter

Teil: Abschluß

des Studiums

und erste

Berufstätigkeit

I. Von Gießen nach Rostock Letzte Disputationen 96 Erste Berufsaussichten 100 Kandidat in Lübeck 102 Kampf gegen den Katholizismus 105 Professor für Poesie in Rostock 107 II. Pastor in Hannover Berufung 110 Pastorale Tätigkeit 111 Niels Stensen 114

96

110

7

Vierter Teil: Superintendent

und Hojprediger in Eutin

I. Kirchliche Etablierung Berufung nach Eutin 118 Das Bistum Lübeck-Eutin 121 Heirat mitj. E. v. Merlau 124 Speners Traupredigt 126 Verspätete Studienreise 129

118

II. Kirchliche Wirksamkeit Persönliche Beziehungen 130 Pastorale Tätigkeit 132 Förderung der Konfirmation 140

130

III. Der Spruchkatechismus Einleitung 146 Vorbemerkung zur Interpretation 149 Die äußere Gestalt 150 Das katechetische Ziel 152 Der mündige Christ 154 Erkenntnis und Moral 156 Das Gesetz 157 Der Glaube 159 Die Kirche 160 Chiliastische Ansätze 161

146

IV. Theologie und Bibel Promotion in Rostock 163 Bekenntnis und Bibel 168 Auslegung von Römer 7 169 Der Chiliasmus 183 Kaspar Hermann Sandhagen 193

163

Fünfter Teil: Superintendent

in Lüneburg

I. Der Weg in die Öffentlichkeit Einleitung 200 Geschichte Lüneburgs 203 Kirchliche Verfassung 203 Berufung nach Lüneburg 204

198

II. Erste Konflikte in der Amtsführung Der Komödienstreit 217 Erste chiliastische Predigten 223 Die Achtzehn Fragen 233 Die Resolution vom 10. Mai 1690 238 Die Akzidenzienfrage 241 Teplitzer Reise 243 Der Hochzeitsstreit 246

217

III. Rosamunde Juliane von der Asseburg und der enthusiastische Pietismus Einleitung 254 R.J. v. d. Asseburg 256 Übersiedlung nach Lüneburg 258 Überlieferung ihrer Offenbarungen 260 Die Art ihrer Offenbarungen 261 Seelsorgerliche Wirkungen 262 Marie Sophie von Reichenbach 264 Betstunden im Hause Petersen 267 Reise nach Lübeck 272 Das falsche „Prognosticon" 278 Robert Schott 281 Der Schritt an die Öffentlichkeit 285 Radikale Eschatologie 291 Die Petersens und R. J. v. d. Asseburg 296 Ausblick 300 IV. Das Ende der kirchlichen Karriere Petersens Neuerliche Anklage 301 Das Te-Deum 306 Der Kirchendieb 308 Liturgische Fragen 309 Der Verlauf des Konflikts im Jahre 1691 311 Chr. H. Lauterbach 315 Die Zuspitzung der Situation 318 Der Konsistorialprozeß 321

8

254

301

Sechster Teil: Petersen als Theologe - Eine unhistorische

Nachschrift

Einleitung 331 Die Leidenschaft des ethischen Denkers 332 Die Anfechtung der Frömmigkeit durch den Prädestinationsglauben 336 Die heilsgeschichtliche Definition der eigenen Existenz 337 Der Ursprung des Bösen in der Welt und die Rechtfertigung Gottes 338 Handschriftliche Quellen

341

Quellen u n d Literatur

346

Siglen u n d wichtigste A b k ü r z u n g e n

379

Werkverzeichnis (Auswahl)

382

Personenregister

388

Bibelstellenregister

400

9

Einleitung Wer eine geschichtliche Darstellung des Pietismus aufschlägt, findet dort in der Regel ein mehr oder weniger ausfuhrliches Referat über das Ehepaar Johann Wilhelm und Johanna Eleonora Petersen. Obwohl Emanuel Hirsch sie zu den „fesselndsten Erscheinungen des pietistischen Schwärmertums" zählt, 1 bleibt es allenthalben bei einem summarischen Überblick über Leben und Lehre der beiden Spenerfreunde. Dieser gehört zum Kanon kirchengeschichtlichen Traditionsgutes. Zu ihrem Verständnis hat Albrecht Ritsehl die Losung ausgegeben, die sinngemäß die meisten Darstellungen bestimmt. Er resümiert: „Das Pietistische an Petersen war seine Frau. " 2 Gewiß, schöner kann man es nicht sagen wenn man den, wie mir scheint, vordergründigen Eindruck der Autobiographien beider zur Grundlage der Darstellung macht und von da aus sein Gesamtverständnis gewinnt. Danach wäre dann das Pietistische der beiden Petersens religiöse Schwärmerei und ein diffuser Chiliasmus, der sie in einen ernsthaften Konflikt mit der kirchlichen Obrigkeit führte. Mit seiner ihn initiierenden und stärkenden Frau im Hintergrund habej. W. Petersen unbelehrbar und starr an seiner Überzeugung festgehalten und damit eine Entwicklung forciert, die in seiner Amtsenthebung, in Kirchenfeindschaft und -fremdheit (Separatismus) endete und daher als Radikalpietismus etikettiert wird. Es steht außer Frage, daß Johann Wilhelm Petersen in hohem Maße unter dem Einfluß seiner geistig und geistlich kreativen Frau stand und daß er in seiner Theologie wie in seinem Handeln von ihr entscheidend geprägt wurde. Ritschis Bonmot zielt freilich nur vordergründig auf den unbezweifelten Tatbestand, daß Johanna Eleonora die „entschiedenere", „männlichere" und religiös „ursprünglichere", insofern dann auch pietistischere Persönlichkeit war. 3 Wer Ritschis abwertende Charakterisierung des Pietismus in Rechnung zieht, wird in seinem zitierten Urteil eine Auffassung entdecken können, nach der das Verhältnis der beiden Petersens zueinander eine neuzeitliche Wiederholung des Sündenfalls, eine Postfiguration von Adams Fall darstellt. Der gelehrte Mann des Geistes wird von der religiösen Schwärmerei seiner und anderer Frauen verfuhrt, aus dem Garten der nüchternen 1 H I R S C H , Geschichte der neuern evangelischen Theologie 2, 1951, 259; vgl. RITSCHL, Geschichte des Pietismus 2, 1884, 225-249; S C H M I D T , Pietismus (1972) 1978, 127-129 und BEYREUTHER, Geschichte des Pietismus 1978, 294f. 2

RITSCHL, a a O ,

3

AaO, 226 und 231.

248.

11

Gedankenstrenge und der behüteten Orthodoxie vertrieben, wird schließlich - nach einem gängigen Wort seiner Zeit - ein verführter Verführer. Gegenüber Ritschis ebenso griffiger wie wirkungsvoller Formel sind jedoch erhebliche Zweifel anzumelden. Die Auffassung, daß der Pietismus nur akzidentell die Domäne des Geistes, der kirchlichen Theologie und der Wissenschaft berührt, mißachtet die Tatsache, daß der Pietismus sowohl in seinem Ursprung als auch in seiner Ausbreitung fest in der Akademikerschicht verankert ist, der man doch ein geistiges Interesse und ein Bewußtsein der theologischen Probleme zutrauen darf. Ritschis Auffassung läßt sich nur halten, wenn man seinen analytischen Pietismus-Begriff teilt, wonach dem von Spener ausgehenden Pietismus „das Streben nach Gefühlsseligkeit einerseits, die scrupulose Selbstprüfung auf Moralität andererseits, endlich der Zug zur ganzen oder halben Separation" zu eigen wäre. 4 Ein historisches Verständnis hat aber von einer soziologischen Erfassung auszugehen, bei der alle Strömungen, Bewegungen und Denkansätze zu vereinigen sind, die im Umfeld der führenden Pietisten, also Ph. J. Speners, Α. H. Franckes und N. L. v. Zinzendorfs, anzutreffen sind. Alle ihre Parteigänger, Freunde, Schüler und Sympathisanten, die sich aus religiösen Gründen mehr oder weniger von der Amtskirche distanzierten, müssen zunächst gemeinsam in den Blick genommen und ihre Werke in Theorie und Praxis im einzelnen analysiert werden, bevor ein Bild des Pietismus entworfen werden kann, das dann freilich nicht ohne Selektion auskommt. Mit anderen Worten: Bei aller Gefahr der Unschärfe, die die Vielzahl der historischen Phänomene in ihrer Individualität mit sich bringt, muß der Pietismus ein offener Begriff bleiben, der immer wieder durch wissenschaftliche Forschung und Diskussion ergänzt, erweitert und neu gebildet wird. Es gibt auch der Umstand zu denken, daß Pietismus und Aufklärung gewöhnlich zu einer geistesgeschichtlichen Epoche verbunden und als Neuprotestantismus vom Altprotestantismus abgesetzt werden. Für die Mitte des 18. Jahrhunderts darf man sogar damit rechnen, daß 40% der protestantischen Bevölkerung im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation vom Pietismus berührt waren. 5 Handelt es sich beim Pietismus trotzdem nur u m eine dekadente, der lutherischen Kirche wesensfremde Frömmigkeitsbewegung? Das Beispiel des Ehepaares Petersen, bei dem nach Ritschis Meinung religiöses Gefühl und wissenschaftlicher Geist eine so disparate Bindung eingehen, kann vielleicht zeigen, daß der Pietismus mehr ist als eine Religion des Gefühls, nämlich ein umfassender geistig-geistlicher Prozeß, der mit dem religiösen, theologischen und wissenschaftlichen Geist der deutschen Universitäten des 17. Jahrhunderts untrennbar verbunden ist. Der gelehrte 4 AaO, 163. NB. „Als Urheber des Pietismus in der lutherischen Kirche ist Spener für seine Person selbst nicht Pietist" (ebd.)! 5

12

SCHRÄDER, P r o b l e m e 1988, 87.

Bibeltheologe J . W. Petersen könnte - und das wird zu untersuchen s e i n eine andere Gestalt des Pietismus entwickelt und vertreten haben, als Ritsehl sie mit seinem analytischen Urteil voraussetzt, bevor er an die Untersuchung der einzelnen Vertreter, also auch Petersens, geht. Dann wäre das Pietistische an Petersen sein eigenes Handeln und Denken - und nicht seine Frau. Anders als Ritsehl will ich daher in der vorliegenden Arbeit Johann Wilhelm Petersen den Vortritt vor seiner Frau lassen. Johann Wilhelm und Johanna Eleonora Petersen haben ein umfangreiches Schriftenkorpus hinterlassen. Walter Nordmann hat daraus die theologische Gedankenwelt des Ehepaares rekonstruiert. Er hat versucht, die Stringenz und Entelechie des geistigen Systems aufzuzeigen. Seine ideengeschichtliche Analyse löst sich fast vollständig von der Biographie der Verfasser. N o r d manns Untersuchung soll hier nicht revidiert werden. Sie hat bleibenden Wert. Allerdings bleibt seine synthetisierende Darstellung für das Verständnis Petersens als Pietisten unbefriedigend, weil sie dessen Gedankengebäude als ein zwar in sich geschlossenes, aber ungeschichtliches und damit letztlich willkürliches Konzept darbietet. Petersen war eben Chiliast. Nordmann fragt nicht nach den Wurzeln und Motiven von Petersens Chiliasmus, sondern setzt mit ihm als Gegebenheit ein. Methodisch geht er von einem rückwärts gerichteten „Semel chiliasticus, semper chiliasticus" aus. Entsprechend gelingt es ihm nicht, den bei Petersen zu beobachtenden Enthusiasmus überzeugend in das System einzubeziehen. Er ist nur ein eschatologisches Ingredienz neben anderen, das zum Chiliasmus gehört und ihn bestätigt. 6 In der vorliegenden Arbeit versuche ich dagegen zu zeigen, daß der Enthusiasmus und damit die besondere Auffassung von der Gottes- und Schrifterkenntnis ein Grundpfeiler von Petersens theologischem Denken ist. Daher soll die Geschichte von Petersens Enthusiastin Rosamunde Juliane von der Asseburg ausfuhrlich in die Darstellung einbezogen werden. Sie darf nicht einfach als Kuriosität und zufälliger Stolperstein Petersens aufgefaßt werden. Ihr Enthusiasmus ist ein Spiegelbild von Petersens eigener Theologie. Unerläßlich fur ein mentalitätsgeschichtlich orientiertes Verständnis des Pietismus ist, wie gesagt, die genaue historische Beschreibung der Phänomene. Hans Schneider hat in seinem Forschungsbericht über den radikalen Pietismus (1982/83) auf die unbefriedigende Erforschung dieses „Völkchens von Phantasten und skurrilen Sonderlingen" hingewiesen, wie sie gemeinhin betrachtet werden. 7 Es fehlt an ausfuhrlichen biographischen Arbeiten, die ein genaueres Bild von dem Zusammenhang der pietistischen Bewegung und ihrer Träger zeichnen ließen, von ihren geistigen Gemeinsamkeiten und Eigenarten, Beziehungen und Abhängigkeiten. Gerade weil es sich um eine 6

NORDMANN, E s c h a t o l o g i e 1, 1 9 3 0 , 105 f. u n d 9 0 f.

7

SCHNEIDER, P i e t i s m u s 1, 1 9 8 2 , 15.

13

diffuse und vielschichtige Bewegung handelt, deren Wirkung nicht in ihrer Gedankenstrenge liegt, muß den eigentümlichen wie den scheinbar belanglosen, den alltäglichen wie den außergewöhnlichen Spuren nachgegangen werden. Erst dann kann man hoffen, auch die Aporien lösen zu können, die der Versuch aufwirft, ein schlüssiges Gesamtkonzept für das Verhältnis des Radikalpietismus zum Pietismus und damit für den Pietismus überhaupt zu gewinnen. 8 Wenn ich hier eine Biographie der beiden Petersens bis zur Amtsenthebung Johann Wilhelms im Jahre 1692 vorlege, folge ich einer Anregung Hans Schneiders. 9 Indem ich mich auf die erste Lebenshälfte der beiden Petersens beschränke, versuche ich das oben für Walter Nordmanns Arbeiten aufgestellte Desiderat zu erfüllen. Zugleich soll die Darstellung der Genese des Petersenschen Pietismus die Anfänge des von Spener herkommenden Pietismus überhaupt erhellen. Zunächst galt es, die Quellen aufzuspüren, die die Gestalten der Vergangenheit wieder lebendig werden ließen. Bei Pietisten wie den beiden Petersens konnten und mußten die von ihnen selbst verfaßten Lebensbeschreibungen als materiale Grundlage und als heuristischer Leitfaden dienen. Sowohl Johanna Eleonora als auch Johann Wilhelm haben eine Autobiographie verfaßt. Beide Werke gehören wohl zu den bekanntesten ihrer Gattung. 10 Schon zu ihren Lebzeiten wurden sie zwei- bzw. dreimal aufgelegt. Johanna Eleonoras Lebensbeschreibung (LB II) erschien zuerst als Teil ihrer „Hertzensgespräche" (1689) mit der programmatischen Überschrift: „Eine kurtze Erzehlung/ wie mich die leitende Hand Gottes bißher gefuhret, und was sie bey meiner Seelen gethan hat." Sie hat hier, im Erbauungsbuch, ihren ursprünglichen Ort. Zwei etwas erweiterte Auflagen (1718 und 1719) folgten jeweils als Anhang zu der viel umfangreicheren Autobiographie ihres Mannes. 11 Johann Wilhelm Petersens Lebensbeschreibung (LB) wurde zweimal (1717 und 1719) gedruckt. Obwohl sie ebenfalls eine erbauliche Funktion intendiert, ist sie formal weitgehend der Tradition der vorpietistischen Gelehrtenbiographik verpflichtet. 12 Ihre erschöpfende Auswertung, von der Überprüfung ihres Quellenwertes bis hin zur Identifizierung der darin berichteten Ereignisse und handelnden Personen, ist die erste Pflicht des modernen Biographen. 13 Die Geschichtswissenschaft lebt von den Be8

SCHNEIDER, P i e t i s m u s 2, 1983, 130 ff.

9

AaO, 128.

10

11

HIRSCH, a a O , 2 7 1 .

Die „Erzehlung" (1689) stimmt mit LB II (1718/19) von S. 1 bis S. 47/48 überein. SCHRÄDER, Petersen 1679, 205; vgl. die Sinnbestimmung in LB 1717, 1: Aufweis der „göttlichen Providentz" und S. 2: Aufforderung an die Leser, für sich selbst darauf zu achten, „was G O t t an ihren Seelen gethan". 13 Ich benutze aus praktischen Gründen die Lebensbeschreibung Johann Wilhelm Petersens in der ersten Auflage (1717). Sie ist abgesehen von den letzten Seiten (ab S. 385) nahezu seitengleich mit der zweiten Auflage von 1719. Von Johanna Eleonoras Autobiographie ziehe ich die zweite Auflage (1719) heran. Sie ist vollständig abgedruckt bei MAHRHOLZ, Pietismus 1921. 12

14

Sonderheiten, von den einzigartigen Umständen und individuellen Personen. Vor jeder generalisierenden Geschichtsschreibung muß ein pragmatisches Bild des Singulären im Rahmen einer Kritik von Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit gezeichnet werden. Für das Ehepaar Petersen fehlt eine ausfuhrliche Erkundung seiner konkreten Lebensumstände. Die Überblicke innerhalb kirchengeschichtlicher Darstellungen sowie die einschlägigen Lexikonartikel fassen, von einigen zusätzlichen Beobachtungen abgesehen, die Autobiographien des Ehepaares zusammen oder geben sie in gekürzter Gestalt wieder. 14 Eine spezifische Sekundärliteratur ist nur in bescheidenem Umfang vorhanden; hier ist W. Nordmann das Hauptverdienst zuzusprechen. 15 Aus der übrigen Literatur zum Pietismus waren einzelne Nachrichten zu sammeln. Bei aller Kritik, die man an Theodor Wotschkes Editionstechnik üben kann, muß festgehalten werden, daß seine unermüdliche Publikation von handschriftlichen Briefen eine wichtige prosopographische Quelle darstellt. Neben die Auswertung der beiden Lebensbeschreibungen traten die Suche und Aufarbeitung von handschriftlichen Quellen, von denen ein Teil in Lüneburg aufbewahrt wird, der Rest verstreut in verschiedenen Archiven lagert (s. Verzeichnis der handschriftlichen Quellen). Von diesem Archivmaterial fällt erhellendes Licht auf die Geschichte der Petersens. Weitere Quellen harren ihrer Erhebung; vor allem aus den Archiven der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik könnte wahrscheinlich noch weiteres Material an den Tag gebracht werden. Vermutlich gab es auch einen handschriftlichen Nachlaß Petersens. Wie aus den Dokumenten seiner Lebensbeschreibung hervorgeht, war er ein eifriger Sammler. Allerdings hat schon Georg Christoph Küster (gest. 1746), der die im Manuskript vorliegenden Carmina Petersens gesammelt und die Petersensche Bibliothek versteigert hat, offenbar keine Kenntnis davon gehabt. 16 Schließlich waren für eine Lebensgeschichte der Petersens ihre Schriften heranzuziehen. Die späteren, die die theologische Gedankenwelt der beiden Petersens entfalten, hat W. Nordmann ausgiebig ausgewertet. Weniger Beachtung fanden die Frühschriften Johann Wilhelms. Von ihrer Auswertung darf man etwas über die inneren Motive von Petersens Denken erwarten. 14

Hinzuweisen ist a) auf die biographischen Lexika, die bis zur A D B im Deutschen Biographischen Archiv (DBA) auf Mikrofiche zusammengestellt sind; b) auf die theologischen Enzyklopädien (RE, RGG) sowie c) auf zwei neuere biographische Artikel von E. SCHERING und H.-J. SCHRÄDER (S. Literaturverzeichnis). Ohne weiteren Quellenwert sind die verschiedenen, in Zeitschriften und Zeitungen erschienenen, popularisierenden Darstellungen und Auszüge aus den Biographien (Anonym, Petersen 1927; Anonym, Johanna Eleonora Petersen 1869; B . , H e i l i g e 1 8 9 1 ; KANNE (1816) 1 8 4 2 ; KÜRSCHNER 1 8 6 2 ; KÖCHER, H e r z o g 1 8 9 9 ; SCHNEER 1 9 5 9 ; SCHÖNFELDT 1 9 6 8 s o w i e FREYTAG, B i l d e r 4 , 1 8 9 8 ; H O R N , E r i n n e r u n g ( 1 8 1 8 ) 1 8 2 0 , P a n t h e o n 1 8 1 2 u n d MAHRHOLZ, P i e t i s m u s 1 9 2 1 ) . 15

Zu seinen Arbeiten s. Literaturverzeichnis. Dazu kommen noch LÜTHI, Allversöhnung

1 9 5 6 u n d SCHMIDT, F r ö m m i g k e i t 1 9 8 0 . 16

S. Verzeichnis der handschriftlichen Quellen; Berlin/ Ost.

15

Wer sich mit Vertretern des Radikalpietismus beschäftigt, darf bei ihnen keine genialen und epochemachenden Ideen erwarten. Abgesehen von einigen Ausnahmen hat der Radikalpietismus in Deutschland nicht traditionsbildend gewirkt. 1 7 So kann Petersen fur sich k a u m die Verehrung beanspruchen, die den großen Gestalten der Geschichte entgegengebracht wird; gewöhnlich w e r den er und der (Radikal-) Pietismus überhaupt kritisch analysiert und dann als Irrläufer abgetan. Auf ihn als geistigen Vater oder als einen lutherischen „Zeugen der Wahrheit" wird sich - jedenfalls in Europa - niemand berufen. Friedrich Nietzsche hat i m zweiten Stück seiner „Unzeitgemäßen Betrachtungen", w o er nach dem „Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben" fragt, die drei soeben angedeuteten Kategorien der Geschichtsschreib u n g analysiert, die eine jede für sich die scheinbare Alternative v o n Belehr u n g und Leben in einem Sowohl - Als auch zusammenbindet. Nietzsche bekennt sich zur Historie, indem er den „überhistorischen Menschen ihren Ekel u n d ihre Weisheit" und den unhistorischen Tatmenschen ihr Vergessen läßt und nach d e m Wert der historischen Belehrung für das Leben fragt. 1 8 Indem wir annehmen, daß Nietzsches Kategorien überall, w o Geschichte geschrieben wird, gegenwärtig sind, versuchen wir uns Rechenschaft über ein angemessenes Verhältnis zur Geschichte des Ehepaares Petersen und des Pietismus abzulegen. Sowohl die monumentalische wie die kritische Art der evangelischen Historie machen es sich zu leicht, den H ö h e p u n k t kirchlicher und theologischer Geschichte in Luther, Calvin u n d der Reformation zu sehen, die O r t h o d o x i e als die erste, einigermaßen gut überstandene Versuchung vor d e m Abfall von der reformatorischen Erkenntnis aufzufassen und mit d e m Pietismus den Beginn des Neuprotestantismus und damit der kirchlichen und theologischen Verderbtheit schlechthin zu begreifen. Die Sache wird auch dadurch nicht besser, daß m a n im Sinne der antiquarischen Kategorie Nietzsches einige Pietisten als legitime Erben u n d Nachfolger Luthers nachzuweisen und sie damit vor d e m mehr oder weniger ausdrücklichen Ketzergericht zu retten versucht. Alle diese Versuche sind historisch unter gegebenen U m ständen sicher zulässig und sinnvoll; sie achten aber nicht genug darauf, daß Kirchengeschichte oder Geschichtsschreibung als theologische Disziplin es auch i m m e r mit d e m Dritten Glaubensartikel zu tun hat. Das berührt nicht die Erforschung u n d Zusammenstellung der Fakten als A n t w o r t auf die Frage, wie es gewesen ist, w o h l aber ihre Auswertung u n d ihr Verständnis. Auf zwei Punkte sei daher hier noch aufmerksam gemacht. Wer mit Petersen i m gleichen R a u m der Kirche lebt, arbeitet und theologisch forscht, m ü ß t e sowohl bei der Begegnung mit den Lehrern der Kirche, den Heiligen und Autoritäten, als auch bei der mit den Abtrünnigen und 17

SCHNEIDER,

18

NIETZSCHE,

16

Pietismus 1, 1982, 1 5 . Werke 1, 1980, 256 und 253f. Zu den Kategorien s. S. 258-270.

Ketzern, in seinem eigenen Denken und Handeln, dem das fremdartige begegnet, betroffen sein. Und dann könnte und müßte es so sein, daß der heutige Theologe bei seiner Begegnung mit allen im Raum der Kirche sich befindenden Personen, und also auch mit den beiden Petersens, weil sie alle ein gemeinsames Ziel und einen gemeinsamen Inhalt ihrer theologischen Arbeit haben, unversehens feststellt, daß vieles von der hochgemut vorgetragenen reinen Lehre sich inmitten der bei den Petersens und anderen voreilig festgestellten Häresien wiederfindet, freilich in anderer Gestalt, in anderem historischen Gewand, in anderer Terminologie. Und umgekehrt, oft verschriene Häresien könnten unversehens im Spiegel der Geschichte als wichtiger Ansatz zur reinen Lehre erscheinen. Alle kirchlichen Gestalten und Phänomene der Vergangenheit reden in diesem Sinn noch immer mit „und wollen als Lebendige gehört sein, so wahr wir uns selbst und sie mit uns in der Kirche wissen. Sie haben vor uns je in ihrer Gegenwart um derselben kirchlichen Aufgabe willen dieselbe Besinnung geleistet, die heute von uns gefordert ist." 19 Ihre Probleme und Lösungsvorschläge ragen als immer unerledigte in unsere Gegenwart hinein. Wir müssen unsere theologische Arbeit vor vielerlei Instanzen, darunter auch vor ihnen, verantworten. Auf ein zweites ist hinzuweisen. Wie jede Zeit unmittelbar zu Gott ist (L. v. Ranke), so steht auch jede Zeit für sich unter dem Rechtfertigungsartikel, der jedes menschliche Tun und also auch die theologische Arbeit unter Gericht und Gnade stellt. Damit ist eine Haltung zur Vergangenheit intendiert, die aus der Weltgeschichte nicht ein Weltgericht macht. 20 Der Vergleich der Theologie Petersens mit derjenigen Luthers, der Orthodoxie und anderen wichtigen Gedankengebäuden darf und soll nicht zu einer Verschlossenheit führen, insofern die Gegenwart unter Berufung auf ihre theologischen Väter unter allen Umständen recht hat und recht haben muß. Die Entschiedenheit des eigenen Denkens, die Wahl eigener Kirchenväter fordert letztlich, die einen oder anderen hinter und rechts und links neben sich zu lassen. Und doch sollen wir - und ich folge hier der Barthschen Auffassung von Kirchengeschichte - diese Zurückgelassenen in ihrer Eigenart verstehen und mit ihnen nie ganz fertig werden, weil die von ihnen beschrittenen, vermeintlichen Irrwege als einmal zurückgelegte die unsrigen bleiben.

19

BARTH, T h e o l o g i e 1947, 3.

20

V g l . BARTH, a a O , 9 .

17

Erster Teil: Herkunft und Bildung I. Herkunft und Kindheit in Lübeck Geburtsort Osnabrück Geburtsort und G e b u r t s s t u n d e j o h a n n Wilhelm Petersens entbehren nicht einer gewissen Symbolik. Geboren am 1. Juli 1649 in Osnabrück, war er ein Kind des Westfälischen Friedens. U n d das Wort: „Tu eris filius Paris", das der Verhandlungsführer und päpstliche N u n t i u s Fabio Chigi (1599—1667) über den kleinen Täufling gesprochen haben soll, deutet diese symbolische Dimension an, w e n n er auf diese Weise Petersens Geburt „post pacem redditam" datiert. 1 Als „Sohn des Friedens" gehört Petersen zur Nachkriegsgeneration. Elend u n d Wirren des Dreißigjährigen Krieges hat er selbst nicht mehr erlebt. Er ist in relativ stabilen staats- und kirchenrechtlichen Verhältnissen aufgewachsen, die sich als eine neue Epoche des Abendlandes von derjenigen des konfessionellen Zeitalters abheben. Eine Generation lang hatte man u m staats-, verfassungs- und kirchenrechtliche Fragen und zugleich i m m e r u m Besitzstände gestritten, u m nun den Gegebenheiten durch einen im eigentlichen Sinne politischen Ausgleich Rechnung zu tragen. N e u e epochale Entwicklungen fanden im Westfälischen Frieden ihren N i e d e r schlag. Die Herausbildung von Nationalstaaten war mit der Beharrlichkeit von Reichsidee u n d Reichsverfassung zu vermitteln, die Vielzahl der gewissensmäßig begründeten Konfessionen mit d e m exklusiven Wahrheitsanspruch der christlichen Religion. Ein neues Denken setzte sich durch, dessen Gegensatz zu demjenigen des 16. Jahrhunderts k a u m zu überschätzen ist. Politischer Pragmatismus und Toleranz, äußere Praktikabilität und innere Gewissensfreiheit kennzeichnen den Geist des Friedenswerkes und der mit i h m anhebenden geschichtlichen Epoche. Nicht nur die kirchliche Reformation und das Auseinanderbrechen des corpus christianum hatten die Welt verändert. In Technik, Naturwissenschaft, Philosophie, Wirtschaft und Gesellschaft hatten sich gleichzeitig tiefgreifende U m w ä l z u n g e n vollzogen, die ihrerseits auf die reformatorische Theologie und Frömmigkeit einwirkten und sie zu neuzeitlichen Formen nötigten. Der Westfälische Frieden suchte diese Erscheinungen zu integrieren und bildete in den folgenden 150 Jahren den rechtlichen und politischen Rahmen für ihre weitere Entwicklung. Der Pietismus, als F r ö m -

1

18

LB 1717, 3. Fabio Chigi ist der spätere Papst Alexander VII (seit 1665).

migkeitsrichtung und als soziale Bewegung 2 , hebt im Jahrhundert dieses Friedenswerkes an, und er ist damit nicht nur eine innerkirchliche, theologische Schule oder religiöse Partei, sondern zugleich eine Form des beginnenden neuzeitlichen Protestantismus überhaupt. Pietismus und Neuzeit - ihr innerer Zusammenhang läßt sich gerade am Werdegang Petersens exemplarisch erkennen. Zunächst war Johann Wilhelm Petersen freilich in ganz elementarem Sinn ein Kind des Westfälischen Friedens. 3 Seine Eltern hatten sich in Osnabrück kennengelernt und geheiratet. 4 Sein Vater, Georg Petersen (gest. 1691), hielt sich während der Verhandlungen um den Westfälischen Frieden in der Lübecker Gesandtschaft auf, die von dem Stadtsyndikus David Gloxin (1597—1671) angeführt wurde. Der spätere Lübecker Bürgermeister David Gloxin, ein Verwandter August Hermann Franckes, vertrat in Osnabrück u. a. die Hansestädte Lübeck und Hamburg sowie das Lübecker Domkapitel und Fürstbistum, dessen Bestand er sichern half. 5 Georg Petersen war von Beruf kaiserlich-lübeckischer Notar („Notarius Publicus Caesariensis Lubecensis"), war also selbst kein Gesandter, sondern gehörte zum Stabe Gloxins. 6 Beide hielten sich, wahrscheinlich mit Unterbrechungen, mindestens von 1645 bis 1649 in Osnabrück auf. 7 Das kleine westfälische Städtchen, in dem Georg Petersen damals für längere Zeit wohnte, war neben dem nur wenig bedeutenderen Münster ausersehen, in seinen Mauern die Gesandten des Friedenskongresses aufzunehmen, die Deutschland und Europa den notwendigen Frieden und einen gerechten Ausgleich der mannigfaltigen Interessen bringen sollten. 8 Die großen europäischen Fragen wurden in Münster besprochen, wo sich abgesehen von den schwedischen und dänischen alle ausländischen Gesandten eingefunden hatten. Hier entfaltete sich ein dem Selbstwertgefühl der Großmächte angemessenes, prächtiges gesellschaftliches Leben. Demgegenüber ging es in Osnabrück etwas bescheidener zu, wo ein Teil der deutschen Reichsstände, darunter fast alle evangelischen, sowie die dänischen und 2

V g l . WALLMANN, A n f ä n g e 1 9 7 9 , 5 3 .

Ich übergehe die von Petersen in seiner LB, aaO vermutlich auch intendierte religiöse und apologetische Interpretation (futurische Redeweise!) des Wortes vom „filius p a d s " (vgl. z. B . J e s 9, 6 und L k 2 , 14). 4 L B 1717, 3; ein Taufeintrag ist weder in Osnabrück - die dortigen Kirchenbücher beginnen erst 1678 und 1691 (Auskunft des Gemeindeamts des Evang.-luth. Gesamtverbandes Osnabrück vom 4.9. 1985) - noch in Lübeck nachzuweisen. Daher sind auch seine Taufpaten (LB 1717, 3) unbekannt. 5 Zur Verwandtschaft von Gloxin und Francke s. SELLSCHOPP, Francke 1913, 242 oder Ders., Quellen 1913, 65 ff. 6 L B 1717, 3 und 5. Titel d. Vaters s. ζ. B. Petersen, Suspiria et gemitus 1667, [1]. 7 Meiern (-Walther) 1, 1734, 339 und 6, 1736, 971. Zu Gloxins Wirken s. BRAUBACH-REPGEN 3

1 9 6 4 f f . , s. v. u n d M e i e r n ( - W a l t h e r ) 1 7 3 4 - 3 6 ( u n d 1740), s. v . 8

Z u m g a n z e n v g l . PHILIPPI, F r i e d e 1 8 9 8 , 9 7 - 1 2 4 u n d 1 5 3 - 1 7 9 , KRÜGER, O s n a b r ü c k 1 9 3 6

u n d DICKMANN, F r i e d e ( 1 9 5 9 ) 1 9 6 5 , 1 8 9 - 2 1 5 .

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schwedischen Gesandten zusammengekommen waren. Hier verhandelte man die innerdeutschen Probleme, besonders die Religionsfragen, die ihr Ergebnis in dem „Instrumentum pacis Osnabrugense" (IPO) fanden. Die epochale Bedeutung des Vertragswerkes stand freilich in keinem Verhältnis zu seinem Entstehungsort. Osnabrück hatte seit Anfang des Jahrhunderts schwer gelitten und über die Hälfte seiner Bürger verloren. Für die Mitte des Jahrhunderts darf man mit nur sechs- bis achttausend Einwohnern rechnen. Begonnen hatte der rapide materielle Niedergang mit einem verheerenden Brand im Jahre 1613. Zeit zur Erholung blieb aber nicht, da fünf Jahre später der große Krieg begann, unter dem das zentral gelegene Osnabrück wie das ganze deutsche Land wegen seiner geographischen Lage zu leiden hatten. Deutschland war ein Netzwerk von Straßen, über die die Heere der Großmächte zogen, an deren Knotenpunkten sie sich einquartierten und regenerierten. In Osnabrück hinterließen besonders die niederländischen Feldzüge ihre Spuren. Dazu kam die innere Auszehrung. Die konfessionelle Frage blieb in der Stadt lange offen. Der Osnabrücker Bischof Franz Wilhelm von Wartenberg (1625—1661) hatte energische Anstrengungen unternommen, die protestantische Stadt wieder dem alten Glauben zuzuführen. Er vertrieb zahlreiche protestantische Amtsträger und wohlhabende Geschäftsleute. Der Preis für das Ende des konfessionellen Zwistes war die Einnahme und Besetzung der Stadt durch das schwedische Heer (1633—1643), das sich erst zu Beginn der Friedensverhandlungen aus der Stadt zurückzog. Aber Osnabrück war ohnedies ein „deutsches", provinzielles und ländliches Städtchen. Die Mehrzahl der Einwohner trieb Ackerbau und hielt ihr Vieh innerhalb der Stadtmauern. Die engen, winkligen Wege, die bäuerlichen Fachwerkhäuser und das verkommene Straßenpflaster gaben der Stadt ein derbes und dörfliches Gepräge. Hier also ließ sich Dr. David Gloxin mit seiner Gesandtschaft nieder. Er und wahrscheinlich auch sein Notar Georg Petersen fanden Unterkunft in dem Haus einer Witwe Grote. 9 Der Friedenskongreß und damit der Aufenthalt Georg Petersens in Osnabrück währte fast f u n f j a h r e (1643/44—1648/49). Da es sich um einen reinen Gesandtenkongreß handelte, mußtejedes Verhandlungsangebot zunächst an diejeweiligen Souveräne berichtet werden; dann waren erst neue Instruktionen abzuwarten, ehe weiterverhandelt werden konnte. Das mag in Osnabrück, wo die deutschen Reichsstände unter sich berieten, weniger lange gedauert haben als in Münster, von wo die Berichte erst in die europäischen Hauptstädte Wien, Madrid, Paris und Stockholm geschickt werden mußten. 9

PHILIPPI, Friede 1898, 155. Es handelt sich vielleicht um die Witwe des Osnabrücker Bürgermeisters Ludolph Grot(h)e, die im Jahre 1637 während einer allgemeinen Hexenhysterie der Zauberei verdächtigt worden war, der Verhaftung und Hinrichtung aber wegen ihrer Krankheit entkommen konnte. Sie hatte damals wie die anderen Beschuldigten bei den Geistlichen der Marienkirche, zu der auch der Vater von Petersens späterer Frau gehörte, Unterstützung gefunden; KRÜGER, Osnabrück 1936, 63.

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So entfaltete sich in diesenjahren des Verhandeins und Wartens fast notwendig ein intensives gesellschaftliches Leben unter den Gesandtschaften und den Bürgern der gastgebenden Städte. Für einen Mann wie den Notar Petersen war der kleine Kreis der Gebildeten, der Pfarrer, Juristen und Lehrer, der angemessene soziale Rahmen, in dem er sich bewegen konnte. Hier muß er schließlich seine spätere Frau kennengelernt haben. Sie hieß Magdalene Praetorius und war die Tochter des damals bereits verstorbenen Pfarrers der Marienkirche, Andreas Praetorius. Das Datum ihrer Hochzeit ist nicht mehr zu ermitteln. Wenn Johann Wilhelm Petersen nicht nur ihr erster Sohn, sondern ihr erstes Kind überhaupt war, werden Georg Petersen und Magdalene Praetorius um 1647/48 geheiratet haben. 10

Eltern und Familie

Über Georg Petersen, seine Persönlichkeit, seine geistige und religiöse Welt und selbst über seine Herkunft ist fast nichts bekannt. Wir wissen von einer Reise, die er mit seiner kleinen Familie und David Gloxin im Anschluß an die Unterzeichnung des Westfälischen Friedens in die Niederlande unternahmen und auf der sie auch die als Anhängerin Jean de Labadies (1610—1674) bekannt gewordene Anna Maria van Schurman (1607—1678) besuchten. Anna Maria van Schurman war damals zwar bereits die berühmte, gelehrte und umfassend gebildete Frau, der ihre Zeitgenossen größte Bewunderung zollten; sie war aber mit ihren theologisch-religiösen Ansichten noch nicht an die Öffentlichkeit getreten. Erst im Jahre 1664 hat sie sich der sektiererischen Gemeinde Labadies angeschlossen. 11 Man kann also von dem Besuch Georg Petersens bei Anna Maria van Schurman nicht auf eine Neigung zu Schwärmertum und Separatismus bei ihm schließen. Zudem war er ja nur Begleiter Gloxins, der die Reiseroute im wesentlichen vorgegeben haben wird. Wenn man die väterliche Linie von Georg Petersen weiter zurückverfolgt, verliert sich die Generationenfolge alsbald im dunklen. Aus der Verwandtschaft seines Vaters sind nur noch wenige Namen bekannt. Da ist einmal Petrus Petersen, ein Bruder von Georg Petersen. Er war Kammerschreiber und Kammersekretär beim Lübecker Fürstbischof in Eutin. 12 Weiter sind uns die Eltern der beiden Brüder namentlich bekannt: Jakob Petersen, „Rahts=Verwandter" und „Ober=Empfanger" in Tönning(en), 10

Vgl. LB 1717, 3; kein Kirchenbucheintrag s. Anm. 4.

11

DOUMA 1924, 10.

12

Petrus Petersen war seit 1667 Kammerschreiber und seit 1683 Kammersekretär (SHLA Abt. 260, Nr. 2119 „Bestallungen" [vernichtet]; vgl. LB 1717, 4. 26 und36: „Vetter" [Verwandter] Petersens; s. dazu D W B 12 II, 1951, 2 6 - 3 3 , unter 2).

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und seine Frau Anna Dircke, Tochter eines Tönninger Bürgermeisters. 13 Von Jakob Petersen wissen wir nur, daß nach seinem „Aufsatz" (Erlaß) „im Lande collectiret" (Steuer eingezogen) wurde. 14 Bei dem Amt, das Petersens Großvater innehatte, handelte es sich um ein ursprünglich unbesoldetes, bürgerliches Ehrenamt. Nach der Eroberung Dithmarschens (1559) durch Herzog Adolf von Schleswig-Holstein (1526—1586) im Verein mit seinem Bruder Johann (1521-1580) und Friedrich II. von Dänemark (1534-1588) waren dort verschiedene Verwaltungsreformen durchgeführt worden. Darunter sind im Jahre 1631 unter Friedrich III. (1609—1670) „auch in publicis gewisse Landes- und Kirchspiels-Gevollmaechtigte verordnet, welche auf die gemeine Landes- und Kirchspiels-Wolfahrt gute Acht haben, die collecten, jedoch mit voreingehohlten consensu populi, imponiren, und selbige durch einen general-Landes-Pfennig-Meister oder special-Kirchspiels-Einnehmer exequiren lassen, auch sonst was ad salutem publicam gehöret, sowohl nach der general- als special-Kirchspiels-Constitutionen sich reguliren sollen." 15 Johann Wilhelm Petersen selbst fuhrt seine Herkunft väterlicherseits auf eine adlige Familie aus den spanischen Niederlanden zurück, die unter der Statthalterschaft (1567—1573) des Herzogs von Alba, Fernando Alvarez de Toledo (1508—1582), nach Holstein geflohen sei und sich dort „nach Art der Friesen" (d. h. unter Verwendung des Vornamens ihres geflüchteten Ahnherren) genannt habe. 16 Wenn es sich hier nicht nur um eine legendäre Konstruktion im Zusammenhang mit der Standeserhebung von Petersens Sohn, dem preußischen Legationssekretär August Friedrich Petersen, im Jahre 1711 handelt, so wird man annehmen müssen, daß es Jakob Petersens Großeltern und Eltern waren, die aus den Niederlanden geflohen sind. Wenn nämlich Jakob Petersen wenige Jahre nach Johann Wilhelms Geburt seine goldene Hochzeit (um 1655?) feierte, muß er um 1605 (?) geheiratet haben und wurde wahrscheinlich um 1585 (?) geboren. 17 Dann müßten seine Eltern noch in den Niederlanden geboren sein. Merkwürdig und etwas unglaubwürdig ist freilich, daß die Familie den „rechten Geschlechts=Nahmen negligiret" habe, nachdem Jakob Petersen seines Vaters Taufnamen (Peter/ Piet) als Nachnamen angenommen hatte. Denn angeblich kannten schon die Söhne, erst recht der Enkel Johann 13 LB 1717, 4; Bertram, Lüneburg 1719, 256 und selbst Zedier 27, 1741, 1045. Keinen Aufschluß bietet PETERSEN, Chronik [1895-1898]; die Chronik beginnt mit einem Georg Petersen (1708—1783), und auf der Ahnentafel ist als frühester Vorfahre ein Konrad Petersen (geb. um 1680), späterer Bürgermeister in Sonderburg, angegeben. So ist von der zahlreichen Verwandtschaft Petersens (s. LB 1717, 4f.) - auch in den Lübecker Kirchenbüchern - nichts weiter nachweisbar. 14 LB 1717, 4; vgl. D W B 1, 1854, 718f. (unter 6.). 15 Sedorff, Dithmarsia 1743, 1899-1905, bes. 1900. 16 LB 1717, 4; vgl. August Friedrich Petersen an Joseph I. (Rom. Kaiser), o. O. o. D. („exped[itur]" am 2.3. 1711), Bl. Ψ- ÖSA Wien. 17 LB 1717, 4f.: Petersen war damals das jüngste Enkelkind.

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Wilhelm Petersen, den alten Namen nicht mehr. 18 Der Versuch, sich einer adligen Herkunft und Legitimation zu vergewissern, ist im Zeitalter des Absolutismus nicht unverständlich oder selten. N u r so konnte man sich von den zahlreichen Nobilitierten absetzen. 19 Offenbar geht dieser Legitimationsversuch im Fall Petersens aber auf Johann Wilhelm Petersens Sohn, August Friedrich, zurück. Begründet mag er vor allem darin gewesen sein, daß dessen Mutter aus dem wirklich altadligen, hessischen Geschlecht derer von und zu Merlau stammte. Für die adlige Herkunft väterlicherseits gibt es dagegen keine positiven Anzeichen; eher deutet das einfache Familienwappen der Petersens auf bürgerliche Herkunft. Auch von der übrigen, großbürgerlichen Verwandtschaft Johann Wilhelm Petersens im Herzogtum Holstein ist nichts weiter bekannt. Viele sollen sich durch „gute Heyrathen" zu „Staller(n)" (Statthaltern) emporgeschwungen haben, so daß das Petersensche Wappen - ein weiß-silberner, springender Hirsch mit natürlichem Geweih, unter dem sich ein goldenes Kreuz befindet - an mehreren Kirchen neben anderen adligen Ehrenzeichen zu finden sei.20 Von Johann Wilhelm Petersens Vorfahren mütterlicherseits läßt sich hingegen ein genaueres Bild zeichnen. Denn hier handelt es sich um eine Pastorenfamilie, um deren genaue Registrierung und geschichtliche Überlieferung sich die protestantischen Kirchen immer bemüht haben. Petersens Mutter, Magdalena Praetorius, war eine Tochter des Osnabrücker Marienpfarrers Andreas Praetorius und der Hamburger Bürgerstochter Agnese Vorbrügge oder Vorbru(i)g. 21 Magdalena Praetorius war früh verwaist, da ihr Vater bereits nach neun Ehejahren (1621) starb. Sie muß zwischen 1613 und 1622 geboren sein und war demzufolge bei ihrer Heirat mit Georg Petersen zwischen 25 und 35 Jahre alt. Da sie 1667 im Kindbett starb und damals gewiß nicht älter als 45 Jahre sein konnte, wird man zu einer späten Datierung ihres Geburtsjahres tendieren. Sie hatte noch zwei Schwestern und zwei vor 1621 verstorbene Brüder. 22 Von Magdalenens Eltern wird berichtet, daß sie sehr unter Krankheiten zu leiden hatten. 23 Daher und aus Magdalenens frühem Waisenstand läßt sich vielleicht verstehen, daß sie eine „grosse Betherin" war. 24 Zur Illustration des religiösen und charakterlichen 18 Aug. Friedr. Petersen a n j o s e p h l . (wie A n m . 16), Bl. 9': Sein G r o ß v a t e r (Georg Petersen) u n d dessen B r u d e r (Petrus Petersen) hätten sich w e g e n des Verlusts und zur E r f o r s c h u n g ihres alten N a m e n s nicht von ihren Ä m t e r n „derogiren" (ablenken) lassen wollen. 19 Vgl. VIERHAUS, Absolutismus 1978, 5 9 - 6 3 . 20 LB 1717, 4. Die Verwandtschaft zu der bedeutenden, norddeutschen Familie von Dassel (LB 1719, 4 korrigiert L B 1717, 4), die „sich selbst hierzu angegeben" (im Z u s a m m e n h a n g mit einer B ü r g e r a u f n a h m e oder der Standeserhebung?), ist nicht aufzuweisen; keinen Aufschluß bieten die u m f a n g r e i c h e n familiengeschichtlichen Arbeiten OTTO VON DASSELS (S. Lit.-verz.). 21 B e r t r a m , L ü n e b u r g 1719, 256 u n d LP Siemers (wie A n m . 34). 22 „Leben Praetorius" (wie A n m . 25), p. [3]; vielleicht ist eine der Töchter erst nach d e m T o d des Vaters geboren w o r d e n , da a a O die Zahl der Kinder aus < 4 > zu 5 geändert w u r d e . 23 A a O , p. [4]. 24 L B 1717, 4.

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Erbes der mütterlichen Linie lohnt ein Blick in den Lebenslauf von Petersens Großvater Andreas Praetorius, wie er in seiner Personalakte in Osnabrück überliefert ist. 25 Andreas

Praetorius

Andreas Praetorius (Schult[z]e) wurde am Andreastag (30. 11.) 1585 im brandenburgischen Salzwedel, der wichtigen Stadt an der Handelsstraße von Lüneburg nach Magdeburg, geboren. Seine Eltern waren der Ratsbediente Jakob Praetorius und Magdalena Geinitz. Seine Herkunft aus Salzwedel wirft die (wohl nicht mehr zu beantwortende) Frage auf, ob Petersen über diese Linie mit dem Erbauungsschriftsteller Stephan Praetorius (1536—1603) in direkter oder indirekter Linie verwandt ist. 26 Leider gibt es auch keinen Hinweis auf ein Verwandtschaftsverhältnis Petersens mit dem ebenfalls aus Salzwedel stammenden Abdias Praetorius (1524—1573), einem in seinen philippistischen Ansichten umstrittenen Subrektor in Magdeburg und späteren Professor in Wittenberg, oder mit Jakob Praetorius (1525—1569).27 Andreas Praetorius könnte immerhin ein Enkel dieser Praetorius-Generation gewesen sein. Er war ein fleißiger Schüler mit einer besonderen Liebe zur Musik und kam zwischen 1601 - 1 6 0 5 zur voruniversitären Ausbildung zu seinem Vetter, Jakob Reineccius, nach Berlin. 28 In Berlin verbrachte Praetorius vier Jahre, bevor er zur Vollendung seiner Studien nach Freiberg bei Dresden zog. 29 Weil er die „Westphälische Schulen" besuchen wollte, ist er „auff die lipstett [Lippstadt] gekommen und [hat] alda eine gemeine Zeitt sein terminal Studium glücklich absolviret, auch es daselbst so woll mit öffentlichem lesen als mitt disputiren in der selben Schule so weitt gebracht, daß er ferner von dannen auf Prag in der uralten Academien daselbst" sein angefangenes Theologiestudium fortgesetzt hat. „Und weilen in derselben academie an sich auch allerhandt Sectirer und sonderlich ein vornehmes Collegium Jesuitorum zuderzeit gefunden, ist er durch derselben tegliche oppositiones und mitt Ihnen und Ihren vornehmbsten discipulis viel gepflogenen disputationes nicht allein in den Controvers-articulibus der religion woll geübt, sondern auch wirklich zu ferner [ . . . ] Disputen und fleissigen Studio angereitzt" worden. 30 25 „Anlangend das lebend [!] und wandeil dieses selbigen Herrn Magisters Andreae Praetor i . . . " , in: StA Osnabrück, Dep 3b IV, Fach 49, Nr. 6. 26 Zu Stephan Prätorius s. RE 3 15, 1904, 614-617; Jöcher 3, 1751, 1751 und 10 (6), 1819, 804 f. Feustking 1704, 464 bezeichnet ihn als einen Vorläufer der Irrtümer Johanna Eleonora Petersens. 27 Zu Abdias Prätorius s. RE 3 15, 1904, 612-614; Jöcher 3, 1751, 1744 und 10 (6), 1819, 783-785; zu Jakob Prätorius s. Jöcher 10 (6), 1819, 795 sowie RIEMER, Eilsleben 1918, 259 (und 263): ein Theologe Jakob Prätorius als Teilnehmer der Generalkirchenvisitation 1561/62 im Erzstift Magdeburg. Vgl. LB 1717, 221, wo von einem Wappen der Familie Praetorius (Taube mit Oelblatt) in Magdeburg am (späteren) Haus Chr. Scrivers die Rede ist. Handelt es sich um das Haus in der heute verschwundenen Schrotdorfer Str. 1 („Zum Palmbaum") mit einer Inschrift („Der Gerechte wird grünen wie ein Palmbaum") von 1689? Das Haus war von 1688—1701 im Besitz des Ehepaares Scriver; von einem Vorbesitzer Praetorius (im 16. Jh.) ist auf Grund der fehlenden Quellen nichts bekannt; vgl. NEUBAUER, Häuser 1, 1931, 391. 28 ZuJ. Reineccius s. FISCHER, Pfarrer 1, 1941, 31 (Reineke, Pfarrer an der Petrikirche; keine Erwähnung im Personenverzeichnis Bd. 3, 1941) und JENSEN 1, 1958, 100: Geb. 1572 in Salzwedel, Studium mit Magisterabschluß in Wittenberg, Prediger in Tangermünde, 1601 Propst an St. Petri in Berlin (vgl. FISCHER, Pfarrer 1,1941, 31, wo es heißt, daß die Pfarrer an St. Petri erst seit ca. 1631 Pröpste waren), 1609 Pastor an St. Katharinen in Hamburg, gest. in Hamburg 1613. 29 Zum dortigen Gymnasium s. Wilisch, Freiberg 1737, 364—378. 30 „Leben Prätorius", p. [1 f.] (wie Anm. 25); zu der Lateinschule in Lippstadt und ihrer Liste

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Andreas Praetorius, der sich auf diese Weise aus nächster Nähe mit den verschiedenen konfessionellen Richtungen seiner Zeit auseinandergesetzt hatte, begab sich schließlich nach Wittenberg in die Hochburg der lutherischen Orthodoxie, wo zu seiner Zeit Polykarp Leyser (1576-1587. 1592-1593), Aegidius Hunnius (1592-1603), Leonhart Hutter (1596-1616) und Wolfgang Franz (1605—1620) lehrten. 31 Von dort mußte er aber wegen eines beständigen Katarrhfiebers wegziehen, kehrte gleichwohl später, obwohl seine körperlichen Kräfte schon weitgehend aufgebraucht waren, „mit keiner geringen beharrlichen Krafft" wieder zurück, bis ihn sein inzwischen nach Hamburg berufener Vetter Jakob Reineccius in den Dienst als Hauslehrer seiner Kinder nahm. Auf den Rat seines Vetters hin lehnte er zwei ihn erreichende Berufungen ab und nahm schließlich im Jahre 1612 diejenige der Stadt Osnabrück an. Praetorius war damals 27 Jahre alt. A m Abend vor Jakobi (25. Juli) 1612 kam er in Osnabrück an. Kurze Zeit später heiratete er Agnese Vorbrügge, die Tochter eines damals bereits verstorbenen, vornehmen Bürgers, Otto Vorbrügge, aus Hamburg. 3 2 In Ehe und Amt soll Andreas Praetorius ein gottseliges, erbauliches und frommes Leben gefuhrt haben, „da kein redlicher mensch auch die wiedersacher [Katholiken ?] selbst darauff zu sprechen haben, das er also ein recht typus fidelium nach der heiligen apostoli Lehre gewesen". 3 3 Er starb am Jakobiabend 1621 nach nur neun Dienstjahren. Die wenigen Angaben und Mitteilungen aus seinem Leben lassen erahnen, wie dieser Großvater Petersens mitten im Dreißigjährigen Krieg von der konfessionellen Not, die er geistig und körperlich zu spüren bekam, umgetrieben wurde. Er war noch ein typisches Kind des konfessionellen Zeitalters: Beharrlich, entsagend und kämpferisch hat er sich der Auseinandersetzung um die wahre Religion gestellt.

Über die Geschwister Johann Wilhelms lassen sich wiederum nur wenige gesicherte Angaben machen. Eindeutig nachweisbar sind ein Bruder namens Heinrich, der seit April 1691 mit Sabine Magdalene Palandt aus Einbeck verheiratet war, und eine Schwester Magdalena, die den Bürger und Kaufmann in Lübeck, Heinrich Siemers (gest. 1735), geehelicht hat. 34 Nur von diesen beiden ist in Äußerungen Petersens die Rede. Eine zweite Schwester starb mit der Mutter am 3. Oktober 1667 im Kindbett. 35 In dem Geschlechterbuch von Schnobel, das im Archiv der Hansestadt Lübeck liegt, sind noch drei weitere Geschwister Petersens nach dem Niederstadtbuch von 1691 angegeben, nämlich Hugo Jürgen, Anna Margaretha und von bedeutenden, z.T. katholischen Schülern s. SCHRÖER, Reformation 1, 1979, 292ff. und 310ff. 31 THOLOCK, Geist 1852, 4 - 1 4 , 3 7 - 4 0 . Kein Eintrag in der Matrikel Wittenberg. 32 Daher die Verwandtschaft zu den „Vorbruggen" nach LB 1717, 4; über diejenige zu den „Grosen" und „von Pentzen" (ebd.) sowie zu den „von Rätsche" (Aug. Friedr. Petersen an Joseph I., o.O. o.J. [„zugestelt den 11. 7br. 1715"], p. 2'- ÖSA Wien) war nichts zu ermitteln. S. aber Spener an Petersen, Frankfurt a. M., den 31. 12. [1681 !]- AFSt A 196, p. 133-137, wo von einem mit Petersen verwandten Korbflechter Matthäus Penz in Frankfurt die Rede ist. 33 AaO, p. [4], 34 Z u Heinrich Petersen s. LB 1717, 341 f. und WOTSCHKE, Petersen 1930, 385; der Name seiner Frau laut freundlicher Mitteilung des Evgl.-luth. Kirchenbuchamtes Einbeck. Z u Magdalena Petersen s. LP auf Heinrich Ernst Siemers (nach WILCKENS-REINHARDT 1975, Nr. 128) und LB 1717, 342. 35 LB 1717, 9 und Suspiria 1667 (wie Anm. 6), p. [3-5]. Vgl. die weiteren Personalschriften auf Magdalene Petersen a) U B Marburg Vlln Β 662d, 1 Nr. 109 „Ultimus h o n o r . . . " 9.10. 1667 von „Lugentes Amici" (B. B. L. [?] undJ[ohann] P[aul] H[einrichsen]) und b) StB Lübeck 2° Pers 58 „Lob- und Trost-SchrifFt... geschrieben von einem schwiegerlichen Freunde", Lübeck 1667 (Kriegsverlust, verzeichnet in: Katalog Bd. 7 [L XIII]- AHL).

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Christina Agneta (gest. 1737), die mit einem Hans Platz verheiratet war. 36 Die Angaben Schnobeis über Petersen sind jedoch nicht zuverlässig, da ihm w o h l an einem entscheidenden Punkt ein Fehler unterlaufen ist. Er identifiziert Petersens Vater Georg mit einem Kanzleischreiber gleichen Namens, indem er Anna Wires, die laut Kirchenbucheintrag im Jahre 1675 den Kanzleischreiber heiratete, als Stiefmutter Petersens angibt. 37 Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete Georg Petersen i m Oktober 1670 aber Anna Lohmanns, die vor der Abfassung v o n Petersens Lebensbeschreibung gestorben ist. 38 Die Familie Petersen wohnte in Lübeck zuletzt in der Hüxstraße (Nr. 312). Petersens Vater Georg starb im Jahre 1691. 39

Kindheit in Lübeck Johann Wilhelm Petersen gehört noch nicht zu den Pietisten, die ihre eigene geistige und religiöse Entwicklung beobachten. Von der für die pädagogische Tätigkeit des späteren Pietismus und der Aufklärung grundlegenden Erkenntnis, daß sich die Persönlichkeit eines Menschen in seiner frühen Kindheit auf Grund v o n mancherlei Einflüssen entwickelt, scheint er völlig unberührt zu sein. Von einer Reflexion auf seine eigenen „Lehrjahre" ist bei ihm nichts zu finden. 40 Wohl erzählt Petersen von einigen Ereignissen und merkwürdigen Fügungen aus seiner Kindheit, die ihm als frühe Zeichen der über ihm waltenden 36

Lübeckische Geschlechter, S. 1318 (Neue Zählung)-AHL. KB Marien/Lübeck, Kop., S. 308. Vielleicht ist Anna (Maria ?) Wires die 1721 erwähnte „selgen Georg Petersen wedewen" (REHME, S.U.). Bertram, Lüneburg 1719, 256 und die LP Siemers (WILCKENS-REINHARDT 1975, Nr. 128) vermengen beide Personen. Z u m Notar Gregorius oder Georgius Petersen oder Petri vgl. HACH, Testament 1900, 145 Anm. 2; nicht identisch damit ist ein G. Petersen bei REHME, Oberstadtbuch 1895, 403 (Nr. 424) und WEGEMANN, Geschlechter 1949, 46; WEIMANNS Meinung (Eutin 1977, 65), G. Petersen sei ein Lübecker Geistlicher, ist irrig. 38 KB Marien/ Lübeck, Kop., S. 113 (20. Sntg. n. Trin.); Erwähnung der „seligen" Schwiegermutter in LB 1717, 341; vgl. LB 1717, 52 („Eltern"). 39 Schröder, 17. Jahrhundert, S. 157: Erbschaft der Witwe, Kinder und Enkel i m j a h r e 1691AHL. 40 Vgl. (anders) MAHRHOLZ, Bekenntnisse 1919, 155-162 (und für Johanna Eleonora Petersen ebd., 162-166); MAHRHOLZ versucht den Pietismus, seine innere, religiöse Freiheit von der Obrigkeitskirche als Protest oder Sublimierung des (Klein-) Bürgertums gegenüber dem absolutistischen Staat zu bestimmen. Von dieser These aus, die für bestimmte Pietistenkreise zutreffen mag, sieht MAHRHOLZ auch bei Petersens Autobiographie überall „die Darstellung seiner inneren Entwicklung, die ganz im Gebiete des Seelischen verläuft und durch Reflexionen nur nachträglich gerechtfertigt und gedeutet wird" (155 vgl. 156). Dazu kommen die „zwei Grundzüge der kleinbürgerlichen Lebensform [ . . . ] : die Kleinlichkeit des Lebens jener Tage und die Innigkeit und Vertiefung, durch welche man sich die Kleinlichkeit des Lebens erträglich zu machen suchte, wie sie sich besonders in dem innigen Verhältnis zu seiner Frau ausspricht" (155). Konkret kann MAHRHOLZ für diese seelische und innere Entwicklung nur die theologischen Erkenntnisse Petersens zitieren, die aber nun sicher rational bestimmt sind. Vgl. GRAEVE37

NITZ 1 9 7 5 .

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göttlichen Providenz (Providentia specialis) gelten, aber er bleibt doch ganz bei äußeren Ereignissen stehen, ohne ihre Wirkung auf seine geistige Entwicklung zu beschreiben. Die Interpretation dieser Ereignisse steht im Lebensrückblick allein im Dienst seiner Selbstdarstellung als „Gerechter" und als Kind Gottes. Sie können daher nicht zur Erhellung seiner Entwicklung beitragen. Ja, es handelt sich bei den berichteten Fällen um Grundtypen und Topoi pietistisch-religiöser Erfahrung, wie sie bis heute feststellbar sind. 41 In Petersens Biographie gibt es daher keine eigentliche Kindheit; Johann Wilhelm erscheint sogleich als der geistig arbeitende, „kleine Erwachsene", der sich nicht entwickelt, sondern nur stetig in der Erkenntnis zunimmt. In dieser Hinsicht ist Petersen noch ganz und gar vorpietistisch. 42 Dem modernen Biographen fehlt damit jedes aufschlußreiche Selbstzeugnis, das auf die prägenden Kräfte der Kindheit und Jugend hinweist. Dieser Mangel erweckt notwendig den Eindruck, daß Petersen nicht durch frühe religiöse und geistige Anfechtungen oder Einflüsse auf seinen Weg gebracht wurde. Es hätte ja durchaus in der erbaulichen Tendenz seiner Autobiographie gelegen, solche religiösen Schlüsselerlebnisse zu schildern. Wie im weiteren Verlauf deutlich werden wird, ist Petersens „Pietismus" in der Tat ohne religiöse Jugenderinnerungen zu verstehen und als intellektuell und rational bestimmt zu beschreiben. Er erwächst erst aus der Spannung zwischen der Gießener Schultheologie und der praktischen Frömmigkeit, die er in Frankfurt a. M. kennenlernen sollte. Angesichts des Fehlens von Selbstzeugnissen erscheint es wenig hilfreich, das geistige Leben von Petersens Heimatstadt Lübeck in jenen Jahren nachzuzeichnen, ein Versuch, der zudem im Rahmen dieser Arbeit nur sehr oberflächlich ausfallen könnte. Sieht man davon einmal ab, so bliebe vor allem der methodische Vorbehalt, daß eine solche Rekonstruktion der auf Petersen wirkenden geistigen Kräfte „ex eventu" rein spekulativ und willkürlich wäre. Selbst bei einem genauen Nachzeichnen der verschiedenen, dem Pietismus verwandten oder ihn vorbereitenden Kräfte in Schleswig-Holstein und den Hansestädten - zu denken ist an die spiritualistischen Bußprediger (Fr. Breckling, Chr. Hoburg und viele andere), die aus England vertriebenen Quäker, die norddeutschen Mennoniten (Christian Werner)43, den Enthusiasten Quirinus Kuhlmann (1651 — 1689) und die ganze Breite der mystisch-spiritualistischen Literatur, die bei den guten Handelsbeziehungen Lübecks nach Amsterdam in u m fangreichem Maß an die Ostsee kommen konnte, - ließe sich doch kaum nachweisen oder wahrscheinlich machen, daß sich der junge Johann Wil41 LB 1717, 6—8: Bewahrung vor dem Tod bei einem Fenstersturz, Gebetserhörung in Form eines „Häuffgen Geld" fur den Erwerb eines Buches, Verfolgung durch Mißgönner; vgl. LB 1717, 62 und S. 81 Anm. 187. 42

Vgl. MISCH, A u t o b i o g r a p h i e 4.2, 1969, 8 1 0 f .

43

Chr. Werner hat in Lübeck Aufsehen erregt, weil er, nachdem er von seinem Lehrmeister, dem Schnurmacher Isaak von Eken, fur die Mennoniten gewonnen worden war, kein Amt in der Zunft erhalten sollte; D O L L I N G E R , Geschichte 1930, 198f.

27

helm damit auseinandergesetzt hätte. 44 Mit dem zeitweilig (1665—1669) in Lübeck aktiven Konventikel ist er offenbar nie in Berührung gekommen. 4 5 Auf gesicherten historischen Boden gelangen wir erst, wenn wir Petersens Schulausbildung in Lübeck nachgehen.

Das

Katharineum

Petersen genoß in Lübeck einen hervorragenden Unterricht, der seinem schon damals erwachten Ehrgeiz entgegenkam. Gleich zu Beginn der Reformation in der Hansestadt Lübeck hatte ihr Reformator, Johannes Bugenhagen (1485—1558), dem emanzipatorischen, bürgerlichen Bedürfnis nach einer eigenen, städtischen Schule Rechnung getragen, indem er eine solche in dem aufgehobenen Katharinenkloster eingerichtet und sie finanziell, räumlich, organisatorisch und pädagogisch bis ins einzelne ausgestaltet hatte. 46 Mit der Gründung des Katharineums durch Bugenhagen war der humanistisch-melanchthonische Geist in die Hansestadt eingezogen. Das Katharineum gehörte zu den bedeutenden protestantischen Schulen des 17. Jahrhunderts. Vielleicht darf man es als ein Qualitätsmerkmal der Schule erachten, daß keiner von Petersens Lehrern je auf eine Pfarrstelle, die gewöhnlich erstrebenswerter als der Schuldienst war, überwechselte. Mit dem melanchthonischen Bildungsideal war auch der protestantische Schularistotelismus in Lübeck fest verwurzelt. 47 Freilich blieb das Katharineum zeitweilig für andere philosophische Richtungen offen, und man wird sich das Katharineum nicht als festes Bollwerk der lutherischen Orthodoxie vorstellen dürfen. Immerhin wurde dort auch einmal ramistisch gelehrt. 48 Der Ramismus ist eine antiaristotelische, humanistische, dem Calvinismus nahestehende Philosophie, die theologisch subjektiven Glauben und Erfahrung ins Zentrum des Denkens stellt, also eine durchaus moderne Philosophie. 49 Zu Petersens Zeit gab es im Katharineum von der untersten zur höchsten Stufe sieben Klassen mit je 37 Wochenstunden. 50 Vor dieser höheren Schulausbildung war es den Eltern überlassen, ihre Zöglinge selbst, durch Privatlehrer oder in kleinen Privatschulen angemessen auf die höhere Schule vorzubereiten. Petersen ist ungefähr mit zehn Jahren auf das Katharineum gekommen und hat dort alle Klassen durchlaufen. 51 44 Vgl. LB 1717, 23f. Zu den demographischen Verflechtungen Lübecks und Amsterdams vgl. HART, Lübeck 1968, 122-129. 45 LB 1717, 24; vgl. dazu Näheres S. 272-275. 46

47

48

Vgl. d a z u HASSELMANN 1931 u n d ESCHENBURG, K a t h a r i n e u m 1912. Vgl. WEBER, E i n f l u ß 1908.

Seelen, Athenae 1, 1719, 45 f. NEUSER, Lehrentwicklung 1988, 328-330. 50 Zum folgenden s. LB 1717, 7 - 1 0 und Seelen, Athenae 4, 1722, 418-430. 51 LB 1717, 7f. Zur Datierung des Schulbesuchs: Als Petersen in die Tertia kam, lebte Bangert noch und war wahrscheinlich noch Konrektor. Also war Petersen spätestens 1663 in 49

28

Im Katharineum nahmen der Unterricht in den alten Sprachen, in Rhetorik und ein theologisches Grundstudium den größten Teil des Schulbetriebs ein. Französisch oder Englisch, was in Lübeck nahegelegen hätte, hat Petersen damals und wohl überhaupt nicht gelernt. 52 So forderte beispielsweise der Stundenplan der Prima allein fur das Erlernen der griechischen und lateinischen Sprache anhand der Klassiker Homer, Hesiod, Horaz, Vergil, Cicero und des Neuen Testamentes zwölf Wochenstunden, wozu noch eine Stunde Hebräisch zu zählen wäre, die der Superintendent Hanneken selbst gegeben hat. 53 Die Sprachausbildung setzte sich fort in rhetorischen und poetischen Übungen von sechs, Logikstudium von fünfeinhalb und theologischen Repetitionen (Predigtwiederholung und Lektüre eines Kompendiums) von zwei Stunden. Dahinter traten die anderen Fächer der „artes liberales" wie Musik, Astronomie, Geometrie und Arithmetik mit insgesamt sieben bis acht Stunden deutlich zurück. Eine besondere Funktion kam der städtischen Schule in der Selbstrepräsentation des wohlhabenden und sich den höfischen Lebensformen anpassenden Bürgertums zu. Zu verschiedenen Anlässen, vor allem den Kasualien für vornehme Lübecker Bürger, wurden panegyrische Reden (Carmina) von Lehrern und Schülern vorgetragen. 54 Sie wurden in dem eigens dafür hergerichteten Auditorium (Lectorium) abgehalten, wo sich zu diesem Zweck die Honoratioren der Stadt einfanden. Zeitweilig führte man dort auch öffentliche Disputationen mit und vor den oberen Klassen durch. In diesem Rahmen bildet Petersen seine sprachliche und poetische Gabe aus und lernt sie zu großer Virtuosität entfalten; hier wird er auf eine öffentliche und repräsentierende Tätigkeit vorbereitet und hier findet er die Anerkennung seines ehrgeizigen Lernens, die seinen Stolz, seinen Führungsanspruch und seine Standfestigkeit begründen. 55 der Tertia und ist dann wahrscheinlich 1659 auf das Katharineum gekommen. Petersen wurde offenbar auch noch 1665 in die Prima versetzt, als Bangert nämlich noch fur kurze Zeit Rektor war. Da Petersen aber erst 1669 zum Studium Lübeck verließ, muß er drei Jahre lang die Prima besucht haben, was freilich nicht ungewöhnlich war. 52 LB 1717, 206 und 24. Von daher dürfte die Zuschreibung der Übersetzung von R. Barclays Apologia 1684 (s. Werkverzeichnis) zu widerlegen sein; vgl. NORDMANN, Eschatologie 1, 1930, 90. 53 Petersen, U n f u g 1709, 18. 54 Vgl. LB 1717, 9f. Die dort genannte Rede „De Hercule in bivio Voluptatis ac Virtutis agente" hielt Petersen zusammen m i t j . P. Heinrichsen u. B. Botsack am 12.3. 1668 (Seelen, Athenae 4, 1722, 452: Programm von Nottelmann). Zu den „Dramatischen Gesprächsspielen" (hier: über das Hohe Lied) vgl. MAGNUS 1961, 167 ff. Von den zahlreichen, gedruckten Carmina Petersens aus dieser frühen Zeit haben sich keine (außer Suspiria et gemitus, 1667) erhalten. Einen kleinen Überblick über die Auffuhrungen am Katharineum in der Zeit Petersens bietet Seelen, Athenae 4, 1722; vgl. HASSELMANN 1931, 22. 55 LB 1717, 9f. Einmal schenkt ihm der Domsekretär Johann Georg Pellicerus als Anerkennung Kaspar Danckwerts „Holsatia" = „Newe Landesbeschreibung der zwei Hertzogthümer Schleswich vnd Holstein...", Husum 1652 (vgl. Krafft, Jubel 1723, 154: als holstein. Chronik bezeichnet); vgl. aber auch seine hss. in mehreren Kopien überlieferte „Chronik" (RATJEN, Verzeichnis 1, 1847, 6f.). Pellicerus wurde in späteren Jahren (15.4. 1674) als Gevatter zurück-

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Die

Lehrer

Für einen Mann wie Petersen, der aus,keiner wohlhabenden Familie stammte, war die Schule das Kapital, mit dem er wuchern mußte, um sich gesellschaftlich zu behaupten. Mit Recht lobt Petersen im Rückblick daher seine Lübecker Lehrer, die sich fast alle auf wissenschaftlichem oder pädagogischem Gebiet einen Namen gemacht haben. Der berühmteste Lehrer des Katharineums, aber noch vor Petersens Zeit, war der Rektor Johann Kirchmann (1575 — 1643). Er hatte um 1600 in Straßburg studiert und von dort vielleicht sein historisch-antiquarisches Interesse mitgebracht, das auch von der nachfolgenden Lehrergeneration geteilt wurde. 56 Über sein Florilegium aus antiken Schriftstellern, das von den Schülern des Katharineums auswendig zu beherrschen war, bevor sie in die Prima versetzt wurden, wirkte er in seiner Schule weiter. 57 Zu Petersens Schulzeit führte Hermann Nottelmann (1626—1674) das Rektorenamt. Er stammte aus Vlotho in Westfalen, hatte die Schulen in Herford, Bielefeld und Osnabrück besucht, darauf in Helmstedt (1647) und Leipzig (1651) studiert und sich dann zunächst als Hauslehrer in den Niederlanden und in Deutschland anstellen lassen. Unter anderem unterrichtete er damals Christian Christoph von der Asseburg (1639—1675), den Vater der Visionärin Rosamunde Juliane von der Asseburg, die später zum Anlaß für Petersens Amtsenthebung wurde. 58 Im Jahre 1654 wurde er Professor am Gymnasium illustre in Lüneburg, bevor er 1666 zum Rektor nach Lübeck berufen wurde. Seine Witwe, Elisabeth geb. Schirmer, heiratete seinen Nachfolger im Lübecker Schulamt Abraham Hinckelmann (1652—1695) aus dem Freundeskreis Speners. 59 Ein engagierter und angesehener Schulmann war auch Heinrich Bangert (1610—1665).60 Er stammte aus Sudeck in der Grafschaft Waldeck, hatte das nahegelegene Gymnasium in Korbach besucht und an der damals lutherischen hessischen Landesuniversität Marburg (1631) Theologie studiert. 61 Sein beruflicher Werdegang führte ihn stetig und ohne U m w e g auf immer angesehenere Schulstellen, vom Konrektorat in Minden über das Rektorat in Oldenburg zum Konrektorat in Lübeck, wo er schließlich noch gewiesen, „weil er in etzlichen Jahren nicht zum heiligen Nachtmahl gewesen" (HACH, Kirchenbücher 1895, 87); vgl. Moller 1, 1744, 482f. Zu Danckwert s. Moller 1, 1744, 124-126. 56 Zu der Straßburger historischen Tradition und ihrer Bedeutung für Spener s. WALLMANN, Spener 1986, 83-85 und 85ff. Zu Kirchmann s. ADB 16, 1882, 14f. 57 Seelen, aaO, 429; vgl. LB 1717, 7 f. 58 TRIPPENBACH 1915, 118; zu Nottelmann s. ADB 24, 1887, 44; Seelen, Athenae 1, 1719, 70-75 (Schriften) und 4, 1722, 449-466; Matrikel Helmstedt 1981, Nr. 124: 64. 59 JENSEN 1, 1958, 87 f. Hingewiesen sei auf die offenbar festeren Beziehungen von Nottelmann und Schirmer zu der Familie v. d. Asseburg; denn eine Frau Hauptmann Schirmer(sche) begleitet Rosamunde später nach Celle; s. S. 324f. 60 ADB 2, 1875, 40f. und Seelen, Athenae 4, 1722, 433-449 und 1, 1719, 62-69 (Schriften). 61 Zur Universität Marburg-Gießen s. S. 33f. Matrikel Marburg (Register 1904, 7).

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fur ein Jahr bis zu seinem Tode Nachfolger Nottelmanns wurde. 6 2 Den einzig bekannten Ruf auf eine Pfarrstelle in seine Heimat nach Adorf lehnte er ab. Bangerts pädagogische und wissenschaftliche Fähigkeiten werden von seinem berühmtesten Schüler, dem Polyhistor Heinrich Meibom (1638—1700), und von dem Literaturhistoriker und Dichter Daniel Georg Morhof (1639-1691) gerühmt. Bangert, der als Verfasser der Leichenpredigt auf Α. H. Franckes Großmutter bekannt ist, trat nicht nur im Schuldienst, sondern auch als Gelehrter hervor und machte sich besonders u m die „Altertümer" Lübecks verdient. 63 Er gab 1659 mit Unterstützung des Lübecker Rats aufs neue die Slavenchronik von Helmold von Bosau (fortgesetzt von Arnold von Lübeck) kommentiert heraus. Daneben hat er über die Anfänge und frühe Geschichte der Hansestadt geschrieben, wovon nur ein Teil aus seinem Nachlaß veröffentlicht wurde. 6 4 Auch die Schulgeschichte Lübecks von J. H. von Seelen beruht in wesentlichen Teilen auf den Sammlungen Bangerts. Das antiquarische Bemühen von Petersens Lehrern steht im Zusammenhang einer im 17. Jahrhundert allgemein zu beobachtenden, ausgedehnten historischen Forschung. In humanistischer Tradition stehend, geht es ihr u m eine möglichst exakte philologische Erfassung und Dokumentierung der Quellen der Vorzeit, vor allem der Staats-,,Altertümer". Historische Wissenschaft ist in dieser Zeit vor allem Hilfswissenschaft für die Jurisprudenz und die Politik. Sie dient der Legitimation von Rechtsansprüchen. Von einem modernen Geschichtsbegriff, der die Geschichte als einen Prozeß mannigfaltiger Handlungen und Ereignisse begreift, aus denen sich der Einzelne oder die Gemeinschaft zu verstehen versucht, ist man weit entfernt. Andererseits macht sich hier ein Geist bemerkbar, der sein wissenschaftliches Interesse und seinen Wahrheitsbegriff an dem Faktischen, Empirischen und Wirklichen orientiert. Er öffnet damit fur wissenschaftliche Tätigkeit einen zweiten Weg neben dem der spekulativen Philosophie und Theologie. Nachfolger Bangerts im Konrektorat wurde 1664 Johannes Polzius (1605—1675). 65 Er stammte aus Sachsen (Beizig) und kam über Wismar nach Lübeck, w o er zunächst Subrektor war. Über seine Tätigkeit ist nicht viel bekannt. Sein Sohn gleichen Namens wurde später von Petersen an die Johannisschule in Lüneburg berufen. Die lateinische, poetische Ausbildung lag in der Hand von David van der Brugge (1630—1688). Bedenkt man, daß er der einzige gebürtige Lübecker unter Petersens Lehrern war, so läßt sich die überregionale Bedeutung und der weite geistige Horizont des Katharineums erahnen. David van der 62 63

Vom 4.3. 1664-30.6. 1665. Die LP auf Elsabe Francke geb. Wessel bei SELLSCHOPP, Quellen 1913, 7 - 5 0 und (lat.)

67-104.

„Origines Lubecenses", in: Westphalen, Monuments 1, 1739, 1159-1338. Seelen, Athenae 1, 1719, 86—88; die richtigen Lebensdaten bei Schnobel- AHL; vgl. Moller 1, 1744, 501. 64

65

31

Brugge ist öffentlich mit eigenen poetischen Texten in lateinischer Sprache hervorgetreten, die aber nur zum Teil gedruckt wurden. 66 Auch Petersen rühmt Brügges poetische Begabung. Bei ihm dürfte der Schüler seine eigene dichterische Fertigkeit in der lateinischen und deutschen Sprache erlangt haben, fur die er später selbst bei einem Leibniz und einem Lessing Anerkennung fand. 67 Im Jahre 1669 beendete Petersen seine Schulzeit. Er dürfte mit den drei anderen Schülern, die mit ihm im April des Jahres auf die Universität nach Gießen zogen, zu den besten seines Jahrganges gezählt haben. Die vier Schüler, die sich als eine „concordiae quadriga(s)" mit der Auffuhrung einer dramatischen Dichtung „De reddita Lubecae Pace" von Rat und Bürgerschaft Lübecks verabschiedeten, waren Barthold Botsack (1649—1709), Meno(n) Reiche (1651 — 1691), ein Enkel des Lübecker Superintendenten Meno Hanneken, undjohann Paul Heinrichsen (1649—1673), der als cand.jur. früh verstarb, und eben Petersen. 68

II. Philosophisches Grundstudium

Studienjahre

in Gießen

Am 27. April 1669 schreiben sich die vier Freunde aus Lübeck an der Gießener Universität ein.69 Die Wahl des Studienortes Gießen war sicher bedingt durch die guten Erfahrungen, die die Lübecker Kirche mit der Gießener Universität gemacht hatte. Der Superintendent Meno Hanneken (1595—1671) selbst hatte zu Gießen als Studienort geraten. Hatte er doch als Schwiegersohn des berühmten Balthasar Mentzers (I.), Professor der Theologie in Gießen, gute Verbindungen dorthin. Hanneken seinerseits hatte 66 Nähere Hinweise bei Seelen, Athenae 1, 1719, 104-106 und 3, 1721, 416 (und 4, 1722, 445); vgl. Moller 1, 1744, 72f. 67 Leibniz a n j . Fabricius, Hannover, den 14.10. 1706 (ed. Kortholt 1, 1734, 116f.): „Petersenianos Versus magna cum voluptate legi [ . . . ]"; vgl. Leibniz Anregung zu dem lateinischen Epos „Uranias" (1720) nach: Leibniz a n j . Fabricius, Braunschweig, den 3. 9. 1711 (ed. Kortholt 1, 1734, 148f.): „Saepe mecum cogitavi, a nemine melius quam ab ipso [= Petersen] Carmen Uranicum [ . . . ] condi posse [ . . . ]"; vgl Lessings 8. Literaturbrief (Schriften 8, 1892, 17f.). 68 LB 1717, 9 f.; zu der Aufführung s. Seelen, Athenae 4, 1722, 453 f. (Programm de Concordia von Nottelmann 1669). Die Reden betrafen die Wiederherstellung des innerstädtischen Friedens nach den Unruhen in der Bürgerschaft (1661 — 1665), die mit dem Kassenrezeß von 1665 und dem Bürgerrezeß von 1669 zu einer Mitbeteiligung der Bürgerschaft an dem bislang patrizischen Stadtregiment führten (vgl. HAUSCHILD, Lübeck 1981, 312-315). B. Botsack wurde ein Schwiegersohn des Gießener Professors P. Haberkorn und später Superintendent in Braunschweig (Moller 1, 1744, 6 0 - 6 2 ; Seelen, Athenae 1, 1719, 278-281; Seelen, Jubilaeum 1738, 12-14). M. Reiche wurde Pfarrer an der Jakobikirche in Lübeck (RAHTGENS, Pastoren [1952], 5f.). AufJ. P. Heinrichsens Tod haben die Freunde Leichencarmina verfaßt (s. Werkverzeichnis). 69 Z u m folgenden s. LB 1717, 1 0 - 1 7 . Matrikel Gießen 1898, 61.

32

zwar als Professor der Theologie nicht in Gießen, sondern in Marburg gelehrt; aber das war zu einer Zeit, als dieses in der Hand des lutherischen Hauses Hessen-Darmstadt war. Damals war die bisherige lutherische Landesuniversität in Gießen suspendiert und ihre personale und sachliche Ausstattung nach Marburg übergegangen. 70 Schließlich war auch sein eigener Sohn, Philipp Ludwig Hanneken (1637—1706), auf dem Weg, Professor der Theologie in Gießen zu werden. 71 Mit Michael Siricius (1628—1685), in Gießen seit 1657, stammte ein weiterer Professor aus Lübeck. Schließlich war Gießen neben Wittenberg in jener Zeit eine Hochburg der lutherischen Orthodoxie. 72 Sie verdankte ihre Existenz ja gerade dem Gegensatz zum reformierten Marburg. Philipp von Hessen (1509—1567) hatte mit seiner zwischen lutherischer und reformierter Theologie vermittelnden Politik den innerreformatorischen, konfessionellen Gegensatz in sein eigenes Haus getragen. Nach dem Tod Philipps des Großmütigen wurde die für den Konfessionsstand des Landes Hessen zentrale Landesuniversität Marburg zum Gegenstand des Erbstreites und der innerprotestantischen Streitigkeiten. 73 Z u m Ausbruch des Konfliktes kam es, als die Marburger Linie mit Philipps Sohn Ludwig (gest. 1604) erlosch. Eine gemeinsame Verwaltung, wie ursprünglich vorgesehen, konnte auf die Dauer nicht durchgeführt werden, da die Kasseler Linie seit Wilhelm (gest. 1592) und besonders Moritz (1592—1632) mehr dem Calvinismus zuneigte, während die Darmstädter Linie seit Ludwig IV. (gest. 1596) und Ludwig V. (1596—1626) auf ein strenges Luthertum achtete. Aus den lang anhaltenden Streitigkeiten entstand die Universität Gießen als lutherischer Gegenpol in Oberhessen, der einer zunehmenden Calvinisierung der nördlichen Teile Hessen-Darmstadts entgegenwirken sollte. 74 N u r kurze Zeit (1623/24—1650), inmitten der politischen und taktischen Wirren des Dreißigjährigen Krieges, haben die Darmstädter Marburg durch kaiserlichen Entscheid wieder für sich gewinnen können. 75 Damals wurde die Gießener Universität entsprechend ihrem Gründungspatent suspendiert und als Einrichtung in Marburg weitergeführt. 76 Aber noch kurz vor dem Westfälischen Frieden, im Jahre 1646, haben die Kasseler sich gemeinsam mit schwedischen Truppen und mit der Unterstützung Frankreichs in den Besitz von Marburg und der Universität bringen können. 77 Als Petersen mit seinen Kommilitonen nach Gießen kam, lag die Wiedereröffnung der Uni70

Vgl. BECKER, Gießen 1, 1907, 191 ff. LEHNERT-HAUPT, Gießen 1, 1907, 430: Prof. eloqu. seit 2.6. 1663, ao. Prof. theol. 16.8. 1667; vgl. LB 1717, 10: Hanneken sei noch Prof. eloqu. gewesen. 71

72

THOLUCK, L e b e n 1.2, 1 8 5 4 , 3 4 - 4 3 ; WUNDT, M e t a p h y s i k 1 9 3 9 , 1 1 8 ( - 1 2 6 ) .

73

Vgl. BECKER, Gießen 1907, 2 - 4 . S. die gründliche und anschauliche Darstellung bei BECKER, Gießen 1,1907, 9 - 7 5 (bes. 22.

74

27). 75 76 77

BECKER, Gießen 1, 1907, 191-297. BECKER, Gießen 1, 1907, 212 und 282f. BECKER, Gießen 1, 1907, 2 9 8 - 3 6 4 b e s . 298und317f.

33

versität gerade erst zwanzig Jahre zurück. Mit dem Abgang der zweiten Generation der alten Marburger Garde, nämlich Justus Feuerborns (gest. 1656) und Meno Hannekens (Superintendent in Lübeck seit 1646), war die große Zeit der Gießener Orthodoxie endgültig zu ihrem Ende gekommen. Von Petersens Lehrern hat sich einzig Peter Haberkorn (gest. 1676) einen N a m e n gemacht. Die Zeiten standen nicht mehr auf Sturm. Die konfessionellen Auseinandersetzungen hatten an Schärfe und Tiefe verloren. Politische Gründe machten es nötig, daß man sich in Gießen mit allzu starker Polemik gegen Reformierte und Katholiken zurückhielt. D e m katholischen Kaiser war man wegen des Gründungspatentes der Universität verpflichtet, während man sich mit den Reformierten im Interesse einer gedeihlichen Zusammenarbeit der landgräflichen Häuser vertragen mußte. 78 Andererseits fehlen in Gießen Männer, die man zu aktiven Vertretern der reformerischen Bewegung innerhalb der Orthodoxie zählen könnte, auch wenn Kontakte und freundschaftliche Verbindungen zu solchen bestanden. 79 Die jungen Studenten aus Lübeck wurden Tischgänger bei ihrem Landsmann Philipp Ludwig Hanneken. 80 In den nächsten zweieinhalb Jahren mußten Botsack, Reiche und Petersen, die das geistliche Amt anstrebten, ein philosophisches Studium absolvieren, dessen erfolgreiche Bewältigung in der Regel für den Pfarrberuf unerläßliche und hinlängliche Voraussetzung war. Gleichzeitig stellte das Philosophiestudium die wissenschaftlichen Methoden bereit, mit denen gegebenenfalls ein Theologiestudium in Angriff genommen werden konnte. Dieses wissenschaftliche Grundstudium verlangte von den Studenten zunächst die Beherrschung des Lateinischen als Wissenschaftssprache. In rhetorischen und philosophischen Übungen, in privaten und öffentlichen Reden und Disputationen erwarben sie sich mit der formalen Bildung zugleich den Stoff des überlieferten Wissens, das philosophische Handwerkszeug und die allgemein anerkannten Argumentationsschemata. 81 Dabei wirkten die Studenten anfangs nur als „Respondenten" mit, die eine von einem als „Praeses" fungierenden Professor verfaßte Abhandlung oder Thesenreihe gegenüber „Opponenten" zu verteidigen hatten, die teils im voraus bestimmt waren, teils sich aus den Zuhörern der öffentlichen Disputation frei rekrutierten. Nur bei hinreichender Begabung und außergewöhnlichen Leistungen konnten die Respondenten ihre Disputationen selbst verfassen. 82 Auch Petersen ist durch diese philosophische Schule und ihre Methode der 7 8 BECKER, Gießen 1, 1907, 62 und 345; vgl. Revers v o m 12. 6. 1607 (BECKER, Aktenstücke 1901, 53) und LEHNERT-HAUPT, Gießen 1, 1907, 376 (Regest N r . 83 a. d. J . 1674: Zensurpflicht für Schriften gegen Religions verwandte). 79

V g l . LEUBE, R e f o r m i d e e n 1 9 2 4 , 1 3 0 f.

80

Zur Einrichtung vgl. BECKER, Gießen 1, 1907, 130 und 179. Vgl. BECKER, Gießen 1, 1907, 147f. 1 5 3 - 1 5 5 . BECKER, Gießen 1, 1907, 1 4 8 - 1 5 3 . 277.

81 82

34

wissenschaftlichen Ausbildung gegangen. Er hat in den verschiedenen philosophischen Disziplinen privat disputiert, so unter Hanneken in der Historie (Historia Ecclesiastica), unter Kilian Rudrauff (1627—1690) in Logik und Metaphysik, unter Friedrich Nitzsch (1640-1702) in Mathematik sowie unter Johannes Weiss (1620—1683) in Ethik und Politik. 83 In öffentlichen Disputationen hat Petersen in diesen ersten Jahren, die ganz im Zeichen des Lernens und Aneignens standen, mit seinen Lübecker Mitstreitern unter Kilian Rudrauff drei philosophische Fragen (De eodem et Diverso; De finito et infinito; De anima separata)84 behandelt und am 8. September 1669 unter Ph. L. Hanneken eine historische Disputation „De Cura Domestica Romanorum", also über das Sklavenhalten im alten Rom, verteidigt. 85 Zwei Jahre später hielt Petersen am 23. August 1671 eine öffentliche Gedächtnisrede aus Anlaß des Todes der am 2. Juni 1671 verstorbenen Landgräfin Sophia Eleonora von Hessen (1609—1671), der Mutter des damals regierenden Landgrafen Ludwigs VI. (1661 — 1678). Die Rede wurde nicht veröffentlicht, aber handschriftlich überliefert. 86 Das philosophische, wissenschaftliche Studium hatte im 17. Jahrhundert nicht notwendig einen eigentlichen Abschluß. Für die Erlangung einer Stelle im Schul- und Kirchenwesen genügten normalerweise der Nachweis eines regulären Studiums und einige Gutachten der Lehrer. Ansonsten verlieh die philosophische Fakultät als ihren höchsten akademischen Grad den eines Magisters. Für seine Verleihung wurde verlangt, daß der Kandidat seine Fähigkeiten in einer öffentlichen Rede und einer öffentlichen Disputation unter Beweis gestellt hatte. Letztere mußte nicht notwendig als Gradualdisputation, d. h. mit dem spezifischen Ziel, die Magisterwürde zu erlangen, konzipiert und gekennzeichnet werden. Vielmehr konnten auch reine Übungsdisputationen („exercitii gratia") angerechnet werden. Den Abschluß der Prüfungen bildete normalerweise das „Examen rigorosum", in dem der Kandidat über alle Gebiete der Philosophie befragt wurde, und eine gemeinsame, feierliche Disputation aller Promovenden („Disputatio uni83 LB 1717, 11 (vgl. Anm. 85). Eine im Druck vorliegende „Historia Eccl." von Ph. L. Hanneken (LB 1717, 11) ist mir nicht bekannt. Vermutlich ist der Begriff als Bezeichnung eines Genus aufzufassen, unter das verschiedene, kirchenhistorische Schriften Hannekens fallen. Es war ja durchaus üblich, daß die literarischen Erzeugnisse der Professoren, ζ. B. Lehrbücher, als Grundlage für Disputationsübungen dienten.- ZuJ. Weiss s. SCHÜLING, Weiss 1977. 84 Kilian Rudrauff, E R R A N S PHILOSOPHIA PRIMA. Q u a m In XIV. Diatribis S U B PRAESIDIO KILIANI R U D R A U F I I Q u i n q u e . . . Juvenes, Publicis hactenus Academicis subjecere ventilationibus, Gießen 1670 (Nr. 4, 9, 13) (vgl. SCHÜLING, Drucke 1982, 78); mit einer Eloge auf die Respondenten in der Zuschrift vom 28.8. 1670. 85 LB 1717, 10 („De respectu herili" ist die zweite von vier unter dem angegebenen Titel zusammengefaßten Disputationen); vgl. Bertram, Lüneburg 1719, 257, wonach LB 1717, 11 (Z. 15) fur „publice" zu lesen wäre „respondendo". Vgl. Hanneken an Α. H. Gloxin, Gießen, den 26.4. 1673-AHL. 86 HSA Darmstadt, Best. D 4, Konv. 196, Fasz. 5; vgl. das Einladungsprogramm von Heinrich Phasian (1633-1697), „Suprema laude", Gießen 1671,1 Bl. (SCHÜLING, Drucke 1982,

160).

35

versalis illuminaris"). 87 Erst nach diesen Prüfungen, die die Kandidaten gewöhnlich gemeinsam ablegten, wurden sie zur feierlichen Magisterpromotion zugelassen, die nur einmal im Jahr stattfand. Da wurden sie dann zu Magistern ernannt und in den Lehrstand aufgenommen. 8 8 Die letzten beiden Bedingungen hatte Petersen damals offenbar noch nicht erfüllt. Jedenfalls schob er die eigentliche Magisterpromotion zunächst auf, da er im Herbst die Universität wechselte. U m gegenüber seinen Lübecker Kommilitonen nicht zurückzubleiben, verabredete er mit Reiche und Botsack, daß sie sich auch vorerst nicht zu Magistern ernennen lassen sollten. 89

Studium

in Rostock und

Magisterpromotion

Nachdem Petersen zweieinhalb Jahre in Gießen studiert hatte, wechselte er zum November 1671 an die Universität in Rostock. 90 Der Grund für diesen Studienortswechsel ist wohl nicht wissenschaftlich begründet gewesen. Petersen sollte vielmehr den Sohn des mecklenburgischen Lehensrates Johann Ferber nach Rostock begleiten. Petersen wirkte als eine Art Hofmeister und verdiente sich auf diese Weise die nötigen Mittel, um noch weiter studieren zu können. 91 In Rostock ereilte Petersen dann die Nachricht, daß seine Lübecker Kommilitonen nun doch im Frühjahr 1672 die Magisterwürde annehmen wollten. Ihre Promotion fand am 14. März 1672 statt. 92 Petersen fürchtete in seiner Heimatstadt an Ansehen zu verlieren und bemühte sich daher mit Erfolg darum, daß ihm „in absentia, wie solches wohl üblich ist," der Magistertitel zuerkannt wurde. 93 87

BECKER, Gießen 1, 1907, 159 f. BECKER, Gießen 1,1907,160—162; das dort angegebene Datum fur die Magisterpromotionen (erste Wochen nach Trinitatis) gilt nicht mehr fur Gießen zur Zeit Petersens. 89 LB 1717, 12. 90 Matrikel Rostock 3, 1895, 248b. 91 Nach der Matrikel Rostock käme für den Sohn Ferbers nur Gustav Ferber aus Güstrow in Frage, der sich im Mai 1670 immatrikulierte. Vielleicht war der betreffende Sohn aber auch gar nicht in Rostock eingeschrieben. Zu Johann Ferber s. Franck, Mecklenburg 14, 1756, 256. 261. 88

92

LEHNERT-HAUPT, G i e ß e n 1, 1 9 0 7 , 4 1 9 u n d 4 5 0 ; L B 1 7 1 7 , 11; n i c h t 1 6 7 3 (SCHERING,

Petersen 1982, 227). 93 LB 1717, 12; vgl. Dekanatsbuch der Phil.-Fak. (UA Gießen, Phil. C 4, Bd. 1): Zuerkennung des Magistertitels u. a. an Botsack, Reiche und Petersen „absens" unter dem Dekan J. Weiss, Promotor K. Rudrauff und Rektor L. Strauß am 14.3. 1672. LEHNERT-HAUPT, Gießen 1, 1907, 448 gibt den 12.3. 1673 an. Petersen wird trotz Abwesenheit als Respondent der „Disputatio solennis" unter Heinrich Phasian vom 7.3.1672 geführt (SCHÜLING, Dissertationen 1982, Nr. 1804).- Die Magisterpromotionen gaben zu mehreren Gelegenheitsschriften Anlaß, die bei SCHÜLING, Drucke 1982, 136 mit Fundort (NSuUB Göttingen) notiert sind. Die Gratulationsgedichte aus Lübeck sind zusammengefaßt unter dem Titel: HONORES PHILOSOPHICOS II VIRIS JUVENIBUS Gießen: Karger, o.J. (Gedichte von: A. B. L., M. Hanneken, J. Chr. Schomerus, J. P. Heinrichsen, A. D. Leopold, H. Nicolai und G. Schröder. Die drei letzten Gratulanten waren Studenten in Gießen).

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Der Magistertitel eröffnete Petersen die Möglichkeit, seinerseits als Praeses eine öffentliche Disputation zu halten. A m 14. September 1672 verteidigte unter seinem Vorsitz Michael Freude, später Subrektor in Lübeck, die lutherische Lehre von der Idiomenkommunikation gegen den reformierten, holländischen Theologen Adrian Heerbord. 9 4 Weiterhin hat Petersen in Rostock eine historisch-theologische Disputation verfaßt. D a sie in der Theologischen Fakultät gehalten wurde, mußte Petersen als Respondent wirken, während ihr ein theologischer Professor, nämlich A u g u s t Varenius, praesidierte. 9 5 Der Inhalt der Disputation „Philia aphilia" war polemischer Art, insofern Petersen zu zeigen versuchte, daß die Reformierten (Calvinisten), die im Westfälischen Frieden mit unter den Schutz der Augsburgischen Konfessionsverwandten gestellt worden waren, niemals eine wirkliche geistliche Gemeinschaft mit den (Gnesio-) Lutheranern anstreben würden. 9 6 Mit der von Petersen „proprio Marte" (auf eigene Faust, eigenhändig) verfaßten Disputation konnte er sich nun in Lübeck u m das begehrte Schabbelsche Stipendium bewerben, das ihm auch gewährt wurde. 9 7 D a m i t war ihm der Weg für eine Fortsetzung seines Studiums in der Theologischen Fakultät geebnet. Einer Karriere in einem leitenden Kirchenamt oder an der Universität stand nichts mehr im Wege. Denn die nötige B e g a b u n g , den Fleiß und Ehrgeiz brachte Petersen mit. 9 8

Theologiestudium

in Gießen

N a c h seiner Promotion z u m Magister der Philosophie kehrte Johann Wilhelm Petersen z u m Jahreswechsel 1672/73 von Rostock nach Gießen zurück, u m sich nun dem eigentlichen Theologiestudium zu widmen. 9 9 Die finanzielle Grundlage für das Theologiestudium, das ihn zu einem Kirchenlehrer qualifizieren sollte, bildete für Petersen wie für seinen Kommilitonen Botsack, der ebenfalls wieder in Gießen studierte, das Schabbelsche Stipendium. Es handelte sich dabei u m eine Lübecker Stiftung, die aus der N o t des Dreißigjährigen Krieges und der damit verbundenen S o r g e u m ausreichen94 Zum Problem s. SPARN, Wiederkehr 1976, 46FF. Petersens Disputation trägt den Titel: HEERBORDUS EXPENSUS, seu DISPUTATIO PHILOSOPHICA, in qua Hypotheses, ab Heerbordo propugnatae, DE INCOMMUNICABILITATE PROPRIORUM, Examinantur & refutantur:..., Rostock 1672 (UB Rostock). Zu A. Heerbord (1614-1659), Prof. in Leiden s. Zedier 12, 1735 (1961), 1079 und Jöcher 2, 1750 (1961), 1433. LB 1717, 12 gibt den Namen falsch mit „Heerborn" wieder. 95 LB 1717, 12. 96 S. Werkverzeichnis; vgl. Bertram, Lüneburg 1719, 257. 97 LB 1717, 13. 98 Zu den Rostocker Bekanntschaften zählen Heinrich Müller (1631 —1675) und der Historiker und Theologe Josua Arnd(t) (1626-1687). 99 Petersens Rückkehr: Spener an Petersen, Frankfurt a.M., den 15.2. 1673 (AFSt A 196, p. 1—3) als term, ante quem.

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den Theologennachwuchs geboren war. In den noch jungen lutherischen Kirchen war es eine verbreitete Einrichtung, begabte Schüler aus einfachen Verhältnissen durch Stipendien zu fordern, die an ein Theologiestudium gebunden waren. In fürstlichen Territorien, die eine Landesuniversität besaßen, entstanden aus solchen Erwägungen Stipendiatenanstalten (ζ. B. Gießen, Marburg, Tübingen). Lübeck aber besaß keine Universität und unterhielt auch keine organisierte Theologenausbildung. Mitten im Dreißigjährigen Krieg (1637) stiftete daher der Hamburger Kaufmann Hinrich Schabbel (1569—1639) auf Anregung seines Bruders und ehemaligen Lübecker Syndikus Hieronymus Schabbel (1570—1635) ein großzügiges Stipendium in Lübeck, das nach den Vorschlägen des damaligen Superintendenten Nikolaus Hunnius (1585 — 1643) organisiert wurde. Die Zinsen des beim Lübecker Rat hinterlegten Kapitals ermöglichten jeweils vier begabten Studenten ein Theologiestudium an einer Universität. Der Studienort wurde vorgeschrieben, regelmäßige Leistungsnachweise gefordert und die Erwartung gehegt, daß die Geförderten sich eines Tages in leitenden Kirchenämtern N o r d deutschlands, nicht nur Lübecks, bewährten. Zu Petersens Zeit wurde das Schabbelsche Stipendium unter dem Vorsitz des späteren Lübecker Bürgermeisters Anton Heinrich Gloxin (1645—1690), eines Großneffen des Stifters, verwaltet. 100 Nach einer kurzen Bildungsreise von Lübeck über Leipzig, Wittenberg und Jena, wo man „die dortigen hypotheses" und die Auseinandersetzungen A. Calovs (1612—1686) mit den Königsberger Theologen Chr. Dreier (1610-1688) und M. S. Grabius (1627-1686) aus erster Hand kennenlernen wollte, zogen Petersen, Reiche und Botsack wieder nach Gießen, in die Stadt, die die Kuratoren der Stiftung zum Studienort ihrer Schützlinge bestimmt hatten. 101 In Gießen hielt sich damals auch schon ein weiterer Stipendiat auf, Justus Christoph Schomer (1648—1693), der ein halbes Jahr nach Petersen das Studium in Gießen aufgenommen hatte. 102 Kost und Logis fand Petersen wieder bei Ph. L. Hanneken, der mittlerweile zum ordentlichen Professor und Ephorus der Gießener Stipendiatenanstalt aufgestiegen war. 103 Als Student der Theologie besuchte Petersen die Kollegien der Gießener Professoren, vor allem die kontroverstheologischen Kollegien, die dazu dienten, die Reinheit der eigenen lutherischen Lehre gegen argumentative Angriffe anderer Konfessionen zu verteidigen und sich ihrer auf diese 100 LB 1717, 13. Vgl. HAUSCHILD, Lübeck 1981, 307; Seelen, Jubilaeum 1738; SELLSCHOPP, Francke 1913 und Starcke, Kirchenhistorie, 5. Teil, 1724, 889. 101 Zu dem schlechten Ruf der Wittenberger Studenten s. CLEMEN, Studenten 1930. 102 LB 1717, 13; Stipendiatenliste s. Seelen, Jubiläum 1738, [117f.] und 29f. 86. Z u Schomer s. Matrikel Gießen 1848, 62 (22.9. 1669). 103 BECKER, Gießen 1, 1907, 430; zu Hannekens Ephorustätigkeit (1671-1677) s. DIEHL, Gießen 1907, 61—65. Hanneken, ehemaliger Schabbeistipendiat (Seelen, Jubilaeum 1738, [117]), versah offenbar in dieser Zeit auch die Inspektorenstelle fur die Schabbeistiftung (vgl. Stiftungsurkunde § 7 - SELLSCHOP, Neue Quellen 1913, 112); s. sein Brief an den Kurator der Stiftung Α. H. Gloxin, Gießen, den 18.10. 1676- AHL über die Austeilung der Gelder.

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Weise zu vergewissern. So setzte sich Petersen bei Haberkorn mit den Sozinianern, bei Misler mit dem römischen Katholizismus und bei Hanneken mit den Reformierten, besonders mit Samuel Maresius (1599—1673), auseinander. 104 Neben Polemik und Apologetik lernte Petersen in Disputationen unter Hanneken die ganze Breite der dogmatischen Lehre. In seiner Lebensbeschreibung nennt er im einzelnen die Themen „de spiritu sancto", „de triplici Salvatoris officio", „de ejus exinantione & exaltatione" und „de magistratu politico & conjugio". 105 Dazu kamen Übungen im Griechischen, Hebräischen und in der rabbinischen Literatur.

Magister

legens

Während Petersen sich in der Theologie als Lernender einübte, wirkte er zugleich in der Philosophischen Fakultät als Magister legens, also als eine Art Privatdozent. Die allgemeine Lehrbefähigung war ihm zwar schon mit dem Magistertitel zuerkannt worden, zur Ausübung bedurfte es aber einer eigenen Zustimmung seitens der Philosophischen Fakultät. 106 Voraussetzung für eine solche Zustimmung war, daß Petersen zunächst eine Habilitationsdisputation „pro licentia aperiendi collegia & facultate publice disputandi" abhielt. 107 Diese Habilitationsdisputation war ein wirklicher Nachweis der Lehrbefähigung. Denn dem Kandidaten wurde von einem Professor der Philosophie ein Thema gestellt, über das er innerhalb eines Monats eine schriftliche Disputation entwerfen und ihr öffentlich präsidieren mußte. Die Disputation wurde - wie gewöhnlich alle öffentlichen Disputationen zuvor gedruckt, um den Opponenten die Möglichkeit zu geben, sich mit geeigneten Gegenbeweisen zu bewaffnen. So hielt Petersen am 22. März 1673 mit Daniel Kaspar Jacobi als Respondenten seine Habilitationsdisputation mit dem Thema „De osculo praescientiae Divinae cum libertate arbitrii et contingentia rerum", einem Thema, das ihm vermutlich der häufiger in der Disputation genannte Kilian Rudrauff, der einzige Professor für Logik und Metaphysik im Gießen dieser Zeit, gestellt hatte. 108 Nach Gepflogenheit 104

LB 1717, 13-17. LB 1717, 14; vgl. Werkverzeichnis: Theologia polemica 1675. Diese Disputationen, die Petersen wahrscheinlich nicht selbst schrieb (s. BECKER, Gießen 1, 1907, 163), fanden um die Jahreswende 1674/75 statt (Petersen an Α. H. Gloxin, Gießen, den 24.11. 1674- AHL). 106 BECKER, Gießen 1, 1907, 161 f. und 269f.; vgl. das Edikt vom 24.5. 1661 (Regest): Zulassung von Adjunkten in der Phil. Fakultät (LEHNERT-HAUPT, Gießen 1, 1907, 375). 107 S. Titelblatt von „Osculum praescientiae" 1673. 108 ψ υ Ν Ο Τ > Metaphysik 1939, 125 f. D. K. Jacobi war auch ein Hausgenosse bei Ph. L. Hanneken. Er stammte aus Trarbach und war später Rektor in Windsheim. Er geriet wiederholt mit J . H . Horb in Streit, der 1671-1678 Inspektor in Trarbach und 1679-1685 Superintendent in Windsheim war. Jakobi begegnet uns später im Hause Speners in Frankfurt; s. Spener an Petersen, Frankfurt a. M., den 13. 2.; 12. 5.; 6. 7. 77 (AFSt A 196, p. 85. 70. 73); vgl. Cons. 3, 105

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der Zeit besteht Petersens Disputation aus der eigentlichen Disputation (von 23 Quartseiten), der Mantissa (S. 26f.), einer ausgeführten These zum Komplex von Gottes Gegenwart und dem Raum des Universums („An adessentia Dei sese etiam extra hoc universum extendat", S. 26), wobei Petersen die (scholastische) Voraussetzung eines endlichen Raumes teilt, und den Corrollaria (S. 27f.), einer Thesenreihe aus den verschiedenen Disziplinen der Philosophie und der Fundamentaltheologie. 109 Den Abschluß bildet ein Gratulationswort Ph. L. Hannekens anjacobi. Das Thema der Disputation über die Verträglichkeit des Gedankens eines göttlichen Vorauswissens (praescientia) und der (philosophischen) Forderung des freien Willens (in natürlichen Dingen) stellt einen Aspekt aus dem umfassenden Problemfeld dar, wie sich der Gottesgedanke mit den Begriffen der Kontingenz und der Ursache des Bösen denken läßt. 110 Das von Petersen verhandelte Problem ist das einfachere Problem aus diesem Gesamtzusammenhang, da die rein theoretische Handlung Gottes nicht Ursache der Dinge in ihrem materialen und formalen Sein sein kann. „Das Vorherwissen Gottes steht als solches in einem wissenschaftlichen, d. h. in einem abhängigen (!) Verhältnis zu seinen Gegenständen". 111 Der andere Aspekt, der der „Providentia" Gottes, wonach Gott als Erhalter und Beweger auch in einer bestimmten Weise Wirkursache für das Geschehen in der Welt ist, gerät selbst dort in Petersens Disputation nicht in den Blick, wo der Begriff der Providentia fällt, nämlich in Zitaten von Boethius, der begrifflich nicht zwischen Providentia und praescientia unterscheidet. 112 Entsprechend ist auch die Ausführung schulmäßig, und nur am Rande tauchen Äußerungen auf, die für das Verständnis von Petersens geistiger Entwicklung bemerkenswert sind. Gleich zu Anfang bestimmt Petersen sein Ziel dahingehend, daß er keineswegs eine „dulcem inter rerum harmoniam concordiam" herzustellen versuche (§ 1), sondern sich an das Vorbild von Mutius (Muzio) Pansa (16. Jh.) halten wolle, „qui non tarn Ethnicam & Christianam Theologiam, quam mentes hominum pugnari illas inter se putantes pacare voluit" (§ l). 113 Während das theologische Problem eines freien Willens unter Hinweis auf die Konkordienformel (FC II) beiseite gelassen wird, geht es im „Osculum" darum, der philosophischen und politischen Ethik, die notwendigerweise die Verantwortlichkeit und damit einen freien Willen des Menschen voraussetzt, ihr Recht von der Theologie her zu gewährleisten. Philosophie und Theologie werden dabei als zwei in ihren Grenzen eigenständige 1707, 427 f f . 490. 559 (5.2. 1681); Matrikel Gießen 1898, 69 (6.4. 1672); er war dann Student in Straßburg: Matrikel Straßburg 1, 1897, 646 (6.5. 1674). 109

Vgl. BECKER, G i e ß e n 1, 1907, 150.

1,0

Vgl. SPARN, Metaphysik 1976, 176-180 bes. 177 f.

111

SPARN, M e t a p h y s i k 1976, 177.

112

Ζ. B. S. 4 (Boethius, Cons. Phil. 5, 3 - 6 ) . Vgl. Pansa, De osculo seu consensu ethnicae et christianae theologicae philosophiae tractatus, Marburg 1605; vorhanden U B Marburg. 113

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Erkenntnisbereiche aufgefaßt, die sich zwar um der einen Wahrheit willen nicht widersprechen können, die aber auch keine systematische Einheit bilden. Das entspricht der Tendenz zu einem Dualismus von Offenbarung und Vernunft oder Theologie und Philosophie in der lutherischen Orthodoxie, der theologisch mit der Verderbtheit der Vernunft begründet wird. 1 1 4 Neben den traditionellen Autoren wie Augustin (De Civitate Dei, 5. Buch, Kap. 9—11) und Cicero (De Fato) sowie den zeitgenössischen Bearbeitern des Themas wird vornehmlich Boethius (Consolatio Philosophiae) zitiert, der die Verbindung von (antiker) Philosophie und christlicher Theologie in eigener Person darstellt. Petersen disponiert seine Überlegungen klar und deutlich, indem er zunächst die einzelnen Begriffe der „praescientia", des „liberum arbitrium" und der „contingentia rerum" definiert und sich dabei von den Definitionen nicht-lutherischer Schulphilosophen absetzt, um dann die Vereinbarkeit der definierten Begriffe darzulegen. Die einzelnen Argumente brauchen hier nicht vorgeführt zu werden. Interessant für Petersens weitere Entwicklung sind vielleicht einzelne Passagen, wo er die Ebene einer begrifflichen Argumentation verläßt und von der Psychologie oder Wirklichkeitserfahrung her argumentiert: „Si quis igitur cum Stoicis dicat fato furatus sum, fato peccavi, illi fatuo scite respondemus, fato etiam suspenderis, fato etiam lues. " U 5 Auch wenn es sich hierbei um ein häufiger gebrauchtes Argument handeln mag, entsteht doch der Eindruck, daß damit die philosophische Erörterung im Grunde ad absurdum geführt wird. Das für jede Theologie wichtige Problem von Notwendigkeit und Freiheit wird ganz auf die psychologische Dimension reduziert, wenn es unter dem Gesichtspunkt der subjektiven Bedeutung für den Menschen gesehen wird. Damit beginnen scholastischphilosophische Wahrheit und Erkenntnis der Erfahrungswirklichkeit auseinanderzutreiben. Die spätere Abkehr Petersens von der philosophischdogmatischen Theologie ist hier in ihrer Möglichkeit angelegt. A u f die gehaltene Disputation hin verlieh ihm die Philosophische Fakultät die „venia legendi". 1 1 6 Als Magister hält Petersen in einzelnen (unteren) Disziplinen der Philosophie Kollegien, ζ. B . über die Naturrechtslehren von Wilhelm und Hugo Grotius, und Collegia Oratoria, in denen er die lateinischen Schriftsteller Cicero, Claudianus, Lucanus, Livius und Vergil und das Rhetoriklehrbuch „Institutiones Oratoriae" (1606) von Gerhard Heinrich Voss behandelt. 117 114

V g l . WEBER, E i n f l u ß 1 9 0 8 , 8 - 1 3 .

Osculum praescientiae 1673, 6. 1 1 6 L B 1717, 17; vgl. Eintrag als Privatdozent nach LEHNERT-HAUPT, Gießen 1, 1907, 448 (Dekanatsbuch, p. 9 9 f . ) für den 1. September 1673 sowie von M . R e i c h e („Reicke") und B . Botsack, ebd., 4 5 0 u n d 419. 1 1 7 L B 1717, 17 (1.: Claudiano, Lucano). H. Grotius, D e iure belli et pacis, ( z . B . ) 1670; W. Grotius, Enchiridion de Principiis Juris Naturae, Jena 1669. Zur Wertschätzung von H. Grotius seitens Speners s. WALLMANN, Spener 1986, 81—86. Zu Vossens Lehrbuch s. (ζ. B . ) 5. 115

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An neueren Autoren, die als Vorbilder einer guten Nachahmung der antiken dienen können, empfiehlt er Aonius Palearius (ca. 1500—1570) und (Johann Georg?) Graevius (Graeve) (1632—1703). Dazu hält er in seinen Kollegien private Disputationsübungen, in denen er jüngere Studenten auf ihre Rolle als Respondenten einer öffentlichen Disputation vorbereitet. 118 Nach seiner Inauguraldisputation hat Petersen in den folgenden Jahren noch zwei weitere philosophische Disputationen verfaßt und ihnen praesidiert. Aus seiner literarischen Beschäftigung mit den klassischen Autoren ist seine umfangreichste Universitätsschrift entstanden, eine Auseinandersetzung mit Lukians Schrift „Jupiter Confutatus" („Zeus elenchomenos"), die er den Stadtvätern Lübecks als Zeichen des Dankes und der Ehrerbietung gewidmet hat. 119 Die Schrift, die von vier Studenten öffentlich verteidigt wurde, umfaßt 138 Quartseiten. 120 Petersen folgt in ihr Argument für Argument dem von Lukian entworfenen Dialog zwischen Zynikus und Jupiter, der sich um das Problem der Vorsehung bzw. des unveränderlichen Schicksals (Drei Parzen) und des freien Willen dreht. Petersen versucht mit der Widerlegung Lukians drei zeitgenössische Gegner der lutherischen Theologie zu treffen: den Atheismus, der die Vorsehung Gottes leugnet, den Katholizismus mit seiner Verehrung der Heiligen als Fürsprecher vor Gott und die Reformierten mit ihrer zum Determinismus tendierenden Prädestinationslehre. Es geht damit also wieder, diesmal nur ausführlicher, um das schon im „Osculum praescientiae" verhandelte Problem. 121 Mit Petersens Kollegien zur Naturrechtslehre von Hugo Grotius schließlich hängt die letzte Disputation zusammen, die er im Laufe seines Studiums gehalten hat. Wahrscheinlich am 29. Februar 1676 disputiert unter ihm der Augsburger Johann Hartmann Creide über das Thema: „De Osculo legis naturae cum praecepto primo decalogi". 122 Die Disputation wie Petersens Naturrechtskollegien sind beachtenswerte Zeugnisse der Beschäftigung mit einer modernen, frühaufklärerischen Philosophie, die ansonsten von den Aufl., Marburg 1681: C O M M E N T A R I O R U M || R H E T O R I C O R U M , || SIVE || O R A T O R 1 A R U M || I N S T I T U T I O N U M || LIBRI SEX, || [ . . . ] ( N S u U B Göttingen). 118 LB 1717, 17. BECKER, Gießen 1, 1907, 149. Zu Graevius s. Handschriftliche Quellen (Kopenhagen). 119 S. Werkverzeichnis; Widmung vom 13.4. 1674. 120 Es handelt sich um Johann Heinrich Feu(e)rbach, Georg Philipp S(ch)midtborn, Johann Ludwig Weisbender und Johann Philipp Schild; vgl. Matrikel Gießen 1898, 64. 71. 70. Schmidtborn war Schüler des Pädagogiums bis Ostern 1667; WALDHAUS, Suchbuch 1937, s. v. 121 Die genannte Disputation über Lukian hatte noch eine Grundsatzentscheidung der Theologischen Fakultät zur Folge (Dekanatsbuch, Anno 1674, p. 107). Man beriet über das von Petersen (eingeführte [?] und) praktizierte Verfahren, daß er eine zusammenhängende Disputation („integra opera") sukzessive von mehreren Magisterkandidaten verteidigen ließ. Man beschloß für dieses Mal, ein Auge zuzudrücken; künftig war dies nicht mehr gestattet. Auch seien die Disputationen auf anderthalb Bogen (12 Seiten in 4°) zu begrenzen. 122 S. Werkverzeichnis. Das Datum nach der Korrektur am Exemplar der BSB München: aus 29. : 29. Febr. Der Respondent ist vermutlich der Sohn des Augsburger Pfarrers Hartmann Creide (1606-1656); s. Jöcher 1, 1750, 2183f.

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lutherischen Theologen mit Skepsis betrachtet und dem Verdacht des Synkretismus belegt wurde. 1 2 3 Es ist auffallend, wie in der Mitte der siebziger Jahre, als die Nachkriegsgeneration in akademische Ämter kommt, auch ein freierer, ungezwungenerer U m g a n g mit den neuen europäischen Geistesströmungen festzustellen ist. Die Evidenz ihrer Argumentation ist offenbar so stark, daß sich ihr junge Gelehrte wie Petersen nicht entziehen können. Dafür gibt es gerade in Gießen einige Beispiele. Da ist zum einen das erwähnte Kolleg Petersens. Wieweit Grotius damals in Gießen schon rezipiert war, ob seine Ideen in einem gewissen Rahmen geduldet wurden und wie die Professoren sachlich zu ihm standen, ist unklar. Immerhin k o m m t in demselbenjahr, als Petersen seine obengenannte Disputation hält, Johann Georg von Kulpis (1652—1698) aus Straßburg nach Gießen, der wohl zu den ersten Juristen zu zählen ist, der Grotius öffentlich empfahl. 1 2 4 Vielleicht ging die Grotiusrezeption in Gießen vornehmlich von Johannes Weiss aus. Er hatte 1674 mit Daniel Hagelberg eine ähnliche Disputation wie Petersen gehalten mit dem Titel: Dissertatio, Exhibens Harmoniam Juris Naturis C u m Q u i n t o Praecepto Decalogi (Gießen: Karger 1674). 125 Die Beschäftigung mit Grotius hat bei Petersen keine konkreten Spuren hinterlassen, die auf einen prägenden Einfluß hindeuten könnten. Aber die allgemeine Tendenz ist doch beachtlich. Grotius vertritt mit seiner Naturrechtslehre einen neuen wissenschaftlichen Geist. Er stellt das Recht durch seine naturrechtliche Grundlegung auf eigene Füße. Es wird nun nicht mehr im Rahmen eines theologischen oder philosophischen Systems legitimiert, sondern aus seiner eigenen Rationalität. Hier emanzipiert sich ein politischer, an der konkreten Wirklichkeit und ihrer Bewältigung interessierter Geist von jeglicher Metaphysik. Von demselben Geist war j a auch schon - der N o t gehorchend - das Vertragswerk des Westfälischen Friedens hinsichtlich der Konfessionsfragen geprägt. Petersens Beschäftigung mit Grotius zeigt, daß ihm, dem „Kind des Westfälischen Friedens", dieses Denken nicht fremd war. Drei Jahre zuvor, im Jahre 1673, beginnt in Gießen eine öffentliche Diskussion über Descartes, ausgelöst durch eine Disputation von Johannes Kahler (De Paradoxa Cartesii Philosophia, Gießen 1673), in der der j u n g e Magister und Privatdozent Kahler (1649—1729) relativ differenziert die Einsichten Descartes' erläutert und abwägt und den Philosophen gegen den Vorwurf des Atheismus in Schutz nimmt. 1 2 6 Obwohl seine Schrift alsbald auf Antrag der Theologischen Fakultät konfisziert wird, beginnt in demselbenjahr die langsame, wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der neuen M

WOLF, R e c h t s d e n k e r 1 9 5 1 , 2 8 7 .

Vgl. WOLF, Rechtsdenker 1951, 287 und WALLMANN, Spener 1986, 8 3 - 8 5 . Straßburg dürfte über Johann Heinrich B o e d e r eine wichtige Vermittlungsrolle fur die Grotiusrezeption gespielt haben. 124

125

SCHÜLING, D i s s e r t a t i o n e n 1 9 8 2 , 9 3 6 .

126

Exemplar in U B Marburg; vgl. A D B 14, 1881, 795 f.

43

Philosophie. 1 2 7 Der Prozeß des allmählichen Eindringens neuer Gedanken und Methoden ist schwer zu erfassen. Bemerkbar macht er sich dort, w o die neuen Gedanken in dem wissenschaftlichen Diskurs positiv aufgenommen werden. Der dadurch inhomogen werdende Argumentationsgang, die Verbindung von aristotelischer Metaphysik und neuzeitlichem Rationalismus trägt in sich bereits die Abkehr von der überkommenen Schulphilosophie. Als ein Beispiel kann Petersens Disputation „De osculo legis naturae" von 1676 angeführt werden. Petersen macht zu Beginn seine Gegner namhaft, gegen die er wissenschaftlich streiten will. Es sind dies die „Atheisten" oder „heutigen Lukianisten" (S. 3), die das Gesetz oder die natürliche Theologie (nach R o m 1 , 1 8 f f . und 2, 14ff.) verneinen, indem sie mit den Dämonen und der Hölle auch die Unsterblichkeit der Seele leugnen oder wie Macciavelli die Religion nur als Herrschaftsinstrument betrachten. Auch die Sozinianer, die eine natürliche Gotteserkenntnis ablehnen, zählen zu Petersens Gegnern. Im K a m p f gegen diese Feinde der orthodoxen Theologie kann Petersen für die Existenz eines Naturgesetzes neben R o m 2, 14ff. nun auch auf W. Grotius verweisen, der das Naturgesetz rein philosophisch-rational begründet. Die rationale B e gründung tritt neben die theologische Lehre von der „Theologia insita", d. i. der dem Menschen innewohnenden Gotteserkenntnis, die von der Existenz seines Gewissens bezeugt wird. Nach der Darstellung der „Theologia acquisita" nach R o m 1, 20, der aus den Schöpfungswerken sich ergebenden Gotteserkenntnis, gilt es nun, die Grenzen des philosophisch begründeten Naturgesetzes zu zeigen und zu betonen, daß das Naturgesetz und seine Befolgung für das Heil nicht hinreichend sind: „Lex naturae non est sufficiens ad salutem" (S. 6). 1 2 8 Petersen betont, daß das Heil nur durch Christus als der von Gott verordneten Genugtuung zu erlangen ist. Interessanterweise wird nun selbst die Wahrheit dieser Aussage, die doch eigentlich eine Offenbarungsaussage ist, durch den Hinweis auf die allgemeine Religionsgeschichte und die dort anzutreffenden Opferriten bekräftigt. Versucht Petersen also hier eine m ö g lichst große Harmonie zwischen Offenbarungswahrheit und natürlicher Erfahrungserkenntnis herzustellen, so wendet er sich zuletzt gegen die D e n ker, die eine scharfe Trennung von philosophischer und theologischer E r kenntnis vornehmen, ζ. B . Daniel Hoffmann aus Helmstedt (1538—1611). 1 2 9 Gegen diesen Gegner beginnt nun Petersens eigentliche Aufgabe, am B e i spiel der Harmonie von Naturgesetz und erstem Gebot den Nachweis für die Kongruenz der philosophischen und theologischen Erkenntnis zu erbrin127

Z u r K o n f i s z i e r u n g s. L E H N E R T - H A U P T , G i e ß e n 1, 1 9 0 7 , 3 7 6 . V g l . SCHÜLING, W e i s s 1 9 7 7 ,

X V I I I ff. 1 2 8 In den Blick genommen wird hier v. a. Franziskus Puccius aus Florenz, der auch den ehrbar lebenden Heiden die Seligkeit zugesprochen hat (Puccianismus), aber auch der Deismus, ζ. B. Herbert de Cherbury (§ 4). 129 Y G ]

44

RITSCHL, D o g m e n g e s c h i c h t e 4 , 1 9 2 7 , 4 1 2 .

gen. Das geschieht, indem Petersen die einzelnen Aussagen des ersten Gebotes zergliedert und dafür die entsprechenden Parallelen des Naturgesetzes anfuhrt. Bei dem Element des Monotheismus, der im ersten Gebot steckt, ist Petersens Argumentation besonders interessant. Er rekurriert für dessen natürliche Begründung nämlich auf Descartes, dessen Methode er in Ansätzen übernimmt: „Hunc processum ex Cartesio improbare non possumus" (S. 17), indem er Descartes' Methode, von der Gewißheit des eigenen Seins im Prozeß des Denkens auszugehen, aufnimmt, um danach freilich ganz im aristotelischen und scholastischen Sinn nach der Erstursache dieser denkenden Existenz zu fragen, die über die biologische Kette auf Adam und Eva und ihre Erschaffung durch den allmächtigen Schöpfer als Verursacher zurückverfolgt wird. Eine eigenartige Vermischung von aristotelischem Kausalitätsdenken und cartesianischem Rationalismus! Petersen hat ein geordnetes, in keiner Weise ungewöhnliches oder ereignisvolles Studium absolviert und es sofort auf eine leitende Funktion innerhalb der Kirche ausgerichtet. Wissenschaftlich verschloß er sich nicht den fortschrittlichen Richtungen der Philosophie, sondern sympathisierte mit ihnen, ohne sie als solche für sich zu rezipieren. Aber in der Spannung zwischen veralteter Schulphilosophie und modernen Strömungen, die dem eigenen Lebensgefuhl eher entsprachen, wurde der Weg für seine spätere Entwicklung jenseits der altprotestantischen Orthodoxie geebnet. Denn ebenso wie der Aristotelismus zur lutherischen Orthodoxie gehört und diese zu ihm, ebenso ist der Pietismus nur jenseits eines aristotelisch geprägten Welt- und Lebensverständnisses vorstellbar. Erst der Pietismus Ph. J . Speners hat Petersen auch theologisch einen Ausweg aus dieser Unentschiedenheit und Orientierungslosigkeit gezeigt.

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Zweiter Teil: Begegnung mit dem Pietismus I. Die pietistische Bewegung in Frankßirt a. M. Einleitung

Während seines zweiten Gießener Aufenthaltes kommt Johann Wilhelm Petersen in Kontakt mit der in Frankfurt am Main entstehenden pietistischen Bewegung. Die inneren Gründe und Motive Petersens, die ihn alsbald zu ihrem Parteigänger und später zu einem ihrer herausragenden Verfechter werden ließen, sind nicht eindeutig zu bestimmen. Einen gewissen religiösen Ernst, eine tiefere Frömmigkeit darf man wohl als mütterliches Erbe annehmen. Solche Charaktereigenschaften reichen aber als Erklärung fur Petersens Aufnahme von pietistischem Gedankengut nicht aus. Daß er schon früher von religiösen Strömungen erfaßt worden sei, die den Pietismus allgemein und Petersens Hinwendung zu ihm im besonderen vorbereiteten, ist nicht ersichtlich. Schul- und Universitätsausbildung mußten als geistige Voraussetzungen für seine Entwicklung in Betracht gezogen werden. Bei den in Gießen gehaltenen Disputationen war an einigen Stellen zu erahnen, wie unbefriedigend das orthodoxe Lehrgebäude für einen jungen Theologiestudenten sowohl in religiöser als auch in theologisch-intellektueller Hinsicht sein konnte. Ungeachtet der Tatsache, daß sich die persönliche Begegnung Petersens mit den Frankfurter Pietisten in ihrer Tiefe und Tragweite nicht historisch beschreiben und in Rechnung ziehen läßt, ist auffällig, wie sehr die pietistische Theologie Petersen intellektuell anspricht. 1 In der Tat läßt sich zeigen, daß Petersen sich erst allmählich der Gedankenwelt öffnet, der er bei den Frankfurter Pietisten begegnet, u m sie dann auf eigene Weise gedanklich zu verarbeiten. Hier findet keine religiöse Erschütterung, keine plötzliche Bekehrung und keine schlagartige Abkehr von der herkömmlichen Schulphilosophie und Schultheologie statt. Petersens Pietismus ist hauptsächlich durch sein bibeltheologisches, also ein wissenschaftliches Interesse geprägt. Schließlich trifft Petersen in Frankfurt nicht auf eine klar konturierte pietistische Gruppe, sondern begegnet ganz unterschiedlichen, erst Gestalt annehmenden Vorstellungen. Es sind die drei herausra1 Das gilt wohl auch für andere Hauptfiguren des Pietismus. Seine Bezeichnung als „Religion des Herzens" mit einer besonderen Nähe zum Gefühl (vgl. ζ. B. HAZARD, Krise 1939, 487.489), als „Gemüthschristentum" (GÜNTHER, Psychologie 1926, 148) oder seine Erklärung aus dem Wunsch nach „Erleben der Rechtfertigung" (HOLL, Rechtfertigung [1922] 1928, 542f.) bleiben unbefriedigend, zumal das stark sensualistische Pathos ein allgemeines Kennzeichen des 17. Jahrhunderts, des Barockzeitalters, ist.

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genden Personen der Frankfurter Pietisten, Philipp Jakob Spener, Johann Jakob Schütz und Johanna Eleonora von und zu Merlau, Petersens spätere Frau, die den jungen Magister nach und nach und je auf ihre besondere Weise beeindrucken und mit den verschiedenen Ideen bekanntmachen, von denen die Keimzelle des deutschen Pietismus in jenen Jahren bewegt wird.

Begegnung mit Philipp Jakob

Spener

In seiner Lebensbeschreibung differenziert Petersen seine verschiedenen Aufenthalte in Frankfurt nicht, sondern benutzt unbestimmte Zeitadverbien wie „damahls", „zu der Zeit" oder „öfter" und bindet damit die Begegnung mit den Frankfurter Pietisten zu einer längeren Episode seines Lebens zusammen. 2 Der Eindruck, den Petersen damit vermittelt, trügt, da es sich u m mehrere Besuche handelt, die sich auf einen Zeitraum von fast zwei Jahren verteilen. An anderer Stelle beklagt Petersen selbst, daß er nicht für eine längere Zeit in Frankfurt bei Ph. J. Spener Theologie studieren konnte. 3 Genaue Datierungen für die Besuche des Gießener Studenten sind zwar nicht möglich, doch lassen sie sich zeitlich näher eingrenzen. Dabei wird man angesichts einer Entfernung von ca. 9 Meilen (65 km) zwischen Gießen und Frankfurt, deren Bewältigung im 17.Jahrhundert einen Tag, nicht ohne Strapazen, in Anspruch nahm, Petersens Aufenthalte vor allem für die Gießener Universitätsferien veranschlagen müssen, also die Zeiten der Frankfurter Messen im Frühling und im Herbst (ein Monat), die Weihnachtsferien (24. Dezember - 6. Januar), eine Woche um Pfingsten und eine Woche während der Hundstage (in der Zeit zwischen dem 24. Juli und 24 August). 4 In die zweite Gießener Zeit also fällt Petersens nähere Bekanntschaft mit Philipp Jakob Spener, dem Senior des Geistlichen Ministeriums der freien Reichsstadt Frankfurt am Main und dem Vater des deutsch-lutherischen Pietismus. Eine Reihe von Briefen Speners an Petersen sind abschriftlich erhalten. Der erste dieser Briefe datiert vom 15. Februar 1673. Der dort von Spener nachgeholte Neujahrsgruß sowie der Inhalt des Briefes lassen darauf 2 LB 1717, 19—21, bes. 21: „Als ich nun hierinnen bekräfftiget ward [ . . . ] so nahm ich von Franckfurt Abschied". Vgl. DECHENT, Kirchengeschichte 2, 1921, 80, der aber keine näheren Angaben zu Petersens häufigeren und längeren Aufenthalten machen kann; unzutreffend auch

SCHERING, P e t e r s e n 1 9 8 2 , 2 2 1 f. 3

LB 1717, 18: „ [ . . . ] hätte wünschen mögen, daß ich mein Geld, das ich theils hatte, theils vom Stipendio Schabbeliano genoß, allda zu Franckfurt in seinem Hause verzehren, und mich aus ihm erbauen möchte"; vgl. Spener an Petersen, Frankfurt a. M., den 29.4. 1676 (AFSt A 196, p. 43 - 46 bes. 44). 4 (Marburg-)Gießener Universitätsstatuten, Tit. XXI (GUNDEL, Statuten 1982, 96f.). Zur Wegstrecke: U m 1760 fuhr man auf außergewöhnlich guten Wegen und mit starken Pferden die 3 Meilen von Marburg nach Gießen in 4 Stunden und die 4 Meilen von Friedberg nach Frankfurt (mit zwei größeren Pausen) in 8 Stunden; NOACK, Reise 1908, 2 f.

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schließen, daß die Briefbekanntschaft der beiden aus dem Jahre 1672 herrührt. 5 Bestätigt wird der Termin Herbst oder Winter 1672 als Beginn der lebenslangen Freundschaft zwischen Petersen und Spener durch die Aussage Petersens in seinem Brief an Christian Kortholt in Kiel vom 16. Januar 1677. Dort schreibt Petersen, er führe „ultra quadriennium [ . . . ] , tum alibi, tum Giessae praesertim" eine Korrespondenz mit dem Frankfurter Senior. 6 Man muß daher annehmen, daß Petersen noch vor seiner Rückkehr nach Gießen zum Ende des Jahres 1672 versucht hat, mit Spener in Kontakt zu treten. Denn es war sicher Petersen, von dem die Initiative ausging. Was aber veranlaßte Petersen dazu? Einen Hinweis bietet seine Angabe, daß ihm Spener „von einem sehr recommendiret" worden sei.7 Zu denken wäre hier zum Beispiel an den obengenannten Daniel Kaspar Jacobi, der mit Petersen im Hause Ph. L. Hannekens logierte und vielleicht über J. H. Horb auch mit Spener bekannt war. Der mag ihn auch zu einem Besuch bei Spener ermuntert haben. Die Korrespondenz hat er aber sicher nicht vermittelt, da diese eben schon am Ende des Jahres 1672, von Rostock oder Lübeck aus, begann. Trotz der schmalen Quellenbasis dürfte die Annahme einer Vermittlung durch die angesehene Frankfurter Familie Baur von Eyseneck einleuchten. 8 Das enge Verhältnis Speners zu Johann Vincenz (gest. 1672), dessen Frau Maria Juliane geb. von Hynsberg (1641 — 1684) und der Frankfurter Familie überhaupt ist bekannt. 9 Ein Verwandter dieses Ehepaares, Johann Christian Baur von Eyseneck (1653— 1699), nennt sich seinerseits in einer Gratulationsschrift zu Petersens Heimkehr vom Studium nach Lübeck, die als „Glückwünschender Z u r u f f ' 1672 in Rostock gedruckt wurde, Petersens „treusten Freund". 10 Er war ein Vetter von Johann Vincenz. Möglicherweise hat er Petersen auf Spener aufmerksam gemacht und, als sich Petersens Rückkehr nach Gießen andeutete, ihm geraten, mit Spener in Kontakt zu treten. 11 Der 5

AFSt A 196, p. 1 - 3 , bes. 3. U B Kiel, 4°Cod. S.H. 406, A3, Bl. 7. Vgl. Cons. 3,1709,724-727(10.10.1692) bes. 725b: „Virum [Petersen] a lustris pene quatuor novi, & tum eruditionem solidam, tum pietatem infucatam in pretio habui, nec non Nobil. ipsius coniugem." 7 LB 1717, 17. 8 Denkbar wäre auch eine Vermittlung über Frankfurter Studenten in Rostock, z. B.Johannes Simon Francke (Franc von Liechtenstein) (1644—1708), der 1671 in Rostock studierte (Matrikel Rostock 3, 1895, 248a). 9 WALLMANN, Spener 1986, 144.294; zu M.J. Baur v. Eyseneck vgl. Arnold, Leben 1701, 1121 - 1 1 4 3 undReitz, Historie3,1701,112-123. Spener (und Holtzhausen) wurden 1684 an das Sterbebett Joh. Jakob von Eysenecks gerufen, obwohl dieser sich zur Hospitalkirchengemeinde zählte (LP [Stolberg, Nr. 6112], Personalia, S. 47.50). 10 Bibl.-Kat. Bd. 7 (LXIII Lübeck-Personalia) in AHL; der Ein-Blatt-Druck befindet sich nicht mehr in der StB Lübeck (Kriegsverlust, Sign.: 2° Pers. 58). 11 Stammbaum der Familie Baur v. Eyseneck, I. Tafel (aufgestellt von Karl KIEFER), in: Frankfurter Blätter fur Familiengeschichte 3, 1910, 24f. Johann Jakob, der Vater Johann Christians, u n d j o h a n n Martin, der Vater von Johann Vincenz, waren Söhne von Johann Martin (d. Ä.) (gest. 1634) ; vgl. Arnold, Leben 1701, 1122. J. Chr. B. v. E.s Herkunft aus Frankfurt weist die Rostocker Matrikel (Matrikel Rostock 3, 1895, 248a: August 1671) aus. 6

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Beginn des Briefwechsels muß jedoch nicht bedeuten, daß Petersen Spener alsbald in Prankfurt aufgesucht hat, nachdem er nach Gießen zurückgekehrt war. Dazu gab es keinen Anlaß. Die (freilich nur wenigen) Überlieferten Briefe der ersten Zeit geben kein Hinweis darauf, daß Petersen zu diesem Zeitpunkt mehr bei Spener suchte als das wissenschaftliche Gespräch. O b er schon von Speners besonderer geistlichen Ausstrahlung, seinem reformerischen Bestreben oder den Collegia pietatis wußte oder beeindruckt war, bleibt fraglich. Wann fand diese erste Begegnung von Petersen und Spener statt? Einen Anhaltspunkt bietet ein Brief Speners an Petersen vom 17. Oktober 1674. Darin antwortet Spener auf die ihm gegenüber von Petersen offenbar überschwenglich geäußerten Dankesworte: „Ich glaube, es ist nicht nötig gewesen, daß Dir hier endlich die Wurzeln einer höheren Frömmigkeit eingepflanzt worden sind, weil Dir der Eifer u m sie schon früher am Herzen lag; wenn gleichwohl jenes Feuer durch einen neuen Funken verstärkt wurde, sage ich Gott zugleich mit Dir unendlichen D a n k " . 1 2

Die spärlichen und bescheidenen Äußerungen Speners lassen erkennen, wie sehr Petersen von der in Frankfurt praktizierten Frömmigkeit beeindruckt gewesen sein muß, daß er seinen Aufenthalt in Frankfurt („hic") als eine Wende („demum") in seinem akademischen und religiösen Leben auffaßte. 13 Speners hier angeführter Brief antwortet auf zwei Briefe Petersens, die offenbar relativ schnell aufeinander gefolgt sind. 14 So wäre Petersens Besuch für spätestens September des Jahres anzusetzen. N i m m t man die Universitätsferien als geeignete Zeit fur eine Reise nach Frankfurt, so kämen vor allem die Hundstage (Ende Juli bis Ende August) oder die Frankfurter Herbstmesse (Mitte September) in Frage.15 Ein früherer Termin ist nicht auszuschließen, er wird aber nach Mitte Mai liegen, da aus dieser Zeit der vorangegangene Brief Speners datiert. 16 Da Petersen Mitte Juni nach Bad Schwalbach in die Kur fahren wollte, ist anzunehmen, daß er diese Reise zu einem Besuch bei Spener nutzte. 17 12 AFSt A 196, p. 10—18 bes. 10: „Pietatis ut hic d e m u m radices altius tibi infigerentur, credo opus n o n fuisse, cum illius Studium pridem tibi fuerit cordi: si tarnen nova scintilla ignis ille auetus est, D E O juxta tecum gratias ago immortales". Vgl. p. 16, w o von „nuperi sermones" die Rede ist, was wohl nach dem ursprünglichen Sprachgebrauch nicht Predigten, sondern Gespräche meint (vgl. Cons. 1, 1709, 252—254). 13 Natürlich ist nicht ausgeschlossen, daß Petersen auch früher schon bei Spener gewesen ist; darin m ü ß t e sich dieses neue Erlebnis („nova scintilla") auf ein bestimmtes Geschehen in Frankfurt zu jener Zeit oder eben die entscheidende Veränderung bei Petersen, seine Wende zum Pietismus, beziehen. 14 AFSt A 196, p. 10: „Ad priores tuas silui, donec alteris monerer, [ . . . ] quod rarius vacat ad aeeeptas illico respondere." WALLMANN, Spener 1986, 336 A n m . 50 wertet diesen Brief Speners flieh* fo die Datierung des Aufenthaltes Petersens in Frankfurt aus. 15 Vgl. oben S. 47. 16 Spener an Petersen, Frankfurt a. M . , den 14. 5. 1674 (AFSt A 196, p. 7 - 1 0 ) . 17 Petersenian Α. Η. Gloxin, Gießen, den 7.6. 1674- AHL.

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In seiner Lebensbeschreibung bekennt Petersen rückblickend, er habe während eines Aufenthaltes bei Spener in Frankfurt die „Erkenntnis der Wahrheit zur Gottseligkeit" (Tit 1,1 nach Luther 1545) kennengelernt. Er erläutert das Zitat, wenn er sagt, er habe damals erfahren, „was darzu gehört, daß man den Sinn des Geistes in der Heil. Schrifft recht verstehen könte". 18 Wie aus dem Kontext der Lebensbeschreibung hervorgeht, spielt Petersen damit auf Speners Lehre an, daß es für die theologische Erkenntnis und für das Verständnis der Heiligen Schrift einer besonderen Erleuchtung und Frömmigkeit bedarf. Diesen Gedanken hat Spener wiederholt geäußert. Und er ist, wie zu zeigen sein wird, auch für die Konzeption der „Pia Desideria" von großer Bedeutung. 19 Nach Spener verlangen nämlich die theologische Erkenntnis und die Auslegung der Heiligen Schrift nicht nur die Enthaltung von einem anstößigen Lebenswandel, sondern eine spezifisch christliche Lebensführung. Entsprechend heißt es bei Petersen über die Entdeckung dieses nach Spener notwendigen Zusammenhanges: „Denn ob mich gleich die Güte GOttes für grossen Sünden und Extravaganzen bewahret, worzu auf der Universitätischen Freyheit grosser Anlaß gegeben wird; so habe ich doch daran kein Belieben von meiner Jugend auf [ . . . ] gehabt, sondern habe, nach meiner Art, G O t t gefurchtet, und die H. Schrifft geliebet, die mir aber sehr dunckel vorkam, bey aller meiner äusserlichen Gelehrsamkeit". 2 0

Petersen will damit dem Eindruck zuvorkommen, er sei von Spener erst von einem sündigen zu einem gottgefälligen Leben bekehrt worden. Vielmehr habe er trotz seines aus weltlicher Sicht ehrbaren Lebenswandels die Schrift oft nicht verstanden - bis er Spener begegnete. 21 Der weltlich anständige Wandel ist, so darf man zusammenfassen, nicht hinreichend, u m die Heilige Schrift zu verstehen. Offenbar war diese Anschauung des Frankfurter Seniors für Petersen ein (intellektuelles) Schlüsselerlebnis, und es ist nur folgerichtig, wenn Petersen rückblickend resümiert, er habe gegenüber dem guten Ruf Speners, der ihn veranlaßt haben dürfte, mit ihm zu korrespondieren, bei seiner persönlichen Begegnung mit dem Frankfurter Senior „ein viel mehrers an ihm gefunden". 22 Was aber hat Petersen in Frankfurt so unmittelbar und konkret beeindruckt?

Die Collegia

pietatis

Neben der Person Speners waren vor allem die von ihm eingerichteten Collegia pietatis geeignet, in einem jungen Theologiestudenten das Feuer 18

LB 1717, 18. S. S. 65. 20 LB 1717, 18. 21 Entsprechend spricht Petersen auch nicht von einer „Bekehrung" sondern nur von einer „Veränderung"; LB 1717, 21. 22 LB 1717, 18. 19

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der Frömmigkeit neu zu entfachen. Er konnte hier erleben, wie Laien aller Stände sich um ein Verständnis ihres Glaubens ohne alle Gelehrsamkeit bemühten. 2 3 Hier wurde ein Theologiestudent mit den praktischen Aufgaben der Verkündigung auf eindrückliche Weise konfrontiert. Die Differenz von akademischer Theorie und seelsorgerlicher Praxis mußte ihm ins Auge springen. 2 4 Die im Jahre 1670 eingerichteten Collegia pietatis hatten sich längst von ihrer ursprünglichen Idee einer „societas animarum piarum" entfernt und zu größeren Versammlungen im Anschluß an den Gottesdienst entwickelt. 25 Mittlerweile hatten sie sich zu offenen, grundsätzlich jedermann zugänglichen Veranstaltungen gewandelt. 2 6 Bis zum Jahre 1682 fanden sie in Speners Pfarrhaus statt, erst dann wurden sie in die Barfußerkirche verlegt, um keine Teilnahmewilligen ausschließen zu müssen. Einem Besucher Speners wie Petersen konnten sie nicht entgehen. U m sich vorzustellen, welchen konkreten Eindruck Petersen damals aus Frankfurt mitnahm, wäre es wichtig zu wissen, in welcher Gestalt er das Collegium pietatis im Spätsommer 1674 erlebt hat. Genauer: K a m Petersen damals schon in eine Situation, in der das Gespräch über die Bibel im Mittelpunkt der Versammlungen stand? U n d hängt sein neuer Funke eben damit zusammen, daß er dieses Bibelstudium von Laien in Frankfurt a. Μ . erlebte? Der bereits angeführte und unten näher zu zitierende Brief v o m 17. Oktober 1674 mit seiner Erörterung des Problems der Erleuchtung im Zusammenhang mit den exercitia pietatis nötigt zu genauer Nachfrage. Irgendwann in dieser Zeit, am Ende des Jahres 1674 oder zu Beginn des folgenden, hat sich bei dem Collegium pietatis ein „Gestalt- und Bedeutungswandel" vollzogen. 2 7 Bekannt ist, daß sich in dieser Zeit immer mehr unstudierte Leute an den Collegia pietatis beteiligten, während ihnen die ersten Mitglieder und akademisch gebildeten Anreger dieses geistlichen Freundschaftsbundes fernblieben. 28 Bekannt ist auch, daß man irgendwann im letzten Quartal des Jahres 1674 die „menschlichen" Bücher (erbauliche Schriften von Theologen) weglegte und nur noch die Bibel las, was Spener auch in seinen Pia Desideria fordert. 2 9 Johannes Wallmann hat diesen Gestalt2 3 Die Interpretation von PD 55,13 ff. durchJ. WALLMANN (Spener 1986,296), dem zufolge in den Collegia pietatis Laien die Bibel auslegten, scheint mir zu weit zu gehen. AaO unterscheidet Spener jedenfalls zwischen „lehren" des Pfarrers (Z. 18) und dem „mit dazu reden" der Laien (Z. 20ff.). Denn Auslegen ist für diese Zeit immer autoritativ und öffentlich. Ob die Collegia pietatis aber in diesem Sinn öffentliche Versammlungen waren, ist fraglich. 24 Vgl. PD 25,5-11;67,5£f. und S. 73f. 2 5 WALLMANN, Spener 1986, 270.277-279 und ders., Chiliasmus 1981, 242. Im Jahre 1675 kamen fünfzig und mehr Leute; s. WALLMANN, Spener 1986, 290f. (Cons. 3,1709, 5 7 6 - 5 7 8 bes. 576); zur Datierung s. ebd., 291 Anm. 4. 26 Zur Diskussion um die Frage einer besonderen Zulassung (s. Cons. 3, 1709, 547b: „modo hic modo ille admitti peteret") vgl. WALLMANN, Spener 1986, 292f. und ALAND, Schütz 1981, 223. 2 7 WALLMANN, Spener 1986, 290-298. 28

29

WALLMANN, Spener 1986, 2 9 2 f.

WALLMANN, Spener 1986,294f. (PD 53,31 ff. bes. 55,26f.). Zur Datierung des Beginns der

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wandel mit einem Bedeutungswandel in Verbindung gebracht, der zum ersten Mal in den Pia Desideria (24. März 1675) greifbar würde. 30 Er versteht unter dem Bedeutungswandel die in den Pia Desideria erstmals bei Spener auftauchende Darstellung der Collegia pietatis als Wiederaufnahme der urchristlichen Gemeindeversammlungen nach IKor 14 (PD 55,13ff.), wozu vor allem Johann Jakob Schütz über seine Beschäftigung mit Jean de Labadie und seiner Schrift ,,L' Exercice Profetique" die Anregung gegeben haben soll.31 Wallmanns Grundvoraussetzung, in der er in charakteristischer Weise von seinem Gewährsmann Werner Bellardi abweicht, der die Entwicklung des Frankfurter Collegiums aus den (jetzt verlorenen) Quellen zu rekonstruieren versucht hat, besteht darin, daß er den Gestaltwandel des Collegiums, wie er sich zur Jahreswende besonders in der Hinwendung zur Bibellektüre zeigt, mit dem Bedeutungswandel, wie er durch das Programm der Pia Desideria (PD 55,13ff.) dokumentiert sei, auf das engste verbindet; genauer: Die Aufnahme einer spezifischen Interpretation von IKor 14 und die darin verwurzelte Idee von Gemeindeversammlungen sei die Ursache und das Vorbild für den Gestaltwandel gewesen. 32 Unter dieser Prämisse ist es dann folgerichtig, wenn Wallmann weiter nach der Herkunft dieser Idee und Interpretation von IKor 14 fragt.33 Sucht man nun nach einer Auslegung von IKor 14, die in dieser Bibelstelle die Einrichtung von bestimmten Gemeindeversammlungen und Bibelstunden begründet sieht, so findet man sie vor allem in der reformierten Kirche und insbesondere bei Jean de Labadie, der in seinem Traktat ,,L' Exercice Bibellektüre s. ebd., 294 Anm. 26. Der Widerspruch der Datierung von Bed. 3,1702,110(10.8. 1675): „ [ . . . ] noch kein Jahr [ . . . ] " und Sendschreiben 1677 (17.8. 1677), 51: „Bey 2. jähren [ . . . ] " (worauf sich GRÜNBERG 1, 1893, 168 fur seine Datierung auf 1675 beruft) erklärt sich daraus, daß die Passage des Sendschreibens 1677, 44—65 eine überarbeitete Übersetzung von Cons. 3, 1709, 324—327 [1676] ist; vgl. bes. 325bf: „A biennio autem omissis libris humanis [ . . . ] nunc in Johanne occupati" (= Sendschreiben 1677, 51 f.). Die Johanneslektüre meldet Spener auch an Petersen, Frankfurt a. M., den 22.8. 1676 (AFSt A 196, p. 4 6 - 5 0 bes. 49: „IN Ioannenostro ad c. 2. v. 18. pervenimus"); vgl. dazu WALLMANN, Spener 1986, 267 Anm. 9und 270 Anm. 20. 30 W A L L M A N N , Spener 1986, 295-297. 31 W A L L M A N N , Spener-Studien 1980, 85f. 32 W A L L M A N N , Spener 1986, 296f. Anm. 38 („Beweisen läßt sich hier freilich nichts."); vgl. iders., Spener-Studien 1980, 85 f. bes. 86: „Der erst jetzt [1674/75] auftauchende Gedanke der U'ieder aufr ich tung der urchristlichen Kirchen Versammlungen nach Muster von IKor 14 fuhrt nicll^t zufällig zur Angleichung an das von Labadie beschriebene Muster" und ebd., 98f. WALL M A N N S schärfster Kritiker, Kurt A L A N D , übernimmt praktisch diese methodische Voraussetzung wenn er seinerseits nach einer fur Spener maßgeblichen lutherischen Tradition von IKor U 1 sucht. Er verläßt diese Voraussetzung aber wieder mit seiner These, daß Spener die Stelle (ll· Cor 14) bei Luther zitiert finden konnte, ihre über Luther hinausgehende Auslegung aber aus dt * M Neuen Testament direkt geschöpft habe (vgl. A L A N D , Schütz 1981,227 f. und dazu W A L L M A N N · Spener-Studien 1980, 87-91). W A L L M A N N lehnt sich in seiner hier angewandten Methode off, «nbar an G. EBELINGS Auffassung der Kirchengeschichte als Geschichte der Auslegung der Heil >g en Schrift (EBELING, Kirchengeschichte 1947) an; Spener-Studien 1980, 88. 33

52

WALLMAN

'N.

Spener 1986, 283.297.315-322.

Profetique" (1668) die Bibelstelle fur seine Sammlung der Frommen in Anspruch nimmt. 3 4 Spener habe also, so Wallmann, von dort die Idee fur seinen Vorschlag der Wiedereinrichtung von Gemeindeversammlungen nach urchristlichem Vorbild, freilich modifiziert, in die Pia Desideria übernommen und vorher das bereits existierende Collegium nach diesen Grundsätzen (v. a. Bibelauslegung statt Lektüre von Erbauungsschriften) umgestaltet. Gegenüber ähnlichen Vermutungen einer Abhängigkeit Speners von Labadie in der älteren Forschung meint Wallmann durch die aufgefundenen Briefe der Anna Maria van Schurman, die in der labadistischen Gemeinde eine fuhrende Position innehatte, a n j o h a n n j a k o b Schütz seit dem Sommer 1674 flir den labadistischen Einfluß auf Spener „handfeste historische Argumente" zu haben, indem er einen direkten, persönlichen, nämlich über Schütz vermittelten Kontakt Speners mit der labadistischen Interpretation von IKor 14 nachweist. 35 Freilich bleibt es auch fur Wallmann bei einem Indizienbeweis, der durch die Plausibilität des Gesamtbildes überzeugen will. 36 Die Vorstellung von Gemeindeversammlungen nach IKor 14 ist ja in der Tat keine Geheimlehre Labadies, sondern gemeinreformierte Tradition. 37 Es geht also vor allem um die historische Bedeutung der Rezeption der Korintherbriefstelle im Dienste der Frankfurter Collegia pietatis. Neben der zeitlichen Koinzidenz des Wandels der Collegia und des Briefwechsels zwischen Schütz und Anna Maria van Schurman kann Wallmann auf die besondere Rolle Schützens in den Collegia pietatis verweisen 38 sowie auf den Anteil, den der unter labadistischem Einfluß stehende Schütz bei einem anderen Punkt des Reformprogramms der Pia Desideria hat. 39 Wallmanns in sich geschlossenes Gesamtkonzept hängt von seiner oben genannten (methodisch begründeten) Voraussetzung ab. Bliebe man nämlich bei Bellardis einfacher Feststellung und Unterscheidung eines Gestaltwandels der Collegia pietatis um die Jahreswende 1674/75 und eines Bedeutungswandels, wie er sich in den programmatischen Ausführungen Speners zu Versammlungen nach IKor 14 in den Pia Desideria niederschlägt, so wäre zu fragen, ob der Gestaltwandel sich auch auf andere Gründe als nur auf die leitende Idee von IKor 14 zurückfuh34

WALLMANN, S p e n e r 1 9 8 6 , 2 9 7 ; v g l . GOETERS, V o r b e r e i t u n g 1 9 1 1 , 174FF. u n d SCHMIDT,

Labadie 1926, bes. 5 7 7 - 5 7 9 (vorbereitet schon in „La Reformation de L'Eglise par le Pastorat" aus d e m J a h r 1667). 35

WALLMANN, Spener-Studien 1980, 9 2 - 9 7 bes. 92; vgl. ders., Spener 1986, 307-314.

36

WALLMANN, S p e n e r 1986, 321.

37

AaO, 320. WALLMANN, Spener 1986, 2 9 9 - 3 2 4 und 271 (Entstehung des Collegium pietatis) und 298 (Zeugnisse von Besuchern); vgl. ders., Spener-Studien 1980, 93f. und ders., Chiliasmus 1981, 245. Die überragende Rolle Schützens in den Collegia pietatis erklärt sich sowohl aus seiner auch von Spener gerühmten geistigen Persönlichkeit (WALLMANN, Spener 1986, 299), als auch aus der Tatsache, daß in den Collegia pietatis ja gerade die Laien zu Worte kommen sollten. 39 WALLMANN, Spener 1986, 3 1 5 - 3 1 7 und ders., Spener-Studien 1980, 94.96; vgl. SCHMIDT, Labadie 1926, 580-582. 38

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ren ließe. Spener selbst übernimmt j a nicht einfach die labadistische Idee, sondern interpretiert seinerseits die Bibelstelle, wenn er in den Pia Desideria Gemeindeversammlungen nach I K o r 14 vorschlägt. Dabei ergibt sich folgendes Bild: Spener wünscht sich Versammlungen von ,,mehrere[n]" aus der Gemeinde (nicht der ganzen Gemeinde) (PD 55,24), die sich über die Schrift brüderlich unterreden, ihre „Dubia" einander vortragen (PD 56,1) und ihr Verständnis der Heiligen Schrift „von den übrigen/ sonderlich den beruffenen Lehrern" überprüfen lassen (PD 56,5 f.), die nämlich „das Directorium dabey behalten" (PD 56,11 f.). 4 0 Spener geht es vor allem darum, die einlinige Kommunikation, „wo einer allein in stäts fliessender rede seinen vortrag thut" (PD 56,23), durch gemeinsame Bibelarbeit aufzubrechen, indem dort die Verständnis- und grundsätzlichen Fragen der Predigthörer aufgenommen werden können. 4 1 Das sollte seinerseits positive Auswirkungen auf die häuslichen Andachten und Unterweisungen haben (PD 56,20f.). Ähnliche Gedanken hat Spener nun bekanntermaßen schon früher in einer Predigt am 17. Sonntag nach Trinitatis 1669 geäußert. 42 Auch dort wünscht sich der Frankfurter Senior die Zusammenkunft guter Freunde (d. h. eines Kreises, der über die Hausfamilie hinausgeht, aber auch nicht die ganze Gemeinde umfaßt), die ein Erbauungsbuch lesen, die Predigt wiederholen und überhaupt über „göttliche Geheimnisse" sich besprechen. Auch sie sollen ihre Zweifel und Fragen den ordentlichen Kirchenlehrern und Pfarrern vortragen. O b man daraus freilich schon folgern kann, daß das Collegium pietatis in Frankfurt von Spener planmäßig gegründet sei, bleibt fraglich. 43 Denn offenbar gilt es zwischen Speners Vorstellungen und denen der Gründungsmitglieder des ersten Collegiums zu unterscheiden. 44 In der Tat scheinen im Jahre 1670 die Vorstellungen von dem einzurichtenden Collegium pietatis zwischen Spener und dem das Collegium anregenden Kreis um Schütz divergiert zu haben. A u f den Kompromißcharakter der Collegia pietatis weist Wallmann wiederholt hin. 45 Vor allem das Problem eines geschlosse4 0 Daß Schütz als „praeses" der Collegia pietatis genannt wird (vgl. WALLMANN, Spener 1986, 2 9 8 A n m . 44) ist ein von Christian Philipp Leutwein nicht verifizierter V o r w u r f von Speners Gegnern (Leutwein an B. Bebel, 1. 7. 1679- Seelen, Deliciae 1729, 4 1 9 - 4 2 4 bes. 422). 41 Spener betont die Notwendigkeit eines besseren Vertrauens zwischen Prediger und Gemeinde (PD 5 6 , 1 3 - 1 5 ) . 4 2 Erbauliche Evangelische= u. Epistolische Sonntags=Andachten 1, 1716, 6 3 8 nach WALLMANN, Spener 1986, 2 8 0 und ALAND, Schütz 1981, 224. 43

So ALAND, Schütz 1981, 2 2 4 - 2 2 6 .

So WALLMANN, Spener 1986, 2 6 9 - 2 7 7 und zur o . g . Predigt ebd., 2 8 0 - 2 8 2 bes. 281 A n m . 5 6 (Vgl. GRÜNBERG 1, 1893, 166f.), und ders., Spener-Studien 1980, 93f. Dagegen ALAND, Anfänge 1979, 174 und ders., Schütz 1981, 225. 44

4 5 Spener 1986, 2 7 7 . 2 8 1 . 2 8 8 f . 2 9 1 . 2 9 3 . Eigentümlich bei WALLMANNS Darstellung der E n t stehung und Entwicklung des Collegium pietatis ist es, daß er sowohl bei dessen Gründung eine Differenz zu dem sieht, „was f r o m m e Zusammenkünfte nach Speners Idee ursprünglich sein sollten" (Spener 1986, 281), als auch eine Differenz des späteren Collegiums, wie es sich u m die Jahreswende 1 6 7 4 / 7 5 darstellt, zu seiner ursprünglichen Gestalt des Jahres 1670. Die nahelie-

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nen Kreises sowie die Frage nach seinem „Sitz im Leben der Gemeinde" dürften umstritten gewesen sein. Ein neben der kirchlichen Gemeinschaft in sich bestehender religiöser Zirkel war kaum zu halten. Spener hat ihn jedenfalls nicht zu verteidigen versucht, um sich und seine Freunde nicht unnötigen Verdächtigungen auszusetzen. 46 Inhaltlich scheint Spener jedenfalls das einmal initiierte Collegium pietatis als Ergänzung der christlichen Unterweisung in der Predigt verstanden zu haben. Nach der Lektüre zweier Erbauungsbücher geht man schon bald auch zu einer Predigtbesprechung und Predigtwiederholung über. 47 Die Tendenz zu einer offenen Bibelstunde ist deutlich. Jetzt will Spener mündige Christen heranziehen, die über das in der Predigt Gehörte und über ihren Glauben selbst Rechenschaft geben können. Der Gestaltwandel, auf den zuerst Werner Bellardi aufmerksam gemacht hat, steht in klarer Kontinuität zu Speners früheren Vorstellungen. Spener hätte dann mit der Umgestaltung zur Jahreswende 1674/75 dem Collegium pietatis, dessen Ausrichtung anfangs umstritten war, endgültig seinen Stempel aufgedrückt. Umgekehrt wäre es verwunderlich, wenn Schütz für die Umordnung des Collegium pietatis im Zuge seiner labadistischen Beeinflussung verantwortlich wäre und damit fur die Abkehr von den ursprünglichen Zielen einer engen und geschlossenen Freundschaft, da er selbst bald darauf das Collegium Speners verläßt und sich dem früheren Ideal im Kreis der sog. Saalhof-Pietisten wieder zuwendet. 48 Bleibt die Frage, warum sich Spener in den Pia Desideria ausdrücklich auf IKor 14 beruft (PD 55,17), also die Frage nach dem Bedeutungswandel. Richtig ist, daß Spener in Luther keinen Gewährsmann fur seine Vorstellung fand, sonst hätte er ihn zitiert. 49 Auch gibt es offenbar keine Zeugnisse dafür, daß Spener die Collegia pietatis schon früher mit IKor 14 begründet hätte. Angesichts der wenigen Zeugnisse Speners überhaupt zu einer biblischen Begründung der Collegia ist daraus nicht zu entnehmen, daß er eine solche Begründung erst 1675 ins Auge faßt. 50 Eine Veranlassung durch Labadies gende Folgerung, daß mit dem Stand von 1674/75 das erreicht ist, was Spener schon von Anfang an will, diskutiert WALLMANN nicht. 46 WALLMANN, Spener 1986, 290-293. Woher WALLMANN (ebd., 292) annimmt, daß der Zustrom ungebildeter Leute durchaus im Sinne der Gründer gewesen sein soll, ist mir nicht klar. Immerhin haben die akademisch gebildeten Anreger des Collegiums dieses schon 1675 wieder verlassen (ebd., 293f.). Wünschten sich die Anreger wirklich nur einfaltige Gespräche über die Grundlagen des christlichen Glaubens? Zu Speners Konzept der „ecclesiolae in ecclesia" s. WALLMANN, E r n e u e r u n g 1986, 24— 29. 47

Cons. 3, 1709, 577 und 543 [1671]: „hactenus legimus [seil. Bayly und Lütkemann] ". Vgl.

WALLMANN, S p e n e r 1986, 294 A n m . 27. 48

Vgl. WALLMANN, Spener 1986, 320.322. Anders ALAND, Ζ. B. Anfänge 1979, 178. 50 Vgl. WALLMANN, Spener 1986, 283 und ders., Spener-Studien 1980, 85. WALLMANN führt nur sieben Schriftbelege Speners und noch dazu von ein und demselben Tag/Brief des Jahres 1670 an (Cons. 3, 1709, 335a: An B. Bebel, Dez. 1670). Für diese frühe Zeit, in der das Collegium noch ein kleinerer, privater Kreis ist, beruft sich Spener verständlicherweise auf 49

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Schrift braucht nicht ausgeschlossen zu werden, der Rückgriff auf 1 Kor 14 erklärt sich aber vor allem aus der Konzeption der Pia Desideria. Z u m einen orientiert sich Spener in unbefangener Art an dem Ideal der frühen Christenheit. Ist doch die Urkirche für ihn der Nachweis für die Möglichkeit eines besseren Zustandes der Kirche auf Erden (PD 49,6ff.) und damit ein tragender Pfeiler neben dem der eschatologischen Erwartung, auf denen zusammen die einzigartige Überzeugungskraft seiner Reformschrift beruht. 51 Die Orientierung an der altkirchlichen „antiquität" ist nicht außergewöhnlich. Sie ist humanistisches Erbe und wurde als Argument prinzipiell von der zeitgenössischen Theologie anerkannt. 52 Z u m anderen macht j a erst das Programm der Pia Desideria das Collegium pietatis zu einer öffentlichen Gemeindeversammlung, insofern es zu einem allgemeinen, für die ganze Kirche vorgesehenen Mittel der Reform erhoben und damit aus der persönlichen Verantwortung des Frankfurter Seniors herausgenommen wird. Erst jetzt bedarf es der theologischen Legitimation als einer kirchlichen Institution. Speners Vorschlag zielt auf eine halb öffentliche, halb private Einrichtung, zu deren genauer kirchenrechtlicher Verfassung er sich in den Pia Desideria nicht geäußert hat. Sie zu einem kirchlichen Verfassungsinstitut zu erheben, war zunächst nicht seine Sache, sondern die der ganzen Kirche. 53 Die Pia Desideria sind nur Vorschläge für eine Kirchenreform, über die öffentlich diskutiert werden sollte. Andererseits konnte Spener eigentlich an einer institutionellen Legitimation nicht interessiert sein. Der Charakter einer freiwilligen Versammlung, in der jeder sich zu Wort melden konnte, der Erbauung suchte, war unter den Bedingungen des Staatskirchensystems sofort gefährdet, wenn die Collegia zu einer öffentlichen Einrichtung der Kirche wurden. Schon wenn Spener die an sich begrüßenswerte Mitwirkung seiner Kollegen ins Auge faßt, befurchtet er die darin wirkende Tendenz zu einem sozialen Zwang und bekundet sein Mißfallen, „der ich bey allen denjenigen dingen so lege [gesetzlich] geboten werden/ [ . . . ] nicht grosse erbauung oder geistlichen nutzen anzutreffen sorge." 5 4 Spener unterscheidet sich von allen früheren Kirchenreformern, indem er eine Besserung Stellen, die die Bibellektüre u n d die gegenseitige brüderliche Unterrichtung begründen. Für die spätere Zeit ist m a n a u f ein angesichts der w e n i g e n Ä u ß e r u n g e n k a u m überzeugendes a r g u m e n t u m ex silentio angewiesen ( „ A u c h sonst findet sich in den ersten J a h r e n keine S p u r eines Rekurses auf j e n e spätere Kardinalstelle" [WALLMANN, Spener 1986, 283]). Z u r Frage des Einflusses v o n j . Vielitz s. ALAND, Schütz 1981, 216 (Bed. 3 , 1 7 0 2 , 178) u n d anders WALLMANN, Spener 1986, 2 4 4 f . ; Spener-Studien 1980, 8 6 f . und C h i l i a s m u s 1981, 243 A n m . 21. Vgl. unten A n m . 57. Vgl. SCHMIDT, Pia Desideria (1951) 1969, 149. Vgl. T h e o l . Fak. zu Gießen an B . Mentzer, N o v e m b e r 1677 (BECKER, A n f ä n g e 1903, 2 7 3 - 2 7 5 bes. 274). 5 3 Vgl. WALLMANN, Spener 1986, 296. 5 4 B e d . 3, 1702, 169f. (17.9. 1677) bes. 170. Vgl. C o n s . 3 , 1 7 0 7 , 6 9 - 73 (1.7. 1675) bes. 71b: „ C e r t e m a g i s m a g i s q u e deprehendere mihi videor, legibus, decretis, atque constitutionibus publicis nihil aut p e r p a r u m effici, c u m quae pietatis fidelis sunt suaderi, non cogi p o s s u n t . " 51

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der Kirche und der Christen nur über die innere Kraft des Evangeliums und über die Ausstrahlung der „Kerngemeinde" erwartet. So mußte es bei der merkwürdigen Zwitterstellung von „Collegia publico-privata" bleiben; Einrichtung und Teilnahme waren Sache der einzelnen Christen und gehörten damit in die Privatsphäre, aber die Regelmäßigkeit der Veranstaltung, ihre zeitliche und lokale Ankündigung, vor allem aber die Tatsache einer offenen religiösen Versammlung neben den ordentlichen Gottesdiensten gaben ihnen einen öffentlichen Charakter. 55 Damit aber stieß man sofort auf das Problem, wer zu einer solchen Einrichtung den „ordentlichen B e r u f ' hatte. Die Berufung auf 1 Kor 14 und das urchristliche Vorbild stellen eine Verlegenheitslösung dar, um Charakter und Ziel der Collegia zu wahren. Mit der Bibelstelle wurde gleichsam eine religiöse Versammlungsfreiheit als Grundrecht der Christen behauptet - und das inmitten des vom Westfälischen Frieden peinlich genau festgehaltenen Staatskirchentums. Das ist das Revolutionäre an den Collegia pietatis: Religion als Privatsache in einer Zeit, fur die Religionsausübung im wesentlichen eine öffentliche Angelegenheit war. Es sei nur am Rande erwähnt, daß Spener erst durch seine spezifische inhaltliche Bestimmung der Gemeindeversammlungen nach IKor 14, die sich ja von derjenigen Labadies abhebt, die unfruchtbare Alternative der Interpretation dieser Bibelstelle durch die lutherische Orthodoxie einerseits und den mystischen Spiritualismus andererseits überwindet. 56 In der Tat scheint die Paulusstelle für Spener gar nicht der eigentliche theologische Rechtsgrund fiir seinen Vorschlag einer stärkeren, aktiven und verantwortlichen Beteiligung von Laien gewesen zu sein. Diesen sah er vielmehr im geistlichen Priestertum aller Gläubigen. Denn schon in seinen Pia Desideria verbindet er den ersten Reformpunkt einer intensiven Bibelarbeit, worunter auch die Versammlungen fallen, eng mit dem zweiten Punkt einer Wiederbelebung des geistlichen Priestertums: „ N e b e n d e m w ü r d e unser o f f t = e r w e h n t e D . L U T H E R U S noch ein anders/ zwar mit dem vorigen genau vereinbartes/ mittel vorschlagen/ welches j e t z o das 2. seyn soll/ die auffrichtung u n d fleissige Übung deß Geistlichen Priesterthums" ( P D 58,11 — 14). 5 7

Hier scheint Spener auf festem Grund zu stehen und sich auf Luther beziehen zu können (vgl. PD 58,24-31 und Cons. 3, 1709, 335a). Die Lehre von dem geistlichen Priestertum aller Gläubigen wird fur Spener auch in dem Streit mit Georg Conrad Dilfeld um den Charakter der Theologie 55

Vgl. Pilgrim, G e i s t e r p r ü f u n g 1691, 73-[105], bes. 8 8 - 9 1 . WALLMANN, Spener 1986, 314f. Vgl. ders., Spener-Studien 1980, 91. 57 H e r v o r h e b u n g v o n mir. Genauso Bed. 3 , 1 7 0 2 , 1 7 6 - 1 9 0 , 178 (1677) bzgl. Vielitz! Insofern d ü r f t e ALAND (S. A n m . 50) mit seinem Hinweis auf J o h a n n Vielitz (1600—1680), dessen Predigten über das geistliche Priestertum Spener 1670 herausgab, recht haben (S. GRÜNBERG [273]; vgl. zur Datierung WALLMANN, Spener 1986, 245). Das H a u p t g e w i c h t der B e g r ü n d u n g liegt bei Vielitz u n d Spener auf d e m geistlichen Priestertum; die G e m e i n d e v e r s a m m l u n g e n sind bei beiden daraus abgeleitet; anders WALLMANN, Chiliasmus 1981, 243 A n m . 21 u n d SpenerStudien 1980, 87 A n m . 53. 56

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virulent, wenn Spener gerade auf der Gottesgelehrtheit aller Gläubigen besteht. Spener stellt damit nicht nur die theologische Wissenschaft unter dieselben Voraussetzungen wie den Glauben, sondern setzt prinzipiell die „laienhafte" Erkenntnis der theologischen gleich. Das geistliche Priestertum ist also für Spener der Rechtsgrund für das, was in den Collegia pietatis getan werden soll und was ihren Gestaltwandel zumjahreswechsel 1674/75 ausgemacht hat: die gemeinsame Bibellektüre und Bibelauslegung. Das Streiflicht auf die Diskussion über Entstehung und Entwicklung der Collegia pietatis in Frankfurt kann die Frage, in welcher Gestalt Petersen diese erlebt hat, nicht eindeutig entscheiden. Es ist denkbar, daß Petersen sie im Spätsommer 1674 bereits als Veranstaltungen erlebt hat, in denen Laien die Bibel auslegten oder sich jedenfalls mit einem Geistlichen über die Auslegung unterhielten. 58 Daraus würde sich erklären, daß er später bekennt, er habe in Frankfurt vor allem einen neuen Zugang zur Schrift erhalten. Speners Lehre über den Zusammenhang von Leben und Erkenntnis würde kaum einen solchen Eindruck auf Petersen gemacht haben, wenn er sie nicht in der Praxis hätte erleben können, wenn er nicht Zeuge einer solchen lebendigen und praktischen Schriftauslegung geworden wäre. Wie nämlich die weiteren Ausführungen des eingangs zitierten Briefes Speners an Petersen zeigen, hängt der „neue Funke", der bei Petersen im Spätsommer des Jahres 1674 seinen frommen Eifer neu entfachte, eben mit dieser Lehre zusammen, über die er in Frankfurt mit Spener geredet haben muß. Im direkten Anschluß an die oben zitierte Passage legt Spener ausfuhrlich seine Gedanken über die Notwendigkeit von „exercitia pietatis" (so die von Spener anfänglich gebrauchte Bezeichnung der Collegia pietatis) sowie die Verbindung von Gottseligkeit und theologischer Erkenntnis dar. Wie gewöhnlich bei den Briefen des vielbeschäftigten und eine halbe Generation älteren Spener an Petersen, antwortet jener hier auf Darlegungen oder Fragen des Jüngeren. Spener erläutert und resümiert offenbar das von Petersen Erlebte oder An- und Nachgefragte: „Ach, wenn doch das .Studium pietatis' in gleicher Achtung stände bei allen denjenigen, die die Heiligen Schriften (Wissenschaften) studieren und beabsichtigen, irgendwo in einem kirchlichen Amte Verwendung zu finden, so daß sie auch ihr ,exercitium' nicht verachteten, w o mit einfältigem Herzen ohne gelehrten Apparat oder Hoffnung berühmt zu werden Erbauung gesucht wird (...). 5 9 Mißachtet ist aber dasjenige, was der apostolischen Einfalt gemäß nicht so

58 Bliebe man bei WALLMANNS These einer Umwandlung unter labadistischem Einfluß, müßte man aus zeitlichen Gründen die Umwandlung eher für das Jahresende oder den Beginn des Jahres 1675 ansetzen. Es gibt m. W. keine Nachricht darüber, daß der Gestaltwandel der Collegia pietatis notwendig nach September zu datieren wäre; vgl. Bed. 3, 107—112 (10.8. 1675) bes. 110f.: „noch keinjahr". 59 AFSt, A 196, p. 10f.: „Ah utinam pari in pretio omnibus illis, qui sacras tractant litteras et aliquando ecclesiasticis functionibus adhiberi cogitant, Studium esset pietatis, ut illius etiam exercitium, ubi sine appara-| tu eruditionis et spe inclarescendi simplici corde aedificatio quaeritur non haberent contemtui!"

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sehr den Witz üben, sondern das Herz zur wahren Frömmigkeit heranbilden soll (.. ,). 60 Darin besteht nämlich ein Unterschied zwischen unserem Studium und den anderen, weltlichen (Disziplinen), daß jemand, der Philosophie, Jurisprudenz oder Medizin betreibt, durch die Schärfe des Verstandes und die Sorgfalt seines Geistes allein das Höchste erreicht; und er bedarf zu diesen Fortschritten nicht der Erleuchtung des himmlischen Geistes (.. .). 61 Wenn wir aber der Erleuchtung des Geistes bedürfen, täuscht derjenige sich nicht, der wähnt, sich mit menschlichem Fleiß die heilige Erkenntnis anzueignen? Beten ist nötig und ein Lebensentschluß, der den einwohnenden Geist trägt. Wir wissen aber, daß der (Heilige Geist) keineswegs in solche Herzen einzieht, die mit dem Geist der Welt erfüllt sind, wo doch jener diesem in allem entgegen ist." 6 2

Beachtenswert ist die logische Folge: Aus dem apodiktischen Obersatz wird in Form einer rhetorischen Frage der Untersatz deduziert, daß die Erleuchtung sich nicht mit dem menschlichen Wissenstrieb vertrage. In der Begründung wird nicht einfach die Notwendigkeit einer Entsprechung von Lehre und Leben gesetzt. Sondern es sind die unterschiedlichen „Geister", die weltliche oder christliche Lebenshaltung, die sich gegenseitig ausschließen. 63 Weil aber der Geist, der erleuchtet und der heiligt, ein und derselbe ist, kann Spener dann sagen, daß die unerleuchteten Prediger die in dem Wort liegende Kraft behindern „entweder durch die Anstößigkeit ihres Lebens, oder weil sie farbenblind nicht aus eigener Anschauung, sondern nur andersw o Gehörtes predigen". 64 Spener geht damit von dem krassen Hindernis sogleich zum subtileren Problem der fehlenden „Anschauung" oder „Erfahrung" über. Petersen meinte rückblickend, er habe bei Spener einen Zugang zum „Sinn des Geistes" der Heiligen Schrift bekommen. Ein Blick auf seine spätere, reiche literarische Produktion zeigt, daß er zeit seines Lebens an diesem Begriff v o m „Sinn des Geistes", der bei ihm zum ersten Mal in seiner chiliastischen Schrift aus dem Jahre 1690 „Schrifftmäßige Erklährung" auftaucht, als Inbegriff der wahren Exegese festgehalten hat.65

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Ebd., p. 11: „Neglectui vero sunt, quae Apostolicae simplicitati propiora non tarn ingenium exercent, quam animum ad veram pietatem formare debent." 61 Ebd., p. 12f.: „In eo enim differt Studium nostrum sacrum | a profanis aliis, quod qui Philosophiae, Jurisprudentiae, Medicinae operam navat, solius ingenii sui perspicacia et diligentia plurimum potest proficere, neque Spiritus coelestis ad eos profectus eget illuminatione [ . . . ] " . Vgl. PD74,5.8. 62 Ebd., p. 13: „Si autem Spiritus illuminatione egemus, nae fallitur ille, qui humana industria se comparare sacram cognitionem existimat, precibus opus est, et illo vitae proposito, quod ferat cohabitantem spiritum sanctissimum. Scimus vero hunc neutiquam in illos ingredi animas, quas mundi Spiritus opplevit, illi adversus in omnibus." 63 Z u m Wohnen des Hlg. Geistes vgl. Sendschreiben 1677, 38 (GRÜNBERG [278]) und Gottesgelehrtheit II 1680, 71. 64 Ebd., p. 15: „ [ . . . ] efficaciam verbo insitam ipsi impediunt, vel vitae suae scandalis, vel quia de coloribus coeci non visu percepta, sed aliunde audita enarrant". 65 S. Werkverzeichnis.

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Der

Dilfeldstreit

Der Brief Speners an Petersen vom 17. Oktober 1674 gehört bereits in das engere Umfeld des sogenannten ersten pietistischen Streites. Der N o r d hausener Prediger Georg Conrad Dilfeld hat im Jahre 1679 mit einer kleinen Schrift, die den reißerischen Titel „Theosophia Horbio-Speneriana, Oder Sonderbahre Gottes=Gelahrtheit H E R R N HENRICI H O R B S . . . U n d . . . S P E N E R S , . . . " trug, diesen Streit vom Zaune gebrochen. Er bezog sich dabei auf Gedanken Ph. J. Speners und J. H. Horbs, die jener in seinen „Pia Desideria" (1675/76), danach in seinem „Sendschreiben" von 1677 sowie in einzelnen Briefen an Dilfeld, u n d j . H. Horb in seinem der ersten Separatausgabe der „Pia Desideria" (1675) angehängten „Bedencken [ . . . ] Eines Evangelischen Theologi und Superintendenten" geäußert hatten. 66 Der Hauptgegner Dilfelds war offenkundig der Frankfurter Senior. Der trat dann auch umgehend im folgenden Jahr mit seiner Antwort „Die allgemeine Gottesgelehrtheit aller glaubigen Christen und rechtschaffenen Theologen" (1680) den Anschuldigungen aus Nordhausen zugleich im Namen seines Schwagers entgegen. Mit seiner vergleichsweise umfangreichen Schrift, die die ganze Breite der orthodoxen Lutheraner als Zeugen aufbietet, schien es Spener zunächst zu gelingen, den Streit im Keime zu ersticken. Von dem zuerst von Dilfeld öffentlich erhobenen Vorwurf, Speners Programm propagiere eine besondere Erleuchtung und Offenbarung fur die theologische Erkenntnis, konnte sich jedoch der Spenersche und kirchliche Pietismus nicht endgültig befreien. 67 Schon in den neunziger Jahren des Jahrhunderts tauchte der Vorwurf erneut auf. Er bezog sich da vor allem auf die Leipziger pietistische Bewegung und die enthusiastischen Erscheinungen in Mitteldeutschland und konnte sich dabei auf den engen, in den beteiligten Personen sich dokumentierenden Zusammenhang beider Bewegungen stützen. 68 Johannes Wallmann hat gemeint, Spener trete in dem ersten pietistischen Streit gewissermaßen als Gralshüter einer genuin lutherischen Orthodoxie auf, die sich vor allem in der Person Johann Gerhards manifestiere, gegen einen sich in den Formeln des Helmstedter Humanismus aussprechenden Rationalismus, dessen unreflektierter und naiver Vertreter Georg Conrad

66 Die Briefe Speners s. Bed. 3, 1702, 2 6 4 - 2 8 3 u. 3 0 1 - 3 0 5 ; Sendschreiben An einen Christeyffrigen außländischen Theologum (GRÜNBERG [278]) (s. den Rückbezug auf die P D im Sendschreiben 1677, 38); vgl. Gottesgelehrtheit II, 1680, 8. Z u m ganzen s. Walch, RS 1, 1733, 562-566und2,1733,253ff.;RrrscHL, Geschichte2,1884, 116-121;GRÜNBERG, S p e n e r l , 1893, 1 9 0 - 1 9 3 und 434ff. und WALLMANN, Dilfeld 1968. Z u r Frage der Datierung der ersten Separatausgabe der Pia Desideria s. WALLMANN, Postillenvorrede 1975. 67 Der Vorwurf des „Weigelianismus", d. h. des Enthusiasmus, w u r d e Spener spätestens seit dem Erscheinen der P D gemacht; vgl. Theol. Fakultät zu Gießen an B. Mentzer, N o v e m b e r 1677 (BECKER, Anfänge 1903, 274). 68 S. S. 254ff.

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Dilfeld in seinem Inquisitionseifer wurde. 6 9 In der Tat läßt Spener in seiner Verteidigungsschrift die ganze Garde der lutherischen Orthodoxie auftreten, u m seine These, daß die Erleuchtung durch den Heiligen Geist eine notwendige Bedingung der rechten Theologie sei, als Konsens der genuin lutherischen Kirche darzustellen. Mit Blick auf den vorangegangenen niederländischen Streit zwischen J. de Labadie und L. v. Wolzogen im Rahmen der dortigen Auseinandersetzungen zwischen der reformierten Orthodoxie und dem theologischen Cartesianismus kommt Wallmann zu dem Schluß, daß Spener in seiner Erwiderung an Dilfeld eigentlich den Rationalismus anvisiere, einen Gegner also, der damals gar nicht auf dem Plan war. 7 0 Es bleibt bei Wallmanns theologiegeschichtlicher Interpretation offen, ob Spener eigentlich nur die genuin lutherische Lehre wiederholt und ihre Bedeutung fur die Fragen der Zeit erkennt oder ob der Frankfurter Senior auch eigene und den Pietismus prägende Gedanken ins Spiel bringt. Von den Streitschriften des Jahres 1679/80 aus gesehen scheint es allerdings vor allem um den Theologiebegriff, um das Verständnis der Gottesgelehrtheit zu gehen. 71 Der sogenannte erste pietistische Streit wäre gar kein Streit um den Pietismus. Es gäbe mithin auch keinen sachlichen Zusammenhang mit dem Problem der „innern Autorität des ursprünglichen Pietisten", nach deren Charakter Karl Barth gefragt hat. 72 N u n hat man als Gegenstand des Disputes auch öfter die „theologia irregenitorum" namhaft gemacht und Spener eines „subtilen Enthusiasmus" überfuhren zu müssen geglaubt. 7 3 Auch Petersen hat im Rückblick die enge Verknüpfung der Erleuchtung durch den Hl. Geist bei der Schriftexegese mit der Wiedergeburt oder dem gottseligen Wandel gesehen, wenn er den Streit mit Dilfeld beschreibt: „ E s kam auch die Rede vor, was ich von dem Herrn Dr. Spener hielte? E s hatte der Dilfeld gegen ihn geschrieben und behauptet, daß ein gottloser Prediger eben sowohl G O t t e s Wort erbaulich lehren könte, dem der Herr Dr. Spener wiedersprochen hatte. Ich verthädigte das, was der Herr D . Spener geschrieben, und bewiese es daraus, daß notorie der heilige Geist müste die Aufschlüsser | der heiligen Schrifft seyn, daß wir sie verstünden, wie sie nach dem Sinn des Geistes solte verstanden w e r d e n " . 7 4 6 9 WALLMANN, Dilfeld 1968, bes. 232—235 mit Verweis auf die näheren Ausführungen zum Problem bei WALLMANN, Theologiebegriff 1961. 7 0 WALLMANN, Dilfeld 1968, 235; zu dem niederländischen, hermeneutischen Streit s. BIZER, Orthodoxie 1958 und GOETERS, Vorbereitung 1911, 213ff. Die Identifizierung des Gegners als „Rationalismus" ist freilich noch recht unscharf. Spitzt man WALLMANNS These zu, so müßte man im Spenerschen Pietismus und im spiritualistischen Pietismus eines P. Poiret oder eines J o h . Fried. Rock Gegensätze sehen. Die N ä h e der Letztgenannten zum Rationalismus ist aber offenbar; s. KRIEG, Kreis 1978 und BARTH, Theologie 1948, 97 f. 71

V g l . WALLMANN, D i l f e l d 1 9 6 8 , 2 1 8 .

72

BARTH, T h e o l o g i e 1948, 9 8 .

73

W a l c h ( w i e A n m . 6 6 ; zit. b e i WALLMANN, D i l f e l d 1 9 6 8 , 2 2 0 A n m . 2 9 ) ; RITSCHL 2 , 1 8 8 4 ,

1 1 8 ; G R Ü N B E R G 1, 1 8 9 3 , 4 3 6 . 7 4 L B 1717, 120F.; bei WALLMANN, Dilfeld 1968, 220 A n m . 30 zitiert (aus L B 1719: „der Aufschlüsser") als Nachweis für die Nähe zu dem niederländischen Streit u m die Hermeneutik.

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Zu beachten ist, daß Petersen mit seiner „Verteidigung" nicht den Streitgegenstand näher bestimmt (nämlich als einen Streit um das Schriftverständis), sondern Speners Widerlegung von Dilfelds These pneumatologisch „beweist". Demgegenüber hält Wallmann das Problem der Wiedergeburt oder des „gottseligen Wandels" fur einen untergeordneten Aspekt, der hinter der Frage der Erleuchtung „vollständig zurücktritt". 75 Das Thema der „Gottesgelehrtheit" ist Spener erst durch die Streitschrift Dilfelds aufgenötigt worden. Dieser hatte gemeint, Äußerungen Speners in den Pia Desideria und besonders dem Sendschreiben von 1677 auf die Ebene einer grundsätzlichen und wissenschaftstheoretischen Diskussion fuhren zu müssen. 76 Spener mögen das Thema und seine Durchführung willkommen gewesen sein, konnte er doch damit seine Anliegen von der Tradition her legitimieren. Gleichwohl muß es doch befremden, daß Spener und der auf ihn sich berufende Pietismus in einem so zentralen und umstrittenen Punkt geradezu als legitime Nachfolger der lutherischen Orthodoxie erscheinen. Das Problem hatte Spener schon länger beschäftigt. Schon in früheren Briefen hatte er es wiederholt angeschnitten. 77 O b und inwiefern es eine zentrale Stellung im Denken Speners einnimmt, wird man an den Pia Desideria zu ermessen haben, in denen Spener sein Anliegen in konziser und für ihn immer gültiger Form niedergelegt hat. 78 Auszugehen ist dabei von der logischen Konzeption der Pia Desideria und von der Frage, in welchen Zusammenhang das Problem der Erleuchtung gestellt wird. Der Hauptteil der pietistischen Programmschrift (seil, ohne Vorreden und Einleitung in die Ausgabe von Arndts Postille von 1675) läßt sich in drei große Abschnitte einteilen. Spener will zunächst „den jetzmahligen zustand der gesammten Christenheit" (9,30) betrachten 79 und äußert dann seine Hoffnung auf „einigen bessern zustand seiner Kirchen hier auff Erden" (43,32), dessen Notwendigkeit er in den Verheißungen der Heiligen Schrift begründet und dessen Möglichkeit er in der ersten christlichen Kirche vorgebildet sieht, die „in solchem seligen stände [der Gottseligkeit] gestanden" 75

WALLMANN, Dilfeld 1968, 220 Atim. 29. Dilfeld bezieht sich allgemein auf die PD (1675) 1676 und Horbs angehängtes Bedenken fur seine These, daß das Problem der Gottesgelehrtheit die „Grundveste" des Reformvorschlags sei (Theosophia 1679, 4f.), konkret auf Sendschreiben 1677, 38. 43, und den Brief Speners an ihn vom 5.12. 1678 (Bed. 3, 1702, 264-283); s. Theosophia 1679, 5 - 8 . 77 Z . B . Cons. 3, 1707, 328ff. (Jan. 1671 an Bebel); Spener an Hartmann, 14.6. 1670 (Sammlung 1742, 149-156 bes. 152f.): Spener stellt auch hier die Hauptverantwortlichkeit seines Standes fur das Verderben der Kirche fest und begründet das: „quod ex illis qui fidem quotidie praedicant, confitentur, tuentur, nec scintillam verae divinae fidei in se habeant multi: ex quo omnis mali origo"; vgl. den Gegensatz von „fidem ex suggestu exponere" und „fidem in cordibus imprimere" bzw. „in praxi transferri" (ebd., 153); vgl. bei Anm. 232. 78 Vgl. die Aussagen Speners darüber, daß er die Gedanken der PD lange mit sich herumtrug (ALAND, Anfänge 1979, 177 und ders., Schütz 1981, 216-218), sowie über ihren testamentarischen Charakter (SCHMIDT, Pia Desideria [1951] 1969, 129). 79 PD 9,28-43,30. 76

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(49,9f.). 8 0 Die konkreten Maßnahmen, die zur Beseitigung des Mißstandes und zur Erreichung des ur- und altchristlichen Vorbildes dienen sollen, beschließen Speners Reformprogramm. 8 1 Bei der Analyse des Zustandes des Christentums konzentriert sich Spener ganz auf die Beurteilung der lutherischen Geistlichkeit, an die er die Schrift ja auch in der Separatausgabe adressiert. 82 Ihr mißt er neben der nur kurz angesprochenen weltlichen Obrigkeit die Hauptverantwortung für den dritten der lutherischen Stände, das (Kirchen-) Volk (15,11 f. und 28,4—6) zu. Die Beschreibung der Mißstände in den drei „Ordnungen" der evangelischen Kirche wird von zwei aufschlußreichen Überlegungen eingerahmt. Bevor er auf die „vornemste ursach deß jammers unserer kirchen" (14,5) eingeht, stellt er als dessen eine Ursache die Bedrückungen durch den römischen Katholizismus dar (11,17—14,4). Spener ist über die Tatsache bestürzt, daß die Ausbreitung der evangelischen Religion keinen rechten Fortschritt, eher Rückschritte macht. Dabei wird jedoch bald klar, daß er den Katholizismus weniger als Ursache für den Verfall (höchstens eben für den äußeren) ansieht denn als Gottes Zorn und „zeugnuß" (14,2) für die eigentliche, innere Verdorbenheit der Evangelischen Kirche. 83 Der Erfolg der Gegenreformation wäre dann eher die von Gott verhängte Folge (14,1) als die Ursache des erbärmlichen Zustandes der Kirchen. Dieser Überlegung korrespondiert in der Anlage der Pia Desideria die Klage darüber, daß die Evangelische Kirche erst recht keinen Fortschritt in der Mission der Juden, Katholiken und Andersgläubigen (einschließlich der Schwärmer) macht, die sich bei der offenkundigen Verderbtheit der Evangelischen Kirche nicht zu ihrer Lehre bekennen können (36,38—43,30). 84 Positiv wie negativ, so wird hier deutlich, hängt die Frage, wieweit sich die christliche Wahrheit (in ihrer in der lutherischen Lehre manifesten Gestalt) als allgemeingültig durchsetzt, davon ab, ob sich die lutherischen Christen verhalten, „wie die Christliche regeln erfordern" (14,9). Auffällig bei Speners Kritik an den lutherischen Ständen ist, daß er nicht in den Chor derer einfällt, die überall Verrohung, Unsittlichkeit und Lasterhaftigkeit sehen. Denn damit würde er der Wirklichkeit nicht gerecht. 85 Was Spener am dritten und ersten Stand kritisiert, ist nicht ihre PD 43,31-52,2. PD 52,3-81,20. 8 2 Vorrede vom 8.9. 1675 (PD 2,1-9,24). 8 3 Vgl. 11,9 (für die leiblichen Plagen). Ebenso im Sendschreiben 1677, 35f.: Irrtum und Ketzerei kommen „auß gerechtem gericht Gottes"; das Gericht besteht darin, daß „Gott solche leute nicht würdigt/ daß sie auch nur die buchstäbliche warheit behalten sollen". 84 Vgl. Sendschreiben 1677, 32—35 (Bekehrung der Irrgläubigen über den Versuch, daß sie den Sünden absterben). 85 Vgl. die Anklagen der Reformorthodoxie bei LEUBE, Reformideen 1924. Der Skopus des Buches zielt ja darauf, daß die Heftigkeit der Anklagen keineswegs, wie es die Geschichtsschreibung in der Nachfolge von G. Arnold und Chr. Thomasius annimmt, den wirklichen Verhältnissen entspricht; LEUBE, Reformideen 1924, 1—36 und 162. Die Anklagen der Orthodoxie sind eher als Büß- und Gesetzespredigt in Erwartung des Jüngsten Gerichts zu verstehen, denn als 80 81

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Unmoral, sondern ihre Verweltlichung. Spcner tritt den vernünftigen M o ral- und Gesetzesvorstellungen seiner aufgeklärten und absolutistischen Gesellschaft entgegen, die sich nicht (mehr) von christlichen Werten, besonders der Nächstenliebe, leiten läßt. 86 Die notwendige Unterscheidung von weltlicher und christlicher Moral stellt Spener auch in der „Gottesgelehrtheit" heraus, wenn er sagt: „Es muß ja ein mercklicher unterscheid seyn/ unter einem blossen moral und erbaren leben/ wie ein Heyd leben kan/ [ . . . ] so dann einem Christlichen und heiligen leben [ . . . | . . . ] in solchem aber ist das erste das absterben sich selbst verläugnen/ ohne welchen grund keine andere gründliche tugend zuwegen gebracht werden mag". 8 7

In dieser Hinsicht kritisiert Spener die Ausübung der weltlichen Obrigkeit, die sich über die religiöse Ethik und christliche Forderungen hinwegsetzt, statt sie zu fördern.88 Man mag die Herausstreichung einer besonderen, zum Rigorismus neigenden, christlichen Ethik dem Einfluß der puritanischen Erbauungsbücher zuschreiben, die seit der ersten Hälfte des Jahrhunderts in Deutschland in großem Maße rezipiert werden. 89 Anders als die Reformschriftsteller der Orthodoxie nutzt Spener das hohe christliche Ideal der Purifaner nicht zur Gesetzespredigt, die den Menschen ihre Sündhaftigkeit, gänzliche Verdorbenheit und prinzipielle Unverbesserlichkeit aufdeckt, den Zorn Gottes und das bevorstehende Gericht ausmalt, u m ihnen zu zeigen, wie sehr sie auf die Gnade und den wahren Glauben angewiesen sind. 90 Für Spener ist das christliche Ideal eine reale Zielvorstellung, wie sich aus seinem Rekurs auf die erste Christenheit und seiner Hoffnung auf eine bessere Zeit der Kirche ersehen läßt. Zumindest ist eine Entwicklung auf das Ziel hin möglich, eine Besserung des Menschen, auch wenn Spener an der prinzipiellen Sündhaftigkeit und der Angewiesenheit auf Gnade festhält. Entsprechend spielt für Spener die Gesetzespredigt zur Aufdeckung der Sünden keine große Rolle. 91 Auf Grund seiner Zukunftserwartung ist bei Spener der Zusammenhang von Gesetz und Evangelium gewissermaßen ins Positive gewandelt. Das Evangelium soll die Liebe zu Gott und seinen scharfe Wirklichkeitsbeobachtungen. Dabei hat das puritanische Sittlichkeitsideal nur den höheren Maßstab abgegeben. 86 PD 14,10ff. und 28,4ff.; s. bes. 30,6 (Rechtsprozesse), 30,17.20 (Geschäftsleben), 31,5 (Diakonie), 31,8f. (das göttliche Recht der Liebe gegenüber dem weltlichen Recht). 87 Gottesgelehrtheit II, 1680, 94f.; vgl. PD 8 0 , 5 - 7 . 88 Man wird kaum davon reden können, daß Spener hier die Trennung von Sla-at und Ki-tsfte fordert (vgl. SCHMIDT, Pia Desideria [1951] 1969,146). Das kann er angesichts seines Bestrebens· nach einer Verchristlichung der Gesellschaft gar nicht. Er behauptet ja, daß die staatliche Gewalt „zu beförderung nicht aber unterdrackung der kirchen gegeben" ist (PD 15,11 f.). N u r bei obstinatem Mißbrauch k o m m t es zur „unverantwortlichefn] Caesaropapiam" (15,12), wenn sich der Staat nämlich nicht an die kirchliche Wahrheit und Ethik hält; so auch KRUSE, Kirchenregiment 1971. 89 LEUBE, Reformideen 1924, 162ff. bes. 166; vgl. STRÄTER, Southern 1987. 90 Vgl. LEUBE, Reformideen 1924, 157-172. 91 GRÜNBERG 1, 1893, 440f. 453. Vgl. den tertiususus legis in P D 53,35 f.

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Geboten erwecken und das Gesetz die Regeln für ein christliches Leben geben. Während die Orthodoxie mit dem Gesetz Gerichtsernst predigt, wirbt der Pietismus mit dem Evangelium für eine bessere Zukunft. Spener übergeht daher in den PD (53,25) mögliche Kirchenzuchtmaßnahmen nicht aus praktischen, sondern aus grundsätzlichen Erwägungen. Im Brennpunkt von Speners Analyse steht sein eigener, der geistliche Stand (15,20—28,3), weil er ihm eine besondere Verantwortung für die Beseitigung des Übels zumißt. Auch bei der Beschreibung des geistlichen Standes geht Spener sogleich von dem Problem des moralischen Lebenswandels zur christlichen Lebensführung über. Es gebe zwar auch in diesem Stand Leute, die öffentliches Ärgerniß erregen, vor allem aber muß man bekennen, „daß etwa d e r j e n i g e n viel weniger sind/ als das erste ansehen zeigen solte/ welche das wahre Christenthum (so je nicht bloß dahin in enthaltung von äusserlichen lästern und einem äusserlichen moral guten leben bestehet) recht verstehen und üben: Sondern es blicket auch bey vielen/ deren leben/ w o es mit gemeinen und von der welt m o d e eingenommenen äugen angesehen wird/ untadelhaftig scheint/ gleichwohl der weit geist in fleischeslust/ [ • • • ] also herausser/ das sich erkennen lässt, man habe noch das erste practische principium deß Christenthums/ d i e v e r l ä u g n u n g sein selbs / niemals mit ernst v o r g e n o m m e n . " 9 2

Spener sieht das Fehlen eines bewußt christlichen Lebens bei seinen Kollegen nicht einfach in einem schwachen, noch der Welt allzu verhafteten Willen begründet. Es geht ihm nicht um graduelle, sondern um prinzipielle Unterschiede, denn: „das gröste ärgernuß ist schon vorhanden/ da es [das erste praktische Prinzip; s.o.] nicht erkandt wird". Er begründet seine Anschauung damit, „daß von solchen vielen predigern ihr leben und der mangel der glaubensfrüchten anzeiget/ daß es ihnen selbs an dem glauben mangele" (17,16—23).93 An dieser bedeutenden Stelle, der konzentrischen Mitte des ersten Teiles, kommt erstmals die Behauptung von einer notwendigen göttlichen Erleuchtung zur Sprache. „ U n d dasjenige/ so sie vor glauben halten/ auch auß welchem sie lehren/ durchauß nicht der rechte/ auß deß Heiligen Geistes erleuchtung/ zeugnuß und versiglung auß göttlichem w o r t erweckte/ glaube/ sondern eine menschliche einbildung seye. Da sie auß der schrifft/ aber allein dero buchstaben/ ohne w ü r c k u n g deß Heiligen Geistes auß menschlichem fleiß/ wie andere in andern studiis dardurch etwas erlernen/ die rechte lehr zwar gefast/ solcher auch beypflichten/ und sie andern vorzutragen wissen/ aber von dem wahren himmlischen Hecht und leben deß glaubens gantz entfernet sind. " 9 4

Aus Speners dargestelltem Gedankengang ergibt sich, daß er allgemein den letzten religiösen Ernst des Glaubens vermißt, der zu einer das Leben bestimmenden und tragenden Kraft werden muß. Die Wahrheit des spezi92 P D 16,(24) 26—17,7; Kursiv von mir (Zshg. von erkennen und (aus)üben/praktizieren); andere H e r v o r h e b u n g (original: gesperrt) von Spener. 93 Vgl. Wahrhafftige Erzählung 1697, 103 (SCHMIDT, Wiedergeburt 1969, 171) und Bed. 3,

1702, 1 5 4 - 1 5 9 (7.4. 1677) bes. 156. 94

P D 17,23—31 (Kursiv von mir: Verbindung von erkennen und praktizieren).

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fisch christlichen Glaubens muß die Wirklichkeit des Lebens bestimmen, sollen Wahrheit und Wirklichkeit nicht auseinanderfallen. Spener spielt hier auf die orthodoxe Unterscheidung der Glaubensmomente notitia, assensus und (fehlender) fiducia an. Die Erleuchtung durch den Heiligen Geist ordnet er wie das „gottselige Leben" eben diesem „Vertrauen" zu, wobei er sich freilich schon von der Gerhardschen Lehre entfernt, die ja gerade alle drei Glaubensmomente dem theologischen, in der Erleuchtung begründeten habitus zuordnet. 95 Bei dem Versuch, Speners Verständnis der Gottesgelehrtheit zu erheben, schälen sich bei aller formalen Übereinstimmung mit der Orthodoxie drei wesentliche Elemente heraus, die Spener von der Orthodoxie unterscheiden. 1. Mit seiner Forderung der Selbstverleugnung bindet Spener die Tiefe und Gewißheit der religiösen Erkenntnis bzw. des christlichen Glaubens an die Existenz des einzelnen. Erst im christlichen Leben, das gegenüber dem bürgerlichen Leben eine christlich gesteigerte Ethik fordert, unterscheidet sich wahrer Glaube von der „fleischlichen Einbildung" 96 , weil erst im Leben die christliche Idee ihre Realität gewinnt und damit ihre Verifikation findet. Vielleicht darf man hier eine Analogie zu Descartes' Methode zum Erreichen einer letzten Gewißheit sehen. Descartes hatte die letzte Gewißheit seines Philosophierens in seiner eigenen Existenz als denkendem Subjekt, d. h. in der Tätigkeit des denkenden Ichs erlangen zu können geglaubt. Sein bekannter Satz: „Cogito, ergo sum" hat eben nicht mehr „nur" die Evidenz eines Syllogismus, sondern eine unmittelbare Erfahrungsevidenz. 97 Spener geht es zwar nicht um ein solches philosophisches Axiom, aber eben doch um eine letzte Gewißheit der göttlichen Kraft und Einwirkung, die nur evident wird, wenn man sich ihr in der Praxis öffnet. Daß Spener sich damit mutatis mutandis - nämlich auf Seiten des Hörers des Worts - dem Donatismus nähert, hat er selbst gespürt (17,32-18,16). 9 8 95 Solche (leichtfertigen?) Formulierungen, wie auch die von Spener letztlich übernommene Unterscheidung von einer „theologia (propria)" und einer „philosophia de rebus sacris", fur die es keiner Erleuchtung bedarf ( z. B. PD 71,20f.), oder seine Trennung von „fides, quae credit" und „fides, quae creditur", die voneinander unabhängig bestehen können (LBed. 3, 1711, 121-129 [21.2. 1683] bes. 128 und ebd., 5 7 - 6 1 [19.2. 1679] bes. 59) machen eine schlichte Einordnung Speners in die lutherische Tradition fragwürdig. WALLMANN meint ja auch (TheologiebegrifF 1961, 89), daß Spener offenbar die Kluft zwischen den Helmstedtern und dem orthodoxen Luthertum bezüglich ihres Theologiebegriffs kaum noch empfand. 96 Sendschreiben 1677, 15 f. 97 JASPERS, Descartes 1937, 10f.; vgl. Gottesgelehrtheit II 1680, 75f. bes. 76: „Wie ja der glaube nicht eine conclusio syllogismi, sondern eine würckung des H. Geistes in den hertzen ist/ auß dem wort/ und denen darau ß gezogenen klaren folgen" (Kursiv von mir). Bei dem DescartesZitat handelt es sich um eine Wendung aus der lateinischen Rückübersetzung des französischen „Discours"; WUNDT, Metaphysik 1939, 19. Trotzdem hatte dieser Satz und seine Evidenz, auch wenn er nicht den Kern von Descartes' Philosophie trifft, seine eigene Wirkung, wie Petersens Disputation zeigt (Osculum legis naturae; s. o.). 98 Vgl. dazu unten S. 75.

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Positiv bestimmt Spener den wahren, erleuchteten Glauben mit der „ernstlichen, innerlichen gottseligkeit" (18,25), deren Wesen er nicht weiter definieren mag oder k a n n . " Statt dessen zitiert er orthodoxe Zeugen, um seine Forderung abzusichern. Eine nähere inhaltliche Bestimmung, gar eine wissenschaftstheoretische Begründung, wie sie Dilfeld wollte, lag dem Frankfurter Senior offenbar fern. Unter Gottseligkeit versteht man in der altprotestantischen Orthodoxie den Inbegriff aller christlichen Tugenden, also „wie wir gegen GOtt und unsern Nechsten/ in Heiligkeit und Gerechtigkeit/ uns verhalten sollen." 100 Spener verbindet also Glaube und Tun (Ethik) auf das engste. Die in der Gottseligkeit gelebte und damit erfahrbare Wiedergeburt ist für Spener die notwendige Grundlage für eine dann zunehmende Erkenntnis „vieler glaubens=lehren" oder „zu weiteren erleuchtung und Erkantnüß mehrerer Warheit". 101 Beides, Bibelexegese nach der „meynung deß Heiligen Geistes" und die Förderung der „Gottseligkeit" sind ja auch die Pfeiler der von Spener in den PD (56,5.14) vorgeschlagenen Kirchenversammlungen (Collegia pietatis). Festzuhalten bleibt, daß für Spener das wahrnehmbare gottselige Leben eng mit der Glaubenserkenntnis verbunden ist. Diese Verbindung kann so verstanden werden, daß das gottselige Leben als Frucht und Zeichen des Glaubens angesehen wird. Die Forderung nach der Selbstverleugnung als dem ersten praktischen Prinzip der Theologie macht das gottselige Leben aber zugleich zu einer Bedingung der Glaubenserkenntnis, die durch ihre empirische Komponente zum Synergismus tendiert. 2. In der Auseinandersetzung mit Dilfeld expliziert Spener, inwiefern der Heilige Geist für die theologische Erkenntnis nötig ist. Eine einheitliche, in sich abgeschlossene Interpretation erscheint bei der Fülle der Belege aus fremden Autoren und angesichts der apologetischen Situation Speners als problematisch. Ich beschränke mich daher auf einige Aussagen des zweiten Teils, die die dargestellte Gedankenführung der Pia Desideria unterstützen und klären. Spener verteidigt sich an einer Stelle, daß er die göttliche Erleuchtung nicht zur Aufstellung einer (individuellen) „infallibilität" behauptet, sondern nur als Grund einer „göttlichen Gewißheit" (II, 119). Es geht ihm also nicht u m eigene, inhaltliche Offenbarungen, sondern um den Grad der Gewißheit. 102 Der Heilige Geist müsse in der Seele „die göttliche autorität der schrifft" begründen. N u r so komme man über eine (nicht verifizierte) „erkänntnüß hypothetica" oder ein „muthmaßliches meynen

99 S. aber Sendschreiben 1677,17, daß „die art solches [wahren] glaubens zu beschreiben" die „ n o t w e n d i g s t e Materie" sei. 100 J. Gerhard, Schola Pietatis (1622) 1709, 1 f. 101 Sendschreiben 1677, 30 f. und 33; vgl. 32 und 35. 102 Vgl. zu der fur Spener problematischen „Ablösung des Theologiebegriffs von der Gewißheitsfrage [wie sie in der calixtinischen Tradition vorliegt]" WALLMANN, Theologiebegriff 1961,

123.

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oder einiges menschen autorität" hinaus. 103 Der Glaubenssatz von der Erleuchtung bekommt gegenüber seiner altprotestantischen Formulierung einen neuen Horizont. Er ist nicht mehr die Antwort auf die Frage, wie Gott eine „adaequatio" der durch den Fall des Menschen verdorbenen Natur an die Glaubensmysterien bewirkt 104 , sondern auf die Frage, wie sich der Mensch über das ihm angebotene Heil Gewißheit verschaffen kann. Es handelt sich also um ein erkenntnistheoretisches Problem im modernen Sinn. 3. Spener kann dieses Problem auch mit der Unterscheidung von Wort und Sache (Realität) umschreiben. Erst der Geist schließt den Sach- und Realitätsgehalt der Worte auf, überfuhrt ihre logisch-begriffliche Notwendigkeit in die Wirklichkeit. Der Theologe braucht ein höheres Maß, „eine völligere und gründlichere erkänntnüs der glaubens=Sachen selbst/ nicht nur allein was die wort/ sondern auch die sache anlangt: wie dann unter denselben mehrere sind/ wo eine völlige erkänntnüs nicht ohne erfahrung seyn kan". 1 0 5

Die „Erfahrung" kommt nach Spener speziell für die Theologumena in Betracht, die die Wirkungen Gottes im Menschen umschreiben. Der erleuchtete Student soll sehen, daß er „in eigener erfahrung die dinge begriffen hat/ welche [=Dinge] deroselben [=Erfahrung] nöthig haben/ und wol von den allervornehmsten sind/ von den göttlichen wirckungen in der seele/ glauben/ liebe/ hoffnung/ Wiedergeburt/ erneuerung/ friede/ freude des H. Geistes". 106

Ein solcher kann über die gelernten Worte von der Sache selbst sprechen und nicht „als der blinde von den färben/ so bald sie weiter gehen wollen/ als ihre vorgeschriebene formul mit sich gebracht hat." 107 Der verstehende Glaube bezieht sich also nicht nur auf die Worte der Schrift, sondern vor allem auf die in den Worten verheißene Wirkung des Heiligen Geistes im Menschen (Erfahrung). Die Erfahrung des eigenen geistlichen Lebens wird mit in den Verstehensprozeß der Heiligen Schrift einbezogen. Es soll hier Spener nicht unterstellt werden, daß er bewußt unter dem Schein der Orthodoxie einen neuen Theologiebegriff eingeführt habe. Er hat sicher bona fide die orthodoxen Theologen für seine Ansicht herangezogen. Auch soll hier kein Urteil über Speners (vielleicht notwendige) Lehre gefällt werden. Vielmehr wird man Speners Abkehr von der genuin lu103 Gottesgelehrtheit II, 1680, 119. Damit aber geht Spener über den hermeneutischen Streit in den Niederlanden zwischen reformierter Orthodoxie und (theologischem) Cartesianismus hinaus, insofern bei diesem ja die Voraussetzung der göttlichen Autorität der Schrift nicht bezweifelt wurde; BIZER, Orthodoxie 1958, 329f. (L. Meyer) und 333f. (L. van Wolzogen). 104 Vgl. für Johann Gerhard: B. HÄGGLUND, Heilige Schrift 1951, 214. 105 Gottesgelehrtheit II 1680, 35; vgl. ebd., 40f. und 55. Die Spenerschen Begriffspaare von „Wort-Sache", „Glauben-Begreifen" variieren andere im Umfeld des Pietismus verbreitete Unterscheidungen, wie „Wort-Erfahrung" oder „inneres - äußeres Wort" (J. Arndt; vgl. dazu HAMM, Wortverständnis 1982). 106 Gottesgelehrtheit II, 1680, 120. 107 Gottesgelehrtheit II 1680, 120; ähnlich Petersen, SK 1685, Vorrede § 13 und § 14.

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therischen Lehre, für die hier einmal Johann Gerhard stehen mag, nur gerecht, wenn man den allgemein zu beobachtenden geistesgeschichtlichen Wandel des Denkens im 17. Jahrhundert in Rechnung zieht. Ich gehe darauf in der gebotenen Kürze ein. Johann Gerhard markiert in der Frage der Schrifterkenntnis zugleich den Höhe- und Endpunkt der altprotestantischen Theologie. 1 0 8 Bengt Hägglund hat gezeigt, daß für Gerhard die hermeneutische Grundfrage, wie das in der Schrift begegnende göttliche Wort v o m Menschen verstanden werden kann, auf Grund seiner wissenschafts theoretischen Grundkonzeption kein methodisches Problem darstellt. 109 Gerhards Grundkonzeption ist geprägt von der Schrift als dem selbstevidenten Prinzip der Theologie 1 1 0 , dem Begriff der objektiven, metaphysischen Wahrheit111 und den damit verbundenen aristotelischen erkenntnistheoretischen Grundsätzen 112 . Hägglund kontrastiert Gerhards Schriftlehre scharf mit den Kategorien neuzeitlicher Hermeneutik. Es geht dem altprotestantischen Dogmatiker nicht um die Frage, wie der menschliche Geist dazu fähig wird, zu dem in dem geschriebenen Wort verborgenen Geist zu gelangen. 113 Sondern Gerhard betont bei seiner Lehre v o m testimonium Spiritus Sancti internum gerade die eine Richtung v o m Objekt (Heilige Schrift/ Wort Gottes) als dem grundlegenden und bestimmenden Faktor zum Subjekt (Hörer des Wortes). Die Frage nach dem Verstehen der Heiligen Schrift stellt sich für Gerhard deshalb nicht im Sinne der modernen Hermeneutik, sondern als ein theologisch-anthropologisches Problem: „wie die durch die Sünde verblendete Menschenseele die der Vernunft unzugänglichen Glaubensmysterien erfassen kann." 1 1 4 Hägglund beschreibt die Vorstellung Gerhards so: „Wenn das natürliche Licht des Intellekts durch das Licht des heiligen Geistes gleichsam verstärkt worden ist, wird die Angleichung (adaequatio) zwischen dem Inhalt der Offenbarung und dem Intellekt ermöglicht." 1 1 5 Daraus ergeben sich zwei Konsequenzen: Z u m einen ist die für das Verstehen notwendige Erleuchtung und damit der Heilige Geist streng an das Wort selbst gebunden; das Wort ist schöpferisches Wort. 116 Die Betrachtung weiterer Geistesgaben (z.B. im gottseligen Wandel) kann daher außer Betracht bleiben. Z u m anderen ist der Inhalt der Glaubenserkenntnis mit dem Wort der Heiligen Schrift identisch. Ein geistliches Verständnis der Schrift ist für Gerhard letztlich ein inneres Verstehen des Zusammenhangs und der Ordnung, also ein Verstehen im 108 109 110 111 112 113 114 1,5 116

Vgl. B. HÄGGLUND, AaO, 212f. AaO, 136-184 bes. AaO, 155-166 bes. AaO, 212-218 bes. AaO, 213. AaO, 214. AaO, 214. AaO, 215-218.

Heilige Schrift 1951, bes. S. 136ff. 136-143. 160 f. 214.

69

Sinne der regula fidei.117 Die Wirkung auf Seiten des Menschen ist nicht selbst Gegenstand der Glaubenserkenntnis. Der Gegensatz oder der andere Horizont gegenüber Speners Fragestellung ist offenbar. Gegenüber dieser altprotestantischen Ausarbeitung des Schriftprinzips läßt sich bereits bei Johann Arndt (1555—1621) und Hermann Rahtmann (1585—1628) eine neue Entwicklung feststellen, bei der die erkenntnistheoretische Frage stärker in den Mittelpunkt rückt. Während Johann Arndt sein Wortverständnis im Bereich des Erbauungsbuches artikuliert 118 , wird dasselbe Problem am Anfang des 17. Jahrhunderts im sogenannten Rahtmannschen Streit119 auf theologisch-akademischer Ebene verhandelt. 120 Trotz seines scheinbar lokalen Charakters (Danzig) erweist sich der Rahtmannsche Streit als eine prinzipielle Kritik des protestantischen Schriftprinzips, wie sich dieses wiederum in der Abwehrhaltung gegenüber der römisch-katholischen Auffassung von der Schrift herausgebildet hat.121 Es erscheint bei der Würdigung dieser Auseinandersetzung ratsam, zwischen der (praktisch-seelsorgerlichen) Motivation Rahtmanns, der möglichen historischen Herkunft seiner Lehre122 und dem eigentlichen theoretischen Problem zu unterscheiden. Das anstehende Problem wird an der Frage diskutiert, wie sich Geist und Schrift bei der Bekehrung des Menschen zueinander als Ursachen verhalten. 123 Die von Rahtmann unternommene Unterscheidung von Schrift und Geist zielt auf eine Analyse des Bekehrungsvorgangs beim Menschen diesseits der theologischen Anthropologie. Indem die Frage aufgeworfen wird, wie das göttliche Wort in das Herz des Menschen gelangen kann, wird das Problem des testimonium Spiritus Sancti internum nicht mehr in einem von der Metaphysik (wie bei Gerhard) geprägten System eingeordnet, sondern in einem von der Erkenntnistheorie bestimmten System. Das theoretische Problem besteht nicht in der Kritik der inneren Logik der orthodox-systematischen Fassung des Schriftprinzips, sondern entsteht durch den Eintrag einer neuen Komponente, die sich im Denken des 17. Jahrhunderts immer mehr durchsetzt. Im Rahtmannschen Streit kündigt sich die Auseinandersetzung des Luthertums mit dem neuzeitlichen subjektiven Bewußtsein an.124 Ein mentalitätsgeschichtlicher Wandel vollzieht sich. Mit immer neuen Kategorien und Modellen hat Rahtmann daher seine 1.7

AaO, 217.

1.8

Vgl. HAMM, W o r t v e r s t ä n d n i s 1982.

1.9

Vgl. H. HALVERSCHEID, Lumen Spiritus prius quam Scriptura intellecta. Hermann Rahtmanns Kritik am lutherischen Schriftprinzip, Diss, theol. Marburg 1971. 120 Zu Arndt als Anlaß des Streites s. HALVERSCHEID, aaO, 3 - 6 ; vgl. 5 5 - 5 8 . 121

A a O , 2 6 - 3 1 ; v g l . f ü r G e r h a r d B . HÄGGLUND, H e i l i g e S c h r i f t 1951 u n d b e s . KIRSTE,

Zeugnis 1976. 122 HALVERSCHEID geht auf die veränderte Auffassung von der (Ur-) Sprache ein; aaO, 55—57 und 5 7 ff. 123 AaO, 82. 124

70

HALVERSCHEID, I I .

Lehre zu rechtfertigen versucht (Aristotelische Logik, Augustins Signifikationshermeneutik, Zwei-Ämter-Lehre der Schrift, Gleichnisse u. a.)125. Dabei geht es ihm immer um die Frage der Spontaneität des Subjekts des Glaubens, d. h. um Art und Weise der geistigen, aktiven Beteiligung des Glaubenden als dem Subjekt in der Begegnung mit dem Wort Gottes. 126 Rahtmanns Lehre von der Vorrangigkeit des Geistes vor dem Wort ist also von der Frage beherrscht, welche Voraussetzungen (im Rahmen der protestantischen Gnadenlehre!) auf Seiten des Menschen gegeben sein müssen, um ihn als Subjekt des Glaubens in den Stand zu versetzen, das Wort Gottes zu verstehen. Hier ist auch Rahtmanns praktische Absicht in seiner Auseinandersetzung zu erkennen. Denn das Problem der empirisch wahrnehmbaren Differenz von Orthodoxie und Orthopraxie im 17. Jahrhundert ist ja in der Argumentation des orthodoxen Schriftprinzips vorgeprägt. 127 Wie die oben für Spener herausgestellten Unterschiede zur Orthodoxie zeigen, wird man den Pietisten in diese Arndt-Rahtmannsche Linie einordnen müssen. Man muß Speners Kritikern von Dilfeld bis Ritsehl und Grünberg recht geben, daß Speners Vorstellung zu einem subtilen Enthusiasmus neigt, da er keine deutliche Grenze zwischen einer theologischen Erkenntnis der anthropologischen Bestimmungen des Glaubens, die als Spontaneität von Glaube, Liebe, Erneuerung und dergleichen erfahrbar sein sollen, und der Erkenntnis theoretischen und spekulativen Inhalts zieht bzw. beide nur graduell unterscheidet. 128 Ich verweise hierfür auf eine Äußerung Speners aus dem Jahre 1689. Auf die Frage eines „mit schwehren zweiffein über die göttliche lehr angefochtenen" „Worinnen die göttliche gewißheit in den nothwendigsten glaubens=articuln bestehe/ und was sie seye?" antwortet Spener, indem er diese zunächst allgemein als eine „aus der erleuchtung des geistes GOttes entstandene kräfftige Überzeugung des hertzens" bestimmt und dann im folgenden vier Typen von Gewißheit unterscheidet; deren Differenz besteht in „der art/ wie diese [seil, die in sich immer gleich gewisse Offenbarung] uns kund wird". 129 Im Sinne eines absteigenden Gewißheitsgrades nennt er als erstes (1.) die „unmittelbare offenbahrung/ wie Gott den P r o = | pheten/ Aposteln und dergleichen die Wahrheiten also vorgestellet/ und in die hertzen eingetrucket hat/ [so daß sie daran ebensowenig zweifeln konnten] / als einer der sich recht besinnet/ und bey hellem mittag die sonne sihet/ daß er sie sehe/ zu zweiffein nicht vermag. 2. Ist eine art der gewißheit/ so aber nur gewisse dinge angehet/ nemlich die zu der heiligung/ und theils zur rechtfertigung gehören/ da der mensch die sache nicht nur weiß und glaubet aus der göttlichen Offenbarung in dem wort/ sondern hat auch die erfahrung 125 126 127 128

129

AaO, 9 4 - 1 1 0 , 87ff., 7 7 - 8 7 u . a . AaO, 142. AaO, 3 f. 73 f. 79. Vgl. A n m .

6 6 u n d z u RITSCHL S . 7 2 f.

Bed. 2, 1701, 8 9 3 - 9 0 4 (1689) bes. 893 und 897.

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davon in seiner Seelen/ welche gewahr wird dessen/ was in ihr geschihet: w o dann die erfahrung eine bekräfftigung der offenbahrung/ ja gleichsam eine wiederholte offenbahrung ist. " 1 3 0

Geschieht eine unmittelbare Offenbarung nur in besonderen Fällen, so beruht die zweite Art der Gewißheit auf der Wirkung der Wiedergeburt, die am eigenen religiösen und moralischen Lebenswandel und eben an der inneren Erfahrung ablesbar ist. In der Beschreibung eines dritten Falles spricht er eine Art von Gewißheit an, die die Tendenz von Speners Lehre zum subtilen Enthusiasmus belegt. „3. Was aber diejenigen materien anlangt/ davon keine erfahrung seyn kan [seil, von (theoretisch-) theologischen Wahrheiten]/ geschihet einigen [!] die gnade/ daß auch die Wahrheiten von denselben in ihrer seelen also versieglet werden/ daß sie die gewißheit derselben in sich selbs so wol in dem himmlischen liecht sehen/ als sie die Wahrheit der axiomatum, welche die vernunfft klahr sihet/ also erkennen/ daß sie dero gewißheit nicht erst durch vielen erweiß sich einzutrukken nöthig haben. Diese Versieglung und offenbahrung ist nun so fern nicht unmittelbar / indem sie aus der krafft des göttlichen w o r t s / so man gelesen oder gehöret hat/ h e r k o m m e t / ich möchte sie aber so fern unmittelbar nennen/ weil der glaube sie ergreifft nicht nur als gewisse conclusionen aus dem göttlichen und davor erkandten w o r t [wie in dem folgenden vierten Fall] / sondern als solche Wahrheiten/ da ihm eine jegliche derselben selbs von dem H. Geist in der seelen versieglet und zu erkennen gegeben wird (sihe Eph. 1 / 1 7 . 18)". 131

Was Spener hier konkret im Auge hat, ist nicht zu erweisen, auch nicht ob er mit dieser Art einer „unmittelbaren" Gewißheit und Offenbarung auf bestimmte Ereignisse und Personen in Frankfurt anspielt. Jedenfalls geht Spener damit über die geistliche Erkenntnis im Rahmen der Glaubensregel hinaus. Mit seiner in sich konsequenten Lehre vermeidet Spener allerdings eine anthropologische Reduzierung der christlichen Lehre, wie sie dann im Neuprotestantismus, etwa bei A. Ritsehl, zu beobachten ist. Das ist bei Ritschis Interpretation des Dilfeldstreites zu bedenken. 132 Nach Ritsehl ist Dilfelds Behauptung, Spener rede einem subtilen Enthusiasmus das Wort, fur die damalige Zeit und Theologie insofern berechtigt, als Spener durch asketische Mittel „das rein verständige Erkennen in der Theologie zu überbieten trachtet". 133 Es war eben das damalige „Gefuge der Theologie", das zu d e r von Ritschis dogmatischem Standpunkt aus - unentschiedenen Alternative oder den entgegengesetzten Abwegen führte, ob der Kirche gedient sei, „mit einer blos verständigen Aneignung jener [seil, theologischen] Erkenntniß, welche gleichgiltig wäre gegen die sittliche oder unsittliche Gesinnung des theologischen Subjects, oder ob es im Dienste der Kirche auf Überzeugung von der Wahrheit der theologischen Lehren ankommt, welche in Wechselwirkung stände mit der durch das Christenthum geforderten sittlichen Gesinnung und Lebensführung". 134 Ritsehl gesteht Dilfeld zwar die 130 131 132 133 134

72

Ebd., 897f. Ebd., 898; Kursiv von mir. RITSCHL 2, 1884, 1 0 6 - 1 2 1 . A a O , 120f. A a O , 120.

formale Rechtgläubigkeit zu, weil dem orthodoxen System eben die Ausrichtung auf die praktische Überzeugung fehle. Das „höhere Recht" muß Ritsehl aber Spener zumessen, jedenfalls für den Fall, daß das System der Theologie umgearbeitet würde „zu einem Gantzen, das nach dem von ihm betonten Gesichtspunkt der praktischen Überzeugung gegliedert ist". 135 Offenbar reichen sich an diesem Punkt der Kritiker und der Vater des Pietismus die Hände. Subtil ist Speners „Enthusiasmus", insofern er sich immer an das biblische Wort bindet. Innerhalb der möglichen Interpretationen des biblischen Wortes ist er frei, richtet nicht und kann nicht gerichtet werden (vgl. PD 63,12-21). Es gibt Anzeichen dafür, daß Spener, der die Gefahr des Enthusiasmus jedenfalls später - sicher gesehen hat, aus intellektuellen Gründen seine Forderung unter Zuhilfenahme der genuin lutherisch-orthodoxen Lehre aufgestellt und an ihr festgehalten hat. In seiner Schrift gegen Dilfeld finden sich einige Passagen, die die prinzipielle Bedeutung der Lehre von der Erleuchtung mit leidenschaftlichen Worten umschreiben. Das kirchliche Amt gab ihm die Einsicht in die Notwendigkeit dieser Lehre. 136 Es ist gerade die Vernunft, die eine besondere Gottesgelehrtheit fordert: „Daß ich wol sagen darff/ daß bey der so grossen zahl der atheorum nicht noch ihrer mehrere in solche gottlosigkeit fallen/ ist nur die ursach/ daß ihrer viele niemahl recht nachgedacht haben/ warumb sie glauben/ oder etwa von verstand schwächer sind/ als daß sie die festigkeit oder Schwachheit der gründe desselben zu penetriren vermögen. " 1 3 7

Man hat fast den Eindruck, als fordere Spener hier einen vergleichbar radikalen methodischen Zweifel für den Glauben, wie ihn Descartes für die philosophische Erkenntnis angewendet hat. Spener spricht nämlich von den „Atheisten" geradezu als von Opfern ihrer intellektuellen Redlichkeit: „Sonsten bey scharfsinnigen leuten/ und die nichts so thum dahin glauben können/ dessen sie nicht versicherten grund sehen/ ists unmüglich/ daß sie sich des atheismi gnug erwehren können/ ohne habende göttliche gewißheit/ dazu solche gnaden=wirckung des H. Geistes auß dem Wort selbsten nöthig ist." 1 3 8

In diesem Zusammenhang verwirft Spener radikal alle „motiva fidei", die für die göttliche Autorität der Schrift als dem axiomatischen Prinzip der orthodoxen Schulphilosophie 139 ins Feld gefuhrt werden, wie ζ. B. das Eintreffen der Prophezeiungen, ebenso wie alle natürlichen Argumente für die Wahrheit des Christentums. 140 Für die Schultheologie mögen diese Argumente durchaus brauchbar sein, für den eigentlichen Kampf aber sind sie zu stumpf: 135

AaO, 121. Vgl. PD 25,5-11; 67,5ff.; Sendschreiben 1677, 40. 137 Gottesgelehrtheit II 1680, 64. 138 Gottesgelehrtheit II 1680, 64; vgl. 63f. 139 Vgl. WEBER, Einfluß 1908, 3 f. Noch Petersen fuhrt in seiner Promotionsdissertation solche motiva fidei an (Omnia 1686, § 7). 140 Gottesgelehrtheit II, 1680, 5 6 - 5 8 und 64f. 136

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„weiß ich gleichwohl auß eigener erfahrung/ als der ich nicht nur einmahl in einem ernstlichen k ä m p f mit dergleichen personen deßwegen gewesen/ wie genau solche zusammen gehen/ und es gar eine andere sache ist/ w o mans in einer disputatione academica mit einem adversario, der exercitii causa opponiret/ und endlich weichen m u ß / zu thun hat/ [ . . . ] als da mans mit einem scharffsinnigen atheo zu thun kriegt/ der nicht ein einiges der sonsten vor unzweiffentlich geachteten principiorum annehmen/ viel weniger uns das geringste zu gefallen zugeben will".

Von einem dieser atheistischen Zweifler wissen wir: Johann Jakob Schütz aus dem engsten Kreis Speners und des Frankfurter Collegiums. 141 So ist Speners Lehre aus dem Bemühen um eine existentielle Gewißheit des christlichen Glaubens entstanden. In einer solchen aber sind Handeln und Erkennen aufs engste miteinander verbunden: „es m u ß der mensch den göttlichen gnadenbewegungen in lesen und anhören des worts bey sich platz geben/ und allemahl die jetzt geschenckte gnade also gehorsamlich gebrauchen/ daß d e m der da hat noch m e h r gegeben werde. Da wirds nicht mangeln/ die allen in seinem w o r t scheinende sonne der warheit wird alle hertzen erleuchten/ die nicht mit wänden und laden dero stralen eingang in dieselbe außschliessen/ [ . . . ] (Joh 7, 17) [ . . . ] Wer also solchen willen nicht thun/ noch da der Heil. Geist ihn seiner sünde wegen straffet/ in wahrer büß dessen s t r a f f = a m t bey sich kräfftig seyn lassen will/ der wirds nicht also innen w e r d e n " . 1 4 2

„Enthusiastische"

Theologie

Die der Spenerschen Lehre innewohnende Tendenz zu einer subjektiven und dann auch „enthusiastischen" Schrifterkenntnis dokumentiert sich in der Art, wie Petersen diese Vorstellung aufnimmt, weiterfuhrt und für seine theologische Arbeit fruchtbar machen zu können glaubt. Der Spenerschüler Petersen kann von daher vielleicht als ein anschauliches Beispiel für die Nähe von kirchlichem und radikalem Pietismus gelten, deren eine gemeinsame Wurzel in dieser auf „Erfahrung" gegründeten, biblischen Hermeneutik besteht. 143 Der oben zitierte Brief des Jahres 1674, dann auch Petersens rückblickendes Resümee über seine Begegnung mit Spener zeigen, daß jedenfalls Petersen die Spenersche Lehre der Gottesgelehrtheit als bedeutende, die Universitätstheologie überholende Erkenntnis schätzte. Natürlich muß der Brief als komprimierter Niederschlag einer ausführlichen Diskussion und Praxis im pietistischen Frankfurt angesehen werden - lange bevor J. C. Dilfeld diese Frage in die öffentliche Polemik hineinzog. Schließlich zeigt sich die Bedeutung dieser Lehre darin, daß Petersen sie, wiederum vor Dilfelds literarischem Angriff, ausführlich in seiner ersten gedruckten Predigt übernimmt. In seiner Leichenpredigt auf den Pfarrer Christian Meyer (1679) über IKor 15, 10 (Von Gottes Gnaden bin ich/ was 141

WALLMANN, Spener 1986, 301—303. Vgl. auch Franckes Bekehrungsbericht in seinem Lebenslauf (1690/91) (Francke, Auswahl 1969, 4 - 2 9 bes. 23ff.). 142 Gottesgelehrtheit II, 1680, 65 u. 67 f. 143 Z u m Problem des (genetischen) Verhältnisses von kirchlichem und radikalem Pietismus v g l . SCHNEIDER, P i e t i s m u s 1, 1 9 8 2 , 1 7 - 2 1 .

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ich bin/ und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen) verbindet er die pietistische Vorstellung von der geistlichen Erneuerung mit dem Problem der rechten Gottesgelehrtheit. Dem orthodoxen „extra nos" der Gnade setzt Petersen pointiert die Gnadengabe im Menschen entgegen: „Und seine Gnade an mir/ spricht er/ ist nicht vergeblich gewesen". Im Rückgriff auf den griechischen Text kann er fortfahren: „Seine Gnade an mir/ [ h e e n e m o i ] , die Gnade/ welche nicht ausser mir/sondern in mir ist/ die zwar ausser mir durch Christi JEsu sein Verdienst ist erworben/ aber nun in mir mächtig und kräfftig geworden ist/ und nun nicht ausser mir/ sondern in mir wircket/ und mich zu einem gantz anderen Menschen gemacht hat." 1 4 4

Petersen hält an der Taufe als Salbung und Empfang des Heiligen Geistes fest, sieht aber auch, daß viele Christen den Taufbund brechen und die Gnadengabe der Taufe verlieren. 145 Anschließend setzt Petersen die geistliche Erneuerung mit der wahren Theologie in Beziehung. Aus seinen Ausführungen läßt sich das pietistische Verständnis der Gottesgelehrtheit näher präzisieren. Petersen unterscheidet zwischen dem Reden von einer Sache (ζ. B. der biblischen Botschaft) und ihrem Sinn, der entweder natürlich (fleischlich) oder geistlich ist. Er spricht dem natürlichen Menschen nicht ab, daß er „von der Theologie köstlich reden/ und aus der Bibel tröstliche Predigten thun kan". 146 Petersen übernimmt damit die Absage an den Donatismus, wie sie Spener auch in den Pia Desideria formuliert hat, indem er an der Selbstwirksamkeit des göttlichen Wortes festhält. Neu bei Petersen ist, daß er die Frage aufwirft, ob die christliche Rede aus dem göttlichen Sein des Redenden, also aus einem wirklichen Glauben fließt. Es geht also n i c h t - oder nur am Rande— um die Frage der Vermittlung, um die Wirksamkeit der Predigt. Vielmehr reflektiert er und mit ihm der Pietismus darüber, wie der einzelne (auch der Prediger) Gewißheit über die göttliche Botschaft erlangen kann. Der Prediger muß sich wie jeder Christ nach seinem Glauben und seiner Glaubwürdigkeit fragen lassen. Auch hier ist die veränderte Fragestellung gegenüber der Orthodoxie deutlich. Die Frage wird beantwortet mit dem Zeugnis des Heiligen Geistes. Die Antwort läuft formal in den Bahnen der Orthodoxie (testimonium spiritus s. internum). Sie entfernt sich aber inhaltlich von ihr, insofern sie auf Seiten des Menschen über die Möglichkeit dieses inneren Zeugnisses nachdenkt. Mit anderen Worten: Für die Orthodoxie ist die Lehre vom testimonium spiritus sancti internum ein Glaubenssatz, der notwendig zum evangelischen Glaubensbegriff gehört. Für den Pietismus wird diese Lehre in ihrer untrennbaren Verknüpfung mit dem empirischen Lebenswandel zu einem Erfahrungssatz. Denn das testimonium spiritus ist nur, wo der Geist ist. Wo der Geist als Gabe ist, das läßt sich im Lebenswandel erfahren. 144

AaO, Bl. D \ AaO, Bl. Dii 1 ; vgl. seine These von den Sünden, die im Christen wohnen, die er auch erst durch die Erleuchtung des Heiligen Geistes in ihrer Tiefe erkennen kann, die aber nicht mehr in ihm herrschen, sich also nicht mehr in Werken realisieren (aaO, Bl. Dii'f). 146 AaO, Dii'. 145

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Das betrifft nun nicht nur die formale Seite. Denn es kommt bei dem geistlichen Menschen zu einer reicheren Erkenntnis und tieferen Erbauung: „Dahero wird ihnen mannigmahl/ wenn sie das lebendige Wort Gottes lesen das Hertz so warm/ und so feurig/ daß sie nicht wissen/ wie ihnen geschieht. Sie finden oflft in einem Spruch/ ja in einem Worte/ welche auch die aller subtilsten fleischlichen Theologi Überhin hüpffen/ so viel Krafft und Süßigkeit/ daß sie es nicht außsprechen können". 1 4 7 „Es k o m m t auch mannigmahl/ daß seine [seil, des unerleuchteten Predigers] Worte nicht in der rechten Connexion stehen/ ob sie wol für sich betrachtet/ Gottes heilige Worte seyn/ und dahero auch in der Krafft/ darinn sie liegen/ nicht vorgetragen werden." 1 4 8 „ [ . . . ] und wird endlich solch weniges überbliebenes Gnaden=Lichtlein/ durch beharrliches und unbußfertiges Leben vollend gantz verfinstert und gedämpffet/ und der sündige Mensch auß gerechtem Gerichte Gottes in verstockten Sinn dahin gegeben/ daß er kräfftige Irrthümer bekomme [ . . . ] . " 1 4 9

Spener hat Petersen ein eindrucksvolles Zeugnis dafür ausgestellt, daß dieser ihn richtig verstanden habe, indem er dem 2. Teil der „Gottesgelehrtheit" einen Auszug aus Petersens Leichenpredigt auf Christian Meyer anhängte. 150

Johann Jakob Schütz und der

Chiliasmus

Neben der Spenerschen Lehre von der im Heiligen Geist begründeten, notwendigen Einheit von der Schrifterkenntnis und einem Leben nach der Schrift hat Petersen auch das eschatologische Gedankengut der Frankfurter Pietisten kennengelernt. Wie er selbst berichtet, hat ihn besonders Johann Jakob Schütz über die in Petersens Augen offenbar einheitliche Eschatologie der Frankfurter Pietisten unterrichtet. 151 Es spricht nun, wie Johannes Wallmann gezeigt hat, einiges dafür, daß sich Johann Jakob Schütz im Zuge seiner Begegnung mit labadistischem Gedankengut und dessen positiver Aneignung auch mit der labadistischen Eschatologie beschäftigt hat. Nachweisbar ist dieses Interesse von Schütz für den Februar 1675, als Anna Maria van Schurman seine Anfrage zur labadistischen Eschatologie mit Hinweis auf verschiedene Werke des Sektenfuhrers beantwortet. 152 Jedenfalls dürfte seit dieser Zeit im Kreis um Schütz die Auseinandersetzung mit der christlichen Eschatologie, von der Petersen berichtet, neu geführt worden sein. Als ein Anhaltspunkt für die Datierung dieser anderen, wichtigen Begegnung Petersens mit den Frankfurter Pietisten muß die Bemerkung Petersens gel147

AaO, Dii b . AaO, Eii\ 149 Ebd. 150 S. 212-236. Die LP ist vorhanden in AHL; vgl. LB 1717, 48. 151 LB 1717, 20; vgl. S. 224 und WALLMANN, Spener 1986, 336 und 298 Anm. 43; zu Schütz s. ebd., 299ff. 152 WAILMANN, Spener 1986, 351-353. Die in LB 1717, 20 beschriebene Hoffnung auf eine bessere Zeit für die Kirche und ihre geschichtstheologische Begründung sind nicht spezifisch labadistisch; s. GOETERS 1911, 160-163; vgl. WALLMANN, aaO, 322-324. 148

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ten, Spener habe von dieser Eschatologie, nämlich von dem noch ausstehenden Aufstieg und Fall Babels, der Bekehrung der Juden und einer besseren Zeit der Kirche auf Erden „nachgehends [ . . . ] in seinen piis Desideriis mit mehrern gehandelt." 153 Wenn Petersen damit nicht nur eine allgemeine Abhängigkeit Speners von Schütz meint, sondern wirklich mit letzterem über diese Hoffnung gesprochen hat, bevor sie Spener ausfuhrlich in seinen Pia Desideria begründet hat, dann läßt sich daraus ein zweiter Aufenthalt Petersens rekonstruieren. Denn sicher spielt Petersen auf die vermehrte Ausgabe der Reformschrift der Jahre 1678/80 mit seinem ausfuhrlichen („mit mehrern") Anhang zur Frage der Judenbekehrung an.154 Die Begegnung mit Schütz muß also nicht vor dem Erscheinen der ersten Ausgabe der Pia Desideria im Frühjahr 1675 angesetzt werden. 155 Der Beginn der persönlichen Bekanntschaft mit Schütz wird auf den Herbst des Jahres 1675 zu datieren sein, also in die Zeit zwischen dem Beginn einer intensiven Beschäftigung Schützens mit der labadistischen Eschatologie und dem Erscheinen der ersten Separatausgabe der Pia Desideria. In den freilich nur wenigen erhaltenen Briefen Speners an Petersen taucht der Name von Schütz wohl zum ersten Mal im September 1675 und dann in den drei ersten, aufeinanderfolgenden Briefen des Jahres 1676 auf.156 Der relativ dichte Briefwechsel bis in den Juni des Jahres 1675 und Petersens Reisen nach Sachsen und Bad Wildungen 157 sprechen fur einen weiteren Aufenthalt Petersens in Frankfurt während der Herbstmesse (6.-25 September) 1675.158 Nicht auszuschließen wäre auch der Anfang des Jahres oder ein noch früherer Zeitpunkt. 159 Die Auseinandersetzung mit den eschatologischen Gedanken von Schütz und Spener, also die Hinwendung zum Chiliasmus, vollzieht sich bei Petersen über einen längeren Zeitraum. Dabei hat diese erste Auseinandersetzung jedenfalls auf Seiten Petersens zunächst einen ganz und gar wissenschaftlichen Charakter. Er rezipiert erst nach und nach chiliastisches Gedankengut, 153

LB 1717, 20. Spener-Schriften I, 1, 1979,491-536. 155 Zur Herbstausgabe vgl. W A L L M A N N , Postillenvorrede 1975, 474-481. O b Petersen die Erstausgabe der Postillenvorrede kannte, ob Spener ihm auch ein Exemplar zugesandt hat, ist fraglich. In den Briefen Speners an Petersen ist davon nie die Rede. Allerdings könnte Petersen sie bei seinem Hauswirt Ph. L. Hanneken (vgl. W A L L M A N N , Postillenvorrede, aaO) gesehen und diskutiert haben. 156 AFSt, A 196: Spener an Petersen, Frankfurt a. Μ., den 3.9. 1675 (p. 2 9 - 3 3 bes. 29: Sch. in Mainz?), 17.1. 1676 (p. 4 0 - 43 bes. 42), 29.4. 1676 (p. 4 3 - 4 6 bes. 46: ohne Namen nur: „unsere Freunde"), 22.8. 1676 (p. 4 6 - 5 0 bes. 50). 157 S. S. 101 und S. 98. 158 Vgl. S. 47. Der Termin wird durch einen Brief von D. Clodius aus Gießen an Spener vom 25.10. 1675 gestützt, wonach ein M. Peters[en] Clodius ein Exemplar der Separatausgabe der PD mitgebracht habe; Gedicke, Epistolarum 1745, 2 3 - 2 6 bes. 23. 159 Ζ. B. zwischen den Briefen Speners vom 8.12. 1674 und 15.3. 1675. Dann müßte Petersen aber erst sehr spät vom Tod D. [Heinrich] Brummers (gest. Sept. 1674 als Pastor in Tönningen; s. Jöcher 1, 1750, 1418) gehört haben, da er erst in seinem Brief vor dem 15.3. 1675 davon erzählt. Brummer hatte auch in Gießen studiert und war offenbar mit Spener bekannt. 154

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indem er die Möglichkeit und dann auch Notwendigkeit der Lehre von einem herrlichen Reich Christi auf Erden aus den biblischen Büchern, vor allem ihren prophetischen, noch unerfüllten Weissagungen zu beweisen versucht. Petersen wird zum Chiliasten durch Schriftexegese. Dies muß gerade gegenüber der Art, wie Spener zu seiner eschatologischen Hoffnung gekommen sein will, festgehalten werden. 160 Petersens wissenschaftlich begründete Hinwendung zum Chiliasmus schließt weder aus, daß seine Motivation aus der Begegnung mit den Frankfurter Pietisten herrührt, noch daß sich die chiliastische Lehre bei ihm immer mehr zu einer bekenntnishaften Hoffnung verdichtet. Der wissenschaftliche Charakter von Petersens Beschäftigung mit dem Chiliasmus zeigt sich zum anderen darin, daß er die Geschichte des christlichen Chiliasmus studiert, um ihn als eine schon immer zur christlichen Religion gehörige Hoffnung nachzuweisen. 151 Jedenfalls hat sich Petersen erst in Eutin im Zuge der gemeinsamen Arbeit mit seiner (späteren) Frau Johanna Eleonora von Merlau an der Offenbarung Johannis zu einem kämpferischen Verfechter des Chiliasmus entwickelt. Bis in die achtziger Jahre hinein vertritt Petersen keinen Chiliasmus, sondern beschäftigt sich nur mit den exegetischen und historischen Fragen der Lehre. Auch die Gespräche mit Johann Adolf Rhein und Heinrich Umpffenbach aus Frankfurt, der in Straßburg unter Sebastian Schmidt im April 1674 über den Chiliasmus disputiert hatte, dürften mehr akademischer Natur gewesen sein.162 Petersen hat allerdings seit seiner praktisch-kirchlichen Tätigkeit in Lübeck Speners Hoffnung eines besseren Zustandes der Kirche in noch unreflektierter Weise geteilt. Denn seit dem November 1676 finden sich in Speners Briefen an Petersen immer wieder Wendungen, mit denen der Frankfurter Senior seiner Hoffnung einer baldigen Besserung Ausdruck verleiht und den Jüngeren in seiner Arbeit bestärken will. Spener muß dabei ein gewisses Einverständnis bei Petersen vorausgesetzt haben. 163 Auf diese Entwicklung Petersens soll unten näher eingegangen werden. 164

160

WALLMANN, Spener 1986, 3 2 8 - 3 3 5 bes. 331 f. Nubes testium veritatis 1696; s. Werk Verzeichnis. 162 LB 1717, 20 f. Die Identifikation des Disputanden (nach Lipenius 1, 1685, 273) auf Grund der [ . . . ] II DISSERTATIO || H I S T O R I C O = T H E O L O G I C A || D E || CHILIASMO || A P O C A L Y P T I C O , | | [ . . . ] II T E X T U I A P O C A L Y P T I C O CAP. X X || C O N T R A R I O , || [ . . . ] , Straßburg 1701 (UB Göttingen, in: Theol. misc. 114/1: 4); vgl. S. 29: „Sic itaque ligationem Satanae [seil., der sich in der Christenverfolgung der ersten drei Jahrhunderten gezeigt habe] secundum nostrum textum, eodem tempore initium habuisse dieimus, quia regnante tum Constantius Imperatore gloriossissimo, pax Ecclesiae data fuit". Umpffenbach trug sich am 16.11. 1674 in die Gießener Matrikel ein. Aus der LB 1717, aaO geht leider nicht hervor, wann und w o die Diskussion mit ihm stattfand. Z u Rhein, dem späteren Hofprediger der verwitweten Kurfurstin von der Pfalz in Lichtenburg, s. WOTSCHKE, Sachsen 1940, 72: ein „Gefolgsmann [Petersens] in allen seinen Sonderlehren" (vgl. LB 1717, 209), und Spener an Petersen, Frankfurt a. Μ., den 12. 5. 1677 (AFSt A 196, p. 70): Kanzelverbot in Frankfurt; vgl. SIMON, Pfarrer 1962, 101. 163 AFSt A 196, 21. 11. 76 (p. 51): „ [ . . . ] cumproficere videmusremsacram"; „Ah veniat illa 161

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II. Johanna

Eleonora von

Merlau

Herkunft Als letzte u n d w o h l entscheidende B e g e g n u n g Petersens mit d e m Pietism u s in Frankfurt ist diejenige mit Johanna Eleonora v o n Merlau zu nennen. D i e tief religiöse, sensible und asketisch-strenge Frau hat den j u n g e n T h e o l o g e n Petersen in ihren B a n n g e z o g e n . W e n i g e Jahre später, als Petersen in A m t u n d Würden stand, haben sie geheiratet u n d damit das U r b i l d einer pietistisch-herrnhuterischen „Streiterehe" vorgezeichnet. 1 6 5 Gerade Johanna E l e o n o r a hat in ihrer Person in den A u g e n vieler ü b e r z e u g e n d die „ H e r t z e n s = K e u s c h h e i t " g e g e n ü b e r einer rein äußerlichen Keuschheit gelebt. 1 6 6 Johanna Eleonora s t a m m t e aus d e m alten, hessischen Geschlecht derer v o n u n d zu Merlau, das seinen S t a m m s i t z in Merlau bei Grünberg, südlich v o n Alsfeld, hatte u n d zur rheinischen Ritterschaft gehörte. 1 6 7 Ihr Vater w a r G e o r g A d o l p h v o n und zu Merlau (gest. 1681) 168 , der j ü n g e r e Bruder des w ü r t t e m b e r g i s c h e n G e h e i m e n Rates Albert O t t o v o n Merlau (1616— 1679) 1 6 9 u n d S o h n v o n C h r i s t o p h v o n und zu Merlau, B u r g m a n n zu G r ü n berg u n d Gerichtsjunker zu N i e d e r - O h m e n , e i n e m ,,hochgelehrte[n], v e r s u c h t e ^ ] / n e b e n vilen Sprachen/ die Er hat geredet/ erfahrne[n] Herr[en]"

dies, et fides et pietas iterum incolunt [... ] terras!"; 30. 11. 76 (p. 58): „ [ . . . ] non vano instantis alicujus aestatis ante aeternitatis ingressum indicio." (vgl.p. 63 d. folg. Briefs); 12. 5. 77 (p. 68f.): „Expectamus vero patienter tempus illud, quod alios mores, aliam vitam nobis promittit, rosas illas et flores, quos coelesti impraegnata verbo sellus producet. De quibus tu quoquesperas et nobis-|cum piaeanimaenonpaucae."; 13. 8. 1677 (p. 75): „Quidputas primum nunc tragoediae actum coepisse non falleris, quam an reliqui sint subsecuturi, ille solus novit, qui supremus est rector" (vgl. LB 1717, 20); 13. 9. 77 (p. 79): „Tales animorum motus qui eodem tempore apud plures observantur indubium divinae operationis sunt indicium, et ostendere videntur, ante fores esse tempus, quo DEVS misereatur Ecclesiae suae". 164 Nur der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, daß Petersen in dieser Zeit auch mit einem Landprediger Junius in Kontakt stand (LB 1717, 20). Wahrscheinlich handelt es sich um Johann Heinrich Jung (gest. 1704), der von 1674 bis 1688 in Altenstadt und Rodenbach in der Wetterau Pfarrer und auch mit Ph. J. Spener befreundet war. Er war später Pfarrer im pietistischen Laubach (MACK, Pietismus 1984, 56f. und DIEHL, Hassia 1, 1921, 299). 165 TANNER, Ehe 1952, 58 ff. Der Petersenschen Ehe kommt vielleicht für radikale und schwärmerische Kreise ein gewisser Vorbildcharakter zu, besonders gegenüber der von Gichtel oder Hochmann von Hochenau propagierten Ehelosigkeit; vgl. SCHERING, Petersen 1982, 225 f. 166 Vgl. Petersen, Geist des Widerchrist 1699, 65-68 bes. 67. 167 Zur rheinischen Ritterschaft s. KNESCHKE, Adel 6, 1865, 246. Zu Ort und Geschlecht Merlau s. (weniges) bei VOIGT, Schlösser 1941, 25-27 und bei WEBER, Merlau 1932 (mit der Abbildung des merlauischen Wappens, einem „Jungfrauen-Adler" [Adlerfigur mit dem Kopf einerjungen Frau]). 168 Zwischen dem 2. Mai und 30. November 1681 (GÜNDEL, Philippseck 1937, 74 mit Anm. 178). 169 Petersen, Carmen J. E. Petersen 1724, Z. 22-33; über Albert Otto s. Wagner, Jesus 1680. 79

(gest. 1622/23). 170 Die Mutter der beiden Brüder war Beate von Reckroth (gest. 1637). 171 Seit früher Zeit bestand ein engeres Verhältnis zwischen der Merlauschen Familie und den Grafen von Solms. Der jüngere Graf Albert Otto (II.) von Solms war der Taufpate des Stammhalters derer zu Merlau. Nachdem der Vater Georg Adolphs und Albert Ottos früh verstorben war, kam Albert Otto (vielleicht mit seinem Bruder) zu der verwitweten Anna von Solms, einer geborenen Landgräfin von Hessen, in die Obhut nach Laubach. 1 7 2 Auch die Mutter starb früh, so daß die beiden Brüder sich in jungen Jahren auf ihre eigenen Beine gestellt sahen. Während Albert Otto, ein tüchtiger und entschlossener Mann, seinen Weg ging und zunächst als Page bei seinem Paten wirkte, bevor er auf eigene Faust in die Welt hinauszog, scheint der jüngere Bruder nicht den rechten Lebensmut aufgebracht und nicht das nötige Glück auf seiner Seite gehabt zu haben. Die Zeiten des Dreißigjährigen Krieges, in denen die Brüder aufwuchsen, waren den altehrwürdigen Ritterfamilien nicht günstig. Den Heeren der europäischen Großstaaten war man machtlos ausgeliefert. 173 U n d der landesherrliche Absolutismus, der sich durch die Umwälzungen des Krieges bedingt nun erst richtig ausbilden konnte und mußte, ließ den Landständen und früheren Trägern der politischen Verantwortung nicht ihre althergebrachte Stellung. Vor dem sozialen Abstieg konnte nur der sich bewahren, der sich wie der Onkel Johanna Eleonoras in der neuen Welt des Hofes zurechtfand und dort ein verantwortungsvolles A m t bekleidete. Dies war Georg Adolph, dem Vater Johanna Eleonoras, nicht gelungen. Es wird berichtet, daß ihm sein Bruder, der auf seiner zweijährigen Reise durch Europa die Belagerung von Breda in Nord-Brabant besichtigt hatte, von dort zur Hilfe eilen mußte, „Ihme in richtig Machung viler Unrichtigkeiten die Hand zu bieten". 1 7 4 Georg Adolph war seit 1637/38 in zweiter (?) Ehe mit Maria Sabina Ganß von Utzberg, der Mutter Johanna Eleonoras, verheiratet. 175 Sie war Patenkind und Adoptivtochter von Sabina von Bergen geb. von Praunheim (gest. 10. Mai 1657), der der Rittersitz Philippseck bei Heddernheim gehörte. 176 Schon seit 1635 hatte Georg Adolph sich um die Sanierung ihrer Finanzen Wagner,Jesus 1680, 26 f. Wagner, Jesus 1680, 27 f. 172 Wagner,Jesus 1680, 27f. Sie war die Mutter Albert Ottos II. von Solms; vgl. LORINGHOVEN, Stammtafeln 5, 1978, 80. 173 Albert Otto mußte seine Reise durch die Niederlande abbrechen, um „sein Adeliches Stamm=Haus Merlau für der schon dazumalen [ca. 1637] daselbsten herumfliegenden/ frantzösischen Armee für besorglicher Ruin auffrecht zu erhalten" (Wagner, Jesus 1680, 29). 174 Wagnerjesus 1680, 29. Breda wurde 1637 durch Friedrich Heinrich von Oranien von den Spaniern zurückerobert. 175 Der Name der Mutter s. Humbracht, Stammtafeln 1707, 90. 245, und August Friedrich Petersen an Joseph I. (wie S. 22 Anm. 16), p. 10a; vgl. Anm. 216. 176 Heddernheim (LB II, 1719, 7: „Hettersheim") ist heute ein Stadtteil von Frankfurt a. M. Zu dem 1927 bei Ausgrabungen aufgefundenen Rittersitz Philippseck und seiner Beziehung zur Familie von Merlau s. GÜNDEL, Philippseck 1937. 170 171

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und des 1631 von den Schweden stark beschädigten Anwesens bemüht, eigene Einnahmen aus seinen Besitzungen investiert und sich über Heirat und Erbverträge in den Besitz von Philippseck gebracht. Nach dem Tod der Sabina von Bergen kam es zu einem Erbschaftsprozeß zwischen der Familie von Merlau und der Familie von Ried, der erst 1746 v o m Reichskammergericht in Wetzlar endgültig entschieden wurde. 1 7 7 Georg Adolph von Merlau muß ein strenger, vielleicht etwas melancholischer und verbitterter Vater der vier Töchter gewesen sein, die ihm seine Frau schenkte. Johanna Eleonora wurde als zweites Kind am 25. April 1644 in Frankfurt geboren. 1 7 8 Die älteste Schwester, Philippina (geb. ca. 1641), lebte später bei ihrem Onkel Albert Otto in Stuttgart und heiratete einen Herrn von Varnbühler. 179 Die mittlere Schwester, Christina Sibylle Maria Philippina (geb. ca. 1648), heiratete 1665 Johann Heinrich (Wilhelm) von und zu Praunheim. 180 Von den zahlreichen Kindern dieses Paares lebte eine Tochter, Anna Elisabeth Eleonora Magdalena 181 , später bei ihrer Patentante von Merlau in Frankfurt und Eutin und gab zu verleumderischen Gerüchten Anlaß. 182 Die jüngste Schwester wurde ca. 1650 geboren und hieß Charlotte Auguste Philippina. 183 Sie heiratete den Witwer Johann Reinhard von Dorfeiden 184 , einen Hofmeister in Hanau. 1 8 5 Auch Johanna Eleonoras Mutter starb früh, wahrscheinlich im Jahre 1653. 186 Der Vater, der sich als Hofmeister beim Landgrafen Wilhelm Christoph von Hessen-Homburg verdingte, überließ seine Töchter auf dem heimatlichen Gut Pflegerinnen, die sich freilich wenig fürsorglich und christlich im U m g a n g mit dem Gut und den Kindern zeigten. 187 Die bislang wenig standesgemäße Erziehung sollte sich für Johanna Eleonora ändern, als sie mit 12 Jahren zunächst an den H o f der Gräfin von Solms-Rödelheim kam, unter deren zunehmendem Schwachsinn die junge Freiin zu leiden

177 GÜNDEL, Philippseck 1937, 71 ff. stellt den Prozeß ausfuhrlich aus den Akten des SA Marburgs (Acta in Sachen Herrn Petersen von Greiffenbergs, Mörlauischen Allodialerbens..., Wetzlar, 26.8. 1740) dar. 178 Der Geburtsort nach der Supplikation (wie S. 93). Früheste Quelle fur das Datum ist m.

W. RITSCHL 2 , 1 8 8 4 , 2 2 6 .

LB II 1719, 7f. (§4), 13 (§9). L B II 1719, 7 - 9 (§ 4 f.); Praunheim gehört heute zu Frankfurt a. M. 181 Humbracht, Stammtafeln 1707, 90. 182 L B II 1719, 9f. (§5). 183 J. E. Petersen, Sendschreiben 1714, 13. 184 LB II 1719, 41. 185 Humbracht 1707, 245. Vgl. zu letzterer den Glückwunsch zur ,,bevorstehende[n] Vermählung" von J.J. Schütz an „Jgf. Merlau", 6.2. 1677 nach Philippseck (Vorschrift des Briefes in S u U B Frankfurt, Schütz-Nachlaß Μ 330, p. 132). 186 LB II, 1719, 10 (§6). 187 L B II 1719, 10—12 (§6f.). - Zum Topos der Bewahrung beim Sturz von Stockwerken herunter vgl. L B 1717, 6 (s. S. 27 Anm. 41). Regent in Homburg war Wilhelm Christoph von 1650 bis 1669 und später noch einmal kurzfristig. 179 180

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hatte. 188 Ihre Übersiedlung nach Rödelheim war auch mehr eine Verlegenheitsmaßnahme. Denn im Mai 1657 hatte Andreas Jost von Ried gewaltsam Besitz von Philippseck genommen, so daß die vier mutterlosen Töchter irgendwo untergebracht werden mußten. 189 Etwa im Jahre 1659, im Alter von 15 Jahren, kam Johanna Eleonora als Hofjungfer zu der mit Herzog Philipp Ludwig von Holstein-Sonderburg (1620—1689) vermählten Anna Margaretha von Hessen-Homburg (1629—1686) nach Wiesenburg in Sachsen. Sie blieb dort über zehn Jahre. 190 Anna Margaretha war eine Patin von Johanna Eleonora von Merlau. 191 Als Hofjungfer nahm sie teil an dem großen Beilager in Linz anläßlich der Hochzeit von Dorothea Elisabeth von Holstein-Sonderburg (1645—1725), einer Tochter des Herzogs Philipp Ludwig aus erster Ehe, mit dem Kammerpräsidenten Georg Ludwig Graf von Sinzendorff (1616—1680) im Jahre 1661.192 Die Stellung und Finanzen des Grafen von Sinzendorff erlaubten es nicht, daß Johanna Eleonora neben der Kammerjungfer als Hofjungfer bei der jungen Braut blieb. Statt dessen kehrte sie mit deren Elternpaar nach Wiesenburg bei Zwickau zurück, wo Herzog Philipp Ludwig ein kursächsisches Lehen besaß. 193 Für Johanna Eleonora war das im Rückblick eine Fügung Gottes, konvertierte Sinzendorff doch später mit seiner Familie zum römischen Katholizismus. 194 Anfang der sechziger Jahre wurde sie mit dem Sohn eines kursächsischen Obristleutnants von Bretewitz verlobt. Die an sich standesgemäße Verbindung wurde aber schließlich auf Wunsch beider Seiten wieder gelöst. Bretewitz hatte offenbar eine reichere Partie in Dresden im Auge, während Johanna Eleonora sich immer mehr einem der Welt abgewandten, frommen Lebenswandel hingab, der sich mit den unmoralischen Eskapaden des j u n gen Soldaten kaum vereinbaren ließ.195 Der so provozierte gesellschaftliche Eklat dürfte bei Johanna Eleonora ihre Neigung zu einer quietistischen und weltflüchtigen Religiosität verstärkt haben. 196 188 LB II 1719, 16. Gemeint ist Eleonora Barbara Maria von Solms-Rödelheim geb. Creutz von Scharffenstein (1629—1680), die Ehefrau von Johann August Graf von Solms zu Rödelheim (1623-1680). Die Zwillinge, von denen in LB II, aaO die Rede ist, wurden am 4.7. 1657 geboren; vgl. SOLMS-LAUBACH, Geschichte 1865, Tafel XI. 189 GÜNDEL, Philippseck 1937, 73. Erst im Dezember 1659 kam das Gut durch Richterspruch wieder an die Familie von Merlau. 190 LB II 1719, 16 (§ 11); vgl. HUBERTY, Allemagne 1,1976, 78 und LORINGHOVEN, Stammtafeln 1, 1975, 90 (Eheschluß 1650); vgl. H G I, Widmung, Bl.)(III b . 191 LB II 1719, 18 (§11). 192 LB II 1719, 1 6 - 1 8 (§11); zu dem dort erwähnten „Johannissegen" s. HdtAG 4, 1931/32,

7 4 5 - 7 6 0 ( „ J o h a n n i s m i n n e " , b e s . u n t e r 3 . ) . LORINGHOVEN, S t a m m t a f e l n 1 , 1 9 7 5 , 9 0 u n d WURZBACH 3 5 , 1 8 7 7 , 1 7 - 1 9 . 193

194

L B II 1 7 1 9 , 18 f. (§ 12); v g l . RITSCHL 2 , 1 8 8 4 , 2 2 6 u n d RITTER, G e o g r a p h i e 2 , 1 9 1 0 , 1 2 6 1 .

LB II 1719, 18 (§12). LB II 1719, 19 (§ 15), 21.24 (§ 16). Wer der dort genannte Freund mit Namen von Fresen (von Friesen?) war, ist nicht bekannt. 196 Der zu beobachtende Zusammenhang zwischen der sozialen Dekadenz des alten Adels 195

82

Fast zehn Jahre später hat ein hoher evangelischer Geistlicher um Johanna Eleonora, die gerade das Alter von dreißig Jahren überschritten hatte, geworben. 197 Der Name des Freiers wird in ihrer Lebensbeschreibung nicht genannt. Angesichts des anzunehmenden Standesunterschiedes kann es sich nur um einen leitenden Kirchenmann oder einen theologischen Doktor gehandelt haben. Er lebte ungefähr so weit von Wiesenburg, nämlich 40 Meilen (ca. 300 km), entfernt wie Johannas Vater, der damals Hofmeister in Philippseck bei Butzbach war. 198 Außerdem war er Witwer.199 Wie ein Brief Speners an Petersen vom 19.6. 1680 zeigt, handelt es sich bei dem Geistlichen um den Spenerfreund Johann Winckler. Der war im Jahre 1668 Hofmeister beim Herzog Philipp Ludwig von Holstein-Sonderburg in Wiesenburg gewesen. 200 Er kannte also Johanna Eleonora aus dieser Zeit persönlich. Als Diakon in Homburg auf der Höhe hatte Winckler die adlige Elisabeth Magdalena von Lindau geheiratet, die ihm aber schon am 10. Oktober 1673 verstorben war. Auf Einspruch des Onkels Albert Otto von Merlau kam die neue Verbindung mit Johanna Eleonora nicht zustande.201 Seine zweite Ehe schloß Winckler dann am 22. November 1674 als Pastor und Metropolitan in Braubach bei St. Goarshausen mit Johanna Kugelmann. 202 Das Scheitern der Verbindung stand schon ganz im Zeichen einer pietistischen „Casuistik des Vorsehungsglaubens", insofern Johanna Eleonora ihren eigenen Willen völlig abtöten und nur auf die Entscheidung ihres Vaters und von Gott gegebenen Vormundes hören wollte, woraus sie den Willen Gottes vernehmen zu können glaubte. 203 Ph. J. Spener, mit dem sie damals schon in enger Verbindung stand, hat sie selbst in dieser Methode und in ihrem religiös begründeten Wunsch der Ehelosigkeit bestärkt. 204 Mit Philipp Jakob Spener verbindet Johanna Eleonora von Merlau überhaupt eine besondere Seelenverwandtschaft. Durch ihn hat sie den Ort gefunden, wo sie ihre Religiosität schöpferisch entfalten konnte. Der Frankfurter Senior hat ihr manches Lob zuteil werden lassen und trotz ihrer und ihres Mannes theologischen Irrwege die Freundschaft und Achtung nie aufgekündigt. 205 Theologisch gibt es viele Berührungspunkte zwischen bei(etwa der Merlau oder der Asseburg, s. S. 256ff.) und seiner besonders ausgeprägten Religiosität verdient festgehalten zu werden. 197 LB II 1719, 25 f. (§ 18). Zu diesem Vorgang finden sich im Senckenberg-Archiv der S u U B Frankfurt a. M. (Schütz-Nachlaß Μ 326) unterschiedliche Briefkonzepte von J.J. Schütz, der als Vermittler zwischen Johann Winckler und J. E. von Merlau bzw. ihrem Vater auftrat (s. Handschriftliche Quellen). 198

KNESCHKE, A d e l 6 , 1 8 6 5 , 2 4 6 ; v g l . L B II 1 7 1 9 , a a O u n d A n m . 2 1 9 .

199

Bed. 3, 1702, 88 (1674).

200

GEFFCKEN, W i n c k l e r 1 8 6 1 , 2 .

201

Spener an Petersen, Frankfurt a. M., den 19. 6. 1680- AFSt A 196, p. 157-162 bes. 158.

202

GEFFCKEN, a a O , 2 3 3 .

203

RITSCHL 2,1884, 228. Vgl. eingehender zum Problem dieser pietistischen „Willensaskese"

GÜNTHER, P s y c h o l o g i e 1 9 2 6 , b e s . 1 6 0 - 1 6 3 . 204 205

Bed. 3, 1702, 8 7 - 9 2 (bes. 91 f.) und 92 - 95 (1674); vgl. LB II 1719, 25 (§ 18), 26f. (§ 19). Ζ. B. Cons. 3, 1709, 255-260 (16.7. 1678) bes. 257: „ [ . . . ] quae sui sexus paucas ibi [seil.

83

den, wahrscheinlich geprägt von derselben religiösen Literatur, von Johann Arndt und den puritanischen Erbauungsbüchern. 206

Übersiedlung nach Frankfurt a. M.

Johanna Eleonora von Merlau muß Philipp Jakob Spener im Sommer 1672, kurze Zeit bevor Johann Wilhelm Petersen mit Spener in Kontakt trat, begegnet sein. Der Zufall führte beide auf dem Rheinschiff zusammen, das von Frankfurt abging. Der Senior reiste damals nach Mainz und Johanna Eleonora in Begleitung der holstein-sonderburgischen Prinzessin Sophie Elisabeth nach Bad Ems. 207 Später lernte sie auch Johann Jakob Schütz kennen. Die unverhoffte Begegnung mit Spener war für Johanna Eleonora Grund genug, sogleich nach ihrer Rückkehr aus Bad Ems den brieflichen Kontakt mit Spener zu suchen. 208 Die erbaulichen Gespräche mit ihrem geistlichen Vater, der ihr zum ersten Mal eine religiöse Heimat gab, ließen in ihr den Vorsatz reifen, ihrem religiösen Gewissen zu folgen und sich vom Hofleben, dem Inbegriff der sündigen Welt, zu trennen, um in christlicher Einfalt und Einfachheit ein bescheidenes Leben zu führen. 209 Daß ihr Spener davon abgeraten hätte, ist nicht zu erkennen. 210 Überhaupt muß sie dem Frankfurter Senior in aller Bescheidenheit selbstbewußt und religiös gefestigt entgegengetreten sein. Seine Briefe zeigen, daß er sie eigentlich immer nur bestätigt, sich ihr „akkommodiert", sie aber kaum fuhrt oder entscheidend beeinflußt. 211 Eine erste Bitte um Entlassung aus dem Hofdienst fand bei der Herzogin kein Gehör. Allerdings wurde ihr zugestanden, sich bei Hof ihrem religiösen Gewissen entsprechend zu verhalten und in der Welt zu leben, ohne sich ihr Frankfurt] similes habet, & cujus sancto exemplo atque conversatione, quam monitiis piis fructuosam reddit, plurimi ad pietatem stimulos efficaces senserant"; vgl. Bed. 3, 1702, 257 (12.10. 1678) und KOCH, Kirchenlied 6, 1869, 131 (ohne Quellenangabe). 206

WALLMANN, S p e n e r 1 9 8 6 , 4 8 - 5 0 .

207

LB II 1719, 2 6 - 3 0 (§20). Sophie Elisabeth war (nach Dorothea Elisabeth, s. S. 82) die älteste Tochter aus der zweiten Ehe des Herzogs Philipp Ludwig von Holstein-Sonderburg und heiratete erst 1676; so ist es verständlich, daß J. E. v. Merlau noch später Spener von ihr erzählt (vgl. Bed. 3, 1703, 75f. 76f. 80. 82. 86). Sophie Elisabeth war zeitweilig Teilnehmerin an den Collegia pietatis; s. GRÜNBERG 3, 1906, 399. Vgl. LORINGHOVEN, Stammtafeln 1975, 90. 208 Bed. 3, 1702, 6 8 - 9 9 : Zehn Briefe Speners, die auf ca. vierzehn (nicht erhaltene) Briefe Johanna Eleonoras aus denjahren 1672-1674 antworten; vgl. RITSCHL, Geschichte 2,1884, 227 Anm. 1. Z u m Beginn des Briefwechsels s. Bed. 3, 1702, 68 (1672), w o Spener sich auf einen „hier hinterlassenen" Brief bezieht. 209 LB II 1719, 3 0 - 3 2 (§21). Z u d e m „Vater"-Namen für Speners. LBII1719, 29 und Bed. 3, 1702, 70 (2. Brief) und 73 (3. Brief) (1673); vgl. Spener an Petersen, Frankfurt a. M., den 13.9. 1677 (AFSt A 196, ρ. 76). 210

S o NORDMANN, E s c h a t o l o g i e 1 , 1 9 3 0 , 88; v o r s i c h t i g e r WALLMANN, S p e n e r 1 9 8 6 , 3 1 0 . A u s

Bed. 3, 1702, 76 (1673) ist das kaum zu entnehmen. 211

84

V g l . RITSCHL 2, 1 8 8 4 , 2 2 7 .

gleichzustellen. 212 Barscher reagierte der Herzog, der sie von ihrer religiösen Schwärmerei durch Gespräche mit „sogenannten Geistlichen" abbringen wollte. 213 Nachdem sie ein Jahr lang manchen Spott über sich hatte ergehen lassen müssen, konnte ihr auch der Hof die Achtung vor ihrem religiösen Ernst nicht versagen. 214 So lebte sie zwei weitere Jahre bei Hofe, bis sie von ihrem Vater nach Hause gerufen wurde, um sich des gerade entbundenen Kindes der bei der Geburt verstorbenen Stiefmutter anzunehmen. 215 Dieser dritten (?) Ehe Georg Adolphs war noch ein Halbbruder Johanna Eleonoras entsprungen, dessen Namen sie aber geflissentlich verschweigt. 216 Es handelt sich u m Christian Philipp von Merlau, der um 1670 geboren wurde und 1709 als Obrist kinderlos starb. 217 Vielleicht stammt auch Friederike Christiane von Merlau, die im Jahre 1733 als Frau des Tübinger Obristlieutnants Ernst Friedrich Wolfsfurtner vom Creutz starb, aus dieser Ehe. 218 Nachdem das Kind schon bald gestorben, Johanna Eleonora ihrer Aufgaben zuhause ledig und der Vater wieder als Hofmeister an den Hof der Fürstin Anna Elisabeth von Hessen-Homburg nach Philippseck gegangen war, wo die seit 1672 geschiedene Landgräfin lebte,219 nutzte Johanna Eleonora die Gelegenheit, um trotz dringender Bitten nicht mehr an den Hof zurückzukehren, sondern sich zur Frühjahrsmesse 1675 in Frankfurt bei der Witwe Maria Juliane Baur von Eyseneck im Saalhof niederzulassen. 220 Mit ihr war sie erst kürzlich bekannt geworden. 221 Hier im Frankfurter Saalhof entfaltete sie nach und nach ihre geistigen und geistlichen Anlagen.

212

Vgl. Bed. 3, 1702,76(1673). LB II 1719, 30—32 (§21); vgl. die positivere Beurteilung der Geistlichen durch Spener, Bed. 3, 1702, 78 (1673). 2.4 LB II 1719, 32f. (§22). 2.5 LB II 1719, 34 (§22) und 3 5 - 3 9 (§24). Vgl. (zu dem U n m u t bei Hof darüber) Bed. 3, 1702, 9 6 - 9 9 bes. 96 (1674); vgl. J. J. Schütz a n j . E. von Merlau in Wiesenburg, Frankfurt a. Μ., den 2.3. 1675, wonach ihr Vater sie in Frankfurt (resp. dem heimatlichen Gut Philippseck) oder in Hanau bei sich haben will (SuUB Frankfurt a. M., Schütz-Nachlaß Μ 326, p. 206). 216 J. Ε. Petersen, Sendschreiben (1699) 1714, 49. Möglicherweise war die Ehe mit Johanna Eleonoras Mutter die zweite für Georg Adolph. Denn in dem Sterberegister des Kirchspiels Merlau ist verzeichnet, daß im September 1635 Maria, die Frau des Junkers Johann (Georg?) Adolph von Merlau, und ihr Sohn Johann Dietz an der Pest starben (SIEBECK, Pestepidemie 1912, 133). Zu dieser Zeit lebte Georg Adolph wahrscheinlich in Merlau (s. S. 80). 213

217 2,8

GÜNDEL, P h i l i p p s e c k 1937, 69. Vgl. PFEILSTICKER, D i e n e r b u c h 2, 1963, 2871.

219 HUBERTY, Allemagne 1, 1976, 78. Wilhelm Christoph von Hessen-Homburg (gest. 1681) war seit 1665 in zweiter Ehe mit Anna Elisabeth von Sachsen-Lauenburg (1624—1688) verheiratet, die seit 1672 geschieden von ihrem Mann in dem 1628 erbauten und 1773 zerstörten Schloß Philippseck bei Münster, südwestlich von Butzbach, lebte. Zu dem Schloß s. GÜNTHER, Zusamenstellung 1851. 220 LB II 1719, 36 (§24); vgl. WALLMANN, Spener 1986, 338 Anm.60. Die Briefe v o n J . J . Schütz an J. Winckler vom 30. 4. und 27.5. 1675 (SuUB Frankfurt a. M., Schütz-Nachlaß Μ 326) müssen als term, post und ante quem gelten. 221 Spener stellt sie ihr in Bed. 3,1702, 9 6 - 99 bes. 98 f. vor. LBII1719,36 (§24) und 39 (§25).

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Von dem Charakter ihrer religiösen Gedankenwelt in ihren frühen Jahren läßt sich nur wenig sagen. Blickt man auf die zeitgenössischen authentischen Quellen, nämlich die Briefe Speners an sie, so zeichnet sich als Adressat dieser Briefe das Bild einer Frau ab mit einer intensiven Bibelfrömmigkeit und einer asketisch-puritanischen Abkehr von der Welt, für die das Hofleben in seiner libertinistischen und zugleich von Form und Etikette bestimmten Art als Typus steht. 222 Spener will von ihr wissen, daß sie sich „die heilige Schrifft [ . . . ] rühmlich bekant gemachet hat" und nennt ihr daher zur eigenen Betrachtung manchmal eine Reihe von Bibelstellen, über die in Frankfurt Bußpredigten gehalten wurden. 223 Ja, sie selbst stellt an Spener oder J.J. Schütz, mit dem sie ebenfalls korrespondiert, Fragen über den Sinn von Schriftstellen (Apg 19, 5) und dogmatischen Lehren (Anwesenheit Christi im Abendmahl), hinter denen man das Interesse erkennen kann, die Widerspruchslosigkeit der Bibel und der christlichen Lehre rational zu sichern. 224 Mitunter scheint sie schon damals die Grenzen des lutherischen Bekenntnisses überschritten zu haben. 225 In ihrem vermutlich durch puritanische Literatur geprägten christlichen Rigorismus, für den es keinen Kompromiß zwischen dem biblisch vorgeschriebenen Christenleben und dem Leben in der Welt geben kann, trifft sie sich mit Spener. 226 Wie den jungen Spener so bewegte auch sie der Wunsch nach Einsamkeit und Trennung von der Welt, ja eine melancholische Todessehnsucht. 227 Jedenfalls forderte dieses Leben mit den ständigen Anfechtungen der Welt einen immerwährenden Kampf, die Aufnahme des eigenen Kreuzes und ein skrupulöses Nachforschen nach immer noch vorhandener Ehrsucht und Eigenheit. 228 An Johann Arndt erinnert die Rede von der notwendigen „erneurung des göttlichen ebenbildes" im Christen. 229 In den Briefen Speners an Johanna Eleonora von Merlau kommen dann noch weitere Themen zur Sprache, in denen sich beide ziemlich einig zeigen. So beklagt man das äußere und innere Elend der Kirche mit ähnlichen Worten, wie sie später in den Pia Desideria vorkommen. 230 Spener dürfte ihr seine in Frankfurt so wirkungsvollen Predigten 222

Vgl. PD 14,15-18. Bed. 3, 1702, 69 und Bed. 3, 1702, 81. 82. 84. 224 Bed. 3, 1702, 73 und 75. 79f.; zu Schütz s. LB II 1719, 25 und Bed. 3, 1702, 73 (Ν. Ν . = Schütz ?). 225 Bed. 3, 1702, 80. 226 Vgl. Bed. 3, 1702, 74f.: Die Bibel müsse das Regulativ für die weltlichen Maximen sein, nicht umgekehrt. In der Welt lebend dürfe man sich ihr nicht gleichstellen (ebd., 76) und Bed. 3, 1702, 71: Ein „äußerlicher gebrauch der göttlichen gnaden=mittel [ . . . ] als weltlich erbarer wandel" ist für den Christenstand nicht genug. 227 Bed. 3, 1702, 78 und 85F.; vgl. WALLMANN, Spener 1986, 4 7 - 4 9 . 228 Vgl. Bed. 3, 1702, 79f., 85f. 94. 229 Bed. 3, 1702, 71. vgl. 83. 230 Bed. 3, 1702, 72 (Unterschied zwischen Christen, die unter einer falschen Lehre leben, und solchen, denen unwiedergeborene Prediger wenigstens die rechte Lehre vortragen; vgl. P D 17f.,32ff.); 72 (der Heilige Geist und das Gebet; vgl. PD 18,8f.); 81 (das Zunehmen des römischen Katholizismus; vgl. PD 10—12); 84. 223

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über die wahre Gerechtigkeit aus den Jahren 1669/70 zugeschickt haben. 231 Auchjohanna Eleonora Petersen gegenüber äußert Spener seine Vorstellung von einer notwendigen Einheit von Glaubenserkenntnis und Glaubenspraxis, weil „das reich GOttes nicht in worten sondern in der krafft bestehe". Denn der Glaube habe seine Kraft „in göttlicher erleuchtung [ . . . ] welche wie den verstand mit lebendiger erkäntnüß erfüllet/ also den willen und gantzen menschen zu einem andern machet". 232 Was schließlich ihr Geschichtsbild zu jener Zeit angeht, so scheint sie hier zunächst mit Spener (und der lutherischen Orthodoxie) nur über den j a m mervollen Zustand von Kirche und Staatswesen, über die Gerichte Gottes geklagt zu haben, in die man sich „schicken" müsse. 233 Von einer Hoffnung auf eine künftige Besserung ist aus den Briefen Speners und damit wohl auch aus den verlorenen Briefenjohannas bis auf den letzten Brief vom Dezember 1674 nichts zu erkennen. 234 Allerdings läßt sich anhand des Briefwechsels mit J. J. Schütz eine Beschäftigung Johanna Eleonoras mit den einschlägigen Bibelstellen aus dem Danielbuch und der Johannesapokalypse schon für die ersten Jahre ihrer Bekanntschaft (1672) nachweisen. 235 Es wäre daher zu fragen, ob man annehmen darf, daß Johanna Eleonora „wesentliche Elemente der pietistischen Eschatologie antizipiert" hat, bevor sie mit den Frankfurter Pietisten in Verbindung trat?236 In ihrer Lebensbeschreibung gibt sie an einzelnen Stellen an, daß ihr seit ihrer frühen Jugend Aufschlüsse über biblische Geheimnisse - zum Teil im Traum - geschenkt wurden. 237 Aber die Lebensbeschreibung ist eben im Rückblick geschrieben und daher nicht frei von dem Verdacht, daß hier Erkenntnisse auf frühere Jahre projiziert werden, die sich in Wirklichkeit erst später eingestellt haben. Besonders ihr Hinweis auf Träume läßt Zweifel aufkommen, da Träume nicht als fest geformte Erlebnisse im Gedächtnis aufbewahrt werden. Es ist daher historisch unzulässig, entsprechende Teile der Lebensbeschreibungjohanna Eleonoras indikativisch zu referieren, wie dies mitunter in der Literatur geschieht. 238 Dazu kommt, daß die Lebensbeschreibung gewachsen ist. Sie erscheint zum ersten Mal als Anhang zu den Herzensgesprächen von 1689. Da ist aber von solchen Elementen einer pietistischen Eschatologie, des 231 Bed. 3,1702, 71. 80; gedruckt lagen sie zum ersten Mal 1672 vor (s. GRÜNBERG [39]). Vgl. die Zusendung zweier Leichenpredigten (GRÜNBERG [100 - 102]?) und Chr. Kortholts Traktat von den Verfolgungen der ersten Christen (Kreutz= und Geduldtspiegel, 1674); ebd., 96f. 232 Bed. 3, 1702, 71. Vgl. zum allgemeinen Priestertum ebd., 69. 233 Vgl. Bed. 3, 1702, 82: „Ihre gedancken von den Ursachen gegenwärtiger jammer zeit/ und wie man sich darein zuschicken habe/ sind gantz recht und göttlichem wort gemäß." Vgl. ebd. 71. 74 (ihre „führende Klage"), 81 f. 234 Vgl. WALLMANN, Spener 1986, 329f. (Bed. 3, 1702, 9 6 - 9 9 bes. 98). 235 Schütz an J. E. v. Merlau, 20.12. 1672-SuUB Frankfurt a. M „ Schütz-Nachlaß, Μ 330, p. 11 f. 236 So ζ. B. WALLMANN, Spener 1986, 338f. 237 LB II 1719, 21. 238 Ζ. B. SCHERING, Petersen 1982, 232 oder CRITCHFIELD 1980, 170 zu LB II 1719, 5 5 - 5 7 (§ 35): „Die Vision bezog sich auf das fur die Hugenotten verhängnisvolle Jahr von 1685".

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Chiliasmus oder von einem Weg zur Apokatastasislehre nichts zu erkennen. 239 Vielmehr hat Johanna Eleonora solche Aufschlüsse immer erst dann schon auf ihre Jugend bezogen, wenn sie sie auch öffentlich vertrat. Für die wenigen direkten Zeugnisse wie den Briefwechsel mit Schütz gilt dasselbe, was oben zu J. W. Petersen festgestellt wurde. Sie dokumentieren die Beschäftigung mit chiliastischen Vorstellungen und Hypothesen, lassen aber keine chiliastische Überzeugung erkennen. Sinnvoll wäre die Feststellung einer Vorwegnahme der pietistischen Eschatologie nur, wenn sich bei Johanna Eleonora v. Merlau ein festes Gedankenkonzept, eine inhaltlich detaillierte Glaubensüberzeugung nachweisen ließe. Träume und Mutmaßungen konstituieren noch keine Eschatologie.

Begegnung

mit Johann

Wilhelm

Petersen

Wie oben bereits erwähnt, begegnete Petersen in Frankfurt erst spät der Frau, die ihn dann so maßgeblich beeinflußte und die dafür verantwortlich war, daß Petersen sich manche neue Lehren aus dem pietistischen Frankfurt zu eigen machte. Johanna Eleonora ist erst im Frühjahr 1675 nach Frankfurt gezogen. 240 Es ist damit zu rechnen, daß es seine Zeit brauchte, bis der Umzug nach Frankfurt und in den Saalhof zu der Witwe Baur von Eyseneck bewerkstelligt war und Johanna Eleonora eine Bleibe gefunden hatte, wo sie in Ruhe und unter Gleichgesinnten ihren Eifer für die Gottseligkeit entfalten konnte. Und auch der Student Johann Wilhelm Petersen wird nicht sofort auf sie zugegangen sein. Die gesellschaftlichen Formen der Zeit erlauben gar nicht eine so unvermittelte Begegnung. Es gibt vielmehr Anzeichen dafür, daß Petersen erst im Frühjahr 1676 das erste Mal seine spätere Frau im Saalhof aufsuchte. In seiner Lebensbeschreibung, in der er seiner Frau den größten Anteil an seiner Abkehr von der herkömmlichen Wissenschaft zumißt, heißt es, er habe ihr seine kurz zuvor gehaltene Disputation überreicht. 241 Strenggenommen k o m m t dafür nur die oben vorgestellte Schrift „De Osculo legis naturae" in Frage. Sie ist die letzte eigentliche Disputation unter den Druckschriften Petersens in den Jahren 1675/76. Petersen hielt die Disputation wahrscheinlich am 29. Februar 1676.242 Als frühester Termin einer Begegnung Petersens mit Johanna Eleonora von Merlau darf also März/April 1676 239

V g l . RITSCHL 2 , 1 8 8 4 , 2 4 4 .

240

S. Anm. 220; vgl. Bed. 3, 1702, 9 6 - 9 9 (Dezember 1674) bes. 97 sowie RITSCHL 2, 1884,

2 2 9 u n d G R Ü N B E R G 1, 1 8 9 3 , 1 8 4 . 241

LB 1717, 18. Osculum legis naturae (s. Werk Verzeichnis), disputiert vermutlich am 29.2. 1676 (s. das Expl. aus BSB München, wo das gedruckte Datum 29. Januarii handschriftlich in 29. Febr. geändert wurde); dazu kommen noch die früher gedruckten, polemischen Schriften d. J.: Praemotio und Apologia; sie lagen Mitte Februar schon im Druck vor; s. J. W. Petersen an Nethenus, Gießen, den 20.2. 1676, [P. S.]-HSA Wiesbaden. 242

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gelten. Mit dieser Datierung stimmt eine weitere Beobachtung überein. Wir wissen aus Petersens Lebensbeschreibung, daß er Spener um ein Empfehlungsschreiben für seinen Besuch bei der adligen Frau gebeten hat. 243 In den Briefen Speners an Petersen, die sich nur abschriftlich erhalten haben, wird Johanna Eleonora nicht vor dem 3. September 1675 erwähnt. 244 Dort bittet Spener Petersen, ihm seinen näheren Pläne mitzuteilen, damit er, Spener, darüber mit der „Nobiliss. Virgini Mulleriae" sprechen könne, die demnächst aus dem Wiesbadener Bade komme. Es dürfte sich hier um einen leicht verständlichen Abschreibefehler handeln. Mit dieser Notiz antwortet Spener wahrscheinlich auf die genannte Bitte Petersens. Spätestens im August 1676 ist Petersen mit den beiden Frauen des Frankfurter Saalhofs befreundet. 245 Nach dieser Datierung fiele der Besuch Petersens immer noch vergleichsweise früh aus, wenn man bedenkt, daß Johanna Eleonora von Merlau erst seit dem Sommer 1676 eine größere Wirksamkeit in Frankfurt entfaltet hat.

Johanna

Eleonora

v. Merlau

und die pietistische

Bewegung

Denn seit dieser Zeit versammelt sich ein kleiner Kreis bei Johanna Eleonora von Merlau im Saalhof, um sich in frommen Gesprächen gegenseitig zu erbauen. 246 Es wiederholt sich damit die Einrichtung, die die Anreger der Spenerschen Collegia pietatis im Jahre 1670 ins Auge gefaßt hatten. 247 N u r daß im Saalhof anders als bei Speners großen Versammlungen auch Frauen bei der Bibelarbeit mitreden durften. 248 Dabei sind wohl nach und nach, ähnlich wie Petersen, Leute an Johanna Eleonora herangetreten, da sie an ihr „die ungemeine gnade GOttes in lebendiger erkantniß desselben und ernstlichem fleiß ihrem Heyland würcklich nachzufolgen" 249 erkannt hatten. Man vermeidet dabei jedoch von vornherein jeden Schein einer festen oder öffentlichen Einrichtung. Als dann Spener am 1. Advent 1676, dem Beginn des neuen Kirchenjahres, in einer Predigt über Mt 21, 6 u n d j o h 14, 21 mit besonders nachdrücklichen Worten das Nachfolgethema behandelt und dazu auffordert, die Heilige Schrift eifriger zu lesen, führt das dazu, daß einige Theologiestudenten und Akademiker den Vorsatz fassen, regelmäßig am Sonntagabend im Saalhof nach der Betstunde zusammenzukommen, um sich über die Mor243

LB 1717, 19: „Adresse geben"; vgl. DWB(N) 1, 1983, 1526-1528 bes. 1528. AFSt A 196, p. 30. 245 S. die Grüße beider über Spener an Petersen, Frankfurt a. M., den 22. 8. 1676 (ebd., p. 50). 246 Spener, Sendschreiben 1677, 80: „von einem Jahr her". Vgl. SACHSSE 1884, 46f.; DECHENT, Geschichte 2, 1921, 79f.; GRÜNBERG, Spener 1, 1893, 183ff. 247 Vgl. S. 50 ff. 248 Vgl. Cons. 1, 1709, 187f. (= 2, 69f.) (8.7. 1675). 249 Spener, Sendschreiben 1677, 80. 244

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genpredigt zu besprechen und die Schrift zu studieren. 250 Der Kreis soll gerade acht bis zehn Personen umfaßt haben. In dieser Konzeption hat das Ganze den Charakter eines kritischen Bibelkreises, der die Predigten der Pfarrer an der biblischen Quelle und also an der höchsten Autorität mißt, sie vielleicht auch kritisiert oder vertieft und weiterfuhrt. U m dem Verdacht entgegenzutreten, hier entstehe ein eigenes Lehramt neben dem des ordentlichen Predigtamtes, bemühte sich Spener mit Erfolg darum, daß diese regelmäßigen Veranstaltungen als solche schon bald, im Frühjahr 1677, eingestellt wurden. 251 Es waren offenbar wieder konkrete Beschuldigungen, die Spener zu diesem Schritt veranlaßten. Denn um die Jahreswende 1676/77 fand eine Untersuchung durch den Stadtmagistrat statt, die über das Gerücht, die Freundin Speners, Frau Kißner, halte in ihrem Haus kleine Versammlungen ab und predige dort, Aufschluß geben sollte. Der Verdacht konnte offenbar nicht bewiesen oder erhärtet werden. 252 Gleichwohl traf man sich weiter im Saalhof. U m Verdächtigungen aus dem Wege zu gehen, schritt Spener zu einer vergleichbaren Maßnahme wie in dem ähnlich gelagerten Fall des Jahres 1670. Diesmal aber machte er den Bibelkreis nicht zu einer offenen Veranstaltung unter der Aufsicht eines Pfarrers, sondern versuchte ihm jeden Öffentlichkeitscharakter zu nehmen. 253 Das Ganze sei keine „ordentliche versamlung" oder gar ein regelmäßig stattfindendes „collegium", sondern eine reine Privatsache von Freunden, die sich eben statt über weltliche und anstößige Dinge zu unterhalten, an christlichen Gesprächen erbauten. 254 Umgekehrt bemühte sich Spener seit dieser Zeit, seine offenen Collegia in das öffentliche Kirchengebäude zu verlegen. 255 Der Privatisierung auf der einen Seite korrespondiert die Institutionalisierung auf der anderen. Für Spener verwirklichte dieser Kreis um Johanna Eleonora von Merlau zunächst schlicht seine Forderung, der Welt abzusterben, und setzte dafür die Mittel ein, die Spener in seinen Pia Desideria angeregt hatte: die fleißige Bibellektüre und die Ausübung des geistlichen Priestertums aller Gläubigen.256 So kann er sagen, daß dieser Anfang nur „ein geringes gegen dem/ 250

Spener, Sendschreiben 1677, 81 f. Vgl. Bed. 3,1702, 154-159 (7.4. 1677), bes. 157f. und LBed. 3, 178-189 (1677) bes. 180. 251 Spener, Sendschreiben 1677, 82. 252 Die (verlorenen) Akten befanden sich im Stadtarchiv Frankfurt a. M.; s. G R Ü N B E R G 3, 1906, 399 [330]. Zu korrigieren ist G R Ü N B E R G S Angabe, daß man damals bereits Otto Richardi, der offenbar auch in den Fall verwickelt war, den Stadtschutz aufgekündigt bzw. die Ausweisung angedroht habe. Dies erfolgte erst im Jahre 1678 (s. S. 92); richtig SACHSSE, Pietismus 1884, 49. Zur Entstehung des Verdachts s. Sendschreiben 1677, 8 8 - 9 0 ; vgl. Bed. 3, 1702, 152-154(8.1. 1677) bes. 154 und LBed. 3, 178-189(1677) bes. 185. 253 Vgl. S. 54f. 254 Spener, Sendschreiben 1677, 82 und 87f. (Def. des Collegiums); vgl. LBed. 3, 178-189 (1677) bes. 178f. Ob man darin eine naturrechtliche Begründung (so G R Ü N B E R G , Spener 2, 1905, 178) sehen muß, scheint mir fraglich. 255

G R Ü N B E R G 1, 1 8 9 3 , 1 8 5 ( B e d . 3 , 1 7 0 2 , 1 6 9 f . 2 5 2 ) .

256

Vgl. Sendschreiben 1677, 84 und PD 17,6f. sowie fur die Mittel PD 25,26ff. und 58,11 ff.

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was geschehen soke", sei.257 Dabei sei es nun keineswegs um hohe theologische Spekulationen gegangen, sondern um den schlichten Versuch einer ernstlichen und immer wieder an sich selbst zu überprüfenden Nachfolge Christi. Freilich sollen diejenigen, die sich ernsthaft auf die Nachfolge einlassen, auch empfänglicher fur weitere Erkenntnis werden, soweit Gott sie eben offenbaren wolle. Das sei geradezu das „principium" dieses Kreises.258 Spener sieht durchaus einen großen Erfolg dieser Veranstaltungen und hoffnungsvolle Auswirkungen auf weitere häusliche exercitia im Rahmen der „devotio domestica". Daß dieser Rahmen häufig auch gesprengt wurde, läßt sich an der Art erkennen, wie Spener den Sachverhalt herunterspielt, daß zu diesen häuslichen Übungen der Eltern mit ihren Kindern und ihrem Gesinde auch Freunde zugelassen und Theologiestudenten zur Bibelauslegung herangezogen würden. 259 Entsprechend muß Spener immer wieder deutlich die Grenzen dieser Ausübung des geistlichen Priestertums ziehen.260 Zwar kam es auch zu einzelnen Auswüchsen, aber insgesamt liegt der Widerstand gegen solche Einrichtungen doch eher in ihren sozialen Konsequenzen begründet. Die scharfe Trennung von Christentum und Welt führte leicht zur Diskreditierung des Christen in der Welt; wie ließ sich das allgemeine christliche Selbstverständnis bewahren, wenn eine Gruppe für sich in Anspruch nahm, allein das wahre und von allen geforderte Leben zu fuhren? Das allen prinzipiell in gleicher Weise zugestandene geistliche Priestertum drohte zudem das Autoritätsgefiige aufzulösen, wenn sich jeder in religiösen Fragen auf seine eigene geistliche Erfahrung berufen konnte. 261 In diesem kleinen Hauskreis von Johanna Eleonora von Merlau hat wohl auch Petersen hin und wieder bei seinen Besuchen in Frankfurt verkehrt. Hier scheint der Ort gewesen zu sein, wo sich unter dem Eindruck der religiösen Persönlichkeit Johanna Eleonoras seine Abkehr von der Schulphilosophie und Schultheologie und seine Hinwendung zum Pietismus vollzog. Johanna Eleonora von Merlau hat in jenen Jahren auch die Aufgabe der Kinderzucht von ihrer Gastwirtin übernommen. 262 Sie unterwies täglich einen kleinen Kreis (zehn bis zwölf) von Mädchen im Alter von sechs bis zehn Jahren neben den üblichen Haushaltsgeschäften in der Bibel, ließ Bibelsprüche auswendig lernen und formulierte kindgerechte Gebete, mit denen schon die Kinder auf angemessene Weise ihren Vater im Himmel anrufen könnten. 263 Die Bedeutung der Erziehung und einer adäquaten 257

Sendschreiben 1677, 86. Sendschreiben 1677, 83f. Vgl. S. 67 und 156. 259 Sendschreiben 1677, 85f.; vgl. die ähnliche Erwartung für die Collegia pietatis bei Spener in PD 56,20f. (s. S. 54). 258

260 B e d . 3, 1702, 1 5 4 - 1 5 9 bes. 1 5 8 (1677) u n d „ G e i s t l i c h e s P r i e s t e r t u m " 1 6 7 7 (GRÜNBERG [277]); v g l . S e n d s c h r e i b e n 1677, 1 0 7 u n d 9 0 - 9 2 . 9 6 - 9 8 .

261

Vgl. Sendschreiben 1677, 92-94. 94f. 98f. und 85f. LB II 1719, 39f. (§25): die „Kinderzucht" der Baurin. 263 Cons. 3, 1709, 211-215 (17.9. 1677) bes. 211: „Haec exercitia viderat in hac civitate ä Nobili virgine circa concreditas sibi puellas multo cum fructu institui, dici enim non potest, 262

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Heranführung der Kinder an das Christentum steht so schon am Anfang des Pietismus. 264 In bescheidenem Maß hat sie den Mädchen, zu denen eine Tochter von M.J. Baur von Eyseneck, dann Johanna Eleonoras Nichte und Patentochter Anna Elisabeth Eleonora Margarete von Praunheim sowie zwei Töchter Speners gehörten, sogar Griechischkenntnisse beigebracht. 265 So ist Johanna Eleonora von Merlau zunächst auf einfache Weise ihrem Streben nach Gottseligkeit nachgegangen und scheint wenig rechtlich begründeten Anstoß gegeben zu haben. Gleichwohl mußten weltliche und geistliche Obrigkeiten gegenüber solchen religiösen Emanzipationsbewegungen argwöhnisch sein, da sie eben tiefgreifende soziale Folgen herbeifuhren konnten. Als erster ist dann auch der Darmstädter Landgraf auf Anraten seines Oberhofpredigers Balthasar Mentzer (1614—1679), des ,,blaßbalg[s] in der nachbarschafft", gegen die neuen Privatversammlungen vorgegangen. 266 Neben einer allgemeinen Ablehnung solcher Versammlungen bemühte sich Mentzer in Kenntnis der zentralen Rolle, die die Merlau und der Student Otto Richardi für die Frankfurter Versammlungen spielten, auch um eine Ausweisung der beiden aus Frankfurt. 267 Als Vorwand diente ihm die — angesichts einer internationalen Bücherstadt wie Frankfurt an sich wenig überzeugende - Beschuldigung, beide Personen vertrieben verdächtige Bücher. 268 Da offenbar keine klaren oder hinreichenden Beweise vorlagen, sollte der Merlau und Richardi nur angedeutet werden, daß sie in Frankfurt unerwünscht seien. Das geschah um den 20. Februar 1678. Wieweit das auch dem Wunsche des Frankfurter Senats entsprach, ist unklar. Jedenfalls reichte schon Johanna Eleonoras geharnischte Supplikation aus, die am 21. Februar im Senat verlesen wurde, daß die Sache nicht weiter verfolgt wurde. Statt dessen hat man ihre Bitte quam in puellis 6.7.8. annorum charismata Spiritus sancti mensura illi aetati insolita se exserant, postquam illis exercitiis adsuevere." Vgl. Cons. 1, 1709, 4 3 0 - 4 3 4 (14.9. 1677) bes. 432b-433a und Cons. 3, 1709, 175-178 (21.9. 1677) bes. 176a. 264 Vgl. SCHMIDT, PiaDesideria (1951) 1969, 148. 265 DECHENT, Geschichte 2, 1921, 30; vgl. LBed. 3, 178-189 (1677) bes. 183. 266 GRÜNBERG 1, 1893, 186f. Zu dem hess. Edikt v o m 26.1. 1678 sowie zu Winckler und Kriegsmann s. noch DECHENT, Geschichte 2, 1921, 82; SACHSSE, Pietismus 1884, 46—50 und KÖHLER, Anfänge 1907, 138-147. Vgl. Bed. 3, 1702, 257 - 260 (12. 10. 78) bes. 257f. Z u m Druck des Edikts s. KÖHLER, aaO, 143 Anm. 26. Auch Spener befürchtete zeitweilig, sein „exercitium domesticum" einstellen zu müssen (Spener an Petersen, Frankfurt a. M., den 16.3. 1678- AFStl96, p. 92). 267 SACHSSE, Pietismus 1884, 47 und 49. Die Supplik des Studenten und Hauslehrers O t t o Richardi aus Holstein (Hadersleben?; vgl. ACHELIS, Matrikel 1, 1966, Nr. 3104; Student in Straßburg [26.7. 1670]; Matrikel Straßburg 1, 1897, 364) ist auf den 21.2. 1678 (nicht 1677) zu datieren, nämlich wie diejenige Johanna Eleonoras (s. u.). Spener berichtet davon an Petersen, Frankfurt, den 16.3. 1678 (AFSt A 196, p. 91). Ihm sei unklar, ob das Ausweisungsdekret suspendiert oder aufgehoben sei. Sachsse bringt diese Bemühungen fälschlich in Verbindung mit der Untersuchung im Jahr zuvor. 268 Ratsprotokoll 1677 [!], Bl. 40b (5.2. 1678 [!]): Die Bücherinspektion des Landgrafen „communicirt wegen habender obacht auf divulgirte verdächtige Bücher. U n d wird decretirt, daß dem Richardi und der von Merlau ihren Stab weiter zu setzen angedeutet werde."

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„ u m b ferneren s c h ü t z " einfach zur K e n n t n i s g e n o m m e n . 2 6 9 D i e S u p p l i k a tion, die v o n j . J. S c h ü t z als A n w a l t eingereicht w u r d e , l ä ß t J o h a n n a E l e o n o ras B e w u ß t s e i n ihrer e i g e n e n m o r a l i s c h e n Integrität hervortreten. D a n e b e n ist aber auch das Interesse herauszuspüren, das Spener bei der A n g e l e g e n h e i t hatte. D e n n g a n z a b g e s e h e n v o n seiner g u t e n Freundschaft m i t J o h a n n a E l e o n o r a v o n M e r l a u m u ß t e er darauf bedacht sein, daß die m i t s e i n e m N a m e n verbundene und v o n i h m maßgeblich geförderte f r o m m e B e w e g u n g in Frankfurt n i c h t durch eine A u s w e i s u n g diskreditiert w u r d e . S o w a r er es n e b e n anderen, der bei der M e r l a u a u f die S u p p l i k a t i o n drang. 2 7 0 E i n i g e A u s z ü g e aus der S u p p l i k a t i o n seien hier mitgeteilt. J o h a n n a E l e o nora fragt in i h r e m Schreiben, „was gesaget seye: den Stab weitersetzen? Und wenn es eine arth der Straff, oder schimpflichen Absonderung seye, womit ich dergleichen Schmach verschuldet habe?" Sie fährt dann fort: „Ich aber bin bekantlich mit einem Stab in allhiesige Stadt nicht gekommen, sondern wie ich [ . . . ] von einer Frey=Reichs=adelichen uralten famili ehelich gebohren, und in müglicher unschuld erzogen worden: also habe ich von erster Jugend auf, in fürstlicher Hollsteinischen FrauenZimmer, [ . . . ] mich dergestalt unsträflich verhalten, daß mein daselbst geführtes Leben [ . . . ] in allen Ehren bekannt ist, und NB. kein Ehrlicher Mensch auf dieser gantzen Welt auftretten mag, welcher in meinem gantzen Leben das allergeringste vor der Welt strafbare begangen zu haben, mit einigem grund der Wahrheit zeugen könte. [ . . . ] Ja, ich darff zu ewigem Ruhm der Gnade Gottes getrost sagen: Wenn sich finden wird, daß ich irgend etwas mehr=strafbares, als einige der allererbarsten Matronen undt Jungfrauen dieser gantzen Stadt, all mein Lebenlang gethan habe, so wolle ich nicht nur aller Menschen Schutz sondern mein Leben selbst, ohne einige Entschuldigung verlohren haben." E h e r Speners H a n d s c h r i f t ist in der fur eine S u p p l i k a t i o n recht f o r d e r n d e n B i t t e zu erkennen: „Meine hochgeehrte Herren seyn so güthig und ersuchen [= untersuchen] aber dasjenige geschrey, alle die Pasquillen alle die heimliche Verleumbdungen, welches von feindten der Gottseeligkeit, wieder viele Christliche gemüther, in allhiesiger Stadt fast ohne Scheu getrieben, und beynahe in gantz Teutschland durch feindseelige Leuthe ausgebreitet worden; So wird sich sicherlich befinden, daß alles, was übel lautet, eytel fälschlich ertichtete, grosentheilß offenbare Unwahrheiten sindt". D i e f o l g e n d e n Jahre J o h a n n a E l e o n o r a s in Frankfurt b l e i b e n z i e m l i c h i m d u n k e l n . Sie w a r k e i n e s w e g s d u r c h g ä n g i g in der M a i n m e t r o p o l e , s o n d e r n auch längere Z e i t e n a b w e s e n d , w e n n sie e t w a zu ihren V e r w a n d t e n , zu Freunden, a u f das h e i m a t l i c h e G u t o d e r zur K u r reiste. D e r Saalhofkreis, in d e m J o h a n n a E l e o n o r a v o n M e r l a u f ü n f Jahre lang ihre s c h w ä r m e r i s c h - r e l i g i ö s e n Freunde u m sich v e r s a m m e l t e , hatte eine g e w i s s e T e n d e n z z u m Separatismus u n d M ä r t y r e r t u m . 2 7 1 A l s i m Jahre 1677 269 Ratsprotokoll 1677, Bl. 42" (StA Frankfurt); vgl. Bed. 3, 1702, 257 (12.10. 1678) und SACHSSE 1884, 49 (nach der verlorenen Bügermeisterakte?), wonach beiden eine Bewährungsfrist bis zur Ostermesse gewährt wurde. Johanna Eleonoras Eingabe findet sich bei den Ratssupplikationen 1678, Bl. 72f. 270 Bed. 3, 1702, 257-260 (12.10. 1678) bes. 257. 271

GRÜNBERG 1, 1893, 198 - 2 0 3 und Cons. 3, 1709, 2 1 5 - 2 1 7 (23.10. 1677) über Schütz; vgl.

RITSCHL 2, 1884, 1 5 4 - 1 5 8 .

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William Penn (1644—1718) mit den anderen, fuhrenden Persönlichkeiten der Quäker, George Fox (1624-1691), RobertBarclay (1648-1680) und George Keith (1638—1716), seine zweite Reise nach Deutschland und den Niederlanden unternahm, um das dortige Quäkertum zu stärken, den internationalen Zusammenhalt und die gegenseitige Hilfe zu organisieren, führte ihn sein Weg über die großen Städte Norddeutschlands schließlich nach Frankfurt, wo er am 20. August 1677 mittags eintraf. Über Jakob van de Walle, einen Frankfurter Kaufmann, kam er alsbald mit dem frommen Kreis um Johanna Eleonora von Merlau zusammen. Noch an demselben Abend fand eine Aussprache in van de Walles Haus statt. Am nächsten Tag besuchte Penn den Saalhof; auch hier hielt er offenbar eine Ansprache, die seiner Aussage zufolge einen tiefen Eindruck bei den beiden Hausdamen, Johanna Eleonora und Maria Baur von Eyseneck, hinterlassen haben muß. 272 Am 22. August fand wieder eine Versammlung im Saalhof statt. In ihrem Bekennereifer forderte Johanna Eleonora den Quäkerführer zur öffentlichen Predigt auf: „Our quarters are free for you, let all come that will, & lift up your voices without fear: for [ . . . ] it will never be well with us, till persecution come, & some of us b'e lodg'd in the Stadthouse, [ . . . ] the prison". 273 Die aus den neutestamentlichen Apokalypsen der Synoptiker und der Offenbarung Johannis gewonnene Vorstellung von den Verfolgungen und Martyrien der wahren Christen vor der Wiederkunft Christi, die auch Spener in dieser Zeit teilte274, führte bei der angespannten religiösen Erregung Johanna Eleonoras dazu, daß sie selbst diese Verfolgung provozieren und in Gang bringen wollte. Was sie hier gegenüber Penn gewissermaßen programmatisch äußerte, das hat sie später in Lüneburg verwirklicht. Am 23. August brach Penn auf, kehrte aber fünf Tage später noch einmal nach Frankfurt zurück. Wieder nutzte man die Zeit für eine erbauliche Versammlung, u m dann am nächsten Tag ein spezifisch quäkerisches „silent meeting" und ein weiteres Treffen abzuhalten. Nach Penns Abreise am folgenden Tag soll er mit Johanna Eleonora von Merlau weitere Briefe gewechselt haben. 275 Später hat Penn im Kreis der Frankfurter Pietisten Freunde gefunden, die sein Projekt einer religiösen Freistatt in seinem Erbland Pennsylvanien unterstützten, indem sie dort selbst Eigentum erwarben. Das geschah am Anfang der achtziger Jahre des Jahrhunderts, als Johanna Eleonora von Merlau nicht mehr in Frankfurt lebte. Sie gehörte auch nicht zu den ersten Käufern. Erst für das Jahr 1686, in dem sich die Frankfurter Landbesitzer endgültig zu der „Frank272 Penn, Papers 1, 1981, 447: „[They] had a deep sense ofthat power & presence of god, that accompanyed our Testimony: and their hearts yearned strongly towards us." Der dort (S. 448) genannte „Doctor of Physick" war sicher nicht Petersen, wie die Herausgeber vermuten, da Petersen damals schon Pastor in Hannover war. Handelte es sich um Dr. Johann Kißner? 273 Penn, Papers 1, 1981, 448. 274 Vgl. Anm. 163. 275 Vgl. Penn, Papers 1, 1981, 4 7 0 - 4 7 3 ( 1 1 . 9 . 1677). Johanna Eleonora gab Penn auch einen Brief an Charlotte Auguste Dhaun von Falkenstein und Broich in Mülheim a. d. Ruhr mit; ebd., 463 (Penn an Ch. A. Dhaun von Falkenstein, 13.9. 1677).

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furter Kompagnie" zusammenschlossen, tauchen die Petersens als Teilhaber der Gesellschaft auf. 276 Die Frankfurter Pietisten haben anfangs vielleicht wirklich mit dem Gedanken gespielt, in der Neuen Welt ein Leben der Gewissensfreiheit, gelöst von den Zwängen der Staatskirche zu fuhren. 277 Jedenfalls hätte man sich notfalls dorthin begeben können. In der Tat aber ist keiner der ersten Frankfurter Teilhaber ausgewandert, und es scheint, als sei die Kompagnie gegründet worden, u m unter diesen Umständen das einmal erworbene Land gemeinsam zu verwalten. In diesem Stadium wurden auch die beiden Petersens Teilhaber, nachdem einige der ersten Mitglieder ausgeschieden waren. Eine besondere Bedeutung hat die Kompagnie fur die Petersens nicht gehabt. 2 7 8 Die persönliche Begegnung mit den drei herausragenden Vertretern der Frankfurter pietistischen Bewegung prägte Johann Wilhelm Petersen nachhaltig. Die von Ph. J. Spener, J . J . Schütz und J. E. v. Merlau mit unterschiedlicher Gewichtung vertretenen pietistischen Anliegen, nämlich die „praxis pietatis" als Methode der Schrifterkenntnis, der Chiliasmus und der christliche Rigorismus, wurden die zentralen Themen von Petersens eigner pietistischen Theologie. Der Vorgang der Rezeption, Aneignung und Überformung seitens Petersens dauert freilich rund zehn Jahre, dauert bis zum Ende der achtziger Jahre, die zugleich den Beginn des Hallischen Pietismus markieren.

276

NIEPER, Auswanderer 1940, 7 7 - 8 0 und 8 0 - 8 3 .

277

NIEPER, A u s w a n d e r e r 1 9 4 0 , 8 2 .

278

Z u m G a n z e n s . D E C H E N T 2 , 1 9 2 1 , 9 4 - 9 6 ; NIEPER, A u s w a n d e r e r 1 9 4 0 u n d SEIDENSTICKER,

Bilder 1885.

95

Dritter Teil: Abschluß des Studiums und erste Berufstätigkeit I. Von Gießen nach Rostock Letzte

Disputationen

Abgesehen von der Notiz in Speners Brief v o m 17. Oktober 1674 läßt sich zunächst keine wesentliche Wandlung in Petersens theologischer Arbeit feststellen. Wenn Petersen in seiner Lebenserinnerung meint, seine Professoren hätten an ihm nach seiner Begegnung mit Spener ein ganz neues Wesen w a h r g e n o m m e n und er habe dafür zu leiden gehabt, so handelt es sich sicher u m eine Projektion. 1 Wohl hat Petersen jetzt mit anderen Studenten im Rahmen eines universitären Collegiums Bibelexegese getrieben. 2 Von besonderen, erbaulichen und populären Auswüchsen, die solche Veranstaltungen später in Leipzig und unter Johann Heinrich May in Gießen verdächtig gemacht haben, ist aber nichts bekannt. 3 Die Theologische Fakultät Gießens bemerkt in ihrem Schreiben an B. Mentzer aus dem N o v e m b e r des Jahres 1677 im Hinblick auf die Frankfurter kirchlichen Ereignisse: „Bey der hiesigen Universität wie auch bey pfarrern auff dem land wissen wir von keinem anstosz, ob schon fast aller orten so wol bey literatis als andern discursen davon movirt worden, aber noch keiner gehört, der die anstalten allerdings approbirt hette. " 4

Umgekehrt zeigen Petersens weitere wissenschaftliche Aktivitäten, daß er noch ganz im herkömmlichen, akademischen Lehrbetrieb steckte. Drei größere Projekte, die alle in den Bereich der Kontroverstheologie gehören, scheinen ihn damals beschäftigt zu haben. Z u m einen hat er sich mit mariologischen Werken seiner Zeit auseinandergesetzt. Das hat sich freilich in keiner seiner Schriften niedergeschlagen. Wahrscheinlich ging Petersens Interesse an der Mariologie über das Tagesgespräch nicht hinaus. 5 1 Zu dem angeblichen „Obstat" gegen Mentzer, zu dem ja erst 1678 angesichts der Ausweisungsandrohung für Johanna Eleonora von Merlau Anlaß gegeben war, vgl. Anm. 101. 2 Spener an Petersen, Frankfurt a . M . , den 22.8. 1676 (AFSt A 196, p. 4 6 - 5 0 bes. 49): „Lectioni vestrae Paulinae coelitus gratiam uberrimam precor"; vgl. 29.4. 1676 (aaO, p. 43—46 bes. 44): „exercitium Graecum". 3 Zu May s. KÖHLER, Gießen 1907. 4

5

BECKER, A n f ä n g e 1 9 0 3 , 2 7 3 - 2 7 5 b e s . 2 7 4 .

Die Erwähnung von mariologischen Werken in den Briefen Speners an Petersen, Frankfurt a.M., den 8.12. 1674; 15.3. 1675; 26.3. 1675; 4.5. 1675 (aaO, p. 1 9 - 2 1 . 23 f. 25. 27) und J.W. Petersen an A . H . Gloxin, Gießen, den 24.11. 1674- AHL; vgl. LB 1717, 266, w o auf den

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Z u m anderen hat Petersen sich in dieser Zeit auf eine theologische Promotion vorbereitet. 6 Nach den Statuten der Schabbelschen Stiftung (§11) sollten die Stipendiaten sich verpflichten, im 28. oder spätestens 30. Lebensjahr den Doktorgrad zu erwerben oder zumindest die wissenschaftliche Vorleistung (Lizentiat) erbracht zu haben, die es ihnen ermöglichte, den Doktorgrad anzunehmen, sobald sie in ein kirchliches Amt kämen. 7 Denn gewöhnlich wurde, so auch in Gießen und in Rostock, die Doktorwürde nur Inhabern einer bedeutenden Pfarrstelle oder Universitätsprofessoren gewährt, also Theologen, die kirchenleitende und kirchenlehrende Funktionen ausübten. 8 Petersen wollte seine wissenschaftliche Laufbahn vielleicht mit einer Abhandlung über die Dordrechter Synode von 1619 und die dort von den Reformierten diskutierte und umkämpfte, orthodoxe Gestalt der Prädestinationslehre beschließen. 9 Die Arbeit kam aber nicht zustande, da Petersen am Ende des Jahres 1676 in seine Heimat zurückgerufen wurde. Petersens Beschäftigung mit den unterschiedlichen reformierten Auffassungen zur Prädestinationslehre hat sich gleichwohl in kleineren Schriften niedergeschlagen. U m die Jahreswende 1675/76 geriet Petersen nämlich in eine literarische Fehde mit den reformierten Lehrern im benachbarten Marburg. Am 9. Dezember 1675 disputierte unter ihm Friedrich Hieronymus Dithmar aus Darmstadt „DE P R A E M O T I O N E DIVINA R E F O R M A T O R U M N O N DIVINA. Perperam cum motione Christianorum Principum a Turcis ad pacem firmandamjuramentum exigentium collata". 10 Anlaß war eine im Jahr zuvor (28. November 1674) unter Samuel Andreae (1640—1699) in Marburg gehaltene Disputation 11 , die ihrerseits auf eine Gießener Disputation „De praecursu Dei" antwortet, die der mit Petersen befreundete Paul Linsius i m j a h r e 1671 verfaßt hatte. 12 Petersen greift aus der Marburger Disputation wegen der gebotenen Kürze nur ein Motiv heraus, mariologischen Streit zwischen den Kölner und Mainzer Theologen (1674/75) hingewiesen wird. 6 Spener an Petersen, Frankfurt a. M., den 3.9. 1675 (AFSt A 196, p. 31): Plan einer Inauguraldissertation zur Beendigung der akademischen Laufbahn. 7

SELLSCHOPP, F r a n c k e 1 9 1 3 , 2 6 0 .

8

Für Gießen s. BECKER, Gießen 1, 1907, 277 und für Rostock s. S. 163 Anm. 244. Die Inauguraldisputation, die zum Doktorgrad fuhren sollte, hieß entsprechend: „Disputatio inauguralis pro licentia summos in theologia doctoratus honores impetrandi"; vgl. SCHÜLING, Dissertationen 1982, Nr. 846. 9 Bertram, Lüneburg 1719, 258 gibt als Thema an: „De Dracone Dordraceno, i. e. absoluto decreto, quod omnes sententiarum & decretorum ejus paginas implet, & omnes articulos foede corrumpit". 10 S. Werkverzeichnis. Z u m Projekt vgl. LB 1717, 15f. und Spener an Petersen, 4.5. 1675 (AFSt A 196, p. 28; Cons. 1, 186f.), w o Spener Petersens Syllogismus ablehnt. 11 S. Andreae [Praes.], Johann Heinrich Schönfeld [Resp.], Discursus Metaphysicus De Praemotione D i v i n a . . . , Marburg: Schadewitz 1674 (vh Halle, HBFSt). 12 Praemotio 1675, 3. Zu Paul Linsius aus Marburg s. Matrikel Marburg, 17.8. 1669; Matrikel Wittenberg 1952, 205: Imm. 3.9. 1674; Adjunkt der Phil. Fak. 10.2. 1673 und J.W. Petersen an Nethenus, Gießen, den 20.2. 1676-HSB Wiesbaden. Zu Andreae s.Jöcher 1, 1750, 390 und 5 (1), 1784, 816-818, sowie GUNDLACH, Catalogue 1927, 24f. P. Linsius antwortete

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das der Untertitel zu erkennen gibt, um anhand dieser Frage und über einen Analogieschluß die reformierte Prädestinationslehre anzugreifen. Zur Diskussion stand folgende These: „sicuti Magistratus Politicus, & Christiani Principes Turcam adjuramentum aliquod consuetum recte movere, & tale ab illo sine peccato exigere possunt, licet sciant juramentum istud esse idololatricum, & intrinsecam secum habere deordinationem & ataxian: Ita etiam Deum posse hominum citra laesionem sanctitatis, & sanctissimae bonitatis suae movere ad actiones malas, seu ad illos actus, quibus inseparabiliter adhaeret malitia." 13

Petersen lehnt beide Teile der These ab, weil jeweils derjenige, der einen anderen zur Tätigkeit zwinge, für dessen Tat die Verantwortung trage. 14 Im übrigen dürfe eine christliche Obrigkeit einen Nichtchristen nur zum Schwören bei dem aus dem Licht der Natur erkennbaren Gott anhalten. Dazu geriet Petersen in eine Auseinandersetzung mit dem reformierten Marburger Professor Reinhold Pauli (1638—1682)15. Petersen war im Sommer 1675 mit seinem Lehrer und Tischherrn Ph. L. Hanneken nach Bad Wildungen, westlich von Fritzlar, gefahren, um sich am dortigen Sauerbrunnen zu erholen.16 Anläßlich einer Predigt über Mt 7, 15—23 (Warnung vor den falschen Propheten)17 griff der heimische, lutherische Pfarrer vor seiner gemischtkonfessionellen Hörerschaft die reformierte Prädestinationslehre scharfan. Sie bringe schlechte Früchte hervor, weil sie Erwählung und Verwerfung ohne Rücksicht auf Glaube und Werke lehre. Der anwesende R. Pauli war sich sogleich mit seinen lutherischen gelehrten Nachbarn einig, daß der Pfarrer ohne wirkliche Kenntnis der reformierten Lehre eifere, da Gott zwar bei seiner Wahl den Glauben nicht voraussetze, die Erwählten aber zum Glauben und zu Werken der Liebe bestimme. Am selben Abend kam es am Tische Ph. L. Hannekens undj. W. Petersens zu einer Unterhaltung mit zwei Grafensöhnen und zwei Rechtsgelehrten über die gehörte Predigt. Im Laufe des Gesprächs Schloß Hanneken mit einem der Juristen eine Wette ab, daß der Prediger die reformierte Lehre richtig wiedergegeben habe. U m sich seine Meinung bestätigen zu lassen, schickte der Gießener Professor an R. Pauli, der gerade spazierenging, über einen Laufburschen einen Zettel mit zwei Fragen: „(1) An Deus dilexerit electos amore benevolentiae citra respectum Christi & fidei? (2) An haec selbst im Januar 1676 mit Joh. Philipp Nasemann als Respondenten: Disputatio Apologetica Prima De Praecursu . . . , Gießen: Karger [1676] (vh Halle, HBFSt). 13 Praemotio 1675, 3; vgl. LB 1717, 16. 14 LB1717, 11; vgl. Speners Kritik an Petersens Argumentation im o. g. Brief(wie Anm. 10). Petersen geht in seiner Disputation, Th. 11 ohne Namensnennung auf Speners Kritik ein. 15 Zu Pauli s. Strieder 10, 1795, s. v. (DBA) und GUNDLACH, Catalogus 1927, 24. 16 Zum folgenden s. LB 1717, 14—16 und C. Baum, Disputatio Theologica (wie Anm. 22), 3-16. 17 Evangeliumstext für den 8. Sonntag nach Trinitatis, also den 25. Juli 1675. Als Exordium nahm der Prediger Tit 1, 9. Nach LB 1717, 14 will Petersen gegen Pauli gepredigt haben; vgl. Apologia 1676, 56. Pfarrer in Bad Wildungen war (1668-1681) Lorenz Hartmann (1633-1703); H. NEBELSIECK, Geistliche 1935, 23.

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negativa possit defendi?" 18 Nachdem Hanneken auf Grund eines Mißverständnisses schon einen Triumph vor dem Sieg gefeiert hatte, widersprach Pauli später, daß die 1. These die reformierte Ansicht wiedergäbe. Drei Tage später sprach Petersen den Marburger Professor in für die Zeit ungebührlicher Weise auf der Straße an und diskutierte mit ihm die aufgestellten Sätze, indem Petersen v. a. auf seine von Hanneken vermittelten Maresius-Kenntnissen zurückgriff. 19 Drei Monate später nahmen Hanneken und Petersen den Streit erneut auf, als jener über die Prädestinationslehre des Samuel Maresius disputierte. Der Disputation hängte Petersen, der gar nicht der Respondent war, eine Mantissa gegen Pauli an.20 Es ging dabei gar nicht um eine dogmatische, sondern um eine historische Auseinandersetzung. Die Frage war, welches die seit der Dordrechter Synode maßgebliche Gestalt der reformiert-orthodoxen Prädestinationslehre sei.21 Auf Petersens Mantissa antworteten im Februar und März des folgenden Jahres zwei Schüler Paulis.22 N u n folgten in kurzer Zeit weitere Streitschriften. Petersen rechtfertigte sich sogleich mit der Bekräftigung der „JUSTITIA CAUSAE, P R O ASSERTA Q V A E S T I O N E [ . . . ] " (Gießen 1676), wobei er direkt Pauli angriff. 23 Dieser antwortete durch seinen Schüler Caspar Baum mit der Behauptung der „INJUSTITIA CAUSAE ASSERTAE Q U A E S T I O N I S : An Deus ab omni aeterno juxta Reformatorum sententiam aliquos amore benevolentiae citra ullum Christi & fidei respectum dilexerit? Manifestius prodita A q u o d a m J O H . WILHELMO PETERSEN, Ph. Mag. [ . . . ] . " 2 4 Petersen konterte seinerseits mit seiner „Apologia" (1676), die Ende September bereits vorlag. 25 Den Streit im einzelnen vorzustellen, lohnt sich in diesem Zusammenhang nicht. Immerhin zeigen diese letzten Streitschriften, daß Petersen trotz seiner Begegnung mit den Pietisten in Frankfurt weiterhin in dem traditionellen Universitätsbetrieb eingespannt blieb und Speners 18

Baum (wie Anm. 22), 9. Die Argumentation mit den traditionellen Argumenten bei Baum, aaO, 11 — 14. 20 Ph. L. Hanneken [Praes.] und Barthold Kempeus (Lübeck) [Resp.], Devia doctrinalia in collegio theologico D. Samuelis Maresii occurentia et quoad locum quartum de Dei decretis, Providentia et praedestinatione, o s t e n s a . . . , Gießen (Oktober) 1675 (SCHÜLING, Dissertationen Nr. 9 5 3 ) . 21 Vgl. WEBER, Reformation 2, 1951, 102-111 bes. 107. 22 a) Caspar Baum [Resp.], Disputatio Theologica Prior Ad Mantissam Respondentis Sub Praesidio Cl. Theologi Lutherani Theologo Reformato oppositam De Doctrina Reformatorum De Praedestinatione,... Sub Praesidio Reinholdi Pauli,... [5. Februar 1676], Marburg 1676 (Theolog. Seminar Herborn). Die Disputation druckt auch Petersens Syllabum ab. b) Johann Laubinger [Autor & Resp.], Disputatio Theologica Posterior Ad Mantissam Respondentis... De Perseverantia Sanctorum, Voluntateque Dei Absoluta Et Conditionata... Sub Praesidio Reinholdi Pauli... [3. März 1676], Marburg: Schadewitz 1676 (vh SA Marburg); vgl. Jöcher 9 (5), 1816, 1704. Die bei Jöcher, aaO vorgenommene Identifizierung des „Theologen" mit Petersen ist falsch; richtig muß es Ph. L. Hanneken heißen. 23 Sie lag bereits am 20. 2. vor; vgl. J.W. Petersen an Nethenus, Gießen, den 20.2. 1676; Zusendung der Schrift, u n d j . W. Petersen an Α. H. Gloxin, Gießen, den 20.2. 1676- AHL. 24 Marburg 1676 (Theol. Sem. Herborn: 4° 10 Bl.). 25 Vgl. Petersen an Α. H. Gloxin, Gießen, den 1.8. 1676- AHL. 19

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Forderung nach Abkehr von Streitschriften und Disputationen nicht sogleich beherzigte. Es fällt bei Petersens im Druck erschienenen Disputationen auf, daß sie sich wiederholt mit dem Problem von Gottes Allwirksamkeit und der Freiheit des Menschen befassen. Die Prädestinationsfrage ist darin der wichtigste Aspekt. Es ist schwer zu ermessen, ob Petersen zufällig auf dieses Thema gestoßen ist oder ob er sich bewußt damit auseinandersetzen wollte. Nirgendwo läßt Petersen erkennen, daß er selbst von der Prädestinationsfrage angefochten wäre. In der Diskussion hat er sich das lutherisch-orthodoxe Verständnis zu eigen gemacht. Dieses stand freilich immer in der Gefahr des Synergismus, wenn der Glaube des einzelnen an Christus der Grund für die Erwählung oder die Heilsaneignung sein sollte.26 Damit war man zwar dem „absoluten Dekret" entronnen, aber die Fragen, warum nicht alle Menschen diesen Glauben annahmen, und wie dieser Glaube göttliche Gnadengabe und menschliche Tat zugleich sein konnte, blieben ungelöst. Es war nur folgerichtig, nach den Bedingungen von Erkenntnis und Anerkenntnis der Glaubenswahrheiten zu fragen. Die Spenersche Lehre von der notwendigen Korrelation von Tun und Erkennen war offenbar geeignet, einen Ausweg aus diesem Problem aufzuzeigen.

Erste

Berufsaussichten

Nachdem Petersen zwei Jahre in Gießen Theologie studiert hatte, war es an der Zeit, sich nach einem angemessenen Amt umzusehen. Zunächst wurde der Lübecker Stipendiat - offenbar auf Vermittlung Speners - für eine Hofpredigerstelle in Sachsen ins Gespräch gebracht. 27 Der genaue Ort wird nicht genannt. U m eine Stelle am kursächsischen Hof, an dem unter dem damaligen Oberhofprediger Martin Geier (1614—1680) noch zwei weitere Hofprediger tätig waren, nämlich (1674—1678) Samuel Benedikt Carpzov und (1659—1677) Johann Andreas Lucius, kann es sich nicht gehandelt haben. Zu denken wäre an die Hofpredigerstelle am sächsischen Hof in Eisenach, wo Petersen auf Vermittlung Speners einmal predigen durfte. 28 Herzog johann Georg von Sachsen-Weimar (-Eisenach) (1634—1686) hatte Eisenach und einige umliegende Gebiete 1671 durch Erbfall erhalten, wo er auch residierte. Eine Bedingung des Amtes, auf das Petersen berufen werden sollte, war die von dem Hofprediger offenbar aus Budgetgründen geforderte Ehelosigkeit. 29 Von den übrigen sächsischen Herzogtümern (Lauenburg, 26

Vgl. WEBER, Reformation 2, 1951, 168-175. Zur Vermittlung Speners s. Spener an Petersen, Frankfurt a. Μ., den 30.11. 1675 (AFSt A 196, p. 37). Zur Verbindung Speners zum sächsischen Hof nach Dresden s. GRÜNBERG 1, 1893, 207 f. 28 Bertram, Lüneburg 1719, 258 f. 29 Spener an Petersen, Frankfurt a. M., den 17.1. 1676 (AFSt A 196, p. 42). 27

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Zeitz, Gotha, Weißenfels, Weimar-Jena, Merseburg) käme am ehesten Sachsen-Gotha in Betracht. Denn nach dem Tod Ernst des Frommen im März 1675 sukzedierten seine Söhne zunächst gemeinsam. In diesem Zusammenhang war offenbar auch die Hofpredigerstelle in Altenburg zu besetzen, die seit dem 30. Mai 1676 der noch unverheiratete Caspar Neumann einnahm. 30 Z u m ersten Mal ist von einer solchen, bevorstehenden Berufung in einem Brief Speners an Petersen vom 3. September 1675 die Rede. 31 Petersen hatte sich danach im Sommer an jenem sächsischen Hofe aufgehalten und von dort die Erklärung mitgebracht, daß man ihn berufen wolle, wenn die Schabbeistiftung zustimme und er sein Amt in einem halben Jahr, also Anfang 1676, antreten könne. Einem früheren Termin scheinen vor allem die von der Schabbeistiftung geforderten wissenschaftlichen Arbeiten im Wege gestanden zu haben, die Petersen nach den Statuten der Stiftung zu erbringen hatte. 32 Petersen wandte sich daher an die Kuratoren der Stiftung, die wie die Familie Schabbel damals ihren Sitz in Wismar hatte. Solange aber Wismar, das seit dem Westfälischen Frieden Reichslehen der schwedischen Krone war, im Zuge des schwedisch-dänischen Krieges, der sein Ende erst mit dem Frieden von Nymwegen (1678) fand, von den Dänen belagert und besetzt war, konnte von dort keine rasche Antwort erwartet werden. 33 Zudem sahen es die Kuratoren der Stiftung lieber, wenn Petersen in ihrer Heimat wirkte. Immerhin waren seit Ende 1675 auch in Wismar einige Pfarrstellen neu zu besetzen. 34 Bis Mitte des Jahres 1676 war die Angelegenheit offenbar in der Schwebe. 35 Petersen wäre wohl gerne nach Sachsen gegangen, aber die kriegsbedingte Verzögerung und vielleicht auch die abwartende Haltung der Kuratoren, deren Entscheidung Petersen nach Spener als göttliche Fügung verstehen sollte, machten seine Hoffnung zunichte, da sich mittlerweile ein weiterer Kandidat in Sachsen beworben hatte, der dann wohl berufen wurde. 36 Gleichwohl sollte Petersen nun nicht länger in 30 Spener an Petersen, Frankfurt a.M., den 28.12. 1675 (AFSt A 196, p. 38 - 4 0 bes. 39) spricht von einem Herzog („ducis"). Zu Neumann s. ZIMMERMANN, Neumann 1969, 26; danach gab Neumann seine Stelle im Jahre 1677 wieder auf, nachdem er geheiratet hatte. 31 AFSt A 196, p. 29 f. 32 AaO, 29f. und 31; zur Promotionsverpflichtung s. S. 97. 33 Spener an Petersen, Frankfurt a. M., den 13.11. 1675 (aaO, p. 33). Vgl. TECHEN, Wismar 1929, 221 —224: Die Belagerung Wismars fand seit dem 1.8. durch die mit den Dänen verbündeten Brandenburger und seit dem 22. 8. auch durch die Dänen statt. Die Einnahme der Stadt erfolgte Mitte bis Ende Dezember 1675. 34 Nach WILLGEROTH 3, 1925, 1337-1392: Archidiakonat St. Marien, das am 27.1. 1676 M. Daniel Springinsgut erhielt; Pfarramt St. Nikolai, das nach dem Tod von Joachim Schmidt am 24.4. 1676 über ein Jahr vakant blieb (vgl. S. 108), und Pfarramt Heilig-Geist, wo seit dem 3.11. 1676 Mauritius Lorenz wirkte. 35 Vgl. Petersen an Α. H. Gloxin, Gießen, den 30.7. 1676- AHL, daß die Angelegenheit am „fürstlichen H o f ' anhängig sei. 36 Zur Entscheidungsgewalt der Kuratoren s. Spener an Petersen, Frankfurt a.M., den 13.11. 1675 (AFSt A 196, p. 34). Ein neuer Kandidat wird erwähnt in dem Brief vom 17.1. 1676 (aaO, p. 42).

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Gießen bleiben, sondern in seine Heimat zurückkehren, um dort über kurz oder lang eine Pfarrstelle zu übernehmen. Als dann am 24. April 1676 der Pfarrer der Nikolaikirche in Wismar, M.Joachim Schmidt, gestorben war, wurde wahrscheinlich auch Petersen für die Stelle ins Gespräch gebracht. Aus unbekannten, vielleicht politischen und kriegsbedingten Gründen blieb die Pfarrei jedoch längere Zeit vakant. So blieb Petersen nichts anderes übrig, als nach Lübeck in sein Elternhaus zurückzukehren und der weiteren Entwicklung der Dinge entgegenzusehen. 37

Kandidat

in

Lübeck

Zwischen Ende August und Mitte November 1676 ist Petersen in seine Heimatstadt zurückgekehrt. 38 Er sollte sich hier offenbar als Kandidat auf sein geistliches Amt vorbereiten. 39 Es war ja in dieser Zeit üblich, daß Studenten und Magister, die ein geistliches Amt anstrebten, auf solche Weise zur Mitarbeit in den einzelnen Kirchen herangezogen wurden. Es ist nicht ersichtlich, daß Petersen schon damals ein bestimmtes Pfarramt in Lübeck hätte antreten sollen. 40 In Lübeck stellte Petersen seine praktische Arbeit in eine deutliche Nachfolge zu den Bemühungen Ph. J. Speners, mit dem er auch weiterhin einen ausfuhrlichen Briefwechsel führte. Jedenfalls hat er, den Vorschlag der Pia Desideria (PD 76, 17ff.) aufnehmend, versucht, exercitia oder collegia pietatis mit anderen Lübecker Studenten abzuhalten. O b sie zustandegekommen sind, ist ungewiß. 41 Collegia mit Laien hat Petersen damals nicht angestrebt. Aber auch schon für die studentischen exercitia muß Spener zur Vorsicht mahnen. Er rät, bei der Schriftauslegung immer auf anerkannte Autoritäten zurückzugreifen. 42 Diese Vorsicht war besonders so lange angebracht, als Petersen noch nicht zum Geistlichen Ministerium der Stadt gehörte; erst in einem Amt hätte er sich freier bewegen können. Spener hat seinerseits von Petersen und seinen Übungen in Lübeck viel erhofft und darauf vertraut, daß Gott ihm in seiner Heimatstadt eine „offene Tür" geben werde. Auch die Namen, die in den Briefen Speners an Petersen aus jenen Jahren fallen, lassen darauf schließen, daß Petersen vorwiegend mit Theolo37 Von einem „Weichen" aus Gießen wegen seines „pietistischen Eifers" gegen Balthasar Mentzer (vgl. LB 1717, 21) kann ebensowenig die Rede sein wie von einer Rückkehr nach Rostock (MACK, Obrigkeit 1983, 33 f. und - etwas anders - DERS. , Theologen 1984, 29). 38 Datiert nach den Briefen Speners an Petersen vom a) 22. 8. 1676 (term, post quem) und b) 21.11. 1676 (term, ante quem)-AFSt A 196, p. 4 6 - 5 0 und 5 0 - 5 7 bes. 50f. 39 Petersen war damals also noch nicht im „Predigtamt" (SCHERING, Petersen, 1982, 229). 40 Nach Vakanzen käme Ende 1676 in Lübeck nur St. Andreas in Schlutup in Frage, wo M.Johannes Köhn im Jahre 1676 ausscheidet. 41 Spener anJ.W. Petersen, Frankfurt a. M., den 30. 11. 76 (AFSt A 196, p. 59). 42 „Optime facies si auctoribus Theologis tale quid institues neque sine eorum auctoritate quicquam majoris momenti suscipias" (aaO, p. 59).

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gen das Gespräch suchte, von denen ein Teil aus seiner eigenen Generation stammte. Zu nennen 43 sind etwajoachim Wendt, Domprediger (1651 —1679) und nachher (bis 1684) Hauptpastor, Johann Schacht, Prediger (1662-1686) 44 an St. Jakobi, Meno Reiche, Prediger an St. Jakobi (1679-1691), Thomas (?) Carstens, Prediger an St. Aegidien (1662-1679) 45 und Stubenkamerad Speners bei Johann Rebhan in Straßburg, und Thomas Honstede (1642—1704), Kommilitone aus Gießener Zeit, Spenerfreund und Pfarrer an der Burgkirche (1670—1684).46 Auch mit Abraham Hinckelmann (1652—1695), dem neuen Rektor des Katharineums, trat Petersen in Verbindung. 47 Dazu kommen noch zwei ansonsten unbekannte Studenten, ein Herr von (?) Soltau und Franz Heinrich (?) Pingeling(k). 48 Schließlich trat Petersen damals in Korrespondenz mit anderen, Spener und der pietistischen Bewegung nahestehenden Theologen wie Johann Fischer (1636—1705) in Riga, Christian Kortholt (1633—1694) in Kiel und Kaspar Hermann Sandhagen (1639—1697) in Lüneburg, Samuel Pomarius (1624— 1683) in Lübeck und Christian Scriver (1629—1693) in Magdeburg. Zu den beiden letzten stellte er für Spener den Kontakt her. 49 Es gab also eine ganze Reihe von Theologen in Lübeck und Umgebung, die Spener und seinem Programm freundlich gesinnt waren. Auch der spätere Bürgermeister Hieronymus von Dorne gehörte dazu. 50 Die Liste der hier genannten Personen ließe sich noch um weitere Namen und Orte ergänzen. Sie läßt erkennen, welche große Bedeutung Petersen als vertrauter Freund und Korrespondent Speners für die Ausbreitung pietistischen Gedankenguts in Schleswig-Holstein und Mecklenburg hatte. 51 Gleichwohl kam es im Sommer 1677 in Lübeck wie auch anderswo verstärkt zu Anfeindungen Speners, denen dieser schließlich mit seinem „Sendschreiben an einen ausländischen Theologen" (1677) entgegentrat. 52 In diesem Zusammenhang hat Petersen seinem Frankfurter Lehrer über zwanzig im Lübecker Ministerium offenbar grassierende Verdächtigungen zuge43

Zu den genannten Personen s. AFSt A 196, p. 52, 57f., 66, 71, 84, 89. Bei Johann Schachts Tochter stand Petersen am 23.6. 1679 Pate (Jacobi-Taufbuch, S. 281AHL). 45 Z u T h . Carstens s. Matrikel Straßburg 1, 1897, 619(stud. theol. 1651). Mit ihm studierten in Straßburg seine beidenjuristischen Brüder Joachim Friedrich und Nikolaus (aaO, 2, 251). 46 Honstede hatte Spener einmal in Frankfurt besucht; Spener an Petersen, Frankfurt a. M., 21.11. 1676-AFSt A 196, p. 5 0 - 5 7 bes. 57. 47 Vgl. Seelen, Athenae4, 1722, 467-495. 48 Ein Franz Heinrich Pingeling wird fur 1668 als Schüler des Katharineums erwähnt (Seelen, Athenae 4, 1722, 453); vgl. Matrikel Kiel 1915, Nr. 437 (21. 4. 1670: aus Westfalen). 49 Spener an Petersen, Frankfurt a . M . , den 21.11. 1676u. 13.2. 1677 (AFSt A 196, p. 57. 81). 50 Krafft, Jubel 1723, 217; vgl. Spener an Petersen, Frankfurt a.M., 6. 7. 77 (über einen kurzen Besuch Dornes bei Spener) und 13. 8. 77 (aaO, p. 70.76). 51 JAKUBOWSKI-THIESSEN (Pietismus 1983, 3 0 - 3 4 u . 83) achtet für eine territorialgeschichtlich orientierte Arbeit m. E. zuwenig auf die weite Streuung solcher persönlich vermittelten Kontakte und k o m m t zu schnell auf die Zeit des Hallischen Pietismus zu sprechen. 44

52

GRÜNBERG [278]; v g l . S p e n e r , S c h r i f t e n 1, 1979, 7 8 - 8 5 .

103

sandt und ihn u m eine Entgegnung gebeten. 53 Spener übersandte Petersen und den Freunden eine Zurückweisung der vorgebrachten Zweifel an seiner Rechtgläubigkeit. Speners Antwort findet sich unter dem Titel „Allerhand einwürffe beantwortet/ den Autorem und seine lehr betreffend" in seinen „Letzten Theologischen Bedencken". 5 4 Gleichzeitig bat er darum, sich nicht zu sehr um seine Rechtfertigung zu bemühen und seine Entgegnung nicht zu verteilen. Offenbar dachte Spener schon an eine öffentliche Verteidigung mit seinem obengenannten Sendschreiben. 55 Das Lübecker Geistliche Ministerium hat Speners Verteidigung akzeptiert. In seiner zusammen mit H a m burg und Lüneburg herausgegebenen „ Abgenöthigte(n) L e h r = und Schutz= Schrift/ Wider den Guthmannischen Offenbahrungs=Patron/ [ . . . ] " (1677) gegen Ammersbach wird der Frankfurter Senior zustimmend zitiert. 56 In der Lübecker Zeit, während der Petersen ohne eine feste Anstellung auf eine Berufung in ein Amt wartet und sich darauf vorbereitet, hat er sich wie schon in den letzten Gießener Jahren mit der schwärmerischen Literatur seiner Zeit beschäftigt. Eine solche Lektüre ist für einen „professionellen" Theologen durchaus angebracht, da ein Lehrer der Kirche vernünftigerweise auch die heterodoxen Ansichten zur Kenntnis nimmt. Petersens Beschäftigung mit der ganzen Breite theologischer Literatur ist von der gleichen Unbekümmertheit und Unbefangenheit geprägt, mit der Spener mystischspiritualistische Bücher zu lesen pflegte. Er konnte ihnen, auch wo sie genaugenommen von der „reinen Lehre" abwichen, durchaus etwas abgewinnen, solange sie nur erbaulich waren und die „Gottseligkeit" fördern halfen. Entsprechend entsteht in Speners Korrespondenz mit Petersen nun auch ein gelehrter Dialog über solche Bücher, man weist sich gegenseitig auf sie hin und teilt sich seine Beobachtungen mit. Petersen interessiert sich dabei von Anfang an für das Problem des Chiliasmus und die Möglichkeit von unmittelbaren Offenbarungen. Ein wichtiger Mittelsmann für die Beschaffung von mystisch-spiritualistischer Literatur war fur Petersen der aus Lübeck stammende und vor allem in Amsterdam wirkende Buchhändler Heinrich Betke (1625?-1708). 57 Zu der Lektüre Petersens gehören etwa Quirinus Kuhlmann (gest. 1689), Abra5 3 L B 1717, 22f.; vgl. Spener an Petersen, Frankfurt a. M., den 13.8. 1677 (AFSt A 196, p. 74): Zusendung der Artikel. 5 4 LBed. 3, (1711) 1721, 228-247. Die „Auflagen" sind dort lateinisch, die Antworten Speners deutsch verfaßt. Es handelt sich um 25 Fragen. Die Identifikation ist gesichert durch den Punkt 18, der „de praeexistentia animarum" handelt, eine Vorstellung vonJ.J. Schütz; vgl. L B 1717, 22. Petersen wußte bei der Abfassung seiner Lebensbeschreibung von diesem Abdruck allerdings nichts. Vielleicht waren Speners Antworten auch lateinisch, so daß Petersen sie nicht in den LBed. vermutet hat. Vgl. die Antworten auf [Petersens] Nachfragen in Cons. 3, 1709, 2 2 1 - 2 2 6 (12.10. 1677) bes. 223-226. 5 5 Das Sendschreiben datiert vom 17.8. 1677. 5 6 S. 373f.; betr. den Begriff von „Babel"; vgl. dazu WALLMANN, Dilfeld 1968, 221 ff. und

GRÜNBERG 1, 1 8 9 3 , 5 0 3 f. 57 L B 1717, 23; vgl. SCHULZE, Pietismus 1902, 96 und Spener an Petersen, Frankfurt a. M., den 22. 8., 30.11. 76,12. 5. 77 (aaO, p. 48. 58. 66). Zu Betke s. HEIJTING, Hendrick Beets 1973.

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ham von Frankenberg (1593-1652) 58 , Friedrich Breckling (1629-1711), Joachim Betke (1601 — 1663), Christian Hoburg (1607—1675), dann aber auch die unverdächtigeren Johann Jacob Fabricius (gest. 1673), Paul Egard (gest. 1655), Christoph Besold (1577-1638), PaulTarnov (1562-1633), Christian Gross (1602—1673), sowie die im weiteren Sinne chiliastischen Werke von „Peganius" und Moevius Volschovius (1588—1650).59 In welchem Maß diese Werke Petersens eigene Gedanken im einzelnen vorgebildet oder gefordert haben, muß hier dahingestellt bleiben.

Kampf gegen den

Katholizismus

Entschiedener war Petersens Polemik gegen den römischen Katholizismus. Im Frühjahr 1677 kam es nämlich in Lübeck zu einem von demjungen Petersen verursachten Eklat, der den Magistrat der Stadt und die kaiserliche Kanzlei beschäftigen sollte. Petersens Verhalten in dieser Sache wirft ein erhellendes Licht auf sein theologisches Selbstverständnis, insofern er sich damals wie in der Folgezeit als evangelischer Theologe profilieren wollte, der die reformatorischen Grundentscheidungen bezüglich des Schriftprinzips, der Rechtfertigungslehre und des Kirchenverständnisses immer zu wahren meinte. Auch hier trifft er sich mit Ph. J. Spener, der sich immer zur evangelisch-lutherischen Kirche als dem Hort der reinen Lehre bekannte. N u r kommen die genannten Grundentscheidungen in ihrer Ausformung als Biblizismus, Moralismus und Spiritualismus Petersens eigenem Denken sehr entgegen. Die Reformation hatte im Jahre 1530 zur Einstellung des römisch-katholischen Gottesdienstes in Lübeck gefuhrt. 60 Gleichwohl gab es weiterhin, ermöglicht durch die exemte Stellung des Domkapitels, neben den katholischen Domherren noch eine Minderheit katholischer Laien. Die obligatorische Messe wurde in den Kurien der Domherren oder einem Privathaus zelebriert. Auch wiederholte Senatdekrete gegen diese unter den gegebenen Umständen zu Unrecht verunglimpften „Winkelmessen" vermochten den katholischen Kultus nicht völlig zu unterdrücken. N u r bei öffentlichen Handlungen, vor allem also den Kasualien, schritt der Magistrat auf Ersuchen des Geistlichen Ministeriums energisch ein. In der Zeit nach dem Westfälischen Frieden setzte sich die konfessionelle Auseinandersetzung in 58

LB 1717, 23; vgl. Spener an Petersen, Frankfurt a . M . , den 28.11. 1675 (aaO, p. 39): Petersen schickt Spener von dem Mediziner Ludwig Christian Tacke (1655—1718) ein Werk Frankenbergs; vgl. Petersens Carmen auf Tacke (Werkverzeichnis). 59 Z u m Pseudonym Peganius (Knorr von Rosenroth) s. W A L L M A N N , Spener 1986, 344—348; vgl. DBA 673, 138-162 u. 938, 7 1 - 7 4 . Z u Volschovius s. Jöcher 4, 1751, 1707 und das bei Georgi von ihm verzeichnete Werk mit dem Titel „Aureum pietatis seculum; Geistlich Güldene Zeit eines Ev. Predigers, Greifswald 1645". 60 Z u m Folgenden s. ILLIGENS, Lübeck 1896, 6 7 - 8 2 .

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der Weise fort, daß die protestantische Stadt zwar die Katholiken duldete, aber argwöhnisch ihren protestantischen Besitzstand zu wahren suchte. Konkret ging es um die Frage, ob den Katholiken laut der Normaljahrsregelung des Osnabrücker Vertragswerkes ein „privatum exercitium catholicae religionis" zustand, ob sich also alle Katholiken der Stadt zu einer gottesdienstlichen Feier in einem Privathaus versammeln durften oder nicht. Rechtlich war die Antwort davon abhängig zu machen, ob ein solches exercitium im Normaljahr (1624) bestanden hatte. Im negativen Fall hätte den Katholiken nur die „devotio domestica", die Hausandacht zugestanden, was die regelmäßige Teilnahme der Gläubigen an einer Messe behindert hätte. In der Tat scheint den Lübecker Katholiken das Recht des privatum exercitium zugestanden zu haben. 61 Trotzdem wurde es ihnen immer wieder bestritten, so daß sich auch der Kaiser wiederholt mit Schutzbriefen einschalten mußte, um dieses Recht gegenüber der Stadt zu bekräftigen. Zur besonderen Spannung trug es bei, daß die Propaganda-Kongregation Jesuiten, ζ. T. konvertierte Protestanten, in die Hansestadt schickte, um dort eine Laiengemeinde aufzubauen und die Gegenreformation in Norddeutschland voranzutreiben. So brach im Jahre 1677 erneut ein heftiger Streit aus. 62 Der kaiserliche Resident Heinrich Adrian von Müller (gest. 1707) war konvertiert; mit seiner Tat entzündete er bei den in Lübeck wirkenden Jesuiten einen neuen Missionseifer. Einer von ihnen, Ernst Copper, baute in dem Lübecker Haus des Kanonikers Hering eine Kanzel auf, richtete einen Altar ein und bekräftigte damit den Anspruch auf ein „privatum exercitium catholicae religionis". Im Schutz des angesehenen Residenten begaben sich die katholischen Bürger Lübecks nun offener zu ihrem Gottesdienstraum und gaben dem Ganzen einen öffentlichen Charakter. Auch versuchten die Jesuiten weitere Bürger zur Konversion zu bewegen. Diese Entwicklung kulminierte um Ostern 1677. Zu diesem Zeitpunkt konvertierten eine Witwe, ihre zwei Kinder und ihre Nichte, später auch ihre Schwester zum Katholizismus. Die Aufregung war groß, weil man die Konvertiten mehr als Opfer der jesuitischen Propaganda denn als freie und mündige Christen ansah. Die Konvertiten stammten interessanterweise aus dem ehemaligen Lübecker Konventikeljakob Taubes und Thomas Tantos. Der Jesuit Copper wurde als Dieb und Kinderräuber verschrien und sah sich genötigt, die Konvertiten zu ihrem Schutz nach Amsterdam zu bringen. 63 Vor der Woh61

Vgl. die Dokumente für das Normaljahr bei ILLIGENS, Lübeck 1 8 9 6 , 1 6 8 - 1 8 9 . Vgl. das „Scriptum contra Jesuitas zu Lübeck gedruckt, und auf Anhalten des französischen Residenten zu Hamburg, Mr: Terlon confiscirt. 1676" nach AHL, Findbuch AA Vol. V, Nr. 2 (Vgl. Anm. 65). 63 PIEPER, Propaganda 1886, 71 und LB 1717, 24; vgl. J. G. Gichteis Brief an eine alte Lübecker Freundin namens Kathrin [Kalp ?; vgl. S C H U L Z E , Pietismus 1902, 94; anders Z A E P E R NICK, Gichtel 1982, 114: C. Berends] (Theosophia practica [1722] 1768, I, Nr. 14, S. 53-57), Amsterdam Anno 1677 (im Register falsch auf 1669 datiert): Gichtel wundert sich nicht über die Konversion: „Hat doch Tanto im Tod selbst keinen Stich gehalten; wie wanket nicht Jacobus Taub, so euer Vorsteher gewesen, und ihr folgt ihnen nach; darum wundert mich ewer 62

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nung Herings, wo der Gottesdienst stattfand, erschienen Stadtsoldaten, um die Gläubigen fortzujagen. 64 Unter diesen Eindrücken und in dieser gespannten Situation verfaßte der junge Theologe Petersen zur Hochzeit des Gottorfer Generalsuperintendenten Sebastian Niemann (1625—1684) mit der Lübeckerin Elisabeth Frese (gest. 1734) am 7. Mai 1677 ein Gratulationsgedicht, das den Zölibat der römischen Priester in scharfer Form angriff. 65 Sein Gedicht „Castis flammis theologi magni [ . . . ] hanc lapidariam sacrabat [ . . . ] " (Lübeck: M. Schmalhertz 1677), das die katholischen Geistlichen (nach Rom 1, 27) beschuldigte, eine „Masculorum Venerem" zu treiben, war für die katholischen Domherren Anlaß und Grund, beim Rat vorstellig zu werden. 66 Der weitere Hergang liegt etwas im dunkeln. Der Magistrat der Stadt scheint zunächst nicht gegen Petersen vorgegangen zu sein, zumal Petersen durch den Lübecker Superintendenten Pomarius das Zeugnis bekam, daß sein Gedicht keineswegs eine Pasquille sei und auch inhaltlich von einem evangelischen Theologen verantwortet werden könne. 67 Die katholischen Domherren Heinrich Hering und Ignatius von Bertram erreichten jedoch in Wien ein kaiserliches Reskript, durch das der Rat der Stadt Lübeck aufgefordert wurde, den Pasquillanten dingfest zu machen und zu bestrafen. Der aber hatte schon einen Ruf nach Rostock erhalten und die Stadt bereits verlassen, als das Reskript in Lübeck eintraf. 68

Professorfiir Poesie in Rostock

Das von den katholischen Domherren erwirkte kaiserliche Mandat versperrte Johann Wilhelm Petersen vorläufig den Weg in ein Pfarramt in seiner Heimat. Wieweit er auch persönlich Gefahr lief, wegen seines Angriffs auf den Zölibat der katholischen Kleriker in Haft genommen zu werden, ist Fladderey nicht; denn euch geschieht nach eurem Willen, und G O t t speiset euch nach eurer Lust und Hunger. Eine äussere Kirche habt ihr gesucht, eine äussere Lutherische Kirche habt ihr verlassen, eine äussere Päpstische Kirche habt ihr gefunden" (S. 57). Auch der ehemalige Leiter Klaus Lampe wurde katholisch (SCHULZE, Pietismus 1902, 99). 64

PIEPER, P r o p a g a n d a 1 8 8 6 , 7 1 .

65

LB 1717, 25f.; vgl. „Acta Catholicorum contra Senatum Lubecens: in aula, wegen eines v o n j o . Wilhelm Petersen auf sie verfertigten Carminis famosi. 1677" - AHL, Findbuch AA Vol. V, Nr. 3. (Die Bestände waren bis Dezember 1986 in der D D R ausgelagert; laut Auskunft des Archivs sind die nun zurückgekommenen Akten vorläufig noch nicht zu benutzen.) 66 Titel des Gedichts lt. AHL, Personalschriften L XIII, 153; früher vorhanden in StB Lübeck (2° Pers. 53). 67 Melle, Pomarius 2, 1787, 313f.; vgl. LB 1717, 2 5 - 2 7 . Zu dem kaiserlichen Residenten Georg (Dietrich) von Rondeck (1612—1678), einem Konvertiten, s. RÄSS, Convertiten 12,1875, 263-271. 68 Hering stammte aus Hamburg, war Jesuit und seit 1666 Hofkaplan in Hannover (PIEPER, Propaganda 1886, 56); Bertram stammte aus der Gegend von Jülich, hatte am Germanicum studiert und war außerdem Kanonikus in Worms und Kerpen (ILLIGENS 1896, 61); vgl. LB 1717, 24.

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unklar. Durch seinen Vater und die Schabbelsche Stiftung hatte er durchaus gute Beziehungen zu den höchsten Stellen des Stadtmagistrats, in dessen Hand die Durchführung eines solchen Mandats lag. Dieser stand selbst ständig im Streit mit dem Kaiser um die Frage des „privatum exercitium" der Katholiken in Lübeck. In dieser Situation einer jedenfalls beruflichen Unsicherheit erging an ihn der Ruf zum Professor für Poesie in Rostock. Sein Studienfreund aus Rostocker Jahren, Jakob Hieronymus Lochner (1649—1700), der im Jahr zuvor diese Stelle angetreten hatte, und vielleicht die Kuratoren der Schabbelschen Stiftung hatten ihn über August Varenius (1620—1684), Professor für hebräische Sprache in Rostock, dem Herzog Gustav Adolph von Mecklenburg (1633—1695) empfohlen. So ließ Petersen vorläufig die „adversasJesuitarum quorundam machinationes" hinter sich.69 Lochner war kurz zuvor zum Pastor an die Nikolaikirche nach Wismar, der Heimatstadt der Schabbelschen Familie, berufen worden. Petersen selbst hatte noch im Frühjahr 1677 mit einer Berufung nach Wismar gerechnet. Ph. J. Spener schreibt ihm am 12. Mai 1677 aus Frankfurt: „Wie wünschte ich, daß D u in ein kirchliches A m t in Wismar kämest. Wir rufen G O T T inbrünstig an, daß er Dir dort oder anderswo eine Gemeinde bietet, in deren Leitung er durch Deine Kräfte segensreich nach seinem Beschluß wirken will. So geschehe e s ! " 7 0

Schon war auch von einer Probepredigt die Rede. 71 Sein gerade veröffentlichtes Gedicht auf die katholischen Domherren war dann freilich keine gute Empfehlung. So übernahm Lochner am 24. Juni 1677 das Pfarramt an der Nikolaikirche und überließ Petersen seine Professur. 72 Immerhin war aber auch Lochner ein Stipendiat der Schabbelschen Stiftung. 73 Am 13. August 1677 gratuliert Spener Petersen zur Professur, macht dabei aber deutlich, daß die Professur seiner Meinung nach nur ein Durchgangsstadium zur eigentlichen Aufgabe und Bestimmung Petersens sein kann, zum kirchlichen Dienst: „Zur Berufung auf die Rostocker Professur gratuliere ich Dir von 6 9 Schomerus, P r o g r a m m a inauguralis 1686 (nicht auffindbar) nach Burgmann-Mantzel 1737,381. 7 0 A F S t A 196, p. 70 (Postskript): „Wismariae quam te vellem a d m o t u m officioEcclesiastico! D E V M ardenter invocamus ut vel ibi vel alibi coetum tibi ostendat, in cujus moderamine laboribus tuis benedicere decrevit. Fiat!" 71 L B 1717, 27; vgl. Spener an Petersen, Frankfurt a . M . , den 13.2. 1677 (AFSt A 196, ρ. 84f.): „ Q u i d de Wismaria D E V S velit, experieris, si ejus Te commiseris ductui. A Patronis jussus sermone habito sacro | studiorum et charismatum edere specimen ne refragere, reliqua D E O committe!" [„Was G O T T mit Wismar vorhat, wirst D u erfahren, wenn D u Dich seiner Führung anvertraust. Wenn Dir von den Patronen (seil, der Schabbelschen Stiftung) aufgetragen wird, in einer Predigt eine Probe Deiner Studien und Gaben vorzuweisen, widerstehe nicht und überlasse das übrige Gott!"]; vgl. ebd., 85: Spener will Petersen ein Predigtkonzept schicken. 7 2 WILLGEROTH 3, 1925, 1379; vgl. L B 1717, 27: Danach hätten sowohl Lochner als auch Petersen Probepredigten gehalten und sich gegenseitig empfohlen. 7 3 Seelen, Jubilaeum 1738, 50f.

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Herzen; G O T T füge es so, daß sie eine Stufe zu den Ämtern sei, in denen D u Dich als ein nützlicheres Werkzeug seiner Ehre erweist. " 7 4 Als Petersen im September 1677 sein neues Amt feierlich antrat, wurde er noch in demselben Monat für das Pastorat an der Aegidienkirche in Hannover ins Gespräch gebracht, das er auch nachher bekleidete. 75 Über die kurze Zeit Petersens in Rostock gibt es daher nur wenig zu berichten. Der neue Professor für Poesie versuchte, darin Reformgedanken der Orthodoxie, zum Beispiel Heinrich Müllers und des Professors für Mathematik und Pfarrers an der Jakobikirche in Rostock, Jakob Hermann Becker (1632—1681), aufnehmend, die (Schul-) Poesie von einer sorglosen Durchsetzung mit heidnischer Mythologie, wie sie im Barock üblich war, zu befreien. Ja, selbst die eigentlich doch adiaphorische Rhetorik der heidnischen Poeten mußte sich den Vergleich mit dem in der Bibel bezeugten Geist Christi gefallen lassen und unterlag bei diesem Vergleich. 76 Statt über Ovid las Petersen über Hermann Hugos (1588—1639) Pia Desideria (1632; dt. 1672 „Die Klage der büßenden Seele"), „der den Ovidium und seinen stylum überaus schön exprimiret". 7 7 Daß H u g o ein Jesuit war, störte offenbar nicht. Ein weiteres Zeugnis seines religiösen, aber noch nicht spezifisch pietistischen Eifers legte Petersen in seiner Einladung zu zwei öffentlichen Vorträgen (am 22. und 25. Oktober 1677) ab, bei denen seine Schüler, Johann Augustin Lichtwer aus Dresden und Christoph Friedrich Kiene (1655—1721) aus Lübeck, die Feuersbrunst in Rostock, die dort v o m 11. bis 15. August 1676 gewütet hatte, in poetischer Form beschrieben. 78 Petersen sah darin in gut orthodoxem Sinn eine Strafe Gottes für „unsere Sünden". 7 9 Trotzdem erregte er damit den Widerwillen des Rostokker Juraprofessors Christoph Redeker (1652—1704). O b das irgendwelche Folgen hatte, ist nicht bekannt. Die Mitteilung Petersens über diese Anfeindung gehört wohl zu seiner Selbststilisierung als ein von der Welt Verfolgter.

74 AFSt A 196, p. 73: „De vocatione ad professionem Rostochiensem ex animo gratulor, jubeat D E V S gradum esse ad ea munia, in quibus gloriae ipsius utilius evadas instrumentum"; vgl. ebd., 70, wo Spener Petersen auffordert, auch als Professor nicht auf homiletische Übungen zu verzichten. 7 5 Petersens Amtsantritt nach Schomerus, Programma Inauguralis bei Burgmann-Mantzel 1737, 381 f. (wie Anm. 69) und Bertram, Lüneburg 1719, 259; vgl. Cons. 3, 1709, 221-226 und S. 111 Anm. 86). Zur Berufung nach Hannover s. u. 76

L B 1717, 28 f.; v g l . LEUBE, R e f o r m i d e e n 1924, 68.

L B 1717, 28; vgl. Petersens Eintreten für eine christliche Poesie in der Vorrede zu Uranias 1720, 15 und das Thema von Petersens nicht überlieferter Antrittspredigt (SV 2, 33). 7 8 Kiene, p. B2 b -B3 J ; vgl. Franck, Mecklenburg 14, 1756, 307 f. Es handelt sich um: Chr. F.Kiene, Rostockische || Feuers-Brunst/1| auf der Rostockischen hohen Schul || öffentlich bethränt || [ . . . ] Rostock 1677 ( N S u U B Göttingen) und Joh. Aug. Lichtwer, Miserabilis flagrantis || Rostochii facies|| Q v a m || Deo duce in alma Rosarum|| die 23. Octobris || Anni 1677. II memoriter repraesentabat|| [ . . . ] Rostock [1677] ( N S u U B Göttingen). 7 9 L B 1717, 28 f. Vgl. Kiene, aaO, Bl. A 2 b - A3 b und Lichtwer, aaO, Bl. A 2 b - A4 b . Zum Problem s. LEUBE, Reformideen 1924, 66f. 77

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II. Pastor in

Hannover

Berufung

Die Rostocker Professur für Poesie war für Petersen in der Tat nur eine Station auf dem Weg zu einer kirchlichen Aufgabe. Schon die Verpflichtung, die er mit der Annahme des Schabbelschen Stipendiums eingegangen war, erforderte ein geistliches Amt. Der Hergang der Berufung Petersens nach Hannover läßt sich nicht mehr im einzelnen nachzeichnen. Sie wurde offenbar von einem nicht weiter bekannten Studenten und Freund Petersens aus Lübeck, Franz Heinrich Pingeling(k), befördert (s. S. 103). Der Vorgang ist ein ganz anschauliches Beispiel für die „Mund-Propaganda" und Empfehlungen, die bei Berufungen von auswärtigen Geistlichen von entscheidender Bedeutung waren. 80 Pingeling war mit einflußreichen Bürgern Hannovers in die Stadt an der Leine gefahren. Diese fanden Gefallen am „Christlichen Discours und guten Conduite" des Studenten und versuchten ihn zu bewegen, das vakante Pastorat an der Aegidienkirche zu übernehmen. Pingeling aber, „weil er sich aus Demuth für incapable hielte", lehnte ab und schlug seinen Reisegefährten als geeigneten Kandidaten Petersen vor. Die Hannoveraner Bürger wurden daraufhin beim Rat der Stadt vorstellig und erwirkten, daß der Rat als Patronatsherr Petersen „sofort" berief. 81 Petersen selbst sah seinen Weg nach Hannover wiederum als ein Werk der göttlichen Providentia specialis an, die ihn vor den weiteren Verfolgungen der Lübecker Katholiken schützte. Er gibt verschiedene, „menschliche" Gründe an, die alle für ein Bleibenin Rostock sprachen und gegen die sich die göttliche Hand durchsetzte. So habe ihn sein Kostherr, August Varenius, in die Theologische Fakultät befördern wollen, ihm auch die Gefahr der jesuitischen Verfolgung ausgemalt, der er sich in Hannover eher aussetzen würde als in Rostock, weil in Hannover mit Herzogjohann Friedrich (1625—1679) ein zum Katholizismus konvertierter Fürst das Land regierte. Petersen selbst wäre lieber in Rostock geblieben, weil er sich nicht zutraute, das verantwortliche Amt eines Seelenhirten zu übernehmen. 82 U m zu prüfen, ob die Vokation „göttlich" sei, schlug er daher die erste Berufung nach Hannover ab, darin dem „frommen Professor [Hermann] Becker" in Rostock folgend. 83 Petersen muß bei seiner abschlägigen Antwort selbst auf seinen Streit mit den Lübecker Domherren 80

LB 1717, 30f.; vgl. Speners Berufung nach Frankfurt (WALLMANN, Spener 1986, 191). LB 1717, 30. Das Pastorat der Aegidienkirche war vakant durch die Berufung des bisherigen Stelleninhabers, M. Konrad Christoph Heinemann (1647—1706), an die Marktkirche (1677-1706); vgl. MEYER, Pastoren 1, 1941, 417 und 435. Z u m Patronatsrecht s. Schlegel, Kirchenrecht 4, 1804, 5 1 3 - 5 1 6 . 82 LB 1717, 31. 83 LB 1717, 30. Becker war seit 1671 Pastor an der Jacobikirche und Professor der niederen Mathematik, nachdem er auf seinen Lehrstuhl fur Physik und Metaphysik verzichtet hatte; Krey, Andenken 1, 1816, 18. 81

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ker Domherren hingewiesen haben, denn Ende September oder Anfang Oktober kam Pingeling mit der Nachricht aus Hannover zurück, daß man trotzdem an Petersens Berufung festhalte. 84 Ausschlaggebend für die Annahme der Berufung nach Hannover dürfte dann in der Tat die erneute Gefahr einer Arretierung Petersens gewesen sein. Anfang Oktober hatten jedenfalls die Lübecker Domherren ein neues kaiserliches Mandat gegen Petersen erwirkt und über den kaiserlichen Gesandten von Rondeck in Hamburg nach Lübeck schicken lassen.85 Unsicher mag Petersen geworden sein, als er beim Landtag in Rostock, der dort seit dem 3. Oktober 1677 stattfand, keine Unterstützung und keinen persönlichen Schutz fand. Auch war er nicht einmal offiziell in seine Professur eingeführt worden. 86 Schon am 28. November des Jahres finden wir Petersen in Hannover, wo er das Berufungsschreiben des Rats entgegennimmt und beantwortet. 87 Johann Wilhelm Petersen war ein knappes Jahr lang Pastor an der Aegidienkirche in Hannover, die heute nur noch als Ruine steht. Es war sein erstes geistliches Amt, und der junge Mann scheint engagiert bei der Sache gewesen zu sein. Freilich war sein Engagement von dem Idealismus und Optimismus dessen getragen, der zum ersten Mal eine solche gestalterische Aufgabe übernahm. Petersen glaubte an seine Möglichkeit und Fähigkeit, die Sache Gottes wirklich und merklich fördern zu können, und er glaubte, daß Gott ihm den Segen für seine Arbeit nicht versagen werde. Dieser Eindruck stützt sich auf ein paar Äußerungen und Nachrichten über seine Hannoveraner Zeit, die im übrigen kaum Spuren in den erhaltenen Quellen hinterlassen hat.

Pastorale

Tätigkeit

Das markanteste Zeichen, das er in Hannover als junger Stadtpfarrer setzte, war seine Entscheidung, bei der regelmäßigen Privatbeichte aufjedes 84

J. W. Petersen an Α. H. Gloxin, Rostock, den 3.10. 1677- AHL. Dem dort wiedergegebenen Bericht Pingelings ist offenbar ein früherer vorausgegangen, da Gloxin schon über die Berufung nach Hannover informiert war. 85 J. W. Petersen an Α. H. Gloxin, Rostock, den 3.10. 1677- AHL. 86 LB 1717, 29f. Zum Landtag s. WAGNER, Herzog 1906, 142 und Franck, Mecklenburg 14, 1756, 314.326. Zur Amtseinführung s. J.W. Petersen an A.H. Gloxin, Rostock, den 3.10. 1677- AHL (Dem widerspricht die Nachricht S. 109 Anm. 75 nicht notwendigerweise). Die Introduktion hat dann schließlich doch stattgefunden. Zu dem in LB 1717, 29 erwähnten Otto Fritz von Oldenburg aus Rheinshagen bei Doberau und Güstrow - der dortige Prediger war 1647-1676 M.Erich Tiemendorf aus H a n n o v e r - s . Arnold, KuKH 2, 1729, 1096: „demeGott grosse gaben und verstand von dem geheimniß und harmonie der Zeiten im gantzen altem Testament und dessen concordantz mit dem neuen Testament, und der nun vorhandenen gerichte Gottes über gantz Europam gegeben". Arnold vermerkt eine gedruckte Schrift von ihm: Spiegel der Christen, 1691 und seinen Tod in Arn[heim]/ Niederlande. 87 StA Hannover, AA XIV, 5 Nr. 9.

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Beichtgeld zu verzichten. 88 Das Beichtgeld war in jener Zeit eigentlich ein freiwilliger und auch in der Höhe nicht festgelegter Betrag, den die Beichtenden ihrem Beichtvater wie die fur Kasualhandlungen geforderten Stolgebühren erbrachten. Die Stolgebühren und mit ihnen das herkömmlich gewährte Beichtgeld machten einen wesentlichen Beitrag der Bezüge eines Pfarrers aus. 8 9 Der junge und unverheiratete Aegidienpfarrer hob mit seinem offenen Verzicht auf den Beichtpfennig den sozialen, auf Sitte und Herkommen begründeten Zwang den Beichtvater fur seine Leistung zu honorieren praktisch auf. Er tat dies sicher in bester Absicht und aus religiösen Gründen; etwa u m der frommen Armen willen, die niemals ihre Armut eingestehen würden, nur u m den herkömmlichen Beichtpfennig nicht entrichten zu müssen. 9 0 N o c h waren es bei Petersen keine grundsätzlichen, theologischen Bedenken gegen die Privatbeichte überhaupt, die ihn zu seiner Entscheidung geführt hätten. 91 Eher scheint Petersen hier seinem Rostocker Lehrer Heinrich Müller (1631 — 1675), dem bekannten orthodoxen Reformer und Erbauungsschriftsteller, gefolgt zu sein, der in Anlehnung an Jesu antikultische Kritik (Mt 21, 12f.) den Beichtpfennig verwarf, weil er den Beichtstuhl zur Zollbude mache. 92 Müller vermißte bei seinen Zeitgenossen jede persönliche, innerliche und demütige Frömmigkeit. Statt dessen mußte er sehen, wie selbst die Kirchen immer mehr durch ungebührliches Verhalten profanisiert wurden. 9 3 Petersen folgte Müller in seinem Bestreben, christliche Werte und N o r m e n wenigstens im Bereich der Kirche wieder in Kraft zu setzen und Kirche und Religion vor einer Verweltlichung zu bewahren. Bei seinen Kollegen, die ihrerseits nun unter Legitimationsdruck standen, erregte Petersen natürlicherweise heftigen Anstoß. Man braucht bei ihnen nicht einmal Geiz zu vermuten; schließlich ging es ihnen nur u m den Erhalt der ihnen von Alters her gewährten Einkünfte. 9 4 Zudem zog ihnen ihr neuer Kollege mit seiner populären Entscheidung auch ihre Pfarrkinder weg. Große Folgen hatte die Maßnahme Petersens freilich nicht. Es gibt keine LB 1717, 35f.; vgl. Spener an Petersen, 31.1. 1678 (Cons. 1, 1709, 131-134 bes. 133). Genauere Berechnungen sind mir allerdings nicht bekannt. Vgl. FERTSCH, Beichtgeld 1830, 12f. Nach L B 1717, 220 hat Petersen sich mit dem Verzicht auf das Beichtgeld um sein Vermögen gebracht. Daß das Beichtgeld eine einträgliche Quelle gewesen sein muß, geht allein schon aus der Anzahl der Beichtkinder hervor. In Lüneburg hatte Petersen 800 (Ablehnung 1692, 2). 90 Vgl. Mt 6, 1 - 1 8 . 91 Zur pietistischen Ablehnung der Privatbeichte s. OBST, Beichtstuhl 1972; vgl. S. 138. 9 2 LEUBE, Reformideen 1924,68. Vgl. Müller, Liebeskuß 1679,198: „die auß dem Tempel ein Kramer=Bude/ und auß dem Beicht=Hauß ein Kauff=Hauß machen". 9 3 Vgl. LEUBE, aaO, 67—70. Die Ablehnung des Beichtpfennigs durch radikale, spiritualistische Kreise, wie z . B . durch Christian Hoburg (NERLING 1950, 71. 76), dürfte für Petersen angesichts des Einflusses von Müller (LB 1717, 12) ohne Belang gewesen sein. 9 4 Die bei JAKUBOWSKI-TIESSEN 1983, 39 wiedergegebene Anekdote von einem Totschlag wegen zu geringer Beichtgeldzahlung ist sicher in keiner Weise symptomatisch oder bezeichnend. 88

89

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Hinweise dafür, daß sich die Angelegenheit zu einem Aktenfall für eine vorgesetzte Behörde entwickelt hätte. Der Hannoveraner Generalsuperintendent (1674-1680), Konsistoriale und Kirchendirektor (1674-1722) Gerhard Wolter Molanus konnte offenbar erfolgreich vermitteln. Selbst der katholische Landesherr, Herzog Friedrich, der Petersen predigen gehört hatte, versprach, Sorge um ihn zu tragen, falls er von seinen Kollegen angegriffen würde. 95 Solcher Protektion waren die Hannoveraner Pfarrer nicht gewachsen. Vor allem aber erwies sich ein Vorschlag von Petersens vertrautem Freund Christian Specht, Pfarrer an der Kreuzkirche, als wirkungsvolles Korrektiv gegenüber dem Verzicht auf den Beichtpfennig. 96 Specht ermunterte Petersen, darin dessen eigenen, strengen Anspruch anspornend, die Beichtenden vor der Beichte erst zu examinieren und ihre Katechismuskenntnisse zu überprüfen. 97 Damit sank natürlich die Attraktivität Petersens als Beichtvater erheblich, so daß sich die Zahl der Konfitenten alsbald wieder bei dem üblichen Maß einpendelte. Petersens Predigten waren von frommem Eifer durchdrungen und trieben die Zuhörer zu einer christlichen Existenzweise, wie Spener sie gefordert hatte. Die Kreuzigung des Fleisches und die Selbstverleugnung als Vorstufe zur Wiedergeburt sind ihr Thema. Aber Petersen sah offenbar anders als Spener gar nicht die groben und subtilen Hindernisse, die der Selbstverleugnung entgegenstanden. Für Petersen war es nur eine Frage des Willens und einer konsequenten Entscheidung. 98 Spener mußte daher Petersens Eifer in der Sache, deren Richtigkeit er an sich bestätigte, dämpfen, indem er Petersens Anspruch zu mildern versuchte. Dort, wo Ansätze zur Umkehr und guter Wille zu einem neuen Leben sichtbar seien, gelte es Mäßigung, Nachsicht und Geduld zu üben: „Deine Lehre ist richtig, daß Du forderst, daß das Fleisch kraft des Todes Christi gekreuzigt werde, daß Du verkündest, daß niemand anders an Tod und Verdienst Christi Anteil hat, als wer auch den Sünden abzusterben sich anstrengt. Davon sollst Du nichts zurücknehmen; obwohl aber diese Lehre nichts Falsches fordert, wirst Du trotzdem mehr und mehr erfahren, daß sie mit der Welt unverträglich ist, wie Du versicherst, schon in dieser kurzen Zeit, Zeugnisse dieser Sache gesehen zu haben. Für dieses eine aber trage besondere Sorge, daß Du diejenigen, die, wie Du schreibst, obwohl sie sich bemühen, nicht länger der Welt zu gefallen, trotzdem bislang ablehnen, gegen die Welt zu kämpfen, mit Mäßigung und Geduld behandelst. Einstweilen habe fur uns jenes Symbol die Bedeutung einer Regel: Wer nicht gegen uns ist, ist für uns [Vgl. M k 9 , 4 0 ] . " " 95

Spener an Petersen, Frankfurt a. M., den 16.3. 1678 (AFSt A 196, p. 89). Zu Specht s. MEYER, Pastoren 1, 1941, 430: Pastor in Hannover 1676—1689. Specht war später Amtsnachfolger Petersens in Eutin. 97 Bertram, Lüneburg 1719, 259. 98 Vgl. S. 244. 99 Spener an Petersen, Frankfurt a. M., den 16.3. 1678 (aaO, p. 86f.): „Doctrina tua recte se habet, quod carnem virtute mortis Christi crucifigi postulas, quod non alios mortis Christi atque meriti participes pronuncias, quam qui peccatis etiam mori student. Ex hac nihil remittes; verum cum falsi postulari haec doctrina nequeat, experieris tarnen magis magisque intolerabilem cum mundo esse, uti jam brevi isto tempore cujus rei documenta vidisse asseris. In hoc uno 96

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Die Äußerungen Speners lassen erahnen, wie Petersen versucht haben mag, eine gründliche, sichtbare und erfahrbare Umkehr und Heiligung der ihm anvertrauten Gemeinde zu erzwingen. Daß die Wirklichkeit hinter seinem Ideal weit zurückblieb, mußte unter diesen Umständen von Petersen als Schuld begriffen werden. Einen gewissen christlichen Aktionismus bezeugt schließlich eine weitere, kurze Nachricht aus Speners Briefen. Danach hat der Hannoveraner Pastor ein gemeinsames Gebet angeregt, das er mit seiner Gemeinde (?) und Spener mit der seinigen oder seinem Collegium am 10. März 1678 (Sonntag Laetare) zu gleicher Zeit verrichteten. 100 Erläutert und begründet hat Petersen seinen Wunsch nicht; aber er versprach sich von einer solchen frommen, gemeinschaftlichen Aktion offenbar Segen für die Kirche. Überhaupt blieb Petersen mit den Frankfurter Freunden in enger Verbundenheit. Er nahm auch von Hannover aus Anteil an den Schwierigkeiten, die Spener in Frankfurt nun mehr und mehr zu schaffen machten, erfuhr von den Maßnahmen gegen den Frankfurter Senior und gegen das Fräulein von Merlau und reihte sich selbst mit seiner Arbeit und seinen Diensten in die pietistische Bewegung ein.101

Niels

Stensen

Petersen wirkte in Hannover neben einer bedeutenden, kirchlichen Persönlichkeit, die gewissermaßen eine andere Möglichkeit fur einen religiösen Menschen des 17. Jahrhunderts darstellte, der an den Unzulänglichkeiten der protestantischen Prinzipien litt. Gemeint ist der angesehene Naturwissenschaftler und spätere Bischof des apostolischen Vikariats des Nordens, der Däne Niels Stensen. 102 Stensen wurde 1638 in Kopenhagen als Kind lutherischer Eltern geboren, wandte sich in seinen Universitätsjahren anatomischen Studien zu, deren bekanntestes Ergebnis die Entdeckung des „ductus Stenonianus", des Speichelkanals von der Ohrspeicheldrüse in die vero inprimis tibi prospice, ut eos, qui ut scribis, cum mundo non amplius placere student, contra mundum tarnen pugnare adhuc detrectant, multa | cum mansuetudine ac patientia tractes. Aliquamdiu illud symbolum regulae instar nobis sit, qui non contra nos pro nobis est". Bemerkenswert ist, wie Spener hier sich und seine Anhänger analog zu Jesu Verkündigung als „Bewegung" versteht. 100 Spener an Petersen, Frankfurt a. M., den 16.3. 1678 (aaO, p. 88): „Quod petiisti ut d. 10 Martii hora vespertina quinta nostras vestris sociaremus preces, factum est, et quidem illum ignotum nobis, a quo vero Ecclesiae plurimum promittis, DEo pie commendavimus"; vgl. Spener an [Johann Fischer], 16.4. 1679 (Cons. 3, 1709, 289-292 bes. 291 f.: „de unitarum precum virtute"). 101 In den Zusammenhang mit den landesherrlichen Maßnahmen gegen Spener, seine Collegia und Freunde dürfte Petersens angebliches „Obstat" gegen Balthasar Mentzer gehören (LB 1717, 21), über dessen konkrete Gestalt aber nichts bekannt ist. 102 Über ihn sowie das folgende s. LB 1717, 31—35 und dazu PIEPER, Propaganda 1886; Stensen, Epistolae 1, 1952; B I E R B A U M 1958; P L E N K E R S 1884.

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Mundhöhle, war; er bereiste in seinem Wissensdrang Europa, studierte in Kopenhagen, Amsterdam und Paris, bis er im Winter 1665 nach Italien kam und dort im Kreise seiner katholischen Gönner und Freunde um den Großherzog von Florenz, Ferdinand I. vonMedici (1610—1670), der lutherischen Lehre abschwor und zum Katholizismus konvertierte. Auch nach seiner Konversion im November 1667 konnte er von 1672—1674 im protestantischen Kopenhagen lehren und seiner hervorragenden wissenschaftlichen Begabung nachgehen. A m Ende des Jahres 1674 zog es ihn wieder nach Florenz, w o er die Erziehung des Erbprinzen Ferdinand von Medici übernahm. Die religiöse Frage scheint ihn nicht in Ruhe gelassen zu haben. Im folgenden Jahr tritt der gelehrte Mann in den Priesterstand ein und wird zwei Jahre später zum Titularbischof von Titiopolis geweiht. Die Weihe zum Bischof hatte ein klares Ziel. Der konvertierte Protestant sollte in seiner nordischen Heimat den Katholizismus stärken. U n d wer war für eine solche Aufgabe geeigneter als ein anerkannter Wissenschaftler, der seinen angeblichen Irrtum eingesehen und eingestanden hatte? Die Reformation hatte im europäischen Norden den Katholizismus fast vollständig verdrängt. In R o m war daher im Jahre 1622 die Kongregation „de propaganda fidei" gegründet worden, die die Diasporagemeinden geistlich versorgen und leiten sollte. Die versprengten katholischen Gemeinden waren wertvolle Stützpunkte für einen nun in Angriff genommenen Rekatholisierungsversuch, für die Gegenreformation. Als Mittelglieder zu den nordischen Missionen wirkten die Nuntiaturen in Köln, Brüssel und in Polen. Neue Chancen eröffneten sich der Kongregation, als Herzog Johann Friedrich von Braunschweig-Lüneburg 1651 in Italien konvertierte. Damit war ein Mitglied eines der bedeutendsten protestantischen Häuser wieder in den Schoß der katholischen Kirche zurückgekehrt. Johann Friedrich freilich blieb vorläufig noch im Ausland, weil ihm seine Brüder einen katholischen Gottesdienst in der Schloßkirche in Hannover verwehrten. Nach einigen Wirren wurde Johann Friedrich schließlich im Jahre 1665 regierender Herzog von Calenberg-Göttingen und Grubenhagen. Alsbald ließ er seinen Vertrauten aus Italien, den adligen Priester Valerio dei Maccioni, holen und noch in demselben Jahr die erste Messe im hannoverischen Schloß feiern. 103 Johann Friedrich erreichte schließlich nach zähen Verhandlungen mit den Ständen und der Landesuniversität Helmstedt, daß auch die Schloßkirche am Dreifaltigkeitssonntag 1666 wieder dem katholischen Gottesdienst geöffnet wurde. D e m Priester des Herzogs wurde als Hofkaplan der Lübecker Kanoniker Heinrich Hering zur Seite gestellt. 104 Angesichts der Bedeutung, die Johann Friedrich für die katholische Kirche besaß, war es nur folgerichtig, daß sein Hofpriester zum apostolischen Vikar unter der Aufsicht der 103

ZuJ. Friedrichs Konversion s. ζ. B. HAVEMANN, Geschichte 3, 1857, 217-227 und zu den

Thronwirren ebd., 2 1 3 - 2 1 7 .

104 PiEpER Propaganda 1886, 56 ; vgl. S. 107. Vermutlich war er in der Mitte der siebziger Jahre, als Petersen nach Hannover kam, nicht mehr dort.

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Kölner Nuntiatur ernannt und mit der Verwaltung der nordischen Missionen vor allem in N o r d - und Mitteldeutschland beauftragt wurde. Schon 1668 folgte die Weihe zum Bischof, damit Maccioni auch die bischöflichen Sakramente spenden und bischöfliche Funktionen ausüben konnte. Er wurde Titularbischofeines untergegangenen Bistums (Marokko), weil man u m des Friedens willen kein ehemaliges Bistum Norddeutschlands restaurieren wollte und konnte. Nachdem Maccioni am 5. September 1676 gestorben war, wurde Stensen für seine Nachfolge von Johann Friedrich vorgeschlagen. Nach vollzogener Weihe machte sich Stensen alsbald zu Fuß von Rom nach Hannover auf, wo er um den 9. November 1677 erschien. 105 N u r kurze Zeit blieb ihm für seine Wirksamkeit in Hannover. Denn mit dem Tode Johann Friedrichs (1679) und der Nachfolge Ernst Augusts mußten die katholischen Würdenträger und die von ihnen mitgebrachten Kapuzinermönche Hannover wieder verlassen. Stensen hat in Hannover persönlich viel für das Ansehen des Katholizismus getan. Er war ein großer Prediger, vermochte seine Gemeinde zu erbauen, führte einen für seine Zeit vorbildlichen Lebenswandel in christlicher Bescheidenheit, Selbstlosigkeit und Demut und konnte dadurch auch viele Protestanten für den Katholizismus gewinnen. 106 Speners Analyse der Krise des Protestantismus in seinen „Pia Desideria" gewinnt vor solchem kraftvollen, auf Überzeugung und beispielhafter Lebensführung gegründeten Vordringen des Katholizismus seine beängstigende Dringlichkeit. Dabei waren es vor allem zwei Probleme, die für religiöse Menschen den Protestantismus verdächtig machten. Beide Probleme waren auch Gründe der Konversion Stensens. Z u m einen hatte der Protestantismus keineswegs das Leben und die Sitten gebessert. Daß die Rechtfertigungslehre immer in der Gefahr stand, zur „Einbildung" einer billigen Gnade zu werden, das haben auch die protestantischen Kirchenkritiker bis hin zu den Spiritualisten ihrer Kirche ständig vorgehalten. Sie meinten deshalb die orthodoxe Rechtfertigungslehre verändern, ergänzen oder modifizieren zu müssen. In der Lebenspraxis sollte die Rechtfertigung nach ihrer Meinung wirksam als Heiligung hervortreten. Z u m anderen erwies sich das Schriftprinzip keineswegs als brauchbare N o r m der Lehre. Die innerreformatorischen und innerkirchlichen Streitigkeiten zeigten allzu deutlich, daß die gemeinsame Schriftgrundlage noch keine gemeinsame Wahrheitserkenntnis verbürgte. Der Wissenschaftler Stensen betonte daher die Notwendigkeit eines unfehlbaren, auf der Autorität der ehrwürdigen Tradition beruhenden Lehramtes, das den Gläubigen ihre Unsicherheit, ihre Zweifel und Skrupel abnehmen konnte. 107 Der junge 105

PIEPER, Propaganda 1886, 93 und Stensen, Epistolae 1, 1952, 366; vgl. LB 1717, 31. So sollen in seiner Amtszeit in Hannover einhundert Gläubige konvertiert sein, darunter auch fürstliche Personen; B I E R B A U M , Stensen 1 9 5 9 , 8 1 ; vgl. PIEPER 1 8 8 6 , 6 5 . 107 Y G I PLENKERS 1884, 141 f. Das Argument ist schon aus Luthers Auseinandersetzung mit 106

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Petersen setzte sich mit dieser anderen, der römisch-katholischen Möglichkeit einer Überwindung der protestantischen Krise auseinander, ohne ihr zu erliegen. Mit Stensen trifft er sich in der Betonung der christlichen Lebensführung, der „praxis pietatis", und der Hochschätzung des erbaulichen Gesprächs. Hierauf beruht der gute und freundschaftliche Umgang, den Petersen mit Stensen, seinem Mitarbeiter Jakob von Rautenfelß 108 und anderen Katholiken Hannovers pflegte und der ihm den Vorwurf des Kryptokatholizismus einbrachte. 109 Konkreter Anlaß fur eine Begegnung Petersens mit den Katholiken Hannovers war dadurch geschaffen, daß die Kapuziner am Aegidientor, unweit von Petersens Pfarrkirche, zu ihrer Erholung einen Garten mit einem Lusthaus unterhielten. 110 Die Freundschaft zu Stensen verschaffte Petersen wohl auch die Gunst und den Schutz vor weiterer Strafverfolgung wegen seines Lübecker Hochzeitsgedichts. Der Gegensatz zu Stensen blieb aber in der Frage des Schriftprinzips bestehen. Auf diesem Erkenntnisprinzip waren der protestantische Stolz und das humanistische Selbstbewußtsein Petersens aufgebaut. 1 " Mit Petersens Berufung nach Eutin verlief sich die Bekanntschaft mit Stensen und Rautenfelß wieder. Für beide war Petersen einer unter vielen Protestanten, die man für sich gewinnen wollte. Einen tieferen Eindruck scheint der junge Pastor auf die beiden nicht gemacht zu haben. 112

seinen katholischen Gegnern (Latomus, Erasmus) und im 17. Jahrhundert aus der Diskussion J. Gerhards mit R. Bellarmin bekannt (KIRSTE, Zeugnis 1976). 108 J. v. Rautenfelß stammt aus der evangelischen, kurländischen Familie Meyer gen. Rautenfelß. Sein Großvater Heinrich Meyer war Superintendent in Kurland. In Florenz wurde er von Stensen bekehrt und ging dann mit ihm nach Hannover. Er starb 1681 (Stensen, Epistolae 2, 1952, 41 f.). 109 Spener a n j . W. Petersen, Frankfurt a. M., den 16.3. 1678 (AFSt A 196, p. 8 6 - 9 2 bes. 88). 110 Stensen, Epistolae 1, 1952, 366 und Spener an J.W. Petersen, Frankfurt a. M., den 16.3. 1678 (aaO, p. 88). 111 Z u m einzelnen s. LB 1717, 33—35. Bei der dort diskutierten Stelle ging es um die Zulässigkeit einer mariologischen Interpretation von Gen 3, 15; vgl. dazu die Erwähnung dieser Auseinandersetzung in Omnia 1686, § 17. 1,2 In Stensens Briefwechsel wird nie von Petersen berichtet. Zu Jöchers (4, 1751, 813) falschen Identifizierung des Adressaten (seil. Petersen) von Stensens „epist. ad virum eruditum" s. PLENKERS 1884, 118. O b sich einige, nennenswerte Notizen in den Berichten an die Kölner Nuntiatur im Vatikanischen Archiv oder in den Briefen von Rautenfels (Bibl. Nat. Florenz) erhalten haben, war bislang nicht zu ermitteln; vgl. PIEPER, Propaganda 1886, 70 und Stensen, Epistolae 1, 1952,42.

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Vierter Teil: Superintendent und Hofprediger in Eutin I. Kirchliche

Etablierung

Berufung nach Eutin

Auch in Hannover übte Petersen sein Amt nur wenige Monate aus. Spätestens im April 1678 wurden ihm das Hofpredigeramt in Eutin und die damit verbundene Superintendentur über das protestantische Fürstbistum Lübeck angetragen. Ph. J. Spener, den Petersen offenbar um seine Meinung gefragt hatte, empfahl ihm damals, auf dergleichen Ehren zu verzichten und bei seiner hannoverischen Gemeinde zu bleiben. In seiner Antwort läßt Spener unentschieden, wo Petersen vor den immer noch gefurchteten Verfolgungen der Jesuiten sicherer sei, ob unter der Gunst seines bisherigen katholischen Landesherren oder in Eutin. Wichtiger war ihm die Frage nach dem Nutzen fur die Kirche. In Hannover war nach Ansicht von Petersens geistigem Vater noch viel Gutes zu säen und zu ernten. 1 Dem pietistischen Praktiker, der Spener wie viele seiner Freunde war, schien die Reform der lutherischen Kirche eher durch intensive Erbauungsarbeit in den einzelnen Gemeinden „von unten" erreichbar zu sein als durch Programme und Anordnungen leitender Kirchenmänner. Die weitere Entwicklung sollte jedoch zeigen, wie wenig Petersen von dem praktischen Reformeifer Speners und seiner Anhänger angesteckt war und wie wenig er ihn teilen konnte. Der Vorgang der Berufung läßt sich im großen und ganzen rekonstruieren. Petersens Vorgänger in Eutin, Christian von Stöcken (1633—1684), der zum Generalsuperintendenten des Herzogtums Holstein nach Gottorf berufen worden war, hatte dem Fürstbischof Petersen empfohlen, obwohl er ihn nicht persönlich kannte. 2 Daher wird Petrus Petersen, der Onkel Johann Wilhelms und damalige Kammerschreiber am Eutiner Hof, eine 1 Spener anj. W. Petersen, Frankfurt a. M., pr. Cal. Maij [30.4.] 1678 (AFSt A 196, p. 9 8 - 1 0 4 bes. 100f.): „Quod Eutinensem stationem concernit, non habeo, quod Tibi consulam, ut agellum, quem conserere coepisti, antequam sementis tuae herba felicius succrescat et propiorem messis spem faciat, relinqueres, nollem: nec tarnen omnino vetare possem, ut alibi | majori spe novam faceres. Melius arbitrabuntur, utra statio eligenda sit, qui utriusque loci et coetus indolem rectius callent. Tu vero D E u m ardenter invoca, qui Tuam aliorumque mentes regat, uti nomini ipsius gloriosum erit; et demum sequere, quo Te DEus seu mansionem imperet seu mutationem." Petersens Brief ist nicht überliefert; zum „Vaternamen" vgl. Spener an Petersen, Frankfurt a. M., 13.2.1677 (AaO, p. 7 6 - 8 5 bes. 76). 2 LB 1717, 38; ob von Stöcken überhaupt Petersen kannte oder mit ihm in Kontakt stand, ist

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entscheidende Rolle gespielt haben. Er hat sich wahrscheinlich fur seinen Neffen eingesetzt, um ihm eine seiner Ausbildung angemessene Stelle zu besorgen, und ihn vielleicht damit auch vor den jesuitischen Nachstellungen schützen wollen. 3 Ähnlich wie bei der späteren Berufung nach Lüneburg wird Christian von Stöcken oder Petrus Petersen zunächst bei Johann Wilhelm Petersen angefragt haben, ob er eine solche Berufung nach Eutin annehmen würde. Der hat daraufhin, dem bewährten Rat des Rostocker Professors Hermann Becker folgend, die Vokation „abgeschrieben". 4 In diese vorläufig noch unentschiedene Situation dürfte die Bitte Petersens an Spener um Rat fallen, auf die Spener am 30. April 1678 geantwortet hat. In seiner sicher nicht endgültigen Absage gab Petersen vermutlich zu bedenken, daß er im Falle einer Vokation seine ihm gerade erst anvertraute Gemeinde in Hannover schon wieder verlassen müßte. 5 Er wird andererseits nicht unerwähnt gelassen haben, daß er sich einer ordentlichen und göttlichen Berufung nicht versagen würde. 6 Die Ablehnung des Rufes ist daher nicht mehr als eine konventionelle, ja geradezu gebotene Form, wie sich beide Seiten ihrer Verantwortung vor Gott vergewissern. Jedenfalls hat man in Eutin an ihm festgehalten und nicht nach einem anderen Nachfolger für von Stöcken Ausschau gehalten. Angeblich sollen anfangs noch Christian Kortholt und Christian Scriver im Gespräch gewesen sein. Darüber ist weiter nichts bekannt. Kortholts Berufung ist wohl nicht ernsthaft erwogen worden, da der Kieler Professor in Eutin eine weniger bedeutende Stelle innegehabt hätte. Wahrscheinlicher wären Bemühungen um Scriver, der damals noch Pfarrer in Magdeburg war und wie Christian von Stöcken aus Rendsburg stammte. 7 Nur eine Woche war vergangen, seitdem Spener Petersen in Hannover zu bleiben geraten hatte, als das Vokationsschreiben des Fürstbischofs August Friedrich an den hannoverischen Pfarrer der Aegidienkirche erging. Das förmliche Vokationsschreiben vom 6. Mai 1678 setzt mit seinem Verweis auf das „rite vocatus" 8 Petersens grundsätzliche Bereitschaft voraus. Es heißt darin: „wan unß nun eure Persohn, auch Christliches Leben und wandel, so die von Gott euch verliehenen Gaben angerühmet worden; so haben wir euch im Nahmen der heyligen hochgeunbekannt. Von Stöcken war in Gottorf Vorgänger von K . H . Sandhagen, dem Petersen in Lüneburg nachfolgte. 3 Vgl. LB 1717, 13 (über die Stipendiaten der Schabbelschen Stiftung), „daß die, so solches empfangen oder gemessen, sich perfectioniren müssen, daß sie entweder Professores Theologiae werden, oder sonst eine anständige Stelle bekleiden können." 4 LB1717, 37; vgl. S. 110. 5 Vgl. LB 1717, 37. 6 Vgl. das Berufungsschreiben vom 6.5. 1678 (s. u.) u n d j . W. Petersen a n j . Reinbeck, Eutin, den 12.1. 1688, sowie als ähnlichen FallJ. W. Petersen an BuR von Lg., Eutin, den 29.1. 1688StA Lg. 7 Zu Scriver s. A D B 33, 1891, 4 8 9 - 4 9 2 (CARSTENS). 8 Apologie, 14 (BSLK [1930] 1967, 296, 11).

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lobten dreyfaltigkeit hiemit zu unserm alhiesigen Hoff-Predigern und Superintendenten vociren und berufen wollen; nicht zweiffelnd ihr werdet diese Unsere vocation vor eine w u n d e r b a h re Schickung Gottes deß allmechtigen erkennen, solche euch auch u m b so viel desto lieber annehmen, und euch j e ehe j e lieber auff Unsere U n k o s t e n anhero begeben, da den diese ordentliche vocation vermöge unser euch ertheilenden Bestallung weiterextendiret, und euch das Salarium und deputas waß obgedachter Unser HoffPrediger und Superintendens [Christian von Stöcken] gehabt, auch vermachet, und jährlich g e = | reichet werden solle; wir erwarten euere fordersambste resolution und U b e r k u n f f t , u n d verbleiben euch mit gnaden w o h l g e w o gen " 9

Noch im Juni dürfte Petersen nach Eutin umgezogen sein, nachdem er wahrscheinlich am 16. Mai seine Abschiedspredigt gehalten hatte.10 Das (in seinem Wortlaut häufiger verwendete) Bestallungsschreiben fur Petersen datiert vom 12. Juni 1678.11 Nachdem Petersen in Travemünde von seinem Vorgänger noch mit den Schwierigkeiten und Eigenarten des Hoflebens vertraut gemacht worden war, hielt der neue Eutiner Hofprediger vermutlich am Ende des Monats seine „Anzugs=Predigt" über Off 2,1 ff., bei der es freilich noch nicht um chiliastische Spekulationen, sondern schlicht um das Bischofsamt ging. 12 U m den 15. August stellte sich Petersen dem Lübecker Domkapitel vor, das in seiner Heimatstadt residierte und bestätigte dort seinerseits die hergebrachten Vereinbarungen zwischen Kapitel und Bischof. 13 Mit Petersens neuer Stellung, bei der es auf eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen ihm und dem Kapitel ankam, dürften in der Tat die früheren Versuche der katholischen Domherren, Petersen wegen seines Gedichtes zu Sebastian Niemanns Hochzeit bestrafen zu lassen, hinfällig geworden sein.14 Auszugsweise sei hier die wichtigste Passage aus dem Präsentationsschreiben wiedergegeben: [Nach der Mitteilung von Petersens Berufung heißt es:] „Als gesinnen wir gnädigst ihr wollet diesen unsren Superintendenten in pleno consessu admittiren, und seinen Vortrag vernehmen, gestalt er dan auff ewere geneigte resolution stipulata m a n u [mit gelobender H a n d ] promittiren wird, in rebus | Ecclesiasticis die beliebte C o n f o r m i t ä t bey eweren Kirchen zu observiren, und übrigens sowohl Unser, als auch Unsers 9

SHLA Abt. 260, N r . 4018:1. August Friedrich an J. W. Petersen, Eutin, den 30. 5. 1678 („Valetpredigt" und Ü b e r s e n dung der „Literas salvi conductus")- SHLA Abt. 260, N r . 4018: 2. 11 SHLA Abt. 260, N r . 4018: 3; s. Vermerk auf p. [5]: „diese Bestallung ist auch u n t e r m dato den 18 April 1689 auff den Superintend. Μ . Christianum Specht gerichtet und i h m behändiget w o r d e n " . Faksimile und Wiedergabe (auszugsweise) in: KÖRBER, Kirchen 1977, 63—65. Vgl. Speners Glückwünsche an Petersen z u m Amtsantritt v o m 4 . 1 0 . 1 6 7 8 in Cons. 1,1709, 364—368 (nicht in AFSt). 12 LB 1717, 38. Die Quelle für die Verse zu seinem Amtsantritt (ANONYM, Petersen 1927, [1]) ist mir nicht bekannt. 13 Präsentationsschreiben: Bischof an Kapitel, Eutin, den 8.8. 1678 (vorgelesen am 15. 8.); Vorschrift in SHLA Abt. 260, N r . 4018: 4, und Ausfertigung ebd., Abt. 268, N r . 244. 14 LB 1717, 38 f.; die dort resümierte Rede des D o m d e k a n s Joachim v o n Rantzau ist w o h l die in d e m Präsentationsschreiben (s. u.) und in der A n t w o r t des Kapitels an den Bischof v o m 15.8. 1678 (SHLA Abt. 260, N r . 4018: 5) genannte „Resolution" (s.u.). Das Präsentationsschreiben w u r d e ebenfalls im Wortlaut fur Petersens Nachfolger benutzt. 10

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gantzen Stiffts bestes, frommen, und nutzen ihm getrewlich angelegen seyn zu laßen" (aaO, p. [lf.]).

Petersen bekleidete im Bistum Lübeck das höchste geistliche Amt. U m sein Wirken, seine Stellung und Einzelheiten seiner Autobiographie zu verstehen, ist es sinnvoll, einen Überblick über die Verfassung des Lübecker Fürstbistums zu geben.

Das Bistum

Lübeck-Eutin

Das kleine Bistum Lübeck mit seiner Residenzstadt Eutin war nach dem Dreißigjährigen Krieg neben dem Bistum Magdeburg, das im Jahre 1680 dem Kurfürstentum Brandenburg eingegliedert wurde, und neben dem alternierend katholisch und evangelisch verwalteten Osnabrück das einzige evangelische Fürstbistum in Deutschland bis zum Reichsdeputationshauptschluß (1803). 1 5 Der Gefahr einer Säkularisierung und einer Annexion durch ein anderes fürstliches Territorium im Zeitalter der Reformation und im Zuge der Verhandlungen um das komplizierte Vertragswerk des Westfälischen Friedens in Osnabrück (1648) war es glücklich entgangen. Die Mediatisierung drohte in beiden Fällen, da das Lübecker Bistum nur ein vergleichsweise geringes Gebiet umfaßte und daher kein politisches Gewicht hatte. Nur die Interessen mächtigerer Potentaten haben seine Existenz sichern können. Der geringe Umfang des Bistums hängt mit seiner späten Gründung zusammen. Erste Versuche einer Mission der Wenden (Wager-Wenden oder Wagiren) von den Stämmen der Elbslaven gehen auf Otto den Großen (912—973) zurück. 1 6 Er gründete neben den Bistümern Havelberg und Brandenburg auch das (Missions-) Bistum Oldenburg im Wagirenland um 950 oder 968, aus dem später (1160) das Bistum Lübeck hervorging. 1 7 Im Jahre 1060 vereinbarte der Erzbischof Adalbert von Bremen (um 1000—1072) mit dem christlich gewordenen Abotritenfurst Gottschalk, der stammesmäßigen Gliederung der Elbslaven Rechnung zu tragen und für die Obotriten und Polaben die Bistümer Mecklenburg (-Schwerin) und Ratzeburg einzurichten. Wurde das Bistum Oldenburg dadurch an sich schon sehr verkleinert, so umfaßte die bischöfliche Grundherrschaft, aus der das spätere Fürstbistum hervorging, ein noch bescheideneres Gebiet. Diese Grundherrschaft, das sogenannte Tafelgut, gehörte zur wirtschaftlichen Ausstattung eines Bistums. Nur hier hatte der Bischof neben der geistlichen auch die (lehensrechtlich eingeschränkte) weltliche und wirtschaftliche Gewalt. Innerhalb des Tafelgutes wurde Eutin der Mittelpunkt der grundherrschaftlich-bischöflichen Verwaltung. Hier errichtete sich Vicelins Nachfolger Gerold eine bescheidene Residenz. Der bislang unbedeutende Flecken wurde Markt- und Gerichtsort und entwickelte sich allmählich zu einer Stadt. Jetzt erst begann auch die Umgestaltung des ehemaligen Missionsbistums in ein ordentlich verfaßtes Bistum. Unterdessen aber bildete nicht mehr Oldenburg, sondern das von Adolph II. im Jahre 1143 neben der zerstörten slavischen Residenzstadt Altlübeck neugegründete Lübeck das Zentrum Wagriens. Nachdem auch Adolphs Stadt durch eine Feuersbrunst untergegangen war, gründete Heinrich der Löwe 1159 die Stadt von neuem, siedelte planmäßig 15 Vgl. Bibliographien zum Lübecker Bistum von MEYER, Schriften 1973 und MEYERGRASSMANN 1976 sowie (allgemein) PETERS, Eutin 1958 und WEIMANN, Eutin 1977. 1 6 Vgl. den Überblick mit Quellen- und Literaturverweisen bei WEIMAR, Aufbau (1948) 1951, 97—106 und die Karte zum Siedlungsgebiet der Wagiren bei LAMMERS, Geschichte 1981,3. 17 Die verbreitete Datierung auf 950 (ζ. B. Melle 1787, 133) stützt sich auf die Vermutung, daß Oldenburg gleichzeitig mit den Bistümern Schleswig, Ripen und Aarhus gegründet sei. Die Spätdatierung (Einrichtung der Magdeburger Kirchenprovinz i. J . 968 als term, post quem) vertritt mit guten Gründen ζ. B. BEUMANN, Gründung 1972; vgl. JORDAN, Anfänge 1973 (Ottos Sieg 955 über die Slawen als term, post quem).

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Kaufleute an und verlegte auf Wunsch Gerolds das O l d e n b u r g e r B i s t u m nach L ü b e c k . 1 8 N u n w u r d e d e m B i s c h o f in Lübeck ein D o m k a p i t e l an die Seite gestellt, das mit Gütern (u. a. d e m Gebiet der altlübischen Kirche u m Rensefeld) ausgestattet w u r d e . 1 9 Zehntrechte in der Stadt Lübeck und einzelnen Orten des B i s t u m s s o w i e Schenkungen (Grundherrschaft über die D ö r f e r B o s s e n , Genin, H a m b e r g e und Hansfeld) z u m Unterhalt der D o m h e r r e n rundeten die E i n n a h m e n des D o m k a p i t e l s a b . 2 0 Von A n f a n g an wirkte das Kapitel, wie es mittlerweile auch im Altreich üblich g e w o r d e n war, an d e m bischöflichen R e g i m e n t m i t . 2 1 D a s D o m k a p i t e l b e m ü h t e sich in der Folgezeit vor allem u m die geistliche Herrschaft in der Stadt Lübeck. E s übernahm die Patronatsrechte über die Lübecker Stadtkirchen, die d e m Kapitel inkorporiert wurden, so daß auch ihre g e s a m t e V e r m ö g e n s v e r w a l t u n g (bis 1505) bei den D o m h e r r e n l a g . 2 2 D e r B i s c h o f übertrug seinerseits d e m Kapitel die geistliche Gerichtsbarkeit für die Stadt, so daß i h m dort nur noch die A m t s handlungen blieben, bei denen es einer bischöflichen Weihe bedurfte. Schon vor der R e f o r m a tion w a r der Lübecker B i s c h o f damit weitgehend aus der Stadt verdrängt. Hinsichtlich seiner wirtschaftlichen und grundherrlichen Gewalt blieb der B i s c h o f i m w e sentlichen auf sein Tafelgut verwiesen, das durch A n k ä u f e und Schenkungen etwas vermehrt w u r d e . 2 3 Einer A u s w e i t u n g zu einem größeren geistlichen Territorium stand die weit fortgeschrittene Festigung der landesherrlichen G e w a l t entgegen. T r o t z d e m gelang es den Lübecker Bischöfen im Z u g e der A u f l ö s u n g des alten sächsischen S t a m m e s h e r z o g t u m s nach d e m Sturz Heinrich des L ö w e n (1180), die Lehensuntertänigkeit gegenüber den holsteinischen Grafen, denen die wesentlichen Rechte des gestürzten H e r z o g s zugefallen waren, zunächst durch A b k a u f von (Vogtei-) Rechten, dann durch landesherrliche Maßnahmen wie der Verleihung des Stadtrechtes für Eutin (1257) und schließlich durch kaiserliche B e s t ä t i g u n g (1274) abzuschütteln. 2 4 A n f a n g s waren die B i s c h ö f e offenbar nur reichsunmittelbar hinsichtlich ihrer Residenz und Kathedrale, während ihr holsteinisches Landgebiet unter holsteinischer Landeshoheit blieb. 2 5 Erst nach der R e f o r m a t i o n (seit 1568) dehnten die B i s c h ö f e ihre Reichsunmittelbarkeit a u f alle ihre holsteinischen Stiftsländereien a u s . 2 6 D a s Lübecker B i s t u m verdankt sein Fortbestehen bis ins 19. Jahrhundert wahrscheinlich der Tatsache, daß es schon sehr früh zu einem von Lübeck weitgehend unabhängigen Territorialstaat mit der Residenz Eutin g e w o r d e n war. D a s Herrschaftsstreben der Lübecker B ü r g e r schaft, die seit 1226/27 in einer freien Reichsstadt wohnten, v e f t r u g sich auf die D a u e r nicht mit der Residenz weiterer Obrigkeiten, w i e sie B i s c h o f und D o m k a p i t e l darstellten. Auseinandersetzungen zwischen B i s c h o f B u r k h a r d v o n Serkem (1276—1317) auf der einen Seite und d e m Rat und der B ü r g e r s c h a f t Lübecks auf der anderen führten unter z u m Teil tumultarischen Zuständen dazu, daß B i s c h o f und D o m k a p i t e l zeitweilig (1277—1282 und 1299—1317) nach Eutin ins Exil zogen. U m den Eindruck einer völligen (finanziellen) Abhängigkeit v o n der Stadt zu vermeiden, gründete m a n hier ein Kollegiatstift. 2 7 D e n A n f a n g bildeten vier u r s p r ü n g lich für das D o m k a p i t e l testamentarisch b e s t i m m t e Stiftungen (Vikarien), die in vier K a n o n i k a te für Eutin u m g e w a n d e l t wurden. Z w e i weitere Pfründe (u. a. die inkorporierte Eutiner Stadtkirche) k a m e n hinzu, so daß am 1. J u n i 1309 das Kollegiatstift mit 6 Kanonikaten ins Leben gerufen werden konnte. D i e G r ü n d u n g des Eutiner Kollegiatstiftes dürfte vor allem d e m Z w e c k gedient haben, d e m nun i m m e r häufiger in Eutin residierenden B i s c h o f einen a n g e m e s 18 19 20 21 22

Melle 1787, 136 und WEIMAR, A u f b a u (1948) 1951, 124. WEIMAR, A u f b a u (1948) 1951, 103. SCHRÖDER, T o p o g r a p h i e 1855, 128 und BOOCKMANN, Diözese 1978, 20. BOOCKMANN, D i ö z e s e 1978, 21. BOOCKMANN, D i ö z e s e 1 9 7 8 , 2 1 f.; WEIMAR, A u f b a u (1948) 1 9 5 1 , 1 2 4 f . ; PRANGE, D o m k a p i -

tel 1 9 7 3 , 1 0 9 . 2 3 Vgl. H o u , B i s t u m 1952, 6 - 7 2 . 2 4 PETERS, Eutin 1958, 3 4 - 3 6 . 4 0 ; zur Frage der Abhängigkeit s. Falck V , 1821. 2 5 PETERS, Eutin 1958, 40 f. 2 6 SCHRÖDER, T o p o g r a p h i e 1855, 128; vgl. H o u , B i s t u m 1952, 1 4 7 - 1 5 2 . 2 7 PETERS, Eutin 1958, 4 6 - 5 4 ; Melle 1787, 139.

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senen zeremoniellen und geistlichen Rahmen zu geben, ohne daß damit das Stift in die Rechte des Domkapitels eintreten konnte. 2 8 Propst des Kollegiatstiftes war ein Lübecker Domherr mit Residenz in Lübeck, der sich in Eutin durch einen Kaplan vertreten ließ. Neben dem Propst gehörten anfangs fünf Weltgeistliche zu dem Stift, diejeweils von den Patronen der Stiftungen aufgestellt wurden. Das Stift wurde bis zum Jahre 1450 auf zwölf Präbenden erweitert. 2 9 Für Lübeck bedeutete die Gründung des Kollegiatstiftes, daß der Bischofsich gänzlich aus der Stadt herauszog, während es dieser gelang, das Domkapitel friedlich zu übernehmen, indem in die Domherrenstellen immer mehr Mitglieder der bedeutenden und ratsfähigen Familien einrückten. 3 0 In der Reformationszeit konnte sich das römische Stift samt seinem Bischof auf die Dauer nicht gegen den von allen Seiten aggressiv vordringenden Protestantismus wehren. Nicht eine religiöse Volksbewegung, sondern die drohende Vereinnahmung und Säkularisierung führten zur Reformation des kleinen Bistums. Als nach wechselvollen Kämpfen zwischen Jürgen Wullenwever (1492-1537) und den holsteinischen Herzögen in der sog. Grafenfehde (1534—36) der Herzog von Schleswig und Holstein (seit 1533) und spätere (seit 1536) König von Dänemark, Christian III. (1503-1559), Eutin besetzt hielt, wählte das Domkapitel (1535) Detlev Rewentlow, einen Vertrauten Christians, zum Bischof, woraufhin der Herzog aus Eutin abzog und den Bestand des Bistums wahrte. Der nur kurz regierende neue Bischof (1535—1536) öffnete der Reformation alsbald durch die Bestallung eines lutherischen Predigers, Paulus Severini, den Eingang in die bischöflichen Gebiete, während sich Bischof und Stift jedenfalls nominell weiterhin dem Papst unterstellten. Nach wechselvollen und unsicheren Zeiten der Herrschaft über Eutin und sein Bistum war es schließlich Eberhard von Holle (gest. 1586), zugleich Administrator des Bistums Verden und Abt des Lüneburger Michaelisklosters, der die kirchlichen Verhältnisse im Lübecker Bistum neu ordnete. Mit seiner Unterschrift unter das Konkordienbuch am 22. Oktober 1579 ist das Lübecker Bistum, abgesehen von einigen Kanonikaten, endgültig evangelisch geworden. 3 1 Die Gefahr einer Säkularisierung und Annexion drohte noch einmal im Zuge der westfälischen Friedensverhandlungen, in denen das Bistum als mögliche Gebietsentschädigung bei neuen Grenzziehungen ins Gespräch kam. 3 2 Bischof Hans (1634—1655) aus dem Hause Holstein-Gottorf gelang es jedoch zusammen mit dem Domkapitel, der Stadt Lübeck und seinem Bruder Friedrich III. von Holstein auch diese Gefahr abzuwenden. Immerhin war dem Hause Holstein-Gottorf und dem landsässigen Adel durchaus am Erhalt des Bistums gelegen, weil der Bischofsstuhl und die Präbenden des Stiftes zum Unterhalt der nachgeborenen und nicht erbberechtigten Nachkommen dienen konnten. So erreichte es das herzogliche Haus schließlich, daß ihm als Gegenleistung für die Bewahrung des Bistums das Recht zugestanden wurde, nach Abgang des schon gewählten Nachfolgers (Christian Albrecht 1655—1666) noch sechs weitere Bischöfe aus dem eigenen Hause wählen zu lassen. Die Liste der sechs folgenden Fürstbischöfe aus dem Hause Holstein-Gottorf reicht denn auch bis zum Reichsdeputationshauptschluß von 1803. 33 Nach der Reformation war die bischöfliche Diözese Lübecks zerfallen. Mit der Suspension der geistlichen Jurisdiktion der Bischöfe für den Bereich der protestantischen Gebiete traten 28

RÖPCKE 1973, 130 (nach der Gründungsurkunde); etwas anders PETERS, Eutin 1958, 48f. Möglicherweise beruht Petersens Freundschaft mit dem Grafen [Christian Friedrich] von Brockdorff in Kiel (LB 1717, 82) darauf, daß Petersen den Grafen als Patron einer Eutiner Präbende kennengelernt hatte (vgl. PETERS, Eutin 1958, 53). Vornamen des Grafen nach seinem „Catalogue librorum" (1718) mit Peterseniana in LB Kiel. 29

30

BOOCKMANN, D i ö z e s e 1 9 7 8 , 2 6 ; v g l . HAUSCHILD, D o m 1 9 7 3 , 139.

31

S. BSLK (1930) 1963, 762. 32 Zu den Verhandlungen in Osnabrück nach den Berichten der Gesandten Christian Cassius (Bistum) und Friedrich von Hatten (Holstein-Gottorf) s. WEIMANN, Verfassung 1966, 177 - 1 8 5 ; vgl. FEINE, Lübeck 1921; zu Cassius' Tod verfaßte Petersen ein Carmen (s. Werkverzeichnis). Für das Domkapitel kämpfte damals D. Gloxin um den Erhalt. 33

Liste z . B . bei PETERS, E u t i n 1958, 71; WEIMANN, V e r f a s s u n g 1966, 188 u n d MEYER,

Schriften 1973, 159 f.

123

dort überall evangelische Kirchenordnungen und ein landesherrliches Kirchenregiment an ihre Stelle. Von seiner ursprünglichen Diözese, deren Grenze etwa von der Kieler Förde über den Süden von Oldesloh zur Travemünder Bucht verlief, blieb dem Lübeck-Eutiner Bischof nur noch die geistliche Herrschaft über seine Grundherrschaft, in der er als Landesherr die Kirche leitete. Da sich die Grenzen der bischöflichen Grundherrschaft kaum mit den alten und in der Reformation unangetasteten Pfarrbezirken deckten, kam es zu vielfachen Überschneidungen. Das hängt mit dem verhältnismäßig großen Umfang der Kirchspiele (von durchschnittlich 12 Dörfern) in diesem Kolonialland zusammen. 34 So waren Untertanen der umliegenden Länder (ζ. B. von Holstein-Plön) zum Teil in Kirchen des Bistums eingepfarrt, unterstanden also pfarrechtlich dem Bischof, während sie andererseits als Untertanen des ausländischen Territorialherren - im Rahmen der Territorialismustheorie - unter den herzoglichen Summepiskopat fielen. Das gleiche galt mutatis mutandis fur Untertanen des Eutiner Fürstbischofs. 35 Daraus erklären sich manche Spannungen, von denen Petersen in seiner Lebensbeschreibung erzählt. 36 Das Amt des Superintendenten bestand in Eutin seit 1644 und wurde seit Daniel Janus (1644—1656) in Personalunion mit dem Amt eines Hofpredigers besetzt. 37 Die Leitung der Eutiner Kirche übte - auch noch in der Zeit Petersens - das Konsistorium aus, das aus den Beamten der Regierungs- und Justizkanzlei bestand. Der Superintendent hatte nur beratende Stimme, und ihm oblag nur die geistliche Leitung. Als Kirchenordnung galt das SchleswigHolsteinische Kirchenbuch.

Heirat

mitJ.

E. v.

Merlau

Keine zwei Jahre nach seinem Amtsantritt in Eutin hat Johann Wilhelm Petersen die Frau geheiratet, deren geistliche Autorität ihn seinerzeit bei seinen Besuchen in Frankfurt so sehr überwältigt hatte, daß er sich der dort entstehenden pietistischen Bewegung anschloß. An möglichen Partien soll es für Petersen schon früher nicht, weder in Rostock noch in Hannover, gefehlt haben.38 Damals scheint er, der beruflich noch etwas ziellos umherirrte, an eine Ehe jedoch nicht gedacht zu haben. Vielleicht trug er sich aber auch schon mit dem Gedanken und der Hoffnung, eines Tages Johanna Eleonora von Merlau heimzufuhren.39 Jedenfalls hatte er erst mit seiner Berufung in das Superintendenten- und Hofpredigeramt nach Eutin einen gesellschaftlichen Status erreicht, der die Standesgrenzen gegenüber dem

34

35

WEIMAR, A u f b a u ( 1 9 4 8 ) 1 9 5 1 , 1 6 3 - 1 6 5 .

S. das Verzeichnis von Dörfern und ihren Pfarreien bei WEIMANN, Eutin 1977, 87f. und ders., Verfassung 1966, 193-195 (Stand 1839) und Melle 1787, 155f. 36 LB 1717, 65f. (gemeint sind eingepfarrte Dörfer [Dorfkirchen], nicht Pfarrkirchen). 37 Jahr der Einfuhrung des Superintendenden nach: Domkapitel an Bischof von Lübeck, den 14.4. 1657 (SHLA Abt. 268, Nr. 244); anders (1648) Scholtz, Entwurf 1791, 283; Liste der Hofprediger ζ. B. bei WEIMANN, Verfassung 1966, 186 und KÖRBER, Kirchen 1977, 52. 287 f. 38 LB 1717, 49; die (einzige ?) Tochter seines Rostocker Lehrers A. Varenius heiratete J. H. Lochner (WILLGEROTH 3, 1925, 1379). Die beiden Töchter des Bürgermeisters Türcke in Hannover waren 1678 schon gestorben (s. LP auf G. Türcke in NSuUB Göttingen). 39 J.J. Schütz antwortet in einem Brief an Petersen vom 10.2. 1677 (SuUB Frankfurt a. M., Schütz-Nachlaß Μ 330, p. 130-132 bes. 131) auf eine von diesem vielleicht im Hinblick a u f j . E. v. Merlau gestellte Frage: „daß einiger Mensch unter unß votum virginitatis perpetuae gethan haben solte, ist mir nicht bewust."

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alten Adel seiner künftigen Frau überwinden konnte. 40 Petersen selbst sah seine Heirat nur als Erfüllung des Wunsches seines Vaters an. Auch er gab wie Johanna Eleonora vor, „uninteressiert" in die Ehe getreten zu sein, und erfüllte damit eine für den radikalen Pietismus typische Forderung. 4 1 Über einen Bekannten, der von Lübeck nach Frankfurt fuhr, wahrscheinlich Heinrich Betke 42 , ließ der neue Eutiner Superintendent schon Ende des Jahres 1679 die Einstellung Johanna Eleonoras zu einem möglichen Ehebündnis sondieren, ohne also einen förmlichen Heiratsantrag zu stellen. 43 Wegen längerer Abwesenheit der Freiin von Frankfurt verzögerte sich ihre Reaktion bis in die Mitte des kommenden Jahres. 4 4 Erst i m j u n i 1680 kam es zu konkreten Verhandlungen, bei denen Spener eine Vermittlerrolle übernahm. Johanna Eleonora von Merlau, die j a schon zwei Bewerber abgelehnt und sich auf ein lediges, asketisches Leben eingerichtet hatte, wies die Vorstellung zunächst bescheiden von sich: Abgesehen von den äußeren Schwierigkeiten muß sie ihrem Freier gegenüber gestehen, daß ihr die Ehelosigkeit für ihre Person mehr zusage, obwohl sie die Ehe als eine heilige Institution anerkenne, in der man gleichermaßen Gott dienen könne, und sie auch durch kein Gelübde gebunden sei. Das Scheitern früherer Verbindungen habe sie als eine göttliche Bestätigung ihrer Meinung empfunden. Trotzdem wolle sie ihre Entscheidung vorläufig offenlassen. 45 Sie schlage Petersen statt ihrer Anna Elisabeth Kißner geb. Eberhard, Speners Frankfurter Freundin, als geeignete Ehefrau vor. 4 6 Petersen aber bestand, wie nicht anders zu erwarten war, auf seinem Wunsch nach einer Ehe mit Johanna Eleonora und versuchte sie auch über Ph. J. Spener und J. J. Schütz 47 zur Heirat zu bewegen. Beide mußtenjohan4 0 Vgl. ZORN, Sozialgeschichte 1971, 578. Von einer wirklichen „Mesalliance" (CRITCHFIELD 1980, 119) kann man daher nicht reden. 41 Vgl. TANNER, Ehe 1952, 5 8 - 6 8 . Daß sich hinter der quietistischen Formel ein fester Entschluß zu heiraten verbirgt (CRITCHFIELD 1980, 119), vermag ich nicht zu sehen. 42 Der überbrachte jedenfalls Johanna Eleonoras Antwort; Spener an Petersen, Frankfurt a. M., den 19.6. 1680- AFSt A 196, p. 157-162 bes. 157. 4 3 Vgl. Spener an Petersen, Frankfurt a . M . , den 5.12. 1679 (aaO, p. 127-132 bes. 132): Spener sendet Briefe von J. E. v. Merlau. 44 Zur längeren Abwesenheit der Freiin seit dem Sommer 1679 s. Spener an Petersen, Frankfurt a . M . , den 8.6. 1680(aa0, p. 170-182 bes. 180). J. E. von Merlau hielt sich in dieser Zeit häufig am Hof in Erbach auf (vgl. Spener an Petersen, Frankfurt a. M., den 10. 6. u. 5.12. 1679). 45 Spener an Petersen (wie Anm. 42), bes. p. 157f. 4 6 L B 1717, 50: eine „junge Doctorin", also diejunge Witwe eines Doktors; vgl. Spener an Petersen (wie Anm. 42), p. 158f. DECHENTS Angabe (Geschichte 2, 1921, 84), Frau Kißner sei die Tochter von Johann Schwindt (1580—1648), ist falsch, da jener lt. Personalien der bei DECHENT angegebenen LP kinderlos starb ( N S u U B Göttingen). Anna Elisabeth Eberhard war die Frau von Dr. Johann Kißner (1645—1678) und starb im Jahre 1690 (Spener an Petersen, Frankfurt a. M., den 16.9. 1690- AFSt A 196, 474-477 bes. 477; Personalia von Dr. Kißner im Schütz-Nachlaß, S u U B Frankfurt a. Μ., Μ 329). 4 7 Vgl. Spener an Petersen (wie Anm. 42), p. 159.

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na Eleonora diesmal davon überzeugen, daß die Jungfrauenschaft nach IKor 7, 25—38 keineswegs der allein seligmachende Stand sei.48 In ihrer quietistischen Neigung übergab sie die Entscheidung wiederum ihrem Vater, aus dessen Mund sie Gottes Willen erkennen wollte und um jede Eigensucht zu unterdrücken. 49 Ihrem Vater wie ihrem Schwager von Dorfeiden 50 schien aber die niedere Geburt dessen, der da um die Hand Johanna Eleonoras anhielt, ein großes Hindernis gewesen zu sein.51 Deshalb bemühte Petersen sich nachdrücklich, ihren Vater, den er bei einer Gastpredigt in Philippseck kennengelernt hatte, für sein Vorhaben zu gewinnen. 52 Über fürstliche Vermittlung der Herzoginnen Christine, Gemahlin von Petersens Landesherrn August Friedrich, und Anna Elisabeth von Hessen-Homburg auf Philippseck 53 wurde schließlich die Zustimmung des Vaters erreicht. Bereits Ende Juli trat man in nähere Verhandlungen über die finanzielle Seite einer Heirat. 54 Am 3. August kann Spener die mündliche, am 14. August die offizielle Zustimmung des Vaters vermelden. 55 Anfang September scheint Petersen in Frankfurt eingetroffen zu sein. Er ließ sich alsbald mit seiner Verlobten von Spener aufbieten und am 7. September im kleinen Kreis der engeren Freunde trauen. 56

Speners

Traupredigt

Spener hielt seine Predigt über Eph 5 [, 22ff.]. 57 Er hielt sie vor einem Kreis Gleichgesinnter und richtete seine Worte deutlich auf das vor ihm stehende Brautpaar aus. Seine Predigt stellt so etwas wie ein pietistisches Grundbekenntnis für die beiden Petersens dar, das den Entscheidungen ihrer 48

Schütz heiratete in demselben Jahr Elisabeth Katharina Bartels (DECHENT 2, 1921, 94). LB 1717, 50 und Spener an Petersen, Frankfurt a.M., den 31.12. 1679 (AFSt A 196, p. 133-137). Zum Problem s. S. 83 Anm. 203. 50 Spener an Petersen, Frankfurt a. M., den 24.7. 1680 (aaO, p. 154-156 bes. 155). 51 LB II 1719, 40 f. (§26); der Oheim Albert Otto (s. S. 83) war am Anfang des Jahres gestorben (Spener an Petersen, wie Anm. 42, p. 159 f.). 52 Zur Stilisierung der Einzelheiten s. LB 1717, 50f. 53 Spener an Petersen, wie Anm. 42, p. 160. 54 Spener an Petersen, Frankfurts. M., den 24.7.1680 (aaO, p. 154-156) als Begleitschreiben zu einem nicht überlieferten Briefjohanna Eleonora v. Merlaus. 55 AFSt A 196, p. 147 f. und 141-146 bes. 141 f. Vgl. Spener an Petersen, Frankfurt a. M., den 7.8. 1680 (aaO, p. 139-141). 56 Anwesend waren Anna Elisabeth von Hessen-Homburg und ihr philippseckischer Hof mit dem Vater Johanna Eleonoras, dann G. Heiler, der damals (1679—1682) Superintendent im benachbarten Hanau war (vgl. GRÜNBERG 3, 1906, 407), sowie „viele fromme Hertzen"; LB II 1719, 41 f. (§26) und LB 1717, 51. 57 S. GRÜNBERG [87] und [88]. Angeblich wurde sie von Rudolf August von BraunschweigWolfenbüttel in 8° neu aufgelegt (LB 1717, 52); vgl. Rudolf August an Chr. Kortholt, Wolfenbüttel, den 5/ 15.3. 1690: er habe die Predigt in 8° drucken und anj. E. Petersens Herzensgespräche 1689 anbinden lassen (BÜLCK, Briefe 1952, 151). Ein solches Exemplar habe ich bislang nicht finden können. 49

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eigenen Theologie entspricht. 58 Spener appelliert zu Beginn an die Erfahrung der Zuhörer. Der „engern Versammlung", die sich zu der Trauung eingefunden hatte, sei ja „die sache [seil, die Vereinigung des Erlösers mit seiner Kirche und mit jeder gottseligen Seele] selbst nicht fremde [ . . . ] wie sie nechst Göttlichem wort auß eigener erfahrung vieles hiervon verstehen" (S.3). Nach einzelnen, traditionellen theologischen Begründungen und Wertungen der christlichen Ehe betont Spener, daß der Ehe eine besondere Würde und Bedeutung beizulegen sei, weil unter dem Bilde des Ehestandes die Liebe Christi zur Kirche (nach Ps 45, Hohes Lied, Eph 5) vorgestellt werde. Spener präzisiert dann den Symbolcharakter der Ehe, indem er die menschliche Ehe als das äußere Abbild für die ursprüngliche Vereinigung Christi mit der Kirche und der Einzelseele zu verstehen versucht. In das Geheimnis dieser ursprünglichen Vereinigung „wird in gewisser maß auch mitgefasset die natürliche oder leibliche ehe/ nicht vornehmlich und u m b ihrer selbst willen/ sondern wie sie ein bild ist der geistlichen Vereinigung CHristi und seiner Kirchen" (S. 4). 59 Die so begründete pietistische Ehe gewinnt ihre Würde und ihre Bestimmung als Abbild des vorgängigen Erlösungshandelns Gottes. Entsprechend widmet sich Spener im weiteren Verlauf seiner Predigt einzig der im Bild der Ehe sich spiegelnden Sache selbst. Er setzt dazu bei der Vereinigung der zwei Naturen Christi ein und versucht diese Vereinigung fortzuschreiben, indem er sie „ferner auch ausser seiner [seil. Christi] Person an uns fortgesetzt" sieht (S. 5). 60 Christus tritt hier insofern als Mittler auf, als sich mit dem Menschen nicht die Gottheit selbst, sondern die vermittelnde Gottmenschheit Christi vereinigt. „Da sind wir also in Christo/ als reben in dem weinstock/ und also einer natur mit demselben/ wir empfangen aber von ihm den safft/ in dem wir frucht bringen/ und also den Heiligen Geist/ der alles guten wirckende ursach/ und der auch Christi eigener Geist ist" (S. 6).

Mit dem Rückgriff auf das organische Bild des Neuen Testamentes (Joh 15, 1 — 18) versucht Spener eine sanative Rechtfertigung oder wirkliche Gerechtmachung des Menschen zu entwickeln, ohne dabei den Charakter dieser Gerechtigkeit als einer „iustitia aliena" aufzugeben. Spener wollte nach seiner eingangs dargelegten Disposition zunächst beide Partner der geistlichen Vereinigung, Christus und die Kirche, für sich darstellen, u m dann über ihre Vereinigung zu reden. Er war aber sofort auf die Vereinigung Christi mit der einzelnen Seele zu sprechen gekommen. Das war kein Zufall. Denn die Kirche kann Spener nur als die Zahl und Versammlung der einzelnen berufenen Christen begreifen, „die solchen beruff bey sich kräfftig haben seyn lassen" (S. 9). So k o m m t der äußeren, sichtba58

Speners Predigt [87] 1680, S. 2. Vgl. S. 5: Dem Apostel gehe es nicht um das Bild, sondern um die Sache. 60 Vgl. Petersen, Geist des Widerchrist 1699, 17: „daß der Christus/ der im Fleisch gekommen/ annoch im Fleisch komme/ und den Zweck seiner Menschwerdung/ nehmlich Christus in uns/ erhalte." 59

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ren Kirche auch weiter keine Bedeutung zu; sie hat nur insofern Anteil an dem Ehrennamen der Gemeinde, „wie die unsichtbare in deroselben mit begriffen wird/ und auß jener die edelste glieder in sich fasset" (S. 12). Nach einer kurzen Beschreibung des Kirchenbegriffs wendet sich Spener folgerichtig wieder ganz der Vereinigung Christi mit der gläubigen Seele zu, „dero der HERR in gewisser maß alles dasjenige thut und erzeiget/ was ins gemein von der gantzen Kirche gesagt wird" (S. 12). Auch bei der neuerlichen Beschreibung der Vereinigung betont Spener die Präponderanz Christi, von dem alles Gute im Menschen („was dessen neue creatur anlangt"; S. 13) komme. Die Vereinigung führe zu einer vollkommenen Durchdringung, so daß aus Christus und der Seele „ein geistlicher leibe wird, an welchem CHristus [ . . . ] das hochgelobte Haupt ist" (S. 13 f.). Die für die beiden Petersens und überhaupt den Pietismus charakteristische Individualisierung und damit verbundene Spiritualisierung der Gottesbeziehung wird mit der Vorstellung von der Vereinigung Christi mit der Einzelseele von dem Vater des Pietismus kräftig herausgestrichen. Es genügt ihm nämlich nicht, daß der Christ über den Heiligen Geist mit Christus Gemeinschaft hat. Alles zielt auf ein „Christus in nobis": „Sondern er [seil, der Glaubende] wird gar ein geist mit Christo/ daß er eines sinnes mit ihm ist" (S. 15). Spener kann die Trinitäts- und Zwei-Naturen-Lehre als Vergleich für die Vereinigung des Christen mit Christus heranziehen und auch die Vorstellung der Idiomenkommunikation in ihren verschiedenen Graden darauf anwenden. Auffällig und letztlich nicht konsequent ist es, daß Spener allgemein von einer völligen Teilhabe der Personen (Christi und des Glaubenden) untereinander redet, nur bei der Frage der „guten Werke" von einem Wirken der beiden Personen je für sich nach ihren Eigenschaften spricht (S. 17—20). Hier stößt er auf ein protestantisches Verdikt. Mit seiner Predigt hat Spener Grundgedanken jeder pietistischen Theologie ausgesprochen. Die zwei Naturen Christi werden als Vorbild und Mittel verstanden, wonach und wodurch der einzelne Mensch der göttlichen Natur teilhaftig wird. 61 Die in Christus vorgebildete und immer wieder mögliche Immanenz des Göttlichen im Menschen stellt die Pietisten zugleich in scharfen Gegensatz zur Welt und ihrer gottlosen Weltlichkeit. Das Ziel ist eine neue Welt, in der diese Immanenz des Göttlichen nicht nur in der Einzelseele gegenwärtig ist, sondern sich sozial objektiviert. Von diesem Wunsch und dieser Hoffnung getragen betet die Hochzeitsgemeinde am Schluß, daß Gott das Brautpaar „in den Hochzeit=saal des Lammes [Off 19, 7—9]" führe (S. 25).

61

128

V g l . SCHMIDT, T e i l n a h m e ( 1 9 5 8 ) 1 9 6 9 .

Verspätete

Studienreise

Nach der Trauung am 7. September 1680 blieben die Petersens noch ca. eine Woche bei den Frankfurter Freunden. 6 2 Für den R ü c k w e g mietete Petersen für sich und seine Frau ein Schiff, das die beiden auf dem weniger beschwerlichen Flußweg über die Niederlande, dann über Bremen, H a m burg und Lübeck nach Eutin zurückbrachte. Petersen nutzte den geographischen U m w e g für eine verspätete Bildungsreise, u m die bedeutenden niederländischen Universitäten und ihre Gelehrten kennenzulernen. Petersens Weg führte über Köln, Rotterdam, Leiden (zu [Friedrich ?] Spanheim und Christoph Wittich), A m s t e r d a m (zu Philipp Limborch), Utrecht (zuJohann Georg Graeve, Johann Leusden und Lambert ä Velthuysen), Zwolle(?), Franecker und Groningen. 6 3 Dauerhaft sind diese Bekanntschaften mit den niederländischen Theologen wohl nicht gewesen. Es fehlt jeder Hinweis auf eine Korrespondenz oder weitere geistige Auseinandersetzung mit ihnen. Irgendwann im Herbst des Jahres, wahrscheinlich Ende O k t o b e r , ist das j u n g v e r m ä h l t e Ehepaar wieder in Lübeck eingetroffen. Bevor Petersen seine Amtsgeschäfte in Eutin wieder aufnehmen konnte, m u ß t e er noch eine ernste Krankheit durchstehen. 6 4 Johanna Eleonora war sechsunddreißigjahre alt, als sie den Eutiner Superintendenten heiratete. Aus ihrer gemeinsamen Ehe ist nur ein Sohn hervorgegangen, August Friedrich, der am 2. August 1682 geboren w u r d e und im Juni 1732 starb. 65 Er w u r d e königlich-preußischer Legationssekretär und Kommissionsrat in Magdeburg. 6 6 I m j a h r e 1711 w u r d e ihm das Adelsprädikat seines Onkels J o h a n n Ernst Varnbühler von Greiffenberg verliehen, der ohne Erbe geblieben war. 6 7 Verheiratet war er mit Johanna Carlier aus „vornehmen Hause", mit der er bis 1724 sechs Kinder hatte, von denen zwei

62 Justus Blanckenhagen (1657—1713) begegnet Petersen in der Spenerschen Bibliothek u m den 15.9. 1680; SCHRÖDER, B e g e g n u n g 1977, 142 f. Spener schreibt den Petersens am 23.9. 1680 (AFSt A 196, p. 146 f.) einen Brief hinterher. 63 LB 1717, 52; SCHERING, Petersen 1982, 231 nennt statt Friedrich Spanheim Daniel Spanheim. Die B r ü d e r von O v e r b e c k sind vermutlich Vater u n d O n k e l des Malers B o n a v e n t u r a von O v e r b e c k . Bei M e t s c h m a n n k ö n n t e es sich u m den Gichtelianer in A m s t e r d a m (WOTSCHKE, D i t h m a r 1934, 36) handeln. 64 LB 1717, 52f. u n d LB II 1719, § 2 7 u n d Spener an Petersen, Frankfurt a. M . , den 14.12. 1680 (AFSt A 196, p. 1 4 8 - 1 5 4 bes. 148f.). fo LB 1717, 60—62; Paten standen Petersens Bischof August Friedrich, Ph. J. Spener u n d der H a m b u r g e r Pastor Detlev B e c k m a n n . Die in LB 1717 erzählte Geschichte v o m „ D ä u m e l n " im Z u s a m m e n h a n g mit der G e b u r t s a n k ü n d i g u n g findet sich schon in einem BriefJ. E. Petersens an Kortholt, Eutin, den 19.9. 1682 ( p . 3 ) - U B Kiel; vgl. LB II 1719, §28. Z u der d o r t angedeuteten, verfehlten messianischen Interpretation durch den später z u m J u d e n t u m übergetretenen J o h a n n Peter Speeth (Mose Germanicus) ( f l 7 0 1 ) s. Petersen, Geist des Widerchrist 1699, 6 5 - 6 8 , Feustking 1704, 4 6 6 - 4 6 9 u n d Arnold, K u K H 2, 1729, 1 2 0 2 - 1 2 0 4 . 66 LB 1717, 5 u n d C a r m e n J . E . Petersen, [3], 67 LB 1717, 5. A k t e n im Ö S A Wien (vgl. S. 22 A n m . 16) u n d L H A Koblenz.

129

im Kindesalter (vor 1717) starben. 68 Zwei weitere Kinder Johanna Eleonoras waren im Mutterleib oder kurz nach der Geburt gestorben. 69 Weitere Kinder hatten sie und ihr Mann nicht. 70

II. Kirchliche Persönliche

Wirksamkeit

Beziehungen

Petersens zehnjährige Amtszeit als Superintendent und Hofprediger in Eutin zeigt kaum Spuren einer spezifisch pietistischen Wirksamkeit. Im wesentlichen steht er in Kontinuität mit seinem Vorgänger Christian von Stöcken (1666—1678) und mit seinem Nachfolger Christian Specht (1689—1692), die als praktische Vertreter der Reformorthodoxie anzusehen sind. Dieses Urteil setzt als Kriterium für eine pietistische Wirksamkeit die konkreten, kirchenreformerischen und seelsorgerlichen Vorschläge voraus, die Spener in seinen programmatischen „Pia Desideria" aufgestellt und die er selbst in Frankfurt praktiziert hat. Schon in dem Abschnitt über die Berufung Petersens nach Eutin waren Anzeichen dafür zu erkennen, daß Petersen ein eigentlicher Sinn für das „Gemeinde-Aufbau-Programm" Speners fehlte. Als Kennzeichen des Pietismus darf das Programm der „ecclesiolae in ecclesia" insofern gelten, als sich darin eine neue Ekklesiologie und Eschatologie zu Worte meldet, die die orthodoxe Lehre mit ihrer dogmatischen Unterscheidung von innerer und äußerer Kirche als einen theoretisch-lehrhaften Gegensatz hinter sich läßt und auf eine eschatologische Durchdringung von innerer und äußerer Kirche setzt. 71

68 Carmen J.E. Petersen, [3]; vgl. LB 1719, 397 [= LB 1717, 394; die dort genannten Frauennamen sind ohne Kommata zu lesen]: Gestorben waren 1717: Heinrich Ignatius und Wilhelmine Henriette Ernestina; geboren und am Leben waren 1717: Ernst August und Frieda Maria Johanna. Zwei weitere ungenannte Töchter müssen zwischen 1719 und 1724 geboren worden sein. J. Carlier starb 1726 (H. Petersen an Α. H. Franke, Loburg, den 3. 5. 1726 - U A Halle). 69 Zu den näheren Umständen s. 1) Spener an J. W. Petersen, Frankfurt a. M., den 19.7. 1684 (AFSt A 196, p. 3 4 3 - 3 4 6 bes. 343 f.: „Benedictus sit, qui et Vobis dedit filium, et [ . . . ] ad se recepit"); vgl. LB 1717, 62 und 2) J. W. Petersen anj. Reinbeck, Eutin, den 9.3. 1688- StA Lg., w o von der bevorstehenden Niederkunft J. E. Petersens die Rede ist. Vgl. Petersen, Geist des Widerchrist 1699, 65 und LB II 1719, 46 (§ 28). Zu dem in diesem Zusammenhang (Namensgebung) erwähnten Plan Petersens einer Ausgabe der Ignatiusbriefe s. BARTSCH, Art. „Ignatius", in: RGG3,1959, 665—667. Danach kam 1644 eine lateinische und 1689 eine griechische Ausgabe der Ignatiusbriefe heraus, womit Petersens Plan hinfällig geworden sein dürfte. 70 Die bei NIEPER, Auswanderer 1940, 222 zitierte Angabe aus dem Tagebuch von Engelbert von Bruck über eine Tochter Petersens kann nicht bestätigt werden. 71

V g l . SCHMIDT, Pia D e s i d e r i a ( 1 9 5 1 ) 1 9 6 9 , 1 4 5 - 1 5 3 u n d WALLMANN, E r n e u e r u n g 1 9 8 6 ,

2 4 - 29.

130

Für die Eutiner Zeit vermißt man nun Bemühungen des Superintendenten, durch die Sammlung einzelner zu einer „ecclesiola" die Landeskirche von innen her zu einer lebendigen Gemeinde zu erneuern oder zu beleben. Solche Bemühungen setzten freilich das Bewußtsein voraus, daß eine solche Reform sich nicht in einer herkömmlichen, vielleicht nur besonders konsequenten Amtsausübung durchführen ließ. Sie war nicht durch die Geistlichen in ihrer amtlichen Funktion als Vertreter des landesherrlichen Kirchenregimentes, sondern nur durch ihr zusätzliches Engagement auf dem Boden einer „Freiwilligkeitskirche" innerhalb der Landeskirche zu erreichen. Was wir aber von Petersens Wirken in Eutin erfahren, sind einzelne Maßnahmen, die ihnjeweils nur als besonders konsequenten, unbestechlichen und der Ehre Gottes allein verpflichteten Amtsträger zeigen. Von der Erbauung einzelner, von Seelsorge und Kinderlehre ist da nie die Rede. Die Erbauung beschränkt sich auf den Kreis gereifter, gleichgesinnter und theologisch geschulter Freunde, bei der der Superintendent als Privatperson unter seinesgleichen ist. Zu nennen sind hier Johann Christoph Linekogel, Pfarrer in Giekau (1681 — 1717), der aus Mömpelgard gebürtige und aus Cleve vertriebene Georg Friedrich Barthol (gest. 1692)72 (vgl. S. 268) sowie Johannes Kem(b)ler, Diakon in Eutin (s. u.) und Detlev Beckmann (1645—1684), Pfarrer in Hamburg. 7 3 Mit August Hermann Francke ist Petersen spätestens 1688 bekannt geworden. 74 Joachim Justus Breithaupt (1658—1732), zur Zeit der Abfassung von Petersens Lebensbeschreibung Generalsuperintendent in Magdeburg, wurde von Petersen empfohlen, als er im Jahre 1684 eine außerordentliche Professur für Homiletik in Kiel erhielt. 75 Die Erbauung scheint zudem vornehmlich in theoretisch-theologischen Fragen bestanden zu haben, über die Petersen in jener Zeit mit Chr. Kortholt, Ph. J. Spener, Κ. H. Sandhagen, H. v. d. Hardt, F. Breckling u. a. korrespondierte. 76 Insofern ist Petersens Mitteilung, es seien „gar wenige,

72 Z u Barthol s. Spener an Petersen, Frankfurt a . M . , den 19.11. 1681 (AFSt A 196, p. 220-228bes. 224); vgl. C o n s 3 , 1 7 0 9 , 3 7 9 - 3 8 1 bes. 380f. (12.5.1681); LBed. 3,1711, 2 6 2 - 2 6 5 bes. 263 (24.3. 1688); 3, 1711, 722 (28.12. 1692) und KRAMER, Beiträge 1861, 212.215.257 [1692]; vgl. Ch. MATHIOT, La Lignee des pasteurs Barthol, in: Bulletin historique du Protestantisme f r a ^ a i s 84 (1935), 441-443. 73 LB 1717, 54f. 60. Zu Linekogel, der in Helmstedt studiert und dort geheiratet hatte, s. ARENDS 2, 1932, 31 und Moller, 2, 1744, 480. Er wurde durch seine Edition von F. Burmanns „Curieuser Bericht vom Sabbat" 1700 (MITCHELL 2, 1969, Nr. 3052) in den sog. Sabbatstreit verwickelt (Walch, RS 5, 1733, 952f.). 74 Francke an H. v. d. Hardt, Hamburg, den 29.8. 1688 (LB Karlsruhe 319): „HE. Petersen ist mit seiner liebsten verwiche[nen] Montag [= 27. 8.] hie gewesen [ . . . ] . Ich bin sehr durch ihren U m g a n g gestärcket worden." Vgl. SEILSCHOPP, Francke 1913, 276 (mündliche Aussprache Franckes mit Petersen über Rom 7). 75

L B 1 7 1 7 , 6 0 F . ; v g l . A D B 3 , 1 8 7 6 , 2 9 1 f. (GASS).

76

Von dem sicher geführten Briefwechsel mit Κ. H. Sandhagen fehlt bislang jede Spur; zu den Briefen mit den anderen Personen s. Handschriftliche Quellen unter Kiel, Halle, Karlsruhe und Gotha.

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sowohl in der Residence, als auf dem Lande, mit welchen ich mich in GOtt erbauen konte" 7 7 für sein eigenes fehlendes Engagement bezeichnend. Fehlen nun Hinweise auf eine spezifisch pietistische Wirksamkeit Petersens in Eutin, so gibt es doch manche Anzeichen dafür, daß er in diesen stillen Jahren, in denen er geistig und geistlich auf sich und seine Frau angewiesen blieb, seine chiliastischen Vorstellungen entwickelt hat, und zwar in einem Maß, daß die damals gewonnenen methodischen und inhaltlichen Erkenntnisse für seinen weiteren kirchlichen und theologischen Weg bestimmend blieben. Auf diese beiden Seiten seiner Eutiner Zeit, die kirchliche und theologische Arbeit, ist nun näher einzugehen.

Pastorale

Tätigkeit

In seiner Lebensbeschreibung will sich Petersen als ernsthaften Pfarrer und Superintendenten darstellen, der auch Ansehen und Einfluß aufs Spiel setzt, um seinem geistlichen Auftrag und Beruf zu genügen. Dabei überläßt er es nicht dem Leser, sich ein Urteil über ihn und sein Handeln zu bilden, sondern will ihm mit dem Bericht über den Ausgang der einzelnen Episoden zeigen, wie sein Handeln durch den Lauf der Dinge, und das heißt durch die Providenz Gottes, selbst gerechtfertigt ist. Darüber hinaus geben die von Petersen berichteten Ereignisse kaum Anhaltspunkte für seine konkrete Wirksamkeit und seine theologische Gedankenwelt. Gewiß, auch in Plön und Eutin will sich Petersen für die Abschaffung des Beichtpfennigs eingesetzt haben. 78 Insgesamt lassen sich aber zu wenig charakteristische Motive erkennen, von denen man auf ein ihn beherrschendes Anliegen oder eine bestimmende Konzeption schließen könnte. Hinzu kommt, daß es an zusätzlichen Quellen fehlt, die den Hintergrund der Vorgänge im einzelnen erhellen könnten. Aus diesen Gründen begnüge ich mich im folgenden mit einer kurzen kommentierenden Wiedergabe des von Petersen Berichteten. Als Hofprediger war Petersen zugleich Beichtvater des Fürstbischofs August Friedrich und dessen Frau sowie weiterer Hofleute. Amt und Leben bei H o f gewährten Petersen Einblick in die verschiedenen Intrigen und gruppenspezifischen Auseinandersetzungen bei Hofe, die dem christlichen Geist der Eintracht mitunter widersprachen. Eine dieser Intrigen spann sich unter den Hofleuten um die Gunst der Herzogin. 7 9 Die Intrige soll von dem aus Mecklenburg gebürtigen Hofmarschall Christian August (?) von Berkentin (?) ausgegangen sein, der ein Zerwürfnis der fürstlichen Eheleute herbeiführte, u m den Einfluß des Kammerfräuleins von Nannendorf auf die L B 1717, 59. J . W. Petersen an F. Breckling, Eutin den 29.10. 1679- F o B Gotha, wonach der Beichtpfennig in Plön bereits abgeschafft ist. 7 9 L B 1717, 44f. 77

78

132

Herzogin zu bekämpfen. 8 0 Die weiteren Umstände sind dunkel. Berkentins Versuch, den Hofprediger durch Einschüchterungen auf seine Seite zu ziehen, stellt dieser sich im Vertrauen auf Gott und seine schließlich siegende Gerechtigkeit entgegen. Ja, Petersen entdeckt dem Herzog die Intrige, versöhnt die fürstlichen Eheleute wieder und verhindert damit ihre Scheidung, die angeblich gedroht habe und zu einem Verstoß gegen das göttliche Gebot geführt hätte. Einmal auf das Treiben des Hofmarschalls aufmerksam geworden, erkennt der Herzog daraufhin selbst dessen Intrigenspiel und entläßt ihn kurze Zeit später. Gegen die unchristlichen Standessitten der Hofleute schreitet Petersen ein anderes Mal ein, als er ein Duell zwischen einem Edelmann aus Plön und einem Mitglied des Eutiner Hofs verhindert. Petersen zeigt seinen Eifer u m das ihm anvertraute Beichtkind, indem er es nicht nur bei einer scharfen Gewissensrüge gegenüber dem eutinischen Edelmann beläßt, nachdem er von dem bevorstehenden Duell gehört hat, sondern er scheut sich auch nicht, als er erfährt, daß das Duell trotzdem stattfinden soll, zu Fuß an den Ort des Zweikampfes zu eilen, um die streitenden Parteien schließlich erfolgreich zu beschwichtigen. 81 Die Anfeindungen der in ihrem Standesbewußtsein getroffenen Hofleute in Plön und die Ungnade seines den höfischen Sitten ängstlich ergebenen Herrn dauern nur kurze Zeit. Johann Adolf von Plön selbst ist es, der Petersen seines entschiedenen Handelns wegen lobt und im Gegenzug seinen eigenen Hofprediger, Joachim Schmidt, wegen dessen fehlender geistlicher Fürsorge scharf tadelt. 82 Sogleich ist auch August Friedrich von Petersens gerechter Sache überzeugt. Er erläßt ein generelles Duellverbot, das alle Untertanen einschließlich des Adels bindet. Wer das Verbot übertritt, soll mit Schimpf und Schande des Landes verwiesen werden; für den Fall, daß einer der Duellanten ums Leben kommt, soll der Überlebende durch das Schwert „ohne Gnade" hingerichtet werden. Beide Duellanten seien unchristlich zu beerdigen. 83 O b das Duelledikt in Eutin wirklich einem christlichen Geist entsprang, wie es Petersen vorgibt, oder eher als Zeichen eines absolutistischen Herrschaftsanspruches anzusehen ist, mag hier unentschieden bleiben. Auch über die praktische Durchführung des Edikts sind wir nicht unterrichtet. 8 0 N a m e des Hofmarschalls (für 1676) nach GECK, Buxtehude 1965, 113 und der Vorname nach Franck, Mecklenburg 17, 1757, 151 und 18, 1757, 20: ein holsteinischer Geheimer Rat (1718) und königlich-dänischer Gesandter (1729). 81 L B 1717, 4 5 - 4 8 ; mit der Problematik des Duellwesens hatte sich Petersen schon früher beschäftigt; vgl. Speneran Petersen, Frankfurt a. M . , den 24.4. 1679 (AFSt A 196, p. 1 0 8 - 1 1 4 bes. 112). 8 2 Hofprediger in Plön ( 1 6 7 9 - 1 7 2 9 ) nach ABENDS 3, 1932, 161. Angesichts der unten erwähnten Edikte, die den Vorfall auf Frühjahr 1681 datieren lassen, kann nur er gemeint sein. 8 3 Edikt v o m 29.3. 1681 (RÜDER, Gesetzgebung 1837, 4f.), wiederholt am 12.6. 1688 (ebd.); vgl. Freude, A N T I M O N O M A X I A , 2. Aufl. 1682, 4 3 2 - 4 3 3 (vgl. L B 1717, 47) und Petersens Geleitbrief dazu v o m 1.5. 1680: ebd., Bl. c3 b - c4'. Auch in Plön wurde ein entsprechendes Edikt erlassen, offenbar erst am 30. 7. 1688 (KINDER, Plön 1890, 3 1 6 - 3 1 8 , N r . 200).

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Die Ausübung seines Strafamtes beschreibt Petersen weiter mit zwei kleinen Anekdoten. So habe er nicht davor zurückgeschreckt, einem vornehmen gottorfischen Bedienten seine unziemlichen Reden, die dieser bei Tisch gefuhrt habe, nicht nur unter vier Augen, sondern auch öffentlich in der Kirche vorzuhalten. Für seinen Mut wird er vom Herzog mit fünfzig Talern bedacht, die ihm der reumütige Bediente selbst überbrachte. 84 Vielleicht in Petersens späte Eutiner Zeit fällt die Geschichte von dem göttlichen Gericht über den furstbischöflichen Stubenheizer. 85 Jedenfalls versteht Petersen das Ereignis im Rückblick so, daß er schon damals im Kampf mit dem Teufel und denen, „die seines Theils waren", stand. Entsprechend wirkt auf der Seite des Superintendenten Gott selbst sein furchtbares Strafgericht. Der fürstbischöfliche Stubenheizer hatte den frommen Lakaien Werner geschlagen, beim Bischof verleumdet und in einen Spanischen Mantel stecken lassen, nachdem Werner bei Tisch Petersens Predigt wiederholt und die unchristlichen Reden seiner Tischgenossen angemahnt hatte. Petersen verwendet sich nun für den Lakaien und sieht sich, seine und des Lakaien Sache kurze Zeit später bestätigt, als das Haus des Stubenheizers abbrennt und der Besitzer selbst darin umkommt. Ohne den genauen Grund anzugeben, führt Petersen den Brand, bei dem die umliegenden Häuser bewahrt wurden, darauf zurück, daß der Stubenheizer einen „Feuer=Fresser" gegen Petersens eindringliche Mahnung aufgenommen hatte. 86 Schließlich dokumentieren die drei von Petersen in Eutin veröffentlichten Predigten, die „Eyd=Predigt", die „Pflicht=Predigt" und die „Buß=Predigt", die von ihm praktizierte Kirchenzucht, die ganz in der Tradition der Reformorthodoxie steht. 87 Als weiteres Schwergewicht seines Reformeifers stellt Petersen sein energisches Vorgehen gegen die nachlässige und unverantwortliche Berufung von Predigern heraus. Er habe sich bemüht, daß nur „capable" Personen Pastoren würden. 88 In zwei Fällen verhinderte Petersen die Einstellung von Kandidaten, die sich durch ihren Lebenswandel selbst disqualifiziert zu haben scheinen. So hatte der Domdekan, Joachim von Rantzau, in Absprache mit den Domherren den Studenten Georg Mohr auf die Pfarrstelle in Hamberge berufen lassen, nachdem dieser sich bereit erklärt hatte, das Hausmädchen des Domdekans zu heiraten. Es handelt sich hier um eine Variante der mancherorts feststellbaren Praxis, daß von einem Pfarrstellen84

LB 1717, 48 f. Vgl. J. W. Petersen an F. Breckling, Eutin, den 20.2. 1683- FoB Gotha: „Ich bekomme aber zu gleich mehr zu thun mitt ezlichen gottlosen Hoffleuten, davon ich neulich 5 von dem H. Abendmahl abgehalten: Gott sey danck, daß mir der liebe Gott meine gnädigste Herrschafft, so woll den Hertzog, alß die Hertzogin zur beute gegeben". 85 LB 1717, 58 f. 86 Von dem Brand ist sonst nichts bekannt. Cogelius-Molde 1713, 30 erwähnt nur den Hausbrand bei dem Leineweber Hinrich Schwarck in der Pfaffenstraße, bei dem J. Arndts Paradiesgärtlein unversehrt geblieben sein soll. 87 S. Werkverzeichnis. Die Bußpredigt war nicht auffindbar. 88 LB 1717, 5 3 - 5 5 .

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bewerber gefordert wird, die Witwe oder eine hinterbliebene Tochter des verstorbenen Amtsvorgängers zu ehelichen, u m sie finanziell zu sichern bzw. nicht aus der Witwen- und Waisenkasse bezahlen zu müssen. Bei dem Fürstbischof hatte Petersen es bald erreicht, daß dieser keiner „einzigen wittwen, noch wittwen tochter [seil, von Pfarrern] den Dienst zur pfarre verheißen [werde], auff daß der Prediger ein gut gewißen mitt in sein Ambt bringe, und behalte." 8 9 In Hamberge aber gab es keine Pfarrerswitwe oder -waise, da der bisherige Amtsinhaber, Mauritius Lange, wahrscheinlich im Jahre 1681 nach Kleinwesenberg berufen worden war. 9 0 An seine Stelle sollte nun unter der erwähnten Bedingung Georg Mohr berufen werden. Der Eutiner Superintendent aber protestiert gegen diese Vokation, da Mohr vorher eine Krugwirtschaft zu betreiben angefangen habe. 91 Petersen erreicht es immerhin, daß nach einigen Verhandlungen Heinrich Lobeck u m 1682 berufen wird, der vorher (seit 1672) in Grossenbrode vor Fehmarn im gemeinschaftlich regierten Teil Schleswig-Holsteins amtiert hatte. 92 Freilich kann Petersen nicht verhindern, daß nun Mohr an Lobecks Stelle nach Großenbrode kommt, da die dortige Kirche außerhalb seiner Ephorie stand. 93 Der in Petersens Augen unrechtmäßige Handel bestätigt sich ihm, als er den schon früher ordinierten Pfarrer Lobeck gegen dessen anfänglichen Widerstand examinieren läßt und ihm dabei seine Unkenntnis der symbolischen Bücher anhand der Sabbatfrage nachweist. 94 Petersen berichtet noch von einem anderen Fall einer fragwürdigen Protektion. Ein (Johannes) 01d(en)rogg(e) sollte 1681 mit Empfehlung eines eutinischen Kammerdieners zum Prediger in Lensahn berufen werden. 9 5 Obwohl Petersen die Unfähigkeit sowie die „freche und üble A r t " des Kandidaten erkennt und seine Bedenken anmeldet, wird Oldenrogge auf Drängen der Lensahner Gemeinde von August Friedrich berufen. Wieder aber gibt die göttliche Providenz dem Superintendenten recht. Schon kurz nach der ausgestellten Vokation kommt der schlimme und anstößige Le89 90

J . W. Petersen an F. Breckling, Eutin, den 2 9 . 1 0 . 1679- F o B Gotha. ARENDS 2, 1 9 3 2 , 9 u n d 3, 160.

D a s L B 1717, 54 erwähnte „ W a r n u n g s = S c h r e i b e n " a n j . v o n Rantzau ist nicht überliefert. ARENDS 3, 1932, 32 und 160; vgl. L B 1717, 54, wonach der neue Pfarrer in H a m b e r g e aus einem kgl.-dänischen D o r f berufen w u r d e . D a s bezieht sich w o h l auf die Patronatsverhältnisse. 9 3 ARENDS 3, 1932, 163; M o h r w a r dort Pfarrer von 1683 bis 1716; zu s. S t u d i u m in Kiel s. Matrikel Kiel 1915, N r . 924 (8. 6. 1676). 9 4 Großer Katechismus, 3. G e b o t ( B S L K [1930] 1963, 581, Z . 8 - 1 8 [Abs. 83]); Petersen zitiert in L B 1717, 55 (mit Auslassungen) nach d e m lateinischen Konkordienbuch (Leipzig 1584); zur Sabbatfrage s. Walch, R S 1, 7 8 3 f . ; 2, 839; 3, 59. 79; 5, 952. 1 1 0 0 - 1 1 0 3 . 9 5 L B 1717, 5 5 - 5 8 ; vgl. Spener an Petersen, Frankfurt a. M . , den 2 2 . 4 . 1681 (AFSt A 196, p. 1 8 8 - 1 9 5 bes. 190); zur Identifikation v o n O l d e n r o g g e s. Matrikel Kiel 1915, 308 (Juni 1668) und Matrikel J e n a 2, 1977, s . v . (28.6. 1669); der O r t ergibt sich aus der späteren B e r u f u n g J. Boetius' dahin (ARENDS 1, 1932, 71). D e r O r t Lensahn, ca. 10 k m südlich von O l d e n b u r g i. H . , gehörte unter die f r e m d e Herrschaft des A m t e s O l d e n b u r g im herzoglichen Anteil Schleswig-Holsteins, unterstand aber offensichtlich - vielleicht v o n den Gründungsjahren des B i s t u m s her - dem furstbischöflichen Patronat. 91

92

135

benswandel des Kandidaten ans Tageslicht. Oldenrogge hatte nämlich in Jena - wahrscheinlich im Duell - einen Studenten getötet. In Absprache mit dem früheren Rektor der Universität Jena, Sebastian Niemann, der inzwischen zum Generalsuperintendenten nach Gottorf berufen worden war, erreicht es Petersen, daß Oldenrogge die Ordination verweigert und das Vokationsschreiben vernichtet wird. 96 An seiner Stelle konnte dann Jakob Boetius (Boysen) nach Lensahn berufen werden. 97 Umgekehrt hat Petersen die Wahl von Johannes Kemler zum Diakon in Eutin veranlaßt (1683—1697).98 Kem(b)ler stammte aus der Mark Brandenburg, war vorher Rektor in Oldesloe und wurde später Prediger in Neukirchen (1697—1728). Seine engeren Beziehungen zu Petersen, die sich auf Grund von Kemlers Beteiligung an der Frankfurter Kompagnie (seit 1686) vermuten lassen, werden sich erst in Eutin ergeben haben. 99 Neben solche moralischen Auseinandersetzungen mit den Menschen seines Amtsbereiches treten in Petersens Autobiographie Erzählungen und Wundergeschichten, insbesondere Exorzismen, die den Superintendenten im Kampf gegen Aberglaube, teuflische Zauberei und Atheismus zeigen. Auch hier unterscheidet sich Petersen in keiner Weise von seinen theologischen Standesgenossen, die von der leibhaftigen Realität des Teufels wie der Wunderwirklichkeit überzeugt waren. 100 Noch an das Ende seiner Hannoveraner Zeit fällt die Geschichte von dem „unsinnigen Mann", einem „Besessenen", in der Eilenriede, den Petersen (in Nachahmung von Mk 5, 1 —20 par) auf Grund seiner geistlichen Vollmacht geheilt zu haben vorgibt. Es gelingt Petersen in seinem „Priester=Habit" den mit einem Beil wütenden Mann mit freundlichen Worten zu besänftigen und wieder in die Gesellschaft zurückzufuhren. 101 Den Kampf mit dem Teufel nimmt Petersen auch in der Episode von dem „Erb=Schmied" in Zernekau („Zernikaw") auf.102 Ein Kammerjunker hatte den Schmied in Zernekau unter falscher Vorgabe überredet, seine Zaubermittel zu gebrauchen, um den Dieb zu ermitteln, der dem Kammerjunker 500 Taler gestohlen hatte. 103 Der Schmied sollte dem Dieb das Auge „ausschmieden", indem er an drei Sonntagen hintereinander einen Nagel verfertigte und diesen am 3. Sonntag in einen dazu vorbereiteten, modellierten Kopf schlug. Der Aberglaube sagt, daß dem Dieb dann das entsprechende Auge ausfallen würde. 104 Petersen aber weiß diese abergläubischen Praktiken zu verhindern und läßt die Schmiede verbrennen, um auf diese Weise den 96

LB 1717, 56 (für „ N e u m a n n " lies „Niemann").

97

ARENDS 1, 1 9 3 2 , 7 1 .

98

L B 1 7 1 7 , 5 8 ; v g l . WEIMANN, P f a r r e r 1 9 7 6 , 1 4 u n d 2 2 .

99

S. S. 274f. 100 Vgl. BARTH, Atheismus 1971, 2 9 7 - 3 0 1 . 101 LB 1717, 37f. (Vgl. dazu Lk 10, 34f.). 102 LB 1717, 4 0 - 4 3 . 103 Die N a m e n der Beteiligten sind unbekannt; der K a m m e r j u n k e r w u r d e später entlassen. 104

136

V g l . H d t A G 9 , 1 9 3 8 / 4 1 , 2 5 7 - 2 6 5 (JUNGWIRTH) undBARTSCH, S a g e n 2 , 1 8 8 0 , 3 2 2 u n d 3 3 2 ;

Teufel auszutreiben. 105 Sein Weg, den er als Seelsorger beschreitet, um den Dieb zur Herausgabe des Diebesgutes zu bewegen, wäre nach Petersens Ansicht erfolgreich gewesen, hätte der Kammerjunker nicht durch seine Wachposten eine diskrete Rückgabe unmöglich gemacht. So soll der Vorfall trotz des unbefriedigenden Ausgangs das rechte Handeln Petersens zeigen. Mit in diesen Zusammenhang gehören schließlich die Geschichten von dem Hamburger Wundermann und „Kröse-Köper" (Krug-Verkäufer) Jürgen Frese, mit dem Petersen in Eutin persönlich bekannt wurde, und dem Rensefelder Wunder. 106 Frese hatte einen Lüneburger Patrizier aus dem bedeutenden Hause von Witzendorff, der an Gott zweifelte und dem Atheismus ergeben war, wieder zum christlichen Glauben gefuhrt, indem er vor den Augen des Lüneburger Kaufmanns einen glühenden Ring in die Hand nahm, ohne sich zu verbrennen. Damit konnte Frese dem verzweifelten Witzendorff die erfahrbare Wirksamkeit Gottes, seinen wunderbaren Schutz, vor Augen stellen, so daß dieser die Existenz Gottes nicht mehr leugnen konnte. Die Geschichte ist in jener Zeit häufig und zum Teil mit Varianten wiedergegeben worden. Vor allem Christian Kortholt war davon so beeindruckt, daß er den Eisenring in die Kieler Bibliothek bringen ließ und einen ausfuhrlichen Bericht darüber veröffentlicht hat. 107 Bei dem Rensefelder Wunder handelt es sich um eine ähnlich „erbauliche" und fast märchenhafte Geschichte, bei der Petersen aber selbst kein Augenzeuge war, sondern nur über sie Erkundigungen einzog, um sie seinem Bischof in einem (verlorenen) Bericht darzulegen. 108 Danach soll es einem jungen Landwirt widerfahren sein, daß ein Rabe ihn ansprach, um ihm wunderbare Dinge zu zeigen. Der Rabe verwandelte sich daraufhin in ein Pferd und führte ihn in eine Art Hölle, „da er unterschiedliche, die gestorben waren, gesehen, wie ihre Leichen von den bösen Geistern am Spieß gebraten, und mit Saltz besprenget wurden". 109 Dieses Erlebnis sollte dem jungen Menschen (und dem Leser von Petersens Autobiographie) in derber Weise die Höllenstrafen vorführen, die bei einem unchristlichen Leben zu gewärtis. danach als ältester Beleg für Mecklenburg: Ackermann, Aberglaube 1791, 438 — 442 bes. 439 (ohne Quellenangabe). 105 Die etymologische Erklärung des slavischen Ortsnamens von einem holsteinischen Abgott „Zernebog" (schwarzer/ böser Gott) im Gegensatz zu „Beibock" (weißer/ guter Gott) findet sich schon bei Cogelius-Molde 1713, 62. Was es mit den Kaufleuten aus Hamburg auf sich hat, die Zeugen dieses Gerichtes gewesen sein sollen, ist unklar. 106 Zu „Kröse-Köper" s. KÜCK, Wörterbuch 2, 1962, 223. Der „Thaumaturg" ist auch Thema in den Briefen Speners an Petersen vom 22. 4.; 5. 9.; 22.10. 1681 (AFSt A 196, bes. p. 194, 163, 218f.). 107 LB 1717, 64 und Kortholt, „ T H A V M A T O G R A P H I A , Oder Umbständliche Relation Was in Hamburg mit einem glühenden Eisernen Ring sich begeben", in: Chr. Kortholt, Tractätlein 1679, 309ff. Vgl. Arnold, KuKH 3, 1729, 248 f. (mit weiteren Literaturhinweisen) undders., Leben 1701, 1103-1121 sowie Spener, LBed. 3, 1721, 609. 108 LB 1717, 62 f.; vgl. J.W. Petersen an Fürstl. Reg. in Celle, Lg., den 30.3. 1690, § 13-EphA Lg., wo die Geschichte bereits erwähnt wird. 109 LB 1717, 62.

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gen sind. Später sollen weitere Rensefelder Zeugen der Verwandlung des Raben in ein Pferd gewesen sein. In die letzten Eutiner Jahre gehören drei weitere Handlungsweisen Petersens, die schon eher ein „pietistisch-aufklärerisches" Denken verraten. So hat Petersen irgendwann in dieser Zeit, vermutlich im Jahre 1687, für seine Person auf das Beichten ganz verzichtet. 110 Anlaß waren offenbar Unstimmigkeiten mit dem Eutiner Stadtpfarrer Rodatz. Näheres ist unbekannt. Zur Verteidigung seines Verhaltens verwies Petersen auf das Beispiel der Jünger, die ja auch ungebeichtet zum Abendmahl gegangen seien. Auch konnte er ein Gutachten der Kieler Universität vorzeigen, dessen Sinn offenbar darauf hinauslief, daß er sich um keinen neuen Beichtvater bemühen müsse, nachdem er aus Mißtrauen seinen bisherigen Beichtvater verlassen hatte. 111 Ein großes Problem scheint sich daraus nicht ergeben zu haben. Sicher hielt man es bei Hofe schon aus Standesgründen für unnötig und sogar entehrend, wenn der Superintendent bei einem anderen Landpfarrer zur Beichte gehen sollte. Welche Motive Petersen bewogen, kann man nur erahnen. Es sind wohl dieselben, die im Pietismus allgemein zur Ablehnung der Privatbeichte führten. 1 , 2 Entsprechend hat Petersen in seinem Spruchkatechismus auch das Stück von der Beichte weggelassen. Wie Petersens Auslegung von Römer 7 zeigt (s. u.), hat sich bei ihm in dieser Zeit außerdem die Vorstellung bekräftigt, daß ein Wiedergeborener in der Tat nicht mehr sündige. Für einen „reifen Christen" war damit die Institution der Beichte hinfällig geworden. Einen aufklärerischen Zug trägt Petersens Eintreten für einen der letzten „Ketzer", die im Alten Reich zum Tode verurteilt und exekutiert wurden. Die Geschichte des „Gotteslästerers" Peter Günther ist häufig beschrieben und novellistisch erzählt worden. 113 Der Kleinschmiedgeselle Peter Günther wurde im Jahre 1687 wegen angeblicher Lästerung Christi auf Anklage von einigen Mitgesellen verhaftet, eingekerkert und nach Einholung verschiedener Gutachten zum Tode verurteilt. Günther war offenbar von sozinianischen Gedanken beeinflußt und konnte das christliche Trinitätsdogma nicht nachvollziehen. Interessant ist die Argumentation, mit der Petersen, der sich auch persönlich um die Seelsorge des Eingekerkerten kümmerte, die Verurteilung und Hinrichtung zu vereiteln versuchte. Er hat zu diesem Zweck drei Briefe geschrieben, die in Arnolds „Kirchen- und Ketzerhistorie" abgedruckt sind.114 Petersens Hauptargument ist, daß die Todesstrafe wegen 110

LB 1717, 75 f. Z u Rodatz(ki) s. WEIMANN, Pfarrer 1976, 12. Das Gutachten w u r d e nicht ermittelt; vgl. LBed. 3, 1711, 255 (31.1. 1687) [an C h r . Kortholt?]: Ü b e r s e n d u n g eines Schreibens aus Eutin. Danach ließe sich der Vorfall auf 1687 datieren. 111

112

113

V g l . OBST, B e i c h t s t u h l 1 9 7 2 .

LB 1717, 66ff.; Arnold, K u K H 4, 1729, 8 0 1 - 8 1 0 ; RADBRUCH, Günther 1911; A n o n y m , Günther 1827; SARTORIUS 1866; Pitaval 1873; Hss. Material im Kirchenarchiv Lübeck. 114 A a O , 1.) 8 0 2 - 8 0 5 an den Syndikus Pomeresche (24.10. 1687); 2.) 8 0 5 - 8 0 7 an Georg

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Gotteslästerung nur dann zulässig und nach Lev 24, 15 geboten sei, wenn man gegen sein Gewissen und das Licht der Natur die Tat begeht. Da es sich bei dem Trinitätsdogma aber u m eine Offenbarungswahrheit handle, die dem Christen geschenkt werden muß, könne man Günther nicht als Lästerer, sondern nur als „Irrenden" bezeichnen. Nach dieser Verteidigung geht Petersen dann zum Angriff über: „ S o ist auch gewiß, daß die wenigsten, die da sagen, daß Jesus Christus Gottes Sohn sey, mit Wahrheit glauben, sie seyn geringe oder hohe, gelehrte oder ungelehrte. Denn Johannes machet in seiner 1 ep. am 5ten einen solchen schluß: Alles was von Gott gebohren ist, überwindet die weit, und unser glaube ist der sieg, der die weit überwunden hat; Wer ist aber, der die weit überwindet, N B . ohne der da glaubet, daß Jesus Christus Gottes Sohn ist? Wer nun die weit und ihre lüste, wie die wenigsten thun, nicht überwindet, derselbe glaubet auch nicht, daß Jesus Christus Gottes Sohn ist, ob er es gleich mit dem munde bekennet." 1 1 3

Das Argument Petersens zeigt die enge Verknüpfung auf, die fur ihn zwischen dem wahren Glauben und einem christlichen Leben besteht. Das kann schlicht paränetisch gemeint sein. Gleichwohl ließe sich das Argument in der zitierten Passage auch umdrehen. Erst ein christliches Leben, das auf die Kraft Christi im Wiedergeborenen setzt, kann Zeugnis von Christus, seiner Existenz und seinem göttlichen Wesen ablegen. Dann aber ließe es eine weit größere Zahl seiner Zeitgenossen am rechten Glauben mangeln. In dieser Hinsicht hat Petersens Argument auch eine kritische Funktion, die auch später, etwa bei seiner Auslegung von R o m 7, wieder zutage tritt. Ganz zum Abschluß seiner Eutiner Zeit schließlich kann Petersen sich in die Schar derer einreihen, die das Gottesreich durch die Taufe eines Juden vermehren wollten. Schon in Speners Eschatologie, dann aber auch im ganzen kirchlichen und radikalen Pietismus, spielt die künftige Bekehrung der Juden zum christlichen Glauben eine große, wenn auch in der gedanklichen Durchführung sehr unterschiedliche Rolle, da darin eine wesentliche Verheißung der Schrift erfüllt werde (v. a. R o m 9—II). 1 1 6 Petersen war, wie sein Brief an Johann Reinbeck v o m 12.1. 1688 zeigt, beglückt davon, daß ihm eine solche Judentaufe vergönnt war. 117 Er hat dann auch sogleich für seinen im Jahre 1689 neu aufgelegten Spruchkatechismus einen Anhang angefugt, wo er ein eigenes Glaubensbekenntnis für einen Juden formulierte. 118 Trotzdem hat die Konversion der Juden Petersen im Laufe seines Lebens nur am Rande, als Teil seines theologischen Gedankensystems, interessiert.

Petersen; 3.) 807 f. an einen Prediger der Stadt. Vgl. L B 1717, 70. Daß es sich um denselben Absender handelt, geht aus der ähnlichen Argumentation hervor. 1 1 5 Arnold, aaO, 803; vgl. 805. 116 Vgl. dazu SCHRÄDER, Wiederkehr 1988 und SCHNEIDER, Schreiben 1985. 1 , 7 StA Lg. (Berufung). 118 S. Werkverzeichnis.

139

Förderung der

Konfirmation

Das markanteste Zeichen seiner Wirksamkeit in Eutin hat Petersen mit seinem Eintreten für eine Konfirmation der getauften Christen hinterlassen. N u n ist bekannt, daß der Pietismus weder den Katechismusunterricht im 17. Jahrhundert neu begründet noch die feierliche Konfirmation in die lutherischen Landeskirchen eingeführt hat.119 Schon Philippjakob Spener fand bei seiner Berufung nach Frankfurt im Jahre 1666 Verordnungen und praktizierte Regelungen des Katechismusunterrichts und des Glaubensverhörs vor. 120 Auch der Antrag auf Einführung der Konfirmation in den zu der Reichsstadt Frankfurt gehörigen Landgemeinden im Jahre 1668 geht kaum auf die Initiative Speners zurück. 121 Charakteristisch für das pietistische Selbstverständnis und Selbstbewußtsein ist allerdings der persönliche Einsatz, mit dem Spener und seine Anhänger sich, ungeachtet ihrer gesellschaftlichen Stellung, des religiösen Elementarunterrichtes annahmen. Aus ihrer Sicht der künftigen geschichtlichen Entwicklung war das folgerichtig. Konnten sie doch bei der Jugend auf unbebautem und unverdorbenem Acker säen und eine gute Ernte erwarten, die die Kirche von Grund auf erneuerte. 122 Überdies entspricht die Art des religiösen Elementarunterrichtes der pietistischen Forderung nach einer verständlichen, einfachen und insofern erbaulichen Lehre, die die Grundlage für ein christliches Leben bildet. Betrachten wir, wie Petersen sich als Superintendent des Lübecker Bistums für Katechismusunterricht und Konfirmation einsetzte, so stellen wir fest, daß er sich damit einer vorgängigen Entwicklung im Bistum und einer allgemeinen Tendenz in Schleswig-Holstein anschloß. Auch dort werden seit 1670 allgemein frühere Beschlüsse, die Konfirmation einzuführen, in die Tat umgesetzt. 123 Ja, selbst die Einzelheiten des Katechismusunterrichtes und der Konfirmation im Lübecker Bistum lassen keine spezifisch pietistischen Motive oder Akzente erkennen. 124 Für die Verhältnisse im Bistum Lübeck sind wir im wesentlichen darauf angewiesen, sie aus den registrierten landesherrlichen Verordnungen abzuleiten. 125 119

Vgl.

CASPARI,

Konfirmation 1890;

DIEHL,

Konfirmation 1897;

ACHELIS

2, 1898, 2 5 f f . ;

HANSEN, K o n f i r m a t i o n 1911.

Spener 1986, 2 1 5 - 2 1 9 . Spener 1986, 219f. und Vgl. SK 1685, Vorr. § 15.

120

WALLMANN,

121

WALLMANN,

122 123

124

GRÜNBERG

2, 1905, 85.

HANSEN, K o n f i r m a t i o n 1911, 140.

Vgl. HANSEN, Konfirmation 1911, 187: „Es ist überhaupt auffallend, wie wenig die Ausführungen dieses Pietisten über die Konfirmation den Stempel des Pietismus tragen." 125 Die meisten dieser (Konsistorial-)Verordnungen, die im SHLA (Abt. 268) aufbewahrt waren, wurden 1911 (aus Lagerungsgründen) vernichtet; ihre den Sachverhalt beschreibenden Titel sind aber in den Findbüchern erhalten; als Quelle dient außerdem RÜDER, Gesetzgebung 1, 1837. Von Visitationsprotokollen oder ähnlichen D o k u m e n t e n , die die tatsächliche D u r c h f ü h rung der Verordnungen beschrieben, ist aus Petersens Zeit nichts überliefert.

140

Johann Wilhelm Petersen fand bei seiner Amtsübernahme in Eutin neuere Bemühungen vor um eine Hebung des religiösen Bildungsstandes der zum großen Teil aus Bauern und Handwerkern bestehenden Bevölkerung. 126 Denn schon in den siebziger Jahren des 17. Jahrhunderts waren unter dem Bischof August Friedrich und dem Superintendenten Christian von Stöcken ernsthafte Versuche unternommen worden, die katechetische Unterweisung der Bevölkerung zu verbessern. 127 Vom 27. Juni 1672 datiert eine Verordnung, die das öffentliche Katechismusexamen für Kinder und Erwachsene vorsieht. Da die holsteinische Kirchenordnung schon immer Katechismuspredigten am Sonntag vorsah, dürfte das Katechismusexamen jene in der Weise weiterentwickelt haben, daß sich die Predigt nun stärker auf die Auslegung des Kleinen Katechismus bezog, der von der Gemeinde auswendig zu lernen war. Zu den Erklärungen Luthers gab der Pfarrer in der Regel weitere Hinweise, mit denen er seinerseits Luthers Worte der Gemeinde auslegte. Aus dieser Praxis läßt sich die herkömmliche Dreiteilung der zeitgenössischen Katechismusbearbeitungen ableiten (Lehrstück, Luthers Auslegung, Kommentar des Pfarrers). Das Katechismusexamen sollte in einem vierwöchigen Turnus am Sonntagnachmittag vorgenommen werden. 128 Diese Verordnung wird im folgenden Jahr spezifiziert, indem das regelmäßige Katechismusexamen in Eutin weiterhin am Sonntagnachmittag, auf dem Land aber nach der Hauptpredigt abgehalten werden soll.129 Man hatte wohl der Landbevölkerung nicht zumuten können, zweimal an den fraglichen Sonntagen die zum Teil weiten Wege zur Kirche anzutreten. Auch wurde die Einrichtung von Landschulen angekündigt. Über die genauere Ausführung sind wir allerdings nicht unterrichtet. Zwei Jahre später werden die früheren Verordnungen über das Katechismusexamen Kirchenvolk und Pfarrern neu eingeschärft. Den vor allem bei der städtischen Bevölkerung Eutins auftretenden Widerständen versucht man entgegenzuwirken, indem das Katechismusexamen nun an das Ende 126 Ich übergehe die V e r o r d n u n g aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges v o m 30. 12. 1637, die u . a . den Predigern aufträgt, (auch) den Eingepfarrten in den einzelnen D ö r f e r n (außerhalb des Kirchdorfes) Religionsunterricht zu erteilen; RÜDER, Gesetzgebung 1, 1837, 1. 127 Eine erste V e r o r d n u n g „das in den Kirchen zu haltende E x a m e n catecheticum betr.", in: S H L A A b t . 260, 11, N r . l l . l . B . l (vernichtet). 128 RÜDER, Gesetzgebung 1, 1837, 2 f . u n d S H L A , A b t . 260, 11, N r . 11.L.J.2a (vernichtet). 129 RÜDER, Gesetzgebung 1, 1837, 3 (24.10. 1673) u n d Langemack 3, 1740, 354, w o n a c h die Katechisation im Eutinischen v. a. durch von Stöckens „ r e m o n s t r a t i o n " seit 1674 e i n g e f ü h r t w o r d e n sei; vgl. dazu C h r . von Stöcken, Die öffentliche || K i n d e r = u n d Kirchenverhör || Aus d e m II C a t e c h i s m o / || Mit vielen unverwerfflichen || Zeugnissen Lutheri u n d anderer || [ . . . ) Ratzeburg 1674, 95f. u n d Z u s c h r i f t ) ( i i i i b : „Ich/ der geringste unter den Dienern Gottes/ hab aus erheischender A m t s = P f l i c h t alle M ü h e dahin a n g e w a n d t / u m die so nüzzliche Catechism u s = U n t e r r i c h t u n g in den Bischöflichen Stifts = Kirchen z u m Stande zu bringen/ mit nicht geringer Beschwerde"; vgl. ebd., )( vii a u n d Stöckens m e h r f a c h aufgelegten u n d weit verbreiteten Katechismus: Die vernünftige lautere Milch des heiligen Katechismi, Ratzeburg 1672 (s. RENDTORFF, S c h u l o r d n u n g e n 1902, 296f.).

141

des sonntäglichen Hauptgottesdienstes am Vormittag gestellt wird. So soll sich keiner mehr dem Glaubensverhör entziehen können. 130 Die folgenden Verordnungen, die den Katechismus betreffen, stammen dann aus Petersens Zeit in Eutin. Wie schon bei den oben genannten Bestimmungen ist auch für die folgenden unklar, auf wessen Initiative oder maßgeblichen Antrieb sie zurückgehen. Petersen selbst rühmt sich nirgendwo dieser verschiedenen Verordnungen. Gegenüber Friedrich Breckling drückt er den Sachverhalt zurückhaltend aus, wenn er schreibt, der Fürstbischof habe hinsichtlich der Einführung der Katechismuslehre „gerne meiner bitte hirin gewehret". 131 Der Superintendent hatte aber keine anordnende Befugnis. Alle kirchlichen Verordnungen wurden vom Konsistorium erlassen, in dem der Superintendent nur beratende Funktion hatte. Angesichts einer gewissen Kontinuität der Verordnungen darf man die Rolle der wechselnden Superintendenten nicht überbewerten. Die Verordnungen unter Petersen beginnen mit derjenigen vom 6. März 1679, in der das regelmäßige, sonntägliche Katechismusexamen angeordnet wird. 132 Das wöchentliche Examen soll offenbar gewährleisten, daß alle Kirchenbesucher sich irgendwann dieser Prüfung unterziehen. U m der Verordnung Nachdruck zu verleihen, kam August Friedrich samt seiner Gattin selbst anläßlich der Einführung des Katechismusexamens in die Eutiner Michaeliskirche. 133 Als weitere Besonderheit fällt auf, daß der Termin für diese Glaubensverhöre erneut verändert wurde. N u n sollten sie in Eutin wieder im Anschluß an die Nachmittagspredigten abgehalten werden. Wenn diese, wie an der Lüneburger Johanniskirche, dem Superintendenten oblagen, dann bestätigt sich Petersens Angabe in seiner Lebensbeschreibung, daß sich der Eutiner Pastor Christoph Rodatz (1621 ?—1692) geweigert habe, Katechismusunterricht zu geben. Daraufhin mußte Petersen selbst Katechismuspredigt und Examen halten. 134 Das so mit der Zeit im Bistum Lübeck eingeführte „Examen catecheticum publicum" sieht Emil Hansen als eine Weiterentwicklung der älteren Einrichtung eines Glaubensverhöres zu bestimmten Anlässen (v. a. Trauung und Abendmahl, dann auch Patenschaft) an.135 Im Unterschied zu der rein examinatorischen Form des Glaubensverhörs, das ohne weiteres auch privat vom Pfarrer durchgeführt werden kann, soll das öffentliche Katechismusexamen zugleich prüfen wie darlegen und vertiefen. 136 Beide, öffentliches Katechismusexamen und Glaubensverhör, haben ihre „konvergierende 130

RÜDER, Gesetzgebung 1, 1837, 3 (26.11. 1675). Petersen an F. Breckling, Eutin, den 29.10. 1679- FoB Gotha. 132 RÜDER, Gesetzgebung 1, 1837, 4. Das öffentl. Katechismusexamen wurde in SchleswigHolstein wahrscheinlich zuerst 1623 (HANSEN, Konfirmation 1911, 19 Anm. 2) eingeführt. 133 SK 1685, Vorr. §20; vgl. aberLB 1717, 43. 134 LB 1717, 43; vgl. Spener an Petersen, Frankfurt a . M . , den 5.9. 1681 (AFSt A 196, p. 163-169 bes. 165). 135 HANSEN, Katechismus 1911, 1 8 - 2 7 . 131

136

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HANSEN, K a t e c h i s m u s 1 9 1 1 , 2 0 f .

Tendenz" in dem öffentlichen, die ganze Gemeinde erbauenden Akt der Konfirmation, die ein Glaubensverhör der Jugend vor der ersten K o m m u nion und damit den Eintritt als vollwertiges Mitglied der christlichen Gemeinde (z.B. fur Trauung und Patenschaft) darstellt. 137 Zugleich ist diese Form der Konfirmation ein Mittel der Kirchenzucht, wenn die vollen Rechte eines Christen erst nach Absolvierung eines Glaubensverhörs zuerkannt werden. Nur durch diesen sozialen und religiösen Druck war es offenbar zu erreichen, daß die Eltern ihre Kinder zur Katechismuslehre schickten. 138 In der Tat können wir die Tendenz des Katechismusexamens zur Konfirmation als Abschluß des Jugendkatechumenats auch für das Bistum Lübeck feststellen. In der Verordnung v o m 6. August 1680 wird festgehalten, daß jeder, der das erste Mal zur Kommunion geht oder eine Patenschaft übernehmen will, sich zuvor einer öffentlichen Prüfung unterziehen muß, in der er ein Glaubensbekenntnis ablegt. 139 O b es sich um ein eigen formuliertes Glaubensbekenntnis in zusammenhängender oder dialogischer Form (zwischen Prediger und Konfirmanden) handelt, ist ungewiß. Petersens eigener Anspruch war jedoch, daß jedes Gemeindeglied befähigt sein sollte, selbständig aus der Bibel seinen Glauben zu begründen. 1 4 0 D a Petersen im Zusammenhang mit diesen Verhören das holsteinische Konfirmationsformular zitiert, wird man mit diesen Glaubensverhören die Einfuhrung der Konfirmation im Lübecker Bistum datieren. 141 Die Konfirmation ist danach der Abschluß einer Zeit, in der der einzelne nur ein unselbständiges, nur mit Vorbehalt zu betrachtendes und insofern nicht volles Mitglied der Kirche ist. Der verantwortete Empfang des Abendmahls (nach IKor 11, 29) ist Zeichen und Beginn der vollen Kirchengliedschaft im geistlichen Sinn. So heißt es im Formular: 137

HANSEN, K a t e c h i s m u s 1 9 1 1 , 21 ff.

Vgl. J. W. Petersen an F. Breckling, Eutin, den 29.10. 1679- FoB Gotha: Die Verknüpfung der Konfirmation mit der Abendmahlszulassung solle die Eltern dazu bewegen, ihre Kinder in die bislang vernachlässigte Katechismuslehre zu bringen. 139 RÜDER, Gesetzgebung 1837, 6; vgl. SK 1685, Vorr. §20; s. deren Wiedereinschärfung vom 16.8. 1682, nach der dem Superintendenten das Recht zu einer unvermuteten Visitation erteilt wird, bei RÜDER, Gesetzgebung 1837, 6 und SK 1685, Vorr. §20. Daß diese Wiederholung anläßlich der Wahl eines Diakons 0. Kemlers ?, s. S. 136) erfolgte, bekräftigt HANSENS These (Konfirmation 1911, 167-171), daß der Widerstand gegen die Konfirmation in Schleswig-Holstein v. a. von den Diakonen ausging, die um ihren Einfluß und ihre Einkünfte fürchteten. Dazu paßt die einjährige Vakanz des Diakonenamtes in Eutin. 140 SK 1685, Vorr. § 11. Die unterschiedlichen Glaubensbekenntnisse im SK (s. S. 150 und Werk Verzeichnis). Vgl. Vorr. von Kortholt, Bl. )o(7', wo Kortholt den Wert des SK realistischer darin sieht, daß er die Bibelkenntnis bei denen fördert, die oft nicht fähig sind, die Schrift selbst zu lesen. Bekannt ist, daß Α. H. Francke als einer der ersten von seinen Konfirmanden ein selbständig formuliertes Bekenntnis forderte (s. ACHELIS, Lehrbuch 2, 1898, 46). Ist Francke in diesem Fall von Petersen beeinflußt? 141 Von einem festen und einheitlichen Termin einer (Oster- ) Konfirmation (als Abschluß eines geregelten Katechumenenunterrichtes ?) ist erst in einer Verordnung vom 28.9. 1733 die Rede. Dort wird sie als schon eingeführt vorausgesetzt (RÜDER, Gesetzgebung 1837, 114). 138

143

„Weil die | Kinder nun zur Erkändtnis der Christlichen Lehre, und Gottseeligkeit zum Theil gekommen/ begehren sie von Hertzen/ daß sie besser/ völliger und mehr unserm und ihrem Heylande Christo JEsu und seiner Heil[igen] Kirchen mögen zugethan werden/ nemlich durch den Brauch des Heil. Abendmahls und Sacrament des Leibes und Blutes JEsu Christi. Damit aber solches mit grösserer Frucht/ Stärckung ihres Glaubens/ durch Krafft des Heil. Geistes geschehen möge/ sind sie bereit/ durch sich selbst Bekändtnis ihres Glaubens zu thun/ und sich Christo dem Herrn und seiner Kirchen zu ergeben/ und dem Teuffei zu entsagen/ welches sie in der Heil. Tauffe nicht weiter thun können/ ohne was von wegen ihrer Kindtheit durch ihre Pathen geschehen." 142

Die Konfirmation wird hier als die Wiederholung des Taufbundes seitens des mündig gewordenen Christen verstanden. 143 An diese Einleitung und das Examen Schloß sich das Versprechen der Konfirmanden an, ernsthaft beim Glauben bleiben zu wollen. Den Beschluß bildete die Einsegnung der Konfirmanden, indem der Pfarrer ihnen die Hand auflegte und dazu ein kurzes Gebet sprach. Petersen verteidigte die bischöfliche Verordnung vom 6. 8. 1680 mit dem „locus classicus" der lutherischen Konfirmation, der den Vorwurf einer Annäherung an das römisch-katholische Firmungssakrament zurückweist, mit Chemnitz' Passage „De confirmatione" aus seinem „Examen Concilii Tridentini" von 1599.144 Versucht man Petersens Anteil an der Einführung der Konfirmation im Bistum Lübeck zu ermessen, so lassen sich nur einige Hinweise geben. Es ist auffallend, daß zur Zeit Christian von Stöckens, der nicht als Befürworter der Konfirmation gilt, diese in Eutin vom dortigen Konsistorium nicht eingeführt wurde, wohl aber relativ kurz nach Petersens Amtsantritt. 145 Petersen mußte die Einrichtung der Konfirmation aus Hannover kennen. 146 Auch läßt sein ausfuhrlicher Bericht in der Vorrede zu seinem Spruchkatechismus ein gewisses Interesse für die Konfirmation spüren. So kann als Ergebnis festgehalten werden, daß Petersen mit seiner positiven Einstellung zur Konfirmation den Weg für ihre Einführung im Bereich der Eutiner Landeskirche freigemacht hat. Er hat mit seinen Mitteln und Kenntnissen die bestehenden und geltenden Ordnungen weitergeführt, ohne ihnen eigene Akzente zu geben. In den programmatischen Ausführungen seines Spruchkatechismus wirbt Petersen mit verschiedenen praktischen Vorschlägen für eine ernsthafte Katechisation. Danach soll die katechetische Unter142 SK 1685, Vorr. §22; Petersen zitiert nach der niedersächsischen Kirchenordnung, nicht nach dem schleswig-holstein. Kirchenbuch von 1665 (s. HANSEN, Konfirmation 1911, 329-336). 143 Vgl. J. W. Petersen an F. Breckling, Eutin, den 29.10. 1679- FoB Gotha: „repetito foedere baptismali". 144 SK 1685, Vorr. § [21]; vgl. den auch in Eutin lautgewordenen Vorwurf nach § [21], Chemnitz, Examen II, locus III, 25 (1. Absatz) (Ausgabe von PREUSS 1861, 297; vgl. HANSEN, Konfirmation 1911, 185). 145

146

Vgl. HANSEN, K o n f i r m a t i o n 1911, 144 A n m . 2.

S. die „Ordnung der confirmation oder firmung, wenn und wie man die halten sol in dem löblichen furstenthum herzog Erichs des jüngeren. [ . . . ] 1542." bei SEHLING 6.1, 1957, 838-843.

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Weisung des Pfarrers von christlichen Schulmeistern fortgesetzt und befestigt werden, indem diese mit den Kindern in die Kirche gehen und das Auswendiglernen des Katechismus überwachen. 1 4 7 Die Mitarbeit von ,,Lehr=Meister(n) und Lehr=Meisterinnen" sowie Theologiestudenten, die dann „nicht gantz roh ins A m m t kämen", sei besonders bei den großen Kirchspielen des Lübecker Bistums vonnöten, wo viele Dörfer bei einer Kirche eingepfarrt seien und der Pfarrer schon aus verkehrstechnischen Gründen diese Arbeit nicht leisten könne. 1 4 8 Das A m t des Schulmeisters sei entsprechend gesellschaftlich und finanziell besser zu honorieren. 1 4 9 Schließlich werden auch die Eltern an ihre Vorbildfunktion erinnert und aufgerufen, mit ihren Kindern den Katechismus durchzugehen. Dann wären die Kinder bereitwilliger zu lernen. 1 5 0 So richtig diese Vorschläge waren, so wird man Petersens Engagement für Katechese und Konfirmation angesichts des A m tes und der Stellung, die er innehatte, von seinen Taten her beurteilen müssen. 151 Über sein oder seines Landesherren Wirken, das über diese Verordnungen hinausginge, wissen wir aber fast nichts. Wohl hat Petersen (eine Zeitlang ?) in der Eutiner Stadtkirche die Katechismuslehre selbst abgehalten; aber dabei handelte es sich keineswegs um die ehrenrührige Kinderlehre, sondern um den regulären Nachmittagsgottesdienst, „wohin der Hertzog mit der Hoffstatt zu fahren pflegte". 1 5 2 In Lüneburg hat er als Superintendent, anders als sein Vorgänger Κ. H. Sandhagen, den Katechismusunterricht nicht freiwillig übernommen, wie das Spener in Frankfurt getan hat. 153 Selbst bei einem so konkret scheinenden Vorschlag, in den Dörfern Schulmeister einzustellen und einträglich zu honorieren, fragt es sich sehr, ob Petersen diese Maßnahme von der Landesregierung forderte und dafür seinen Einfluß geltend machte oder ob eine solche Einrichtung nicht vielmehr den Gemeinden zugemutet wurde. Z u m anderen zeigen Petersens Vorschläge kein eigenes Nachdenken über Katechese und Konfirmation, da sie nur allgemeine Forderungen der Zeit wiederholen. Vor allem aber kann nicht von einem pietistischen Interesse, durch Katechese und Konfirmation an der Erbauung der einzelnen Kirchenglieder mitzuwirken, gesprochen werden. Das zeigt sich an seinem fehlenZur Katechese als Aufgabe der Schule bei Spener s. GRÜNBERG 2, 1905, 61. SK 1685, Vorr. §16. 1 4 9 S K 1 6 8 5 , Vorr. § 1 7 . 1 5 0 SK 1685, Vorr. § 1 8 . 151 Gegen HANSEN (Konfirmation 1911, 146), der in der programm. Vorrede Petersens einen Beleg für sein „großes Interesse fur die Belebung der katechetischen Tätigkeit" sieht. 152 L B 1717, 43; vgl. SK 1685, Vorr. § 15: Er (Petersen) habe „zwey Jahr und darüber/ aus freyem hertzlichem Trieb den Catechismum öffentlich in der Gemeine bey den Kindern getrieben". 1 5 3 Actum, den 22.5. 1691, p . 8 f . und 1 2 f . - StA Lg.: Petersens Kollegen fordern, daß Petersen wie Sandhagen die Katechismuslehre treiben solle; Petersen will den Katechismus höchstens in der Kirche vor dem Altar behandeln (J. W. Petersen an Fürstl. Reg., Lg., den 13.6. 1691, p. 7- EphA Lg). Zu Spener s. WALLMANN, Spener 1986, 216f. 147

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den, jedenfalls nicht bezeugten persönlichen Einsatz. Das zeigt sich auch symptomatisch an seiner Einstellung zur Privatkonfirmation. Während Spener diese auf der Basis seines P r o g r a m m s der „ecclesiolae in ecclesia/ ecclesiis" durchaus billigen konnte, w e n n es die U m s t ä n d e nötig machten, forderte Petersen ausschließlich die öffentliche Konfirmation, damit alle sich daran erbauen. 1 5 4 Für Petersen bleibt der lebenslange Katechismusunterricht eine Einrichtung der Predigt und der öffentlichen Kirchenzucht. Er steht hier gemeinsam mit M ä n n e r n wie Christian Kortholt und Trogillus Arnkiel. 155 Entsprechend soll der Katechismus vor allem z u m Verständnis der Predigt anleiten. 156 Von einer individuellen religiösen Erziehung ist bei Petersen nicht die Rede. So bleibt auch Petersens H o f f n u n g , die er an Katechese und Konfirmation k n ü p f t und die an Speners Pia Desideria erinnert, blaß, w e n n es da heißt, man werde „bald eine andere Kirche sehen/ als wir nun haben/ da m e h r Böcke als Schaafe gefunden werden/ und da die Unwissenheit das wilde Kraut geworden ist/ welche den in so langer Zeit unbearbeiteten Garten der J u g e n d e i n g e n o m m e n und die gantze Gemeine verdorben hat". 1 5 7 Im Hinblick auf Petersens kirchliche Wirksamkeit in Eutin bestätigt sich die früher geäußerte Vermutung, daß Petersen mehr ein M a n n der K o n t e m plation, des Intellekts und der Reflexion ist als ein M a n n der Tat, der praktischen E r f a h r u n g oder großer Ziele. Er beteiligt sich an Dingen, die in der Luft liegen und die seinem Christenideal entsprechen; er initiiert nicht, sondern begleitet mit obrigkeitlichen Maßnahmen. Seelsorgerliches B e m ü hen u m die einzelne Seele, pietistischer Erziehungsoptimismus sind i h m fremd. Aktiv im Sinne praktischer Gestaltung wird Petersen nur, w e n n er sich mit Amtsautorität u m moralisch-gesellschaftliche Probleme k ü m m e r n kann. Vielleicht ist in diesem charakterlichen Z u g die besondere Ausform u n g seines später zu behandelnden Chiliasmus begründet oder umgekehrt: ist sein Tun die Folge seines chiliastischen Geschichtsverständnisses.

III. Der Spruchkatechismus Einleitung Die Verordnungen zur Förderung der katechetischen Unterweisung u n d die E i n f u h r u n g der Konfirmation im Lübecker Bistum gaben d e m Eutiner Superintendenten Petersen Anlaß, die religiöse Unterweisung mitzugestalten und den katechetischen Stoff in einem selbst ausgearbeiteten „Spruchkatechismus" (SK), der als Lehrbuch dienen sollte, vorzulegen. Die Abfassung 154

S K 1 6 8 5 , V o r r . § 15; f ü r S p e n e r s. GRÜNBERG 2 , 1 9 0 5 , 8 6 - 9 0 .

155

HANSEN, Konfirmation 1911, 187. 190.

156

S K 1 6 8 5 , V o r r . § 1 9 u n d S. 1; v g l . GRÜNBERG 2 , 1 9 0 5 , 5 9 u n d 6 1 .

157

SK 1685, Vorr. § 19; vgl. PD 18, 12f.

146

dieses Katechismus fällt in die Jahre 1683/84; der Druck (1685) verzögerte sich aber wegen „ [ . . . ] Objectiones und Einwürffe [ . . . ] / welche man gegen dieses Werck des Catechismi/ daß es ja nicht möchte an des | Tages=Licht kommen und eingeführet werden/ mit grosser Menge herbey gebracht hat". 158 Abgesehen von dem in Holstein allgemein zu beobachtenden Widerstand gegen die Einfuhrung der Konfirmation, widersetzte man sich im Lübecker Bistum dem Spruchkatechismus Petersens, weil man offenbar lieber bei Luthers Kleinem Katechismus blieb. 159 Von wem dieser Widerstand ausging, ist im einzelnen nicht bekannt; wahrscheinlich war es die Pfarrerschaft, die - ohne Mut zu verantwortlichen Neuerungen - bei dem Altbewährten bleiben wollte. 160 Darüber hinaus soll auch ein „benachbarter Fürst" - gemeint ist wohl Johann Adolf von Holstein-Sonderburg-Plön sich dagegen verwahrt haben, daß seine Untertanen, die in Kirchen des Bistums eingepfarrt waren, „solchen Catechismum annehmen, noch die Kinder ihn auswendig lernen solten." 161 Er sei aber nachher beschwichtigt worden, so daß er seine Drohung, seine Untertanen einer anderen Kirche einzupfarren, nicht wahr machte. 162 Ein eindeutiger Nachweis, daß Petersens Katechismus für das Lübecker Stiftsgebiet verbindlich gemacht worden sei, fehlt. 163 O b die genannten Widerstände wirklich überwunden wurden, ist fraglich. Selbst wenn man von einer Art offizieller Einfuhrung durch die Autorität des Verfassers und seines angeblichen Auftraggebers, des Lübekker Bischofs, sprechen kann, so besteht in dieser Zeit - bei allem absolutistischen Anspruch - oft genug eine erhebliche Differenz zwischen obrigkeitlichen Anordnungen und ihrer Befolgung. So wird man die Frage von der Geltung des Spruchkatechismus grundsätzlich nur durch den Nachweis seines Gebrauches beantworten können. 164 Dafür gibt es aber nur mangel158

SK 1685, Vorr. § 2 3 - 2 8 und LB 1717, 65. Vgl. HANSEN, Konfirmation 1911, 163-171. Petersens Bekenntnis zu Luthers Katechismus, den er nicht verdrängen wolle, in SK 1685, Vorr. § 3 und 23 . 160 Vgl. LB 1717, 72 (= Nubes 3, 1696, 177), wo von den „falschen Brüdern in Holstein" die Rede ist. 159

161

L B 1717, 66; vgl. HOFFMANN, K i r c h e n r e g i m e n t 1984, 79.

162

Z u r Korrektur von LB 1717, 66 s. S. 124. 163 Gegen WEIMANN, Eutin 1977, 65 (ohne Nachweis); vgl. (ebenso) RENDTORFF, Ordnungen 1902, 299 unter Berufung auf Langemack 3, 1740, 354f. (vgl. 2, 1733, 582): „Nachhero ist zum Gebrauch im Eutinischen, Johann Wilh. Petersen Spruch=Catechismus ausgefertiget". Die Titelangabe des SK, daß er „Auflf gnädigsten Befehl [ . . . ] " gedruckt sei, ist m. E. kein hinreichender Beweis. 164 Von dem Gebrauch des „Eutinischen Katechismus" in Lebrade, einem Dorf ca. 10 km nördlich von Plön, das aber nie zur Eutinischen „Landeskirche" zählte, berichtet RENDTORFF (Ordnungen 1902, 306) nach einer handschriftlichen Aufstellung des schleswig-holstein. Generalsuperintendenten Adam Struensee (1708—1791) für das Jahr 1765. Handelt es sich um den Spruchkatechismus Petersens? Hingewiesen sei hier noch auf den Gebrauch des SK (1689) als einer Art Familienbibel um 1800, den das Exemplar der Eutiner Kreisbibliothek bezeugt. Auf dessen Vorsatzblatt trug der Besitzer (?) die Geburtsdaten seiner Kinder ein (vgl. Faksimile bei KÖRBER, Kirchen 1977, 62). Falsch ist die Vermutung BÜNGERS (Entwicklung 1912, 224), Petersen habe seinen Katechismus in Lüneburg eingeführt (s. u.).

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hafte Hinweise. Angesichts der unklaren Lage wird man annehmen müssen, daß Petersens Katechismus zwar den Pfarrern zur Benutzung empfohlen wurde, daß aber allein Luthers Kleiner Katechismus in zeitgenössischer Bearbeitung als Grundlage von Katechese und Konfirmation verbindlich war. Nur so sind Petersens apologetische und kämpferische Worte in der Vorrede zu seinem Spruchkatechismus zu verstehen. 165 Auch ist nur so zu begreifen, daß Petersen bei der Drucklegung von seinem früheren Plan abgekommen ist, seinem Werk den Kleinen Katechismus Luthers voranzustellen. 166 Wenn es dann zu einer separaten Ausgabe von Petersens Katechismus gekommen ist, dann wohl deshalb, weil er nicht allgemein anerkannt wurde. 167 Eine liturgische Verwendung des Spruchkatechismus bei der Konfirmation im Bistum Lübeck ist ebenfalls nicht zu belegen. Zwar enthalten die verschiedenen Teile des Katechismus liturgisch anmutende Sätze, wie die Erneuerung des Taufgelübdes oder den „Wunsch des Predigers"; ihre mögliche Einbindung in das liturgische Formular der holsteinischen Kirchenordnung ist aber zu undeutlich, um daraus Schlüsse für die Konfirmationspraxis zu ziehen. 168 Nach Petersens Angabe wurde sein Katechismus schließlich auch von anderen Kirchen(gemeinden) „angenommen", so von einem ungenannten Prediger bei Erfurt und einem Prediger in Husum. 1 6 9 Die Verbrei165 SK 1685, Vorr. bes. §29: „Darumb/ liebe Hertzen/ lasset euch nicht irre machen/ wenn ihr allerhand Judicia höret/ und selbst von den Welt=Menschen geurtheilet werdet. Seelig seyd ihr/ wenn ihr geschmähet werdet über den Namen Christi/ denn der Geist/ der ein Gott der Herrligkeit und GOttes ist/ ruhet auff euch/ bey ihnen ist er verlästert/ aber bey euch ist Er gepreiset (1 Pet. 4,14 [am Rand]). Es sol uns nicht anfech= | ten/ wie sehr sie sich auch gegen dem Guten wiedersetzen/ welches auch ein argument ist/ daß es gut seyn müße/ weils der Welt nicht gefället." Es folgt ein Lutherzitat aus der Kirchenpostille [WA 10 I, 2, 402, 11-14]. Vgl. ähnlich PD 8, 21 - 2 4 und SK 1685, Vorr. § 30 und 33. 166 SK 1685, Vorr. §23, wo Petersen sich gegen seine konfessionalistischen Widersacher verteidigt, indem er daraufhinweist, daß er Luthers Katechismus „fornan [= vorne vor; DWB 3, 1862, 1904] von Wort zu Wort habe drucken [ . . . ] lassen". Damit ist wohl kaum die Nennung von Luthers Katechismus auf dem Titelblatt gemeint. Nach MITCHELL 1, 1969, 436-514 ist zwischen 1678 und 1685 (einschließlich) kein Katechismus Luthers in Dänemark oder Schleswig-Holstein gedruckt worden, sondern nur Katechismen von von Stöcken (Rendsburg: T. Schmidt 1681 und Glückstadt 1684; MITCHELL Nr. 2080 und 2208), Arnkiel (Schleswig 1684; MITCHELL Nr. 2178) und einem Anonymus (Plön 1681; MITCHELL Nr. 2049). Auch eine Anfrage in der Kreisbibliothek Eutin blieb negativ. 167 Auf welche Verbreitung der angebliche, von Tobias Schmidt eigenmächtig veranstaltete Teildruck von 1691 (s. Werkverzeichnis) schließen läßt, ist undeutlich. 168 Erneuerung des Taufgelübdes: Katechismus 1685, 169f. (Taufe 57-59), Auszug 1685, 59 (Taufe 15—17); vgl. die Schlußfragen der GB I-III 1685, 22. 32. 38: „Wilstu (denn/ auch) bey (diesem JESU/JEsu/ und bey) dieser deiner Christlichen Glaubens=Bekäntniß (/) und allem Guten biß an dein Ende verharren?" Wunsch des Predigers: Auszug 1685, 23. 39. 59 f. 63 (am Ende der Hauptstücke außer beim Vaterunser) und GB 11685, 22. 169 WER v o n Jen Pfarrern in und bei Erfurt dafür in Frage kommt (s. Liste in Sammlung 1729, 507 und Μ. BAUER, Theologen 1992), ist ebenso unklar wie der gemeinte Zeitpunkt. Für Husum kämen in Frage: Simon Reckel (1685-1712), Johann Melchior Krafft (1712-1751) und

der H o f p r e d i g e r j o a c h i m Giese (1681 - 1 6 8 4 und 1686-1691) (ARENDS 3,1932, 61 f.). Z u denken

148

tung des Spruchkatechismus in Schlesien bezeugen die zwei (?) Breslauer Drucke, über eine Verbreitung in der Mark Brandenburg ist nichts bekannt. 170

Vorbemerkung zur

Interpretation

Der Frage, wieweit sich der Spruchkatechismus von seiner Anlage und seinen Ausführungen her im einzelnen in praktisch-theologischer und d o g matischer Hinsicht für die Katechese eignet, kann hier nicht nachgegangen werden. 171 Da es auch nicht auf ein Urteil über die Orthodoxie von Petersens Katechismus ankommt, übergehe ich die Einzelkritik, die seine Lüneburger Kollegen mit ihrem für polemisch-dogmatische Fragen geschulten Verstand vorbrachten. Ich betrachte den Katechismus einzig unter dem biographischen Gesichtspunkt. Da kann er einige Indizien für die theologische Entwicklung Petersens bieten. Freilich wird man sich mit der vorsichtigen Feststellung von solchen Indizien begnügen müssen. Das bringt die Konzeption des Werkes als Sprwc/i-Katechismus mit sich. Er besteht ja fast nur aus traditionellen Äußerungen des christlichen Glaubens. Demgegenüber fehlt es an expliziten Glaubensformulierungen Petersens. Für Aussagen über dessen theologische Gedankenwelt sind wir auf eine Interpretation der Konzeption, der Auswahl der Bibelzitate und der Formulierung der Fragen angewiesen, die schon das Ziel angeben, auf das hin die Bibelsprüche verstanden werden sollen. Ein direktes Vorbild nach Form und Inhalt ist für den Spruchkatechismus nicht auszumachen. 172 Allerdings gibt es mancherlei ist aber auch an den aus Husum stammenden Pfarrer von Tating in Eiderstedt (ARENDS 1, 1932, 212), Eberhard Ebio, der selbst einen „Spruchkatechismus" verfaßte (Langemack 2, 1733, 5 8 9 f.). 170 LB 1717, 66; vgl. Werk Verzeichnis. Im Teschener Schlesien wurde der SK verboten (PATZELT, Pietismus 1969, 88f.). 171 Vgl. dazu „Deß Ministerii in Lüneburg [ . . . ] Bedencken über den Spruch-Catechismum D. J. W. Petersen" vom 27.10. 1690 (hss.)- StA Lg.: Nach einer „Probatio generalis" untergliedert sich das Bedenken in der „Probatio specialis" in 7 „Classes", die im einzelnen betreffen: 1) die Anordnung der Fragen und den inhaltl. Umfang, 2) die Verständlichkeit und Angemessenheit der Fragen, 3) die Sachgemäßheit der Schriftstellen, v.a. die Heranziehung von Apokryphen, 4) die (falsche) Gewichtung der Fragen, 5) die Vermischung von Gesetz und Evangelium, 6) die Interpretation einzelner Schriftstellen und 7) die „novitas scandalosa", nämlich neue, nicht dienliche oder gar gefährliche Lehren. Keinen Anstoß an Petersens „dogmatischer Luthererklärung" (so die Kategorie, in der der SK 1685 erscheint) nimmt J . G . Walch (BuddeusWalch 1752, 73); vgl. BÜNGER, Entwicklung 1912, 224-226 (kurzes und im ganzen nicht überzeugendes Urteil). 172 Auf das Phänomen des Spruchkatechismus kann hier nicht im einzelnen eingegangen werden; eine Aufstellung findet sich bei Langemack 2, 1733, 582-590; vgl. allgemein dazu FRAAS, Katechismus 1971, 97—140. Eine nähere Untersuchung zu einem anderen, pietistischen Spruchkatechismus, „Die lautere Milch des Evangelii" (1704) von Bernhard Peter Karl (1672—1723) aus Osnabrück, hat M. SCHMIDT (Katechismus 1974) vorgelegt; zur Beziehung Karls zu Petersen s. BÜNGER, Entwicklung 1912, 226-230.

149

Übereinstimmung mit der katechetischen Tradition (ζ. B. mit Ph. J. Spener), etwa in der Heranziehung der passenden Bibelverse zu einzelnen Glaubensaussagen. Petersen nimmt für sich gleichwohl in Anspruch - und das darf man ihm angesichts seiner offenkundigen Bibelkenntnis glauben —, die Bibel selbst nach geeigneten Sprüchen durchgearbeitet zu haben. 173

Die äußerer

Gestalt

Der Spruchkatechismus (1685) besteht aus fünf gesonderten Schriften, die inhaltlich wie buchtechnisch zusammengehören. 174 Da steht am Anfang der eigentliche Katechismus mit 868 Fragen, gefolgt von einem „Auszug für die Jugend" (311 Fragen) und von drei jeweils im Umfang halbierten „Glaubensbekenntnissen (I—III)" (109, 55 und 27 Fragen), die von den Katechumenen je nach ihrer geistigen Kapazität gelernt werden sollen, während der eigentliche Katechismus nur nachzulesen ist.175 Petersen erläutert die Edition eines eigenen Katechismus mit dem Wunsch, der ihn seit seiner Tätigkeit als Pfarrer bewegt habe, daß „ein solcher Catechismus/ nebenst dem Catechismo Lutheri/ da seyn möchte/ der aus den unmittelbaren Worten der Schrift gewachsen und deduciret wäre". 176 In der Tat begründet Petersen offenbar eine neue Katechismusart, für die es vorher nur vereinzelte Ansätze gegeben hat. Vor Petersen hatte Johann Gerhard (1582—1637) in seinem „Frommer Hertzen geistlichen Kleinod" (1634 u. ö.) die biblischen und altchristlichen Hauptstücke des Katechismus nur mit biblischen Worten erläutert. 177 Darin unterscheiden sich Petersens und Gerhards Katechismen von den anderen Ausgaben ihrer Zeit, daß sie nicht nur auf zusätzliche Erläuterungen mit eigenen Worten verzichten, sondern auch Luthers Auslegung weglassen. Es gab ja lange vor Petersen zahlreiche Versuche, Luthers Kleinen Katechismus mit erklärenden Auslegungen, zergliedernden Fragen und erweiternden Zusätzen der jeweiligen Zeit anzupassen. 178 Man kann dabei allgemein unterscheiden zwischen zusätzlichen Erklärungen des Wortverstandes des 173

SK 1685, Vorr. §3 und 5. S. die gemeinsame Vorrede 1685, § 6; vgl. Werk Verzeichnis. SK1685, Vorr. §6 und 26. 176 SK 1685, Vorr. § 3. Den gleichen Wunsch hatte wohl Justus Christoph Schomerus in Rostock. Er ließ das Projekt aber fallen, nachdem Petersens SK erschienen war, zu dem er Petersen in seinem Promotionsprogramm (1686) gratulierte (nach Langemack 2, 1733, 583; Original nicht auffindbar). 177 Der Katechismus erschien auch gesondert: Jena 1667 in 8°. Der Katechismus von Nikolaus Hunnius (1627), den Langemack 2, 1733, 587 mit unter die Spruchkatechismen zählt, unterscheidet sich wie die späteren von B. Botsack (1689) und E. Ebio (1690) von allen anderen dort (S. 582 - 590) angeführten Spruchkatechismen offenbar dadurch, daß sie die „Worte Lutheri mit Sprüchen heil. Schrifft bewiesen"(582). 178 Vgl. zur Erklärungsbedürftigkeit des kleinen Katechismus: SK 1685, Vorr. §27. Zum ganzen s. die 16 Klassen bei Langemack 2,1733, 568-672 und für das 16. Jh. REU, Quellen 1 - 8 , 174 175

1 9 0 4 - 1 9 3 5 ( N a c h d r u c k 1976).

150

Kleinen Katechismus und der theologischen Ausweitung des Stoffes zu einer Art populärer Dogmatik orthodoxer Observanz. 1 7 9 Dabei brachte es die theologische Entwicklung mit sich, daß zum Teil Luthers Erklärungen von den Erklärungen und Zusätzen seiner Bearbeiter überwuchert wurden. Freilich blieb dann noch die Möglichkeit, den ursprünglichen und autoritativen Bestand durch besondere Kennzeichnung (ζ. B . Fettdruck) hervorzuheben. 180 Auch gibt es seit Beginn des 17. Jahrhunderts zunehmend Bestrebungen, die Schriftgemäßheit von Luthers Katechismuserklärungen mit Bibelsprüchen zu beweisen. 1 8 1 In diesen Bearbeitungen findet sich jedoch durch die Aufnahme von Luthers Auslegungen ein klares Bekenntnis zu dessen Autorität und der sich auf ihn berufenden Konfessionskirche. Luthers Kleiner Katechismus bleibt kanonisches Gut vor allem in den offiziellen Landeskatechismen. Petersen unterdrückt in seinem Spruchkatechismus trotz des Bekenntnisses zu Luther auf dem Titelblatt und in der Vorrede dessen Erklärungen. Auch wenn Luthers Worte noch hin und wieder und ohne besondere Kennzeichnung in den Fragen als Versatzstücke erscheinen, werden Luthers Aussagen zugunsten von Schriftzitaten aufgegeben. Petersen beruft sich bei seinem Vorgehen unter anderem auf Spener, der empfohlen hatte, daß die Katechumenen besser passende Bibelsprüche auswendig lernten als die E r klärungen der verschiedenen Katechismusbearbeiter. 1 8 2 Nun ist es gute lutherische Tradition, von den eigenen Worten auf das biblische Wort zu verweisen. 1 8 3 Dahinter steckt im 17.Jahrhundert auch das apologetische Motiv zu beweisen, daß Luthers Katechismus „in GOttes Wort seinen bewährten Grund habe". 1 8 4 Gleichwohl ist bei Petersen doch eine stärkere Distanz zu Luther als Autorität zu spüren. Hatte Spener für das Auswendiglernen den Bibelversen den relativen Vorrang vor den Erklärungen der Katechismusbearbeiter ge179

V g l . FRAAS, T r a d i t i o n 1 9 7 0 , 9 7 f.

° Vgl. etwa Speners Einfältige Erklärung (1677) (GRÜNBERG [137]), „ein Kompendium populärer Dogmatik und Ethik" (GRÜNBERG 2, 1905, 75). 181 Langemack 2, 1733, 593 - 605 ( = 4. Klasse mit ca. 90 Namen) und 605f. (5. Klasse). GRÜNBERGS (2, 1905, 80) Behauptung, erst Spener habe den Bibelspruch als integrierten Teil des Katechismus durchgesetzt, ist so nicht richtig. 182 SK 1685, Vorr. § 2 mit Zitat a u s J . H . Horb, Der gründliche || Wort=Verstand || Des || kleinen || Catechismi || [..] 1682, Vorrede; mir lag die 2. Aufl. 1686 vor; dort S. )(5f. (GRÜNBERG [241]); vgl. LBed. 3, 1721, 450f. (1702); Spener, Einfältige Erklärung 1677, Vorrede, a3'und SCHICKETANZ, Erziehung 1986, 88. Als weiteren Grund fuhrt Petersen die verwirrende Vielfalt der Katechismusbearbeitungen an (SK 1685, Vorr. § 4 und 8); vgl. die ähnliche Klage auf der schleswig-holstein. Synode von 1705, bei der die Benutzung von „Privatkatechismen" verboten wurde (RENDTORFF, Ordnungen 1902, 259) und Sammlung 1720, 1042f., wo im Hinblick auf die ca. 200 Katechismen seit Beginn der Reformation als Redensart notiert wird: „so mancher neuer Superintendent, so mancher neuer Catechismus". 1 8 3 SK 1685, Vorr. § 24 unter Berufung auf Luthers Kirchenpostille (1522) [WA 101,1, 728, 9fT.], Spener (GRÜNBERG [234 oder 235]) und Scriver, Seelenschatz 1681, 902 (§33). 1 8 4 SK 1685, Vorr. § 23; vgl. L B 1717, 65 (1. mit L B 1719, 65 „Grund" für „Freund"). t8

151

geben, so findet sich bei Petersen ein in der Konzeption des Spruchkatechismus implizites und ein explizites Votum für die normative Exklusivität der Bibelworte, auch gegenüber Luthers Kommentar. Wie die Bekenntnisschriften, so steht Luther für Petersen unter dem Vorbehalt eines „Lutherus normatus". 185 Auch Spener behauptet die Exklusivität der Schrift, bekennt sich aber zugleich zu Luther als einem wahrhaften Ausleger der Schrift, so daß der Glaube nicht auf dem Katechismus (Luthers) beruhe, sondern auf der Schrift: „ [ . . . ] daß wir zwar unserem Catechismo/ doch nicht um Lutheri deß Verfassers/ als vielmehr Göttlichen Worts/ mit dem er gantz übereinkommt/ willen/ glauben zustellen/ und seine treue/ wie er auß der Schrifft das allernöthigste zusammen gefasset/ billich rühmen". 1 8 6

Daher soll Luthers Katechismus für Spener die Grundlage der Katechese bilden, der die Katechumenen dazu befähigen soll, „auß der Schrifft das jenige/ was sie gelernet/ ferner gründlich zu erweisen/ und sie gleich in das lautere Wort Gottes selbst zu führen". 187 Petersen ist hier im wesentlichen mit Spener einig, zieht aber schärfere Konsequenzen, indem er auch mit Luthers Fehlbarkeit rechnet, weil er nicht „aus unmittelbarem Trieb des H. Geistes geschrieben" habe, und vor jedem Traditions- oder Autoritätsglauben warnt. 188 Damit aber wird jeder einzelne auf die Schrift selbst verwiesen; keiner darf seine Gewißheit des rechten Glaubens bei einer vermeintlich rechten Lehre suchen oder sich auf einen Bekenntnisstand und eine konfessionelle, äußere Kirche verlassen. 189 Petersen spricht das hier noch nicht in aller Deutlichkeit aus; aber Indizien und Tendenzen für Petersens weitere pietistisch-biblizistische Entwicklung sind wahrnehmbar.

Das katechetische

Ziel

Die neue Art von Petersens Katechismus besteht darin, daß er zu den einzelnen Lehrstücken — es sind dies im Spruchkatechismus neben den fünf Hauptstücken (ohne Beichte) noch einleitende Zusätze über den Katechismus, die Schrift und das Gesetz im allgemeinen - passende Bibelsprüche auswählt, denen er entsprechende Fragen voranstellt. Auf weitere in den 185 SK 1685, Vorr. §§23, 27f.; zu Spener s. Horb (aaO), S. )(5 a f.: „ [ . . . ] indem wo man die Gedächtnüß mit mehrern als diesen Fragen Lutheri erfüllen will/ solche Ehr billich vielmehr den Sprüchen der H. Schrifft als anderer LehrerWorten gebühret"; vgl. Bed. 4, 1702, 260f. (1696). Wie die weiteren Ausführungen zeigen werden, ist diese Distanz Petersens festzustellen, obwohl auch Petersen Luthers Katechismus auswendig lernen ließ (SK 1685, Vorr. § 23). 186 Spener, Einfaltige Erklärung 1677, Vorr., b4 b . 187 AaO, )(5a; vgl. LBed. 2, 1721, 348 (o.J.). 188 SK 1685, Vorr. §23; vgl. ebd., §25. Dazu gehört auch die sachliche Kritik an Luthers Bibelübersetzung: SK 1685, Vorr. §9; vgl. Bed. 4, 1702, 230-232, bes. 234 (1685). 189 Vgl. „Erkenntnis und Moral", bes. bei Anm. 211.

152

Zusammenhang gehörige Bibelverse wird durch einfache Stellenangabe hingewiesen. Durch die Fragen wird der katechetische Stoff der zeitgenössischen Pädagogik entsprechend zergliedert, damit die Katechumenen auch den „Sinn" der einzelnen Glaubenssätze verstehen lernen. 190 Die Fragen orientieren sich an den einzelnen Lehrstücken und zusätzlich an wichtigen Lehrsätzen der Orthodoxie, zum Teil auch an Luthers Erklärungen. 191 Für die konkrete Gestalt der Fragen weist Petersen explizit darauf hin, daß sie ihrerseits aus den biblischen Sprüchen „deduciret" sind.192 Die biblischen Antworten bestimmen also auch die möglichen Fragen. Es ist daher kein Zufall, daß Petersen zwar den Wortlaut des Dekalogs und des Vaterunsers zitiert, nicht aber das altkirchliche Apostolikum, ein außerbiblisches Bekenntnis. 193 Wir erhalten so mit dem Spruchkatechismus ein biblisches Florilegium, in dem die christliche Weisheit in kurzer Form zusammengestellt ist. Die Kinder sollen sehen, „daß sie zu nichts anders genöthiget werden zu gläuben/ als was in der Schrifft stehet". 194 Die angeführten Bibelverse sind nicht einfach als „dicta probanda" des evangelischen Glaubens zu werten. Vielmehr macht sich hier ein biblischer Fundamentalismus bemerkbar, wenn jede Abweichung von den „Worten des H[eiligen] Geistes" skrupulös abgewehrt wird. 195 Das ist eine eigentümliche, für den Pietismus und ζ. T. auch für die Orthodoxie charakteristische Fortführung der reformatorischen Lehr- und Bekenntnisbildung, die ja gerade im Katechismus und ähnlichen Glaubenslehren eine Summe oder Mitte des christlichen Glaubens als Bekenntnis formulieren will, um damit einen hermeneutischen Schlüssel für das Verständnis der vielgestaltigen Schrift bereitzustellen. 196 Die Probleme des Schriftprinzips und der im orthodoxen System ausgebildeten Lehre von der Verbalinspiration, die am disparaten Charakter der Bibel aufbrachen, bewegen den Pietismus außerordentlich und führen bei Petersen zu einem Bibelfundamentalismus, dessen erste Anzeichen im Streit Speners mit Dilfeld zu sehen sind. Das Postulat einer notwendigen Erleuchtung der Theologen erhält in diesem ersten pietistischen Streit eine neue Tragweite, indem die Erleuchtung die inhaltlich-dogmatische N o r m als 190 SK 1 6 8 5 , Vorr. § 1 8 ; vgl. Spener, Einf. Erklärung 1677, Vorrede b4 b (vgl. G R Ü N B E R G 2 , 1905, 81) und PD 79, 2 5 - 2 9 . 191 Z . B . Trinitätslehre und Lehre von den Eigenschaften Gottes bei der Erklärung des 1. Gebots (Fr. 2—16); Angelologie, allgemeine Gotteserkenntnis, Gottebenbildlichkeit beim 1. Glaubensartikel; Lutherworte: 4. Gebot, Frage 7; 8. Gebot Frage 5 u. a. 192 Vgl. SK 1685, Vorr. § 10. 193 Auch ein Dogmatiker wie Abr. Calov bestritt im Gefolge von L. Valla den apostolischen Ursprung des Apostolikums (RGG 3 1, 1957, 993). 194 SK 1685, Vorr. § 11; s. auch die Funktion fur die Apologetik und Polemik ebd., § 9 und Omnia 1686, §7. 195 SK 1685, Vorr. § 4 ; vgl. (anders) für Spener G R Ü N B E R G 2, 1905, 62. 196 S. Luther, Katechismuspredigt 2. Reihe (WA 301, 1910, 27, 28-31); ähnlich Calvin, Inst. Christ. 1559 und 1560 (franz.) (3, 1928, 6, Z . 1 8 - 2 5 und 7, Z . 1 8 - 2 9 [ed. B A R T H - N I E S E L ] ) .

153

hermeneutischen Schlüssel ersetzt. Eine explizite „analogia seu regula fidei" wird abgelehnt und von einer „biblischen Theologie" abgelöst, die die biblische Geschichte nicht als historisch-vergangene, sondern als gegenwärtige, wiederholbare oder noch nicht geschehene (zukünftige) Geschichte erfahrbar oder vorstellbar machen will. Für eine solche Exegese, die hinter den Worten die Geschichte oder die Sache selbst sucht, kann nur ein U m gang mit der Schrift legitim sein, der den Zusammenhang einer Geschichte oder eines Gedankens nicht zerstört. 197

Der mündige

Christ

Petersen möchte mit seinem Katechismus mündige Christen erziehen, die ihren Glauben selbständig aus der Schrift verteidigen und darlegen können. 198 So greift er gleich zu Beginn seiner Vorrede das einfache Vertrauen der Christen auf die Autorität ihrer Prediger scharf an und fordert ein Einlassen auf das göttliche Wort und seine „Krafft", wie sie in der Heiligen Schrift zu finden seien.199 Er muß dafür die „perspicuitas" der Schrift konsequent behaupten, so daß er die Zuversicht äußern kann, daß Gott selbst sein Wort, seine „Macht=Sprüche", den Herzen leicht und klar verständlich macht. 200 Darin offenbart sich ja die eigentümliche Kraft des göttlichen Wortes, daß sich in ihm Gott selbst am Menschen wirksam erweist. Diese Wirksamkeit des göttlichen Wortes ermöglicht prinzipiell jedem das eigene Verständnis der Bibel: „sintemahl ein solcher klarer Glaubens=Spruch ein großes Licht für andern/ zu seiner Selbst=Erklärung und Verstände/ mit sich führet/ welcher alsdenn in seiner Klarheit erscheinet/ wenn wir Thäter werden desselbigen Spruchs/ und durch das Thun dessen Krafft erfahren/ und prüfen können/ was da sey der gute/ der wolgefällige/ und der vollkommene Gottes Wille/ der zugleich mit aus der connexion der vorgehenden und nachfolgenden Worten/ und aus dem Zweck der Evangelisten und Aposteln einem Kinde Gottes/ das auff alle Worte seines Gottes genaue Achtung giebet/ zu einer Gewißheit und Überfiihrung seines Hertzens gezeiget wird. " 201

N u r eine Bedingung wird für das Verständnis der Schrift vorausgesetzt: Petersen sieht mit dem „Tun" des Wortes allererst die Möglichkeit einer

197

Vgl. P D 25,18 - 26,1 und 54, 7 - 2 0 und Anm. 199. Vgl. Spener, LBed. 3, 1721, 450 f. 199 SK 1685, Vorr. §2. Vgl. Petersens Skrupel vor der Fehlbarkeit der übrigen Katechismuserklärungen, die „der göttlichen Zensur" nicht standhielten, weil sie vielleicht manches ausließen oder nicht in der richtigen „Connexion" darböten, während seine Bibelverse „in propria sede" den christlichen Glauben lehrten (aaO, § 10); s. dazu das kritische Urteil von Petersens Lüneburger Kollegen im Kat.-Bed. 1690, [4f.]- StA Lg. 200 SK 1685, Vorr. §8. 201 S K I 685, Vorr. § 8 (Kursiv von mir); vgl. Jak 1, 22 und P D 1 7 , 1 0 - 1 4 und zum „Tun" eines .jeglichen Spruchs" P D 77, 2 1 - 2 7 bes. 22f. 198

154

wahren Erkenntnis des biblischen Wortes. 202 Es wäre daher zu fragen, ob die vielzitierte „praxis pietatis" nur eine allgemeine und von alters her plausible Forderung nach der Übereinstimmung von Lehre und Leben darstellt, oder ob sich darin erkenntnistheoretische Fragen zu Worte melden. 203 Ähnlich wie Petersen formulierte Spener, als er sich auf dessen Bitten gegenüber dem Lübecker Geistlichen Ministerium verteidigte: „indem wir eyffrig auf fleißiges lesen der schrift, u. auf | diejenige praxin treiben, in dero der mensch, wo er CHristi gebot hat und hält, in den stand kommt, worinnen CHristus nach seinem verspruch sich ihm (nemlich in und aus der schrift) offenbaret, und in der seelen das zu erkennen giebet, was weltleute nicht verstehen". 204

Und auch in den Frankfurter Collegia pietatis war die behauptete Abhängigkeit der Erkenntnis vom „Tun", spätestens seit dem Dilfeldstreit, zu einem Schlagwort und erkenntnistheoretischen Grundsatz avanciert. Justus Blanckenhagen (1657—1713) notiert in sein Reisetagebuch über seinen B e such bei Spener vom 8. bis 24. September 1680: „Ich war auch zwei Mahl in das Collegium Pietatis [ . . . ] Damahl fingen sie über die ApostelGeschichte zu commentiren, und urgirten sonderlich, daß Jesus anfing beides, zu thun und zu lehren. Thun müßte vorhergehen, denn das Lehren. De pericoloso assertio, keiner kann recht lehren, der nicht recht thut." 2 0 5

Die Rede von einem „Tun" des Wortes Gottes verweist den Bibelleser auf seine Erfahrungswirklichkeit, in der sich das Wort Gottes in irgendeiner Weise, vornehmlich in seiner Wirkung auf das Gewissen und den eigenen Lebenswandel, realisieren muß. Die eigene Erfahrung im konkreten U m gang mit den Geboten und Verheißungen der christlichen Botschaft sollen diese bewähren und verstehbar machen. Deshalb zeigt sich der rechte evangelische Lehrer im Katechismusunterricht, da er bei diesem Elementarunterricht und seiner notwendig einfältigen Anlage kein aus Büchern gezogenes Konzept vortragen kann, sondern „aus seinem Hertzen und dessen Fülle" reden muß und erst so wirklicher Zeuge der biblischen Botschaft ist. 206 Fehlt es doch beim biblischen Wort nicht an der „Fülle der Materie". 2 0 7 Den Katechumenen soll andererseits die Bibel in die Hand gegeben werden, damit sie selbst den Umgang mit ihr lernen und sie in ihr Leben einbeziehen können. 208 202 Vgl. ebenso Spener, Einf. Erklär. 1677, Frage 56, daß man die „innerliche Kraft" der Bibel im Herzen nur schmecke durch Hören und „Tun" der Worte Christi. 2 0 3 Vgl. für J . E . Petersen deren HG II, 1689, Vorrede [2f.]: Sie stellt ihre Auslegungen einzelner Bibelstellen in konkrete geschichtliche Situationen ihres eigenen Lebens, „davon ich hin und wieder mit wenigem in diesem Tractätlein gedacht/ nach Gelegenheit des Textes/ in dem ich also reden wollen/ wie mir solche Worte in der Erfahrung vorkommen/ oder wie ich solche durch die Ausübung erkandt habe". 2 0 4 LBed. 3, 1721, 2 2 8 - 2 4 7 [1677] bes. 232f. 205

VON SCHRÖDER, B l a n c k e n h a g e n 1 9 8 0 , 2 8 9 f.

206

SK 1685, Vorr. § 14; vgl. ebd., §§11 und 13. SK 1685, Vorr. § 13. SK 1685, Vorr. §11; vgl. Spener, Einf. Erklärung 1677, Vorr. b4a und L B 1717, 35:

207 208

155

Erkenntnis und Moral

Der Schriftfundamentalismus, wie er sich in Petersens Vorrede findet, bestätigt sich in Petersens Durchführung des ersten Teils seines Katechismus. Zunächst fehlt jede Bezeichnung des Katechismus als Summe des christlichen Glaubens. 209 Statt dessen wird der Katechismus, der in dieser Konzeption einen Auszug aus der Bibel darstellt, als „Anfang zum Christlichen Leben" (Schrift 1: Hebr 6, 1) und als „die ersten Buchstaben der göttlichen Worte" definiert, in dessen Erkenntnis man immer mehr zunehmen müsse (Schrift 7: Hebr 5, 14).210 Diese Erkenntnis wird sogleich an ein entsprechendes Handeln geknüpft (Schrift 8: Joh 13 [, 17]). Die Korrelation von Erkenntnis und Tun wiederholt sich in den folgenden Fragen, die zur Konstatierung einer notwendigen göttlichen Erleuchtung für das Verständnis der Schrift führen. Die Schrift ist für Petersen die einzige „Regel" des Glaubens (Schrift 12: Jes 8, 20, Gal 6, 16). Der Begriff der Glaubensregel (regula fidei) wird hier aufgelöst zu einer positivistischen Exklusivität der Schrift (vgl. Schrift 14: Apg 24, 14).211 Die Göttlichkeit der Bibel sieht Petersen durch das Eintreffen der Weissagungen bestätigt (Schrift 13: 2Petr 1, 21).212 Petersen setzt, wie gesagt, die altprotestantische Lehre von der Klarheit der Schrift (Schrift 10 und 17) und die Lehre von der notwendigen Erleuchtung durch den Heiligen Geist voraus. Das Problem der Hermeneutik spitzt sich dann dahingehend zu, daß die Erkenntnis nur dem zuteil wird, der ein gottseliges Leben führt (Schrift 18 und 19: Ps 25, 14 und l j o h 5, 6).213 Ja, die Erkenntnis wächst mit dem Grad der Heiligung (Schrift 20: Joh 7, 17, 14, 21). Denn der Urheber der Schrift und der Geist, der die Heiligung im Menschen und das Verständnis der Schrift wirkt, ist einer (Schrift 21: IKor 2, 12).214 Wenn man Gottes Wort „tun" und so erkennen kann, gibt es, analog zur Konkordienformel (Epit. 2, Abs. 3), ein wirkliches Unverständnis der Bibel nur bei denen, die sich dem Wort der Schrift böswillig widersetzen und deshalb verlorengehen (2Kor 4, 4).215 „Nemo negat Deum, nisi cui Petersen verteilt in seiner Hannoveraner Gemeinde Exemplare des Neuen Testamentes, damit die Gottesdienstbesucher die vom Pfarrer herangezogenen Texte nachschlagen können. 209 Vgl. Kat.-Bed. 1690, p. [15f.]. 210 Ich zitiere jeweils ohne Seitenzahl nur nach dem Stück und der N u m m e r der Frage; so kann mit wenigen Ausnahmen jede Ausgabe des SK herangezogen werden. 211 Interessant ist das Zitat aus Apg 24, 14: es sei ein Bekenntnis zu „allem" in der Schrift, werde aber von anderen fur „sektirerisch" gehalten (seil, den Konfessionalisten). Insofern hat ein „Spruchkatechismus" immer eine „ökumenische" Tendenz (Vgl. SCHMIDT, Katechismus 1974). Die Orthodoxen nannten das aber wohl nicht zu Unrecht „indifferentistisch". 212 So auch Omnia 1686, §7 und Spener, Einf. Erklärung 1677, 2 f. 2.3 Vgl. PD 33, 2 1 - 3 4 , 2 9 . 2.4 Vgl. SK 1685, Vorr., § 31 (Gewissen und Schrift) und Spener, Bed. 2, 1701, 899 (1689) mit Verweis auf l j o h 2, 3(!). 215 BSLK (1930) 1963, 777. Zu der in diesen Gedanken sich zeigenden Nähe Petersens zur Aufklärung vgl. HIRSCH, Geschichte 2, 1951, 159f. (für A . H . Francke).

156

interest, non esse Deum" (Baco de Verulamio). 216 In diesen Gedanken schlägt sich bei Petersen nieder, was er bei Spener gelernt zu haben vorgibt, die „Erkenntnis der Wahrheit zur Gottseligkeit" (Tit 1, l). 217

Das

Gesetz

Die Verbindung von Erkenntnis und Frömmigkeit in der Gabe des Heiligen Geistes läßt auch das Problem des Gesetzes neu verstehen. Bevor Petersen die 10 Gebote in durchschnittlich 24 Fragen behandelt, spricht er über das Problem „Von dem Gesetz insgemein" in 45 Fragen, in denen er die Funktion des Gesetzes vor allem anhand des Römer- und des Galaterbriefes erläutert. Petersen bestimmt das Gesetz als „eine Offenbahrung des Willens Gottes/ und eine vollenkommene Regel dessen/ was wir thun und lassen sollen" (Gesetz 6) und sieht das Prinzip oder die „Krafft der zehen Geboten" im Doppelgebot der Liebe (Gesetz 7: Mt 22, 37—39). Ähnlich kann er im Anschluß an die Erklärung der Heiligkeit des Gesetzes (Gesetz 30: Rom 7, 12) das aufgerichtete Gesetz bestimmen als „die Liebe, das ist aber der rechte Glaube/ der durch die Liebe thätig ist" (Gesetz 40: (nach) Rom 13, 10; vgl. Gal 5, 6f.), was dann im folgenden mit einer Reihe von Schriftworten bewiesen werden soll (Gesetz41—45: Gal5,14, l T i m [ l ] , 5 , lJoh2, 5, lJoh5, 1 f., l j o h 4, 20 f.). Hier deutet sich eine Spiritualisierung der Ethik auf das in der Reflexion betrachtete Gefühl der Gottes- und Nächstenliebe an. Petersen kommt noch einmal beim 9. und 10. Gebot auf die allgemeine Gesetzesproblematik zu sprechen. Er unterscheidet hier zwischen der Erbsünde (habende Sünde) und der Tatsünde (aufsteigende Sünde) (9/10. Gebot 3—5: Jak 1, 14) und verengt dann das Sündenproblem, indem er praktisch von der Erbsünde absieht und als Kriterien für eine Sünde die Freiwilligkeit und Zustimmung zu ihr aufstellt. Aus der dogmatischen Frage nach der Sünde wird eine Frage der Moral und inneren Erfahrung. Der Wiedergeborene hat zwar noch Sünde, aber eine beherrschte, nicht „aufsteigende" Sünde (9/10. Gebot 7 und 6—16: Rom 6, 14.18). Denn wer in sich das Gefühl der Gottesund Nächstenliebe spürt, wird nur noch unfreiwillig, d. h. gegen dieses Gefühl, sündigen. Für Petersen löst sich das Problem vom Sündersein und Sündigen des Wiedergeborenen mit seiner Einstellung zur Sünde (9/10. Gebot 18f.). So kann er (mit dem biblischen Wort) behaupten, daß die Gebote Gottes gehalten werden können, zwar nicht nach dem Gesetz (9/10. Gebot 20: Rom 6, 14), wohl aber „nach dem Gnaden=Bunde des Evangelij" 2,6

SK 1685, Vorr. §§27 und 31. S. 50; das Tituszitat auch SK 1685, Vorr. § 13 zur Begründung der Einfachheit und Erbaulichkeit des Katechismus. Vgl. zum Problem die Ausführungen Petersens zum 3. Glaubensartikel über den Hlg. Geist, seine Bedeutung fur die Erkenntnis (Glaube III, 1, Fragen 5—8 und 13f. 17—19), die Heiligung (ebd., 9 - 1 2 , 16, 20), sowie die prinzipielle Gegenüberstellung von Geist Gottes und Geist der Welt (ebd., 15f.). 217

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(9/10. Gebot 21: ljoh 5, 13 vgl. 22-24: Joh 14, 23f., ljoh 3, 22), d. h. mit einem in der Liebe Gottes gegründeten Dispens fur die unfreiwilligen, schlechten oder unterlassenen Handlungen. Damit wird die Frömmigkeit zur Erfüllung eines spiritualisierten Gebotes, das Petersen abschließend mit der Schlüsselstelle ljoh 3, 23f bestimmen kann (9/10. Gebot 25).218 Dieses (lange vorbereitete) Verständnis des Gesetzes als der geforderte Affekt der Gottes- und Nächstenliebe gibt dem Pietismus seinen Charakter als „Herzensreligion". Mit der Reduzierung des gottseligen Wandels auf das fromme Gefühl wird zugleich die Brücke zur religiösen Erkenntnis geschlagen. Beide sind Zeichen der Geistbegabung. Ihre biblische Begründung findet diese Vorstellung im johanneischen Schrifttum, besonders im 1. Johannesbrief, in dem diese Verbindung am deutlichsten hervortritt (ζ. B. ljoh 3, 24). Auf einige Einzelheiten sei hier noch hingewiesen. Da sind zunächst die kritischen Töne zum Staatskirchentum: „Gehören denn auch die mit unter diejenigen/ so unter Gottes Nahmen liegen und triegen/ welche in Lehr und Leben den Nahmen Gottes zu ihrer Schalckheit Deckel machen [2. Gebot 12: Mt 7, 22f.]?" „Mißbrauchet derjenige auch nicht Gottes Nahmen/ der ohne Erhebung seines Hertzens/ und ohne Ehrerbietung seiner Heiligkeit den Nahmen Gottes und Christi so offt in seinen Reden gebrauchet [2. Gebot 13: Ex 20, 7]?" Scharf wendet sich der Superintendent auch gegen die, die nicht „Thäter des Worts" werden, das sie in der Predigt gehört haben. 219 Er verlangt das eifrige Lesen in der Schrift und die gegenseitige Erbauung unter den Christen. 220 Das führt zur Feststellung des allgemeinen Priestertums: „Ist denn aller Christen Pflicht/ daß sie also/ und vornemlich an dem Sabbath=Tage von dem Herrn ihren Gott reden sollen [3. Gebot 16: IPetr 2, 9]?" Eine Neigung zum ethischen Rigorismus in der Art, wie sie auch bei Spener zu finden ist, nämlich als spezifisch jesuanische Ethik, zeigt die Einbeziehung der Bergpredigtforderungen in die Auslegungen des Dekalogs sowie die Anführungen der Seligpreisungen zum Abschluß einzelner Gebote. 221 Dem entspricht auf der anderen Seite die Androhung der Todesstrafe nach dem alttestamentlichen Gesetz. 222 Schließlich ist hier auf die häufiger auftretende Selbstvergewisserungsfrage aufmerksam zu machen, die ζ. B. lauten kann: „Woran können wir mercken/ daß wir Gott lieb haben?" (1. Gebot 27: ljoh 5, 3 und 2, 5: durch das Halten der Gebote). 2 1 8 Die gleichen Gedanken finden sich in der Erklärung der „Sündenvergebung" im 3. Glaubensartikel (16—22). 2 1 9 3. Gebot 12: J a k 1, 21 f.; vgl. 6: Jer 44, 16 und 7: J e s 29, 13 und E z 33, 31. 2 2 0 3. Gebot 1 3 f . : J o h 5, 39 und A p g 17, 11 sowie Dtn 6, 6 - 8 ; vgl. Schrift 15: J o h 5, 39 u n d 3 . Gebot 15: Hebr 10, 24 f. 2 2 1 5. Gebot 16: Mt 5, 21 f. - vgl. Spener, Einf. Erklärung 1677, 126 (Fr. 213); 6. Gebot 5: Mt 5,28 - vgl. Spener, a a O 1677, 148 (Fr. 243); das geht bis zur Forderung des Märtyrertods oder der Selbsthingabe: 5. Gebot 26: A p g 7, 60 und 25: l j o h 3, 1 6 - vgl. Spener, aaO 1677, 140 (Fr. 233). 2 2 2 7. Gebot 7: Ez 18, 8 - 1 3 .

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Ethische Lebensbewährung und Liebe zu Gott sind der Zirkel des frommen Selbstbewußtseins.

Der Glaube Die Korrelation von Glaube und Guten Werken findet sich in den Ausführungen über den Glauben innerhalb des 2. Artikels, von der Erlösung, wieder. Petersen kommt darin auf die Notwendigkeit, den Geschenkcharakter und die Predigt als Mittel des Glaubens zu sprechen und unterscheidet in orthodoxer Manier zwischen Erkenntnis, Beifall und Zuversicht (notitia, assensus, fiducia).223 Dabei bestimmt er durchaus in der Tradition der Orthodoxie die Erkenntnis des Glaubens mit Tit 1, 1 als „Erkenntnis der Wahrheit zur Seligkeit". 224 Diese Definition erlaubt es Petersen, die M ö g lichkeit und das Gelingen jeder Gottes- und Schrifterkenntnis nach ljoh 2, 3—5 in dem Lebenswandel gegründet zu sehen, weil allein der Geist die Schrift aufschließt. 225 Was für die Orthodoxie ein Glaubenssatz war, der aus dem Offenbarungscharakter der Schrift folgte, zu dem rechtfertigenden Glauben gehörte und die Theologie als System betraf, wird bei Petersen zu einem hermeneutischen Prinzip. Entsprechend stellen die folgenden Fragen in mehreren Variationen die Notwendigkeit eines gottgefälligen Lebenswandels für die Glaubensgewißheit auf. 226 Auch hier sei auf einige Einzelheiten aufmerksam gemacht, die für Petersens Katechismus charakteristisch sind: Unter dem ersten Glaubensartikel (I.) wird von der Schöpfung durch den dreieinigen Gott gesprochen. Der zweite Glaubensartikel (II., von der Erlösung) ist in vier unterschiedlich lange Abschnitte untergliedert: 1) über die Person (16 Fragen), 2) „Von Christi Leyden und Auferstehung..." (41 Fragen), 3) „Von der Erlösung Christi durch sein Blut" (24 Fragen) und 4) „Von dem Glauben an Christum J e s u m " (44 Fragen). Abgesehen von den verhältnismäßig vielen Fragen zum „Glauben" fallen in II, 2 die Applikationen der verschiedenen Stadien von Jesu Leiden und Sterben auf das Glaubensleben des Christen auf, der in seinem eigenen Leben diesen Weg geistlich wiederholt. 227 G l a u b e l l , 4, 1 - 1 2 . Glaube II, 4, 8; vgl. Spener, Gottesgelehrtheit II, 1680, 40 (Zitat von Petersens Lehrer K . R u d r a u f f über die „notitia salvifica"). 2 2 5 Glaube II, 4, 10 und 9 (betr. die Erweiterung der Erkenntnis) mit neun (!) Bibelstellen: 2Petr 1 , 5 - 8 ; J o h 7 , 1 7 ; 8 , 3 1 f.; 14,21; Ps 25,12.14; R o m 12,2; E p h 3 , 1 7 - 19;Jes 5 8 , 2 ; Kol 2 , 2 f . 2 2 6 Glaube II, 4, 21 - 2 3 : l j o h 3, 7 f.; R o m 6, 1 f.; Phil 1 , 1 1 ; R o m 8, 4, und 2 8 - 3 8 : ζ. B . J a k 2, 20; Gal 5, 6, sowie zur „unio mystica" 2 4 - 2 7 : E p h 3, 17; 5, 32; H o s 2, 19f. (Joh 17, 22f.); 2 K o r 13, 5; Kol 1, 26 f. 22? Vgl. ähnliche „ N u t z a n w e n d u n g e n " am Ende der einzelnen Gebote, bei denen jeweils der Segen und Nutzen angesprochen wird, die derjenige erwarten darf, der die Gebote hält, sowie die Analogien zwischen Gottes Eigenschaften und dem (geforderten) menschlichen Verhalten im 1. Gebot 2 0 - 2 2 : Lk 6, 36; Kol 3, 12f.; l j o h 2, 29; J e s 8, 13 u. a. Man mag in diesen letzlich 223

224

159

Die Kirche

Die oben beschriebene Tendenz zum Spiritualismus, d. h. hier zu der Forderung nach individueller Geistbegabung, wirkt sich auch auf Petersens Kirchenbegriff aus. Der 3. Glaubensartikel mit seiner Lehre von der „allgemeinen katholischen Kirche" und der „Gemeinschaft der Heiligen" zeigt dies deutlich. Nachdem Petersen schon beim Bekenntnis zur Kirche keinen Unterschied zwischen der „ecclesia stricte und late dicta" gemacht, sondern überhaupt immer nur von der wahren Kirche gesprochen hat, fuhrt er bei der „Gemeinschaft der Heiligen" den pietistischen, zum Separatismus neigenden Gemeinschaftsbegriff aus. Beschrieben wird die Gemeinschaft der Heiligen zunächst mit Eph 4, 3 als „heilige Vereinigung der Glieder Christi untereinander" (Glaube III, 2). Im einzelnen spricht Petersen von den „Brüder[n] und Schwester[n] im Herrn" (ebd. 3: Kol 1, 2; vgl. PD 51, 24), von der Gemeinschaft mit der triumphierenden Kirche (ebd. 5: Hebr 12, 22f.), der Güter- und Gabengemeinschaft „allhie auff Erden" (ebd. 8: 2Kor 8, 13f.; vgl. PD 30, 34ff.) sowie einer Leidens- (ebd. 9: IKor 12, 26) und Betgemeinschaft (ebd. 10: Eph 6, 18). Scharf wendet sich Petersen gegen eine Gemeinschaft mit der Welt und fordert die Trennung von ihr (ebd. 11 f.: Tob 2, [17]). Das ist ganz konkret gemeint: „Dürffen wir denn gantz nicht mit einem Bruder/ der unordentlich wandelt/ umgehen?" (ebd. 13: IKor 5, 11[!]).228 Unter Hinweis auf sieben weitere Bibelstellen - gegenüber durchschnittlich 1 bis 2 - zeigt Petersen den „Nutzen" der Absonderung, wobei er 2Kor 6, 17f. zitiert. 229 Die Tendenz zum Spiritualismus zeigt sich ferner, wenn Petersen das traditionelle Stück über die Beichte wegläßt. 230 Auch von dem Amt der Schlüsse] fehlt bei Petersen jedes Wort.231 Als äußerliche kirchliche Handlungen sind sie für die individuelle und innere Gottesbeziehung unnötig; ja, der vollkommen Wiedergeborene bedarf ihrer nicht, weil er nicht mehr sündigt. Bei der Taufe vermißt man vom Standpunkt der Orthodoxie aus ein eindeutiges Votum für die Kindertaufe, die zwar legitimiert, aber doch mit der Erwachsenentaufe prinzipiell gleichgestellt wird, wenn Petersen in zwei parallelen Fragen zu überlegen gibt, wie man Erwachsene und wie man Kinder taufen soll (Taufe 17 und 15f.). Geradezu verräterisch wirkt seine Frage: „Welche aber sind hergegen die rechte getaufte Christen?" (Taufe 53). Das mögliche adverbiale Verständnis von „rechte" würde die Wirkung des Sakraments einschränken. Seine späteren Lüneburger Kollesparsamen Applikationen ein pietistisches Merkmal sehen (Ζ. B. BÜNGER, Entwicklung 1912, 225). 228 Vgl. ebd. 14f.: Eph 5, 6 - 1 1 und IKor 5, 6; 15, 33. 229 Frage 16: 4Esra 1; Off 18, 4; IKor 5, 10f.; 2Joh 10f.; 2Thess 3, 6. 230

Z u m P r o b l e m s. S. 1 3 8 ; v g l . MEYER, K o m m e n t a r 1 9 2 9 , 4 5 9 - 4 6 1 .

231

Vgl. die Kritik seiner Lüneburger Kollegen in Kat.-Bed. 1690, p. [13] (wie Anm. 171).

160

gen haben jedenfalls die Frage umformulieren zu müssen geglaubt, wenn sie den Wortlaut „Welche unter den Getaufften sind die rechte Christen?" 232 bevorzugten.

Chiliastische

Ansätze

Wir haben bislang Petersens Spruchkatechismus in seiner ersten Auflage untersucht und darin wichtige pietistische, insbesondere spiritualistische und biblizistische Motive erkennen können, die Petersen seit seiner Begegnung mit Spener entwickelt hat. Darüber hinaus sind die verschiedenen Auflagen des Spruchkatechismus auch aufschlußreich für Petersens Hinwendung zum Chiliasmus. Man darf wohl voraussetzen, daß Petersen selbst die 2. Auflage von 1689 besorgt hat, da er diese Ausgabe ja auch in Lüneburg als Katechismus einfuhren wollte. 233 In der 2. Auflage hat sich insgesamt wenig geändert; nur in der Auslegung zur 2. Bitte des Vaterunsers („Dein Reich komme") finden sich zahlreiche Umstellungen und eine entscheidende Änderung. Petersen propagiert zwar auch hier nicht explizit ein Tausendjähriges Reich, läßt aber im Vergleich mit der ersten Ausgabe von 1685 einen deutlichen Sinneswandel spüren. Petersen hatte in der ersten Ausgabe noch im Sinne der Orthodoxie zwischen einem Reich der Allmacht (regnum potentiae), einem Reich der Gnaden (regnum gratiae) und einem Reich der Herrlichkeit (regnum gloriae) unterschieden, um dann anschließend festzustellen, daß man im Vaterunser „vornehmlich" um das Reich der Gnaden bitte. 234 In der Ausgabe von 1689 umgeht Petersen diese Unterscheidung, die sich gegen den Chiliasmus wendet, indem er sie wegläßt und nur noch unspezifisch vom „Reich Gottes" spricht. Aus dieser Änderung resultieren weitere Umstellungen, die hier nicht diskutiert werden müssen. Interessant sind aber noch einige Zusätze: Z u m einen erweitert Petersen die Frage 9 (1685), indem er eine Spitze gegen die „Hohen" hereinbringt: „Sölten [derowegen] nicht alle Menschen [in der Welt/ so wohl Hohe als Niedrige] diesen König [der Ehren furchten/ und ehren und] fur ihren König erkennen ?" (14,1689)235. Zweimal ändert Petersen auch das Personalpronomen in die 1. Person Plural, wodurch die Auslegung bekennerhafter wird; z.B. in Frage 11 (1685): „Warum hat [denn] < e r sie> [uns Gott] in diesem [Reiche] zu Königen und Priestern gemacht ?" (13, 1689)236. Der Wechsel des Personalpronomens scheint mir als Indiz für einen 232

Kat.-Bed. 1690, [15], Sie lag dem Kat.-Bed. 1690 (p. [12]) zugrunde; vgl. Anm. 171. Die anderen Auflagen sind unveränderte Nachdrucke. 234 SK V U , 2. Bitte 2F.; vgl. HIRSCH, Hilfsbuch 1937, 336f. (§551), der die Begriffe nach Balth. Mentzer, Katechismus fur Laien (1614) zitiert. 235 Auslassungen < > und Zusätze [ ] in der Ausgabe 1689. 236 Vgl. Frage 18 (1685) = Frage 16 (1689) im Zitat IPetr 1, 3 - 5 . 233

161

entscheidenden Wandel bei Petersen gelten zu können. Petersen tritt damit aus der Rolle des Amtsträgers heraus und versteht sich selbst als Bruder in der G r u p p e der Auserwählten. Dadurch ist die Wendung z u m Separatismus eingeleitet. Für diesen pietistischen Separatismus ist konstitutiv, daß er für die Idee der „ecclesiola in ecclesia" nicht offen ist. Statt dessen sucht er die (zumindest innerliche) Trennung der ecclesiola von der äußeren Kirche. N a c h d e m Petersen 1685 auf das „Reich der Herrlichkeit" zu sprechen g e k o m m e n war, das dem „Reich der Gnaden" folge (Frage 18), hieß es: „Hastu einen Spruch/ darinn solche H o f f n u n g von d e m Reiche der Herrlichkeit gegründet ist ?" Das heißt nun in Frage 16 (1689) mit derselben A n t w o r t aus IPetr 1, 3—5 und einer starken Ausrichtung auf die irdische Realität: „Hoffest du denn gewiß/ daß ein solches herrliches Reich noch vorhanden ist?" Schließlich wird auch die Perseveranzlehre immanent interpretiert. Frage 19 (1685) lautete: „Müssen wir denn nothwendig durch solchen Glauben bewahret werden zur Seeligkeit/ und zu solchem herrlichen Reiche?" Das klingt jetzt, Frage 17 (1689), aktivistischer und immanent: „Ist es denn nicht wol der M ü h e w e h r t / daß wir allen Fleiß anwenden/ dieses herrliche Erbe/ und Reich JEsu Christi zu erlangen?"237 Darüber hinaus finden sich weitere, kleine Veränderungen, die man als Indizien für Petersens Wendung z u m Chiliasmus verstehen kann. 2 3 8 Wie gesagt bekennt sich Petersen hier noch nicht explizit z u m Tausendjährigen Reich und entsprechend auch nicht zu einer doppelten Auferstehung, wozu i h m der entsprechende Abschnitt des 3. Glaubensartikels Gelegenheit gegeben hätte. 239 Gleichwohl dokumentieren die zwei Auflagen des Spruchkatechismus Petersens nachhaltige H i n w e n d u n g z u m Chiliasmus, die sich demnach in den Jahren 1685 bis 1688 jedenfalls in der Weise vollzogen haben m u ß , daß Petersen sich nicht m e h r zur orthodoxen Lehre bekennen konnte und wollte. 240 Der Spruchkatechismus von 1689 ist damit das früheste Zeugnis für diese Entwicklung Petersens, und er bestätigt die Aussage des Ehepaares Petersen, daß ihm in d e m Jahr 1685 der Aufschluß über das Verständnis der O f f e n b a r u n g Johannis geschenkt w o r d e n sei.241

237

Hervorhebung von mir. Zitierung von Ps 93, 1 f. (Frage9, 1689); Off 1, 6 und 5, 10 (Frage 11, 1689) und Cant 3, 4; Ο ff22, 20; l j o h 4, 19 (Frage 15, 1689). 239 Vgl. S. 227. 240 Bei der Datierung ist zu beachten, daß die Abfassung des SK (1685) in die Jahre 1683 f. fällt (s. S. 146f.). 241 LB 1717, 70; vgl. 77 (Petersens Plan seiner Promotion) und LB II 1719, 5 5 - 5 7 (§35) [= Erzählung 1689, §35], 238

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IV. Theologie und Bibel Promotion in Rostock

Mit der Erreichung des Amtes eines Superintendenten und Hofpredigers war für Petersen die Möglichkeit und wohl auch die Verpflichtung gegeben, den Grad eines theologischen Doktors anzunehmen. Er hatte ja in Gießen einige Semester in der theologischen Fakultät studiert, aber, wie in der Zeit üblich, kein über die Magisterprüfung hinausführendes Abschlußexamen abgelegt. Gleichwohl hatte er mit seinen philosophischen und theologischen Disputationen seine wissenschaftliche Qualifikation hinreichend bewiesen. Schon in Gießen hatte Petersen an eine theologische Promotion bzw. an das Lizentiat242 gedacht; das war ihm damals nicht vergönnt, weil sein Vater und das Kuratorium der Schabbelschen Stiftung ihn nach Hause gerufen hatten. Sowohl die Statuten der Schabbelschen Stiftung als auch sein kirchenleitendes Amt erforderten nun die theologische Promotion. Anders als später sein Landsmann August Hermann Francke empfand Petersen keine Skrupel, eine solche weltliche Ehre zu erwerben, 243 die dem zukam, der sich im akademischen und kirchlichen Leben als Lehrer und Leiter bewährt hatte. Entsprechend sah die Satzung der Theologischen Fakultät Rostocks vor, in der Petersen im Jahre 1686 promoviert werden sollte, daß der Promo vend mit der in Rostock geltenden Kirchenlehre bekanntermaßen übereinstimme und ein kirchliches Amt innehabe. 244 Für die Promotion zum Doktor Sanctae Theologiae mußte Petersen zuvor eine Inauguraldissertation verfassen und sie unter dem Vorsitz eines Theologie-Professors in einer Disputation verteidigen. Als Promotor sollte Petersens ehemaliger Studienkommilitonejustus Christoph Schomerus (1648—1693) wirken, der zu dieser Zeit Dekan der Theologischen Fakultät in Rostock war. 245 Petersen wollte ursprünglich über ein in jener Zeit für ihn und die ganze pietistische Bewegung besonders aktuelles Thema disputieren, nämlich „die Hoffnung Israels und ihrer Bekehrung in der letzten Zeit". 246 Diese weiter nicht überprüfbare Angabe Petersens stimmt mit anderen Zeugnissen dieser Zeit dahingehend überein, daß Petersen sich in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre immer mehr mit den exegetischen Fragen der pietistischen Eschatologie beschäftigt hat. Während er selbst zwar schon „das Königreich 242

SCHERING, Petersen 1982, 234: „theologischer Ehrendoktor" ist anachronistisch, weiljede Promotion - auf der Grundlage bestimmter Leistungen (Lizentiat) - ehrenhalber geschah. 243 Vgl. SELLSCHOPP, Francke 1913, 265 ff. bes. 266-268. 244 Bacmeister, Antiquitates 1743, 954f.: „Nemini conferantur Gradus & insignia Doctorum in Theologia, nisi qui assidue audiverit, & diligenter didicerit doctrinam de Deo, integrum sexennium in aliqua Academica consensum Doctrinae, quae in nostris sonat Ecclesiis, amplectente." 955: „Nemo ornetur gradu Doctorum aut Licentiatorum in Theologia, qui certae functioni non est praefectus vel praefuit antea." 245 Matrikel Rostock 3, 1895,296. 246 LB 1717, 77.

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unseres Herrn JEsu Christi" erkannt haben will, mußte Schomerus das Thema, für dessen rechtmäßige Durchführung er als Praeses verantwortlich war, ablehnen, weil er „darinnen noch nicht einen völligen Aufschluß hätte". 247 Denn Schomerus mußte ja aufkommende Kontroversen nötigenfalls mit seiner Autorität entscheiden und stand auch mit seinem Namen für den orthodoxen Inhalt der Disputation ein, die vor dem Akt der Promotion gedruckt vorlag. In aller Eile mußte Petersen nun eine andere Schrift aufsetzen, die den vielleicht nicht minder pietistischen Titel trägt: „Omnia et in omnibus Christus". Von Petersens Dissertation darf man keine besonderen Aufschlüsse über seine damalige Gedankenwelt erwarten. Bei der Promotion ging es vor allem darum, den Konsens mit der orthodoxen Theologie und die darauf aufbauende Fähigkeit zur Unterscheidung von wahrer und falscher Lehre im Rahmen eines wissenschaftlichen Disputs nachzuweisen. Deshalb entstand eine solche Disputation ja auch in enger Verbindung mit dem Präses der Disputation. Zudem blieb Petersen wohl auch nicht viel Zeit, das neu angesetzte Thema zu bearbeiten, so daß für gut begründete neuartige Vorstellungen keine Gelegenheit war. Trotzdem bleibt zu fragen ob sich in der Gedankenführung die damalige geistige Welt Petersens an irgendeiner Stelle niederschlägt. Petersen nimmt sein Thema aus Kol 3, 11 und interpretiert es bewußt nicht im Sinn des Textzusammenhanges, sondern dogmatisch, u m zu zeigen, „quomodo Christus in omnes articulos Fidei influat, sine quo totam illorum compagem ruere atque dissolvi necesse sit" (§ 2). Petersen hat später die dogmatische Behandlung von Schriftstellen, die diese aus ihrem Kontext herausnehmen, abgelehnt. Seine schon angesprochene „Biblische Theologie" gründet auf dem Textzusammenhang, während er hier ein letztes Mal den Zusammenhang des dogmatischen Systems als wissenschaftliche Forderung übernimmt. 248 Eine solche systematisch begründete Wissenschaft ist typisch für die Theologie des 17. Jahrhunderts. Der Versuch, von einem nicht weiter begründbaren und zu begründenden Prinzip aus die theologischen loci zu einem System zu verbinden, in dem das Prinzip zum Leitgedanken aller einzelnen Gegenstände wird, ist charakteristisch für die Orthodoxie im Zeitalter des Rationalismus. Genau dasselbe intendiert auch Petersens Versuch, Theologie und Ökonomie nach der synthetischen Methode auf der Person Christi aufzubauen, während der Verlust des Systemcharakters schon gegen die Wahrheit des Gegenstandes sprechen würde. 249 Denn darin soll sich die Theologie gerade vor jeder menschlichen Wissenschaft („scien247

LB 1717, 77 f. 248 yg] a k e r noch Petersens spätere Behauptung, daß der von ihm vertretene Chiliasmus in alle Artikel der Confessio Augustana hineingehöre und diese ohne seine Lehre nicht verstanden werden können, S. 313 und Petersens Schrift „Regnum defensum" 1698. 249 Vgl. W E B E R , Reformation 2, 1951, XVII (Quenstedt). Zur synthetischen bzw. analytischen Methode s. W E B E R , Einfluss 1908, 1 9 - 7 4 .

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tia carnalis") auszeichnen, daß letzterer ein sicheres und unveränderliches Fundament fehle, so daß dort nur Widerspruch und keine letztgültige Wahrheit bestehe; solche Wissenschaft gehört zur Welt des Teufels (§ 5). Petersens Thema und Prinzip wäre an sich nicht auffällig, wenn es nicht der Spenerschüler Petersen wäre, der es bearbeitete. Wie sich zeigen wird, ist es die in den zwei Naturen begründete Mittlerschaft Christi, die zur Lösung der im Hintergrund wahrnehmbaren Problematik des religiösen Subjekts herangezogen wird. Nach einleitenden Kapiteln, die die theologische Wissenschaft als eine von Gebet und Erleuchtung getragene charakterisieren, begründet der Kandidat zuerst die Wahrheit der Schrift, aus der die verschiedenen Glaubensartikel gezogen werden, indem sie als Gottes Wort in Christo nach ihrem eigenen Zeugnis hingestellt wird. Der Glaube an Christus als die Offenbarung Gottes ist das nicht weiter begründungsfähige und-bedürftige Axiom, von dem aus über die von Christus beglaubigte Schrift das System aufgebaut werden soll. Daß hier gegen Speners Vorstellung eine syllogistische Wissenschaft und keine Erfahrungstheologie betrieben wird, liegt auf der Hand. Das Prinzip wird ja nicht zu verifizieren versucht. Statt dessen wird als Folge der in Christus gegründeten Schrift behauptet, „quod scriptura tantam & intrinsecam autoritatem, & vim corda movendi habeat, atque ex scriptura argumenta desumi possint contra Atheos, scripturae [authentian] & divinitatem negantes" (§ 6).250 Die §§ 8 bis 14 behandeln Christi ewige Mittlerschaft in seiner Eigenheit als Person der göttlichen Trinität und als ewiger Grund der Erwählung. Die polemischen Abgrenzungen, die Petersen nach den verschiedenen, konfessionellen Seiten vornimmt, können hier und im folgenden außer Betracht bleiben. Die ewige Erwählung soll von dem reformierten „decretum absolutum", einer reinen, willkürlichen, von Christus und dem menschlichen Glauben innerhalb der Zeit unabhängigen Entscheidung Gottes unterschieden und gesichert werden, indem der Glaube an Christus als der Grund der Erwählung statuiert wird. Die Erwählung kann trotzdem von Ewigkeit her geschehen, weil Gott in seiner ewigen Voraussicht weiß, wer an Christus glauben wird: „omnis credens in Christum salvus esto [ . . . ] . Christus igitur ut objectum est fidei omnium credentium in aeterna Dei praevisione & praescitu, ita etiam dicitur in librum hujus Agni ab initio esse inscripti; Apoc. 13. 8 cap. 17: 8" (§ 11). Die Schlußfolgerung, daß damit das Heil für den Menschen in seine Entscheidung als notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung gestellt wird, ist nicht zu vermeiden. 251 Petersen wird nicht müde, die bekannten, anderen Modelle einer Erwählungs- oder Prädestinationslehre, die den allgemeinen Heilswillen Gottes schmälern, polemisch zu bekämpfen. Mit der Vorstellung eines gerechten Gottes verteidigt er damit zugleich die sittliche Verantwortung des einzelnen. Damit aber tritt das 250 Dazu wird die Wahrheit der Schrift auch a posteriori aus dem Eintreffen der Prophetien und aus der Wirkung auf das Gewissen begründet. 251 Vgl. WEBER, Reformation 2, 1951, 166-175 bes. 171 f.

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Problem des religiösen Subjektes in den Vordergrund. Wie ist unter diesen Umständen die römische Lehre von einem Zusammenwirken von Natur und Gnade zu umgehen? Die §§15 bis 22 fuhren Christi Mittlerschaft von der Schöpfung bis zur Erlösung aus. Für Petersens pietistischen Ansatz ist es bezeichnend, daß er von Christus als dem Ebenbild Gottes im Menschen nach Gen 2, 26 f. spricht (§ 15). Mit neutestamentlichen Prädikaten wird Christus dabei bezeichnet, nämlich als „Abglanz Gottes im Menschen" (Hebr 1, 3 und Kol 1, 15) und als „Neuer Mensch" (Kol 3, 10—12). Petersen meint diese Art der Schöpfungsmittlerschaft Christi für den theoretischen Fall behaupten zu können und zu müssen, daß der Mensch seine urständliche Unschuld nicht verloren hätte. Auch dann hätte er seine Gottebenbildlichkeit durch Christus. Zugleich wird damit aber der Weg der Erlösung aus der Sünde vorgezeichnet: die Herstellung des göttlichen Ebenbildes durch die Einwohnung Christi. Einer grundsätzlichen Unterscheidung zwischen Urständ und Gnadenstand wird von vornherein aus dem Weg gegangen. Der § 23 eröffnet die Artikel, die die Seite des Menschen am Heilsgeschehen erörtern und dabei auf das Problem der partikularen Heilsaneignung gegenüber der universal angebotenen Gnade zu sprechen kommen. Mit seiner Vorstellung vom im Menschen wirkenden Christus meint Petersen das Problem der Selbstmächtigkeit des Menschen bei den einzelnen Akten des Glaubenslebens (Buße, Umkehr, Glaube, Gute Werke etc.) umgehen zu können, indem er sie alle Christi innerem Wirken zuspricht: „ille in nobis & velle operatur, & perficere in omni opere bono. Phil. 2. 13." (§23). Die Rechtfertigung des Menschen hat demzufolge ihren von Gott verordneten Grund im Verdienst Christi, der auch den Glauben wirkt, dem das Verdienst zugerechnet wird (§24). Der no mistische Zug dieser Argumentation wird deutlich, wenn Petersen zugibt, daß es Gottes Macht frei gestanden hätte, die Menschen auch ohne Rücksicht auf Christi Verdienst zu rechtfertigen (§ 26). Entsprechend bleibt das Gesetz gültig. Seine strenge Erfüllung wird von dem Gesetzgeber gefordert. Sie geschieht wiederum in Christo, durch Christus und mit dem durch Christi Verdienst erwirkten „Dispens" (§ 24 und 28).

Einen besonderen Platz muß in Petersens Argumentation der locus von der „Unio mystica" einnehmen. 252 Über die Unio mystica ist der Mensch auf geheimnisvolle, d. h. nicht näher mit menschlichen Kategorien zu definierende Weise mit den beiden Naturen Christi vereinigt und über ihn als Mittler mit der dreieinigen Gottheit. Diese Unio schmeckt und erfahrt nur, wer in sie eingegangen ist (§27). Der gerechtfertigte und der göttlichen Natur teilhaftig gewordene Christ tut notwendig „gute Werke". Sie sind die Kennzeichen der Rechtfertigung und der gegenwärtigen Unio. Eben die Unio ist nun der Ort des Zusammenwirkens von Gott und Mensch, Gnade 252

166

Vgl.

WEBER,

Einfluß 1908, 7 8 - 1 0 2 und ELERT, Morphologie 1, 1952, 135-154.

und Natur. Denn der Mensch kann sich der fortwährend angebotenen Gnade entziehen, er kann die ihm verheißene Hilfe fur den K a m p f gegen die Sünde abschlagen, er kann eine geistliche Scheidung vornehmen (§ 28). Die „praxis pietatis" ist damit der Ort, wo das geistliche Geschehen Realität gewinnt oder nicht. Den Abschluß bilden die Ausführungen über die Kirche, die ähnlich wie bei Spener als Sammlung der Individuen aufgefaßt wird (§31), die letzten Dinge (§ [32]) sowie eine Polemik gegen alle Verfechter einer natürlichen Religion (Deismus, Herbert Baron de Cherbury, Spinoza etc.) (§ [33]). Die theologische Promotionsschrift Petersens weist im ganzen eine ähnliche Gedankenführung in bezug auf die Vereinigung Christi mit dem Glaubenden auf, wie wir sie in Speners Trausermon entdecken konnten. Petersens Gedanken bewegen sich in ihrer Unscharfe und Oberflächlichkeit in dem Freiraum, der einem lutherischen Theologen der Zeit durch die Abgrenzungen zu der römisch-katholischen, der reformierten und der naturalistischen Position und durch die Vorgabe des „sola fide" und des „solus Christus" gegeben wurde. Zusammen mit Petersen ließ sich Jakob Hieronymus Lochner, der im Jahre 1686 Superintendent in Bremen geworden war, promovieren. 2 5 3 Eine solche, in der Zeit übliche gemeinsame Promotion bot sich schon wegen der aufwendigen Feierlichkeiten und der damit verbundenen Kosten an. 254 Die einzelnen, der Promotion vorausgehenden Akte fanden bei beiden j e im Abstand von einer Woche statt. A m 11. September wurde Lochner, eine Woche später Petersen der Fakultät präsentiert. Die Inauguraldisputationen Lochners „ D e Separatismo" und Petersens „Omnia et in omnibus Christus" folgten am 23. und 30. September. 2 5 5 Die feierliche Promotion und Erhebung in den theologischen Lehrstand fand dann am 7. Oktober 1686 in der Marienkirche statt. Anschließend traf man sich zum Doktorschmaus, ausgerichtet v o m Dekan der Theologischen Fakultät Schomerus, mit dem einzigen Doktorkandidaten der Juristischen Fakultät. Ein Glückwunschcarmen erhielten die beide neuen Doktoren der Theologie von dem einstigen Respondenten Petersens, Michael Freud(e), Konrektor in Wismar. 256

253 Über ihn s. MEYER, Pastoren 1, 1941, 125 und 2, 1942, 387. Vgl. LB 1717, 77 (Brief nicht erhalten). 254 Vgl. THOLUCK, Leben LI, 1853, 297-301 und zu dem feierlichen Ablaufin Rostock ebd., 301 f. 255 Rostock Matrikel 3, 1895, 296. 256 Michael Freud, HONORIBUS IN THEOLOGIA || SUMMIS, || ä || [ . . . ] || DN. Justo CHRISTOPHORO || SCHOMERO, || [ . . . ] || VIRIS || [ . . . ] || DN. M. JOHANNI WILHELMO Petersen/ || [ . . . ] || Et || DN. M. J A C O B O HIERONYMO Lochner/ || [ . . . ] || VII. Octobr. ipso Amaliae die, postridie Fidei, pridie Charitatis, || Anni (|) |)C LXXXVI. || In ALMA ROSARUM COLLATIS,|| applaudit || [ . . . ] Wismar: M.Martini 4°, 2 Bl. (LB Detmold).

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Bekenntnis

und Bibel

Mit der Promotion zum Doktor der Theologie war die Verpflichtung auf die „reine Lehre" verbunden, wie sie von den in Rostock und Mecklenburg geltenden symbolischen Büchern (Konkordienbuch) umrissen wurde. Petersen hatte damals keine Skrupel, die lutherischen Bekenntnisschriften zu unterschreiben und sich auf sie festzulegen. 257 Die Art und Weise, wie sich Petersen zu dem Bekenntnis der Kirche verhält, ist allerdings bezeichend für sein Schrift- und Theologieverständnis. Er macht sich zwar die „Theses veritatis", die eigentlichen Bekenntnisaussagen zu eigen, hat jedoch an einzelnen Stellen Vorbehalte gegenüber der angeführten biblischen Begründung. 258 So kann er zwar dem Satz zustimmen, daß das Klosterleben nicht das ewige Leben verdienen kann (Apologie XXVII, 30—32), hält aber das lateinische Zitat von Ez 20, 25, das als biblischer Beleg angeführt wird, für bedenklich: „Ego dedi eis praecepta non bona et iudicia, in quibus non vivent". 259 Offenbar empfindet Petersen bei dieser Zusammenstellung, daß das Halten der Gebote in seiner Bedeutung unangemessen herabgesetzt wird. Aber wenn er glaubt, hier eine Unterscheidung zwischen den Bekenntnisaussagen und ihrer biblischen Grundlage vornehmen zu können, so verkennt er, daß die Bekenntnisschriften gerade die Schrift durch die Zitierung der Bibelstellen auslegen und ihre Interpretation systematisch erfassen wollen. Insofern sind seine Skrupel und diejenigen seines früheren Professors August Varenius nur vordergründig von gleicher Art. 260 Varenius scheint nur die Anführung bestimmter Kirchenväterstellen in den Bekenntnisschriften bemängelt zu haben, da sie offenbar ihrem historischen Sinn nicht entsprächen. Seine Kritik betrifft die altkirchliche Tradition. Deren systematische Aneigung ist für die Dogmatik nur in eingeschränktem Maße nötig. Die Suche nach dem historischen Sinn der Schriftstellen läßt Petersen die systematische Reflexion vernachlässigen und erlaubt ihm nun, über den Buchstabensinn der Bekenntnisse hinaus neue Erkenntnisse als Glaubenssätze zu gewinnen. Die Bekenntnisse verkümmern damit zu einem negativen Kriterium für das, was nicht zu leugnen oder dem nicht zu widersprechen ist. Noch wird die Einheit der Schrift durch die Lehre und Vorstellung von ihrer Inspiriertheit gesichert. Die Vielfalt der möglichen Aussagen und Lehren, die aus der Schrift gezogen werden können, wird bald die historische Widersprüchlichkeit der Bibel, ihre Uneinheitlichkeit offenlegen. Da257 vgl. S. 213. Ein gebrochenes Verhältnis zu den Bekenntnisschriften scheint man schon anläßlich bestimmter Äußerungen Anfang der achtziger Jahre bei Petersen festgestellt zu haben; vgl. Spener an Petersen, [Oktober] 1680 u. 26.6. 1681 (AFSt A 196, p. 2 6 9 - 2 7 3 bes. 270 u. 2 0 1 - 2 0 8 bes. 204) sowie Cons. 3, 1709, 559f. [an Ph. L. Hanneken] v o m 5.2. 1681. 258 LB 1717, 78. 259 BSLK 1963, 387. 260 LB 1717, 78.

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mit zeichnet Petersen den Weg für eine historisch-kritische, die Einzigartigkeit der Heiligen Schrift nicht berücksichtigende Exegese vor, obgleich er selbst ihn noch nicht betritt. Wenn Petersen mit gleichem Recht wie Varenius die Anführung mancher Bibelstellen kritisieren zu können glaubt, muß er versuchen, die in ihrer Inspiriertheit begründete Einheit der Schrift als des gegenwärtigen Wortes Gottes anders als systematisch darzulegen. Er versucht dies, indem er die Schrift als die Darstellung eines geschichtlichen Prozesses versteht. Sein umfangreiches exegetisches Werk legt Zeugnis von dem Versuch ab, eben diese (prophetische) Einheit der Schrift zu bezeugen. Daß er damit auch wieder mit einem äußeren hermeneutischen Prinzip an den biblischen Text herangeht, ist ihm wahrscheinlich nicht bewußt gewesen. Auslegung von Römer 7 Die Eutiner Jahre, die abgesehen von den gelegentlichen Zwischenfällen, von denen oben die Rede war, ruhig verliefen, waren für Petersens theologische Entwicklung von entscheidender Bedeutung. Mit dem Amt eines Superintendenten und Hofpredigers hatte seine Karriere einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Die geistliche Verwaltung der ländlichen Ephorie, deren Bevölkerung ebensowenig wie ihre Pfarrer und Lehrer Petersen geistig forderten, ließ ihm genug Zeit, sich wissenschaftlich zu beschäftigen. Aus seiner Studienzeit und von den Aufenthalten bei den Frankfurter Pietisten brachte er Vorstellungen, Anregungen und Theorien mit, die er nun gedanklich formen und sich aneignen konnte. Freilich hatte er schon hier und da gezeigt, daß er gewillt war, in den Spuren Ph. J. Speners zu gehen. Aber das alles war bisher noch recht zufällig, hatte nicht den Charakter eines klaren Konzepts. Erst in Eutin wird Petersen zu der Gestalt des Pietismus, wie sie in der historischen Erinnerung haften geblieben ist. Natürlich muß man für die geistige Entwicklung, die Petersen in Eutin vollzog, den Einfluß seiner Frau, Johanna Eleonora von Merlau, in Rechnung ziehen. Sie war es, die ihn in Frankfurt endgültig fur die pietistische Sache gewonnen hatte. Johanna Eleonora war eine geistig selbständige, religiös empfindsame und charakterlich freie und stolze Persönlichkeit. Sie hat selbst in diesen Jahren ein kleines Erbauungs- oder Meditationsbuch geschrieben, die „Herzensgespräche", worin sie geistliche Erfahrung mit dem Verstehen von Bibelsprüchen in Beziehung setzt. Man würde es sich aber zu leicht machen, wenn man ihr die religiöse Kreativität zumißt, die Johann Wilhelm dann nur mit einem Unmaß an Gelehrsamkeit ins Wort umgesetzt hätte. Gerade die Eutiner Jahre und ihre literarischen Produkte zeigen, daß die Petersens von derselben Problematik getrieben wurden, die sie zur gemeinsamen geistigen Arbeit anspornte. Die damals behandelten Fragen erweisen sich als solche, die rational gelöst werden. Da gibt es kein 169

individuelles geistiges Eigentum. Wenn also nicht bestritten werden soll, daßJohanna Eleonora die treibende Kraft in der Entwicklung der theologischen Gedankenwelt des Ehepaares war, so muß doch der von A. Ritsehl ausgehenden Anschauung widersprochen werden, als sei von den beiden Petersens Johanna Eleonora die eigentlich pietistische Persönlichkeit gewesen. Will man nicht einer petitio prineipii verfallen, nämlich daß der Pietismus in seinem Wesen durch Gefühl und emotionale Kreativität zu bestimmen ist, darf man religiöse Intuition und wissenschaftliche Arbeit nicht einfach entgegensetzen und auf Frau und Mann verteilen. 261 Es darf nicht verkannt werden, daß auch wissenschaftliche Arbeit, etwa eine Bibelexegese, zu einem intuitiven Erlebnis werden kann, dann nämlich, wenn die Arbeit zu einem tieferen Verstehen fuhrt. Wenn ein Exeget eine Bibelstelle durchdenkt, sich argumentativ mit gegenteiligen Interpretationen auseinandersetzt und schließlich zu einem eigenen, wohlbegründeten, bedeutsamen und ihm bislang so nicht gewärtigen Verständnis kommt, so ist auch das als ein intuitives Erlebnis zu beschreiben. N u r insofern hätte es ja auch Sinn, bei Martin Luther von einem reformatorischen „Durchbruch" zu sprechen. Die beiden Petersens, besonders der Wissenschaftler Johann Wilhelm, sind zu ihren theologischen Anschauungen gekommen, indem sie sich mit der Heiligen Schrift auseinandergesetzt und um ihr Verständnis gerungen haben, bis sie davon überzeugt waren, daß sie damit das Wort Gottes selbst auslegten. Dasselbe wird auch von dem Chiliastenjohann Wilhelm Petersen zu sagen sein: Nicht ein unmittelbares Erlebnis262, noch eine unbestimmte Hoffnung auf eine bessere Zeit haben ihn zum Chiliasten gemacht, sondern das wissenschaftliche Bemühen um die Weissagungen des Alten und Neuen Testamentes. Unberührt davon bleibt die Frage, welches die Motive und geistigen Voraussetzungen waren, die ihn die speziellen Gegenstände seiner Forschung ergreifen ließen. 263 Einen ersten deutlichen Schritt des Superintendenten auf dem Pfad des Pietismus konnten wir in seinem Spruchkatechismus beobachten. Was dort über das Verhältnis von äußerem Lebenswandel und Gottes- oder Schrifterkenntnis festgestellt wurde, ließ den Einfluß Ph. J. Speners erkennen. Sieht man in der von Spener propagierten „Gottesgelehrtheit" ein pietistisches Grundelement - und das sollten die Überlegungen zu dem Dilfeldstreit zeigen - so darf man Petersen mit Fug und Recht einen Pietisten nennen. Wir haben den Spruchkatechismus als einen interessanten Versuch kennengelernt, die Bibel und ihre Worte in das Zentrum des christlichen Unterrichts zu stellen. Es genügt aber nicht, ihn nur hinsichtlich seiner pädagogischen und progammatischen Wirkung nach außen zu betrachten. Die Darstellung 261 Ebensowenig will mir der Versuch CRITCHFIELDS ( 1 9 8 0 , 1 1 2 . 1 1 4 ) einleuchten, den Pietismus als eine weibliche Frömmigkeit zu würdigen mit dem Gegensatz: Primat des religiösen Gefühls gegen starre Orthodoxie. 262 Für Spener vgl. W A L L M A N N , Spener 1986, 331 f. 263 v g i . (j a z u Jas Kapitel „Petersen als Theologe"; S. 331 ff.

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seiner spezifischen Intention machte deutlich, daß es Petersen darum ging, in den Schriftworten die Legitimität für seinen eigenen Glauben und für seine theologische Gedankenwelt zu finden, wie sie ihm vor allem in der Begegnung mit den Frankfurter Pietisten aufgegangen war. Der Stolz und der Ehrgeiz des Humanisten und Philologen Petersen verbanden sich dabei mit der theologischen Einsicht, daß der Heilige Geist demjenigen, der ihn in sich zur Heiligung wirken läßt, die Augen des Verstandes für den Sinn des Geistes auch der dunklen Stellen öffnen würde. Mit Energie und wohl auch Entdeckerfreude war er daran gegangen, die Bibel zu studieren und sich ungeachtet aller theologischen Traditionen auf das Wort selbst zu konzentrieren. Die humanistische Bildung brachte er ja mit und auch das Selbstbewußtsein, daß er den eigentlichen Sinn der biblischen Worte mit dem philologischen Handwerkszeug und dem Beistand des Heiligen Geistes erheben könnte. Wenn irgendwie die religiöse Wahrheitsfrage zu entscheiden war, dann nicht durch ein Lehramt oder ein Dogma, sondern nur durch das Hören auf das Wort, das Gott selbst in der Schrift gesprochen hatte und weiterhin sprach. Bibel statt Dogma oder Glaubensregel, diese scheinbar einfache Alternative und die Art ihrer Durchführung sind das Pietistische an den Petersens. 264 Unter diesen Voraussetzungen ging Petersen am Ende des Jahres 1685 daran, das siebte Kapitel des Römerbriefes einer Exegese zu unterziehen. 265 Konkreter Anlaß war, daß seine Frau dieselbe Passage (bes. Rom 7,13ff.) im Zusammenhang mit der Abfassung ihrer Herzensgespräche (1689) auslegte. Als sie dem Freunde Christian Kortholt in Kiel ihre Auslegung zu Rom 7, 24 („Ich elender Mensch/ wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes?")266 schickte, gestand sie dem Theologieprofessor gegenüber bereits ein, daß ihre Interpretation möglicherweise Bedenken erregen könnte. 267 Wenig später hat sie in einem zweiten Brief Kortholt ihr Verständnis von Römer 7 ausführlich dargelegt. 268 In ihren Herzensgesprächen hat sie ihre ursprüngliche Auslegung entschärft. Petersen sah sich nun seinerseits veranlaßt, sich und Kortholt gegenüber Rechenschaft über die Exegese seiner Frau und über ihr Verständnis der Perikope abzulegen. Er sandte seine handschriftlichen Aufzeichnungen ebenfalls an Kortholt, der sich davon überzeugen konnte, daß der Eutiner Superintendent zu demselben Ergebnis gekommen war wie seine Frau.269 264

Vgl. Auslegung (s. A n m . 269), p. 1: Petersen will R o m 7 „nach der orthodoxie" erklären. Auslegung (s. A n m . 269), p. 1: seit „etwa ein Vierteljahr". 266 H G 1689, Teil 1, N r . 39. 267 Johanna Eleonora Petersen an Christian Kortholt, 19.1. 1686- S u U B H a m b u r g (Sup. ep. 4° 52, 3 7 3 - 3 7 4 ) . 268 Johanna Eleonora Petersen an Christian Kortholt, o. D. [Ende Januar 1686?)- S u U B H a m b u r g (Sup. ep. 4° 52, 3 7 5 - 3 7 9 ) . 269 LB 1717, 75. Das Manuskript (im folgenden: „Auslegung"), das als Brief Petersens an Kortholt konzipiert ist und 36 Quartseiten umfaßt, datiert v o m 5.2. 1686. Es hat sich in dem Nachlaß Hermanns von der Hardt (LB Karlsruhe 321) erhalten. Mit diesem hat Petersen im 265

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Die Beschäftigung mit dem siebten Kapitel des Römerbriefes stellt nach dem Spruchkatechismus einen zweiten, und in seiner Durchführung vielleicht initiatorischen Schritt des Ehepaares zu ihrer innerhalb des Pietismus eigentümlichen Gedankenwelt dar. Mehr noch als der exegetische Befund dürfte die mit der Exegese gemachte Erfahrung die Petersens geprägt haben. Eine Geschichte der Auslegung von R o m 7 kann hier nicht geleistet, nur angedeutet werden. 270 Ihren großen Wendepunkt markiert Augustin. Bis zum Jahre 419 verstand er im Einklang mit den frühen Kirchenvätern die Perikope als Ausdruck des Menschen vor der Gnade oder Wiedergeburt, also als eine Situation des Menschen, die im Christenstand überwunden ist. In der Auseinandersetzung mit dem Pelagianismus hat Augustin diese Auslegung revidiert. 271 Er tat dies gewissermaßen aus höheren, systematischen Gründen, da Pelagius die Römerstelle im Sinne der Tradition auf die Existenz des Christen vor Taufe und Sündenvergebung bezog und davon die neue christliche Existenz unterscheiden wollte, die von einer Verfallenheit des Menschen an sein Fleisch nichts mehr weiß oder wissen darf. Augustins Verständnis der Erbsünde, sein Festhalten an der fortdauernden Gnadenbedürftigkeit des Christen konnte und mußte unter diesen Umständen in der Römerstelle die Existenz des Christen, gerade nach der Taufe, erkennen. 272 Gegen Pelagius' Irrweg mußte die Autorität des Apostels zitiert, die persönliche Erfahrung des Paulus und dessen eigenes Christenleben beschworen werden. Martin Luther hat diese spätere Interpretation seines geistigen Vaters Augustin übernommen. Auch für ihn war Römer 7 die geeignete Stelle, u m in seiner Frontstellung gegen die sog. Werkgerechtigkeit der römischen Kirche die biblische Grundlage für das Sein des Christen als „simul iustus, simul peccator" zu finden. 273 Die lutherische Orthodoxie stand wohl insgeJ a h r e 1689 über R o m 7 korrespondiert u n d dabei wohl auch eine A b s c h r i f t seines d a m a l i g e n Schreibens an K o r t h o l t übermittelt; vgl. J . W. Petersen an H . v. d. Hardt, Eutin, den 7 . 3 . 1689: „ G a u d e o tibi non displicuisse, q u o d in C . 7. ad R o m . medftatus s u m . Perlegi et tuas m e d i t a tiones, quae, si u n u m atque alterum l o c u m excepero, socini verbis et menti similem, mihi a p p r i m e p l a c u e r u n t . " S. das P. S.: „ B i t t e mir doch, w o es sein kann, die meditata über das 7. Capittel, abschreiben zu lassen u. c o m m u n i c i r e n . Ich wills gerne verlegen, m a n w o l l e es aber in folio schreiben lassen, a u f f daß ichs bei meinen Scripten bey finden k a n n . " U n d B r i e f v o m 3 0 . 1 0 . 1689: „ D e loco R o m . 7 n u l l u m mihi d u b i u m , de q u o publice p r o s u g g e s t u testatus s u m , non agere hic P a u l u m de sua in regeneratione constituta persona, licet ut regenitus hic scripsit & enarraverit." 2 7 0 S. dazu WILCKENS, R ö m e r b r i e f 2, 1980, 8 5 - 1 1 7 bes. 1 1 0 f . ; K u s s , R ö m e r b r i e f 1963, 4 6 2 - 4 8 5 und MICHEL, R ö m e r b r i e f 1 9 7 8 , 240—242. Z u d e m heute weithin anerkannten exegetischen B e f u n d s. KÜMMEL, Bild 1948, 2 0 - 4 6 bes. 2 7 - 3 4 u n d ders., R ö m e r 7, 1929. 2 7 1 A u s l e g u n g , p. 1: Verweis a u f A u g u s t i n s Retractationes (426/ 427); s. C S E L 3 6 , 1 , 22, 2; 23, 5; 25, 67; II, 27, 2. 2 7 2 WILCKENS, a a O , 1 0 2 - 1 0 7 bes. 104. Vgl. E . DINKLER, D i e A n t h r o p o l o g i e A u g u s t i n s 1934, 272 (nach K u s s , a a O , 473): „ D u r c h eine paulinische Vertiefung w u r d e A u g u s t i n zu einer nichtpaulinischen L ö s u n g v o n R o m 7 g e f u h r t . " 2 7 3 Vgl. WILCKENS, a a O , 1 0 7 - 1 0 9 ; L u t h e r , VorlesungüberdenRömerbrief(1515/1516)-WA

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samt in dieser Auslegungstradition. 2 7 4 D i e Bekenntnisschriften i m K o n k o r dienbuch sanktionieren in der Weise, wie sie die Perikope als biblischen Beleg heranziehen, die augustinisch-lutherische Exegese. 2 7 5 Seit d e m 16. Jahrhundert g a b es innerhalb und außerhalb der O r t h o d o x i e Widerspruch zu dieser reformatorischen Interpretation. Drei unterschiedliche G r u p p e n seien kurz angeführt, u m den R a h m e n für die unterschiedlichen Gesichtspunkte, von denen aus die Bibelstelle betrachtet werden konnte, abzustecken. Für den innerkirchlichen Bereich ist der reformierte T h e o l o g e J a c o b u s Arminius (1560—1609) zu nennen, der in einer Predigt über R o m 7, 13—25 aus d e m J a h r 1591 die Stelle auf den Zustand v o r der B e k e h r u n g des Paulus bezieht, ohne deshalb das reformierte Lehrgebäude als ganzes in Frage zu stellen. D e r Widerspruch gegen Arminius war groß und kulminierte in d e m V o r w u r f des Sozinianismus. 2 7 6 Aus d e m spiritualistischen T ä u f e r t u m ist die E x e g e s e v o n J o h a n n D a v i d J o r i s (1501/02—1556) über G. Arnolds Kirchen- und Ketzerhistorie bekannt geworden. 2 7 7 Z u r Frage steht für J o r i s vor allem R o m 7, 18f. mit seinem Gegenüber von Wollen und Vollbringen: „ D e n n ich weis/ das in mir/ das ist/ in m e i n e m Fleische wonet nichts guts. Wollen habe ich w o l / Aber volnbringen das gute finde ich nicht. (19) D e n n das Gute das ich wil/ das thu ich nicht/ Sondern das B ö s e / das ich nicht wil/ das thu ich." (Luther 1545). Luther stellt an dieser Stelle die verborgene Tiefe der menschlichen Sündhaftigkeit heraus, indem er gerade nicht auf die einzelnen Werke achtet, sondern 56, 1938, 6 8 - 7 3 bes. 68 und Luther, Rationis L a t o m i a n a e confutatio 1 5 2 5 - W A 8, 1889, 3 6 - 1 2 8 bes. 9 9 - 1 2 6 . 2 7 4 A u s l e g u n g , p. 1, w o n a c h es aber auch w e n i g e Ausleger g a b , die die Stelle wie Petersen verstanden; N a m e n w e r d e n nicht genannt; s. aber S. 182. 2 7 5 Vgl. WILCKENS, a a O , 109: A p o l . II, 3 8 - 4 1 ( B S L K 1963, 154f.), A S m III, Von der falschen B u ß e (gegen Ende) ( a a O , 447, 2 0 - 2 5 ) , F C , S D II, 17f. 84f. (passim) ( a a O , 8 7 8 f . 907). 276

G . J . HOENDERDAAL, A r t . J a c o b u s A r m i n i u s , i n : T R E 4 , 1 6 7 9 , 6 3 - 6 9 b e s . 6 4 . V g l . d i e

ausfuhrliche D a r l e g u n g i n j . A r m i n i u s , D e vera Sc genuino sensu C A P . VII E P I S T O L A E A D R O M A N O S D I S S E R T A T I O ( O p e r a theologica, Frankfurt a . M . 1631, 6 3 5 f f . bes. 6 7 7 f f . ) . Seine T h e s e n lauten dort (S. 678): 1. D o c e b o A p o s t o l u m hoc loco n o n de seipso, qualis tunc erat, neque de h o m i n e sub gratia existente loqui, sed p e r s o n a m in se transtulisse h o m i n i s s u b lege constitui [vgl. S. 679—727]; 2. P l a n u m faciam sententiam illam in Ecclesia n u n q u a m haereseos d a m n a t u m fuisse, quin s e m p e r adstipulatores aliquos inter Ecclesiae doctores h a b u i s se [vgl. S. 727— 740]; 3. C o m m o n s t r a b o nullam haeresin n e q u e Pelagianum, n e q u e aliam ex ista sententia derivari p o s s e , sed illam i p s a m planissime Pelagianismo adversari eiusque [proton p s e u d o s ] praeclare & ex p r o p o s i t o refutare [vgl. S. 740—746]; 4. Itaque p r o b a b o s e n s u m i s t u m q u e m nonnulli m o d e r n i doctores nostri A p o s t o l o isthoc loco tribuunt, a nullo a n t i q u o r u m Ecclesiae D o c t o r u m , ne ab A u g u s t i n o q u i d e m a p p r o b a t u m esse, sed & ab e o d e m & ab aliis nonnullis repudiatum & refutatum [vgl. S. 746—751]; 5. E t p o s t r e m o d e m o n s t r a b o sententiam istam prout a multis h o d i e explicatur, & gratiae iniuriam, & bonis m o r i b u s a d v e r s a m esse [vgl. S. 751—764]; auch w e n n ein direkter Einfluß von A r m i n i u s a u f Petersen nicht nachweisbar ist, zeigen sich in allen Punkten deutliche E n t s p r e c h u n g e n . 2 7 7 A r n o l d , K u K H II, 1729, 640—647: „ D a v i d J o r i s erklärung des siebenden capitels an die R ö m e r , w o r i n n uns der w e g der Seligkeit aus gnaden geoffenbahret u n d bekannt g e m a c h t w i r d durch J e s u m C h r i s t u m i m Geiste [ . . . ] ; zu J o r i s (Johann v o n B r ü g g e ) vgl. HEGLER, in: R E 3 3, 1901, 3 4 9 - 3 5 2 .

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alle Werke als Früchte der Erbsünde (als concupiscentia) beschreibt. Er interpretiert daher in seiner Randglosse: „Thun heisset hie nicht das werck volnbringen/ sondern die lüste fülen/ das sie sich regen. Volnbringen aber ist/ ohn lust leben gantz rein/ das geschieht nicht in diesem Leben." Joris geht es dagegen um die faktischen Gedanken, Worte und Werke, deren Autor der Mensch ist. Für seine moralistische und spiritualistische Theologie kann die Spannung von Fleisch und Geist im Menschen nicht das Endstadium der Rechtfertigung des Menschen auf Erden sein. Fleisch und Geist schließen sich prinzipiell aus. Nur in einer Übergangsphase kämpfen sie miteinander, wobei der Geist im Christen schließlich siegen muß. Paulus spricht daher nach Joris „in der person der wiedergebohrnen, gutwilligen, verlangenden hertzen" (S.645a), d.h. von einem ersten Stadium seiner Bekehrung aus, das er nun überwunden hat. Paulus ist ja nach Rom 8, 2 (vgl. 8, 28 und antithetisch Rom 7, 24) nicht mehr unter dem Gesetz, sondern durch Christus als dem Ende des Gesetzes (Rom 10, 4) vom Gesetz frei gemacht, mit Christus vereinigt (S. 645a), so daß er nun nicht mehr sündigt (ljoh 3, 5-S. 642b).278 Rom 7 beschreibt also nach Joris den Menschen auf dem Weg der Kreuzigung seines alten Adams. Wer auf diesem Weg ist, der erkennt das Gesetz als geistlich und gut an, der erkennt aber auch, daß er durch sein Fleisch gehindert wird, das Gute zu tun. Erst durch das Absterben des Fleisches und die spiritualistische Vereinigung mit Christus ist der Mensch vom Fleisch (und vom Gesetz) befreit (S. 645a). Der damit erreichte Zustand ist der der Heiligkeit und prinzipiell der Sündlosigkeit. Als eine dritte religiöse Bewegung, die sich wieder mit anderen Argumenten gegen die reformatorische Auffassung von Rom 7 wendet, wäre schließlich der Sozinianismus zu nennen, für den hier Jonas Schlichting (1592—1661) stellvertretend herangezogen werden kann. 279 Schlichting interpretiert Rom 7 heilsgeschichtlich und unterscheidet darin drei Stadien: ohne und vor dem Gesetz (vor Mose), unter dem Gesetz (unter Mose), nicht mehr unter dem Gesetz (Zeit des Neuen Testamentes) (S. 421). Für Schlichting bedeutet diese heilsgeschichtliche Abfolge eine heilsgeschichtliche Entwicklung der Moralität des Menschen und zugleich eine solche der göttlichen Verheißungen. Unter der Voraussetzung einer unverdorbenen Vernunft, die nur das tut, was gut und recht ist, sieht Schlichting in Rom 7 eine Person abgebildet, die unter dem Gesetz das Beste tut, die dicht an der Grenze zur Wiedergeburt steht. Die widersprüchliche Existenz in Römer 7 löst sich für den Sozinianer erst mit Jesus, seinem Exempel einer höheren Ethik und seiner Verheißung eines ewigen Lebens. Unter dem Gesetz, wie 278

Vgl. dort die weiteren einschlägigen Stellen aus ljoh: 1, 5; 3, 8; 2, 29; 3, 22. Ich beziehe mich auf Abraham Calov, Scripta Anti-Sociniana, Ulm 1684, 3. Teil: Völlige Entdeckung der Neuen Socinianischen höchstschädlichen Sect [ . . . ] (1677), S. 414- 422; zu 279

Schlichting und dem Sozinianismus vgl. HERTZOG-ZÖCKTER in: RE 3 18, 1906, 4 5 9 - 4 8 0 bes. 464.

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in R o m 7,18 f. kann aber nach Schlichting nicht wirklich von einem Wiedergeborenen die Rede sein. Über die Auslegungsgeschichte im Pietismus fehlt eine historische Untersuchung. Allgemein wird August Herrmann Francke die für den Pietismus maßgebliche Interpretation zugeschrieben. 280 Indem Francke Römer 7, bes. die Verse 7—10 und 24, als Zustandsbeschreibung des Christen zu Beginn seiner Bekehrung interpretiert, sieht er darin das erste Stadium in seinem dreistufigen Ordo salutis: Es ist der Mensch „in der Krankheit", dem durch das Strafamt des Heiligen Geistes vor Augen gefuhrt wird, daß seine bisherige Liebe zur Welt nicht einfach eine von Gott langmütig und gnädig geduldete Schwäche ist. Er vernimmt durch das Gesetz, daß sein Leben unter Gottes Fluch steht. U n d er sehnt sich, weil er diesem Urteil zustimmt, nach einem Arzt (Rom 7, 24). Im Ordo salutis folgen darauf als zweite Stufe: „In der Kur und Heilung von der Krankheit" und als dritte Stufe: „In seiner Genesung, oder wiedererlangten Gesundheit". 2 8 1 Die im Jahre 1699 ausgeführte Interpretation ist ein spätes Zeugnis für Franckes Erklärung von Römer 7. So oder ähnlich muß er aber schon im Jahre 1688 die Bibelstelle verstanden haben, wie ein Dokument aus seiner Zeit als Schabbeistipendiat beweist. 282 Darin erklärt er den seit seinem Aufenthalt bei Eberhard Zeller in Hamburg (1688) aufkommenden Verdacht der Heterodoxie damit, „weil ich Cap. VII. Ep. ad Rom. de irregenitis erkläret, welchen doch in libris S y m b o licis von regenitis nur erkläret wird. In welcher meynung ich auch noch verharre, nachdem ich nicht allein mit HEn. D . Petersen deswegen mündlich conferieret, der gleiche meynung ist". Leider ist nicht mehr festzustellen, ob Petersen damals Francke nur zustimmte oder mit ihm ausführlich die exegetischen Fragen besprach. Festzuhalten bleibt, daß Petersen damals bereits eine Vorstellung von der Interpretation von Römer 7 hatte, die mit derjenigen Α. H. Franckes übereinstimmt. 2 8 3 Der konkrete Anlaß für Petersens Beschäftigung mit Römer 7 war, wie gesagt, die Auslegung seiner Frau (p. 1). Was aber waren seine Kriterien, die ihn bei der eigenen Auslegung begleiteten und ihm die Richtung wiesen? Petersens Erklärung des Römerkapitels stellt den Versuch einer grammatischen und philologischen Exegese dar, die die Grundregeln des Textver280

SELLSCHOPP, F r a n c k e 1 9 1 3 , 2 7 3 - 2 7 7 . V g l . WILCKENS, a a O , l l O f . V o n P e t e r s e n heißt e s

dort, daß er auf Franckes Seite war. Zu Spener s. „Deß thätigen Christenthums Nothwendigkeit und Möglichkeit", Frankfurt a.M 1687, I, 3 2 7 - 3 3 8 bes. 332ff. zu R o m 7, 14: der „zustand der glaubigen, wie sie noch in diesem leben sind, und das fleisch an sich haben." 2 8 1 Α. H. Francke, Predigt am 19. Sntg. nach Trinitatis: „Die geistliche S e e l e n = C u r " (1699), in: S o n n = Fest= und ApostelTag= Predigten II, 5. Aufl., Halle 1720, bes. 557 und 5 6 2 - 5 6 4 . 2 8 2 Es handelt sich um ein Manuskript mit der Überschrift „Von der Verpflichtung auf die Bekenntnisschriften", gedruckt in: SELLSCHOPP, Quellen 1913, 130ff. bes. 142f. Die Datierung ergibt sich durch den gerade zurückliegenden Aufenthalt bei E. Zeller in Hamburg. 283 Zugleich ist die Ansicht A. RITSCHLS (Geschichte des Pietismus 2, 1884, 245) zu korrigieren, wonach Johann Conrad Dippel (1673—1734) Petersen in der Auslegung von Römer 7 vorangegangen sei.

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ständnisses bzw. der „Hermeneutica sacra" (p. 4) wie die Beachtung der logischen Struktur 284 , der „connexion", des Sprachgebrauches (der Bibel), der Einheit der Schrift 285 und die Beachtung der Aussageintention, des Zweckes, „welcher in Hermeneutica sacra eine von den besten regeln ist" (p. 4), anwendet, um den eigentlichen Sinn des Textes zu verstehen (p. 1 und 4). Eine hermeneutische Reflexion, die die veränderten geistesgeschichtlichen Bedingungen gegenüber der Entstehungszeit des Textes in Rechnung zieht und den Text in die Gegenwart zu transponieren versucht, findet bei Petersen nicht statt. Das Beispiel Augustins und Luthers zeigt, daß es unter veränderten geistigen und theologischen Umständen nötig war, Paulus anders zu verstehen als er sich selbst. Eine hermeneutische Reflexion mußte danach fragen, was Paulus - von dieser Stelle ausgehend - am Ende des 17. Jahrhunderts gesagt hätte. Petersens Verständnis von Römer 7 kommt der heute weithin anerkannten Interpretation sehr nahe. Er sieht, daß hier nicht von Geist („pneuma") und Fleisch („sarx") die Rede ist, sondern von - wie er sagt - Gemüt („nous") und Fleisch (p. 5).286 Hat man dies festgestellt, so steht nichts mehr im Wege, in den Worten von Paulus die Situation des natürlichen, vom Geist nicht begabten Menschen vor der Wiedergeburt zu sehen. Genauer meint Petersen drei unterschiedliche Rollen ausmachen zu können, in die Paulus jeweils schlüpfe: „das der Apostel, in dem 7benden [x] Capittel vielerley persohnen an sich nehme, und theilß einen ohne, oder Vordemgesetz, einen unter dem gesetz, und einen in dergnade deßEvangelii vorstelle, welches sehr herlich zu seinem Zweck dienet, damit er allen wie groß eß auch immer sein mögte in dem gesetze, deßen sich die Juden rühmeten, klein machete, hergegen [aber] Jesum Christum, und sein Evangelium, sambt deßen Krafft erhebete." 287 In der zunächst formalen exegetischen Feststellung von drei unterschiedlichen Rollen, in die Paulus schlüpfe, entspricht Petersen der dargestellten sozinianischen Interpretation, ohne ihre heilsgeschichtliche Grundlage zu übernehmen. Überhaupt distanziert er sich ausdrücklich von ihnen mit dem Verweis auf die Erbsünde, auf Christi Verdienst und seine Kraft im Menschen. 288 284

Auslegung, p. 23 zu V. 14: Beachtung der „particula", die eine enge Verbindung der Verse 13 f. fordere (vgl. ähnlich p. 25), oder die Beachtung der logischen Abfolge der einzelnen Kapitel (p. 23 u. ö.). 285 Auslegung, p. 30: Petersen stützt seine Auslegung mit dem Argument, daß diese sich mit l j o h 3 in Einklang bringen lasse. Das sei besser, „als das man sich mühen müste Johannem mit Paulo zu conciliieren, und die Frage wehre, ob Johannes nach Paulo oder Paulus nach Johanne müste außgeleget werden?". Überhaupt spielt der Vergleich mit dem 1. Johannesbrief eine wichtige Rolle: pp. 4(lJoh 1), 5 (lJoh3,9), 23 (lJoh5), 25 (lJoh3,22), 28 (lJoh5,4), 29 (lJoh3). 286 Vgl. KÜMMEL, Bild 1948, 31 f.; zu dem weiten Begriff von „Gemüth" als Gesamtheit des geistigen „Inneren" des Menschen s. D W B 4.1, 1897, 3293 ff. 287 Auslegung, p. 2; [ ] eingefugt. „Vor dem Gesetz" ist nicht grundsätzlich unterschieden von „Unter dem Gesetz", da auch die Heiden das „moralumbonumbzw. malum" kennen; ebd., 5f. 288 Auslegung, p. 4.

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Petersens Auslegung wird von den zwei Begriffen Gesetz und Sünde beherrscht. Er konstatiert, daß der Christ zum einen nicht mehr unter dem Gesetz steht, zum anderen von der Macht der Sünde befreit ist (p. 8). Von dem Pietisten Petersen ist nicht zu erwarten, daß er ein laxes Verhältnis zur Gebotserflillung hat. In der Tat sieht Petersen im Bild der Witwe in Rom 7 den Sachverhalt dargestellt, daß der Christ dem Gesetz abgestorben sei. Das bedeutet zweierlei. Z u m einen gilt dem Christen das Zeremonialgesetz des Alten Bundes (p. 10) nicht mehr, zum anderen, und das ist das wichtigere, ist er dem Gesetz der Sünde, d. h. der Verfallenheit seiner Natur abgestorben (p. 24). Statt dessen regiert in ihm Christi Geist, der das Gesetz als „geistliches" Gesetz zu Ehren (christliche Ethik) bringt und in seiner Kraft das Gesetz der Sünde überwindet. Petersen meint, daß der Christ „auß liebe zu Gott gelaßen wird, durch den Evangelischen geist Jesu Christi, der gerne thut nach Gottes geboth" (p. 6). Der knechtische Geist, der aus Zwang und Furcht das Gebot äußerlich erfüllen muß, ist vertrieben; in den freien Raum („Gelassenheit") tritt der freie, kindliche Geist. Petersen sieht also in Rom 7 abgesehen vom Zeremonialgesetz - einen doppelten Gesetzesbegriff. Z u m einen ist damit das „geistliche Gesetz", das gute und heilige Gebot Gottes gemeint, zum anderen das „Gesetz in den Gliedern" (V. 23), also das Gesetz oder der Zwang der Sünde und des Todes. Auch der Begriff des „Gesetzes in den Gliedern" wird in zweierlei Hinsicht verwendet. Er meint sowohl den Zwangscharakter, der durch die Verfallenheit des Fleisches gegeben ist, als auch inhaltlich die verwerfliche Lust. Dem steht gegenüber der Geist Christi als Kraft und das geistliche Gesetz als Inhalt. Sowohl das geistliche als auch das Gesetz der Glieder wird somit als eine Kraft im Menschen, im Gewissen, verstanden. Wenn in Römer 7 von einer Person unter dem Gesetz die Rede ist, wie Petersen meint (bes. VV 9—24- p. 18—34), so wird bereits der Zustand einer gewissen Erleuchtung angenommen. Der Mensch unter dem Gesetz ist von dem geistlichen Gesetz Gottes erleuchtet, er kennt und anerkennt das Gebot Gottes in seinem Gemüt. Aber sein Fleisch, das Gesetz seiner Glieder, streitet gegen das göttliche Gebot im Gemüt. Wie bei Α. H. Francke beschreibt also Rom 7, 9—24 für Petersen den Anfang des Ordo salutis.289 Noch fehlt die Kraft, das Gute auch zu tun. Anders als Augustin und Luther sieht Petersen in dem Zustand des Streites zwischen altem und neuem Menschen nicht das Endstadium des Christen in der Welt. Die Frage spitzt sich auf das Verständnis der Verse 18f. (s.o.) zu. Petersen folgt der spiritualistischen 289 Auslegung, p. 19zuV. 10: „ob nun zwar die Erbsünde in den Kindern und allen menschen propagiret wirdt, so lebet man offt Jahre dahin, siehet die und die sünde nicht, und ist die sünde als were sie tod, aber wenn der Mensch in des gesetzes Klarheit hinein siehet, und sich und sein leben dabey genau abmißet, und die drauungen des großen gesetzgebers darauf die vorhin unerkannnten sünden gesetzet seind, in seinem gewißen empfindet, da wird die gleichsam todte sünde wieder lebendig" (Übergang vom Stande vor dem Gesetz zu demjenigen unter dem Gesetz im individuellen Leben).

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Tradition, wenn er in diesen Versen nur ein Übergangsstadium im Prozeß der Wiedergeburt sieht. Im Wiedergeborenen, in dem Christi Geist regiert, findet dieser Kampf zwischen dem Gesetz des Fleisches und dem Gesetz des Geistes nicht mehr statt; jedenfalls nicht als Kampf, höchstens, um im Bilde zu bleiben, als Stellungskrieg. Anders ist es bei dem Menschen unter dem Gesetz. Petersen bekennt mit Paulus, daß das Gesetz geistlich ist. Es kann aber ohne Christus den Menschen nicht geistlich und also lebendig machen, solange im Menschen die fleischlichen Lüste sind.290 Sie widerstreiten dem Gesetz seines Gemütes, das das Gute will. Deshalb ist er unter die Sünde, die stärker als sein Gemüt ist, verkauft (p. 3). Es geht hier also nach Petersen nicht um den Streit zwischen Geist und Fleisch wie in Gal 5, 16291, sondern um den inneren Widerspruch des Menschen, der die Fähigkeit hat, zwischen gut und böse zu unterscheiden, dieses Wissen aber nicht in die Tat umsetzen kann. Das gute Gesetz Moses hat nicht die Kraft, den Menschen von der in ihm vorhandenen Sünde abzuhalten, sondern lockt sie umsomehr heraus, so daß sie in die Tat ausbricht (p. 12 zu V. 5). Deshalb ist dieser Zustand nicht grundsätzlich verschieden von der Erfahrung der „unerleuchteten Heiden". 292 Auch den Heiden ist eine gewisse Erkenntnis der Sünde durch das Licht der Natur (Rom 2, 14) zuzusprechen. 293 Ihre Erkenntnis unterscheidet sich von der Erkenntnis der Sünde auf Grund des geoffenbarten Gesetzes dadurch, daß sie die Erbsünde, die Verwerflichkeit der Sünde in den Augen Gottes und die ganze Breite der Sünden, zu der nach christlicher Auffassung auch die Gedanken gehören, nicht erkennen (p. 16). In aufklärerischer Weise werden die Heiden dabei von Petersen wegen ihrer Naivität aufgewertet. Er kann nämlich zwischen denjenigen, die das geistliche Gesetz kennen, und denjenigen, die es nicht kennen, unterscheiden, indem er die ersten „Übertreter", die anderen nur „Sünder" nennt (p. 16). Die polemische Spitze gegen seine christlichen Zeitgenossen, die doch das Gesetz kennen sollten, ist unverkennbar. Sie werden von Petersen stärker zur Verantwortung gezogen, weil sie ein höheres Wissen haben. Eingebettet in den Ordo salutis hat das Gesetz also die Funktion, die Sünde, die im Menschen ist, aufzudecken (Ρ-16). Wie sieht nun die nächste Stufe im Ordo salutis aus? Der Christ ist zwar vom Gesetz los, aber nicht „gesetzlos" (p. 9, 13). Die Funktion Christi besteht demnach zum einen in der Erlassung der Strenge des Gesetzes als 290 Vgl. Auslegung, p. 20: Das Gesetz kann aus Schwachheit des Fleisches nicht gehalten werden. 291 Zu Rom 7, 19 verweist Petersen im Rückgriff auf den Urtext darauf, daß hier vom Tun des Bösen, nicht vom Böse-sein die Rede ist (aaO, p. 24). 292 Petersen zitiert hier die „heidnische medea" aus Ovid, Metamorphosen 7, 18—21: „Si possem, sanior essem, sed trahit invitam nova vis aliudque Cupido, mens aliud suadet, video meliora probaque deteriora sequor." 293 Auslegung, p.31f. spricht von einer gewissen, aber nicht völligen „conformität" des mosaischen mit dem Naturgesetz.

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Vergebung der Sünden (p. 33), und zum anderen als göttliche Kraft (nach Rom 1, 16) im Menschen, die das Wissen um das geistliche Gesetz auch „in praxi" erfüllen läßt (p. 3). Christus ist Gnadengabe (zu Rom 7,14) (p. 8). Das fehlende Verständnis Petersens für die Dialektik von Gnade und Gabe, die Luther dazu veranlaßte, die Gnade als das „extra nos" weit höher zu schätzen als die Gabe, fuhrt Petersen im Grunde wieder auf einen vorreformatorischen Standpunkt. 294 Der erscheint nur geläutert, insofern Petersen frohgemut Christus und der göttlichen Gnade die ganze Kraft zum Guten zuschreiben kann. Auch daß es keinerlei Disposition des Menschen zur Gnade gibt, meint Petersen gelten lassen zu können (p. 6, 17).295 Der Christ, in dem Christus wohnt, wird befreit von der Härte, dem Fluch und den alttestamentlichen „Zeremonien" des Gesetzes (p. 9). Da Christus die Vollkommenheit des Gesetzes ist, tut der Wiedergeborene freiwillig, aus Liebe zu Gott und wegen Gottes „Leutseligkeit" das Gute. Darum ist die eigentliche Gesetzespredigt weniger wichtig als die Evangeliumspredigt. 296 So kommt Petersen zu dem Ergebnis, daß nicht das Gesetz als solches für den Nichtwiedergeborenen und den Wiedergeborenen unterschieden ist, sondern nur die „Art des Dienstes" (p. 14). Z u m anderen, und darin ist er bei dem eigentlichen Problem von Rom 7, versucht er zu zeigen, daß im Wiedergeborenen die Sünde nicht mehr herrschen kann (p. 8). Petersen bestreitet gar nicht die Erbsünde, die auch bei dem Wiedergeborenen bleibt, sondern er versucht zu zeigen, daß diese Erbsünde nicht mehr „aufsteigt", daß Christus den Wiedergeborenen in der Weise gerecht macht, daß dieser nun nicht nur das Wollen, sondern auch die Fähigkeit zum Vollbringen des Guten hat. 297 Wenn sie sündigen, dann sündigen sie nur akzidentell, aus Schwachheit gegenüber der bleibenden Erbsünde.298 Für solche Verfehlungen erhält der Christ den „evangelischen Dispens", steht also nicht mehr unter dem Gericht. Mit dem Tun des Guten sind nicht einfach konkrete Taten gemeint, sondern das Vollbringen des Guten betrifft schon die Gesinnung und das Bewußtsein, so daß der Christ rein wird an Gedanken, Worten und Werken. Bei dem Wiedergeborenen folgt „auff das wollen auch die that [ . . . ] als denn ein solches heiliges wollen, auff gewiße maße schon eine that ist" (zu Rom 7, 15) (p. 26). Diese spiritualistische Erklärung zielt auf die Verwirklichung der religiösen Persönlichkeit. Interessanterweise ist nämlich in diesem Zusammenhang 294

Zu Luther vgl. wie Anm. 273 und MATTHIAS, Rechtfertigung 1957. Petersen versucht sich hier auch explizit gegen den römischen Katholizismus abzusetzen. 296 Auslegung, p. 13 f. mit Verweis auf Ph. J. Spener und J. Coccejus; vgl. S. 64 Anm. 91. 297 Auslegung, pp. 3, 17, 21. Sie „wirkt" nicht mehr. An dieser Stelle polemisiert Petersen gegen die Sozinianer und will sich von ihrem Sündenverständnis, das ja auf das engste mit ihrer Christologie zusammenhängt, absetzen. 298 Auslegung, p. 29 zu V. 18f.: Petersen kann im übrigen zugeben, daß Rom 7, 18f. auch vom Wiedergeborenen gesprochen werden kann, „welcher auch will, daß er in allen stücken und vollenkommenlich seynem Gott zu ehren lebe". Wesensmäßige Sündlosigkeit ist auch nach Speners Auffassung nur eschatologisch zu erlangen. 295

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vom „Leib" des Wiedergeborenen die Rede, in dem der Heilige Geist als in einem Tempel (IKor 6,19f.) wohnen soll, so daß die Glieder der Christen zu Waffen der Gerechtigkeit werden (p. 28). Damit deutet sich an, daß der Geist selbst mit der Individualität des Christen eine Verbindung eingeht, die dann auch erfahrbar ist. In der Ersetzung des Fleisches durch den geheiligten Leib des Wiedergeborenen zeigt sich die Tendenz Petersens und des Pietismus überhaupt, das Spirituelle, den Geist Christi im Menschen zu einer Kraft der Umgestaltung des individuellen und empirischen Menschen zu verstehen. Die Dichotomie zwischen Seele oder Geist und Leib, wie sie in der orthodoxen Vorstellung von der Trennung von Seele und Leib im Tod propagiert wird, wird dadurch überwunden. Z u m einen wird man Petersen theologisch zugute halten müssen, daß eres nicht bei der Dichotomie von Geist und Fleisch hat bewenden lassen. Diese kann ja leicht zu einer Gesinnungsethik fuhren, für die der gute Wille allein das Gewissen schon salviert, während das Tun des Guten unter Hinweis auf die Schlechtigkeit der Welt und auf die Schwachheit des Menschen unterbleibt. Petersen vertritt mit seiner spiritualistischen Ethik eine Ethik, die sich an der Tat messen lassen will. Andererseits fuhrt Petersens Interpretation von Rom 7 zu einer Art der Selbstbeobachtung, die ihr einziges Interesse an der Reinheit seines christlichen Gewissens hat. Sie ist also doch wieder selbstbezogen und läuft Gefahr, in Selbstgerechtigkeit zu enden. Mit dem Geist Christi vermag der Wiedergeborene schließlich auch, über das „bonum spirituale morale" (p. 28) hinauszugehen und das „bonum spirituale Evangelium" [!] zu erkennen und anzustreben. Der Wiedergeborene sieht in sich die sonst unscheinbaren Regungen der Erbsünde. U n d er strebt nach einer höheren Ethik der Lebensführung. Darin wird man die dritte und letzte Stufe im Ordo salutis im Sinne Petersens sehen dürfen. Dem entspricht, daß der moralische Lebenswandel und die Erkenntnis der Sünde aus dem Licht der Natur zur Schöpfungsordnung und zur Providentia Dei generalis (p. 28), das christliche Leben zur Erlösungsordnung und damit zur Providentia Dei specialis zählt. Petersen kommt diese Römerbriefstelle entgegen, weil er dort sein eigenes psychologisches Sündenverständnis zu finden meint. Es ist das Empfinden des Gegensatzes von Trieb (Fleisch) und Wille (Gemüt), der als psychischer Zwiespalt des Menschen erfahren werden kann. Petersen hat sich damit weit von dem reformatorischen Sündenverständnis entfernt, das als Offenbarungswahrheit aufzufassen ist und das sich nicht erfahren, sondern nur hören läßt, nämlich im Urteil Gottes in Jesus Christus. Entsprechend hat Petersen kein Verständnis für die Formel vom „totus iustus, totus peccator". 299 Petersens Konzeption, die hinter seiner Auslegung von R o m 7 auf verschiedenartige Zustände hervorleuchtet, wird getragen von dem für die 299 Auslegung, p. 27 zu V. 18: „Er [Paulus] saget nicht, in mir ist nichtes gutes, denn nach seinem gemüth, das in ihm wahr, war er auß dem gesetz erleuchtet, daß auch seine Klarheit hat, er konte auch durch das gemüth erkennen, das man nichts gegen das gesetz thun solte [ · . . ] . "

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Neuzeit konstitutiven Bewußtsein von der Moralität des Menschen. Der Mensch definiert sich durch sein von ihm zu verantwortendes Handeln (Denken und Tun). 300 Die Sündhaftigkeit des Menschen läßt sich, sobald von der Erfahrung und dem anthropologischen Selbstverständnis her gedacht wird, nur psychologisch erfassen. Luther hatte aber betont, daß das Wissen um die Erbsünde eine Offenbarungswahrheit sei und der natürlichen Vernunft unzugänglich. 301 In Petersens Auslegung haben wir daher ein Zeugnis für den Wandel von der reformatorischen zur einer neuzeitlichen Anthropologie vor uns. Die Frage war fur Petersen, wie sich seine Anthropologie mit christlichem und lutherischem Denken vertragen konnte. Wie ließ sich das Problem der moralischen Persönlichkeit in den Rahmen des Gnadenhandelns Gottes einspannen? Sicher nicht vor der Gnade! Aber auch nach der Gnade, so stand für einen lutherischen Theologen fest, liegen noch Geist und Fleisch im Kampf. Petersen hat dem zugestimmt und auch Gal 5, 17 so interpretiert. 302 N u r war dieser Kampf fur Petersen in erkennbarer Weise entschieden, so daß von einem „simul justus simul peccator" nicht mehr qualitativ, sondern nur quantitativ gesprochen werden konnte. Ein weiteres Moment verdient festgehalten zu werden. Bei Petersens Bemühen um ein Verständnis der Römerbriefstelle und von Sünde und Wiedergeburt treten augenfällig apologetische Züge hervor. Er läßt nämlich einen Juden - Petersen meint jeden Menschen unter dem Gesetz - fragen: „waß hastu den Paule bey deinem Christo mehr gefunden alß wier haben?, du klagest so wohl alß wir klagen, wir werden endtlich doch überwinden wie du, da du bekennest daß du daß wollen hast, aber das vollenbringen nicht findest, also hastu bey deinem so hochgeruhmten Evangelio ebensowenig Krafft als wir [ . . . ] " (p. 2).

Daher muß dem Erlösungshandeln Gottes in Christus offenbar ein O r t in dem von der moralischen Persönlichkeit und ihren Möglichkeiten bestimmten Weltbild zugewiesen werden. Es ist Christi Geist oder der christliche Geist, der alles Gute im Menschen wirkt. 303 Petersens Auslegung erweist sich somit als ein Zeugnis pietistischer Apologie des Christentums gegenüber einer neuzeitlich-humanistischen Ethik (ζ. B. Sozinianismus). Die Entdeckung eines neuen Sinnes von Rom 7 konnte auf Petersen als Offenbarung und besondere Gnade wirken. Bedeutete diese Entdeckung doch nicht weniger, als daß er gegen die gesamte lutherische Kirche allein aus der Schrift diesen für ihn wichtigen Sachverhalt entnahm. Zugleich zerstörte er damit den biblischen Rechtsgrund für die reformatorische Auffassung, daß der Christ nicht ohne Sünde sein kann. Petersen hat sich diese Exegese nicht leicht gemacht. Man kann ihm wohl glauben, daß er sich 300

V g l . BARTH, T h e o l o g i e 1 9 4 7 , 2 0 - 5 9 .

301

ASm 3. Teil, Von der Sünde (BSLK 1963, 434, 8 - 1 2 ) . Auslegung, p. 4 mit Verweis aufHebr 12; 2Kor5, 4, l j o h l , [8-10]. Vgl. J.W. Petersen an Fürstl. Reg., Lg., den 30.3. 1690, § 17- EphA Lg. 303 Hier grenzt sich Petersen von den Sozinianern ab, die ja eben diese moralische Persönlichkeit behaupten; vgl. WEBER, Reformation 2, 1951, 184-190. 302

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ausgiebig mit den Kirchenvätern (p. 1), den verschiedenen Auslegungen Augustins (p. 1: 4 Wochen lang) und seiner Zeitgenossen, wie H. Grotius (p. 1) und J. Coccejus (p. 14), beschäftigt hat. Ja, er nennt sein so zustande gekommenes Verständnis eine Gewissenspflicht, und er war sich bewußt, daß er den Weg der Lutheraner oder der „Unsrigen", wie er sagt, verließ (p. 1 und 4). Mit zunehmender Schärfe stand nun bei ihm sein Verständnis der Schrift mit der dogmatischen Tradition im Widerstreit. Petersen hat seine Erkenntnisse zunächst nur privat vertreten. Seine Auslegung von R o m 7 hat er nicht drucken lassen. Trotzdem verbindet sich wohl seit dieser Zeit das in gewisser Hinsicht beängstigende Bewußtsein, in einer so wichtigen, dogmatischen Frage eine andere Erkenntnis als die herrschende Lehre vertreten zu müssen und damit allein, am Rande der Kirche zu stehen, mit dem stolzen Selbstbewußtsein dessen, der sich mit einer besonderen Offenbarung begnadet sieht und davon Zeugnis ablegen muß. Im Hinblick auf Speners Lehre von der Abhängigkeit der theologischen Erkenntnis von dem Lebenswandel schließlich konnte ihm diese Entdekkung eine große Bestätigung seiner Gotteskindschaft sein. Z u m Schluß seiner Ausführungen erklärt Petersen nämlich, daß er, wenn er sich recht erinnere, bei Ph. Melanchthon (1497—1560) und sicher bei Erasmus Sarcerius (1501 —1559)304 ähnliche Gedanken gefunden habe. Er betont aber, daß er sie erst nach seiner eigenen Exegese gefunden habe. Das zeigt, daß es ihm auf die eigene Erkenntnis ankommt; denn sie ist ihm ein Beweis seiner eigenen Gotteskindschaft. Erst die eigene Überzeugung (und Offenbarung) und nicht fremde Autoritäten begründen seine Entscheidung. So drückt Petersen am Ende seine Betroffenheit über diese seine Erkenntnis aus: „ U n d muß ich gestehen, daß dieses Capitell meinen alten menschen sehr angegriffen, daß daraus gelerndt, was ein wiedergebohrner und unwiedergebohrner seye und wie weit es beyde bringen können, die Barmhertzigkeit Gottes mache mich recht zu einem, der auß ihm gebohren ist, daß ich an ihn glaube und auß ihm lebe zu thun seinen allerheiligsten willen, damit ich dermahleins unter die knechte der Gerechtigkeit zu seiner Rechten gezehlet werde, wenn ich Gott frucht gebracht durch Christum. Er erleuchte auch aller derer Augen, die dieses Capitell und das exempel Pauli zu verderben und fleisches kitzelung mißbrauchen, und meinen, bey vollenbringung der todten wercke sie doch wiedergebohrene Menschen und neue Creaturen sein könten. Es wäre genug, wenn sie das wollen hätten (welches sie doch nach dem Evangelio nicht haben) zum vollenbringen kähme es doch nicht, das auch einen solchen großen Apostel gefehlet hätte [ . . . ] " (p. 35).

Die spezielle Erkenntnis stellt selbst ein Element der Bekämpfung des alten Menschen dar.

304

182

V g l . KAWERAU, in: R E 3 1 7 , 1 9 0 6 , 4 8 2 - 4 8 6 .

Der

Chiliasmus

Wie die verschiedenen Auflagen des Spruchkatechismus bezeugen, vollzog sich in den späten Eutiner Jahren die Hinwendung der Petersens zu einem ausgeprägten Chiliasmus. Auch er war ein Erbe der Frankfurter Pietisten. D a s Wesen der pietistischen Eschatologie in ihren verschiedenen Schattierungen ist bislang noch wenig erforscht. Selbst für Ph. J . Spener fehlt noch eine systematische Erfassung seiner Vorstellung von der „künftig besseren Zeit". 3 0 5 Einigkeit besteht vor allem darüber, daß die Eschatologie eine wesentliche Stütze in Speners R e f o r m p r o g r a m m und des aus ihm erwachsenden Pietismus ist. 3 0 6 Seit seinen Frankfurter Tagen hat auch Johann Wilhelm Petersen Speners H o f f n u n g einer besseren Zeit geteilt, blieb aber zunächst innerlich davon unberührt. Nicht nur die Heirat mit Johanna Eleonora von Merlau, die in viel längerer und engerer Beziehung zu Johann J a k o b Schütz und Philipp J a k o b Spener gestanden hatte, sondern auch die Muße, die Petersen in Eutin gefunden haben wird, und schließlich sein Zweifel an der Christlichkeit seiner U m g e b u n g m ö g e n ihm Anlaß und Grund genug gewesen sein, sich mit neuem Ernst der Spenerschen Eschatologie und der H o f f n u n g auf eine bessere Zeit zu widmen. 3 0 7 E s ist hier nicht der Ort, Petersens chiliastische Lehre geistesgeschichtlich zu beschreiben oder in eine Geschichte des Chiliasmus einzuordnen. D a f ü r ist weiterhin auf W. N o r d m a n n s Arbeiten zu verweisen. Auch müssen und können wir im Hinblick auf die biographische Ausrichtung dieser Arbeit auf eine Darbietung der vielen Streitschriften, in denen Petersen mit seinen Gegnern die literarische Klinge führt, verzichten. In der literarischen A u s einandersetzung k ä m p f t er u m einzelne Bibelstellen, versucht, den Chiliasmus argumentativ zu erhärten, und verliert sich in exegetischen Einzelfragen. Die Petersens haben ihren biblisch begründeten Chiliasmus aus der Interpretation der Offenbarung des Johannis gezogen. Ihre Sicherheit gewannen sie nicht aus einzelnen, umstrittenen Bibelstellen oder aus der Lektüre altkirchlicher Chiliasten, die in der späteren Apologetik gerne herangezogen werden. D a s erste chiliastische Hauptwerk der Petersens, die „Anleitung zu gründlicher Verständniß der Heiligen Offenbahrung J e s u Christi" (1696) ist aus d e m Versuch einer Gesamtinterpretation der Offenbarung des Johannis (Off) entstanden. Die Tatsache, daß dieser K o m m e n t a r unter dem N a m e n Johanna Eleonoras erschien, läßt ihr den größeren Anteil daran zumessen. Vgl. ζ. B. WALLMANN, Chiliasmus 1981, 2 4 6 - 266 und ALAND, Schütz 1981, 2 0 7 - 2 2 0 . WALLMANN, Reich Gottes 1982, 199 sieht in Paul Egard den ersten lutherischen Theologen, der 0 f f 2 0 a u f d i e Z u k u n f t vertritt. SCHMIDT, Pia Desideria (1951) 1969,138F.; WALLMANN, Orthodoxie (1966) 1977, 7 5 - 8 1 ; GRESCHAT, Hoffnung (1971) 1977. 307 Vgl. L B 1717, 72f. Z u m Leben unter „falschen Brüdern" vgl. J.W. Petersen an F. Breckling, Eutin, den 29.10. 1679- FoB Gotha. 305 306

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Die den folgenden Überlegungen zugrunde gelegte Vermutung, daß das Werk schon am Ende der Eutiner Zeit in seiner Konzeption fertig war, kann sich auf Aussagen Petersens (1691) vor dem Magistrat der Stadt Lüneburg berufen, nach der er damals eine Tabelle zur O f f verschiedenen Freunden geschickt habe. 308 Bei der Tabelle handelt es sich offenbar um diejenige, die Johanna Eleonora ihrem Kommentar zur O f f beigegeben hat (oder um einen Vorläufer) und auf der die verschiedenen „Materien" der O f f in ein chronologisches System gebracht sind. Das Ehepaar Petersen hat, wie früher andere Christen, in der Welt der O f f geschichtstheologische Erkenntnisse gesucht und gefunden. Die „orientalische Pracht und kühne Phantasie" 309 der apokalyptischen Bilder regten sie zum Grübeln über deren eigentliche Bedeutung an. Daß ein intensives Schriftstudium mit dem Segen tiefer Erkenntnis beschenkt wurde, hatten die Petersens bei ihrer Beschäftigung mit dem Römerbrief erfahren können. Zugleich waren sie mit Ph. J. Spener davon überzeugt, daß Gott mit der nahenden herrlichen Zeit auch das Verständnis der Offenbarung, besonders ihres 20. Kapitels, der einzigen Stelle in der Bibel, wo explizit von den tausend Jahren die Rede ist, seinen Gläubigen eröffnen würde. In einem Brief v o m 13. September 1677 hatte Spener anläßlich einer Stellungnahme zu Paul Egards Schriften geäußert: „Ich bekenne, daß ich bei allem von nichts weniger erfreut wurde, als von seiner Erklärung des 20. Kapitels der Offenbarung; darin scheint er sich nämlich gehen zu lassen und den Text willkürlich von seiner natürlichen Bedeutung abzubiegen. Aber der Ausgang hat seine Konjektur auch überführt. E s kann dem Irrenden gegenüber trotzdem in dieser Frage leicht Nachsicht geübt werden; während mir die Reihenfolge der übrigen Teile der Apokalypse nicht so sehr dunkel erscheint, bekenne ich, daß in j e n e m 20. Kapitel mir lauter Kreuze stecken. Obgleich nämlich der Verstand davor zurückscheut, der durch so viele Vorurteile verworfenen Erklärung beizupflichten, werden alle anderen Ausleger von viel gewichtigeren Schwierigkeiten belastet, daß ich kaum zögere, alle herkömmlichen für falsch zu erklären, obgleich ich noch nicht entscheiden vermag, was sonst wahr ist. Aber sicherlich wird Gott es fügen, daß er mit allmählichem Näherrücken jener Zeit Menschen gibt, die dem Sinn der Weissagung gewisser folgen und ihn uns darbieten." 3 1 0

Im folgenden soll versucht werden, die Grundzüge der Petersenschen Exegese darzulegen, um die Verbindung seines Chiliasmus mit der Lehre von der „geistlichen Erkenntnis" aufzuzeigen. Der Historiker, der sich mit 308

S. S. 310f.

309

BOUSSET, O f f 1 9 0 6 , 148.

3 1 0 AFSt, A 196, p. 76—85 bes. 81 f. „ E x omnibus | autem fateor nullo minus me affectum esse, q u a m Explicatione cap. 20. Apocal.; in eo enim videbatur nimium sibi indulgere, et pro arbitrio textum a nativa significatione flectere. Sed et eventus conjecturam refellit. Potest tarnen venia facilis dari labend in argumento difficili. Ingenue enim fateor, cum reliquae Apocalypseos series mihi videatur non adeo esse obscura, in illo cap. 20. meras mihi fixas cruces. C u m enim sententiae tot praejudiciis reprobatae accedere animus refugiat, omnes aliae explicationes multo gravioribus prementur difficultatibus, ut vix dubitem falsos istos vulgares pronunciare, licet quae verae sit alia nondum discernam. Sed forte dabit D E V S , ut paulatim appropinquante illo tempore sint, qui sensum vaticinii certius assequantur, et nobis ilium prodant."

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solchen, aus seiner Sicht vorwissenschaftlichen Auslegungen der O f f beschäftigt, erwartet davon keine Anleitung zum rechten Verständnis der Visionen. Ihn interessiert vielmehr das in die Interpretation hineingelegte Selbstverständnis des Auslegers. Mit der Deutung der in der O f f angekündigten Zukunft gibt dieser Aufschluß über den von ihm selbst bezogenen Standpunkt innerhalb des gedeuteten Zeitablaufs. Die Auslegungsgeschichte der O f f bietet ein mannigfaltiges Bild. Wilhelm Bousset unterscheidet grundsätzlich zwischen einer historisch-realistischen und einer spiritualistischen Deutung. 3 1 1 Jene sieht in den Visionen des Johannes eine bildhafte Darstellung konkreter, historischer Weltereignisse und der in ihnen handelnden Personen; diese deutet die Off, ihre einzelnen Bilder, symbolisch auf die Kirche als geistigen Leib Christi in einer ihr feindlichen Welt. Für die letztere, spiritualistische Interpretation ist Ticonius (f um 400) bis tief in das Mittelalter bestimmend gewesen. Für die Petersens ist die andere Tradition, die der historisch-realistischen Exegese wichtiger. Seit den ersten schriftlichen Kommentaren zur O f f prägen zwei Momente die Auslegung auch in der abendländischen Kirche. Z u m einen ist man bemüht, die Gesamtheit der Off, nicht nur einzelne Teile, in die Deutung mit einzubeziehen. Von Anfang an bedient man sich dafür der sogenannten Rekapitulationsmethode, die auf der Überlegung beruht, daß die Reihe der verschiedenen apokalyptischen Gesichter nicht einen stetig fortschreitenden Geschichtsverlauf darbieten, sondern daß sie dieselben Ereignisse oder Personen eines bestimmten Zeitraumes in verschiedenen Bildern „rekapitulieren". Erst im 13. oder 14. Jahrhundert wird die O f f als fortlaufende Folge immer neuer, weltgeschichtlicher Phänomene interpretiert. 312 Z u m anderen hat die seit dem 10. /11. Jahrhundert wieder vordringende historisch-realistische Exegese die Tendenz, die eigene Gegenwart eschatologisch zu verstehen. Man meint, inmitten der in der O f f prophezeiten Endereignisse zu stehen. Besonders einflußreich für diese Betrachtungsweise war der Franziskanerabtjoachim von Fiore (Floris) (1152?-1202). Der größere Teil der in der O f f beschriebenen Ereignisse wird bei dieser eschatologischen Auslegung auf die vergangene Geschichte projiziert. Die Visionen des Johannes sind nur hinsichtlich seiner geschichtlichen Situation Zukunftsweissagungen. Vom geschichtlichen Standort des Auslegers beziehen sie sich weithin auf schon Vergangenes. Bei dieser eschatologischen Schau bleiben nur wenige Visionen für die Darstellung der Endzeit. Das ändert sich durch die neue Sicht der Petersens. Angesichts der Auslegungstradition und ihrer Verlegenheiten mag es das Ehepaar Petersen tatsächlich als eine Offenbarung empfunden haben, als ihnen nun die O f f aufgeschlossen wurde. In ihrem Kommentar des Jahres 1696 erklärtjohanna Eleonora Petersen nämlich den Nutzen ihres Buches damit, daß die„Weissa311

BOUSSET,

312

BOUSSET,

0 f f l 9 0 6 , 58. 0 f f l 9 0 6 , 54, 60, 83f.

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gungen und Gesichte der Η. Offenbahrung nach ihrem eigentlichen prophetischen Sinn erkläret" 313 werden. Das äußert sich darin, daß, abgesehen von den ersten sechs Sendschreiben ( O f f 2 , 1 —3,13), die ganze Apokalypse als ein noch zukünftiges („prophetisches") Geschehen interpretiert wird. Diese Zukunft ist nahe, auch wenn sich die beiden Petersens auf keine Berechnung eingelassen haben. Die Petersens meinen, im Gegensatz zu ihren Vorgängern erkannt zu haben, daß viele in den Visionen des Johannes verschlüsselten Ereignisse noch für das Ende des 17. Jahrhunderts bevorstehen. Das gilt insbesondere für O f f 20, 5f., das Tausendjährige Reich. Die unerfüllte Zukunft bleibt über die typologische Deutung der sieben Gemeinden an die geschichtliche Gegenwart der Petersens angebunden. Dieses Verständnis der eigenen Gegenwart innerhalb der prophezeiten Heilsgeschichte ist zunächst zu beschreiben. Die Petersens haben, vielleicht im Anschluß an Johannes Coccejus (1603—1669) 314 , in den sieben Sendschreiben die „fata Eccelesiae des Neuen Testaments" 3 1 5 vorgebildet gesehen, die „Zeiten der Erniedrigung und Überwindung der Gläubigen im Neuen Testament, in dem Creuts=Reiche Christi biß an den Tag der Erhöhung und Belohnung in dem Reiche der Herrlichkeit". 316 Jedem Sendschreiben entspricht danach eine Kirchenzeit, angefangen bei dem apostolischen Zeitalter. Die Zuordnung der Briefe zu den kirchengeschichtlichen Epochen ergibt sich aus der etymologischen Deutung der Gemeindenamen 3 1 7 , dem Briefinhalt und aus der Reihenfolge der Sendschreiben, die für den abzulesenden Geschichtsverlauf maßgeblich ist. 318 Die Beschäftigung mit den vergangenen Kirchenepochen geschieht indessen nicht aus einem historischen Interesse, sondern findet ihr Ziel in der Bestimmung der eigenen Gegenwart innerhalb des heilsgeschichtlichen Rahmens der sieben Kirchenepochen. Die Petersens glauben, in der vorletzten Epoche, in der philadelphischen Kirchenzeit zu stehen, die mit der Reformation Luthers angefangen hat und in der Gegenwart mit dem langsamen Anwachsen der wahren Kirche noch andauert. 319 Mit dem Ende der philadelphischen Kirchenzeit wird auch das Ende der eigentlichen irdischen Geschichte eingeläutet, da schon in Philadelphia, also in ihrer Zeit, die Bl. A l " . Vgl. Coccejus, Cogitationes 1665, 47—49. Coccejus sieht in der sechsten Posaune ( O f f 9, 13—21) die Religionskriege seiner Zeit vorgebildet und versteht das sechste Sendschreiben als die Zeit der reformatorischen „verae ecclesiae, qui est dilectio fratrum"(47). Sie wird folgendermaßen gekennzeichnet: „Atqui sola doctrina de gratiosa electione & justificatione & certitudine spei justificatorum, est doctrina amoris Dei & gratiarum actionis & sie potentiae & sie sermo Christi"(49). BOUSSET 1906, 96 deutet an, daß Coccejus der erste war, der auch die Sendschreiben im Rahmen einer streng durchgeführten Rekapitulationsmethode auf sieben Kirchenepochen bezieht, die etwa auch in den sieben Siegeln dargestellt werden. 3 1 5 Vgl. Petersen, Tür 1718, Vorr. §3. 3 , 6 Anleitung 1696, 44. 3 1 7 So schon bei Coccejus, Cogitationes 1665 (außer für Ephesus). 3 , 8 Petersen, Tür 1718, 30. 3 1 9 Im Jahre 1691 vertrat Johanna Eleonora diese Vorstellung offenbar schon; vgl. S. 296. 313 314

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Endereignisse mit der Öffnung der ersten vier Siegel (Off 6, 1—8) und dem Erschallen der ersten vier Posaunen (Off 7, 7—13) anbrechen. 320 Bei der Methode der Petersens greifen die unterschiedlichen Visionen ineinander; sie werden nicht streng nach der Rekapitulationsmethode parallelisiert. Die laodicäische Epoche (Off 3, 14—22) steht ganz unter dem Eindruck der apokalyptischen Schrecken, die dem Beginn des Tausendjährigen Reiches, das mit der Öffnung des siebten Siegels (Off 8, 1) anhebt, vorausgehen. Dieser Begriff von „Philadelphia" oder „Philadelphischer Gemeinde" ist aus einer historisch-realistischen Auslegung gewonnen und meint eine einigermaßen klar bestimmbare, historische Epoche. Davon ist die (später häufiger auftretende) Selbstbezeichnung der Petersens als „Philadelphier", die auf eine spiritualistische Deutung des sechsten Sendschreibens zurückgeht, zu unterscheiden. 321 Hier meint der Begriff die wahre, geistliche Kirche im Unterschied zu der verweltlichten, äußeren Kirche. 322 Wie durch alle Zeiten der „gute Saame der Kinder Gottes" bleibt, so findet er sich auch in den letzten beiden Epochen, und zwar unter dem Namen der „Philadelphischen Gemeinde". 3 2 3 Sie trägt den Namen der „Bruderliebe", weil sie nicht wie die „sektirerischen" Konfessionskirchen über die Gewissen ihrer Brüder und Schwestern mit Bekenntnissen herrschen will. 324 Ein besonderes Schwergewicht bekommt aber im Rahmen der Geschichtsdeutung die vorletzte Kirchenepoche „Philadelphia". Sie ist die Zeit, in der das Buch mit den sieben Siegeln ( O f f 5, 1) geöffnet und damit ein Verständnis der O f f möglich wird. Philadelphia erweist sich als die Epoche, in der den wahren Bekennern Jesu, den „Philadelphiern", endlich die Offenbarung der bis dahin verschlossenen endzeitlichen Geheimnisse zuteil wird. 3 2 5 Das Verständnis der apokalyptischen Visionen ist also nicht nur eine Frage der persönlichen Frömmigkeit, sondern auch der in Gottes Plan dafür vorbestimmten Zeit. Der urchristliche „Geist der Weissagung", in dem der ApokalyptikerJohannes die Gesichte gesehen hat, wird nun seinen „Mitbrüdern" geschenkt. 326 Die Begabung mit dem Geist Christi manifestiert sich

Anleitung 1696, 96f. und Tür 1718, 225. Auf diesem Mißverständnis beruht die verbreitete Ansicht, die Petersens hätten zu der von J. Leade gegründeten „Philadelphischen Sozietät" gehört. Denn die einzige Stelle, die dieses nahelegt, ist die verschlüsselte Verfasserangabe von Petersens „Ewigem Evangelium" (1698): „Von einem Mit=Gliede D[er] Ph[iladelphischen] G[emeinde]". 322 Die Vorstellung von der durch alle Zeiten hindurchgehenden Kontinuität der Kirche ist wegen des 3. Artikels des Apostolischen Glaubensbekenntnisses notwendig. Entsprechend findet sie sich schon bei den Reformatoren. 323 Tür 1718, 131 und Vorrede §3. Für die Geschichte der „philadelphischen" Gemeinden, die auch für die Petersens in späterer Zeit wichtig sind, s. HOCHHUTH, Geschichte 1865, ENSIGN 320 321

1955 u n d THUNE 1948. 324 325 326

Anleitung 1696, 53. Tür 1718, Vorrede § 4 und S. 338. Anleitung 1696, 101.

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bei den Petersens in den neu aus der Schrift, besonders der O f f und den Propheten, gewonnenen Erkenntnissen über die Endzeit. 327 Das Ehepaar Petersen äußerte dabei keine grundsätzlich neuen Ideen; doch empfanden beide besonders ihre Lehre v o m Tausendjährigen Reich als eine durch den Heiligen Geist gewirkte Offenbarung und Aufschließung der Apokalypse. Es wäre zu fragen, worin dieses Offenbarungserlebnis besteht. Ein sinnenfälliges Beispiel für die Geisterfahrung ist Johanna Eleonoras angeführter Kommentar zur Offenbarung Johannis von 1696. Sie setzt ihre ganze Mühe daran, die „vornehmste(n) und speciale(n) Materien" der O f fenbarung in einen einheitlichen, zeitlichen Rahmen zu bringen und so dem Leser die ganze Kirchengeschichte — mit dem Schwerpunkt auf den bevorstehenden Endereignissen - übersichtlich und zusammenhängend vor Augen zu führen. 328 Eine große, über einen ganzen Papierbogen sich erstrekkende Tabelle hatjohanna Eleonora Petersen ihrem Werk der Übersichtlichkeit halber beigegeben. 3 2 9 Es bedarf nun sicher keiner besonderen Erleuchtung, die apokalyptischen Visionen in ihrem vordergründigen Wortsinn als zukünftige Geschichte und also als Wirklichkeitsbeschreibung darzustellen. Als noch zukünftige Ereignisse müssen die Visionen nicht mit geschichtlichen Begebenheiten verglichen werden, wie das bei den traditionellen Deutungen der Fall ist. Für die prophetische Auslegung gibt es keinen außerhalb der apokalyptischen Schrift liegenden Maßstab, mit dem die Bilder harmonieren müssen. Wenn Johanna Eleonora Petersen trotzdem von einer ihr schon 1662 für das Jahr 1685 angekündigten Offenbarung spricht, dann bezieht sich das nicht auf die inhaltliche Deutung einzelner Visionen, sondern auf das Gesamtkonzept und die von ihr erkannte und vorgeführte „Einstimmigkeit und Ordnung der Dinge und der Zeit", die nun auch ein noch bevorstehendes Tausendjähriges Reich in sich aufnehmen kann. 330 Wie die Angemessenheit einer historischen Auslegung auf der möglichst vollständigen Kongruenz von Vision und historischer Wirklichkeit beruht, so gewinnt eine prophetische Deutung offenbar durch ihre Einheitlichkeit und Widerspruchslosigkeit in der konstruierten Zeitabfolge an Gewißheit. Die Einzelheiten treten gegenüber dem Gesamtbild v o m Tausendjährigen Reich zurück. Die chronologische Harmonisierung der biblischen Prophetien dient dabei dem Erweis ihrer „Geschichtsfähigkeit". Damit wird gleichzeitig die Bibel als wahrhaftig in Kraft gesetzt. Die Möglichkeit verwandelt sich im Lichte des Glaubens an die Bibel in noch ausstehende Wirklichkeit. Der Blick in die Zukunft läßt ein künftiges Handeln Gottes in der Geschichte 3 2 7 NORDMANN, Eschatologie 1, 1930, 104 spricht auch von visionären Erfahrungen Johann Wilhelm Petersens. Petersens „ Ö f f n u n g e n des Geistes" 1715 (?), worauf sich N o r d m a n n stützt, konnte ich bislang nicht ausfindig machen. NORDMANNS Exemplar meldet die U B Marburg als Verlust. 3 2 8 E b d . , A, A l » . 3 2 9 Zur Tabelle s. S. 310. 3 3 0 L B II 1719, 5 5 - 5 7 (§35). Anleitung 1696, Α, Α Γ .

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erwarten, wie er ja auch in der biblischen Vergangenheit gehandelt hat. Ja, die geschenkte Erkenntnis dieser Zukunftsgeschichte läßt diese schon jetzt im Akt der Erkenntnis anbrechen und macht sie erfahrbar, da ja der Aufschluß der Off selbst zu den Endereignissen gehört. Als Offenbarung wird sie nur dem wahren Gläubigen zuteil. Nach der Darstellung des Zusammenhanges von Geistbegabung (Enthusiasmus) und chiliastischer Erkenntnis, soll nun noch die inhaltliche Vorstellung der Petersens vom Tausendjährigen Reich kurz charakterisiert werden. Johann Wilhelm und wohl auch Johanna Eleonora Petersen haben die Anregung zum eschatologischen Denken von den Frankfurter Pietisten, von Johann Jakob Schütz und Philipp Jakob Spener, erhalten. Eine Darlegung des literarischen Einflusses, dem die Petersens ihre chiliastische Spekulation im einzelnen verdanken, fehlt bislang. Eine solche Arbeit wäre zwar aufwendig, aber methodisch unproblematisch, da der Gelehrte Petersen in seinen chiliastischen Schriften, vorab seinem Sammelwerk „Nubes testium veritatis (1696)", seine historischen Vorläufer selbst angibt. Ein Studium des Katalogs seiner Bibliothek würde weitere Aufschlüsse geben. 331 Ph. J. Spener hat selbst seine Nähe zu Petersen und dem von ihm vertretenen Chiliasmus wiederholt bestätigt. 332 Beide haben über die exegetischen Fragen Briefe gewechselt, wobei Spener sich zwar nicht zu Petersens Interpretation, die doch streng am Text blieb, bekennen, sie aber auch nicht argumentativ widerlegen konnte. Dieser Tatbestand einer gleichzeitigen Zustimmung wie Ablehnung läßt fragen, in welcher Beziehung Petersens Chiliasmus zu Speners „Hoffnung besserer Zeiten" steht. 333 Bedeutet Petersens Chiliasmus eine Verschärfung, eine Steigerung oder konsequente Weiterfuhrung eines Gedanken, wovor Spener wie Κ. H. Sandhagen um des kirchlichen Friedens willen zurückscheuten? 334 Die Frage ist gerade dann zu stellen, wenn die Spenersche Eschatologie ein wesentliches Merkmal des Pietismus ist. Ist Petersen ein „Radikalpietist", weil er die pietistische Eschatologie an der „Wurzel" ergreift und sie erst recht zum Blühen bringt? 335 Als Ansatz für einen Vergleich bietet sich das der jeweiligen Anschauung zugrundeliegende Geschichtsverständnis an. Denn es gehört zum Wesen des Chiliasmus, daß seine jeweilige Ausprägung in je eigener Weise das Handeln und Selbstverständnis derjenigen Menschen qualifiziert, die von der chiliastischen Hoffung getragen sind. Der Chiliasmus behauptet ja, daß eine Veränderung der Welt zum Guten hin möglich und notwendig ist, weil in 331

Bibliotheca Peterseniana s. Werkverzeichnis. Die Zeugnisse Speners finden sich bei GROTH, Wiederbringung 1984, 38—51. 333 Die Kontroverse zwischen ALAND (Schütz 1981) und WALLMANN (Chiliasmus 1981) dürfte im wesentlichen für Wallmann zu entscheiden sein, da er den überzeugenden Nachweis erbracht hat, daß 1) der Chiliasmus allgemein in der Kirchengeschichte in keiner Weise an O f f 20,4f. hängt, und daß 2) Speners „Hoffnung" mit Fug und Recht als „Chiliasmus" bezeichnet werden kann. 334 Vgl. LB 1717, 81 (Zu Sandhagen s.u.). 335 Vgl. SCHNEIDER, Pietismus 1982, 1 9 - 2 1 . 332

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Gottes Plan beschlossen. Die Eschatologie Luthers und der Reformatoren ist dagegen von der Vorstellung eines apokalyptischen Kampfes zwischen Christus und Satan und ihren beiden (personenhaft verstandenen) Reichen geprägt. 3 3 6 Dieser K a m p f findet auf Erden und in j e d e m Menschen statt. Er ist apokalyptisch-endzeitlich, weil er zwar noch im Gange, aber prinzipiell mit der Auferstehung Christi entschieden ist. Er ist Gerichtskampf, der erst am Ende der Zeiten eine klare Scheidung hervorbringt: „Dortt an jhenem tage, do wirdt man sagen: Hie Himel, dortt Helle. [ . . . ] Dieser kampff bleibet biss an jüngsten tag, da wirdts dem Teuffei sampt allen seinen gliedern wohl erwehrett werden, das sie die Christen ungeergert lassen". 3 3 7 Hier ist kein Raum für einen religiösen Fortschritt. Das Ende k o m m t plötzlich mit dem Endgericht, in dem die Scheidung der Frommen von den Gottlosen geschieht. 338 Ich wende mich zunächst Philipp Jakob Spener zu. Johann Georg Walch, der zeitgenössische Kirchengeschichtsschreiber, will in seinen „Religionsstreitigkeiten (1733)" Speners „Hoffnung auf eine bessere Zeit" eigentlich nicht als „chiliastisch" bezeichnen. Sein Kriterium ist eindeutig: Spener vertrete kein Reich der Herrlichkeit, „so dem Gnaden=Reich entgegen". 3 3 9 Spener wahrt in der Tat die fur die lutherische Lehre fundamentale Trennung von irdischer Sündhaftigkeit und Unvollkommenheit einerseits und himmlischer Heiligkeit und Glückseligkeit andererseits. Trotzdem hat Walch mit seiner aus der Tradition übernommenen dreifachen Unterscheidung des Chiliasmus in einen „chiliasmus crassus", „chiliasmus subtilior" und „chiliasmus subtilissimus" zur Verwirrung beigetragen, rechnet er doch Speners Lehre zu der letzten Spielart, weil sie nur eine gewisse Nähe zum Chiliasmus hat. Es ist bekannt, daß Spener seine eschatologische Erwartung in prägnanter Form in seinen „Pia Desideria" niedergelegt hat. 340 Spener findet den biblischen Rechtsgrund für seine Auffassung in dem verheißenen Fall Babels ( O f f 18, 2), also des römischen Katholizismus, und in der paulinischen Prophezeiung auf eine endzeitliche Bekehrung ganz Israels zum Evangelium (Rom 11, 25 ff.). Sachlich ist seine Hoffnung durch die Forderung motiviert, daß sich das Evangelium, wie es in der lutherischen Kirche cum grano salis rein bewahrt wird, in seiner Kraft durchsetzen muß. 341 Für Spener ist die biblische Verheißung dieses künftigen Siegeslaufes des Evangeliums notwendige Voraussetzung und Grund, u m auch in der Gegenwart mitzuwirken, „das Reich Gottes zu befördern [ . . . ] Denn w o nichtsmehr außzurichten hoffung ist/ was wollen wir uns vergebens martern und plagen?" 3 4 2 Auf 336

H E C K E L , L e x 1 9 7 3 , 3 2 - 4 2 . 5 3 f.

337

Luther, Matth. 1 8 - 2 4 in Predigten ausgelegt. 1 5 3 7 - 1 5 4 6 . (WA 47, 1912, 264, 5 - 1 4 ) . Vgl. für die Zeit der Orthodoxie WALLMANN, Reich Gottes 1982. Walch, R S 2, 1733, 625. P D 4 3 , 3 1 - 5 2 , 2. P D 4 5 , 35-46, 6. Bed. 4, 1701, 122(1682).

338 339 340 341 342

190

Grund der heilsgeschichtlichen Verheißung weiß sich Spener überhaupt erst zum (ethischen) Handeln aufgerufen. Spener schreibt sich so mit seinen eigenen reformerischen Bemühungen in das geglaubte teleologische Handeln Gottes ein, ein Handeln, das Gott mit den Menschen als Werkzeugen, und damit Schritt für Schritt, vollzieht. Auch wenn Spener meist nur von der besseren Zeit fur die Kirche spricht, so bedeutet das für ihn doch auch eine Besserung der allgemeinen Lebensumstände. Da Kriege, Gewalt und Naturkatastrophen für ihn Auswirkungen des Gerichtes Gottes über die Menschen sind, muß er von einer Reformierung der verdorbenen Kirche und ihrer Glieder auch ein äußerlich glücklicheres Leben erwarten. 343 Gerade damit dürfte er bei den Orthodoxen in den Verdacht eines Chiliasten geraten sein. Festzuhalten bleibt: Gegenüber Luther, der Reformation und der O r thodoxie vertritt Spener eine neue Eschatologie. 344 Der Gerichtsgedanke, der Luthers Vorstellung von dem apokalyptischen Kampf bestimmt, verliert bei Spener an Kraft. Der Pietist denkt mit seiner Theorie von dem Aufschub des Jüngsten Tages an eine Vollendung von Gottes Heilsplan im Sinne einer evangelischen Christianisierung der Welt und einer Zunahme der Frommen, ohne daß deshalb die Welt der Sünde und des Leides ganz aufgehoben würde. Die Aufhebung der sündigen Welt geschieht auch für Spener erst am Ende aller Tage. Damit gehört Speners Hoffnung dem postmillenniaristischen Typ des Chiliasmus zu. Erst nach dem „Tausendjährigen Reich" oder der „besseren Zeit" kommt Christus in der Parusie wieder und vollzieht das Endgericht. 345 Der Jüngste Tag steht nicht unmittelbar bevor; er ist aufgeschoben. Daher schöpft Spener aus dieser Hoffnung die Kraft, als Werkzeug Gottes das von Gott geistlich herbeigeführte Reich zu fordern. Auch die Petersens haben ein irdisches Tausendjähriges Reich gepredigt, in dem der Teufel und Versucher der Menschen gebunden sein würde (Off 20, 2).346 Mehr noch als Speners zurückhaltende Vorstellung scheinen sie unter die Verwerfung der Confessio Augustana (Art. 17) zu fallen, die zwar nicht den Chiliasmus als solchen verwirft, wohl aber jedes Reich der Herrlichkeit auf Erden. In der Tat verbinden sich mit dem „Chiliasmus" meist innerweltliche Erlösungshoffnungen und Erwartungen der Herrschaft der Heiligen auf Erden. 347 Somit scheint Petersens Heterodoxie sogleich festzustehen. Die Petersens haben ja auch von einer irdischen Kirche gesprochen, die während der tausend Jahre über die Welt herrschen und regieren werde.348 Merkwürdig ist aber, daß dieses Friedensreich auf Erden keineswegs 343

Vgl. PD 11, 4 - 1 3 . In diesem Sinn verstehe ich - anders als WALLMANN (Spener 1986, 325 Anm. 5 und ders., Reich Gottes 1982, 205) - BARTHS Aussage von der Wiederentdeckung der Eschatologie im Pietismus (Theologie 1947, 113). 345 Vgl. BAUCKHAM, Chiliasmus 1981, 739. Der Gegenbegriff ist „prämillenniaristisch". 346 Tür 1718, 418-420. 347 Vgl. BAUCKHAM, Chiliasmus 1981, 737-745. 348 Anleitung 1696, 291 —294: „wieder=auffgerichtete Königreich des Israels". 344

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die traditionelle schwärmerische Hochschätzung genießt. Denn neben dem Tausendjährigen Reich auf Erden gibt es ein viel wichtigeres: das himmlische Millennium, in das die „Erstgeborenen" und wahren Bekenner Jesu nach der Überwindung im „Creutz=Reich", verklärt durch die erste Auferstehung (Off 20, 4f.), eingehen werden. 349 Damit aber ist die ursprüngliche, von den Schwärmern des 16. Jahrhunderts geteilte chiliastische Hoffnung auf ein irdisches Reich der Heiligen verlassen. Statt dessen statuieren die Petersens eine dreifache Gliederung innerhalb des Millenniums in Himmel-, Erden- und Totenreich. 350 Es ist offenbar, daß dem Petersenschen Konzept ein Vergeltungs- und Gerichtsgedanke zugrunde liegt. Das chiliastische System behauptet eine gradualistische Ordnung der künftigen Herrlichkeit, in der das irdische Reich eine Mittelstellung einnimmt: weder Seligkeit noch Tod. Kann man den Juden und Heiden nicht die gleiche Seligkeit zubilligen wie den Bekennern Jesu, so erscheint es auf der anderen Seite nicht gerecht, sie nur wegen ihres (unverschuldet) mangelnden Christusglaubens genauso hart mit dem tausendjährigen Tod zu bestrafen wie die verstockten äußerlichen Christen.351 Die Christen aber sind im Gnadenreich zur Wiedergeburt und Heiligung aufgerufen. Der Wiedergeborene geht zu Beginn des Millenniums in die verklärte obere Kirche, das himmlische Jerusalem ein und regiert dort mit Christus auch die untere Kirche auf Erden. Der nicht wiedergeborene „Namens"-Christ kommt in das Reich des Todes; er stirbt den ersten Tod (vgl. Off 20, 6). Damit nimmt im Petersenschen Chiliasmus das Wort von der ersten Auferstehung einen zentralen Platz ein. Die Frage der leiblichen Parusie Christi ist weniger wichtig. Entscheidend ist, daß die erste Auferstehung faktisch ein Ende der Geschichte und ihre Aufhebung bedeutet. Petersens Chiliasmus ist in diesem Sinne prämillenniaristisch. Für die Juden und (ehrbaren) Heiden stellt sich die Frage der Wiedergeburt gar nicht, da sie nicht einmal die „Lehre" kennen. Ihre moralische Integrität braucht darum nicht bezweifelt zu werden. Aber ihnen fehlt doch der „rechte, rechtfertigende Glaube". Darum gehen sie in das irdische Millennium ein, wo i h n e n wie vorher den Christen - der Glaube geschenkt wird. 352 Es ist deutlich, daß Petersens Chiliasmus nicht mehr mit dem Gegensatz von „irdisch" „himmlisch" erfaßt werden kann. Von einem traditionell-schwärmerischen Verständnis des Chiliasmus ist er jedenfalls weit entfernt, da der Beginn des Millenniums faktisch ein übernatürliches Gericht bedeutet. Die „laodicäische Kirchenzeit", nach der das Millennium anbricht, wird daher auch mit „Gericht des Volkes" oder „Volk des Gerichtes" übersetzt. 353 Z u m anderen 349

Anleitung 1696, 243. Für die Einzelheiten sei hier auf NORDMANN, Eschatologie 1, 1930, 94 ff. hingeweisen. Es wäre eine reizvolle Aufgabe, das dahinterstehende räumliche Weltbild näher zu untersuchen. 351 Vgl. LB 1717, 47 f. 352 Tür 1718, 280 f. 353 Anleitung 1696, 4. 350

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umfaßt das Tausendjährige Reich den ganzen Kosmos, in dem die Erde nur einen, den mittleren, Teil bildet. Das Tausendjährige Reich ist ein Teil des göttlichen Erlösungsgeschehens, welches Christus herbeifuhrt. An seinem Ende wird in einer zweiten Stufe der ganze Kosmos aufgehoben und Gott übergeben, auf daß er alles in allem sei (IKor 15, 28). Mit der Verschiebung der hergebrachten Grenzen von Diesseits und Jenseits dringt auch eine realistischere Vorstellung in die Erlösungswelt ein. Ich habe oben das starke Erwählungsbewußtsein Petersens angesprochen, das sich in seiner Lehre von den „Erstgeborenen" niederschlägt. Der eigenen elitären Selbsteinschätzung korrespondiert eine moralisch begründete Abscheu vor einem prädestinatianischen Heilspartikularismus. Diese beiden gegensätzlichen Gedanken werden versöhnt, indem die Erstgeborenen im himmlischen Millennium einen besonderen Vorrang haben. Sie sind tausend Jahre früher selig. Aber das Tausendjährige Reich bedeutet noch nicht das endgültige Gericht. Es entspricht Petersens Vorstellung von der Gerechtigkeit Gottes, wenn die unterschiedliche Heiligung der Menschen auf Erden in einer die irdischen Verhältnisse umkehrenden Hierarchie der Erlösung belohnt wird, in der dann die regieren, die von Gottes Geist beseelt sind. Das Tausendjährige Reich erweist sich daher bei den Petersens als eine Projektion des Bewußtseins der eigenen Heiligkeit und Erwählung. Im Vergleich mit Speners „Hoffnung einer besseren Zeit" zeigt sich, daß Petersen gar nicht an einen innerweltlichen, d. h. vor der ersten Auferstehung anzusetzenden, kontinuierlichen Prozeß der Besserung glaubt, an der der einzelne produktiv mitarbeiten kann. Der im Laufe der Untersuchung wiederholt gemachten Beobachtung, daß es Petersen an einem wirklich reformerischen Bewußtsein fehlte, korrespondiert die Gestalt seines Chiliasmus, der noch eher von dem Geschichtsbild der Orthodoxie geprägt ist als vom Pietismus Speners. Nur bedingt, als Baustein seiner Theologie als ganzer, ist Petersens Chiliasmus „pietistisch" zu nennen.

Kaspar Hermann

Sandhagen

Aufweiche Weise Petersen sich seine Art der biblischen Exegese angeeignet hat, läßt sich nicht eindeutig bestimmen. Neben Spener dürfte Petersens wichtigster Gesprächspartner in jenen Jahren der Lüneburger Superintendent Kaspar Hermann Sandhagen (1639—1697) gewesen sein. Ihm fühlte Petersen sich methodisch und inhaltlich geistesverwandt. Über Sandhagen und seine Bedeutung innerhalb des kirchlichen Lebens Norddeutschlands er war immerhin Superintendent eines der wichtigsten Geistlichen Ministerien - ist nur wenig bekannt. 354 Erwähnt wird er regelmäßig nur als Haus354

Informationen vor allem bei Bertram, Geschichte 1719, 236-256 und ADB 30, 1890,

355F. (CARSTENS).

193

wirt August Hermann Franckes, der im Hause des Lüneburger Superintendenten seine Bekehrung erfuhr. Der Freund Ph. J. Speners und Sebastian Schmidts 355 gehört zu den anerkannten lutherischen Bibelexegeten N o r d deutschlands. 356 Wie aus seinen Briefen an Abraham Calov aus den Jahren 1682—1684 hervorgeht, nahm er starken Anteil an Calovs Bibel werk und bemühte sich, gerade im Gegensatz zu den Helmstedter Theologen Calovs Arbeiten in Niedersachsen zu verbreiten. 357 Gleichzeitig war Calov auch Gesprächspartner Sandhagens für seine eigenen exegetischen Arbeiten. Als Sandhagen von der Fertigstellung von Calovs ,,biblische[r] Arbeit", gemeint ist wohl die „Biblia Illustrata" (1682), hörte, bestellte er sogleich zehn Exemplare für Lüneburger Interessenten. 358 Auch versuchte er, Calovs scharfe Schriften gegen die Helmstedter Theologie in Lüneburg und U m g e bung verlegen zu lassen.359 Wiederholt nennt Sandhagen eine Gruppe von „jungen und auch alten Leuten", die sein Interesse und seine Freude an der biblischen Arbeit teilen.360 Gerade angesichts des auch von ihm konstatierten Verfalls und der Schwächung der Evangelischen Kirche meint Sandhagen aus der biblisch orientierten Erbauung neue Hoffnung schöpfen zu können: „Ich hoffe es sollen viele Leute dadurch [seil. Calovs Apodixis (1682)] Augen kriegen, wie ich denn Gott zu Ehren sagen m u ß , daß die Erkenntnis des göttlichen Wortes von Tag zu Tag j e länger j e mehr durchbricht und es schmeckt den meisten Großen am Zellischen H o f e keine Predigt, als welche nach der Erkenntnis der Schrift schmecket. Daher es denn geschehen, daß die Leute, so meinen U m g a n g genossen und in die Schrift eingeführet, vor allen anderen hier im Lande bisher befördert sind, unangesehen, daß die [seil, die Fürstliche Regierung] w o h l wissen, daß sie [seil. Sandhagens Schüler] Calixts Meinungen ganz nicht beigetan." 3 6 1

Die Wertschätzung der „biblischen Theologie" veranlaßte Sandhagen, bei dem Lüneburger Buchdrucker Stern eine Handbibel in kleinem Format in Auftrag zu geben, die die Gottesdienstbesucher mit zur Predigt nehmen sollten. 362 Einige Grundlinien Sandhagens bibeltheologischer Arbeit seien im folgenden herausgehoben. Dem Lüneburger Superintendenten und Verehrer des Straßburger Exegeten Sebastian Schmidt geht es vor allem um eine Erfassung der chronologisch ablaufenden Geschichte, wie sie in der Bibel berichtet wird, sei es als Vergangenheitsgeschichte, wie sie sich in den biblischen Geschichtsbüchern niederschlägt, oder als Zukunftsgeschichte in den prophetischen Büchern. Sandhagen hat das Erfassen des geschichtlichen Hergangs einer biblischen Perikope einer aus ihr abgeleiteten moralischen 355 356

W i d m u n g der Predigtsammlung „Werther T o d " 1689, 7; vgl. DUMRESE 1956, 103 f. Ich belasse es im folgenden bei Andeutungen.

357

Vgl. WOTSCHKE, S a n d h a g e n 1937.

358

22.9. 1682; vgl. die N a m e n der Besteller im Brief v o m 12.4. 1683- WOTSCHKE, Sandhagen

1937, 310. 359

22.9. 1682;21.12. 1682;20.12. 1683;2.2. 1684-WOTSCHKE, aaO, 307. 308. 311 f. 313.

360

1 2 . 4 . 1683-WOTSCHKE, a a O , 3 0 9 .

361

Ebd.

362

8. 7. 168[3]-WOTSCHKE, a a O , 311.

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Lehre vorgezogen. Er lehnte geradezu den „sensus moralis" ab und wollte nur den „sensus historicus" gelten lassen. Denn: „Ist man erst der Sache gewiß, so kan man den Zweck und die Meynung des Heiligen Geistes aus den Worten besser furlegen, da sich sonst der Zuhörer damit muß begnügen lassen, wann er bey Gelegenheit der Texte allerley gute Erinnerungen anhören mag, die doch aus der Sache selbst nicht hergehohlet sind. " 3 6 3

Die Sache selber, die im Kontext wiedergegebene Geschichte oder Argumentation, setzt beim Zuhörer die Folgen und Applikationen fur das eigene Leben aus sich heraus. Der Prediger, der so predigt, bleibt geradezu bei der Meditation des Textes stehen, an der er seine Zuhörer teilhaben läßt. Die Beachtung der Zeitdimension in ihrer strengen Linearität, die für die Konstitution für Geschichte erforderlich ist, verlangt zum einen, daß man die Propheten daraufhin untersucht, „ob sie etwas erzehlen, was fur ihrer Zeit schon geschehen ist, oder ob sis von den Dingen ihrer Zeit sprechen, oder ob sie weissagen und Dinge verkündigen, welche erst H E R N A C H ihre Erfüllung haben werden, wie denn eine Weissagung eine vorher verkündete Geschieht ist".364

Im letzten Fall ist weiter zu fragen, ob das von den Propheten als zukünftig Verheißene für den Leser des 17. Jahrhunderts schon vergangen, gegenwärtig oder noch zukünftig ist. 365 Dabei kommt es für Sandhagen nicht nur auf einen Vergleich der biblischen Geschichten und Gesichter mit historischen Ereignissen an. Sein Interesse liegt vor allem darin, die Bibel als protokollarisch genaue Aufzeichnung des geschichtlichen Ablaufs zu begreifen. In seiner „Kurzefn] Einleitung/ Die Geschichte unsers H E R R N J E S U C H R I STI und der heiligen Apostel/ nach ihrer Z e i t = O r d n u n g / [ . . . ] zu betrachten" (1684; 2. Auflage 1688) behauptet er im Hinblick auf die zahlreichen Zeitadverbien in der Bibel mit Andreas Oslander, daß die Evangelisten nichts „ausser der ZeitOrdnung" geschrieben haben (Vorrede, S. [3]). So gelingt es ihm, die vier Evangelien in eine lineare Ordnung zu bringen, bei der er die Evangelien so aneinanderschaltet, daß ihre eigene „Konnexion" jeweils gewahrt bleibt. Berichte, die sich in ihrer Anordnung und in ihrem Inhalt decken 366 bindet er zu einer Handlung zusammen, überschüssige oder in anderem Kontext stehende Geschichten schiebt er dazwischen. Damit k o m m t er zu dem etwas grotesken Schluß, daß manche Heilungen zweioder dreimal geschehen sein müssen. 3 6 7 Sandhagen hat das ganze neue Testament in tabellarischer Form aufgelistet. „ A u f f Begehren einiger Freunde hat man noch wollen eine kurtze Tafel über die Offenbahrung Johannis beyfugen/ woraus die Harmonie der Ge363 364 365 366 367

Κ. H. Sandhagen, Bußtexte (1700) 1725, 758. Ebd. A a O , 752. Blindenheilung in Jericho (Mk 10, 4 6 - 5 2 par). V g l . B r i e f v o m 2 2 . 9 . 1 6 8 2 - WOTSCHKE, a a O , 3 0 6 f .

195

sichter/ und der Dinge so einerley sind/ und nur unter anderen Sinnen=Bildern vorgestellet werden." 3 6 8 Haben die Leser sich nämlich erst einmal bei den Evangelien in die chronologische Methode eingearbeitet, so „werden [sie] auch Gelegenheit nehmen können [ . . . ] , die Offenbahrung zu lesen". 3 6 9 Inhaltlich hat Sandhagen dabei das Tausendjährige Reich zwar in die Vergangenheit (seit Konstantin) angesetzt, aber er hat auch von einem künftigen (zweiten) Fall Babels gesprochen. Auch er vertrat die Vorstellung von einem künftig besseren Stand der Kirche. 370 Dabei hat Sandhagen seine wissenschaftlichen Überlegungen aber nie zum Gegenstand der Predigt gemacht und auch seine chronologischen Berechungen, soweit es aus den gedruckten Predigten zu entnehmen ist, höchstens im Predigtexordium vorgelegt. „ Z u Lüneb. aber k a m noch diese Gelegenheit dazu/ daß/ wie ich auf etlicher Verlangen den Zustand der Kirche GOttes von Anfang der Welt biß auf unsere Zeit habe müssen furstellen: so bin ich fortgangen/ und habe auß den göttlichen Weissagungen furgelegt/ was nach derselben der Kirche GOttes/ biß an das Ende der Welt noch z u e r w a r = | ten habe. Diß letzte ist insonderheit von den meisten Gliedern deß Rev. Minister» mit Vergnügen angehöret. " 3 7 1

Das Streiflicht auf den Bibeltheologen Sandhagen zeigt, daß Petersen hier Anregung und wissenschaftliche Unterstützung finden konnte. 372 Petersens Chiliasmus ist nicht einfach ein in die Bibel hineingelesener schwärmerischer Gedanke. Sondern er war hinsichtlich des wissenschaftlichen Standes der biblischen Exegese am Ende des 17. Jahrhunderts durchaus möglich, ja konsequent. Seine den traditionellen Kirchenbegriff sprengende Kraft erhält dieser Chiliasmus erst in der Kombination mit weiteren Faktoren, die Petersens Denken bestimmen: die Absage an eine kirchliche regula fidei; der vorkritisch-philologische U m g a n g mit der Bibel, der die Bibel als unfehlbares göttliches Wort mit allen philologischen Mitteln auslegt; die hermeneutische Voraussetzung, daß Schriftauslegung in den Bereich der Ethik fällt, weil erst die Kongruenz von Tun und Erkennen zur wahren Schriftauslegung führt. In den Eutiner Jahren rundet sich die geistige Persönlichkeit Petersens ab. Mit der Entwicklung seiner (im Gegensatz zu Spener undynamischen) chiliastischen Lehre hat er theologisch eine Position erreicht, von der aus er seine Sonderlehren (Wiederbringungslehre, Lehre v o m mittleren Zustand Einleitung 1684, 94. A a O , 113. 3 7 0 Spener an Petersen, Franfurt a. M . , den 22.10. 1681 (AFSt A 196, p. 2 1 2 - 2 2 0 bes. 214): „Sandhagen noster, qui alioqui gloriosiorem Ecclesiae hoc etiam in seculo statum neutiquam negat". 371 Κ. H. Sandhagen, Sendschreiben (VI) a n J . G . Sandhagen (1691), 180f.; vgl. 180: Das Celler Konsistorium teilt Sandhagens Ansicht v o m zweiten Fall R o m s . 3 7 2 Vgl. L B 1717, 79—81. Zu der Konferenz im Jahre 1687 war nichts zu ermitteln. Sandhagen wird in den Briefen Speners an Petersen zum ersten Mal am 13.9. 1677 erwähnt (AFSt A 196, p. 7 6 - 8 5 bes. 81). 368

369

196

der Seelen, ewige Gottmenschheit Jesu) weiter entwickelt und konsequent fortfuhrt, ohne sich jedoch prinzipiell neuen Gedanken zu öffnen. Als die drei wesentlichen Elemente von Petersens Pietismus schälten sich die Theorien von der besonderen Erleuchtung des Wiedergeborenen, der ethischen Perfektibilität (Rom 7) und des Chiliasmus heraus, die ihrerseits miteinander verwoben sind (vgl. S. 331 ff.). Alle drei Elemente lassen sich auch bei Ph. J. Spener finden. Die Differenz zwischen Petersens und Speners Pietismus liegt in ihrem unterschiedlichen Geschichtsverständnis. Der „kirchliche" Pietist hielt an diesen Theorien fest unter den Bedingungen des „Gnadenreiches" und rechnete in allem mit der menschlichen Unzulänglichkeit. Dieser war mit kirchlichen Erbauungsveranstaltungen zwar beizukommen, sie war aber nicht prinzipiell zu beseitigen. Der „radikale" Pietist vertrat seine Theorien uneingeschränkt- und deshalb angesichts der widrigen Wirklichkeit in Hoffnung auf eine Verwirklichung jenseits des Gnadenreiches. Die folgenden Ausführungen handeln von der Konfrontation des Radikalpietisten Petersen mit seiner kirchlichen und sozialen Umgebung. Das Verhalten Petersens, das wir bislang an vereinzelten Punkten beobachten konnten, steht nun im Mittelpunkt der Untersuchung. Es stellt das Spiegelbild zu Petersens geistiger Welt dar.

197

Fünfter Teil: Superintendent in Lüneburg I. Der Weg in die

Öffentlichkeit

Einleitung

In Eutin gestalteten sich die Verhältnisse glücklich für Petersen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hatte er sich am Hof Ansehen und Autorität erworben, die ihn sein Amt ohne Hindernisse fuhren ließen. Aber die Tätigkeit als Hofprediger und Superintendent über eine ländliche Ephorie konnte auf Dauer einen Mann nicht ausfüllen, den es nach geistiger und gelehrter Auseinandersetzung und öffentlichem Ansehen verlangte. Beides konnte nur ein bedeutendes Kirchenamt bieten. Bei allem protokollarischen Vorzug, den der Eutiner Superintendent als oberster Kirchenbeamter eines Fürstentums genoß, blieb ihm ein Einfluß auf die theologische Gelehrtenrepublik versagt. 1 In den Kämpfen um die Wahrung einer reinen evangelischen Lehre, in denen sich die öffentliche, geistliche Verantwortung der Theologen und ihrer wissenschaftlichen Arbeit niederschlug, galt die Stimme aus dem Lübecker Bistum nur wenig. Das Ende der kirchlichen Karriere Petersens wäre daher sicherlich mit weniger Interesse begleitet worden, wenn die Amtsenthebung den Eutiner Superintendenten betroffen hätte. 2 Amtsenthebungen von Geistlichen sind in dieser Zeit ja keine Seltenheit. Spektakulär war es, wenn der Inhaber eines angesehenen Amtes abgesetzt wurde, das, wie in Lüneburg der Fall, als ein Garant des orthodoxen lutherischen Bekenntnisses galt. Hatte Petersen in den Eutiner Jahren seine Theologie entwickelt, so war mit der Berufung auf die Lüneburger Superintendentur die Zeit gekommen, in der sich diese Theologie bewähren mußte. Der Wechsel nach Lüneburg ist der Schritt in die Öffentlichkeit. Als in den achtziger Jahren alle fünf Hauptpastorate in Hamburg neu zu besetzen waren, wurde auch Johann Wilhelm Petersen als Kandidat für die Hansestadt ins Gespräch gebracht. 3 In einem Brief anläßlich seiner Berufung nach Lüneburg berichtet er, ihm sei „offt anlaß gegeben worden nacher

1 Z u m protokollarischen Vorzug (gegenüber dem Frankfurter Senior Ph. J. Spener und dem Stader Generalsuperintendenten Johann Diekmann) s. LB 1717, 104f. 2 Feustking 1704, 475 meint Petersens Amtsenthebung nur mit derjenigen Samuel Hubers (1547—1624) in den Jahren 1594/ 95 vergleichen zu können, vielleicht weil hier auch ein Doktor der Theologie (und Wittenberger Theologe) sein Amt wegen Lehrdifferenzen niederlegen mußte. 3

198

Vgl.jENSEN-BRUHN 1, 1 9 5 8 u n d 3 , 1963.

Hamburg vociret zu werden". 4 Es ist nicht mehr zu klären, wie häufig und wie konkret Petersen für Hamburg gewonnen werden sollte. Sicher ist nur, daß Petersen für die 1688 vakant gewordene Pfarrstelle an der Katharinenkirche vorgeschlagen wurde. Den beiden erklärten Anhängern Speners, Johann Winckler undjohann Heinrich Horb, die seit 1684 und 1685 Pastoren an St. Michael und St. Nikolai waren, standen damals mit Samuel Schultz von St. Petri (seit 1683) und Johann Friedrich Mayer von St. Jacobi (seit 1686) zwei vehemente Feinde der pietistischen Bewegung gegenüber. Nachdem am 14. April 1688 der Hauptpastor von St. Katharinen, D. David Klug, gestorben war, versuchte Winckler, Petersen als dessen Nachfolger zu gewinnen und auf diese Weise die Spenerfraktion im Geistlichen Ministerium der Reichsstadt zu verstärken. August Hermann Francke, der damals in Hamburg weilte, sollte sich im Auftrag Wincklers brieflich bei Petersen erkundigen, „ob er die vocation zum pastorat zu St. Cathar. annehmen würde, wenn sie ihm zugeschicket würde, weil man anitzo sehr auff ihn reflectierte". 5 Petersen war zu dieser Zeit bereits auf die Superintendentur nach Lüneburg berufen worden, konnte aber sein Amt wegen Schwierigkeiten, die ihm sein Amtsvorgänger Kaspar Hermann Sandhagen bereitete, vorerst nicht antreten. Angesichts der unglücklichen Situation in Lüneburg war Wincklers Versuch, Petersen nach Hamburg zu holen, nicht unrealistisch. O b Winckler mit der Berufung Petersens nach Hamburg auch die unten darzustellenden Verwicklungen in Lüneburg lösen wollte, ist ungewiß. Auch Kaspar Hermann Sandhagen wurde nämlich damals fur H a m burg ins Gespräch gebracht. 6 Ende September muß Francke berichten: „Herr Petersen hat mir negative geantwortet." 7 Berufen wurde schließlich D. Abraham Hinckelmann, der erst am 11. November 1688 gewählt worden war. 8 Er war früher schon Diakon an St. Nikolai gewesen. Freilich hätte Petersen auch unter anderen Umständen die Herausforderung, die die Hamburger Verhältnisse fur einen pietistisch gesinnten Pastor darstellten, kaum angenommen. Allzu verkommen erschien ihm die Hanseund Weltstadt: „Mein hertz ist nie nach Hamburg gewesen, alß welches warhafftig zu Sodom geworden ist, und Gottes straffe schon über sich schweben hat, solte es auch durch große krankheiten, und andere plagen geschehen." 9 Vielleicht hatte er dabei gerade das Theater(un)wesen im Blick, das seit 1678 in der Stadt Hamburg und seinem Geistlichen Ministerium zu Streit und Frontenbildung Anlaß gegeben hatte. 10 4

J. W. Petersen a n j . Reinbeck, Eutin, den 12. 1. 1688- StA Lg. Α. H . Francke an H . v. d. Hardt, H a m b u r g , den 30. 8. 1688- LB Karlsruhe 319. Der Brief Franckes an Petersen sowie dessen A n t w o r t sind nicht überliefert. 6 LB 1717, 120. 7 Α. H. Francke an H. v. d. Hardt, H a m b u r g , den 26. 9. 1688, p. 3 - L B Karlsruhe 319. 8 JENSEN 1,1958, 87f.l02. 9 J. W. Petersen a n j . Reinbeck, Eutin, den 12. 1. 1688-StA Lg. 5

10

GEFFCKEN, W i n c k l e r 1861, 19ff.

199

Petersens Weg führte nach Lüneburg. Der dort um seine Person entstandene Zwist ist vielleicht typisch für die pietistischen Streitigkeiten. Diese sind als reine Lehrdifferenzen nicht hinreichend beschrieben. Die oft zu beobachtende gegenseitige Verständnislosigkeit und Unnachgiebigkeit auf beiden Seiten ist wesentlich durch das soziale Geflige bedingt, auf das die neue Bewegung trifft. Am Beispiel Petersens läßt sich zeigen, wie Pietisten mit ihrem bedingungslosen, religiös-bekennerhaften Vorgehen und moralischen Anspruch auch die politisch-soziale Struktur der Gemeinwesen von Staat und Kirche empfindlich störten. Damit ist nicht einfach die politische Machtfrage gemeint, sondern bei dem grundsätzlichen, geschichtsphilosophisch begründeten Konservativismus mußte jede Neuerung Anstoß erregen und Verunsicherung auslösen. Und einer Zeit, der constantia und fortitudo höchste Tugenden waren, mußte jede Veränderung, besonders wenn sie unter Berufung auf eine bislang angeblich nicht erkannte oder nicht beachtete Wahrheit gefordert wurde, als Angriff auf die persönliche Integrität der Beteiligten wirken. Gerade Städte und Universitäten, denen eine absolutistische Spitze fehlte, waren für solche Konflikte anfällig. In ihnen konnte sich daher die pietistische Bewegung zuerst einen Freiraum schaffen, aber dauerhaftes Wohnrecht erhielt sie vor allem unter fürstlichem Regiment." Im folgenden soll versucht werden, diese gesellschaftspolitische Dimension in die Darstellung von Petersens Leben in Lüneburg einzubeziehen. Dabei werden manche sicherlich zufälligen Begebenheiten, Freundund Feindschaften zur Sprache kommen. Es wird zu fragen sein, wie die beiden Petersens sich mit ihren neuen geistigen und religiösen Vorstellungen auf ihre Umwelt einstellten, wie sie ihre Ideale mit ihrer Umwelt vermittelten. Denn auch die Seite ihres Verhaltens ist wichtig für ihre Einschätzung und Beurteilung im Rahmen einer Geschichte des Pietismus.

Geschichte

Lüneburgs

Lüneburg konnte sich am Ende des 17. Jahrhunderts neben Hamburg und Lübeck noch immer als eine der wichtigsten Städte Norddeutschlands behaupten. Soziologisch ist das Bürgertum dieser Handelsstädte im Zeitalter des Absolutismus zwischen der bäuerlichen Bevölkerung auf dem Lande und den Fürstenhöfen mit ihrer Beamtenschaft in den Residenzstädten einzuordnen. Wirtschaftliche Tätigkeit und ein gehobener Bildungsgrad zeichnen es aus. Der hohe Rang der alten Hansestadt ist heute noch an ihrem Stadtbild abzulesen. Die ehrwürdigen Bürgerhäuser mit ihren großen Lagerräumen, erbaut in dem etwas düsteren Stil 11

Von einer „Affinität {der Reichsstädte] zum frühen Pietismus" (BLAUFUSS, Reichsstadt 1977, 53) kann man m. E. nicht sprechen. Es entsteht nämlich so der Eindruck, der Pietismus sei auf Grund seiner inneren Struktur ein der Bevölkerung oder dem Gemeinwesen der Reichsstädte entgegenkommendes, verwandtes Phänomen. Die Bedeutung der (süddeutschen !) Reichsstädte in der frühen Phase des Pietismus gründet sich schlicht auf drei Tatsachen: 1. Spener besaß aus biographischen Gründen persönliche Kontakte v. a. nach Süddeutschland. 2. In den Reichsstädten lebten die bedeutendsten „praktischen" Theologen und die geistige Avantgarde. 3. Die Reichsstädte sind insgesamt demokratischer und daher pluralistischer.

200

der norddeutschen Backsteingotik des 13. und 14. Jahrhunderts, das Rathaus mit seiner prächtigen Renaissancefassade und die stolzen und weiträumigen Kirchen können noch als sichtbare Zeugen früheren Ruhmes zitiert werden. 1 2 Die Glanzzeit Lüneburgs aber lag am Ende des 17. Jahrhunderts schon lange zurück. Die Stadt hat das Schicksal der meisten deutschen Städte geteilt, die im Dreißigjährigen Krieg neben ihrer wirtschaftlichen Macht auch ihre politische Selbständigkeit endgültig einbüßten und als Landstädte in die zentralistisch regierten Territorialstaaten eingegliedert wurden. Allerdings war Lüneburg nie eine freie Reichsstadt gewesen; aber in der Zeit seiner wirtschaftlichen Blüte, etwa von der Mitte des 14. bis zum Ende des 16. Jahrhunderts, hatte die Stadt die häufig in Finanznot geratenen Landesfürsten zu weitreichenden Konzessionen und Privilegien zwingen und so die nominelle Erbuntertänigkeit faktisch abschütteln können. 1 3 Der Reichtum der Stadt gründete auf ihren ergiebigen Salzquellen und auf ihrer günstigen Verkehrslage. Die schiffbare Ilmenau und der im 14. Jahrhundert fertiggestellte Stegnitzkanal eröffneten dem Lüneburger Salzhandel das Tor zum Norden. Die N ä h e zu den Hafenstädten H a m b u r g und Lübeck ließ Lüneburg am Welthandel der Hanse, vor allem mit den skandinavischen Ländern, die fur ihre Fischereiwirtschaft auf das Konservierungsmittel Salz angewiesen waren, teilnehmen. 1 4 Familiäre Bindungen und Verschwägerungen gerade unter den reichen Familien von Lüneburg und Lübeck unterstreichen den Tatbestand der gemeinsamen wirtschaftlichen Ziele. 1 5 Im Salzhandel besaß Lüneburg lange Zeit für den norddeutschen und skandinavischen R a u m eine weitgehende Monopolstellung. Schon Heinrich der L ö w e hatte 1153 zur Förderung seiner Landstadt die holsteinischen Salzquellen in Oldesloe vernichten lassen. Durch Handels-, Zoll-, Holz- und Wegeprivilegien gelang es Lüneburg seine Vorrangstellung auszubauen. 1 6 Dabei halfen die Landesherren und geistlichen Landstände des Herzogtums mit, teils aus eigenem Interesse, teils der N o t gehorchend. Z u dem raschen, nahezu ungehinderten Aufstieg Lüneburgs trug nämlich der U m s t a n d bei, daß die Siederechte (Pfannen) nicht im Besitz der Stadt oder ihrer Bürger waren, sondern zum großen Teil in den Händen von geistlichen Herren, Stiften und Klöstern, den Prälaten, lagen, die sie im Laufe der Zeit v o m Landesherren, dem ursprünglichen Besitzer, erworben hatten. 1 7 Die Lüneburger Patrizier, die ihren Reichtum und ihre politische Führungsstellung dem Salz verdankten, traten nur als Pächter oder Sülfmeister (selbständige Besieder von Salzpfannen, von niederdt. „sülvest") auf und bezogen ihren G e winn aus dem Überschuß gegenüber dem relativ niedrigen Pachtzins. 1 8 Während die außerstädtischen Besitzer den wirtschaftlichen Aufschwung Lüneburgs aus eigenem Interesse förderten, gelang es den Bürgern, die Saline der Aufsicht des Herzogs zu entziehen (1275) und sich gegenüber dem Landesherren insgesamt als eigenständig zu behaupten. Der durch Verträge besiegelte A b k a u f von Privilegien verringerte immer mehr die Möglichkeit einer Einflußnahme des Herzogs auf seine Landstadt, da er schließlich fast alle Rechtstitel veräußert hatte. H ö h e punkt dieser Entwicklung stellte der 1371 im Zusammenhang mit dem Erbfolgekrieg zwischen Weifen und Sachsen u m das Erbe des Herzogtums Lauenburg erfolgte Abriß der herzoglichen

12

S . KRÜGER-REINECKE 1 9 0 6 u n d MATTHAEI, B ü r g e r h a u s 1 9 5 6 .

KANTELHARDT, 1956,16 spricht von Lüneburgs Blütezeit für 1 4 7 0 - 1 6 1 8 , was freilich mehr für die künstlerische Produktivität, als für die ihr vorangehende wirtschaftliche und politische Machtentfaltung gilt. 1 4 Von einem förmlichen Beitritt zur Hanse (1371) kann in keinem Fall gesprochen werden ( z . B . MAGNUS 1969, X V und REINECKE, Geschichte 1, 1933, 263ff.). E s handelt sich bei der Hanse u m ein zeitlich begrenztes Städtebündnis, nicht u m eine körperschaftsartige Organisa13

t i o n (FRIEDLAND, 1 9 5 3 , 3 1 f. u n d W E N D L A N D , C h r o n i k 1 9 5 6 , 1 1 ) . 15

WEGEMANN, G e s c h l e c h t e r 1 9 4 9 .

16

B L E E K 1 9 3 0 , 5 f . 1 9 u n d FRIEDLAND 1 9 5 3 , 4 f .

17

BLEEK 1930, 2f.

18

FRIEDLAND 1953, 2. Danach wurde der Pachtzins nicht prozentual, sondern absolut berech-

net.

201

Zwingburg auf dem Kalkberg dar, der zu der Entstehung der Residenzstadt Celle führte. 1 9 Erst mit dem im 15. Jahrhundert beginnenden Territorialismus gewinnen die Landesfürsten im Deutschen Reich wieder stärkere Macht gegenüber den Städten, die im Mittelalter zu einer so bedeutenden Rolle aufgestiegen waren. 2 0 Die lutherische Reformation förderte mit der in ihrem Namen erfolgten Säkularisierung des Kirchengutes die Entwicklung zum neuzeitlichen Territorialstaat. Im Herzogtum Braunschweig-Lüneburg (Celle) bekam Ernst der Bekenner (1521 — 1546) sein Land wieder stärker in den Griff. In dem zunächst katholisch gebliebenen Lüneburg fiel durch die Säkularisation der außerstädtischen Stifte und Klöster ein großer Teil der Salzpfannen und Siederechte wieder an den Herzog zurück, dem es damit gelang, wirtschaftlich eine erste Bresche in die auf ihre Unabhängigkeit bedachte Stadt zu schlagen. Im Vertrag von 1562 zwischen Herzog Wilhelm (1559—1592) und der Stadt kündigt sich die politische Eingliederung Lüneburgs in den Territorialstaat an. Finanzielle N o t hatte zu Spannungen zwischen Rat und Bürgerschaft geführt, die unter Herbeirufung des Landesherren gelöst werden sollten. Dieser aber nutzte die Lage, um seine im Laufe des Mittelalters verlorenen politischen und wirtschaftlichen Rechte neu zu behaupten. Klaus Friedland hat auf die veränderte Rechtsauffassung hingewiesen, wie sie sich bereits in diesem v o m fürstlichen Willen geprägten Vertrag manifestiert. 21 War die mittelalterliche Rechtsordnung, in der Lüneburg einst groß geworden war, auf Verträgen und Privilegien aufgebaut, die stets vorrangig zu berücksichtigen waren, so tritt nun der absolutistische Landesherr mit dem Anspruch eines uneingeschränkten, territorialistischen Hoheitsrechtes auf. Alte Rechte werden in dem Vertrag nur insofern bestätigt, als sie keine Änderungen durch neue Satzungen erfahren haben. Materiell hebt der Vertrag die wichtigsten wirtschaftlichen Privilegien der Stadt auf. Auch schränkt er die politische Macht des Lüneburger Rates wieder auf das eigentliche Stadtgebiet ein. 22 Auf wirtschaftlichem Felde ist der Territorialstaat der Wegbereiter des Merkantilismus. Nach den unsicheren Kriegsjahren wird der freie Handel der Städte und damit die Quelle ihres Reichtums und ihrer Macht durch protektionistische Maßnahmen der Territorialstaaten beschnitten. Für eine Landstadt wie Lüneburg war die Wiedereingliederung in das Fürstentum ambivalent. Ihre wirtschaftliche und politische Freiheit hatte sie unwiederbringlich verloren. Andererseits konnte sich Lüneburg gegenüber dem allenthalben praktizierten Protektionismus als Salz- und Handelsstadt nur halten, indem es seinerseits von der merkantilistischen Politik seines Landesherren profitierte und seine wirtschaftliche Kraft innerhalb des Fürstentums entfaltete oder mit der Unterstützung des Landesherren den Wettbewerb gegen die ausländische Konkurrenz wagte. 2 3 Auch den Landesherren lag viel an dem tätigen Unternehmertum einer Stadt, die unter fiskalischem Gesichtspunkt unersetzbar war. 2 4 Mit der wirtschaftlichen Integration in das Fürstentum erfolgte auch schrittweise die politische Einordnung in den absolutistischen Staat. Als Stationen dieses Weges sind der Vertrag von 1619 und der Rezeß von 1639 zu nennen. 2 5 Der Vergleich von 1619 ist insofern bedeutsam, als der Bürgerschaft, die bislang praktisch vom Stadtregiment ausgeschlossen war, ein erster Einbruch in die patrizische Stadtverfassung gelang. Insbesondere die städtische Finanz- und Abgabenpolitik hatte den Zorn der Bürger gegen die Patrizier erregt. Unter Hintansetzung der städtischen Freiheit wandten jene sich an ihren Landesherren, um den Streit schlichten zu lassen. In dem Vergleich von 1619 wurde unter fürstlichem Siegel der Bürgerschaft ein Aufsichtsrecht Geschichte 1, 1933, 123ff. bes. 135f. Zu dieser Entwicklung trug v. a. die Ausbildung von Polizeiordnungen aus den alten Landfriedensordnungen bei, die mit dem Wormser Kompromiß von 1 4 9 4 begann ( H A S S I N G E R 19

REINECKE,

20

1971, 609). 21

FRIEDLAND 1 9 5 3 , 1 4 3 ; v g l . H E U E R 1 9 6 9 , 1 0 1 .

22

HEUER 1969, 149.

23

BLEEK 1 9 3 0 , 2 5 f .

24

HEUER 1969, 9 8 - 1 0 4 ;

vgl.

VIERHAUS,

608-678. 25

202

HEUER

1969, 105-111 und 112ff.

Absolutismus

1978, 4 5 - 4 8

und

HASSINGER

1971,

bei den Bürgermeisterämtern zugesprochen. Fortan bestand der vierköpfige Bürgermeisterausschuß (Curia) aus zwei Patriziern und zwei Vertretern der Bürgerschaft. Den endgültigen Verlust seiner Freiheit erlitt Lüneburg durch den unter den wirtschaftlichen Nöten des Dreißigjährigen Krieges zustande gekommenen Rezeß von 1639. Anlaß waren wieder Spannungen zwischen den Patriziern und der Bürgerschaft um kriegsbedingte Steuerlasten. Innerhalb der Bürgerschaft war die „Getreue Bruderschaft" unter der Leitung des Buchdruckers und Verlegers Hans Stern (1582—1656) die treibende Kraft. 2 6 Der Landesherr nutzte die Unregierbarkeit der Stadt, um nun sein Hoheitsrecht über alle Bereiche des städtischen Lebens zu behaupten, auch wenn dem Magistrat noch lange Zeit einige untergeordnete Privilegien - etwa im Schulund Kirchenwesen - blieben. 2 7

Kirchliche

Verfassung

Lüneburg war aus zwei Dörfern zusammengewachsen und besaß daher bei der Stadtgründung mit St. Johannis und St. Cyriakus zwei Pfarrkirchen, die der geistlichen Jurisdiktion des Verdener Bischofs unterstanden. St. Cyriakus aber war bereits im 14. Jahrhundert bedeutungslos geworden, nachdem die nach Freiheit strebenden Lüneburger ihre Stadt mit einer neuen Mauer befestigt hatten, die neben der herzoglichen Festung auf dem Kalkberg auch die genannte Pfarrkirche außerhalb der Stadt ließ. Seit dem Jahre 1406 besaß der Stadtmagistrat das Patronat über seine einzige Pfarrkirche. 28 Mit der Auflösung des Archidiakonates in Lüneburg und der Übertragung seiner Rechte (stellvertretende Jurisdiktion, Vermögensverwaltung) auf den ersten Pfarrer der Johanniskirche (1. Hälfte des 15. Jahrhunderts) war die Stadt kirchenpolitisch weitgehend unabhängig von außerstädtischem Einfluß. 2 9 Eine ähnliche Autonomie gewann die Stadt Lüneburg im Schulwesen. Das Schulmonopol des einflußreichen Lüneburger Michaelisklosters, das diesem auf Grund eines herzoglichen Privilegs von 1353 zustand, konnte der Magistrat ebenfalls im Jahre 1406 brechen, so daß er nun eine eigene, unter seiner Aufsicht stehende, bürgerliche Schule, das Johanneum, einrichten konnte. Freilich bestand die alte, auf das 10. Jahrhundert zurückgehende Michaelisschule (Partikularschule) weiter. Im Zuge der Reformation und der Säkularisierung der Klöster entstanden weitere Schulen in Lüneburg. Aus dem in ein evangelisches Stift für nachgeborene Adlige umgewandelten Kloster errichtete die Lüneburger Ritterschaft, der das Michaeliskloster seit der Reformation unterstand, eine Ritterakademie, die von 1656 bis 1850 bestand. Weniger lang konnte sich das universitätsähnliche „gymnasium illustre seu academicum" halten, in dem nur in den Jahren von 1660 bis 1686 Vorlesungen über Theologie, Jurisprudenz, Politik, Logik und Eloquenz zu hören waren. Wegen zu geringer Einkünfte mußte es wieder geschlossen werden. 3 0 Die Reformation änderte zunächst wenig an den dargestellten Rechtsverhältnissen. Nur eine Neuordnung im Sinne des Evangeliums sollte stattfinden. Zwar unter politischem Druck Ernst des Bekenners und der Bürgerschaft, aber doch unabhängig vom Landesherrn schuf der patrizische Magistrat eine eigene reformatorische Kirchenordnung für die Stadt (1583/1585) und sicherte sich durch die Einsetzung eines Stadtsuperintendenten seine alten hoheitlichen Rechte über das Lüneburger Kirchenwesen. Im Auftrag des Rates sollte dieser nun die suspendierte oder aufgehobene geistliche Jurisdiktion des Verdener Bischofs übernehmen. Die Präpositur (Propstei) mit den Aufgaben des ehemaligen Archidiakonats bestand bis zum Jahre 1687, HEUER 1969, 1 1 8 - 1 3 8 . HEUER 1969, 1 4 6 - 1 5 1 . Die Bestimmungen des Rezesses bei REINECKE, Geschichte 2 , 1 9 3 3 , 273ff. Original im StA Lg.; die von mir benutzte Kopie in N S u U B Göttingen: 2° Cod. Ms. jurid. 703, p. 1 2 2 - 1 3 9 . Zum Kirchen-und Schulwesen s. KANTELHARDT, Johanneum 1956, 16. 2 8 Zum folgenden s. MATTHAEI, Kirchen 1956, 32ff. 26 27

29

MATTHAEI, K i r c h e n 1 9 5 6 , 3 4 .

30

KANTELHARDT 1 9 5 7 , 1 7 .

203

wurde aber nun nicht mehr von einem Geistlichen, sondern von einem Ratsbeauftragten verwaltet. Mit der Reformation bekamen auch die mittelalterlichen Kapellen, die bislang der Johanniskirche unterstellt waren und dem großzügigen Stiftungswesen gedient hatten, das volle Recht einer selbständigen Pfarrkirche. Auch bei diesen, nämlich St. Nikolai, St. Lamberti und HeiligGeist, nahm der Magistrat das Patronat für sich in Anspruch. Wie das aus den Rechtsurkunden rekonstruierte stadtherrliche Kirchenregiment konkret aussah, ist bislang noch nicht hinreichend erforscht. 31 Die Entstehung der Lüneburger Pfarrkirchen aus ursprünglich von der Johanniskirche abhängigen Kapellen erklärt, warum es in Lüneburg keine festgelegten Pfarrsprengel und keinen Pfarrzwang gab. Die Lüneburger waren frei bei der Wahl von Prediger und Beichtvater. Mit dem Erstarken des absolutistischen Landesherrn mußte Lüneburg auch in seinen kirchlichen Rechten Einbußen hinnehmen und an das fürstliche Konsistorium in Celle abtreten. Als entscheidende Wendemarke ist hierfür die bereits erwähnte Resolution Herzog Georgs vom 21. Mai 1639 anzusehen. Darin sichert der Landesherr dem Rat seine iura patronatus und den Pfarrern ihre iura parochalia zu, läßt auch die überkommenen Verfahren bei Berufung, Bestallung und Ordination der Geistlichen unangetastet, verlangt aber kraft seines ius episcopale die Oberaufsicht über die Lüneburger Kirche und behält sich vor allem die Bestätigung der berufenen Geistlichen vor. Hinsichtlich der Pfarrer begnügt er sich dabei mit Protokollen, die der Stadtsuperintendent über die Examina der Prediger und Diakone anzufertigen hat. Nur der Superintendent soll sein Examen und eine Probepredigt in Celle vor der fürstlichen Regierung ablegen. Der städtischen Regierung bleiben neben dem Patronat die Aufsicht über die Finanzen und die allgemeine Verwaltung der Kirchen- und Schulangelegenheiten, soweit sie ihrer Natur und Eigenschaft nach nicht vor ein Konsistorium gehören. Insbesondere beanspruchte das Konsistorium die Disziplinargewalt über Superintendent und Pfarrer, sobald ihre Lehre oder ihr Lebenswandel Anlaß zur Klage gaben. 3 2 Durch die Resolution aus dem Jahre 1639 wurde natürlich auch die Stellung des Stadtsuperintendenten erheblich geschwächt. Er war nun nicht mehr ein allein dem Rat der Stadt verantwortliches geistliches Oberhaupt, sondern unterstand in gleicher Weise der Aufsicht des fürstlichen Konsistoriums wie seine Kollegen. Er geriet damit nicht nur in das Spannungsfeld zwischen städtischer und landesherrlicher Regierung, sondern verlor auch seine Machtstellung gegenüber seinen Pfarrerkollegen im Geistlichen Ministerium der Stadt, die sich gegenüber ihrem Vorgesetzten durch Appellation an das Konsistorium in Celle behaupten konnten. Beides mußte auch Petersen erleben. Über seine Amtskonflikte mit den Lüneburger Pfarrern wird unten zu handeln sein. Aber schon seine Berufung wurde durch die konkurrierenden Interessen von fürstlicher und städtischer Gewalt überschattet.

Berufung nach Lüneberg Mitte August 1687 erfährt der Rat der Stadt Lüneburg von der Kurfürstlichen Regierung Brandenburgs, daß Kaspar Hermann Sandhagen auf die Generalsuperintendentur Hinterpommerns nach Stargard erwählt und berufen sei. 33 Die Generalsuperintendentur war seit dem Tod von Martin Sylvester Grabe am 23. N o v e m b e r 1686 vakant. Seitdem hatte das A m t der aus Lüneburg stammende, pommerische Propst D. Franz Julius Lütkens 31

SEHLING 6 . 1 , 1 9 5 5 , 6 3 0 .

Vgl. Schlegel, Kirchenrecht 1, 1801, 399f. Protocollum, p. 3 und Brief der Kurf. Regierung an B u R von Lg., Cölln, den 19. 8. 87StA Lg. 32

33

204

verwaltet. Mit dessen Berufung zum Propst nach Cölln an der Spree war eine rasche Neubesetzung der Generalsuperintendentur nötig geworden. 34 In Lüneburg sind die Stadtväter über die ehrenvolle Berufung ihres Superintendenten keineswegs erfreut. Man lasse ihn nur ungern ziehen, wird Sandhagen in einem Gespräch mit dem Bürgermeister Georg Busche, dem 1. Syndikus Tobias Reimers und dem Ratsherren Christian Pape zu verstehen gegeben. Man schreckt nicht nur vor einem Wechsel in dem fur die öffentliche Ordnung wichtigen Amt des Superintendenten zurück, sondern muß Sandhagen gerade auch als Geistlichem „viel Zuerkennung" zuteil werden lassen. Dieser will gleichwohl den Ruf annehmen und sich dem „werck der gutth direction [Vorsehung] fernerzu überlaßen". 35 Die Entlassung aus dem Amt des Lüneburger Superintendenten ist indessen von der Zustimmung der Fürstlichen Regierung in Celle abhängig. Auch dort ist man am Bleiben des „exemplarischen und von dem höchsten mit sonderbahren gaben außgerüsteten" Mannes interessiert. 36 Als im Oktober 1687 die Visitation des (säkularisierten) St. MichaelisKlosters stattfindet, nutzen der Geheime Rat Andreas Gottlieb von Bernstorff und der Vizekanzler Wipert Ludwig Fabricius die Gelegenheit, mit Sandhagen zu sprechen und den Ratsherren vorzuschlagen, ihrem Superintendenten angesichts seiner Meriten und der „Außträglichkeit" der angebotenen Generalsuperintendentur „eine beneficirung zuthun", um ihn zum Bleiben zu bewegen. Der Herzog selbst werde etwas offerieren. 37 Der Lüneburger Senat macht sich die Vorschläge der Regierung zu eigen und teilt sie seinem Superintendenten mit, indem er ihm eine „erkenntliche recognition" zusichert. Auch von einer jährlichen Zulage von 150 Talern seitens des Landesherrn ist bald die Rede. Sandhagen aber fühlt sich in seinem Gewissen gebunden, dem göttlichen Ruf zu folgen, und läßt sich durch solche Angebote von seiner Entscheidung nicht abbringen. Er gibt zu bedenken, „was Er seiner conscience nach satisfaction geben könte, sich der Vocation so schlechterdings zu entziehen". 38 Die 150 Taler hätten für Sandhagen immerhin eine Einkommensverbesserung von 33 50% bedeutet. 39 Auch war er früher schon an andere Orte berufen wor34 Vgl. F. von Meynders an Κ. H. Sandhagen, Berlin, den 3. 7. 1687- LB 1717, 108: das Schreiben trägt G. Heiler an die Stelle des verstorbenen D. Martin Sylvester Grabe; s. dazu

S. 2 0 8 f . A n m . 5 8 ; v g l . FISCHER, P f a r r e r b u c h 2 . 1 , 1 9 4 1 , 5 2 4 . 35

Protocollum, p. 3. BuR von Lg. an Fürst]. Reg., Lg., den 22. 9. 1687 und deren Antwort, Celle, den 4. 10. 1687- StA Lg. 37 Protocollum, p. 3 und Fürstl. Reg. an BuR von Lg., Celle, den 4. 10. 1687 (noch vor 36

d e r V i s i t a t i o n ) - S t A L g . Z u r V i s i t a t i o n s. WEYHE-EIMKE 1 8 6 2 , 3 1 3 - 3 1 5 . 38

Protocollum, p. 4 und J. H. Ramdohr an Bm. von Lg., Celle, den 31. 12. 1687- StA

Lg39 Nach der „Notizensammlung Volgers" (StA Hannover Β 22 309m) bekam Sandhagen anfangs 300, dann 500 Reichstaler; vgl. Bertram, Lüneburg 1719, 236 und MEYER, Pastoren 2, 1942, 9 8 - 1 0 1 .

205

den, aber von den Lüneburgern und der Celler Regierung nicht ohne erhöhte Gehaltszuwendung zum Bleiben bewogen worden. 4 0 In die Bemühungen der Celler Regierung schaltet sich Ende des Jahres auch der Kammerminister Johann Heinrich Ramdohr ein. D a Herzog Georg Wilhelm den Lüneburger Superintendenten gerne im Lande behalte, sich aber nicht entschließen könne, von sich aus den Kurfürsten von Brandenburg zu bitten, auf Sandhagen Verzicht zu leisten, möge doch der Magistrat von Lüneburg ein „unterthäniges Schreiben" an Georg Wilhelm senden und auf Sandhagens Beibehaltung dringen. Der Herzog werde ihn dann schon beim Kurfürsten losmachen. Sandhagen brauche sich in diesem Fall kein Gewissen mehr daraus zu machen, einer göttlichen Berufung nicht gefolgt zu sein - vorausgesetzt, Sandhagen bleibe gerne in Lüneburg. 4 1 O b diese Supplikation seitens des Rates erfolgte, ist unbekannt. Auf seiner Reise von Celle nach Hamburg Anfang Januar 1688 unternimmt der Vizekanzler Fabricius einen zunächst letzten, vergeblichen Versuch, Sandhagen umzustimmen. 4 2 Noch immer wartete man vor allem in Celle auf Sandhagens „Final Erklährung". 4 3 Der aber wollte sich damals offenbar nicht eindeutig äußern. Dabei hat der Lüneburger Superintendent den Gepflogenheiten der Zeit und seines geistlichen Standes gemäß immer nur den eigenen, freiwilligen Verzicht auf seine Berufung abgelehnt, nicht aber eine Rücknahme der Vokation durch den Patronatsherrn. Diese Passivität läßt Sandhagen als einen lethargischen Charakter erscheinen. Er schwankte unentschlossen zwischen dem ehrenvollen und nach C A 14 ordentlichen R u f einerseits und seinem Wunsch, in Lüneburg zu bleiben, andererseits und ließ sich von dem Lauf der Ereignisse treiben, indem er auf sein Ansehen am herzoglichen H o f baute und erwartete, daß man sich dort schon um ihn bemühen und ihn nicht gehen lassen werde. N o c h an demselben Tag, als Fabricius in Lüneburg weilte und Sandhagen zum Ablehnen der Vokation bewegen wollte, begannen die Unterredungen der Bürgermeister und Ratsherren unter Hinzuziehung des 1. Syndikus Tobias Reimers über einen möglichen Nachfolger für die angesehene Lüneburger Superintendentur. Nach Auffassung des Rates waren die Versuche Sandhagen in Lüneburg zu halten gescheitert. Durch rasches Handeln bemühte er sich nun, Sandhagens Nachfolger zu designieren und so allen möglichen Eingriffen in sein Patronatsrecht vorzubeugen. Wurde die anstehende Berufung erst einmal zu einem öffentlichen Ereignis, hätte der Rat sich kaum gegen Vorschläge und Forderungen seitens des Ministeriums, 4 0 Bertram, Lüneburg 1719, 245, wonach man Sandhagens Gehalt (sukzessive) verdoppelt habe; vgl. vorherige Anmerkung. Angeblich handelte es sich u m Berufungen nach A m s t e r d a m und Kopenhagen (BORCHERS, Galerie 1840, 85). 41 Protocollum, p. 4 u n d J . H. Ramdohr an B m . von L g . , Celle, den 24. 12. 1687 u n d 3 1 . 12. 1687- StA L g . 4 2 Protocollum, p. 4. 4 3 Ramdohr an B m . von Lg., Celle, den 31. 12. 1691.

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einflußreicher Personen von auswärts oder der Landesregierung durchsetzen können. 44 Wie nämlich aus der Bestallungsakte von Petersens Nachfolger hervorgeht, war der Stadt für die Wahl eines neuen Superintendenten eine Frist von zwei Monaten gesetzt. Danach mußte der Rat gewärtig sein, daß die Regierung in Celle selbst den Superintendenten berief. 45 Die Sorge des Rates, daß die Regierung in sein Patronatsrecht eingreifen würde, zeigt sich daran, daß er sich schon um die Nachfolge kümmerte, als die offizielle Demission Sandhagens noch gar nicht erfolgt war. In Vorschlag kamen bei den Beratungen D. Jakob Hieronymus Lochner, königlicher Superintendent in Bremen, D. Franziskus Wolf, Professor fur Vernunftlehre und Superintendent in Rostock sowie D. Johann Wilhelm Petersen, Hofprediger und Superintendent in Eutin, letztere beide auf Vorschlag von Sandhagen, der schließlich Petersen als den geeigneten Kandidaten empfahl. 46 Vielleicht war auch dieser Vorschlag Sandhagens nur ein ungeschickter Versuch, Zeit zu gewinnen und die Celler Regierung fur sich agieren zu lassen. Denn er hatte wohl nicht damit gerechnet, daß Petersen dem Ruf nach Lüneburg folgen würde. 47 Am 9. Januar sondierte Bürgermeister Johann Reinbeck mit einem Schreiben des Direktors G. Busche über den lübeckischen Boten, ob Petersen „zu haben" sei. Drei Tage später sagte Petersen Reinbeck zu, im Falle einer Vokation dieser als einem göttlichen Auftrag folgen zu wollen. Kurz darauf wählte der Rat einstimmig D. Johann Wilhelm Petersen zum neuen Superintendenten von Lüneburg und berief ihn in einem Schreiben vom 24. Januar 1688.48 Die Lüneburger kannten den Eutiner Hofprediger und Freund Sandhagens von einer Gastpredigt, die er im Jahr zuvor an Sandhagens Stelle in ihrer Stadt gehalten hatte. Sie schätzten ihn, weil er sich derselben Lehrart in Predigt und Katechese bediente, die sie auch an Sandhagen rühmten. 49 Der Rat versuchte weiterhin den ganzen Vorgang vor der Öffentlichkeit einschließlich des Geistlichen Ministeriums geheimzuhalten; nur die Celler Regierung unterrichtete er schon am 19. Januar über die erfolgte Wahl. Sein Schreiben nach Celle gibt sich als bloße Benachrichtigung. Tatsächlich wartete der Rat zwei Postgänge (ca. eine Woche) ab, ob man in Celle Einspruch erheben würde, bevor er an Petersen das Berufungsschreiben am 26. Januar abgehen ließ. 50 Es hat den Anschein, als habe der Rat vor der Bekanntgabe der Wahl erst die Einwilligungen der Celler Regierung und 44

Protocollum, p. 4. BuR von Lg. an Fürstl. Reg., Lg., den 19. 1. 1688; vgl. T. Reimers a n j . Reinbeck, o. O . o. D. Das (weltliche) Amt des Patronats wird v. a. mit der Präsentation a u s g e ü b t ; E . SPERL, P a t r o n a t 1 9 7 5 , 1 7 8 4 - 1 7 8 7 . 45

N H S A , Dep 83 III, 478 Vol. III, Nr. 4 - 5 (Bl. 48 vgl. 52). Protocollum, p. 4 und LB 1717, 81. 47 LB 1717, 81. 48 Protocollum, p. 4; Briefe Reinbecks und Busches sind nicht überliefert; vgl. LB 1717, 81 f. 49 LB 1717, 81 und BuR von Lg. an Fürstl. Reg., Lg., den 19. 1. 1688 sowie BuR von Lg. an August Friedrich, Lg., den 24. 1. 1688- StA Lg. 50 BuR von Lg. an Fürstl. Reg., Lg., den 19. 1. 1688- StA Lg. und N H S A , Dep. 83. Das 46

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von Petersens Dienstherrn August Friedrich, Bischof von Lübeck, abwarten wollen. Die Zustimmung des Bischofs lag Ende Februar vor. 51 Vielleicht geschah die Geheimhaltung nach der erfolgten Wahl auch mit Rücksicht auf D. Günther Heiler, den 2. Pfarrer von St. Johannis, der sich bei der Wahl übergangen und zurückgesetzt fühlte, zumal er ahnte, daß ihm der dienstjüngere Petersen vorgezogen wurde. 52 Jedenfalls mußten die für die Berufung in ein geistliches Amt unerläßlichen Gebete, die Fürbitte und Danksagung, allgemein und unbestimmt in der Lüneburger Kirche vom Superintendenten vorgetragen werden, indem zunächst das Vorhaben der Wahl, dann auch die Person des Gewählten ungenannt blieben. 53 Während der Bemühungen des Rates um eine Neubesetzung der Lüneburger Superintendentur trat nun eine Situation ein, die den Amtsantritt Petersens in Lüneburg überschattete. Sandhagen war noch nicht nach Stargard übergesiedelt, wollte aber ursprünglich, wie er sich gegenüber dem Rat erklärt hatte, vor Ostern (15. April 1688) aus Lüneburg weggezogen sein.54 In einem Brief vom 1. Februar 1688 an Petersen teilte Sandhagen diesem mit, daß er am 24. Februar nach Berlin reisen und gegen den 11. März wieder nach Lüneburg zurückkehren wolle, um sich noch einmal mit Petersen zu besprechen, wie dieser es gewünscht hatte. Solange sollte Petersen mit seinem Umzug warten. 55 Dabei gab Sandhagen offenbar weder Grund noch Inhalt seiner angekündigten Reise an. Sandhagen wird sie geplant haben, um sich von seiner Verpflichtung in Stargard entbinden zu lassen oder die Berufung mit einer Anstellung in Berlin zu tauschen, zumal er von der Vokation Petersens wußte und mit einem Bleiben in Lüneburg nun nicht mehr rechnen konnte. 56 Möglicherweise versuchte Sandhagen auch, an seiner Statt eine Beförderung seines Kollegen D. Günther Heiler auf die Generalsuperintendentur nach Stargard zu betreiben, die Heiler später (1688) auch einnahm. 57 Ursprünglich war dieses Amt auch Heiler angetragen worden, ohne daß eine förmliche Berufung ausgesprochen worden war. Κ. H. Sandhagen hatte die Berufung zu verhindern gewußt, so daß die Stelle vakant blieb. Offenbar wollte Sandhagen damals selbst berufen werden oder Berufungsschreiben für Petersen vom 24. 1. 1688, abgegangen am 26. 1.; vgl. BuR von Lg. an Fürstl. Reg., Lg., den 19. 7. 1688- StA Lg. 51 August Friedrich an BuR von Lg., Eutin, den 8. 2. 1688 (eingegangen am 23. 2.)- StA Lg. 52 Reimers an Reinbeck, o. O. o. D.-StA Lg. Zu Heiler vgl. ADAM, Kirchengeschichte 1928, 122.124. 53 S. „Gebet [...]" und „Dancksagung [.. ,]"-StA Lg. und BuR von Lg. an Fürstl. Reg., Lg., den 11. 7. 1688, p. 3-StA Lg. 54 BuR von Lg. anj. W. Petersen, Lg., den 31. 1. 1688- StA Lg. 55 Der Brief Sandhagens ist nicht überliefert, wird aber erwähnt in: J. W. Petersen an Reinbeck, Eutin, den 7. 2. 1688 undj. W. Petersen an BuR von Lg., Eutin, den 29. 6. 1688- StA Lg.; vgl. J. W. Petersen an Reinbeck, Eutin, den 29. 1. 1688 (P.S)-StA Lg. 56 LB 1717, 107. Sandhagen war nach dem Tod des Berliner Hofpredigers D. Lucius neben E. Veiel und Ph. J. Spener vom Berliner Konsistorium als Nachfolger vorgeschlagen worden: SpeneranJ. Gezelius, Dresden, den 4. 8. 1686-TENGSTRÖM 1833, 259f (-261). 57 Vgl. Reimers an Reinbeck, o. O. o. D. - StA Lg.

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jedenfalls Heiler diese größere Ehre nicht zuteil werden lassen. 58 Jetzt aber scheint Sandhagen sein früheres Festhalten an der brandenburgischen Berufung bereut zu haben. Inzwischen hatte Herzog Georg Wilhelm, der offenbar über Sandhagens Entschluß, nicht nach Stargard zu gehen, unterrichtet worden war, Kurfürst Friedrich III. selbst darum gebeten, von der Vokation Sandhagens wieder Abstand zu nehmen. Dabei überschnitten sich vermutlich die Unterrichtung der Regierung seitens des Lüneburger Rates über die Wahl und Berufung Petersens mit diesen Bemühungen in Celle. So kam es zu einer Konkurrenz zwischen dem Vorgehen des Lüneburger Magistrates, der den eingeschlagenen Weg einer Neubesetzung verfolgte, und der Celler Regierung, die auf geeignete Maßnahmen zur Beibehaltung, respektive Rückkehr Sandhagens drängte. Ihn muß man dort sehr geschätzt haben, während der neue, von den Lüneburgern präsentierte Kandidat in Celle kaum bekannt war. Der Generalsuperintendent Joachim Hildebrand teilt in einer Notiz mit: „dieser D. Petersen, den der Rhat zu Lüneburg zu ihrem künfftigen Superint. designieret hat, ist ratione eruditionis et donorum concionandi allhie nicht, als blos v o m hörsagen bekand". 5 9 Erstaunlich ist, daß der Lüneburger Rat erst am 22. Februar 1688 die Demission Sandhagens der brandenburgischen Regierung mitteilte, als einerseits die Zusage Petersens schon längst vorlag, andererseits die Bestätigung seitens des Eutiner Bischofs noch nicht eingetroffen war. 6 0 Der Termin könnte daraufhindeuten, daß der Rat kurz vor Sandhagens Reise nach Berlin von den Aktivitäten der Regierung hörte und sofort mit der in eigener Verantwortung erfolgten Demission zur Wahrung seiner Handlungsfähigkeit reagierte. Das erklärt auch das in der Folgezeit zu beobachtende konsequente Eintreten des Magistrates für Petersen. 61 Der Verlauf der Berufung Petersens ist damit ein Beispiel für die Spannungen zwischen Stadt- und Territorialherrschaft im absolutistischen Zeitalter. N o c h Mitte des Jahres ist ungewiß, welches Amt Sandhagen nun bekleiden soll. Als er in Berlin keine Anstellung finden konnte, bemühte sich die Celler Regierung verstärkt darum, den früheren Zustand wiederherzustellen. So teilte der Geheime Rat von Bernstorff dem Magistrat in Lüneburg mit, daß die Berufungsangelegenheit Sandhagens „annoch in solchen terminis" stehe, daß dieser sich immer noch für ein Bleiben in Lüneburg entscheiden könne, und fordert den Rat auf, „daß Ihr mit Fleiß dahin trachtet, damit solches geschehn m ö g e [ . . . , während] die von Euch von Eutin vocirte Persohn ad interim in Lüneburg auff andere weise zu accomodiren [ist,] biß

5 8 L B 1717, 86f. 91. 100. 1 0 6 - 1 0 8 . 115f. 123. Vgl. Spener, LBed. 1, 1711, 4 0 8 - 4 1 0 : [An Heiler,] den 16. 11. 1687 und ebd., 4 0 3 - 4 0 5 [ A n J . G. Sandhagen,] den 18. 7. 1688. 5 9 N H S A , Dep 83 III, 478 Vol. III, Bl. 39; unterzeichnet: I. H. Dfoctor], 6 0 StA Lg. 61 B u R von Lg. an Fürstl. Reg., Lg., den 1. 7. 1688-StA Lg.

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sich etwa hie im Lande sonst vor dieselbe einige Gelegenheit hervor tuhe". 6 2 Ein solches Gebaren des Landesherren konnte sich die Stadt nicht gefallen lassen, wollte sie ihren Rufeines geordneten evangelischen Kirchenwesens nicht verlieren. Auch das Verhalten Sandhagens war für den Magistrat brüskierend. Während der Superintendent sich auf seine Freunde in Celle verließ, unterrichtete er die Lüneburger nicht einmal über die neue Entwicklung und zeigte sich vor dem Magistrat ganz überrascht, welche Sorge man sich in Celle u m seine Zukunft mache. Er verwies darauf, daß er selbst Petersen ermuntert habe, seinen Haushalt samt Büchern schon zu übersenden. 63 In der Tat war Sandhagen Anfang Mai bereits in Stargard eingeführt worden und hatte sogar schon Amtshandlungen an seiner neuen Wirkungsstätte verrichtet, als er sich entschloß, nun doch in Lüneburg zu bleiben. Er kann nur wenige Wochen in Stargard gewesen sein, w o sein A m t keinen rechten Fortgang zu nehmen schien. 64 Ende April oder Anfang Mai bat Sandhagen Petersen, der zur Klärung der Situation nach Lüneburg gekommen war, erneut u m Geduld und Aufschub seiner Übersiedlung, während der Rat seinerseits Petersens U m z u g in die Superintendentur beförderte. 6 5 Nachdem die zweite von Sandhagen erbetene Frist verstrichen und Petersen über die neue Entwicklung unterrichtet worden war, kündigte dieser schließlich Magistrat und Sandhagen seinen Aufbruch für den 4. Juli an und forderte, daß man ihn in sein A m t einführe. Als designierter Superintendent wurde er dann auch eine Meile vor Lüneburg v o m Sekretär Bernhard Friedrich Krüger empfangen und in einer vierspännigen Kutsche standesgemäß in die Stadt geleitet. 66 Mit dem Erscheinen Petersens in Lüneburg nahm der Konflikt die Z ü g e eines Schismas an. Zwei Superintendenten erhoben den Anspruch auf das Lüneburger Hirtenamt. Jeder wurde von einer anderen weltlichen Macht protegiert, die ihrerseits dabei auch um eigene Kompetenzen stritten. 67 U m Fürstl. Reg. an BuR von Lg., Celle, den 30. 6. 1688- StA Lg. BuR von Lg. an Fürstl. Reg., Lg., den 1. 7. 1688- StA Lg.; Actum, den 7. 7. 1688, p. 29StA Lg. und LB 1717, 101-104. 64 Actum, den 7. 7. 1688-StA Lg. Den Aufenthalt in Stargard bezeugen LB 1717, 83. 97. 107 (Bericht von Heiler) und BuR von Lg. an Fürstl. Reg., Lg., den 1. 7. 1688. Nach MÜLLER, Geistliche 2, 1912, 566 hat sich Sandhagen am 1. Mai 1688 den Pröpsten Hinterpommerns vorgestellt. 65 LB 1717, 101, wonach Petersen vor seiner Ankunft in Lüneburg am 4.7. weitere acht Wochen gewartet hatte; vgl. J. W. Petersen an BuR von Lg., Eutin, den 29. 6. 1688-StA Lg. und L B 1717, 83. 66 LB 1717, 82f. 86 (Petersen an Sandhagen, Eutin, den 29. 6. 1688- nicht überliefert) und J. W. Petersen an BuR von Lg., Eutin, den 29. 6. 1688- StA Lg., wonach (p. 3 „bei gegenwertiger post") das Datum in L B 1717, 86 zu korrigieren ist; vgl. die positive Antwort des Rates, Lg., den 2. 7. 1688- StA Lg. Der Absatz in L B 1717, 85f. ist eine proleptische Kurzfassung der S. 86ff. beschriebenen Ereignisse. 6 7 Zum Druck der Regierung s. LB 1717, 89f. 97f. Das dort genannte „Rescript" ist: Fürstl. Reg. an BuR von Lg., Celle, den 4. 7. 1688; vgl. Petersens Stellungnahme in L B 1717, 94f. 62 63

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die verwickelte Situation zu lösen, ging der Lüneburger Magistrat zunächst auf die zwischen Petersen und Sandhagen vermittelnden Vorstellungen der Fürstlichen Regierung ein. Petersen sollte vorläufig in Lüneburg oder U m gebung in einem anderen Amt untergebracht werden. Später schlug die Regierung eine alternierende Verwaltung der Superintendentur vor. 6 8 In Celle betrieb besonders der Geheime Rat von Bernstorff die Beibehaltung Sandhagens. 6 9 Petersen stieg, nachdem er den Superintendenten des Klosters Lüne, Lie. Heinrich Wilhelm Scharff, besucht hatte, in Lüneburg bei G. Heiler ab, seinem alten Bekannten aus Frankfurter Tagen, da Sandhagen die Superintendentur noch nicht geräumt hatte. Für den 6. Juli bittet der Rat Petersen zu einer Besprechung, bei der man seine Vokation mit den Wünschen der Regierung in Celle fur Sandhagens Verbleib in Lüneburg zu vermitteln sucht. 70 Die Bürgermeister Johann Reinbeck und Brand Ludolff Stöterogge, der 1. Syndikus Tobias Reimers und die Ratsherren Christian Pape und Ludolff von Töbing bemühen sich, Petersen dazu zu bewegen, Sandhagen neben sich auf der Superintendentur zu dulden. Man unterbreitet ihm den Vorschlag einer (wöchentlich oder vierteljährlich) alternierenden Amtsführung. Petersen jedoch gibt in keinem Stück nach, indem er auf seine ordentliche Berufung und Gottes Ehre, die Gefahr von Parteiungen in der Stadt, die Brüskierung seines ehemaligen Herrn und Sandhagens eigenwilliges und ungerechtfertigtes Verhalten verweist. Nach der so ergebnislos verlaufenen Ratssitzung sucht Petersen seinen Kontrahenten in der Superintendentur auf, w o es in Anwesenheit von Johann Gabriel Sandhagen, dem Halbbruder des Superintendenten und späteren Widersacher Petersens, zu einer heftigen Auseinandersetzung kommt. 7 1 Dabei erhebt Petersen (nicht weiter nachgeprüfte) Vorwürfe gegen Sandhagen im Zusammenhang mit dessen Berufung nach Stargard und seiner anschließenden Resignation. A m folgenden Tag findet eine ähnliche Beratschlagung des Magistrates mit Κ. H. Sandhagen statt. Darin verwahrt sich Sandhagen gegen den inzwischen lautgewordenen Vorwurf, er habe über einen Dritten um seine Befreiung aus brandenburgischen Diensten durch den Landesherren Georg Wilhelm gebeten. 72 U m seine Sache zu befördern, schaltet Petersen schließlich seinen früheren Herrn August Friedrich ein, der in Celle brieflich vorstellig wird. 7 3 Nach der einmal erfolgten Vokation und Demission PeterFürstl. Reg. an BuR von Lg., Lg., den 4. 7. 1688- StA Lg. Darauf deuten a) das nicht überlieferte „Particularschreiben" (LB 1717, 101), b) LB 1717, 120, wo von Bernstorffund Christian Ulrich von Wackerbard als Intriganten genannt werden, c) die Haltung der übrigen Konsistorialen (s. u.) und d) von Bernstorffs unten zitierter Brief vom 31. 7. 1688. 7 0 LB 1717, 86f. und Actum, den 6. 7. 1688 (mit leichten Varianten abgedruckt in LB 1717, 9 2 - 1 0 0 und Annalen 9, 1795, 412-419) - StA Lg. 71 LB 1717, 100-106. 72 Actum, den 7. 7. 1688- StA Lg.; vgl. LB 1717, 95 ( = Actum, den 6. 7. 1688- StA Lg.). 73 LB 1717, 100; August Friedrich an Georg Wilhelm, Eutin, den 11. 7. 1688-überliefert nur 68

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sens beharrt auch der Bischof von Lübeck auf der Investitur, um so mehr, als er sich schon um einen Nachfolger fur Petersen in Eutin bemüht hatte. 74 Nach den vergeblichen Versuchen, Petersen Zugeständnisse abzuringen, und nach dem Brief des Lübecker Fürstbischofs blieb dem Rat nichts anderes übrig, als das Berufungsverfahren weiter seinen Lauf nehmen zu lassen.75 So reiste Petersen am 13. Juli mit dem Bürgermeister Reinbeck und dem Präsentationsschreiben der Stadt Lüneburg nach Celle und begab sich zum Geheimen Rat von Bernstorff, der ihn nochmals zum Nachgeben aufforderte.76 Einige Tage später (am 22. Juli?) legte Petersen seine Probepredigt ab und führte am 30. Juli mit dem Celler Ministerium ein Kolloquium, in dem er seine dogmatische Rechtgläubigkeit und Gewandtheit zu beweisen hatte. Petersen hatte darum gebeten, das Kolloquium am folgenden Tag in aller Frühe durchzuführen, da er wegen einer Fehlgeburt seiner Frau nach Hause eilen mußte. Darauf beschloß man, die Unterredung noch fur denselben Abend und gegen die Gewohnheit im Hause des Generalsuperintendenten anzusetzen. 77 Nach Petersens Bericht unterhielt man sich in Celle - im ganzen einmütig — über die aktuellen theologischen Fragen, wie die Auseinandersetzung zwischen Dilfeld und Spener, ob Gottes Wort nur von erleuchteten Predigern gepredigt werden könne. Das Thema scheint also auch acht Jahre nach dem sogenannten ersten pietistischen Streit noch brisant gewesen zu sein. Auch die Exegese einzelner alttestamentlicher Prophetien (Ps 72, Gen 9, 22), die als Beweis für Speners „Hoffnung auf eine bessere Zeit für die Kirche" und seine Erwartung einer Juden- und Heidenbekehrung herangezogen wurden, standen zur Diskussion. 78 Hinsichtlich des Streites mit Sandhagen scheinen die Mitglieder des Konsistoriums in Celle, Generalsuperintendent J. Hildebrandt, W. L. Fabricius, Hofrat P. Püchler, G. Molanus und K. von Schräder, den Anspruch Petersens als rechtmäßig anerkannt zu haben. 79 Es kam auch noch zu einer zweiten Begegnung Petersens mit G. A. von Bernstorff in Anwesenheit der Herren von Gerstorff und Fabricius sowie zu Gesprächen mit dem Konsistorialen Johann Bringmann und dem als Abdruck in LB 1717, 109f. Petersen überbrachte selbst das Schreiben in Celle: LB 1717, 114; vgl. BuR von Lg. an Fürstl. Reg., Lg., den 13. 7. 1688- StA Lg. 74 Petersen hatte schon s. Abschiedspredigt gehalten (LB 1717, 82); sein Nachfolger wurde Christian Specht (LB 1717, 123f.; vgl. J. W. Petersen an Reinbeck, Eutin, den 9. 3. 1688- StA

Lg.). 75

Ankündigung der Präsentation in: BuR von Lg. an Fürstl. Reg., Lg., den 11.7. 1688- StA

Lg76

J. W. Petersen an Bernstorff, Celle, den 31. 7. 1688-NHSA. LB 1717, 111-123. Akten der ebd., 120 erwähnten Konsistorialsitzung sind nicht erhalten (s. Handschriftliche Quellen: Hannover, Landeskirchliches Archiv). Die Bestallungsakte für Petersen befindet sich in: NHSA, Dep 83 III, 478 Vol. III, Nr. 3. Das Datum des Kolloquiums nach Actum Celle, den 30. 7. 1688- N H S A (aaO, Bl. 40-41); vgl. J. W. Petersen an Bernstorff, Celle, den 31. 7. 1688- NHSA (aaO, Bl. 42). Das Präsentationsschreiben: BuR von Lg. an Georg Wilhelm, Lg., den 13. 7. 1688- StA Lg. 78 LB 1717, 120. 122. 79 LB 1717, 113f. vgl. 120. 77

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späteren Generalsuperintendenten Franziskus Eichfeldt, in denen auch Sandhagens Verhalten in der Stargardischen Berufungsangelegenheit von Heiler ans Licht gebracht wurde. 8 0 N o c h einmal bemühte sich die Regierung u m einen Kompromiß und hoffte auf eine Einigung zwischen Petersen und dem aus Lüneburg auf fürstlichen Wunsch angereisten Sandhagen. Aber es scheint zwischen beiden zu keinem Gespräch mehr gekommen zu sein. 81 Nachdem Petersen das Corpus Doctrinae Luneburgicae unterschrieben und sich zu der fürstlichen Resolution von 1639 verpflichtet hatte, erfolgte am 31. Juli die Bestätigung des Herzogs und die Aufforderung an die Stadt Lüneburg, ihn „dem herkommen nach" einzuführen und sein A m t antreten zu lassen. 82 Während seines Aufenthaltes in Celle hat Petersen v o m 22. bis 24. Juli Freunde aus seiner ehemaligen Gemeinde in Hannover besucht. Genannt werden der Abt von Loccum, Gerhard Wolter Molanus, die Witwe seines Vorgängers, Margarethe Elisabeth Kotzebue, und ihre Familie sowie Friedrich Adolph Hoysen und die Familie des verstorbenen Hannoverschen Bürgermeisters Georg Thürke, auf dessen Tod Petersen ein Leichencarmen geschrieben hatte. 83 Wie berichtet, versuchte Bernstorff noch während des Berufungsverfahrens einen modus vivendi für die beiden Superintendenten in Lüneburg zu finden. Freilich war man auch in Celle an das ordentliche Verfahren gebunden und konnte die v o m Lüneburger Magistrat betriebene Konfirmation Petersens nicht länger verzögern. Als sich Bernstorff nicht durchzusetzen vermochte, bemühte er sich, Sandhagen wenigstens noch für eine Übergangszeit in Lüneburg zu halten, bevor man ihn anderweitig unterbringen konnte. Sein Brief v o m 31. Juli 1688, der als Begleitschreiben zu der Konfirmation durch Herzog Georg Wilhelm in Lüneburg einging, schränkt ihre bedingungslose Geltung ein. Es muß offen bleiben, ob von Bernstorff dies auf eigene Initiative und Verantwortung tat: L B 1717, 1 1 4 - 1 1 6 . 1 2 0 - 1 2 3 . L B 1717, 117f. und Fürstl. Reg. an B u R von Lg., Celle, den 20. 7. 1688 - StA L g . ; vgl. Spener, LBed. 1, 1711, 4 0 3 - 4 0 5 : [ A n J . G. Sandhagen,] den 18. 7. 1688. 8 2 Georg Wilhelm an B u R von Lg., Wienhausen, den 31. 7. 1688- StA Lg. und N H S A (aaO, Bl. 45). Das den Superintendenten in Celle zur Unterschrift vorgelegte „ C o r p u s " mit der in L B 1717, 122 wiedergegebenen Verpflichtung Petersens wurde nicht ermittelt. Danach bekannte sich Petersen, wie in Braunschweig-Lüneburg üblich (RITSCHL 2, 1884, 1 lOf.), zur Schrift als „norma n o r m a n s " und zur Geltung der Bekenntnisschriften „quatenus". Vgl. noch die Subskription unter die Lüneburger Kirchenordnung ( N S u U B Göttingen: 8° C o d . M S . jurid. 170a). 8 3 L B 1717, 117f.; vgl. Werkverzeichnis. Zur Bekanntschaft Petersens mit Molanus und der Witwe Kotzebue geb. Engelbrechts. Spener an Petersen, Frankfurt, den 16. 3.1678- AFSt A 1 9 6 , p. 87f. Ihre Kinder waren: Johann Wilhelm, Christian Burchard, Georg Carl und Margarethe Emerentien (Widmung des S K 1685 im Exemplar der L B Hannover). Hoysen war wohl Konrektor und gehörte nach den Aufzeichnungen Brecklings (FoB Gotha, Chart Β 962, Bl. 7a) neben dem späteren Superintendenten Konrad Gottfried Blanckenberg (MEYER, Pastoren 1, 1941, 529) und Heinrichjohann Deichmann in Einbeck zu den hannoverschen Pietisten. Von der Familie Thürke lebten 1677 noch die Brüder Henningjohann, Melchior Eberhard, Antonjohann und J o b s t Dietrich s. LP T(h)ürke, S. [2] und Personalia xiiia ( N S u U B Göttingen). 80 81

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„Alß es aber, wie ihm [seil. Georg Wilhelm] auch mundlich angezeiget worden, die meinung nicht hat, daß ietz beweiter Herr Dr. Johan Wilhelm Petersen so fort würcklich in das Ambt treten, sondern derselbe biß bevorstehenden Michaelis, da der Superintendens Herr Caspar Herman Sandhagen anderweitig mögte accomodiret werden können, seine überkunfft und antretung des dienstes anstehen laßen möge, So haben wir Euch gleichfalls hirmit kundmachen wollen, und werdet ihr dafür zu sehen haben, daß solches also geschehe, mit dem fernem bedenken, daß im fall wieder verhoffen ged. Superindendens Herr Caspar Herman Sandhagen anderweil nicht accomodiret werden solte, man auff ein solch temperament zu gedencken habe, daß derselbe, alß welchen unsers gnädigsten Fürsten und Herrn Durchl. so woll wegen seiner bekannten guten qualitaten, alß auch sonderbahren von dem höchsten Gott ihm verliehenen gaben, und wißenschafft in Heil. Schrifft, so wenig zu verstoßen gemeint, alß auch die Stadt in ansehung der hiesigen Gemeinde in die 14 und mehrjahr geleisteten nutzlichen und treueifrigen Seelendienste ihn auff einige Zeit noch, zu schuldiger danckbarkeit, an hand zu gehen, sich mit fug wird äußern oder entziehen, auff einige zeit und biß sein anderwertiges accommodement, wes fals man sich möglichst bemühen wird, sich herfur thun mögte, nebst mehrerwehnten Herrn D. Johan Wilhelm Petersen bey behalten werden möge, wobey iedoch Sr. Durchl. wie es solchen fals unter ihnen in ein und andern gehalten werden solle, damit collisiones wieder wille und ander ergerniß vermieden werden mögen, Ihro die Fürstl. Verordnung vorbehalten haben wollen". 84 S o k e h r t e Petersen a m 31. J u l i v o r l ä u f i g n a c h E u t i n z u r ü c k u n d k o n n t e erst a m 4. A d v e n t (22. D e z e m b e r ) 1688, also erst 12 W o c h e n n a c h M i c h a e l i s , sein L ü n e b u r g e r A m t antreten. S a n d h a g e n hatte sich a m 3. A d v e n t m i t einer P r e d i g t ü b e r Phil 1, 2 u n d 2 K o r 13, 13 v o n seiner b i s h e r i g e n W i r k u n g s s t ä t t e v e r a b s c h i e d e t . B e v o r er sein i h m s c h o n 1684 a n g e t r a g e n e s A m t als G e n e r a l s u p e r i n t e n d e n t S c h l e s w i g s in G o t t o r f n a c h d e m A l t o n a e r V e r g l e i c h (1689) zwischen d e m Hause Schleswig-Holstein-Gottorf und Dänemark ausüben k o n n t e , w u r d e er K o n s i s t o r i a l e r u n d P f a r r e r an der S t a d t k i r c h e in C e l l e . 8 5 Sein K o m m e n m e l d e t A n d r e a s R e i n b e c k , ein B r u d e r des L ü n e b u r g e r B ü r g e r m e i s t e r s , in e i n e m B r i e f v o m 16. D e z e m b e r 1688 aus C e l l e an H e r m a n n v o n der H a r d t : „ S u p e r i n t e n d e n t D . S a n d h a g e n w i r d in diesen T a g e n v o n L ü n e b u r g z u u n s k o m m e n , er w i r d an einzelnen M i t t w o c h e n , die m a n f e s t l e g t , u n d j e d e n w i e d e r k e h r e n d e n dritten S o n n t a g u m die M i t t a g s z e i t v o n der K a n z e l das V o l k unterrichten u n d B e i s i t z e r des K o n s i s t o r i u m s s e i n . " 8 6 Petersen trat also sein A m t unter e r s c h w e r t e n B e d i n g u n g e n an. Vielleicht w ä r e es r a t s a m e r g e w e s e n , a u f die V o k a t i o n z u verzichten als in die A u s e i n a n d e r s e t z u n g z w i s c h e n d e m L ü n e b u r g e r R a t u n d der cellischen R e g i e r u n g zu g e r a t e n . A b e r d a z u f ü h l t e sich Petersen zu sehr i m R e c h t ; sein m o r a l i s c h e s B e w u ß t s e i n u n d die o r d e n t l i c h e B e r u f u n g f o r d e r t e n , daß dieses R e c h t k o m promißlos gewahrt wurde. Aber welchen Eindruck mußte Petersen auf seine n e u e G e m e i n d e m a c h e n , w e n n er sich g e g e n d e n beliebten Κ . H . 84

StA Lg. und NHSA (aaO, Bl. 43f.); vgl. LB 1717, 123.

85

Z u m A l t o n a e r Vergleich s. KELLENBENZ 1986, 2 1 7 - 2 2 7 .

86 LB Karlsruhe 319 (p. 3): „D. Superint. Sandhagen hisce diebus Luneburgo ad nos transibit, singulis diebus Mercurij, quos vocant, et tertio ordine recurrente die Dominico ä meridie ex cathedra populum docebit et Consistorij Dioecesis Assessor erit." Zu Sandhagens Berufung nach Celle s. „Revers der Fürstl. Regierung, 1689" im StA Celle; MEYER, Pastoren 1, 1941, 161-165 und 3, 1953, 31 ist zu berichtigen. Vgl. Bertram, Lüneburg 1719, 248f.

214

Sandhagen auf diese Weise geradezu in sein A m t klagte? Wie standen seine künftigen Kollegen zu dieser ganzen Angelegenheit? Konnten sie sich unter diesen unwürdigen Umständen nicht in ihrer Position gestärkt sehen? Die Fragen machen deutlich, daß es fur Petersen nun darauf ankam, alle Beteiligten in Lüneburg, besonders aber den Magistrat, davon zu überzeugen, daß sich seine Wahl und deren Durchsetzung gegenüber dem früheren Amtsinhaber Sandhagen gelohnt hatten. Der Rat der Stadt war ihm die entscheidende Stütze in dieser Auseinandersetzung gewesen. Auf ihn wäre auch weiterhin zu bauen. D e m Geistlichen Ministerium hätte gezeigt werden müssen, daß es einen würdigen Nachfolger für Sandhagen bekommen hatte, auch wenn es selbst an Wahl und Berufung nicht beteiligt worden war. Petersen aber hatte für solche im weiteren Sinne politischen Überlegungen kein Gespür. Gleich bei seinem Amtsantritt setzte er sich über das Herkommen hinweg, indem er dem Ministerium die üblichen Probepredigten versagte. 8 7 Er tat dies mit der brüskierenden Begründung, daß er schon v o m Herzog bestätigt worden sei, sich also keinem Urteil der Pfarrerschaft zu unterziehen brauche. In seiner Antrittspredigt am 4. Advent 1688 sprach Petersen nicht über den ihm v o m Ministerium vorgelegten Text R o m 7, 14ff., sondern hielt statt dessen eine in den Augen seiner Kollegen „stachlige und ruhmsüchtige" Predigt über IKor 2, Iff. 8 8 Freilich stellte schon die Perikope, die das Ministerium für die Probepredigt vorgesehen hatte, eine Provokation dar, wenn man bedenkt, daß die Interpretation von R o m 7 und damit das paulinische Verständnis von „Wiedergeburt" so etwas wie ein Schibboleth für die lutherische Orthodoxie gegenüber Schwärmern und Sozinianern darstellte. Wußte man in Lüneburg von Petersens eigenwilliger Interpretation der Stelle? Leider ist uns die Antrittspredigt Petersens nicht überliefert. Auf Grund der ausgewählten Perikope wird man schließen dürfen, daß der neue Lüneburger Superintendent wieder über das DilfeldThema sprach und damit seine Kollegen mit der Frage ihrer geistlichen Vollmacht für die Erkenntnis der Schrift konfrontierte. Es war daher nicht verwunderlich, daß der in j e d e m Fall unvermeidliche Prestigekampf zwischen Superintendenten und alteingesessenem Geistlichen Ministerium nun erst recht angefacht wurde, der doch bestenfalls zu einer gerechten K o m p e tenzverteilung fuhren konnte. In seinem Lebensrückblick erscheint dem 68jährigen Petersen sein Weg 8 7 Zu der Regelung s. BuR von Lg. an J. W. Petersen, Lg., den 31. 1. 1688- StA Lg. Nach Minist, v. Lg. an Minist, v. Lübeck, Lg., den 6. 2. 1690- Sammlung 1750, 38 (EphA Lg., p. 2) erließ einer der Konsuln, wahrscheinlich Reinbeck, Petersen die Probepredigt. 8 8 Minist, von Lg. an Minist, von Lübeck, Lg., den 6. 2. 1690- Sammlung 1750, 38—40 (und EphA Lg.); eine andere Einschätzung seiner Predigt gibt Petersen in seinem Brief an die Fürstl. Reg., Lg., den 30. 3. 1690, §20-EphA Lg. Zu Einzelheiten: Petersen war zwei Tage vorher, am 20. 12., in Lüneburg angekommen (s. o., Sammlung 1750, 38) und wurde (vgl. L B 1717, 123f.) erst nach seiner Predigt vom Ministerium „recipiret" (Minist, von Lg. an Minist, von Lübeck, s.o.). Petersens Ansprache wird auch genannt in H. Dithmers Chronik- N S u U B Göttingen (2° Cod. Ms. hist. 355, S. 378).

215

nach Lüneburg als ein Leidensweg in der Nachfolge Christi, gekennzeichnet durch böswillige Verfolgung und ungerechte Verurteilung. Man wird nicht sagen können, daß Petersen dieses Ende von vornherein gesucht habe. Er tat aber auch nichts, die auftretenden und vielleicht unvermeidlichen Spannungen mit Rücksicht auf das höhere Ziel einer inneren Reform des Kirchenwesens zu mildern oder zu beseitigen. Im Gegenteil verschärfte er sie durch starres Prestigedenken und die unbeirrbare Überzeugung von seiner religiösen und moralischen Integrität. Petersens Bekennerhaltung ließ ein planvolles politisches Handeln, ließ vorsichtiges Taktieren und (vorläufige) Kompromisse nicht zu. Gerade aber die Lüneburger Verhältnisse erforderten, anders als die am Eutiner Hof, ein waches Auge für politische Bündnisse, wollte man bestimmte Ziele erreichen und Reformen durchsetzen. In der Cooperatio von Gott und Mensch überließ Petersen allzuviel der göttlichen Vorsehung, die er mit der eigenen constantia et fortitudo zu ehren meinte. Er ist darin noch ein Kind des voraufklärerischen Jahrhunderts. Die Unfähigkeit und wohl auch Unwilligkeit, seine persönlichen Vorstellungen im Blick auf die konkreten Möglichkeiten zu modifizieren, führten zu einer Art des Streitens und zu einem Absolutheitsanspruch, die - verbunden mit neuen religiösen Ideen - schon in sich den Keim des Separatismus tragen. Petersens Tendenz zur Separation ist freilich nicht kirchenkritisch, er dichtet keine Babelsgesänge auf die lutherische Kirche, wie das Gottfried Arnold getan hat. Er trennt sich nicht einmal äußerlich von der Kirche, besucht auch nach seiner Amtsenthebung Gottesdienste und bemüht sich sogar später noch um ein kirchliches Amt. In seiner Lebensbeschreibung macht er nicht die Kirche, sondern konkrete Personen für seine Vertreibung aus Lüneburg haftbar. Aber weil er für den Auftrag der Kirche als dem regnum gratiae keinen Sinn hat, tritt er in innerliche Distanz zu der äußerlich verfaßten Kirche. Für sich selbst meint er, auch ohne Kirche seiner Vorstellung von einem wiedergeborenen Christen gerecht werden zu können, und für die Kirche als Gemeinschaft der Heiligen wartet er auf das Tausendjährige Reich als Ort dieser Verwirklichung. Eine Randbemerkung sei hier erlaubt. In der wissenschaftlichen Literatur wird Ph. J. Spener gerne als ein immer auf Ausgleich bedachter, eher zögerlicher Mann geschildert, dem es an klarer Durchsetzungskraft fehle. 89 Der Initiator der zweiten protestantischen Reformation erscheint damit geradezu als Gegenbild Martin Luthers. Vor dem Hintergrund von Petersens Weg in Lüneburg wäre zu fragen, ob eine solche Charakterisierung Spener gerecht wird. Oben wurde bereits die Vermutung geäußert, daß Spener bei der Gestaltung der Collegia pietatis keineswegs so passiv war, wie es den Anschein hat. Auch die Praxis, wie Spener seine einflußreichen Ämter bei der Besetzung von Pfarrstellen geltend zu machen wußte, spricht gegen ein solches Spenerbild. Vergleicht man Speners und Petersens Wirken, ist es 89

216

Vgl. ζ. B.

GRÜNBERG

1, 1893, 369f. und

ALAND,

Anfänge 1977/78, 177.

nicht mit einem Verweis auf die unterschiedlichen Temperamente getan. Dem unterschiedlichen Auftreten entspricht vielmehr die unterschiedliche Konzeption ihrer jeweiligen Eschatologie. Wer wie Spener das Reich Gottes in der Geschichte und unter ihren Bedingungen erwartet, der wird bei aller geglaubten Teleologie nicht auf die eigene, planvolle Mitarbeit verzichten, eben weil es um eine immanente, unter den Bedingungen des Gnadenreiches sich vollziehende Entwicklung geht. Er wird deshalb in der Regel zweckorientiert und diplomatisch vorgehen. Deshalb wird man den im eigentlichen Sinn fortschrittlichen Geist, der Ph. J. Speners Hoffnung besserer Zeiten eignet, auch darin sehen dürfen, wie der Frankfurter Senior zur Kritik an seinen Reformvorschlägen einlädt und sich bereit erklärt, seinen Sinn zu ändern. 90 Wer umgekehrt wie Petersen ein Tausendjähriges Reich nach Christi Wiederkunft und im Zusammenhang einer ersten Totenauferstehung erwartet und damit von dem Ende der Geschichte ausgeht, der wird dieser Welt keine grundsätzliche Verbesserungsfähigkeit zusprechen können, an ihrer Veränderung nicht mitwirken, sondern vor allem seine Seele retten. Die weitere Entwicklung Petersens in Lüneburg sollte dies zeigen.

II. Erste Konflikte Der

in der

Amtsfiihrung

Komödienstreit

Es war noch kein ganzes Jahr seit seinem Amtsantritt vergangen, als Petersen glaubte, seine geistliche Autorität eines Superintendenten gegenüber der weltlichen Obrigkeit, dem Magistrat der Stadt Lüneburg, behaupten zu müssen. Laut Ratsprotokoll vom 24. September 1689 bat damals eine Schauspielertruppe um die Erlaubnis, während des Michaelisjahrmarktes „agiren" zu dürfen. 91 Ohne größere Bedenken und ohne Absprache mit den Geistlichen, so scheint es, gab der Rat den Schauspielern sein Einverständnis. Wie oft dergleichen vorkam, ist ungewiß. Lücken in den Ratsprotokollen und die routinehaft erteilte Genehmigung lassen vielleicht auf einen üblichen Vorgang schließen. 92 Dagegen spricht freilich die Aussage des Rats, wonach die Komödianten „nach langem inständigen und beweglichen sollicitiren [... ] die permission einige wenige comoedien, welche vorhero censuriret worden zu spielen erhalten" haben. 93 Nachweisbar ist vor diesem 90 PD 4, 3 8 - 5 , 12. Vgl. Cons. 3, 1709, 9 0 - 9 3 bes. 93b: „Monentibus cedam lubentissime, & vel publice, si ita necesse sit, mutabo mentem, si meliora monstrentur. Causa DEI est, in qua privato nihil affectu fueri debet". 91 Ratsprotokolle 1643-1799- StA Lg. und Acta von Commödianten, Lg., den 8. 11. 1689. Auszüge der Ratsprotokolle (vom 3., 15. und 31. 10. 1689) und der Kommödiantenakte (J. W. Petersen an BuR v. Lg., Lg., den 18. 9. 1690; ders. an G. Busche, Lg., den 2. 10. 1689; Replik

d e r D e p u t i e r t e n , S e p t . 1690) b e i GAEDERTZ 1 8 8 8 , 5 5 - 1 2 4 b e s . 1 1 5 - 1 1 8 . V g l . MAGNUS 1 9 6 1 , 2 1 7 . 92 93

MAGNUS 1961, 209-211. 217. Replik der Deputierten, den 26. 9. 1690- StA Lg.

217

Zeitpunkt als letztes Ensemble dasjenige des Prinzipals Andreas Elenson, der 1682 die Spiellizenz erhalten hatte. 94 In der Amtszeit Petersens aber war es nun das erste (und letzte) Mal, daß eine Schauspieltruppe ihre Stücke dem Lüneburger Publikum präsentieren durfte. Erst Anfang 1692, als Petersen schon wegen seines Konsistorialprozesses in Celle weilte, kamen unter Melchior Hart nachweislich wieder Komödianten in die Stadt. 95 Die moralischen Vorbehalte der Zeit gegen das aufkommende, professionelle Theaterspiel und seine meist durch die Lande ziehenden Akteure sind bekannt. 96 Häufig erregte das Repertoire der Komödianten, ihre Possen und Schwänke, die manchen christlichen Wert der Lächerlichkeit preisgaben, den Unwillen der für die öffentliche Moral zuständigen Geistlichen. Solange man die Funktion des Theaters nach humanistischer Vorstellung in der im engeren Sinn moralischen Erziehung sah, konnte man Stücke, die darstellten und dazu anleiteten, „wie ein Sohn seinen Vater betriegen solte", nicht billigen. 97 N u r in der Schule hatte das Theater einen anerkannten Platz. Hier diente die dramatische Gattung gleichermaßen der rhetorischen Ü b u n g des Schülers wie der Selbstdarstellung der Schule. Die Verwurzelung des Theaters in der schulischen Erziehung bildete die dort eigentümlichen Formen des Theaterspiels aus. Für Lüneburg läßt sich dies schlaglichtartig an der unterschiedlichen Theaterpraxis der aristokratischen Ritterakademie einerseits und der bürgerlichen Johannisschule andererseits zeigen. Im Lehrbetrieb der Ritterakademie des Michaelisklosters, w o die jungen Adelssöhne des Herzogtums zu Kavalieren im französischen Geist herangebildet wurden, galt dem Tanzunterricht ein besonderes Augenmerk. Französische Tanzmeister wurden engagiert, um die Zöglinge in standesgemäßem „Auftreten" zu unterweisen. So stand in der Ritterakademie das Ballet, v o m musikalischrhythmischen Gebärdenspiel bis zum eigentlichen Tanz reichend, im Mittelpunkt der Theaterauffuhrungen. Das Ballett entwickelte dabei keine eigene, kontinuierliche Handlung, sondern stellte nur in einzelnen Szenen, den sogenannten Entrees, Illustrationen meist mythischen oder allegorischen Inhalts zu einem rezitierten Text dar. 98 An der Johannisschule dagegen zählte die Auffuhrung von klassischen Tragödien und Komödien zur sprachlichrhetorischen Ausbildung der Bürgersöhne. D e m in diesen Kreisen gepflegten humanistischen Interesse an der Sprache entsprechend hatten die Schüler die Rollen nur zu deklamieren; an eine spielerische Darstellung, an ein „Agieren" also, wie es die herumziehenden Komödianten pflegten, war zunächst nicht gedacht. Erst nach dem großen Krieg gelang es dem Kantor Michael Jacobi (1618—1663), die Einwilligung des Rates für ein wirkliches 94

MAGNUS 1961, 2 2 7 - 2 3 2 .

95

MAGNUS 1961, 232f.

96

Vgl. MAGNUS 1961, 252.

97

LB 1717, 130.

98

N ä h e r e s b e i M A G N U S 1 9 6 1 , 88FF.

218

Theaterspiel zu erwirken. Der Theaterleidenschaft der Jugend folgend, brachte er in den Jahren 1656 und 1663 mit seinen Schülern auf dem Schütting, dem städtischen Gesellschaftshaus, verschiedene Dramen auf die Bühne. Aber schon diese schauspielerischen Unternehmungen des Johanniskantors, der sich immerhin einen engen Freund des gefeierten, geistlichen Liederdichters Johann Rist (1607—1667) nennen durfte, wurden von der Lüneburger Geistlichkeit nur widerwillig geduldet." In den achtziger Jahren scheinen die Schülertheater solcher Art keinen Anstoß mehr erregt zu haben. 100 Gerade in der Zeit, in der Petersen den Komödienstreit vom Zaune brach, war man seitens der Johannisschule an den Rat herangetreten, „den Scholaribus das spielen zu permittiren", während die Deklamation der Komödien schon in den Schulgesetzen verordnet war. 101 Eine ähnliche Entwicklung der allmählichen Anerkennung nahm das Theaterspiel von herumziehenden Komödianten und professionellen Schauspielern. Bis in die achtziger Jahre des 17. Jahrhunderts war der Lüneburger Rat eher zurückhaltend bei der Erteilung von Spielkonzessionen. Von den zwischen 1648 und 1679 vierzehn aktenkundigen Spielanträgen wurden fünf abgeschlagen und nur drei nachweislich bewilligt, davon einer aufdringliches Ersuchen der Landesregierung in Celle. In fünf Fällen ist die Entscheidung des Rates unbekannt, und in einem weiteren Fall handelt es sich um die zum braunschweig-lüneburgischen Hof gehörigen Komödianten, die sich im Winter 1668/ 69 in der herzoglichen Residenz in Lüneburg aufhielten. 102 Seit 1680 verfuhr der Lüneburger Rat auch bei den Wanderbühnen großzügiger, von denen sich einige schon einen seriösen Namen gemacht hatten. 103 Als Petersen nun von dem Spiel der Theatertruppe in seiner Inspektion an Michaelis 1689 erfuhr, erhob er sogleich heftigen Protest. Die Sorge um die Moral der Schuljugend trieb ihn zu diesem Schritt. Den Brand des Kopenhagener Opernhauses in eben demselben Jahr meinte er als Strafe Gottes und unzweideutige Warnung verstehen zu müssen. Anläßlich der Geburtstagsfeier von Christian V. von Dänemark im April 1689 war in Kopenhagen auf der Amalienburg ein Singspiel aufgeführt worden. Während der Auffuhrung war es zu einem Brand gekommen, der zweihundert Menschenleben gekostet hatte. 104 Wie berechtigt Petersens moralische Verurteilung der Schauspieler in diesem speziellen Fall war, ist nicht mehr festzustellen. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, daß es sich bei der fraglichen Truppe nicht um vagabundierende Komödianten gehandelt hat, sondern um durchaus ernst99 100

MAGNUS 1961, 5 8 - 8 0 . Vgl. MAGNUS 1961, 8 1 - 8 8 u n d 167ff.

101 Actum, den 8. 11. 1689- StA Lg. (Acta von Comödianten); vgl. Ratsprotokoll vom 31. 10. 1689 (GAEDERTZ 1888, 118): „Die Schüler zu St. Johannis primae Classis suchen ihnen zu vergönnen, daß Sie eine Comoedie spielen mögen [...]. Conclusion: Es soll die beliebte Conferenz mit den H. Geistlichen gehalten werden". 102 Zu den Hofkomödianten s. HAVEMANN 3, 1857, 427f. 103

MAGNUS 1961, 209ff.

104

L B 1 7 1 7 , 1 3 0 u n d GAEDERTZ 1 8 8 8 , 1 6 0 A n m .

10.

219

zunehmende Schauspieler. Während Petersens Kollegen in diesem Fall nämlich das Verhalten ihres Superintendenten mißbilligten, waren sie sich mit ihm in der Ablehnung von „herumziehenden Comoedianten" und deren „Possen" einig. 105 In einem Schreiben vom 2. Oktober 1689 an den geschäftsfiihrenden Bürgermeister (Director Curiae), Georg Busche, beruft sich der Superintendent, der Lüneburger Kirchenordnung folgend, auf sein göttliches Wächteramt (nach Ez 3,17ff) und verurteilt scharf die Erteilung der Lizenz.106 Noch entschuldigt er die Verantwortlichen mit ihrer Unwissenheit, warnt sie aber eindringlich vor weiterer Duldung dieser „possen und renke": „Ich zweiffle nicht wo sies für unrecht hielten, als es für Gottes angesicht ist, sie würden es nimmer loß gegeben haben." Allein es habe „die gewonheit der Gottlosen weit die abscheuligkeit dieser Sachen mit einem schein bedecket", daß sie nicht mehr als Sünde erkennbar sei. Im vergangenen Evangelium habe man von dem doppelten Weh über die Welt gehört (Mt 11, 2 0 - 2 4 par). Ein dreifaches Weh (Off 8, 13) werde auf diejenigen fallen, die solche Dinge wie das Komödienspiel gestatteten. Mit Hinweis auf Eph 5 mahnt Petersen zu einem gottgefälligen Wandel in Heiligkeit. Wenn schon „törichtes Geschwätz" oder „leichtfertiger Scherz" (Eph 5, 4) einem Christen nicht anstehen, wie wird er dann erst die groben Zoten meiden müssen, die dem Possenspiel erst eine einträgliche Anzahl an Zuschauern garantiere und daher nicht fehlen könne. Ja, „die Sehle des Poßenspiels besteht darin, das man dem fleisch eine kitzlung und lachen mache". Sollte diese „fleischliche" Gesinnung der Dank dafür sein, daß Gott Stadt, Land und Familie vor so viel Übel bewahrt habe? Sollte sie die Frucht des Evangeliums und des wiedergeborenen Christen sein? Ihn erinnere diese Leichtfertigkeit an die Sicherheit der Menschen zur Zeit Noahs, die „ietzo auch unser Stadt überschwemmet hat, darauf nichts anders alß eine sündfluth des Zorns Gottes des allmächtigen kommen kan, der bereit ist zu richten der lebendigen und der toten". 107 Petersen hatte mit seiner schriftlichen Eingabe keinen Erfolg. Seine warnenden Worte fanden kein Gehör, weil man dem von ihm hergestellten Nexus von Komödienspiel und Gottesstrafe hinsichtlich des Kopenhagener Unglücks nicht folgen konnte und wollte. Die behauptete Kausalität war keineswegs eindeutig, so daß die einmal den Schauspielern erteilte Genehmigung nicht widerrufen wurde. Der Superintendent sah sich nun zu einer öffentlichen Strafpredigt veranlaßt. Statt sich aber mit seinen Kollegen über ein gemeinsames Vorgehen abzustimmen und zu einigen, verlangte er von 105

Actum, den 8. 11. 1689 (Buno und Riekmann)- StA Lg.(Acta von Comödianten). Z u m Wächteramt s. unter „Kirchenzucht" in der Lüneburger K O von 1575-SEHLING 6.1, 1955, 679. Petersens Brief als Kopie Petersens in: J. W. Petersen an Fürstl. Reg., Lg., den 18. 9. 1690, Beilage Β (p. 1 4 - 1 6 ) - StA Lg.; entsprechend ist REINECKE, Geschichte 2,1933, 307, letzte Zeile zu korrigieren. 107 Die Sintflut als Beispiel für eine Gottessträfe auch in der Lüneburger K O von 1575 (unter „Kirchenzucht")- SEHLING 6.1, 1955, 681. 106

220

ihnen, daß sie in ihrer Sonntagspredigt das Komödienspiel anprangern sollten. 108 Diese aber wollten Petersen nicht „beitreten", worauf sich der Superintendent seinerseits heftig entrüstete. 109 Petersen selbst griff von der Kanzel aus das Komödienwesen aufs schärfste an, indem er es in Anlehnung an Tertullian (ca. 160-um 220) als Teufels werk und als „Teuffels Capelle" brandmarkte, die von den „permittentes" [seil, die den Komödianten die Lizenz gegeben hatten] gestiftet worden sei. 110 Schließlich verweigerte der streitbare Petersen denen, die die Komödien zugelassen hatten, wie den Komödienbesuchern sogar den kirchlichen Segen und griff damit zu einem Mittel der schon ungewöhnlich gewordenen Kirchenzucht. 1 1 1 Ü b e r den Ausgang dieser Konfrontation zwischen Petersen und dem Lüneburger Rat sind wir nicht im einzelnen unterrichtet. Auch über die Wirkung auf die Lüneburger Gemeinde kann man nur spekulieren. 1 ^ J e d e n falls hatte sich Petersen mit seinem rigoristischen Vorgehen manchen Ratsherren zum Feinde gemacht. Der auf seine Autorität gegenüber Landesherren und Bürgerschaft argwöhnisch achtende Magistrat konnte sich eine solche Strafpredigt seines Superintendenten, konnte sich den Vorwurf eines unchristlichen Handelns nicht gefallen lassen. Zudem hatte Petersen in seiner Predigt den 1. Syndikus, Tobias Reimers, der das Theaterspiel besucht hatte, durch eine öffentliche Verurteilung (elenchus personalis) bloßgestellt, so daß dieser auch eine persönliche Feindschaft gegen Petersen zu hegen begann. 1 1 3 Eine vom Rat durchgeführte Untersuchung über Petersens Vorgehen konnte ihm keine Rechtsverletzung nachweisen. Jedenfalls reichte es nicht zu einer Beschwerde beim Konsistorium in Celle. 1 1 4 Die von dem Bürgermeister G. Busche, dem Syndikus T. Reimers und dem Ratsherren J . Z i m mermann auf Seiten des Rats und den Pastoren H. Brasse, Chr. Riekmann und J . B u n o angestellte Unterredung blieb so ohne Folgen, da der Rat offenbar von Petersen keine „Satisfaction" forderte. Erst in dem folgenden Jahr, als Petersen sich in einer anderen Angelegenheit erneut mit dem Magistrat anlegte, ging dieser vor das Konsistorium und gedachte dabei auch der

1 0 8 A c t u m , den 8. 11. 1689 ( B u n o und R i e k m a n n ) - StA Lg. (Acta von Comödianten); die Predigten sollten am 20. Sonntag nach Trinitatis, dem 13. 10. 1689, gehalten werden. 109

Vgl. MAGNUS 1 9 6 1 , 2 1 8 .

A c t u m , den 8. 11. 1689 ( B u s c h e ) - S t A Lg. (Acta von Comödianten) und L B 1 7 1 7 , 1 3 1 : die dort erzählte Geschichte findet sich bei Tertullian, D e spectaculis § 2 6 - C S E L 20, 1890, 25ff. und B K V 7, 1912, 132; vgl. ein Tertullianzitat in der Lüneburger K O von 1575 (unter „ K i r c h e n z u c h t " ) - SEHLING 6 . 1 , 1955, 678. 1 1 1 Die M a h n u n g zum Gebrauch des „Bindeschlüssels" in der Lüneburger K O von 1575 1,0

( u n t e r „ K i r c h e n z u c h t " ) - SEHLING 6 . 1 , 1 9 5 5 ,

676-699.

1.2

V g l . MAGNUS 1 9 6 1 ,

1.3

L B 1717, 131; v g l . J . W. Petersen an Fürstl. R e g . , Lg., den 18. 9. 1690, p. 7 - S t A Lg. A c t u m , den 8. 11. 1 6 8 9 - S t A Lg. (Acta von Comödianten).

1.4

218f.

221

„Zunöthigungen" Petersens in der Komödiensache. 115 Dabei stellte der Rat mit offensichtlichem Bezug auf die Kirchenordnung Petersens Maßnahme an den Rand eines unverantwortlichen Mißbrauchs der Kirchenzucht, wenn es in dem Schreiben heißt: „Es fehlete wenig, daß Er die obrigkeit, undt alle die in den Comoedien gewesen, nicht dem Satan übergeben ".116 Umgekehrt hat es den Anschein, als habe sich Petersen seinerseits bei seinem Vorgehen ganz bewußt an die Bestimmungen der Lüneburger Kirchenordnung von 1575 und die dazugehörigen leges ministrorum gehalten. 117 So hat er dem Bürgermeister zunächst mündlich, dann schriftlich sein Mißfallen über die Entscheidung des Rates mitgeteilt und ihn zur Umkehr, also zur Rücknahme der Lizenz aufgefordert. 118 Erst als er damit keinen Erfolg hatte, besprach er sich mit seinen Kollegen und brachte endlich die Sache auf die Kanzel und vor die Öffentlichkeit. Diesen Weg sahen die Kirchenordnung und die leges ministrorum (10. Lex) vor. 119 Bei aller Korrektheit des Verfahrens war Petersens Vorgehen jedoch unklug. Er verlor mit der Sympathie des Rates eine wichtige politische Stütze, die ihn bei seiner Berufung nach Lüneburg gegen alle Widerstände, auch die seiner Kollegen, getragen hatte. Petersen verschmähte die Klugheit der „Welt" und orientierte sein Handeln einzig an einer rigoristischen Reinheit des eigenen Gewissens. Darin und im Fehlen einer politischen Umsichtigkeit zeigt sich seine Neigung zum Märtyrertum. Der Komödienstreit wirft auch ein erstes Licht auf Petersens Amtsführung. Sie ist durch strenge Gesetzlichkeit gegenüber den Regierenden gekennzeichnet, die sich dem Einfluß des durch die Geistlichen vertretenen Christentums zu entziehen versuchen. Die Kirchenzucht gibt dem Superintendenten das Mittel an die Hand, über die Moral der öffentlichen und politischen Kräfte zu urteilen. Geschah so etwas von der Kanzel, so traf der Geistliche damit unmittelbar auch die bürgerliche Ehre der betreffenden Institutionen oder Personen. So beschwerte sich damals schon der Rektor der Johannisschule, Christoph Heinrich Lauterbach, daß Petersen ihn nicht habe absolvieren wollen. 120 Angesichts der Tatsache, daß in dieser Zeit nur in seltenen Fällen die Absolution nicht erteilt wurde, stellte eine solche Weigerung einen tiefen, öffentlichen Affront dar, der gerade den Schulrektor aufs empfindlichste treffen mußte. 121 Dabei mag Petersen nicht einmal aus persönlichem Haß, sondern aus aufrichtigen Skrupeln gehandelt haben, wie sie auch anderweitig in der pietistischen Bewegung anzutreffen sind und die u. a. zur Abschaffung der obligatorischen Privatbeichte führten. 122 115

BuR von Lg. an Fürstl. Reg., Lg., den29. 7. 1690, p. 5 - S t A Lg.; vgl. S. 248.

116

V g l . SEHLING 6 . 1 , 1 9 5 5 , 6 8 3 u n d l K o r 5 , 4 f .

117

SEHLING 6 . 1 , 1 9 5 5 , 6 5 0 — 6 9 0 u n d 6 9 1 — 6 9 3 ; v g l . d i e H i n w e i s e i n d e n

voranstehenden

Anmerkungen. 118 LB 1717, 130f. 119

SEHLING 6 . 1 , 1 9 5 5 , 6 8 6 ; v g l . L B 1 7 1 7 , 1 3 1 .

120

Actum, den 8. 11. 1689 (Brasse)- StA Lg. (Acta von Comödianten). Vgl. LB 1717, 209.

121

KLEIN, B e i c h t e 1 9 6 1 , 2 0 2 .

122

V g l . OBST, B e i c h t s t u h l 1 9 7 2 .

222

Während wir Petersen also inhaltlich durchaus in einer Linie mit der auf rigoristische Heiligung des Lebens drängenden pietistischen Frömmigkeitsbewegung 123 sehen, fällt auf, daß er sich im wesentlichen der Kirchenzucht bedient, die, aus der Reformationszeit stammend und von der Orthodoxie tradiert, am Ende des 17. Jahrhunderts ihre Bedeutung weitgehend verloren hat. Als Mittel der Kirchenreform und der Erneuerung des christlichen Lebens wird die Kirchenzucht von den Vertretern der Reformorthodoxie propagiert. In der Programmschrift des Pietismus, Speners Pia Desideria, spielt sie gegenüber den gleichsam positiven Mitteln (Geistliches Priestertum, Bibellektüre, Collegia pietatis) keine Rolle.124 Der Komödienstreit, in den sich Petersen in Lüneburg verwickelte, bestätigt das schon früher gewonnene Bild, daß Petersen in seiner kirchlichen Praxis nicht pietistisch, sondern rigoristisch war. Auf der anderen Seite fiel Petersens Kollegen schon in dieser Zeit sein relativ ungezwungener Umgang mit der „reinen Lehre" auf. So warnte ihn H. Brasse, „damit er nicht verdacht einiger Novitäten in der Lehre gerathen mögte". 125 Auch habe Petersen Jacob Böhme nicht verdammen wollen und im Gegenteil auf die trostlosen Schicksale von verschiedenen Personen hingewiesen, die sich an Böhme vergriffen hätten. 126 Diesem Abweichen Petersens von der zeitgenössischen Theologie ist im folgenden nachzugehen.

Erste chiliastische

Predigten

Ein Monat nach Petersens Zusammenstoß mit der weltlichen Obrigkeit in Lüneburg begann auch der öffentliche Streit um seine Rechtgläubigkeit, der schließlich zu Petersens Amtsenthebung führte. Anlaß waren zwei Predigten, die der Superintendent am 25. und 26. Sonntag nach Trinitatis gehalten hatte. 127 Das Ende des Kirchenjahres ist traditionell die Zeit, in der sich die christliche Gemeinde auf die „letzten Dinge" besinnt. Für den vorletzten Sonntag des Kirchenjahres sah die Lüneburger Kirchenordnung als Episteltext die Perikope IThess 4, 13—18 vor und stellte damit den Predigern das Thema der Auferstehung von den Toten. 128 In Lüneburg pflegten die Pfarrer, die sich als Hüter der reinen Lehre verstanden, die Gelegenheit zu 123

Z u m Begriffs. WALLMANN, A n f i n g e 1977/78, 1 1 - 5 3 . Vgl. S. 64f. 125 Wie A n m . 120. 126 Wie A n m . 120. 127 LB 1717, 132—141. Die Termine werden bestätigt durch: BuR von Lg. an Fürstl. Reg., Lg., den 29. 3. 1690, p. 6 - S t A L g . und Ministerium von Lg. an Minist, von Lübeck, Lg., den 6. 2. 1690- Sammlung 1750, 41 (und EphA Lg.), w o Petersens Verhalten „um Michaelis= [seil. Komödienstreit] und A d v e n t s = Z e i t " gedacht wird. 128 K O von 1575, „Cap. IV. Von den predigten...", Abschnitt „De 25. 26. 27. dominicapost Trinitatis"- SEHLING 6.1, 1955, 662; danach sind folgende Episteltexte für die drei Sonntage 124

223

ergreifen, vor der Gemeinde die bekannten Irrlehren der „Chiliasten" zu widerlegen. 129 Nach Petersens Ansicht aber mußte die Interpretation des Textes auf die Unterscheidung einer ersten, partiellen von der zweiten, allgemeinen Auferstehung sowie die Verkündigung des dazwischen anzusetzenden Tausendjährigen Reiches hinauslaufen, da „meine Gewohnheit und methode auch nicht ist/ daß ich hier und da ein Wort und Spruch aus dem text nehme/ und dann in einen locum communem hinein lauffe/ sondern in allen meinen Predigten auff den Sinn des Geistes/ und auff die connexion, darinn alle Macht lieget/ dringe"· 1 3 0

Der Text ist danach im biblischen Zusammenhang zu verstehen und nicht als Material für die Darlegung eines dogmatischen Lehrsatzes zu benutzen. In ihren geschichtlichen Teilen wird die Bibel demzufolge als Offenbarungsbuch aufgefaßt, das die vergangene und zukünftige Geschichte in ihrer zeitlich-linearen Abfolge enthält. Mit dieser exegetischen Methode und ihrer einseitigen Betonung der biblischen „connexion" sahen wir Petersen in der exegetischen Tradition seines Amtsvorgängers Kaspar Hermann Sandhagen und über ihn und Ph. J. Spener in der Straßburger Tradition eines Sebastian Schmidt. 131 Petersen war schon vor seinem Amtsantritt in Lüneburg von seiner chiliastischen Lehre überzeugt. Überhaupt mag dieser Umstand dazu beigetragen haben, daß er gerade dem Ruf nach Lüneburg gefolgt war. Wie er Sandhagen verstanden hatte, teilten er und die Geistlichen in Celle Speners „Hoffnung auf eine bessere Zeit fur die Kirche", auch wenn Sandhagen vor dem Bekenntnis zum Chiliasmus zurückschreckte. Ja, Sandhagen soll diese Lehre selbst seiner „johanneischen Gemeinde" vorgetragen haben. 132 Daher konnte Petersen in gewisser Weise den Boden fur seine Lehre bereitet sehen, die nach seiner Auffassung lediglich Speners Hoffnung auf biblischer Grundlage explizierte. Petersen machte keinen Unterschied zwischen seiner Vorstellung von einem Tausendjährigen Reich und derjenigen „vom besseren Stand der Kirche". 133 Bei Sandhagens guten Beziehungen zum Hof in Celle durfte Petersen auch dort Freunde und Unterstützer seiner vermeintlich Spenerschen Linie erwarten. 134 In seiner Lebensbeschreibung bringt Petersen den Anfang seiner chiliastischen Predigt in Zusammenhang mit einem göttlichen Auftrag, der ihm angegeben: 2Thess 2 [3-13], 2Thess 1 [3ff] und IThess 4 [13ff]; im Jahr 1689 gab es nur 26 Sonntage nach Trinitatis, so daß die Texte anders zu verteilen waren. 129 Minist, von Lg. an Minist, von Lübeck, Lg., den 6. 2. 1690- Sammlung 1750, 41 (und EphA Lg.). 130 Schrifftmäßige Erklährung 1690, 15. 131 Zu S. Schmidts exegetischer Methode s. WALLMANN, Spener 1986, 9 6 - 9 9 . 132 LB 1717, 81 f. 140. 162 und Schrifftmäßige Erklährung 1690, 14. 133 BuR von Lg. anFürstl. Reg., Lg., den 29. 3. 1690, p. 6 - S t A Lg. 134 Zu Sandhagens Beziehungen nach Celle s. LB 1717, 230. Erste, aber nicht wirkungsvolle Spuren von Petersens chiliastischer Spekulation finden sich bereits in seiner Gedenkschrift für Matthias Wasmuth aus dem Jahr 1688 (s. Werkverzeichnis).

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widerfahren sei.135 Danach wollte er sich seiner Predigtverpflichtung für den 25. Sonntag nach Trinitatis durch einen Besuch bei Herzog Rudolf August von Wolfenbüttel, der eben in Hamburg weilte, entziehen. Er hoffte so, das vorauszusehende Ärgernis, das seine Kollegen an seiner Predigt nehmen würden, vermeiden zu können. 136 Offenbar fühlte er eine gewissensmäßige Nötigung, seine von der Tradition abweichende Meinung zu sagen, wenn er predigen müßte. Das Thema in diesem Fall unerörtert zu lassen, wäre seiner Bekennernatur unmöglich gewesen. Der Herzog habe ihn dann aber überraschend schon acht Tage früher - das wäre also etwa der 9. November gewesen - nach Hamburg eingeladen. In den Wolfenbütteler Briefen von Herzog Rudolf August an seinen Bibliothekar Hermann von der Hardt, die die Aufenthalte des Herzogs und seiner Bücheragenten in Hamburg dokumentieren, ist diese Reise Rudolf Augusts nicht mehr belegt, da der letzte Brief des Jahres 1689 vom 5. Oktober datiert. In ihm kündigt der Fürst allerdings eine bevorstehende Reise nach Hamburg und zu seiner Tochter nach Plön an.137 Während der Reise Petersens in die alte Hansestadt geriet sein Schiff auf der Elbe durch treibende Eisschollen in Gefahr. Petersen sah darin eine Fügung Gottes, die ihn wie einst Jona ermahnen sollte, nicht vor der Verkündigung der ihm anvertrauten göttlichen Erkenntnis zu fliehen. Anders als der biblische Prophet entzog sich der Lüneburger Superintendent der Gefahr, indem er gelobte, fortan das Tausendjährige Reich auch öffentlich zu vertreten. Bei diesem Bericht begeht Petersen aber eine bezeichnende Geschichtskorrektur, mit der er den Anfang des chiliastischen Streites auf einen höheren Auftrag zurückführt und sich selbst zu einem Märtyrer der göttlichen Wahrheit stilisiert. Schuldig wurden danach diejenigen, die sich seiner unter diesen Umständen unvermeidbaren Verkündigung gegenüber verstockt zeigten. Jeder Verdacht auf Eigendünkel und Neuerungssucht soll vermieden werden, zumal Petersen selbst seine Lehre für nicht heilsnotwendig ausgab. 138 Hatte er nicht auch das Ansinnen seiner Amtsbrüder zurückgewiesen, wie seine Vorgänger P. Rhebinder und Κ. H. Sandhagen über die Psalmen zu predigen, damit er nicht „in Erklährung des andern Psalmens solches Königreich des HErrn bekennen dörffte?" 139 Tatsächlich hatte er sein Erlebnis auf der Elbe am 11. oder 12. Dezember 1689, also nach seinen chiliastischen Predigten. Das ergibt sich aus einem Brief Petersens vom 12. 135

LB 1717, 132-134. Vgl. den ähnlichen Fall eines Schülers Sandhagens bezüglich Lk 21, 2 5 - 3 6 nach Spener, LBed. 1, 1711, 4 6 1 - 4 6 3 (3. 2. 1697) bes. 462. 137 Rudolf August an H. v. d. Hardt, Wolfenbüttel, den 5. 10. 1689- H A B Wolfenbüttel. Herzog Johann Adolf von Holstein-Plön war mit Rudolf Augusts Tochter, Dorothea Sophie, verheiratet. 138 LB 1717, 183 und Schrifftmäßige Erklährung 1690, 8f. 139 LB 1717, 132; vgl. Schrifftmäßige Erklährung 1690, 13. 136

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Dezember 1689 an Hermann von der Hardt. 140 Darin teilt Petersen seine glückliche Ankunft in Hamburg mit. Am Tag zuvor ist er auf eine von Hermann von der Hardt überschickte Expreßbotschaft 141 hin kurz entschlossen von Lüneburg aufgebrochen, u m der Einladung des Wolfenbütteler Herzogs nach Hamburg zu folgen. Über die Fahrt auf der Elbe schreibt er: „ [ . . . ] meine Verehrung dem Fürsten gegenüber hat sich nicht ohne göttliches Walten durch so viele K r ü m m u n g e n (und), nachdem das Eis der Elbe zusammengedrängt war, einen Weg gebahnt, und ist in diesem Augenblick a n g e k o m m e n . " 1 4 2

Das ist offenbar genau die Situation, in der Petersen sein Gelübde getan haben will. N u r lagen seine chiliastischen Predigten da schon drei bis vier Wochen zurück. Da Hermann von der Hardt in dieser Zeit wohl alle an ihn adressierten Briefe aufbewahrt und für die eigenen ein Brieftagebuch angelegt hat, das den Eindruck von Vollständigkeit macht, ist ein früherer Besuch Petersens bei Rudolf August in Hamburg auszuschließen. Auch der Brief Petersens an Hermann von der Hardt vom 2. Januar 1690 deutet darauf hin, daß Petersen damals in Hamburg zum ersten Mal dem Wolfenbütteler Herzog begegnet ist.143 Freilich geben Petersens Worte in seinem zitierten Brief keine geistige Erschütterung zu erkennen. Angesichts der also erst später erfolgten Stilisierung verliert die Gefahrdung auf der Elbe historisch den Charakter eines Schlüsselerlebnisses. Die von ihm in seiner Lebensbeschreibung verbreitete Legende ist zuerst für das Jahr 1696 nachweisbar. Er erwähnt sie in seiner Schrift „Wichtigkeit der Verkündigung des Reichs Christi". 144 In den Lüneburger Akten und in Petersens Verteidigung seiner chiliastischen Lehre aus dem Jahre 1690 erscheint sie noch nicht. Später wird sie in anderer Form weitergetragen. Graf Reuß XXIV. erzählt sie Kaspar Neumann, der sie wenig später in einem Brief an V. E. Löscher weitergibt. 145 Der legendäre Zug dieser Erzählung offenbart sich in ihrer „Zeitlosigkeit". Vordergründig ist damit die Tatsache beschrieben, daß sie in unterschiedlichen Kontexten erscheint. Während Petersen damit den Beginn seiner chiliastischen Verkündigung verbindet, setzt Graf Reuß das Elbe-Erlebnis für das Jahr 1690 an, nachdem nämlich Petersen von dem Celler Konsistorium verboten worden sei, den Chiliasmus zu predigen. Bedeutsamer ist die Zeitlosigkeit für Petersens Denken selbst. Es ist nämlich für seinen Vorsehungsglauben typisch, daß er in einer 140

LB Karlsruhe 319. H . v. d. H a r d t a n j . W. Petersen, 9. 12. 1689 (Konzept; LB Karlsruhe 319): „In superioribus eram pollicitus, de Serenissimi itinere, quod H a m b u r g u m instituat, m e facturum Te certiorem. Hodie, nisi alia quaedam incidant, iter sumus ingressuri." 142 A a O : „unde per tot anfractus et gelu in Albi conglomerato A m o r meus in principem, non sine n u m i n e perrupit, atque in hoc horae m o m e n t o accessit." 143 LB Karlsruhe 319. 144 S. 6; s. Werk Verzeichnis. 145 Sorau, d e n 2 1 . 10. 1708-WOTSCHKE, Schlesien 2, 1931, 124f. A n m . 26. 141

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Zeit, in der die Menschen täglich mancherlei Gefährdungen ausgesetzt sind, rückblickend jede Gefahr und jede Errettung als eine Providentia specialis verstehen und interpretieren kann. Bei einer solchen Sichtweise „sub specie aeternitatis" kann dann die zeitliche Abfolge der Ereignisse zugunsten einer höheren Kausalität außer Betracht bleiben, ohne daß damit eine bewußte Fälschung begangen und von dem eigenen Gewissen angemahnt würde. Die Feststellung solcher Legendenbildung, bei der vor allem die Chronologie der Ereignisse nicht streng wiedergegeben wird, muß bei der historischen Beurteilung von pietistischen Lebensbeschreibungen berücksichtigt werden. 146 Gegenüber dort angegebenen Datierungen von göttlichen Fügungen und Führungen ist Skepsis geboten. Das gilt etwa auch für Johanna Eleonoras Erinnerungen. Über die dort beschriebenen göttlichen Eingebungen und Träume ihrer Kindheit läßt sich nur aussagen, daß sie den Bewußtseinsstand zur Zeit der Abfassung widerspiegeln. An den letzten beiden Sonntagen des Kirchenjahres also predigt der Superintendent über IThess 4, 13—18 und 2Thess 1, 3—10, indem er seine Vorstellung von einem Tausendjährigen Reich mit dem Gedanken an zwei zu unterscheidende Totenauferstehungen verbindet. Denn noch vor dem Jüngsten Gericht erwartet er eine Scheidung der Gottlosen von denen, die „die Heiligung in der Furcht des HErrn" vollendet haben. 147 Die einen erleiden das unter dem sechsten Siegel der Offenbarung Johannis angekündigte Zorngericht (Off 6, 12ff), die anderen werden durch „die erste Auferstehung zum Reich" davor bewahrt. Das ist ihr Vorrang und ihr Lohn für ein christliches Leben. Die alsbald aufkommenden Beschuldigungen, er halte es mit dem „fleischlichen" Chiliasmus von Juden und Wiedertäufern, versucht er unter Berufung auf Off 20 und 2Petr 1,3—11 beiseite zu schieben, indem er betont, daß ihm nicht ein „weltliches wollüstiges Reich", sondern die Hoffnung auf die „Hochzeit des Lammes" (Off 19, 7) im Sinn läge. In jener Zeit werde Christus tausend Jahre lang sein Reich unmittelbar regieren. 148 Gab die Perikopenordnung den Anlaß für Petersens chiliastische Predigten, so bleibt die Frage, was ihn dazu motiviert hat. Z u m einen hatte sich in Lüneburg die Kunde verbreitet, daß Petersen und seine Frau sich besonderer Aufschlüsse über die Offenbarung johannis rühmten. Schon waren derglei146 Für das Selbstverständnis und die Wirkungsgeschichte dieser Form der Autobiographie ist bezeichnend, was J. W. v. Goethe in einem Brief an König Ludwig I. von Bayern vom 12. 1. 1830 sagt: „es war mein ernstestes Bestreben das eigentlich Grundwahre, das, insofern ich es einsah, in meinem Leben obgewaltet hatte, möglichst darzustellen und auszudrücken. Wenn aber ein solches in späteren Jahren nicht möglich ist ohne die Rückerinnerung und also die Einbildungskraft wirken zu lassen, und man also immer in den Fall k o m m t gewissermaßen das dichterische Vermögen auszuüben, so ist es klar, daß man mehr die Resultate und, wie wir uns das Vergangene jetzt denken, als die Einzelheiten, wie sie sich damals ereigneten, aufstellen und hervorheben werde . . . " (Abschrift dem Brief an Zelter vom 15. 2. 1830 beigegeben; vgl. Goethes Werke, Hamburger Ausgabe, 9. Aufl., hg. von E. TRUNZ 9, 1981, 640). 147 LB 1717, 134. 148 LB 1717, 135.

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chen „lästerliche Reden" laut geworden, die Petersen herausforderten. 149 Z u m anderen hatten die Petersens sich lange mit der Auslegung der Offenbarung Johannis beschäftigt und waren in ihrer Interpretation so sehr gefestigt, daß sie ihre Exegese als geistgewirkt ansehen konnten. Von ihrem moralischen Bewußtsein her, das unbeirrt von allen äußeren Widerständen an der inneren Erkenntnis festhielt, konnten sie auf die Verkündigung dieser Wahrheit nicht verzichten. Schließlich war es in ihrer geschichtstheologischen Exegese der Offenbarung angelegt, daß sie sich darin selbst einen Platz zuteilten, und zwar als Zeugen der Wahrheit in der letzten Zeit der Verfolgungen vor dem Anbruch des Tausendjährigen Reiches. So gehörte der Vollzug der Verkündigung zur Lehre selbst. Offenbar stand Petersen gerade in diesem Punkt unter dem Einfluß seiner Frau. Die geschichtstheologische Orientierung verrät Petersen in einem Brief an Hermann von der Hardt vom 30. Oktober des Jahres (1689), wo er in auffälliger Parallelisierung mit der Verkündigung Jesu schreibt: Obgleich [das Geistliche Ministerium] seinen Zorn noch nicht öffentlich gegen mich hat schleudern dürfen, indem Gott so ihre Nachstellungen unterbindet, weil die Stunde noch nicht gekommen ist [vgl. Joh 2, 4 u. ö], vermag ich mich trotzdem kaum zu überzeugen, daß die „Fremdgewächse" lange ruhig bleiben werden, besonders wenn sie sehen, daß der Senat, den ich neulich aus Gewissensgründen und wegen eines großen öffentlichen Skandals [seil, des Komödienstreits] angegriffen habe, gegen mich einen anderen Sinn hat." 1 5 0

Petersens chiliastische Äußerungen mußten die Lüneburger Pfarrerschaft alarmieren, die sich gemeinsam mit den Ministerien von Lübeck und Hamburg als Bollwerk der reinen lutherischen Lehre gegen die Angriffe von Schwärmern, Reformierten und den Synkretisten im eigenen Lande verstanden. Kennzeichnend für dieses orthodoxe Selbstbewußtsein ist die Tatsache, daß sich die drei Ministerien den Religionsgesprächen des 17. Jahrhunderts zwischen Lutheranern und Reformierten widersetzt haben. 151 Die Zusammenarbeit der Ministerien der drei wichtigsten Städte Norddeutschlands geht bis in das 16. Jahrhundert zurück. In den von Fall zu Fall stattfindenden Konventen zu Mölln suchte das Ministerium Tripolitanum nach einer gemeinsamen Strategie in den dogmatischen Streitigkeiten unter den Lutheranern und gegen die schwärmerischen Irrlehren. 152 Erinnert sei an das vom Ministerium Tripolitanum im Jahre 1561 erneuerte Edikt der sechs wendischen Städte (Hamburg, Lübeck, Lüneburg, Rostock, Stralsund und Wismar) von 1535 gegen die Wiedertäufer, das noch einmal in dem Manda149

H G 1689, Erzehlung, §26 (= LB II 1719, § 2 6 ) . LB Karlsruhe 319. „Licet autem publice iram suam in me nondum vibraverit, D E o ita machinas illorum inhibente, cum hora nondum venerit, vix tarnen mihi persuadeo, longum quieturos Allophylos, praesertim si viderent, Senatum, quem nuper ex conscientia, & grandi aliquo publico commisso scandalo tetigi, alieniore in me animo esse." 150

151

152

NERLING 1 9 5 0 , 8 6 f .

Von einem förmlichen Zusammenschluß oder „Beschlüssen von bindender Kraft" (NERLING 1950, 4) kann keine Rede sein; zur Sache vgl. NERLING 1950, 4ff. und SCHULZE, Ministerium 1896 sowie die „Abgenöthigte Lehr= und Schutz= Schrifft 1677", 3 - 3 5 (s. S. 104).

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t u m Luneburgicum von 1562 mit seiner ausdrücklichen V e r d a m m u n g der Wiedertäufer, dem Verbot der Winkelpredigten und der Konventikel sowie der Einführung der Zensurpflicht für Druckschriften bekräftigt worden war. Im Hauptrezeß des Jahres 1603 werden die Bibel und das Konkordienbuch als einzige norma veritatis betont. 1 5 3 Der Kampf der drei Ministerien richtete sich am Ende des 16. Jahrhunderts gegen die nach Norddeutschland eindringenden Mennoniten und die aus den Niederlanden fliehenden Reformierten. 154 Im Dreißigjährigen Krieg waren es die „Neuen Propheten" wie Paul Felgenhauer, Christoph Andreas Raselius (Roselius), Nikolaus Teting, Johannes Piscator und Angelus Marianus (Johann Angelius von Werdenhagen), die die drei Ministerien zu gemeinsamem Vorgehen bewogen. Ein von dem Ministerium Tripolitanum verantworteter „Ausführlicher Bericht von der newen Propheten [ . . . ] Religion" erschien 1634, nachdem Nikolaus Hunnius, der Lübecker Superintendent, im Jahr zuvor einen Konvent nach Mölln einberufen hatte. In dem Bericht wird versucht, die neuen Lehren systematisch zu identifizieren und sie zu widerlegen. 1 5 5 A m Ende des großen Krieges war es schließlich Christian H o b u r g (1607—1675), der mit seiner beißenden Kritik am Kirchen- und Staatsverständnis der lutherischen O r t h o d o x i e die kirchlichen Amtsträger der drei Hansestädte herausforderte. Auf Hoburgs „Spiegel der Mißbräuche" von 1644 und seine „Apologia Praetoriana" von 1653 (1648) antworteten sie 1645 mit einer „Kurtzen N o t h w e n d i g e n Warnung" und 1656 mit der „Prüfung des Geistes Eliae Praetorii". H o b u r g , der sich immer stärker v o m Bußprediger und Kirchenkritiker zum mystisch-spiritualistischen Theologen w a n delte, starb 1675 als Prediger der Altonaer Mennomtengemeinde. Aber noch zwei Jahre später m u ß t e sich das Ministerium Tripolitanum mit H o b u r g befassen, als der Pastor der Paulikirche in Halberstadt, Heinrich A m m e r s bach, die mystischen Schriften H o b u r g s und Aegidius Gutmanns a n o n y m herausgab. Damals war es der Lübecker Superintendent Samuel Pomarius (1624—1683), der dagegen im Auftrag der Geistlichkeit eine „Abgenöthigte Lehr= und Schutz = Schrifft" (s. S. 104) herausgab. Die Lüneburger m u ß es besonders geschmerzt haben, daß der Kirchenkritiker Christian H o b u r g aus ihrer Stadt und Gemeinde erwachsen war. Es ist daher nicht verwunderlich, daß die Lüneburger Geistlichen ausgesprochen sensibel auf jeden Verdacht der Heterodoxie reagierten, der auf Stadt und Ministerium fallen konnte. Einige von ihnen wie Heinrich Brasse (in Lüneburg seit spätestens 1652), Hieronymus Koltemann (seit ca. 1654), Johannes Buno (seit 1654) Georg Meier (seit 1663) und Christian Riekmann (seit 153 Zur späten Einführung der Konkordienformel in der Stadt Lüneburg vgl. die Subskriptionen unter die FC in der Lüneburger Kirchenordnung (Exemplar: N S u U B Göttingen, 2° Cod. Ms. jurid. 170a), die mit der des Superintendenten Kaspar Goedemann (1529—1603) am 16. 12. 1591 beginnen. 154 Zu den Mennoniten s. DOLLINGER, Geschichte 1930. 155

NERLING 1 9 5 0 , 5 - 1 6 .

229

1668) hatten die Auseinandersetzung um Hoburg schon im Amt miterlebt. Von den übrigen waren Nikolaus Eggers, Friedrich Heinrich Hecht, Friedrich Georg Koltemann, Matthias Metzendorff, Friedrich Heinrich Oldecop und Johann Heinrich Voigt gebürtige Lüneburger und zum Teil wie auch Heinrich Brasse, dessen Vater Georg auf dem Möllner Konvent von 1633 das Lüneburger Ministerium vertreten hatte, Pfarrer- und Professorensöhne. 156 Das Lüneburger Ministerium nahm die chiliastischen Predigten Petersens zum Anlaß, ihm auch zu anderen Lehrfragen ein Zeugnis seiner Orthodoxie abzufordern. 157 Die Verkündigung des Tausendjährigen Reiches und einer ersten Auferstehung stellte Petersen zweifelsohne in die Nähe der früher bekämpften Schwärmer und „Neuen Propheten". Andere Äußerungen Petersens über Wiedergeburt, Rechtfertigung, Heiligung und sein Umgang mit häretischem Schrifttum kamen hinzu. Sie waren aber für die Einleitung eines derartigen Verhöres, nicht zuletzt wegen der feinen philosophischen Distinktionen, weniger brauchbar. Immerhin hatte H. Brasse Petersen ja schon einmal auf seine verdächtige Lehre hin angesprochen. Mögen die chiliastischen Predigten und die verdächtige Begrifflichkeit Petersens auch der Anlaß für eine förmliche Auseinandersetzung zwischen Superintendent und Ministerium gewesen sein, so lag der Streit doch in manchen Animositäten begründet, die mit Petersens Amtsantritt begonnen hatten und im Komödienstreit zum ersten Mal eskaliert waren. Den allgemeinen Hintergrund dieser Opposition bilden die in jener Zeit auch andernorts zu beobachtenden Rivalitäten zwischen Pfarrerschaft und Stadtsuperintendenten. Gerade in den Städten ließ die annähernd gleich gute Ausbildung der Pfarrer die Forderung nach kollegialer Amtsführung, bei der der Superintendent nur noch primus inter pares sein sollte, laut werden. 158 Umgekehrt verlangte Petersen später von dem Celler Konsistorium, „daß man ihnen [seil, seinen Kollegen] aufliegen [soll], wie Sie nach dem Vierten geboth, und nach dem befehl Ser[enissi]mi D[omi]ni Clementissimi mich für ihren Superintendenten / da sie vorgeben, ich wäre nur ratione ordinis [= der Rangfolge nach] Ihr superior / erkennen und die gebührende observantz leisten sollen. " 1 5 9

In Lüneburg hat zu dieser Entwicklung der Umstand beigetragen, daß mit der Resolution von 1639 der Superintendent in mancher Hinsicht dem Celler Konsistorium unterstellt wurde und nicht mehr das uneingeschränkte geistliche Oberhaupt in Lehr- und Disziplinfragen war. Das faktische Aufbrechen der konfessionellen Einheit im Zeitalter des Absolutismus mag ein übriges getan haben, die konfessionsbezogene Autorität des Superinten-

N E R L I N G 1 9 5 0 , 1 0 und M E Y E R , Pastoren, s. v. Minist, von Lg. an Minist, von Lübeck, Lg., den 6. 2. 1690- Sammlung 1750, 41 (und EphALg.). 158 Von den Lüneburger Pastoren waren in diesem Jahr einer „Doktor" und die meisten „Magister". 159 J. W. Petersen an Fürstl. Reg., Lg., den 30. 3. 1690, § 23- EphA Lg. 156

157

230

denten zu untergraben. 160 Denn nun mußte und konnte man Politik ohne Rücksicht auf die theologische Wahrheitsfrage treiben, da diese ja keineswegs eindeutig schien. Damit aber büßte das geistliche A m t einen großen Teil seiner Einflußmöglichkeit ein. Im speziellen Fall Petersens wird noch hinzugekommen sein, daß er als Auswärtiger in einen Kreis von Kollegen kam, die entweder gebürtige Lüneburger waren oder doch schon längere Zeit ihr öffentliches A m t in der Stadt ausübten. Alteingesessene aber haben sich Gewohnheitsrechte erworben, die sie nur widerwillig preisgeben. Die Vorwürfe des Ministeriums richteten sich deshalb nicht zuletzt gegen Neuerungen, mit denen Petersen seine Ruhmsucht befriedige. Mit „Excessen" in „ministeriali directione, und moralibus actionibus" sowie „mit ruhmsüchtiger, eigensinniger Behandlung und Erklärung der Schrift, sonderlich der prophetischen Weissagungen, und der Offenbahrung Johannis" erregte er den Unwillen seiner Kollegen. 161 Petersen selbst läßt in seiner Lebensbeschreibung etwas von seiner selbstherrlichen Amtsführung erahnen, wenn er mit Stolz über seine Schulvisitationen und andere, den Verantwortungsbereich seiner Kollegen berührende Maßnahmen berichtet und seine Rolle bei der Wahl, Examinierung und Ordination dreier Prediger hervorhebt, „worüber ich in conventu der Praeses war." 1 6 2 Ein solches Verhalten vertrug sich nicht mit dem Wunsch der Pfarrer nach einer kollegialen Amtsführung. Auch Petersens Gewohnheit, kein Beichtgeld zu nehmen, war wieder ein Stein des Anstoßes. Damit näherte er sich auf verdächtige Weise der Forderung des Kirchenkritikers Christian Hoburg. 1 6 3 Inhaltlich-theologische Unterschiede verbanden sich mit sensiblen formalen Fragen. In den Augen seiner Kollegen mußte er als unangemessen autoritär erscheinen, wenn er mit Hilfe der weltlichen Obrigkeit „ohne vorhergeschehene freundliche Collation mit denen Ministerialibus" seinen Katechismus einführen wollte 164 oder wenn er einige der von den Predigern abzugebenden Confessiones fidei korrigierte. 165 Es ist daher nicht verwunderlich, daß seine Kollegen von Anfang an alle verdächtigen Äußerungen des Superintendenten registrierten. So habe er bereits beim 1. Konvent des Ministeriums, im Januar 1689, „denen Reformirten ziemlich das Wort gere-

160

V g l . KOSELLECK 1973, 1 1 - 1 7 u n d DILTHEY 2, 1957, 95. 107. 202ff.

Wie Anm. 157- Sammlung 1750, 40. 162 LB 1717, 125; vgl. Lüneburger Kirchenordnung 1575, Kap. 2 und 3 (SEHLING 6.1, 1955, 653—656). Zu der großen Visitation der Johannisschule s. S. 317. 163 LB 1717, 127. Zu Hoburg s. NERLING 1950, 76. Vgl. J. W. Petersen an Fürstl. Reg., Lg., den 30. 3. 1690, § 16- EphA Lg, wonach Riekmann sich über Petersens Beichtpraxis bei seinen Beichtkindern erkundigt habe. IM YG] j a s Katechismus-Bedenken des Ministeriums 1690, p. [7] (s. S. 149 Anm. 171). 165 J. W. Petersen an Fürstl. Reg., Lg., den 30. 3. 1690, § 10 und 12- EphA Lg. Vgl. auch den in LB 1717, 127 geäußerten, aus reformierten Gemeinden bekannten Vorschlag Petersens, Studenten zur Seelsorge einzustellen. Dieser Vorschlag findet sich schon in SK 1685, Vorrede §16; vgl. PD 78, 27-31. 161

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det". Auch pflege er „Confraternität" mit Ammersbach 166 und „Familiarität" mit anderen verdächtigen Leuten. 167 Damit waren Johann Melchior Stenger und Eberhard Zeller gemeint. J. M. Stenger war im Jahre 1670 in Erfurt wegen seiner Lehre, daß ein Mensch die große Buße nicht wiederholen könne, und ähnlicher Aussagen über die Heiligung seines Amtes enthoben worden. Er war auf einer Reise 1690 nach Hamburg und zu dem Generalsuperintendenten J. Hildebrand nach Celle auch zwei Stunden bei Petersen in Lüneburg gewesen, hatte aber bei einem Verwandten in Lüneburg, einem Ratsschmied, übernachtet. 168 Petersen leugnete jede nähere Bekanntschaft oder gar Freundschaft mit ihm. 169 Eberhard Zeller hielt sich damals in Hamburg auf, wo er die Söhne des Pastors Johannes Winckler, eines Freundes von Ph. J. Spener, erzog und mit Nikolaus Lange Konventikel abhielt. 170 Während seines Aufenthaltes in der Hansestadt im Dezember 1689 hatte Petersen versucht, den Streit zwischen Zeller und dem Hamburger Ministerium, der zu dem Hamburger Religionseid von 1690 führte, zu schlichten. 171 Schon Ende Oktober 1689, nach dem Komödienstreit, scheint Petersen nicht mehr mit einer Beilegung seines Konfliktes mit dem Predigerministerium gerechnet zu haben. Er schreibt am 30. Oktober dieses Jahres an Hermann von der Hardt: „Hier lebe ich in Verachtung und unter Brüdern, die fälschlich diesen Namen tragen. Ihnen bin ich ein Pfahl im Auge, weil ich in meinen Predigten so gedrängt werde, immer die Wahrheit in Christo (Eph 4) und nicht, was sie selbst wünschen, z u b e w e i s e n [ . . . ] Ich glaube,ja ich glaube fest, es wird etwas geschehen, da der Herr kräftig ist, der sich (mir) immer in meinen Berufungen gezeigt hat und mich alsbald anderswohin ruft, damit ich meinen Lauf des Evangeliums mit freudigem Eifer vollende. " 1 7 2

Die Querelen mit seinen Kollegen dürften ihn also zusätzlich motiviert haben, seine vermeintlichen Erkenntnisse über die Geheimnisse der Heiligen Schrift mitzuteilen und auf diese Weise seine Vertrautheit mit dem biblischen Wort zu demonstrieren. Hier, an der Quelle des Glaubens, sollte sich seine geistliche Autorität beweisen. Vielleicht hoffte er sogar, dadurch andernorts

166

Nicht weiter belegt. Minist, von Lg. an Minist, von Lübeck, Lg., den 6. 2. 1690- Sammlung 1750, 40 (und EphALg.). 168 vgl. spener an Petersen, Dresden, den 14. 4. 1690: „Stengerum bonum [ . . . ] Tibi adfuisse et admissum, Pomeranis nostris nocuisse dicitur" (AFSt A 196, p. 453). 169 J. W. Petersen an Fürstl. Reg., Lg., den 30. 3. 1690, §15- EphA Lg. Z u Stenger vgl. Spener, Bed. 3, 1702, 14-62. 372; Cons. 1709, passim und Walch, RS 4, 1739, 919ff. ,70 Z u Langes. Henckel3, 1726, 79-278. 171 J. W. Petersen an Fürstl. Reg., Lg., den 30. 3. 1690, §19- EphA Lg. Z u Zeller vgl. GEFFCKEN 1861, 5 3 - 6 8 ; RITSCHL 2, 1884, 176; Spener, Cons. 2, 1709, 606f; Henckel 3, 1726, 167

§ 2 0 f u n d WOTSCHKE, M a i 1 9 3 0 , 1 3 7 u n d 1 4 9 A n m . 7 . 172

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LB Karlsruhe 319 (Übersetzung).

auf sich aufmerksam zu machen und die Lüneburger Superintendentur mit einer anderen Stelle tauschen zu können. 173

Die Achtzehn

Fragen

Am 8. Januar 1690 übergaben die fünf Hauptpastoren des Lüneburger Ministeriums in St. Lamberti, der Pfarrkirche ihres Seniors D. Georg Meier, bei einer Trauerfeier, zu der sich alle Geistlichen eingefunden hatten, ihrem Superintendenten einen Katalog von achtzehn theologischen Fragen, auf die sie von ihm eine schriftliche Antwort und Erklärung verlangten. 174 Anlaß war Petersens Angebot im Anschluß an seine chiliastischen Predigten, eine schriftliche Erklärung über seine Lehre von einem Tausendjährigen Reich (nach Off 20, 5f) abzugeben. Das war wohl noch im Dezember 1689. Damals hatten die Pastoren ihren Superintendenten auch ersucht, auf weitere Fragen zu antworten, was er ihnen aber abgeschlagen hatte. 175 Die „Achtzehn Theologischen Fragen", die die Lüneburger Geistlichen mit Ausnahme von Matthias Metzendorff ihrem Superintendenten zur Stellungnahme vorlegten, lassen sich wie folgt strukturieren: 176 Zunächst wird ein Bekenntnis zur Lehre von der „Sufficentia" der Schrift gefordert [1]. Diese wird der heterodoxen Behauptung von unmittelbaren Offenbarungen gegenübergestellt [2], in den beiden folgenden Punkten spezifiziert nach unmittelbaren Offenbarungen von höheren Erkenntnissen für die wiedergeborenen Christen [3] und solchen zur Bekehrung der Heiden [4]. Die Fragen laufen darauf hinaus, Petersen des Enthusiasmus zu bezichtigen. Sie sind zum einen darin begründet, daß Petersen sich bei seiner Schriftauslegung einer besonderen Erleuchtung, einer „geistlichen Erkenntnis" rühmte, die ihn in die verborgenen Tiefen der göttlichen Geheimnisse eindringen lasse.177 Wie bereits erwähnt, hatte sich damals in Lüneburg 173

Darf man den Wunsch von Hellberg in Celle nach LB 1717, 119 (Berufung Petersens zum Generalsuperintendenten nach Celle) als Petersens eigene Erwartung interpretieren? Vgl. seine Unterschrift unter diejenigeJ. Arndts nach LB 1717, 122. 174 Minist, von Lg. an Minist, von Lübeck, Lg., den 6. 2. 1690- Sammlung 1750, 42 (und EphA Lg.); vgl. LB 1717, 136 („sechs Vertreter des Minist." - denkt Petersen noch an den 2. Pfarrer von Lamberti, F. G. Koltemann?). 175 Ebd. -Sammlung 1750, 41. 176 Original in EphA Lg.; eine weitere Handschrift in FoB Gotha (Chart A 307, 69-71). Die Fragen liegen viermal gedruckt vor: 1) Separatdruck o. O. 1692 [anonym herausgegeben] (NSuUB Göttingen, Acta Pietistica II, 42 und in dem Sammelband 8° Th. Thet. II 262/ 25:139); es handelt sich um die bei 2) Bertram, Lüneburg 1719, 262 erwähnte und ebd., Anhang, 519-523 nachgedruckte Ausgabe; 3) Sammlung 1750, 3 0 - 3 7 und 4) Annalen 1795, 419f (Nr. III). Zu Metzendorff s. Minist, von Lg. an Minist, von Lübeck, Lg., den 6. 2. 1690- Sammlung 1750, 42 (und EphA Lg.). Er war Petersens Beichtvater (J. W. Petersen anFürstl. Reg., Lg., den 30. 3. 1690, §18 und 20). 177 Minist, von Lg. an Minist, von Lübeck, Lg., den 6. 2. 1690-Sammlung 1750, 40f. und die „Gegenantwort" des Minist.- ebd., 87; vgl. Petersens Schrifftmäßige Erklährung 1690, 8f.:

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herumgesprochen, daß das Ehepaar Petersen „in einer Stunde in unterschiedlichen logimentern [ = Zimmern] einerley gedancken [seil, über die Offenbarung Johannis] gekrigt". 178 Zum anderen hatte Petersen in seiner Dreikönigspredigt 1690 davon gesprochen, daß nach Joh 3, 8 und dem Beispiel der drei Heiligen Könige, die doch Heiden waren, „der heylige Geist an die ordinairen und gewohnlichen Mittel nicht gebunden sey, [wenn es an dem] ordinairen Dienst des Predigtamts ermangelt". 179 Die fünfte Frage [5] betrifft den theologischen Locus der „unio mystica", der Einwohnung Gottes im Menschen (vgl. ζ. B. 2 Petr 1, 4, Eph 5, 30, Gal 2 , 1 9 f f und3, 27). Die Bezeichnung „mystica" deutet an, daß auch für die orthodoxen Lehrer diese Vereinigung nicht positiv in den Kategorien der aristotelischen Ontologie begriffen werden konnte. Nur negativ ließ sich diese reale, nicht metaphorisch zu verstehende Einwohnung Gottes umschreiben. 180 Das Ministerium will erfahren haben, daß Petersen von einer „wesentlichen Vereinigung" im Sinne Valentin Weigels gesprochen habe. Man verlangt daher von ihm den biblischen Nachweis für diese und andere „Redensarten", wie ζ. B. „in Christum hineingehen", ein Ausdruck, den Christian Hoburg gebraucht hatte. 181 Ungewöhnliche Begrifflichkeit wurde Petersen wiederholt vorgeworfen. So beanstandeten Petersens Kollegen einmal - Schauplatz war wieder die Lambertikirche - Petersens Rede vom „seeligen GOtt". Der Superintendent konnte aber auf die Übersetzung Luthers (1545) zu I T i m 1, 11 verweisen und damit seine Bibelkenntnis demonstrieren. 182 In der sechsten Frage [6] taucht erneut das Problem der Seligkeit der (ehrbaren) Heiden auf. Auch dieser Punkt dürfte in Petersens Dreikönigspredigt seinen konkreten Anlaß gehabt haben, war aber schon früher in den Blick geraten. Die Frage geht wie der folgende Komplex über die Rechtfertigungslehre auf Aussagen von Petersens Kollegen Christoph Heinrich Lauterbach, Rektor der Johannisschule, zurück. 183 Als Alternative wird unterstellt, Petersens Lehre bedeute entweder, daß die Heiden durch unmittelbare Erleuchtung einen inhaltlich schwer zu bestimmenden Glauben bekommen, der sie rechtfertige, oder daß sie ohne Glauben an Christus, sofern sie nur „ [ . . . ] weil ich weiß/ daß das Geheimniß des Reichs niemand fasset/ ohne dem es von oben herab gegeben ist; aber ich hoffe dagegen/ man werde sich auch nicht gegen die Gabe/ so mir aus der Barmhertzigkeit GOttes gegeben ist/ setzen". 178 J. W. Petersen an Fürstl. Reg., Lg., den 30. 3. 1690, § 13; vgl. LB 1717, 7 0 - 7 5 und LB II 1719, 5 5 - 5 7 (fehlt noch in HG 1689, Erzehlung). 179 Petersens „Antwort"- Sammlung 1750, 54f. (und EphA Lg.) undj. W. Petersen an Fürstl. Reg., Lg., den 30. 3. 1690, § 1 4 - EphA Lg.: „Gott hat uns, aber nicht sich an die Mittel gebunden; der Windt blaset wo Er will". 1 8 0 Vgl. SCHMIDT, Dogmatik 1983, § 4 7 (S. 3 0 6 - 3 1 0 ) , SCHMIDT, Teilnahme (1958) 1969 und Wiedergeburt (1951) 1969,175. 181. 181 SCHMIDT, Teilnahme (1958) 1969, 251 Anm. 44; vgl. J . W. Petersen an Fürstl. Reg., Lg., den 30. 3. 1690, § 6 - EphA Lg. Der Vorwurf des Gebrauchs von neuen Redensarten ist häufig; vgl. Beschreibung des Unfugs 1693, 12—14. 182 L B 1717, 1 4 1 - 1 4 3 : Lüneburger Bibel, Stern 1654. 1 8 3 LB 1717, 129.

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ehrbar seien, aus Gottes Barmherzigkeit gerettet werden. Die so gestellte Alternative fuhrt entweder zum Enthusiasmus oder zur Werkgerechtigkeit. Petersen scheint dieses Problem rationalistisch betrachtet zu haben, indem er Christus offenbar als Seinsgrund der Erlösung postulierte und den fehlenden inhaltlichen Glauben (fides quae creditur) mit dem Problem der Säuglingstaufe verglich. 184 Daher schließen sich sachlich die Fragen zum Verhältnis von Rechtfertigung und guten Werken, von göttlichem und menschlichem Wirken im Rechtfertigungsgeschehen an. Im einzelnen geht es um das Verhältnis von Rechtfertigung und neuem Gehorsam [7], die Notwendigkeit von guten Werken [8], die Wirksamkeit der priesterlichen Absolution bei ausbleibenden guten Werken [9] sowie das Maß der Erneuerung durch den Glauben gegenüber dem durch die Erbsünde erlittenen Verlust [10]. Eine bestimmte häretische Richtung scheint hier nicht in den Blick genommen worden zu sein. Die letzten Fragen enthalten wieder für die „Neuen Propheten" typische Theologumena. Der Spiritualismus klingt an, der die Berufung in das Predigtamt und seine Ausübung von der Erleuchtung des Kandidaten abhängig machen will [11] und ekklesiologisch die Separation der Gemeinde der Heiligen von dem nur äußerlichen Gemeindegottesdienst, an dem auch offenkundige Gotteslästerer und Frevler teilnehmen, fordert [12]. Es folgen vier Fragen zum Thema des Tausendjährigen Reiches. Als strittige Punkte werden die zweifache Auferstehung [13], das geistliche Tausendjährige Reich [14] und ein neben Himmel und Hölle (Errettung und Verdammung) bestehender, dritter Ort zur Läuterung der Toten [16] genannt und dazu die dicta probanda aus der Schrift gefordert [15]. In den beiden letzten Fragen endlich verlangen Petersens Kollegen sein Urteil über Jakob Böhme, Valentin Weigel und „Consorten" [17] sowie seine Einschätzung der in die theologische Wissenschaft integrierten „sana Philosophia" [18].185 Petersen weigerte sich, auf die Fragen zu antworten, weil er in dem Vorgehen seiner Untergebenen ein ehrenrühriges und unstatthaftes Verhör sah. Einzig auf die Fragen zu dem von ihm vertretenen Chiliasmus wollte er sich nach wie vor schriftlich erklären. Die Verbreitung seiner biblischexegetisch begründeten Lehre kam ja seinem wissenschaftlichen Ehrgeiz und seinem geistlichen Anspruch entgegen. Zunächst hatte Petersen die „Achtzehn Fragen" am 9. Januar wieder an die Pfarrer zurückgeschickt, da sie „von einer frembden persohn geschrieben, dazu von niemand derselben [seil, seiner Kollegen] unterschrieben sey." Sie sollten sich mit persönlicher Unterschrift dazu bekennen. 186 Beide Seiten wandten sich alsbald an den 184 Vgl. die Wendung „nicht ohne Christo" (LB 1717, 129) und „Richtige Antwort" (zu Frage 4)- Sammlung 1750, 55 (und EphA Lg.). 185 Vgl. Beschreibung des Unfugs 1693, 25. 33 (Böhme) und 29 (Philosophie). ,86 J. W. Petersen an Minist, von Lg., Lg., den 9. 1. 1690- EphA Lg.; ein („Original"-) Exemplar im EphA Lg. trägt keine Unterschriften; vgl. Minist, von Lg. an Minist, von Lübeck, Lg., den 6. 2. 1690- Sammlung 1750, 42 (und EphA Lg.).

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Magistrat als die zuständige Obrigkeit und beklagten jeweils das Verhalten der Gegenseite. Der Weg einer internen, brüderlichen Aussprache und Versöhnung wurde gar nicht erst betreten. Der Rat versuchte nun, die Auseinandersetzung zu schlichten und Petersen zu einer Erklärung zu bewegen. 187 Am 26. Februar fand ein letztes Gespräch zwischen dem Superintendenten, den vier Konsuln (Bürgermeistern) als Vertretern des Magistrats und dem Ministerium statt, bei dem Petersen von seinen Kollegen erneut aufgefordert wurde, sich zu den von ihnen „problematice", also nicht als Beschuldigung aufgestellten Fragen zu erklären. 188 Die Vertreter des Ministeriums begründeten ihr Verlangen damit, daß „sie dadurch allen ungleichen auff hiesiges Ministerium etwa fallenden Verdacht bey außwertigen decliniren [abwenden] helffen könten". 189 Aber auch der Magistrat konnte Petersen nicht bewegen, sich einem derartigen Verhör zu unterziehen. Wegen des Vorwurfs, „er habe dinge de et contra fidem [= vom Glauben abfuhrende und ihm widersprechende] [...] sub necessitate credendi [als glaubens- und heilsnotwendig]" gelehrt, schlug er schließlich ein Kolloquium vor, zu dem beide Seiten ihre Thesen zu den „Achtzehn Fragen" vorlegen sollten. Petersens Vorschlag zielte darauf, den Charakter einer Inquisition zu vermeiden. Er konnte auch angesichts seiner Gelehrsamkeit und Bibelkenntnis damit rechnen, aus einem solchen Kolloquium unwiderlegt und in seiner geistlichen Autorität gestärkt hervorzugehen. Nach dem anfänglichen Einverständnis der Deputierten lehnten die Pfarrer später den Vorschlag wieder ab, weil auf sie kein Verdacht von Heterodoxie gefallen sei. Petersens Kollegen versuchten also umgekehrt, ihrem Superintendenten die Rolle des Verdächtigen zuzuteilen, um sich selbst zu seinen Richtern zu machen und sich dadurch aufzuwerten. Die eifersüchtige Wahrung ihrer Autorität, deren beide Parteien für ihre öffentliche Wirksamkeit bedurften, ließ keine gütliche Einigung zu. Petersen bestritt nur, daß ihm abgesehen von der chiliastischen Lehrejemals die in den „Achtzehn Fragen" angesprochenen Vorstellungen in den Sinn gekommen seien und ließ es vorläufig bei einem Verweis auf seine Schriften, seine Inauguraldisputation, den Katechismus und sein in Lüneburg abgelegtes Glaubensbekenntnis bewenden. 190 187 vgl. Minist, von Lg. an Minist, von Lübeck, Lg., den 6. 2. 1690- Sammlung 1750, 42 (und EphA Lg.), wonach Petersen zuerst den Magistrat angerufen hat. In diesen Zusammenhang gehört der Brief Speners an Petersen vom 25. 2. 1690 (Cons. 3, 1709, 694). 188 Actum, den 26. 2. 1690- StA Lg.; vgl. Petersens Entrüstung über die, wenn auch „problematice" gestellten, so doch beleidigenden Fragen in: J. W. Petersen an Fürstl. Reg., Lg., den 30. 3. 1690, § 11- EphA Lg. 189 BuR von Lg. an Fürstl. Reg., Lg., den 29. 3. 1690, p. 3- StA Lg. Danach und LB 1717, 136-141 auch das Folgende. 190 Petersens „Confessio fidei" war im EphA Lg. (8° Min. H. 10 und 4° Min. H. 12) nicht aufzufinden, ebensowenig wie Κ. H. Sandhagens und derjenigen Pastoren, die nach N . Eggers (1687) und vor J. Büsch (1693) berufen wurden; vgl. J. W. Petersen an Fürstl. Reg., Lg., den 30. 3. 1690, §20- EphA, w o Petersen vom Ministerium die Rückgabe seiner schon damals nicht mehr auffindbaren „Confessio" verlangt. Ein Zeugnis der Orthodoxie von Petersens Schriften

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Seine Meinung vom Tausendjährigen Reich legte er in einer „Schrifftmäßige(n) Erklährung und beweis der Tausend Jahre und der daranhängenden Ersten Aufferstehung" vom 27. Januar 1690 vor. Sie enthält einige biblischexegetische Begründungen und altkirchliche Zeugnisse für die Notwendigkeit oder zumindest die Möglichkeit der chiliastischen Lehre. Petersen reichte seine Schrift beim Rat ein und erklärte sich damit einverstanden, sie an das Geistliche Ministerium weiterzuleiten. 191 Aber dazu kam es nicht mehr, nachdem das Ministerium schon vor diesem letzten Gespräch - offenbar unter Umgehung des Amtsweges über den Lüneburger Rat - am 27. Februar bei Herzog Georg Wilhelm, der „höchsten Obrigkeit, und unsern LandesHerrn und Episcopo, von weßen durchl[aucht] wir ins gesambt in unser Kirchen= A[mt] [gnä]digst confirmiret", vorstellig geworden war und ihn um eine Entscheidung gebeten hatte. 192 Vor dieser Appellation nach Celle, die die oben beschriebene Einschränkung der Macht von Magistrat und Superintendent in der Stadt Lüneburg dokumentiert, hatten die Pastoren entgegen dem ausdrücklichen Vorbehalt des Magistrats an die beiden Ministerien von Hamburg und Lübeck geschrieben, um sich von diesen die Berechtigung ihres Ansinnens bescheinigen und sich für ihr weiteres Vorgehen Ratschläge geben zu lassen. 193 Der Antwort des Hamburger Ministeriums hat der Senior Samuel Schultz einen Brief an seinen ehemaligen Wittenberger Kommilitonen G. Meier v o m 28. 2. beigelegt mit einem Postskript vom 7. März. Danach „haben wir uns nicht zu weit wollen einlaßen, da die sache, wie allhie stellte damals das Lübecker Ministerium aus: An Minist, von Lg., Lübeck., den 28. 2. 1690Sammlung 1750, 47 (und EphA Lg.). 191 Eine Originalhandschrift Petersens vom 21. 3. 1690 im StA Lg.; sie kam vermutlich von Chr. H. Lauterbach, der sie einem Schüler abgenommen haben will und sie bei seinem Verhör am 2. September 1691 abgegeben haben dürfte; vgl. Actum, den 2. 9. 1691- StA Lg. Ein weiteres handschriftliches Exemplar mit dem Datum vom 27. 1. 1690 findet sich in der U B Kiel (Cod. Ms. Κ. B . 141). Gedruckt ist die Schrift (mit Datum 27. 1. 1690) in Frankfurt 1692- nach L B 1717, 137 ohne Petersens Wissen. Das wird dadurch bestätigt, daß das dem Rat von Petersen übergebene Exemplar nach Petersens Aussage (BuR von Lg. an Fürstl. Reg., Lg., den 29. 3. 1690- StA Lg.) seine einzige Reinschrift war, die er sich zurückerbittet. In demselben Brief wird mitgeteilt, daß sie nicht mehr bei den Akten sei. Vielleicht hatte sie ein Mitglied des Rates (J. Reinbeck?) an sich genommen und später in Druck gegeben. Petersens Kollegen behaupten hingegen (im „Memorial" vom 13. 8. 1690, p. 3), Petersen habe seine chiliast. Schrift an mehrere Orte versandt. 1 9 2 Minist, an Fürstl. Reg., Lg., den 13. 2. 1690- EphA Lg. (später abgeschickt; vgl. die „Supplication vom 27. 2 . " nach Fürstl. Reg. an Minist, von Lg., Celle, den 5. 3. 1690- EphA Lg.). 1 9 3 Minist, von Lg. an Minist, von Lübeck (und Hamburg), Lg., den 6. 2. 1690 und die moderat abgefaßten Antworten: Minist, von Lübeck an Minist, von Lg., Lübeck, den 27. 2. (erhalten am 28. 2.) 1690 und Minist, von Hamburg an Minist, von Lg., Hamburg, den 28. 2. (9. 3.) 1690-Sammlung 1750, 3 7 - 4 4 , 4 4 - 4 9 und 4 9 - 5 2 (und EphA Lg.); vgl. J. W. Petersen an Chr. Kortholt, Lg., den 20. 2. 1690, wo er von dem Schreiben seiner Kollegen schon weiß. Vgl. eine Kopie der „wegen des D. Petersen abgegebenen, und von Zelle anhero communicirten resolution" (vom 10. 5. 1690?) in AHL (ausgelagert) nach dem Findbuch AA, p. 445 (Nr. 9).

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berichtet wird, hänget am Zellischen hofe." Im übrigen weiß man sich eins im gemeinsamen Kampf gegen die dogmatisch allzu freiherzigen Pietisten wie Winckler und Horb in Hamburg, wenn es heißt: „Wir fühlen selbst, wo uns allhie der schuh drücke". 194 Petersen ging nun seinerseits die Fürstliche Regierung an, um sich gegen die Klage seiner Kollegen zu verteidigen. 195 Auch er wurde in Hamburg brieflich vorstellig, bezeichnete die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als haltlos, trat aber fur seine chiliastische Lehre ein und forderte schließlich (vergeblich) die Herausgabe des Schreibens seiner Kolle-

Die Resolution

vom 10. Mai

1690

Mitte März begann die Untersuchung des Falles vor dem Konsistorium in Celle. Zunächst unterrichtete sich der Geheime Rat Fabricius erst noch einmal allein über den ausgebrochenen Streit. Am 5. März bestellte er auf den 12. des Monats „Ein= oder zween [aus dem Ministerium], welche die beste Wissenschaft von der Sache haben [...] jedoch, so vil möglich, in der stille, und daß man eben nichts mercke, wohin Sie reisen". 197 Zu dieser Verhandlung gab das Ministerium seinen Deputierten eine Aufstellung der „Motive und Gründe" seiner Klage mit. 198 Nachdem Petersen die beiden Schreiben des Ministeriums zugesandt worden waren - er erhielt sie am 28. März - , setzte er am 30. des Monats eine ausführliche Verteidigungsschrift auf.199 Am 3. und 4. April fand dann eine erste Konsistorialverhandlung mit einem mündlichen Verhör der beiden Seiten anhand der „Achtzehn Fragen" statt. 200 Akten sind aus diesen Verhandlungen nicht erhalten. 201 In den Göttinger Acta Pietistica finden sich aber (handschriftlich) „Drei= und Zwantzig Fragen", die Petersen bei dieser ersten Verhandlung vorgelegt worden sein 194

EphA Lg. „D. Petersens weitläuffige Verantwortung auf des Minist, vorgeb. Klagen an die hochf. Regierung", den 30. 3. 1690- EphA Lg. (in der dortigen Aufstellung fälschlich auf den 13. 3. 1690 datiert). 196 Das am 5. 3. in Hamburg angekommene Schreiben wird erwähnt in: S. Schultz an G. Meier, Hamburg, den 28.2./ 7. 3. 1690- EphA Lg. 197 Fürstl. Reg. (Fabricius) an Minist, von Lg., Celle, den 5. 3. 1690- EphA Lg.; vgl. J. W. Petersen an H. v. d. Hardt, Lg., den 14. 3. 1690- LB Karlsruhe 319 und Fürstl. Reg. an BuR von Lg., Celle, den 19. 3. (26. 3.)- StA Lg., wonach das Verhör mit zwei Vertretern des Minist, bereits stattgefunden hat und Petersen für den 3. 4. nach Celle zitiert wird. 198 Sie datiert vom 19. 3. 1690- EphA Lg. (Verlust). 199 EphA Lg. (wieAnm. 195). 200 Zum Aufenthalt der Vertreter des Ministeriums vgl. deren beim Rat eingereichte Rechnung, Lg., den 28. 7. 1690- StA Lg. und Fürstl. Reg. an Minist, von Lg., Celle, den 19. 3. 1690 (Nochmalige Bestellung zweier Deputierter nach Celle)- im EphA nicht mehr vorhanden. Zu dieser Verhandlung übersandte der Magistrat einen Bericht, Lg., den 29. 3. 1690- StA Lg. 201 S. Handschriftliche Quellen: Hannover, Landeskirchliches Archiv. 195

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sollen. Sie beruhen nach Art und U m f a n g auf den „Achtzehn Theologischen Fragen" des Lüneburger Ministeriums. 2 0 2 Unbeschadet der strittigen chiliastischen Lehre, die man als eine nicht schwerwiegende, private Gelehrtenmeinung passieren ließ, bescheinigte das Konsistorium Petersen seine Rechtgläubigkeit, „außer daß etwa ein und anders eine ultiorem explicationem erfordern möchte". 2 0 3 Da Petersen aber versprochen habe, von seiner Lehre „zu abstrahiren, und insonderheit publice davon nichts vorzubringen", m ö g e das Ministerium es damit sein Bewenden sein lassen. Mit dieser Feststellung aber erreichte das Konsistorium keine Versöhnung der Streitenden. Neue Vorwürfe des Ministeriums ließen keine Ruhe einziehen. Wieder ging es mehr u m das Verhalten des Superintendenten als u m seine Lehre. So soll Petersen am 23. März (Sonntag Okuli), also in der Woche vor der Konsistorialverhandlung, den Spruch Jer 17, 18 (Las sie zu schänden werden/ die mich verfolgen- Luther 1545) auf seine Situation bezogen haben. 204 Das Ministerium verlangte eine gerichtliche Untersuchung, in der man Petersens Aussagen durch Zeugen aus dem Kreis seiner Gemeinde und durch Einsicht in seine Predigtkonzepte überprüfen sollte. 205 Petersen hingegen wollte, daß die falschen Beschuldigungen seiner Kollegen geahndet wurden. 206 Es wurde daher ein neuer Verhandlungstermin für den 29. April anberaumt, zu dem wieder einige Vertreter des Ministeriums, darunter Johann Gabriel Sandhagen, der offenbar die neuen Beschuldigungen bezeugen sollte, vorgeladen wurden. Sie sollten aber mit einer „instruction und Vollmacht gütlich zu schließen, undt völlige reconciliation hinwieder zu treffen" nach Celle kommen. 2 0 7 In Celle war man demnach entschlossen, die Angelegenheit zu einem Ende zu bringen, das keine der beiden Parteien als Sieger hervorgehen ließ. Für die Verhandlung am Ende des Monats verfaßte das Ministerium eine „Gegenantwort" auf Petersens Stellungnahme zu den „Achtzehn Fragen", die er in Celle vorgelegt hatte. 208 Die Lüneburger Pastoren bringen in ihrer Schrift keine konkreten Aussagen Petersens vor, an In: Acta Pietistica II, 41 ( N S u U B Göttingen). Fürstl. Reg. an Minist, von Lg., Celle, den 7. 4. 1690- EphA Lg. 204 Ebd. 205 Die Forderung nach der Kollation in der „Gegenantwort" des Minist.- Sammlung 1750, 80 und 82 (und EphA Lg.). 206 Vgl. Fürstl. Resolution vom 10. 5. 1690, p. 1- StA Lg. undj. W. Petersen an Fürstl. Reg., Lg., den 30. 3. 1690 (Schluß)-EphA Lg. 207 Fürstl. Reg. an Minist, von Lg., Lg., den4. 4. 1690-EphA Lg. und dies. anBuR von Lg., Celle, den 7. 4. 1690- StA Lg. 208 1) „D. Johann Wilhelm Petersens. Richtige Antwort auf die vom Lüneburgischen Ministerium vorgelegten Fragen" und 2) „Des Ministerii zu Lüneburg Gegen Antwort auf die richtige Antwort D. Petersens"-Sammlung 1750, 52—79 und 79—92 sowie (im Original) EphA Lg. Zur Datierung ist die Wendung (Sammlung 1750, 92) heranzuziehen, wo von Petersens Äußerungen auf der Kanzel „in diesen verwichenen Fest=Tagen" die Rede ist. In Betracht kommt nur das Osterfest (20. 3. 1690), das den term, post quem für die „Gegenantwort" darstellt. Term, ante quem fur Petersens „Richtige Antwort" ist der 7. 4. (bzw. 3. 4.) nach: 202 203

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denen sie Anstoß genommen haben wollen. Sie begnügen sich damit, Petersens Erklärung zu den „Achtzehn Fragen" zu kommentieren. Dabei finden sie freilich nur wenig Gelegenheit, Petersen zu widersprechen und ihn einer flagranten Heterodoxie zu überfuhren. Gegen den Vorwurf Petersens, der sie einer unstatthaften und beleidigenden Inquisition beschuldigte, verteidigen sie ihr Vorgehen mit den angeblichen Neuerungen in Lehre und Sprache: „Neue Lehre, neue Nachfrage". 209 So schließen sie mit dem generellen Vorwurf, daß Petersen sich „unbedachtsam in so wichtigen Glaubens=Sachen wieder Eyd und Pflicht, als D. und Superint. praecipitirt, und die Puncta Religionis, welche Er aus eigener Geständniß zur Anfrage furgeben, bisher wieder Gewissen zum grossen Aergerniß der Gemeine leugnen wollen, nunmehr auch zu defendiren sich gar vermäßentlich unterfangen". 210 Es spricht bei aller Emotionalität für das Rechtsbewußtsein des Ministeriums, daß es keinen Glaubens- oder Gewissenszwang ausübt, sondern daran erinnert, daß Petersen auf Grund seines Amtes als Doktor der Theologie und Superintendent an Lehre und Bekenntnis der Kirche gebunden sei. N u r in diesem öffentlichen Amt, dessen Funktion die Orthodoxie gerade in der Bewahrung der unveränderlichen „reinen" Lehre sah, muß Petersen seine Äußerungen verantworten. Insofern ist das Vorgehen des Ministeriums sachlich begründet, auch wenn die persönlichen Motive die Triebfedern der Auseinandersetzung waren. Die Fürstliche Regierung in Celle wollte sich indessen nicht auf eine weitere Untersuchung über Recht und Unrecht einlassen. Da man keine Verständigung erreichte, traf die Regierung in ihrer von Herzog Georg Wilhelm unterzeichneten Resolution vom 10. Mai 1690 eine ordnungspolitische Maßnahme „auß hoher Landesfurstl[iche]r macht und gewalt". 211 In ihr lehnt sie ein gerichtliches Verfahren zwischen den streitenden Parteien ab und begnügt sich mit Handlungsanweisungen für die Zukunft, die die Kirchenmänner auf den status quo verweisen (§1—3). Die Vorwürfe gegen Petersen sind für die Regierung mit dessen schriftlicher Erklärung („Richtige Antwort") erledigt. Sie vertrage sich mit der orthodoxen Lehre. Der Chiliasmus wird nicht rundweg abgelehnt, man verzichtet aber auf jede kompliziertere theologische Stellungnahme zur Wahrheitsfrage und läßt den exegetisch begründeten Chiliasmus als Privatmeinung eines Gelehrten gelten (§ 5), so lange diese nicht die öffentliche Moral stört. Das ist Kirchenpolitik im Geiste Georg Calixts. Bei der Ablehnung des Heterodoxieverdachtes stützt sich die Regierung auf die Annahme, daß Petersens verdächtige Äußerungen, wie seine nachträglichen Erläuterungen bewiesen, auf einem Fürst], Reg. an Minist, wortung"). 209 Sammlung 1750, 210 Sammlung 1750, 2,1 Vgl. RITSCHL 2, gedruckt in Sammlung

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von Lg., Celle, den 7. 4. 1690- EphA Lg.; vgl. LB 1717, 140 („Verant89; vgl. J. W. Petersen an Fürstl. Reg., den 30. 3. 1690, § 11 und 23. 92. 1884, 236. Ausfertigungen der Resolution im StA und EphA Lg.; 1748, 954—965.

sprachlichen Mißverständnis beruhten. Daher werden die Pastoren und der Superintendent aufgefordert, sich der Sprache der Bibel und der christlichen Lehrer zu bedienen (§ 4). Entsprechend wird ihnen verboten, für oder gegen den Chiliasmus zu predigen oder sich öffentlich zu äußern (§ 5). Der obrigkeitliche Akt, den die Resolution v o m 10. Mai darstellt, ist fur den weiteren H e r g a n g der Auseinandersetzung von zentraler Bedeutung. Die herzogliche Regierung setzte sich damit einen äußerlichen, von der Wahrheitsfrage unabhängigen Maßstab, an d e m sie spätere Konflikte messen konnte. Daß die Obrigkeit eine solche Maßnahme treffen konnte, die keinen Glaubensartikel inhaltlich entschied, stand außer Frage. 2 1 2 Beiden Parteien wurden auch alle privaten und öffentlichen Beschuldigungen und Anzüglichkeiten unter Strafe der Amtsentsetzung verboten (§7). Gemeint war insbesondere, daß Petersen es unterlassen solle, seine Situation mit derjenigen Christi oder seiner J ü n g e r zu vergleichen. 2 1 3 Der A u s g a n g war für Petersen glücklich. Seine verdächtigen Reden hätten leicht auch zu einer Amtsenthebung fuhren können. In Celle aber erachtete man es nicht einmal für notwendig, von Petersen ein explizit antichiliastisches Bekenntnis aufsetzen und unterschreiben zu lassen. D a s wäre ein durchaus übliches Verfahren gewesen -jedenfalls früher, bevor Ph. J. Spener in seinen Pia Desideria die Diskussion u m die evangelische Eschatologie neu entfacht hatte.

Die Akzidenzienfrage A m E n d e der Resolution wird unvermittelt noch die Frage der Akzidenzien angeschnitten, die sich innerhalb des dogmatischen Streites wie ein Fremdkörper ausnimmt. D a s Problem der Akzidenzien, das Problem also, wie die verschiedenen Kasualhandlungen (besonders die Trauungen) und ihre Einnahmen auf die einzelnen Geistlichen zu verteilen waren, ist nicht nur unter finanziellem Gesichtspunkt zu betrachten. Vielmehr geht es dabei auch immer u m Rangstreitigkeiten unter den einzelnen Pfarrern und zwischen Superintendent und Ministerium. Der gerade mit Petersens A m t s a n tritt a u f k o m m e n d e Streit u m die Trauordnung stellt einen Versuch des Ministeriums dar, seine eigene Position gegenüber dem neuen Superintendenten zu behaupten. Schon 1689 waren Spannungen zwischen Petersen und einigen seiner Kollegen wegen der Trauordnung aufgetreten. Die alte Trauordnung sah vor, daß der Superintendent für alle Patrizier und B ü r g e r der 1. Klasse, die sich gemeinhin als einzige privat im eigenen Haus trauen ließen, zuständig war. Freilich war diese O r d n u n g nie aufge-

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LB 1717, 183f. Vgl. LB 1717, 157.

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schrieben worden und wurde nach Gewohnheitsrecht gehandhabt.214 Die Trauordnung richtete sich zur Zeit Petersens nicht nach der bürgerlichen Rang- oder Kleiderordnung, sondern nach der Ausgestaltung des Festes. Wurden zum Mahl Krüllkuchen, Wein und Läuchwasser gereicht, wie es ursprünglich nur bei den vornehmeren Bürgern üblich war, so stand die Trauung einschließlich der Akzidenzien dem Superintendenten zu.215 Nun war man inzwischen auch in der 2. Bürgerklasse dazu übergegangen, die erwähnten Speisen aufzutischen und sich bei der Gestaltung des Hochzeitsfestes der 1. Bürgerklasse anzupassen. Damit aber geriet die Trauordnung in Unordnung, da durch diese inflationäre Entwicklung für das Ministerium immer weniger Trauungen übrigblieben. Das Ministerium nahm daher den Wechsel in der Superintendentur zum Anlaß, eine neue Trauordnung zu fordern. Unter Κ. H. Sandhagen scheint es jedenfalls nicht zu einer derartigen Auseinandersetzung gekommen zu sein. Erst mit Petersens Kommen nahm man die neue Situation und die „Unordnung" wahr.216 So überwarf sich Petersen gleich zu Anfang seiner Amtszeit mit dem Ministerium, als er mit Zustimmung des Magistrats zwei Trauungen vollzog, die nach Auffassung seiner Kollegen Johann Gabriel Sandhagen und Hieronymus Koltemann zukamen.217 Letzterer soll daraufhin sogar wegen zu großer „Alteration" erkrankt und gestorben sein.218 Eine vom Magistrat gemeinsam mit dem Ministerium angestellte Untersuchung ergab kein „altes, gewisses Fundament" für die vom Ministerium vertretene Auffassung, nach der der Superintendent (als Pfarrer von St. Johannis) neben den Patriziern überhaupt nur diejenigen trauen sollte, die auch in der Johanniskirche aufgeboten wurden. Das Kriterium der Hochzeitsausgestaltung (Speisen) sollte nach ihrer Ansicht nur für die Aufteilung der Trauungen unter den Geistlichen ein und derselben Kirche in Anwendung kommen. Aufbieten und trauen lassen konnten sich die Lüneburger aber in der Kirche ihrer Wahl. Der Magistrat blieb zunächst bei seiner Position und überließ Petersen die anstehenden und strittigen Trauungen, während er sich um eine neue Regelung zu küm214 Zu den Privattrauungen durch den Superintendenten s. von Knesebeck an J. W. Petersen, o. O. o. D. (abschriftlich) in: J. W. Petersen an Fürstl. Reg., Lg., den 7. 8. 1690, p. 4f.StA Lg. 215 BuR von Lg. an Fürstl. Reg., Lg., den 29. 7. 1690, p. 3- StA Lg.; vgl. J. W. Petersen an Fürstl. Reg., Lg., den 18. 6. 1690, p. 8- StA Lg. Krüllkuchen ist ein Kuchen mit Kardamon (MENSING, Wörterbuch 3, 1931, 339f. und Looft, Kochbuch (1778) 1980, 437f). 216 BuR von Lg. an Fürstl. Reg., Lg., den 29. 7. 1690, p. 1 - S t A Lg. 2,7 BuR von Lg. an Fürstl. Reg., Lg., den 29. 7. 1690, p. 1: Es handelt sich u m folgende Trauungen: 1) Joh. Friedrich Rude mit der Tochter des Müllers Hans Fiepe am 17. 11. 1689 in Johannis; 2) Joh. Dietrich Meyer mit Elisabeth Margarethe Arends, Tochter des Ratsherrn Arend Α., am 7. 4. 1689 in Nikolai. Entsprechend hatte Κ. H. Sandhagen den Sekretär Bernhard Friedrich Krüger mit Sophia Elisabeth Melbeck getraut (s. J. W. Petersen an Fürstl. Reg., Lg., den 18. 9. 1690, p. 7f.-StA Lg.). 218 BuR von Lg. an Fürstl. Reg., Lg., den29. 7. 1690.

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mern versprach. 219 Wieweit Petersen selbst diesen Konflikt bewußt heraufbeschworen hat, um seine Kollegen in ihre Schranken zu weisen, bleibt unklar. Auch die Fürstliche Resolution vom 10. Mai 1690 brachte keine Lösung der Akzidenzienfrage. Es war ja weder Aufgabe noch Recht des Konsistoriums, in dieser innerkirchlichen Angelegenheit Lüneburgs dem Magistrat vorzugreifen. Man erinnerte ihn nur an seine Pflicht, eine befriedigende Regelung zu schaffen. Die Situation in Lüneburg blieb gespannt.

Teplitzer

Reise

Nachdem der letzte Verhandlungstag mit Petersen am 29. April zu Ende gegangen war, begab sich das Ehepaar auf eine größere Reise. Der Superintendent hat die Resolution vom 10. Mai nicht erst abgewartet, sondern begleitete noch vor der fürstlichen Entscheidung des Streitfalles seine Frau in das Teplitzer Bad (heute: Teplice/ CSFR). 220 Die dort seit alters her bekannten warmen, alkalisch-salinen Quellen wurden für Bade- und Trinkkuren gegen Neuralgien und Gelenkschmerzen empfohlen. Petersen nutzte die weite Reise von über 1000 km, um im Rahmen der ihm in Celle angedeuteten Grenzen das kommende Reich Christi zu verkündigen und dessen biblische Begründung darzulegen. 221 Hatten schon die Querelen mit seinen Kollegen und die Zitation nach Celle für Aufsehen in den theologischen Kreisen gesorgt, 222 so brachte er nun seine Ideen gleichsam in einer Missionsreise unter das Volk.223 Die einzelnen Stationen seiner Reise nach Teplitz und zurück sind nicht alle bekannt. Der übliche Weg aber mußte ihn über Magdeburg, Leipzig und Dresden fuhren. Am 4. Mai 1690, dem Sonntag Misericordiae Domini, hielt sich das Ehepaar, auf der Hinreise begriffen, in Leipzig auf. Der Superintendent wurde dort während des Gottesdienstes in der Thomaskirche gesehen. 224 Wahrscheinlich bestand damals schon ein näherer Kontakt der Petersens zu den pietistischen Kreisen Leipzigs. August Hermann Francke selbst war 219

BuR von Lg. anFürstl. Reg., Lg., den 29. 7. 1690, p. 2f. Spener an Α. E. Kißner, Dresden, den 13. 5. 1690 (NEBE, Briefe 1, 1935, 293F) und 30. 6. 1690 (ebd., 2 9 4 - 296); vgl. die etwas ungenaue Angabein: BuR v. Lg. an Fürstl. Reg., Lg., den 23. 8. 1690, p. 2 - StA Lg., Petersen habe nach der Resolution seine Reise angetreten. 221 Das Memorial der Lüneb. Ministerialen (vom 13. 8. 1690, p. 2 - StA Lg.) spricht von „anderthalb 100 meilen" [= ca. 1113 km], was mit der doppelten Entfernung nach Teplitz ungefähr übereinstimmt. 222 Zu Petersens Erwähnung in den Leipziger Akten s. u. 223 Vgl. Spener an Α. E. Kißner, Dresden, den 20. 6. 1690 (NEBE, Briefe 1, 1935, 296): „Doch hätte gewünscht, daß nicht die Materie der lOOOJahr und ersten Auferstehung an meisten Orten die meiste Rede gebe". 224 Beschreibung des Unfugs 1693,14; vgl. LEUBE, Leipzig (1921) 1975, 226. Z u m Folgenden vgl. LEUBE, Leipzig (1921) 1975, 237 und Bed. 3, 1702, 8 0 5 - 8 1 7 (10. 10. 1690) bes. 812. 220

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vielleicht an Ostern des Jahres in Lüneburg gewesen und hätte dann eine nähere Bekanntschaft der Petersens mit der Leipziger Bewegung herstellen können. Mit Heinrich Westphal aus Bardowiek, der Francke seinerzeit in Lüneburg (1688) begegnet war, war Petersen befreundet. 225 Gleichwohl kam Petersen noch nicht als Separatist nach Sachsen. Vielmehr besuchte er auch andere, nicht pietistische Personen. 226 Die Petersens logierten bei dem Kaufmann Knauer in der Reichsstraße. Am Montag, dem 5. Mai, wurde Petersen von dem Zuckerbäcker Augustin Frenzel zum Mittags tisch gebeten. Auch Johann Caspar Schade, der Bäcker Martin Meinig und der Handelsmann Georg Otto Rückart nahmen daran teil.227 Petersen muß in den pietistischen Kreisen Leipzigs gut bekannt gewesen sein. Frenzel hatte Petersen am Morgen (?) in Knauers Haus angetroffen, wo sich schon zahlreicher Besuch eingefunden hatte. Schade, Rückart, Meinig, der Kornschreiber Voigt, weitere Handwerker, Gottlieb (?) Kirch, Heinrich Westphal und andere Studenten waren bei Petersen versammelt. Die Spitzenwäscherin Katharine May war am Morgen kurz bei ihm gewesen. Petersen selbst hatte noch einen Pfarrer aus Lüneburg mitgebracht; vielleicht handelte es sich um Matthias Metzendorff oder um Franz Julius Pfeiffer, der freilich in Lüneburg keine Pfarrstelle besaß, sondern dort nur von Zeit zu Zeit predigte. 228 Während Petersen zu Mittag bei Frenzel speiste, sprach sich Petersens Anwesenheit in Leipzig weiter herum. Neue Studenten kamen, um den Exegeten Petersen zu hören. Die Collegia biblica Franckes hatten ja das Interesse an einer undogmatischen Bibelauslegung ungemein gesteigert. Als die Studenten Petersen bei Frenzel nicht mehr antrafen, wandten sie sich zu seiner Unterkunft bei Knauer und warteten über drei Stunden auf ihn, bis er am Abend gegen 6 U h r eintraf und sie empfing. Den fast zwanzig Personen, meistenteils Studenten (u. a. noch Andreas Friedel, Burkhart Freystein, Heinrich Lucht229, [Heinrich] Ohlers [=Elers]), legte Petersen das Gleichnis vom Turmbau (Lk 14, 25ff) aus und applizierte es auf die Bewährung der christlichen Existenz, „daß es nicht genung wäre, daß mans mit dem Munde bekenne, sondern das hertz muste auch beständig seyn". Entsprechend müsse der Christ vorher Kosten und Gewinn seiner Entscheidung überschlagen. 230 Petersen konnte sich an die vollmächtige 225

Z u Francke s. S. 271; zu Westphal s. Cal. doc., Bl. 397 (20. 5. 1690). 226 Voigt, Sendschreiben 1691, B2 b : Nachdem Petersen zuvor „einen und den andern die uns zuwieder seyn/ besuchete/ und merckte/ daß es nicht klappen wolte/ ließ er sie fahren". 227 Cal. doc., Bl. 390f. (13. 5. 1690). Zu diesen und später genannten Personen s. LEUBE, Leipzig (1921) 1975, s. v.; Samuel Knauer taucht als Vermittler von Briefen zwischen Spener und Petersen schon 1680 auf (Spener an Petersen, 8. 6. 1680- AFSt A 196, p. 170-182 bes. 179). 228 Cal. doc., Bl. 392f. Möglicherweise handelt es sich auch um ein MißVerständnis, und es war der Eutiner Diakon Kem(b)ler (s. S. 136), der Petersen begleitete. Ein Kembler zählt jedenfalls zu Frenzeis Freunden. 229 Zu Lucht, einem Mitarbeiter Franckes s. DELLSPERGER, Bern 1984, S. 204 Anm. 6. 230 Cal. doc., Bl. 397. Unklar bleibt, ob dieser Vortrag bei Knauer oder Frenzel stattfand. Die Aussagen in Cal. doc. lassen ersteres vermuten; anders Voigt, Sendschreiben 1691, B3 a . Wie

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Predigt Jesu erinnert fühlen (Mk 2, 2), wenn sich, wie S. Voigt erzählt, „etliche hundert Manns = und Weibs = Persohnen für dem Hause funden/ daß wir solches verriegeln musten". 2 3 1 Die ganze Versammlung dauerte eine Stunde. Sie mußte plötzlich beendet werden, als antipietistische Studenten kamen und die Anwesenden verhöhnten. 232 Neben Petersen hatte auch seine Frau erbauliche Gespräche, u. a. mit Katharine May, einer näheren Bekannten Frenzeis, gefuhrt. A m nächsten Morgen setzten die Petersens ihre Reise nach Teplitz fort. In Dresden besuchten sie den alten Freund aus Frankfurter Tagen, Philipp Jakob Spener, der mittlerweile Oberhofprediger am kursächsischen H o f geworden war. Nach anderthalb Tagen ging es wieder weiter. In Teplitz angekommen, eilte Petersen sogleich zurück zu seinen Amtsgeschäften, während seine Frau wohl erst im Juni die Rückreise nach Lüneburg antrat. Wieder hielt sie sich für kurze Zeit bei Spener auf. Auch frischte sie ihre alte Freundschaft mit Marie von Reichenbach (s. u.) auf. 233 Die Verbindungen zu den Leipziger Pietisten, den dortigen zum Separatismus neigenden Kleinbürgern und Handwerkern, pflegten die Petersens auch im folgenden Jahr, als ein großer Teil der pietistischen Studenten nach Halle übergesiedelt war. So hielt sich Johanna Eleonora Petersen im Sommer 1691 erneut (auf der Durchreise ?) in Leipzig auf und „hat viele Schwestern und Brüder in Christo mit ihren tröstlichen Predigten und Zuspruch erquikket". 2 3 4 Das Ganze geschah nun schon unter größerer Geheimhaltung vor der Obrigkeit. Denn so wie sie unbeachtet angekommen war, war sie auch wieder verschwunden, als ihre Anwesenheit ruchbar wurde. Daneben dokumentieren auch spätere, geschäftliche Verbindungen den engen Kontakt Johanna Eleonora Petersens mit den Leipzigern. 235 Damit wenden wir uns wieder den Ereignissen in Lüneburg zu. Voigt spricht auch der Bericht der Theol. Fakultät von einem ,,solemne[n] actus" bei Frenzel in der Fleischergasse, „allwo ein schön Pult mit teppicht aufgemacht gewesen [...], da denn eine große Menge Volcks sich versamlet" (Cal. doc., Bl. 126f.). 231 Voigt, Sendschreiben (wie Anm. 230). 2 3 2 Cal. doc., Bl. 127. 2 3 3 Spener an Α. E. Kißner, Dresden, den 30. 6. 1690 (NEBE, Briefe 1, 1935, 296). 234 Voigt, Sendschreiben 1691, Nr. II, 38; vgl. LEUBE, Leipzig (1921) 1975, 237 und Cal. hist., Vol. 3(1691), p. 4 1 b - 4 2 b . 2 3 5 Actum, den 19. und 24. 12. 1691- StA Lg.: Der Lüneburger (?) Kaufmann Gödke hat Briefe von A. Frenzel fur J. E. Petersen erhalten. Sie habe ihn gebeten, ihr „Gräflich drittheil" in Leipzig umzusetzen, was er ihr aber versagen mußte (p. 15). Der Mühlenmeister Christoph Hoppe hat fur J. E. Petersen Briefe und Geld nach Leipzig mitgenommen und einem dortigen Krautkrämer (Koikert ?) gegeben. Der Mann werde in Leipzig der Heterodoxie verdächtigt. Auf dem Rückweg habe dieser ihm ein Päckchen mitgegeben und ihm gesagt, er habe das Geld umgesetzt (Actum, den 30. 12. 1691). Der Kaufmann Warmer erhielt um den 10. 12. 1691 von einem Hamburger Kaufmann ein versiegeltes Geldpäckchen (von 50—60 Reichstalern), das er von dem Leipziger Kaufmann Koikert erhalten hatte. Es sei aber „schlecht [ = ungültiges] geld" gewesen, was J. E. Petersen nach Leipzig gesandt hatte. Vielleicht hing dieser Geldtransfer mit der Herausgabe vonj. E. Petersens Glaubensgesprächen (1691) zusammen (s. S. 319).

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Der

Hochzeitsstreit

Die Fürstliche Regierung hatte mit ihrer Resolution vom 10. Mai 1690 zwar den konkreten Streitfall geregelt, aber eine wirkliche Einigung und Versöhnung der Parteien nicht erreichen können. Eine solche war nicht durch ein obrigkeitliches Dekret zu erzwingen. So war es nur eine Frage der Zeit, wann sich wieder neuer Konfliktstoff ergeben würde, der die schwelende Konkurrenz zwischen Superintendent und Geistlichem Ministerium anfachte. U n d tatsächlich kam es in der angespannten Situation nach dem Erlaß der fürstlichen Resolution, die den betreffenden Personen noch einmal in einem Reskript vom 7. Juni eingeschärft worden war, erneut zu einem Streit, der um die Frage der Akzidenzien und der Verteilung der Kasualhandlungen, insbesondere der Trauungen, gefuhrt wurde. Weder der Rat der Stadt Lüneburg noch die Regierung in Celle hatten ja die offene, weil gewohnheitsrechtlich geregelte Frage entschieden. 236 Diesmal machte Petersens Kollege an der Johanniskirche, Johann Gabriel Sandhagen, seinem Superintendenten das Recht streitig, den Buchhalter Hinrich Leopold Harting mit Ilsabe Dorothea Günther, einer Schwägerin des mit Petersen befreundeten Kaufhausschreibers B. Horn, zu trauen. 237 Wieder begann der Streit kurz vor dem Hochzeitstermin, so daß der Rat genötigt war, eine rasche Entscheidung zu fällen.238 Sandhagen berief sich darauf, daß Harting zur zweiten Bürgerklasse gehöre, und führte zwei Präzedenzfälle an, nach denen die Trauung von solchen Bürgern, obgleich dort Wein, Läuchwasser und Krüllkuchen gereicht würden, nicht dem Superintendenten, sondern seinen Kollegen zukäme. 239 Sandhagens Forderung geht damit über die Auffassung, die das Geistliche Ministerium im Jahr zuvor gegenüber dem Rat vertreten hatte, hinaus, da er das Kriterium der Hochzeitsausgestaltung nicht anerkannte, sondern nur die Einteilung nach Bürgerklassen als Grundlage für die Aufteilung der Kasualhandlungen akzeptierte. Demgegenüber reklamierte der Superintendent Petersen seinerseits in einem Brief an den Bürgermeister Christoph von Töbing vom 28. Juni die anstehende Trauung für sich, indem er die von seinem Kollegen 236 Reskript: Fürstl. Reg. (Fabricius) an BuR v. Lg., Celle, den 7. 6. 1690, mit der Aufforderung an BuR, die Resolution v. 10. 5. den Parteien einzuhändigen; Beilage zu Reinbeck an Witzendorf, Lg., den 20. 1. 1691- StA Lg. 237 Die Lüneburger Akten (s. u.) sprechen von einem Hinr. Leop. „Harting", während der Eintrag im Kirchenbuch von St. Johannis (EphA Lg.) einen Hinr. Leop. „Hardke" nennt, der am 30. 6. 1690 mit II. Dor. Günther in der väterlichen Wohnung der Braut v o n j . G. Sandhagen getraut wurde. 238 Freitag, den 27. 6. 1690: s. J. W. Petersen an Fürstl. Reg., Lg., den 18. 9. 1690, p. 5 und BuR v. Lg. an Fürstl. Reg., Lg., den 29. 7. 1690, p. 1. 239 Es handelt sich um folgende Trauungen: 1) B. Horn mit Magdalene Günther durch Κ. H. Sandhagens Kollegen G. Heiler am 21. 11. 1688 in Johannis und 2) ein Weißlader an Fasten 1689 durch Riekmann; s. Kirchenbuch Johannis (EphA Lg.) u n d j . W. Petersen an Chr. von Töbing, Lg., den 28. 6. 1690-StA Lg.

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angeführten angeblichen Präzedenzfälle bestritt. 240 Für Petersen kam es darauf an, gegenüber seinen Kollegen, besonders gegenüber dem Bruder seines Vorgängers, keine Schwäche zu zeigen. Nachdem er von der Schwester der Braut wegen der bevorstehenden Trauung durch Sandhagen angesprochen worden war, meinte er, seinen Anspruch geltend machen zu müssen. Z u sätzlich verwies er auf zwei Präzedenzfälle, nach denen sein Vorgänger Κ. H. Sandhagen ebenfalls Bürger zweiter Klasse getraut habe. 241 Gefordert war jetzt eine Entscheidung des zuständigen Stadtmagistrats. Dieser will über die Präzedenzfälle kein Urteil fällen und entscheidet den Streit, indem er sich freilich nicht nach der gewohnheitsrechtlichen Regelung von der Hochzeitsausgestaltung, sondern von der Bürgerklassenzugehörigkeit des Bräutigams leiten läßt. Die Lüneburger Kleiderordnungen von 1652 und 1654 ordnen diesen eindeutig der zweiten Klasse zu, so daß sich der Rat entschließt, die Trauung Joh. Gab. Sandhagen „salvo alterius j u r e " [unbeschadet des Rechts eines anderen] zu übertragen. 242 Ein wiederholter Protest Petersens vermag die zuständigen Mitglieder des Lüneburger Rates nicht umzustimmen. In einem zweiten Reskript bestätigen sie ihre Entscheidung, ohne sich freilich mit der getroffenen Entscheidung für eine künftige Klärung der Rechtslage festlegen zu wollen. 243 Petersen fühlte sich durch diese Entscheidung ungerecht behandelt und forderte als geistliches Oberhaupt der Stadt von den verantwortlichen Konsuln Genugtuung für die Verletzung seiner Amtsautorität. 2 4 4 Sie sollten ihr Unrechtes Vorgehen einsehen und bekennen. 245 In der v o m Lüneburger Rat als „injurieus" beanstandeten Schrift legt Petersen noch einmal seine wichtigsten Gründe in der Traufrage vor, beschuldigt J . G. Sandhagen, daß er einen „Privathaß" gegen ihn hege, und tritt in die Auseinandersetzung mit dem Rat bewußt mit geistlichen Argumenten ein. Er klagt sie an, ihn eines 240 StA Lg.: Gegen 1) stellt Petersen richtig, daß Heiler für den unpäßlichen Superintendenten Sandhagen getraut habe; s. G. Heiler an J. W. Petersen, Stargard den 26. 7. 1690abschriftlich in: J. W. Petersen an Fürstl. Reg., Lg., den 18. 9. 1690, p. 16 und gegen 2) argumentiert Petersen, daß er von der Trauung nichts gewußt habe, sie daher nicht fur sich habe beanspruchen können. 241 1) den Ziegelstreicher Heringlacke und 2) einen Kunstpfeifer. 2 4 2 BuR von Lg. an Fürstl. Reg., Lg., den 29. 7. 1690, p. 3 und 5- StA Lg. 2 4 3 J. W. Petersen an die Konsuln, Lg., den 30. 6. 1690- StA Lg.; erwähnt wird noch ein persönliches Gespräch Petersens mit von Töbing am Sonntag, dem 29. 6., und ein (nicht erhaltener) Brief an G. Busche vom 29. 6. 1690 [ = J. W. Petersen an die Konsuln?]; s. J. W. Petersen an Fürstl. Reg., Lg., den 7. 8. 1690, p. 11 und Lg., den 18. 9. 1690, p. 4f- StA Lg. Die Reskripte sind nicht überliefert, werden aber erwähnt in den genannten Briefen Petersens vom 7. 8. 1690, p. 3 („Edikte"; danach enthielten sie schwere Anschuldigungen gegen Petersen wie den Vorwurf von Geiz und ungerechtem Verhalten), 18. 9., p. 5 und an Chr. von Töbing, Lg., den 10. 7. 1690, p. 4 (2. Edikt am 30. 6.)- StA Lg. 2 4 4 Gemeint waren v. a. von Töbing und Witzendorf; s. den Vorwurf gegen die Konsuln und „Patricien", die das „Majorat" ausmachen: J. W. Petersen an Fürstl. Reg., Lg., den 18. 9. 1690, p. 4f.; andere Ratsherren hätten Petersen Recht gegeben: J. W. Petersen an Fürstl. Reg., Lg., den 7. 8. 1690- StA Lg. 2 4 5 J. W. Petersen an Chr. von Töbing, Lg., den 10. 7. 1690- StA Lg.

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Unrechten Anspruches bezichtigt und damit sein Amt kompromittiert zu haben. Sie seien auf diesen Weg geraten, weil sie den selbst bei den Heiden (Festus, Apg 25, 16) geübten Brauch, den Angeklagten vorher anzuhören, nicht beachtet hätten. Und trotz Petersens Richtigstellung und also gegen besseres Wissen hätten sie bei ihrer Entscheidung bleiben wollen und damit mehr Wert auf ihr Wort und ihr Ansehen vor den Menschen als auf ihre Ehre vor Gott gelegt. Auf der anderen Seite stellt der Superintendent sein schuldloses Leiden fur die Wahrheit heraus, das ihm fast den „Saft" in den Gebeinen habe vertrocknen lassen. N u r mit Gottes Hilfe sei er wieder zu Kräften gekommen. Petersen beruft sich wie schon im Komödienstreit auf sein Wächteramt, wenn er den Ratsherren ihr vermeintliches Unrecht vorhält und sie auffordert, sich zu demütigen und Genugtuung zu leisten. Petersens Schreiben mußte der Rat als eine schwere Beleidigung und Verachtung seines obrigkeitlichen Amtes auffassen. Er verteidigte daher seine Entscheidung in einem Schreiben an die Fürstliche Regierung vom 29. Juli 1690 und beschwerte sich über das Gebaren des Superintendenten, indem er auf frühere „Zunötigungen" (gemeint ist der Komödienstreit) verwies. 246 Seine Klage mündete in dem Vorwurf, Petersen habe gegen die fürstliche Resolution vom 10. Mai und deren Erneuerung vom 7. Juni verstoßen. Als konkreten Verstoß werteten die Ratsherren, daß Petersen Sprüche der Heiligen Schrift, die von der Verfolgung Christi und seiner Jünger handeln, auf seine eigene Situation bezog (Lk 22, 52 und Spr 17, 15). Auch sie forderten nun ihrerseits Genugtuung. So hatte sich der ursprüngliche Konflikt zwischen Petersen u n d j . G. Sandhagen oder zwischen Superintendent und Ministerium erneut, wie schon im Komödienstreit, zu einer Auseinandersetzung zwischen weltlicher und geistlicher Obrigkeit in Lüneburg verschärft. Als Petersen von der Klage des Lüneburger Rates hörte, beschwerte auch er sich bei der Fürstlichen Regierung in Celle über den Magistrat, indem er seine Pflicht, die betreffenden Ratsherren zu ermahnen (Strafamt), mit zwei eingeholten Gutachten der Theologischen Fakultäten von Kiel und Rostock legitimierte und im übrigen feststellte, daß seine Rüge nicht dem Rat als ganzem oder der Obrigkeit als solcher gegolten habe, sondern nur den zwei Ratsherren, die für die Entscheidung im fraglichen Fall verantwortlich seien.247 In dieser Situation begann auch das Geistliche Ministerium wieder, seine Zweifel an Petersens dogmatischer Integrität zu äußern. Anlaß waren Berichte, die in Lüneburg beim Geistlichen Ministerium aus verschiedenen Orten eingelaufen waren. Danach hatte Petersen auf seiner großen Reise verbreitet, daß er nach dem Verlauf der Konsistorialverhandlung in Celle in seiner chiliastischen Meinung bestärkt worden sei und sie noch mehr vertre246 247

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StA Lg. Lg., den 7. 8. 1690- StA Lg. Die Gutachten sind m. W. nicht überliefert.

ten werde. 248 Petersens Kollegen ergriffen die Gelegenheit des Streites zwischen Petersen und Rat, um ihre Bedenken gegen ihren Vorgesetzten erneut über den Lüneburger Magistrat in Celle vorzubringen. Nachdem die Fürstliche Regierung in ihrer Resolution vom 10. Mai 1690 die Klage von Petersens Kollegen abgewiesen hatte, konnte Petersen in der Tat seine Position als gefestigt und die Zeit für gekommen ansehen, seine Lehren weiter zu verbreiten. In der Leipziger pietistischen Bewegung, mit der er und seine Frau bei ihrer Reise im Anschluß an die Verhandlungen in Celle in nähere Verbindung getreten waren, mag er einen Wink Gottes gesehen haben, nun offen für seine Erkenntnis vom Tausendjährigen Reich eintreten zu können. Die Zeichen der Zeit schienen jedenfalls günstig. So hat Petersen, zurückgekehrt nach Lüneburg, gleich die erste Gelegenheit ergriffen, das Tausendjährige Reich von der Kanzel herab zu verkündigen, freilich unter Vermeidung des durch die Resolution verbotenen Terminus. 249 Am Johannistag, dem 24. Juni 1690, predigte er über Jes 40, Iff und behauptete, daß die Erfüllung dieser Prophetie noch ausstehe. Petersen tendierte nun stärker dazu, das wahre Gottesvolk von den übrigen, „so zwar Christen sein wolten, aber gar nicht Christlich lebten", abzugrenzen, wie es in seiner Unterscheidung zweier Auferstehungsereignisse schon vorgeprägt war. Die Herausstellung der Auserwählten erhält durch die eschatologische Ausrichtung eine gegenüber der absolutistischen, sich von einer religiösen Orientierung entfernenden Regierungsform eine kritische Spitze. Der Konflikt zwischen dem Anspruch, die Welt nach christlichen Maßstäben zu gestalten, und den realen politischen Strukturen kann, von der Verheißung eines künftigen irdischen Reiches Christi her gesehen, zu einer Kritik am Bestehenden führen. In diesem Sinn versteht Petersen in seiner erwähnten Predigt das „Niedersinken der Berge" in Jes 40, 4f als mystische Verheißung für den Sturz der „gewaltigen Fürsten und Könige" und der „schwülstigen Edelleute". Mit seiner Proklamation des Chiliasmus, des Gottesstaates auf Erden erneuert Petersen den uralten Kampf zwischen Theonomie und Autonomie im Bereich der Ethik oder zwischen wahrer und falscher Prophetie im religiösen Bereich. Da Petersens Chiliasmus aber, wie wir sahen, jenseits der Geschichte anzusiedeln ist, waren ihm Sozialrevolutionäre Ideen fremd. Der unpolitische Charakter von Petersens Predigt läßt sich ζ. B. daran erkennen, daß Petersen nicht in den wirtschaftlichen Konflikt zwischen Sülfmeistern und Sülzern eingegriffen hat, deren „nie erhörte revolte" in einer Akte vom 27. September 1690 dokumentiert ist.250 Sicher wird man in der chiliastischen Predigt und in Petersens Chiliasmus allgemein ein religiöses, mit den 248

BuR von Lg. an Fürstl. Reg., Lg., den 23. 8. 1690- StA Lg. Actum, den 23. 8. 1690- StA Lg.; befragt wurden Brandanus Langejanus, Konrektor an der Johannisschule, Friedrich Funcke, Kantor daselbst, Hinrich Buckfisch, Bürger, Handelsmann und Jurat der Johanniskirche, stud, theol. Christian Schlüpke, Präzeptor bei Johann Stern, und stud, theol. Heinrich Gause. 250 StA Lg. (Sal. 198). Die Sülfmeister hatten den Sülzern untersagt, das ihnen dem H e r k o m 249

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Mitteln der Utopie arbeitendes Ventil für die Forderung nach Beteiligung an politischer und wirtschaftlicher Macht sehen können. In dieser Hinsicht eignet Petersens Chiliasmus das Merkmal einer politischen Theologie. Jedoch darf das religiöse Element nicht einfach funktionalisiert werden. In der Theologie Petersens liegt vielmehr eine innere Dynamik, die von dem Problem der religiösen Erfahrung und der Ethik angetrieben wird. Zu beachten ist ferner, daß Petersen aus seiner lutherischen Tradition heraus in seinem ganzen Handeln nicht die Strukturen von Staat und Kirche an sich angreift und sich nicht wie die eigentlichen Separatisten von der Staatskirche als einem widergöttlichen Babel trennt. Sondern er fühlt sich nur von einzelnen Vertretern dieser Kirche und dieses Staates ungerecht verfolgt und daher in besonderer Weise als ein Zeuge Jesu Christi. Die drei anderen bekannten Predigten aus dieser Zeit stehen schon unter dem Eindruck des Hochzeitsstreites. Am 6. Juni handelt Petersen von der Bußpredigt Noahs und vergleicht die Überlebenden der Sintflut (Gen 6—9) mit den wahren und rechtschaffenen Predigern. 251 Am 4. Sonntag nach Trinitatis (13. Juli 1690) hielt er seine Ansprache über Rom 8, in der es um die Frage ging, ob die „Welt solte annihiliret oder melioriret werden". Petersen glaubte an eine mit Christi Wiederkunft verbesserte Welt, in der jetzt noch die Kreatur seufze, da sie den Gottlosen dienen müsse. Ja, es sei Gottes Geist selbst, der in der leblosen Natur „wirklich" und „physisch" seufze. 252 Angesichts einer solchen auf klare Scheidung von Christlichem und Unchristlichem zielenden Polemik ist es nicht schwierig, sich auszumalen, wie Petersens Predigt am Jacobitag (25. Juli 1690), vierzehn Tage nach seinem „injurieusen" Brief an die Ratsherren, über den „ungerechten Richter" (Lk 18, 1—8), „der dem Gottlosen Recht spreche und die Gerechten verkennete", gewirkt hat, wo es im siebten und achten Vers (nach Luther 1545) heißt: „Solt aber Gott nicht auch retten seine Auserweleten/ die zu im Tag und Nacht ruffen/ und solt Gedult haben? (8) Ich sage euch/ er wird sie erretten in einer kürtz. " 253 Am 13. August 1690 reichten die Ministerialen ein Memorial beim Lüneburger Rat ein, in dem sie die Verstöße Petersens gegen die Resolution vom Mai desselben Jahres aufzählen. 254 In seinem Memorial berichtet das Ministerium über die gescheiterte „gütige composition turbatorii" und führt die erwähnten verdächtigen Predigtpassagen Petersens an, mit denen er wie mit seinen Äußerungen auf seiner Reise und verschiedenen von ihm verfaßten und an mehrere Orte verschickten Schriften dem herzoglichen Befehl entge-

men nach zustehende „Schwarze Salz", d. h. das bei der Siedung mit Sand vermengte Salz, auf dem Salzmarkt an Michaelis zu verkaufen. 251 Protokoll, den 2. 9. 1691 (Lauterbach, p. 12)- StA Lg. 252 Protokoll, den 2. 9. 1691 (Lauterbach, p. 13)- StA Lg. 253 Actum, den 23. 8. 1690- StA Lg. 254 Man nimmt Bezug auf das Reskript vom 7. 6. 1691: „Memoriale", p. 1- StA Lg.

250

gengehandelt habe. 255 In einer Verordnung v o m 15. August setzte die Fürstliche Regierung eine mündliche Verhandlung zur Beilegung des Streites zwischen Petersen und dem Lüneburger Magistrat auf den 28. August 1690 an und beauftragte den Rat der Stadt, die Anschuldigungen des Ministeriums zu prüfen und ihr zu referieren. 256 Der Verhandlungstermin wird später auf Ansuchen beider Parteien auf den 25. September verschoben. 257 Den Aufschub nutzt Petersen zu einer zweiten Verteidigungsschrift an die Fürstliche Regierung in Celle v o m 18. September 1690. 258 Darin wiederholt er seine früheren Gründe für seine „mit Saltz gewürtzete(n) Worte", wie sie einem Seelsorger wohl erlaubt seien (vgl. Kol 4, 6), und nimmt noch einmal Punkt für Punkt zu allen vorgebrachten Argumenten Stellung. Besonders verwahrt er sich gegen den Vorwurf, er habe unrechterweise Worte der Heiligen Schrift auf seine persönliche Situation angewendet. Er habe sich „nicht unbillig entsetzet, das es soweit in unserer Evangelischen Religion gekommen das man meinet, ein Christ dörffe die H. Schrifft nicht auff seinen Zustand ziehen, da sie uns doch gegeben ist, das wir durch gedult und trost der Schrifft hoffnung haben [ . . . ] Hette ich mich nun [seil, bei den Angriffen auf ihn seit seiner Ankunft in Lüneburg] nicht mit dem exempel meines Heilandes getröstet, so wehre ich der elendeste Mensch in der Stadt gewesen."

Die Verheißungen der Bibel gewinnen für Petersen ihre Aktualität auf Grund der Vergleichbarkeit der geschichtlichen Situationen der biblischen Zeit mit denen der eigenen Gegenwart, die ihrerseits ein vergleichbares göttliches Handeln verspricht. Gott ändert sich nicht und wird daher zu jeder Zeit in gleicher Weise seinem gerechten und barmherzigen Wesen entsprechend die unrecht erlittene Verfolgung zum Besten wenden. Petersensche oder pietistische Applikation der Bibel besteht dann darin, die gleichen Erfahrungen zu suchen, wie sie in der Bibel beschrieben sind, u m sich auch ihrer Verheißungen zu trösten. Die Heilige Schrift wird in ihrem historischen Sinn erforscht, u m die vermeintlich ursprünglichen Erfahrungen als zeitlose Typen der christlichen Erfahrung zu gewinnen. Historische und symbolische Deutung fallen gewissermaßen zusammen. An demselben Tag, an dem er seine Verteidigungsschrift verfaßt hat, muß Petersen den Bürgermeister Busche bitten, ihn bei der Regierung in Celle zu entschuldigen, da er wegen seines dem Tode nahen Vaters nach Lübeck aufbrechen will. 259 Sein Vater scheint sich aber noch einmal rasch erholt zu haben, da Petersen rechtzeitig zu der für den 25. - 27. September angesetzten Verhandlung in Celle eintrifft. Die Abgeordneten des Lüneburger Rates haben über den Verlauf der Besprechungen einen Bericht verfaßt, aus dem hervorgeht, daß Petersen auf die „remonstration" des Rates hin erkannt Zu den von Petersen zu dieser Zeit vollendeten Schriften s. S. 310f. StA Lg. 257 Fürstl. Reg. an BuR v. Lg. und J. W. Petersen, Celle, den 26. 8. 1690- StA Lg. Die Bitte um Aufschub seitens des Rates in: BuR von Lg. an Fürstl. Reg., Lg., den 23. 8. 1690- StA Lg. 258 StA Lg.; die folgenden Zitate s. pp. 3, 10 und 12. 2 5 9 J. W. Petersen an Busche, Lg., den 18. 9. 1690- StA Lg. 255

256

251

habe, daß er das fragliche „injuriöse" Schreiben „ex errore & erronea conscientia" (aus Irrtum und mit irrendem Gewissen) abgegeben habe. 260 Damit wurde Petersen zugestanden, daß er seine Amtsrechte nicht wissentlich überschritten, sondern nur aus Unkenntnis der positiv und nicht naturrechtlich bestimmten Rechtslage gehandelt habe. Da die Deputierten der Stadt keine Verhandlungsvollmacht besaßen, sollte sich der Rat schriftlich binnen acht Tagen zum Verlauf der Untersuchung und besonders zu dem Eingeständnis Petersens erklären. Der Rat jedoch beharrte darauf, von seinem Superintendenten eine „pure Erkendtnis, das uns unrecht und zu viel geschehen sey", zu verlangen, welches nur „durch verdiente bestraffung remediret werden kan". 261 Die Forderung nach eindeutiger Schuldzuweisung war fur den Rat unaufgebbar, wollte er seine Autorität gegenüber Petersen wahren. Besonderen Anstoß mußte der Rat daran nehmen, daß Petersen den Streit mit geistlichen Argumenten und unter Einsatz seines Amtes führte, indem er weiterhin von der Kanzel herab Anspielungen machte, die die Ratsherren auf sich beziehen mußten. Geradezu kämpferisch gab sich Petersen im Gottesdienst am Michaelistag (29. September 1690), als er gegen die Gewohnheit „Ein feste Burg ist unser Gott" (EKG 201) und „In dich hab ich gehoffet" (EKG 179) singen ließ, worin „bekantlich viele nachdrückliche verse, insonderheit: Wenn alle weldt voll Teuffei weren, und wolten unß gar verschlingen; undt dergleichen vorkommen". 2 6 2 Die Regierung in Celle teilte Petersen die Reaktion des Rates mit und forderte ihn auf, sich gegenüber der von den Deputierten in Celle am 27. September überreichten Schrift binnen vier Wochen zu verantworten. Im übrigen wurden ihm nochmals alle Anzüglichkeiten mit Hinweis auf die Resolution vom 10. Mai verboten. 263 Der weitere Fortgang des Hochzeitsstreites ist unbekannt. Zu einer abschließenden Lösung scheint es nicht gekommen zu sein, da der Lüneburger Rat in der späteren Anklageschrift des Jahres 1692 seine Forderung nach Bestrafung Petersens wegen seines Verhaltens in dieser Angelegenheit wiederholt. Auch die Verdächtigungen seiner Kollegen sind offenbar weder verhandelt noch ausgeräumt worden, da sie später wieder auftauchen. Die Sache hatte sich offenbar verlaufen, und Petersen war noch einmal vor der drohenden Amtsenthebung davongekommen. Schon liefen Gerüchte um, daß er sich nicht halten werde. Aus Dresden schreibt Ph. J. Spener:

260 „Relatio der Deputatorum", den 4/5. 10. 1690, p. 6- StA Lg. Vgl. deren „Gründliche Replik", die Petersen mit einem Schreiben der Reg. vom 27. 9. am 15. 10. 1690 eingehändigt wurde-StA Lg., und die Instruktion der Deputierten vom 23. 9. 1690-StA Lg. Z u m Begriff des irrenden Gewissens s. WELZEL, Gewissen 1969. 261 BuR v. Lg. an Fürstl. Reg., Lg., den 4. 10. 1690- StA Lg. 262 Ebd.; vgl. noch EKG 201, Strophe 4 und EKG 179, Strophe 5. 263 Fürstl. Reg. a n j . W. Petersen, Celle, den 6/11. 10. 1690- StA Lg.

252

„Nirgend aber scheint's gefährlicher zu stehen als in Lüneburg, da unser Herr D. Petersen wohl dörffte den kürzeren ziehen, wie es verlautet, daß sich die Städtischen um einen andern Superintendenten umsehen. Ich bedaure in solchem Fall sowohl ihn und den Gebrauch seiner Gaben, welcher schwerlich so bald mehr möchte anzubringen sein, als das daraus auch auf andere mitfallende Ärgernis, so ich vorsehe". 264

Ich habe versucht, Petersens Anfangssituation in Lüneburg im einzelnen aufzuhellen. Das war nötig, um die Darstellung und Bewertung der Ereignisse, wie sie Petersen in seiner Lebensbeschreibung unternommen hat und wie sie seither in der wissenschaftlichen Literatur kolportiert werden, kritisch zu überprüfen. Die überlieferten Akten haben das Bild Petersens nicht bestätigt, daß er wegen seiner vermeintlich tieferen Einsicht in die biblische Wahrheit in Lüneburg verfolgt wurde. Die Resolution der Fürstlichen Regierung in Celle ließ erkennen, daß man dort keine Veranlassung sah, Petersen wegen seines Chiliasmus als staatsgefährdend und „radikal" zu verurteilen. Am Anfang der neunziger Jahre war - zumal im Einflußbereich Georg Calixts - eine theoretische Diskussion über die pietistische Eschatologie möglich. Bibeltheologische Erörterungen und also auch die Auseinandersetzung mit urchristlichen Vorstellungen gewannen gegenüber der philosophischen Dogmatik an Gewicht. Nicht der Chiliasmus hat Petersen zu Fall gebracht. Die überlieferten Akten zeigen, daß Petersens Schicksal in Lüneburg im Scheitern seiner Amtsführung begründet ist. Sozialen, gruppendynamischen Konfliktstoff gab es genug. Ein vorsichtiges Handeln wäre im Hinblick auf eine wirkliche Erbauung der Lüneburger Gemeinde im Sinne Speners angebracht gewesen. Indem Petersen den unvermeidlichen Machtkampf zwischen Superintendent und Ministerium dogmatisch und geistlich austrug, verband er ohne Not das gruppendynamische Problem mit den theologischen Fragen von Schrifterkenntnis, Ethik und Chiliasmus. In seiner Person verbanden sich beide Bereiche, und weil seine Person für ihn der eigentliche Gegenstand seines theologischen Denkens und seiner religiösen Erfahrung war, war der Konflikt nicht zu lösen. Dabei entwickelte Petersen immer mehr das Bewußtsein besonderer Erwählung, insofern ihm eine besondere geistliche Erkenntnis und Autorität zuteil geworden sei. Allerdings - das wurde oben schon angesprochen - ist dieses Erwählungsbewußtsein Petersens, das den Konflikt weiter anheizte, hintergründig eng mit seiner chiliastischen Lehre verschränkt. Diese Entwicklung, die in Frankfurt mit Speners Lehre von der besonderen Erleuchtung begonnen hatte, kulminierte, als die erste Prophetin des Pietismus in Lüneburg erschien und Petersens geistlichen Offenbarungsanspruch gewissermaßen objektivierte.

264

Spener an Α. E. Kißner, Dresden, den 9. 10. 1690 (NEBE 1, 1935, 297-298 bes. 297).

253

III. Rosamunde Juliane von der Asseburg und der enthusiastische Pietismus Einleitung

Mit der Geschichte Petersens ist auf das engste der Name der wohl wirkungsvollsten Visionärin und Prophetin des frühen Pietismus verbunden. Die Rede ist von Rosamunde Juliane von der Asseburg.1 Noch im Jahre 1910 erinnerte ein schlichter Holzsarg in Schönfeld bei Pillnitz an dieses „Muster aller Gottseligkeit und Tugend". 2 Bis zu ihrem Tode soll sie als die „erstgeborene Jungfrau des Lammes" (Off 14,4) von den Pietisten wie eine Heilige verehrt worden sein.3 Man legt aber einen zu hohen Maßstab an, wenn man die Visionärin mit Katharina von Siena (1347—1380), Hildegard von Bingen (1098-1179), Mechthild von Magdeburg (ca. 1210-ca. 1285) oder der „aus königlichem Blute stammenden" Birgitta von Schweden (ca. 1303—1373) auf eine Stufe stellt.4 Auch mit den späteren „Inspirierten" des 18. Jahrhunderts sollte man sie nicht vergleichen. Unter dem Gesichtspunkt der religiösen Kreativität nämlich, der von ästhetischen Kriterien bestimmt ist, bleiben die Prophetien und Visionen Rosamundes hinter denen der Genannten weit zurück. Wichtiger erscheinen Zeitpunkt und Umstände ihres Auftretens, ihre historische Bedeutung also. Rosamunde erregt eben zu der Zeit öffentliches Aufsehen, als sich in den Leipziger Unruhen um August Hermann Francke der hallische Pietismus zu formieren beginnt. Schon in den Leipziger Verhören (1689) der an den Collegia philobiblica beteiligten Studenten wurde der Verdacht laut, Francke gehe mit besonderen Offenbarungen und inneren Erleuchtungen um. 5 Der Weg von einer geistlichen, auf die Herzens- und Selbsterfahrung bezogenen Bibelauslegung zum Erlebnis einer Wort fur Wort inspirierten Offenbarung'war nicht so weit, wenn man den grundsätzlichen Gegensatz von pietistischer Erfahrungstheologie und orthodoxer dogmatischer Theologie bedenkt. 6 Die Inspirationen und Visionen schienen nur das fur die Auslegung der Bibel postulierte Wirken des Heiligen Geistes in ausgezeichneter Weise 1 Z u eng sieht diese Verbindung RUPRECHT 1919, 7, der Rosamunde irrtümlich zu Petersens Frau macht. 2 Aufschrift des Sarges nach TRIPPENBACH 1915, 326. 3

TRIPPENBACH 1 9 1 5 , 3 2 5 .

4

S o TRIPPENBACH 1 9 1 5 , 3 2 7 .

5

Gerichtliches Leipziger Protokoll (1689), Frankfurt a. M. 1692 (Anfang), s. dort: „ARTICULI. Worüber M. August Herman Francke zu befragen ist" und „Articuli, Worüber die jenigen Studiosi, so Pietisten genennet werden/ [ . . . ] " in: Francke, Streitschriften 1981, 14ff. 6 Vgl. [Anonymus,] Christ=Vernünfftiges Gespräch von den so genannten Pietisten/ In Magdeburg von Zwey guten Freunden en passant, gehalten. 1691: Demas gibt an: „Sie [seil, die Pietisten] sollen auch auff Eingeben des Heiligen Geistes warten/ wie die Enthusiasten", worauf Timotheus antwortet: „warumb hätten sie dann stets die Bibel vor sich. Aber das glauben sie/ und ich auch/ daß der Heilige Geist durch das Göttliche Wort des Menschen Hertz erleuchtet".

254

wahrnehmbar zu machen. Überdies erinnerten sie an die alttestamentlichen, urchristlichen und eschatologisch verheißenen Geistesgaben (Joel 2, 28f.). Die innere Erleuchtung und Erfahrung schien hier aus ihrer subjektiven Gebundenheit herauszutreten und sich objektiv zu manifestieren. Offenbarungen und Visionen waren an sich nicht problematisch; nur wenn sie zum Kriterium der Wahrheit in geistlichen Fragen wurden, mußten sie Anstoß erregen. Denn sie machten faktisch das Predigtamt und die Kirche in ihrem Wesen als äußerlich in Wortverkündigung und Sakramentsausteilung hervortretende Gemeinschaft der Gläubigen (CA 7) überflüssig. So steht der Beginn des hallischen Pietismus auch unter dem Zeichen des Enthusiasmus. Jedenfalls hat mancher Zeitgenosse, nicht nur wegen der Ungenauigkeit der Gerüchte, die von den neuen Ereignissen Kunde gaben, zwischen den Leipziger Pietisten und der Lüneburger Enthusiastin nicht grundsätzlich unterschieden. So schreibt G. W. Leibniz an Henri Basnage de Bauval im Sommer 1692(?): „Ce qu'on appelle la secte des pietistes, ne doit pas etre co[n]fondu avec le sentiment de ceux qui soutiennent le chiliasme, et qui approuvent certaines visions [ . . . ] . Et comme en meme tems [seil, mit den Leipziger Ereignissen] une jeune demoiselle de la famille noble d'Assebourg [ . . . ] avoit eclate avec ses visions [ . . . ] plusieurs ont mele Tun avec l'autre. " 7

Die wissenschaftliche Frage, wieweit der Begriff des Pietismus zu fassen sei, taucht also schon bei den Zeitgenossen auf.8 Gegen die Unterscheidung von Leibniz muß festgehalten werden, daß August Hermann Francke, seine Leipziger Kommilitonen und pietistischen Gesinnungsgenossen die enthusiastischen Ausbrüche in Lüneburg, Erfurt, Quedlinburg und Halberstadt zunächst mit aufrichtigem Interesse und gläubiger Erwartung begleitet haben. 9 Erst als der Anspruch der Enthusiasten und Visionäre auf die objektive Geltung ihrer Offenbarungen für das politische und kirchliche Gemeinwesen untragbar wurde, hat sich der hallische Pietismus auf die innere, subjektive Erfahrung beschränkt. Bei Francke kam es erst 1693/94, als die brandenburgische Regierung gegen Gebhard Levin Semmler und seine Ekstatikerin Anna Margarete Jahn einschritt, zu Ernüchterung und Abkehr vom Enthusiasmus.10 Propheten und Prophetinnen, Seher und Enthusiastinnen gab es zu allen Zeiten, auch vor dem Beginn der pietistischen Bewegung. 11 Bei Rosamunde Juliane von der Asseburg aber ging der Pietismus zum ersten Mal eine sichtbare Verbindung mit dem Enthusiasmus ein. Immerhin war es der als 7 8

Feder 1805, 76 (Nr. X V I , S. 7 4 - 8 0 ) ; vgl. Nr. X V , S. 6 6 - 74. Vgl. WALLMANN, Art. „Pietismus", in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hg. von

J o a c h i m RITTER ( T ) u n d K a r l f r i e d GRÜNDER, B d . 7 , 1 9 8 9 , S p . 9 7 2 - 9 7 4 . 9 Vgl. RITSCHL 2, 1884, 1 8 3 - 1 9 0 . Zu Franckes Sicht vgl. ζ. B. KRAMER, Beiträge 1861, 161 f. 273 (20.12. 1692). 1 0 WOTSCHKE, Sachsen 1940, 47 (1694) und 82 (1693). 11 Vgl. ζ. B. Arnold, K u K H 3, 1729, Kap. 2 1 - 2 7 (S. 2 1 1 - 2 9 4 ) und 4, 1729, S. 1302a sowie

KAYSER, E n t h u s i a s t e n 1 9 0 5 , 1 - 7 2 .

255

Freund Speners bekannte Lüneburger Superintendent Petersen, der für die Visionärin eintrat und ihr allgemeine Beachtung zuteil werden ließ. Am Ende des Jahres 1691 brach dann mancherorts das Feuer einer ekstatischen Religiosität aus, was auch den Pietismus in Mißkredit brachte. 12 Es spricht wenig für die Annahme, daß Rosamunde dieses Feuer gelegt hätte, da die Offenbarungen der mitteldeutschen Mägde 13 und diejenigen Rosamundes zu unterschiedlich sind. Inwieweit es sich um ein sozialpsychologisches Phänomen handelt, müßte von anderer Seite geklärt werden. Man darf aber annehmen, daß für das Auftreten enthusiastischer Kreise im Bereich des von Spener und Francke geprägten Pietismus Petersen und seine Visionärin als auslösendes Moment von besonderer Bedeutung gewesen sind. 14 Petersen hat durch seine immer mehr bekannt gewordene Wertschätzung der moderaten, wenig ekstatischen Offenbarungen Rosamundes die Bereitschaft und Akzeptanz fur den Enthusiasmus in dem sich formierenden Pietismus gefördert. Wichtige Figuren in dieser enthusiastischen Phase wie Gebhard Levin Semmler, Julius Franz Pfeiffer, Adelheid Sibylle und Johann Heinrich Schwartz haben in Lübeck Rosamundes Offenbarungen vernommen, bevor sie selbst in verschiedener Weise „ausbrachen". Rosamundes Reise nach Magdeburg im August 1691 und Besuche von Leipziger Studenten in Lüneburg haben Rosamundes Gabe in weiten Kreisen bekannt gemacht. Auch A . H . Francke wird noch vor seiner Berlinreise Ende des Jahres 1691 von Rosamunde Genaueres gehört haben. Bei seiner Rückkehr im Januar 1692 fand er „wider" zwei Bezeugungen Rosamundes vom 9. (?) und 20. (?) Dezember 1691 vor. 15 Diese Zusammenhänge legen es nahe, im einzelnen auf Rosamunde Juliane von der Asseburg und ihre Bedeutung für die Petersens einzugehen. Der Beginn des norddeutschen und hallischen Pietismus erhält von dieser Seite aus neues Licht. Zugleich wird zu fragen sein, wie sich die von den Petersens protegierte Prophetin in ihr eigenes theologisches Konzept einordnen läßt. In der Art und Weise, wie die Petersens für Rosamunde eintreten, gewinnt nämlich ihre eigene enthusiastische Theologie an Profil.

Rosamunde Juliane

v. d.

Asseburg

Rosamunde Juliane war eine Tochter von Christian Christoph von der Asseburg (1639—1675) und Gertr(a)ud Margarete, geb. von Alvensleben (gest. 1691).16 Sie wurde im November 1672 auf dem väterlichen Besitz 12

WOTSCHKE, Sachsen 1940, 39 ff. Vgl. dazu WALLMANN, Pietismus 1990, 67 f. 14 SCHULZ, Sprögel 1974, 53. 15 Francke an Spener, [9.1. 1692] - KRAMER, Beiträge 1861, 206; das Datum ergibt sich aus Franckes Tagebuch, ebd., 168; vgl. Cod. theol. 1234, p. 88-94. 16 Als Quellen sind vornehmlich zu nennen: LB 1717, 71. 153 ff.; Sendschreiben 1691; Leibniz, Werke 1923ff; an Darstellungen: TRIPPENBACH 1915; RGG3 1, 1957, 649 13

256

Eggenstedt, nördlich von Oschersleben, geboren und stammte über Asche von der Asseburg (gest. 1580) aus der Moringer-Eggenstedter Linie des alten Braunschweiger Geschlechts, das bis auf Wittekind I. von Wolfenbüttel aus der Zeit Heinrichs IV. (1056—1106) zurückgeht. Ihr Vater fiel in der Schlacht bei Fehrbellin gegen die Schweden (1675) und ließ die Mutter mit sieben Kindern in finanzieller N o t zurück. Rosamunde war das siebte Kind von zehn Geschwistern, von denen 1690 außer ihr nur noch Auguste Dorothee (1670-nach 1697), Helena Lukretia (gest. 1723), Georg Friedrich (geb. u m 1674, verschollen) und Johann Christian Christoph (1676—1725), der Fortfuhrer der Linie, am Leben waren. 17 Eggenstedt sollte versteigert werden und nur mit Mühe erreichte die Witwe beim Großen Kurfürsten einen Aufschub (Indultum moratorium) von sechsjahren. 18 Die Familie zog schließlich nach Magdeburg. Unsicher ist der Zeitpunkt des Umzuges. Einen Anhaltspunkt könnte die Nachricht bieten, daß Rosamunde eine Vision in Eggenstedt gehabt haben soll, in der sie ein feuriges Auge über „Aschersleben" sah. Diese Vision sei dem verheerenden Brand der Stadt vorausgegangen, von dem im Jahre 1692 die Ruinen noch zeugten. 19 Indes wird es sich schon wegen der räumlichen Nähe zu Eggenstedt eher um Oschersleben handeln. Dort ist eine große Feuersbrunst für den 30. Juli 1688 bezeugt. 2 0 Daher dürfte die Übersiedlung nach Magdeburg zwischen 1682 (Auslauf des Indultum moratorium) und 1688 anzusetzen sein, vermutlich noch 1682. Seit ihrem siebten Lebensjahr soll Rosamunde Christus- und gelegentlich Teufelsvisionen gehabt haben. 21 In ihrem zehnten oder zwölften Lebensjahr erlebt sie eine Berufung, die an diejenige Samuels ( l S a m 3, 9) erinnert. Christus erscheint ihr, legt seine Hand auf ihren Kopf, was sie sehr bange macht. Ihre Mutter, der sie die Vision erzählt, rät ihr, beim nächsten Mal zu (M.SCHMIDT);

RE3

2,

1897,

143F.u.

23,

1913,

1 2 4 f.

(F. D I B E L I U S ) ;

ADB

1,

1875,

622

(G. FRANK); BARTHOLD, E r w e c k t e 1852, 201; BAUTZ [1975/76], 2 5 4 f . ; Fecht, Philocalia 1708, 1 1 6 ; F e u s t k i n g 1 7 0 4 , 1 4 1 - 1 7 0 ; KLIPPEL 1 8 6 5 ; K N A P P 1 8 6 5 , 7 3 8 u n d 7 5 4 ( N r . 1 6 5 9 , 1 7 0 0 ) ; K O C H ,

Kirchenlied 6, 1869, 1 3 4 - 1 3 8 ; Moller, C i m b r i a 2, 1744, 6 3 9 f f . ; PLANCK, Geschichte 1831, 2 4 5 f f ; RITSCHL 2, 1884, 2 3 4 f f . 286 und 3, 1886, 460; Tentzel 1692, 104f.; Walch, R S 2, 1730, 559—573 s o w i e einige frühere Lexikonartikel (nach D B A ) : Pauliini 1712;Jöcher 1, 1750; D u n k e l 3.3, 1759; Kirchner 1771; Richter 1804. A n Archivmaterial ist zu nennen: L B D r e s d e n : Ν 80b; N S u U B Güttingen: 2° C o d . M s . hist. 5; S u U B H a m b u r g : 2° C o d . theol. 1234; L B H a n n o v e r : Leibniz-Nachlaß; N H S A H a n n o v e r : K . G . C a l . O r . 63 F VI N r . 31 Bl. 100 und C e l l e B r . 48, 30. 17

TRIPPENBACH 1 9 1 5 , 1 1 9 . 1 6 5 . 3 0 4 .

TRIPPENBACH 1915, 165. 304 mit H i n w e i s a u f die G n a d e n g e s u c h e (Geh. Staatsarchiv Berlin R . 2 2 , N r . 40) und die v o n der Witwe eigenhändig angefertigte Todesanzeige ihres M a n n e s ( N e i n d o r f e r Archiv). 19 L B 1717, 174. 2 0 TRIPPENBACH 1915, 305 mit H i n w e i s a u f die „ D e n k w ü r d i g k e i t e n des Pfarrers C h r i s t o p h Mallinus v o n D a n k e r o d e ( S ü d h a r z ) " in den M a n s f e l d e r Blättern 23, 1909, 11 (NENNEWITZ); in d e n j a h r e n 1680—1705 ist der B r a n d in Oschersleben der einzige dort erwähnte. 2 1 Petersen, S S 1691, § 3: seit d e m 7. J a h r ; Leibniz, Werke I, 7, 30: „ s o lange sie es gedencken k a n " ; v g l . L B 1717, 171 f.: Als J . F . Pfeiffer 1690 nach M a g d e b u r g k o m m t , hat sie ihre O f f e n b a r u n g e n schon zehn J a h r e in der Stille für sich behalten. 18

257

antworten: „Was befehlt ihr eurer Magd?" Nachdem sie das getan hat, wird sie zu ihrer prophetischen Aufgabe bestimmt, fortan Reden Jesu nach Diktat aufzuschreiben. 22 Anfangs soll sie auf Geheiß ihres Pfarrers versucht haben, die Erscheinungen los zu werden. Das war wohl Petersens späterer Gegner Lie. Johann Joachim Wolff, Prediger an St. Ulrich in Magdeburg. 23 Ihr Präzeptor (M. Heine) 24 ermutigte sie aber, die Offenbarungen durch Gebetsübungen einer Prüfung zu unterziehen. 25 Der Grund für diese prophetischen und visionären Erlebnisse Rosamundes ist wahrscheinlich nicht mehr aufzuklären. Zu wenig wissen wir über ihre psychische Konstitution, ihren U m gang und ihre Lektüre. Die Unterschiedlichkeit ihrer Offenbarungserlebnisse ist beachtenswert. Am Anfang stehen Christusvisionen, gefolgt von Auditionen und speziellen Zionsverheißungen. Am Ende stehen die unten näher zu besprechenden Offenbarungen an den Kreis um Petersen.

Übersiedlung nach Lüneburg

Seit seinem Amtsantritt hattejohann Wilhelm Petersen fortwährend Querelen mit dem Geistlichen Ministerium und dem Magistrat von Lüneburg. Zuletzt war es die Auseinandersetzung um die Rechtmäßigkeit und öffentliche Vertretbarkeit der Lehre von einem Tausendjährigen Reich, die Petersen als in der Heiligen Schrift gegründet beweisen wollte. Da bekam er zum Ende des Jahres 1690 eine willkommene Bestätigung seiner Lehre. Der Neffe des Lübecker Superintendenten August Pfeiffer, Julius Franz Pfeiffer, hatte sich seit spätestens Anfang 1690 für längere Zeit bei Petersen in Lüneburg aufgehalten, wo er sich mit ihm über die „Hoffnung künftig besserer Zeiten der Kirche" besprach. 26 In seiner Auffassung gefestigt und gestärkt, zog Pfeiffer nach Leipzig, wo e r - vielleicht aufPetersens R a t - die dort erweckten Pietisten kennenlernen wollte. Auf seinem (Rück-) Weg, der ihn über Magdeburg führen mußte, machte er sich mit den besonderen Gaben derjungenProphetin 22 Das Berufungserlebnis nach Sophie von Hannover (Leibniz, Werke I, 7, 30): im 10. Jahr; nach Petersen, SS 1691, §7: im 12. Jahr. Seit ihrem 15. Lebensjahr, also seit 1687/88 erhält sie „Verheißungen für Zion"- SS 1691, § 15; vgl. Sophie von Hannover an Leibniz, Ebstorf, den 16.10. 1691- Leibniz, Werke I, 7, Nr. 34 (S. 40): „nun ist es mehr als 4jahr, daß die Botmarin [Sophie Ehrengard von Bothmer geb. von der Asseburg, Rosamundes Schwester] meinem Herrn von ihrer schwester hat gesagt, und sie in bürgerkleider wolte nach Hanover laßen, u m b meinen H. recht devot zu machen. Es gab aber keine gelegenheit, darüber zog sie [Sophie Ehrengard] nach Berlin und starb." Die Bezeugungen an „Zion" und „Ephraim" in SS 1691, § 17. 23 LB 1717, 228 f. 24 Vgl. S. 259 Anm. 32. 25 Actum, den 19.12. 1691, p. 7: J. Chr. Langes Mitteilung nach Overbecke. 26 Actum, den 19.12. 1691, p. 22: Aussage s. Bruders J. Hieronymus Pfeiffer; vgl. J.W. Petersen an Fürstl. Reg., Lg., den 30.3. 1690, § 11- EphA Lg. Z u Pfeiffer s. Reitz, Historie 3, 1701, 62: Chr. Hoburg war Hauslehrer der Kinder des Zolleinnehmers Philipp Pfeiffer in Lauenburg, des Vaters von August Pfeiffer. J. F. Pfeiffer kam auch aus Lauenburg und hatte offenbar in Lüneburg (bei J. Buno) studiert (LB 1717, 171).

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bekannt. 27 Wahrscheinlich ist Pfeiffer in Leipzig von einem Freund, vielleicht in Magdeburg von J. J. Wolff auf Rosamunde aufmerksam gemacht worden. 28 Er suchte sie auf und berichtete ihr über Petersens Aufschlüsse aus der Offenbarung Johannis von einem kommenden chiliastischen Reich. Uns ist aus der Zeit, bevor Rosamunde mit Petersen zusammentraf, nur soviel über den Inhalt ihrer Visionen und Auditionen bekannt, wie Petersen in seiner Lebensbeschreibung und seinem Sendschreiben des Jahres 1691 mitteilt. Seine Bemerkung, Rosamunde sei durch den Bericht von Pfeiffer davon überzeugt worden, daß Petersens Ansichten sich mit den Aussagen ihrer Visionen deckten, läßt sich anhand dieser Quellen so nicht bestätigen. 29 Die einzig explizit chiliastische Offenbarung Rosamundes, wie sie in dem Sendschreiben überliefert ist, hat Petersen erst nach Rosamundes Magdeburger Reise im Herbst 169130 zu Gesicht bekommen. 3 1 Immerhin muß Rosamunde eine Geistesverwandtschaft zu dem Lüneburger Superintendenten gespürt haben. Sie tritt mit ihm in Kontakt, das Ehepaar Petersen besucht die Prophetin im November (3.-13.) des Jahres in Magdeburg, und im Frühjahr (Ende Februar oder Anfang März) siedelt die altadelige, nun verarmte Familie für längere Zeit nach Lüneburg über. 32 Petersen glaubt in der Gegenwart der jungen Enthusiastin den Segen zu fühlen, der nach biblischem Bericht Obed-Edom durch die bei ihm während der Philisterkämpfe untergebrachte heilige Lade zufloß (2Sam 6, 11 f.). 33 Auch Spener erfuhr früh von den außerordentlichen Gaben der Enthusiastin. Er schreibt am 30. Dezember 1690 von Dresden aus: 27

LB 1717, 171 f.; Pfeiffer hatte in Leipzig studiert; Matrikel Leipzig 2, 1909, 330: „b. a. 27.11. 1688" (letzter Eintrag). Über die Wege von Lüneburg nach Magdeburg-Leipzig s. REINHARDT-KÜHLHORN, 1982, 126. 28

SS 1691, § 20: Petersen erfuhr von Rosamunde durch eine „gottesfurchtige Person [Pfeiffer?]", die von Rosamunde wieder über einen „Freund" gehört hatte; vgl. LB 1717, 172 und Anm. 34. 29 LB 1717, 172. 30 S. S. 285 ff. 31 Die Offenbarung in SS 1691, §31; vgl. aber §7 „Verheißungen für Zion"; nach SS 1691, §7 wurde Rosamunde im Alter von 12 Jahren , „da sie in den Jahren noch nicht recht hat schreiben noch buchstabieren können", die Erklärung von O f f 20 und 21 „Wort für Wort in die Feder diktiret". Handelt es sich um eine ähnliche Geschichtskorrektur, wie wir sie bei Petersen (s. S. 224—227) kennengelernt haben? 32 Nicht überliefert sind der Brief Pfeiffers an Petersen, in der er von Magdeburg aus über Rosamunde berichtet und Petersens Brief an Rosamunde; vgl. LB 1717, 172. Rosamundes Antwort vom 20.10. 1690 in SS 1691, §21, nachgedruckt bei TRIPPENBACH 1915, 306. Reisezeit: 3 Tage. - Nach den Lüneburger Akten (J.W. Petersen an BuR v. Lg., Lg., den 19.12. 1691) waren neben der Mutter und den drei Schwestern noch der jüngere Sohn mit seinem Hauslehrer Matthias Heine nach Lüneburg gekommen; der ältere dürfte schon beim Militär gewesen sein, erkämpfte 1695 gegen die Ungarn (vgl. TRIPPENBACH 1915,162 f.). - Zur Datierung s. LB 1717, 153: „März" und SS 1691, §22: „seit einem 3/4Jahr"; vgl. aber S. 304. 33 LB 1717, 153; vgl. Rosamundes Offenbarung in Cod. theol. 1234, p. 61, Magdeburg, im September [1690] - vor ihrer Abreise: „ich [= Christus] laße euch nicht waisen, sondern k o m m e wieder zu euch"; hat sich Rosamunde tatsächlich als Ort der Einwohnung Gottes verstanden? Vgl. ebd., p. 53.

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„Seine [des Herrn] Güte, Weisheit und Kraft ist unaussprechlich und wird sich mehr und mehr hervortun, auch vielleicht in ganz außerordentlichen Dingen. Wie denn vor einiger Zeit durch mehrere Zeugen, die so gottselig als nicht alber sind, von einem gewissen Ort öftere Nachricht bekommen von einem adelichen Haus, da eine Witwe und drei Töchter in großer Stille und Einsamkeit leben, da die eine verwunderungswürdige Offenbarungen hat, weil Ihr bei offenen Augen und völligen Sinnen ihr Heiland mehrmal erscheint, daß sie wie außer sich selbst ist und man nichts als Halleluja, Hosianna und Freudenwort von ihr höret". 34

Überlieferung

ihrer

Offenbarungen

Die Offenbarungen Rosamundes sind in drei verschiedenen Überlieferungsformen erhalten. Z u m einen finden sich noch einzelne Originalzettel, auf denen Rosamundes Eingebungen aufgezeichnet sind. 35 Von diesen, zum größeren Teil verlorenen Zetteln sind verschiedentlich Abschriften genommen worden. An erster Stelle sind die zwei „Volumina" zu nennen, die die Petersens selbst angelegt haben und deren Existenz Georg Heinrich Brückner in seinem Brief an Α. H. Francke vom 26.3. 1698 bezeugt. 36 Einen dieser Bände, der sich in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg (Cod. theol. 1234) befindet, hat der bekannte Hamburger Hauptpastor Johann Melchior Goeze um 1756 aus dem Nachlaß eines Pfarrers in Salza erworben. 37 Der Hamburger Kodex enthält neben einzelnen Originalzetteln ca. 170 Bezeugungen von unterschiedlicher Länge in Abschrift, die sich zu einem Teil mit denjenigen decken, die Petersen in seinem Sendschreiben (1691) veröffentlicht hat. Er umfaßt Bezeugungen Rosamundes aus den Jahren 1691 — 1693. Offenbar haben die Petersens schon von Anfang an Rosamundes Offenbarungen kopiert. Denn schon bei einem Besuch Petersens und Rosamundes bei Johann Diekmann in Stade hat man einen solchen Band mitgebracht. 38 Der zweite Band ist wohl verschollen. Eine weitere Abschrift von Rosamundes Originalzetteln wurde während Petersens Konsistorialprozeß im Januar 1692 vorgenommen. Diese enthält fast ausschließlich die Offenbarungen an Johanna Eleonora Petersen. Sie sollen die göttlichen Antworten aufJohannas in dieser Abschrift ebenfalls überlieferte Fra34

A n Α . E . K i ß n e r ; NEBE, B r i e f e 1, 1935, 2 9 8 - 3 0 0 b e s . 299. Vgl. L B e d . 3, 1721, 5 2 8 - 5 3 0

(14.9. 1691) bes. 528: Er habe seit über 5/4 Jahren Nachricht von Rosamunde (Mitte 1690)- und ebd., 803f. [1690/91]: Er wisse von der Familie über [David] Siebenhaar, Berliner Kammeradvokat und Sohn des Magdeburger Pfarrers Malachias Siebenhaar (1616—1685), und seit einem halben Jahr von Rosamundes Offenbarungen. Vgl. ebd., 799 (9.2. 1691) [anj. E. Petersen?]. 35 1. SuUB Hamburg: Cod. theol. 1234 (s. u.), Bl. I - XIV; 2. NSuUB Göttingen: 2° Cod. Ms. hist. 5, Bl. 46' (4.8. 1691), 47 (Jan./Febr. 1692?); 3. NHSA Hannover: Celle, Br. 48, 30. 36 WOTSCHKE, Thüringen 1, 1929, 8—11 bes. 10; ein Verweis auf einen 2. Band auch in Cod. theol. 1234, p. 29 (s.u.). 37 Besitzvermerk p. [1]' und Goezes eigenhändige Notiz p. I'. Der unleserliche Name des Vorbesitzers war bislang nicht zu ermitteln. 38 J.Diekmann an Chr. Kortholt, Stade, den 28.12. 1691, p. 2 (UB Kiel, S.H. 406 A3 Nr. 17).

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gen zur Johannisapokalypse sein. 39 Eine dritte Abschrift einiger Offenbarungen findet sich in der Personalakte Petersens im Ephoralarchiv Lüneburg. 4 0 Dazu k o m m e n noch vereinzelte Kopien 41 sowie ein letzter, kleiner Band von Abschriften in der Landesbibliothek Dresden. 42 Schließlich fanden die Visionen und Auditionen Rosamundes eine größere Verbreitung durch den Druck. Petersen verbreitete die Offenbarungen Rosamundes mit der ganzen „Species facti" in seinem Sendschreiben (1691), das rasch nachgedruckt wurde. 4 3 Der Druck ist besonders wichtig, weil er auch Offenbarungen enthält, die Rosamunde vor ihrer Begegnung mit den Petersens gehabt haben will.

Die Art ihrer Offenbarungen Nicht nur Petersens Gegner wie der Celler Konsistoriale Günther O t t o Hoyer, sondern offenbar auch Petersen und Rosamunde selbst haben sich die Frage gestellt, wie die Visionen und Auditionen von der jungen Prophetin wahrgenommen wurden. Während seines Konsistorialprozesses im Januar 1692, als er mit dem genannten Hoyer über den „modus" der Offenbarungen stritt, konnte Petersen auf eine Antwort zurückgreifen, die Rosamunde schon 1688 in einer Bezeugung erteilt worden war. 4 4 Diese soll offenbar die herkömmliche Alternative von äußeren Visionen und Auditionen, die mit den leiblichen Augen gesehen oder den leiblichen Ohren gehört werden, und inneren Bezeugungen, w o solche „mit dem Verstände" erfaßt werden, überwinden, wenn gesagt wird, daß Rosamunde mit ihren „inneren Augen" sehe und mit ihren „inneren O h r e n " höre. Es wiederholt sich hier die für Petersen charakteristische Verschmelzung der Kategorien von „geistig" und „leiblich", wie sie etwa auch in Petersens Predigten zu finden ist und die ihn mit dem Spiritualismus verbindet. Auch sein Chiliasmus ist ja davon geprägt. Die genannte, von dem Konsistorialen Hoyer aufgestellte Alternative macht nämlich aus den Visionen entweder ein rein äußeres, theologisch wenig gewichtiges Phänomen, das als natürliches oder übernatürliches in den Bereich des Schöpfungswaltens Gottes gehört, oder ein rein geistiges, das wiederum in den Verdacht einer Einbildung der Phantasie ohne Realitätsgehalt gerät. Es ist daher im Sinne der Petersenschen „Erkenntnistheorie", wenn die Realität der Asseburgischen Offenbarungen gerade dadurch 39

N H S A Hannover, Celle Br. 48, 30, Bl. 3 - 3 8 ; vgl. LB 1717, 166. Fasz. 12, N r . 203 (lfd. N r . 34). 41 N H S A Hannover: K. G. Cal. O r . G 3 F VI N r . 31, Bl. 100 und FoB Gotha (in einem BerichtJoh. Eleonoras): Chart Β 962, Bl. 148'-151 r . 42 Dieser Band (s. Verzeichnis der handschriftlichen Quellen) geht inhaltlich nicht über SS 1691 hinaus und ist vor dessen Drucklegung geschrieben w o r d e n . 43 S. Werk Verzeichnis. 44 LB 1717, 1 6 6 - 1 6 8 und 207f.; die Bezeugung v o m 12.11. 1688 (SS 1691, § 19); vgl. auch Johanna Eleonoras Bericht v o m 18? 8. 1691 (FoB Gotha, Β 962, Bl. 148'). 40

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gewährleistet werden soll, daß sie zugleich gegenständlich, objektiv, wie ideell, also im denkenden Subjekt gegründet sein sollen. Rosamunde empfängt ihre Offenbarungen bei offenen Augen mit den inneren Augen. 45 Es handelt sich gewissermaßen um „innere Erfahrungen", die sich aber nicht als Gefühl der Seele, auf die das göttliche Handeln einwirkt, verstehen lassen, sondern als im Geist geschaute objektive Erkenntnisse.

Seelsorgerliche

Wirkungen

Rosamunde übte mit ihren Bezeugungen auf manche Menschen nachweislich eine bemerkenswerte erbauliche und seelsorgerliche Wirkung aus. Diese läßt sich ein wenig aus einem Brief des Stader Generalsuperintendenten Johann Diekmann (1647—1720), eines gebildeten und in verantwortlicher Kirchenstellung stehenden Mannes, an den Kieler Professor Christian Kortholt ermessen. Diekmann antwortet am 28. Dezember 1691 auf die Bitte Kortholts, ihm seine Meinung über die Asseburgische Angelegenheit mitzuteilen, die beiden Theologen von Petersen in dem an sie überschickten „Sendschreiben" (1691) unterbreitet worden war. 46 Der Stader Kirchenmann, der seit einiger Zeit mit Petersen in Korrespondenz stand, berichtet in seinem Brief von einem unerwarteten Besuch des Ehepaares Petersen und der Asseburgischen Geschwister in Stade vom 13. bis zum 16. Oktober 1691.47 Diekmann nutzte damals die Gelegenheit, um sich ein eigenes Urteil über Rosamunde zu bilden, von deren besonderer Gabe er seit einigen Monaten wußte. Was den Wandel und den Charakter Rosamundes anbelangt, so stimmt er Petersens Schilderung ihrer wahren Gottseligkeit zu. Auch die Reinheit ihrer Offenbarungen kann Diekmann nicht anzweifeln, da Rosamunde sich selbst zu ihrer lutherischen Erziehung bekenne, auch materiell keine neuen Offenbarungen prätendiere, sondern immer auf die Schrift als die göttlichen Richtschnur verweise. Rosamunde unterscheidet sich außerdem von den anderen zeitgenössischen Ekstatikerinnen, indem ihr die Offenbarungen „sine raptu aut ecstasi" und ohne die „allergeringste alteration" zuteil werden. Diekmann beobachtet dabei ein weiteres interessantes Merkmal, das sich auch bei den späteren „Inspirierten" findet und das die Übernatürlichkeit der Offenbarungen zu untermauern scheint. Es ist der Gegensatz von poetischer Sprachiulle und Sprachfertigkeit im Zustand der Ekstase oder während der Offenbarung und der Schwierigkeit des Ausdrucks im normalen Zustand, denn „extra [phoran] divinam [ . . . ] wirds ihr blutsauer was auffzusetzen, wie es denn gar schwer zuging, als sie nur ein paar Zeilen in meinem Hause an einen 45

Vgl. S. 2 6 0 b e i A n m . 34. U B Kiel S.H. 406 A3 Nr. 17; der Brief Kortholts ist wohl verloren. 47 Vgl. hierzu Cod. theol. 1234, p. 69—71 (Bezeugungen vom 15. 10. an Frau Diekmann, Frau Link, D. Lipstorp und „alle"). 44

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vornehmen Anverwandten schreiben muste." Diekmann bestätigt auch die kindertypischen Schreibfehler bei der Offenbarung, die Rosamunde in ihrem 12. Jahr erfahren hat. 48 Er erzählt dann weiter von zwei Bezeugungen, die Rosamunde in seinem Haus hatte. Eine soll sich an eine Frau in Dresden gerichtet haben, die andere an seine Frau, die seit fünf Jahren an einer Krankheit litt und deshalb, wie Diekmann selbst sagt, mehr als gewöhnlich den Zustand ihrer Seele beobachtete. 49 Die Lüneburger Freunde hatten sie in ihrem Krankenzimmer besucht und mit ihr fromme Gespräche geführt. Als sie wieder allein war, betete sie zu Gott, er möge ihr doch zu erkennen geben, ob ihm ihr Wandel trotz ihres schwachen Glaubens wohlgefällig sei. Weil sie aber von Rosamundes Gabe wußte, hoffte sie, über Rosamunde eine Antwort Gottes auf ihr zweifelndes Gewissen zu erhalten, ohne aber die junge Prophetin ihren Wunsch wissen zu lassen. Zu ihrem Erstaunen und zu ihrer Freude erfährt sie kurz darauf eine Bezeugung von Rosamunde, die sie als die göttliche Antwort auf ihr „Schreien" erkennt: „Friede sey mit dir: Sey getrost meine Tochter, denn mein antlitz stehet über dir in großer Freundlichkeit und Liebe; Sey nicht kleinmüthig; hebe Dein Haupt auff; denn hie bin Ich dein ImmanuEl; der wahrhafftig mit dir ist; und verschmähet nicht dein Geschrey, sondern decket dich mit Liebe und erquicket deine Seele zur rechten Zeit, und läßt dich nicht alleine, sondern giebet dir volle gnüge;Ja, Amen. So sey auch nun zufrieden, und lebe wohl." 5 0

Die kranke Frau muß diese Gnadenzusage, die sie als das gegenwärtige göttliche Wort erlebte, ungewöhnlich stark getröstet haben, so daß ihr Mann schon wegen dieser seelsorgerlichen Wirkung Rosamundes Offenbarung nicht verwerfen wollte. Es ist für Rosamundes Offenbarungen charakteristisch, daß sie - von einigen Ausnahmen abgesehen - in der Regel nur das biblische Wort als Wort der Gnade und der Hoffnung in unterschiedlichen Variationen reproduziert, materiell aber nichts Neues offenbart. Mit Hilfe einer Konkordanz ließen sich ihre Aussprüche in biblische Ausdrücke, Redewendungen und Zitate zerlegen. Von ihren Bezeugungen aus ist der Schritt zur „inneren Erfahrung" des göttlichen Wortes der Schrift gar nicht so weit. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn Petersen wie Diekmann Rosamundes Offenbarungen immer mit ihrer Schriftgemäßheit verteidigten. Diekmann tat das sowohl gegenüber Petersen als auch gegenüber Kortholt. 51 Angesichts der Wirkung der Asseburgischen Offenbarungen würde er sich ein Gewissen daraus machen, wenn er sie für teuflische oder menschliche Einbildung hielte. Mit seinem Verzicht auf eine positive Anerkennung trifft er sich mit Spener, wenn er sich darauf beschränkt, festzustellen, „unde non sint, quam positive, unde sunt". Ja, nach Vernunftgründen und den vier aristotelischen causae 48 49 50 51

Vgl. Petersen, SS 1691, § 11. Bei der Frau in Dresden handelt es sich wohl um [Johanna Margarethe] Link (s. Anm. 47). Cod. theol. 1234, p. 69. Z u m BriefDiekmanns an Petersen s. LB 1717, 174.

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muß er sie sogar für göttlich halten. Ihm persönlich fehle freilich die existentielle Gewißheit. Einzig die im übrigen aber nicht gegen die Schrift verstoßende Lehre vom Tausendjährigen Reich, die auch Rosamunde verkündige, habe ihn bislang von einer klaren Anerkennung abgehalten. Mit Spener empfiehlt auch Diekmann, den Ausgang abzuwarten. Die Stellungnahme Diekmanns, der Rosamunde selbst kennengelernt hat, zeigt, daß ihre Art der Offenbarungsverkündigung zwar von ihrem konkreten Anspruch her fragwürdig war, in der Sache aber auf ein Defizit antwortete. Predigt von Hoffnung, eschatologische Verkündigung muß sich prophetischer, Gottes Gegenwart beschwörender Rede bedienen und kann nicht bei der Darbietung eines Lehrgegenstandes stehenbleiben. Die Wiederentdeckung der Eschatologie im Pietismus, die Sehnsucht nach der Nähe und der Erfahrbarkeit Gottes verlangen nach einer neuen Art der Verkündigung, die sich in Rosamundes Offenbarungen in einem etwas kuriosen Gewand ankündigt. Ich versuche, Rosamundes Bezeugungen im folgenden in verschiedener Hinsicht zu beschreiben.

Marie Sophie von

Reichenbach

Noch bevor Rosamunde im März zu Petersen nach Lüneburg kam, wurde sie mit Marie Sophie von Reichenbach geb. von Friesen bekannt. 52 Diese fromme Frau sollte Rosamunde auch nach den Lüneburger Wirren um ihre Person beistehen, sie auf ihrem Besitz in Jahnishausen bei Dresden aufnehmen und ihr schließlich ihre letzte Ruhestätte in dem Friesenschen Erbbegräbnis in Schönfeld bei Pillnitz gewähren. 53 Acht Bezeugungen Rosamundes an Marie Sophie von Reichenbach sind uns aus dem Jahre 1691 überliefert, von denen sicher einige während eines Aufenthaltes der Freifrau in Lüneburg geschahen. O b ihr auch einige Offenbarungen brieflich zugesandt wurden, ist ungewiß. 54 Angesichts der Häufigkeit der in den Kodex eingetragenen Bezeugungen seit dem 16.5. 1691 läßt sich der Aufenthalt der Freifrau für Mitte Mai bis Anfang Juni oder Juli ansetzen. 55 52 In Cod. theol. 1234, p. 12 findet sich eine später nachgetragene Bezeugung an sie, die datiert ist: „am sontage von viererley acker 1691" (Lk 8, 4ff.) und von Petersens Hand: „d. 15. Febr.", was sich entspricht, da die I. Perikopenreihe für den Sonntag Sexagesimae, der 1691 auf den 15. 2. fiel, Lk 8, 4 ff. als Evangeliumstext vorsieht. Da diese Bezeugung hinter derjenigen vom 16. 5. nachgetragen ist, wird sie nicht in Lüneburg geschehen sein. Interessanterweise spricht aber Petersen an demselben Sonntag in seiner (Nachmittags-) Predigt über außergewöhnliche Offenbarungen an Frauen (s. S. 304 und S. 259 Anm. 32). 53 TRIPPENBACH 1915, 324. 326; zu korrigieren ist seine Ansicht (S. 322), Margarete Sibylle von Schweinitz geb. von Friesen, Marie Sophies Schwester, habe Rosamunde im Juli 1692 der Reichenbach zugeführt. 54 Es handelt sich um die wie folgt datierten Bezeugungen: 15. 2. (p. 12fi), 18. 3. (Bl. I), 16. 5. (p. 12), 26. 5. (p. 17), 27. 5. (p. 17f.), 4. 6. (p. 20f.), 7. 6. (p. 21), 10. 7. (p. 34). 55 Den Besuch von „hohen Personen" vermerkt SS 1691, §29; vgl. Actum, den 19. und 24.12. 1691, p. 15-StA Lg.: Der Kaufmann B. Warmer gibt an, er habe, „dann und wann"

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Die erste Bezeugung (15. Februar 1690, s. u.) läßt etwas von der religiösen Verfassung der adligen Dame erahnen. Die Bezeugung ist sowohl im Aufbau wie in der Sprache, den Parallelismen und den freien Rhythmen dem Psalter nachempfunden. Auf eine einleitende Begrüßung mit biblisch-erotischer Diktion folgt die Selbstvorstellung des Redenden anhand verschiedener, biblischer Gottesbezeichnungen. Dabei werden unterschiedslos Abstrakta („Liebe", „Ruhe", „Vergnügen") und Personenbegriffe („Gott", „Samariter"), eigentliche und metaphorische sowie menschliche und göttliche Prädikate verwendet. An die Selbstvorstellung, die schon in ihren Gottesbezeichnungen Trost spenden und Heil verbürgen will, schließt sich die Zusicherung an, daß die „Kümmernisse" Marie von Reichenbachs bei Gott bekannt seien und daß seine Hilfe nicht unterbleiben werde. Marie von Reichenbachs „Kümmernisse" aber liegen in der „finsterniße von Natur" und dem „Fehlen des Lichts", was man wohl als ein Gefühl fehlender oder zumindest aller eindeutigen Zeichen ermangelnder Gottesgewißheit deuten darf. Es zielt auf einen mystischen Quietismus, wenn gesagt wird, daß gerade das, „was nichts ist", erwählt sei, und wenn zum Ruhen in Gott aufgefordert wird, so daß es am Ende heißen kann: „laße mich dir alles in allem sein" (vgl. IKor 15, 28).56 Die Bezeugung soll Hoffnung und Trost wecken. Sie tut dies nicht durch mystagogische Anleitung, sondern indem sie auf eine künftig klarere Offenbarung Gottes verweist. Auf Seiten des Menschen wird dabei nur eine kindliche Einfältigkeit gefordert. 57 Jedenfalls scheint Marie von Reichenbach selbst zu keinem mystischen oder enthusiastischen Erlebnis gekommen zu sein. Es wird durch den enthusiastischen Zuspruch Rosamundes ersetzt. In dieser Wortgestalt scheint Gott den Angesprochenen merklich zu begegnen. Dabei ist in den Bezeugungen eine gewisse Steigerung zu verzeichnen. Am 27. Mai wird Marie von Reichenbach der „Geist der Wahrheit" verheißen, von dem sie ein Angeld schon empfangen habe. Am 4. Juni wird ihr eine Selbstoffenbarung Gottes zugesagt (vgl. lKön 19,11). Drei Tage später wird ihr diese Gegenwart Gottes sinnlich vor die Augen gemalt. Christus werde sich mit ihr verloben, und sie solle ihn „schmecken". Am 10. Juni scheint die erregte Erwartung wieder abgeklungen zu sein. Charakteristisch für die Bezeugungen ist auch die Begrifflichkeit der Prädestinations- und Perseveranzlehre. Diese ist hier aus ihrem ursprünglichen, dogmatischen Kontext herausgenommen. Erwählung hat hier nicht den fur ein objektiv-spekulatives Denken zweifelhaften Beigeschmack der Wechsel von „Hummel und Herbst" in Leipzig für Petersen „wegen der Gräffin von Reichenbach empfangen"; die Beträge beliefen sich auf zwei oder dreimal 100 Reichstaler. 56 Vgl. die Wendungen in den anderen Bezeugungen an Marie v. Reichenbach: „ruhe an meiner Brust" (15. 2.), „ich werde mich [= mir] dein Herz zubereiten" (27. 5.), „schlafe in meinen Armen" (4. 6.). 57 Vgl. „einfältig fuhren lassen wie ein Kind" (16. 5.), „werde kindischer zu mir mit aller Zuversicht" (27. 5.); „laß mich deine Seele stillen" (4. 6.).

265

praedestinatio gemina, sondern meint schlicht die göttliche Zuwendung zum Menschen. Der Perseveranzgedanke stellt die Treue Gottes zu sich selbst, zu seiner in seinem Wesen begründeten Liebe und besonders zu seiner Verheißung heraus und damit die Treue zu denen, die ihm und an ihn glauben. 58 Die vor allem in der reformierten Theologie beheimatete Begrifflichkeit der Erwählungslehre trägt bei Rosamunde wie bei den Petersens separatistische Züge. Sie dient hier nicht der Bewältigung des Problems der Willensfreiheit. Das Problem, daß Gott Glaube und Erlösung aus freier Gnade schenkt, der Mensch mithin unfrei ist, und seine dogmatischen Folgerungen kommen hier gar nicht in den Blick. Vielmehr wird die in der Begrifflichkeit liegende Tendenz einer schroffen Trennung der Erwählten von der Welt bereits für das irdische Leben aktualisiert. Als Beispiel fur Rosamundes Offenbarungen an Marie von Reichenbach gebe ich diejenige v o m 15.2. 1691 wieder und mache dabei ihre rhythmische Form und die biblischen Anleihen kenntlich: „Sey gegrüßet liebe Maria, [Lk 1, 28] furchte dich nicht du trautes Hertze, [Lk 1, 30] sey nicht blöde du liebe taube [Hos 7, 11?] k o m m e ruhe an meiner brüst, suche friede in meine arme, den siehe Ich bin die Ewige liebe, [ljoh 4, 16] der theure Samariter, [Lk 10, 25ff.] der oel in deine wunden gießet, [Lk 10, 34] und heylet deine gebrechen, [Ps 103,3] der wahre Gott von Ewigkeit, [Joh 17, 3?] deine ruhe und vergnügen Siehe Ich suche und finde dich, [Lk 15] darumb sey nicht blöde, den mein Hertze ist jamerich, und meine Liebe ist brünstig, Ich weiß deine Kümmerniße, und dein beängstigtes Hertze, sey aber getrost Ich habe die weit überwunden, [Joh 16, 33] und also auch deine finsterniße von Natur, Qoh 1, 5] und mache alle licht, [Sach 14, 7?] den Ich bin das Licht der weit, [Joh 8, 12] so da scheinet in den Elenden niedergeschlagenen Hertzen, [Ps 34, 19] den was nichts ist habe Ich Erwehlet, [Jak 2, 5?] und das unedle, Ich halte alle die da fallen, [Ps 145, 14] und richte auff die niedergeschlagenen, [Ps 145, 14] so suche nun ruhe in deinem Heyl, den Ich bin dein Ewiger Heylandt, der dich Erwehlet von der Obrigkeit der finstemiß, [Kol 1,13] und laße mich dir alles in allem sein amen. [IKor 15, 28] 58 Vgl. „ich will es außrichten" (26. 5.), „gedenke nicht daß ich mich verendere" (27. 5.), „ich bleibe unverrückt in der Liebe" (4. 6.), „verlobt in alle Ewigkeit" (7. 6.), „ich ändere mich nicht" (7. 6.), „die stunde k ö m m t " (10. 7.).

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Dieses hab Ich der Geist der Ewigen liebe bezeugen wollen, auß güte und liebe an dir liebe Maria, lebe nun wohl Ich bin mit dir, und laße dich nicht zuschanden werden, sondern halte dich bey meiner handt, sey freudig im glauben Amen." 3 9

Betstunden

im Hause

Petersen

Mit dem Einzug der Prophetin Rosamunde in Petersens Haus im Frühjahr 1691 bekam die Superintendentur einen neuen religiösen Charakter und eine neue religiöse Funktion. Die Gnade und Gegenwart des Herrn sollte mit Rosamunde in das Haus eingezogen sein. Rosamundes Angesicht soll wie einst das Antlitz Moses, des Mittlers zwischen Gott und Mensch (Ex 34, 29ff.), so geglänzt haben, daß es sogar durch die Mauerritzen hindurchleuchtete. In den Offenbarungen an die Auserwählten sprach Gott selbst zu ihnen. 60 Die Superintendentur wurde damit zu einem selbständigen Ort des Gottesdienstes und der Andacht, „daß wir gar keinen Mangel spühreten [Apg 4, 34], und durch die vielfältige Gnaden=Bezeugungen erquicket wurden". 61 Schon im Sommer 1690 hatte Petersen neben dem regelmäßigen Tischgebet besondere Andachten auf dem Münchsaal seines Hauses eingerichtet. Man hatte dort eine kleine Bank und davor einen Tisch mit verschiedenen (Bibel-) Sprüchen aufgestellt. Für die naheliegenden Vermutungen, es habe sich bei dem Tisch um einen (Abendmahls-) Altar und bei den (auswechselbaren?) Sprüchen um Losungen gehandelt, gibt es keine weiteren Hinweise.62 Man las je einen Spruch aus der Bibel und dem Katechismus, erklärte beide, sang und betete. Eine Predigt aber soll nicht gehalten worden sein. Statt dessen kam es wohl zu einer gegenseitigen Aussprache über die Texte. An Liedern wird der Deutsche Psalter (von Ambrosius Lobwasser) und das Hohelied genannt. 63 Die Betstunden besuchten kaum mehr als fünfzehn Leute; sie fanden teils mittags zwischen ein und zwei Uhr, teils abends 59

Cod. theol. 1234, p. 12f. LB 1717, 153f. (vgl. Anm. 229). Von Rosamundes Gesicht als „eines Engels Angesicht" (LB 1717, 154) spricht Petersen fur die Zeit nach Rosamundes Rückkehr aus Lübeck (ca. 6.7. 1691, s. S. 272ff.) und der Anwesenheit Κ. H. Sandhagens in Lüneburg, der sicher am 7.8. 1691 in Lüneburg war (s. Baumgart an BuR v. Lg., Lg., den 21.8. 1691); vgl. Fabriciusan N N , o.O., o. D. (ca. Febr. 1692)- StA Lg., wonach Hubertus Royens Rosamunde besucht und in Celle erzählt habe, „waz Er alda von einem großen Glantz ihrer Persohn sehe"; vgl. LB 1717, 205. S. a. S. 308 Anm. 229 und HG 1, 1689, 50: Christus ist ein wunderbares Licht, „daß du nicht allein in denen leuchtest/ darinnen du eingeschienen/ sondern auch durch sie heraus scheinest" (zu Joh 5, 35). 61 LB 1717, 153. 62 Zur Praxis der Losungen und des Däumelns vgl. LB 1717, 60 und 118. 63 Die Aussagen zu den Betstunden nach Actum, den 19. und 24.12. 1691 (mit Angabe der Seite); zur Einrichtung des Münchsaales: Lange (p. 15), Overbecke (p. 12), Pfeiffer (p. 24f.); nach Overbecke (p. 7) fanden die Betstunden vielleicht auch in Rosamundes Stube, jedenfalls über Langes Stube statt. Zum Hergang der Betstunden: Overbecke (p. 8 und 10) und Lange (p. 19) sowie Müllers, Actum, den 28.11. 1691-StA Lg. 60

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zwischen neun und zehn Uhr und wohl an verschiedenen Wochentagen statt. 64 Alles deutet darauf hin, daß Petersen einen „sollennen Convent" vermeiden wollte. Seine Betstunden blieben im Rahmen der zulässigen Hausandacht (devotio domestica). Johann Christian Lange betonte in dem späteren Verhör, daß die Betstunden kein „sonderlicher Gottesdienst" seien, zumal sie nur unregelmäßig und spontan stattfänden und immer nur soviel kämen, „wie im Hause wären". 65 So bleibt es auch ungewiß, ob die Betstunden durch eine Segenshandlung eine liturgisch-gottesdienstliche Form erhielten. 66 Auch nach Rosamundes Erscheinen in Lüneburg beschränkte man sich möglichst auf den Kreis der gleichgesinnten Hausgenossen und Hausgäste. Neben der Asseburgischen Familie hielten sich in diesem Jahr noch die Familie Barthol aus Cleve, die Studenten Julius Franz Pfeiffer und Gottlieb (?) Steger sowie Marie Sophie von Reichenbach und „der junge Graff von Waldeck" bei Petersens auf. 67 In der Mitte des Jahres 1691 kamen dann zu unterschiedlichen Zeiten Freunde, vornehmlich Studenten, die selbst Zeugen der neuen Zeichen Gottes sein wollten, nach Lüneburg. 68 Manche von ihnen waren schon in der pietistischen Bewegung in Leipzig hervorgetreten. An einige richtete Rosamunde ihre Bezeugungen. Danach wird man die Aufenthalte der betreffenden Personen datieren dürfen. Zu nennen sind: Julius Franz Pfeiffer (8. Juni), Johann Matthias Sau(e)rbier, Gebhard Levin Semmler (8. und 23. Juni, 10. Juli, 27. Oktober und 1692), Johann Kaspar Schade, (Johann Wilhelm?) Kellner (von Zinnendorf?) (17. August) 69 , (Nikolaus oder Joachim?) Lange 64 Die Zahl schwankte natürlich; Overbecke (p. 8) schätzt sie auf Grund des gehörten Gesangs auf 10 Personen; zu den Hausbewohnern s. S. 259 und Anm. 67 f. Petersens Magd A. Müllers spricht fur die Zeit von Anfang August bis Mitte November von bis zu 26 Personen (Actum, den 28.11. 1691- StA Lg.). Die Zeiten nachj. H. Pfeiffer (p. 24) und Overbecke (p. 8) sowie Drawes und Ebeling (p. 14); ähnlich Ph. H. Pfeiffer (Actum, den 2.1. 1692). 65 Overbecke (p. 10) weist den Vorwurf des „Convents" zurück; vgl. Lange (p. 18 u. 20). 66 Ebeling (p. 14) spricht von einem gelegentlich gesprochenen Segen, Lange (p. 19) verneint das. 67 Asseburgische Familie: s. S. 259 Anm. 32; nach Petersens Aufstellung vom 19.12. 1691 (Beilage zu Baumgart an Stöterogge, Lg. den 19.12. 1691- StA Lg.) war der jüngste Sohn nach Sachsen und M. Heine nach Berlin und anderwärts fortgegangen. Der von Petersen angeführte „junge Graff von Waldeck" ist wohl der Thronfolger und nicht derjüngste Sohn, also Friedrich Ludwig Carl und nicht Anton Ulrich; der Aufenthalt bei Petersen kann damit zusammenhängen, daß Friedrich Ludwig Carl um den 7.5. 1690 den Raugrafen Carl Casimir von der Pfalz, einen Kommilitonen auf der Ritterakademie in Wolfenbüttel, im Zweikampf erstochen hatte und daher vermutlich die Schule verlassen mußte; s. HOFFMEISTER 1883, 6 9 - 7 1 ; vgl. KUHLENKAMP 1975, 48 f. Der Aufenthalt Pfeiffers nach Actum, den 19.12. 1691 (Ph. H. Pfeiffer, p. 22) (vgl. S. 258f.), derjenige Stegers nach Actum, den 19. und 24.12. 1691 (p. 10)- StA Lg. Die Fam. Barthol lebte wohl seit Herbst 1690 („seit 13 Monaten") bei Petersen (Actum, den 19.12. 1691, Schultze, p. 26); vgl. S. 131. 68 Als die Fam. Barthol nach Lg. k o m m t (LB 1717, 61), halten sich noch nicht viele Personen bei Petersen auf (Actum, den 19.12. 1691, Schultze, p. 26); Ebeling und Warnecke (p. 14 und 26) sprechen von Reisenden und Studenten; Ph. H. Pfeiffer (2.1. 1692) hat 14 Personen bei Tisch gesehen, wovon acht Studenten waren; vgl. Anm. 64 (Müllers). 69 Der Liederdichter Johann Kellner von Zinnendorf, ein Muskauer Pietist, den Frau Peter-

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aus Gardelegen, (Daniel?) Falckner (8. Juni und 9. November), (Johann Joachim) Weidner (nach Erfurt, 23. Juni), (Johann Konrad?) Lange aus Nürnberg, (Gottlieb?) Steger aus Leipzig und Kaspar Nikolaus Overbekk(e), ein ehemaliger Schüler Κ. H. Sandhagens. 7 0 Vielleicht haben gerade die Reisen Rosamundes und Johanna Eleonora Petersens in der 2. Jahreshälfte 1691 die Studenten nach Lüneburg gezogen. Über den Besuch von Johann Joachim Weidner ist Näheres bekannt. 71 Weidner trafim Mai 1691 zu Pfingsten (31.5. 1691) in Lüneburg ein. Er kam von Erfurt und logierte bei Petersen. Die Pfingstpredigt hörte er in Lüne bei dem dortigen Superintendenten S c h a r f f u n d gab damit seiner Verachtung für die Lüneburger Prediger Ausdruck. Sein anstößiges Verhalten provozierte eine Diskussion Weidners mit einem Wirt beim Mittagstisch über die rechte Theologie, den Schaden der Philosophie fur eine erbauliche Bibelauslegung und die Notwendigkeit einer wahren Bekehrung und Buße für die Predigt. Nicht jeder von der Welt als geistreich gerühmte Prediger lohne sich zu hören, ließ Weidner sich vernehmen, da bei solchen oft die Einmischung von philosophischen Gedanken Christi Sinn in der Schrift verdunkle und davon wegführe, nicht ohne großen Schaden besonders für die jungen Leute (p. 1). Bei Petersen will er ein Haus voller Gläubigen gesehen haben (p. 2). Er behauptete, daß man das Gesetz Gottes vollkommen halten könne, daß man sich der zeitlichen Dinge enthalten und mit den Bedürftigen teilen solle. A m 20. Juni des Jahres verabschiedete sich Weidner und sprach noch einmal mit seinem Wirt über die rechte Art des Theologiestudiums, die er erst in Erfurt kennengelernt zu haben vorgab. Hier würden Sprachen gelernt und keine Philosophie, die selbst zur Widerlegung der Widersacher nicht nötig sei. Christi Geist leite in aller Wahrheit, wenn man sich zu Gott und seinem Wort halte und ein unsträfliches Leben führe (p. 2f.). Während er verneint, daß ein unwiedergeborener Prediger mit seiner Verkündigung Frucht schaffen könne, will er an der wirksamen Einsetzung des Abendmahls und der wirksamen Absolution durch einen unerleuchteten Prediger festhalten (p. 3f.). Der Angriff geht also nicht auf das A m t oder seine Wirksamkeit an sich, sondern auf die Fähigkeit eines Pfarrers, die Schrift zu bezeugen. Er lobte Petersen vor allen anderen Predigern der Stadt. Der Wirt unterhielt sich mit Weidner auch über den Chiliasmus und die symbolischen Bücher, die der Erfurter nicht als N o r m gelten lassen wollte (p. 5). Später, Anfang August 1691, kamen noch zwei Studenten aus Erfurt nach sen einer vornehmen Person in Lüneburg als Hauslehrer empfohlen haben soll. Er habe zu der „Schwärmer-Sozietät" Petersens gehört (Feustking 1704, 476; vgl. M. GOEBEL, Geschichte 3, 1860, 195—221). Über diese Sozietät ist sonst nichts bekannt. 7 0 Die Lüneburger Kaufleute erhalten aus Berlin, Gardelegen u. a. Orten Päckchen, keine Wechsel fur die Studenten (Actum, den 19. und 24.12. 1691, W. Busche, p. 15); die Namen ebd. (Overbecke, p. 11) und Cod. theol. 1234; vgl. S. 243-245. 71 Bericht eines anonymen Lüneburger Gastwirtes [vom August 1691]. Das Datum ergibt sich aus einem Bericht Baumgarts vom 17.8. 1691- StA Lg., wonach G. Meier von zwei neuen Erfurter Studenten berichtet hat.

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Lüneburg. 7 2 Auch sie wohnten bei Petersen. Sie seien noch rigoristischer gewesen, „die da mehr ihren wercken, und wandel zu legten, Alß mir von meiner Jugendt auff in meiner religion zu thun ist angewiesen worden" (p. 5). Sie hätten seit einiger Zeit die Pfarrer als nicht erleuchtete Prediger diffamiert. Vermutlich handelte es sich u m Joachim Lange und Heinrich Westphal, die beide in Erfurt studierten und Anfang August Rosamunde Juliane von der Asseburg nach Magdeburg begleiteten. Auch über Nikolaus Langes Aufenthalt in diesen Tagen bei Petersen sind wir näher unterrichtet. 73 Auf dem Rückweg von seiner sechsmonatigen Reise nach Holland kam er über Wiewarden und Bremen nach Lüneburg, „daß er sich dessen/ was damals mit Herrn D . Petersen, Superintendenten daselbst, und einer gewissen adelichen Familie vorging, selbst gern erkundigen möchte." Petersen nahm den Hamburger Pietisten mit viel Freundlichkeit auf und gestattete ihm freien Zutritt in sein Haus. Lange lernte Petersen schnell schätzen und seine Gelehrsamkeit bewundern. Obwohl er sah und erkannte, wie rechtschaffen und der Welt abgestorben man im Hause Petersen lebte, konnte er die außerordentlichen Offenbarungen, deren man sich dort rühmte, nicht für göttlich erkennen. „Endlich bekam er auch eine ziemliche Vestigkeit, als er einen mächtigen Fehlschlag der vermeinten göttlichen Eingebungen und Bezeugungen wahrzunehmen die Gelegenheit hatte." Der Verfasser von Langes Biographie spielt offenbar auf das „Prognosticon" für Gertraut von der Asseburg an, das zu einer erheblichen Irritation bezüglich der Asseburgischen Offenbarungen Anlaß gab. Demnach wäre Langes Besuch auf Ende Juli bis Anfang August einzugrenzen. Nikolaus Lange hat dann mündlich und später aus Hamburg schriftlich seinen Dissens dem Lüneburger Superintendenten unterbreitet und seine Gründe auch Rosamunde Juliane von der Asseburg brieflich vorgebracht. Darin stellte er die Gewißheit und Sicherheit von Gottes geschriebenem Wort der Ungewißheit und Gefährlichkeit von außerordentlichen Offenbarungen gegenüber, indem er auch auf negative Erfahrungen und Beispiele in Holland verwies. „Er funde auch bey gedachter Person nicht wenig Eingang, wie sie ihm in der zugeschriebenen und noch vorhandenen Antwort aufrichtig bezeuget. " 7 4 Rosamunde hat in diesem Z u s a m menhang Eberhard Zeller und Nikolaus Lange eine Bezeugung zuteil werden lassen. 75 Letzterer hat darauf geantwortet, daß er aus solchen Bezeugungen keinen Trost gewinnen könne, und deshalb darum gebeten, ihn damit künftig zu verschonen.

7 2 Wie Anm. 71; bestätigt durch den Bericht Baumgarts v o m 17.8. 1691 (über ein Gespräch mit G . Meier)- StA Lg. Vgl. Actum, den 19. und 24.12. 1691: Aussage von Felß, daß er zwei fremde Studenten an Petersens Tafel gesehen habe. Einer von ihnen sei nach Berlin gereist. 7 3 Henckel, Stunden 3, 1726, 7 9 - 2 7 8 (Verf.: Georg Christian Adler), bes. 1 4 7 - 1 5 0 . 7 4 Die genannten Briefe wurden nicht ermittelt. 7 5 In C o d . theol. 1234 wohl nicht vorhanden.

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Auch einzelne Lüneburger haben die Betstunden besucht, so der Kaufhausschreiber Balthasar Horn, der Brauer Johann Kruling, der Superintendent zu Lüne Heinrich Wilhelm Scharff, der Gerichtsherr (Joachim?) Zimmermann, ein Student der Theologie (Heinrich ?) Meyer, J. G. Lippers Diener und Horns ehemaliger Diener Kruse. Ja, mit Johann Reinbeck und dem Sekretär B. F. Krüger waren selbst Angehörige des Magistrats vertreten. 76 O b Rosamunde in diesen Betstunden eine besondere Rolle spielte, ist ungewiß. Überhaupt liegt die Situation, in der sie ihre Offenbarungen hatte, im dunkeln. Jedenfalls zog sie die jungen Pietisten an. Auch August Hermann Francke wurde Anfang bis Mitte Dezember 1691 in Lüneburg erwartet, da man annahm, er würde seine Reise von Erfurt nach Berlin, bei der er sich unter anderem auch längere Zeit in Quedlinburg aufhielt, nutzen, um sich in Lüneburg über Rosamunde zu erkundigen. 77 Die Betstunden und frommen Übungen im Hause Petersen blieben beim späteren Prozeß ohne Folgen. Insgesamt scheint man sie in der von Petersen geführten Form gebilligt zu haben. Gleichwohl hing ihnen der Geruch des Separatistischen an. Standen schon die von Ph. J. Spener angeregten „Collegia pietatis" unter dem Verdacht des Separatismus, so erst recht der „kleine Haufe" in Lüneburg, dem die eigene und wunderbare Erleuchtung mehr als das Wort der Prediger galt, die sich nur auf ihr „rite vocatus" (CA 14) berufen konnten. Anstößig wurden die Betstunden erst, seitdem man sie sonntags während der Vormittagspredigt von Petersens Kollegen an der Johanniskirche, Christian Riekmann, abhielt und damit seiner Verachtung gegenüber Person und Amt der anderen Prediger Ausdruck gab. Diese gemäßigte Form der Separation ist wohl erst im August 1691 erfolgt, da erst seit dieser Zeit auch die Verdächtigungen wegen eines Konventikels in Petersens Haus aufkommen. 7 8

76 Actum, den 30. 12. und 28.11. 1691 (Anna Müllers)- StA Lg.: Die Ausfertigung des Protokolls unterschlägt ihre Aussage im Konzept: „HEE R.[einbeck?], Sekr. Krüger [ . . . ] " . Sie waren über ihre Frauen Margaretha Rosina und Sophia Elisabeth Melbeck Schwäger. 77 Actum, den 19. und 24.12. 1691 0· H. Pfeiffer, p. 24). Nach KRAMER, Beiträge 1861, 155—161 scheint es sich um ein Gerücht zu handeln. Die Bedeutung Franckes für die neue Bewegung hat man in Lüneburg erkannt; Overbecke wird gefragt: „ O b Francke da gewesen?" (Actum, den 19.12. 1691, p. 11). Francke selbst spricht für die Zeit nach seiner Bekehrung (1687) nur von einem Aufenthalt in Lüneburg um Weihnachten 1688 (KRAMER, Beiträge 1861, 62). Overbecke (aaO) weiß gerüchteweise von einem Aufenthalt Franckes während seiner Reise von Lübeck nach Erfurt, also vor Ostern 1690 (vgl. KRAMER, Beiträge 1861, 80f.). 78 Actum, den 19. und 24.12. 1691: Schultze (p. 26) und (vorsichtiger) Overbecke (p. 9); Lange (p. 18) spricht von lauter Lästerungen in Riekmanns Predigt.

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Reise nach Lübeck

Nach Marie von Reichenbach war der Lübecker Arzt Johann Salomon Hattenbach (1652—1699) die zweite nicht zu Petersens weiterem Hausstand gehörende Person, der eine Bezeugung Rosamundes - am 9. Mai 1691 in Lüneburg - zuteil wurde. 79 In der Geschichte des Pietismus erscheint er als Leiter eines pietistisch-enthusiastischen Kreises in Lübeck, zu dessen bekannteren Mitgliedern Α. H. Franckes Jugendfreundin Adelheid Sibylle Schwartz (gest. 1703) und ihr Mann, der Kunstmaler Hans Heinrich Schwartz, sowie der ehemalige Leipziger Student Gebhard Levin Semmler (1665 — 1737), Johann Jauert, Sohn des Lübecker Marienküsters Balthasar Jauert, und schließlich Julius Franz Pfeiffer, ein Neffe des Lübecker Superintendenten August Pfeiffer, gehörten. 80 Theodor Schulze hat in diesem Kreis den Kern eines Lübecker Konventikels sehen wollen, dessen führende Gestalten Hattenbach und Jauert gewesen seien.81 Thomas Tanto (gest. 1673), ein Schüler Friedrich Brecklings (1624—1711), hatte im Jahre 1665 das erste Konventikel in Lübeck gegründet, eine Einrichtung, mit der er während seiner Reise zu Breckling nach Zwolle vertraut geworden war. Die alsbald vom Lübecker Rat verbotenen Zusammenkünfte lebten unter Jakob Taube wieder auf. Auch er stand in Verbindung mit Friedrich Breckling, der ihm die Betreuung des Lübecker Konventikels ans Herz gelegt hatte, und war in Lübeck auch über den Kreis des Konventikels hinaus als engagierter Pfarrer beliebt und angesehen. Unter seiner Leitung versammelten sich vor allem Frauen und Studenten in einem Haus, das ihnen Hans Fischer, der Vater des späteren Generalsuperintendenten von Livland und Propstes von Magdeburg D.Johannes Fischer (gest. 1705), zur Verfugung gestellt hatte. Auch der ehedem vertriebene Thomas Tanto fand sich wieder ein. Beide, Tanto und Taube, gerieten jedoch bald in Konflikt mit der geistlichen und weltlichen Obrigkeit der Hansestadt, der eine wegen seines im Druck veröffentlichten Bekenntnisses zu einer heterodoxen Abendmahlslehre (1668), der andere wegen chiliastisch-mystischer Schwärmereien. Beide mußten sie Lübeck verlassen und ihr Konventikel, das nun im Haus des Böttchers Klaus Lampe (gest. 1684) stattfand, Gottfried Friedeborn (1612-nach 1668) anvertrauen. 82 79

Cod. theol. p. 9f. (Original: Blatt III). J. Fr. Pfeiffer war nicht der Bruder (WOTSCHKE, Nordmark 1935, 462), sondern der Neffe (SCHULZE, Pietismus 1902, 102) von A. Pfeiffer; vgl. S. 258 Anm. 26. 81 SCHULZE, Pietismus 1902, 99ff. und nach ihm JAKUBOWSKI-TIESSEN 1983, 81. Seine Quellen für die hier entscheidenden Aussagen gibt SCHULZE nicht an. Zur Quellenlage des Lübecker Stadtarchivs s. S. 107 Anm. 65. 82 Z u Friedeborn vgl. GRÜNBERG 1, 1893, 69 und 3, 1906, 390; Arnold, KuKH 3, 1729, 99 f. sowie BURMESTER, Beiträge 1832, 174 (Pastor in Sandesneben seit 1644). Das Haus Lampes in der Danckwartsgrube 60 (RAHTGENS, Lied 1925, 167). 80

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Aber auch dieser wurde kurze Zeit später ausgewiesen, womit die ersten Versuche einer Konventikelgründung im Keime erstickt waren. Jedenfalls hören wir in der Folgezeit nichts mehr von einem Konventikel, und so scheint die Angelegenheit im Jahre 1669 ihr Ende gefunden zu haben, als der Lübecker Superintendent Meno Hanneken (1595 — 1671) seine „Christliche Probe der neuen Schwermerey/ da etliche Manns = und Weibs=Persohnen eigene kleine Zusammenkunfft halten [ . . . ] " anstellte. Hin und wieder schritten Magistrat und Geistliches Ministerium zwar noch gegen einzelne „Schwärmer" und Separatisten (z.B. Klaus Lampe und den Buchhändler Gregor Pauli) und gegen den Vertrieb von heterodoxen Büchern ein, von Konventikeln aber verlautet nichts mehr. Erst die prophetisch-anklagenden Offenbarungen von Adelheid Sibylle Schwartz gegen den Lübecker Superintendenten August Pfeiffer im April 1692 machten die Obrigkeit wieder auf die „Schwermer und Neuen Propheten" aufmerksam. 83 Die noch in demselben Monat durchgeführte Untersuchung macht das sogenannte Lübecker Konventikel in der Hundestraße, w o A. S. Schwartz wohnte, aktenkundig und historisch faßbar. Neben dem Ehepaar Schwartz gehören dazu der erwähnte Johann Jauert, der nach Theodor Wotschke ein Stiefbruder von Hans Heinrich Schwartz gewesen sein dürfte 84 , die beiden Studenten J. Fr. Pfeiffer und G. L. Semmler, den Francke seiner Jugendfreundin im Frühsommer 1691 als Hauslehrer empfohlen und geschickt hatte 85 , sowie die Frauen Catharina Meyer, Arbeitsfrau aus dem von Wickede-Armenhaus, Catharina Maaß, ihre Schwester Lucia Paschen und Maria Rosina Glocksin. 86 Schließlich macht das Protokoll noch 8 3 Nach Beschreibung des Unfugs 1693, 48—50 geschah die Bezeugung der Schwartz aus Anlaß der erneuten Herausgabe von M . Hannekens genannter Schrift durch A. Pfeiffer im Jahre 1692. S. das Mandat „Wider die Schwermer [ . . . ] " (Mai 1692) nach SCHULZE, Pietismus 1902, 105,- A H L (ausgelagert s. Findbuch A A , Fasz. II, N r . 2 und zu A. S. Schwartz ebd., N r . 1). Die

O f f e n b a r u n g e n in: 1) WOTSCHKE, D e b o r a 1 9 2 9 , 2 6 5 u n d RITSCHL 2 , 1 8 8 4 , 1 8 9 u n d 2 ) SCHULZE,

Pietismus 1902, 103 f. (mit Verweisen auf Pfeiffer, Antienthusiasmus 1692, Feustking 1704, 602f. 605—607 und Beschreibung des Unfugs 1693, 49); vgl. weitere Offenbarungen von (A. S.?) Schwartz v o m 31. 1. bis 10.3. 1693 im Cod. theo!. 1234, p. 1 4 7 - 1 5 0 . 8 4 WOTSCHKE, Debora 1929, 267, A n m . 2. Jauert wanderte später nach Pennsylvanien aus und spielte für die Frankfurter Kompagnie eine wichtige Rolle (SEIDENSTICKER, Bilder 1885, 46ff.). Z u dem Kunstmaler H. Schwartz s. RAHTGENS, Lied 1925, 167. 8 5 WOTSCHKE, Debora 1929, 266; vgl. KRAMER, Beiträge 1861, 204 (Francke an Spener, Erfurt, den 7 . 8 . 1691). 8 6 Die naheliegende Vermutung, daß letztere eine Verwandte Franckes aus der Familie der Gloxin ist (SCHULZE, Pietismus 1902, 106 und danach WOTSCHKE, Debora 1929, 273) könnte durch F. Breckling ( F o B Gotha, Chart Β 962, Bl. 10*) bestätigt werden. Danach handelt es sich um eine Witwe M.[aria] C. [!] Gloxin. (Vgl. anders WOTSCHKE, Thüringen 1, 1929, 6 und ALAND, Spenerstudien 1943, 151.) F. Breckling zählt (aaO) folgende „Pietisten" in Lübeck auf: Hattenbach, B . J a u e r t und Frau Margareta, J o h . Christoph Tunder (Brauer), Paul Lorentz (Maler), Ehepaar Schwartz, Elisabeth Meyers („virgo bey der Schwartzin im Haus"), Adrian und Margareta Wengler, Nikolaus Abuht (Chirurg), J a c o b Denner (Färber, Mennonitenlehrer in Friedrichstadt), Gottschalk Escher, J a c o b und Sophia Scheel, David Arnold Baudringer, Margareta Catharina Kauffmann, Vincent Lipstorp, Kaspar König (Auktionator Balthasar

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die Familie des Malers Heinrich Berckau und den Schneidergesellen Johann Justus Bluhme namhaft. Letztere aber stammten aus Hamburg und hielten sich eben nur sporadisch bei dem Ehepaar Schwartz in Lübeck auf. 87 Berckau und Bluhme können ebensowenig wie der Lauenburger J. F. Pfeiffer, der in diesen Jahren nur zeitweilig in Lübeck, meist in Lüneburg, Leipzig und Erfurt weilte, zu einem Lübecker Konventikel gezählt werden. Lucia Paschen gehörte offenbar zum Haus des Ehepaares Schwartz (s. Anm. 86). Sollten sich schließlich Catharina Meyer als Elisabeth Meyers (s. Anm. 86) und Catharina Maaß als Schwartzens Haushälterin „Katharina" erweisen, so blieben neben Hattenbach nur eine Frau, die nicht unmittelbar zum Hause Schwartz gehörte. 88 Bei dem angeblichen Konventikel handelt es sich also um den engen Kreis einer Hausgemeinschaft und bei ihren frommen Versammlungen um Hausandachten, denen man ebensowenig wie Petersens Betstunden Konventikelcharakter zusprechen kann. Damit erübrigt es sich, eine Linie von diesem Kreis zurück auf die Konventikel Jakob Taubes und Thomas Tantos zu ziehen, mit der man einen irgendwie formierten Zirkel von (schwärmerischen) Pietisten in Lübeck über Jahrzehnte hinweg rekonstruieren könnte. 89 Wenn Philipp Jakob Spener die Verantwortung für die Lübecker Ereignisse um Adelheid Sibylle Schwartz später ablehnt, weil die Konventikel in Lübeck älteren Ursprungs seien, so ist diese Begründung apologetisch und zu allgemein, u m daraus weitere Schlüsse zu ziehen. Die Kennzeichnung eines Phänomens durch die Rückführung auf seine angeblichen Ursprünge ist ja in der theologischen Polemik und Apologetik eine beliebte Argumentationsweise, keineswegs aber als historische Aussage zu übernehmen. 90 Auch für Beziehungen Petersens zu pietistischen Konventikeln während seines Aufenthaltes in Lübeck in den Jahren 1676/77 gibt es keine Zeugnisse. Damals hat er jedenfalls noch nicht die beiden Mitglieder der Frankfurter Jasper Könneken), Hermann Lipstorp (Kaufmann), Christian Warner, Kaspar Lindenberg (Prediger des Johannisklosters), Lucia Paschin („bei der Fr. Schwartzen"), M. C. Gloxin (s. o.), Joh. Christ. Nehring, Bernhard Christoph Reyners (Kaufmann), [Levin Burchard] Langenschwindt (aus Hannover), Herr von Dalen (Ratsherr), Bürgermeister Kirchring, Theodor Clasen (in Selmsdorf); dazu ist vielleicht auch noch der Kaufmann Wilhelm H u m b o r g zu zählen (RAHTGENS, Lied 1925, 167). 87 SCHULZE, Pietismus 1902, 105 und zu Berckau: H.J. Elers an H. v. d. Hardt, Leipzig, den 18.5. 1689- LB Karlsruhe 319, wonach H. v. d. Hardt damals bei Heinrich Berckau, dem „schilderer [Maler]" an der St. Nikolaikirche in Hamburg wohnte. Berckau war mit verschiedenen Lübeckern befreundet (s. sein Brief an H. v. d. Hardt, Hamburg, den 8.10. 1689- LB Karlsruhe 319). Auch in Hamburg hatte Rosamunde eine Bezeugung an die dortigen „Außerwehlten" (am 22. April 1691: Cod. theol. 1234, p. 4) gehabt. 88 Haushälterin „Katharine" s. WOTSCHKE, Debora 1929, 269. Seine Quelle ist mir nicht bekannt. 89

W i e SCHULZE, P i e t i s m u s 1902, 1 0 0 - 1 0 2 ; ä h n l i c h JAKUBOWSKI-THIESSEN, P i e t i s m u s 1983,

81. 90 Spener, Beantwortung 1693, 180 (Cap. III, § 15); vgl. ähnliche Reserve gegenüber Petersen ebd., 178f. (§ 13). S. dazu SCHULZE, Pietismus 1902,111 f. und RITSCHL 2, 1884, 190.

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Kompanie Johann Kem(b)ler und Balthasar Jauert, Küster an der Marienkirche in Lübeck, aus dem Pietistenkreis gewonnen. 91 Die Frankfurter Kompanie konstituiert sich ja erst in der Zeit seit November 1682.92 Kembler und Jauert tauchen sogar erst in dem sogenannten Frankfurter Vertrag von 1686 als Teilhaber auf. 93 Johann Kembler war selbst kein Lübecker, sondern stand bis 1683 der Schule in Oldesloe vor, bevor er von Petersen zum Diakon nach Eutin berufen wurde. 94 Wenn es auch in Lübeck pietistisch-schwärmerisch gesinnte Personen gab, so sind die in der „Ausfuhrlichen Beschreibung des Unfuges" (1693) wiedergegebenen Ereignisse, vor allem die Bußrufe von Franckes Jugendfreundin, erst durch die am Ende des Jahres 1691 aufkommende pietistisch-enthusiastische Bewegung in Erfurt, Halberstadt und Quedlinburg veranlaßt, zumal Adelheid Sibylle Schwartz selbst bekennt, daß sie ihren Groll gegen den Lübecker Superintendenten schon zehn Jahre im Stillen hege, ohne daß selbst ihr Mann davon gewußt habe. 95 Damit stellt sich die Frage, welchen Einfluß das Ehepaar Petersen und Rosamunde Juliane von der Asseburg, die sich in der Mitte des Jahres 1691 in Lübeck aufhielten, auf die dortigen Vorgänge hatten. Ende Juni waren sie zusammen mit Rosamundes Schwestern in Johann Wilhelms Heimatstadt gereist, wo dieser die Hinterlassenschaft seines kurz zuvor verstorbenen Vaters regeln mußte. 96 Sein Amt aber erforderte seine sofortige Rückreise, da er am 3. Sonntag nach Trinitatis (28. Juni) wieder zu predigen hatte. 97 So war es Johanna Eleonora, die Rosamunde bei den Lübecker Freunden bekannt machte. Folgt man den Aufzeichnungen von Rosamundes Offenbarungen, so gehörten dazu neben Hattenbach, Pfeiffer und Semmler, an die Rosamunde noch in Lüneburg im Mai und Juni Bezeugungen gerichtet hatte, das Ehepaar Schwartz, der „Marquis" Magnus von Wedderkop(p) (1638—1721), der später den Pietismus im gottorfischen Teil Schleswig-Holsteins förderte98, Johann Jauert sowie die nicht näher bekannten Schnobel, (Jacob) Scheel und Böhling(k). 99 Wetterkopp 91

Vgl. SCHULZE, P i e t i s m u s 1902, 101.

92

S. S. 94f.

93

NIEPER, A u s w a n d e r e r 1940, 40 f.

94

LB 1717, 58 und WEIMANN, Pastoren 1976, 14 (und 22). A. S. Schwanz an H. Horb, Lübeck, den 24.4. 1692- WOTSCHKE, Debora 1929, 3 0 0 - 303 bes. 302; die 10 Jahre der Stille erinnern an Rosamunde (LB 1717, 172). 96 Z u m ganzen s. LB 1717, 153f. Der Vater starb in der ersten Jahreshälfte 1691; vgl. J.W. Petersen an Bm. G. Busche, Lg., den 18.9. 1690- StA Lg. (Krankheit des Vaters). 97 Zur Datierung: LB 1717, 153 heißt es (ungenau) „im Majo"; nach den Aufzeichnungen des Cod. theol. 1234, p. 25—32 brach man am Wochenende vor dem 28. Juni auf, da die letzte Bezeugung in Lüneburg vom 17. oder 18. 6., die erste in Lübeck vom 28. 6. datiert; für die Rückkehrs. die letzte Bezeugung in Lübeck v o m 4 . 7. und die folgende in Lüneburg vom 10. 7.; keine Angaben in SS 1691, §27. Das Datum von Petersens Rückkehr stimmt mit dem Datum der Bezeugung an ihn (S. 298) überein. 95

98

JAKUBOWSKI-TIESSEN

1983, 9 8 ( n a c h THOLUCK, L e b e n

1, 1 8 6 1 ,

179) u n d

WOTSCHKE,

Nordmark 1935, 488 und 492. 99 Zu Böhling(k) s. WOTSCHKE, Thüringen 1, 1929, 2.

275

war außerdem Stiftsherr in Lübeck-Eutin und seit 1676 Rat beim Bischof von Lübeck, also mit Petersen bekannt. Er soll Petersen und Breckling dem regierenden Herzog von Holstein gegenüber sehr gelobt haben.100 Vermutlich erfolgten die Offenbarungen Rosamundes am 28. bis 30. Juni und am 3. und 4. Juli jeweils bei gemeinschaftlichen Versammlungen, da einige von ihnen auch an alle zugleich gerichtet sind.101 Die Bezeugungen Rosamundes sind dadurch bestimmt, daß sie den Adressaten ein deutlicheres Erkennen Gottes zusagen. Dabei können sich eschatologische Erwartungen von einem Kommen Gottes mit mystischen Vorstellungen einer inneren Erkenntnis verknüpfen. Als vermittelndes Glied ist die (Selbst-)Erfahrung der Einzelnen anzusehen, die in und an sich die Werke Gottes sehen wollen. Im folgenden seien einige dieser Lübecker Bezeugungen angeführt. An Wetterkopp, den 28. Juni: „Siehe da du lieber, sey getrost, und mercke wie wohl Ichs regieren werde, sey du nur in guter hoffnung zu meiner treue und warheit, zweiffle nicht, glaube so ist dir geholffen, sey gutes mutes in meiner liebe, die überschwenglich ist, und gehe hin mit frieden, den Ich bin der Herr Herr."

Weitere Bezeugungen gehen an demselben Tag an die „Außerwehlten", an „Herrn schwartzen" und „den lieben D. Petersen"102. An Hattenbach, den 29. Juni 1691: „So wahr Ich lebe, Ich thue eß, das Ich eß außrichte, und licht gebe nach meiner wunderbahren Güte. Siehe da du lieber, zweiffle nur nicht, den im glauben ist licht, mein lebendiges wordt müße kundt werden, und mein licht klahr was Ich versprochen dabey bleibt eß, und ist keine Enderung daselbst, darumb sey stille und erwarte des lichtes in der Klarheit den eß kombt warhafftig durch ein wordt der krafft, merke nur wohl darauff." An Schnobel, den 30. Juni 1691: „Friede sey mit dir du Liebster, furchte dich nicht, denn ich der Herr bin mit dir, der dich in alle Warheit leite, will dich nicht verseumen, halte dich nur fest an meine Treue, Ich wils schon vollfuhren, was ich in dir angefangen, denn du bist mein, und niemand wird dich aus meiner Hand reißen, so du an mir bleibest. So harre nun in aller gedult und einfalt, so wirstu erkennen was du verlangest, sey getrost, Lebe wohl." An Helena von der Asseburg, den 30. Juni 1691: „Liebste Helena woltest du noch zweifllen, eilend stehe auf von allem Unglauben und umfasse mich, so k o m m e Ich auch eilend zu dir, denn ich habe dich lieb durch mich selbst und thue mich zu dir mit aller freundlichkeit, darumb sey getrost." An Johann Jauert, den 30. Juni 1691: „Sey gegrüsset von mir, der ich die ewige Weisheit, und das vollenkommene Licht bin, Ich weis wohl deine Bitte und dein Seuffzen ist mir zu Ohren kommen, harre aber in gedult, bis ich deine Seele erleuchte, und heylige dich durch mich selbst, so wird dir dem Verlangen nach wohl werden und dein Seuffzen wird erhöret werden, denn ich habe es gesaget J E H O V A H , verwirre dich aber in keine weitläuffigkeit sondern bleibe u n m ü n dig so gehest du sicher, Ich sage Amen."

100 A D B 41, 1896, 3 8 7 - 3 9 0 (WEDDERKOP) und J.W. Petersen an F. Breckling, Eutin, den 29.10. 1679- FoB Gotha. 101 Zu den Bezeugungen s. Cod. theol. 1234, p. 25—32 mit einem Verweis (p. 28) von Petersens Hand auf drei weitere Offenbarungen, die in dem 2. Band der Asseburgischen Offenbarungen zu finden seien; s. S. 260 f. 102 S. S. 298.

276

Eine weitere Bezeugung geht an diesem Tag an Johanna Eleonora Petersen. A m 3. Juli folgen Bezeugungen an Böhling, Scheel, Auguste und Helena von der Asseburg, ihre Mutter Gertrud und an „Israel" oder „Juda". Aufschlußreich für die religiöse Erwartung des Kreises um Rosamunde sind schließlich die Offenbarungen an die „Auserwehlten" v o m 3. und 4. Juli, die zur Bewährung in der Endzeit ermahnen und den Glaubenden die Einwohnung Gottes in ihnen zuspricht: „ H ö r e Israel mein wordt, und du gebenedeites J u d a merke wohl darauff, siehe Ich k o m m e balde, Irre dich nicht, setze deinen fuß nicht auf, das du nicht fallen mögest, den mein A r m soll dich leyten, und meine warheit soll euch schon kundt werden, zur siebenten stunde will Ich meine J u n g f r a u heyligen und hervor thun Ihre herrligkeit die Ich Ihr schenke zur kühlen Erkwikung vor der Sonnen auffgang, seydt nur getrost Ihr außerwehlten, furchtet euch nicht, den Ich habe einen Bundt mit euch gemacht, das Ihr bleiben solt vor mir, und nun schwere Ich euch einen Eydt, Ich Jehova, der herr der heerschaaren, das Ich meine gerechtigkeit vor euch setzen will wieder alle höhen so sich wieder mich, der Ich in euch Bin auffheben, und meine Liebe soll euch leyten, J a mein gewaltiger A r m soll mit euch sein, diß ist der Bundt den Ich mit den Knechten und M ä g d e n J a c o b s mache, so wahr der Himmel ist bereitet durch mein Almächtiges wordt, halte Ich meinen Bundt mit meinen Lämmern, die mir werden nachhüpffen auf dem berge Gileads und zions meiner feste, J a Ich habe geredt, den Ich bin der Herr, der über Jerubim und seraphim herschet, der Gott Abrahams Isaacs und Jacobs, der der schlänge den k o p f f zertreten [für < i n die ferse g e s t o c h e n > ] Amen.

A m 4. Juli scheinen die Lüneburger wieder nach Hause aufzubrechen. Im Stil der johanneischen Abschiedsreden Jesu spricht Rosamunde noch einmal zu den Auserwählten: „Seydt Gegrüßet Ihr Außerwehlten, friede sey mit euch, seydt um nichts Erschrocken, wachet und betet nur, den Ich habe einen Bundt mit euch gemacht, das Ihr vor mir bleiben solt, und nun sage Ich euch, eß wirdt euch viel zweiffei v o r k o m m e n , darumb sag Ichs euch zuvor, auff das wen eß nun geschigt, Ihr daran gedenket. Ich blase euch aber an mit meinem Geist, denselben entfahrt reichlig von nun an, derselbe soll euch in meinem N a h m e n Erhalten, unterdeßen sey eure gemeinschafft hertzlig, in aller hantreichung des Geistes zuvor, und furchtet euch nicht, den Ich bin bey euch in der Noth, und küße euch so offt Ihr leydet mit brünstiger liebe, so harret nun getrost meiner zukunfft, den Ich k o m m e bait das Ich euch brünstig umbfange, so wahr Ich lebe, dieses leyden ist nicht werth der herrligkeit so an euch bait soll offenbahret werden, so seydt nun zufrieden, Ich laße euch nicht, sondern helffe euch frühe, Ja Amen."103

Bei den Offenbarungen in Lübeck zeigt sich die Frage nach der Erfahrbarkeit Gottes als das Grundproblem schlechthin. Nicht das Problem der Rechtfertigungs- und Erwählungsgewißheit steht hier im Vordergrund. Entsprechend läßt sich die Antwort nicht auf den Syllogismus practicus der Rechtfertigungs- und Prädestinationslehre reduzieren. Sondern die, die hier nach Erkenntnis seufzen, fragen nach Gottes Erkennbarkeit und Wirklichkeit überhaupt. Sie finden ihren Trost in der eschatologischen Hoffnung auf ein baldiges K o m m e n des Herrn. Auf dieses „Sich-Erweisen" zielt das bei Rosamunde häufig auftretende Motiv von der Unveränderlichkeit Gottes. 1 0 3 Z u den Zweifeln hat Petersen später am Rand angemerkt, daß R o s a m u n d e hier den scheinbar gegen ihre Bezeugung erfolgten Tod ihrer Mutter vorhergesehen habe.

277

In Aufnahme biblischer Rede werden die Prophetien des Alten und Neuen Testaments als noch nicht erfüllt neu in Kraft gesetzt. Als Schriftzeugnisse bieten sie einen beglaubigten Bezugspunkt für die eschatologische Hoffnung. Der Glaube daran wird durch eine enthusiastische Wiederholung der biblischen Offenbarung bestärkt. Der Geist wird neu geschenkt. Das enthusiastische Erlebnis stärkt andererseits auch das religiöse Selbstbewußtsein der Geistbegabten, was sich in der Kirchen- und Obrigkeitskritik dieses zum Separatismus neigenden Kreises zeigen wird (ζ. B. bei Adelheid Sibylle Schwartz). Mithin kehrt das Erwählungsbewußtsein in der Theologie dieser radikalen Pietisten in anderer Gestalt wieder.

Das falsche

„Prognosticon"

Die eschatologischen Verheißungen, die Rosamunde den Lübecker Freunden übermittelte, blieben inhaltlich weithin unbestimmt. Rosamunde machte keine genauen Aussagen über Art und Zeit der Ereignisse, in denen sich Gott als der Gegenwärtige erweisen werde. Jede chronologisch errechnete Datierung des Anbruchs des Tausendjährigen Reiches Christi lehnte sie wie Petersen ab. Das geht aus einem Brief der Herzogin Sophie von Hannover an Anna Katharina von Harling für Leibniz vom 10. Oktober 1691 aus Ebstorf hervor. Darin nimmt die Herzogin ihre drei Tage zuvor gemachte Äußerung, Petersen und Rosamunde „meinen Christus soll im jähr 1693 in seiner herrligkeit kommen, so hoffe ich daß ich es noch sehen werde", wieder zurück, „denn solches hat einer nahmens Sandhagen drucken laßen, wird aber vom Superintendenten Petersen und seiner Prophetin übel genommen; weil sie sagen Gott allein die Zeit bewust wäre. " lü4 Solcher genauen Prophezeiungen bedurfte es nicht, solange der Kreis um Rosamunde nur eine geistliche N o t der Gottesferne empfand, die durch den Vorgang der enthusiastischen Offenbarung an sich schon überwunden wurde. Andererseits zielte die Suche nach einer Erfahrbarkeit Gottes notwendig auf ein Handeln Gottes in der Welt der Gegenstände und der Leiblichkeit, so daß sich Rosamundes Offenbarungen auch dort zu bewähren hatten. Anlaß zu einer solchen Bewährung bot die schwere Krankheit, mit der Rosamundes Mutter Gertraut von der Asseburg spätestens seit der Mitte des Jahres 1691 zu kämpfen hatte und von der sie sich nicht mehr erholen sollte. Die Krankheit deutet sich zum ersten Mal in Rosamundes Wort an ihre Mutter vom 17. Juni 1691 an, wo es heißt: „ Siehe Ich helffe, und stärcke dich auch an deinem Leibe, und erquicke dich reichlig an deiner Seelen". 105 Bei der nächsten Bezeugung, geschehen in Lübeck, wohin die Mutter wohl nicht mitgefahren ist, heißt es (3. Juli 1691): „an die Hertzen Mutter in 104 Leibniz, Werke 1,7, Nr. 30; vgl. ebd., Nr. 28 (Ebstorf, d. 7.10. 1691) und Sandhagen, Der werthe Tod 1689, 32. 105 Cod. theol. 1234, p. 25.

278

Krankheit: Friede sey mit dir du bekümmerte, klage doch nicht so, siehe mein hertze bricht mir im Leibe, das ich mich dein Erbarmen muß, siehe Ich trage Ja mitleyden mit dir [ . . . ] Ich muß dich Ja vollenden in meiner heyligen liebe, siehe Ich neure dich an Seel und leib". 106 Der Hinweis auf das Mitleiden des Herrn versucht, die in der Krankheit erlebte Gottesferne zu überwinden. Hoffnung auf Heilung und Genesung soll geweckt werden, indem der Krankheit eine bestimmte Funktion und eine bestimmte Stelle in Gottes Plan mit dem Menschen zugewiesen wird. Dabei werden Aussagen gemacht, die aus dem dogmatischen Begriff von Gott als der Liebe analytisch deduziert werden, wobei gleichzeitig die Zukunftsdimension des modalen Hilfsverbes („muß") genutzt wird. Es sind also durchaus rationalistische Gedanken, die hier in der Form einer Selbstbezeugung Gottes schon in der Gegenwart das zukünftige Heil verbürgen sollen. Eine Woche später, am 10. Juli 1691, muß die Krankheit und damit Gottes Handeln erneut gerechtfertigt werden. Diesmal geschieht es durch die Bestimmung der Krankheit als einer ganzheitlichen, auch den Leib umfassenden „neuen Geburt", „Vollendung", „Läuterung" und „Reinigung". Die zugesagte Heilung kann auch sinnenkräftig in biblischer Terminologie beschrieben werden: „(ich) will dich reichlig laben und erquickken, ein kühler Thau soll auf dich fallen und ein sanftes Oehl will Ich in deine Gebeine gießen [ . . . ]".107 Am 13. Juli 1691 wird das Bild von der Läuterung wieder aufgenommen. Aber an die Vorstellung, Gertraut von der Asseburg werde durch die Krankheit geläutert „wie feines gold, das man anhenge zum Schmuck am hochzeit=tage", schließt sich nun eine Assoziation an, die die logische Struktur des Bildes durchbricht. Denn nun wird der Mutter, als einer „Fürsten=Tochter", ein „tag der freuden", an dem sie mit ihrem Schmuck „herausgehen" soll, verheißen. Die hochgespannte Erwartung einer auch die soziale Stellung restaurierenden Heilszeit läßt das akute Gebrechen in den Hintergrund treten: „Vor deine Gesundheit sorge nicht, denn sie kömt völligst". 108 Aber schon drei Tage später muß die Krankheit erneut gerechtfertigt werden. Wieder geschieht das unter Verwendung von biblischen Zitaten, die an sich schon den Sinn der Krankheit verbürgen: „laß dich doch nur über zum gänzlichen opfer" (vgl. Rom 12, 1), oder durch ihren indirekt mitzitierten Kontext der Krankheit ihre relative Bedeutung in Gottes Handeln zumessen. So heißt es im unmittelbaren Anschluß an das oben Zitierte, auf die Heilung des Blinden in Joh 9, 1 ff. anspielend: „damit meine herrlichkeit möge an dir offenbahr werden". 109 Am 4. August 1691 starb Rosamundes Mutter. Noch eine Viertelstunde 106 107 108

Cod. theol. 1234, p.29f. Cod. theol. 1234, p. 33. (Vgl. ζ. B. Ps 68, 11; Ps 41, 4 ; Ps 133, 3; Lk 10, 34.) Cod. theol. 1234, p. 34; vgl. Original in N S u U B Göttingen, 2° Cod. Ms. hist. 5, p.

v

46 . 109

Cod. theol. 1234, p. 35.

279

vor ihrem Ende erging an sie eine Bezeugung ihrer Tochter, bei der es offen bleiben muß, ob Gertraut von der Asseburg aus dem irdisch-leiblichen oder dem ewig-geistlichen Tod errettet werden sollte: „Sey getrost liebe Freundinn, denn meine Almächtige Hant ist mit dir, das sie hierunter spiele, der Todt hat dich genaget und siehe du solt ihn wieder nagen und fressen und er soll dir ein Triumpf werden, so wahr ich Jesus Christus bin. Auch soltu die Angst nicht mehr schmekken, denn ich habe den Todt getilget für dich bei dem Vater." 110

In einer späteren Bezeugung Rosamundes an Johannn Wilhelm Petersen vom 5.(?) September 1691 werden die Bezeugungen an die Mutter als wahrhaftig verteidigt, weil die Heilsaussagen sich auf den geistlichen Tod bezogen haben sollen. Die Tatsache einer solchen Verteidigung läßt darauf schließen, daß dies in der aktuellen Situation keineswegs eindeutig war. Johann Wilhelm Petersen selbst hat sich darauf verlassen, daß Rosamunde die leibliche Genesung ihrer Mutter prophezeie, und hat dies wohl auch außerhalb seines engeren Hauskreises vertreten. Entsprechend wurde ihm diese Offenbarung von seinen Kollegen als ein falsches „Prognosticon" vorgehalten. 111 Johanna Eleonora Petersen bestätigt das Mißverständnis der Prophezeiung Rosamundes: „wir bildeten uns nicht ein, daß sie noch sterben würde". 112 Sie verweist dann auf zwei spätere Bezeugungen vom 5. und 9. August, „daß man darauß erkenne, daß die verheissungen [ . . . ] auch noch werden in dem wahren [seil, dem geistlichen] Sinn erfüllet werden." 113 Die Bezeugungen an die Mutter Gertraut erfolgten in einer besonderen Situation, in der das leibliche Heil von vorrangiger Bedeutung war. Aber es fällt doch auf, wie eng in diesem Kreis um Rosamunde und Petersen der Glaube an Gott an den Erweis seiner erfahrbaren, eindeutigen Handlungsfähigkeit und Handlungswilligkeit geknüpft ist. Mit der Statuierung eines die ganze Leiblichkeit und geschichtliche Person des Menschen umgreifenden Heiles, wie es für den Chiliasmus konstitutiv ist, geraten die Pietisten in Widerspruch zur orthodoxen Tradition, nach der die Seele des Menschen als eines geistigen Wesens das Endgerichtsurteil empfängt, das über Heil und Verderben des Individuums die Entscheidung fällt. Der biblisch begründete Locus von der Auferstehung des Leibes bleibt in der orthodoxen Dogmatik ohne tiefere Bedeutung. Für die Pietisten bedeutet die Leiblichkeit vor allem Erfahrbarkeit und individuelle Konkretion. Gertraut von der Asseburg wurde in der Lüneburger Johanniskirche beigesetzt. Ihr Grab ist heute, nachdem man im 19. Jahrhundert die mit Grabsteinen überfüllte Kirche „gereinigt" und nur die bedeutendsten Epita1,0

Cod. theol. 1234, p. 41; vgl. Original in N S u U B Göttingen, 2° Cod. Ms. hist. 5, p. 46'. Cod. theol. 1234, p. 57; vgl. SS 1691, §29 und Actum, den 12.8. 1691 (Baumgarts Bericht von seiner Unterredung mit G. Meier) sowie LB 1717, 175, wo Petersen die Angelegenheit mit den Mißverständnissen der Jünger Jesu vergleicht. 112 J. E. Petersens Bericht in FoB Gotha, Chart Β 962, Bl. 148'-151r bes. 148r. 113 AaO. Die Bezeugungen finden sich aaO, Bl. 150M51' und Cod. theol. 1234. p. 4 1 - 4 3 und 4 5 - 4 7 . 111

280

phe stehen gelassen hat, nicht mehr zu sehen. Im Protokollbuch der Johanniskirche hat aber Heinrich Buckfisch vermerkt: „Anno 1691 d[en] 7 Aug. wardt die hochEdl. Frau Margareta von Alvensleben u. von der Aßenburg gleich am eintritt vor des Teuffers Capelle, da die Schüler nach dem C h o r gehen begraben, und fur die Grabstelle und kleinen Stein zu legen [wurden] auff zureden der Herren Consulum bezahlt 68 [Groschen]". 1 1 4

Robert Schott Rosamunde Juliane von der Asseburg wurde erst im Hause Petersen zur Prophetin des Pietismus. Gleichwohl darf man ihre Bedeutung für das Ehepaar Petersen nicht zu hoch einschätzen. Sicher, sie war eine wundersame Erscheinung, bestätigte und verstärkte die geistige Welt der Petersens. Aber Rosamunde von der Asseburg trug eigentlich nichts Neues dazu bei. Ihre Offenbarungen korrespondierten in auffälliger Weise den damaligen Anschauungen der Petersens. Offenbar hat sich die Prophetin dem Geist im Hause Petersen und der ihr begegnenden Erwartungshaltung angepaßt. So reproduziert sie in ihrer Person, was die Petersens lehren: eine unauffällige, nicht ekstatische Geistbegabung einer frommen und gottesfurchtigen Seele, die Erwartung des kommenden Herrn, die Vorwegnahme dieses Kommens in der prophetischen Rede, die Verschmelzung von geistigen und leiblichen Kategorien (Spiritualismus). Erst als Rosamunde diesen Rahmen verließ, erregte sie besonderes Aufsehen und Anstoß. Die im folgenden zu beschreibende Eskalation der Dinge geht nur zum Teil auf das Handeln der Petersens zurück. Entscheidender wurde ein Mann, der mit zu dem Publikum gehörte, das sich in Lüneburg um die Prophetin versammelte. Er wurde die treibende Kraft der weiteren Entwicklung. Es handelt sich um den herzoglichen Leibarzt Dr. Robert Sc(h)ott in Celle. Schott wurde am 2 . 2 . 1646 auf dem hochadeligen Sitz Itsche an der Ale, nahe Ashkirk in der schottischen Provinz Tweedale, geboren. Er gehörte zu Petersens Generation und soll wie der Lüneburger Superintendent aus einem berühmten adligen Geschlecht stammen. 1 1 5 Ü b e r sein Leben ist nur weniges bekannt. Er verließ Schottland aus unbekanntem Anlaß, vielleicht während der Restauration der Stuarts (Uniformitätsakte 1662, Konventikelakte 1664, 1670), wurde am 9 . 7 . 1673 im französischen Angers zum Doktor der Medizin promoviert, nahm dann als Feldarzt an verschiedenen Kampagnen teil, bis er Leibmedikus von Herzog Georg Wilhelm in Celle wurde. Nach dessen Tod wirkte er in derselben Funktion bei dem hannoverschen Kurfürsten Ernst August. Er war zweimal verheiratet, zuletzt mit Sophia Rosina Protokollbuch der St. Johannis=kirche zu Lüneburg 1 5 9 7 - 1 7 9 9 - EphA Lg., Min. Η 3. Die Angaben über Schott entnehme ich der Leichenpredigt über ihn, die Johann Heinrich Schmucker, 1. Prediger der deutschen reformierten Gemeinde in Celle, am 11.2. 1714 hielt ( N S u U B Göttingen und Stolberg Nr. 20897). 1,4

1,3

281

Reinbeck, der Schwester des Lüneburger Bürgermeisters, und hatte insgesamt sechzehn Kinder, von denen bei seinem Tode aber vielleicht nur noch fünf Töchter und ein Sohn lebten. 116 Sein Pfarrer charakterisiert ihn in seiner Predigt über Simeon (Lk 2, 29f.) folgendermaßen: Er war ein „rechtschaffener Diener Gottes/ ein f r o m m e r und gottsfürchtiger M a n n / ein M a n n der mit d e m heiligen Geiste erfüllt/ und dessen G l a u b e n s = A u g e n das Heyl/ der Welt nachdrücklich gesehen hatten. [Nachdem er in seiner Jugend] durch die Heil. Tauffe war auffgezeichnet worden in der Versamlung der Heiligen als einer/ der sich gäntzlich übergeben einem Dienst des Einigen und Dreyeinigen GOttes, [habe er später] bey verständigen Jahren [ . . . ] sein Tauffgelübde [ . . . ] in eigener Person erneuert und kräfftig gemacht. [Gott habe ihn] auff eine gantz besondre Weise kräfftig zu sich und seinem wahren Dienst gezogen durch eine neue Geburth v o n oben herab/ die da gewircket wird durchs Wasser und Geist. Er war sich dieser seligen Veränderung auch gar w o h l bewust/ u n d er konte die Zeit und den O r t h nennen/ da selbige durch die Gnade Gottes bey ihm vorgefallen". 1 1 7

Schott erfuhr seine Bekehrung im Jahre 1674, also nach seiner Promotion und offenbar während seiner Beschäftigung als Feldarzt. Das angedeutete Muster des Bekehrungserlebnisses läßt auf puritanischen Einfluß schließen. Welche religiöse Ausstrahlung Schott in Celle und von Celle aus hatte, ist nicht erkennbar. 118 Immerhin vergleicht ihn sein Pfarrer mit Simeon und dessen Geisterfülltheit. Schott legte sowohl im öffentlichen wie im privaten Gottesdienst ein Zeugnis seiner ernsthaften und hingebungsvollen Religiosität ab. „Sein Haus ist gleichsam eine kleine Kirche gewesen". 119 Auch habe er die Heiligen Schriften fleißig durchsucht und nach ihrem rechten Verstand geforscht. Schott und Petersen kannten sich schon vor dessen Berufung nach Lüneburg, vielleicht seit Petersens Gastpredigt in Lüneburg im Jahre 1687. Während seines Aufenthaltes in Celle, w o er seine Vokation von der Fürstlichen Regierung bestätigen lassen wollte, kehrte Petersen bei Schott ein. 120 Als 1691 Rosamunde Juliane von der Asseburg nach Lüneburg kam, dauerte es nicht lange, bis auch Schott sich bei ihr einfand. In den handschriftlichen Aufzeichnungen von Rosamundes Bezeugungen finden sich elf an Schott adressierte und zwei über Schott, die an den Lüneburger Kreis oder das Ehepaar Petersen gerichtet waren. 121 In der ersten 116

Schotts Kinder: Johanna Amalia, verheiratet mit Joseph du Bois, ref. Prediger in Hameln, N i m p h a Margaretha, verheiratet mit dem Sohn von Andreas Reinbeck, Johann Gustav Reinbeck, Prediger und später Propst in Berlin, Maria Anna Sophia, Eleonora Sophia und Louise Rosina sowiejeremias Johann Schott, Sekretär. 117 W i e A n m . 115, S . 3 9 f . 118 Schott wird als Wiljam Schott in dem philadelphischen „Catalogus a m i c o r u m " (HOCHHUTH, Geschichte 1865, 222f. oder THUNE, Behemenists 1948, 125f.) geführt. 1,9 W i e A n m . 115, S. 44. 120 LB 1717, 118. G. Brückner an Α. H. Francke, Erfurt, d e n 9 . 8 . 1694-WOTSCHKE, T h ü r i n gen 1, 1929, 7; vgl. K B Johannis in E p h A Lg.: Trauung mit Sophia Rosina Reinbeck am 23. Sonntag n. Trin. [7. 11.] 1686. In seinen Briefen an Reinbeck anläßlich seiner B e r u f u n g nach Lüneburg läßt Petersen regelmäßig Schott grüßen (s. o.). 121 Es handelt sich u m folgende Bezeugungen: 1) Lg., 10. 7. (Cod. theol. 1234, p. 32 u. Bl.

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dieser Bezeugungen werden Aussagen aus der deuterojesajanischen Verkündigung auf Schott angewandt, auf das „würmlein jacob" (vgl. Jes 41, 14), wie sich Schott später in seinen Briefen bezeichnet hat. 122 Auch für ihn gab es eine Stunde der Verborgenheit Gottes, „damit du niedersinkest in tieffe niedrigkeit". N u n aber sei die Zeit der Läuterung gekommen, die Zeit einer stetigen Reinigung. Denn „ich jehova bin dein Gott". D e m Arzt wird zugesprochen, daß Gott ihm treu sein und sich an ihm künftig erweisen werde. Aber noch sei es Zeit, stille zu sein „in aller hoffnung, gedult und glauben". Der aus Schottland stammende Sc(h)ott war reformierten Bekenntnisses, und er erhoffte sich von Rosamunde zunächst eine göttliche Bezeugung über die wichtigsten, die Konfessionspolemik nährenden Lehrgegensätze zwischen lutherischer und reformierter Orthodoxie. 123 Schott ließ Rosamunde daher vier in englischer Sprache abgefaßte Fragen in einem versiegelten Brief zukommen, auf die sie, ohne das Siegel zu erbrechen, in Deutsch geantwortet haben soll. 124 Das geschah in Celle, als sich Rosamunde dort mit ihren Schwestern bei R. Schott aufhielt. 125 Schott befragte Rosamunde über die Erwählungslehre, über die Anwesenheit Christi im Abendmahl, über das Verhältnis von Taufe und Erwählung und über die Möglichkeit der Erlösung für die bereits vor Christi Geburt im Ungehorsam gegen Gott Verstorbenen. Schott gibt dieses erste versiegelte Schreiben wie folgt wieder: „Eternell Beenig Jehovah Immanuell I humbly begge the to answer thy poor Supplicant thes following quaestiones 1. If thaire be ane inechangeable eternel decree tutching mankind and if Jesus Christ dyed for all mankind ore for a certaine determinat number. 2. If in the Sacrement of the Lords Supper the unbeleevers-irregenerat and unworthy does enjoye the body and blood of my Saviour ore only beleevers by faith. 3. If in the Sacrement of the Baptisme all who are baptised, are promiscously marked and sealled ore only the Elect. 4. Iff After that our Lord was vivified and went and preached to the Spirits in prisonne who war disobedient in the dayes of Noah, be preached Salvatione to the same, or denunced a sentance of further reprobatione." 1 2 6

V), 2) Lg., 1. 8. (p. 3 6 - 4 1 , vgl. SS 1691, §28), 3) Lg., 7. 8. (p. 4 3 - 4 5 ) , 4) Magdeb., 5. 9. (p. 5 5 - 5 7 , vgl. SS 1691, §31), 5) Celle, 3. 10. (p. 63), 6) [Celle,] 7. 10. (p. 64f.), 7) Lg., 11. 10. (p. 68),8) Lg.,20.10. (p. 72f.), 9) [Lg.,] 29.10. (p.74f.), 10) [Lg.,]16. 11. (p. 81), l l ) [ L g . , ] 2 0 . 12. (p. 94 und Bl. X-XI) und 1) [Lg.,] 16. 7. „VonD. Schotten" (p. 34), 2) [Lg.,] 20. 10. „adnos de DnSch:"(p. 71 f.). 122 Crophius 1700, §46. 123 SS 1691, §28. 124 R. Schott an [Sophie v. Hannover], Celle, den 9.11. 1691-LB Hannover (Leibniz I, X X , Bl. 25'; Abschrift von G. Chr. Otto); das Original besaß vermutl. G. W. Molanus; s. s. Brief an J.W. Petersen, Hannover am Sonntag des Weihnachtsfestes [27. 12.] 1691- LB Hannover (Leibniz I, X X , Bl. 20—23 bes. 22') und gedruckt als: „Antwortschreiben eines vornehmen, berühmten Theologi und Hochwürdigen Abtes [ . . · ] " ( N S u U B Göttingen, Acta Piet. II, 51). 125 Sophie von Hannover an Α. K. von Harling für Leibniz, Ebstorf, den 16.10. 1691Leibniz, Werke I, 7, Nr. 34 (S. 40); für den 2. Brief und seine Antwort ist dies sicher zutreffend (s.u.). 126 R. Schott an [Sophie von Hannover], Celle, den 9.11. 1691- LB Hannover, Leibniz I, X X , Bl. 25v.

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Auf diese vier Fragen hat Schott noch zweimal genauere Auskunft von Rosamunde verlangt. 127 In den prophetischen Antworten wird ein prädestinatianischer Heilspartikularismus abgelehnt: „der ich von Alters her bin und euch gezeuget in meiner ewigen liebe, wie solte ich, Christus der Ich die ewige Erbarmung bin, eine Auswehlung machen? das sey ferne von meiner algemeinen grosen barmhertzigkeit" (s. Anm. 127: 1.8. 1691). Dahinter stecken Fragen der Theodizee. Das strenge calvinistische Bild von Gott, der in reiner Willkür und zu seiner Ehre die einen erwählt und die anderen verwirft, läßt nicht an Gottes Gnade in Christus glauben. Dem einzelnen wird daher die Verantwortung fur sein Heil beigelegt, das er durch den Glauben erlangen kann, während das Erlösungshandeln Gottes ein umfassendes, kosmologisches Ereignis darstellt: „da das Feuer der Liebe ausbrach, ging es zugleich auf alle in Adam gefallene Menschen und war da keine Auswehlung [ . . . ] . Wer sich nun nicht zu mir hält der kehret zur Finsternüß und Ich habe nicht Schuld zu seinem Verderben [ . . . ] . Also [seil, wie bei Adam im Stande der Unschuld] ist es itzo noch mit allen in ihm gefallenen Menschen; sie haben Licht und Finsternis vor sich, und dazu haben sie meinen Geist, [ . . . ] der lokket" (ebd.).

Für diese mystisch-rationalistische Religiosität sind die rhetorischen Fragen mit ihrem Appell an die menschliche Vernunft charakteristisch: „Siehe was solte mich bewegen einem mehr Gnade zur Seeligkeit zu erweisen wie dem anderen?" (ebd.). Die zweite Frage, die das Problem der substantiellen Realpräsenz von Leib und Blut Christi im Abendmahl betraf, versuchte Rosamunde durch ein spiritualistisches Verständnis zu überwinden: „Siehe der glaube ergreiffet mich warhafftig, und ist also eine kräfftige wahrhafftige Seelen=speise im Abendmahl [ . . . ] . [Die Gläubigen empfangen] den warhafftigen Geist meines Leibes und Blutes [ . . . ] , auf das ich euch in mir verherlige, und in mir vergliedere, der ich euer Haubt bin"(ebd.). 128 Auf die dritte Frage hat Rosamunde überhaupt nicht geantwortet, und zur vierten, die gewissermaßen diachronisch nach dem Heilsuniversalismus und der Verantwortlichkeit des Menschen fragt, bezeugt Rosamunde: „Denn geistern predigte ich das Evangelium zur Vergebung und zur Erlösung aus dem gefengniße, das sie wieder grünen und vor mir leben solten" (ebd.). In Rosamundes Antwort auf seine erste Frage fand Schott zu Recht „the same inelyning to Armenianisme which i never chirrished, ore contenanted" 127 Ebd., Bl. 25'. Die drei Antwortschreiben Rosamundes sind mehrfach überliefert. 1) 1. 8. 1691: a) Cod. theol. 1234, p. 3 6 - 4 1 , b) Leibniz I, X X , p. 25 v -27 r , c) SS §28; 2) 7. (8.) 8. 1691: a) p. 4 3 - 4 7 , b) 27 v -28 r ; 3) 5. 9. 1691: a) p. 55, b) 27 r -27 v , c) SS §31. Auftretende Varianten sind geringfügig und bedeutungslos. Die folgenden Zitate nach Cod. theol. 1234. 128 Zu Molanus' Vorwurf (s. Brief wie Anm. 124), Petersen habe die Bezeugungen Rosamundes über das Abendmahl und die Predigt Christi in der Hölle (s. u.) in dem SS 1691 nicht abgedruckt, weil Petersen ihnen nicht zustimmte, vgl. Ablehnung 1692, 7f. und Spener, Bed. 4, 1702, 498 f. und Speners Verteidigung von Rosamundes Aussage in LBed. 3, 1721, 697—699 (18.8. 1692).

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(s. A n m . 126). Deshalb nannte er in seinem zweiten Schreiben „scriptures out o f the Prophetes Evangelists and Apostells, against the universalitie o f grate and to Maintanie the truth o f Electione" (ebd.). Während R o s a m u n d e eher einen Heilsuniversalismus verkündet: „Siehe ich bin die brunquel des lebens, niemant kömt zu mir, der Vater ziehe ihn den [vgl. J o h 6, 44: eine Beweißstelle Schotts gegen den Heilsuniversalismus ?], darum Mercke mein Wort: Ich durchleutere und heilige alle, denn sie sind alle in dem Vater: Ich aber volfuhre mein Werk über alle Vernunfft, und erfülle alles mit Wohlgefallen" (5. September 1691),

faßt Schott Rosamundes Antworten zu einer „hypothetischen" E r w ä h lungslehre zusammen: „ S o that breifly the holbme o f all is, that Jesus Christ the Mediator made no Electione bot indifferently dyed for all. And affers Salvatione to all upon conditione o f beleeveing B o t G o d the father from all Etemsty forseenig, bekause o f the corruptione o f mankind that non would by faith embrate Christ Elected a certaine determinat number which be decreed to draw to his Sonne and thes are called the blissed o f the father" (s. A n m . 126). 1 2 9

Der Gegensatz zwischen Schott und der Prophetin blieb also bestehen und entsprechend b e k o m m t der Arzt zu hören: „Siehe so wahr ich lebe, du verstehest mein warhafftiges Wort, das ich zu dir geredet, nicht in der Warheit nach meinem Sinn, darum stosse dich nicht an mir, so will ich auch meine hant von dir abthun und dich wieder erquiken" (7. August 1691); „du aber weist nicht was ich izt geret habe, und ist dir dieses eine fremde rede [ . . . ] es gebühret dir weiter noch nichts zu wissen" (5. September 1691).

Die Idee, Rosamundes Glaubwürdigkeit dadurch zu untermauern, daß ihr die Fragen in versiegelten Briefen zur Beantwortung vorgelegt wurden, geht also auf Robert Schott zurück. Rosamundes Offenbarungen verließen damit den Bereich der allgemein zugestandenen subjektiven Vision und inneren Erleuchtung und erhielten den Charakter von objektiven und übernatürlichen Eingebungen. Erst damit konnten sie zu einem Streitpunkt in der Auseinandersetzung Petersens mit seinen Kollegen und dem Rat von Lüneburg werden. 1 3 0 Schott war es schließlich auch, der Rosamundes prophetische Gabe der Öffentlichkeit bekannt machte.

Der Schritt an die

Öffentlichkeit

A m 4. August 1691 war Rosamundes Mutter gestorben. Die verwaisten Geschwister reisten daraufhin u m den 20. August nach M a g d e b u r g , u m dort „einiges in Ordnung zu bringen". 1 3 1 Schon vor ihrer Abreise waren in 1 2 9 Z u der von M o s e s Amyraut vertretenen Lehre s. WEBER, D o g m a t i k 1, 1959, 143f. und WEBER, Reformation 2, 1951, 1 2 8 - 1 3 3 . 1 3 0 Vgl. die ausführlichen Erklärungen von Leibniz fur Sophie von Hannover über die Frage der Ubernatürlichkeit der Offenbarungen Rosamundes in Leibniz, Werke I, 7, passim. 131 SS 1691, §31. Der Abreisetermin ergibt sich näherhin aus Cod.theol. 1234, p. 53, wenn man annehmen darf, daß die Bezeugung „ A n H. Meyer wegen des Studii Theologici" v o m 19.

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Lüneburg Gerüchte von einer neuen Prophetin umgegangen, obwohl die Petersens nur wenigen Freunden von den wunderlichen Gaben Rosamundes erzählt und nur wenigen einen Zutritt zu ihr gewährt hatten. 132 Aber ganz ließ sich eine solche „Curiosität" in einer Stadt des 17. Jahrhunderts nicht verbergen, zumal auch die zahlreichen, zum Teil vornehmen Besuche im Hause Petersen die Neugierde geweckt hatten. Im Sommer des Jahres zeigte schließlich ein ungenannter Theologiestudent die „neue Prophetin" beim Lüneburger Rat an, so daß Petersen von dem Sekretär des Rates zur Rede gestellt wurde. Der Superintendent weist den speziellen Vorwurf zurück und beschränkt sich darauf, Rosamundes außergewöhnliche Gaben zu rühmen. 133 Die Gerüchte in Lüneburg mündeten schließlich in dem Angriff auf Petersen, er selbst stecke hinter diesen prophetischen Reden und habe sie Rosamunde eingegeben. Die Vermutung zielte auf den Vorwurf, Petersen wolle damit den schwelenden Streit mit seinen Kollegen um seine chiliastischen Ansichten kraft göttlicher Autorität vorentscheiden. 134 Auch fehlte es nicht an erotischen Phantasien über das Verhältnis von Petersen zu Rosamunde. In gebildeterer Form äußerten sie sich darin, daß man Petersen mit dem sagenhaften zweiten König Roms, N u m a Pompilius, verglich, dem die Nymphe Egeria Ratgeberin und Geliebte oder Gattin zugleich war. 135 Derberen Geist verrieten diejenigen, die Rosamunde einen „Incubus" nachsagten. Der darauf erfolgende Schritt an die Öffentlichkeit wurde von den Petersens bewußt getan. Vielleicht kompensierte man unter dem Eindruck des Todes von Rosamundes Mutter und des zunächst mißverstandenen „Prognosticons" seine Enttäuschung mit einem noch stärkeren Bekenntnis zu Rosamundes Offenbarungen. Jedenfalls ließ man über Rosamunde anfragen, ob man die Offenbarungen, im besonderen über das Reich Christi, bekanntmachen solle. Die Antwort erfolgte am 9. August. 136 Noch einmal wird hier die Bezeugung fur Gertraut von der Asseburg verteidigt. Am Ende heißt es in Anlehnung an Mk 13, 11: „Wan nun die Stunde kommen wird daß man euch frage, so bekennet und leugnet nicht, denn ich selbst, wils kundt machen, ihr aber seid stille und wartet meiner güte". Man war also zu einem öffentlichen Bekenntnis bereit. In dieser Situation, in der auch Petersens Orthodoxie in Celle erneut

8. noch in Lüneburg geschah, während die folgende vom 28. 8. in Magdeburg lokalisiert ist. Für die 24 (hannoverschen) Meilen (180 m) ist eine Reisezeit von 3 Tagen anzusetzen (s. S. 259). 132 SS 1691, §29 und Akten aus Lüneburg, wonach nur wenig hausfremde Lüneburger Rosamunde bei Petersen gesehen haben. 133 J. B. Baumgart an BuR von Lg., Lg. den 21.8. 1691: Petersen fordere die Nennung des Namens „auctoris famae", daß er eine „Prophetin" im Hause habe.-StA Lg.;vgl. SS1691, §29 und LB 1717, 154f. 134 SS 1691, §31. 135 SS 1691, §31 und LB 1717, 155; vgl. Pauly4, 1979, 185f. und 2, 1979, 203. 136 SS 1691, §29 und Cod. theol. 1234, p. 45 - 4 7 .

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untersucht wurde, hat Robert Schott den weiteren Fortgang "der Dinge wesentlich bestimmt. Wahrscheinlich hatte der herzogliche Leibarzt Rosamunde und ihre Geschwister nach Magdeburg begleitet. 137 Von Magdeburg oder auf dem Rückweg von Celle aus hat Schott den herzoglich-hannoverschen Hof, der sich in jenen Herbsttagen im Kloster Ebstorf bei Lüneburg aufhielt, über die Gabe Rosamundes auf verschlossene Briefe antworten zu können unterrichtet. 138 Die Neuigkeit teilte die Herzogin Sophie alsbald ihrem Vertrauten Leibniz mit: „vous avez sans doute ouy parier de la nouvelle secte qui e[s]t ä Wolfenbudel mais non pas d'une fille de calite ä laquelle nostre Sigr aparroit dans toute sa gloire et qui luy dicte des escris admirable pompeux et manifique et qui Prophetise; quant on luy envoit une lettre cachettee avec des questions eile y respond positivement sans l'ouvrir par la derectien de Christ, nous tacherons de Taller voir inconite quant eile sera ä Lüneburg chez le superintandant oü eile fait casi tousjour sa demeure[,] cet encore un secret mais trop beau pour n'estre pas communique ä un h o m m e curieux come vous." 1 3 9

Ermuntert durch die vornehme Herrschaft in Ebstorf, zu deren Hof einst Rosamundes 1688 verstorbene Schwester Sophia Ehrengard von Bothmer gehört hatte, entschloß man sich, auf dem Rückweg nach Lüneburg in Ebstorf haltzumachen. 140 Das Ehepaar Petersen reiste Rosamunde nach Ebstorf entgegen, von wo man wahrscheinlich am 7. Oktober wieder nach Lüneburg zurückkehrte. In Ebstorf bekommt Sophie von Hannover drei Bezeugungen zu Gesicht, die Schott auf ein verschlossenes Schreiben in Celle (und Ebstorf?) erhalten hatte. Sophie berichtet: „Aber D. Schott hat ihr drey fragen auff Englisch verpitschirt und in einen zeddel gethan, Da hat sie (ohne die zeddel auf zu machen) ganz pertinent [= die Sache treffend] (wie als sie sagt Christus ihr dictirt hat) darauf geantwortet. Ich habe die zeddel verpitschiret gesehen, und die antwort auff teutsch dabey." 141 Die „drey fragen" hat Rosamunde am 7. (und 3.?) Oktober beantwortet. Zumindest eine der drei Antworten ist die im Cod. theol. 1234, p. 63 f. aufgezeichnete Bezeugung („den 7 october auf ein verschlossen schreiben"). Die beiden Bezeugungen, die in dieser Sammlung vor und hinter jener stehen, sind beide ausdrücklich an 137 Petersen spricht in SS 1691, §31 von einem Freund, der sich bei Rosamunde 24 Meilen von Lüneburg [seil, in Magdeburg] entfernt aufhielt und der die Ereignisse um Rosamunde bekanntgemacht habe; vgl. Bezeugung an Schott in Magdeburg vom 5.9. 1691 (Cod. theol. 1234, p. 55—57). Auch Joachim (?) Lange und Heinrich (?) Westphal haben Rosamunde begleitet; s. Cod. theol. 1234, p. 58f. (5.9. 1691), 61 f. (Celle, den 3.10. 1691), 88 (7.10. 1691), 67 (8.10. 1691). 138 Z u m Aufenthalt des Hofes in Ebstorfs. Leibniz, Werke I, 7, Nr. 109 (S. 190) und SS 1691, §31. 139 Ebstorf, den 5. 10. [1691]- Leibniz, Werke I, 7, Nr. 26 (S.29). Mit der Wolfenbütteler Sekte sind gemeint: Generalsuperintendent Barth. Meier, Georg Neuss und Justus Lüders (s. BESTE, Pietismus 1922). 140 SS 1691, §31 und 32 sowie Sophie von Hannover an Leibniz, Ebstorf, den 8.10. 1691Leibniz, Werke I, 7, Nr. 28. 141 An Leibniz, Ebstorf, den 8.10. 1691- aaO (S. 30).

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Schott adressiert, datieren vom 3. und 7. Oktober und sind vermutlich die Antworten, die Sophie gesehen hat. In seinem Brief an Sophie von Hannover vom 9.11. 1691 schreibt Schott nämlich: „Your Highnes has imposed commande upon me which I am not in ataire to obey. Havenig, left those quaestiones which your highn: did see at Ebstorff by a freind (then at Luneburgh) [=Petersen] and since that tym, I have given ordre to destroy them. [Er sendet dafür] the copie of four quaestiones which was not broth up, till the answer was given" (s. bei Anm. 126). 142

Zurückgekehrt nach Lüneburg, wohin Herzog Anton Ulrich von Wolfenbüttel und ein Vetter der Asseburgischen Schwestern, Matthias Johann von der Schulenburg, mitgekommen waren, wandte Herzog Ernst August von Hannover sich an Rosamunde. Auch er benutzte sie nicht als Orakel oder Hellseherin, sondern stellte ihr gleichfalls eine dogmatische Frage. 143 Sie betraf das umstrittene Problem der Seligkeit von Heiden und Juden, gehörte damit auch in den Bereich der für das Theodizeeproblem grundlegenden Erwählungslehre. Die Antwort erfolgt im Namen eines Gottes, der durch die Geburtsmetaphorik pantheistische Züge trägt: „So wahr der Himmel ist bereitet durch meine Macht und Wohlgefallen, so wahr ich ewiglich bin, und kein Anfang und Ende in mir ist, als was ich gleichsam in mir selbst gebähre, und im Anfang und Ende mache [ . . . ] " . Der rechte Glaube an Gott, wie er sich in der Schrift offenbart hat, kann nur „mit, und durch den heiligen Geist, der verheissen ist, und auch ruhet auf alle die rechtschaffen sind vor meinem Angesichte" erfaßt werden, nicht aber, indem „mans aus derselben [seil, der Heiligen Schrift] erzwinge mit eigener vernunfft". 144 Die Frage nach der prinzipiellen Allgemeinheit der Gnade stellt sich in einer neuen Alternative. Verworfen sind gerade diejenigen, die „wieder meine Warheit streiten mit besser wissen und glauben ihrer vernunfft dünken, die gehen dahin in finsternisse, sie sein auch in was vor Religionen sie wollen". 145 Gnade widerfährt in allen Geschlechtern und Religionen denjenigen, die „ihre heiligung rechtschaffen durch mich" suchen und es nicht bei einem äußerlichen Glauben oder Gottesdienst bewenden lassen, sondern Gott „im gründe des hertzens" suchen. Die Person Christi und der Glaube an ihn treten in dieser Argumentation weitgehend zurück. Christi Bedeutung beschränkt sich darauf, daß durch ihn die Reinigung und Läuterung der Menschen und die Erlösung der Welt objektiv geschieht. Verworfen sind nur diejenigen, die den „ewigen Sohn deß Vaters mit besserwissen, das ist in 142 LB Hannover, Leibniz I, X X , Bl. 25'; entsprechend ist der Kommentar in Leibniz, Werke I, 7, Nr. 28 zu korrigieren. 143 Die Bezeugung vom 8.10. 1691 im Cod. theol. 1234, p. 65 ist an den „Herzog von Hannover" gerichtet; vgl. SS 1691, §32. Belegt ist in den Briefen Sophiens an Leibniz allerdings nur der Aufenthalt von Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel in Lüneburg bei Ernst Wilhelm von Spörcken. 144 Z u „erzwingen" vgl. Cod. theol. 1234, p. 68 („An Herrn Casiko [=Causacau]", den 8.10. 1691): „Ich bin nicht ein Gott, der sich halten, oder auff gewiße art zwingen läßet, sondern übergehe alle Tieffen über alle Vernunfft". 145 Vgl. SS 1691, §32: „Konfessionen" für „Religionen".

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der Überzeugung" verleugnen, die zeitgenössischen Atheisten also. „Die unwissenden Völker aber, verwerffe niemant schlechter dinges, denn wer will sie richten als ich, und mein richten ist gerecht, und darum werden sie nicht gerichtet zum ewigen Verderben, sonst wehre ich nicht Gerecht." Auch hier vertritt Rosamunde einen Heilsuniversalismus, auch wenn dessen Wahrheit noch verborgen sei. Aber Gott kann „überschwenglich mehr tun", als der Mensch begreift. 146 Die Verwunderung am Hof über die seltene Gabe der Rosamunde ist zunächst groß. Herzog Ernst August will den Fall durch seinen Konsistorialrat, Abt Gerhard Wolter Molanus, untersuchen lassen, „denn es ist gewiß so wunderlich, daß ihre liebden so wohl als ich und mehr verstandige leute nicht wißen, was sie darzu sagen sollen". 147 Da die Rückkunft des Hofes nach Hannover noch lange hin sei und Rosamunde, wie Sophie befurchtet, beim Hof in Ebstorf verlacht würde, solle Molanus nach Lüneburg kommen, „denn es ist die mühe wohl werth, denn was wunderlichers in unser zeit nicht ist geschehen." 148 Molanus aber äußert sich „fort cavallierement" zu der ganzen Geschichte, die er im Kreis der Hannoveraner Hofdamen vernommen hat, und schlägt vor, die junge Prophetin mit ihren Schwestern zu den Quellen von Pyrmont zu bringen, „pour leur nettojer le mesentere, oü se trouveront sans doute de obstructions terribles." 149 So scheint es zu keiner Untersuchung durch Molanus gekommen zu sein. In den Tagen, in denen Rosamunde von den herzoglichen Personen befragt wurde, wandte sich auch der Prediger der reformierten (Hugenotten-) Gemeinde in Lüneburg, Joseph de Causacau (Cosaco, Causacaux), an die Prophetin mit einer Frage „dans une lettre cachette sur le mistere de la trinite", auf die er aber „keine sehr positive antwort" bekam. 150 In der Tat reagiert Rosamunde mit sehr allgemeinen Wendungen, die erneut alle Versuche der Vernunft, Gott zu begreifen, zurückweisen und statt dessen eine kommende Offenbarung ankündigen, mit der Gott „alle Finsternüße und Zweiffei" zerstören werde. In der Zwischenzeit soll ein jeder nach Heiligung und Liebe streben, weil er nach seinem Tun gerichtet werden wird. Das Urteil des französischen Predigers über diese Antwort ist uns nicht be146 Vorstehende Zitate aus der Bezeugung an den „Herzog von Hannover" in Cod. theol. 1234, p. 65—67. Zu Petersens ähnlicher Auffassung s. S. 234f. 147 Sophie von Hannover an Anna K. von Harling fur Leibniz, Ebstorf, den 10.10. 1691Leibniz, Werke I, 7, Nr. 30 (S. 32). 148 Ebd. 149 Leibniz an Sophie von Hannover, Hannover, den 13.10. 1691- Leibniz, Werke I, 7, Nr. 31 (S. 33) und Molanus an Leibniz, Hannover, den 12.10. 1691- ebd., N r . 209 (S. 406); vgl. Leibniz an Molanus, Hannover, den 12.10. 1691- ebd., Nr. 208 (S. 405f.). 150 Sophie an Anna K. von Harling fur Leibniz, Ebstorf, den 16. 10. [1691]-Leibniz, Werkel, 7, Nr. 34 (S. 41). Franz. Zitat: Anmerkung von Sophie auf Rosamundes Antwort im N H S A Hannover. Rosamundes Antwort in Cod. theol. 1234, p. 68 („An H E Casiko. Antwortt auf einen Verschloßenen Brieff.") und (abschriftlich) in: NHSA, K. G. Cal. Ο.,Α- Des. 63 F VI 31

Bl. 100.

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kannt.151 Von demselben Tag (8. Oktober) datieren schließlich noch Bezeugungen an Heinrich (?) Westphal auf zwei verschlossene Schreiben und an einen Stader Studenten namens Hadder.152 Zwei Wochen später überreichte Herzog „ Antoine" (Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel) persönlich einen Briefeines Freundes.153 Das Interesse bei Hof ließ im Laufe der Zeit wieder nach, und Rosamundes Gaben wurden im besten Fall für eine bislang unerforschte, aber natürliche Fähigkeit des menschlichen Geistes gehalten.154 Aber am Ende des Monats erregte noch einmal ein Ereignis die Gemüter. Sophie berichtet darüber Leibniz am 31. Oktober 1691: „la pauvre Creature [seil. Rosamunde] a for pleure et a este fort espouvantee comme eile a demende responce ä un billiet cahette rempli de sötte demendes, n'aiant jamais veu Nostre Sigr si en colere, qui luy a donne la responce que j e vous envoy, et luy a commende de n'en plus resevoir, on a eu de la peine ä la remettre. " 1 5 5

Nach Petersens Bericht in seinem Sendschreiben von 1691 hatte ein hoher Offizier einige Tage zuvor, am 20. Oktober, auf ein versiegeltes Schreiben eine Bezeugung erhalten, die ihn nicht befriedigte, weil sie seine Frage, das Sakrament betreffend, nicht beantwortete. Daraufhin sandte er Rosamunde einen zweiten verschlossenen Brief mit Anzüglichkeiten, „dafür sich die Creatur entfärben solte".156 Die zornige Bezeugung, die Rosamunde daraufhin widerfuhr, deutet Petersen im Hinblick auf die zuerst ergangene Offenbarung. Dort sei der Offizier gewarnt worden, sich nicht an dem Herrn zu vergreifen. In Voraussicht des zweiten, anstößigen Briefes habe Gott den Offizier warnen wollen. Bei dem Versuch, die Person des „Offiziers" zu identifizieren, ist folgendes in Betracht zu ziehen: 1. In dem SS 1691, § 33 werden die Bezeugungen 151 Leibniz an Sophie, Hannover, den 16.10. 1691-Leibniz, Werke I, 7, Nr. 33 und deren Antwort, Ebstorf, den 20.10. 1691- ebd., Nr. 36 (S. 44). 152 Cod. theol. 1234, p. 67 und 68. 153 Sophie von Hannover an Leibniz, Ebstorf, den 20.10. 1691- Leibniz, Werke I, 7, Nr. 36 (S. 43); vgl. Leibniz' Frage nach Anton Ulrichs Meinung über die Angelegenheit in Leibniz an Sophie von Hannover, Hannover, den 23.10. 1691- ebd., Nr. 38 (S.52). Vermutlich steht, wenn man den 8. 10. und den 20. 10. als term, post/ ante quem betrachtet, Rosamundes Antwort im Cod. theol. 1234, p. 73 („auf ein verschloßen Schreiben") unter dem 20. 10. Möglich wäre auch Cod. theol. 1234, p. 71 (vgl. LB Hannover, Leibniz I, X X , Bl. 28v). 154 Z u der Mitteilung in LB 1717, 206, daß man sich auch an den Königshöfen in England, Frankreich und Dänemark über Rosamunde erkundigt habe, vgl. Elisabeth Charlotte von Orleans an Sophie von Hannover, Versaille, den 24.11. 1691, wonach Sophie über Rosamunde berichtet hat; BODEMANN, Briefe 1, 1891, 141 (Nr. 123). 155 Leibniz, Werke I, 7, Nr. 39 (S. 53). Rosamundes Antwort in: a) Cod. theol. 1234, p. 74 (27. 10.), b) LB Hannover, Leibniz I, X X , BL. 24v, c) SS 1691, §33 und d) TRIPPENBACH 1915, 313f. Zur Beendigung der Antworten auf verschlossene Schreiben s. Bezeugung an Rosamunde vom 9.11. 1691 im Cod. theol. 1234, p. 76f. (SS 1691, §34) und Leibniz an Sophie von Hannover, Hannover, den 16.10. 1691- Leibniz, Werke I, 7, Nr. 33 (S. 40). 156 SS 1691, §33; die Bezeugung auf den 2. Brief erfolgte am 27.10. 1691. Sie wurde dem „Offizier" aber erst einige Tage später eingehändigt, der daraufhin gestand, daß auch der erste Brief von ihm stamme.

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vom 20. und 27. Oktober, die mit den Worten „Ich der Gott der Heerschaaren [ . . . ] " und „Ich der HErr habe Greuel [•••]" beginnen, beide auf den „Offizier" bezogen und dabei angemerkt, daß dieser beim ersten Brief unter Namensnennung vorgegeben habe, daß er von „hoher Hand käme". 2. Auch Leibniz und Sophie nennen keinen Namen des „Officier Francois Gentilhomme de la Cour", der offenbar die Anonymität gesucht hat. 157 3. In den handschriftlichen Aufzeichnungen von Rosamundes Offenbarungen ist zu der Antwort vom 20. Oktober am Rand von J . W. Petersen angemerkt: „an prinz maximilian von hanover auffein versiegelten brieff, als ob er von jemand anders were" und zu der Bezeugung vom 27. Oktober lediglich: „Auf einen versiegelten brieff antwort". Daraus läßt sich schließen, daß Prinz Maximilian Wilhelm von Hannover, dessen Verschwörung gegen das von Herzog Ernst August unter dem 21. Oktober 1682 testamentarisch erlassene Primogeniturgesetz, das die Erbfolge in den hannoverischen Ländern regelte, wenige Wochen später entdeckt wurde, in jenen Tagen Rosamunde inkognito besucht hat und sich dabei als „Offizier" ausgab. 158 Der hannoverische Hof, von dem ursprünglich einige „inconite" Rosamunde hatten besuchen wollen, war zu dieser Zeit (um den 22. Oktober) schon in die Ghörde gereist; Maximilian hatte sich krankheitshalber entschuldigt. So ist es gut möglich, daß Maximilian unerkannt und wohl mit dem ebenfalls in die Prinzenverschwörung verwickelten Anton Ulrich von BraunschweigWolfenbüttel nach Lüneburg gekommen war. 159

Radikale

Eschatologie

Wir haben gesehen, welche wichtige Rolle der Celler Leibarzt Robert Schott in den Ereignissen um die Prophetin Rosamunde Juliane von der Asseburg gespielt hat. Er war es, der in Rosamunde von der Asseburg eine neben und über die Schrift hinaus bestehende Offenbarungsträgerin sah. Schott scheint auch unter allen Adressaten der Offenbarungen am stärksten von ihr beeindruckt gewesen zu sein. U m die religiöse Mentalität im U m feld des beginnenden Pietismus, vor allem seine Nähe zu einem mystisch verbrämten Rationalismus zu erfassen, scheint es daher angesichts der engen 157 Leibniz an Landgraf Ernst von Hessen-Rheinfels, Hannover, den 13.11. 1691- Leibniz, Werke I, 7, Nr. 109 (S. 190) und Sophie von Hannover an Leibniz, Ebstorf, den 31.10. 1691ebd., Nr. 39 (S. 53). 158 Vgl. L B 1717, 215. Zum Primogeniturgesetz und der Prinzenverschwörung s. HAVEMANN 3, 1857, 2 9 4 - 3 1 0 . Sophie von Hannover an Leibniz, Ebstorf, den 8. 10. und 5.10. 1691Leibniz, Werke I, 7, Nr. 28 (S. 30) und Nr. 26 (S. 29); s. bei Anm. 153. 159 Zu der Reise des Hofes s. Sophie von Hannover an Leibniz, Ebstorf, den 16.10. 1691: „bis Donnerstag" [22. 10.]- Leibniz, Werke I, 7, Nr. 34 (S. 41) und Gheör, den 31.10. 1691- ebd., Nr. 39 (S. 53). Zu den Bezeugungen an Maximilian s. a. L B 1717, 215 und die Briefe Königs an Leibniz, Hamburg, den 28.11. 1691- Leibniz, Werke I, 7, Nr. 251 (S. 462) und Leibniz an Tentzel, Hannover, den 29.7. 1692- ebd. I, 8, Nr. 216 (S. 369).

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Beziehung zwischen Schott und der Visionärin angemessen, die Offenbarungen an Schott näher zu untersuchen. Die oben erwähnten drei Bezeugungen an Schott, die Sophie von Hannover in Ebstorf gesehen hat, beginnen jeweils mit einer Selbstvorstellung Gottes, in d e n e n - z u m Teil mit Worten aus dem Alten Testament-vor allem auf Gott als den Schöpfer, Erhalter und Richter der Welt abgehoben wird: „Siehe ich der Gott himmels und der erden stehe auf und richte die völker, und bringe die Lügner um, und was böse ist bleibt nicht vor mir, denn ich bin heilig, und reke aus meine Hant, und messe zeit und tage, Licht und Finsternisse scheide ich zu meinem Ruhm [ . . . ] " (3. Oktober 1691). „Was ist was mir nicht offenbahr und entdekt ist? Bin ich nicht der Gott der Almacht und Alwissenheit?" (7. Oktober 1691). „ [ . . . ] ich bin der Gott himmels und der erden, der dich geschworen [für ] hat, und bei deinem Nahmen geruffen [ . . . ] So wahr der Himmel ist durch mich bereitet und die wölken daher fahren, und ich sprach, das es licht würde, und es ward licht [ . . . ] ich der Herr Herrjehova [ . . . ] "(7. Oktober 1691).

Daneben stehen Erlösungsaussagen, vor allem in Anlehnung an das Neue Testament. Sie dienen einer allgemeinen Charakterisierung Gottes als eines Liebenden. Auffällig ist, daß bei den Bezeugungen an Schott der Name Jesu Christi nie fällt. Überhaupt fehlt bei Rosamunde jede Bezugnahme auf die Historizität Christi. So bleibt es bei allgemeinen Prädikationen für die Liebe Gottes: „Immanuel" (3. Oktober 1691) „Ich bin kommen zusuchen das verlohrne und verirrete, ich heile das verwundete, trage das schwache" (7. Oktober 1691). „Ich habe dich ie und ie geliebet und gewaschen" (7. O k t o ber). Geprägt ist diese Theologie von der Idee eines mächtigen und barmherzig-gerechten Gottes, auf dessen Erscheinung man wartet. Diesen Gottesaussagen korrespondiert die Aufforderung, sich in keine dogmatische Weitläufigkeit zu verlieren. Gott lasse sich nicht durch die Vernunft erfassen und legitimieren. Der religiöse Mensch ist still und vertraut der über ihm waltenden Providenz Gottes. Dabei erscheint freilich die Beschwörung der potentiellen Mächtigkeit Gottes (in Erlösung und Gericht) als ein letzter Versuch, die Gottesidee als nicht belanglos für die Welt zu retten. Paradoxerweise steht diesem sehr allgemeinen Gottesbegriff der Gedanke einer besonderen Erwählung derjenigen gegenüber, die zu der gläubigen Schar um Rosamunde gehören. War die Gottesanschauung im Grunde aus dem vernünftigen Gottesbegriff analytisch erhoben, so verlangt der Glaubende, weil er sich von der „Welt" unterscheidet und unterscheiden will, nach der Vergewisserung einer besonderen Erwählung. Denn auch die Tatsache der eigentümlichen Erkenntnis bedarf einer Erklärung: (Lüneburg, den 11. Oktober 1691; an Schott) „So spricht der HErr HErr; Ich der Ich Israels Vater und Jacobs meines knechts Gott bin, habe es geredet: Er ist es, den Ich liebe, und mit Ihm spiele. Ja amen. N u n sey getrost: Friede sey mit dir. "16°

160 Cod. theol. 1234, p. 68; die Verwendung der 3. Person ist wohl darin begründet, daß Schott nicht anwesend war.

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burg an den Leibarzt gerichtet. 161 Der Gott des Himmels und der Erde lasse sich nicht ergründen. Zwar heißt es: „alle Welt muß mich bekennen, [aber: ] Ist es nicht genug, daß man mich wiße? Wiltu noch weiterfahren? Ich laße mich nicht meßen noch begreiffen als durch den keuschen Geist, welcher ruhet auff die, so reinen Hertzens sind." 162 Indem jeder Versuch, Gott näher zu erkennen und zu beschreiben, abgelehnt wird, verzichtet man aufjede dogmatische und konfessionell-polemische Aussage über Gott, womit freilich praktisch auch die Bibel als Offenbarungsquelle und die Offenbarung als kontingentes Ereignis geleugnet werden. Diejenigen, die hier den Gebrauch der Vernunft im Hinblick auf die dogmatischen Distinktionen abwehren, haben selbst einen rationalen Gottesbegriff. Die Unterscheidung von Begreifen (Wesen) und Wissen (Existenz) erinnert an den Deismus, dessen Wesen darin liegt, daß er sich im Verhältnis des Staates zu Religion und Kirche mit dem notwendigen Glauben an die Existenz Gottes begnügen zu können glaubt. Für den Deismus bedeutet der Glaube an die Existenz Gottes eine äußere Schranke, innerhalb derer er Raum für die verschiedenartigen religiösen Formen (Konfessionen) läßt. Darin ist er dem philadelphischen Ideal verwandt. 163 Entsprechend wird Schott für eine nähere Gotteserkenntnis auf sein „reines Herz" verwiesen: „So komme nun in Lauterkeit und Einfalt; so wird dirs mein Geist lehren, und schweige mit deiner Vernunfft mit wachenden Hertzen so wirstu es erkennen." Die künftige Selbstoffenbarung Gottes in der subjektiven Innerlichkeit oder in dem weltgeschichtlichen Anbruch des Tausendjährigen Reiches ist das Objekt („es") dieser Erkenntnis. Zur Bekräftigung dieses zu erwartenden Offenbarungsaktes wird rationalistisch argumentiert: „Bin Ich nicht der HErr, der solches alles thunkan?" „ [ . · • ] daß ist es, daslchzeuge, daß Ich der HErr bin, und [also] in mir kein Wechsel funden wird." Die folgenden Offenbarungen an Robert Schott lassen immer stärker seine apokalyptischen Erwartungen, die gedämpft werden sollen, und seine besondere Rolle in dem Kreis um Rosamunde hervortreten: (Lüneburg, 20. O k t o ber 1691 „ad nos de DnSch:") Seyd ihr stille; mercket und erkennet, daß Ich Gott bin der mit Ihm ist, und vor allen Engeln der Welten ihn nicht zu schänden werden läßt. Was ist es, daß euch die Welt schmähet, so Ich euch ehre; und thut er zu viel, so soll es ihm doch nicht schaden; denn seine Seele soll bewahret werden, denn Ich habe Gedult mit Ihm." U n d an Schott an demselben Tag: „das sage ich dir gehe in die Kammer, schließe die Thüre zu biß Ich J E H O V A H posaune, alßdenn soltu mir geschmükt kommen, und meine Stimme soll aus deinem Munde gehen, denn mein lebendiger Athem ist in dir [ . . . ] säume nicht mir in allem zu folgen, doch so daß man warte in aller gedult, Glauben und Gehorsam, denn itzo ist die dritte Nachtwache". 1 6 4 161 Cod. theol. 1234, p. 71; neben inhaltlichen Kriterien spricht die Tatsache dafür, daß sie bei den übrigen Schriftstücken, Schott betreffend, in LB Hannover, Leibniz I, X X , p. 28" zu finden ist. 162 Z u „wissen" mit direktem Objekt s. D W B 30, 1960, 748-770 unter 2), S. 751 f. 163 Vgl. Christoph GESTRICH, Art. „Deismus" in: TRE 8, 1981, 392-406. 164 Cod. theol. 1234, p. 72 f.

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folgen, doch so daß man warte in aller gedult, Glauben und Gehorsam, denn itzo ist die dritte Nachtwache". 1 6 4

Offenbar gibt es Anlaß zur Vorsicht: „Seyd aber stille, daß Euch der Wolff nicht erhasche, und schlage euer Leben, darumb harrt in Gedult, und sonderlich du, den meine Seele liebet". 165 Neu ist hier die Abgrenzung von den Feinden Gottes: „harre in gedult, biß Ich selber komme und schlage die Erde mit dem bann". 166 Die Bezeugung vom 29. Oktober an Schott variiert die Aufforderung zur stillen Geduld, wenn es heißt: „Ich habe mein Angesichte aus liebe vor dich verborgen, damit du dich tieff vor mir niedrigen möchtest, und dich also im Geist zu mir nahen, damit nichts, als Ich in dir wohne und dich leutere von allem was sich wider mich erhebet, auf daß du unter mein sanfftes Joch bleibest. "167 Mag es hier noch unentschieden bleiben, ob innere Anfechtungen oder äußere Feinde Schott bedrängen, so tritt die separatistische Kampfessituation in der Bezeugung vom 5. November, die vermutlich in Celle bei Schott an einen größeren Kreis erging, eindeutig zutage. 168 Nach den tröstenden, erbaulichen Worten fur „Zion, der trauten, der holden, der außerwehlten", deren Vertrauen auch in den äußeren Leiden bestärkt werden soll, ergeht ein Gerichtswort, wobei freilich unklar bleibt, wer die hier in der 2. Person (Sgl. und Plr.) Angesprochenen sind und ob sie sich, wie nicht anzunehmen ist, in der Versammlung aufhalten. Vermutlich sind die Geistlichen allgemein angesprochen. Vorgeworfen werden ihnen tückische Bosheit, Scheinheiligkeit, inwendige Greuel und tote Werke, unbußfertige Herzen, Gottesdienste voll eitler Lügen und ohne Herzensteilnahme und daß „ihr saget, Ihr habt mein Wort, und thut nicht darnach". Eigenartig wirkt in der Aufzählung der Vorwürfe der letzte, daß „nichts gewißes funden wird in allem euren thun". Der scheinbar beiläufig geäußerte Satz scheint den Kern des geistlichen Problems anzusprechen, das diesen enthusiastischen Kreis betrifft: die mangelnde Glaubensgewißheit, der es nicht so sehr um den Gnadenstand als um einen bewährten Glauben an Existenz und Wirksamkeit Gottes überhaupt geht. Auf die Wiedergabe der Drohungen kann hier verzichtet werden. Sie zielen alle auf den Tag „meines Zorns", an dem die Taten der Feinde gerichtet werden. Die Bezeugung schließt ab mit Trostworten fur „mein liebstes Zion", das unterdessen in der Stille des nahen Tages harren soll - wachsam für die Ankunft des Herrn und vorsichtig vor dem Feind, bis „Ich komme und hersche mit freundlichkeit über dir, denn Ich habe dich lieb, weil Ich dich selbst gezeuget". Am 16. November muß sich Schott wieder den Vorwurf der Zerstreuung machen lassen, „aus welcher nur unglauben zweiffei und Finsterniß körnt, [statt] in aller unschuld nichts zuwissen noch zuverstehen. [Wieder wird ihm 164 165 166 167 168

Cod. Cod. Cod. Cod. Cod.

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theol. theol. theol. theol. theol.

1234, 1234, 1234, 1234, 1234,

p. 72 f. p. 73. Zur aktuellen Situation in Lüneburg s. S. 318ff. p.73. p. 74f. p. 75.

geboten,] in die Kammer [zu] gehen auf das dich niemant höre". 169 Ähnlich flehentlich lautet die Warnung am 20. Dezember 1691: „Sei doch v o r m i r u n d w e r d e klug, weistu nicht das die stille auch den Todt bekrieget, halte dich feste u n d brich nicht aus, damit du hernach solche harte streiche nicht bedarffst, u n d du dich selber an mir nicht so aufreibest d u r c h unglauben, erkenne meinen Sinn reifflich aus dieser bezeugung, ich weiß woll das du den Sieg blinken siehest, ia es ist auch also v o r mir, aber sei doch klug u n d vorsichtig, i m Schmerz m u s er erst g e b o h r e n werden, welches d u r c h stille gedult geschiehet, wie ihr deutlich ein E x e m p e l an mir habt in den tagen meiner Erniedrigung, z u m andern laß deine Vernunfft schlaffen, u n d fahre ia m i t derselben nicht h e r d u r c h , d u r c h vieles überlegen sonst wirstu zu spott, m e r k e woll darauf u n d lebe w o h l . " 1 7 0

Diese Vorsicht und Warnung bedeutet eine Zurücknahme der durch Rosamunde selbst hervorgerufenen oder jedenfalls bestärkten enthusiastischen Erwartung einer Gottesoffenbarung. Die Zurücknahme geschieht dadurch, daß von einer bevorstehenden Gottesoffenbarung weg auf die notwendig vorangehenden Leiden, die das kommende Gottesreich ankündigen, und die darin sich zeigende besondere Erwählung der wahren Zeugen verwiesen wird. Damit wird die eschatologische Erwartung an die gegenwärtige Erfahrung angebunden. Es gab Anlaß zu dieser Vorsicht, denn Schott begnügte sich keineswegs mit den Bezeugungen Rosamundes, sondern hegte immer mehr eigene apokalyptische Vorstellungen und hatte selbst enthusiastische Erlebnisse. In einem Brief an Α. H. Francke aus Erfurt v o m 9. August 1694 berichtet Georg Heinrich Brückner über die göttliche Gnade, „daß in meiner Gegenwart der liebe Bruder Schott clavem apocalypseos [ = Schlüssel zum Verständnis der Offenbarung Johannis] bekam". 171 Auch ist in diesen Tagen (1694) schon eine Schrift Schotts zumindest teilweise fertig, die die Grundlage der christlichen Trinitätslehre verläßt. In dem angeführten Schreiben Brückners heißt es: „In materia mysterii patris rate doch der liebe B r u d e r j a allen, so es noch nicht begreifen k ö n n e n , daß sie doch stille dabei sein. G o t t w i r d j a schon beim völligen Ausbruch Ü b e r z e u g u n g s k r a f t seinen Kindern geben. H a t j e m a n d Vernunft, so habe ich sie. Allein ich gestehe ingenue, daß ich aus der H a r m o n i e der bisher kolligierten Sache so viel g e f u n d e n , daß ich nicht das geringste hierwider erinnern k ö n n e n , zumal w e n n ich aus der Schrift das sehe u n d j e länger j e m e h r überzeugt werde. Wie der Sohn im Geistlichen ein Erlöser u n d einziger Mittler w o r d e n , also will der Vater n u n m e h r auch in menschlicher Gestalt als ein leiblicher Erretter u n d Friedensheld die Feinde seines Sohnes z u m Schemel seiner Füße legen. Gott läßt dies j e t z o zeitig seinen Kindern k u n d w e r d e n , daß sie die ersten H ö r n e r ablaufen, und w e n n dies Geheimnis völlig ausbricht, desto eher der Wahrheit R a u m g e b e n . " 1 7 2 169 C o d . theol. 1234, p. 81. Schott lehnt später auch den Gebrauch der Vernunft ab; s. G. H . B r ü c k n e r an Α. H . Francke, E r f u r t , den 15.4. 1700- WOTSCHKE, T h ü r i n g e n 1, 1929, 13. 170

C o d . theol. 1234, p. 94. WOTSCHKE, T h ü r i n g e n 1, 1929, 7. Auffällig ist, daß sich die verschiedenen enthusiastischpietistischen Ausleger der O f f anscheinend nicht als K o n k u r r e n t e n der Wahrheit betrachteten. Z u Brückners Beziehung zu R o s a m u n d e s. seinen (nicht überlieferten) Brief nach WEISKE, E r f u r t 1928, 109. 171

172

WOTSCHKE, T h ü r i n g e n 1, 1 9 2 9 , 7 .

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Diese wohl nur handschriftlich existierende und verlorene Schrift „De mysterio patris" soll auch - neben Bibelauslegungen - Offenbarungen an Schott zum Inhalt gehabt haben, die vorerst geheim zu halten waren. 1 7 3 Einzelne Spuren von Anhängern der Lehre Schotts fuhren über die Niederlande und England nach Pennsylvanien. 1 7 4

Die Petersens und Rosamunde Juliane v. d. Asseburg Von den übrigen Adressaten der Asseburgischen Offenbarungen unterscheidet sichJohanna Eleonora Petersen dadurch, daß Rosamunde ihr direkte Aufschlüsse zu verschiedenen Stellen der Heiligen Schrift zuteil werden läßt. A m 11. April 1691 spricht Rosamunde im Geiste „von den Kindern der ersten aufferstehung, das sie alle mit den zwein zeugen [vgl. O f f 20, 5 und 11, 3 ff.] zugleich k o m m e n " : „du weist meine warheit, das die gläubigen mit Leib und Seele bey mir sein werden zum gerichte, sie k o m m e n auch mit den zwein zeugen zugleich, wie ein heer wohl geschmüket und geziehret mit meiner Krafft, als dan richten sie mit meiner Krafft, und nehmen denn das reich ein, den sie sindt die kinder der ersten aufferstehung, und preisen meinen Nahmen, und meine gerichte." 1 7 5 Der Einsatz der Bezeugung („du weißt") verrät schon, daß es sich bei den von Rosamunde mitgeteilten Aufschlüssen über Bibelverse u m Bestätigungen von Johanna Eleonoras eigenen exegetischen Bemühungen handelt. 176 Im einzelnen handelt es sich um folgende Offenbarungen (nach Cod. theol. 1234) aus dem Jahre 1691: 1) 28. 3. (SS 1691, § 24 und Celle B r . 48): über die Gemeinden in der Offenbarung Johannis ( O f f 2 - 3 ) . 2) 11. 4. (p. 1): s . o . 3) 11. 4. (p. 1): „ V o n M a r i a Magdalena" ( J o h 2 0 , 11 ff. bes. V. 17) als Vorbild des „Jüdischen weibes der wüsten" ( O f f 12). 4) 16. 4. (p. 3 f . ) : zu M t 20, 1 — 16: „das der lohn oder groschen sindt die 1000 J a h r e " und über die „Berufenen und Auser1 7 3 G. H. Brückner an Α. H . Francke, Erfurt, den 1 5 . 4 . 1700-WOTSCHKE, Thüringen 1, 1929, 12f. Z u korrigieren ist der Auszug bei NEBE, Debora 1933, 44: Ph. J . Spener an Anna Elis. Kißner, [Berlin,] den 5 . 2 . 1695 (AFSt D 107): „D. Schotten, einem Mediko in Hall"; lies „in Cell". Vgl. noch J o h . Bapt. Crophius, Bericht v o m Pietismus, Wien 1700, der allerdings auch keine Texte aus Schotts Schrift bietet. Zu Schotts Schrift s. noch L B 1717, 222, wo Petersen den Verfasser verschweigt. Danach wurde sie wohl nicht veröffentlicht, und das Manuskript von Petersen verwahrt; vgl. Spener, Bed. 4, 1702, 383 f. u. LBed. 2 , 1 7 1 1 , 3 2 3 - 3 2 6 bes. 324 f. (6.11. 1694). 1 7 4 Von Anhängern Schotts und seiner Lehre von der Fleischwerdung des Vaters in Holland, England und Pennsylvanien berichtet F. Breckling an A . H . Francke, Haag, den 1 5 . 6 . 1697WOTSCHKE, Dithmar 1934, 54 A n m . 1. S. noch einen Bericht über Schott und zwei Briefe von ihm in der Geistlichen Fama 2 9 , 1 7 4 3 , 115—128 nach Christoph Saur, Ein abgenöthigter Bericht: oder zum öfFtern begehrte Antwort denen darnach fragenden dargelegt; In sich haltende: zwey Brieffe und deren Ursache [gegen Beissel]. D e m noch angehänget worden eine Historie von D o c t o r Schotte und einige Brieffe von demselben zu unserer Zeiten nöthig zu erwegen

(SEIDENSTICKER, P r i n t i n g 1 8 9 3 , 11 f . ) .

Cod. theol. 1234, p. 1. J . E . Petersens Fragen sind in den Abschriften von Rosamundes Offenbarungen in N H S A Hannover (Celle B r . 48; vgl. S. 2 6 0 f . ) erhalten. 175

176

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wählten". 5) 5. 5. (p. 5 f.): u. a. zu Mt 20, 11 über die „Murrenden" sowie über die Auferstehung der Toten und die auf Erden erfüllte Verheißung fur diejuden. 6) 7. 5. (p. 8): „ob die zeichen an sonne mondt und Sternen nach dem buchstaben oder im geistligen Verstände anzunehmen sindt" (Mt 24, 29). 7) 7. 5. (p. 8f.): „wer die persohn sey davon Esai. 41.25. geweißaget ist"(Jes 41, 25). 8) 7. 5. (p. 8f. und SS 1691, §26): „das das thier sey der antichrist, aber die hure der pabst, und die große statt rom sey" ( O f f l 7 u n d 18) und über die Bekehrung derer, „dienochim Judenthum stehen vom geschlechte Dan" (OfF7, 5 f.). 9) 9. 5. (p. 11): zu O f f 6 , l f . , daß „derauff dem weißen pferde sitzet ist wirklig ein Engel" und zu Hebr 9, 29, „wer des Ewigen Todes gestorben ist, der kömbt in das gerichte, und ist eine Feste zwischen Ihn und mir, [ . . . ] , darnach ist keine wiederbringung, sondern das gerichte" (vgl. Off 20). 10) 22. 5. (p. 15): zu Mt 13, 49 und 1 Petr 2, 16 (Deckel der Bosheit), „das sich schon albereit die gerichte anheben, und ist eß also gewiß das sich das gute scheide von den bösen [ . . . ] seht, das Ich k o m m e mit Krafft fur euch herzugehen, zu vertilgen die übeltäther". 11) 25. 5. (p. 16): zu Off 7, 4 - 8 , „von den 144000 versiegelten", daß „das weib die 12 Geschlechter" vorbildet (Off 12) und daß „die 144000 sindt warhafftig auß den 12 geschlechtern". 12) 25. 5. (p. 16): zu Off 20, 4 und ζ. B. M k 13, 4, „daß Viele zeichen und wunder geschehen vor den tausend Jahren". 13)4. 6. (p. 21): zu Off 19, 18und Off 6, über das „Abendmahl" und den Bräutigam sowie zu Off 3, 15 über die „heuchler, die weder kalt noch warm sindt" und das „thier" (Off 19 und 20). 14) 30. 6. (p. 28): Bezeugung im Stile der übrigen an den Lübecker Kreis. 15) 11. 8. (p. 48): „von der heiligen Schahr, die da soll zertreten werden, und von der herrauswerffung des eusem thors" (Off 11, 2). 16) 11. 8. (p. 48 f.): „Antwort auf eine frage von einer gewissen persohn wegen ihrer principiorum, und ob man noch etwas gutes von ihr hoffen soll?" 17) 17. 8. (p. 51 f.): „ob diebekehrung Israel auch im Vorschein ihr Vorspiel haben werde?" 18) 5. 9. (p. 57f.): zu Off 7, 4, über die Erstlinge, die mit den 144000 identisch seien, und die Verlorenen aus dem „Kint Dan" ( O f f 7 , 4—8). (Bei den Bezeugungen Nr. 2 und 5 wurde auf die Adressatinjohanna Eleonora geschlossen.)

Die andersartigen Bezeugungen an Johanna Eleonora Petersen verstärken den Eindruck, daß das Verhältnis der beiden Petersens zu der jungen Prophetin ein grundsätzlich anderes war, als es für die übrigen Adressaten der Asseburgischen Offenbarungen festzustellen war. Sprach sich dort ein m y stischer oder eschatologischer Enthusiasmus aus, so dient Rosamunde den Petersens als göttlich legitimerte Auslegerin für exegetische Fragen. Für Rosamundes Bezeugungen an Johann Wilhelm Petersen gilt - leicht modifiziert - dasselbe wie für diejenigen an seine Frau. Auch Petersen vertrat ja bereits eine bestimmte chiliastische Vorstellung auf der Kanzel, auch er hatte schon vor seinem Amtsantritt in Lüneburg das Verständnis der Offenbarung Johannis als eine besondere göttliche Gnade erfahren.177 An ihn persönlich, der sich wegen seiner Amtsgeschäfte weniger um die gemeinsame exegetische Arbeit an den Offenbarungskommentaren beteiligen konnte, ergehen nur fünf Bezeugungen. 178 Sie enthalten weder eine inhaltliche Bestätigung seines Chiliasmus, noch eine Zusage einer künftigen Gotteserfahrung, sondern wollen den Superintendenten in seiner Auseinandersetzung um seine Lehre stärken. Er soll wissen, daß seine Sache Gottes eigene Sache sei, der sie notwendigerweise zum Sieg fuhren werde. Damit reproduzieren Rosamundes Offenbarungen freilich nur Petersens eigenen unbeugsamen Charakter. Einzig die Bezeugung v o m 5. September (s. S. 280) 177

S. o. Sie datieren vom: 16. 5. (p. 12; SS 1691, §27), 8. 6. (p. 24; SS 1691, §27), 28. 6.(p. 27; SS 1691, § 27), 30. 8. (p. 54; SS 1691, §31), 5. 9. (p. 59f.). 178

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aus Magdeburg mußte Zweifel bei Petersen beseitigen. Dort wird unter Heranziehung von Mk 10, 29 f. die Verheißung des Lebens an die verstorbene Gertraud von der Asseburg damit verteidigt, daß der Weg der Verheißung eben über das „Verlassen" und das Sterben zum „Empfangen" und dem Genießen der paradiesischen Welt führe. Es ist freilich nicht ausgeschlossen, daß Petersen selbst diese Interpretation schon angedeutet hatte. Von einer wirklichen Anfechtung ist bei ihm jedenfalls nichts zu merken. 179 Von einer dieser ermunternden Bezeugungen an ihn berichtet Johann Wilhelm Petersen in seiner Lebensbeschreibung und dem „Sendschreiben" ausfuhrlicher. Als er von seiner Reise nach Lübeck, wohin er mit den Schwestern Asseburg gereist war, zurückkam, hatte er am Sonntagabend, dem 28. Juni, ein eigenes enthusiastisches Gefühl. Während der Mahlzeit fühlte er plötzlich einen „Vorgeschmack der Herrlichkeit der zukünfftigen Welt", so daß er zu singen (EKG 121, 2) begann. 180 Wie er später durch einen Briefseiner Frau erfuhr, habe Rosamunde eben zu dergleichen Zeit in Lübeck eine Bezeugung für ihn empfangen: „Frisch auff du Außerwehlter, Eyle und k o m m e mir entgegen, den Ich habe mich auffgemacht, 0a Ich habe mich auffgemacht, zu Dir,) ja zu Dir, darumb k o m m e Ich so freundlich, das Ich mich mit dir verbinde, den mein Hertze ist verletzet, darumb bin Ich so entbrant, und Eyffre sehr um deinet willen, so nim nun hin meinen lebendigen atem, und brenne das eß kracht, und Eyffre das eß bricht, den Ich hüpffe dir entgegen, und zerschmeiße die berge vor meinem gerauscheja, Ja, Amen, Amen, Ich bin der Herr Jehova. 1 8 1 Liebster Vater dieses hat der liebe freundtliege Heylandt an Ihn bezeuget wir freuen uns hertzlig und bleiben treue Kinder, Rosamunde Juliana. die lieben hertzen zu hause grüßen wir auch ser freundlich". 1 8 2

Die Bezeugung geschah zu der Zeit, als Petersen wieder mit seinen Kollegen in Konflikt geraten war (s. S. 311 ff.). In ihrer Bedeutung für Petersens eigenes Verhältnis zu Rosamunde darf man diese Offenbarung nicht überbewerten. Sie stellt nicht mehr als eine von vielen anderen Zeichen Gottes für Petersen dar. Auch von einem wirklichen Enthusiasmus in der Art Rosamundes kann man bei Petersens Hochstimmung nicht reden. In der Tat scheinen jedenfalls die beiden Petersens kein besonderes Bedürfnis nach den Offenbarungen Rosamundes gehabt zu haben. Sie waren ihnen interessante, göttliche Gaben, und sie waren vor allem vergleichbar mit ihrer eigenen Erfahrung einer inneren Erleuchtung. Betrachtet man Petersens Aussage zu den Bezeugungen Rosamundes 179

Vgl. die Bezeugung vom 4. 7. in Lübeck, S. 277 Anm. 103. LB 1717, 153 f. und SS 1691, §27; in LB 1717, 154 ist nach SS und LB 1719, 154 zu korrigieren: Damen aus „Stade"; vgl. Bezeugungen in Stade in Cod. theol. 1234, p. 69—71 an Frau Dickmann(in), Frau Link(in), D. Lipstorp und „an alle", Stade, den 15.10. 1691. 181 Vgl. RITSCHL 2, 1884, 236. Der eingeklammerte Vers fehlt in SS 1691. Eine ähnliche Fernbezeugung hatte nach Overbecke (Actum, den 19. und 24.12. 1691, p. 8- StA Lg.) auch J. Chr. Lange, als Rosamunde in Magdeburg war; vgl. Cod. theol. 1234, 58 (Magdeb., den 5.9. 1690). 182 Letzter Absatz nach Celle Br. 48 (wie Anm. 176, Bl. 7). 180

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während seines Prozesses vor dem Konsistorium in Celle, so erhärtet sich die geäußerte Vermutung. Auf die Frage, warum er die Offenbarungen fur göttlich halte, fuhrt er verschiedene Indizien an: 1) weil Rosamunde von ihrem siebten bis fünfzehnten Lebensjahr Dinge geschrieben habe, die sie eigentlich nicht verstehen konnte; 2) weil nichts darin der Heiligen Schrift widerspreche, sondern alles mit ihr harmoniere; 3) weil die Geistausgießung auf Jünglinge und Jungfrauen durch Joel [2, 28 f.] und Dan 12 für die letzte Zeit prophezeit sei; 4) weil er zu derselben Zeit ein Gefühl großer Freude hatte, als ihm in Lübeck eine Bezeugung zuteil wurde, und 5) weil der Teufel sich nicht Jehova nennen dürfe. Sind schon die Gründe im einzelnen wenig überzeugend, so gilt das erst recht für Petersens Bemerkung, man dürfe diese Gründe nicht „in sensu diviso", sondern müsse sie „in sensu composito" nehmen. 183 Aber eine solche auf die Quantität der Argumente sich stützende Schlußfolgerung verträgt sich schlechterdings nicht mit der U n bedingtheit einer Gotteserfahrung, deren Gewißheit sich nicht syllogistisch herleiten läßt. Da ist Rosamundes Äußerung gegenüber Gustav Molanus überzeugender (s. S. 326). Es bliebe zu fragen, warum das Ehepaar Petersen so für Rosamunde eingetreten ist, obwohl der Superintendent wissen mußte, daß er dadurch die Kluft zu seinen Kollegen nur vergrößern würde. Es scheint, als haben Rosamundes Offenbarungen in ihrer Weise auf dieselbe grundsätzliche formale und materiale Problematik geantwortet, die auch die Petersens mit ihren exegetischen Betrachtungen über die Zukunft der Kirche lösen wollten. Es ging ihnen nicht um Zukunftsvoraussagen im einzelnen, sondern um die „Hoffnung auf eine bessere Zeit", in der Gott wieder erkennbar zum Wohle der Seinigen handeln würde. Was Rosamunde in ihren eschatologischen Offenbarungen verkündete und in ihrem enthusiastischen Erlebnis auch für ihre Umgebung sichtbar vorwegnahm, das suchten die Petersens mit ihren exegetischen Anstrengungen um die Offenbarung johannis, deren Gelingen ihnen gleichfalls das Angeld des Reiches Christi war. Wo, wenn nicht hier, ließ sich das gegenwärtige Wirken des Geistes erfahren? Mit seiner Verteidigung der Asseburgischen Offenbarungen ist Petersen konsequent den Weg weitergegangen, der ihm durch Speners Lehre eröffnet schien, wonach derjenige mit dem Wirken des Geistes in sich rechnen durfte, der sich auch in seinem Leben vom Geiste Gottes leiten ließ und damit zu einem würdigen Gefäß des Geistes wurde. Es war dem hallischen Pietismus vorbehalten, der im Gefolge der ihm seitens der brandenburgischen Regierung zuteil gewordenen Förderung den Beginn des „kirchlichen Pietismus" markiert, zwischen der enthusiastischen Offenbarung und der inneren Herzenserfahrung zu unterscheiden und damit die für den Pietismus zentrale Vorstellung von einer seelischen Erfahrung des Religiösen in die Kirche 183 LB 1717,172F. Man kann daher nicht mit CRITCHFIELD (1980, 116) sagen, daß Rosamunde J. v. d. Asseburg für die Petersens eine übergeordnete Rolle einnahm.

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einzuführen. Demgegenüber wird der krasse Enthusiasmus etwa einer Rosamunde aus der Staatskirche verdrängt, ebenso wie die exegetische Spekulation, die sich in der Art der Petersens auf eine besondere, geisterfüllte Erkenntnis beruft.

Ausblick

Das Dekret des Jahres 1692, das Petersens Absetzung verfügte, hatte auch für Rosamunde und ihre Schwestern schwerwiegende Folgen. Angesichts ihrer familiären und finanziellen Not waren sie auf fremde Hilfe angewiesen, auf die Hilfe und Solidarität der kleinen, zum Teil pietistischen oder wenigstens dem Pietismus wohlgesonnenen Adelsfamilien. 184 So reisten die Asseburgischen Schwestern offenbar bald nach der Feststellung der endgültigen Amtsenthebung Petersens nach Berlin, wo Rosamunde und wohl auch ihre Schwestern bei dem zur religiösen Schwärmerei und Melancholie oder Depression neigenden Ehepaar Georg Rudolph und Margaretha Sibylla von Schweinitz Aufnahme fanden. 185 Auch in Berlin scheint Rosamunde noch einmal einen kleinen Kreis von „Auserwählten" um sich „in Einsamkeit" versammelt und die „Wehmut und Klagen" ihrer Anhänger, das „Grämen" um die immer noch nicht erfüllte eschatologische Hoffnung mit Bezeugungen zu trösten versucht zu haben. In die Berliner Zeit fällt die schwere Anfechtung, der Zweifel an der Göttlichkeit von Rosamundes Offenbarungen durch ein offenbar falsches Orakel, in dem Rosamunde ihrer Schwester Helena Lukretia die göttliche Zustimmung zu der geplanten Heirat mit dem Betrüger von der Berg zu geben schien.186 Sowohl die Petersens als auch ihr Hauslehrer Johann Christian Lange waren von diesem zweiten falschen Prognostikon schockiert, ohne daß ihr Glaube an Rosamunde aber nachdrücklich erschüttert worden wäre. Petersen erklärt vielmehr später, daß es sich bei dem angeblichen Orakel nicht um eine göttliche Bezeugung gehandelt habe; Rosamunde habe „ausserhalb und ohne einer Bezeugung" geraten, mit dem scheinbar gottseligen Mann eine Ehe einzugehen.187 In diesen Zusammenhang gehört vielleicht die Bezeugung an Herrn von Schweinitz] vom 23. März 1692, eine Drohrede, die den Adressaten auffordert, das „Gottesvolk" ziehen zu lassen. 184

TRIPPENBACH 1915, 3 2 0 - 3 2 4 .

185 Ygj Bezeugungen in Berlin im Cod. theol. 1234, 106—110 für die Zeit vom 18. 2. bis 26.3. 1692 und an von Schweinitz vom 23. (Herrn von S.) und 26.3. 1692 (p. 108). Zu M. S. von Schweinitz s. Henckel, Stunden 1, 1720, Iff. und TRIPPENBACH 1915, 322; vgl. die Darstellung nach Cansteins Spenerbiographie bei SCHICKETANZ, Beziehungen 1967, 141 f. 186 S. RITSCHL 2,1884, 236f. (V. d. Berg = Wedda); TRIPPENBACH 1915,194und 3 2 2 - 324 (V. d. Berg = Alberti) sowie als Quelle: Beschreibung des Unfugs 1693; vgl. Speners kritische Haltung dazu in LBed. 3, 1721, 697-699 (18.8. 1692). 187 Scopticismus 1697, 17.

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Auch soll er dessen Predigt und Bezeugung nicht unterbinden. In Berlin versuchte man offenbar, Rosamundes Bezeugungen, gerade angesichts der Episode mit dem Betrüger von der Berg, einzudämmen, u m der Sache und ihrer Person nicht weiteren Schaden zuzufügen. 188 Mit Spener ist sie wiederholt zusammengetroffen. 189 Der Berliner Propst ist, auch nachdem er sie persönlich kennengelernt hatte, im ganzen bei einem vorsichtigen Urteil geblieben, wenn er auch angesichts des um sich greifenden Offenbarungsanspruchs stärkere Zweifel bekam. 190 Im September des Jahres hielt sich Rosamunde in Stolberg bei der Gräfin Sophie Eleonore zu Stolberg-Stolberg (?) (1669—1752) auf.191 Rosamunde hatte schon im April des Jahres (mit ihren Schwestern) ihren festen Wohnsitz bei Marie von Reichenbach im sächsischen Jahnishausen aufgeschlagen, wo sie zwanzig Jahre später, am 8. November 1712, starb. 192 Nur vereinzelt taucht sie in diesen zwanzig Jahren im Leben Petersens und in den Quellen des Pietismus der Zeit auf.193 Wir kommen damit zu Petersens Konflikten in Lüneburg zurück.

IV. Das Ende der kirchlichen Neuerliche

Karriere

Petersens

Anklage

Wie oben berichtet, scheinen sich die Auseinandersetzungen Petersens mit seinen Kollegen und dem Rat der Stadt in der zweiten Hälfte des Jahres 1690 im Sande verlaufen zu haben. Der Herbst des Jahres 1690 und der darauffolgende Winter ließen offenbar wieder etwas Ruhe in Lüneburg einkehren. Erst im April des Jahres 1691 (28. 4.) wandten sich Petersens Amtsbrüder wieder an die städtische Obrigkeit, um ihre Beschwerden gegen Petersen 188

Cod. theo], 1234, p. 109.

189

GRÜNBERG 1 , 1 8 9 3 , 2 7 3 .

190 Zu Speners Urteil, der Rosamundes Offenbarungen nie als ungöttlich verwarf, s. sein Bedenken 1691 (GRÜNBERG [193]) sowie Bed. 3, 1702, 902-906 (9.1. 1692); 920-922 (21.4. 1692); Cons 3, 1709, 692f. (13.12. 1690 [an J. W. Petersen]); dazu LBed. (passim) und bes. 3, 1721, 480—482 (30.11. 1692), wonach Rosamunde mehrmals in Berlin vorgesprochen hat. 191 Rosamunde J. v.d. Asseburg a n j . Reinbeck, 3.9. 1692 (abschriftl. in Cod. theol. 1234, p. 176). Ihre Schwestern befanden sich zu der Zeit in Dresden (Helena) und Magdeburg (Augusta). 192 S. Bezeugungen im Cod. theol. 1234, p. 108—111; vgl. TRIPPENBACH 1915, 322. Diemeist ungenauen Angaben ihres Todes (M. SCHMIDT in RGG 1, 1957, 649 und DERS. , Pietismus 1972, 129; BEYREUTHER, Pietismus 1978, 294) beruhen auf LB 1717, 322 (term, post quem) und Petersens Vorrede vom 5.11. 1712 [?] zu „Öffnungen des Geistes" 1712 [1715?] (term, ante quem), wo Petersen von Rosamunde als „itzo im Herrn entschlaffen" spricht, nach RE 3 24, 1913, 124 f. 193 TRIPPENBACH 1915, 324 f.: Im Jahre 1705 sind Petersens und sie bei ihrem Verwandten, dem Quedlinburgischen Stiftshauptmann Adrian von Stammer, auf Schloß Rammelburg. LB 1717, 322: Petersen besucht sie (1708) in Sachsen.

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vorzubringen. 1 9 4 In der für die Zeit gebräuchlichen Form bezichtigten sie Petersen der Heterodoxie, indem sie ihn als Weigelianer bezeichneten und die Lüneburger vor seinem wiedertäuferischen Schwärm warnten. 1 9 5 Der Weigelianismus-Verdacht konnte bei Petersens spiritualistischen Tendenzen auftauchen; auch war allgemein bekannt, daß Petersen Weigels Postille von einem Gemeindeglied im Tausch gegen Luthers Postille erhalten hatte. Petersen mochte diesen Tausch noch so sehr mit seinem wissenschaftlichen Interesse und seiner seelsorgerlichen Pflicht begründen, solche Bücher aus dem Verkehr zu ziehen. Seine Kollegen vermißten bei ihm eine eindeutige Stellungnahme gegen den Schwärmer, den Petersen im Stile Speners „nicht ganz" verwerfen wollte. 1 9 6 Trotzdem war der Weigelianismus-Verdacht, besonders hinsichtlich seiner obrigkeitsfeindlichen Implikationen, ungerecht. 197 Der konkrete Anlaß für dieses neuerliche Vorgehen der Lüneburger Geistlichkeit ist nicht recht deutlich. Möglicherweise hängt es mit dem auch andernorts anhebenden K a m p f gegen die Pietisten zusammen. Zu denken ist vor allem an die Spannungen um J . J . Breithaupt und Α. H. Francke in Erfurt. Denn in den Frühlingstagen des Jahres waren zwei Studenten aus Erfurt nach Lüneburg zu Petersen gekommen und hatten dort Anlaß zu neuen Verdächtigungen gegeben. 1 9 8 Neben diesem allgemeinen Grund mag eine wichtige Rolle gespielt haben, daß Petersens Kollegen verärgert darüber waren, daß ihr Superintendent es ablehnte, sich wie Κ. H. Sandhagen am Katechismusunterricht zu beteiligen. Im Herbst des vorangegangenen Jahres hatte Petersen versucht, seinen Spruchkatechismus als Lehrbuch für den Unterricht in Lüneburg einzuführen, sich aber nicht durchsetzen können. Dabei war Petersen wiederum nicht klug vorgegangen, da er die Einführung seines Katechismus nicht im Konsens mit seinen Amtsbrüdern zu erreichen suchte, sondern sich direkt an die Fürstliche Regierung in Celle gewandt hatte, damit diese den Spruchkatechismus, der bereits in seiner zweiten Auflage vorlag, den Lüneburgern oktroyierte. 1 9 9 Dieses Vorgehen Petersens, das wohl in Eutin zum Erfolg hätte führen können, war für die auf ihre Freiheiten argwöhnisch 1 9 4 Minist. a n B u R v . L g . , d e n 2 8 . 4 . 1691; vgl. „Declaratio Etzlicher Puncte" v o m 14. 5. 1691 (Auflistung der Beschwerden durch den Rat) sowie die Verhandlungsprotokolle v o m 22. und 2 5 . 5 . 1691 und die schriftlichen Eingaben Petersens und des Ministeriums v o m 15. 6. und 7 . 8 . 1691- StA u. E p h A Lg. 1 9 5 Actum, den 28. 4. 91. Die folgende Rekonstruktion versucht, die Angaben der beiden Parteien anhand der (in A n m . 194) genannten Akten in Einklang zu bringen und gibt im Zweifelsfalle den spezifischen Stellungnahmen Petersens zu den allgemein gehaltenen Vorwürfen gegen ihn den Vorzug.

" o A c t u m , den 25. 5. 91, p. 36; vgl. L B 1717, 139. 1 9 7 Vgl. J. W. Petersen, 15. 6. 91, p. 1- E p h A Lg. Von einer politischen Gefährlichkeit ist auch bei RosamundeJ. v. d. Asseburg nicht zu sprechen (gegen CRITCHFIELD 1980, 117). 1 9 8 Vgl. S. 2 6 9 f. 1 9 9 Fürstl. Reg. an B u R von Lg. und Minist., Celle, den 1 . 1 0 . 1690- E p h A Lg. (Aufforderung an beide Gremien, ein Gutachten zu dem SK abzugeben).

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achtenden Lüneburger ein Schlag ins Gesicht. Petersen hat daher seinen Plan auf Protest seiner Kollegen, die ein Bedenken zu seinem Katechismus abgefaßt hatten, wieder aufgeben müssen. 200 Das geschah Ende Oktober 1690. Die Ablehnung seines Spruchkatechismus dürfte für Petersen ein Grund gewesen sein, seinerseits die Kinderlehre nicht zu übernehmen, zumal sie nicht zu den hergebrachten Aufgaben eines Superintendenten gehörte. 201 Die Vermutung, daß der Konflikt wiederum mit solchen Amtsfragen zusammenhing, wird dadurch bestätigt, daß einzelne Pfarrer, als sie vor dem Rat um Stellungnahme zu der eingereichten Beschwerdeschrift gebeten wurden, als wichtiges Anliegen vorbrachten, Petersen solle sich am Katechismusunterricht beteiligen. 202 In der Tat hatte Κ. H. Sandhagen seinerzeit als erster Lüneburger Superintendent Katechismusunterricht erteilt. Strittig war, ob dies als Präzendenzfall gelten sollte, der auch Petersen verpflichtete. Petersen sah darin nur einen Versuch seiner Kollegen, ihn „müde [zu] machen" und auf ihre Meinung zu bringen. 203 Vielleicht sollte die Auslegung von Luthers Katechismus, der ja zum Lüneburger Corpus doctrinae gehörte, Petersen zwingen, entweder seine (heterodoxen) Ansichten deutlicher zu äußern, oder seine mit der herkömmlichen Auslegung des Katechismus unvereinbaren Theorien aufzugeben. Auf der anderen Seite versuchte das Geistliche Ministerium über den Rat zu erreichen, daß Petersen die Apostelgeschichte nicht öffentlich auslegte, weil man befürchtete, er werde eine andere Chronologie der darin beschriebenen Ereignisse entwerfen als sein Amtsvorgänger. Petersen aber bestand auf seinem Vorhaben: „Es wäre solches nöthig, weilen die gefährlichen Zeiten bald hehrbey kommen mögten". 204 Die Auslegung der Apostelgeschichte scheint Petersen immerhin so wichtig gewesen zu sein, daß er sich mit dem Kompromiß zufrieden geben wollte, die neutestamentliche Schrift und Luthers Katechismus zu erklären. 205 Die im April von dem Geistlichen Ministerium vorgebrachten Beschwerden sind nicht gravierend und finden auch in der späteren Anklageschrift, die die Deputierten des Lüneburger Rates im Januar 1692 bei der Fürstlichen Regierung in Celle einreichten, wenig Beachtung. Die spezifischen Beschwerden des Ministeriums unterteilen sich in solche gegen Petersens Lehre, seinen Umgang mit den kirchlichen Traditionen, sein Verhalten gegenüber Amtsbrüdern und schließlich seine Schriften. Bei den Lehrfragen geht es um Äußerungen, die Petersen von der Kanzel herab getan hatte. Diese 200

Kat.-Bedenken 1690; s. S. 149 Anm. 171. Die Ablehnung einer Einfuhrung des Katechismus auf Grund verschiedener, nicht weiter genannten Bedenken nach Fürstl. Reg. an J. W. Petersen, Celle, den 14.11. 1690- StA Lg. 202 Koltemann, Eggers, Hecht, Berkentin, in Actum, den 22.5. 1691, p. 10. 12f. 13. 14-StA 201

Lg· 203 204 205

Actum, den 25. 5. 1691, p. 49- StA Lg. Actum, den 25. 5. 91, p. 48- StA Lg. J.W. Petersen, 15.6. 1691, p. 7.

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mochten wohl in den Augen der zum Kampf entschlossenen Lüneburger anstößig sein, sie sprengten aber insgesamt nicht den Rahmen einer freien, methodisch durchaus begründbaren Schriftauslegung. Freilich lassen die Äußerungen Petersens in ihrer vagen Art Raum für ein enthusiastisches und chiliastisches Verständnis. Am Sonntag Sexagesimae (15. 2. 1691) erinnert Petersen bei der Auslegung von Mt 27, 19 (Traum von Pilatus' Frau) daran, daß Gott auch in gegenwärtiger Zeit seinen Freunden Träume und Offenbarungen gebe. O b er das nur auf natürliche Dinge bezog oder auch auf theologische Wahrheiten, bleibt ungewiß. 206 Die Behauptung von noch gegenwärtig geschenkten Offenbarungen ist für Petersen von dem Problem der „geistlichen Erkenntnis" her zu beurteilen. Petersen bestreitet zwar, daß Gott geistliche Dinge und Glaubensfragen in Visionen neu offenbare, da sich alle Offenbarungen an der ursprünglichen Offenbarung, wie sie in der Heiligen Schrift vorliege, messen lassen müßten. Von diesem Standpunkt aus hat er auch die Asseburgischen Offenbarungen immer beurteilt. Gleichwohl bedarf es für die Schrifterkenntnis einer besonderen Offenbarung und Schrift-Eröffnung, die wiederum nur von Gott geschenkt werden kann. Es gibt für Petersen hinsichtlich der theologischen Wahrheit zwar materialiter keine besondere Offenbarung neben der Schrift, wohl aber formaliter eine besondere Offenbarung, die erst den „Sinn des Geistes" in den Heiligen Schriften aufschließt. Am 27. Februar wiederholt Petersen anläßlich des Textes Mt 26, 29 par. u n d j o h 14, 2 seine geistlich-leibliche (seil, verklärte) Auffassung des künftigen Reiches Gottes, wenn er von dem Essen einer wahrhaftigen Speise im Reiche Gottes spricht, die den verklärten Leibern der Auferstandenen entspreche. Das Reich Gottes ist für Petersen Inbegriff einer vom Fluch der Vergänglichkeit erlösten Leiblichkeit. Entsprechend sieht er dann im Abendmahl schon ein Typus des himmlischen Essens.207 Petersen verwies bei seiner Verteidigung auf ähnliche Äußerungen von Joachim Hildebrand, dem Celler Generalsuperintendenten; die Verdächtigung, er leugne den Sakramentscharakter des Abendmahls, weil er angeblich behaupte, Christus habe selbst das Abendmahl genossen, weist der Superintendent entschieden von sich.208

206 V g l s 264 Anm. 52. Petersen beruft sich für solche Offenbarungen, soweit sie natürliche Dinge angehen, vor allem auf Christian Kortholt. Der erfuhr im Traum eine Warnung vor einer bevorstehenden Feuersbrunst in Rostock, w o er 1652—1656 studierte und 1661 — 1665 als Magister und Professor wirkte. Petersens Quelle ist mir nicht bekannt (Persönliche Erzählung?). Auch die in der Bibel berichteten Träume führt Petersen an; eher in den Bereich einer theologischen Wahrheit führt die Offenbarung an Christian IV. von Dänemark, dem der Leidensprozeß Jesu in einer Vision eröffnet worden sei 0. W. Petersen, 15.6. 1691, p. 3). 207 Ähnliche Ausführungen soll Petersen schon im Jahr zuvor, am 14.3. 1690, getan haben; vgl. auch LB 1717, 193ff. 208 Actum, den 25. 5.1691, p. 3 9 - 4 1 . J.W. Petersen, 15.6.1691, p. 3. Ein Hauptmann Kurbel soll Petersen so verstanden und sich sehr erregt haben.

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Am 25. März, dem Tag Maria Verkündigung, versucht Petersen eine Harmonie der Bibelstellen Mt 24, Jes 7 [, 17] über das bevorstehende Gericht und Off 11, 1 ff. (Zwei Zeugen) herzustellen, um damit zu zeigen, daß die Stellen ein und dasselbe zukünftige Geschehen meinen. So bezieht er sie alle auf die Zeichen vor der ersten Auferstehung und den Anbruch des Reiches Christi. 209 Den Vorwurf, er predige einen Chiliasmus, weist Petersen in diesem Zusammenhang ebenfalls zurück, da er den Begriff eben nicht verwende. Überhaupt unterscheidet er zwischen dem aufrührerischen Chiliasmus (der Münsteraner Wiedertäufer) und seinen rein exegetischen Beobachtungen, die sein Vorgänger Kaspar Hermann Sandhagen ja teile. Auch in der Passionszeit des Jahres 1691 gibt die Perikopenordnung Petersen manchen Anlaß zu ungewöhnlichen und unorthodoxen Redensarten. Seiner Erklärung von Lk 23, 43 (Schächer am Kreuz) am Karfreitag (10.4. 1691) werfen seine Gegner vor, daß er Jesu Wort vom Paradies „auf den dritten Himmel gezogen, und wunderlich erklähret, aber vom ewigen Leben nichts gedacht". 210 Petersen gab damit einer räumlich-leiblichen Vorstellung eines gegliederten Weltgebäudes den Vorrang vor einer dualen, durch die Kategorien von „leiblich" und „geistig-geistlich" gekennzeichneten Weltsicht von einem Diesseits undjenseits. Umgekehrt sieht Petersen an anderer Stelle, daß in Mt 24 [, 3?], Off 2, 7; Mt 25,1 ff. vom Paradies die Rede sei, welches von dem Tausendjährigen Reich zu unterscheiden sei.211 Den schlafenden Petrus (Mt 26, 36ff.), Predigttext am Gründonnerstag, versteht Petersen „mystice", d. h. als prophetischen Hinweis auf die schläfrige Sicherheit seiner eigenen Zeit, die dem bevorstehenden Goldenen Zeitalter, wie es mit der „halben Stunde" in Off 8, 1 und den 1000Jahren in 0 f f 2 0 , 4 angekündigt sei, vorausgehe. 212 Besonders aber sollte Petersens Lehre vom Antichristen, die er verschiedentlich vertrat, die Gemüter erhitzen, da er das alte reformatorische Geschichtsbild vom Papst als dem Antichristen und die damit vorgenommene ekklesiologische Scheidung zwischen dem Gnadenreich Christi, der seine Herrschaft in Wort und Sakrament der lutherischen Kirche ausübt, und dem Reich des Antichristen, der römisch-katholischen Kirche, nicht teilte.213 Es erinnert vielmehr an alte separatistische Spiritualisten, wenn Petersen das 209

Actum, den 25.5. 1691, p. 25 und 37. Vgl. J. W. Petersen, 15. 6. 91, p. 2 mit Bezug auf Sandhagen, Harmonie 1684 (2. Aufl. 1688) und LB 1717, 191. 210 Actum, den 22.5. 1691, p. 25. J.W. Petersen, 15.6. 1691, p. 2 mit Verweis auf diese Identifizierung in 2Kor 12, 2—4. Vom ewigen Leben, an das er auch glaube, werde schon genug geredet. 211 Actum, den 25.5. 1692, p. 38; Petersen beruft sich dabei auf Κ. H. Sandhagen und J. Sasserid (De agni seu Christi victoria contra Gogum et Magogum libri quattuor, Hafniae 1577). 212 Vgl. J. W. Petersen, 15. 6. 91, p. 2 mit Verweis auf Sandhagen und Sasserid (wie vorstehende Anm.) sowie auf Mt 25, [1-13] und Mt 26, 40: „Sowenig vermöchtet ihr eine Stunde mit mir zu wachen". 2,3 ASm II, 4-BSLK 1963, 430.

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„regnum antichristum" nicht nur im Papst, sondern in allen „in spiritu papali" Lebenden vorfinden will.214 Eine solche Interpretation fuhrt zu einer Aufweichung des konfessionellen Kirchenbegriffs. 215 Schließlich aber werde Christus den Antichristen, der in allen Kirchen zu finden sei, exekutieren und — so darf man ergänzen — sein vollkommenes Reich errichten. Auch an den Erklärungen Petersens zur künftigen Bekehrung der Juden zu ihrem „kyrion" (21.5. 1690, Himmelfahrtstag) n a c h j e r 30, lOf. und Sach 12, 3 und seiner Aufforderung zur „wiedertäuferischen communio bonorum" stößt man sich.216 Die unbestimmte Formulierung, daß die Juden „ihren kyrion" erkennen werden, wirft die Frage auf, ob sich Petersens Vorstellung von einer künftigen Judenbekehrung geändert hatte. Zeigt seine Judentaufe in Eutin noch, daß für ihn die Bekehrung der Juden vor dem Kommen des Reiches Christi eine Aufgabe der christlichen Mission ist, so denkt er nun vielleicht schon an einen Sonderweg Israels zum Heil. 217 Das Geistliche Ministerium beschwert sich weiterhin über angebliche Kompetenzüberschreitungen seines Superintendenten. Er habe Neuerungen in der Schule eingeführt, das Kirchenlied „Te-Deum" eigenmächtig geändert und sich unziemlich gegenüber einem im Gefängnis einsitzenden Kirchendieb verhalten. 218 Dazu kamen dann noch Neuerungen bei der Absolution und der Erteilung des Segens. Auf diese Neuerungen sei hier exkursweise eingegangen, weil sie noch einmal Petersens Amtsführung anschaulich beleuchten.

Das

Te-Deum

In seiner Lebensbeschreibung berichtet Petersen, daß er am 6. Februar 1691 bei seinen Kollegen eine Eingabe gemacht und ihnen vorgeschlagen habe, den Text des sonntäglich gesungenen deutschen Te-Deums zu ändern. 219 In Lüneburg sang man das Lied nach einer ungereimten deutschen Übersetzung des 16. Jahrhunderts, die in mehreren Variationen überliefert 214

J. W. Petersen, 15.6. 1691, p. 4: Es werde gleichwohl noch ein großer Antichrist k o m -

men. 215 Innerhalb seines exeget. Systems identifiziert Petersen dann den Papst mit der Hure (Off 17, 1 ff.); denn: „Quod vero Apocalypsis distinguit, hoc et a nobis distinguendum est" (aaO, p.5). 216 Actum, den 22. 5. 1691, p. 11. Nach Petersens Meinung (Actum, den 22.5. 1690, p. 12) hätten auch Jesu Jünger das Reich Christi noch nicht richtig erkannt. Zur „communio b." s. Actum, den 25.5. 1691, p. 33; vgl. S. 160. 217 Vgl. S. 139 Anm. 116. 218 LB 1717, 126f.; zur Schule s. S. 231 f. 219 LB 1717, 148—153; im Ephoralarchiv Lg. finden sich dazu keine Schriftstücke. S. noch J. W. Petersen, 15.6. 1690, p. 6- StA Lg. Erwähnt wird der Fall auch von Brasche im Protokoll vom 22. 5. 1691-StA Lg.; LB 1717, 151 f. zitiert Auszüge aus Gutachten des Generalsuperintendenten J. Hildebrand und Ph. J. Speners (Bed. 4, 1702, 124-126) sowie Äußerungen von Petersens Kollegen Berkenthien und Riekmann.

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ist. Sie stammt ironischerweise von Thomas Müntzer. 220 An der Übersetzung der lateinischen Vorlage: „Tu ad liberandum suscepturus hominem non horruisti virginis uterum" nahm Petersen Anstoß. Dort werde nämlich ein Heilspartikularismus im Sinne der reformierten Prädestinationslehre vertreten, wenn es in der in Lüneburg gebräuchlichen Form hieß: „Du hast nicht verachtet das jungfräuliche Fleisch anzunehmen, zu erlösen alle auserwehlte Menschen". 221 Petersen schlägt nun vor, da man auch schon in der Lambertikirche das Lied anders singe, das lateinische „hominem" mit „alle Menschen" oder wie Luther mit „das menschliche Geschlecht" zu übersetzen. 222 Die Pastoren der Lüneburger Kirchen widersetzen sich jedoch, zum Teil mit sachlich fadenscheinigen Gründen, dieser Neuerung. 223 Die Vorbehalte des Ministeriums leuchten freilich hinsichtlich ihrer Motivation ein. Wenn Riekmann anfuhrt, daß im Falle einer Änderung des Liedes den Pastoren das Zeugnis ausgestellt werde, daß sie „mit vorigen Antecessoribus" geirrt hätten, so ist das nicht einfach ein „Exempel der Hoffarth" oder der Unfähigkeit, sich eines Besseren belehren zu lassen.224 Der theologische Konservativismus und Traditionalismus, die sich dahinter zeigen, wollen die Rechtgläubigkeit der evangelischen Kirche und ihrer Glieder durch die Zeiten hindurch garantieren. Erst wenn der christlichen Lehre auch eine historische Veränderung zugestanden wird, insofern diese als dogmatische Explikation des Glaubens am Wandel des menschlichen Geistes teilhat, können dogmatische Sätze leichter modifiziert, interpretiert oder aufgegeben werden, ohne die kirchlichen Vorfahren eines falschen Glaubens verdächtigen zu müssen. Eine solche Auffassung der Dogmatik hat sich im Protestantismus erst mit der Neuzeit durchgesetzt. Sie wurde vorbereitet durch den Pietismus, der die orthodoxe Dogmatik immer vom „Leben" aus, also von der Glaubenserfahrung aus kritisierte. Es ist fur Petersen (und den Pietismus) bezeichnend, daß ihm die individuelle Erkenntnis und Gewißheit mehr gilt als die Einmütigkeit der Tradition. Er muß alles an den Quellen und im Rahmen seiner Erkenntnistheorie selbst prüfen und für gut befinden. Für ihn stellt sich gar nicht die Frage einer dogmatischen, auf menschlicher Tradition und menschlichem Denken beruhenden Rechtgläubigkeit. Er verlangt, darin zugleich aufklärerisch, die eigene unbedingte, innere Aufrichtigkeit und Überzeugung. 220

Ζ. B. im „Deutsch Kirchenampt, gedruckt zu Erfurdt 1526" nach SCHOEBERLEIN 1, 1865,

6 3 0 - 6 5 5 ; z u r s t r i t t i g e n S t e l l e s. S. 6 4 9 F . ; V g l . SEHLING I, 1, 1 9 0 2 , 472FF. b e s . 4 8 9 , KULP 1 9 5 8 , 2 2 0 - 2 2 5 u n d WEISMANN 3 . 1 , 1 9 7 0 , 4 8 4 - 4 9 0 . 221 Zitiert nach LB 1717, 148; die Lüneburger Gesangbücher von 1661 (Nr. 9), 1686 (Nr. 24) und 1694 (Nr. 29) haben nur Luthers Fassung; dasjenige von 1635 („Mit Churf. Sachs. Freyheit") hat (S. 225—231) die lateinische, Luthers und die ungereimte Fassung, die Petersen zitiert. 222 Zu Lamberti s. Protokoll vom 25. 5. 1691 (Petersen, p. 46)- StA Lg. 223 Nach LB 1717, 150 waren die Gutachten in Petersens Besitz; vgl. Anm. 219. 224 LB 1717, 153; vgl. Katechismusbedenken 1690, [6] (S. 149 Anm. 171): Petersen habe die „terminos Ecclesiae nostrae antiquos und kirchen Ceremonien zu turbieren" unternommen.

307

Der

Kirchendieb

Auch Petersens Umgang mit dem Kirchendieb Johann Reckau war für seine Kollegen ein Stein des Anstoßes. Reckau hatte offenbar Geld aus dem Opferstock gestohlen und dabei auch einen Totschlag begangen. 225 Anläßlich des Begräbnisses eines Lüneburger Syndikus im September 1691, das wieder einmal alle Pastoren der Stadt zusammengeführt hatte, forderte der Superintendent seine Kollegen auf, sich der Seelsorge des eingekerkerten Kirchendiebs zu widmen. 226 In der Lüneburger Kirchenordnung von 1575 ist im 10. Kapitel „Von den vorurtheilten misthetern, wie man dieselben pflegt zu besuchen und trösten" die Seelsorge an den (zum Tode verurteilten) Verbrechern im einzelnen geregelt. 227 Alle Pfarrer hatten sich daran zu beteiligen, indem sie nacheinander mit dem Delinquenten jeweils eine bis anderthalb Stunden sprechen sollten. Die Lüneburger Kirchenordnung ist ein eindrucksvolles Zeugnis dafür, mit welchem Ernst die Kirche der Zeit sich u m das Seelenheil gerade derjenigen sorgte, deren Bewährungszeit durch das weltliche Recht gewaltsam verkürzt wurde. Petersen aber geriet in Verdacht eines das weltliche Recht mißachtenden Schwärmers, weil er gegen die Regelung der Kirchenordnung, die von verurteilten Missetätern spricht, und gegen den Einspruch seiner Kollegen — schon vor der Verkündigung des erwarteten Todesurteils Johann Reckau zur Buße ermahnen wollte.228 Nachdem aber der Delinquent selbst in zwei (verlorenen) Briefen an Petersen und Riekmann um ein Beichtgespräch gebeten hatte, ging der Superintendent auch gegen den Rat des Konsistorialen J. Bringmann mit dem Sekretär Krüger in die Büttelei, w o er Johann Reckau bußfertig antraf. 229 Im Ministerium nahm man Petersens Vorgehen freilich als Zeichen dafür, daß Petersen über die geistliche Buße des Delinquenten auch den Erlaß der weltlichen Strafe erreichen wollte. Das konnte als Eingriff in den Bereich des weltlichen Schwertes gewertet werden. Petersen aber war es nur besonders ernst mit der Buße. Er wollte nicht kurz vor der Hinrichtung eine Galgenbu225

J. W. Petersen, 15.6. 1691, p. 6- EphA Lg. Zur Identifizierung s. H. Dithmers Chronik bis 1740 ( N S u U B Göttingen, 2° Cod. Ms. hist. 355), S. 380, w o von der Hinrichtung des „Gotteskasten dieb Johan Reckau", einem Deckenmacher aus der Nähe der Heilig-Geist-Kirche, a m l l . 9 . 1691 die Rede ist. 227 SEHLING6.1, 1955,673-676. 228 Zur Haltung der Kollegen s. Protokoll vom 22. (Meyer, p. 7) und 25.5. 1691 (Petersen, p. 47)- StA Lg.: nur Buno hat Petersens Vorgehen approbiert. Petersen selbst beruft sich auf N . Hunnius und M. Hanneken, mit denen ihn Meyer selbst verglichen habe (J. W. Petersen, 15.6. 1691, p. 7- EphA Lg.). Petersens Kollegen haben Reckau angeblich überhaupt nicht besucht (aaO, p. 6). 229 Den Brief an ihn teilte Petersen dem Rat mit (15.6. 1691, p. 7- EphA Lg.); vgl. Protokoll vom 22.5. 1691 (Brasche, p.9)- StA Lg., wonach der Kirchendieb gesagt habe, daß ihm Petersens Angesicht „alß eines Engels Angesicht vorkäme" (vgl. die ähnlichen Äußerungen über Rosamunde, S. 267); es handelt sich offenbar um einen Topos für einen vollmächtigen Verkündiger des Evangeliums (s. z. B. fur Polykarp Leyser nach THOLUCK, Geist 1852, 9). 226

308

ße abnehmen müssen.230 Die Konfrontation spielte jedoch weiter keine Rolle, zumal die Regierung in Celle selbst Petersens Vorgehen - wegen der Kürze der für die Seelsorge verbleibenden Zeit - guthieß.231 Zitiert sei hier noch ein Gebet Petersens, das er wohl aus diesem Anlaß in das Lüneburger Kirchenbuch eintrug und seinen Kollegen zur Verlesung im Gottesdienst vorschlug.232 „Eine formul des Bittzettels, welches auff der Cantzel für einen armen Sünder, der exsequiret werden soll, kan abgeleßen werden. Wir schließen auch hiemitt in unser gebeth den armen sünder, welcher heute soll exsequiret werden. Der heilige, und barmhertzige Gott, der nicht will den tod des sünders sondern, daß er sich bekehre, und lebe [Ez. 33,11] wolle ihn mit seinem heiligen geiste erleuchten, und ihm die erkäntnis seiner sünden, undt auch die erkäntnis des Heils geben, die da ist in Vergebung seiner sünden, auff daß, ob er gleich den schmählichen tod alhie leiden muß, er doch durch den glauben an den Sohn Gottes den tod nicht sehe ewiglich, sondern durch sein bluth abgewaschen, undt geheiliget vor Gott erscheine, und ewig selig werde. Amen!"

Petersens Gebetsvorschlag zeigt eine seelsorgerlich beeindruckende, aber auch provozierende Verbindung von Sünden- und Heilserkenntnis. Der Delinquent soll nicht nur Gelegenheit zur Reue haben, um sein Gewissen von der Schuld zu entlasten und sich dem gerechten Gericht Gottes zu überlassen, sondern ihm wird positiv Hoffnung und Heil zugesprochen.

Liturgische

Fragen

Zu den Vorwürfen des Ministeriums gegen Petersen zählt auch derjenige, Petersen habe eigenmächtig die Kirchenzeremonien geändert, indem er eine allgemeine Beichte und Absolution veranstaltet und den Segen von der Kanzel gelesen habe.233 In der Tat hat Petersen aber nur die Regelung vorweggenommen, die man auch in Celle anläßlich der neuen Drucklegung der Kirchenagende einzuführen plante und wogegen sich die Lüneburger, obwohl sie eigentlich in diesen Fragen freie Hand hatten, nicht lange hätten sperren können.234 230

J. W. Petersen, 15.6. 1691, p. 6- EphA Lg. Fürstl. Reg. an BuR v. Lg., Celle, den 6.9. 1691 im Postskript 2- StA Lg. Vgl. Bericht Baumgarts vom 21.8. 1691 (wie Anm. 234). 232 NSuUB Göttingen, 8° Cod. MS. jurid. 170a, drittletzte Seite. (Enthält auch die Kirchenordnung und Unterschriften der Geistlichen.) Vgl. J. W. Petersen, 15.6. 1691, p. 6- EphA Lg. 233 Protokoll vom 22.5. 1691 (Meyer, p.2), wonach Petersen über die Frage eine nicht „aggelierte" [der Zensur angekündigte] Schrift verfaßt hat. Sie ist nicht überliefert. Petersen habe auch „neulich" zwei Leute aus Zeitmangel zugleich absolviert; vgl. Kat.-Bed. 1690, [14] (S. 149 Anm. 171). 234 Fürstl. Reg. an BuR v. Lg., Celle, den 6.8. 1691 im Postscriptum 1- StA Lg.: In jeder Kirche soll des Sonntags nach der Nachmittagspredigt die „offene beicht" der Gemeinde vorgelesen werden, dann die Absolution erteilt werden und den Unbußfertigen ihre Sünde vorgehalten werden. Beim Beginn der Kommunion soll der Pfarrer das „Sursum corda" (vgl. SCHOEBERLEIN 1, 1865, 320—322) singen und anstatt der gewöhnlichen Ermahnung [IKor 11, 231

309

„In Moralibus" beschwert man sich gegen Petersens Angriffe auf seine Kollegen und auswärtigen Amtsbrüder, indem Petersen seinen Streit immer wieder in den Angriffen auf Jesus und seine Jünger vorgebildet sieht. 235 Auch ist man darüber aufgebracht, daß Petersen überall verbreitete, die Resolution vom 10. Mai 1690 habe nicht ihm, sondern den Ministerialen Unrecht gegeben, da ihm erlaubt worden sei, von der besseren Zeit zu predigen, solange er nicht öffentlich expressis verbis vom Tausendjährigen Reich und der ersten Auferstehung spreche. 236 Schließlich fuhren Petersens Kollegen noch einige verdächtige Schriften an, die ihr Superintendent in Umlauf gebracht habe. Dabei zeigt sich, daß einige der erst später im Druck erschienenen Werke schon in dieser Zeit von den Petersens vorbereitet und in der Konzeption fertig gewesen sind. Zu nennen ist ein nicht überliefertes Carmen auf den verstorbenen Landschaftsdirektor Ludolf Otto von Estorff (gest. 1691), in dem Petersen seine chiliastische Meinung vertreten habe. 237 Petersen verteidigt sich damit, daß darin keine Zeile wäre, die nicht aus der Schrift und Cyrill von Jerusalem zu belegen sei. Von einem „Scriptum von 24 Bogen" fur den Landschaftsdirektor Ludolf Otto von Estorff will Petersen nichts wissen. 238 Er habe sich nur fur fünf Bücher Papier anfertigen lassen. Auch eine große Tabelle wird angeführt, die Petersen nach Celle, wahrscheinlich an Robert Schott, und an noch einen anderen, nicht auszumachenden Ort geschickt hat. Es dürfte sich um eine Vorlage oder Vorarbeit zu der Tabelle handeln, die Johanna Eleonora Petersen später ihrer „Anleitung zu gründlicher Verständniß der Heiligen Offenbahrung [ . . . ] / Nach Ordnung einer dazu gehörigen Tabelle [ . . . ] " (1696) beilegte, um darin die einzelnen Materien und Visionen der Offenbarung in eine chronologische Reihenfolge zu setzen.239 Petersen will die Tabelle schon vor seiner Übersiedlung nach 27—29?] ein bestimmtes Gebet (nach der verlorenen Beilage) sprechen. Vgl. den Bericht Baumgarts vom 21. 8. über sein Gespräch mit Petersen am 14. 8. über diese Frage und den Kirchendieb- StA Lg. Das Lüneburger Ministerium wird aufgefordert, diese Regelung um der „conformität" willen zu überdenken; vgl. das Dringen des Rats auf eine freiwillige Zustimmung, damit man die Regelung nicht vorgeschrieben bekäme im Protokoll vom 22.5. 1691, p. 15. 235 Gegen J. Fr. Mayer in Hamburg, den er wegen seiner Ausfälle gegen Spener (GEFFCKEN 1861, 67) und seiner angeblichen Predigt „DesanctoDiabolo" (vgl. LB 1717,159) mit Judas (Mt 26, 25) vergleicht. Petersen selbst sieht sich in der Rolle des Christus vor dem Hohen Rat (Mt 26, 57ff.); vgl. J. W. Petersen, 15. 6. 1691, p. 3. Das war ein Verstoß gegen die Resolution vom 10.5. 1690, §7. 236 J.W. Petersen, 15.6. 1691, p. 8 bestreitet das energisch. Aber das Konsistorium habe selbst einige Texte zu dieser Materie auf die Sonn- und Feiertage verordnet; im übrigen laufe die bessere Zeit in alle articuli fidei, was er in einer Schrift darlegen wolle (Actum, den 25.5. 1691, p. 23). 237 Actum, den 21.5. 1691, p. 7 (Meyer); vgl. J. W. Petersen, 15.6. 1691. LB 1717, 128. Der LP auf Estorff von Buno (vorhanden in N S u U B Göttingen) ist Petersens Carmen nicht beigegeben. 238 Meinten die Prediger Petersens nicht auffindbares Carmen auf dessen Tod imjahre 1691? 239 Actum, den 21.5. 1691, p. 7; s. S. 184.

310

Lüneburg, also in Eutin, angefertigt haben, um die Offenbarung besser zu verstehen; sie sei auch damals schon verschiedenen Personen (Κ. H. Sandhagen und Ph. J. Spener), nicht aber dem inzwischen verstorbenen Landschaftsdirektor Ludolf von Estorff kommuniziert worden. 240 Dazu kommt ein „Scriptum von etlichen Bogen", das Petersen nicht an „gemeine Leute", sondern nur an den Landrat von Knesebeck gegeben haben will und das einige „loca probanda" zum Tausendjährigen Reich enthalten haben soll. Eine solche Sammlung von Beweissprüchen findet sich ebenfalls als Anhang zu der obengenannten Schrift Johanna Eleonora Petersens.241 Die Schwäche der Anklage des Ministeriums beruhte darin, daß Petersen seine Gedanken und Aussagen exegetisch begründete und sich nicht auf die theologisch-dogmatischen Fragen einließ. Das scheinen seine Kollegen gespürt zu haben. Denn am Ende ihrer Schrift verfallen sie in allgemeine Vorwürfe und billige Denunzierungen, „daß Er nicht nur in doctrinalibus, sondern auch in Moralibus durch Lästerung, Verleümbdung, Hochmuht und Ehrsucht sich selbst bey der Gemeine vielfältig pros[t]ituiert, zu geschweigen, daß Er noch nicht einmahl unseren libris symbolicis soll unterschrieben haben. "242

Der Verlauf des Konflikts

im Jahre

1691

Die erneute Anklage gegen Petersen durch seine Kollegen sollte schließlich zu seiner Absetzung fuhren. Aber es waren nicht die von seinen Kollegen im Frühjahr 1691 vorgebrachten Punkte, die zu diesem Ausgang führten. Zu schwach waren sie, um der Fürstlichen Regierung einen Rechtsgrund der Absetzung zu bieten. Man kann noch nicht einmal sagen, daß die verfahrene Situation notwendig auf eine Absetzung Petersens hinauslaufen mußte. Die folgenden Verhandlungen zeigen vielmehr ein echtes Bemühen der Obrigkeiten, den Streit beizulegen. Trotzdem verschärfte sich der Konflikt in den folgenden Wochen und Monaten zunehmend, in denen die Angelegenheit bei der Fürstlichen Regierung anhängig war. Das Ehepaar Petersen selbst trug zu dieser Verschärfung bei, ja provozierte geradezu die Obrigkeit, um selbst als Märtyrer aus den Händeln hervorzugehen. Ein zweites kommt hinzu. In eben diesemjahr 1691 hat Petersen auch den Bereich der wissenschaftlichen Exegese verlassen und sich für die Enthusiastin Rosamunde Juliane von der Asseburg eingesetzt. Mit diesem lebendi240 J. W. Petersen, 15.6.1691, p. 5; zu Spener als Adressat s. LBed. 1,1721, 270-273 [anj. E. Petersen; 9. 8. 1687]; vgl. LBed. 3, 1721, 661-664 (27.4. 1692) bes. 662. 241 S. Werkverzeichnis. 242 Actum, den 14.5. 1691. Die Unterschriften s. LB 1717, 122 (s. S. 213 Anm. 82). Auch bestand Petersen darauf, daß er eine „Confessio fidei" abgegeben habe, die sich aber nicht mehr in den Ephoralakten befand und bis heute fehlt (s. S. 236 Anm. 190).

311

gen Zeugnis seiner theologischen Vorstellungen über Geist und Erleuchtung wurde er als Superintendent einer vom Amt geprägten Kirche untragbar. Die Untersuchung der von den Ministerialen vorgebrachten Anklage zog sich fast ein Drei Vierteljahr hin. Am 22. und 25. Mai fanden getrennte U n terredungen eines funfköpfigen, aber wechselnden Ratsausschusses mit dem Geistlichen Ministerium und dem Superintendenten statt. 243 Beide Parteien gaben dabei eine mündliche Erklärung und Erläuterung zu den von dem Ministerium angeprangerten Predigtäußerungen und Verhaltensweisen Petersens ab und wurden aufgefordert, sich noch einmal schriftlich dazu zu äußern. 244 Petersen berief sich darauf, daß die Resolution ihm nicht verboten habe, nach Vorgabe des Textes wie sein Vorgänger Sandhagen von der besseren Zeit zu predigen. Im übrigen werde er wie bisher keinen Anlaß zu einer „piquanterey" geben, selbst jetzt nicht, nachdem seine Kollegen Meyer, Riekmann und Koltemann am Tag zuvor wieder gegen ihn gepredigt haben. 245 Am 28.5. 1691 ergeht ein Ratsdekret an beide Parteien, sich während des Pfingstfestes (31. 5.) und künftig der fürstlichen Resolution gemäß „aller anzüglichkeiten, proponir= tractir= undt refutierungen der in woll gemeldeter fürstlichen Resolution untersagten fragen und materien, bevorab von dem Chiliasmo undt darunter angezielten reiche, auff öffentlichen Cantzeln gäntzlich zu enthalten [ . . . ]"246 Aber gegen diese egalisierende Behandlung protestiert das Geistliche Ministerium schon zwei Tage später: „Wir protestiren dawieder billig, denn justo non est lex posita, auch hat Serenissimus uns nie omnem veritatem cum elencho zu tractiren verboten." Man wolle sich aber über das Fest ruhig verhalten und „am Gebührenden Ohrte unsere gerechte sache zu rechter Zeit wißen auszufuhren. "247 Der Protest des Ministeriums zeigt schon, daß dieses keineswegs mit dem Rat an einem Strick zog. Umgekehrt läßt sich auch der Rat den Einspruch des Ministeriums nicht gefallen, der seine Autorität zu schmälern droht. In einem Dekret vom 8. 6. an das Ministerium erinnert der Rat an seine Aufgabe laut fürstlicher Resolution und Dekret vom 7. Juni 1690, die Sache zu untersuchen, und äußert sein Befremden über die im Namen des ganzen Ministeriums unterschriebene Eingabe. Es sei eine „mit anzüglichkeiten, undt unglimpflichen expressio243 Actum, den 22. und 25.5. 1691- StA Lg. Der Ratsausschuß bestand aus a) den Bürgermeistern Reinbeck und Stöterogge, dem Ratsherrn Christian Pape und dem Syndikus Schnarmacher, b) den genannten Bügermeistern einschl. Busche und den Ratsherren Pape und Joh. v. Colen. 244 Auf der Seite der Ministerialen fehlten Voigt, Riekmann, Blech, Erdmann (und der nicht zum Geistl. Ministerium zählende Hugenottenpfarrer). Eine Ausfertigung des Gesprächsprotokolls mit Petersen wird in der Aktenauflistung im EphA Lg. erwähnt, fehlt aber. 245 Actum, den 25.5. 1691, p. 22- StA Lg. 246 Dekret v o m 28. 5. 1691- StA und EphA Lg. 247 Minist, an BuR von Lg., Lg., den 30. 5. 1691-EphA und StA Lg.

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nen untermengete protestations=Schrifft". 2 4 8 Der Rat vermißt den schuldigen Respekt vor der Obrigkeit, verzichtet aber darauf, das Schreiben weiterzuleiten, u m den Streit nicht auszuweiten. 249 Nachdem Petersen am 13. und 15. 6. noch einmal schriftlich zu den von seinen Kollegen vorgebrachten Punkten Stellung genommen hat, wird auch sein Widerpart noch einmal am 10.7. 1691 aufgefordert, eine schriftliche Erklärung einzureichen. 250 Die Lüneburger Pfarrer verlangen zunächst eine Kopie des Protokolls der Verhandlung mit Petersen v o m 25. 5. D e m Verlangen gibt der Rat statt mit der Aufforderung, binnen acht Tagen darauf zu reagieren. 251 Mitte des Jahres 1691 scheint die Sache dem Lüneburger Rat über den K o p f gewachsen zu sein. A m 31. 7/ 1. 8. wendet er sich an die Fürstliche Regierung in Celle und informiert über die bestehenden Zwistigkeiten. Man berichtet von der eingerichteten Kommission, den abgehaltenen Konferenzen und den zwischenzeitig erlassenen Dekreten. Problematisch sei besonders, daß beide Parteien sich für ihr Recht auf die Resolution und die Bekenntnisschriften beriefen. Das Geistliche Ministerium vertrete die Auffassung, Petersens Lehre verstoße gegen die „analogia fidei", während es keinen Grund gebe, die herkömmliche Lehre der Gemeinde nicht vorzutragen. Petersen hingegen weiß von keinem Verbot, von der besseren Zeit zu predigen und meint, daß diese Lehre nach ihrer Qualität und Notwendigkeit mit allen Glaubensartikeln zusammenhänge, welche er ohne diese Lehre nicht vollkommen darstellen könne. 252 So bleibt dem Rat nichts übrig, als die Verhandlungsprotokolle und übrigen Akten nach Celle zu senden, da man nichts mehr erreichen zu können glaubt. 253 In ihrer Antwort v o m 6. 8. versucht die Regierung die Angelegenheit mit einem formalen Kriterium anzugehen und damit die Frage der Wahrheit, auf die sich beide Parteien berufen, beiseite zu schieben. Die Regierung resümiert, „daß so wenig der Superintended als auch übrige Ministeriales daselbst geständig sein wollen, daß ein oder die anderen der ergangenen furstl. resolution zugegen mit öffentlichen predigen von oder gegen das also genandte Chiliastische Reich den anfang gemachet oder anlaß zu den von neuem unter ihnen eingerissenen Differentien gegeben habe". 2 5 4

Die Regierung fordert den Rat daher auf, Zeugenaussagen zu sammeln, u m die Frage, wer der Initiator des Streites sei, zu klären. In einem beigelegten Schreiben an das Ministerium tadelt auch die Celler Regierung dieses mit scharfen Worten. Es hätte den „gradus" gegen den ihnen vorgesetzten BuR v. Lg. an Minist., Lg. den 8.6. 1691, p. 2- StA und EphA Lg. Ebd. 250 Petersens Stellungnahme vom 15.6. 1691 im EphA und StA Lg. Das Schreiben des Rats an das Ministerium vom 10.7. 1691- ebd. 251 BuR an Minist., Lg., den 21. 7. 1691- EphA und StA Lg.; vgl. Anm. 194 . 252 Vgl. L B 1717, 214 (Konsistorialprozeß); vgl. S. 164 Anm. 248. 2 5 3 BuR v. Lg. an Fürstl. Reg., Lg., den 31.7. 1691-StA Lg. 2 5 4 Fürstl. Reg. an BuR v. Lg., Celle, den 6.8. 1691- StA Lg. 248

249

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Superintendenten überschritten und mit „Hintansetzung der vermahnung in der resolution" wären sie auf der Kanzel und in der Katechismuslehre gegen Petersen „nicht undeutlich" herausgegangen, statt sich mit Beschwerden über Verstöße Petersens gegen die Resolution zu begnügen. Sie werden noch einmal zur Ruhe aufgefordert. 255 Vor diesem scharfen Schreiben aus Celle hatte man sich in Lüneburg um eine Vermittlung zwischen den streitenden Parteien bemüht und dazu die in Lüneburg weilenden Generalsuperintendenten und ehemaligen Lüneburger Geistlichen Κ. H. Sandhagen und G. Heiler zu Rate gezogen. Die Tatsache verdient festgehalten zu werden, zeigt sie doch, daß der Rat der Stadt Lüneburg, respektive die geschäftsführenden Bürgermeister, zu dieser Zeit noch nicht auf eine Absetzung Petersens drangen. Der Sekretär Baumgart berichtete darüber dem Rat. 256 Ursprünglich wollten die Ministerialen die Vergleichung nicht annehmen, da die Sache durch die Weiterleitung nach Celle nicht mehr „res integra" sei. Die Vermittlung dürfe auf keinen Fall dahin fuhren, daß man in Celle den gerechten Anspruch des Ministeriums unbeachtet lasse. Meyer habe sich dann aber auf Zureden Baumgarts mit diesem Vermittlungsversuch einverstanden erklärt, werde aber erst die schriftliche Erklärung zu Petersens Erklärung einreichen, bevor er sich mit Sandhagen unterhalten wolle. 257 Er, Meyer, könne sich eine solche Vermittlung freilich nur vorstellen, wenn der Rat es mit seiner Autorität dahin brächte, daß dem Ministerium Genugtuung verschafft und hinfort bei der Wahrheit geblieben würde. Nach Erhalt des fürstlichen Tadels dürfte der Versuch einer internen Beilegung des Streites seitens des Ministeriums sogleich abgebrochen worden sein. Jedenfalls verlautet nichts mehr davon. Im Gegenzug entrüstete sich das Ministerium vielmehr über die „Anschwärzung" in Celle. Man werde deshalb nach Celle schreiben - nicht u m den Rat als Obrigkeit zu desavouieren, sondern um die Beschuldigungen zu widerlegen. Der Rat möge seine in Celle vorgebrachte Klage gegen das Ministerium mitteilen. Ihm wird vorgeworfen, daß er die Antwort des Ministeriums auf Petersens Schrift trotz der kurzen Frist nicht abgewartet habe. 258 Unterdessen kommt der Rat der Stadt der Aufforderung aus Celle nach, Zeugenaussagen über die Anfänge der Streitigkeiten zu sammeln, indem er die Schulkollegen der Johannisschule und diejuraten von St. Johannis sowie die Küster der drei wichtigsten Kirchen (Johannis, Nikolai und Lamberti), wo die Hauptkontrahenten predigen, von einem Ausschuß am 22. und 23. August - freilich ohne großen Erfolg - verhören läßt. 259 Die verhörten Personen, Martin Wantzke, Johann Georg Dornkrell und Georg Biel, kön255

Fürstl. Reg. an Minist, (und Petersen), Celle, den 6.8. 1691- StA Lg. Baumgart an BuR v. Lg., Lg., den 7.8. 1691-StA Lg. 257 Die Erklärung des Geistl. Minist, vom 7. 8. 1691- EphA und StA Lg. 258 Minist, an BuR v. Lg., Lg., den 11.8. 1691-StA Lg. 259 Einsetzung des Ausschusses: Actum, den 20.8. 1691- StA Lg. Mitglieder waren: H . E . Schnarmacher, Joh. Schröder und Joh. Döring. Vgl. die geäußerte Skepsis des Rates gegen die 256

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nen keine konkreten Aussagen machen. Heinrich Buckfisch erinnert an seine frühere Aussage (vom 23.8. 1690) über Petersens Auslegungen vom Johannistag 1690 und zu Rom 8.260 Für die Zeit danach kann er keine Angaben machen. Seines Wissens haben die Ministerialen erst nach dieser Zeit dann und wann in Johannis und Lamberti gegen Petersen gepredigt. Auch diejuraten Christian Kruse und Christian Timmermann von Nicolai, Kruling, Schmid und Albert Biel von Lamberti können für die Zeit nach der Resolution keine genauen Angaben machen. Kruse berichtet nur, daß Brasche wenig darüber gepredigt habe, während Timmermann offenbar keinen Anstoß an Petersens Lehre nahm, weil sie nicht „ad fidem salvificam" gehöre. 261 Wegen schlechten Gedächtnisses entschuldigen sich die Küster Heinrich Hadders (Johannis), Georg Berkentin (Lamberti) und Georg Pfeiffer (Nikolai). Einzig Hadders spricht - aber auch ohne Parteinahme — von dem Ärgernis der Feindschaft unter den Geistlichen. Er greife daher lieber zu einem geistlichen Buch. Schließlich werden auch Konrektor Johannes Polzius, Kantor Friedrich Funke und Daniel Pape von der Michaeliskirche befragt. Auch von ihnen kann keiner eine bestimmte Aussage machen, vor allem nicht, wer den Anlaß für den neuen Konflikt gegeben hat, da die Äußerungen der Pfarrer immer nach Gelegenheit des Perikopentextes getan worden seien.262 So bleibt es bei dem allgemeinen Urteil: „Es wäre dann, undt wann von der Sachen, die man vor neu hielte, geredet worden". Die Begriffe vom Tausendjährigen Reich und der Ersten Auferstehung seien von keinem auf die Kanzel gebracht worden. Alle diese Aussagen zeigen, daß die Lüneburger Bürger durch Petersens neue Gedanken nicht sehr verunsichert worden sind.

Christoph

Heinrich

Lauterbach

Konkrete Angaben macht dann am 2. September der Rektor Christoph Heinrich Lauterbach, der sich einzelne, verdächtige Aussagen seines Superintendenten in einem Kalender notiert hatte. Einige davon gibt er schon in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll, andere fuhrt er erst in einer vier Tage später eingereichten Schrift an, in der er auch die „verba formalia", also die genauen Ausdrücke Petersens, wiedergeben will.263 Über die schon genannten Predigten hinaus führt der Schulrektor weitere „Redensarten" Petersens an, die diesen insgesamt einer Heterodoxie und Staatsgefährdung überfuhren sollen. Schon am 16. November 1690, also nach dem offenbar wieder einigermaCeller Regierung, daß man nach einem Jahr kaum etwas herausfinden werde in: BuR an Fürstl. Reg., Lg., den 12.8. 1691-StA Lg. 260 Vgl. S. 250. 261 Zu Brasches moderater Haltung vgl. LB 1717, 142f. 262 Zum positiven Verhältnis Petersens zu Polzius und Funckes. LB 1717,125 f. undebd., 200. 263 Actum, den 2.9. 1691- StA Lg. und Lauterbachs Eingabe vom 6.9. 1691- StA Lg.

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ßen beschwichtigten Streit des Spätsommers, soll Petersen seinen obrigkeitsfeindlichen und aufrührerischen Chiliasmus offenbart haben, indem er über alle Rang- und Obrigkeitsordnungen ein dreifaches „herunter, herunter, herunter" ausgerufen habe, und zwar „mit vielmahliger repetition". Am 20. März 1691 habe er zu l j o h 1, 7 erklärt, daß Gott bei denen die vom Pfarrer ausgesprochene Absolution aussetze, die nach der Beichte ihr Leben nicht änderten. Am 19. April, dem Sonntag Quasimodogeniti, habe er zwar den in der Confessio Augustana (Art. 17) verworfenen cerinthischen Chiliasmus gleichfalls verurteilt, sei aber für seine Meinung von einem Tausendjährigen Reich Christi vor dem letzten Ende der Welt, also vor dem Endgericht und der allgemeinen Totenauferstehung, eingetreten. 264 Eine Woche später habe er gegen einen Prediger einer anderen Kirche, der ihn auf der Kanzel angegriffen habe, gepredigt und sich dabei mit Christus gleichgestellt, indem er angab, auch für seinen Verfolger beten zu wollen. Er habe gesagt, seine Gegner wollten ihn nur anstacheln, daß er die Resolution vom Mai 1690 übertrete, und seine Gemeinde ermahnt, sich „nicht an ihm zu stossen". 265 Am 24. Mai, dem Himmelfahrtstag, (oder 29. Mai) habe Petersen erneut über die tausend Jahre gepredigt. Schließlich nennt Lauterbach noch zwei Ansprachen vom Juli des Jahres. Der Superintendent habe die Meinung vertreten, die Rechtfertigung erfolge nach Rom 6,11 ff. nur zusammen mit guten Werken (19. Juli 1691) sowie, daß die Erbsünde beim Wiedergeborenen zwar bleibe, aber keine Kraft mehr habe, so daß der Wiedergeborene nun wirklich nicht mehr sündige (26. Juli 1691 wie schon am 14. Februar 1690).266 Abschließend kommt Lauterbach zu dem in seiner negativen Formulierung freilich merkwürdigen Urteil, daß das Ministerium mit dem neuen Zwist nicht angefangen habe. Im übrigen übergibt er dem Rat Petersens Manuskript der „Schrifftmäßigen Erklährung und Beweis von den 1000 Jahren" mit der Datierung vom 21. März 1690, die er einem Schüler namens Becker abgenommen hatte. 267 Die Aussagen Lauterbachs hatten ein vergleichsweise großes Gewicht gegenüber den unbestimmteren Klagen des Ministeriums. Auch bei der späteren Verhandlung spielen sie eine größere Rolle. Lauterbachs streitsüchtiger Charakter und seine inquisitorische Art waren in Lüneburg allgemein bekannt. 268 Sein besonderer Konflikt mit dem ähn264

Vgl. LB 1717, 197. Vgl. Mt 26,31 und M t 5,44. 266 Z u m Sündenverständnis s. S. 179; vgl. LB 1717, 129. 267 S. 237 Anm. 191. 268 Z u seiner literarischen Fehde mit dem Rektor der konkurrierenden Michaelisschule, Joh. Buno, s. MAGNUS 1961, 81 ff. und WALTER, Musik 1967, 137. 220. S. noch die Personalakte im EphA und im StA Lg. und Jöcher 7 (3), 1810, 1419. 265

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lieh ehrgeizigen Petersen ergab sich fast zwangsläufig dadurch, daß sie mit ihren unterschiedlichen Kompetenzen bei der Aufsicht über die städtische Johannesschule aneinandergerieten. Das begann bei der Berufung (1689) von Johannes Polzius (1660—1705), dem Sohn von Petersens Lübecker Lehrer, setzte sich fort mit Petersens didaktischen und inhaltlichen Vorschlägen zum Unterricht und endete bei der (vielleicht von Petersen angeregten) Schulvisitation im Jahre 1690, deren von den RatsherrenJ. Reinbeck, K. D ö ring u n d j . Zimmermann sowie von Petersen unterzeichnete Bericht den für Lauterbach beschämenden Titel fuhrt: „Höchst gemüßigte Wahrhaffte Vorstellung betr. das hiesige leider sehr verfallene Schull-wesen [ . . . ]" 2 6 9 Andererseits hatte der Rektor allen Grund, auf die Predigtäußerungen Petersens achtzugeben, mußte er doch mit seinen Schülern die Predigten des Superintendenten im Unterricht wiederholen. 270 Der unter diesen Umständen kaum zu vermeidende Konflikt war auch alsbald ausgebrochen. Schon in seinem ersten Amtsjahr hatte Petersen es einmal für nötig erachtet, dem Rektor die Absolution zu verweigern. 271 So war es nicht verwunderlich, daß Lauterbach für den weiteren Fortgang „grossen Zuschub" gab. 2 7 2 Nachdem der Fall vor die Celler Regierung gekommen war, setzte diese als ersten Verhandlungstag den 15. Oktober 1691 fest. 273 Auf Ansuchen des Geistlichen Ministeriums, aus dessen Reihen ein Teil erkrankt, der andere mit Vertretungsaufgaben überlastet war, wurde der Termin auf den 24. November verschoben. 274 Bei dieser Gelegenheit schlagen Petersens A m t s brüder der Regierung in Celle vor, auch Vertreter des Rates und der Bürgerschaft zur Verhandlung nach Celle zu bestellen, da es um eine allgemeine Kirchenangelegenheit gehe. Die Regierung nimmt diesen Vorschlag auf, indem sie zwar eine Abordnung der Bürgerschaft für unnötig hält, aber den Rat auffordert, zu dem angesetzten Termin Vertreter zu senden. Dieser Schritt bleibt nicht ohne Folgen für den Ausgang des Streites. Wenn auch die Vertreter der Stadt anfangs nur als Zeugen geladen sein mögen, so treten sie doch am Ende selbst als Ankläger auf. Den ursprünglich innerhalb des Geistlichen Ministeriums sich abspielenden Zwist nimmt der Rat der Stadt Lüneburg später zum Anlaß, sich die Anklagen zu eigen zu machen, u m sich so seines Superintendenten zu entledigen. Die veränderte Haltung des Rates 2 6 9 Vgl. L B 1717, 126f.; die Visitationsakte v o m 13.8. 1690 im StA Lg. (S 3b N r . 43); Matthaei, Kirchen 1906, 58 berichtet: Lauterbach wurde einmal durch Ratsbeschluß aufgefordert, die den Unterricht des Konrektors (Polzius) störenden Primaner in Gegenwart des Superintendenten und der Scholarchen mit dem Stock zu bestrafen - sicher keine ehrenvolle Aufgabe für den Rektor! Vgl. noch WALTER, Musik 203 ff. Z u Polzius s. Jöcher 3, 1751, 1668 f. 2 7 0 Actum, den 2 . 9 . 1691- StA Lg. 2 7 1 S. S. 222. 2 7 2 L B 1717, 129. 2 7 3 Fürstl. Reg. an Minist, von Lg., Celle, den 1.9. 1691- EphA Lg. 2 7 4 Minist, von Lg. an Fürstl. Reg., Lg., den 26. 9. 1691-EphA Lg.; Fürstl. Reg. an B u R von Lg. und Minist., Celle, den 30.9. 1691- StA und E p h A Lg.; die Bestätigung: B u R von Lg. an Fürstl. Reg., Lg., den 13.10. 1691- StA Lg.

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ist durch den Wechsel im Bügermeisteramt, nämlich durch das Ausscheiden des Freundes Petersen, J. Reinbeck, möglich geworden. Später muß der Konsistorialtermin von selten der Regierung zweimal „aus gewissen Ursachen" auf den 8. und dann 15. Dezember verschoben werden. Wichtigere Staatsgeschäfte gingen vor. 275 Auch dieser letzte Termin wird wieder abgesetzt, da Petersen bettlägrig wird und um Aufschub bitten muß. 276 Das ungebrochene Sendungsbewußtsein Petersens zeigt sich auch in seiner Krankheit, wenn er das Schreiben an die Regierung schließt, indem er seiner Hoffnung auf die Erscheinung Christi mit 2Tim 4, 1 Ausdruck verleiht, „über welches ich leyde und gerne leide nach seinem willen bis Er kompt und sein Lohn mit Ihm." In Celle reagiert man entsprechend, indem man Petersen über den Magistrat der Stadt mitteilen läßt, daß er über die Weihnachtsfeiertage, falls er wieder zu Kräften komme, nicht predigen dürfe. 277 Als aber dieses Predigtverbot durch eine Indiskretion in Lüneburg bekannt wird, erreicht Petersen, der sich durch die Veröffentlichung als vorverurteilt ansehen und in seinem Recht und seiner Ehre gekränkt fühlen konnte, die Annullierung der Maßnahme. 278 Während dieser Zeit ständiger Verzögerungen des Konsistorialtermins, der durch die Eingabe im Mai veranlaßt worden war, führte der Rat der Stadt im Auftrag der Celler Regierung unter den Bürgern Lüneburgs weitere Untersuchungen und Verhöre durch, die nun neuen und faßbaren Verdachtsmomenten galten, nämlich den von Petersen in seinem Haus abgehaltenen Betstunden und der „neuen Prophetin" Rosamunde Juliane von der Asseburg. 279

Die Zuspitzung

der Situation

Bis Ende Oktober 1691 war der Streit zwischen Petersen und seinen Kollegen ziemlich unentschieden geblieben. Dem Superintendenten war 275 Fürstl. Reg. an BuR von Lg., Celle den 17. (12.?) 11. und 3.12. 1691- StA Lg.; zu den Ursachen vgl. S. 291. 276 J.W. Petersen an Fürstl. Reg., Lg., den 10.12. 1691- StA Lg. (mit Attest des Arztes Joachim Sigismund Hecht) und Fürstl. Reg. an BuR von Lg., Minist, u n d j . W. Petersen, Celle, den 15.12. 1691- StA Lg. und EphA. 277 Fürstl. Regierung an BuR von Lg., Celle, den 15.12. 1691- StA Lg. 278 J. W. Petersen an Fürstl. Reg., Lg., den 20.12. 1691; Fürstl. Reg. an BuR von Lg. und J.W. Petersen, Celle, den 22.12. 1691; BuR von Lg. an Fürstl. Reg., Lg., den 26.12. 1691-StA Lg. 279 Zu dem daraus sich ergebenden Bild s. S. 267ff. Aufforderung zur Untersuchung: Fürstl. Reg. an BuR von Lg., Celle, den 15.12. 1691. Die Untersuchungsprotokolle des Senatsausschusses, bestehend aus den Bürgermeistern Busche und Stöterogge, dem Syndikus T. Reimers und (zeitweilig) dem Senator von Töbing sowie dem Sekretär Schnarmacher, datieren vom 28.11. 1691 (u.a. über Kindstaufe; vgl. LB 1717, 143f.),2. 12. (Predigten Petersens vom 18. 10. und 15. 11. und Gespräch bei Machts Hochzeit; vgl. LB 1717, 198), 19. und 24. 12. (Personen bei Petersen, Betstunden s. S. 267f.), 30. 12. (Silbernes Kreuz; vgl. LB 1717, 168f.) und 2.1. 1692-StA Lg.

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weder überzeugend eine falsche Lehre nachzuweisen, da er sich immer an den Wortlaut der Heiligen Schrift zu halten schien, noch ein Verstoß gegen die fürstliche Resolution vom 10. Mai 1690, da Petersen sich offenbar der chiliastischen Terminologie enthielt und nur von einer „besseren Zeit" sprach, der man ja auch in Lüneburg und Celle zum Teil beigepflichtet zu haben scheint. 280 Noch in dem Schreiben vom 6. August 1691 an den Lüneburger Magistrat hatte die Fürstliche Regierung nach einem rein formalen Kriterium zur Klärung des Streites gesucht, als sie den Auftrag gab nachzuforschen, wer mit dem öffentlichen Predigen für und gegen das chiliastische Reich den Anfang gemacht habe.281 Bei den anschließenden Verhören hatte man aber keine Eindeutigkeit erzielen können. Die für Petersen insofern relativ günstige Lage änderte sich aber zum Jahresende durch zwei wichtige Ereignisse: die Publikation von Johanna Eleonoras „Glaubens=Gespräche" und die deutlicheren Nachrichten von Rosamundes Offenbarungen. Die „Glaubens=Gespräche mit Gott" setzen äußerlich Johanna Eleonoras Erstlingswerk, die „Herzens=Gespräche" (1689) fort. Nur treten jetzt die exegetischen und lehrhaften Überlegungen in den Vordergrund. Sollten die „Herzensgespräche" aus dem Herzen und der Erfahrung geflossen sein, so machen die „Glaubensgespräche" den Glauben zum Gegenstand und Thema (anhand von Hebr 11) der Exegese einer ganzen Reihe von Bibelsprüchen. Mit dem Selbstbewußtsein ihres alten Adels vertrat die Frau des Superintendenten nun offen und detailliert ihre Vorstellungen von dem sich innerlich und äußerlich bezeugenden wahren Glauben und dem Tausendjährigen Reich als dem „Ziel des Glaubenslebens" (3. Teil der Glaubensgespräche). Es war selbstverständlich, daß Petersen sich für diese Veröffentlichung seiner Frau zu verantworten hatte. Überdies bezeugte seine Frau in der Zuschrift, die sie in ungewöhnlicher und familiärer Weise an ihren Mann adressierte, daß er dieselben Überzeugungen vertrete. So kann sie ihm am Ende zurufen: „so lasse uns auch alles dabey auffsetzen/ es sey Ehre/ Guth oder Bluth/ nur daß wir mögen theil haben an dem Reiche das wir gläuben". 282 Diese Worte zeigen, daß für Johanna Eleonora Petersen die Zeit gekommen war, daß sie ihre spezifische Religiosität nicht mehr mit ihrem Leben als Frau Superintendentin vereinbaren konnte. Die exponierte Stellung als Frau einer kirchlichen und in hohem Maß verantwortlichen Amtsperson widersprach ihrem Wesen und ihrer Vorstellung, daß sich die wahren Gläubigen, gerade in der letzten Zeit, dadurch auszeichneten, daß sie verfolgt wurden, daß sie als Zeugen inmitten einer ungläubigen Welt Bekenntnis ablegten und dafür Leiden auf sich nahmen. N u n provozierte sie selbst solche biblisch vorausgesagten Erfahrungen. Erste Anzeichen für eine solche Leidens- und Martyriumsbereit280

S. 224. W i e A n m . 254. 282 GG, Zuschrift 1691, [6], Zu der Anstößigkeit der Zuschrift an den eigenen Mann und dem vertraulichen „Du" darin s. Feustking 1, 1704, 465. 281

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schaft konnten wir bei ihr schon feststellen, als W. Penn sie 1677 in Frankfurt besuchte. In einem fürstlichen Reskript vom 3. November wurde Petersen aufgefordert, ein Exemplar der „Glaubensgespräche" nach Celle zur näheren Begutachtung zu schicken. Unterdessen wurde ihm, seiner Frau sowie den Buchfuhrern und Buchbindern der Stadt verboten, die Schrift unters Volk zu bringen. 283 Das Gerücht von einer „neuen Prophetin" in Lüneburg war zum ersten Mal im August aufgekommen. Über Rosamunde Juliane von der Asseburg hatte sich dann der hannoversche Hof im Oktober informieren können. Die Kunde von der Prophetin wird alsbald auch nach Celle gedrungen sein. Nun sollten ihre Offenbarungen auch Gegenstand der Konsistorialverhandlung werden: „ U n d weil man auch wegen der dem gemeinen gerüchte nach aus E u r e m Hause k o m m e n d e n Offenbahrungen in dem auf den 24ten huius zum mündlichen Verhör angesetztem termino mit Euch alhie zu reden gemeinet, [ m ö g e sich Petersen dazu äußern, aber bis dahin sollten] vermeinte offenbahrungen weder publice oder privatim durch euch selbst oder Eure Haußgenoßen divulgiret [werden]." 2 8 4

Für Petersen war diese Aufforderung der Anlaß, die ganze „Species facti von einem Adelichen Fräulein" in seinem „Sendschreiben an einige Theologos" (1691) dem Urteil der Kirche zu unterbreiten.285 Petersen nutzte die publizistische Form des Sendschreibens und wandte sich damit offiziell nur an Gelehrte. Angesichts der billigen Druckkosten kopierte er seinen Rundbrief nicht handschriftlich, sondern ließ ihn drucken. Gewollt oder ungewollt stellte er damit die Angelegenheit in das Licht einer größeren Öffentlichkeit und verstieß gegen das Stillhaltegebot der Regierung. Für die Obrigkeiten in Celle und Lüneburg waren sowohl die „Glaubensgespräche" in ihrer polemischen und offenen Art als auch die durch den Druck und die Nachdrucke geforderte Publizität von Rosamundes Offenbarungen untragbar. Beide Schriften gaben nicht nur ein öffentliches, klares und überprüfbares Zeugnis von den theologischen Überzeugungen des Ehepaares, sondern dokumentierten auch ihre Unbekümmertheit und Mißachtung der obrigkeitlichen Verbote. 286 Ja, diese schienen beide vielmehr zu immer deutlicheren Worten anzustacheln. Schon damit mußte klar sein, daß der SuperintenFürstl. Reg. a n j . W. Petersen und B u R von Lg., Celle, d e n 3 . 1 1 . 1691-StA und E p h A Lg. Fürstl. Reg. a n j . W. Petersen, Celle, den 3.11. 1691- E p h A und StA Lg. 2 8 5 Z u den (Nach-)Drucken der Jahre 1691 und 1692 s. Werkverzeichnis. N a c h A.H. Franckes Erinnerung (KRAMER, Beiträge 1861, 164) umfaßte die (1.?) Auflage 60 Exemplare. Petersen verschickte sein Sendschreiben u. a. an Daniel Bernhardi, Superintendent in der Alten Mark, Johannes Diekmann, Christian Kortholt (s. S. 262), Bartholomäus Meyer, Generalsuperintendent in Wolfenbüttel, [G. W.] Molanus und Philipp J a k o b Spener; J . W . Petersen an Kortholt, Lg., den 9.12. 1691 ( U B Kiel, S. H. 406 A3, Bl. 12). O b die anderen Theologen, die mit gedruckten Entgegnungen geantwortet haben (Aufstellung bei TRIPPENBACH 1915, 328f.), auch von Petersen ein Exemplar erhielten, bleibt fraglich. 2 8 6 Vgl. Spener, LBed. 3, 1721, 4 6 7 - 4 7 1 bes. 467 (23.11. 1698): Nicht die chiliastische Lehre selbst, sondern der angebliche Verstoß gegen das Predigtverbot sei der Grund von Petersens 283 284

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dent nicht in Lüneburg bleiben konnte. Und die Glaubensüberzeugungen der Petersens, wie sie nun gedruckt allgemein zugänglich vorlagen, ließen sich nicht mehr als nur private Meinungen begreifen, als welche sie die Petersens einstuften. Ihre Verbreitung war mit dem kirchlichen Lehramt nicht zu vereinbaren. Es ist daher nicht verwunderlich, daß, wie oben angedeutet, der Streit sich zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Lüneburger Magistrat und Petersen entwickelte. Nachdem der Magistrat, in dem ja auch Freunde Petersens saßen, sich zunächst neutral verhalten hatte, brachte er im Januar selbst die Anklage ein und bemühte sich um die Ablösung des Superintendenten. Die vier Deputierten des Lüneburger Rates in Celle waren nun allesamt offene Gegner Petersens. Bürgermeister von Töbing, Bürgermeister und Sootmeister von Witzendorff, Ratsherr Schröder und Syndikus Reimers sollten auf Petersens „remotion" hinwirken. 287

Der

Konsistorialprozeß

Am 5. Januar 1692 sollten die Klagen von Magistrat und Pfarrerschaft Lüneburgs gegen ihren Superintendenten endlich vor dem Celler Konsistorium gehört und verhandelt werden. Akten sind von dem Prozeß nicht erhalten. 288 So sind wir auf die Gedächtnisprotokolle Petersens angewiesen, die er in jenen Tagen angefertigt und in seiner Lebensbeschreibung wiedergegeben hat. 289 Da sich seine Lebensbeschreibung - von einigen genannten Ausnahmen abgesehen - beim Vergleich mit Originalzeugnissen als sehr zuverlässig erweist, darf man annehmen, daß Petersen auch hier den Hergang des Geschehens einigermaßen korrekt wiedergibt. Am 3. Januar machten sich Johann Wilhelm und Johanna Eleonora Petersen auf den Weg nach Celle, nachdem Rosamunde ihnen wahrscheinlich noch an demselben Tag eine Bezeugung und einen Gruß an Schott mitgegeben hatte. 290 Bei der Länge des Weges (ca. 85 km) übernachtet man unterwegs etwa auf der Hälfte des Weges in „Schaafstall", einer Post- und U m spannstation auf der alten Salzstraße von Lüneburg nach Celle.291 Von dem dorthin beorderten Feldmarschall Jeremias Chouvet (gest. 1696) und dem Absetzung; ähnlich Leibniz an Sophie Charlotte von Brandenburg, Hannover, den 10./ 20.2. 1692-Werkel, 7, 101-104bes. 102. 287 LB 1717, 163; vgl. S. 328. SCHERINGS Mutmaßung (Petersen 1982, 236), das Erscheinen der vierköpfigen Delegation einschließlich des Sootmeisters weise auf die gesellschaftliche und wirtschaftliche Brisanz von Petersens Chiliasmus hin, ist nicht haltbar. Denn natürlich wurden in Celle auch andere, nicht im Zusammenhang mit Petersen stehende Fragen der Stadt erörtert. 288 Handschriftliche Quellen: Landeskirchenarchiv Hannover. 289 LB 1717, 161-219; zum Protokollieren s. ebd., 201 und 209. Dazu kommen einzelne Aktenstücke aus StA Lg. (v. a. die Anklage des Rats: „Erforderte punktirung" o. D.). 290 S. N S u U B Göttingen, 2° Ms. hist. 5, Bl. 47. 291 Heutige Försterei ca. 35 km nordöstlich von Celle und 10 km östl. von Hermannsburg an der Straße Unterlüß-Hermannsburg.

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Oberst de la Motte, die das Ehepaar wahrscheinlich nach Celle geleiten sollten, konnte Petersen schon erfahren, daß der Fall Asseburg für ihn zum Stolperstein werden würde. 292 Am nächsten Tag brach man früh auf und kam noch zeitig in Celle an, wo die Petersens sogleich von ihrem engen Freund Robert Schott empfangen wurden. Abgesehen von diesem engen Vertrauten konnte Petersen in Celle noch bei anderen ein wohlwollendes Verständnis seiner Sache erwarten. Zu denken ist an Andreas Reinbeck (1641 — 1705), einen Bruder des Lüneburger Bürgermeisters und damaligen Pfarrer in der Celler Vorstadt Blumenlage. 293 Petersen scheint sich auch mit dem neuen Generalsuperintendenten Franziskus Eichfeld (1635—1707) gut verstanden zu haben. Dieser war ein enger Freund Κ. H. Sandhagens, der ihm seine „Ersten Zehn Theologischen Sendschreiben" (1692) gewidmet hat. 294 Schließlich wird man auch die beiden Frauen, mit denen Petersen am Rande der Verhandlungen in Celle Umgang pflegte, zu den ihm wohlwollenden Standesgenossen zählen. Es handelt sich um Ilse Dorothea Bacmeister geb. Engelbrecht (1642—1706), Witwe des früheren Hofrates Georg Michael Bacmeister (1625 — 1678) und Schwiegermutter des Sekretärs Johann Heinrich Ramdohr, und die Witwe des verstorbenen Generalsuperintendentenjoachim Hildebrand. 295 Noch bevor dann am 5. Januar nachmittags die Verhöre ihren Anfang nahmen, hat Petersen erneut einen „göttlichen" Zuspruch von Rosamunde erfahren, „darinnen sie mich zur Bekenntnüß des Reichs vor GOtt aufrischete". 296 Das Konsistorium bestand aus den Geheimen Räten, insbesondere Ludwigjust Sinold gen. Schütz (gest. 1710) und dem den Vorsitz führenden A. G. von Bernstorff, ferner dem Generalsuperintendenten F. Eichfeld, vielleicht dem Hofprediger Johann Joseph Binder (1642—1706) sowie den drei übrigen Pfarrern und Predigern der Celler Stadtkirche, nämlichjohann Bringmann (1632-1694), Günther Otto Hoyer (gest. 1696) und (vielleicht) Lorenz Christoph Erich (1655—1701).297 Auch wurden der Oberhofmarschall Paul Joachim Heinrich von Bülow (1650—1724) und der Superintendent von Burgdorf, Gustav Molanus (1650—1710), zu dem Kreis der Konsistorialen hinzugezogen. Die Gründe dafür sind nicht recht deutlich. 298 Vielleicht waren sie als Vertreter der in Petersens Bericht nicht genannten Binder und Erich berufen worden. Der Vater des Oberhofmarschalls, Pauljoachim 292

LB 1717, 162. LB 1717,162 f.; zu ihm vgl. Henckel, Letzte Stunden 1,1720, 5 3 - 6 2 und MEYER, Pastoren 1, 1941, 166 und 2, 1942, 93. 442. 293

294

295

Z u E i c h f e l d s. MEYER, P a s t o r e n (passim) u n d STEINMETZ 1915, 1 2 5 - 1 3 5 .

LB 1717, 164 f. LB 1717,163. Es handelt sich vermutlich um die Bezeugung vom 3.1. 1692 in Cod. theol. 1234, p. 97 f. 297 MEYER, Pastoren 1, 1941, 160 (Konsistorium). 298 LB 1717, 166. SCHERING (Petersen 1982, 236) will darin erneut die Brisanz des Vorfalls erkennen. Zu Molanus, der erst 1708 Konsistorialer wurde, s. MEYER, Pastoren, passim. Er wurde 1694 Superintendent in Haarburg. 296

322

(1606—1669), war überdies in erster Ehe mit einer Ilsabe von der Asseburg verheiratet gewesen. 299 Zu dem Konsistorialprozeß hatten Petersens Kollegen die Pastoren Brasche und Riekmann entsandt, während für den Lüneburger Magistrat die amtierenden Bürgermeister von Töbing und von Witzendorff sowie der für kirchliche Angelegenheiten zuständige Senator Schröder und der Syndikus T. Reimers die Geschäfte führten. 300 Auch der Rektor Lauterbach war als Zeuge zeitweilig in Celle anwesend. 301 Wie Petersen schon angedeutet worden war, zogen zunächst die Asseburgischen Offenbarungen das Interesse der Konsistorialen auf sich. Am 5. und 7. Januar ließ man sich über Petersens Bekanntschaft mit Rosamunde und seine Beurteilung der Offenbarungen unterrichten. Dazwischen lag der Dreikönigstag, an dem Eichfeld ähnlich wie seinerzeit Petersen das Thema von außergewöhnlichen Offenbarungen (nach Mt 2, 1 — 12) und der noch ausstehenden Verheißung einer allgemeinen Heidenbekehrung (nach Gen 9, 27 und Ps 72, lOf.) behandelte. 302 Hinsichtlich der Beurteilung der Offenbarungen geben die unterschiedlichen Argumentationen ein klares Bild von den grundsätzlichen Divergenzen. Petersen will die Asseburgischen Bezeugungen von ihrem Inhalt und der moralischen Integrität Rosamundes her beurteilt wissen. Da Rosamunde in ihren Bezeugungen nur die nach Petersens Meinung auch in der Schrift überall (ζ. B. Jes 53) zu findende Lehre vom Tausendjährigen Reich verkündet, kann er sie nicht verwerfen; die Frage der behaupteten außergewöhnlichen, göttlichen Offenbarung reduziert sich für Petersen im wesentlichen auf die inhaltliche, exegetische Frage. 303 Das ist ganz folgerichtig, wenn man bedenkt, daß für Petersen die theologische Erkenntnis eben immer eine göttlich gewirkte Offenbarung ist und die Schrift als gegenwärtiges Gotteswort an die eigenen Zeitgenossen nicht grundsätzlich von außerordentlichen, nicht über die Schrift vermittelten Offenbarungen unterschieden werden kann. 304 Darin verbirgt sich zudem eine konsequent geschichtliche Betrachtungsweise, für die die biblische Zeit mit ihren Offenbarungen von keiner grundsätzlich anderen Qualität ist als die eigene Zeit. Entsprechend kann Petersen das Problem der außergewöhnlichen Offenbarungen relativieren, indem er auf den ebenfalls nicht überprüfbaren Offenbarungsanspruch der Propheten, Jesu und der Apostel verweist. 305 Für seine von inhaltlichen Kriterien bestimmte Wertschätzung der Asseburgischen Offen299

LAMPE 2, 1963, Tafel 138.

300

LB 1717, 163. LB 1717, 209. 302 LB 1717, 169f. Zu Petersens Predigt, den sich daran anschließenden Streitigkeiten und der von Eichfeld dreimaligen Betonung des „alle" (Ps 72, 11) s. S. 234f. und „Punktirung" 1692, § 13e (p. 4). 303 Vgl. LB 1717, 162. 166. 168. Z u r Kontrolle von innerer Erfahrung, innerem Wort an der Schrift bei Arndt und Spener s. BRECHT, Spener 1977/78, 132. 304 Vgl. S. 183 ff. 305 LB 1717, 173. 176f. 301

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barungen kann Petersen auch auf einzelne Stellungnahmen zu seinem Sendschreiben (1691) hinweisen. Ph. J. Spener und Johann Diekmann hatten sich aus ähnlichen Gründen beide nicht entschließen können, die Asseburgischen Offenbarungen zu verwerfen, auch wenn sie sich nicht so positiv dazu bekennen konnten wie Petersen. 306 Auch die Generalsuperintendenten von Braunschweig-Wolfenbüttel, Bartholomäus Meyer, und der alten Mark, Daniel Bernhardi, und vielleicht der Wolfenbüttler Konsistoriale Johann Lukas von Pestorff (1638— 1693), der immerhin ein Befürworter des Wolfenbüttler Antipietisten-Edikts vom 9.3. 1692 war, hatten sich zu der Geschichte günstig geäußert. 307 Auf der Seite des Konsistoriums konzentriert man sich darauf, den besonderen Offenbarungsanspruch Rosamundes zu destruieren. Man befurchtet offenbar, daß Rosamunde im Stil der „Neuen Propheten" früherer Zeit auch das politische und soziale Gefuge angreifen könnte. So vergewissert man sich zunächst, ob ihre Offenbarungen auch die „weltlichen Politien" beträfen. 308 Der Chiliast Petersen bleibt seiner Überzeugung treu, wenn er das auch von Rosamunde angesagte kommende Reich Gottes nicht nur geistlich, sondern auch als eine die äußeren (leiblichen), politischen und sozialen Realitäten verändernde Wirklichkeit versteht. Wie schon früher leugnet Petersen aufrichtig jedes revolutionäre Interesse. Ludwig Just Sinold gen. Schütz (gest. 1710)309 und Gustav Molanus haben dagegen versucht, Rosamundes behauptete Offenbarungen als Trug zu entlarven. 310 Vor allem das „Prognosticon" für Gertraut von der Asseburg vor ihrem Tod wurde als Beweis gegen Rosamunde angeführt. Mit ihren wenigen konkreten Prophezeiungen entfernte sich Rosamunde von der einfachen Wiederholung der biblischen Verheißungen. Hieran mußte sich die Außerordentlichkeit ihrer Offenbarungen erkennen lassen.311 Nach diesen ersten beiden Verhandlungstagen ließ das Konsistorium die Asseburgischen Offenbarungen erst einmal auf sich beruhen. Unterdessen hatte man nämlich über den Ausreiter von Meding verfügt, daß Rosamunde selbst nach Celle kommen sollte, um sich einem Verhör zu unterziehen. Sie dürfte am 8. Januar in Begleitung der Frau Schirmer(sche) eingetroffen

306 Vgl. aber dessen rationale Argumentation S. 299. 307 LB 1717, 174. 178. Zu Pestorff vgl. BESTE, Pietismus 1922, 8. Ihre Gutachten sind nicht überliefert, wahrscheinlich auch nicht gedruckt. Diekmanns Brief vom 28.12. 1691 an Chr. Kortholt s. S. 262. 308 LB 1717, 174. 309 Er war der Sohn des ehemaligen Juraprofessors in Gießen und nachmaligen cellischen Kanzlers Johann Helwig Sinold gen. Schütz (1625—1677). 3.0 LB 1717, 175-177. J.L. Sinold war ein Schwager A. G. von Bernstorffs. 3.1 Möglicherweise hat man Rosamunde auch eine ähnliche, falsche Prognose für Gustav Adolf von der Schulenburg (1632—1691), den kurbrandenburgischen Geheimrat, unterstellt; LB 1717, 175. Er war der Vater des (in Lüneburg wohnhaften) Matthias Johann von der Schulenburg (s. S. 288).

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sein.312 Petersen nutzte die freie Zeit, um sich mit seinem Freund Bartolomäus Meyer (und anderen ?) in „Wadlingen" zwischen Wolfenbüttel und Celle zu unterreden. 313 Am 8. Januar stand dann Petersens Lehre selbst als Untersuchungsgegenstand an. Folgt man der Darstellung Petersens, so läßt sich auch für diesen Verhandlungstag eine klare Strategie des Konsistoriums erkennen. Zunächst läßt sich das Konsistorium nochmal im einzelnen von Petersen seine chiliastischen Vorstellungen vortragen und überzeugt sich davon, daß er weiterhin am Bekenntnis zum Chiliasmus festhält. Man läßt sich aber in keiner Weise auf eine inhaltliche Diskussion oder gar eine gelehrte Disputation mit Petersen und seinen Kollegen ein, wie es Spener gewünscht hätte, sondern fuhrt das Problem zielstrebig auf die Frage hin, ob Petersen die Rechtmäßigkeit des obrigkeitlichen Verbots einer Verbreitung der chiliastischen Lehre anerkennt. 314 Sein streitbares Eintreten für den Chiliasmus - auch wenn er den Begriff auf der Kanzel nicht gebraucht haben mag - zeigte, daß er gegen das Verbot verstoßen hatte und weiter verstoßen würde. Anschließend greift das Konsistorium aus den von dem Lüneburger Rat eingebrachten Akten und der Auflistung aller Beschwerden gegen Petersen diejenigen heraus, die den Superintendenten aufrührerischer und politisch untragbarer Äußerungen in seinen Predigten beschuldigen. Dem Konsistorium dürften dazu die Predigtnotizen von Lauterbach zur Verfügung gestanden haben. 315 Es handelt sich um die oben behandelten Predigten vom 6. und 13. Juni [14] & [15], 29. August [12] & [13] und 16. November [16] des Jahres 1690 sowie die Predigten vom 27. Februar [18], 25. März [17], 19. April und 24. Mai [19] des Jahres 1691.316 Der politische, sektenbildende Einfluß von Petersens Predigt wird dann im einzelnen nachzuweisen versucht. Auf der Hochzeit von Maria Catharina Macht mit dem Brauer Hans Meyer im Oktober 1691 soll Petersen seine Lehre als heilsnotwendig ausgegeben haben und jeden Widerspruch als die schlimmste Sünde überhaupt, als Sünde wider den Heiligen Geist (Mt 12, 32), bezeichnet haben. 317 Petersen bestreitet diesen Vorwurf entschieden. 318 Weiterhin soll Petersen nicht nur die sich zeitweilig bei ihm aufhaltenden 3,2 LB 1717, 201; vgl. ebd., 161. 178. 191 f. Am 26.1. 1692 ist Rosamunde spätestens wieder aus Celle fort (Cod. theol. 1234, p. 102). 313 Wathlingen, ca. 12 km südlich von Celle. 3,4 LB 1717, 183f.; zu Speners Wunsch s. LBed. 3, 1721, 7 1 8 - 7 2 4 (28.12. 1692). Auch die „Erforderte Punktirung" (s. Anm. 289) lehnt eine sachliche Diskussion ab (§ 8). 315 S. S. 315f. 316 Z u den einzelnen Predigten s.o.; die Zahlen in [ ] beziehen sich auf die Zählung in LB 1717, 178-201. 317 LB 1717, 198; vgl. denselben Vorwurf im Gutachten der Helmstedter Theol. Fakultät vom 21.1. 1692 (s.u.) und von Gebhard Theodor Meyer (s. Ablehnung 1692, 12f.). Das Hochzeitspaar nach KB Johannes, (Woche des) 19. Sonntag n. Trin. (18. 10.) 1691. 3,8 Verweis auf die Zeugen Pastor Eggers, der die Trauung vorgenommen hatte, und einen nicht näher bekannten Knise.

325

Studenten wie Julius Franz Pfeiffer in seiner chiliastischen Lehre unterrichtet, sondern sich schon einer Anhängerschaft von 600 Leuten in Lüneburg vergewissert haben.319 Petersen dagegen glaubt, daß einzig sein Hauslehrer J. Chr. Lange und der Lüneburger Bürgermeister Johann Reinbeck eine hinreichende Erkenntnis vom Tausendjährigen Reich hätten. Nur in England und in den Niederlanden sei diese Erkenntnis weiter verbreitet. Auch die angeblichen Konventikel Petersens gehören zu diesem Fragenkomplex, spielen aber weiter keine Rolle.320 Als stärksten Beweis für eine unstatthafte und ausdrücklich verbotene Propagierung seiner chiliastischen Ideen konnte man Petersen die Veröffentlichung von Johanna Eleonoras „Glaubensgespräche" vorwerfen, in deren dritten Teil die chiliastischen Erwartungen ausfuhrlich verkündet werden. Hier wie bei dem Druck seines Sendschreibens war Petersens Vergehen gegen einen obrigkeitlichen Erlaß trotz aller Einwände offenkundig.321 Am 9. Januar wurden dann die Deputierten des Geistlichen Ministeriums und des Lüneburger Rates gehört.322 Zu gleicher Zeit nahmen Gustav Molanus und ein weiterer Geistlicher Rosamunde ins Verhör.323 Überliefert ist ein Brief (ohne Kouvert) Rosamundes an den Vetter des Loccumer Abtes, der wohl in diese Situation gehört. Darin beruft sie sich auf das innere Zeugnis des Heiligen Geistes und die existentielle Gewißheit ihrer Offenbarungen: „der geist der warheit welgen die weit nicht kennet versichgert mir solges so mechtig und uberzeuget mir solges so warhaftig das auch alle creaturen < m i r > und alle gewalt und alles disputieren mich nichtes anders be[i]bringen kan wie viel sie auch sint den die göttligkeit Jesu Christin der mit mir ret uberweltieget mich mechtig das ich glauben mus und so ich mich auch selbst ein anders uberreden wolte so were es doch viel zu geringe das ich nicht glauben solte es were nicht Jesus Christus der sich mir in geist offenbare also wil ich es nicht weit suchgen zu beweisen der ich bin uberweltieget < v o n > das ich es glauben mus und ist mir darum der beweis viel zugeringe und dabei bleibe ich fest und unverrückt". 3 2 4 3,9 LB 1717, 198; zum Chiliasmusunterricht s. Actum, den 30.12. 1691 (Meyer) und 2.1. 1692 (Hier. Pfeiffer). Anhängerschaft: Aussage von S. Ville Chevalier, einem Anhänger Rosamundes, nach Actum, den 19.12. 1691 (Buckfisch). Die Zahl k o m m t ungefähr an die 800 Beichtkinder Petersens heran (Ablehnung 1692, 2). F. Breckling (FoB Gotha, Chart Β 962, Bl. [10b]) nennt folgende „Pietisten" in Lüneburg: Heinrich Lohalm Meyer, Johann Stern, Schwestern Asseburg, Johann Reinbeck, M. Metzendorff, J. S. Meyer und Elis. Marg. Meyer(s), Barth. Horn, Christian Meyer, Anna Meyers, Diedrich Meyer (Kaufmann), Joh. Hier. Liebenroth, Leonhard und [!] Friedrich Krüger (Sekretär), Anna Christina Baumgarten, und in Lüne: Superintendent Heinrich Wilhelm Scharff und sein Sohn David, Jacob Bruno Wigers, Viktoria Concordia Strese(n), Elisabeth Westphal, Friedrich Gifthorn, Dor. Marg. Fleiß, Cathrin Lühmans, Cath. Isebele Knütters, Casp. Henrich Jochen, Heinrich Georg Hobaus, Herrn. Jonathan Wehrenberg (SI injüterbock) und Overbeck (Konrektor). 320 LB 1717, 199 f. 321 LB 1717, 199. 210f. 322 LB 1717, 205; darüber fehlt ein Bericht. 323 LB 1717, 205. 324 N S u U B Göttingen, 2° Cod. Ms. hist 5, Bl. 45 r [Original]; s. Bl. 45" (von anderer Hand): „Brieff des freuleins von Aßeburg an den Superint. Molan" (s. LB 1717, 175); vgl. SS 1691,

§18.

326

Petersen berichtet in seiner Lebensbeschreibung noch von einigen sonderbaren Ereignissen und göttlichen Fügungen, die dem Konsistorium nach Petersens Meinung offenbar die Rechtmäßigkeit seiner, genauer, der von ihm vertretenen Sache Gottes hätten demonstrieren können. 325 A m 11. Januar findet dann ein letztes, kurtzes Gespräch mit Petersen statt, bei dem ihm vor allem der Druck des Sendschreibens vorgehalten wird. 326 Bevor man ein definitives Urteil fällte, wurde noch ein Gutachten der Landesuniversität Helmstedt eingeholt. Es datiert vom 21. Januar 1692 und kommt - wohl im Sinne des Konsistoriums - zu einer scharfen Verurteilung von Petersens Amtsführung. 327 Vom 21. Januar 1692 datiert auch die Erstfassung des Urteils. 328 Das Urteil bezieht sich auf die Streitigkeiten zwischen Petersen und dem Geistlichen Ministerium, wie sie sich seit der Resolution v o m 10. Mai 1690 gestaltet hatten, und auf das Verhör am 5. und 6. Januar 1692. Obwohl noch einige Einzelheiten zu klären seien, gäbe es doch eine „evidentia facti" des wiederholten Verstoßes Petersens gegen den obrigkeitlichen Erlaß. Das Urteil erklärt, daß sich Petersen „seines bey der Christlichen Gemeinde zu Lüneburg bisher gehalten Ambts, und aller anderer geistlichen function in diesem Fürstenthum und Landen" mit seinem Handeln selbst unfähig und verlustig gemacht habe. Entsprechend der oben dargestellten Prozeßfuhrung wird das Urteil wie folgt begründet: Petersen habe den in den von ihm selbst unter325

LB 1717, 201-204. Zu den Einzelheiten: a) Engelbrecht: Es handelt sich um das Buch „Christlicher Wunderreicher Bind=Brief [ . . . ] " , o. O. 1684 von Hans Engelbrecht (1599—1642), einem Tuchmacher und Visionär aus Braunschweig. Sein Gesicht über das jüngste Gericht „zu Zell auff der Cantzeley" aaO, J l b (ders., Eine warhafftige Geschieht und Gesicht [ . . . ] , o. O., 1640, 46f.). Beide Exemplare in N S u U B Göttingen. Vgl. Arnold, K u K H 3, 1729, 217-220. b) Zur Soldatenfrau und „Baptistin" nichts ermittelt, c) Teuto: Schatzrat Georg Teuto aus Nienburg? S. Eingabe vom 19.1. 1692 nicht ermittelt, d) Royens: Es handelt sich um den Konvertiten (Johann) Hubertus Royens (gest. 1694): LB 1717, 205 (vgl. Fabricius, o. O . o. D . - StA Lg.: Der Konvertit Royen sei zu Rosamunde gegangen und habe nach einem Gerücht „gleichsahm alß entzückt,' sich sonderbahrer Reden von dem waz Er alda von einem großen Glantz ihrer Persohn sehe, vernehmen laßen".) und Spener, LBed. 3, 1721, 435—438 (29.1. 1700) bes. 436f.; 656f. (16.4. 1694): Royens Tod; 802f. (19.8. 1693); vgl. WOTSCHKE, Sachsen 1930, 46. 51 und Arnold, K u K H 4, 1729, 1106 (Zeugen der Wahrheit), e) Franzosen (LB 1717, 206): nichts ermittelt. 326 LB 1717, 210-213. Z u von Mellefill (Melville) vgl. A D B 21,303. 327 LB 1717, 215; vorhanden in N S u U B Göttingen (8° Th. Thet. II 262/25: 22) unter dem Titel: Der || Theologischen und Juristen-Facultät || zu Helmstädt || Gutachten/ || wegen || D. Petersens Lehre || Vom || CHILIASMO, || An || Die zu D. Petersens Sache || Deputirte Hn. Geheimbden Rhäte || zu Zelle. 1692, 1 Bog. 4°. Hauptverfasser dürfte der Helmstedter Professor Gebhard Theodor Meyer gewesen sein (vgl. Ablehnung 1692,12). 328 Verschiedene Abschriften im StA und EphA Lg. Gedruckt wurde das Urteil unter dem Titel: Nach genauer Untersuchung || Abgefassetes || End=Urtheil/ || In Sachen wegen D . J o hann II Wilhelm Petersen. || Derne mitangefuget || Eine kurtze Beantwortung || Derer || Achtzehen Theologischen || Fragen/ || über die von Ihme in Druck gegebenen || Neuen || OffenbahrungenundErschei= || nungen. || [ . . . ] || Gedruckt i m j a h r 1692. ( N S u U B Göttingen, 8° Th. th. II 262/25: 13a). Das dort abgedruckte Urteil datiert vom 23.1. 1692; vgl. S. 328 und Bertram, Lüneburg 1717, Anhang, 551 f.

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schriebenen symbolischen Büchern verworfenen Chiliasmus und Enthusiasmus verbreitet. Er habe sich für sein Handeln auf vermeintlich göttliche Offenbarungen durch Rosamunde Juliane von der Asseburg berufen. 329 Seine Lehre enthalte obrigkeitsfeindliche Tendenzen, woraus ein allgemeines Ärgernis auch bei anderen Kirchen entstanden sei. Petersen vertrete seine Lehren unverändert und habe notorisch gegen das fürstliche Verbot gehandelt. Das Urteil bezieht sich damit nur auf Petersens öffentliche Amtsführung, über die die Fürstliche Regierung zu wachen hat. Für ein solches Urteil geben die Subskription der Bekenntnisschriften und die obrigkeitlichen Erlasse hinreichende Kriterien. Auf die Wahrheitsfrage wird wie schon bei der Resolution des Jahres 1690 kaum eingegangen. Ebenso verzichtet man auf eine strafrechtliche Verfolgung Petersens als Privatmann. 330 Allerdings wird auf Wunsch des Lüneburger Rats auch seine Ausweisung aus Stadt und Land Lüneburg in einer Frist von vier Wochen verfügt. Mit dem Urteil vom 21. Januar 1692 scheint aber die Sache Petersens noch nicht endgültig entschieden gewesen zu sein. Vielleicht glaubte man am hannoverischen Hof, wo man die Petersens und Rosamunde seinerzeit so freundlich aufgenommen hatte, die Entscheidung rückgängig machen zu können, wenn Petersen seine Lehre nur (teilweise) widerrufen und seine Schuld an den Auseinandersetzungen eingestehen würde. 331 Denn der Bürgermeister Stöterogge schreibt von Lüneburg aus an seinen in Celle weilenden Syndikus unter dem 21. Januar 1692 von seinen Befürchtungen, daß Petersen sich durch „hohe intercession" doch noch vor einer Amtsenthebung retten könne, was für Lüneburg einen großen Schaden bedeute. 332 Ein Zugeständnis war aber von ihm nicht ernsthaft zu erwarten, hätte er doch mit einem (taktischen) Widerruf die von ihm als besondere Offenbarung ausgegebene Wahrheit und damit sich selbst aufgegeben. Petersens Verständnis einer geistlichen Erkenntnis bestandja gerade darin, daß man sie „in praxi", d. h. auch im Bekenntnis, bewährte und sich darin ihrer mehr und mehr vergewisserte. 333 Schließlich fand der Inhalt der Lehre mit ihren Leidensankündigungen in der Nachfolge Jesu für die Petersens durch den Vorgang der Verurteilung seine Bestätigung. 334 So blieb Petersen nur das letzte Wort des Angeklagten, in dem er die ihm unterstellten aufrührerischen Tendenzen seiner Predigt zurückwies. 335 Das Urteil wurde daher nicht annulliert, vielmehr in einer weiteren Ausfertigung 329 Vgl. Bezeugung vom 9.8. 1691 (s. S. 286). Nach LBed. 3, 1721, 4 6 7 - 4 7 1 bes. 467 sah Spener gerade darin einen wesentlichen Grund für Petersens Absetzung. 330 Vgl. Gutachten der Univ. Helmstedt (wie Anm. 327), )(4a: Petersen sei „in honorem Ministerii mit anderer Straffe zu verschonen". 331 LB 1717, 2 1 5 - 2 1 7 und Ablehnung 1692, 1 - 3 . 332 StA Lg. 333 Vgl. S. 154 f. 334 LB 1717, 217. 335 LB 1717, 216.

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v o m 3. Februar 1692 bestätigt. 336 Während in Lüneburg schon am Sonntag, dem 31. Januar 1692, von den Kanzeln eine Danksagung für Gottes „gnädige direction der allgemeinen Sache, welche demselben einige Zeit hero in unserem gebethe vorgetragen worden", gelesen wurde, machte Petersen sich auf, um eine neue Heimat und ein neues Betätigungsfeld für sich und seine Frau zu suchen. Daß er durch reiche Gönner die Gelegenheit haben sollte, noch 35 Jahre lang als freischaffender, theologischer Schriftsteller wirken zu können, wird er nicht geahnt haben. 337 Ein kleines Nachspiel zu den Petersenschen Wirren gab es im folgenden Jahr. Ein (Bartholomäus?) Crasselius, Präzeptor des „Conductoris zum heiligen thai", hat Anfang dieses Jahres in einer dort gehaltenen Predigt neben anderen „exorbitanten" Sachen auch die dortigen Pfarrer wegen ihrer Verfolgung Petersens heftig angegriffen. Nach einem mündlichen Verhör in Celle wurde er ebenfalls des Landes verwiesen. 338 Im Lüneburger Ministerium unternahm der Senior G. Meier seinerseits durch einen weiteren Revers, den alle Lüneburger Pfarrer zu unterschreiben hatten, den Versuch, ein Weiterwirken von Petersens Ideen in Lüneburg zu verhindern. 339 Zusammenfassend seien zwei Beobachtungen festgehalten: 1. Mit der Amtsenthebung Petersens findet eine Entwicklung ihr Ende, die von Anfang an von der Konfrontation zwischen dem Superintendenten und dem Geistlichen Ministerium der Stadt Lüneburg gekennzeichnet war. Der Einblick in die zeitgenössischen Akten ließ dabei erkennen, daß Petersens Amtsenthebung ohne diesen gesellschaftlichen Aspekt nur ungenügend erklärt werden kann. Sie ist nur vordergründig in seinen chiliastischen Theorien, in der Unterstützung der Enthusiastin R. J. von der Asseburg oder in anderen angeblich staatsgefährdenden Lehren begründet. Diese wurden nur zum Anlaß für die Entfernung aus dem Amt genommen. Schon die günstige Aufnahme, die Petersen in der Folgezeit bei vielen staatstragenden Personen fand, muß Zweifel daran wecken, als hätten seine Zeitgenossen ihn als politisch gefährlich empfunden. Die genaue Nachzeichnung der Auseinandersetzung zwischen Petersen und seinen Kollegen seit dem Komödienstreit im Jahre 1689 bis zum Konsistorialprozeß im Jahre 1692 zeigte darüber hinaus, daß von einer zwangsläufigen Entwicklung keine Rede sein kann. Weder die Fürstliche Regierung in Abschriftlich in Göttinger Acta Piet. II, Nr. 45, gezeichnet von F. Eichfeld. Die D a n k s a g u n g im StA Lg. Für die weitere Lebensgeschichte muß (vorläufig) auf die einschlägige Literatur verwiesen werden. Johanna Eleonora starb am 19.3. 1724 (Carmen J . E. Petersen, Z . 179f.), Johann Wilhelm folgte ihr am 31.12. 1726 [!], nicht am 31.1. 1727 (Heinrich Petersen an Α. H. Francke, Loburg, den 14.2. 1727- WOTSCHKE, Petersen 1930, 385; Original: S t B Preuß. Kulturbesitz: Nachlaß Francke, Kapsel 16, 2); die richtige Datierung zuerst bei SCHRÄDER, Petersen 1979. Das Jahr 1727 als Todesjahr wurde v. a. durch die ungenauen Angaben in der S a m m l u n g 1727, 498 f. und 1738, 43 verbreitet. 3 3 8 Fabricius an B u R von L g . , [Celle], den 31.3. 1693-StA Lg. 3 3 9 Bertram, Lüneburg 1717, Anhang, 5 2 3 - 5 2 5 . 336

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Celle noch der Rat der Stadt Lüneburg waren anfangs bereit, die theologischen und kirchlichen Fragen einseitig zugunsten von Petersens Gegnern zu entscheiden. Für Petersen gab es genug Gelegenheiten, den Konflikt zu entschärfen. Zufällige Konstellationen wie der Wechsel im Bürgermeisteramt dürften ihre Bedeutung für den Ausgang gehabt haben. Auch wenn Petersen in der Urteilsbegründung als gefährlich bezeichnet wird, so liegt der Grund für die Amtsenthebung vor allem in der Bekennerhaltung der beiden Petersens, die einen politischen Ausgleich zwischen den verschiedenen Parteien nicht möglich erscheinen ließ. Weil und insofern ein Gemeinwesen auf den politischen Ausgleich angewiesen ist, kann man bei Petersen auch von einem „turbator ecclesiae et reipublicae" sprechen. 2. Das Urteil vom 3. Februar 1692 markiert das Ende der kirchlichen Karriere Petersens. Sie bedeutet nicht den Ausschluß Petersens aus der Kirche, da das Urteil ihn nur als Amtsperson trifft. Umgekehrt bedeutet sie auch nicht die Trennung Petersens von der (Staats-) Kirche. Petersen ist daher nicht in eigentlichem Sinne dem Separatismus oder dem separatistischen Pietismus zuzuorden. E r steht der Kirche nicht feindlich gegenüber, sondern ist vor allem Individualist. E r lebt sein Christentum und ist auf die Kirche als Institution nicht angewiesen.

330

Sechster Teil: Petersen als Theologe Eine unhistorische Nachschrift Einleitung

Wir haben den Weg Petersens bis in sein dreiundvierzigstes Lebensjahr hinein historisch verfolgt: ein Mann und Theologe, der durch seine Begabung früh auffiel und sich hervortat, der mit vielen bedeutenden und einflußreichen Persönlichkeiten in Verbindung stand, von ihnen geschätzt wurde, mit ihnen befreundet war. Wir sahen einen Mann mit festem Charakter und hartnäckiger Durchsetzungskraft, mit Bildung und Sachkenntnis, der zielstrebig und schnell Karriere machte: wenige Monate Professor in Rostock und Pastor in Hannover, dann Superintendent im Fürstbistum Lübeck, Doktor der Theologie und schließlich Superintendent in Lüneburg. Seinen sozialen Aufstieg krönte er damit, daß er Johanna Eleonora aus dem alten Geschlecht derer von und zu Merlau heiratete. Wir begleiteten ihn auf seinem Weg zu kirchlichem und gesellschaftlichem Ansehen. Mit der Berufung nach Lüneburg treten Konflikte auf, stagniert diese aufsteigende Karriere, stellen sich menschliche und theologische Probleme ein, und Petersen scheitert nach wenigen Jahren im Amt. Ich habe das Historische dieses Lebensweges, also das, was mit philosophischer Terminologie als „zufällige Geschichtswahrheit" bezeichnet werden kann, zu erarbeiten versucht. Ich habe nachgezeichnet, welche Anlässe, Bedingungen und Ursachen sich für diese Entwicklung zeigen. Es ging um Bekenntnis und Intrigen, Beliebtheiten und Eifersucht, um Konkurrenz und Politik, um Ehrgeiz und Ungeschicklichkeiten, um Überzeugung und Traditionalismen, um Denunziation und Selbstbehauptung auf beiden Seiten, bei Petersen und seinen Gegnern. Ein Mann seiner Begabung hätte das wohl meistern sollen oder können. Warum mußte er an diesen menschlichen Unzulänglichkeiten scheitern, von denen die Geschichte voll ist? In der Lebensgeschichte des Kirchenmannes Petersen zeigt sich manches von dem, was Goethe - nach der Lektüre von Arnolds Kirchen- und Ketzerhistorie - von der Kirchengeschichte allgemein sagt: ein „Mischmasch von Irrthum und von Gewalt". 1 Letztlich aber scheiterte Petersen an seinem mit Zähigkeit festgehaltenen Glauben an das Tausendjährige Reich, an seinem Chiliasmus. Und das nicht nur vordergründig, weil er, wie ich gezeigt habe, das Stillhaltegebot der fürstlichen Resolution vom 10. Mai 1690 gebrochen hatte, sondern grundle1

Goethe, Zahme Xenien IX (Werke 5.1, 1893, 130f. bes. 131).

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gender dadurch, daß diese Lehre mit ihren Hintergründen seine Persönlichkeit als Theologe geformt hat. Es waren zu erkennen: der grundlegende Biblizismus, der Einfluß Speners und besonders der von Petersens Frau, Johanna Eleonora von Merlau, das Vertrauen auf und die vermeintliche Einsicht in Fügungen Gottes, seine Berufungsgewißheit. Daneben standen: seine anfängliche Zurückhaltung, das langsame Hervortreten der „neuen" Erkenntnis, sein Zögern und Zaudern, sie öffentlich zu verkündigen, die gleichzeitig bekundete Treue zur Confessio Augustana trotz ihres 17. Artikels. Warum mußte sein Weg bis zum Scheitern im Amt führen, wenn man sieht - natürlich nur im nachhinein sieht - wie leicht der eingeschlagene Weg hätte korrigiert werden können? Man möchte es den reichen Gaben und den Beziehungen Petersens zutrauen, daß er mit den sich auftürmenden Schwierigkeiten fertig geworden wäre. Ist das alles nur historisch „zufällig"? Die Frage bezieht sich nicht auf die dahinter waltende Providentia Dei, sondern auf den Chiliasmus selbst. Mit ihm wurde er nicht fertig! Daran hing alles. Warum bestimmte er so dominant diesen Lebensweg? Sicher, der Reichtum der Geschichte, ihre faszinierende Vielfalt von Erscheinungen, die immer wieder die lebendige, wissenschaftliche Neugier des Forschers gefangen nehmen, liegt gerade in deren „Zufälligkeit". Jedoch verstummen damit nicht die anderen Fragen, die nicht ohne bessere Einsicht zugeben können, daß das alles Aberwitz, Versagen eines psychopathischen Hirns, Starrsinn, Prestige, Eigensinn, Rechthaberei oder eben Irrtum und Gewalt sein sollte. Die Probleme zwingen zu der Fragestellung - zumindest zu der Frage - nach einem Gesamtverständnis, nach einer vernünftig einzusehenden „Notwendigkeit" solcher Überzeugungen, danach, ob in der Sache selbst eine Konsequenz steckt, die diesen Weg zum Chiliasmus „notwendig" und insofern „vernünftig" erscheinen lassen. Eine Frage, die aus den Voraussetzungen des Chiliasmus diesen als „Vernunftwahrheit" gleichsam bestätigt und eine Antwort ermöglicht, die die herausgestellten Ursachen, Gründe und Motive als vordergründige Aspekte kennzeichnen läßt. 2 Was brachte Petersen notwendig zum Chiliasmus und damit zum Scheitern? Eine Antwort soll von zwei Problemkreisen her versucht werden: der Ethik und der Prädestinationslehre.

Die Leidenschaft

des ethischen

Denkers

Erste Konflikte Petersens zeigen, wie stark er daran interessiert war, das Tun des göttlichen Willens als Anliegen und Auftrag der Kirche in ihr, in ihrem Reden und Handeln, wieder lebendig zu machen. Der Anschein eines 2 Zum Problem der hier verwendeten Begrifflichkeit s. Kierkegaard, Nachschrift 1957,1, 50 und Brocken 1952, 72.

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Abgleitens der lutherischen Kirche des 17. Jahrhunderts zu einer billigen Gnade, die dann auch zur Rechtfertigung eines ethischen Libertinismus zu dienen schien, war eine ernste Anfechtung Petersens. Das Kommen des Reiches Gottes als Überwindung dieses Mißbrauchs der Gnade war sein heißer Wunsch. Schon in seinem Eutiner Katechismus ist davon die Rede, daß der Weg zur Begegnung mit Gott über das Tun des göttlichen Willens fuhrt, also über die Ethik. Man kann über eine theologische und kirchliche Ethik wie über jede Ethik allgemein sagen, daß sie besonders zwei Probleme zu bewältigen hat: das der Autonomie der sittlichen Persönlichkeit und das des Chiliasmus. Karl Barth hat in seinem Aufsatz „Das Problem der Ethik in der Gegenwart" 3 gezeigt, warum keine Ethik, wenn sie mit Leidenschaft und Betroffenheit, mit Einsatz und Wissenschaftlichkeit entwickelt wird, achtlos an diesen Problemen vorbeigehen kann: „Es gilt dieser Einsicht standzuhalten, ins Gesicht zu sehen, ihr nicht auszuweichen weder dadurch, daß wir den Ernst und den Radikalismus der uns gestellten Frage abschwächen noch dadurch, daß wir an der Reinheit und Erhabenheit der Voraussetzungen und des Gegenstandes eines wirklich sittlichen Tuns etwas abmarkten lassen". 4

Zunächst zur autonomen sittlichen Persönlichkeit. Für eine evangelische Theologie ein schweres, weil ein verstecktes Problem. K. Barth zeigt das in dem zitierten Aufsatz an den Theologen A. Ritsehl, Troeltsch und Schleiermacher. Oftmals wird die sittliche Persönlichkeit bekenntnisgemäß geleugnet, aber schließlich durch die Hintertür wieder zugelassen. Das reformatorische „Sola fide", der Kampf gegen die sogenannte Werkgerechtigkeit, verhindert eine Thematisierung der sittlichen Persönlichkeit. Der Vollzug des ethischen Denkens läßt sie aber wieder in Erscheinung treten. Petersen dachte leidenschaftlich und konsequent. Die sittliche Persönlichkeit war seinem Denken nicht fremd - eine sittliche Persönlichkeit natürlich im Bereich der Gnade und unter der Wirkung des Heiligen Geistes. Ist es bei ihm so ganz anders als bei Kant, von dem Barth sagt, daß er „den Menschen in unerhörter Weise in Anspruch genommen sieht, durch eine an seinen natürlichen Willen gerichtete Forderung, aber gleichzeitig gänzlich außerstande, diese Forderung anders zu realisieren als unter Zuhilfenahme einer noch viel unerhörteren Tat des Glaubens, in der er denken soll, erstens einen Gott als Bürgen dieser dem Menschen hohnsprechenden Forderung, zweitens sich selbst als fähig, diese Forderung sich zu eigen zu machen und endlich drittens sein tatsächliches Wollen und Tun als [ . . . ] dem Inhalt jener Forderung wenigstens annäherungsmöglich". 5

Daran nahm seine Zeit keinen Anstoß, auch seine Kirche nicht. Die Orthodoxie hatte eine solche Haltung in ethischen Fragen vorbereitet; wir sehen Petersen hier auf einem Weg, der im Moralismus der Aufklärung endet. Petersen hat sich dem Problem der sittlichen Persönlichkeit gestellt und es mit der Schrift (Römer 7) zu lösen versucht. Entscheidend wurde für 3 4 5

Zwischen den Zeiten 1923, Heft 2, S. 30 ff. AaO, 48 f. AaO, 41 f.

333

Petersen dann die gesellschaftliche, die objektive Seite des ethischen Problems. Nach K. Barth m u ß m a n sich die ethische Situation auch v o m Begriff des ethischen Objekts aus klarmachen: „Ich möchte daher anknüpfen an die scheinbar [ . . . ] sehr fernliegende Vorstellung v o m tausendjährigen Reiche. Sie ist fur viele unserer Zeitgenossen [ . . . ] aktuell geworden in der Form der sozialistischen Z u k u n f t s h o f f n u n g . Sie hat auch bei Kant ihre Rolle gespielt und wird überhaupt, w o i m m e r das ethische Problem ernsthaft ins Auge gefaßt wird [ . . . ] nicht zu umgehen sein". 6

Es geht beim Chiliasmus u m den Gedanken eines Zieles der irdischen Geschichte, das nicht fehlen kann, so gewiß es in der ethischen Frage u m etwas Allgemeingültiges, Menschheitliches geht. Gemeint ist damit die Frage nach einem geschichtlichen Ideal, nach einem innerhalb der Geschichte zu verwirklichenden Zielzustand, in d e m Wahrheit und Gerechtigkeit, Friede und Freiheit, Liebe und Geist herrschen sollen. Anders ausgedrückt: Kein F r o m m e r kann es hinnehmen, daß Gottes Wille für diese irdische Zeit ohne Folgen bliebe, daß sein gebieterisches Wort leer z u r ü c k k o m m e n w ü r de, daß sein Gesetz unerfüllt bliebe. „ O h n e Chiliasmus, und wenn es nur ein Quentchen wäre, keine Ethik, so wenig wie ohne die Idee einer moralischen Persönlichkeit". 7 Die Ethik weist auf die Idee einer Totalität guter H a n d l u n gen hin (wie auf die Idee eines reinen Wollens in der sittlichen Persönlichkeit), und diese Totalität, gewissermaßen die gesellschaftliche Entsprechung zur Idee des reinen Wollens, ist es offenbar, die in der Vorstellung v o m Millennium und allen ihren Derivaten i m m e r grundlegend ist. Phantastisch sind alle Vorstellungen von einem Zielzustand der Geschichte. K. Barth fragt (mit L. Ragaz) eindringlich, ob man, ohne sich solche Vorstellungen ernsthaft zu machen, das ethische Problem wirklich sehen kann. 8 Säkulare u n d christliche Systeme bestätigen das, ob m a n an Piaton und seinen Staat, Calvin und seine Theokratie in Genf, M a r x und seine Prophetie der klassenlosen Gesellschaft oder Kant und seine H o f f n u n g auf den ewigen Frieden denkt. Petersen hat die Konsequenz aller leidenschaftlichen Ethiker gezogen: Die Frage nach d e m Guten war fur ihn nicht ohne die primitive oder geläuterte Vorstellung von einem Wirklichwerden des Guten in der Geschichte im Ernst zu stellen. Wer über den Willen des biblischen Gottes nachdenkt und über diesen Gott in seiner Gottheit etwas aussagen will, wird i m m e r auf den Chiliasmus stoßen, w e n n er nicht rechtzeitig das Gute durch ein bißchen Gutsein, den Willen Gottes mit einer wohltemperierten, bürgerlichen Rechtschaffenheit vertauscht. Der Chiliasmus ist n o t w e n d i g u n d naheliegend; die chiliastische Frage zu stellen, scheint heilsam und nützlich freilich k o m m t alles auf die A n t w o r t an. M a n m u ß die Frage überwinden, denn „ob ehrenvoll oder gemein, [ . . . ] der Mensch geht unter an diesem Riff, 6 7 8

334

A a O , 42. A a O , 43. A a O , 44.

auf das loszusteuern er nicht lassen kann noch darf'. 9 Petersen hatte keine theologische Möglichkeit, der Frage nach einem irdischen Reich der Sittlichkeit auszuweichen - dafür war sein ethisches Anliegen zu ernsthaft. Aber er fand auch keinen für ihn gangbaren Weg, sie zu überwinden; dazu fehlte ihm ein theologisches Denkmodell. Wer will ihn dafür schelten? Die Reformatoren haben in ihrer Zeit auf ihre Weise das Problem zu bewältigen versucht. Und Karl Barth weist in eine richtige Richtung, wenn er sagt: „die Idee eines Inbegriffs der Zwecke braucht als O b j e k t menschlichen Willens bloß ins Auge gefaßt zu werden, u m früher oder später, spätestens aber mit dem ersten Schritt, den der Mensch, und wäre es nur in Gedanken, in dieser Richtung zu tun unternimmt, die unversöhnliche Heterogenität aller vorletzten Zwecke [ . . . ] ins hellste Licht zu stellen. " I 0

Petersen hat sich dem Problem der theologischen Ethik gestellt. Er fragte mit Leidenschaft nach dem Tun des göttlichen Gebotes. Er fragte gründlicher, unerbittlicher, aufs Ganze gehend, kompromißlos. Und er wurde als Theologe zum Chiliasmus geführt, von dem er nicht loskam. Wen wundert es, daß der Bibeltheologe, der Biblizist, der eine biblische Bestätigung für den Chiliasmus findet, davon nicht abgehen kann und will und lieber „Kopf und Kragen" riskiert. Erst wenn man so weit mit Petersen mitgegangen ist, mag und muß das große Aber der Confessio Augustana (CA 17) Halt gebieten. Der Chiliasmus, sowohl als Reich der Sittlichkeit wie als Reich der Gerechtigkeit, verliert notwendig die Dialektik des Gottesgedankens aus den Augen. Eine theologische Ethik darf nicht Gott als den Richter aus den Augen verlieren, der lebendig macht, wo er tötet, und rechtfertigt, wo er verurteilt. „Es gilt, sich rückhaltlos unter das im Problem der Ethik sich offenbarende Gericht zu beugen. Eben in der unentrinnbaren Schärfe dieses Gerichts stoßen wir auf die Wirklichkeit Gottes. Gerade sie ist die Bestätigung dafür, daß das Problem der Ethik, indem es uns gestellt ist, unsre Beziehung zu Gott bedeutet [ . . . ] Was ist denn diese unerbittliche Scheide, dieser u n ü b e r b r ü c k bare A b g r u n d , vor d e m uns da Halt! geboten wird, anderes als die Grenze, die scheidet und scheiden m u ß zwischen Gott und Welt, Schöpfer und Geschöpf, dem Heiligen und den Sündern, der überhimmlischen Idee des Guten und allen ihren als solchen notwendig gebrochenen und unendlich u n v o l l k o m m e n e n Erscheinungen. Wäre Gott Gott, w e n n er uns anders begegnete?" 1 1

Wir konnten in unserer historischen Untersuchung nicht erkennen, daß einer von Petersens Gegnern mit ihm den notwendigen Weg gegangen wäre und erst dann, dann aber mit Entschiedenheit, das große Aber, das, alles in Frage stellend, folgen muß, in freundschaftlicher Verbundenheit mit ihm erörtert hätte. So mag die Untersuchung neben ihrer geschichtlichen Absicht, ein reiches, interessantes und in gewisser Hinsicht tragisches Leben vorzustellen, abschließend anmerken: Kein rechtschaffener Ethiker wird sich vor der Konsequenz der Frage drücken können, die dem Chiliasmus 9 10 11

A a O , 46. A a O , 46. A a O , 49.

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zugrunde liegt. Keine Frage nach dem Willen Gottes kann daran vorbei. D e r Chiliasmus ist eine bleibende Anfechtung der theologischen Ethik. Kein rechtschaffener Theologe kann aber auch umhin, die Frage mit einem Nein, mit einem Ja-Aber zu beantworten. O h n e diese Anfechtung keine theologische Ethik, ohne ihre Ü b e r w i n d u n g keine theologische Ethik.

Die Anfechtung der Frömmigkeit durch den Prädestinationsglauben Die Prädestinationslehre hat Petersen, vor allem den j u n g e n Petersen, oftmals und i m m e r wieder beschäftigt. D a ß seine Auseinandersetzung mit der reformierten Gestalt dieser Lehre nur das äußere S y m p t o m für eine eigene Ungewißheit war, läßt sich vermuten, aber nicht historisch beweisen. Ü b e r sein Seelenleben hat sich Petersen nicht ausgesprochen. Aber in Petersens weiterer Entwicklung ließen sich Indizien dafür finden, daß er nicht ohne Erwählungsglauben auskam, weil der Erwählungsglaube selbst zu eng mit der christlichen Existenz verknüpft ist. Bei aller B e t o n u n g der allgemeinen Gnade Gottes in Christus, die der Mensch nicht verdienen, gegen die er sich nur verschließen kann, bleibt am Ende das Problem, wie sich denn der Glaube spezifisch v o m Unglauben und Gott von der Welt unterscheiden. Petersens Lösung dieser systematisch bedenkenswerten Frage liegt auf der Linie des Bibeltheologen Petersen: durch Biblizismus! Die Konsequenz der Erwählungslehre ist bei i h m nicht Lebenserfolg oder ethischer Perfektionismus, sichtbare Güte Gottes i m irdischen Leben. D a v o n ist er zwar ganz und gar nicht frei, aber wichtiger ist ein anderes Erlebnis. In theologischer „Gnosis", in biblizistischer Einsicht und ungewöhnlicher E r kenntnis der O f f e n b a r u n g , im Verstehen dunkler Schriftstellen und prophetischer Geschichtsdeutung und deren Aktualisierung findet er die Sicherheit seiner Erwählung, seiner Gotteskindschaft, die ihn von anderen abhebt. Dergestalt n i m m t der von seiner Kirche abgelehnte Chiliasmus eine besondere Rolle in seinem christlichen Bewußtsein ein. Er gibt ihm nicht nur material ein zusätzliches theologisches Wissen, das ja schon viele vor i h m gehabt haben, sondern sichert i h m das frohe und stolze Bewußtsein seiner Erwählung. D e r Chiliasmus f o r m t in besonderer Weise seine Persönlichkeitsstruktur. Das Verstehen der Schrift ist für ihn, wie ich zeigen konnte, Geistoffenbarung, und j e tiefer, ausgefallener und unerhörter diese E r k e n n t nisse waren, u m s o gewisser das Bewußtsein der Geistbegabung, u m s o fester das Bewußtsein, zu dem kleinen Kreis der (besonders) Auserwählten zu gehören. D e r Chiliasmus Petersens ist in diesem Sinne aus der Anfechtung seiner christlichen Existenz und damit als „vernünftig und n o t w e n d i g " zu verstehen. Auf reformiertem Gebiet rettete m a n sich bei der Anfechtung mit Hilfe des „syllogismus practicus" zur Heilsgewißheit. M a x Weber hat diesen Weg, der in variierter Form auch dort weiterwirkte, w o die unmittelbare Anfechtung durch den Prädestinationsglauben nicht m e h r gegeben war, 336

ausführlich dargestellt. Er hat auch, wenn auch nur beiläufig, gezeigt, daß nicht nur Erfolg und Gelingen praktischer, beruflicher Arbeit die darüber waltende Gnade zur Gewißheit werden ließ. Auch erfolgreiche intellektuelle Tätigkeit, insbesondere bei der Auslegung der Heiligen Schrift mit ihren dunklen Stellen und geheimnisträchtigen Aussagen, konnte diese Erwählungsgewißheit verbürgen. 12 Damit beschäftigt und davon getragen sahen wir Petersen. Gott offenbart sich in seiner Tiefe nur dem Erwählten. So ist die Notwendigkeit eines Erwählungsbewußtseins das formale Fundament seines Chiliasmus, während wir ihn material als Konsequenz eines leidenschaftlichen ethischen Denkens verstehen konnten. Petersen insistierte nicht „zufällig", sondern „notwendig" auf dem Chiliasmus. Der Fall Petersen stellt Fragen an die kirchliche Theologie. Wie kann Gottes Erwählung sichtbar gemacht werden, welche Gestalt muß sie in der Verkündigung gewinnen, damit die Anfechtung der christlichen Existenz nicht überhand nimmt und Früchte als Problemlösungen hervorbringt, deren Abweisung durch die Kirche von den Betroffenen nicht mehr verstanden wird.

Die heilsgeschichtliche Definition

der eigenen

Existenz

Die beiden notwendigen Gründe für Petersens Chiliasmus, der formale der Erwählungslehre und der materiale der Ethik, stehen nicht additiv nebeneinander; sie verschränken und durchdringen sich durch eine heilsgeschichtliche Definition der eigenen christlichen Existenz. Ich versuchte zu zeigen, wie Petersen seinen Chiliasmus in ein Gesamtkonzept geschichtstheologischer Art hineinstellt. Sein Versuch, die ganze Weltgeschichte in einen biblisch angelegten und prophezeiten Rahmen zu stellen, ist nicht frei von gnostisierenden Elementen. An seinem Ende steht als Ziel der irdischen Geschichte das Tausendjährige Reich, das Petersen mit Gewißheit kommen sieht. Sein Eintreffen wird alle Anfechtungen der Ethik und der Erwählungslehre endgültig lösen. Solange ist die Erfüllung Gegenstand der Hoffnung und nur vorläufig im Glauben zu lösen. Solange bleiben die Anfechtungen Aufgabe des theologischen Denkens. Petersen hatte nicht die Vorstellung eines unvorbereitet und jählings einbrechenden Gottesreiches auf Erden. Nach seiner Auffassung kündigt es sich geschichtlich an, sein Kommen wird vorbereitet und offenbart sich sukzessiv. Besondere Hochschätzung erfahrt natürlich die Zeit Christi, der Apostel und der Kirche der erstenjahrhunderte, in der die Erkenntnis vom Tausendjährigen Reich, wenn auch damals nicht in ihrer Tiefe verstanden, lebendig war. Die weitere Geschichte stellt den Prozeß einer trotz aller Rückschläge teleologischen Entwicklung zur eigenen Zeit hin dar, der die Erkenntnis in 12

WEBER, E t h i k 1 9 7 9 , 1 5 6 - 1 6 0 ; f ü r WEBER ( e b d . , 1 4 3 f f . ) i s t d i e P r ä d e s t i n a t i o n s l e h r e

der

historische A u s g a n g s p u n k t f ü r d e n P i e t i s m u s .

337

ungewöhnlichem Maß gegeben ist. Natürlich geht dieser Weg häufig - auch in der eigenen Existenz - durch das Martyrium. Aber die Standfestigkeit im Martyrium bekräftigt gerade die Hoffnung auf das Reich der Gerechtigkeit und des Friedens, auf das die Verfolgten eine besondere Anwartschaft haben. Das Herbeikommen des Tausendjährigen Reiches ist dadurch gekennzeichnet, daß die Hoffnung darauf und das Wissen davon zunehmend stärker und lebendiger werden. Mit der Heiligung wächst auch die geistgewirkte Erkenntnis der prophetischen Aussagen der Bibel. Aber die zunehmende Erkenntnis ist nicht nur ein Zeichen der individuellen Erwählung, sondern auch Zeichen der Zeit, kündigt als solche schon das bevorstehende Reich an. Es fordert notwendig eine verstärkte Predigt der Buße, der Heiligung und des Chiliasmus. Petersen selbst sieht seine Rolle mehr und mehr als die eines Propheten des kommenden Reiches, das in Predigten und Schriften vorzubereiten ist. So will er selbst Mitarbeiter an dem bevorstehenden Werk Gottes sein; darin sieht er seine heilsgeschichtliche Stellung. In dieser Selbstdefinition verschränken sich Ethik und Erwählungslehre. Ursprünglich Formales wird material, ursprünglich Materiales wird formal gedeutet. Auf dieser eigentümlichen Verschränkung beruht die Stringenz und die innere Geschlossenheit von Petersens chiliastischem Denken, mit dessen Widerruf er seine eigene geistige Existenz aufgegeben hätte. N u r obrigkeitliches Denken kann solche heilsgeschichtliche Existenzdefinition als revolutionären Pietismus brandmarken. Wenn ein Theologe aus der Konsequenz seiner theologischen Existenz seiner verständnislosen Kirche fremd wird - und Gründe zum Verständnis hätte es bei aller zeitgeschichtlichen Befangenheit gegeben - , ist er kein Revolutionär, kein in diesem Sinn „Radikaler", auch wenn Analogien das vordergründig nahelegen. Der Chiliast Petersen bezeichnet mit seinen Anfechtungen vielmehr ein Problem und eine Aufgabe der Kirche und ihrer Verkündigung.

Der Ursprung des Bösen in der Welt und die Rechtfertigung

Gottes

O d o Marquardt hat in zahlreichen Arbeiten den Zusammenhang zwischen einer neuen Gnosis, der Geschichtsphilosophie und dem Problem der Theodizee aufzuweisen und zu zeigen versucht, wie die Frage nach dem Ursprung des Bösen und der Rechtfertigung Gottes immanent bedeutende Teile und Strukturen der neuzeitlichen Philosophie bestimmen. 13 Die Frage 13 Vgl. O d o MARQUARDT, Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie, Frankfurt 1973 und ders., Abschied v o m Prinzipiellen, Stuttgart 1981. MARQUARDT hat in den genannten Aufsatzsammlungen den Zusammenhang von ethischer Problematik, Theodizee, Geschichtsphilosophie und Moderne von vielen Seiten her erörtert. Hier statt einer ausführlichen Diskussion ein Hinweis: „Geschichtsphilosophie [heißt] eine datierbare Formation: diejenige, die die eine Weltgeschichte proklamiert mit dem einen Ziel und Ende, die Freiheit aller; diejenige also, die gegen das scheinbar Unvermeidliche antritt, daß Menschen vom Leiden anderer Menschen

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nach dem Ursprung des Bösen gehört mit zu den oben genannten Anfechtungen von Petersens Zeit. Gott muß in seiner Güte angesichts des Bösen in der Welt gerechtfertigt werden. Gerade die lutherische Gestalt der Prädestinationslehre, mit der Petersen geistig aufgewachsen ist, versucht zu begreifen, daß das Böse nicht von Gott zu verantworten ist, und verstrickt sich dabei in das Problem der Vorsehung und des freien Willens. Die Lösungen sind seit G. W. Leibniz angesichts der Vielseitigkeit des Problems sehr verschieden. Eine zweite und dritte „Gnosis" wird festgestellt, in der der Mensch an Gottes Statt die Verantwortung für den Weltenlauf übernimmt, und die moderne Geschichtsphilosophie seit ihrer Begründung durch Voltaire und ihrer glänzenden Bearbeitung durch G. W. Fr. Hegel wird als eine besondere Lösung der Fragestellung verstanden. Mit seiner Lehre vom Tausendjährigen Reich sehen wir Petersen, einen Zeitgenossen und Bekannten von Leibniz, eine geschichtstheologische Lösung der Frage vorbereiten und zu einem ersten Abschluß bringen. In der Tat, wer abstrakt von der Allmacht Gottes, von seinem abstrakten Gutsein und seiner guten Schöpfung ausgeht, vermag die Kraft, Verbreitung und Durchsetzung des Bösen nicht zu verstehen. Man kann das Problem zur Kenntnis nehmen auf dem Wege eines sacrificium intellectus. Aber die Fragen verstummen dennoch nicht. G. W. Leibniz löst das Problem auf seine Weise: Die Freiheit des Menschen als sein höchstes Gut wird denkunmöglich, wenn nicht zugleich seine Freiheit zum Bösen eingeschlossen ist. Freiheit ist Wahlfreiheit zwischen Gut und Böse; der Begriff der Freiheit trägt in sich die Möglichkeit des Bösen. Ist der Mensch kraft seiner Freiheit die Krone der Schöpfung, so kann die Wirklichkeit des Bösen um seiner Freiheit willen nicht ausgeschlossen werden. Der Theologe Petersen geht andere Wege. Für ihn ist das Böse ebenso ärgerlich wie fur Leibniz, vielleicht sogar „von Amts wegen" noch ärgerlicher. Wir haben gesehen, wie ihn das ethische Problem gefangennimmt. Sein Denken macht deutlich, daß er das Problem der Theodizee nicht dialektisch, sondern nur heilsgeschichtlich lösen kann. Die Substanz seiner Lösung, wie sie der leidenschaftliche Ethiker Petersen sucht, tritt implizit in seinem Chiliasmus hervor. Gott überwindet das Böse heilsgeschichtlich in verschiedenen „Oeconomien". 1 4 Eine erste Gnadenwahl betrifft diejenigen, denen die Erkenntnis des Tausendjährigen Reiches gegeben war. Sie bereiten es vor und bevölkern es, während das Böse von der Herrlichkeit dieser Zeit ausgeschlossen ist und mit diesem Ausschluß bestraft wird. Das irdische Reich Gottes stellt eine erste Verwirkleben; diejenige, die Fortschritt sieht und will und Kritik der vorhandenen Wirklichkeit als Unterscheidung zwischen dem, was ihn fördert, und dem, was ihn nicht fördert, und die dabei mit einer letzten Krise rechnet und mit ihrer definitiven Lösung" (Schwierigkeiten 1973, 14): eine säkulare Form des Chiliasmus? Vgl. MARQUARDTS Auseinandersetzung (ebd., 15f) mit den Thesen K. LÖWITHS (Weltgeschichte und Heilsgeschehen, Stuttgart 1953) und H. BLUMENBERGS (Legitimität d e r N e u z e i t , F r a n k f u r t 1966). 14

Vgl. NORDMANN, Widerstreit 1931, 170-178.

339

lichung des reinen Lebens dar. In diesem Ansatz ist schon Petersens spätere Apokatastasislehre mitgegeben. Sie fuhrt konsequenterweise auf die Annullierung des Bösen oder die „Wiederbringung" der Bösen in der Ewigkeit.

340

Anhang Handschriftliche

Quellen

Vorbemerkung: Nicht alle der hier aufgeführten Archivquellen wurden in die Darstellung einbezogen, da ein Teil erst die späteren Jahre des Ehepaares Petersen betrifft. Trotzdem seien im Hinblick auf eine Bestandsaufnahme auch diese nicht verwerteten Quellen hier genannt. B E R L I N / O S T , D E U T S C H E STAATSBIBLIOTHEK: ( V g l . WINTER)

1. Lateinische Dichtungen (177 S.) (aus dem Besitz von Georg Christoph Küster) [Boruss. fol. 1209] 2. Lateinische Dichtungen [Oelrichs VIII 2° 67b] BERLIN/WEST, STAATSBIBLIOTHEK PREUSSISCHER KULTURBESITZ:

1. Briefe J. W. Petersens u n d j . E. Petersens an A. H. Francke u n d j . H. Elers [Nachlaß Francke K. 16,2] 2. Briefe J. W. Petersens u n d j . E. Petersens an J. H. Elers [Nachlaß 141 (Sammlung Adam) K. 48] 3. BriefJ. E. Petersens an Sophie Elisabeth von Sachsen-Zeitz [Sammlung Darmstadt 2 d 1692] CELLE, STADTARCHIV:

Revers der Fürstl. Regierung wegen Berufung des Superintendenten Caspar Hermann Sandhagen an die Stadtkirche Celle 1689 [16 A 241] DARMSTADT, HESSISCHES STAATSARCHIV:

Metrische Rede auf Landgräfin Sophia Eleonora v. Hessen (1671) mit Brief vom 26. 8. 1671. [D 4, Konv. 196, Fasz. 5] DRESDEN, LANDESBIBLIOTHEK: (Vgl. SCHMIDT, Dresden) 1. Rosamunde Juliane von der Asseburg, „viele vnd sonderbahre Göttliche Erscheinung vndt offenbahrung, welche sie von jhrem VII. jähr biß in jhr XV. jähr gehabt; Offenbahrungen welche sie zur Erläuterung H. Schrifft vnd beantwortung vorgelegter fragen, wie auch zur Tröstung der gottseeligen empfangen. "(11 Bll. 4°) [N 80 b] 2. J. W. Petersen, Erklärung von Apocal. 20, 6 (vgl. SVN 2, 5) [P 289, 6a] 3. J. W. Petersen, „die Geburth Zion" (Predigt, 64 Bll.) [N 7 2 - 7 3 ] 4. J.W. Petersen [Übers.?] von: Paul Greber, Der seidene Weltfaden, 3 Teile [N 44] 5. J. W. Petersen, Erklärung v o n j o h . VI, 29.39 [P 289, 6b]

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D R E S D E N , STAATSARCHIV:

BriefeJ. Ε. v. Mferlaus] u n d j . W. Petersen an Sophie Elisabeth von Sachsen-Zeitz aus den Jahren 1678—1684 [Loc. 8606] F R A N K F U R T / M . , STADTARCHIV:

Ratsprotokolle 1677/78 Ratssupplikationen 1678 (Bl. 72 f.) F R A N K F U R T / M . , S T A D T - U N D UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK: ( V g l . R I C H E L )

1. Briefwechsel J. W. Petersens mit Ζ. K. Uffenbach (4 Briefe 1725) [Ms. Ff. Ζ. K. Uffenbach, Bd. 11 (24, 44, 46, 86)] 2. Trauergedichte (Kriegsverlust) [Biogr. Coli 48 (182. 183)] 3. Senckenbergische Bibliothek, NachlaßJ.J. Schütz GIESSEN, UNIVERSITÄTSARCHIV:

Dekanatsbuch der Philosophischen Fakultät [Phil C 4 Bd. 1] G Ö T T I N G E N , STAATS- U N D UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK:

1. Brief J. W. Petersens an Jakob Henning [Philos. 90 (Bl. 17)] 2. J. W. Petersen, Schrifftmäßige Erklärung (vgl. Werkverzeichnis) [Theol. 298, 34b] 3. Drei= und Zwantzig Fragen Welche HEn Doct: Johann Wilhelm Petersen Im Consistorio zu Zelle bey der Ersten Verhör zubeantworten vorgelegt. [Acta Pietistica II, 41] 4. Brief von R. J. v. d. Asseburg an Gustav Molanus [2° Cod. Ms. hist. 5, p. 4 5 - 4 7 ] 5. Lüneburger Kirchenordnung [2°Cod. jur. 170(a)] 6. H. Dittmers Chronik von Lüneburg [2° Cod. hist. 355] 7. Resolution vom 21.5. 1639 [in: 2° Cod. jur. 703] G O T H A , FORSCHUNGSBIBLIOTHEK:

1. Epistolae Brecklingici (u.a. an J.W. Petersen) [Chart Β 198, Nr. 176-192] 2. Sammel-Briefband (v. a. von Breckling, u. a. an J. W. Petersen) [Chart Β 195, Nr. 12] 3. Originalbriefe berühmter Gelehrter, Bd. 3 (u. a. J. W. Petersen an Fabricius) [Chart Β 669, N r . 44, 47] 4. Schmähschrift auf J. W. Petersen [1708]: Der durch Urthel und Recht || abgesetzte II [ . . . ] II D.Johann Wilhelm Petersen [ . . . ] [Chart Β 1259] 5. Apparatus ad historiam ecclesiasticam novam, Teil 1 (u. a. betr. Philadelphier und Petersen) [Chart A 297, Nr. 15, 25,36] 6. Dasselbe, Teil 3 (J.W. Petersen, Carmen fur S.Stryck, 1709 und Historia Pietismi von Buddeus) [Chart A 299, Nr. 17, 32]

342

7. Dasselbe, Teil 6 (Μ. T H O M A E Forstmanns || Ohnpartheyische Anmerckungen [ . . . ] ) [Chart A 302, p. 613-726] 8. Varia ad historiam Pietismi [ . . . ] (u. a. 18 Theolog. Fragen) [Chart A 307, Nr. 4] 9. Commercium Literarum [ . . . ] (u.a. G.Arnold und J. W. Petersen an Friedrich I., 1701) [Chart A 420, Nr. 28] 10. F. Breckling, Meditamenta Autographa (Mitteilungen zu Pietisten an einzelnen Orten) [Chart Β 962 (1)] HALLE, A R C H I V DER M A R T I N - L U T H E R - U N I V E R S I T Ä T HALLE-WITTENBERG:

Briefe beider Petersens an Α. H. Francke [Rep. 2 7 I V / B 1 Nr. 7 (Nr. 1159)] (AFSt): 1. Briefe Ph.J. Speners an J.W. Petersen 1673-1692, 1694-1696 [A 196], [C 146] 2. Einzelne Briefe beider Petersens (ζ. T. in Abschrift) [A 113; A 140, A 181; D 84; D 89, F 32] 3. Calenberg, Documenta historiae ecclesiasticae recentissimae [ . . . ] (1727) [D 77 a.b.] 4. Calenberg, Kirchengeschichte, Bd. 1 (1688) bis 4 (1692) [Cal.hist]

HALLE, A R C H I V DER FRANCKESCHEN STIFTUNGEN

H A M B U R G , STAATSARCHIV:

Minist, von Lg. an Minist, von Hamburg, Lg., den 6. 2. 1690 und Schreiben Petersens an Minist, von Hamburg (s. S. 237f.) [511-1, Ministerium, III A 1 g] H A M B U R G , STAATS- U N D UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK: (Vgl. KRÜGER, Supellex und B E K KER, Hamburg) 1. Briefe J. W. Petersens an Verschiedene [Sup. ep. 91, 4° 52] 2. Briefe J. E. Petersens an Verschiedene [Sup. ep. 91, 4° 45] 3. Aufzeichnungen von Offenbarungen der von Asseburg, 1 Brief von ihr an J. Leade, Offenbarungen von Melchior Hofmann und einer Schwartzin aus Magdeburg (Vorbesitzer: J. M. Goetze) [2° Cod. theol. 1234 (Berlin)] H A N N O V E R , AEGIDIENKIRCHE:

Die einschlägigen Akten sind 1943 im Landeskirchlichen Archiv verbrannt. H A N N O V E R , LANDESKIRCHLICHES A R C H I V :

1. Personalakte Petersen: ist 1943 mit den übrigen Personalakten verbrannt. Das Findbuch (B 7) gibt keinen Aufschluß über die seinerzeit dort gesammelten Akten. 2. Konsistorialakten von Celle-Hannover: sind 1943 fast vollständig verbrannt. H A N N O V E R , LANDESBIBLIOTHEK (LEIBNIZ-ΝACHLASS): ( V g l . B O D E M A N N )

1. Leibniz' Bericht über Rosamunde Juliane von der Asseburg, o.J. [LH 1,20, Bl. 1 - 3 ] 2. J. W. Petersen an Frau Abt Kotzebue (1692) [LH 1,20, Bl. 18f.]

343

3. Brief G. W. Molanus' an J . W. Petersen (abschriftlich) [LH I, 20, Bl. 2 0 - 2 3 ] 4. Briefe Molanus' an J. W. Petersen (2 Briefe) [LBr II, 16 (nicht auffindbar)] 5. Leibniz' Verbesserungen zu J . W. Petersens Urania [LH X X X I X , 18 (Kriegsverlust)] H A N N O V E R , NIEDERSÄCHSISCHES H A U P T S T A A T S A R C H I V

(NHSA):

1. Lüneburger Superintendenten Bestallung [Han. Dep. 83 III, 478 (bes. Vol. 3, Bl. 3 6 - 4 6 ) ] 2. Akten zu Bedienten des Celler Hofes [Celle Br. 44] 3. Herzog Georg Wilhelm: Der Superintendent zu Lüneburg D. Joh. W. Petersen sowie einige vidimente Abschriften der R. J . v. d. Asseburg [Celle Br. 48, 30] 4. [R. Schott; vgl. S. 261 u. 289] [(K.G.) Cal. Or. 63 F VI Nr. 31, Bl. 100] HANNOVER, STADTARCHIV:

1. Redecker, Hannoversche Chronik Bd. 2 (1584-1762), S. 700, 701, 726 (ohne bes. Bedeutung) [B 8288g] 2. Notizensammlung Volgers über Gelehrte in Lüneburg [B 22 309m] 3. Besoldung der Geistlichen (mit einer Rechnung Petersens) [AA X I V , Κ 4] 4. Neue Akten der Aegidienkirche (mit einer Rechnung Petersens und seinem Brief an B u R von Hannover anläßlich seiner Berufung) [AA X I V , V I - 9 ] 5. Pfarrlehnregister 1 6 5 8 - 1 6 8 3 (Bl. 560b: Habit für Petersen) [B 7148 K] HERRNHUT, UNIVERSITÄTSARCHIV:

Zwei Briefe [J. W. Petersens] an N. L. von Zinzendorf (Hinweis von Hans Schneider) [R 20 D. 1 . 1 8 7 u n d R 2 0 D . 2.63] KARLSRUHE, LANDESBIBLIOTHEK: ( V g l . LAMEY)

1. Briefe J. W. Petersens undj. E. Petersens an H. v. d. Hardt (9 Briefe 1689/90) [K 321] 2. H. v. d. Hardt an J. W. Petersen (13 Briefe 1689/90) [K 3 2 8 - 3 3 2 ] 3. J. W. Petersen an Christ. Kortholt 1686 (Auslegung von Rom 7) [K 321] 4. Briefe an H. v. d. Hardt (u. a. von Α. H. Francke und J . H. Elers) [K 319] KASSEL,

GESAMTHOCHSCHUL-BIBLIOTHEK:

1. J. W. Petersen an Herzogin von Sachsen-Zeitz [2° Ms. hist. litt. 4] 2. Strieder, Biographische Notizen (S. 22a) [4° Ms. Hass. 178] K I E L , LANDESBIBLIOTHEK:

344

Catalogus illustrissimi [ . . . ] Christiani Friderici Comitis de Brockdorff. [ . . . ] anno 1718 [CP 21] K I E L , UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK:

1. Briefwechsel Chr. Kortholts mit J . W. Petersen (und J. Diekmann u. a.) [S. H. 406 A3 N r . 17] 2. J . W. Petersen, Schrifftmäßige Erklährung (vgl. Werkverzeichnis) [ K . B . 141] 3. Petri Petreii [ · . · ] , eigenhändige Kirchen Geschichte der landschafft Eydersted, Everschop und Uthholm K O B L E N Z , LANDESHAUPTARCHIV:

Abschriften von vier Urkunden (1710—1724) betr. Standeserhebung von A. F. Petersen (Titel „von Greifenberg" 1710/11; Reichsritterschaft 1722/24) [Best. 54 Ρ N r . 36] KOPENHAGEN, KONGELIGE BIBLIOTEK:

1. Briefe J. E. Petersens an J . Fabricius (2 Briefe 1707) -Lt. Mitteilung v o m 4.12. 1985 nicht auffindbar. 2. Briefe J. G. Graevius an J. W. Petersen (2 Briefe 1678) L Ü B E C K , A R C H I V DER H A N S E S T A D T ( A H L ) :

1. Briefe J . W. Petersens an Α. H. Gloxin (Schabbeistiftung) (1673-1679) [Schabbeistiftung 29] 2. Bibliothekskatalog B d . 7 (Personalschriften), LXIII Lübeck 3. Altes Archiv: Indicis Registraturae Lubecensis Tomus complexus Res ecclesiasticas (1755) und dazugehörige Findbücher 4. Nachlaß Meno Hanneken 5. Schnobel, Lübeckische Geschlechter 6. Schröder, Das 17. Jahrhundert Laut Auskunft des Archivs sind die bis zum Dezember 1986 in der D D R ausgelagerten Bestände vorerst nicht zu benutzen. L Ü B E C K , N O R D E L B I S C H E S KIRCHENARCHIV:

Nachlaß Ranke (Abhandlung zu Peter Günther) L Ü N E B U R G , EPHORALARCHIV:

1. Personalakte J . W. Petersen [Fasz. 12 Nr. 203] 2. Kirchenbuch [Minist Η 7] 3. Protokollbuch der Johanniskirche (1597-1799) [Minist Η 3] 4. Sammlung der Confessiones fidei [Minist Η 10 (8°) und Η 12 (4°)] 5. Kirchenbücher L Ü N E B U R G , STADTARCHIV:

1. Protocollum (Anno 1687 et 1688) mit zugehörigen Beylagen, betr. des Herrn Superintendentis Caspar Hermann Sandhagens Resignation und Herrn, D . Johan Wilhelm Petersens Vocation [ A A P 4, Nr. l-9a und 10] 2. Akte zum Streit J . W. Petersens mit dem Geistlichen Ministerium [ A A E 1 , Nr. 49]

345

3. Ratsprotokolle 1643-1799 [AA Ρ 7] 4. Acta von Comödianten und Comödien (bes. Actum, den 8.11. 1689) (vgl. GAEDERTZ 1888, 1 1 6 f . )

[AA G 3 db, Nr. 1 (24)] LÜNEBURG, STADTBIBLIOTHEK:

Franz Michelsen, Lüneburger Stadtchronik [A 2° 17] OSNABRÜCK, STADTARCHIV:

Akte Magister Andreas Prätorius (1619-1621) [Dep. 3b IV, Nr. 2312] SCHLESWIG, LANDESARCHIV:

1. Bestallung des Magisters Johann Wilhelm Petersen [ . . . ] 1678 [Abt. 260 Nr. 4018 (11. 2. A. b. 3)] 2. Superintendent in Eutin betreffend (2 Schreiben) [Abt. 268 Nr. 244] 3. Findbuch Bd. 4 zu Abt. 260 (Regierung Eutin, Abt. 11 Religionssachen) (vernichtete Akten zu Katechese und Konfirmation u. a.) 4. Findbuch Bd. 2 zu Abt. 260 (Regierung Eutin, Abt. Hofverwaltung) (vernichtete Akten) STUTTGART, LANDESBIBLIOTHEK:

J. W. Petersen, Ad theses de administratione eucharistiae [Cod. hist. 4° 689, III, 3] WEIMAR, STAATSARCHIV:

BriefJ. E. Petersens an Heinrich X X I V . zu Reuß (1713) WIEN, ÖSTERREICHISCHES STAATSARCHIV, ALLGEMEINES VERWALTUNGSARCHIV:

Akte zur Standeserhebung von A. F. Petersen (1711 — 1715) WIESBADEN, LANDESBIBLIOTHEK:

Briefwechsel J. W. Petersens mit M. Nethenus (2 Briefe 1676) [Hs 93] WOLFENBÜTTEL, HERZOG-AUGUST-BIBLIOTHEK:

Briefwechsel von Herzog Rudolf August mit H. v. d. Hardt [126, 1—8 Extr. 4] STAMMBUCHEINTRAGUNGEN:

1. W.K. Spener (Vgl. Schieckel, Stammbuch 1986, 161). 2. Griech. Gedenkspruch, Hamburg, den 1.12. 1681: s. das Verzeichniss der von [ . . . ] J. von Radowitz hinterlassenen Autographen-Sammlung, 2. Teil, Berlin 1864 (Versteigerungskatalog Hübner-Trams) [= Stammbuchblatt 1681 in StB Berlin nach Aland, Spener-Studien 1943, S. 80]; heute: Jagellonske Bibliothek Krakau.

Quellen und

Literatur

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Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von, „Eine Rede [ . . . ]", von J. T h . MÜLLER, in: Zeitschrift für Brüdergeschichte 3,1909, S. 207—238 (Zinzendorf-Ausgabe, Materialien und D o k u m e n t e III/l), Hildesheim-New York 1973. Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von, „Leben des [ . . · ] " , von August Gottlieb Spangenberg (Zinzendorf-Ausgabe, Materialien und D o k u m e n t e II/l — 2), Hildesh e i m - N e w York 1975 (S. 75. 300f.). Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von, „Tagebuch 1716—1719", hg. von G. REICHEL u n d j . T. MÜLLER, in: Zeitschrift fur Brüdergeschichte 1, 1907, S. 113—203 und 2.2, 1908, S. 8 1 - 1 1 7 (129) bes. 92 (Zinzendorf-Ausgabe, Materialien und D o k u m e n t e III/l), Hildesheim N e w York 1973. Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von, Hauptschriften in 6 Bänden, hg. von Erich BEYREUTHER und Gerhard MEYER (Nachdrucke), Hildesheim 1962/63. Ergänzungsbände zu den Hauptschriften, Hildesheim und N e w York 1966— 1985; Materialen und Dokumente, hg. von E. BEYREUTHER, G. MEYER und Amedeo MOLNÄR, Hildesheim und N e w York 1975-1979. Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von, Teutsche Gedichte [ . . . ] (1766) (Zinzendorf-Ausgabe, Ergänzungsband 2), Hildesheim 1964 (S. 96—100). ZORN, Wolfgang, „Sozialgeschichte 1648—1800", in: AUBIN-ZORN 1, 1971, S. 5 7 4 - 6 0 7 .

Siglen und wichtigste < > ADB AFSt AHL Bed. BKV BLC BLSH Bm BSB BSLK BuR CA Cal. doc. Cal. hist.

Abkürzungen

Text gestrichen —* Allgemeine Deutsche Biographie Archiv der Franckeschen Stiftungen (Halle a.S.) Archiv der Hansestadt Lübeck —» Ph. J. Spener, Theologische Bedenken Bibliothek der Kirchenväter British Library Catalogue —» Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein Bürgermeister Bayerische Staatsbibliothek (München) —* Bekenntnisschriften Bürgermeister und Rat Confessio Augustana {—* Bekenntnisschriften) Calenberg, Documenta (—> AFSt) Calenberg, Kirchengeschichte (—» AFSt)

379

Cod. theol. 1234 Cons. CSEL DBA DWB(N) EKG EphA EvStL FC FoB FS GB GG Grünberg [ ] HBFSt HG hss. HWdtA KB KO Kop. LB L B / L B II LBed. Lit.-Verz. LP Lg. Minist. MOGV MRKG MVLGA Ndr. NF NHSA NSuUB o.D. PD PuN RE Reg. RGG SA SHLA

380

Asseburgische Offenbarungen (—> Hamburg, SuUB) —> Ph. J. Spener, Consilia Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum —» Deutsches Biographisches Archiv - > Deutsches Wörterbuch (Neubearbeitung) Evangelisches Kirchengesangbuch Ephoralarchiv (Lüneburg) —> Evangelisches Staatslexikon Formula Concordiae (—* Bekenntnisschriften) Forschungsbibliothek (Gotha) Festschrift —»J. W. Petersen, Spruchkatechismus 1685, Glaubensbekenntnis —»J. E. Petersen, Glaubensgespräche mit Gott 1691 —» P. Grünberg, Spener, Bd. 3, S. 21 Iff: Spener-Bibliographie Hauptbibliothek der Franckeschen Stiftungen (Halle a. S.) —»J. E. Petersen, Gespräche des Herzens mit Gott handschriftlich Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens —> BächtholdStäubli Kirchenbuch Kirchenordnung Kopulationen Landesbibliothek Lebensbeschreibung der Petersens (s. S. 14) —» Ph. J . Spener, Letzte Theologische Bedenken Literaturverzeichnis Leichenpredigt Lüneburg Geistliches (Prediger-) Ministerium Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins Monatshefte für Rheinische Kirchengeschichte Mitteilungen des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde Nachdruck Neue Folge Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv (Hannover) Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek (Göttingen) ohne Datum —» Ph. J . Spener, Pia Desideria Pietismus und Neuzeit. Ein Jahrbuch zur Geschichte des neueren Protestantismus —» Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche Regierung —* Die Religion in Geschichte und Gegenwart Staatsarchiv Schleswig-Holsteinisches Landesarchiv (Schleswig)

SK SS 1691 StA StB s. v. SV(N) SVSHKG TGP Th. TRE UB UN vh. WA WdF ZGNdsKG ZGSHG ZHTh ZKG ZRG ZRGG ZThK ZVLGA

—>J. W. Petersen, Spruchkatechismus —»J. W. Petersen, Sendschreiben 1691 Stadtarchiv Stadtbibliothek sub voce Verzeichnis der (nicht) erschienenen Schriften Petersens nach L B 1717, 368ff. Schriften des Vereins fur Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte Texte zur Geschichte des Pietismus These —» Theologische Realenzyklopädie Universitätsbibliothek —> Unschuldige Nachrichten vorhanden in —» M . Luther, Werke (Weimarer Ausgabe) Wege der Forschung Zeitschrift der Gesellschaft für Niedersächsische Kirchengeschichte Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte Zeitschrift für die historische Theologie Zeitschrift für Kirchengeschichte Zeitschrift (der Savigny-Stiftung) für Rechtsgeschichte Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte Zeitschrift für Theologie und Kirche Zeitschrift des Vereins fur Lübeckische Geschichte und Altertumskunde

381

Werkverzeichnis

(Auswahl)

Aufgenommen sind alle Werke bis 1692, spätere nur, soweit sie zitiert werden. Für die detaillierte bibliographische Titelaufnahme sei auf das vollständige Werkverzeichnis meiner Dissertation hingewiesen, das demnächst - leicht überarbeitet separat erscheinen soll.

I.Johann

Wilhelm

Petersen

Werke D E C U R A DOMESTICA R O M A N O R U M , DISSERTATIONES I V . DIRIGENTE A C T U S , P H I L . L U D O V . HANNEKENIO [...], Gießen: Hampel 1669. Darin die 2. Dissertation: De respectu herili (S. 41—84). [Philia aphilia] seu DISPUTATIO H I S T O R I C O - T H E O L O G I C A De Themate Quod Calviniani s. Reformati nunquam vere, serio & justo modo Spiritualem fraternitatem cum [gnesios]-Lutheranis inire voluerint. [...] sub PRAESIDIO D N . D. A U G U S T I VARENII, [...] submittit [...], Rostock: Kilius 1671. HEERBORDUS EXPENSUS, seu DISPUTATIO PHILOSOPHICA, In qua Hypotheses, ab Heerbordo propugnatae, D E INCOMMUNICABILITATE PROPRIORUM, Examinantur & refutantur: [...], Rostock: Richel 1672. DISPUTATIO SOLENNIS, Q u a m [ . . . ] PRAESIDE M . H E N R I C O PHASIANO [ . . . ] SUBJICIUNT IX. Honesti, Eruditi, & Eximii Philosophiae C A N D I D A T I , AD G R A D U M MAGISTERII EX MERITIS C O N S E Q U E N D U M ; Qui ad theses eo, quem citra ullius vel eruditionis vel dignitatis praejudicium SORS tulit, respondebunt ordine, in Collegio JCtorum, die 7. Mart. 1672., Gießen: Hampel 1672. Darin S. lOf. acht Thesen von J. W. Petersen „absens". P U G N A N O N P U G N A s e u DISSERTATIO d e O S C U L O PRAESCIENTIAE D I V I N A E C U M LIBER-

Aperiendi collegia & facultate publice disputandi [...] submittit [...], Gießen: Karger 1673. LUCIANI SAMOSATENSIS [Zeus elenchomenos], Ubi Providentia divina, cultus Gentilium cum ipsis Diis, Fatumq; Stoicum ä Luciano eluditur; [...], Gießen: Karger 1674. TATE ARBITRII, E T CONTINGENTIA R E R U M Q U A M P R O LICENTIA

Secundum SERIEM L O C O R U M C H R I Auetore [ . . . ] H A N N E K E N I O , [...], Gießen: Karger [1675]. Darin die Disputationen II „De Scriptura Sacra" (S. 3—5), XIII „De Peccato in Spiritum Sanctum & in Filium Hominis" (S. 29—31), XVIII „De Officiis & Statibus Salvatoris" (S. 46—51) und XXVI „De Tribus Hierarchiis Ecclesiaemilitantis" (S. 78-81). I . N . J . C . D E V I A DOCTRINALIA IN COLLEGIO THEOLOGICO D. SAMUELIS MARESII occurrentia [ . . . ] PRAESIDE PHILIPPO L U D O V I C O H A N N E K E N I O [ . . . ] RESPONDENTE B A R TOLDO KEMPEO [...], Gießen: Karger 1675. Darin: Mantissa (in die Seitenzählung nicht mit einbezogen). [ . . . ] THEOLOGIAE POLEMICAE T E N T A T I RECESSUS STIANAE D O C T R I N A E .

382

Perperam cum motione Christianorum Principum ä Turcis ad pacem firmandam juramentum exigentium collata, [...], Gießen: Müller und Vietor 1675.

I . N . J . DISSERTATIO D E PRAEMOTIONE DIVINA REFORMATORUM N O N DIVINA.

I n N O M I N E JESU! O S C U L U M LEGIS NATURAE C U M PRAECEPTO PRIMO DECALOGI [ . . . ] ,

Gießen: Müller 1676. An D E U S ab omni aeterno iuxta Reformatorum sententiam aliquos amore benevolentiae citra ullum Christi, & Fidei respectum dilexerit? [...], Gießen: Karger 1676. APOLOGIA Pro JUSTITIA CAUSAE ASSERTAE QUAESTIONIS An Deus ab omni aeterno juxta Reformatorum sententiam aliquos Amore benevolentiae citra ullum Christi & Fidei respectum dilexerit? [...], Gießen: Karger 1676. Die Gnade Gottes an und in uns/ In einer Christlichen Leichpredigt über den Spruch Pauli aus der I. Cor. 15.10. [...] Dem WollEhrwürdigen und Frommen Herrn CHRISTIANO Meyer/ [...] vorgestellet [...], Lübeck: Jäger 1679. Eyd=Predigt Welche/ Aus des Propheten Zachariae Cap. V. vers. 1.2.3.4. nachfolgenden Worten: [...] gehalten/ und zum Druck gegeben [...], Ratzeburg: Nissen 1680. Pflicht=Predigt/ Aus Der I. Corinth. 9. ν. 17. nach den Worten: [...], Ratzeburg: Nissen 1680. Bußpredigt über Hos VII, 16 (nach LB 1717, 48). I.N.JESU! Spruch=Catechismus/ Aus dem Catechismo des sei. Lutheri in Fragen vorgestellet/ Die mit den unmittelbahren Sprüchen der heiligen SchrifFt beantwortet werden; [ . . . ] Sammt einer Vorrede Hn: Christiani Kortholt/ [...], Ploen: Schmidt 1685. Abk.: SK 1685. Weitere Zwischentitel: [1] Ein Kleiner Auszug Aus dem großen Catechismo/ Für Der Jugend. [2] Ein Christliches Glaubens=Bekäntniß/ Aus dem unmittelbahrem Worte Gottes hergenommen/ [...]. Abk.: GB (I—III). [ . . . ] O M N I A E T IN O M N I B U S CHRISTUS, In quo omnes Articuli fidei concatenatim cohaerent, & quo soluto tota illorum compages solvitur, & disrumpitur, [ . . . ] SUB PRAESIDIO [ . . . ] D N . JUSTI CHRISTOPHORI SCHOMERI, [...], Rostock: Weppling 1686. Abk.: Omnia 1686. AETERNATURAE Memoriae Viri Magni Domini MATTHIAE WASMUTHI, Professoris Theologi Celebratissimi die 18 Nov. 1688 [ . . . ] obdormientis, Sacrum esse voluit [...], Kiel: Reumann 1688. I.N.J. Spruch=Catechismus/ [...], Frankfurt a. Μ. und Leipzig: Lipper 1689 Daran: Ein Christliches Glaubens=Bekäntnis für einem sich zum Christenthum Bekehrenden Juden/ [ . . . ] R U B E N SIMON aus Amsterdam/ [...]. Abk.: S K 1689. Send=Schreiben An einige Theologos und GOttes=Gelehrte/ Betreffend die FRAGE O b Gott nach der Auffahrt Christi [ . . . ] sich offenbahren wolle [ . . . ] Sampt einer erzehlten SPECIE FACTI Von einem Adelichen Fräulein/ [...], o. O. 1 6 9 1 . Abk.: SS 1 6 9 1 . Send=Schreiben (wie vorheriger Titel), o. O. 1691. (Anderes, Seiten—, aber nicht

JUSTITIA CAUSAE, P R O ASSERTA QUAESTIONE

383

zeilengleiches Exemplar ohne Druckfehlerverzeichnis, andere Schmuckelemente-) Send=Schreiben An einige Theologos und Gottes=Gelehrte/ Betreffend die FRAGE O b G O T T nach der Auffahrt Christi nicht mehr heutiges Tages durch göttliche Erscheinung den Menschenkindern sich offenbahren wolle und sich dessen gantz begeben habe? [...], [Frankfurt a. M.] 1691. Send=Schreiben An einige Theologos und GOttes-Gelehrte/ Betreffend die Frage/ O b GOtt nach der Auffahrt Christi [...] sich offenbahren wolle [...] Samt einer erzehlten SPECIE FACTI Von einem Adelichen Fräulein/ [...], [Frankfurt a. M.: Brodhagen] 1692. Send=Schreiben An einige Theologos und GOttes=Gelehrte/ Betreffend die FRAGE O b GOtt nach der Auffahrt CHristi nicht mehr heutiges Tages durch Göttliche Erscheinung den Menschen=Kindern sich offenbahren wolle/ und sich dessen gantz begeben habe? Sampt [...], Frankfurt a. M. und Leipzig: Brodhagen 1692. (Korr. Druck von vorherigem Titel, leicht vermehrt vom Verleger.) Auszug aus []. W. Petersens] grossen Spruch=Catechismo neben desselben christlichem Glaubens=Bekänntniß/ mit des Hr. Autoris Bewilligung der Jugend zum Besten gedruckt [...], Plön 1691. (Nach Bertram, Lüneburg 1717, 267; ein solches Exemplar war nicht zu ermitteln). Ablehnung Der schändlichen Aufflagen/ [...], Frankfurt a.M. und Leipzig: Brodhagen 1692. (Vier verschiedene Drucke.) JUSTA ANIMADVERSIO, Qua Professorem aliquem Helmstadiensem Contra REGNUM JESU CHRISTI, In septimä tubä promissum, [ . . . ] armantem [ . . . ] refutat [...], Frankfurt a. M.: Brodhagen 1692. [ . . . ] Schrifftmässige Erklährung und Beweis Der Tausend Jahre/ und der daran hangenden ersten Auferstehung/ Aus der Offenbahrung S.Johannis am 20. Cap. [...], Frankfurt a. Μ. 1692. In nomine JESU! N U B E S TESTIUM VERITATIS D E REGNO CHRISTI GLORIOSO, IN SEPTIMA T U B A FUTURO TESTANTIUM LIBRI TRES. [...], Frankfurt a. M . : Zunner 1 6 9 6 . Die Wichtigkeit der Verkündigung des Reichs Christi und der Ersten Auferstehung zum Reich/ aus GOttes Wort vorgestellet [...], Frankfurt a. M. 1696. SCOPTICISMUS PFEIFFERIANUS, Oder Der Geist Ismaels, in D. Pfeiffern offenbahret/ Damit er liederlicher Weise Die Hoffnung besserer Zeiten/ Oder Das Reich Christi außhöhnet/ [...], Frankfurt a. M.: Zunner 1697. Qkse' J H W H ] Seu REGNUM CHRISTI DEFENSUM Contra D N . JOHANNEM GEORGIUM N E U M A N N U M [... ] In quo simul demonstratur, Tantum abesse, ut doctrina haec de Regno Christi glorioso, [ . . . ] sit contra Fidei Articulos, ut nullus eorum absque hujus cognitione [...] digne intelligi possit. [...], Frankfurt a. M.: Zunner 1698. Das ewige Evangelium Der Allgemeinen Wiederbringung Aller Creaturen/ Wie solche unter andern Jn rechter Erkäntniß Des Mittlern Zustandes der Seelen nach dem Tode tieff gegründet ist/ [...] Von einem Mit=Gliede D. Ph. G. Zu Ende ist beygefüget ein kurtzer A N H A N G [...], [Offenbach] 1698. Der Geist Deß Wider=Christs/ der da läugnet/ daß JESUS CHRISTUS ins Fleisch gekommen sey/JnJohann Peter Speeth/ [...] und in Friedrich Christian Büchern/ [...] entdeckt/ [...], [Frankfurt a. M.: Zunner] 1699. Abk.: Geist des Widerchrist.

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Unfug Zweyer Superintendenten zu Zerbst und Sorau/ Herrn D . Feustkings/ U n d Neumeisters/ J n ihrem S e c t e n = G e i s t / Denen Durchl. Fürsten und Herren Des H o c h = F ü r s t l . Anhalt=Zerbstischen Gesammten Hauses [ . . . ] vorgestellet [ . . . ] , Berlin: Schlechtiger 1709. A b k . : Unfug 1709. Von einigen Öffnungen des Geistes auß dem Geist der Weissagung, 1715. (Das von W. Nordmann benutzte Exemplar meldet die U B Marburg als Verlust. Auch das Exemplar der ehem. königlichen Bibliothek [Sächsische Landesbibliothek] Dresden ist Kriegsverlust. Andere bibliographische Quellen datieren dieses Werk, ζ. T. mit leicht verändertem Titel, in die Jahre 1707, 1712 und 1716.) J . N . J . Spruch=Catechismus/ Aus dem Catechismo desseel. Lutheri in Fragen vorgestellet, [ . . . ] Anitzo B e y Abgang aller Exemplarien [ . . . ] abermal zum Druck befördert/ und mit einem Anhange Eines Glaubens=Bekänntnisses für einen [ . . . ] sich bekehrenden Juden [ . . . ] , Frankfurt a. M . und Leipzig: Lipper 1716. Zwischentitel: Anhang Einiger Fragstücke/ für einen zu bekehrenden Juden Abraham Jsaac aus Reusisch Lemberg/ aufgesetzet von Einem Diener des heiligen Evangelii/ [ . . . ] . Die von CHRISTO Für dem Philadelphischen Engel in der sechsten K i r c h e n = Z e i t gegebene Offene Thüre, Womit die K a m m e r der Geheimnissen der Heiligen Offenbahrung geöffnet/ [ . . . ] , Frankfurt a. M . : von Sand 1718. A b k . : Tür 1718. Das Leben J o . WILHELMI PETERSEN, [ . . . ] Als Zeugens der Warheit Christi und seines Reiches, nach seiner grossen O e c o n o m i e in der Wiederbringung aller Dinge. [ . . . ] , [Halle: Renger] 1717. 2. Aufl., [Hannover: Förster] 1719. A b k . : L B 1717 (1719). [ . . . ] U R A N I A S Q U A O P E R A D E I M A G N A O M N I B U S R E T R O SECULIS E T

OECONOMIIS

TRANSACTIS U S Q U E A D APOCATASTASIN S E C U L O R U M O M N I U M [ . . . ] C A R M I N E H E ROICO C E L E B R A N T U R . A C C E D I T E I U S D E M C Y C T O I X I A C H R I S T I E T BELIAL [ . . . ]

ET

C A R M E N IN N U P T I A S A G N I C U M INDICE C O P I O S O , F r a n k f u r t a . M . & L e i p z i g 1 7 2 0 .

J . N . J . Spruch=Catechismus/ Aus dem Catechismo des seel. Lutheri in Fragen vorgestellet, [ . . . ] Anitzo B e y Abgang aller Exemplarien [ . . . ] abermal zum Druck befördert, und mit einem Anhange Eines Glaubens=Bekänntnisses für einen [ . . . ] sich bekehrenden Juden vermehret, Breslau: Hubert 1722. Gelegenheitsgedichte

(auf)

Petersen, Magdalena, geb. Prätorius (gest. 1667) Suspiria& gemitus, Lübeck: Schmalhertz 1667 (vh. Marburg). Buxtehude, Dietrich ( 1 6 3 7 - 1 7 0 7 ) Epithalamion (Heirat mit Anna Margaretha Tunder) [1668] (nach GECK, B u x t e h u de 1965, 44 bzw. BOLTE, Stammbuch 1892, 503 Anm. 2). Sophia Eleonora von Hessen (1609—1671) Carmen heroicum 1671 (vh. H S A Darmstadt). Heinrichsen, Johann Paulus (gest. 1673) Leichencarmen 1673 (vgl. LENZ, Katalog 1980, 181 Nr. 2099). Leopoldi, Achilles Daniel und Anna Margaretha Ritter TAEDAE CYPRIAE [ . . . ] , Lübeck: Schmalhertz 1675 (vh. A F S t Halle).

385

Tacke, Ludwig Christian (1655-1718) Elegia propemtica, Gießen: Karger 1675 (vgl. N U C ) . Cassius, Christian (1609—1676) Memoria [ . . . ] de mortuo fixa [ . . . ] , Lübeck: Schmalhertz [1676] (vh. Berlin). Thürcke, Georg (1593-1678) FLe Hannovera! [ . . . ] , in: Leichpredigt von Konrad Christoph Heinemann, Hannover 1678 (vh. N S u U B Göttingen). Estorff, Ludolf Otto von (gest. 1691) Leichencarmen [1691] (nach L B 1717, 128). Petersen, Johanna Eleonora, geb. von und zu Merlau (1644—1724) Leichencarmen, Leipzig: Tietzen [1724] (vh. Zerbst und U B Tübingen [Abschrift]). Vermischtes Vorrede zu Christian Friedrich Kiene, Rostockische Feuers-Brunst (s. S. 109). Vorrede zu Johann Augustin Lichtwer, Miserabilis flagrantis Rostochii (s. S. 109).

II. Johanna Eleonora Petersen Gespräche des Hertzens mit GOTT/ [ . . . ] , Plön: Ripenau 1689. Abk.: HG. Glaubens=Gespräche Mit GOTT/ In Drey unterschiedene Theile abgefasset/ Also daß Der I. Theil/ Das Werck des Glaubens in der Krafft/ Der II. Theil/ Das Zeugniß/ die Macht und Herrlichkeit des Glaubens/ Der III. Theil/ Das Ende des Glaubens/ [ . . . ] vorstellet [..], Frankfurt a. M. und Leipzig: Brodhagen 1691. Abk.: GG. Anleitung zu gründlicher Verständniß der Heiligen Offenbahrung Jesu Christi welche Er [ . . . ] Johanni Durch seinen Engel [ . . . ] gedeutet hat/ sofern Sie in ihrem eigentlichsten letzten prophetischen Sinn und Zweck betrachtet wird/ [ . . . ] Nach Ordnung einer [ . . . ] TABELLE, Darinnen die heilige Offenbahrung in der Harmonie der Dinge und Zeiten kürtzlich entworffen ist/ [ . . . ] , Frankfurt a. M . und Leipzig: Müller 1696. Darin als 3. Anhang: Von ettlichen zusammen=getragenen Zeugnissen der H. Schrifft/ wodurch unterschiedliche bißher vorgestellte Wahrheiten bestättiget werden [ . . . ] . Abk.: Anleitung 1696. Einige Send=Schreiben/ Betreffende die Nothwendigkeit Verschiedener bißher von den meisten Gelehrten in Verdacht gezogener Lehren/ Sonderlich in diesen letzten Zeiten/ [ . . . ] Auff einiger Freunde Begehren verfertiget. [ . . . ] , o. O. 1714. Leben Frauen Johannä Eleonora Petersen, Gebohrner von und zu Merlau, Herrn D. Joh. Wilh. Petersens Ehe=Liebsten, [ . . . ] , ο. Ο . (1. Auflage 1718) 1719. Abk.: L B 111718(1719).

386

III. Nicht von Petersen stammende

Werke

Eine APOLOGIE Oder Vertheidigungs=Schrifft/ Der Recht=Christlichen Gotts=Gelehrtheit/ [...] Von ROBERT BARCLAY/ [...] ins Teutsche übergesetzet [...], [Lüneburg] 1684. Nach Unschuldige Nachrichten 1718, 236f. ist Petersen der Übersetzer; vgl. dagegen S. 29. BIBLIOTHECA PETERSENIANA ID E S T APPARATUS LIBRARIUS, Q U O , D U M VIVERET, U S U S

[...] die X V I I . Sept. seqq. An. M D C C X X X I . Berolini in Platea vulgo die Fridrichs=Strasse dicta auf dem Fridrichswerder, in AEdibus Küsterianis [ . . . ] vendendus, Berlin 1731. EST

387

Personenregister Α. Β. L. 36 Abraham T i l Abuht, Nikolaus 273 Adalbert von Bremen 121 Adam 11, 45, 284 Aland, Kurt 52 Alba, Herzog von —> Toledo Alberti—»v. d. Berg Alexander VII., Papst—> Chigi Ammersbach, Heinrich 104, 229, 232 Amyraut, Moses 285 Andreae, Samuel 97 Angelus Marianus —» Werdenhagen Arends, Arend 242 Arends, Elisabeth Margarethe —» Meyer Aristoteles 45, 71 Arminius, Jacobus 173f., 284 Arndt,Johann62, 68, 70f., 84, 86,134, 233, 323 Arndt, Josua 37 Arnkiel, Trogillus 146, 148 Arnold von Lübeck 31 Arnold, Gottfried 138, 173, 216, 331 Asseburg, Asche von der 257 Asseburg, Auguste Dorothee von der 257,259f., 275, 277, 283,285, 287f., 298, 300f., 326 Asseburg, Christian Christoph von der 30, 256 f. Asseburg, Georg Friedrich von der 257, 259 Asseburg, Gertr(a)ud Margarete von der, geb. von Alvensleben 256f., 260, 270, 277-281, 285f., 298, 324 Asseburg, Helena Lukretia von der 257, 259f., 275-277, 283,285,287f., 298, 300f., 326 Asseburg, Ilsabe von der —* Bülow Asseburg, Johann Christian Christoph von der 257, 259 Asseburg, Rosamundejuliane von der 13, 30, 254-302, 308, 311, 318-329

388

Asseburg, Sophia Ehrengard von der—» Bothmer Asseburg, von der, Familie 83, 259, 286 Augustin, Aurelius41, 71,172f., 176f., 182 Β. B. L. 25 Bacmeister, Georg Michael 322 Bacmeister, Ilse Dorothea, geb. Engelbrecht 322 Bacon (von Verulam), Francis 157 Bangert, Heinrich 28—31 Barclay, Robert 29, 94 Bartels, Elisabeth Katharina —> Schütz Barth, Karl 17, 61, 191, 3 3 3 - 3 3 5 Barthol, Georg Friedrich 131, 268 Basnage de Bauval, Henri 255 Baudringer, David Arnold 273 Baum, Caspar 98 f. Baumgart, Johann Burchard 268—270, 280, 286, 309f., 314 Baumgarten, Anna Christina 326 Baur von Eyseneck, Anne Marie 92 Baur von Eyseneck, Johann Christian 48 Baur von Eyseneck, Johann Jakob 48 Baur von Eyseneck, Johann Martin d. Ä. 48 Baur von Eyseneck, Johann Martin d. J. 48 Baur von Eyseneck, Johann Vincenz 48 Baur von Eyseneck, Maria Juliane, geb. von Hynsberg 48, 85, 88f., 91 f., 94 Bayern, Ludwig I. von 227 Bayly, Lewis 55 Bebel, Balthasar 54f., 62 Becker,Jakob Hermann 109f., 119 Beckmann, Detlev 129, 131 Beissel, Johann Conrad 296 Bellardi, Werner 52f., 55 Bellarmin, Robert 117 Berckau, Heinrich 274 Berends, Catharina 106

Berg, von der 300 f. Bergen, Sabina von, geb. von Praunheim 80 f. Berkentin, Christian August (?) von 132 f. Berkentin, Georg 303, 306, 315 Bernhardi, Daniel 320, 324 Bernstorff, August Gottlieb von 205, 209, 211-213, 322, 324 Bertram, Ignatius von 107 Besold, Christoph 105 Betke, Heinrich 104, 125 Betke, Joachim 105 Biel, Albert 315 Biel, Georg 314 Binder, Johann Joseph 322 Birgitta von Schweden 254 Blanckenberg, Konrad Gottfried 213 Blanckenhagen, Justus 129, 155 Blech, Gregor 312 Bluhme, Johann Justus 274 Boeder, Johann Heinrich 43 Boethius, Anicius Manlius 40 f. Boetius, Jakob (Boysen) 135 f. Böhling(k) 275, 277 Böhme, Jacob 223, 235 Bothmer, Sophia Ehrengard von, geb. von der Asseburg 258, 287 Botsack, Barthold 29, 3 2 - 3 4 , 3 6 - 3 8 , 41, 150 Bousset, Wilhelm 185 f. Boysen —» Boetius Brandenburg, Friedrich III. Kurfürst von 206, 209 Brandenburg, Friedrich Wilhelm Kurfürst von 257 Brandenburg, Sophie Charlotte Kurfürstin von, geb. von Braunschweig-Lüneburg 321 Brasse (Brasche), Georg 230 Brasse (Brasche), Heinrich 221 —223, 229, 306, 308, 315, 323 Braunschweig-Lüneburg —» Hannover Braunschweig-Lüneburg, Ernst (der Bekenner) von 202 f. Braunschweig-Lüneburg, Ernst August von 115f., 281, 288f. Braunschweig-Lüneburg, Georg von 202-204

Braunschweig-Lüneburg, Georg Wilhelm von 115, 205f., 209-215,237, 240, 281 Braunschweig-Lüneburg, Johann Friedrich von 110, 113, 115 f., 118 Braunschweig-Lüneburg, Wilhelm von 202 Braunschweig-Wolfenbüttel, Anton Ulrich von 288, 290 f. Braunschweig-Wolfenbüttel, Rudolf August von 126, 225 f. Breckling, Friedrich27,105,131 f., 134f., 142-144,183, 272f., 276,296, 326 Breithaupt, Joachim Justus 131, 302 Bretewitz, von 82 Bringmann, Johann 212, 308, 322 Brockdorff, Christian Friedrich von 123 Bruck, Engelbert von 130 Brückner, Georg Heinrich 260, 282, 295 f. Brugge, David von der 31 f. Brummer, Heinrich 77 Buckfisch, Heinrich 249, 281, 315, 326 Bugenhagen, Johannes 28 Bülow, Ilsabevon, geb. von der Asseburg 323 Bülow, Paul Joachim Heinrich 322 Buno,Johannes220f., 229, 258, 308, 310, 316 Burkhard von Serkem 122 Burmann, Franziskus 131 Busch, Johannes 236 Busche, Georg 205-207, 217, 220-222, 247, 251, 269, 275, 312, 318 Calixt, Georg 67, 194, 240, 253 Calov, Abraham 38, 153, 174, 194 Calvin, Johannes 16, 153, 334 Carlier —* Petersen Carpzov, Samuel Benedikt 100 Carstens, Joachim Friedrich 103 Carstens, Nikolaus 103 Carstens, Thomas 103 Cassius, Christian 123 Causacau, Joseph de 288 f. Chemnitz, Martin 144 Chigi, Fabio, Papst Alexander VII. 18

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Chouvet, Jeremias 321 Cicero, Μ. Tullius 29, 41 Clasen, Theodor 274 Claudianus, Claudius 41 Clodius, David 77 Coccej us, Johannes 179, 182, 186 Colen, Johann) von 312 Copper, Ernst 106 Crasselius, Bartolomäus 329 Creide, Hartmann 42 Creide, Johann Hartmann 42 Crophius, Johann Baptista 283, 296 Cyrill von Jerusalem 310 Dalen, von 274 Danckwert, Kaspar 29 f. Dänemark, Christian III. von 123 Dänemark, Christian IV. von 304 Dänemark, Christian V. von 219 Dänemark, Friedrich II. von 22 Dänemark, Friedrich III. von 22, 123 Dassel, von, Familie 23 Deichmann, Heinrich Johann 213 Denner, Jacob 273 Descartes, Rene 43, 45, 61, 66, 68, 73 Dhaun von Falckenstein, Charlotte Auguste 94 Diekmann, Johann 198, 260,262-264, 320, 324 Diekmann, seine Frau 262f., 298 Dietrich von Rondeck, Georg 107, 111 Dilfeld, Conrad Georg 57, 60-62, 67, 71-74,152,155,170, 212, 215 Dippel, Johann Conrad 175 Dircke, Anna —* Petersen Dircke 22 Dithmar, Friedrich Hieronymus 97 Dorfeiden, Charlotte Auguste Philippina von, geb. von Merlau 81 f. Dorfeiden, Johann Reinhard von 81,126 Döring, Johann 314 Döring, Konrad 317 Dorne, Hieronymus von 103 Dornkrell, Johann Georg 314 Dreier, Christian 38 Drewes, Peter 268 Du Bois, Johanna Amalia, geb. Schott 282

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Du Bois, Joseph 282 Ebeling, Klement 268 Eberhard gen. Schwindt —* Kißner Eberhard von Holle 123 Ebio, Eberhard 149 f. Egard, Paul 105, 183 f. Egeria 286 Eggers, Nikolaus 230, 236, 303, 325 Eichfeld, Franziskus 213, 322f., 329 Eken, Isaak von 27 Elenson, Andreas 218 Elers, Heinrich Julius 244, 274 Engelbrecht, Hans 327 Engelbrecht, Ilse Dorothea —> Bacmeister Erasmus von Rotterdam 117 Erdmann, Heinrich Christoph 312 Erich, Lorenz Christoph 322 Escher, Gottschalk 273 Estorff, Ludolf Otto von 310f. Eva 45 Fabricius, Johann 32 Fabricius, Johann Jacob 105 Fabricius, Wipert Ludwig 205 f., 212, 238, 246, 327 Falckner, Daniel 269 Felgenhauer, Paul 229 Felß, Christian Lebrecht 270 Ferber, Gustav 36 Ferber, Johann 36 Festus 248 Feuerborn, Justus 34 Feurbach, Johann Heinrich 42 Fiepe, Hans 242 Fiepe, seine Tochter —> Rude Fiore, Joachim von 185 Fischer, Hans 272 Fischer, Johann 103, 114, 272 Fleiß, Dorothea Margarethe 326 Fox, George 94 Francke, August Hermann 12,19, 74, 131,143,156,163,175,177,194,199, 243f., 254-256, 260,271,273, 275, 282, 295f., 302, 320, 329 Francke, Elsabe, geb. Wessel 31 Francke, Johannes Simon 48

Franckenberg, Abraham von 104 f. Franz, Wolfgang 25 Frenzel, Augustin 244 f. Frese, Elisabeth 107 Frese, Jürgen 137 Fresen, von 82 Freude, Michael 37,133, 167 Freystein, Burkhart 244 Friedeborn, Gottfried 272 Friedel, Andreas 244 Friedland, Klaus 202 Friesen, Margaretha Sibylla von—» Schweinitz Friesen, Marie Sophie von—* Reichenbach Funke, Friedrich 249, 315 Ganß von Utzberg, Maria Sabina—* Merlau Gause, Heinrich 249 Geier, Martin 100 Geinitz, Magdalena —» Praetorius Gerhard, Johann 60, 6 6 - 7 0 , 117, 150 Gerold, Bischof von Lübeck 121 f. Gerstorff, von 212 Gezelius, Johannes d.J. 208 Gichtel, Johann Georg 79, 106 Giese, Joachim 148 Gifthorn, Friedrich 326 Glocksin (Gloxin), Maria Rosina 273 Gloxin, Anton Heinrich 35, 38, 49,96, 99, 101, 111 Gloxin, David 19-21, 123 Gloxin, M. C. 273 f. Gödke, Jochen 245 Goedemann, Kaspar 229 Goethe, Johann Wolfgang von 227, 331 Goeze, Johann Melchior 260 Gottschalk 121 Grabe, Martin Sylvester 204f. Grabius, Johann Ernst 38 Graeve, Johann Georg 42, 129 Grosen, von, Familie 25 Gross, Christian 105 Grothe, Ludoph 20 Grothe, seine Frau 20 Grotius, Hugo 41 —43 Grotius, Wilhelm 41, 44

Günther, Ilsabe Dorothea —> Harting Günther, Magdalene —* Horn Günther, Peter 138 f. Gutmann, Aegidius 104, 229 Haberkorn, Petrus 32, 34, 39 Hadder, Student 290 Hadders, Heinrich 315 Hagelberg, Daniel 43 Hägglund, Bengt 69 Hanneken, Meno 29,32,34,36,273,308 Hanneken, Philipp Ludwig 33—35, 3 8 - 4 0 , 48, 77, 98f., 168 Hannover, Ernst August von—» Braunschweig-Lüneburg Hannover, Maximilian Wilhelm von 291 Hannover, Sophie von 258,279,283, 285, 288-292 Hansen, Emil 142 Hardt, Hermann von der 131,172,199, 214, 225-227, 232, 238, 274 Harling, Anna Katharina von 278, 283, 289 Hart, Melchior 218 Harting, Hinrich Leopold 246 Harting, Ilsabe Dorothea, geb. Günther 246 f. Hartmann, Johann Ludwig 62 Hartmann, Lorenz 98 Hatten, Friedrich von 123 Hattenbach, Johann Salomon 272 f., 275 f. Hecht, Friedrich Heinrich 230, 303 Hecht, Joachim Sigismund 318 Heerbord, Adrian 37 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 339 Heiler, Günther 126,205,207 f., 210f., 213, 246f., 314 Heine, Matthias 258 f. Heinemann, Konrad Christoph 110 Heinrich der Löwe 121 f., 201 Heinrich IV., Kaiser 257 Heinrichsen, Johann Paul 25, 29, 32f., 36 Hellberg, Heinrich (Christoph) 233 Helmold von Bosau 31 Herbert von Cherbury, Edward 44, 167

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Hering, Heinrich (Dietrich?) 106f., 115 Heringlacke 247 Hesiod 29 Hessen, Philipp von 33 Hessen-Darmstadt, Ludwig IV. von 33 Hessen-Darmstadt, Ludwig V. von 33 Hessen-Darmstadt, Ludwig VI. von 35, 92 Hessen-Darmstadt, Sophia Eleonora von 35 Hessen-Homburg, Anna Elisabeth von, geb. von Sachsen-Lauenburg 85, 126 Hessen-Homburg, Wilhelm Christoph von 81, 85 Hessen-Kassel, Moritz von 33 Hessen-Kassel, Wilhelm von 33 Hessen-Marburg, Ludwig von 33 Hessen-Rheinfels, Ernst von 291 Hildebrandt,Joachim 209, 212, 232, 304, 306, 322 Hildebrandt, seine Frau 322 Hildegard von Bingen 254 Hinckelmann, Abraham 30, 103, 199 Hinckelmann, Elisabeth, geb. Schirmer, verw. Nottelmann 30 Hirsch, Emanuel 11 Hobaus, Heinrich Georg 326 Hoburg, Christian 27,105,112, 229-232, 234, 258 Hochmann von Hochenau, Ernst Christoph 79 Hoffmann, Daniel 44 Holstein, Adolf II. von 121 Holstein-Gottorf, Adolf von 22 Holstein-Gottorf, August Friedrich von, Bischofvon Lübeck 118—120, 126,132-135,141 f., 145,147, 207f., 211 f., 276 Holstein-Gottorf, Christian Albrecht von 123, 276 Holstein-Gottorf, Christine von, geb. von Sachsen-Weißenfels 126, 132 f. Holstein-Gottorf, Friedrich III. von—* Dänemark Holstein-Gottorf, Johann von 22 Holstein-Gottorf, Johann (Hans) von, Bischofvon Lübeck 123 Holstein-Sonderburg, Anna Margaretha von 82, 84

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Holstein-Sonderburg, Dorothea Elisabeth von —» Sinzendorff Holstein-Sonderburg, Philipp Ludwig von 8 2 - 8 5 Holstein-Sonderburg, Sophie Elisabeth von 84 Holstein-Sonderburg-Plön, Dorothea Sophia von 225 Holstein-Sonderburg-Plön, Johann Adolf von 22, 133, 147, 225 Holtzhausen, Johann Christoph 48 Homer 29 Honstede, Thomas 103 Hoppe, Christoph 245 Horaz 29 Horb, Johann Heinrich 39, 48, 60, 62, 151 f., 199,238, 275 Horn, Balthasar 246, 271 Horn, Magdalene, geb. Günther 246f. Hoyer, Günther Otto 261, 322 Hoysen, Friedrich Adolph 213 Huber, Samuel 198 Hugo, Hermann 109 Humborg, Wilhelm 274 Hummel und Herbst 265 Hunnius, Aegidius 25 Hunnius, Nikolaus 38, 150, 229, 308 Hutter, Leonhart 25 Ignatius von Antiochien 130 Isaak 277 Jacobi, Daniel Kaspar 39 f., 48 Jacobi, Michael 218 f. Jahn, Anna Margarete 255 Jakob 277 Janus, Daniel 124 Jauert, Balthasar 272f., 275 Jauert, Johann 272 f., 275 f. Jauert, Margareta 273 Jochen, Caspar Henrich 326 Johannes (Evangelist) 176, 185 Jona 225 Joris, David 173 f. Joseph I., Kaiser 22f., 25, 80 Judas 310 Jung, Johann Heinrich 79 Junius —» Jung

Juppiter 42 Kahler, Johannes 43 Kalp, Kathrin 106 Kant, Immanuel 333 f. Karger, Friedrich 43, 98 Karl, Bernhard Peter 149 Katharina von Siena 254 Katharina, Haushälterin 274 Kauffmann, Margaretha Catharina 273 Keith, George 94 Kellner von Zinnendorf, Johann Wilhelm 268 Kem(b)ler, Johannes 131,136,143, 244, 275 Kempe, Barthold 99 Kiene, Christoph Friedrich 109 Kierkegaard, Sören 332 Kirch, Gottlieb 244 Kirchmann, Johann 30 Kirchring, Heinrich 274 Kißner, Anna Elisabeth, geb. Eberhard 90, 125, 243, 245, 253, 260, 296 Kißner, Johannes 94, 125 Klug, David 199 Knauer 244 Knesebeck, Joachim Friedrich (?) von 242, 311 Knorr von Rosenroth, Christian 105 Knütters, Catharine Isebele 326 Köhn, Johannes 102 Koikert 245 Koltemann, Friedrich Georg 230, 303, 312 Koltemann, Hieronymus 229, 233, 242 König, Kaspar —» Könneken König, Samuel 291 Könneken, Balthasarjaspar 273f. Kortholt, Christian 48, 87,103, 119, 126,131,137 f., 143,146,171 f., 237, 260, 262f., 304, 320, 324 Kotzebue, Christian Burchard 213 Kotzebue, Georg Carl 213 Kotzebue, Johann Wilhelm 213 Kotzebue, Johannes 213 Kotzebue, Margarethe Elisabeth, geb. Engelbrecht 213 Kotzebue, Margarethe Emerentien 213

Krüger, Bernhard Friedrich 210, 242, 271,308 Krüger, Leonhard 326 Krüger, Sophia Elisabeth, geb. Melbeck 242, 271 Kruling, Johann 271, 315 Kruse, Christian 315 Kruse, Diener 271 Kugelmann, Johanna —» Winckler Kuhlmann, Quirinus27, 104 Kulpis, Johann Georg 43 Kurbel, Hauptmann 304 Küster, Georg Christoph 15 Labadie, Jean 21, 52f., 55, 57f., 61, 76 Lampe, Klaus 107, 272 f. Lange,Joachim 268, 270, 287 Lange, Johann Christian 258, 267f., 271, 298, 300, 326 Lange, Johann Konrad 269 Lange, Mauritius 134 Lange, Nikolaus 232, 268, 270 Langejanus, Brandanus 249 Langenschwindt, Levin Burchard 274 Latomus, Jacobus 117, 173 Laubinger, Johann 99 Lauterbach, Christoph Heinrich 222, 234, 237, 315-317, 323, 325 Leade, Jane 187 Leibniz, Gottfried Wilhelm 32, 255, 257f., 278, 283, 285, 2 8 7 - 291, 293, 321, 339 Leopold, Achilles Daniel 36 Lessing, Gotthold Ephraim 32 Leusden, Johann 129 Leutwein, Christian Philipp 54 Leyser, Polykarp 25, 308 Liehtwer, Johann Augustin 109 Liebenroth, Johann Hieronymus 326 Limborch, Philipp 129 Lindau, Elisabeth Magdalena von—» Winckler Lindenberg, Kaspar 274 Linekogel, Johann Christoph 131 Link, Johanna Margarethe 262f., 298 Linsius, Paulus 97 Lipper, Johann Georg 271 Lipstorp, Frau 262, 298

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Lipstorp, Gustav Daniel (?) 262 Lipstorp, Hermann 274 Lipstorp, Vincent 273 Livius, Titus 41 Lobeck, Heinrich 135 Lobwasser, Ambrosius 267 Lochner, Jakob Hieronymus 108,124, 167, 207 Lochner, Magdalenejustine, geb. Varenius 124 Lohmanns, Anna —* Petersen Lorentz, Paul 273 Lorenz, Mauritius 101 Löscher, Valentin Ernst 226 Lübeck, August Friedrich Bischof von —* Holstein-Gottorf Lucanus, M. Annaeus 41 Lucht, Heinrich 244 Lucius, Johann Andreas 100, 208 Lüders, Justus 287 Lühmans, Cathrin 326 Lukian von Samosata 42, 44 Luther, Martin 16f., 52, 55, 57,141, 1 4 9 - 1 5 3 , 1 7 0 , 1 7 2 f . , 176f., 179,181, 1 8 6 , 1 9 0 f . , 2 1 6 , 234, 3 0 2 f „ 307 Lütkemann, Joachim 55 Lütkens, Franz Julius 204 f. Maaß, Catharina 273 f. Macciavelli, Niccolo 44 Maccioni, Valerio 115 f. Macht, Maria Catharina —> Meyer Mahrholz, Werner 26 Mallinus, Christoph 257 Maresius, Samuel 39, 99 Maria 96 f. Marquardt, Odo 338 Martini, Matthias 167 Marx, Karl 334 May, Johann Heinrich 96 May, Katharine 244 f. Mayer, Johann Friedrich 199, 310 Mechthild von Magdeburg 254 Mecklenburg, Gustav Adolph von 108 Medici, Ferdinand I. von 115 Medici, Ferdinand III. von 115 Meding, von 324 Meibom, Heinrich 31

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Meier (Meyer), Georg 229, 233,237f., 269f., 280, 3 0 8 - 3 1 0 , 312, 314, 329 Meier, Barthold 287, 320, 324f. Meinig, Martin 244 Melanchthon, Philipp 28, 182 Melbeck, Margaretha Rosina —» Reinbeck Melbeck, Sophia Elisabeth —* Krüger Mellefil (Melville), Frau 327 Mentzer, Balthasar I. 32 Mentzer, Balthasar II. 56,60, 92, 96, 102, 114 Merlau, Albert Otto von 7 9 - 8 1 , 83,126 Merlau, Beate von, geb. von Reckroth 80 Merlau, Charlotte Auguste Philippina von —* Dorfeiden Merlau, Christian Philipp von 85 Merlau, Christina Sibylle Maria Philippina von —* Praunheim Merlau, Christoph von 79 Merlau, Friederike Christiane—» Wolfsfurtner von Creutz Merlau, Georg Adolph von 7 9 - 8 1 , 83, 85, 126 Merlau, seine dritte (?) Frau 85 Merlau, Johann Adolph von 85 Merlau, Johann Dietz von 85 Merlau, Maria Sabina von, geb. Ganß von Utzberg 80 f. Merlau, Maria von 85 Merlau, Philippina von —* Varnbühler Metschmann 129 Metzendorff, Matthias 230, 233, 244, 326 Meyer, Catharina 273 f. Meyer, Christian (1) 74, 76 Meyer, Christian (2) 326 Meyer, Diedrich 326 Meyer, Elisabeth Margarethe, geb. Arends 242, 326 Meyer, Gebhard Theodor 325, 327 Meyer, Hans 325 Meyer, Heinrich (Lohalm) 271, 285, 326 Meyer, J. S. 326 Meyer, Johann Dietrich 242 Meyer, Ludwig 68 Meyer, Maria Catharina, geb. Macht 318, 325

Meyer gen. Rautenfels, Heinrich 117 Meyer gen. Rautenfels, Jakob 117 Meyers, Anna 326 Meyers, Elisabeth 273 f. Meynders, Franz von 205 Misler, Johann Nikolaus 39 Mohr, Georg 134 f. Molanus, Gerhard Wilhelm Wolter 113, 213, 283f., 289, 320, 326 Molanus, Gustav 212, 299, 322, 324, 326 Morhof, Daniel Georg 31 Mose 174, 178, 267 Mose Germanicus —* Speeth Motte, de la 322 Müller, Heinrich 37, 109, 112 Müller, Heinrich Adrian von 106 Müllers, Anna 267 f. Müntzer, Thomas 307 Nannendorf, von 132 Nasemann, Johann Philipp 98 Nehring, Johann Christian 274 Nethenus, Matthias 88, 97, 99 Neumann, Kaspar 101, 226 Neuss, Heinrich Georg 287 Nicolai, Heinrich 36 Niemann, Sebastian 107, 120, 136 Nietzsche, Friedrich 16 Nitzsch, Friedrich 35 Noah 250 Nordmann, Walter 13-15, 183 Nottelmann, Elisabeth, geb. Schirmer —> Hinckelmann Nottelmann, Heinrich 29—32 N u m a Pompilus 286 Obed-Edom 259 Oldecop, Friedrich Heinrich 230 Oldenborg, Otto Fritz von 111 Oldenrogge, Johannes 135 f. Orleans, Elisabeth Charlotte von 290 Oslander, Andreas 195 Otto d. Große, Kaiser 121 Otto, Gottfried Christian 283 Overbeck, Kaspar Nikolaus 258, 267-269, 271, 298, 326 Overbecke, Johann von 129 Overbecke, Bonaventura von 129

Overbeek, Bonaventura von 129 Ovid 109, 178 Palearius, Aonius 42 Pansa, Mutius 40 Pape, Christian 205, 211, 312 Pape, Daniel 315 Paschen, Lucia 273 Pauli, Gregor 273 f. Pauli, Reinhold 98 f. Paulus 172-174, 176, 181 Peganius —» Knorr von Rosenroth Pelagius 172 f. Pellicerus, Johann Georg 29 Penn, William 94, 320 Pentz(en), von, Familie 25 Pentz, Matthias 25 Pestorff, Johann Lukas 324 Petersen, Anna, geb. Dircke22 Petersen, Anna, geb. Lohmanns 26 Petersen, Anna (Maria?), geb. Wires 26 Petersen, Anna Margaretha 25 Petersen, August Friedrich 22, 25, 80f., 129 Petersen, Christina Agneta —> Platz Petersen, Ernst August 130 Petersen, Frieda Maria Johanna 130 Petersen, Georg(l) 19-23,26,108,125, 138f., 163, 251,275 Petersen, Georg (2) 26 Petersen, Georg (3) 22 f. Petersen, Heinrich 25, 329 Petersen, Heinrich Ignatius 130 Petersen, Hugo Jürgen 25 Petersen, Jakob 21 f. Petersen, Johanna, geb. Carlier 129f. Petersen, Konrad 22 Petersen, Magdalena —* Siemers Petersen, Magdalena, geb. Praetorius 19, 21,23, 25 Petersen, Petrus 21, 23, 118f. Petersen, Sabine Magdalene, geb. Palandt 25 Petersen, Wilhelmine Henrietta Ernestina 130 Petrus 305 Pfalz, Carl Casimir von der 268 Pfalz, Wilhelmine Ernestine Kürfürstin von der 78

395

Pfeiffer, August 258, 272 f. Pfeiffer, Georg 315 Pfeiffer, (J.) Hieronymus258, 267f., 271, 326 Pfeiffer, Julius Franz 244, 256-259, 268, 272-275, 326 Pfeiffer, Philipp 257 Pfeiffer, Philipp Heinrich 267 Phasian, Heinrich 35 f. Pilatus 304 Pingeling(k), Franz Heinrich 103, llOf. Piscator, Johannes 229 Piaton 334 Platz, Christina Agneta, geb. Petersen 26 Platz, Hans 26 Poiret, Pierre 61 Polzius, Johannes d.Ä. 31, 317 Polzius, Johannes d.J. 31, 315, 317 Pomarius, Samuel 103, 107, 229 Pomeresch, Johann 138 Praetorius, Abdias 24 Praetorius, Agnese, geb. Vorbrügge 23, 25 Praetorius, Andreas 20—25 Praetorius, Elias —» Hoburg, Christian Praetorius, Jakob(l) 24 Praetorius, Jakob (2) 24 Praetorius, Magdalena, geb. Geinitz 24 Praetorius, Stephan 24 Praunheim, Anna Elisabeth Eleonora Magdalena von 81, 92 Praunheim, Christina Sibylle Maria Philippina von, geb. von Merlau 81 f. Praunheim, Johann Heinrich (Wilhelm) von 81 Puccius, Franziskus 44 Püchler, Paul 212 Quenstedt, Andreas 164 Ragaz, Leonhard 334 Rahtmann, Heinrich 70 f. Ramdohr, Johann Heinrich 205f., 322 Ramus, Petrus 28 Ranke, Leopold von 17 Rantzau, Joachim von 120, 134 f. Raselius, Christoph Andreas 229

396

Ratsche, von, Familie 25 Rautenfels —* Meyer gen. Rautenfels Rebhan, Johann 103 Reckau, Johann 308, 310 Reckel, Simon 148 Reckroth, Beate von —> Merlau Redeker, Christoph 109 Reiche, Meno 3 2 - 3 4 , 36, 38, 41, 103 Reichenbach, Marie Sophie von, geb. von Friesen 245, 264-268, 272, 301 Reimers, Tobias 205-208, 211, 221, 318, 321,323, 328 Reinbeck, Andreas 214, 282, 322 Reinbeck,Johann 119,139,199, 207f., 211 f., 215, 237, 247, 271,282,301, 312, 317f., 322, 326 Reinbeck, Johann Gustav 282 Reinbeck, Margaretha Rosina, geb. Melbeck 271 Reinbeck, Nimpha Margaretha, geb. Schott 282 Reinbeck, Sophia Rosina —» Schott Reineccius (Reineke), Jakob 24f. Reitz, Johann Henrich 48 Reuß, Heinrich XXIV. von 226 Reventlow, Detlev 123 Reyners, Bernhard Christoph 274 Rhebinder, Petrus 225 Rhein, Johann Adolph 78 Richardi, Otto 90, 92 Ried, Andreas Jost von 82 Ried, von, Familie 81 Riekmann, Christian220f., 229, 231, 246, 271, 306f., 308, 312, 323 Rist, Johann 219 Ritsehl, Albrecht 11-13, 71-73,170, 175, 333 Rodatzki, Christoph 138, 142 Rock, Johann Friedrich 61 Rondeck —» Dietrich von Rondeck Roselius —* Raselius Royens, Hubertus 267, 327 Rückart, Georg Otto 244 Rude, Johann Friedrich 242 Rude, seine Frau, geb. Fiepe 242 Rudrauff, Kilian 35f., 39, 159 Sachsen-Gotha, Ernst der Fromme von 101

Sachsen-Weimar-Eisenach, Johann Georg von 100 Samuel 257 Sandhagen, Johann Gabriel 209, 211, 213, 239, 242, 246-248 Sandhagen, Kaspar Hermann 103, 119, 131,145,189,193-196, 204-215, 224f., 236,242, 247, 267,269, 278, 302f., 305, 311 f., 314, 322 Sarcerius, Erasmus 182 Sasserid, Johannes 305 Sau(e)rbier, Johann Matthias 268 Saur, Christoph 296 Schabbel, Familie 101, 108 Schabbel, Hieronymus 38 Schabbel, Hinrich 38 Schacht, Johann 103 Schade, Johann Kaspar 244, 268 Schadewitz, Salomon 97, 99 Scharff, David 326 Scharff, Heinrich Wilhelm 211, 269, 271,326 Scheel,Jakob 273, 275, 277 Scheel, Sophia 273 Schild, Johann Philipp 42 Schirmer 30, 324 Schirmer, Elisabeth —» Hinckelmann Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst 333 Schleswig-Holstein, Herzöge von —» Holstein-Gottorf Schlichting, Jonas 174 f. Schlüpke, Christian 249 Schmalhertz, Valentin 107 Schmid, Heinrich 315 Schmidt, Joachim(l) 101 f. Schmidt, Joachim (2) 133 Schmidt, Sebastian 78, 194, 224 Schmidt, Tobias 148 Schmidtborn, Georg Philipp 42 Schmucker, Johann Heinrich 281 f. Schnarmacher, Heinrich Eberhard 312, 314, 318 Schneider, Hans 13 f. Schnobel 25 f. Schnobel, Johann Joachim (?) 275 f. Schomerus, Justus Christoph 36, 38, 108 f., 150, 163 f., 167

Schönfeld, Johann Heinrich 97 Schott, Eleonora Sophia 282 Schott, Jeremias Johann 282 Schott, Johanna Amalia —> Du Bois Schott, Louise Rosina 282 Schott, Maria Anna Sophia 282 Schott, Nimpha Margaretha—> Reinbeck Schott, Robert 281-288, 291-296, 310, 321 f. Schott, Sophia Rosina, geb. Reinbeck 281 f. Schott, Wiljam 282 Schräder, Kilian von 212 Schröder, Georg 36 Schröder, Johann 314, 321, 323 Schulenburg, Gustav Adolph von der 324 Schulenburg, Matthias Johann von der 288, 324 Schultz, Samuel 199, 237 f. Schultze, Elisabeth Dorothea 268, 271 Schulze, Theodor 272 Schurman, Anna Maria van 21, 53, 76 Schütz, Elisabeth Katharina, geb. Bartels 126 Schütz, Johann Jakob 47, 52—55, 74, 7 6 - 7 8 , 81, 8 3 - 8 8 , 93, 95,104,124f., 183,189 Schwarck, Hinrich 134 Schwanz, Adelheid Sibylle 256, 272-275, 278 Schwartz, Hans (Johann) Heinrich 256, 272-276 Schweinitz, Georg Rudolph 300 Schweinitz, Margaretha Sibylla, geb. von Friesen 264, 300 Schwindt, Johann 125 Scriver, Christian 24, 103, 119, 151 Seelen, Johann Henrich von 31 Semmler, Gebhard Levin 255 f., 268, 272f., 275 Severini, Paulus 123 Siebenhaar, David 260 Siebenhaar, Malachias 260 Siemers, Heinrich (Ernst) 23, 25 Siemers, Magdalena, geb. Petersen 25 Simeon 282

397

Sinold gen. Schütz, Johann Helwig 324 Sinold gen. Schütz, Ludwigjust 322, 324 Sinzendorff, Dorothea Elisabeth von, geb. von Holstein-Sonderburg 82, 84 Sinzendorff, Georg Ludwig von 82 Siricius, Michael 33 Solms, Albert Otto II. von 81 Solms, Anna von, geb. von HessenDarmstadt 81 Solms-Rödelheim, Eleonora Barbara Maria von, geb. Creutz von Scharffenstein 81 f. Solms-Rödelheim, Johann August von 82 Soltau, von 103 Spanheim, Daniel 129 Spanheim, Friedrich 129 Specht, Christian 113, 120, 130 Speeth, Johann Peter 129 Spener, Elisabeth (Sibylla) 92 Spener, Philipp Jakob 30, 4 7 - 6 8 , 71, 7 3 - 7 9 , 83f., 86f., 8 9 - 9 8 , 1 0 0 - 1 0 5 , 108-110,112-114,116-120, 1 2 5 - 1 2 8 , 1 3 1 , 1 3 5 , 1 3 9 f . , 142, 1 5 0 - 1 5 5 , 1 5 8 f., 1 6 5 , 1 6 7 - 1 7 0 , 1 7 5 , 179,182-184,189-191,193f., 1 9 6 - 2 0 0 , 2 0 8 f., 212f., 216f., 2 2 3 - 2 2 5 , 2 3 2 , 2 3 6 , 2 4 1 , 2 4 3 , 245, 252f., 256,259f., 263f., 271, 273f., 284,296,301 f., 311, 3 2 0 , 3 2 3 - 3 2 5 , 327, 332 Spener, Susanna Katharina 92 Spinoza, Baruch de 167 Spörcken, Ernst Wilhelm von 288 Springinsgut, Daniel 101 Stammer, Adrian von 301 Steger, Gottlieb 268 f. Stenger, Johann Melchior 232 Stensen, Niels 1 1 4 - 1 1 7 Stern, Hans 203, 234 Stern, Johann 249, 326 Stern, Johann von 194 Stöcken, Christian von 1 1 8 - 1 2 0 , 1 3 0 , 141, 144, 148 Stolberg-Stolberg, Sophie Eleonore zu 301 Stöterogge, Brand Ludolff211, 268, 312, 318, 328

398

Strauss, Lorenz 36 Strese(n), Viktoria Concordia 326 Struensee, Adam 147 Sylvester —» Grabe Tacke, Ludwig Christian 105 Tanto, Thomas 106, 272, 274 Tarnov, Paul 105 Taube,Jakob 106, 2 7 2 , 2 7 4 Terlon, Hugo de 106 Tertullian 221 Teting, Nikolaus 229 Tentzel, Wilhelm Ernst 291 Teuto, Georg 327 Thomasius, Christian 63 Thürke, Anton Johann 213 Thürke, Georg 124, 213 Thürke, Henning Johann 213 Thürke, Jobst Dietrich 213 Thürke, Melchior Eberhard 213 Ticonius 185 Tiemendorf, Erich 111 Timmermann, Christian 315 Töbing, Christoph von 246f., 321, 323 Töbing, Ludolf von 211, 318 Toledo, Fernando Alvarez de, Herzog v. Alba 22 Troeltsch, Ernst 333 Tunder, Johann Christoph 273 Umpffenbach, Heinrich 78 Valla, Laurentius 153 Varenius, August 3 7 , 1 0 8 , 1 1 1 , 1 2 4 , 168 f. Varenius, Magdalene Justine —* Lochner Varnbühler von Greiffenberg, Johann Ernst 81, 129 Varnbühler von Greiffenberg, Philippina, geb. von Merlau 81 f. Veiel, Elias 208 Velthuysen, Lambert a 129 Vergil 29, 41 Vicelin, Bischof von Lübeck 121 Vielitz, Johann 56 f. Ville Chevalier, S. 326 Voigt, Johann Heinrich 230, 312 Voigt, Samuel 244 f.

Volschovius, Moevius 105 Voltaire 339 Vorbrügge, Agnese —* Praetorius Vorbrügge, Otto 25 Voss, Gerhard Johannes 41 Wackerbard, Christian Ulrich von 211 Walch, Johann Georg 190 Waldeck, Anton Ulrich von 268 Waldeck, Friedrich Ludwig Carl von 268 Walle, Jakob van de 94 Wallmann, Johannes 51 —55, 60—62, 66, 76, 189, 191 Wantzke, Martin 314 Warmer, Bernhard 245, 264 Warnecke, Lukas 268 Warner (Werner?), Christian 274 Wartenberg, Franz Wilhelm von, Bischof von Osnabrück 20 Wasmuth, Matthias 224 Weber, Max 336 f. Wedda —» Berg Wedderkop(p), Magnus von 275 f. Wehrenberg, Hermann Jonathan 326 Weidner, Johann Joachim 269 Weigel, Valentin234f., 302 Weisbender, Johann Ludwig 42 Weiss, Johannes 35 f., 43 Wendt, Joachim 103 Wengler, Adrian 273 Wengler, Margareta 273 Werdenhagen, Johann Angelius von 229

Werner, Christian 27 Werner, Lakai 134 Wessel, Elsabe —* Francke Westphal, Elisabeth 326 Westphal, Heinrich 244, 270, 287, 290 Wigers, Jacob Bruno 326 Winckler, Elisabeth Magdalena, geb. von Lindau 83 Winckler, Johann(es) 83, 85,199, 232, 238 Winckler, Johanna, geb. Kugelmann 83 Wires, Anna —* Petersen Wittekind I. von Wolfenbüttel 257 Wittich, Christoph 129 Witzendorff, Hans George 137 Witzendorff, Hermann Friedrich von 246f., 321, 323 Wolf, Franziskus 207 Wolff, Johann Joachim 258 f. Wolfsfurtner von Creutz, Ernst Friedrich 85 Wolfsfurtner von Creutz, Friederike Christiane, geb. von Merlau 85 Wolzogen, Ludwig van 61, 68 Wotschke, Theodor 15, 273 Wullenwever, Jürgen 123 Zeller, Eberhard 175, 232, 270 Zelter, Karl Friedrich 227 Zimmerrmann, Joachim 221, 271, 317 Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von 12 Zynikus 42

399

Bibelstellenregister Hld

Gen 2,16f. 3,15 6-9 9,22 9,27

166 117 250 212 323

Ex 20,7 34,29 ff.

158 267

Lev 24,15

139

Dtn 6,6-9

158

lSam 3,9

257

2Sam 6,11 f.

259

lKön 19,11

265

Ps 25,12.14 25,14 34,19 41,4 45 68,11 72 72,10 f. 93,1 f. 103,3 133,3 145,14

159 156 266 279 127 279 212 323 162 266 279 266

Spr 17,15

248

400

3,4

127, 162

Jes 7,17 8,13 8,20 9,6 29,13 40, Iff. 40,4 f. 41,14 41,25 53 58,2

305 159 156 19 158 249 249 283 297 323 159

Jer 17,18 30,10 f. 44,16

239 306 158

Ez 3,17 ff. 18,8-13 20,25 33,11 33,31

220 158 168 309 158

Dan 12

299

Hos 2,19f. 7,11

159 266

Joel 2,28 f.

255,

Sach 12,3 14,7

306 266

-

Tob 2,17

160

Mt 2,1-12 5,21 f. 5,28 5,44 6,1-18 7,15-23 7,22 f. 11,20-24 12,32 13,49 20,1-16 20,11 21,6 21,12 f. 22,37-39 24 24,3 24,29 25, Iff. 26,25 26,29 26,31 26,36 ff. 26,40 26,57 ff. 27,19

323 158 158 316 112 98 158 220 325 297 296 297 89 112 157 305 305 297 305 310 304 316 305 305 310 304

Mk 2,2 5,1-20 9,40 10,29 f. 10,46-52 13,4 13,11

244 136 113 298 195 297 286

Lk 1,28 1,30 2,14 2,29 f. 6,36 8,4 ff. 10,25 ff.

266 266 19 282 159 264 266

10,34 14,25 ff. 15 18,1-8 21,25-36 22,52 23,43

266, 279 244 266 250 225 248 305

Joh 1,5 2,4 3,8 5,35 5,39 6,44 8,12 8,31 f. 9, Iff. 13,17 14,2 14,21 14,23 f. 15,1-18 16,33 17,3 17,22 f. 20,11 ff. 20,17

266 228 234 267 156, 159 285 266 159 279 156 304 89, 156, 159 158 127 266 266 159 296 296

Apg 4,34 7,60 17,11 19,5 24,14 25,16

267 158 158 86 156 248

Rom 1,16 l,18ff. 1,20 1,27 2,14 (ff.) 6,1 f. 6,11 ff. 6,14.18 7

179 44 44 107 44, 178 159 316 157 138 f., 171-182, 197, 333 401

7,5 7,7-10 7,9-24 7,12 7,13 ff. 7,14 7,14 ff. 7,15 7,18f. 7,19 7,23 7,24 8 8,2 8,4 8,28 9-11 10,4 11,25 ff. 12,1 12,2 13,10

178 .175 177 157 171, 173 179 215 179 173, 177, 179 178 177 174 f. 250, 315 174 159 174 139 174 190 279 159 157

IKor 2,1 ff. 2,12 5,6 5, lOf. 5,11 6,19f. 7,25-38 11,19 11,27-29 12,26 14 15,10 15,28 15,33

215 156 160 160 160 180 126 143 309 f. 160 52-57 74 193, 265, 266 160

2Kor 4,4 5,4 6,17f. 8,13f. 12,2-4 13,5 13,13

156 181 160 160 305 159 214

402

Gal 2,19 ff. 3,27 5,6 f. 5,14 5,16 5,17 6,16

234 234 157, 159 157 178 181 156

Eph 3,17-19 4 4,3 5,4 5,6-11 5,22 ff. 5,30 5,32 6,18

159 232 160 220 160 126 f. 234 159 160

Phil 1,2 1,11 2,13

214 159 168

Kol 1,2 1,13 1,15 1,26 f. 2,2 f. 3,10-12 3,11 3,12f. 4,6

160 266 166 159 159 166 164 159 251

IThess 3,14-22 4,13-18 5,1 6,1-8 7,7-13 8,1

187 223f., 227 187 187 187 187

2Thess 1,3 ff. 2,3-13 3,6

224, 227 224 160

ITim 1,5 1,11

157 234

2Tim 4,1

318

Tit 1,1 1,9

50, 157, 159 98

IPetr 1,3-5 2,9 2,16 4,14

162 f. 158 297 148

2Petr 1,3-11 1,4 1,5-8 1,21

227 234 159 156

ljoh 1 1,5 1,7 1,8-10 2,3 2,3-5 2,5 2,18 2,29 (f.) 3 3,5 3,7 f. 3,9 3,16 3,22 3,23 f. 4,16 4,19 4,20 f. 5 5,1 f. 5,4 5,4f. 5,6

176 174 316 181 156 159 157 f. 52 159, 174 158, 176 174 159,174 176 158 158, 174, 176 158 266 162 157 176 157 176 139 156

5,13

158

2Joh 10 f.

160

Hebr 1,3 5,14 6,1 9,29 10,24 11 12 12,22 f.

166 156 156 297 158 319 181 160

Jak 1,14 1,21 f. 1,22 2,5 2,20

157 158 154 266 159

Jud 1,6

162

Off -

1,6 2, Iff. 2,1-3,13 2,7 3,14-22 3,15 5,1 5,10 6 6, Iff. 6,1-8 6,12 ff. 7,4 7,4-8 7,5 f. 7,7-13 8,1 8,13 9,13-21 11,Iff 11,2

183ff, 295 162 120 186, 296 305 187 297 187 162 297 297 187 227 297 297 297 187 187, 305 220 186 305 297

n,3fr. 12 13,8 14,4 17 17, I f f . 17,8 18 18,2 18,4 19 19,7

404

296 296 f. 165 254 297 306 165 297 190 160 297 227

19,7-9 19,18 20 20,2 20,4 20,4 f. 20,5 f. 20,6 21 22,20

128 297 78,184,227,259, 297 191 297, 305 192 186, 233, 296 192 259 162