Die Päpstin Johanna: Biographie einer Legende 9783412212551, 9783412204693

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Die Päpstin Johanna: Biographie einer Legende
 9783412212551, 9783412204693

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Die Päpstin Johanna

Max Kerner | Klaus Herbers

Die Päpstin Johanna Biographie einer Legende

2010 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Die frühesten Bilder zur Geschichte der Päpstin zeigen meist die Geburt ihres Kindes während einer Prozession; sie stammen aus der französischen Fassung des Werkes von Boccaccio über bekannte Frauen (De mulieribus claris) aus dem frühen 15. Jahrhundert. Hier: Bibliothèque Nationale de France, Manuscrits occidentaux Francais 598, Fol. 151.

© 2010 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau.de Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Druck und Bindung: General Druckerei, H-Szeged Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Hungary ISBN 978-3-412-20469-3

Erdmute et Gertrud uxoribus

Inhalt Vorwort Warum dieses Buch? 9

I. Fiktive oder historische Figur ? Von einer ›wahren Geschichte‹ zu einer ›wundersamen Fabel‹ 13

II. Platz für (k)eine Päpstin ? Das 9. Jahrhundert als geschichtlicher Ort 35

III. Frühe Spuren der Päpstin Von der Erzählkunst der Bettelorden bis zur spätmittelalterlichen Wirkung der Papstfabel 63

IV. Neue Aufgaben der Päpstin Geschichtliches oder juristisches Argument in den kirchenpolitischen Auseinandersetzungen des 14. und 15. Jahrhunderts 90

INHALT

V. Moralisches oder historisches Monstrum ? Von den konfessionellen Debatten der Reformationszeit bis in die neuzeitliche Literatur 115

VI. Statt eines Nachworts: Brauchen wir die Päpstin ? 136

Anmerkungen 145 Liste der wichtigsten Werke zur Geschichte der Päpstin Johanna bis 1480 155 Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 158 Bibliographie 159 Bildnachweis 169 Personenregister 170

Vorwort Warum dieses Buch?

Gab es die Päpstin Johanna? Wenn es sie nicht gab, so hätte es sie doch geben können! Jedenfalls ist die Überlieferung zu Johanna so reich, dass es lohnend erscheint, auf dem Stand der heutigen Geschichtsforschung eine Einführung zur Legende der Päpstin Johanna zu geben, zur Biographie ihrer geschichtlichen Überlieferung. Bei einem solchen Gegenstand können historische Wortmeldungen angesichts von publikumsträchtigen Romanen oder Filmen leicht in den Verdacht geraten, als »Spielverderber« zu gelten, weil sie entmythologisieren wollen. Dem wollen wir entgegenwirken, schon durch den Untertitel »Biographie einer Legende«. Es geht uns darum, die Quellen, die von der Päpstin Johanna berichten, in Form einer Lebensgeschichte nachzuzeichnen, die ihrerseits eine faszinierende Version von Wirklichkeit darstellt. Diese vielfältige Entwicklungsgeschichte hat als eine durchaus autonome Erinnerung stärker auf die Menschen eingewirkt als die engere Debatte über einen historisch nachweisbaren weiblichen Papst im Mittelalter. Wenn also die Legende wie eine Lebensgeschichte ernst genommen wird, dann berücksichtigt dies neuere Überlegungen der Geschichtswissenschaften, die auch Fiktionen als Teil der Wirklichkeit ernst nehmen. Anlass nachzufragen besteht reichlich. Um die Päpstin Johanna gibt es seit Jahrhunderten eine vielstimmige Streitdebatte: im Spätmittelalter und in der Frührenaissance unter Chronisten und Theologen, unter Kirchenkritikern, Historikern und Literaten, in den konfessionellen Auseinandersetzungen der Reformation und Gegenreformation, in den Diskursen der Aufklärungszeit, in den wissenschaftlichen Analysen des 19. und 20. Jahrhunderts sowie in einer Vielzahl von Geschichtsromanen und literarischen Texten, die sich mit Phantasie und großem Erfolg 

VORWORT

mit der Päpstin Johanna befasst haben. Über die letztere, die literarische Produktion, urteilte Horst Fuhrmann, vormaliger Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften: »Gegenwärtig dürften etwa ein Dutzend Romane über das tragische Leben der Päpstin Johanna auf dem Markt sein; historisch haben sie den Wert von Asterix und Obelix«. Zur jüngeren Fachdiskussion meinte der emeritierte Augsburger Mediävist Bernhard Schimmelpfennig: »Kaum ein ›real existierender‹ Papst des Mittelalters ist in der modernen Forschung so häufig in Monographien behandelt worden wie ein Papst, den es aller Wahrscheinlichkeit niemals gegeben hat: die Päpstin Johanna.« Unsere Darstellung wendet sich an die interessierte Öffentlichkeit. Deshalb sind die wissenschaftlichen Anmerkungen sowie die Quellenund Literaturhinweise knapp gehalten. Fußnotenseligkeit ist bewusst vermieden worden. Die Kurztitel der Quellen und Darstellungen lassen sich aus der abschließenden Bibliographie ergänzen und nutzen. Das Buch hat zwei Autoren: Klaus Herbers (Erlangen) und Max Kerner (Aachen). Beide haben sich die nachfolgenden Kapitel aufgeteilt – der eine (Max Kerner) ist verantwortlich für die Kapitel I, III und V, der andere (Klaus Herbers) für die Kapitel II, IV und VI. Inhalt und Ausrichtung des Buches werden von beiden gemeinsam getragen. Dabei handeln die ersten drei Kapitel vor allem von Forschungsergebnissen und frühen Quellenzeugnissen und spüren mithin der Frage nach, welche Belege es für die Entstehung einer Geschichte von der Päpstin Johanna gibt, wie diese in die Zeit des 9. Jahrhunderts gelegt werden konnte und welche Interpretationsmöglichkeiten die verschiedenen Quellenstellen eröffnen. Kapitel IV und V zeichnen dann Rezeption und Verwendung in Politik, Geschichtsschreibung und Literatur an einigen Beispielen nach, um die Darstellung insgesamt nicht ausufern zu lassen. Der Böhlau-Verlag hat das Projekt mit viel Engagement unterstützt, vor allem Frau Dorothee Rheker-Wunsch. Dank sagen wir auch den verschiedenen Hilfestellungen in Aachen und Erlangen, in Aachen 

VORWORT

den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Forschungskolloquiums am Lehrstuhl für Mittlere Geschichte, insbesondere Frau Claudia Lürken, in Erlangen besonders Herrn Hans-Christian Lehner sowie Frau Cristina Oikonomou und Frau Dagmar Hutter, denen neben Unterstützung bei der Texterstellung auch das Literaturverzeichnis und die Übersicht über die frühesten Belege zur Päpstin Johanna zu verdanken sind. Frau Privatdozentin Dr. Johanna Mierau informierte zu Martin von Troppau und besorgte eine entsprechende Abbildung; im Verlag bereitete Herr Matthias Stangel das Register vor. Auch ihnen sei herzlich gedankt. Aachen und Erlangen im Februar 2010 Max Kerner, Klaus Herbers

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I. Fiktive oder historische Figur ? Von einer ›wahren Geschichte‹ zu einer ›wundersamen Fabel‹

Dem wissenschaftlichen wie literarischen Streitthema über die Päpstin Johanna, das nicht zuletzt durch die Frauenforschung und Frauenbewegung gefördert wird, nähern wir uns in drei Schritten. Zunächst gilt es, den gerade verfilmten und deshalb erneut diskutierten Bestseller der amerikanischen Schriftstellerin Donna W. Cross (1996 erschienen, in Deutschland vier Millionen Mal verkauft) in Inhalt und Ausrichtung kurz vorzustellen und dann ihre Historizitätsüberlegungen zu diesem für sie geschichtlich belegten weiblichen Papst knapp zu skizzieren. Schließlich wird jene wissenschaftlich überzeugende Früh- und Entstehungsgeschichte der Päpstin Johanna umrissen, die der Münchener Kirchenhistoriker Ignaz von Döllinger in seiner Studie zu den Papstfabeln (1863 und 1890) entwickelt hat, nach dessen Untersuchung sich wohl kaum noch jemand finden lassen dürfte, der die Existenz der Päpstin ernsthaft behauptet.

Die Päpstin in Roman und Film Welche Geschichte erzählen der Roman und der Film? Sie beginnt mit der Jugend der späteren Päpstin, mit ihrer Geburt in Ingelheim und ihrer Kindheit bei ihrem aus England stammenden despotischen Vater, einem glaubensstarren Dorfpriester, der verheiratet ist mit einer Sächsin, die insgeheim noch immer dem germanischen Wotanskult huldigt.1 Es folgt der frühe Unterricht durch einen byzantinischen Wandergelehrten namens Aeskulap, der der jungen Johanna die Vereinbarkeit von Glauben und Vernunft zu vermitteln sucht und ihr eine 

FIKTIVE ODER HISTORISCHE FIGUR ?

griechisch-lateinische Fassung des Homer überlässt. Johanna gelangt dann zur Kathedralschule des Bischofs Fulgentius von Dorstadt (in der Nähe von Wolfenbüttel) und zu dem spießigen Schulmeister Odo, Leiter der dortigen Schule, der – überzeugt von der weiblichen Inferiorität – seine Schülerin Johanna in Glaubensfragen zu überlisten sucht. Schließlich flieht Johanna in Männerkleidern in das Kloster Fulda, in dem sie sich als Wunderheiler und Priester bewährt. Bei einem Besuch ihres autoritären Vaters wird sie erkannt und findet wegen der ihr drohenden Gefahr Schutz bei einer Familie, deren Mutter Johanna einst gesund gepflegt und derem Sohn sie zum Schulbesuch verholfen hat. Bevor sie diese Familie verlässt, übergibt sie der kleinen Enkelin Arnalda jenes Medaillon der heiligen und gelehrten Katharina von Alexandrien, das ihr verstorbener Bruder Matthias ihr einst geschenkt hatte. Nach dieser Jugendgeschichte folgt die »feministische Geschichtsutopie« der Päpstin Johanna,2 die sie in Rom zunächst zu einer ärztlichen Tätigkeit als Johannes Anglicus bei Papst Sergius II. bringt. In der geschichtlichen Wirklichkeit war dieser Sergius ein greiser Erzpriester, der 844–847 den römischen Pontifikat führte, sich mit allerlei Unruhen und Missständen auseinanderzusetzen und den Sarazenenüberfall 846 abzuwehren hatte. Im zeitgenössischen Papstbuch, dem Liber Pontificalis, wird er einerseits als tugendhaft und tatkräftig dargestellt, in einer Sonderüberlieferung allerdings auch als hinfälliger, gichtkranker Greis charakterisiert, der als Simonist Bistümer verkauft habe und verwerflich in Körper und Geist gewesen sei.3 Im Film dagegen wird er von John Goodman als der »dicke, rosige, verschmitzte, sinnenfrohe und rampensäuische Papst« (DIE ZEIT, 22. Oktober 2009) in einem »Triumph der Spiellust« gezeigt. In Roman und Film werden zudem die römischen Intrigen um den Kardinalpriester Anastasius Bibliothecarius sowie die Liebesgeschichte Johannas mit dem sächsischen Grafen Gerold nachgezeichnet. Es folgen die Begegnung mit Kaiser Lothar I., Johannas Aufstieg zum Amtsträger (nomenclator) der päpstlichen Kanzlei und schließlich ihre 

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Papsterhebung sowie ihr Pontifikat, der am Ende bei einer römischen Bittprozession zur Ermordung des Gerold und zu Niederkunft und Tod der Johanna führt. Abgeschlossen wird diese Papstgeschichte mit einem Epilog, in dem der greise Anastasius die Geschichte der Johanna im Liber Pontificalis löschen lässt, während im fernen Paris jene Arnalda (aus Johannas Fuldageschichte), die inzwischen in einer fast unglaublichen kirchlichen Karriere Bischof von Paris geworden ist, die

1 und 2 Deutsche Ausgabe des Erfolgsromans von Donna W. Cross mit einem Cover, das ein Fresko von Pinturicchio (1454–1513) aus der Libreria Piccolomini in der Kathedrale von Siena verfremdet. Dieses Fresko (rechts) zeigt die Heiligsprechung Katharinas von Siena durch Papst Pius II. (1461), der damit seiner Vaterstadt seine Gunst bezeugen wollte. Es stammt zusammen mit anderen gemalten Lebensszenen des Papstes von Bernardino di Betto (1454–1513), der sich ›Malerzwerg‹ (Pinturicchio) nannte. Aus dem spätmittelalterlichen Humanistenpapst ist in dem deutschen Titelbild des Cross-Bestsellers die Päpstin Johanna geworden, über deren Papstthron immer noch das Papstwappen Pius’ II. aus der Vorlage zu erkennen und deren Buch in der linken Hand mit einem einschlägigen Frauenzeichen markiert ist. Eine verwirrende Verformung! 

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3 und 4 Johanna Wokalek in ihrer Rolle als weiblicher Mönch und Papst in der romangetreuen Verfilmung (Regie: Sönke Wortmann) der literarischen Vorlage von Donna W. Cross. 

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John Goodman in der Rolle als Papst Sergius II. in dem Film »Die Päpstin«.

Eintragung der Päpstin in die dort vorhandene Abschrift des Papstbuches einfügt. Man hat diese »Historyfiction« über eine legendäre Päpstin aus der Mitte des 9. Jahrhunderts sehr unterschiedlich bewertet. Donna W. Cross selbst betrachtet Pope Joan als eine faszinierende Frauengestalt und ihren Pontifikat als eine wahre und unglaubliche Emanzipationsgeschichte. Über deren Verfilmung gehen die Meinungen allerdings stark auseinander – der Film wird als opulent und unterhaltsam, aber auch als gedankenarm, ohne innere Perspektive und theologische Tiefe angesehen. Der Mittelalterforscher Bernhard Schimmelpfennig fand das literarische Thema der Donna W. Cross zwar spannend erzählt, »jedoch von der Tradition stark abweichend und voller historischer Fehler.«4 Man wird deswegen wissen wollen, wie und was die Geschichtsforschung ihrerseits über einen weiblichen Papst im Mittelalter denkt.

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Was sagt die Geschichtswissenschaft? Bereits vor fast 150 Jahren sprach Ferdinand Gregorovius – der große Außenseiter der Mittelalterforschung und Verfasser einer beeindruckenden Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter – von »einer der wunderlichsten Fabeln, welche die Phantasie des Mittelalters erzeugt hatte«, von einer rohen Legende, die »der Sucht nach romanhaften Dingen und vielleicht auch des Hasses der Römer gegen die weltliche Herrschaft der Päpste« entsprungen sei.5 Die heute gängige Lesart dieser Papstfabel haben zuletzt Horst Fuhrmann und Bernhard Schimmelpfennig zusammengefasst.6 Danach ist die Legende aus einer lokalrömischen Sage entstanden und seit 1250 in verschiedenen, immer reicheren Versionen verbreitet worden. Sie besagt, dass eine gelehrte und Männerkleidung tragende Notarin oder Lehrerin in Rom zum Papst erhoben wurde, während einer Prozession auf dem Weg von St. Peter zum Lateran niedergekommen und bei der Geburt des Kindes gestorben sei. Die zunächst namenlose Päpstin habe die weibliche Form des häufigsten Papstnamens ›Johannes‹ erhalten und sei hinter Papst Leo IV. (847–855) in die Mitte des 9. Jahrhunderts platziert worden. Die ersten schriftlichen Zeugnisse dieser Legende sind aber erst 400 Jahre später, in der Mitte des 13. Jahrhunderts, aufgekommen und schließlich durch den schlesischen Dominikaner Martin von Troppau in seiner Chronik Ende des 13. Jahrhunderts sowie zwei Jahrhunderte später durch den päpstlichen Bibliothekar Bartolomeo Platina (gest. 1481) Teil der Papstgeschichte geworden. Im 16./17. Jahrhundert wurde diese bis dahin kaum historisch bezweifelte Päpstin konfessionelles Streitthema und je nach Standpunkt zur Papst- und Kirchenkritik genutzt oder aber als durchsichtige Erfindung abgetan. Erst die wissenschaftliche Quellenkritik des 19. und 20. Jahrhunderts hat schließlich die geschichtliche Nichtexistenz der Päpstin eindeutig erwiesen. Dabei sind dann auch mögliche Gründe für die Entstehung dieser Legende geltend gemacht worden, 

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wie etwa historiographische Lücken in Bezug auf das 9. Jahrhundert, bestimmte Details bei der Einsetzung von Paschalis II. im Jahre 1099 oder verschiedene Sachbelege (Inschrift, Statue und Kapelle bei San Clemente bzw. die dort vermutete Änderung des päpstlichen Prozessionsweges) sowie die falsche Ordinalzahl bei Papst Johannes XXI. (statt: XX.) – Einzelheiten, auf die später eingegangen wird.

Konträre Lesarten Man hat es demnach mit zwei völlig konträren Lesarten zu tun: einerseits mit der Päpstin Johanna als einer fiktiv nachempfundenen literarischen Figur, andererseits mit einer historisch belegbaren Gestalt. Es dürfte sich anbieten, diese widersprüchliche Sichtweise etwas kritischer zu hinterfragen und mit den Überlegungen zur Geschichtlichkeit eines weiblichen Papstes im 9. Jahrhundert zu beginnen, wie sie die amerikanische Schriftstellerin Donna W. Cross in ihrem Roman (Author’s Note: Was there a Pope Joan?) angefügt hat, um einerseits die Historizität ihrer Heldin zu verdeutlichen und andererseits das Historische und Fiktionale ihres Romans zu unterscheiden. Für sie ist die Päpstin Johanna eine der außergewöhnlichsten Gestalten der Geschichte, die bis zum 17. Jahrhundert als historisches Faktum akzeptiert und deren Wahrheitsgehalt erst in jüngerer Zeit aufgrund der protestantischen Angriffe im konfessionellen Zeitalter durch den Vatikan unterdrückt wurde, wobei angeblich Hunderte von Büchern und Handschriften vernichtet worden seien. Für Donna W. Cross liegen die Hauptargumente der katholischen Kirche für die Nichtexistenz einer Päpstin Johanna im Fehlen von deren Erwähnung in den zeitgenössischen Quellen des 9. Jahrhunderts sowie in der Tatsache, dass es zwischen den Pontifikaten Leos IV. (847–855) und Benedikts III. (855–858) für eine Päpstin Johanna keinen Platz gibt. Dieser katholischen Argumentation setzt Donna W. Cross einige Überlegungen entgegen, welche die Geschichtlichkeit der Johanna beweisen sollen. Einerseits gebe es in den mittel

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alterlichen Jahrhunderten nun wahrlich keinen Mangel an Quellen, die von einer solchen Existenz der Päpstin ausgingen.7 Zudem existiere noch ein uraltes Exemplar des Liber Pontificalis (wahrscheinlich gemeint Vat. Lat. 3762, 12. Jahrhundert), das am Ende einer Seite der Vita Leos IV. die Passage des Martin von Troppau nachtrage – allerdings mit einer Hand des 14. Jahrhunderts, was Donna W. Cross verschweigt (vgl. Abb. 28). Hinzukommen für die amerikanische Autorin einige Besonderheiten wie der ›fehlende‹ Papst Johannes XX.8, der geänderte Prozessionsweg und schließlich die Geschichte der sedes stercoraria9, die in einigen Reiseberichten festgehalten sei.10 Am Ende steht bei Donna W. Cross ein flammendes Bekenntnis ihrer Bewunderung für die Päpstin Johanna: »Die Flamme der Hoffnung, die von dieser und anderen Frauen entfacht wurde, war nur ein schwaches Flackern auf einem Meer der Dunkelheit; doch gänzlich erloschen ist diese Flamme nie. Für Frauen, die stark genug waren zu träumen, gab es Gelegenheiten. Die Päpstin ist die Geschichte einer Frau, die einen solchen Traum gelebt hat.«11 Zu dieser Geschichtsutopie der Donna W. Cross und ihrem erklärenden Anhang über die Historizität der Päpstin hat die Theologin Elisabeth Gössmann gemeint: Historisches Profil sei diesen Erklärungen »selbst mit größter Nachsicht« nicht zu bescheinigen.12 Ähnlich urteilte Bernhard Schimmelpfennig: »Gerne würde ich ihnen [diesen historischen Erklärungen] zustimmen, doch die Zeugnisse aus dem 9. Jahrhundert lassen dies nicht zu. Leider!«13 Warum das so ist, wird das nächste Kapitel (II) ausführlich thematisieren. Wenn aber die Päpstin Johanna keine historisch nachweisbare Figur des 9. Jahrhunderts ist, dann wird man nach einem anderen Ursprung ihrer Legende suchen müssen. Diese Suche hat in vorzüglicher Weise in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der große Münchener Kirchenhistoriker Ignaz von Döllinger geleistet, als er »der Entstehung und Ausbildung der Sage [durch] die Zergliederung derselben«14 auf den Grund ging. Döl-

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lingers wissenschaftliche Persönlichkeit und einschlägige Forschungsleistung sind deshalb hier ein wenig zu vertiefen.

Ignaz von Döllinger und die Fabel von der Päpstin Johanna Wer war Ignaz von Döllinger? Der Münchener Stiftspropst und Spitzenforscher der katholischen Kirchengeschichte war ein entschiedener Gegner des päpstlichen Universalprimates von 1870, weil sich für ihn das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes letztlich von den kirchenrechtlichen Fälschungen des 9. Jahrhunderts herleitete, die unter dem Namen Pseudoisidors zahlreiche verfälschte Briefe ur- und frühchristlicher Päpste hervorgebracht und die päpstlichen Primatsrechte mit Wirkung bis in das moderne Kirchenrecht formuliert hatten. Döllinger, der diese These in zahlreichen Veröffentlichungen vertieft und verbreitet hatte, wurde 1871 exkommuniziert und seine Schriften auf den kirchlichen Index der verbotenen Bücher gesetzt. Danach gab Döllinger alle kirchlichen Aufgaben auf und wirkte ab 1873 als Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.15 Worin besteht Döllingers Forschungsleistung zur Fabel einer mittelalterlichen Päpstin? Auf zweifache Weise hat er deren Entstehung zu klären versucht, indem er zunächst mit sicherem Gespür für Textzusammenhänge die vorhandenen Schriftzeugnisse und deren Abhängigkeiten voneinander aufwies – mit dem Ergebnis, dass vor der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in den schriftlichen Quellen kein entsprechendes Zeugnis zur Päpstin zu finden ist und alle scheinbar früheren Chroniknotizen des Hochmittelalters, wie etwa bei Marianus Scotus (gest. 1082) oder Sigebert von Gembloux in der Zeit um 1100, in der handschriftlichen Tradition dieser Texte nachgetragen sind. Nach Döllinger hat man deshalb zu unterscheiden zwischen dem 9. Jahrhundert als der Periode des angeblichen Geschehens und dem 13. Jahrhundert als der Zeit der 

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6 Johannes Joseph Ignaz von Döllinger (1799–1890), Münchener Stiftspropst und bedeutender Kirchenhistoriker, ab 1873 Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Sein Leitspruch: Nil temere nil timide, sed omnia consilio et virtute (»Nichts tollkühn, nichts furchtsam, sondern alles mit Überlegung und Tatkraft«).

7 Titelblatt der ersten Ausgabe von Ignaz von Döllingers Studie zu den mittelalterlichen Papstfabeln, die 1863 erschien und 1890 kurz vor seinem Tod nochmals aufgelegt wurde. Die Jesuitenzeitschrift La Civiltà Cattolica bezeichnete Döllingers Forschungsergebnisse als »feindurchdachte Hypothesen«. 

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literarischen Entstehung und Verbreitung der jetzt schriftlich fassbaren Legende, so dass deren Ursprungsgründe nicht um 850, sondern im Kontext der Jahre um 1250 zu suchen sind (vgl. Kapitel III). Zum anderen hat Döllinger die so genannten Sachbelege dieser Papstfabel als grundlegende Bestandteile des legendarischen Stoffes ermittelt, die sich aus den Hinweisen in den Schriftquellen ergeben, genauer: »den Gebrauch durchbrochener Sessel bei der Einsetzung eines neugewählten Papstes, einen Stein mit einer Inschrift, den man für ein Grabdenkmal nahm, eine an demselben Ort gefundene [weibliche] Statue mit Gewändern […] und die Sitte, bei Prozessionen mit der Vermeidung einer auf dem Weg befindlichen Straße einen Umweg zu nehmen.«16 Für den französischen Mediävisten Alain Boureau bestand »die eigentliche Originalität des bayerischen Theologen darin, die Legende als historischen Gegenstand, als ›Phänomen‹, zu behandeln, ohne sie damit auf den Abfallhaufen der Geschichte zu werfen oder sie den Romanschriftstellern zu überlassen.«17 Der legendarische Text habe für Döllinger eine »kulturgeschichtliche Autonomie« besessen, bei der in der doppelten Angangsweise (Schrift- und Sachzeugnisse) »Ansätze eines Zeichensystems« zu erkennen seien. Vor diesem Hintergrund ist nach Döllingers Such- und Findungsweg zu fragen, nach der – wie er sich ausdrückte – »Zergliederung« der Fabel von einer mittelalterlichen Päpstin. Für Ignaz von Döllinger ließ sich die Entstehung und Ausbildung der legendarischen Geschichte von einer Päpstin Johanna dahingehend zusammenfassen, dass »zuerst eine Inschrift gefunden wird, welche auf eine Päpstin gedeutet [wurde]«, deren Namen und Pontifikatszeit man nicht kannte, »weil auf der Inschrift, wie man sie gelesen hat, kein Name stand und auch sonst keiner bekannt war«.18 Gemeint ist hier jene Inschrift, die in den ersten Schriftzeugnissen zur Päpstin in der Mitte des 13. Jahrhunderts bei dem lothringischen Chronisten und Dominikaner Jean de Mailly bzw. mit einer kleinen Variante in dem von ihm abhängigen dominikanischen Predigerhandbuch des Étienne 

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de Bourbon als Grabinschrift überliefert ist: P. Pater Patrum P. P. P., deren Buchstaben Jean de Mailly auflöst: Petre, pater patrum, papisse prodito partum (»Petrus, Vater der Väter, verrate das Gebären der Päpstin«, vgl. Abb. 24, S. 65; ähnlich der Text bei Étienne de Bourbon). Auf franziskanischer Seite sind es dann kurze Zeit später die Chronik des unbekannten Erfurter Minoriten sowie die ebenfalls anonymen Flores temporum, die diese Inschrift mit dem Teufel verbinden: als Aufforderung des Dämons an die Päpstin, im päpstlichen Konsistorium die Niederkunft offenzulegen (Erfurter Chronik) bzw. als dessen Versprechen, aus einem Besessenen nicht eher zu weichen, bis sie, die Päpstin, die diesen Exorzismus vollzieht, die Geburt ihres Kindes bekannt gegeben habe (Flores temporum).19 Man sieht, wie Döllinger feststellte, dass »Lesung und Deutung der Inschrift in den Nebenumständen noch schwankend sind«, dass aber alle Überlieferungsträger eine Sechs-P-Inschrift bezeugen, deren Herkunft daher näher zu bestimmen ist. Diese hängt für Döllinger mit alten Mithraszeugnissen zusammen, in denen die Bezeichnung pater patrum als häufiger Titel eines Mithraspriesters auftritt, der vielleicht Papirius geheißen habe oder dessen Name nicht mehr vollständig zu lesen gewesen sei, der aber zur Erinnerung an seinen Mithrasdienst einen Opferstein aus eigenen Mitteln gestiftet habe, so dass sich auch die drei weiteren »P« auflösen ließen: propria pecunia posuit – er, der Mithraspriester, habe den Opferstein mit eigenem Geld errichtet. Solche Mithraszeugnisse sind in der Umgebung der vermuteten Niederkunft der Päpstin zwischen Kolosseum und Lateran in der Nähe der heutigen Basilika San Clemente mit ihrem dort nachgewiesenen Mithräum nicht ungewöhnlich. Aus der Opferinschrift eines Mithraspriesters im spätantiken Rom war demnach eine mittelalterliche Grabinschrift der unglücklichen Päpstin geworden – eine verformte Erinnerung, die schon bald zu einer Teufelsformel dämonisiert und weiter verfremdet wurde. Nach Meinung von Bernhard Schimmelpfennig20 waren es vielleicht römische Fremdenführer oder andere 

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Ortskenner im Mittelalter, auf die ein solcher Umformungsprozess und die angedeuteten inhaltlichen Varianten (Grabinschrift oder Teufelsbeschwörung) zurückgehen könnten. Wie auch immer, die Inschrift und deren inhaltliche Ausdeutung haben als der älteste Teil der Papstfabel zu gelten. Nach der Mitte des 13. Jahrhunderts erscheint die Erzählung »ohne jede weitere Andeutung« – so Ignaz von Döllinger – fast gleichzeitig in Frankreich (Jean de Mailly und Étienne de Bourbon) und in Deutschland (Erfurter Chronik) in den ersten Schriftbelegen, die den Ursprung aus der römischen Lokalsage durchaus noch erkennen lassen, aber mit ergänzenden Details aufwarten,21 »die außerhalb Roms von ›Erzählern‹ gemacht worden sind, deren Kenntnisse der römischen Rechtspraxis und Papstgeschichte nicht gerade überwältigend waren«.22 1277 ist es dann Martin von Troppau, der von der genannten Inschrift nichts weiß, dafür aber »ein neues Moment« (I. v. Döllinger) in die Legende einfügt, womit wir zu dem zweiten Punkt kommen: dass die Päpste wegen der Schändlichkeit des Geschehens (ob detestationem facti) den Prozessionsweg zwischen Kolosseum und dem Lateran geändert haben. Diese Ergänzung hat sich um 1270 offenbar erst ausgebildet, weil Martin von Troppau bemerkt: creditur a plerisque (wird von den meisten geglaubt). In den späteren Quellen, so Döllinger, schien diese Sache »schon ganz und gar ausgemacht und notorisch zu sein«. Gemeint ist hier die Tatsache, dass die Päpste bei ihren Prozessionen vom Kolosseum zum Lateran nicht mehr die Via dei Santi Quattro Coronati wählten, sondern geradewegs auf der Via di San Giovanni in Laterano an San Clemente vorbei zum Lateran und der gewaltigen Johannisbasilika und dem ehemaligen Papstpalast gezogen seien. Für Döllinger ist eine solche Wegänderung ganz einfach mit der Enge der Straße zu erklären, während die hochmittelalterliche Phantasie der Römer dagegen vermutete, »dass dies geschehe zum Andenken an die in dieser Straße eingetretene Entbindung der Päpstin, um den Abscheu vor der gerade auf dieser Stelle erfolgten Katastrophe auszu

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8 Moderner römischer Stadtplan zwischen Kolosseum und Lateran. Der vicus papisse (Platz der Päpstin) liegt zwischen Nr. 1 (San Clemente) und Nr. 2 (Santi Quattro Coronati) an der Gabelung der Via di San Giovanni in Laterano und der Via dei Santi Quattro Coronati.

9 Frühneuzeitlicher Plan der Stadt Rom (1578). Die gestrichelte Linie vom Kolosseum bis zum Lateran zeigt den geänderten Prozessionsweg. 

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drücken«. In der zweiten Fassung der Chronik von Martin von Troppau, die nicht weit nach 1277 entstanden sein dürfte, ist bereits die Rede davon, dass der Ort der Niederkunft der Päpstin vicus papisse (Platz der Päpstin) genannt wird und dass dort zum Gedenken an die Päpstin bis zum heutigen Tag eine Steinskulptur stehe (cuius memoria in lapidibus sculpta usque hodie manet).23 Von einer solchen Bildsäule spricht auch der flämische Historienspiegel des Jacob van Maerlant aus der Zeit um 128024 – offenbar »eine Figur in Pontifikalgewändern mit einem Kind« –, die aber ursprünglich eine heidnische Gottheit mit einem dienenden Knaben darstellte und in der Vorstellung des Volkes, so Döllinger, zu einer Mutter-Kind-Statue umgedeutet wurde. Abgeschlossen wird für Döllinger die frühe Ausbildung und Entstehung der Papstfabel dadurch, dass das römische Volk entweder gleichzeitig oder bald danach das liegende Sitzen des neugewählten Papstes auf zwei Amtssesseln auf die Päpstin bezogen und mit einer merkwürdigen Männlichkeitskontrolle, über die noch zu reden sein wird, verbunden hat. Jedenfalls wird diese Deutung nach 1291 im »Visionsbuch« des Robert d’Uzès und in der fast gleichzeitigen Chronik des Geoffroy de Courlon als eine Praxis angesprochen, von der man gehört habe. Man sieht – so drückte es jedenfalls Alain Boureau aus –, dass die Legende von einer Päpstin in der Zeit ihrer fassbaren Niederschrift »in unmittelbarem Zusammenhang mit realen Sachverhalten« stand, deren Inhalt und Herkunft Ignaz von Döllinger herausgefunden hat und die da heißen: der durchbrochene Stuhl des Lateran, die Inschrift in Kürzeln, die vermeintliche Statue der Päpstin mit Kind und schließlich die Wegänderung bei den päpstlichen Prozessionen. Alain Boureau wörtlich: Die Dinge, die vorher allein »als Argumente in dem Streit um die Existenz der Päpstin eingesetzt worden waren, wusste Döllinger als konstitutive Elemente seines legendarischen Gegenstandes selbst zu benutzen. […] vor allem aber hat er zu zeigen vermocht, dass eine Legende – wenn man sie sachgemäß analysiert – eine wichtige historische Quelle ist, da sie auf wertvolle, ja unersetzbare Weise Denkweisen 

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10 und 11 Der vicus papisse (Platz der Päpstin) in der Nähe von San Clemente, von dem aus die beiden Straßen (Via di San Giovanni in Laterano und Via dei Santi Quattro Coronati) zum Lateran führen. Am Eingang der Via dei Santi Quattro Coronati steht eine Ädikula oder kleine Gedenkstätte, die an den Ort der Niederkunft der Päpstin erinnern will bzw. an deren Steinskulptur, die dort gestanden haben soll.

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der Menschen der Vergangenheit aufdeckt.« Damit sei Döllinger einer der Vorläufer der Mentalitätsgeschichte gewesen.25

Die Geschichte der Männlichkeitsprüfung Der Weg des Ignaz von Döllinger, die Fabel von einer mittelalterlichen Päpstin in ihre einzelnen Teile zu ›zergliedern‹ und in ihrer inhaltlichen Verformung aufzuweisen, soll abschließend an dem viel diskutierten Beispiel der angeblichen Männlichkeitskontrolle des neugewählten Papstes genauer aufgezeigt werden. Wie angedeutet, war es der Dominikaner Robert d’Uzès (gest. 1296), der in seinem an Coelestin V. und Bonifaz VIII. gerichteten Liber visionum, einem Offenbarungsbuch über den gefährdeten Zustand von Papst und Kirche, schrieb: Er sei im Jahre 1291, als er in Orange weilte, im Geiste nach Rom in die Säulenhalle des Lateranpalastes vor die Porphyrsessel versetzt worden, wo dem Vernehmen nach der Papst daraufhin geprüft werde, ob er ein Mann sei (Et ecce posuit – sc. spiritus – me in porticu ante sedes porphyrii ubi dicitur probari papa, an sit homo).26 Fast zeitgleich heißt es bei Geoffroy de Courlon: Daher sagt man, dass die Römer die Gewohnheit hatten, das Geschlecht des gewählten Papstes zu prüfen: per foramen cathedre lapidee, »durch die Öffnung des steinernen Bischofsstuhles«.27 Nach Döllinger war es auch hier die Phantasie des römischen Volkes, die ein päpstliches Erhebungszeremoniell missverstand, das seit Paschalis II. 1099 belegt ist und bei dem jeder neugewählte Papst auf zwei durchbrochenen Sesseln zu sitzen hatte, die aus altrömischer Zeit stammen, porphyrfarben sind und vor dem Silvesteroratorium im Lateranpalast standen. Döllinger wörtlich: »Dieses Sitzen hatte die Bedeutung des Besitzergreifens, […] die symbolische Bedeutung der Sache und der damit verbundenen Zeremonien war dem Volke fremd und unbekannt. Es ersann sich seine eigene Erklärung, eine Erklärung, wie sie eben der Volkswitz zu geben pflegt. Der Stuhl ist hohl und durchbro

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12 Illustration der Männlichkeitsprüfung, entnommen den Lectionum memorabilium et reconditarum libri duo (Lauingen 1600) des protestantischen Juristen Johannes Wolf (1537–1600). 

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chen, hieß es, damit die Gewissheit erlangt werde, dass der Papst auch ein Mann sei. Die weitere Frage, warum es dessen bedürfe, erzeugte die Erklärung: es sei wirklich einmal ein Weib Papst geworden.«28 Dieses von Döllinger angesprochene Erhebungszeremoniell zur feierlichen Besitznahme des Lateran ist ausführlich in der Paschalis-Vita des Papstbuches beschrieben. Dort heißt es: »Am Lateran angekommen, wird der neugewählte Papst vom südlich des Laterans gelegenen Platz zum [östlich gelegenen] Hauptportal der Erlöserbasilika, auch Konstantinsbasilika genannt, geleitet. Der Papst steigt vom Pferd und wird zunächst auf den Thron am Eingang und dann auf den Patriarchenthron [im Innern der Basilika] gesetzt. Dann schreitet er hinauf zum Palast und begibt sich zu den zwei kurulischen Stühlen. Dort wird ihm ein Gürtel mit sieben Schlüsseln und sieben Siegeln umgelegt. Damit soll ihm gezeigt werden, dass er mithilfe der sieben Gaben des Heiligen Geistes die ihm von Gott anvertraute Kirche durch Binden und Lösen so klug leiten soll, wie es der Feierlichkeit der Zeremonie entspricht. Man setzt ihn dann auf die beiden [genannten] Sessel, gibt ihm den Bischofsstab und geleitet ihn durch die Papstgemächer. So vollendet der Papst […] durch Sitzen und Schreiten das Wahlzeremoniell.«29

Es geht demnach um ein dreifaches Platznehmen und Inbesitznehmen: auf dem Sessel in der Vorhalle der Basilika, auf dem Marmorthron in der Apsis der Kirche und auf den beiden Amtsstühlen im Eingangsbereich des Lateranpalastes. Die beiden letzteren werden in den päpstlichen Zeremonienbüchern des ausgehenden 12. Jahrhunderts sedes porphireticae genannt, seien aber – so Agostino Paravicini Bagliani30 – in Wirklichkeit aus rosso antico gefertigt gewesen, »einem sehr teuren und gesuchten Marmor, der in Rom seit dem Ende der Republik verwendet wurde.« Es handele sich dabei weniger um spätantike Gebärstühle, wie noch der Historiker Cesare d’Onofrio annahm31, sondern eher um kostbare Sitze öffentlicher Bäder, die aus den nahe gelegenen Thermen stammten. Im päpstlichen Zeremoniell waren diese beiden Marmorsitze eine Art Doppelthron, der einerseits in dem begrifflichen 

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Wandel von den in der PaschalisVita genannten »kurulischen Sitzen« zu diesen Porphyrthronen die päpstliche Kaisernachahmung des Hochmittelalters verdeutliche. Andererseits werde durch das zeremonielle Sitzen und Liegen sinnbildhaft der Gegensatz von Leben und Tod aufgewiesen bzw. die Apostelnachfolge des Petrus und Paulus bezeugt: »Der neue Papst«, so Agostino Paravicini Bagliani, »soll in sich Amt und Lehre, den Primat des Petrus und die Predigt des Paulus vereinigen«. Aus der Lebensbeschreibung Papst Honorius’ II. (1124–1130) im Papstbuch wissen wir zudem, dass die beiden Porphyrsessel vor der Silvesterkapelle der Sancta Sanctorum im Lateranpalast standen und in der Sitzplatte kreisrunde Öffnungen hatten. Beide Sessel sind noch heute erhalten und befinden sich in den Vatikanischen Museen in Rom sowie im Louvre in Paris (vgl. Abb. 13). Ähnlich verhält es sich mit dem Marmorsessel aus der Vorhalle der Lateranbasilika, der heute in deren Kreuzgang steht und der für »eine nach heutigen Begriffen nicht

13 Porphyrsessel, Rom, Vatikanische Museen.

14 Kot-Stuhl (sedes stercoraria), Rom San Giovanni in Laterano, heute im Kreuzgang. 

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gerade schickliche Verdemütigungsszene« (E. Eichmann)32 gedacht war (vgl. Abb. 14). Bereits in den erwähnten Zeremonienbüchern wird er mit einem ungewöhnlichen Namen belegt: Kot-Stuhl (sedes stercorata oder stercoraria) – ein Name, der sich aus dem biblischen Gebet der Hanna im ersten Samuelbuch (1 Sam 2,8) ableitet: Gott erhebt den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus dem Kot. Für Agostino Paravicini Bagliani »liegt der symbolische Sinn dieser Schlüsselszene auf der Hand: sie sollte den Papst zur Demut mahnen [und] ist vielleicht der eindringlichste Demutsritus, dem sich ein Papst unterwerfen musste«, da das Wort stercus, das diesem Marmorsessel seinen Namen gegeben habe, Kot oder Dreck bedeute.33 All diese Sinnbezüge und zeremoniellen Einzelheiten sind in der Geschichte von der päpstlichen Virilitätskontrolle, die nach dem ›Unfall‹ eines weiblichen Papstes notwendig zu sein schien, verdrängt worden. In der Papstgeschichte Bartolomeo Platinas (1479 erstmals in Venedig gedruckt) kann man erkennen, wie dieses zeremonielle Platznehmen auf verschiedenen Stühlen im päpstlichen Erhebungsritus, der bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts angewandt wurde, in seinen genauen Einzelheiten nicht mehr genau differenziert wurde, wenn es dort heißt: »[…] dass der Papst, wenn er sich zur Lateranbasilika begibt, um den Irrtum [einer Päpstin] zu vermeiden, sich auf den zu diesem Zweck durchlöcherten Stuhl setzt und seine Genitalien von dem jüngsten Diakon betasten lässt […] darüber denke ich, dass jener Stuhl dazu gemacht sei, damit derjenige, der in eine solche Würde eingesetzt wird, wissen möge, dass er nicht Gott, sondern Mensch sei und den Notwendigkeiten der Natur wie der Verdauung unterworfen ist, weshalb der Stuhl mit Recht Kot-Stuhl heißt.«34

Mit anderen Worten: Der Demutsstuhl aus der Vorhalle der Lateranbasilika, die sedes stercoraria und die beiden durchlöcherten Porphyrsessel im Lateranpalast vor dem Silvesteroratorium (der Privatkapelle der Päpste) werden hier von Platina zu ein- und demselben Stuhl mit

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einander verbunden und auf diese Weise der ursprüngliche Erniedrigungsritus des Papstes mit der späteren Virilitätskontrolle der Papstfabel in eins gesetzt. Als Zwischenfazit ergibt sich aus all diesen Hinweisen und Ausführungen, dass die Fabel von der Päpstin Johanna alles andere als die Geschichte eines real existierenden weiblichen Papstes darstellt. Einen solchen hat es im Mittelalter nach allem, was wir wissen und aus den historischen Quellen entnehmen können, nicht gegeben. Gegeben hat es ihre Legende, die bereits in ihrer frühen Ausbildung und Entstehung eine historische Eigenständigkeit beanspruchen kann, so dass man mit Fug und Recht von der ›Biographie einer Legende‹ sprechen darf, deren frühe Formen wir bereits beobachten konnten und die es später (Kapitel III) noch genauer zu untersuchen gilt. Zu dieser legendarischen Biographie gehört auch ihre literarische Ausgestaltung, deren jüngste Ausprägung in dem vielgelesenen und jetzt verfilmten Roman der amerikanischen Schriftstellerin Donna W. Cross zu fassen ist, welche die für sie historische Päpstin aus einer wenig geachteten weiblichen Gestalt des Mittelalters zu einer engagierten Sehnsuchtsfigur der Frauenbewegung gemacht und auf diese Weise die Herzen der Menschen erobert hat. Ob es für eine solche Figur historisch in der Mitte des 9. Jahrhunderts einen Platz gab, welche Anknüpfungspunkte für eine Geschichte von der Päpstin in dieser Zeit ausgemacht werden können, wird das nun folgende Kapitel näher zu klären haben.

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II. Platz für (k)eine Päpstin ? Das 9. Jahrhundert als geschichtlicher Ort

Die Päpstin gilt bis heute vielen als leuchtendes Vorbild einer anderen (Papst-)Kirche, manchen als Stein des Anstoßes, vielen aber auch einfach als Erklärung für Unerklärbares. Weil die Assoziationen – trotz Forschung und Überprüfungen – so vielfältig sind, wurde immer wieder die Frage nach dem historischen Ort Johannas gestellt. Viele Details der Erzählung deuten, wie bereits angesprochen, eher auf Zustände des 13. Jahrhunderts als auf frühere Zeiten, und die nach heutiger Kenntnis frühesten Belege legten den Pontifikat einer Päpstin nicht ins Frühmittelalter. Aber die Einordnung in die späte Karolingerzeit des 9. Jahrhunderts wurde seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert fast traditionsbildend, denn die überwiegende Anzahl der hoch- und spätmittelalterlichen Schriften (Kapitel III) ordnete ihren Pontifikat zumeist zwischen Leo IV. (847–855) und Benedikt III. (855–858) ein. Stellt man die zunächst naive Frage nach »wahr« oder »falsch«, so fragt sich, ob die Quellen dieser Zeit die Amtszeit Johannas als Möglichkeit überhaupt zulassen. Interessanter und wichtiger erscheint jedoch eine Überprüfung der Frage, ob und inwieweit sich diese Phase der Papstgeschichte in besonderer Weise anbietet, um dort die Gestalt einer Päpstin anzusiedeln. Wo liegen wesentliche Merkmale der Epoche, und welche strukturellen Eigenheiten bieten die Quellen? War die Zeit so reich an Skandalen, dass eine weibliche Lichtgestalt nottat, oder ließen große Personen nur den Schluss zu, dass dies ohne einen weiblichen Anteil kaum vorstellbar sei? Deshalb ist ein kurzer Blick auf die Papstgeschichte im 9. Jahrhundert nötig, zumal auch die zahlreichen Romane, wie der eingangs zitierte von Donna W. Cross, immer wieder auf Personen dieser Zeit – wie Anastasius Bibliothecarius – zurückgreifen. 

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Rom in unruhigen Zeiten – Voraussetzungen für eine Päpstin? Das Papsttum ist eine der wenigen Institutionen, die von der Antike über das Mittelalter bis heute kontinuierlich fortbesteht. Von einer schwierigen Stellung im noch heidnischen Rom avancierte es vor allen Dingen nach dem Untergang des weströmischen Reiches (476) zu einer Ordnungsmacht in Mittelitalien. Päpste wie Gregor der Große (590–604) standen nicht nur an der Spitze einer kirchlichen Organisation, sondern übernahmen auch zunehmend Herrschafts-, Ordnungs- und Verwaltungsaufgaben. Obwohl zunächst noch vom oströmisch-byzantinischen Herrscher abhängig, entwickelte sich das Papsttum sukzessive zu einer der wichtigsten politischen Kräfte südlich der Alpen. Die Bedrohung durch die Langobarden im 8. Jahrhundert und die wenig effektive Hilfe aus dem Osten sowie theologische und kirchenpolitische Streitigkeiten führten jedoch zu einer langsamen Lösung von Byzanz. Dafür wandten sich die Päpste vor allem in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts den aufsteigenden Karolingern nördlich der Alpen zu. Die Kaiserkrönung Karls des Großen im Jahre 800 war ein sichtbarer Ausdruck dieses neuen Bündnisses mit der neuen bestimmenden weltlichen Macht im Westen.1 Einige Charakteristika der Zeit scheinen auch für die spätere Erzählung von einer Päpstin strukturell wichtig gewesen zu sein, wie die Konkurrenzkämpfe um das Papstamt oder die Bedeutung gelehrter Studien, die weiterhin oft auf Byzanz bezogen waren. Papst Leo III. (795–816), der Karl zum Kaiser krönte, war in Rom nicht unumstritten und bei einem Attentat fast ums Leben gekommen. Offensichtlich wollte man ihn 799 sogar absetzen. Nach seiner Flucht ins Frankenreich halfen Karl der Große und weitere einflussreiche Persönlichkeiten des Karolingerreiches, Leo III. und seine Herrschaft in Rom wieder zu stabilisieren. Diese Ereignisse der Jahre 799–800, die relativ gut – wenn auch parteiisch – dokumentiert sind, zeigen unter allge

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meinen Gesichtspunkten, wie sehr die Position der Päpste von den jeweiligen Machtkonstellationen römischer Adelsgeschlechter abhing. Diese Grundvoraussetzung konkurrierender Kräfte blieb im 9. Jahrhundert bestehen. Immer wieder gab es »Gegenpäpste« zu den jeweils gewählten Nachfolgern auf dem Bischofsstuhl von Rom. Im Jahre 844 stritt beispielsweise ein Diakon Johannes mit dem späteren Sergius II. um die Papstwürde, 855 Anastasius, den man später auch den Bibliothekar (Bibliothecarius) nannte, mit Benedikt III., und am Ende des 9. Jahrhunderts kam es nach dem Pontifikat des Formosus (891–896) innerhalb kürzester Zeit zu vielfach umstrittenen Papsterhebungen, bei denen die Nachwelt oft kaum weiß, welcher Kandidat nun der »rechtmäßige« gewesen ist; dabei spielten der römische Adel, aber auch die zuweilen divergierenden Interessen von Kaiser und Papst eine wichtige Rolle. Eine weitere Tendenz der Papstgeschichte ist in der Mitte des 9. Jahrhunderts zu erkennen. Mit der zunehmenden Aufteilung des fränkischen Reiches seit dem Vertrag von Verdun 843 gewann das Papsttum als Ordnungsmacht im lateinischen Westen zumindest zeitweise an Gewicht. Dies ging einher mit Bildung und Gelehrsamkeit; diese Entwicklung begann schon unter Leo IV. (847–855), einer gelehrten Persönlichkeit, und verstärkte sich nach 858. Einige Amtsinhaber setzten mit ihren Entscheidungen wichtige Akzente und gewannen große Autorität. Dies erfolgte oft in Reaktion auf Anfragen und Bitten, die an das Papsttum herangetragen wurden. Besonders Papst Nikolaus I. (858–867) griff in Streitigkeiten des Westfranken- und des Mittelreiches ebenso energisch ein wie in die Auseinandersetzungen zwischen zwei Patriarchen in Konstantinopel. Seine Briefe lassen zuweilen deutliche Primatsansprüche erkennen. Die beiden unmittelbaren Nachfolger Hadrian II. (867–872) und Johannes VIII. (872–882) standen in dieser Tradition eines kurzfristig recht selbstbewussten Papsttums. Alle drei genannten Inhaber der Cathedra Petri sind aber auch deshalb besonders gut zu charakterisieren, weil bis zur Zeit der Kirchenreform im 11. Jahrhundert kaum zu weiteren 

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15 Papst Leo IV. (847–855), angeblich der Vorgänger einer Päpstin Johanna (Darstellung auf dem Himmelfahrtsfresko der Unterkirche von San Clemente in Rom).

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Päpsten eine so umfangreiche Dokumentation vorliegt. Die in Briefund Kirchenrechtssammlungen oder – im Falle Johannes’ VIII. – in einer Registerabschrift (im Wesentlichen Kopien des Briefausgangs) überlieferte Korrespondenz verrät, welch geistig hochkarätigen Leute in dieser Zeit in der päpstlichen Umgebung wirkten. Der noch ausführlicher vorzustellende gelehrte Anastasius Bibliothecarius – den ja die Belletristik zur Päpstin oft als zwielichtige Figur darstellt – gestaltete die Politik der Päpste Nikolaus I. und Hadrian II. maßgeblich mit, er diktierte und verfasste wichtige Papstbriefe; darüber hinaus prägte er durch sein literarisches Wirken das Zeitalter entscheidend. Er starb um 879. In den großen Streitigkeiten zwischen Rom und Byzanz in den 60er und 70er Jahren des 9. Jahrhunderts, bei denen es auch um die Führungsposition im christlich geprägten oder noch zu prägenden Raum ging, scheint mit dem zurückgehenden Einfluss des Anastasius Bibliothecarius Papst Johannes VIII. eine zunehmend gemäßigtere Haltung als seine Vorgänger eingenommen zu haben. Spätere Kritiker wollen jedenfalls wissen, dass Johannes VIII. im Vergleich weniger energisch – kaum wie ein Mann – besonders gegenüber Byzanz reagiert habe; zuweilen wurde deshalb daran gedacht, die weibliche Namensform der Päpstin Johanna sei von diesem Johannes abgeleitet worden (vgl. unten Kapitel V). Als eine Schlüsselepisode für die zunehmende Destabilisierung in Rom und die divergierenden Interessen, die zu Ende des Pontifikates von Johannes VIII. deutlich hervortreten, kann der Bericht über dessen Tod 882 gelten. Nach der Notiz in den Jahrbüchern von Fulda (Annales Fuldenses), die im ostfränkischen Karolingerreich etwa zeitgenössisch verfasst wurden, soll der Papst vergiftet worden sein und – als das Gift nicht schnell genug wirkte – will man noch mit dem Hammer nachgeholfen haben: »In Rom war nämlich der Bischof des apostolischen Stuhles verschieden, Johannes mit Namen; dieser hatte schon früher von seinem Verwandten Gift 

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erhalten, jetzt aber wurde er von demselben und zugleich anderen Genossen seiner Freveltat, da er ihrer Meinung nach noch länger leben würde als dass ihre Begierde hätte gestillt werden können, da sie sowohl seinen Schatz wie die Leitung des Bistums an sich zu reißen dürsteten, so lange mit einem Hammer geschlagen, bis dieser im Gehirn stecken blieb«2.

Dieser Bericht erschließt – unabhängig von seiner Verlässlichkeit im Einzelnen – den Eindruck eines Zeitgenossen von Verhältnissen in Rom in dieser Zeit. Adelskämpfe und Konkurrenz bestimmten wiederum in größerem Maße das Bild, und so lassen Autoren seit der Frühen Neuzeit das so genannte »Dunkle Jahrhundert der Papstgeschichte« oft mit dem Tod Johannes’ VIII. 882 beginnen, das dann das gesamte 10. Jahrhundert über währte und das der römische Kirchenhistoriker Caesar Baronius mit diesen oder ähnlichen Worten im 16. Jahrhundert charakterisierte. Die Frauen Theodora und Marozia werden oft genannt, die für das »Hurenregiment« dieses 10. Jahrhunderts erheblich verantwortlich gewesen seien. Da sie aus dem Hintergrund die päpstliche Politik des beginnenden 10. Jahrhunderts bestimmten, ist nicht auszuschließen, dass Frauen wie sie manche späteren Autoren veranlassten, schließlich an die Möglichkeit einer weiblichen Päpstin in dieser Zeit zu denken.3

16 Die Regensburger Fassung der zeitgenössischen Jahrbücher von Fulda bietet die Nachricht zum grausamen Tod Johannes’ VIII. im Jahre 882. Annales Fuldenses, Cont. Ratisbonensis, ad a. 883, ed. F. Kurze (MGH SS rer. Germ. 7), Hannover 1891, S. 109; vgl. den deutschen Text oben bei Anm. 2. 

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Einen Höhepunkt erreichten die römischen Auseinandersetzungen nach dem Tod des Formosus (891–896). Dieser Papst war schon als Bischof unter Nikolaus I. ein wichtiger Helfer des Papsttums geworden. Als Bischof von Porto sollte er die Missionierung Bulgariens leiten und nach Willen der dortigen Gläubigen sogar 866 Erzbischof werden. Nikolaus I. verweigerte dieses von den Bulgaren 17 Der umstrittene Papst Formosus an ihn herangetragene Ansinnen, (891–896), nach dessen Tod die Turbulenzen um das Papstamt zunahmen weil ein Bischof seine Diözese (Zeichnung von Emilio de Cavalieri, nicht verlassen dürfe, der Wech- 1588). sel von einem zum anderen Bistum (Translation) verboten sei. Damals herrschte die Vorstellung, ein Bischof sei mit seiner Diözese gleichsam verheiratet. Bis heute erinnert der Bischofsring als äußeres Zeichen an diese Verbindung. Formosus stach auch in der Pontifikatszeit Johannes’ VIII. weiterhin als ehrgeizig hervor, er wurde 876 mit einigen Komplizen exkommuniziert, was zu seiner Flucht ins Westfrankenreich führte. Erst unter Marinus I. (882–884) wurde er rehabilitiert und bestieg am 3. Oktober 891 schließlich selbst die Cathedra Petri. Diese Erhebung verstieß natürlich ebenso gegen das Translationsverbot, weil Rom auch ein »normaler« Bischofssitz war, der allerdings als Sitz der Nachfolger des heiligen Petrus als besonders herausgehoben galt. Nachdem der Papst 896 gestorben war, machten seine Gegner ihm die Missachtung des Translationsverbotes zum Vorwurf: Gegen die kirchlichen Gesetze sei Formosus aus Ehrgeiz auf den römischen Bischofssitz übergewechselt. Ein Jahr nach seinem Tode, 897, zerrte man den Leichnam aus dem Grab, setzte den Papst in päpstlichen Gewändern als Leiche auf einen Thron, und ein 

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18 Bei einer »Leichensynode« kam es 897 zur Anklage gegen den schon toten Papst Formosus, der aus Ehrgeiz auf den Sitz des heiligen Petrus gewechselt sei. Das Gemälde hat dieses Ereignis 1870 – zur Zeit des Ersten Vatikanischen Konzils – ins Bild gesetzt (Jean-Paul Laurens, Le Pape Formose et Étienne VII lors du Concile cadavérique).

Diakon hatte die undankbare Aufgabe, den angeklagten toten Papst zu verteidigen. Diese »Leichensynode« führte zur Verurteilung des ehemaligen Papstes und seiner Anhänger und stand am Beginn eines Ringens zwischen den von Formosus geweihten Klerikern und deren Gegnern, das fast zwanzig Jahre anhielt. Unruhige Zeiten waren in Rom, Italien und dem Westen bis in die ersten Jahrzehnte des 10. Jahrhunderts angesagt. Nicht nur das grausame Schauspiel der Leichensynode hat die Nachwelt beschäftigt, sondern auch die Gültigkeit der Weihen einer unrechtmäßig auf den römischen Sitz gelangten Person. Im Ergebnis wurde aber der Wechsel von einem Bischofssitz auf den römischen zunehmend akzeptiert und damit auch die herausragende Stellung Roms indirekt unterstrichen. Dieser Weg zu neuen Strukturen war aber dornig, denn unter ande

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rem die Abwesenheit eines starken Kaisers verhalf römischen Familien zunächst wiederum zu großem Einfluss. Aus diesem knappen Abriss ergeben sich für die zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts drei für die Geschichte einer Päpstin wichtige Beobachtungen und Voraussetzungen, die sowohl Hinweise zum möglichen Platz für eine Päpstin als auch zu einer inhaltlich-sachlichen Zuordnung in diese Zeit geben. 1. Eine bis 882 insgesamt relativ dichte Überlieferung lässt Funktionsweisen päpstlicher Herrschaft und Zielvorstellungen der Päpste im 9. Jahrhundert relativ gut erkennen und scheint keinen Platz für eine Päpstin zu bieten. 2. Die Bedeutung einiger Päpste ergibt sich unter anderem aus dem Nachweis mehrerer hervorragend ausgebildeter und gelehrter Personen, auch in der päpstlichen Umgebung, verbunden mit einer etwa zwei bis drei Jahrzehnte währenden Blüte spätantik-christlicher Gelehrsamkeit, die auch für eine Päpstin Relevanz erhalten sollte. 3. Bei verschiedenen Erhebungsakten, besonders zu Ende des 9. Jahrhunderts, waren Konkurrenzsituationen der Nachfolge bis hin zur förmlichen Absetzung, sogar nach dem Tode eines Papstes, zu verzeichnen. Dies könnte Gedanken beflügelt haben, hier einen Pontifikat Johannas einzufügen. Die Papstgeschichte des 9. Jahrhunderts ist also vielfältig, in mehreren Aspekten zeigt sie den Wechsel der päpstlichen Umorientierung von Byzanz zu den Karolingern, die zunehmende Bedeutung des römischen Sitzes (sedes) sowie die gerade beim Fehlen eines mächtigen Schutzherrn problematischen Auseinandersetzungen verschiedener Personengruppen um das päpstliche Amt. Das Wissen über die verschiedenen Päpste ist aber ungleichmäßig, denn nicht nur Briefe und Urkunden lassen päpstliches Handeln erkennen, sondern auch die erzählenden Quellen. Am päpstlichen Hof gab es so etwas wie ein »institutionalisiertes Gedächtnis«, das so genannte Papstbuch (Liber Pontificalis), das aber in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts nicht weitergeführt wurde. 

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Die Notizen dieses Buches sind aber für die Geschichte einer Päpstin wichtig, weil in einer Handschrift ja der Eintrag bzw. Nachtrag zum Pontifikat der Johanna erscheint, der wohl im 14. Jahrhundert erfolgte (vgl. Kapitel III mit Abb. 28). Deshalb lohnt ein genaueres Hinsehen.

Die Überlieferung: Das Papstbuch (Liber Pontificalis) mit den Lebensbeschreibungen der Päpste Das Papstbuch (Liber Pontificalis) erweist sich als Fundgrube für die Rekonstruktion der Papstgeschichte, weil die einzelnen Lebensbeschreibungen im Umfeld der Päpste verfasst wurden und damit gängige Zeitvorstellungen erkennen lassen. Findet sich hier ein Hinweis auf eine Päpstin? Die Viten des Liber Pontificalis sind von einigen modernen Verfechtern bemüht worden, um die Historizität der Päpstin »nachzuweisen«4, nicht nur weil die Notiz der Päpstin auch in spätere Manuskripte dieses Liber Pontificalis aufgenommen wurde, sondern auch weil einige Handschriften Lücken nach der Vita Leos IV. aufweisen, manche Manuskripte an dieser Stelle sogar abbrechen. Um diese Befunde beurteilen zu können, sei das Papstbuch kurz vorgestellt. Der Liber Pontificalis besteht aus einzelnen Skizzen zu jedem Pontifikat (Viten), die man auch als Gesta (Taten, Tatenberichte) bezeichnet hat5. Entstehung, Struktur und Verbreitung müssten nicht nur für das gesamte Werk des Liber Pontificalis, sondern im Grunde auch für die Vita jedes Papstes gesondert untersucht werden. Schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wurde darüber gestritten, wie und seit wann dieses Buch in Rom kontinuierlich geführt wurde. Für unseren Zusammenhang genügt es zu wissen, dass spätestens seit dem 7. Jahrhundert die Lebensbeschreibungen (Viten) fortlaufend von Zeitgenossen verfasst wurden. Die Struktur der Viten ähnelt sich: In der Regel enthalten sie Angaben zur Herkunft, zum Werdegang und zur Erhebung des jeweiligen Papstes, Charaktereigenschaften, Dauer des Pontifikates, Rechtsbestim

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mungen, Bautätigkeit, Gründungen, Schenkungen, politische und kirchenpolitische Informationen, Tod und Begräbnisort, Sedisvakanz, Ordinationen. Bedenkt man diese Grundstruktur, so wird klar, dass der Ausdruck »Vita« nur bedingt zutrifft, denn es geht vor allem um die Amtshandlungen einer Person. Mittelalterliche Autoren haben deshalb mit Gesta oder ähnlichen Bezeichnungen die Zielsetzung treffender umschrieben. Bis heute wird gestritten, wo die Viten abgefasst wurden, ob im Vestiarium (das für die Aufbewahrung und Verwaltung von Kleidern und Stoffen, aber auch von weiteren Schätzen verantwortlich war, also wirtschaftlichen Zwecken diente) oder in der für die Formulierung von Briefen und Urkunden verantwortlichen »Kanzlei«, die jedoch in dieser Zeit nur rudimentär ausgeprägt war. Dieser »alte« Liber Pontificalis (»alt« deshalb, weil es im hohen und späten Mittelalter Fortsetzungen gab) wurde nur bis in das Jahr 886 geführt, jedenfalls sind für die Pontifikate nach Stephan V. (885–891) keine Handschriften mehr überliefert. Die Situation ist sogar noch etwas komplizierter, denn die kontinuierliche Berichterstattung endet schon 870: Die Vita Hadrians II. bricht in diesem Jahr ab, die Viten der folgenden Päpste (Johannes VIII., Marinus II. und Hadrian III.) fehlen, und die Vita zu Stephan V. (885–891) erreicht nur das zweite Pontifikatsjahr.

Handschriftenbefunde: Beweise für eine Päpstin? Die Viten des 9. Jahrhunderts unterscheiden sich von denjenigen des 8. Jahrhunderts durch die geringere Zahl der erhaltenen Handschriften. Es ist nicht sicher, ob dies dem Zufall, nachlassendem Interesse an dieser Art von Geschichtsschreibung oder anderen Gründen geschuldet ist. Für das gesamte 9. Jahrhundert hat der Herausgeber Louis Duchesne im Wesentlichen sechs Handschriften herangezogen. Einen Einschnitt lassen zwei Manuskripte in der Lebensbeschreibung Leos IV. erkennen, denn sie brechen mitten in der Darstellung ab. Dies sind 

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zwei heute in der Pariser Nationalbibliothek verwahrte Handschriften: Ms. lat. 5516 aus dem 9. Jahrhundert (vor 871) und Ms. lat. 5140 aus dem 11. Jahrhundert. Wie sind diese Einschnitte zu erklären? Das ältere der beiden Manuskripte (Ms. lat. 5516) endet auf Folio 113 mitten in der Vita Leos IV. Von späterer Hand wurden dann etwa im 9./10. Jahrhundert Folio 114 und 115 aufgefüllt, und auf dem unteren Rand ist eine Notiz zu den Pontifikatszeiten der Päpste Benedikt III. und Nikolaus I. angefügt. Warum wurde nicht ein neues Folio genommen? Wurde hier am Manuskript manipuliert, um die Passage über eine Päpstin zu verbergen, wie zuweilen geäußert wurde? Eine Analyse der Handschrift führt zu einem anderen Befund. Mittelalterliche Handschriften waren nicht unbedingt so zusammengefügt, wie wir sie heute in den Archiven und Bibliotheken antreffen. Es wurden auch vielfach verschiedene Schriften zusammengebunden, wie an der hier interessierenden Handschrift deutlich wird: Die auf Folio 116–170 verzeichneten Akten des Konzils von Paris 829 bildeten zunächst eine eigene Handschrift. Folio 114 und 115 waren die jeweiligen Deckblätter von zwei ursprünglich unabhängigen Handschriften; eine größere Ergänzungsmöglichkeit gab es also erst nach der Zusammenführung beider Manuskripte6. Wie steht es aber mit der zweiten Pariser Handschrift? Ms. lat. 5140 stammt aus dem 11. Jahrhundert7 und wird für unseren Zusammenhang auf Folio 131 verso interessant, denn dort bricht die LeoVita mitten im Satz ab; der Rest des Folio blieb frei. Es folgt auf dem gegenüberliegenden Folio die Lebensbeschreibung Papst Nikolaus’ I. (858–867), diejenige Benedikts III. (855–858) fehlt in dieser Handschrift (vgl. Abb. 19 a und 19 b). Der in der heute gültigen Edition ge-druckte erste Satz über Herkunft und Pontifikat Nikolaus’ I. steht zudem nicht in dieser Pariser Handschrift. Könnten sich dieser Teil und die Lebensbeschreibung Nikolaus’ I. insgesamt nicht eher auf eine Frau beziehen, denn in der Vita heißt es sogar später, Nikolaus sei von schönem Aussehen, aspectu pulcher, gewesen? Die Überlegungen, 

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19 a und 19 b Der Zustand eines Manuskriptes des Papstbuches (Liber Pontificalis), der zu manchen Spekulationen über die Tilgung einer Passage aus der offiziösen Quelle Anlass bot. Paris, BN, Ms. lat. 5140 fol. 131v–132r.

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die zuweilen zugunsten dieser Annahme vorgebracht wurden, bleiben vage, denn die Vita entspricht insgesamt durchaus den üblichen Traditionen, selbst Bemerkungen zu schönem Aussehen halten auch andere Lebensbeschreibungen von Männern im Papstbuch bereit. Allerdings sind die drei letzten Lebensbeschreibungen des alten Liber Pontificalis (Nikolaus I., Hadrian II. und Stephan V.) etwas anders als die Viten zuvor strukturiert. In einer jüngeren Publikation sind diese drei Viten deshalb erneut untersucht worden.8 Demnach zeichnet vielleicht der wichtige literarische Kreis, der in den 870er Jahren in Rom aktiv war, für eine Neuausrichtung der Papstviten verantwortlich, die nun mehr Informationen zur päpstlichen »Politik« enthalten. Lange Zeit hat man dem bekannten Anastasius Bibliothecarius wenn nicht die Redaktion des gesamten Liber Pontificalis, so doch zumindest die Abfassung der Vita Nikolaus’ I. zugeschrieben. Jüngst konnten Argumente dafür beigebracht werden, dass die Nikolaus- und Hadriansvita eher aus der Feder des noch vorzustellenden Diakons Johannes Hymmonides stammen, der auch durch eine Auftragsvita zum Leben Gregors des Großen ein neues Ideal heiliger Päpste habe konturieren wollen.9 Nur das Fragment der Stephansvita ist noch einmal kurz zu den alten Formen der Lebensbeschreibung zurückgekehrt.10 Damit verweisen die letzten drei Viten des Liber Pontificalis in ihrer Struktur zugleich auf die Zustände Roms zwischen 858 und 886, auf die Bedeutung gelehrter Helfer bei der Gestaltung der Texte sowie auf die ab etwa 870 zunehmend schwierige Situation der Päpste – auch hinsichtlich der einem Bischof obliegenden Fürsorge für die römischen Kirchen. Auf diese Schwierigkeiten dürften auch die Handschriften verweisen, denn die letzten Viten des Liber Pontificalis sind nicht mehr besonders breit überliefert: Sieht man von späten Rezensionen ab, so sind es am Anfang des Jahrhunderts noch fünf, danach vier und für den letzten Papst, Stephan V., nur noch drei Manuskripte.11 Der Blick auf die Handschriften führt nochmals zu derjenigen aus Paris (Ms. lat. 5140). Wie ist die schon erwähnte Lücke zwischen 

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den Viten Leos IV. und Nikolaus’ I. zu erklären, zumal die Vita Benedikts III. hier vollständig fehlt? Stand in dieser Lücke zwischen Leo und Nikolaus wirklich eine Nachricht über die Päpstin anstelle der Lebensbeschreibung Benedikts III.? Es gibt zumindest eine andere, sehr plausible Erklärung für diesen Befund. Seit der letzten Gesamtedition des älteren Papstbuches dominiert die Ansicht, der spätere Bibliothekar Anastasius habe die Passage entfernen lassen. Der Grund hierfür lag am ehesten in seinem unrühmlichen Versuch von 855, das Papstamt zu erlangen. Diese Passage fehlt aber nur in einigen Handschriften des Liber Pontificalis, denn Anastasius konnte sein Scheitern nicht vollständig aus der historischen Erinnerung tilgen. Die Viten der Päpste Benedikt III., Nikolaus I., Hadrian II. und Stephan V. sind zwar nur durch Kopien des 11. Jahrhunderts, aber dennoch wohl zuverlässig überliefert, so dass es keine Lücke für eine Päpstin Johanna gibt, wenn man die Gesamtüberlieferung berücksichtigt. Damit erklären sich die handschriftlichen Befunde des Papstbuches recht überzeugend. Zugleich rücken aber der römisch-literarische Kreis und Anastasius selbst in den Fokus.

Anastasius Bibliothecarius und der römische Gelehrtenkreis – Gefährten einer Päpstin? Die Rolle des Kardinalpriesters Anastasius, des späteren Bibliothekars der römischen Kirche, aber auch der römische Gelehrtenkreis der 860er/870er Jahre scheinen noch auf andere Weise geeignet zu sein, um mit den angeblichen Traditionen zur Päpstin verknüpft zu werden. Die Wirren der Papsterhebungen, der Ehrgeiz des Anastasius, aber auch die Gelehrsamkeit haben Brücken zur Figur der Päpstin Johanna erlaubt. Wer aber verbirgt sich hinter dem Namen Anastasius? Der römische Kleriker war nicht nur gelehrt, sondern auch ehrgeizig12. Schon sein Verhältnis zu Papst Leo IV. war von tiefgreifenden Spannungen bestimmt. Der Papst hatte den mit dem Bischof Arsenius 

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20 Anastasius Bibliothecarius, der ehrgeizige Konkurrent bei der Erhebung Papst Benedikts III. (855–858) und der gelehrte Kopf, der durch das Verfassen von Briefen und Übersetzungen unter anderem die Kontakte Roms seit den 860er Jahren mit Byzanz maßgeblich bestimmte, wird im jüngsten Film zur Päpstin Johanna, hier durch den Schauspieler Anatole Taubman, jedoch durchaus zwielichtig dargestellt. 

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von Orte verwandten Anastasius noch 847 oder spätestens Anfang 848 zum Kardinalpriester der römischen Titelkirche St. Marcellus geweiht; kurz darauf muss Anastasius aus ungeklärten Gründen Rom verlassen haben. Deshalb lud Leo IV. ihn mehrmals vor die Konzilien und schaltete dazu auch die Kaiser ein. Bis zur endgültigen Absetzung im Dezember 853 erhob Leo IV. immer wieder den Vorwurf, Anastasius habe seine Kirche ohne päpstliche Erlaubnis und gegen kirchenrechtliche Bestimmungen verlassen. Dass er in dieser Zeit mit der späteren Päpstin Johanna in Athen weilte – wie Donna W. Cross und der Film erzählen –, ist allerdings keinesfalls aus den zeitgenössischen Quellen ersichtlich. Nachdem verschiedene Ladungen und Bemühungen keinen Erfolg zeitigten, exkommunizierte Papst Leo IV. Anastasius am 16. Dezember 850 auf einem Konzil in Rom, bis dieser sich einem kanonischen Urteil unterziehe. Wir kennen den Spruch nur aus einer Wandinschrift13, die Anastasius bei seinem Versuch von 855, das Papstamt zu erringen, in Rom zerstören ließ. Den vollständigen Bruch mit Papst Leo IV. brachte das Jahr 853. Nach weiteren Bemühungen um den Abtrünnigen und neuerlichen Vorladungen zog das römische Konzil im Dezember 853 den Schlussstrich unter eine überaus lang andauernde Auseinandersetzung. In St. Peter enthoben die 59 anwesenden Bischöfe, sieben Bischofsvertreter und weitere Mitglieder des römischen Klerus’ unter Berufung auf Beschlüsse des Konzils von Antiochia (341) den nicht erschienenen Anastasius des priesterlichen Amtes und schlossen eine spätere Wiedereinsetzung aus. Die dem Pontifikat der Päpstin oftmals zugewiesene Amtszeit nach dem Tod Leos IV. am 17. Juli 855 führt wiederum auf Anastasius, der 855 mit kaiserlicher Hilfe versuchte, statt des in Rom gewählten Benedikt III. Papst zu werden. Auf Betreiben (seines Onkels) Bischof Arsenius’ von Orte und der kaiserlichen Missi (Abgesandte) konnte er bei seinem »Marsch auf Rom« weitere Anhänger gewinnen und sogar nördlich von Rom die von dem bereits gewählten Benedikt III. entsandten 

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Legaten, in der Stadt selbst weitere Vertraute der päpstlichen »Verwaltung« gefangen nehmen lassen. Nach der Einnahme des Lateranpalastes ließ er durch einen Bischof den gewählten Papst Benedikt III. vom Thron stoßen, ihn der Pontifikalgewänder berauben und inhaftieren. Alles schien für Anastasius nach Plan zu laufen; er scheiterte jedoch bei seinem letzten Schritt daran, dass sich die beiden Kardinalbischöfe von Ostia und von Albano mit Hinweis auf seine frühere Absetzung weigerten, Anastasius zu weihen. So gelangte schließlich Benedikt III. auf die Cathedra Petri, und der anschließende Prozess führte dazu, dass Anastasius der priesterlichen Gewänder entkleidet, ihm jedoch die Laienkommunion erlaubt wurde. Zur »Versorgung« erhielt er vielleicht schon von Benedikt III. das Calixtkloster bei der Kirche Santa Maria in Trastevere. Seit dieser Zeit wirkte Anastasius zunehmend als Gelehrter, bis er etwa ab den Jahren 861–862 wieder in der päpstlichen Umgebung nachzuweisen ist, vor allem als Verfasser von päpstlichen Schreiben; insbesondere scheint er zum Fachmann für Ostkirchliches avanciert zu sein. Dies belegen auch seine hinterlassenen Übersetzungen aus dem Griechischen, dies betraf die Konzilsakten, aber auch weitere Werke. Griechische Traditionen waren aufgrund zahlreicher Klöster in der Ewigen Stadt durchaus noch präsent, aber fundierte griechische Sprachkenntnisse scheinen in der Tiberstadt damals eher selten gewesen zu sein. Neben ein eindrucksvolles Übersetzungswerk hagiographischer Schriften14, das sich mit dem Namen Anastasius Bibliothecarius verband, traten Übertragungen historiographischer Entwürfe, wie diejenigen der dreiteiligen Chronik (Chronographia tripartita) des Theophanes. Dies war eine Zuarbeit für die von Diakon Johannes geplante große Kirchengeschichte, der hierbei griechische Quellen verwenden wollte, obwohl er selbst das Griechische nicht beherrschte. Außerdem erstellte Anastasius lateinische Fassungen des VIII. und später auch des VII. ökumenischen Konzils (von 869 beziehungsweise 787). Insofern machte Anastasius einerseits das griechische Erbe der römischen Welt 

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zugänglich, gleichzeitig redete er aber auch ein Wort in den kirchenpolitischen Diskussionen zwischen Ost und West mit. Zu den überragenden Gestalten des römischen Geisteslebens dieser Zeit gehörte weiterhin der schon genannte Johannes Hymmonides (Sohn des Immo), auch als Johannes Diaconus bezeichnet, der im Auftrag Papst Johannes’ VIII. 873 bis 875 eine neue (dritte) Lebensbeschreibung Papst Gregors des Großen verfasste. Laut einer Vermutung von Alain Boureau könnte die von ihm bearbeitete Cena Cypriani (Mahl des Cyprianus) vielleicht sogar einen indirekten Hinweis auf die schon erwähnten durchlöcherten Stühle (vgl. Kapitel I) enthalten. Die Cena Cypriani war ein Werk der Unterhaltungsliteratur, das wohl in der Spätantike in Südgallien entstanden war und ursprünglich als Parodie auf die Bibelexegese des Zeno von Verona angefertigt wurde. Diese Schrift wurde anlässlich der Kaiserkrönung Karls des Kahlen an Weihnachten 875 in Rom vorgetragen oder aufgeführt; Ostern 876 erfolgte eine Wiederholung. Wenig später hat Johannes Diaconus eine rhythmische Fassung erstellt und mit Prolog und Epilog Papst Johannes VIII. gewidmet.15 Die Zusätze geben Einblick in die römische Aufführung, der gelehrte Anastasius soll die sprachlichen Feinheiten des Textes direkt erklärt haben, Prolog und Epilog kommentieren die politische Situation in Rom, das heißt die Kaiserkrönung Karls des Kahlen oder die Absetzung des Formosus, und dies mit feiner Ironie – Bischof Gauderich von Velletri soll vor lauter Lachen vom Stuhl gefallen sein. Ein solium (Thron, Sessel) wird in der Cena Cypriani genannt, ob sich dies aber auf den berühmten durchlöcherten Stuhl bezieht, der die Geschichte der Päpstin Johanna beflügelt hat, wie Alain Boureau wollte, muss offen bleiben. Gauderich von Velletri begegnet in einem weiteren Zusammenhang, denn mit der Berufung der beiden Slawenlehrer Konstantin (Kyrill) und Methodius durch Papst Nikolaus I. nach Rom entstanden weitere Werke. Andere Mitglieder dieses Gelehrtenkreises sind knapper belegt, so zum Beispiel ein Leo und ein Leo qui et Johannes als Übersetzer griechischer Hagiographie. Manche lateinischen Fassungen dieser Zeit 

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lassen sich jedoch keiner Person konkret zuschreiben. Insgesamt wird aber deutlich, dass gerade in der Zeit zwischen 850 und 880 in Rom eine rege geistige Aktivität herrschte, die vor allem – wenn auch nicht nur – mit einer Aneignung des griechischen Erbes charakterisiert werden kann. Anders ausgedrückt: Der Lösungsprozess Roms von Byzanz wurde literarisch verarbeitet. Gelehrsamkeit – ganz besonders auf Griechenland und das Griechische bezogen – spielt auch in vielen Versionen der Geschichte von der Päpstin Johanna eine Rolle. Es verwundert deshalb nicht, dass in Romanen, aber auch im neuesten Film Anastasius mit der Päpstin zuweilen in einen – quellenmäßig freilich nicht belegten – Zusammenhang gebracht wurde. Joan Morris glaubt zum Beispiel, Anastasius habe vielleicht schon 855 für seinen Freund Johannes Diaconus, teilweise auch vom »Diakon Johanna«, der späteren Päpstin, ermuntert, griechische Texte ins Lateinische übersetzt. Und wenn Anastasius 848 aus Rom geflohen ist, dann könnte dies laut dieser Autorin mit einem Aufenthalt der Päpstin in Athen, wo diese erst richtig ausgebildet wurde, zusammenhängen.16 Einen Beweis hierfür gibt es nicht. Interessanter erscheint die umgekehrte Frage: Inwieweit trugen die Kenntnisse von einer gebildeten römischen Welt in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts dazu bei, die Geschichten von einer gelehrten Päpstin weiter zu konkretisieren und schließlich in diesem Milieu zu verorten?

Die Päpstin Johanna nach Papst Leo IV.? Chronologische Fragen Ob die Päpstin Johanna wirklich im 9. Jahrhundert gewirkt haben könnte, hängt auch davon ab, wie sicher die Pontifikatszeiten der sonstigen Päpste bestimmt werden können, denn schließlich soll Johanna nach den meisten Traditionen zwei oder zweieinhalb Jahre die Cathedra Petri innegehabt haben. Wie die verschiedenen frühen Notizen zu Johanna verdeutlichen (vgl. Kapitel III), werden vor allem Positionen 

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nach Leo IV. oder seltener am Ende des Jahrhunderts ins Spiel gebracht. Moderne Verfechter einer »historischen« Päpstin wie Joan Morris denken sogar zuweilen an einen Pontifikat, der an denjenigen Benedikts III. anschloss. Die Pontifikatszeiten der Päpste des 9. Jahrhunderts sind jedoch sehr gut belegt. In der Regel bieten schon die Lebensbeschreibungen im Liber Pontificalis die jeweiligen Herrschaftszeiten mit Jahren, Monaten und Tagen. Darüber hinaus enthält das Papstbuch zuweilen sogar genaue Datierungen, und dies trifft ausgerechnet für den Todestag Leos IV. am 17. Juli 855 zu17. Dieses Datum wird durch weitere Quellennotizen gestützt, vor allem die Jahrbücher von SaintBertin (Annales Bertiniani), die im Westfrankenreich entstanden und die jeweiligen Jahreszahlen von 847 und 855 für den Pontifikatsbeginn und den Tod Leos IV. eindeutig festschreiben. Dieselben Jahrbücher ordnen auch die Erhebung Benedikts III. dem Jahr 855 zu. Dazu tritt eine unzweifelhaft auf den 7. Oktober 855 datierte Papsturkunde für das Kloster Corbie, die nach der Beendigung der Auseinandersetzungen zwischen Benedikt III. und Anastasius Bibliothecarius ausgestellt wurde. Das auf Papyrus geschriebene fast sieben Meter lange Original (das älteste vollständige einer Papsturkunde überhaupt) wird noch heute in Amiens aufbewahrt (vgl. Abb. 21)18. Diese Urkunde diente schon in der Frühen Neuzeit dazu, den Pontifikat der Päpstin ins Reich der Legende zu verbannen, und hieran ist auch heute nicht zu rütteln. Das Tagesdatum führt auf den 7. Oktober, die aufgelösten Jahresangaben auf das Jahr 855. In der Mitte des 9. Jahrhunderts ist somit nach den zeitgenössischen Quellen die Abfolge der Päpste lückenlos zu rekonstruieren, dagegen wird die Überlieferung am Ende des 9. Jahrhunderts zwar dünner, aber keinesfalls zu dünn, denn historiographische Quellen, Grabinschriften und auch verschiedene Privilegien19 erlauben auch hier eine relativ gut belegte Chronologie, Platz für einen mehrjährigen Pontifikat Johannas bieten sie nicht.

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21 Unterster Teil der insgesamt fast sieben Meter langen Bestätigungsurkunde Benedikts III. für das Kloster Corbie unter Abt Odo vom 7. Oktober 855, die unzweifelhaft echt ist. – Die Datierungszeile unter dem Benevalete † auf dem Papyrusoriginal lautet: »Datum nonas Octubrias per manum Theophulacti [sec]undiceri[i] sanctae sedis apo[s]tolice, imperante domno piissimo augusto Hlothario a Deo coronato magno imperatore anno tricesimo nono et postconsulatus anno tricesimo nono et Hludowico novo imperatore ejus filio, anno septimo, indictione quarta.«

Name – Herkunft – Studium der Päpstin Die Päpstin heißt in den Quellen unterschiedlich. Gilberta, Agnes, Jutta, aber besonders häufig Johanna; offensichtlich führten gerade mündlich erzählte Geschichten zu Variationen. Es bleibt also noch zu fragen, welche Anknüpfungspunkte Papst Johannes VIII. bieten könnte. Auf die Bedeutung der Cena Cypriani und deren Aufführung 875 bzw. 876 war schon kurz verwiesen worden. Johannes VIII. selbst wurde zudem als wenig energisch gegenüber Byzanz angesehen, ob er 

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aber »wie eine Frau« handelte, wie dies Caesar Baronius und an diesen anschließend Josef Hergenröther unterstrich (vgl. Kapitel V), bleibt fraglich. Die zahlreichen späteren Johannespäpste – besonders des 10. Jahrhunderts – waren eher Machtmenschen, vielleicht von Frauen ihrer Umgebung abhängig. Ob die Namengebung also von Johannes VIII. oder einem bekannten Johannespapst des 10. Jahrhunderts beeinflusst wurde, bleibt Spekulation. Allerdings gab es schon bis zum 9. Jahrhundert acht Päpste mit dem Namen Johannes, im 13. Jahrhundert waren es bereits 21. Wahrscheinlich nahm man, wie Döllinger schon vermutete und weiter erhärtet werden kann, einfach einen der gängigsten Papstnamen, um die Päpstin angemessen zu »taufen« (vgl. Kapitel III). Die Herkunftsbezeichnung der Päpstin bietet Anlass zu weiteren Überlegungen, neben England werden Fulda, Ingelheim und besonders Mainz genannt. Der Zusatz Anglicus scheint auf den ersten Blick dem oft angegebenen Zusatz, die Päpstin stamme aus Mainz, zu widersprechen. Möglicherweise löst sich der Widerspruch, wenn dieses Adjektiv nicht auf England, sondern auf den engelsgleichen Charakter oder ähnliches anspielt. Schließlich ist ja auch schon im 9. Jahrhundert die Charakterisierung als »engelsgleich« (coangelicus) häufig, mehrere der Widmungsbriefe des Anastasius Bibliothecarius verwenden diese Anrede für den Papst.20 Die Herkunft aus Mainz, in der Ignaz von Döllinger noch eine einfache Reverenz an die wichtigste Stadt im Ostfrankenreich sah (vgl. Kapitel III), lenkt jedoch weiterhin auf jene bekannte »Pseudoprophetin« und Predigerin Thiota, die im Oktober 847 in Mainz auf einer Synode verurteilt wurde. Die Konzilsbeschlüsse berichten nicht hierüber, nur die Jahrbücher von Fulda: »Zu dieser Zeit kam ein Weib aus Alamannien, mit Namen Thiota, als falsche Prophetin nach Mainz, welche durch ihre Weissagungen den Sprengel des Bischofs Salomo nicht wenig beunruhigt hatte. Denn sie behauptete, den bestimmten Tag des Weltuntergangs zu kennen, und sehr viel anderes, was

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nur in Gottes Wissen steht, als ihr von Gott geoffenbart, und sie verkündete, daß in diesem Jahre der letzte Tag der Welt bevorstehe. Die Folge war, daß vom niederen Volk beiderlei Geschlechts viele aus Furcht zu ihr kamen, ihr Geschenke brachten und sich ihren Gebeten empfahlen; und, was ernster ist, Männer des heiligen Standes folgten jener, mit Hintansetzung der geistlichen Gelehrsamkeit, wie einer vom Himmel bestimmten Meisterin. Aber als man sie vor die Versammlung der Bischöfe in St. Alban führte und sorgfältig über ihre Behauptungen befragte, gestand sie, daß ein Presbyter ihr dies eingegeben und sie Gewinnes halber solches erzählt habe. Deshalb wurde sie nach dem Urteil der Synode öffentlich mit Ruten gepeitscht, verlor mit Schimpf und Schande das Predigtamt, welches sie unrechtmäßig an sich gerissen und gegen die kirchliche Sitte sich angemaßt hatte, und machte endlich, also überführt, mit ihren Weissagungen Schluß«.21

22 Die schon oben (Abb. 16) angesprochenen Jahrbücher von Fulda berichten über eine verurteilte »Pseudoprophetin«. Annales Fuldenses, Cont. Ratisbonensis, ad a. 847, ed. F. Kurze (MGH SS rer. Germ. 7), Hannover 1891, S. 36 f., deutscher Text bei Anm. 21. 

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Hier wird eine Seherin und Predigerin mit Mainz verbunden, die in Schimpf und Schande endete. Bezugspunkte zur Päpstin ließen sich zumindest konstruieren, obwohl die Notiz den Autoren des 13. Jahrhunderts (Kapitel III) nicht unbedingt bekannt gewesen sein muss. Allerdings verwies Leo Allatius in seiner 1728 erschienenen Abhandlung zur Päpstin Johanna auf diese Quellennotiz. Thiota gesteht ihr Streben nach Gewinn, sie erscheint zugleich als mögliche Visionärin und sie predigt. Neben Charisma bedarf die Glaubensunterweisung aber der Bildung, wie vor allem die Dominikaner des 13. Jahrhunderts unterstrichen. Die Päpstin Johanna wurde in den Notizen des 13. und 14. Jahrhunderts zunehmend gelehrter. Wie schon bemerkt, galten Leo IV., aber auch Nikolaus I. oder Anastasius als gebildet; die Gelehrsamkeit der Päpstin verband sich schon bald mit Athen. Hier bieten die Streitigkeiten mit Byzanz im 9. Jahrhundert eine Perspektive: Die Vorstellung, dass vor Paris und Rom das Studium in Athen angesiedelt gewesen sei, bestätigen zwar einige Historiographen schon in karolingischer Zeit, aber erst im 13. Jahrhundert wurde die Denkfigur von einer Übertragung des Studiums (translatio studii) insgesamt geläufiger (Kapitel III). Immerhin dürfte es von Interesse sein, dass Papst Nikolaus I. (zwischen 860 und 863) einen Brief an König Karl den Kahlen geschrieben hat, ihm die von Johannes Scotus angefertigte Übersetzung des griechischen Werkes des Dionysius Areopagita ins Lateinische unverzüglich zu schicken, damit es nach päpstlicher Approbation von allen akzeptiert werden könne. Die Korrekturen einer Berliner Handschrift können vielleicht Anastasius Bibliothecarius zugeschrieben werden22 und deuten darauf hin, dass das Werk des Johannes Scotus nach Rom übersandt wurde. Noch interessanter ist jedoch eine verfälschte Fassung des Briefes, die gleichzeitig das Studium in Paris lobt und deshalb frühestens im 13. Jahrhundert angefertigt worden sein kann.23

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23 a und 23 b Leo Allatius behandelt in seiner Abhandlung zur Päpstin Johanna eine auf 847 belegte Pseudoprophetin aus Mainz, die spätere Autoren gegebenenfalls auf eine mainzische Herkunft der Päpstin verwiesen haben könnten (Leo Allatius, Titelblatt und S. 801, Kap. XXIV zur »Pseudoprophetin« Thiota). 

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Das 9. Jahrhundert – Platz für (k)eine Päpstin? Was verbindet also die Päpstin Johanna mit dem 9. Jahrhundert? Gehört sie eher in den Kontext der gelehrten und bedeutsamen Päpste in der Mitte des Jahrhunderts oder zeigt auch sie die Missstände und Parteienkämpfe einer bewegten Epoche? Sie steht – je nach Autoren – offensichtlich für beides. Das 9. Jahrhundert – soviel kann nach dem Blick auf die römische Geschichte dieser Zeit festgehalten werden – bot mit den großen Diskussionen zwischen Rom und Byzanz, mit der intellektuellen Blüte und dem Studium, das nun durch die Übersetzungen von Ost nach West gekommen war, aber auch mit schillernden Personen zahlreiche Anknüpfungspunkte. Bei einer Prozession 799 musste schon Papst Leo III. seine Beinahe-Absetzung leidvoll erfahren, das Beispiel des Anastasius zeigt, dass Gelehrsamkeit politischen Einfluss schwerer machen konnte, vor allem wenn sie sich mit Ehrgeiz paarte. Seine Person zeigt aber auch, dass sich griechisch fundierte Gelehrsamkeit und römische Aktivitäten nicht ausschlossen. Die Kämpfe um das Papstamt, die für Anastasius oder Formosus deutlicher belegt sind, lassen schlaglichtartig erkennen, mit welch harten Bandagen auch damals gekämpft wurde. Schaut man aufmerksam auf die Struktur und Eigenart des offiziösen Liber Pontificalis, so unterstreichen die dort überlieferten Viten diese verschiedenen Aspekte. Die zeitgenössischen Quellen selbst ergeben jedoch keinen konkreten Hinweis auf die Päpstin, lassen auch in der Chronologie keinen Spielraum für sie, handschriftliche Besonderheiten sind ohne die Figur eines weiblichen Papstes erklärbar. Der Blick auf das 9. Jahrhundert dürfte sich aber dennoch gelohnt haben, denn die Zeugnisse wie der Liber Pontificalis, Briefe oder die Jahrbücher aus Fulda verdeutlichen, wie viele Anknüpfungspunkte vorhanden waren, um eine Päpstin in diese Zeit zu platzieren, wie dies seit dem 13. Jahrhundert zunehmend geschah, was das kommende Kapitel genauer vorstellen wird.

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III. Frühe Spuren der Päpstin Von der Erzählkunst der Bettelorden bis zur spätmittelalterlichen Wirkung der Papstfabel

Wenn das 9. Jahrhunderts keinen Platz für eine Päpstin lässt, so ist der Blick erneut auf die Zeugnisse des 13. Jahrhunderts zu richten, denn in dieser Zeit taucht die Fabel als Nachricht erstmals in den historischen Quellen auf. Um 1250 springt das Gerücht über eine Päpstin, wie der Mittelalterforscher Alain Boureau es formuliert hat1, aus einer stadtrömischen Lokalsage in den Text, genauer in die Metzer Universalchronik des Jean de Mailly, die in den 50er Jahren des 13. Jahrhunderts entstanden ist. Jean de Mailly – Dominikaner, Hagiograph und Kompilator – fügt die Notiz über einen Papst bzw. eher noch über eine Päpstin (de quodam papa vel potius papissa) in seiner Universalchronik über die Papst-, Reichs- und Frankreichgeschichte zwischen die Jahre 1099 und 1101 (vgl. Abb. 24) ein. Die Nachricht über einen weiblichen Papst findet sich dort zwischen dem Pontifikat Urbans II. (1088–1099) und den wichtigsten Stationen des Ersten Kreuzzuges bis zur Errichtung des Königreiches Jerusalem unter König Balduin I. im Jahre 1100 bzw. zwischen dem Hinweis auf die Gründung des Zisterzienserordens 1098 und der Notiz zu dem byzantinischen Kaiser Alexios I. (1081–1118), dessen Herrschaftsbeginn und -ende Jean de Mailly nicht kennt (sed non habemus, ubi cepit nec ubi finivit). Im Wortlaut heißt es hier: »Prüfe nach (require) über einen Papst oder eher noch eine Päpstin, weil sie eine Frau war, die vorgab, ein Mann zu sein. Diese wurde aufgrund ihrer großen Begabung Notar an der Kurie, danach Kardinal und schließlich Papst. Als sie eines Tages ihr Pferd besteigen wollte, brachte sie einen Knaben zur Welt und wurde sogleich nach römischem Recht (Romana iusticia) mit an den Schweif 

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eines Pferdes gebundenen Füßen eine halbe Meile ( per dimidiam leugam)2 geschleift und vom Volk gesteinigt. Dort, wo sie starb, wurde sie auch begraben; am gleichen Ort steht geschrieben: Petrus, Vater der Väter, du sollst die Niederkunft der Päpstin bekunden. Unter diesem Papst [bzw. dieser Päpstin] ist das Quatemberfasten eingerichtet worden, das man das Fasten der Päpstin (ieiunium papisse) nennt.«

»Eine grausame Geschichte« – so urteilte Elisabeth Gössmann3 – die hier erzählt wird: von einer Frau, die hochbegabt unter Vortäuschung des männlichen Geschlechtes an der römischen Kurie erfolgreich Karriere gemacht hat (Notar, Kardinal, Papst) und dann bei der Geburt ihres Kindes hart bestraft wird mit der Schleifung am Schweif eines Pferdes und der Steinigung durch das Volk; dabei handelte es sich offenbar um eine römisch-rechtlich begründete Strafe für die uneheliche Kindsgeburt im Sinne eines Sittlichkeitsvergehens bzw. für die Beleidigung Gottes wegen ihres Frauenpapsttums im Sinne eines Sakrilegs. Berichtet werden als weitere Details die Grabinschrift mit den sechs alliterierenden »P« (vgl. Kapitel I) sowie das Quatemberfasten, die viermal jährlich festgesetzten Fasten- und Bußtage, die hier als Fasten der Päpstin, als ieiunium papisse, bezeichnet werden. Das Ganze wird von Jean de Mailly mit einer Art Prüfauftrag (require-Hinweis) versehen, dieser Geschichte einer namenlosen Päpstin um 1100 noch einmal näher nachzugehen. Die Aufforderung findet sich allerdings in der Überlieferung der Metzer Universalchronik allein auf einer Rasur der autographen Pariser Handschrift4 und ist in den anderen Überlieferungsträgern ersetzt durch die Nachricht »es gab auch in jenen Zeiten einen Papst oder eher noch eine Päpstin, die nicht erwähnt wird im Katalog der Päpste und der römischen Bischöfe, [weil sie eine Frau war…]«.5 Wegen dieser unsicheren Überlieferung des Textanfangs muss die gerade hier wichtige Frage offen bleiben, ob es Jean de Mailly selbst gewesen ist oder wohl eher ein späterer Korrektor, der noch einmal die Quellengrundlage des Berichts einer Päpstin 

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24 Jean de Mailly, Metzer Universalchronik (MGH SS 24, S. 514). Hier findet sich der Hinweis auf die Grabinschrift der Päpstin, siehe dazu in der linken Spalte, in der fünftletzten Zeile: »Petre, pater patrum …«; weiter oben der »Prüfauftrag«: »Require …«. 

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um 1100 prüfen wollte. Man kann deswegen auch nur vermuten oder spekulieren, wie diese Notiz zu Jean de Mailly in das romferne Metz gelangen konnte. Vielleicht ist es das kommunikative Netzwerk der Dominikaner gewesen, das in der Mitte des 13. Jahrhunderts in Frankreich die größte Enzyklopädie des Mittelalters entstehen und den französischen Dominikaner Vinzenz von Beauvais einen Historienspiegel (Speculum historiale) schaffen ließ, der von der Schöpfung bis in die Zeit um 1250 reichte und aus zahllosen exzerpierten und zitierten Quellentexten bestand. In diesem gelehrten Umfeld einer historischen Enzyklopädie darf man vielleicht die Herkunft der Geschichte einer Päpstin bei Jean de Mailly vermuten. Die Chronik des Jean de Mailly, die insgesamt weitgehend unbekannt geblieben ist, hat kurze Zeit später (um 1260) auf den Lyoner Dominikaner Étienne de Bourbon (Stephanus de Bellavilla) eingewirkt, der ein erfahrener Prediger in Süd- und Ostfrankreich gewesen war und am Ende seines Lebens (gest. um 1261) einen Traktat über verschiedene Predigtthemen (Tractatus de diversis materiis praedicabilibus) verfasste, in dem allgemeine Morallehren mit entsprechenden Beispielgeschichten verbunden wurden. Als ein solches Exemplum hat für ihn dann auch die von Jean de Mailly übernommene Geschichte einer Päpstin zu gelten. Étienne de Bourbon berichtet in seinem Predigerhandbuch, dass sich um das Jahr 1100 »eine merkwürdige Verwegenheit, ja Ungeheuerlichkeit« (mirabilis audacia imo insania) zugetragen habe, wie es in den Chroniken heiße (ut dicitur in chronicis). Er erzählt die Geschichte, die wir bereits von Jean de Mailly kennen, von einer gebildeten Frau, die es mit Hilfe des Teufels und unter Vortäuschung des männlichen Geschlechtes bis zum Papst gebracht und ein schlimmes Ende erfahren habe (Schwangerschaft, Kindsgeburt, Schleifung und Steinigung nach der Romana iusticia, Tod und Begräbnis und schließlich die Grabinschrift). Auffallend ist hier die Mitwirkung des Teufels (diabolo procurante), von der in der Chronik des Jean de Mailly noch keine Rede war. 

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Auch der Schluss ist anders, wenn Étienne de Bourbon abschließend bemerkt: »Seht, zu welch verabscheuungswürdigem Ende (ad quem detestabilem finem) eine so dreiste Vermessenheit (temeraria praesumptio) führt«.6 Die weit verbreitete kleine Chronik (Chronica minor) eines unbekannten Erfurter Franziskaners (vgl. Abb. 25, S. 68), ebenfalls aus der Mitte des 13. Jahrhunderts stammend (um 1261/65), weiß von einem Pseudopapst (pseudopapa), dessen Name und Pontifikatsdauer man nicht kenne, der aber, wie die Römer behaupten – ut fatentur Romani, was zugleich auf den stadtrömischen Ursprung der Geschichte hinweist –, eine Frau »von schöner Gestalt, großem Wissen und vorgetäuschter guter Lebensführung« gewesen sein soll. Der Erfurter Anonymus erwähnt wie Étienne de Bourbon die Mithilfe des Teufels, der im päpstlichen Konsistorium die Schwangerschaft mit der hier leicht abgewandelten Formel der sechs alliterierenden »P« (Papa, pater patrum, papisse pandito partum) bekannt gemacht haben soll. Eingeordnet wird diese Geschichte eines pseudopapa in die Zeit um 900, genauer in den Pontifikat von Papst Formosus (891–896) und die mit diesem Papstnamen verbundenen düsteren Ereignisse und stadtrömischen Parteikämpfe, die in jenem schauerlichen römischen Leichengericht gipfelten (vgl. Kapitel II), bei dem, wie die Erfurter Chronik berichtet, der tote Formosus aus dem Grab geholt, in vollem Ornat auf den Papstthron gesetzt und verurteilt wurde. Dem Formosus sei als dessen erbitterter Feind für kurze Zeit Sergius III. (904–911) gefolgt, nach dem es jenen anderen Pseudopapst gegeben habe, dessen Name und Pontifikatsdauer unbekannt seien (Fuit et alius pseudopapa, cuius nomen et anni ignorantur). Nach Meinung der Forschung7 fällt dem Erfurter Chronisten dieser andere Pseudopapst gerade bei der Nennung von Papst Sergius III. ein, weil dieser wenige Jahre vor seinem eigenen Pontifikat bereits in einem Schisma von 897 dem Papst Johannes IX. (898–900) unterlegen war.

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25 Kleine Chronik eines unbekannten Erfurter Franziskaners (MGH SS rer. Germ. 42, S. 618).

Der unbekannte Erfurter Franziskaner datiert damit die Geschichte seines Pseudopapstes, der eine Frau war, in die Zeit der römischen Weiberherrschaft der Senatrix Theodora im endenden 9. und beginnenden 10. Jahrhundert, genauer in die Epoche des damals beherrschenden Einflusses der römischen Adelsfamilie der Theophylakten, der Theodora als Gattin des Senators Theophylakt angehörte. Dieser Entstehungshintergrund der Geschichte einer Päpstin (vgl. Kapitel II) ist in der Vergangenheit auch in der Forschung häufig betont worden, beginnend mit der Geschichte Bayerns des Johann Thurmair, genannt Aventinus von 1519–1521 und später, wie Elisabeth Gössmann aufzeigte,8 oftmals wiederholt worden, so etwa in der Papstgeschichte des katholischen Papsthistorikers Franz Xaver Seppelt von 1934, wo es heißt: »Und man wird nicht fehlgehen, dass auch die dunkle Erinnerung an die unwürdige Abhängigkeit der Päpste von der älteren Theodora und ihren beiden Töchtern, an dieses üble Weiberregiment im Rom des 10. Jahrhunderts die Volksphantasie angeregt und zur Ausbildung der sonderlichen Sage beigetragen hat.«9 Die ersten Spuren der Päpstin lassen sich demnach in den Zeugnissen der Dominikaner und Franziskaner nach der Mitte des 13. Jahr

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hunderts festmachen: als mehr beiläufige chronikalische Geschichtsnotiz bei Jean de Mailly und dem Erfurter Anonymus oder als moralische Beispielgeschichte im Predigerhandbuch des Étienne de Bourbon. Die Päpstin ist in diesen ersten Zeugnissen ohne Namen und wird entweder in die Zeit um 1100 oder um 900 gesetzt. Das erste Datum fällt mit der Papsterhebung Paschalis’ II. (1099–1118) zusammen, bei der, wie weiter oben (Kapitel I) beschrieben, ein Inthronisationsritus nachgewiesen werden kann, der später zu der geschilderten Männlichkeitsüberprüfung verformt wurde, während das zweite (um 900) auf jenen Einfluss der römischen Adelsfamilien und ihrer Frauen auf das Papsttum verweisen könnte, was man als »römisches Hurenregiment« bezeichnet hat. Die Geschichte der Päpstin wird durchaus ähnlich erzählt, um dann jeweils am Ende insgesamt entweder rechtlich verurteilt oder moralisch verworfen zu werden. Damit dürfte der historisch belegbare Beginn der Erzählformen über eine Päpstin festliegen, und alle vermeintlich früheren Notizen, die ebenfalls von einer Päpstin sprechen – wie etwa bei Marianus Scotus (gest. 1082), Sigebert von Gembloux (um 1100) oder auch im 12. Jahrhundert bei Otto von Freising bzw. Gottfried von Viterbo – als von der Forschung erwiesene, spätere Zusätze und Nachträge in der handschriftlichen Überlieferung dieser Quellen zu gelten haben.10

Die Päpstin bei Martin von Troppau Wenige Jahrzehnte später, 1277, ist es der schlesische Dominikaner Martin von Troppau, der in seiner Papst- und Kaiserchronik – »dem mit hoher Wahrscheinlichkeit am meisten kopierten und benutzten lateinischen Geschichtswerk des Spätmittelalters«11 – aus der bisher mehr beiläufigen historischen Anekdote und Beispielgeschichte einen Bericht formt, der für die Folgezeit die gültige Form der JohannaGeschichte prägen sollte. Wer war Martin von Troppau, wie hat man seine spätmittelalterliche Papst- und Kaiserchronik einzuschätzen, wie 

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beschreibt er die Geschichte von der Päpstin Johanna und wann und warum wurde diese in Martins Chronik aufgenommen? Beginnen wir mit den wenigen biographischen Daten12, die wir von diesem Minoriten kennen, der wegen seiner Einbindung in die polnische Ordensprovinz später auch Martinus Polonus genannt wurde. Gut 20 Jahre hat er sich an der römischen Kurie aufgehalten, war in den Jahren 1261–1278 päpstlicher Pönitentiar, wurde kurz vor seinem Tod (12. Juni 1278) zum Erzbischof von Gnesen berufen und verfasste im Auftrag Papst Clemens’ IV. (1265–1268) das genannte Geschichtskompendium, das als eine Art Tafelwerk für Theologen und Juristen gedacht war und auf entsprechenden Doppelseiten jeweils 50 Jahre Papst- und Kaisergeschichte darstellte. Wenn auch das lange Zeit gültige, heute allerdings revidierte13 Urteil über dieses Geschichtswerk äußerst abwertend ausfällt und dieses als »oberflächliche Kompilation« (W. Wattenbach) und als »armselige Geschichtsaufzeichnung« (L. Schmitz-Kallenberg) gekennzeichnet wird, so wird man doch Martins »schematische Chronik« (H. Grundmann) als das »fast ausschließliche Geschichtswerk der [damaligen] katholischen Welt« (W. Wattenbach) anzusehen haben.14 In die dritte und letzte Redaktion dieser Chronik, die bis zum Pontifikat Johannes’ XXI. (1276–1277) und dem Beginn der Amtszeit von Nikolaus’ III. (1277– 1280) reicht, fügt Martin von Troppau 1277 neben mancherlei anderen Fabeln und historischen Anekdoten die Geschichte von der Päpstin Johanna ein, die in späteren Handschriften auch ein wenig variiert wird (zweite oder auch Berliner Fassung). Nach der Einschätzung der Kölner Mittelalterforscherin Anna-Dorothee von den Brincken hat »die katholische Forschung sich vergebens bemüht, [in dieser Ergänzung] eine Interpolation zu sehen und Martin von der Tradierung der Fabel freizusprechen. Doch besteht kein Zweifel, dass Martin selbst […] es nicht unterlassen hat, den Leser über die Angelegenheit zu informieren.«15 Martin von Troppau hat also als der »Erfinder« der konkretisierten Johanna-Legende zu gelten, so dass diese 

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zunächst zu zitieren und danach in ihren genauen Einzelheiten näher zu kennzeichnen ist; ebenso ist der präzise Zeitpunkt ihrer Entstehung (1277) und dessen Begründung zu hinterfragen. Hier zunächst der Text Martins von Troppau in deutscher und anschließend lateinischer Fassung (Abb. 26): »Nach diesem Papst Leo [IV.] hat Johannes Anglicus aus Mainz den Papststuhl für zwei Jahre, sieben Monate und vier Tage innegehabt und ist in Rom gestorben, worauf eine einmonatige Sedisvakanz eingetreten ist. Wie man versichert, ist dieser [Papst] eine Frau gewesen, die als junges Mädchen von ihrem Liebhaber in männlicher Kleidung nach Athen geführt wurde und dort in verschiedenen Wissenschaften solche Fortschritte machte, dass niemand ihr gleichkam. Später hat sie in Rom das Trivium gelehrt und berühmte Lehrer als ihre Schüler und Hörer gehabt. Da sie in der Stadt Rom wegen ihrer Lebensführung und Gelehrsamkeit großes Ansehen genoss, wurde sie einstimmig zum Papst gewählt, dann aber während ihres Papsttums von ihrem Vertrauten geschwängert. Und da sie die Zeit der Geburt nicht wusste, ist sie auf dem Weg von St. Peter zum Lateran zwischen Kolosseum und der Kirche des heiligen Clemens von den Wehen überrascht worden und hat [ein Kind] geboren. An der gleichen Stelle ist sie gestorben und, wie man sagt, auch begraben worden. Da der Papst diesen Weg immer meidet, glauben die meisten, dass dies aus Abscheu vor dem Ereignis ( propter detestationem facti) geschehen sei. Sie [die Päpstin] wird auch nicht in den Katalog der heiligen Päpste aufgenommen, da dem weiblichen Geschlecht in dieser Hinsicht eine Deformität (propter mulieris sexus quantum ad hoc deformitatem) zukommt.«16

Martin von Troppau hat die bisher eher zufällige Notiz einer bis dahin namentlich nicht bekannten Päpstin mit der genauen Angabe des Zeitpunktes (nach Leo IV. in der Mitte des 9. Jahrhunderts), des Papstnamens ( Johannes Anglicus), der Herkunftsangabe (nacione Maguntinus) und der Dauer des Pontifikats (annis 2, mensibus 7, diebus 4 ) versehen bzw. diesen historischen Bericht zu einer Kurzgeschichte mit den wichtigsten Lebensstationen, zu einer Art »kleinem Roman« (E. Gössmann) 

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26 Martin von Troppau, Papst- und Kaiserchronik, Pontifices (MGH SS 22, S. 428), deutscher Text bei Anm. 16.

umgeformt: Studium in Athen, begleitet von einem Lebensgefährten, in Männerkleidung, erfolgreich in verschiedenen Wissenschaften, Lehrer(in) des Triviums in Rom, einhellige Papstwahl aufgrund ihres vorzüglichen Lebenswandels und ihres Wissens. Ergänzt wird dieser Bericht um die schmachvollen Nachrichten über Schwangerschaft sowie über Geburt, Tod und Begräbnis auf dem Prozessionsweg vom Vatikan zum Lateran, genauer zwischen dem Kolosseum und San Clemente. Abgeschlossen wird Martins Erzählung mit dem Hinweis, dass die nachfolgenden Päpste wegen des schlimmen Geschehens ( propter detestationem facti) diesen Prozessionsweg später gemieden hätten und die Päpstin wegen der »Deformität ihres weiblichen Geschlechts« bezüglich des Papstamtes nicht in der offiziellen Papstliste geführt werde – ein nicht ungeschickter Hinweis des Martinus Polonus, der auf diese Weise die Unmöglichkeit einer späteren historischen Überprüfung des Sachverhaltes andeutet. In einer zweiten Fassung dieser Papstfabel heißt es, dass die Päpstin abgesetzt, in ein Kloster verwiesen und später von ihrem Sohn, der es zum Kardinalbischof von Ostia gebracht habe, bestattet worden sei – nicht jedoch an dem Geburtsort ihres Kindes, wie die Mutter es gewünscht habe, sondern in der Kardinalskirche ihres Sohnes. Dort habe es auch Wunder gegeben und zu ihrer Erinnerung sei am 

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Platz ihrer Niederkunft, der seitdem vicus papisse (Platz der Päpstin) genannt werde, eine Steinskulptur errichtet worden (vgl. Kapitel I). Beendet wird die Geschichte der Päpstin Johanna hier mit einer für die damalige Zeit »erstaunlich frauenfreundlichen Stellungnahme« (B. Schimmelpfennig): Weil in der Heiligen Schrift die weibliche Genealogie nicht berücksichtigt sei, werde die Päpstin in den Chroniken nicht zu den Päpsten gezählt.17

27 Ausschnitt aus der Florentiner Handschrift des Martin von Troppau mit der eingefügten Papstfabel am unteren Rand sowie mit einem besonderen »feminaHinweis« links davon (Florenz, Bibl. Laurent. Ms PL 19 sin 5, aus Santa Croce 602, fol. 107v). 

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Hauptkennzeichen der Papstfabel bei Martin von Troppau Man wird über diese Einzelaspekte von Martins Papstfabel hinaus danach fragen müssen, warum sich Martin von Troppau die Mitte des 9. Jahrhunderts für diese Papstgeschichte ausgedacht hat, was genau der Papstname Johannes Anglicus (Johannes aus England oder Engelpapst) bedeutet und wie die Herkunft aus Mainz, das Studium in Athen oder auch die Nichterwähnung im Katalog der Päpste näher zu erklären sind. Zunächst zum Verschweigen der Päpstin in der Papstliste propter mulieris sexus quantum ad hoc deformitatem, »wegen der in dieser Hinsicht dem weiblichen Geschlecht zukommenden Abweichung«, das heißt, wegen des in der Natur des Weiblichen liegenden Formmangels für ein priesterliches oder gar päpstliches Amt. Für Elisabeth Gössmann liegt dem Text Martins von Troppau die scholastische defectus naturae-Lehre des Thomas von Aquin zugrunde: Das »im weiblichen Geschlecht gegenüber dem männlichen Fehlende« hindere die Frau daran, eine Weihehandlung zu vollziehen. Dies hinge mit dem aristotelischen Erbe bei Thomas von Aquin zusammen, wonach »die Unterordnung der Frau von Natur aus unaufhebbar sei im Gegensatz zu der des Sohnes unter den Vater und der des Sklaven unter den Herrn«. Für Elisabeth Gössman steht fest, dass »Martinus Polonus den Vertreter seiner eigenen Ordenstradition [Thomas von Aquin] wohl sehr genau verstanden haben dürfte«.18 Bernhard Schimmelpfennig sieht dies durchaus ähnlich, übersetzt aber den entscheidenden Satz mit einem anderen Akzent: »[…] wegen der Deformierung des Amtes aufgrund ihres weiblichen Geschlechtes«19 – als entstellt gilt hier nicht die weibliche Natur, sondern das priesterliche Amt durch eine Frau als Päpstin. Warum aber heißt die Päpstin bei Martin von Troppau Johannes Anglicus? Ist der Beiname »Anglicus«, der hier die übliche Ordnungszahl ersetzt, eine Herkunftsbezeichnung (Mädchen aus England) oder ein Namenszusatz (Engelpapst)? Hat Martinus Polonus, wie Ignaz von 

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28 Auszug aus dem Liber Pontificalis (Vita Leos IV.), Cod. Vat. Lat. 3762 (Handschrift des 12. Jahrhunderts). Der Zusatz in späterer und kleinerer Schrift gibt den Text des Martinus Polonus zur Päpstin Johanna aus dessen Papst- und Kaiserchronik wieder und stammt wahrscheinlich aus dem 14. Jahrhundert. 

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Döllinger glaubte, an dieser Stelle »zwei widersprechende Angaben« aus unterschiedlichen Herkunftssagen verknüpft, indem er die Päpstin zu einer Engländerin und Mainzerin machte? Die englische Herkunft hinge vielleicht mit den zahlreichen Rompilgerinnen zusammen, »deren Menge und zweideutigen Charakter« bereits der heilige Bonifatius (gest. 754), der angelsächsische Missionar und Apostel der Deutschen, beklagt habe. Vielleicht aber geht die englische Herkunft der fiktiven Päpstin auch auf die heftigen Kämpfe zwischen Innozenz III. (1198–1216) und König Johann Ohneland zu Beginn des 13. Jahrhunderts (1205–1208: Streit um das Erzbistum Canterbury, 1208: Interdikt, 1209: Exkommunikation König Johanns, 1213: Unterwerfung König Johanns) zurück, »als England in Rom für die dem römischen Stuhl vorzugsweise feindliche Macht« gehalten wurde.20 Leichter ist die Mainzer Herkunft des Johannes Anglicus zu erklären: Mainz galt als die bedeutendste Stadt des Reiches, als der Sitz des ersten Reichsfürsten und der Kanzlei des Reiches: Moguntia, ubi maxima vis regni esse noscitur (Mainz, wo bekanntlich die Hauptstärke des Reiches liegt, Otto von Freising, Gesta Friderici I, 12), gegen deren Vorrangstellung es auch eine »romanische Abneigung« gegeben habe. Wie dem auch sei, die deutsche Päpstin mit englischer Herkunft bleibt eine seltsame Verbindung, die sich nach Auffassung Döllingers auch in der späteren Entwicklung der Fabel das eine oder andere Mal findet und weiter ausgestaltet worden ist, »als man die Eltern der Johanna aus England nach Mainz übersiedeln ließ« – was dann auch in die jüngste literarische und filmische Fassung der Johanna-Geschichte übernommen wurde. In manchen Handschriften und Drucken des Chroniktextes von Martin von Troppau – so Döllinger – sei schließlich statt Maguntinus häufig Margantinus zu lesen, um den deutschen Ursprung der Päpstin zu leugnen und ihre Heimat ganz nach England in die Gegend der Abtei Margan im englischen Glamorganshire zu verlegen. Eine ganz andere Bedeutung bekommt der Name Johannes Anglicus, wenn man, wie überzeugend vorgeschlagen wurde, diesen Namens

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zusatz als papa angelicus, als Engelpapst deutet.21 Die Päpstin Johanna würde auf diese Weise zu jener papst- und kirchenkritischen Sehnsuchtsfigur der eschatologischen Schriften des ausgehenden 13. Jahrhunderts, zu jenem Papstideal, das vor allem die Franziskanerspiritualen und dann auch die häretischen Apostelbrüder nicht allein in der Ferne einer Endzeit ansiedelten, sondern knapp zwei Jahrzehnte nach der von Martinus Polonus geschaffenen Päpstin Johanna in dem Eremiten Peter von Morrone erkannten, der 1294 für einige Monate als Coelestin V. so etwas wie der »fleischgewordene Engelpapst« wurde.22 Demnach passt die Päpstin gut in eine solche Zeit. Kehren wir zu Martin von Troppau zurück. Er hat die Päpstin Johanna vor ihrem Pontifikat nicht wie Jean de Mailly und Étienne de Bourbon zu einer Notarin der päpstlichen Kurie gemacht, sondern zu einer römischen Lehrerin des Triviums, das sie vorher in Athen studiert hatte. Athen galt im Hochmittelalter als der traditionelle Ausgangspunkt des Wissens, das im Sinne einer translatio studii inzwischen über Rom nach Paris gewandert war. Dieser Wissenstransfer soll etwa nach Meinung des Vincenz von Beauvais und anderer bereits in karolingischer Zeit, vielleicht sogar unter Karl dem Großen, geschehen sein (vgl. Kapitel II). »Wer es zu hoher Auszeichnung im Gebiete des Wissens bringen wollte«, so heißt es bei Ignaz von Döllinger wörtlich, »der musste dorthin [nach Athen] gehen«.23 Selbst wenn aus dem Westen seit Jahrhunderten niemand mehr zum Studium nach Athen gekommen sei, so habe eine Frau, die auf sich aufmerksam machen und zu höchsten kirchlichen Ämtern gelangen wollte, dies nur auf dem Wege des Wissens tun können – weil alle anderen Zugangsmöglichkeiten ihr von ihrem Geschlecht her und überhaupt unzugänglich waren. Wenn sie dieses Wissen zudem in Athen, diesem sagenhaften Spitzenplatz, erworben hatte, konnte dies als eine geeignete Voraussetzung für eine sonst verschlossene kirchliche Karriere gelten. Bleibt noch die Mitte des 9. Jahrhunderts als vermeintlicher Zeitpunkt des Pontifikates für eine Päpstin Johanna. Seit dem frühen 8. bis 

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zum endenden 11. Jahrhundert habe Martin von Troppau im Frühmittelalter nur einen Papst finden können, »der um seiner hervorragenden Wissenschaft willen« zum Papst gewählt worden sei; dies ist für ihn nicht der gelehrte Gerbert von Aurillac gewesen – weil es der Teufel war, der ihn zum Papst (Silvester II., 999–1003) gemacht hatte und nicht sein eigenes Wissen – sondern Papst Leo IV. (847–855), der ein solcher Mann des Wissens war (divinarum scripturarum extitit ferventissismus perscrutator) und der sich durch vorbildliche Lebensweise ausgezeichnet hat.24 Dies sind ähnliche Kennzeichen, die Martinus Polonus der Päpstin Johanna gab: dass sie in Athen in den verschiedenen Wissenschaften unvergleichliche Fortschritte gemacht und dass sie schließlich in der Stadt Rom wegen ihrer Lebensführung und Gelehrsamkeit großes Ansehen genossen habe. Deswegen sei, so Döllinger, der Päpstin Johanna eine Stelle gleich nach Papst Leo IV. zugewiesen worden, dem sie in ihren geistigen und moralischen Vorzügen gleichkam.

Martin von Troppau und die päpstliche Hinfälligkeitstheologie Wichtiger als diese mehr vermutenden Hinweise und Erklärungen dürfte sein, nach einer Begründung zu suchen, warum Martin von Troppau diese Johanna-Legende 1277 in die dritte Redaktion seiner Chronik eingefügt und warum er der Päpstin den häufigsten Papstnamen ›Johannes‹ gegeben hat. 1277 hatte Johannes XXI. den Papstthron inne; er war im Herbst 1276 nach einem stürmischen Konklave in Viterbo zum Pontifikat gekommen und bereits gut acht Monate später gestorben (20. Mai 1277). Bis zu seiner Papstwahl war Johannes XXI. als Petrus Hispanus ein bedeutender Philosoph und Mediziner, hatte in Paris und Salerno studiert und in Siena 1242–1252 Medizin gelehrt. Neben seinen engeren kirchlichen Aufgaben hatte er sich vor seiner Papstwahl über 15 Jahre immer wieder an der Kurie aufgehalten. Der päpstliche Hof in Viterbo 

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29 Papstpalast von Viterbo. Die Stadt in Latium blieb bis zum Tode Friedrichs II. kaiserlich und fiel danach wieder an das Papsttum. Von 1257–1281 hielten sich die Päpste vorwiegend hier auf. Die Kommune errichtete den Palast, der nach einer Inschrift 1266 fertig gestellt wurde. Zahlreichte Papstwahlen fanden hier statt, auch diejenige von 1268, die zwei Jahre und zehn Monate dauerte, bei der die Bürger sogar das Dach abdeckten und die Kardinäle auf Wasser und Brot setzten.

30 Papst Johannes XXI. (15./16. September 1276–20. Mai 1277), bedeutender Philosoph und Mediziner. Auf dieser Abbildung fälschlicherweise als Johannes XX. gezählt, vgl. dazu S. 145, Anm. 8 in diesem Buch. 

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galt in jenen Jahren als ein wissenschaftliches Zentrum für Fragen der Optik, des Lichtes und des Sehens, wie es der Lausanner Papsthistoriker Agostino Paravicini Bagliani in seiner eindrucksvollen Geschichte zur Theologie der Hinfälligkeit erschlossen hat.25 Die dortige Gelehrtenelite umfasste 1277 den Polen Witilo als den größten mittelalterlichen Fachmann der Optik, den englischen Franziskaner John Peckham als theologischen Lektor und Verfasser einer allgemeinen Perspektivlehre, den päpstlichen Kaplan Campanus von Novara mit seinem Kommentar zu den Elementen des Euklid, einem mathematischen Hilfsmittel zur Optik, und schließlich den Dominikaner und päpstlichen Pönitentiar Wilhelm von Moerbeke mit seiner Übersetzung mehrerer griechischer naturwissenschaftlicher Werke und seinen Forschungen über die Philosophie des Lichtes. Ein Jahrzehnt vorher hatte Roger Bacon (gest. 1292), Franziskanerspirituale und vielseitiger Gelehrter aus Oxford, in seinen wissenschaftlichen Schriften, die er Papst Clemens IV. und dem Papsthof in Viterbo übermittelte, »mit Nachdruck eine auf das erste Hinsehen seltsame Frage behandelt: ob es dem Menschen möglich sei, wieder jung zu werden und das Altern aufzuhalten, ob also der Mensch sein Leben verlängern könne.«26 Auch Petrus Hispanus, der spätere Papst Johannes XXI., hatte sich eingehend mit den Fragen der Lebensverlängerung befasst: in seiner Zusammenfassung über die Bewahrung der Gesundheit (Summa de conservatione sanitatis), in seinem Kommentar zur aristotelischen Schrift über die Seele und schließlich in seinem Traktat über das Auge, einem wichtigen Werk der mittelalterlichen Augenheilkunde und einer Rezeptlehre über die Verjüngung der Sehkraft. Vielleicht war es am Ende auch die Medizinkunst und deren Wertschätzung am päpstlichen Hof, die Petrus Hispanus 1276 Papst werden ließ und die ihn ebenfalls während seines Pontifikates beschäftigte. Martin von Troppau berichtet am Schluss seiner Papst- und Kaiserchronik in der dortigen Vita zu Johannes XXI., dass der Papst geglaubt habe, sein Leben um einige Jahre verlängern zu können, und dass er 

Die ersten Darstellungen zum Thema der Päpstin Johanna sind im frühen 15. Jahrhundert von französischen Miniaturenmalern geschaffen worden, welche die altfranzösischen Übersetzungen der Schriften Giovanni Boccaccios De mulieribus claris (»Über die berühmten Frauen«) und De casibus virorum illustrium (»Über die Schicksalsfälle bedeutender Männer«) illuminiert haben. Die dabei meist gewählte Darstellung bezieht sich auf die unerwartete Niederkunft der Päpstin Johanna während einer Prozession. Sie zeigt die Päpstin und das gerade geborene Kind in Begleitung von Kardinälen, Bischöfen, Mönchen und weiteren Personen (Tafel II bis V). Auf Tafel I sieht man Giovanni Boccaccio, wie er einer interessierten Gesellschaft seine Texte vorträgt.

Tafel I Paris, BN Ms. fr. 132, fol. 1.

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Tafel II Paris, BN Ms. fr. 598, fol. 151.

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Tafel III Paris, BN Ms. fr. 12420, fol. 155v.

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Tafel IV Paris, BN Ms. fr. 226, fol. 252.

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Tafel V Paris, BN, Arsenal Ms. 5193, fol. 371.

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Tafel VI Melozzo da Forli; Rom, Vatikanische Museen. Papst Sixtus IV. und Platina auf einem Fresko von 1476–1477 in einem der drei frühesten Räume der Vatikanischen Bibliothek. Der Papst als großer Förderer des neuen Wissenszentrums ist von einigen Nepoten umgeben, vor ihm kniet der Bibliothekar Bartolomeo Platina (gest. 1481), der in seiner Papstgeschichte die Notiz von der Päpstin aufnahm, aber durchaus mit einem Fragezeichen.

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Tafel VII Pasquale Cati da Jesi, Das Konzil von Trient (1590–1593). Fresko aus der Kirche Santa Maria in Trastevere, Capella Altemps (latinisierte Form von Hohenems, einem Vorarlberger Adelsgeschlecht). Das Bildprogramm dieser Kapelle gibt die Vorstellungen der katholischen Kirche zu Beginn der Gegenreformation wieder, zu deren herausragenden Persönlichkeiten der Bauherr, Kardinal Marcus Siticus Altemps (1533–1595), gehörte. Im Hintergrund ist das Auditorium der Konzilsversammlung zu sehen, im Vordergrund eine Gruppe von allegorischen Frauenfiguren, in deren Mitte sich die »Ecclesia sive Papa« (Kirche oder Papst) befindet. Sie stellt die triumphierende Papstkirche dar, die in ihrer Apologetik die Päpstin Johanna als eine durchschaubare Erfindung abtat.

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Tafel VIII Das Kartenspiel mit dem französischen Namen »Tarot« stammt aus dem Orient, war um 1370 in Italien eingeführt worden und in der Mitte des 15. Jahrhunderts insbesondere an den Höfen in Ferrara und Mailand beliebt. Italienische Kartenmacher hatten die »Trionfi« (Trümpfe) dieses Spiels bebildert und dabei auch auf die Päpstin Johanna zurückgegriffen. Dort, wo sie als anstößig galt, wurde sie durch die Göttin Juno oder die Hohe Priesterin ersetzt.

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dies sogar öffentlich vor mehreren Personen vertreten habe. Bei dieser Behauptung sei er von der Decke eines Zimmers erschlagen worden, das er im päpstlichen Palast von Viterbo hatte errichten lassen. Martin von Troppau bringt also die päpstliche Auffassung über eine mögliche Lebensverlängerung mit dessem frühen Tod zusammen – vielleicht in dieser Kausalverknüpfung eine Andeutung der Verletzung des göttlichen Gesetzes, die in der Beschäftigung mit dem okkulten Wissen liegen könnte. Er hält Johannes XXI. zwar für einen ausgezeichneten Wissenschaftler (in diversis scienciis famosus), der allerdings die Blüte der Wissenschaften und die pontifikale Würde »durch eine gewisse Torheit seines Verhaltens so entstellte, dass ihm die natürliche Weisheit teilweise abzugehen schien« (morum quadam stoliditate deformabat adeo, ut naturali industria pro parte carere videretur).27 Die spätere Legende erzählt zudem, dass der Papst selbst bei seinem plötzlichen Tod als Letztes gefragt haben soll »Was wird mit meinem Buch geschehen? Wer wird es beenden?« bzw. dass er gerade bei der Abfassung eines »perversen und häretischen Buches« gewesen sein soll, als er im päpstlichen Palast von Viterbo durch den Deckeneinsturz erschlagen wurde. Könnte mit diesem liber ut dicebatur hereticus et perversus 28 vielleicht ebenfalls ein Text über die Lebensverlängerung gemeint sein? Träfe diese Vermutung zu, dann würde die Legende von der Päpstin Johanna gut in einen solchen Zusammenhang passen. Dies jedenfalls hat Agostino Paravicini Bagliani so gesehen, als er in seiner überzeugenden Papstgeschichte meinte, »die Päpstin, eine Muttergestalt, stirbt bei der Geburt eines Sohnes. Die Legende drückt einen verbotenen Wunsch aus: das Weiterleben des Papstleibes« und sei [kritisch] seit 1250 vor allem durch die Schriftsteller des Dominikanerordens verbreitet worden, die hier nochmals ihr nie abnehmendes Interesse am ›Leib des Papstes‹ gezeigt hätten.29 Mit anderen Worten: Die »élaboration de la fable« (A. Boureau) in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts30 gehört spätestens bei Martin von Troppau in den Kontext der gelehrten Bemühungen um die Verjüngung und Verlänge

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rung des Lebens, die insbesondere mit Papst Johannes XXI. verbunden sind, und die der zwar papsttreue, hier aber kritische Dominikaner Martin von Troppau mit der Fabel von einer Päpstin karikieren wollte. Dieser gibt er die weibliche Form des Papstnamens Johannes und die Züge der ihm verhassten Sehnsuchtsfigur eines Engelpapstes, eines papa angelicus. Dem Text des Dominikaners Martin von Troppau lässt sich auch ein Gegenstück der franziskanischen Geschichtsschreibung an die Seite stellen: die Flores temporum von etwa 129031, eine kompilatorische Weltchronik, ein Handbuch für die Prediger der Bettelorden, das sich in zahlreichen Handschriften findet und deswegen zum anderen ›Hauptvehikel‹ für die Verbreitung der Sage von der Päpstin, vor allem im süddeutschen Raum, geworden ist. Nach Auffassung Döllingers32 ist der auffallende »Eifer, der plötzlich am Schlusse des 13. Jahrhunderts entstand, die Fabel als Geschichte geltend zu machen und in die Handschriften einzuschwärzen«, das heißt die rasche Verbreitungs- und Erfolgsgeschichte dieser Bettelordenstexte um 1300, vielleicht auch mit der Zeit Papst Bonifaz’ VIII. (1294–1303) zu erklären. Dieser war den Orden der Dominikaner und Franziskaner nicht gewogen und missfiel ihnen in seiner ganzen Richtung. Ihre Abneigung war nicht nur gegen dessen päpstliche Weltherrschaft gerichtet, die Bonifaz VIII. auf eine ungeahnte Höhe geführt hatte und die ihn wenige Jahre später scheitern ließ, sondern vielleicht auch gegen die zahlreichen, von ihm bereits zu seinen Lebzeiten geschaffenen Bonifaz-Statuen (vgl. Abb. 31, 32), die ihn, wie etwa die Liegefigur seines Grabes in der alten Peterskirche oder die damit verbundene Marmorbüste des Arnolfo di Cambio »nicht eigentlich jugendlich, sondern [gleichsam] alterslos« (G. Ladner) erscheinen ließen.33 Mit anderen Worten: Würde Döllingers Ursprungsvermutung zutreffen, dann hinge vielleicht auch die frühe Erfolgsgeschichte der Fabel von der Päpstin Johanna mit der angedeuteten päpstlichen Hin-

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31 Marmorbüste der Grabanlage Bonifaz’ VIII. (ein Werk des Arnolfo di Cambio, wahrscheinlich aus Anlass des Heiligen Jahres 1300 geschaffen): »das erste plastische Porträt eines noch lebenden Papstes« (A. Paravicini Bagliani).

32 Liegefigur Bonifaz’ VIII., Grabmal in St. Peter, das der damals 64-jährige Papst unmittelbar nach Pontifikatsbeginn (1294) anlegen ließ. 

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fälligkeitstheologie zusammen, die gerade in Papst Bonifaz VIII. ihren Höhe- und Schlusspunkt erreichte.34

Erste Spuren – ein Zwischenfazit Man wird demnach für die ersten Spuren der Päpstin verschiedene Quellen der Dominikaner und Franziskaner festmachen können, Chronik- und Predigttexte, die – aus welchen Vorlagen auch immer und im Einzelnen voneinander unabhängig – unterschiedliche Geschichten erzählen und keine lineare Entwicklung darstellen. Einerseits sind es die kleineren historischen Notizen wie bei Jean de Mailly oder dem Erfurter Minoriten bzw. ein gut verwendbares Predigtbeispiel wie bei Étienne de Bourbon, die von einer Päpstin berichten, während es sich andererseits um eine durchstilisierte Papstvita des Johannes Anglicus aus Mainz handelt, wie sie sich bei Martinus Polonus bzw. in den von ihm abhängigen Flores temporum, der weit verbreiteten franziskanischen Geschichtsschreibung, findet. Die zeitlichen Verortungen dieser frühen Zeugnisse der Papstfabel sind ebenfalls verschieden: um 1100, um 900 und in der Mitte des 9. Jahrhunderts; sie verweisen damit auf unterschiedliche historische Hintergründe: auf die Erhebung Paschalis’ II. 1099, auf das stadtrömische Weiberregiment um 900 oder auf den Pontifikat Leos IV. (847–855). In der weiteren Wirkungsgeschichte hat sich die Version des Martinus Polonus durchgesetzt, die ihrerseits in der Kritik, vielleicht sogar in der Karikatur der päpstlichen Hinfälligkeitstheologie begründet sein könnte, die unter Papst Johannes XXI. am Papsthof von Viterbo diskutiert wurde. Wie zwingend eine solche Entstehungshypothese auch immer sein mag, die weitere Rezeption der Fabel von der Päpstin Johanna dürfte sich schon bald von einem solchen Ursprungsgrund gelöst haben und anderen Motiven gefolgt sein.

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Spätmittelalterliche Wirkung der Papstfabel Von der frühen Ausbildung der Legende, die um 1300 abgeschlossen war, von ihren drei Erzählformen und der sich dabei durchsetzenden Version des Martin von Troppau ist deswegen die »recéption de la fable« zu unterscheiden.35 Hier ist es wiederum eine Vielzahl von frauenfeindlichen Äußerungen, die zu beachten sind: angefangen mit dem Dominikaner und Erzbischof von Genua, Jacobus de Voragine (gest. 1298), der in seiner Stadtgeschichte Genuas die Erzählung der bei ihm namenlosen Päpstin mit der vermessenen Torheit und der schimpflichen Schande weiblichen Verhaltens gleichsetzte. Diese frauenverachtende Linie setzte sich fort bei dem Kirchenhistoriker Tholomäus von Lucca (gest. 1327), der von einer verwerflichen Täuschung der Kirche durch die Päpstin Johanna sprach. Ähnlich sah dies der englische Benediktiner Ranulph Higden kurze Zeit später (um 1330), der meinte, dass die Päpstin Johanna wegen ihrer weiblichen Ungebührlichkeit nicht in die Liste der Päpste aufgenommen sei: nec ponitur iste in catalogo pontificum propter sexum impertinentem.36 Dieser Vorwurf wurde dann in der Mitte des 14. Jahrhunderts in der mittelhochdeutschen Reimchronik des Heinrich von München gesteigert, der die Päpstin Johanna durch die Gottesmutter Maria verfluchen ließ. Solch abfällige Bewertungen, wenn auch mit anderen Akzenten, finden sich in der Kirchenkritik des späten Mittelalters immer wieder (vgl. Kapitel IV). Man könnte diese Liste mit einflussreichen spätmittelalterlichen Theologen fortsetzen und den Erzbischof Antonin von Florenz (um 1450) sowie den spanischen Großinquisitor Torquemada (ebenfalls Mitte 15. Jahrhundert) oder schließlich den Augustinertheologen Ägidius von Viterbo anführen, der zu Beginn des 16. Jahrhunderts das Verderben des Menschengeschlechtes, das mit Eva begonnen habe, in der Päpstin Johanna fortgesetzt sah. Selbst die humanistischen Vertreter dieser Zeit waren nicht weit von solchen Werturteilen entfernt, wenn beispielsweise Giovanno Boccaccio um 1370 in seiner neulateinischen Frauenschrift De mulieribus 

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33 Boccaccios neulateinische Frauenschrift ist 1473/74 in einer lateinisch/deutschen Ausgabe des Ulmer Frühdruckers Johannes Zainer erschienen, ausgestattet mit 79 Holzschnitten, von denen hier derjenige zur Päpstin Johanna zu sehen ist.

claris von der inaudita temeritas der Päpstin Johanna sprach, von ihrer »unerhörten Unverschämtheit«, die sie in der ganzen Welt und auch bei den späteren Generationen bekannt gemacht habe. Ähnlich abfällig ist das Urteil Petrarcas, der wenig später diesen Frauenpontifikat mit den apokalyptischen Plagen der Bibel, mit Heuschrecken und Blutregen, verglich. Da Boccaccios Frauenenzyklopädie bis weit in die Frühe Neuzeit (Christine de Pizan, Chaucer, Hans Sachs) gewirkt hat, nicht zuletzt durch deren französische Übersetzungen mit ihren reich illuminierten Handschriften (vgl. den Block mit den Farbabbildungen), sei die kleine Biographie Boccaccios de Iohanna anglica papa noch ein wenig genauer dargestellt.37

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Angelehnt hat sich Boccaccio an die durch Martin von Troppau geschaffene Erzählgeschichte, die er dann weiter ausgestaltet hat, indem er einerseits die staunenswerte Gelehrsamkeit der Päpstin (scientia mirabilis) und ihre außergewöhnliche Ehrbarkeit und Frömmigkeit (singularis honestas et sanctitas) lobt, in ihr aber andererseits nicht nur eine Dienerin der Literatur, sondern auch der Venus (Veneri et literarum militavit studiis) sieht. Der Teufel ist es schließlich, der sie »zu jener verbrecherischen Verwegenheit« verführt (in tam scelestam deduxerat atque detinebat audaciam), nicht nur als Frau Christi Stellvertreter auf Erden zu sein, sondern dieses hohe Amt durch seine Einflüsterungen »in Geilheit und Lüsternheit« (in ardorem libidinis und ad explendam lasciviam) auszuüben. »Was für ein unwürdiges Verbrechen, wie groß aber auch die Langmut Gottes«, der sich am Ende seines Volkes erbarmt und die Päpstin in der uns schon bekannten Geschichte enden lässt. Für Giovanni Boccaccio ist »die Erinnerung an die abscheuliche Unflätigkeit der Päpstin geblieben«, wie es am Schluss seiner Vita heißt. Damit hat der italienische Humanist die Iohanna anglica papa für unsere kulturelle Erinnerung nicht zu einer Heldin, sondern eher zu einer blasphemischen Vertreterin geformt, weil sie sich etwas anmaßte, das ihr nicht zustand. In dieser sinistren Phalanx gibt es aber auch Ausnahmen, die nicht unterschlagen werden dürfen. Ihre Namen sind schnell aufgeführt:38 Felix Hemmerlin, Züricher Kanonist und Publizist, der in den 40er Jahren des 15. Jahrhunderts mit seinen Ausführungen de nobilitate in muliebri sexu commendata die große Wissenschaft und Eloquenz sowie die vorbildliche Lebensführung der Johanna herausstellte, die zurecht zum Papsttum gelangt sei. Zu nennen wären weiter Martin Le Franc in seinem um 1440 entstandenen Großgedicht zum Lob der Frauen oder auch der Jurist Bartolomeo Goggio aus Ferrara mit seiner Studie De laudibus mulierum im späten Quattrocento oder schließlich um 1500 Mario Equicola d’Alveto, der in seinem Traktat De mulieribus die Päpstin Johanna in die höfisch-feministische Strömung des 

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Humanismus einbezog. Sie alle loben den gelehrten Lebenswandel der Päpstin Johanna, sehen in ihrer Schwangerschaft und der Geburt ihres Kindes weniger eine Katastrophe als ein Missgeschick, betrachten ihre Geschichte nicht als Skandal, sondern glauben – um es mit dem zuletzt genannten Olivetanus auszudrücken –, dass dieser Frauenpontifikat auf die göttliche Vorsehung zurückgehe, damit die Frauen nicht an dem, was die Männer können, verzweifeln sollen: divina, ut arbritor, providentia, necquid mulieres quod viri possent, desperarent.39 Soweit die moralische, rechtliche und geschichtliche Rolle, die die Päpstin Johanna in der Theologie, in der Kirchenkritik, in den Schriften der Frührenaissance, in den frauenfeindlichen wie frauenfreundlichen Äußerungen von der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts an gefunden hat. Als eine zunächst vornehmlich stadtrömische Lokalsage ist sie ab etwa 1250 vor allem im Umkreis der Bettelorden, der Dominikaner und Franziskaner, als eine papst- und kirchenkritische Fabel geschaffen worden, die dann in ihrer weiteren Wirkung und Ausgestaltung als eine vielgestaltige Geschichte zu gelten hat, die mancherlei Einsicht in die Denkweisen und Erzählformen der spätmittelalterlichen Welt zu vermitteln vermag, als eine durchaus eigenständige Quelle, die schon bald als Waffe in den kirchenpolitischen Auseinandersetzungen des 14. und 15. Jahrhunderts genutzt wurde (vgl. Kapitel IV). Man wird für die mittelalterliche Entstehung und frühe Entwicklung dieser Papstlegende festhalten dürfen, dass sie alles andere ist als eine bloß geschmacklose Fabel (putida fabula), die man nicht sonderlich ernst zu nehmen brauche, wie es um 1830 der damalige Präfekt der Vatikanischen Bibliothek Angelo Mai geglaubt hat, als er die kompilierte Papstgeschichte des Dominikaners und Inquisitors Bernard Gui aus dem beginnenden 14. Jahrhundert herausbrachte und die Fabel von der Päpstin Johanna einfach ausließ.40 Bernard Gui (gest. 1331) selbst, ein »fleißiger Historiker« (L. Boyle), der durch Umberto Ecos ›Namen der Rose‹ und dessen Verfilmung (F. Murray Abraham als Inquisitor) einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde, hat die Geschichte der 

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Johanna nach der Lesart des Martinus Polonus übernommen, den Johannes Anglicus zu einem Deutschen, einem Teutonicus, gemacht und die ganze Notiz mit dem Zusatz »wie man sagt« (ut dicitur) versehen.41 Ein solches Offenlassen der Frage nach der Historizität der Päpstin scheint für die Zeit des Mittelalters kennzeichnend zu sein. Man hat deren Geschichtlichkeit kaum eigens thematisiert und diskutiert. Enea Silvio Piccolomini, der spätere Papst Pius II. (1458–1464), oder der Papsthistoriker Bartolomeo Platina (gest. 1481) sind hier eher die Ausnahme (vgl. Kapitel IV). Erst im Zeitalter der Reformation wird es einen konfessionellen Streit über diese Frage geben. Dann wird aus der sündhaften und verruchten Pseudopäpstin des Spätmittelalters die nunmehr historisch geleugnete oder behauptete Frauenfigur des 9. Jahrhunderts (Kapitel V).

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IV. Neue Aufgaben der Päpstin Geschichtliches oder juristisches Argument in den kirchenpolitischen Auseinandersetzungen des 14. und 15. Jahrhunderts

Johanna – wie Coelestin V. ein Engelpapst? Die Überlegungen zur Hinfälligkeit des päpstlichen Körpers haben schon den Blick auf das ausgehende 13. Jahrhundert gerichtet. Kurze Zeit nachdem mehrere Autoren die Notizen zur Päpstin zum festen Bestand in ihren Schriften gemacht hatten, begann am Ende des 13. Jahrhunderts eine turbulente Phase der Papstgeschichte. Die Übergangszeit lässt sich durchaus mit Entstehungsmöglichkeiten und Verwendungsformen der Geschichte einer Päpstin gedanklich in Zusammenhang bringen. 1294 wurde der als Coelestin V. erhobene Peter von Morrone sogar als »Engelpapst« bezeichnet, auf den sich – wie in Kapitel III gezeigt – die Hoffnungen vieler richteten, die oft der Bewegung der franziskanischen Spiritualen angehörten. Sie hatten ihn wie einen Retter erwartet und erhofften sich eine neue Wendung der Papstgeschichte. Jedoch waren die Verstrickungen des Papsttums und die Lage in Sizilien zu kompliziert, um aus dem Papsttum von heute auf morgen ein rein geistiggeistliches Amt zu machen. Coelestin scheiterte an diesen Problemen und behielt das Papstamt nur für wenige Wochen. Er dankte schon kurz nach seiner Erhebung wieder ab, um dem rechtlich und machtpolitisch versierteren Bonifaz VIII. (1294–1303) Platz zu machen, der auch die rechtlichen Grundlagen für diesen in der Papstgeschichte einmaligen Verzicht auf die Papstwürde zusammengestellt hatte1. Bei der Betrachtung der Ereignisse um Coelestin V. und Bonifaz VIII. 1294 werden zuweilen Parallelen zwischen Bonifaz und Johanna gezo

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gen, die beide – je nach Interpretation – als Usurpatoren zu gelten hätten, wie dies schon Leo von Orvieto2 äußerte. Daneben eröffnete sich jedoch eine weitere, schon angedeutete Assoziationsmöglichkeit, die weniger auf die Usurpatorin und die Rolle Bonifaz’ VIII. als vielmehr auf Coelestin V. abheben könnte. Richteten sich vielleicht auch Hoffnungen und Sehnsüchte – ähnlich wie auf diesen Mann, den Prophezeiungen fast als Erlöser hervorhoben3 – auf das Vorbild einer früheren Päpstin, deren Name Johannes Anglicus ebenso auf England wie auf eine Engelsgleichheit deuten könnte? Hinzu tritt ein weiterer Bezugspunkt: Ob ein Papst überhaupt abdanken konnte, wurde mit Blick auf Peter von Morrone lange diskutiert. Es bedürfte zwar weiterer Überprüfungen, aber vielleicht regten die zeitlich nahen Ereignisse von 1294 manche Autoren der Johanna-Legende nicht nur beim Namenszusatz anglicus, sondern auch bei den Überlegungen zur Abdankung/ Absetzung von Johanna an, denn häufig wird die Geschichte der Päpstin auch im folgenden Jahrhundert in den Zusammenhang des schlechten Zustandes der Kirche gestellt und mit der Frage verknüpft, ob man einen Papst überhaupt absetzen könne. Wie auch immer: Seit dieser Zeit wurden aktuelle Entwicklungen der Papstgeschichte mit dem Verweis auf die Päpstin Johanna zunehmend häufiger erklärt oder kommentiert. Die Geschichte der Päpstin konnte verschiedene Vorstellungen der Zeit bündeln, ja sie entwickelte sich sogar zuweilen zur Waffe, um bestimmte Ansichten über die Kirche zu belegen. War die Kirche deshalb schlecht, weil sie sogar einmal eine Frau zum Papst gewählt hatte, oder belegte dieser Pontifikat vielmehr, dass selbst dieses Ereignis die Kirche nicht erschüttern konnte? Diese und weitere Positionen änderten sich je nach Stellung der beteiligten Diskutanten. Insgesamt sind aber die Zusammenhänge und Facetten entscheidend, in denen mit Verweis auf Johanna historische Argumente in die Debatten gebracht wurden. Lässt sich die These belegen, dass die Stellungnahmen zur Kirche und ihrer Reform maßgeblich mit der Figur der Päpstin argumentativ untermauert wurden? Nicht nur die 

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Personen, sondern auch die Rhythmen und Phasen der historischen Entwicklung prägten zugleich die Verwendungsformen. Da vor allem die Papstgeschichte betroffen war, liegen wichtige Einschnitte 1303, 1378 und 1417, die im Folgenden kurz skizziert werden.

Die Päpste in Avignon – Reichs- und Kirchenkritik mit Hilfe der Päpstin ? Nach dem Pontifikat Bonifaz’ VIII. lässt das lange 14. Jahrhundert deutlicher erkennen, wie Johanna die Diskussionen mitbestimmte; vor allem eignet sich die Zeit des großen Schismas von 1378 bis 1409 bzw. 1417 besonders gut, um verschiedene Verbindungen zu verfolgen, jedoch sei zunächst der erste Zeitraum – der oft als avignonesische Zeit bezeichnet wird – kurz vorgestellt, um zu zeigen, wo Johanna ihren Platz in den Diskussionen der Zeitgenossen fand. Nach dramatischen Auseinandersetzungen des Papstes Bonifaz VIII. mit dem französischen König Philipp dem Schönen residierten die Päpste nach 1303 nicht mehr in Rom, sondern in Frankreich.4 So wurde der Bischofspalast in Avignon nach und nach zum Papsthof umgestaltet. Die einzelnen Päpste nahmen aber auch zu Grundfragen der Zeit Stellung. Besonders kampffreudig war Johannes XXII. (1316–1334), der sich mit dem römisch-deutschen König Ludwig dem Bayern (1314–1347) um die Befugnisse von Kaisertum und Papsttum auseinandersetzte. Er war aber innerkirchlich umstritten, weil er sich im lange schwelenden Armutsstreit gegen die Spiritualen, einen Zweig der Franziskaner, stellte – ein Thema, das in Umberto Ecos Roman »Im Namen der Rose« eine wichtige Rolle spielt.5 Nachdem 1322 ein Generalkapitel der Franziskaner die Ablehnung von Besitz damit erklärt hatte, weder Christus noch die Apostel hätten gemeinsam oder einzeln Eigentum besessen, verwarf der Papst 1323 diese Entscheidung und wurde von einer Ordensminderheit nun seinerseits zum Häretiker erklärt. Auch seine Stellungnahme zur Frage, wann die Gerechten nach dem Tode zur Anschauung Gottes 

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gelangten (visio beatifica), stieß kaum auf Zustimmung. Unter seinen Nachfolgern glätteten sich die Wogen wieder, jedoch hatten seine Positionen verschiedene Denker der Zeit, die auch Ludwig der Bayer teilweise um sich scharte, auf den Plan gerufen. Bei den letzten großen Auseinandersetzungen – vor allem mit Ludwig dem Bayern – um das Verhältnis von Kaisertum und Papsttum galt es neu auszutarieren, 34 Wilhelm von Ockham, der welche Aufgaben und Rechte den franziskanische Kirchenkritiker des beiden Universalgewalten über- 14. Jahrhunderts, bediente sich auch haupt einzuräumen seien. Schon der Päpstin als Argument (Wilhelm der für die Erzählung der Päpstin v. Ockham, Summa Logicae, cod. 464/571, fol. 69r, Cambridge 1341). so folgenreiche Martin von Troppau und die in seiner Tradition stehenden Papst-Kaiser Chroniken folgten dem Gedanken einer Einheit des Reiches im letzten Zeitalter der Weltgeschichte (Zeit der Gnade, sub gratia genannt), das erst am Ende der Zeiten aufgelöst werde. Die Päpste und Kaiser standen in ihrer Abfolge für dieses Reich, dessen universaler Anspruch als Geschichtsbild fortwirkte6. Martin von Troppau verweist darauf, dass Johanna wegen ihres Geschlechts nicht zum Katalog dieser Abfolge gehöre. Ein mögliches Argument gegen das Reich im Zeitalter der Gnade wurde so – ob überzeugend oder nicht – entkräftet. Im Zusammenhang dieser Diskussionen fand sich in Reformschriften auch der Hinweis auf eine Päpstin. Der franziskanische Philosoph Wilhelm von Ockham (gest. 1348?)7 nennt sie bei seinen Anschuldigungen gegen den Avignoneser Papst Johannes XXII. Seine Bemerkungen zum Zustand der Kirche nahmen aktuell handelnde Personen mit ins Visier. 

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So fragt er in seinem fünften Dialog zunächst allgemein, ob die Stadt Rom und das römische Bistum am Ende der Zeiten oder sogar schon zuvor nicht dem Antichrist anhängen oder vom katholischen Glauben abfallen werden.8 Ihm ging es in diesem Zusammenhang um die grundsätzliche Frage, inwieweit die Kirche in Tatsachenfragen vor Irrtümern gefeit sei. Die Unterscheidung von göttlichem Recht und faktischen Ereignissen, die Wilhelm von Ockham in seinen Argumentationen voraussetzte, prägte spätere Traktate zur Kirchenverfassung, die sich dieser Denkfigur bedienten, um historische Missstände verschiedener Art, dabei auch den Pontifikat der Päpstin Johanna, einzuordnen. In seinem Werk zu den acht Fragen (quaestiones) der päpstlichen Macht von etwa 1340–1342 folgt er dieser Unterscheidung und nennt den weiblichen Papst explizit, geht also von einer Existenz Johannas aus: »Aber kein Häretiker, sosehr er auch für den Papst gehalten werden mag, gehört zum Leib der Kirche […]. Also ist auch kein Häretiker das wahre Haupt der Kirche, sosehr er auch dafür gehalten werden mag: ebenso wie die Frau, die zwei Jahre lang als Papst angesehen wurde, nicht das wahre Haupt der Kirche war, obwohl sie von allen dafür gehalten wurde. Alle nämlich haben damals geirrt. Denn die gesamte Kirche kann zwar nicht in Rechtsangelegenheiten irren […], dennoch kann sie inbezug auf Tatsachen irren […]«9. Ähnlich thematisierte der Franziskaner in seinem »Werk der 90 Tage« die mögliche Sünde derer, die Gemeinschaft mit einem häretischen Papste hielten. Das Ergebnis lautete, dass diese unschuldig seien, wenn sie aus Nichtwissen gehandelt hätten. Auch hier wurde das Beispiel der Päpstin angeführt. Die Kirche könne trotz einer grundsätzlichen Irrtumsfreiheit auf der Ebene des Faktischen irren und missbraucht werden, aber Gläubige, die aus Nichtwissen mit einem häretischen Papst Gemeinschaft hielten, seien ohne Schuld, wie dies zum Beispiel geschehen sei, als man eine Frau als Päpstin verehrt habe10. Treffen wollte der Theoretiker mit diesem Verweis vor allem Johannes XXII., den er als Häretiker ansah. Ihm ging es darum, einen schlüssigen Ausweg auch für die Gläubigen zu suchen. 

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Zwei Päpste in Rom und Avignon: Kann Johanna das Schisma beilegen? Solche und ähnliche Argumentationen, die auf die Päpstin zurückgriffen, sollten sich nach der Rückkehr der Päpste aus Avignon nach Rom (1378) noch kritischer präsentieren, musste die Christenheit doch bald zwischen zwei Päpsten entscheiden. In dieser Konstellation bot die Geschichte von einer Päpstin in verschiedener Hinsicht eine ideale Argumentationshilfe. Um die verschiedenen Funktionen zu erkennen, muss der Gang der Ereignisse kurz zusammengefasst werden11. Als nach beinahe achtzig Jahren die erste Papstwahl 1378 wiederum in Rom stattfand, standen die Kardinäle vor einer schweren Entscheidung, denn das römische Volk forderte einen Römer oder wenigstens einen Italiener. Das Konklave beriet unter dem Druck der Straße und entschied sich für eine Person, die weder Franzose noch Römer, sondern Neapolitaner war: Bartolomeo Prignani, Erzbischof von Bari. Obwohl die Kardinäle kurzfristig in tumultartigen Zuständen der Menge zum Schein einen Römer präsentierten, bestätigte das Konklave die Wahl des Erzbischofs von Bari, der am Ostersonntag (18. April) 1378 gekrönt wurde und den Namen Urban VI. (1378–1389) annahm. Der zunächst unbestrittene römische Papst machte sich allerdings nicht nur Freunde, als er versuchte, den oligarchischen Herrschaftsstil von Avignon stärker durch eine päpstliche Alleinherrschaft zu ersetzen. Dies führte bald zum Bruch mit zahlreichen Kardinälen. Anfang August 1378 erklärte die französische Gruppe der Kardinäle die wenige Monate zuvor durchgeführte Papstwahl für ungültig, weil sie unter Furcht und Zwang zustande gekommen sei. Dies ließen sie durch Manifeste in ganz Europa verbreiten. Allerdings schlossen sich vor allem die italienischen Kardinäle dieser Meinung nicht direkt an. Mit Hilfe einer geschickten Taktik wurde sodann jeder einzelne von den Italienern überzeugt, er könne vielleicht selbst der nächste Papst sein. Aus einer erneuten Wahl am 20. September 1378 ging einmütig Kar

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dinal Robert von Genf hervor. Drei Kardinäle hatten sich der Stimme enthalten. Der Neugewählte nannte sich Clemens VII. (1378–1394) und nahm wenig später seinen Sitz in Avignon. Wer nach diesen Vorgängen rechtmäßiger Papst war, Urban oder Clemens, bleibt nach kirchenrechtlichen Kriterien bis heute schwer zu beantworten. Die Kardinäle waren Urban längere Zeit gefolgt, und der Vorwurf der Unfähigkeit (incapacitas) war rechtlich kaum einklagbar. Ob die Tumulte bei der Erhebung so schwer wogen, ist zweifelhaft, denn politischen Druck hatte es bei Papstwahlen immer wieder gegeben. Auch die Wahl Clemens’ VII. war sicher nicht unter kanonisch einwandfreien Prinzipien zustande gekommen. Das Bemerkenswerte ist aber, dass – abweichend von anderen Schismen – 1378 innerhalb weniger Monate zwei Päpste vom gleichen Gremium gewählt wurden! Zudem war die Lage für ein langes Schisma günstig, denn mit Avignon und Rom standen zwei Orte zur Verfügung, die beide über die notwendigen Institutionen und Voraussetzungen verfügten. Die anbrechende Zeit des Großen Abendländischen Schismas dauerte knapp vierzig Jahre und war vielfach von der Suche nach Gefolgschaften beider Kontrahenten gekennzeichnet. Dies führte zu einer tiefen Spaltung des lateinischen Europa, die nicht nur geographisch fassbar ist. Die Trennungslinien verliefen oft nicht eindeutig. So hatten manche Klöster sogar zwei Äbte und zwei Prioren. Wie weit die Verwirrung ging, zeigt das Beispiel des Erzbischofs Pedro Tenorio von Toledo, der im Kanon der Messe den Papstnamen durch die Formel pro illo, qui est verus papa (für den, der wahrer Papst ist)12 ersetzen ließ. Diesen Hintergrund muss man kennen, um die großen theoretischen Diskussionen zu verstehen, bei der die Figur der Päpstin Johanna immer wieder eine Rolle spielte. Da beide päpstliche Lager zunächst nicht daran interessiert waren, den Zustand zu ändern, erhoben sich die Stimmen meist von außen. Sie suchten oft nicht nur Lösungswege zur Beendigung des Schismas, vielmehr verbanden viele Theoretiker ihre 

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Vorschläge mit dem Ruf nach einer allgemeinen Reform. Die verschiedenen Papstwahlen, auch diejenige von 1378, machen weiterhin deutlich, wie wichtig das Kardinalkolleg geworden war, das im schlimmsten Falle sogar einen neuen Kandidaten erheben konnte. Ohne die Kardinäle war eine Lösung des Schismas kaum möglich. Viele aus dieser Gruppe strebten eine Oligarchie an, in der der Papst nur primus inter pares (erster unter Gleichen) war. Dies widersprach allerdings den Ansprüchen der Päpste nach der alleinigen Lenkung der Kirche. An einer Oligarchie konnten zudem nur die Kardinäle selbst interessiert sein. Bei Reformwilligen außerhalb dieses Gremiums fand der Vorschlag, ein Allgemeines Konzil solle das wirkungsvollste Entscheidungsorgan der gesamten Kirche sein, größeren Anklang. Schon wenige Jahre nach Ausbruch des Schismas gab es eine Flut von Traktaten, welche die Einberufung eines Allgemeinen Konzils befürworteten. Für die meisten dieser Theorien und Vorstellungen wird der Begriff Konziliarismus verwendet13, jedoch griffen viele Autoren weiter aus; so wurden die kirchlichen Strukturen und Funktionsweisen generell in die Kritik einbezogen. Die Grundlagen dieser Vorschläge liegen im Kirchenrecht, wo schon früher die Frage diskutiert worden war, was zu geschehen habe, wenn der Papst Häretiker werde. In einem solchen Fall könne der Satz, dass der erste Sitz nicht gerichtet werden könne (prima sedes a nemine iudicatur) nicht mehr, wie vom großen Kirchenrechtler Gratian diskutiert (Distinctio 40, c. 6), angewendet werden. In diesem Kontext der Diskussionen konnte die Geschichte der Päpstin immer wieder argumentativ zum Beispiel für den Zustand der Kirche allgemein oder die Haltung der Kardinäle als Beleg angeführt werden, da historische Einzelfälle rechtliche oder kirchliche Strukturen »belegen« oder in Frage stellen konnten. Schon vor 1378 entstanden theoretische Traktate, zu denen außer dem schon vorgestellten Wilhelm von Ockham Autoren wie Johannes von Paris oder Marsilius von Padua gehören. Während des Großen Abendländischen Schismas vertieften weitere Denker auch aus aktuellem Anlass dieses Thema: An 

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den Universitäten – aber nicht nur dort – wurde über eine Lösung des Schismas gestritten. Hier entstand immer mehr eine (teil)öffentliche Meinung. Insgesamt wurden drei bzw. vier Wege aufgezeigt, um das Schisma zu beenden: 1. Die via cessionis: Beide Päpste sollten abdanken, um eine Neuwahl zu ermöglichen. 2. Die via concilii: Ein Konzil sollte entscheiden, welcher Papst rechtmäßig sei. 3. Die via compromissi: Jeder Papst sollte den Spruch eines Schiedsgerichtes annehmen. Weil die Umsetzung aller drei Vorschläge mit Schwierigkeiten verbunden war, gewann bald ein vierter Weg an Gewicht, der »von unten her« gedacht war: die via subtractionis. Die Anhänger beider Päpste sollten diesen die Unterstützung entziehen und somit den Gehorsam aufkündigen. Ein Erfolg über diesen vierten Weg schien am Ende des Jahrhunderts kurzfristig greifbar nahe, scheiterte aber unter anderem durch die Flucht des Avignoneser Papstes Benedikt XIII. (1394–1409/1417 bzw. 1423) 1403, der sich langfristig nach Spanien zurückzog. Erneut ergab sich eine Lösungsmöglichkeit, als der römische Papst Gregor XII. (1406–1409/1415) sich bereit erklärte, mit seinem Rivalen Benedikt XIII. zusammenzutreffen, aber dieses Treffen kam schließlich nicht zustande. Weitere Zusammenkünfte in Perpignan, Cividale, Pisa (1409) brachten wichtige Ergebnisse, aber nicht den Durchbruch, denn eine Neuwahl fiel auf den Kardinal von Mailand, Petrus Philargus, der den Namen Alexander V. (1409–1410) annahm. Statt unter zwei konnte die Christenheit nun unter drei Päpsten wählen! Mit Pisa wurde das Schisma zunächst nur erweitert. So gesehen brachte erst das Konzil von Konstanz eine Lösung, obwohl eine solche Perspektive zu sehr aus der Rückschau urteilt, denn unbestreitbar haben die Diskussionen von Pisa die Arbeit von Konstanz vorbereitet, sind die theoretischen Vorschläge auch erstmals mit einer größeren Wirkung in eine

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prozessuale Praxis umgesetzt worden. Wohl auch deshalb wurde die konziliare Idee in der Folge weiter vertieft. Das Hauptproblem des Konzils von Pisa blieb, dass die betroffenen Päpste die Beschlüsse weitgehend ignorierten und die Ansprüche von drei Personen aufrecht erhalten wurden, denn schon 1410 folgte auf Alexander V. als »Pisaner Papst« Johannes XXIII. (1410–1415). Erst als der Luxemburger Sigismund 1411 als König im Reich folgte, stellte dieser entscheidende Weichen. Besonders bei der Auswahl eines künftigen Konzilsortes konnte er Konstanz durchsetzen. Hier wurde dann in den Jahren 1414–1418, besonders 1415 und 1417 mit der Erhebung Martins V. (1417–1431), das Schisma weitgehend gelöst. Die vorbereitenden Diskussionen über den Zustand der Kirche oder des Kardinalskollegs wurden häufig mit Verweis auf Johanna geführt, ihre Figur bereitete damit zumindest auch den Boden für verschiedene der diskutierten Lösungsansätze.

Die Päpstin als Beispiel für Kirchen- und Papstkritik? Wyclif und Hus Nachdem der Versuch, das Papsttum aus Avignon nach Rom zurückzuführen durch das Schisma von 1378 gescheitert war, wurde mit der Person der Päpstin noch häufiger als vorher Tagespolitik betrieben. Zwar bleiben viele Hinweise nur kurz, aber die unterschiedlichen Namen für die Päpstin deuten darauf, dass die Geschichte selbst offensichtlich mündlich im 14. Jahrhundert in verschiedenen Formen erzählt wurde. Schon kurz nach 1378 äußerte sich der englische Reformer John Wyclif (gest. 1384) in diversen Schriften, die eher antipäpstlich als prokonziliar waren. So schrieb er in seinem Werk über Christ und Antichrist (De Christo et suo adversario Antichristo): »Wenn der Papst in Lehre und Leben Christo entgegen ist, so ist er der vornehmste Feind Christi […] und der hauptsächlichste Antichrist […]. Wenn es hundert Päpste gäbe und alle Bettelmönche Kardinäle würden, man dürfte 

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ihnen in Glaubenssachen doch nur insoweit beipflichten, als sie mit der Heiligen Schrift übereinstimmen«14. Konkret auf die Päpstin kam der englische Papstkritiker in seinem 1382 verfassten Werk Cruciata (Kreuzzug) zu sprechen. Diese Schrift bezieht zu den Papstwahlen von 1378 Stellung. Nachdem Clemens VII. aus Italien vertrieben worden war, hatte Urban VI. sogar mit Kreuzzugsbullen (besonders von 1383) zum Kampf gegen seinen Rivalen aufgerufen. Vor diesem Hintergrund erklärt sich der Titel von Wyclifs Werk. Seine Kritik gilt konkret vor allem den Päpsten und den Kardinälen, die sich von den Vorbildern der Urkirche entfernt hätten. Sie seien selbst inzwischen fast wie Teufel. In diesem Zusammenhang wird die Geschichte einer gewählten, schwangeren Päpstin, die bei ihm Anna heißt15, eingeführt. Egal, ob dieser Pontifikat belegt werden könne oder nicht, so zeige sich daran, wie sehr die Schar der Kardinäle verführbar sei, ja sie könnten sogar den Teufel selbst zum Papst wählen: » […] in apokryphen Chroniken wird generell erzählt, dass das Kardinalskollegium sich im Geschlecht des Papstes irreführen ließ, so dass sie als Papst die schwangere Anna gewählt hatten. Aber wie es auch darum bestellt sein mag, sicher ist aus dem Glauben, dass das ganze Kardinalskollegium gemeinsam so sehr verführt werden kann, dass es zum Papst einen Teufel wählt, der die Spuren Christi haßt und die Kirche total durcheinanderbringt«.16 Eine gewisse Skepsis des Verfassers zur Historizität der Päpstin blieb (vgl. die Bezeichnung »apokryphe Chroniken«); offensichtlich diente die Episode vor allem zur Charakterisierung der törichten Kardinäle und bezieht aus diesem Zusammenhang ihre argumentative Kraft. Schuld tragen die Kardinäle, nicht Anna, obwohl auch ihre Person negativ konnotiert ist. Die Kritik aktueller Zustände basiert bei Wyclif insgesamt auf der gegenüber dem Ockhamschen Nominalismus in verschiedener Hinsicht sichtbaren Position des Realismus, der mit einer massiven generellen Kirchenkritik verbunden war. Im so genannten »Universalienstreit« unterschied man Nominalisten und Realisten danach, ob die Namen (nomina) oder die Sachen (realia) als universal 

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35 Der böhmische Reformer Jan Hus kritisierte mit Hilfe der Geschichte der Päpstin die Institution des Papsttums und fragte, ob Papst und Kardinäle für eine christliche Kirche überhaupt nötig seien. Wegen dieser und anderer Meinungen wurde er 1415 auf dem Konzil von Konstanz verurteilt. Die Miniatur im Druck der zum Konzil verfassten Chronik des Ulrich von Richental zeigt, wie Hus verbrannt wird (Ulrich von Richental, Chronik, Druck: Augsburg 1483, fol. 39r).

angesehen wurden. In seiner Lehre von Herrschaft und Gnade kam Wyclif insgesamt zu dem Schluss, dass Papst, Kardinäle und Bischöfe wegen ihrer Sündhaftigkeit der Gnade nicht würdig seien. Inwieweit Johannes (Jan) Hus (gest. 1415), der böhmische Reformer, die Positionen Wyclifs aufgenommen hat, wird bis heute diskutiert. Was die Päpstin angeht, radikalisierte er jedenfalls dessen Ansichten. Nach seinem Kirchenverständnis brauche die Kirche keine so »monströsen Köpfe« wie Päpste und Kardinäle, so bemerkte er auf dem Konstanzer Konzil vor seiner Verurteilung 1415. Hus hob hier darauf ab, dass die 

neue aufgaben der päpstin

Kirche sogar zur Zeit der Päpstin durch ihre Glieder von der Gnade Christi gelebt habe und deshalb weder des Papstes noch der Kardinäle bedürfe17. Theoretisch legte der böhmische Reformer seine Ansichten in einem Werk über die Kirche (De Ecclesia) nieder. Die Heiligkeit und Unbeflecktheit der Kirche, die Irrtumslosigkeit werde schon dadurch in Frage gestellt, dass jene »Agnes, der Johannes-Papst« geboren habe, andere Päpste seien Häretiker gewesen.18 Interessanterweise verbindet Hus die Geburt mit einem Makel, ja er nannte sie sogar in einem Atemzug mit der Häresie. Aber Hus verwendete das Beispiel weiter in abschreckender Weise, um das Bild des wahren Papstes zu bestimmen oder um den Lebenswandel zu charakterisieren, der niemals dem Amt widersprechen solle. Weil die Kirche sich in der Vorsteherin Agnes getäuscht habe, könne nicht jeder zum Papst Gewählte für heilig und als Papst gehalten werden. Es ging ihm offensichtlich darum, die drei zu Beginn des Konstanzer Konzils noch konkurrierenden Päpste als nicht berufen darzustellen. Wie eine Päpstin Agnes oder auch an der Wende zum 14. Jahrhundert Papst Bonifaz VIII. seien diese Personen keine gültigen Inhaber der Papstwürde gewesen. Gläubige seien durch die Päpstin getäuscht worden.19 Unbestritten ging Hus insofern von der Existenz einer Päpstin Johanna aus.

Beendigung des Schismas mit der Päpstin? Papst, Kardinäle und ein Allgemeines Konzil Während Ockham, Wyclif oder Hus eher in grundsätzlicher Form – vor dem Hintergrund der Zeitläufte – zu Papst und Kirche kritisch Stellung bezogen, wurden andere Stimmen konkreter. Im Vorfeld des Konstanzer Konzils waren angesichts der zwei Päpste und Kurien in Rom und Avignon, nach 1409 sogar angesichts dreier Päpste, immer wieder Lösungsvorschläge erarbeitet worden. An den Universitäten – aber nicht nur dort – wurde darüber diskutiert, auf welchen der oben erwähnten verschiedenen Wege das Schisma beendet werden könne. 102

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In den Zusammenhang der via cessionis (Abdankung für Neuwahl) oder der via subtractionis (Aufkündigung des Gehorsams) lässt sich das freilich weniger theoretische als literarische Werk des Philippe de Mézières (Songe du vieil Pèlerin, etwa von 1386) einordnen, obwohl hier die Episode der Päpstin auch im Zusammenhang mit einer generellen Kritik am Papsttum steht. Als der Verfasser seine Schrift vorlegte, hatte er bereits ein bewegtes Leben hinter sich. Der im Norden Frankreichs geborene Philippe diente in Italien verschiedenen Herren, zog nach Osten und begründete nach dem Besuch des Heiligen Grabes eine »Militia Passionis«, eine Ritterschaft der Passion, die Modellen bisheriger Ritterorden folgte. Der König von Zypern förderte diese Pläne, dort wurde Philippe Kanzler unter König Peter I., den er auch auf seinen Reisen und Feldzügen begleitete. Nach einer Zeit am avignonesischen Papsthof avancierte der spätere Autor zum Berater König Karls V. von Frankreich. In Paris zog er sich in den Konvent der auf Papst Coelestin V. zurückgehenden Coelestiner zurück. Seine verschiedenen politischen und spirituellen Schriften gipfelten schließlich in dem Buch des Songe du vieil Pèlerin, das den Bericht über eine imaginäre Pilgerreise mit Zeitkritik und Reformvorschlägen anreichert. Im ersten Buch tritt Ardent Désir (das glühende Verlangen), von der guten Hoffnung begleitet, auf, um jenseits der ägyptischen Wüste die Königin Wahrheit zu finden. Allerdings sollen auch die wichtigsten Orte der Christenheit – von Indien bis nach Westeuropa – geprüft werden. Die Pilger sehen in Rom einen Umzug von Männern mit Tierköpfen, dort werden die drei Göttinnen Ambitio, Avaritia und Luxuria verehrt. Luxuria soll zur Königin namens Wahrheit gesagt haben, dass in Rom sogar einstmals eine Frau geherrscht habe. Ardent Désir nimmt diese Anspielung auf, um eine Lösung des bestehenden Schismas anzudeuten, denn wenn die Kardinäle bei ihrer Wahl getäuscht worden seien, dann könnten sie auch den unrechtmäßig Gewählten die Gefolgschaft entziehen und eine neue Wahl veranstalten.20 

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Eine weitere Position lässt Dietrich von Nieheim (Niem) (gest. 1418) erkennen, der sich im Zusammenhang mit dem Konzil von Pisa (1409) zur Wahl Alexanders V. bzw. dessen Nachfolger Johannes (XXIII., 1410–1415) äußerte. In seinen Historie de gestis21 berichtet der Autor von einer Johanna de Anglia, die in Mainz geboren sei und sich zwei Jahre in Athen mit den Sieben Freien Künsten (septem artes liberales) beschäftigt habe, bevor sie von den Römern einmütig zum Papst gewählt worden sei. Das Papstamt habe sie zwei Jahre innegehabt. Es folgt dann die Geschichte der Prozession mit Geburt (geschwängert worden sei Johanna von einer Person aus ihrem cubiculum); eingebettet wird dies in lokale Traditionen, die sich mit dem Ort der Niederkunft verbinden (vgl. Kapitel I). Nieheims Bemerkungen entsprechen etwa denjenigen, die Martin von Troppau zur juristischen Abqualifizierung Johannas vorgebracht hat (eine Version der Martinschronik spricht ja sogar von einer Absetzung, vgl. oben Kapitel III). Ihm dient diese Geschichte aber auch dazu, die Möglichkeit zu verteidigen, dass eine Papstwahl als ungültig erklärt werden könne. Johannes Gerson (gest. 1429), seit 1395 Kanzler der Pariser Universität, benutzte die Geschichte der Päpstin für seine kirchenpolitischen Ziele. Sein Werk über die geistliche Rechtsprechung (De iurisdictione spirituali) diskutierte die Gültigkeit von Weihen derjenigen, die von nicht rechtmäßig erhobenen Päpsten ordiniert wurden. Die lange Diskussion dieser Frage (so waren ähnliche Streitigkeiten über die Reordinationen nach der Leichensynode des Formosus 897 aufgetreten) löste Gerson mit Hinweis auf den Pontifikat der Päpstin, denn man habe nicht gehört, dass nach ihrer Herrschaftszeit durch sie geweihte Kleriker neu ordiniert worden seien.22 Aktueller und tagespolitisch brisant war Gersons Predigt 1403 in Tarascon vor dem avignonesischen Papst Benedikt XIII., den er zum Rücktritt bewegen wollte. In dieser Ansprache bezog er sich auch auf die Absetzung eines Papstes Johannes, mit dem die Päpstin gemeint sein könnte. Seit 1398 hatten schon mehrere frühere Anhänger Papst Benedikt XIII. die Gefolgschaft ent

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zogen. Frankreich gehörte dazu und die beiden Gelehrten der Pariser Universität Gerson und Pierre d’Ailly hatten diese Entscheidung mit vorbereitet. In der Predigt wollte der Pariser Kanzler den Weg weisen, wie Frieden zu erreichen sei. Bei einem Papst Johannes habe die Absetzung dem Frieden gedient, es gebe mithin in der Kirche keine Macht, die nicht auch sündhaft werden könne. Der von Gerson benutzte Name Johannes wurde meist auf Johanna bezogen, könnte aber auch einen anderen Johannespapst meinen, zum Beispiel Johannes XII., der 963 seines Amtes enthoben wurde. An einer etwas späteren Stelle wird der Prediger Gerson in der Person eindeutiger, als es ihm darum geht, dass der Irrtum nicht nur einzelne Personen in der jeweiligen Wirklichkeit betreffen könne, sondern sogar die Kirche selbst. Sie täusche und sei getäuscht worden (in talibus Ecclesia fallere dicitur et falli), als sie zum Beispiel seinerzeit eine Frau als Papst (feminam pro papa) verehrt habe.23 Es wurde diskutiert, ob diese Position Gersons schon ein eigenständiges gallikanisches (auf eine Art Nationalkirche Frankreichs bezogenes) Kirchenverständnis andeute; auch wenn man nicht so weit geht, schwächten diese Einlassungen des Pariser Kanzlers die Stellung des Papsttums insgesamt. Franziskanische Diskutanten stellten andere Aspekte in den Vordergrund. Als Jean Roques (de Rocha) aus dem Franziskanerorden auf dem Konstanzer Konzil in der Sitzung vom 24. Oktober 1415 gegen Johannes Gerson Stellung bezog, unterstrich er die Bedeutung einer kirchlichen Hierarchie, unabhängig von der jeweiligen Eignung und Integrität der Amtsinhaber. Der Pontifikat der Päpstin Johanna erscheint hier viel eher deshalb in kritischem Licht, weil ohne einen Papst die Kirche jede Sicherheit und Gewissheit verliere. Diese Gefahr sei gegeben gewesen, als Johanna aus Mainz Papst gewesen sei.24

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Die Päpstin als Waffe, als historisches Argument Wurde die Päpstin, wie die schon besprochenen Erwähnungen nahelegen könnten, bei den dominikanisch geprägten Konziliaristen anders als bei den franziskanischen in die jeweiligen Argumentationen eingebracht? Es deutet sich an, dass die Franziskaner, soweit die vorgestellten Protagonisten sich den beiden Orden zuordnen lassen, der Päpstin insgesamt positiver gegenüberstanden. Wenn viele Konziliaristen zwischen einer substantiellen Machtfülle (potestas habitualis) und einer aktuellen Macht (potestas actualis) unterschieden, dann hatten demgemäß die Gläubigen die erstere inne. Päpste handeln nur mit einer aktuell verliehenen Machtfülle und könnten deshalb im Fall des Falles durch ein Konzil entmachtet werden. Dies entsprach teilweise der Unterscheidung zwischen factum und actus des anfangs vorgestellten Wilhelm von Ockham. Der Fall Johannas kann in manchen Erzählungen diesen doppelten Aspekt päpstlicher Macht erläutern. Wahrscheinlich kommt es nicht von ungefähr, dass Dietrich von Nieheim, einer der energischsten Konziliaristen, die Geschichte der Päpstin Johanna und ihren angeblichen Pontifikat ausgesprochen ausführlich in seine Theorien einbaute. Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen blieb also die Geschichte der Päpstin keinesfalls nur eine Erzählung, Anekdote oder Legende, sondern sie bündelte Vorstellungen der Zeit und erwies sich zugleich als Waffe, um Vorschläge für die Zukunft der Kirche zu unterbreiten. Die Päpstin erschloss damit eine vergangenheitsgestützte Zukunftsvision und wurde damit – schon kurz nach dem Entstehen der verschiedenen Fassungen – wie viele andere Geschichten im Mittelalter zum historischen Argument25. Schon lange war es in der mittelalterlichen Tradition üblich gewesen, zur Durchsetzung von Positionen alte Autoritäten zu zitieren und auf die jeweiligen Tatbestände zu übertragen und anzuwenden. Daneben entstanden aber im Laufe des Mittelalters bei größeren Streitfragen Diskussionen, die 

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zumindest Teilöffentlichkeiten erreichten und nicht nur in den engeren Zusammenhang der mittelalterlichen Literaturentwicklung gehören. Dies kann in den verschiedenen Auseinandersetzungen zwischen Kaiser- und Papsttum, so im 11. Jahrhundert, in der Zeit, die meist etwas verkürzt als Investiturstreit bezeichnet wird, danach im Kampf zwischen Friedrich II. und Gregor IX. beziehungsweise Innozenz IV. oder zwischen Ludwig dem Bayern und Johannes XXII. besonders gut beobachtet werden. Insofern lieferte auch die Erzählung von der Päpstin, die ja Martin von Troppau auch schon in das Schema von PapstKaiser-Beziehungen eingeordnet hatte, vielfältige Möglichkeiten zur Interpretation des Tagesgeschehens seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert. Das Zentrum des Interesses, das in den weit verbreiteten Martinschroniken noch vor allem die Universalgewalten in den Blick nahm, erweiterte sich, denn die dort eingefügte Notiz zu Johannas Pontifikat ermöglichte auch bei entsprechender Argumentation zu neuen Fragen der Zeit und der Kirchenverfassung Position zu beziehen. Betroffen war die Stellung der Kirche insgesamt, aber auch die Rolle von Papsttum, Kardinälen und übrigen Gliedern der Kirche. Die Päpstin konnte hierbei in der Argumentation verschiedene Positionen einnehmen. Dabei lassen sich in den oben angeführten Beispielen mit Blick auf die Päpstin drei Hauptaspekte unterscheiden: – Johanna als die Unwählbare, wie dies zum Beispiel aus kurzen Erwähnungen bei Dietrich von Nieheim hervorgeht, der sich im Zusammenhang mit dem Konzil von Pisa (1409) zur Wahl Johannes (XXIII.) äußert – das heißt, eine Frau kann demnach nicht gewählt werden. – Johanna als Zeichen für die Fehlbarkeit der Kurie und der Kardinäle, denen buchstäblich alles – sogar die Wahl des Teufels – zuzutrauen sei, so in einer Stellungnahme Wyclifs in seinem Werk Cruciata. – Johanna als Zeichen für den mangelnden Zusammenhalt der römischen Kirche, wie dies vor allem Johannes Hus auf dem Konstanzer Konzil 1415 geltend machte und der dabei die Bedeutung der 

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Gnade Christi unterstrich, denn die Kirche habe auch zur Zeit der Päpstin durch ihre Glieder von der Gnade Christi gelebt, bedürfe also des kirchlichen Apparates (»monströse Köpfe«) nicht. Nur am Rande sei darauf verwiesen, dass in fast allen besprochenen Zitaten die Kardinäle Johanna wählten, eine anachronistische Vorstellung, wenn die Päpstin wirklich im 9. Jahrhundert das Papstamt innegehabt hätte, denn damals wählten Klerus und Volk den Bischof von Rom! Je nach Position konnten die Missstände außerdem in einer eher zugunsten der Institution des Papsttums geführten (so genannten papalistischen) Interpretation als »Betriebsunfälle« gewertet werden, während eine spiritualistische Deutung kritischer Stellung bezog und zum Beispiel unterstrich, dass zum Ende der Zeiten sich solche Missstände häuften. Daraus ergab sich weiterhin, dass je nach Überzeugung der jeweiligen Diskutanten die Gestalt eher positiv oder negativ konnotiert wurde und von der Faktizität oder von der Fiktion beziehungsweise Unsicherheit der Existenz eines solchen Pontifikates ausgegangen wurde. Die Päpstin verband man somit schon bald mit Tendenzen und Ereignissen, die leicht für die verschiedensten Zusammenhänge abgerufen werden konnten. Damit wird zugleich deutlich, wie sehr die Gegenwart die Erinnerung an die Vergangenheit bestimmte, verformte und – wie offensichtlich auch im Falle Johannas – mit neuen Aspekten anreicherte26. Johanna wurde so immer wieder neu erfunden und konstruiert. Zu fassen sind für uns heute in der Regel nur die schriftlichen Zeugnisse, die aber eine Vielfalt der wohl erzählten Fassungen andeuten; mündliche Verformungen als Wandersage könnten die verschiedenen Namensformen der Protagonistin erklären. Die hier kurz vorgestellten Verwendungsformen zeigen aber weiterhin, wo eine wichtige Zukunftsperspektive der Erzählung von der Päpstin lag. Weil spirituelle oder kirchenrechtlich relevante Fakten und Positionen in unterschiedlicher Weise im Vordergrund standen und kritisiert wurden und die Geschichte als freilich verschieden eingesetztes Argument in spätmittelalterlichen Auseinandersetzungen um den 

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Zustand der Kirche und des Papsttums diente, ergab sich eine Steilvorlage für die späteren Reformatoren. Sie konnten darauf aufbauen und mit der Päpstin ihre grundlegende Kritik am Papsttum weiter konturieren.

Johanna und der römische Humanismus im 15. Jahrhundert Bevor eine weitere Phase der Rezeptionsgeschichte und Verwendungskontexte vorgestellt wird (Kapitel V), die mit heftigen Diskussionen um die Authentizität oder Fiktionalität der Päpstin verbunden war und die erst im 19. Jahrhundert zunehmend verwissenschaftlicht wurden, gibt es noch eine wichtige weitere Facette zu erwähnen. Der aus Böhmen stammende Autor Martin von Troppau stand zwar bei der Abfassung seiner Chronik den damaligen Päpsten nahe, aber ansonsten begegnet die Geschichte eher bei Schreibern, die der Kurie und dem Papsthof nicht direkt verbunden waren (vgl. Kapitel I und III). Nach der Lösung des Papstschismas auf dem Konstanzer Konzil (1414–1418) wurde Johanna aber – wenigstens für kurze Zeit – auch in Rom akzeptiert. Im Jahre 1475 hielt die Päpstin Johanna offiziell bei der Kurie Einzug, heißt es bei dem Historiker Cesare d’Onofrio, denn damals wurde das Werk von Bartolomeo Sacci, genannt Platina (gest. 1481) mit den Lebensbeschreibungen der Päpste fertig gestellt, das Papst Sixtus IV. (1471–1484), der große Förderer der Vatikanischen Bibliothek, in Auftrag gegeben hatte.27 Diesem Papst widmete er seinen Liber de vita Christi ac omnium pontificum (Buch vom Leben Christi und aller Päpste), der teilweise auf früheren Quellen wie dem Liber Pontificalis basierte, und daher schon so ein bestimmtes Bild des Papsttums entwarf, wobei das Buch vor allem durch aktuelle Akzente besonders an Kontur und Interesse gewann. Ziel war es, wie der Titel schon andeutet, auf die Zustände der Urkirche zu verweisen. Zum 9. Jahrhundert findet sich zwischen den Viten Leos IV. und Benedikts III. auch diejenige 

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36 Melozzo da Forli; Rom, Vatikanische Museen. Papst Sixtus IV. und Platina auf einem Fresko von 1476–1477 in einem der drei frühesten Räume der Vatikanischen Bibliothek. Der Papst als großer Förderer des neuen Wissenszentrums ist von einigen Nepoten umgeben, vor ihm kniet der Bibliothekar Bartolomeo Platina (gest. 1481), der in seiner Papstgeschichte die Notiz von der Päpstin – allerdings durchaus mit einem Fragezeichen – aufnahm.

einer Päpstin Johanna eingeschaltet, die, aus Mainz gebürtig und in Athen ausgebildet, Nachfolgerin des Papstes Leo IV. geworden sein soll.28 Insgesamt basiert der Eintrag vor allem auf Martin von Troppau (ut Martinus ait, wie Martin sagt), jedoch werden manche Einzelheiten wie der päpstliche Prozessionsweg oder die Virilitätskontrolle auf unsichere Autoren zurückgeführt. Wörtlich heißt es: »Ich habe dies kurz und nüchtern hierher zu setzen beschlossen, damit ich nicht den Anschein erwecke, das, was alle bestätigen, allzu hartnäckig und widerwillig ausgelassen zu haben.

37 Bartolomeo Sacchi, genannt Platina, der Bibliothekar der Vatikanischen Bibliothek. Ausschnitt aus dem in Abb. 36 beschriebenen Fresko. 

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Laßt uns auch in dieser Sache mit dem Volk irren, obwohl es offenkundig ist, dass das Erzählte zu dem gehört, was alle für möglich halten«.29 Obwohl Platina somit ein kleines Fragezeichen bezüglich der Historizität setzt, und hier ein Spiel zwischen Fakten und Fiktion erkennbar ist, so bleibt trotz aller Relativierung die Aufnahme der Päpstin in seine Papstgeschichte ein Signal, denn dieses Werk steht in Zusammenhang mit einem römischen Humanismus, der Gelehrsamkeit auch für Rom zu einem Markenzeichen machen sollte. Gleichzeitig war ein Grund gelegt für künftige kontroverse Debatten nach der Reformation. Deutlicher und kritischer als Platina hatte es einige Jahrzehnte zuvor Enea Silvio Piccolomini, der spätere Papst Pius II. (1458– 1464), formuliert, als er in einem Brief an den Kardinal Juan de Carvajal vom 20. August 1451 zur Päpstin Johanna bemerkte, dass hier weder ein Glaubens- noch Rechtsirrtum vorläge, sondern die Geschichte der Päpstin nicht gesichert und die Tatsache ihres Pontifikates unbekannt sei.30

38 Auszug aus dem Autograph der Papstgeschichte des Bartolomeo Platina (Vitae pontificum …) mit der Notiz zur Päpstin Johanna, die er aus Mainz stammen lässt. Eingefügt ist die Passage zwischen den Pontifikaten Leos IV. und Benedikts III. 

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Diese Form humanistischer Gelehrsamkeit und die prachtvolle Ausstattung der Ewigen Stadt in der Renaissance fanden bei Kritikern nördlich der Alpen im 16. Jahrhundert nur noch bedingt Zustimmung, was dazu führte, dass nach der Reformation die Historizität der Päpstin das vornehmliche Ziel der Diskussionen wurde. Wenn Johanna ungültigerweise den Papstthron innegehabt hatte, war dann nicht die apostolische Folge seit Petrus unterbrochen? Konnten protestantische Kirchengeschichtsschreiber, zum Beispiel Flacius Illyricus (1520–1575), mit solchen Argumenten nicht das katholische Verständnis des Petrusamtes grundlegend erschüttern? Musste daraus nicht als Gegeninitiative folgen, den Pontifikat einer Päpstin ins Reich der Legende zu verweisen? Waren hier Zwischentöne überhaupt möglich (vgl. Kapitel V)?

Vom Teufel verführt oder heilige Prophetin? – Erzählung und Literatur Ohne der notwendigen Darstellung dieser Wege in der Frühen Neuzeit vorzugreifen, muss noch wenigstens kurz darauf verwiesen werden, dass die Geschichte Johannas auch im späten Mittelalter nicht nur als geschichtliches oder juristisches Argument verwendet wurde. Die zahlreichen literarischen Bearbeitungen lassen weitere Facetten erkennen. Schon in dem Werk des bereits erwähnten italienischen Dichters Boccaccio De mulieribus claris (»Über berühmte Frauen«), das in viele europäische Sprachen übersetzt wurde, werden besonders das Studium der Johanna oder Gilberta sowie die Geburt ihres Kindes hervorgehoben. Weil Johanna dem Rat des Teufels gefolgt sei, flog die Geschichte bei einer römischen Prozession durch die überraschende Geburt auf. In der Übersetzung bei Heinrich Steinhöwel liest sich das so: »Von johanne anglica der bäbstin das xcvj. capt. Johannes wie wol der nam ains mannes ist, so ward doch ain wyb also genennet. Ain Juncfrölinze mencz (als etlich sagen): giliberta gehaissen /lernet in vätterli

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cher wonung von ainem jungen studenten /vil der anfeng latinischer künsten. […] Sie was so truczlichs gemuetes, daz si sich nit fürchtet, den stul desz fischers zebesiczen und daruff alle hailikait wandlen und usz tailen, das noch nie kainer frowen usz cristenlicher ordnung gegünnet ist zehandlen. Die selben baebstlichen wirdikait hielt sie etlich jar, als ain verweser Cristi sich erzaigend. So lang uncz das got der herr von oben herab erbermd hette mit synem volk, daz ain soliche hochwirdige stat also soelte gehalten werden, soellich volk als regieret werden, also in grossem irrsal von ainem wyb betrogen werden, und wolt soelchen gewalt lenger nit in ieren henden lassen. […] Darumb durch den rat desz tüfels, der ir och vormals soelche truczlikait yngegossen het, ward si ynbrünstiglich zue der unküschait geraiczet so vil, daz ir alle künst, die si gnugsamlich hette das babsttum zu erwerben, nit hilflich syn mochten, die raiczung desz füwres zeleschen, so lang bis daz ainer funden ward, der die ynbrünstikait temmet und den besiczer sant Peters stul helliget, uncz daz der babst geschwengert ward. O unwirdsche sünd. O grosse gedult gottes. Was beschach? Dise frow, die lange zyt der menschen oug vertünkeln kund, vermocht mit allen künsten ir geburd nit verbergen. Wann ains mals, do si mesc gehebt hett und ain gemainer kirchgang was zwischen dem Coloseo und desz babsts Clemens alten sal, gebar si ain kind vor allem volk on hilf der hebamen, darumb ward si von den gewaltigen in die ussern fynsternusz geworfen und vergieng sie mit dem kind in der insel.«31

Die verschiedenen Varianten literarischer Durchformung ließen sich weiter vorstellen – die bisherigen Johanna-Untersuchungen haben eine erstaunliche Vielfalt erkennen lassen –, aber es genügt hier, darauf zu verweisen, dass in fast allen Erzählungen Belehrung und Unterhaltung zwar im Vordergrund stehen, aber zweifellos zwischen den Zeilen Bilder und Vorstellungen über die Wertigkeit und die Aufgaben von Frauen, von Papst oder Kardinälen, von Kirche und Gesellschaft überhaupt vermittelt werden. Der häufig erwähnte Bund mit dem Teufel verdient ebenso Beachtung wie die ebenso mögliche Stilisierung der Päpstin als 

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Heilige. Beide Richtungen waren schon in den ersten Notizen angelegt (vgl. Kapitel III). Bei einem der frühesten Autoren mit einer Notiz zur Päpstin, dem schon genannten Étienne de Bourbon, wurde Johanna mit Hilfe des Teufels Kardinal und erlitt als Strafe für diesen Bund ein schmachvolles Ende. Hingegen fügte die Chronik eines Franziskaners aus Erfurt die Geschichte der namenlosen Päpstin zum Jahre 897 ein und nannte diese einen Pseudopapa. Hier war es der Teufel selbst, der im Konsistorium die leicht variierten Worte der »sechs P« (vgl. Kapitel I) verkündete. In einigen Handschriften der Chronik des Martin von Troppau findet sich wie erwähnt fast ein Gegenbild: Dort wird Johanna abgesetzt (deposita), sie ging ins Kloster, und ihr Sohn wurde später der Bischof von Ostia. Dieser ließ die Gebeine seiner Mutter nach deren Tod angeblich in Ostia beisetzen, und an ihrem Grab wurden später zahlreiche Wunder gewirkt. Johanna wird in dieser Fassung als ein deutliches Gegenbild, als Heilige, konstruiert. Diese schon früh auszumachenden Facetten, ja gleichsam Gegenbilder, konnten in der Literatur unterschiedlich aufgegriffen und weiter entfaltet werden, am wirkmächtigsten wurde die Verbindung Johannas mit dem Teufel, ohne den im Mittelalter buchstäblich »nichts lief«32. Bildung und Teufelsbund hatten schon die Nachwirkung des gelehrten Papstes Silvester II. (999–1003) bestimmt.33 Wenn schon für einen Mann Gelehrsamkeit verdächtig war, um wie viel mehr für eine Frau! Der Teufelsbund der Päpstin hat bis in die jüngste Zeit Interesse gefunden. Lassen sich die literarischen Bearbeitungen, die Johanna oft Jutta nennen, vielleicht sogar in die Nähe des Goetheschen »Faust« rücken? Ob jemand im Bund mit dem Teufel oder mit höheren Mächten stand, ist aber bis heute eine oft strittige Frage. Deshalb war der Schritt, in Johanna eine Prophetin – oder in der negativen Variante »Pseudoprophetin« oder gar Hexe – zu sehen, bei einer literarischen Bearbeitung nicht allzu weit; auch hierzu gab es Ansätze im späten Mittelalter, die in der Literatur der Neuzeit weiter entfaltet wurden.

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V. Moralisches oder historisches Monstrum? Von den konfessionellen Debatten der Reformationszeit bis in die neuzeitliche Literatur

Der »Einbruch der Reformation«1 hat das römische Papsttum und dessen Einschätzung durch die Protestanten dramatisch und grundlegend verändert. Das Papsttum galt als »eine evangelienferne Abirrung von der Heilsgeschichte«. Martin Luther (1483–1546) bestritt dem Papsttum dessen normative und heilsvermittelnde Rolle. Er sah den Papst als den Antichristen der Endzeit, in dem sich das Jüngste Gericht ankündigt und das ›Geheimnis der Bosheit‹ (mysterium iniquitatis, 2 Thess 2,7) offenbart. Für Luther drohte einzutreten, was der Thessalonicherbrief des Paulus ankündigt: Satan wirke mit allerlei lügenhaften Kräften und Zeichen und verführe zur Ungerechtigkeit. Paulus wörtlich: »Darum wird Gott ihnen kräftige Irrtümer senden, dass sie glauben der Lüge«. Der deutsche Reformator hat diese Sicht spätestens seit den Jahren 1520–1521, welche durch Bannandrohung und Exkommunikation geprägt waren, bis zu seinem Tod 1546 immer wieder betont. Noch 1545 hat er eine Schmähschrift verfasst: »Wider das Papsttum zu Rom, gestiftet vom Teufel«, eine Polemik, die mit groben Kampfbildern versehen war, die der Werkstatt von Lukas Cranach dem Älteren (gest. 1553) entstammten. Als ein solches »graphisches Kampfinstrument« (H. Fuhrmann) ist die Figur des Papstesels (vgl. Abb. 39) anzusehen, die weit verbreitet war und den Antichristen darstellte, eine Papstfigur, die nach Luther von Gott selbst dieses »scheußliche, hässliche und greuliche« Aussehen erhalten habe, damit »die ganze Welt sich dafür entsetze und erzittern muss«. Für die protestantische Historiographie war deswegen – wie Horst Fuhrmann es beschrieb – die Papstgeschichte ein geeignetes Mittel, 

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39 »Papstesel« als weit verbreitete weibliche Darstellung des Antichristen. Holzschnitt Lukas Cranachs des Älteren für Luthers Schrift »Wider das Papsttum zu Rom« (1545). 

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»den niederträchtigen Weg des Bischofs von Rom zu seiner Jurisdiktionsfülle und zu seinem verwerflichen irdischen Reichtum darzustellen«. Das Papsttum sollte als »Schöpfung irdischer Lüge« und als »Gefahr für das Seelenheil« erwiesen werden. Die »Geschichte des Papsttums war die Geschichte seiner Enthüllung«. Dieses Ziel suchten insbesondere die Magdeburger Zenturiatoren mit Flacius Illyricus (1520–1575) an der Spitze durch intensive historische Quellenarbeit um die Mitte des 16. Jahrhunderts zu erreichen – in einem Geschichtswerk, das sie nach Jahrhunderten (Zenturien) aufteilten und in dem sie 1565 den für unseren Zweck wichtigen neunten Band zum 9. Jahrhundert herausbrachten.

40 Magdeburger Zenturien. Von den geplanten 16 Bänden sind 13 im Druck erschienen. Hier das Titelblatt des 9. Jahrhunderts, gedruckt in Basel bei Johannes Oporinus 1565.

Die Päpstin in der protestantischen Geschichtsschreibung In dieser Historiographie taucht dann auch die Päpstin Johanna auf. Sie erschien als die Erfüllung der apokalyptischen Prophetie des Neuen Testamentes von der babylonischen Hure und der Mutter der Unzucht, die nach der Geheimen Offenbarung des Johannes (Apk 17) die Übel der Welt verkörpert, den Antichristen – den Gegenspieler Christi – darstellt und die Herrscher auf Erden zur Gotteslästerung verführt. Erst

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mals findet sich dieser Gedanke der Päpstin als Verkörperung einer biblischen Untergangsfigur in der Mitte des 16. Jahrhunderts im »Katalog berühmter Schriftsteller Britanniens« (Illustrium Britanniae Scriptorum Catalogus), den 1548 der frühere Cambridger Karmeliter und spätere Anhänger der Reformation in Deutschland und in der Schweiz, John Bale (1495–1563), erstellte. In diesem britischen Geschichtswerk heißt es: »Johannes Anglicus […] war eine Frau, und sie machte offenkundig, daß jene Kirche der Sitz der großen Hure und die Mutter aller Unzucht ist«.2 Fast gleichzeitig kann man diese Vorstellung um 1540–1550 in einer Illustration des lutherischen Werkes von Martin Schrott über »die schreckliche Zerstörung des ganzen Papsttums« sehen, welche die Bildtradition der reformatorischen Flugschriften und Bibelillustrationen, wie wir sie bei Albrecht Dürer und Lukas Cranach d. Ä. finden, aufnimmt und die apokalyptische Frau auf die Päpstin überträgt (Abb. 41). Dargestellt ist die babylonische Hure, die angetan mit einer dreifachen Papstkrone (der Tiara) und sitzend auf einem siebenköpfigen Ungeheuer, den Königen der Erde aus einem Kelch der Greuel zu trinken gibt, so wie die Bibel sie beschrieb. Die beigefügte Inschrift lautet: »Agnes, ein Weib aus England, Johannes VII. genannt, im Jahre 851«. Für die Theologin Elisabeth Gössmann schaffen Inschrift und Bild die gebotene Klarheit: »Die Päpstin ist das apokalyptische Weib, und dieses ist das ›verhurte‹ Papsttum«.3 Wenig später spricht dann der protestantische Geschichtsschreiber Flacius Illyricus in seiner reformatorischen Kirchengeschichte, den Magdeburger Zenturien, von der Päpstin als einer meretrix Babylonica bzw. als einem vicarius Antichristi – von Begriffen, die an verschiedenen Stellen seiner Darstellung erscheinen und die Wirren der Endzeit ankündigen. »Gott hat in diesem [9.] Jahrhundert durch ein denkwürdiges, besonderes Ereignis die Schande des Papststuhls offenbart und jene babylonische Hure dem Blick aller unterworfen, damit die Frommen erkennen sollten, daß die von 

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41 Päpstin Johanna als Illustration apokalyptischer Verheißung, Martin Schrott, 1540/50.

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der ganzen Welt verehrte, heilige päpstliche Würde die Mutter aller geistlichen und leiblichen Unzucht sei, damit sie lernen sollten, sie zu verabscheuen. Denn Johannes Anglus […] war eine Frau und gebrandmarkte Hure«.4

Unter Hinweis auf zahlreiche Quellen wird von ihm die Biographie eines weiblichen Papstes aus der Mitte des 9. Jahrhunderts nachgezeichnet, die hier wegen ihrer starken Wirkungsgeschichte etwas ausführlicher präsentiert werden soll.5 Die Päpstin, die bei den Historikern einmal als Johannes VII., ein anderes Mal als Johannes VIII. bezeichnet werde, sei die Tochter eines englischen Priesters gewesen, der mit seiner schwangeren Frau und Hure (uxor seu scortum gravidum) nach Mainz gekommen sei und dort ein Mädchen namens Gilberta zur Welt gebracht habe. Diese Gilberta sei begabter gewesen, als es die weibliche Natur hätte erwarten lassen (ingenium amplius quam pro muliebri natura). Ihr weibliches Geschlecht verheimlichend, sei sie von einem Mönch ins Kloster Fulda gebracht worden, mit dem sie dann nach Athen zum Studium der griechischen und lateinischen Sprache und zum Erlernen der Disputierkunst gegangen sei. Nach dem Tod ihres Liebhabers oder Gatten (amator seu maritus) habe sie als Engländer/in in Rom so großen Lehrerfolg gehabt, dass sie durch Klerus und Volk sowie mit herrscherlicher Zustimmung Papst geworden sei. Martin von Troppau gebe dafür das Jahr 853, Sigebert von Gembloux jenes von 854 an. Unter Bezug auf John Bale bemerkt Flacius Illyricus, dass die Päpstin auch ein Buch 42 Flacius Illyricus (1520–1575), über die schwarze Kunst verprotestantischer Kirchenhistoriker und fasst habe. Nach Art der anderen Quellenforscher. 

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43 und 44 Flacius Illyricus, Nona Centuria ecclesiasticae historiae Kap. 10 (Basel 1565).

Päpste habe sie schließlich in ihrem Amt Weihehandlungen ausgeführt, Priester und Diakone ordiniert, Bischöfe und Äbte eingesetzt, Messen gelesen und andere geistliche Aufgaben wahrgenommen. Nach Eintritt Kaiser Lothars ins Kloster Prüm habe sie Zepter und Krone feierlich an dessen Sohn Ludwig verliehen. Dadurch erfülle sich, was die Apokalypse von den Königen der Erde schreibt, dass nämlich diese der Hure von Babylon huldigen und von ihr die Macht erhalten würden (impletum est, quod Apocalypsis 17 scribitur de regibus meretricem Babyloniam adoraturis et potestatem ab ea accepturis). Dies sei nach der sächsischen Chronik im Jahre 856 geschehen. 

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45 und 46 Flacius Illyricus, Nona Centuria ecclesiasticae historiae Kap. 10 (Basel 1565).

Am Ende habe sie ihre abscheulichen Begierden unter dem Schleier von Heiligkeit und Keuschheit (sub sanctitatis et castitatis velamento) befriedigt, sei 857 von einem Kardinal, wohl nicht ihrem einzigen Liebhaber, geschwängert worden und bei einer Prozession zwischen dem Kolosseum und San Clemente niedergekommen, dann auf der Stelle gestorben und begraben worden, nachdem sie fast zweieinhalb Jahre auf dem Stuhle Petri als Stellvertreter des Antichristen (in sede Petri vicarius Antichristi) gesessen habe. Im Papstkatalog werde sie nicht aufgeführt und die 

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üblich gewordene Geschlechtsprüfung werde heute (zur Zeit des Flacius Illyricus) nicht mehr ausgeübt, weil die Konkubinen und Bastarde des jeweils neuen Papstes allgemein bekannt seien und sicherste Zeugnisse dazu vorlägen (ea de re certissimum testimonium; vgl. Abb. 45). Auffallend an dieser von Flacius Illyricus verfassten Biographie der Päpstin ist nicht nur der häufige Quellenbezug und die Liste seiner Geschichtszeugen, die von Martin von Troppau bis zu dem Augustinereremiten Jakob von Bergamo reichen, der in seinem Buch über die berühmten Frauen 1497 in Anlehnung an Boccaccio und in schlüpfriger Sprache die Geschichte der Päpstin festgehalten hatte.6 Auch eine Quellendebatte findet sich hier, die gegen die Notiz des katholischen Apologeten Onofrio Panvinio – Martinus Polonus hätte als erster von einem weiblichen Papst gesprochen – gerichtet ist. Flacius Illyricus betont, dass dies schon vorher und früher Marianus Scotus und Sigebert von Gembloux getan hätten. Zudem gebe es ja auch noch die Marmorstatue der Päpstin an dem Ort ihrer Niederkunft, von der auch Antoninus von Florenz in seiner Chronik aus der Mitte des 15. Jahrhunderts gesprochen habe (vgl. Abb. 46). Neben dieser quellengebundenen Ausgestaltung fällt bei Flacius Illyricus dessen protestantische Ausrichtung auf: Die Päpstin ist die Stellvertreterin des Antichristen, die apokalyptische Endzeitfigur und damit ein deutlicher Beleg für die lutherische Auffassung vom Papsttum als einer teuflischen Einrichtung. Flacius Illyricus geht es deshalb bei seiner Darstellung der Päpstin Johanna nicht allein darum, deren sittliche Vergehen zu verurteilen, sondern mit ihrer Hilfe dem Papsttum insgesamt wegen der durch sie unterbrochenen, unmittelbaren apostolischen Nachfolge die Anerkennung einer von Gott begründeten heilsmäßigen Einrichtung zu verweigern. Das Papsttum und nicht zuletzt auch die Päpstin Johanna sind für den protestantischen Geschichtsschreiber der deutliche Beleg für das Anwachsen des Bösen in der Welt. In diesem Nachweis liegt für Flacius Illyricus der Hauptzweck seiner Historiographie, die bis in die jüngste Papstgeschichtsschreibung nachwirkte.7 

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Alles nur Legende? Die Antwort der katholischen Apologetik Auf eine solche, nachgerade heilsgeschichtliche und eschatologische Herausforderung hatte die katholische Apologetik des 16. Jahrhunderts eine Antwort zu finden und gegen eine protestantische Kirchengeschichtsschreibung anzutreten, die mit ihren Angriffen auf den verderbten Frauenprimat einer Päpstin Johanna das römische Papsttum angreifen und vernichten wollte. In Anlehnung an den erwähnten päpstlichen Bibliothekar Bartolomeo Platina, der bereits in den 70er Jahren des 15. Jahrhunderts erste Zweifel an der Papstfabel wegen ihres unsicheren und obskuren Ursprungs geäußert hatte (vgl. Kapitel IV), hat etwa 80 Jahre später der Augustinereremit Onofrio Panvinio (1530–1568) die Johanna-Geschichte zu widerlegen versucht.8 Er tat dies in seiner Papstgeschichte von 1557 genauso wie in seinem Kommentar zu den Papstviten Platinas 1562. Die Gründe Panvinios, der Papstfabel zu misstrauen, sind dreifacher Art: Zunächst verweist er bei der Übernahme der Legende einer Päpstin Johanna in seine Papstgeschichte darauf, dass zwischen den Pontifikaten Leos IV. (847–855) und Benedikts III. (855–858) keine Lücke für einen gut zweijährigen Pontifikat eines weiblichen Papstes vorhanden und dass vor Martin von Troppau dazu kein schriftliches Quellenzeugnis festzumachen sei. Martin von Troppau wird deswegen bei ihm zu einem geschwätzigen Lügner (mendaciorum loquacissimus) herabgesetzt. Damit brachte es bereits Panvinio im 16. Jahrhundert auf den Punkt: Es gibt keine historischen Belege für einen weiblichen Papst im 9. Jahrhundert. Zum anderen führt Panvinio einen Brief Papst Leos IX. (1049–1054) an den Patriarchen Michael Kerullarios von Konstantinopel aus dem Jahre 1053 an, der wahrscheinlich von Kardinal Humbert von Silva Candida verfasst wurde und der eine Auseinandersetzung mit dem byzantinischen Patriarchen um den Primat der römischen Kirche und ihres Bischofs sowie allerlei byzanzfeindliche Argumente (so auch eine 

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besondere Fassung des Constitutum Constantini, der so genannten Konstantinischen Schenkung) enthielt. In diesem Brief spricht der Papst von einem fast nicht zu glaubenden Gerücht, dass es einst in Konstantinopel auch eine Frau als Patriarchin gegeben habe: feminam in sede pontificum suorum sublimasset aliquando.9 Ein solches abscheuliches Verbrechen und eine solche verwünschenswerte Tat hätte nach Auffassung Panvinios Papst Leo IX. niemals behaupten können, wenn es in Rom einen Pontifikat der Päpstin Johanna gegeben hätte, der dann leicht von dem byzantinischen Patriarchen Michael Kerullarios gegen Rom hätte verwandt werden können. Schließlich macht Panvinio das »Hurenregiment« des 10. Jahrhunderts für die Entstehung der Papstfabel verantwortlich. Dort habe Papst Johannes XII. (955–964) – der nicht allein in der heutigen Forschung als eine unerfreuliche Gestalt und ein sittenloser Machtpolitiker, sondern auch schon in seiner Zeit als »ein Ungeheuer ohne jede Tugend«10 galt – sich mit fragwürdigen Damen umgeben, die ihn und das Papsttum beherrscht hätten. Unter diesen »Huren« habe sich auch eine Johanna befunden, die schließlich zur Legende der namensgleichen Päpstin geführt habe. Elisabeth Gössmann kommentiert dies so: »Eine ›schlimme Frau‹ (die Päpstin) wird durch eine andere (die ›Papsthure‹) beiseite geräumt.«11 Die beiden bedeutendsten Vertreter der katholischen Apologetik, deren Argumente in die Handbücher und Lexika von Theologie und Kirche eingegangen sind, waren um 1600 der Oratorianer Caesar Baronius sowie der bekannte Jesuit Robert Bellarmin (vgl. Abb. 47 und 48). Baronius war Kardinal und Leiter der Vatikanischen Bibliothek sowie Verfasser einer umfangreichen Kirchengeschichte (Annales Ecclesiastici), die gegen die protestantische These vom Verfall des Papsttums gerichtet war und zum Modell der konfessionellen Kirchenhistorie geworden ist; Bellarmin war ebenfalls Kardinal und römischer Kontroverstheologe; er war an der Verurteilung Giordano Brunos (gest. 1600) zum Feuertod und an der Zurückweisung der kopernikanischen Lehre Galileo Galileis (gest. 1642) beteiligt. 

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47

48

Caesar Baronius, 1538–1607.

Robert Bellarmin, 1542–1621.

Caesar Baronius versuchte das bisherige Überlieferungsmaterial quellenkritisch zu überprüfen, aber auch apologetisch umzusetzen. Für Horst Fuhrmann stellen dessen kirchliche Jahrbücher eine historische Richtschnur dar, die im 17. und 18. Jahrhundert immer wieder bearbeitet, ergänzt und fortgeführt wurden.12 Dies gilt auch für die Fabel von der Päpstin Johanna, mit der Baronius sich im Zusammenhang mit dem 9. Jahrhundert befasste. Ausgehend von einer kurzen Notiz in der Universalchronik des Marianus Scotus (gest. 1082) zum Jahre 854 (vgl. Kapitel III) – dass nach dem Tod Papst Leos IV. diesem für gut zwei Jahre eine Frau mit dem Namen Johanna gefolgt sei (Huic successit Joanna mulier, annis 2, mensibus 5, diebus 4) – bemerkte er, dass keine frühere Quelle als dieser Marianus Scotus gefunden werden könne, die sich eines solchen »Ungeheuers« erinnert habe (qui de ejusmodi portento meminerit) und dass ein solches »Monster« (tale monstrum) wohl kaum 230 Jahre lang zwischen der Mitte des 9. und dem endenden 11. Jahrhundert, also zwischen der vermeintlichen Zeit ihres Pontifikates und 

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der Lebenszeit des Marianus Scotus, hätte verborgen gehalten werden können. Dies umso mehr, weil sich hinter dieser Notiz die Geschichte der sagenhaften Patriarchin von Konstantinopel verstecke, die Marianus Scotus von Byzanz nach Rom übertragen habe. Eine solche byzantinische Patriarchin sei zudem nicht sehr wahrscheinlich, weil sie dort in Konstantinopel als Komödienfigur in entsprechenden Narrenspielen aufgetreten sei. Elisabeth Gössmann bewertete den Eintrag des Baronius wie folgt: »Geben darf es also auch die Patriarchin nicht, aber als Erklärung für die Päpstin-Erwähnung bei Marianus Scotus ist die Erzählung von ihr sehr brauchbar.«13 Entscheidend für die Entstehung der Papstfabel ist für Baronius aber weniger der hier angedeutete Zusammenhang mit dem Jahre 854 als vielmehr das Jahr 879. In diesem Jahr sei der Patriarch Photius von Konstantinopel (858–867 und 877–886) nach langen und harten Auseinandersetzungen mit dem römischen Bischof in dem so genannten Photianischen Schisma – dem schärfsten Zusammenstoß zwischen Rom und Byzanz vor 1054 – durch Papst Johannes VIII. (872–882) wieder anerkannt worden (vgl. Kapitel II). Baronius hielt den letzteren deswegen für einen »weibischen Schwächling« (J. Hergenröther).14 Hier läge der Ursprung der Fabel von einer Päpstin Johanna: ut a compluribus decantatum Joannem octavum papam fuisse foeminam; sicque jactata vulgo invenerit eo modo locum fabula (von mehreren sei verkündet worden, dass Papst Johannes VIII. eine Frau gewesen sei und dass auf diese Weise die aufgeblähte Fabel ihren Platz beim Volk gefunden habe).15 Für Josef Hergenröther war dies in seiner Photiusmonographie (1868) »eine nicht ganz unwahrscheinliche Vermutung für das Märchen von der Päpstin Johanna«16, für den Kirchenhistoriker Félix Vernet im »Dictionnaire apologétique de la Foi chrétienne« (1911) eine falsche Erklärung17, was dann auch die heutige Forschungsmeinung über die Entstehung der Papstfabel bestätigt hat. Abschließend zu nennen ist Robert Bellarmin, der »zu den bekanntesten und später meist zitierten Apologeten auf katholischer Seite 

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gehört« – so Elisabeth Gössmann.18 Dieser bekannte Jesuit hat ebenfalls die Historizität der Päpstin in Frage gestellt, indem er einerseits die verschiedenen mittelalterlichen Autoren zu widerlegen suchte bzw. andererseits auf die erwähnte byzantinische Wanderlegende von einer Frau als Patriarchin von Konstantinopel hinwies, deren Übertragung von Byzanz nach Rom er aber anders als Baronius in die Zeit Martins von Troppau, d. h. in das endende 13. Jahrhundert verlegte; diese Einschätzung bestätigte auch noch die ältere Johanna-Forschung.19

Konfessionelle Interessen – ein Zwischenfazit Will man die bisherige konfessionelle Debatte zusammenfassen, dann sieht man, dass die einen (die Protestanten) mit der Historizität der Päpstin die Verderbtheit der Papstkirche und deren eingeschränkte apostolische Sukzession bezeugen, die anderen (die Katholiken) mit dem historischen Gegenbeweis, also der geschichtlichen Nicht-Existenz dieser Johanna, das Papsttum als kontinuierliche und von Gott gewollte Wahrheitsinstitution aufweisen wollten – wobei die Päpstin Johanna in dem einen wie anderen Fall zu einem moralischen bzw. historischen Monstrum wurde.

Streitgespräche zwischen Protestanten und Katholiken Damit aber war die Kontroversdebatte zwischen den Konfessionen noch nicht beendet. Sie wurde weitergeführt in neuen Formen und mit anderen Akzenten, so etwa im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts in einer neuen literarischen Gattung, dem Streitgespräch zwischen Protestanten und Katholiken über einen weiblichen Papst im Mittelalter. Als gutes Beispiel kann hier die Schrift des Alexander Cooke genannt werden, der dem Erzbischof von York einen entsprechenden Text widmete: »Pope Joane. A dialogue between a Protestant and a Papalist« (London 1610), der nachgeahmt wurde in einer anonymen Streitschrift, die die 

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Päpstin dem ganzen Erdkreis präsentierte: Johanna papissa toti orbi manifestata (Oppenheim 1616, vgl. Abb. 49).20 Neben solchen Streitdialogen gibt es in der zweiten Hälfte und am Ende des 17. Jahrhunderts frühneuzeitliche Listen gelehrter Frauen, in denen die Päpstin Johanna meist aus protestantischer Sicht unter den philosophierenden Frauen, den mulieres philosophantes auftritt, ihre Bibelgelehrsamkeit betont wird, diese aber manchmal von ihrer Geschichte als Päpstin getrennt oder auch als 49 Deckblatt einer Sammlung von Gefahr einer möglichen Häresie Texten, die gegen die katholischen beschworen wird.21 Autoren und Papstverehrer gerichtet ist Schließlich übernahm sogar die (1616), von denen namentlich Robert protestantische Seite vereinzelt die Bellarmin, Caesar Baronius und Florimundus Raemundus genannt werden. katholische Position, wenn etwa Florimond de Raemond ist der Verfasder niederländische Calvinist und ser des »Erreur populaire de la papesse Theologe David Blondel (gest. Jane«, der 1587 zunächst anonym ver1655) die Geschichtlichkeit einer öffentlicht und zwölf Mal bis 1614 aufPäpstin Johanna bezweifelte – so gelegt (auch in Latein) wurde. E. Gössmann: »die erste größere Monographie in einer Studie über die Frage, ob über die Päpstin«.22 zwischen Papst Leo IV. und Benedikt III. eine Frau den römischen Pontifikat geführt habe. Diese Überlegungen wurden 1647 in einer französischen, 1658 auch in einer lateinischen Fassung veröffentlicht.23 Aber auch Blondels gelehrter Traktat war noch nicht das letzte Wort in dieser konfessionellen Streitdebatte. Bereits 1658 erschien in Groningen eine entsprechende Erwiderung des 

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dortigen Professors und ehemaligen Predigers Samuel Maresius: Joanna papissa restituta (»Päpstin Johanna wiederhergestellt«); in dieser wird die Blondelsche Chronologie angezweifelt24, was wiederum zwei Jahre später, 1660, den Jesuiten Philippe Labbe (gest. 1667) dazu brachte, in seinem Cenotaphium Johannae papissae (»Das leere Grab der Päpstin Johanna«) die vulgäre Fabel einer Päpstin zunächst mit den katholischen Autoren, dann aber auch mit Blondel und den »gebildeten Häretikern unserer Zeit, [den] Calvinisten und Lutheranern« zu bestreiten, die sich schämten, eine so »unkeusche Lüge« zu unterstützen.25

Die Päpstin in der jüngeren Literatur Erst im 18. Jahrhundert änderte sich dieser konfessionelle Blickwinkel. Die Päpstin Johanna wurde zum Thema der »Querelles de Femmes«, des Naturrechts oder schließlich auch der Aufklärung. In diesen zeitlichen Kontext gehört auch der Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716), der in den frühen Jahren des 18. Jahrhunderts zwischen 1705 und 1709 als Bibliothekar von Wolfenbüttel all die uns bereits bekannten Autoren und Argumente kritisch in seinen »Streublumen auf das Grab der Päpstin« (Flores sparsi in tumulum papissae) sichtete, um am Ende – wie Elisabeth Gössmann meinte26 – die Päpstin »aus dem Bereich der Kirchengeschichte [herauszunehmen] und dem der literarischen Gestaltung romantischer Liebe [zuzuweisen]«. Von der Kontroverstheologie über die Kirchengeschichte wurde das JohannaThema zu einem solchen der Literatur. Im Felde der Geschichte, so Leibniz, habe die Päpstin nichts (mehr) zu suchen. Im Sinne eines solchen Vorschlags sollen im Folgenden unsere Überlegungen über die Päpstin mit einigen Bemerkungen über deren Rolle in Dichtung und Literatur abgeschlossen werden. Die literarischen Bearbeitungen der Fabel von der Päpstin Johanna27 beginnen aber nicht erst mit dem 18. Jahrhundert, sondern reichen wie angedeutet bis ins Spätmittelalter zurück: Boccaccio steht hier um 

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1370 am Anfang (vgl. Kapitel III), indem er wie auch später (1558) Hans Sachs die chronikalische Erzählung des Martin von Troppau weiter ausgestaltete. An der Wende zur Neuzeit kommt als ein wichtiges weiteres Motiv der Teufelspakt hinzu (vgl. Kapitel IV), mit dessen Hilfe ein gebildetes, aber lästerliches Weib namens Jutta es bis zum Papst bringt, um am Ende bei der öffentlichen Geburt ihres Kindes schändlich zu sterben und durch diese Form ihres Todes ihre Seele zu retten. Der Mühlhausener Notar Dietrich Schernberg hat 1480 ein solches geistliches Versdrama verfasst: Ein schön spiel von fraw Jutten welche Babst zu Rom gewesen28, das gut 80 Jahre später von den beiden Reformatoren Hieronymus Tilesius (gest. 1566), ebenfalls aus dem thüringischen Mühlhausen, und Christoph Irenäus (gest. um 1595) aus Eisleben durch eine entsprechende Vor- und Nachrede protestantisch umgedeutet wurde: Aus der unkeuschen Sünderin des Juttenspiels wird der verkörperte Antichrist.29 Die neuzeitlichen Jahrhunderte haben dann den Johannastoff in den unterschiedlichsten Formen – als Drama oder Epos, als Roman oder Novelle oder sogar als Titelheldin einer Oper – vielfach entfaltet: erotisch, historisch, feministisch. Für Elisabeth Gössmann war dies »ein Tummelplatz von Interessen, die mehr oder weniger oder auch ohne Berechtigung an der Päpstin festgemacht wurden.«30 Über die dargestellte Gestalt hinaus gebe es nicht viel, was diesen Texten gemeinsam sei. Zudem habe es nur wenige weibliche Stimmen zu dieser Gestalt gegeben. Solche Einschränkungen und berechtigten Vorbehalte haben den Erfolg des Mythos von der Päpstin Johanna nicht oder nur kaum behindern können. Selbst der französische Romanautor Stendhal (gest. 1842) hat sich in seinen Voyages en Italie (1829: Promenades dans Rome) mit ihrer Geschichte befasst. Und in England waren es dann einige Jahrzehnte später die »illustrierten Groschenhefte« des Georges Reynolds (gest. 1879), die Pope Joan, the Female Pontiff (1851) unter die Leute brachten.31 

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Ausgewählt aus diesem breiten Spektrum der Erzählkunst, zu der nicht zuletzt auch die Geschichtsromane einer Donna W. Cross (1996) oder vorher einer Emily Hope (1983)32 gehören, sei hier lediglich ein einziges Beispiel, das etwas näher gekennzeichnet werden soll: die Spottsatire von Emmanuil Roidis, des bedeutenden griechischen Kulturkritikers in der Mitte des 19. Jahrhunderts.33 Dieser antiklerikale Roman ist vielfach aufgelegt und übersetzt sowie auch verfilmt worden – vor knapp 40 Jahren (1972) von dem britischen Filmregisseur Michael Anderson mit Liv Ulmann und Maximilian Schell in den Hauptrollen, nach einem Drehbuch von John Briley, dem wiederum der Roman von Roidis als Vorlage diente.34 Der Text von Roidis wird eingerahmt durch eine längere Einleitung zur Frage von Johannas Geschichtlichkeit sowie durch ausführliche Hinweise und Anmerkungen der benutzten mittelalterlichen Quellen, so dass »jeder Satz in der ›Päpstin Johanna‹, ja fast jedes Wort sich auf das Zeugnis eines gleichzeitigen [mittelalterlichen] Schriftstellers stützt«35. Manfred Fischer, der Herausgeber des Roidistextes, konnte deshalb sagen, dass das Werk »nicht von ungefähr, wie schon sein Untertitel verrate, alle Kennzeichen einer ›Studie aus dem Mittelalter‹ trägt«36. Roidis erzählt die Geschichte der Päpstin in vier Abschnitten: von ihrer Kindheit und Jugend, von ihrer Wanderschaft durch Europa, von ihrem Aufenthalt in Griechenland bis hin zu ihrer Papstherrschaft in Rom. Der griechische Autor will mit dieser Wegbeschreibung keinesfalls die Religion verspotten, wohl aber die Wunderlichkeiten, Verschrobenheiten und Torheiten ihrer Vertreter. In seinem Vorwort bemerkt er dazu: »Wo immer sich ein Anlass zum Spott anbot, habe ich zugegriffen, unbekümmert, ob sich die Lächerlichkeit in einem Kloster oder einer Akademie, unter der Kutte eines Mönchs oder dem Mantel eines Philosophen verbarg«37. Roidis karikiert deshalb ohne jeden Respekt die griechische Reliquien- und römische Marienverehrung. Verhöhnt werden der angebliche Stab des Mose oder der noch erhaltene Erdklumpen, aus dem Adam geschaffen wurde. Belächelt wird auch 

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das legendäre Magdalenengrab in Südfrankreich, »jener heiliggesprochenen Hetäre, deren Sünden mehr Weiber zu Sünderinnen gemacht haben als die Reue dieser Heiligen zu Bußfertigen.«38 Zu den gezielten Bosheiten von Roidis gehört ein Traumgesicht der kleinen Johanna, der am Grab ihres Vaters zwei heilige Frauen erscheinen: zunächst die heilige Ida, die ein Loblied auf das Eheleben singt, und danach die heilige Lioba, die die klösterliche Lebensform anpreist:39 »Ich bin, Johanna, die heilige Lioba, wie auch du ein Kind Britanniens, die Base des Schutzherrn dieses Landes, des heiligen Bonifatius, Freundin deines unter diesem Grabhügel ruhenden Vaters. Welches die Güter dieser Welt sind, hast du von dieser da [der heiligen Ida] gehört. In bunter Reihe Heiraten, Mutterschaften, Liebesabenteuer und Ritte aufzählend hat sie dir ein verlockendes Bild entworfen […]. Aber die kluge Vermittlerin hat dir weder den Preis noch den Fehler der Ware gesagt. Frage sie, wie viel Tränen sie über die Beleidigung ihres Mannes vergossen hat, wie viel über die Treulosigkeit eines Liebhabers, wie viel an der Wiege eines kranken Kindes, wie viel vor dem Spiegel, wenn er ihr statt Lilien und Rosen bleiche Farben und Runzeln zeigte.«

Die heilige Lioba preist demgegenüber die Freuden und die Liebesabenteuer eines Klosters. Sie erzählt, dass sie einmal an den Hof Kaiser Karls gekommen sei, wo gerade seine Vermählung mit Hildegard gefeiert wurde. Grafen, Edelfrauen, Ritter und Kirchenfürsten hätten sich in den Saal der Aachener Pfalz gedrängt. Die Sänger hätten die Kämpfe des siegreichen Bräutigams gefeiert und die Tänzerinnen durch ihre wunderliche Mimik das Lachen erregt. Wörtlich heißt es dann: »Aber sobald meine schwarze Kutte in der Türöffnung erschien, sobald mein Name, Lioba die Heilige, in der Halle erschallte, ließen alle die Würfel, Becher und Frauen im Stich und schauten unverwandt nach mir. Die einen küssten die Enden meines Gürtels, die anderen die Spuren meiner Füße, der Kaiser allein meine Hände«. Zwei Monate sei sie am Hofe Karls geblieben und habe

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dort die Verehrung und Liebe eines jungen, achtzehnjährigen Robert erfahren. »Ein solches Leben verspreche ich auch dir, Johanna; Freuden unvermischt mit Schmerzen anstatt der zweifelhaften Genüsse der Welt, Unabhängigkeit anstatt Sklaverei, einen Äbtissinnenstab statt der Spindel und Jesus statt eines sterblichen Gemahls. Du hast Ida als Anwältin der Ehe gehört und mich als Sachwalterin des Klosters. Wähle nun zwischen ihr und mir, Johanna.«

50 Päpstin Johanna nach der Darstellung in Schedels Weltchronik (1493).

51 Päpstin Johanna – geistliche Tochter der Lioba? Bild der heiligen Lioba (um 710– 782): Verwandte des heiligen Bonifatius, der sie zur Äbtissin von Tauberbischofsheim machte. Hochgeachtet von Karl dem Großen und seiner Frau Hildegard, begraben im Kloster Fulda.

Welche Wahl Johanna getroffen hat, wissen wir: sie ist der heiligen Lioba gefolgt, allerdings nicht der großen Äbtissin und Leiterin der von Bonifatius begründeten Reformklöster, wie wir sie aus der Geschichte 

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kennen, sondern der klösterlichen Kurtisane, wie sie Emmanuil Roidis der zukünftigen Päpstin als frivoles Vorbild vorstellte. Mit dieser Liobageschichte (Johanna als geistliche Tochter der heiligen Lioba) soll der bunte Reigen der Johannarollen geschlossen werden. Was ist die Päpstin in Vergangenheit und Gegenwart nicht alles gewesen: eine gelehrte Frau, eine große Sünderin und eine Gestalt der Hybris im Spätmittelalter, eine Teufelsbuhlin und endzeitliche Untergangsfigur in der Zeit der Reformation, ein Lügengebilde und historisches Argument in den konfessionellen Streitdebatten, ein weiblicher Doktor Faustus in der Literatur, eine feministische Sehnsuchtsgestalt in der Gegenwart. Ihre Geschichtlichkeit hat das Mittelalter kaum hinterfragt, die Frühe Neuzeit dagegen entweder dezidiert betont oder mit Entschiedenheit bestritten. Bis heute hat sich an dieser Frontlinie wenig geändert. Die historische Forschung sieht die Päpstin als eine legendäre Figur, die Frauenbewegung als einen geschichtlich nachweisbaren weiblichen Papst. Ob nun die Päpstin existiert hat oder nicht – ihre Geschichte lebt und hat eine eigene Biographie hervorgebracht, eine vielgestaltige und farbenreiche Lebensgeschichte, die danach fragen lässt, ob und wenn ja, warum wir die Päpstin brauchen.

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VI. Statt eines Nachworts: Brauchen wir die Päpstin ? Brauchen wir die oder eine Päpstin? Wird man diese Frage an die begeisterten Kinobesucher des jüngsten Filmes, an die Leser der zahlreichen Romane oder an die feministische Forschung richten, so wird dem Fragenden sicher schnell ein »Ja« entgegenkommen, obwohl vielleicht auch hier der ein oder andere »Nein« oder »Weiß nicht« sagen würde. Eine persönliche Umfrage im kleinen Kreis »Brauchen wir die Päpstin?« ergab mehrheitlich »Unbedingt«, einmal »Egal« und einmal »Nein« als Antwort. In den vorausgehenden Kapiteln dieses Buches zu den Stationen und Facetten der Geschichte von der Päpstin ergab sich eine große Vielfalt der Verwendungsformen und Indienstnahmen, so dass vielleicht eher zu fragen ist: Wer brauchte die Päpstin in welchem Zusammenhang? Diese Differenzierung liegt nahe, wenn sich Historikerinnen und Historiker mit den unterschiedlichen Gesichtern der Päpstin im Laufe der Jahrhunderte beschäftigen. Für Theologen ist vielleicht die Frage interessanter, ob die Kirche einen Papst braucht, wie dies vor einigen Jahrzehnten zum Beispiel Karl-Heinz Ohlig formulierte.1 Da der Erfolg der Geschichte einer Päpstin ungebrochen ist – die Wirkungsweisen reichen vom 13. bis ins 21. Jahrhundert –, ist also eher anders zu fragen: Wozu brauchten die verschiedensten Personen und Gruppen die Gestalt eines weiblichen Papstes? Schon die ersten Anfänge der Geschichte liegen in einer Zeit, als dominikanische und franziskanische Erzählfreude konkurrierten und dabei offensichtlich auch stadtrömische Traditionen aufgriffen. Ob aber die »sechs P«, der durchlöcherte Stuhl oder die Diskussionen um den päpstlichen Körper die Phantasie zur Geschichte von einem weiblichen Papst und deren Ausschmückung anregten, bleibt unsicher, obwohl hier wichtige Über

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legungen vorliegen. Sicher und entscheidender ist jedoch, dass, nachdem die Geschichte erst einmal erzählt und bald auch ins 9. Jahrhundert gelegt worden war, verschiedenste Kreise die Legende reichlich und mit vielen Varianten und Zuspitzungen verwendeten. Deshalb ging es in den vorangehenden Überlegungen weniger um die Frage, ob es die Päpstin wirklich gegeben hat, obwohl eine Untersuchung des Sachverhaltes gegen die tatsächliche Existenz spricht. Mit einer Beschränkung auf eine solche Frage hätten wir es uns zu leicht gemacht. Sind nicht die vorgestellten Bilder, die in den Quellen entworfen werden und zu Konstruktionen von verschiedenen »Päpstinnen« führten, als solche ernst zu nehmen und damit auch wieder ein Stück Realität? Die Erkenntnis von Max Weber, dass subjektiv gemeinter »Sinn« gesellschaftliche Wirklichkeit konstituiere, verbunden mit der Erkenntnis Émile Durkheims, dass gedachte Wirklichkeit nicht weniger »wirklich« sei als die »reale«, führte in der Geschichtswissenschaft und der Wissenssoziologie zum Konzept der »gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit«.2 Verbunden mit neueren Überlegungen zum kulturellen Gedächtnis3 hatten unsere Darlegungen das Ziel zu zeigen, welche Bilder von einer Päpstin entstanden, in welchen Kontexten diese sich situierten und wie sie ganz unterschiedliche Vorstellungen von einer vermeintlich in der Vergangenheit gelebten Päpstin schufen. Die Geschichte von der Päpstin Johanna kann wie andere Erzählungen über einen Papst Mohammed4, oder wie die Geschichte eines so genannten Priesterkönigs Johannes5 wohl kaum zum Sprechen gebracht werden, wenn wir nur darauf schauen, welcher Wahrheitskern in dieser Geschichte enthalten sein mag. Vielleicht sollten wir Fiktionen eher danach befragen, ob sie für nicht verstandene Entwicklungen der Zeit ein Sinnangebot bereit hielten. Wahrscheinlich müssen wir umdenken: Nicht die erzählerisch geschaffene Gestalt einer Päpstin, die auf uns heute vielleicht unglaubwürdig wirkt, war das Unerhörte für mittelalterliche Hörer und Leser, sondern die Wirklichkeiten, die erst nach fiktionaler Ausdeutung verständlich wurden. Somit konnte 

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die Legende über Jahrhunderte hinweg gestaltet werden und lebendig bleiben. Wenn aber Fiktionalität in diesem Sinne ernst genommen wird, dann entfaltet sie Wirksamkeit, weil sie Vorstellungshorizonte und auch Handlungsziele weiter bestimmte, wie dies im Falle der Päpstin geschah. Die ersten Erzählungen über eine Päpstin entstanden als eine Legende, in dem Sinne, dass etwas vorzulesen oder zu erzählen sei (legendum als »das zu Lesende«). Vielleicht wurde die Frau auf dem Papstthron auch schnell zu einem Mythos, denn der Weg von der Legende zum Mythos ist kurz. Neben den häufig für die Antike evozierten Definitionen von Mythen gibt es auch eher funktionale Annäherungen an den Begriff des Mythos. Im Vorwort des Bandes »Mittelaltermythen« verstehen die Verfasser darunter Konkretisierungen von Gestalten und anderen Dingen, die »erzählerisch gewissermaßen modellhaft ein Konzept bereitstellen für das Verhältnis des Menschen zu seinen Erfahrungen und zur Welt. Vorrationale Mythen bewahren fundamentale Wahrheiten […] auf, derer sich Rationalität dann erinnert, wenn der wissenschaftlich-technische oder auch gesellschaftlich-ideologische Fortschritt ins Stolpern gerät und zu straucheln droht. Deshalb unterliegen Mythen Tradition und Wandel, und ihre symbolhafte oder auch lebenspraktische Bedeutung verändert sich und passt sich den sich neu regelnden Bedingungen an«.6 Den einheitlichen Mythos einer Päpstin gibt es wohl nicht, vielmehr entstanden verschiedene mythographische Überhöhungen. Diese werden bis heute weitererzählt, wobei ein weiblicher Papst für viele Wünsche und Sehnsüchte in Anspruch genommen wurde. Johanna stand – für einen weiblichen Akzent in einer männlich geprägten Kirchenhierarchie, – für eine nicht funktionierende Papstkirche und ein korruptes oder unzureichendes Kardinalskolleg, 

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– für eine Frau, die mit List und Tücke sich unrechtmäßig in ihr nicht zustehende Ämter einschlich, – für die Bedeutung, aber auch Gefahr von Gelehrsamkeit und Klugheit, – als strittige Person in der Diskussion um die apostolische Nachfolge und die Rechtmäßigkeit des Papsttums in den konfessionellen Auseinandersetzungen seit dem 16. Jahrhundert. Die Wünsche und Sehnsüchte, die sich auf Johanna als mythische Orientierungsfigur richteten, äußerten sich zu bestimmten Zeiten und in verschiedenen Kreisen unterschiedlich. Die Beobachtung der Forschung, dass Mythen oft in Krisensituationen entstanden und sich immer wieder neuen Bedingungen anpassten, um Orientierung zu bieten, lässt sich für das Beispiel der Päpstin konkretisieren, denn mehrere nebeneinander bestehende Bilder wurden in Umbruchszeiten erfolgreich, sie wurden genutzt und gebraucht: in den Auseinandersetzungen um den rechten Weg des Papsttums im ausgehenden 13. Jahrhundert, in den Debatten um die Rechtmäßigkeit zweier Päpste im Großen Abendländischen Schisma seit 1378 oder in den konfessionellen Debatten nach der Reformation. Einschließen lassen sich jüngste kirchliche Krisen, denn die Rufe nach Ordinationen von Frauen gehören ebenso in diesen größeren Zusammenhang. Dass dennoch die Frage nach Existenz oder Nichtexistenz der Päpstin auch lange Zeit die wissenschaftliche und bis heute auch manche öffentliche Diskussion dominiert, geht wahrscheinlich auf die konfessionellen Debatten seit dem 16. Jahrhundert zurück. Hier wurde im Streit zwischen Katholiken und Protestanten eine bis ins späte Mittelalter wesentlich breiter geführte Diskussion offensichtlich reduziert. Wie weit entfernt erscheint die Frage »wahr oder falsch« von dem feinsinnigen Spiel des Humanisten Platina noch kurz vor der Reformation! Gegen Vereinfachungen oder Mythen lassen sich kaum Bücher schreiben, dies gilt auch für den hier vorgelegten Versuch. Allerdings 

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lassen sich Legenden in Frage stellen oder ihre Entstehung erläutern. In jedem Fall schaffen Dekonstruktionen Mythen keineswegs aus der Welt. Man kann sogar fragen, ob die Historie vielleicht den Mythos braucht wie umgekehrt der Mythos die Geschichte? Ist Mythographie als Form historischer Erzählung vielleicht sogar zu akzeptieren, wenn damit die Grenzen der Geschichte als Wissenschaft anerkannt werden7? Mythen deuten das Dasein in Form einer historischen Erzählung, Historie analysiert. Damit unterscheiden sich beide Verfahren, gehören aber dennoch zusammen. Nach dem Philosophen Odo Marquard können Menschen ohne Mythen nicht leben, man müsse sie nur davor bewahren, auf einen einzigen Mythos fixiert zu sein. Sollten wir es auch deshalb aushalten, Mythen und Geschichtsforschung nebeneinander gelten zu lassen? Wenn wir in unserer Studie jedoch zudem darauf verwiesen haben, wie die Geschichte der Päpstin als »historisches« Argument oder als Waffe verwendet wurde, dann lässt sich gegen manche Instrumentalisierungen aus historischer Sicht Einspruch formulieren, ohne stets den moralischen Zeigefinger zu erheben. Die hier vorgelegten Überlegungen sollten die mythographischen Überhöhungen der Päpstin nicht zerstören. Sie erkennen diese an, wollten aber gleichzeitig mit Beispielen der Entstehung und Verwendungsformen eine Biographie der Legende entwerfen, die zum Nachdenken anregt. Es ließe sich darüber hinaus eine Vielfalt von Aspekten aus der Rezeptionsgeschichte anfügen, um noch weiter zu unterstreichen, für wie viele Vorstellungen und Sehnsüchte die Päpstin jeweils gebraucht und missbraucht wurde. Bei dem im 19. Jahrhundert lebenden Achim von Arnim (gest.1831) wird die römische Geschichte in einem episch-dramatischen Mischwerk mit mittelalterlichen Stoffen angereichert. Hier wird die Päpstin zu so etwas wie einem weiblichen Faust. Sie erscheint als Gegenfigur zu der schon vorgestellten Marozia (vgl. Kapitel II), die im Rom des dunklen 10. Jahrhunderts eine Art weiblichen Despoten darstellte. Arnim sieht in der Päpstin Johanna eine Gefühlskultur und sexuelle wie emotionelle Freiheit als Gegen

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entwurf verwirklicht. Die Heldin erliegt aber wegen ihrer Gefühlskultur der Verführung der griechisch-heidnischen Lebenssphäre und dies nicht ohne persönlichen Kampf. Dadurch aber, dass sie gar nicht das Kind des Teufels ist, sondern dass Oferus vom Teufel abfällt und sich als Christ-opherus zu Christus bekehrt, ist die Idee der Freiheit in ihrer Person angelegt. Deshalb kann sie ähnlich wie Faust gerettet werden. Neben diesen dramatischen und romantisierenden Bearbeitungen gab es eine Reihe von satirischen und zotigen Epigrammen, die sich oft nur in erotischen Zweideutigkeiten ergingen, bis seit dem Ende des 19. Jahrhunderts mehrere historisierende Romane sich des Stoffes annahmen. Am bekanntesten ist der Roman des Griechen Roidis (vgl. Kapitel V). Und wenn sich in jüngster Zeit die Frauenliteratur verstärkt dem Thema zuwendet, so geht es diesen Autorinnen vielfach nicht nur um literarische Entwürfe. Im Nachwort des mehrfach zitierten Romans von Donna W. Cross wird – wie schon erläutert – darauf hingewiesen, dass der Vatikan die Quellen zur Päpstin Johanna einfach vernichtet hätte (vgl. Kapitel I). Hier wird eine Verschwörungstheorie gesetzt, die schlichtweg nicht haltbar ist. Denn will man nicht konspirative Aktionen an verschiedenen Enden der damals bekannten Welt, also in Byzanz und anderswo annehmen, so ist die Dokumentation zum 9. Jahrhundert so dicht, dass eine Päpstin hier beim besten Willen keinen Platz findet. Eher ist es doch umgekehrt: Weil verschiedene Ereignisse des 9. Jahrhunderts umstritten waren, weil gelehrte Kandidaten hier um das höchste Amt stritten, weil sogar in den Wirren der formosianischen Zeit Schimpf und Schande, sogar die posthume Absetzung »unwürdiger« Päpste erfolgt war, ließ sich auch der Pontifikat einer Päpstin in diese Zeit bestens einfügen. Einen der besten Beweise dafür, dass der Pontifikat eines weiblichen Papstes ursprünglich kaum in den zeitgenössischen Quellen des 9. Jahrhunderts gestanden haben kann – selbst wenn gewitzte Geschichtsfälscher alles vernichtet und gefälscht hätten –, liefert die Tatsache, dass es erst eine gewisse Zeit brauchte, bis man den unbestimmten Pontifi

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kat einer Päpstin in einer Version in die zeitliche Nähe des Gelehrten Anastasius, also in die Mitte des 9. Jahrhunderts, gerückt hat, denn die frühesten Fassungen datierten die Geschichte ja gar nicht oder legten sie allgemein ins ausgehende 11. oder 9. Jahrhundert (vgl. Kapitel III). Das Anliegen unserer Darstellung lag in anderen Bereichen. Die Bilder einer Päpstin seit dem 13. Jahrhundert verdichteten Sehnsüchte und Vorstellungen dieser Zeit, sie erläutern Zeitentwicklungen und wohl auch unverstandene Wirklichkeiten. Vielleicht ist der Zeitpunkt nicht von ungefähr, denn seit der Mitte des 13. Jahrhunderts wurden die Heiligengeschichten durch die »Goldene Legende« (Legenda aurea) des Jacobus de Voragine in Predigt und Erzählung verbreitet. In dieser und in anderen Sammlungen gibt es verschiedene Geschichten von heiligen Frauen, die in Männerkleidern in Klöster oder andere Institutionen eindrangen, die durch das Kompendium geläufig und immer wieder erzählt wurde. Vor diesem Hintergrund wäre die hier nachgezeichnete Geschichte einer Päpstin nur das auf die Spitze getriebene Beispiel solcher Fälle. Erst nach der Mitte des 13. Jahrhunderts wurden die Ereignisse dann von systematisch arbeitenden Historiographen chronologisch ins 9. Jahrhundert projiziert, wohl vor allem weil sich hier geeignete Anknüpfungspunkte boten. Das Ziel einiger neuerer, teilweise pseudowissenschaftlicher Veröffentlichungen ist hingegen schnell erkennbar: Sie suchen nach Vorbildern, um Frauen zum Beispiel heute in geistliche Ämter zu bringen. Die bekannte Esther Vilar erhebt in ihrer fiktiven »Antrittsrede der amerikanischen Päpstin« von 1982 sogar Anspruch auf den Namen Johanna: Die am 3. Februar 2024 für vier Jahre gewählte Päpstin will sich Johanna II. nennen, als Reverenz an die Vorgängerin: »Deshalb will ich diese meine Schwester, sei sie nun eine historische Legende oder nicht, zu meiner Vorgängerin machen. Wie angekündigt, wird eine meiner ersten Handlungen darin bestehen, eine Frau zu ehren, die vielleicht niemals existierte.«8 Solche Verwendungen sind wenigstens originell, wenn auch Donna W. Cross von solchen Fiktionen weit ent

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52 Die Geschichte einer Päpstin thematisierte Esther Vilar 1982. Dies gipfelte sogar in der Version, dass 2024 eine Päpstin erhoben werde, die sich Johanna II. nennen wolle. Das Werk wurde in der Spielzeit 1985/86 in Erlangen in dramatisierter Form aufgeführt. Das Photo zeigt Maria Becker in Esther Vilars Monologstück »Die amerikanische Päpstin«. 

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fernt ist. Sie spricht – wie schon ausführlich zitiert (vgl. Kapitel I) – von einer »Flamme der Hoffnung«, die diese Frauen »entfacht« hätten, von einer Päpstin, die als Frau einen »Traum gelebt hat.«9 Ihre Wünsche sind deutlich. Ist es aber nötig, die Historizität einer Päpstin nachzuweisen, um einen solchen Traum dingfest zu machen, oder ist es nicht viel spannender, die Biographie dieser Legende weiterzuerzählen? Eine Päpstin Johanna des 9. Jahrhunderts gibt es nicht, aber sie existierte und existiert als Wunsch- oder Gegenbild, fasste Kritik an der Kurie, an männlicher Dominanz, an Entscheidungen der römischen Kirche zusammen, in ihrer Person bündelten sich auch Vorstellungen von weiblichen Fähigkeiten. Insofern sind eine Biographie ihrer Legende oder die zahlreichen mythographischen Überhöhungen dazu angetan, die Bedürfnisse und die sich wandelnden Sehnsüchte und Kritikpunkte zu verdeutlichen. Deshalb kann man mit Fug und Recht sagen: Hoch lebe der Mythos der Päpstin Johanna! Wie andere Mythen brauchen wir auch ihn.

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Anmerkungen Kapitel I 11 Vgl. dazu Gössmann, Päpstin, S. 396: »Alles Germanische ist heilvoll, menschenfreundlich und von ›weiblichen Werten‹ geprägt, alles Christliche ist von patriarchalischer Strenge, hierarchisch, grausam und frauenverachtend.« Für die Theologin Gössmann ist »diese überzogene Reproduktion christlicher Misogynie« und »schwarz-weiß Malerei von Christentum und vorchristlicher Religion« (S. 405) bestimmend für manche Passagen des ersten Teils des Romans von Donna W. Cross: »Eine im wahrsten Sinne ungenießbare Tendenzschrift.« (S. 407). 12 Vgl. Gössmann, Päpstin, S. 405: »Manchmal gibt die Autorin ihrer ›Novel‹ sogar Züge eines Schelmenromans« und S. 407: »[hier] stimmt alles so zusammen, wie es sich in der Geschichte hätte ereignen können.« 13 Vgl. Fuhrmann, Päpste, S. 264 und Herbers, Personenbeschreibungen, S. 165 und S. 177–183. 14 Schimmelpfennig, Päpstin, S. 39, Anm 2. 15 Vgl. Gregorovius, Rom im Mittelalter 1,2, S. 518 f. 16 Vgl. Fuhrmann, Päpste, S. 302 und Schimmelpfennig, Sog. Päpstin, Sp. 544 und ders., Päpstin, S. 39–46. 17 Cross verweist hier auf die Disquisitio historica de papa foemina inter Leonem IV. et Benedictum III. des reformierten Theologen Fr. Spanheim (Leiden 1691) (vgl. dazu Gössmann, Päpstin, S. 215), die 1694 ins Französische übersetzt, 1737 ins Deutsche übertragen und mit Kommentar ausgestattet wurde. Erwähnt werden von ihr zudem Boccaccios Frauenschrift und Petrarcas Chronik, beide aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts; vgl. zu diesen unten S. 85 ff. 18 Heute wird in der Forschung (R. Schieffer, Lex. Ma 5, Sp. 544) dieses Fehlen als eine irrtümliche Zählung angesehen, die wahrscheinlich auf einem Missverständnis in der Überlieferung der Papstkataloge beruht, die seit dem Hochmittelalter häufig für das 10. Jahrhundert zwischen Benedikt VII. und Gregor V. drei statt zwei Päpste mit dem Namen ›Johannes‹ aufweisen. 19 Vgl. dazu ausführlich unten S. 29–34. 10 Bei diesen Reiseberichten, die in der heutigen Forschung allerdings als fragwürdig angesehen werden, handelt es sich um folgende Autoren und Bücher: Bernardino Coreo, Mailänder Historiker als Augenzeuge bei der Amtseinführung Alexanders VI. 1492 oder vorher der angebliche Augenzeugenbericht des 

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walisischen Chronisten Adam von Usk bei der Papsterhebung Innozenz’ VII. 1404. Vgl. dazu auch Stanford, Päpstin, S. 48 f. Cross, Päpstin, S. 566. Vgl. Gössmann, Päpstin, S. 396. Schimmelpfenning, Päpstin, S. 44. Döllinger, Papstfabeln, S. 27. Vgl. Fuhrmann, Päpste, S. 198 ff. Döllinger, Papstfabeln, S. 32. Boureau, Döllinger, S. 392. Vgl. Döllinger, Papstfabeln, S. 41. Vgl. zu den genauen Textstellen Kerner, Päpstin, S. 145 ff. Vgl. Schimmelpfennig, Päpstin, S. 40. Die Herkunft aus der römischen Lokalsage lässt in der Erfurter Chronik die Formulierung ut fatentur Romani erkennen. Nicht die römische Herkunft, wohl aber das Hörensagen betonen sowohl Étienne de Bourbon (ut dicitur in chronicis) wie auch Martin von Troppau (ut asseritur bzw. creditur a plerisque); vgl. dazu auch unten S. 66 ff. und 71 f. So sieht es Schimmelpfennig, Päpstin, S. 40. Die Textstelle in Ed. Weiland, MGH SS 22, S. 428, Z. 49. Vgl. dazu Kerner, Päpstin, S. 149 Anm. 33. Vgl. Boureau, Döllinger, S. 392 ff. Vgl. Visions de Robert, ed. Bignami Odier, S. 274, Z. 6–16, insbes. 14 ff. Vgl. auch Kerner, Päpstin, S. 150, Anm. 39. Vgl. Geoffroy de Courlon, Chronique, ed. Julliot, S. 296 ff. und insbesondere S. 298, Z. 8. Geoffroy de Courlon handelt hier über die Täuschung der römischen Kirche (deceptio ecclesie Romane). Döllinger, Papstfabeln, S. 36 f. Vgl. zu Text und Übersetzung Paravicini Bagliani, Leib des Papstes, S. 52.

30 Vgl. Paravicini Bagliani, Leib des Papstes, S. 52 f. und S. 56 f.; diesem Buch über die päpstliche Hinfälligkeitstheologie sind die hier wichtigen Einzelheiten entnommen.

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Vgl. zu d’Onofrios These Kerner, Päpstin, S. 151 f. Vgl. Eichmann, Weihe und Krönung, S. 44 f. Paravicini Bagliani, Leib des Papstes, S. 56. Vgl. zu dieser Textstelle die Quellenangabe zu Kap. IV, Anm. 28; zu Übersetzung und Deutung Gössmann, Päpstin, S. 98 f.

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ANMERKUNGEN

Kapitel II 11 Zum folgenden Überblick vgl. als Hintergrund allgemein Schimmelpfennig, Papsttum, S. 100–122; eingehender Scholz, Politik, S. 108–266; zum Ende des Jahrhunderts Herbers, Autorität. 12 Ann. Fuldenses, ed. Kurze, S. 109. Der deutsche Text folgt der Ausgabe: Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte 7, hg. v. Rau, S. 135. 13 In dieselbe Zeit gehört die Nachricht über eine byzantinische Wandersage, vgl. Chronicon Salernitanum c.16, ed. Westerbergh, S. 21 f. Vgl. hierzu Bernheim, Päpstin, S. 412 sowie Lapôtre, L’Europe, S. 364 f. 14 So z. B. Morris, John; hierzu im Detail Herbers, Päpstin. 15 Vgl. zum Folgenden zusammenfassend Herbers, Personenbeschreibungen, S. 169–183 mit weiterer Literatur; gültige Edition: Liber Pontificalis, ed. Duchesne. 16 Vgl. dazu schon die Einleitungen: Liber Pontificalis, ed. Duchesne Bd. I, S. CXCII f. und Bd. II, S. II. 17 Vgl. Liber Pontificalis, ed. Duchesne Band I, S. CXCI f. und Band II, S. II. 18 Vgl. den Sammelband Liber, Gesta, histoire, darin vor allem die Beiträge von Bougard, Composition und Herbers, Agir. 19 Bougard, Composition, bes. S. 127–134. 10 Herbers, Agir, S. 119–124. 11 Bougard, Compostion, S. 143; vgl. bei Bourgard außerdem die wertvolle Liste zu Erwähnungen von Liber Pontificalis-Handschriften in Bibliothekskatalogen: S. 147–152. 12 Zu den wichtigsten Etappen Böhmer-Herbers, Nr. 161, 208, 224, 225, 237, 292 und 308. 13 Böhmer-Herbers, Nr. 237. Überliefert in den Annales Bertiniani, ed. Grat, S. 145 f. = MGH Conc. III, S. 299. 14 Wattenbach u. a., Geschichtsquellen, S. 466, Anm. 319; die Prologe sind zumeist in den MGH Epistolae VII abgedruckt. 15 MGH Poet. Lat., ed. Strecker, 4,2, S. 870–898. 16 Morris, John, S. 7 und 13. 17 Böhmer-Herbers, Nr. 334. 18 Böhmer-Herbers, Nr. 374. 19 Vgl. Herbers, Autorität, mit weiteren Quellen- und Literaturangaben.

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20 Vgl. z. B. MGH Epistolae VII, S. 416: Domino coangelico Johanni …. Anastasius exiguus oder die sehr kunstvoll gestaltete Anrede für Hadrian II. (auch als coangelicus) S. 403. 21 Ann. Fuldenses, ed. Kurze S. 36 f.; der deutsche Text folgt der Ausgabe: Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte 7, hg. von Rau, S. 35. 22 McKitterick, Patronage, S. 36, Anm. 2. 23 Zu Einzelheiten künftig Böhmer-Herbers, Nr. 498.

Kapitel III 11 Vgl. Boureau, Papesse, S. 122. 12 Leuga deutet auf die inschriftlich belegte gallische Meile von 1.500 Schritten – vielleicht ein Hinweis auf Entstehung und Herkunft des Textes bei Jean de Mailly. 13 Vgl. Gössmann, Päpstin, S. 25–29 und dies., Frau in der Kirche, S. 57. 14 Paris, BN 14593, s. XIII. 15 Vgl. Fußnote c in der Textedition Ed. Waitz, MGH SS 24, S. 514 und Weiland, Chronik, S. 471 f. 16 Vgl. zu Text und Deutung Gössmann, Päpstin, S. 26 ff. und dies., Frau in der Kirche, S. 57 f. 17 Vgl. Herbers, Päpstin, S. 190 f. 18 Vgl. Gössmann, Päpstin, S. 103–107. 19 Seppelt, Papsttum 2, S. 239 f. 10 Vgl. dazu mit den näheren Einzelheiten Döllinger, Papstfabeln, S. 6 f. und zusammenfassend Kerner, Päpstin, S. 144 f. 11 Ikas, Neue Handschriften, S. 521. 12 Vgl. Schnith, Lex.Ma 6, Sp. 357 f. 13 Vgl. Mierau, Einheit, S. 286 f. 14 Vgl. zu diesen quellenkritischen Einschätzungen die Übersicht bei v. d. Brinkken, Martin von Troppau, S. 157 f. 15 So v. d. Brincken, Martin von Troppau, S. 182. 16 Vgl. zu Übersetzung und Deutung auch Gössmann, Päpstin, S. 33–39 und dies., Frau in der Kirche, S. 58 ff. 17 Der Text dieser zweiten Fassung findet sich in Ed. Weiland, MGH SS 22, S. 428 f. und das Zitat S. 429, Z. 49 f. – vgl. dazu Schimmelpfennig, Päpstin, S. 43. 18 Vgl. Gössmann, Päpstin, S. 35 f. und dies., Frau in der Kirche, S. 59 f. 

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Schimmelpfennig, Päpstin, S. 41. Vgl. Döllinger, Papstfabeln, S. 46–50. Vgl. Herbers, Päpstin, S. 192 f. Vgl. Fuhrmann, Päpste, S. 28–31 sowie umfassend Herde, Cölestin V. Vgl. Döllinger, Papstfabeln, S. 51 ff. Ed. Weiland, MGH SS 22, S. 428, Z. 8 ff. Vgl. Döllinger, Papstfabeln, S. 17 f. Dieser gelehrten Studie sind die hier anzudeutenden Erkenntnisse über die Medizinkunst und Naturwissenschaft sowie über den Zusammenhang der Wissenschaft vom Licht und jener der Lebensverlängerung zu verdanken. Vgl. Paravicini Bagliani, Leib des Papstes, S. 9 f., 185, 190 f., 201 ff., 301, Anm. 90 und 303, Anm. 45. Paravicini Bagliani, Leib des Papstes, S. 9 f. Der genaue und gesamte Text ist einzusehen in Ed. Weiland, MGH SS 22, S. 443, Z. 11–22. Vgl. Ed. Holder-Egger, MGH SS 25, S. 708, Z. 6–10. Es handelt sich hier um die thüringische Weltchronik des Siegfried von Balnhausen vom Anfang des 14. Jahrhunderts, die diese Legende überliefert. Vgl. Paravicini Bagliani, Leib des Papstes, S. 224; hierzu allerdings kritisch die Rezension von B. Schimmelpfennig, Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 122 (2000), S. 502. Vgl. Boureau, Formes et fonctions, S. 447–452. Vgl. zu diesem Text und dessen Verbreitung Döllinger, Papstfabeln, S. 14 f. Der Text der Papstfabel in den Flores temporum ist nachzulesen in Ed. Holder-Egger, MGH SS 24, S. 243, Z. 43–50; vgl. auch Kerner, Päpstin, S. 147, Anm. 25. Vgl. insgesamt zu den Flores temporum v. d. Brincken, Flores temporum, S. 195–214 und Mierau, Einheit, S. 387 f. Vgl. zur Johanna-Tradition bei den spätmitttelalterlichen Franziskanern auch Gössmann, Frau in der Kirche, S. 63 ff. Vgl. Döllinger, Papstfabeln, S. 21 f. Vgl. dazu im Einzelnen Fuhrmann, Päpste, S. 139–151; dort ist auch das Zitat von G. Ladner zu finden. Vgl. dazu ausführlich Paravicini Bagliani, Leib des Papstes, S. 207–224. Vgl. dazu Boureau, Formes et fonctions, S. 452–462; Kerner, Päpstin, S. 152– 157 und Gössmann, Frau in der Kirche, S. 60–63 u. 65 ff. Diese Textstelle ist abgedruckt bei Gössmann, Päpstin, S. 49, Anm. 32. Vgl. dazu Boccaccio, De claris mulieribus, S. 216 ff. Vgl. ausführlich Gössmann, Päpstin, S. 78–83 und dies., Frau in der Kirche, S. 67. 

ANMERKUNGEN

39 Vgl. zu diesem Textzitat des Humanisten Olivetanus Kerner, Päpstin, S. 157, Anm. 75. 40 Vgl. Spicilegium Romanum VI, S. 202 f., wo es wörtlich heißt: »Hic inseritur in codice historiola Iohannae papissae iisdem prope verbis, quibus legitur apud Martinum Polonum« (»Hier ist in der Handschrift die kleine Geschichtserzählung der Päpstin Johanna eingefügt, fast mit den gleichen Worten wie bei Martin dem Polen.«) »Wer wird schon« – so heißt es weiter – »diese abgeschmackte Fabel, die schon mit so vielen Argumenten ausgepfiffen worden ist, noch ernsthaft rezitieren.« Diese Geschichte bedürfe keiner neuen Widerlegung; sie gehöre zu jenen Fiktionen, die durch ihre Absurdität und Deformität zum Lachen anregen und deswegen auch niemals aus dem Gedächtnis und den Reden der Witzbolde verschwinden würde. Und im Übrigen könne sich jeder darüber bei Panvinio in dessen Anmerkungen zu Platina oder auch bei Baronius und anderen informieren (vgl. Kapitel V). 41 Vgl. dazu Döllinger, Papstfabeln, S. 19, Gössmann, Päpstin, S. 46 Anm. 30 und Stanford, Päpstin, S. 23 f.

Kapitel IV 11 Vgl. hierzu Herde, Cölestin V., S. 136 ff. 12 Leo von Orvieto, Chronica, ed. Lami, S. 335, vgl. Boureau, Papesse, S. 166 und 356 Anm. 86. 13 Herde, Cölestin V., S. 191–206. 14 Zum folgenden und insbesondere zu Johannes XXII. vgl. Heft, John, XXII, S. 8 ff. und allgemein Schimmelpfennig, Papsttum, S. 223–225. Zum Hof von Avignon Weiß, Versorgung (mit reicher Literatur). 15 Hierzu Kerner, Unglaubliche Geschichte. 16 Mierau, Einheit, S. 281–312. 17 Vgl. zu seinem Werk und Denken Miethke, De potestate, S. 248–295. 18 »Es ist auch weder nach der Lehre der Schrift noch nach der Lehre der ganzen Kirche sicher, dass die Stadt Rom mit ihrer ganzen Umgebung, zu der das römische Bistum gehört, dem Antichrist bei seiner Ankunft nicht anhängen wird oder auch vor den Zeiten des Antichrist nicht von dem katholischen Glauben abfallen wird«, Kap. 11, deutsch bei Lautemann, Geschichte in Quellen, S. 800. 19 Wilhelm von Ockham, Octo quaestiones de potestate pape, Quaestio I c. 17, in: Wilhelm von Ockham, Opera politica, ed. Bennett u. a., Bd. 1, S. 59. Deutsche Übersetzung bei Gössmann, Mulier, S. 56 f.; dies., Päpstin, S. 56 f. 

ANMERKUNGEN

10 Wilhelm von Ockham, Opus nonaginta dierum, in: Opera politica, ed. Bennett u. a., Bd. 2, S. 854. 11 Zu den Ereignissen vgl. neben den üblichen Papstgeschichten Brandmüller, Konzil; sowie auch die klassische Darstellung von Fink u. a., Spätmittelalter, S. 365–588; künftig: Müller, Krise. 12 Fink u. a., Spätmittelalter, S. 498. 13 Vgl. hierzu insgesamt Miethke, Konziliarismus; dort werden auch die meisten der im Weiteren genannten Personen vorgestellt. 14 John Wyclif ’s Polemical Works in latin, Bd. 2, ed. Buddensieg, deutsche Übersetzung bei Lautemann, Geschichte in Quellen, S. 799. 15 Zu den Namensvarianten vgl. Kap. II, S. 56. 16 John Wyclif, Cruciata, in: John Wyclif ’s Polemical Works in latin, Bd. 2, ed. Buddensieg, hier S. 618 f. – Die deutsche Übersetzung bei Gössmann, Mulier, S. 59; dies., Päpstin, S 59 f. 17 Spinka, Hus, S. 192, 209 und 212. 18 Johannes Hus, Tractatus de Ecclesia, ed. Harrison Thomson, S. 47 f. 19 Vgl. die Beispiele ebd. S. 103–108, 141. 20 Philippe de Mézières, Le songe du vieil pèlerin, ed. Coopland, S. 338 und 370, vgl. Boureau, Papesse, S. 176. 21 Dietrich von Nieheim, Historie de gesta Romanorum principum, ed. Colberg, Leuschner, S. 27 f. 22 Johannes Gerson, Opera omnia. Bd. 2, S. 267 (vgl. Gössmann, Mulier, S. 60; dies., Päpstin, S. 60). 23 Johannes Gerson, Predigt »Apparuit«, in: Œuvres de Gerson, Bd. 5, ed. Glorieux, S. 64–90, die einschlägige Passage S. 87, vgl. Gössmann, Mulier, S. 61. 24 Johannes (Jean) de Rocha (Roques), Contra Evasiones Johannis de Gersono super suis assertionibus erroneis, in: Johannes Gerson, Opera omnia, ed. du Pin, S. 456. 25 Vgl. aus der Fülle der Literatur: Goetz, Geschichte, S. 31–69. 26 Zu Fragen der historischen Memorik vgl. Fried, Memorik; vgl. zum Beispiel Karls des Großen: Kerner, Karl. 27 D’Onofrio, Papessa, S. 27 ff. Vgl. auch ders., Mille anni, S. 25 ff. 28 Platina Bartolomeo, Liber de vita Christi ac omnium pontificum, ed. Gaida, 151 f. Das Werk wurde 1475 zwar beendet, aber erst 1479 gedruckt. 29 Die deutsche Übertragung nach Gössmann, Mulier, S. 99 und dies., Päpstin, S. 99 mit Anm. 39.

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30 Hierzu Gössmann, Mulier, S. 100 und dies., Päpstin, S. 100 mit Anm. 42: Der lateinische Text lautet: Istic neque fidei neque iuris error, sed ignorantia facti fuit neque certa historia est, Eneas Silvius Piccolomini, Der Briefwechsel, ed. Wolkan, S. 40. 31 Boccaccio, De mulieribus, deutsche Fassung von H. Steinhöwel (Druck Ulm 1473); vgl. den Abdruck in deutscher Sprache bei Gössmann, Mulier papa, S. 67 f.; dies., Päpstin 67 f. 32 Dinzelbacher, Realität. 33 Döllinger, Papstfabeln, S. 184–188; Böhmer-Zimmermann n. † 973 mit weiterer Literatur.

Kapitel V 11 Vgl. dazu mit allen Einzelheiten, die hier nur angedeutet werden können, Fuhrmann, Päpste, S. 266–270. 12 Vgl. zu Text und dessen weiterer Ausdeutung Gössmann, Päpstin, S. 111 ff. und dies., Frau in der Kirche, S. 68 f. 13 Vgl. Gössmann, Päpstin, S. 110 f. 14 Vgl. zu dieser Textstelle Gössmann, Päpstin, S. 116, und dies., Frau in der Kirche, S. 69 f. 15 Vgl. dazu die lateinische Textfassung in Abb. 43–46. 16 Vgl. zu Jakob von Bergamo genauer Gössmann, Päpstin, S. 76 f. 17 In diese Linie des Altprotestantismus hat sich beispielsweise noch Johannes Haller (1865–1947), einer der großen Papsthistoriker des letzten Jahrhunderts gesehen, als er »das Werden und Wachsen des Papsttums« als eine Entwicklung beschrieb, bei der »die römischen Bischöfe, einer auf den anderen aufbauend, mit Vorbedacht, List und Kühnheit im Lauf der Zeiten ihre angemaßte Herrschaft über die Kirche und Welt aufgerichtet hätten, bis der Antichrist selber auf dem Stuhl zu Rom sich niederlassen konnte«. Vgl. dazu Fuhrmann, Päpste, S. 289–293, wo allerdings betont wird, dass bei Haller eines der Hauptkennzeichen altprotestantischer Geschichtsschreibung fehlt: der eschatologische Aspekt, der bei Luther oder auch bei John Bale »deutungsbestimmend« gewesen sei. Für die quellenbezogene Geschichtsforschung des Flacius Illyricus vgl. auch die Habilitationsschrift von M. Hartmann, Humanismus und Kirchenkritik. 18 Vgl. dazu im Einzelnen Gössmann, Päpstin, S. 113 ff. 19 Die Textstelle ist abgedruckt in Migne PL 143, Sp. 760C. 10 So das Urteil einer französischen Synode 991; vgl. dazu Fuhrmann, Päpste, S. 108. 

ANMERKUNGEN

11 Gössmann, Päpstin, S. 115. 12 Vgl. Fuhrmann, Päpste, S. 270 ff. 13 Gössmann, Päpstin, S. 140; S. 139, Anm. 39 findet sich der genaue Wortlaut der Quellenstelle aus den Annales Ecclesiastici des Baronius; zu Marianus Scotus vgl. Kerner, Päpstin, S. 144, Anm. 13. 14 Vgl. Hergenröther, Photius, S. 394. 15 Vgl. zu Abdruck und Deutung dieser Textstelle Lohrmann, Johannes VIII., S. 151. 16 Vgl. Hergenröther, Photius, S. 394. 17 Vgl. Gössmann, Päpstin, S. 144. 18 Gössmann, Päpstin, S. 123; dort bis S. 126 eine ausführliche Einzelkennzeichnung. 19 Vgl. Bernheim, Sage, S. 512, Lapôtre, Saint-Siège, S. 365 f. und Thurston, Pope Joan, S. 459 f.; vgl. zu diesen älteren Studien und zu Bellarmins ›Translationsthese‹ auch Gössmann, Päpstin, S. 319 f. und dies., Frau in der Kirche, S. 73. 20 Vgl. zu den Einzelheiten Gössmann, Päpstin, S. 149 f. 21 Vgl. dazu ausführlich Gössmann, Rezeption, S. 143–167. 22 Gössmann, Päpstin, S. 126; und dies., Frau in der Kirche, S. 74 f., wo es heißt, dass bei Florimond deutlich die Tendenz erkennbar werde: »wer an die (Existenz der) Päpstin glaubt, ist nicht mehr katholisch, wer sie verneint, gehört zur katholischen Kirche.« 23 Vgl. ausführlich Gössmann, Päpstin, S. 189–196 und dies., Frau in der Kirche, S. 79. 24 Vgl. zu Maresius die ausführliche Analyse bei Gössmann, Päpstin, S. 198–202, wo es abschließend heißt: »Die Päpstin bleibt also bei den Gegnern Blondels im protestantischen Lager, was sie auch vorher war: das Faustpfand im ekklesiologischen Streit um die wahre Kirche.« 25 Zu Labbes Überlegungen, mit denen »den neueren Verteidigern der Existenz der Päpstin die Stirn« geboten werden soll, ausführlich Gössmann, Päpstin, S. 206–209, an deren Ende es heißt: »Labbe bleibt ein Apologetiker des Apostolischen Stuhles und seines Ordens.« 26 Gössmann, Päpstin, S. 258; dort findet sich S. 256–272 eine detaillierte Analyse der ausführlichen, 70 Seiten umfassenden Studie von Leibniz; vgl. auch dies., Frau in der Kirche, S. 79 f. 27 Vgl. dazu ausführlich Boureau, Papesse, S. 277–320, Gössmann, Päpstin, S. 337–408 und Stanford, Päpstin, S. 199–226. 

Anmerkungen

28 Vgl. dazu ausführlich Gössmann, Päpstin, S. 86–91. 29 Gössmann hat in der ersten Auflage ihres Buches (Mulier, 1994) die Vorrede des Hieronymus Tilesius und das Nachwort des Christoph Irenäus in einem Dokumentationsanhang, der in der Ausgabe von 1998 fehlt, abgedruckt (S. 407–410). 30 Gössmann, Päpstin, S. 408. 31 Vgl. dazu Stanford, Päpstin, S. 211 f. 32 Vgl. zu dieser »feministischen Utopie« Gössmann, Päpstin, S. 383–388. 33 Vgl. E. Roidis, I Papissa Ioanna (Athen 1866); benutzt wurde hier die deutsche Übersetzung, die M. Fischer (Augsburg 1985) herausgegeben und mit einem Nachwort versehen hat. 34 Vgl. Stanford, Päpstin, S. 222 f. 35 Roidis, Päpstin, S. 14. 36 Roidis, Päpstin, S. 231. 37 Roidis, Päpstin, S. 17. 38 Roidis, Päpstin, S. 107. 39 Roidis, Päpstin, S. 38–43.

Kapitel VI 11 Ohlig, Kirche. 12 Dies haben Peter L. Berger und Thomas Luckmann am nachdrücklichsten vertreten: Berger/Luckmann, Konstruktion der Wirklichkeit. 13 Assmann, Gedächtnis. 14 Vgl. hierzu Melville, Fiktionen, S. 27–44. 15 Knefelkamp, Suche; Melville, Prêtre, S. 81–90. 16 Müller/Wunderlich, Mittelalter-Mythen (2. Aufl. 2001, hier nach der ersten Aufl. zitiert, S. IX–XIV, hier X.). Vgl. zu den weiteren möglichen Definitionen die Beiträge in diesem Band sowie schon früher Graus, Vergangenheit, und Althoff, Formen, S. 11–33. 17 Borgolte, Historie, Bd. 2, S. 839–846, hier 843. 18 Vilar, Antrittsrede, S. 11. 19 Vgl. oben S. 20 mit Anm. 11.

154

Liste der wichtigsten Werke zur Geschichte der Päpstin Johanna bis 1480 Die folgende Übersicht verzeichnet die wichtigsten, meist auch im Text genannten Zeugnisse. Damit werden die ältesten Notizen und die frühen Belege zur Rezeption zusammengestellt. Als Endpunkt wurde die erste ausführliche deutsche literarische Bearbeitung des Stoffs durch Dietrich von Schernberg gewählt. Die Tabelle orientiert sich an der Zusammenstellung bei A. Boureau, Papesse, S. 369–376, der die Belege noch bis in das 20. Jahrhundert fortgeführt hat (ebd. S. 376–391); sie erhebt aber auch für die Zeit bis 1480 keinen Anspruch auf Vollständigkeit. um 1255

Jean de Mailly, Chronica universalis Mettensis

um 1260

Étienne de Bourbon, Tractatus de diversis materiis praedicabilibus

um 1261–1265 Chronica minor eines Erfurter Franziskaners 1277 nach 1277

Martin von Troppau, Chronicon pontificum et imperatorum Romanorum Variante des Textes von Martin von Troppau

um 1280

Jacob van Maerlant, Spiegel historiael

um 1280

Jans Enikel, Chronica

um 1290

Anonyme franziskanische Chronik Flores temporum

nach 1291

Robert d’Uzès, Liber visionum

um 1295

Geoffroy de Courlon, Chronicon sancti Petri Vivi Senonensis

um 1297

Jacobus de Voragine, Chronica Januensis

um 1300

Arnold von Lüttich, Alphabetum narrationum

1304–1306

Siegfried von Balnhausen, Compendium historiarum

um 1312

Tholomäus von Lucca, Historia ecclesiastica

um 1315

Leo von Orvieto, Chronica summorum pontificum

um 1315–1331 Bernard Gui, Flores chronicorum um 1316

Landolfo Colonna, Breviarium historiarum

um 1328

Jacobinus Aquensis, Chronicon imaginis mundi

um 1330

Ranulph Higden, Polychronicon

1332

Wilhelm von Ockham, Opus nonaginta dierum

um 1340

Barlaam aus Kalabrien, Περὶ τῆϛ τοῡ Πάπα ἀρχῆϛ



ZEITTAFEL

1340–1342

Wilhelm von Ockham, Octo quaestiones de potestate papae

1340–1348

Johannes von Winterthur, Chronica

um 1343 1362

Johannes von Viktring, Liber certarum historiarum (nur eine Handschrift) Amalricus Augerius, Actus pontificum Romanorum

1366

Thomas von Malmesbury, Eulogium historiarum sive temporum

um 1368

Étienne de Nardo, Chronica

um 1370

Giovanni Boccaccio, De mulieribus claris

um 1370

Francesco Petrarca, Chronica delle vite dei pontifici

um 1370–1380 Heinrich von München, Weltchronik 1382

John Wyclif, Cruciata

um 1386

Philippe de Mézières, Le Songe du Vieil Pèlerin

um 1386

Honoré Bonet, L’Arbre des Batailles

um 1386

Jakob Twinger von Königshofen, Chronik

um 1386

Österreichische Chronik von den 95 Herrschaften

1392

Johannes Gerson, De jurisdictione spirituali

um 1399

Aymeric de Peyrac, Chronicon

14. Jh.

(keine genaueren Angaben möglich) Interpolation (Texteinfügung) im Liber Pontificalis Interpolation von Marianus Scotus (Chronicon) Interpolation von Sigebert von Gembloux (Chronographia) Interpolation von Otto von Freising (Chronica) Interpolation von Richard von Poitiers (Chronicon) Interpolation von Gottfried von Viterbo (Pantheon) Interpolation von Gervasius von Tilbury (Otia imperialia) Chronik der Abtei von Kempten Tegernseer Manuskript (Cod. lat. 781) Anfang 15. Jh. Katalanische Adaption des Alphabetum narrationum Arnolds von Lüttich Anfang 15. Jh. Englische Version des Alphabetum narrationum Arnolds von Lüttich 1403 Johannes Gerson, Predigt Apparuit (oder De Pace) um 1405

Adam von Usk, Chronicon

um 1410

Jacobus Angelus, Epistola ad Manuelem Crysoloram 

ZEITTAFEL

um 1412 1412 um 1415

Dietrich von Nieheim (Niem), Historiae de gestis Romanorum principum Johannes (Jan) Hus, De ecclesiae unitate

um 1423

Johannes (Jean) de Rocha (Roques), Contra evasiones Johannis de Gersono Johannes (Jan) Hus, Erklärungen zu seinem Prozess auf dem Konzil zu Konstanz Dietrich von Engelhus, Chronicon

um 1435

Hermann Korner, Chronica novella

um 1441

Johannes Stadtweg, Chronicon (niedersächsische Prosachronik)

1440–1442

Martin Le Franc, Le Champion des dames

um 1447 um 1450

Felix Hemmerlin (lat. Malleolus), De nobilitate et rusticitate dialogus Antoninus von Florenz, Chronicon

1451

Enea Silvio Piccolomini, Brief an Juan von Carvajal

1453

Tomás von Torquemada, Summa de ecclesia

um 1455

Alfons von Cartagena, Recapitulationes

um 1455

Matteus Palmieri, Liber de temporibus

1462

Chronik von Ulm

um 1464

Laonicus Chalcocondilas, De rebus Turcicis

um 1464

Johannes Pannonius, Epigrammata

1473

Giovanni Boccaccio, De la louange et vertu des nobles et claires dames (altfrz. Erstdruck des Werkes De mulieribus s. o.) Werner Rolevinck, Fasciculus temporum

1415

1474

um 1474

Erstdruck der Chronik von Ricobald von Ferrara (gest. nicht vor 1318) in Rom von Jean Philippe de Lignamine, mit einer Interpolation zur Päpstin Chronik von Saint-Gilles

um 1474

Matthias von Kemnat, Chronik

1475

Bartolomeo Platina, Vitae pontificum (1479 erstmals gedruckt)

um 1480

Michael Tarchaniota Marullus, Epigramme

um 1480

Chronik der Bischöfe von Werden

um 1480

Dietrich von Schernberg, Fraw Jutta

1474



Abkürzungs- und Siglenverzeichnis (angelehnt an die im Deutschen Archiv für Erforschung des Mittelalters gewählte Verfahrensweise)

a. annus (Jahr) Bd., Bde Band, Bände Bibl. Bibliothek BN Bibliothèque Nationale de France (Paris) c. canon (Rechtssatzung) Diss. masch. maschinengeschriebene Dissertation ed., Ed. edidit, herausgegeben, Edition fragm. Fragment Fol./fol. Folio (Blatt) Jh. Jahrhundert Laurent. Biblioteca Laurenziana (Florenz) Lex.Ma Lexikon des Mittelalters (CD-ROM Fassung benutzt) MA, ma. Mittelalter, mittelalterlich Ms. lat. Manuscrit latin MGH Conc. Monumenta Germaniae Historica, Concilia Poet. Lat. Poetae Latini medii aevi SS Scriptores (in Folio) SS rer. Germ. Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi Staatsschriften Staatsschriften des späten Mittelalters Migne PL J. P. Migne, Patrologia Latina n. Nummer ND Nachdruck r (recto) Vorderseite Reg. Imp. Regesta Imperii RIS Rerum Italicarum Scriptores s. saeculum (Jahrhundert) Vat. Lat. Vaticanus Latinus v (verso) Rückseite



Bibliographie Die Bibliographie verzeichnet die gekürzt zitierten Quellen und Darstellungen und umfasst drei Teile (räsonnierende Bibliographie, Quellen und Darstellungen)

a) räsonnierende Bibliographie Grundlage und Bezugsquelle des vorliegenden Buches waren verschiedene papstgeschichtliche Studien: die großartige Analyse der Papstfabeln von I. v. Döllinger (1863 u. 2. Aufl. 1890, letztere wurde hier herangezogen), die souveränen Übersichten von H. Fuhrmann (32005), von J. Miethke (2000) und B. Schimmelpfennig (41996) sowie die beeindruckende Monographie von A. Paravicini Bagliani über die päpstliche Hinfälligkeitstheologie (italienisch 1994, deutsch 1997). Weiterführend und hilfreich waren die beiden Zusammenfassungen von B. Schimmelpfennig (Sog. Päpstin 1991 und Päpstin, 2004); vgl. auch den Forschungsüberblick bei K. Herbers (Päpstin 1988) und M. Kerner (Päpstin 1998). Eine wahre Fundgrube zur Wirkungsgeschichte der Päpstin bieten die vielfach und mit Gewinn benutzten Arbeiten von A. Boureau (1988) und insbesondere E. Gössmann (1994 mit Textanhang, ohne denselben neu aufgelegt 1998). Lohnenswert ist die Lektüre von P. Stanford (englisch 1998, deutsch 1999). Der Roman der amerikanischen Schriftstellerin Donna Woolfolk Cross über die Päpstin wurde in der deutschen Fassung benutzt (41996). Zu empfehlen ist schließlich die Textsammlung zur literarischen Wirkungsgeschichte von K. Völker (1977).

b) Quellen und Quellensammlungen Annales Bertiniani, ed. Félix Grat und Jeanne Vielliard, Paris 1964 (vgl. auch Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte). Annales Fuldenses, ed. Friedrich Kurze (MGH SS rer. Germ. 7), Hannover 1891 (vgl. auch Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte). Bartolomeo Platina: Liber de vita Christi ac omnium pontificum, ed. Giacinto Gaida (RIS III/1), Bologna 1913–1932. Boccaccio: siehe Giovanni Boccaccio Böhmer-Herbers: Die Regesten des Kaiserreiches unter den Karolingern 751–918 (926/962), Band 4: Papstregesten 800–911, Teil 2: 844–872, Lieferung 1:



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Bildnachweis Verlag und Autoren haben sich bemüht, alle Rechteinhaber ausfindig zu machen. In Fällen, wo dies nicht gelungen ist, bitten wir um Mitteilung. Abb. 1 Buchcover des Romans von Donna W. Cross: Die Päpstin. Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Aufbau Taschenbuch-Verlags. Abb. 2 © 2010. Photo Opera Metropolitana Siena/SCALA, Florence. Abb. 3, 4, 5, 20 © INTERFOTO/NG Collection 2010. Abb. 6, 39, 42, 47, 48 aus: Fuhrmann, Päpste. Abb. 8 © 2010 Berndtson GmbH, Schöngeising, Germany, aus: Erwin Gatz, Roma Christiana. Ein kunst- und kulturgeschichtlicher Führer über den Vatikan und die Stadt Rom, Regensburg 1998, S. 320. Abb. 9, 10, 11, 12, 33, 36, 37, 38, 49, 50 sowie die Farbtafeln I–VI aus: D’Onofrio, Mille anni di legenda. Abb. 13, 14, 31, 32 aus: Paravicini Bagliani: Leib des Papstes. Abb. 15 aus: Josef Wilpert: Die römischen Mosaiken und Malereien der kirchlichen Bauten vom IV. bis XIII. Jahrhundert, Bd. 4, Freiburg, 2. Auflage 1917, Nr. 210 (Ausschnitt). Abb. 18 aus: Jean-Paul Laurens 1838–1921. Peintre d’histoire, Paris 1997, S. 81. Abb. 19 a + b aus: Morris, Pope John, plate I und II. Abb. 21 aus: Pflugk-Harttung, Julius von: Specimina selecta chartarum pontificum Romanorum, 3 Teile (1885-1887). Abb. 29 aus: Klaus Herbers/Helmut Neuhaus: Das Heilige Römische Reich. Schauplätze einer tausendjährigen Geschichte, Köln 2. Aufl. 2005, S. 135. Abb. 30 aus: Gerhart B. Ladner: Die Papstbildnisse des Altertums und des Mittelalters, Bd. III. Rom 1984. S. 208. Abb. 34 aus: Beckmann, Jan P.: Wilhelm von Ockham, München 1995, S. 31. Abb. 41 Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg (4° Rl. 1875b). Abb. 43, 44, 45, 46 aus: Morris, Pope John, S. 162-165. Abb. 51 Postkarte, Hl. Lioba, barockes Ölgemälde, Dommuseum, Fulda. Foto und © Michael Imhof. Abb. 52 aus: Das neue Erlangen. Zeitschrift für Wissenschaft, Wirtschaft und kulturelles Leben, Heft 69, Dezember 1985, S. 77 © Erich Malter.



Personenregister Das Register verzeichnet nur die im Text genannten Personen, jedoch in der Regel keine modernen Autoren oder Schauspieler. Die in Klammern genannten Daten beziehen sich auf Regierungs- oder Pontifikatszeiten; es wurde ansonsten versucht, zumindest das jeweilige Todesdatum zu ermitteln. Auf ein Lemma Johanna (bzw. auch für andere Namensformen der Päpstin) wurde verzichtet. Ägidius von Viterbo, Augustinertheologe (gest. 1532) 85 Alexander V. (Petrus Philargus), Papst (1409–1410) 98f., 104 Alexios I. Komnenos, byzantinischer Kaiser (1081–1118) 63 Alveto, Mario Equicola d’ (Olivetanus) Historiker (gest. 1525) 87 Anastasius Bibliothecarius, Kardinalpriester (Bibliothekar) (gest. ca. 878) 14f., 35, 37, 39, 48–55, 57, 59, 62, 142 Antonin, Erzbischof von Florenz (1446–1459) 85, 123 Arnim, Achim von, Schriftsteller (gest. 1831) 140 Arnolfo di Cambio, Bildhauer (gest.1302/10?) 82f. Arsenius, Bischof von Orte (855–868) 51 Balduin I., König von Jerusalem (1100–1118) 63 Baronius, Caesar, Kardinal und Kirchenhistoriker (gest. 1607) 40, 57, 125–129 Bartolomeo Goggio, Jurist und Autor (gest. nach 1493) 87 Bartolomeo Platina (auch Sacci), päpstlicher Bibliothekar (gest. 1481) 89, 109–111, 124, 139

Bartolomeo Prignani, Erzbischof von Bari (1377–1378) (siehe Urban VI., Papst) Bellarmin, Robert, Kardinal und Kirchenlehrer (gest. 1621) 125–127, 129 Benedikt III., Papst (855–858) 35, 37, 46, 49, 51f., 55 Bernard Gui, Dominikaner/Inquisitor (gest. 1331) 88 Betto, Bernadino di, Künstler (gest. 1513) 15 Blondel, David, reformierter Kirchenhistoriker (gest. 1655) 129f. Boccaccio (siehe Giovanni Boccaccio) Bonifaz VIII., Papst (1294–1303) 29, 82–84, 90–92, 102 Campanus von Novara, päpstlicher Kaplan (gest. 1296) 80 Clemens IV., Papst (1265–1268) 70, 80 Clemens VII. (Robert von Genf ), Papst (1378–1394) 96, 100 Coelestin V. (Peter von Morrone), Papst (1294) 29, 77, 90f., 103 Cranach, Lukas (der Ältere), Künstler (gest. 1553) 115f., 118 Cross, Donna W., Schriftstellerin 13, 15–17, 19f., 34f., 51, 132, 141f. Dietrich von Nieheim (Niem), Konziliarist und Historiograph (gest. 1418) 104, 106f.



PERSONENREGISTER

Döllinger, Ignaz von, Kirchenhistoriker (gest. 1890) 13, 20–25, 27, 29, 31, 57, 76–78, 82 Dürer, Albrecht, Maler (gest. 1528) 118 Enea Silvio Piccolomini (siehe Pius II., Papst) Étienne de Bourbon (Stephanus de Bellavilla), dominikanischer Prediger (gest. ca. 1261) 23–25, 66f., 69, 77, 84, 114 Felix Hemmerlin, Kanonist/Publizist (gest. ca. 1458) 87 Flacius Illyricus, protest. Kirchenhistoriker (gest. 1575) 112, 117f., 120–123 Florimundus, Raemundus, (Florimond de Raemond), Historiker (gest. 1601) 129 Formosus, Papst (891–896) 37, 41f., 53, 62, 67, 104 Francesco Petrarca, Dichter (gest. 1374) 86 Friedrich II., dt. König (1212–1250) und röm. Kaiser (1220–1250) 79, 107 Gauderich, Kardinalbischof von Velletri (867–883) 53 Geoffroy de Courlon, Chronist (gest. 1295) 27, 29 Gerbert von Aurillac (siehe Silvester II., Papst) Giovanni Boccaccio, Schriftsteller (gest. 1375) 85–87, 112, 123, 130 Gottfried von Viterbo, Chronist (gest. ca. 1191) 69 Gregor (der Große), Papst (590–604) 36, 48, 53 Gregor IX., Papst (1227–1241) 107 Gregor XII., Papst (1406–1415) 98

Hadrian II., Papst (867–872) 37, 39, 48f. Heinrich von München, Kompilator (gest. 1. Hälfte 14. Jh.) 85 Heinrich Steinhöwel, Chronist (gest. ca. 1483) 112 Honorius II., Papst (1124–1130) 32 Humbert, Kardinalbischof von Silva Candida (1051–1061) 124 Innozenz III., Papst (1198–1216) 76 Innozenz IV., Papst (1243–1254) 107 Irenäus, Christoph, Reformator (gest. ca. 1595) 131 Jacob van Maerlant, Schriftsteller (gest. ca. 1300) 27 Jacobus de Voragine, Erzbischof von Genua (1286/92–1298) 85, 142 Jakob von Bergamo, Augustinereremit (gest. 1520) 123 Jean de Mailly, Chronist u. Hagiograph (gest. ca. 1260) 23–25, 63–66, 69, 77, 84 Jean Roques (de Rocha) (gest. 1623) 105 Johann Ohneland, engl. König (1199– 1216) 76 Johannes VIII., Papst (872–882) 37, 39–41, 45, 53, 56f., 127 Johannes IX., Papst (898–900) 67 Johannes XII., Papst (955–963) 105, 125 Johannes XXI. (Petrus Hispanus), Papst (1276–1277) 19, 70, 78–82, 84 Johannes XXIII., Papst (1410–1415) 99 Johannes Diaconus oder Hymmonides, Hagiograph u. Schriftsteller (gest. 882) 48, 53f. Johannes Gerson, Kanzler der Pariser Universität (gest. 1429) 104f.



PERSONENREGISTER

Johannes (Jan) Hus, böhmischer Reformer (gest. 1415) 101f., 107 Johannes von Paris, Theologe und Schriftsteller (gest. 1306) 97 Johannes Scotus Eriugena, Gelehrter und Übersetzer (gest. ca. 877) 59 John Peckham, theologischer Lektor und Erzbischof von Canterbury (1279–1292) 80 John Wyclif, englischer Reformer (gest. 1384) 99–102, 107 Juan de Carvajal, Kardinal (gest. 1469) 111

Luther, Martin, dt. Reformator (gest. 1546) 115f., 118, 123

Karl V., König von Frankreich (1364–1380) 103 Karl der Große, fränk. König (768–814) und röm. Kaiser (800–814) 36, 77, 133f. Karl der Kahle, westfränk. König (843–877) und röm. Kaiser (875–877) 53, 59 Kerullarios (siehe Michael Kerullarios) Konstantin (Kyrill), Slawenlehrer (gest. 869) 53 Labbe, Philippe, Jesuit (gest. 1667) 130 Leibniz, Gottfried Wilhelm, Philosoph (gest. 1716) 130 Leo III., Papst (795–816) 36f., 62 Leo IV., Papst (847–855) 18–20, 35, 37f., 44–46, 49, 51, 55, 59, 71, 75, 78, 84, 109–111, 124, 126, 129 Leo Allatius, kath. Theologe und Historiker (gest. 1669) 59–61 Leo von Orvieto (gest. nach 1314) 91 Lothar I., fränk. König (817/840–855) und röm. Kaiser (823–855) 14, 121 Ludwig IV., der Bayer, dt. König (1314–1347) und röm. Kaiser (1328–1347) 92f., 107

Mai, Angelo, Präfekt der Vatikanischen Bibliothek (gest. 1854) 88 Maresius, Samuel, Wissenschaftler/Prediger (gest. 1673) 130 Marianus Scotus, Chronist (gest. 1082) 21, 69, 123, 126f. Marinus I., Papst (882–884) 41 Marinus II., Papst (942–946) 45 Marozia, röm. Adelige (gest. nach 932) 40, 140 Marsilius von Padua, Staatstheoretiker (gest. 1342) 97 Martin V., Papst (1417–1431) 99 Martin Le Franc, Dichter (gest. 1461) 87 Martin von Troppau, Dominikaner/ Chronist (Martinus Polonus bzw. Martin der Pole) (gest. 1278) 18, 20, 25, 27, 69–78, 80–82, 84f., 87, 89, 93, 104, 107, 109f., 114, 120, 123f., 128, 131 Methodius, Slawenlehrer (gest. 885) 53 Michael Kerullarois, byzantinischer Patriarch (1043–1058) 124f. Nikolaus I., Papst (858–867) 37, 39, 41, 46, 48f., 53, 59 Nikolaus III., Papst (1277–1280) 70 Odo, Abt des Klosters Corbie, Bischof von Beauvais (861–881) 56 Otto von Freising, Geschichtsschreiber (gest. 1158) 69, 76 Panvinio, Onofrio, Augustinereremit (gest. 1568) 123–125 Paschalis II., Papst (1099–1118) 19, 29, 31f., 69, 84

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PERSONENREGISTER

Pedro Tenorio, Erzbischof von Toledo (1375–1399) 96 Peter I., König von Zypern (1359–1369) 103 Peter von Morrone (siehe Coelestin V., Papst) Petrarca (siehe Francesco Petrarca) Petrus Hispanus (siehe Johannes XXI., Papst) Petrus Philargus (siehe Alexander V., Papst) Philipp IV., der Schöne, franz. König (1285–1314) 92 Philippe de Mézières, Kanzler von Zypern unter König Peter I. (gest. 1405) 103 Photius von Konstantinopel, Patriarch (858–867 und von 877–886) 127 Pierre d’Ailly (gest. 1420) 105 Pinturicchio (siehe Betto, Bernardino di) Pius II. (Enea Silvio Piccolomini), Papst (1458–1464) 15, 89, 111 Platina (siehe Bartolomeo Platina) Ranulph Higden, Benediktiner (gest. ca. 1364) 85 Robert von Genf (siehe Clemens VII., Papst) Robert d’Uzès, Prediger und Kirchenreformer (gest. 1296) 27, 29 Roger Bacon, Gelehrter (gest. 1294) 80 Roques (de Rocha), (siehe Jean Roques) Sachs, Hans, Poet (gest. 1576) 86, 131 Salomo I., Bischof von Konstanz (838–871) 57 Schernberg, Dietrich, Schriftsteller (gest. ca. 1509) 131 Sergius II., Papst (844–847) 14, 17, 37 Sergius III., Papst (904–911) 67 Sigebert von Gembloux, Chronist (gest. 1112) 21, 69, 120, 123

Sigismund, dt. König (1411–1437) und röm. Kaiser (1433–1437) 99 Silvester II. (Gerbert von Aurillac), Papst (999–1003) 78, 114 Sixtus IV., Papst (1471–1484) 109f. Stephan V., Papst (885–891) 45, 48f. Theodora, Gattin des Senators Theophylakt (gest. nach 916) 40, 68 Theophanes, Chronist (gest. ca. 818) 52 Theophylakt, Senator (gest. ca. 925) 68 Thiota, Predigerin (gest. nach 847) 57–60 Tholomäus von Lucca, Kirchenhistoriker (gest. 1327) 85 Thomas von Aquin (gest. 1274) 74 Thurmair, Johann (Aventinus), Historiker (gest. 1534) 68 Tilesius, Hieronymus, Reformator (gest. 1566) 131 Tomás de Torquemada, spanischer Großinquisitor (gest. 1498) 85 Ulrich von Richental, Chronist (gest. 1437) 101 Urban II., Papst (1088–1099) 63 Urban VI. (Bartolomeo Prignani, Erzbischof von Bari), Papst (1378–1389) 95f., 100 Vincenz von Beauvais, Dominikaner (gest. ca. 1264) 77 Wilhelm von Moerbeke, päpstlicher Pönitentiar (gest. 1286) 80 Wilhelm von Ockham, Philosoph (gest. 1347) 93f., 97, 100, 102, 106 Winfried Bonifatius, Apostel der Deutschen (gest. 754) 76, 133f. Zainer, Johannes (gest. ca. 1523) 86

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