Interzession naher Angehöriger: Eine Untersuchung in historischer und vergleichender Perspektive. Habilitationsschrift 9783161554506, 9783161554513, 3161554507

Die Bestellung von Kreditsicherheiten (Interzession) durch nahe Angehörige stellt das Recht vor eine schwierige Aufgabe:

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Interzession naher Angehöriger: Eine Untersuchung in historischer und vergleichender Perspektive. Habilitationsschrift
 9783161554506, 9783161554513, 3161554507

Table of contents :
Cover
Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
I. Gegenstand der Untersuchung
II. Stand der Forschung
1. Das SC Velleianum und seine Rezeption
2. Metus reverentialis
3. Undue influence
III. Ansatz und Methode der Untersuchung: Vergleichende Rechtsgeschichte
1. Das SC Velleianum und seine Rezeption
2. Metus reverentialis
3. Undue influence
IV. Gang der Darstellung
Teil 1: »Die arme Frau«? – Das SC Velleianum und seine Rezeption
I. Römisches Recht
1. Das SC Velleianum
a) Entstehung und Wortlaut
b) Wirkungsweise
c) Ursprünglicher Zweck
2. Auslegung des SC Velleianum durch die klassischen Juristen
a) Sachlicher Anwendungsbereich
b) Grundsätze
c) Zweck nach der Auslegung durch die klassischen Juristen
3. Nachklassik
II. Die mittelalterliche Rezeption
1. Glossatoren
a) Anwendungsbereich des SC Velleianum
b) Ausnahmen
c) Insbesondere: Verzicht – »Est enim suo favore inducta haec exceptio«
2. Kommentatoren
a) Anwendungsbereich des SC Velleianum
b) Ausnahmen
c) Insbesondere: Verzicht – »eadem fragilitate renuntiat«
III. Das Gemeine Recht der Frühen Neuzeit
1. Die Jurisprudenz des 16. Jahrhunderts
a) Anwendungsbereich des SC Velleianum
b) Ausnahmen
c) Insbesondere: Verzicht – »es mag sich auch ain fraw diser irer freyhaiten verzeihen«
2. Südliche Niederlande
a) Anwendungsbereich des SC Velleianum
b) Ausnahmen
c) Insbesondere: Verzicht – »extra iudicium … mulieres renuntiare non possint«
3. Römisch-holländisches Recht
a) Anwendungsbereich des SC Velleianum
b) Ausnahmen
c) Insbesondere: Verzicht – »iure hodierno … mulier potest renuntiare«
4. Der Usus modernus pandectarum im 17. und 18. Jahrhundert
a) Anwendungsbereich des SC Velleianum
b) Ausnahmen
c) Insbesondere: Verzicht – »renunciare posse communis tenet sententia«
IV. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert
1. Gemeines Recht
a) Anwendungsbereich des SC Velleianum
b) Ausnahmen
c) Insbesondere: Verzicht – »konstanter Gerichtsgebrauch«
2. Gesetzgebung
a) Preußen
aa) Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794
bb) Die Reformprojekte im Vormärz (Gesetzrevision)
cc) Das »Gesetz, betreffend die Aufhebung der besonderen, bei Interzessionen der Frauen geltenden Vorschriften« vom 1. Dezember 1869
b) Österreich
aa) Der Codex Theresianus
bb) Der Entwurf Horten
cc) Der Entwurf Martini
dd) Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811
c) Frankreich
d) Baden
e) Bayern
aa) Die Entwürfe für eine bayerische Zivilrechtskodifikation
(1) Der Entwurf Feuerbachs von 1808/09
(2) Der Entwurf eines revidierten CMBC von 1811
(3) Der Entwurf von 1816/18
(4) Der Entwurf Leonrods von 1834
(5) Der Entwurf von 1861/64
bb) Einzelgesetzgebung
(1) Der Antrag »einige Aenderungen im Civilrechte betreffend« von 1861
(2) Das »Gesetz, die Intercessionen betreffend« vom 14. Januar 1871
f) Hessen-Darmstadt
aa) Die Verordnung vom 2. März 1795
bb) Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs
cc) Das »Gesetz, die Aufhebung der bei Schuldübernahmen der Frauen … bestehenden besonderen Vorschriften betr.« vom 7. Mai 1875
g) Sachsen
aa) Das königliche »Mandat, über die Verbürgungen der Frauenspersonen« vom 6. November 1828
bb) Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs von 1852
cc) Das Sächsische BGB von 1863/65
h) Deutscher Bund, Norddeutscher Bund und Deutsches Reich
aa) Wirtschaftsrecht
(1) Die Allgemeine Deutsche Wechselordnung von 1848
(2) Das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch von 1861
(3) Genossenschafts- und Gewerberecht
bb) Bürgerliches Recht
(1) Der Zweite Deutsche Juristentag 1861
(2) Der Dresdner Entwurf von 1866
(3) Das Bürgerliche Gesetzbuch
Teil 2: »La seule crainte révérentielle … ne suffit point« – Metus reverentialis
I. Römisches Recht
1. Metus
2. Metus reverentialis?
a) Klassik
b) Nachklassik
II. Die mittelalterliche Rezeption
1. Glossatoren
2. Kommentatoren
III. Das Gemeine Recht der Frühen Neuzeit
1. Die Jurisprudenz des 16. Jahrhunderts
2. Südliche Niederlande
3. Römisch-holländisches Recht
4. Der Usus modernus pandectarum im 17. und 18. Jahrhundert
IV. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert
1. Gemeines Recht
2. Gesetzgebung
a) Preußen
aa) Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794
bb) Die Reformprojekte im Vormärz (Gesetzrevision)
b) Österreich
aa) Der Codex Theresianus
bb) Der Entwurf Horten
cc) Der Entwurf Martini
dd) Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811
c) Frankreich
aa) Die Vorentwürfe von Cambacérès und Jacqueminot
bb) Projet de l’An IX
cc) Die abschließenden Beratungen
d) Baden
e) Bayern
aa) Der Entwurf Feuerbachs von 1808/09
bb) Der Entwurf eines revidierten CMBC von 1811
cc) Der Entwurf von 1816/18
dd) Der Entwurf Leonrods von 1834
ee) Der Entwurf von 1861/64
f) Hessen-Darmstadt
g) Sachsen
aa) Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs von 1852
bb) Das Sächsische BGB von 1863/65
h) Deutscher Bund, Norddeutscher Bund und Deutsches Reich
aa) Wirtschaftsrecht
bb) Bürgerliches Recht
(1) Der Dresdner Entwurf von 1866
(2) Das Bürgerliche Gesetzbuch
Teil 3: »The relief stands upon a general principle« – Undue influence
I. Frühe Neuzeit
1. Unconscionable bargains
a) Unconscionable bargains mit künftigen Erben (expectant heirs)
b) Unconscionable bargains mit Seeleuten
2. Undue influence auf Testierende (sog. probate doctrine)
3. Undue influence (sog. equitable doctrine)
a) Undue influence im Verhältnis zwischen Eltern und Kind
b) Undue influence im Verhältnis zwischen Vormund und Mündel
c) Undue influence im Verhältnis zwischen Herr und Diener
d) Undue influence im Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant
e) Undue influence im Verhältnis zwischen Trustee und Begünstigtem (cestuy que trust bzw. beneficiary)
f) Undue influence im Verhältnis zwischen Verlobten oder Eheleuten
4. Huguenin v Baseley (1807)
a) Die Entscheidung
b) Die Rezeption von Huguenin v Baseley in der Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts
II. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert
1. Undue influence auf Testierende (sog. probate doctrine)
2. Undue influence (sog. equitable doctrine)
a) Undue influence im Verhältnis zwischen Eltern und Kind
aa) Allgemeine Grundsätze
bb) Interzessionen
b) Undue influence im Verhältnis zwischen Vormund und Mündel
aa) Allgemeine Grundsätze
bb) Interzessionen
c) Undue influence im Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant
aa) Allgemeine Grundsätze
bb) Interzessionen
d) Undue influence im Verhältnis zwischen Trustee und Begünstigtem (cestuy que trust bzw. beneficiary)
e) Undue influence im Verhältnis zwischen Verlobten oder Eheleuten
aa) Allgemeine Grundsätze
bb) Interzessionen
(1) Cobbett v Brock (1855)
(2) Turnbull & Co v Duval (1902)
(3) Bischoff’s Trustee v Frank (1903)
(4) Chaplin & Co Ltd v Brammall (1908)
(5) Howes v Bishop and Wife (1909)
(6) Bank of Montreal v Stuart (1910)
f) Undue influence im Verhältnis zwischen Arzt und Patient
g) Undue influence im Verhältnis zwischen Geistlichem und Gläubigem
h) Untypische Vertrauensverhältnisse
3. Allcard v Skinner (1887)
4. Gesetzgebung: Indian Contract Act
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
I. Das SC Velleianum und seine Rezeption
II. Metus reverentialis
III. Undue influence
IV. Ausblick
Quellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
Quellenregister
Entscheidungsregister
Personenregister
Sachregister

Citation preview

Beiträge zum ausländischen und internationalen Privatrecht 125 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren: Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann

Stephan Wagner

Interzession naher Angehöriger Eine Untersuchung in historischer und vergleichender Perspektive

Mohr Siebeck

Stephan Wagner, geboren 1971; Studium der Rechtswissenschaft und Geschichte in Regensburg, Genf und Oxford; 1998 M.A.; 2001/02 M.Jur. (Oxford); 2003 Promotion; Wiss. Referent am MPI für ausländisches und internationales Privatrecht, Hamburg; Stellvertretender Refe­ rats­leiter im Bayerischen Wirtschaftsministerium; Wiss. Assistent am Lehrstuhl für Bürger­ liches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung, Universität Regensburg; Visiting Fellow am IECL, Oxford; 2016 Habilitation; Gastprofessor, Freie Universität Berlin; Lehrstuhlvertreter, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Eberhard Karls Universität Tübingen. orcid.org/0000-0002-2476-9557

ISBN 978-3-16-155450-6 / eISBN 978-3-16-155451-3 DOI 10.1628/978-3-16-155451-3 ISSN 0340-6709 / eISSN 2568-6577 (Beiträge zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer­tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck­­papier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden. Printed in Germany.

Vorwort Vorwort

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde im Januar 2016 von der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Regensburg als Habilitationsschrift angenommen. Danach erschienene Literatur wurde bis Sommer 2017 berücksichtigt. Mein Dank gilt an erster Stelle Professor Dr. Martin Löhnig, der mich maßgeblich zur Rückkehr in die Wissenschaft ermutigt und dabei stets in allen Belangen rückhaltlos gefördert und unterstützt hat. Ohne ihn hätte diese Untersuchung nicht entstehen können. Gleiches gilt für Professor Dr. Anatol Dutta, M.Jur. (Oxford), der mir als Akademischer Rat an seinem Lehrstuhl alle denkbaren Freiräume gewährt hat. Für die Möglichkeit, mich wieder voll und ganz der Wissenschaft widmen zu können, stehe ich tief in seiner Schuld. Mein Doktorvater, Professor Dr. Hans-Jürgen Becker, stand mir in all den Jahren stets mit fachlichem und persönlichem Rat zur Seite. Zusammen mit Professor Dr. Jürgen Kühling, LL.M. (Brüssel) hat er die Mühen des Fachmentorats auf sich genommen, wofür ich mich herzlich bedanke. Professor Dr. Dr. h.c. mult. Reinhard Zimmermann hat mein Interesse früh auf die englische Equity und undue influence gelenkt. Ihm und den beiden anderen Direktoren des Hamburger Max-Planck-Instituts, Professor Dr. Dr. h.c. mult. Jürgen Basedow, LL.M. (Harvard Univ.) und Professor Dr. Dr. h.c. Holger Fleischer, LL.M. (Univ. of Michigan), Dipl.-Kfm., danke ich zudem für die Aufnahme der Arbeit in die Beiträge zum ausländischen und internationalen Privatrecht. Mein besonderer Dank gebührt sodann Professor Stefan Vogenauer, M.Jur. (Oxford), der mir als Direktor des Institute of European and Comparative Law in Oxford die Gelegenheit eröffnet hat, dort als Visiting Fellow zu forschen. Möglich wurde dies nicht zuletzt durch ein Freisemester, das mir der Präsident der Universität Regensburg im Rahmen des Academic-ResearchSabbatical-Programms gewährt hat. Ein herzliches Vergelts Gott sage ich weiterhin allen Kolleginnen und Kollegen im Bayerischen Wirtschaftsministerium, die mir bei meiner wissenschaftlichen Tätigkeit stets den Rücken gestärkt haben, insbesondere Dr. Martin Babl, Josef Beck, Marina Besl, Dr. Martina Hartl, Volker Hoffmann, Dr. Hannes Hofmeister, Andreas Lippstreu, Holger Meyer, Dr. Karin Rißmann, Dr. Thorsten Schmiege und Daniela Staudigl.

VI

Vorwort

Die Mühe des Korrekturlesens haben Theresa Hundsdorfer (Beilngries), Monika Rölz (Regensburg), Maria-Viktoria Runge-Rannow (Untergrafenried), Dr. Manfred Wolter (Hechendorf) und Annika Zürn, M.A. (Tübingen) auf sich genommen. Wertvolle orthographische Unterstützung leistete auf dem kurzen Dienstweg Christian Stang (Regensburg). Janina Jentz, LL.M. Oec., M.A. (Hamburg) hat es übernommen, aus einer Reihe von Dateien ein schönes Buch zu machen. Ihnen allen danke ich hierfür ganz herzlich! Gewidmet ist dieses Buch in Liebe und Dankbarkeit meinen Eltern, Philipp und Hedwig Wagner, die mich durch alle Höhen und Tiefen begleitet haben. Garmisch-Partenkirchen, 26. Oktober 2018

Stephan Wagner

Inhaltsübersicht Inhaltsübersicht

Inhaltsübersicht

Vorwort ......................................................................................................... V Inhaltsverzeichnis ........................................................................................ IX Abkürzungsverzeichnis .............................................................................. XV

Einleitung I. Gegenstand der Untersuchung .................................................................. 1 II. Stand der Forschung................................................................................. 2 III. Ansatz und Methode der Untersuchung: Vergleichende Rechtsgeschichte .............................................................. 6 IV. Gang der Darstellung .............................................................................. 10

Teil 1: »Die arme Frau«? – Das SC Velleianum und seine Rezeption I. Römisches Recht ..................................................................................... 11 II. Die mittelalterliche Rezeption ................................................................. 43 III. Das Gemeine Recht der Frühen Neuzeit .................................................. 86 IV. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert ......................................... 180

Teil 2: »La seule crainte révérentielle … ne suffit point« – Metus reverentialis I. Römisches Recht ................................................................................... 297 II. Die mittelalterliche Rezeption ............................................................... 308 III. Das Gemeine Recht der Frühen Neuzeit ................................................ 324 IV. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert ......................................... 353

VIII

Inhaltsübersicht

Teil 3: »The relief stands upon a general principle« – Undue influence I. Frühe Neuzeit........................................................................................ 421 II. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert ......................................... 465

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse I. Das SC Velleianum und seine Rezeption .............................................. 537 II. Metus reverentialis................................................................................ 542 III. Undue influence .................................................................................... 547 IV. Ausblick ................................................................................................ 549

Quellenverzeichnis ..................................................................................... 551 Literaturverzeichnis .................................................................................... 573 Quellenregister ........................................................................................... 593 Entscheidungsregister ................................................................................. 607 Personenregister ......................................................................................... 615 Sachregister ................................................................................................ 623

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ......................................................................................................... V Abkürzungsverzeichnis .............................................................................. XV

Einleitung I. Gegenstand der Untersuchung .................................................................. 1 II. Stand der Forschung................................................................................. 2 1. Das SC Velleianum und seine Rezeption ................................................. 4 2. Metus reverentialis................................................................................... 5 3. Undue influence ....................................................................................... 6 III. Ansatz und Methode der Untersuchung: Vergleichende Rechtsgeschichte .............................................................. 6 1. Das SC Velleianum und seine Rezeption ................................................. 7 2. Metus reverentialis................................................................................... 9 3. Undue influence ....................................................................................... 9 IV. Gang der Darstellung .............................................................................. 10

Teil 1: »Die arme Frau«? – Das SC Velleianum und seine Rezeption I. Römisches Recht ..................................................................................... 11 1. Das SC Velleianum ................................................................................. 12 a) Entstehung und Wortlaut .................................................................... 12 b) Wirkungsweise ................................................................................... 16 c) Ursprünglicher Zweck ........................................................................ 18 2. Auslegung des SC Velleianum durch die klassischen Juristen .................20 a) Sachlicher Anwendungsbereich .......................................................... 20 b) Grundsätze .......................................................................................... 26 c) Zweck nach der Auslegung durch die klassischen Juristen ..................32

X

Inhaltsverzeichnis

3. Nachklassik ............................................................................................. 34 II. Die mittelalterliche Rezeption ................................................................. 43 1. Glossatoren ............................................................................................. 46 a) Anwendungsbereich des SC Velleianum .............................................46 b) Ausnahmen ......................................................................................... 54 c) Insbesondere: Verzicht – »Est enim suo favore inducta haec exceptio« ............................................................................................ 57 2. Kommentatoren....................................................................................... 65 a) Anwendungsbereich des SC Velleianum .............................................65 b) Ausnahmen ......................................................................................... 71 c) Insbesondere: Verzicht – »eadem fragilitate renuntiat« .......................77 III. Das Gemeine Recht der Frühen Neuzeit ..................................................86 1. Die Jurisprudenz des 16. Jahrhunderts ....................................................89 a) Anwendungsbereich des SC Velleianum .............................................89 b) Ausnahmen ......................................................................................... 93 c) Insbesondere: Verzicht – »es mag sich auch ain fraw diser irer freyhaiten verzeihen«........................................................................ 103 2. Südliche Niederlande ............................................................................ 117 a) Anwendungsbereich des SC Velleianum ........................................... 117 b) Ausnahmen ....................................................................................... 120 c) Insbesondere: Verzicht – »extra iudicium … mulieres renuntiare non possint« ..................................................................... 122 3. Römisch-holländisches Recht ............................................................... 124 a) Anwendungsbereich des SC Velleianum ........................................... 124 b) Ausnahmen ....................................................................................... 129 c) Insbesondere: Verzicht – »iure hodierno … mulier potest renuntiare« ........................................................................................ 135 4. Der Usus modernus pandectarum im 17. und 18. Jahrhundert ............... 146 a) Anwendungsbereich des SC Velleianum ........................................... 146 b) Ausnahmen ....................................................................................... 155 c) Insbesondere: Verzicht – »renunciare posse communis tenet sententia«.......................................................................................... 164 IV. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert ......................................... 180 1. Gemeines Recht .................................................................................... 183 a) Anwendungsbereich des SC Velleianum ........................................... 183 b) Ausnahmen ....................................................................................... 193 c) Insbesondere: Verzicht – »konstanter Gerichtsgebrauch« ................. 196 2. Gesetzgebung ........................................................................................ 200

Inhaltsverzeichnis

XI

a) Preußen ............................................................................................. 200 aa) Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 ............................................................................................ 200 bb) Die Reformprojekte im Vormärz (Gesetzrevision) ...................... 210 cc) Das »Gesetz, betreffend die Aufhebung der besonderen, bei Interzessionen der Frauen geltenden Vorschriften« vom 1. Dezember 1869 ....................................................................... 212 b) Österreich ......................................................................................... 218 aa) Der Codex Theresianus ............................................................... 218 bb) Der Entwurf Horten .................................................................... 219 cc) Der Entwurf Martini ................................................................... 219 dd) Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811..................... 221 c) Frankreich......................................................................................... 225 d) Baden ............................................................................................... 228 e) Bayern .............................................................................................. 230 aa) Die Entwürfe für eine bayerische Zivilrechtskodifikation ........... 230 (1) Der Entwurf Feuerbachs von 1808/09.................................... 231 (2) Der Entwurf eines revidierten CMBC von 1811 .................... 231 (3) Der Entwurf von 1816/18 ...................................................... 235 (4) Der Entwurf Leonrods von 1834 ........................................... 236 (5) Der Entwurf von 1861/64 ...................................................... 237 bb) Einzelgesetzgebung .................................................................... 240 (1) Der Antrag »einige Aenderungen im Civilrechte betreffend« von 1861 ............................................................. 240 (2) Das »Gesetz, die Intercessionen betreffend« vom 14. Januar 1871 ..................................................................... 244 f) Hessen-Darmstadt ............................................................................. 251 aa) Die Verordnung vom 2. März 1795............................................. 251 bb) Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs .............................. 253 cc) Das »Gesetz, die Aufhebung der bei Schuldübernahmen der Frauen … bestehenden besonderen Vorschriften betr.« vom 7. Mai 1875................................................................................. 254 g) Sachsen ............................................................................................. 257 aa) Das königliche »Mandat, über die Verbürgungen der Frauenspersonen« vom 6. November 1828 ................................. 257 bb) Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs von 1852 .............. 258 cc) Das Sächsische BGB von 1863/65 .............................................. 260 h) Deutscher Bund, Norddeutscher Bund und Deutsches Reich ............ 262 aa) Wirtschaftsrecht .......................................................................... 262 (1) Die Allgemeine Deutsche Wechselordnung von 1848 ........... 263 (2) Das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch von 1861 ....... 266 (3) Genossenschafts- und Gewerberecht ..................................... 270 bb) Bürgerliches Recht...................................................................... 271

XII

Inhaltsverzeichnis

(1) Der Zweite Deutsche Juristentag 1861................................... 271 (2) Der Dresdner Entwurf von 1866 ............................................ 275 (3) Das Bürgerliche Gesetzbuch .................................................. 277

Teil 2: »La seule crainte révérentielle … ne suffit point« – Metus reverentialis I. Römisches Recht ................................................................................... 297 1. Metus .................................................................................................... 297 2. Metus reverentialis? .............................................................................. 302 a) Klassik .............................................................................................. 302 b) Nachklassik ...................................................................................... 305 II. Die mittelalterliche Rezeption ............................................................... 308 1. Glossatoren ........................................................................................... 308 2. Kommentatoren..................................................................................... 313 III. Das Gemeine Recht der Frühen Neuzeit ................................................ 324 1. 2. 3. 4.

Die Jurisprudenz des 16. Jahrhunderts .................................................. 324 Südliche Niederlande ............................................................................ 334 Römisch-holländisches Recht ............................................................... 338 Der Usus modernus pandectarum im 17. und 18. Jahrhundert ............... 345

IV. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert ......................................... 353 1. Gemeines Recht .................................................................................... 353 2. Gesetzgebung ........................................................................................ 358 a) Preußen ............................................................................................. 358 aa) Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 ............................................................................................ 358 bb) Die Reformprojekte im Vormärz (Gesetzrevision) ...................... 360 b) Österreich ......................................................................................... 360 aa) Der Codex Theresianus ............................................................... 360 bb) Der Entwurf Horten .................................................................... 361 cc) Der Entwurf Martini ................................................................... 361 dd) Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811..................... 364 c) Frankreich......................................................................................... 367 aa) Die Vorentwürfe von Cambacérès und Jacqueminot ................... 372 bb) Projet de l’An IX ........................................................................ 375 cc) Die abschließenden Beratungen .................................................. 379 d) Baden ............................................................................................... 384

Inhaltsverzeichnis

XIII

e) Bayern .............................................................................................. 390 aa) Der Entwurf Feuerbachs von 1808/09 ......................................... 390 bb) Der Entwurf eines revidierten CMBC von 1811.......................... 392 cc) Der Entwurf von 1816/18 ........................................................... 394 dd) Der Entwurf Leonrods von 1834 ................................................. 395 ee) Der Entwurf von 1861/64 ........................................................... 397 f) Hessen-Darmstadt ............................................................................. 398 g) Sachsen ............................................................................................. 402 aa) Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs von 1852 .............. 402 bb) Das Sächsische BGB von 1863/65 .............................................. 404 h) Deutscher Bund, Norddeutscher Bund und Deutsches Reich ............ 407 aa) Wirtschaftsrecht .......................................................................... 407 bb) Bürgerliches Recht...................................................................... 407 (1) Der Dresdner Entwurf von 1866 ............................................ 407 (2) Das Bürgerliche Gesetzbuch .................................................. 410

Teil 3: »The relief stands upon a general principle« – Undue influence I. Frühe Neuzeit........................................................................................ 421 1. Unconscionable bargains ...................................................................... 423 a) Unconscionable bargains mit künftigen Erben (expectant heirs) ...... 423 b) Unconscionable bargains mit Seeleuten ........................................... 428 2. Undue influence auf Testierende (sog. probate doctrine) ...................... 432 3. Undue influence (sog. equitable doctrine) ............................................. 436 a) Undue influence im Verhältnis zwischen Eltern und Kind ................ 436 b) Undue influence im Verhältnis zwischen Vormund und Mündel ....... 438 c) Undue influence im Verhältnis zwischen Herr und Diener ................ 441 d) Undue influence im Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant ........ 444 e) Undue influence im Verhältnis zwischen Trustee und Begünstigtem (cestuy que trust bzw. beneficiary) ............................. 448 f) Undue influence im Verhältnis zwischen Verlobten oder Eheleuten .......................................................................................... 450 4. Huguenin v Baseley (1807) ................................................................... 453 a) Die Entscheidung .............................................................................. 453 b) Die Rezeption von Huguenin v Baseley in der Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts.......................................................................... 460 II. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert ......................................... 465 1. Undue influence auf Testierende (sog. probate doctrine) ...................... 466 2. Undue influence (sog. equitable doctrine) ............................................. 472

XIV

Inhaltsverzeichnis

a) Undue influence im Verhältnis zwischen Eltern und Kind ................ 472 aa) Allgemeine Grundsätze ............................................................... 472 bb) Interzessionen ............................................................................. 477 b) Undue influence im Verhältnis zwischen Vormund und Mündel ....... 486 aa) Allgemeine Grundsätze ............................................................... 486 bb) Interzessionen ............................................................................. 487 c) Undue influence im Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant ........ 490 aa) Allgemeine Grundsätze ............................................................... 490 bb) Interzessionen ............................................................................. 495 d) Undue influence im Verhältnis zwischen Trustee und Begünstigtem (cestuy que trust bzw. beneficiary) ............................. 497 e) Undue influence im Verhältnis zwischen Verlobten oder Eheleuten .......................................................................................... 499 aa) Allgemeine Grundsätze ............................................................... 499 bb) Interzessionen ............................................................................. 502 (1) Cobbett v Brock (1855).......................................................... 503 (2) Turnbull & Co v Duval (1902)............................................... 504 (3) Bischoff’s Trustee v Frank (1903) ......................................... 506 (4) Chaplin & Co Ltd v Brammall (1908) ................................... 508 (5) Howes v Bishop and Wife (1909) ........................................... 510 (6) Bank of Montreal v Stuart (1910) .......................................... 513 f) Undue influence im Verhältnis zwischen Arzt und Patient ................ 515 g) Undue influence im Verhältnis zwischen Geistlichem und Gläubigem ........................................................................................ 517 h) Untypische Vertrauensverhältnisse ................................................... 521 3. Allcard v Skinner (1887) ....................................................................... 524 4. Gesetzgebung: Indian Contract Act ....................................................... 529

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse I. Das SC Velleianum und seine Rezeption .............................................. 537 II. Metus reverentialis................................................................................ 542 III. Undue influence .................................................................................... 547 IV. Ausblick ................................................................................................ 549 Quellenverzeichnis ..................................................................................... 551 Literaturverzeichnis .................................................................................... 573 Quellenregister ........................................................................................... 593 Entscheidungsregister ................................................................................. 607 Personenregister ......................................................................................... 615 Sachregister ................................................................................................ 623

Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ABGB AC AcP ADHGB ADWO Afr. AGO AHDE Alex. ALR Anast. ANRW Ant. App Cas ApR Arch. giur. Atk Auth. B Ball & B Bas. BayHStA BayLT BayObLG BayOGH BayStMJ BDCL Beav BGB BGBl. BIDR Bligh NS

Abkürzungsverzeichnis Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Justizgesetzsammlung 1811, Nr. 946, S. 277) Law Reports, Appeal Cases, House of Lords and Privy Council (seit 1891) Archiv für die civilistische Praxis Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch (hrsg. von Johann Lutz) Allgemeine Deutsche Wechselordnung (RGBl. 1848 S. 19) Sextus Caecilius Africanus Allgemeine Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten Anuario de Historia del Derecho Español Severus Alexander Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten (hrsg. von Hans Hattenhauer) Anastasius Aufstieg und Niedergang der Römischen Welt Severus Antoninus Law Reports, Appeal Cases, House of Lords and Privy Council (1875–1890) Archiv für praktische Rechtswissenschaft Archivio giuridico Atkyns’ Chancery Reports Authentica, Authenticum Baron Ball and Beatty’s Irish Chancery Reports Basilika Bayerisches Hauptstaatsarchiv (München) Bayerischer Landtag Bayerisches Oberstes Landesgericht Bayerischer Oberster Gerichtshof Bayerisches Staatsministerium der Justiz Biographical Dictionary of the Common Law (ed. by A. W. B. Simpson) Beavan’s Rolls Court Reports Bürgerliches Gesetzbuch (RGBl. 1896 S. 195) Bundesgesetzblatt Bullettino dell’Istituto di Diritto Romano Bligh’s Reports, New Series, House of Lords

XVI Bro CC Bro PC BR-Drs. Buchka/Budde/Schmidt BVerfG BVerfGE Call. Can SCR Cases t Talbot CB CB NS Cc Cels. Ch Ch Cas Ch D CJ Cl & Fin CLJ CLR CMBC Cod. Const.

Abkürzungsverzeichnis Brown’s Chancery Cases Brown’s Parliament Cases Bundesrat(h)sdrucksache Entscheidungen des Großherzoglich Mecklenburgischen Oberappellationsgerichts zu Rostock, hrsg. von Hermann Buchka, Johann Friedrich Budde und Carl Adolf Schmidt Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

Cox Curt

Callistratus Canada Supreme Court Reports Cases tempore Talbot Chief Baron Common Bench Reports, New Series Code civil Publius Iuventius Celsus Law Reports, Chancery Division (seit 1891) Cases in Chancery Law Reports, Chancery Division (1875–1890) Chief Justice Clark and Finnely’s House of Lords Cases Cambridge Law Journal Commonwealth Law Reports Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis Codex Iustinianus Constitutio; Konstantin I. Cox’s Chancery Cases Curteis’ Ecclesiastical Reports

Decr. Grat. De G & J De G & Sm De G F & J De G J & S De G M & G Dig. Diocl. et Max. DJT Drew

Decretum Gratiani De Gex and Jones’ Chancery Reports De Gex and Smale’s Chancery Reports De Gex, Fisher and Jones’ Chancery Reports De Gex, Jones and Smith’s Chancery Reports De Gex, Macnaghten and Gordon’s Chancery Reports Digesta Iustiniani Diocletianus et Maximianus Deutscher Juristentag Drewry’s Vice-Chancellors’ Reports

EAGB

Entwurf eines Allgemeinen Gesetzbuchs für die Preußischen Staaten Edinburgh Law Review Edictum Rothari (verwendete Ausgabe von Franz Beyerle) English Reports Erkenntnis European Review of Private Law

Edinburgh LR Ed. Roth. ER Erk. ERPL

Abkürzungsverzeichnis

XVII

F&F f., ff. ff. fol. Freem

Foster and Finlason’s Nisi Prius Reports folgende(r) Digesta Iustiniani folio Freeman’s Chancery Reports

Gai Gai. Giff Gl. Gord. Grat. Val. et Theod. Gruchot

Gai Institutiones Gaius Giffard’s Vice-Chancellors’ Reports Glossa Gordian III. Gratianus, Valentinianus et Theodosius Gruchot – Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts

Hagg Ecc Hare Hawarde

Haggard’s Ecclesiastical Reports Hare’s Vice-Chancellors’ Reports Hawarde, Les Reportes del Cases in Camera Stellata (ed. by William Paley Baildon) Hessischer Landtag (Großherzogtum Hessen-Darmstadt) Hessisches Ministerium des Innern und der Justiz (Großherzogtum Hessen-Darmstadt) Handelsgesetzbuch (RGBl. 1897 S. 219) Historisch-kritischer Kommentar zum BGB (hrsg. von Mathias Schmoeckel, Joachim Rückert und Reinhard Zimmermann) Clarke’s House of Lords Cases Honorius et Theodosius Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte

HessLT HessMIJ HGB HKK HLC Hon. et Theod. HRG IECL Inst. Ir Ch Ir Eq Rep Iul. IVRA Ius Commune Iust. J JCL JhJ JosGB JuS JW JZ

International Encyclopedia of Comparative Law Institutiones Iustiniani Irish Chancery Reports Irish Equity Reports Salvius Iulianus IVRA – Rivista internazionale di diritto romano e antico Ius Commune – Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Europäische Rechtsgeschichte bzw. Zeitschrift für Europäische Rechtsgeschichte Justinian I. Justice Journal of Contract Law Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts Josephinisches Gesetzbuch (Justizgesetzsammlung 1786, Nr. 591, S. 71) Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristen-Zeitung

XVIII

Abkürzungsverzeichnis

K&J KB KritV

Kay and Johnson’s Vice-Chancellors’ Reports Law Reports, King’s Bench Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft

Lab. Labeo LC LCJ Lee Lib. Extra Lib. Sext. LJ Ch LQR LR Ch App LR Eq LR P & D LSI LT LT-Drs.

Marcus Antistius Labeo Labeo – Rassegna di diritto romano Lord Chancellor Lord Chief Justice Lee’s Ecclesiastical Reports Liber Extra Liber Sextus Law Journal Reports, Chancery Law Quarterly Review Law Reports, Chancery Appeal Cases (1865–1875) Law Reports, Equity Cases (1865–1875) Law Reports, Probate and Divorce Cases (1865–1875) Law & Social Inquiry Law Times Reports Landtagsdrucksache

Madd Marci. Michigan LR MJ MLR Mod. Moo PC My & Cr My & K

Maddock’s Chancery Reports Aelius Marcianus Michigan Law Review Maastricht Journal of European and Comparative Law Modern Law Review Herennius Modestinus Moore’s Privy Council Cases Mylne and Craig’s Chancery Reports Mylne and Keen’s Chancery Reports

NJW Nov.

Neue Juristische Wochenschrift Novellae Iustiniani

OAG ÖAW OG OHLE OIR OJLS OLG

Oberappellationsgericht Österreichische Akademie der Wissenschaften Obergericht The Oxford History of the Laws of England Orbis Iuris Romani Oxford Journal of Legal Studies Oberlandesgericht

P

Law Reports, Probate, Divorce and Admiralty Division (seit 1891) Aemilius Papinianus Iulius Paulus Law Reports, Probate, Divorce and Admiralty Division (1875– 1890) Phillips’ Chancery Reports

Pap. Paul. PD Ph

Abkürzungsverzeichnis

XIX

Phil. Phill Ecc Pomp. pr. Prec Ch Price PrLT P Wms

Philippus Phillimore’s Ecclesiastical Reports Sextus Pomponius principium Precedents in Chancery Price’s Exchequer Reports Preußischer Landtag Peere Williams’ Reports, Chancery and King’s Bench

QBD QNPD

Law Reports, Queen’s Bench Division (1875–1890) Quellen zur Neueren Privatrechtsgeschichte Deutschlands

r RA

recto Rheinisches Archiv – Archiv für das Civil- und CriminalRecht der Königlich Preußischen Rheinprovinzen Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft Rechtskultur – Zeitschrift für Europäische Rechtsgeschichte Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Revue historique de droit français et étranger Revue internationale des droits de l’antiquité Rivista Internazionale di Diritto Comune Rivista Italiana per le Scienze Giuridiche Reichsjustizamt Robertson’s Ecclesiastical Reports Reichsoberhandelsgericht Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts Recueils de la Société Jean Bodin Reichstagsdrucksache Russell’s Chancery Reports

RE Rechtskultur RG RGBl. RGZ RHD RIDA RIDC RISG RJA Rob Ecc ROHG ROHGE RSJB RT-Drs. Russ Sächsisches BGB SächsStReg SALJ SC Scaev. SDHI Sel Cas t King SeuffA SeuffBl Shower PC Sim Sim & St Sm & Giff

Bürgerliches Gesetzbuch für das Königreich Sachsen (Gesetzund Verordnungsblatt 1863, Nr. 1, S. 1) Sächsische Staatsregierung South African Law Journal Senatus Consultum Cervidius Scaevola Studia et Documenta Historiae et Iuris Select Cases tempore King Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten Seufferts Blätter für Rechtsanwendung zunächst in Bayern Shower’s Cases in Parliament Simons’ Chancery Reports Simons and Stuart’s Chancery Reports Smale and Giffard’s Chancery Reports

XX Ssp.

Abkürzungsverzeichnis

StGB Style

Sachsenspiegel (verwendete Ausgabe von Karl August Eckhardt) Strafgesetzbuch Style’s Reports, King’s Bench

Ter. Cl. TE-AT TE-ErbR TE-FamR Theod. et Arcad. TLR TR TRG Tulane LR Turn & R

Terentius Clemens Teilentwurf zum Allgemeinen Teil Teilentwurf zum Erbrecht Teilentwurf zum Familienrecht Theodosius et Arcadius Times Law Reports Term Reports Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis Tulane Law Review Turner and Russell’s Chancery Reports

Ulp.

Domitius Ulpianus

v Val. et Gall. V-C VergabeR Vern Ves & B Ves Jun Ves Jun Supp Ves Sen Ves Sen Supp

verso, versus Valerianus et Gallienus Vice-Chancellor Vergaberecht – Zeitschrift für das gesamte Vergaberecht Vernon’s Chancery Reports Vesey and Beames’ Chancery Reports Vesey Junior’s Chancery Reports Vesey Junior’s Chancery Reports, Supplement Vesey Senior’s Chancery Reports Vesey Senior’s Chancery Reports, Supplement

West t Hard WGGB Wilm Wils KB WM

West’s Chancery Reports tempore Hardwicke Westgalizisches Gesetzbuch (Justizgesetzsammlung 1797, Nr. 337, S. 258 bzw. Nr. 373, S. 502) Wilmot’s Reports, King’s Bench Wilson’s Reports, King’s Bench Wertpapiermitteilungen

Y & C CC Y & C Ex

Younge and Collyer’s Chancery Cases Younge and Collyer’s Exchequer Reports

ZCP ZEuP ZfRV ZHR ZNR ZPO ZRG GA

Zeitschrift für Civilrecht und Prozeß Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Rechtsvergleichung Zeitschrift für das gesam(m)te Handelsrecht Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte Zivilprozessordnung Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Romanistische Abteilung

ZRG RA

Einleitung Einleitung

I. Gegenstand der Untersuchung

I. Gegenstand der Untersuchung

Die Bestellung von Kreditsicherheiten (Interzession) durch nahe Angehörige stellt das Recht vor eine schwierige Aufgabe: Wie soll es reagieren und welche Rechtsfolgen sollen daran geknüpft werden, wenn auf den Besteller der Sicherheit Druck aus seiner unmittelbaren persönlichen Umgebung ausgeübt wird? Einerseits ist mit Blick auf eine funktionsfähige Rechtsordnung grundsätzlich zu unterstellen, dass voll Geschäftsfähige sich der Tragweite ihres Handelns bewusst und somit in der Lage sind, ihre Interessen eigenverantwortlich wahrzunehmen. Andererseits setzt eine liberale Werte- und Wirtschaftsordnung notwendigerweise die Freiheit der Willensbildung und -betätigung der in ihr Handelnden voraus. Der Schutz dieser Freiheit ist daher eine grundlegende Aufgabe, die das deutsche BGB etwa im Falle der arglistigen Täuschung oder widerrechtlichen Drohung dadurch zu lösen versucht, dass es die Anfechtbarkeit einer unter solchen Umständen abgegebenen Willenserklärung statuiert. Wie steht es allerdings mit Situationen, in denen weder eine arglistige Täuschung noch eine widerrechtliche Drohung vorliegt, der Erklärende aber gleichwohl unter so großem Druck steht, dass ihm kaum eine Wahl bleibt? Jede Rechtsordnung sieht sich hier einem besonderen Spannungsfeld ausgesetzt, möchte sie dem Erklärenden nicht jeden Schutz versagen, aber umgekehrt auch nicht jede geringfügige Beeinflussung durch äußere Umstände sanktionieren. Die Fragen, die sich unweigerlich stellen, lauten daher: Welche Intensität bzw. welchen Schwellenwert muss dieser Druck erreichen, ehe die Rechtsordnung interveniert? Tut sie dies nur in besonderen Fallkonstellationen oder generell? Und schließlich, mit welchen Mitteln – das heißt, welche Rechtsfolgen werden an eine unter einem solchen Druck abgegebene Willenserklärung geknüpft? Der bekannte »Bürgschaftsbeschluss« des deutschen Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1993 erteilt in seinem Leitsatz dabei programmatisch folgenden Schutzauftrag an die Zivilgerichte: »Die Zivilgerichte müssen – insbesondere bei der Konkretisierung und Anwendung von Generalklauseln wie § 138 und § 242 BGB – die grundrechtliche Gewährleistung der Privatautonomie in Art. 2 Abs. 1 GG beachten. Daraus ergibt sich die Pflicht zur Inhalts-

2

Einleitung

kontrolle von Verträgen, die einen der beiden Vertragspartner ungewöhnlich stark belasten und das Ergebnis strukturell ungleicher Verhandlungsstärke sind.«1

Die Pflicht zur Inhaltskontrolle folgt nach diesem zweigliedrigen Ansatz des Bundesverfassungsgerichts also aus der ungewöhnlich starken Belastung des einen Teils und der strukturell ungleichen Verhandlungsstärke. Die Zivilgerichte haben daher die Pflicht, Beschränkungen und Verfälschungen der Willensbildung bei Vertragsschluss zu berücksichtigen und »bei der Auslegung und Anwendung der Generalklauseln darauf zu achten, daß Verträge nicht als Mittel der Fremdbestimmung dienen.«2 Im Vordergrund steht für das Bundesverfassungsgericht also ein Mindestmaß an Schutz der Privatautonomie,3 mit anderen Worten »ein materiales Verständnis der Privatautonomie im Sinne tatsächlicher Entscheidungsfreiheit« (Canaris).4 Wie diese Vorgaben konkret umzusetzen sind, war für einige Zeit selbst innerhalb des Bundesgerichtshofs umstritten, was die besondere Schwierigkeit dieser Problematik verdeutlicht.5 Der seither eingeschlagene Weg über die Generalklauseln des BGB wird inzwischen aber kaum noch in Frage gestellt, so als wäre dies die einzig denkbare Lösung eines Problems, das sich dergestalt erstmalig im 20. Jahrhundert nach dem Inkrafttreten des BGB gestellt habe.6 Dabei hatten sich schon frühere Rechtsordnungen mit vergleichbaren Konstellationen auseinandersetzen müssen. Die von ihnen entwickelten Lösungsansätze bergen möglicherweise einen reichhaltigen Erfahrungsschatz, der auch zum heutigen Verständnis einen wertvollen Beitrag leisten mag. Die vorliegende Arbeit möchte daher den Blick gerade auf diese Vergangenheit richten.

II. Stand der Forschung II. Stand der Forschung

Zum geltenden deutschen Recht liegen zahlreiche Untersuchungen vor, die sich mit der Entwicklung der Rechtsprechung seit dem »Bürgschaftsbeschluss« des Bundesverfassungsgerichts eingehend auseinandersetzen.7

BVerfG, Beschl. v. 19. Okt. 1993, BVerfGE 89, 214 = NJW 1994, 36. BVerfG, Beschl. v. 19. Okt. 1993, BVerfGE 89, 214, 234. 3 MEDICUS, JuS 1999, 833, 834 f.; ZÖLLNER, WM 2000, 1, 2, 5; DIETERICH, WM 2000, 11, 13. 4 CANARIS, AcP 200 (2000), 273, 296 und 299. 5 Hierzu PALANDT  /  HEINRICHS, BGB, 59. Aufl. (2000), § 138 Rn. 38–38i; REINICKE  /  TIEDTKE, Bürgschaftsrecht, 3. Aufl. (2008), Rn. 179 ff. Zum Diskussionsstand vor dem Bürgschaftsbeschluss des BVerfG insbesondere HEINRICHSMEIER, Die Einbeziehung des Ehegatten in die Haftung für Geldkredite (1993); BECKER, Maßvolle Kreditsicherung (1999), S. 401 ff. 6 So dezidiert HAFERKAMP, in: HKK, Bd. III/2 (2013), §§ 765–778 Rn. 94–96, 100– 105, 114. 1 2

II. Stand der Forschung

3

Auch erste rechtsvergleichende Arbeiten sind bereits entstanden.8 So beschäftigen sich Fountoulakis und Ungan mit der Interzession naher Angehöriger im deutschen und englischen Rechtskreis.9 Innerhalb des deutschen Rechtskreises untersucht zudem Thoß die Entwicklung der Rechtsprechung in Deutschland und Österreich.10 Cherednychenko wiederum widmet dem Vergleich von Deutschland, England und den Niederlanden ein Kapitel in ihrer Arbeit zum Einfluss der Grundrechte auf das Vertragsrecht.11 Hervorzuheben ist daneben der von Colombi Ciacchi unter einem ausdrücklich europäischen Blickwinkel herausgegebene Sammelband mit Länderberichten zu prominenten nationalen Rechtsordnungen sowie einer Darstellung der normativen Vorschläge für eine Rechtsvereinheitlichung auf europäischer Ebene.12 Mit Blick auf die Rechtssoziologie fällt hingegen auf, dass in Deutschland bislang kaum empirische Untersuchungen zu dieser Problematik existieren. Eine Erhebung unter 700 Frauen, die sich zwischen dem 1. Mai 1999 und 7 Vgl. etwa die Dissertationen von KLEIM, Der Einfluß einseitiger ökonomischer Interessenverfehlungen auf die Wirksamkeit von Kredit- und Bürgschaftsverträgen (1997/98); DÖRR, Kreditsicherung durch mittellose Sicherungsgeber (1998); BARNERT, Die formelle Vertragsethik des BGB (1999), S. 296 ff.; 328 ff.; CHELIDONIS, Die erkennbar untaugliche Bürgschaft (1999). 8 Schon KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung von Vertrauensverhältnissen im englischen, französischen und deutschen Recht (1975) vergleicht die einschlägigen Rechtsinstitute, ohne aber auf die Bestellung von Kreditsicherheiten einzugehen. 9 FOUNTOULAKIS, Interzession naher Angehöriger, eine rechtsvergleichende Untersuchung im deutschen und angelsächsischen Rechtskreis (2005); UNGAN, Sicherheiten durch Angehörige – Eine vergleichende Untersuchung zum englischen und deutschen Recht (2012). Vgl. ferner HADJIANI, Sicherungsleistungen naher Angehöriger im englischen, deutschen und österreichischen Privatrecht, ZfRV 2003, 83 ff. 10 THOSS, Bürgenschutz im österreichischen und deutschen Recht (2007). Ferner RABL, Bürgschaft (2000), S. 58 ff. 11 CHEREDNYCHENKO, Fundamental Rights, Contract Law and the Protection of the Weaker Party – A Comparative Analysis of the Constitutionalisation of Contract Law, with Emphasis on Risky Financial Transactions (2007), S. 301 ff. Vgl. ferner TJITTES, Bezwaarde Verwanten (1996); VAN ROEYEN  /  FERRARI  /  INZITARI  /  GEELHAND, Barclays Bank plc v O’Brien and another [1993] 4 All ER 417, BVerfG, 19.10.1993, ERPL 4 (1996), 263 ff.; BENEDETTI, La moglie garante del marito: vero consenso o abuso di intimità familiare?, Trusts e attività fiduciarie 2000, 208 ff.; LEBON, Vorlagebeschluss of June 29, 1999 – The protection of »vulnerable sureties« as to German, French, Belgian, Dutch, English and Scottish law, ERPL 9 (2001), 417 ff.; SIEMS, No Risk, No Fun? Should Spouses be Advised before Committing to Guarantees? A Comparative Analysis, ERPL 10 (2002), 509 ff.; BELL, Abuse of a Relationship: Undue Influence in English Law and French Law, ERPL 15 (2007), 555 ff. 12 COLOMBI CIACCHI (ed.), Protection of Non-Professional Sureties in Europe: Formal and Substantive Disparity (2007). Mit den Möglichkeiten einer europäischen Harmonisierung durch die neue Verbraucherkreditrichtlinie hatte sich zuvor schon ein von Colombi Ciacchi herausgegebenes Sonderheft der ERPL 13 (2005) beschäftigt. Zum Entwurf des Gemeinsamen Referenzrahmens TERESZKIEWICZ, ZEuP 19 (2011), 851 ff.

4

Einleitung

dem 30. April 2000 von der »Initiative für bürgschaftsgeschädigte Frauen« hatten beraten lassen, brachte am Ende 220 auswertbare Fragebögen.13 Auf einer derartigen Grundlage kann die Situation aber wohl nur schlaglichtartig beleuchtet werden, so dass weitere Untersuchungen angezeigt und notwendig wären, um repräsentative Ergebnisse zu erzielen.14 Aus dem angelsächsischen Raum ist insoweit die Studie von Fehlberg zu nennen, die von 1992 bis 1995 am »Oxford Centre for Socio-Legal Studies« entstand.15 Auch in Australien werden die rechtstatsächlichen Verhältnisse aufmerksam beobachtet.16 Die Rechtsgeschichte schließlich wird meist nur sehr stiefmütterlich behandelt, obwohl sowohl auf dem Kontinent als auch in England schon in der Vergangenheit Rechtsinstitute vorhanden waren, die in entsprechenden Situationen Anwendung fanden – nämlich zum einen das Senatus Consultum Velleianum (SC Velleianum) und die Rechtsfigur des metus reverentialis sowie zum anderen undue influence. Einen ersten Überblick hierzu geben die Darstellungen bei W. Ernst, Jansen und Ranieri.17 Ansonsten wurden bislang lediglich einzelne Aspekte der Interzession naher Angehöriger in historischer Perspektive untersucht. 1. Das SC Velleianum und seine Rezeption Was das Verbot der Interzession von Frauen im römischen Recht durch das SC Velleianum angeht, sind vor allem die Arbeiten von Vogt, Medicus sowie zuletzt Mönnich zu nennen. 18 Zur Rezeption dieses Verbots im Gemeinen Recht, das in Teilen Deutschlands erst im Jahre 1900 mit dem Inkrafttreten des BGB seine Geltung verloren hat, gibt es allerdings keine umfassende Darstellung, die modernen Ansprüchen genügen würde. Die Monographien von Girtanner und Gide, die sich mit dieser Rezeption noch näher beschäfti13 SCHMEDT (Hrsg.), Dokumentation »Schulden für Andere – ein frauenspezifisches Phänomen?« (2000), S. 200 ff. 14 SAGEL-GRANDE, Bürgschaft in Deutschland: facts and figures, in: Neuere Entwicklungen im Recht der persönlichen Kreditsicherheiten (2003), S. 63, 66 f. 15 FEHLBERG, Sexually Transmitted Debt – Surety Experience and English Law (1997). 16 Vgl. etwa AUSTRALIAN LAW REFORM COMMISSION, Report No 69, Part II, Chapt. 13; FAMILY AND COMMUNITY DEVELOPMENT COMMITTEE, Inquiry into Marketplace Discrimination Against Women Consumers (2001), S. 80 ff. 17 W. ERNST, Interzession – Vom Verbot der Fraueninterzession über die Sittenwidrigkeit von Angehörigenbürgschaften zum Schutz des Verbrauchers als Interzedenten, in: Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik (1999), S. 395 ff.; JANSEN, Seriositätskontrollen existentiell belastender Versprechen – Rechtsvergleichung, Rechtsgeschichte und Rechtsdogmatik, in: Störungen der Willensbildung bei Vertragsschluss (2007), S. 125 ff.; RANIERI, Europäisches Obligationenrecht, 3. Aufl. (2009), S. 1306 ff. 18 VOGT, Studien zum Senatus Consultum Velleianum (1952); MEDICUS, Zur Geschichte des Senatus Consultum Velleianum (1957); MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften – Interzessionsverbote nach dem Velleianischen Senatsbeschluß (1999).

II. Stand der Forschung

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gen, stammen aus dem 19. Jahrhundert.19 Jüngere Arbeiten behandeln diese Thematik meist nur am Rande und beschränken sich dabei allenfalls auf eine grobe Skizze.20 Lediglich für einzelne Phasen und Aspekte dieser Rezeption existieren bislang Detailstudien, wie etwa für die hochmittelalterliche Praxis in der Stadt Rom,21 das frühneuzeitliche Recht in Nieder- und Oberösterreich22 oder das römisch-holländische Recht.23 Koch ordnet die Rezeption des SC Velleianum in den Kontext der rechtlichen Stellung der Frau im 16. Jahrhundert insgesamt ein.24 Eine epochenübergreifende Untersuchung vom Hochmittelalter bis zum 19. Jahrhundert, die Kontinuitäten und Brüche in der Fortentwicklung dieses Rechtsinstituts herausarbeiten würde, fehlt hingegen völlig. Dabei ist aus heutiger Sicht gerade die Frage von praktischer Bedeutung, unter welchen Bedingungen und mit welchen Regelungsmechanismen frühere Rechtsordnungen versucht haben, die Interessenkonflikte im Dreiecksverhältnis zwischen der Frau, dem Schuldner und dem Gläubiger zu lösen, insbesondere wenn der Schuldner der Ehemann der Frau ist. 2. Metus reverentialis Mit der unlauteren Einflussnahme in einer persönlichen Nähebeziehung allgemein setzen sich ebenfalls nur wenige rechtshistorische Arbeiten auseinander, die das gemeinrechtliche Institut des metus reverentialis dabei überblicksartig behandeln.25

GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte – Historisch-dogmatisch dargestellt, Bd. I (1850), S. 258 ff.; Bd. II (1851), S. 335 ff.; GIDE, Étude sur la condition privée de la femme dans le droit ancien et moderne et en particulier sur le sénatus-consulte Velléien, 2me éd. par A. Esmein (1885). 20 Vgl. DUNCKER, Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe (2003), S. 992 ff.; KOWOLIK, Interzessionen von Nahbereichspersonen – Von Bürgschaften der Weiber (2008), S. 43 ff. 21 THEISEN, Die Bedeutung des SC Velleianum in der Rechtspraxis des Hochmittelalters, ZRG RA 122 (2005), 103 ff. 22 LEHNER, Senatus Consultum Velleianum – Die Wiederkehr einer antiken Rechtsfigur im frühneuzeitlichen österreichischen Recht, ZRG GA 105 (1988), 270 ff. 23 SPRUIT, Het Raets-besluit van Burgemeester Velleius, Huldigingsbundel van Warmelo (1984), S. 194 ff. 24 KOCH, Maior dignitas est in sexu virili – Das weibliche Geschlecht im Normensystem des 16. Jahrhunderts (1991), S. 69 ff. 25 SCHOLTENS, Undue Influence, (1960) Acta Juridica 276 ff.; JOUBERT, Some aspects of metus reverentialis, (1970) 87 SALJ 94 ff.; DU PLESSIS  /  ZIMMERMANN, The Relevance of Reverence – Undue Influence Civilian Style, (2003) 10 MJ 345 ff.; JANSEN, »Tief ist der Brunnen der Vergangenheit« – Funktion, Methode und Ausgangspunkt historischer Fragestellungen in der Privatrechtsdogmatik, ZNR 27 (2005), 202, 218 ff.; WAGNER, Metus reverentialis – Von der Rezeption zur Kodifikation, OIR 12 (2008), 85 ff. 19

6

Einleitung

Eine vertiefte monographische Untersuchung hierzu fehlt allerdings ebenfalls, obwohl vom Hochmittelalter bis zum Ende des Gemeinen Rechts versucht wurde, belastbare Kriterien zu entwickeln, wann und unter welchen Umständen Rechtsgeschäfte in einer persönlichen Nähebeziehung Bestand haben sollten und wann nicht, also in einer Situation wie sie gerade auch bei der heutigen Angehörigeninterzession typisch ist. 3. Undue influence Der Entstehungsgeschichte von undue influence, dem einschlägigen englischen Rechtsinstitut der Equity, wird schließlich nur vereinzelt näher nachgegangen,26 obwohl in der Literatur diesbezüglich immer wieder recht pauschal kontinentaleuropäische Einflüsse unterstellt werden und sogar umgekehrt vorgeschlagen wird, nun auf die in England entwickelten Kriterien zu undue influence zurückzugreifen.

III. Ansatz und Methode der Untersuchung: Vergleichende Rechtsgeschichte III. Ansatz und Methode der Untersuchung: Vergleichende Rechtsgeschichte

In historischer und vergleichender Perspektive wird daher die Entwicklung der einschlägigen Rechtsinstitute im kontinentaleuropäischen und im englischen Recht analysiert. Ziel ist es, die Grundsätze und Kriterien herauszuarbeiten, von denen sich frühere Rechtsordnungen in vergleichbaren Fällen leiten ließen. Die typische Konstellation der Interzession selbst, das Dreiecksverhältnis zwischen dem Besteller der Sicherheit, dem Schuldner und dem Gläubiger, hat sich rechtstatsächlich wenig verändert. Auch die persönlichen Näheverhältnisse, die in unlauterer Weise ausgenutzt werden können, haben sich kaum gewandelt. Zwar kann es nicht darum gehen, frühere Lösungsmodelle ohne Berücksichtigung ihres historischen Kontextes einfach auf die Gegenwart zu übertragen. Eine funktionale Betrachtungsweise kann den reichen Erfahrungsschatz der Vergangenheit aber für die Gegenwart fruchtbar machen, ohne historische Entwicklungen zu verkürzen oder zu verbiegen. Die Arbeit verfolgt dabei den Ansatz der Vergleichenden Rechtsgeschichte. Die Kontextualisierung der Quellen – als zwingende Voraussetzung jedweden historischen Arbeitens – ist hierfür von grundlegender Bedeutung, um überhaupt Bezugspunkte zu finden, die zueinander in Relation gesetzt werden können. Selbst eine unter »applikativen« Gesichtspunkten betriebene, anwenWAGNER, Undue influence – mögliche Einflüsse des Civil law vom Ende des 16. bis Anfang des 19. Jahrhunderts, ZRG RA 123 (2006), 248 ff. – Zur historischen Entwicklung und Abgrenzung von duress, dem traditionellen Rechtsbehelf at law, vgl. SCHINDLER, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und Drohung – Die englische duress-Lehre in rechtsvergleichender Perspektive (2005), S. 36 ff. 26

III. Ansatz und Methode der Untersuchung: Vergleichende Rechtsgeschichte

7

dungsbezogene Rechtsgeschichte erzielt nur dann verwertbare Ergebnisse, wenn die klassische Trias im Umgang mit den Quellen beachtet wird: Heuristik, Kritik und Hermeneutik. So wird etwa bei der Rezeption des SC Velleianum bei jeder Epoche zunächst die rechtliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung der Frau skizziert, um die Bedeutung und Tragweite dieser Rezeption bewerten zu können. Denn eine funktional vergleichbare Konstellation liegt nur dann vor, wenn die Frau selbst eigenverantwortlich am Rechts- und Geschäftsverkehr teilnehmen kann und nicht von vornherein andere für sie handeln. Darüber hinaus werden im Einzelnen auch Bezüge zum ehelichen Güterrecht hergestellt, da es wiederum an der typischen Situation der Interzession fehlt, wenn dem Ehemann ohnehin das entsprechende Vermögen oder die Verfügungsgewalt hierüber zusteht. 1. Das SC Velleianum und seine Rezeption Das klassische römische Recht behandelt die von Frauen bestellten Sicherheiten, insbesondere Bürgschaften, als unklagbar, indem es den betroffenen Frauen eine peremptorische Einrede (exceptio) gewährt. Der Anwendungsbereich des zugrunde liegenden SC Velleianum wird durch ein pro aliis reas fieri eröffnet, das heißt das Eingehen von Verbindlichkeiten im Interesse Dritter. Das Eintreten für andere (intercedere) kann dabei unter anderem in einer Bürgschaft, einer Schuldübernahme oder einer Pfandbestellung der Frau bestehen. Bereits im klassischen Recht sind allerdings einige Ausnahmen von dieser Vorschrift anerkannt. Justinian wiederum erweitert zwar zum einen die Ausnahmetatbestände. Zum anderen verschärft er jedoch diese Regelung für Ehefrauen, indem er ein absolutes Interzessionsverbot zugunsten des Ehemanns statuiert, das als Authentica si qua mulier die Rezeption maßgeblich prägt. Die mittelalterliche Rezeption dieses Rechtsinstituts beschränkt sich nicht auf eine theoretische Diskussion der einschlägigen Titel im Corpus Iuris Civilis, sondern sie wird gerade auch durch die (notarielle) Praxis beeinflusst. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob die Frau auf die ihr zugute kommenden Wirkungen des SC Velleianum verzichten kann.27 Die weitere Entwicklung des Gemeinen Rechts in der Frühen Neuzeit unterliegt ebenfalls diesen beiden Triebkräften, der buchstabengetreuen Anwendung des römischen Rechts einerseits sowie der geübten Rechtspraxis andererseits. Diese beiden Strömungen müssen sich jedoch nicht notwendigerweise ausschließen, sondern können im Ergebnis auch zusammenfallen: So lässt sich etwa die Zulässigkeit der Interzession einer Kauffrau nicht nur auf die Bedürfnisse der gelebten Rechtspraxis stützen, sondern auch auf die schon im römischen Recht 27 WAGNER, Die rechtstatsächliche Aussagekraft rechtshistorischer Quellen am Beispiel der mittelalterlichen Rezeption des Senatus Consultum Velleianum, Rechtskultur 2 (2013), 1 ff. – Zum Verzicht im römischen Recht FINKENAUER , Der Verzicht auf die exceptio SCti Velleiani im klassischen Recht, TRG 81 (2013), 17 ff.

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Einleitung

anerkannten Ausnahmetatbestände, dass die Frau im Geschäftsverkehr eine Gegenleistung für die Interzession erhält (pretium capiat) oder dass sie ohnehin von vornherein im eigenen Interesse (in rem suam) interzediert. Besonderes Augenmerk wird daher im Rahmen der herangezogenen gemeinrechtlichen Literatur jeweils auf Werke gelegt, welche die forensische Praxis widerspiegeln wie etwa Antonius Faber, Andreas Gaill, Paulus Christinaeus oder Johannes van den Sande. Die »Interzession« stellt nach Schulz zwar nur ein »artificial concept« im Hinblick auf die Anwendbarkeit des SC Velleianum dar.28 Gleichwohl spielt diese Rechtsfigur noch im 19. Jahrhundert eine wichtige Rolle in der Spruchpraxis der Obergerichte, so dass sich die Wissenschaft weiterhin eingehend mit ihr auseinandersetzt.29 Erst mit Inkrafttreten des BGB, das die Anwendbarkeit des Gemeinen Rechts in allen Teilen Deutschlands endgültig beseitigt, gerät die »Interzession« weitgehend in Vergessenheit.30 Gegen Ende des 20. Jahrhunderts jedoch taucht der Begriff der Interzession nicht nur in der Literatur,31 sondern auch in der Gesetzgebung wieder auf, wie zum Beispiel in der Legaldefinition von § 25c des österreichischen Konsumentenschutzgesetzes: »Tritt ein Verbraucher einer Verbindlichkeit als Mitschuldner, Bürge oder Garant bei (Interzession)«.32 Nach Mayer-Maly ist als Folge der »Begrenzung des juristischen Inventariums« die »Wiederkehr von Strukturen […] häufiger als ein endgültiges Absterben«.33 Die Renaissance des Begriffs der Interzession scheint für das SCHULZ, Classical Roman Law (1951), S. 570. HASENBALG, Beiträge zur Lehre von der Intercession, Bd. I (1856); ENDEMANN, Der Kredit als Gegenstand der Rechtsgeschäfte, ZHR 4 (1861), 191, 222 ff.; TUHR, Actio de in rem verso (1895), S. 46 ff., 57 ff. 30 Vgl. aber zum Kollisionsrecht BREER, Die Interzessionsbeschränkungen für Frauen im internationalen Privatrecht (1936). Ferner GRAUE, The Married Person’s Capacity to stand Surety under Private International Law – The »Velleian Disability« of Roman Law as a Modern Conflict Problem, Liber Amicorum Schnitzer (1979), S. 139 ff.; V. BAR, Personal Effects of Marriage, in: IECL, Vol. III/17 (1986), S. 31 f. 31 Vgl. S. WERNER, Schuldrechtliche Interzessionen nach deutschem, englischem und US-amerikanischem Recht (1998), S. 1 ff.; RÜSSMANN, Formzwang und Übereilungsschutz in Interzessionsverhältnissen, Festschrift Heinrichs (1998), S. 451 ff.; W. ERNST, Interzession, in: Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik (1999), S. 395, 396 ff., 402 ff.; MEDER, Interzession und Privatautonomie, Gedächtnisschrift Wolf (2011), S. 253 ff. 32 Vgl. hierzu EIGNER, Interzedentenschutz unter besonderer Berücksichtigung der Ehegattenhaftung (2004), S. 67 ff.; THOSS, Bürgenschutz im österreichischen und deutschen Recht (2007), S. 82 ff.; GRUBER, Festschrift 200 Jahre ABGB, Bd. II (2011), S. 997, 1001 ff. 33 MAYER-MALY, JZ 1971, 1, 3. – Bezogen auf das SC Velleianum SCHWAB, Festgabe Schnyder (1995), S. 647, 657; TJITTES, Bezwaarde Verwanten (1996), S. 43 ff.; HABERSACK  /  ZIMMERMANN, (1999) 3 Edinburgh LR 272, 293; KOCH, Colloquia Schwab (2000), S. 27, 34 ff. – Umgekehrt wird ohne Bezugnahme auf die Authentica Si qua mulier ein 28 29

III. Ansatz und Methode der Untersuchung: Vergleichende Rechtsgeschichte

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Bedürfnis zu sprechen, einen Oberbegriff für das Bestellen von Sicherheiten zu finden, die wiederum bei einem bestimmten Personenkreis bzw. in bestimmten Situationen einer besonderen Wirksamkeitskontrolle unterzogen werden, wie etwa bei Verbrauchern oder nahen Angehörigen. 2. Metus reverentialis Ein weiteres Institut des Gemeinen Rechts, das in diesem Zusammenhang einer vertieften Untersuchung bedarf, ist die Rechtsfigur des sog. metus reverentialis. So reicht etwa nach der Glossa Ordinaria die bloße Furcht aus natürlicher Ehrfurcht in einer besonderen persönlichen Nähebeziehung – wie zwischen Ehegatten oder zwischen Eltern und Kind – bereits aus, um sich von einem Vertrag lösen zu können. Gleichwohl waren Einzelheiten und Reichweite dieser Doktrin nicht unumstritten. Erst vor diesem Hintergrund erschließen sich Vorschriften wie Art. 1114 des französischen Code civil (in der bis 2016 gültigen Fassung)34 oder Art. 1437 des geltenden italienischen Codice civile, die ausdrücklich festhalten, dass bloße crainte révérencielle bzw. timore reverenziale für sich allein noch nicht ausreichen, um einen Vertrag unwirksam zu machen. 3. Undue influence Auch auf die historische Entwicklung des zum englischen Billigkeitsrecht der Equity gehörenden Rechtsinstituts der undue influence (unlautere Beeinflussung) ist näher einzugehen, da dort Einflüsse des kontinentaleuropäischen Rechts vermutet werden.35 Dies gilt umso mehr, als in Deutschland aus rechtsvergleichender Sicht reges Interesse daran besteht, nun umgekehrt Lösungswege des englischen Rechts für das deutsche Recht fruchtbar zu machen.36 So hat etwa S. Lorenz vorgeschlagen, die Kriterien von undue influence im deutschen Recht auf der Ebene der culpa in contrahendo anzuwenden und auf diese Weise einen zu § 123 Abs. 1 BGB komplementären Verbot der Ehegatten-Bürgschaft zur Diskussion gestellt, vgl. SCHNEIDER, ZRP 1992, 360 zu MERZ, ZRP 1991, 307, 308. 34 Zur Reform des französischen Schuldvertragsrechts durch Ordonnance Nr. 2016-131 vom 10.2.2016 vgl. SONNENBERGER, ZEuP 25 (2017), 6, 31 mit deutscher Übersetzung a. a. O., 195, 201 f. Ferner MALAURIE / AYNÈS / STOFFEL-MUNCK, Droits des obligations, 8e éd. (2016), S. 297 ff., 298. 35 Im Mittelpunkt der Diskussion steht dabei Huguenin v Baseley (1807) 14 Ves Jun 273. – Vgl. hierzu KEETON / SHERIDAN, Equity, 1st ed. (1969), S. 337 = 2nd ed. (1976), S. 230 = 3rd ed. (1987), S. 263; LUBBE, in: Southern Cross (1996), S. 261, 296; WAGNER, in: Rechtstransfer in der Geschichte (2006), S. 354 ff.; DERS., ZRG RA 123 (2006), 248, 282 ff. 36 BLAUROCK, ZEuP 4 (1996), 314, 321 ff.; W. ERNST, Interzession, in: Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik (1999), S. 395, 400, 408 f., 421 f.; HABERSACK /  GIGLIO, WM 2001, 1100, 1101 f.

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Schutz der rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit vor direkten Einflüssen auf die Willensbildung zu schaffen.37 Vor allen Dingen aber stellt undue influence ein Rechtsinstitut dar, das sich bis heute in der praktischen Anwendung durch die Gerichte bewährt, so dass eine Analyse seiner Entwicklung auf Kontinuitäten und Brüche insgesamt wertvolle Erkenntnisse verspricht.

IV. Gang der Darstellung IV. Gang der Darstellung

Die Untersuchung ist insgesamt als Längsschnittarbeit angelegt, da nur ein epochenübergreifender Ansatz die Entwicklungslinien und -brüche ausreichend abzubilden vermag. Sie beginnt mit der Rezeption des SC Velleianum (Teil 1), um sich dann der Figur des metus reverentialis zuzuwenden (Teil 2). Danach wandert der Blick vom Ius civile zum englischen Recht und es folgt eine Analyse der historischen Entwicklung von undue influence (Teil 3). Die beiden ersten Teile stellen dabei jeweils eine grundlegende Betrachtung des römischen Rechts voran, ehe sie dessen Rezeption vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert nachgehen. Dabei werden folgende Epochen zugrunde gelegt: Die mittelalterliche Rezeption durch Glossatoren und Kommentatoren, das Gemeine Recht der Frühen Neuzeit sowie die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert, das als langes 19. Jahrhundert von der Französischen Revolution bis zum Ersten Weltkrieg verstanden wird. So sehr jede Epochenbildung oder Binnenperiodisierung problematisch und angreifbar erscheinen mag, so wenig kann eine historische Arbeit letztlich ohne sie auskommen, wenn sie einen längeren Zeitraum abzudecken hat. Der dritte Teil zu undue influence schließlich verfolgt die Wurzeln dieses Rechtsinstituts zurück in die Frühe Neuzeit, um anschließend ebenfalls seine weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert einer eingehenden Prüfung zu unterziehen.

37 S. LORENZ, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag (1997), S. 387 ff., 445 ff. Kritisch WEILER, Die beeinflußte Willenserklärung (2002), S. 591 ff. – Vgl. hierzu WAGNER, NJW 2005, 2956, 2958 f.; DERS., AcP 205 (2005), 715, 735 ff.

Teil 1

»Die arme Frau«? – Das SC Velleianum und seine Rezeption Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

I. Römisches Recht

I. Römisches Recht

Grundlegende Voraussetzung für die Interzession von Frauen überhaupt ist in historischer Hinsicht ihre Fähigkeit, eine wirksame Verpflichtung einzugehen.1 Da Frauen im altrömischen Recht in aller Regel entweder der Hausgewalt (patria potestas) ihres Hausvaters (pater familias) oder der ehelichen Gewalt (manus) ihres Mannes unterworfen sind, ist ihre Handlungsfähigkeit erheblich eingeschränkt. Nur wenn es sich bei ihr weder um eine Haustochter (filia familias) noch um eine gewaltunterworfene Ehefrau (uxor in manu) handelt, ist eine Frau ausnahmsweise gewaltfrei (sui iuris) und damit verpflichtungsfähig. Aber selbst in diesem Fall steht sie – unabhängig von ihrem Alter – unter der Geschlechtsvormundschaft (tutela mulieris) ihrer gradnächsten Verwandten im Mannesstamm (adgnati) und benötigt zur Vornahme der meisten Geschäfte die Zustimmung des Vormunds (auctoritas tutoris), deren Erteilung sie jedoch unter bestimmten Voraussetzungen vor dem Prätor erzwingen kann. 2 In der späten Republik erfolgt die Eheschließung allerdings zunehmend ohne den für die sog. manus-Ehe typischen Übertritt der Frau in die Ehegewalt des Mannes (conventio in manum),3 bis schließlich unter dem Prinzipat die sog. manus-freie, gewaltfreie Ehe zur Regel wird.4 Zudem büßt die Geschlechtsvormundschaft durch die Ehegesetzgebung unter Kaiser Augustus maßgeblich an Bedeutung ein, da nach der lex Iulia et Papia5 eine Frau mit Zur Stellung der Frau im römischen Recht vgl. WALDSTEIN, Festschrift Muth (1983), S. 559 ff.; DIXON, TRG 52 (1984), 343, 345 ff.; ROBINSON, (1987) Juridical Review 143 ff.; HOLTHÖFER, in: Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), S. 390, 402 ff.; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 11 ff., 18 ff. 2 KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 20 III, S. 84; § 65 III, S. 277 f.; § 89 I, S. 367 f.; KASER / KNÜTEL / LOHSSE, Privatrecht (2017), § 14 Rn. 12; § 63 Rn. 1 ff. 3 Zur conventio in manum vgl. KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 18, S. 76 ff.; § 76 II 2, S. 324; KASER / KNÜTEL / LOHSSE, Privatrecht (2017), § 58 Rn. 34 ff. 4 KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 73 III, S. 312; § 76 II 1, S. 323 f. 5 Die lex Iulia de maritandis ordinibus (»über die Verheiratung der Bürgerstände«) und die lex Iulia de adulteriis coercendis (»gegen Ehebruch«) aus dem Jahre 18 v. Chr. sowie die lex Papia Poppaea aus dem Jahre 9 n. Chr. werden schon bald nach Augustus als ein einheitliches Regelungswerk aufgefasst. Danach besteht für Männer von 25 bis 60 bzw. 1

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

drei ehelichen Kindern durch das Dreikinderrecht (ius trium liberorum)6 vollständig von der Geschlechtsvormundschaft befreit wird.7 Mitte des ersten Jahrhunderts nach Christus schafft schließlich eine lex Claudia unter Kaiser Claudius die gesetzliche Geschlechtsvormundschaft der Agnaten ab,8 so dass die tutela mulieris im klassischen römischen Recht praktisch keine große Rolle mehr spielt.9 Somit stehen einer geschäftlichen Betätigung der Frau keine wesentlichen Hürden mehr entgegen.10 1. Das SC Velleianum a) Entstehung und Wortlaut Nach den Ausführungen bei Ulpian gingen dem SC Velleianum11 ältere Regelungen voraus. Zuerst hätten demzufolge Kaiser Augustus bzw. Kaiser Claudius durch entsprechende Edikte untersagt, dass Ehefrauen für ihre Männer interzedieren (ne feminae pro viris suis intercederent).12 Später sei dieser Schutz durch Senatsbeschluss allen Frauen (ob verheiratet oder nicht) zu Teil Frauen von 20 bis 50 Jahren eine Ehepflicht, von der freie Bürger erst durch die Erzeugung von drei ehelichen Kindern (ius trium liberorum) oder durch ein entsprechendes Privileg frei werden. Grundlegend ASTOLFI, La lex Iulia et Papia (1996); ferner METTEDITTMANN, Die Ehegesetze des Augustus (1991). 6 Für eine Freigelassene gilt ein entsprechendes Vierkinderrecht (ius quattuor liberorum). 7 Gai 1, 145; Gai 1, 194. – KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 75 III 1, S. 320; § 89 III, S. 369. Nach KASER / KNÜTEL / LOHSSE, Privatrecht (2017), § 63 Rn. 1 hat die augusteische Ehegesetzgebung den Fortbestand der Geschlechtsvormundschaft vermutlich »künstlich verlängert«, um mit der Befreiung hiervon einen zusätzlichen Anreiz für die Frau zu schaffen, das (auch in anderer Hinsicht) privilegierende Drei- bzw. Vierkinderrecht zu erlangen. Noch pointierter SCHULZ, Classical Roman Law (1951), S. 181: »[…] it was this close connexion with the rules inspired by population policy which kept alive this antiquated institution during the classical period«. 8 Gai 1, 157; Gai 1, 171. – KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 89 II 1, S. 368. 9 Bestehen bleibt damit nur die Tutel des patronus über die Freigelassene bzw. des parens manumissor über die Emanzipierte. Zu ihrer gänzlichen Abschaffung in nachklassischer Zeit KASER, Privatrecht, Bd. II (1975), § 231 II, S. 222. 10 HALBWACHS, in: Alltägliches Altertum (1998), S. 207 ff.; DIES., in: Atti della 51a Sessione della SIHDA (1999), S. 349 ff.; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 27 ff. – Von öffentlichen Ämtern bleiben Frauen dagegen ausgeschlossen, vgl. MÖNNICH, a. a. O., S. 4 ff.; FELDNER, RIDA 47 (2000), 381 ff. 11 Die richtige Schreibweise lautet nach dem Antragsteller Vellaeus Tutor an sich »Vellaeanum«, vgl. MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 1 Fn. 2; KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 156, S. 667 Fn. 2. Da die überlieferten Quellen in Dig. 16, 1 und Cod. 4, 29 aber überall »Velleianum« verwenden, wird im Folgenden ebenfalls die dortige, später rezipierte Schreibweise »Velleianum« gebraucht. 12 Ulp. Dig. 16, 1, 2 pr.: »Et primo quidem temporibus divi Augusti, mox deinde Claudii edictis eorum erat interdictum, ne feminae pro viris suis intercederent.«

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geworden.13 Den Wortlaut dieses Senatus Consultum gibt Ulpian dabei folgendermaßen wieder: »[…] cuius senatus consulti verba haec sunt: ›Quod Marcus Silanus et Velleus Tutor consules verba fecerunt de obligationibus feminarum, quae pro aliis reae fierent, quid de ea re fieri oportet, de ea re ita censuere: quod ad fideiussiones et mutui dationes pro aliis, quibus intercesserint feminae, pertinet, tametsi ante videtur ita ius dictum esse, ne eo nomine ab his petitio neve in eas actio detur, cum eas virilibus officiis fungi et eius generis obligationibus obstringi non sit aequum, arbitrari senatum recte atque ordine facturos ad quos de ea re in iure aditum erit, si dederint operam, ut in ea re senatus voluntas servetur‹.«14

Weitgehende Einigkeit besteht insoweit, als der Erlass des SC Velleianum in der Mitte des ersten Jahrhunderts n. Chr. angesiedelt wird.15 Hinsichtlich des überlieferten Wortlauts ist dagegen vieles nicht unumstritten. So hält Vogt die Bezugnahme auf eine schon bestehende Rechtsprechung (tametsi ante videtur ita ius dictum esse) für eine interpolierte Glosse.16 Tatsächlich mag es auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen, dass der überlieferte Text – offenbar ohne jede Einschränkung – auf eine bereits existierende Rechtspraxis verweist, obwohl die Kaiseredikte nur Interzessionen zugunsten des Ehemanns verboten hatten und erst das SC Velleianum ein Verbot für sämtliche Interzessionen von Frauen statuierte. Gleichwohl wird die betreffende Passage mit zum Teil unterschiedlicher Begründung ganz überwiegend für echt gehalten.17 Den vermeintlichen Widerspruch löst MediUlp. Dig. 16, 1, 2, 1: »Postea factum est senatus consultum, quo plenissime feminis omnibus subventum est.« – Vgl. ferner Paul. Dig. 16, 1, 1 pr.: »Velleiano senatus consulto plenissime comprehensum est, ne pro ullo feminae intercederent.« 14 Ulp. Dig. 16, 1, 2, 1. – Zum formellen Aufbau PIERRET, Le Sénatusconsulte Velléien (1947), S. 11 ff. 15 Die hergebrachte, von der älteren Literatur vertretene Datierung auf das Jahr 46 n. Chr. wurde zunächst von PIERRET, Le Sénatusconsulte Velléien (1947), S. 14 angezweifelt, ehe sie seit VOGT, Studien (1952), S. 4 f. grundlegend in Frage gestellt ist. Auch SCHULZ, Classical Roman Law (1951), S. 183, 569 spricht sich gegen das Jahr 46 n. Chr. aus und schlägt stattdessen die Herrschaftszeit von Kaiser Nero (54–68 n. Chr.) vor. KRELLER, ZRG RA 72 (1955), 400, 401 f.; DERS., Anzeiger der ÖAW, Phil.-hist. Klasse 93 (1956), S. 1, 5 f. grenzt den fraglichen Zeitraum auf die Jahre zwischen 41 n. Chr. und 65 n. Chr. ein. Ebenso JUST, Festschrift Laufke (1971), S. 33, 34 in Fn. 4; CROOK, in: The Family in Ancient Rome (1986), S. 83, 86. KASER, Verbotsgesetze (1977), S. 30 vermutet den Erlass dabei um das Jahr 54 n. Chr. Zum Ganzen MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 14; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 36. 16 VOGT, Studien (1952), S. 3. 17 Teilweise wird dabei angenommen, die prätorische Praxis habe schon vor Erlass des SC Velleianum das in den Kaiseredikten ausgesprochene Verbot der Interzession für den Ehemann wenigstens in Einzelfällen auch auf andere Interzessionen ausgedehnt, so dass das SC Velleianum lediglich eine bereits geübte Praxis bestätigt bzw. erweitert habe, vgl. etwa GIRARD, Manuel élémentaire de droit romain (1906), S. 784; EDLINGER, Die Voraussetzung des SC Velleianum (1929), S. 3; PIERRET, Le Sénatusconsulte Velléien (1947), S. 29 f.; 13

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cus jedenfalls überzeugend auf, indem er den Blick auf die unmittelbaren Adressaten des SC Velleianum richtet, nämlich die »Magistrate, in deren Hand schon die Anwendung der Kaisergesetze gelegen hatte, und die daher über die Bedeutung des Hinweises auf ihre Rechtsprechung nicht im Zweifel sein konnten«.18 Angesichts des geringen zeitlichen Abstands zwischen den Kaiseredikten und dem SC Velleianum und deren gemeinsamen Regelungsgegenstand liegt ein innerer Zusammenhang nahe, den nicht zuletzt auch schon Ulpian in seinem Ediktskommentar hergestellt hat.19 Als Interpolation ist nach Ansicht von Vogt ferner die unmittelbar vorangehende Formulierung (quod ad fideiussiones et mutui dationes pro aliis, quibus intercesserint feminae, pertinet) zu streichen, da sie mit Blick auf den bereits in der Generalklausel bezeichneten Verhandlungsgegenstand (de obligationibus feminarum, quae pro aliis reae fierent) eine unübliche Wiederholung darstelle. Außerdem sei die Aufzählung der missbilligten Geschäfte ungenau: Zum einen fehle die Mehrzahl der verbotenen Interzessionen, während zum anderen das mutuum aufgeführt werde, obwohl dieses nur unter besonderen Umständen gegen das Verbot verstoße.20 Dagegen weist Medicus zu Recht darauf hin, dass der überlieferte Text das mutuum gerade nicht allgemein erfasst, sondern nur, wenn es sich in der Sache als Fraueninterzession für andere erweist (pro aliis, quibus intercesserint feminae).21 Was die von Vogt beanstandete Unvollständigkeit der Aufzählung angeht, so lässt sich mit guten Gründen annehmen, dass bei Ulpian neben der fideiussio ursprünglich einmal auch die beiden anderen Bürgschaftsformen sponsio und fidepromissio aufgeführt waren:22 Denn die Kompilatoren haben auch anderweitig die schon mit dem Ende der Klassik außer Übung gekommenen Formen der sponsio und fidepromissio getilgt, so dass die überlieferten Texte nur mehr

KRELLER, Anzeiger der ÖAW, Phil.-hist. Klasse 93 (1956), S. 1, 4 f.; CROOK, in: The Family in Ancient Rome (1986), S. 83, 89. – Zum Ganzen MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 11 ff.; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 41 ff. jeweils m. w. N. sowie nach wie vor BACHOFEN, Ausgewählte Lehren (1848), S. 1, 3–15. 18 MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 13. 19 MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 11; KADEN, ZRG RA 75 (1958), 422, 423; JUST, Festschrift Laufke (1971), S. 33 in Fn. 1; KUPISCH, Festschrift Großfeld (1999), S. 659; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 41 f. 20 VOGT, Studien (1952), S. 2 f. 21 MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 20. Ähnlich PIERRET, Le Sénatusconsulte Velléien (1947), S. 41 f. 22 LENEL, Palingenesia, Vol. II (1889), Sp. 610 in Anm. 1; PIERRET, Le Sénatusconsulte Velléien (1947), S. 36 f.; SCHULZ, Classical Roman Law (1951), S. 569 f.; KRELLER, Anzeiger der ÖAW, Phil.-hist. Klasse 93 (1956), S. 1, 5; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 21 f., 86 f.; KADEN, ZRG RA 75 (1958), 422, 425 in Fn. 15; JUST, Festschrift Laufke (1971), S. 33, 35 in Fn. 6; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 40.

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die zu ihrer Zeit noch gebräuchliche fideiussio erwähnen.23 Zudem mag die Aufzählung von Anfang an unvollständig gewesen sein und sich auf typische Beispiele von Interzessionsgeschäften beschränkt haben.24 Wie Medicus ferner nachweist, sind Wiederholungen zwischen dem Thema eines Senatsbeschlusses und seiner eigentlichen Beschlussformel durchaus üblich.25 Vor allen Dingen aber spricht gegen die radikale Textkritik Vogts, dass ihr zufolge die einzige Erwähnung des Wortes intercedere im Tenor und dem gesamten Wortlaut des Senatsbeschlusses zu streichen wäre, obwohl dieser zentrale Begriff in den klassischen Kommentierungen zum SC Velleianum ständig aufgegriffen wird.26 Schließlich sind nach Vogt noch die »reichlich platten Schlussworte« (arbitrari senatum … ut in ea re senatus voluntas servetur) als Verfälschung zu qualifizieren.27 Dagegen hält Medicus sie für echt und verweist auf den Charakter des SC Velleianum als »Dienstanweisung an die Magistrate« sowie darauf, dass sich auch andere Senatsbeschlüsse nicht immer durch eine knappe Fassung und eine Beschränkung auf den notwendigen Regelungsgehalt auszeichnen.28 Insgesamt würde nach den umfassenden Interpolationsvorwürfen Vogts nur mehr ein Torso übrigbleiben, was ebenfalls gegen eine derart radikale Textkritik und vielmehr dafür spricht, den überlieferten Text im Wesentlichen als klassisch zu betrachten.29 Der Wortlaut mag zwar alles in allem oberflächlich und plump erscheinen,30 aber der Senat bestand nicht aus Fachjuristen, deren Tagesgeschäft der Erlass privatrechtlicher Normen ist. Zudem lag der Beschlussfassung wohl häufig auch ein Antrag zugrunde, der weniger auf eine stringente Regelung abstellte, sondern mehr auf die ausführliche Darstellung 23 KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 155 II 3 a, S. 661 Fn. 14; Bd. II (1975), § 278 I 1, S. 457 f.; KASER / KNÜTEL / LOHSSE, Privatrecht (2017), § 57 Rn. 23; ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 125. 24 MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 22. 25 MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 21 m. w. N. in Fn. 29 f. 26 KRELLER, ZRG RA 72 (1955), 400, 401; DERS., Anzeiger der ÖAW, Phil.-hist. Klasse 93 (1956), S. 1, 3; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 22; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 40 mit einer Aufstellung entsprechender Stellen allein aus Dig. 16, 1 in Fn. 176. 27 VOGT, Studien (1952), S. 3 f. 28 MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 22 f. Ähnlich GIDE, Étude sur la condition privée de la femme (1885), S. 160; PIERRET, Le Sénatusconsulte Velléien (1947), S. 16 f.; KRELLER, ZRG RA 72 (1955), 400, 401; DERS., Anzeiger der ÖAW, Phil.-hist. Klasse 93 (1956), S. 1, 3 f. Vgl. dazu die Replik von VOGT, TRG 35 (1967), 90, 93. 29 KRELLER, ZRG RA 72 (1955), 400, 401; DERS., Anzeiger der ÖAW, Phil.-hist. Klasse 93 (1956), S. 1, 4; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 22 f.; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 41. 30 SCHULZ, Classical Roman Law (1951), S. 569: »superficial and clumsily worded enactment«.

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der entsprechenden Motive. Etwaige regelungstechnische Defizite fielen jedoch in der Praxis nicht ins Gewicht, solange die Magistrate als eigentliche Adressaten des Senatus Consultum für dessen angemessene Umsetzung sorgten.31 Diesbezüglich bestehen durchaus gewisse Parallelen zu manchen Parlamentsbeschlüssen der Gegenwart.32 b) Wirkungsweise Was die Rechtsfolge des SC Velleianum angeht, so werden verbotswidrige Interzessionen weder mit ihrer zivilrechtlichen Nichtigkeit sanktioniert noch mit Strafe bedroht, sondern es bleibt dem Jurisdiktionsmagistrat (Prätor) überlassen, für die Einhaltung des Interzessionsverbots zu sorgen. Nach der herkömmlichen Dreiteilung der Verbotsgesetze in leges perfectae, bei denen das verbotswidrige Rechtsgeschäft nichtig ist, leges minus quam perfectae, bei denen das verbotswidrige Rechtsgeschäft zwar nicht nichtig, aber seine Vornahme mit Strafe bedroht ist, und leges imperfectae, bei denen keine dieser beiden Rechtsfolgen eintritt,33 handelt es sich beim SC Velleianum also um eine lex imperfecta.34 Zur Durchsetzung des SC Velleianum stehen damit nach dem prätorischen Amtsrecht vor allem zwei Mittel zur Verfügung, um verbotswidrige Interzessionen zu entkräften.35 Gelangt der Prätor (bereits im Verfahren in iure) zu der Überzeugung, dass die Durchführung eines Prozesses unnötig ist, da die tatbestandlichen Voraussetzungen des SC Velleianum unzweifelhaft erfüllt sind, verweigert er dem Gläubiger schon die Klage gegen die Interzedentin (sog. denegatio actionis):36 ne eo nomine ab his petitio neve in eas actio de31 DAUBE, Forms of Roman Legislation (1956), S. 78 ff.; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 19; ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 146; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 39; FINKENAUER, TRG 81 (2013), 17, 34. 32 Vgl. etwa den Beschluss des Bayerischen Landtags vom 18. Juli 2007, LT-Drs. 15/ 8713. Zur Umsetzung dieses Landtagsbeschlusses durch die Bayerische Staatsregierung BECK / WAGNER, VergabeR 2008, 601 ff. 33 KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 60 II 1, S. 249; DERS., Verbotsgesetze (1977), S. 9 ff.; ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 697 ff. 34 KASER, Verbotsgesetze (1977), S. 30; ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 700; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 43. – Ob der Senat Mitte des ersten Jahrhunderts n. Chr. überhaupt schon die zivilrechtliche Nichtigkeit hätte anordnen können, ist im Übrigen umstritten, vgl. MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 29 f. m. w. N. in Fn. 60; KUPISCH, In integrum restitutio (1974), S. 16 in Fn. 13. 35 Als drittes Mittel kann der Prätor ferner die Frau von der sog. defensio ausschließen, indem er sie nicht vor Gericht auftreten lässt, vgl. Ulp. Dig. 16, 1, 2, 5; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 30 in Fn. 64; KUPISCH, In integrum restitutio (1974), S. 16 in Fn. 15; FINKENAUER, TRG 81 (2013), 17, 43. – Zur defensio als Interzession vgl. VOGT, Studien (1952), S. 56 f.; MEDICUS, a. a. O., S. 10, 15 ff., 95; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 119 ff. 36 Zur denegatio actionis vgl. KASER / HACKL, Zivilprozeßrecht (1996), § 32 V, S. 240.

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tur.37 Ist ein Verstoß gegen das SC Velleianum für den Prätor dagegen nicht ohne Weiteres feststellbar, so lässt er die Klage zwar zu, fügt jedoch in die Klageformel eine Einrede ein, die exceptio Senatus Consulti Velleiani:38 si in ea re nihil contra SC Velleianum factum est.39 Sollte der Richter später (im Verfahren apud iudicem) einen Verstoß gegen das Interzessionsverbot feststellen, hatte dieser dann die Klage des Gläubigers gegen die Interzedentin abzuweisen.40 Das Interzessionsverbot entfaltet freilich nicht nur Wirkungen, wenn die Interzedentin (als Beklagte) in Anspruch genommen wird, sondern auch umgekehrt falls die Interzedentin (als Klägerin) das bereits von ihr an den Gläubiger Geleistete zurückfordert. Zwar trifft das SC Velleianum selbst keine Regelung für den Fall, dass die Frau ihre vermeintliche Verpflichtung aus der verbotswidrigen Interzession schon erfüllt hat. Hier folgt jedoch schon aus den allgemeinen Regeln der condictio, dass die Frau zurückfordern kann, was sie in Unkenntnis der prätorischen Unwirksamkeit ihrer Verpflichtung geleistet hat, das heißt, wenn sie bei Leistungserbringung keine Kenntnis davon hatte, dass die Interzessionsverbindlichkeit nach prätorischem Amtsrecht entkräftet werden konnte.41 Da der Gläubiger nach dem SC Velleianum grundsätzlich keinen durchsetzbaren Anspruch gegen die Interzedentin hat, ist er darauf verwiesen, sich an den Hauptschuldner zu halten. Hat der Gläubiger aber unter Umständen seine ursprüngliche Forderung gegen den Hauptschuldner durch die InterzesDass die überlieferten Quellen – von dieser Stelle in Ulp. Dig. 16, 1, 2, 1 abgesehen – nicht die denegatio actionis, sondern fast ausschließlich die exceptio SC Velleiani behandeln, lässt sich damit erklären, dass dort vor allem die Kommentierung von streitigen bzw. diskussionswürdigen Fällen im Vordergrund stand; ist aber das Vorliegen einer Fraueninterzession zweifelhaft, kommt von vornherein keine denegatio actionis, sondern nur eine exceptio in Betracht. So MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 30; JUST, Festschrift Laufke (1971), S. 33, 44 in Fn. 52; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 44. – Skeptisch freilich BENKE, in: Gender and Religion (2001), S. 41, 47 f. 38 Zur Frage, ob der Prätor diese exceptio von Amts wegen auch gegen den Willen der Frau einzufügen hatte, vgl. MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 48 f.; KASER, Verbotsgesetze (1977), S. 31 in Fn. 11; ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 150 in Fn. 226; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 97 f., 151 f.; FINKENAUER, TRG 81 (2013), 17, 40 ff. 39 Zur Formel der exceptio vgl. LENEL, Edictum perpetuum (1927), S. 513; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 30. 40 MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 30; KUPISCH, In integrum restitutio (1974), S. 16; KASER, Verbotsgesetze (1977), S. 30; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 43 f. – Zur Möglichkeit, die exceptio SC Velleiani auch noch später gegenüber der actio iudicati zu erheben, vgl. MEDICUS, ZRG RA 81 (1964), 233, 244 ff., 248 f., 280; FINKENAUER, TRG 81 (2013), 17, 28 f. 41 MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 30 f.; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 44 f. – Zu Marci. Dig. 12, 6, 40 pr. s. u. Fn. 103. 37

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sion der Frau eingebüßt, läuft er Gefahr, mit seinem Anspruch völlig auszufallen. Ebenso verhält es sich, wenn von vornherein keine direkte Forderung gegen den Interzessionsbegünstigen – den eigentlichen Schuldner – entstanden ist, da etwa die Frau gleich in eigenem Namen das Darlehen aufgenommen und dann die Valuta für jenen verwendet hat. Um dieses offensichtlich unbillige Ergebnis zu vermeiden,42 ermöglichen zwei besondere prätorische Rechtsbehelfe dem Gläubiger jeweils ein direktes Vorgehen gegen den materiellen Schuldner.43 Im ersten Fall, wenn die Forderung gegen den ursprünglichen Hauptschuldner durch die Interzession der Frau erloschen war, wird durch die sog. actio restitutoria die vor der Interzession bestehende Rechtslage wiederhergestellt, indem die Folgen der Interzession beseitigt werden und die alte Forderung gegen den ursprünglichen Hauptschuldner (prior debitor) wiederauflebt.44 Im zweiten Fall, wenn wegen der Interzession der Frau von vornherein keine unmittelbare Forderung gegen den Interzessionsbegünstigten entstanden war, erhält der Gläubiger durch die sog. actio institutoria einen direkten Anspruch gegen den Interzessionsbegünstigten, wie wenn er das Geschäft mit diesem und nicht mit der Frau abgeschlossen hätte.45 c) Ursprünglicher Zweck Welchen Zweck der Senat mit dem Erlass des SC Velleianum verfolgte, ist umstritten. Nach der wohl herrschenden Meinung standen für den historischen Gesetzgeber der Schutz der Frau und ihres Vermögens im Mittelpunkt.46 Die Paul. Dig. 16, 1, 1, 2: »Aequum autem visum est ita mulieri succurri, ut in veterem debitorem aut in eum, qui pro se constituisset mulierem ream, actio daretur: magis enim ille quam creditor mulierem decepit.« 43 LENEL, Edictum perpetuum (1927), S. 287; CARRELLI, SDHI 3 (1937), 305 ff.; DERS., RISG 12 (1937), 63 ff.; PALAZZINI FINETTI, BIDR 8–9 (1947), 157 ff.; PIERRET, Le Sénatusconsulte Velléien (1947), S. 47 ff.; KRELLER, Anzeiger der ÖAW, Phil.-hist. Klasse 93 (1956), S. 1, 7 f.; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 64 ff.; KUPISCH, In integrum restitutio (1974), S. 14 ff., 17 ff., 23 ff., 49 ff.; KASER, ZRG RA 94 (1977), 101, 172 ff.; ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 150; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 46 ff. 44 Ulp. Dig. 16, 1, 8, 7–13. 45 Ulp. Dig. 16, 1, 8, 14: »Si, cum essem tibi contracturus, mulier intervenerit, ut cum ipsa potius contraham, videtur intercessisse: quo casu datur in te actio, quae instituit magis quam restituit obligationem, ut perinde obligeris eodem genere obligationis, quo mulier est obligata: verbi gratia si per stipulationem mulier, et tu quasi ex stipulatu convenieris.« 46 EDLINGER, Die Voraussetzung des SC Velleianum (1929), S. 10 ff.; KUNKEL, Römisches Privatrecht (1949), S. 217; KRELLER, ZRG RA 72 (1955), 400, 402; DERS., Anzeiger der ÖAW, Phil.-hist. Klasse 93 (1956), S. 1, 6 f.; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 23 ff., 139; KADEN, ZRG RA 75 (1958), 422, 423 f.; KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 156, S. 667 Fn. 5; DERS., Verbotsgesetze (1977), S. 30; WALDSTEIN, Festschrift Muth (1983), S. 559, 562; DIXON, TRG 52 (1984), 343, 362 f.; CROOK, in: The Family in 42

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Gegenansicht indessen unterstellt dem Senat reaktionäre Motive und sieht das SC Velleianum ausschließlich als legislative Maßnahme, um Frauen vom Geschäftsleben und dem öffentlichen Leben überhaupt fernzuhalten. 47 Vertreter beider Ansichten stellen dabei einen möglichen Zusammenhang mit der weitgehenden Auflösung der Geschlechtsvormundschaft (tutela mulieris) her.48 Mitunter wird auch ein besonderer Aspekt der Ehegesetzgebung unter Kaiser Augustus in den Vordergrund gerückt, der ebenfalls dem Erhalt des Vermögens dient:49 Nach der sog. lex Iulia de fundo dotali,50 vermutlich einem Kapitel oder Annex der lex Iulia de adulteriis coercendis,51 ist es dem Mann verboten, in Italien belegene Grundstücke,52 die zur Mitgift (dos) der Frau gehören, ohne deren Zustimmung (invita muliere) zu veräußern.53 Zwar fällt Ancient Rome (1986), S. 83, 90; ROBINSON, (1987) Juridical Review 143, 156; ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 146 ff.; KUPISCH, Festschrift Großfeld (1999), S. 659, 659 f. Fn. 3; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 143 ff., 144. 47 GIDE, Étude sur la condition privée de la femme (1885), S. 154: »quels intérêts sociaux, quelles exigences politiques forçaient alors le législateur à restreindre la capacité des femmes pour réprimer leur influence. Tel est aussi l’objet unique du sénatus-consulte Velléien«; GRADENWITZ, Die Ungültigkeit obligatorischer Rechtsgeschäfte (1887), S. 75; SCHULZ, Classical Roman Law (1951), S. 569: »an outspokenly reactionary enactment in conformity with the general attitude of the Senate which at that period was the center of reaction«; VOGT, Studien (1952), S. 6 ff.; DERS., TRG 35 (1967), 90, 101 ff.; JUST, Festschrift Laufke (1971), S. 33, 37, 40 f.; SPRUIT, Huldigingsbundel van Warmelo (1984), S. 194, 197: »oorspronkelijk de consequentie van een reactionnaire en anti-emancipatoire beweging«; BENKE, in: Gender and Religion (2001), S. 41, 42 f., 46 f., 54 f. 48 GIDE, Étude sur la condition privée de la femme (1885), S. 130 f., 152 f.; KRELLER, Anzeiger der ÖAW, Phil.-hist. Klasse 93 (1956), S. 1, 2; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 137 f.; CROOK, in: The Family in Ancient Rome (1986), S. 83, 89 ff.; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 19, 145. Zurückhaltend hingegen DIXON, TRG 52 (1984), 343, 367 ff. 49 DIXON, TRG 52 (1984), 343, 363 f. – Zur augusteischen Ehegesetzgebung s. o. Fn. 5. 50 Gai 2, 63: »Nam dotale praedium maritus invita muliere per legem Iuliam prohibetur alienare, quamvis ipsius sit vel mancipatum ei dotis causa vel in iure cessum vel usucaptum.« Ähnlich Inst. 2, 8 pr. – Die Bezeichnung lex Iulia de fundo dotali als solche findet sich unmittelbar nur in Paul. Dig. 23, 5, 1 pr. 51 NOAILLES, Annales de l’Université de Grenoble 31 (1919), 161, 204 unter Verweis auf die Kommentare von Paulus bzw. Ulpian zur lex Iulia de adulteriis, bei denen dieses Veräußerungsverbot jeweils am Ende behandelt wird, vgl. LENEL, Palingenesia, Vol. I (1889), Sp. 951 ff., 953 (Paulus) bzw. Vol. II (1889), Sp. 931 ff., 939 (Ulpian). Ferner KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 80 I 3, S. 334; ASTOLFI, La lex Iulia et Papia (1996), S. 156 f. in Fn. 20; METTE-DITTMANN, Die Ehegesetze des Augustus (1991), S. 39; STAGL, Favor dotis (2009), S. 33 f., 78 ff., 255 ff. 52 Ob auch Provinzialgrundstücke von diesem Verbot erfasst werden, ist unter den klassischen Juristen streitig, vgl. Gai 2, 63: »Quod quidem ius utrum ad Italica tantum praedia an etiam ad provincialia pertineat, dubitatur.« – Dazu STAGL, Favor dotis (2009), S. 79 f. 53 Wie Justinian später berichtet, soll darüber hinaus eine Verpfändung selbst mit Zustimmung der Frau unzulässig gewesen sein, vgl. Cod. 5, 13, 1, 15 (Iust.): »Et cum lex Iulia fundi dotalis Italici alienationem prohibebat fieri a marito non consentiente muliere, hypothecam autem nec si mulier consentiebat«. – Kritisch gegenüber dieser Darstellung

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die dos in klassischer Zeit grundsätzlich in das Eigentum des Mannes,54 jedoch hat die Frau nach beendeter Ehe einen Anspruch auf Herausgabe der dos, den sie gegen ihn oder seine Erben mit der actio rei uxoriae geltend machen kann.55

Der überlieferte Text des SC Velleianum selbst begründet das Interzessionsverbot damit, dass es unbillig sei, dass Frauen Aufgaben der Männer wahrnehmen und an Verbindlichkeiten dieser Art gebunden sind: cum eas virilibus officiis fungi et eius generis obligationibus obstringi non sit aequum.56 Die Interzession gilt also zum einen als »Männersache« (officium virile), was durchaus Raum für Spekulationen lässt, dass es Teilen des Senats vielleicht nicht ungelegen kam, Frauen von solchen, den Männern vorbehaltenen Geschäften auszuschließen. Zum anderen wird es aber auch als unbilliges Ergebnis empfunden, dass Frauen aus derartigen Geschäften verpflichtet sein sollen, was für den Schutzgedanken der Regelung spricht. Diese beiden Motive schließen sich insofern nicht notwendigerweise gegenseitig aus, sondern können sich durchaus überlagern. Deshalb spricht viel für die vermittelnde Auffassung, dass der Senat zwar in erster Linie den Schutz der Frau und ihres Vermögens im Auge hatte, aber wohl auch den Ausschluss der Frau als mehr oder weniger willkommene Konsequenz in Kauf nahm. 57 Letztlich kommt es für die weitere Entwicklung weniger auf die Absichten des historischen Gesetzgebers bei Verabschiedung des Senatsbeschlusses an als vielmehr auf den Zweck, den die klassischen Juristen dann bei der konkreten Anwendung des SC Velleianum zugrunde legen. 2. Auslegung des SC Velleianum durch die klassischen Juristen a) Sachlicher Anwendungsbereich Nach dem überlieferten Text des SC Velleianum werden von ihm Verbindlichkeiten erfasst, die Frauen für andere eingegangen sind (de obligationibus feminarum, quae pro aliis reae fierent). Als Prototypen solcher Interzessionen werden ausdrücklich die Bürgschaft und die Darlehensaufnahme für des klassischen Rechts allerdings NOAILLES, Annales de l’Université de Grenoble 31 (1919), 161, 210: »Justinien, il est vrai, le dit, mais son témoignage n’a pas grande importance de vue historique.« Ähnlich KASER, Privatrecht, Bd. II (1975), § 222 IV, S. 188. 54 So die bislang h.M., vgl. etwa KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 80 I 2, S. 333 f.; KASER / KNÜTEL / LOHSSE, Privatrecht (2017), § 59 Rn. 18. Hingegen geht STAGL, Favor dotis (2009), S. 235 ff., 290 ff. von einer »Aporie des herkömmlichen Eigentumsbegriffs bei der Mitgift« aus. 55 KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 81, S. 336 ff. 56 Ulp. Dig. 16, 1, 2, 1. 57 GIRARD, Manuel élémentaire de droit romain (1906), S. 784 mit Fn. 3; PIERRET, Le Sénatusconsulte Velléien (1947), S. 24 ff.; KRELLER, ZRG RA 72 (1955), 400, 402; DERS., Anzeiger der ÖAW, Phil.-hist. Klasse 93 (1956), S. 1, 6 f.; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 5; DÍAZ BAUTISTA, RIDA 30 (1983), 81, 82; ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 146 f.; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 145; FINKENAUER, TRG 81 (2013), 17, 37.

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andere (fideiussiones et mutui dationes pro aliis, quibus intercesserint feminae) erwähnt. Somit stellt sich die Frage, auf welche Geschäfte insgesamt die klassischen Juristen das SC Velleianum anwenden, wann sie also ein tatbestandliches intercedere annehmen.58 Mit Blick auf die überlieferten Quellen ist zunächst ein uneinheitlicher Sprachgebrauch der klassischen Juristen festzustellen:59 Mal verwenden sie den Begriff intercedere in einem engeren (technischen) Sinne für einen vom SC Velleianum erfassten Sachverhalt,60 mal in einem weiteren (untechnischen) Sinne für jede Übernahme einer fremden Obligation unabhängig davon, ob dies im Ergebnis unter das SC Velleianum fallen sollte oder nicht.61 Was die vom SC Velleianum erfassten Interzessionen angeht, finden sich in den Quellen keine unmittelbaren Anhaltspunkte für eine Kategorisierung derselben. Die spätere gemeinrechtliche Unterscheidung zwischen kumulativen und privativen Interzessionen62 ist den klassischen Juristen fremd. Zudem konnte bei einer Klage des Gläubigers gegen die Interzedentin durch die Konsumptionswirkung der litis contestatio jede kumulative Interzession zu einer privativen werden. Deshalb bildet Medicus vielmehr folgende drei Gruppen von Geschäften: Erstens die unmittelbare Verpflichtung der Frau neben (oder nach) dem Interzessionsbegünstigten, zweitens die unmittelbare Verpflichtung der Frau allein und drittens die mittelbare Verpflichtung der Frau.63 Der typische Fall einer unmittelbaren Verpflichtung der Frau neben dem Interzessionsbegünstigten ist die im Text des SC Velleianum ausdrücklich erwähnte Bürgschaft (fideiussio)64 zugunsten des Hauptschuldners.65 Verpflichtet sich die Frau als Gesamtschuldnerin neben einem anderen, stellt dies bezogen auf den im Innenverhältnis vom anderen zu tragenden Teil (pro parte socii) grundsätzlich ebenfalls eine verbotene Interzession dar,66 es sei Zum Begriff des intercedere allgemein sowie im Staats- und Privatrecht vgl. PIERRET, Le Sénatusconsulte Velléien (1947), S. 31 ff.; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 25 ff.; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 30 f. 59 MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 49 f. – So schon Windscheid s. u. Fn. 962. 60 Vgl. etwa Ulp. Dig. 16, 1, 8 pr.; Dig. 16, 1, 8, 1; Dig. 16, 1, 8, 14. 61 Vgl. etwa Ulp. Dig. 16, 1, 8, 5; Gai. Dig. 16, 1, 13 pr.; Iul. Dig. 16, 1, 16 pr. 62 Statt vieler PIERRET, Le Sénatusconsulte Velléien (1947), S. 32 f. 63 MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 84 ff.; kritisch MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 108. 64 Zum Verschwinden der beiden anderen Bürgschaftsformen (sponsio und fidepromissio) in den Quellen s. o. Fn. 22 f. 65 Ulp. Dig. 16, 1, 2, 1; vgl. ferner Mod. Dig. 16, 1, 25, 1. Dass die Bürgschaft in Dig. 16, 1 ansonsten nicht behandelt wird, dürfte an ihrer wohl unstreitigen Eigenschaft als Interzession liegen, vgl. MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 108 f. 66 Hinsichtlich des im Innenverhältnis von der Frau zu tragenden Teils liegt ein Eigengeschäft und somit keine Interzession vor. 58

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denn, die Frau handelt im eigenen Interesse, um einen ihr drohenden größeren Schaden abzuwenden.67 Eine unmittelbare Verpflichtung der Frau nach dem Interzessionsbegünstigten liegt vor, wenn sie eine fremde Schuld durch Novation68 übernimmt.69 Hinsichtlich der Anweisung (delegatio) der Frau (an einen Vierten), eine von ihr eingegangene verbotswidrige Interzession beim Gläubiger des Hauptschuldners zu erfüllen, gilt Folgendes:70 Ist der Angewiesene seinerseits Schuldner der Frau, so steht die Anweisung einer unmittelbaren Zahlung durch die Frau selbst gleich. Da das vorausgegangene Geschäft gegen das SC Velleianum verstoßen hat, kann die Frau das (trotz Einrede) Geleistete vom Gläubiger kondizieren.71 Ist dagegen der Angewiesene seinerseits nicht Schuldner der Frau, droht ihr ein Regressanspruch des Angewiesenen. Zur ersten Interzession der Frau würde eine weitere Verbindlichkeit hinzutreten. Um dies zu verhindern, wird dem Angewiesenen hier eine Einrede unmittelbar gegen den Gläubiger zugestanden.72 Keine Verpflichtung und somit keine Interzession geht eine Frau dagegen ein, wenn sie in Zuwendungsabsicht die Verbindlichkeit eines anderen erfüllt.73 Denn in diesem Fall fehlt es an der für eine Interzession typischen Gefahrenlage, dass die Frau sich in der Erwartung verpflichtet, später hieraus schon Afr. Dig. 16, 1, 17, 2: »Mulier et Titius, cum in rem communem mutuarentur, eiusdem pecuniae rei facti sunt: non omnimodo mulierem pro parte socii videri intercessisse dicebat. nam si ob eam causam mutuati fuerint, ex qua, si creditor pecuniam non dedisset, maius damnum mulier passura fuerat, veluti quod communis insula fulta non esset vel quod fundus communis in publicum committeretur, potius esse, ut senatus consulto locus non sit. at si in aliquam emptionem mutua pecunia sit accepta, tunc pro parte intercessionem factam videri et ideo creditorem partem dumtaxat pecuniae a muliere petere posse: quod si totum petierit, exceptione pro parte summovetur.« – Hierzu VOGT, Studien (1952), S. 25 f., 67 ff.; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 38, 89 f.; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 62 ff. – Vgl. ferner Paul. Dig. 16, 1, 18. 68 Zur Novation vgl. KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 152 I, S. 647 ff.; KASER /  KNÜTEL / LOHSSE, Privatrecht (2017), § 54 Rn. 1 ff. 69 Cod. 4, 29, 1 (Ant.); Cod. 4, 29, 4 pr. (Alex.). Hierzu VOGT, Studien (1952), S. 29; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 95; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 109 f. 70 Vgl. VOGT, Studien (1952), S. 12, 31 f.; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 30 f., 90 f., 125 ff.; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 111 f. 71 Ulp. Dig. 16, 1, 8, 3: »Interdum intercedenti mulieri et condictio competit, ut puta si contra senatus consultum obligata debitorem suum delegaverit: nam hic ipsi competit condictio, quemadmodum, si pecuniam solvisset, condiceret: solvit enim et qui reum delegat.« 72 Ulp. Dig. 16, 1, 8, 4: »Sed si is, qui a muliere delegatus est, debitor eius non fuit, exceptione senatus consulti poterit uti, quemadmodum mulieris fideiussor.« 73 Vgl. PIERRET, Le Sénatusconsulte Velléien (1947), S. 31, 43; VOGT, Studien (1952), S. 10; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 42 f.; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 50 ff. 67

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nicht in Anspruch genommen zu werden. Vielmehr tritt die Minderung ihres Vermögens gleich und für sie direkt erkennbar ein. Ulpian verweist insofern auf den Willen des historischen Gesetzgebers, der nur beim Eingehen einer Verpflichtung einen Schutzbedarf erkannt habe, aber nicht bei einer (Hand-) Schenkung, da eine Frau sich eben leichter verpflichten würde, als unmittelbar etwas wegzuschenken (quia facilius se mulier obligat quam alicui donat):74 Eine Begründung, die in der Rezeption häufig aufgegriffen wird. Ob die Erfüllung der fremden Verbindlichkeit dabei durch Zahlung von Geld oder durch Hingabe eines Vermögensgegenstands an Erfüllungs statt (datio in solutum)75 erfolgt, macht insoweit keinen Unterschied.76 Ferner gehen die klassischen Juristen durchweg von einer verbotenen Interzession aus, wenn die Frau an einer ihr gehörenden Sache ein Pfandrecht (pignus) für die Verbindlichkeit eines Dritten bestellt.77 Zwar entsteht mit der Verpfändung einer Sache begrifflich keine persönliche Verpflichtung der Frau, also eigentlich keine obligatio im wörtlichen Sinne des SC Velleianum (de obligationibus feminarum, quae pro aliis reae fierent). Die klassischen Juristen scheinen gleichwohl deutliche Parallelen hinsichtlich der typischen Gefahrenlage gesehen zu haben: Denn auch die Verpfändung ist hier nicht auf die endgültige Aufgabe der Sache angelegt, sondern sie erfolgt – ebenso wie die Bürgschaft und die anderen Interzessionsgeschäfte – gewöhnlich in der Hoffnung, dass der Schuldner seinen Verpflichtungen nachkommen und damit der Sicherungsfall nicht eintreten wird.78 Gibt eine Frau dagegen umgekehrt ein ihr eingeräumtes Pfandrecht gegenüber ihrem Schuldner wieder frei, so stellt dieser Verzicht keine Interzession dar – ebenso wenig wie auch sonst das unmittelbare Weggeben von Vermögen.79

Ulp. Dig. 16, 1, 4, 1 (Fall 2): »sed et si tibi donatura creditori tuo nummos numeraverit, non intercedit: senatus enim obligatae mulieri succurrere voluit, non donanti: hoc ideo, quia facilius se mulier obligat quam alicui donat.« 75 Zur datio in solutum vgl. KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 149 III 4, S. 638; KASER / KNÜTEL / LOHSSE, Privatrecht (2017), § 53 Rn. 11. 76 Gai. Dig. 16, 1, 5: »Nec interest, pecuniam solvendi causa numeret an quamlibet suam rem in solutum det«. 77 Ulp. Dig. 6, 1, 39, 1; Gai. Dig. 6, 1, 40; Ulp. Dig. 16, 1, 8 pr.; Afr. Dig. 16, 1, 17, 1; Paul. Dig. 16, 1, 29 pr.; Pomp. Dig. 16, 1, 32, 1; Cod. 4, 29, 5 (Alex.); Cod. 4, 29, 6 pr. (Alex.). VOGT, Studien (1952), S. 51 ff.; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 97 ff.; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 52 f., 117 ff. 78 Ähnlich MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 99 f.; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 118 f. 79 Ulp. Dig. 16, 1, 8 pr.: »Quamvis pignoris datio intercessionem faciat, tamen Iulianus libro duodecimo digestorum scribit redditionem pignoris, si creditrix mulier rem, quam pignori acceperat, debitori liberaverit, non esse intercessionem.« – VOGT, Studien (1952), S. 10 f.; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 100; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 52 f. 74

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

Da es Frauen im römischen Recht grundsätzlich völlig freisteht, nach eigenem Gutdünken Verbindlichkeiten einzugehen, fällt eine unmittelbare Verpflichtung der Frau alleine nur unter besonderen Umständen in den Anwendungsbereich des SC Velleianum. Als ein solcher Fall gilt nach dessen überliefertem Wortlaut typischerweise die Darlehensaufnahme für Dritte (mutui dationes pro aliis). Grundsätzlich ist eine Frau also frei, ein Darlehen (mutuum) aufzunehmen: Tut sie dies – wie der Gläubiger weiß – jedoch, um die Valuta für einen Dritten zu verwenden, liegt eine Interzession vor.80 Auch die in einem Kaufvertrag (emptio venditio) eingegangene Verpflichtung stellt ausnahmsweise eine Interzession dar, wenn eine Frau ihr Grundstück an den Gläubiger ihres Mannes mit der Abrede veräußert, ihre Kaufpreisforderung mit der Verbindlichkeit des Ehemanns zu verrechnen: Denn der Käufer hat hier Kenntnis von der Fremdnützigkeit des Geschäfts, da er ja zugleich Gläubiger des Ehemanns ist.81 Ebenso soll die Verpflichtung aus einem fremdnützigen Pachtvertrag (locatio conductio) den Charakter einer Interzession annehmen können.82 Eine lediglich mittelbare Verpflichtung der Frau steht schließlich dann in Frage, wenn die Frau nicht selbst beim Gläubiger für den Schuldner interzediert, sondern sie jemand anderen – einen Vierten – damit betraut.83 Im Falle eines entsprechenden Auftrags (mandatum) ist der Anspruch des Gläubigers gegen den beauftragten Interzedenten einredebehaftet, falls der Gläubiger 80 Ulp. Dig. 16, 1, 8, 14; Paul. Dig. 16, 1, 11; Paul. Dig. 16, 1, 12; Afr. Dig. 16, 1, 19, 5; Scaev. Dig. 16, 1, 28, 1; Paul. Dig. 16, 1, 29 pr. – MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 101 ff.; JUST, Festschrift Laufke (1971), S. 33, 45 in Fn. 54; KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 156, S. 667; TELLEGEN-COUPERUS, RIDA 30 (1983), 313, 314, 322 ff., 326; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 129 ff.; FINKENAUER, TRG 81 (2013), 17, 42 in Fn. 173. – Nicht durchgesetzt hat sich die Ansicht, dass die fremdnützige Darlehensaufnahme durch Frauen im klassischen Recht an sich nicht unter das SC Velleianum gefallen sei, sondern nur bei einer entsprechenden Umgehungsabsicht des Gläubigers, so aber VOGT, Studien (1952), S. 43 ff.; DERS., TRG 35 (1967), 90, 105 ff. 81 Pomp. Dig. 16, 1, 32, 2: »Item si mulier creditori viri fundum vendidit et tradidit ea condicione, ut emptor acceptam pecuniam viro referret, et hunc fundum vindicat, exceptio quidem opponitur ei de re empta et tradita, sed replicabitur a muliere: ›aut si ea venditio contra senatus consultum facta sit‹. et hoc procedit, sive ipse creditor emerit sive interposuerit alium, quo mulier ea ratione careat re sua. idem est et si non pro viro, sed pro alio debitore rem suam tradidit.« – VOGT, Studien (1952), S. 41 f.; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 120 ff.; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 136 ff. jeweils auch zu den Unterschieden gegenüber den Konstellationen in Gai. Dig. 16, 1, 5 bzw. Cod. 4, 29, 4, 1 (Alex.). 82 Cod. 4, 29, 10 (Phil.). Hierzu VOGT, Studien (1952), S. 43; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 122 f. – Kritisch dagegen MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 134 ff. 83 Vgl. VOGT, Studien (1952), S. 30 ff.; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 123 ff.; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 113 ff.

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weiß, dass die Frau hinter dieser Interzession steht. Hat der Gläubiger dagegen hiervon keine Kenntnis, kann er seinen Anspruch gegen den von der Frau beauftragten Interzedenten durchsetzen. Letzterer hat in diesem Fall keinen Regressanspruch aus dem Auftrag (actio mandati contraria)84 gegen seine Auftraggeberin, wenn er die Hintergründe gekannt hat.85 Weiterhin sind in diesem Zusammenhang diejenigen Anweisungsfälle zu nennen, bei denen der Delegation keine Interzession der Anweisenden vorangegangen war, das heißt, wenn die Frau in der Absicht, für die Schulden eines Dritten aufzukommen, jemanden anweist, den Gläubiger des Dritten zu befriedigen, ohne dass sie vorher selbst dafür interzediert hatte.86 Hier ist ähnlich wie bei den Fällen mit vorangegangener Interzession der Frau zu differenzieren.87 Ist der Angewiesene seinerseits Schuldner der Frau, so steht die Anweisung einer unmittelbaren Zahlung durch die Frau selbst gleich: Da die Frau keine neue Verbindlichkeit begründet, kommt das SC Velleianum nicht zur Anwendung.88 Ist dagegen der Angewiesene seinerseits nicht Schuldner der Frau, so setzt sich die Frau durch die Anweisung einem Regressanspruch des Angewiesenen aus: Hierdurch geht die Frau eine neue Verbindlichkeit ein und das SC Velleianum gewährt eine Einrede.89

84 Zur actio mandati contraria vgl. KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 134 V 3, S. 580; KASER / KNÜTEL / LOHSSE, Privatrecht (2017), § 44 Rn. 10. 85 Pomp. Dig. 16, 1, 32, 3: »Si mulier, ne ipsa intercederet, alii mandaret ut id faceret, an in huius persona locus huic senatus consulto sit, qui rogatu mulieris id faceret? totus enim sermo senatus consulti ad petitionem non dandam adversus ipsam mulierem spectat. et puto rem ita esse distinguendam, ut, si quidem creditor, cui me obligavi mandante muliere, hoc in fraudem senatus consulti egisset, ne ipsa interveniret contra senatus consultum, daret autem alium, excludendum eum exceptione fraudis senatus consulti factae: si vero is ignorasset, ego autem scissem, tunc mandati me agentem cum muliere excludendum esse, me autem creditori teneri.« – Hierzu VOGT, Studien (1952), S. 31; KRELLER, Anzeiger der ÖAW, Phil.-hist. Klasse 93 (1956), S. 1, 8 f.; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 124 ff. – Vgl. ferner Ulp. Dig. 16, 1, 6; Pap. Dig. 16, 1, 7; Paul. Dig. 16, 1, 30, 1. Nachklassisch: Cod. 4, 29, 15 (Diocl. et Max.). 86 Vgl. VOGT, Studien (1952), S. 31 f.; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 90 f., 125 ff.; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 51 f., 111 ff. 87 Siehe oben Fn. 70. 88 Ulp. Dig. 16, 1, 8, 5: »Plane si mulier intercessura debitorem suum delegaverit, senatus consultum cessat, quia et si pecuniam numerasset, cessaret senatus consultum: mulier enim per senatus consultum relevatur, non quae deminuit, restituitur.« – Ferner Gai. Dig. 16, 1, 5: »nam et si vendiderit rem suam, sive pretium acceptum pro alio solvit sive emptorem delegavit creditori alieno, non puto senatus consulto locum esse.« 89 Ulp. Dig. 16, 1, 8, 6: »Sed si eum delegaverit qui debitor eius non fuit, fraus senatus consulto facta videbitur et ideo exceptio datur.«

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b) Grundsätze Die überlieferten Quellen geben überdies auch Aufschluss über die Grundsätze, von denen sich die klassischen Juristen bei der Anwendung des SC Velleianum leiten ließen. Danach kommt das SC Velleianum einer Frau dann nicht zugute, wenn sie zwar bei formaler Betrachtung für eine fremde Verbindlichkeit eingetreten ist, aber in der Sache damit eigene Interessen verfolgt hat:90 So etwa wenn die Frau sich gesamtschuldnerisch verpflichtet hat, um einen ihr drohenden größeren Schaden zu vermeiden,91 oder wenn sie für ihren eigenen Bürgen und damit gleichsam für ihre eigene Hauptverbindlichkeit interzediert hat.92 Darüber hinaus besteht keine Notwendigkeit, der Frau eine Einrede zu gewähren, wenn sie mit der Interzession kein zusätzliches Risiko eingeht, weil sie gleichzeitig einen entsprechenden Gegenwert erhält und ihr somit aus dem insgesamt neutralen Geschäft kein weiterer Vermögensverlust droht.93 Wird etwa die Frau von ihrem Gläubiger angewiesen, sich einem Dritten gegenüber zu verpflichten, so übernimmt sie zwar eine fremde Verbindlichkeit. Da sie dadurch aber gleichzeitig von ihrer Verbindlichkeit dem (Alt-)Gläubiger gegenüber frei wird, führt eine derartige Verpflichtungsanweisung (delegatio obligandi) aus Sicht der Frau lediglich zu einem neutralen Gläubigerwechsel.94 Ähnlich verhält es sich, wenn die

90 Vgl. MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 35 ff.; ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 149 f.; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 57 ff. – Während MEDICUS insoweit eine Ausnahme vom tatbestandlich einschlägigen Interzessionsverbot annimmt, hält es MÖNNICH, a. a. O., Fn. 252 für wahrscheinlicher, dass von vornherein nur Interzessionen im technischen Sinn vom SC Velleianum erfasst werden und deshalb derartige Geschäfte im eigenen Interesse der Frau bereits auf der Tatbestandsebene ausscheiden. 91 Siehe oben Fn. 67. 92 Gai. Dig. 16, 1, 13 pr.: »Aliquando, licet alienam obligationem suscipiat mulier, non adiuvatur hoc senatus consulto: quod tum accidit, cum prima facie quidem alienam, re vera autem suam obligationem suscipiat. ut ecce […] si pro fideiussore suo intercedat.« – Vgl. ferner Mod. Dig. 16, 1, 25 pr.; Pap. Dig. 16, 1, 27, 2; Pomp. Dig. 16, 1, 32 pr.; Cod. 4, 29, 6 pr. (Alex.) – hierzu insbesondere CHIUSI, ZRG RA 111 (1994), 155, 164 ff. 93 MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 38 ff., 91 f.; ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 149; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 61, 67 f., 73 ff. – Kritisch TALAMANCA, Labeo 4 (1958), 99, 108 f. 94 Paul. Dig. 16, 1, 24 pr.: »Debitrix mulier a creditore delegata pro eo cui delegata est promisit: non utetur exceptione.« Vgl. ferner Cod. 4, 29, 2 (Ant.). – Bestand dagegen im Verhältnis zum Altgläubiger keine wirksame Verbindlichkeit, so erhält die Frau keinen entsprechenden Gegenwert für die Verpflichtung, die sie gegenüber dem Neugläubiger eingeht: Da sich der Gläubigerwechsel für die Frau somit nicht neutral darstellt, kann sie sich in einem solchen Fall auch dem Neugläubiger gegenüber auf das SC Velleianum berufen, vgl. Paul. Dig. 46, 2, 19. – Zu Ulp. Dig. 16, 1, 8, 2 vgl. MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 92 ff.; KUPISCH, Festschrift Großfeld (1999), S. 659, 660 ff.

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Frau im Zuge der Interzession den entsprechenden Gegenwert in bar erhält, sei es davor95 oder auch erst danach.96 Umstritten ist hingegen, ob sich aus den überlieferten klassischen Quellen belastbare Aussagen für den Fall ableiten lassen, dass die Frau in Schenkungsabsicht (donandi animo) interzediert.97 Anders als bei einer Handschenkung erbringt sie damit kein sofort spürbares Vermögensopfer, sondern sie verzichtet für den Fall, dass sie aus der Interzession in Anspruch genommen wird, lediglich von vornherein auf einen Regress gegen den Hauptschuldner und »schenkt« ihm gleichsam die Interzession. Nach einer Ansicht soll hier zumindest in Einzelfällen das SC Velleianum nicht zur Anwendung gekommen sein,98 da es Frauen grundsätzlich erlaubt war, unentgeltliche Zuwendungen zu machen.99 Die Gegenansicht geht dagegen von der Anwendbarkeit des SC Velleianum auf solche Fälle aus und verweist auf die auch hier vorhandene typische Gefahrenlage, dass die Frau eine Verpflichtung eingeht in der Hoffnung, aus dieser später nicht in Anspruch genommen zu werden.100 Weiterhin stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob eine Frau nach klassischem Recht wirksam darauf verzichten konnte, die Rechtsfolgen 95 Paul. Dig. 16, 1, 22: »Si mulieri dederim pecuniam, ut eam creditori meo solvat vel expromittat, si ea expromiserit, locum non esse senatus consulto Pomponius scribit, quia mandati actione obligata in rem suam videtur obligari.« – Zur Echtheit MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 39 f. Fn. 11; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 74 in Fn. 307. Für eine Interpolation der Worte »vel expromittat« noch EISELE, ZRG RA 30 (1909), 99, 119 f.; DERS., ZRG RA 35 (1914), 325; PRINGSHEIM, ZRG RA 50 (1930), 333, 365; VOGT, Studien (1952), S. 62 Fn. 11. 96 Call. Dig. 16, 1, 21 pr.: »Si pro aliquo mulier intercesserit, sed in rem eius quod acceptum est versaretur, exceptio senatus consulti locum non habet, quia non fit pauperior.« – Vgl. ferner Iul. Dig. 16, 1, 16 pr.: »Si mulier contra senatus consultum Velleianum pro me intercessisset Titio egoque mulieri id solvissem et ab ea Titius eam pecuniam peteret, exceptio huius senatus consulti non est profutura mulieri: neque enim eam periclitari, ne eam pecuniam perdat, cum iam eam habeat.« – Zur Echtheit MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 40 f.; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 74 in Fn. 309; FINKENAUER, TRG 81 (2013), 17, 23 f. 97 Vgl. Call. Dig. 16, 1, 21, 1: »Item si quid liberaliter fecerit, veluti ne iudicatus pater eius propter solutionem vexetur, non erit tuta senatus consulto: oneribus enim earum senatus succurrit.« – Ferner Ulp. Dig. 16, 1, 4 pr.–1. 98 MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 41 ff., 45; ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 149. 99 Unter Ehegatten gilt allerdings ein Schenkungsverbot, vgl. dazu KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 79 III 1, S. 331 f.; DERS., Verbotsgesetze (1977), S. 114 ff.; KASER /  KNÜTEL / LOHSSE, Privatrecht (2017), § 59 Rn. 4 f.; ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 484 ff.; SCHLEI, Schenkungen unter Ehegatten (1993); GADE, Donationes inter virum et uxorem (2001). 100 EDLINGER, Die Voraussetzung des SC Velleianum (1929), S. 21 ff.; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 98 ff. m. w. N. Im Ergebnis ebenso VOGT, Studien (1952), S. 84; TALAMANCA, Labeo 4 (1958), 99, 107 f.

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aus dem SC Velleianum geltend zu machen.101 Zahlt sie in Kenntnis der Rechtslage auf ihre einredebehaftete Interzessionsverbindlichkeit, kann sie das Geleistete danach nicht mehr mit der condictio indebiti zurückfordern, was in der Sache einem Verzicht der Frau gleichkommt.102 Zahlt sie hingegen in Unkenntnis der Rechtslage, kann sie das Geleistete grundsätzlich vom Gläubiger kondizieren, da ihr die Einrede des SC Velleianum in ihrem eigenen Interesse eingeräumt wird (und nicht als Sanktion gegen den Gläubiger).103 Will die Frau in diesem Fall aber nicht gegen den Gläubiger vorgehen – weil sie diesen vielleicht nicht mehr für zahlungskräftig hält –, so kann sie nach Paulus hierauf verzichten und stattdessen vom Hauptschuldner im Wege des Regresses mit der actio mandati contraria104 den Ersatz ihrer Aufwendungen verlangen, sofern sie diesem Sicherheit leistet.105 Hat die Frau allerdings noch nicht gezahlt, ist sie aber bereit, sich auf die Klage des Gläubigers einzulassen, damit nicht der Hauptschuldner in Anspruch genommen wird, so hält Pomponius dies für zulässig: Die Frau muss jedoch dem Gläubiger vor dem Prätor (in iure) Sicherheit dafür leisten (cavere),106 dass sie die Einrede aus dem SC Velleianum nicht erheben wird, und sich dann vor dem Richter entsprechend einlassen.107 Im Ergebnis kann die Frau somit zwar nicht allgemein auf die ihr zustehende Einrede verzichten, aber zumindest vor dem Prätor unter engen Voraussetzungen eine ähnliche Wirkung erzielen.108 Dass 101 PIERRET, Le Sénatusconsulte Velléien (1947), S. 61 ff.; VOGT, Studien (1952), S. 69 ff.; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 45 ff.; TALAMANCA, Labeo 4 (1958), 99, 106 f.; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 92 ff.; FINKENAUER, TRG 81 (2013), 17 ff. 102 MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 31 f., 45; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 45, 92 f.; FINKENAUER, TRG 81 (2013), 17, 24 f. 103 Marci. Dig. 12, 6, 40 pr.: »Qui exceptionem perpetuam habet, solutum per errorem repetere potest: sed hoc non est perpetuum. nam si quidem eius causa exceptio datur cum quo agitur, solutum repetere potest, ut accidit in senatus consulto de intercessionibus: ubi vero in odium eius cui debetur exceptio datur, perperam solutum non repetitur«. 104 Zur actio mandati contraria s. o. Fn. 84. 105 Paul. Dig. 16, 1, 31: »Si mulier quod ex intercessione solvit nolit repetere, sed mandati agere et cavere velit de indemnitate reo, audienda est.« – Hierzu MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 46 ff. mit Zweifeln an der Echtheit der Voraussetzung einer Sicherheitsleistung, aber ohne Bedenken hinsichtlich des sonstigen Inhalts dieses Fragments; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 93 ff.; FINKENAUER, TRG 81 (2013), 17, 25 ff. 106 Zum Charakter der erforderlichen Kaution FINKENAUER, TRG 81 (2013), 17, 31 f. 107 Pomp. Dig. 16, 1, 32, 4: »Si mulier pro eo, pro quo intercesserit, iudicium parata sit accipere, ut non in veterem debitorem actio detur: quoniam senatus consulti exceptionem opponere potest, cavere debebit exceptione se non usuram et sic ad iudicem ire.« – Zur Echtheit MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 48 f.; FINKENAUER, TRG 81 (2013), 17, 30 ff., 44. 108 MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 49 f.; KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 156, S. 667 in Fn. 10; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999),

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ein solcher nachträglicher »Verzicht« auch außergerichtlich durch Kautionsleistung möglich gewesen sein mag, erscheint nicht ausgeschlossen.109 Finkenauer hält einen »Verzicht« durch Kautionsleistung der Frau sogar im Voraus für zulässig und verweist auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit, die Bedürfnisse des Verkehrs und die Vielzahl der anerkannten Ausnahmen, die auf die Willensrichtung der Frau abheben würden.110 Dies dürfte angesichts der Quellenlage aber wohl zu weit gehen, zumal sich dann die Frage stellt, ob für einen derartigen »Vorausverzicht« nicht dieselbe ratio gelten müsste wie für das Interzessionsverbot selbst.111 Umstritten ist ferner, ob die klassischen Juristen bei der Frau ein bestimmtes Wissen oder einen bestimmten Willen zu interzedieren (animus intercedendi) als ein subjektives Element für die Anwendung des SC Velleianum voraussetzen.112 In aller Regel wird die Frau von den richtigen Tatsachen ausgegangen sein, so dass das Bewusstsein und die Intention zu interzedieren unproblematisch vorliegen. Praktisch relevant wird die Frage allerdings im Falle eines entsprechenden Irrtums der Frau über die zugrundeliegenden Umstände bzw. wenn sie ohne Interzessionsabsicht gehandelt hat. Der Begriff des animus intercedendi wird dabei in den überlieferten Quellen nur in einem einzigen Ulpian-Fragment verwendet:113 Hat eine Frau in der Absicht für einen anderen einzutreten (animo intercedendi) vor dem Magistrat erklärt, ein fremder Sklave sei ihrer, und dadurch die Noxalhaftung übernommen, die an und für sich den wahren Eigentümer des schadensverursachenden Sklaven treffen würde,114 kommt das SC Velleianum zur Anwendung, wie wenn sie für einen anderen eingetreten wäre (quasi intercesserit).115 Zwar ist davon S. 97 f.; FINKENAUER, TRG 81 (2013), 17, 44. – Anders VOGT, Studien (1952), S. 71 f., der hierin kein klassisches, sondern justinianisches Recht sieht. 109 So zuletzt FINKENAUER, TRG 81 (2013), 17, 44 f. – Skeptisch MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 50. 110 FINKENAUER, TRG 81 (2013), 17, 45 ff. 111 So auch FINKENAUER, TRG 81 (2013), 17, 19, 47 f., der diese Frage freilich verneint. 112 Das Erfordernis eines animus intercedendi ablehnend MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 50 ff, 54. – Dagegen bejahend VOGT, Studien (1952), S. 17, 57 ff.; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 75 ff., 123 ff.; FINKENAUER, TRG 81 (2013), 17, 46. 113 Zwar verweist MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 76 f. in diesem Zusammenhang noch auf Afr. Dig. 16, 1, 19, 2: »magis autem est, ut ne ob hanc quidem causam senatus consultum locum habeat, quando non ea mente fuerit, ut pro his intercederet«. – Diese Stelle gilt jedoch nach ganz h.M. als interpoliert, vgl. VOGT, Studien (1952), S. 15 in Fn. 20; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 53 f. m. w. N. in Fn. 44. Anders freilich FINKENAUER, TRG 81 (2013), 17, 46. 114 Zur Noxalhaftung vgl. KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 147, S. 630 ff.; KASER /  KNÜTEL / LOHSSE, Privatrecht (2017), § 50 Rn. 12 ff. 115 Ulp. Dig. 16, 1, 26: »Si mulier intercedendi animo servum alienum suum esse responderit, quasi intercesserit auxilio senatus consulti utetur.« – Für die Echtheit von

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auszugehen, dass die Frau hier den wahren Sachverhalt kannte.116 Daraus folgt jedoch nicht notwendigerweise, dass Ulpian damit das Wissen der Frau von der Interzession zur allgemeinen Voraussetzung für die Anwendbarkeit des SC Velleianum machen will.117 Eine ähnliche Konstellation findet sich bei Paulus: Eine Frau gibt vor dem Magistrat an, Erbin zu sein, was in Wirklichkeit nicht zutrifft, womit sie sich aber den Ansprüchen eines Nachlassgläubigers aussetzt, die sich eigentlich gegen den wahren Erben richten würden. Kannte sie die wahren Umstände und hatte sie ihre Erklärung wider besseres Wissen abgegeben, wird wegen ihrer Täuschungshandlung schon das tatbestandliche Vorliegen einer Interzession abgelehnt (minime intercessisse videri), so dass für eine Einrede aus dem SC Velleianum kein Raum ist. Hatte sie sich dagegen aufgrund eines Irrtums tatsächlich für die Erbin gehalten, sind – nach Paulus – die meisten klassischen Juristen der Ansicht, dass ihr in diesem Fall die Einrede aus dem SC Velleianum zusteht. 118 Die Mehrheitsmeinung unter den klassischen Juristen wendet also das SC Velleianum an unabhängig davon, dass hier die gutgläubig falsch respondierende Frau weder das Wissen noch den Willen hat zu interzedieren. Auf einen animus intercedendi kommt es für die Mehrheit somit nicht an. Die von Paulus nicht wiedergegebene Mindermeinung verweigert vermutlich diese Einrede. Dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass sie etwa – anders als die Mehrheit – mit dem Erfordernis eines animus intercedendi arbeitet, sondern kann ebenso gut andere Ursachen haben, wie zum Beispiel der hier naheliegende Umstand, dass der Gläubiger ebenso wenig wie die gutgläubige Frau erkennt, dass sie tatsächlich als Nichterbin für fremde Nachlassverbindlichkeiten eintritt.119 intercedendi animo übereinstimmend VOGT, Studien (1952), S. 17 Fn. 32, S. 58 Fn. 5; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 52 Fn. 38; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 126 Fn. 455. – Anders dagegen PRINGSHEIM, ZRG RA 42 (1921), 273, 284; KRELLER, ZRG RA 72 (1955), 400, 403. 116 Insoweit übereinstimmend VOGT, Studien (1952), S. 58; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 51; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 126 f. – VOGT und MÖNNICH nehmen ferner an, dass auch der Gläubiger die wahren Tatsachen kannte und möglicherweise im Einvernehmen mit der Frau handelte. 117 MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 52. Auch MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 76 räumt ein, dass dieses Ulpian-Fragment keinen Aufschluss über Inhalt und Bedeutung des animus intercedendi gibt. 118 Paul. Dig. 16, 1, 23: »Si mulier in iure interrogata responderit se heredem esse, si sciens se heredem non esse responderit, minime intercessisse videri, quia decepit: quod si existimavit se heredem et eo nomine decepta responderit, in eam actionem quidem dari plerique existimaverunt, sed exceptione senatus consulti adiuvari.« – Zur Echtheit von minime intercessisse videri vgl. MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 50 in Fn. 33. Zur Möglichkeit, die Einrede auch gegenüber der actio iudicati noch zu erheben, s. o. Fn. 40. 119 Überzeugend MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 51 ff., der ebd., S. 58 annimmt, dass die Mehrheitsmeinung bei einer beiderseitigen Unkenntnis von Frau

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Denn nach allgemeiner Auffassung gilt im klassischen Recht grundsätzlich die Regel, dass das SC Velleianum nur dann zur Anwendung kommt, wenn der Gläubiger die Interzession erkannt hat, wenn also bei ihm ein subjektives Element gegeben ist.120 In der Mehrzahl der Fälle wird es für den Gläubiger sowohl durch das äußere Erscheinungsbild der ihm gegenübertretenden Person als auch anhand des getätigten Geschäfts ersichtlich gewesen sein, ob der persönliche und sachliche Anwendungsbereich des SC Velleianum eröffnet ist und somit die verbotene Interzession einer Frau vorliegt. Indessen ist dies für den Gläubiger nicht auf den ersten Blick festzustellen, wenn die Frau nicht selbst bei ihm auftritt, um für einen Dritten zu bürgen, sondern damit einen (Stroh-)Mann beauftragt.121 Nur schwer als Interzessionen auszumachen sind für den Gläubiger vor allem aber solche Geschäfte, welche die Frau typischerweise unmittelbar zum eigenen Nutzen abschließt, wie insbesondere die Aufnahme eines Darlehens.122 Den Zielkonflikt zwischen der Durchsetzung des Interzessionsverbots einerseits und den Interessen des Verkehrs andererseits löst Paulus durch eine restriktive Interpretation des SC Velleianum: Danach greift dieses nicht, wenn die Frau das Darlehen dem äußeren Anschein nach zu eigenen Zwecken aufnimmt und nur insgeheim beabsichtigt, die Valuta einem Dritten zu kreditieren. Dies dient nicht nur dem Schutz des redlicherweise auf die erkennbaren Umstände vertrauenden Gläubigers, sondern auch dem Erhalt der Kreditwürdigkeit der Frau. Denn ansonsten würde niemand mehr einer Frau ein Darlehen gewähren, da man nicht wissen kann, was sie mit den Valuta vorhat.123 Einige der überlieferten Quellen schließlich knüpfen nicht einfach an die Unkenntnis des Gläubigers von der Interzession an, sondern sprechen von einer Täuschung des Gläubigers durch die Frau.124 Während Vogt hierin jus-

und Gläubiger wegen der ratio des SC Velleianum die Frau begünstigt. MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 125 hält es für möglich, dass sich die Mehrheit insoweit von Praktikabilitätserwägungen leiten lässt. 120 Ulp. Dig. 16, 1, 4 pr.; Ulp. Dig. 16, 1, 6; Paul. Dig. 16, 1, 11; Paul. Dig. 16, 1, 12; Afr. Dig. 16, 1, 17 pr.; Afr. Dig. 16, 1, 17, 1; Afr. Dig. 16, 1, 19, 5; Pap. Dig. 16, 1, 27 pr.; Scaev. Dig. 16, 1, 28, 1; Pomp. Dig. 16, 1, 32, 3; Cod. 4, 29, 1 (Ant.). – VOGT, Studien (1952), S. 17 ff.; KRELLER, ZRG RA 72 (1955), 400, 403; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 54 ff.; TALAMANCA, Labeo 4 (1958), 99, 102 ff.; JUST, Festschrift Laufke (1971), S. 33, 43 ff.; KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 156, S. 667; ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 150 f.; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 81 ff.; FINKENAUER, TRG 81 (2013), 17, 46. 121 Siehe oben Fn. 85. 122 Siehe oben Fn. 80. 123 Paul. Dig. 16, 1, 11: »Si mulier tamquam in usus suos pecuniam acceperit alii creditura, non est locus senatus consulto: alioquin nemo cum feminis contrahet, quia ignorari potest, quid acturae sint.« – Zur Echtheit MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 61 f.; FINKENAUER, TRG 81 (2013), 17, 22 mit Fn. 25.

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tinianisches Recht sieht,125 räumt Medicus zwar ein, dass die Ausdrucksweise kaum zu klassischen Juristen passt. Er sieht jedoch insoweit keine inhaltliche Veränderung des klassischen Rechts, sondern lediglich eine »sachlich bedeutungslose Ungenauigkeit«, da die Unkenntnis des Gläubigers häufig auf einem Irrtum beruht, den die Frau durch eine Täuschung hervorgerufen hat.126 c) Zweck nach der Auslegung durch die klassischen Juristen Die dargestellten Grundsätze bei der konkreten Anwendung des SC Velleianum lassen deutlich erkennen, welchen Zweck ihm die klassischen Juristen beimessen. Diese verharren nicht etwa bei einer starren und formalen Betrachtung der von ihnen zu beurteilenden Sachverhalte. Statt jede Übernahme einer fremden Verbindlichkeit durch eine Frau einfach dem Interzessionsverbot zu unterwerfen und ihr pauschal die entsprechende Einrede zuzubilligen, berücksichtigen sie vielmehr die konkreten Umstände und die Interessenlage des Einzelfalls. Folglich sehen die klassischen Juristen keine Notwendigkeit, einer Frau die exceptio SC Velleiani zu gewähren, wenn sie mit der Interzession in der Sache eigene Interessen verfolgt. Gleiches gilt für den Fall, dass die Interzession kein spezifisches Risiko für die Frau mit sich bringt, da sie einen entsprechenden Gegenwert erhält bzw. weil sich das Geschäft insgesamt für sie neutral darstellt. Derartige Differenzierungen wären jedoch überflüssig, hätten die klassischen Juristen das Ziel verfolgt, die Frauen aus dem Geschäftsleben zurückzudrängen. Denn dies wäre durch ein schlichtes Abstellen auf den formalen Charakter des betreffenden Geschäfts sehr einfach möglich gewesen. Auch der Grundsatz, dass das SC Velleianum nicht zur Anwendung gebracht wird, wenn der Gläubiger nicht weiß, dass eine Frau interzediert hat, zeugt von dem Bemühen der klassischen Juristen um einen fairen Interessenausgleich und sachgerechte Lösungen: Die Durchsetzung des Interzessionsverbots tritt hinter den Interessen des Verkehrs zurück, aber nicht nur zum Schutz des redlichen Gläubigers, sondern – erklärtermaßen – eben auch, um die Kreditwürdigkeit der Frauen zu erhalten. Das SC Velleianum wird also gerade nicht als Instrument begriffen, um den Kredit der Frau zu untergraben und sie gewissermaßen auf kaltem Wege von der Teilnahme am Wirtschaftsleben auszuschließen.127 Im Übrigen spricht die umfangreiche Ulp. Dig. 16, 1, 2, 3; Paul. Dig. 16, 1, 30 pr.; Cod. 4, 29, 5 (Alex.). Nachklassisch: Cod. 4, 29, 18 (Diocl. et Max.); Cod. 8, 27, 11 (Diocl. et Max.). Zur ersten Fallkonstellation in Paul. Dig. 16, 1, 23 s. o. Fn. 118. 125 VOGT, Studien (1952), S. 18 ff. 126 MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 55 ff. Zur Bedeutung eines dolosen Verhaltens der Frau ferner MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 87 ff.; FINKENAUER, TRG 81 (2013), 17, 46 f. 127 MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 79 ff.; KADEN, ZRG RA 75 (1958), 422, 424 f. Fn. 14; JUST, Festschrift Laufke (1971), S. 33, 46; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 147 ff.; FINKENAUER, TRG 81 (2013), 17, 35 f. 124

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Kasuistik in Dig. 16, 1 und Cod. 4, 29 dafür, dass das SC Velleianum rechtstatsächlich nicht zu einem Erliegen der Fraueninterzessionen geführt hat.128 Darüber hinaus wird das SC Velleianum auch außerhalb von Dig. 16, 1 und Cod. 4, 29 als Rechtsinstitut zugunsten der Frau begriffen.129 Das Verständnis des SC Velleianum als Schutzvorschrift für die Frauen spiegelt sich letztlich auch in der Wortwahl der klassischen Juristen wider. Sie sprechen häufig von der Hilfe des Senatsbeschlusses (auxilium senatus consulti) für die Frau.130 Auch das Gewähren der entsprechenden Einrede wird durchweg mit synonymen Verben ausgedrückt wie helfen (subvenire),131 zu Hilfe kommen (succurrere),132 unterstützen (adiuvari)133 oder schützen (tueri).134 Zwar gelten die Textstellen, die das Interzessionsverbot schlechthin mit der Schwäche des weiblichen Geschlechts (sexus inbecillitas)135 bzw. der Schwäche der Frauen (infirmitas feminarum)136 begründen, als interpoliert bzw. interpolationsverdächtig. Mit Blick auf den formalen Fortbestand der Geschlechtsvormundschaft (tutela mulierum) hält überdies schon Gaius die Wankelmütigkeit (levitas animi), die den Frauen zu seiner Zeit immer noch unterstellt wurde,137 für einen Gemeinplatz, der mehr Schein als Wirklichkeit

128 DIXON, TRG 52 (1984), 343, 366; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 151. 129 Insbesondere bei Marci. Dig. 12, 6, 40 pr. (s. o. Fn. 103) – vgl. GIRARD, Manuel élémentaire de droit romain (1906), S. 787 in Fn. 3 a. E.; TALAMANCA, Labeo 4 (1958), 99, 100; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 149. 130 Ulp. Dig. 16, 1, 8, 8; Ulp. Dig. 16, 1, 26; Cod. 4, 29, 2 (Ant.); Cod. 4, 29, 4, 1 (Alex.); Cod. 4, 29, 5 (Alex.); Cod. 4, 29, 6 pr.–1 (Alex.). 131 Ulp. Dig. 16, 1, 2, 1; Ulp. Dig. 16, 1, 2, 3; Ulp. Dig. 16, 1, 6; Cod. 4, 29, 1 (Ant.). 132 Paul. Dig. 16, 1, 1, 2; Ulp. Dig. 16, 1, 4, 1; Call. Dig. 16, 1, 21, 1; Pomp. Dig. 16, 1, 32 pr.; Cod. 4, 29, 5 (Alex.). 133 Gai. Dig. 16, 1, 13 pr.; Paul. Dig. 16, 1, 23; Paul. Dig. 16, 1, 30, 1; Cod. 4, 29, 6 pr. (Alex.). 134 Call. Dig. 16, 1, 21, 1; Mod. Dig. 16, 1, 25, 1; Cod. 4, 29, 3 (Ant.); Cod. 4, 29, 6, 2 (Alex.). 135 Ulp. Dig. 16, 1, 2, 2 wird als völlig unecht angesehen, insoweit übereinstimmend VOGT, Studien (1952), S. 8 Fn. 24; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 137 Fn. 130. Zurückhaltender BEAUCAMP, RHD 54 (1976), 485, 498 f. 136 Ulp. Dig. 16, 1, 2, 3; Cod. 4, 29, 5 (Alex.). – Zu den Zweifeln an der Echtheit dieser beiden Stellen SOLAZZI, Arch. giur. 104 (1930), 3, 18 f., 26 ff.; DERS., SDHI 19 (1953), 321, 325; FELGENTRAEGER, Antikes Lösungsrecht (1933), S. 18 f. in Fn. 22; VOGT, Studien (1952), S. 8 Fn. 25, S. 19 f. Fn. 47 f.; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 63 Fn. 64; BEAUCAMP, RHD 54 (1976), 485, 491 ff., 502 f.; DIXON, TRG 52 (1984), 343, 366. 137 Zum Topos der Schwäche des weiblichen Geschlechts im römischen Recht allgemein SOLAZZI, Arch. giur. 104 (1930), 3, 18 ff.; SCHULZ, Classical Roman Law (1951), S. 181 ff.; BEAUCAMP, RHD 54 (1976), 485 ff.; DIXON, TRG 52 (1984), 343, 356 ff.; CROOK, in: The Family in Ancient Rome (1986), S. 83, 85 f.

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für sich hat (magis speciosa videtur quam vera).138 Tatsächlich mögen Frauen auch schon in beachtlichem Maße am römischen Wirtschaftsleben teilgenommen haben.139 Dennoch ist davon auszugehen, dass sie – auch nach der weitgehenden Aushöhlung der tutela mulierum – im Allgemeinen weniger Geschäftserfahrung hatten als die Männer, die seit jeher gewohnt waren, als pater familias das Vermögen der Familie zu verwalten.140 Den hinsichtlich seiner Echtheit nicht zu beanstandenden Sprachgebrauch der klassischen Juristen einfach als farblos oder gar euphemistisch abzutun,141 erscheint vor diesem Hintergrund fragwürdig. Bei aller gebotenen Zurückhaltung gegenüber terminologischen Argumenten fügt sich die verwendete Begrifflichkeit des »Helfens« jedenfalls widerspruchsfrei in das Gesamtbild einer gelebten Schutzvorschrift, während sie eher unangebracht und beinahe zynisch wirken würde, wenn es darum gegangen wäre, Frauen vom Geschäftsleben fernzuhalten.142 Alles in allem stellt das SC Velleianum somit nach seiner konkreten Anwendung im klassischen Recht eine Schutzvorschrift dar.143 3. Nachklassik Der Status quo der Klassik bleibt in nachklassischer Zeit im Wesentlichen unverändert.144 In den sachlichen Anwendungsbereich des SC Velleianum fallen

Gai 1, 190: »Feminas vero perfectae aetatis in tutela esse fere nulla pretiosa ratio suasisse videtur. nam quae vulgo creditur, quia levitate animi plerumque decipiuntur et aequum erat eas tutorum auctoritate regi, magis speciosa videtur quam vera; mulieres enim, quae perfectae aetatis sunt, ipsae sibi negotia tractant, et in quibusdam causis dicis gratia tutor interponit auctoritatem suam; saepe etiam invitus auctor fieri a praetore cogitur.« – Vgl. ferner Gai 1, 144. 139 Siehe oben Fn. 10. 140 MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 137 f.; KADEN, ZRG RA 75 (1958), 422, 426; ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 147 f.; FINKENAUER, TRG 81 (2013), 17, 36. – Vgl. zudem Paul. Dig. 16, 1, 1, 1, wo als Grund für das Interzessionsverbot ausdrücklich auf die Gefährdung des Familienvermögens (periculum rei familiaris) abgestellt wird – zur Echtheit dieser Aussage KRELLER, ZRG RA 72 (1955), 400, 402; MEDICUS, a. a. O., S. 24. 141 So aber VOGT, Studien (1952), S. 8. 142 Ähnlich BEAUCAMP, Le statut de la femme à Byzance, Vol. I (1990), S. 69 f.; FINKENAUER, TRG 81 (2013), 17, 36. 143 KRELLER, ZRG RA 72 (1955), 400, 402; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 134 ff., 139; KADEN, ZRG RA 75 (1958), 422, 425 f.; differenzierend TALAMANCA, Labeo 4 (1958), 99, 100 ff.; JUST, Festschrift Laufke (1971), S. 33, 41 ff. allerdings einschränkend erst seit der Hochklassik; ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 148 ff.; BEAUCAMP, Le statut de la femme à Byzance, Vol. I (1990), S. 68 ff.; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 152 f., 167; FINKENAUER, TRG 81 (2013), 17, 40. 138

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somit beispielsweise die Aufnahme eines Darlehens, um die Valuta an einen Dritten auszukehren, 145 sowie die Bestellung eines Pfandrechts,146 aber umgekehrt nicht der Verzicht auf ein Pfandrecht oder eine Hypothek.147 Der Sprachgebrauch in Zusammenhang mit dem SC Velleianum bleibt ebenfalls gleich.148 Auch Justinian knüpft begrifflich hieran an149 und stellt dabei insbesondere auf die fragilitas der Frau ab.150 In der Sache aber gestaltet er das Interzessionsverbot nicht unerheblich um trotz aller Erklärungen, lediglich einige Unklarheiten und Unebenheiten des bisherigen Rechts beseitigen zu wollen.151 Bereits im klassischen Recht kommt das SC Velleianum nicht zur Anwendung, wenn die Frau mit der Interzession eigene Interessen verfolgt. Spätestens seit der frühen Nachklassik ist darüber hinaus eine Berufung auf das SC Velleianum ausgeschlossen, wenn eine Interzession zwar rein fremdnützig ist, sie aber einem bestimmten, insoweit privilegierten Zweck dient.152 144 MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 66; KASER, Privatrecht, Bd. II (1975), § 279, S. 461. Zum Fehlen von Quellen aus dem 4. und 5 Jahrhundert vgl. BEAUCAMP, Le statut de la femme à Byzance, Vol. I (1990), S. 71 f., 78. 145 Cod. 4, 29, 13 (Diocl. et Max.); Cod. 4, 29, 19 (Diocl. et Max.) – hierzu TELLEGENCOUPERUS, RIDA 30 (1983), 313 ff. – Zum klassischen Recht s. o. Fn. 80. 146 Cod. 4, 29, 7 (Gord.) – hierzu FELGENTRAEGER, Antikes Lösungsrecht (1933), S. 18 ff.; Cod. 4, 29, 12 (Val. et Gall.); Cod. 8, 27, 11 (Diocl. et Max.). – Zum klassischen Recht s. o. Fn. 77. 147 Cod. 4, 29, 11 (Phil.); Cod. 4, 29, 21 (Anast.) – hierzu VOGT, Studien (1952), S. 11 f.; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 100. Zum klassischen Recht s. o. Fn. 79. 148 Vgl. auxilium senatus consulti: Cod. 4, 29, 7 (Gord.); beneficium senatus consulti: Cod. 4, 29, 9 (Gord.); Cod. 4, 29, 10 (Phil.); Cod. 4, 29, 12 (Val. et Gall.); subvenire: Cod. 4, 29, 18 (Diocl. et Max.); succurrere: Cod. 4, 29, 16 (Diocl. et Max.); adiuvari: Cod. 4, 29, 13 (Diocl. et Max.); tueri: Cod. 4, 29, 10 (Phil.); Cod. 4, 29, 14 (Diocl. et Max.); Cod. 4, 29, 17 (Diocl. et Max.); defendi: Cod. 4, 29, 19 (Diocl. et Max.). 149 Vgl. auxilium senatus consulti: Cod. 4, 29, 23 pr.–1, 1b et 3 (Iust.); iuvamen senatus consulti: Cod. 4, 29, 23, 1a (Iust.). 150 Cod. 4, 29, 22 pr. (Iust.). – Zum Begriff der fragilitas, der den im 3. und 4. Jahrhundert verwendeten Begriff der infirmitas ersetzt, vgl. BEAUCAMP, RHD 54 (1976), 485, 503 ff.: Im Gegensatz zur insoweit ambivalenten infirmitas wird die ausschließlich positiv konnotierte fragilitas nur im Zusammenhang mit Schutzmaßnahmen gebraucht. 151 Vgl. Cod. 4, 29, 22 pr. (Iust.): »sancimus, antiqua legum varietate cessante«; Cod. 4, 29, 23 pr. (Iust.): »Antiquae iurisdictionis retia et difficillimos nodos resolventes et supervacuas distinctiones exsulare cupientes sancimus«; Cod. 4, 29, 24 pr. (Iust.): »Veterum ambiguitatem decidentes sancimus«. – BEAUCAMP, Le statut de la femme à Byzance, Vol. I (1990), S. 73 f. Fn. 127. 152 VOGT, Studien (1952), S. 72 ff.; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 73 ff.; DÍAZ BAUTISTA, RIDA 30 (1983), 81, 89 ff.; BEAUCAMP, Le statut de la femme à Byzance, Vol. I (1990), S. 77; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 156 f. – Nach STAGL, Favor dotis (2009), S. 72 f., 92 f. ist der favor dotis bereits im klassischen Recht als entsprechend privilegierter Zweck anerkannt, insbesondere unter Verweis auf Paul. Dig. 23, 3, 41 pr.

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Interzediert etwa eine Mutter, um ihre Tochter mit einer Mitgift auszustatten (dotandi causa), so kann sie sich nach einem Reskript von Valerian und Gallienus nicht auf das SC Velleianum berufen.153 Justinian ordnet schließlich allgemein an, dass eine Interzession nicht durch das SC Velleianum entkräftet werden kann, die der Gewährung einer Mitgift (dos) dient – sei es für die Tochter oder für irgendeine andere Braut: Die Erfüllung eines solchen Dotalversprechens hat Vorrang (favor dotis), um wirtschaftliche Hindernisse für eine Eheschließung zu beseitigen.154 Ähnliche übergeordnete gesellschaftspolitische Erwägungen gelten, wenn eine Frau für die Freilassung eines Sklaven interzediert: Dessen Freiheit ist gegenüber einer Anwendung des SC Velleianum vorzugswürdig (favor libertatis).155 Eine justinianische Interpolation wird darüber hinaus am Ende von Dig. 4, 4, 12 angenommen: Erfolgt die Interzession bei einem minderjährigen Gläubiger (apud minorem), so steht der Frau auch ihm gegenüber grundsätzlich die exceptio SC Velleiani zu, da der Minderjährige wie jeder andere volljährige Gläubiger mit der actio restitutoria gegen den (Haupt-)Schuldner vorgehen kann. Falls sich der (Haupt-) Schuldner allerdings als zahlungsunfähig erweist, soll sie aber (nach dem Schlusssatz) diese Einrede gegenüber dem Minderjährigen verlieren, das heißt, der Minderjährigenschutz genießt dann Vorrang.156

153 Cod. 4, 29, 12 (Val. et Gall.): »Si dotare filiam volens genero res tuas obligasti, pertinere ad te beneficium senatus consulti falso putas: hanc enim causam ab eo beneficio esse removendam prudentes viri putaverunt.« – Hierzu ferner KRELLER, Anzeiger der ÖAW, Phil.-hist. Klasse 93 (1956), S. 1, 9; BEAUCAMP, Le statut de la femme à Byzance, Vol. I (1990), S. 70 f. Fn. 112; STAGL, Favor dotis (2009), S. 73, 93. 154 Cod. 4, 29, 25 (Iust.): »[pr.] Generaliter sancimus, ut, si quis […] dotem vel pollicitus sit vel spoponderit pro qualibet muliere, cum qua matrimonium licitum est, omnimodo compellatur suam confessionem adimplere. [1] Neque enim ferendum est quasi casu fortuito interveniente mulierem fieri indotatam et sic a viro forsitan repelli et distrahi matrimonium. cum enim scimus favore dotium et antiquos iuris conditores severitatem legis saepius mollire, merito et nos ad huiusmodi venimus sanctionem. [2] Nam si spontanea voluntate ab initio liberalitatem suam ostendit, necesse est eum vel eam suis promissionibus satisfacere, ut, quod ab initio sponte scriptum aut in pollicitationem deductum est, hoc et ab invitis postea compleatur, omni auctoritate Velleiani senatus consulti in hac causa cessante.« 155 Cod. 4, 29, 24 pr. (Iust.): »Veterum ambiguitatem decidentes sancimus, si quis, ut servo suo manumissionem imponat, mulierem acceperit obnoxiam sese pro certa quantitate facientem, si in libertatem servum perduxerit, sive principaliter mulier sese obligavit sive pro servo hoc fecit, teneri eam, recte omnimodo senatus consultum Velleianum in hoc casu tacere imperantes.« 156 Gai. Dig. 4, 4, 12: »Si apud minorem mulier pro alio intercesserit, non est ei actio in mulierem danda, sed perinde atque ceteri per exceptionem summoveri debet: scilicet quia communi iure in priorem debitorem ei actio restituitur. haec si solvendo sit prior debitor: alioquin mulier non utetur senatus consulti auxilio.« – Der letzte Satz (haec si … auxilio) gilt allgemein als interpoliert, so übereinstimmend VOGT, Studien (1952), S. 73; MEDICUS,

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Während das klassische Recht noch keinen anfänglichen Verzicht der Frau auf die Einrede des SC Velleianum kennt, sieht Justinian einen solchen Verzicht unter bestimmten Umständen ausdrücklich vor:157 Cod. 5, 35, 3 (aus dem Jahre 530) erlaubt der Mutter, beim Tod des Vaters die Vormundschaft (tutela) über ihre (natürlichen)158 Kinder zu übernehmen, macht dafür aber unter anderem zur Voraussetzung, dass sie zuvor förmlich auf die Rechtsfolgen des SC Velleianum verzichtet.159 Die gleiche Voraussetzung gilt nach Nov. 94, 2 (aus dem Jahre 539)160 für die Übernahme der Pflegschaft (cura) durch die Mutter bzw. nach Nov. 118, 5 (aus dem Jahre 543)161 für die Übernahme der Vormundschaft (tutela) durch die Mutter oder Großmutter.162 Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 73 f. m. w. N.; KASER, Privatrecht, Bd. II (1975), § 279, S. 462 in Fn. 8. Anders freilich FINKENAUER, TRG 81 (2013), 17, 37 in Fn. 124. 157 PIERRET, Le Sénatusconsulte Velléien (1947), S. 68; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 76; WALDSTEIN, Festschrift Muth (1983), S. 559, 563 f.; DÍAZ BAUTISTA, RIDA 30 (1983), 81, 91 f.; BEAUCAMP, Le statut de la femme à Byzance, Vol. I (1990), S. 77 Fn. 142, S. 334 ff.; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 155. – Dagegen betrifft Cod. 4, 29, 21 (Anast.) nach h.M. noch den Verzicht der Frau auf ein Pfandrecht (s. o. Fn. 147), so VOGT, Studien (1952), S. 11 f.; KRELLER, Anzeiger der ÖAW, Phil.-hist. Klasse 93 (1956), S. 1, 9; MEDICUS, a. a. O., S. 100; BEAUCAMP, a. a. O., S. 72 f.; FINKENAUER, TRG 81 (2013), 17, 32 in Fn. 82. – Anders wohl KASER, Privatrecht, Bd. II (1975), § 279, S. 462, der insoweit einen Verzicht auf den Schutz des SC Velleianum annimmt. 158 Hinsichtlich der legitimen Kinder lässt (jedenfalls) schon Cod. 5, 35, 2 pr. (Theod. et Arcad.) aus dem Jahre 390 die Mutter als deren Vormund zu. Die teilweise vertretene Ansicht, dass dies so bereits im klassischen Recht möglich gewesen sei, wird von der h.M. jedoch abgelehnt, vgl. KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 85 I, S. 353 Fn. 4; Bd. II (1975), § 232 III 2, S. 227 Fn. 30; BEAUCAMP, Le statut de la femme à Byzance, Vol. I (1990), S. 325 ff.; CHIUSI, ZRG RA 111 (1994), 155, 191 ff. jeweils m. w. N. 159 Cod. 5, 35, 3 pr. (Iust.): »Si pater […] naturalibus liberis […] tutorem non reliquerit, mater autem voluerit eorum, sive masculi sunt sive feminae, subire tutelam, ad exemplum legitimae subolis liceat ei hoc facere, quatenus actis sub competenti iudice intervenientibus iuramentum antea praestet, quod ad nuptias non perveniat, sed pudicitiam suam intactam conservet et renuntiet senatus consulti Velleiani praesidio omnique alio legitimo auxilio suamque substantiam supponat.« 160 Nov. 94, 2 = Auth. 92, 2, vgl. HEIMBACH (Hrsg.), Authenticum, Vol. II (1851), S. 751, 752: »[…] Propterea igitur sancimus, aliam quidem observationem, quam in matribus observamus, valere secundum prius schema, et abrenunciare eas et Velleiano senatusconsulto et omni auxilio, et omnia agere, quae prius decreta sunt, iusiurandum vero non praeberi, sed sufficere abrenunciatione sola, et aliorum omnium, et de secundis nuptiis, nullo iureiurando de hoc dando«. 161 Nov. 118, 5 = Auth. 113, 5, vgl. HEIMBACH (Hrsg.), Authenticum, Vol. II (1851), S. 897: »[…] Mulieribus enim etiam nos interdicimus tutelae subire officium, nisi mater aut avia fuerit. His enim solis secundum hereditatis ordinem et tutelam subire permittimus, si inter gesta et nuptiis aliis et auxilio Velleiani senatusconsulti renuntiant.« 162 KASER, Privatrecht, Bd. II (1975), § 232 III 2, S. 227 f.; DÍAZ BAUTISTA, RIDA 30 (1983), 81, 92; BEAUCAMP, Le statut de la femme à Byzance, Vol. I (1990), S. 334 ff., 335.

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

Vermutlich erstmalig regelt Justinian im Jahre 530 außerdem die Neuvornahme einer Interzession durch die Frau.163 Interzediert eine Frau für dieselbe Verbindlichkeit (pro eadem causa) ein weiteres Mal innerhalb einer Frist von zwei Jahren, so ist nicht nur die frühere Interzession unwirksam, sondern auch die spätere, denn auch diese wird immer noch als Folge der fragilitas der Frau angesehen.164 Erfolgt die Neuvornahme hingegen erst nach zwei Jahren, so führt sie zu einer wirksamen Interzession, da dann unterstellt wird, dass die Frau öfters darüber nachdenken und sich entsprechend vorsehen konnte (quod saepius cogitare poterat et evitare) und folglich in eigener Sache gehandelt hat (non pro aliena obligatione se illigare, sed pro sua causa aliquid agere).165 Auf diese Weise kann die Frau somit im Ergebnis die Wirksamkeit ihrer Interzession nachträglich herbeiführen. An diesem Modell orientiert sich zudem wenige Jahre später die abschließende Regelung der Verfügungsbeschränkungen, die den Mann nach der lex Iulia de fundo dotali bezüglich der Dotalgrundstücke seiner Frau treffen.166 – Zunächst hatte Justinian ebenfalls im Jahre 530 klargestellt, dass sich das entsprechende Veräußerungsverbot nicht nur auf italische, sondern auch auf provinziale Grundstücke erstreckt.167 Zugleich war das Verbot unter Verweis auf die fragilitas suae naturae der Frau dahin gehend verschärft worden, dass selbst mit Zustimmung der Frau weder eine Veräußerung noch eine Verpfändung eines Dotalgrundstücks zulässig ist.168 Flankierend wurde der bei Beendigung der Ehe bestehende Anspruch der Frau auf Herausgabe der dos durch eine vorrangige gesetzliche General163 VOGT, Studien (1952), S. 82 ff.; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 67 f.; DÍAZ BAUTISTA, RIDA 30 (1983), 81, 83 f.; BEAUCAMP, Le statut de la femme à Byzance, Vol. I (1990), S. 74; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 154 f. 164 Cod. 4, 29, 22 pr. (Iust.): »Si mulier perfectae aetatis post intercessionem vel cautionem conscripserit vel pignus aut intercessorem praestiterit, sancimus, antiqua legum varietate cessante, si quidem intra biennale iuge tempus post priorem cautionem numerandum pro eadem causa fecerit cautionem vel pignus aut intercessorem dederit, nihil sibi praeiudicare, quod adhuc ex consequentia suae fragilitatis in secundam iacturam inciderit.« 165 Cod. 4, 29, 22, 1 (Iust.): »Sin autem post biennium haec fecerit, sibi imputet, si, quod saepius cogitare poterat et evitare, non fecit, sed ultro firmavit: videtur etenim ex huiusmodi temporis prolixitate non pro aliena obligatione se illigare, sed pro sua causa aliquid agere et tam ex secunda cautione sese obnoxiam facere, in quantum hoc fecit, quam pignus aut intercessorem utiliter dare.« 166 Vgl. MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 67 Fn. 76; DÍAZ BAUTISTA, RIDA 30 (1983), 81, 84; BEAUCAMP, Le statut de la femme à Byzance, Vol. I (1990), S. 75 f.; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 163 f. – Zur lex Iulia de fundo dotali s. o. Fn. 50. 167 Cod. 5, 13, 1, 15a (Iust.): »Placet itaque nobis eandem observationem non tantum in Italicis fundis, sed etiam in provincialibus extendi.« 168 Cod. 5, 13, 1, 15b (Iust.): »Sed ne ex consensu mulieris hypothecae eius minuantur, necessarium est et in hac parte mulieribus subvenire hoc tantummodo addito, ut fundum dotalem non solum hypothecae titulo dare nec consentiente muliere maritus possit, sed nec alienare, ne fragilitate naturae suae in repentinam deducatur inopiam.« – Zur Darstellung der vorherigen Rechtslage in Cod. 5, 13, 1, 15 (Iust.) s. o. Fn. 53.

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hypothek am Vermögen des Mannes gesichert.169 Auf diese Hypothek kann die Frau wiederum verzichten, ohne dadurch etwa gegen das Interzessionsverbot zu verstoßen, da ein solcher Verzicht auf ein Pfandrecht oder eine Hypothek schon tatbestandlich keine Interzession darstellt.170 – Die dergestalt erhöhten Verfügungsbeschränkungen der lex Iulia de fundo dotali werden dann allerdings im Jahre 537 durch die Nov. 61 neuerlich insoweit gelockert,171 als eine Veräußerung oder Verpfändung von Dotalgrundstücken durch den Ehemann unter zwei Voraussetzungen doch wirksam sein soll.172 Zum Ersten muss die Frau ihre Zustimmung nach zwei Jahren noch einmal wiederholen, so wie dies auch bei Interzessionen vorgesehen ist, worauf ausdrücklich Bezug genommen wird.173 Zum Zweiten muss das (verbleibende) Vermögen des Mannes zur Befriedigung ihres Dotalanspruchs ausreichen.174 Diese (nach zwei Jahren zu wiederholende) Zustimmung der Frau ist als schlichter Verzicht auf ihre Hypothek zu werten (bzw. auf ihren dinglichen Anspruch) und stellt somit schon deshalb keine Interzession dar.175 Neben diesem eher formalen Argument 169 Cod. 5, 12, 30 pr.–1 (Iust.); Cod. 5, 13, 1, 1b–1c (Iust.); Cod. 8, 17 (18), 12 (Iust.); Inst. 4, 6, 29. – Hierzu NOAILLES, Annales de l’Université de Grenoble 31 (1919), 161, 171; KASER, Privatrecht, Bd. II (1975), § 223 II 4, S. 192 f.; KASER / KNÜTEL / LOHSSE, Privatrecht (2017), § 59 Rn. 28. 170 Cod. 5, 13, 1, 15c (Iust.): »Licet enim Anastasiana lex de consentientibus mulieribus vel suo iuri renuntiantibus loquitur« mit ausdrücklichem Verweis auf Cod. 4, 29, 21 (Anast.) s. o. Fn. 147. – Hierzu NOAILLES, Annales de l’Université de Grenoble 31 (1919), 161, 217 f.; PRINGSHEIM, ZRG RA 44 (1924), 551, 556. 171 Hierzu NOAILLES, Annales de l’Université de Grenoble 30 (1918), 451 ff.; 31 (1919), 161 ff.; PRINGSHEIM, ZRG RA 44 (1924), 551 ff.; BONFANTE, Arch. giur. 91 (1924), 242 ff.; DERS., Corso di diritto romano, Vol. I (1925), S. 329 ff.; KASER, Privatrecht, Bd. II (1975), § 222 IV, S. 188; STAGL, Favor dotis (2009), S. 70 f. 172 Unmittelbarer Regelungsgegenstand der Nov. 61 ist zwar die sog. Eheschenkung (donatio propter nuptias), sie gilt aber nach h.M. ebenso für die dos, so übereinstimmend NOAILLES, Annales de l’Université de Grenoble 30 (1918), 451, 453 ff.; PRINGSHEIM, ZRG RA 44 (1924), 551, 552; BOYÉ, RHD 3 (1924), 473, 476 f. jeweils unter Bezugnahme auf Nov. 61, 1, 3 in fine = Auth. 62, 1, 3 in fine, vgl. HEIMBACH (Hrsg.), Authenticum, Vol. II (1851), S. 556, 560: »[…] Et multo potius haec in dote valebunt, si quid dotis aut alienetur aut supponatur. Iam enim haec sufficienter delimata atque sancita sunt.« – Zur donatio propter nuptias etwa KASER, Privatrecht, Bd. II (1975), § 224, S. 193 ff.; KASER /  KNÜTEL / LOHSSE, Privatrecht (2017), § 59 Rn. 29 ff.; SCHLEI, Schenkungen unter Ehegatten (1993), S. 83 ff. 173 Nov. 61, 1, 1 in fine = Auth. 62, 1, 1 in fine, vgl. HEIMBACH (Hrsg.), Authenticum, Vol. II (1851), S. 556, 558: »[…] Consensus enim in talibus aut in hypothecam, aut in venditionem, aut in aliam alienationem conscriptus percipienti omnino non proderit, si semel consensus fiat, sed sicut in intercessionibus scripsimus, ut oporteat biennii tempore exsistente rursus aliam professionem scribi confirmantem consensum, et tunc ratum esse quod factum est, sic et in hoc fiat.« 174 Nov. 61, 1, 3 = Auth. 62, 1, 3, vgl. HEIMBACH (Hrsg.), Authenticum, Vol. II (1851), S. 556, 559: »Veruntamen neque hoc simpliciter damus, sed tunc mulierem ex secundo consensu damno submittimus, dum sunt aliae res, ex quibus possibile est ei satisfieri pro re vel rebus immobilibus, quae in antenuptionali donatione continentur, et quae ab alio detinentur propter alienationis aut suppositionis modum«. 175 NOAILLES, Annales de l’Université de Grenoble 30 (1918), 451, 471; 31 (1919), 161, 193, 207 ff.

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

spricht auch ein materieller Gesichtspunkt gegen die Annahme einer zu beanstandenden Interzession: Wenn das übrige Vermögen des Mannes ihren Dotalanspruch hinreichend abdeckt, geht die Frau mit ihrer Zustimmung auch kein Risiko ein, wie es für die Interzession typisch ist.176 Die Anwendung der Zwei-Jahres-Regel wird im Übrigen mit der besonderen Situation der Frau gerechtfertigt, die sich gerade bei der ersten Gelegenheit durch die unlautere Einflussnahme ihres Mannes leicht zu einer für sie nachteiligen Handlung verleiten lasse.177 Insgesamt beschränkt Justinian also die Rechtsposition des Mannes an der dos auf eine nur noch äußerliche Eigentümerstellung, die inhaltlich eher einem Nießbrauch ähnelt, ohne deshalb aber die Frau formal, etwa in ein »geteiltes Eigentum« aufrücken zu lassen.178 Da die Frau also weiterhin grundsätzlich keinerlei unmittelbare Verfügungsgewalt an Dotalgrundstücken hat, handelt es sich auch unter diesem Aspekt bei ihrer Zustimmung um keine Interzession.

Als eine weitere Neuerung Justinians gilt die förmliche Bestätigung, dass die Frau den Gegenwert für die Interzession erhalten hat.179 Ansatzpunkt ist der schon im klassischen Recht anerkannte Grundsatz, dass eine Frau sich nicht auf das SC Velleianum berufen kann, wenn sie für ihre Interzession einen Gegenwert erhalten hat (aliquid accipiens, ut sese interponat).180 Nach Justinian ist dies nun einer Frau ebenso verwehrt, wenn sie in einer öffentlichen, von drei Zeugen beglaubigten Urkunde (instrumentum publice confectum … et a tribus testibus consignatum) erklärt, einen solchen Gegenwert erhalten zu haben (aliquid accepisse); denn dann wird unwiderlegbar vermutet (omnimodo esse credendum), dass sie tatsächlich Geld oder Sachen erhalten hat.181 Hierfür spricht auch die Behandlung des umgekehrten Falles, wenn kein entsprechendes Vermögen des Mannes vorhanden ist, in Nov. 61, 1, 3 = Auth. 62, 1, 3, vgl. HEIMBACH (Hrsg.), Authenticum, Vol. II (1851), S. 556, 559: »[…] alioquin, si nihil aliud supersit, neque sic laesionem sustinere mulierem permittimus, sed licet secundo vel si frequenter consentiat, causa ad intercessionis feratur rationem, et sit ei omnino lucrum sub cautela positum, nisi apparuit relictum aliud sufficiens ad antenuptialis largitatis quantitatem.« 177 Nov. 61, 1, 2 = Auth. 62, 1, 2, vgl. HEIMBACH (Hrsg.), Authenticum, Vol. II (1851), S. 556, 559: »[…] Plura namque ex primo mox auditu delinquuntur, muliere quippe mariti seductionibus facile decepta et propria negligente iura, quum vero in plurimo tempore cogitaverit pro negotio, fiet forsitan cautior.« 178 KASER, Privatrecht, Bd. II (1975), § 222 I, S. 185. 179 VOGT, Studien (1952), S. 76 ff.; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 68 ff.; DÍAZ BAUTISTA, RIDA 30 (1983), 81, 84 ff.; BEAUCAMP, Le statut de la femme à Byzance, Vol. I (1990), S. 76 f.; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 157 ff. 180 Cod. 4, 29, 23 pr. (Iust.): »Antiquae iurisdictionis retia et difficillimos nodos resolventes et supervacuas distinctiones exsulare cupientes sancimus mulierem, si intercesserit, sive ab initio sive postea aliquid accipiens, ut sese interponat, omnimodo teneri et non posse senatus consulti Velleiani uti auxilio, sive sine scriptis sive per scripturam sese interposuerit.« 181 Cod. 4, 29, 23, 1 (Iust.): »Sed si quidem in ipso instrumento intercessionis dixerit sese aliquid accepisse et sic ad intercessionem venisse et hoc instrumentum publice confec176

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Existiert keine derartige Urkunde, liegt die Beweislast hierfür beim Gläubiger: Gelingt ihm der Nachweis, dass die Frau einen Gegenwert erhalten hat, kann sie sich nicht auf das SC Velleianum berufen.182 Gelingt ihm der Nachweis aber nicht, so greift das SC Velleianum mit den entsprechenden Konsequenzen.183 Insgesamt werfen diese Vorschriften einige kaum zu lösende Zweifelsfragen auf, insbesondere wann die Frau den Gegenwert erhalten haben muss (sive ab initio sive postea). Vor allen Dingen wird nicht klar, ob das aliquid, um dessen Erhalt es geht, den vollen Gegenwert der Interzession erreichen muss, oder ob bereits irgendeine, gegebenenfalls geringere Geldoder Sachleistung genügt.184 Jedenfalls besteht für die Frau die Möglichkeit, durch eine derartige Bestätigung nun unabhängig vom tatsächlichen Erhalt eines Gegenwerts wirksam zu interzedieren, so dass das Interzessionsverbot in der Praxis zu einer bloßen Formvorschrift abgeschwächt werden kann, die nur noch Schutz vor einem übereilten Abschluss der Interzession bietet.185 Schwierig ist zudem das Verhältnis zu den allgemeinen Formvorschriften, die Justinian darüber hinaus für die Interzessionen von Frauen einführt.186 Danach kann eine Frau nur in der From einer öffentlichen, von drei Zeugen unterzeichneten Urkunde (instrumento publice confecto et a tribus testibus subsignato) überhaupt wirksam interzedieren.187 Wird diese Form nicht eingehalten, folgt hieraus ipso iure die absolute Nichtigkeit der Interzession, so dass es gar keines Rückgriffs auf die Einrede des SC Velleianum mehr betum inveniatur et a tribus testibus consignatum, omnimodo esse credendum eam pecuniam vel res accepisse et non esse ei ad senatus consulti Velleiani auxilium regressum.« 182 Cod. 4, 29, 23, 1a (Iust.): »Sin autem sine scriptis intercesserit vel instrumento non sic confecto, tunc, si possit stipulator ostendere eam accepisse pecunias vel res et sic subisse obligationem, repelli eam a senatus consulti iuvamine.« 183 Cod. 4, 29, 23, 1b (Iust.): »Sin vero hoc minime fuerit ab eo approbatum, tunc mulieri superesse auxilium et antiquam actionem adversus eum servari, pro quo mulier intercessit, vel ei actionem parari.« – Zur Regelung in Cod. 4, 29, 23, 1c (Iust.) vgl. MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 71; DÍAZ BAUTISTA, RIDA 30 (1983), 81, 88; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 159. 184 VOGT, Studien (1952), S. 77; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 69 f.; BEAUCAMP, Le statut de la femme à Byzance, Vol. I (1990), S. 77 in Fn. 138; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 159 Fn. 556. 185 MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 70 f.; ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 151; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 159. 186 PIERRET, Le Sénatusconsulte Velléien (1947), S. 66 ff.; VOGT, Studien (1952), S. 22; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 71 ff.; DÍAZ BAUTISTA, RIDA 30 (1983), 81, 88 f.; BEAUCAMP, Le statut de la femme à Byzance, Vol. I (1990), S. 74 ff.; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 160 ff. 187 Cod. 4, 29, 23, 2 (Iust.): »Ne autem mulieres perperam sese pro aliis interponant, sancimus non aliter eas in tali contractu posse se pro aliis obligare, nisi instrumento publice confecto et a tribus testibus subsignato accipiant homines a muliere pro aliis confessionem: tunc etenim tantummodo eas obligari et sic omnia tractari, quae de intercessionibus feminarum vel veteribus legibus cauta vel ab imperiali auctoritate introducta sunt.«

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

darf.188 Zwischen dieser allgemeinen Formvorschrift und der ihr vorangehenden Regel zum Empfang des Gegenwerts durch die Frau sieht Vogt einen Widerspruch: Da die Interzession bei Nichtbeachtung der allgemeinen Formvorschrift absolut nichtig sein soll, könne es nicht mehr darauf ankommen, ob die Frau einen entsprechenden Gegenwert erhalten habe.189 Die beiden Regelungen sind jedoch sehr wohl miteinander zu vereinbaren, wenn bei Erhalt des Gegenwerts keine verbotene Interzession im engeren Sinne angenommen wird. Denn diese fällt schon tatbestandlich nicht unter das Interzessionsverbot, so dass die allgemeine Formvorschrift gerade nicht zum Tragen kommt.190 Eine wesentliche Verschärfung bringt schließlich eine spätere Novelle Justinians aus dem Jahre 556 (Nov. 134, 8),191 die in ihrer lateinischen Übersetzung als Authentica Si qua mulier die weitere Entwicklung in der Rezeption maßgeblich prägt:192 »[…] si qua mulier crediti instrumento consentiat proprio viro, aut scribat, et propriam substantiam aut se ipsam obligatam faciat, iubemus, nullatenus huiusmodi valere aut tenere, sive semel sive multoties huiusmodi aliquid pro eadem re fiat, sive privatum sive publicum sit debitum, sed ita esse, ac si neque scriptum esset, nisi manifeste probetur, quia pecuniae in propriam ipsius mulieris utilitatem expensae sunt.«193

Cod. 4, 29, 23, 3 (Iust.): »Sin autem extra eandem observationem mulieres susceperint intercedentes, pro nihilo habeatur huiusmodi scriptura vel sine scriptis obligatio tamquam nec confecta nec penitus scripta, nec senatus consulti auxilium imploretur, sed sit libera et absoluta, quasi penitus nullo in eadem causa subsecuto.« 189 VOGT, Studien (1952), S. 22 und 75, der daraus auf eine missglückte Selbstinterpolation Justinians schließt; KRELLER, Anzeiger der ÖAW, Phil.-hist. Klasse 93 (1956), S. 1, 10. 190 KRELLER, ZRG RA 72 (1955), 400, 404; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 72 f.; BEAUCAMP, Le statut de la femme à Byzance, Vol. I (1990), S. 75 Fn. 133; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 161 ff. – Zum Verhältnis zwischen der allgemeinen Formvorschrift in Cod. 4, 29, 23, 2 und der Wiederholung der Interzession nach zwei Jahren gemäß Cod. 4, 29, 22, 1 vgl. BEAUCAMP, a. a. O., S. 75 f.; MÖNNICH, a. a. O., S. 163 f. 191 D’ORS, AHDE 18 (1947), 663, 674 ff.; VOGT, Studien (1952), S. 23; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 76 f.; DÍAZ BAUTISTA, RIDA 30 (1983), 81, 92 ff.; BEAUCAMP, Le statut de la femme à Byzance, Vol. I (1990), S. 76; MÖNNICH, Frauenschutz vor riskanten Geschäften (1999), S. 164 f. 192 Sie wurde von den Glossatoren nach Cod. 4, 29, 22 eingefügt, vgl. ACCURSIUS, Glossa, post Cod. 4, 29, 22 (Vol. 10, S. 213 linke Sp.); AZO, Lectura, ad Cod. 4, 29, 22, No 2: »Habes hic authent. Si qua mulier etc. [Nov. 134, 8].« – D’ORS, AHDE 18 (1947), 663, 674 f.; DÍAZ BAUTISTA, RIDA 30 (1983), 81, 92; SPRUIT, Huldigingsbundel van Warmelo (1984), S. 194, 200 f. – Zu den Authentiken bzw. dem Authenticum allgemein vgl. LANGE, Bd. I: Glossatoren (1997), S. 74 ff. bzw. 82 ff. 193 Nov. 134, 8 = Auth. 127, 8, vgl. HEIMBACH (Hrsg.), Authenticum, Vol. II (1851), S. 1004, 1017 f. – Die lateinische Übersetzung des griechischen Originals gilt als zutreffend, so D’ORS, AHDE 18 (1947), 663, 675; DÍAZ BAUTISTA, RIDA 30 (1983), 81, 94. 188

II. Die mittelalterliche Rezeption

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Danach ist jedwede Interzession für den Ehemann schlichtweg verboten und absolut nichtig (nullatenus huiusmodi valere aut tenere) und kann auch durch noch so viele Wiederholungen der Interzession nicht gültig gemacht werden (sive semel sive multoties huiusmodi aliquid pro eadem re fiat). Unerheblich ist ferner, ob die gesicherte Schuld privatrechtlicher Natur ist oder dem öffentlichen Recht angehört (sive privatum sive publicum sit debitum).194 Eine Ausnahme von diesem Verbot wird einzig und allein zugelassen, wenn klar erwiesen ist (manifeste probetur), dass die erlangte Geldsumme zum eigenen Nutzen der Frau selbst (in propriam ipsius mulieris utilitatem)195 verwendet worden ist. Mit diesen Veränderungen unter Justinian, einerseits der Erweiterung der anerkannten Ausnahmen vom SC Velleianum sowie andererseits dem verschärften Verbot von Interzessionen zugunsten des Ehemanns, kehrt die Entwicklung gewissermaßen zu ihrem Ausgangspunkt zurück.196 Denn die Edikte der Kaiser Augustus und Claudius als Vorgängerregelungen des SC Velleianum hatten ursprünglich alleine das besonders sensible Verhältnis zwischen der Frau und ihrem Mann zum Gegenstand, ehe durch das SC Velleianum ein allgemeines Interzessionsverbot für Frauen eingeführt wurde.197 Das dergestalt durch Justinian modifizierte Recht wird in dieser Form Gegenstand der Rezeption: Das heißt, neben einem besonderen Regime bei der Interzession für den eigenen Ehemann gibt es ein allgemeines bei der Interzession für Dritte, bei dem nicht weiter danach differenziert wird, ob die Interzession für andere nahe Angehörige der Frau erfolgt, wie etwa für ihre Eltern oder Kinder, oder für sonstige Dritte.

II. Die mittelalterliche Rezeption II. Die mittelalterliche Rezeption

Eine materielle Rezeption des SC Velleianum und der Authentica Si qua mulier setzt in der Sache voraus, dass Frauen überhaupt handlungsfähig sind, um eine Interzession vornehmen zu können. Die Volksrechte des Frühmittelalters (leges barbarorum) kennen aber weder eine Handlungs- noch eine 194 DÍAZ BAUTISTA, RIDA 30 (1983), 81, 93 ff. vermutet insoweit einen Zusammenhang mit den anderweitigen Maßnahmen Justinians, das Verbot der Schuldhaft durchzusetzen und insbesondere Frauen hiervor zu schützen. Zu dieser Annahme BEAUCAMP, Le statut de la femme à Byzance, Vol. I (1990), S. 76 in Fn. 137. 195 Die Fassung bei HEIMBACH (Hrsg.), Authenticum, Vol. II (1851), S. 1018 mit Akkusativ »in propriam … utilitatem«, die Fassung bei SCHOELL / KROLL (Hrsg.), Novellae, 9. Aufl. (1968), S. 683 hingegen mit Ablativ »in propria … utilitate«. 196 KRELLER, Anzeiger der ÖAW, Phil.-hist. Klasse 93 (1956), S. 1, 10; MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 83; JUST, Festschrift Laufke (1971), S. 33, 48 f.; DÍAZ BAUTISTA, RIDA 30 (1983), 81, 99; ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 151 f. 197 Siehe oben Fn. 12 f.

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

Prozessfähigkeit der Frau. Neben einer patriarchalisch geprägten Sippen- und Stammesgesellschaft dürfte hierfür auch die Vorstellung eine Rolle gespielt haben, dass die Prozess- immanent die Wehrfähigkeit voraussetzt, da die Entscheidung eines Rechtsstreits letzten Endes einen Waffengang bedingen kann. Auch eine erwachsene Frau verbleibt daher in der sog. Munt ihres Vaters oder ihres nächsten männlichen Blutsverwandten, dem sog. Muntwalt.198 Mit der Eheschließung geht die Munt grundsätzlich von der Sippe der Frau auf den Ehemann über.199 Diese Grundsätze gelten für die rechtliche Stellung der Frau noch an der Schwelle vom Hoch- zum Spätmittelalter, wie etwa auch in dem um 1230 entstandenen Sachsenspiegel:200 Danach haben Frauen immer einen Mann als Vormund, da sie nicht selbst vor Gericht auftreten können.201 Veruntreut der Vormund das Vermögen der Frau, so kann sie seine Absetzung und die Rückerstattung durch den Richter erwirken.202 Bei einer entsprechenden Klage gegen den Vormund soll das Gericht die Vormundschaft der ledigen oder verwitweten Frau wahrnehmen; Gleiches gilt hinsichtlich der Vormundschaft der verheirateten Frau, wenn sie gegen ihren Ehemann klagt, weil dieser ihr Grundeigentum veräußert.203 Denn mit der Heirat wechselt die Frau in die Munt ihres Mannes und teilt dessen Stand, selbst wenn er niedriger ist; als Witwe erhält sie ihren ursprünglichen Stand wieder und fällt zurück in die Munt ihres nächsten männlichen Blutsverwandten.204 Während der Ehe kann 198 HOLTHÖFER, in: Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), S. 390, 408 f.; OGRIS /  OLECHOWSKI, Art. »Munt, Muntwalt«, in: HRG, 2. Aufl., Bd. III, 23. Lfg. (2016), Sp. 1683 ff. 199 Ob es neben dieser sog. Muntehe auch eine sog. Friedelehe als gleichwertige muntfreie Form der Vollehe gegeben hat, ist streitig. Vgl. WAGNER, in: Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften (2005), S. 15, 22 f.; SCHUMANN, Art. »Friedelehe«, in: HRG, 2. Aufl., Bd. I, 8. Lfg. (2008), Sp. 1805 ff. jeweils m. w. N. 200 Vgl. hierzu RUMMEL, Die rechtliche Stellung der Frau im Sachsenspiegel-Landrecht (1987), S. 94 ff., 115 ff. 201 Ssp. Landrecht I 46: »Maget unde wif moten vormunden hebben an iewelker klage, dorch dat men se nicht vertugen ne mach, des se vor gerichte spreket oder dut.« – Ferner a. a. O., II 63 § 1. 202 Ssp. Landrecht I 41: »Klaget maget oder wedewe to lantrechte over eren voremunden, dat he se untweldege egenes oder lenes oder liftucht, unde wert he dar umme vorgeladet to dren dingen, unde ne kumt he nicht vore in’me dridden dage rechtes to plegene, men scal ene balemunden, dat is men scal eme verdelen alle vormuntscap; sint si de richtere der vrowen vormunde, unde geweldege se van gerichtes halven eres gudes, des se untweldeget was.« 203 Ssp. Landrecht I 44: »Klaget ok maget oder wedewe to lantrechte over eren rechten vormunden, dat he er er gut neme, to der klage scal se dat gerichte vormunden, unde dar er ere man gift egen in ursale oder to er live.« 204 Ssp. Landrecht I 45 § 1: »Al ne si en man sime wive nicht evenbordich, he is doch er vormunde, unde se is sin genotinne, unde trit in sin recht, swen se in sin bedde geit. Swen aver he stirft, so is se ledich van sime rechte unde behalt recht na erer bord; dar umme mut er vormunde sin er naeste evenbordege swertmach, unde nicht eres mannes.«

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die Frau ohne Einwilligung ihres Mannes nicht über ihr Grundvermögen verfügen, da er hieran zusammen mit ihr das Besitzrecht (Gewere) hat. Unverheiratete Frauen hingegen können ihr Grundeigen ohne Einwilligung ihres Vormunds veräußern, es sei denn, ihm steht hieran ein Erbrecht zu.205 Im langobardischen Recht ist bei Verpflichtungen und Verfügungen der Frau ebenfalls die Einwilligung ihres Muntwalts (auctoritas mundualdi) notwendig.206 Glossatoren wie Roffredus207 und Kommentatoren wie Albericus de Rosate208 sehen daher im Geltungsbereich des langobardischen Rechts keinen Raum für eine Anwendbarkeit des SC Velleianum. 209 Denn das Erfordernis dieser Einwilligung trage der fragilitas sexus der Frau bei allen Rechtsgeschäften hinreichend Rechnung, insbesondere bei einer Interzession, gleich ob für den eigenen Mann oder einen anderen (sive pro marito sive pro alio). Das Spätmittelalter führt nördlich der Alpen mit regionalen Unterschieden zu einer weitgehenden Abschwächung der Munt über ledige Frauen und Witwen, die im Wesentlichen nur mehr bei der Prozessführung der BeistandSsp. Landrecht I 45 § 2: »En wif ne mach ok ane eres mannes gelof nicht eres gudes vergeven, noch egen verkopen, noch liftucht op laten, dorch dat he mit er in den weren sit. Megede aver unde ungemannede wif verkopet er egen ane eres vormunden gelof, he ne si dar erve to.« 206 Ed. Roth., c. 204: »Nulli mulieri liberae sub regni nostri ditionem legis langobardorum viventem liceat in sui potestatem arbitrium (id est selbmundia) vivere, nisi semper sub potestate virorum aut certe regis debeat permanere; nec aliquid de res mobiles aut inmobiles sine voluntate illius, in cuius mundium fuerit, habeat potestatem donandi aut alienandi.« – Vgl. GUERRA MEDICI, I diritti delle donne nella società altomedievale (1986), S. 71 ff.; DILCHER, Art. »Langobardisches Recht«, in: HRG, 2. Aufl., Bd. III, 19. Lfg. (2014), Sp. 624, 630. 207 ROFFREDUS, Libelli iuris civilis, Pars VII, De senatusconsulto velleiano (S. 276 rechte Sp.): »Quaestio. Sed quid dices nunquid de iure longobardo sit hodie locus velleiano. Respondeo cum distinctione. nam illo iure sive principaliter mulier contrahat sive pro alio interveniat sive sine auctoritate mundualdi mulier non obligatur. ut in lombar. qualiter mulieri alienare permissum sit. l. i. si vero cum auctoritate mundualdi tunc sive pro marito sive pro alio interveniat dicunt mulierem teneri ut in praedicto ti. l. ii sive res dotales alienet sive alias. et est ratio iure illo quia cum iure illo propter fragilitatem sexus provideatur mulieribus in mundualdo cuius auctoritate contrahant et aliter non obligentur non est iniustum si cum ipsius auctoritate obligentur«. 208 ALBERICUS DE ROSATE, Commentarii, ad Cod. 4, 29, 23, No 1 in fine: »Ultimo quaero nunquid de iure lombardo, sit locus velleiano, et videtur quod non: quia eo iure, sive mulier obliget se principaliter, sive intercedat, sive alienet, videtur valere, dummodo autoritas Mondoaldi interveniat, ut in Lombarda qualiter mulieribus alienare permissum est. l. i. Et ita tenet Rofredus in libello hoc, eodem tit. circa medium ver. sed quid dices, nunquid iure Lombardo.« 209 MEYNIAL, RHD 25 (1901), 657, 681 sieht dagegen die Ursache hierfür nicht im langobardischen mundium, sondern darin, dass die Praxis dort den Verzicht auf das SC Velleianum so wirkungsvoll eingesetzt habe: »la pratique des renonciations au Velléien en Lombardie […] paraît avoir été si efficace qu’Albericus declare que le S.-C. ne s’y applique plus.« 205

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schaft eines sog. »Vogts« bedürfen, der für sie handelt.210 Ehefrauen hingegen bleiben überwiegend unter einer rigiden »Vogtei« ihres Mannes, der damit gewissermaßen als ihr gesetzlicher Vertreter fungiert.211 Südlich der Alpen halten indessen die meisten Statutarrechte unter dem Einfluss des langobardischen Rechts am mundium fest und zwar nicht nur bei verheirateten, sondern auch bei ledigen Frauen.212 Vor diesem Hintergrund setzen sich mittelalterliche Juristen mit der Rezeption des SC Velleianum auseinander. 1. Glossatoren a) Anwendungsbereich des SC Velleianum Hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereichs des SC Velleianum orientieren sich die Glossatoren213 von Wilhelmus de Cabriano,214 Placentinus215 und Azo216 bis hin zu Roffredus217 und Accursius218 sehr eng am römischen WILLOWEIT, Art. »Vogt, Vogtei«, in: HRG, 1. Aufl., Bd. V, 36. Lfg. (1993), Sp. 932, 942. 211 SCHMELZEISEN, Die Rechtsstellung der Frau in der deutschen Stadtwirtschaft (1935), S. 88 ff.; HOLTHÖFER, in: Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), S. 390, 411 f.; SCHWAB, Art. »Gleichberechtigung der Geschlechter«, in: HRG, 2. Aufl., Bd. II, 10. Lfg. (2009), Sp. 390, 391. Zum heutigen belgischen Raum GILISSEN, in: RSJB, Tome 12 (1962), S. 255, 269 ff.. 212 ROSSI, in: RSJB, Tome 12 (1962), S. 115, 120 f.; HOLTHÖFER, in: Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), S. 390, 413 f. 213 Vgl. hierzu GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. I (1850), S. 258 ff.; DE TOURTOULON, Études Girard, Tome I (1912), S. 417, 422 ff.; THEISEN, ZRG RA 122 (2005), 103, 123 ff. 214 WILHELMUS DE CABRIANO, Casus Codicis, ad Cod. 4, 29, 1: »Mulier quandoque suscipit obligationem participando, ut cum fideiubet, quandoque alienam obligationem in se transfert, ut cum patitur se delegari. In utroque casu iuvatur auxilio senatus consulti.« – Ad Cod. 4, 29, 4: »Mulier alienam obligationem interdum in se transfert passa se delegari; interdum participat fideiubendo, pignus dando, constituendo; interdum ab initio se ream constituit, cum alius pecuniam accepturus sit. In his omnibus casibus auxilio senatus consulti utetur«. 215 PLACENTINUS, Summa, ad Cod. 4, 29: »Locum vendicat Velleianum, quando mulier intercessit, vel quasi, sive in se obligationem transferendo: puta se delegare paciendo, sive participando, ut fideiubendo, mandando, constituendo.« 216 AZO, Summa, ad Cod. 4, 29 (S. 136 rechte Sp.): »Habet autem locum hoc senatusconsultum cum mulier alienam suscipit obligationem, vel eam participando, scilicet mandando, fideiubendo, constituendo, vel eam in se transferendo, promittendo novandi animo quod alius debet, vel suscipiendo iudicium novandi animo«. – Ferner DERS., Lectura, ad Cod. 4, 29, 1, Alienam obligationem suscipiunt: »Fideiubendo, mandando, constituendo. Intercedere potest fideiubendo et ante contractum et postea, constituendo tamen post, mandando ante. fit autem primum stipulatione, aliud nudo pacto, tertium consensu. generalem ergo praemittit clausulam, sic dicendo, alienam obligationem suscipiunt.« 217 ROFFREDUS, Libelli iuris civilis, Pars VII, De senatusconsulto velleiano (S. 276 linke Sp.): »[…] pro aliis intercedunt vel fideiubendo vel se constituendo vel mandando, 210

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Recht und betrachten grundsätzlich jede Übernahme einer fremden Schuld durch eine Frau als tatbestandliche Interzession. Auch die Bestellung eines Pfandrechts an einer ihr gehörenden Sache für eine fremde Verbindlichkeit gilt danach als Interzession der Frau,219 dagegen nicht der Verzicht auf ein ihr zustehendes Pfandrecht.220 Gibt die Frau also ihr Pfandrecht (ius hypothecarum) gegenüber ihrem Ehemann oder einem anderen auf, so erfüllt ein solcher Verzicht auch bei Azo221 und Accursius222 nicht den Tatbestand des SC Velleianum, die hier im Übrigen das Schenkungsverbot unter Ehegatten ebenfalls für nicht einschlägig halten.223 Diese Auffassung zum Anwenvel quocunque alio modo dummodo alienam obligationem suscipiant vel pro aliis se obligent sive personas suas sive bona sua«. 218 ACCURSIUS, Glossa, Gl. suscipiunt ad Cod. 4, 29, 1 (Vol. 10, S. 211): »participando ita quod pristina maneat, quid fit tribus modis mandando, constituendo, fideiubendo.« – Gl. transferunt (ebd.): »ab initio se obligando pro alio vel ex post facto transferendo in se animo novandi, ut infra e. l. senatusconsultum [Cod. 4, 29, 4].« 219 Siehe oben Fn. 77. 220 Siehe oben Fn. 79. 221 AZO, Summa, ad Cod. 4, 29 (S. 137 linke Sp.): »ubi autem nulla est intercessio, sine dubio non iuvatur. quod pluribus modis contingit. ut quia ius hypothecarum marito vel cuicunque remisit, ut infra e. l. etiam constante matrimonio [Cod. 4, 29, 11]. et si quidem remittat hypothecas in uno contractu vel in una re, vel pro una persona in alia re vel contractu alio vel circa aliam personam sibi non praeiudicat, licet generalibus verbis utatur in renunciatione, quia restringuntur ad ea, de quibus cogitatum est, ut infra e. l. iubemus [Cod. 4, 29, 21]. nec prohibetur uxor propter matrimonium remittere ius hypothecarum marito, sicut prohibetur donare, quia pignoris remissio non est donatio, ut ff. de his quae in fraudem creditorum l. si pignus [Dig. 42, 8, 18].« – Ferner DERS., Lectura, ad Cod. 4, 29, 11, No 1 f.; ad Cod. 4, 29, 21, No 1 f. 222 ACCURSIUS, Glossa, Gl. remitti ad Cod. 4, 29, 11 (Vol. 10, S. 212): »duabus rationibus videbatur contra. propter Velleianum, quo succurritur mulieribus, sicut si rem suam obligant pro alio. sed tamen hic secus est, ut ff. e. l. quamvis in princ. [Dig. 16, 1, 8 pr.]. et propter donationem, quae fit inter virum et uxorem. sed nec hoc nocet, quia non dicitur donatio, ut hic et ff. quibus modis pignus vel hypotheca solvitur l. i [Dig. 20, 6, 1] et l. Lucius [Dig. 20, 6, 11] et ff. quae in fraudem creditorum l. si pignus [Dig. 42, 8, 18] et de legatis iii l. iii § fi. [Dig. 32, 3, 4]. et loquitur haec lex quando remissio fit viro et generaliter. nam quando fit alii contrahenti cum viro vel in re una vel certis loquitur infra e. l. iubemus [Cod. 4, 29, 21].« 223 Der Verzicht auf das ius hypothecarum ist somit nicht mit einem Verzicht auf die Rechtsfolgen des SC Velleianum gleichzusetzen, vgl. MEYNIAL, RHD 26 (1902), 49, 62 f. Missverständlich insoweit THEISEN, ZRG RA 122 (2005), 103, 132. – Zur Reichweite dieses Verzichts AZO, Lectura, ad Cod. 4, 29, 21, No 1 f., Coartetur: »Et sic verba generaliter prolata restringuntur ad id de quo agitur inter partes unde bene concordat, supra de transactionibus l. si de certa [Cod. 2, 4, 31]. ad idem ff. de transactionibuis l. cum Aquiliana [Dig. 2, 15, 5]. sed videtur contra ff. quibus modis pignus vel hypotheca solvitur l. Paulus [Dig. 20, 6, 12]. Solutio: generale est quod ibi dicitur. fallit hic, quia sicut favetur mulieribus in Velleiano S.C. ita in renunciatione iuris hypothecarum, non in totum, ut scilicet, non valeat, sed quod debeat restringi. vel ibi solutum est pignus quo ad personam illam, non quo ad alios, ut dictum est. vel hic loquitur quando probatur de persona pro qua

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dungsbereich des SC Velleianum findet sogar im Werk des englischen Theologen Radulfus Niger bei der Behandlung des Gelübdes (votum)224 ihren Niederschlag.225 Seinem Zweck nach sehen Placentinus226 und Azo227 im SC Velleianum eine Regelung zugunsten der Frauen, die sich wegen ihrer fragilitas sexus et discretionis leicht dazu bereitfänden, eine Verpflichtung für andere einzugehen,228 obwohl sie ansonsten selten etwas verschenkten, da sie als überaus geiziges Geschlecht (genus avarissimum) gelten würden.229 facta est illa renunciatio generalis. tunc enim ad eam restringitur, ut dicit. si non probatur, statur generali renunciationi, ut ibi.« – ACCURSIUS, Glossa, Gl. coartetur ad Cod. 4, 29, 21 (Vol. 10, S. 212): »contra generalitatem, ut non trahitur, nisi ad ea specialia de quibus est cogitatum, ut ff. de transactionibuis l. cum Aquiliana [Dig. 2, 15, 5] et l. qui cum tutoribus [Dig. 2, 15, 9] et supra de transactionibus l. si de certa [Cod. 2, 4, 31] et ff. quibus modis pignus vel hypotheca solvitur l. Paulus in princ. [Dig. 20, 6, 12 pr.].« 224 Vgl. hierzu SCHMUGGE, in: Proceedings (1976), S. 495, 500; THEISEN, ZRG RA 122 (2005), 103, 128 ff. 225 SCHMUGGE, in: Proceedings (1976), S. 495, 507 f.: »Mulieri quoque succurritur, si fideiusserit pro alio sive eciam se ream pro alio constituerit sive rem suam pro alio obligaverit vel eciam obligari promiserit. […] quando mulier fideiussit vel quasi fideiussit sive se delegari passa est sive participando sive mandando sive constituendo. In his casibus et similibus repellitur creditor et mulier Velleiano adiuvatur. Cessat autem Velleianum […] si ius ypotecarum marito remisit«. 226 PLACENTINUS, Summa, ad Cod. 4, 29: »Latum est Velleianum gratia mulierum. […] Illud constat, quod haec exceptio favore introducta est«. – Ferner DERS., De varietate actionum, Lib. V, Tit. 2: »Velleiani senatusconsulti dogma infirmitati mulieris, facile se vel sua pro alio obligari vel se delegari«. Diese Stelle stammt (wie Lib. III–VI insgesamt) allerdings nicht von Placentinus selbst, vgl. LANGE, Bd. I: Glossatoren (1997), S. 212 f. 227 AZO, Lectura, ad Cod. 4, 29, 1, No 2 f.: »sed quare? quia mulieres facile obligant se propter fragilitatem sexus et discretionis. sed donare raro consueverunt, avarissimum enim genus est mulierum: ut ff. eo. l. sed si ego [Dig. 16, 1, 4] et de donationibus inter virum et uxorem l. si stipulata [Dig. 24, 1, 33]. et ad idem facit infra de donationibus ante nuptias l. si a sponso [Cod. 5, 3, 16].« – Ferner DERS., Summa, ad Cod. 4, 29 (S. 137 rechte Sp.): »quia raro donat […] est enim genus mulierum avarissimum, facile autem obligat se pro alio et ideo subvenitur ei, ut ff. e. l. sed si ego in fi. [Dig. 16, 1, 4, 1] et ff. de donationibus inter virum et uxorem l. si stipulata [Dig. 24, 1, 33] et infra de donationibus ante nuptias l. si a sponso [Cod. 5, 3, 16].« 228 Ähnlich Radulfus Niger, vgl. SCHMUGGE, in: Proceedings (1976), S. 495, 507: »Quippe interdicitur mulieribus, ne intercedant pro aliis […] propter lubricum sexus muliebris.« 229 So auch ROFFREDUS, Libelli iuris civilis, Pars VII, De senatusconsulto velleiano (S. 276 linke Sp.): »Item cessat si donavit, ut C. e. l. i [Cod. 4, 29, 1] et ff. e. l. sed si ego [Dig. 16, 1, 4], quia avarissimum est genus mulierum sicut et sacerdotum et donare eas est contra sexus naturam, ut ff. de donationibus inter virum et uxorem l. si stipulata [Dig. 24, 1, 33].« – Ferner ACCURSIUS, Glossa, Gl. donat ad Dig. 16, 1, 4, 1 (Vol. 7, S. 487): »est enim genus mulierum avarissimum in donando, ut hic et C. de donationibus ante nuptias l. si a sponso § quod si sponsa [Cod. 5, 3, 16, 1] et infra de donationibus inter virum et uxorem l. si stipulata in fi. [Dig. 24, 1, 33].« – Gl. nulla est ad Cod. 4, 29, 1 (Vol. 10,

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Hinsichtlich der Rechtsfolgen besteht ebenfalls Übereinstimmung, dem Gläubiger wie im römischen Recht ein unmittelbares Vorgehen gegen den materiellen Schuldner zu ermöglichen,230 das heißt, entweder durch die actio restitutoria231 oder durch die actio institoria, wie Azo,232 Roffredus233 und Accursius234 die actio institutoria bezeichnen.235 Umstritten ist angesichts der Neuerungen Justinians indessen, ob die Frau überhaupt noch der exceptio SC Velleiani236 als Verteidigungsmittel bedarf, oder ob sie sich nun einfach auf eine ipso iure eintretende Nichtigkeit der verbotswidrigen Interzession berufen kann. In den Dissensiones dominorum237 werden hierzu einige Kontroversen zwischen den Glossatoren dargestellt, die sich vornehmlich um die Bedeutung von Cod. 4, 29, 23 drehen.238 Nach Martinus muss die Regelung in S. 211): »fideiubenti, enim non donanti succurrit senatus, ut hic et ff. e. l. sed si ego [Dig. 16, 1, 4]. est enim avarissimum genus earum, ut d. l. et ff. de donationibus inter virum et uxorem l. si stipulata [Dig. 24, 1, 33].« 230 Siehe oben Fn. 43. 231 PLACENTINUS, Summa, ad Cod. 4, 29; ad Cod. 2, 50: »Ecce enim ubi mulier per Velleianum subducitur, vetus actio in debitorem qualis, et quota fuerat, restituitur, ut ff. ad Velleianum l. debitrix [Dig. 16, 1, 24].« – Ferner bei PESCATORE, Miscellen (1889), Nr. V, S. 34, 41, Zeile 17 ff.; AZO, Summa, ad Cod. 4, 29 (S. 137 rechte Sp.); DERS., Lectura, ad Cod. 4, 29, 8; ad Cod. 4, 29, 14, No 1; ad Cod. 4, 29, 16, No 1; ROFFREDUS, Libelli iuris civilis, Pars VII, De senatusconsulto velleiano (S. 277 linke Sp.); ACCURSIUS, Glossa, Gl. actio daretur ad Dig. 16, 1, 1, 2 (Vol. 7, S. 486): »ut infra e. l. quamvis § quotiens [Dig. 16, 1, 8, 7] et § si cum essem [Dig. 16, 1, 8, 14]. etiam si creditor scienter eam accepit, ut infra e. l. quidam [Dig. 16, 1, 29].« – Gl. actio utilis ad Dig. 16, 1, 8, 8 (S. 488): »scilicet restitutoria danda a lege.« – Gl. dederit actionem ad Dig. 16, 1, 29 pr. (S. 492): »scilicet restitutoriam, ut supra e. l. quamvis § si cum essem [Dig. 16, 1, 8, 14].« 232 AZO, Summa, ad Cod. 4, 29 (S. 138 linke Sp.). 233 ROFFREDUS, Libelli iuris civilis, Pars VII, De senatusconsulto velleiano (S. 277 linke Sp.). 234 ACCURSIUS, Glossa, Gl. instituit ad Dig. 16, 1, 8, 14 (Vol. 7, S. 489): »ut supra e. l. i. in fin. [Dig. 16, 1, 1, 2] et infra e. l. quidam [Dig. 16, 1, 29] et C. e. l. senatus [Cod. 4, 29, 4]. Accur.« – Gl. non obligari ad Dig. 16, 1, 8, 15 (ebd.): »sed institoria. nam restitutoria eos omnino credo conveniri posse.« – Gl. hae actiones ad Dig. 16, 1, 10 (ebd.): »scilicet institoria et restitoria.« – Gl. dederit actionem ad Dig. 16, 1, 29 pr. (Vol. 7, S. 492): »et nota per hanc legem quod haec institoria datur scienti creditori sed non dolum committenti, ut infra de fideiussoribus l. si Titius § fi. [Dig. 46, 1, 48, 1]. Acc.« – Gl. ab initio ad Cod. 4, 29, 4 (Vol. 10, S. 211): »accipiendo ipsa mutuum. quo casu datur institoria, ut ff. e. l. quamvis § si cum essem [Dig. 16, 1, 8, 14].« 235 Nur auf Accursius verweisen insoweit PALAZZINI FINETTI, BIDR 8–9 (1947), 157 Fn. 3, 172; DÍAZ BAUTISTA, RIDA 30 (1983), 81, 87 in Fn. 27; TELLEGEN-COUPERUS, RIDA 30 (1983), 313, 325 in Fn. 13. 236 Siehe oben Fn. 40. 237 Vgl. hierzu LANGE, Bd. I: Glossatoren (1997), S. 146 ff. 238 GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. I (1850), S. 259 ff.; ROSSI, Arch. giur. 52 (1894), 547, 585 ff.; MEYNIAL, RHD 25 (1901), 657, 661 f. in Fn. 1;

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Cod. 4, 29, 23 wegen der Formulierung an ihrem Schluss (das heißt in Cod. 4, 29, 23, 3), so gelesen werden, als stünde sie am Ende des gesamten Titels, so dass die darin enthaltene Formvorschrift für den gesamten Titel gilt. Eine Frau könne sich somit nicht wirksam verpflichten, wenn sie nicht die vorgeschriebene Form einer von drei Zeugen unterzeichneten Urkunde verwendet. Nach anderer Ansicht erstreckt sich diese Formvorschrift aus Cod. 4, 29, 23 gerade nicht auf die in Cod. 4, 29, 24 und 25 geregelten Fälle der Interzession zur Freilassung (pro libertate) bzw. zur Mitgiftbestellung (pro dote).239 Für Martinus sind alle vorjustinianischen Regelungen zum SC Velleianum hinfällig. Folglich sei eine Interzession der Frau bei Nichteinhaltung der von Justinian eingeführten Formvorschrift nun ipso iure ungültig, selbst dann, wenn sie pro dote oder pro libertate erfolgt. Zudem sei mit Blick auf Nov. 134, 8 darauf abzustellen, ob die durch die Interzession erlangte Geldsumme erwiesenermaßen zum eigenen Nutzen der Frau verwendet wurde.240 Dagegen sind Jacobus, Hugo und Johannes Bassianus der Auffassung, dass die Formvorschrift aus Cod. 4, 29, 23 keine derart weitreichende Wirkung entfalte, sondern nur die Fälle erfasse, in denen zuvor das SC Velleianum zur Anwendung gekommen sei. Hier werde die Frau nun ipso iure geschützt, wenn ihre Interzession nicht in der vorgeschriebenen Form erfolgt ist.241 Zwi-

GIRARD, Manuel élémentaire de droit romain (1906), S. 787 in Fn. 3; DE TOURTOULON, Études Girard, Tome I (1912), S. 417, 426 f.; THEISEN, ZRG RA 122 (2005), 103, 124 ff. 239 HÄNEL (Hrsg.), Dissensiones dominorum, Vetus collectio, § 79, S. 61: »Martinus dicit, quod Lex illa Antiquae C. ad Velleianum [Cod. 4, 29, 23], debet legi in fine tituli, et addit, ut mulier non obligetur, nisi scribat in instrumento a tribus testibus subsignato, et hoc dicit ex verbis in fine Legis positis. Alii dicunt, quod in dote et in libertate nihil immutetur.« – Vgl. a. a. O., Rogerius, § 82, S. 115: »Contraria sentiunt, utrum Lex illa fin. Antiquae C. ad Velleianum [Cod. 4, 29, 23] posita, debeat legi in fine tituli, et addit, ut mulier non obligetur, nisi scribat in instrumento tribus testibus subsignato, et hoc dicit Martinus ex verbis in fine Legis positis; Alii dicunt, quod in dote et in libertate nihil immutetur.« – Ferner a. a. O., Hugolinus, § 236, S. 421 (s. u. Fn. 240). 240 HÄNEL (Hrsg.), Dissensiones dominorum, Hugolinus, § 236, S. 421: »Dicit enim Martinus, quod hodie cessat Velleianum, quum omnia sint innovata, quae de illo veteribus Legibus vel ab imperiali maiestate sunt introducta, ut hodie, mulier per Legem Iustiniani C. eod. Tit. L. Et generaliter [Cod. 4, 29, 25] ipso iure non obligetur, nisi in instrumento publice confecto et a tribus testibus subsignato, quo casu novissimo iure Auth. [Nov. 134, 8] tenetur ita demum, si manifeste probetur, pecuniam in utilitatem mulieris processisse, ut C. ad Velleianum L. Antiquae § Ne [Cod. 4, 29, 23, 2] et in Auth. Ut nulli iudicum § Et illud [Nov. 134, 8]. Si ergo pro dote, pro libertate fideiusserit, non obligatur, et dicit, quod Lex illa Antiquae [Cod. 4, 29, 23] est lex finalis in eod. Tit. ad Velleianum [Cod. 4, 29] et aliae praecedentes leges per illam corriguntur.« 241 HÄNEL (Hrsg.), Dissensiones dominorum, Hugolinus, § 236, S. 421: »Jacobus et Ugo et Ioannes Bassianus contra, et dicunt, illam L. Antiquae [Cod. 4, 29, 23] nihil aliud innovare, nisi ut in his casibus, ubi olim mulier iuvabatur per Velleianum, hodie ipso iure

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schen diesen beiden Auffassungen ist folglich umstritten, ob für die exceptio SC Velleiani noch ein Anwendungsbereich verblieben ist. Während Hugo und andere dies bejahen, sieht die Gegenseite hierfür keinen Raum mehr.242 Wieder andere halten nur den Fall, dass die Frau für ihren Mann interzediert, für speziell geregelt. Daher seien die übrigen Konstellationen, in denen das SC Velleianum keinen Schutz vermittelt, nicht derogiert. Wenn also eine Frau pro dote oder pro libertate interzediert und sie somit schon früher nicht die Einrede des SC Velleianum erheben konnte, wird sie auch jetzt nicht etwa ipso iure geschützt. Dieser Ansicht ist insbesondere auch Albericus, der darüber hinaus noch einmal betont, dass Cod. 4, 29, 23 eben nicht am Ende des Titels stehen müsse und als vorvorletzte Regelung die beiden nachfolgenden in Cod. 4, 29, 24 und 25 nicht abändere.243 Umstritten ist schließlich auch, ob der Gläubiger immer die Beweislast dafür trägt, dass die erlangte Geldsumme zum eigenen Nutzen der Frau selbst verwendet wurde.244 Während Martinus und Placentinus dieses Kriterium aus Nov. 134, 8 generell auf alle Interzessionen erstrecken, gilt es nach der von Hugo vertretenen Gegenauffassung nur hinsichtlich der in Nov. 134, 8 geregelten Interzession für den eigenen Ehemann. 245 tuta sit, nisi in instrumento publice confecto et a tribus testibus subsignato se obligavit, quo casu necessaria est Velleiani exceptio.« 242 HÄNEL (Hrsg.), Dissensiones dominorum, Codicis Chisiani Collectio, § 110, S. 204: »Differunt. Dicunt Quidam, quod dicitur in C. ad Velleianum L. Antiquae [Cod. 4, 29, 23] non corrigit aliquid, sed tantum addit alium casum, puta, quando olim mulier intercedebat, iuvabatur, quomodo non fieret, si accipiat, et dicunt, quod hodie potest habere locum exceptio Sc. Velleiani et tantum in uno casu, puta, quando mulier pro marito intercessit et confiteatur in instrumento etiam saepius; tunc enim locum habet Velleianum. Ugo. Alii dicunt, Legem istam omnes corrigere, et nullo modo locus erit Velleiano hodie, quia mulier intercedens aut intercedit in eo casu, quo mulier obligatur, aut non cum effectu. Sed et in eo casu hodie ipso iure tuta erit mulier.« – Vgl. WILHELMUS DE CABRIANO, Casus Codicis, ad Cod. 4, 29, 23 (Zeile 19 ff., 49 ff.); PLACENTINUS, Summa, ad Cod. 4, 29. 243 HÄNEL (Hrsg.), Dissensiones dominorum, Hugolinus, § 236, S. 421 f.: »Alii autem dicunt, specialiter loqui in eo casu tantum, quo pro viro mulier intercedit, ideoque Legibus aliis, quibus per Velleianum ei non succurritur, in nullo derogatum videtur. Si ergo pro dote, pro libertate et similibus sese obligavit, quia olim exceptione non iuvabatur, nec hodie ipso iure tuta erit. Dominus Albericus idem dicit et hoc plus, quod Lex illa Antiquae [Cod. 4, 29, 23] non debet esse finalis, sed antepenultima et sequentes non corrigit.« 244 DE TOURTOULON, Études Girard, Tome I (1912), S. 417, 424 ff.; Beispiele aus der notariellen Praxis des frühen 13. Jahrhunderts bei CARLIN, La pénétration du droit romain dans les actes de la pratique provençale (1967), S. 154 m. w. N. 245 HÄNEL (Hrsg.), Dissensiones dominorum, Codicis Chisiani Collectio, § 110, S. 204 f.: »Plus etiam dicunt, quod hodie semper necessitas probandi incumbit creditori, pecuniam versam esse in utilitatem mulieris, quando mulier professa erat, aliquid accepisse pro intercessione, et hoc dicunt, generale esse in cuiuslibet persona. Martinus, Placentinus. Alii dicunt, quod Auth. [Nov. 134, 8] loquitur tantum, quum mulier pro marito intercessit. Ugo.« –Vgl. PLACENTINUS, Summa, ad Cod. 4, 29: »Porro hodie iure novo nec in isto

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Azo246 und Roffredus247 stellen die von Martinus vertretene Auffassung zu Cod. 4, 29, 23 zwar detailliert dar, schließen sich aber der von Bulgarus und casu, nec in aliquo alio tenebitur: nisi manifeste probetur pecuniam, pro qua mulier intercesserit, in utilitatem mulieris fuisse conversam, ut Cod. eod. authent. si qua [Nov. 134, 8].« – Ferner WILHELMUS DE CABRIANO, Casus Codicis, ad Cod. 4, 29, 23 (Zeile 44 ff.): »Iure autem novo cum accepit ut intercederet, non aliter tenetur nisi pecuniam in utilitatem mulieris intercessisse probetur, ut Auth. coll. ix t. ut nulli iudicum § et illud [Nov. 134, 8]. Quod tamen intelligendum est quando pro marito intercessit, quia quanto facilius pro marito intercedit, tanto difficilius eam obligari aequum fuit.« 246 AZO, Summa, ad Cod. 4, 29 (S. 138 linke Sp.): »Extra summam noto, quod Martinus ait, hodie ipso iure non teneri mulierem, nisi intercedat in instrumento publice confecto et a tribus testibus consignato, etiam si intercederet pro dote vel libertate vel in rem suam in quibus casibus olim non iuvabatur, ut infra e. l. antiquae § ult. [Cod. 4, 29, 23, 3]. l. enim illam antiquae [Cod. 4, 29, 23] habebat ultimam in libro suo et ideo dicebat eam corrigere alias praecedentes, quae loquuntur de dote et libertate. imo et ille § ult. [Cod. 4, 29, 23, 3] corrigeret principium eiusdem legis [Cod. 4, 29, 23 pr.], quod dicit mulierem teneri, si accepit precium pro intercessione. Nostri autem doctores dixerunt efficacissime eam teneri, etiam si non intercedat in instrumento publice confecto et a tribus testibus consignato, scilicet in casibus illis, in quibus non iuvabatur olim senatusconsulto, ubi autem olim tenebatur, sed iuvabatur senatusconsulto hodie servatur ipso iure illaesa, nisi intercedat instrumento publice confecto et a tribus testibus consignato. nam si sic intercedat in instrumento publice confecto, omnia tractantur, quae veteri vel novo iure cauta sunt pro intercessionibus feminarum, et facit pro nobis tenor duarum constitutionum positarum post l. illam antiquae [Cod. 4, 29, 23]. Item non est verisimile multum, quod finis illius l. antiquae corrigat eorum principium.« – Ferner DERS., Lectura, ad Cod. 4, 29, 23, No 2, Nisi instrumento publice confecto: »ait Martinus ipso iure non tenetur: sed videtur contra supra eo. l. Si mulier § sin autem [Cod. 4, 29, 22, 1]. ibi enim dicit quod si sine scriptis intercessit, vel in instrumento non publice confecto, si stipulator possit ostendere eam accepisse pecuniam, non habet auxilium. ergo non videtur bene dicere, sed ipse dixit illum § superiorem corrigi per istum ultimum, et dixit hanc l. in fine tituli legendam, et ultimam habebat in suo codice. nec invenit ibi ultimam. non legit ultimam. unde non videtur verisimile quod cum ab eodem imperatore fuerit composita l. ista, quod in eadem l. contradiceret sibi, et vellet corrigere quod tam nuper constituerat. et ideo secundum Bulgarum distinguendum est utrum intercedendo pro alio olim iuvaretur, an non. si iuvabatur, tenebatur, sed habebat exceptionem Velleiani, hodie conservatur ipso iure illaesa, nisi intercedat in instrumento publice confecto, et a tribus testibus consignato. et sic intelligebat § istum. si non iuvabatur, sive accepit pecuniam sive non, aut si intercessit in instrumento vel sive, tenetur cum effectu. et quod ita sit, tenor duarum constitutionum sequentium testatur.« 247 ROFFREDUS, Libelli iuris civilis, Pars VII, De senatusconsulto velleiano (S. 276 rechte Sp.): »voluit notare Martinus et sui sequaces quod mulier hodie non teneatur nisi intercedat in instrumento publice confecto et a tribus testibus subsignato etiam si intercedit pro dote pro libertate vel in omnibus illis casibus ubi cessat. et ideo dicebat l. illam antiquae [Cod. 4, 29, 23] in fine corrigere omnes leges praecedentes quae dicunt mulieres obligari et sic habebat l. antiquae ultimam totius tituli in libro suo. […] Domino B. et domino Jo. et domino meo visum est quod locum habeat hodie velleianum et mulier efficacissime teneatur in omnibus praedictis casibus in quibus cessat velleianum etiam si non intercedat in instrumento publice confecto et a tribus testibus subsignato. in illis autem

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den nostri doctores vertretenen Gegenansicht an; ebenso Azos Schüler Accursius.248 Insbesondere lehnen es sowohl Azo249 und Roffredus250 als auch Accursius251 ab, das erwähnte Kriterium, ob die erlangte Geldsumme zum casibus ubi mulier obligabatur olim sed iuvabatur per velleianum hodie ipso iure servatur illaesa nisi intercedat in instrumento publice confecto et a tribus testibus subsignato tunc enim obligatur sed obstat exceptio et sic intelligitur l. illa antiquae [Cod. 4, 29, 23]. neque dicimus ultimum § corrigere principium l. illius, neque l. illam antiquae habemus ultimam in libris nostris immo est antepenultima. et duae constitutiones sequuntur una quae de libertate loquitur alia quae de dote.« 248 ACCURSIUS, Glossa, Gl. Ne autem ad Cod. 4, 29, 23, 2 (Vol. 10, S. 213): »Bulgarus hic dicit hunc § nihil innovare in his casibus ubi Velleianum mulieribus olim non succurrebat. sed in illis tantum ubi obligatione eas eximebat, in quibus nisi sic intercessio fiat in scriptis, servantur ipso iure illaesae. et sic principium huius legis non corrigitur per hunc § nec duae sequentes leges veterum [Cod. 4, 29, 24] et generaliter [Cod. 4, 29, 25], quae sunt post istam. Sed M. dixit hunc § generaliter loqui, cum dicat intercessione sic facta omnia tractari, quae de intercessionibus cauta sunt veteribus legibus vel novis. et sic nisi sic intercedat in instrumento publice confecto et a tribus testibus subscripto ipso iure est tuta, etiam in illis casibus ubi olim non iuvabatur, et sic corrigit hic finis huius legis principium. et debet haec esse ultima in hoc titulo secundum eum, ut sic duae sequentes per hanc corrigantur. si autem intercedat sic ut hic dicit, tunc in illis casibus ubi olim non iuvabatur nec hodie iuvetur, in quibus olim iuvabatur et hodie iuvetur similiter non ipso iure, sed per exceptionem Velleiani. prima opinio verior est.« 249 AZO, Summa, ad Cod. 4, 29 (S. 138 linke Sp.): »praeter hoc dicunt quidam hodie iure novissimo non habere locum Velleianum, quia etiam si in publico instrumento consentiat proprio viro an scribat, et se vel suam rem obliget, […] ipso iure non tenet quod actum est, non in utilitatem mulieris pecunia sit versa, ut in auth. ut nulli iudicum § et illud vero praevidimus [Nov. 134, 8]. Si ergo versa est in utilitatem mulieris, non iuvatur mulier, si non est versa, ipso iure non tenetur. sed certe ibi non loquitur nisi in marito mulieris, unde aliud debet esse, quam in extraneo, ne mutuo amore spolientur, ut ff. de donationibus inter virum et uxorem l. iii [Dig. 24, 1, 3].« – Ferner DERS., Lectura, ad Cod. 4, 29, 22, No 3: »Videtur ergo quod corrigatur l. per authentic. sed hoc non dicit dominus meus. hic enim loquitur in marito, in l. quando se vel res suas pro extraneo obligavit. et voluerunt quidam dicere quod totus titulus per hoc authent. correctus sit, nec habeat locum hodie Velleianum: quia si versa est pecunia in utilitatem mulieris, tenetur: alioquin ipso iure liberatur. et ita non indiget Velleiano. sed non ita dicendum, quia hic speciale est in marito, cum mulier pro eo se obligat: ut supra dixi. aliud si pro extraneo: ut per totum istum tit.«. 250 ROFFREDUS, Libelli iuris civilis, Pars VII, De senatusconsulto velleiano (S. 276 rechte Sp.): »et hoc iure C. secundum eum hodie autem iure novissimo mulier non tenetur sicut ecclesia etiam si intercedat instrumento publice confecto et a tribus testibus subsignato nisi probetur quod pecunia sit versa in utilitatem mulieris ut in auth. ut nulli iudicum colla. viii § et illud [Nov. 134, 8] et sic omnia iura corrigantur quae dicunt mulierem teneri in aliquo casu: et sic secundum eum non habet locum hodie velleianum et hanc sententiam secuti sunt multi: et praecipue Placentinus […] neque contradicit sententiae nostrae et doctorum nostrorum auth. ut nulli iudicum [Nov. 134, 8] quia tunc locum habet quando mulier se obligat pro marito non pro extraneo«. 251 ACCURSIUS, Glossa, post Cod. 4, 29, 22, Gl. nullatenus ad Nov. 134, 8 (Vol. 10, S. 213 linke Sp.): »et nota quod arg. huius authenticae scripserunt hic quidam talem auth.

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eigenen Nutzen der Frau verwendet wurde, über die in Nov. 134, 8 speziell geregelte Interzession für den Ehemann (pro marito) hinaus auch auf sonstige Interzessionen für jemand anderen (pro extraneo) anzuwenden.252 Das Motiv des Gesetzgebers für eine solche spezielle Regelung bei der Interzession für den Ehemann sieht Roffredus nicht zuletzt darin, dass eine Frau eher geneigt sei, sich für ihren Mann zu verpflichten als für einen anderen.253 Azo254 und Accursius255 begründen ihre kritische Haltung zudem damit, dass Justinian in Nov. 118, 5 den Verzicht auf das SC Velleianum verlangt, falls eine Mutter oder Großmutter die Vormundschaft übernehmen möchte: Dieser Verzicht wäre aber eine bloße Förmelei (pro nihilo renunciaret), wenn das SC Velleianum gar keinen Anwendungsbereich mehr hätte. Allerdings hält die Accursische Glosse dabei Nov. 118, 5 aus dem Jahre 543 fälschlicherweise für eine lex posterior zu Nov. 134, 8 aus dem Jahre 556.256 b) Ausnahmen In Anlehnung an Placentinus,257 Azo,258 und Roffredus259 fasst Accursius folgende sechs Fälle, bei denen das SC Velleianum nicht zur Anwendung sed hodie non tenetur, nisi probetur manifeste pecuniam in utilitatem mulieris conversam. et sic dicunt hodie non habere locum Velleianum, quia aut non est versa, et ipso iure non tenetur. aut est versa, et tenetur cum effectu. quod non placet«. 252 GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. I (1850), S. 276 f. 253 ROFFREDUS, Libelli iuris civilis, Pars VII, De senatusconsulto velleiano (S. 276 rechte Sp.): »et est ratio quia mutuis amplexibus se invicem spoliarent, ut ff. de donationibus inter virum et uxorem l. iii [Dig. 24, 1, 3] et quia facilius se pro marito obligat quam pro extraneo et ideo voluit legislator eam non obligari nisi ut dictum est et hanc rationem assignat dominus Uver. in casibus.« – Ferner ACCURSIUS, Glossa, Gl. multotiens ad Nov. 134, 8 (Vol. 11, S. 315 linke Sp.): »[…] sed r. et alii dicunt hanc loqui quando pro marito intercessit, quia quanto citius pro eo intercedit tanto facilius ei succurritur ne mutuo etc. ut ff. de donationibus inter virum et uxorem l. ii [Dig. 24, 1, 2].« 254 AZO, Lectura, ad Cod. 4, 29, 22, No 3 in fine: »unde dicit l. quod oportet eam renunciare Velleiano si vult tutelam subire. et ita patet quod locum habet, quia pro nihilo renunciaret: ut infra quando mulier tutelae officio [Cod. 5, 35] auth. matri et aviae [Nov. 118, 5].« 255 ACCURSIUS, Glossa, post Cod. 4, 29, 22, Gl. nullatenus ad Nov. 134, 8 (Vol. 10, S. 213 linke Sp.): »[…] quia et per posteriorem auth. de heredibus ab intestato § ex his [Nov. 118, 5] renunciatur Velleiano. ergo locum habet. est ergo quod hoc dicit speciale, cum pro viro intercedit ea ratione qua et donationes prohibitae sunt. scilicet ne mutuo amore etc. ut ff. de donationibus inter virum et uxorem l. i, ii et iii in pr. [Dig. 24, 1, 1; 2; 3 pr.].« 256 Vgl. auch die spätere Klarstellung durch Salicetus s. u. Fn. 331. 257 BECKHAUS (Hrsg.), Bulgari Commentarius, additio Placentini ad Dig. 50, 17, 2, S. 4 linke Sp.: »Intercedunt tamen pro suo creditore, pro dote, pro libertate. Sed et si renuncient decipiantve vel caveant secundo, sive pecuniam pro intercessione accipiant, tenentur ut Cod. ad Velleianum l. Antiquae [Cod. 4, 29, 23].« – Noch nicht erwähnt wird der Verzicht in PLACENTINUS, Summa, ad Cod. 4, 29. Vgl. ferner WILHELMUS DE CABRIANO, Casus

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kommt, in einem Vers zusammen: Wenn die Frau für die Bestellung einer Mitgift (favore dotis) bzw. für die Freilassung eines Sklaven (favore libertatis) interzediert, wenn sie auf die Rechtsfolgen aus dem SC Velleianum verzichtet (si renunciet), wenn sie einen Gegenwert für die Interzession erhält (si accipiat precium pro intercessione), wenn sie den Gläubiger täuscht (si decipiat) oder wenn sie die Interzession wiederholt (si secundo caveat). Außerdem werden folgende drei Konstellationen aus der Kasuistik aufgeführt: Codicis, ad Cod. 4, 29, 23 (Zeile 32 ff., 64 ff.). Ähnlich auch Radulfus Niger, vgl. SCHMUGGE, in: Proceedings (1976), S. 495, 508. 258 AZO, Summa, ad Cod. 4, 29 (S. 137 linke Sp.): »Cessat hic senatusconsultum cum mulier renunciavit auxilio senatusconsulti, ut ff. e. l. ul. § pe. [Dig. 16, 1, 32, 4]. […] vel alia ratione succurritur creditori, puta quia illa voluit decipere se sciens tutam eo senatusconsulto, cum creditor ignoraret et ideo non subvenitur mulieri, ut ff. e. l. si decipiendi [Dig. 16, 1, 30]. Item cessat hoc senatusconsultum cum mulier intercessit in rem suam […] ut ff. e. l. sed si eum [Dig. 16, 1, 3] et l. aliquando [Dig. 16, 1, 13]. […] Item cessat senatusconsultum cum mulier intercessit pro precio libertatis dando domino manumittendi. Item et cum intercessit pro dote alicuius mulieris, ut infra e. l. ul. [Cod. 4, 29, 25] et l. pe. [Cod. 4, 29, 24]. Item cessat ubi accepit precium vel aliquid loco precii pro intercessione. vel ubi confessa est in instrumento publice confecto et a tribus testibus consignato se quamcunque rem pro intercessione accepisse, ut infra e. l. antiquae [Cod. 4, 29, 23]. sed et cessat ex postfacto ubi perfectae aetatis femina intercessit vel pignus vel fideiussorem pro alio dedit et post biennium a prima cautione numerandum iterum se obligavit vel iterum pignus vel fideiussorem dedit […] ut infra e. l. si mulier [Cod. 4, 29, 22]. sic et cessat ex postfacto ubi mulier intercessit pro Titio et ei postea extiterit heres […] ut ff. de solutionibus l. Stichum § aditio [Dig. 46, 3, 95, 2] et ff. de fideiussoribus l. heres § ii [Dig. 46, 1, 21, 2] et ff. eo. l. quamvis § plane si mihi [Dig. 16, 1, 8, 13]. Idemque est et si Titius, pro quo intercessit mulier, mulieri solverit id, in quo obligavit se creditori, ut ff. e. l. si mulier contra senatusconsultum Velleianum [Dig. 16, 1, 16].« 259 ROFFREDUS, Libelli iuris civilis, Pars VII, De senatusconsulto velleiano (S. 276 linke Sp.): »In casibus tamen cessat exceptio senatusconsulti velleiani scilicet si cerciorata renunciavit alias ignoranti renunciatio non praeiudicat, ut ff. e. l. ulti. § ulti. [Dig. 16, 1, 32, 4], C. quando mulier tutelae officio fungi potest l. ulti. [Cod. 5, 35, 3], C. e. l. ul. [Cod. 4, 29, 25]. […] Item cessat si donavit, ut C. e. l. i [Cod. 4, 29, 1] et ff. e. l. sed si ego [Dig. 16, 1, 4]. […] Item cessat si pro creditore suo intercessit, ut C. e. l. ii. [Cod. 4, 29, 2]. Item si proprium negocium gerat […]. Item cessat si dolus mulieris intervenerit, ut ff. e. l. ii [Dig. 16, 1, 2] et C. e. l. si sine [Cod. 4, 29, 5] et l. feminis [Cod. 4, 29, 18]. Item cessat si successit ei pro quo intercessit, ut C. e. l. mulierem [Cod. 4, 29, 14] […] ut ff. de solutionibus l. Stichum § aditio [Dig. 46, 3, 95, 2]. Item cessat si pro dote intercesserit, ut C. e. l. si dotare [Cod. 4, 29, 12] et l. ulti. [Cod. 4, 29, 25]. Item cessat si pro libertate intercessit, ut C. e. l. veterum [Cod. 4, 29, 24]. Item cessat si secundo post biennium confiteatur se fideiussisse, ut C. e. l. si mulier perfectae aetatis [Cod. 4, 29, 22]. Item cessat si in rem suam se obliget, ut C. e. l. ii [Cod. 4, 29, 2]. Item cessat si animo decipiendi intervenerit […] ut ff. e. l. si decipiendi [Dig. 16, 1, 30]. […] Item cessat si pro intercessione aliquid accepit, ut C. e. l. antiquae [Cod. 4, 29, 23]. Item cessat similiter si intercedat instrumento publice confecto et a tribus testibus subsignato, ut C. e. l. antiquae § ultimo [Cod. 4, 29, 23, 2]«.

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Wenn die Frau im eigenen Interesse (in rem suam) interzediert, wenn sie den Hauptschuldner beerbt (si successit ei pro quo intercessit) und schließlich wenn sie einen entsprechenden Betrag vom Hauptschuldner erhält und ihr somit aus der Interzession kein weiterer Vermögensverlust droht.260 Die Wiederholung der Interzession durch die Frau wird bei Azo261 und Accursius262 in gewisser Hinsicht mit dem Rechtsakt eines Minderjährigen (minor) verglichen, den dieser nach Erlangung der Volljährigkeit erneut vornimmt. Denn unter Umständen droht in beiden Fällen, dass jeweils ein bestimmter Makel des ersten Geschäfts bei der Vornahme des zweiten immer noch vorliegt.263 Ferner übernehmen die Glossatoren aus den römischen Quellen den Grundsatz, dass das SC Velleianum nur zum Tragen kommt, wenn der Gläubiger Kenntnis von den maßgebenden Tatsachen hat und er insbesondere nicht durch die Frau getäuscht wurde.264 Dabei gilt für den Gläubiger ein erhöhter Sorgfaltsmaßstab, wenn ihm gegenüber eine Frau für einen anderen eintritt.265 Ist eine Frau nach ihrem äußeren Erscheinungsbild für den Gläubi260 ACCURSIUS, Glossa, Gl. cessante ad Cod. 4, 29, 25 (Vol. 10, S. 214): »cessat ergo Velleianum favore dotis: ut hic et supra e. l. si dotare [Cod. 4, 29, 12]. item libertatis favore: ut supra l. proxi. [Cod. 4, 29, 24]. item si renunciet: ut ff. e. l. fi. § pe. [Dig. 16, 1, 32, 4]. item si accipiat precium pro intercessione: ut supra l. antiquae [Cod. 4, 29, 23]. item si decipiat: ut ff. e. l. si decipiendi [Dig. 16, 1, 30]. item si secundo caveat: ut supra e. l. si mulier [Cod. 4, 29, 22]. unde versus casibus in senis mulier spondendo tenetur. pro libertate, pro dote, renunciet: et si decipiat, precium capiat, caveatque secundo. item septimo si in rem suam: ut ff. e. l. aliquando [Dig. 16, 1, 13] et supra e. l. ii in fi. [Cod. 4, 29, 2]. item si successit ei pro quo intercessit: ut ff. e. l. quamvis § plane si mihi [Dig. 16, 1, 8, 13]. potest addi et nonus: ut si mulier intercessit pro me in decem, solvi ei praedicta decem. si conveniatur ex fideiussione non opponet exceptionem ut ff. e. l. si mulier contra senatusconsultum Velleianum etc. [Dig. 16, 1, 16].« – Gl. ne pro ullo ad Dig. 16, 1, 1 pr. (Vol. 7, S. 486): nahezu identisch bis auf die fehlende neunte Konstellation. 261 AZO, Lectura, ad Cod. 4, 29, 22, No 1, Ex consequentia suae fragilitatis: »Argumentum est ad id quod dicitur ff. de minoribus l. 3 § scio [Dig. 4, 4, 3, 2]. ibi enim reddit rationem dominus Y. quod ex consequentia primae captionis vel aditionis incidit in secundam, sicut dicit hic de muliere.« – Zur Sigle Y für Irnerius vgl. LANGE, Bd. I: Glossatoren (1997), S. 160 m. w. N. 262 ACCURSIUS, Glossa, Gl. inciderit ad Cod. 4, 29, 22 (Vol. 10, S. 213): »sicut ff. de minoribus l. iii § scio [Dig. 4, 4, 3, 2].« – Gl. restituendum ad Dig. 4, 4, 3, 2 (Vol. 7, S. 157): »hic exegit non tam approbando prius factum, quam ex consequentia eius in captione remanendo secundum Y. ut C. ad Velleianum l. si mulier [Cod. 4, 29, 22].« 263 Frauen und Minderjährige werden aber rechtlich nicht in jeder Hinsicht gleich behandelt, vgl. AZO, Lectura, ad Cod. 4, 29, 22, No 1: »et sic habet maius privilegium ratione aetatis quam sexus. nec enim mulieres minoribus per omnia comparantur: ut ff. eo. l. ult. [Dig. 16, 1, 32].« – Anders wohl THEISEN, ZRG RA 122 (2005), 103, 133. 264 Siehe oben Fn. 120 und 124. 265 WILHELMUS DE CABRIANO, Casus Codicis, ad Cod. 4, 29, 5 (Zeile 20 f.): »Oportet enim in his contractibus creditorem esse diligentiorem, ut ff. e. l. vir uxori [Dig. 16, 1, 17].« – AZO, Summa, ad Cod. 4, 29 (S. 137 linke Sp.): »debuit enim

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ger nicht mehr als solche erkennbar, weil sie Männerkleidung (veste virili) oder einen Männerhaarschnitt trägt, entfaltet das SC Velleianum daher nach Azo266 und Accursius267 keine Wirkung.268 Ein weiteres Beispiel für ein solches unlauteres Verhalten der Frau gegenüber dem Gläubiger finden die Glossatoren in Cod. 4, 29, 5: Hat sie es geduldet, dass ihre Sachen von ihrem Ehemann verpfändet werden und dadurch der Eindruck entsteht, dieser verpfände seine eigenen Sachen, ist ihr Täuschungsabsicht gegenüber dem Gläubiger zu unterstellen, und sie kann sich nicht auf das SC Velleianum berufen.269 Anders ist dies nach Azo aber zu sehen, wenn sie faktisch keinen Widerspruch gegen das Vorgehen ihres Mannes erheben konnte, weil dieser sie zuvor geschlagen hat, denn dann ist ihr kein unlauteres Verhalten (fraus) anzulasten.270 c) Insbesondere: Verzicht – »Est enim suo favore inducta haec exceptio« Eine wesentliche Fortentwicklung durch die Glossatoren stellt vor allem die Möglichkeit eines fakultativen Verzichts dar.271 Ausgangspunkt ist dabei für Azo272 und Accursius273 die Regelung Justinians in Cod. 5, 35, 3 (bzw. Nov. 94, diligentior et curiosior esse creditor, cum mulierem obligabat pro alio, ut ff. e. l. vir uxori [Dig. 16, 1, 17].« – Ähnlich auch Radulfus Niger, vgl. SCHMUGGE, in: Proceedings (1976), S. 495, 508: »Expedit igitur, ut creditor sit diligentior, cum mulier intercedit, et diligens quando contrahit.« 266 AZO, Lectura, ad Cod. 4, 29, 1, No 1 f., Si id contrahentes non ignorant: »si enim deferebant pannos viriles, vel tonsae erant sicut viri, ut potest videri in quibusdam, et ita ignoravit eam mulierem, et credidit virum, non habet locum Velleianum: ut ff. eod. l. si decipiendi [Dig. 16, 1, 30].« – Ad Cod. 4, 29, 18, Deceptus sit: »Ut quia habebat vestes viriles, sicut notavi, supra eo. l. 1 [Cod. 4, 29, 1].« 267 ACCURSIUS, Glossa, Gl. decipiendi animo ad Dig. 16, 1, 30 pr. (Vol. 7, S. 492): »forte induit se veste virili.« – Gl. non ignorent ad Cod. 4, 29, 1 (Vol. 10, S. 211): »scilicet ipsas esse feminas. nam secus si ignorent quia sunt vestitae veste virili, ut ff. e. l. si decipiendi [Dig. 16, 1, 30].« 268 Ähnlich auch Radulfus Niger, vgl. SCHMUGGE, in: Proceedings (1976), S. 495, 508: »[…] si creditorem decepit, puta si se marem esse finxerit.« 269 Vgl. WILHELMUS DE CABRIANO, Casus Codicis, ad Cod. 4, 29, 5 (Zeile 10 ff.): »nam si ipsa decipiat – id est si cum sciens se munitam in sua persona obligationem constituat vel alias creditorem decipiat permittendo puta res proprias obligari tamquam mariti – iuvanda non erit.« 270 AZO, Lectura, ad Cod. 4, 29, 5, No 2, Quod si patientiam etc.: »Cum enim posset contradicere de iure et de facto, si patientiam praestitit, non iuvatur, imo praeiudicat sibi sicut dicitur in domino: ut ff. de noxalibus l. in delictis [Dig. 9, 4, 4], si vero de iure potuit contradicere, sed non de facto, quia verberaret eam maritus, tunc contrarium est, nec enim potest ei fraus imputari.« 271 MEYNIAL, RHD 25 (1901), 657, 657 f., 665 f. 272 AZO, Summa, ad Cod. 5, 35 (S. 198 linke Sp.): »Regulariter femina non potest esse tutrix quia hoc officium virile est. […] Per Codicem tamen impetrare potest a iudice tutelam legitimorum filiorum et naturalium tantum si mater fuerit maior et impuberi non sit

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2 und Nov. 118, 5), wonach Frauen nur dann ausnahmsweise die Vormundschaft (tutela) über ihre Kinder übernehmen können, wenn sie zuvor unter anderem auf die Rechtsfolgen des SC Velleianum zwingend verzichtet haben.274 Aus der Erwägung, dass das SC Velleianum eine Regelung zum Vorteil der Frau (suo favore) sei, folgert Azo, dass sie hierauf auch verzichten könne, wie etwa in Dig. 16, 1, 32, 4. Voraussetzung für die Gültigkeit eines solchen Verzichts ist nach Azo aber, dass die Frau dabei von diesem Schutz wusste (sciebat se tutam), sei es durch eine Belehrung des Gläubigers oder auf andere Weise. Hat sie in Unkenntnis hiervon auf das SC Velleianum oder auf jeden gesetzlichen Schutz (omni legali auxilio) verzichtet, wird sie gleichwohl geschützt, da ein allgemeiner Verzicht sich nicht auf das erstreckt, was sie nicht gekannt oder bedacht hat. Der Gläubiger profitiert also nur dann von einem Verzicht der Frau, wenn jeder der beiden wusste, dass das SC Velleianum grundsätzlich greift.275 Ähnlich äußert sich Accursius,276 der dabei betutor testamentarius vel legitimus vel etiam sit, sed excusetur, velut suspectus removeatur. Item oportet mulierem renunciare senatusconsulti Velleiani praesidio omnique alio legitimo auxilio, et suam substantiam filiis supponere, ut e. l. ul. et pe. [Cod. 5, 35, 3 et 2]. Hodie autem praefertur omnibus tutoribus legitimis et dativis sed non testamentariis et permittitur matri et aviae subire tutelam secundum ordinem ut primo mater postea avia admittatur. nec habet necesse iurare quod non convolet ad nuptias secundas sed debet renunciare nuptiis secundis simplici verbo, et auxilio senatusconsulti Velleiani et omni alio auxilio, ut si forte quandoque occasione tutelae pro pupillo se obligaverit, non innetur, alioquin non contraherent homines cum ea, quod impuberi noceret.« – Ferner DERS., Lectura, ad Cod. 5, 35, 3, No 1 f.; PLACENTINUS, Summa, ad Cod. 5, 35. 273 ACCURSIUS, Glossa, post Cod. 5, 35, 2, Gl. Velleiani ad Nov. 118, 5 (Vol. 10, S. 303 linke Sp.): »et omni alio auxilio, ut in auth. ut sine prohibitione matres § quia vero [Nov. 94, 2]. quae renunciatio quo ad matrimonium non valet, ut in praedicto §, sed quo ad Velleianum sic, ut ff. ad Velleianum l. fi. § pe. [Dig. 16, 1, 32, 4]. sed quibus haec prodest renunciatio cum pro nemine fideiubeat, sed pro se, ar. supra ad Velleianum l. si mater in princ. [Cod. 4, 29, 6 pr.]. Respondeo cum creditoribus pupilli promittit, pro pupillo intercedere videtur.« – Gl. auxilio ad Cod. 5, 35, 3 (Vol. 10, S. 303 rechte Sp.): »ut in auth. de nuptiis § si vero mulier coll. iv [Nov. 22, 40] et in auth. ut sine prohibitione matres debitrices et creditrices § quia vero [Nov. 94, 2]. et facit hoc ad generalem renunciationem, ut no. ff. si quis cautionibus l. sed et si § quaesitum [Dig. 2, 11, 4, 4].« – Gl. Senatusconsulto ad Nov. 94, 2 in fine (Vol. 11, S. 273 rechte Sp.): »et tunc si odio non licet, ut in Macedoniano, si vero favore licet, ut ar. ff. ad Velleianum l. fi. § pe. [Dig. 16, 1, 32, 4].« – Gl. Renunciant ad Nov. 118, 5 (Vol. 11, S. 300 rechte Sp.): »omni alio auxilio, ut supra ut sine prohibitione matres § quia vero [Nov. 94, 2]. quae renunciatio quo ad matrimonium non praeiudicat, ut in praedicto §, sed quo ad Velleianum sic, ut ff. ad Velleianum l. ul. § pe. [Dig. 16, 1, 32, 4].« 274 MEYNIAL, RHD 26 (1902), 649, 660 ff. betrachtet dabei die von Accursius in Gl. Senatusconsulto ad Nov. 94 ausgebreitete Systematik als (mit)entscheidend für die Entwicklung des Verzichts insgesamt: »Le texte capital dans la grande glose«. 275 AZO, Summa, ad Cod. 4, 29 (S. 137 linke Sp.): »Cessat hic senatusconsultum cum mulier renunciavit auxilio senatusconsulti, ut ff. e. l. ul. § pe. [Dig. 16, 1, 32, 4]. Est enim suo favore inducta haec exceptio. Et valet haec renunciatio, cum mulier sciebat se tutam,

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tont, dass aus dem Verzicht nicht immer auf eine entsprechende Belehrung der Frau geschlossen werden könne und im Zweifel von ihrer Unkenntnis auszugehen sei.277 Wie eine derartige Belehrung in der notariellen Praxis erfolgt, beschreibt Roffredus anschaulich in direkter Rede: »et ideo tabelliones dicunt domina tu habes velleiani beneficium quod te ab obligatione aliena excusat: scias hoc vel scire debes et te facio certam: vis renunciare isti beneficio illa dicit volo et renuncio«.278

Darüber hinaus thematisieren die Glossatoren die Interzession bzw. den Verzicht einer minderjährigen Frau bei der Diskussion der Authentica Sacramenta puberum. Nach diesem Gesetz von Kaiser Friedrich I. Barbarossa (1155) kann ein Minderjähriger (minor) durch eidliche Bekräftigung wirksam auf die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (restitutio in integrum) verzichten.279 puta certiorata a contrahente vel aliunde cognovit. Ceterum si nescivit et senatusconsulto Velleiano renunciavit vel omni legali auxilio nihilominus erit tuta, quia generalis renunciatio ad hoc, quod ipsa nescivit vel non cogitavit, non contrahitur, ut ff. de transactionibuis l. cum Aquiliana [Dig. 2, 15, 5]. haec ergo renunciatio ad hoc, quod ipsa nescivit, in eo casu tantummodo creditori proficit, ubi uterque sciebat Velleianum succurrere. alias autem vel non tenet renunciatio, quod est ubi ipsa ignoraverit se tutam senatusconsulto, vel alia ratione succurritur creditori«. 276 ACCURSIUS, Glossa, Gl. non usuram ad Dig. 16, 1, 32, 4 (Vol. 7, S. 493 rechte Sp.): »nota quod potest renunciari huic senatus consulto, ut hic et C. quando mulier tutelae officio fungi potest l. fi. [Cod. 5, 35, 3] et in auth. ut matres debitrices etc. § quia vero coll. v [Nov. 94, 2]. secus in Macedoniano, ut dixi supra ad Macedonianum l. tamen si [Dig. 14, 6, 11]. et hoc accipe si est certiorata de beneficio sibi competenti, alias non, ut supra de transactionibus l. cum Aquiliana [Dig. 2, 15, 5]. sed si renunciat, numquid semper praesumitur certiorata, arg. quod sic institu. de fideiussoribus § fi. [Inst. 3, 20, 8] et de inutilibus stipulationibus § si scriptum [Inst. 3, 19, 17]. sed quid praesumemus in dubio, dicere potest quod cum ignoret leges, quod ei permittitur, ut C. de iuris et facti ignorantia l. fi. [Cod. 1, 18, 13], quod resignatio non valeat, secundum Iabol. sed forte hic secus, cum non sit hoc beneficium restringendum, ut arg. infra de liberis et postumis l. cum quidam [Dig. 28, 2, 19].« – Gl. non ignorent ad Cod. 4, 29, 1 in fine (Vol. 10, S. 211 linke Sp.): »item nota quod ubicumque iuvatur, si renunciaverit, non excipitur: ut ff. eo. l. fi. § pe. [Dig. 16, 1, 32, 4] et ad Macedonianum l. tamen si [Dig. 14, 6, 11] et supra de pactis l. si quis in conscribendo [Cod. 2, 3, 29] et infra quando mulier tutelae officio fungi potest [Cod. 5, 35] auth. matri et aviae [Nov. 118, 5].« – Gl. si non opposita ad Dig. 14, 6, 11 (Vol. 7, S. 466 linke Sp.): »sed in muliere certum est quod remittit. nam ex suo favore est inducta, ut infra ad Velleianum l. fi. § pe. [Dig. 16, 1, 32, 4] et supra de condictione indebiti l. qui exceptionem [Dig. 12, 6, 40].« – Gl. Ex praesumptione ad Cod. 4, 28, 7 (Vol. 10, S. 210 rechte Sp.). 277 Bezüglich der Vermutung in der Gl. non usuram ad Dig. 16, 1, 32, 4 anders jedoch MEYNIAL, RHD 25 (1901), 657, 658, 665. 278 ROFFREDUS, Libelli iuris civilis, Pars VII, De senatusconsulto velleiano (S. 276 linke Sp.). 279 MEYNIAL, RHD 25 (1901), 241, 246 ff.; SORRENTI, RIDC 2 (1991), 69 ff.; HALLEBEEK, Ius Commune 17 (1990), 69, 73 ff.; DERS., TRG 60 (1992), 289 ff.; DERS.,

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Leistet die Minderjährige einen Eid, so ist sie mit Blick auf die Authentica Sacramenta puberum wie eine volljährige Frau zu behandeln, die wirksam auf das SC Velleianum verzichten kann, da es sich dabei um eine Regelung zugunsten der Frau handelt.280 Nicht besonders problematisiert wird von der Glosse hingegen der Verzicht auf die Authentica Si qua mulier.281 Auch von der Praxis wird das SC Velleianum in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts aufgegriffen und sein Schutz regelmäßig durch einen Verzicht der Frau abbedungen,282 wie Theisen anhand der von ihm untersuchten stadtrömischen Urkunden nachweist.283 In einem Fall etwa hatte eine Witwe auf die Geltendmachung des SC Velleianum verzichtet, um curatrix ihres Sohnes werden zu können.284 Ansonsten handelt es sich bei den beurkundeten RIDC 3 (1992), 93 ff.; DERS., Ius Commune 22 (1995), 35 ff.; LANGE, Bd. I: Glossatoren (1997), S. 78 f. m. w. N. 280 Vgl. Guizzardinus, ad Auth. Sacramenta puberum, Super contractibus, No 26, hrsg. von SORRENTI, RIDC 2 (1991), 69, 95 (Appendice), 112 f. linke Sp.: »Sed quid si mulier minor renunciavit Velleiano et iuravit? Respondeo quod tenet: nam si maior renunciasset, cum sit eius favore inductum, teneret, ut in praedicta l. qui exceptionem [Dig. 12, 6, 40] et ff. ad Velleianum l. ult. § penult. [Dig. 16, 1, 32, 4] et C. quando mulier tutelae officio fungi potest l. ult. [Cod. 5, 35, 3].« – Ferner Symon Vicentinus, ad Auth. Sacramenta puberum, Super contractibus, Qu. 38, hrsg. von HALLEBEEK, RIDC 3 (1992), 93, 109 (Edition), 118: »Item quid si mulier minor pro alio intercessit et iuravit? Respondeo: Non valebit, quia nec etiam maior tenebitur propter velleianum. Set si renunciavit et iuravit, tenetur, quia maior renunciare potest ut ff. ad velleianum l. ult. § penult. [Dig. 16, 1, 32, 4], cum sit sui favore inducta. Sic et minor renuncians et iurans tenebitur. Sy.« – ACCURSIUS, Glossa, Gl. super contractibus ad Lib. Feud. II, 53, § 3 (Vol. 11, S. 474 rechte Sp.): »quid si mulier minor renunciaverit Velleiano et iuraverit. respondeo: tenet, nam si maior renunciasset, cum sit eius favore inductum, teneret, ut praedicta l. qui exceptionem [Dig. 12, 6, 40] et ff. ad Velleianum l. ul. § pe. [Dig. 16, 1, 32, 4] et C. quando mulier officio tutelae fungi l. ul. [Cod. 5, 35, 3].« – HALLEBEEK, Ius Commune 17 (1990), 69, 77; DERS., RIDC 3 (1992), 93, 96, 104. 281 MEYNIAL, RHD 25 (1901), 657, 658 Fn. 1, 660 Fn. 1, 670 f. 282 Als ältester überlieferter Verzicht im Zuge der Rezeption römischen Rechts gilt in Italien eine Urkunde vom 11. August 1155, Historiae Patriae Monumenta, Vol. 6 (1853), Nr. 260, Sp. 298: »[…] abrenuncio iuri ypothecario et senatus consulto velleiani.« – Aus der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts und somit noch aus der Geltungszeit römischen Rechts an der Schwelle von der Spätantike zum Frühmittelalter stammt eine Verzichtsklausel, die eine ostgotische Frau bei der Schenkung einer Liegenschaft an die Kirche von Ravenna verwendet, vgl. MARINI, I papiri diplomatici (1805), Nr. 93, S. 144, 145, Zeile 49 ff.: »[…] excluso erga me omnium legum beneficia quae de revocandis donationibus et de sexu femineo Belliianus senatusconsultus mulieribus subvenire adsolet«. – Zur Datierung MARINI, a. a. O., S. 304; BRUNNER, Rechtsgeschichte der römischen und germanischen Urkunde, Bd. I (1880), S. 71, 91 f. Zur rechtlichen Stellung der gotischen Frau in dieser Zeit GUERRA MEDICI, I diritti delle donne nella società altomedievale (1986), S. 46 ff. 283 THEISEN, ZRG RA 122 (2005), 103, 113 ff., 135 ff. m. w. N. 284 THEISEN, ZRG RA 122 (2005), 103, 114 f., 135 (unter Nr. 3).

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Geschäften fast durchweg um die Veräußerung einer Liegenschaft durch den Ehemann mit Zustimmung der Frau, also eigentlich nicht um eine typische Interzession. Ganz überwiegend erklärt die Frau dabei nicht nur den Verzicht auf den Beistand des SC Velleianum (adiutorium senatusconsulti Velleiani), sondern ausdrücklich auch auf jedes Pfandrecht (omne ius ypothecarum seu pignorum), das ihr wegen ihrer güterrechtlichen Ansprüche aus Mitgift (dos) und sog. Eheschenkung (donatio propter nuptias)285 zusteht. Dieser Praxis ist freilich zuzugeben, dass die hinsichtlich der güterrechtlichen Ansprüche einschlägige Nov. 61286 – als Authentica Sive a me – von den Glossatoren im Codex-Titel zum SC Velleianum zwischen Cod. 4, 29, 21 und Cod. 4, 29, 22 eingefügt wurde, allerdings wohl weniger aus inhaltlichen Gesichtspunkten, als vielmehr wegen der äußerlichen Parallelen:287 Denn die im Rahmen der Nov. 61 erforderliche Zustimmung der Frau zur Veräußerung bzw. Belastung des Dotalvermögens muss ebenso wie die Interzession nach Cod. 4, 29, 22 nach Ablauf von zwei Jahren noch einmal wiederholt werden.288

Das häufig formelhafte und pauschale Abbedingen des SC Velleianum – in Fällen, wo es mangels Interzession ohnehin nicht einschlägig gewesen wäre – weckt berechtigte Zweifel, ob seine Tatbestandsvoraussetzungen sowie sein Sinn und Zweck überhaupt hinreichend verstanden wurden.289 Im Vordergrund scheinen für die Praxis kautelarjuristische Erwägungen gestanden zu haben, auf jeden Fall einen lasten- und einredefreien Erwerb des Vertragspartners sicherzustellen und dabei für jede Eventualität vorzusorgen, also auch für die hier an sich eher fernliegende Geltendmachung des SC Velleianum durch die Frau.290 Wie Urkunden aus Salerno zeigen,291 setzen sich bis Mitte des 13. Jahrhunderts entsprechende Verzichtsklauseln selbst im Geltungsbereich des langobardischen Rechts durch, und dies nicht etwa nur wenn die beteiligte Frau nach römischem Recht lebt (secundum legem et Romanorum consuetudinem qua vivit),292 sondern auch, wenn für sie langobardisches Recht gilt.293 Auf Zum Begriff s. o. Fn. 172. Zu Nov. 61 s. o. Fn. 171. 287 NOAILLES, Annales de l’Université de Grenoble 30 (1918), 451, 462; 31 (1919), 161, 208; BOYÉ, RHD 3 (1924), 473, 481. 288 Nov. 61, 1, 1 in fine = Auth. 62, 1, 1 in fine (s. o. Fn. 173). 289 THEISEN, ZRG RA 122 (2005), 103, 114 f., 120, 123. 290 THEISEN, ZRG RA 122 (2005), 103, 123. Ähnlich MEYNIAL, RHD 24 (1900), 108, 109 zur generellen zeitgenössischen Praxis der Notare, alle erdenklichen Verzichtsklauseln ohne näheres Verständnis ihrer eigentlichen Bedeutung aufzunehmen, um nur ja jeden erdenklichen Einwand gegen die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts auszuschließen. 291 Zu entsprechenden Urkunden aus der Lombardei und der Romagna vgl. THEISEN, ZRG RA 122 (2005), 103, 115 f., 121 ff. m. w. N. 292 CARUCCI, Codice diplomatico salernitano, Vol. I (1931), Nr. 104 (1240), S. 199, 201: »Suprascripta fecit ipsa Bonabindura secundum legem et Romanorum consuetudinem qua vivit, renunciando omni legum auxilio et specialiter velleiano, certiorata se posse eodem velleiano auxilio adiuvari.« – Vgl. ferner a. a. O., Nr. 175 (1264), S. 312, 313. 285 286

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der anderen Seite der Alpen hält die Verzichtserklärung ebenfalls Einzug in die notarielle Praxis, von der Provence (1192)294 über Septimanien (1219)295 bis hin nach Katalonien (1226)296 im Westen sowie von Trient (1217)297 und Bozen (1237)298 über Savoyen (1235)299 und das Schweizer Mittelland (1267)300 an den Oberrhein nach Straßburg (1258)301 und Basel (1278),302

293 CARUCCI, Codice diplomatico salernitano, Vol. I (1931), Nr. 130 (1250), S. 236, 238 f.: »Preterea Secelgaita, uxor ipsius David, ad aram accedens presencia, cum voluntate et auctoritate ipsius David viri sui, sub cuius mundio esse videbatur, eam venditionem et traditionem ratam et firmam habuit, renuncians etiam super omnibus beneficiis restitucionis in integrum, et omni actioni et legum auxilio, et specialiter legi velleiani, qua certificata est se posse in hoc ipsius legis auxilio adiuvari et confexa se in hac venditione, traditione et obligatione nullam violenciam fore passam.« – Vgl. ferner a. a. O., Nr. 139 (1252), S. 253, 254; Nr. 153 (1255), S. 276, 277; Nr. 163 (1259), S. 290; Nr. 169 (1262), S. 301, 303. Zum Verhältnis von römischem und langobardischem Recht in Salerno vgl. CALASSO, Introduzione al diritto comune (1951), S. 268 ff., 275 f. 294 CARLIN, La pénétration du droit romain dans les actes de la pratique provençale (1967), S. 128 ff. m. w. N., 145: Arles (1192), Avignon (1192), Nizza (1212) u. a. 295 HILAIRE, Le régime des biens entre époux dans la région de Montpellier (1957), S. 127 Fn. 4 m. w. N. 296 DE HINOJOSA, Mélanges Fitting, Tome II (1908), S. 391, 400 f. Fn. 28 m. w. N.; LARRAONA / TABERA, Atti: Bologna, Vol. II/2 (1935), S. 83, 142. 297 TOMASCHEK, in: Sitzungsberichte, Bd. 33 (1860), S. 341, 350 ff. m. w. N. – Aus dem Jahr 1236 stammen zahlreiche Beurkundungen eines anderen Trentiner Notars (Obert von Piacenza), vgl. VOLTELINI (Hrsg.), Südtiroler Notariats-Imbreviaturen, Teil 1 (1899), Nr. 61, S. 28, 29; Nr. 122b, S. 58, 61; Nr. 281a, S. 129, 130; Nr. 413, S. 191, 192; Nr. 417, S. 196, 197; Nr. 444, S. 212; Nr. 458, S. 219, 220; Nr. 474b, S. 227, 228; Nr. 506b, S. 244, 245; Nr. 509, S. 246, 247. 298 VOLTELINI (Hrsg.), Südtiroler Notariats-Imbreviaturen, Teil 1 (1899), Nr. 605–607 (1237), S. 297–299. Weitere Beurkundungen desselben Bozner Notars (Jakob Haas) aus dem Jahr 1237, a. a. O., Nr. 609, S. 299, 301; Nr. 745, S. 374, 375; Nr. 768b, S. 388, 390; Nr. 775b, S. 394, 396; Nr. 788, S. 404, 405. Ferner aus dem Jahr 1242, vgl. VOLTELINI /  HUTER (Hrsg.), Südtiroler Notariats-Imbreviaturen, Teil 2 (1951), Nr. 91, S. 51, 52; Nr. 149, S. 99, 100; Nr. 178, S. 119, 120; Nr. 208, S. 139; Nr. 220, S. 146, 147; Nr. 257, S. 171, 172; Nr. 367, S. 236; Nr. 380b, S. 243, 245; Nr. 451, S. 295; Nr. 453, S. 296; Nr. 476 f., S. 313 f. 299 DUPARC, RHD 43 (1965), 22, 56, 58 m. w. N. 300 ESCHER / SCHWEIZER (Bearb.), Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich, Bd. IV (1896/98), Nr. 1342 (1267), S. 52, 53. Ferner a. a. O., Nr. 1352 (1267), S. 65, 66; Nr. 1377 (1268), S. 91, 92; Nr. 1440 (1270), S. 146, 147. 301 WIEGAND (Bearb.), Urkundenbuch der Stadt Straßburg, Bd. I (1879), Nr. 425 (1258), S. 320, Zeile 39. Ferner SCHULTE (Bearb.), Urkundenbuch der Stadt Straßburg, Bd. III (1884), Nr. 338 (1295), S. 106, 107, Zeile 25 f. 302 WACKERNAGEL / THOMMEN (Bearb.), Urkundenbuch der Stadt Basel, Bd. II (1893), Nr. 256 (1278), S. 145, 146, Zeile 6. Ferner a. a. O., Nr. 505 (1285), S. 287, 288, Zeile 26; Nr. 543 (1286), S. 307, 308, Zeile 40; Nr. 568 (1287), S. 318, Zeile 39 f.; Nr. 597 (1287), S. 335, 336, Zeile 12; Nr. 699 (1290) S. 389, 390, Zeile 21.

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ferner über Flandern (1239)303 und den Hennegau (1276)304 bis nach Lüttich (1294)305 und schließlich über Trier (1242),306 Mainz (1289)307 und Augsburg (1297)308 bis nach Merseburg (1297)309 und Hildesheim (1311)310 im Norden.311 Bei alledem ist freilich immer zu berücksichtigen, dass der Gebrauch solcher Verzichtsklauseln viele Interpretationsmöglichkeiten zulässt, wie etwa Duparc pointiert feststellt: »Cependant la renonciation est un témoignage ambigu. Contient-elle une reconnaissance implicite de l’usage ou de la supériorité du droit romain? Est-elle plutôt un refus d’admettre le nouveau droit? Le notaire l’introduit-il dans les actes pour faire échec à un recours éventuel à des exceptions tirées du droit romain? ou pour faire preuve simplement de ses connaissances? 303 HEIRBAUT, Studies Schrage (2010), S. 177, 181 f. m. w. N. – also nicht erst im Jahr 1263, so noch GILISSEN, RIDA 4 (1950), 513, 536 m. w. N.; DERS., in: RSJB, Tome 12 (1962), S. 255, 274. 304 VERCAUTEREN, Études Didier (1960), S. 325, 328 m. w. N. 305 VERCAUTEREN, Études Didier (1960), S. 325, 336 m. w. N. 306 ELTESTER / GOERZ (Bearb.), Urkundenbuch zur Geschichte der mittelrheinischen Territorien, Bd. III (1874), Nr. 756 (1242), S. 571 (anlässlich einer Bürgschaft ohne jede Beteiligung einer Frau): »Renuntiamus enim nos omnes et singuli beneficio Velleiani et epistole divi Adriani.« 307 SAUER (Bearb.), Codex diplomaticus Nassoicus, Bd. I/2 (1886), Nr. 1094 (1289), S. 647: »Ego quoque Eufemia prefata confiteor et specialiter recognosco, quod nec vi nec metu nec dolo inducta, sed dictam vendicionem spontanea voluntate facio non coacta, in qua vendicione expresse renuncio dotis privilegio, auxilio Velleiani et omni iuris suffragio pro mulieribus introducto«. 308 Monumenta Boica, Bd. 33/1 (1841), Nr. 206 (1297), S. 246: »Renunciavit eciam uxor mea corporaliter prestito sacramento velleiano et omni alii iuri sive excepcioni siquid ei competere potest vel posset in predictis bonis ratione dotis donacionis propter nupcias vel compensationis dotis et alii iuri qualicumque.« – Dabei handelt es sich um eine Urkunde des Bischofs von Augsburg und nicht etwa des Klosters St. Ulrich und Afra, wie SCHLOSSER, Rechts- und Einredeverzichtsformeln (1963), S. 80 in Fn. 137 annimmt. So auch schon MÜLLER, Rechtsverzichtsformeln, Bd. I (1948), Bl. 124, wenn auch mit falschem Verweis auf Quelle Nr. 9 statt auf Nr. 10, wohl bedingt durch eine Verdrehung auf Bl. 142. 309 KEHR (Bearb.), Urkundenbuch des Hochstifts Merseburg, Theil I (1899), Nr. 594 (1297), S. 474, 475: »Nos vero Helena predicta renunctiamus exceptioni legis Vellegiane et in integrum restitucioni et omnis alii exceptioni et iuris auxilio canonici vel civilis, si quid nobis competit vel posset competere in futurum.« 310 HOOGEWEG (Bearb.), Urkundenbuch des Hochstifts Hildesheim, Teil IV (1905), Nr. 93 (1311), S. 48, 49: »[…] renunciantes nichilominus auxilio seu exceptioni doli mali, restitutionis in integrum et senatus consulti Valleyani et non numerate seu non solute pecunie, necnon et omni exceptioni et auxilio iuris civilis et canonici, per que nos presentem litteram et venditionem possemus infringere quoquomodo.« 311 Vgl. ferner die Übersichten bei MÜLLER, Rechtsverzichtsformeln, Bd. I (1948), Bl. 69a, 109, 124 f., 132; Bd. II (1948), Karte 39; VERCAUTEREN, Études Didier (1960), S. 325, 340; CARLIN, La pénétration du droit romain dans les actes de la pratique provençale (1967), S. 147: Burgund (1249), Paris (1256–64), Toulouse (1268), Normandie (1277) u. a.

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Manifestation tout extérieure, témoignage peu sûr, ces caractères ont déjà été reconnus aux renonciations. Il n’en reste pas moins qu’elles jalonnent certains progrès dans la connaissance du droit romain, et qu’elles en constituent des positions avancées.«312

Aus der entsprechenden Verzichtserklärung kann weder die eindeutige Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Geltung das SC Velleianum stillschweigend vorausgesetzt, noch dass sie – umgekehrt – von vornherein abgelehnt wurde. Sicher belegen lässt sich somit letztlich nur, dass sich die notarielle Praxis mit dem SC Velleianum auseinandergesetzt hat. Meist werden dabei entsprechende Verzichtsklauseln eingefügt, sobald eine Frau beteiligt ist, selbst wenn eine Interzession überhaupt nicht im Raum steht.313 Diese Mehrdeutigkeit lässt sich auch anhand einer Verzichtsklausel aus Utrecht (1258) schön veranschaulichen, die bei der Übertragung bestimmter Zehnten durch ein Ehepaar verwendet wird: »[man en vrouw] renunciaverunt […] omni iuris auxilio canonici et civilis; [vrouw] renunciavit specialiter et expresse privilegio dotis et omni auxilio et beneficio pro mulieribus introducto«.314

Einigkeit besteht noch dahin gehend, dass sich die Wendung beneficio pro mulieribus introducto mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf das SC Velleianum bezieht.315 Ob allerdings die zugrunde liegende Übertragung von Zehnten überhaupt eine tatbestandliche Interzession der Frau im eigentlichen Sinn darstellt, erscheint schon wieder zweifelhaft.316 Folglich wird einerseits ein tatsächlicher Verzicht der Frau auf das SC Velleianum angenommen,317 während andererseits hierin eher eine Stilübung gesehen wird, für die aber eben auch kautelarjuristische Erwägungen eine Rolle gespielt haben können.318 Wie Hermesdorf hinsichtlich der in den Urkunden des Stifts Utrecht verwendeten Verzichtsklauseln insgesamt feststellt, werden nicht nur römischrechtliche Einreden abbedungen, sondern auch Einreden des kanonischen Rechts und sogar des heimischen Gewohnheitsrechts.319 Die vor allem im Anschluss an Meynial vertretene These, dass Verzichtsklauseln von der Praxis – mehr oder weniger bewusst – als Abwehrinstrument gegen das EindrinDUPARC, RHD 43 (1965), 22, 53. VOLTELINI (Hrsg.), Südtiroler Notariats-Imbreviaturen, Teil 1 (1899), Einleitung, S. CVII; SCHLOSSER, Rechts- und Einredeverzichtsformeln (1963), S. 80 f. 314 HERMESDORF, TRG 32 (1964), 396, 428, Nr. V (1258). 315 HERMESDORF, TRG 32 (1964), 396, 413 f.; SPRUIT, Huldigingsbundel van Warmelo (1984), S. 194, 202. 316 SPRUIT, Huldigingsbundel van Warmelo (1984), S. 194, 201 f.: »geen intercessie in eigenlijke zin door de vrouw«. – Anders HERMESDORF, TRG 32 (1964), 396, 414: »In zekere zin is hier een intercedere aanwijsbaar.« 317 HERMESDORF, TRG 32 (1964), 396, 414: »Feitelijk doet de vrouw afstand van het beneficium van het s. c. Velleianum.« 318 SPRUIT, Huldigingsbundel van Warmelo (1984), S. 194, 202. 319 HERMESDORF, TRG 32 (1964), 396, 402 ff. bzw. 418 jeweils m. w. N. 312 313

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gen römisch-rechtlicher Institute (wie insbesondere das SC Velleianum) eingesetzt wurden,320 vermag daher wenig zu überzeugen, wenn im selben Atemzug selbst das eigene Gewohnheitsrecht (consuetudo) derogiert wird,321 um einen in jeder Hinsicht einredefreien Erwerb sicherzustellen.322 Darüber hinaus nimmt Meynial an, dass sich die Praxis in den Dienst der gesellschaftlich Mächtigen gestellt und deswegen mittels des Verzichts die römischrechtlichen Regelungen abbedungen habe, die dem Schutz der unterlegenen Partei hätten dienen können, wie insbesondere das SC Velleianum.323 Diese Überlegung muss naturgemäß zwar spekulativ bleiben, sie fügt sich jedoch widerspruchslos in das hier gezeichnete Bild mit ein. 2. Kommentatoren a) Anwendungsbereich des SC Velleianum Die Kommentatoren bauen im Wesentlichen auf den Positionen der Glosse auf. Als Regelungsgrund des SC Velleianum gilt weiterhin die imbecillitas bzw. fragilitas sexus,324 wegen der Frauen eher als Männer geneigt seien, sich 320 MEYNIAL, RHD 24 (1900), 108, 111: »l’arme principale de la résistance«; RHD 28 (1904), 698, 744: »leur principale fonction a bien été de s’opposer à l’invasion du droit romain en écartant celles de ses règles qui paraissaient le plus opposées aux tendances nationales«. – Ferner SPRUIT, Huldigingsbundel van Warmelo (1984), S. 194, 202: »een werkzame tegenkracht«. – Zurückhaltender schon SCHLOSSER, Rechts- und Einredeverzichtsformeln (1963), S. 81. 321 HERMESDORF, TRG 32 (1964), 396, 429, Nr. VI (1259): »renunciantes omni iuri, defensioni, exceptioni, consuetudini«; 429, Nr. X (1269): »renunciamus etiam omni exceptioni, privilegio exemptionis habito vel habendo et omni auxilio iuris canonici et civilis sive observancie regularis sive consuetudini, per que vel aliquod istorum contra premissa venire possemus vel aliquatenus nos tueri«; 432, Nr. XXV (1287): »ac renunciantes expresse omni exceptioni, defensioni vel auxilio iuris canonici vel civilis seu consuetudini, per que vel per quorum aliquid contra premissa possemus in posterum nos tueri«. – Vgl. ferner die Verzichtsklausel in einer Urkunde aus dem Hennegau (1281) bei VERCAUTEREN, Études Didier (1960), S. 325, 329 m. w. N.: »a toutes exceptions de fraude, de boisdie, a toute aiwe de droit et de court laie, a tout bénéfisce ou indulgense de crois prise ou a prendre, a toute coustume de loi et de pais«. 322 HERMESDORF, TRG 32 (1964), 396, 419 ff., 423 f. 323 MEYNIAL, RHD 28 (1904), 698, 745: »Le practicien est souvent le serviteur du plus puissant; c’est au plus fort qu’il donne souvent le secours de son ingéniosité pour lui permettre de son cocontractant une exploitation plus certaine ou plus fructeuse. Il écarte du droit romain ce qui pourrait être une entrave à cette exploitation, ou […] ou le Velléien«. – Vgl. ferner seine These zur Unanwendbarkeit des SC Velleianum im Geltungsbereich des langobardischen Rechts (s. o. Fn. 209). 324 Die beiden Begriffe imbecillitas und fragilitas nebeneinander verwenden BUTRIGARIUS, Commentaria, ad Dig. 16, 1, 2, No 1 f. (S. 161); ALBERICUS DE ROSATE, Commentarii, ad Dig. 16, 1, 2, 2, No 4. – Nur den Begriff fragilitas gebrauchen BARTOLUS, Commentaria, ad Dig. 16, 1, 32, 4, No 1; ANGELUS DE UBALDIS, Lectura, ad

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für andere zu verpflichten, obgleich sie ansonsten weniger freigiebig handelten, da sie dem geizigen Geschlecht (genus avarissum) angehörten.325 Ebenso sehen die Kommentatoren unverändert jede Übernahme einer fremden Schuld durch eine Frau als tatbestandliche Interzession an.326 Im Hinblick auf die Rechtsfolgen kann der Gläubiger anerkanntermaßen mit der actio restitutoria oder der actio institutoria direkt gegen den materiellen Schuldner vorgehen.327 Die verbotswidrige Interzession der Frau ist nach Ansicht der Kommentatoren aber nicht in jedem Fall ipso iure nichtig, so dass daneben ein Anwendungsbereich für die exceptio SC Velleiani verbleibt. Denn was den früheren Meinungsstreit der Glossatoren um die Bedeutung der Formvorschrift in Cod. 4, 29, 23, 2 angeht, entscheiden sich – wie zuvor schon Azo

Cod. 4, 29, 1, No 2; SALICETUS, Opera Omnia, Vol. V, ad Dig. 16, 1; Dig. 16, 1, 1, No 1; Dig. 16, 1, 2, 2, No 2; Dig. 16, 1, 32, 4, No 3; PAULUS CASTRENSIS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, No 1. – Der Begriff facilitas wird daneben benutzt von PETRUS DE BELLAPERTICA, Quaestiones, Qu. 34 f.; CINUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 25, No 4; ad Cod. 1, 3, 50 (51). – Bei JACOBUS DE RAVANIS, Lectura, ad Cod. 4, 29, 1 finden sich wiederum die Begriffe infirmitas und fragilitas sowie a. a. O., ad Cod. 1, 3, 50 (51) der Begriff facilitas. 325 BUTRIGARIUS, Lectura, ad Cod. 4, 29, 1; SALICETUS, Opera Omnia, Vol. II, ad Cod. 4, 29, 1, No 2; Vol. V, ad Dig. 16, 1, 4, No 2; ANGELUS ARETINUS, Commentaria, ad Inst. 4, 13, 5, No 44; PAULUS CASTRENSIS, Commentaria, ad Dig. 16, 1, 3, No 3; Cod. 4, 29, No 1. 326 PETRUS DE BELLAPERTICA, Quaestiones, Qu. 34: »et illud facere potest tribus modis videlicet primo accedendo obligationi principali vel in se alienam obligationem accipiendo vel etiam transferendo«. – CINUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 1, No 4: »Respondeo quod intelligitur suscipere alienam obligationem, sive in totum eam suscipiendo, sive participando«. – BARTOLUS, Commentaria, ad Dig. 16, 1, 2, 4: »Verbum intercedere, comprehendit omnem obligationem omnino, quam quis pro alio suscipit. h. d.« – BALDUS, Commentaria, ad Dig. 16, 1, 2, 4: »Verbum, intercedere, omnem omnino obligationem comprehendit, quando mulier pro alio suscipit. h. d.« – SALICETUS, Opera Omnia, Vol. II, ad Cod. 4, 29, 1, No 1: »Mulieri pro altero intercedenti fideiubendo vel in se obligationem transferendo succuritur«. – ANGELUS ARETINUS, Commentaria, ad Inst. 4, 13, 5, No 30: »quod habet locum quoties mulier intercedit pro alio et sic aliam obligationem suscepit, sive principaliter pro alio, sive accessorie ad obligationem alterius«. – P AULUS CASTRENSIS, Commentaria, ad Dig. 16, 1, 1, No 5: »quod tribus modis dicitur mulier intercedere pro alio, scilicet participando de obligatione, vel illam iam natam in se transferendo, vel illam nondum natam in se principaliter transferendo. primum potest fieri pluribus modis scilicet fideiubendo, constituendo. item mandando«. – Ad Cod. 4, 29, 1, No 1: »quando incipit a promissione. scilicet alienam obligationem in se suscipiendo, vel in se transferendo«. 327 Vgl. etwa BARTOLUS, Commentaria, ad Dig. 16, 1, 1; ad Dig. 16, 1, 8, 7 ff.; ad Dig. 16, 1, 10; ad Dig. 16, 1, 14; ad Dig. 16, 1, 16, 1; ad Dig. 16, 1, 24, 2; ad Dig. 16, 1, 29; ad Cod. 4, 29, 1; ad Cod. 4, 29, 8; ad Cod. 4, 29, 16; ad Cod. 4, 29, 23, No 3. – BALDUS, Commentaria, ad Dig. 16, 1, 1; ad Dig. 16, 1, 8, 11 ff.; ad Dig. 16, 1, 10; ad Dig. 16, 1, 14; ad Dig. 16, 1, 16, 1; ad Dig. 16, 1, 24, 2; ad Dig. 16, 1, 29; ad Cod. 4, 29, 8; ad Cod. 4, 29, 16; ad Cod. 4, 29, 23, 1c.

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und Accursius – nun auch die Kommentatoren fast durchweg für die von Bulgarus vertretene Auffassung und gegen den Ansatz von Martinus.328 Ähnlich verhält es sich bei dem früheren Streit um das in Nov. 134, 8 verankerte Kriterium, ob das durch die Interzession erlangte Geld zum eigenen Nutzen der Frau verwendet wird. Auch hier schließen sich die Kommentatoren – wiederum wie bereits Azo und Accursius – der von Hugo vertretenen Auffassung an, wonach diese Voraussetzung nur bei der Interzession für den eigenen Ehemann (pro marito) gilt, aber nicht bei sonstigen Interzessionen für einen anderen (pro alio).329 Salicetus stellt zudem hinsichtlich der zeitli328 JACOBUS DE ARENA, Commentarii, ad Cod. 4, 29, 23, 2, No 1 stellt beide Auffassungen zwar noch gleichrangig nebeneinander. Eindeutig aber dann JACOBUS DE RAVANIS, Lectura, ad Cod. 4, 29, 23, 2: »Verior est sententia Bul. qui dixit quod § iste non refertur ad casus illos in quibus mulier non habebit exceptionem velleiani sed tenebatur cum effectu.« – BUTRIGARIUS, Lectura, ad Cod. 4, 29, 23, 2: »Ad evidentiam est sciendum quod duae fuerunt opiniones. una Mar. et mala. alia est communis et vera secundum quam nulla lex corrigitur«. – CINUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 23, 2: »At Mar. intellexit istum § loqui generaliter […] Istum intellectum non prosequor, quia non est approbatus per nostros Doctores etiam modernos, nec est verus«. – ALBERICUS DE ROSATE, Commentarii, ad Cod. 4, 29, 23, No 1: »[…] secundum Bul. cuius opinio communiter per doctores approbatur«. – BARTOLUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 23, 2: »Ultimo scias quod pro intellectu istius auth. fuerunt duae opiniones inter Bul. et Mar. tene primam.« – BALDUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 23, 2, No 1: »Quaero, nunquid hodie habeat locum beneficium Velleiani? Martinus dicit quod non. veritas est, quod sic in casu, ubi est confectum publicum documentum.« – ANGELUS DE UBALDIS, Lectura, ad Cod. 4, 29, 23, 2, in fine: »et Bul. dicit et bene. et ista lect. approbatur et eam tenui. […] sed Mar. dicit et male.« – Ad Cod. 4, 29, 25: »et ista fuit opi. Accursii et Bul.« – SALICETUS, Opera Omnia, Vol. II, ad Cod. 4, 29, 23, 2, No 5: »Et multum not. secundum intellectum Bul. qui verus est. […] In casibus autem in quibus obligabatur et Velleiano non iuvatur, et illa est intentio huius § secundum Bul. Et istam opinionem tenent Gl. et Doct. et ego sequor, quia minime sunt mutanda, etc. Sed Mar. videtur dicere contra.« – Im Ergebnis ebenso PETRUS DE BELLAPERTICA, Quaestiones, Qu. 34 in fine: »aut mulier intercedit sine scriptis et tunc dico quod non valet regulariter ut supra e. l. antiquae in fine [Cod. 4, 29, 23, 2] aut intercedit in scriptis et tunc dico quod valet sed iuvatur exceptione velleiani exceptis casibus supra enumeratis et sic intelligatis titulum istum.« – ANGELUS ARETINUS, Commentaria, ad Inst. 4, 13, 5, No 54: »hodie vero de iure novo conservatur ipso iure illaesa, etiam si intercedat pro alio, nisi intercedat in instrumento publice confecto et a tribus testibus subsignato, ut d. l. antiquae [Cod. 4, 29, 23]. nam si tali modo intercedat, omnia, quae vel veteri vel novo iure introducta sunt, habent effectum iuris.« 329 BARTOLUS, Commentaria, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8: »Quaero primo, quomodo se habeat haec auth. ad l. C. quidam dicebant, quod corrigit totam materiam Velleiani, scilicet quod mulier sit hodie indistincte ipso iure tuta Velleiano, si pervenit in eius utilitatem, effectualiter tenetur. Gl. nostra et doctores dicebant contrarium, sed ista auth. corrigit tantum, quando contrahit cum viro suo, vel pro eo se obligat.« – Ähnlich schon JACOBUS DE RAVANIS, Lectura, ante Cod. 4, 29, 23, ad Nov. 134, 8: »et per auth. istam dixerunt quidam correctum titulum ad velleianum et C. [Cod. 4, 29] et ff. [Dig. 16, 1], sed hoc falsum est: quia loquitur ibi haec auth. in casu speciali, ubi mulier obligaverit se pro marito: quia verum est quod tunc tuta est ipso iure. Sed ubi pro alio habet locum exceptio

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chen Abfolge der beiden Novellen 118, 5 und 134, 8 klar, dass Nov. 118, 5 allerdings nicht die jüngere ist, wie dies Glosse annimmt, 330 sondern die ältere.331 Den Grund für diese besondere Regelung sieht Castrensis dabei in der erhöhten Schutzbedürftigkeit der Frau, da sie sich wegen der Furcht oder Ehrfurcht (propter timorem vel reverentiam), die sie vor ihrem Mann empfinde, von diesem eben leichter zu einer Interzession verleiten lasse als von einem fremden. Dies bestätige auch die Entstehungsgeschichte des SC Velleianum selbst:332 Denn zuerst sei durch kaiserliche Edikte die Interzession zugunsten des Ehemanns verboten worden, ehe dann durch das SC Velleianum ein allgemeines Interzessionsverbot verhängt wurde.333 Darüber hinaus reicht nach Ansicht von Albericus de Rosate die bloße vertragliche Einlasvelleiani.« – BUTRIGARIUS, Lectura, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8: »Sol. in sui genere non est correcta: sed prout mulier intercedit pro extraneo, sed in specie sic. scilicet quando intercedit pro viro quia olim iuvabatur velleiano: hodie ipso iure ut hic. nam et de iure auctenticorum habet locum velleianum nisi renunciet: ut in auctentico de heredibus ab intestato § ex his coll. ix [Nov. 118, 5].« – Ferner CINUS, Commentaria, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8: »Et adverte, quia per istam Auth. dixit Martinus quod exceptio senatus consulti Velleiani non habeat hodie locum, et probat ut in glos. Sed nostri Doctores antiqui et moderni intelligunt eam tantum ubi pro marito se obligat.« 330 Siehe oben Fn. 255. 331 SALICETUS, Opera Omnia, Vol. II, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8, No 3: »Quaero, an hodie per hanc auth. materia Velleiani sit in totum correcta? quidam quod sic, quia aut pecunia non est versa in utilitatem mulieris, et tunc est ipso iure tuta: ut hic in prima parte. Aut est in eius utilitatem versa, et tunc in effectu tenetur: ut hic in fine. Sed Gl. hoc reprobat et etiam Doctores, quia correctio l. in dubio est vitanda. Dicendum est ergo, quod haec lex corrigit solum in casu quo mulier intercedit pro viro, in aliis igitur remanent iura priora incorrecta. Et subiungit Gl. quod hoc probatur clare in auth. de heredibus ab intestato § ex his [Nov. 118, 5] quae est posterior ista ut in Gl. Sed in hoc male dixit, quia haec est illa posterior: sed puto in hoc Gl. esse corruptam.« – Vol. V, ad Dig. 16, 1, 2 pr., No 1. 332 Siehe oben S. 2. 333 PAULUS CASTRENSIS, Commentaria, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8, No 2: »Quidam autem intelligebant istam auth. generaliter, pro quocunque intercedat. et sic totus iste titulus corrigetur, quod glo. reprobat. Quidam vero intelligunt ut corrigatur l. seq. quod etiam Doctores reprobant. tene ergo quod dixi. et ratio quare magis sibi succurritur, quando intercedit pro viro, est, quia facilius inducitur per virum, quam per alium, et interdum male gratibus suis propter timorem vel reverentiam eius. nam antequam emanaret senatusconsultum per constitutionem principum prohibeatur intercedere pro viro, sed postea per senatusconsultum prohibita fuit intercedere pro quocunque, ut patet in l. i et ii ff. eo. tit. [Dig. 16, 1, 1 et 2].« – Ähnlich schon CINUS, Commentaria, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8: »quia facilius maritus induxit uxorem ad hoc, et ubi maius imminet periculum, ibi cautius est agendum, et ideo ipso iure servatur illaesa.« – Ferner SALICETUS, Opera Omnia, Vol. II, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8, No 3: »quare Doctores dicunt quod legislatores consideraverunt, quod faciliter inducuntur a viris uxores ad has obligationes, et quia non audent nec valent eis resistere l. voluit pro eis occurrere, facit quod no. ff. quarum rerum actio non datur l. 1 § 1 [Dig. 44, 5, 1, 1].«

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sung der Frau, dass das Geld zu ihren Gunsten verwendet worden sei, nicht aus, da Nov. 134, 8 insoweit offenkundige Beweise (manifestis probationibus) verlangt und weil die Frau aus Furcht oder Liebe zu ihrem Mann (metu vel amore viri) leicht zu einer solchen Äußerung gebracht werden kann, was wiederum zu einer Aushöhlung dieser Vorschrift führen würde: Anders als bei der Interzession für einen Dritten genüge hier daher nicht einmal eine Bestätigung in der nach Cod. 4, 29, 23 vorgesehenen Form. 334 Beachtlich ist insoweit nach Auffassung von Salicetus und Angelus Aretinus nur eine entsprechende, vor Gericht (in iudicio) abgegebene Erklärung der Frau, da vor allem wegen der richterlichen Autorität jedwede unlautere Einflussnahme auszuschließen sei (cessat omnis subornatio, vel deceptio).335 Verpflichten sich Mann und Frau gemeinsam als Hauptschuldner, muss der Gläubiger infolgedessen genau darauf achten (debet esse curiosus), ob das Geld tatsächlich der Ehefrau zufließt.336 Im Übrigen wird die in Cod. 4, 29, 23, 2 vorgeschriebene Form einer öffentlichen, von drei Zeugen unterzeichneten Urkunde (instrumento publice confecto et a tribus testibus subsignato) in der Praxis dahin gehend abgewandelt, dass es für eine gültige Interzession genügt, wenn der Notar in der Urkunde die Anwesenheit der Zeugen bestätigt, deren erforderliche Anzahl zudem von drei auf zwei herabgesetzt wird. Wie nachhaltig sich diese Modifizierung gewohnheitsrechtlich durchsetzt, zeigen die entsprechenden AusALBERICUS DE ROSATE, Commentarii, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8, No 5: »Ego tamen puto praedictam confessionem non sufficere, cum hic in corpore dicatur, manifestis probationibus debere constare pecuniam in utilitatem mulieris fore conversam, et quia si sola confessio mulieris sufficeret, metu vel amore viri de facili conficeretur, et sic parum utilis esset provisio huius auth. Sed pro opinione d. Gui. facit infra eo. l. antiquae in prin. [Cod. 4, 29, 23] licet finis faciat contra eum. Sed illa loquitur in intercessionibus extraneorum, non maritorum, et ideo potest distingui«. – Vgl. ferner BARTOLUS, Commentaria, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8, No 3; BALDUS, Commentaria, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8, No 5; SALICETUS, Opera Omnia, Vol. II, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8, No 6; ANGELUS ARETINUS, Commentaria, ad Inst. 4, 13, 5, No 37; PAULUS CASTRENSIS, Commentaria, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8, No 3, 5. – Zu den Auswirkungen eines Eides s. u. in Fn. 410. 335 SALICETUS, Opera Omnia, Vol. II, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8, No 6 in fine: »Sed pone quod mulier confitetur in iudicio pecuniam in eius utilitatem versam an sufficit? Dicit Nic. de Ma. quod putat quod sic, si faciat in figura iudicii non alias«. – ANGELUS ARETINUS, Commentaria, ad Inst. 4, 13, 5, No 37: »Praedicta intelligo vera, nisi talis confessio sit facta in iudicio, et in forma iudicii […]. et istud credo verum, quia multa sustinentur in iudicio, quae extra iudicium non valerent […]. et maxime propter authoritatem iudicis, quia propter hoc cessat omnis subornatio, vel deceptio«. 336 BALDUS, Commentaria, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8, No 13: »ergo contrahens debet esse curiosus, ut effectualiter perveniat ad mulierem.« – ANGELUS ARETINUS, Commentaria, ad Inst. 4, 13, 5, No 39: »unde contrahens cum eis, debet esse curiosus, ut in effectu curet, quod illud perveniat in utilitatem mulieris«. 334

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führungen angefangen bei Baldus337 über Salicetus338 und Angelus Aretinus339 bis hin zu Paulus Castrensis340 und Jason de Mayno.341 Die grundsätzliche ratio der Formvorschrift wird darin gesehen, Frauen davon abzuhalten, allzu bereitwillig eine Verpflichtung einzugehen.342

337 BALDUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 1, No 12 f.: »Sed quaero, cum hodie non utamur in Lombardia subscriptionibus testium: ergo hodie non valent renunciationes mulierum, ut § ne autem [Cod. 4, 29, 23, 2]. Respondeo consuetudo facit valere. quid facit in ar. pro Tabellione, qui scripsit nomina testium, et de consuetudine sufficiunt duo testes: nam per consuetudinem receditur a maiori solennitate, et minor solennitas subrogatur loco maioris, ut in Auth. de instrumentorum cautela et fide § oportet [Nov. 73, 8]. et est ista consuetudo notoria ex inspectione omnium publicorum instrumentorum, et ideo non indiget probatione: quae verba tene menti.« 338 SALICETUS, Opera Omnia, Vol. II, ad Cod. 4, 29, 23, 2, No 6: »Quaero ab extra pone, quod instrumentum publicum intercessit, sed non est trino teste subsignatum sed bene interfuerunt tres testes a tabel. scripti: an tunc sufficit? videtur quod non, quia a solennitate legis seu a forma data per legem receditur, qua deficiente annullatur quod agitur, argum. supra de legibus l. non dubium [Cod. 1, 14, 5] et ff. de censibus l. forma [Dig. 50, 15, 4]. Contrarium puto verius, quia haec l. consideravit quandam antiquam observantiam quae erat ut testes se subscriberent in instrumentis publicis, et ita etiam servatur hodie in regno Apuliae, ubi igitur haec observantia non habetur sufficit consuetudo patriae seu regionis ut illa servetur tanquam illius loco subrogata«. 339 ANGELUS ARETINUS, Commentaria, ad Inst. 4, 13, 5, No 33: »[…] etiam si non fuerit instrumentum subscriptum trino teste, ut requirere videtur tex. in d. l. antiquae § ne autem [Cod. 4, 29, 23, 2]. quia satis est, quod notarius ipse adhibeat testes et describat saltem duos testes. Nam per consuetudinem receditur a maiore solennitate, et minor solennitas subrogatur loco maioris in Auth. de fide instrumentorum § oportet [Nov. 73, 8]. Et ista consuetudo est notoria ex inspectione omnium publicorum instrumentorum, et ideo non indiget probatione. ita elegantissime dixit Bal. in l. i. C. eo. [Cod. 4, 29, 1] quod dicit menti perpetuo tenendum.« 340 PAULUS CASTRENSIS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 23, No 4: »Quod autem hic dicitur de subscriptione testium, non est hodie in usu, quod in instrumento publico testes se subscribant, sed sufficit, quod notarius attestetur de interventu ipsorum, ut no. in Auth. de haeredibus et falcidia [Nov. 1] et glo. et hoc tenet Bal. in l. i. supra eod. [Cod. 4, 29, 1].« – Ad Dig. 16, 1, 32, 4, No 6 f. 341 JASON DE MAYNO, Commentaria, ad Dig. 45, 1, 30, No 32. 342 BALDUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 23, 2: »Sed quaero rationem differentiae. Respondeo, quia non ita de facili mulier decipitur interveniente Tabellione et tribus testibus consignantibus; neque ita faciles sunt mulieres ad consentiendum cum instrumento, sicut quando instrumentum non intervenit. quia ergo facilior et fragilior sine instrumento invenitur. ideo mulieri ipso iure etiam subvenitur.« – SALICETUS, Opera Omnia, Vol. II, ad Cod. 4, 29, 23, 2, No 6 in fine: »Quaero quae ratio potuit movere imperatorem ad huiusmodi differentiam faciendam videlicet, an obligetur per instrumentum publicum vel non? Respondeo, ne faciliter se obligent, ut hic in pr. nam per experientiam videmus, quod mulieres et rustici per instrumentum nolunt obligari, sed sine eo faciliter promittunt.«

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b) Ausnahmen Hinsichtlich der Ausnahmefälle, in denen das SC Velleianum nicht zur Anwendung kommt, wird direkt auf den entsprechenden Merksatz der Glosse (pro libertate, pro dote, renunciet: et si decipiat, pretium capiat, caveatque secundo) mitsamt den dortigen Ergänzungen343 verwiesen.344 Außerdem fügen die Kommentatoren als einen weiteren (zehnten) Ausnahmefall die Interzession bei einem Minderjährigen (apud minorem) hinzu.345 Siehe oben Fn. 260. BARTOLUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 25, No 1: »Quaerit gl. in quibus casibus cessat Velleianum. Gl. ponit sex. et de his ponit versus. addit gl. duos alios casus.« – BALDUS, Commentaria, ad Dig. 16, 1, 1: »No. hic glo. magnam, quae ponit octo casus, in quibus mulier non iuvatur Velleiano. est et nonus casus, ut no. per gl. C. eo. l. fi. [Cod. 4, 29, 25].« – ANGELUS DE UBALDIS, Lectura, ad Cod. 4, 29, 25: »cessat ergo velleianum in omnibus casibus hac. glo. notatis.« – SALICETUS, Opera Omnia, Vol. V, ad Dig. 16, 1, 1, No 1: »Gloss. oppon. quod mulieri intercedenti non subveniatur, ut C. eo. l. penult. et fin. [Cod. 4, 29, 24 et 25] et de his legibus in gloss. allega. Solut. quod hic ponitur regula, fallit in sex casibus, qui his versibus hic nominantur: Casibus in senis mulier spondendo tenetur. Pro libertate: pro dote, si renuntiet et si decipiat, pretium capiat, caveatque. […] et ultra istos sex gloss. addit duos, videlicet si in rem suam fideiubeat, ut infra eod. l. sed si eum [Dig. 16, 1, 3] et l. aliquando [Dig. 16, 1, 13]. Item si successit, ut infra eod. l. quamvis § plane si mihi [Dig. 16, 1, 8, 13].« – ANGELUS ARETINUS, Commentaria, ad Inst. 4, 13, 5, No 31: »quando cessat hoc senatusconsultum? et dicas, quod cessat in octo casibus, quos ponit gl. in l. i ff. ad Velleianum [Dig. 16, 1, 1], vel etiam in novem, ut dicit gl. in l. fi. C. eo. [Cod. 4, 29, 25] recolligendo dictos casus in tribus carminibus, quos casus statim seriatim enarrabo.« – PAULUS CASTRENSIS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 25, No 4: »Ultimo no. gl. quae numerat novem casus, in quibus cessat senatusconsultum Velleianum.« – PHILIPPUS DECIUS, De regulis iuris, ad Dig. 50, 17, 2, No 13: »Limitatur tamen hoc quod dictum est de Velleiano, non habere locum in quampluribus casibus: ut not. per glo. in d. l. i supra ad Velleianum [Dig. 16, 1, 1].« – Ohne ausdrückliche Bezugnahme auf die Glosse, aber mit der gleichen Aufzählung PETRUS DE BELLAPERTICA, Quaestiones, Qu. 34; CINUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 25, No 1. – Vgl. ferner Siete Partidas V, 12, 2 f., die GIDE, Étude sur la condition privée de la femme (1885), S. 325 insoweit als Kopie der Accursischen Glosse bezeichnet. Dazu LALINDE ABADÍA, AHDE 41 (1971), 335, 356, 360 ff. 345 BALDUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 25, No 3 f.: »Et ad casus gl. in quibus cessat Velleianum, adde unum casum, scilicet quando mulier fideiussit apud minorem, ut ff. de minoribus l. si apud [Dig. 4, 4, 12]. et sic sunt quatuor casus ultra illos sex, qui quatuor casus his versibus continentur: Debenti si succedat, si debita cepit. Si minor est credens, si commoda propria gessit.« – SALICETUS, Opera Omnia, Vol. II, ad Cod. 4, 29, 25, No 2: »Quaero quae faciant cessare beneficium Velleiani. Gloss. dicit quod novem: sed adde decimum quando intercessit mulier apud minorem et principalis non est solvendo, l. si apud minorem Digest. de minoribus [Dig. 4, 4, 12].« – ANGELUS ARETINUS, Commentaria, ad Inst. 4, 13, 5, No 31: »Addas tamen ultra gl. decimum casum, secundum Sal. in d. l. fin. [Cod. 4, 29, 25] videlicet, quando mulier intercedit apud minorem, et principalis debitor non est solvendo, tunc mulieri non conceditur auxilium Velleiani, alias si esset solvendo, subveniretur mulieri ita contra minorem, sicut contra maiorem, ut est tex. in l. si apud 343 344

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Die Ausnahme zugunsten einer Mitgift (pro dote), die auch in der Praxis Anwendung findet,346 wird dabei von Aretinus extensiv ausgelegt. Da die Mitgiftbestellung eine pia causa darstelle, könne der entsprechende Ausnahmetatbestand verallgemeinert und auf jedwede Interzession zugunsten irgendeiner anderen pia causa erstreckt werden.347 Ebenso scheidet das SC Velleianum aus, wenn der Gläubiger keine Kenntnis von den maßgeblichen Tatsachen hat, vor allem wenn ihn die Frau hierüber täuscht (decipiat). Zwar muss der Gläubiger, wenn er einer Frau ein Darlehen gewährt, grundsätzlich nicht der Frage nachgehen, wofür sie die erlangten Valuta verwendet.348 Geht sie diese Verbindlichkeit jedoch offen für einen anderen (pro alio)349 ein, trifft den Gläubiger sehr wohl eine ent-

minorem ff. de minoribus [Dig. 4, 4, 12].« – Davon abweichend wird zum Teil auch die Entscheidung eines Richters (decretum iudicis) als zehnter Ausnahmefall gesehen, vgl. PAULUS CASTRENSIS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 25, No 4: »Adde decimum, quando intervenit decretum iudicis, ut infra si mater indemnitatem promiserit l. fi. [Cod. 5, 46, 3] iuncta glo. j. cum ibi no.« 346 BALDUS, Consilia, Vol. III, Cons. 307, No 1: »et certum est, quod in dote non habet locum beneficium velleyani, C. ad velle. l. fi. [Cod. 4, 29, 25].« 347 ANGELUS ARETINUS, Commentaria, ad Inst. 4, 13, 5, No 31: »Et potest esse ratio, primo favore dotis, cum sit causa pia l. cum is § mulier ff. de condictione indebiti [Dig. 12, 6, 32, 2]. istam rationem sentit gl. in d. l. si dotare [Cod. 4, 29, 12]. Secunda ratio est, ne si promittens dotem iuvaretur Velleiano, mulier illa maritata remaneret sine dote, et forte a viro, qui sustinere debet onera matrimonii, repelleretur, ut dicit tex. in d. l. fi. [Cod. 4, 29, 25]. Ex quo tu potes arguere ex identitate rationis, quod si mulier promittit aliquid ex aliqua alia causa pia, puta, alimentorum pro alio, vel in aliam piam causam, quod non iuvabitur Velleiano, et sic fiet extensio in favorabilibus, et piis causis, etiam si taxative loqueretur, ut l. illud cum gl. C. de sacrosanctis ecclesiis [Cod. 1, 2, 19].« 348 BUTRIGARIUS, Commentaria, ad Dig. 16, 1, 19, 5, No 1 (S. 166): »Ubi principaliter se obligat mulier, non debet esse curiosus, quomodo pecunia vertatur, dummodo colore quaesito obligationem alienam non suscipiat.« – ALBERICUS DE ROSATE, Commentarii, ad Dig. 16, 1, 19, 5, No 3: »Ubi mulier se principaliter obligat, non tenetur creditor esse timorosus quo vertatur pecunia, dummodo colore quaesito alienam obligationem non suscipiat.« – SALICETUS, Opera Omnia, Vol. V, ad Dig. 16, 1, 11, No 1: »Item not. quod creditori non inducitur in ista materia magna diligentia vel cura«. – PAULUS CASTRENSIS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 13, No 1: »quia non habebat quaerere nec esse curiosus, quod mulier vellet facere de illa pecunia«. – Zur ähnlichen Problematik bei der Passivdelegation der Frau vgl. BUTRIGARIUS, Commentaria, ad Dig. 16, 1, 8, 2 (S. 162): »Item opp. nonne quando se obligat Sempronio pro primo debuit Sempronius esse diligens, an mulier, quae se obligat pro alio, sit efficax, et efficialiter obligata, licet quando ipsi mulieri pecuniam dat non debeat esse curiosus, quomodo pecunia convertatur, et ideo sibi imputatur, et mulier iuvatur«. – ALBERICUS DE ROSATE, Commentarii, ad Dig. 16, 1, 8, 2, No 3: »Item oppo. quia quando se obligavit secundo pro primo, secundus debet esse diligens, et quaerere an mulier efficaciter obligaretur. Sed dic quod non debet esse curiosus«. 349 Zur Nachforschungspflicht des Gläubigers bezüglich der Mittelverwendung bei einer Interzession der Frau für ihren Ehemann (Nov. 134, 8) s. o. Fn. 336.

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sprechende Nachforschungspflicht.350 Wie nahtlos die Kommentatoren in diesem Zusammenhang an die Glosse anknüpfen, zeigt das beliebte und vielfach übernommene Beispiel, dass die Frau zur Täuschung des Gläubigers Männerkleidung (veste virili) anlegt.351 Täuschungsabsicht wird der Frau ferner unterstellt, wenn sie, wie in Cod. 4, 29, 5, die Verpfändung ihrer Sachen durch den Ehemann duldet und dadurch der Eindruck erweckt wird, dieser verpfände seine eigenen Sachen.352 Bereits Azo hatte in diesem Fall aber danach differenziert, ob die Frau tatsächlich überhaupt die Möglichkeit hatte zu widersprechen, was er bei vorangegangenen Schlägen des Ehemanns verneinte.353 Baldus stellt insoweit nun ausdrücklich auf metus reverentialis ab und lastet der Frau kein doloses Schweigen an, wenn sie aus Ehrfurcht oder Angst (nimia reverentia vel metu) ihrem Mann nicht zu widersprechen wagt.354 Keine Anwendung findet das SC Velleianum ferner, wenn die Frau eine Gegenleistung für die Interzession erhält (pretium capiat). Cod. 4, 29, 23 ist dabei einmal mehr Anlass für Kontroversen. Lebhaft diskutiert wird in dieBUTRIGARIUS, Commentaria, ad Dig. 16, 1, 17, No 1 (S. 165): »speciale est in muliere, ut etiam si principaliter obligetur pro alio, tamen creditor curiosus esse debet.« – ALBERICUS DE ROSATE, Commentarii, ad Dig. 16, 1, 17 pr., No 1: »speciale est in muliere ut etiam si principaliter obliget se pro alio, tamen debet creditor curiosus esse ut hic.« – BARTOLUS, Commentaria, ad Dig. 16, 1, 17 pr.: »Non sufficit creditori credere mulierem in rem suam intercedere, quando pro alio promittit, nisi diligentius perquisiverit.« – SALICETUS, Opera Omnia, Vol. V, ad Dig. 16, 1, 17 pr.: »Contrahens ab initio et principaliter cum muliere non cogitur curiosus esse, secus si in eam transferatur obligatio ex post facto. hoc dicit. vel sic, non sufficit creditori putare mulierem in rem suam intercedere, quando pro alio promittit, nisi diligentius perquisiverit. h. d.« – Ad Dig. 16, 1, 27 pr.: »Nota quod creditor debet esse curiosus, in quam causam mulier accipiat pecuniam mutuam.« – PAULUS CASTRENSIS, Commentaria, ad Dig. 16, 1, 17 pr., No 2: »Nota ergo casum in quo creditor debet esse diligens, et curiosus, scilicet, quando contrahit cum persona prohibita contrahere in causam regulariter prohibitam, licet in certis casibus permissam, nam non sufficit, quod credat se contrahere in causam permissam, si ita non est, sed debet investigare, an ita sit«. – Ad Dig. 16, 1, 1, No 8; ad Dig. 16, 1, 6, No 2. 351 JACOBUS DE RAVANIS, Lectura, ad Cod. 4, 29, 1; CINUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 1, No 3; BALDUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 18; ANGELUS DE UBALDIS, Lectura, ad Cod. 4, 29, 1, No 1; SALICETUS, Opera Omnia, Vol. II, ad Cod. 4, 29, 1, No 2; Cod. 4, 29, 18, No 1; ANGELUS ARETINUS, Commentaria, ad Inst. 4, 13, 5, No 30, 36; PAULUS CASTRENSIS, Commentaria, ad Dig. 16, 1, 1, No 8; Dig. 16, 1, 30, No 2; Cod. 4, 29, 1, No 3. – Vgl. ferner Siete Partidas V, 12, 3; dazu LALINDE ABADÍA, AHDE 41 (1971), 335, 362. 352 Siehe oben Fn. 269. 353 Siehe oben Fn. 270. 354 BALDUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 5, No 2: »Quaero quid si mulier non facit hoc dolose, sed quia non audet contradicere viro nimia reverentia, vel metu: Respondeo non nocet ei silentium, ut not. ff. quarum rerum actio non datur l. i. § quae onerandae [Dig. 44, 5, 1, 5]. et ibi est gl. notabilis.« – Vgl. ferner in anderem Zusammenhang a. a. O., ad Cod. 4, 29, 11, No 3. 350

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sem Zusammenhang, worin das aliquid als Gegenleistung für die Interzession zu bestehen hat, dessen Erhalt nach dieser Vorschrift förmlich bestätigt wird. Vertreter der französischen Rechtsschule wie Jacobus de Ravanis sind der Ansicht, dass Bagatellbeträge insoweit nicht als Gegenleistung genügen, da das SC Velleianum ansonsten immer dadurch unterlaufen werden könnte, dass formal ein Kleinstbetrag in Höhe eines bloßen Hellers bezahlt würde. Ein derart unbedeutender Betrag sei aber ebenso zu bewerten, als wäre gar nichts bezahlt worden. Ob eine ausreichende Gegenleistung vorliege, beurteile sich jeweils nach dem Verhältnis zur Höhe der eingegangenen Interzession: Bezogen auf eine Interzession in Höhe von tausend Silberpfund seien zwanzig Schillinge wenig, bezogen auf hundert Silberpfund hingegen viel.355 In ganz ähnlicher Weise stellt auch Petrus de Bellapertica darauf ab, ob die Frau eine solche Gegenleistung erhält, die es wahrscheinlich erscheinen lässt, dass sie derentwillen interzediert und nicht wegen ihrer facilitas.356 Diese Argumention beeinflusst auch die Diskussion in Italien. Cinus etwa fordert, dass die Frau als Gegenleistung den vollen Wert erhalten müsse, für den sie interzediert.357 Während Angelus de Ubaldis diese Auffassung teilt,358 wird sie von Baldus mit der Begründung verworfen, dass dies bereits nach der alten Kasuistik in den Digesten gegolten habe und es daher keiner Neuregelung durch diese Konstitution Justinians mehr bedurft hätte. Bei wörtlicher Auslegung der Vorschrift stelle auch schon eine einzige Münze ein ali355 JACOBUS DE RAVANIS, Lectura, ad Cod. 4, 29, 23: »Pone recepit obolum: vel modicum quid nunquid habebit locum quod hic dicitur quod non habeat velleianum. Quidam iudaizantes adherentes littere. Dicunt non habebit exceptionem ex quo aliquid accepit. dico quod immo: tamen quia de modicis non est curandum […]. Item si ita esset posset fieri fraus velleiano daretur semper ei obolus. Item idem est iudicium de causa lucrativa et prope lucrativa […] unde idem si mulier pro nihilo fideiubeat: vel pro modico. sicut ergo cum pro nihilo habet velleianum sic et causa pro modico sicut ergo quomodo sciemus illud quod datum est an sit magnum vel modicum nos considerabimus hic ex quantitate pro qua intercedit si intercederet pro mille libris et darentur sibi viginti solidi parum pro centum libris esset magnum.« 356 PETRUS DE BELLAPERTICA, Quaestiones, Qu. 34: »Item si precium ut se obliget recipiat tale propter quod verisimile sit quod magis ratione precii quod percepit quam facilitate sua intercesserit ff. e. ti. l. antiquae [Cod. 4, 29, 23].« 357 CINUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 23, No 3 in fine: »Quaero, nunquid hoc sit verum, quantumcunque sit pecunia? Verbi gratia: mulier fideiussit in centum, et accepit unum grossum, an tunc erit locus huic l. Videtur quod sic, quia indistincte loquitur. […] Doctores tenent quod tunc non iuvatur, cum pecuniam recepit ad quantitatem, pro re pro qua intercedit, sufficientem, alias si modicam pecuniam reciperet, tunc iuvatur. […] Praeterea quod modicum est, nullum potest dici, […] et ideo si pecuniam sufficientem ad solutionem debiti recepit, et tunc habet locum l. ista, alias habet Vell. ut ff. eo. l. si mulier in prin. [Dig. 16, 1, 16 pr.].« 358 ANGELUS DE UBALDIS, Lectura, ad Cod. 4, 29, 23: »Item non intelligas quod pro omni minima pecunia quam mulier accepisset ut intercederet amitteret beneficium velleiani: ut no. per Cy.«

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quid dar. Entscheidend ist für Baldus aber, ob die Frau eine solche Gegenleistung (tale et tantum praemium) erhalten hat, für die auch ein verständiger Mann (homo discretus) bereit gewesen wäre, die Interzession zu übernehmen. Denn dann habe sie nicht ex fragilitate interzediert, sondern zu ihrem eigenen Nutzen. Die Beurteilung dieser Frage aber sei dem Richter vorbehalten.359 Salicetus stimmt insoweit mit Baldus überein, als auch er die von Cinus vertretene Ansicht zurückweist. Allerdings lehnt er den Ansatz von Baldus ebenso ab, da er eine enger am Wortlaut orientierte Auslegung befürwortet. Danach soll es nicht darauf ankommen, wie hoch oder niedrig die Gegenleistung ausfällt, solange nur die Frau ihretwegen überhaupt interzediert hat. Dies sei im Ergebnis auch überzeugend, da die Frau sich dann ja nicht um den Schutz des SC Velleianum zu kümmern, sondern eher auf ihn zu verzichten scheint.360 Dagegen schließt sich Aretinus nach eingehender Darstellung des Streitstandes der Auffassung von Baldus an.361 Castrensis verweist daneben auf die insbesondere in Florenz weit verbreitete Praxis, für die Übernahme einer Bürgschaft und das damit verbundene Risiko ein Entgelt zu verlangen und nicht etwa die Stellung einer gleichwertigen Sicherheit.362 359 BALDUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 23, No 3: »Secundo quaero, si mulier fideiussit pro uno nummo pro mille marchis argenti, an cesset beneficium Velleiani? et videtur quod sic per literam dicentem, aliquid accipiens. nam etiam unus nummus est aliquid. contrarium dicunt Doctores, quia pro tam modica re non detur tantum periculum subire: et intelligunt hanc legem, quando mulier recepit aequivalens quantitati pro qua intercessit, secundum Cy. quod mihi non placet, quia iste casus est de iure veteri non per istam novam constitutionem, ut ff. eo. l. si mulier [Dig. 16, 1, 16]. et ideo tu dic, quod aut recepit tale et tantum praemium, quod homo discretus pro illo praemio se obligasset: et tunc quia non fideiussit ex fragilitate, sed ex propria utilitate, non iuvatur Velleiano. et ita hic loquitur. aut discretus homo se non obligasset, et tunc iuvatur, unde totum hoc ad cognitionem Iudicis pertinet, arg. ff. de verborum obligationibus l. si ita quis § Seia [Dig. 45, 1, 135, 2].« – Vgl. ferner ALBERICUS DE ROSATE, Commentarii, ad Cod. 4, 29, 23, No 1. 360 SALICETUS, Opera Omnia, Vol. II, ad Cod. 4, 29, 23, No 2: »Mihi videtur, quod text. iste hoc non consideravit, et ratio esset dare casum et fragilitati imputari non posset, et sic ei succurretur, et ideo mihi videtur, quod quantumcunque sit illud, dummodo propter illud intercesserit: alias non intercessura, quod ipsa non iuvetur Velleiano, et hoc vult illa litera si bene ponderetur. Et est ratio, quia de beneficio non videtur curare imo potius renunciare et in opprobrium et iniuriam seu delusionem legis dicitur hoc facere, ideo ab ea iuvari non debet, arg. ff. de minoribus l. auxilium in fin. [Dig. 4, 4, 37].« 361 ANGELUS ARETINUS, Commentaria, ad Inst. 4, 13, 5, No 35 in fine: »sed mihi magis placet opinio Bal. quod sit in pectore iudicis multis consideratis.« 362 PAULUS CASTRENSIS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 23, No 1: »Sed si non dabatur pecunia pro securitate contractus, sed pro praemio intercessionis, puta obligabat se pro alio in centum, sed ne frustra subiret periculum pro alia, voluit habere in praemium decem, prout frequenter fit Florentiae, quia sunt multi, qui pro aliquo lucro fideiuberent pro aliis, cum avaritia ducti, et sic non reperiebatur iure veteri cautum, quod perderet exceptionem senatusconsulti sed inducitur hoc per hanc l. notabilem, quia tunc non movetur ex

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Als Ausnahmetatbestand fest etabliert ist ferner die Neuvornahme der Interzession nach zwei Jahren (secundo caveat): Erfolgt die Wiederholung dagegen vor Ablauf dieser Frist, ist sie ebenso ungültig wie die erste Interzession, da dann anzunehmen ist, dass sie immer noch auf derselben Schwäche der Frau (ex eadem fragilitate) beruht.363 Bei der Neuvornahme selbst hält es Baldus im Übrigen nicht für erforderlich, dass die Frau über deren Folgen belehrt wird. Denn nach seiner Ansicht, der auch Salicetus und Aretinus folgen, beruht diese Ausnahme nicht etwa auf einem stillschweigenden Verzicht der Frau, sondern auf der Feierlichkeit des wiederholten Aktes. Eine Belehrung ist demzufolge ebenso wie bei den übrigen Ausnahmetatbeständen – vom Verzicht abgesehen – nicht notwendig.364 Eingehend behandeln die Kommentatoren darüber hinaus die Voraussetzungen und Reichweite der parallelen Regelung in der Authentica Sive a me (Nov. 61), wonach die Frau ihre Zustimmung zur Veräußerung bzw. Belastung des Dotalvermögens grundsätzlich ebenfalls nach zwei Jahren wiederholen muss,365 um damit insbesondere auf die ihr zustehende Generalhypothek (ius hypothecarum) am Vermögen ihres Mannes zu verzichten.366 In Betracht kommen kann hier aber metus reverentialis der Frau vor ihrem Mann.367

fragilitate sexus, sed ex cupiditate lucri. unde ista l. aufert sibi beneficium senatusconsulti Velleiani et hoc, quando constat per testes de receptione talis praemii.« – Ad Dig. 16, 1, 15, No 3. 363 Vgl. dazu BALDUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 22, No 1 mit einem Vergleich zur erzwungenen Mitwirkung von Kardinälen an den konsekutiven Akten der Wahl, Inthronisierung und Krönung des Papstes. 364 BALDUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 22, No 2: »Quaero nunquid ista lege sit necesse, quod mulier sit certiorata de beneficio Velleiani? videtur quod sic, ut ff. eo. l. fi. § fi. [Dig. 16, 1, 32, 4], de verborum obligationibus l. sciendum [Dig. 45, 1, 30] et in Auth. quomodo oporteat Episcopos in ii col. [Nov. 6]. In contrarium dico, quod mulier hic non excluditur in renunciatione tacite, nam tunc oportet scire tenorem Senatusconsulti Velleiani: sed excluditur propter solennitatem actus repetiti. simile quando excluditur per aliam causam quam per renunciationem: quia ibi non requiritur certioratio, ut supra eo. l. si dotare [Cod. 4, 29, 12] et infra eo. l. antiquae [Cod. 4, 29, 23] et l. penult. in fine [Cod. 4, 29, 24].« – Ebenso SALICETUS, Opera Omnia, Vol. II, ad Cod. 4, 29, 22, No 2; ANGELUS ARETINUS, Commentaria, ad Inst. 4, 13, 5, No 37. 365 Zu Nov. 61 bzw. zur Authentica Sive a me s. o. Fn. 171 bzw. Fn. 287. 366 Vgl. insbesondere zur Abgrenzung von der Interzession JACOBUS DE ARENA, Commentarii, ad Cod. 4, 29, 21, No 1; post Cod. 4, 29, 21, ad Nov. 61, No 1; CINUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 21, No 2; post Cod. 4, 29, 21, ad Nov. 61, No 5; ALBERICUS DE ROSATE, Commentarii, ad Cod. 4, 29, 21, No 2 f.; post Cod. 4, 29, 21, ad Nov. 61, No 2; BARTOLUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 21, No 1, 6; post Cod. 4, 29, 21, ad Nov. 61, No 5; BALDUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 21, No 2 f.; ANGELUS DE UBALDIS, Lectura, ad Cod. 4, 29, 21, No 1; post Cod. 4, 29, 21, ad Nov. 61, No 5; PAULUS CASTRENSIS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 21, No 2. – MEYNIAL, RHD 26 (1902), 49, 63 ff.; BOYÉ, RHD 3 (1924), 473, 485 ff. 367 Siehe unten Teil 2, Fn. 161.

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c) Insbesondere: Verzicht – »eadem fragilitate renuntiat« Schließlich ist seit der Glosse anerkannt, dass das SC Velleianum nicht zur Anwendung kommt, wenn die Frau hierauf verzichtet (renunciet). Ausschlaggebend ist dabei für die Kommentatoren ebenfalls, dass es sich um eine Regelung zugunsten der Frau handelt, die es im Übrigen selbst in der Hand hat, ob sie überhaupt die Einrede geltend macht oder nicht.368 Allerdings stellen französische Juristen wie Jacobus de Ravanis die einfache Disponibilität des SC Velleianum wieder in Frage, da eine Frau ebenso leicht wie zur Interzession selbst auch dazu gebracht werden könne, gleichzeitig mit der Interzession den Verzicht zu erklären, was folglich die ganze Regelung des SC Velleianum hinfällig machen würde.369 Diese sei aber gerade eingeführt worden, um der facilitas der Frau zu begegnen, wie überhaupt alle Regelungen, die wegen der facilitas einer Person zu deren Schutz bestehen, nicht abdingbar seien.370 Dieses Ergebnis stehe auch nicht etwa im Widerspruch zu den Stellen im ius civile, in denen ein Verzicht der Frau anerkannt ist: In Dig. 16, 1, 32, 4 werde der Verzicht nachträglich vor Gericht erklärt, was einer zweiten Interzession nach Cod. 4, 29, 22 gleichkomme; der für die Übernahme der Vormundschaft vorgeschriebene Verzicht beruhe wiederum auf einer besonderen gesetzlichen Regelung in Cod. 5, 35, 3, Nov. 94, 2 und Nov. 118, 5.371 SALICETUS, Opera Omnia, Vol. II, ad Cod. 4, 29, 25, No 3; Vol. V, ad Dig. 16, 1, 32, 4, No 3; ANGELUS ARETINUS, Commentaria, ad Inst. 4, 13, 5, No 33; PAULUS CASTRENSIS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, No 1. 369 JACOBUS DE RAVANIS, Lectura, ad Cod. 4, 29: »haec est sententia doct. dicit dominus meus aliter quod si renunciat mulier in ipso contracto non valet renunciatio et hoc dictat ratio. alias nulla esset provisio senatusconsulti. tantum erat olim ante senatusconsultum fideiubere simpliciter quantum hodie cum renunciatione; sicut igitur olim inducebatur illud fideiubendum sic induceretur ad fideiubendum cum renunciatione et sic teneretur efficaciter quare nulla esset provisio senatusconsulti: quare in ipso contractu non valet renunciatio: et respondit aliter ad iura in contrarium infra quando mulier tutelae officio fungi potest l. iii [Cod. 5, 35, 3] et ff. e. l. ulti. § penulti. [Dig. 16, 1, 32, 4] ar. pro ista sententia infra e. l. si mulier [Cod. 4, 29, 22].« – Nicht weiter problematisiert wird der einfache Verzicht hingegen bei PETRUS DE BELLAPERTICA, Commentaria, ad Dig. 45, 1, 30, No 3: »Item, mulier exceptionem Velleianam habet, nisi renunciaverit exceptioni, ut supra ad Velleianum l. ult. [Dig. 16, 1, 32].« 370 JACOBUS DE RAVANIS, Lectura, ad Cod. 1, 3, 50 (51): »Dico quod mulier velleiano non potest renunciare saltim in ipso contractu: quod ostendo per rationem naturalem cui non potest resisti. nam velleianum fuit introductum ut succurreretur facilitati mulierum: quia nulli senatusconsultum statuit quod mulier fideiubens non teneatur ut occurrat facilitati eius. sed si cum renunciatione possit mulier fideiubere iam non est occursum facilitati. et sic post senatusconsultum fideiubebit sicut ante. et iterum confundetur ut prius. et senatusconsultum consilium nullum erit. unde credo quod in omnibus exceptionibus in quibus occuritur facilitati alienae quod ibi renunciatio nihil operetur«. 371 JACOBUS DE RAVANIS, Lectura, ad Cod. 1, 3, 50 (51): »scilicet tu dices immo iura dicunt quod mulier renunciat, ff. ad velleianum l. ulti. [Dig. 16, 1, 32] infra quando mulier officio tutelae fungi potest l. iii [Cod. 5, 35, 3] auth. ut matres debitrices § ulti. 368

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Ähnlich kritisch gegenüber einem einfachen Verzicht äußern sich auch Vertreter der italienischen Rechtsschule.372 Schon Butrigarius,373 Cinus374 und [Nov. 94, 2] auth. de heredibus ab intestato § penult. [Nov. 118, 5]. Respondeo ad omnia ista ff. ad velleianum l. ulti. [Dig. 16, 1, 32]. Dico quod fideiussit bis et renunciavit. verbi gratia. Post primum contractum fideiussionis mulier venit coram iudice et renunciavit velleiano et iterato intercessit: et sic loquitur in iudicio non extra. et in secunda intercessione. sed secunda intercessio nocet sibi: prima non noceret, infra ad velleianum si mulier [Cod. 4, 29, 22]. Ad alias omnes insimul dico quod mulier renunciat sibi lege permittente et legis auctoritate. verbi gratia. Si mulier vult admitti ad tutelam liberorum suorum debet renunciare velleiano quia legis auctoritas admittitur. sic loquuntur illa iura.« – Vgl. ferner a. a. O., post Cod. 5, 35, 2, ad Nov. 118, 5 (fol. 242 v rechte Sp.). 372 Vgl. GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. I (1850), S. 263 ff.; MEYNIAL, RHD 25 (1901), 657, 658 ff. 373 BUTRIGARIUS, Lectura, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8: »Modo quaero an renunciatio facta statim cum contrahit sibi praeiudicet indistincte? quidam quod sic per l. fi. § penulti. ff. e. [Dig. 16, 1, 32, 4]. Et haec est communis opinio: et ita servatur de consuetudine. Alii dicunt et magis aeque, scilicet quod aut statim tempore contractus renunciat, et non tenet renunciatio. Aut ex intervallo, et tunc tenet: et est ratio: quia cum propter fragilitatem iuvetur mulier: ut supra e. l. si sine [Cod. 4, 29, 5] eadem fragilitate qua confert et se obligat: eadem fragilitate renunciaret. Praeterea idem videmus quando se obligat: quia statim sibi non praeiudicat: ut supra e. l. si mulier [Cod. 4, 29, 22]. et probatur per dictam legem fina. § penulti. ff. e. [Dig. 16, 1, 32, 4] quia ibi mulier volebat subire iudicium, et dicitur quod non potest nisi renunciet: ergo non renunciavit tempore contractus: sed iudicii.« 374 CINUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 25, No 4: »sed in hoc adverte: quia tunc nostri Doctores dicunt indistincte valere et nocere renunciationem. Iaco. de Rave. et sui sequaces, ut Pet. distinguit: aut renunciat in ipso contractu, et tunc non valet ratio: quia istud beneficium Vell. ratione facilitatis mulierum fuit introductum, et sicut de facili intercedunt, ita de facili renunciarent, et ideo renunciari non potest: quia ex fragilitate sexus videtur incidere in renunciationem: aut mulier renunciat post contractum absolute ex intervallo: et tunc bene valeret, argum. supra eod. si mulier [Cod. 4, 29, 22]. Ista sententia satis est aequa, de qua dixi supra de Episcopis et clericis l. si quis in conscribendo [Cod. 1, 3, 50 (51)]. Non obstant iura praedicta, ex quorum falso intellectu pessimus error inolevit, quia si bene respicias § illum pe. ff. eod. l. fin. [Dig. 16, 1, 32, 4] tu videbis ibi quod mulier renunciavit ex intervallo, et plus, quia coram iudice. Item non obstat dictus § 1 quia renunciat legis authoritate, quae vocat eam ad tutelam: et ideo, etc. ut supra de his qui veniam aetatis impetraverunt l. 1 [Cod. 2, 44, 1].« – Ad Cod. 1, 3, 50 (51), No 5: »Item quaero utrum mulier possit renunciare Velleiano cum fideiubet pro aliquo. Totus mundus tenet quod sic, dum tamen sit certiorata, ut ff. ad Velleianum l. ult. § pen. [Dig. 16, 1, 32, 4]. Iaco. de Ra. dicit quod non potest, quia quotiescunque privilegium conceditur alicui ob sui facilitatem, ille tali privilegio renunciare non potest, sicut et in casu de muliere, quia eadem causa est in renunciatione vitanda quae est in privilegio concedendo, scilicet facilitas. ad hoc optime facit dicta l. doli clausula [Dig. 46, 2, 19]. Ad § ult. respondet quod illud contingit, quia bis renunciat, et coram iudice, unde alias non valeret. Bina enim renunciatio valet, ut infra ad Velleianum si mulier [Cod. 4, 29, 22] potest renunciare, quando suscipit tutelam filiorum, quia facit hoc legis autoritate, et ideo ne autoritate legis, etc. ut infra, de his qui veniam aetatis l. 1 [Cod. 2, 44, 1]. et hanc opinionem sequitur Pet.«.

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Albericus de Rosate375 halten die Ansicht der Ultramontanen, das heißt der Vertreter der französischen Rechtsschule,376 bei buchstabengetreuer Rechtsanwendung eigentlich für die richtige, da es zum einen schon keine normierte Rechtsgrundlage für einen einfachen Verzicht gebe und zum anderen dieselbe fragilitas sexus, die der Interzession zugrunde liegt, auch auf den Verzicht durchschlage. Sie stellen aber fest, dass die gesamte Praxis der in der Glosse vertretenen Ansicht folgt. Selbst Bartolus377 und Baldus378 hegen deutliche Sympathien für den theoretisch richtigen Ansatz, räumen aber ein, dass sich durch die Gewohnheiten in der Praxis (consuetudo) die Zulässigkeit des Verzichts inzwischen einfach durchgesetzt habe.379

375 ALBERICUS DE ROSATE, Commentarii, ad Dig. 16, 1, 32, 4, No 6: »Quaerunt ultramontani, an sit verum, quod mulier in contractu possit renunciare velleiano. et dicunt quod non est lex in mundo quae hoc dicat, et tenent quod renunciare non possit velleiano, et succurritur fragilitati mulierum, ut supra e. l. 2 § verba [Dig. 16, 1, 2, 2] ne decipiantur: sed si liceret eis indifferenter renunciare, ita deciperentur de facili renunciatione propter sexus fragilitatem, sicut in contractibus, et sic nulla esset utilitas senatusconsulti. […] forte opinio ultramontanorum stricto iure vera est: tamen totus mundus hodie servat opinionem huius glossae et aliarum quae ubique tenent velleiano posse renunciari«. 376 Zum Gebrauch dieses Begriffs insbesondere bei Albericus de Rosate vgl. LANGE /  KRIECHBAUM, Bd. II: Kommentatoren (2007), S. 6 f., 274 f., 353. 377 BARTOLUS, Commentaria, ad Dig. 16, 1, 32, 4, No 1: »Not. quod exceptioni Velleiani potest renunciari, ut observat consuetudo, tamen in contrarium est veritas: beneficium enim Velleiani est inductum propter fragilitatem sexus muliebris, l. ii supra eo. [Dig. 16, 1, 2]. Nam eo ipso quod renunciat, decipitur ut l. interdum supra de minoribus [Dig. 4, 4, 19] et quod no. in l. iubemus C. eo. [Cod. 4, 29, 21] ad quod l. doli § diversum infra de novationibus [Dig. 46, 2, 19]. Ita tenent doc. in l. fi. C. eo. [Cod. 4, 29, 25]. Non obstat haec lex, quia speciale est in renunciatione facta in iudicio, hic enim renunciavit in iudicio, et ex post facto.« 378 BALDUS, Commentaria, ad Dig. 16, 1, 32, 4: »Ex hoc § no. quod mulier potest renunciare Velleiano Senatusconsulto, sed Doctores moderni tenent contrarium, dicentes quod mulier non potest renunciare Velleiano Senatusconsulto. ratio est, quia eo ipso quod mulier renunciat Velleiano, decipitur, ut l. doli § diversum infra de novationibus [Dig. 46, 2, 19], supra de minoribus l. interdum [Dig. 4, 4, 19]. facit quod no. in l. si iudex circumvento eo. ti. [Dig. 4, 4, 41]. Ita tenent doctores in l. fi. C. eo. [Cod. 4, 29, 25]. Non obstat iste tex. quia loquitur de renunciatione facta in iudicio. tamen licet hoc sit verum de iure, tamen consuetudo est contrarium, cui est standum. In gl. sua in fi. circa hoc vide quod no. glo. et Doct. in l. sciendum infra de verborum obligationibus [Dig. 45, 1, 30].« – Vgl. ferner a. a. O., ad Dig. 16, 1, 32, 2, No 2 f. 379 Vgl. ferner ANGELUS DE UBALDIS, Lectura, ad Cod. 4, 29, 1, No 2: »quod mulier potest renunciare beneficio senatusconsulti. et ista est communis opi. glo. et istud conservat consuetudo. tamen multi moderni tenent oppositum quod de iure renunciare non potest: quia hoc beneficium mulieribus est concessum propter fragilitatem sexus. unde qua fragilitate inductae sunt ad contrahendum: eadem inducuntur ad renunciandum.« – Ad Cod. 4, 29, 25, No 1. – SALICETUS, Opera Omnia, Vol. II, ad Cod. 4, 29, 25, No 4: »Et est ratio, quia ex eadem fragilitate qua se obligat ex eadem renunciat«. – Vol. V, ad Dig. 16, 1,

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Bartolus fasst seinen Standpunkt zum Verzicht, der deutlich dem seines Lehrers Butrigarius ähnelt, folgendermaßen zusammen:380 Eine Interzession für den eigenen Ehemann ist grundsätzlich schon ipso iure nichtig, so dass ein Verzicht der Frau auf die Einrede des SC Velleianum hier ins Leere geht. 381 Gleiches gilt, wenn sie für einen anderen Mann unter Missachtung der Formvorschrift aus Cod. 4, 29, 23 interzediert.382 Hält sie aber diese Formvorschrift bei der Interzession ein, dann ist ein Verzicht nach der Glosse und dem entstandenen Gewohnheitsrecht gültig. Formaljuristisch ist dagegen in diesem Fall zu differenzieren: Ein Verzicht vor Gericht ist gültig, ebenso ein außergerichtlicher Verzicht, wenn dieser erst nach Ablauf von zwei Jahren erfolgt. Ein vor Ablauf der Zweijahresfrist erklärter außergerichtlicher Verzicht ist dagegen ungültig, da die Frau dann wegen derselben Willfährigkeit (facilitas) verzichtet, deretwegen sie interzediert.383 Bartolus überträgt also den Rechtsgedanken der für die Interzession selbst geltenden Regel aus Cod. 4, 29, 22 auf den Verzicht und nimmt nach zwei Jahren einen hinreichenden Abstand und damit die Selbstbestimmtheit der Frau an. Ganz ähn32, 4, No 3. – ANGELUS ARETINUS, Commentaria, ad Inst. 4, 13, 5, No 33: »Et est ratio, quia ex eadem fragilitate, qua se pro alio obligat, eadem fragilitate renuntiat«. 380 BARTOLUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 25, No 2: »veritas est ista. Aut mulier se obligat pro marito, et tunc ipso iure non tenetur, ut supra eo. auth. si qua mulier [Nov. 134, 8]. ideo renunciatio Velleiani nihil operatur. Aut intercedit pro alio, et tunc aut sine scriptis et sine subscriptione trium testium, et tunc indistincte ipso iure non tenetur, et renunciatio Velleiani nihil operatur, ut l. antiquae § fi. supra eo. [Cod. 4, 29, 23, 3].« – No 4: »Aut intercedit pro alio, et per publicum instrumentum, et tunc renunciatio valeret secundum gl. nec auderem dicere contrarium propter consuetudinem. De iure tamen videtur distingui. Aut renunciat coram iudicem, et valet, ut l. fi. § pe. ff. eo. [Dig. 16, 1, 32, 4]. Aut extra iudicium, et tunc aut ex intervallo post biennium, et valet, ut in l. si mulier supra eo. [Cod. 4, 29, 22]. Aut in ipso instrumento, vel intra biennium, et tunc renunciatio non valet, quia ea facilitate, qua intercedit, eadem renunciat, ut supra eo. l. si mulier [Cod. 4, 29, 22] et l. doli exceptio ver. diversum ff. de novationibus [Dig. 46, 2, 19].« – Vgl. ferner a. a. O., post Cod. 5, 35, 3, ad Nov. 118, 5, No 12: »quod patet hic in Velleiano, cui secundum veram opinionem renunciare non potest, ut vidistis supra ad Velleianum l. fi. [Cod. 4, 29, 25]. et ibi per doctores probatur in l. doli exceptio ver. diversum ff. de novationibus [Dig. 46, 2, 19]. et ibi dixi.« 381 Ähnlich schon BUTRIGARIUS, Commentaria, ad Dig. 16, 1, 32, 4, No 1 (S. 169); DERS., Lectura, Nov. 134, 8. Ferner CINUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 25, No 4; ALBERICUS DE ROSATE, Commentarii, ad Dig. 16, 1, 32, 4, No 5. 382 Ähnlich schon BUTRIGARIUS, Lectura, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8: »et tunc aut obligat se instrumento solenniter confecto secundum legem antiquae § ne autem infra e. [Cod, 4, 29, 23, 2] et tunc tenetur, sed velleiano iuvatur: potest tamen renunciare si velit ut dicta l. fina. § penul. ff. e. [Dig. 16, 1, 32, 4]. Aut in instrumento minus solenniter confecto et tunc ipso iure non tenetur nec potest renunciare ut dixi.« – Ferner CINUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 25, No 4; ALBERICUS DE ROSATE, Commentarii, ad Cod. 4, 29, 23. 383 Ähnlich schon BUTRIGARIUS, Lectura, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8 (s. o. Fn. 373). Ferner CINUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 25, No 4. (s. o. Fn. 374).

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lich wie Bartolus äußern sich auch Baldus,384 Angelus de Ubaldis,385 Salicetus,386 Angelus Aretinus387 und Castrensis388 – also durchaus differenziert.389 Voraussetzung für einen wirksamen Verzicht ist, wie schon nach der Glosse,390 grundsätzlich eine entsprechende Belehrung (certioratio) der Frau über seine Folgen.391 Dieses Erfordernis findet auch in der konsiliaren Praxis seinen Niederschlag.392 Des Weiteren wird die Verzichtserklärung grundsätzlich derselben Formstrenge unterworfen wie die Interzession selbst, das heißt, die nach Cod. 4, 29, 23 vorgeschriebene Form, gegebenenfalls in ihrer abgewandelten Ausprägung,393 ist auch beim Verzicht einzuhalten.394 Ein Auslöser hierfür könnte die Überlegung gewesen sein, dass eine formwidrige Interzession ipso iure ungültig ist, so dass es auf einen Verzicht gar nicht mehr ankommen

BALDUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 1, No 7 ff., 9. ANGELUS DE UBALDIS, Lectura, ad Cod. 4, 29, 25, No 1. 386 SALICETUS, Opera Omnia, Vol. II, ad Cod. 4, 29, 25, No 4: »et pro responsione ad contraria ut bene loquar, sic distinguit. Aut […]«. – Vol. V, ad Dig. 16, 1, 32, 4, No 4: »Et pro responsione ad contraria sic distinguunt: aut […]«. 387 ANGELUS ARETINUS, Commentaria, ad Inst. 4, 13, 5, No 33: »Et pro responsione ad contraria sic distinguunt. Aut […]«. 388 PAULUS CASTRENSIS, Commentaria, ad Dig. 16, 1, 32, 4, No 3 ff., 5; ad Dig. 16, 1, o 1, N 2; ad Cod. 4, 29, 22, No 2; ad Cod. 4, 29, 25, No 4. 389 Zu pauschal erscheint daher die Einschätzung von MEYNIAL, RHD 25 (1901), 657, 663: »La doctrine italienne, si l’on excepte Bartole, resta réfractaire à ces distinctions«. 390 Siehe oben Fn. 276. 391 BUTRIGARIUS, Lectura, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8; ALBERICUS DE ROSATE, Commentarii, ad Dig. 16, 1, 32, 4, No 6; ad Cod. 4, 29, 23, No 1; BARTOLUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 25, No 5; BALDUS, Commentaria, ad Dig. 16, 1, 32, 2, No 2; ad Dig. 16, 1, 32, 4; ad Cod. 4, 29, 1, No 9; ANGELUS DE UBALDIS, Lectura, ad Cod. 4, 29, 1, No 2; SALICETUS, Opera Omnia, Vol. II, ad Cod. 4, 29, 25, No 4; Vol. V, ad Dig. 16, 1, 32, 4, No 4; ANGELUS ARETINUS, Commentaria, ad Inst. 4, 13, 5, No 33; PAULUS CASTRENSIS, Commentaria, ad Dig. 16, 1, 32, 4, No 8; ad Cod. 4, 29, 25, No 5; ALEXANDER IMOLENSIS, Commentaria, ad Dig. 45, 1, 30, No 29; JASON DE MAYNO, Commentaria, ad Dig. 45, 1, 30, No 31. – Hierzu MEYNIAL, RHD 25 (1901), 657, 666 ff.; RHD 28 (1904), 698, 711 ff. – Zu Ausnahmen von diesem Grundsatz sowie Beweisfragen vgl. ALEXANDER IMOLENSIS, a. a. O., No 30 ff. – Vgl. ferner Siete Partidas V, 12, 3; dazu LALINDE ABADÍA, AHDE 41 (1971), 335, 360 f. 392 Vgl. BALDUS, Consilia, Vol. I, Cons. 4, No 1; Vol. V, Cons. 193, No 2; SOCINUS, Consilia, Vol. II, Cons. 263, No 14. Ferner ANGELUS DE UBALDIS, Lectura, ad Cod. 4, 29, 1, No 2 in fine: »et ita practicant notarii.« 393 Siehe oben Fn. 337 ff. 394 BALDUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 1, No 12 f.; SALICETUS, Opera Omnia, Vol. II, ad Cod. 4, 29, 23, 2, No 6; ANGELUS ARETINUS, Commentaria, ad Inst. 4, 13, 5, No 33. – GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. I (1850), S. 266 f.; SPRUIT, Huldigingsbundel van Warmelo (1984), S. 194, 207 spricht insoweit von einer Ausdehnung des Formerfordernisses »per analogiam«. 384 385

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kann, da dieser ins Leere geht.395 Die Einhaltung der vorgeschriebenen Form bei der Interzession ist demnach Voraussetzung dafür, dass überhaupt eine wirksame Interzession besteht und diesbezüglich ein Verzicht auf den Schutz des SC Velleianum in Frage kommt.396 Die an sich für die Interzession geltende Formvorschrift spielt also auch für den Verzicht eine Rolle und mag nach und nach auf diesen selbst abgefärbt haben.397 Ein Verzicht der Ehefrau auf den Schutz der Authentica Si qua mulier (Nov. 134, 8) ist nach allgemeiner Auffassung grundsätzlich nicht möglich.398 Albericus de Rosate399 und Baldus400 begründen dabei ihre ablehnende Haltung insbesondere unter Verweis auf Dig. 44, 5, 1, 5 mit der charakteristischen Nähebeziehung zwischen Mann und Frau, da die Regelung in 395 Vgl. etwa BUTRIGARIUS, Lectura, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8 (s. o. Fn. 382); BARTOLUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 25, No 2 (s. o. Fn. 380); ANGELUS DE UBALDIS, Lectura, ad Cod. 4, 29, 23, 2; PAULUS CASTRENSIS, Commentaria, ad Dig. 16, 1, 32, 4, No 7. 396 So schon JACOBUS DE ARENA, Commentarii, ad Cod. 4, 29, 23, No 1 in fine: »Unde quando aliquis vult quod renunciatio velleiani facta a muliere teneat, faciat quod secundum hanc solennitatem obligetur, et tunc cum teneatur opus sit auxilio velleiani, et cum ipsum habeat, faciat ergo quod ei renuncietur; sed cum non obligatur secundum hanc solennitatem, est tuta ipso iure, et sic non indiget beneficio velleiani: ergo si ei renuncietur sibi nihil nocet.« – Ferner ALBERICUS DE ROSATE, Commentarii, ad Cod. 4, 29, 23, No 1: »Si quis ergo vult, quod renunciatio et obligatio mulierum valeat, faciat eas obligari secundum huius legis formam, et quod renuncient velleiano«. 397 Vgl. etwa die nur noch mit Mühe nachzuvollziehende Differenzierung bei JASON DE MAYNO, Commentaria, ad Dig. 45, 1, 30, No 31 f. 398 Vgl. JACOBUS DE ARENA, Commentarii, ante Cod. 4, 29, 23, ad Nov. 134, 8, No 2; BUTRIGARIUS, Lectura, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8; CINUS, Commentaria, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8; ALBERICUS DE ROSATE, Commentarii, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8, No 4; BALDUS, Commentaria, ad Dig. 16, 1, 2 pr., No 2; post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8, No 10; ad Cod. 4, 29, 23, 2, No 2; SALICETUS, Opera Omnia, Vol. II, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8, No 5; ANGELUS ARETINUS, Commentaria, ad Inst. 4, 13, 5, No 37; PAULUS CASTRENSIS, Commentaria, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8, No 2; JASON DE MAYNO, Commentaria, ad Dig. 45, 1, 30, No 31 in fine. 399 ALBERICUS DE ROSATE, Commentarii, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8, No 4: »pro hoc etiam est, quia si mulieres possent renunciare de facili semper renunciarent metu vel amore virorum arg. ff. quarum rerum actio non datur l. i § quae honorandae [Dig. 44, 5, 1, 5]. et ista auth. prodita esset in vacuum.« – Vgl. ferner a. a. O., No 5 zu einer metu vel amore viri bedingten Einlassung der Frau, dass der durch ihre Interzession erlangte Geldbetrag zu ihren eigenen Nutzen verwendet worden sei (s. o. Fn. 334). 400 BALDUS, Commentaria, ad Dig. 16, 1, 2 pr., No 2: »Et no. quod isto casu, quando intercedit pro viro, non sufficit renunciare Velleiano, quia non habet beneficium Velleiani, sed beneficium nullitatis, cui dicunt quidam renunciari non posse, ut no. per Doc. C. eo. [Cod. 4, 29] auth. si qua mulier [Nov. 134, 8]. facit quod not. in l. i ne fideiussores dotium dentur [Cod. 5, 20, 1]. nam fideiussio ista est nulla propter dolum praesumptum, ut tangit hic gl. vel propter nimiam reverentiam, ergo renunciari non potest, ut no. in l i. § si onerandae infra quarum rerum actio non datur [Dig. 44, 5, 1, 5].«

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Nov. 134, 8 gerade verhindern soll, dass eine Frau aus Furcht oder Liebe (metu vel amore) bzw. aus Ehrfurcht (propter nimiam reverentiam) für ihren Ehemann interzediert. Diese aus dem ius civile abgeleiteten Grundsätze für den Verzicht können durch einen Eid der Frau in wesentlichen Zügen außer Kraft gesetzt werden, da dann Gesichtspunkte des kanonischen Rechts (ius canonicum) bezüglich der besonderen Bedeutung des Eides in den Vordergrund rücken. 401 Ein verbots- bzw. sittenwidriger Eid ist zwar auch nach kanonischem Recht grundsätzlich nicht bindend.402 Allerdings wird im Anschluss an Dinus differenziert, ob das Verbot wegen der Unsittlichkeit der betreffenden Handlung (propter turpitudinem sui)403 besteht oder ob es als Vorrecht bzw. zum Vorteil einer bestimmten Person (in privilegium vel favorem personae)404 dient. Während im ersten Fall ein Eid keinerlei Wirkung entfaltet, ist im zweiten Fall ein Eid der begünstigten Person für diese bindend.405 401 Lib. Extra 2, 24, 9; 2, 24, 28; Lib. Sext. 1, 18, 2; 2, 11, 2. Vgl. hierzu GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. I (1850), S. 279 f.; ESMEIN, RHD 12 (1888), 248, 272; 311, 327, 329; MEYNIAL, RHD 25 (1901), 657, 669 f.; RHD 28 (1904), 698, 720 ff.; HALLEBEEK, Ius Commune 17 (1990), 69, 77 f. – Zur vergleichbaren Bedeutung des Eids für den Verzicht auf die Authentica Sive a me ferner MEYNIAL, RHD 25 (1901), 657, 683, 690 ff.; BOYÉ, RHD 3 (1924), 473, 490 ff. 402 Lib. Sext. 5, 12, De regulis iuris, 58: »Non est obligatorium contra bonos mores praestitum iuramentum.« – Vgl. hierzu DINUS, De regulis iuris, ad Lib. Sext. 5, 12, De regulis iuris, 58: »et istud est generale quod iuramentum praestitum contra bonos mores vel contra leges non est obligatorium. […] quia quae contra bonos mores sunt, impossibilia reputantur de iure […] sed impossibilium nulla est obligatio […] ergo nec eorum quae sunt contra bonos mores.« 403 Hierzu führt DINUS, De regulis iuris, ad Lib. Sext. 5, 12, De regulis iuris, 58 folgende Beispiele aus dem kanonischen Recht an: »nec firmat rem, de qua agitur: ut supra de electionibus c. ubi [Lib. Sext. 1, 6, 3] et c. quia saepe contingit [Lib. Sext. 1, 6, 40] et de rebus ecclesiae non alienandis c. ii [Lib. Sext. 3, 9, 2].« 404 Insoweit verweist DINUS, De regulis iuris, ad Lib. Sext. 5, 12, De regulis iuris, 58 auf folgende, aus dem Corpus Iuris Civilis abgeleiteten Verbote: »Sed opponitur et videtur quod iuramentum confirmat ea quae sunt de iure prohibita. ecce de iure prohibitum est rem minoris alienari: ut ff. de rebus eorum l. i [Dig. 27, 9, 1]; et tamen alienatio per iuramentum confirmatur: ut C. si adversus venditorem l. i [Cod. 2, 27 (28), 1] et in auten. sacramenta [Auth. Sacramenta puberum]. Item prohibita est de iure fundi dotalis alienatio: ut C. de rei uxoriae actione l. unica § et cum lex [Cod. 5, 13, 1, 15]; et tamen confirmatur per iuramentum mulieris: ut supra de iureiurando c. ii lib. vi [Lib. Sext. 2, 11, 2]. Item prohibetur valere pactum per quod filia dotata renuntiat futurae successioni paternae: ut C. de pactis l. pactum quod dotali [Cod. 2, 3, 15] et de collationibus l. pactum [Cod. 6, 20, 3], ff. de suis et legitimis heredibus l. ultima [Dig. 38, 16, 16]; et tamen confirmatur per iuramentum: ut supra de pactis c. ii lib. vi [Lib. Sext. 1, 18, 2].« 405 DINUS, De regulis iuris, ad Lib. Sext. 5, 12, De regulis iuris, 58: »Sed dic aut sunt prohibita propter turpitudinem sui: et tunc iuramentum nihil operatur: ut hic et in iuribus supra allegatis ad idem. Aut in privilegium vel favorem personae: et tunc iuramentum illius personae, in cuius favorem inducitur prohibitio, est obligatorium et confirmat rem de qua

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Verzichtet demzufolge die Frau unter Eid auf das SC Velleianum, sind daher eine entsprechende Belehrung (certioratio)406 sowie die Einhaltung der nach Cod. 4, 29, 23, 2 für die Interzession vorgeschriebenen Form407 jeweils entbehrlich. Selbst ein Verzicht auf den Schutz der Authentica Si qua mulier ist, wenn er eidlich erfolgt, nach kanonischem Recht bindend.408 Gleiches gilt für die Einlassung der Frau, dass das Geld zu ihren Gunsten verwendet worden sei,409 wenn sie dies beeidet.410 Nach Albericus de Rosate räumen sogar die Ultramontanen als grundsätzliche Gegner jedweden vertraglichen Verzichts ein, dass ein solcher dann gültig ist, wenn er mit einem Eid verbunden agitur: ut in autenti. sacramenta [Auth. Sacramenta puberum] et supra de iureiurando c. ii [Lib. Sext. 2, 11, 2] et de pactis c. ii lib. vi [Lib. Sext. 1, 18, 2].« 406 SALICETUS, Opera Omnia, Vol. V, ad Dig. 16, 1, 32, 4, No 4; ANGELUS ARETINUS, Commentaria, ad Inst. 4, 13, 5, No 34; PAULUS CASTRENSIS, Commentaria, ad Dig. 16, 1, 32, 4, No 8; ad Cod. 4, 29, 25, No 5; ALEXANDER IMOLENSIS, Commentaria, ad Dig. 45, 1, 30, No 30; JASON DE MAYNO, Commentaria, ad Dig. 45, 1, 30, No 31. – Aus der Spruchpraxis (zu einem Erbverzicht) PHILIPPUS DECIUS, Consilia, Tom. I, Cons. 179, No 4: »Ultimo in tali renuntiatione interpositum fuit iuramentum, quo casu mulier excluditur a beneficio sibi competenti, licet certiorata non fuerit«. Der betreffende Eid wird dann allerdings wegen laesio enormis und dolus als nicht bindend betrachtet, a. a. O., No 4 ff.: »et in tali renuntiatione evidenter apparet iniquitas ex enormi laesione, et propter fragilitatem sexus mulieris […] et sicut facilis est ad renuntiandum, ita etiam ad iurandum l. si mulier C. ad Velleianum [Cod. 4, 29, 22] l. doli § diversum ff. de novationibus [Dig. 46, 2, 19]«. 407 BARTOLUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 23, 2: »Nota casum mirabilem, quia si mulier intercederet extra istam solennitatem, non teneretur, etiam si renunciasset Velleiano, quia hoc casu Velleianum non habet locum, nisi iurasset, et hoc de iure canonico, ut c. cum contingat extra de iureiurando [Lib. Extra 2, 24, 28].« – BALDUS, Commentaria, ad Cod. 4, 29, 23, 2, No 2; ANGELUS DE UBALDIS, Lectura, ad Cod. 4, 29, 23, 2. – Nicht ganz unmissverständlich BALDUS, a. a. O., ad Cod. 10, 32, 3, No 3: »Praeterea hic advertat universus orbis, mulieres Velleiano renunciant, et iurant, et licet de consuetudine valeat renunciatio, et etiam de iure propter iuramentum si modo fuit certificata de beneficio suo […]. tamen si duos testes habeat tale instrumentum, vel plures qui non subscripserint se instrumento, mulier ipso iure intercedendo non obligatur, ut supra ad Velleianum l. antiquae in fi. [Cod. 4, 29, 23, 3]. Nec obstat renunciatio facta, quia respicit beneficium Velleiani, non beneficium legis antiquae. Idem dico cum mulier pro viro intercedit, ut ipso iure non obstante tali renunciatione non conveniatur, ut supra ad Velleianum et in auth. si qua mulier [Nov. 134, 8]«. – Vgl. hierzu JASON DE MAYNO, Commentaria, ad Dig. 45, 1, 30, No 31 f. 408 BUTRIGARIUS, Lectura, Renunciatio ad Nov. 134, 8 (fol. 115 v); ALBERICUS DE ROSATE, Commentarii, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8, No 4; BALDUS, Commentaria, ad Dig. 16, 1, 2 pr., No 3; post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8, No 10; ad Cod. 4, 29, 23, 2, No 2; PAULUS CASTRENSIS, Commentaria, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8, No 2, 4. 409 Siehe oben Fn. 334. 410 BARTOLUS, Commentaria, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8, No 4; BALDUS, Commentaria, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8, No 6; SALICETUS, Opera Omnia, Vol. II, post Cod. 4, 29, 22, ad Nov. 134, 8, No 7; ANGELUS ARETINUS, Commentaria, ad Inst. 4, 13, 5, No 37 f.

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ist.411 Dieses Ergebnis stützen einige Kommentatoren zudem durch einen Vergleich mit der Rechtslage bei Minderjährigen (minores), wo nach der Authentica Sacramenta puberum (1155)412 ein Minderjähriger durch eidliche Bekräftigung wirksam auf die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (restitutio in integrum) verzichten kann.413 Prägnant umreißt Angelus Aretinus dieses Zusammenspiel von ius civile, ius canonicum und Gewohnheitsrecht. Vor Gericht ist ein Verzicht demnach ohne Weiteres gültig. Außergerichtlich bestehen ferner drei anerkannte Tatbestände: Zum Ersten der für die Übernahme der Vormundschaft vorgeschriebene Verzicht nach Nov. 118, 5, zum Zweiten der zeitliche Abstand von zwei Jahren zwischen Interzession und Verzicht sowie zum Dritten der eidliche Verzicht. Ein gleichzeitig mit der Interzession erklärter Verzicht ist – obwohl an der Tagesordnung – an sich nach dem ius civile ungültig, da die Frau aus derselben fragilitas heraus verzichtet, deretwegen sie auch interzediert. Allerdings ist ein solcher außergerichtlicher Verzicht nach Gewohnheitsrecht anerkannt, vorausgesetzt, dass die Frau entsprechend belehrt und die modifizierte Form nach Cod. 4, 29, 23, 2 eingehalten wurde.414 Um völlig sicherzugehen, empfiehlt Angelus de Ubaldis daher, in solchen Fällen darauf zu achten, dass zum einen bei der Interzession die Form nach Cod. 4, 29, 23, 2 eingehalten wird sowie zum anderen, dass die Frau den Verzicht auf das SC Velleianum erklärt und dazu einen Eid schwört.415 411 ALBERICUS DE ROSATE, Commentarii, ad Dig. 16, 1, 32, 4, No 6: »Concedunt etiam ultramontani, quod si mulier renunciet in contractu cum sacramento quod teneat per authen. sacramenta [Auth. Sacramenta puberum] et pro hoc extra de iureiurando c. ex rescripto [Lib. Extra 2, 24, 9] et ibi per Inno. in ult. gl.«. 412 Zur Authentica Sacramenta puberum s. o. Fn. 279. 413 ANGELUS ARETINUS, Commentaria, ad Inst. 4, 13, 5, No 33 f.; PAULUS CASTRENSIS, Commentaria, ad Dig. 16, 1, 32, 4, No 8; ALEXANDER IMOLENSIS, Commentaria, ad Dig. 45, 1, 30, No 30; JASON DE MAYNO, Commentaria, ad Dig. 45, 1, 30, No 33. – Kritisch allerdings SALICETUS, Opera Omnia, Vol. II, ad Cod. 4, 29, 25, No 4; Vol. V, ad Dig. 16, 1, 32, 4, No 4 f. 414 ANGELUS ARETINUS, Commentaria, ad Inst. 4, 13, 5, No 33: »Conclude ergo ex his, quod valet renuntiatio Velleiani in iudicio ff. eo. l. fi. § pen. [Dig. 16, 1, 32, 4]. sed extra iudicium dic, quod potest renuntiare tribus modis. Primo, in casu d. auth. matri et aviae [Nov. 118, 5]. Secundo, quando post intercessionem, et ante renuntiationem lapsum erat biennium. arg. d. auth. si qua mulier [Nov. 134, 8]. Tertio, quando iurat, ut in c. ex rescripto de iureiurando [Lib. Extra 2, 24, 9]. Alias vero si tempore, quo intercedit, renuntiat (ut quotidie fit) non valet renuntiatio, quia ea fragilitate, qua intercedit, videtur renuntiare, ut d. l. doli § diversum [Dig. 46, 2, 19]. Et hoc verum de iure, sed de consuetudine observatur, quod valet renuntiatio, etiam extra iudicium, quando fuit certificata, etiam si non fuerit instrumentum subscriptum trino teste, ut requirere videtur tex. in d. l. antiquae § ne autem [Cod. 4, 29, 23, 2]. quia satis est, quod notarius ipse adhibeat testes et describat saltem duos testes.« 415 ANGELUS DE UBALDIS, Lectura, ad Cod. 4, 29, 23, 2: »Ut ergo evadas istas opiniones, sis semper cautus, qui contrahis cum muliere intercedente, quod facias

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

III. Das Gemeine Recht der Frühen Neuzeit III. Das Gemeine Recht der Frühen Neuzeit

Die im ausgehenden Spätmittelalter zunehmend erreichte Handlungs- und Prozessfähigkeit der unverheirateten Frau erfährt in der beginnenden Frühen Neuzeit mitunter wieder Einschränkungen. Der gemeinrechtlichen Rezeption des römischen Rechts zum Trotz vermag sich die dort erreichte selbständige Position der Frau im Partikularrecht des 16. Jahrhunderts kaum durchzusetzen.416 Die prozessrechtliche Stellung der Frau erleidet ebenfalls wieder Einbußen.417 Dabei weist die partikularrechtliche Ausgestaltung der Geschlechtsvormundschaft eine große Bandbreite auf sowohl im materiellen Recht mit Blick auf die sog. Geschlechtsvogtei (cura sexus) über ledige Frauen bzw. die sog. Ehevogtei (cura maritalis) über verheiratete Frauen, als auch im Prozessrecht bezüglich der sog. Kriegsvogtei (cura litis): So unterliegen teilweise alle Frauen einem strikten Regime, teilweise nur die Ehefrauen, teilweise sind selbst diese in ihrer Handlungs- und Prozessfähigkeit völlig unbeschränkt.418 Weitgehend frei in ihrer geschäftlichen Tätigkeit bleiben wiederum die Handels- oder Gewerbefrauen.419 Das Freiburger Stadtrecht von 1520420 und ihm folgend das Württembergische Landrecht von 1555421 verlangen etwa die Mitwirkung eines Vogts, contractum redigi in publicum instrumentum et a tribus testibus subsignari, et quod mulier renunciet velleiano et iuret et eris securus.« 416 HOLTHÖFER, in: Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), S. 390, 414 ff., 417 ff. Ähnlich schon SCHMELZEISEN, Die Rechtsstellung der Frau in der deutschen Stadtwirtschaft (1935), S. 109 f. Ferner THIEME, in: RSJB, Tome 12 (1962), S. 351, 368. 417 KOCH, Maior dignitas (1991), S. 84 ff.; DIES., in: Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), S. 73, 84 f.; HOLTHÖFER, in: Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), S. 390, 416 f. 418 HOLTHÖFER, in: Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), S. 390, 419 ff., 425 f. 419 KOCH, Maior dignitas (1991), S. 77. Zur Bestimmung der Eigenschaft als Handelsoder Kauffrau SCHMELZEISEN, Die Rechtsstellung der Frau in der deutschen Stadtwirtschaft (1935), S. 106 f. – Zum Wechselspiel zwischen Ius proprium und Ius commune in dieser Frage DE CHASSENAEO, Commentaria in Consuetudines Ducatus Burgundiae, IV § 1, Sp. 517 ff. 420 Freiburger Stadtrecht von 1520, II 9, 9, in: QNPD, Bd. I/1 (1936), S. 263: »Wyber mogen ligende güter nit verendern. Und in gemein setzen und ordnen wir, das wybspild ire ligenden güter und was merklichs ist von varender hab, nit abhanden noch verendern oder die selben güter mit zinsen und gülten beschweren, noch ouch einichen andern contract tun mögen on irn vogt, so verr sy ein hat, oder hett sy kein vogt, so sol ir einer durch unser erkantnus geben werden, und ob sy in der ee vermehelt, so wer es in dem fall nit genug, das ir eewirt verwilligte, sonder ist not, das ir ein vogt darin gegeben wird. Und wo die summ gros, namlich über hundert guldin wer, möcht der vogt ouch nit bewilligen on unser byloufende erkantnus.« – Ansonsten benötigen »Wybsbild, die nit man haben« grundsätzlich nur zu Grundstücksgeschäften und Prozesshandlungen einen Vogt, vgl. III 1, 8, a. a. O., S. 267.

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wenn eine Frau Verfügungen trifft über Liegenschaften oder über Fahrnis von bedeutendem Wert (was merklichs ist von varender hab). Ist sie verheiratet, genügt insoweit nicht etwa die Einwilligung ihres Mannes, sondern es bedarf eines zusätzlichen Vogts. Bei einem Wert von mehr als 100 Gulden muss dieser zudem noch die Zustimmung der Obrigkeit einholen. Aus diesen Vorschriften spricht somit ein deutliches Misstrauen, dass der Ehemann und sogar der Vogt gegen die Interessen der Frau agieren könnten. Die Kursächsischen Konstitutionen von 1572 schreiben vor, dass sich eine Frau künftig in allen Prozessen, sowohl als Klägerin als auch als Beklagte durch einen Kriegsvogt vertreten lassen muss, der gegebenenfalls von Amts wegen durch das Gericht zu bestellen ist (II 15 Abs. 1 und 2).422 Ihre Handlungsfähigkeit wird dahin gehend eingeschränkt, dass Rechtsgeschäfte ohne Einwilligung ihres Vormunds grundsätzlich unwirksam sind (II 15 Abs. 3 Satz 1).423 Sowohl Ledige und Witwen als auch Ehefrauen können aber über ihr bewegliches wie unbewegliches Vermögen wirksam testieren, ohne dass es Württembergisches Landrecht von 1555, II 9, 8, in: QNPD, Bd. I/2 (1938), S. 119: »Weiber mögen ligende Gütter nit verendern. Wir ordnen und setzen auch weiter in gmein, daß Weibsbild ire ligende Gütter und, was merklichs oder ansehenlichs ist von farender hab, nit verendern noch abhanden, noch auch dieselben Gütter mit Zinsen und Gülten beschweren oder einichen andern Contract und Hantierung on iren Vogt, sover sie einen hat, tun mögen. Oder hette sie kein Vogt, so solte ir einer durch unser Amptleut und Gericht Erkanntnus, nach Gelegenheit der Personen und Sachen, gegeben werden. Und ob sie in der Ehe vermehlet, so wer es in dem Fall nit genug, das ir Ehewirt sollichs ir verwilligte, sonder ist not, das ir ein Vogt darin gegeben werde. Und wann die Summ und Handlung groß, als nemlich über einhundert Guldin were, möchte der Vogt auch on erstgemelte unser oder unserer Verordneten beilaufende Erkanntnus auch nit bewilligen noch die Handlung kreftig machen.« – Zur weiteren Entwicklung und dem Landrecht von 1610 vgl. KRAUT, Die Stellung der Frau im württembergischen Privatrecht (1934), S. 13 ff., 18 ff.; JENISCH, in: Standpunkte (1993), S. 56, 64 ff.; DIES., in: Ordnung, Politik und Geselligkeit der Geschlechter (1998), S. 285, 288 ff., 294 ff. 422 Vgl. Kursächsische Konstitutionen von 1572, II 15 Abs. 1 Satz 2, in: QNPD, Bd. I/2 (1938), S. 269 = HAUBOLD (Hrsg.), Handbuch (1800), S. 36: »Wann wir dann solches aus erheblichen Bedenken und Ursachen auch weiter zu erstrecken notwendig erachten, so constituiren und ordnen wir, das hinfüro Witwen und Jungfrauen one Unterscheid des Alters in allen rechtlichen Processen, sie halten gleich Klegerin oder Beclagter Stad, one Vormünden nichts Bestendiges handeln mügen.« – Hierzu KUNKEL, a. a. O., S. 374 f. Anm. 28. Ferner EBERLE, Rechtsstellung der Frau (1964), S. 45 f., 94 ff.; KOCH, Maior dignitas (1991), S. 84. Allgemein BUCHDA / LÜCK, Art. »Kursächsische Konstitutionen«, in: HRG, 2. Aufl., Bd. III, 18. Lfg. (2013), Sp. 354 ff. 423 Kursächsische Konstitutionen von 1572, II 15 Abs. 3 Satz 1, in: QNPD, Bd. I/2 (1938), S. 269 = HAUBOLD (Hrsg.), Handbuch (1800), S. 36: »Gleicher Gestalt sol auch den Weibspersonen dasjenige, was sie one Vorwissen und Autoritet irer ehelichen und andern vorordneten Vormünden in- und außerhalb Gerichts schließen und handlen, domit sie sich kegen jemant vorpflichten, unschedlich und unnachteilig sein.« – Vgl. hierzu die Klarstellung durch die Decisio electoralis 24 von 1661, in: HAUBOLD (Hrsg.), a. a. O., S. 188. 421

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hierzu einer Einwilligung des Vormunds bedarf (II 15 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 und 2). Ledige und Witwen können darüber hinaus über ihr bewegliches Vermögen auch lebzeitig verfügen;424 Gleiches gilt für alle »Weibspersonen, so zu hantieren pflegen mit Kaufen und Vorkaufen«, das heißt für Kauf- oder Handelsfrauen im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit (II 15 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 3).425 Selbst die Belastung ihres Grundstücks mit einer Hypothek ist ohne die Einwilligung des Vormunds wirksam, wenn sie zur Absicherung eines Darlehens erfolgt, das dem Betrieb ihres Handelsgewerbes dient: Denn ist für das Hauptgeschäft keine Einwilligung des Vormunds erforderlich, so gelte dies auch für ein akzessorisches Pfandrecht wie die Hypothek.426 Eine ähnliche Regelung enthält das Revidierte Lübische Stadtrecht von 1586 (I 10 Art. 1).427 Danach kann eine Frau ihr Gut ohne Einwilligung des Vormunds (Curatoris consensus) weder veräußern noch belasten. Verbürgen kann sie sich allerdings auch ohne dessen Einwilligung bis zu einem Betrag von dreieinhalb Pfennigen; betreibt sie ein Handelsgeschäft, gilt insoweit gar keine Höchstgrenze. Mevius sieht hierin zugleich zwei Ausnahmen zum SC Velleianum, ohne dass es eines entsprechenden Verzichts der Frau bedarf: zum einen gleichsam eine Bagatellklausel (minima non curat praetor),428 zum anderen eine Bereichsausnahme für die Kauffrau aus Gründen des VerkehrsWeitergehend insoweit noch Ssp. Landrecht I 45 § 2 Satz 2 (s. o. Fn. 205). Kursächsische Konstitutionen von 1572, II 15 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 3, in: QNPD, Bd. I/2 (1938), S. 269 = HAUBOLD (Hrsg.), Handbuch (1800), S. 36 f.: »wie dann auch den Witwen und Jungfrauen, so mündig, (ausgeschlossen die unbeweglichen Güter) mit irer farenden Hab zu tun, dieselbige, soweit die Recht nachlassen, zuvorgeben, und insonderheit den Weibspersonen, so zu hantieren pflegen mit Kaufen und Vorkaufen in den Kramen und andern dergleichen Waren, one Vormünden bestendig und vorbindlich zu schließen und zu handeln hiermit unbenommen sein sol.« – Hierzu SCHÖTZ in: Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), S. 151, 153 f. 426 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 17, No 92 f.; CARPZOV, Jurisprudentia forensis Romano-Saxonica, Pars II, Const. 15, Def. 16, No 7 ff. jeweils m. w. N. zur Rspr. – Anders noch MOLLER, Ordinationes et constitutiones, Pars II, Const. 15, No 82 f. Hierzu KOCH, Maior dignitas (1991), S. 77. 427 Revidiertes Lübisches Stadtrecht von 1586, I 10 Art. 1: »Es mag keine Fraw ihr Gut vorkauffen noch vorsetzen, ohn ihrer Vormünder volwort, wissen und willen. So mag auch keine Fraw höher Bürge werden, ohne willen der Vormünder, dann vor drittehalb Pfennig, ausserhalb derer, welche Kauffmanschafft, Handel und Wandel treiben, was dieselben geloben, das müssen sie gelden und bezalen.« – Zur entsprechenden Regelung im alten Lübischen Recht SCHMELZEISEN, Die Rechtsstellung der Frau in der deutschen Stadtwirtschaft (1935), S. 93 ff.; R. MARTIN, Das Bürgschaftsrecht Nord- und Ostdeutschlands (1960), S. 41 f. 428 MEVIUS, Commentarii in Jus Lubecense, ad Lib. I, Tit. 10, Art. 1, No 74 f.: »Duo excipiuntur hoc loco casus, quibus Curatoris consensus non desideratur, nec etiam certa observantur, sed libera est fidejubendi licentia, ita ut nec SC. Vellejano renunciare opus sit. Primo, si summa admodum exigua est, duos et dimidium nummum non excedens, minimum enim hoc non potest curare Praetor.« 424 425

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schutzes.429 Partikularrechtliche Regelungen zur Geschlechtsvormundschaft können also durchaus auch Auswirkungen auf die Anwendung des SC Velleianum haben.430 1. Die Jurisprudenz des 16. Jahrhunderts a) Anwendungsbereich des SC Velleianum Die mittelalterliche Rezeption des SC Velleianum hat auch nachhaltigen Einfluss auf die Jurisprudenz des 16. Jahrhunderts.431 Als Grund für diese Regelung wird wie schon zuvor die imbecillitas bzw. fragilitas sexus der Frauen gesehen,432 die unverändert als geiziges Geschlecht (genus avarissimum) gelten, das zwar sehr leicht zur Abgabe eines Versprechens gebracht wird, aber zögert, tatsächlich etwas herzugeben.433 Auf die drohende Gefahr für das Familienvermögen (periculum rei familiaris) wird daher ebenfalls hingewiesen.434 Außerdem wird die Interzession gelegentlich noch als Männersache (virile officium) betrachtet.435 429 MEVIUS, Commentarii in Jus Lubecense, ad Lib. I, Tit. 10, Art. 1, No 76 f.: »Secundo, si fidejubens mercatrix est, die Kauffmannschafft, Handel und Wandel treibet, haec ex fidejussione ad solvendum efficaciter obligatur. Mercatura enim, cui Lubecana Jurisprudentia, ut saepe monitum, praecipue consulere studet, id pro securitate sua postulasse videtur, ut ei operam navantes fidem limitare non possint.« – Ferner LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 25 in fine: »Et in Jure Lubecensi foeminae mercatrices, ob liberiorem commerciorum usum, ratione mercaturae, valide pro aliis intercedunt.« – Zu dieser Ausnahme für Kauffrauen allgemein s. u. Fn. 801. 430 Zur Rechtslage nach dem Hamburgischen Stadtrecht von 1603 vgl. CROPP, in: Juristische Abhandlungen, Bd. I (1827), S. 144 f.; GRIES, Commentar, Bd. I (1837), S. 297 ff. in Fn.*, S. 305 in Fn.*. Ferner HOPPE, Die Bürgschaft im Rechtsleben Hamburgs (1997), S. 84 ff. 431 Vgl. hierzu KOCH, Maior dignitas (1991), S. 69 ff., 76, 181; DIES., in: Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), S. 73, 82 f. 432 Die Begriffe imbecillitas, infirmitas und fragilitas verwenden SICHARD, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 3, 18; FRANCUS, Commentarii, ad Dig. 50, 17, 2 pr., No 36, 38 ff. Auf sexus imbecillitas und infirmus muliebris animus verweist WESENBECK, Commentarii, Tom. I (1589), ad Dig. 16, 1, No 2. Bei DONELLUS, Commentarii de Iure civili, Lib. 12, Cap. 29 (S. 116, Zeile 15; S. 118, Zeile 19 ff.) bzw. Cap. 32 (S. 127, Zeile 35 ff.; S. 128, Zeile 42 ff.) fallen die Begriffe infirmitas, facilitas und fragilitas. GOMEZIUS, Resolutiones, Tom. II, Cap. 13, No 16 f. und MOLINA, De iustitia et iure, Vol. II, Disp. 540, No 2 beschränken sich wiederum auf fragilitas. 433 SICHARD, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 8; WESENBECK, Commentarii, Tom. I (1589), ad Dig. 16, 1, No 6; TREUTLER, Selectae disputationes, Vol. I, Disp. 25, Thesis 2, Annotatio a in fine. In anderem Zusammenhang ferner MYNSINGER, Apotelesma, ad Inst. 2, 7, 3, No 8. 434 FRANCUS, Commentarii, ad Dig. 50, 17, 2 pr., No 38; TREUTLER, Selectae disputationes, Vol. I, Disp. 25, Thesis 1, Annotatio c; FABER, Rationalia, ad Dig. 16, 1, 1; ad Dig. 16, 1, 2. 435 DONELLUS, Commentarii de Iure civili, Lib. 12, Cap. 29 (S. 116, Zeile 17 ff.); WESENBECK, Commentarii, Tom. I (1589), ad Dig. 16, 1, No 2.

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Auch der sachliche Anwendungsbereich bleibt grundsätzlich gleich, da jede Übernahme einer fremden Schuld durch eine Frau unvermindert als tatbestandliche Interzession gewertet wird: »Wa ain fraw ainich frembde schuldt oder verbindung auff sich laden oder wenden würde, ehs geschehe gleich sollich verbindung durch mittel ainer verpfendung, oder sunst mit worten, versprechung oder wercken, in borgschafft oder ander weis oder contract, wie der namen hette«.436

Das unmittelbare Weggeben von Vermögensgegenständen437 oder der bloße Erlass eines Pfandes438 stellen hingegen auch weiterhin keine Interzession dar. PERNEDER, Gerichtlicher Process, Teil 3, fol. 47 r. Vgl. ferner SICHARD, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 6: »Habet autem illud S.C. locum, quando mulier pro alio intercedit, et sic alienam obligationem in se transfert: ut dicit tex. in leg. 1 infra eodem [Cod. 4, 29, 1]. sive hoc fiat principaliter, ut dicendo: libera Titium, ego solvam pro eo. Sive fiat accessorie per modum fideiussionis, d. l. prima et l. 4 infra eodem [Cod. 4, 29, 1 et 4]. nulla distinctione habita, an ille alius sit maritus, pater, filius, vel extraneus, d. leg. secunda in fine ff. eodem [Dig. 16, 1, 2, 5]. Item nulla distinctione habita, sive re, sive verbis, sive quocunque contractu intercesserint mulieres, ut ibidem dicit tex.« – WESENBECK, Commentarii, Tom. I (1589), ad Dig. 16, 1, No 5: »Omnis etiam Contractus Senatusconsulto comprehenditur, sive verbis, sive re, sive quoqunque modo intercesserunt, alienam suo periculo suscipientes debitionem: veluti si altero pecuniam accipiente, ipsa se principaliter mulier obligarit.« – DONELLUS, Commentarii de Iure civili, Lib. 12, Cap. 29 (S. 116, Zeile 30 ff.; S. 117, Zeile 4 ff.): »Intercedere est id, quod aliis verbis senatusconsulto exprimitur, pro aliis se reum facere. Id fit genere ipso dupliciter; aut se ipsum obligando, aut obligando res suas pignori pro alio. […] Se autem obligat pro alio tribus modis, qui indicantur in l. 4 C. hoc tit. [Cod. 4, 29, 4]; aut alienam obligationem in se transferendo; aut alienam participando; aut cum alius obligari deberet, solam se ream pro eo constituendo«. – TREUTLER, Selectae disputationes, Vol. I, Disp. 25, Thesis 1: »Est autem intercedere alienam obligationem veterem aut novam recipere. Veterem obligationem recipiunt foeminae aut participando, aut eam in se transferendo. Illud, si fidejubeant, constituant pro alio, et similiter: hoc si expromittant pro alio, aut alienum debitorem in judicio defendant. Novam, si pro alio mutuum accipiant.« – FABER, Codex Fabrianus, IV, 21, Def. 22: »Nihil enim refert, an mulier intercedat fideiubendo, an pecuniam mutuam accipiendo.« – IV, 21, Def. 1, Alleg. 8: »Nam et pro alio intercedere potest mulier fundum vendendo sive suum sive alienum«. – IV, 21, Def. 12, Alleg. 1: »nam et pignoris datio facit intercessionem l. quamvis 8 D. hoc tit. [Dig. 16, 1, 8].« – IV, 21, Def. 16, Alleg. 1: »Generalia enim sunt verba Senatusconsulti Velleiani quae prohibent ne possit mulier pro alio praesertim pro marito obligari, et ad omnem debiti causam omnemque obligationis speciem pertinentia, nec magis permittitur mulieri maritum suum quam alium defendere, l. 2 in princ. et § penult. et ult. D. hoc tit. [Dig. 16, 1, 2 pr., 4 et 5]. Sunt etiam generalia verba constitutionis Iustinianeae in Auth. si qua mulier C. eod. [Nov. 134, 8]. Itaque ubi lex non distinxit nec a nobis distinguendam videbatur«. 437 FABER, Codex Fabrianus, IV, 21, Def. 3: »Neque enim intercessio haec videri debet, cum mulier non obligetur, sed de re sua pro arbitrio constituat. Nam nec donanti nec alienanti nec solventi mulieri Senatusconsultum succurrit, aut nova Iustiniani constitutio, sed tantum obligatae et intercedenti.« – IV, 21, Def. 27: »quia obligatae duntaxat mulieri Senatus subveniendum putavit, non etiam solventi aut donanti«. – V, 15, Def. 1: »Nam 436

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Auf der Rechtsfolgenseite kann der Gläubiger wie gewohnt mit der actio restitutoria oder der actio institutoria, die ihren Namen durch Dionysius Gothofredus erhält,439 unmittelbar auf den materiellen Schuldner zugreifen, während der Frau die hergebrachte Einrede zusteht: »So mag sie wider die klagen so derohalben wider sie eingefürt wurde, die Velleianisch freyhait ir von recht gegeben, exception weiß fürbringen, und die klag damit gentzlich perimiern und außleschen, und dardurch die verbindung und obligation, damit sie behafft geweßt, auff die rechten haubt und selb schuldner bringt.«440

Auch bei der Gesetzgebung der Frühen Neuzeit findet das SC Velleianum Eingang in die Stadt- und Landrechte,441 wie die Wormser Reformation von 1498442 und die Frankfurter Reformation von 1578443 zeigen. Insbesondere licet hoc casu non sit locus Velleiano, quia Senatusconsultum succurrit tantum mulieri, quae pro alio se obligat, non item ei, quae pro alieno debito res suas distrahit, aperte tamen laeditur, quae pro re ad se nil pertinente fit pauperior.« – Ferner DONELLUS, Commentarii de Iure civili, Lib. 12, Cap. 29 (S. 118, Zeile 1–54). 438 FABER, Codex Fabrianus, IV, 21, Def. 1, Alleg. 9: »Senatusconsultum enim Velleianum, quod improbat venditionem et obligationem, non similiter improbat pignoris liberationem, l. 1 D. quibus modis pignus vel hypotheca solvitur [Dig. 20, 6, 1] iunct. l. etsi pignus 18 D. quod in fraudem creditorum [Dig. 42, 8, 18].« – IV, 21, Def. 11, Alleg. 3: »Pignoris enim remissio favorabilis est et extra causam SC. Velleiani, l. quamvis 8 in princ. D. hoc tit. [Dig. 16, 1, 8 pr.] l. 1 § 1 quibus modis pignus vel hypotheca solvitur [Dig. 20, 6, 1, 1] l. etsi pignus 18 D. quae in fraudem creditorum [Dig. 42, 8, 18].« – Ferner DERS., Rationalia, ad Dig. 16, 1, 8; DONELLUS, Commentarii de Iure civili, Lib. 12, Cap. 29 (S. 118, Zeile 55 ff.). 439 PALAZZINI FINETTI, BIDR 8–9 (1947), 157 Fn. 3, 172; DÍAZ BAUTISTA, RIDA 30 (1983), 81, 87 Fn. 27; TELLEGEN-COUPERUS, RIDA 30 (1983), 313, 325 in Fn. 13. 440 PERNEDER, Gerichtlicher Process, Teil 3, fol. 47 r. Vgl. ferner SICHARD, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 11; WESENBECK, Commentarii, Tom. I (1589), ad Dig. 16, 1, No 7 f.; DONELLUS, Commentarii de Iure civili, Lib. 12, Cap. 30 f.; MOLINA, De iustitia et iure, Vol. II, Disp. 540, No 2; TREUTLER, Selectae disputationes, Vol. I, Disp. 25, Thesis 6, Annotatio c et d. 441 Vgl. hierzu MAIER, Die Bürgschaft in süddeutschen und schweizerischen Gesetzbüchern (1980), S. 210 ff. Zu den österreichischen Landesordnungen WESENER, in: RSJB, Tome 29 (1971), S. 673, 688; BRAUNEDER, Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich (1973), S. 276 f.; LEHNER, ZRG GA 105 (1988), 270, 277 ff.; FLOSSMANN, Festschrift Wesener (1992), S. 131, 134 ff. Zu den Unterschieden zwischen landständischer und landesfürstlicher Rechtssetzung bei der Behandlung der Geschlechter allgemein DIES., Festschrift Carlen (1989), S. 617 ff. 442 Wormser Reformation von 1498, III, 2, 34 Abs. 1, in: QNPD, Bd. I/1 (1936), S. 134: »Wan ein frau sich oder ir gut fur irn eelichen man oder ander verschriben, verpflicht oder verpfendt hat, mag sie ußziehen wider sölich verpflichtigung und fürwenden fryheit und hilf des gesetzs Velleiani und sich damit entretten, so wirt sie nit schuldig, sunder schadlos gehalten.« 443 Frankfurter Reformation von 1578, II, 16, § 11: »Nach dem aber die Weybspersonen, da dieselben für andere, auch für ihre eygene Ehemänner, sich der Bezahlung halben verbürgen, und ihre Güter verschreyben, durch die Keyserlichen Recht, Als, Senatuscon-

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die Authentica Si qua mulier (Nov. 134, 8) führt dabei zu Regelungen, die eine Interzession für den eigenen Ehemann verbieten, so etwa im von Ulrich Zasius verfassten Freiburger Stadtrecht von 1520444 und dem Württembergischen Landrecht von 1555,445 an dessen Abfassung der Zasius-Schüler Johann Sichard maßgeblich beteiligt war. Begründet wird dieses spezielle Verbot weiterhin mit der Überlegung, dass eine Frau leichter dazu gebracht werde, für ihren Mann zu interzedieren als für einen anderen.446 Eine solche Interzessultum Velleianum et Autenticam Si qua mulier etc. sonderlich hoch befreyt seynt, Also, daß solche ire Bürgschafften und Verschreybungen nichtig und krafftlos seyn sollen […].« – Vgl. hierzu COING, Die Frankfurter Reformation von 1578 (1935), S. 59; MAIER, Die Bürgschaft in süddeutschen und schweizerischen Gesetzbüchern (1980), S. 215 ff.; AMEND, in: In eigener Sache (2005), S. 119, 126 ff.; DIES., Wechselverbindlichkeiten vor dem Reichskammergericht (2009), S. 338 f. 444 Freiburger Stadtrecht von 1520, II 9, 8, in: QNPD, Bd. I/1 (1936), S. 263: »Die frow mag sich für irn eeman nit verschriben. Wyter setzen und ordnen wir, das die wybsbilder, so uns angehörig und verwandt und in der ee sind, sich für ire eeman, es gescheh uß irem geheyß oder uß fryem willen, in dhein wis noch gestalt, umb schulden oder in andern contracten verpflichten mögen und was sy darüber zugesagt oder sich verpflicht hetten, sol nit kraft haben; es wer dann, das der schultherr bewyste, das es dem wyb oder irn kinden in irn nutz kommen und bewendet wer.« 445 Württembergisches Landrecht von 1555, II 9, 7, in: QNPD, Bd. I/2 (1938), S. 119: »Die Frauen mögen sich für ire Ehemann nit verschreiben. Wir setzen und ordnen auch weiter, das kein Weibsbild, so uns angehörig, in unserm Fürstentumb und Oberkeit seßhaft und in der Ehe ist, sich für iren Ehemann, das geschehe aus desselben Geheiß oder aus freiem Willen, in kein Weis noch Gestalt, umb Schulden oder in andern Contracten und Handlungen verpflichten oder verbinden. Da aber sollichs wider dise unsere Satzung geschehe, soll dasselbig nit Kraft noch Würkung haben. Es wer dann, das der Schuldherr beweisen und dartun möchte, das der Contract oder Handlung, umb derwegen sie sich verbunden, an iren oder irer Kinder scheinbaren Nutz kommen und bewendt wer worden.« – Zur Nachfolgevorschrift im Landrecht von 1610 vgl. KRAUT, Die Stellung der Frau im württembergischen Privatrecht (1934), S. 39 ff. 446 DUARENUS, Commentarii, ad Cod. 4, 29 et Dig. 16, 1, Cap. 2 (S. 990 linke Sp.): »nam multo facilius adducitur mulier, ut pro viro suo intercedat, quam pro extraneo: ideoque maiori cautione opus fuit, authent. si qua mulier [Nov. 134, 8] C. hic [Cod. 4, 29].« – DONELLUS, Commentarii de Iure civili, Lib. 12, Cap. 29 (S. 119, Zeile 53 ff.): »Imo, quod plus est, pro marito multo minus tenetur, quam pro aliquo extraneo. Quo facilius se mulier pro marito, quam pro aliis obligat, eo magis in marito subveniendum ei fuit. Quam ad rem insignis est Constitutio novella Iustiniani Auth. si qua mulier [Nov. 134, 8] C. ad Senatusc. Velleian. [Cod. 4, 29].« – FABER, Codex Fabrianus, IV, 21, Def. 9, Alleg. 5: »Et sane fuit aequissimum melioris conditionis esse mulierem quae pro marito se obligavit, quam quae pro alio, vel hoc ipso quod facilius est ut eam decipiat maritus quam alius, unde et iam olim ante Velleianum ita ius erat ne pro marito uxor posset intercedere, l. 2 in princip. D. eod. [Dig. 16, 1, 2 pr.]. Iunge l. 4 in fin. eod. [Dig. 16, 1, 4, 1].« – IV, 21, Def. 27, Alleg. 10: »quamvis semper odiosior sit intercessio quae fit pro marito, quia eam facilius facit mulier et plerunque male gratibus suis, ut loquitur Castr. ad d. Auth. si qua mulier [Nov. 134, 8].« – Zu Castrensis s. o. Fn. 333. Ähnlich auch FRANCUS, Commentarii, ad Dig. 50, 17, 2 pr., No 38 f.: »Hoc autem inde traxit originem, quod […] maritalibus lenociniis et illecebris

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sion ist in Anlehnung an Nov. 134, 8 grundsätzlich unwirksam, es sei denn, der Gläubiger kann beweisen, dass das durch die Interzession Erlangte zugunsten der Frau verwendet wurde, wozu freilich eine entsprechende Einlassung der Frau für sich allein noch nicht genügt: »Bey dem ist aber zumercken, so sich ain fraw in ainer verschreibung mit und neben irem haußwirdt, zu sambt irer beder güter verpflicht, das solche verpflichtung, ir der frawen halber gar nit krafft het. Es bringe dann der glaubiger oder klager offenbarlich dar, das die sachen oder güter, darüber die verschreibung auffgericht, in ir der frawen aigen nutz gewent worden und kummen seyen. Es ist auch nit gnug, das die fraw in solcher verschreibung bekenn, das sollich gut in iren nutz gewent, sonder es muß sollichs durch den glaubiger lautter probiert werden.«447

Nur mehr gelegentliche Erwähnung findet schließlich der alte Streit der Glossatoren um die Bedeutung von Cod. 4, 29, 23.448 b) Ausnahmen Als Ausnahmen anerkannt sind weiterhin die in der Glosse aufgeführten Tatbestände einschließlich der dortigen Ergänzungen449 sowie die von den Kommentatoren hinzugefügte Interzession bei einem Minderjährigen,450 so dass es grundsätzlich bei den etablierten zehn Ausnahmefällen bleibt.451 delinitae, aut etiam minis impulsae, pro viris suis plerunque fidem obligabant suam«. – RITTERSHUSIUS, Novellarum Expositio Methodica, Pars III, Cap. 4, No 11: »Ratio differentiae, inter mulierem pro marito intercedentem et eam quae pro extraneo intervenit, haec est quia facilius intercedit mulier pro marito suo, et in illius obligationem consentit, quam pro extraneo se obliget. Quo facilius igitur mulier adducitur […] eo magis ipsi succurrendum putavit Justinianus.« 447 PERNEDER, Gerichtlicher Process, Teil 3, fol. 47 v. Vgl. ferner DONELLUS, Commentarii de Iure civili, Lib. 12, Cap. 29 (S. 120, Zeile 50 ff.): »Ex quo bene vulgo colligitur, si mulier in instrumento confessa sit, rem versam esse in utilitatem suam, eam confessionem illi non nocere, quia haec confessio non est manifesta probatio: nam qua levitate, aut necessitate mulier pro marito intercessit, eadem levitate et necessitate fieri potest, ut fateatur, rem in utilitatem suam versam esse.« – Aus der Spruchpraxis FABER, Codex Fabrianus, IV, 21, Def. 20: »Visum est, non posse illam nomine proprio conveniri ex intercessione propter auctoritatem Senatusconsulti Velleiani et Iustinianeae constitutionis, cum in rem eius nihil versum probaretur.« – Ähnlich DE AFFLICTIS, Decisiones, Dec. 209, No 1 ff., 3: »Fuit pariter et unanimiter votatum, quod quando vir et uxor confitentur se pretium recepisse, nunquam talis confessio praeiudicat mulieri, quando repetit dotem, nisi doceatur, quod medietas dicti pretii sit versa in utilitatem mulieris.« – Zustimmend MENOCHIUS, De praesumptionibus, Lib. III, Praes. 22, No 1 ff., 2: »quod quando maritus et uxor se obligarunt in eodem instrumento, non tenetur mulier nisi quatenus sit versum in eius utilitatem: cum ergo non appareat, hoc in casu partem illius pretii versam fuisse in uxoris commodum, dicendum est, ad eam non praesumi pervenisse.« 448 MOLINA, De iustitia et iure, Vol. II, Disp. 540, No 3; TREUTLER, Selectae disputationes, Vol. I, Disp. 25, Thesis 2, Annotatio b. 449 Siehe oben Fn. 260. 450 Siehe oben Fn. 345.

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Von der Anwendung des SC Velleianum ausgenommen ist seit jeher die Interzession für die Freilassung eines Leibeigenen (pro libertate).452 Gleiches soll nun grundsätzlich gelten, wenn die Interzession erfolgt, um die Freilassung des Ehemanns aus dem Gefängnis zu erwirken.453 Allerdings ist die Rechtsprechung zu dieser Frage nicht einheitlich.454 Der Senat von Savoyen unterscheidet insoweit danach, ob der Mann aufgrund eines Delikts (ex causa delicti) inhaftiert ist oder aufgrund einer vertraglichen Schuld (ex causa civili): Beruht die Haft auf einem Delikt, kann sich die Frau nicht auf das SC Velleianum berufen und bleibt an ihre Interzession gebunden. Beruht die Haft dagegen auf einer vertraglichen Schuld, kann sie sich auf das SC Velleianum berufen, um von ihrer Interzession freizukommen. Diese Differenzierung wird insbesondere damit begründet, dass es ein Gläubiger ansonsten in der Hand hätte, das SC Velleianum zu umgehen, indem er erst den Mann wegen der Verbindlichkeiten in Haft nehmen lässt, um dann die Frau wegen ihrer emotionalen Bindung (nimio mariti amore) zu einer Interzession zu bringen.455 Auffällig ist insoweit, dass bei der Bewertung dieser Interzession 451 SICHARD, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 10: »Et enumerat gl. in l. 1 ff. eod. [Dig. 16, 1, 1] et gl. in fin. infra eod. [Cod. 4, 29, 25] sex casus, quibus non iuvetur mulier per illud S.C. quos casus veteres complexi sunt memoriae iuvandae gratia versibus, hoc modo: Casibus in senis mulier spondendo tenetur. Pro libertate, pro dote, renunciet et si decipiat, precium capiat, caveatque secundo.« – No 22: »His sex casibus gl. in d. l. 1 ff. eodem [Dig. 16, 1, 1], duos alios addit. glos. autem in l. fin. infra eod. [Cod. 4, 29, 25] tres addit. Nicolaus autem de Materellis, quem sequuntur communiter doctores, quatuor omnino adhuc casus addit, quibus mulier non iuvetur Velleiano, quos carminibus amplexus est, sic: Debenti si succedit, si debita coepit, si minor est credens, si commoda propria gessit. Ut sint omnino 10 casus excepti.« – Vgl. ferner SCHNEIDEWIN, Commentarii, ad Inst. 3, 20, 8, No 4; TREUTLER, Selectae disputationes, Vol. I, Disp. 25, Thesis 4, Annotatio c; FABER, Codex Fabrianus, IV, 21, Def. 14, Alleg. 1; DERS., Rationalia, ad Dig. 16, 1, 1; MOLINA, De iustitia et iure, Vol. II, Disp. 540, No 14 ff. 452 PERNEDER, Gerichtlicher Process, Teil 3, fol. 47 r: »Doch hat dise freyhait etlich außnemmung, als wann ain fraw umb das sie ainen menschen vonn der leybaigenschafft erledigt, sich borgschafft weiß verpflicht hette.« – Vgl. ferner SICHARD, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 10; PRUCKMANN, Repetitio, Pars II, Art. 15, No 31; MOLINA, De iustitia et iure, Vol. II, Disp. 540, No 14. 453 PRUCKMANN, Repetitio, Pars II, Art. 15, No 41: »si uxor, se pro viro obligaret, ut liberaret eum ex captivitate, ad hunc enim casum, prohibitio S.C. Velleiani, non porrigitur.« 454 PAPON, Recueil d’Arrests notables, Liv. 12, Tit. 5, Arr. 8: »Par Arrest de Paris, du 21. Mars, l’an 1528 fut une femme receuë au Velleien contre un creancier de son mary, auquel elle s’estoit obligee, pour mettre sondit mary hors de prison. – […] Cette question a esté diversement jugee par Arrests […] I. C.« 455 FABER, Codex Fabrianus, IV, 21, Def. 16: »placuit admittendam esse, cessareque hoc casu Senatusconsultum, propterea quod honestum sit desiderium mulieris virum non tam a carceribus, quam a poenae corporalis aut infamiae periculo eximere volentis. Aliud tamen dicendum fore, si ex causa civili et pro debito maritus in carceres detrusus proponeretur. Et diversitatis ratio est, quia pro civili debito vir captivus potest bonis

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zugunsten des Ehemanns nicht die Authentica Si qua mulier im Vordergrund steht, sondern die exceptio SC Velleiani. Zulässig ist ferner die Interzession zugunsten einer Mitgift (pro dote).456 Wie der Senat von Savoyen diesbezüglich feststellt, kann sich eine Frau von einer solchen Interzession auch nicht mit der Begründung lösen, dass sie aus ehelicher Ehrfurcht (reverentia maritali) gehandelt habe. Diesen Einwand hält er für treuwidrig, außer es werden Drohungen oder Schläge bewiesen (nisi minae probentur aut verbera)457 und damit ein beachtlicher Fall von metus.458 Erfolgt die Interzession für die Mitgift aber erst, nachdem die Ehe bereits geschlossen ist, tritt der Schutz der Mitgift (favor dotis) hinter dem SC Velleianum zurück, da in diesem Fall eine ausbleibende Mitgiftbestellung den – schon verheirateten – Bräutigam nicht mehr davon abhalten kann, die Ehe einzugehen. Zudem liegt insoweit kein treuwidriges Verhalten vor, da er ja schon geheiratet hatte, ehe ihm die Interzedentin überhaupt etwas versprochen hat.459 Sichard wiederum greift den Gedanken von Aretinus auf,460 dass die Bestellung einer Mitgift eine pia causa darstellt und dieser Ausnahmetatbestand somit auf jede Interzession zugunsten einer pia causa ausgedehnt werden cedere, atque ita consequi liberationem, non item cum ex causa delicti: Item quoniam aliter posito iure facile fraus fieret Senatusconsulto, eo scilicet duntaxat acto per creditorem, ut in carceres maritus coniiceretur, statimque mulier nimio mariti amore vita se spoliaret.« – Vgl. ferner IV, 21, Def. 19; IV, 21, Def. 21. 456 PERNEDER, Gerichtlicher Process, Teil 3, fol. 47 r, v: »Deßgleich so ain fraw umb ain heyratgut verborgt, oder sollichs heyratguts halber ain versprechen gethon hette. Dann die heyratgüter sein in recht so hoch begünstigt, das ain jeder er sey weib oder man dieselben, so er es ain mal verhaissen oder zugesagt, zu bezahlen schuldig.« – Vgl. ferner SICHARD, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 12; ad Cod. 5, 11, 7, No 27; PRUCKMANN, Repetitio, Pars II, Art. 15, No 29; FABER, Codex Fabrianus, IV, 21, Def. 14; MOLINA, De iustitia et iure, Vol. II, Disp. 540, No 15. 457 Siehe unten Teil 2, Fn. 182. 458 FABER, Codex Fabrianus, IV, 21, Def. 14: »Intercessionem mulieris pro dote factam non pertinere ad SC. Velleianum indubitati iuris est, nec solum si mulier sui iuris et arbitrii proponatur, sed et si nupta, quae reverentia maritali adactam se dicat, ut de suo dotem promitteret ei, quam dotare maritus debuerat. Neque enim praetextu maritalis reverentiae decipi eum oportet, qui non aliter fortasse uxorem fuerat ducturus, nisi minae probentur aut verbera: quo sane casu aequius esset succurri mulieri, quam marito etiam ignoranti. Nunquam enim quod per vim metumve gestum est ratum haberi debet.« – Ähnlich IV, 21, Def. 23 (s. u. Fn. 475). 459 FABER, Codex Fabrianus, IV, 21, Def. 14: »Sed si contracto iam matrimonio pro dote, quam alius dare debuit, mulier se obligaverit, licet nihil vetet constante matrimonio dotem et augeri et constitui, Velleiano tamen locum esse verius est, quia nec tantus esse debeat favor dotis, quae contrahendo matrimonio causam non dederit, nec dicere possit maritus se deceptum, qui antequam mulier quicquam promitteret iam duxerat uxorem.« – IV, 21, Def. 14, Alleg. 10: »Favor enim dotium aestimatur ex favore matrimoniorum contrahendorum«. – Vgl. hierzu CHEVAILLER, TRG 20 (1952), 263, 288 f. 460 Siehe oben Fn. 347.

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kann, wie etwa Unterhaltsleistungen, Spenden für die Armen oder die Kirchenausstattung.461 Desgleichen kommt eine Anwendung des SC Velleianum nach den hergebrachten Grundsätzen nicht in Betracht, wenn der Gläubiger keine Kenntnis von den maßgeblichen Umständen hat, weil ihn die Frau hierüber täuscht (decipiat),462 nicht zuletzt wenn sie – nach dem schon bei den Kommentatoren beliebten Beispiel aus der Glosse – hierzu Männerkleidung (veste virili) angelegt hat.463 Eingehend beschäftigen sich mit diesem Problemkreis mehrere Entscheidungen des Senats von Savoyen.464 Danach trifft den Gläubiger eine höhere Sorgfaltspflicht nachzuforschen (debet esse creditor diligentior in quaerendo), wofür das Geld verwendet wird, wenn sich bei ihm eine Frau für einen anderen oder gemeinsam mit einem anderen verpflichtet, als wenn sie ihm allein gegenübertritt.465 Im ersten Fall wird der Gläubiger grundsätzlich als nicht schutzSICHARD, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 12 f. »Praeterea cum dos numeretur inter pias causas, lege cum is § si in ea ff. de condictione indebiti [Dig. 12, 6, 32, 2], propter quam rationem mulieres etiam tenentur. quod si verum est, sequitur extendendo hunc casum, quod si in aliis piis causis mulier intercederet, quod non iuvaretur Velleiano senatusconsulto. Exemplo esse poterat in alimentis. nam in piis causis potest fieri extensio de una ad reliquas, ita quod sit iuris in dote, idem in alimentis, in pauperibus, in ecclesiis ornandis observetur. gl. est in l. illud supra C. de sacrosanctis ecclesiis [Cod. 1, 2, 19].« – Vgl. ferner PRUCKMANN, Repetitio, Pars II, Art. 15, No 39 f. 462 PERNEDER, Gerichtlicher Process, Teil 3, fol. 47 v: »Item wa ain fraw arger betrieglicher maynung sich in solch frembd verpflichtung begeben, und des ain vorwissen hette, das sie darumb kain bezalung zuthun schuldig, kan sie mit dieser freyhait auch nit beschirmbt werden.« – Vgl. ferner FRANCUS, Commentarii, ad Dig. 50, 17, 2 pr., No 40 ff.; PRUCKMANN, Repetitio, Pars II, Art. 15, No 8 ff. 463 SICHARD, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 18; MOLINA, De iustitia et iure, Vol. II, Disp. 540, No 18. 464 FABER, Codex Fabrianus, IV, 21, Def. 7, Alleg. 4: »Imo ut sit locus SC. necesse est quod creditor sciat eam intercedere, l. imo 12 et l. 4 eod. tit. [Dig. 16, 1, 12 et 4].« 465 FABER, Codex Fabrianus, IV, 21, Def. 1, Alleg. 3: »Fraudis enim suspicio subest quoties mulier sive pro alio sive cum alio contrahit, et hoc casu debet esse creditor diligentior in quaerendo in quam rem pecunia impendatur, quam si ab initio cum sola muliere contraheret d. l. vir uxori 17 in fine primi responsi D. hoc tit. [Dig. 16, 1, 17 pr.] iunct. l. doli 19 § ult. D. de novationibus [Dig. 46, 2, 19 in fine].« – IV, 21, Def. 7, Alleg. 10: »Quoties enim quis mulierem corream debendi cum marito accipit, suspectam habere debet intercessionem et ideo diligens et curiosus esse debet in faciendo, ut probare quandoque possit in quam rem versa sit pecunia d. l. vir uxori 17 in princ. et § ult. D. hoc tit. [Dig. 16, 1, 17 pr. et 2] quamvis alioqui creditor contrahens cum persona non suspecta non debeat esse curiosus l. doli 19 in fin. D. de novationibus [Dig. 46, 2, 19 in fine].« – IV, 21, Def. 20, Alleg. 8: »Hic enim diligentior esse debuit, inquit Afric. in d. l. vir uxori 17 in fine principii eod. [Dig. 16, 1, 17 pr.].« – IV, 21, Def. 26 Alleg. 11: »Debuit enim esse curiosior et diligentior, ut sibi prospiceret adversus futurum periculum, quod videbat imminere, arg. l. vir uxori 17 in fine principii D. hoc tit. [Dig. 16, 1, 17 pr.].« 461

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würdig angesehen,466 da bei einem solchen Geschäft vermutet wird, dass die Leistung an die beiden Eheleute in deren Innenverhältnis alleine (oder zumindest zur Hälfte)467 dem Mann zusteht und somit insoweit eine Interzession der Frau vorliegt.468 Hat der Gläubiger hingegen im letzteren Fall gutgläubig (bona fide) darauf vertraut, dass die ihm allein gegenübertretende Frau für sich selbst handelt, kann ihm die Einrede des SC Velleianum nicht entgegengehalten werden.469 Denn zum einen würde ansonsten niemand mehr mit Frauen kontrahieren, weil man nicht wissen könne, was diese mit den erlangten Mitteln unternehmen.470 Zum anderen dient diese Einrede nur dem Schutz derjenigen FrauFABER, Codex Fabrianus, IV, 21, Def. 20: »Neque hic locum habere poterat, quod dici solet, qui bona fide mulieris personam in contrahendo secutus est, ob ea, quae inter virum et uxorem accepta pecunia gesta sunt, summoveri non debere. Id enim ad eum pertinet, qui cum sola muliere contraxit, non ad eum, qui cum muliere aut viro simul, aut cum illa sola, sed viro praesente.« 467 FABER, Codex Fabrianus, IV, 21, Def. 7: »Nam sive dicas praesumi totam pecuniam ad virum pervenisse, tanquam ad potentiorem, sive quod verius est, ad quemlibet ipsorum pro aequiis portionibus«. 468 FABER, Codex Fabrianus, IV, 21, Def. 9: »Praesumptio tamen est, si egenti marito et uxori simul credita sit pecunia, totam videri mulierem eam ad maritum pervenisse, ideoque videri eam intercedere«. – IV, 21, Def. 20: »Scire namque debuit fore, ut ex iuris praesumptione pecunia tota ad maritum pervenisse crederetur, et mulier Senatusconsulto iuvaretur.« – Ähnlich IV, 21, Def. 1: »in dubio praesumendum nihil ex emptionis pretio ad mulierem pervenisse videri, ad quam negotium non spectabat«. – IV, 21, Def. 27: »si uxor cum marito vendiderit. Tunc enim praesumendus est maritus non mulier emptorem quaesivisse et invenisse. […] cum his casibus non possit emptor ignorare factam a muliere intercessionem, sive pro marito facta sit, sive pro alio.« – IV, 21, Def. 27, Alleg. 5: »sicuti cum vir et uxor pecuniam accipiunt praesumitur tota pecunia ad virum pervenisse.« 469 FABER, Codex Fabrianus, IV, 21, Def. 7: »Cum absente viro mulier creditorem solicitasset, ut sibi pecuniam crederet, ac creditor mulieris nomen bona fide secutus esset, placuit non esse Senatusconsulti Velleiani exceptione repellendum […] vix est ut non habeat decipiendi animum mulier«. – IV, 21, Def. 22: »Nam imputari ei non posset, cur non fuisset curiosior et diligentior, sufficeretque ad excludendum Velleianum, quod mulieris nomen bona fide secutus esset.« – Ähnlich IV, 21, Def. 5: »Qui mandante muliere ei solvit bona fide, apud quem mulier pro viro aliove contra SC. intercesserat, non idcirco Senatusconsulti exceptione repellendus est«. – IV, 21, Def. 1, Alleg. 8: »Aliud est si fundum suum sola ipsa vendiderit suo nomine quamvis postea proprium solverit creditori mariti, l. 4 Cod. eod. [Cod. 4, 29, 4].« – IV, 21, Def. 3, Alleg. 3: »Dummodo illa ipsa quaesiverit emptorem, non maritus aut creditor mariti, l. ult. § item si mulier ubi gloss. D. hoc. tit. [Dig. 16, 1, 32, 2].« 470 FABER, Codex Fabrianus, IV, 21, Def. 7, Alleg. 1: »Nam qui bona fide personam mulieris in contrahendo secutus est, ob ea, quae inter virum et uxorem accepta pecunia gesta sunt, exceptione Senatusconsulti non submovetur, l. bona fide 27 in princip. D. hoc tit. [Dig. 16, 1, 27 pr.]. Alioquin nemo cum foeminis contrahet ne quidem bona fide, cum ignorari possit quid postea sint acturae, l. si mulier 11 eod. [Dig. 16, 1, 11] iunct. l. ait praetor 7 alias l. etsi sine § quaesitum in fin. D. de minoribus [Dig. 4, 4, 7, 8].« – IV, 21, Def. 5, Alleg. 1: »Alioqui nemo cum foeminis contrahet, cum ignorari possit quid acturae sint 466

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en, die Nachteile erleiden, aber nicht derer, die Nachteile zufügen (deceptis duntaxat non etiam decipientibus mulieribus subveniri).471 Eine Frau, die den Gläubiger treuwidrig zu einem Interzessionsgeschäft verleitet hat, kann sich selbst dann nicht auf das SC Velleianum oder die Authentica Si qua mulier berufen, wenn sie ihrerseits ebenfalls durch Schmeicheleien ihres Ehemanns getäuscht wurde (mulier maritalibus blandimentis decepta).472 Anders verhält es sich jedoch, falls die Frau durch vorangegangene Drohungen und Schläge des Ehemanns (mariti minas et verbera praecessisse)473 dazu genötigt wurde, den Gläubiger zu dem betreffenden Geschäft zu verleiten, weil dann eher ein beachtlicher metus anzunehmen ist als eine Täuschungsabsicht der Frau. In diesem Fall ist es daher unerheblich, ob der Gläubiger von den Drohungen und Schlägen weiß, da sowohl die actio als auch die exceptio quod metus causa beide in rem scripta474 sind und es somit nur auf die Tatsache ankommt, dass die Frau genötigt wurde, aber nicht von wem.475 Wirkt der Gläubiger gar kollusiv an der Umgehung des SC Velleianum durch den Ehemann oder an einer unlauteren Einflussnahme auf die Frau (male persuasa muliere) mit, ist er nach Ansicht des Senats von Savoyen ohnehin nicht schutzwürdig.476 aut quid antea egerint. Imo tunc SC. locus est, cum creditor scit mulierem intercedere, l. si mulier 11 in fin. et l. seq. [Dig. 16, 1, 11 et 12] l. bona fide 27 D. hoc tit. [Dig. 16, 1, 27].« 471 FABER, Codex Fabrianus, IV, 21, Def. 4: »Certum enim est, deceptis duntaxat non etiam decipientibus mulieribus subveniri oportere.« – IV, 21, Def. 7: »Iam enim supra diximus deceptis duntaxat non decipientibus mulieribus subveniri oportere«. – IV, 21, Def. 17: »Iam autem saepius diximus, deceptis tantum, non etiam decipientibus mulieribus Senatusconsulto subveniri.« – IV, 21, Def. 23: »Mulierem, quae emptorem, ut secum contraheret, sollicitasse probatur, constat non esse iuvandam Velleiano, quia deceptis, non decipientibus subvenire Senatus voluit.« – Ähnlich CRAVETTA, Consilia, Cons. 192, No 13. 472 FABER, Codex Fabrianus, IV, 21, Def. 4: »Etiam cum mulier maritalibus blandimentis decepta est ut pro marito intercederet, si eum, qui contrahere nolebat, induxerit, ut vel pecuniam marito crederet, vel fundum dotalem emeret, ex cuius pretio creditoribus mariti satisfieri posset, frustra postmodum legis Iustinianeae aut SC. auxilium implorat.« – Vgl. hierzu CHEVAILLER, TRG 20 (1952), 263, 286 f. 473 Siehe unten Teil 2, Fn. 182. 474 Siehe unten Teil 2, Fn. 39 und Fn. 46. 475 FABER, Codex Fabrianus, IV, 21, Def. 23: »Sed tamen si probet mulier, mariti minas et verbera praecessisse, non ei nocebit, quod emptorem sollicitaverit, quia per vim et metum id fecisse credenda est potius, quam animo alterius decipiendi. Neque ad rem pertinebit, quod ille, cum quo postea contraxit, vim istam metumque illatum ignoraverit. Nam et actio et exceptio quod metus causa in rem est, non in personam, nec aliud inspiciendum est, quam utrum vis facta sit, non etiam a quo.« – Ähnlich IV, 21, Def. 14 (s. o. Fn. 458). 476 FABER, Codex Fabrianus, IV, 21, Def. 3: »Praeterquam si quid in fraudem legis a marito factum probetur, inducto per eum aut per eius creditorem emptore, aut male persuasa muliere ut venderet, ad hoc duntaxat ut intercessioni color quaereretur. Plane si creditor ipse mariti emptor proponatur, non obscura fraudis suspicio est, contra quam vix est ut probatio in contrarium admitti debeat.« – Vgl. hierzu CHEVAILLER, TRG 20 (1952), 263, 285 und 286.

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Eine weitere Ausnahme ist zu machen, wenn die Frau für ihre Interzession eine Gegenleistung erhält (pretium capiat).477 Was den Meinungsstreit der Kommentatoren um die erforderliche Höhe der Gegenleistung angeht, billigt Sichard grundsätzlich die Ansicht von Cinus,478 dass diese den vollen Wert der Interzession abdecken müsse. Den Standpunkt von Salicetus,479 dass insoweit jedwede, auch noch so geringe Gegenleistung genüge, hält Sichard dagegen nicht für überzeugend. Stattdessen folgt er – ähnlich wie schon Aretinus480 – der von Baldus vertretenen Auffassung,481 dass es der richterlichen Prüfung zu überlassen sei, ob es sich im Einzelfall um eine angemessene Gegenleistung handelt, für die auch ein verständiger Hausvater interzediert hätte.482 Gleichermaßen äußern sich andere Autoren zu dieser Frage,483 wenn477 PERNEDER, Gerichtlicher Process, Teil 3, fol. 47 v: »Item diese freyhait und exception hat nit stat, wa ain fraw umb sollich ir verpflichtung vil oder wenig eingenommen, unnd solches einnemmens uberwisen werden mag.« – Vgl. ferner MENOCHIUS, De praesumptionibus, Lib. III, Praes. 21, No 4; SICHARD, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 19; PRUCKMANN, Repetitio, Pars II, Art. 15, No 32; MOLINA, De iustitia et iure, Vol. II, Disp. 540, No 17. 478 Siehe oben Fn. 357. 479 Siehe oben Fn. 360. 480 Siehe oben Fn. 361. 481 Siehe oben Fn. 359. 482 SICHARD, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 20: »Cyn. hic d. precium debere esse aequale cum ea summa pro qua intercedit. quae sententia habet aequitatem. Salicetus autem in d. l. antiquae [Cod. 4, 29, 23] generaliter dicit, quantumcumque sit precium quod accepit mulier pro intercessione, ut amplius non habeant beneficium senatusconsulti, quia in contumeliam sui privilegii vel legis videtur aliquid accipere, et sic privilegio suo renunciare: […] quae sententia est sane dura, quam non sequerer. Magis autem sententia Bal. arridet, qui dicit, hoc esse permittendum arbitrio iudicis: ut etiam aliis casibus, ubi non est certus modus, tempus, locus definitus. per l. si quis ita § Seia ff. de verborum obligationibus [Dig. 45, 1, 135, 2]. Iudex autem tum aestimabit, an diligens paterfamilias pro eo precio quod tum versabitur in controversia, in eam intercessionem venisset: et pro eo vel statuet teneri mulierem, vel iuvari senatusconsulto Velleiano.« 483 MENOCHIUS, De arbitrariis, Lib. II, Casus 234, No 3 f.: »Sed dubitari nunc contingit, quae et qualis, quantave esse debeat res illa et illa summae? hoc iure diffinitum non est, ob id iudicis arbitrio relinquitur.« – DUARENUS, Commentarii, ad Cod. 4, 29 et Dig. 16, 1, Cap. 2 (S. 989 rechte Sp.): »Existimo tamen, si exigua quantitas sit data mulieri mercedis loco, ut intercedat, ut appareat hoc in fraudem datum esse, exceptione senatusconsulti adiuvandam esse mulierem: idque relinquendum esse arbitrio iudicis.« – MOLINA, De iustitia et iure, Vol. II, Disp. 540, No 17 in fine: »Debet autem, quod accipitur, esse tantum, ut non reputetur pro nihilo, et ut non censeatur factum ad decipiendam mulierem, ut ita maneat omnino obligata: quae iudicis arbitrio relinquenda sunt, num talia sint censenda, nec ne«. – TREUTLER, Selectae disputationes, Vol. I, Disp. 25, Thesis 4, Annotatio a: »De quantitate precii, quo accepto mulier excludatur ab hoc beneficio, controvertunt Dd. Placet eorum sententia, qui arbitrio iudicis id permitti volunt.« – Ähnlich PRUCKMANN, Repetitio, Pars II, Art. 15, No 33: »Verum, cum quantitas, qua mulier privilegii sui expers fit, certo in iure non sit definita, boni viri, erunt partes, quanta ea esse debeat, moderare.«

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

gleich prominente Stimmen wie Donellus auch für den Standpunkt von Salicetus eintreten.484 Ferner findet das SC Velleianum keine Anwendung, wenn die Frau, wie in Cod. 4, 29, 22 vorgesehen, die Interzession nach Ablauf von zwei Jahren wiederholt.485 Einer Belehrung über die Wirkungen dieser Neuvornahme bedarf es dabei nicht.486 Für den Fall schließlich, dass die Frau zusammen mit ihrem Mann ein Handelsgeschäft betreibt, haftet sie gemeinsam mit ihm für die entsprechenden Geschäftsschulden und kann sich gegenüber den Gläubigern nicht auf das SC Velleianum bzw. die Authentica Si qua mulier berufen, wie Perneder 1544 unter Verweis auf das Bayerische Landrecht und »gebreiich« feststellt: »Item welche fraw zu offenbaren kramladen oder marckt sitzt, oder die mit irem man wirt oder gasthafft helt, die kan sich nach vermöge Bayrischer Lands recht und gebreiich, der velleianischen freyhait wa sie nit besunder geding hette, kains wegs behelffen, sunder muß mit irem man bezalen.«487

Dabei ordnet das Bayerische Landrecht von 1518 bloß die gemeinsame Haftung der Eheleute ausdrücklich an,488 ohne aber in diesem Zusammenhang oder anderweitig die Interzession der Frau zu behandeln,489 was für das Vorliegen eines entsprechenden Rechtsbrauchs im Herzogtum Bayern 484 DONELLUS, Commentarii de Iure civili, Lib. 12, Cap. 32 (S. 127, Zeile 51 ff.): »Neque distinguit quantum acceperit: ut appareat eam, si pro magna quantitate intercesserit quamvis modico aliquo accepto, nihilomagis beneficio S.C. uti posse.« – PERNEDER, Gerichtlicher Process, Teil 3, fol. 47 v scheint im Ergebnis ebenfalls dem zuzuneigen, dass es insoweit keinen Unterschied mache, ob die Frau »vil oder wenig eingenommen« hat (s. o. Fn. 477). 485 PERNEDER, Gerichtlicher Process, Teil 3, fol. 47 v: »Item so ain fraw sich für ainen andern verpflicht, und nachvolgendt zway jar darüber verscheinen laßt, und dieselb alt verschreibung mit bürgschafft, pfantung oder ander verbindung wider ernewert, kan sie sich alßdann solcher exception und einreden weiter auch nit gebrauchen.« – Vgl. ferner MENOCHIUS, De praesumptionibus, Lib. III, Praes. 21, No 2; SICHARD, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 21; MOLINA, De iustitia et iure, Vol. II, Disp. 540, No 16. 486 MENOCHIUS, De praesumptionibus, Lib. III, Praes. 21, No 3; SICHARD, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 22. 487 PERNEDER, Gerichtlicher Process, Teil 3, fol. 47 v. 488 Bayerisches Landrecht von 1518, XLIV Art. 7 Abs. 2, in: QNPD, Bd. I/2 (1938), S. 48: »Welche Person aber zu offem Cram und Mack sytzen, oder offen Gastgeben und anderer dergleich Person, Mann und Weyb, die gemain Hantierung Kaufens und Verkaufens zu gleichem Gewinn miteinander nemen und empfahen und ir beder Gewerb und Narung damit treiben und fürnemen, wo in sölchen und dergleichen Fällen Irrung entsteen, söllen Mann und Weyb bederseyt, wo zwischen ir nit sondere Geding sind, zubezalen verpflicht sein.« 489 Vgl. SCHUPPENIES, Die Bürgschaft im Bayerischen Landrecht (1975), S. 97 f.; MAIER, Die Bürgschaft in süddeutschen und schweizerischen Gesetzbüchern (1980), S. 212 f.

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spricht.490 Demgegenüber wird in manchen Partikularrechten im Fall eines gemeinsam betriebenen Handelsgewerbes nicht nur die Mithaftung der Ehefrau, sondern auch die Gültigkeit ihrer Interzessionen explizit festgelegt, wie etwa in den Nürnberger Reformationen von 1479,491 1522492 und 1564,493 der Frankfurter Reformation von 1578494 oder dem Revidierten Lübischen Stadtrecht von 1586.495 Auch Gaill hält dieses Ergebnis für gerechtfertigt, wenn die Frau »so zu offenem Kramladen oder marckt sitzt oder die mit irem man wirdt oder gastschafft helt« und begründet dies insbesondere mit dem in Deutschland geltenden Gewohnheits- und Statutarrecht (passim in Germania consuetudine, vel statuto receptum et constitutum est).496 In der ersten Auflage von Vgl. auch Bayerisches Landrecht von 1616, I Art. 12 Satz 1 (s. u. Fn. 569). Nürnberger Reformation von 1479, 12, 5, in: QNPD, Bd. I/1 (1936), S. 9: »Gwandschneider und kremer, die zu krome, gewelbe oder laden sitzen und gemeins kaufens oder verkaufens warten, auch wechsler und offen gastgeben, die dann gemeinlich pflegen frömbde gest, die yezuzeiten aus und ein reiten und ziehen, zehalten, und auch die zu offem markt sitzen oder pflegen zehandeln, und da man und weib ire keuf und hantierung zu gemeinem und ir beder gewerbe und narung fürnemen; in söllichem und dergleichen vällen, auf erkantnus des rechten, so spenn dar innen entsünden, söllen man und weib bederseit zebezalen verpflicht sein; doch also, das die frau an söllicher gemeiner hantierung mit irem man gleichen gewyn neme und entpfahe.« – 28, 16, a. a. O., S. 69 f.: »[…] und die eefrauen, die in gemainen handel irer mann steen, dardurch sie nach inhalt eins besondern gesetzs mit ine zebezahlen schuldig sein, so sich dieselben in purgschaft geben, so sein die mit kraft der purgschaft verpunden«. 492 Nürnberger Reformation von 1522, 12, 5 und 28, 16, abgesehen von einer Ergänzung am Ende von 12, 5 jeweils mit identischem Wortlaut wie die Reformation von 1479. Vgl. PETERKA, Festschrift Zycha (1941), S. 337, 348 f. 493 Nürnberger Reformation von 1564, 19, 5 Abs. 5: »Aber die Eefrawen, so verdinglich geheirat, und doch mit iren Eemennern in gemainem gewerb und handtierung steen, in fellen, da ains für das ander, laut hernach geordneter gesetz, zubezalen schuldig ist, Die mügen sich auch für andere verpflichten und pürgschaft thun […].« 494 Frankfurter Reformation von 1578, II, 16, § 12 Satz 1: »So viel dann die Freyheyt obberürter Autenticae Si qua mulier etc. betrifft, Ordnen und wöllen Wir, daß dieselbig nicht statt haben sol, in Handelspersonen, und wann das Weyb so wol als der Mann, mit im Handel ist, und derwegen ire Güter für denselben verschreybt.« – Vgl. hierzu MAIER, Die Bürgschaft in süddeutschen und schweizerischen Gesetzbüchern (1980), S. 215 f.; AMEND, in: In eigener Sache (2005), S. 119, 129 ff., 137 ff.; DIES., Wechselverbindlichkeiten vor dem Reichskammergericht (2009), S. 354 f.; BAUMANN, Geschichte in Köln 54 (2007), 95, 107 f. 495 Revidiertes Lübisches Stadtrecht von 1586, I 5 Art. 7 a. E.: »Es were dann, das die Fraw mit gelobet, welches doch dahin zu vorstehen, wann sie ein Kauff Fraw gewesen, […] so mus sie mit zalen helffen.« – Vgl. ferner die Legaldefinition der Kauffrau in III 6, Art. 21: »Eine Kauff Fraw was sie kaufft, mus sie zahlen, Ein Kauff Frau aber ist, welche aus und einkaufft, offene Laden und Fenster helt, mit Gewicht, Wage, Maß und Elen aus und inwieget und mist.« 496 GAILL, Practicae observationes, 3. Aufl. (1583), Lib. II, Obs. 90, No 5: »Tertio non procedit ista regula in marito et uxore mercatoribus, puta communem negociationem aut 490 491

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1578 finden sich an dieser Stelle allerdings weder der zitierte deutsche Einschub noch der entsprechende Verweis auf das Gewohnheits- und Statutarrecht, sondern nur das Argument, dass bei einem von Mann und Frau gemeinsam betriebenen Handelsgeschäft gleichsam wie bei einer Gesellschaft (quasi iure societatis) eine Mithaftung der Frau angezeigt ist, um eine Kollusion der Eheleute zulasten der Gläubiger zu verhindern.497 Vor allen Dingen aber stellt Gaill in diesem Zusammenhang schon seit der ersten Auflage auf die Ausnahme in Nov. 134, 8 selbst ab: Da die Frau hier aus der Geschäftstätigkeit des Mannes einen Gewinn und Zuwachs des Familienvermögens erhält (lucrum et augmentum rei familiaris accipit), wird im Sinne von Nov. 134, 8 unterstellt, dass die vom Gläubiger erlangten Mittel zu ihren Gunsten verwendet worden sind (pecunia creditoris in eius utilitatem utique versa esse censetur) und sie daher für ihren Mann haftet.498 Die (Mit-)Haftung der Frau bei einem gemeinsam mit dem Ehemann betriebenen Handelsgeschäft lässt sich demnach also auch allein mit dem Ius commune begründen. In einem Verfahren vor dem Reichshofrat können jüdische Frauen 1615 erfolgreich das SC Velleianum geltend machen, weil ihnen der Nachweis gelingt, dass sie nicht etwa als Teilhaberinnen ein gemeinsames Geschäft mit ihren Ehemännern geführt haben, sondern nur gelegentlich dabei mithalfen.499

Übt die Frau das Handelsgewerbe allein aus, soll sie sich ebenfalls nicht auf das SC Velleianum berufen können. Girtanner sieht die Ursache hierfür in der Geschäftserfahrenheit der Kauffrau, bei der gerade keine Schwäche oder Unerfahrenheit gegeben sei, so dass bei ihr mit der ratio auch das Interzessionsverbot wegfällt.500 Zudem finden sich ähnliche Regelungen für die Handelsfrau außerhalb Deutschlands sogar schon früher, etwa im mittelalterlichen cauponariam, exercentibus, so zu offenem Kramladen oder marckt sitzt oder die mit irem man wirdt oder gastschafft helt, quia tali casu, uxor quasi iure societatis, et tanquam correa debendi pro marito tenetur, nec poterit uti beneficio S.C. Velleiani, ne bona fide cum ipsis contrahentes inique decipiantur, et ita passim in Germania consuetudine, vel statuto receptum et constitutum est«. 497 GAILL, Practicae observationes, 1. Aufl. (1578), Lib. II, Obs. 90, No 5: »Tertio non procedit ista regula in marito et uxore mercatoribus, puta communem negociationem exercentibus: quia tali casu, uxor quasi iure societatis, et tanquam correa debendi pro marito tenetur, ne bona fide contrahentes inique decipiantur«. 498 GAILL, Practicae observationes, 1. Aufl. (1578), Lib. II, Obs. 90, No 5: »[…] Praeterea, quoniam hoc casu uxor ex negociatione mariti lucrum et augmentum rei familiaris accipit, pecunia creditoris in eius utilitatem utique versa esse censetur, et proinde pro marito obligatur. ad hoc induco text. in Auth. si qua mulier C. ad S.C. Velleianum [Nov. 134, 8].« Diese Ausführungen stimmen in beiden Auflagen völlig überein. 499 STAUDINGER, in: In eigener Sache (2005), S. 153, 170 ff., 174 f. – Zur Anwendbarkeit des SC Velleianum auf Interzessionen von jüdischen Frauen allgemein RÖSLIN, Abhandlung von besondern weiblichen Rechten, Bd. II (1779), S. 250 ff. (§§ 46 ff.). 500 GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. I (1850), S. 275.

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spanischen Foralrecht.501 Dies legt die Vermutung nahe, dass diese Ausnahme neben dem örtlichen Gewohnheitsrecht durchaus auch andere Wurzeln hat. Möglicherweise ließ sich selbst die Interzession einer alleinstehenden Handelsfrau häufig unmittelbar unter eine der seit der Glosse etablierten Ausnahmen subsumieren, sei es dass sich die geschäftsgewandte Kauffrau eine Gegenleistung für die Interzession ausbedingt (pretium capiat),502 sei es dass sie ohnehin von vornherein im eigenen Interesse (in rem suam) interzediert.503 In einem Kölner Verfahren vor dem Reichskammergericht etwa rekurriert der obsiegende Gläubiger sowohl auf das Partikularrecht als auch auf das Ius commune: Einerseits wird auf das von der Frau mit ihrem Mann betriebene Handelsgewerbe abgestellt, andererseits auf die Interzession im eigenen Interesse (in rem suam) als einen der hergebrachten Fälle, bei dem das SC Velleianum keine Anwendung findet.504 c) Insbesondere: Verzicht – »es mag sich auch ain fraw diser irer freyhaiten verzeihen« Breiten Raum nimmt auch im 16. Jahrhundert die Behandlung des Verzichts auf das SC Velleianum ein. Zum einen wird der nach Cod. 5, 35, 3 (bzw. Nov. 94, 2 und Nov. 118, 5) für die Übernahme der Vormundschaft vorgeschriebene Verzicht der Frau in der Gesetzgebung rezipiert, wie etwa in der Wormser Reformation von 1498,505 den Frankfurter Reformationen von

LALINDE ABADÍA, AHDE 41 (1971), 335, 353 f. m. w. N. Vgl. insbesondere die Schilderung der Florentiner Praxis durch Castrensis (s. o. Fn. 362) bei der Diskussion dieses Ausnahmetatbestands. 503 WACKE, ZRG RA 111 (1994), 280, 319 f. Fn. 154 verweist darüber hinaus auf Ulp. Dig. 14, 3, 7, 1, wo eine Geschäftsleiterin (institrix) trotz Interzession haftet und sich also nicht auf das SC Velleianum berufen kann. 504 KORDES, Rheinische Vierteljahrsblätter 66 (2002) 211, 229 ff., 236: »[…] daß gemeltt senatus consultum in vilen vellen cessirt und dem freulichen Geschlecht nitt zu hilff kumbt […] dieweyel die verschreibung oder hantschrifft gar nitt mit sich bringt, daß Agnes fur iren hauswirtt Endressen Imhoff sich verbunden oder fideiubirt, sondern sich selbst obligirt und in rem suam intercedirt […]. Dann [ist] die unlaugbare warheytt, daß vil gedachte Agnes eben so woll als Andres ir hauswirtt kauffmanschafft getriebenn, gheen Franckfurt, Antorff und an andere ende auff merck gezogen und mit kauffen und verkauffen gehandelt, daß also auß diesen rechtmessigen erheblichen ursachen das senatus consultum Velleianum ir keins wegs dienstlich seyn und von furgebrachter clag und forderung ledig machen kann.« 505 Wormser Reformation von 1498, IV, 1, 4 Abs. 3 Satz 1, in: QNPD, Bd. I/1 (1936), S. 138: »Aber frauen mögen vormunderin syn und tutel annemmen; doch das sie sich vor und ee verzyhen, wyter zu vermaheln, und alles behelfs der rechten und sonder des rechten Velleiani.« – Vgl. ferner IV, 1, 6 Abs. 1 Satz 1, a. a. O., S. 139: »So ein man oder hußvatter tods abgeet und nach yme verlest ein eelich hußfrauwitwe mitsampt eelichen und natürlichen kinden, so ist von miltigkeit zugelassen, das die muter und witwe vormunderin syn 501 502

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1509506 und 1578507 oder den Nürnberger Reformationen von 1479,508 1522509 und 1564510. Zum anderen findet dort die seit den Glossatoren etablierte Möglichkeit eines fakultativen Verzichts ihren Niederschlag.511 Auch in der Literatur wird ein solcher Verzicht überwiegend für zulässig gehalten, wenngleich dabei immer noch an die kritischen Stimmen unter den Kommentatoren erinnert wird.512 Teilweise wird er mit deren Argumenten sogar nach wie mag, doch soverr, das sie sich verzyhe, nit wider in eelichen state zutund oder zuverandern, auch des rechten oder fryheit genant Velleiani.« 506 Frankfurter Reformation von 1509, 35 Abs. 6, in: QNPD, Bd. I/1 (1936), S. 237: »Wo auch ein muter oder anfräu irer kinder tutrix sein wölt nach abgang ires hußwirts, soll sie zugelassen werden. Doch das sie sich der zweiten ehe und beneficio senatusconsulti Velleiani verzyhen soll und aller andrer fryheit, mit unterpfande aller irer gütter, und schweren, wie obgemelt, und ein inventarium machen lassen sol.« 507 Frankfurter Reformation von 1578, VII, 2, § 4: »[…] Doch, daß sie so bald sich deß Beneficii Senatusconsulti Velleiani, auch aller andern Weyblichen Freyheyten (deren sie doch gnugsam sol verstendiget werden) verzeyhen«. – Vgl. hierzu COING, Die Frankfurter Reformation von 1578 (1935), S. 12 f. 508 Nürnberger Reformation von 1479, 18, 2 Abs. 1, in: QNPD, Bd. I/1 (1936), S. 27: »[…] und so aber der man on gescheft abgeet und leipliche kinder und der kinder muter, sein weib, hinter im lest und sie bey den kinden und habe sitzen und sich der vormundschaft underwinden wil […] so sol sie auf freuliche freyheyt und hilf des rechten verzeihen, auch ire aigne güter verheften und verpinden zu versicherung der kinder habe und gutter; und sie das tutt, sol sie alsdann die vormundschaft getreulich ausüben«. 509 Nürnberger Reformation von 1522, 18, 2 Abs. 1, von der Schreibweise abgesehen mit identischem Wortlaut wie die Reformation von 1479. 510 Nürnberger Reformation von 1564, 39, 3 Abs. 2: »Wann nun der Vater mit tod abgangen, und der Kinder eeleibliche Muter noch in leben were, So mag sie sich derselben irer Kinder Vormundschaft, underfahen […] Doch soll sie sich irer weiblichen freyheit verzeihen, und ire aigne Güter, zu versicherung der Kinder anerstorbnen Erbteils, verpfenden.« 511 Wormser Reformation von 1498, III, 2, 34 Abs. 2, in: QNPD, Bd. I/1 (1936), S. 134: »So aber ein frau sich derselben gnaden Velleiani und aller fryheit und gnaden des rechten verziegen hett, so were sie schuldig zubezalen oder zutun, des sie sich verschriben hette.« – Von der Haftung ausgenommen bleibt allerdings ihre Aussteuer vgl. V, 5, 2 Abs. 2, a. a. O., S. 216 f.: »Derglychen setzen und ordenen wir: ob ein frauwe versprüchnus tete oder bürg würde für einen andern oder sich und ire güter verpflichtet in gemein oder besonder mit verzyhen oder ubergehen der fryheit Velleiani und aller ander gnaden des rechten, wöllen wir nitdestminder ir eestür und zimlich kleyder und kleynot damit unverbunden, unverpflicht, fry und unbeschwert haben und gehalten werden.« 512 PERNEDER, Gerichtlicher Process, Teil 3, fol. 47 v: »Item es mag sich auch ain fraw diser irer freyhaiten verzeihen, unnd wiewol etlich wöllen das sollich verzicht ausser gerichts nit stat habe, so ist doch der gebrauch darwider.« – SICHARD, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 4, 14: »Quia beneficium S.C. Velleiani principaliter est in favorem mulierum introductum, ut iam diximus. Sed favori pro nobis introducto, possumus renunciare. Licet subtilis Pet. et Cyn. eius discipulus, et multi ex veteribus putaverint gl. non dicere verum. moti sunt sane argumento probabili. Nam quemadmodum mulier intercedens praesumitur facilitate et incogitantia laedi, ut sic mereatur beneficium S.C. Velleiani ut dicit l. 1 ff. eod. [Dig. 16, 1, 1]. eadem etiam facilitate potest mulier

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vor abgelehnt, wie etwa von Gomez,513 Covarruvias,514 Molina,515 Donellus,516 Francus,517 Wesenbeck518 und Faber519 – das heißt über politische und konfessionelle Grenzen hinweg. induci ad renunciandum, et sic laedi: quo casu aequum est ei quoque succurri: allegant ad hoc l. doli § diversum ff. de novationibus [Dig. 46, 2, 19], quae sententia est multum aequa. tamen Bartolus in l. fin. infra eo. [Cod. 4, 29, 25] recedit ab ea, et distinguit.« – GAILL, Practicae observationes, 1. Aufl. (1578), Lib. II, Obs. 77, No 1: »Communis est Dd. opinio, mulierem posse renunciare S.C. Velleiano, licet Ultramontani contrarium teneant, gloss. Bart. Alberic. et communiter Dd. in l. fin. § fin. ff. ad S.C. Velleianum [Dig. 16, 1, 32, 4]. ubi Alberi. dicit totum mundum ita servare, quod scilicet mulier renunciare posset huic beneficio«. – Zur Glosse s. o. Fn. 276; zu Albericus de Rosate s. o. Fn. 375; zu Bartolus s. o. Fn. 377 und Fn. 380. – Vgl. ferner DUARENUS, Commentarii, ad Cod. 4, 29 et Dig. 16, 1, Cap. 2 (S. 990 linke Sp.); SCHNEIDEWIN, Commentarii, ad Inst. 3, 20, 8, No 4; PRUCKMANN, Repetitio, Pars II, Art. 15, No 11; TREUTLER, Selectae disputationes, Vol. I, Disp. 25, Thesis 4, Annotatio f.; FACHINEUS, Controversiae iuris, Lib. II, Cap. 59, S. 342 f. 513 GOMEZIUS, Resolutiones, Tom. II, Cap. 13, No 17: »Sed his non obstantibus, ego teneo contrariam sententiam, imo, quod talis renunciatio non valeat: Primo, quia eadem fragilitate qua mulier inducitur ad fideiubendum induceretur ad renunciandum, unde sibi subveniendum est. […] Sed hodie in nostro Regno approbatur prima opinio superior, quae habet, quod valeat praedicta renunciatio.« – Zu den Leyes de Toro von 1505 vgl. DERS., Ad Leges Tauri Commentarius, ad ll. 14–16, No 10 f.; ad l. 61, No 1 ff.; MOLINA, De iustitia et iure, Vol. II, Disp. 540, No 6, 8. Ferner GIDE, Étude sur la condition privée de la femme (1885), S. 326 f.; LALINDE ABADÍA, AHDE 41 (1971), 335, 358, 366. 514 COVARRUVIAS, C. quamvis, De pactis [Lib. Sext. 1, 18, 2], Pars II, § 3, No 5: »extra iudicium autem non potest expresse adhuc renunciare, etiam si certa sit: quia eadem facilitate, qua inducitur ad fideiubendum, eadem, et ad renunciandum […]. Imo secundum consuetudinem sufficit renunciatio expressa huius beneficii, etiam sine iuramento, etiam extra iudicium.« 515 MOLINA, De iustitia et iure, Vol. II, Disp. 540, No 5 ff., 10 f.: »Ducuntur, quoniam, qua facilitate mulieres adducuntur ad fideiubendum, aut se obligandum pro aliquo, eadem inducerentur ad renunciandum Velleiano: quare, cum ea de causa sit eis concessum privilegium illud, debent retinere illud, esto ei renuncient: alioquin non esset illis consultum.« 516 DONELLUS, Commentarii de Iure civili, Lib. 12, Cap. 32 (S. 128, Zeile 1, 43 ff.): »Nam profecto qua facilitate intercessit mulier, ut obligaretur, eadem facilitate nullo negotio adducetur, ut beneficio senatusconsulti renuntiet, quo magis ita obligetur. Non recte moventur, ut contra sentiant, qui moventur eo, quod traditum est, posse unumquemque iis quae pro se introducta sunt, renuntiare«. 517 FRANCUS, Commentarii, ad Dig. 50, 17, 2 pr., No 44: »an mulier beneficio Velleiani renunciare possit: quod uno ore omnes ferme adserunt, ea ducti ratione, quoniam eius favore et gratia introductum est. […] Caeterum mihi rem pressius contemplanti, semper ea displicuit opinio. Mens etenim et voluntas Velleii, quae in primis spectanda est, fuit, ut mulierum fragilitate subveniretur, quae proniores multo sunt ad promittendum quam solvendum. Caeterum qua facilitate pro alio obligationis nexui sese astringunt, eadem ius Velleiani remittere possunt.« 518 WESENBECK, Commentarii, Tom. I (1589), ad Dig. 16, 1, No 9: »Et quamvis alii putent: tamen verius crediderim, renuntiationem extraiudicialem mulieri non nocere: cum

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Jedenfalls wird für einen solchen Verzicht weiterhin eine Belehrung (certioratio) der Frau über dessen Tragweite verlangt.520 Zudem gelten für die Verzichtserklärung dieselben (gewohnheitsrechtlich modifizierten) Formerfordernisse wie für die Interzession,521 so etwa auch in der Frankfurter Reformation von 1578.522 Der Verzicht auf das SC Velleianum hält selbst in entlegene Alpentäler des Bayerischen Reichskreises Einzug. So lässt sich etwa in der zum Erzstift Salzburg gehörenden Rauris die Verwendung einer vertraglichen Verzichtsklausel für das Jahr 1507 belegen,523 ehe dann im Rauriser Landrecht von 1565 die förmlichen Modalitäten für einen solchen Verzicht im Einzelnen geregelt werden.524 Brauneder charakterisiert diese Entwicklung renunciationis eadem sit levitas quae intercessionis, et non in solius mulieris favorem S.C. factum sit, sed etiam eapropter, quod virile videatur alienas suscipere defensiones.« 519 FABER, Rationalia, ad Dig. 12, 6, 40 pr.: »Hinc vero intelligimus quam graviter nostri errent in eo quod putant, Velleiano Senatusconsulto renunciari posse, quia possit quilibet, ut diximus, favori suo renunciare.« – Ad Dig. 16, 1, 29, 1: »Ex quo intelligimus quam falsum sit, quod vulgo interpretes et pragmatici nostri iactitant, posse mulierem, quoties ita videatur, Senatusconsulto renunciare. Quid enim magis in fraudem huius Senatusconsulti excogitari potuit, quam ut eiusmodi renunciationes admitterentur? An non qua facilitate mulier contra Senatusconsultum sollicitante creditore intercedit, eadem quoque facilitate Senatusconsulto renunciat.« – Ad Dig. 16, 1, 32, 4: »Nam imo vero putamus renunciationem Velleiani non valere, si ab initio facta sit, quamvis de iure, et beneficio Senatusconsulti mulier certiorata sit, cum, ut hic bene Bartolus disputat, decipiatur eo ipso quod Senatusconsulto renunciat, arg. l. interdum 19 supra de minoribus [Dig. 4, 4, 19].« – Zu Bartolus s. o. Fn. 377. Im Codex Fabrianus führt Faber auch keine Entscheidung auf, die den Verzicht der Frau auf das SC Velleianum behandeln würde, vgl. CHEVAILLER, TRG 20 (1952), 263, 284. 520 PERNEDER, Gerichtlicher Process, Teil 3, fol. 47 v: »Doch ist in allweg von nöten, das sie die frawen vor und ee sie sich verzeihen, angeregter irer habender freyhait lauter bericht und verstendigt werden.« – Vgl. ferner SICHARD, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 15 f.; GAILL, Practicae observationes, 1. Aufl. (1578), Lib. II, Obs. 77, No 3; SCHNEIDEWIN, Commentarii, ad Inst. 3, 20, 8, No 4; TREUTLER, Selectae disputationes, Vol. I, Disp. 25, Thesis 4, Annotatio f. 521 PERNEDER, Gerichtlicher Process, Teil 3, fol. 47 v: »Es sollen, auch von merer sicherhait wegen, zu ainer solchen verzicht zum wenigisten drey zeugen gebracht werden.« – Vgl. ferner SICHARD, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 14 f.; PRUCKMANN, Repetitio, Pars II, Art. 15, No 20 f.; TREUTLER, Selectae disputationes, Vol. I, Disp. 25, Thesis 5, Annotatio a. 522 Frankfurter Reformation von 1578, II, 16, § 13: »Vor Notarien aber und Zeugen sollen solche Verschreybungen, und Renunciationes, anderß nicht, dann auß sonders ehehafften und rechtmässigen Ursachen, auch in beyseyn und mit bewilligung zum wenigsten zweyer ire der Frauwen Verwandten Freundtschafft, geschehen, und zugelassen seyn.« – Vgl. hierzu MAIER, Die Bürgschaft in süddeutschen und schweizerischen Gesetzbüchern (1980), S. 216 mit Fn. 618; AMEND-TRAUT, Wechselverbindlichkeiten vor dem Reichskammergericht (2009), S. 341 f., 347 ff. 523 BRAUNEDER, ZNR 24 (2002), 3, 10 m. w. N. 524 SIEGEL / TOMASCHEK (Hrsg.), Die salzburgischen Taidinge (1870), S. 203, 212, Zeile 4 ff.; LEHNER, ZRG GA 105 (1988), 270, 277 Fn. 56.

III. Das Gemeine Recht der Frühen Neuzeit

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pointiert: »Mit dem Gemeinen Recht über das Gemeine Recht hinweg zur bisherigen Praxis.«525 Wenn er dabei aber – ähnlich wie Meynial für das mittelalterliche Recht526 – dem Verzicht eine Abwehrfunktion gegen das Gemeine Recht unterstellt und hieraus ableitet, dass das Gemeine Recht keine Geltungskraft gehabt habe, so erscheint dies jedoch zu holzschnittartig. Denn die Praxis macht ja gerade Gebrauch von der gemeinrechtlich etablierten Möglichkeit des Verzichts als einem der anerkannten Ausnahmetatbestände des SC Velleianum, also eher: Aufrechterhaltung der bisherigen Praxis (auch) auf dem Boden des Gemeinen Rechts.

Hingegen entfaltet ein Verzicht der Ehefrau auf den Schutz der Authentica Si qua mulier – von einzelnen Entscheidungen abgesehen527 – nach wie vor grundsätzlich keine Wirkung, da schon die zugrunde liegende Interzession nichtig ist.528 Mit einem Eid der Frau können diese Regeln aber maßgeblich durchbrochen werden, wie dies bereits die Kommentatoren akzeptiert haben. Trotz der Gefahr, dass die Frau den Eid aufgrund derselben Willfährigkeit (facilitas) leistet, deretwegen sie interzediert,529 halten selbst grundsätzliche Gegner des Verzichts wie Faber eine verbotswidrige Interzession für wirksam, wenn sie beeidet wird.530 Covarruvias setzt diesbezüglich allerdings voraus, dass nicht nur die Interzession beeidet wird, sondern auch ausdrücklich der Verzicht auf BRAUNEDER, ZNR 24 (2002), 3, 15 ff., 16. Siehe oben Fn. 320. 527 PAPON, Recueil d’Arrests notables, Liv. 7, Tit. 1, Add. 7: »Femme se peut obliger pour son mary, voire par corps et en civil, maxime ayant renoncé à l’authentique si qua mulier [Nov. 134, 8], au Velleian et à l’authentique Sed hodie [Nov. 22, 40], et n’est la femme recevable sous couleur de crainte ou protestation à estre relevee, juxta l. quamvis ff. soluto matrimonio [Dig. 24, 3, 20]. Iugé par Arrest le 3. Iuillet 1564.« 528 SICHARD, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 14: »[…] mulier intercedit pro suo marito, quae intercessio sive fiat in scriptis, sive sine scriptis, nullo modo tenet, Auth. Si qua mulier infra eod. [Nov. 134, 8]. Ideo eo casu renunciatio nihil operaretur.« – Ferner TREUTLER, Selectae disputationes, Vol. I, Disp. 25, Thesis 4, Annotatio f: »Ubi vero intercessio ipso iure nulla est, quia tum renunciatio pro forma tantum et frustra apponitur, ideo eam certioratio adjuvare nihil potest.« – Keine Anhaltspunkte gibt es hingegen dafür, dass bei GAILL, Practicae observationes, 1. Aufl. (1578), Lib. II, Obs. 77, No 1 (s. o. Fn. 512) die Verzichtbarkeit des SC Velleianum »offensichtlich stillschweigend« die Verzichtbarkeit der Authentica Si qua mulier einschließe, wie dies KOCH, Maior dignitas (1991), S. 72 in Fn. 253 annimmt. Vielmehr stellt Gaill insoweit ausdrücklich auf die in Nov. 134, 8 selbst genannte Ausnahme ab (s. u. Fn. 498). Ebenso GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. I (1850), S. 277 f. 529 FABER, Codex Fabrianus, IV, 21, Def. 7, Alleg. 8: »Qua enim facilitate mulier intercedit, eadem et iurat, nihilque esset facilius, quam huiusmodi commento interponendi iurisiurandi fraudem facere Senatusconsulto, quae tamen ne ulla fieri possit, summopere cavendum est, l. quidam 29 § ult. D. hoc tit. [Dig. 16, 1, 29, 1].« 530 FABER, Codex Fabrianus, IV, 21, Def. 12, Alleg. 4: »quod intercessio a muliere facta etiam contra Velleianum nihilominus valet, si sit confirmata iuramento.« – MOLINA, De iustitia et iure, Vol. II, Disp. 540, No 12: »Illud est observandum, si mulier iuret, se non usuram privilegio Velleiani, tunc non posse illo iuvari.« 525 526

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das SC Velleianum erklärt wird, da ein Eid sich nicht auf das erstrecken könne, was unbekannt war und somit gar nicht bedacht wurde (iuramentum minime extendatur ad incognita, vel incogitata).531 Nach der von Fachineus vertretenen Gegenansicht braucht das SC Velleianum indessen nicht ausdrücklich erwähnt zu werden, da die Frau mit dem Eid ja ganz bewusst eine wirksame Verbindlichkeit eingehen wolle und eine etwaige Rechtsunkenntnis grundsätzlich zu ihren eigenen Lasten gehe.532 Verzichtet die Frau unter Eid auf das SC Velleianum, ist nach herrschender Meinung eine Belehrung über die Folgen des Verzichts nicht notwendig (iuramentum loco certiorationis est).533 Darüber hinaus ist unter Eid selbst eine wirksame Interzession für den eigenen Ehemann möglich und somit ein Verzicht der Ehefrau auf den Schutz der Authentica Si qua mulier.534 Hierbei COVARRUVIAS, C. quamvis, De pactis [Lib. Sext. 1, 18, 2], Pars II, § 3, No 5: »Dubium vero in hoc vertitur, an fideiussio mulieris iurata simpliciter absque renunciatione Velleiani, sit sufficiens ad hoc, ut huic beneficio renunciatum esse videatur. et sane iuramentum hoc sufficere, et habere vim certiorationis, ut aiunt, id est certae scientiae apud foeminam, quod hoc auxilium habeat […]. Nam iure verius quibusdam videtur, foeminam etiam praestito iuramento fideiubentem, non ex hoc renunciasse beneficio Velleiani, ea quidem ratione, quod iuramentum minime extendatur ad incognita, vel incogitata.« 532 FACHINEUS, Controversiae iuris, Lib. II, Cap. 60, S. 344 f., lit. D: »Sed contraria sententia mihi videtur facile evinci, ex d. c. Ex rescripto, de Iureiurando [Lib. Extra 2, 24, 9] ubi mulier fideiubens obligatur efficaciter propter iuramentum, nec ulla fit mentio renunciationis factae Velleiano. […] Non obstat argumentum contrariae sententiae, quia vinculum iuramenti praevalet omnibus Iuris Civilis sanctionibus propter religionem, ut patet ex d. c. Cum contingat [Lib. Extra 2, 24, 28] et ex d. c. Quamvis [Lib. Sext. 1, 18, 2], et ex aliis locis. Verum quidem est iuramentum non esse porrigendum ad incogitata et ignorata, sed hic mulier cogitabat se obligare, et scire debebat, iuramentum non esse violandum. Quod vero ignoraret Senatusconsulti beneficium, id ei non suffragatur […]. Mulieri ius ignoranti non esse subveniendum, praeterquam in casibus expressis. Nullibi autem expressum est, mulieri ius ignoranti, contra praestitum iuramentum subveniri oportere.« – Ähnlich MOLINA, De iustitia et iure, Vol. II, Disp. 540, No 13: »Mihi sane non arridet haec opinio: quoniam, quae mulier iureiurando promittit se implere fideiussionem, intelligit omnino eam implere, quod ad se attinet, ac proinde nullo utendo suffugio, quod intelligo, quando, si scivisset privilegium, similiter iureiurando se astrinxisset implere fideiussionem, ut regulariter evenit.« 533 CAPYCIUS, Decisiones, Dec. 159, No 28 in fine; GOMEZIUS, Resolutiones, Tom. II, Cap. 13, No 17 in fine; SICHARD, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 17; GAILL, Practicae observationes, 1. Aufl. (1578), Lib. II, Obs. 77, No 8; PRUCKMANN, Repetitio, Pars II, Art. 15, No 16. – Kritisch allerdings TREUTLER, Selectae disputationes, Vol. I, Disp. 25, Thesis 5, Annotatio b: »Et hoc casu certioratio necessaria non putatur, per ea quae juxta communem Dd. opinionem allegat Geil […] quod tamen difficultate non caret: maxime propterea, quod renunciationes stricti juris sunt, adeoque in iis non venit, nisi quod nominatim expressum est«. 534 SICHARD, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 22; PRUCKMANN, Repetitio, Pars II, Art. 15, No 14, 19; FABER, Codex Fabrianus, IV, 21, Def. 9: »et consequenter non valet obligatio, nisi proponas iuratam, interveniente namque iureiurando sequimur ius 531

III. Das Gemeine Recht der Frühen Neuzeit

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spielt auch der Gedanke eine Rolle, dass der Gläubiger des Mannes nicht schutzlos der Gefahr missbräuchlicher Vermögensverschiebungen zwischen Mann und Frau ausgesetzt sein soll.535 Die Kursächsischen Konstitutionen von 1572 spiegeln in II 16 Abs. 1–3 grundsätzlich die gemeinrechtliche Lehre zur Authentica Si qua mulier und dem SC Velleianum sowie zur Möglichkeit des eidlichen Verzichts hierauf wider: II 16 Abs. 1–3 »Hierinnen ist ein Unterschied zu machen under des Mannes und frembder Leute Schulden. Dann do sich ein Weib für iren Eheman mit Einsetzung des, so ir zugehöret, vorpflichtet, so wird sie darzu in Rechten nicht verbunden, es were dann solche Schuld ganz oder zum Teil in iren Nutz gewant oder sie hette dem beneficio S. Cons. Velleiani mit dem Eyd renunciret. Aber in frembder Leute Schulden, wann sich für dieselbige ein Weibsperson eingelassen, so wird die nach zweyen Jaren widerholte Renunciation, und ob sie sich eydlich vorzihen, bewogen. Dergleichen ist auch der persönlichen Obligationen halben ein Underschied, wann sich ein Weib für iren Eheman oder von wegen eines Frembden vorpflichtet.«536

Der anschließend in Abs. 4 zugelassene gerichtliche Verzicht ohne Eid wird auf die forensische Übung und Gewohnheit in Sachsen gestützt (de consuetudine), deren Änderung größte Schwierigkeiten in der Praxis mit sich brächte. Neben der Erklärung vor Gericht (in iudicio) muss die Frau hierzu die Zustimmung ihres Geschlechtsvormunds (auctoritas curatoris)537 haben und volljährig sein: II 16 Abs. 4 »Ob nun wol solches in gemeinen beschriebenen Rechten also verordnet, so haben dannoch unsere Deputirte hinwider bedacht, das in den Gerichten dieser Landart hin und wider solche und dergleichen intercessiones und renunciationes one einige Eydesleistung de consuetudine zu geschehen pflegen und zugelassen werden, und das demnach eine große Zerrüttung gar viel und fast unzehlicher Hendel ervolgen würde, do dieselbigen vor unkreftig geachtet werden solten; auch uns heimgestellet und vor ratsam erachtet, das disfalls […] obgedachte Gewonheit zu bestetigen sein solt, mit angehangter Restriction, das es nicht simpliciter oder durchaus, sondern nur in den Fellen, wann solche und derglei-

pontificium, et propter iurisiurandi auctoritatem contractum valere admittimus«. – IV, 21, Def. 9, Alleg. 6: »Iure namque civili certum est contractum initum contra leges non confirmari iuramento, l. non dubium 5 in fine C. de legibus [Cod. 1, 14, 5].« 535 Vgl. PRUCKMANN, Repetitio, Pars II, Art. 15, No 13 in fine: »[…] ipsae infami bonorum cessione a marito facta, huius beneficii exceptione, tutae sunt, scelerateque insuper creditoribus, quorum sudorem, vestitu, et illecebris suis, suorumque dilapidarunt, cum maximo Reipublicae detrimento insultant, illosque risui habent. Sed videant, ne privilegio abutentes, ut eo priventur, generali constitutione, maximo Reipublicae commodo lata, in causa sint.« 536 QNPD, Bd. I/2 (1938), S. 269 f. = HAUBOLD (Hrsg.), Handbuch (1800), S. 37. – Vgl. hierzu EBERLE, Rechtsstellung der Frau (1964), S. 66 ff. 537 Vgl. Kursächsische Konstitutionen von 1572, II 15 Abs. 3 Satz 1 (s. o. Fn. 423).

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chen intercessiones auctoritate curatorum von Eheweibern, auch Jungfrauen und Widwen, so natu maiores seind, und in iudicio ergingen und fürgenommen würden, stathabe.«538

Soweit es sich um die Interzession für einen anderen als den eigenen Mann handelt, ist die Wirksamkeit des vor dem Richter erklärten Verzichts aber schon bei den Kommentatoren, allen voran bei Bartolus anerkannt und wird – unabhängig von jeglicher Beeidung – mit Dig. 16, 1, 32, 4 begründet.539 Diesbezüglich steht die Regelung in Abs. 4 also durchaus auf gemeinrechtlichem Boden. Eine Abweichung ergibt sich indes hinsichtlich der Interzession für den Ehemann, bei der nach dem Ius commune nur mit einem Eid wirksam auf den Schutz der Authentica Si qua mulier verzichtet werden kann, während hier eine einfache Verzichtserklärung vor dem Richter genügt.540 Ausgenommen sind von der Neuregelung nach Abs. 4 jedoch »res dotales et in donationem propter nuptias vel dotalicium constitutas, so sie dem Manne zubracht oder erlanget, und also allein im Vorzicht eines Unterpfandes, darauf ein Weib von wegen der Mitgift oder sonsten Gerechtigkeit haben möcht«.541 Insoweit muss die Frau nach der Authentica Sive a me (Nov. 61)542 ihre Zustimmung zur Veräußerung bzw. Belastung des Dotalvermögens durch den Mann grundsätzlich nach zwei Jahren wiederholen.543 Der Verzicht auf die ihr zustehende Generalhypothek bedarf für sich allein keines Eides.544 Zusammen mit einer Interzession für den Ehemann ist ein solcher Verzicht aber nur wirksam, wenn dies beeidet wird,545 es sei denn, nach lokalem Gewohnheitsrecht546 bzw. Statutarrecht (wie in Leipzig)547 ist insoweit etwas Abweichendes vorgesehen. Demgegenüber ist ein entsprechender Verzicht zusammen mit der Interzession für einen Dritten von vornherein auch QNPD, Bd. I/2 (1938), S. 270 = HAUBOLD (Hrsg.), Handbuch (1800), S. 37 f. – Vgl. hierzu TREUTLER, Selectae disputationes, Vol. I, Disp. 25, Thesis 4, Annotatio f: »Consuetudo vero juris Saxo. qua renunciationes mulierum itidem valent, etiam absque juramento, eatenus est declarata Nov. Elect. Aug. p. 2 c. 16, ut mulier natu major, si personaliter se obliget pro marito vel alio debitore, et renunciet Senatusconsulto Vellejano in judicio autoritate curatoris, exceptione hujus Senatusconsulti tum non juvetur«. – Abzugeben ist die Verzichtserklärung »vor der Weibspersonen ordentlichen Richter, oder dem Iudice rei sitae«, vgl. Decisio electoralis novissima 24 von 1746, in: HAUBOLD (Hrsg.), a. a. O., S. 266 f. 539 Vgl. Bartolus s. o. Fn. 380. Vgl. ferner Angelus Aretinus s. o. Fn. 414. 540 Zu undifferenziert wohl KUNKEL, in: QNPD, Bd. I/2 (1938), S. 375 Anm. 29, der in II 16 Abs. 4 einen völligen Widerspruch zur »herrschenden gemeinrechtlichen Lehre« sieht. 541 QNPD, Bd. I/2 (1938), S. 270 = HAUBOLD (Hrsg.), Handbuch (1800), S. 38. 542 Zu Nov. 61 bzw. zur Authentica Sive a me s. o. Fn. 171 bzw. Fn. 287 und Fn. 366. 543 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 21, No 28. 544 CARPZOV, Jurisprudentia forensis Romano-Saxonica, Pars II, Const. 16, Def. 10, No 2 f. 545 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 21, No 21 ff.; CARPZOV, Jurisprudentia forensis Romano-Saxonica, Pars II, Const. 16, Def. 1; Def. 10, No 4. 546 CARPZOV, Jurisprudentia forensis Romano-Saxonica, Pars II, Const. 16, Def. 7. 547 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 21, No 26; CARPZOV, Jurisprudentia forensis Romano-Saxonica, Pars II, Const. 16, Def. 8. 538

III. Das Gemeine Recht der Frühen Neuzeit

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ohne Eid gültig.548 – Mit Blick auf den gegebenenfalls zu leistenden Eid stellt die Decisio electoralis 25 von 1661 klar, dass insoweit eine Erklärung an Eides statt nicht genügt, sondern ein körperlicher Eid erforderlich ist.549

In Abs. 5 wird schließlich klargestellt, dass die neue Regelung sich nicht darauf beschränkt, bisheriges Gewohnheitsrecht zu bestätigen, sondern dass sie fortan von allen Spruchkörpern in Kursachsen anzuwenden ist: II 16 Abs. 5 »Nachdem wir uns dann solches gnedigst gefallen lassen, so wollen wir auch berürte Gewonheit hirmit nicht allein bestetiget haben, sondern ordenen und setzen auch, das also kraft dieser unser Constitution in unsern Hofgerichten, Faculteten und Schöppenstül dorauf gesprochen und erkand werden sol.«550

Ähnlich eröffnet auch die Frankfurter Reformation von 1578 andere Wege für einen Verzicht auf die Authentica Si qua mulier als den vom Gemeinen Recht vorgesehenen Eid, wenn bestimmte vorgeschriebene Publizitätsakte eingehalten werden, wonach die Interzession in der städtischen Kanzlei zu erfolgen hat oder die Bürgschaft mit einem Güterverzeichnis und dem Verzicht in das Bürgermeysterbuch eingetragen werden muss. 551 Ausgangspunkt ist dabei der erforderliche Schutz des Rechtsverkehrs,552 so dass im Hinblick auf das SC 548 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 21, No 48; CARPZOV, Jurisprudentia forensis Romano-Saxonica, Pars II, Const. 16, Def. 17, No 6 ff., 10 f. mit dem Argument, dass gegenüber einem Dritten kein metus reverentialis anzunehmen sei, anders als gegenüber dem eigenen Ehemann (s. u. Fn. 763). 549 HAUBOLD (Hrsg.), Handbuch (1800), S. 189: »[…] so ordnen, setzen und wollen Wir, daß hinführo die Renunciationes, Verzichte und dergleichen von den Weibspersonen, so sie ratione dotis et donationis, propter nuptias vel dotalitii für ihre Männer leisten, anderer Gestalt nicht, als durch einen körperlichen Eid mit den Worten: ›So wahr mir Gott helfe und sein heiliges Wort‹, gerichtlich, und zwar auf vorgehende genugsame Erinnerung und Certioration, was ihre Verzicht und weibliche Gerechtigkeit, und das beneficium SCti Velleiani in sich habe, und wie es verstanden werde, in Beyseyn ihrer kriegischen Vormünder, nebst gebührlicher Verwarnung geschehen, und anders nicht gehalten werden solle.« – Vgl. hierzu SCHILTER, Praxis Iuris Romani, Tom. II, Exercitatio 28, No 11; LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 172, Meditatio 1/2; BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 3, § 9 not. rr (S. 91). 550 QNPD, Bd. I/2 (1938), S. 270 = HAUBOLD (Hrsg.), Handbuch (1800), S. 38. Vgl. hierzu BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 21, No 51; CARPZOV, Jurisprudentia forensis Romano-Saxonica, Pars II, Const. 16, Def. 1, No 1 f. 551 Frankfurter Reformation von 1578, II, 16, § 12 Satz 2: »Item, wann auch solche Verschreybung in unser Cantzley auffgericht, oder die Bekanntnuß der Bürgschafft, sampt verlegung etlicher namhaffter ire der Frauwen Güter, daselbst in das Bürgermeysterbuch, mit verzeyhung gedachter Freyheyt, auff abermahls gnugsame erinnerung, dieselben, wie obsteht, geschicht.« – Vgl. hierzu AMEND, in: In eigener Sache (2005), S. 119, 128 f.; DIES., Wechselverbindlichkeiten vor dem Reichskammergericht (2009), S. 343 f. 552 Frankfurter Reformation von 1578, II, 16, § 11: »[…] Und aber wir auß erfahrung befunden, daß mehrmahls gute redliche Leuth, so auß gutem vertrauwen auff solche Weybliche Bürgschafften und Verschreybungen sich verlassen, und ir Gelt und Wahr hingeliehen, verkaufft, oder verborgt haben, übel angeführt, und betrogen worden, Also, daß deß

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Velleianum die üblichen Ausnahmetatbestände anerkannt werden, wie die Täuschung des Gläubigers durch die Frau, der Erhalt einer Gegenleistung oder eines anderen Vorteils sowie der Verzicht.553 Vor dem Hintergrund der zahlreichen gemeinrechtlichen Ausnahmen zum SC Velleianum fügt sich die Frankfurter Reformation von 1578 somit weitaus besser in das Bild des Ius commune ein, als dies unter Hinweis auf den verbleibenden Anwendungsbereich teilweise angenommen wird.554 Denn Gegenstand und Bezugspunkt der Rezeption ist das SC Velleianum mitsamt seiner umfangreichen römischrechtlichen Kasuistik, wie es im Gemeinen Recht behandelt wird, und nicht etwa nur der Senatsbeschluss aus dem ersten Jahrhundert n. Chr. für sich allein. Auch das Revidierte Lübische Stadtrecht von 1586 statuiert ausdrücklich die (Mit-)Haftung der Ehefrau für ihren Mann, wenn diese nach entsprechender Belehrung auf ihre Frewliche gerechtigkeit verzichtet hat.555 Zur Interzession für Dritte findet sich dort keine besondere Regelung, so dass insoweit grundsätzlich das Gemeine Recht gilt, das heißt, das SC Velleianum ist nach dessen Maßstäben anwendbar und disponibel.556 Angesichts dessen sind die entsprechenden Regelungen der Nürnberger Reformation von 1479557 und 1522558 noch durchaus stärker dem Gemeinen mißbrauchs halben, obberürter Keyserlichen Recht (so gleychwol sonst in sich selbst ehrbar, billich, und wol bedacht) eynsehen zu thun wol von nöthen«. 553 Frankfurter Reformation von 1578, II, 16, § 11: »[…] Als ordnen und setzen Wir, Erstlich, daß Senatusconsultum Velleianum belangen, daß solchs nicht statt haben solle, wann sich befindt, daß sie die Weyber gefehrlich und betrieglich handeln. Item, wann es zu irem selbst nutzen, als, so sie derwegen Gelt, oder Gelts währt, empfangen, oder auch zu irem Vortheyl, als, so sie für jemant sich verbürget, dem sie zuvor zuthun, und Gelt schuldig seynt, geschicht. Item, wann sie der Freyheit solchs Privilegii für Notarien und glaubwirdigen Zeugen, oder in unser Cantzley, alles auff vorgehende fleyssige, verstendtliche, und gnugsame erinnerung solcher Freyheit, sich begeben und verziehen haben.« – Vgl. hierzu MAIER, Die Bürgschaft in süddeutschen und schweizerischen Gesetzbüchern (1980), S. 215; AMEND, in: In eigener Sache (2005), S. 119, 133 ff., 135 ff.; DIES., Wechselverbindlichkeiten vor dem Reichskammergericht (2009), S. 341 ff., 351 f., 352 f. 554 Vgl. etwa PETERKA, Festschrift Zycha (1941), S. 337, 354. 555 Revidiertes Lübisches Stadtrecht von 1586, I 5 Art. 7 a. E.: »Es were dann, das die Fraw mit gelobet, welches doch dahin zu vorstehen, wann sie […] ihrer Frewlichen gerechtigkeit erinnert, und sich derselben vorziehen, so mus sie mit zalen helffen.« – Vgl. hierzu MEVIUS, Commentarii in Jus Lubecense, ad Lib. I, Tit. 5, Art. 7, No 117 ff., 118, 122 f. 556 So ausdrücklich MEVIUS, Commentarii in Jus Lubecense, ad Lib. I, Tit. 10, Art. 1, No 63 ff., 69 ff., 72 f. – Anders mit Blick auf I 10 Art. 1 bei Zustimmung des Geschlechtsvormunds (s. o. Fn. 427) wohl STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 2: »Ergo consensu Curatorum in majorem summam fidejubere potest citra renunciationem Senatusconsulto Vellejano.« 557 Nürnberger Reformation von 1479, 28, 16, in: QNPD, Bd. I/1 (1936), S. 69 f.: »Wiewol junkfrauen und frauen durch gemeyne geistliche und keyserliche recht für die verpflicht der pürgschaft versehen sein, yedoch zu hanthabung der hantierung und des gemeinen glauben, so solch personen unverpflicht irer eltern und vormund sein und aigen

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Recht verhaftet, als dies wohl überwiegend von der Literatur angenommen wird.559 Erst die Nürnberger Reformation von 1564 setzt die Bürgschaft von Männern und Frauen grundsätzlich völlig gleich,560 stellt aber an die Bürgschaft zugunsten des eigenen Ehemanns eine besondere Voraussetzung, nämlich die Zuziehung von zwei Mitgliedern des kleineren oder größeren Rats der Stadt oder von zwei »Freunden« der Frau.561 Der Grund hierfür wird in der Ehrfurcht (in metu et reverentia) der Frau vor ihrem Mann gesehen, so dass die Vorschrift bei Witwen und ledigen Frauen keine Anwendung findet, gut haben, und die eefrauen, die in gemainen handel irer mann steen, dardurch sie nach inhalt eins besondern gesetzs mit ine zebezahlen schuldig sein, so sich dieselben in purgschaft geben, so sein die mit kraft der purgschaft verpunden; aber eefrauen, die nit in verpflicht der bezalung ir mann steen und doch aigen gut haben, die mögen sich mit wissen und willen irer mann auch in verpflicht der purgschaft geben und sunst nit; und die wittiben, so die purgen werden, söllen damit verpunden sein; und desgleichen junkfrauen und frauen, die sich in annemung und pürde der vormundschaft oder versorgnus geben und derhalb in purgschaft tretten, die sein darmit auch beladen.« 558 Nürnberger Reformation von 1522, 28, 16, von der Schreibweise abgesehen mit identischem Wortlaut wie die Reformation von 1479. Vgl. PETERKA, Festschrift Zycha (1941), S. 337, 348 f. 559 Zur Nürnberger Reformation von 1479, 28, 16 vgl. KUNKEL, in: QNPD, Bd. I/1 (1936), S. 326 Anm. 44; PETERKA, Festschrift Zycha (1941), S. 337, 347; MAIER, Die Bürgschaft in süddeutschen und schweizerischen Gesetzbüchern (1980), S. 218 f. – Zur Nürnberger Reformation von 1522, 28, 16 vgl. STOBBE, Handbuch des Deutschen Privatrechts, Bd. III (1898), S. 378 Fn. 47. 560 Nürnberger Reformation von 1564, 19, 5 Abs. 1 und 2: »Wiewol die Weibspersonen durch die Kaiserlichen Recht, der Pürgschaft halb, hoch fürsehen und gefreyet sein, Jedoch nach gelegenheit aller handtierung diser Stat, und zu handhabung gemaines nutz, trawens und glaubens, So sollen die Witfrawen oder Jungkfrawen, die achtzehen Jar erfüllt und unbevormund sein, und ir aigen gut haben, wann sie sich in Pürgschaft einlassen, verpunden und zubezalen schuldig sein, allermassen und gestalt, wie hievor der Manspersonen halben geordnet ist. Deßgleichen mögen die Eefrawen, so in verdingter heirat sitzen, sich mit wissen irer Eemenner, für andere in pürgschaft begeben und verpflichten.« – Vgl. hierzu RITTERSHUSIUS, Novellarum Expositio Methodica, Pars III, Cap. 4, No 23 f.; WURFFBAIN, Tractatus de differentiis (1665), S. 109 f. mit Anm. 106 f. (S. 262 f.); STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 2; BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 2, § 10 not. s (S. 36 f.). Ferner STOBBE, Handbuch des Deutschen Privatrechts, Bd. III (1898), S. 378 Fn. 47; PETERKA, Festschrift Zycha (1941), S. 337, 350. 561 Nürnberger Reformation von 1564, 19, 5 Abs. 3: »Es soll auch inen unbenommen sein, für ire Eemenner Pürgschaft zuthun, und sich derhalb zuverpflichten und zuverschreiben, Doch dergestalt, das solche verpflichtung und verschreibung, in beysein zwayer des klainern oder grössern Raths, oder sonst zwayer irer freund, als erpetner zeugen, geschehe.« – Vgl. hierzu RITTERSHUSIUS, Novellarum Expositio Methodica, Pars III, Cap. 4, No 24 in fine; WURFFBAIN, Tractatus de differentiis (1665), S. 110 mit Anm. 108 (S. 263 f.); BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 11, No 27; STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 2.

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wie etwa eine Entscheidung aus dem Jahre 1576 zeigt.562 Bei einer verheirateten Frau wiederum soll die Regelung neben der Bürgschaft auch Verbindlichkeiten erfassen, die sie gemeinsam mit dem Ehemann eingeht, da hier dieselbe ratio zum Tragen komme.563 Damit werden im Ergebnis zwar einerseits gemeinrechtliche Interzessionsbeschränkungen aufgegeben, andererseits werden aber deutliche Anleihen bei der cautela Bartoli des Ius commune gemacht.564 Die Schwierigkeiten bei der praktischen Handhabung des Verzichts führen mitunter sogar zur völligen Aufhebung des SC Velleianum durch den Gesetzgeber, beispielsweise in Frankreich, wo sich das entsprechende Edikt König Heinrichs IV. vom August 1606 allerdings nicht auf alle Provinzen erstreckt und sich selbst innerhalb seines Geltungsbereichs nicht überall durchsetzen kann. 565 Umgekehrt verläuft die Entwicklung im Herzogtum Bayern. Hier enthält das Landrecht von 1518 noch keine Bestimmung zum SC Velleianum.566 Im Zuge der Arbeiten an einem neuen Landrecht dringen die Stände auf dem Landtag von 1605 aber insbesondere darauf, die Interzession verheirateter Frauen strenger zu reglementieren.567 Das Bayerische Landrecht von 1616 novelliert daher – abweichend vom bisherigen Rechtsbrauch des Landes – die Interzession und den Verzicht der verheirateten Frau und fügt die entsprechenden Bestimmungen unmittelbar im Anschluss an die Mithaftung der Ehefrau für ein gemeinsam betriebenes Gewerbe (I Art. 10 f.)568 ein: I Art. 12 Satz 1 »Obwoln, gemainem Lands brauch nach, bißhero die jenigen schuldverschreibungen der Weibs Personen, darinn sie sich neben oder für ihre Ehemänner oder auch für andere Personen verschriben haben, für kräfftig gehalten, und auff dieselbige, wann ein Weibs Person durch einen sondern Anweiser oder den jenigen, der auff ihr erbitWURFFBAIN, Tractatus de differentiis (1665), S. 263 in Anm. 108 (zu S. 110): »cujus rei ratio ponitur in metu et reverentia erga maritos, quae cum cessat in viduis et virginibus hoc non requiri videtur, et ita judicatum in causa Georg Waydner, und Endres Endner contra viduam Peter Taigs zu Hirsbruck 1576, 20. Septemb.« 563 WURFFBAIN, Tractatus de differentiis (1665), S. 263 in Anm. 108 (zu S. 110): »Superior tamen statuti constitutio, qua uxor pro marito intercedens firmiter non obligetur, nisi adhibitis duobus ex minori vel majori Senatus Consilio vel ex propinquis, locum etiam habet in muliere in eodem instrumento se principaliter, non fidejussorio nomine cum marito obligante, idque propter paritatem rationis jam relatae«. 564 Dies übersieht PETERKA, Festschrift Zycha (1941), S. 337, 361 f. – Zur cautela Bartoli in der Jurisprudenz des 16. Jahrhunderts s. u. Teil 2, Fn. 206. 565 Vgl. GIDE, Étude sur la condition privée de la femme (1885), S. 409 ff.; ESMEIN, RHD 12 (1888), 311, 349 f.; MEYNIAL, RHD 25 (1901), 241, 272 f.; VIOLLET, Histoire du droit civil français (1905), S. 799 f.; PORTEMER, Études Petot (1959), S. 441, 445 mit Anm. 20 (S. 451); DERS., in: RSJB, Tome 12 (1962), S. 447, 463. 566 Siehe oben Fn. 489. 567 GÜNTER (Hrsg.), 2. Halbbd. (1969), S. 133 f. Fn. 36, S. 172. 568 GÜNTER (Hrsg.), 1. Halbbd. (1969), S. 13 f. 562

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ten neben ihr gefertigt, ihrer Weiblichen Freyheit in specie erinnert worden ist, besonderbar wann die Adels Personen sich bey Adelichen Weiblichen Ehren, Trawen und Glauben verbunden haben, bey den Gerichten erkennet worden, auch solche Verschreibungen, so vil deren vor publicierung diser Satzungen auffgericht weren, noch für gültig und kräfftig zehalten […].«569

Stattdessen setzt ein wirksamer Verzicht auf die Weiblichen Freyheiten570 nun voraus, dass eine Frau aus dem Bürger- und Bauernstand nach einer entsprechenden Belehrung vor Gericht bzw. vor dem Rat eine unbeeidete Verzichtserklärung abgibt, die dort registriert wird. Zudem wird eine formgerechte Verbriefung ihrer Interzession verlangt: I Art. 12 Satz 1 »[…] So sollen doch fürterhin dergleichen Verschreibungen und Porgschafften der Weibs Personen anderst nit gültig sein, Dann im fall es under Burgern oder Bawern geschicht, die erinnerung der Weiblichen Freyheiten und verzicht derselben, auf dem Landt vor den Gerichten und in Stätt und Märckten vor dem Rath, doch ohne laistung deß Eyds und in abwesen deß Mans beschehen, daselbst eingeschriben und alßdann ordenliche Schuldtbrieff auffgericht worden sein.«571

Handelt es sich um eine Adlige, wird der Verzicht wiederum erleichtert und zwar dahin gehend, dass die Belehrung und Verzichtserklärung nicht vor Gericht zu erfolgen braucht. Vielmehr genügt eine Belehrung durch einen Anweiser und eine schriftliche Ausfertigung, die von ihm, der Frau sowie einer weiteren Standesperson unterschrieben wird: I Art. 12 Satz 2 »Weren aber solche Personen deren vom Ritterstandt und vom Adel […] mag gleichwol solche erinnerung und Verzicht ausserhalb deß Gerichts durch einen sonderbaren Anweiser, doch ebenfals ausser beysein der Frawen Ehevögt beschehen, doch daß neben und mit ihr auch ein gefreyte Person, wie gemeldet, und der Anweiser mit ihren Insiglen oder Wappen Pettschafften und Handtschrifften fertigen und die Fraw, da sie schreiben kan, sich mit aigner Handt underschreibe.«572

Ohne nach dem Stand der Frau zu differenzieren, wird hier einheitlich aber kein Eid mehr verlangt, während dies im Gemeinen Recht grundsätzlich Voraussetzung ist für einen wirksamen Verzicht auf die Authentica Si qua mulier.573 GÜNTER (Hrsg.), 1. Halbbd. (1969), S. 14. Als die beiden Weiblichen Freyheiten der Ehefrau gelten zum einen die »Freyheit Authenticae Si qua mulier« sowie zum anderen die »Freyheit des Vorgangs mit ihren Heuratlichen Sprüchen«, das heißt das Recht auf vorzugsweise Befriedigung ihrer güterrechtlichen Ansprüche in der Insolvenz (Gant) des Ehemanns, vgl. Bayerisches Landrecht von 1616, I Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1. – Hierzu BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 11, No 4; SCHMID, Commentarius amplissimus in Jus Provinciale Bavaricum, Tom. II, ad I Art. 13, No 8. Ferner GÜNTER (Hrsg.), 2. Halbbd. (1969), S. 172 f. 571 GÜNTER (Hrsg.), 1. Halbbd. (1969), S. 14. 572 GÜNTER (Hrsg.), 1. Halbbd. (1969), S. 14 f. 573 Ebenso MAIER, Die Bürgschaft in süddeutschen und schweizerischen Gesetzbüchern (1980), S. 214. 569 570

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Ebenso sieht das Bayerische Landrecht in allen Fällen vor, dass der Ehemann bei der Belehrung und dem Verzicht nicht anwesend sein darf: Zumindest in dieser entscheidenden Situation soll also jedwede gegenwärtige unlautere Einflussnahme durch den Mann ausgeschlossen werden, so wenig sich eine solche im häuslichen Bereich davor und danach vermeiden lassen mag. Ausweislich der Materialien wird darüber hinaus für den praktischen Vollzug die Notwendigkeit gesehen, auch den Inhalt und die Verfahrensweise der Belehrung zu regeln, so dass insoweit ein eigener Artikel aufgenommen wird.574 Darin werden die zuständigen Organe insbesondere angehalten, die Frau zu befragen, ob sie aus eigenem freien Willen handelt oder ob sie von ihrem Mann durch Drohungen oder auf andere Weise (mit troen oder in ander weg) dazu gezwungen wird. Außerdem ist die Frau ausdrücklich auf die gravierenden wirtschaftlichen Konsequenzen hinzuweisen, die aus der Interzession für sie und ihre Familie erwachsen können. Bei alledem sind die zuständigen Organe verpflichtet, tatsächlich eine verständliche und umfassende Belehrung ordnungsgemäß durchzuführen und nicht einfach nur auf diese Vorschrift Bezug zu nehmen: I Art. 13 Abs. 2 Satz 2–5 »Insonderheit aber soll er sie wol fragen, ob sie es willig thue, oder nit etwan durch ihren Ehewirth mit troen oder in ander weg wider ihren freyen willen gezwungen werde. Item, ob solch ihr verschreibung nit etwan ihr, ihrem Ehewirth und Kindern gar nit zunutzen, sonder vil mehr zu schaden und verderben geraichen möchte, derowegen sie sich wol bedencken wölle. Insonderheit aber soll ein jeder Anweiser wol auffmercken, daß er die Frawen, nach innhalt dises Articuls, warhafftig also wol und umbständigklich erinnere, ihr alles in sonderheit vorhalte und nit vermaine, es seye genug, wann man in die Brieff schreibe, die erinnerung sey also beschehen, nach innhalt dises Articuls. Und dise erinnerung soll auch in fällen, wie oben vermelt, vor Gerichten und Rath geschehen.«575

Interzediert die verheiratete Frau für einen anderen als ihren Ehemann, bedarf dies der Mitfertigung des Ehemanns.576 Zusätzlich sind in diesem Fall577 die Bestimmungen über die Belehrung auch beim Verzicht auf das SC Velleianum entsprechend anzuwenden: 574 GÜNTER (Hrsg.), 2. Halbbd. (1969), S. 172: »Sonst ist aber eine hohe Notturft, den gemainen Richter und Obrigkeiten in specie vorzuschreiben, so durch einen sonderbaren articl diß orths beschehen mecht, auf waß weiß und gestalt ein weib […] erinnert werden soll, dann auß waß formb sie sich ihrer weiblichen freyheit verzeihen soll«. 575 GÜNTER (Hrsg.), 1. Halbbd. (1969), S. 15. 576 Bayerisches Landrecht von 1616, I Art. 12 Satz 3, in: GÜNTER (Hrsg.), 1. Halbbd. (1969), S. 15: »Beschehe aber die verschreibung nit für den EheMan, sonder für jemandt andern, soll dieselbig gantz und gar unkräfftig sein, es sey dann, daß neben den obgesetzten Personen auch der Man mitfertige.« 577 Entstehungsgeschichte und Aufbau des Bayerischen Landrechts von 1616, I Art. 12 ff. scheinen wohl eher dafür zu sprechen, dass der historische Gesetzgeber hier vorrangig nur die Interzession der verheirateten Frau regeln will.

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I Art. 14 Halbsatz 1 »Wirdet aber ein Fraw für jemandt andern, der nit ihr Ehewirth, guet und Porg, und verschreibt und verbindet ihr Person oder ihr Guet, das ist ebenfalls nit gültig, sie verzeyhe sich dann der Freyheit deß Senatus consulti Velleiani, welches will, daß kein Weibs Person könde Porg sein, und werde dessen ebenfalls, wie im vorgehenden Articul geordnet, genugsamb erinnert«.578

2. Südliche Niederlande a) Anwendungsbereich des SC Velleianum Die typischen Positionen des Ius commune finden sich auch in den südlichen Niederlanden. Als Regelungsgrund des SC Velleianum gelten hier ebenfalls die imbecillitas bzw. fragilitas sexus der Frauen,579 die eher eine Verpflichtung eingehen würden, als tatsächlich etwas herzugeben.580 Der Erhalt des Familienvermögens steht deshalb weiterhin im Fokus (periculum rei familiaris).581 Desgleichen wird hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereichs ein weiter Begriff der Interzession zugrunde gelegt,582 unter den jedoch nicht die 578 GÜNTER (Hrsg.), 1. Halbbd. (1969), S. 15 f. – Neben dem Verzicht in I Art. 14 Halbsatz 1 werden in Halbsatz 2 von den gemeinrechtlich anerkannten Ausnahmetatbeständen noch die beiden folgenden angefügt: »Es were dann, daß ein Weibs Person ihrer Porgschafft halben Gelt oder andere Schanckung eingenommen, oder sich zu underschidlichen zeiten zway oder mehrmalen für ein ainige Schuld als Porgin verbunden und verschriben hette.« – Bezüglich der letztgenannten Ausnahme vertritt BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 12, No 25 die Auffassung, dass das Bayerische Landrecht von 1616 anders als das Ius commune keine strikte Einhaltung der Zweijahresfrist mehr verlangen würde. Für die Fortgeltung der gemeinrechtlichen Zweijahresfrist in Bayern dagegen SCHMID, Commentarius amplissimus in Jus Provinciale Bavaricum, Tom. II, ad I Art. 14, No 9; ebenso KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu IV 10 §§ 23–27 CMBC, No 8. 579 Die Begriffe imbecillitas, infirmitas und fragilitas verwenden ZOESIUS, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 1, 5, 19; PEREZIUS, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 1, 17. – Die Begriffe infirmitas und fragilitas gebraucht CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. III, ad Cod. 4, 29, Dec. 36, No 1 f. 580 CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. III, ad Cod. 4, 29, Dec. 36, No 1: »eiusque ratio esse videtur, quia Senatus vidit mulierem non esse tam facilem ut proprio nomine se obliget, aut res suas donet. nam (uti ait Iurisconsultus) natura sexus muliebris est rerum suarum tenax«. – PEREZIUS, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 4: »Facilius enim mulier se obligat, quam alicui donat.« 581 ZOESIUS, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 1; PEREZIUS, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 1. 582 CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. III, ad Cod. 4, 29, Dec. 36, No 1: »Et sic habet locum illud Senatusconsultum quando mulier pro alio intercedit, et sic alienam obligationem in se transfert […] sive fiat principaliter […] vel etiam fiat accessorie per modum fideiussionis […]. Nullaque etiam distinctione habita sive re, sive verbo, sive quocumque contractu intercesserint mulieres«. – ZOESIUS, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 2: »Censetur autem mulier intercedere non tantum fidejubendo; sed quocumque obligationis genere, sive verbis, sive re, pro alio se obligando, dando pignora, mandando,

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unmittelbare Erfüllung einer fremden Verbindlichkeit583 oder der Erlass eines Pfandes584 fallen. Was die Rechtsfolgen angeht, kann die Interzedentin grundsätzlich die bekannte Einrede erheben, während der Gläubiger mit der actio restitutoria bzw. actio institutoria gegen den materiellen Schuldner vorgehen kann.585 Handelt es sich um eine Interzession zugunsten des eigenen Ehemanns, so ist diese nach der Authentica Si qua mulier (Nov. 134, 8) nichtig. Gerechtfertigt wird diese Schärfung weiterhin mit der Überlegung, dass die Frau hier weniger freiwillig denn gezwungen und aus Ehrfurcht vor ihrem Mann (propter reverentiam quamdam maritalem) handelt.586 Die Interzession für den eigenen Ehemann ist nur dann wirksam, wenn der Gläubiger nachweist, dass die erlangten Mittel auch zugunsten der Frau verwendet wurden, wozu eine entsprechende Einlassung der Frau in der Vertragsurkunde nicht ausreicht, es sei denn, sie gibt diese Erklärung vor dem Richter ab.587 Die für eine gültige Interzession ursprünglich nach Cod. 4, 29, 23 vorgeschriebene Form einer öffentlichen, von drei Zeugen unterzeichneten Urkunde (instrumento publico a tribus testibus subsignato) schleift sich zunächst auch in den südlichen Niederlanden insoweit ab, dass es keiner Unterschrift der Zeugen mehr bedarf, sondern nur mehr der Errichtung vor dem constituendo, expromittendo, alium defendendo, rem etiam propriam pro alio vendendo«. – PEREZIUS, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 3: »Intercessionis verbo illud omne accipiendum est, quo alienas obligationes, aut veteres vel novas in se mulier susceperit. […].« – No 8: »Plane si constet mulierem pro alio intercessisse, personam, vel rem suam obligando, vel consentiendo alii rem suam obliganti«. – No 10: »Omnis autem obligatio S.C. Vellejano comprehenditur, sive verbis, sive re, sive quocumque alio contractu mulier intercesserit«. 583 CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. III, ad Cod. 4, 29, Dec. 36, No 1; ZOESIUS, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 2, 11; PEREZIUS, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 4. 584 ZOESIUS, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 13; PEREZIUS, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 9. 585 CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. III, ad Cod. 4, 29, Dec. 36, No 3; ZOESIUS, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 3, 6; PEREZIUS, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 2, 10, 24 f. 586 ZOESIUS, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 4: »Pro marito quoque intercessio mulieris nullius jubetur esse momenti, Auth. Si qua mulier [Nov. 134, 8] C. eod. [Cod. 4, 29] quod non tam sponte quam coacte, et propter reverentiam quamdam maritalem intervenisse videatur.« – PEREZIUS, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 13 f.: »Igitur si qua mulier crediti instrumento consentiat pro marito, vel cum eo pro alio se obliget, etiamsi saepius iterata sit obligatio ipso jure non valet; ita ut opus non sit aliqua exceptione, d. Auth. si qua mulier, et Novell. 134, c. 8 […]. Quoniam enim facilius mulier adducitur ut pro viro suo intercedat (propter reverentiam quam ei debet) quam ut pro extraneo se obliget, ideo plenius uxori succurrendum putavit Iustinianus.« 587 PEREZIUS, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 12: »nisi creditores demonstrent pecuniam in utilitatem uxoris fuisse versam, et re ipsa ad eam pervenisse. Neque enim sufficit mulierem id in instrumento confessam esse, nisi coram Iudice in actis, confiteatur pecuniam versam in suam utilitatem, quia praesentia Iudicis omnem doli praesumptionem excludit.«

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Notar. Mit dem Erlass allgemeiner Formvorschriften durch örtliches Statutarrecht kommt es dann allerdings wieder zu erhöhten Formerfordernissen, da nun bei allen öffentlichen Urkunden grundsätzlich die Unterschrift der Zeugen verlangt wird.588 Wie Christinaeus weiter ausführt, schränkt das lokale Recht vor allen Dingen aber den Geltungsbereich des SC Velleianum erheblich ein: Nach den örtlichen Gewohnheiten (moribus nostris) kann sich eine Frau vor dem Großen Rat von Mecheln nur dann auf das SC Velleianum berufen, wenn sie zuvor ein entsprechendes Reskript des Landesherrn erwirkt (impetrato rescripto Principis), mit dem sie hinsichtlich der betreffenden Verbindlichkeit die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erlangt (quo adversus eam obligationem restituatur).589 Die Statutarrechte entwickeln sich dabei durchaus unterschiedlich, was die Geltung des SC Velleianum und der Authentica Si qua mulier angeht.590 Auf der einen Seite legt in Flandern das Genter Stadtrecht von 1563 fest, dass Frauen sich nur als Bürgen verpflichten können, wenn sie auf die Rechtswohltat (beneficie van rechte) des SC Velleianum nach einer entsprechenden Erklärung verzichten.591 Auf der anderen Seite ordnen in Brabant das Antwerpener Stadtrecht von 1582592 und das Brüsseler Stadtrecht von 1606593 CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. III, ad Cod. 4, 29, Dec. 36, No 8: »[…] non practicatur solemnitas illa ibidem statuta, quod mulier non possit se obligare pro alterius facto, nisi sub instrumento publico a tribus testibus subsignato, quodque obligatio aliter facta sit nulla. Nam licet cautio vel obligatio confecta coram Notario et testibus olim sufficere solebat, etiamsi instrumentum vel minuta non fuisset signata a testibus: postea tamen invaluit mos, ob edictum alias a Principibus nostris emanatum, quod tenentur testes subscribere instrumentis publicis qualecumque illud sit: et si quando scribere non sciunt, tenetur Notarius ad illius fidem enuntiare eosdem scribere non scivisse. quod hodie tam stricte servatur iuxta edictum perpetuum de anno 1611 quod si neutrum factum fuerit nullius momenti censeatur quidquid actum, vel in contractibus vel testamentis, fuerit.« – No 10: »licet postea per edicta hic et ibidem iam denuo in usum revocata videatur, quia nulla publica instrumenta confici possunt sine subscriptione contractantium et testium, nisi scribere nequeant, quo casu Notarius id notare tenetur, uti antea dixi.« 589 CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. III, ad Cod. 4, 29, Dec. 36, No 8: »Ex hoc autem Senatusconsulto Velleiano non iuvatur, moribus nostris, mulier, sicut nec moribus Galliae, nisi impetrato rescripto Principis, quo adversus eam obligationem restituatur […] et ita in praxi servari solet in suprema Curia, ac etiam iudicari.« 590 GILISSEN, RIDA 4 (1950), 513, 537 f.; DERS., in: RSJB, Tome 12 (1962), S. 255, 275 ff. 591 Costumen der stede ende schependome van Ghent von 1563, XVII, 4, in: GHELDOLF (Éd.), Coutumes des pays et comté de Flandre, Tome I (1868), S. 74/75 (flämisches Original mit französischer Übersetzung). Vgl. hierzu das sog. Cahier Primitif von 1545, III, 6, a. a. O., S. 232/233. 592 Rechten ende Costumen van Antwerpen von 1582, Titel 41, Art. 36, in: DE LONGÉ (Éd.), Coutumes du pays et duché de Brabant, Tome II (1871), S. 246/247 (flämisches Original mit französischer Übersetzung). 588

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jeweils an, dass ein solcher Verzicht keine Voraussetzung für eine wirksame Bürgschaft sei. Folgerichtig sieht dann auch die Rechtsprechung im Geltungsbereich des Antwerpener Rechts (in Ditione Antverpiensi) keinen Raum für eine Anwendung des SC Velleianum, wie eine Entscheidung des Raads van Brabant vom Mai 1652 zeigt:594 Eine wirksame Interzession setzt dort freilich wie jeder Vertragsschluss der Frau die Mitwirkung ihres Geschlechtsvormunds (assistente Tutore) voraus.595 b) Ausnahmen Auch in den südlichen Niederlanden wird an den zehn hergebrachten Ausnahmetatbeständen festgehalten,596 das heißt an den in der Glosse aufgeführten bzw. ergänzten Fällen597 sowie an der von den Kommentatoren hinzugefügten Interzession bei einem Minderjährigen598. Keine Anwendung findet das SC Velleianum also insbesondere, wenn die Frau zugunsten einer Mitgift (pro dote) interzediert.599 Für den Fall dass dies jedoch erst geschieht, nachdem die betreffende Ehe bereits geschlossen ist,

593 Costumen van Brussel von 1606, Art. 235, in: DE CUYPER (Éd.), Coutumes du pays et duché de Brabant, Tome I (1869), S. 158/159 (flämisches Original mit französischer Übersetzung). 594 STOCKMANS, Decisiones, Dec. 142, No 1: »Iudicavimus non esse locum exceptioni Senatus consulti Velleiani in Ditione Antverpiensi, et mulierem quae sui juris est, etiam non Mercatricem, ibi posse pro alio fidejubere aut pignora dare, licet non renunciaverit beneficio Senatus consulti nec de eo admonita fuerit, modo reliquae solennitates, in contractibus mulierum consuetudine Urbis illius praescriptae, observentur, puta ut assistente Tutore a lege dato contrahat mulier.« 595 GILISSEN, in: RSJB, Tome 12 (1962), S. 255, 277. 596 CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. III, ad Cod. 4, 29, Dec. 36, No 1: »Idque Senatusconsultum cum non habet locum etiamsi mulier intercesserit in quibusdam casibus quos enumerat Glo. in l. 1 ff. eod. [Dig. 16, 1, 1] et Gloss. in l. fin. infra eod. [Cod. 4, 29, 25] quos casus veteres memoriae iuvandae gratia hisce versibus complexi fuerunt. Casibus in senis mulier spondendo tenetur: Pro libertate, pro dote, renuntiet, et si decipiat, pretium capiatque secundo.« – No 6: »Praedictis casibus quibus mulier non iuvatur Velleiano addit Gloss. in d. l. fin. infra eod. [Cod. 4, 29, 25] tres alios, et Gloss. in d. l. 1 ff. eod. [Dig. 16, 1, 1] addit duos. et Nicol. de Materell. quem Doctores communiter sequuntur, adhuc quatuor addit, quos hisce carminibus complexus est: Debenti si succedit, si debita cepit, si minor est credens, si commoda propria gessit. Et sic omnino decem excepti sunt casus, quibus mulier non iuvatur beneficio Senatusconsulti Velleiani, de quibus late Sichard. hoc titul. num. 22 et seqq. usque ad fin.« – Zu Sichard s. o. Fn. 451. Vgl. ferner ZOESIUS, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 9 ff.; PEREZIUS, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 17 ff. 597 Siehe oben Fn. 260. 598 Siehe oben Fn. 345. 599 CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. III, ad Cod. 4, 29, Dec. 36, No 1; ZOESIUS, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 12; PEREZIUS, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 21.

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verweist Perezius auf die einschlägige Entscheidung im Codex Fabrianus,600 die hier eine Rückausnahme macht und den Schutz der Mitgift hinter dem SC Velleianum zurücktreten lässt.601 Rezipiert wird darüber hinaus die Schlussfolgerung, dass die Mitgift eine pia causa sei und sich daher dieser Ausnahmetatbestand auf jede andere pia causa erstrecken lasse.602 Zudem kann sich die Frau nicht auf das SC Velleianum berufen, wenn sie den Gläubiger über die grundlegenden Umstände des Geschäfts täuscht (decipiat).603 Illustriert wird dies auch in den südlichen Niederlanden mit dem beliebten Beispiel aus der Glosse, dass die Frau hierzu Männerkleidung (veste virili) anlegt und somit wie ein Mann auftritt.604 Daneben wird auf die Konstellation in Cod. 4, 29, 5 abgestellt und eine Täuschungsabsicht der Frau angenommen, wenn sie die Verpfändung ihrer Sachen durch den Ehemann duldet und dadurch beim Gläubiger den Eindruck erweckt, der Mann verpfände seine eigenen Sachen.605 Erhält die Frau eine Gegenleistung für ihre Interzession (pretium capiat), ist ihr die Einrede des SC Velleianum gleichfalls verwehrt.606 Bezüglich der nötigen Höhe dieser Gegenleistung stellt Perezius die beiden gegensätzlichen Positionen von Cinus und Salicetus dar, um sich dann – ebenso wie Sichard607 – der vermittelnden Auffassung von Baldus anzuschließen.608 Siehe oben Fn. 459. PEREZIUS, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 22. 602 CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. III, ad Cod. 4, 29, Dec. 36, No 4: »Praeterea sciendum est cum dos numeretur inter pias causas, l. Cum is § Si in ea ff. De condictione indebiti [Dig. 12, 6, 32, 2] propter eamdem rationem mulieres etiam teneri, nec iuvari Velleiano si in aliis piis causis intercedant. In piis enim causis fit extensio de una ad reliquas, ita quod idem iuris sit in alimentis pauperibus, Ecclesiis, aliisque piis locis relictis observandum quod in dote, Gloss. in l. Illud supra de sacrosanctis Ecclesiis [Cod. 1, 2, 19].« – Vgl. auch ZOESIUS, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 12: »Si in dotem promiserit […] quia videtur gessisse negotium intuitu pietatis«. – Ferner PEREZIUS, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 21: »quasi id fecisse videatur pietatis respectu«. 603 CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. III, ad Cod. 4, 29, Dec. 36, No 1; ZOESIUS, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 10; PEREZIUS, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 17. 604 CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. III, ad Cod. 4, 29, Dec. 36, No 1. 605 PEREZIUS, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 8: »si vero ignoravit et mulier patientiam praestitit, beneficio Senatusconsulti frui non debet, quia permittens res suas obligari, ut mariti, decipere voluit creditorem«. 606 CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. III, ad Cod. 4, 29, Dec. 36, No 1; ZOESIUS, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 12; PEREZIUS, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 18. 607 Siehe oben Fn. 482. 608 PEREZIUS, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 19: »et ideo Doctores variant. Cynus autem et Faber mulierem repellunt, si acceperit tantam pecuniam, quae sufficiat ad solutionem summae, pro qua intercedit. Salycetus ad l. 23 [Cod. 4, 29, 23] ait nihil referre quantumcumque acceperit, adeo ut non prosit mulieri Vellejanum, quamvis minimum quid acceperit, propterea quod lex generaliter loquens, ponit mulierem aliquid accepisse, nec requirit ullam certam quantitatem: sic ut videatur aliquid accipiendo renunciare suo privilegio: quae 600 601

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

Ausgeschlossen ist das SC Velleianum ferner, wenn die Frau ihre Interzession nach Ablauf von zwei Jahren wiederholt,609 ohne dass dabei eine Belehrung über die Folgen der Neuvornahme erforderlich ist.610 Führen Mann und Frau gemeinsam ein Handelsgewerbe, kann sich die Frau bezüglich ihrer Geschäftsschulden nicht auf das SC Velleianum berufen, da diese Mittel in ihrem eigenen Interesse verwendet werden.611 c) Insbesondere: Verzicht – »extra iudicium … mulieres renuntiare non possint« Der Verzicht der Frau auf das SC Velleianum wird auch in den südlichen Niederlanden eingehend erörtert. Zoesius und Perezius stellen insoweit zunächst auf den obligatorischen Verzicht ab, den Cod. 5, 35, 3 für die Übernahme der Vormundschaft verlangt.612 Christinaeus hingegen legt dar, dass nach den örtlichen Gewohnheiten (moribus nostris Mechliniensibus) Frauen zur Vormundschaft ihrer Kinder und Enkel zugelassen werden, ohne diesen Verzicht erklären zu müssen.613 Hinsichtlich des fakultativen Verzichts werden ebenfalls unterschiedliche Meinungen vertreten. Perezius hält einen außergerichtlichen Verzicht für zulässig und verwirft das Argument, dass die Frau aufgrund derselben facilitas verzichte, deretwegen sie interzediert. Wenn eine Frau stillschweigend auf die Einrede verzichten könne, indem sie es schlicht unterlässt, diese Einrede zu erheben, müsse sie doch erst recht in der Lage sein, ausdrücklich den Verzicht zu erklären. Im Übrigen gelte auch anderweitig der Grundsatz, dass jeder auf Regelungen verzichten könne, die zu seinen eigenen Gunsten eingeführt sind, solange der Verzicht nicht gegen die guten Sitten (contra bonos mores) verstößt.614 Nach Ansicht von Zoesius hat sich die Zulässigkeit eines opinio dura est, magis proinde placet cum Baldo hoc committere arbitrio Iudicis definiendum, pro ut fit in casibus, ubi non est certus modus, tempus, locus definitus, l. 135 § 2 ff. de verborum obligationibus [Dig. 45, 1, 135, 2]. […] Sichard ad Rubr. C. h. t. n. 20.« 609 CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. III, ad Cod. 4, 29, Dec. 36, No 1; ZOESIUS, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 12; PEREZIUS, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 16. 610 CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. III, ad Cod. 4, 29, Dec. 36, No 1 in fine. 611 PEREZIUS, Praelectiones, ad Cod. 4, 12, No 2: »Plane si mercaturam exerceant conjuges, valide pro pecunia in eam credita, convenitur uxor, cum in ejus rem sit versa, nec juvabitur Vellejano«. 612 ZOESIUS, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 15; PEREZIUS, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 23; ad Cod. 5, 35, No 2. 613 CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. III, ad Cod. 5, 35, Dec. 149, No 3: »et sic dicta regula, quod mulier ad tutelam non sit admittenda, fallit in matre et avia, quae iure Codicis et Novellarum ad tutelam admittuntur, quae etiam moribus nostris Mechliniensibus et Galliae non renuntiant Senatusconsulto Velleiano, neque etiam secundis nuptiis, ut liberorum suorum sint tutrices«. 614 PEREZIUS, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 23: »Nec movet, quod eadem facilitate renunciet, qua intercedit, quia illa ratio non tam vera, quam ficta est: neque procedit in

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solchen Verzichts in der Praxis etabliert, mögen auch die besseren Gründe dagegen sprechen.615 Christinaeus allerdings stellt klar, dass der Große Rat von Mecheln (in Curia nostra) – entgegen der Glosse, aber in Anlehnung an die Differenzierung von Bartolus – einen außergerichtlichen Verzicht grundsätzlich für unzulässig hält, da anzunehmen sei, dass der Verzicht und die Interzession auf derselben facilitas der Frau beruhen.616 Einigkeit besteht dahin gehend, dass ein wirksamer Verzicht grundsätzlich eine entsprechende Belehrung (certioratio) der Frau voraussetzt.617 Durch einen Eid können diese Grundsätze des ius civile aber nach kanonischem Recht weitgehend ausgehebelt werden. Selbst die Ansicht, die den Verzicht grundsätzlich ablehnt, hält ihn, wenn er beeidet wird, für wirksam.618 Das in diesem Zusammenhang insbesondere von Covarruvias aufgeworfene Folgeproblem, ob insoweit schon eine Beeidung der Interzession für sich allein genügt oder ob es dabei einer ausdrücklichen Verzichtserklärung bedarf, löst Christinaeus im Sinne von Fachineus und somit in ersterem Sinne.619 muliere, quae instructa et edocta de suo privilegio speciatim nominatimque renunciat. Et sane, si mulier potest tacite renunciare huic exceptioni, eam omittendo; cur non posset expresso pacto eandem remittere? cum major vis sit expressi, quam taciti. Et alibi rescriptum exstet, licere omnibus his, quae pro se introducta sunt, renunciare. Quae regula in usu est, nisi renunciatio sit contra bonos mores«. 615 ZOESIUS, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 16 ff., 19: »Quae posterior pars de jure est probabilior, Gomez. 2 Variar. Res. c. 13 n. 17. altera tamen praxi recepta.« – Zu Gomez s. o. Fn. 513. 616 CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. III, ad Cod. 4, 29, Dec. 36, No 5: »Nos autem in Curia nostra solemus communiter contra Gl. ad d. l. ult. hoc tit. observare distinctionem illam quam tradit Barth. in dicto § ult. scilicet quod extra iudicium extra praeallegatos casus, mulieres renuntiare non possint huic beneficio, quia eadem fragilitate ad renuntiandum induci possent qua ad intercedendum […]. Quam distinctionem etiam probant Covarr. in c. Quamvis de pact. in 6. in 2. part. § 3 numer. 4 et 5 et Anton. Gomez. var. resolut. tit. de contract. c. 13 num. 19.« – Zur Glosse s. o. Fn. 276; zu Bartolus s. o. Fn. 380; zu Covarruvias s. o. Fn. 514; zu Gomez s. o. Fn. 513. 617 CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. III, ad Cod. 4, 29, Dec. 36, No 7; ZOESIUS, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 16. 618 CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. III, ad Cod. 4, 29, Dec. 36, No 6: »nunc vero, dato quod in obscuro sit an renuntiatio valeat, uti antea discussi, suboriri potest alia controversia, an valeat si iuramento sit corroborata; sunt enim qui sentiunt non valere, quia iuramentum sequitur naturam actus cui adjicitur […]. Licet in contrarium extet Iuris Canonici decisio in c. Ex rescripto de iureiurando [Lib. Extra 2, 24, 9]. Ex quo notatur iusiurandum de iure habere vim specialis renunciationis.« – ZOESIUS, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 20: »Juramento firmatam renuntiationem, etiam extrajudicialem, tenere habet communis Doctorum sententia.« 619 CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. III, ad Cod. 4, 29, Dec. 36, No 6: »an si mulier pro alio obligetur iureiurando interposito, non tamen renuntiando Senatusconsulti beneficio, utrum efficax sit obligatio, nec iuvetur ea exceptione, nam (uti ibidem subdit) exceptionem ex Senatusconsulto hoc in casu mulieri se obliganti competere, auctores sunt […] et

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

Leistet die Frau einen entsprechenden Eid, bedarf es also keiner Belehrung (certioratio)620 und selbst die ansonsten nichtige Interzession für den eigenen Ehemann ist wirksam.621 3. Römisch-holländisches Recht a) Anwendungsbereich des SC Velleianum Auch im römisch-holländischen Recht622 wird der Regelungsgrund des SC Velleianum in der imbecillitas bzw. fragilitas sexus der Frauen gesehen,623 die grundsätzlich auf den Erhalt ihres Vermögens bedacht seien (tenaces) und daher leichter eine Verbindlichkeit eingehen würden, als tatsächlich eine Zuwendung vorzunehmen.624 Neben der Gefahr für das Familienvermögen (periculum rei familiaris) wird aber häufig auch noch auf den Charakter der Interzession als Männersache (virile officium) abgestellt.625 Covarr. alios citans in d. c. Quamvis part. 2 § 3 num. 5 de pactis in 6. [Lib. Sext. 1, 18, 2]. ubi idem Fachin. contrariam sententiam probare videtur ex d. c. Ex rescripto de iureiurando [Lib. Extra 2, 24, 9] resolvendo argumentum contrariae sententiae: de iure enim canonico (quod hodie in foro civili, servatur, uti nonnulli asserunt) quotiescumque iuramentum potest servari sine interitu salutis aeternae, servandum est, quidquid dicant leges civiles, c. Cum contingat De iureiurando [Lib. Extra 2, 24, 28].« – Zu Covarruvias s. o. Fn. 531; zu Fachineus s. o. Fn. 532. Vgl. auch PEREZIUS, Praelectiones, ad Cod. 4, 29, No 23: »Quod si vero renunciationi juramentum accesserit, sine exceptione S.C. juramentum valebit, ut probat Covar. ad c. quamvis p. 2 § 3 n. 7.« 620 ZOESIUS, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 20: »Facit pro ista parte cap. Ex rescripto Extra De iureiurando [Lib. Extra 2, 24, 9] ubi mulier secundum intercessionem juratam simpliciter interpositam nulla facta mentione certiorationis (quam ibi supplere, est divinare) cogitur satisfacere.« 621 ZOESIUS, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 20: »Eadem ratione intercedens pro Marito; quamvis hoc jura improbent, juramento tenebitur, quia tale juramentum servari potest sine animae detrimento.« 622 Vgl. hierzu SPRUIT, Huldigingsbundel van Warmelo (1984), S. 194, 204 ff.; LOKIN /  BRANDSMA / JANSEN, Roman-Frisian Law (2003), S. 64 ff. 623 CORVINUS, Methodica Enarratio, ad Cod. 4, 29; VINNIUS, Selectae quaestiones, Lib. I, Cap. 48 (S. 241, 243 f.); U. HUBER, Praelectiones, ad Dig. 16, 1, No 1, 14, 19; VOET, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 1, 9; WESTENBERG, Principia juris, ad Dig. 16, 1, § 4; VAN DER KEESSEL, Dictata, ad Inst. 3, 20 (21), § 1, Vol. II, S. 84. 624 CORVINUS, Methodica Enarratio, ad Cod. 4, 29: »quia facilius mulieres periclitantur intercedendo, quam donando, utpote natura tenaces.« – U. HUBER, Praelectiones, ad Dig. 16, 1, No 1: »Sunt enim fere tenaces adversus praesentem alienationem, quo fit, ut raro donent«. – No 13: »Senatus enim obligatae mulieri succurrere voluit, non donanti; hoc ideo, quia facilius se mulier obligat, quam alicui donat«. – VOET, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 11: »senatus enim obligatae mulieri succurrere voluit, non donanti, quia facilius se mulier obligat, quam alteri donat.« 625 BRONCHORST, Enarrationes, ad Dig. 50, 17, 2 pr.: »[…] Cuius ratio est, quod in hoc officio non solum nudum ministerium, sed etiam periculum rei familiaris versetur, l. 1 ff. ad SC Velleianum [Dig. 16, 1, 1].« – VINNIUS, Selectae quaestiones, Lib. I, Cap. 48

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Im Hinblick auf den sachlichen Anwendungsbereich gilt unverändert ein weiter Begriff der Interzession,626 unter den etwa auch die Annahme eines Wechsels fällt.627 Die Erfüllung oder unmittelbare Weggabe von Vermögensgegenständen durch die Frau, insbesondere die Freigabe eines ihr zustehenden Pfandes,628 werden hiervon jedoch nicht erfasst.629 (S. 241): »Et hoc officium eo magis eis adimendum fuit, quia in eo non sola opera nudumque ministerium versatur, sed etiam periculum rei familiaris.« – U. HUBER, Praelectiones, ad Dig. 16, 1, No 1: »Haec igitur prima et praecipua ratio est in Senatus-Consulto, quod intercessio pro aliis virile munus et sexus verecundiam excedens videretur. Alteram suggerit Ulpianus [sic!] in l. 1 in fine pr. [Dig. 16, 1, 1, 1]. Quod in intercessione periculum rei familiaris mulierum verteretur«. – VAN DER KEESSEL, Dictata, ad Inst. 3, 20 (21), § 1, Vol. II, S. 84: »quoniam fidejussio est civile et virile officium a quo mulieres arcentur […] et quia infirmitas sexus muliebris quae non prospicit periculum in futurum auxilium legis mereri videbatur«. 626 BRONCHORST, Enarrationes, ad Dig. 50, 17, 2 pr.: »Foemina itaque si pro alio intercesserit, fideiubendo, mandando, novandi animo alienam obligationem in se transferendo, suasve res alterius causa pignorando, vel in iudicio quenquam defendendo, vel cum eo, qui alioqui cum alio contracturus erat, contrahendo, hisce omnibus casibus beneficio Senatusconsulti Velleiani tuta est.« – CORVINUS, Methodica Enarratio, ad Cod. 4, 29: »Intercedere sive intervenire mulier dicitur, quae inter creditorem et debitorem interjicitur, se, vel res suas, pro alio obligans. Nec refert, utrum re, an literis, aliove quovis modo intercedat.« – Ferner WISSENBACH, Exercitationes, Pars I, Disp. 30, No 2 ff.; U. HUBER, Praelectiones, ad Dig. 16, 1, No 2 f.; VOET, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 8; WESTENBERG, Principia juris, ad Dig. 16, 1, §§ 7 ff. 627 Hoge Raad, Urt. v. 16. März 1707, VAN BIJNKERSHOEK, Observationes tumultuariae, Tom. I (1926), No 262, S. 128. Vgl. hierzu das Compendium, a. a. O., S. 628 f.; GROTIUS, Inleidinge, Bd. II (1926), S. 254 und 335 (Anm.); VAN OOSTEN, Systematisch Compendium (1962), S. 9. Zu den anderen Aspekten dieser Entscheidung s. u. Fn. 671. – Allerdings räumt der Hoge Raad den Grundsätzen des Wechselrechts (»Qui accepte, qui paye«) mitunter auch Vorrang vor dem SC Velleianum ein, vgl. Hoge Raad, Urt. v. 10. Nov. 1724, VAN BIJNKERSHOEK, Observationes tumultuariae, Tom. III (1946), No 2088, S. 43. Vgl. hierzu SIRKS (Hrsg.), Van Bijnkershoeks Observationes 2018–2913 (2005), S. 32. 628 CORVINUS, Methodica Enarratio, ad Cod. 4, 29: »Efficaciter obligatur mulier si non intercessit; Ut, […] 5. Si pignus vel hypothecam […] remisit.« – U. HUBER, Praelectiones, ad Dig. 16, 1, No 9: »Sic, etsi pignoris datio pro alio faciat intercessionem, non est tamen intercessio, si creditrix mulier rem pignoratam reddiderit debitori«. 629 CORVINUS, Methodica Enarratio, ad Cod. 4, 29: »Unde si pro alio, citra intercessionem, solvat quod debetur, aut alicui donet, Senatusconsulto non juvatur«. – WISSENBACH, Exercitationes, Pars I, Disp. 30, No 7: »Mulieri pro alio […] obligatae opitulatur hoc Senatusconsultum, ut dictum, non solventi pro alio.« – U. HUBER, Praelectiones, ad Dig. 16, 1, No 13: »Est etiam donationis species, quando mulier non obligata nullaque intercessione facta, pro alio solvit, adeo ut solutum repetere nec possit«. – VOET, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No11: »Non etiam Vellejano locus est, si mulier alteri donet, vel si pro debitore solvat, vel suum debitorem creditori alterius deleget sine intercessione, vel pignus, quod ut creditrix tenebat, restituat«. – WESTENBERG, Principia juris, ad Dig. 16, 1, § 10: »Ad alias mulierum Obligationes, quae in intercessionis speciem non incidunt, Senatusconsultum non pertinet. […] Adeoque donare […] pro alio solvere

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Als Rechtsfolge steht der Interzedentin auch im römisch-holländischen Recht grundsätzlich die exceptio SC Velleiani zu;630 der Gläubiger kann sich wiederum mit der actio restitutoria bzw. actio institutoria an den materiellen Hauptschuldner halten.631 Eine Interzession zugunsten des eigenen Ehemanns ist hingegen nach der Authentica Si qua mulier nichtig, es sei denn, die erlangten Mittel wurden nachweislich zugunsten der Frau verwendet.632 Allerdings setzt die Anwendbarkeit der Authentica Si qua mulier in güterrechtlicher Hinsicht voraus, dass durch Ehevertrag (pactis antenuptialibus) die Verfügungsgewalt des Ehemanns über das Vermögen der Frau bzw. die Gütergemeinschaft abbedungen ist, da ansonsten tatbestandsmäßig keine Interzession der Ehefrau vorliegt.633

[…] debitorem suum alieno creditori delegare […] pignora accepta reddere […] mulieres non prohibentur.« 630 WISSENBACH, Exercitationes, Pars I, Disp. 30, No 8; U. HUBER, Praelectiones, ad Dig. 16, 1, No 5; VOET, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 1 f.; WESTENBERG, Principia juris, ad Dig. 16, 1, §§ 14 ff. 631 CORVINUS, Methodica Enarratio, ad Cod. 4, 29, in fine; WISSENBACH, Exercitationes, Pars I, Disp. 30, No 5 f.; U. HUBER, Praelectiones, ad Dig. 16, 1, No 8; VOET, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 4 ff.; WESTENBERG, Principia juris, ad Dig. 16, 1, §§ 21 ff. 632 GROTIUS, Inleidinge, III, 3, § 19: »Door byzondere wetten is den gehouden vrouwen verboden borge te werden voor geld-leeninge die aen haer mans geschied, uitgenomen voor zoo veel de schuld zoude moghen bevonden werden te strecken tot haren bate«. – CORVINUS, Methodica Enarratio, ad Cod. 4, 29: »Si pro marito instrumento crediti consensit, vel cum eo pro alio, etiam post biennium iterate se obligavit; nisi ostendatur pecuniam creditam in utilitatem ipsius mulieris esse versam.« – Ferner WISSENBACH, Exercitationes, Pars I, Disp. 30, No 8; U. HUBER, Praelectiones, ad Dig. 16, 1, No 6; VOET, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 1; WESTENBERG, Principia juris, ad Dig. 16, 1, § 18; VAN DER KEESSEL, Praelectiones, ad III, 3, § 19 (MS S. 1071), Vol. IV, S. 86. 633 VAN GROENEWEGEN, De legibus abrogatis, ante Cod. 4, 29, 23, ad Nov. 134, 8, No 1 f.: »Non observantur: quia hodie vel ea mulier, quae non intercessit, tenetur ex contractu mariti, cui et moribus nostris omnia bona uxoris obligandi et alienandi jus est. […] Caeterum si pactis antenuptialibus ea maritalis potestas nominatim restricta, adeoque ad jus civile Romanorum reditum sit: tunc mulier ex contractu mariti, etiamsi pro eo intercesserit, non tenetur«. – VAN LEEUWEN, Rooms-Hollands-Regt, IV, 4, No 2: »Maar aangesien een Vrouw by ons ook metter daad gehouden is, ende verbonden werd, door, ende voor de schuld van haare Man, al ist dat sy haar daar voor niet in ’t bysonder verbonden had (glijk als elders geseid is) soo en heevt het selve huydendaags geen plaats, dan soo wanneer den Man soodanige verbintenis by Huwelijxse-Voorwaarden was verboden.« – VAN DER KEESSEL, Praelectiones, ad III, 3, § 19 (MS S. 1071), Vol. IV, S. 86: »Sed cum apud nos mulieres nuptae statutaria bonorum communione utantur, res ipsa docet constare debere mulierem vere pro marito intercessisse, adeoque vel formulam fideiussionis adhibitam esse debere, ut mulier hoc beneficio utatur, vel communionem omnem bonorum et lucri et damni pactis antenuptialibus exclusam esse, ut nuda mulieris subscriptio chirographi a marito dati pro intercessione habeatur«.

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Der Unterschied zwischen einer nach dem SC Velleianum einredebehafteten, aber grundsätzlich wirksamen Interzession einerseits und einer nach der Authentica Si qua mulier nichtigen Interzession andererseits wird dabei nicht nur in der Literatur,634 sondern gerade auch in der Rechtsprechung betont:635 Während es im Belieben der Frau steht, die Einrede zu erheben oder nicht, ist die Nichtigkeit von Amts wegen durch den Richter zu berücksichtigen. Übereinstimmung besteht freilich darin, sowohl das SC Velleianum als auch die Authentica Si qua mulier jeweils als »voordeel« (Grotius) bzw. als »voorregt« (van Leeuwen) der Frauen anzusehen.636 Nichtig ist eine Interzession grundsätzlich ferner, wenn die nach Cod. 4, 29, 23 vorgeschriebene Form einer öffentlichen Urkunde nicht eingehalten wird.637 Obwohl diese Formvorschrift in erster Linie die Interzession selbst betrifft, wird ihre Fortgeltung im römisch-holländischen Recht weniger bei der Interzession, sondern mehr beim Verzicht thematisiert.638 Neben Literatur639 und Rechtsprechung640 findet die Rezeption des SC Velleianum auch im örtlichen Statutarrecht ihren Niederschlag, wie etwa in 634 CORVINUS, Methodica Enarratio, ad Cod. 4, 29: »Cessat ergo Senatusconsultum; cum mulier ipso jure tuta est: cum efficaciter obligatur. Ipso jure tuta est, adeo ut exceptioni non sit locus […].« – WISSENBACH, Exercitationes, Pars I, Disp. 30, No 8: »Ex his liquido liquet, Mulierem quae pro alio intercessit, ipso jure teneri, sed habere exceptionem Scti Vellejani […] exceptis duobus casibus, quibus intercessio mulieris est ipso jure nulla, ex constitutionibus Justiniani«. – U. HUBER, Praelectiones, ad Dig. 16, 1, No 7: »Est igitur alias Exceptioni, alias Nullitati locus; Si quaeratur, in eventu quae sit differentia inter hanc utramque viam nullitatis et exceptionis, videtur haec esse non levis momenti. Si mulier ex intercessione conventa non utatur exceptione, Judex eam ut naturaliter ac civiliter obligatam condemnabit, quia tacite renunciatum videatur SenatusConsulto, quod esse in potestate mulierum infra videbimus. At cum intercessio est ipso jure nulla, tametsi nulla utatur allegatione beneficii muliebris, Judex nihilominus eam absolvet«. – Ferner VOET, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 1 in fine; WESTENBERG, Principia juris, ad Dig. 16, 1, §§ 15, 18; VAN DER KEESSEL, Dictata, ad Inst. 3, 20 (21), § 1, Vol. II, S. 84. 635 VAN DEN SANDE, Decisiones Frisicae, III, 11, Def. 4: »Diversa plane sunt remedia, beneficium Senatus-consulti Velleiani et Authenticae Si qua mulier. Ex Senatus-consulto, mulier pro alio intercedens non est ipso iure tuta; sed ope tantum exceptionis. At si intercesserit pro marito, ipso jure non est in eam actio«. – Vgl. hierzu SPRUIT, Huldigingsbundel van Warmelo (1984), S. 194, 209; LOKIN / BRANDSMA / JANSEN, Roman-Frisian Law (2003), S. 81. 636 GROTIUS, Inleidinge, III, 3, §§ 15, 19; VAN LEEUWEN, Rooms-Hollands-Regt, IV, 4, No 2. 637 CORVINUS, Methodica Enarratio, ad Cod. 4, 29: »Si ejus obligatio in publicum instrumentum a tribus testibus subsignatum non sit redacta«. – Ferner WISSENBACH, Exercitationes, Pars I, Disp. 30, No 8; U. HUBER, Praelectiones, ad Dig. 16, 1, No 6; VOET, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 1; WESTENBERG, Principia juris, ad Dig. 16, 1, § 18. 638 Siehe unten S. 138 ff. 639 Vgl. GROTIUS, Inleidinge, III, 3, §§ 14 ff.: »Uitghenomen vrou-menschen: welcker borg-tochte door de borger-wetten zoo zeer zijn vernietigt, dat oock de betalinghe die daer

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

Amsterdam (17. Februar 1524)641 oder Groningen (1702)642. Teilweise wird zwar wie in Harderwijk (1734) die Anwendung des SC Velleianum ausdrücklich abgelehnt.643 Aber selbst der auf Anweisung von König Louis Napoleon durch Johannes van der Linden verfasste Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Holland von 1807/08644 sieht noch vor, dass die Bürgschaft einer Frau unwirksam (onbestaanbar) ist, wenn ihre Bürgschaftserklärung nicht in Gegenwart eines Richters aufgenommen wird, der sie zuvor über die entsprechenden Folgen belehrt hat. Hierdurch soll verhindert werden, dass Frauen sich leichtfertig (ligtvaardelijk) verbürgen: III 1, 3 Art. 3 »Om echter voortekomen, dat Vrouwen zich niet ligtvaardelijk als Borgen verbinden, zijn derzelver Borgtogten onbestaanbaar, ten ware de Acte daarvan gepasseerd worde ten overstaan van de Regter, wiens pligt het is, om haar vooraf de kracht en gevolgen der verbindtenis als Borg onder het oog te brengen.«645

Erst die Einführung des modifizierten Code civil am 1. Mai 1809 setzt das römische Recht und damit auch das SC Velleianum im Königreich Holland außer Kraft.646 Im außereuropäischen Geltungsbereich des römisch-holländischen Rechts freilich gelten das SC Velleianum und die Authentica Si qua uit zoude moghen zijn geschied is wederroepelick, met de vruchten van dien […].« – VAN GROENEWEGEN, De legibus abrogatis, ad Cod. 4, 29: »Hunc titulum in Gallia edicto Regio abrogatum esse tradunt […]. Sed moribus nostris obtinet«. – Ferner VAN LEEUWEN, Censura forensis, Lib. IV, Cap. 17, No 3; DERS., Rooms-Hollands-Regt, IV, 4, No 2. 640 Vgl. VAN DEN SANDE, Decisiones Frisicae, III, 11, Def. 1 ff.; VAN BIJNKERSHOEK, Observationes tumultuariae, Tom. I (1926), No 262, S. 128; No 267, S. 131; No 272, S. 135; No 280, S. 140; No 950, S. 516; No 1014, S. 544; Tom. II (1934), No 1834, S. 568, 569; No 1987, S. 685; Tom. III (1946), No 2088, S. 43; PAUW, Observationes tumultuariae novae, Tom. I (1964), No 139, S. 96; No 166, S. 116; No 448, S. 331; Tom. II (1967), No 843, S. 217. 641 NOORDKERK, Handvesten, Bd. II (1748), S. 565: »Alsoo mijne Heeren vanden Gerechte dagelycx bevinden, dat vele ende diversche Vrouw-persoonen hen voor andere borgen stellen, contrarie der Keyserlijcke beschreve Rechten, die mijne Heeren in desen onderhouden ende achtervolgen willen. Soo is ’t, dat de selve mijne Heeren vanden Gerechte een igelijck hier af adverteren ende waerschuwen, ten eynde dat elck een hem sal moge wachten van Vrouwen tot Borgen te nemen: want men daer af geen Recht doen en sal.« – Vgl. hierzu VAN DER KEESSEL, Praelectiones, ad III, 3, § 14 (MS S. 1066), Vol. IV, S. 78; PAUW, Observationes tumultuariae novae, Tom. I (1964), No 139, S. 96. 642 Corpus der Groninger Rechten (1735), S. 92, 96 f., Van Mede-Schuldt ende BorghToght, Art. 18–22. Vgl. hierzu SPRUIT, Huldigingsbundel van Warmelo (1984), S. 194, 211. 643 Gereformeerde Willekeuren ende Stadt-Rechten van Harderwijk (1734), II 13 Art. 18 (S. 139): »Een Vrouwspersoon, sig voor ymant tot Burge stellende, sal sig naderhand niet mogen behelpen met het Sctum Velleianum of diergelycke hulpmiddelen der Beschreven Regten, schon sy daar van in het Burge werden niet vermaant is geworden nog van het effect van dien gerenuntieert heeft; maar sal gehouden syn haare Burgtogt te praesteren na den inhoud der selver.« 644 Vgl. hierzu LOKIN, ZEuP 12 (2004), 932, 933 f. m. w. N. 645 VAN DER LINDEN, Ontwerp Burgerlijk Wetboek 1807/1808 (1967), S. 175.

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mulier weiter, insbesondere in Südafrika,647 bis sie dort schließlich 1971 durch den Suretyship Amendment Act 57 aufgehoben werden.648 b) Ausnahmen Die im Ius commune anerkannten Ausnahmetatbestände finden sich allesamt auch im römisch-holländischen Recht wieder.649 Einzig die entsprechenden, auf der Glosse beruhenden Merksätze tauchen in den vorliegend untersuchten Quellen nicht auf. Dafür teilen Huber und Westenberg die Tatbestände in zwei bzw. drei Gruppen ein, je nachdem, aus welcher Sphäre der Umstand stammt, der die Ausnahme rechtfertigt:650 Aus der Sphäre der Frau (Ratione Mulieris),651 aus der Sphäre des Gläubigers (Ratione Creditoris)652 oder im Hinblick auf das zugrunde liegende Rechtsgeschäft, um dessentwillen die In646 SPRUIT, Huldigingsbundel van Warmelo (1984), S. 194, 212; LOKIN, ZEuP 12 (2004), 932, 936 m. w. N. 647 VAN WARMELO, in: RSJB, Tome 12 (1962), S. 751, 756; FORSYTH, in: Southern Cross (1996), S. 417, 419 f.; ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 152. 648 KAHN, (1971) 88 SALJ 364 ff. m. w. N. 649 BRONCHORST, Enarrationes, ad Dig. 50, 17, 2 pr.: »Quod beneficium cessat octo casibus, quos gloss. notat in d. l. 1 [Dig. 16, 1, 1].« – Zur Gl. ne pro ullo s. o. Fn. 260. Vgl. ferner GROTIUS, Inleidinge, III, 3, §§ 15 ff.; CORVINUS, Methodica Enarratio, ad Cod. 4, 29: »Mulier etiam licet intercessit, nonnullis casibus efficaciter obligatur, nec exceptione Senatusconsulti adjuvatur: Puta, Si pro libertate danda alieno servo, intercessit […] Vel pro dote […] Vel in rem suam […] Vel apud minorem […] Vel dolo malo creditorem decepit, intercessionem dissimulans […] Vel pretium intercessionis accepit […] Vel beneficio Senatusconsulti, ejus admonita et instructa, speciatim et nominatim, tam in, quam extra judicium, renunciavit […] Vel debitori principali, pro quo se obligavit, successit […] Vel intercessionem pro extraneo factam, post biennium […] confirmavit.« – VINNIUS, Selectae quaestiones, Lib. I, Cap. 48 (S. 241 f.); WISSENBACH, Exercitationes, Pars I, Disp. 30, No 18; U. HUBER, Praelectiones, ad Dig. 16, 1, No 9 ff.; VOET, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 9 ff.; WESTENBERG, Principia juris, ad Dig. 16, 1, §§ 24 ff.; VAN DER KEESSEL, Praelectiones, ad III, 3, §§ 15 ff. (MS S. 1066 ff.), Vol. IV, S. 78 ff. 650 U. HUBER, Praelectiones, ad Dig. 16, 1, No 9, 11; WESTENBERG, Principia juris, ad Dig. 16, 1, § 24. Im Gegensatz zur Dreiteilung bei Westenberg bildet Huber nur zwei Gruppen, da er nur auf das zugrunde liegende Rechtsgeschäft (Causae respectu) und die Sphäre der Frau (ex facto muliebri) abstellt, aber nicht auf die Sphäre des Gläubigers. 651 WESTENBERG, Principia juris, ad Dig. 16, 1, § 25: »Ratione Mulieris I. Si Mulier non intercedat, sed ipsa contrahat, vel aliud agat, puta donet, vel pro alio solvat […]. dummodo nihil in fraudem Senatusconsulti factum sit […]. II. Si mulier callide versata sit […]. III. Si in rem suam intercesserit […]. IV. Si debitum a debitore acceperit […]. V. Si pretium intercessionis acceperit […]. VI. Si de beneficio huius Senatusconsulti edocta, ei, vel judicialiter, vel extrajudicialiter, specialiter renunciaverit […]. VII. Si mulier perfectae aetatis intercessionem pro extraneo (…) factam post biennium reiteravit […].« 652 WESTENBERG, Principia juris, ad Dig. 16, 1, § 26: »Ratione Creditoris I. Si creditor ignoraverit mulierem intercedere […]. II. Si creditor minor sit […] quo casu major aetatis, quam sexus habetur ratio […].«

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terzession erfolgt (Ratione Causae).653 Bemerkenswert ist darüber hinaus die Feststellung von van der Keessel, dass sich die Rezeption des Interzessionsverbots für Frauen auch auf die entsprechenden, im Ius civile anerkannten Ausnahmen erstreckt, die daher auch im römisch-holländischen Recht gelten müssen.654 Was die Ausnahmetatbestände im Einzelnen angeht, so ist die Freilassung eines Leibeigenen (pro libertate) an sich obsolet geworden.655 Bezüglich der Freilassung des Ehemanns aus dem Gefängnis verweist Voet auf die differenzierende Rechtsprechung des Senats von Savoyen: Ist der Ehemann aufgrund eines Delikts (ex causa delicti) inhaftiert, greift die Ausnahme und die Interzession der Frau ist wirksam; ist der Ehemann dagegen aufgrund einer vertraglichen Schuld inhaftiert (ex causa aeris alieni), ist keine Ausnahme zu machen.656 Ferner wird auch im römisch-holländischen Recht die Auffassung vertreten, dass die Ausnahme zugunsten einer Mitgiftbestellung (pro dote) jede andere vergleichbare causa pia et favorabilis miterfasst.657 Weiterhin kommt das SC Velleianum nicht zur Anwendung, wenn der Gläubiger nicht weiß, dass es sich um eine Interzession handelt, weil ihn die Frau über die maßgeblichen Umstände täuscht (decipiat).658 Allerdings wird WESTENBERG, Principia juris, ad Dig. 16, 1, § 27: »Ratione denique Causae I. Si foemina major annis XXV intercedat pro dote […]. II. Si pro servo manumittendo manumissionis pretium promiserit […].« 654 VAN DER KEESSEL, Praelectiones, ad III, 3, § 17 (MS S. 1068), Vol. IV, S. 80: »quibus casibus et hodie cessare Senatusconsultum dicendum est, cum ipsa illa prohibitio intercessionis muliebris ex solo iure civili apud nos recepta easdem quoque apud nos exceptiones pati debeat, quae iure civili admissae sunt.« 655 VAN GROENEWEGEN, De legibus abrogatis, ad Cod. 4, 29, 24: »Obsolevit, per ea quae dixi Inst. de jure personarum [Inst. 1, 3].« – Ad Inst. 1, 3–8, No 3: »atque hinc servitus paulatim ab usu recessit, ejusque nomen hodie apud nos exolevit: adeo quidem ut servi, qui aliunde huc adducuntur, simul ac imperii nostri fines intrarunt, invitis ipsorum dominis ad libertatem proclamare possint: id quod et aliorum Christianorum Gentium moribus receptum est.« 656 VOET, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 10: »Cui addit Antonius Faber, non oportere juvari mulierem, si se obligaverit pro marito liberando, qui non ex causa aeris alieni, cujus intuitu per cessionem bonorum a carceris squallore liberari poterat, sed ex causa delicti, in carceres detrusus erat; aut, si se ad eludendam executionem, quae fiebat in bona mariti, obligaverit pro marito. Cod. Sabaud. libr. 4 tit. 21 defin. 16, 17, 19 in fine, 21.« – Zu Faber und der Rechtsprechung des Senats von Savoyen s. o. Fn. 455. 657 WISSENBACH, Exercitationes, Pars I, Disp. 30, No 18: »Si causa intercessionis favorabilis sit, veluti causa dotis.« – VOET, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 11: »Si pro dote, vel libertate, aut alia causa pia admodum ac favorabili intercesserit.« – VAN DER KEESSEL, Praelectiones, ad III, 3, § 17 (MS S. 1068), Vol. IV, S. 80: »veluti si pro dote aut alia causa pia et favorabili intercesserit«. 658 GROTIUS, Inleidinge, III, 3, § 15: »Maer dit voordeel en ghenieten de vroumenschen niet: Indien sy uit zijn gheweest om een ander te bedrieghen, ende namentlick 653

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auch im römisch-holländischen Recht vom Gläubiger durchaus verlangt, entsprechenden Anhaltspunkten einer Interzession sorgfältiger nachzugehen (creditor diligentius scrutari debet), falls sich solche aufdrängen, so etwa bei der Schuldübernahme der Frage, ob die Frau, die eine Verbindlichkeit seines Schuldners übernimmt, ihrerseits tatsächlich Schuldnerin seines Schuldners ist oder nicht.659 Ebenfalls thematisiert wird das Problem, welche Höhe die Gegenleistung erreichen muss, die eine Frau für ihre Interzession erhält (pretium capiat). Während Grotius insoweit eine Gegenleistung in Höhe der Interzession fordert,660 genügt nach Ansicht von Voet jedweder auch noch so geringe Betrag. Voet begründet dies zum einen mit dem Wortlaut von Cod. 4, 29, 23. Zum anderen sei die Frau hier mehr darauf aus, einen dem Risiko entsprechenden Gewinn zu erzielen, als eine nachteilige Interzession einzugehen.661 Van der Keessel folgt der Argumentation von Voet und sieht umso weniger einen Anlass, hier vom Ius civile abzuweichen und diese Ausnahme enger zu fassen, wenn ansonsten die Spruchpraxis, die insbesondere den Verzicht zulässt, der Interzession der Frau grundsätzlich offener gegenübersteht als das SC Velleianum selbst.662 Der vermittelnde Ansatz von Baldus zu dieser Frage findet hingegen hier keine Erwähnung, anders als etwa bei Perezius.663 indien sy haer ghelaten hebben of sy mede zaeckweldige waren.« – Ferner CORVINUS, Methodica Enarratio, ad Cod. 4, 29; WISSENBACH, Exercitationes, Pars I, Disp. 30, No 18; U. HUBER, Praelectiones, ad Dig. 16, 1, No 11 f.; VOET, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 11; WESTENBERG, Principia juris, ad Dig. 16, 1, § 25 sub II.; VAN DER KEESSEL, Praelectiones, ad III, 3, § 15 (MS S. 1066), Vol. IV, S. 78. 659 WISSENBACH, Exercitationes, Pars I, Disp. 30, No 11: »Multum interesse, utrum cum ipsa muliere initio contrahatur, an alienam obligationem in se transferat: tunc enim creditor diligentius scrutari debet, debetrix sit mulier debitoris sui, nec ne. At si ab initio cum muliere contrahat creditor, non debet esse curiosus. alioquin non temere quisquam cum foeminis contraheret«. – VOET, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 3 in fine: »Ut tamen creditorem oporteat in inquirendo diligentiorem esse, si mulier non de novo contrahat, sed obligationem ante contractam suscipiat; cum non tam facile eo casu ignorantiae allegatio aut praesumtio admittatur.« 660 GROTIUS, Inleidinge, III, 3, § 16: »Indien ende voor zoo veel sy uit de handelinge iet hebben genooten«. 661 VOET, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 11: »Si pro intercessione pretium acceperit, quantumcumque illud fuerit, sive majus, sive exiguum; cum lex non distinguat, sed id unum exigat, quod mulier, ab initio, vel postea, aliquid acceperit, ut se interponat; et hic lucrum magis captasse intelligatur, recipiendo periculi pretium, quam damnosam fecisse intercessionem. l. antiquae 23 C. h. t. [Cod. 4, 29, 23] Donellus comment. jur. civilis libr. 12 cap. 32 vers. tertium. Confer Menochium de arbitr. jud. libr. 2 casu 234.« – Zu Donellus s. o. Fn. 484; zu Menochius s. o. Fn. 483. 662 VAN DER KEESSEL, Praelectiones, ad III, 3, § 16 (MS S. 1067), Vol. IV, S. 78, 80: »Certum est ex iure civili cessare beneficium Senatusconsulti Velleiani, si mulier pretium intercessionis acceperit L. 23 C. ad Sc. Velleianum [Cod. 4, 29, 23]. Sed dubitatur de quo pretio hoc intellegendum sit, an de qualicumque pretio, an de eo quod respondet summae pro

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Eingang in die Rechtsprechung des Hofs von Friesland findet darüber hinaus die hergebrachte, aus Dig. 16, 1, 16 abgeleitete Ausnahme, falls der Hauptschuldner der Interzedentin den gesamten entsprechenden Betrag auszahlt (solverit) und ihr also aus der Interzession kein Vermögensverlust droht.664 Übt die Frau öffentlich ein Handelsgeschäft aus (publice Mercaturam exerceat), findet auch in Holland das SC Velleianum nach der zeitgenössischen Rechtspraxis (secundum mores hodiernos) keine Anwendung auf solche Interzessionen, die zu ihrer gewerblichen Tätigkeit als Kauffrau (mercatrix) gehören; das heißt, bei sonstigen – nichtgewerblichen – Interzessionen steht ihr das SC Velleianum aber weiter zu. 665 Anders als in Holland ist dieser Ausnahmetatbestand aber in Friesland nicht anerkannt, wie Huber klarstellt.666 Ein weiteres Beispiel für den Vorrang des Verkehrsschutzes findet sich darüber hinaus in der Rechtsprechung des Hoge Raad: Interzediert die Frau bei einer öffentlichen Versteigerung, ist sie hieran gebunden, auch wenn sie nicht auf das SC Velleianum verzichtet hat.667 qua intercessit. Dixi ad Digestas priorem sententiam veriorem videri cum Voet. ad d. t. n. 11. Grotius hic posteriorem probat. Sed cum hic nihil moribus innovatum videatur, non video cur a iure civili discedendum sit, eoque minus quoniam usus fori, admittens renuntiationem mulieris, magis favere videtur mulierum intercessionibus quam favet Senatusconsultum.« 663 Siehe oben Fn. 608. 664 VAN DEN SANDE, Decisiones Frisicae, III, 11, Def. 1: »Duae mulieres in privato instrumento cum renuntiatione omnium exceptionum, nulla nominatim Velleiani facta mentione pro Titio fidejusserant, et in fine instrumenti professae erant pecuniam, cujus nomine se obligaverant, ab eodem Titio sibi esse adnumeratam, eamque confessionem in judicio repetebant. Hae coram inferiori judicio conventae, insuper habita Velleiani exceptione ab ipsis opposita, sunt condemnatae, quae sententia cum ab ea fuisset appellatum, a Curia est confirmata. Et recte. Nam ut Julianus auctor est, in l. si mulier 16 ff. ad SC Velleianum [Dig. 16, 1, 16]«. – WISSENBACH, Exercitationes, Pars I, Disp. 30, No 18: »Si debitor, pro quo intercessit mulier, pecuniam acceptam ei dederit, l. 16 pr. h. t. [Dig. 16, 1, 16 pr.] quomodo etiam Suprema Curia judicavit, teste Sandio 3, 11, defin. 1.« 665 VAN GROENEWEGEN, De legibus abrogatis, ad Cod. 4, 29: »[…], nisi mulier publice Mercaturam exerceat.« – VOET, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 11: »Cessat denique Senatusconsulti beneficium secundum mores hodiernos, si mulier, quae publica mercatrix est, intercesserit pro alio eorum intuitu, quae ad istam, quam exercebat, spectant negotiationem; non item, si in aliis.« – VAN DER KEESSEL, Praelectiones, ad III, 3, § 17 (MS S. 1067), Vol. IV, S. 80: »moribus etiam recepta est exceptio in muliere mercatrice respectu eorum, quae ad istam quam exercet negotiationem pertinent Voet. ad t. D. ad Sc. Velleianum n. 11 […] non item in aliis negotiis, quae cum mercatura ista nihil commune habent«. 666 U. HUBER, Praelectiones, ad Dig. 16, 1, No 13: »Non est etiam receptus apud nos casus cessantis Senatusconsulti, si mulier publice exerceat mercaturam quod tamen ex Baldi sententia in Foro mercatoria servari testatur […] Groeneweg. ad pr. tit. C. h. [Cod.4, 29]. Quod si verum in Hollandia, ubi passim mulieres in mercatura publice versantur, late patentem haberet exceptionem. Apud nos aliud creditur esse mercatura, aliud intercessio et sine hac illam bene consistere posse.« 667 Hoge Raad, Urt. v. 26. Mai 1707, VAN BIJNKERSHOEK, Observationes tumultuariae, Tom. I (1926), No 280, S. 140: »mulierem in auctione publica, ubi frivola venduntur, sine

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Für den Fall, dass die Frau mit ihrem Mann ein gemeinsames Handelsgeschäft betreibt (communem negotiationem, mercaturam, aut cauponariam exerceant), verweist Wissenbach auf die gemeinrechtliche Literatur (Doctores nostri), insbesondere auf Gaill und Perez, und nimmt einen weiteren Ausnahmetatbestand an.668 Deutliche Zweifel an dieser Sichtweise von Wissenbach äußert hingegen Huber, der hier weniger eine für den Ehemann (pro viro), als vielmehr eine durch den Ehemann (per virum) eingegangene Verbindlichkeit der Frau sieht. Folglich besteht für Huber, mangels Interzession, kein Zusammenhang mit dem SC Velleianum: Stattdessen beruht die wirksame Verpflichtung der Frau zum einen auf der Geschlechtsvormundschaft des Mannes sowie zum anderen – in deutlicher Anlehnung an die Argumentation von Gaill – auf ihrer gleichsam gesellschafterlichen Stellung. 669 Alles in allem werden die Ausnahmetatbestände in ihrem Zusammenspiel nicht nur in der Literatur eingehend erörtert, sondern sind auch für die Rechtsprechung von ausschlaggebender Bedeutung, wie etwa folgende Entscheidung des Hoge Raad vom 16. März 1707 zeigt: Eine Frau hatte einen von ihrem Ehemann auf sie gezogenen Wechsel angenommen. Nachdem ihr Mann insolvent geworden war, wurde die Frau aus dem Wechsel, das heißt aus einer Interzession, in Anspruch genommen.670 Hiergegen berief sich die Frau auf das SC Velleianum und die Authentica Si qua mulier, auf die sie nicht verzichtet hatte. Die Klägerseite wandte wiederum ein, dass diese beiden Rechtsinstitute auctoritate mariti recte emere, et recte etiam pro alia muliere fidejubere, licet SC. Vellejano non renunciaverit, quin et fidem habendam esse libro ejus, qui auctioni praeest, vendumeester, in quo illam fidejussionem annotaverat.« – Vgl. hierzu das Compendium, a. a. O., S. 633 f.; GROTIUS, Inleidinge, Bd. II (1926), S. 254 (Anm.); VAN OOSTEN, Systematisch Compendium (1962), S. 9. 668 WISSENBACH, Exercitationes, Pars I, Disp. 30, No 10: »Casus alios, quibus moribus hodiernis uxor pro marito, et vicissim maritus pro uxore, cessante Senatusconsulto Vellejano, tenentur, tradunt Doctores nostri, ut si communem negotiationem, mercaturam, aut cauponariam exerceant: si maritus duxerit obaeratam, vel contra. Chassanae ad consuet. Burg. rubr. 4 § 1, Gail. 2 obs. 90, Sand. 2 decis. 5 defin. 8, Perez. in d. t. C. ne uxor pro marito n. 2 [Cod. 4, 12].« – Zu de Chassenaeo s. o. Fn. 419; zu Gaill s. o. Fn. 496 ff.; zu Perezius s. o. Fn. 611. Die zitierte Stelle bei van den Sande betrifft dagegen die in Friesland zwischen Eheleuten bestehende societas conjugalis als solche. 669 U. HUBER, Praelectiones, ad Dig. 16, 1, No 10: »[…] ut ait D. Wissenbach, citatis Auctoribus ad h. tit. th. 10. nescio an satis accurate. Nam ex illis causis mulier quidem per virum, sed non pro viro obligatur; verum pro sua parte, tanquam socia vi Legis, quod nihil habet commune cum Vellejano: Neque Sandius a Wissenbachio relatus Senatus-Consulti in hoc casu meminit, sed Gailius ad casus Senatus-Consulti cessantis hunc etiam refert, lib. 2 observ. 90 n. 4 ut et Perezius ad tit. C. ne uxor pro marito n. 2 [Cod. 4, 12]. Quae tamen auctoritates non facient, ut exceptiones sint, ejusmodi casus, qui ad regulam non pertinent; Mulier per Virum obligatur duplici causa, Curationis, quia Vir hodiernis moribus est Legitimus Curator uxoris, et jure societatis, qua mulier tenetur de omni contractu durante matrimonio inito, pro parte sua dimidia«. 670 Siehe oben Fn. 627.

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im vorliegenden Fall keine Anwendung fänden, da es sich hier um eine Kauffrau bzw. die Frau eines Kaufmanns handle. Im Übrigen komme das SC Velleianum auch deswegen nicht in Betracht, weil die Frau mit der Annahme des Wechsels eine Täuschung verübt habe. Dieser letzte Gesichtspunkt überzeugte die Mehrheit im Hoge Raad, so dass der Klage in vollem Umfang stattgegeben wurde.671 Eine abweichende Meinung vertrat jedoch van Bijnkershoek, der freilich insoweit alleine blieb. Für ihn war die vorgetragene Täuschung wenig stichhaltig, da in solchen Fällen ansonsten immer zugunsten der Gläubiger entschieden werden müsste. Stattdessen stellte van Bijnkershoek auf die hier vorliegende Gemeinschaft von Gewinn und Verlust (lucri damnique communio) ab sowie auf die Verwendung der Mittel für das Handelsgeschäft (pecunia in mercaturam expensa). Folglich habe sich die Frau zur Hälfte im eigenen Interesse verpflichtet (pro semisse suam rem egisse) und nur zur anderen Hälfte im Interesse ihres Mannes (pro alio semisse fidejussisse pro marito). Seiner Ansicht nach hat das Geschäft hinsichtlich der Hälfte Bestand, die im Eigeninteresse der Frau liegt, während die Interzession hinsichtlich der anderen Hälfte, die für den Ehemann eingegangen wurde, nichtig ist. Im Ergebnis hätte van Bijnkershoek daher der Klage nur zur Hälfte stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen.672 In späteren Entscheidungen macht sich der Hoge Raad diese Argumentation meistens zu eigen.673 671 VAN BIJNKERSHOEK, Observationes tumultuariae, Tom. I (1926), No 262, S. 128: »Een man hebbende getrokken een binnenlandsche wisselbrief, en sijn vrou die hebbende geaccepteert, wort de man naderhant insolvent. […] Uxor conventa se tuetur Senatusconsulto Vellejano, et auth. si qua mulier [Nov. 134, 8], quibus apparebat non esse renunciatum. Actrix: […] dat de acceptante was een coopvrou, of wel een coopmans vrou, in welke die benificien van regten cesserden; dat sij zoo doende door de acceptatie zou bedrogen sijn door de vrou van den trekker, quo casu Senatusconsultum Vellejanum cessat, l. 5 C. [Cod. 4, 29, 5], l. 30 ff. ad Senatusconsultum Vellejanum [Dig. 16, 1, 30] et, postremo argumento plerique moti, pro sententia Curiae judicabant 16 Mart. 1707.« – Vgl. hierzu das Compendium, a. a. O., S. 628 f.; GROTIUS, Inleidinge, Bd. II (1926), S. 254 und 335 (Anm.); VAN OOSTEN, Systematisch Compendium (1962), S. 9. 672 VAN BIJNKERSHOEK, Observationes tumultuariae, Tom. I (1926), No 262, S. 128: »Sed id argumentum nullum est, et si valeret, eo omnes semper creditores juvarentur; ne dicam, magis adhuc a marito deceptam esse mercatoris uxorem. Ego putabam, uxorem conventam pro semisse esse damnandam, nam, cum lucri damnique fuerit communio, et pecunia in mercaturam expensa, uxorem pro semisse suam rem egisse, pro alio semisse fidejussisse pro marito, want dat een acceptatie van een binnenlandsche wissel in effecte is een fidejussio, quae tamen nulla erat, pro qua parte suam rem gessit, sed ita ego solus.« 673 VAN BIJNKERSHOEK, Observationes tumultuariae, Tom. I (1926), No 1014, S. 544: »Vir et uxor pro aere alieno stante matrimonio contracto, scribunt cautionem sub voluntaria condemnatione H. R. qua se singulos obligant in solidum. Creditor condemnationem petit, sed negavit Senatus 9 Nov. 1713, quia uxor non renuntiaverat Senatusconsulto Vellejano, nec Authenticae si qua mulier [Nov. 134, 8]. Pro semisse enim duntaxat obligata se hic in solidum obligaverat, atque adeo pro mariti semisse intercedebat, quod non licet sine renuntiatione.« – Vgl. hierzu das Compendium, a. a. O., S. 803; GROTIUS, Inleidinge, Bd. II

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Ganz ähnlich hatte der Hof von Friesland schon ein Jahrhundert vorher den Fall beurteilt, dass sich die Frau als Mitschuldnerin ihres Ehemanns verpflichtet. Hinsichtlich der auf die Frau entfallenden Hälfte wurde der Klage (vorläufig) stattgegeben, hinsichtlich der auf den Ehemann entfallenden Hälfte war die Interzession nichtig, weil auf die Authentica Si qua mulier nicht in der vorgeschriebenen Art und Weise verzichtet worden war.674 Hervorzuheben ist darüber hinaus noch ein anderer Aspekt dieser Entscheidung. Da die Frau geltend gemacht hatte, dass sie die Verbindlichkeit gleichsam aus Furcht und Ehrfurcht vor ihrem Mann (metu et reverentia mariti) eingegangen sei, wurde das Urteil bezüglich der auf sie entfallenden Hälfte nur vorläufig gefällt und ihr Gelegenheit gegeben, den entsprechenden Beweis für das Vorliegen von metus anzutreten. Zum weiteren Fortgang des Prozesses werden insoweit allerdings keine Angaben gemacht.675 c) Insbesondere: Verzicht – »iure hodierno … mulier potest renuntiare« Auch im römisch-holländischen Recht ist der Verzicht einmal mehr Gegenstand einer vertieften Diskussion. Für die Übernahme der Vormundschaft einerseits ist ein Verzicht nicht mehr wie nach Cod. 5, 35, 3 verpflichtend, es sei denn, dies wird nach örtlichem Statutarrecht verlangt.676 Der fakultative außergerichtliche Verzicht auf das SC Velleianum andererseits wird einhellig für zulässig gehalten – vor allem in der Rechtsprechung.677 Zwar geht etwa noch der Hof von Friesland auf die Vertreter der Gegenansicht und deren (1926), S. 254 (Anm.); VAN OOSTEN, Systematisch Compendium (1962), S. 9 f. – Ferner PAUW, Observationes tumultuariae novae, Tom. I (1964), No 139, S. 96, 97; No 166, S. 116, 118. – Abweichend wiederum a. a. O., No 448, S. 331. 674 Siehe unten Fn. 708 und Fn. 709. 675 VAN DEN SANDE, Decisiones Frisicae, III, 11, Def. 3: »Mulier cum marito suo in eodem instrumento in solidum se obligavit cum simplici renuntiatione Senatus-consulti Velleiani et Authenticae Si qua mulier [Nov. 134, 8]. Haec in solidum conventa cum petiisset se in integrum restitui, quasi metu et reverentia mariti obligata. Senatus eam condemnavit provisionaliter consignare semissem pecuniae petitae ac porro ad probandum metum admisit. Quantum ad alterum semissem attinebat, censuit Senatus mulierem pro marito intercessisse, idque invalide.« – Ähnlich zu der von einer Frau gemeinsam mit ihrem socius eingegangenen Bürgschaft a. a. O., III, 10, Def. 2: »Sane si mulier et Titius socii sint et in rem communem fidejusserint, mulier tenetur pro sua parte tantum, et non pro parte masculi: quia pro parte masculi videtur intercessisse, dum se obligavit in solidum«. 676 VAN GROENEWEGEN, De legibus abrogatis, post Cod. 5, 35, 2, ad Nov. 118, 5: »Nostris et Gallorum [moribus] mater et avia, ut liberorum suorum tutrices sint, Senatusconsulto Vellejano non renunciant. […] Christin. vol. 3 decis. 149 n. 3 […] nisi hoc requirant locorum statuta. Grot. Introduct. l. 1 part. 7 n. 19.« – GROTIUS, Inleidinge, I, 7, § 11: »[…] welcke voogdije vader ende groote-vader behouden haer leven lang: maer moeder ende groote-moeder alleen tot herhuwens toe, ende dat meest onder goede zeeckering, ende met afstand van de voor-rechten de vrouwen toe-komende.« – Vgl. hierzu a. a. O., Bd. II (1926), S. 41 (Anm.). Zu Christinaeus s. o. Fn. 613.

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

Argumentation ein, dass die Frau wegen derselben Willfährigkeit (eadem facilitate) verzichte, deretwegen sie interzediert, und dass das SC Velleianum im öffentlichen Interesse (bono publico) erlassen worden und somit nicht disponibel sei.678 Der Hof von Friesland sieht jedoch im SC Velleianum eine Regelung, die allein zum Nutzen der Frau (favore solius mulieris) besteht, und hält deswegen einen solchen Verzicht – in Übereinstimmung mit der herrschenden gemeinrechtlichen Lehre – für zulässig.679 Ebenso äußern sich Huber und Voet,680 die darüber hinaus darauf abstellen, dass bei einer ordnungsgemäßen Belehrung der Frau eben nicht mehr von 677 Vgl. VAN DEN SANDE, Decisiones Frisicae, III, 11, Def. 1 ff.; VAN BIJNKERSHOEK, Observationes tumultuariae, Tom. I (1926), No 262, S. 128; No 267, S. 131; No 272, S. 135; No 280, S. 140; No 950, S. 516; No 1014, S. 544; Tom. II (1934), No 1834, S. 568, 569; No 1987, S. 685; Tom. III (1946), No 2088, S. 43; PAUW, Observationes tumultuariae novae, Tom. I (1964), No 139, S. 96; No 166, S. 116; Tom. II (1967), No 843, S. 217. 678 VAN DEN SANDE, Decisiones Frisicae, III, 11, Def. 6: »Negant multi magni nominis, quos sequuntur […] Ant. Gomesius lib. 2 variar. resolut. cap. 13 num. 17 et ibi Soarez in addit. in lit. L, Hugo Donellus lib. 12 comment. cap. ult. […] Matth. Wesenb. in parat. ff. ad SC Vell. n. 9 […] Didac. Covarru. in cap. quamvis de pact. in 6. part. 2 § 3 n. 5 […] et alii, quos citat et sequitur Berlichius part. 2 conclus. 19 num. 19. Rationes hujus sententiae sunt, quia mulier eadem facilitate renuntiat, qua se obligat, et quia Senatus-consultum bono publico est introductum, l. foeminae 2 ff. de regulis iuris [Dig. 50, 17, 2] ideo pactis privatorum ei derogari nequit, l. jus publicum 38 ff. de pactis [Dig. 2, 14, 38].« – Vgl. hierzu LOKIN / BRANDSMA / JANSEN, Roman-Frisian Law (2003), S. 75 in Fn. 35 und S. 78. Zu Gomez s. o. Fn. 513; zu Donellus s. o. Fn. 516; zu Covarruvias s. o. Fn. 514; zu Wesenbeck s. o. Fn. 518; zu Berlich s. u. Fn. 839 und 841. 679 VAN DEN SANDE, Decisiones Frisicae, III, 11, Def. 6: »Contra alii non minore numero et auctoritate affirmant, ut […] Andr. Gayl. lib. 2 obs. 77 in pr. […] Andr. Fachinaeus l. 2 controv. cap. 59 […] et alii, quos citat Berlichius d. conl. 19 n. 14. Moventur hi per l. ult. § ult. ff. ad SC. Velleianum [Dig. 16, 1, 32, 4], l. ult. C. Quando mulier tutelae officio [Cod. 5, 35, 3] quodque existiment beneficium hoc esse introductum favore solius mulieris, l. qui exceptionem 40 in pr. ff. de condictione indebiti [Dig. 12, 6, 40 pr.]. Cuilibet autem liceat renuntiare iis, quae pro se introducta sunt, l. penult. C. de pactis [Cod. 2, 3, 29], l. pactum 46 ff. eod. [Dig. 2, 14, 46]. Et hanc posteriorem sententiam Senatus in judicando sequitur.« – Alleg. a: »Ita judicatum 15. Iulii, Anno 1616 […] et alias saepius.« – Zu Gaill und Fachineus s. o. Fn. 512. 680 U. HUBER, Praelectiones, ad Dig. 16, 1, No 14: »Ultima cessantis Senatus-Consulti causa est Renunciatio, cujus facultas ei libera permittitur, quia non ad odium alterius, sed ad favorem ipsius, ut ei consulatur, introductum est, ideoque casus hic est sub regula, Quemlibet favori suo libere renunciare posse, l. 29 C. de Pactis [Cod. 2, 3, 29] l. 51 C. de Episcopis et Clericis [Cod. 1, 3, 50 (51)]. Textus de muliere specialis est in l. ult. § pen. h. t. [Dig. 16, 1, 32, 4]«. – VOET, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 9: »Cessat haec exceptio pluribus in casibus; puta, si mulier ei renunciaverit, quod potest, tum in judicio, tum extra judicium, si beneficio sui certiorata sit, quia in mulieris utilitatem et favorem id introductum est, et cuique licet juri pro se introducto renunciare. l. ult. § pen. ff. h. t. [Dig. 16, 1, 32, 4], l. qui exceptionem 40 ff. de condictione indebiti [Dig. 12, 6, 40] junct. l. pen. C. de pactis [Cod. 2, 3, 29]. diss. Donellus comment. jur. civil. libr. 12 cap. 32 vers. quartum.« – Zur Gegenansicht von Donellus s. o. Fn. 516.

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derselben Willfährigkeit (eadem facilitate), sondern von einer freien Willensbildung auszugehen sei.681 Auch die übrigen Autoren gehen ausnahmslos von der in der Praxis (hodiernis moribus) anerkannten Disponibilität des SC Velleianum aus, von Grotius682 über Corvinus,683 van Groenewegen,684 Wissenbach,685 van Leeuwen686 und Westenberg687 bis hin zu van der Keessel.688 U. HUBER, Praelectiones, ad Dig. 16, 1, No 14 in fine: »Verum est, fieri posse, ut eadem facilitate renunciet mulier, ita objicitur, qua ad intercedendum adducta est. At sciendum, mulieri non negari intercessionem quasi penitus incapaci, sed ne lubrico sexus abripiatur: ubi vero certior facta sui privilegii (nam hoc ad omnem renunciationem requiritur, ut renuncians bene compertum habeat, quid juris sibi competat, cui renunciare parat) sciens volensque renunciavit, tam determinata voluntas a persona sui juris profecta non potest ita negligi, ut omni effectu destituatur. Valet igitur renunciatio, licet extra judicium facta.« – VOET, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 9: »Nec recte objicitur, eadem facilitate eam renunciaturam, qua intercedit. l. si mulier perfectae 22 C. h. t. [Cod. 4, 29, 22]. Non enim aliud illa lege asseritur, quam, pari facilitate mulierem secunda vice intercedere, qua prius intercessit; unde minime sequitur, eam simili temeritate, qua intercedit, juri suo renunciaturam, postquam et juris sui et imminentis ex intercessione damni admonita, intelligit, impositam sibi fore solvendi necessitatem. […] Quod et hodiernis moribus plenissime comprobatum.« – Vgl. hierzu LOKIN / BRANDSMA / JANSEN, Roman-Frisian Law (2003), S. 75 in Fn. 35. 682 GROTIUS, Inleidinge, III, 3, § 18: »Indien sy uitdruckelick ende wel onderrecht zijnde dit voordeel ’t welck genoemt werd des Velleiaensche raeds-besluits afstand hebben gedaen.« 683 CORVINUS, Methodica Enarratio, ad Cod. 4, 29: »Vide […] Fachin. 2 contr. 60, Gayl. 2 obs. 77. Dissentiunt Don. lib. 13 comment. 32, Gomez. 2 resol. 13 num. 17 […] quorum opinio usu reprobatur.« – Zu Fachineus und Gaill s. o. Fn. 512. Zu Donellus s. o. Fn. 516; zu Gomez s. o. Fn. 513. 684 VAN GROENEWEGEN, De legibus abrogatis, ad Dig. 16, 1, 32, 4, No 1: »Ex hoc textu mulierem non nisi in judicio Senatusconsulto Velleiano renunciare posse inferunt Gomez. Resol. l. 2 c. 13 n. 17, Covar. in cap. quamvis de Pact. in 6. part. 2 § 3 n. 4, 5, Bart., Costal. et Wesemb. para. hic n. 9. Sed hoc displicet Fachin. l. 2 c. 60 […] neque hodiernis moribus consentaneum est. vide Gail l. 2 obs. 77 n. 1.« – Zu Gomez s. o. Fn. 513; zu Covarruvias s. o. Fn. 514; zu Bartolus s. o. Fn. 380; zu Wesenbeck s. o. Fn. 518. Zu Fachineus und Gaill Fn. 512. 685 WISSENBACH, Exercitationes, Pars I, Disp. 30, No 16: »[…] l. ult. § pen. d. t. ad SC. Velleianum [Dig. 16, 1, 32, 4]. Locus perspicue probat (quicquid dicat Bachovius vol. I disp. 25 th. 4 lit. E) mulierem beneficio Senatusconsulti Vellejani renunciare posse, etiam extra jus et judicium.« – Zu Bachovius s. u. Fn. 838. 686 VAN LEEUWEN, Censura forensis, Lib. IV, Cap. 17, No 4: »Quibus beneficiis mulierem renunciare posse post DD. inter se altercationem, de qua late Berlichius part. 2 practicab. conclus. 19 num. 14 et seq., pro communi opinione in praxi est receptum. Vide Andr. Gail lib. 2 observ. 77 in pr., Ioann. a Sand. lib. 3 tit. 11 defin. 6, Fachin. lib. 2 controv. cap. 60. Et hanc sententiam usu ac consuetudine confirmari referunt.« – DERS., Rooms-Hollands-Regt, IV, 4, No 2. 687 WESTENBERG, Principia juris, ad Dig. 16, 1, § 25 sub VI. (s. o. Fn. 651). 688 VAN DER KEESSEL, Praelectiones, ad I, 2, § 1 (MS S. 46), Vol. I, S. 54: »iure hodierno Senatusconsulto Velleiano mulier potest renuntiare Grot. L. 3 T. 3 § 18.« – 681

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

Allein Vinnius hält den in der Praxis etablierten außergerichtlichen Verzicht bei näherer Betrachtung für unzulässig.689 Einigkeit besteht auch dahin gehend, dass in der Verzichtserklärung ausdrücklich und gesondert auf das SC Velleianum Bezug genommen werden muss690 und dass dem Verzicht eine umfassende Belehrung (certioratio) der Frau vorauszugehen hat.691 Geht aus einer notariellen Urkunde hervor, dass die Frau entsprechend belehrt und aufgeklärt wurde, wird vermutet, dass dies den Tatsachen entspricht, solange das Gegenteil nicht bewiesen ist.692 Nach der Rechtsprechung des Hofs von Friesland muss auch beim Verzicht die in Cod. 4, 29, 23 für die Interzession vorgeschriebene Form streng eingehalten werden.693 Huber räumt zwar ein, dass es für die Form des VerAd III, 3, § 18 (MS S. 1068), Vol. IV, S. 82: »Cessare beneficium Senatusconsulti Velleiani, si mulier ei expresse renuntiaverit, ubique et in Hollandia quoque receptum est«. 689 VINNIUS, Selectae quaestiones, Lib. I, Cap. 48 (S. 242 ff.): »Illud autem quaeritur, an mulier etiam ex quavis alia causa extra praedictas efficaciter renuntiet senatusconsulto, non quidem in foro, ubi sententiae numerari solent, sed in Academiis, ubi veritas exquiritur. In foro recepta dicitur haec sententia, tanquam communis, mulierem ex quavis causa etiam extra judicium renuntiantem senatusconsulto ex intercessione sua obligari, utique si de jure sibi competenti, et vi senatusconsulti probe edocta sit […] ego tamen cum Alberico, Bart., Bald., Castr., Salic., Alciat., Gomes. ubi sup. et aliis ibid. et apud Soar. in addit. citatis, veriorem esse judico sententiam contrariam […].« – Zur Diskussion bei den Kommentatoren s. o. S. 77 ff.; zu Gomez s. o. Fn. 513. 690 VOET, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 9: »si modo specialiter, non generaliter tantum, huic beneficio renunciatum sit; cum vix ullarum sint virium generales et vagae jurium omnium et exceptionum renunciationes.« – WESTENBERG, Principia juris, ad Dig. 16, 1, § 25 sub VI.: »specialiter renunciaverit«. – VAN DER KEESSEL, Praelectiones, ad III, 3, § 18 (MS S. 1068), Vol. IV, S. 82: »dummodo renuntiatio facta sit expresse et, ut Voetius existimat ad t. D. ad Sc. Velleianum n. 9 init., specialiter«. – Ad III, 3, § 29 (MS S. 1084), Vol. IV, S. 102: »ut mulier huic beneficio renuntiare possit, expressa mentio fiat renuntiationis Senatusconsulti Velleiani, aut exceptionis ex eo Senatusconsulto«. 691 U. HUBER, Praelectiones, ad Dig. 16, 1, No 17: »Requiritur igitur ad renunciationem Vellejani, primo, ut mulier bene conscia sit privilegii sibi competentis, alioqui non valebit«. – Ferner VAN LEEUWEN, Censura forensis, Lib. IV, Cap. 17, No 4; DERS., RoomsHollands-Regt, IV, 4, No 2; VOET, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 9; WESTENBERG, Principia juris, ad Dig. 16, 1, § 25 sub VI.; VAN DER KEESSEL, Praelectiones, ad III, 3, § 18 (MS S. 1068 f.), Vol. IV, S. 82. 692 U. HUBER, Praelectiones, ad Dig. 16, 1, No 17: »etsi in instrumento scriptum sit, ut fere solet, eam fuisse doctam et informatam a Tabellione, cum tamen id saepe negligant, dum interim quod scriptum est, hactenus in instrumento pro veritate habetur, quamdiu contrarium non probatur«. 693 VAN DEN SANDE, Decisiones Frisicae, III, 11, Def. 2: »Mulier in instrumento a Tabellione quidem, sed nullis adhibitis testibus confecto, pro alio intercesserat cum renuntiatione Senatus-consulti et omnium jurum. […] Nam quamvis mulier manum suam agnovisset, tamen ex inspectione chirographi apparebat, actionem ipso jure inde non competere ob defectum formae a Justiniano requisitae in d. l. antiquae [Cod. 4, 29, 23]. Nec movebat renuntiatio, cum ea non rite sit facta in instrumento privato«. – Vgl. hierzu

III. Das Gemeine Recht der Frühen Neuzeit

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zichts keine besondere Regelung gebe und dass in Friesland ansonsten mit Formerfordernissen durchaus nachlässig umgegangen werde. Beim Verzicht auf das SC Velleianum werde jedoch völlig zu Recht auf die strikte Einhaltung der Form aus Cod. 4, 29, 23, 1 geachtet, damit der Verzicht nicht allzu mühelos und leicht (nimis obvia facilisque) erfolgen könne.694 Während van Groenewegen695 und Voet696 der Ansicht sind, dass diese Formvorschrift für den Verzicht nur in Friesland, aber nicht (mehr) in Holland gelte, schließen sich van Leeuwen697 und van der Keessel698 ausdrücklich der friesischen Position an.699 SPRUIT, Huldigingsbundel van Warmelo (1984), S. 194, 207; LOKIN / BRANDSMA / JANSEN, Roman-Frisian Law (2003), S. 75 f. 694 U. HUBER, Praelectiones, ad Dig. 16, 1, No 15: »Sed animum tamen advertunt Interpretes, quique in fori nostri peristyliis ambulant, haud injuria, ne renunciatio mulierum nimis obvia facilisque habeatur. Requirunt ad simplicem renunciationem Vellejani, ut facta sit in instrumento publice confecto et a tribus testibus subsignato, Sande lib. 3 tit. 11 def. 2. Lex nulla specialis ea de re lata est, nostrique satis alioquin in confectione instrumentorum obligationum incuriosi sunt, ut suo loco videbimus; at tamen in renunciatione Vellejani praecise requirunt formam eandem, quae praescripta est ipsi intercessioni, in l. antiquae 23 § 1 C. h. t. [Cod. 4, 29, 23, 1] optima ratione consequentiae, quam Bartolus et Baldus omnesque probant alii.« – No 17: »Secundo requiritur, ut instrumentum sit publicum et tribus testibus subscriptum, ut modo dictum; Secus factum, etsi mulier manum suam agnoscat, non valet, ut Curia nostra definivit apud Sandium d. tit. 11 def. 2.« 695 VAN GROENEWEGEN, De legibus abrogatis, ad Cod. 4, 29, 23, No 1 ff.: »Hinc colligunt DD. mulierem Senatusconsulto Vellejano, non nisi in instrumento publico, valide renunciare posse. idque in Frisia observari innuere videtur Sande l. 3 tit. 11 defin. 6 et 2. Sed nostris et Gallorum moribus haec solemnitas non requiritur: sufficit enim si vel proprio chirographo vel aliunde mulierem de beneficio sibi competente certioratam huic Senatusconsulto renunciasse legitime constet. […] Alibi tamen hujus l. solemnitatem per edicta in usum revocatam esse tradit Christin. vol. 3 decis. 36 n. 10.« – Zu Christinaeus s. o. Fn. 588. 696 VOET, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 9 in fine: »Similiter parum refert apud nos, an publico an privato instrumento muliebris intercessio, renunciatione munita, comprehensa sit. Groenewegen ad l. 23 C. h. t. [Cod. 4, 29, 23]. quamvis jus Romanum, quo adhuc Frisia utitur, publicum instrumentum requirat. l. antiquae 23 § ult. C. h. t. [Cod. 4, 29, 23, 3] Sande decis. Frisic. libr. 3 tit. 11 defin. 2.« 697 VAN LEEUWEN, Censura forensis, Lib. IV, Cap. 17, No 4: »Quae tamen renunciationes non nisi expressim in publico instrumento muliere de jure et beneficio suo probe certiorata factae subsistunt, arg. l. antiquae 23 Cod. ad Senatusconsultum Vellejanum [Cod. 4, 29, 23], […] Ioann. a Sande decis. Frisicar. lib. 3 tit. 11 defin. 3«. – DERS., Rooms-Hollands-Regt, IV, 4, No 2: »Ende staat te letten dat soodanige opstand uitdrukkelijk moet geschieden in publico instrumento, ende daar in moet verhaalt werden, dat sy van haar voor-regt, ende van de kragten van dien wel onderregt zijn: andersins soude de enkkele afstand niet genoug zijn, l. antiquae 23 Cod. ad Senatusconsultum Vellejanum [Cod. 4, 29, 23], Sande lib. 3 tit. 11 defin. 2.« 698 VAN DER KEESSEL, Praelectiones, ad I, 2, § 1 (MS S. 63), Vol. I, S. 80: »Verbi causa si mulier renuntiaverit Senatusconsulto Velleiano in instrumento privato contra mentem L. 23 C. ad Sc. Velleianum [Cod. 4, 29, 23], haec renuntiatio invalida declarata est a Senatu

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

Eine eingehende Darstellung des Streitstandes findet sich hierzu bei van der Keessel: Im römischen Recht ist eine unter Missachtung der in Cod. 4, 29, 23 vorgeschriebenen Form eingegangene Interzession nichtig, so dass ein Verzicht insoweit ins Leere geht und keine Wirkung entfalten kann.700 Da es im holländischen Recht keine gesetzliche Regelung gebe, gingen die Auffassungen auseinander. Groenewegen halte eine öffentliche Urkunde nicht für erforderlich, stütze sich dabei aber alleine auf einen französischen Autoren. Voet verweise wiederum allein auf Groenewegen. Dagegen verlangten die anderen Vertreter des holländischen Rechts, allen voran van Leeuwen, dass der Verzicht in einer öffentlichen Urkunde erklärt werde.701 Grotius habe sich zwar mit dieser Frage nicht ausdrücklich befasst: Aus dem Zusammenhang seiner Ausführungen zum Verzicht ergebe sich gleichwohl, dass für ihn sowohl die Interzession als auch der Verzicht nur wirksam seien, wenn sie jeweils in einer öffentlichen Urkunde erfolgen.702 Wie van der Keessel weiter ausführt,

Frisico Sande, Decis. Fris. L. 3 T. 11 def. 2 et non video causam, cur non idem de iure Hollandico sit dicendum cum S. van Leeuwen R.H.R. 4 B. 4 D. n. 2 in fine«. – Ad III, 3, § 18 (MS S. 1069), Vol. IV, S. 82: »Recte ergo omnino Curia Frisiae iudicavit invalidam esse mulieris intercessionem et renuntiationem Senatusconsulti in privato chirographo factam apud Sand. Decis. Fris. L. 3 T. 11 def. 2; quae sententia etiam aliis legislatoribus placuit, veluti Groninganis Stads Constit. van Medeschuld en Borgtogt art. 13.« 699 LOKIN / BRANDSMA / JANSEN, Roman-Frisian Law (2003), S. 77 nehmen nur auf van Groenewegen und Voet Bezug. 700 VAN DER KEESSEL, PRAELECTIONES, ad III, 3, § 18 (MS S. 1069), Vol. IV, S. 82: »Ex Iure Romano certum est intercessionem mulieris in instrumento non publico factam, ex nova lege Iustiniani esse ipso iure nullam L. 23 § 2 C. ad Sc. Velleianum [Cod. 4, 29, 23, 2]; cui consequens esse debet, renuntiationem quoque in instrumento non publico factam, invalidam esse. Nam si lex ipsam intercessionem privatam nullam declaret, quid operabitur renuntiatio beneficii, quod eo casu plane supervacuum foret? Sive ut aliis verbis utar, quomodo poterit renuntiatio Senatusconsulti de intercessionibus efficere, ut intercessio adsit, quam lex habet pro non confecta, nec penitus scripta?« 701 VAN DER KEESSEL, Praelectiones, ad III, 3, § 18 (MS S. 1069 f.), Vol. IV, S. 82: »In legibus Hollandicis quod sciam nihil hac de re definitum est […] et ideo mirum non est variasse interpretes. Groenewegius De Legibus Abrogatis ad L. 23 C. ad Sc. Velleianum existimat publico instrumento non esse opus, ut mulier recte intercedat et Senatusconsulto Velleiano renuntiet. Sed cum ille sola auctoritate Iurisconsulti Galli Bugnyon moveatur, cuius et in hac re sententia nobis exemplum praebere non debet […] parum praesidii in eo quaerere potuit Groenewegen. Nec multum faciet consensus Voetii ad t. ad Sc. Velleianum n. 9, utpote ad solum Groenewegium provocantis. Alii iuris Hollandici interpretes quoque contrariam sententiam amplexi sunt, et non aliter valere renuntiationem Senatusconsulti Velleiani et docuerunt et responderunt, nisi in instrumento publico facta sit, van Leeuwen R. H. Recht 4. B. 4. D. n. 2 in fine; Bell. Jurid. cas. 78 p. 565; 567; 568; Lybrechts Reden. Vertoog over’t Notaris Ampt 2 D. 24 H. § 16.« – Zu van Leeuwen s. o. Fn. 697; zu den anderen Belegen a. a. O., Vol. IV, S. 507 in Anm. 68. 702 VAN DER KEESSEL, Praelectiones, ad III, 3, § 18 (MS S. 1070), Vol. IV, S. 82, 84: »Grotius noster hic nihil definit, quod nec necesse erat, cum iuris civilis summa capita, ut saepe, in hac materia tantum referret. Sed uti ipse in § 14, ubi sententiam Senatusconsulti tantum verbo exposuit, intercessionem mulierum a lege infirmari (vernietigd worden) dixerat, quae vox ex Iure Romano duplici sensu explicanda est, de annullatione intercessionis quae privato chirographo facta est, et de infirmanda intercessione, quae publico instru-

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könne die in Cod. 4, 29, 23 vorgeschriebene Form allerdings durch Gewohnheitsrecht (consuetudine) außer Übung kommen. Obwohl ihm nach eigenem Bekunden nichts derartiges in Holland bekannt ist (nihil mihi innotuit), verweist er auf zwei holländische Gerichtsurteile aus den Jahren 1648 bzw. 1792, in denen der Verzicht jeweils für wirksam gehalten wurde, obwohl er nicht öffentlich beurkundet worden war.703

Diese Schwierigkeiten spiegeln sich nach den Mitteilungen von Pauw auch innerhalb des Hoge Raad wider. Während ein Mitglied des Senats für einen wirksamen Verzicht die Einhaltung der in Cod. 4, 29, 23 vorgeschriebenen Form verlangt, lehnt dies die Mehrheit mit der Begründung ab, dass diese Formvorschrift außer Übung gekommen sei.704 In Übereinstimmung mit dem Ius commune halten aber selbst die ansonsten formstrenge Rechtsprechung des Hofs von Friesland  705 und ihre Befürmento facta est, per exceptionem Senatusconsulti, sic quoque hoc loco verba Grotii generalia, quibus indicat mulierem Senatusconsulto renuntiare posse, explicari possunt de renuntiatione facta publico instrumento, si ipsa intercessio in publico instrumento facta sit, adeoque iure subsistat; nam ut renuntietur beneficio, quo mulier non indiget, si intercessio nulla sit, Grotius sane requirere non potuit.« 703 VAN DER KEESSEL, Praelectiones, ad III, 3, § 18 (MS S. 1070 f.), Vol. IV, S. 84: »Sed ipsae illae regulae hic exceptionem admittendam esse docerent, si probari posset consuetudine receptum esse, ut sufficeret renuntiatio in privato chirographo facta; de tali autem consuetudine nihil mihi innotuit, nisi quod alicubi ab incerto auctore manu notatum invenerim sententia Curiae Hollandicae 29 Mai 1648, tusschen Michiel le Blont Impetrant en Johan van Eick Gedaagde decisum fuisse contra L. 23 § 2 C. ad Sc. Velleianum [Cod. 4, 29, 23, 2], ut non requireretur renuntiatio in publico instrumento facta. Similem sententiam etiam ante paucos annos et Curiae Hollandicae et Senatui Supremo placuisse nuper mihi innotuit, nam die 27 Iulii 1792, in causa van G. Ariense in ’t Hout contra A. van der Schorer, Senatus Supremus confirmans sententiam Curiae decidit renuntiationem mulieris Senatusconsulto Velleiano et Authenticae si qua mulier factam valide fieri etiam in privato instrumento.« 704 PAUW, Observationes tumultuariae novae, Tom. I (1964), No 166, S. 116 f.: »Unus Senator dissentiebat, ratus invalidam ab initio fuisse Cajae intercessionem pro marito […] nec valide in instrumento privato renunciari beneficio Senatusconsulti Vellejani, non certe Auth. Si qua mulier [Nov. 134, 8]. Sed requiri in l. 23 f. C. ad Sct. Vellejanum [Cod. 4, 29, 23] illud fieri in instrumento publico, nec jus id moribus nostris abrogatum. […] Quidquid sit, illud jus hodie non servari, addit ibidem Raguellus et consentit Groenewegen ad d. l. neque apud nos obtinere probant innumerae mulierum intercessiones privato tam pro maritis quam pro extraneis.« – Vgl. ferner Tom. II (1967), No 843, S. 217. 705 VAN DEN SANDE, Decisiones Frisicae, III, 11, Def. 5: »Quaesitum, si mulier in privato instrumento non simpliciter, sed jurata renuntiaverit Senatus-consulto Velleiano, an adhuc juvetur beneficio d. l. antiquae 23 C. ad SC. Velleianum [Cod. 4, 29, 23]? Baldus id affirmat in l. 3 in fin. C. de decurionibus lib. 10 [Cod. 10, 32, 3] dum, advertat, inquit, universus mundus: Mulieres Velleiano renuntiant et jurant; tamen, si sint in instrumento duo testes vel plures, qui se non subscripserint, mulier ipso jure non obligatur per d. l. antiquae § ne autem [Cod. 4, 29, 23, 2] sicut etiam non obligaretur, quando intercedit vel fidejubet pro marito, per auth. si qua mulier [Nov. 134, 8] C. de SC Vellleiano [Cod. 4, 29]. Hactenus Baldus, quem etiam refert Jason in l. sciendum ff. de verborum

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

worter, wie etwa Huber,706 einen nicht in der Form von Cod. 4, 29, 23 erklärten Verzicht auf das SC Velleianum dann für wirksam, wenn er unter Eid abgegeben wurde.707 Weiterhin deckt sich die Rechtsprechung des Hofs von Friesland mit dem Ius commune dahin gehend, dass ein wirksamer Verzicht der Ehefrau auf die Authentica Si qua mulier zusätzlich zu einer entsprechenden Belehrung708 noch einen Eid verlangt.709 Huber begründet diese – über die Einhaltung der Form nach Cod. 4, 29, 23 hinausgehende – Schärfung damit, dass die Gefahr einer Interzession für den eigenen Ehemann wegen dessen Autorität und des ehelichen Näheverhältnisses (ab auctoritate viri et necessitudine conjugali) weitaus größer sei und folglich der Verzicht auf den Schutz der Authentica umso restriktiver gehandhabt werden müsse.710 obligationibus [Dig. 45, 1, 30]. Contra Bartolus in d. l. antiquae § ne autem [Cod. 4, 29, 23, 2], docet mulierem etiam in privato instrumento renuntiantem Velleiano cum juramento, efficaciter teneri nec juvari beneficio d. l. antiquae, quam sententiam magis probat Jason, eamque in judicando sequitur Curia. Propter religionem jurisjurandi, quod, ut alias omnes defectus, ita hic supplet solennitatem publici instrumenti requisitam ad intercessionem mulieris.« – Vgl. hierzu SPRUIT, Huldigingsbundel van Warmelo (1984), S. 194, 207; LOKIN / BRANDSMA / JANSEN, Roman-Frisian Law (2003), S. 79. – Zu Baldus, Bartolus und Jason de Mayno s. o. Fn. 407. 706 U. HUBER, Praelectiones, ad Dig. 16, 1, No 15 in fine: »Si forma legis antiquae 23 [Cod. 4, 29, 23] sit omissa privatoque instrumento comprehensa fuerit intercessio simul ac renunciatio, mulier tamen juraverit, se non usuram Senatusconsulto, an jusjurandum suppleat defectum formae legalis. Baldus negat, Bartolus adfirmat; ille Juris Civilis, hic Canonici ratione fretus, sicut ad tit. de Jurejurando [Dig. 12, 2] didicimus: Sed Canonicam aequitatem propter horrorem perjurii, Mores fere sequuntur, etiam nostri fori instituto, teste Sandio d. tit. 11 def. 5.« – No 17 in fine: »Rursus, inquam, si juramentum adsit, publica forma numerusque testium non requiritur necessario, def. 5.« – No 19: »Quare in illa vulgari intercessione, defectus testium suppletur per juramentum, ut decisum est apud Sandium in d. tit. def. 5.« 707 Vgl. ferner WISSENBACH, Exercitationes, Pars I, Disp. 30, No 17: »Multo magis denegabitur mulieri hoc beneficium, cui jurato, Deo teste, renunciavit.« 708 VAN DEN SANDE, Decisiones Frisicae, III, 11, Def. 3: »Secundo, quia in superiore specie, ex instrumento non apparebat, mulierem de hoc suo beneficio fuisse certioratam. Cum tamen certioratio in quavis renuntiatione et praesertim in renuntiatione hujus beneficii sit necessaria […]. Unde renuntiationem etiam judicialem absque certioratione factam Curia invalidam judicavit.« 709 VAN DEN SANDE, Decisiones Frisicae, III, 11, Def. 3: »Primo quia mulier simpliciter et absque juramento renuntiaverat Authenticae Si qua mulier [Nov. 134, 8]. Injurata autem intercessio et hujus beneficii renuntiatio non tenet, licet facta in publico instrumento vel confirmato trino teste […]. Et ita Curiae visum est. At si jurata sit, valet de jure Canonico, quod usu obtinet«. – Vgl. hierzu SPRUIT, Huldigingsbundel van Warmelo (1984), S. 194, 209; LOKIN / BRANDSMA / JANSEN, Roman-Frisian Law (2003), S. 79 f. 710 U. HUBER, Praelectiones, ad Dig. 16, 1, No 18: »Verum muliere nupta, quae pro marito intercedit, quanto majus est periculum ab auctoritate viri et necessitudine conjugali, ne mulier ad intercedendum trahatur, tanto arctius adstringitur renunciatio Authenticae Si

III. Das Gemeine Recht der Frühen Neuzeit

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Demgegenüber ist van Groenewegen der Ansicht, dass im holländischen Recht der Eid keine Voraussetzung für den Verzicht auf die Authentica Si qua mulier mehr sei.711 Voet wiederum scheint sich insoweit nicht eindeutig festlegen zu wollen.712 Aus den Mitteilungen bei van Bijnkershoek und Pauw zur Spruchtätigkeit des Hoge Raad geht hervor, dass im holländischen Recht auf die Authentica Si qua mulier wirksam verzichtet werden kann, nicht aber, ob hierfür ein Eid vorausgesetzt wird.713 Was die Ableistung des Eides angeht, genügen nach der Rechtsprechung des Hofs von Friesland keine bloßen Beteuerungen der Frau bei ihrer Ehre oder »bei allem, was ihr heilig ist«, sondern sie muss tatsächlich die Eidesformel sprechen.714 Hinsichtlich des Inhalts der Verzichtserklärung schließt ein Verzicht auf das SC Velleianum ohne ausdrückliche Erwähnung der Authentica Si qua mulier nicht etwa den Verzicht auf die Authentica mit ein, da beide jeweils unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich ziehen;715 – es sei denn, der beeidete Verzicht bezog sich zugleich auf alle der Frau zustehenden Einwendungen.716 Huber hält insoweit die Begründung, dass es sich um unqua mulier [Nov. 134, 8], quae vetat intercessionem matronae pro marito proprio. Nam praeter publicam formam numerumque trium testium, requiritur omnino jusjurandum, nec hoc defectum publicae formae testiumve supplet hac parte, ex sententia Baldi in l. 3 in fin. C. de decurionibus lib. 10 [Cod. 10, 32, 3] ut Sandium probare puto, d. tit. def. 3.« 711 VAN GROENEWEGEN, De legibus abrogatis, ante Cod. 4, 29, 23, ad Nov. 134, 8, o N 3: »Licet non nisi cum juramento eaedem auth. renunciari posse eidem Frisiae Senatui visum sit, dict. tit. 11. defin. 3. aliud tamen moribus nostris obtinet.« – Vgl. hierzu LOKIN /  BRANDSMA / JANSEN, Roman-Frisian Law (2003), S. 82. 712 VOET, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 10: »licet juratam hujus authenticae renunciationem desideret Berlichius conclus. pract. part. 2 concl. 19 num. 63. Sande d. lib. 3 tit. 11 defin. 3 et 4 aliique ibidem citati. […] Denique nec audiendam esse, quae pro marito suo intercessit jurato, Canonici juris interpretibus visum fuit.« 713 Vgl. VAN BIJNKERSHOEK, Observationes tumultuariae, Tom. I (1926), No 262, S. 128; No 267, S. 131; No 272, S. 135; No 950, S. 516; No 1014, S. 544; Tom. II (1934), No 1834, S. 568, 569; No 1987, S. 685; PAUW, Observationes tumultuariae novae, Tom. I (1964), No 139, S. 96, 97; No 166, S. 116; No 448, S. 331; Tom. II (1967), No 843, S. 217. 714 VAN DEN SANDE, Decisiones Frisicae, III, 11, Def. 3: »Caeterum juramentum a muliere corporaliter, ut loquuntur, et in forma est praestandum, non sufficientibus his verbis, By hoochster waerheyt ende Adelijcken gheloove ofte Eere, ut Curiae placuit. Aliud enim est jurare, aliud promittere loco juramenti, praesertim quoad tollenda remedia a jure indulta. Nam ad hoc opus est corporali juramento in forma juris praestito.« – Vgl. hierzu LOKIN / BRANDSMA / JANSEN, Roman-Frisian Law (2003), S. 79. 715 Siehe oben Fn. 635. 716 VAN DEN SANDE, Decisiones Frisicae, III, 11, Def. 4: »Hinc ex facto quaesitum fuit, an mulier, quae obligationem mariti in se per novationem receperat, et jurata Senatusconsulto renuntiaverat, nulla facta mentione dictae Authenticae si qua mulier [Nov. 134, 8], non obstante jurata ista renuntiatione, se adhuc juvare possit beneficio istius Authenticae? Quod ita visum fuit Curiae. Cum Senatus-consultum, ut dictum est, differat ab ista Authentica, cui non erat renuntiantum […]. Sane si mulier per juramentum renuntiasset omni legum auxilio, vel pro marito jurata intercessisset, eam efficaciter obligari

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

terschiedliche Rechtsfolgen handelt, für nicht einleuchtend, da die Authentica eine Ergänzung des SC Velleianum darstelle. Ausschlaggebend ist seiner Ansicht nach vielmehr, ob in solchen Fällen der Verzicht auf das SC Velleianum in der Art und Weise erfolgt sei, die auch für den Verzicht auf die Authentica verlangt wird.717 Im holländischen Recht muss jedenfalls nach ganz herrschender Meinung der Verzicht auf die Authentica gesondert und ausdrücklich erklärt werden.718 Bezogen auf das SC Velleianum erkennt der Hof von Friesland darüber hinaus noch eine besondere Form des konkludenten »Verzichts« durch letztwillige Verfügung an. Obwohl die Einrede des SC Velleianum an sich auch den Erben zusteht,719 ist ihnen die Geltendmachung dieser Einrede nach Ansicht des Hofs von Friesland verwehrt, wenn die Interzedentin durch letztwillige Verfügung angeordnet hat, dass die Erben die entsprechende Verbindpluribus placet […] idque ob vim juramenti, quo non intercedente hujusmodi generalis renuntiatio mulieri in hoc beneficio non praejudicaret«. – Vgl. hierzu SPRUIT, Huldigingsbundel van Warmelo (1984), S. 194, 209; LOKIN / BRANDSMA / JANSEN, Roman-Frisian Law (2003), S. 81. 717 U. HUBER, Praelectiones, ad Dig. 16, 1, No 20: »Dicendum est, si renunciatio Vellejani facta sit in ea forma, qua renunciatio Authenticae fieri debet, tunc non esse dubitandum, quin mentio Vellejani Senatus Consulti comprehendat Authenticam, quae pars est et accessio facta Senatus Consulti. Verum si mulier pro viro intercedens sine jurejurando tribusque testibus intervenerit, non potest fieri, ut renunciatio Vellejani generalis faciat, quod specialis renunciatio Authenticae efficere non posset, ut demonstratum est. Quare igitur talis renunciatio simplex Vellejani non trahitur ad Authenticam? An ideo diversa remedia sint? Non certe. Verum quia requisita, quae in expressa Authenticae renunciatione debent adesse, ab ea, quae sub generalibus verbis renunciationem Authenticae complectitur, abesse non potest, quod velim teneri ad ea, quae Sandius habet d. def. 3 recte intelligenda et applicanda a usum.« 718 Vgl. GROTIUS, Inleidinge, III, 3, § 19: »[…] welck voordeel den vrouwen blijft ongekrenckt, al hadden sy schoon afstand ghedaen van het Velleiaensche raeds-besluit, ten waer dat sy van dit zonderlinghe voordeel afstand deden.« – VAN LEEUWEN, RoomsHollands-Regt, IV, 4, No 2: »Item, dat onder de afstand van het voor-regt van het Senatusconsultum Vellejanum, het ander voor-regt authent. si qua mulier [Nov. 134, 8] niet en is begrepen, maar elxs op sig selven, ende met onderscheid moet geschieden. Sie Sand. d. lib. 3 tit. 11 defin. 4.« – VOET, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 10: »hinc, si mulier pro marito suo intercesserit, et renunciaverit exceptioni Vellejani, non tamen eo ipso etiam renunciasse intelligitur authenticae si qua mulier [Nov. 134, 8] C. h. t. [Cod. 4, 29] qua vetitum, ne pro viris suis uxores interveniant. Grotius manuduct. ad jurisprud. Holl. libr. 3 cap. 3 num. 18, 19. Sande d. libr. 3 tit. 11 defin. 4.« – VAN DER KEESSEL, Praelectiones, ad III, 3, § 19 (MS S. 1072), Vol. IV, S. 86: »Cum beneficium Authenticae si qua mulier [Nov. 134, 8] sit novum et singulare ius in gratiam mulieris nuptae inductum, renuntiatio Senatusconsulti Velleiani mulierem ab hoc beneficio non excludit, sed illam et huic beneficio specialiter renuntiare necesse est, quod et probatum est decisione Senatus Frisici apud Sand. l. cit.« 719 Vgl. Cod. 4, 29, 20 (Diocl. et Max.): »Heredes quoque mulieris adversus creditores eadem exceptione, quae ex senatus consulto introducta est, uti posse non dubium est.«

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lichkeit erfüllen sollen.720 Diese in Friesland anerkannte Ausnahme721 wird von Voet als konkludenter Verzicht der Frau betrachtet, da es keinen Unterschied machen soll, ob der Verzicht von der Frau zum Zeitpunkt der Interzession erklärt wird oder erst später, oder ob er gar aus den Umständen selbst (ex rebus ipsis ac factis) folgt.722 Diese Einschätzung von Voet steht jedoch in einem gewissen Widerspruch zu der von ihm selbst vertretenen Prämisse, dass bei der Verzichtserklärung ausdrücklich und gesondert auf das SC Velleianum Bezug genommen werden muss.723 Nach der – wohl stimmigeren – Ansicht von van der Keessel handelt es sich hier der Sache nach um ein Fideikommiss,724 das auch in Holland anerkannt ist, so dass nichts dagegen spricht, die in Friesland entwickelte Ausnahme auch in Holland zuzulassen.725 Huber 720 VAN DEN SANDE, Decisiones Frisicae, III, 11, Def. 7: »Mulier quae in privato instrumento absque jurata renuntiatione pro genero et filia fidejusserat, in testamento heredibus mandabat, ut fidem suam liberarent, ac creditori ex boni suis solverent. Hos heredes se beneficio Senatus-consulti tueri non posse, sed voluntati defuncti obsequi teneri Curiae placuit. Heredes enim onerantur invidia et conscientia, qui spernunt voluntatem testatricis, ut inquit l. militis 5 C. de religiosis et sumptibus funerum [Cod. 3, 44, 5] ubi Mornacius. Quamvis alias heredes mulieris, eadem exceptione, quae ex Senatusconsulto introducta est, uti posse, dubium non sit, ut ab Imperatoribus rescriptum est, in l. heredes 20 C. ad SC. Velleianum [Cod. 4, 29, 20].« – Vgl. hierzu LOKIN / BRANDSMA /  JANSEN, Roman-Frisian Law (2003), S. 72 f. 721 Vgl. U. HUBER, Praelectiones, ad Dig. 16, 1, No 21: »Postremo, ad causas cessantis Senatus Consulti, referri potest hic casus; Si mulier, quae contra Senatus Consultum fidejussit, heredibus suis injunxerit, ut fidem suam liberarent ac creditori ex bonis suis solverent; Etsi enim heredes ex mulieris persona uti posse Vellejano beneficio, satis constet ex l. 20 C. ad SC. Vellejanum [Cod. 4, 29, 20] nihil tamen est, cur hac in parte voluntati ejus contrariae parere non debeant, aeque ac omnibus testamenti Praeceptis licitis ac honestis, Sand. 3.11.7.« 722 VOET, Commentarius, ad Dig. 16, 1, No 9: »Nec interest, utrum ipso intercessionis momento mulier huic suo beneficio renunciet, an ex intervallo; usque adeo, ut et ex rebus ipsis ac factis renuntiatio non perperam subinde colligatur, dum plerumque nihil interest, expresse, an rebus ipsis et factis, consensus declaretur. […] Qua ratione in Frisia judicatum, heredes mulieris, sine renunciatione intercedentis, Vellejani exceptione tueri sese non oportere, quoties mulier suo praecepit testamento isti creditori, apud quem intervenerat, satisfieri, fidemve suam liberari. Sande decis. Frisic. libr. 3 tit. 11 defin. 7.« – Vgl. hierzu LOKIN / BRANDSMA / JANSEN, Roman-Frisian Law (2003), S. 73. 723 Siehe oben Fn. 690. 724 Zum Fideikommiss vgl. KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 189, S. 757 ff.; Bd. II, § 297 III, S. 552 ff.; KASER / KNÜTEL / LOHSSE, Privatrecht, § 77 Rn. 1 ff. 725 VAN DER KEESSEL, Praelectiones, ad III, 3, § 17 (MS S. 1068), Vol. IV, S. 82: »Recepta quoque Curiae Frisicae decisione est haec exceptio, si mulier, quae intercessit, in testamento heredibus solutionem iniunxerit eius, quod ex causa intercessionis debebat Sande Decis. Fris. L. 3 T. 11 def. 7; pro qua sententia miror illum non adduxisse hanc rationem, quod talis dispositio, qua id quod non debetur, in ultima voluntate tamquam debitum agnoscitur, habenda sit pro fideicommisso L. 88 § 10 D. de legatis 2 [Dig. 31, 88, 10] et L. 93 § 1 D. de legatis 3 [Dig. 32, 93, 1]; quae ratio cum et in Hollandia valeat,

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wirft in diesem Zusammenhang schließlich die Grundsatzfrage auf, ob also ein reines Gewissen (salva conscientia) den Frauen verwehrt, sich auf das SC Velleianum zu berufen. Seiner Meinung nach ist folgendermaßen zu differenzieren: Wurde die Frau von ihrem Mann oder anderen durch Verschlagenheit, Schmeicheleien bzw. Ehrfurcht (calliditate, blanditiis, reverentia mariti aliorumque) dazu gebracht zu interzedieren oder geschah dies aufgrund ihrer eigenen Schwäche und Unerfahrenheit (suave imbecillitate et imprudentia), kann sie reinen Gewissens das SC Velleianum anwenden, aber nicht, wenn sie aufgrund einer wohlerwogenen Entscheidung und eines selbstbestimmten Willens (deliberato consilio et determinata voluntate) Freunden helfen wollte.726 4. Der Usus modernus pandectarum im 17. und 18. Jahrhundert a) Anwendungsbereich des SC Velleianum Die hergebrachten gemeinrechtlichen Ansichten prägen auch den Usus modernus pandectarum.727 Danach besteht der Regelungsgrund des SC Velleianum in der imbecillitas bzw. fragilitas der Frauen,728 die von Haus aus leichter eine Verbindlichkeit eingingen, als tatsächlich etwas herzugeben.729 Dies non dubitarem quoque iure Hollandico hanc exceptionem admittere, licet Voetius ad t. D. ad Sc. Velleianum n. 9 in fine de sola Frisia hanc exceptionem ex Sandio adducat.« 726 U. HUBER, Praelectiones, ad Dig. 16, 1, No 22: »Sed dices, an igitur mulieribus salva conscientia non licet uti Vellejano? Distinguendum puto; si calliditate, blanditiis, reverentia mariti aliorumque suave imbecillitate et imprudentia ad intercedendum adductae sunt, videntur salva bonae conscientiae tessera, juris publici, quod ratione probabili subnixum est, beneficium adhibere posse; non etiam, si deliberato consilio et determinata voluntate amicis succurrere voluerint.« 727 Vgl. hierzu SCHUPPENIES, Die Bürgschaft im Bayerischen Landrecht (1975), S. 77 ff. allerdings mit einigen Unschärfen. 728 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 2, 17 f.; BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 11, No 1 f.; Resol. 12, No 1; BRUNNEMANN, Commentarius, ad Dig. 16, 1, 2, No 1; MEVIUS, Commentarii in Jus Lubecense, ad Lib. I, Tit. 5, Art. 7, No 103; ad Lib. I, Tit. 10, Art. 1, No 63, 69; LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 2; STRUVE, Syntagma Jurisprudentiae, Exercitatio 21, ad Dig. 16, 1, No 2; SCHILTER, Praxis Iuris Romani, Tom. II, Exercitatio 28, No 1; STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 1; LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 169, Meditatio 1; Spec. 170, Meditatio 1/2; THOMASIUS, De usu exiguo SCti Vellejani in foris Germaniae (1707), §§ 5, 23; BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 2, § 2 not. d (S. 25); KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu IV 10 §§ 23–27 CMBC, No 1; RÖSLIN, Abhandlung von besondern weiblichen Rechten, Bd. II (1779), S. 56 ff. (§§ 5 ff.); GLÜCK, Pandecten, Bd. 14/2 (1813), ad Dig. 16, 1, § 921, S. 448 f.: »Der Hauptgrund […] beruhet jedoch unstreitig in dem eigenthümlichen Charakter des weiblichen Geschlechts.« 729 BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 12, No 29: »[…] quia jura mulieri obligatae et non donanti succurrere voluerunt:

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erhöhe noch einmal die typische Gefahrenlage der Bürgschaft, bei der eben kein gegenwärtig spürbares Vermögensopfer erbracht wird, sondern die häufig in der Erwartung eingegangen wird, dass es später nicht zum Sicherungsfall kommen werde.730 Daneben wird häufig auf die Gefahr für das Familienvermögen (periculum rei familiaris) abgestellt;731 mitunter wird die Interzession auch noch als Männersache (virile officium) bezeichnet.732 Prägnant umreißt Kreittmayr die ratio des SC Velleianum daher folgendermaßen: »Dann die Jura wollen per Senatusconsultum bey Weibsleuten nur alles verbindliche Versprechen für andere, und was in Consequentiam desselben geschiehet, nicht aber ihre freywillige Schankungen, und was sie sonst ohne vorgängiger Obligation anderen zum beßten thun, verhindern. […] Facilius enim (sagt der Text in L. 4 § 1 ff. h. t. [Dig. 16, 1, 4, 1]) Mulier se obligat, quam donat, und es ist ein halbes Mirackel, wann Weibsbilder, welche von Natur karg seynd, viel verschenken. […] wohingegen sie ihre angebohrne Schwäche und Leichtglaubigkeit für andere gut zu sprechen leicht verleitet, in der guten Meinung, daß Debitor selbst bezahlen, mithin das Trumm nicht so leicht an sie springen werde.«733 idque ideo, quod mulier facilius se obliget, quam donet, l. sed si ego § 1 in fine ff. ad Velleian. [Dig. 16, 1, 4, 1]. mulierum genus enim avarum est. […] imo miraculi vice est, cum mulier donat.« – Ferner BRUNNEMANN, Commentarius, ad Dig. 16, 1, 8, No 9; ad Cod. 4, 29, 1, No 1 f.; MEVIUS, Decisiones, Pars VII, Dec. 230 not. 1; SCHILTER, Praxis Iuris Romani, Tom. II, Exercitatio 28, No 2; RÖSLIN, Abhandlung von besondern weiblichen Rechten, Bd. II (1779), S. 95 f. (§ 6); GLÜCK, Pandecten, Bd. 14/2 (1813), ad Dig. 16, 1, § 921, S. 451. 730 BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 11, No 2: »spondere enim ac fidejubere pro alio ab initio leve videtur, utpote quod fidejussio ab initio solam voluntatem, nullam autem pecuniae praestationem requirat, nec etiam in futurum requirere existimetur, ac proinde non difficulter ad intercedendum muliebris animus inducitur, qui certe non aliter credit quam quod solutio ex fidejussione ad se nunquam sit perventura: alioqui, sicut mulieres ad se ipsas principaliter obligandas, ubi sciunt se certo ad solutionem faciendam teneri, sunt difficiles: eo quod sexus iste sit avarus.« – Ähnlich LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 11: »[…] quia in intercessione damnum non est praesens, sperant enim, illos, pro quibus intercedunt, soluturos, et ubi verba tantum, non etiam pecunia requiritur, facilius ad intercedendum inducuntur.« 731 BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 12, No 31; LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 2; SCHILTER, Praxis Iuris Romani, Tom. II, Exercitatio 28, No 2, 4; LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 170, Meditatio 1/2; THOMASIUS, De usu exiguo SCti Vellejani in foris Germaniae (1707), § 5; BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 2, § 2 not. d (S. 25); GLÜCK, Pandecten, Bd. 14/2 (1813), ad Dig. 16, 1, § 921, S. 448. 732 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 2; BRUNNEMANN, Commentarius, ad Dig. 16, 1, 2, No 1; MEVIUS, Commentarii in Jus Lubecense, ad Lib. I, Tit. 5, Art. 7, No 103; LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 2; GLÜCK, Pandecten, Bd. 14/2 (1813), ad Dig. 16, 1, § 921, S. 447 f. 733 KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu IV 10 §§ 23–27 CMBC, No 4 lit. d.

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

Den Topos der »weiblichen Schwäche« machen sich dabei die Frauen durchaus auch selbst zu eigen, wenn sie sich vor Gericht dagegen wehren, aus einer Interzession in Anspruch genommen zu werden.734 Nach dem Naturrecht (ius naturale) sind zwar die Interzessionen von Frauen grundsätzlich genau so gültig wie die von Männern. Dies hindert jedoch den Gesetzgeber nicht daran, durch positives Recht (ius civile) hiervon abzuweichen, wenn er insoweit ein besonderes Schutzbedürfnis bei Frauen feststellt: Dass dies sogar in Übereinstimmung mit der natürlichen Billigkeit (aequitas naturalis) geschieht, wie Schilter und Leyser annehmen, wird allerdings von Böhmer und Glück bestritten.735 Neben der natürlichen Billigkeit findet ein weiterer naturrechtlicher Grundsatz etwa in der Rechtsprechung der österreichischen Obersten Justizstelle seinen Niederschlag, als mit Blick auf das naturrechtliche Prinzip, dass gegebene Versprechen zu halten seien (ut fides data servetur), eine enge Auslegung des SC Velleianum postuliert wird.736 Der sachliche Anwendungsbereich des SC Velleianum bleibt im Ius commune aber grundsätzlich gleich und wird durch einen weiten Begriff der Interzession bestimmt,737 der sich dergestalt auch in Kreittmayrs Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756 niederschlägt: IV 10 § 24 CMBC »Die Art und Weis sich durch Intercession zu obligiren, ist unterschiedlich, nemlich 1mo da man eine bereits gemacht-fremde Schuld über sich nimmt, und zwar entweder Participations-weis und cumulative per Fidejussionem, Constitutum, Mandatum, oder Translations-weis und privative durch die Novation, Expromission, oder sonstige des 734 So bezüglich der von ihr ausgewerteten Prozessakten des Reichskammergerichts AMEND, in: In eigener Sache (2005), S. 119, 127 f., 146; DIES., Wechselverbindlichkeiten vor dem Reichskammergericht (2009), S. 339. Ferner BAUMANN, Geschichte in Köln 54 (2007), 95, 102 f. Ähnlich CARIUS, Recht durch Eigentum (2012), S. 225, 227 f. m. w. N. zu einem Verfahren vor dem Hofgericht Jena. 735 SCHILTER, Praxis Iuris Romani, Tom. II, Exercitatio 28, No 1; LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 169, Meditatio 1; BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 1, § 1 (S. 3); KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu IV 10 §§ 23–27 CMBC, No 1; GLÜCK, Pandecten, Bd. 14/2 (1813), ad Dig. 16, 1, § 920, S. 433. 736 KOCHER, Höchstgerichtsbarkeit und Privatrechtskodifikation (1979), S. 221 f. und S. 226 f. m. w. N. 737 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 3: »Mulier autem tribus modis pro alio intercedere dicitur, aut alienam obligationem in se transferendo, aut eam in se suscipiendo, aut, cum alius obligari deberet, solam se ream pro eo constituendo.« – Ferner BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 11, No 3; BRUNNEMANN, Repetitio Paratitlorum Wesenbecii, ad Dig. 16, 1, qu. 5; DERS., Commentarius, ad Dig. 16, 1, 2, No 2 f.; ad Cod. 4, 29, 4, No 1 f.; LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 7 ff.; STRUVE, Syntagma Jurisprudentiae, Exercitatio 21, ad Dig. 16, 1, No 3; LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 169, Meditatio 3 in fine; RÖSLIN, Abhandlung von besondern weiblichen Rechten, Bd. II (1779), S. 62 f. (§ 12); GLÜCK, Pandecten, Bd. 14/2 (1813), ad Dig. 16, 1, § 920, S. 441 ff., 445 ff.

III. Das Gemeine Recht der Frühen Neuzeit

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Haupt-Schuldners beschehene Liberation. 2do Da man dem anderen zu gefallen eine Nagelneue Schuld macht, und z. E. Geld aufnimmt, um solches sofort einem anderen überlassen zu können, welchenfalls jedoch erforderlich ist, daß auch dem Creditori diese Absicht nicht verborgen seye, anerwogen es ansonst mehr für eine Principal-Obligation, als Intercession angesehen wird.«738

Erforderlich ist das Eintreten für einen anderen durch die Übernahme einer – materiell betrachtet – fremden Verbindlichkeit.739 Hierzu gehört jedoch nicht die unmittelbare Weggabe eines Vermögensgegenstandes,740 insbesondere nicht die Freigabe eines Pfandes oder einer Hypothek:741 »Solchemnach kann auch eine Weibsperson ihr Faustpfand Debitori zurückgeben, oder Hypothecam nachlassen, ohne daß das Senatus Consultum hierunter Platz greift.«742

Als Rechtsfolge verfügt die Interzedentin grundsätzlich über die exceptio SC Velleiani,743 während sich der Gläubiger mit der actio restitutoria bzw. actio institutoria an den materiellen Schuldner halten kann:744

738

No 5.

Hierzu KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu IV 10 §§ 23–27 CMBC,

739 Zur Abgrenzung in der Spruchpraxis des Wismarer Tribunals vgl. MEVIUS, Decisiones, Pars IV, Dec. 298 (Oktober 1656); Pars V, Dec. 127 (März 1657); Pars VI, Dec. 22 (Januar 1658); Pars VI, Dec. 295 ff. (September 1658). 740 BRUNNEMANN, Repetitio Paratitlorum Wesenbecii, ad Dig. 16, 1, qu. 2; DERS., Commentarius, ad Dig. 16, 1, 8, No 9; ad Cod. 4, 29, 1, No 1; ad Cod. 4, 29, 4, No 3; ad Cod. 4, 29, 9, No 1; LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 11; STRUVE, Syntagma Jurisprudentiae, Exercitatio 21, ad Dig. 16, 1, No 9; DERS., Jurisprudentia Romano-Germanica forensis, Lib. III, Tit. 9, No 3; BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 2, § 7 not. m in fine (S. 33); RÖSLIN, Abhandlung von besondern weiblichen Rechten, Bd. II (1779), S. 98 ff. (§ 8); GLÜCK, Pandecten, Bd. 14/2 (1813), ad Dig. 16, 1, § 920, S. 443; § 921, S. 451. 741 Vgl. MEVIUS, Decisiones, Pars II, Dec. 129 (April 1654); Pars III, Dec. 84 not. 4 (Februar 1655). – Ferner BACHOVIUS, Notae et Animadversiones ad Disputationes Treutleri, Vol. I, Disp. 25, Thesis 4, lit. E et F in fine; BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 9; Conclusio 20, No 3; BRUNNEMANN, Repetitio Paratitlorum Wesenbecii, ad Dig. 16, 1, qu. 5; DERS., Commentarius, ad Dig. 16, 1, 8, No 1; ad Cod. 4, 29, 11, No 1 ff.; ad Cod. 4, 29, 21, No 1 f.; post Cod. 4, 29, 22 ad Nov. 134, 8, No 4; LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 11; RÖSLIN, Abhandlung von besondern weiblichen Rechten, Bd. II (1779), S. 97 (§ 7); GLÜCK, Pandecten, Bd. 14/2 (1813), ad Dig. 16, 1, § 920, S. 443; § 921, S. 451. 742 KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu IV 10 §§ 23–27 CMBC, No 4 lit. e. 743 BRUNNEMANN, Commentarius, ad Dig. 16, 1, 2, No 5; LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 15 ff.; STRUVE, Syntagma Jurisprudentiae, Exercitatio 21, ad Dig. 16, 1, No 7; SCHILTER, Praxis Iuris Romani, Tom. II, Exercitatio 28, No 7; GLÜCK, Pandecten, Bd. 14/2 (1813), ad Dig. 16, 1, § 923, S. 458 f.; Bd. 15/1 (1813), ad Dig. 16, 1, § 926, S. 52 ff. – Keine Einrede im rechtstechnischen Sinn, sondern eine von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung sieht hierin gleichwohl THOMASIUS, De usu exiguo SCti Vellejani in foris Germaniae (1707), § 15. Gegen diesen

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

IV 10 § 23 Satz 1 CMBC »Von Weibs-Personen überhaupt ist die Regul, daß sie sich Intercessions-weis für andere nicht obligiren können, immassen ihnen solchenfalls Exceptio Senatus Consulti Vellejani […] zu statten kommt.«745 IV 10 § 27 CMBC »Entweder hat sich 1mo die Weibs-Person für eine bereits gemachte fremde Schuld nur cumulative und accesorie obligirt, oder 2do solche privative auf sich genommen, oder 3tio für Jemand anderen, und demselben zum Besten, eine ganz neue Schuld gemacht. 1ten Falls bleibt dem Creditori seine Action gegen den Principal-Schuldneren bevor, 2ten Falls hat er gegen selben Actionem restitutoriam vel rescissoriam um der alten Schuld wegen, und 3ten Falls Actionem utilem vel institutoriam aus dem Contract der Weibs-Person gegen jenen, deme zum Besten die Schuld von ihr gemacht worden ist.«746

Erfüllt die Interzedentin irrtümlicherweise ihre einredebehaftete Verbindlichkeit, kann sie ihre Leistung mit der condictio indebiti zurückfordern, da insoweit nicht einmal eine Naturalobligation besteht:747 IV 10 § 25 CMBC »Dergleichen weibliche Intercessiones nun, sie mögen gleich auf ein oder andere obgedachte Weis geschehen, werden 1mo durch bemeltes Senatus Consultum Vellejanum entkräftet, also und dergestalt, daß dem Creditori nicht nur Exceptio disfalls im Weeg stehet, sondern wenn er bereits aus Irrthum bezahlt ist, mag er Condictione Indebiti wiederum hierum belangt werden. […].«748

Für die Anwendbarkeit des SC Velleianum spielt es ferner keine Rolle, ob die Frau für ihre Eltern, Kinder oder andere Dritte interzediert (IV 10 § 25 Nr. 3 CMBC).749 Erfolgt die Interzession hingegen für den eigenen Ehemann, ist sie nach der Authentica Si qua mulier schon ipso iure nichtig, es sei denn, die Ansatz nachdrücklich RÖSLIN, Abhandlung von besondern weiblichen Rechten, Bd. II (1779), S. 219 ff. (§§ 7 f.); GLÜCK, a. a. O., § 926, S. 55 ff. 744 BRUNNEMANN, Repetitio Paratitlorum Wesenbecii, ad Dig. 16, 1, qu. 11; DERS., Commentarius, ad Dig. 16, 1, 8, No 11, 14; ad Cod. 4, 29, 8, No 1 f.; ad Cod. 4, 29, 16, No 1; LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 26; STRUVE, Syntagma Jurisprudentiae, Exercitatio 21, ad Dig. 16, 1, No 8; RÖSLIN, Abhandlung von besondern weiblichen Rechten, Bd. II (1779), S. 83 ff. (§§ 42 ff.); GLÜCK, Pandecten, Bd. 14/2 (1813), ad Dig. 16, 1, § 923, S. 469 ff. 745 Hierzu KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu IV 10 §§ 23–27 CMBC, No 6. 746 Hierzu KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu IV 10 §§ 23–27 CMBC, No 11. 747 BRUNNEMANN, Repetitio Paratitlorum Wesenbecii, ad Dig. 16, 1, qu. 10; DERS., Commentarius, ad Dig. 16, 1, 8, No 6 ff.; ad Cod. 4, 29, 9, No 1; LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 15; STRUVE, Syntagma Jurisprudentiae, Exercitatio 21, ad Dig. 16, 1, No 7; SCHILTER, Praxis Iuris Romani, Tom. II, Exercitatio 28, No 7; STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 1; GLÜCK, Pandecten, Bd. 14/2 (1813), ad Dig. 16, 1, § 923, S. 461 ff. 748 Hierzu KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu IV 10 §§ 23–27 CMBC, No 6 lit. c. 749 Hierzu KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu IV 10 §§ 23–27 CMBC, o N 3 lit. c.

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erhaltenen Mittel werden erwiesenermaßen zum eigenen Vorteil der Frau genutzt:750 I 6 § 33 CMBC »[…] Es ist aber auch 2do zu beobachten, daß die von der Ehe-Frauen entweder mit oder für ihren Ehe-Mann, zumal in Schuld-Sachen, beschehene Verschreibungen, Obligationes und Intercessiones auf ihrer Seite gar keine Kraft oder Verbindlichkeit haben, es seye dann das entnommene Gelt zu ihrem eigenen sonderbaren Nutzen verwendet […] worden«.751

Eine einfache schriftliche Bestätigung der Frau in der Interzessionsurkunde (eodem instrumento) genügt hierfür nicht, da unterstellt wird, dass diese aufgrund derselben Willfährigkeit (eadem levitate) erfolgt wie die Interzession selbst.752 Auch das Hinzutreten bestimmter Indizien (quaedam conjecturae) ändert insoweit nichts, solange nicht der Beweis geführt werden kann, dass die erlangten Mittel tatsächlich zugunsten der Frau verwendet wurden.753 Hinsichtlich dieser Frage wird auch ein Eid des Ehemanns nicht zugelassen.754 Verpflichten sich Mann und Frau gemeinsam, wird grundsätzlich vermutet, dass der gesamte Betrag zugunsten des Ehemanns verwendet wird,755 weil er BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 56 ff., 72 f.; BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 11, No 5, 17; BRUNNEMANN, Commentarius, ad Dig. 16, 1, 32, No 16; post Cod. 4, 29, 22 ad Nov. 134, 8, No 1, 5; MEVIUS, Commentarii in Jus Lubecense, ad Lib. I, Tit. 5, Art. 7, No 102, 104, 108; LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 6; STRUVE, Syntagma Jurisprudentiae, Exercitatio 21, ad Dig. 16, 1, No 11; SCHILTER, Praxis Iuris Romani, Tom. II, Exercitatio 28, No 7; STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 8; LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 171, Meditatio 2; GLÜCK, Pandecten, Bd. 14/2 (1813), ad Dig. 16, 1, § 922, S. 454 f. 751 Kaum nachzuvollziehen ist daher die Annahme von SCHUPPENIES, Die Bürgschaft im Bayerischen Landrecht (1975), S. 96 f., 161, dass die Authentica Si qua mulier keine Aufnahme in den CMBC gefunden hätte. Auf diese Bestimmung wird sogar im Bürgschaftsrecht des CMBC ausdrücklich verwiesen, vgl. IV 10 § 23 Satz 2 CMBC: »Von denen Intercessionibus verehelichter Weibs-Personen für ihre Ehe-Männer siehe besonders oben P. I cap. 6 § 33.« 752 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 74; BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 11, No 18; MEVIUS, Commentarii in Jus Lubecense, ad Lib. I, Tit. 5, Art. 7, No 108. – Ähnlich bezüglich einer zum Schein errichteten Urkunde BRUNNEMANN, Commentarius, ad Cod. 4, 29, 17, No 1. 753 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 78: »Prout etiam in dubio, si quaedam conjecturae adsint, vere tamen non constat, pecunia in utilitatem uxoris non praesumitur versa.« – Ferner BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 11, No 18; MEVIUS, Commentarii in Jus Lubecense, ad Lib. I, Tit. 5, Art. 7, No 109 in fine. 754 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 79; BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 11, No 18; MEVIUS, Commentarii in Jus Lubecense, ad Lib. I, Tit. 5, Art. 7, No 109. 755 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 59, 75; CARPZOV, Jurisprudentia forensis Romano-Saxonica, Pars II, Const. 16, Def. 4, No 2; BRUNNEMANN, 750

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im Innenverhältnis als der Stärkere gilt, dem die Frau nicht zu widersprechen wagt.756 Jedoch ist eine anders lautende Erklärung der Frau dann zu berücksichtigen, wenn sie vor Gericht oder in der Form einer öffentlichen Urkunde nach Cod. 4, 29, 23, 2 abgegeben wird,757 es sei denn, sie wurde hierzu von ihrem Ehemann durch Schläge und Drohungen (minis et verberibus) – also durch beachtlichen metus reverentialis – gezwungen,758 wovon Brunnemann im Falle der öffentlichen Urkunde grundsätzlich ausgeht.759 Geht es aber um Mittel, die von Mann und Frau zum Erhalt gemeinsamer Güter (bona communia) aufgenommen werden, wird die Frau wirksam mitverpflichtet,760 wie es auch im Statutarrecht des Erzstifts Salzburg (1678) festgelegt wird: »Wann Mann und Frau […] das aufgenommene zu Erhaltung oder Wiedererbauung der gemeinschaftlichen Güter angewendet, so haftet die Frau neben ihrem Ehemann für die gemachte Schulden ebenso wohl, und zwar unzertrennet und ungeschieden.«761

Repetitio Paratitlorum Wesenbecii, ad Dig. 16, 1, qu. 14; DERS., Commentarius, ad Dig. 16, 1, 32, No 18; post Cod. 4, 29, 22 ad Nov. 134, 8, No 7; STRUVE, Syntagma Jurisprudentiae, Exercitatio 21, ad Dig. 16, 1, No 11 in fine; STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 6. – Ebenso OLG Breslau, Erk. v. 8. März 1814, in: Kamptz’ Jahrbücher, Bd. 27 (1826), S. 158, 162 ff., 168 f. – Anders dagegen das Hofgericht Jena, Urt. v. 16. Juni 1813, bei CARIUS, Recht durch Eigentum (2012), S. 228, 229 f. m. w. N. 756 BRUNNEMANN, Commentarius, ad Dig. 16, 1, 32, No 16: »[…] nam pecunia ad maritum tanquam potentiorem, et cui contradicere non audet, pervenisse praesumitur«; LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 6: »Pecunia enim ad maritum, tanquam potentiorem, et cui mulier contradicere non audet, pervenisse praesumitur.« – Ähnlich OLG Breslau, Erk. v. 8. März 1814, in: Kamptz’ Jahrbücher, Bd. 27 (1826), S. 158, 163, 165. – Anders dagegen BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 3, § 3 not. h et i (S. 75 f.), der eine Haftung der Frau pro sua rata vertritt. Ferner GLÜCK, Pandecten, Bd. 14/2 (1813), ad Dig. 16, 1, § 923, S. 472 Fn. 99. 757 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 76 f.; BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 11, No 18; MEVIUS, Commentarii in Jus Lubecense, ad Lib. I, Tit. 5, Art. 7, No 108 in fine. 758 BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 11, No 18: »Si tamen mulier probaret, quod minis et verberibus ad istam confessionem judicialem, videlicet pecuniam in suam utilitatem esse versam, a marito coacta esset, tunc nihilominus beneficio d. auth. juvaretur. Anton. Fab. in Cod. lib. 4 tit. 21 defin. 23.« – Zu Faber s. o. Fn. 475. 759 BRUNNEMANN, Commentarius, ad Cod. 4, 29, 23, No 2: »modo illud possit plene probari vel instrumento publico a tribus testibus subscripto, instrumento enim tali creditur. Quod de eo casu intelligunt, quando pro extraneo fidem interponit, non pro marito, nam ultimo casu metu compulsa praesumitur«. 760 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 81 f.; BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 11, No 19; LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 6. – Zur Haftungsquote der Frau differenzierend BRUNNEMANN, Commentarius, ad Dig. 16, 1, 17, No 5 f. 761 Verordnung über die weiblichen Freiheiten vom 6. August 1678, Abs. 1 Satz 3, in: QNPD, Bd. II/2 (1969), S. 121.

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Der Grund für die insgesamt schärfere Reglementierung dieser Interzession wird in der persönlichen Nähebeziehung der Frau zu ihrem Mann gesehen, wegen der sie eher geneigt ist, für ihn zu interzedieren als für andere,762 sei es aus Ehrfurcht vor ihm (metus reverentialis) – so etwa Carpzov,763 Brunnemann,764 Mevius,765 Lauterbach,766 Struve767 oder Kreittmayr;768 sei es – so insbesondere Stryk769 – infolge seiner Einflussnahme durch Schmeicheleien (blanditiis maritalibus).770 Umgekehrt wird aber eine (analoge) Anwendung der Authentica Si qua mulier auf Interzessionen des Ehemanns für seine Frau mit der Begründung abgelehnt, dass es bei ihm an einer imbecillitas naturae et sexus und damit am Regelungsgrund des Interzessionsverbots fehle (quae ratio in viro cessat).771 762 BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 11, No 6. 763 CARPZOV, Jurisprudentia forensis Romano-Saxonica, Pars II, Const. 16, Def. 10, No 14: »multo magis ergo intercedendo pro marito, ubi ob metum reverentialem deceptio facilius metuenda.« – Ähnlich a. a. O., Def. 17, No 10 f.: »recte asserens, mulierem maritatam pro extraneo intercedentem, absque juramento, etiam bona dotalia obligare, siquidem hoc casu metus reverentialis cessat, qui alias mulierem ad intercedendum pro marito facile inducere potest, ob quem intercessio quoad bona dotalia, non nisi jurata valet«. 764 BRUNNEMANN, Commentarius, post Cod. 4, 29, 22 ad Nov. 134, 8, No 1: »[…] causa in metu reverentiali, quem lex praesumit«. 765 MEVIUS, Commentarii in Jus Lubecense, ad Lib. I, Tit. 5, Art. 7, No 104: »Intercessio autem pro marito nullatenus valet et ipso jure nulla est, ut eo magis mulieri subveniatur, quo facilius ex amore aut metu reverentiali pro eo spondet, sibique pauperiem attrahit«. 766 LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 6: »Pro marito vero ut uxor intercedat cum propter affectionem, quam erga illum habet, et reverentiam, quam illi debet, facilius inducatur, proinde haec intercessio, etiam multoties reiterata, Novo Jure in totum est invalida, et ipso jure nulla«. 767 STRUVE, Syntagma Jurisprudentiae, Exercitatio 21, ad Dig. 16, 1, No 11: »[…] propter metum ac reverentiam, qua mulier facilius, ut pro marito intercedat, induci, imo cogi possit, constitutum sit, nullatenus valere«. 768 KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu IV 10 § 28 CMBC, No 1 lit. a: »[…] welche für die Weibsleut propter metum et reverentiam maritalem allzeit weit gefährlicher ist, wird gleich ipso Jure cassirt, und für ungiltig geachtet.« 769 STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 8: »Cujus ratio in praesenti casu in obscuro non est, cum blanditiis maritalibus facilius induci possit ad intercedendum uxor, quam ab extraneo, unde majori prohibitione opus fuit.« 770 Zusammenfassend BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 3, § 4 not. n (S. 78 f.): »Duplex allegari solet a doctoribus, amor et metus. Aiunt, maritalibus illecebris facilius uxorem ad intercedendum induci a marito, quam foeminam quamcunque miseratione extranei. Nec aegre minis viri, qui eam in coniugali directione habet, quamvis reluctantem compelli. Ut igitur alias legislatores maiori pericolo maiorem cautelam opponunt […] ita hic quoque strictius prospectum fuisset uxori, mariti insidiis magis obnoxiae.« 771 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 87: »Septimo limitatur, in marito, qui pro uxore intercedere, et fideiubere optime potest, quia licet haec intercessio sapiat quandam donationem […] ejusdem tamen prohibitio potius propter imbecil-

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

Ob diese emotionale Verbundenheit der Frau dabei auch nach dem Tod des Ehemanns noch fortwirkt, ist in der Spruchpraxis umstritten: Während ein Leipziger Spruch (November 1635) dies bejaht,772 lehnen das Wismarer Tribunal (Juni 1658)773 sowie die Fakultäten von Frankfurt/Oder (Mai 1677)774 und Helmstedt (Januar 1715 bzw. März 1723)775 dies ab und halten folglich die Interzession einer Witwe für wirksam, die zugunsten einer Verbindlichkeit des verstorbenen Mannes erfolgt:776 »[…] indem die DD. ad validitatem intercessionis pro marito nur dieses erfodern, daß die Frau zu einer Zeit, ubi metus maritalis et reverentialis cessat, nemlich nach dem Tode des Mannes […] sich zu der Schuld bekenne, und solche zu zahlen verspreche«. 777

Mit Blick auf den Güterstand aber ist die Authentica Si qua mulier grundsätzlich nur anwendbar, wenn keine Gütergemeinschaft besteht.778 Auch insoweit besteht eine Parallele zum römisch-holländischen Recht. Nichtig ist eine Interzession schließlich auch, wenn die in Cod. 4, 29, 23 vorgeschriebene Form missachtet wird.779 Mitunter wird hier im Usus modernus der alte Meinungsstreit der Glossatoren wieder aufgegriffen:780 Während Bachovius und viele andere der schon im Mittelalter herrschenden Ansicht von Bulgarus folgen und diese Formvorschrift nicht auf die Fälle erstrecken,

litatem naturae et sexus est inducta, […] quae ratio in viro cessat«. – Ebenso BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 11, No 23. 772 CARPZOV, Jurisprudentia forensis Romano-Saxonica, Pars II, Const. 16, Def. 3, No 4 ff. – Ebenso BRUNNEMANN, Commentarius, ad Dig. 16, 1, 2, No 11. 773 MEVIUS, Decisiones, Pars VII, Dec. 229. – Ebenso LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 6. 774 STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 16. 775 LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 172, Meditatio 7 et 8. 776 Zum Ganzen BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 3, § 5 (S. 79); GLÜCK, Pandecten, Bd. 15/1 (1813), ad Dig. 16, 1, § 925, S. 49 ff. 777 LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 172, Meditatio 7 (S. 272). – Ebenso KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu IV 10 § 28 CMBC, No 3 lit. c. 778 SCHILTER, Praxis Iuris Romani, Tom. II, Exercitatio 28, No 12; STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 4 f.; BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 3, § 7 Anm. aa (S. 85 f.); GLÜCK, Pandecten, Bd. 15/1 (1813), ad Dig. 16, 1, § 924, S. 34 f. 779 BRUNNEMANN, Repetitio Paratitlorum Wesenbecii, ad Dig. 16, 1, qu. 18; DERS., Commentarius, ad Dig. 16, 1, 2, No 8; ad Cod. 4, 29, 23, No 4; LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 10; SCHILTER, Praxis Iuris Romani, Tom. II, Exercitatio 28, No 7; STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 24; RÖSLIN, Abhandlung von besondern weiblichen Rechten, Bd. II (1779), S. 74 (§ 28); GLÜCK, Pandecten, Bd. 14/2 (1813), ad Dig. 16, 1, § 922, S. 455 ff. 780 Vgl. GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. I (1850), S. 261 f.

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in denen das SC Velleianum schon seit jeher keine Anwendung findet,781 schließen sich Schilter und Glück der Mindermeinung von Martinus an, dass diese Formvorschrift für alle Interzessionen gelte, also insbesondere auch für die in Cod. 4, 29, 24 und Cod. 4, 29, 25 geregelten Fälle.782 b) Ausnahmen Auch im Usus modernus gilt der im Ius commune übliche Kanon an Ausnahmetatbeständen zum SC Velleianum.783 Ebenso wie im römisch-holländischen Recht werden diese von der Literatur bisweilen in Kategorien zusammengefasst nach der Sphäre, aus der sie jeweils herrühren.784 Geradezu in Gesetzesrecht geronnen ist die gemeinrechtliche Aufzählung dabei in der kurbayerischen Kodifikation von 1756:

781 BACHOVIUS, Notae et Animadversiones ad Disputationes Treutleri, Vol. I, Disp. 25, Thesis 2, lit. B. – Ohne Bulgarus ausdrücklich zu nennen, im Ergebnis ebenso: BRUNNEMANN, Commentarius, ad Dig. 16, 1, 2, No 9 in fine; ad Cod. 4, 29, 23, No 4; LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 10 in fine; STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 24 in fine; BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 1, § 7 not. cc (S. 18); RÖSLIN, Abhandlung von besondern weiblichen Rechten, Bd. II (1779), S. 185 ff. (§§ 89 ff.). 782 SCHILTER, Praxis Iuris Romani, Tom. II, Exercitatio 28, No 7; GLÜCK, Pandecten, Bd. 15/1 (1813), ad Dig. 16, 1, § 924, S. 26 ff. 783 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 4; BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 12, No 8 f.; 22 ff.; LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 21 ff.; STRUVE, Syntagma Jurisprudentiae, Exercitatio 21, ad Dig. 16, 1, No 10 ff.; DERS., Jurisprudentia Romano-Germanica forensis, Lib. III, Tit. 9, No 4; RÖSLIN, Abhandlung von besondern weiblichen Rechten, Bd. II (1779), S. 89 ff. (§§ 1 ff.); GLÜCK, Pandecten, Bd. 15/1 (1813), ad Dig. 16, 1, § 924, S. 1 ff. 784 LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 21, 25: »Cessat exceptio Senatusconsulti Vellejani ejusdemque auxilium, ex persona mulieris intercedentis […] Ex persona Creditoris […] Propter favorem causae […].« – STRUVE, Syntagma Jurisprudentiae, Exercitatio 21, ad Dig. 16, 1, No 10, 12: »Praeterea in intercessionibus quoque non obtinet Senatusconsultum, I. ob factum ipsius mulieris […] Cessat Senatusconsultum II. ob singularem conditionem primo rerum, ob quarum favorem […] Deinde personae intercedentis foeminae […] Denique personae, pro qua interceditur […].« – RÖSLIN, Abhandlung von besondern weiblichen Rechten, Bd. II (1779), S. 89 f. (§ 1): »[…] theils weil gewiese Fälle wirklich nicht hieher gehören, theils weil der Fall gegen diese Rechtswohlthat privilegirt, theils weil die Weibsperson derselben unwürdig ist, theils weil sie sich derselben nicht bedienen will.« – GLÜCK, Pandecten, Bd. 15/1 (1813), ad Dig. 16, 1, § 924, S. 1, 20, 28: »[…] I. wenn sie sich der Wohlthat desselben unwürdig gemacht haben. […] II. Wenn der Forderung des Gläubigers in den Gesetzen ein stärkeres Privilegium beygelegt ist, als daß dagegen die Einrede des Vellejanischen Senatusconsults mit Wirkung vorgeschützt werden kann. […] III. Wenn eine Frauensperson von der Intercession keinen Schaden hat.«

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IV 10 § 26 CMBC »S.C. Vell. hat nur in folgenden Fällen nicht Statt. 1mo Wenn sich eine Weibs-Person dessen ausdrücklich und specialiter begiebt, […]. 2do Wenn sie ihrer Intercession wegen Geld oder andere merkliche Schankung annimmt, es erscheine dann, daß sie dadurch nur listiger Weis inducirt und eingeschläffert worden seye. 3tio Dafern sie sich für die nemliche Schuld wiederholtermalen und zu unterschiedlichen Zeiten dergestalt interponirt, daß zwischen der ersten und weiteren Interposition wenigst zwey Jahr verloffen seynd, […]. 4to Wenn die Schuld, wofür sie intercedirt hat, zu ihrem erweislichen Nutzen verwendet worden, oder ihr wenigst kein Schaden durch die Intercession zugehet. 5to Wenn sie betrüglich mit dem Creditore gehandlet, […]. 6to In Intercessionen für das Heyrath-Gut, oder wenn der Creditor ein Minderjähriger ist. 7mo In allen Fällen, worin die Intercession ohnehin schon null und nichtig ist […].«785

Die hergebrachte Ausnahme bei der Interzession zugunsten der Freilassung eines Leibeigenen (pro libertate) wird auch im Usus modernus auf die Freilassung des Ehemanns aus dem Gefängnis bezogen.786 Allerdings wird sie – nicht zu Unrecht – zunehmend bei der Diskussion der Authentica Si qua mulier behandelt.787 Des Weiteren wird die Ausnahme zugunsten der Mitgift (pro dote) in Rechtsprechung und Literatur ganz überwiegend auf jede vergleichbare pia causa erstreckt,788 wenngleich prominente Stimmen wie etwa Kreittmayr eine derart weite Auslegung dieses Ausnahmetatbestandes ablehnen.789 Wie auch sonst im Gemeinen Recht kommt das SC Velleianum einer Frau nicht zugute, wenn sie den Gläubiger über ausschlaggebende Tatsachen täuscht (decipiat) und dieser deswegen nicht erkennt, dass es sich um die Interzession einer Frau handelt.790 Mitunter wird dies in der Literatur immer Die Aufzählung ist hier als enumerativ zu verstehen, vgl. KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu IV 10 §§ 23–27 CMBC, No 10 lit. e. 786 LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 25. 787 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 85 f.; BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 11, No 22; BRUNNEMANN, Commentarius, post Cod. 4, 29, 22 ad Nov. 134, 8, No 6. – Ablehnend allerdings GLÜCK, Pandecten, Bd. 14/2 (1813), ad Dig. 16, 1, § 922, S. 454. 788 BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 11, No 33 in fine; BRUNNEMANN, Commentarius, ad Dig. 16, 1, 16, No 7; ad Cod. 4, 29, 12, No 1 f.; MEVIUS, Decisiones, Pars III, Dec. 85; STRUVE, Syntagma Jurisprudentiae, Exercitatio 21, ad Dig. 16, 1, No 12; LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 169, Meditatio 4/5. 789 KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu IV 10 §§ 23–27 CMBC, No 10 lit. c: »Propter Favorem Causae cessirt das S. C. V. wann eine Weibsperson für das Heurathguth Bürgschaft leistet […] welches die Authores, nescio, quo Fundamento auch auf Kirchen und alle Causas pias extendiren wollen.« – Ablehnend ferner RÖSLIN, Abhandlung von besondern weiblichen Rechten, Bd. II (1779), S. 119 ff. (§§ 22 f.); GLÜCK, Pandecten, Bd. 15/1 (1813), ad Dig. 16, 1, § 924, S. 26. 790 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 60 in fine; CARPZOV, Jurisprudentia forensis Romano-Saxonica, Pars II, Const. 15, Def. 13, No 2, 6; BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 12, 785

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noch mit dem Anlegen von Männerkleidung (veste virili) veranschaulicht;791 das alte Beispiel aus der Glosse hält aber sogar Einzug in die Gesetzgebung Kreittmayrs: IV 10 § 26 CMBC »5to Wenn sie betrüglich mit dem Creditore gehandlet, und sich z. E. unter Manns-Kleydern versteckt, oder ihn auf andere gefliessene Weis eingeführt hat.«792

Doloses Verhalten gegenüber dem Gläubiger wird zudem unterstellt, wenn die Frau (für einen Dritten) interzediert, obwohl sie genau weiß, dass dies rechtlich keinerlei Folgen für sie hat.793 Interzediert sie in Kenntnis der Rechtslage aber für ihren eigenen Ehemann, entfällt jedoch der Vorwurf der Arglist, da sie hier zumeist Drohungen oder ungestümen Forderungen (minis aut importunis flagitationibus) des Mannes nachkommt und somit aus beachtlichem metus reverentialis handelt.794 Von einer Täuschungsabsicht der Frau wird ferner ausgegangen, wenn sie es (in der Konstellation von Cod. 4, 29, 5) wissentlich hinnimmt, dass ihre Sachen von ihrem Mann verpfändet wären, als wären es seine eigenen;795 es sei denn, sie wurde zuvor von ihrem Mann durch Schläge und Drohungen (verberibus et minis) gefügig gemacht und schweigt somit aus beachtlichem metus reverentialis.796 Zwar treffen den Gläubiger grundsätzlich keine Aufklärungspflichten. No 27 f.; BRUNNEMANN, Repetitio Paratitlorum Wesenbecii, ad Dig. 16, 1, qu. 3; DERS., Commentarius, ad Dig. 16, 1, 30, No 1 f.; ad Cod. 4, 29, 5, No 2; ad Cod. 4, 29, 9, No 3; ad Cod. 4, 29, 18; LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 21; BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 2, § 3 (S. 25); RÖSLIN, Abhandlung von besondern weiblichen Rechten, Bd. II (1779), S. 121 (§ 25); GLÜCK, Pandecten, Bd. 15/1 (1813), ad Dig. 16, 1, § 924, S. 1 ff. 791 LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 21. 792 Hierzu KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu IV 10 §§ 23–27 CMBC, No 9 lit. b. 793 LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 169, Meditatio 7/8: »Mulier, quae scit, se ex fidejusssione non obligari, ac nihilominus fidejubet, eo ipso in dolo est, ut, quamvis beneficio senatusconsulti non renunciarit, eo tamen non gaudeat.« – Ebenso BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 2, § 3 not. f. (S. 26); BÜLOW /  HAGEMANN, in: Practische Erörterungen, Bd. IV (1804), S. 201 ff. – Einschränkend GLÜCK, Pandecten, Bd. 15/1 (1813), ad Dig. 16, 1, § 924, S. 2 ff. 794 LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 171, Meditatio 3: »Verum enim vero hoc ad uxores pro maritis intercedentes non pertinet. Hae plerumque minis aut importunis flagitationibus maritorum ad hoc indicuntur.« – Ebenso BEHMER, Novum Jus Controversum, Tom. II (1771), Observatio 117; GLÜCK, Pandecten, Bd. 15/1 (1813), ad Dig. 16, 1, § 924, S. 3. Ferner OLG Breslau, Erk. v. 8. März 1814, in: Kamptz’ Jahrbücher, Bd. 27 (1826), S. 158, 170. 795 Vgl. BEHMER, Novum Jus Controversum, Tom. II (1771), Observatio 102 mit einer Entscheidung v. 1. März 1763. 796 BRUNNEMANN, Commentarius, ad Cod. 4, 29, 5, No 1; ad Cod. 4, 29, 7, No 1 f.: »non semper praesumi dolum ex silentio uxoris, nam ob reverentiam mariti videtur tacuisse«; LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 7

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Liegen jedoch erkennbare Anhaltspunkte für eine Interzession der Frau vor, so muss er diesen nachgehen (diligentior et curiosior esse debet).797 Bei der alten Streitfrage, wie hoch eine Gegenleistung sein muss, die eine Frau für ihre Interzession erhält (pretium capiat), damit dieser Ausnahmetatbestand greift, folgen die Vertreter des Usus modernus überwiegend der vermittelnden Auffassung von Baldus und verlangen eine angemessene Gegenleistung, für die unter denselben Umständen auch ein verständiger Mann (homo discretus) interzediert hätte, was vom Richter nach billigem Ermessen (arbitrio iudicis) zu beurteilen ist.798 Vereinzelt wird aber immer noch gefordert, dass die Gegenleistung grundsätzlich ebenso hoch sein müsse wie die Summe, für welche die Frau interzediert, um eine Umgehung des SC Velleianum zu vermeiden.799 Wird die Interzession nach zwei Jahren erneut vorgenommen (Cod. 4, 29, 22), ist in Übereinstimmung mit der gemeinrechtlichen Tradition keine entsprechende Belehrung nötig.800 in fine: »caeterum si uxor hoc permiserit, creditor vero rem uxoris esse ignoraverit, tenet oppignoratio, nec exceptione Senatusconsulti impugnatur d. l. 5 [Cod. 4, 29, 5] l. 11 C. de distractione pignorum [Cod. 8, 27, 11], nisi uxor a marito verberibus et minis coacta in hoc expresse consenserit aut, instrument. subscripserit; Ant. Faber in Cod. ad h. t. def. 23. tunc enim excusatur a dolo, propter quem alias privatur.« – Zu Faber s. o. Fn. 475. 797 BACHOVIUS, Notae et Animadversiones ad Disputationes Treutleri, Vol. I, Disp. 25, Thesis 5, lit. D et E: »ideoque hoc casu curiosiorem oportet esse creditorem«; CARPZOV, Jurisprudentia forensis Romano-Saxonica, Pars II, Const. 16, Def. 4, No 7 ff., 9: »hoc casu diligentior debet esse Creditor«; BRUNNEMANN, Repetitio Paratitlorum Wesenbecii, ad Dig. 16, 1, qu. 9: »Nam hoc casu diligentior esse debebat«; DERS., Commentarius, ad Dig. 16, 1, 17, No 1: »diligentior et curiosior esse debet«; ad Cod. 4, 29, 13, No 3; LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 5: »hic enim ipsum diligentius in negotium et ejus causam inquirere oportet«; STRUVE, Syntagma Jurisprudentiae, Exercitatio 21, ad Dig. 16, 1, No 6 in fine: »diligentior esse debet«. 798 BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 12, No 22; BRUNNEMANN, Commentarius, ad Dig. 16, 1, 16, No 3; ad Cod. 4, 29, 23, No 1 f.; LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 22; BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 2, § 5 not. k in fine (S. 30); KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu IV 10 §§ 23–27 CMBC, No 9 lit. c; RÖSLIN, Abhandlung von besondern weiblichen Rechten, Bd. II (1779), S. 138 f. (§ 41); GLÜCK, Pandecten, Bd. 15/1 (1813), ad Dig. 16, 1, § 924, S. 29 f. 799 BACHOVIUS, Notae et Animadversiones ad Disputationes Treutleri, Vol. I, Disp. 25, Thesis 4, lit. A in fine: »Videndum autem ne per istam l. 23 [Cod. 4, 29, 23] fraus fiat Senatusconsulto Velleiano, siquidem illud quod acceptum est, summam pro qua intervenit mulier minime exaequet, cum ita pecuniola aliqua foeminae allici et circumventae remedio fraudari possint.« 800 BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 12, No 24 in fine; BRUNNEMANN, Commentarius, ad Cod. 4, 29, 22, No 4; BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 2, § 9 not. r in fine (S. 36); RÖSLIN, Abhandlung von besondern weiblichen Rechten, Bd. II (1779), S. 146 f. (§ 49).

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Betreibt die Frau ein Gewerbe oder Handelsgeschäft, scheidet eine Anwendung des SC Velleianum bei Interzessionen aus, die sie in ihrer Eigenschaft als Kauffrau (mercatrix) tätigt, da hier der Schutz des Rechts- und Geschäftsverkehrs Vorrang genießt.801 Daher gilt diese Ausnahme nur für Handelsgeschäfte, aber nicht für Verträge, die eine Kauffrau außerhalb ihres Handelsgewerbes abschließt, das heißt, trotz ihrer Geschäftserfahrenheit kann sie sich dort – wie jede andere Frau – auf das SC Velleianum berufen.802 Mit Blick auf die Gesetzgebung wird diese Ausnahme etwa ausdrücklich in die Leipziger Wechselordnung von 1682 aufgenommen,803 während sie nach dem CMBC von 1756 gerade nicht gilt.804 801 SCHILTER, Praxis Iuris Romani, Tom. II, Exercitatio 28, No 6; STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 6; THOMASIUS, De usu exiguo SCti Vellejani in foris Germaniae (1707), §§ 9 f.; RHEDEN, De muliere mercatrice (1717), Sect. III, § 8; BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 2, §§ 11 f. (S. 37 f.); RÖSLIN, Abhandlung von besondern weiblichen Rechten, Bd. II (1779), S. 249 f. (§ 45); GLÜCK, Pandecten, Bd. 15/1 (1813), ad Dig. 16, 1, § 924, S. 33 f. – Zum Lübischen Recht s. o. Fn. 429. Zum württembergischen Recht KRAUT, Die Stellung der Frau im württembergischen Privatrecht (1934), S. 48 ff. 802 MEVIUS, Commentarii in Jus Lubecense, ad Lib. I, Tit. 10, Art. 1, No 78 f. (i.V.m. No 59 ff.): »Quae ratio etiam hoc efficit, ut id ultra commercii fines non extendamus. Extra ea, quae intuitu mercaturae fiunt, fidejubentes mulieres aeque beneficio Senatusconsulti Vellejani frui reor, per ea, quae supra sub num. 59 et seq. scripta sunt.« Vgl. ferner a. a. O., ad Lib. III, Tit. 6, Art. 21, No 28 ff. – Ebenso SCHILTER, Praxis Iuris Romani, Tom. II, Exercitatio 28, No 6: »Quae Mevius restringit ad ea, quae intuitu mercaturae contrahuntur num. 59 et 78«; STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 6 in fine: »Verum haec omnia restringenda sunt ad actus mercaturae, ubi foemina ut mercatrix intercedit; nam extra ea, quae intuitu mercaturae fiunt, intercedentes foeminae fruuntur beneficio Senatusconsulti Vellejani, Mevius ad jus Lubec. lib. 1 tit. 10 art. 1 n. 78«; THOMASIUS, De usu exiguo SCti Vellejani in foris Germaniae (1707), § 9: »tantum beneficium Senatusconsulti Vellejani cessat in causis mercatoriis, obtinet in reliquis foeminarum, etiam mercaturam exercentium, negotiis«; RHEDEN, De muliere mercatrice (1717), Sect. III, § 8 in fine: »Cessat tamen Senatusconsultum Vellejanum tantum in causis mercatoriis, hinc utuntur hoc beneficio foeminae licet mercatrices in reliquis contractibus, quae ad mercaturam non spectant; hinc si v. gr. convenitur ex fidejussione pro conductore aedium, non denegandum mercatrici hoc beneficium.« BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 2, § 11 not. t in fine (S. 38): »Dispositiones hae tamen restringuntur ad actus mercaturae, quatenus mulier ut mercatrix intercedit: Vid. Mevius ad ius Lubecense l. 1 tit. 10 artic. 1 num. 78. In negotio enim extraordinario etiam iure communi et beneficio Senatusconsulti Vellejani mulierem mercatricem gaudere, Dd. testantur.« GLÜCK, Pandecten, Bd. 15/1 (1813), ad Dig. 16, 1, § 924, S. 34 in Fn. 69: »In andern Fällen kommt auch den Kauffrauen das Vellejanische Senatsconsult zu statten.« 803 Leipziger Wechselordnung von 1682, § 2: »[…] daß eine solche Frau, welche, wie jetzt gemeldet, ihre eigene Handlung treibet, in Handels-Sachen vor einen andern sich verbürgen und gut sagen, und darwider das SCtum Vellejanum, ob sie gleich dessen zuvor nicht erinnert, auch demselben von ihr nicht renunciret worden, nicht vorschützen könne, sondern dasjenige, wozu sie sich verbindlich gemacht, genau zu erfüllen, und zu zahlen

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Führt die Frau das Gewerbe oder Handelsgeschäft gemeinsam mit ihrem Mann (communem negotiationem cum marito exercuit), gelten dieselben Grundsätze des Verkehrsschutzes hinsichtlich ihrer Haftung, 805 die sich aber wiederum nur auf die hieraus resultierenden Geschäftsschulden erstreckt.806 Dabei folgen sowohl die Spruchpraxis des Wismarer Tribunals807 als auch die Literatur808 insbesondere dem Ansatz von Gaill und nehmen in diesem Fall gleichsam eine Gesellschaft (societas) zwischen Mann und Frau an, so dass von einer Verwendung der vom Gläubiger erlangten Mittel auch zu ihren Gunsten ausgegangen wird (wie es Nov. 134, 8 verlangt).809 Entsprechend wird dem Gläubiger mitunter im Partikularrecht die Beweisführung dahin gehend erleichtert, dass er nicht die konkrete Verwendung der Mittel zugunsten der Frau nachzuweisen braucht, sondern nur das Vorliegen eines von

soll angehalten werden.« – Hierzu SCHMELZEISEN, Die Rechtsstellung der Frau in der deutschen Stadtwirtschaft (1935), S. 111; SCHÖTZ in: Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), S. 151, 154 f. – Weitere Beispiele aus zeitgenössischen Wechselordnungen bei BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 2, § 12 not. u (S. 39). Ferner bei CARIUS, Recht durch Eigentum (2012), S. 95 f. 804 IV 10 § 25 CMBC: »2do […] eine Weibs-Person, von was Stand und Wesen sie immer seyn mag«. – Hierzu KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu IV 10 §§ 23–27 CMBC, No 2 lit. c: »Ob das Senatusconsultum auch bey Kaufmannsfrauen, welche Wechsel- und andere Handlung treiben, statt habe, wird bey den Authoribus controvertirt […], unser Codex nimmt § 25 n. 2 keine Weibsperson, von was Stand und Wesen sie immer seye, folglich auch die Kaufmannsfrauen nicht aus.« 805 MEVIUS, Commentarii in Jus Lubecense, ad Lib. I, Tit. 5, Art. 7, No 113 f.; DERS., Decisiones, Pars VIII, Dec. 453 – insbesondere ebd., not. 4: »Ex Germaniae consuetudine receptum id dicit Gail 2 Observ. 90 num. 4. Rationi vero convenit, quam praebet tum non favor modo, sed etiam necessitas mercaturae, tum societatis aequitas, dum uxor ex istis contractibus lucrum parat vel sperat.« – Zu Gaill s. o. Fn. 496. 806 MEVIUS, Commentarii in Jus Lubecense, ad Lib. I, Tit. 5, Art. 7, No 116; DERS., Decisiones, Pars VIII, Dec. 453 in fine: »Illius cum marito conjunctus contractus eundem ut et res illius facit actionibus obnoxias, nec ultra quid opus est, quam ut mercatricem esse constet.« 807 MEVIUS, Decisiones, Pars II, Dec. 206: »Maritus et uxor communem negotiationem exercentes, die offene Krahmerladen haben oder Kauffmann und Wirthschafft treiben, pro se invicem tenentur et tam uxor pro mariti quam maritus pro uxoris debitis obnoxius est. Quod convenit tum juri societatis, quod est inter coniuges sub communi negotiatione«. 808 BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 10, No 7; BRUNNEMANN, Commentarius, ad Dig. 16, 1, 17, No 7; ad Dig. 16, 1, 32, No 19; MEVIUS, Commentarii in Jus Lubecense, ad Lib. I, Tit. 5, Art. 7, No 126; STRUVE, Syntagma Jurisprudentiae, Exercitatio 21, ad Dig. 16, 1, No 12; DERS., Jurisprudentia Romano-Germanica forensis, Lib. III, Tit. 9, No 4 in fine; SCHILTER, Praxis Iuris Romani, Tom. II, Exercitatio 28, No 12 in fine; STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 6; LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 171, Meditatio 4/5; RHEDEN, De muliere mercatrice (1717), Sect. III, § 8. 809 Zu Gaill s. o. Fn. 498.

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Mann und Frau gemeinsam betriebenen Handelsgewerbes, wie etwa im Erzstift Salzburg (1678): »Auf welchen Fall der Gläubiger nicht verbunden ist, daß das Geld in der Frauen Nutzen wirklich verwendet worden sei, erweislich darzutun, sondern es ist genug, wann derselbe die gepflogene Societät und gemeinschaftliche Handlung, Hantierung und Besitzung der Güter erwiesen.«810

Entscheidend ist, dass die Frau selbst als Kauffrau (mercatrix uxor) agiert und es sich bei ihr nicht nur um die Frau eines Kaufmanns (mercatoris uxor) handelt, die lediglich im Geschäft ihres Mannes mithilft, 811 wie die Helmstedter Fakultät im Januar 1715 ausdrücklich feststellt.812 Folglich greift diese Ausnahme nach der Erfahrung von Leyser in der forensischen Praxis so gut wie nie, da eine mercatrix uxor nur höchst selten anzutreffen sei.813 Nach einer weiteren Entscheidung der Helmstedter Fakultät vom Oktober 1718 genügt insoweit auch nicht die bloße Behauptung der Frau, mit ihrem Mann ein gemeinsames Geschäft zu betreiben, sondern dies muss den tatsächlichen Umständen entsprechen.814 Selbst wenn sie den Gläubiger insoweit belügt, kann sich dieser Verordnung über die weiblichen Freiheiten vom 6. August 1678, Abs. 2 Satz 1, in: QNPD, Bd. II/2 (1969), S. 121. Vgl. ferner BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 10, No 14. 811 LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 171, Meditatio 4/5: »Aliud enim est mercatrix uxor, aliud mercatoris uxor. Mercatorum uxoribus senatusconsulti nostri beneficium, quod feminis omnibus indulgent leges, denegandum non est, sed saltem mercatricibus, quae scilicet vel solae sine marito de suo negotiantur sibi adquirunt, vel cum marito societatem inierunt et lucri partem ferunt ac in suas rationes a mariti rationibus diversas inferunt. Itaque non sufficit, quo uxor in negotiatione mariti operas praestat, merces vendit, tabernam custodit, debita solvit, pecuniam accipit.« – Ähnlich BRUNNEMANN, Commentarius, ad Dig. 16, 1, 17, No 7; ad Dig. 16, 1, 32, No 19; MEVIUS, Commentarii in Jus Lubecense, ad Lib. I, Tit. 5, Art. 7, No 115; ad Lib. III, Tit. 6, Art. 21, No 34 ff., 40 ff.; STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 6; BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 3, § 7 not. gg (S. 86 f.). 812 LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 171, Meditatio 4/5: »[…] so folget doch hieraus noch nicht, daß sie mit besagtem ihrem Manne eine gemeinschaftliche Handlung geführet, weil aus der übrigen Zeugen Deposition sattsam erhellet, daß der ganze Seiffensieder-Handel lediglich von dem entwichenen Ehemann dirigiret worden, und derselbe sich seiner Frauen nicht als eines Handels-Consortens, sondern als eines Institoris oder Dieners bedienet, welcher gleichfalls aus der Handelung und in den Händen habenden Geldern Schulden zu bezahlen pfleget, unterdessen aber an der Handelung selbst keinen Theil hat.« 813 LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 171, Meditatio 4/5: »Ea mulieribus ad senatusconsultum Vellejanum provocantibus in foro quotidie objicitur, sed nunquam, quod ego recordor, felici successu. Namque rarissime uxores mercatrices reperias.« 814 LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 171, Meditatio 6: »Zwar hat sie einige von ihrem Manne ausgestellte Obligationen mit unterschrieben, und zugleich darinnen, daß sie mit ihm einen gemeinschaftlichen Handel führe, bekannt. Alldieweil aber die vorkommende Umstände deutlich ergeben, daß der Handel den Mann allein angegangen, 810

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nicht auf ihre falschen Beteuerungen berufen, wenn er die wirklichen Verhältnisse kannte oder hätte erkennen können: Denn in einem solchen Fall ist davon auszugehen, dass die Frau diese Erklärung aus derselben Willfährigkeit (eadem facilitate) abgibt, deretwegen sie sich auch verbürgt.815 Ähnlich wie bei einer Kauffrau wird schließlich auch bei einer Regentin hinreichende Erfahrung und Einsicht angenommen, so dass das SC Velleianum auf die Interzessionen von sogenannten feminae illustres nach herrschender Meinung keine Anwendung findet.816 Begründet wird diese Ausnahme insbesondere mit dem gemeinrechtlichen Grundsatz cessante ratione legis cessat ipsa lex: Da bei der Regentin die imbecillitas und somit die ratio legis wegfällt, sei auch kein Raum mehr für das SC Velleianum selbst.817 Insoweit bestehen gewisse Parallelen zur Diskussion bei der Authentica Si qua mulier, deren analoge Anwendung auf Interzessionen des Ehemanns ebenfalls mit dem Argument abgelehnt wird, dass bei ihm eine solche imbecillitas – schon von vornherein – nicht vorliegt und damit die ratio legis für das Interzessionsverbot fehlt (quae ratio in viro cessat).818

Dagegen sieht die insbesondere von Stryk,819 Moser820 und Kreittmayr 821 vertretene Mindermeinung für eine derartige Ausnahme keinerlei rechtliche und die Frau demselben nur nach Art der Eheweiber adsistiret, und keinen Theil an dem lucro genommen, demnach keine Handels-Consortin gewesen, folglich rei veritas mehr, als die in der Obligation unbedachtsam eingeflossene Worte, in unsern gemeinschaftlichen Handel; angesehen werden muß; So haben wir sie von den Ansprüchen der übrigen Gläubiger entbunden.« 815 LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 171, Meditatio 6: »Namque falsa mulieris intercedentis adseveratio tunc ei non nocet, quum is, apud quem intercedit, falsum hoc novit, L. 12 ad S.C. Vellejanum [Dig. 16, 1, 12]. Et nostro in casu creditor, cui cum marito commercium intercedebat, aut scire tamen facile poterat, illum solum negotiari et verba supra memorata tantum dicis causa instrumento inseri. Accedit, quod uxor eadem facilitate, qua ad fidejubendum inducitur, etiam ad confessionem istam faciendam perpellatur.« 816 BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 12, No 35; LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 4 in fine; STRUVE, Syntagma Jurisprudentiae, Exercitatio 21, ad Dig. 16, 1, No 12 in fine; SCHILTER, Praxis Iuris Romani, Tom. II, Exercitatio 28, No 6; THOMASIUS, De usu exiguo SCti Vellejani in foris Germaniae (1707), § 11; RHEDEN, De muliere mercatrice (1717), Sect. III, § 8; BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 2, § 4 (S. 26 f.). 817 BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 12, No 35 in fine: »[…] et in eis nulla imprudentia vel consilii imbecillitas praesumatur, consequenter cessante ratione legis, ipsa lex cessare debet.« – Ähnlich BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 2, § 4 not. g (S. 28): »ratione Senatusconsulti huius […] cessante«. 818 Siehe oben Fn. 771. 819 STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 7: »Verum haec exceptio juri nostro incognita est, cum etiam foeminae illustres ordinariis jurium beneficiis

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Grundlage. Stryk822 und Moser823 verweisen darüber hinaus auf den Umstand, dass für die Übernahme der Vormundschaft auch von feminae illustres nach wie vor ein Verzicht auf das SC Velleianum verlangt wird, was obsolet wäre, wenn dieses hier schon von vornherein nicht gelten würde.824 Eine vermittelnde Position nimmt insoweit schließlich Glück ein, der diese Ausnahme nur auf Interzessionen im Rahmen der Regierungsgeschäfte erstrecken möchte, aber nicht auf sonstige Interzessionen »nach dem gemeinen Privatrechte«.825 Er übertragt also die Differenzierung, die bei Interzessionen einer Handelsfrau gemacht wird, auf die Interzessionen der »regierenden Dame«. Böhmer möchte alle diese Ausnahmetatbestände zum SC Velleianum – bis auf die Wiederholung nach zwei Jahren (nach Cod. 4, 29, 22) – grundsätzlich auch bei der Authentica Si qua mulier anwenden, also zusätzlich zu der in Nov. 134, 8 selbst genannten Ausnahme, dass die erlangten Mittel nachweisfruantur, et jus commune inter Principes Germaniae generaliter obtineat, utpote inter quos recepta est regula: Principes inter se utuntur jure privatorum.« 820 MOSER, Teutsches Staats-Recht, Theil 20 (1745), S. 359 f., § 69: »[…] und weil es eben doch wahr ist, daß, ordentlicher Weise, auch die Weibs-Personen hohen Standes eben so gut fragilis judicii seynd, als die privat-Weibs-Personen ordentlicher Weise; so halte ich es auch für sie für keine Schande, wann sie sich der ihrer natürlichen Schwachheit zum Besten geordneten Remediorum Juris bedienen und die widrige Meinungen halte ich für eine Flatterie.« 821 KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu IV 10 §§ 23–27 CMBC, No 2 lit. b: »Bey Frauens-Personen von höherem Stand, zumal jenen, welche mit dem Exercitio Regalium aut Jurisdictionalium begabt seynd, wollen zwar viele das S. C. V. nicht für applicabl achten […] nachdem aber weder die Reichsgerichtliche Praxis, noch die Natur selbst einen Unterschied hierinn macht, und das vornehmere Frauenzimmer von der dem weiblichen Geschlecht überhaupt angebohrner Schwachheit a potiori so wenig als das gemeine Frauenvolk eximirt, so halt Moser in seinem St. R. Tom. 20 p. 359 obige Meinung für eine pure Flatterie. Confer Stryk ff. h. t. § 7, Gundling disc. ad ff. p. 1059, dieser letztere Author flattirt gewiß nicht, wann er sagt: Eine Gans bleibt eine Gans, und ein Weib ein Weib, sie mag so groß und vornehm seyn als man immer will.« – Zum Zitat von Gundling vgl. SCHUPPENIES, Die Bürgschaft im Bayerischen Landrecht (1975), S. 79 in Fn. 401. 822 STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 7: »Deinde hoc evidenter evincitur, quod adhuc hodie matres illustres tutrices renunciare debeant solenniter Senatusconsulto Vellejano, si ad tutelam liberorum suorum admitti velint; quae renunciatio esset minus necessaria, si Senatusconsultum Vellejanum ad illas non pertineret, cum renunciatio praesupponat habitum.« 823 MOSER, Teutsches Staats-Recht, Theil 20 (1745), S. 359, § 69: »Daher denn auch gefolget, daß die foeminae illustres in tutela illustri dem SCto Vellejano haben renunciren müssen. […] Nachdeme nun aber einmal undisputirlicher Reichs-Praxeos ist, daß die StandesPersonen weiblichen Geschlechts in gewissen Fällen disem SCto renunciren müssen; so folget a contrario, daß, wann sie nicht renuncirt haben, sie desselben fähig seyen«. 824 Ferner RÖSLIN, Abhandlung von besondern weiblichen Rechten, Bd. II (1779), S. 247 ff. (§§ 42 ff.). 825 GLÜCK, Pandecten, Bd. 15/1 (1813), ad Dig. 16, 1, § 924, S. 34. – Ebenso OLG Breslau, Erk. v. 8. März 1814, in: Kamptz’ Jahrbücher, Bd. 27 (1826), S. 158, 161 f.

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lich der Ehefrau zugute kommen.826 Dieser Ansatz stößt jedoch ganz überwiegend auf Ablehnung.827 Aufgegriffen wird schließlich auch noch der im römisch-holländischen Recht entwickelte Gedanke,828 dass sich die Erben der Frau nicht auf das SC Velleianum berufen können, wenn ihnen die Erblasserin durch letztwillige Verfügung aufgegeben hat, die von ihr eingegangene Interzession aus dem Nachlass zu bedienen.829 c) Insbesondere: Verzicht – »renunciare posse communis tenet sententia« Anders als im römisch-holländischen Recht wird im Usus modernus für die Übernahme der Vormundschaft weiterhin grundsätzlich ein Verzicht auf das SC Velleianum verlangt.830 Diese aus Cod. 5, 35, 3 (bzw. Nov. 94, 2 und Nov. 118, 5) abgeleitete Voraussetzung findet auch im Statutarrecht, wie etwa der Sachsen-Gothaischen Landesordnung von 1666831 oder der Preußischen Vormundschaftsordnung von 1718832, ihren Niederschlag.833

BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 3, §§ 6 f. (S. 82 ff.). Vgl. etwa BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 67 f.; KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu IV 10 § 28 CMBC, No 3 lit. a. – Hierzu GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. I (1850), S. 278. 828 Siehe oben Fn. 720 ff. 829 BRUNNEMANN, Repetitio Paratitlorum Wesenbecii, ad Dig. 16, 1, qu. 16 in fine; DERS., Commentarius, ad Dig. 16, 1, 32, No 7; ad Cod. 4, 29, 20, No 2; LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 18; STRUVE, Syntagma Jurisprudentiae, Exercitatio 21, ad Dig. 16, 1, No 9; STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 17 mit einem Spruch der Fakultät Frankfurt/Oder. 830 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 26; CARPZOV, Jurisprudentia forensis Romano-Saxonica, Pars II, Const. 11, Def. 14, No 3 ff.; BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 12, No 10; Tit. 5, Resol. 3, No 2, 13; BRUNNEMANN, Commentarius, ad Cod. 5, 35, 3, No 1, 4; LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 24; SCHILTER, Praxis Iuris Romani, Tom. II, Exercitatio 28, No 8; STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 18. 831 Sachsen-Gothaische Landesordnung von 1666, III, D, 3, 3, in: QNPD, Bd. II/1 (1968), S. 668: »[…] (4.) Daß sie auf Erinnerung, welche jedes Mal deutlich und mit gnugsamer Erklärung vorhergehen sol, sich, soviel die Vormundschaft betrifft, der Wohltat des SCti Vellejani (dadurch die Weiber zu Recht gesichert seind, daß ohne ausdrückliche Verzicht dieser Wohltat dero Intervention oder Einlassung für andere und was deroselben anhanget, ihnen jedesmal ohne allen Verfang und Nachteil ist) und anderer gleichmäßigen Befreiung begebe.« 832 Preußische Vormundschaftsordnung von 1718, § 12, in: QNPD, Bd. II/2 (1969), S. 206: »[…] (f) daß sie auf Erinnern, welches jedes Mal deutlich mit genungsamer Erklärung vorhergehen soll, der zweiten Ehe renunciire und sich, soviel die Vormundschaft betrifft, der Wohltat des SCti Vellejani und allen weiblichen Vorzugsgerechtigkeiten begebe«. 833 SCHMELZEISEN, Polizeiordnungen und Privatrecht (1955), S. 94 f. m. w. N. in Fn. 32. 826 827

III. Das Gemeine Recht der Frühen Neuzeit

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Der fakultative außergerichtliche Verzicht wird – mal nach mehr, mal nach weniger ausführlicher Darstellung des bislang im Ius commune erörterten Für und Wider – im Ergebnis nahezu einhellig für zulässig gehalten,834 auch wenn etwa Mevius durchaus seine Sympathie für die in seinen Augen an sich gebotene gegenteilige Lösung erkennen lässt, die sich aber in der forensischen Praxis nicht habe durchsetzen können.835 Bemerkenswert ist dabei die Argumentation von Böhmer, der in diesem Zusammenhang insbesondere wieder auf die natürliche Billigkeit (aequitas naturalis)836 abstellt: Danach werden Männer und Frauen an sich in gleicher Weise durch eine Interzession gebunden. Jede gesetzliche Abweichung von diesem Grundsatz wie durch das SC Velleianum ist daher auf das unbedingt Notwendige zu beschränken. Mit dem Verzicht auf dieses Rechtsinstitut wird gleichsam der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt, so dass die Disponibilität in Einklang mit der ratio naturalis steht.837 Vereinzelt wird allerdings selbst im Usus modernus noch dezidiert die gegenteilige Ansicht vertreten, wobei Bachovius,838 Berlich839 oder Thoma834 BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 12, No 10; BRUNNEMANN, Repetitio Paratitlorum Wesenbecii, ad Dig. 16, 1, qu. 13; DERS., Commentarius, ad Dig. 16, 1, 32, No 4; ad Cod. 4, 29, 9, No 4; LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 24; STRUVE, Syntagma Jurisprudentiae, Exercitatio 21, ad Dig. 16, 1, No 10; DERS., Jurisprudentia RomanoGermanica forensis, Lib. III, Tit. 9, No 4; STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 18; LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 170, Meditatio 1/2; BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 2, §§ 15 ff., 18 (S. 46 ff., 55); KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu IV 10 §§ 23–27 CMBC, No 7 lit. a; RÖSLIN, Abhandlung von besondern weiblichen Rechten, Bd. II (1779), S. 163 ff., 172 f. (§§ 63 ff., 74 f.); GLÜCK, Pandecten, Bd. 15/1 (1813), ad Dig. 16, 1, § 925, S. 36 ff., 40. 835 MEVIUS, Commentarii in Jus Lubecense, ad Lib. I, Tit. 10, Art. 1, No 69 ff.: »Si rationum subtilitates potius, quam fori mores sequi liceret, putarem non magis renunciationem istam valere, quam cum aliis beneficiis ob naturae fragilitatem et sexus imbecillitatem introductis renunciatur, id quod fieri non posse […] nec magis permittendam foeminae renunciationem, quam intercessionem, cum eadem facilitate ad utramque accedere possit […] Sed communior in contrarium abit, atque foeminis suo favori renunciare permittit«. – Vgl. ferner DERS., Decisiones, Pars VII, Dec. 231: »Mulierem beneficio Senatusconsulti Vellejani renunciare posse communis tenet sententia, et sic servat judiciorum praxis.« 836 Siehe oben Fn. 735. 837 BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 2, § 18 not. nnn (S. 59): »Primum, quia aequitas naturalis foeminas aeque ac masculos ex intercessione obstringit […]. At leges omnes in dubio ita sunt interpretandae, ut quam minimum a ratione naturali recedant.« –Vgl. ferner a. a. O., § 19 not. ddd (S. 54). 838 BACHOVIUS, Notae et Animadversiones ad Disputationes Treutleri, Vol. I, Disp. 25, Thesis 4, lit. E et F: »Vulgata quidem nem tamen satis extricata hic proponitur quaestio, an mulier extra iudicium efficaciter renuntiet Senatusconsulto Velleiano, quod ego contra Treut. magis negare velim, vel hac sola ratione, quod admissa contraria opinione, nullo vel levi negotio eluderetur et inutile redderetur beneficium huius Senatusconsulti: quoniam qua levitate et infirmitate mulier intercedit, eadem renuntiabit, quae ratio est Castrens. in leg.

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

sius840 weiterhin vor allem darauf abstellen, dass der Verzicht auf derselben Willfährigkeit (eadem facilitate) der Frau beruht wie deren Interzession; außerdem wird auf die Einführung des SC Velleianum im öffentlichen Interesse (bono publico) verwiesen.841 Berlich geht in seiner Ablehnung sogar so weit, auch einen gerichtlichen Verzicht in Frage zu stellen.842 Einen vermittelnden Standpunkt nimmt Schilter ein, der einerseits den Einwand derselben Willfährigkeit entkräftet sieht durch die entsprechende Belehrung und die damit verbundene Gelegenheit, den Verzicht noch einmal zu bedenken (certioratio, atque adeo deliberatio), insbesondere wenn dieser vor dem Richter oder vor dem Notar und Zeugen erfolgt.843 Andererseits betrachtet er den von der herrschenden Meinung zugelassenen außergerichtlichen Verzicht für überaus missbrauchsanfällig, weshalb er grundsätzlich einen gerichtlichen Verzicht wie im kursächsischen Recht bevorzugt.844 ultim. § pen. h. tit. [Dig. 16, 1, 32, 4]«. – Zu Castrensis s. o. Fn. 388. Ferner BACHOVIUS, Wesenbecii Commentaria (1650), ad Dig. 16, 1, No 9, Annotatio. Zu Wesenbeck s. o. Fn. 518. 839 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 13 ff., 16–18: »His tamen nihil obstantibus, contraria opinio verior est, et mulier etiam de suo beneficio certiorata, non potest Senatusconsulto Vellejano renunciare […]. Deinde, quia beneficium Senatusconsulti Vellejani est propter fragilitatem naturae, et imbecillitatem sexus muliebris inductum […]. Beneficio autem propter fragilitatem naturae et imbecillitatem sexus inducto, nemo potest renunciare […]. Tertio, quia eadem fragilitate, qua mulier decipitur in fidejubendo pro alio, eadem etiam imbecillitate inducitur ad renunciandum.« 840 THOMASIUS, De usu exiguo SCti Vellejani in foris Germaniae (1707), §§ 17 ff., 24: »Si licita esset renunciatio Senatusconsulti, Senatusconsultum nullum haberet effectum, quia mulier eadem fragilitate, qua decipitur in fidejubendo pro alio, eadem etiam imbecillitate inducitur ad renunciandum.« 841 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 19: »Quarto, quia Senatusconsultum Vellejanum bono publico est inductum, et non principaliter in favorem mulierum. […] Notissimi autem juris est, quod non pactis privatorum, juri et bono publico non possit derogari.« – Ebenso THOMASIUS, De usu exiguo SCti Vellejani in foris Germaniae (1707), §§ 25, 27. – Ähnlich BACHOVIUS, Notae et Animadversiones ad Disputationes Treutleri, Vol. I, Disp. 25, Thesis 4, lit. E et F (S. 944): »[…] neque hoc solo mulierum favore; sed simul intuitu publicae honestatis, quod intercedere quasi virile videatur officium«. 842 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 21. 843 SCHILTER, Praxis Iuris Romani, Tom. II, Exercitatio 28, No 9: »Verum enim vero non eadem facilitas aut praecipitantia apparet in renunciando, quam in fideiussione ipsa, praesertim cum, ut debet, certioratio, atque adeo deliberatio accedit, et cum primis si coram iudice, aut notario et testibus renunciatur. Atque hac ratione limitationem recipit adducta regula de privilegiis ob naturae aut sexus fragilitatem introductis, quippe cum alia ratione praecipitantiae et facilitati succurratur.« 844 SCHILTER, Praxis Iuris Romani, Tom. II, Exercitatio 28, No 10: »Etsi vero vulgus doctorum omnem omnino renunciandi modum, etiam extraiudicialem, ac qui sit privatim, pro valido habeat, rectius tamen atque rationi iuris intentionique legislatoriae prudentiae proprius est Pauli de Castro sententia, ad quam etiam inclinat Salicetus, quamque accurate defendit Bachovius ad Treutl. V. 1 d. XXV 4 E. F. nempe, renunciationem fieri debere

III. Das Gemeine Recht der Frühen Neuzeit

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Nach einhelliger Auffassung setzt ein wirksamer Verzicht nach Gemeinem Recht voraus,845 dass zuvor eine eingehende Belehrung (certioratio) der Frau erfolgt.846 Die Beweislast hierfür trifft dabei den Gläubiger: Solange er einen entsprechenden Nachweis nicht erbringt, wird grundsätzlich angenommen, dass die Frau die ihr zustehenden Rechte beim Verzicht nicht gekannt hat.847 Gelegentlich wird noch einmal gesondert festgehalten und betont, dass die Belehrung (certioratio) einer Kauffrau über das SC Velleianum wegen ihrer Geschäftserfahrung entbehrlich sei.848 Diese Feststellung erscheint freilich etwas obsolet, wenn sich eine Kauffrau im Rahmen ihres Handelsgewerbes schon von vornherein nicht auf das SC Velleianum berufen kann,849 denn dann bedarf es an sich keines Verzichts und somit auch keiner Belehrung. Nicht thematisiert wird in diesem Zusammenhang aber die Frage, wie es mit der Erforderlichkeit einer solchen Belehrung bei Geschäften außerhalb ihres Handelsgewerbes steht, bei denen das SC Velleianum ja grundsätzlich zur Anwendung kommt,850 sofern nicht der Verzicht erklärt wird. coram iudice. Const. Elect. XVI p. 2 […] quum alioquin fraus Senatusconsulto facile fieri et renuncians decipi possit, unde lis ex lite seminatur.« 845 Zur Rechtslage nach kursächsischem Recht vgl. etwa BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 21, No 18 ff., 20, der eine Belehrung auch dort weiterhin für erforderlich hält. Ebenso CARPZOV, Jurisprudentia forensis Romano-Saxonica, Pars II, Const. 16, Def. 10, No 13; Def. 19. – Zur Rechtslage nach Lübischem Recht vgl. MEVIUS, Commentarii in Jus Lubecense, ad Lib. I, Tit. 10, Art. 1, No 73 in fine. – Zur Rechtslage in Ober- und Niederösterreich KOCHER, Höchstgerichtsbarkeit und Privatrechtskodifikation (1979), S. 202 f. m. w. N. 846 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 33 ff.; BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 12, No 15; BRUNNEMANN, Commentarius, ad Dig. 16, 1, 32, No 4; ad Cod. 4, 29, 9, No 4; MEVIUS, Commentarii in Jus Lubecense, ad Lib. I, Tit. 10, Art. 1, No 73; DERS., Decisiones, Pars VII, Dec. 231; LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 24; STRUVE, Syntagma Jurisprudentiae, Exercitatio 21, ad Dig. 16, 1, No 10; DERS., Jurisprudentia Romano-Germanica forensis, Lib. III, Tit. 9, No 4; SCHILTER, Praxis Iuris Romani, Tom. II, Exercitatio 28, No 8 ff.; STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 20; LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 170, Meditatio 1/2; BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 2, § 19 (S. 61); KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu IV 10 §§ 23–27 CMBC, No 7 lit. c; RÖSLIN, Abhandlung von besondern weiblichen Rechten, Bd. II (1779), S. 176 ff. (§§ 80 ff.); GLÜCK, Pandecten, Bd. 15/1 (1813), ad Dig. 16, 1, § 925, S. 40 ff. 847 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 49: »Sciendum tamen est, quod in dubio mulier non praesumatur certiorata de beneficio Senatusconsulti Vellejani.« – Ferner BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 12, No 19; STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 22; BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 2, § 19 not. uuu (S. 66); RÖSLIN, Abhandlung von besondern weiblichen Rechten, Bd. II (1779), S. 184 f. (§ 88); GLÜCK, Pandecten, Bd. 15/1 (1813), ad Dig. 16, 1, § 925, S. 44. 848 RHEDEN, De muliere mercatrice (1717), Sect. III, § 9 in fine; BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 2, § 11 not. t (S. 38); § 12 not. x (S. 40). 849 Siehe oben Fn. 801. 850 Siehe oben Fn. 802.

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

Während bei gerichtlich erklärtem Verzicht eine hinreichende Belehrung vermutet wird, gilt dies nicht bei einem außergerichtlichen Verzicht.851 Schilter empfiehlt dem Gläubiger daher, den Verzicht dann wenigstens vor dem Notar und Zeugen (coram notario et testibus) aufnehmen zu lassen, da dann der Nachweis der Belehrung grundsätzlich klar sei, solange die Frau nicht den Gegenbeweis antreten könne – was also im Ergebnis zu einer Beweislastumkehr führt.852 Auch Berlich rät bei einem außergerichtlichen Verzicht dazu, die Belehrung von einem Notar und nicht vom Gläubiger selbst vornehmen zu lassen, da der Gläubiger im Falle einer unzureichenden Belehrung den Notar dann in Regress nehmen könne.853 Das Wismarer Tribunal stellt jedoch klar, dass die Belehrung nicht notwendigerweise durch einen Notar erfolgen müsse, auch wenn dies gemeinhin üblich sei, sondern auch von einem anderen, solange eine sachlich richtige Belehrung gewährleistet ist, wovon etwa bei einem curator litis oder juris peritus auszugehen sei.854 Stryk stimmt STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 19: »Haec tamen inter judicialem et extrajudicialem adhuc intercedit differentia, quod in renunciatione judiciali uxor praesumatur specialiter edocta de suo beneficio, ubi id diserte non constat, cum in judicio rite et solenniter omnia facta praesumantur, quae praesumtio in extrajudiciali cessat«. 852 SCHILTER, Praxis Iuris Romani, Tom. II, Exercitatio 28, No 10: »Addo tamen, ut sicut intercessio potest fieri publice confecto instrumento et adhibitis testibus, ita etiam renunciationem validam esse, si saltem fiat coram notario et testibus. Id quod propterea etiam creditori consultum est, ut in promtu sit probatio certiorationis, de qua statur instrumento, donec in reconventione per testes vel iusiurandum mulier contrarium probet.« – Ähnlich BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 50 ff.; BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 12, No 19; MEVIUS, Commentarii in Jus Lubecense, ad Lib. I, Tit. 5, Art. 7, No 119; BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 2, § 19 not. uuu (S. 66); GLÜCK, Pandecten, Bd. 15/1 (1813), ad Dig. 16, 1, § 925, S. 45. 853 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 47 f.: »Breviter dicendum est, quod a Notario debeat certiorari, nec a creditore […] Utilitas hujus decisionis in eo est, si enim mulier probare possit, quod de Senatusconsulto in specie non fuerit certiorata, tunc ex sua obligatione et intercessione non tenetur, et si esset a creditore certioranda, creditor ex eiusmodi obligatione, et renunciatione nihil consequi posset, sed sibi imputare deberet, quod mulierem de beneficio non certiorem fecerit. Si vero a Notario, et certioratio ab eodem esset omissa, tunc mulier quidem omnino ad nihil creditori esset obligata, creditor tamen adversus Notarium actionem ad interesse habet, quod is suo officio fideliter non fuerit functus, nec mulierem de beneficio certioraverit.« – Ebenso BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 12, No 17; STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 21 in fine. 854 MEVIUS, Decisiones, Pars VII, Dec. 231 (Juni 1658): »[…] Ex more invaluit, adhiberi Notarium, per quem certioretur. Quod si autem consuetudo ejus non fecerit praecisam aliquam necessitatem, non pertinet ad substantiam certiorationis ea Notarii praesentia, sed sufficit ab alio quovis factam, dummodo mulieri innotuerit, quo jure fruitur. Nec enim aut jus exigit, aut rationi convenit, ut Notarius necessario adhibeatur. Quando 851

III. Das Gemeine Recht der Frühen Neuzeit

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dem zu und geht sogar noch einen Schritt weiter, als er insoweit eine Belehrung durch den Gläubiger selbst vorschlägt, da dieser ein ureigenstes Interesse daran habe, dass die Frau ordentlich belehrt wird, da er nur dann einen durchsetzbaren Anspruch gegen die Frau erwirbt.855 Im Übrigen wären manche Notare nicht einmal in der Lage, den Inhalt und Sinn der von ihnen verwendeten Verzichtsklauseln zu erklären, da sie diese selbst nicht verstünden, was eine ordnungsgemäße Belehrung erwiesenermaßen ausschließt.856 In diesem Fall billigt Berlich dem Gläubiger wiederum einen Regressanspruch gegen den Notar zu.857 Kreittmayr indessen ist skeptisch gegenüber etwaigen Schlussfolgerungen und argwöhnt, dass es sich hierbei auch schlicht um einen vorübergehenden Aussetzer (Lapsus memoriae) oder gar um vorgebliches Nichtwissen zulasten des Gläubiger (geflissene Simulatio ignorantiae und anderes in praejudicum Creditoris) handeln könne.858 Ein allgemeiner Verzicht (generalis renuntiatio) der Frau, bei dem das SC Velleianum nicht besonders (in specie) erwähnt wird, entfaltet jedenfalls itaque confessa est mulier, se a curatore litis, aut a juris perito certioratam fuisse, sicque beneficii habuisse intellectum, satis est ad obligationis validitatem.« 855 STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 21: »Quod si nunc renunciatio in judicio fiat facile apparet, eandem a judice ipso esse faciendam; si autem extra judicium, communiter haec expediri solet per Notarium, Berlichius P. 2 concl. 19 n. 47. Hoc tamen praecise necessarium non est, sed sufficit ab alio quovis factam esse, dummodo mulieri innotuerit, quo jure fruatur, Mevius P. 7 Dec. 231. Unde vel sufficere posset, si a creditore esset facta, quod tamen negat Berlichius cit. l. sed rationem hujus sententiae desidero; nullius enim magis interest, quam ipsius Creditoris, ut mulier intercedens sufficienter de jure suo instruatur, ne postea ad exceptionem non factae certiorationis provocare possit«. 856 STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 22 in fine: »Hinc saepe accidit, ut ne quidem Notarii vim hujusmodi clausularum intelligant, et […] bene cantent per practicam, sed nesciant rationem sui cantus; sicuti memini Notarium aliquando in instrumento apposuisse, se renunciare Autori Si qua mulier, pro authentica. Hinc si Notarius interrogatus, ne quidem ipse vim et sententiam horum jurium intelligat, probatio optima adest, non esse factam certiorationem«. 857 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 53 f.: »Si tamen Notarius ad instantiam partis a judice interrogetur, quale sit illud beneficium, de quo mulierem certiorem fecerit, et is ignorat, tunc instrumentum non valebit, obligatioque et renunciatio evanescit. […] Notarius autem hoc in casu, ubi clausulam illam instrumento adjecit, quod scilicet mulierem de Senatusconsulto certioraverit, quam tamen ipse non intelligit, tenetur creditori ad damnum et interesse.« – Ebenso BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 12, No 19. 858 KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. I (1758), zu I 6 § 34 CMBC, No 4: »Ob aber zu diesen Gegenbeweis hinlänglich seye, wann der angebliche Anweiser nach der Hand auf richterliches Befragen die weibliche Freyheiten selbst nicht zu erklären weiß, lassen wir dahin gestellt seyn, dann es könnte hierbey leicht ein Lapsus memoriae oder geflissene Simulatio ignorantiae und anderes in praejudicum Creditoris vorgehen, dahero man jenes, was die Authores […] hievon schreiben, mit Behutsamkeit anzunehmen hat.«

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

grundsätzlich keine Wirkungen, sofern sich nicht konkludent eine inhaltliche Bezugnahme auf das SC Velleianum herleiten lässt.859 Was ferner die Form des Verzichts angeht, so verlangen im Usus modernus nur noch wenige die Einhaltung der in Cod. 4, 29, 23, 2 vorgeschriebenen Form einer öffentlich beglaubigten Urkunde.860 Die wohl herrschende Meinung hält demgegenüber eine formlose Verzichtserklärung für ausreichend.861 Breiten Raum nehmen bei der Diskussion des Verzichts weiterhin die Folgen eines Eids ein. Der hergebrachte gemeinrechtliche Grundsatz, dass eine Beeidung des Verzichts die Belehrung entbehrlich macht, wird im Usus modernus allerdings nicht von allen vorbehaltslos anerkannt. Zwar übernehmen einerseits Autoren wie Balthasar,862 Brunnemann,863 Lauterbach,864 Struve 865

859 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 35 f.; BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 12, No 16; LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 170, Meditatio 4; RÖSLIN, Abhandlung von besondern weiblichen Rechten, Bd. II (1779), S. 174 f. (§ 78). – Zum kurbayerischen Recht KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu IV 10 §§ 23–27 CMBC, No 7 lit. b. 860 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 29 ff. 861 BRUNNEMANN, Commentarius, ad Dig. 16, 1, 32, No 4; LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 24; STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 24 in fine; BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 2, § 19 not. qqq sub III. (S. 63); RÖSLIN, Abhandlung von besondern weiblichen Rechten, Bd. II (1779), S. 174 (§ 76); GLÜCK, Pandecten, Bd. 15/1 (1813), ad Dig. 16, 1, § 925, S. 45 ff. 862 BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 12, No 10: »Quo casu virtute juramenti mulier efficaciter obligatur, etiamsi de Velleiano Senatusconsulto non fuerit certiorata. […] quia juramentum loco certiorationis est, et censetur mulier virtute huius juramenti omni legum ac juris auxilio renunciasse; si non in specie, saltem in genere: quando enim jurans est certus de facto, super quo iurat, licet non sit certus de jure, quod ex tali facto oritur, tunc illud juramentum extenditur ad omne jus, quod descendit ex illo facto«. 863 BRUNNEMANN, Commentarius, ad Dig. 16, 1, 32, No 17: »Et si jurato fiat haec renunciatio, certioratio non videtur necessario requiri, nam foemina licet non in specie sciat, quae habeat privilegia, ex ipso tamen postulato juramento, facile conjicere potuit, sibi competere beneficia, et juramentum vim certiorationis videre supplere«; ad Cod. 4, 29, 9, No 6. 864 LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 24: »Jurata Senatusconsulti Vellejani renunciatio valet, licet non probetur, foeminam de hoc auxilio, quid et quale sit, fuisse edoctam. Eo enim ipso, dum beneficio Senatusconsulti Vellejani renunciat, scit se habere beneficium, quale autem sit, etiam scivisse praesumitur, quia majori cum deliberatione ad juramentum procedimus; et haec est communis Doctorum opinio.« 865 STRUVE, Syntagma Jurisprudentiae, Exercitatio 21, ad Dig. 16, 1, No 10: »Multo magis si intercessio fuerit juramento confirmata, licet de beneficio isto specialiter haud fuerit edocta foemina.«

III. Das Gemeine Recht der Frühen Neuzeit

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und Schilter866 diese communis opinio mit der Begründung, dass die Frau im Zuge des von ihr erklärten Verzichts ja davon Kenntnis erlangt, dass an sich ein Rechtsinstitut (beneficium) zu ihren Gunsten besteht.867 Dagegen wird dieser Ansatz andererseits insbesondere von Berlich868 in Zweifel gezogen sowie von Mevius869 und Stryk,870 die beide aber gleichwohl kautelarjuristisch dazu raten, sicherheitshalber sowohl eine Belehrung als auch einen Eid vornehmen zu lassen. Noch schärfer in ihrer Ablehnung der überlieferten Doktrin äußern sich Leyser,871 Böhmer,872 Kreittmayr873 und 866 SCHILTER, Praxis Iuris Romani, Tom. II, Exercitatio 28, No 9 in fine: »Eo etiam extendunt hanc doctrinam, ut si iusiurandum accesserit renunciationi, certiorationis probatio non desideretur. Quod et ipsum ratione haud destituitur, quoniam ad iurisiurandi religionem nemo Christianorum pervenire praesumitur absque praevia sufficienti rei deliberatione.« 867 Ähnlich auch die Argumentation von Bachovius, der aber zugleich feststellt, dass eine Belehrung über die Existenz des SC Velleianum nicht mit einer Belehrung über dessen Inhalt gleichzusetzen ist, vgl. BACHOVIUS, Notae et Animadversiones ad Disputationes Treutleri, Vol. I, Disp. 25, Thesis 5, lit. B: »neque vero dici potest mulier aut ignorasse aut non cogitasse de eo cui renuntiavit expresse, siquidem renuntiatio implicat beneficii scientiam […] ideoque aliud erit certiorari quod sit, aliud quid sit Velleianum«. – Vgl. ferner RÖSLIN, Abhandlung von besondern weiblichen Rechten, Bd. II (1779), S. 199 ff., 211 f. (§§ 110 ff., 128 f.). 868 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 37 ff., 39. 869 MEVIUS, Commentarii in Jus Lubecense, ad Lib. I, Tit. 5, Art. 7, No 120 f.: »In juratis fidejussionibus non desiderari, sed juramentum pro certioratione esse, communis habet opinio. […] Quae tamen mecum dubia est, ideoque sequi dubitarem, si consulerem parti tutiusque judicarem eam adhiberi praeter juramentum«. 870 STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 23: »De cetero quamvis non pauci existiment quod juramentum habeat vim certiorationis […]. Attamen cum etiam juramentum scientiam requirat, et sufficientem notitiam illius rei super qua jurandum, et ad incognita non extendatur […] merito ab hac sententia discedunt alii […] adeo ut ipsi dissentientes fateantur, hanc sententiam, ut tutiorem, in praxi esse servandam.« 871 LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 170, Meditatio 3: »Certe mulier, quae sic juravit, quum nesciret, quid juraret, eadem poterit excusatione uti, qua Cydippe apud Ovidium in epist. heroid. 21 erga Acontium utitur. […] Non ego juravi: legi jurantia verba. Agnoscunt ergo vanitatem vulgaris doctrinae cordatiores Jurisconsulti et renunciationem sine certioratione per jusjurandum corrobari non posse fatentur«. 872 BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 2, § 19 not. ttt (S. 64 f.): »Dicunt quidem, iuramentum esse vice certiorationis […] verum cum nemo credatur renunciare iuri, quod non intelligit […] et iuramentum etiam vitient, quae iudicium iurantis impediunt; arg. c. 26 X. de iureiurando [Lib. Extra 2, 24, 26] patet, doctrinam illam oppido falsam esse […] nec tam verba iurantis spectari debent, quam mens, quae nulla esse potest in renunciatione iuris ignoti«. – Gleichwohl hält Böhmer eine beeidete Interzession auch ohne Belehrung für wirksam, da er insoweit zwischen der Interzession und dem Verzicht differenziert, vgl. ebd. i.V.m. Cap. 2, § 14 not. ll (S. 45). Diese Differenzierung findet sich ähnlich bei GLÜCK, Pandecten, Bd. 15/1 (1813), ad Dig. 16, 1, § 924, S. 33 (Interzession) und S. 41 (Verzicht).

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

Glück,874 die einem Eid keine entsprechende Wirkung zuerkennen, wenn die Frau mangels Belehrung gar nicht weiß, was sie eigentlich beschwört. Auch in der Spruchpraxis findet sich diese kritische Sichtweise, wie eine Entscheidung der Helmstedter Fakultät vom Juni 1717 zeigt: »Es ist so gar die jurata renunciatio von keinen Kräften, wo nicht die Renunciantin von dem ihr zustehendem Beneficio Wissenschaft gehabt.«875

Sogar manche grundsätzlichen Gegner des Verzichts, wie Berlich, halten einen beeideten Verzicht für wirksam, da dann nicht mehr das Ius civile, sondern das Ius canonicum ausschlaggebend sei.876 Daher empfiehlt Böhmer, der zwar selbst einen einfachen unbeeideten Verzicht schon für wirksam hält, aus kautelarjuristischer Sicht, den Verzicht zusätzlich auch noch beeiden zu lassen.877 Manche Gegner des Verzichts, wie Bachovius878 und vor allem Thomasius,879 lehnen aber auch dies ab und erkennen dem Eid bzw. dem kanonischen Recht keine entsprechende Wirkung mehr zu. KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu IV 10 §§ 23–27 CMBC, No 7 lit. e: »Das Jurament, welches einige bey sothaner Verzicht erfordern, ist unnöthig […] und wird auch eben deßwegen in unserem Codice übergangen. Daß aber auch der Eid Vim Certiorationis haben soll, ist eine von aller vernünftigen Welt schon längst ausgepeitschte Sentenz, dann so groß auch Religio Juramenti immer seyn mag, kann sie gleichwohl der Unwissenheit nicht steuren, und eine Weibsperson, welche so schwört, daß sie nicht einmal weis, was selbe beschworen hat, kann mit eben so viel Fug, wie Cydippe bey Ovidio sagen: Non ego juravi, dixi jurantia verba. Leyser spec. 170 § 3.« 874 GLÜCK, Pandecten, Bd. 15/1 (1813), ad Dig. 16, 1, § 924, S. 41. 875 LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 170, Meditatio 3. 876 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 23 f.: »Natura autem Senatusconsulti Vellejani est, ut ei non possit renunciari, ut modo probatum est. Et haec sententia de jure civili mihi verissima videtur […] Jure Canonico tamen, cui hac in parte merito standum est, aliter observatur, et non tantum renunciatio, sed etiam simplex et nuda intercessio mulieris juramento firmata valet«. 877 BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 2, § 19 not. qqq sub I. (S. 62). 878 BACHOVIUS, Notae et Animadversiones ad Disputationes Treutleri, Vol. I, Disp. 25, Thesis 5, lit. B in fine: »Illud in dubium vocari possit, an renuntiatio, quae non valere praesupponitur ex ratione juris civilis, iuramento confirmetur […] et quod videatur esse lex prohibitiva ne mulieres pro ullo intercedant l. 1 h. tit. [Dig. 16, 1, 1] neque iuramentum omnino excludere videatur praesumptionem levitatis«. 879 THOMASIUS, De usu exiguo SCti Vellejani in foris Germaniae (1707), § 25: »Renunciationem juratam quod attinet, nec hanc valere ex principiis juris Romani vel a tyronibus facillime deduci potest. Est Senatusconsultum Vellejanum introductum propter bonum publicum et prohibet intercessionem mulierum, ut vidimus. Beneficio autem propter bonum publicum introducto, ne quidem juramento potest derogari, nec juramentum valet, quod contra legem prohibentem est conceptum«. – Ferner a. a. O., § 31: »Maximum vero incrementum sumsit iste error ex communi persuasione de singulari aequitate et pietate juris Canonici, ut quod expresse non solum renunciationem, sed et simplicem intercessionem mulierum juramento corroboratam valere debere praecepit. Textus elegans eam in rem extat 873

III. Das Gemeine Recht der Frühen Neuzeit

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Ferner kann der Eid nicht nur Auswirkungen haben in Bezug auf die gemeinrechtlichen Anforderungen des Verzichts, sondern auch im Hinblick auf die partikularrechtlichen Voraussetzungen, wie etwa die nach den Kursächsischen Konstitutionen von 1572, wo – neben der Erklärung vor Gericht – die Zustimmung des Geschlechtsvormunds und die Volljährigkeit der Frau verlangt wird.880 Berlich verwirft zwar die Ansicht, dass die Zustimmung des Geschlechtsvormunds bei einem Eid entbehrlich sei.881 Den beeideten Verzicht einer Minderjährigen hält er aber unter Verweis auf die Authentica Sacramenta puberum für wirksam,882 das heißt, er greift hier wieder auf die gemeinrechtliche Argumentation seit den Glossatoren und Kommentatoren zurück, die bei einem Eid die Minderjährige mit einer Volljährigen gleichstellen.883

Da das SC Velleianum seiner Ansicht nach sowieso in der Praxis meistens durch eine Beeidung des Verzichts oder der Interzession derogiert werde und somit letztlich nur gegenüber rechtsunkundigen Gläubigern mit weniger Geschäftserfahrung zur Anwendung komme, fordert Thomasius gar die gänzliche Aufhebung des SC Velleianum.884 Dies stößt jedoch sowohl hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen als auch der rechtspolitischen Schlussfolgerung überwiegend auf Ablehnung.885 Ein Verzicht der Ehefrau auf die Authentica Si qua mulier wird nach dem Gemeinen Recht grundsätzlich als unzulässig betrachtet,886 es sei denn, er erfolgt verbunden mit einem Eid.887 Nur sehr vereinzelt wird hier in der Litein cap. ex rescripto 9 X. de jurejurando [Lib. Extra 2, 24, 9]. Et nota est in vulgus regula juris Canonici, quod juramenta quae servari possunt salva salute aeterna sint servanda, etiamsi per ea confirmentur conventiones alias ipso jure nullae vel invalidae, ut sunt promissiones minorum, metu concussorum etc. […]. Sed ostendit jam alibi Dn. Praeses, quibus arcanis papatus nitatur falsa pietas et aequitas cerebrina illius regulae […].« 880 Kursächsische Konstitutionen von 1572, II 16 Abs. 4 (s. o. Fn. 538). – Hierzu BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 21, No 1 f. 881 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 21, No 3 f. – Ähnlich zur parallelen Rechtslage nach Lübischem Recht auch MEVIUS, Commentarii in Jus Lubecense, ad Lib. I, Tit. 10, Art. 1, No 81. 882 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 21, No 5. 883 Zur Argumentation der Glossatoren bzw. Kommentatoren s. o. Fn. 280 bzw. Fn. 413. 884 THOMASIUS, De usu exiguo SCti Vellejani in foris Germaniae (1707), §§ 32 ff., 35. 885 KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu IV 10 §§ 23–27 CMBC, No 1 in fine; RÖSLIN, Abhandlung von besondern weiblichen Rechten, Bd. II (1779), S. 216 ff., 234 f. (§§ 4 ff., 22 ff.); GLÜCK, Pandecten, Bd. 15/1 (1813), ad Dig. 16, 1, § 927, S. 57 f. 886 Nach dem Partikularrecht kann aber insoweit ein unbeeideter Verzicht zulässig sein: So etwa nach den Kursächsischen Konstitutionen von 1572 (s. o. Fn. 538), vgl. BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 21, No 1 oder nach dem Bayerischen Landrecht von 1616 (s. o. Fn. 571), vgl. BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 11, No 25; SCHMID, Commentarius amplissimus in Jus Provinciale Bavaricum, Tom. II, ad I Art. 12, No 4. Zu Sachsen-Weimar vgl. CARIUS, Recht durch Eigentum (2012), S. 221 ff. 887 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 55, 61 ff., 63, 80; BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 11, No 15 f.; BRUNNEMANN, Repetitio Paratitlorum Wesenbecii, ad Dig. 16, 1, qu. 13; DERS.,

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

ratur selbst ein unbeeideter Verzicht für wirksam gehalten.888 Zudem wird auch in der Spruchpraxis ein beeideter Verzicht auf die Authentica verlangt.889 Eine Helmstedter Entscheidung vom April 1719 rechtfertigt dabei diese Schärfung gegenüber dem Verzicht auf das SC Velleianum wiederum mit dem besonderen Näheverhältnis zwischen den Eheleuten, in dem eine unlautere Einflussnahme des Ehemanns vermutet wird, die durch einen Eid der Ehefrau entkräftet werden müsse.890 Diese Argumentation, die letztlich auf metus reverentialis abstellt, wird im März 1721 auch in zweiter Instanz ausdrücklich aufgegriffen und bestätigt: »Alldieweil aber dasjenige […] zwar in dem Fall, da eine von dem Senatusconsulto Vellejano genugsam benachrichtigte Frau sich vor einen Fremden in Bürgschaft einlässet, seine Richtigkeit hat, hingegen alsdenn, wenn sie sich mit oder vor dem Mann verschreibet, einen Abfall leydet, indem ihr sodann die Vermuthung, daß sie sich hierzu entweder durch betrügliche Schmeichel-Worte verleiten oder durch Drohungen zwingen lassen, zustatten kommt, folglich solche abzulehnen, der Eyd zu der Fidejussion und Renunciation kommen muß«. 891

Hinsichtlich der Form des Eids stellen Berlich und Carpzov klar, dass hierfür die Bekräftigung einer femina illustris »bey Fürstlichen Ehren, Würden und Glauben« – trotz einer weitverbreiteten gegenteiligen Rechtsauffassung – in Sachsen892 jedenfalls nicht genügt, sondern dass insoweit dieselben Maßstäbe gelten wie bei allen anderen Frauen auch.893 Diesbezüglich ist nach Ansicht Commentarius, ad Dig. 16, 1, 32, No 16; post Cod. 4, 29, 22 ad Nov. 134, 8, No 2; MEVIUS, Commentarii in Jus Lubecense, ad Lib. I, Tit. 5, Art. 7, No 112; DERS., Decisiones, Pars VII, Dec. 229 not. 1; LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 16, 1, No 25; STRUVE, Syntagma Jurisprudentiae, Exercitatio 21, ad Dig. 16, 1, No 11; DERS., Jurisprudentia Romano-Germanica forensis, Lib. III, Tit. 9, No 4; SCHILTER, Praxis Iuris Romani, Tom. II, Exercitatio 28, No 11; STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 8 f.; LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 172, Meditatio 1/2; GLÜCK, Pandecten, Bd. 15/1 (1813), ad Dig. 16, 1, § 925, S. 47. 888 BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 3, § 8 not. ll (S. 89). 889 Vgl. etwa MEVIUS, Decisiones, Pars VII, Dec. 229 not. 1 in fine. 890 LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 171, Meditatio 3 (S. 258 f.): »Alldieweil aber bey einer zugleich mit ihrem Mann sich verschreibenden Ehefrau nicht genug ist, daß sie von ihren weiblichen Gerechtigkeiten Nachricht gehabt, sondern nach fast einhelliger Meynung der Rechts-Gelehrten erfodert, daß sie sich deren eydlich begebe, und dadurch die Praesumtion, ob sey sie von ihrem Ehemann listig überredet oder gezwungen worden, ablehne«. 891 LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 171, Meditatio 3 (S. 259 f.). – Ähnlich WILLENBERG, De metu reverentiali (1712), Cap. 4, § 24. 892 Nach den Kursächsischen Konstitutionen von 1572 bedarf der Verzicht der Ehefrau auf die Authentica Si qua mulier keines Eids (s. o. Fn. 538). Geht es hingegen um den Verzicht auf dotalrechtliche Ansprüche, setzt die Decisio electoralis 25 von 1661 ausdrücklich einen körperlichen Eid voraus (s. o. Fn. 549). 893 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 21, No 36 ff., 39 f.; CARPZOV, Jurisprudentia forensis Romano-Saxonica, Pars II, Const. 16, Def. 5. Allgemein

III. Das Gemeine Recht der Frühen Neuzeit

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von Berlich ein körperlicher Eid (corporale juramentum) erforderlich, während eine eidesstattliche Erklärung (sub promissione fidei bzw. sub verbo veritatis) nicht ausreicht.894 Carpzov wiederum hält eine eidesstattliche Versicherung für hinlänglich, sofern auf die Formulierung »An Eydes statt und beym Wort der ewigen Warheit« der Zusatz »So wahr ihr Gott helffe« folgt.895 Demgegenüber verfolgen später Brunnemann,896 Schilter,897 Stryk,898 Leyser,899 Böhmer,900 Bülow/Hagemann901 oder Glück902 einen weniger formalen Ansatz und verlangen lediglich eine einfache eidesstattliche Erklärung.903 Statt auf die Formalien des Eids legt Leyser dabei einmal mehr den Fokus darauf, dass die Frau aus eigenem Antrieb handelt und nicht etwa, weil sie von ihrem Mann durch Zwang, ungestümes Drängen oder arglistiges Verund ohne Beschränkung auf Sachsen ebenso BRUNNEMANN, Commentarius, ad Dig. 16, 1, 32, No 9; STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 13. 894 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 21, No 35. Zum corporale juramentum selbst ebd., No 41 ff. 895 CARPZOV, Jurisprudentia forensis Romano-Saxonica, Pars II, Const. 16, Def. 6. 896 BRUNNEMANN, Commentarius, ad Dig. 16, 1, 32, No 10: »Sed quid si dicatur sub verbo Veritatis aeternae, vel an Eides statt oder so mir Gott helffen soll? R. eam pro formali juramento habendam, secus autem si sub fide nobilitatis. Illud probo quia Jus Canonicum nullibi requirit formale juramentum, sed juratam fidem, quae etiam reperitur in verbis loco juramenti.« 897 SCHILTER, Praxis Iuris Romani, Tom. II, Exercitatio 28, No 11: »Ac sufficit iurata fides, etsi non corporale iusiurandum praestitum.« 898 STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 10: »Quasi vero respectu DEI, perjuriorum vindicis acerrimi, aliquid interesset, qua formula et quo actu corporis juretur, sufficit enim assertio sub contestatione Divini Numinis facta, quod per verba: Ich renuncire hiemit meiner Weiblichen Gerechtigkeit bey dem Wort der ewigen Wahrheit, fieri, nemo negabit.« – Vgl. ebd., ein entsprechender Spruch des Hallenser Schöffenstuhls vom August 1706 sowie dessen Bestätigung durch die Juristische Fakultät der Universität Halle vom August 1707, a. a. O., No 12. 899 LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 172, Meditatio 1/2: »Illud nempe in antecessum pono, apparere liquido, uxorem sponte, nulla vi, nulla importuna solicitatione, nulla fraude inductam fidejussisse, renunciasse, jurasse. Si de hoc certo constat, omissio actus corporalis obligationem non impedit. Hunc leges nullibi requirunt. Jus canonicum potius in can. 12 causa XXII quaest. 1 [Decr. Grat. C. 22 q. 1 c. 12] perjurium non ex ceremoniis et solennibus in jurando adhibitis, sed ex mente jurantis aestimat.« – Vgl. ebd., ein entsprechender Spruch der Helmstedter Fakultät vom März 1723. Apodiktisch aber a. a. O., Spec. 171, Corollaria 3: »Uxor per renunciationem sub formula an Eydes statt factam beneficium senatusconsulti non amittit.« 900 BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 3, § 8 (S. 87): »Idemque obtinet, si suis beneficiis iureiurando, licet et formula minus sollenni concepto, renunciaverit«. 901 BÜLOW / HAGEMANN, in: Practische Erörterungen, Bd. I, 2. Aufl. (1806), S. 182, 183 f. mit einer Entscheidung v. 4. Nov. 1793. 902 GLÜCK, Pandecten, Bd. 15/1 (1813), ad Dig. 16, 1, § 925, S. 48 f. 903 Hierzu GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. I (1850), S. 281 f.

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

halten hierzu veranlasst wurde (uxorem sponte, nulla vi, nulla importuna solicitatione, nulla fraude inductam). Bloße Schmeicheleien des Ehemanns sind insoweit freilich unschädlich.904 Mit Blick auf den Inhalt der Verzichtserklärung setzt sich im Usus modernus die Ansicht durch, dass die Authentica Si qua mulier dabei nicht namentlich erwähnt zu werden braucht,905 solange sich dies konkludent aus den konkreten Umständen des Verzichts ergibt – sei es, dass nur der Begriff SC Velleianum fällt,906 sei es, dass gar nur ein genereller Verzicht auf alle rechtlichen Privilegien der Frauen erklärt wird.907 Fehlen umgekehrt aber entsprechende Anhaltspunkte für eine inhaltliche Bezugnahme auf die Authentica Si qua mulier, weil etwa insbesondere keine Belehrung über ihren Regelungsgehalt erfolgt ist, so bleibt es bei der Unwirksamkeit des Verzichts, wie ein Helmstedter Spruch vom Juni 1716 klarstellt: »[…] gleichwol findet sich nicht, daß sie dem Senatusconsulto Vellejano oder Auth. Si qua mulier renunciiret, viel weniger, daß ihr solches gebührend erkläret worden, in welchem 904 LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 172, Meditatio 3 unter Verweis auf den Spruch der Helmstädter Fakultät vom März 1723: »[…] blanditias innoxias, quae scilicet cum mendaciis aut importunis flagitationibus conjunctae non sunt, fidejussioni haud officere, crediderunt. […] Sed inde tamen non consequitur, omne id, quod blanditiis obtinetur, nullum esse. Quin potius ultima uxoris voluntas maritali sermone eblandita sustinetur in L. 3 Si quis aliquem testari [Dig. 29, 6, 3].« – Zur Bedeutung von maritali sermone und der Rezeption von Dig. 29, 6, 3 und Cod. 6, 34, 3 s. u. Teil 2, insbesondere Fn. 55. 905 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars II, Conclusio 19, No 64: »Imo etiam sufficit, et uxor obligatur, si pro marito intercedendo promittit et jurat, etiamsi in specie non renunciet beneficio d. authent. si qua mulier.« 906 STRUVE, Syntagma Jurisprudentiae, Exercitatio 21, ad Dig. 16, 1, No 11: »saltem Senatusconsulti Vellejani, licet d. auth. in specie non facta mentio«; BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 3, § 8 not. ii in fine (S. 88): »Cum igitur non tam verba renunciationum spectemus, quam mentem; sequitur, eam, quae Senatusconsulto valide renunciavit, etiam authenticae beneficium amittere«. – Anders aber immer noch MEVIUS, Decisiones, Pars VI, Dec. 22 not. 4: »Non sufficit renunciatio Senatusconsulti Vellejani in fidejussione pro marito ob diversam ejus rationem, sed oportet speciatim renunciari d. Auth. Si qua mulier.« 907 STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 16, 1, No 14: »Verum nescio, quid expressio hujus Authenticae operari, aut quam efficaciam juramento uxoris addere debeat, cujus vim et sententiam uxor ignorat, et ejus etiam Curator raro intelligit. Si ergo dicatur: Ich begebe mich der Weiblichen Gerechtigkeit, so da will, daß eine Frau vor ihren Mann nicht bürgen kan, haec verba et intelligit uxor et curator, et sensum Authenticae satis exprimunt«. – LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 172, Meditatio 5/6: »Itaque recte […] statuit, uxorem, quae senatusconsulto Vellejano renunciavit, beneficio authenticae si qua mulier, quod a senatusconsulto diversum est, non excidere. Multo minus renunciatio generalis omnium beneficiorum muliebrum uxori intercedenti nocebit, nisi eam certioratio praecesserit. Nam si haec praecessit, uxor utique renunciatione sua jurata, licet generali, etiam Authenticam si qua mulier, quam beneficium muliebre esse scivit, complexa est.« – GLÜCK, Pandecten, Bd. 15/1 (1813), ad Dig. 16, 1, § 925, S. 43 f.

III. Das Gemeine Recht der Frühen Neuzeit

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Fall denn die general Renunciation aller weiblichen Gerechtigkeiten, wenn sie gleich eydlich geschiehet, nicht sufficient ist«.908

Ebenso wie die Literatur909 legt die Helmstedter Spruchpraxis910 folglich besonderes Augenmerk auf eine auch für eine Laiin verständliche Aufklärung über Inhalt und Bedeutung der Authentica Si qua mulier. Um schließlich die praktischen Probleme in den Griff zu bekommen, werden in zahlreichen Territorien Einzelverordnungen erlassen, die detailliert das Procedere vorschreiben, durch wen, wo und auf welche Weise die Ehefrauen beim Verzicht auf die Authentica Si qua mulier zu belehren sind:911 So etwa in Niederösterreich (1655),912 der Oberlausitz (1732),913 der Landeskomturei Ellingen des Deutschen Ordens (1750)914 sowie – innerhalb des Bayerischen Reichskreises – im Erzstift Salzburg (1678)915 und in der Reichsstadt Regensburg (1732).916 Ähnlich wie im Bayerischen Landrecht von 1616 wird dabei teilweise ausdrücklich angeordnet, dass der Mann der Belehrung seiner 908 LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 172, Meditatio 5/6 in fine. – Ähnlich zum Lübischen Recht MEVIUS, Commentarii in Jus Lubecense, ad Lib. I, Tit. 5, Art. 7, No 124. 909 BÖHMER, De efficaci mulierum intercessione (1718), Cap. 3, § 8 not. ii (S. 88): »In eo vero omnes videntur consentire, non tam de nomine remediorum quaeri, quam de re ipsa et contentis beneficii, uxori expositis et ab ea per renunciationem dimissis. Nam terminos latinos artis uxorem haud capere, praesumtio est.« – Ähnlich, a. a. O., Cap. 2, § 19 not. ttt (S. 65 f.): »Iam quis neget, pariter renunciationem foeminae iura sua ignorantis, sie begebe sich des privilegii Senatusconsulti Velleiani und der Authenticae si qua mulier C. ad Senatusconsultum Velleianum, non magis ab ipsa intelligi, quam voces Arabicas.« 910 Vgl. LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. III, Spec. 170, Meditatio 1/2 in fine (Februar 1718): »[…] indem die Erklärung des Senatusconsulti Vellejani und der Auth. Si qua mulier in der Verschreibung mit teutschen Worten zu befinden, und es folglich keiner weiteren Certioration bedurft.« – Ferner a. a. O., Spec. 172, Meditatio 4 in fine (August 1719): »[…] hiernächst die Erklährung der Auth. Si qua mulier in der Verschreibung selbst mit teutschen Worten geschehen; ibi: daß ohne deren Verzicht solche Obligation und Verschreibung, so nebst dem Ehemanne geschehen, nicht beständig sey; folglich keine weitere Certioration nöthig gewesen«. 911 SCHMELZEISEN, Polizeiordnungen und Privatrecht (1955), S. 503 ff. Zu legislativen Maßnahmen im Gefolge der Frankfurter Reformation von 1578 vgl. AMEND-TRAUT, Wechselverbindlichkeiten vor dem Reichskammergericht (2009), S. 343. 912 Verordnung über die weiblichen Rechtswohltaten vom 31. Juli 1655, in: QNPD, Bd. II/2 (1969), S. 101. – Hierzu LEHNER, ZRG GA 105 (1988), 270, 282. 913 Oberamtspatent von 1732, in: SCHMELZEISEN, Polizeiordnungen und Privatrecht (1955), S. 504 in Fn. 133. 914 Verordnung über Schuldverschreibungen der Ehefrauen vom 15. April 1750, in: QNPD, Bd. II/2 (1969), S. 331. 915 Verordnung über die weiblichen Freiheiten vom 6. August 1678, in: QNPD, Bd. II/2 (1969), S. 121. – Hierzu LEHNER, ZRG GA 105 (1988), 270, 282 f. 916 Ratsbeschluss über die Bürgschaft der Ehefrauen vom 16. Dezember 1738, in: QNPD, Bd. II/2 (1969), S. 291 f. – Hierzu SCHMELZEISEN, Polizeiordnungen und Privatrecht (1955), S. 504 f.; SCHWAB, Regensburger Almanach, Bd. 26 (1993), 22, 27.

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

Frau durch die jeweils vorgesehenen Organe fernzubleiben hat.917 Zudem wird in den Verordnungen bisweilen vom Gemeinen Recht dahin gehend abgewichen, dass für diesen Verzicht weder ein Eid noch eine eidesstattliche Versicherung der Ehefrau mehr verlangt wird, sondern nur die Anwesenheit von zwei Zeugen vor dem zuständigen Organ.918 Auch Kreittmayr bleibt 1756 bei der kurbayerischen Kodifikation des Zivilrechts dem Modell des Bayerischen Landrechts von 1616 treu,919 was den Verzicht der Ehefrau auf ihre Freyheiten betrifft.920 Danach muss der Ehemann der Belehrung seiner Frau fernbleiben, welche durch die ordentliche Obrigkeit – bzw. bei einer Frau von Stand (Siegelmässige Person) durch einen besonderen und gnugsam verständigen Anweiser zu erfolgen hat. Neben der eingehenden und verständlichen Belehrung wird den zuständigen Organen aber vor allem aufgegeben, ausdrücklich nachzufragen, ob im Vorfeld durch den Ehemann entsprechender Druck ausgeübt worden ist. Zudem sind der Frau noch einmal die Risiken vor Augen zu führen, die für sie und ihre Kinder aus der Interzession entstehen können: I 6 § 34 CMBC »[…] Sofern sich nun 2do die Frau dieser Freyheiten verzeihen will, soll man ihr solche vorhero in Abweesenheit ihres Manns durch die ordentliche Obrigkeit, oder da sie eine Siegelmässige Person ist, durch einen besonderen und gnugsam verständigen Anweiser erinneren, und was ein- so andere Freyheit eigentlich mit sich bringt, deutlich und unterschiedlich erklären, annebens aber 3tio dieselbe befragen: ob sie willig daran komme, oder von ihrem Ehe-Mann gezwungen worden seye? item ob es nicht ihr oder ihren Kindern zu Schaden gereiche? und endlich ob sie sich beeder Freyheiten oder nur einer allein begeben wolle?«921

Des Weiteren ist die Belehrung zu protokollieren bzw. ab einem Wert von 50 Gulden922 ordentlich zu verbriefen – sofern es sich nicht um eine Frau von Vgl. die Salzburger Verordnung von 1678 und das Oberlausitzer Oberamtspatent von 1732. 918 Vgl. den Regensburger Ratsbeschluss von 1738 und die Ellinger Verordnung von 1750. 919 Ebenso SCHWAB, Regensburger Almanach, Bd. 26 (1993), 22, 24. – Ausweislich der Liste bei ZIMMERMANN, Die Monita zum Entwurf des Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (2008), S. 229 ff., 231 linke Sp. gab es insoweit auch nur ein Monitum der Regierung in Landshut, das jedoch ohne Auswirkung auf die endgültige Fassung von I 6 § 34 CMBC blieb. Zur Einholung der entsprechenden Gutachten vgl. ebd., S. 57 ff., 58. 920 Insbesondere bestehen die beiden Freyheiten der Ehefrau wie schon nach dem Bayerischen Landrecht von 1616 (s. o. Fn. 570) auch nach I 6 § 34 Satz 1 CMBC weiterhin zum einen in der Authentica Si qua mulier sowie zum anderen im Recht auf vorzugsweise Befriedigung ihrer güterrechtlichen Ansprüche im Konkurs des Ehemanns. – Hierzu KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. I (1758), zu I 6 § 34 CMBC, No 1. 921 Hierzu KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. I (1758), zu I 6 § 34 CMBC, No 2/3. 922 Auch diese Wertgrenze stellt keine eigene Neuerung Kreittmayrs dar, sondern sie wurde bereits zur Vorgängerregelung im Bayerischen Landrecht von 1616 entwickelt, vgl. BALTHASAR, Practicae Resolutiones Juris Civilis et Bavarici, Pars I, Tit. 1, Resol. 12, 917

III. Das Gemeine Recht der Frühen Neuzeit

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Stand handelt, bei der eine schriftliche, von ihr, dem Anweiser sowie einer weiteren Standesperson unterschriebene Ausfertigung genügt. Zwar ist auch hier Papier geduldig. Jedoch wird vermutet, dass die genannten inhaltlichen Anforderungen an die Belehrung eingehalten wurden, solange das Gegenteil nicht bewiesen ist: I 6 § 34 CMBC »4to soll die Certioration von der Obrigkeit allzeit protocollirt, und da die Summa mehr als 50 fl. betrift, ordentlich verbrieft, unter Siegelmässigen Personen aber 5to ein schriftliches Instrument darüber errichtet, und sowol von der Frau selbst, wenn sie schreiben kan, als dem Anweiser, und noch einer anderer gefreyter Person mit unterschrieben und gefertiget werden, 6to Ist nicht gnug, daß man die Certioration also geschehen zu seyn in dem Instrument schlechterdings hinschreibe, sondern es muß dieselbe in obverstandener Maaß würklich vorgenommen worden seyn, indessen wird besagtem Instrument, worin von beschehener Certioration ausdrückliche Meldung geschiehet, solange geglaubt, bis das Wiederspiel sattsam erwiesen ist.«923

Auch im CMBC kommt es für einen wirksamen Verzicht auf die Authentica Si qua mulier somit nicht auf den Eid, sondern auf die vorschriftsgemäße Belehrung der Ehefrau an.924 Während das Bayerische Landrecht von 1616 – bei einer Interzession für einen Dritten – unmittelbar wohl nur den Verzicht der verheirateten Interzedentin auf das SC Velleianum vor Augen hat,925 bezieht Kreittmayr insoweit auch den Verzicht der unverheirateten Interzedentin mit ein und verweist für beide Konstellationen gleichermaßen auf die eben dargestellte, in I 6 § 34 CMBC vorgeschriebene Belehrung. Im Fall der verheirateten Interzedentin wird im Übrigen, wie schon im Landrecht von 1616,926 wiederum die Mitfertigung des Ehemanns verlangt: IV 10 § 26 CMBC »S.C. Vell. hat nur in folgenden Fällen nicht Statt. 1mo Wenn sich eine Weibs-Person dessen ausdrücklich und specialiter begiebt, nachdeme sie dieser Freyheit vorhero gnugsam und nach Masgab 1ten Theils 6ten Capitul 34isten §vi förmlich erinnert worden, wo beynebens aber auch bey einer Ehe-Frauen, welche sich für andere interponiert, des Manns Mitfertigung in dem Renunciations-Instrument bey Vermeidung der Nullität erforderlich ist.«927

Um alledem in der Praxis gerecht zu werden, schlägt Kreittmayr in seinem Kommentar schließlich die Verwendung folgender Verzichtsformel vor:

No 12; SCHMID, Commentarius amplissimus in Jus Provinciale Bavaricum, Tom. II, ad I Art. 12, No 15; KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. I (1758), zu I 6 § 34 CMBC, No 4. 923 Hierzu Kreittmayr, Anmerkungen, Bd. I (1758), zu I 6 § 34 CMBC, No 4. 924 KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. I (1758), zu I 6 § 34 CMBC, No 2/3. 925 Siehe oben Fn. 577. 926 Vgl. Bayerisches Landrecht von 1616, I Art. 12 Satz 3 (s. o. Fn. 576). 927 Hierzu KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu IV 10 §§ 23–27 CMBC, No 7 lit. d.

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

»Bey weiblichen Bürgschaften und Verschreibungen setzt man […] noch weiter bey ›Dann des Senatusconsulti Vellejani, kraft dessen sich keine Frauensperson für andere verschreiben kann‹ (oder wann sich eine Verehelichte für ihren Eheherrn verschreibt) ›des Beneficii Auth. si qua Mulier Cod. ad S. C. V., vermög welcher alle Verschreibung einer Ehefrauen für ihren Eheherrn ganz ungiltig ist, und all anderer mir immer competirend-weiblicher Freyheiten, deren ich von mitunterzeichnetem Herrn Beystand und respective Anweisern genüglich certiorirt und verständiget worden bin etc.‹«928

Das im Bayerischen Landrecht von 1616 konzipierte Modell wird also unverändert beibehalten und gilt dergestalt mit dem CMBC von 1756 in den altbayerischen Gebieten bis 1871.929

IV. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert IV. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert

In Bezug auf die rechtliche Stellung der Frau sind Anfang des 19. Jahrhunderts im Wesentlichen drei verschiedene Rechtsräume innerhalb des Deutschen Bundes zu unterscheiden.930 Zum Ersten der Rechtsraum des Gemeinen Rechts, in dem grundsätzlich keine Geschlechtsvormundschaft für Frauen besteht, weder eine Geschlechtsvogtei für Ledige (cura sexus) noch eine Ehevogtei für Verheiratete (cura maritalis).931 Den zweiten Rechtsraum bildet das Geltungsgebiet der drei sog. Naturrechtskodifikationen, also des preußischen ALR von 1794, des französischen Code civil von 1804 und des österreichischen ABGB von 1811, die zwar an sich keine allgemeine cura sexus für Ledige mehr vorsehen, aber immer noch eine cura maritalis für Verheiratete, wenngleich in unterschiedlicher Ausprägung.932 Die Geschäftsfähigkeit der unverheirateten Frau wird folglich in allen drei Gesetzbüchern anerkannt. Während das ALR dies ausdrücklich feststellt (I 5 § 23 ALR),933 gehen der Code civil und das ABGB stillschweigend hiervon aus, indem sie Frauen insbesondere nicht zu den Personen zählen, die unter eine Form der Vormundschaft fallen.934 Das Statut der Ehefrau KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu IV 10 § 29 CMBC. Siehe unten S. 244 ff. 930 HOLTHÖFER, in: Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), S. 390, 432 ff. mit einer Karte auf S. 436 f. Ferner DUNCKER, Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe (2003), S. 551 ff., 985 ff.; U. GERHARD, ZRG GA 130 (2013), 281, 286 ff., 296 ff. 931 HOLTHÖFER, in: Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), S. 390, 434. 932 HOLTHÖFER, in: Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), S. 390, 433 f. 933 BIELITZ, Praktischer Kommentar, Bd. I (1823), zu I 5 § 23 ALR (S. 532). – WEBERWILL, Die rechtliche Stellung der Frau im Privatrecht des Preußischen ALR (1983), S. 197 ff., 220 ff., 289 f.; DIES., in: Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), S. 452, 454 f. 934 HOLTHÖFER, in: Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), S. 390, 427. Zur Behandlung dieser Frage in der Entstehungsgeschichte des ABGB vgl. FORSTER, in: Kontinuität im Wandel (2012), S. 269, 278 ff. 928 929

IV. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert

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hingegen weist deutliche Unterschiede auf.935 Nach dem preußischen ALR ist eine verheiratete Frau lediglich partiell geschäftsfähig und grundsätzlich nicht prozessfähig (II 1 § 189 ALR).936 Auch nach dem Code civil kann die Frau – unabhängig vom Güterstand – ohne Einwilligung ihres Mannes keine Rechtsgeschäfte schließen (Art. 217 Cc) und keine Zivilprozesse führen (Art. 215 f. Cc), wobei jedoch die verweigerte Einwilligung in beiden Fällen durch den Richter ersetzt werden kann (Art. 219 bzw. 218 Cc).937 Das österreichische ABGB hingegen räumt dem Ehemann zwar eine umfassende Vertretungsmacht für seine Frau ein (§ 91 ABGB), belässt der Frau aber die Möglichkeit, auch ohne Mitwirkung ihres Mannes selbständig und eigenverantwortlich wirksam zu agieren.938 Verglichen mit dem ALR oder dem Code civil räumt das ABGB einer verheirateten Frau somit die größte Freiheit in ihrer Handlungs- und Prozessfähigkeit ein. Der dritte Rechtsraum schließlich besteht aus den Gebieten, in denen das Partikularrecht die Handlungsfähigkeit der Frauen sowohl durch die cura sexus für Ledige als auch durch die cura maritalis für Verheiratete einschränkt – wie etwa in Baden, Württemberg oder Sachsen.939 Das Badische Landrecht von 1810 geht dabei sogar so weit, dass es von seinem Vorbild, dem Code civil, abweicht und ein eigenes Kapitel »Von der GeschlechtsBeystandschaft« (Sz. 515a–515k) einfügt, um die allgemeine cura sexus für unverheiratete Frauen im gesamten Großherzogtum zu etablieren.940 Die endgültige Aufhebung der partikularrechtlichen cura sexus für Ledige erfolgt überwiegend in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts,941 so insbesondere in Württemberg (1828),942 Sachsen (1828)943 und Baden (1835).944 Wäh935 CONRAD, Festschrift Kallen (1957), S. 253, 259 ff.; DÖLEMEYER, in: Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), S. 633, 637 ff., 640 ff. 936 BIELITZ, Praktischer Kommentar, Bd. V (1827), zu II 1 § 189 ALR (S. 92). – WEBER-WILL, Die rechtliche Stellung der Frau im Privatrecht des Preußischen ALR (1983), S. 159 ff.; DIES., in: Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), S. 452, 455 f.; HOLTHÖFER, a. a. O., S. 390, 428 f. 937 ZACHARIÄ, Handbuch, Bd. III (1837), § 472, S. 68 ff. – HOLTHÖFER, in: Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), S. 390, 429 ff. 938 ZEILLER, Commentar, Bd. I (1811), zu § 91 ABGB, No 4. – HOLTHÖFER, in: Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), S. 390, 427 f. 939 HOLTHÖFER, in: Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), S. 390, 434 f. 940 Vgl. BRAUER, Erläuterungen, Bd. I (1809), zu Sz. 515a, No 1 ff. – Kritisch etwa schon KETTENNAKER, Archiv für die Rechtspflege und Gesetzgebung, Bd. 1 (1830), S. 39 ff. 941 HOLTHÖFER, in: Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), S. 390, 438 ff. 942 Art. 2 f. »Gesetz, die vollständige Entwickelung des neuen Pfand-Systems betreffend« vom 21. Mai 1828, Regierungs-Blatt für das Königreich Württemberg 1828, Nr. 34, S. 561. – Hierzu WÄCHTER, Handbuch, Bd. I/1 (1839), § 65, S. 457 ff.; Bd. I/2 (1842), § 106, S. 971 f.; § 107, S. 972 ff., 991 f. Ferner KRAUT, Die Stellung der Frau im württembergischen Privatrecht (1934), S. 54 ff., 61 ff.; SABEAN, in: Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), S. 460, 462 f., 465, 474 ff. – Zur Entstehung des Pfandentwicklungsgeset-

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

rend Württemberg damit aber gleich auch die cura maritalis für Verheiratete abschafft,945 bleibt diese ansonsten ganz überwiegend in Kraft.946 Selbst das Sächsische BGB von 1863/65, das einzige partikulare Kodifikationsprojekt, das vor dem BGB tatsächlich in Kraft tritt, enthält noch entsprechende Bestimmungen (§§ 1638 ff.).947 Letztlich wird die cura maritalis in den verbliebenen Gebieten der beiden letztgenannten Rechtsräume erst durch die Gesetzgebung des Reichs beseitigt.948 Die ZPO von 1877/79 statuiert die Prozessfähigkeit der verheirateten wie der unverheirateten Frau (§ 51 Abs. 2 und 3 ZPO), ohne Rücksicht auf etwaige landesrechtliche Beschränkungen ihrer Vertragsfähigkeit: § 51 ZPO »Eine Person ist insoweit prozeßfähig, als sie sich durch Verträge verpflichten kann. Die Prozeßfähigkeit einer großjährigen Person wird dadurch, daß sie unter väterlicher Gewalt steht, die Prozeßfähigkeit einer Frau dadurch, daß sie Ehefrau ist, nicht beschränkt. Die Vorschriften über die Geschlechtsvormundschaft finden auf die Prozeßführung keine Anwendung.«949

Einerseits sieht der Reichsgesetzgeber mit Blick auf die partikularrechtliche cura maritalis noch dringenden Bedarf, durch Abs. 2 ihre Auswirkungen auf die Prozessfähigkeit überall zu beseitigen.950 Andererseits hält er die allgemeine cura sexus eigentlich schon für abgestorben, so dass Abs. 3 eher klarstellenden Charakter besitzt: zes KIEHNLE, Der Erwerb kraft öffentlichen Glaubens in der württembergischen Pfandgesetzgebung (2004), S. 26, 57 ff. 943 »Mandat, die Geschlechtsvormundschaft betreffend« vom 10. Nov. 1828, Gesetzsammlung für das Königreich Sachsen 1828, S. 244. – Zum zeitgleichen »Mandat, über die Verbürgungen der Frauenspersonen« vom 6. Nov. 1828 s. u. S. 257 f. 944 Gesetz vom 28. August 1835, Großherzoglich Badisches Staats- und RegierungsBlatt 1835, Nr. 38, S. 233 s. u. Fn. 1210. 945 Außerdem werden alle Interzessionsbeschränkungen für Frauen aufgehoben und durch eine reine Formvorschrift ersetzt, vgl. Art. 5 ff. und 90 Pfandentwicklungsgesetz (s. o. Fn. 942). – Hierzu WÄCHTER, Handbuch, Bd. I/1 (1839), § 65, S. 465 ff.; Bd. I/2 (1842), § 106, S. 972; § 107, S. 992. Ferner KRAUT, Die Stellung der Frau im württembergischen Privatrecht (1934), S. 66 ff. 946 DÖLEMEYER, in: Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), S. 633, 643 f. – HOLTHÖFER, a. a. O., S. 390, 442 bezeichnet Schwarzburg-Sondershausen als einzigen weiteren Fall, wo zusammen mit der cura sexus auch die cura maritalis beseitigt wird. 947 Vgl. SIEBENHAAR, Commentar, Bd. III, 2. Aufl. (1869), zu §§ 1638 ff. (S. 45 ff.). 948 HOLTHÖFER, in: Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), S. 390, 400 f., 441 f.; DÖLEMEYER, a. a. O., S. 633, 644 ff. 949 RGBl. 1877, Nr. 6, S. 83, 91 f. – Die Vorschrift erfährt vom Entwurf bis zu ihrem Inkrafttreten keine Veränderungen, vgl. HAHN (Hrsg.), Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Bd. II/1 (1880), S. 4, 10; S. 525, 541; Bd. II/2 (1880), S. 908, 909; S. 944, 972, 978; S. 1206, 1208. 950 Vgl. HAHN (Hrsg.), Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Bd. II/1 (1880), S. 166, 168 f.

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»Die Geschlechtsvormundschaft ist […] fast gänzlich vom deutschen Boden verschwunden. Bei dieser Sachlage hat die Vorschrift des § 51 Abs. 3 um so weniger Bedenken, als das erlöschende Institut gegenüber den Rechtsanschauungen und Verkehrsbedürfnissen der Gegenwart jeder Berechtigung entbehrt und dennoch wegen seiner kontroversen Natur geeignet ist, der Prozeßführung große Schwierigkeiten zu schaffen.«951

Im materiellen Recht geht das BGB stillschweigend, aber aufgrund einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers von der unbeschränkten Handlungsbzw. Geschäftsfähigkeit der verheirateten Frau aus.952 Einen unmittelbaren Eingriff des Mannes in die Vertragsgestaltung seiner Frau lässt das BGB nur mehr zu, falls sie sich »einem Dritten gegenüber zu einer von ihr in Person zu bewirkenden Leistung verpflichtet«: Um ein solches von der Frau eingegangenes Dienst- oder Arbeitsverhältnis zu kündigen, benötigt der Mann allerdings eine Ermächtigung durch das Vormundschaftsgericht, die ihm nur zu erteilen ist, wenn ansonsten »die ehelichen Interessen beeinträchtigt« werden (§ 1358 BGB). Mit Inkrafttreten des BGB zum 1. Januar 1900 behält die ZPO auch in ihrer Neufassung weiterhin einen klarstellenden Absatz zur Prozessfähigkeit der Ehefrau bei (§ 52 Abs. 2 ZPO): § 52 ZPO »Eine Person ist insoweit prozeßfähig, als sie sich durch Verträge verpflichten kann. Die Prozeßfähigkeit einer Frau wird dadurch, daß sie Ehefrau ist, nicht beschränkt.«953

In dieser Gestalt gilt § 52 ZPO bis zum Jahre 1976,954 ehe Abs. 2 letztlich durch das Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts (Art. 6 Nr. 6) aufgehoben wird.955 1. Gemeines Recht a) Anwendungsbereich des SC Velleianum Als Regelungsgrund des SC Velleianum gilt auch im 19. Jahrhundert weiterhin die infirmitas bzw. imbecillitas der Frauen,956 wofür auf Deutsch Begriffe HAHN (Hrsg.), Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Bd. II/1 (1880), S. 166, 169. 952 Vgl. die Begründung von Planck zu § 71 TE-FamR bei SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. IV/1 (1983), S. 417 (= S. 265): »Laut Protokolle der Sitzungen der Kommission vom 27. und 28. September 1876 hat dieselbe auf Antrag des Referenten, den Grundsatz angenommen, daß die Geschäftsfähigkeit einer Frau dadurch, daß sie Ehefrau sei, nicht beschränkt werde.« – Ferner, a. a. O., S. 486 ff. (= S. 334 ff.) zu den güterrechtlichen Beschränkungen der Frau. 953 RGBl. 1898, Nr. 21, S. 256, 258; Nr. 25, S. 369, 410, 419. 954 Hierzu etwa noch THOMAS / PUTZO, ZPO, 8. Aufl. (1975), § 52 unter 1.f): »Abs. II ist nunmehr selbstverständlich, nur für den älteren Rechtszustand sinnvoll.« 955 BGBl. I 1976 S. 1421, 1445 linke Sp. – Missverständlich insoweit HOLTHÖFER, in: Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), S. 390, 400. 951

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

wie leichtsinnige Gutmüthigkeit oder gutmüthige Schwäche verwendet werden.957 Für Windscheid decken sich dabei die beiden gesetzgeberischen Ziele, einerseits die Frauen von Geschäften der Männer fernzuhalten und sie andererseits vor der unlauteren Ausnutzung ihrer imbecillitas zu bewahren.958 Die eigentliche Bedeutung dieses Begriffs sieht er im leichtsinnigen Vertrauen der Frauen darauf, dass es der Hauptschuldner schon nicht zum Sicherungsfall werde kommen lassen und sie somit am Ende nicht eine fremde Verbindlichkeit zu begleichen brauchten: »Zugleich leuchtet nun ein, was wir uns unter der infirmitas atque imbecillitas sexus muliebris, gegen deren nachtheilige Folgen nach dem Ausspruch der Quellen der Senat die Frauen hat schützen wollen, zu denken haben. Wir haben uns darunter weder leicht bewegliche Gutmüthigkeit, noch Mangel an Einsicht und Vorsicht im Allgemeinen zu denken, sondern ganz speziell den Leichtsinn des Vertrauens, daß eine Obligation von demjenigen, welchen sie angeht, auch werde erfüllt werden, daß sie – die Frau – nicht eine fremde Obligation werde zu erfüllen brauchen.«959

Der Begriff der Interzession wird im 19. Jahrhundert häufig von seinem eigentlichen Anwendungsfall – dem SC Velleianum – losgelöst und als eigen956 SINTENIS, ZCP 10 (1837), 38, 54; DEURER, AcP 28 (1846), 407, 417; WINDSCHEID, AcP 32 (1849), 303, 308; HASENBALG, Beiträge zur Lehre von der Intercession, Bd. I (1856), S. 5. 957 OAG Lübeck, Erk. v. 21. Juli 1828, SeuffA Bd. 15 Nr. 224, S. 383, 389; OAG Rostock, Erk. v. 16. Okt. 1865, Buchka/Budde/Schmidt, Bd. 6 Nr. 51, S. 172, 174; ROHG, Urt. v. 3. Sept. 1874, ROHGE 14, 144, 149. – THIBAUT, System des Pandekten-Rechts, Bd. II, 1. Aufl. (1803), § 1129, S. 312 = 8. Aufl. (1834), § 603, S. 131; KATTENHORN, Ueber Intercessionen der Frauen (1840), S. 3, 84 f.; DEURER, AcP 28 (1846), 407, 417; WINDSCHEID, AcP 32 (1849), 303, 308; HASENBALG, Beiträge zur Lehre von der Intercession, Bd. I (1856), S. 5; VANGEROW, Lehrbuch der Pandekten, Bd. III, 7. Aufl. (1869), § 581 Anm. 1 Nr. 2, S. 148; nach Nr. 10, S. 153; DERNBURG, Pandekten, Bd. II, 7. Aufl. (1903), § 84 Nr. 1, S. 228. 958 WINDSCHEID, De valida mulierum intercessione (1838), § 1, S. 3 in Fn. 13: »Errant igitur, qui duplicem Senatusconsulto causam fuisse tradunt, unam ne virilibus officiis fungerentur, deinde ne propter imbecillitatem deciperentur mulieres; quod unum idemque plane est.« 959 WINDSCHEID, AcP 32 (1849), 303, 308 f. Ferner WINDSCHEID / KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. II, 9. Aufl. (1906), § 485, S. 1128 in Fn. 3: »Der eigentliche Gedanke der Senatsvorschrift ist aber der, daß der Frau wegen ihrer Unerfahrenheit und leicht beweglichen Gutmütigkeit (l. 2 §§ 2, 3 D. 16, 1) Schutz gegen Rechtsgeschäfte gewährt werden soll, welche sie deswegen für ungefährlich hält, weil sie vertraut, daß eine Verbindlichkeit von demjenigen, welchen sie angeht, auch werde erfüllt werden. Alle Rechtsgeschäfte, welche Frauen in diesem Glauben und Vertrauen abschließen, aber auch nur solche, fallen unter die Bestimmung des Senatsbeschlusses.« – Ähnlich KATTENHORN, Ueber Intercessionen der Frauen (1840), S. 3 ff.; DEURER, AcP 28 (1846), 407, 417; GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. II (1851), S. 335 mit Fn. 3; VANGEROW, Lehrbuch der Pandekten, Bd. III, 7. Aufl. (1869), § 581 Anm. 1 Nr. 2, S. 148 f.

IV. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert

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ständige Kategorie vor die Klammer gezogen.960 An einer derart abstrakten Behandlung wird jedoch kritisiert, dass eine juristische Begriffsbildung nur dann sinnvoll und gerechtfertigt sei, wenn hieran auch bestimmte Rechtsfolgen anknüpfen. Dies sei hier aber ausschließlich bei der Interzession von Frauen der Fall, wo eben die Anwendbarkeit des SC Velleianum bzw. der Authentica Si qua mulier im Raum steht.961 Mit Blick auf die römisch-rechtlichen Quellen macht Windscheid diesbezüglich einen unterschiedlichen Interzessionsbegriff aus:962 Zum einen wird der Begriff intercessio in einem engeren (technischen) Sinne für Sachverhalte verwendet, die vom SC Velleianum erfasst werden, zum anderen in einem weiteren (untechnischen) Sinne für jede Übernahme einer fremden Obligation ganz allgemein.963 Für eine Interzession im engeren technischen Sinne setzt Windscheid neben der Übernahme einer fremden Verbindlichkeit zudem ein subjektives Element voraus, nämlich die Erwartung der Frau, hierfür letztlich nicht aufkommen zu müssen, weil der Hauptschuldner seinen Verpflichtungen selbst nachkommen werde: »Wir werden also auch dieses Moment in die Regel des SC. mit aufzunehmen, und sie demnach dahin zu stellen haben, daß die Frau dann geschützt werde, wenn sie eine Verpflichtung in fremdem Interesse und in der Erwartung übernommen habe, daß nicht sie dasselbe werde zu erfüllen brauchen, sondern der eigentliche Schuldner sie erfüllen werde. Und zwar muß nothwendig auch dieses letztere ›sondern‹ mit aufgenommen werden; es ist nicht die Erwartung der Frau im Allgemeinen, aus einer übernommenen Obligation nicht zahlen zu müssen, für genügend zu erachten, sondern gerade eine Erwartung auf den Grund des Vertrauens, daß der eigentliche Schuldner die Schuld tilgen werde, zu verlangen.«964

960 THIBAUT, System des Pandekten-Rechts, Bd. II, 1. Aufl. (1803), §§ 1124 ff., S. 307 ff. = 8. Aufl. (1834), §§ 598 ff., S. 126 ff.; SINTENIS, ZCP 10 (1837), 38 ff., 46 ff.; DERS., Civilrecht, Bd. II, 2. Aufl. (1860), § 129, S. 818 ff.; PUCHTA, Lehrbuch der Pandekten (1838), §§ 363 ff., S. 402 ff.; MÜHLENBRUCH, Lehrbuch des Pandekten-Rechts, Theil II, 3. Aufl. (1840), §§ 483 ff., S. 527 ff.; VANGEROW, Lehrbuch der Pandekten, Bd. III, 7. Aufl. (1869), §§ 577 ff., S. 128 ff.; HASENBALG, Die Bürgschaft des gemeinen Rechts (1870), S. 74 ff.; BRINZ, Lehrbuch der Pandekten, Bd. II/1, 2. Aufl. (1879), § 261, S. 230 ff.; DERNBURG, Pandekten, Bd. II, 7. Aufl. (1903), § 83, S. 225 ff. – Mitunter wird der Begriff der Interzession sogar ohne jeden Bezug zum SC Velleianum gebraucht, vgl. ENDEMANN, ZHR 4 (1861), 191, 212 ff. (§ 12), 222 ff. (§ 13). Ferner TUHR, Actio de in rem verso (1895), S. 46 ff., 57 ff., 143 ff., der die Interzession als Rechtsinstitut in Zusammenhang mit dem Aufwendungsersatzanspruch des Geschäftsführers gegen den Geschäftsherrn verwendet. 961 DEURER, AcP 28 (1846), 407, 408 ff. – Selbst VANGEROW, Lehrbuch der Pandekten, Bd. III, 7. Aufl. (1869), § 577 Anm., S. 129 räumt ein, dass »die Aufstellung eines schärferen Gattungsbegriffs von Interzession« letztlich nur mit Blick auf das SC Velleianum erfolgt. Ähnlich HASENBALG, Die Bürgschaft des gemeinen Rechts (1870), S. 80 f. 962 WINDSCHEID, AcP 32 (1849), 283, 284; WINDSCHEID / KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. II, 9. Aufl. (1906), § 485, S. 1127 in Fn. 2. 963 Siehe oben Fn. 59 mit Beispielen für beide Fallgruppen in Fn. 60 bzw. Fn. 61.

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

Konsequent lehnt Windscheid daher aus seiner Sicht eine tatbestandliche Interzession ab, wenn die Frau von vornherein mit der Absicht interzediert (animo donandi), im Sicherungsfall die Verbindlichkeit des Hauptschuldners zu begleichen, ohne von diesem Ersatz verlangen zu wollen.965 Girtanner und Vangerow folgen dieser Argumentation allerdings nur für den Fall einer privativen Interzession, wenn also die Frau an die Stelle des Hauptschuldners tritt; denn bei einer kumulativen Interzession der Frau neben dem Hauptschuldner (wie der Bürgschaft) könne diese immer noch die Hoffnung hegen, nicht in Anspruch genommen zu werden.966 Prominente Stimmen in Rechtsprechung und Literatur sehen für eine derartige Annahme dagegen überhaupt keinen Raum, da sie weder im Corpus Juris auch nur ansatzweise belegt sei, noch aus dem Sinn und Zweck des SC Velleianum folge: »weil […] der Zweck des Gesetzes vielmehr allgemein der ist, die Frauenzimmer vor den Nachtheilen für Dritte übernommener Verpflichtungen zu bewahren; welche Uebernahme, selbst wenn sie auch aus Liberalität erfolgt, weil es erst eine künftige Vermögensaufopferung erfordert, immer noch leichter zu geschehen pflegt, als die sofortige Zahlung, so daß die Gesetzgebung, welche die Frauenzimmer vor den Folgen ihrer leichtsinnigen Gutmüthigkeit bewahren wollte, wohl Grund hatte, ihnen solchen Schutz auch in dem letztgedachten Falle nicht zu entziehen.«967

Das Reichsoberhandelsgericht wiederum verneint das Vorliegen einer tatbestandlichen Interzession, wenn die Frau mit Schenkungsabsicht (animo donandi) interzediert, was aber grundsätzlich nicht zu vermuten sei.968 964 WINDSCHEID, AcP 32 (1849), 283, 287. Ähnlich schon DERS., De valida mulierum intercessione (1838), § 2, S. 9 f. Ferner WINDSCHEID / KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. II, 9. Aufl. (1906), § 485, S. 1127 f. in Fn. 3, S. 1131. – Ebenso HASENBALG, Beiträge zur Lehre von der Intercession, Bd. I (1856), S. 1 ff., 3 ff. – Ablehnend SINTENIS, Civilrecht, Bd. II, 2. Aufl. (1860), § 129, S. 836 in Fn. 78a; BRINZ, Lehrbuch der Pandekten, Bd. II/1, 2. Aufl. (1879), § 261, S. 232 f. mit Fn. 13; DERNBURG, Pandekten, Bd. II, 7. Aufl. (1903), § 84 Nr. 1, S. 228 in Fn. 7; TUHR, Actio de in rem verso (1895), S. 47 f. in Fn. 58. 965 WINDSCHEID, De valida mulierum intercessione (1838), § 2, S. 10, 15 ff.; DERS., AcP 32 (1849), 283, 295 ff.; WINDSCHEID / KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. II, 9. Aufl. (1906), § 485, S. 1132 f. in Fn. 19. – Ebenso SINTENIS, ZCP 10 (1837), 38, 61 Fn. 2; DERS., Civilrecht, Bd. II, 2. Aufl. (1860), § 129, S. 840 mit Fn. 91; HASENBALG, Beiträge zur Lehre von der Intercession, Bd. I (1856), S. 24 ff.; GRADENWITZ, Die Ungültigkeit obligatorischer Rechtsgeschäfte (1887), S. 125 f. 966 GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. II (1851), S. 338 ff., 343; VANGEROW, Lehrbuch der Pandekten, Bd. III, 7. Aufl. (1869), § 581 Anm. 1 Nr. 2, S. 148 ff. – Dies wird auch eingeräumt von WINDSCHEID / KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. II, 9. Aufl. (1906), § 485, S. 1133 in Fn. 19 a. E. 967 OAG Lübeck, Erk. v. 21. Juli 1828, SeuffA Bd. 15 Nr. 224, S. 383, 388 ff., 389. – CROPP, in: Juristische Abhandlungen, Bd. II (1830), S. 175 ff., 182; BACHOFEN, Ausgewählte Lehren (1848), S. 1, 18 ff.; DERNBURG, Pandekten, Bd. II, 7. Aufl. (1903), § 84 Nr. 1, S. 228 mit Fn. 8. 968 ROHG, Urt. v. 3. Sept. 1874, ROHGE 14, 144, 145 f., 148.

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Darüber hinaus befasst sich die höchstrichterliche Rechtsprechung auch mit anderen Aspekten des sachlichen Anwendungsbereichs. Keine tatbestandliche Interzession liegt demnach – in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre969 – vor, wenn die Frau materiell betrachtet in eigener Sache bzw. in eigenem Interesse handelt, selbst wenn dies zugleich den Interessen eines Dritten dient.970 Zahlreiche Entscheidungen beschäftigen sich zudem mit dem Problemkreis der fremdnützigen Darlehensaufnahme (sog. intercessio tacita): Nimmt die Frau in eigenem Namen ein Darlehen auf, um die Valuta – ohne Schenkungsabsicht – einem Dritten zu kreditieren, so liegt nur dann eine tatbestandliche Interzession vor, wenn der Gläubiger die Verwendungsabsicht der Frau kennt oder kennen muss.971 Die Unkenntnis des Gläubigers wird dabei ausdrücklich nicht mehr als Ausnahmetatbestand verstanden, den der Gläubiger darzulegen und zu beweisen hat, sondern seine Kenntnis wird umgekehrt als Tatbestandsvoraussetzung begriffen, für die folglich die Frau die Darlegungs- und

MÜHLENBRUCH, Lehrbuch des Pandekten-Rechts, Theil II, 3. Aufl. (1840), § 483, S. 527; HASENBALG, Beiträge zur Lehre von der Intercession, Bd. I (1856), S. 63 ff.; DERS., Die Bürgschaft des gemeinen Rechts (1870), S. 76 ff.; VANGEROW, Lehrbuch der Pandekten, Bd. III, 7. Aufl. (1869), § 581 Anm. 1 Nr. 1 a. E., S. 148; Anm. 2 Nr. 1, S. 158 (der mitunter begrifflich unscharf statt auf die fehlende Tatbestandsvoraussetzung eher auf das Vorliegen einer Ausnahme abzustellen scheint, vgl. § 577 Anm. Nr. I.3, S. 131; § 581 Anm. 1 Nr. 1, S. 147); BRINZ, Lehrbuch der Pandekten, Bd. II/1, 2. Aufl. (1879), § 261, S. 230 f. mit Fn. 6; § 262, S. 236; DERNBURG, Pandekten, Bd. II, 7. Aufl. (1903), § 84 Nr. 1, S. 228. – Anders freilich WINDSCHEID, AcP 32 (1849), 283, 286; 303, 303 ff.; WINDSCHEID / KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. II, 9. Aufl. (1906), § 485, S. 1133 mit Fn. 23; SINTENIS, Civilrecht, Bd. II, 2. Aufl. (1860), § 129, S. 820 mit Fn. 8 und S. 840. Sowohl Windscheid als auch Sintenis hatten sich aber ursprünglich durchaus noch auf dem Boden der herrschenden Lehre bewegt, vgl. WINDSCHEID , De valida mulierum intercessione (1838), § 2, S. 11 f.; SINTENIS, ZCP 10 (1837), 38, 55 f. 970 OAG Wiesbaden, Erk. v. 1866, SeuffA Bd. 20 Nr. 124, S. 204, 205; OG Wolfenbüttel, Erk. v. 31. März 1868, SeuffA Bd. 29 Nr. 30, S. 52, 52 f.; OAG Rostock, Erk. v. 17. Mai 1871, SeuffA Bd. 32 Nr. 40, S. 47; OAG Lübeck, Erk. v. 9. Dez. 1873, SeuffA Bd. 32 Nr. 136, S. 166 (in rem suam); OLG Stuttgart, Urth. v. 12. Juli 1887, SeuffA Bd. 43 Nr. 268, S. 403, 404; OLG Rostock, Urth. v. 29. Dez. 1885, SeuffA Bd. 44 Nr. 109, S. 174, 175 f. (Erfüllung einer sittlichen Pflicht). 971 Obertribunal Stuttgart, sine dato, SeuffA Bd. 1 Nr. 214, S. 223, 223 f.; OAG Dresden, Erk. v. 1848, SeuffA Bd. 2 Nr. 184, S. 239, 239 f.; OAG Rostock, Erk. v. 16. Okt. 1865, Buchka/Budde/Schmidt, Bd. 6 Nr. 51, S. 172, 174; Obertribunal Stuttgart, Entsch. v. 27. März 1868, SeuffA Bd. 22 Nr. 140, S. 212, 214; OAG Rostock, Erk. v. 23. Mai 1868, SeuffA Bd. 30 Nr. 25, S. 32, 33 (dem Gläubiger wird auch die Kenntnis seines Vertreters zugerechnet); ROHG, Erk. v. 9. März 1871, SeuffA Bd. 32 Nr. 232, S. 298, 299 f. = ROHGE 2, 103, 106 f.; Urt. v. 3. Sept. 1874, ROHGE 14, 144, 145 ff.; RG, Erk. v. 10. Juli 1880, SeuffA Bd. 37 Nr. 212, S. 296 = Archiv für civilrechtliche Entscheidungen des RG, Bd. 2 (1881), S. 87, 88. 969

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

Beweislast trägt.972 Die Literatur bleibt in dieser Frage hingegen gespalten und stellt teilweise, wie die Rechtsprechung, schon auf das Fehlen einer Tatbestandsvoraussetzung ab,973 teilweise aber weiterhin auf das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands.974 Neben der typischen Bestellung eines Pfandrechts oder einer Hypothek975 wird eine tatbestandliche Realinterzession etwa auch angenommen, wenn die Frau eine ihr zustehende Forderung mit der Maßgabe abtritt, dass der Zessionar nicht zu deren Beitreibung, sondern nur zu deren Verpfändung berechtigt sein soll, um seinerseits einen Kredit zu erhalten, bei dessen Tilgung – wie der Gläubiger weiß – die Forderung wieder an die Interzedentin zurückfällt.976 Seit jeher liegt nach allgemeiner Auffassung keine tatbestandliche Interzession vor, wenn die Frau nicht für eine fremde Verbindlichkeit eintritt, sondern diese direkt begleicht oder sonst unmittelbar einen Vermögensgegenstand aufopfert,977 insbesondere wenn sie auf ein Pfandrecht verzichtet.978 972 ROHG, Erk. v. 9. März 1871, SeuffA Bd. 32 Nr. 232, S. 298, 300 = ROHGE 2, 103, 107 f.; RG, Erk. v. 10. Juli 1880, SeuffA Bd. 37 Nr. 212, S. 296 = Archiv für civilrechtliche Entscheidungen des RG, Bd. 2 (1881), S. 87, 88 f. 973 SINTENIS, ZCP 10 (1837), 38, 59 ff., 86; DERS., Civilrecht, Bd. II, 2. Aufl. (1860), § 129, S. 843; BACHOFEN, Ausgewählte Lehren (1848), S. 1, 17 f.; HASENBALG, Beiträge zur Lehre von der Intercession, Bd. I (1856), S. 82, 87 ff.; DERS., Die Bürgschaft des gemeinen Rechts (1870), S. 75 f. 974 WINDSCHEID, De valida mulierum intercessione (1838), § 2, S. 16 f.; § 5, S. 28; DERS., AcP 32 (1849), 303, 316; GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. II (1851), S. 344; BRINZ, Lehrbuch der Pandekten, Bd. II/1, 2. Aufl. (1879), § 263, S. 239 in Fn. 1; WINDSCHEID / KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. II, 9. Aufl. (1906), § 486, S. 1134 mit Fn. 1. 975 Vgl. BayOGH, Erk. v. 14. Jan. 1870, SeuffBl Bd. 35, S. 161, 164 zu IV 10 § 24 CMBC unter Verweis auf Ulp. Dig. 16, 1, 8 pr., Cod. 4, 29, 5 (Alex.) und Cod. 4, 29, 7 (Gord.). – WINDSCHEID, De valida mulierum intercessione (1838), § 2, S. 11; KATTENHORN, Ueber Intercessionen der Frauen (1840), S. 65; DERNBURG, Pfandrecht, Bd. I (1860), § 25, S. 210. 976 OAG Celle, Erk. v. 9. März 1852, SeuffA Bd. 7 Nr. 32, S. 43, 44 f. 977 OAG Lübeck, Erk. v. 21. Juli 1828, SeuffA Bd. 15 Nr. 224, S. 383, 385. – SINTENIS, ZCP 10 (1837), 38, 50 ff., 68 f.; DERS., Civilrecht, Bd. II, 2. Aufl. (1860), § 129, S. 819 f.; MÜHLENBRUCH, Lehrbuch des Pandekten-Rechts, Theil II, 3. Aufl. (1840), § 483, S. 527; KATTENHORN, Ueber Intercessionen der Frauen (1840), S. 34; BACHOFEN, Ausgewählte Lehren (1848), S. 1, 23; WINDSCHEID, De valida mulierum intercessione (1838), § 2, S. 5; DERS., AcP 32 (1849), 283, 285 f.; HASENBALG, Beiträge zur Lehre von der Intercession, Bd. I (1856), S. 11 ff.; VANGEROW, Lehrbuch der Pandekten, Bd. III, 7. Aufl. (1869), § 577 Anm. Nr. I.1, S. 129; BRINZ, Lehrbuch der Pandekten, Bd. II/1, 2. Aufl. (1879), § 262, S. 235; DERNBURG, Pandekten, Bd. II, 7. Aufl. (1903), § 84 Nr. 1, S. 228; WINDSCHEID / KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. II, 9. Aufl. (1906), § 485, S. 1128. 978 OAG Jena, Erk. v. 1848, SeuffA Bd. 3 Nr. 54, S. 67. – SINTENIS, ZCP 10 (1837), 38, 59; DERS., Civilrecht, Bd. II, 2. Aufl. (1860), § 129, S. 820 mit Fn. 6; WINDSCHEID, De valida mulierum intercessione (1838), § 2, S. 5; DEURER, AcP 28 (1846), 407, 420 f.;

IV. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert

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Umstritten ist allerdings, wie der Verzicht auf den Vorrang eines Pfandrechts bzw. die Zustimmung zum Rangrücktritt zu bewerten ist. Die Rechtsprechung sieht hierin ebenso wenig eine Interzession wie beim Verzicht auf das Pfandrecht selbst,979 während die herrschende Lehre mit Blick auf Dig. 16, 1, 17, 1 sehr wohl eine Interzession bejaht, weil die Frau damit das Risiko eingeht, mit ihrem nun nachrangigen Pfandrecht gegebenenfalls auszufallen.980 Das Reichsgericht schließlich lässt diesen Streit dahin gestellt und hebt stattdessen auf Cod. 4, 29, 21 ab, wodurch Dig. 16, 1, 17, 1 jedenfalls derogiert sei, so dass im Ergebnis die Vorschriften zur Interzession der Frauen hier keine Anwendung finden würden.981

Als Rechtsfolge steht der Frau nach dem SC Velleianum grundsätzlich die exceptio SC Velleiani zu;982 der Gläubiger kann indessen mit der actio restitutoria bzw. actio institutoria gegen den Hauptschuldner vorgehen.983 BACHOFEN, Ausgewählte Lehren (1848), S. 1, 51; VANGEROW, Lehrbuch der Pandekten, Bd. III, 7. Aufl. (1869), § 577 Anm. Nr. I.1, S. 129; BRINZ, Lehrbuch der Pandekten, Bd. II/1, 2. Aufl. (1879), § 261, S. 234 in Fn. 17; DERNBURG, Pfandrecht, Bd. II (1864), S. 544; WINDSCHEID / KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. II, 9. Aufl. (1906), § 485, S. 1128 in Fn. 5. 979 OAG Jena, Erk. v. 1848, SeuffA Bd. 3 Nr. 54, S. 67; OAG Cassel, Erk. v. 14. Dez. 1861 und v. 1863, SeuffA Bd. 17 Nr. 243, S. 384 und 384 f. 980 DEURER, AcP 28 (1846), 407, 413 ff.; BACHOFEN, Ausgewählte Lehren (1848), S. 1, 50 ff.; WINDSCHEID, De valida mulierum intercessione (1838), § 2, S. 5; § 5, S. 33 f.; DERS., AcP 32 (1849), 303, 312 in Fn. 37; VANGEROW, Lehrbuch der Pandekten, Bd. III, 7. Aufl. (1869), § 577 Anm. Nr. I.1, S. 129; BRINZ, Lehrbuch der Pandekten, Bd. II/1, 2. Aufl. (1879), § 261, S. 234 in Fn. 17; § 262, S. 237 in Fn. 13; § 263, S. 240 in Fn. 3; DERNBURG, Pfandrecht, Bd. II (1864), S. 544 ff.; WINDSCHEID / KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. II, 9. Aufl. (1906), § 485, S. 1129 Fn. 8. – Anders SINTENIS, Handbuch des gemeinen Pfandrechts (1836), S. 680 f.; DERS., ZCP 10 (1837), 38, 59 in Fn. 2; DERS., Civilrecht, Bd. II, 2. Aufl. (1860), § 129, S. 820 in Fn. 6. 981 RG, Urt. v. 18. Jan. 1886, RGZ 16, 116, 119. – Ebenso BRINZ, Lehrbuch der Pandekten, Bd. II/1, 2. Aufl. (1879), § 263, S. 240 in Fn. 3 a. E.; WINDSCHEID / KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. II, 9. Aufl. (1906), § 485, S. 1129 f. in Fn. 8a. – Zum Verhältnis von Afr. Dig. 16, 1, 17, 1 und Cod. 4, 29, 21 (Anast.) vgl. MEDICUS, Geschichte des SC Velleianum (1957), S. 97 ff., 100. 982 THIBAUT, System des Pandekten-Rechts, Bd. II, 1. Aufl. (1803), § 1131, S. 313 = 8. Aufl. (1834), § 605, S. 131 f.; PUCHTA, Lehrbuch der Pandekten (1838), § 369, S. 408; BACHOFEN, Ausgewählte Lehren (1848), S. 1, 34; GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. II (1851), S. 364; BRINZ, Lehrbuch der Pandekten, Bd. II/1, 2. Aufl. (1879), § 262, S. 237 f.; DERNBURG, Pandekten, Bd. II, 7. Aufl. (1903), § 84 Nr. 1, S. 229; WINDSCHEID / KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. II, 9. Aufl. (1906), § 487, S. 1136 Fn. 1. – Anders freilich KATTENHORN, Ueber Intercessionen der Frauen (1840), S. 96 ff. 983 THIBAUT, System des Pandekten-Rechts, Bd. II, 1. Aufl. (1803), § 1131, S. 314 = 8. Aufl. (1834), § 605, S. 132 f.; PUCHTA, Lehrbuch der Pandekten (1838), § 369, S. 408; MÜHLENBRUCH, Lehrbuch des Pandekten-Rechts, Theil II, 3. Aufl. (1840), § 488, S. 536; KATTENHORN, Ueber Intercessionen der Frauen (1840), S. 119 f.; BACHOFEN, Ausgewählte Lehren (1848), S. 1, 36 ff.; BRINZ, Lehrbuch der Pandekten, Bd. II/1, 2. Aufl. (1879), § 262, S. 238 f. mit Fn. 26 ff.; DERNBURG, Pandekten, Bd. II, 7. Aufl. (1903), § 84 Nr. 1,

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

Ipso iure nichtig ist hingegen nach der Authentica Si qua mulier die Interzession für den eigenen Ehemann, es sei denn, die infolgedessen erlangten Mittel werden nachweislich zum eigenen Nutzen der Frau verwendet, wofür der Gläubiger die Beweislast trägt.984 Hierzu zählt freilich nicht deren Einsatz für den gemeinsamen Haushalt oder den laufenden Unterhalt, da der Mann zu diesem Zweck die Mitgift erhalten hat.985 Auffällig ist, dass die ratio für diese schärfere Regelung im 19. Jahrhundert in Literatur986 und Rechtsprechung987 kaum mehr weiter thematisiert wird, während noch im Usus modernus hier zahlreiche prominente Stimmen die persönliche Nähebeziehung zwischen Mann und Frau ansprechen und dabei insbesondere auf metus reverentialis abstellen. S. 229; WINDSCHEID / KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. II, 9. Aufl. (1906), § 487, S. 1137 Fn. 7. 984 PUCHTA, Lehrbuch der Pandekten (1838), § 368, S. 407; WINDSCHEID, De valida mulierum intercessione (1838), § 9, S. 52; GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. II (1851), S. 358; VANGEROW, Lehrbuch der Pandekten, Bd. III, 7. Aufl. (1869), § 581 Anm. 3, S. 160 f.; BRINZ, Lehrbuch der Pandekten, Bd. II/1, 2. Aufl. (1879), § 263, S. 241 ff.; DERNBURG, Pandekten, Bd. II, 7. Aufl. (1903), § 84 Nr. 2 lit. b, S. 230; WINDSCHEID / KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. II, 9. Aufl. (1906), § 488, S. 1139 Fn. 7. 985 Oberhofgericht Mannheim, Erk. v. 14. Juli 1823 bzw. 10. März 1824, SeuffA Bd. 1 Nr. 215, S. 224. 986 Allerdings, wenn auch knapp, etwa WINDSCHEID, De valida mulierum intercessione (1838), § 9, S. 54: »quotidiana edoctus experientia, maritos praecipue male uti uxorum facilitate in damnum earum, omnes pro marito intercessiones prorsus prohibuit.« – Sowie VANGEROW, Lehrbuch der Pandekten, Bd. III, 7. Aufl. (1869), § 581 Anm. 3 Nr. 1, S. 161: »[E]s rechtfertigt sich dies auch aus innern Gründen vollständig, da augenscheinlich bei Ehefrauen noch ganz besondre Rücksichten eintreten, die ein weiter gehendes Interzessions-Verbot gerade bei ihnen als sehr heilsam erscheinen lassen.« – Ähnlich, wenngleich nicht bezogen auf Nov. 134, 8, sondern auf auf die Edikte von Kaiser Augustus und Kaiser Claudius (s. o. Fn. 12) WINDSCHEID, a. a. O. (1838), § 1, S. 4: »Et primum quidem edictis Augusti et Claudii eae tantum intercessiones interdictae erant mulieribus, quae pro maritis suis fierent, ab his enim, ne facilitatem mulierum, auctam matrimoniali amore, in damnum earum male verterent, maximum metuendum erat periculum.« – Ferner KATTENHORN, Ueber Intercessionen der Frauen (1840), S. 13; BACHOFEN, Ausgewählte Lehren (1848), S. 1, 2: »Am dringendsten war die Gefahr in dem Verhältnisse der Ehefrau zu ihrem Manne. Mit dem Mangel an Einsicht und Geschäftserfahrung verband sich hier persönliche Zuneigung und persönliches Vertrauen zu dem Bittenden, vielleicht auch Furcht vor den Folgen der Weigerung. Hier mußte also zuerst geholfen werden. Es geschah gleich im Anfange der Kaiserregierung.« 987 OAG Rostock, Erk. v. 2. März 1846, Buchka/Budde/Schmidt, Bd. 2 Nr. 33, S. 188, 199 (rat. 1): »Am strengsten ist diese Aufgabe bei denjenigen Intercessionen durchzuführen, bei welchen die Intercedentinnen am leichtesten den bezeichneten Gefahren unterliegen, und die deshalb am nachdrücklichsten in dem bestehenden Rechte gemißbilligt werden, d. h. bei den Intercessionen der Ehefrauen für ihre Ehemänner.« – Ferner BayOGH, Erk. v. 13. Juli 1869, SeuffBl Bd. 34, S. 380, 382: »Bei Interzessionen der Ehefrauen für ihre Ehemänner […] hat dagegen der Gesetzgeber offenbar einen höheren Schutz gegen Ueberredung und Schwäche des weiblichen Geschlechtes für nöthig erachtet«.

IV. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert

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Äußerst umstritten hinsichtlich ihrer rechtlichen Bewertung ist die gemeinsame Darlehensaufnahme durch Eheleute. Teile der Rechtsprechung sehen in derartigen Fällen von vornherein den Mann grundsätzlich als alleinigen Darlehensnehmer an und bewerten die Mitzeichnung der Ehefrau als Interzession, die nach der Authentica Si qua mulier nichtig ist, sofern der Gläubiger nicht nachweisen kann, dass die erlangten Valuta unmittelbar zu ihrem Vorteil verwendet wurden.988 Teilweise wird zwar bei einer solidarischen Schuldverschreibung eine selbstschuldnerische Haftung der Frau angenommen, diese aber in gleicher Weise der Authentica unterworfen, sowohl im Hinblick auf ihren Wortlaut als auch nach ihrem Sinn und Zweck.989 Nur vereinzelt wird dagegen in der Rechtsprechung die Authentica für nicht einschlägig gehalten, sondern eine wirksame Verpflichtung der Frau pro sua rata (nach Dig. 16, 1, 17, 2) anerkannt.990 Auch die Literatur ist hinsichtlich dieser Frage gespalten. Nach Ansicht von Brinz erfasst die Authentica Si qua mulier jede Form der Mitverpflichtung der Ehefrau, also neben der Bürgschaft gerade auch die gemeinsame Darlehensaufnahme mit dem Ehemann und zwar unabhängig davon, ob diese »mit oder ohne solidarische Verpflichtung« erfolgt.991 Die von Vangerow, Sintenis, Girtanner und Windscheid vertretene Gegenansicht hält die Authentica bei einer gemeinsamen Darlehensaufnahme an sich für nicht einschlägig, es sei denn, die Eheleute haben sich dabei als »Korrealschuldner«992 – das heißt als Gesamtschuldner – verpflichtet: 988 OAG Cassel, Erk. v. 4. Mai 1858, SeuffA Bd. 12 Nr. 272, S. 360, 360 f.; OG Wolfenbüttel, Erk. v. 12. Dez. 1856, SeuffA Bd. 12 Nr. 272, S. 361, 362; Preußisches Obertribunal, Erk. v. 20. Juni 1876, SeuffA Bd. 33 Nr. 127, S. 175, 175 f.; Erk. v. 1877, SeuffA Bd. 33 Nr. 233, S. 312, 313. – Zur Beweislast ferner BRINZ, Lehrbuch der Pandekten, Bd. II/1, 2. Aufl. (1879), § 263, S. 242 f. mit Fn. 13. 989 OAG Kiel, Erk. v. 2. Sept. 1837, SeuffA Bd. 7 Nr. 180, S. 215, 216; OAG Celle, Erk. v. 11. Nov. 1858, SeuffA Bd. 13 Nr. 143, S. 193, 193 f. – Ähnlich im Ergebnis wohl auch OAG Jena, Erk. v. 30. Dez. 1828, SeuffA Bd. 7 Nr. 179, S. 212, 214 f. 990 OAG Rostock, Erk. v. 4. Feb. 1861, SeuffA Bd. 17 Nr. 38, S. 60, 60 f., wo vor allem auf den griechischen Wortlaut der Nov. 134, 8 abgestellt wird. – Gerade umgekehrt interpretiert diesen dagegen das Holstein’sche Obergericht, bestätigt durch das OAG Kiel, Erk. v. 2. Sept. 1837, SeuffA Bd. 7 Nr. 180, S. 215, 216. Zudem wird die lateinische Übersetzung des griechischen Originals auch in der Literatur als zutreffend bewertet, vgl. BRINZ, Lehrbuch der Pandekten, Bd. II/1, 2. Aufl. (1879), § 263, S. 241 in Fn. 9 a. E. 991 BRINZ, Lehrbuch der Pandekten, Bd. II/1, 2. Aufl. (1879), § 263, S. 241 f. mit Fn. 10. – Ebenso PUCHTA, Lehrbuch der Pandekten (1838), § 368, S. 407. Ferner, wenn auch stark verkürzt, wohl DERNBURG, Pandekten, Bd. II, 7. Aufl. (1903), § 84 Nr. 2 lit. b, S. 230 in Fn. 24: »Die Novelle bestimmt auch, daß der Gläubiger, wenn sich die Ehegatten in einer Urkunde verbinden, von der Frau nur fordern könne, was ihr nachweisbar aus dem Geschäfte zu gute kam.« 992 Zur Verwendung dieses Begriffs im 19. Jahrhundert vgl. MEIER, Gesamtschulden (2010), S. 53 ff.

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

»Hätten Frau und Mann gemeinsam ein Darlehn aufgenommen, und sich in der Urkunde als Korrealschuldner verpflichtet, dann erscheint freilich diese Uebernahme einer KorrealObligation als eine nichtige Interzession der Frau, und sie darf blos auf die Hälfte belangt werden, wenn nicht der Gläubiger darthun kann, daß doch wirklich gerade der Ehefrau das ganze vorgeschossene Geld zu Gute gekommen sei«. 993

Besteht schließlich zwischen den Eheleuten Gütergemeinschaft, kommt bei Verpflichtungen, die sich auf das gemeinschaftliche Vermögen beziehen, eine Anwendung der Authentica Si qua mulier mangels Interzession grundsätzlich nicht in Betracht; etwas anderes gilt jedoch, soweit hiervon das Sondergut der Frau betroffen ist.994 Ebenfalls nichtig ist eine Interzession außerdem, wenn die in Cod. 4, 29, 23, 2 vorgeschriebene, gewohnheitsrechtlich modifizierte995 Form nicht eingehalten wird.996 Die schon von den Glossatoren geführte Diskussion über die Reichweite und Bedeutung dieser Formvorschrift wird im 19. Jahrhundert wieder verstärkt aufgegriffen.997 Nach der einerseits von Bulgarus begründe993 So VANGEROW, Lehrbuch der Pandekten, Bd. III, 7. Aufl. (1869), § 581 Anm. 3 Nr. 2 lit. b, S. 162. Ferner SINTENIS, Civilrecht, Bd. II, 2. Aufl. (1860), § 129, S. 844; GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. II (1851), S. 358 f. in Fn. 32; WINDSCHEID /  KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. II, 9. Aufl. (1906), § 488, S. 1140 in Fn. 7 a. E. 994 THIBAUT, System des Pandekten-Rechts, Bd. II, 1. Aufl. (1803), § 1134, S. 317 = 8. Aufl. (1834), § 608, S. 136; KATTENHORN, Ueber Intercessionen der Frauen (1840), S. 203 f.; GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. II (1851), S. 364; BRINZ, Lehrbuch der Pandekten, Bd. II/1, 2. Aufl. (1879), § 263, S. 244 in Fn. 19 a. E. 995 OAG Rostock, Erk. v. 2. März 1846, Buchka/Budde/Schmidt, Bd. 2 Nr. 33, S. 188, 199, 201 f. (rat. 5): »Bei uns genügt daher für die Form der Intercessionen der Frauenzimmer […] eine einfache gerichtliche Urkunde ohne Zeugen, oder ein Notariatsdocument mit zwei Zeugen.« – PUCHTA, Lehrbuch der Pandekten (1838), § 367, S. 407; GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. II (1851), S. 357 f.; BRINZ, Lehrbuch der Pandekten, Bd. II/1, 2. Aufl. (1879), § 263, S. 240 in Fn. 5; DERNBURG, Pandekten, Bd. II, 7. Aufl. (1903), § 84 Nr. 2 lit. a, S. 229; WINDSCHEID / KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. II, 9. Aufl. (1906), § 488, S. 1137 f. in Fn. 2. 996 OAG Lübeck, Erk. v. 21. Juli 1828, SeuffA Bd. 15 Nr. 224, S. 383, 392. – PUCHTA, Lehrbuch der Pandekten (1838), § 367, S. 406 f.; GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. II (1851), S. 351 f.; SINTENIS, Civilrecht, Bd. II, 2. Aufl. (1860), § 129, S. 837 in Fn. 79; VANGEROW, Lehrbuch der Pandekten, Bd. III, 7. Aufl. (1869), § 581 Anm. 2, S. 155; BRINZ, Lehrbuch der Pandekten, Bd. II/1, 2. Aufl. (1879), § 263, S. 240 f.; DERNBURG, Pandekten, Bd. II, 7. Aufl. (1903), § 84 Nr. 2 lit. a, S. 229; WINDSCHEID / KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. II, 9. Aufl. (1906), § 488, S. 1137 f. 997 WINDSCHEID, De valida mulierum intercessione (1838), § 8, S. 47 ff.; MÜHLENBRUCH, Lehrbuch des Pandekten-Rechts, Theil II, 3. Aufl. (1840), § 489, S. 538 f. Anm. 1 a. E.; KATTENHORN, Ueber Intercessionen der Frauen (1840), S. 180 ff.; GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. II (1851), S. 352 ff.; SINTENIS, Civilrecht, Bd. II, 2. Aufl. (1860), § 129, S. 839 in Fn. 88; VANGEROW, Lehr-

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ten, im Ius commune herrschenden Meinung spielt diese Formvorschrift in den Fällen keine Rolle, in denen das SC Velleianum schon seit jeher keine Anwendung findet. Nach der andererseits auf Martinus zurückzuführenden Mindermeinung betrifft die Formvorschrift dagegen alle Interzessionen, also selbst die in Cod. 4, 29, 24 und Cod. 4, 29, 25 geregelten Fälle. Neben diesen beiden extremen Standpunkten setzt sich im 19. Jahrhundert zunehmend eine differenzierende Sichtweise durch. Danach kommt es bei den meisten etablierten Ausnahmefällen nicht auf die Einhaltung dieser Formvorschrift an, wohl aber bei bestimmten einzelnen Ausnahmefällen wie dem Verzicht oder der Interzession bei einem Minderjährigen.998 Einigkeit besteht zudem dahin gehend, dass die Formvorschrift bei Interzessionen von Kauffrauen unbeachtlich ist.999 b) Ausnahmen Der gängige gemeinrechtliche Katalog an Ausnahmetatbeständen zum SC Velleianum wird im 19. Jahrhundert ebenfalls übernommen, ohne dass dabei wesentliche neue Gesichtspunkte in die Diskussion eingeführt werden.1000 Vielmehr beschränkt sich die Darstellung in der Literatur regelmäßig darauf, hinsichtlich der einzelnen Ausnahmetatbestände den Status quo des Gemeinen Rechts kurz zusammenzufassen und gestrafft wiederzugeben, wie etwa bei Windscheid/Kipp: »1. wenn der Gläubiger sich in betreff ihrer Interzession in einem entschuldbaren Irrtum befunden hat; 2. wenn die Frau den Gläubiger getäuscht hat; 3. wenn sie sich für ihre Interzession hat bezahlen lassen; 4. wenn ihre Interzession die Wiederholung einer anderen früher gemachten ist, und seit dieser anderen wenigstens zwei Jahre verflossen sind; 5. wenn sie entweder a) ihre Interzession eidlich bestärkt oder b) nach vorangegangener gehöriger Belehrung auf die ihr zustehende Rechtswohltat speziell verzichtet hat; 6. wenn sie zugunsten der Bestellung einer Dos interzediert hat; 7. wenn der Interzessionsgläubiger minderjährig und der eigentliche Schuldner zahlungsunfähig ist; 8. wenn die Frau als buch der Pandekten, Bd. III, 7. Aufl. (1869), § 581 Anm. 2, S. 155 ff.; DERNBURG, Pandekten, Bd. II, 7. Aufl. (1903), § 84 Nr. 2 lit. a, S. 229 mit Fn. 23. 998 GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. II (1851), S. 354 ff.; WINDSCHEID / KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. II, 9. Aufl. (1906), § 488, S. 1138 f. in Fn. 5. – Bei einer Interzession durch Alleinverpflichtung der Frau geht HASENBALG, Beiträge zur Lehre von der Intercession, Bd. I (1856), S. 281, 282 ff. davon aus, dass die Formvorschrift in Cod. 4, 29, 23, 2 nicht anwendbar ist, da der Gläubiger hier den Interzessionscharakter grundsätzlich nicht erkennen kann und er sich somit in einem entschuldbaren Irrtum befindet. 999 PUCHTA, Lehrbuch der Pandekten (1838), § 367 S. 407; GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. II (1851), S. 357; SINTENIS, Civilrecht, Bd. II, 2. Aufl. (1860), § 129, S. 840; BRINZ, Lehrbuch der Pandekten, Bd. II/1, 2. Aufl. (1879), § 263, S. 241 in Fn. 8 a. E.; WINDSCHEID / KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. II, 9. Aufl. (1906), § 486, S. 1139 in Fn. 5. 1000 Vgl. etwa OAG Lübeck, Erk. v. 21. Juli 1828, SeuffA Bd. 15 Nr. 224, S. 383, 387 ff.

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Handels- oder Gewerbsfrau oder in ihrer Eigenschaft als Mitglied einer Erwerbs- oder Wirtschaftsgenossenschaft interzediert hat.«1001

In systematischer Hinsicht unterscheidet Windscheid diesbezüglich zwischen »eigentlichen Ausnahmen« einerseits und Fällen andererseits, bei denen das SC Velleianum nach seinem »Prinzip«, das heißt, nach seiner ratio legis nicht greift, also gewissermaßen aufgrund einer teleologischen Reduktion seines Tatbestands.1002 Hervorzuheben ist im Einzelnen, dass bei der anerkannten Ausnahme zugunsten einer Mitgiftbestellung (pro dote) eine Erweiterung auf jede andere pia causa nicht mehr angesprochen wird.1003 Erhält die Frau für ihre Interzession eine Bezahlung bzw. einen geldwerten Vorteil (pretium capiat),1004 wird in Rechtsprechung1005 und Literatur1006 WINDSCHEID / KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. II, 9. Aufl. (1906), § 486, S. 1134 f. – Ähnlich THIBAUT, System des Pandekten-Rechts, Bd. II, 1. Aufl. (1803), § 1132, S. 314 ff. = 8. Aufl. (1834), § 606, S. 133 f.; PUCHTA, Lehrbuch der Pandekten (1838), § 369 Anm. 1–10, S. 408 ff.; MÜHLENBRUCH, Lehrbuch des Pandekten-Rechts, Theil II, 3. Aufl. (1840), § 488, S. 536 ff.; KATTENHORN, Ueber Intercessionen der Frauen (1840), S. 125 ff.; GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. II (1851), S. 344 ff.; SINTENIS, Civilrecht, Bd. II, 2. Aufl. (1860), § 129, S. 839 ff.; VANGEROW, Lehrbuch der Pandekten, Bd. III, 7. Aufl. (1869), § 581 Anm. 1, S. 147 ff.; BRINZ, Lehrbuch der Pandekten, Bd. II/1, 2. Aufl. (1879), § 263, S. 239 f. mit Fn. 1 ff.; DERNBURG, Pandekten, Bd. II, 7. Aufl. (1903), § 84 Nr. 1 lit. a–f, S. 228 f. 1002 WINDSCHEID, AcP 32 (1849), 283, 284; 303, 313 ff. – Zum Unterschied zwischen den eigentlichen Ausnahmetatbeständen und der Nichtanwendbarkeit des SC Velleianum mangels tatbestandlicher Interzession ferner DEURER, AcP 28 (1846), 407, 407 f.; GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. II (1851), S. 336, 344; VANGEROW, Lehrbuch der Pandekten, Bd. III, 7. Aufl. (1869), § 577 Anm., S. 129. 1003 Vgl. THIBAUT, System des Pandekten-Rechts, Bd. II, 1. Aufl. (1803), § 1132, S. 315 = 8. Aufl. (1834), § 606, S. 134; PUCHTA, Lehrbuch der Pandekten (1838), § 369 Anm. 4, S. 409; WINDSCHEID, De valida mulierum intercessione (1838), § 7, S. 43 ff., MÜHLENBRUCH, Lehrbuch des Pandekten-Rechts, Theil II, 3. Aufl. (1840), § 488, S. 536; GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. II (1851), S. 346 f.; SINTENIS, Civilrecht, Bd. II, 2. Aufl. (1860), § 129, S. 841 mit Fn. 96; VANGEROW, Lehrbuch der Pandekten, Bd. III, 7. Aufl. (1869), § 581 Anm. 1 Nr. 10, S. 152; DERNBURG, Pandekten, Bd. II, 7. Aufl. (1903), § 84 Nr. 1 lit. e, S. 229; WINDSCHEID / KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. II, 9. Aufl. (1906), § 486, S. 1135. 1004 Bloße Gefälligkeiten oder ein Affektionsinteresse genügen hierfür aber nicht, vgl. OAG Lübeck, Erk. v. 1840, SeuffA Bd. 2 Nr. 183, S. 238, 238 f. (i.V.m. Register zu Bd. 11–15, S. 223 und Bd. 32, S. 167); Erk. v. 21. Juli 1828, SeuffA Bd. 15 Nr. 224, S. 383, 387. 1005 OAG Lübeck, Erk. v. 1840, SeuffA Bd. 2 Nr. 183, S. 238, 239 (i.V.m. Register zu Bd. 11–15, S. 223 und Bd. 32, S. 167); OAG Wiesbaden, Erk. v. 1866, SeuffA Bd. 20 Nr. 124, S. 204, 205 f. (obiter dictum); OAG Lübeck, Erk. v. 9. Dez. 1873, SeuffA Bd. 32 Nr. 136, S. 166, 166 f. 1006 PUCHTA, Lehrbuch der Pandekten (1838), § 369 Anm. 3, S. 409; BACHOFEN, Ausgewählte Lehren (1848), S. 1, 55; WINDSCHEID, De valida mulierum intercessione (1838), 1001

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nahezu einhellig der Standpunkt vertreten, dass dies nicht etwa die gesamte in Frage stehende Haftungssumme abdecken müsse, sondern dass bereits jedweder noch so geringe Betrag (aliquid) ausreicht, um dessentwillen sie zur Übernahme des Risikos bereit war.1007 Keine Anwendung findet das SC Velleianum »nach der Praxis« bzw. »nach einem sicheren Gewohnheitsrecht« auf Geschäfte, die eine Frau in Zusammenhang mit dem von ihr betriebenen Gewerbe oder Handelsgeschäft abschließt.1008 Gleiches gilt hinsichtlich der Authentica Si qua mulier, falls eine Kauffrau für ihren eigenen Ehemann interzediert.1009 Umstritten ist in der Lehre, ob daneben die übrigen Ausnahmetatbestände des SC Velleianum nicht doch auch bei der Authentica Si qua mulier gelten würden. Vangerow freilich beharrt darauf, dass Nov. 134, 8 einzig und allein nur dann eine Ausnahme zulasse, wenn die erlangten Mittel nachweislich zugunsten der Ehefrau verwendet wurden: Im Falle einer arglistigen Täuschung des Gläubigers durch die Ehefrau greife indessen nach allgemeinen Grundsätzen die actio de dolo; außerdem komme die Authentica nicht zur Anwendung, wenn der Interzessionscharakter für den Gläubiger nicht erkennbar war.1010 Dagegen vertritt Windscheid zunächst in seiner Dissertation die Position Böhmers1011 und hält hier alle zum SC Velleianum entwickelten Ausnahmetatbestände für anwendbar.1012 Demgegenüber nehmen Girtanner und später auch Windscheid eine differenzierende Haltung ein, wonach nicht § 2, S. 13 ff.; DERS., AcP 32 (1849), 283, 299 f.; GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. II (1851), S. 336; HASENBALG, Beiträge zur Lehre von der Intercession, Bd. I (1856), S. 80 f.; SINTENIS, Civilrecht, Bd. II, 2. Aufl. (1860), § 129, S. 840 mit Fn. 92; VANGEROW, Lehrbuch der Pandekten, Bd. III, 7. Aufl. (1869), § 581 Anm. 1 Nr. 1, S. 147 f.; WINDSCHEID / KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. II, 9. Aufl. (1906), § 486, S. 1134 f. in Fn. 3. 1007 Anders THIBAUT, System des Pandekten-Rechts, Bd. II, 1. Aufl. (1803), § 1132, S. 315 = 8. Aufl. (1834), § 606, S. 134, der »eine, der Größe der übernommenen Gefahr angemessene Belohnung« verlangt. 1008 PUCHTA, Lehrbuch der Pandekten (1838), § 369 Anm. 10, S. 410; KATTENHORN, Ueber Intercessionen der Frauen (1840), S. 203; BACHOFEN, Ausgewählte Lehren (1848), S. 1, 40; GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. II (1851), S. 351; VANGEROW, Lehrbuch der Pandekten, Bd. III, 7. Aufl. (1869), § 581 Anm. 1 nach Nr. 10, S. 152; BRINZ, Lehrbuch der Pandekten, Bd. II/1, 2. Aufl. (1879), § 263, S. 240 in Fn. 2 (unter Nr. 4); WINDSCHEID / KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. II, 9. Aufl. (1906), § 486, S. 1135 mit Fn. 9. 1009 WINDSCHEID / KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. II, 9. Aufl. (1906), § 488, S. 1139 f. mit Fn. 7. Ferner CROPP, in: Juristische Abhandlungen, Bd. I (1827), S. 1, 7; THÖL, Handelsrecht, Bd. I, 4. Aufl. (1862), § 50, S. 305 f. 1010 VANGEROW, Lehrbuch der Pandekten, Bd. III, 7. Aufl. (1869), § 581 Anm. 3 Nr. 1, Nr. 2 lit. a, Nr. 3, S. 161 ff. – Ähnlich restriktiv THIBAUT, System des Pandekten-Rechts, Bd. II, 1. Aufl. (1803), § 1133, S. 316 = 8. Aufl. (1834), § 607, S. 135. 1011 Siehe oben Fn. 826. 1012 WINDSCHEID, De valida mulierum intercessione (1838), § 9, S. 52 ff.

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alle, sondern nur bestimmte der zum SC Velleianum entwickelten Ausnahmen bei der Authentica Anwendung finden, nämlich der entschuldbare Irrtum des Gläubigers über den Interzessionscharakter und dessen arglistige Täuschung durch die Frau sowie – gewohnheitsrechtlich – die eidliche Interzession und die Interzession einer Kauffrau.1013 Brinz wiederum wendet sich gegen eine solche differenzierende Sichtweise, da sich die Nov. 134, 8 seiner Ansicht nach entweder gegen alle bis dahin erlaubten Interzessionen richtet oder eben nicht.1014 Bis auf diese Alles-oder-Nichts-Lösung stimmen die unterschiedlichen Ansichten aber im Ergebnis weitgehend überein, dass die Authentica nämlich in folgenden Konstellationen nicht zum Tragen kommt: Bei nicht vorwerfbarer Unkenntnis des Gläubigers, bei einer arglistigen Täuschung durch die Frau, bei einem Eid und bei einer Kauffrau. c) Insbesondere: Verzicht – »konstanter Gerichtsgebrauch« Die gemeinrechtliche Zulässigkeit des Verzichts auf das SC Velleianum wird im 19. Jahrhundert nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt, sondern wird aufgrund einer »feststehenden Praxis« sowohl in Literatur1015 und Rechtsprechung1016 als gewohnheitsrechtliche Ausnahme anerkannt. Einigkeit besteht ferner, dass hierfür eine ordentliche Belehrung der Frau erforderlich ist.1017 Was die Form des Verzichts angeht, so reicht an sich auch eine formlose Verzichtserklärung aus, solange die Interzession selbst der GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. II (1851), S. 359 ff.; WINDSCHEID / KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. II, 9. Aufl. (1906), § 488, S. 1139 f. mit Fn. 7. 1014 BRINZ, Lehrbuch der Pandekten, Bd. II/1, 2. Aufl. (1879), § 263, S. 243 f. mit Fn. 18. 1015 THIBAUT, System des Pandekten-Rechts, Bd. II, 1. Aufl. (1803), § 1132, S. 314 f. = 8. Aufl. (1834), § 606, S. 133; PUCHTA, Lehrbuch der Pandekten (1838), § 369 Anm. 9, S. 409 f. (hierzu LANDAU, ZRG RA 109 [1992], 1, 21; MECKE, Begriff und System des Rechts bei Georg Friedrich Puchta [2009], S. 784 ff., 821); MÜHLENBRUCH, Lehrbuch des Pandekten-Rechts, Theil II, 3. Aufl. (1840), § 488, S. 537; KATTENHORN, Ueber Intercessionen der Frauen (1840), S. 206 ff., 211; GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. II (1851), S. 364 f.; SINTENIS, Civilrecht, Bd. II, 2. Aufl. (1860), § 129, S. 842 mit Fn. 98; VANGEROW, Lehrbuch der Pandekten, Bd. III, 7. Aufl. (1869), § 581 Anm. 1 nach Nr. 10, S. 152 ff. mit ausführlicher Darstellung des gemeinrechtlichen Streitstandes; BRINZ, Lehrbuch der Pandekten, Bd. II/1, 2. Aufl. (1879), § 263, S. 240 in Fn. 2 (unter Nr. 1); DERNBURG, Pandekten, Bd. II, 7. Aufl. (1903), § 84 Nr. 3, S. 230; WINDSCHEID / KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. II, 9. Aufl. (1906), § 486, S. 1135 Fn. 6. – Zunächst die Zulässigkeit des Verzichts strikt ablehnend WINDSCHEID, De valida mulierum intercessione (1838), § 10, S. 57 ff.; dann vermittelnd DERS., AcP 32 (1849), 283, 302. – Nur den Verzicht im römischen Recht behandeln BACHOFEN, Ausgewählte Lehren (1848), S. 1, 39 f.; GIRTANNER, a. a. O., Bd. I (1850), S. 136 ff. 1016 OAG Lübeck, Erk. v. 21. Juli 1828, SeuffA Bd. 15 Nr. 224, S. 383, 392 f.; BayOGH, Erk. v. 13. Juli 1869, SeuffBl Bd. 34, S. 380, 381 f. (»konstanter Gerichtsgebrauch«). 1013

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Formvorschrift nach Cod. 4, 29, 23, 2 genügt.1018 Hinsichtlich des Inhalts der Verzichtserklärung muss sich durch eine »gewisse Specialität« die hinreichende Bezugnahme auf die »weiblichen Rechtswohlthaten« ergeben, so dass ein generell-abstrakter Verzicht auf alle denkbaren einschlägigen Einreden jedenfalls nicht genügt.1019 Streitig ist indes, welche Auswirkungen ein Eid hinsichtlich dieser Voraussetzungen hat.1020 Mit Blick auf die Belehrung wird diese bei einem beeideten Verzicht teilweise für entbehrlich gehalten,1021 teilweise aber gerade auch nicht.1022 Entspricht die Interzession selbst nicht der nach Cod. 4, 29, 23, 2 vorgeschriebenen Form, so hilft nach einer Ansicht auch ein beeideter Verzicht nicht über diesen Formmangel hinweg.1023 Nach der Gegenansicht ist zwar streng genommen zwischen dem eidlichen Verzicht (»Entsagungseid«) und der eidlichen Bekräftigung der Interzession (»Versprechungseid«) zu unterscheiden: Da dieser Unterschied aber in der Praxis völlig verwischt sei und es 1017 THIBAUT, System des Pandekten-Rechts, Bd. II, 1. Aufl. (1803), § 1132, S. 314 f. = 8. Aufl. (1834), § 606, S. 133; PUCHTA, Lehrbuch der Pandekten (1838), § 369 Anm. 9, S. 410; KATTENHORN, Ueber Intercessionen der Frauen (1840), S. 214 f.; GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. II (1851), S. 365 f.; SINTENIS, Civilrecht, Bd. II, 2. Aufl. (1860), § 129, S. 842; VANGEROW, Lehrbuch der Pandekten, Bd. III, 7. Aufl. (1869), § 581 Anm. 1 nach Nr. 10, S. 155; BRINZ, Lehrbuch der Pandekten, Bd. II/1, 2. Aufl. (1879), § 263, S. 240 in Fn. 2 (unter Nr. 1); DERNBURG, Pandekten, Bd. II, 7. Aufl. (1903), § 84 Nr. 3, S. 230. 1018 OAG Lübeck, Erk. v. 21. Juli 1828, SeuffA Bd. 15 Nr. 224, S. 383, 394. – THIBAUT, System des Pandekten-Rechts, Bd. II, 1. Aufl. (1803), § 1132, S. 315 – ohne Entsprechung in der 8. Aufl. (1834), § 606, S. 133; KATTENHORN, Ueber Intercessionen der Frauen (1840), S. 217 f.; GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. II (1851), S. 366; VANGEROW, Lehrbuch der Pandekten, Bd. III, 7. Aufl. (1869), § 581 Anm. 1 nach Nr. 10, S. 155. 1019 OAG Lübeck, Erk. v. 21. Juli 1828, SeuffA Bd. 15 Nr. 224, S. 383, 393 f. 1020 SINTENIS, Civilrecht, Bd. II, 2. Aufl. (1860), § 129, S. 842 empfiehlt dem Gläubiger aus kautelarjuristischer Sicht, sich den Verzicht nicht nur schriftlich und vor Gericht erklären zu lassen, sondern auch »mit eidlicher Bestärkung«, um allen Eventualitäten vorzubeugen. 1021 OAG Wolfenbüttel, Erk. v. 18. Mai 1849, SeuffA Bd. 7 Nr. 178, S. 211, 212. – THIBAUT, System des Pandekten-Rechts, Bd. II, 1. Aufl. (1803), § 1134, S. 317 = 8. Aufl. (1834), § 608, S. 136; PUCHTA, Lehrbuch der Pandekten (1838), § 369 Anm. 9 a. E., S. 410. 1022 OAG Wiesbaden, Erk. v. 10. Nov. 1830, SeuffA Bd. 13 Nr. 249, S. 354; OAG Rostock, Erk. v. 2. März 1846, Buchka/Budde/Schmidt, Bd. 2 Nr. 33, S. 188, 199, 204 f. (rat. 9 und 11). – GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. II (1851), S. 366. 1023 OAG Celle, Erk. v. 14. Sept. 1835, SeuffA Bd. 1 Nr. 344, S. 372, 372 f. Ähnlich OAG Rostock, Erk. v. 2. März 1846, Buchka/Budde/Schmidt, Bd. 2 Nr. 33, S. 188, 199, 202 f. (rat. 6).

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in erster Linie auf den Inhalt des Eids ankomme, soll der Formmangel nach Cod. 4, 29, 23, 2 durch einen Eid heilbar sein.1024 Nach allgemeiner Auffassung ist jedenfalls kein körperlicher Eid notwendig, sondern es genügt in diesem Zusammenhang grundsätzlich eine schriftliche Eideserklärung.1025 Ein Verzicht auf die Authentica Si qua mulier ist nach allgemeiner Auffassung in Literatur1026 und Rechtsprechung1027 grundsätzlich nur wirksam, wenn er von der Ehefrau beeidet wird. Für eine kontroverse Diskussion sorgt insoweit eine Entscheidung des Bayerischen Obersten Gerichtshofs aus dem Jahre 1869 anlässlich eines Sachverhalts, der nicht nach dem CMBC von 1756,1028 sondern nach Gemeinem Recht zu beurteilen war: Um ein Darlehen abzusichern, das ihr Mann im Rahmen seines von ihm allein betriebenen Geschäfts aufgenommen hatte, bestellte die Frau eine Hypothek an einem ihr allein gehörenden Grundstück und erklärte nach notarieller Belehrung den Verzicht auf »ihre Rechtswohlthaten«; später begehrte sie jedoch die Löschung der Hypothek wegen der Nichtigkeit ihrer Interzession, während der

1024 OG Wolfenbüttel, Erk. v. 17. März 1865, SeuffA Bd. 20 Nr. 128, S. 212, 213 f. Ferner OAG Wiesbaden, Erk. v. 10. Nov. 1830, SeuffA Bd. 13 Nr. 249, S. 354, 354 f. – KATTENHORN, Ueber Intercessionen der Frauen (1840), S. 203; GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. II (1851), S. 357, 366; VANGEROW, Lehrbuch der Pandekten, Bd. III, 7. Aufl. (1869), § 581 Anm. 2 Nr. 5, S. 160; Anm. 3 Nr. 4 a. E., S. 163; BRINZ, Lehrbuch der Pandekten, Bd. II/1, 2. Aufl. (1879), § 263, S. 241 in Fn. 8 a. E. 1025 OAG Wolfenbüttel, Erk. v. 18. Mai 1849, SeuffA Bd. 7 Nr. 178, S. 211, 212; OAG Wiesbaden, Erk. v. 10. Nov. 1830, SeuffA Bd. 13 Nr. 249, S. 354, 355; einschränkend OAG Rostock, Erk. v. 2. März 1846, Buchka/Budde/Schmidt, Bd. 2 Nr. 33, S. 188, 199, 204 f. (rat. 10 f.) – kritisch jedoch das entsprechende Gutachten der Juristischen Fakultät Bonn, a. a. O., 191, 192–197 (unter I.). 1026 THIBAUT, System des Pandekten-Rechts, Bd. II, 1. Aufl. (1803), § 1134, S. 317 = 8. Aufl. (1834), § 608, S. 136; PUCHTA, Lehrbuch der Pandekten (1838), § 368, S. 407; MÜHLENBRUCH, Lehrbuch des Pandekten-Rechts, Theil II, 3. Aufl. (1840), § 489, S. 538 f.; KATTENHORN, Ueber Intercessionen der Frauen (1840), S. 218 f.; GIRTANNER, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrechte, Bd. II (1851), S. 363, 366 f.; SINTENIS, Civilrecht, Bd. II, 2. Aufl. (1860), § 129, S. 845 mit Fn. 102; VANGEROW, Lehrbuch der Pandekten, Bd. III, 7. Aufl. (1869), § 581 Anm. 3 Nr. 4, S. 163; BRINZ, Lehrbuch der Pandekten, Bd. II/1, 2. Aufl. (1879), § 263, S. 244 in Fn. 18; DERNBURG, Pandekten, Bd. II, 7. Aufl. (1903), § 84 Nr. 3, S. 230; WINDSCHEID / KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. II, 9. Aufl. (1906), § 488, S. 1140 in Fn. 7. 1027 OAG Wiesbaden, Erk. v. 10. Nov. 1830, SeuffA Bd. 13 Nr. 249, S. 354; OAG Rostock, Erk. v. 2. März 1846, Buchka/Budde/Schmidt, Bd. 2 Nr. 33, S. 188, 199, 200 (rat. 2) sowie das entsprechende Gutachten der Juristischen Fakultät Bonn, a. a. O., 191, 191 f.; OAG Jena, Erk. v. 1848, SeuffA Bd. 3 Nr. 53, S. 65, 66; BayOGH, Erk. v. 13. Juli 1869, SeuffBl Bd. 34, S. 380. 1028 Zu I 6 §§ 33 und 34 CMBC vgl. BayOGH, Erk. v. 14. Jan. 1870, SeuffBl Bd. 35, S. 161, 164 f.

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Gläubiger auf den von ihr erklärten Verzicht verwies.1029 Der Bayerische Oberste Gerichtshof wertet in seiner Entscheidung sowohl die Literatur, als auch die Rechtsprechung zum Gemeinen Recht aus und kommt zu dem Ergebnis, dass ein wirksamer Verzicht auf die Authentica nach völlig herrschender Meinung nur anerkannt wird, wenn die Frau dabei einen Eid bzw. eine eidesstattliche Versicherung geleistet hat.1030 Für eine gewohnheitsrechtliche Lockerung dahin gehend, dass in der Praxis eine unbeeidete Verzichtserklärung in einer öffentlichen Urkunde genügen würde, gebe es hingegen keinerlei Anhaltspunkte.1031 Etwas Abweichendes könne daher nur bei einer besonderen partikularrechtlichen Regelung gelten, wie etwa nach I 6 § 34 CMBC, die im vorliegenden Fall aber nicht zum Tragen kommt, da der Sachverhalt nicht im Geltungsbereich des CMBC liegt.1032 Den »Umstand, daß wohl auch unter der Herrschaft des gemeinen Rechtes Schuld- und Pfandverschreibungen von Eheleuten vorkommen mögen, in welchen die Ehefrau nach vorgängiger Belehrung ohne eidliche Bestärkung auf die Rechtswohlthat der auth. si qua mulier verzichtet«, versucht der Bayerische Oberste Gerichtshof dadurch aufzulösen, dass er bei einer gemeinsamen Darlehensaufnahme – mit Teilen der Literatur1033 – schon den Charakter einer Interzession verneint.1034 Diese Entscheidung wird vor allem mit der Begründung kritisiert, dass in den gemeinrechtlichen Gebieten Bayerns ein unbeeideter Verzicht auf die Authentica Si qua mulier bislang sehr wohl an der Tagesordnung und gewohnheitsrechtlich anerkannt gewesen sei, wogegen die Auswertung der anderweitigen außerbayerischen Rechtsprechung wenig Aussagekraft besitze.1035 Zudem werde eine gemeinsame Darlehensaufnahme ganz überwiegend als Interzession angesehen.1036 Im Übrigen seien die Notare gar nicht zur Abnahme eines Eids befugt, so dass die praktische Umsetzung dieser Ent-

BayOGH, Erk. v. 13. Juli 1869, SeuffBl Bd. 34, S. 380, 380 f. BayOGH, Erk. v. 13. Juli 1869, SeuffBl Bd. 34, S. 380, 382, 384. 1031 BayOGH, Erk. v. 13. Juli 1869, SeuffBl Bd. 34, S. 380, 382 f. 1032 BayOGH, Erk. v. 13. Juli 1869, SeuffBl Bd. 34, S. 380, 383 f. 1033 Siehe oben Fn. 993. 1034 BayOGH, Erk. v. 13. Juli 1869, SeuffBl Bd. 34, S. 380, 384. 1035 RM., SeuffBl Bd. 35 (1870), S. 33, 35 ff.; PFEIFFER, Das bayerische Notariat und die authentica si qua mulier (1870), S. 12 ff.; ST., SeuffBl Bd. 35 (1870), S. 49. – Teilweise wird dieses Ergebnis auch auf Kap. 13 § 7 der Bayerischen Gerichtsordnung gestützt, wonach ein Eid nicht (mehr) die Kraft habe, eine zivilrechtlich ungültige Handlung wirksam zu machen: »da aber in den gemeinrechtlichen Bezirken auch nach Einführung der Gerichtsordnung noch tagtäglich auf die Authentica verzichtet wurde«, spreche dies für die Etablierung eines entsprechenden Gewohnheitsrechts, vgl. RM., SeuffBl Bd. 35 (1870), S. 33, 34 ff. – Kritisch dagegen aber G., SeuffBl Bd. 35 (1870), S. 87, 88 ff. 1036 RM., SeuffBl Bd. 35 (1870), S. 33, 38; PFEIFFER, Das bayerische Notariat und die authentica si qua mulier (1870), S. 6 ff., 11. 1029 1030

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scheidung weitere Schwierigkeiten aufwerfe.1037 Dieses Problem beschränke sich nicht etwa auf die gemeinrechtlichen Gebiete Bayerns, sondern strahle auf das gesamte Königreich aus: Denn die Interzession der Frau richte sich kollisionsrechtlich nach deren persönlicher Rechtsfähigkeit und nicht nach dem Ort des Vertragsschlusses oder der Belegenheit der Sache.1038 Vor diesem Hintergrund sei der Gesetzgeber gefordert, hier endlich klarstellend tätig zu werden.1039 Aus dem Notariat werden dabei Stimmen laut, die wie Pfeiffer nicht nur die künftige Abschaffung aller Interzessionsbeschränkungen fordern, sondern auch die rückwirkende gesetzliche Feststellung, dass in Bayern der Verzicht auf die Authentica schon nach geltendem (Gewohnheits-)Recht auch ohne Eid wirksam sei.1040 2. Gesetzgebung a) Preußen aa) Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 Carl Gottlieb Svarez, die maßgebliche Kraft der preußischen Kodifikation,1041 vertritt bei Beginn der Arbeiten die Auffassung, dass die Interzessionen unverheirateter Frauen keinerlei Beschränkungen mehr unterliegen sollten, da er schon die den Frauen gemeinhin unterstellte levitas als Regelungsgrund in Zweifel zieht. Nehme man wirklich eine solche levitas der Frauen an, dann drohe diese nicht nur bei der Bürgschaft, sondern auch beim Verzicht auf das SC Velleianum durchzuschlagen. Im Übrigen müssten dann auch andere risikoreiche Geschäfte denselben Beschränkungen unterworfen werden.1042 1037 PFEIFFER, Das bayerische Notariat und die authentica si qua mulier (1870), S. 18 ff. 1038 RM., SeuffBl Bd. 35 (1870), S. 33, 39. 1039 PFEIFFER, Das bayerische Notariat und die authentica si qua mulier (1870), S. 12, 21 f.; G., SeuffBl Bd. 35 (1870), S. 87, 90 f. jeweils unter Verweis auf den im Landtag gescheiterten Antrag der Kammer der Abgeordneten vom 28. Mai 1861 (s. u. Fn. 1263 ff.). 1040 Vgl. die Eingabe der Notariatskammer von Schwaben und Neuburg vom 30. Januar 1870 an die Staatsregierung und die Kammer der Abgeordneten (s. u. Fn. 1281). 1041 Vgl. hierzu WEBER-WILL, Die rechtliche Stellung der Frau im Privatrecht des Preußischen ALR (1983), S. 230 ff.; DIES., in: Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), S. 452, 456 ff. 1042 BORNEMANN, Systematische Darstellung des Preussischen Civilrechts, Bd. III, 1. Aufl. (1835), S. 516; WEBER-WILL, Die rechtliche Stellung der Frau im Privatrecht des Preußischen ALR (1983), S. 232 f. m. w. N.: »Ist die Schwäche und der Leichtsinn des weiblichen Geschlechts würklich so groß, daß man sie um deßhalb vom Bürgschaftsleisten ausschließen muß, so werden sie mit eben dem Leichtsinn, mit welchem sie die Bürgschaft übernehmen, sich auch zur Entsagung ihrer weiblichen Gerechtsamen bequemen. Was ein Bürge sey, und wohin die Verbindlichkeiten deßelben gehe, wißen wohl heut zu tage ziemlich alle Frauenzimmer, an deren Bürgschaft irgend jemanden etwas gelegen seyn kann«.

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Etwas anderes gilt seiner Ansicht nach aber für Ehefrauen, da er bei ihnen die Gefahr sieht, dass sie aufgrund von metus maritalis handeln.1043 Svarez erkennt also nur bezüglich der persönlichen Nähebeziehung zwischen Mann und Frau weiterhin einen Regelungsbedarf, während er ansonsten den vollständigen Wegfall der gemeinrechtlichen Interzessionsbeschränkungen befürwortet. Der 1784–1788 in Druck erschienene »Entwurf eines allgemeinen Gesetzbuchs für die Preußischen Staaten« (EAGB)1044 billigt zwar den Frauen grundsätzlich die gleiche Geschäftsfähigkeit zu wie den Männern.1045 Gleichwohl unterwirft er sowohl die Bürgschaften verheirateter1046 als auch die unverheirateter Frauen1047 einem besonderen, restriktiveren Regime, das in der Folge vom ALR im Wesentlichen unverändert übernommen wird. Begründet wird dies einmal mehr mit der dem weiblichen Geschlecht vorgeblich eigenen Sinnlichkeit, deretwegen es eher dazu neige, das mit der Bürgschaft verbundene Risiko auszublenden: »In der Sache selbst wird aber doch schwerlich geleugnet werden können, daß bey dem andern Geschlecht, im Ganzen genommen, ein höheres Uebergewicht von Sinnlichkeit obwalte, vermöge dessen gegenwärtige Eindrücke auf selbiges mit einer solchen Lebhaftigkeit wirken, daß die Idee entfernter, und bloß möglicher Folgen, dadurch mehr ins Dunkele gestellt wird, als nach den Regeln der Ueberlegung geschehen sollte.«1048

Folglich werde der Regelungsgehalt der entsprechenden gemein- und partikularrechtlichen Bestimmungen nun nicht etwa aufgehoben, sondern modifiziert und in eine gesetzliche Belehrungspflicht überführt: »Es liegt also gewiß nichts Unbilliges darinn, wenn das Gesetz dem schwächern Geschlecht so weit zu Hülfe kommt, daß demselben, wenn es sich in Bürgschafts-Verträgen einlassen will, die Art der dadurch übernommenen Verpflichtung, und die nachtheiligen Folgen, welche daraus entstehen können, bekannt und erinnerlich gemacht werden sollen. Man hat daher keinen überwiegenden Grund gefunden, jene Vorschriften, die nicht bloß im römischen Recht, sondern auch in speciellen Gesetzen und Constitutionen der meisten Provinzien enthalten sind, ganz aufzuheben; sondern man hat sie nur nach dem Grundsatz,

1043 BORNEMANN, Systematische Darstellung des Preussischen Civilrechts, Bd. III, 1. Aufl. (1835), S. 516; WEBER-WILL, Die rechtliche Stellung der Frau im Privatrecht des Preußischen ALR (1983), S. 233 m. w. N. 1044 Vgl. hierzu KRAUSE (Hrsg.), EAGB, Bd. 1–6 (1996–2004); GOSE / KRAUSE, Aufklärung und Gesetzgebung (1988), S. 5 ff.; BARZEN, Die Entstehung des »Entwurf(s) eines allgemeinen Gesetzbuchs für die Preußischen Staaten« von 1780 bis 1788 (1999), S. 58 ff. 1045 II 2 § 24 EAGB »Personen weiblichen Geschlechts sind, wegen der Fähigkeit Verträge zu schließen, den Mannspersonen gleich zu achten.« – Vgl. KRAUSE (Hrsg.), EAGB, Bd. 4 (2004), S. 42. 1046 I 1 §§ 229 ff. EAGB. – Vgl. KRAUSE (Hrsg.), EAGB, Bd. 1 (1996), S. 76 f. 1047 II 11 §§ 144 ff. EAGB. – Vgl. KRAUSE (Hrsg.), EAGB, Bd. 5 (2004), S. 206 f. 1048 II 11 § 273 in Anm. * EAGB (S. 501).

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welchen man als rationem legis betrachtet, zu modificiren, und unter sich selbst in mehrere Uebereinstimmung zu bringen gesucht.«1049

Auf diese Weise sollen die Mängel der bisherigen Praxis abgestellt werden, die durch Förmeleien und Umgehungsversuche geprägt ist, vor denen man nicht die Augen verschließt: »Es steht auch nicht zu leugnen, daß diese Vorschriften, so wie sie besonders nach den Erklärungen einiger angesehenen Ausleger, und einem hergebrachten Gerichtsbrauch, gemeiniglich angewendet und behandelt werden, großentheils in leere Formalitäten ausarten, unter deren Schutz viele Betrügereyen vorfallen, so wie man auf der andern Seite sinnreich gewesen ist, Schlupfwinkel zu erfinden, durch welche der ganze Zweck des Gesetzes vereitelt wird.«1050

Der – nicht zuletzt von Svarez selbst erhobene – Einwand, dass es auch andere, ähnlich gefährliche Verträge gebe, bei deren Abschluss Frauen aber keiner besonderen Restriktion unterliegen, wird mit der Begründung verworfen, dass dort, anders als bei der Bürgschaft, die Nachteile schon bei Vertragsschluss klar erkennbar seien und daher auch berücksichtigt werden könnten: »So wie übrigens durch diesen vorausgesetzten Grund des Gesetzes, der Einwand, daß es so viel andere Verträge gebe, die einer Frauensperson eben so nachtheilig, als eine Bürgschaft werden könnten, und bey deren Schließung sie doch auf eben den Fuß als eine Mannsperson behandelt werde, von selbst wegfällt; indem bey solchen Verträgen eine gegenwärtige Verpflichtung übernommen wird, mithin die Motive, den Vertrag zu schließen, oder nicht zu schließen, mit gleicher Lebhaftigkeit wirken, und also auch richtiger gegen einander abgewogen werden können«. 1051

Die Reaktionen in den Monita zum EAGB sind geteilt und reichen von ausdrücklicher Zustimmung bis hin zu völliger Ablehnung, wie vor allem in der Stellungnahme des Königsberger Geheimrats v. Hippel.1052 Wie Svarez bei der Schlussrevision betont, weicht das ALR in I 14 §§ 221 ff. vom bisherigen Rechtszustand nur dahin gehend ab, dass zum einen die Belehrung der Frau (Certioration) stets vor Gericht zu erfolgen hat und dass zum anderen danach kein ausdrücklicher Verzicht (Renunciation) mehr verlangt wird.1053 Ausgangspunkt für die letztgenannte Abweichung vom Ius commune ist einmal mehr der gemeinrechtliche Ansatz, den eigentlichen Regelungsgrund in der levitas der Frauen zu sehen, der entfalle, wenn die Frau über die rechtlichen Konsequenzen einer Bürgschaft hinreichend belehrt wird. Entscheidet II 11 § 273 in Anm. * EAGB (S. 501). II 11 § 273 in Anm. * EAGB (S. 500 f.). 1051 II 11 § 273 in Anm. * EAGB (S. 501 f.). 1052 WEBER-WILL, Die rechtliche Stellung der Frau im Privatrecht des Preußischen ALR (1983), S. 234 und 54 ff. m. w. N.; DIES., in: Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), S. 452, 458. 1053 SVAREZ, Amtliche Vorträge, in: Jahrbücher, Bd. 41 (1833), S. 50 f. 1049 1050

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sich die Frau nach einer solchen Belehrung aber trotzdem dafür, eine Bürgschaft einzugehen, verzichte sie gewissermaßen konkludent auf ihren Schutz, ohne dass es noch einer weiteren ausdrücklichen Verzichtserklärung bedürfe. Infolgedessen begnügt sich das ALR mit der Regelung der als »Verwarnung« bezeichneten Belehrung (I 14 §§ 221–225 ALR): »ad 2 wird der Grund der Römischen Theorie in der levitate et imbecillitate sexus gesetzt. Hiernach ist es genug, wenn der Frauensperson, die sich verbürgen will, die rechtlichen Folgen und Wirkungen der Bürgschaft gehörig bekannt gemacht werden, und sie dagegen hinlänglich gewarnt wird. Wenn sie alsdann gleichwohl die Bürgschaft wirklich übernimmt, so kann sie Imbecillitatem Sexus nicht mehr vorschützen; und eine ausdrückliche Renunciation auf diesen Einwand ist überflüssig.«1054

Da also im ALR keine Verzichtserklärung mehr verlangt wird, entfällt insbesondere die im Ius commune immer wieder problematisierte Frage, ob und inwieweit bei der Verzichtserklärung ausdrücklich auf das SC Velleianum (bzw. die Authentica Si qua mulier) Bezug genommen werden muss.1055 Die andere Besonderheit, dass nach dem ALR nur eine Belehrung durch den Richter genügt, ist auf die Monita zum EAGB zurückzuführen. Nach der ursprünglichen Regelung im EAGB war daneben auch die Belehrung durch einen sog. Justizkommissar zulässig,1056 der seit der vorangegangenen Reform des Verfahrensrechts bestimmte Funktionen der abgeschafften Advokatur wahrnahm.1057 Hieran wurde jedoch kritisiert, dass der Justizkommissar üblicherweise schon durch den Hauptschuldner oder den Gläubiger mit der Sache vorbefasst sei und daher keine Gewähr dafür biete, dass die Frau wirklich in hinreichender Weise belehrt werde. Mit anderen Worten – eine unabhängige Beratung (»independent advice«) sei von ihm nicht zu erwarten: »ad 1 war in dem Entwurfe des Gesetzbuchs vorgeschlagen, daß die Certioration alternativ entweder von Gerichten, oder durch einen Justizkommissarius und Notarius geschehen solle. Allein eine überwiegende Anzahl von Monenten, worunter viele Ständische waren, trug darauf an: nur gerichtliche Certiorationes zuzulassen; denn der Justizkommissarius, welcher die Certioration verrichte, sei gewöhnlich eben der, dessen der Debitor oder Creditor, oder beide gemeinschaftlich zur Prokurirung des Darlehns oder sonstigen Hauptgeschäftes, für welches intercedirt werden solle, sich bedienten; und von diesem sei wohl schwerlich zu erwarten, daß er bei seiner Certioration, um die Erreichung der Absicht des SVAREZ, Amtliche Vorträge, in: Jahrbücher, Bd. 41 (1833), S. 51. BIELITZ, Praktischer Kommentar, Bd. III (1825), zu I 14 § 224 ALR (S. 446). 1056 II 11 § 144 EAGB »Den Wittwen und ledigen Frauens-Personen müssen, bey Uebernehmung einer Bürgschaft, die rechtlichen Wirkungen und Folgen derselben, vor Gericht, oder durch einen Justitz-Commißarium erklärt, und solches unter dem Bürgschafts-Instrument verzeichnet werden.« 1057 Vgl. III 7 §§ 1 ff. Corpus Juris Fridericianum von 1781 bzw. III 7 §§ 1 ff. AGO von 1793. – Hierzu GOSE / KRAUSE, Aufklärung und Gesetzgebung (1988), S. 50 ff.; GRAHL, Die Abschaffung der Advokatur unter Friedrich dem Großen (1994), S. 119, 135 f.; BUSCH, Die Entstehung der AGO (1999), S. 83 f., 98 f., 110 f., 151 ff. 1054 1055

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Gesetzes, nämlich die Frauensperson von übereilten und schädlichen Verbürgungen zurückzuhalten, sich viele Mühe geben werde. Wegen dieses erheblich befundenen Moniti sind daher im Gesetzbuche nur gerichtliche Certiorationen zugelassen worden.«1058

Darüber hinaus wird noch die Bestimmung aufgenommen, dass die richterliche Belehrung in einer Art und Weise zu erfolgen hat, die auch für eine Laiin verständlich ist (I 14 § 224 ALR). Insoweit genügt es nicht, dass die rechtlichen Folgen in der Bürgschaftsurkunde aufgeführt werden und die Frau vor Gericht erklärt, diese selbst gelesen oder vorgelesen bekommen zu haben (I 14 § 225 ALR). Entspricht die richterliche »Verwarnung« der Frau nicht den gesetzlichen Anforderungen, steht dem Gläubiger wegen des ihm dadurch entstehenden Schadens ein Regressanspruch gegen den Richter zu (I 14 § 227 ALR). Der sachliche Anwendungsbereich der entsprechenden Bestimmungen im ALR wird gegenüber dem Gemeinen Recht zwar rein formal insoweit verengt, als nicht mehr an den Begriff der Interzession angeknüpft wird, sondern nur an den der Bürgschaft (I 14 §§ 221 ff. ALR). 1059 Allerdings wird der Geltungsbereich dieser Vorschriften ausdrücklich auch auf die Fälle erstreckt, »wo eine Frauensperson die Verbindlichkeit eines Andern auf den Fall, wenn er sie nicht selbst erfüllte, übernehmen soll« bzw. »wo die Frauensperson auf den Fall, wenn ein Andrer seine Verbindlichkeit nicht erfüllte, zu Gunsten des Berechtigten, gewisse Nachtheile übernimmt, oder gewissen Vortheilen entsagt« (I 14 §§ 228 f. ALR).1060 In Übereinstimmung mit dem Gemeinen Recht greifen die ganzen Regelungen jedoch nicht, wenn die Frau »auf ein ihr zustehendes Recht überhaupt gänzlichen Verzicht leistet« (I 14 § 231 ALR), indem sie etwa eine ihr zustehende Hypothek löschen lässt.1061 Auch der im Gemeinen Recht umstrittene Rangverzicht bei einer Hypothek wird ausdrücklich geregelt und bei der Revision des EAGB in Anlehnung an ein Reskript vom 29. November 1790 in den Anwendungsbereich mit einbezogen (I 14 § 230 ALR).1062

1058 SVAREZ, Amtliche Vorträge, in: Jahrbücher, Bd. 41 (1833), S. 51. – Hierzu ferner WEBER-WILL, Die rechtliche Stellung der Frau im Privatrecht des Preußischen ALR (1983), S. 236 in Fn. 29. 1059 So auch schon II 11 §§ 144 ff. EAGB. 1060 Vgl. im Einzelnen Preußisches Obertribunal, Erk. v. 18. Juli 1861, Entscheidungen des Obertribunals, Bd. 46 (1862), S. 107, 108 ff. (zur sog. Assignation); Erk. v. 3. Juli 1862, a. a. O., Bd. 48 (1863), S. 87, 90 (zum sog. mandatum qualificatum); Erk. v. 23. April 1869, a. a. O., Bd. 61 (1869), S. 129, 139 ff. (zur Einwilligung in die Verpfändung einer Forderung). 1061 Reskript vom 19. Februar 1802, Neues Archiv der Preußischen Gesetzgebung und Rechtsgelehrsamkeit, Bd. 2 (1803), S. 307, 310. – Vgl. BIELITZ, Praktischer Kommentar, Bd. III (1825), zu I 14 §§ 228–231 ALR (S. 447); BORNEMANN, Systematische Darstellung des Preussischen Civilrechts, Bd. III, 1. Aufl. (1835), S. 520. 1062 NCC, Bd. VIII, Nr. 70 aus 1790, Sp. 2987 f. – Vgl. BORNEMANN, Systematische Darstellung des Preussischen Civilrechts, Bd. III, 1. Aufl. (1835), S. 520 in Fn. *; GesetzRevision, Pensum XIV, Motive zu I 14 und 16 ALR (1832), S. 31, in: SCHUBERT (Hrsg.),

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Verpflichtet sich die Frau zusammen mit einem Mann »in Einem Instrumente als Selbst- oder Mitschuldner«, so wird gesetzlich vermutet, dass sie dabei nur für die Hauptschuld des Mannes bürgt (I 14 § 232 ALR).1063 Diese Vermutung ist aber disponibel, wiederum unter der Voraussetzung einer entsprechenden »Verwarnung« der Frau (I 14 § 233 ALR). In der praktischen Anwendung allerdings bereiten die beiden Vorschriften durchaus gewisse Schwierigkeiten.1064 Außerdem muss auch die Schuldübernahme (Expromission) von Frauen vor Gericht erfolgen (I 14 § 407 ALR). So soll nach der Absicht der Kodifikatoren verhindert werden, dass die gesetzlichen Regeln für Bürgschaften durch eine schlichte Umgestaltung des Geschäfts als Expromission unterlaufen werden können.1065 Der Frau wird dabei zudem das Recht eingeräumt, ihre Expromission zu widerrufen (I 14 § 408 ALR), soweit die Voraussetzungen für den Widerruf einer gerichtlich vollzogenen Schenkung »wegen Uebermaaßes« entsprechend vorliegen (I 11 §§ 1091 ff. ALR).1066

Die Rechtsfolge einer unzulässigerweise unterbliebenen »Verwarnung« besteht darin, dass die Bürgschaft »ohne rechtliche Wirkung« ist (I 14 § 226 ALR), das heißt nach zeitgenössischem Verständnis »nicht schlechterdings null und nichtig, sondern nur ungültig«.1067 Zahlt die Frau trotz »unkräftiger« Bürgschaft, so ist ihre Leistung daher kondiktionsfest und kann von ihr nicht zurückgefordert werden (I 14 § 243 ALR),1068 anders als im Gemeinen Recht, wo bei einem Bd. 3 (1983), S. 779. Ferner BIELITZ, Praktischer Kommentar, Bd. III (1825), zu I 14 §§ 228–231 ALR (S. 448 f.). 1063 So auch schon II 11 § 147 EAGB. 1064 Vgl. BIELITZ, Praktischer Kommentar, Bd. III (1825), zu I 14 §§ 232–233 ALR (S. 449); BORNEMANN, Systematische Darstellung des Preussischen Civilrechts, Bd. III, 1. Aufl. (1835), S. 523 ff.; Gesetz-Revision, Pensum XIV, Motive zu I 14 und 16 ALR (1832), S. 33 f., in: SCHUBERT (Hrsg.), Bd. 3 (1983), S. 781 f.; Reskript v. 31. Okt. 1840, Justiz-Ministerial-Blatt für die Preußische Gesetzgebung und Rechtspflege 1840, Nr. 264, S. 344, 345 f. – Ferner Preußisches Obertribunal, Plenarbeschluß v. 28. Feb. 1845, Entscheidungen des Obertribunals, Bd. 11 (1846), S. 33; Erk. v. 24. Sept. 1850, a. a. O., Bd. 20 (1851), S. 246; Erk. v. 17. Nov. 1853, Archiv für Rechtsfälle, Bd. 11 (1856), S. 322; Erk. v. 9. Dez. 1853, Entscheidungen des Obertribunals, Bd. 26 (1854), S. 273; Erk. v. 4. Mai 1854, Archiv für Rechtsfälle, Bd. 13 (1855), S. 74; Erk. v. 11. Nov. 1856, Archiv für Rechtsfälle, Bd. 23 (1857), S. 49; Erk. v. 14. Dez. 1858, Entscheidungen des Obertribunals, Bd. 40 (1859), S. 131; Erk. v. 2. Sept. 1862, a. a. O., Bd. 48 (1863), S. 101. 1065 Vgl. II 11 § 273 in Anm. * a. E. EAGB (S. 502). Ferner SVAREZ, Amtliche Vorträge, in: Jahrbücher, Bd. 41 (1833), S. 52. 1066 Im EAGB wird stattdessen noch gesetzlich vermutet, dass die Expromission einer Frau unentgeltlich erfolgt, und daher grundsätzlich auf das Schenkungsrecht allgemein verwiesen, so II 11 §§ 272 f. EAGB. – Vgl. KRAUSE (Hrsg.), EAGB, Bd. 5 (2004), S. 222. Zu den entsprechenden Monita WEBER-WILL, Die rechtliche Stellung der Frau im Privatrecht des Preußischen ALR (1983), S. 239 m. w. N. 1067 BIELITZ, Praktischer Kommentar, Bd. III (1825), zu I 14 § 226 ALR (S. 446). 1068 So auch schon II 11 § 154 EAGB.

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

Verstoß gegen das SC Velleianum keine Naturalobligation der Frau besteht und eine Rückforderung mit der condictio indebiti möglich ist.1069 Gleiches gilt für die Zahlung der Frau aufgrund einer ungültigen Expromission, die von ihr ebenfalls nicht zurückgefordert werden kann (I 14 § 411 ALR). Fällt der Gläubiger wegen der Ungültigkeit oder dem Widerruf der Expromission mit seinem Anspruch gegen die Frau aus, kann er sich – ähnlich wie bei der actio restitutoria – wieder an den ursprünglichen Schuldner halten (I 14 § 409 ALR).1070

Ausnahmen von der Belehrungspflicht bestehen, soweit die Frau ein Entgelt bzw. einen geldwerten Vorteil erhält (I 14 § 240 ALR)1071 oder einen Vorteil, »zu welchem sie außerdem kein Recht hatte« (I 14 § 241 ALR)1072.1073 Gleiches gilt für Kauffrauen (I 14 § 239 ALR)1074 im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs (II 8 §§ 488 ff. ALR).1075 Eine ähnliche Ausnahme wird auch bei der Expromission gemacht, wenn die Frau vom ursprünglichen Schuldner hierfür eine Vergütung erhalten hat (I 14 § 410 ALR).

Der Einwand der fehlenden Belehrung kann gegenüber jedem Gläubiger »ohne Unterschied seiner eigenen persönlichen Qualität« geltend gemacht werden (I 14 § 234 ALR),1076 also auch gegenüber einem minderjährigen Gläubiger,1077 so dass die entsprechende gemeinrechtliche Ausnahme nach Dig. 4, 4, 12 obsolet ist.1078 Hinfällig ist ferner die Ausnahme nach Cod. 4, 29, 22,1079 1069 SVAREZ, Amtliche Vorträge, in: Jahrbücher, Bd. 41 (1833), S. 51 f.; BORNEMANN, Systematische Darstellung des Preussischen Civilrechts, Bd. III, 1. Aufl. (1835), S. 529 in Fn. ***; Gesetz-Revision, Pensum XIV, Motive zu I 14 und 16 ALR (1832), S. 30, in: SCHUBERT (Hrsg.), Bd. 3 (1983), S. 778. – Hierzu ferner WEBER-WILL, Die rechtliche Stellung der Frau im Privatrecht des Preußischen ALR (1983), S. 236 f. 1070 Zur Genese dieser Vorschrift BORNEMANN, Systematische Darstellung des Preussischen Civilrechts, Bd. III, 1. Aufl. (1835), S. 537 f.; Gesetz-Revision, Pensum XIV, Motive zu I 14 und 16 ALR (1832), S. 58 f., 61, in: SCHUBERT (Hrsg.), Bd. 3 (1983), S. 806 f., 809. 1071 So auch schon II 11 § 152 EAGB. 1072 So auch schon II 11 § 153 EAGB. 1073 Hierzu Preußisches Obertribunal, Plenarbeschluß v. 28. Feb. 1845, Entscheidungen des Obertribunals, Bd. 11 (1846), S. 33, 39 f.; Erk. v. 27. Feb. 1860, Archiv für Rechtsfälle, Bd. 37 (1861), S. 59, 61 f. 1074 So auch schon II 11 § 151 EAGB. 1075 Hierzu Preußisches Obertribunal, Erk. v. 13. Dez. 1853, Archiv für Rechtsfälle, Bd. 11 (1856), S. 115, 116 ff. – Ferner WEBER-WILL, Die rechtliche Stellung der Frau im Privatrecht des Preußischen ALR (1983), S. 234 f., 271 ff. 1076 So auch schon II 11 § 148 EAGB. 1077 Ist umgekehrt nicht der Gläubiger, sondern die Interzedentin noch minderjährig, kommt es allein auf ihre wirksame Vertretung durch den gesetzlichen Vertreter an, ohne dass es dazu noch einer Belehrung der Minderjährigen bedarf, vgl. Preußisches Obertribunal, Erk. v. 13. Jan. 1859, Entscheidungen des Obertribunals, Bd. 40 (1859), S. 128. 1078 BORNEMANN, Systematische Darstellung des Preussischen Civilrechts, Bd. III, 1. Aufl. (1835), S. 529 in Fn. **.

IV. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert

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da die Bürgschaft selbst durch eine Wiederholung nach Ablauf von zwei Jahren nicht wirksam wird (I 14 § 244 ALR).1080 Ordnet die Frau aber in einer letztwilligen Verfügung an, die Bürgschaft zu bedienen, so wird hierin ein wirksames Vermächtnis gesehen (I 14 § 236 ALR).1081 Umstritten ist, ob eine »Verwarnung« auch dann erforderlich sei, wenn die Frau zuvor schon einmal bei anderer Gelegenheit entsprechend belehrt worden war. Während dies im EAGB noch ausdrücklich verneint wird,1082 schreibt das ALR auch in diesem Fall eine weitere Belehrung ausdrücklich vor (I 14 § 238 ALR).1083 Svarez begründet die Veränderung dieser Vorschrift in der Revisio monitorum damit, dass als ratio legis nicht die Unkenntnis, sondern die levitas der Frauen zugrundegelegt wird: »Diesen §. würde ich aufheben und das Gegentheil festsetzen, aus den von den Monenten angeführten Gründen. Nicht sowohl ignorantia, als vielmehr levitas ist der Grund der gesetzlichen Vorschriften von den Bürgschaften der Weiber.«1084

Nach diesem Verständnis wird die levitas der Frau also nicht einfach durch eine frühere Belehrung bei anderer Gelegenheit ein für allemal beseitigt, sondern sie kann situativ immer wieder auftreten und muss deshalb bezogen auf jeden Einzelfall ausgeräumt werden.1085 Nur wenige Jahre nach Inkrafttreten des ALR wird mit Reskript vom 29. September 1800 die »Verwarnung« aber aus teleologischen Erwägungen für entbehrlich gehalten, wenn die Frau gerichtlich zu Protokoll erklärt, dass sie die möglichen Folgen ihrer Bürgschaft kennt und sie diese zugleich mit eigenen Worten richtig beschreiben kann.1086 Dieses Reskript wird in den So auch schon II 11 § 155 EAGB. BIELITZ, Praktischer Kommentar, Bd. III (1825), zu I 14 § 244 ALR (S. 454). 1081 Diese Vorschrift hat noch keine Entsprechung im EAGB. – Zur Diskussion im römisch-holländischen Recht und Usus modernus s. o. Fn. 720 ff. bzw. Fn. 829. 1082 II 11 § 150 EAGB »Dagegen kann eine Frauens-Person, welche die Folgen und Wirkungen einer Bürgschaft schon in vorhergegangenen Fällen gehörig erklärt worden, die unterbliebene Wiederholung dessen einer nachher übernommenen Bürgschaft nicht entgegen setzen.« 1083 I 14 § 238 ALR »Das Unterbleiben der vorgeschriebenen Verwarnung wird dadurch nicht gerechtfertigt, daß einer Frauensperson die Folgen und Wirkungen der Bürgschaft in vorhergegangenen Fällen gehörig erklärt worden.« 1084 BORNEMANN, Systematische Darstellung des Preussischen Civilrechts, Bd. III, 1. Aufl. (1835), S. 518; WEBER-WILL, Die rechtliche Stellung der Frau im Privatrecht des Preußischen ALR (1983), S. 237 m. w. N., insbesondere zu den vorangegangenen Monita. 1085 BORNEMANN, Systematische Darstellung des Preussischen Civilrechts, Bd. III, 1. Aufl. (1835), S. 518 f. – Ähnlich zur Notwendigkeit einer erneuten Belehrung der Frau bei der wiederholten Ausstellung eines Wechsels auch schon die Entscheidung der Gesetzkommission vom 28. Nov. 1786, in: Annalen der Gesetzgebung und Rechtsgelehrsamkeit, Bd. 1 (1788), S. 289, 292 f. 1086 Neues Archiv der Preußischen Gesetzgebung und Rechtsgelehrsamkeit, Bd. 1 (1800), S. 361, 364: »[…] indem es völlig gleich ist, ob eine Frauensperson gerichtlich 1079 1080

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

Anhang des ALR aufgenommen, wobei allerdings sein Tenor dahin gehend verkürzt wird, dass es schon genüge, wenn die Frau zu Protokoll erklärt, die rechtlichen Folgen der Bürgschaft zu kennen (Anhang § 48 ALR).1087 Die Vorschriften der I 14 §§ 221 ff. ALR gelten für die Bürgschaften von Ehefrauen entsprechend (II 1 § 341 ALR).1088 Erfolgt die Bürgschaft zugunsten eines Dritten, ist die Einwilligung des Ehemanns erforderlich, soweit sich die Haftung auf das »Eingebrachte« erstreckt (II 1 § 342 ALR),1089 das heißt auf das eingebrachte Vermögen im gesetzlichen Güterstand der Verwaltungsgemeinschaft (II 1 §§ 210 ff. ALR).1090 Erfolgt die Bürgschaft für den eigenen Ehemann, ist neben der Erklärung vor Gericht auch die »Zuziehung eines ihr bestellten rechtskundigen Beystandes« notwendig;1091 Gleiches gilt ausdrücklich, falls sie »seine Schulden übernehmen, oder zum Besten seiner Gläubiger sich ihrer Vorrechte begeben will« (II 1 § 343 ALR). In diesen Fällen ist daher ebenfalls die »vorgeschriebene Verwarnung« durchzuführen (II 1 § 344 ALR).1092 – Nach der ursprünglich im ungedruckten Entwurf vorgesehenen Regelung musste zudem der nächste Verwandte der Frau hinzugezogen werden, was aber schon im EAGB certiorirt ist, oder durch eignen Vortrag vor Gericht angezeigtermaßen bewiesen hat, daß es keiner Certioration bedürfe.« 1087 Anhang § 48 ALR »Der Erklärung bedarf es in dem Falle nicht, wenn die Bürgin zum Protokolle erklärt hat, daß sie mit den rechtlichen Folgen einer übernommenen Bürgschaft bekannt sey.« – Vgl. hierzu BIELITZ, Praktischer Kommentar, Bd. III (1825), nach I 14 § 221 zu Anhang § 48 ALR (S. 444 f.); zu I 14 § 238 (S. 451); BORNEMANN, Systematische Darstellung des Preussischen Civilrechts, Bd. III, 1. Aufl. (1835), S. 519. – Ferner Preußisches Obertribunal, Erk. v. 14. März 1827, Rechtssprüche der preußischen Gerichtshöfe, Bd. 2 (1835), S. 266, 270; Erk. v. 18. Sept. 1848, Entscheidungen des Obertribunals, Bd. 17 (1849), S. 239, 242 ff. 1088 So auch schon im EAGB, allerdings regelungstechnisch nicht durch einen Verweis, sondern durch die Aufnahme ausdrücklicher Vorschriften, vgl. I 1 §§ 229 ff. EAGB. 1089 So auch schon I 1 § 231 EAGB. 1090 Hierzu WEBER-WILL, Die rechtliche Stellung der Frau im Privatrecht des Preußischen ALR (1983), S. 78 ff. 1091 Vgl. dazu Anhang § 75 ALR »An Orten, wo keine rechtsverständige Assistenten zu haben sind, können auch andere vernünftige, erfahrne und in den Geschäften des bürgerlichen Lebens nicht ungeübte Männer als Beystände der Ehefrauen in solchen Fällen zugelassen werden.« – Diese Ergänzung beruht auf einem Reskript vom 17. November 1794, NCC, Bd. IX, Nr. 96 aus 1794, Sp. 2441 f. – Zur konkreten Anwendung der Vorschrift Preußisches Obertribunal, Erk. v. 14. März 1827, Rechtssprüche der preußischen Gerichtshöfe, Bd. 2 (1835), S. 266, 270. 1092 Unterschiedlich beurteilt wird dabei das Verhältnis von II 1 § 344 ALR zu Anhang § 48 ALR: Nach einer Ansicht ist Anhang § 48 ALR auf die Interzession einer Ehefrau wegen II 1 § 344 ALR nicht anwendbar, so BIELITZ, Praktischer Kommentar, Bd. III (1825), nach I 14 § 221 zu Anhang § 48 ALR (S. 445); Bd. V (1827), zu II 1 §§ 341–344 ALR (S. 153). – Nach anderer Ansicht dagegen sehr wohl, vgl. BORNEMANN, Systematische Darstellung des Preussischen Civilrechts, Bd. III, 1. Aufl. (1835), S. 530.

IV. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert

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nicht mehr verlangt wird.1093 Auch wenn das ALR also nicht so weit geht, hier eine der cautela Bartoli vergleichbare Regelung einzuführen,1094 so wird der besonderen Nähebeziehung zwischen Mann und Frau dennoch insoweit Rechnung getragen, als zusätzlich zur gerichtlichen Belehrung überdies die Hinzuziehung eines weiteren Rechtsbeistands angeordnet wird. Auch bei der sog. Ehe zur linken Hand, die den Weg in die preußische Kodifikation findet,1095 wird genau festgelegt, nach welchen Voraussetzungen eine Bürgschaft der Frau zulässig ist: Handelt es sich um eine Bürgschaft für den eigenen Ehemann, sind dieselben Bestimmungen wie bei der regulären Ehe anzuwenden (II 1 § 901 ALR). Will sie sich für einen Dritten verbürgen, gelten die Vorschriften für unverheiratete Frauen (II 1 § 902 ALR).1096

Schließlich stellt sich bei Fällen mit Auslandsberührung die kollisionsrechtliche Frage, wie die gerichtliche »Verwarnung« der Frau dogmatisch einzuordnen ist. Zwar wird die richterliche Belehrung von Svarez in den Kronprinzenvorträgen als eines der Beispiele für gesetzliche Formvorschriften aufgeführt.1097 Die herrschende Meinung bewertet dieses Erfordernis jedoch nicht als Formvorschrift, sondern als Beschränkung der persönlichen Handlungsfähigkeit der Frau und ordnet es daher kollisionsrechtlich dem Personalstatut zu.1098 In dem für Laien verfassten »Unterricht über die Gesetze« machen Svarez und Goßler ausdrücklich auf die Besonderheiten der Bürgschaft von verheirateten wie unverheirateten Frauen aufmerksam und empfehlen dringend, sofort einen Richter einzuschalten oder zumindest entsprechenden Rechtsrat einzuholen, um in solchen Fällen eine wirksame Interzession zu gewährleisten: »Mit Frauenspersonen, sie mögen verheyrathet, oder unverheyrathet seyn, muß sich niemand in Bürgschaften außergerichtlich einlassen, sondern sich sogleich an den Richter 1093 WEBER-WILL, Die rechtliche Stellung der Frau im Privatrecht des Preußischen ALR (1983), S. 240 in Fn. 41 m. w. N. 1094 Zur cautela Bartoli s. u. Teil 2, insbesondere Fn. 135 f. 1095 Hierzu WEBER-WILL, Die rechtliche Stellung der Frau im Privatrecht des Preußischen ALR (1983), S. 162 ff. 1096 So auch schon I 1 §§ 652 f. EAGB. – Vgl. KRAUSE (Hrsg.), EAGB, Bd. 1 (1996), S. 145. 1097 CONRAD / KLEINHEYER (Hrsg.), Vorträge über Recht und Staat (1960) S. 278, 279 [fol. 221] = KRAUSE (Hrsg.), Die Kronprinzenvorlesungen 1791/1792, Teil 2 (2000), S. 647, 648 [fol. 221 r]: »Ad 2. gerichtlich müßen Verträge geschloßen werden, bey welchen eine besondre Besorgniß der Übereilung oder Übervortheilung oder ein besonders wichtiger Gegenstand ist. […] d) Bürgschaften der FrauensPersonen.« – Vgl. ferner die schriftliche Zusammenfassung bei KRAUSE (Hrsg.), a. a. O., S. 678 [fol. 77 r, v]. 1098 BORNEMANN, Systematische Darstellung des Preussischen Civilrechts, Bd. III, 1. Aufl. (1835), S. 530 ff., 533; DERNBURG, Lehrbuch des Preußischen Privatrechts, Bd. II, 1. Aufl. (1878), § 241, S. 644 in Fn. 14. Ebenso Gesetz-Revision, Pensum XIV, Motive zu I 3–6 ALR (1830), S. 65 f., in: SCHUBERT (Hrsg.), Bd. 3 (1983), S. 141 f.; Motive zu I 14 und 16 ALR (1832), S. 28 f., in: SCHUBERT (Hrsg.), a. a. O., S. 776 f. – Hierzu ferner WEBER-WILL, Die rechtliche Stellung der Frau im Privatrecht des Preußischen ALR (1983), S. 237 in Fn. 31.

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

oder wenigstens an einen Rechtsverständigen wenden; welcher ihn belehren wird, was er, besonders bey verheyratheten Frauenspersonen, zu thun habe, um die Bürgschaft derselben rechtsgültig zu machen. Diese Vorsicht muß in allen Fällen gebraucht werden, wenn eine Frauensperson zum Vortheile eines Andern eine Verbindlichkeit übernimmt, oder einem Rechte entsagt; z. E. wenn eine Ehefrau, um dem Manne Credit zu machen, seine Schuldinstrumente als Selbstschuldnerinn mit unterschreibt, sich der Vorrechte, welche die Gesetze ihrem Eingebrachten beylegen, begiebt, u. s. w.«1099

bb) Die Reformprojekte im Vormärz (Gesetzrevision) Im Zuge der 1825 begonnenen Preußischen Gesetzrevision wird erneut die Frage aufgeworfen, ob und inwieweit die Bürgschaften von Frauen einer besonderen gesetzlichen Reglementierung bedürfen. Einerseits wird sogar gefordert, die bestehenden Vorschriften noch zu verschärfen, etwa die Zustimmung der Vormundschaftbehörde zu verlangen oder nur noch Bürgschaften für »nahe Verwandte« zuzulassen. Letzteres mutet insoweit etwas eigenwillig an, als gerade in persönlichen Nähebeziehungen eine größere Gefahr droht, dass die Bereitschaft der Frau, sich zu verbürgen, unlauter ausgenutzt wird. Andererseits wird dagegen eine partielle Lockerung der Bestimmungen befürwortet, dass künftig neben der richterlichen auch eine notarielle Belehrung genügen soll. Von manchen wird aber auch vorgeschlagen, nach dem Vorbild des französischen Cc und des österreichischen ABGB alle entsprechenden Beschränkungen völlig abzuschaffen: »Jetzt ist es dagegen von mehreren Seiten in Zweifel gezogen, ob die gerichtliche Verwarnung oder Belehrung bei weiblichen Bürgschaften ein passendes Mittel sey, den angeblich zu befürchtenden Uebereilungen ein Ziel zu setzen. Einige Monenten wollen eine noch größere Beschränkung des weiblichen Geschlechts, andere eine theilweise Erleichterung oder eine gänzliche Gleichstellung der Geschlechter. So ist in Antrag gebracht, die Gültigkeit der Bürgschaft einer Frauensperson von einer Genehmigung der betreffenden vormundschaftlichen Behörde abhängig zu machen, – oder den Frauenspersonen die Bürgschaften für andere Personen als nahe Verwandte ganz zu untersagen. Andererseits ist in Antrag gekommen, auch den Notarien die Befugniß zur Aufnahme weiblicher Bürgschaften zu ertheilen; und bei den Berathungen der Deputation erhob sich vorzugsweise die Frage, ob es nicht zweckmäßiger sey, nach dem Beispiel des Französischen und Oesterreichischen Gesetzbuchs, von einer Beschränkung des andern Geschlechts in der Befugniß, Bürgschaften zu übernehmen, ganz zu abstrahiren, da sich bei den Frauenspersonen keine größere Unbesonnenheit voraussetzen lasse, und Uebereilungen für sie nicht mehr zu befürchten seyen, als für die Männer.«1100

Angesichts eines uneinheitlichen Meinungsbilds, bei dem keine der vertretenen Ansichten restlos zu überzeugen vermag, entscheiden sich die Bearbeiter freilich dafür, grundsätzlich am bestehenden Modell des ALR festzuhalten: 1099 SVAREZ / GOSSLER (Hrsg.), Unterricht über die Gesetze für die Einwohner der Preussischen Staaten (1793), S. 135 (§ 46). 1100 Gesetz-Revision, Pensum XIV, Motive zu I 14 und 16 ALR (1832), S. 27 f., in: SCHUBERT (Hrsg.), Bd. 3 (1983), S. 775 f.

IV. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert

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»Wir glauben indeß, daß auf diesem Wege, – wenn man nämlich aus allgemeinen Rücksichten nach der Zweckmäßigkeit forscht, – nimmermehr zu einem Ziele zu gelangen ist; der Gegenstand ist von der Art, daß jede Meinung etwas für sich hat, und stets ihre Vertheidiger finden wird; um zwischen diesen Meinungen zu entscheiden, gibt es keinen andern Anhalt, als denjenigen, der auf unserm Gebiete immer der sicherste ist und sich stets bewährt, so lange man sich nicht entschieden auf einem Irrwege befindet, nämlich – Festhalten an dem Bestehenden. Dies ist daher auch im vorliegenden Falle für uns das leitende Princip gewesen.«1101

Der vorgeschlagene Entwurf zur Revision des ALR beschränkt sich daher im Wesentlichen auf redaktionelle Änderungen sowie auf gewisse Straffungen der bestehenden Vorschriften, was die Bürgschaften sowohl der unverheirateten Frauen1102 angeht als auch die der Ehefrauen.1103 Hervorzuheben ist diesbezüglich die vorgeschlagene Streichung der inhaltlich misslungenen Vorschrift in Anhang § 48 ALR.1104 Des Weiteren sollte die Expromission ohne jedweden Verweis auf das Schenkungsrecht geregelt werden.1105 Diese geplanten Änderungen des ALR erlangen jedoch keine Gesetzeskraft. Gleichwohl nimmt sich das Preußische Justizministerium einige Jahre später wieder dieser Thematik an. Mit Reskript vom 31. Oktober 1840 werden die preußischen Gerichte im Geltungsbereich des ALR zur Stellungnahme aufgefordert, ob sich die gerichtliche Certioration der Frau in der Praxis bewährt habe, insbesondere, ob Frauen nach dieser Certioration überhaupt jemals von einer Interzession Abstand nehmen: »[…] über die Zweckmäßigkeit der Certioration bei Bürgschaften der Frauenspersonen im Allgemeinen und besonders über den mit Berufung auf die Erfahrung behaupteten, angeblich immer erfolglos bleibenden Einfluß einer solchen Certioration auf den Beschluß der kontrahirenden Frau gutachtlich zu äußern, auch sämmtliche größere und einige der kleineren Untergerichte zuvor zu hören und deren Ansicht in dem zu erstatteten Berichte gleichfalls anzuzeigen.«1106

Gesetz-Revision, Pensum XIV, Motive zu I 14 und 16 ALR (1832), S. 28, in: SCHUBERT (Hrsg.), Bd. 3 (1983), S. 776. 1102 Gesetz-Revision, Pensum XIV, Entwurf zu I 14 und 16 ALR (1832), S. 21 ff., in: SCHUBERT (Hrsg.), Bd. 3 (1983), S. 669 ff. – Vgl. hierzu die entsprechenden Motive zu I 14 und 16 ALR (1832), S. 27 ff., in: SCHUBERT (Hrsg.), a. a. O., S. 775 ff. 1103 Gesetz-Revision, Pensum XV, Entwurf zu II 1 ALR (1830), S. 28 f., in: SCHUBERT (Hrsg.), Bd. 5/1 (1985), S. 28 f. – Vgl. hierzu die entsprechenden Motive zu II 1 ALR (1830), S. 209, in: SCHUBERT (Hrsg.), a. a. O., S. 277. 1104 Gesetz-Revision, Pensum XIV, Motive zu I 14 und 16 ALR (1832), S. 29 f., in: SCHUBERT (Hrsg.), Bd. 3 (1983), S. 777 f. 1105 Gesetz-Revision, Pensum XIV, Entwurf zu I 14 und 16 ALR (1832), S. 39, in: SCHUBERT (Hrsg.), Bd. 3 (1983), S. 687. – Vgl. hierzu die entsprechenden Motive zu I 14 und 16 ALR (1832), S. 59 ff., 62, in: SCHUBERT (Hrsg.), a. a. O., S. 807 ff., 810. 1106 Justiz-Ministerial-Blatt für die Preußische Gesetzgebung und Rechtspflege 1840, Nr. 264, S. 344, 346 (sub I.). 1101

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

Für den Fall, dass die praktischen Erfahrungen mit der Certioration positiv sein sollten, wird in Bezug auf eine Reihe von Einzelproblemen1107 die Folgefrage aufgeworfen, ob die entsprechenden, im Zuge der Gesetzrevision gemachten Vorschläge für sinnvoll gehalten werden.1108 Das Ergebnis fällt mehr als deutlich aus. Von 23 Obergerichten sind 21 und von 286 Untergerichten sind 249 jeweils für die Abschaffung der Certioration. Nicht ganz so eindeutig aber ist das Meinungsbild hinsichtlich der Frage, ob für Interzessionen der Frauen die gleichen Bedingungen gelten sollen wie für die der Männer. Einige Gerichte äußern sich hierzu nicht. Manche sprechen sich für eine völlige Gleichstellung aus, während andere bei Frauen eine strengere Form als die bei Männern geltende Schriftform befürworten und dabei überwiegend die gerichtliche gegenüber der notariellen Form bevorzugen.1109 Das Justizministerium fertigt auf dieser Grundlage einen Gesetzentwurf, mit dem die Certioration abgeschafft werden soll. Eine völlige Gleichstellung von Mann und Frau wird dagegen nicht vorgesehen. Vielmehr soll zum Schutz der Frauen vor Übereilung die gerichtliche Form der Interzession vorgeschrieben werden. Was die Interzession der Frau für ihren eigenen Ehemann angeht, soll zudem an der Zuziehung eines Beistandes (nach II 1 § 343 und Anhang § 75 ALR) festgehalten werden. Dieser Entwurf scheitert allerdings am Staatsrat, der eine Reform zwar als zweckmäßig, aber nicht als unbedingt notwendig ansieht. 1110 cc) Das »Gesetz, betreffend die Aufhebung der besonderen, bei Interzessionen der Frauen geltenden Vorschriften« vom 1. Dezember 1869 Dem nächsten Anlauf, der vom Justizministerium 1869 unternommen wird,1111 geht eine vergleichbare Anfrage an die Appellationsgerichte in den gemeinrechtlichen Gebieten Preußens voraus: »ob ein praktisches Bedürfniß zur Abänderung der gemeinrechtlichen Beschränkungen der Bürgschaften der Frauen hervorgetreten, eventuell ob deren Aufhebung nach den jetzigen Justiz-Ministerial-Blatt für die Preußische Gesetzgebung und Rechtspflege 1840, Nr. 264, S. 344, 345. 1108 Justiz-Ministerial-Blatt für die Preußische Gesetzgebung und Rechtspflege 1840, Nr. 264, S. 344, 346 (sub II.). 1109 Vgl. die spätere Darstellung in PrLT, Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten 1869, Drucksachen, Bd. I, Nr. 21, S. 8. 1110 Vgl. die spätere Darstellung in PrLT, Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten 1869, Drucksachen, Bd. I, Nr. 21, S. 8. – Kritisch WACHLER, Zur rechtlichen Stellung der Frauen (1869), S. 7 ff., 11 ff. 1111 PrLT, Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten 1869, Drucksachen, Bd. I, Nr. 21, S. 1–14 = Anlagen zu den Stenographischen Berichten, Bd. I, S. 179–184. – Hierzu KLEIM, Der Einfluß einseitiger Interessenverfehlungen auf die Wirksamkeit von Kreditund Bürgschaftsverträgen (1997/98), S. 56 ff. 1107

IV. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert

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Verkehrsverhältnissen und dem Bildungsgrade des weiblichen Geschlechts für zweckmäßig zu erachten sei.«1112

Die Appellationsgerichte Wiesbaden, Greifswald, Ehrenbreitstein und Kiel sowie die Mehrheit des Appellationsgerichts Celle treten für die völlige Aufhebung aller gemeinrechtlichen Interzessionsbeschränkungen ein, während das Appellationsgericht Kassel und die Minderheit des Appellationsgerichts Celle an der gerichtlichen Form der Interzession für Frauen festhalten wollen. Ähnlich fällt das Echo der beteiligten Untergerichte aus.1113 Der Gesetzentwurf sieht die Aufhebung aller Interzessionsbeschränkungen sowohl des Gemeinen Rechts als auch des ALR vor und führt verschiedene Gründe hierfür an. Zunächst werden die Unterschiede der einzelnen Rechtsordnungen als Hemmnis für den Verkehr zwischen den verschiedenen Landesteilen empfunden, nicht zuletzt wegen der noch ungeklärten kollisionsrechtlichen Streitfrage,1114 ob das Heimatrecht der interzedierenden Frau oder das Recht am Ort der Interzession zur Anwendung berufen sein soll.1115 Weiterhin habe sich die Belehrung in der Praxis als wirkungslos erwiesen, da sich eine Frau so gut wie nie von der einmal ins Auge gefassten Interzession abbringen lasse.1116 Darüber hinaus führe eine Beibehaltung der Interzessionsbeschränkungen zu Widersprüchen mit anderen gesetzlichen Regelungen. Zum einen sei bei der anstehenden Reform des Hypothekenrechts geplant, gegen diese Realinterzession künftig keine Einrede bzw. Einwendung aus den Interzessionsbeschränkungen mehr zuzulassen.1117 Zum anderen sei aufgrund des ADHGB (1861), der Gewerbeordnung (1869), und des Genossenschaftsgesetzes (1868) nun ohnehin ein Großteil der Personalinterzessionen von diesen Beschränkungen ausgenommen.1118 Da Frauen nach der ADWO (1848) außerdem die allgemeine Wechselfähigkeit besäßen, könnten sie in Gestalt eines Wechsels uneingeschränkt interzedieren, ohne später noch die 1112 Vgl. PrLT, Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten 1869, Drucksachen, Bd. I, Nr. 21, S. 8 f. 1113 Vgl. PrLT, Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten 1869, Drucksachen, Bd. I, Nr. 21, S. 9. 1114 Die Frage wird erst nach Inkrafttreten des Gesetzentwurfs im Sinne der herrschenden Meinung entschieden, die auf das Personalstatut abstellt und somit an den Wohnsitz der Frau anknüpft (s. o. Fn. 1098), vgl. Preußisches Obertribunal, Erk. v. 12. Sept. 1871, Gruchot 16 (1872), S. 101, 103; Erk. v. 17. Juni 1873, Entscheidungen des Obertribunals, Bd. 70 (1873), S. 116, 120 = Archiv für Rechtsfälle, Bd. 89 (1874), S. 90, 93. 1115 PrLT, Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten 1869, Drucksachen, Bd. I, Nr. 21, S. 9 f. 1116 PrLT, Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten 1869, Drucksachen, Bd. I, Nr. 21, S. 10. 1117 PrLT, Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten 1869, Drucksachen, Bd. I, Nr. 21, S. 10 f. 1118 PrLT, Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten 1869, Drucksachen, Bd. I, Nr. 21, S. 11.

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entsprechenden Einreden und Einwendungen geltend machen zu können – wie die Begründung in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Obertribunals1119 ausführt. Einer einfachen Umgehung der Interzessionsbeschränkungen stehe somit nichts mehr im Wege.1120 Es folgen weitere altbekannte Argumente, die eine sachliche Rechtfertigung der bestehenden Interzessionsbeschränkungen weiter relativieren sollen, etwa dass andere Rechtshandlungen nicht weniger gefährlich seien als eine Interzession, ohne aber vergleichbaren Beschränkungen zu unterliegen, oder dass sich Männer noch leichtsinniger auf Bürgschaften einlassen als Frauen.1121 Hinsichtlich der »am häufigsten vorkommenden« Interzession zugunsten des eigenen Ehemanns sei das bewegliche Vermögen der Ehefrau viel stärker dadurch gefährdet, dass dieses »in den meisten hier fraglichen Landestheilen« sowieso unter der Verfügungsbefugnis ihres Ehemanns stehe.1122 Dazu zeige die schiere Menge der dort eingegangenen Interzessionen, dass die bestehenden formalen Beschränkungen keinen wirksamen Schutzmechanismus gegen den Einfluss des Ehemanns bieten würden: »Trotz der bisher zu beobachtenden Förmlichkeiten sind Bürgschaften der Ehefrauen für ihre Männer tagtäglich aufgenommen worden, worin ein genügender Beweis dafür liegen dürfte, daß die Nothwendigkeit oder der Einfluß des Mannes auf die Frau alle formelle Schwierigkeiten beseitigen wird, welche die Gesetzgebung der Bürgschaftsleistung der Frauen etwa in den Weg legt. Man kann hiernach nicht annehmen, daß die Festhaltung der gerichtlichen oder notariellen Form bei den Interzessionen der Frauen denselben einen wirksamen Rechtsschutz gewähren wird.«1123

Nach seiner Billigung durch das Preußische Staatsministerium am 14. September 18691124 und der Ermächtigung durch den König am 27. September 18691125 wird der Gesetzentwurf am 12. Oktober 1869 vom Justizminister im Preußischen Landtag eingebracht,1126 wo er auf breite Zustimmung stößt. Die Vorberatung im Haus der Abgeordneten am 22. Oktober 1869 beschränkt sich auf die Behandlung von zwei Ergänzungsvorschlägen, ohne den GesetzentSiehe unten Fn. 1390. PrLT, Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten 1869, Drucksachen, Bd. I, Nr. 21, S. 11 und 13. 1121 PrLT, Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten 1869, Drucksachen, Bd. I, Nr. 21, S. 12 f. 1122 PrLT, Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten 1869, Drucksachen, Bd. I, Nr. 21, S. 11 f. und 13. 1123 PrLT, Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten 1869, Drucksachen, Bd. I, Nr. 21, S. 13. 1124 PAETAU / SPENKUCH (Bearb.), Protokolle des Preußischen Staatsministeriums, Bd. 6/I (2004), Nr. 178, S. 152, 153. 1125 PrLT, Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten 1869, Drucksachen, Bd. I, Nr. 21, S. 1 = Anlagen zu den Stenographischen Berichten, Bd. I, S. 179 f. 1126 PrLT, Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten 1869, Stenographische Berichte, Bd. I, S. 27, 31 f. 1119 1120

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wurf als solchen irgendwie in Frage zu stellen. Dabei geht der eine Antrag des Abgeordneten v. Seydewitz dahin, neben den bislang vorgesehenen Vorschriften des ALR auch noch die Bestimmungen in I 16 § 402 ALR sowie in II 1 §§ 198–201 und § 272 ALR ausdrücklich in das Gesetz aufzunehmen. 1127 Er findet aber keine Mehrheit, da der Vertreter der Staatsregierung ausführt, dass diese Vorschriften nach dem Verständnis der Staatsregierung von der Aufhebung miterfasst seien und es sich letztlich um eine rein redaktionelle Frage handle.1128 Der andere Antrag des Abgeordneten Windthorst, das Gesetz auch auf Interzessionen zu erstrecken, die vor Inkrafttreten des Gesetzes in vorschriftswidriger Weise eingegangen wurden,1129 wird nach kurzer Diskussion als systemwidrige Rückwirkung verworfen.1130 Folglich stimmt das Haus der Abgeordneten dem Gesetzentwurf ohne jedwede Ergänzung oder Veränderung schon in der Vorberatung mit großer Mehrheit zu,1131 so dass er dergestalt auch in der Schlussberatung am 29. Oktober 1869 ohne weitere Diskussion einfach durchgewinkt wird.1132 Der Gesetzentwurf wird daher unverändert an das Herrenhaus übermittelt,1133 wo er am 15. November 1869 ebenfalls ohne größere Debatte angenommen wird.1134 Mit dem »Gesetz, betreffend die Aufhebung der besonderen, bei Interzessionen der Frauen geltenden Vorschriften« vom 1. Dezember 1869 sorgt der preußische Gesetzgeber letztlich für Rechtseinheit in dieser Frage, indem er sämtliche Interzessionsbeschränkungen nach dem Gemeinen Recht, dem ALR und den Partikularrechten beseitigt: »Die Vorschriften des gemeinen Deutschen Rechts, des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten und der provinziellen oder statutarischen Rechte, welche über die In1127 PrLT, Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten 1869, Drucksachen, Bd. I, Nr. 33/II = Anlagen zu den Stenographischen Berichten, Bd. I, S. 275, 276. 1128 PrLT, Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten 1869, Stenographische Berichte, Bd. I, S. 145, 165 f. 1129 PrLT, Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten 1869, Drucksachen, Bd. I, Nr. 35 = Anlagen zu den Stenographischen Berichten, Bd. I, S. 277. 1130 PrLT, Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten 1869, Stenographische Berichte, Bd. I, S. 145, 166 ff. – Ähnlich nach Inkrafttreten des Gesetzes auch Preußisches Obertribunal, Erk. v. 12. Sept. 1871, Gruchot 16 (1872), S. 101; Erk. v. 10. März 1873, Archiv für Rechtsfälle, Bd. 88 (1873), S. 269; Erk. v. 17. Juni 1873, Entscheidungen des Obertribunals, Bd. 70 (1873), S. 116, 121 = Archiv für Rechtsfälle, Bd. 89 (1874), S. 90, 94. 1131 PrLT, Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten 1869, Stenographische Berichte, Bd. I, S. 145, 168. – Vgl. ferner a. a. O., Drucksachen, Bd. I, Nr. 39/II = Anlagen zu den Stenographischen Berichten, Bd. I, S. 278, 279. 1132 PrLT, Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten 1869, Stenographische Berichte, Bd. I, S. 215, 219 f. 1133 PrLT, Verhandlungen des Herrenhauses 1869/70, Drucksachen, Bd. I, Nr. 16. 1134 PrLT, Verhandlungen des Herrenhauses 1869/70, Stenographische Berichte, Bd. I, S. 23, 24 f. und 38.

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terzessionen der Frauen besondere Bestimmungen enthalten, insbesondere das Senatus consultum Vellejanum, die Authentica si qua mulier, die Lex 23 § 2 Cod. ad Senat. Vellejanum (4, 29), die §§ 220 bis 244, 256, 308, 407 bis 412 Titel 14 Theil I, die §§ 273, 341, 343, 344, 891, 892 Titel 1 Theil II des Allgemeinen Landrechts, sowie die §§ 48 und 75 des Anhangs zum Allgemeinen Landrecht werden aufgehoben.«1135

Letzte Nachhutgefechte werden nach Inkrafttreten des Gesetzes noch bezüglich der Frage geführt, welche Vorschriften neben den ausdrücklich genannten nun gleichfalls hinfällig sind.1136 Umstritten ist dabei vor allem der Anwendungsbereich von II 1 § 198 ALR, wonach die Ehefrau eine Verbindlichkeit gegenüber ihrem Mann oder zu dessen Gunsten gegenüber einem Dritten nur vor Gericht wirksam eingehen kann. Nach Ansicht der Mindermeinung soll diese Vorschrift völlig unverändert fortgelten, so dass die Interzession zugunsten des eigenen Ehemanns doch der gerichtlichen Form bedürfe.1137 Die herrschende Meinung dagegen differenziert insoweit und sieht den Anwendungsbereich der Norm nur mehr dann eröffnet, wenn das betreffende Rechtsgeschäft keine Interzession darstellt.1138 Diese von der herrschenden Meinung zu II 1 §§ 198 ff. ALR vertretene Lösung wird sogar noch in den Materialien zum BGB kurz dargestellt, so in der Begründung Plancks zu dem von ihm vorgelegten Teilentwurf zum Familienrecht (1880)1139 sowie in den Motiven zum Ersten Entwurf (1888)1140.

Als Vertreter der Mindermeinung zieht v. Kräwel schon die Begründung des preußischen Gesetzgebers in Zweifel, dass sich eine Frau unter dem Einfluss ihres Mannes selbst durch die gerichtliche Form nicht von einer Interzession abbringen lasse.1141 Die praktische Erfahrung zeige im Gegenteil die WirkGesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1869, S. 1169. Als obsolet werden etwa auch die Regelungen in II 1 § 9 Nr. 7 und 8 AGO angesehen, vgl. PHILLER, Gruchot 14 (1870), S. 587 ff.; DERNBURG, Lehrbuch des Preußischen Privatrechts, Bd. II, 1. Aufl. (1878), § 66, S. 141 in Fn. 4; § 241, S. 644 in Fn. 13. 1137 Appellationsgericht Naumburg, 8. Feb. bzw. 4. März 1870, Jahrbuch für Endgültige Entscheidungen der Preußischen Appellations-Gerichte, Bd. 1 (1872), S. 125 f. bzw. S. 126 f. – KRÄWEL, Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtspflege in Preussen, Bd. 4 (1870), S. 113 ff.; DERS., Gruchot 21 (1877), S. 762. 1138 Preußisches Obertribunal, Erk. v. 24. Sept. 1876, Entscheidungen des Obertribunals, Bd. 78 (1877), S. 181. Ähnlich schon Erk. v. 7. Sept. 1871, Entscheidungen des Obertribunals, Bd. 66 (1872), S. 92 = Gruchot 16 (1872), S. 98. Ferner Appellationsgericht Magdeburg, ohne Datum, Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtspflege in Preussen, Bd. 4 (1870), S. 239. – BRETTNER, Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtspflege in Preussen, Bd. 4 (1870), S. 506 ff.; MÖLLER, Gruchot 16 (1872), S. 212 ff.; DERNBURG, Lehrbuch des Preußischen Privatrechts, Bd. I, 1. Aufl. (1875), § 48, S. 82 mit Fn. 4; § 103, S. 192; Bd. III, 1. Aufl. (1880), § 7, S. 17 f. in Fn. 8. 1139 SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. IV/1 (1983), S. 417, 426 f. (= S. 265, 274 f.). 1140 RJA (Hrsg.), Motive, Bd. IV (1888), S. 115 f. = MUGDAN (Hrsg.), Materialien, Bd. IV (1899), S. 64. 1141 Siehe oben Fn. 1123. 1135 1136

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samkeit dieses Instruments, da nicht nur die Frau die gerichtliche Form als empfindliche Barriere wahrnehme, sondern auch der Mann: »Es schmeckt sehr nach dem grünen Tisch, wenn in den Regierungsmotiven zu dem Gesetze gesagt wird: daß die Nothwendigkeit oder der Einfluß des Mannes auf die Frau alle formellen Schwierigkeiten beseitigen wird, welche die Gesetzgebung der Bürgschaftsleistung der Frauen etwa in den Weg legt. […] Indeß lehrt die Erfahrung, daß diese umständliche gerichtliche Form viele Ehefrauen von unüberlegten und gefährlichen Verfügungen zu Gunsten ihres Ehemanns abhält. Theils scheut der Ehemann die gerichtliche Einmischung und diese Veröffentlichung, theils entschließt sich die Ehefrau schwerer zu einem gerichtlichen Akt.«1142

Daneben hebt v. Kräwel besonders auf die »juristische Inkonsequenz« ab, wenn die herrschende Meinung einerseits für den Vertrag mit dem Ehemann die gerichtliche Form verlange, aber andererseits nicht für die noch viel gefährlichere Interzession.1143 Mit Blick auf die beginnenden Kodifikationsarbeiten am BGB tritt v. Kräwel daher nachdrücklich dafür ein, wieder einen Schutzmechanismus einzuführen und nach dem Vorbild des Sächsischen BGB1144 die Interzession für den eigenen Ehemann nur in gerichtlicher Form zuzulassen: »Berechtigter dürfte aber m. E. der Wunsch sein, daß unser deutsches Gesetzbuch diese Inkonsequenz dadurch beseitige, daß man für die Interzession der Ehefrau zu Gunsten ihres Ehemannes dieselben schützenden Formen vorschreibt, die für alle Rechtsgeschäfte nöthig sind, welche die Ehefrau zu ihrem Nachtheil und zu Gunsten ihres Ehemannes eingeht. Dies thun auch die §§ 1650 und 1651 des sächsischen bürgerlichen Gesetzbuchs. […] Gerade die deutsche Frau bedarf wegen ihrer zur Aufopferung geneigten Hingabe an den Gatten eines besonderen Schutzes in vermögensrechtlicher Beziehung. Derselbe kann ihr aber nur durch Anordnung der gerichtlichen Form gewährt werden.«1145

Auch Dernburg räumt ein, dass die herrschende Meinung zu II 1 §§ 198 ff. ALR im Ergebnis zu einem Wertungswiderspruch führt, und lässt deutlich seine Sympathie für eine legislative Lösung erkennen, die sowohl Interzessionen als auch andere Verträge zugunsten des eigenen Ehemanns in gleicher Weise der gerichtlichen Form unterwirft: »Es ist andrerseits nicht zu leugnen, daß dieses Vorgehen der Gesetzgebung eine Inkonsequenz enthält und daß es ein legislativer Mißgriff war, andre Verträge der Frau zu Gunsten des Mannes an die Gerichtlichkeit zu binden, hinsichtlich der Intercessionen aber diesen Schutz fallen zu lassen. Daß die Form der Gerichtlichkeit in der That für Verträge der Frau mit ihrem Ehegatten ihre guten Gründe hat und heilsam wirken kann, hat Kräwel bei Gruchot a. a. O. hervorgehoben.«1146

KRÄWEL, Gruchot 21 (1877), S. 762, 763 f. KRÄWEL, Gruchot 21 (1877), S. 762, 763. Ebenso schon DERS., Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtspflege in Preussen, Bd. 4 (1870), S. 113, 118. 1144 Siehe unten S. 260 ff. 1145 KRÄWEL, Gruchot 21 (1877), S. 762, 763 f. 1142 1143

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b) Österreich aa) Der Codex Theresianus Die 1753 in Österreich begonnenen Kodifikationsarbeiten führen 1766 zunächst zur Fertigstellung des Codex Theresianus,1147 der jedoch nie in Kraft gesetzt werden sollte.1148 Bereits in den ersten Vorarbeiten, den Anmerkungen Holgers zu Azzonis »Vorentwurf« von 1753,1149 werden die Bestimmungen, die in Niederösterreich für den Verzicht auf das SC Velleianum und die Authentica Si qua mulier gelten,1150 eingehend behandelt.1151 Der Codex Theresianus enthält ebenfalls ausführliche Regelungen zur Bürgschaft von Frauen (III 8 § 2 Nr. 16 ff.), die im Wesentlichen die gemeinrechtlichen Positionen des Usus modernus widerspiegeln,1152 wenngleich ein Mitglied der Kompilationskommission diesbezüglich »Bedenken« geäußert hatte.1153 So erstreckt sich der sachliche Anwendungsbereich der Vorschriften nicht nur auf die »persönliche Verbindung« der Frau, sondern auch auf die »Verpfändung oder Verschreibung ihres Guts« sowie die »Uebernehmung einer fremden Schuld« (III 8 § 2 Nr. 16 f.), also auf alle Formen der Personalund Realinterzession. Als Rechtsfolge wird grundsätzlich die Unverbindlichkeit der Bürgschaft festgelegt, aus der dem Gläubiger somit kein Anspruch gegen die Frau zusteht (III 8 § 2 Nr. 17). Ausnahmen werden in Anlehnung an den üblichen gemeinrechtlichen Kanon etwa in folgenden Konstellationen zugelassen: Verzicht nach gerichtlicher Belehrung (III 8 § 2 Nr. 25), arglistiges bzw. betrügerisches Verhalten der Frau (III 8 § 2 Nr. 26 f.), Verwendung der erlangten Mittel zum eigenen Nutzen der Frau oder zumindest Kostenneutralität aus ihrer Sicht (III 8 § 2 Nr. 28), Erhalt eines Entgelts (III 8 § 2 Nr. 29), Geschäfte im Rahmen eines kaufmännischen Gewerbes (III 8 § 2 Nr. 30) oder unmittelbare Erfüllung einer fremden Verbindlichkeit ohne vorangegangene Interzession (III 8 § 2 Nr. 31). 1146 DERNBURG, Lehrbuch des Preußischen Privatrechts, Bd. III, 1. Aufl. (1880), § 7, S. 18 in Fn. 8 a. E. 1147 HARRASOWSKY (Hrsg.), Codex Theresianus, Bd. I–III (1883/84). Zur für die Edition verwendeten Fassung, a. a. O., Bd. I (1883), S. 8 in Fn. 17. 1148 HARRASOWSKY, Geschichte der Codification des österreichischen Civilrechtes (1868), S. 121 ff.; DERS. (Hrsg.), Codex Theresianus, Bd. I (1883), Einleitung, S. 1, 8 ff. 1149 Vgl. hierzu NESCHWARA (Hrsg.), Die ältesten Quellen zur Kodifikationsgeschichte (2012), S. 49 ff. bzw. S. 57 ff. 1150 Siehe oben Fn. 912. 1151 NESCHWARA (Hrsg.), Die ältesten Quellen zur Kodifikationsgeschichte (2012), S. 173, 308 f. – Azzonis »Vorentwurf« selbst enthält nur knappe Aussagen zur Bürgschaft an sich, vgl. a. a. O., S. 95, 150. 1152 HARRASOWSKY (Hrsg.), Codex Theresianus, Bd. III (1884), S. 121 ff. – WESENER, in: RSJB, Tome 29 (1971), S. 673, 690; LEHNER, ZRG GA 105 (1988), 270, 285 f.; FORSTER, in: Kontinuität im Wandel 2012), S. 269, 282 ff. 1153 HARRASOWSKY (Hrsg.), Codex Theresianus, Bd. III (1884), S. 120 in Fn. 2.

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Außerdem kann eine Frau das, was sie aufgrund einer unverbindlichen Bürgschaft freiwillig geleistet hat, nicht mehr zurückfordern (III 8 § 2 Nr. 32), das heißt, der Codex Theresianus nimmt hier im Gegensatz zum Ius commune eine Naturalobligation der Frau an.1154 Übereinstimmend mit dem Gemeinen Recht können sich grundsätzlich auch die Erben der Frau noch auf die Unverbindlichkeit der Bürgschaft berufen, sofern die Erblasserin nicht durch letztwillige Verfügung die Bezahlung anordnet (III 8 § 2 Nr. 36).1155 Festzuhalten bleibt vor allen Dingen, dass ein wirksamer Verzicht die persönliche »Erinnerung« der Frau durch das zuständige Gericht (III 8 § 2 Nr. 22 ff.) voraussetzt (III 8 § 2 Nr. 20 f.). Eine notarielle Belehrung genügt nach dem Codex Theresianus insoweit nicht. bb) Der Entwurf Horten Die 1771 eingeleitete Überarbeitung des Codex Theresianus unter der Federführung von Johann Bernhard Horten wird im August 1776 wieder abgebrochen.1156 Der bis dahin erstellte sog. Entwurf Horten1157 besitzt gegenüber dem Codex Theresianus rund zwei Drittel weniger Vorschriften und somit insgesamt schon einen deutlich geringeren Umfang. Die Regelungen zur Bürgschaft von Frauen (III 8 §§ 7 ff.)1158 bleiben aber, von gewissen redaktionellen Änderungen abgesehen, inhaltlich nahezu gleich.1159 cc) Der Entwurf Martini Auch die seit 1790 unter dem Vorsitz von Karl Anton v. Martini reorganisierte Hofkommission in Gesetzsachen1160 sieht für den sog. Entwurf Martini1161 zunächst vor, grundsätzlich eine entsprechende Beschränkung beizubehalten. Nachdem bei der Beratung des Vormundschaftsrechts im Dezember 1793 ein Antrag Martinis abgelehnt worden war, gar die Mitwirkung eines von der Frau selbst ausgewählten oder vom Gericht bestellten »Anweisers« zu forLEHNER, ZRG GA 105 (1988), 270, 285. Zur Diskussion im römisch-holländischen Recht und Usus modernus s. o. Fn. 720 ff. bzw. Fn. 829. 1156 HARRASOWSKY, Geschichte der Codification des österreichischen Civilrechtes (1868), S. 125 ff., 140; DERS. (Hrsg.), Codex Theresianus, Bd. IV (1886), Einleitung, S. 1 ff., 3. 1157 HARRASOWSKY (Hrsg.), Codex Theresianus, Bd. IV (1886). Zur für die Edition verwendeten Fassung, a. a. O., Einleitung, S. 3 in Fn. 4. 1158 HARRASOWSKY (Hrsg.), Codex Theresianus, Bd. IV (1886), S. 371 ff. 1159 LEHNER, ZRG GA 105 (1988), 270, 286. 1160 HARRASOWSKY, Geschichte der Codification des österreichischen Civilrechtes (1868), S. 153 ff.; DERS. (Hrsg.), Codex Theresianus, Bd. IV (1886), Einleitung, S. 7 ff. 1161 HARRASOWSKY (Hrsg.), Codex Theresianus, Bd. V (1886). Zur für die Edition verwendeten Fassung, a. a. O., Bd. IV (1886), S. 9 in Fn. 21. 1154 1155

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dern,1162 wurde bei Frauen zumindest die gerichtliche Bestätigung der Interzession verlangt: III 15 § 15 a.F. »Insoweit Jemand giltige Geschenke machen darf, ist er auch berechtiget, Verbindlichkeiten für Andere über sich zu nehmen nur Weibspersonen sollten sich für niemand Anderen geradezu verbinden, folglich auch nichts verpfänden, noch ihren Vorrechten entsagen. Derlei Verträge sind nur damals giltig, wenn sie schriftlich verfaßt und von einem erbländischen österreichischen Gerichte bestätiget werden.«1163

Darauf sollten nach den Angaben bei Harrasowsky ursprünglich noch drei weitere Paragraphen mit einem deutlich verdichteten Regelungsgehalt folgen:1164 Vorgesehen war demnach die Pflicht der Frau, etwaige für die Interzession erhaltene Vermögensvorteile zurückzuerstatten, sowie der Verweis auf die allgemeine Haftung für »Hinterlist und Betrug«.1165 Weiterhin sollte noch einmal ausdrücklich festgestellt werden, dass die sofortige Tilgung fremder Schulden ohne vorherige Interzession zulässig ist; eine trotz ungültiger Bürgschaft erbrachte Leistung wurde als Erfüllung einer Naturalobligation betrachtet, die von der Frau grundsätzlich nicht mehr zurückgefordert werden kann.1166 Und schließlich sollte die geplante Beschränkung nicht für die Geschäfte von Kauffrauen im Rahmen ihres Handelsgewerbes gelten.1167 Dieses gegenüber den vorherigen Entwürfen deutlich verschlankte Regime wird dann jedoch auf Initiative von Felix Stupan völlig verworfen und im 1162 HARRASOWSKY (Hrsg.), Codex Theresianus, Bd. V (1886), S. 72 f. in Fn. 46: »Die Berathung vom 7. December 1793 hatte die Ablehnung eines von Martini gestellten Antrages zur Folge, nach welchem Frauen zur Uebernahme einer Bürgschaft oder zu einer Veräußerung an den Ehegatten bei sonstiger Ungiltigkeit des Geschäftes der Mitwirkung eines selbst gewählten oder vom Gerichte beigegebenen Anweisers bedürfen sollten. Man ging von der Erwägung aus, daß derartige Vorsichten nach der Erfahrung zu werthlosen Formalitäten werden, und daher überflüssig seien. Außerdem meinte man, daß es für das öffentliche Interesse gleichgiltig sei, wenn eine Frau in der Freigebigkeit gegen ihren Gatten, mit welchem sie ›ohnehin eine Person‹ ausmache, zu weit gehe.« 1163 HARRASOWSKY (Hrsg.), Codex Theresianus, Bd. V (1886), S. 221 i.V.m. Fn. 2. Vgl. ferner a.a.O, S. 162 in Fn. 1 (dazu s. u. Teil 2, Fn. 367). 1164 HARRASOWSKY (Hrsg.), Codex Theresianus, Bd. V (1886), S. 221 in Fn. 2. 1165 III 15 § »x« a.F. »Hat aber eine Weibsperson in Rücksicht auf die von ihr ohne Kraft und Wirkung übernommene Verbindlichkeit etwas empfangen, oder Vortheile bezogen, so soll sie das Empfangene zurückstellen und der erhaltenen Vortheile verlustig gemacht werden; für Hinterlist und Betrug muß ja ohnehin Jedermann haften.« 1166 III 15 § »y« a.F. »Gleichwohl ist den Weibspersonen das Recht unbenommen, eine fremde Schuld aus dem Ihrigen gleich hinaus zu zahlen, und haben sie wegen einer außergerichtlich geleisteten Bürgschaft schon etwas gezahlt, so darf es aus Abgange der gerichtlichen Bestätigung nicht zurückgefordert werden.« 1167 III 15 § »z« a.F. »Sind es Weibspersonen, denen eine Handlungsgerechtigkeit öffentlich verliehen worden ist, so sollen sie schon vermöge dieser Verleihung ohne anderweitige gerichtliche Bestätigung sich auch für Andere damals giltig verbinden dürfen, wenn es auf Geschäfte ankömmt, die mit ihrem Gewerbe in einem Zusammenhange stehen.«

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Entwurf Martini durch die schlichte geschlechtsneutrale Bestimmung der Interzessionsfähigkeit (ohne Unterschied des Geschlechts) ersetzt: III 15 § 15 »Insoweit Jemand giltige Geschenke machen darf, ist er auch berechtiget, und zwar ohne Unterschied des Geschlechts, Verbindlichkeiten für Andere über sich zu nehmen.«

Diese Regelung wird sprachlich leicht modifiziert in das Westgalizische Gesetzbuch von 1797 aufgenommen (III § 504 WGGB) und liegt dergestalt auch im sog. Urentwurf den Beratungen zur endgültigen Abfassung des ABGB zugrunde: III § 504 »In so weit Jemand gültige Geschenke machen kann, ist er auch, und zwar ohne Unterschied des Geschlechtes, berechtigt fremde Verbindlichkeiten auf sich zu nehmen.«1168

dd) Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811 Bei der Ersten Lesung des Urentwurfs ist diese Vorschrift in der Sitzung vom 7. Juli 1806 noch einmal Gegenstand einer lebhaften Diskussion.1169 Einigkeit besteht dahin gehend, der Empfehlung des Referenten Franz v. Zeiller zu folgen und an die Verfügungsbefugnis des Eigentümers anzuknüpfen statt an die Fähigkeit zu schenken.1170 Dagegen gehen die Meinungen auseinander, ob die Bürgschaft der Ehefrau für den eigenen Mann nicht doch besser einer Beschränkung unterworfen werden sollte, wie sie vom Oberösterreichischen Appellationsgericht und von zwei der vier Juristischen Fakultäten, nämlich Innsbruck und Wien, vorgeschlagen wird: »Nur die Ehegattin kann ohne vorläufige Belehrung und ausdrückliche Verzichtleistung wegen Bürgschaft für ihren Mann wider Willen nicht zur Zahlung verhalten werden.«1171

Zeiller wendet sich gegen eine derartige Ergänzung. Die hergebrachten Regelungen zur Interzession von Frauen würden gemeinhin zum einen mit deren vorgeblicher Rechtsunerfahrenheit begründet. Wenn dies aber tatsächlich noch zuträfe, dann müssten entsprechende Vorkehrungen auch für manche Männer sowie für andere ähnlich gefährliche Rechtsgeschäfte getroffen werVgl. OFNER (Hrsg.), Ur-Entwurf, Bd. I (1889), S. CXXXVI linke Sp. OFNER (Hrsg.), Ur-Entwurf, Bd. II (1889), S. 213 ff. – Hierzu BRAUNEDER, Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich (1973), S. 276 f.; LEHNER, ZRG GA 105 (1988), 270, 286 f.; VÉGH, Festschrift Mayer-Maly (2002), S. 785, 788 f.; FORSTER, in: Kontinuität im Wandel (2012), S. 269, 286 f. 1170 OFNER (Hrsg.), Ur-Entwurf, Bd. II (1889), S. 214. – Unerwähnt bleibt in diesem Zusammenhang der Vorschlag der Juristischen Fakultät Freiburg im Breisgau, die Vorschrift ersatzlos zu streichen oder zumindest den Begriff »Verbindlichkeiten« durch »Realverbindlichkeiten« zu ersetzen, vgl. SCHOTT (Hrsg.), Das Freiburger ABGB-Gutachten (2000), S. 159, 203. 1171 OFNER (Hrsg.), Ur-Entwurf, Bd. II (1889), S. 213 f. 1168 1169

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

den. Zum anderen würde auf den Leichtsinn der Frauen abgestellt und ihr Vertrauen darauf, dass es schon nicht zum Eintritt des Sicherungsfalls kommen werde. Dem könne aber selbst durch eine förmlich vorgeschriebene Belehrung nicht abgeholfen werden: »Nach dem gemeinen, bis jetzt noch bei uns beobachteten, so wie nach dem preußischen […] Rechte werde zur Giltigkeit der Bürgschaft der Frauenspersonen erfordert, daß man sie gerichtlich, oder durch Rechtsverständige auf die nachtheiligen, besorglichen Folgen aufmerksam mache. Die Vorsicht habe man theils auf die Rechtsunerfahrenheit der Weiber, theils auf ihren Leichtsinn, daß die nachtheilige Folge der Bürgschaft nicht eintreffen werde, gestützt. Wäre der erste Grund entscheidend, so müßte die Vorsicht der Belehrung auch auf viele rechtsunkundige Klassen des männlichen Geschlechtes, und noch auf viele andere bedenkliche Rechtsgeschäfte ausgedehnt werden. Die meisten Weiber wissen heut zu Tage so gut, als die Männer, wozu man sich durch eine Bürgschaft verpflichte; und eine Person, die sorglos genug ist, zu sagen, oder zu schreiben, daß sie sich verbürge, ohne sich um den Sinn des Wortes zu bekümmern, könne eben so leicht zu noch bedenklicheren Verbindlichkeiten verleitet werden. Kenne aber eine Weibsperson die Folge der Bürgschaft, ohne selbe bei der Rechtschaffenheit, oder den Vermögensumständen des Hauptschuldners zu besorgen, so werde sie auch die Förmlichkeit der Belehrung nicht davon zurückhalten.«1172

Zeiller sieht also weder in der Rechtsunerfahrenheit noch im Leichtsinn der Frauen einen hinreichenden Regelungsgrund, während die preußischen Kodifikatoren zwar ebenfalls die ignorantia verwerfen, aber immer noch auf die levitas der Frauen abstellen.1173 Zeillers Haltung stimmt insoweit jedoch mit der persönlichen Ansicht von Svarez überein, der (zu Beginn der preußischen Arbeiten) eine allgemeine levitas der Frauen aus ganz ähnlichen Erwägungen ebenfalls für wenig überzeugend gehalten hatte.1174 Ausweislich der Mitteilungen bei Ofner geht Zeiller aber mit keiner Silbe auf die besondere Nähebeziehung zwischen Mann und Frau ein, obwohl sich die beantragte Ergänzung nur auf dieses Verhältnis bezieht. Trotz ausdrücklicher Bezugnahme auf das Gemeine Recht setzt sich Zeiller in seiner Argu1172 OFNER (Hrsg.), Ur-Entwurf, Bd. II (1889), S. 214. – Ähnlich dann auch ZEILLER, Commentar, Bd. IV (1813), zu § 1349 ABGB, No 6 f.: »Die meisten Frauenspersonen von reiferem Alter waren schon bisher aus häufigen Vorfällen und Gesprächen mit den rechtlichen Folgen einer Bürgschaft genau bekannt; und junge, leichtsinnige, oder gutmüthige Frauen wurden schon vor der förmlichen Belehrung so gestimmt, daß selbe, sie mochten nun die Belehrung verstanden haben oder nicht, ohne Anstand Verzicht leisteten, und es dürften nur seltene Beyspiele aufzuweisen seyn, daß über die Belehrung eine Verzichtleistung versagt worden sey. […] und daß es eine Inconsequenz sey, gerade nur zur Gültigkeit eines einzelnen Rechtsgeschäftes (der Intercession), und nicht auch zur Gültigkeit anderer, nicht minder in ihren Folgen wichtiger, Rechtsgeschäfte, und zwar nur zu Gunsten des weiblichen Geschlechtes, nicht auch anderer, ebenfalls in den Rechten minder erfahrner Volks-Classen, eine besondere Belehrung zu fordern«. 1173 Siehe oben Fn. 1084. 1174 Siehe oben Fn. 1042.

IV. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert

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mentation lediglich mit der ratio des SC Velleianum auseinander und schweigt zur Authentica Si qua mulier. Möglicherweise geht er über den Regelungsgrund der Authentica, den selbst Svarez im metus maritalis der Frau immer noch anerkennt,1175 deshalb hinweg, weil er insoweit kein wirklich durchschlagendes Gegenargument besitzt.1176 Jedenfalls gelingt es Zeiller mit seiner Begründung drei Hofräte der Kommission (v. Aichen, v. Ehrenberg und v. Pitreich) auf seine Seite zu ziehen, die in den »Certiorationen der Frauenspersonen bei ihrer itzigen Kultur« eine reine Förmelei sehen,1177 ohne dabei zwischen einer generellen Interzessionsbeschränkung für alle Frauen und einer solchen für die Interzession zugunsten des eigenen Ehemanns weiter zu differenzieren. Hingegen sind drei andere Hofräte (v. Sonnenfels, v. Orlandini und v. Schleppel) sowie der Präsident der Hofkommission v. Rottenhan der Auffassung, dass zwar eine generelle Interzessionsbeschränkung für Frauen nicht mehr zeitgemäß sei. Etwas anderes gelte indes für die Ehefrau, die aufgrund ihrer persönlichen Nähebeziehung in besonderer Weise der Gefahr einer unlauteren Einflussnahme durch ihren Mann ausgesetzt sei und die daher sehr wohl eines gesetzlichen Schutzmechanismus wie der gerichtlichen Certioration bedürfe. Zudem lasse sich hierdurch auch mancher Ehemann von einer unüberlegten Kreditaufnahme abbringen: »Wenn eine tiefere Stufe der Geisteskultur überhaupt, und selbst der Begriffe über Recht und Giltigkeit ihrer Handlungen in Bezug auf Rechtsgeschäfte, bei dem weiblichen Geschlechte insbesondere im Vergleiche mit dem männlichen im allgemeinen nicht angenommen werden könnte; so mache doch die Betrachtung der aus so vielfältigen Verhältnissen entstandenen Abhängigkeit der Gattinnen; die den Männern so oft zukommende Leichtigkeit, schickliche Augenblicke für sich zu benützen; besonders bei der Kenntniß des Charakters ihrer Gattinnen planmäßig durch längere Zeit mit verschiedenen Mitteln an der Erreichung ihres Zweckes fortzuarbeiten; ja bei ungebildeten Ständen sich sogar gewaltthätiger Mittel zu bedienen; die Vorsicht äußerst wichtig und nothwendig, wenigstens die Gattin gegen Schmälerung ihrer Rechte zu schützen. Nicht nur, daß bei Gelegenheit der Certioration das bedrohte, geängstigte, überlistete Weib Gelegenheit hat, den gesetzlichen Schutz anzuflehen, Belehrung über ihre Rechte, und die richterliche Zusicherung in Aufrechthaltung derselben erhält, so wird schon selbst der oft nur leichtsinnig kontrahirende Mann von dem Vorhaben, ein Anlehen zu machen, wenn dieß bekannt werden sollte, abgehalten werden.«1178 Siehe oben Fn. 1043. Auch in seiner späteren Kommentierung wird zwar ausdrücklich auf die Authentica Si qua mulier hingewiesen, ohne aber deren ratio weiter zu thematisieren. Stattdessen wird bloß allgemein auf den ursprünglichen Zweck des SC Velleianum und der Belehrung abgehoben, »das in den Rechtsgeschäften gewöhnlich minder erfahrne weibliche Geschlecht vor Nachtheil zu sichern«, vgl. ZEILLER, Commentar, Bd. IV (1813), zu § 1349 ABGB, No 4 ff., 6. 1177 OFNER (Hrsg.), Ur-Entwurf, Bd. II (1889), S. 214. 1178 OFNER (Hrsg.), Ur-Entwurf, Bd. II (1889), S. 215. 1175 1176

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So klar und deutlich hier angesprochen wird, wie die persönliche Nähebeziehung der Frau zu ihrem Mann (special relationship) typischerweise von diesem ausgenutzt werden kann, wäre eigentlich eine Replik Zeillers zu erwarten, warum er insoweit trotzdem keine besondere Regelung für notwendig hält. Végh sieht in dieser Diskussion freilich »geradezu absurde Argumente«.1179 Näher an der Lebenswirklichkeit des frühen 19. Jahrhunderts – wie auch an der heutigen – dürfte aber wohl die Einschätzung von Rottenhan hierzu sein: »Daß die meisten Nationen gleiche Vorschriften aufstellen, gebe zwar keinen unumstößlichen rechtlichen, aber doch hinlänglichen, in der philosophischen Menschenkenntnis gegründeten Beweis dafür.«1180

Ausschlaggebend ist somit die Haltung des neunten Kommissionsmitglieds v. Lyro, der wiederum für die Beibehaltung der generellen gemeinrechtlichen Interzessionsbeschränkung für Frauen eintritt, da seiner Meinung nach weniger die Ehefrauen als solche gefährdet seien, als vielmehr alle Frauen an sich: »v. Lyro hielt alle angeführten Bedenklichkeiten nicht sowohl auf die Bürgschaften der Ehegattinnen für ihre Gatten, als vielmehr des Frauengeschlechtes für Männer überhaupt anpassend. Er erklärte erstere bei weitem weniger der Ueberlistung, Bedrohung, oder durch Gewalt erreichten Abhängigkeit ihrer Männer, als letztere einer aus so manchen Triebfedern entstandenen Schwäche gegen andere Männer ausgesetzt, und fände daher gerade diese der gesetzlichen Aufmerksamkeit besonders anzuempfehlen.«1181

Bei der Abstimmung votiert v. Lyro deshalb dagegen, (nur) bei der Bürgschaft von Ehefrauen eine Certioration vorzuschreiben, so dass dieser Vorschlag knapp mit vier zu fünf Stimmen keine Mehrheit findet. Die von ihm selbst befürwortete Einführung einer Certioration bei allen Bürgschaften von Frauen wird wiederum von allen anderen Kommissionsmitgliedern abgelehnt.1182 Wären die beiden Vorschläge nicht in dieser Reihenfolge (wie sie die Darstellung bei Ofner impliziert), sondern anders herum zur Abstimmung gestellt worden, hätte v. Lyro vielleicht nach der Ablehnung seines umfassenden, auf alle Frauen bezogenen Ansatzes zumindest die aus seiner Sicht »verkürzte« Lösung für Ehefrauen unterstützt. Insofern mag Zeiller als Referent auch taktisches Geschick bei der Durchsetzung seiner Position bewiesen haben.

VÉGH, Festschrift Mayer-Maly (2002), S. 785, 789. OFNER (Hrsg.), Ur-Entwurf, Bd. II (1889), S. 215. 1181 OFNER (Hrsg.), Ur-Entwurf, Bd. II (1889), S. 215. – LEHNER, ZRG GA 105 (1988), 270, 287 scheint hier das Pronomen »letztere« auf die (Ehe-)Männer zu beziehen; dabei dürfte es sich wohl um ein Missverständnis handeln, denn bei der Abstimmung befürwortet v. Lyro als einziger die Aufnahme allgemeiner Interzessionsbeschränkungen für alle Frauen. 1182 OFNER (Hrsg.), Ur-Entwurf, Bd. II (1889), S. 215. 1179 1180

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Im Ergebnis bleibt es somit bei der von Zeiller vorgesehenen Fassung, die dergestalt in das ABGB von 1811 Eingang findet:1183 § 1349 ABGB »Fremde Verbindlichkeiten kann ohne Unterschied des Geschlechtes jedermann auf sich nehmen, dem die freye Verwaltung seines Vermögens zusteht.«

In seinem »Vortrag zur Einführung in das Bürgerliche Gesetzbuch« vom 19. Januar 1808 (mit dem der Revidierte Entwurf des ABGB dem Kaiser vorgelegt wird) stellt Zeiller schließlich noch einmal klar heraus, dass sich das österreichische ABGB insoweit sowohl vom römischen Recht als auch vom preußischen ALR unterscheidet, während es mit dem französischen Code civil übereinstimmt, der ebenfalls keine Certioration bei der Bürgschaft von Frauen verlangt.1184 Nach Zeillers Verständnis erstreckt sich § 1349 ABGB dabei nicht nur auf die Bürgschaft, sondern auf alle Formen der Interzession,1185 und hat, was die Interzessionsfähigkeit der Frau betrifft, in erster Linie eine klarstellende Funktion.1186 c) Frankreich In den Gebieten Frankreichs, in denen es noch gilt,1187 wird das SC Velleianum durch die Revolutionsgesetzgebung beseitigt.1188 Infolgedessen wird es schon in den Vorentwürfen für eine zivilrechtliche Kodifikation nicht mehr behan-

Der Wortlaut bleibt vom sog. Entwurf Erster Lesung (III § 475) über den sog. Revidierten und Superrevidierten Entwurf (§ 1327) bis zum ABGB unverändert, vgl. OFNER (Hrsg.), Ur-Entwurf, Bd. II (1889), S. 215 in Fn. 1 und S. 805. 1184 OFNER (Hrsg.), Ur-Entwurf, Bd. II (1889), S. 465, 487 ff. Vgl. ferner ZEILLER, Commentar, Bd. IV (1813), zu § 1349 ABGB, No 7 in Fn. * (S. 14). – Es bleibt unklar, warum Zeiller aber in der Sitzung vom 7. Juli 1806 vorgetragen haben soll, dass eine solche Certioration auch nach dem »französischen Rechte« erforderlich sei, so aber die Darstellung bei OFNER (Hrsg.), a. a. O., Bd. II (1889), S. 214. 1185 ZEILLER, Commentar, Bd. IV (1813), zu § 1349 ABGB, No 1: »Die Vorschrift lautet allgemein, nicht bloß von der Bürgschaft, sondern von jeder Erklärung, wodurch man eine fremde Verbindlichkeit auf sich nimmt (Intercession), es sey als Bürge, als Mitschuldner, Zahler, oder Uebernehmer«. 1186 ZEILLER, Commentar, Bd. IV (1813), zu § 1349 ABGB, No 3. 1187 Vgl. hierzu MERLIN, Art. »Sénatus-consulte Velléien«, Répertoire, Tome 30 (1828), S. 348 ff., 356 mit zahlreichen Beispielen aus der Judikatur des Ancien Régime. 1188 GARAUD, La Révolution et l’Égalité Civile (1953), S. 179; GARAUD / SZRAMKIEWICZ, La Révolution Française et la Famille (1978), S. 172. Soweit dies in manchen Gebieten erst durch das sukzessive Inkrafttreten des Code civil geschieht, stellt sich die Frage, auf welche seiner Vorschriften insoweit abzustellen ist, vgl. MERLIN, Art. »Sénatusconsulte Velléien«, Répertoire, Tome 30 (1828), S. 348, 363 f.; DERS., Art. »Effet rétroactif«, a. a. O., Tome 10 (1826), S. 1, 66 ff. 1183

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delt. So geht Cambacérès in keinem seiner drei Entwürfe beim Bürgschaftsrecht etwa auf Interzessionsbeschränkungen für Frauen ein.1189 Auch das Projet der Regierungskommission sieht im Bürgschaftsrecht zunächst keine Regelung zur Bürgschaftsfähigkeit vor (III 5 Art. 1 ff.).1190 Das Appellationsgericht in Grenoble wirft daher die Frage auf, ob ledige, verwitwete und geschiedene Frauen eine Bürgschaft für einen anderen eingehen können oder ob es ihnen mit Blick auf die »Schwäche ihres Geschlechts« (la faiblesse de leur sexe) nicht untersagt sein sollte.1191 Anlässlich der Beratung des Titels zu den Eheverträgen (Du contrat de mariage et des droits respectifs des époux) verweist Tribun Carion-Nisas am 9. Februar 1804 sogar noch einmal ausdrücklich auf das SC Velleianum, dessen positive Auswirkungen auf den Schutz des Familienvermögens ein Abgeordneter aus Lyon noch am Vortag ihm gegenüber betont habe.1192 Bei gründlicher Beobachtung habe dieses sachlich durchaus seine Berechtigung: Denn obwohl Frauen mindestens ebenso auf den Erhalt des Vermögens bedacht seien wie Männer, gingen sie mit Blick auf die Zukunft häufig Verpflichtungen und Risiken ein, die sie nicht auf sich nehmen würden, wenn sie sofort zu bedienen wären.1193 Im französischen Diskurs zum Code civil findet 1189 Vgl. FENET (Éd.), Recueil complet, Tome I (1827), S. 17, 68 f. (III 1 Art. 31 ff. Premier Projet); S. 110, 125 (III 3 Art. 159 ff. Deuxième Projet); S. 178, 282 ff. (III 3 Art. 754 ff. Troisième Projet). – Jacqueminot behandelt in seinem Projet von 1799 das Bürgschaftsrecht überhaupt nicht, sondern nur einige wenige Titel. Vgl. FENET (Éd.), a. a. O., Tome I (1827), S. 333 ff. (Du Mariage); S. 343 ff. (Des Majeurs et de l’Interdiction); S. 350 ff. (Des Mineurs, de la Tutelle et de l’Émancipation); S. 368 ff. (Des Donations entre-vifs et à cause de mort); S. 395 ff. (Des Successions); S. 432 ff. (Des Droits respectifs des Époux). 1190 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome II (1827), S. 206 ff. 1191 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome III (1827), S. 528, 571: »Le titre V ne présente aucune disposition relative à la question de savoir si les filles, les veuves et les femmes divorcées peuvent cautionner pour autrui. L’intérêt et la faveur dus à la faiblesse de leur sexe n’exigeraient-ils pas qu’il leur fût prohibé de cautionner pour autrui, ou, tout au moins, avant l’àge de vingt-cinq ans accomplis? On demande à cet égard une décision quelconque.« 1192 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome XIII (1827), S. 767, 784 = LOCRÉ (Éd.), Législation, Tome 13 (1828), S. 398, 418: »Sous Henri IV seulement, et après les plus grands désordres des guerres civiles, un édit royal abrogea en plusieurs endroits l’autorité du sénatus-consulte Velleien, qui jusque là faisait loi en cette matière. Hier encore j’entendais un homme grave, un député de Lyon regretter le temps où son intéressante cité était régie par ce sénatus-consulte dont les dispositions sont protectrices des familles.« 1193 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome XIII (1827), S. 767, 784 f. = LOCRÉ (Éd.), Législation, Tome 13 (1828), S. 398, 418: »Ce sénatus-consulte fameux est fort court, et donne une seule raison fort simple des dispositions qu’il statue; mais cette raison est prise dans la nature, et les commentateurs la font valeur avec beaucoup de sagacité. C’est en effet un aperçu qui n’a point échappé aux esprits observateurs, que les femmes aussi affectionnées au moins à la conservation de la chose domestique que les hommes, mais ayant

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sich also noch die typische Argumentation zur ratio des SC Velleianum, auch wenn dieses dort keine Aufnahme mehr findet.1194 Die Bürgschaftsfähigkeit wird schließlich im Entwurf bei den Voraussetzungen einer vom Schuldner zu stellenden Bürgschaft behandelt und mit der Vertragsfähigkeit (capacité de contracter) gleichgesetzt (III 5 Art. 8).1195 Abgesehen von einer kleinen sprachlichen Glättung bleibt diese Vorschrift im Folgenden unverändert,1196 so dass sie als Art. 2018 Cc am 14. Februar 1804 (24 Pluviose An XII) angenommen wird: Art. 2018 Cc »Le débiteur obligé à fournir une caution doit en présenter une qui ait la capacité de contracter […]«

Unverheiratete Frauen können somit ohne Einschränkungen Bürgschaften bestellen, wie sie auch sonst nach Art. 1123 Cc Verträge abschließen können.1197 Verheiratete Frauen sind dagegen nach Art. 1124 Cc nur beschränkt vertragsfähig und bedürfen nach Art. 217 Cc einer Ermächtigung ihres Ehemanns. Nur wenn diese vorliegt, kann eine Ehefrau sich also wirksam verbürgen. Dass die betreffende Interzession dabei womöglich dem eigenen Ehemann zugute kommt und dieser die Ermächtigung im wohlverstandenen Eigeninteresse erteilt, wird ganz überwiegend hingenommen.1198 Obwohl plutôt les précautions actuelles et la prudence du moment que la lointaine prévoyance de l’avenir, engageront souvent avec légéreté, hypothéqueront avec trop de complaisance le même bien qu’elles ne consentiraient ni à dissiper ni à vendre sur le champ.« 1194 Hinweise auf die unterbliebene Aufnahme des SC Velleianum ferner bei ZACHARIÄ, Handbuch, Bd. I (1837), § 81, S. 189 f. in Fn. 3; Bd. II (1837), § 424, S. 527 in Fn. 2. 1195 Vgl. FENET (Éd.), Recueil complet, Tome XV (1827), S. 3, 5. = LOCRÉ (Éd.) Législation, Tome 15 (1828), S. 283, 285. 1196 Vgl. FENET (Éd.), Recueil complet, Tome XV (1827), S. 3, 9 f. (Sitzung v. 8. Dez. 1803 = 16 Frimaire An XII); S. 24, 25 (Sitzung v. 22. Dez. 1803 = 30 Frimaire An XII); S. 26, 28 (Communication officieuse); S. 31, 32 (Rédaction définitive du Conseil d’État); S. 37, 39 (Présentation au Corps-législatif); S. 46, 50 (Communication officielle au Tribunat); S. 72, 80, 90 (Discussion devant le Corps Législatif). – Ferner LOCRÉ (Éd.), Législation, Tome 15 (1828), S. 283, 288 f.; S. 307, 308; S. 310, 313; S. 317; S. 317, 324; S. 332, 339 f.; S. 367, 380. 1197 Die Vorschrift fehlt noch im Entwurf und wird erst im Zuge der Communication officieuse zur Klarstellung aufgenommen. Vgl. FENET (Éd.), Recueil complet, Tome XIII (1827), S. 3, 7, 49 f. (Sitzung v. 3. Nov. 1803 = 11 Brumaire An XII); S. 121, 123 (Sitzung v. 8. Dez. 1803 = 16 Frimaire An XII); S. 143, 145 (Communication officieuse); S. 170, 174 (Rédaction définitive du Conseil d’État); S. 215, 225 (Présentation au Corpslégislatif); S. 312, 316 (Communication officielle au Tribunat); S. 413, 418, 449 (Discussion devant le Corps Législatif). – Ferner LOCRÉ (Éd.), Législation, Tome 12 (1828), S. 89, 96, 135 f.; S. 223, 226; S. 248, 259; S. 288 f.; S. 289, 321; S. 416, 426; S. 545, 555. 1198 SIREY, Code civil annoté (1821), Art. 217 No 14: »Est valable l’autorisation donnée par le mari à sa femme de contracter avec un tiers, encore même qu’en résultat l’obligation de la femme doive tourner au profit du mari.« – Ebenso PAILLIET, Manuel de droit français

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damit an sich ein typischer Fall der Interessenkollision naheliegt, bei dem eine wirksame Ermächtigung nicht in Betracht kommt (nemo in suam rem auctor fieri potest), unterliegt der Ehemann im französischen Recht hier keiner Einschränkung.1199 Denn die Ermächtigung wird als Ausfluss seiner umfassenden Verfügungsgewalt begriffen und nicht etwa als Regelungsinstrument im Interesse der Frau, da der Code civil keine »Schwäche des Geschlechts« unterstelle und folglich auch keine allgemeine Geschlechtsvormundschaft kenne.1200 Eine »Schwäche«, die nicht auf dem Geschlecht, sondern auf einem Abhängigkeitsverhältnis oder einer Nähebeziehung beruht, kann bei diesem Ansatz indessen keine Rolle spielen. d) Baden Dem von Johann Nikolaus Friedrich Brauer redigierten Badischen Landrecht von 1810 liegt ebenfalls der Code civil zugrunde, dessen Aufbau und Zählung der Artikel (als Säze) beibehalten werden. Allerdings beschränkt sich Brauer dabei nicht auf eine bloße Übersetzung, sondern fügt darüber hinaus 270 ergänzende Zusäze ein, um es den Verhältnissen des Landes anzupassen.1201 So werden etwa im Ersten Buch dem Elften Titel (»Von der Volljährigkeit, Entmündigung und Mundtodtmachung«) die Sz. 515a–515k als ein eigenes Viertes Kapitel »Von der Geschlechts-Beystandschaft« angehängt.1202 Im Bürgschaftsrecht regelt Sz. 2018 hingegen die Bürgschaftsfähigkeit in völliger Übereinstimmung mit Art. 2018 Cc und setzt lediglich die allgemeine Vertragsfähigkeit voraus, ohne dass insoweit Ergänzungen vorgenommen werden: Sz. 2018 »Der Bürge, den ein Schuldner stellen will, muß vertragsfähig seyn […]«

(1820), Art. 217 Cc, Note b No 10: »L’autorisation donnée par le mari à sa femme, de contracter avec un tiers, est valable, encore même qu’en résultat l’obligation de la femme dût tourner au profit du mari.« – Ferner MERLIN, Art. »Sénatus-consulte Velléien«, Répertoire, Tome 30 (1828), S. 348, 364 ff. 1199 ZACHARIÄ, Handbuch, Bd. III (1837), § 472, S. 69 in Fn. 3 i.V.m. S. 74: »Dahingegen ergiebt sich schon aus dem Rechtsgrunde, auf welchem die Nothwendigkeit der Autorisation beruht, daß die Frau auch in den Fällen von dem Manne autorisirt werden kann, in welchen das Geschäft zugleich oder allein das Interesse des Mannes betrifft.« 1200 ZACHARIÄ, Handbuch, Bd. III (1837), § 472, S. 68 f.: »Der Grund, aus welchem die Frau zu ihren Rechtsgeschäften der Autorisation des Mannes bedarf, ist nicht das Interesse der Frau, (nicht die Schwäche des Geschlechts,) indem sonst auch unverheirathete Frauen unter einer Geschlechtsvormundschaft stehen müßten, sondern das Interesse des Mannes«. 1201 Zur Entstehung SCHUBERT, Französisches Recht in Deutschland (1977), S. 193 ff., 323 ff. Zu Brauer vgl. WÜRTZ, in: 200 Jahre Badisches Landrecht (2011), S. 37 ff. Zur Sprache vgl. DEUTSCH, a. a. O., S. 245 ff. 1202 Siehe oben Fn. 940.

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Wie Brauer in seinen Erläuterungen klarstellt, sind damit nun im gesamten Großherzogtum die gemeinrechtlichen Interzessionsbeschränkungen für Frauen obsolet, die auf dem Gebiet des 1803 gebildeten Kurfürstentums Baden sowieso schon aufgehoben worden waren. Zu beachten sind allerdings die Anfordungen, die das Landrecht mit Blick auf die cura sexus bzw. die cura maritalis aufstellt. Das heißt, unverheiratete Frauen benötigen die Zustimmung ihres Geschlechtsbeistands nach Sz. 515a und verheiratete die Ermächtigung ihres Ehemanns nach Sz. 1124 i.V.m. Sz. 217: »Daher können a) ledige und verheyrathete Frauenspersonen so gut als Mannspersonen zu Gunsten aller Personen und in allen Fällen, wo sie schenken können, auch Bürgen werden; die römischen Einschränkungen aus dem Senatusconsulto Vellejano und der Authentica: si qua mulier fallen weg, die ohnehin in jenem Theil der Lande des Großherzogthums, welche vorhin das Kurfürstenthum ausmachten, schon außer Kraft gesezt waren, […] nur müssen die Ehefrauen dazu ehevogtliche Bewilligung, die ledigen Frauenzimmer aber beyständliche Zustimmung, oder in deren Ermangelung beede die gerichtliche Ermächtigung haben.«1203

Obwohl Brauer den alten gemeinrechtlichen Anfordungen für Interzessionen von Frauen eher skeptisch gegenübersteht, stellt er auf dem Boden der Geschlechtsvormundschaft ganz ähnliche Voraussetzungen auf, als er bei Unverheirateten eine Beratung durch den Geschlechtsbeistand verlangt bzw. bei Verheirateten eine Ermächtung durch den Ehemann. Ist dieser selbst beteiligt, soll eine Ermächtigung durch das Gericht erforderlich sein.1204 Mit diesem Modell kehrt Brauer aber in der Sache gleichsam durch die Hintertür wieder zu ganz ähnlichen Beschränkungen zurück wie im Gemeinen Recht.1205 Da das Landrecht selbst aber keine nähere Regelung für den Fall trifft, dass die Frau im Interesse ihres Mannes interzediert, ist umstritten, ob hier eine Ermächtigung durch den Ehemann genügt oder ob es der Bestellung eines besonderen Beistands bedarf, insbesondere mit Blick auf die überkommenen Ausführungsbestimmungen in der Beistandsordnung von 1804 bzw. 1808 (§§ 9–11 bzw. §§ 5–6).1206 Nach einer Ansicht soll die Ermächtigung durch den BRAUER, Erläuterungen, Bd. IV (1810), zu Sz. 2012, No 7. BRAUER, Erläuterungen, Bd. V (1811), §§ 945–949 (S. 364): »Die Unwirksamkeit der weiblichen Bürgschaft mit allen denen zu ihrer Bestärkung und zu ihrer Umgehung erfundenen VorsichtsGedingen fallen weg, da alle Bürgschaften der Frauenspersonen jezt, gleich jenen der Männer, gelten, sobald die den Ehefrauen fehlende Rechtsmächtigkeit durch ihren Ehemann, oder, wo dieser mitbetheiligt ist, durch Gerichtsermächtigung, Sz. 219, 222, sodann im Badischen auch bey allen ledigen und verwittibten Frauenspersonen durch geschlechtsbeystandschaftliche Berathung, Sz. 515a ersezt ist.« – Ähnlich, wenngleich in anderem Zusammenhang DERS., a. a. O., Bd. III (1810), zu Sz. 1427, No 39 a. E. 1205 Skeptisch im Ergebnis auch schon KETTENNAKER, Archiv für die Rechtspflege und Gesetzgebung, Bd. 1 (1830), S. 39, 48 f. 1206 Kur-Badisches Regierungs-Blatt 1804, Nr. 8, S. 41 f.; Nr. 9, S. 49–51; Nr. 10, S. 53 f.; Regierungs-Blatt für das Großherzogthum Baden 1808, Nr. 3, S. 19–23. – Hierzu RABAA, Die Ehe als Rechtsinstitut im Badischen Landrecht (2011), S. 91 ff., 101 f., 145 f. 1203 1204

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Ehemann genügen, da auch das französische Recht keine gerichtliche Ermächtigung in solchen Fällen vorsehe.1207 Die Gegenansicht räumt zwar ein, dass dies der französischen Rechtslage entspreche; nach badischem Recht sei jedoch eine Beratung der Frau durch einen besonderen Beistand vorgeschrieben.1208 Weil niemand eine wirksame Genehmigung erteilen könne, wenn seine eigenen Interessen betroffen seien (nemo auctor esse potest in rem suam), müsse das Gericht an Stelle des Ehemanns die Ermächtigung erteilen.1209 Dieser Streit wird freilich gegenstandslos, als mit Gesetz vom 28. August 1835 die Geschlechtsbeistandschaft (Art. 1) aufgehoben und zugleich klargestellt wird, dass Ehefrauen einer gerichtlichen Ermächtigung nur dann bedürfen, wenn dies im Landrecht selbst so vorgesehen ist (Art. 3).1210 Damit tritt in Baden in dieser Frage endgültig die gleiche Rechtslage ein wie in Frankreich, die aber schon von Zeitgenossen kritisch gesehen wird: »Denn die französische Jurisprudenz räumt dem Ehemann offenbar eine zu große Gewalt ein, wenn sie demselben erlaubt, seine Frau zu Handlungen, die seinen eigenen Vortheil bezwecken, selbst zu autorisiren. Die Frau ist ihrem Manne Gehorsam schuldig, er ist aber verpflichtet, sie zu schützen, damit ihre Interessen nicht verletzt werden. Aus welchem Princip man auch diese Tutel ableiten mag, so ist von der Mehrheit der Männer nicht zu erwarten, daß sie in Collisionsfällen ihr eigenes Interesse dem ihrer Frauen nachsetzen, oder nur auf den gemeinschaftlichen Nutzen bedacht seyn werden. Nach Aufhebung der Geschlechts-Vormundschaft und der sogenannten weiblichen Rechtswohlthaten ist aber der Rekurs an den Richter das einzige Mittel, die Frauen und ihre Interessen vor dem Mißbrauche der ehemännlichen Gewalt zu schützen«.1211

e) Bayern aa) Die Entwürfe für eine bayerische Zivilrechtskodifikation In Bayern kommt es von der Erhebung zum Königreich (1806) bis zur Reichsgründung (1871) zu insgesamt sechs Entwürfen für eine Zivilrechtskodifikation, von denen gleichwohl keiner in Kraft gesetzt wird.1212 Der vier1207 BEKK, Archiv für die Rechtspflege und Gesetzgebung, Bd. 1 (1830), S. 56, 58 f., 61 f.; ANONYM, Archiv für die Rechtspflege und Gesetzgebung, Bd. 2 (1832), S. 305, 306 f. 1208 MERK, Archiv für die Rechtspflege und Gesetzgebung, Bd. 1 (1830), S. 402, 403, 407; EISENLOHR, Archiv für die Rechtspflege und Gesetzgebung, Bd. 2 (1832), S. 293, 299, 304; 1209 EISENLOHR, Archiv für die Rechtspflege und Gesetzgebung, Bd. 2 (1832), S. 293, 296, 300 f. 1210 Großherzoglich Badisches Staats- und Regierungs-Blatt 1835, Nr. 38, S. 233. RABAA, Die Ehe als Rechtsinstitut im Badischen Landrecht (2011), S. 145. 1211 So EISENLOHR, Archiv für die Rechtspflege und Gesetzgebung, Bd. 2 (1832), S. 293, S. 304 f. in Fn. 13 noch im Vorfeld des Gesetzes v. 28. Aug. 1835. 1212 DÖLEMEYER, Ius Commune 5 (1975), 138 ff.; DIES., in: Coing (Hrsg.), Handbuch, Bd. III/2 (1982), S. 1440, 1472 ff.

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te, von Nikolaus Thaddäus v. Gönner im Jahre 1826 begonnene Entwurf bleibt unvollendet und ist heute nicht mehr auffindbar,1213 so dass er vorliegend außer Betracht bleiben muss. (1) Der Entwurf Feuerbachs von 1808/09 Der erste von Paul Johann Anselm v. Feuerbach alleine erstellte Entwurf eines »Allgemeinen Bürgerlichen Gesezbuchs für das Königreich Baiern« von 1808/091214 orientiert sich grundsätzlich am Code civil.1215 Im Bürgschaftsrecht dieses Entwurfs (Buch III Titel 14) findet sich daher keine unmittelbar an das Geschlecht anknüpfende Beschränkung der Bürgschaftsfähigkeit. Besondere Regeln gelten allerdings für die verheiratete Frau.1216 Eine Bürgschaft für einen Dritten ist nur mit Einwilligung ihres Ehemanns oder mit gerichtlicher Genehmigung möglich, eine Interzession für den eigenen Mann nur mit gerichtlicher Genehmigung und vorherigem Gutachten des »Familienraths«: Art. 2134 »Jede Person, welche sich zu verpflichten fähig ist, kann eine Bürgschaft übernehmen. Eine Ehefrau kann sich für einen Dritten nur mit Einwilligung ihres Ehemannes, und in deren Ermangelung mit Genehmigung des Gerichts gültig verbürgen. Sie kann für ihren Mann weder sich verbürgen, noch auf andere Art in dessen Verbindlichkeiten eintreten, als mit Genehmigung des Gerichts auf vorgängiges Gutachten des Familienraths.«1217

Der Entwurf von 1808/09 enthält also keine generelle Interzessionsbeschränkung für Frauen nach dem Modell des SC Velleianum, sondern begnügt sich mit einem besonderen Regime für Ehefrauen, das in groben Zügen der Authentica Si qua mulier ähnelt. (2) Der Entwurf eines revidierten CMBC von 1811 Anders stellt sich das Bürgschaftsrecht im Entwurf von 18111218 dar, der von Feuerbach zusammen mit Johann Adam v. Aretin und Nikolaus Thaddäus v. Gönner auf der Grundlage des CMBC von 1756 als »Revidirter Codex DÖLEMEYER, Ius Commune 5 (1975), 138, 159 f. SCHUBERT (Hrsg.), Entwurf von 1808–1809 (1986). Zur für die Edition verwendeten Fassung, a. a. O., Einführung, S. IX f.; ferner DÖLEMEYER, Ius Commune 5 (1975), 138, 142 in Fn. 16. 1215 DÖLEMEYER, Ius Commune 5 (1975), 138, 140 ff.; SCHUBERT, Französisches Recht in Deutschland (1977), S. 162 ff., 319 ff. 1216 Vgl. ferner Art. 1191 f. – SCHUBERT (Hrsg.), Entwurf von 1808–1809 (1986), S. 375 f. 1217 SCHUBERT (Hrsg.), Entwurf von 1808–1809 (1986), S. 671 f. 1218 DEMEL / SCHUBERT (Hrsg.), Entwurf von 1811 (1986). Zur für die Edition verwendeten Fassung, a. a. O., Einführung, S. XC f. 1213 1214

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Maximilianeus Bavaricus civilis« erarbeitet wird.1219 Dabei wird der Regelungsgehalt aus I 6 § 34 und IV 10 § 26 CMBC1220 zusammengezogen und dahin gehend modifiziert, dass Bürgschaften von Frauen nur gültig sind, wenn sie nach eingehender richterlicher Belehrung vor Gericht erfolgen und beurkundet werden: IV 10 § 4 »Personen weiblichen Geschlechts, welche nicht eigene Handlung treiben, können sich nicht anders gültig verbürgen, als 1.) vor Gericht, nachdem ihnen 2.) die rechtlichen Folgen einer gestellten Bürgschaft umständlich und deutlich von dem Richter erklärt worden sind, und wenn endlich 3.) die geschehene Erklärung und Warnung, wie auch daß die Person demungeachtet sich für die Bürgschaft erklärt habe, in oder unter dem Bürgschaftsinstrumente oder, wenn die Bürgschaft in der Urkunde über die Hauptverbindlichkeit mit enthalten, in oder unter dem lezteren, von dem Gericht beglaubiget worden ist. […].«1221

Wie die Kodifikatoren in den entsprechenden Motiven ausführen, weichen sie hier bewusst vom Code civil ab und halten an einer generellen Interzessionsbeschränkung für alle Frauen fest, da diese in ihren Augen »leicht zu einer Bürgschaft zu verleiten« seien. Ähnlich wie das preußische ALR – das an dieser Stelle jedoch nicht explizit erwähnt wird – verlangt dieser Entwurf zwar eine richterliche Certioration, aber nicht mehr eine ausdrückliche Verzichtserklärung auf das SC Velleianum: »Der Cod. Napol. hat zwar dieselben für unbedingt verbindlich erklärt, und von dem bekannten Scto Vellejano gar keine Notiz genommen. Wir fanden aber in dem bisherigen Gebrauche dieser Rechtswohlthat und in der Erfahrung, wie leicht eine Weibsperson zu einer Bürgschaft verleitet werden kann, den Grund, daßelbe jedoch unter Modificationen beizubehalten. Zwar gehen wir nicht mehr von der Ungültigkeit jeder weiblichen Bürgschaft, von der Renunciation auf den vellejanischen Rathsschluß und dergleichen aus, aber wir fodern zur Gültigkeit weiblicher Bürgschaften a.) daß sie gerichtlich geschehen, b.) daß der Weibsperson die Folgen einer geleisteten Bürgschaft deutlich vom Richter erklärt werden, und daß c.) die geschehene Warnung, wie auch daß die Weibsperson demungeachtet sich für die Bürgschaft erklärt habe, in dem Instrumente vom Gerichte beglaubiget worden. Nur sind davon jene Weiber, die eigene Handlung treiben (femina mercatrix) ausgenommen. Eine unförmliche weibliche Bürgschaft, und wenn sie noch so oft wiederholt worden wäre, ist ungültig, mit Vorbehalt weniger Ausnahmen, welche von selbst einleuchten.«1222

Außer bei Kauffrauen gilt diese Interzessionsbeschränkung ebenfalls nicht bei betrügerischem Verhalten der Frau, bei Verwendung der erlangten Mittel zu ihrem eigenen Nutzen oder Neutralität des Geschäfts sowie im Falle einer letztwilligen Verfügung, mit der die Frau die Erfüllung der Bürgschaft anordnet: IV 10 § 4 »[…] Es hat jedoch 6.) eine ohne solche Förmlichkeit übernommene Bürgschaft alsdann rechtliche Wirkung a.) wenn die Bürgin den Gläubiger durch Betrug verleitet hat, 1219 1220 1221 1222

DÖLEMEYER, Ius Commune 5 (1975), 138, 146 ff. Siehe oben Fn. 921 ff. und Fn. 927. DEMEL / SCHUBERT (Hrsg.), Entwurf von 1811 (1986), S. 529 f. DEMEL / SCHUBERT (Hrsg.), Entwurf von 1811 (1986), S. 637 f.

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sie als Bürgen anzunehmen; b.) wenn die Schuld, wofür sie sich verbürgt hat, zu ihrem erweislichen Nuzen verwendet, oder wenn sie sonst für den ihr durch die Bürgschaft zugehenden Schaden auf andere Weise schadlos gehalten worden ist, jedoch nur in so weit, als die Nuzungsverwendung oder diese Schadloshaltung geschehen ist; c.) wenn sie in ihrem lezten Willen die Bezahlung der verbürgten Schuld dem Erben oder einem Vermächtnißnehmer aufgetragen hat, wesfalls die Grundsäze von Vermächtnißen in Anwendung kommen. 7.) Eine ungültige Bürgschaft erlangt durch bloße Wiederholung derselben keine rechtliche Gültigkeit.«

Insoweit bestehen größere Ähnlichkeiten mit dem preußischen ALR (I 14 §§ 239 ff. bzw. § 236 ALR) als mit der Vorgängerregelung in IV 10 § 26 CMBC, wo weder für Kauffrauen eine Ausnahme gemacht wird,1223 noch für die durch letztwillige Verfügung angeordnete Erfüllung. Weiterhin erfasst der sachliche Anwendungsbereich nicht nur die Bürgschaft, sondern jede Form der Interzession, deren Legaldefinition unmittelbar an IV 10 § 24 CMBC1224 anknüpft und damit letztlich am Ius commune: IV 10 § 5 »Vorstehende Bestimmungen kommen nicht nur bei Bürgschaften, sondern in allen Fällen zur Anwendung, wo die gegenwärtige oder künftige Verbindlichkeit eines Andern zu deßen Vortheil freiwillig übernommen wird (Interceßion), es geschehe dieses 1.) auf die Art, daß der Andere dadurch seiner Verbindlichkeit vollkommen entlediget wird (intercessio privativa), wie bei der Expromißion oder es geschehe 2.) durch ein den Andern nicht befreiendes Rechtsgeschäft, und zwar lezteres entweder 3.) auf die Weise, daß man sich neben dem andern für denselben verpflichtet (intercessio cumulativa), wie es bei der Uebernahme einer solidarischen Verbindlichkeit geschieht, oder endlich 4.) so, daß die Person nur auf den Fall sich verpflichtet, wenn der Hauptschuldner seine Verbindlichkeit nicht erfüllen sollte (intercessio subsidiaria), wie z. B. durch Bestellung eines Pfandes oder einer Hypothek, durch Ertheilung eines qualificirten Auftrags und dergleichen.«1225

Als Rechtsfolge für den Verstoß gegen diese Vorschriften sieht der Entwurf die »Ungültigkeit« der Interzession vor. In Übereinstimmung mit IV 10 § 25 Nr. 1 CMBC1226 und dem Gemeinen Recht wird dabei nicht einmal eine Naturalobligation anerkannt, so dass – anders als etwa im preußischen ALR (I 14 § 243 ALR) – sogar eine bereits geleistete Zahlung zurückgefordert werden kann: IV 10 § 4 »[…] Sind 5.) oben bestimmte Förmlichkeiten nicht beobachtet worden, so ist die Bürgschaft ungültig, so daß selbst das Gezahlte wieder zurückgefodert werden kann.«

Bezüglich der Bürgschaften bzw. Interzessionen von Ehefrauen für den eigenen Mann wird wie im CMBC1227 auf die Regelungen zum ehelichen GüterSiehe oben Fn. 804. Siehe oben Fn. 738. 1225 Vgl. die entsprechenden Motive zu IV 10 § 5 bei DEMEL / SCHUBERT (Hrsg.), Entwurf von 1811 (1986), S. 638: »Was von weiblichen Bürgschaften gesagt worden, haben wir mit § 24 C. M. auf andere weibliche Interceßionen angewendet.« 1226 Siehe oben Fn. 748. 1227 Siehe oben Fn. 751. 1223 1224

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recht verwiesen.1228 Dort wird ebenso wie in I 6 § 33 CMBC1229 die Unwirksamkeit einer solchen Interzession statuiert, es sei denn, die erlangten Valuta wurden nachweislich zum eigenen Nutzen der Frau verwendet oder diese hat ausdrücklich auf ihre weiblichen Wohlthaten verzichtet.1230 Im Gegensatz zur Interzession für Dritte verlangt der Entwurf also in diesem Zusammenhang nach wie vor eine ausdrückliche Verzichtserklärung: I 7 § 15 »[…] Dahingegen sind 6.) die Bürgschaften der Ehefrau für ihren Ehegatten, worunter auch der Fall zu zählen ist, wenn sich die Frau mit und neben ihrem Manne verbindet und verschreibt, ohne alle Kraft und Verbindlichkeiten, es wäre denn, daß entweder 7.) die Schuld, wofür sie sich mitverbunden hat, zum Besten der Ehefrau oder ihres Vermögens oder zu einem Zwecke erweislich verwendet wurde, wofür nach den obigen Bestimmungen § 11 die Einwilligung der Frau vom Gerichte ergänzt werden kann, oder daß 8.) die Ehefrau in nachfolgender Art auf ihre weibliche Wohlthaten ausdrücklich Verzicht geleistet hätte.«1231

Auch mit Blick auf die für einen wirksamen Verzicht erforderliche Belehrung hält sich der Entwurf sehr eng an I 6 § 34 CMBC1232 und damit in der Sache letztlich an das Bayerische Landrecht von 16161233. Der Ehemann hat weiterhin der Belehrung seiner Frau fernzubleiben, die hier allerdings einheitlich durch das zuständige ordentliche Gericht vorzunehmen ist und nicht mehr durch die ordentliche Obrigkeit (bzw. bei einer Frau von Stand durch einen besonderen und gnugsam verständigen Anweiser). Darüber hinaus wird nun – möglicherweise nach dem Vorbild des preußischen ALR (II 1 § 343 ALR) – die Zuziehung eines zusätzlichen Beistands vorgesehen. Im Kern bleibt es jedoch bei der Regelung des CMBC, als die Deutlichkeit und Verständlichkeit der Belehrung im Vordergrund stehen sowie vor allem die dabei vorgeschriebene Frage an die Frau, ob sie aus eigenem Antrieb handelt oder weil sie von ihrem Ehemann hierzu gezwungen wird: I 7 § 15 »Zur Gültigkeit eines solchen Verzichts wird 9.) erfodert, daß die Frau über ihre zweifache Wohlthat, daß nämlich ihre Bürgschaft unverbindlich ist, und daß sie wegen der aus ihrer Heurath entspringenden Foderungen ein Vorzugsrecht vor andern Creditoren hat, vor ihrem ordentlichen Gerichte mit Zuziehung eines Beistandes und in Abwesenheit ihres Manns mit allen Folgen des Verzichtes ausführlich belehrt, über den Anlaß und die Ver1228 IV 10 § 4: »Was überdies 4.) bei der von einer Ehefrau übernommenen Bürgschaft zu beobachten, ist im Theil I Kap. [7] § [15] verordnet.« 1229 Siehe oben Fn. 751. 1230 Die beiden Wohlthaten der Ehefrau bestehen wie schon nach I 6 § 34 Satz 1 CMBC (s. o. Fn. 920) und nach dem Bayerischen Landrecht von 1616 (s. o. Fn. 570) zum einen in der Ungültigkeit der Interzession (Authentica Si qua mulier) sowie zum anderen im Recht auf vorzugsweise Befriedigung ihrer güterrechtlichen Ansprüche im Konkurs des Ehemanns. 1231 DEMEL / SCHUBERT (Hrsg.), Entwurf von 1811 (1986), S. 53 f. 1232 Siehe oben Fn. 921. 1233 Siehe oben Fn. 571.

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wendung der Schuld und insbesondere darüber, ob sie freiwillig Verzicht leiste oder dazu von ihrem Ehemanne gezwungen worden, ob sie von dem Verzichte für sich und ihre Kinder keinen Schaden zu fürchten habe und ob sie sich beider Freiheiten oder nur einer begeben wolle, befragt werde.«

Insgesamt folgt der Entwurf von 1811 also im Wesentlichen dem CMBC von 1756. Es finden sich aber auch auffällige Parallelen zum preußischen ALR, wie etwa die Zuziehung eines Beistands bei der Interzession für den eigenen Mann oder die Certioration ohne weitere ausdrückliche Verzichtserklärung bei der Interzession für einen Dritten. (3) Der Entwurf von 1816/18 Noch enger an den CMBC hält sich grundsätzlich der von Johann Christoph v. Aretin (dem Bruder des genannten Johann Adam v. Aretin) redigierte, bislang nicht edierte Entwurf von 1816/18 mit dem Titel »Neuverbessertes Allgemeines Baierisches Land-Recht«.1234 Im Bürgschaftsrecht bleiben dabei Aufbau und Inhalt von IV 10 §§ 23–27 CMBC, abgesehen von leichten sprachlichen Anpassungen,1235 völlig unverändert.1236 So findet sich selbst das Tragen von Männerkleidung hier wieder, das Kreittmayr als Beispiel in IV 10 § 26 CMBC aufgenommen hatte,1237 um – wie schon die Glosse (veste virili) – die Täuschung des Gläubigers durch die Frau zu illustrieren.1238 Hinsichtlich der Interzession für den eigenen Ehemann wird (wie in IV 10 § 23 Satz 2 CMBC)1239 auf die Regelungen zum ehelichen Güterrecht in I 6 §§ 33 und 34 verwiesen, die in dieser Hinsicht ebenfalls das alte Regelungsmodell beibehalten: I 6 § 33 »[…] Es ist aber auch 3) zu beobachten, daß die von der Ehefrau entweder mit ihrem Ehemann oder für ihn, zumal in Schuldsachen, ausgestellten Verschreibungen, Schuldbriefe und Verbürgungen auf ihrer Seite gar keine Verbindlichkeit haben, es sey dann das aufgeborgte Geld zu ihrem eigenen besondern Nuzen verwendet, oder von ihr auf die ihr gesezlich zukommende Vorrechte nach vorläufiger genugsamer Belehrung in Gemäßheit des nachfolgenden § 34 in rechtsgehöriger Form verzichtet worden«.1240

1234 ARETIN, Allgemeines Baierisches Land-Recht, BayHStA, Staatsrat 2184–2195. Zur Entstehungsgeschichte DÖLEMEYER, Ius Commune 5 (1975), 138, 152 ff. 1235 Für die Interzession etwa wird der deutsche Begriff »Vermittlung« eingeführt. 1236 ARETIN, Allgemeines Baierisches Land-Recht, BayHStA, Staatsrat 2191, S. 24, 38 ff. Vgl. hierzu die Bemerkungen, a. a. O., Staatsrat 2192, S. 32, 34 f. 1237 Siehe oben Fn. 792. 1238 ARETIN, Allgemeines Baierisches Land-Recht, BayHStA, Staatsrat 2191, S. 40, 41. 1239 Siehe oben Fn. 751. 1240 ARETIN, Allgemeines Baierisches Land-Recht, BayHStA, Staatsrat 2185, S. 127, 128. Im Übrigen werden bei dieser Vorschrift, ebd., S. 129 ff. umfangreiche Ergänzungen vorgenommen, vgl. hierzu die Bemerkungen, a. a. O., Staatsrat 2184, S. 24, 81.

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Die anschließende Ausgestaltung der Belehrung und des Verzichts in I 6 § 34 folgt in allen Einzelheiten der im CMBC und weicht von ihr nur insofern ab, als keine Besonderheiten für Frauen von Stand (Siegelmässige Personen) mehr vorgesehen sind.1241 (4) Der Entwurf Leonrods von 1834 Ludwig Karl v. Leonrod wiederum erklärt das österreichische ABGB zum Vorbild für seinen »Entwurf eines allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern« von 1834, der bislang ebenfalls nicht ediert ist.1242 Darin werden in wörtlicher Übereinstimmung mit § 1349 ABGB alle Interzessionsbeschränkungen für Frauen beseitigt: § 1253 »Fremde Verbindlichkeiten kann, ohne Unterschied des Geschlechts, Jedermann auf sich nehmen, dem die freie Verwaltung seines Vermögens zusteht.«1243

Zur Begründung stellt Leonrod zum einen auf die Geschäftserfahrung und den »kerngesunden Menschenverstand« der Frauen ab, weshalb der Regelungsgrund für des SC Velleianum weggefallen sei. Der französische und der österreichische Gesetzgeber hätten sich folglich ebenso gegen die Aufnahme dieses Rechtsinstituts entschieden. Insbesondere habe sich die Belehrung vor dem Verzicht (Certioration) zu einer reinen Formalie entwickelt, durch die sich in der Praxis letztlich keine Frau von der einmal ins Auge gefassten Interzession noch abbringen lasse, wie Leonrod mit einem wörtlichen Zitat aus Zeillers Kommentar (zu § 1349 ABGB)1244 weiter ausführt. Zum anderen sei auch die Beziehung der Ehefrau zu ihrem Mann nicht mehr von »Furcht vor der maritalischen Auktorität« geprägt. Ohne dass dabei die Begriffe metus reverentialis und Authentica Si qua mulier fallen, sieht Leonrod also selbst bei dieser Nähebeziehung keine Notwendigkeit für eine besondere Regelung: »Wie im Französischen – so im Oesterreichischen Rechte sucht man das S. C. Vellejanum vergebens; der Entwurf hat keinen Beruf gefunden, dieses alte Römische Institut in das neue Bayerische Zivilgesezbuch aufzunehmen. Warum soll eine volljährige Frauensperson eine fremde Verbindlichkeit nicht auf sich nehmen können. Die Zertioration, womit man nachhelfen wollte, ist längst in eine leere Formalität übergegangen und der Kommentar (6) sagt mit Recht: ›es dürften nur seltene Beispiele aufzuweisen seyn, daß über die Belehrung eine Verzichtleistung versagt worden sey.‹ Wir haben die Geschlechtsvormundschaft nicht, und dürfen dem kerngesunden Menschenverstande unserer Frauen wohl zutrauen, daß sie

1241 ARETIN, Allgemeines Baierisches Land-Recht, BayHStA, Staatsrat 2185, S. 135 ff. Vgl. hierzu die Bemerkungen, a. a. O., Staatsrat 2184, S. 24, 81 f. 1242 LEONROD, Entwurf, BayHStA, Staatsrat 4038. Zur Entstehungsgeschichte DÖLEMEYER, Ius Commune 5 (1975), 138, 161 ff. 1243 LEONROD, Entwurf, BayHStA, Staatsrat 4038, S. 463. 1244 Siehe oben Fn. 1172.

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wissen, was bürgen heißt und ob sie bürgen sollen und mit der Furcht vor der maritalischen Auktorität hat es auch nicht mehr so viel auf sich.«1245

Anders als die vorangegangenen Entwürfe zeichnet sich der Entwurf Leonrods somit durch eine völlige Abkehr von den gemeinrechtlichen Interzessionsbeschränkungen für Frauen aus. (5) Der Entwurf von 1861/64 Eine 1844 eingesetzte Gesetzeskommission wird 1847 schon wieder aufgelöst, ohne nennenswerte Ergebnisse erreicht zu haben.1246 Nach 1848 führt ein erneuter Anlauf schließlich zur Ausarbeitung eines weiteren Entwurfs,1247 dessen revidierte Fassung als »Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern« 1861–1864 offiziell im Druck erscheint.1248 Das Bürgschaftsrecht dieses Entwurfs sieht für Frauen keine generelle Beschränkung mehr vor (Theil II, Art. 858 ff.).1249 Ausweislich der Motive wird der Schutz voll Geschäftsfähiger gegen den Abschluss nachteiliger Verträge nicht mehr als vorrangiges Ziel angesehen. Da bezüglich der Bürgschaft auch nicht mehr Unkenntnis über die entsprechenden Risiken bestehe als bei anderen ähnlich gravierenden Rechtsgeschäften, sei es wenig überzeugend und auch nicht mehr zu rechtfertigen, gerade hier eine besondere Belehrungspflicht für bestimmte, weniger geschäftserfahrene Personengruppen vorzusehen: »Die neuere Gesetzgebung erkennt das Bedürfniß, gewisse Personen, welchen das Recht der freien Verfügung über ihr Vermögen zusteht, gegen den Abschluß nachtheiliger Verträge besonders in Schutz zu nehmen, in der Ausdehnung wie dies in der älteren Gesetzgebung geschieht nicht mehr an. Es läßt sich nicht wohl behaupten, daß die nachtheiligen Folgen aus einer übernommenen Bürgschaft sich der Erkenntniß minder einsichtiger Personen mehr entziehen, als jene aus anderen wichtigen Rechtsgeschäften. Man ist daher nicht berechtiget, bei diesem Rechtsgeschäfte ausnahmsweise für eine gewöhnlich minder einsichtige und besonnene Klasse von Personen eine besondere Belehrung über die Rechtsfolgen zu fordern.«1250

Ein Schriftformerfordernis, wie es der Entwurf für den Bürgschaftsvertrag vorsieht, reiche zum Schutz des Bürgen völlig aus. Einer weiteren Reglementierung der Bürgschaft für bestimmte Personen, insbesondere für Frauen bedürfe es daher nicht, zumal sich gerade die früheren Schutzmechanismen zugunsten der Frau wegen ihrer Disponibilität als bloße Förmelei erwiesen hätten: LEONROD, Motive, BayHStA, Staatsrat 4038, S. 382 f. DÖLEMEYER, Ius Commune 5 (1975), 138, 163 ff. 1247 DÖLEMEYER, Ius Commune 5 (1975), 138, 165 ff.; DIES., in: Coing (Hrsg.), Handbuch, Bd. III/2 (1982), S. 1440, 1476 ff. 1248 BayStMJ (Hrsg.), Entwurf, Theil I–III (1861–1864). 1249 BayStMJ (Hrsg.), Entwurf, Theil II (1861), S. 178 ff. (neu: S. 196 ff.). 1250 BayStMJ (Hrsg.), Motive, Theil II (1861), S. 258 (neu: S. 562). 1245 1246

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»Indem der Entwurf zur giltigen Eingehung der Bürgschaft eine ausdrückliche und urkundliche Willenserklärung (vergl. Art. 868 Abs. 1) fordert, kann er sich (im Einklange mit anderen Gesetzgebungen) der Aufstellung besonderer Schutzmittel für gewisse Personen, namentlich für jene weiblichen Geschlechts, wohl enthalten, zumal unter dem älteren – ohne die Einführung einer allgemeinen Geschlechtskuratel jedenfalls inkonsequenten – Systeme, der zugelassene Verzicht der interzedirenden Frauensperson auf das gegebene Schutzmittel erfahrungsgemäß zu einer leeren Formalität herabsank.«1251

Besondere Regelungen werden – ähnlich wie im Hessischen und Sächsischen Entwurf – nur mehr zur Bürgschaft der Ehefrau getroffen.1252 Danach bedarf die Bürgschaft der Frau für einen Dritten der schriftlichen Einwilligung ihres Ehemanns. Das Fehlen einer solchen Einwilligung macht die Bürgschaft aber nicht ungültig, sondern lediglich anfechtbar. Das Anfechtungsrecht steht dabei während der Ehe dem Mann zu bzw. nach ihrer Auflösung der Frau und kann jeweils nur innerhalb einer Anfechtungsfrist von zwei Jahren ausgeübt werden. Die Rechtsfolge eines entsprechenden Verstoßes wird also verglichen mit dem CMBC (IV 10 § 26 Nr. 1 CMBC)1253 oder dem preußischen ALR (II 1 § 342 ALR)1254 deutlich abgemildert: Art. 860 »Die von einer Ehefrau ohne schriftlich ertheilte Einwilligung ihres Ehemannes übernommene Bürgschaft kann von ihr selbst wie von dem Ehemanne angefochten werden. Das Recht der Anfechtung im Wege der Klage erlischt für den Ehemann in zwei Jahren von dem Zeitpunkte an, wo er Kenntniß von der Bürgschaftsübernahme erhielt; für die Ehefrau nach Ablauf von zwei Jahren von der Auflösung der Ehe an gerechnet.«1255

Bei einer Bürgschaft für den eigenen Ehemann aber wird statt der einfachen Schriftform die Erklärung in einer öffentlichen Urkunde verlangt. Wird diese besondere Form nicht eingehalten, ist die Bürgschaft ungültig und nicht etwa bloß anfechtbar: Art. 869 Abs. 1 »Die Bürgschaft der Ehefrau für ihren Ehemann ist nur dann giltig, wenn die Uebernahme derselben in einer öffentlichen Urkunde erklärt ist.«

BayStMJ (Hrsg.), Motive, Theil II (1861), S. 258 f. (neu: S. 562 f.). Zustimmend LANG, Der Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Bayern mit Berücksichtigung des hessischen und sächsischen Entwurfs, Heft II (1862), S. 192 f. – Zum Hessischen Entwurf s. u. S. 253 f.; zum Sächsischen Entwurf von 1860 bzw. dem Sächsischen BGB von 1863/65 s. u. S. 260 ff. 1253 Siehe oben Fn. 927. 1254 Siehe oben Fn. 1089. 1255 Vgl. BayStMJ (Hrsg.), Motive, Theil II (1861), S. 259 (neu: S. 563): »Die im Eherechte aufzustellenden Grundsätze machen es dagegen nothwendig, daß die Rechtsbeständigkeit der Bürgschaft einer Ehefrau für die Schuld eines Dritten durch die Einwilligung des Ehemannes hiezu, und zwar in einer sofort erkennbaren Weise, daher in schriftlicher Form, bedingt werde. Die ohne diese Einwilligung des Ehemannes von der Ehefrau übernommene Bürgschaft ist im Sinne der Bestimmungen der Art. 84, 85 und 86 des allgemeinen Theils ein anfechtbares Rechtsgeschäft und unterliegt, abgesehen von dem in Art. 84 Abs. 1 bezeichneten Falle, der Anfechtung sowohl von Seite der Ehefrau als des Ehemannes.« 1251 1252

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In den Motiven wird diese Schärfung der einzuhaltenden Form und deren Sanktionierung einmal mehr mit der besonderen Nähebeziehung der Frau zu ihrem Mann begründet, in der typischerweise eine unlautere Einflussnahme durch ihren Mann drohe. Um dieser charakteristischen Gefahr für eine unabhängige und freie Willensbildung zu begegnen, werde deshalb die Bürgschaftserklärung in einer öffentlichen Urkunde verlangt. Durch den beurkundenden Beamten soll dabei sichergestellt werden, dass die Ehefrau einerseits nicht in ihrer Willensfreiheit beeinträchtigt ist und andererseits hinreichend vor den möglichen Risiken der Bürgschaft gewarnt wird: »Bei der Bürgschaft der Ehefrau für Schulden des Ehemannes macht sich die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der freien Willensbestimmung der ersteren durch die Einwirkung des letzteren, besonders geltend. Deßhalb fordert hier der Entwurf zur giltigen Uebernahme der Bürgschaft deren Erklärung in einer öffentlichen Urkunde. Bei dieser Form wird die erforderliche Willensfreiheit sowie die Erkenntniß der nachtheiligen Folgen der einzugehenden Verpflichtung auf Seite der Ehefrau durch eine pflichtgemäße Erforschung über das Vorhandenseyn dieser beiden Voraussetzungen von Seite des instrumentirenden Beamten gewährleistet […].«1256

Insoweit steht der Entwurf von 1861 ebenfalls noch ganz in der Tradition des CMBC und des Bayerischen Landrechts von 1616. Darüber hinaus wird aber auch hier bei der Bürgschaft für den eigenen Ehemann zusätzlich dessen schriftliche Einwilligung gefordert: Art. 869 Abs. 2 »Die Einwilligung des Ehemannes in der in Art. 860 Abs. 1 bezeichneten Form ist auch hier nothwendig.«

Die Aufnahme dieser Voraussetzung wird damit begründet, dass die Willensfreiheit der Frau auch von anderer Seite entsprechend gefährdet sein kann, wenn nämlich die Gläubiger des Ehemanns massiven Druck auf die Ehefrau ausüben. Dem müsse genauso entgegengewirkt werden, um das noch verbliebene Vermögen der Frau und damit letztlich den Lebensunterhalt der Familie zu sichern: »Damit aber auch jene nachtheiligen Einflüsse auf die Willensfreiheit der interzedirenden Ehefrau unschädlich gemacht werden, welche von drängenden Gläubigern des Ehemannes ausgehen können und weil eine der Ehefrau abgedrungene Bürgschaft auch ihr eigenes Vermögen gefährdet, welches häufig den Lebensunterhalt der Familie allein noch gewährleistet, so fordert der Entwurf (…) für diese Art der Bürgschaft gleichfalls die Einwilligung des Ehemannes, als des Hauptschuldners.«1257

Die Absicht des Gesetzgebers, die Ehefrau auch vor einer unlauteren Einflussnahme durch die Gläubiger zu schützen, ist mehr als nachvollziehbar. Allerdings erscheint das gewählte Mittel nicht sonderlich zielführend. Wie die Begründung des Entwurfs selbst ausführt, geht die Gefahr für die Wil1256 1257

BayStMJ (Hrsg.), Motive, Theil II (1861), S. 261 (neu: S. 565). BayStMJ (Hrsg.), Motive, Theil II (1861), S. 261 f. (neu: S. 565 f.).

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lensfreiheit der Frau doch in erster Linie von ihrem Ehemann aus. Dieser wird sich im Zweifel aber gerade nicht seinen eigenen Gläubigern entgegenstellen, sondern gemeinsam mit ihnen auf seine Frau einwirken, da er seinerseits ja ebenfalls den Pressionen der Gläubiger ausgesetzt ist. Statt die Bürgschaft hier von der Einwilligung des eigenen Ehemanns abhängig zu machen, wäre es wohl konsequenter, neben dem Urkundsbeamten gegebenenfalls noch die Mitwirkung einer weiteren unabhängigen Instanz vorzusehen, sei es (wie im Entwurf von 1811) durch die Bestellung eines Beistands, sei es (wie im Entwurf von 1808/09), indem von vornherein der Richter eingeschaltet wird. bb) Einzelgesetzgebung (1) Der Antrag »einige Aenderungen im Civilrechte betreffend« von 1861 Parallel zum Erscheinen dieses Entwurfs der Staatsregierung bringt der Abgeordnete Marquard Adolph Barth im Januar 1861 einen Antrag »einige Aenderungen im Civilrechte betreffend« ein, um schon vorab punktuell bestimmte wesentliche Reformen durchzuführen.1258 Danach sollen in den Landesteilen, wo sie noch gelten, vor allem die Geschlechtsvormundschaft sowie insbesondere das SC Velleianum und die Authentica Si qua mulier aufgehoben werden. Einer besonderen Vorkehrung bei der Interzession zugunsten des eigenen Ehemanns bedürfe es seiner Meinung nach nicht mehr, da man »es in der Regel nur löblich wird finden können, wenn die Gattin für die Schulden ihres Mannes eintritt, dessen Schicksal sie theilt und dessen Ehre auch die ihrige ist.« Lediglich bei einer Interzession der Frau für einen Dritten soll das Zustimmungserfordernis des Ehemanns aufrechterhalten werden, was sich »aus dem Wesen der Ehe von selbst« ergebe.1259 Der mit der Berichterstattung betraute Abgeordnete Dr. Fischel Arnheim empfiehlt jedoch in seinem Vortrag vom April 18611260 nach ausführlicher Darstellung der verschiedenen einschlägigen Partikularrechte, sich inhaltlich nicht in Widerspruch zum Entwurf der Staatsregierung zu setzen. Daher schlägt er neben der von Barth geforderten restlosen Beseitigung der Authentica Si qua mulier alternativ vor, in Übereinstimmung mit dem Entwurf der Staatsregierung am Erfordernis einer öffentlichen Urkunde festzuhalten, wenn die Frau für ihren eigenen Mann interzediert.1261 Für dieses Vorgehen 1258 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1859/61, Beilagen, Bd. 5, Beilage 51, S. 77–80 bzw. a. a. O., Stenographische Berichte, Bd. 1, Nr. 10, S. 119; Nr. 12, S. 130 f. 1259 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1859/61, Beilagen, Bd. 5, Beilage 51, S. 77, 78 f. (lfd. Nr. 1). 1260 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1859/61, Beilagen, Bd. 5, Beilage 51, S. 38–77 bzw. a. a. O., Stenographische Berichte, Bd. 1, Nr. 25, S. 365. 1261 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1859/61, Beilagen, Bd. 5, Beilage 51, S. 45 ff., 49 f., 76.

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entscheidet sich auch der zuständige Erste Ausschuss der Kammer der Abgeordneten in seiner Sitzung vom 24. April 18611262 und beschließt demgemäß am 4. Mai 1861 folgende modifizierte Fassung des Antrags: »Fremde Verbindlichkeiten kann ohne Unterschied des Geschlechts Jedermann auf sich nehmen, dem die freie Vermögensverfügung zusteht. Bürgschaftsverträge bedürfen zu ihrer Giltigkeit der schriftlichen Errichtung. Uebernimmt eine Ehefrau die Schuld eines Andern, sei es als Nebenschuldnerin oder sei es als Selbstschuldnerin neben dem Hauptschuldner, so ist hiezu noch die schriftlich ertheilte Einwilligung des Ehemanns erforderlich. Ist es die Schuld ihres Ehemanns, welche sie übernimmt, so wird außerdem zur Giltigkeit der Uebernahme die ausdrückliche Erklärung derselben in einer öffentlichen Urkunde gefordert. Alle entgegenstehenden Bestimmungen, insbesondere diejenigen, welche zur Errichtung des Bürgschaftsvertrages, sowie diejenigen, welche zur Giltigkeit der Intercession einer Frauensperson weitere Förmlichkeiten fordern, sind aufgehoben.«1263

Inhaltlich geht dieser Antrag somit nicht über den Entwurf der Staatsregierung hinaus: Die Entscheidung für die grundsätzliche Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen wird dabei im ersten Absatz vorangestellt, der nahezu unverändert die Formulierung des § 1349 des österreichischen ABGB übernimmt. Die folgenden Absätze decken sich zwar nicht wörtlich, aber sehr wohl inhaltlich mit dem Entwurf der Staatsregierung. Entsprechend wird der Antrag auch von der Kammer der Abgeordneten in der Sitzung vom 28. Mai 18611264 angenommen,1265 nachdem der Abgeordnete Arnheim als Berichterstatter dort noch einmal die inhaltliche Übereinstimmung mit dem Entwurf der Staatsregierung betont hatte. Angesichts der in Bayern bestehenden Rechtszersplitterung sei es aus Gründen der Rechts- und Verkehrssicherheit dringend angezeigt, in dieser Frage schon vorab für Rechtseinheit zu sorgen. Zudem seien die unterschiedlichen partikularrechtlichen Certiorationen in der Praxis »lediglich leere Formalitäten« geworden, wofür »häufig Formularien […] als lithographierte Blanquete vorliegen«: »Wenn in ganz Bayern eine einzige gleichartige Formvorschrift sich finden würde, so könnte man sich dahin schlüssig machen, daß bis zur Einführung eines neuen Gesetzbuches die Sache auf sich beruhen könne. Aber jedes Partikularrecht hat eine andere Form

BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1859/61, Beilagen, Bd. 5, Beilage 51, S. 81 f. 1263 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1859/61, Beilagen, Bd. 5, Beilage 51, S. 83, 84. 1264 Die Beratung und Beschlussfassung im Plenum ist ursprünglich für den 17. Mai 1861 angesetzt, wird aber angesichts des Umfangs der Materialien vertagt, vgl. BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1859/61, Stenographische Berichte, Bd. 1, Nr. 28, S. 434, 435 f. 1265 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1859/61, Stenographische Berichte, Bd. 1, Nr. 30, S. 456, 457 f. bzw. a. a. O., Bd. 2, Nr. 31, S. 3. 1262

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vorgeschrieben, wird diese nicht eingehalten, so gilt die Bürgschaft nicht. Ich frage, welche Rechtssicherheit unter solchen Umständen besteht.«1266

In der Kammer der Reichsräte stößt dieser Vorschlag jedoch auf Ablehnung. Im dortigen Ersten Ausschuss1267 räumt der referierende Reichsrat v. Bayer in seinem Vortrag vom 3. Oktober 1861 zwar ein, dass der betreffende Antrag wenn auch nicht im Wortlaut, so doch im Inhalt mit dem gegenwärtigen, von der Staatsregierung veröffentlichten Entwurf übereinstimmt. Selbst wenn dieser Entwurf der Staatsregierung einmal in unveränderter Gestalt dem Landtag zur Beschlussfasssung vorgelegt würde, sei es aber nicht sicher, dass er dergestalt auch in beiden Kammern die erforderliche Zustimmung finde. Es drohe also die Gefahr, durch eine Ad-hoc-Regelung eine neue Rechtslage zu schaffen, die sich in kurzer Zeit schon wieder ändern kann. Es sei daher sinnvoller, die bestehenden Regelungen, mit denen die Praxis seit langer Zeit vertraut ist, vorläufig unverändert beizubehalten und insoweit die Einführung des neuen Zivilgesetzbuchs abzuwarten: »Die gemeinrechtlichen Bestimmungen, sowie die Vorschriften des bayerischen Landrechts über die Form von Intercessionen überhaupt, und die Intercessionen der Frauenspersonen insbesondere bestehen schon so lange, und sind nicht bloß bei den Behörden, sondern auch bei den Gerichtsuntergebenen so bekannt und eingeübt, daß man es nicht für eine außerordentliche Calamität erklären kann, wenn sie etwa noch ein Jahrzehent lang bis zum Erscheinen des neuen Civilgesetzbuches fortbestehen.«1268

Es stehen also eher pragmatische Erwägungen im Vordergrund. Dies zeigt sich auch daran, dass der Referent in seinem Vortrag keine Fundamentalopposition gegen alle Anträge empfiehlt, sondern ein differenziertes Abstimmungsverhalten. Manche Vorschläge werden von ihm ausdrücklich befürwortet, wie etwa die Abschaffung der Geschlechtsvormundschaft, allerdings mit folgender Ergänzung: »Die zur Zeit noch bestehenden Vorschriften über die Form der Intercessionen von Frauenspersonen erleiden durch gegenwärtiges Gesetz keine Veränderung.«1269

Der Erste Ausschuss der Kammer der Reichsräte folgt in seiner Sitzung vom 17. Oktober 1861 uneingeschränkt dieser Linie des Referenten v. Bayer,1270

BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1859/61, Stenographische Berichte, Bd. 1, Nr. 30, S. 457, 458. 1267 Vgl. BayLT, Verhandlungen der Kammer der Reichsräthe 1859/61, Bd. 1, Nr. 15, S. 447. 1268 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Reichsräthe 1859/61, Beilagen, Bd. 3, Beilage 156, S. 273, 285 f. 1269 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Reichsräthe 1859/61, Beilagen, Bd. 3, Beilage 156, S. 273, 283 f. 1270 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Reichsräthe 1859/61, Beilagen, Bd. 3, Beilage 157, S. 302, 303. 1266

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die dann auch von der Kammer der Reichsräte selbst in ihrer Sitzung vom 19. Oktober 1861 angenommen wird.1271 Der Kammer der Abgeordneten bleibt infolgedessen nichts anderes übrig, als sich der entsprechenden Empfehlung ihres Referenten Arnheim1272 und ihres Ersten Ausschusses vom 22. Oktober 18611273 anzuschließen und mit Beschluss vom 25. Oktober 1861 dieser Ergänzung zuzustimmen.1274 Mit Blick auf die bestehenden Interzessionsbeschränkungen für Frauen hält somit der Landtagsabschied vom 10. November 1861 (III § 28 Nr. 1) am rechtlichen Status quo fest.1275 Dies beruht jedoch weniger auf der grundsätzlichen Ablehnung einer Reform, als vielmehr auf der Erwartung, dass diese Frage ohnehin bald durch ein neues Zivilgesetzbuch geklärt werden würde. Im Geltungsbereich des CMBC sind demnach weiterhin die Vorschriften zur Belehrung der Frau bzw. Ehefrau nach IV 10 § 26 Nr. 1 bzw. I 6 § 34 CMBC anzuwenden.1276 Besonderes Augenmerk ist nach wie vor auf eine klare und verständliche Sprache bei der Belehrung zu legen, für die in Anlehnung an die Vorschläge Kreittmayrs entsprechende in der Praxis bewährte Muster existieren.1277 Obwohl das Staatsministerium der Justiz in seiner Entschließung vom 23. Januar 1867 die Justizbehörden generell zu einer allgemein verständlichen Ausdrucksweise und der Vermeidung von Fremdwörtern anhält,1278 führt das Staatsministerium der Finanzen in seinem Geschäftsbereich mit Entschließung vom 14. April 1868 ein für Laien wenig verständliches Formular zum Verzicht auf die weiblichen Freiheiten ein: »Ich verzichte nun hinsichtlich jener Obligationen mit den dazu gehörigen Coupons und Talons, welche von meinem Ehemanne N. N. auf Anordnung seiner vorgesetzten Dienstesstelle hinterlegt werden, auf alle mir zustehenden Rechte und weiblichen Freiheiten, sowie auf meine heirathlichen Ansprüche und Dotalforderungen, namentlich auf die auth. si qua

1271 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Reichsräthe 1859/61, Bd. 3, Nr. 29, S. 91, 160, 163 ff., 173, 174. Vgl. ferner a. a. O., Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1859/61, Stenographische Berichte, Bd. 4, Nr. 75, S. 51. 1272 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1859/61, Beilagen, Bd. 7, Beilage 153, S. 369, 370. 1273 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1859/61, Beilagen, Bd. 7, Beilage 153, S. 372. 1274 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1859/61, Stenographische Berichte, Bd. 4, Nr. 79, S. 129, 130, 135. Vgl. ferner a. a. O., Verhandlungen der Kammer der Reichsräthe 1859/61, Bd. 3, Nr. 33, S. 320. 1275 Gesetzblatt für das Königreich Bayern 1861, S. 49, 77. – Vgl. hierzu den Überblick bei VÖLDERNDORFF, in: Die Gesetzgebung des Königreichs Bayern seit Maximilian II. mit Erläuterungen, Bd. I/3 (1863), S. 311, 326 ff. 1276 G., Zeitschrift für das Notariat 1 (1864), 168, 169 ff. 1277 G., Zeitschrift für das Notariat 1 (1864), 168, 174 f. 1278 Justizministerialblatt für das Königreich Bayern 1867, S. 44 = Zeitschrift für das Notariat 4 (1867), 39.

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mulier ad Senatus consultum Vellejanum, kraft welcher sich die Ehefrau für den Ehegatten nicht rechtsgiltig verschreiben kann […].«1279

(2) Das »Gesetz, die Intercessionen betreffend« vom 14. Januar 1871 Die heftig kritisierte Entscheidung des Bayerischen Obersten Gerichtshofs vom 13. Juli 1869 zum Gemeinen Recht, wonach ein Verzicht der Ehefrau auf die Authentica Si qua mulier nur unter Eid wirksam sei,1280 veranlasst die Notariatskammer von Schwaben und Neuburg am 30. Januar 1870 zu einer Eingabe an die Staatsregierung und die Kammer der Abgeordneten:1281 In einem regelrechten Brandbrief stellt die Notariatskammer die praktischen Folgen und Gefahren für den gesamten Hypotheken- und Kreditverkehr heraus. Da die Notare de lege lata nicht zur Abnahme eines Eides befugt seien, sondern nur die Gerichte, sei kein Notar mehr in der Lage, alleine einen wirksamen Verzicht auf die Authentica aufzunehmen. Tue er dies gleichwohl, stehe eine Verletzung seiner Amtspflichten im Raum. Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Schrift von Pfeiffer fordert die Notariatskammer daher den Gesetzgeber auf, einerseits für die Zukunft ein klarstellendes Gesetz zu schaffen und andererseits für die Vergangenheit eine authentische Interpretation des bestehenden Gewohnheitsrechts in den gemeinrechtlichen Gebieten Bayerns vorzunehmen.1282 Die Staatsregierung reagiert hierauf umgehend mit einem entsprechenden Gesetzentwurf »die Aenderung einiger civilrechtlicher Bestimmungen hinsichtlich der Uebernahme fremder Verbindlichkeiten betreffend«,1283 der schon am 18. März 1870 vom Justizminister in der Kammer der Abgeordneten eingebracht wird.1284 In den Motiven wird zunächst auf die 1861 gescheiterte Initiative des Abgeordneten Barth verwiesen und der inzwischen eingetretene akute Handlungsbedarf betont.1285 Auch in der Darstellung des Gemeinen Rechts und der in Bayern geltenden Partikularrechte lehnen sich die Motive sehr eng an den alten Vortrag Arnheims vom April 1861 an.1286 DarKreis-Amtsblatt von Oberbayern 1868, S. 815, 817 = Zeitschrift für das Notariat 5 (1868), 134. – Kritisch gegenüber einer solchen Diktion zuvor schon G., Zeitschrift für das Notariat 1 (1864), 168, 176. 1280 Siehe oben S. 199 f. 1281 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Beilagen, Bd. 3, Beilage 73, S. 63 f. 1282 Zu Pfeiffer s. o. Fn. 1039. 1283 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Beilagen, Bd. 2, Beilage 27, S. 161–167. 1284 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Stenographische Berichte, Bd. 1, Nr. 20, S. 441 f. 1285 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Beilagen, Bd. 2, Beilage 27, S. 161 f. 1286 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Beilagen, Bd. 2, Beilage 27, S. 162 ff. 1279

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über hinaus werden die jüngsten Entwicklungen in der Gesetzgebung geschildert, insbesondere im Wirtschaftsrecht des Deutschen bzw. Norddeutschen Bundes sowie im Sächsischen BGB, dem Bayerischen Entwurf von 1861/64, dem Dresdner Entwurf und vor allem dem preußischen Gesetzentwurf von 1869.1287 Der Entwurf selbst stellt eine Regelung an die Spitze, die einmal mehr § 1349 ABGB nachempfunden ist (Art. 1). Es folgt die einheitliche Einführung der einfachen Schriftform für alle Interzessionen unabhängig vom Geschlecht und Familienstand des Interzedenten (Art. 2). Das heißt, anders als nach dem Entwurf von 1861/64 wird bei der Interzession der Ehefrau für ihren Mann nicht mehr die besondere Form der öffentlichen Beurkundung vorausgesetzt, was die Motive in erster Linie mit praktischen Erfahrungen begründen: »Daß namentlich bei Intercessionen der Ehefrauen für die Ehemänner die im oben erwähnten bayerischen Entwurfe vorgeschlagene Form der öffentlichen Beurkundung im gegenwärtigen Entwurfe aufgegeben wurde, wird durch die auch in den Landestheilen diesseits des Rheines gewonnenen Erfahrungen über die geringe Wirkung dieser, vornehmlich eine Art specieller Bevormundung bezweckenden Form gerechtfertigt erscheinen.«1288

Sofern nach dem einschlägigen Güterrecht die Wirksamkeit der Interzession eines Ehegatten für einen Dritten von der Zustimmung des anderen Gatten abhängt, ist auch diese schriftlich zu erteilen und zwar von Mann und Frau in gleicher Weise (Art. 3 Abs. 1 und 2). Was die Interzession der Frau für ihren Mann angeht, hält der Regierungsentwurf insoweit am Modell des Entwurfs von 1861/64 fest, als weiterhin die schriftliche Genehmigung des Ehemanns verlangt wird (Art. 3 Abs. 3), um eine unlautere Einflussnahme seiner Gläubiger auf die Frau auszuschließen, wie die Motive hierzu ausführen: »Es soll nämlich der Ehemann als Haupt der Familie in die Lage gesetzt sein, jene nachtheiligen Einflüsse auf die Willensfreiheit der intercedirenden Ehefrau unschädlich machen zu können, welche von seinen Gläubigern ausgehen können, und die Gefahr, welche die der Ehefrau abgedrungene Bürgschaft oder Pfandbestellung auch für das eigene Vermögen der Ehefrau herbeiführen kann, ferne zu halten, nachdem dieses Vermögen der Ehefrau häufig den Lebensunterhalt der Familie allein noch gewährleistet. (Vgl. Motive zum bayerischen Civilgesetzentwurf Th. II, Buch II, Hauptst. 23, Seite 261, 262.)«1289

1287 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Beilagen, Bd. 2, Beilage 27, S. 165 f. 1288 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Beilagen, Bd. 2, Beilage 27, S. 166 rechte Sp. – Vgl. ferner, a. a. O., S. 165 linke Sp.: »Es soll letzteres hinfort nicht mehr als ein Rechtsgeschäft angesehen werden, dessen Eingehung […] wegen der Möglichkeit einer besonders wirksamen Beeinflussung des Willens der Ehefrau durch den Ehemann, besonderen Ausnahmsbestimmungen unterliegen müsse«. 1289 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Beilagen, Bd. 2, Beilage 27, S. 167 linke Sp.

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Umgekehrt wird bei der Interzession des Ehemanns für seine Frau deren Zustimmung nicht benötigt (Art. 3 Abs. 4), da hier keine vergleichbare Gefahr gesehen wird und vielmehr dem Ehemann eine weitgehende Dispositionsfreiheit eingeräumt werden soll: »Bei Intercessionen des Ehemannes für die Schuld der Ehefrau dagegen liegen solche Besorgnisse ferner. Hier wird im Gegentheile die Rücksicht überwiegen, dem Ehemanne zur Ordnung der Schuldverbindlichkeiten der Ehefrau auch mittels Benützung seines eigenen Credites möglichst freie Hand zu lassen, insbesondere denselben von Einsprüchen und Weigerungen der Ehefrau unabhängig zu machen.«1290

Der Regierungsentwurf hält diesbezüglich also weder das Verhältnis der Eheleute untereinander für besonders missbrauchsanfällig, noch das Verhältnis des Ehemanns zu den Gläubigern seiner Frau, sondern nur das Verhältnis der Ehefrau zu den Gläubigern ihres Mannes. Abschließend regelt der Regierungsentwurf das Inkrafttreten (Art. 4 Abs. 1) und die Aufhebung aller ihm entgegenstehenden Bestimmungen (Art. 4 Abs. 2), zu denen er auch diejenigen zählt, die den Übergang von Bürgschaftsverbindlichkeiten auf die Erben nur unter Einschränkungen zulassen.1291 Er folgt aber nicht allen Vorschlägen der Notariatskammer, als er bewusst keinerlei rückwirkende Regelung für (gemeinrechtliche) Interzessionen trifft: »Eine rückwirkende Kraft auf Intercessionen, welche vor dem bezeichneten Termine geschlossen wurden, eine Beseitigung der Ungiltigkeit oder Anfechtbarkeit, mit welcher solche frühere Verträge wegen Nichtbeobachtung der jetzt beseitigten Formen behaftet sein würden, bleibt um so mehr ausgeschlossen, als mit dem gegenwärtigen Gesetze nicht eine authentische Interpretation des bisherigen Rechtes beabsichtigt sein kann.«1292

Der Erste Ausschuss der Kammer der Abgeordneten unterzieht diesen Entwurf der Staatsregierung in drei Sitzungen (am 6. und 9. April sowie am 14. Mai 1870) einer eingehenden Behandlung und überarbeitet ihn grundlegend.1293 Zwar hatte der Erste Ausschuss im Vorfeld den Abgeordneten Nikolaus Winderl zum Referenten bestimmt,1294 die letztlich maßgebende Rolle übernimmt aber wieder der Abgeordnete Marquard Barth. Dies zeigt sich schon daran, dass der Regierungsentwurf zunächst in der ersten Sitzung des Ausschusses, BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Beilagen, Bd. 2, Beilage 27, S. 167 linke Sp. 1291 Vgl. hierzu BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Beilagen, Bd. 2, Beilage 27, S. 167 rechte Sp. und S. 162 rechte Sp. 1292 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Beilagen, Bd. 2, Beilage 27, S. 167 rechte Sp. 1293 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Beilagen, Bd. 3, Beilage 73, S. 65 ff. 1294 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Stenographische Berichte, Bd. 1, Nr. 23, S. 515. 1290

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als Barth krankheitsbedingt fehlt, bis einschließlich Art. 3 Abs. 2 durchberaten und – von redaktionellen Änderungen abgesehen – im Wesentlichen unverändert angenommen wird.1295 In den beiden folgenden Sitzungen gelingt es Barth jedoch, den Entwurf nach seinen Vorstellungen umzugestalten:1296 Im Ergebnis wird in Art. 1 die an § 1349 ABGB angelehnte Formulierung »ohne Unterschied des Geschlechtes« erweitert auf »ohne Unterschied des Geschlechtes und des Standes«, um auf diese Weise alle noch bestehenden Bürgschaftsbeschränkungen für »gemeine Bürger und Bauern« (nach IV 10 § 4 CMBC) gleich mit aufzuheben. Die Regelungen in Art. 3 Abs. 1 und 2 des Regierungsentwurfs zur Genehmigung der Interzession durch den anderen Ehegatten werden zusammengezogen und in Art. 1 als neuer Abs. 2 angefügt, der sich darauf beschränkt, auf die schon bislang geltenden Vorschriften zu verweisen, ohne für diese Genehmigung noch zusätzlich die Schriftform anzuordnen. Eingeschoben wird als neuer Art. 2 außerdem der Übergang von Interzessionen kraft Erbfolge. Statt der ursprünglich von der Staatsregierung für alle Interzessionen generell vorgesehenen Schriftform wird anschließend in Art. 3 deren Formfreiheit statuiert und zwar wiederum »ohne Unterschied des Geschlechtes und Standes«. Die Aufhebung aller entgegenstehenden Bestimmungen folgt als eigenständiger Art. 4 und wird insbesondere dahin gehend erweitert, dass das SC Velleianum und die Authentica Si qua mulier nun ausdrücklich aufgeführt werden. Die Regelung zum Inkrafttreten des Gesetzes wird hiervon entkoppelt und wandert leicht modifiziert als eigenständiger Art. 5 ans Ende.1297 Nicht zuletzt wird auf Vorschlag Barths auch die Überschrift deutlich verschlankt als »Gesetz die Intercessionen betreffend«.1298 Der zwischenzeitlich vom Abgeordneten Gustav Hohenadel eingebrachte Modifikationsantrag vom 7. April 1870, mit dem die Forderung der Notariatskammer nach einer rückwirkenden Regelung des gemeinrechtlichen Verzichts auf die Authentica si qua mulier aufgegriffen und durch einen eigenen Artikel verwirklicht werden soll,1299 wird vom Ersten Ausschuss am Ende seiner zweiten Sitzung vom 9. April 1870 einstimmig abgelehnt.1300 1295 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Beilagen, Bd. 3, Beilage 73, S. 65 f. 1296 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Beilagen, Bd. 3, Beilage 73, S. 66 f. bzw. S. 67 f. 1297 So der Entwurf in der vom Ersten Ausschuss beschlossenen Fassung, vgl. BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Beilagen, Bd. 3, Beilage 73, S. 64 rechte Sp. – Zur Berichtigung der dort noch enthaltenen Druckfehler a. a. O., Stenographische Berichte, Bd. 3, Nr. 46, S. 5, 6. 1298 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Beilagen, Bd. 3, Beilage 73, S. 66, 67 rechte Sp. 1299 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Stenographische Berichte, Bd. 2, Nr. 29, S. 111 bzw. a. a. O., Beilagen, Bd. 3, Beilage 73, S. 64. 1300 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Beilagen, Bd. 3, Beilage 73, S. 66, 67 rechte Sp.

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

Mit Vortrag vom 9. Juni 1870 fasst Winderl als Referent die wesentlichen Ergebnisse der Beratungen im Ersten Ausschuss zusammen und konstatiert, dass mit dem Gesetzentwurf dem einen Petitum der Notariatskammer nach Rechtssicherheit für die Zukunft hinreichend Rechnung getragen werde, während dem anderen nach einer rückwirkenden Änderung der gemeinrechtlichen Voraussetzungen für die Vergangenheit nicht nachgekommen werden könne: »Dem zweiten Begehren dürfte jedoch nicht stattgegeben werden. Von einer authentischen Interpretation des römischen Rechts durch die bayerische Gesetzgebung kann wohl im Ernste keine Rede sein. Dem neuen Gesetze rückwirkende Kraft zu verleihen, geht ebenfalls nicht an; es läge darin möglicher Weise ein Eingriff in wohlerworbene Rechte und solcher ließe sich durch die obwaltenden Umstände keineswegs rechtfertigen.«1301

In der Plenarsitzung der Kammer der Abgeordneten vom 18. Juni 1870 entbrennt eine lebhafte Debatte,1302 da der Gesetzentwurf immer noch auf Widerstand stößt: Der Abgeordnete Dr. Karl Heinrich Kurz vertritt, wie schon im Ausschuss,1303 nachdrücklich die Auffassung, dass der Schutz der Ehefrau vor einer unlauteren Einflussnahme seitens ihres Mannes oder eines Gläubigers nur durch eine öffentliche Beurkundung sichergestellt werde, wie sie das Sächsische BGB und der Bayerischen Entwurf von 1861/64 vorsehen. Dies sei außerdem auch im wohlverstandenen Interesse des Gläubigers, der hierdurch auf den rechtssicheren Bestand der Interzession vertrauen könne.1304 Der Abgeordnete Dr. Jacob Schüttinger wiederum lehnt den Gesetzentwurf aus anderen Gründen ab. Seiner Ansicht nach handelt es sich um einen überflüssigen Akt fragmentarischer Gesetzgebung, weil in den gemeinrechtlichen Gebieten Bayerns sehr wohl seit längerem ein Gewohnheitsrecht bestehe, wonach auf die Authentica si qua mulier auch ohne Eid wirksam verzichtet werden könne. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs sei daher unrichtig und werde in der Rechtsprechung keine Nachfolge finden.1305 Barth entgegnet auf diese Einwände zum einen, dass die Kammer der Abgeordneten schon zahlreiche andere zivilrechtliche Eingriffe im Wege der fragmentarischen Gesetzgebung vorgenommen habe, ohne dass dies zu irgendwelchen nachteiligen Folgen geführt hätte. Zum anderen seien seiner Erfahrung nach Männer wesentlich leichter zur Übernahme einer Bürgschaft zu 1301 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Beilagen, Bd. 3, Beilage 73, S. 59 ff., 60 rechte Sp. – Aus denselben Gründen sei daher auch der Modifikationsantrag des Abgeordneten Hohenadel abzulehnen, vgl. a. a. O., S. 62 rechte Sp. 1302 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Stenographische Berichte, Bd. 3, Nr. 46, S. 5–30. 1303 Vgl. BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Beilagen, Bd. 3, Beilage 73, S. 66 linke Sp.; S. 67 linke Sp.; S. 68 rechte Sp. 1304 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Stenographische Berichte, Bd. 3, Nr. 46, S. 7 f. 1305 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Stenographische Berichte, Bd. 3, Nr. 46, S. 8 f.

IV. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert

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bewegen als Frauen. Vor allem aber hätten sich die formellen Interzessionsbeschränkungen der Ehefrau in der Praxis als nahezu wirkungslos erwiesen, wenn diese von vornherein unter der »Fuchtel« ihres Mannes stehe und sich hiervon durch eine Belehrung auch nicht lösen könne, so dass bei ihr – mit anderen Worten – dieselbe Willfährigkeit immer wieder durchschlage: »Ich habe auch Erfahrungen im praktischen Rechtsleben und kann Sie versichern, ich habe häufig gefunden, daß die Männer, besonders wenn sie im Wirthshause beim Glas Bier beisammen sind – was bei den Frauenspersonen nicht der Fall ist – weit leichter dazu zu bringen sind, Bürgschaften zu übernehmen als Frauenspersonen, die sich die Sache meist besser überlegen; und wenn Sie meinen, durch Förmlichkeiten – und mögen sie noch so zahlreich sein – eine Ehefrau, die unter dem Einflusse ihres Mannes steht und der Furcht vor ihm nicht Herr zu werden weiß, von einer Bürgschaft für den Mann abhalten zu können, so irren sie sich. Wenn die Frau die innere Kraft nicht hat, um überhaupt dem Manne Widerstand zu leisten, so unterwirft sie sich auch den Förmlichkeiten. Wenn man alle Notare des Landes als Experten vernehmen würde, wie oft es schon der Fall war, daß auf die ertheilte Belehrung hin die Frau von der Bürgschaft zurückgegangen ist, so würde sicher ein sehr kleines Resultat herauskommen. In den meisten Fällen werden Sie finden, daß die Belehrung auch nichts geholfen hat.«1306

Die weitere Debatte verläuft überaus kontrovers und ist durch zahlreiche Anträge und Wortmeldungen geprägt. So stellen der Abgeordnete Max Grabner und der Abgeordnete Alois v. Hafenbrädl jeweils einen Eventualantrag: Für den Fall, dass der Gesetzentwurf keine Zustimmung findet, soll zumindest gesetzlich klargestellt werden, dass für einen wirksamen Verzicht auf die Authentica Si qua mulier in Bayern kein Eid mehr erforderlich ist. 1307 Außerdem bringt der Abgeordnete Hohenadel seinen vom Ausschuss abgelehnten Antrag noch einmal im Plenum ein, den Gesetzentwurf durch einen weiteren Artikel auch auf abgeschlossene Sachverhalte in der Vergangenheit zu erstrecken.1308 Dieser Ergänzungsvorschlag findet (als neuer Art. 5) bei der abschließenden Behandlung der einzelnen Vorschriften nun im Plenum aber ebenso eine Mehrheit wie die anderen Bestimmungen des Gesetzentwurfs, die abgesehen von Details im Wesentlichen unverändert angenommen werden.1309 Was die amtliche Überschrift des Gesetzes angeht, ist dagegen eine namentliche Abstimmung erforderlich, die sich mit 70 zu 56 Stimmen für die Fassung von 1306 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten im 1870/71, Stenographische Berichte, Bd. 3, Nr. 46, S. 9 ff., 10. 1307 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Stenographische Berichte, Bd. 3, Nr. 46, S. 11 ff. – Grabner hatte zuvor schon im Ersten Ausschuss einen ähnlichen Vorschlag gemacht, vgl. a. a. O., Beilagen, Bd. 3, Beilage 73, S. 66 rechte Sp. – Der Antrag v. Hafenbrädls sieht darüber hinaus vor, auch noch die Anforderungen nach IV 10 § 4 CMBC für Bürgschaften von »gemeinen Bürgern und Bauern« aufzuheben. 1308 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Stenographische Berichte, Bd. 3, Nr. 46, S. 13 f. 1309 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Stenographische Berichte, Bd. 3, Nr. 46, S. 22 ff., 25 ff.

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

Barth entscheidet.1310 Schließlich wird auch der Gesetzentwurf als Ganzes in namentlicher Abstimmung mit 103 zu 23 Stimmen angenommen. 1311 Die Kammer der Reichsräte billigt den Gesetzentwurf ebenfalls. Der im dortigen Ersten Ausschuss referierende Reichsrat v. Neumayr folgt in seinem Vortrag vom 9. Juli 1870 ganz der Argumentation Barths, als auch er die praktische Wirkungslosigkeit der Interzessionsbeschränkungen unterstellt, da alle Förmlichkeiten und Belehrungen nichts daran ändern würden, dass die auf die Interzedentin zuvor ausgeübte unlautere Einflussnahme weiter fortwirke: »Sie gewähren die erwarteten Vortheile nicht; denn ist wirklich einmal eine leichtsinnige oder rechtsunerfahrene Person durch Vorspiegelungen irgend welcher Art, ist wirklich einmal eine Ehefrau durch irgend welche Pression von Seite ihres Ehemanns zur Eingehung einer sie gefährdenden Intercession inducirt worden, dann wird der Effekt dieser Einwirkungen die intercedirende Person, wie er sie zur Uebernahme der Intercession gebracht hat, ebenso auch zur Erfüllung aller jener vermeintlich schützenden Förmlichkeiten bringen, an welche das Gesetz die Giltigkeit der Verpflichtung oder die Rechtswirksamkeit des Verzichts auf die sogenannten weiblichen Rechtswohlthaten knüpft. Es liegt das offenbar in der Natur der Sache und findet seine Bestätigung in der täglichen Erfahrung; denn kaum wird irgend ein Richter oder Notar aus seiner Praxis einen Fall namhaft machen können, in welchem eine Person, die mit dem Vorhaben einer Intercessionserklärung vor ihm erschienen war, von diesem Vorhaben auf Grund der ihr ertheilten Belehrung etc. etc. wieder zurückgetreten wäre.«1312

Zudem stellt er klar, dass der ähnliche Antrag Barths im Jahr 1861 nicht etwa aus bestimmten grundlegenden Erwägungen von der Kammer der Reichsräthe abgelehnt worden sei, sondern nur weil damals mit der baldigen Regelung durch ein bayerisches Zivilgesetzbuch gerechnet wurde.1313 Mit Blick auf die einzelnen Vorschriften unterstreicht v. Neumayr bei Art. 5 nachdrücklich die dringenden praktischen Bedürfnisse, die durch die Entscheidung des Bayerischen Obersten Gerichtshofs vom 13. Juli 1869 entstanden seien, so dass etwaige theoretische Bedenken gegen eine Rückwirkung dahinter zurückzustehen hätten.1314 Sowohl der Erste Ausschuss (am 4. Januar 1871),1315 als

1310 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Stenographische Berichte, Bd. 3, Nr. 46, S. 28 f. 1311 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Stenographische Berichte, Bd. 3, Nr. 46, S. 29 f. 1312 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Reichsräthe 1870/71, Beilagen, Bd. 2, Beilage 136, S. 151 ff., 159 f. 1313 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Reichsräthe 1870/71, Beilagen, Bd. 2, Beilage 136, S. 161. 1314 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Reichsräthe 1870/71, Beilagen, Bd. 2, Beilage 136, S. 162, 166 ff. 1315 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Reichsräthe 1870/71, Beilagen, Bd. 2, Beilage 137, S. 172 f.

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auch die Kammer der Reichsräte selbst (am 7. Januar 1871)1316 folgen daher dem Vorschlag v. Neumayrs und erteilen dem Gesetzentwurf ihre uneingeschränkte Zustimmung. Nachdem der entsprechende Gesamtbeschluss am 11. Januar 1871 durch die Kammer der Abgeordneten festgestellt wird,1317 erfolgt am 14. Januar 1871 die Ausfertigung durch den König, so dass das »Gesetz, die Intercessionen betreffend« mit seiner Verkündung am 18. Januar 1871 in Kraft tritt: Art. 1 »Fremde Verbindlichkeiten auf sich nehmen (intercediren) kann ohne Unterschied des Geschlechtes und Standes jede Person, soweit ihr freie Vermögensverfügung zusteht. Wo ein Ehegatte bisher zur Eingehung einer Intercession die Genehmigung des anderen Ehegatten bedurfte, hat es hiebei sein Verbleiben.« Art. 2 »Verbindlichkeiten aus Intercessionen gehen wie andere Verbindlichkeiten auf die Erben über.« Art. 3 »Die Eingehung von Intercessionen ist ohne Unterschied des Geschlechtes und Standes des Intercedenten an besondere Förmlichkeiten nicht gebunden.« Art. 4 »Das Senatus consultum Vellejanum und die Authentica si qua mulier, sowie alle den Artikeln 1 bis 3 des gegenwärtigen Gesetzes widerstreitenden gesetzlichen Bestimmungen sind aufgehoben. Dies gilt namentlich von allen Bestimmungen, welche zur Giltigkeit von Intercessionen im Allgemeinen oder zur Giltigkeit von Intercessionen der Angehörigen bestimmter Stände oder der Frauenspersonen, insbesondere der Ehefrauen, oder zur gemeinschaftlichen Eingehung einer Verbindlichkeit durch beide Ehegatten oder Personen verschiedenen Geschlechts überhaupt amtliche Prüfungen, Belehrungen, Verzichtleistungen und Entsagungen oder anderweite besondere Förmlichkeiten erfordern.« Art. 5 »Intercessionen der Ehefrauen für ihre Männer, welche vor Bekanntmachung dieses Gesetzes eingegangen wurden, sind giltig, wenn die Frauen nach vorgängiger Belehrung auf die Rechtswohlthat der Authentica si qua mulier in einer öffentlichen Urkunde verzichtet haben, auch wenn dieser Verzicht von ihnen nicht eidlich bekräftigt wurde.« Art. 6 »Gegenwärtiges Gesetz […] tritt am Tage der Verkündung im Gesetzblatte für die Landestheile diesseits des Rheins in Wirksamkeit.«1318

Alles in allem trägt die Abschaffung der Interzessionsbeschränkungen in Bayern somit deutlich die Handschrift Barths, der sich mit seinem alten Vorhaben von 1861 zehn Jahre später doch noch durchsetzen kann. f)

Hessen-Darmstadt

aa) Die Verordnung vom 2. März 1795 Wie in vielen Partikularrechten stellt auch Hessen-Darmstadt in der Verordnung vom 2. März 1795 detaillierte Regelungen zur Bürgschaft von Ehefrau1316 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Reichsräthe 1870/71, Bd. 2, Nr. 19, S. 93, 96 ff., 106 f. bzw. a. a. O., Beilagen, Bd. 2, Beilage 138, S. 174. 1317 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Stenographische Berichte, Bd. 4, Nr. 72, S. 107 f. = Verhandlungen der Kammer der Reichsräthe 1870/71, Beilagen, Bd. 2, Beilage 139, S. 175 ff. 1318 Gesetzblatt für das Königreich Bayern 1871, S. 133.

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

en für ihre Ehemänner auf (§§ 10–15). Diese ursprünglich für die »alten Lande« geltenden Vorschriften werden durch Verordnung vom 25. März 1812 in den neu erworbenen sog. »Souverainetäts- und Entschädigungslanden« (rechts des Rheins) ebenfalls eingeführt.1319 Inhaltlich verfolgen diese Regelungen grundsätzlich einen gemeinrechtlichen Ansatz: Jede Interzession »durch Bürgschaft oder auf andere Weise« für den Ehemann setzt einen Verzicht auf die »weiblichen Rechtswohlthaten« voraus (§ 10). Jedoch entfällt der Eid, den sonst das Gemeine Recht beim Verzicht auf die Authentica Si qua mulier verlangt (§ 11). Die Belehrung der Frau durch den Richter und die entsprechende Protokollierung werden ausführlichst in allen Einzelheiten geregelt (§ 12). Zugleich werden alle übrigen bisher gebräuchlichen Formen des Verzichts aufgehoben; ein Beamter, der dies nicht beachtet, kann vom Gläubiger regressweise in Anspruch genommen werden (§ 13). Ist die Ehefrau noch minderjährig, ist ein Vormund hinzuzuziehen (§ 14). Sonstige Anforderungen des Gemeinen Rechts oder des jeweiligen Partikularrechts bleiben unberührt (§ 15). Ein weiterer Ministerialerlass vom 10. Dezember 1819 hält die Gerichtsstellen in den beiden rechtsrheinischen Provinzen noch einmal dazu an, die vorgeschriebene Art der Belehrung und die anderen Förmlichkeiten strikt einzuhalten:1320 ein Umstand, der eher für Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung spricht.1321 Dies verunsichert die Praxis letztlich noch mehr, so dass der Kanzler Arens bereits 1823 in der Ersten Kammer der Landstände eine »Motion« einbringt, um die Verordnung vom 2. März 1795 rückwirkend modifizieren zu lassen,1322 was aber von der Zweiten Kammer abgelehnt wird.1323 Wenige Jahre später beantragen dann die beiden Abgeordneten Müller und Hoffmann in der Zweiten Kammer der Landstände eine Klarstellung durch den Gesetzgeber: Ein Verzicht soll nicht allein deswegen ungültig sein, weil die beurkundete Formel vom Wortlaut der Verordnung abweicht, solange sie 1319 Sammlung der in der Großherzoglich Hessischen Zeitung vom Jahr 1812 publicirten Verordnungen und höheren Verfügungen, Nr. 48, S. 30, 31 f. Vgl. hierzu JUNG, Die zivilrechtliche Stellung der Frau im Großherzogtum Hessen (1997), S. 200 f. 1320 Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt 1819, Nr. 30, S. 164. 1321 Vgl. etwa einen Rechtsstreit durch drei Instanzen, Mittheilungen aus den Materialien der Gesetzgebung und Rechtspflege des Großherzogthums Hessen, Bd. 5 (1831), S. 66, 67 ff., 78 ff., 87 ff. 1322 Vgl. HessLT, Verhandlungen der ersten Kammer 1823/24, Heft I, S. 7 (4. Sitzung v. 11. Sept. 1823); S. 16–18 (6. Sitzung v. 25. Sept. 1823); S. 22 (7. Sitzung v. 29. Sept. 1823); S. 100 (18. Sitzung v. 7. Nov. 1823); S. 113 f. (19. Sitzung v. 11. Nov. 1823). Ferner a. a. O., Beilagen, Nr. 3, S. 11 f. (Motion); Nr. 4, S. 13 f. (Ausschussbericht). 1323 Vgl. HessLT, Verhandlungen der zweiten Kammer 1823/24, Bd. 1, Heft III, S. 26 (30. Sitzung v. 24. Okt. 1823); S. 63 (31. Sitzung v. 27. Okt. 1824). Ferner a. a. O., Beilagen, Nr. 89, S. 23–29 (Ausschussbericht).

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inhaltlich dem Sinn der Verordnung entspricht.1324 Die Zweite Kammer befürwortet mit großer Mehrheit das Ziel dieses Antrags, den sie allerdings nicht mit einer Gesetzesänderung umsetzen möchte, sondern im Wege einer authentischen Interpretation durch die Staatsregierung.1325 Nachdem auch die Erste Kammer hiermit im Wesentlichen einverstanden ist,1326 fasst die Zweite Kammer einen entsprechenden Beschluss.1327 Der Landtagsabschied vom 1. November 1830 begnügt sich deshalb in dieser Frage mit der Feststellung (§ 56): »Wir werden nach Vernehmung der Behörden das Geeignete beschließen.«1328 bb) Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs Der »Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Großherzogthum Hessen« beschäftigt sich im Zweiten Buch seines 1853 veröffentlichten Obligationenrechts ausdrücklich mit der Bürgschaftsfähigkeit (IV 2 Art. 588).1329 Diese kommt jeder vertragsfähigen Person zu mit Ausnahme der verheirateten Frauen, die eine Ermächtigung des Ehemanns benötigen: IV 2 Art. 588 »Alle Personen, welche freies Verfügungsrecht über ihr Vermögen haben, können sich gültig verbürgen. Ehefrauen bedürfen dazu stets der Ermächtigung ihrer Ehemänner.«

Damit wird noch einmal klargestellt, dass für unverheiratete Frauen, deren Vertragsfähigkeit schon aus dem allgemeinen Schuldrecht im Ersten Buch hervorgeht (IV 1 Art. 46),1330 auch hier keine besonderen Beschränkungen bestehen. Verheiratete Frauen hingegen sind nach dem Modell des in Rheinhessen geltenden französischen Rechts (Art. 1124 Cc) nur beschränkt vertragsfähig, als sie nach Maßgabe des Eherechts einer Ermächtigung des Ehemanns bedürfen (IV 1 Art. 52). Dieser Grundsatz aus dem allgemeinen Schuldrecht wird hier im Bürgschaftsrecht gewissermaßen wiederholt (IV 2 Art. 588 Abs. 2).1331 1324 HessLT, Verhandlungen der zweiten Kammer 1829/30, Beilagen, Bd. 1, S. 249– 251 (Antrag); S. 449–456 (Ausschussbericht). 1325 HessLT, Verhandlungen der zweiten Kammer 1829/30, Protokolle, Bd. 1, S. 741– 750 (37. Sitzung v. 11. Feb. 1830); Bd. 2, S. 97 (42. Sitzung v. 19. Feb. 1830). Ferner a. a. O., Beilagen, Bd. 2, S. 572 f. 1326 Vgl. HessLT, Verhandlungen der ersten Kammer 1829/30, Protokolle, S. 524 f. (56. Sitzung v. 24. Aug. 1830); S. 529 f. (57. Sitzung v. 1. Sept. 1830); S. 564 (64. Sitzung v. 24. Sept. 1830); S. 605 f. (67. Sitzung v. 1. Okt. 1830); S. 639 (69. Sitzung v. 7. Okt. 1830); S. 658 (70. Sitzung v. 8. Okt. 1830). Ferner a. a. O., Beilagen, S. 325–329 (Ausschussbericht). 1327 HessLT, Verhandlungen der zweiten Kammer 1829/30, Protokolle, Bd. 4, S. 99– 103 (108. Sitzung v. 20. Sept. 1830); S. 115 f. (109. Sitzung v. 22. Sept. 1830); S. 358 (120. Sitzung v. 13. Okt. 1830). 1328 Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt 1830, Nr. 67, S. 377, 393. 1329 HessMIJ (Hrsg.), Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs, Abt. IV/2 (1853). 1330 HessMIJ (Hrsg.), Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs, Abt. IV/1 (1853).

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

Anders als das französische oder badische Recht sieht der Hessische Entwurf jedoch eine besondere Regelung für den Fall vor, dass die Ehefrau für den eigenen Mann bürgen möchte. Hierzu braucht sie nicht nur die Ermächtigung von ihrem Mann, sondern darüber hinaus muss sie ihre Bürgschaftserklärung vor Gericht abgeben, nachdem sie zuvor über die Rechtsfolgen belehrt wurde, was ebenfalls zu dokumentieren ist (IV 2 Art. 590 Abs. 2): IV 2 Art. 590 Abs. 2 »Geschieht sie von einer Ehefrau für eine Schuld ihres Ehemannes, so ist sie nur gültig, wenn derselbe die Ermächtigung dazu ertheilt, und die Ehefrau über die Bürgschaft vor Gericht, nach von demselben empfangener und protokollirter Erklärung der rechtlichen Folgen derselben, eine Urkunde ausgestellt hat.«

Nach den Motiven soll die Frau dadurch einerseits vor einem »leichtfertigen Entschluss« bewahrt werden, andererseits aber auch vor einer »eigensüchtigen Überredung« durch den Ehemann.1332 Der Hessische Entwurf hält also eine besondere Regelung in zweierlei Hinsicht für angezeigt: einmal zum Schutz vor Übereilung und einmal, um einer unlauteren Einflussnahme des Ehemanns zu begegnen. Im Gegensatz zum französischen oder badischen Recht nimmt der Hessische Entwurf einen Interessenkonflikt bei der Ermächtigung durch den Ehemann damit nicht einfach so hin. cc) Das »Gesetz, die Aufhebung der bei Schuldübernahmen der Frauen … bestehenden besonderen Vorschriften betr.« vom 7. Mai 1875 Im Laufe der folgenden beiden Jahrzehnte setzt sich im Großherzogtum Hessen ebenfalls die kritische Stimmung gegen die gemeinrechtlichen Interzessionsbeschränkungen so weit durch, dass im Februar 1872 der Abgeordnete Curtman in der Zweiten Kammer ihre Aufhebung beantragt, da sie wegen ihrer Rückständigkeit auch in anderen Staaten bereits beseitigt worden seien:1333 1331 HessMIJ (Hrsg.), Motive, Abt. IV/2 (1853), S. 225 (zu IV 2 Art. 586–592): »Nicht minder ist Jeder, welcher freies Verfügungsrecht über sein Vermögen hat, auch gültig sich zu verbürgen fähig, insoferne nicht die Bürgschaftsleistung einer Ehefrau in Frage steht, indem eine solche nach den im Eherechte aufgestellten Rechtsprincipien hierzu der Ermächtigung ihres Ehemannes bedarf (Art. 588).« – Vgl. hierzu JUNG, Die zivilrechtliche Stellung der Frau im Großherzogtum Hessen (1997), S. 336 f. 1332 HessMIJ (Hrsg.), Motive, Abt. IV/2 (1853), S. 227 (zu IV 2 Art. 586–592): »Außerdem fordert er noch insbesondere für den Fall, daß eine Ehefrau für ihren Ehemann Bürgschaft leisten will, zur Beseitigung eines leichtfertigen Entschlusses und einer etwaigen eigensüchtigen, der Ehefrau zum Nachtheile gereichenden Ueberredung von Seiten des Ehemannes, daß der Ehefrau die rechtlichen Folgen ihrer Bürgschaftserklärung gerichtlich vorher erklärt, auch diese Erklärung protocollirt und das Bürgschaftsversprechen urkundlich abgegeben werde (Art. 590 Abs. 2).« – Vgl. hierzu JUNG, Die zivilrechtliche Stellung der Frau im Großherzogtum Hessen (1997), S. 337. 1333 HessLT, Verhandlungen der zweiten Kammer 1869/72, Protokolle, Bd. 8, Nr. 105, S. 3 (Sitzung v. 20. Feb. 1872). Ferner a. a. O., Beilagen, Bd. 9, Nr. 573, S. 1 (Antrag): »Die sogenannten weiblichen Rechtswohlthaten sind eine Erbschaft aus dem römischen

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Denn die entsprechenden Vorschriften würden nur den Verkehr behindern oder gar zu Rechtsmissbrauch einladen, während der ursprüngliche Regelungsgrund durch die gesellschaftliche Entwicklung überholt sei und von einer geschäftlichen Unerfahrenheit der Frauen schon lange keine Rede mehr sein könne.1334 Nachdem dieser Antrag nicht mehr behandelt wird,1335 stellt der Abgeordnete Wilhelm Heinzerling in der nächsten Legislaturperiode einen ähnlichen Antrag,1336 den er publizistisch mit einem Aufsatz flankiert.1337 Ein weiterer Antrag Heinzerlings betrifft daneben die Aufhebung der Formvorschriften des Pfälzer Landrechts für Bürgschaften der »Bürger und Bauern«.1338 In der Ersten Kammer findet sowohl der Antrag zur Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen für Frauen einhellige Zustimmung1339 als auch der zur Aufhebung der Formvorschriften des Pfälzer Landrechts.1340 Rechte, die mit den Forderungen und Rechtsansichten der Jetztzeit in absolutem Widerspruche stehen. Es haben sich daher auch die Legislationen der modernen Staaten schon mehrfach mit deren Abschaffung und Modificirung befaßt und es dürfte an der Zeit sein, auch im Großherzogthum Hessen ein Gleiches zu thun.« 1334 HessLT, Verhandlungen der zweiten Kammer 1869/72, Beilagen, Bd. 9, Nr. 573, S. 1 f.: »Insbesondere ist die Vorschrift des sogenannten Senatus consulti Vellejani und der Authentica si qua mulier, welche die Verbürgung von Frauen in der Regel für ungültig erklärt, und die Bestimmungen der Hessischen Verordnung vom 2. März 1795, pos. 12–14, dem Verkehr hinderlich, und wird nur allzu häufig die Unbekanntschaft mit diesen Specialvorschriften zu unredlicher Handlungsweise mißbraucht. Das ursprüngliche Motiv aber zu dergleichen Ausnahmsgesetzen, die in alten Zeiten bestandene gänzliche Unbekanntschaft der Frauen mit Rechtsgeschäften und deren Folgen, ist in Gefolge vorgeschrittener Bildung und veränderter socialer Stellung der Frauen längst geschwunden.« 1335 HEINZERLING, ApR n.F. 9 (1872), 71, 78; JUNG, Die zivilrechtliche Stellung der Frau im Großherzogtum Hessen (1997), S. 204, die dann allerdings auf das Inkrafttreten des BGB am 1. Januar 1900 abzustellen scheint, was die Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen in Hessen-Darmstadt angeht. 1336 HessLT, Verhandlungen der zweiten Kammer 1873/75, Protokolle, Bd. 1, Nr. 7, S. 3 (Sitzung v. 19. Feb. 1873); Bd. 3, Nr. 47, S. 5 (Sitzung v. 10. Nov. 1873); Nr. 50, S. 19 f. (Sitzung v. 18. Dez. 1873). Ferner a. a. O., Beilagen, Bd. 1, Nr. 61 (Antrag); Bd. 3, Nr. 241 (Ausschussbericht). 1337 HEINZERLING, Die in den rechtsrheinischen Provinzen des Großherzogthums Hessen bezüglich der Verbürgung der Frauen bestehende Gesetzgebung bedarf schleunigster Reform, ApR n.F. 9 (1872), 71 ff. – Hierzu ferner KLEIM, Der Einfluß einseitiger Interessenverfehlungen (1997/98), S. 60 f. 1338 HessLT, Verhandlungen der zweiten Kammer 1873/75, Protokolle, Bd. 1, Nr. 10, S. 6 (Sitzung v. 14. Juni 1873); Nr. 19, S. 2 (Sitzung v. 27. Juni 1873); Bd. 3, Nr. 44, S. 122–125 (Sitzung v. 5. Nov. 1873). Ferner a. a. O., Beilagen, Bd. 1, Nr. 95 (Antrag); Bd. 2, Nr. 170 (Ausschussbericht). 1339 HessLT, Verhandlungen der ersten Kammer 1873/75, Beilagen, Bd. 1, Nr. 69, S. 4 (Ausschussbericht). 1340 HessLT, Verhandlungen der ersten Kammer 1873/75, Protokolle, Bd. 1, S. 487 (13. Sitzung v. 16. Dez. 1873); S. 697 (18. Sitzung v. 10. März 1874); S. 706 (19. Sitzung v. 21. Juli 1874). Ferner a. a. O., Beilagen, Bd. 1, Nr. 64 (Ausschussbericht).

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

Der vom Justizministerium mit Blick auf beide Anträge erstellte Gesetzentwurf umfasst drei Artikel, die im Jahr darauf von der Zweiten Kammer jeweils ohne Gegenstimme angenommen werden.1341 Gleiches gilt für die Erste Kammer,1342 so dass das » Gesetz, die Aufhebung der bei Schuldübernahmen der Frauen in den Provinzen Starkenburg und Oberhessen, sowie bei Bürgschaften der Bürger und Bauern im Geltungsbereiche des Pfälzer Landrechts bestehenden besonderen Vorschriften betr.« vom 7. Mai 1875 schließlich zum 1. Juli 1875 in Kraft treten kann: Art. 1 »Die Uebernahme fremder Verbindlichkeiten (Intercession) ist ohne Unterschied des Geschlechtes und Standes der Uebernehmenden an die Beobachtung besonderer Vorschriften fernerhin nicht gebunden.« Art. 2 »Die Vorschriften des gemeinen Rechtes und der in den Provinzen Starkenburg und Oberhessen bestehenden particulären und statutarischen Rechte, welche über die Intercessionen der Frauen und die Bürgschaften der Bürger und Bauern besondere Bestimmungen enthalten, insbesondere: das Senatus-consultum Vellejanum, die Authentica si qua mulier, die const. 23 § 2 Cod. 4, 29; der § 10 der Verordnungen vom 29. November 1769 und 21. Februar 1770, die §§ 10 bis 14 der Verordnung vom 2. März 1795, die Verordnung vom 25. März 1812 und 10. December 1819; das Mainzer Landrecht Tit. IV § 4; die Frankfurter Reformation, Theil II Tit. 16 § 11 und 12 und das Schöffendecret vom 4. März 1729; […] ferner das Pfälzer Landrecht, Theil II Tit. XV Nr. I und III, sowie endlich alle weiteren dem Art. 1 widersprechenden Gesetze, Verordnungen, Decrete, Rescripte und Gewohnheiten sind aufgehoben.« Art. 3 »Gegenwärtiges Gesetz tritt mit dem 1. Juli l. J. in Kraft.«1343

In beiden Kammern wird die Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen für Frauen also ohne Gegenstimme befürwortet. Auch das Justizministerium und das von ihm eingebundene Hofgericht Gießen sprechen sich hierfür aus, während allein das Hofgericht Darmstadt insoweit Bedenken äußert, weil es einen Schutz der Frauen immer noch für erforderlich hält und abwarten möchte, welche Erfahrungen nun in Preußen nach der Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen gemacht werden.1344 Als weiteres Argument für die Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen wird im Übrigen auch auf Art. 6 ADHGB verwiesen, wonach diese im 1341 HessLT, Verhandlungen der zweiten Kammer 1873/75, Protokolle, Bd. 5, Nr. 75, S. 2 (Sitzung v. 7. Okt. 1874); Nr. 82, S. 7 (Sitzung v. 5. Nov. 1874); Nr. 83, S. 36–39 (Sitzung v. 6. Nov. 1874). Ferner a. a. O., Beilagen, Bd. 5, Nr. 453 (Vorlage), Nr. 454 (Gesetzentwurf), Nr. 455 (Motive) und Nr. 469 (Ausschussbericht). 1342 HessLT, Verhandlungen der ersten Kammer 1873/75, Protokolle, Bd. 2, S. 18 (22. Sitzung v. 10. Nov. 1874); S. 411 (29. Sitzung v. 9. April 1875); S. 526 (32. Sitzung v. 19. Mai 1875). Ferner a. a. O., Beilagen, Bd. 2, Nr. 139 (Ausschussbericht). 1343 Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt 1875, Nr. 24, S. 287. 1344 HessLT, Verhandlungen der zweiten Kammer 1873/75, Beilagen, Bd. 3, Nr. 241, S. 3 f. (Ausschussbericht); Verhandlungen der ersten Kammer 1873/75, Beilagen, Bd. 1, Nr. 69, S. 2 (Ausschussbericht).

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Handelsverkehr ohnehin obsolet seien. Mit Blick auf die Beziehung zwischen Eheleuten wird jedenfalls in besonderen Formerfordernissen kein taugliches Mittel gesehen, um die Frau bei der Bürgschaftserklärung vor einer unlauteren Einflussnahme ihres Mannes zu schützen.1345 Insgesamt findet in Hessen-Darmstadt eine für die Zeit durchaus typische Diskussion der Problematik statt, die daher im Ergebnis auf die Aufhebung aller bestehenden Interzessionsbeschränkungen für Frauen hinausläuft. g) Sachsen aa) Das königliche »Mandat, über die Verbürgungen der Frauenspersonen« vom 6. November 1828 In Sachsen erfolgt die Neuregelung der Interzession von Frauen zunächst nicht im Rahmen einer zivilrechtlichen Kodifikation, sondern im Wege der Einzelgesetzgebung durch königliches »Mandat, über die Verbürgungen der Frauenspersonen« vom 6. November 1828.1346 In dessen Mittelpunkt steht die Verbürgung der Ehefrau für den eigenen Mann. Diese muss vor dem zuständigen Richter erfolgen (§ 1 Nr. 1 i.V.m. § 5), der die Frau über das Haftungsrisiko zu belehren hat (§ 1 Nr. 2), sowie unter Zuziehung eines Geschlechtsvormunds (§ 1 Nr. 3). Der Richter kann dabei die Abwesenheit des Ehemanns anordnen (§ 6), jedoch ist dies keine zwingende Voraussetzung. In den sachlichen Anwendungsbereich dieser Regelung fällt jede Verbürgung der Ehefrau, deren Legaldefinition sich grundsätzlich mit dem weiten Interzessionsbegriff des Gemeinen Rechts deckt (§§ 2–4). Als Rechtsfolge einer vorschriftswidrigen Verbürgung wird deren Ungültigkeit statuiert (§ 7 Abs. 1). Zahlt die Frau trotz ungültiger Verbürgung, kann sie das Geleistete allerdings nicht mehr zurückfordern (§ 8). Geht die Frau gemeinsam mit ihrem Mann eine gesamtschuldnerische Verbindlichkeit ein, haftet sie nur für ihren Anteil; handelt es sich freilich um eine verdeckte Verbürgung, entfällt ihre Haftung vollständig (§ 7 Abs. 2).1347 1345 HessLT, Verhandlungen der ersten Kammer 1873/75, Beilagen, Bd. 1, Nr. 69, S. 3 (Ausschussbericht): »Fürchtet man aber, daß eine Frau zu schwach sein dürfte, gegen ihren Willen dem Verlangen und der Autorität des Mannes bezüglich einer Verbürgung für denselben zu widerstehen, so wird die Sache durch die Vorschrift nicht gebessert, daß man für solche Bürgschaft bestimmte besondere Formen verlangt. Ist die Autorität des Mannes gegen die Frau so groß, daß letztere sich dadurch gegen ihren Willen zur Bürgschaft für Ersteren in einfacher Form bestimmen läßt, so wird sie sich auch dann dazu verstehen, wenn sie die Bürgschaft gültig nur in besonders vorgeschriebener Form bei Gericht zu leisten hat.« 1346 Gesetzsammlung für das Königreich Sachsen 1828, S. 239. – Zum zeitgleichen »Mandat, die Geschlechtsvormundschaft betreffend« vom 10. Nov. 1828 s. o. Fn. 943. 1347 Hierzu OAG Dresden, Erk. v. 1. Sept. 1864, Annalen, Bd. 8 (1865), 379, 379 f.; Erk. v. 2. Mai 1865, Annalen, n.F. Bd. 1 (1866), 251, 252; Erk. v. 15. Dez. 1865, Annalen, n.F. Bd. 1 (1866), 557.

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Im Falle einer privativen Interzession für den Ehemann bleibt dessen Verbindlichkeit bestehen (§ 11). Keine Anwendung findet die Regelung bei folgenden Ausnahmetatbeständen: Die Verbürgung der Ehefrau stellt sich mit Blick auf ihr Vermögen als neutrales Geschäft dar bzw. sie erhält hierfür einen geldwerten Vorteil (§ 9 Nr. 1).1348 Eine Handelsfrau interzediert im Rahmen ihres Gewerbes (§ 9 Nr. 2).1349 Der Interzessionscharakter des Geschäfts ist für den Gläubiger nicht erkennbar (§ 9 Nr. 3).1350 Im Übrigen bestehen keine weiteren Interzessionsbeschränkungen für Frauen. Die Verbürgung einer verheirateten Frau für einen Dritten bzw. die einer nicht verheirateten Frau bedarf grundsätzlich keiner besonderen Förmlichkeiten mehr, sofern nicht nach den allgemeinen Regeln für ihre eigenen Angelegenheiten die Einwilligung des Ehemanns bzw. des Geschlechtsvormunds erforderlich ist (§ 13). Mit dem Mandat werden daher alle anderen gemein- und partikularrechtlichen Regelungen für die Interzession von Frauen aufgehoben, insbesondere in den Kursächsischen Konstitutionen von 1572 (II, 16),1351 der Decisio electoralis 25 von 1661,1352 der Decisio electoralis 24 von 17461353 und dem Oberamtspatent für die Oberlausitz von 17321354 (§ 15). bb) Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs von 1852 Die im Vormärz begonnenen Arbeiten an einer zivilrechtlichen Kodifikation nach dem Vorbild des österreichischen ABGB münden in einem Entwurf,1355 der 1852 offiziell im Druck erscheint.1356 Darin wird insoweit an der grundsätzlichen Wertung des Mandats von 1828 festgehalten, als einerseits eine allgemeine Interzessionsbeschänkung für Frauen verworfen wird: § 855 »Fremde Verbindlichkeiten kann Jedermann übernehmen, welchem die freie Verwaltung des Vermögens zusteht. Ist er hierin beschränkt, so treten die Beschränkungen der Eingehung eigener Verbindlichkeiten auch bei der Uebernahme fremder Obliegenheiten ein.«

Hierzu OAG Dresden, Erk. v. 19. Mai 1865, Annalen, n.F. Bd. 1 (1866), 430, 431. Hierzu OAG Dresden, Erk. v. 11. Aug. 1864, Annalen, Bd. 8 (1865), 265, 265 f. = ZHR 8 (1865), 537. 1350 Hierzu OAG Dresden, Erk. v. Dez. 1856, Wochenblatt für merkwürdige Rechtsfälle, n. F. 5 (1857), 73, 77, 78; Erk. v. 16. Sept. 1859, Annalen, Bd. 1 (1860), 435, 436 a. E.; Erk. v. 1. Sept. 1864, Annalen, Bd. 8 (1865), 379, 380. 1351 Siehe oben Fn. 536 ff. 1352 Siehe oben Fn. 549. 1353 Siehe oben Fn. 538. 1354 Siehe oben Fn. 913. 1355 AHCIN, Zur Entstehung des bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Sachsen (1996), S. 105 ff., 145 ff., 172 ff. 1356 SächsStReg (Hrsg.), Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs (1852). 1348 1349

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Die Formulierung in Satz 1 dieser Vorschrift macht einmal mehr deutliche Anleihen bei § 1349 ABGB. Andererseits wird ein besonderes Regime bei der Interzession verheirateter Frauen für den eigenen Ehemann aufrechterhalten, das gegenüber dem Mandat von 1828 indes etwas abgeschwächt wird, als nur noch eine Interzessionserklärung vor Gericht verlangt wird, aber keine richterliche Belehrung mehr. Auch die Befugnis des Richters, hierbei die Abwesenheit des Ehemanns anzuordnen, findet sich nicht mehr im Entwurf von 1852. Zudem kann sich die Ehefrau nun bei der Interzessionserklärung vertreten lassen: § 856 »Eine Ehefrau kann aus der zum Vortheile ihres Ehemannes bewirkten Uebernahme einer Schuld des Letzteren oder ihrem Beitritte hierzu […] zur Berichtigung dieser Schuld nur angehalten werden, wenn sie persönlich oder durch einen besonders hierzu mittelst gerichtlicher Vollmacht bestellten Beauftragten vor einer Gerichtsbehörde die bindende Erklärung abgegeben hat.«

Der Entwurf von 1852 geht also nicht so weit wie das österreichische ABGB, auch bei der Interzession für den eigenen Ehemann alle Beschränkungen zu beseitigen. In den Motiven werden das besondere Näheverhältnis und die Einflussnahmemöglichkeiten des Mannes als Grund hierfür genannt. Eine gerichtliche Belehrung – wie nach dem Mandat von 1828 – wird jedoch nicht mehr als taugliches Mittel angesehen, diesem Problem abzuhelfen, da die Ehefrau nicht aus Unkenntnis über die Folgen der Interzession handle und sich gewöhnlich auch nicht mehr von der Interzession abbringen lasse, wenn sie einmal den Weg vor Gericht gefunden habe: »Es läßt sich zwar für diese ältere Bestimmung anführen, daß Eheweiber oft durch das eheliche Verhältniß, den Einfluß, den der Ehemann über sie übt, zu Intercessionen für denselben veranlaßt werden, ohne den ihnen daraus drohenden Nachtheil zu übersehen. Dieser Uebelstand wird indessen durch jene gesetzliche Fürsorge nicht gehoben. Denn die Gefahren, welche aus einer Intercession entstehen können, gehen so klar aus der Natur der Sache hervor, daß Unkenntniß derselben nicht vermuthet werden kann. Hat sich eine Ehefrau nichtsdestoweniger bereden lassen, mit vor Gericht zu gehen und die Uebernahme zu erklären, so wird sie kaum durch die Vorstellungen des Gerichts von ihrem Vorhaben zurückgebracht werden, der Art, wie dergleichen Belehrungen zu geschehen pflegen, gar nicht weiter zu gedenken.«1357

Angesichts der typischen Machtverhältnisse zwischen den Eheleuten wird aber nach wie vor die Notwendigkeit einer besonderen Regelung gesehen, da es nicht zuletzt auch im staatlichen Interesse liege, die Ehefrau und ihre Familie zu schützen. Die vorgesehene gerichtliche Form der Interzessionserklärung biete hier zumindest einen Schutz vor Übereilung: »Gleichwohl ist andererseits zuzugeben, daß das große Gewicht, welches ein Ehemann auf die Entschließung seiner Ehefrau ausübt, oft zum Nachtheile der letzteren und der Familie überhaupt gemißbraucht werde und daß der Staat selbst ein Interesse daran habe, jenem 1357

SächsStReg (Hrsg.), Specielle Motiven (1852), zu §§ 855 und 856, S. 189.

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Einflusse, so viel, als mit der Freiheit des Verkehrs vereinbar ist, entgegenzuwirken. Aus dieser doppelten Erwägung ist die Vorschrift des § 856 hervorgegangen. Man hat damit, daß man eine gerichtliche Erklärung verlangt, einer Ehefrau wenigstens Zeit zur Ueberlegung des von ihr beabsichtigten Schrittes geben wollen, hat aber auch von den zeitherigen, nicht bewährt gefundenen Formalitäten der Belehrung und der Abwesenheit des Ehemannes Umgang genommen«. 1358

cc) Das Sächsische BGB von 1863/65 Der 1852 vorgelegte Entwurf wird aber bereits kurz nach seiner Veröffentlichung wieder zurückgenommen.1359 Die anschließende Revision führt 1860 zur Herausgabe eines überarbeiteten Entwurfs,1360 der mit geringfügigen Änderungen 1863 verabschiedet wird und am 1. März 1865 als Bürgerliches Gesetzbuch für das Königreich Sachsen in Kraft tritt.1361 Das Sächsische BGB lehnt sich wieder stärker an das Mandat von 1828 an. Es sieht in seinem Bürgschaftsrecht (§§ 1449 ff.) keine generelle Interzessionsbeschränkung für Frauen vor,1362 unterwirft aber die Interzession für den eigenen Ehemann einer besonderen Regelung im Eherecht (§§ 1650 ff.). Begründet wird dies zum einen mit der besonderen Schutzbedürftigkeit der Ehefrau, deren geschäftliche Unerfahrenheit und fehlende Distanz leichter zu einer unüberlegten Interzession führen könnten. Zum anderen gehe der Vermögensverfall der betroffenen Familien letztlich auch zu Lasten des Staates und der Allgemeinheit. Aus diesen Gründen habe man sich deshalb bewusst gegen den »Zeitgeist« gestellt: »In der Form der Intercession einer Ehefrau für ihren Ehemann soll erstens die Ehefrau gegen die Gefahren geschützt werden, welche für sie daraus entstehen können, daß sie aus einer dem weiblichen Geschlechte eigenthümlichen Geschäftsunerfahrenheit und vielleicht blos in dem Wunsche, ihren Ehemann aus einer augenblicklichen Geldverlegenheit zu retten, Verbindlichkeiten übernimmt, welche sie außerdem nicht übernehmen würde, und zweitens der für den Staat nachtheiligen Verarmung ganzer Familien gesteuert werden. Der Zeitgeist hat auch an dieser wohlthätigen Einrichtung zu rütteln angefangen, bis jetzt aber noch nirgends seine egoistischen Zwecke erreicht.«1363

Das Regelungsmodell des Mandats von 1828 wird inhaltlich nahezu unverändert übernommen.1364 Eine Interzession für den eigenen Ehemann ist nur rechtswirksam, wenn sie vor Gericht und nach richterlicher Belehrung vorgeSächsStReg (Hrsg.), Specielle Motiven (1852), zu §§ 855 und 856, S. 189. Hierzu AHCIN, Zur Entstehung des bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Sachsen (1996), S. 210 ff. 1360 SächsStReg (Hrsg.), Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs (1860). 1361 AHCIN, Zur Entstehung des bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Sachsen (1996), S. 249 ff., 303 ff. 1362 SIEBENHAAR, Commentar, Bd. I, 2. Aufl. (1869), zu § 8 (S. 45 f.); Bd. II, 2. Aufl. (1869), zu § 1449 a. E. (S. 365). 1363 SIEBENHAAR, Commentar, Bd. III, 2. Aufl. (1869), zu § 1650 (S. 56). 1358 1359

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nommen wird.1365 Anders als nach dem Mandat wird die Abwesenheit des Ehemanns hierbei nun sogar aus Gründen der Zweckmäßigkeit zwingend vorgeschrieben.1366 Wiederum in Übereinstimmung mit dem Mandat stellt auch das Sächsische BGB fest, dass eine trotz nichtiger Interzession erfolgte Leistung von der Frau nicht kondiziert werden kann1367: § 1650 »Jedes Rechtsgeschäft, durch welches eine Ehefrau sich für den Ehemann verpflichtet, ist nichtig, ausgenommen wenn sie dasselbe mit Einwilligung des Ehemannes vor Gericht vornimmt, und dieses die Ehefrau vorher in Abwesenheit des Ehemannes über den Vermögensverlust, welchen sie sich dadurch zuziehen kann, belehrt hat. Hat die Ehefrau in Folge einer nichtigen Verpflichtung für ihren Ehemann Etwas geleistet, so kann sie dieß nicht zurückfordern.«1368

Als einschlägige Verpflichtung für den Ehemann gelten grundsätzlich alle Formen der Real- und Personalinterzession.1369 Anders als im Ius commune wird auch der Verzicht auf ein Recht grundsätzlich vom sachlichen Anwendungsbereich erfasst.1370 Gleiches gilt für die im Gemeinen Recht umstrittene Zustimmung der Frau zum Rangrücktritt1371: § 1651 »Die Vorschrift im § 1650 gilt auch, wenn die Ehefrau eine Verpflichtung eingeht, um den Ehemann der Eingehung derselben zu überheben, wenn sie Darlehne aufnimmt, um damit Schulden des Ehemannes zu bezahlen, wenn sie zur Sicherstellung eines Gläubigers des Ehemannes Forderungen abtritt, oder Pfandrechte bestellt, oder auf Rechte, welche ihr wegen ihres Einbringens oder wegen anderer Forderungen an ihren Ehemann Sicherheit geben sollen, verzichtet, oder einem Gläubiger des Ehemannes nachzustehen verspricht.«1372

SächsStReg (Hrsg.), Specielle Motiven (1861), zu §§ 1669 bis 1685, S. 855, 857 (lfd. Nr. 10). 1365 Zur Zuständigkeit vgl. § 17 der »Verordnung, die Ein- und Ausführung des bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Sachsen betreffend« vom 9. Januar 1865, Gesetzund Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen 1865, S. 1, 3. 1366 SächsStReg (Hrsg.), Specielle Motiven (1861), zu §§ 1669 bis 1685, S. 855, 858 (lfd. Nr. 11 a. E.). – Ferner SIEBENHAAR, Commentar, Bd. I, 2. Aufl. (1869), zu § 6 der Publikationsverordnung vom 2. Januar 1863 (S. 10 f.); Bd. III, 2. Aufl. (1869), zu § 1650 (S. 57). 1367 Hierzu SIEBENHAAR, Annalen, n.F. Bd. 5 (1869), 433, 442 ff. – Ferner OAG Dresden, Erk. v. 2. Jan. 1868, Annalen, n.F. Bd. 4 (1868), 380, 381; ROHG, Urt. v. 17. Okt. 1873, ROHGE 11, 214, 215 f. 1368 So auch schon § 1681 des Entwurfs von 1860. 1369 SIEBENHAAR, Commentar, Bd. III, 2. Aufl. (1869), zu § 1650 (S. 56 f.). 1370 Vgl. dazu SächsStReg (Hrsg.), Specielle Motiven (1861), zu §§ 1669 bis 1685, S. 855, 858 (lfd. Nr. 12): »Ob es als Intercession zu betrachten sei, wenn die Ehefrau bei Veräußerung eines Grundstückes des Ehemannes eine ihr daran zustehende Hypothek aufgiebt, ist nach den Umständen des einzelnen Falles zu beurtheilen.« – Ferner SIEBENHAAR, Commentar, Bd. III, 2. Aufl. (1869), zu § 1650 (S. 57); zu § 1651 (S. 58). 1371 Siehe oben Fn. 979 ff. 1372 So auch schon § 1682 des Entwurfs von 1860. 1364

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Die gemeinsame gesamtschuldnerische Verpflichtung von Mann und Frau wird ebenfalls wie schon im Mandat von 1828 dahin gehend gelöst, dass die Frau nur pro sua rata haftet bzw. überhaupt nicht, wenn es sich materiell betrachtet als ein rein fremdnütziges Geschäft zugunsten ihres Mannes darstellt: § 1652 »Verpflichtet sich eine Ehefrau mit dem Ehemanne als Gesammtschuldnerin ohne die im § 1650 angegebene Form durch ein Geschäft, aus welchem sie an sich nur antheilig gehalten sein würde, so haftet sie nur zu ihrem Antheile. Ist das ganze Geschäft blos zu Gunsten des Ehemannes geschlossen worden, so wird sie gar nicht verpflichtet.«1373

Schließlich gelten dieselben Ausnahmen von der gesetzlich vorgeschriebenen Form wie schon nach dem Mandat von 1828, soweit es sich für die Frau um ein neutrales oder vorteilhaftes Geschäft handelt1374 oder soweit der Gläubiger den Interzessionscharakter nicht kannte und auch nicht hätte erkennen können:1375 § 1653 »Der Form im § 1650 bedarf es nicht, wenn die Ehefrau durch die Verpflichtung für den Ehemann nichts von ihrem Vermögen verliert, oder wenn sie Vermögensvortheile erlangt.«1376 § 1654 »Ergiebt sich bei einem Geschäfte die Verpflichtung der Ehefrau für den Ehemann nicht nach der äußeren Erscheinung des Geschäftes, so tritt die Vorschrift im § 1650 nur ein, wenn der Gläubiger das wahre Sachverhältniß gekannt hat.«1377

Anders als im Mandat von 1828 wird allerdings im Sächsischen BGB keine Ausnahme für Kauffrauen aufgenommen, da dies als Gegenstand des Handelsrechts begriffen wird.1378 h) Deutscher Bund, Norddeutscher Bund und Deutsches Reich aa) Wirtschaftsrecht Die länderübergreifenden Kodifikationsvorhaben des Deutschen Bundes beschäftigen sich zunächst auf dem Gebiet des Wirtschaftsrechts mit der Interzessionsfähigkeit der Frauen.1379

So auch schon § 1683 des Entwurfs von 1860. Hierzu OAG Dresden, Erk. v. 14. März 1865, Annalen, n.F. Bd. 1 (1866), 140. 1375 Hierzu OAG Dresden, Erk. v. 26. Juli 1866, Annalen, n.F. Bd. 3 (1868), 134, 134 f. 1376 So auch schon § 1684 des Entwurfs von 1860. 1377 So auch schon § 1685 des Entwurfs von 1860. 1378 SIEBENHAAR, Commentar, Bd. III, 2. Aufl. (1869), zu § 1653 (S. 59). – Hierzu OAG Dresden, Erk. v. 29. Nov. 1866, Annalen, n.F. Bd. 3 (1868), 209, 209 f.; Erk. v. 2. Jan. 1868, Annalen, n.F. Bd. 4 (1868), 380 in Fn. *. 1379 KLEIM, Der Einfluß einseitiger Interessenverfehlungen auf die Wirksamkeit von Kredit- und Bürgschaftsverträgen (1997/98), S. 43 ff., 48 f. 1373 1374

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(1) Die Allgemeine Deutsche Wechselordnung von 1848 Die vom Deutschen Zollverein zur Schaffung eines einheitlichen Wechselrechts 1847 einberufene Leipziger Konferenz legt ihren Arbeiten den preußischen »Entwurf einer Wechsel-Ordnung« zugrunde, der von einer generellen Wechselfähigkeit unabhängig vom Geschlecht ausgeht.1380 In den Motiven zum preußischen Entwurf wird eine auf Frauen bezogene Einschränkung der Wechselfähigkeit als nicht mehr zeitgemäß verworfen: »Die einzige Ausnahme, welche in Frage kommen könnte, sind die nicht Handel treibenden Frauen. Ihnen ist zwar bisher schon von mehreren Wechselordnungen unbedingte Wechselfähigkeit beigelegt, gewöhnlich werden sie indeß nicht für wechselfähig gehalten. Aber dies rührt wiederum meistentheils nur daher, daß man gegen sie die Personalhaft nicht anwenden will. Das ist allerdings zu billigen; dagegen fehlt es an einem genügenden Grunde, ihnen im Uebrigen die Fähigkeit zur Uebernahme einer Wechselverbindlichkeit zu entziehen.«1381

Kritisch sei insoweit allein das Verhältnis zu den geltenden Interzessionsbeschränkungen für Frauen. Abgesehen von der eher seltenen Wechselbürgschaft (Aval) würden die Wechselgeschäfte aber in der Regel keine tatbestandliche Interzession enthalten. Die etwaige Abgrenzung und Behandlung von verdeckten Interzessionen könne der Rechtsprechung überlassen bleiben. Die Motive zum preußischen Entwurf spielen also die Problematik herunter und sehen keine Gefahr von Friktionen zwischen der unbeschränkten Wechselfähigkeit einerseits und einer beschränkten Interzessionsfähigkeit andererseits: »Ein Bedenken gegen die Wechselfähigkeit der Frauen könnte aus den Beschränkungen entnommen werden, welchen die Intercessionen der Frauen, nach Preußischem sowohl wie nach gemeinem Rechte, unterliegen. Allein mit Ausnahme des nicht häufig vorkommenden Avals sind die Wechselgeschäfte an sich nicht Intercession, und inwiefern eine Frau sich bei einer Wechselbürgschaft oder bei einer durch das Wechselgeschäft verdeckten Intercession auf die desfallsigen Beneficien berufen kann, wird der Rechtsprechung mit Rücksicht auf die in den verschiedenen Territorien bestehenden Vorschriften über Intercessionen der Frauen überlassen werden können.«1382

Mit deutlicher Mehrheit lehnt es die Leipziger Konferenz in der Sitzung vom 22. Oktober 1847 ebenfalls ab, die Wechselfähigkeit von Frauen einzuschränken, und stellt neben der weitgehenden Abschaffung der Geschlechtsvormundschaft vor allem darauf ab, dass es keine Bedeutung für das formelle Wechselgeschäft habe, wenn die Interzession zugunsten eines Dritten recht-

1380 § 1 Entwurf einer Wechsel-Ordnung für die Preußischen Staaten: »Wechselfähig sind alle Personen, welche sich durch Darlehns-Verträge gültig verpflichten können.« 1381 Motive zum Entwurf einer Wechsel-Ordnung für die Preußischen Staaten, S. XXVII. 1382 Motive zum Entwurf einer Wechsel-Ordnung für die Preußischen Staaten, S. XXVII.

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lich »unstatthaft« sei. Die Interzession zugunsten des eigenen Ehemanns wird hingegen nicht thematisiert: »Diese Frage ward in Ansehung der Frauen mit 15 Stimmen gegen 3 besonders darum verneinend entschieden, weil durch die in neuerer Zeit fast überall ausgesprochene Aufhebung der Geschlechtscuratel wenigstens für unverheirathete Frauen, eine fast unbeschränkte Dispositionsfähigkeit eingetreten sei, und die Möglichkeit einer unstatthaften Intercession für Dritte bei Beurtheilung eines formellen Geschäfts nicht in Betracht komme.«1383

Infolgedessen stellt Art. 1 ADWO allgemein und unabhängig vom Geschlecht die Wechselfähigkeit fest: Art. 1 ADWO »Wechselfähig ist Jeder, welcher sich durch Verträge verpflichten kann.«

Die Höchstgerichte der Länder entwickeln in der Folge jedoch keine einheitliche Linie, was das Verhältnis zu den Interzessionsbeschränkungen angeht.1384 Weite Teile der Rechtsprechung sind der Ansicht, dass der Gesetzgeber mit der Einführung der allgemeinen Wechselfähigkeit von Frauen in Art. 1 ADWO keinerlei Aussage zu deren Interzessionsfähigkeit treffen wollte, die vielmehr nach dem jeweiligen Landesrecht zu beurteilen sei. Nach Landesrecht einschlägige partikular- oder gemeinrechtliche Interzessionsbeschränkungen seien daher weiterhin beachtlich.1385 Da die entsprechenden Einreden und Einwendungen aber nicht zum Wechselrecht selbst gehörten, könnten sie nach Art. 82 ADWO1386 nur dann geltend gemacht werden, wenn sie unmittelbar aus dem Rechtsverhältnis zum betreffenden Kläger stammten.1387 Dies betrifft typischerweise das Verhältnis zum ursprünglichen Wechselnehmer. Mitunter wird aber sogar die Zulässigkeit dieser Einwendungen auch gegenüber einem Dritterwerber des Wechsels (Indossatar) bejaht,1388 1383 Protocolle der zur Berathung einer Allgemeinen Deutschen Wechsel-Ordnung abgehaltenen Conferenz (1848), S. 5, 7. 1384 Vgl. hierzu WEBER, ApR 3 (1855), 161 ff.; FRANCK, ApR 9 (1862), 203 ff. – Zur Behandlung von Einreden in der wechselrechtlichen Literatur insgesamt FREUND, Die Wechselverpflichtung im 19. Jahrhundert (2008). 1385 Obertribunal Stuttgart, Erk. v. 1. Dez. 1857, SeuffA Bd. 12 Nr. 191, S. 257, 258 f. Ebenso im Ergebnis OAG Darmstadt, Erk. v. 22. Feb. 1856, SeuffA Bd. 12 Nr. 191, S. 262; OAG Dresden, Erk. v. 16. Sept. 1859, Annalen, Bd. 1 (1860), 435, 436; OAG Celle, Erk. v. 30. Dez. 1864, SeuffA Bd. 20 Nr. 65, S. 108; OAG Berlin, Erk. v. 10. Juni 1870, SeuffA Bd. 24 Nr. 152, S. 229, 230. 1386 Art. 82 ADWO »Der Wechselschuldner kann sich nur solcher Einreden bedienen, welche aus dem Wechselrechte selbst hervorgehen oder ihm unmittelbar gegen den jedesmaligen Kläger zustehen.« 1387 Obertribunal Stuttgart, Erk. v. 1. Dez. 1857, SeuffA Bd. 12 Nr. 191, S. 257, 259 f.; OAG Celle, Erk. v. 30. Dez. 1864, SeuffA Bd. 20 Nr. 65, S. 108, 108 f.; OAG Berlin, Erk. v. 10. Juni 1870, SeuffA Bd. 24 Nr. 152, S. 229, 230; OAG München, Erk. v. 16. Nov. 1866, SeuffA Bd. 24 Nr. 153, S. 230, 232 f. 1388 OAG Darmstadt, Erk. v. 22. Feb. 1856, SeuffA Bd. 12 Nr. 191, S. 262 = ApR 4 (1857), 352, 353 ff. unter Bezugnahme auf WEBER, ApR 3 (1855), 161, 181, 189 ff. – vgl.

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insbesondere wenn dieser wusste, dass durch den indossierten Wechsel eine Interzession »verschleiert« werden sollte.1389 Die Gegenansicht leitet aus der in Art. 1 ADWO verankerten allgemeinen Wechselfähigkeit der Frauen die Unzulässigkeit dieser Einwendungen ab – selbst gegenüber dem ursprünglichen Wechselnehmer. Andernfalls drohe im Ergebnis die Aushöhlung der zuerkannten Wechselfähigkeit, wenn die Übernahme einer Wechselverbindlichkeit doch wieder nach allgemeinem Zivilrecht beurteilt würde. Zudem hätten sich auch früher schon die Handelsfrauen, denen als erstes die Wechselfähigkeit zugestanden worden war, ebenfalls nicht auf die weiblichen Rechtswohltaten berufen können.1390 Darüber hinaus wird auf Art. 81 Abs. 1 ADWO1391 verwiesen, wonach die Haftung für die Wechselverbindlichkeit durch den Beisatz zur Unterschrift »als Bürge« (per aval) nicht beschränkt werden könne. Wenn also selbst der Charakter als Wechselbürgschaft keine Auswirkungen auf die Haftung habe, dann müsse dies erst recht für sonstige aus einer Bürgschaft abgeleiteten Einreden gelten.1392 Für Rechtseinheit sorgen insoweit letztlich erst das Reichsoberhandelsgericht und das Reichsgericht, die sich der erstgenannten Ansicht anschließen und auch beim Wechsel eine unstatthafte Interzession nach Maßgabe von Art. 82 ADWO für beachtlich halten.1393 Diese Entscheidungen betreffen dabei allesamt die Interzession einer Ehefrau für den eigenen Mann, die jeweils gegen Gemeines Recht in Verbindung mit partikularrechtlichen Formvorschriften verstößt oder insbesondere gegen § 1650 Sächsisches BGB.1394 hierzu JUNG, Die zivilrechtliche Stellung der Frau im Großherzogtum Hessen (1997), S. 202. – Ferner aber auch OAG Dresden, Erk. v. 20. Jan. 1858, Wochenblatt für merkwürdige Rechtsfälle, n. F. 6 (1858), 145, 151, 152 in bewusstem Gegensatz zur Haltung des Preußischen Obertribunals (s. u. Fn. 1390); bestätigt in OAG Dresden, Erk. v. 15. Nov. 1866, Annalen, n.F. Bd. 3 (1868), 225. Noch offengelassen in OAG Dresden, Erk. v. Dez. 1856, Wochenblatt für merkwürdige Rechtsfälle, n. F. 5 (1857), 73, 77, 78. 1389 OAG Celle, Erk. v. 30. Dez. 1864, SeuffA Bd. 20 Nr. 65, S. 108, 109. 1390 Preußisches Obertribunal, Erk. v. 22./25. Nov. 1856, SeuffA Bd. 12 Nr. 191, S. 261, 261 f. – bestätigt durch Erk. v. 19. April 1859, SeuffA Bd. 14 Nr. 60, S. 88, 89 f.; Erk. v. 22. Dez. 1859, SeuffA Bd. 14 Nr. 60, S. 90 – ähnlich zuvor schon Plenarbeschluß v. 21. Feb. 1853, SeuffA Bd. 7 Nr. 226, S. 267, 268; Erk. v. 13. Dez. 1853, SeuffA Bd. 10 Nr. 79, S. 96, 97 f. – Ebenso im Ergebnis OG Wolfenbüttel, Erk. v. 2. Juni 1855, SeuffA Bd. 12 Nr. 191, S. 262; BayOGH, Erk. v. 28. Nov. 1870, SeuffA Bd. 29 Nr. 69, S. 112, 113 f. 1391 Art. 81 Abs. 1 ADWO »Die wechselmäßige Verpflichtung trifft den Aussteller, Acceptanten und Indossanten des Wechsels, so wie einen Jeden, welcher den Wechsel, die Wechselkopie, das Accept oder das Indossament mitunterzeichnet hat, selbst dann, wenn er sich dabei nur als Bürge (per aval) benannt hat.« 1392 BayOGH, Erk. v. 28. Nov. 1870, SeuffA Bd. 29 Nr. 69, S. 112, 113 f. – Vgl. ferner G., Zeitschrift für das Notariat 1 (1864), 168, 171 f. 1393 ROHG, Urt. v. 29. Mai 1872, ROHGE 6, 203, 204; Urt. v. 17. Okt. 1873, ROHGE 11, 214, 217; Urt. v. 3. Sept. 1874, ROHGE 14, 144, 145. – RG, Urt. v. 3. Nov. 1883, RGZ 11, 1, 2 f. unter Verweis auf ein Urt. v. 18. Nov. 1879.

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

(2) Das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch von 1861 Neben dem Wechselrecht stellt sich vor allem im Handelsrecht die Frage, welche Auswirkungen hier etwaige Interzessionsbeschränkungen der Frau auf die Sicherheit des Verkehrs haben. Ähnlich wie nach dem ALR (II 8 §§ 488 ff.),1395 dem Württemberger Entwurf eines Handelsgesetzbuchs von 1839 (Art. 7),1396 dem Nassauer Entwurf von 1842 (Art. 1 Abs. 2)1397 oder dem sog. Frankfurter Entwurf von 1849 (Art. 12)1398 ist auch nach dem Preußischen Entwurf eines Handelsgesetzbuchs von 1857 (Art. 4 ff.), den die Nürnberger Kommission ihrer Arbeit am ADHGB zugrunde legt, grundsätzlich jede Interzession einer Handelsfrau voll wirksam, wenn sie im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit erfolgt: Art. 4 »Eine Frau, welche ein Handelsgewerbe betreibt (Handelsfrau), hat in ihrem Handelsbetriebe alle Rechte und Pflichten eines Kaufmanns. Dieselbe kann sich in Betreff ihrer Handelsgeschäfte auf die Rechtswohlthaten der Frauen nicht berufen. Es macht hiebei keinen Unterschied, ob sie das Handelsgewerbe allein oder in Gemeinschaft mit Andern, ob sie dasselbe in eigener Person oder durch einen Faktor betreibt.«1399

Auch bei den Beratungen des ADHGB besteht von Anfang an Einigkeit, hieran festzuhalten. Diskutiert wird allein, wie dieser Regelungsgehalt am besten formuliert und in Gesetzesform gebracht werden kann, nachdem in manchen 1394 Mecklenburg-Schwerin, »Verordnung, betreffend die Bürgschaften und sonstigen Intercessionen der Frauenzimmer« vom 16. Mai 1857 (Regierungs-Blatt 1857, Nr. 16, S. 109): ROHG, Urt. v. 29. Mai 1872, ROHGE 6, 203; Urt. v. 3. Sept. 1874, ROHGE 14, 144, 145 f. – Schwarzburg-Sondershausen, »Gesetz, die Intercessionen der Frauenzimmer betreffend« vom 2. März 1844 (Gesetz-Sammlung 1844, S. 25): RG, Urt. v. 3. Nov. 1883, RGZ 11, 1. – § 1650 Sächsisches BGB (s. o. Fn. 1368): ROHG, Urt. v. 17. Okt. 1873, ROHGE 11, 214, 215. 1395 Siehe oben Fn. 1075. 1396 Entwurf eines Handelsgesetzbuches für das Königreich Württemberg, Theil I (1839), Art. 7: »Bürgschaften der Handelsfrauen in Handelssachen sind nicht an die sonstigen gesetzlichen Förmlichkeiten bei Bürgschaften der Frauen gebunden.« – Die Motive, a. a. O., Theil II (1840), S. 25 beschränken sich insoweit auf folgenden Verweis: »Vergl. das Gesetz vom 21. Mai 1828, Art. 6.« – Hierzu s. o. Fn. 945. 1397 Entwurf einer Handels- und Wechsel-Ordnung für das Herzogthum Nassau (1842), Art. 1 Abs. 2: »Frauenspersonen, welche in dieser Weise ein Handelsgewerbe betreiben (Handelsfrauen), können sich bei den dahin einschlagenden Rechtsgeschäften auf die weiblichen Rechtswohlthaten des gemeinen Rechts (das SCtum Vellejanum und die Auth. si qua mulier) nicht berufen.« 1398 Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für Deutschland (1849), Art. 12: »Der Handelsfrau steht in Betreff ihrer Handelsgeschäfte nicht die Berufung auf die Rechtswohlthaten der Frauenspersonen zu, auch wenn sie bei der Betreibung ihres Handelsgewerbes nicht thätig ist.« – Vgl. hierzu die Motive, a. a. O., S. 32 ff. 1399 Nach den Motiven gilt dies als ein »alter Satz des Handelsrechts«, vgl. Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preussischen Staaten, Theil II (1857), S. 8 f.

IV. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert

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Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes die Interzessionsbeschränkungen für Frauen bereits völlig aufgehoben sind, wie etwa in Österreich.1400 In Art. 6 Abs. 1 ADHGB wird die Handelsfrau, was ihren gesamten Handelsbetrieb angeht, dem Kaufmann völlig gleichgestellt,1401 so dass sie sich nach Art. 6 Abs. 2 ADHGB selbst in den Staaten, wo noch Interzessionsbeschränkungen für Frauen bestehen, nicht auf diese berufen kann: Art. 6 ADHGB »Eine Frau, welche gewerbemäßig Handelsgeschäfte betreibt (Handelsfrau), hat in dem Handelsbetriebe alle Rechte und Pflichten eines Kaufmanns. Dieselbe kann sich in Betreff ihrer Handelsgeschäfte auf die in den einzelnen Staaten geltenden Rechtswohlthaten der Frauen nicht berufen. Es macht hiebei keinen Unterschied, ob sie das Handelsgewerbe allein oder in Gemeinschaft mit Anderen, ob sie dasselbe in eigener Person oder durch einen Prokuristen betreibt.«

Für die Eigenschaft als Handelsfrau genügt es allerdings nicht, wenn die Frau eines Kaufmanns lediglich in dessen Handelsbetrieb mithilft (Art. 7 Abs. 3 ADHGB). Auch bezüglich dieser Unterscheidung zwischen der bloß mitarbeitenden uxor mercatoris und der regelrechten femina mercatrix wirken also – wie schon im ALR (II 8 § 496) – gemeinrechtliche Gedanken fort.1402 Ferner wird klargestellt, dass eine verheiratete Frau zwar zur Geschäftsaufnahme die Einwilligung ihres Ehemanns benötigt (Art. 7 Abs. 1 ADHGB),1403 nicht aber zum Abschluss eines einzelnen Handelsgeschäfts (Art. 8 Abs. 1 ADHGB).1404 Zudem unterliegt eine Kauffrau – ob verheiratet oder nicht – in Handelssachen keinerlei Einschränkungen hinsichtlich ihrer Prozessfähigkeit (Art. 9 ADHGB). Die Anwendung des Art. 6 Abs. 2 ADHGB setzt zudem voraus, dass die betreffende Interzession für die Handelsfrau ein Handelsgeschäft darstellt, das heißt, es muss ein Bezug zu dem betriebenen Handelsgewerbe beste1400 SCHUBERT (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 1 (1984), S. 15 ff. (2. Sitzung v. 22. Jan. 1857); Bd. 2 (1984), S. I, II f. (Entwurf Erster Lesung); Bd. 3 (1984), S. 883, 886 f. (100. Sitzung v. 21. Sept. 1857); S. 887 ff. (101. Sitzung v. 23. Sept. 1857); S. 892 f. (102. Sitzung v. 25. Sept. 1857); S. 1254, 1261, 1263 (152. Sitzung v. 20. Jan. 1858); Bd. 10 (1984), S. I f. (Entwurf Zweiter Lesung); Bd. 9 (1984), S. 4507, 4508 (549. Sitzung v. 20. Nov. 1860). 1401 HAHN, Commentar zum ADHGB, Bd. I, 2. Aufl. (1871), Art. 6 Rn. 1–3 und 6; MAKOWER, ADHGB, 11. Aufl. (1893), Art. 6 Anm. 18; STAUB, Kommentar zum ADHGB, 5. Aufl. (1897), Art. 6 Rn. 1. 1402 Vgl. HAHN, Commentar zum ADHGB, Bd. I, 2. Aufl. (1871), Art. 7 Rn. 10; STAUB, Kommentar zum ADHGB, 5. Aufl. (1897), Art. 7 Rn. 6. Ferner MAKOWER, ADHGB, 11. Aufl. (1893), Art. 7 Anm. 28. 1403 Die Zustimmung des Ehemanns ist – unabhängig vom Güterstand – konstitutive Voraussetzung für die Eigenschaft als Handelsfrau, vgl. STAUB, Kommentar zum ADHGB, 5. Aufl. (1897), Art. 7 Rn. 1. Ferner DÖLEMEYER, in: Frauen in der Geschichte des Rechts (1997), S. 633, 657 f. 1404 Hierzu STAUB, Kommentar zum ADHGB, 5. Aufl. (1897), Art. 8 Rn. 1 ff.

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

hen.1405 Dies ist im Zweifel nach Art. 274 ADHGB auch bei einer Bürgschaft zu vermuten, wenn das gesicherte Darlehen dem Betrieb eines Handelsgewerbes dient.1406 Diese gesetzliche Vermutung kann einerseits durch Umstände des Einzelfalls bestätigt und verstärkt werden.1407 Sie kann aber andererseits auch widerlegt werden, wie bei der Inhaberin eines Schuhgeschäfts, die für die Börsenspekulationen ihres Sohnes eine Garantieerklärung gegenüber seiner Bank abgegeben hatte, weil sie dies – nach Überzeugung der Gerichte – allein aus emotionaler Verbundenheit zu ihrem Sohn getan hatte und nicht mit Blick auf ihren eigenen Betrieb.1408 Die Rechtsprechung stellt in diesem Zusammenhang also nicht etwa abstrakt auf die Eigenschaft als Handelsfrau ab, sondern berücksichtigt die konkreten Umstände für die Interzedentin, insbesondere die Nähebeziehung zu ihrem Sohn (»eine moralische Pflicht der Mutter gegen ihren Sohn«). Daneben hat das ADHGB auch Auswirkungen auf die Anwendbarkeit von Cod. 4, 29, 23, 2. Schon nach Ansicht der Pandektisten ist die Einhaltung der dort vorgeschriebenen Form entbehrlich, wenn es sich um die Interzession einer Kauffrau handelt.1409 Nach Art. 277 ADHGB finden nun die Vorschriften des Vierten Buchs »Von den Handelsgeschäften« (Art. 271–431 ADHGB) grundsätzlich auch dann Anwendung, wenn das Geschäft nur für einen Vertragspartner ein Handelsgeschäft darstellt. Liegt also für die Interzedentin selbst kein Handelsgeschäft vor, sondern nur für den Gläubiger, gelten dennoch die Vorschriften für Handelsgeschäfte (Art. 271 ff. ADHGB) einschließlich des Art. 317 ADHGB:1410 Danach sind Handelsgeschäfte formfrei (es sei denn, das Handelsrecht selbst verlangt die Einhaltung einer bestimmten Form). Die Interzession einer Nichtkauffrau bedarf hier also nicht der in Cod. 4, 29, 23, 2 vorgeschriebenen Form, wenn sie für den Gläubiger den Charakter eines Handelsgeschäfts besitzt, weil sie etwa zum Betrieb eines Handelsgewerbes gehört. Die Anwendbarkeit des SC Velleianum bleibt im 1405 HAHN, Commentar zum ADHGB, Bd. II, 2. Aufl. (1875), Vorbemerkung II vor § 278 Rn. 18; MAKOWER, ADHGB, 11. Aufl. (1893), Art. 6 Anm. 21 lit. b; STAUB, Kommentar zum ADHGB, 5. Aufl. (1897), Art. 6 Rn. 2; Art. 277 Rn. 2 und 6. 1406 ROHG, Urt. v. 17. Feb. 1871, ROHGE 2, 43, 45. 1407 ROHG, Urt. v. 21. Feb. 1873, ROHGE 9, 172, 173. 1408 ROHG, Urt. v. 28. Juni 1876, ROHGE 20, 400, 401 f.: »[D]enn das Obergericht hat aus einer Reihe von thatsächlichen Momenten entnommen, daß die Beklagte ein Geschäft geschlossen habe und habe schließen wollen, welches mit einem Handelsbetriebe ihrerseits überhaupt in keinerlei Beziehung gestanden habe, daß sie vielmehr nur eine moralische Pflicht der Mutter gegen ihren Sohn, dem letzteren durch ihre Intercession die Möglichkeit eines eignen, gewinnbringenden Geschäftsbetriebs zu verschaffen, habe erfüllen wollen, und daß nur diese Rücksicht, nicht die Absicht, für sich ein Handelsgeschäft zu machen, die Beklagte zu der Intercession veranlaßt habe.« 1409 Siehe oben Fn. 999. 1410 STAUB, Kommentar zum ADHGB, 5. Aufl. (1897), Art. 6 Rn. 2 a. E.; Art. 277 Rn. 3.

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Übrigen aber unberührt, da es ja nicht eine Formvorschrift für die Interzession aufstellt, sondern die Handlungsfähigkeit der Interzedentin regelt.1411 Keine Auswirkungen hat Art. 317 ADHGB folglich auf die Interzessionsbeschränkungen nach dem Preußischen ALR (bis zu deren Aufhebung). Zwar teilt das Preußische Obertribunal die Auffassung, dass die Formfreiheit nach Art. 317 ADHGB grundsätzlich auch für Bürgschaften gilt, die bloß für eine Seite ein Handelsgeschäft darstellen.1412 Allerdings werden die Interzessionsbeschränkungen des ALR in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung nicht als Formvorschriften aufgefasst, sondern als Regelungen, welche die Geschäfts- und Handlungsfähigkeit der Frau betreffen,1413 so dass Art. 317 ADHGB nicht greift.1414 Hingegen bewertet das Reichsgericht die Anforderungen, die das Württembergische Pfandentwicklungsgesetz vom 21. Mai 1828 für Interzessionen von Frauen aufstellt,1415 als Formvorschriften im Sinne des Art. 317 ADHGB.1416 Zwar hatte das OLG Stuttgart in der Vorinstanz insoweit noch eine Beschränkung der Handlungsfähigkeit angenommen, die nicht unter Art. 317 ADHGB, sondern unter Art. 6 Abs. 2 ADHGB fallen würde.1417 Das Reichsgericht indes sieht in der vor Gericht zu erklärenden Interzession mit »Belehrung und Verwarnung«, wie sie das württembergische Recht vorschreibt, eine bloße Formvorschrift zum Schutz der Frauen vor Übereilung sowohl wegen des Wortlauts des Gesetzes als auch wegen seiner ratio.1418 Den systematischen Erwägungen der Vorinstanz tritt das Reichsgericht ebenfalls nicht näher, da Art. 317 ADHGB schon durch seine Stellung im Ersten Titel des Vierten Buchs für alle Handelsgeschäfte gilt unabhängig davon, wer sie abschließt, ob Kaufleute oder Nichtkaufleute, ob Männer oder Frauen: Weil Art. 6 ADHGB im Ersten Titel des Ersten Buchs aber nur die Frage behandelt, wann eine Frau als Handelsfrau zu qualifizieren ist, die sich nicht auf die »Rechts1411 RG, Urt. v. 9. Feb. 1894, RGZ 32, 170, 171 f. – Gegen die Anwendbarkeit von Art. 317 ADHGB auf die Bürgschaft einer Nichtkauffrau noch Handelsappellationsgericht Nürnberg, Erk. v. 10. Aug. 1868, ZHR 15 (1870), 530, 531. 1412 Vgl. Preußisches Obertribunal, Erk. v. 12. Jan. 1867, Entscheidungen des Obertribunals, Bd. 57 (1867), S. 360; Erk. v. 28. April 1870, a. a. O., Bd. 63 (1870), S. 301. 1413 Siehe oben Fn. 1114. 1414 Preußisches Obertribunal, Erk. v. 17. Juni 1873, Entscheidungen des Obertribunals, Bd. 70 (1873), S. 116, 118 ff., 121 = Archiv für Rechtsfälle, Bd. 89 (1874), S. 90, 91 ff., 93. 1415 Siehe oben Fn. 945. 1416 RG, Urt. v. 3. Nov. 1885, RGZ 15, 20. – Vgl. hierzu LÖHNIG, Rechtsvereinheitlichung trotz Rechtsbindung (2012), S. 28. 1417 RG, Urt. v. 3. Nov. 1885, RGZ 15, 20, 21. Damit weicht das OLG Stuttgart seinerseits von der Rechtsprechung des Oberhandelsgerichts Stuttgart ab, das die Voraussetzungen nach dem Pfandentwicklungsgesetz vom 21. Mai 1828 kollisionsrechtlich als Formvorschrift qualifiziert hatte, vgl. Urt. v. 18. Okt. 1866, ZHR 13 (1869), 260, 261 zur Interzession einer württembergischen Staatsangehörigen in Mähren. 1418 RG, Urt. v. 3. Nov. 1885, RGZ 15, 20, 22 f.

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wohlthaten der Frauen« berufen kann, ließen sich hieraus keine Schlussfolgerungen für Art. 317 ADHGB ableiten.1419 Systematisch überzeugt die Argumentation des Reichsgerichts, als stringent darauf abgestellt wird, dass die Kaufmannseigenschaft für die Anwendbarkeit von Art. 317 ADHGB keine Rolle spielt. Die eigentlich entscheidende Frage freilich, wie die württembergischen Vorschriften in der Sache zu qualifizieren sind, wird vom erkennenden III. Zivilsenat eher unter formaljuristischen Gesichtspunkten gelöst. Im Ergebnis bestätigt er damit letztlich eine Entscheidung des II. Zivilsenats, der gut zwei Jahre zuvor dieselbe württembergische Regelung kollisionsrechtlich zu bewerten hatte und dabei als reine Formvorschrift einstufte, die unter das Vertragsstatut fällt.1420 Anders wird dagegen die Interzessionsbeschränkung für die Ehefrau nach § 1650 des Sächsischen BGB behandelt: Hierin sieht das Reichsoberhandelsgericht (ebenso wie das Preußische Obertribunal in den früheren Bestimmungen des ALR) eine Beschränkung der Handlungsfähigkeit der Frau, die sich somit nach dem Personalstatut richtet.1421 (3) Genossenschafts- und Gewerberecht Darüber hinaus beeinflusst das ADHGB in dieser Hinsicht die Kodifikationen des Norddeutschen Bundes auf dem Gebiet des Genossenschafts- und des Gewerberechts, als hier etwaige nach Landesrecht bestehende »Rechtswohlthaten der Frauen« ebenfalls nicht mehr geltend gemacht werden können. 1422 So findet sich eine vergleichbare Vorschrift zu Art. 6 Abs. 2 ADHGB zum einen im »Gesetz, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirthschafts-Genossenschaften« vom 4. Juli 1868: § 12 Abs. 4 »Die einer Genossenschaft beigetretenen Frauenspersonen können in Betreff der dadurch eingegangenen Verpflichtungen auf die in den einzelnen Staaten geltenden Rechtswohlthaten der Frauen sich nicht berufen.«1423 RG, Urt. v. 3. Nov. 1885, RGZ 15, 20, 24 f. RG, Urt. v. 20. April 1883, RGZ 9, 176, 177 zur Bürgschaft einer württembergischen Staatsangehörigen in Baden. 1421 ROHG, Urt. v. 13. Jan. 1877, ROHGE 22, 67, 68 zur Interzession einer sächsischen Staatsangehörigen in Böhmen. 1422 Vgl. hierzu MANDRY, AcP 59 (1876), 279, 281 ff. Ferner MÜLLER, Kreditgenossenschaften in Bayern (2008), S. 65 f. – Unscharf hingegen KLEIM, Der Einfluß einseitiger Interessenverfehlungen auf die Wirksamkeit von Kredit- und Bürgschaftsverträgen (1997/98), S. 49. 1423 BGBl. des Norddeutschen Bundes 1868, Nr. 24, S. 415, 419. – Vgl. ferner die nachfolgende Regelung in § 23 Abs. 4 des »Gesetzes, betreffend die Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften« vom 1. Mai 1889, RGBl. 1889, Nr. 11, S. 55, 61: »Frauen können in Betreff der durch ihre Mitgliedschaft übernommenen Verpflichtungen sich auf die nach Landesgesetzen für sie geltenden Rechtswohlthaten nicht berufen.« – Zur Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift INSTITUT FÜR GENOSSENSCHAFTSWESEN / SCHUBERT (Hrsg.), 100 Jahre Genossenschaftsgesetz (1989), S. 77, 80 (Entwurf des RJA von 1884); 1419 1420

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Zum anderen wird eine parallele Regelung zu den Art. 6 und 9 ADHGB auch in § 11 der Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 getroffen: § 11 »Das Geschlecht begründet in Beziehung auf die Befugniß zum selbstständigen Betriebe eines Gewerbes keinen Unterschied. Frauen, welche selbstständig ein Gewerbe betreiben, können in Angelegenheiten ihres Gewerbes selbstständig Rechtsgeschäfte abschließen und vor Gericht auftreten, gleichviel, ob sie verheirathet oder unverheirathet sind. Sie können sich in Betreff der Geschäfte aus ihrem Gewerbebetrieb auf die in den einzelnen Bundesstaaten bestehenden Rechtswohlthaten der Frauen nicht berufen. Es macht hierbei keinen Unterschied, ob sie das Gewerbe allein oder in Gemeinschaft mit anderen Personen, ob sie dasselbe in eigener Person oder durch einen Stellvertreter betreiben.«1424

Diese Bestimmungen des Genossenschafts- bzw. Gewerberechts treten letztlich erst zum 1. Januar 1900 außer Kraft.1425 bb) Bürgerliches Recht (1) Der Zweite Deutsche Juristentag 1861 Eine für den gesamten Deutschen Bund einheitliche Regelung der Interzessionsfrage im allgemeinen Zivilrecht fordert bereits der Zweite Deutsche Juristentag 1861.1426 Die (am Ende des Ersten Deutschen Juristentags eingesetzte)1427 Ständige Deputation hatte den Wiener Professor Joseph Unger mit einem vorbereitenden Gutachten zu der Frage betraut, ob mit Blick auf bestimmte Beschränkungen der Handlungsfähigkeit, insbesondere bei der Interzession von Frauen, eine sofortige Rechtsvereinheitlichung zu empfehlen sei: »Ist es wünschenswerth, daß schon jetzt gemeinsame Bestimmungen über folgende drei Punkte, die auch zum Theil in das prozessualische Verfahren eingreifen, getroffen werden:

S. 107, 109 (Sitzung vom 30. Mai 1884); S. 119, 122 (Entwurf des RJA von 1887); S. 161, 167 (Bundesratsvorlage von 1888); S. 209, 212, 246 f. (Reichstagsvorlage von 1888); S. 315, 334, 343 (Beratungen in der VII. Kommission des Reichtags). – Die Annahme von MÜLLER, Kreditgenossenschaften in Bayern (2008), S. 66, dass eine entsprechende Bestimmung im Genossenschaftsgesetz von 1889 nicht mehr enthalten sei, geht also fehl. 1424 BGBl. des Norddeutschen Bundes 1869, Nr. 26, S. 245, 247. – Einführung in Württemberg und Baden durch Gesetz vom 10. November 1871, RGBl. 1871 S. 392 bzw. in Bayern durch Gesetz vom 12. Juni 1872, RGBl. 1872 S. 170. 1425 Vgl. die Aufhebung von § 23 Abs. 4 des »Gesetzes, betreffend die Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften« vom 1. Mai 1889 durch Art. 10 Abs. 3 EGHGB, RGBl. 1897 S. 437, 439 bzw. die Aufhebung von § 11 Abs. 2 der Gewerbeordnung durch Art. 36 Abs. 1 EGBGB, RGBl. 1896 S. 604, 612. 1426 KLEIM, Der Einfluß einseitiger Interessenverfehlungen auf die Wirksamkeit von Kredit- und Bürgschaftsverträgen (1997/98), S. 50 ff. 1427 Verhandlungen des Ersten DJT (1860), S. 349 f. – Zur Gründung des DJT CONRAD, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben (1960), S. 1, 2 ff.; HARTWICH, Der Deutsche Juristentag (2008), S. 17 ff.

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1) über den Zeitpunkt der Großjährigkeit; 2) über die Handlungsfähigkeit großjähriger Personen unter väterlicher Gewalt; 3) über die Intercessionen der Personen weiblichen Geschlechts?«1428

Unger stellt in seinem Gutachten die gravierenden Probleme zwar nicht in Abrede, die aus der bestehenden Rechtszersplitterung für die Sicherheit des Verkehrs erwachsen.1429 Eine punktuelle Rechtsvereinheitlichung lehnt er aber als unverhältnismäßig ab, da sie tief in das jeweils geltende Zivilrecht der einzelnen Staaten eingreife und dort zu erheblichen systematischen Verwerfungen führen könne. Die Interzession von Frauen etwa müsse insbesondere immer auch im Kontext der einschlägigen eherechtlichen Regelungen betrachtet werden: »Vor einer stückweisen Aenderung des geltenden Rechts sollte man sich überhaupt, wie mir scheint, sorgfältig hüten. Es hängt in der Kette der Rechtssätze ein Glied mit dem andern so eng zusammen, es steht jede rechtliche Bestimmung mit so vielen anderen in innerem Connex, daß eine Aenderung auf einem Punkt unfehlbar eine gefährliche Erschütterung und unvorhergesehene Untergrabung anderer Bestimmungen zur Folge hätte. […] Die Intercession der Frauenspersonen wird aus verschiedenen Gesichtspunkten zu erwägen und hierbei insbesondere das Rechtsverhältniß zu berücksichtigen sein, in dem die Frau zu ihrem Ehemann steht.«1430

Anstelle einer in seinen Augen isolierten und unausgereiften Vereinheitlichung des Sachrechts befürwortet Unger eine Lösung über das Internationale Privatrecht und schlägt daher in Anlehnung an Art. 84 ADWO1431 die Einführung folgender kollisionsrechtlicher Regelung vor: »Die Handlungsfähigkeit eines Ausländers wird in der Regel nach den Gesetzen seines Wohnsitzes beurtheilt. Doch wird ein nach diesen Gesetzen nicht handlungsfähiger Ausländer durch die Abschließung von Rechtsgeschäften im Inlande verpflichtet, wenn er nach den Gesetzen des Inlands handlungsfähig wäre.«1432

Der Referent in der zuständigen »vereinigten ersten und zweiten Abtheilung« des Zweiten Deutschen Juristentags, Gerichtsrat Christian Wilhelm Ludwig Abeken (Dresden), teilt grundsätzlich die ablehnende Haltung von Ungers Verhandlungen des Zweiten DJT, Bd. 2 (1862), S. 142. Der Tenor der zweiten Teilfrage ist von der ständigen Deputation anders gefasst, als Unger dies seinem Gutachten zugrunde legt, vgl. dazu die Klarstellung, a. a. O., S. 168 f. 1429 UNGER, in: Verhandlungen des Zweiten DJT, Bd. 1 (1861), S. 126, 126 f. 1430 UNGER, in: Verhandlungen des Zweiten DJT, Bd. 1 (1861), S. 126, 127 f. 1431 Art. 84 ADWO »Die Fähigkeit eines Ausländers, wechselmäßige Verpflichtungen zu übernehmen, wird nach den Gesetzen des Staates beurtheilt, welchem derselbe angehört. Jedoch wird ein nach den Gesetzen seines Vaterlandes nicht wechselfähiger Ausländer durch Uebernahme von Wechselverbindlichkeiten im Inlande verpflichtet, insofern er nach den Gesetzen des Inlandes wechselfähig ist.« 1432 UNGER, in: Verhandlungen des Zweiten DJT, Bd. 1 (1861), S. 126, 127 f. – Ferner die Wortmeldung von Unger in der späteren Diskussion, vgl. a. a. O., Bd. 2 (1862), S. 159, 161 f.; 179, 180. 1428

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Gutachten, soweit es eine Rechtsvereinheitlichung bezüglich der Interzessionsbeschränkungen für Frauen angeht.1433 Die Diskussion in der Abteilung nimmt jedoch eine andere Richtung. Schon eingangs wird in recht polemischem Ton behauptet, dass eine Belehrung der Frauen über die möglichen Konsequenzen der Interzession ohnehin zwecklos sei, so der Notar Euler aus Düsseldorf, der aber vorausschickt, nicht aus eigener praktischer Erfahrung berichten zu können: »Wir kennen in Rheinpreußen Verwarnungen bei Intercessionen nicht. In Altpreußen sind dieselben vorgeschrieben, ebenso in vielen Ländern des gemeinen Rechts; in andern Ländern des gemeinen Rechts hingegen sind sie aufgehoben. Soviel ich aber erfahren habe, sind diese Verwarnungen zwecklos; die Schriftsteller, welche über altpreußisches Recht geschrieben haben, sind darüber einig. Meine Herren! Die Frauen lassen sich nun einmal nicht verwarnen! (Heiterkeit! Bravo!) Die Frauen fühlen nicht blos, sie denken auch mit dem Herzen, sie lassen sich von Fremden nicht sagen, was sie thun sollen. Also führen die Verwarnungen zu nichts; daher ist es zweckmäßig, daß sie aufgehoben werden.«1434

Eine vermittelnde Position nimmt zunächst Rudolf v. Jhering ein, als er das Bedürfnis einer spezifischen Regelung für die Interzession von Frauen nicht etwa von vornherein ausschließt, aber insoweit eine einheitliche sowie interessengerechte Lösung verlangt, da er keinen sachlichen Grund für das Fortbestehen divergierender Bestimmungen in den einzelnen Staaten sieht: »Ich kann mir Gründe denken, welche eine verschiedene Behandlung der Frauenzimmer rücksichtlich der Intercession rechtfertigen, allein warum die Berücksichtigung dieser Gründe sich nicht mit einer einheitlichen Gesetzgebung vertragen sollte, und wie man mit ihnen für die Fortdauer der bisherigen territorialen Zersplitterung des Rechts sollte operiren können, vermag ich schlechterdings nicht einzusehen. Ich glaube nicht, daß die Frage von der Intercession der Frauenzimmer durch einen einzigen Rechtssatz, der die Intercession entweder schlechthin untersagt oder schlechthin erlaubt, erledigt werden kann; bin vielmehr der Ansicht, daß eine befriedigende Lösung dieses legislativen Problems nur unter der Voraussetzung zu hoffen sein wird, daß die verschiedenen, hierbei zu beachtenden Rücksichten in’s Auge gefaßt werden.«1435

Der Präsident der Abteilung, Geheimer Oberjustizrat Dr. Heimsoeth (Köln), wiederum hält eine solche einheitliche legislative Regelung der Fraueninterzession ohne vorherige gründliche rechtsvergleichende Untersuchungen für nicht zielführend und plädiert daher – wie zuvor schon der Referent der Abteilung – noch einmal dafür, in dieser Frage dem Vorschlag von Unger zu folgen und von einem Eingriff in das geltende materielle Recht Abstand zu nehmen: »Das in Angriff zu nehmen und darin einzugreifen, um zu sagen: da in den Gesetzgebungen diese Gesichtspunkte verschieden, so oder so aufgefaßt sind, so erklären wir es 1433 1434 1435

Verhandlungen des Zweiten DJT, Bd. 2 (1862), S. 142, 143 f. Verhandlungen des Zweiten DJT, Bd. 2 (1862), S. 175. Verhandlungen des Zweiten DJT, Bd. 2 (1862), S. 176.

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als wünschenswerth, daß jetzt eine gemeinsame Bestimmung getroffen werde über die Intercession der Personen weiblichen Geschlechts, – das kann ich, von meinem Standpunkte aus, keineswegs für richtig und für praktisch gedeihlich erachten. […] So sehr ich auch für ein gemeinsames Deutsches Recht bin, – und ich glaube, ich habe es gezeigt, – so sehr kann ich hier nur den Ansichten des Herrn Professor Unger beitreten, daß man über diese Frage sich gar nicht schlüssig machen könne, wenn man nicht untersucht, wie die einzelnen Rechte beschaffen sind, den verschiedenen Inhalt der einzelnen Rechte ausscheidet und im Detail sagt: ›das oder jenes soll überall nicht mehr sein‹.«1436

Ausschlaggebend ist schließlich die Intervention von Johann Caspar Bluntschli, dem Präsidenten des Juristentags selbst. Zwar räumt er ein, dass die Handlungsfähigkeit der Frau nicht ad hoc einer einheitlichen Regelung zugeführt werden könne, da dies nur in Abstimmung mit dem ehelichen Güterrecht erfolgen könne. Die gemeinrechtlichen Interzessionbeschränkungen aber bezeichnet er pauschal als »allgemein gefühlte Mißstände«, die es »zu beseitigen« gelte, ohne dass er diesbezüglich näher in eine sachliche Argumentation eintritt1437: »Ich gebe vollkommen zu, daß das Verhältniß der Frauen in Bezug auf ihre Handlungsfähigkeit überhaupt durchaus nicht reif ist, um gegenwärtig verhandelt zu werden, denn dann müßten wir uns nothwendig in eine Menge von schwierigen Fragen des ehelichen Güterrechts verwickeln; – wir müssen mit einem Worte nur das, was schon ganz klar ist, herausgreifen. Meinerseits, obwohl ich darüber nicht entscheiden will, halte ich es gegenwärtig schon für ganz unbedenklich, uns dahin auszusprechen, daß die Grundsätze des gemeinen Rechtes über die Intercession der Frauenspersonen und das senatusconsultum Vellejanum zu beseitigen seien.«1438

Nachdem sich unmittelbar darauf auch Jhering der Forderung von Bluntschli anschließt,1439 ist die Entscheidung innerhalb der Abteilung gefallen. Im Folgenden dreht sich die Diskussion im Wesentlichen nur noch um die Formulierung des entsprechenden Antrags.1440 Dieser wird zudem auch noch auf die Abschaffung der Geschlechtsvormundschaft (cura sexus) ausgedehnt,1441 obwohl der Präsident der Abteilung, Heimsoeth, diese zuvor noch als eine Einrichtung eingestuft hatte, die ohnehin fast schon völlig abgestorben sei und somit keiner weiteren Behandlung mehr bedürfe.1442 Der von der Abteilung einstimmig angenommene Antrag lautet daher am Ende: Verhandlungen des Zweiten DJT, Bd. 2 (1862), S. 176, 177 f. So zutreffend schon KLEIM, Der Einfluß einseitiger Interessenverfehlungen auf die Wirksamkeit von Kredit- und Bürgschaftsverträgen (1997/98), S. 54. 1438 Verhandlungen des Zweiten DJT, Bd. 2 (1862), S. 180, 181. 1439 Verhandlungen des Zweiten DJT, Bd. 2 (1862), S. 181 ff. 1440 Verhandlungen des Zweiten DJT, Bd. 2 (1862), S. 183 ff. 1441 Verhandlungen des Zweiten DJT, Bd. 2 (1862), S. 184, 186 ff. 1442 Verhandlungen des Zweiten DJT, Bd. 2 (1862), S. 176, 177: »Diese cura sexus brauchen wir kaum anzugreifen; die verschwindet schon so, daß es schwer ist, sie mit der Lupe zu finden unter den Deutschen Stämmen.« 1436 1437

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»Ist es wünschenswerth, daß eine gemeinsame Bestimmung für Deutschland getroffen werde, nach welcher die für die Intercession der Personen weiblichen Geschlechts bestehende Handlungsunfähigkeit (senatusconsultum Vellejanum, authentica si qua mulier und die daher entnommenen, sich anschließenden partikularrechtlichen Bestimmungen) sowie die cura sexus aufgehoben werden?«1443

Entsprechend fasst daraufhin das Plenum den folgenden, lediglich leicht umformulierten Beschluss, mit dem der Juristentag die Aufhebung sowohl der gemein- als auch partikularrechtlichen Interzessionsbeschränkungen für Frauen fordert: »Der Juristentag erklärt es für wünschenswerth, daß schon jetzt die bei Interzessionen ausnahmsweise bestehenden, aus dem Römischen Rechte stammenden Beschränkungen der Handlungsfähigkeit der Personen weiblichen Geschlechts (S. C. Vellejanum, Authentica si qua mulier und die daran sich anlehnenden Partikulargesetzgebungen) sowie auch die sogenannte cura sexus durch gemeinsame Bestimmungen aufgehoben werden.«1444

(2) Der Dresdner Entwurf von 1866 Die vom Deutschen Bund 1862 gegen den Widerstand Preußens eingesetzte Dresdner »Commission zur Ausarbeitung eines Allgemeinen Deutschen Obligationenrechtes«1445 entscheidet sich dafür, diese Frage dem Landesrecht zu überlassen. Der entsprechende Regelungsvorschlag in der Vorlage des vorbereitenden Ausschusses (Anlage B, Art. 987 Abs. 2)1446 wird von der Kommission »ohne Debatte genehmigt«1447 und geht dergestalt – von einer geringfügigen redaktionellen Änderung abgesehen1448 – in die Vorlage des Redactionsausschusses (Anlage E, Art. 961)1449 ein, wo er von der Kommission »unverändert angenommen« wird.1450 Im Folgenden bleibt die Vorschrift vollkommen identisch sowohl in den Redigirten Beschlüssen (Anlage F, Art. 987)1451 als auch im Entwurf nach den in erster Lesung festgestellten

Verhandlungen des Zweiten DJT, Bd. 2 (1862), S. 189. Verhandlungen des Zweiten DJT, Bd. 2 (1862), S. 699, 701 f. 1445 Vgl. SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Einleitung zu Bd. 1 (1863), S. XV ff., XVIII f., XXI. – Ferner HEDEMANN, Der Dresdner Entwurf von 1866 (1935), S. 3 ff. 1446 SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 5 (1865), S. 3404, 3405: »Die Bestimmung darüber, ob eine Ehefrau für eine Schuld ihres Ehemannes oder eines Dritten giltig eine Bürgschaft übernehmen könne, bleibt den Landesgesetzen vorbehalten.« 1447 SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 5 (1865), S. 3394, 3396 (233. Sitzung v. 18. März 1865). 1448 Es wird lediglich das Wort »ob« durch die Wörter »unter welchen Voraussetzungen« ersetzt. 1449 SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 5 (1865), S. 3537, 3538. 1450 SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 5 (1865), S. 3531 (243. Sitzung v. 24. April 1865). 1451 SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 5 (1865), S. 108 (separate Seitenzählung). 1443 1444

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Beschlüssen (Art. 998)1452. Auch in der zweiten Lesung wird sie nicht mehr berührt.1453 Der Dresdner Entwurf von 1866 enthält daher im Bürgschaftsrecht den Vorbehalt, dass die Bürgschaft einer verheirateten Frau für ihren eigenen Mann oder einen Dritten nach Maßgabe des Landesrechts zu beurteilen ist: Art. 928 »Die Bestimmung darüber, unter welchen Voraussetzungen eine Ehefrau für eine Schuld ihres Ehemannes oder eines Dritten giltig eine Bürgschaft übernehmen könne, bleibt den Landesgesetzen vorbehalten.«1454

Die Bürgschaft unverheirateter Frauen wird in den (bislang edierten) Materialien nicht besonders thematisiert. Bei den Beratungen über die Regelungen zur Geschäftsfähigkeit schlägt allerdings der bayerische Vertreter v. Metz vor, in den Entwurf einen Vorbehalt zugunsten des Landesrechts aufzunehmen, soweit dort insbesondere bei Ehefrauen sowie überhaupt bei Frauen die Zustimmung des Ehemanns bzw. des Geschlechtsvormunds zum Abschluss von »Schuldverträgen« verlangt wird (Anlage C, Art. k).1455 Zwar wird dieser Vorschlag als solcher nicht aufgegriffen,1456 aber auf Antrag »eines Abgeordneten« wird eine entsprechende Feststellung der Kommission ausdrücklich in das Protokoll aufgenommen. 1457 – Der Vorschlag von drei Abgeordneten, einer Minderjährigen mit ihrer Heirat die volle Geschäftsfähigkeit zuzuerkennen, soweit sie nicht nach Landesrecht die Zustimmung ihres Ehemanns zum Abschluss von Verträgen benötigt (Anlage D, Art. d lit. d),1458 findet im Übrigen ebenfalls keine Mehrheit.1459

SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 5 (1865), S. 187 (separate Seitenzählung). Vgl. SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 6 (1866), S. 4585 ff. (316. Sitzung v. 20. April 1866). 1454 SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 6 (1866), S. 182 (separate Seitenzählung) = FRANCKE (Hrsg.), Dresdener Entwurf (1866), S. 189. 1455 SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 1 (1863), S. 66, 68: »Inwiefern die Ehefrau, ferner Personen weiblichen Geschlechts, lediglich ihres Geschlechtes wegen, ingleichen unter elterlicher Gewalt stehende Großjährige, zur Eingehung von Schuldverträgen der Zustimmung des Ehemannes, des Geschlechtsvormundes oder des Elterntheiles bedürfen, endlich inwiefern gewissen Personen die Eingehung gewisser Schuldverträge nicht gestattet ist, ist nach den Landesgesetzen zu beurtheilen.« 1456 SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 1 (1863), S. 59 ff., 63 (7. Sitzung v. 5. Feb. 1863). 1457 SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 1 (1863), S. 89 a. E. (10. Sitzung v. 16. Feb. 1863): »Schließlich genehmigte die Versammlung den Antrag eines Abgeordneten, in das Protocoll die Bemerkung niederzulegen, daß durch die Bestimmungen des gegenwärtigen Gesetzes der Landesgesetzgebung, insofern diese festsetze, wieweit Ehefrauen und Personen weiblichen Geschlechtes lediglich ihres Geschlechtes wegen zur Eingehung von Schuldverträgen der Zustimmung des Ehemannes, beziehungsweise Geschlechtsvormundes bedürfen, nicht vorgegriffen sein solle.« 1458 SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 1 (1863), S. 79, 80. 1459 SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 1 (1863), S. 72 f. (8. Sitzung v. 9. Feb. 1863); S. 76 (9. Sitzung v. 13. Feb. 1863); S. 87 (10. Sitzung v. 16. Feb. 1863). 1452 1453

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Schließlich wird in der zweiten Lesung darüber hinaus noch vorgeschlagen, bezüglich der Form der Bürgschaft im Allgemeinen ebenfalls einen Vorbehalt zugunsten des Landesrechts vorzusehen, was die Kommission aber mit der knappen Mehrheit von drei gegen zwei Stimmen ablehnt, so dass der Dresdner Entwurf grundsätzlich die Formfreiheit der Bürgschaft vorsieht.1460 (3) Das Bürgerliche Gesetzbuch (a) Bei den Vorarbeiten des BGB schlägt v. Kübel bereits in seiner ersten Vorlage zur »Form der Verträge« (1876)1461 vor, den Grundsatz der Formfreiheit insbesondere auch auf die Bürgschaft anzuwenden »einschließlich der Interzessionen der Frauenspersonen« (Thesis II, sub 9.).1462 Dabei lehnt v. Kübel schon eine allgemeine Formvorschrift für Bürgschaften rundweg ab, da ihr seiner Ansicht nach keine effektive Warnfunktion zukomme: »[…] da die Formvorschrift in Frage eben nur in der Fürsorge für den Bürgen ihren Grund hat, welchen sie von leichtsinniger Eingehung der Bürgschaft abhalten soll, ein Zweck, der zudem erfahrungsgemäß durch die Vorschrift der schriftlichen Form nicht zu erreichen ist.«1463

Mit Blick auf die Bürgschaft von Frauen und die entsprechenden Interzessionsbeschränkungen skizziert v. Kübel in groben Zügen die Rechtslage im römischen und Gemeinen Recht sowie in den wichtigsten Partikularrechtsordnungen bis hin zum Dresdner Entwurf.1464 Die Aufnahme irgendwelcher Restriktionen in das BGB lehnt er jedoch kategorisch ab. Denn deren ratio, die auf der Prämisse fehlender Erfahrung und leicht beweglicher Gutmüthigkeit der Frauen beruht habe, könne nicht mehr als zeitgemäß angesehen werden. Zum einen seien im Vergleich mit anderen weitreichenden Geschäften keine besonderen Kenntnisse erforderlich, um die Gefahren einer Bürgschaft einschätzen zu können. Zum anderen seien Frauen inzwischen auch nicht weniger geschäftserfahren als Männer, die im Übrigen in gleicher Weise gefährdet seien, ihrerseits unbedacht eine Bürgschaft einzugehen: »Es liegt aller Grund vor, sich denjenigen Gesetzgebungen anzuschließen, welche jeden Formzwang beseitigt haben. Der Zweck desselben ist lediglich, der vorausgesetzten Geschäftsunerfahrenheit und leicht beweglichen Gutmüthigkeit der Frauenspersonen zu Hülfe zu kommen und sie vor Ueberredung und Uebereilung zu schützen (cf. l. 2 § 2, 3 D. ad S.C. Vell. 16, 1). Um die nachtheiligen Folgen, welche eine Bürgschaft im Gefolge haben 1460 SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 6 (1866), S. 4578, 4585 (316. Sitzung v. 20. April 1866). 1461 SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. II/3 (1980), Anhang, S. 1005–1036 (= S. 1–32). – Vgl. hierzu HAFERKAMP, in: HKK, Bd. III/2 (2013), §§ 765–778 Rn. 36. 1462 SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. II/3 (1980), Anhang, S. 1005, 1017 f., 1026 ff. (= S. 1, 13 f., 22 ff.). 1463 SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. II/3 (1980), Anhang, S. 1005, 1026 (= S. 22). 1464 SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. II/3 (1980), Anhang, S. 1005, 1026 f. (= S. 22 f.).

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kann, zu erkennen, bedarf es aber keiner besonderen Einsicht und Erfahrung und ist eine Belehrung hierzu nicht mehr als bei anderen wichtigen Rechtsgeschäften erforderlich. Auch wird sich für die gegenwärtige Zeit und bei der heutigen sozialen Stellung der Frauen das Vorhandensein einer besonderen Geschäftsunerfahrenheit derselben als allgemeine Regel wohl kaum behaupten lassen und unüberlegte Bürgschaften kommen auch bei Männern häufig genug vor.«1465

Daneben stellt v. Kübel auf die praktischen Erfahrungen mit Interzessionsbeschränkungen ab. Hier habe sich weder die Belehrung bewährt noch die Errichtung vor Gericht. Umgekehrt habe die Abschaffung der Förmlichkeiten in den betreffenden Rechtsordnungen keinerlei negative Auswirkungen gehabt: »Zudem wird mit der Vorschrift einer Belehrung erfahrungsgemäß Nichts gewonnen, wie sie denn auch, wo sie noch besteht, zur leeren Form geworden ist. Das Gebot der Uebernahme der Verpflichtung vor Gericht wird aber wegen der dadurch bewirkten Oeffentlichkeit in vielen Fällen nicht nur als äußerst lästig und nutzlos, sondern selbst als nachtheilig empfunden. Endlich erweist sich die Entbehrlichkeit des fraglichen Formzwangs durch die Erfahrungen in denjenigen Ländern, wo derselbe längst nicht mehr besteht, ohne daß sich Nachtheile davon ergeben haben. An dem Bevormundungssystem ausnahmsweise hier festzuhalten, würde daher sich nicht rechtfertigen lassen.«1466

Selbst bei der Interzession einer verheirateten Frau für den eigenen Ehemann verwahrt sich v. Kübel gegen jegliche Beschränkung. Zwar räumt er ein, dass die Frau in dieser Konstellation eher geneigt und bereit sei zu interzedieren. Dies beruhe aber auf dem Wesen der Ehe und der Solidaritätspflicht unter Ehegatten. Allein der Umstand, dass im Einzelfall ein Ehemann dieses Verhältnis missbrauchen und ausnützen könnte, rechtfertige es aber nicht, hier eine besondere Regelung zu schaffen. Vielmehr habe der Gesetzgeber vom Regelfall auszugehen, das heißt von einer intakten ehelichen Beziehung: »Denn wenn auch zuzugeben ist, daß eine Frau sich leichter zu der Uebernahme einer Bürgschaft für ihren Ehemann, als für einen Fremden wird vermögen lassen, so ist dies in dem Wesen der Ehe begründet und eine Folge des sittlichen Prinzips, welches das eheliche Verhältniß beherrschen soll, und vermöge dessen die Ehegatten Eines für das Andere einzutreten und sich gegenseitig zu unterstützen verpflichtet sind. Daß ein Mißbrauch seitens des Ehemannes zum Nachtheil der Frau möglich ist, kann es nicht rechtfertigen, das Eintreten der Frau für ihren Ehemann allgemein zu erschweren, da der Gesetzgeber bei seinen Normen von der Regel, also von dem Bestehen eines dem Wesen der Ehe entsprechenden sittlichen Verhältnisses der Ehegatten ausgehen muß, nicht aber doch nur ausnahmsweise vorkommende Mißverhältnisse seinen Vorschriften zu Grunde legen darf.«1467

Das Interzessionsverbot zugunsten des eigenen Ehemanns lasse sich im römischen Recht als Reaktion auf den sittlichen Verfall der Ehe erklären. Unter

1465 SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. II/3 (1980), Anhang, S. 1005, 1027 f. (= S. 23 f.). 1466 SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. II/3 (1980), Anhang, S. 1005, 1028 (= S. 24). 1467 SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. II/3 (1980), Anhang, S. 1005, 1028 (= S. 24).

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den gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnissen gebe es hingegen keinen sachlichen Grund, ein solches weiter aufrechtzuerhalten: »Daß das römische Recht gerade die Interzessionen der Frauen für ihre Ehemänner zu verbieten sich veranlaßt gefunden hat, mag sich aus der damaligen Entartung des ehelichen Verhältnisses erklären lassen, hat aber in den heutigen Verhältnissen keine Rechtfertigung mehr.«1468

Greift man diesen Gedanken auf und überträgt ihn auf die Rezeption des Interzessionsverbots sowohl im Gemeinen Recht als auch in der partikularen Gesetzgebung, ließe sich freilich eine solche »Entartung des ehelichen Verhältnisses« ebenso gut von der Frühen Neuzeit bis in das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts behaupten, insbesondere in den Königreichen Bayern, Preußen, Sachsen und Württemberg – der Heimat v. Kübels. Die Erste Kommission stimmt jedenfalls am 21. September 1876 dem Vorschlag v. Kübels zu und entscheidet sich damit für die Formfreiheit der Bürgschaft »einschließlich der Interzessionen der Frauenspersonen«.1469 Folgerichtig enthält auch der von Planck 1880 vorgelegte Teilentwurf zum Familienrecht keine Regelungen zur Interzession der Ehefrau für ihren Mann.1470 In der Begründung (zu § 71 TE-FamR) wird dabei ausdrücklich auf den bereits gefassten Grundsatzbeschluss der Kommission vom 21. September 1876 verwiesen.1471 Wie zuvor schon v. Kübel stellt auch Planck kurz die Interzessionsbeschränkungen des römischen und Gemeinen Rechts dar, um dann näher auf die Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts einzugehen.1472 In der Sache folgt Planck sodann mit ähnlicher Wortwahl ebenfalls der Argumentation v. Kübels. So gesteht auch er zu, dass eine Frau leichter dazu zu bringen sei, für ihren eigenen Mann zu interzedieren als für jemand anderen. Das eheliche Verhältnis beruhe jedoch im Normalfall auf Zuneigung und Verlässlichkeit der Ehegatten, so dass eine unlautere Einflussnahme durch den Ehemann an sich nicht zu befürchten sei: »Wenngleich nun zugegeben werden muß, daß eine Ehefrau sich leichter bewegen lassen wird, für ihren Ehemann, als für einen Fremden eine Verbindlichkeit zu übernehmen, so ist doch andererseits zu berücksichtigen, daß gerade der Umstand, daß die Ehe ein auf gegenseitige Liebe und gegenseitiges Vertrauen gegründetes Verhältniß ist, bei einer normalen Gestaltung des letzteren der Ehefrau einen hinreichenden Schutz dagegen gewährt, daß der Mann sein Ansehen und seinen Einfluß dazu mißbrauchen wird, aus eigennützigen, nicht dem gemeinsamen Bedürfnisse und Interesse entsprechenden Zwecken die Frau zu ihrem und ihrer Familie Nachtheil zur Uebernahme einer Verbindlichkeit für ihn zu verleiten,

1468 1469 1470 1471

275).

1472

SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. II/3 (1980), Anhang, S. 1005, 1028 (= S. 24). JAKOBS / SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. I/1 (1985), S. 647, 648 f. (3. Sitzung). SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. IV/1 (1983), S. 417, 421 (= S. 265, 269). SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. IV/1 (1983), S. 417, 424, 427 (= S. 265, 272, SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. IV/1 (1983), S. 417, 424 ff. (= S. 265, 272 ff.).

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und es deshalb unter normalen Verhältnissen keines besonderen Schutzes für sie in der gedachten Richtung bedarf.«1473

Ebenso wie zuvor v. Kübel betont Planck, dass der Gesetzgeber grundsätzlich von einer funktionierenden ehelichen Beziehung als Regelfall auszugehen habe und nicht von deren Missbrauch. Hierfür spreche auch die Tatsache, dass in den deutschrechtlich geprägten Güterrechtssystemen ohnehin der Ehemann die Verfügungsbefugnis über das Vermögen seiner Frau innehabe. Planck hebt insoweit also zusätzlich noch auf die nationale Identität ab: »Normale eheliche Verhältnisse dürften aber in Deutschland jedenfalls die Regel bilden und die Regel, nicht aber ausnahmsweise vorkommende Mißverhältnisse hat der Gesetzgeber bei seinen Bestimmungen zu Grunde zu legen. […] Wie wenig das Mißtrauen, welches in solchen Bestimmungen zu Tage tritt, durch welche Intercessionen der Ehefrauen zu Gunsten ihrer Ehemänner erschwert werden, den deutschen Zuständen und dem deutschen Rechtsbewußtsein entspricht, geht insbesondere daraus hervor, daß die meisten deutschrechtlichen Güterrechtssysteme bald in größerem, bald in geringerem Umfange dem Mann das Recht einräumen, über das Vermögen der Frau zu disponiren«.1474

Wiederum in Übereinstimmung mit v. Kübel hält Planck selbst die gerichtliche Vornahme der Interzession verbunden mit einer richterlichen Belehrung für praktisch wirkungslose Förmlichkeiten, durch die sich eine Ehefrau auch nicht mehr davon abhalten lasse, für ihren Mann zu interzedieren, wenn sie sich hierzu einmal entschieden habe: »Gegen die Aufnahme besonderer, die Intercession einer Ehefrau für ihren Ehemann beschränkender Vorschriften spricht aber weiter der Umstand, daß dieselben, wie die Erfahrung gezeigt hat, ihren Zweck doch nicht erreichen. Eine Ehefrau, welche, ihrem Mann vertrauend, bereit ist, eine Verbindlichkeit für denselben zu übernehmen, wird sich von diesem Entschlusse auch dadurch nicht abbringen lassen, daß zur Gültigkeit der Intercession die Vornahme vor Gericht und daneben vielleicht eine vorgängige Belehrung durch das letztere und ein ausdrücklicher Verzicht auf die ihr zustehende Rechtswohlthat vorgeschrieben wird.«1475

Darüber hinaus verweist Planck auf die Wechselfähigkeit der Frau, die der Umgehung einer etwaigen Interzessionsbeschränkung durch die Ausstellung eines Wechsels Tür und Tor öffne.1476 – Dem ist freilich entgegenzuhalten, dass nach der zu diesem Zeitpunkt bereits gefestigten Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichts, die Planck nicht erwähnt, ein Verstoß gegen eine derartige Interzessionsbeschränkung nach Maßgabe von Art. 82 ADWO sehr wohl als beachtlich angesehen wird.1477 Die von Planck ins Feld geführte

1473 1474 1475 1476 1477

SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. IV/1 (1983), S. 417, 427 (= S. 265, 275). SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. IV/1 (1983), S. 417, 427 f. (= S. 265, 275 f.). SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. IV/1 (1983), S. 417, 428 (= S. 265, 276). SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. IV/1 (1983), S. 417, 428 (= S. 265, 276). Siehe oben Fn. 1393.

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Umgehungsmöglichkeit erweist sich daher bei näherer Betrachtung als nicht derart schwerwiegend. Im Einklang mit den meisten Landesrechten sowie der Forderung des Zweiten Deutschen Juristentags von 1861 habe er folglich in seinen Teilentwurf zum Familienrecht keinerlei Interzessionsbeschränkungen für Ehefrauen mehr aufgenommen.1478 Da zu Beginn der Hauptberatungen der Ersten Kommission am 1. Oktober 1881 der Teilentwurf zum Obligationenrecht durch v. Kübel nicht völlig fertiggestellt ist, legen Hilfsarbeiter der Kommission für die noch fehlenden Titel des Besonderen Teils auf der Grundlage des Dresdner Entwurfs Materialzusammenstellungen an, 1479 so etwa auch für den Titel zur Bürgschaft.1480 Bezüglich des Vorbehalts nach Art. 928 des Dresdner Entwurfs (zugunsten der landesrechtlichen Interzessionsbeschränkungen für Ehefrauen)1481 wird darin nur knapp auf die Begründung Plancks zu seinem Teilentwurf für das Familienrecht (zu § 71 TE-FamR) verwiesen. 1482 Im Übrigen habe die Kommission durch Beschluss vom 21. September 1876 schon eine Grundsatzentscheidung getroffen für die Formfreiheit der Bürgschaft einschließlich der Interzession der Frauen.1483 Infolgedessen bestehe auch kein Bedarf mehr, im BGB die Interzession als Oberbegriff der Bürgschaft zu definieren und zu regeln: »Interzession ist ein weiterer Begriff gegenüber der Bürgschaft und bezeichnet eine Reihe von Geschäften, deren gemeinschaftliches Merkmal lediglich in ihrem Zweck liegt, der Uebernahme der Gefahr zu Gunsten eines Gläubigers an Ansehung seiner Forderung. Eine nähere Bestimmung des Interzessionsbegriffs ist nur erforderlich, soweit es Gesetze giebt, welche Rechtsgeschäfte an jenem Zwecke erfassen und verbieten, wie das S. C. Vellejanum und die Authentica si qua mulier, welche das weibliche Geschlecht gegen eine bei ihm zu befürchtende Unterschätzung der zu übernehmenden Kreditgefahr schützen wollen. […] Sobald es an derartigen reprobirenden Gesetzen fehlt, knüpfen sich an den Begriff der Interzession keine gesetzgeberischen Unterschiede.«1484

Bei der Beratung dieses Titels entschließt sich die Erste Kommission daher am 14. September 1883, den Begriff der Interzession nicht mehr zu verwenden, da hieran eben keine besonderen Rechtsfolgen geknüpft werden sollen, SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. IV/1 (1983), S. 417, 428 (= S. 265, 276). SCHUBERT, Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB (1978), S. 45; JAKOBS / SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. II/1 (1978), S. 11, 13. Ferner HEDEMANN, Der Dresdner Entwurf von 1866 (1935), S. 40 ff. 1480 SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. II/3 (1980), S. 397–401 (= S. 1–5) und S. 403– 495 (= S. 1–93). 1481 Siehe oben Fn. 1454. 1482 SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. II/3 (1980), S. 414 (= S. 12): »Eine Darstellung des in Ansehung der Interzession der Frauen und insbesondere der Ehefrauen für ihre Ehemänner geltenden Rechts findet sich in der Begründung des Familienrechtsentwurfs S. 272–275.« 1483 SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. II/3 (1980), S. 404, 413 (= S. 2, 11). 1484 SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. II/3 (1980), S. 404, 406 (= S. 2, 4). 1478 1479

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insbesondere nicht mehr bei Interzessionen von Frauen sowohl nach dem Beschluss vom 21. September 1876 als auch nach der Begründung Plancks zu seinem Teilentwurf für das Familienrecht (zu § 71 TE-FamR). Die Erste Kommission bleibt also völlig auf der Linie der beiden Teilentwürfe zum Familien- bzw. Obligationenrecht: »Die Bürgschaft gehört dem weiteren Gebiete der Interzession an. Ueber die letztere besondere Bestimmungen in das Gesetzbuch aufzunehmen, ist jedoch entbehrlich. Derartige Vorschriften würden nur dann erforderlich sein, wenn für die Interzession, die eine oder andere positive Anordnung nöthig sein sollte, deren Tragweite der näheren Feststellung oder Begrenzung bedürfte. Die Voraussetzung würde namentlich gegeben sein, sofern die Interzession der Frauen besonderen Beschränkungen zu unterwerfen wäre. Hiervon kann jedoch bei Würdigung der Rechtsentwicklung, welche die neuere Zeit für die Interzession der Frauen aufweist, nicht die Rede sein (zu vergl. Vorbeschluß der Kommission vom 21. September 1876 und Motive des Familienrechtsentwurfs S. 272–275). Auch in anderer Hinsicht ist jene Voraussetzung als zutreffend nicht anzuerkennen.«1485

Zugleich wird auf Antrag Windscheids der entsprechende Vorbehalt zugunsten des Landesrechts nach Art. 928 des Dresdner Entwurfs ersatzlos gestrichen.1486 Bei der Beratung des Teilentwurfs für das Familienrecht schließlich findet die Begründung Plancks (zu § 71 TE-FamR), warum die Interzession der Ehefrau zugunsten ihres Manns keinen Beschränkungen mehr zu unterwerfen sei, am 22. Mai 1885 noch einmal die ausdrückliche Zustimmung der Ersten Kommission. 1487 Die Motive zum Ersten Entwurf (1888) geben beim Bürgschaftsrecht beinahe wortwörtlich das (eben zitierte) Beratungsergebnis der Ersten Kommission vom 14. September 1883 wieder.1488 Da der Entwurf keinerlei Interzessionsbeschränkungen für Frauen vorsieht, entfällt aus seiner Sicht auch die praktische Notwendigkeit, die Interzession zu definieren, so dass dieser Rechtsbegriff nicht mehr im BGB erscheint. Ein verwandter Begriff, dessen Ähnlichkeit schon die Erste Kommission erkennt,1489 findet jedoch den Weg in das Vormundschaftsrecht des BGB (§ 1822 Nr. 10 BGB): Nach § 356 Nr. 6 bzw. § 518 Nr. 11 TE-FamR bedarf die »Uebernahme einer fremden Verbindlichkeit« – als potentiell gefährliches Rechtsgeschäft – der Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht.1490 Zur Erläuterung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs wird später sogar noch als Beispiel ergänzt: »insbesondere zur Eingehung einer Bürgschaft«.1491

1485 1486

zung).

JAKOBS / SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. II/3 (1983), S. 457 (235. Sitzung). JAKOBS / SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. II/3 (1983), S. 457, 460 f. (235. Sit-

JAKOBS / SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. IV/1 (1987), S. 299, 305 (440. Sitzung). RJA (Hrsg.), Motive, Bd. II (1888), S. 657 = MUGDAN (Hrsg.), Materialien, Bd. II (1899), S. 367. 1489 JAKOBS / SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. IV/2 (1989), S. 391, 402 (513. Sitzung). – So der treffende Hinweis von W. ERNST, in: Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik (1999), S. 395, 402. 1487 1488

IV. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert

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Bei den Wirkungen der Ehe stellen die Motive zum Ersten Entwurf in enger Anlehnung an die Begründung Plancks (zu § 71 TE-FamR) zunächst den rechtlichen Status quo dar bezüglich der Interzessionsbeschränkungen der Ehefrau für ihren Ehemann.1492 Weitgehend wörtlich übernehmen die Motive im Folgenden dann auch die Argumentation Plancks gegen die Aufnahme derartiger Beschränkungen in den Entwurf.1493 Dabei versuchen die Motive, die Umgehungsgefahr durch die Ausstellung von Wechseln noch zu untermauern, indem sie ergänzend auf die Entscheidung des Reichsgerichts in RGZ 11, 1 verweisen: Allerdings schließt sich das Reichsgericht dort ausdrücklich der Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichts an und hält einen Verstoß gegen solche Interzessionsbeschränkungen nach Maßgabe von Art. 82 ADWO für beachtlich.1494 Anders als nach dem Eindruck, den die Motive erwecken, hat die Rechtsprechung also diese Umgehungsgefahr schon seit längerem erheblich eingedämmt. Letztlich bleibt die im Ersten Entwurf getroffene Grundsatzentscheidung gegen die Aufnahme von Interzessionsbeschränkungen bis zum Schluss der Kodifikationsarbeiten unangetastet, so dass die Denkschrift, mit der das Reichsjustizamt 1896 den Dritten Entwurf dem Reichstag vorlegt,1495 den Ausführungen zum Bürgschaftsrecht unter »1. Bürgschaftsfähigkeit der Frauen« Folgendes vorausschickt: »Der Entwurf hat davon abgesehen, für die Uebernahme von Bürgschaften durch Frauen besondere Vorschriften zu geben. Die bezüglichen Beschränkungen des Gemeinen Rechtes sind für das Handels- und Gewerberecht durch die Reichsgesetzgebung allgemein beseitigt, haben aber auch auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechtes nur noch in einzelnen Theilen Deutschlands Geltung.«1496

(b) Heftig umstritten ist hingegen die Frage der allgemeinen Formfreiheit der Bürgschaft. Die Erste Kommission folgt insoweit dem Vorschlag v. Kübels1497 und erstreckt den Grundsatz der Formfreiheit insbesondere auch auf Ähnlich RJA (Hrsg.), Motive, Bd. IV (1888), S. 1144 f. = MUGDAN (Hrsg.), Materialien, Bd. IV (1899), S. 607. 1491 Vgl. dazu ACHILLES / GEBHARD / SPAHN (Hrsg.), Protokolle, Bd. IV (1897), S. 794 (Protokoll 324) = MUGDAN (Hrsg.), Materialien, Bd. IV (1899), S. 1096 (= S. 6414). Ferner JAKOBS / SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. IV/2 (1989), S. 1124, 1127 (324. Sitzung); bzw. S. 1148 und 1175. 1492 RJA (Hrsg.), Motive, Bd. IV (1888), S. 115 f. = MUGDAN (Hrsg.), Materialien, Bd. IV (1899), S. 63 f. 1493 RJA (Hrsg.), Motive, Bd. IV (1888), S. 116 f. = MUGDAN (Hrsg.), Materialien, Bd. IV (1899), S. 64 f. 1494 Siehe oben Fn. 1393. 1495 Hierzu SCHUBERT, Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB (1978), S. 62. 1496 RJA (Hrsg.), Denkschrift (1896), S. 91 = MUGDAN (Hrsg.), Materialien, Bd. II (1899), S. 1262. 1497 Siehe oben Fn. 1463. 1490

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den Bürgschaftsvertrag, so dass der Erste Entwurf 1888 keinerlei Formerfordernis für die Bürgschaft aufstellt.1498 Die Motive stellen dabei vor allem auf die Behinderung des Verkehrs ab, aber auch auf den Gesichtspunkt, dass ein »gewissenloser Gegner« die Schriftform ebenso dazu missbrauchen könne, um eine geschäftsunerfahrene schwächere Partei zu übervorteilen.1499 Die teils sehr scharfe Kritik an der für die Bürgschaft vorgesehenen Formfreiheit wird nicht zuletzt darauf gestützt, dass nach dem Entwurf überdies sämtliche Interzessionsbeschränkungen entfallen sollen. Zwar ist etwa Otto Gierke hiermit grundsätzlich einverstanden, was das Verhältnis der Ehefrau zu ihrem Mann angeht.1500 Insgesamt wird dadurch aber seiner Ansicht nach der Schutz vor einer übereilten Eingehung dieses riskanten Rechtsgeschäfts noch dringlicher, so dass in Übereinstimmung mit dem Preußischen ALR und dem Schweizerischen Obligationenrecht für die Bürgschaft allgemein die Schriftform zu verlangen sei: »In hohem Maße bedenklich ist die Entbindung der Bürgschaft von jedem Formerfordernis. Mit dem Preußischen Landrecht (I 14 § 203) und dem schweizerischen Obligationenrecht (Art. 491) muß unbedingt die Gültigkeit dieses oft so unüberlegt geschlossenen und doch so überaus gefährlichen Geschäftes an die Schriftform geknüpft werden. Und zwar um so mehr, als alle Beschränkungen der Intercession der Weiber wegfallen sollen.«1501

Ganz ähnlich argumentieren auch Otto Bähr,1502 Julius Baron1503 und Carl Rocholl1504 in dieser Frage.1505 Noch einen Schritt weiter geht Gustav Hart1498 RJA (Hrsg.), Motive, Bd. II (1888), S. 659 f. = MUGDAN (Hrsg.), Materialien, Bd. II (1899), S. 368. – Insbesondere hebt die Erste Kommission darauf ab, dass die Bürgschaft nicht den Charakter eines abstrakten Schuldversprechen besitzt, welches einem Formzwang unterliegen würde, vgl. JAKOBS / SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. II/3 (1983), S. 457, 458 ff. (235. Sitzung). 1499 RJA (Hrsg.), Motive, Bd. I (1888), S. 179 f. = MUGDAN (Hrsg.), Materialien, Bd. I (1899), S. 451. 1500 GIERKE, Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs und das deutsche Recht (1889), S. 406: »Daß der Entwurf […] die Einschränkungen der Intercessionen der Ehefrau zu Gunsten des Ehemannes beseitigt (Motive S. 113–117), verdient an sich Billigung. Freilich würden diese römischrechtlichen Schutzmaßregeln erst dann ihre Daseinsberechtigung vollkommen einbüßen, wenn das eheliche Verhältnis im ganzen deutsch und nicht römisch geordnet wäre.« 1501 GIERKE, Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs und das deutsche Recht (1889), S. 257. Vgl. ferner DERS., Die soziale Aufgabe des Privatrechts (1889), S. 30 f. mit Fn. 21. 1502 BÄHR, Zur Beurtheilung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich (1888), S. 85 = KritV 30 (1888), 321, 405: »Mit keinem Rechtsgeschäft wird im bürgerlichen Verkehr leichtsinniger umgegangen, als mit Bürgschaften. Jahraus jahrein machen sich unzählige Menschen damit unglücklich. Ich würde deshalb – zumal nachdem man auch die Frauenbürgschaft völlig freigegeben hat – es mit Freude begrüßt haben, wenn der Entwurf denjenigen Gesetzgebungen gefolgt wäre, welche die Bürgschaft

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mann, der für die Bürgschaft von Frauen sogar wieder die gerichtliche oder notarielle Form fordert. Er sieht insoweit nach wie vor ein besonderes Schutzbedürfnis gegeben – trotz der jüngsten Entwicklung in der Landesgesetzgebung. Denn diese habe sich im Geiste eines liberalistischen Nachtwächterstaates mit der Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen aus ihrer Verantwortung gestohlen. Sie besitze keine innere sachliche Rechtfertigung, sondern habe sich nur darauf beschränkt, das, was dem Zeitgeist entsprochen habe, voneinander »abzuschreiben«: »Erscheint die gerichtliche oder notarielle Form für den gewöhnlichen Verkehr der Männer als zu sehr erschwerend, so muß hier doch noch ein kurzes letztes Wort eingelegt werden für Festhaltung einer solchen stärkeren Erschwerung hinsichtlich der Bürgschaften der Weiber. Die Motive (Bd. II, S. 657) meinen freilich, es könne bei der Würdigung der Rechtsentwickelung, welche die neuere Zeit für die Intercession der Frauen aufweist, nicht von besonderen Beschränkungen derselben die Rede sein. Allein die hier in Bezug genommenen Gesetze stammen fast sämmtlich her aus einer Zeit der höchsten Blüthe des laisser faire, laisser passer und einer Richtung möglichst abstracter Nivellirung der Gegensätze. Deßhalb kann die Anzahl jener deutschen Landesgesetze, von denen immer eines das andere wieder abschrieb, uns wahrlich keine Autorität sein.«1506

Neben der harschen Kritik an der – mit dem Preußischen Gesetz vom 1. Dezember 1869 einsetzenden – Landesgesetzgebung stellt Hartmann grundsätzliche Überlegungen zu den Aufgaben des Rechts an. Nicht die ungean schriftliche Form knüpfen. Wenn auch nicht viel, so wäre doch etwas Schutz damit gewonnen.« – Die Eingangspassage wird in der weiteren Diskussion häufig zitiert, vgl. HAFERKAMP, in: HKK, Bd. III/2 (2013), §§ 765–778 Rn. 37 m. w. N. 1503 J. BARON, Norddeutsche Allgemeine Zeitung v. 3. Januar 1890, S. 1 (Sp. 4 f.): »Die Verfasser des Entwurfs mußten um so mehr das Erforderniß der Schriftlichkeit aufstellen, als sie in einer andern Richtung sich vom Gemeinen und Altpreußischen Recht entfernt haben. […] Aber man wird nicht leugnen, daß gerade bei Verbürgungen eine hohe Gefahr für die Frauen vorhanden ist; sie werden leicht von den Männern hineingezogen, um es offen heraus zu sagen, überrumpelt; eine erschwerende Form (Schriftlichkeit) ist für sie noch viel nothwendiger, als für die Männer.« 1504 ROCHOLL, Vorschläge zur Abänderung des Entwurfes eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuches, Bd. II (1891), S. 284 unten: »Dagegen sind wir entschieden für das von vielen Seiten aufgestellte Postulat der Schriftform […] Außerdem beseitigt die Schriftform den Zweifel über den Umfang und die Art der Bürgschaft, und wirkt dem Leichtsinne bei Eingehung von Bürgschaften entgegen, was bei der völligen Befreiung der Frauenbürgschaft von jeder Beschränkung recht wünschenswerth erscheint.« – Der entsprechende Gegenentwurf verlangt die Schriftform der Bürgschaftserklärung und ihre Aushändigung an den Gläubiger, vgl. a. a. O., S. 284 oben, rechte Sp. 1505 STOLTERFOTH, Beiträge zur Beurtheilung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich (1890), S. 71 stellt hingegen nicht auf den Wegfall der Interzessionsbeschränkungen für Frauen ab, sondern nur auf den Schutz des Geschäftsunerfahrenen vor der leichtsinnigen Übernahme einer Bürgschaft. – Ähnlich UNGER, JhJ 29 (1890), S. 1, 28 in Fn. 22. 1506 HARTMANN, AcP 73 (1888), 309, 369.

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hemmte Durchsetzung materieller Interessen auf einem entfesselten Markt, sondern der Schutz der Schwachen sei das Gebot einer ethischen Rechtsordnung. Deshalb müsse der Gesetzgeber seiner Pflicht nachkommen und für einen hinreichenden Schutz der Frauen und ihres Vermögens Sorge tragen: »Man sieht doch in unseren Tagen gottlob immer mehr wieder ein, daß das Recht nicht bloß der möglichsten Förderung der materiellen Interessen, des Capitalismus, des sog. Verkehrs zu dienen hat, daß es vielmehr als ethische Lebensordnung vornehmlich auch die Aufgabe erfüllen muß, die Bedrängten, die Schwachen zu schützen und so auch die Frauen bei solchen Rechtsgeschäften zu warnen, wo sie durch ihre Natur der Gefahr gutmüthiger Uebereilung besonders ausgesetzt sind. Es ist gar nicht nöthig, im Gegentheil ist es am letzten Ende verderblich, daß das Vermögen der Frauen mit ganz der nämlichen Leichtigkeit müsse in den Tanz um das goldene Kalb hineingezogen werden können, wie das der Männer.«1507

Die Interessenvertreter der Wirtschaft selbst sind gespalten, was die Frage eines allgemeinen Formerfordernisses für die Bürgschaft betrifft. Während manche Handelskammern die allgemeine Formfreiheit der Bürgschaft nachdrücklich befürworten,1508 treten andere ebenso vehement für die Einführung einer Formvorschrift ein.1509 Das Preußische Landes-Ökonomie-Kollegium wiederum, der Spitzenverband der preußischen Landwirtschaft,1510 beschließt im Plenum zwar mehrheitlich, für eine Erweiterung der Schriftform auf bestimmte Verträge einzutreten, zu denen aber die Bürgschaft ausdrücklich nicht gehören soll.1511 In der Debatte greifen hinsichtlich der Schriftform für Bürgschaften sowohl Gegner als auch Befürworter auf die Interzessionsbeschränkungen für Frauen als Argumentionshilfe zurück. Auf der einen Seite untermauert Struckmann seine Ablehnung der Schriftform damit, dass diese bei der Bürgschaft ebenso wenig eine Warnfunktion entfalten werde wie die früheren Interzessionsbeschränkungen für Frauen: »Gewöhnlich wird für die schriftliche Form bei der Bürgschaft geltend gemacht, es soll ein leichtsinniges Eingehen von Bürgschaften verhindert werden. Erfahrungmässig wird dieser Zweck aber auch durch einfache Schriftform gar nicht vereitelt; denn wer sich verbürgen

HARTMANN, AcP 73 (1888), 309, 369 f. RJA (Hrsg.), Zusammenstellung der gutachtlichen Aeußerungen, Bd. II (1890), S. 363 f. m. w. N.; Bd. VI (1891), S. 491. 1509 RJA (Hrsg.), Zusammenstellung der gutachtlichen Aeußerungen, Bd. VI (1891), S. 490 f. 1510 Vgl. hierzu HANSEL, Jurisprudenz und Nationalökonomie (2006), S. 50 ff., 78 ff. 1511 PREUSSISCHES LANDES-ÖKONOMIE-KOLLEGIUM, Verhandlungen 1889, S. 435, 471 ff., 481, 488 (Sitzung vom 11. Nov. 1889); S. 488 ff., 491 (Sitzung vom 22. Nov. 1889); S. 897, 898. Vgl. ferner die vorbereitenden Referate a. a. O., S. 2 ff., 37 (Siber), S. 123 f. (v. Arnim) und S. 124 ff. (Danckelmann) sowie den Bericht der zur Vorbehandlung eingesetzten Kommission a. a. O., S. 237, 250 ff. – Hierzu später auch in den Verhandlungen des 22. DJT, Bd. 4 (1893), S. 72, 73 (Gierke) und S. 78 (Enneccerus). 1507 1508

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will, verbürgt sich auch in einfacher Schriftform, und nach diesen Erfahrungsgrundsätzen hat die moderne Gesetzgebung jede besondere Beschränkung der Intercession, insbesondere der Bürgschaft von Frauen beseitigt«.1512

Auf der anderen Seite folgert Gierke gerade aus dem Wegfall dieser Beschränkungen erneut die Notwendigkeit der Schriftform, um bei der Bürgschaft wenigstens einen gewissen Schutz vor Übereilung sicherzustellen: »Wenn wir bedenken, dass die früheren Vorschriften, die lange Jahrhunderte gegolten haben zum Schutz der Frauen gegen leichtsinnige Verbürgung, gänzlich wegfallen sollen – sie bestehen noch vielfach z. B. in Württemberg –, wenn wir ferner sehen, wie zahllose Menschen sich alljährlich durch Bürgschaften unglücklich machen, indem sie leichtsinnig ein Versprechen geben und als Bürgen herangezogen werden, so müssen wir dieses Minimum von Garantie fordern und Schriftlichkeit verlangen, damit etwas mehr Ueberlegung stattfindet als bei solchen unbestimmten Erklärungen.«1513

(c) Der im Rahmen der Zweiten Lesung des BGB von Dittmar eingebrachte Antrag, die Bürgschaftserklärung doch der Schriftform zu unterwerfen, wird von der Zweiten Kommission abgelehnt.1514 Ein wesentlicher Gesichtspunkt ist dabei die Verzahnung des BGB mit dem Handelsrecht: Da die Vorschriften für Handelsgeschäfte (Art. 271–431 ADHGB) grundsätzlich auch dann Anwendung finden, wenn nur für einen Vertragspartner ein Handelsgeschäft vorliegt (Art. 277 ADHGB), wäre selbst die Bürgschaft eines Nichtkaufmanns formfrei (Art. 317 ADHGB), solange sie für den Gläubiger ein Handelsgeschäft darstellt, wovon insbesondere bei einer Bank (Art. 272 Nr. 2 ADHGB) auszugehen ist. Damit also eine Formvorschrift nach dem allgemeinen Bürgschaftsrecht des BGB in der Kreditpraxis nicht leerliefe, bedürfte es hier einer Beschränkung des Handelsrechts auf beiderseitige Handelsgeschäfte. Zu einem derartigen Eingriff in das Handelsrecht ist die Mehrheit der Zweiten Kommission jedoch nicht bereit, da sie vielmehr einen Gleichlauf des BGB mit dem Handelsrecht befürwortet.1515 Die Frage der Formfreiheit der Bürgschaft steht außerdem auch auf der Tagesordnung des 22. Deutschen Juristentags in Augsburg (1893).1516 Das vorbereitende Gutachten von Dove spricht sich dabei eindringlich für den vom Entwurf des BGB gewählten Ansatz aus und lehnt die Aufnahme einer Form-

Preussisches Landes-Ökonomie-Kollegium, Verhandlungen 1889, S. 484, 485. Preußisches Landes-Ökonomie-Kollegium, Verhandlungen 1889, S. 487. 1514 ACHILLES / GEBHARD / SPAHN (Hrsg.), Protokolle, Bd. II (1898), S. 461 (Protokoll 140) = MUGDAN (Hrsg.), Materialien, Bd. II (1899), S. 1018 f. (= S. 2498). – Vgl. JAKOBS / SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. II/3 (1983), S. 462. 1515 ACHILLES / GEBHARD / SPAHN (Hrsg.), Protokolle, Bd. II (1898), S. 462 f. (Protokoll 140) = MUGDAN (Hrsg.), Materialien, Bd. II (1899), S. 1019 f. (= S. 2499 ff.). 1516 Vgl. hierzu KLEIM, Der Einfluß einseitiger Interessenverfehlungen auf die Wirksamkeit von Kredit- und Bürgschaftsverträgen (1997/98), S. 17, 64 f.; HAFERKAMP, in: HKK, Bd. III/2 (2013), §§ 765–778 Rn. 37. 1512 1513

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vorschrift für die Bürgschaft ab.1517 Zunächst gehe die Schriftform allgemein mit der Verwendung vorgefertigter Formulare einher, durch die in der Regel der wirtschaftlich Stärkere dem Schwächeren einseitig seine Bedingungen aufzuerlegen vermöge.1518 Ferner besitze die Schriftform, dort wo sie gegenwärtig noch für Bürgschaften bestehe, in der Praxis keine nennenswerte Warnfunktion.1519 Eine auf die Bürgschaft beschränkte Formvorschrift sei zudem auch nicht zielführend, sondern sie müsse wenn schon, dann alle Interzessionen gleichermaßen erfassen, so dass der Begriff der Interzession – entgegen der bisherigen Konzeption – doch in das BGB aufgenommen werden müsste.1520 Im Übrigen aber führe die Verankerung eines entsprechenden Formerfordernisses im BGB unweigerlich zu Friktionen mit dem Handelsrecht, da dort ja auch die Bürgschaft eines Nichtkaufmanns (gegenüber einem Kaufmann) als einseitiges Handelsgeschäft (Art. 277 ADHGB) formfrei möglich sei (Art. 317 ADHGB).1521 Mit Blick auf die Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen für Frauen verweist Dove vor allem auf die Einbindung der Gerichte im Vorfeld des preußischen Gesetzes vom 1. Dezember 18691522 und verwahrt sich entschieden gegen die in seinen Augen polemische Kritik Hartmanns: »[…] es ist jedenfalls unbegründet, wenn G. Hartmann sich auf das hohe socialpolitische Pferd setzt und mit dem ganzen Aufwand nachgerade verbrauchter Schlagwörter gegen die Gegner seines Standpunktes loszieht und über die Gesetzgebung der 60er und 70er Jahre abspricht, die mit weniger Geräusch, aber häufig mit mehr Verständniß für die wirklichen Bedürfnisse des Volkes auch mehr Zufriedenheit geschaffen hat, als manche spätere Errungenschaft. […] Man muß die Materialien zu dem preußischen Gesetz vom 1. December 1869 lesen, um die ganze Abwegigkeit der Entrüstung G. Hartmann’s über diesen Akt gefährlicher Nivellirung zu erkennen. Uebersieht er doch auch völlig, daß nicht nur das Recht des revolutionären Frankreich, sondern auch das österreichische Gesetzbuch (§ 1349) die Gleichstellung des Weibes mit dem Manne auf diesem Gebiete schon durchgeführt hatte, ohne daß man doch die damaligen Gesetzgeber des Kaiserreichs als Anhänger einer ›möglichst abstracten Nivellirung der Gegensätze‹ oder des ›laisser faire, laisser passer‹ anzusehen vermöchte.«1523

Im Übrigen kehrt Dove gewissermaßen die Argumentation Gierkes um. Je stärker und unabhängiger die Stellung der Frau im BGB ausgestaltet werde, umso weniger sei eine unlautere Einflussnahme des Ehemanns zu befürchten, gegen die es – in Anlehnung an die Begründung in den Motiven1524 – ohnehin keinen wirksamen legislativen Schutz gebe: 1517 1518 1519 1520 1521 1522 1523 1524

DOVE, in: Verhandlungen des 22. DJT, Bd. 1 (1892), S. 326 ff. DOVE, in: Verhandlungen des 22. DJT, Bd. 1 (1892), S. 326, 334. DOVE, in: Verhandlungen des 22. DJT, Bd. 1 (1892), S. 326, 340. DOVE, in: Verhandlungen des 22. DJT, Bd. 1 (1892), S. 326, 339 f. DOVE, in: Verhandlungen des 22. DJT, Bd. 1 (1892), S. 326, 334, 341 f. Siehe oben Fn. 1109 bzw. Fn. 1113. DOVE, in: Verhandlungen des 22. DJT, Bd. 1 (1892), S. 326, 332 f., 336 ff. Siehe oben Fn. 1493.

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»Je würdiger und selbständiger die Stellung der Frauen, insbesondere der Ehefrauen hoffentlich im bürgerlichen Gesetzbuch normirt werden wird, desto entbehrlicher werden Vorschriften sein, die einem Mißbrauch der ehemännlichen Gewalt gegenüber doch wirkungslos sind.«1525

In der zuständigen Ersten Abteilung des Juristentags stößt das Gutachten von Dove einerseits auf Ablehnung des Referenten Heinrich Brunner, andererseits auf Zustimmung des Co-Referenten Ludwig Enneccerus. Die Diskussion dreht sich dabei einmal mehr um die Frage, welche Konsequenzen aus dem Wegfall der Interzessionsbeschränkungen für Frauen zu ziehen seien. Brunner macht sich dabei die Haltung von Gierke zu eigen und zieht hieraus die Folgerung, dass wegen des besonderen Schutzbedürfnisses der Frauen wenigstens eine Formvorschrift für die Bürgschaft erforderlich sei: »Als ein Argument für die Formalisirung der Bürgschaft hat man mit Recht geltend gemacht, daß die neuere Gesetzgebung allenthalben beseitigt habe die Beschränkungen der Intercessionen der Frauen; man kann aber geradezu sagen: der praktische Hauptfall der Bürgschaft ist die Bürgschaft der Frau. Es erscheint deshalb um so mehr geboten, die Bürgschaft an eine Form zu binden, die einigermaßen einen Schutz zu bieten vermag gegen Uebereilung.«1526

Enneccerus dagegen begründet seine Ablehnung jeglicher Formvorschrift damit, dass selbst früher die gesteigerten Förmlichkeiten bei der Interzession von Frauen gerade nicht den gewünschten Erfolg gezeitigt hätten. Diese Beschränkungen seien wegen ihrer in der Praxis erwiesenen Wirkungslosigkeit aufgehoben worden und nicht etwa, weil man das SC Velleianum in der Theorie für falsch gehalten habe: »Daß auch sie nur sehr bedingt, vielleicht kaum meßbar wirkt, das beweist die Erfahrung bezüglich der Intercessionsgeschäfte der Frauen. Die schwerfällige Intercessionsform für die Frauen ist, wie Ihnen ja bekannt, fast überall aufgehoben worden, eben aus der Erkenntniß, daß diese Erschwerung der Form das gewünschte Resultat nicht gehabt hat, daß trotz dieser Rechtsbelehrung, trotz dieser notariellen Instrumente, trotz dieser Kosten, trotz dieses von einem Richter oder Notar geleiteten Actes die Gefahren der Intercession der Frauen im Wesentlichen dieselben geblieben sind. Und so hat man in Preußen, in Bayern, in Hessen, ebenso in Oesterreich und Frankreich von diesen Formen Abstand genommen.«1527

DOVE, in: Verhandlungen des 22. DJT, Bd. 1 (1892), S. 326, 338. Verhandlungen des 22. DJT, Bd. 4 (1893), S. 56, 64 bzw. S. 80, 81: »Wenn im gemeinen Rechte der Grundsatz der Formlosigkeit der Bürgschaft galt, so galten auf der anderen Seite die Beschränkungen der Intercession der Frauen, ein Argument, welches immerhin für uns ins Gewicht fällt. Nachdem man die Beschränkung der Intercession der Frauen aufgehoben hat, wird es angemessen sein, die Rechtsförmlichkeit der Bürgschaft aufrecht zu erhalten beziehungsweise wieder einzuführen.« 1527 Verhandlungen des 22. DJT, Bd. 4 (1893), S. 66, 68 f. bzw. S. 78: »Weshalb sind denn die Beschränkungen der Intercession der Frauen überall in den Gebieten des gemeinen Rechts mit Ausnahme von Württemberg und ich glaube Reuß beseitigt? Eben deshalb, weil man erkannt hat, daß diese Erschwerung der Form nichts nutzt, nicht weil man das 1525 1526

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In Übereinstimmung mit Brunner nutzt Gierke ein weiteres Mal die Gelegenheit, um sich für die Aufnahme einer Formvorschrift stark zu machen. Da Interzessionsbeschänkungen für Frauen wegen der »Gleichheit der Geschlechter« nicht mehr zeitgemäß und denkbar seien, müsse zumindest über die Form der Bürgschaft ein gewisser Ausgleich für den weggefallenen Schutz geschaffen werden: »Im gemeinen Recht besteht ja noch heute überall, wo sie nicht particularrechtlich beseitigt ist, die Ausnahme bei den Frauen, und gerade in Württemberg besteht auch heute noch diese Ausnahme, sie müßte denn in den letzten Tagen aufgehoben sein; bis vor kurzer Zeit spielte aber gerade in Württemberg die besondere Formenvorschift für die Bürgschaft der Frau eine große praktische Rolle. Nachdem aber einmal in Folge des unabwendbaren Princips der Gleichheit der Geschlechter nicht daran zu denken ist, daß eine Intercessionsbeschränkung der Frauen zu Stande kommt, so müssen wir einen gewissen Schutz der Frau indirect, durch Erschwerung der für die Frauen besonders gefährlichen Vertragsart einführen.«1528

Gegenüber dem von Enneccerus geltend gemachten Einwand, dass die Schriftform häufig bewusst zum Nachteil der weniger Geschäftserfahrenen eingesetzt werde,1529 verweist Brunner auf die Skepsis und den Widerwillen, womit die bäuerliche Bevölkerung seiner Erfahrung nach auf das Verlangen einer Unterschrift reagiere.1530 Dissens besteht ferner auch hinsichtlich des Zusammenspiels von Bürgerlichem Recht und Handelsrecht. Enneccerus sieht hier einen unauflösbaren Wertungswiderspruch, wenn die Bürgschaft eines Nichtkaufmanns gegenüber einem geschäftserfahrenen Kaufmann als einseitiges Handelsgeschäft formfrei erfolgen könne, während sie gegenüber einem anderen Nichtkaufmann nach Bürgerlichem Recht der Schriftform bedürfe.1531 Demgegenüber sind Brunner,1532 Gierke1533 und Richard Karl Wilke1534 der Auffassung, dass das Bürgerliche Recht grundsätzlich nach den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs unter Nichtkaufleuten auszurichten sei und folglich das Handelsrecht dasenatusconsultum Vellejanum und seine Bestimmung für theoretisch unrichtig hielte, sondern weil man sie als praktisch unwirksam erkannte, und eben aus dem gleichen Grunde bekämpfe ich das Erforderniß der Schriftlichkeit bei der Bürgschaft.« 1528 Verhandlungen des 22. DJT, Bd. 4 (1893), S. 72, 74 bzw. S. 76: »Ich glaube, daß schon die Rücksicht auf die außerordentlich lange Zeit, in der bei uns die Intercessionsbeschränkungen für die Frauen gegolten haben, nach einem Ersatz drängt und daß wir einen solchen allein finden, indem wir wenigstens die Schriftform für die Bürgschaft einführen.« 1529 Verhandlungen des 22. DJT, Bd. 4 (1893), S. 66, 69. 1530 Verhandlungen des 22. DJT, Bd. 4 (1893), S. 80, 82. – Ähnlich zuvor schon PREUSSISCHES LANDES-ÖKONOMIE-KOLLEGIUM, Verhandlungen 1889, S. 124, 128 (Danckelmann). 1531 Verhandlungen des 22. DJT, Bd. 4 (1893), S. 66, 71; S. 78, 79. 1532 Verhandlungen des 22. DJT, Bd. 4 (1893), S. 56, 58 f.; S. 80. 1533 Verhandlungen des 22. DJT, Bd. 4 (1893), S. 72, 75 f. 1534 Verhandlungen des 22. DJT, Bd. 4 (1893), S. 76.

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hin gehend angepasst werden müsse, dass einseitige Handelsgeschäfte künftig nicht mehr formfrei erfolgen können. Die Mehrheit der Ersten Abteilung entscheidet sich schließlich für den Antrag von Brunner und gegen den von Enneccerus.1535 Der somit gefasste Beschluss zugunsten eines Formzwangs der Bürgschaft und seine Begründung werden im Plenum des Juristentags mit Beifall aufgenommen: »Unter Anderem wurde auch geltend gemacht, daß die neuere Gesetzgebung die Beschränkungen der Intercession der Frauen beseitigt hat, daß gerade die Bürgschaft der Frau einer der praktisch wichtigsten und häufigsten Fälle der Bürgschaft sei, und daß es sich schon deshalb empfehle, die Bürgschaft zu formalisiren. […] Die Abtheilung erachtete, daß die Gründe, welche für die Formalisirung der Bürgschaft und der verwandten Verträge sprechen, im Ganzen die überwiegenden seien, und faßte daher den erwähnten Beschluß, welcher dem Plenum nur zur Kenntnisnahme mitzutheilen ist. (Bravo!)«1536

(d) Diese 1893 erhobene Forderung des Deutschen Juristentags nach einer Formvorschrift für Bürgschaften wird auch bei den Beratungen des BGB aufgegriffen. Trotz entsprechender Anträge, insbesondere von Wilke, lehnt es die Zweite Kommission jedoch bei der Revision des Entwurfs Zweiter Lesung mit acht gegen acht Stimmen ab, überhaupt noch einmal in die Beratung dieser Frage einzutreten.1537 Ein später im Bundesrat eingebrachter Antrag von Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz wird im Justizausschuss des Bundesrats lediglich von Württemberg unterstützt und findet somit ebenfalls keine Mehrheit.1538 Erst die im Reichstag gebildete XII. Kommission führt am 20. März 1896 – bei einer Gegenstimme von Enneccerus – die Schriftform für die Bürgschaftserklärung ein (§ 766 Satz 1 BGB).1539 Flankierend wird in der Folge § 350 des neuen HGB vom 10. Mai 1897 so gefasst, dass nur die Bürgschaftserklärung eines Kaufmanns formfrei möglich ist.1540 Damit ist sichergestellt, dass im Verkehr die Formvorschrift des § 766 Satz 1 BGB auch bei Bürgschaften von Nichtkaufleuten gegenüber Kaufleuten zum Tragen kommt. Verhandlungen des 22. DJT, Bd. 4 (1893), S. 85. Verhandlungen des 22. DJT, Bd. 4 (1893), S. 417, 419. 1537 ACHILLES / GEBHARD / SPAHN (Hrsg.), Protokolle, Bd. VI (1899), S. 196 (Protokoll 416) = MUGDAN (Hrsg.), Materialien, Bd. II (1899), S. 1020 (= S. 8485). – Vgl. JAKOBS / SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. II/3 (1983), S. 463. 1538 JAKOBS / SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. II/3 (1983), S. 463. 1539 ENNECCERUS / BUCHKA / BACHEM / SCHROEDER, Bericht der Reichstags-Kommission über den Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs (1896), S. 94 und 378 = MUGDAN (Hrsg.), Materialien, Bd. II (1899), S. 1295. – Vgl. JAKOBS / SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. II/3 (1983), S. 464. – Zur Aufnahme dieser Vorschrift durch Literatur und Rechtsprechung vgl. MÜNCHHAUSEN, Der Interzedentenschutz des § 766 BGB (1911), S. 53 ff., 60 ff. 1540 RGBl. 1897 S. 219, 306 = SCHUBERT / SCHMIEDEL / KRAMPE (Hrsg.), Quellen zum HGB von 1897, Bd. I (1986), S. 717, 804. 1535 1536

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

Da das BGB aus dem Handelsrecht (Art. 317 ADHGB) den Grundsatz der Formfreiheit für alle Rechtsgeschäfte übernimmt,1541 beschränken sich die Entwürfe des neuen HGB darauf, bestimmte Ausnahmen, die das BGB von dieser Regel noch macht, für das Handelsrecht abzubedingen.1542 Auf die Einführung von § 766 Satz 1 BGB hin wird auf dem 23. Deutschen Handelstag gefordert, bei der Bürgschaftserklärung eines Kaufmanns auch weiterhin von der Schriftform abzusehen.1543 Der Entwurf des HGB wird daraufhin nachgezogen und dahin gehend ergänzt, dass § 766 Satz 1 BGB keine Geltung bei Bürgschaften von Kaufleuten hat.1544 Dagegen beantragen Bayern und Hessen im Bundesrat, wenngleich ohne Erfolg, die entsprechende Vorschrift ganz zu streichen und dadurch bezüglich der einzuhaltenden Formvorschriften einen völligen Gleichlauf von Bürgerlichem Recht und Handelsrecht herzustellen.1545 Ein Verlangen, das sich auch die XVIII. Kommission im Reichstag zu eigen macht,1546 dem letztlich aber das Plenum des Reichtags nicht folgt.1547 Dessen ungeachtet wird hierin doch ein gewisser Paradigmenwechsel deutlich – weg von der völligen Formfreiheit hin zu einer stärkeren formellen Einhegung bestimmter Rechtsgeschäfte wie der Bürgschaft.1548

(e) Trotz der hier dargestellten Entwicklungen ist Haferkamp der Auffassung, dass die Interzession der Ehefrau für ihren Mann nach der Antike bis zum Inkrafttreten des BGB nur »eine marginale Rolle« gespielt habe, da eine MitRJA (Hrsg.), Denkschrift (1896), S. 21 f. = MUGDAN (Hrsg.), Materialien, Bd. I (1899), S. 835. 1542 SCHUBERT / SCHMIEDEL / KRAMPE (Hrsg.), Quellen zum HGB von 1897, Bd. I (1986), S. 217, 311 (Entwurf I des RJA von 1895, § 304) hierzu a. a. O., Bd. II/1 (1987), S. 1, 186 f. (Denkschrift zum Entwurf I); S. 259, 453 ff., 467 (»Kommission Handel«); S. 533, 547 f. (»Kommission Landwirthschaft«). – Ferner a. a. O., Bd. I (1986), S. 345, 439 (Entwurf II des RJA von 1896, § 334). 1543 SCHUBERT / SCHMIEDEL / KRAMPE (Hrsg.), Quellen zum HGB von 1897, Bd. II/1 (1987), S. 567, 622, 624, 667, 669, 689 f. (Verhandlungen des 23. Deutschen Handelstages am 15./16. Okt. 1896). 1544 SCHUBERT / SCHMIEDEL / KRAMPE (Hrsg.), Quellen zum HGB von 1897, Bd. I (1986), S. 471, 550 (BR-Drs. Nr. 133, § 335). – Ferner a. a. O., Bd. I (1986), S. 593, 671 (RT-Drs. Nr. 632, § 341) hierzu a. a. O., Bd. II/2 (1988), S. 947, 1112 f. (Denkschrift zu RT-Drs. Nr. 632). 1545 SCHUBERT / SCHMIEDEL / KRAMPE (Hrsg.), Quellen zum HGB von 1897, Bd. II/2 (1988), S. 745, 811 (Äußerungen der Bundesregierungen); S. 844, 856, 857, 880 (Anträge der Bundesregierungen); S. 881, 893, 903 (Berichte von Heller); S. 905, 923, 935 (Notizen von Otto Cohen); S. 938, 944 (Antrag der Ausschüsse). 1546 SCHUBERT / SCHMIEDEL / KRAMPE (Hrsg.), Quellen zum HGB von 1897, Bd. II/2 (1988), S. 1215, 1230 (Abänderungsanträge, Nr. 31: Bassermann); S. 1254, 1343 f., 1347 (Kommissionsbericht); S. 1381, 1412, 1427 (Berichte von Heller); S. 1434, 1440 (Beschlüsse der Redaktionskommission). – Als Reaktion hierauf wird der Antrag gestellt, durch einen neuen Art. 5a EGHGB zumindest für den Außenhandel die Formvorschrift des § 766 S. 1 BGB abzubedingen, vgl. a. a. O., S. 1215, 1252 f. (Abänderungsanträge, Nr. 71: Lenzmann); S. 1254, 1366 ff. (Kommissionsbericht); S. 1381, 1430 f. (Berichte von Heller). 1547 HAHN / MUGDAN (Hrsg.), Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Bd. VI (1897), S. 712, 738 ff., 754 (207. Sitzung vom 6. April 1897). 1548 Zum Schutz des Schwächeren im Allgemeinen REPGEN, Die soziale Aufgabe des Privatrechts (2001), S. 68 ff., 498 ff. 1541

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haftung der Frau für dessen Verbindlichkeiten regelmäßig schon durch das eheliche Güterrecht bedingt gewesen sei. Erst mit der Abkehr von der Gütergemeinschaft durch das BGB sei die Ehegattenbürgschaft im 20. Jahrhundert zum »Massenphänomen« geworden, um zu verhindern, dass der Mann zulasten seines Gläubigers Vermögensverschiebungen auf die Frau vornimmt.1549 Zuzugeben ist Haferkamp, dass das Güterrecht im konkreten Einzelfall eine ausschlaggebende Rolle spielen kann. Sei es etwa, dass eine Mithaftung der Frau schon aus der Gütergemeinschaft folgt, sei es, dass ihr wegen ihrer güterrechtlichen Ansprüche beim Konkurs des Mannes bestimmte Vorzugsrechte gegenüber dessen Gläubigern zustehen. Daher wird im Ius commune auch stets klargestellt, dass die Authentica Si qua mulier im Falle der Gütergemeinschaft so gut wie nicht zum Tragen kommt. Dies bedeutet umgekehrt aber nicht, dass die Interzession der Ehefrau im Übrigen bedeutungslos geworden wäre. Angesichts der gewachsenen, stark zersplitterten Güterrechtslandschaft des 19. Jahrhunderts, wie sie nicht nur in Bayern, sondern auch in den meisten anderen deutschen Staaten besteht,1550 erscheint daher die zeitgenössische, differenzierte Einschätzung des bayerischen Landtagsabgeordneten Dr. Kurz (in der Debatte vom 18. Juni 1870)1551 wesentlich treffender und sachgerechter: »Allein die Intercession, wie sie uns hier vorliegt, hat allerdings nicht für alle Gütersysteme, wie sie in Bayern bestehen, ihre Bedeutung, insbesondere nicht für die sogenannte allgemeine Gütergemeinschaft; um so wichtiger ist aber ihre Bedeutung für die beiden anderen großen Gruppen des Güterrechts, für das Dotalrecht und für die Errungenschaftsgemeinschaft, und in diesen beiden Richtungen wäre die Intercession der Frauen geradezu geeignet, das ganze Princip dieser beiden Gesetze, nämlich die Gütertrennung, auf den Kopf zu stellen, wenn die Frau für eine ihr fremde Schuld, für eine Schuld eintreten soll, für welche zu haften ihr das Gesetz eine Verpflichtung nicht auflegt.«1552

Die Entscheidung des BGB, dass die Ehefrau grundsätzlich nicht mit ihrem Vermögen für die Schulden ihres Mannes haftet, wird daher auch vom historischen Gesetzgeber nicht etwa als Bruch mit der Vergangenheit, sondern als Fortsetzung der geschichtlichen Entwicklung angesehen.1553 Gegen die allzu pauschale Sichtweise von Haferkamp sprechen ferner rechtstatsächliche Erkenntnisse. Wie Müller bezüglich der Kreditgenossenschaften in Bayern (für den Zeitraum von 1862 bis 1914) nachweist, war eine Mitverpflichtung der Ehefrau durchaus häufig anzutreffen, indem etwa die HAFERKAMP, in: HKK, Bd. III/2 (2013), §§ 765–778 Rn. 94–96, 100–105, 114. Vgl. hierzu DUNCKER, Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe (2003), S. 1018 ff. Zum Dotalprivileg SIRKS, ZRG RA 129 (2012), 522 ff. 1551 Siehe oben Fn. 1302. 1552 BayLT, Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten 1870/71, Stenographische Berichte, Bd. 3, S. 7 rechte Sp. 1553 Vgl. REPGEN, Die soziale Aufgabe des Privatrechts (2001), S. 467 ff., 468. 1549 1550

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Darlehensaufnahme gemeinsam durch beide Ehegatten erfolgte oder die Frau bei einer Bürgschaft des Ehemanns mitzuunterzeichnen hatte.1554 Dies alles wäre aus Sicht des Gläubigers aber eine reine Formalie und überflüssiger Aufwand, wenn schon allein die Verpflichtung des Ehemanns regelmäßig den Zugriff auf das Vermögen der Frau als Haftungsmasse eröffnen würde, wie dies Haferkamp unterstellt. Angesichts dessen verwundert es nicht, dass die von Levin Goldschmidt herausgegebene »Zeitschrift für das gesammte Handelsrecht« nicht nur über die Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen in den größeren Staaten wie Preußen oder Bayern berichtet,1555 sondern auch über die entsprechende Reformgesetzgebung in den kleineren und Kleinststaaten fortlaufend und ausführlich informiert.1556 Selbst die handelsrechtliche Zeitschrift unterstellt also insoweit immer noch eine gewisse Relevanz für ihre Leser. Vor allen Dingen aber vermag die Interpretation von Haferkamp nicht zu erklären, wieso noch im 19. Jahrhundert eine Vielzahl von höchstrichterlichen Entscheidungen zur Authentica Si qua mulier 1557 und dem entsprechen-

MÜLLER, Kreditgenossenschaften in Bayern (2008), S. 80 bzw. 175 m. w. N. Vgl. ZHR 14 (1870), 477 (Preußen: Gesetz v. 1. Dez. 1869 s. o. S. 212 ff.); ZHR 17 (1873), 165 (Bayern: Gesetz v. 14. Jan. 1871 s. o. S. 244 ff.). 1556 Vgl. ZHR 16 (1871), 141 (Bremen: Gesetz v. 6. Mai 1870); 445 (Hamburg: Gesetz v. 3. Juni 1870); 451 (Lübeck: Gesetz v. 21. März 1870); 454 (Sachsen-Gotha: Gesetz v. 6. Aug. 1869); 459 (Sachsen-Meiningen: Gesetz v. 14. Dez. 1869); 468 (Herzogtum Oldenburg und Fürstentum Lübeck: Gesetz v. 15. März 1870); 470 (Braunschweig: Gesetz v. 5. April 1870); ZHR 17 (1873), 624 (Sachsen-Weimar-Eisenach: Gesetz v. 20. Dez. 1871); ZHR 18 (1873), 161 (Schaumburg-Lippe: Gesetz v. 20. März 1872); ebd. (Waldeck: 10. Jan. 1872); ZHR 24 (1879), 562 (Anhalt: Gesetz v. 9. April 1878); ebd. (SachsenCoburg: Gesetz v. 29. April 1878); ZHR 35 (1889), 567 (Schwarzburg-Sondershausen: Gesetz v. 16. Dez. 1887). – Dieser Überblick deckt sich nahezu vollständig mit der entsprechenden Aufstellung von Planck in der Begründung zu § 71 TE-FamR, vgl. SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. IV/1 (1983), S. 426 (= S. 274). Ferner RJA (Hrsg.), Motive, Bd. IV (1888), S. 115 = MUGDAN (Hrsg.), Materialien, Bd. IV (1899), S. 64. Aus den Darstellungen im Schrifttum etwa STOBBE, Handbuch des Deutschen Privatrechts, Bd. III (1898), S. 380 f. in Fn. 65. 1557 Oberhofgericht Mannheim, Erk. v. 14. Juli 1823 bzw. 10. März 1824, SeuffA Bd. 1 Nr. 215, S. 224; OAG Wiesbaden, Erk. v. 10. Nov. 1830, SeuffA Bd. 13 Nr. 249, S. 354; OAG Celle, Erk. v. 14. Sept. 1835, SeuffA Bd. 1 Nr. 344, S. 372; OAG Rostock, Erk. v. 2. März 1846, Buchka/Budde/Schmidt, Bd. 2 Nr. 33, S. 188, 199; BayOGH, Erk. v. 13. Juli 1869, SeuffBl Bd. 34, S. 380. – Gemeinsame Darlehensaufnahme der Eheleute: OAG Jena, Erk. v. 30. Dez. 1828, SeuffA Bd. 7 Nr. 179, S. 212; OAG Kiel, Erk. v. 2. Sept. 1837, SeuffA Bd. 7 Nr. 180, S. 215; OAG Cassel, Erk. v. 4. Mai 1858, SeuffA Bd. 12 Nr. 272, S. 360; OG Wolfenbüttel, Erk. v. 12. Dez. 1856, SeuffA Bd. 12 Nr. 272, S. 361; OAG Celle, Erk. v. 11. Nov. 1858, SeuffA Bd. 13 Nr. 143, S. 193; OAG Rostock, Erk. v. 4. Feb. 1861, SeuffA Bd. 17 Nr. 38, S. 60; Preußisches Obertribunal, Erk. v. 20. Juni 1876, SeuffA Bd. 33 Nr. 127, S. 175; Erk. v. 1877, SeuffA Bd. 33 Nr. 233, S. 312. 1554 1555

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den eidlichen Verzicht1558 ergeht, obwohl deren Anwendung bei der Gütergemeinschaft an sich nicht in Betracht kommt.1559 Gegenstand der Rechtsprechung sind darüber hinaus auch die entsprechenden partikularrechtlichen Beschränkungen der Interzession für den eigenen Ehemann, etwa nach dem Altpfälzischen Recht,1560 dem CMBC,1561 dem Preußischen ALR,1562 dem Sächsischen Mandat von 18281563 oder dem Sächsischen BGB.1564 Warum aber wird der Streit über die Wirksamkeit der Interzession von beiden Seiten – sowohl vom Gläubiger als auch von der Ehefrau – bis in die letzte Instanz getrieben, wenn nach Haferkamp von vornherein die güterrecht1558 OAG Wiesbaden, Erk. v. 10. Nov. 1830, SeuffA Bd. 13 Nr. 249, S. 354; OAG Celle, Erk. v. 14. Sept. 1835, SeuffA Bd. 1 Nr. 344, S. 372; OAG Rostock, Erk. v. 2. März 1846, Buchka/Budde/Schmidt, Bd. 2 Nr. 33, S. 188, 199, 200 ff.; OAG Jena, Erk. v. 1848, SeuffA Bd. 3 Nr. 53, S. 65, 66; BayOGH, Erk. v. 13. Juli 1869, SeuffBl Bd. 34, S. 380. 1559 Zu den wenigen verbleibenden Anwendungsfällen der Authentica Si qua mulier bei der Gütergemeinschaft HAFERKAMP, in: HKK, Bd. III/2 (2013), §§ 765–778 Rn. 104. Diese Sonderkonstellationen sind aber nicht Gegenstand der in Fn. 1557 aufgeführten Entscheidungen. 1560 Oberhofgericht Mannheim, Erk. v. 21. Juli 1823, Jahrbücher des Großherzoglich Badischen Oberhofgerichts, Bd. 1 (1823), S. 177, 181 ff. = Mittheilungen aus den Materialien der Gesetzgebung und Rechtspflege des Großherzogthums Hessen, Bd. 3 (1831), S. 187. – Hierzu STÜRNER, Festschrift 200 Jahre Badisches Oberhofgericht (2003), S. 25, 29 f.; RABAA, Die Ehe als Rechtsinstitut im Badischen Landrecht (2011), S. 102 f. in Fn. 309. 1561 BayOGH, Erk. v. 14. Jan. 1870, SeuffBl Bd. 35, S. 161, 164 f. 1562 Preußisches Obertribunal, Erk. v. 23. April 1869, Entscheidungen des Obertribunals, Bd. 61 (1869), S. 129, 139 ff. mit lehrbuchhafter Darstellung der Problematik. Ferner Erk. v. 14. März 1827, Rechtssprüche der preußischen Gerichtshöfe, Bd. 2 (1835), S. 266; Plenarbeschluß v. 28. Feb. 1845, Entscheidungen des Obertribunals, Bd. 11 (1846), S. 33, 34, 46; Erk. v. 17. Nov. 1853, Archiv für Rechtsfälle, Bd. 11 (1856), S. 322; Erk. v. 9. Dez. 1853, Entscheidungen des Obertribunals, Bd. 26 (1854), S. 273, 279; Erk. v. 11. Nov. 1856, Archiv für Rechtsfälle, Bd. 23 (1857), S. 49; Erk. v. 13. Jan. 1859, Entscheidungen des Obertribunals, Bd. 40 (1859), S. 128; Erk. v. 27. Feb. 1860, Archiv für Rechtsfälle, Bd. 37 (1861), S. 59; Erk. v. 12. Sept. 1871, Gruchot 16 (1872), S. 101; Erk. v. 10. März 1873, Archiv für Rechtsfälle, Bd. 88 (1873), S. 269. 1563 OAG Dresden, Erk. v. Dez. 1856, Wochenblatt für merkwürdige Rechtsfälle, n. F. 5 (1857), 73, 77; Erk. v. 20. Jan. 1858, Wochenblatt für merkwürdige Rechtsfälle, n. F. 6 (1858), 145, 151; Erk. v. 16. Sept. 1859, Annalen, Bd. 1 (1860), 435; Erk. v. 11. Aug. 1864, Annalen, Bd. 8 (1865), 265 = ZHR 8 (1865), 537; Erk. v. 1. Sept. 1864, Annalen, Bd. 8 (1865), 379; Erk. v. 2. Mai 1865, Annalen, n.F. Bd. 1 (1866), 251; Erk. v. 15. Dez. 1865, Annalen, n.F. Bd. 1 (1866), 557; Erk. v. 15. Nov. 1866, Annalen, n.F. Bd. 3 (1868), 225. 1564 OAG Dresden, Erk. v. 29. Nov. 1866, Annalen, n.F. Bd. 3 (1868), 209; Erk. v. 2. Jan. 1868, Annalen, n.F. Bd. 4 (1868), 380; ROHG, Urt. v. 21. Feb. 1873, ROHGE 9, 172, 173; Urt. v. 17. Okt. 1873, ROHGE 11, 214; Urt. v. 13. Jan. 1877, ROHGE 22, 67. Vgl. ferner OAG Dresden, Erk. v. 14. März 1865, Annalen, n.F. Bd. 1 (1866), 140; Erk. v. 26. Juli 1866, Annalen, n.F. Bd. 3 (1868), 134.

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Teil 1: Das SC Velleianum und seine Rezeption

liche Mithaftung der Frau feststehen soll. Selbst ein vorsichtiger Gläubiger, der sich daneben noch eine Interzession als zusätzliche Absicherung geben lässt, wird im Prozess den einfachen Weg zur Durchsetzung seiner Ansprüche suchen und nicht weiter aus einer streitigen Interzession vorgehen, wenn er die Möglichkeit hat, anderweitig durch das eheliche Güterrecht auf das Vermögen der Frau zuzugreifen. Aus diesen Gründen erscheint es daher in Übereinstimmung mit der bisherigen Forschung sehr wohl gerechtfertigt, die Interzession der Ehefrau für ihren Mann auch weiterhin in eine längere zeitliche Perspektive zu stellen.

Teil 2

»La seule crainte révérentielle … ne suffit point« – Metus reverentialis Teil 2: Metus reverentialis

I. Römisches Recht

I. Römisches Recht

1. Metus

Die ursprüngliche Haltung des hergebrachten römischen Rechts, des ius civile ist strikt: Unter Zwang abgeschlossene Geschäfte sind grundsätzlich gültig.1 Dieses harsche Ergebnis kann die betroffene Partei nur abwenden, wenn das prätorische Amtsrecht, das ius honorarium,2 entsprechenden Rechtsschutz gewährt. Erste Zeugnisse hierfür finden sich jedoch erst gegen Ende der Republik, als 79 oder 78 v. Chr. ein Prätor Octavius in sein Edikt erstmalig eine Klageformel (actio) auf Rückgabe des durch Gewalt oder Drohung erlangten aufnimmt (formula Octaviana): quod per vim aut metum auferre.3 Für die Einführung und den folgenden Ausbau dieses prätorischen Rechtsschutzes werden gemeinhin die Bürgerkriegswirren und die zum Teil anarchischen Zustände der späten Republik verantwortlich gemacht.4 Aber auch für die vergleichsweise ruhigen Zeiten des darauf folgenden Prinzipats berichten die Quellen von Übergriffen, die eine Intervention des Prätors notwendig machen.5 Das unter Hadrian im Jahre 130 n. Chr. fixierte Edikt (edictum perpetuum) schließt diese Entwicklung ab,6 indem es Rechtsschutz verheißt, dass 1 Vgl. Paul. Dig. 4, 2, 21, 5; Cels. Dig. 23, 2, 22; Inst. 4, 13, 1. – KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 59 III 1, S. 243 m. w. N. in Fn. 14; KASER / KNÜTEL / LOHSSE, Privatrecht (2017), § 8 Rn. 31; ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 652 f. – Abweichend HARTKAMP, Zwang (1971), S. 124 ff., der annimmt, dass daneben eine zweite, gegenteilige Auffassung von klassischen Juristen vertreten wurde, der zufolge unter Zwang zustande gekommene formfreie Rechtsgeschäfte ipso iure ungültig gewesen wären. 2 Vgl. hierzu KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 51 I, S. 205 ff.; DERS., ZRG RA 101 (1984), 1 ff.; KASER / KNÜTEL / LOHSSE, Privatrecht (2017), § 2 Rn. 8 ff. 3 Cicero, In Verrem, II 3, 152; II 2, 63. – KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 59 III 2 a, S. 244; HARTKAMP, Zwang (1971), S. 245 ff.; KUPISCH, In integrum restitutio (1974), S. 158 ff.; DERS., Festschrift Huwiler (2007), S. 415, 426, 432 f.; ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 653. 4 Vgl. ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 651 f.; LINTOTT, Violence in Republican Rome (1999), S. 175 ff., 209 ff. 5 KASER / KNÜTEL / LOHSSE, Privatrecht (2017), § 8 Rn. 30 m. w. N. 6 LENEL, Edictum perpetuum (1927); GUARINO, ANRW, Bd. II/13 (1980), S. 62 ff.

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Teil 2: Metus reverentialis

der Prätor Geschäfte, die metus causa geschlossen wurden, nicht gelten lassen werde.7 Die ursprüngliche Fassung des prätorischen Edikts hatte hingegen noch von Geschäften gesprochen, die vi metusve causa geschlossen wurden.8 Das Verhältnis der beiden Begriffe vis (Gewalt)9 und metus (Furcht)10 ist nicht unumstritten.11 Häufig wird angenommen, dass es sich hierbei um ein Begriffspaar von synonymer Bedeutung handelt, das ein und denselben Tatbestand zugleich aktiv aus Sicht des Gewalt ausübenden Täters bzw. passiv aus Sicht des Furcht empfindenden Opfers beschreibt.12 Ein anderer Erklärungsansatz sieht dagegen in vi metusve causa zwei Tatbestände mit fließenden Übergängen: Der vis-Tatbestand stelle auf die Beugung des Willens durch erpresserischen Zwang ab, der metus-Tatbestand dagegen auf den »psychischen Zustand« des Opfers, der nicht notwendigerweise auf der Ausübung von vis zu beruhen braucht. Metus sei daher der weitere Begriff, der alle Fälle von vis mit einschließe, während der engere Begriff der vis nicht alle Fälle von metus erfasse. Bei einer begrifflichen Straffung des Edikts war demnach die Bezugnahme auf vis entbehrlich, nicht aber umgekehrt die auf metus.13 Für diese Interpretation spricht vor allem, dass sie sich weitgehend mit den Aussagen des Spätklassikers Ulpian zu diesem Problem deckt.14 Auch die Bedeutung der Formel metus causa selbst ist streitig. Während metus causa nach hergebrachter Lesart kausal aus der Opferperspektive begriffen wird (»aus Furcht«),15 ist nach anderer Ansicht ein finales Verständnis aus der Täterperspektive zugrunde zu legen (»zum Zweck der Furchterregung«).16 Viel spricht jedoch für einen dritten, hiervon gänzlich abweichenden Ansatz. Danach ist mit Blick auf den Charakter der actio quod metus

7 Vgl. Ulp. Dig. 4, 2, 1: »Ait praetor: ›Quod metus causa gestum erit, ratum non habebo‹.« LENEL, Edictum perpetuum (1927), S. 110 ff. 8 Ulp. Dig. 4, 2, 1: »olim ita edicebatur ›quod vi metusve causa‹«. 9 Paul. Dig. 4, 2, 2: »Vis autem est maioris rei impetus, qui repelli non potest.« 10 Ulp. Dig. 4, 2, 1: »metus instantis vel futuri periculi causa mentis trepidatio.« 11 Vgl. hierzu EBERT, ZRG RA 86 (1969), 403 ff.; HARTKAMP, Zwang (1971), S. 3 ff.; KUPISCH, In integrum restitutio (1974), S. 192 ff. 12 LÜBTOW, Der Ediktstitel »Quod metus causa gestum erit« (1932), S. 100 f.; SCHULZ, Classical Roman Law (1951), S. 601: »a sort of hendiadys: ›fear caused by threat‹«; HARTKAMP, Zwang (1971), S. 12, 56. 13 KUPISCH, In integrum restitutio (1974), S. 196 ff.; DERS., Festschrift Huwiler (2007), S. 415, 427 ff. 14 Ulp. Dig. 4, 2, 1: »vis enim fiebat mentio propter necessitatem impositam contrariam voluntati […] sed postea detracta est vis mentio ideo, quia quodcumque vi atroci fit, id metu quoque fieri videtur.« – Vgl. ferner Ulp. Dig. 4, 2, 3 pr.: »Continet igitur haec clausula et vim et metum«. 15 KUNKEL, Römisches Privatrecht (1949), S. 261 Fn. 5; HARTKAMP, Zwang (1971), S. 52 ff., 55; KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 59 III 2 a, S. 244 in Fn. 19. 16 MAIER, Prätorische Bereicherungsklagen (1932), S. 96 ff.

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causa, die auch einen Durchgriff auf jeden Dritterwerber einräumt,17 weder auf die Sicht des Täters noch auf die des Opfers abzustellen, sondern auf das metus causa Erworbene, welches auszukehren ist, gleich bei wem es sich nun befindet.18 Dem Begriff metus liegt dabei eine sehr restriktive Auffassung zugrunde. Nach der Definition von Gaius kommt nur eine solche Furcht in Betracht, die auch einen äußerst standhaften Mann (homo constantissimus) mit Grund (merito) befällt. 19 Wie Ulpian später umgekehrt formuliert, kann daher die grundlose Angst eines furchtsamen Menschen (meticulosus) keine Berücksichtigung finden.20 Diese Auffassung von metus spiegelt die römische Vorstellung von den Tugenden eines Mannes (virtus) wider, der in jeder Situation einen kühlen Kopf bewahrt (constantia).21 Ein vir constans22 lässt sich somit nicht von Lappalien in Schrecken versetzen, so dass nach Ulpian im Anschluss an Labeo nicht jede beliebige Angst (timor quislibet) unter metus zu subsumieren ist, sondern nur die Furcht vor einem schweren Übel.23 Als solche werden insbesondere anerkannt die Angst vor einem gewaltsamen Tod,24 Folter,25 Gefängnis,26 Sklaverei27 oder Vergewaltigung,28 hingegen nicht die Angst vor einer drohenden Anklage29 oder vor der aus einer Verurteilung folgenden Ehrlosigkeit (infamia).30

Vgl. Ulp. Dig. 4, 2, 9, 8. KUPISCH, In integrum restitutio (1974), S. 145 ff.; DERS., Festschrift Huwiler (2007), S. 415, 421 ff.; KASER, ZRG RA 94 (1977), 101, 122 ff.; ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 654. 19 Gai. Dig. 4, 2, 6: »Metum autem non vani hominis, sed qui merito et in homine constantissimo cadat, ad hoc edictum pertinere dicemus.« 20 Ulp. Dig. 4, 2, 7 pr.: »proinde si quis meticulosus rem nullam frustra timuerit, per hoc edictum non restituitur, quoniam neque vi neque metus causa factum est.« 21 SCHULZ, Prinzipien des römischen Rechts (1934), S. 57, 151 f. = Principles of Roman Law, 2nd ed. (1936), S. 83, 223 f.; ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 653. 22 Zum Begriff des vir constantissimus vgl. HARTKAMP, Zwang (1971), S. 27 ff. m. w. N.; ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 653 in Fn. 19. 23 Ulp. Dig. 4, 2, 5: »Metum accipiendum Labeo dicit non quemlibet timorem, sed maioris malitatis.« – Zur Echtheit von maior malitas vgl. HARTKAMP, Zwang (1971), S. 30 f. – Vgl. ferner Cod. 2, 4, 13 pr. (Diocl. et Max.): »nec tamen quilibet metus […] sufficit«. 24 Ulp. Dig. 4, 2, 3, 1; Ulp. Dig. 4, 2, 7, 1; Cod. 2, 4, 13 pr. (Diocl. et Max.); Cod. 2, 19 (20), 4 (Gord.); Cod. 2, 19 (20), 7 (Diocl. et Max.). 25 Cod. 2, 4, 13 pr. (Diocl. et Max.); Cod. 2, 19 (20), 4 (Gord.); Cod. 2, 19 (20), 7 (Diocl. et Max.). 26 Ulp. Dig. 4, 2, 7, 1; Paul. Dig. 4, 2, 22. 27 Paul. Dig. 4, 2, 8, 1. Vgl. aber ferner Paul. Dig. 4, 2, 21 pr. 28 Paul. Dig. 4, 2, 8, 2. 29 Cod. 2, 19 (20), 10 (Diocl. et Max.). 30 Ulp. Dig. 4, 2, 7 pr. 17 18

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Die eingangs beschriebene strikte Position des ius civile gilt auch in der Spätklassik fort, ja sie findet sich selbst bei Justinian wieder:31 Unter metus abgeschlossene Geschäfte sind grundsätzlich wirksam, ihre Konsequenzen können lediglich nach Maßgabe des prätorischen ius honorarium beseitigt werden. Obwohl nach Ulpian nichts dem Konsens so sehr widerspricht als vis atque metus,32 führt ein solcher Willensmangel also nicht zur Nichtigkeit des betroffenen Geschäfts. Dass in Hoch-33 und Spätklassik34 an der Wirksamkeit des erzwungenen Geschäfts mit der Begründung festgehalten wird, dieses sei ja immerhin gewollt (metu coactus … tamen coactus volui), mag seine Ursache zum einen im Gedankengut der Stoa haben.35 Zum anderen mag die in der späten Republik einsetzende Gewährung prätorischer Rechtsmittel auch einfach »die Entwicklung zu ziviler Unwirksamkeit abgeschnitten« haben.36 Rechtsschutz verheißt das prätorische Edikt durch eine besondere Klageformel (actio quod metus causa) bzw. eine besondere Einrede (exceptio metus), je nachdem, ob sich der Kläger oder der Beklagte auf Drohung beruft.37 Die actio quod metus causa erstreckt sich als Strafklage auf den vierfachen Schadensbetrag (quadruplum), der sich nach einem Jahr auf den einfachen reduziert (simplum).38 Als eine actio in rem scripta, kann sie nicht nur gegen den Erpresser selbst, sondern auch gegen jeden gutgläubigen Dritten erhoben

31 Inst. 4, 13, 1: »Verbi gratia si metu coactus […] stipulanti Titio promisisti, quod non debueras promittere, palam est iure civili te obligatum esse et actio, qua intenditur dare te oportere, efficax est: sed iniquum est te condemnari ideoque datur tibi exceptio metus causa […] ad impugnandam actionem.« 32 Ulp. Dig. 50, 17, 116 pr.: »Nihil consensui tam contrarium est, qui ac bonae fidei iudicia sustinet, quam vis atque metus: quem comprobare contra bonos mores est.« 33 Cels. Dig. 23, 2, 22: »[…] maluisse hoc videtur.« – Siehe unten Fn. 47. 34 Paul. Dig. 4, 2, 21, 5: »Si metu coactus adii hereditatem, puto me heredem effici, quia quamvis si liberum esset noluissem, tamen coactus volui«. – Zur Echtheit HARTKAMP, Zwang (1971), S. 84 f.; KUPISCH, In integrum restitutio (1974), S. 155 ff. 35 SCHULZ, ZRG RA 43 (1922), 171, 180 ff. m. w. N. zur älteren Literatur; HARTKAMP, Zwang (1971), S. 85 ff. – Kritisch LÜBTOW, Der Ediktstitel »Quod metus causa gestum erit« (1932), S. 61 f. 36 KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 59 III 1, S. 243 f. – Erst in nachklassischer Zeit wird der Gegensatz zwischen ius civile und ius honorarium überwunden, so dass ein erzwungenes Geschäft als nichtig angesehen wird, vgl. a. a. O., Bd. II, § 201 VI 1, S. 89 f. m. w. N. 37 Zum Folgenden KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 59 III 2 und 3, S. 244 f.; KASER /  KNÜTEL / LOHSSE, Privatrecht (2017), § 8 Rn. 32 ff.; ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 654 ff.; FELDNER, in: ¿Rechtsgeschichte(n)? (2000), S. 247, 255 ff. 38 Ulp. Dig. 4, 2, 14, 1; LENEL, Edictum perpetuum (1927), S. 112: »quanti ea res erit, tantae pecuniae quadruplum«. – Die justinianischen Kompilatoren zerlegen das quadruplum in ein sachverfolgendes Restitutions-simplum und eine poena tripli, vgl. Ulp. Dig. 4, 2, 14, 10–11; LENEL, Palingenesia, Vol. II (1889), Sp. 464; KASER, Privatrecht, Bd. II (1975), § 271 II 3, S. 429 Fn. 30; HARTKAMP, Zwang (1971), S. 285 f.

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werden, der etwas von dem erpressten Gut erworben hat.39 Da es sich bei ihr ferner um eine sog. actio arbitraria handelt,40 kann der Beklagte eine Verurteilung durch Naturalrestitution an den Kläger abwenden.41 Schließlich zieht die actio quod metus causa im Falle der Verurteilung nicht die Infamie (infamia)42 des Beklagten nach sich.43 Was das Verhältnis von actio quod metus causa und restitutio in integrum angeht, wurde lange Zeit ein Nebeneinander zweier verschiedener Rechtsmittel angenommen.44 Im Anschluss an Kupisch wird inzwischen jedoch ganz überwiegend die actio quod metus causa als das regelmäßige Rechtsmittel zur Wiederherstellung und zugleich als das Mittel zur Durchführung der restitutio in integrum angesehen.45 Unter umgekehrten prozessualen Vorzeichen steht dem Beklagten, der aus einem erpresserischen Geschäft verpflichtet worden ist, als besonderes Verteidigungsmittel die exceptio metus causa zu. Diese Einrede ist ebenso in rem scripta wie die actio quod metus causa, das heißt, sie kann gegen die Klage jedes Gläubigers geltend gemacht werden, selbst wenn dieser nicht der Erpresser ist.46

39 Ulp. Dig. 4, 2, 9, 1; Ulp. Dig. 4, 2, 9, 8. – KUPISCH, In integrum restitutio (1974), S. 176 ff., 199 ff.; DERS., Festschrift Huwiler (2007), S. 415, 433 ff.; KASER, ZRG RA 94 (1977), 101, 126 ff.; MARTENS, Durch Dritte verursachte Willensmängel (2007), S. 32 ff. – Zum früheren Streit um die Passivlegitimation des gutgläubigen Dritterwerbers vgl. HARTKAMP, Zwang (1971), S. 201 ff., 211 ff.; ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 655 in Fn. 37 unter Verweis auf Ulp. Dig. 4, 2, 14, 5. 40 Vgl. hierzu KASER / HACKL, Zivilprozeßrecht (1996), § 48, S. 335 ff.; KASER /  KNÜTEL / LOHSSE, Privatrecht (2017), § 27 Rn. 17. 41 Ulp. Dig. 4, 2, 14, 4; Inst. 4, 6, 27. – Zur Restitutionsklausel »neque ea res arbitrio iudicis restituetur« in Ulp. Dig. 4, 2, 14, 11 vgl. LENEL, Edictum perpetuum (1927), S. 113. Ferner KUPISCH, Festschrift Huwiler (2007), S. 415, 418 f., 430. 42 Vgl. hierzu KASER, ZRG RA 73 (1956), 220 ff.; DERS., Privatrecht, Bd. I (1971), § 64 III 2, S. 274 f.; KASER / KNÜTEL / LOHSSE, Privatrecht (2017), § 13 Rn. 13. 43 HARTKAMP, Zwang (1971), S. 245, 274; KUPISCH, In integrum restitutio (1974), S. 219 ff., 229 ff.; DERS., Festschrift Huwiler (2007), S. 415, 419, 430. 44 Vgl. KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 59 III 2 b, S. 244 in Fn. 21. 45 KUPISCH, In integrum restitutio (1974), S. 123 ff.; KASER, ZRG RA 94 (1977), 101, 110, 115 ff.; ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 656 f. m. w. N. zur früher h.M. in Fn. 43. 46 Ulp. Dig. 44, 4, 4, 33: »[…] enimvero metus causa exceptio in rem scripta est ›si in ea re nihil metus causa factum est‹, ut non inspiciamus, an is qui agit metus causa fecit aliquid, sed an omnino metus causa factum est in hac re a quocumque, non tantum ab eo qui agit.« – Inst. 4, 13, 1 et 9. – HARTKAMP, Zwang (1971), S. 270 ff.; KUPISCH, In integrum restitutio (1974), S. 170 ff.; MARTENS, Durch Dritte verursachte Willensmängel (2007), S. 38 ff.

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2. Metus reverentialis? Vor dem Hintergrund dieses restriktiven Verständnisses von metus im klassischen römischen Recht sollen nun in den Quellen mögliche Ansatzpunkte für metus reverentialis untersucht werden. a) Klassik Celsus etwa beschäftigt sich mit der unter väterlichem Zwang geschlossenen Ehe:47 Geht der Sohn eine Ehe nur deshalb ein, weil sein Vater entsprechenden Druck auf ihn ausübt (patre cogente), die er aber, wenn es nach seinem Willen ginge, nicht schließen würde, so ist die Ehe gleichwohl gültig. Zwar kommt eine Ehe grundsätzlich nicht gegen den Willen der Brautleute zustande (consensus facit nuptias); der Sohn wird jedoch so angesehen, als habe er dies lieber gewollt (maluisse hoc videtur), als sich seinem Vater zu widersetzen. Diese Stelle ist zunächst einmal hinsichtlich ihrer Echtheit umstritten. 48 Daneben wird aber insbesondere auch die Bedeutung von patre cogente diskutiert. Wie manche Autoren annehmen, sei damit nicht Zwang im technischen Sinne gemeint, sondern bloßes Zureden oder Einwirken durch väterliche Autorität, also ein Tatbestand von metus reverentialis.49 Die wohl überwiegende Gegenauffassung lehnt dies allerdings mit dem schlüssigen Argument ab, dass es keine Anhaltspunkte gebe, warum das Fragment den Begriff cogere »hier ohne entsprechenden Hinweis nicht in der üblichen Bedeutung verwenden sollte«, nämlich als echten Zwang im restriktiven Sinne.50 47 Cels. Dig. 23, 2, 22: »Si patre cogente ducit uxorem, quam non duceret, si sui arbitrii esset, contraxit tamen matrimonium, quod inter invitos non contrahitur: maluisse hoc videtur.« – Siehe oben Fn. 33. Vgl. ferner Ter. Cl. Dig. 23, 2, 21; Cod. 5, 4, 12 et 14 (Diocl. et Max.). Dazu ASTOLFI, Il matrimonio nel diritto romano classico (2006), S. 98 f. 48 Ausgehend von der ursprünglich gegenteiligen Rechtsfolge, das heißt einer ungültigen Eheschließung, wird teilweise eine byzantinische Interpolation angenommen, vgl. SCHULZ, ZRG RA 43 (1922), 171, 192 f.; LÜBTOW, Der Ediktstitel »Quod metus causa gestum erit« (1932), S. 23 f. – Nach anderer Ansicht stimmt gerade die Formulierung maluisse hoc videtur mit der coactus volui-Regel aus Paul. Dig. 4, 2, 21, 5 (s. o. Fn. 34) überein, so dass von der Echtheit dieses Fragments auszugehen sei, vgl. HARTKAMP, Zwang (1971), S. 96 ff., 99; KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 59 III 4, S. 245; § 74 II 2, S. 315; ASTOLFI, Il matrimonio nel diritto romano classico (2006), S. 99. 49 BESELER, ZRG RA 44 (1924), 359, 364, 394 (jedoch davon wieder abrückend DERS., JW 1932, 3758); BONFANTE, Corso di diritto romano, Vol. I (1925), S. 198 Anm. 5; DULCKEIT, Erblasserwille und Erwerbswille (1934), S. 185 in Anm. 3; FUNAIOLI, La teoria della violenza nei negozi giuridici (1927), S. 139 Anm. 5; SANFILIPPO, Il metus nei negozi giuridici (1934), S. 65 ff., 72 f.; SACHERS, Art. »Potestas patria«, RE 22/1 (1953), Sp. 1046, 1110; ASTOLFI, Il matrimonio nel diritto romano classico (2006), S. 100 in Fn. 160. 50 So HARTKAMP, Zwang (1971), S. 98 f. Ferner SCHULZ, ZRG RA 43 (1922), 171, 193 f.; LÜBTOW, Der Ediktstitel »Quod metus causa gestum erit« (1932), S. 23; DERS., ZRG RA 55 (1935), 403, 411 f. in Anm. 4 a. E.; WYSZYŃSKI, De matrimonio Romano ob

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Des Weiteren werden in der Spätklassik Eheverbote verhängt, um durch Machtmissbrauch erzwungene Heiraten zu unterbinden und die Entscheidungsfreiheit der Frau zu schützen.51 Kaiserliche Mandate verbieten den Provinzialoffizieren52 und -beamten53 grundsätzlich die Ehe mit einer Angehörigen der Provinz, in der sie Dienst tun (matrimonium contra mandata principis). Das Eingehen eines Verlöbnisses (sponsalia) bleibt zwar erlaubt, der Frau steht es jedoch frei, den Beamten nach Beendigung seiner Dienstzeit nicht zu heiraten und das Verlöbnis zu lösen, sofern sie die erhaltene Verlobungsgabe (arrha) zurückerstattet.54 Auf das Verhältnis zwischen Ehegatten bezieht sich Papinian in Dig. 29, 6, 3:55 Eine Frau hatte ihren Mann zum Alleinerben eingesetzt. Wohl aufgrund eines späteren Zerwürfnisses war sie im Begriff, durch Kodizill davon wieder abzurücken.56 Um sie von diesem Sinneswandel abzubringen, hatte der Ehemann nicht etwa durch Gewalt oder Arglist, sondern – wie es zu geschehen pflegt – durch ein klärendes Gespräch unter Ehegatten (maritali sermone) das Missfallen der erkrankten Frau ausgeräumt. Da der Ehemann hiermit kein Verbrechen begangen hatte, besteht für Papinian kein Grund, metum contracto (1962), S. 53 ff.; KASER, ZRG RA 80 (1963), 522, 523; VOLTERRA, IVRA 14 (1963), 343, 349 f.; DU PLESSIS / ZIMMERMANN, (2003) 10 MJ 345, 350. 51 Dem gegenüber hat das bereits unter Marc Aurel und Commodus erlassene Eheverbot zwischen Vormund und Mündel einen anderen Schwerpunkt: Der entsprechende Senatsbeschluss untersagt dem Vormund, sein Mündel selbst zu heiraten oder mit seinem Sohn zu verheiraten (Paul. Dig. 23, 2, 59; Dig. 23, 2, 66 pr.) – in erster Linie, damit er sich nicht auf diese Weise seiner Rechnungslegungspflicht gegenüber dem Mündel entziehen kann. Vgl. KASER / KNÜTEL / LOHSSE, Privatrecht (2017), § 58 Rn. 21; ASTOLFI, Il matrimonio nel diritto romano classico (2006), S. 180 ff., 182. 52 Pap. Dig. 23, 2, 63. – Eine Ausnahme gilt für diejenigen, die in ihrer Heimatprovinz dienen, vgl. Paul. Dig. 23, 2, 65 pr. Hierzu ASTOLFI, Il matrimonio nel diritto romano classico (2006), S. 135. 53 Das Eheverbot gilt schon seit klassischer Zeit zudem für den filius familias des Provinzialbeamten, vgl. Marci. Dig. 23, 2, 57. Dazu ASTOLFI, Il matrimonio nel diritto romano classico (2006), S. 177 f. 54 Paul. Dig. 23, 2, 38 pr.: »Si quis officium in aliqua provincia administrat, inde oriundam vel ibi domicilium habentem uxorem ducere non potest, quamvis sponsare non prohibeatur, ita scilicet, ut, si post officium depositum noluerit mulier nuptias contrahere, liceat ei hoc facere arris tantummodo redditis quas acceperat.« – KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 74 II 6, S. 317; ASTOLFI, Il matrimonio nel diritto romano classico (2006), S. 175 ff. 55 Pap. Dig. 29, 6, 3: »Virum, qui non per vim nec dolum, quo minus uxor, contra eum mutata voluntate, codicillos faceret, intercesserat, sed ut fieri adsolet, offensam aegrae mulieris maritali sermone placaverat, in crimen non incidisse respondi, nec ei quod testamento fuerat datum auferendum.« – Vgl. ferner Cod. 6, 34, 3 (Diocl. et Max.): »Iudicium uxoris postremum in se provocare maritali sermone non est criminosum.« 56 Zum Kodizill vgl. KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 165, S. 693 f.; KASER /  KNÜTEL / LOHSSE, Privatrecht (2017), § 68 Rn. 22 ff.

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diesem nicht die testamentarische Hinterlassenschaft seiner Frau zu belassen. Der Mann ist also nicht etwa erbunwürdig. Wer dem Befehl seines Vaters oder Herrn (imperio patris vel domini) gehorcht, folgt nicht seinem eigenen Willen (velle non creditur), wie ein recht allgemein gehaltenes Ulpian-Fragment in Dig. 50, 17, 4 feststellt,57 welches sich vermutlich auf die Erbschaftsannahme durch einen homo liber bona fide serviens bezieht: Ein Freier im Besitz eines anderen, der ihn für seinen Sklaven hält, wird nicht Erbe, wenn er die Erbschaft auf Befehl seines »dominus« antritt, sondern nur, wenn er dies aus eigenem Antrieb tut, da er nur dann den Willen hat, die Erbschaft für sich zu erwerben.58 Zwingt der Vater seinen gewaltunterworfenen Sohn, ein für dessen peculium nachteiliges Geschäft abzuschließen, so kann sich der Sohn nach Wegfall der patria potestas nicht auf die exceptio metus berufen.59 Zwar kann diese Einrede als eine exceptio in rem scripta grundsätzlich gegenüber jedem Gläubiger geltend gemacht werden, unabhängig davon ob dieser selbst an der Erpressung beteiligt war.60 Dieser Grundsatz wird jedoch hier durchbrochen, da der Vater dem Haussohn das peculium auch jederzeit ganz entziehen und dann die nachteilige Verfügung selbst treffen könnte.61 Im Übrigen steht gegen die Eltern die exceptio metus nicht zur Verfügung.62 Ebenfalls von Ulpian stammt mit Dig. 44, 5, 1, 6 die einzige (möglicherweise interpolierte)63 Stelle, in der in diesem Kontext ausdrücklich der Begriff reverentia fällt.64 Wird einem libertus in unmittelbarem Zusammenhang Ulp. Dig. 50, 17, 4: »Velle non creditur, qui obsequitur imperio patris vel domini.« DU PLESSIS / ZIMMERMANN, (2003) 10 MJ 345, 351; zur Einordnung des Fragments in diesen Kontext HARTKAMP, Zwang (1971), S. 116 f.; KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 58 II 3, S. 241; zur Figur des homo liber bona fide serviens a. a. O., § 71 I, S. 302; SÖLLNER, ZRG RA 122 (2005), 1, 44 ff. 59 Ulp. Dig. 44, 4, 4, 34: »Illud sciendum est hanc exceptionem de metu eum obicere debere, qui metum non a parente passus est, in cuius fuit potestate: ceterum parenti licere deteriorem condicionem liberorum in rebus peculiariis facere. sed si se abstinuerit hereditate paterna, succurrendum ei erit, ut alioquin succurritur.« 60 Vgl. die unmittelbar vorangehende Stelle in Ulp. Dig. 44, 4, 4, 33 (s. o. Fn. 46). 61 WACKE, SDHI 60 (1994), 469, 471 ff. – Anders hinsichtlich der ratio für diese Ausnahme HARTKAMP, Zwang (1971), S. 46 f., der insoweit auf den fehlenden Eintritt eines Vermögensschaden beim Haussohn abstellt. 62 Ulp. Dig. 37, 15, 7, 2: »Nec exceptiones doli patiuntur vel vis metusve causa, vel interdictum unde vi vel quod vi patiuntur.« – Zur Echtheit KASER, ZRG RA 73 (1956), 220, 250 Fn. 136; HARTKAMP, Zwang (1971), S. 47. 63 Vgl. PRINGSHEIM, Festschrift Lenel (1921), S. 204, 214, 264; KASER, ZRG RA 58 (1938), 88, 119. 64 Ulp. Dig. 44, 5, 1, 6: »In summa si in continenti impositum quid sit liberto, quod ἐπαιωρούμενον oneret eius libertatem, dicendum est exceptioni locum facere. sed si post intervallum, habet quidem dubitationem, quia nemo eum cogebat hoc promittere: sed idem erit probandum et hic, tamen causa cognita, si liquido appareat libertum metu solo vel nimia patrono reverentia ita se subiecisse, ut vel poenali quadam stipulatione se subiceret.« 57 58

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(in continenti) mit seiner Freilassung etwas auferlegt, das seine bevorstehende Freiheit belastet, so steht ihm hiergegen eine Einrede zu. Erfolgt diese Belastung jedoch erst geraume Zeit (post intervallum) nach seiner Freilassung, bestehen daran sicherlich Zweifel, da niemand ihn gezwungen hat, ein solches Versprechen abzugeben. Aber selbst hier ist dasselbe anzuerkennen, das heißt eine Einrede zuzugestehen, wenn es sich klar herausstellt, dass der Freigelassene nur aus Furcht (metu solo) oder aus allzu großer Ehrfurcht vor seinem Patron (nimia patrono reverentia) entsprechend gehandelt hat. Diese Stelle ist freilich nicht isoliert, sondern in ihrem unmittelbaren Zusammenhang zu sehen. In Dig. 44, 5, 1, 4 ff. behandelt Ulpian die exceptio onerandae libertatis causa, die ein Freigelassener – abgesehen von bestimmten Diensten (operae) – gegen alle Ansprüche und Auflagen geltend machen kann, mit denen sein Patron ihn anlässlich der Freilassung belastet hat. 65 Denn nach Dig. 44, 5, 1, 5 kann der Patron vom Freigelassenen nicht verlangen, was er sich von ihm onerandae libertatis causa ausbedungen hat.66 Als onerandae libertatis causa wiederum werden insbesondere solche Pflichten begriffen, die den Freigelassenen für den Fall treffen, dass er den Unwillen seines Patrons erregen sollte (si patronum libertus offenderit); aus Furcht hiervor bliebe er diesem immer unterworfen und würde alles auf sich nehmen, was der Patron verlangt. 67 b) Nachklassik In einem Reskript aus dem Jahr 294 treffen Diokletian und Maximian die prägnante Feststellung, dass eine Partei, die im Beisein ihrer Freunde (amicis etiam intervenientibus) einen Vergleich (transactio) schließt, sich im Nachhinein nicht auf metus berufen könne. Denn ihre Unredlichkeit (improbitas) werde schon dadurch offenbar, dass sie unter solchen tatsächlichen Umständen diesen Einwand überhaupt erhebt.68 Zwei weitere Konstitutionen von Diokletian und Maximian aus derselben Zeit zeigen deutlich, dass in der frühen Nachklassik der Respekt vor der gesellschaftlichen Stellung oder dem Amt des Geschäftspartners für sich allein, – Zur reverentia, die dem Patron allgemein entgegenzubringen ist, vgl. Ulp. Dig. 44, 4, 4, 16. Dazu LEVY, ZRG RA 70 (1953), 214, 224; CIMMA, De non numerata pecunia (1984), S. 38 ff.; LITEWSKI, SDHI 60 (1994), 405, 408 ff. 65 KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 70 II, S. 300 f. 66 Ulp. Dig. 44, 5, 1, 5: »Quae onerandae libertatis causa stipulatus sum, a liberto exigere non possum. onerandae autem libertatis causa facta bellissime ita definiuntur, quae ita imponuntur, ut, si patronum libertus offenderit, petantur ab eo semperque sit metu exactionis ei subiectus, propter quem metum quodvis sustineat patrono praecipiente.« 67 Zur Konstellation von Freigelassener und Patron vgl. ferner Dig. 4, 2, 21 pr. Dazu HARTKAMP, Zwang (1971), S. 19. 68 Cod. 2, 4, 35 (Diocl. et Max.): »Transactionem, quae dominii translatione vel actione parata seu perempta finem accepit, cum eam amicis etiam intervenientibus re vera ostenditur processisse, metus velamento rescindi postulantis professio detegit improbitatem.«

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ohne das Hinzutreten einer ausdrücklichen Bedrohung, nicht für die Annahme von metus ausreicht.69 So genügt der senatorische Rang der Gegenpartei (senatoria dignitas) noch nicht, um einen Vertragsschluss aus metus zu rügen,70 ebenso wenig die abstrakte Angst (timor) davor, von einem hohen städtischen Magistrat zu einem kommunalen Amt herangezogen zu werden.71 Die Quellen dieser Zeit sprechen daher noch eindeutig gegen die Erheblichkeit von bloßem metus reverentialis.72 Unter Konstantin wird allerdings die Rückabwicklung einer Verfügung angeordnet, die jemand per impressionem, aus Furcht vor einem mittleren Beamten getroffen hat; neben dem zurückzuerstattenden Gegenstand durfte das Opfer als weitere Sanktion sogar das ihm entrichtete Entgelt behalten.73 Schwierigkeiten bereitet die Einordnung des Ausdrucks per impressionem (»durch Eindruck«?): Hatte der Beamte in irgendeiner Weise tatsächlich Druck ausgeübt und so beim Opfer Furcht (metus) hervorgerufen, oder beruhte metus hier auf dem bloßen Respekt, welcher einer Amtsperson allgemein entgegengebracht wurde, was wiederum eher für bloßen metus reverentialis sprechen würde?74 – Gewisse Ähnlichkeiten hiermit weist die Konstitution auf, mit der Theodosius das bestehende Eheverbot für Provinzialbeamte75 vor

HARTKAMP, Zwang (1971), S. 19, 68 f. Cod. 2, 19 (20), 6 (Diocl. et Max.): »Ad invidiam alicui nocere nullam dignitatem oportet. unde intellegis, quod ad metum arguendum, per quem dicis initum esse contractum, senatoria dignitas adversarii tui sola non est idonea.« 71 Cod. 2, 19 (20), 8 (Diocl. et Max.): »Cum te domus et horti venditionem fecisse sub spe recipiendi, quod de frumento feceras, instrumentum vel timore, ne ad civilia munera nominareris, proponas et rescindi venditionem veluti metus causa factam desideres, intellegis ad ratum non habendum contractum metum huiusmodi prodesse non posse.« – Dass es sich hinsichtlich der Gegenpartei hier »um einen hohen städtischen Beamten […] handelt«, folgt nach HARTKAMP, Zwang (1971), S. 19 in Fn. 5 aus Bas. 10, 2, 31. Vgl. ferner KRELLER, ZRG RA 72 (1955), 416, 421. 72 HARTKAMP, Zwang (1971), S. 18 f.; DU PLESSIS / ZIMMERMANN, (2003) 10 MJ 345, 350 f. 73 Cod. 2, 19 (20), 11 (Const.): »Si per impressionem quis aliquem metuens saltem in mediocri officio constitutum rei suae in eadem provincia vel loco, ubi tale officium peragit, sub venditionis titulo fecerit cessionem, et quod emptum fuerit reddatur et nihilo minus etiam pecunia retineatur: simili poena servanda, si qui vel coniugis vel amici nominibus abutentes praedam tamen sibi adquirunt.« 74 Neben »Eindruck« (mit dem Bestandteil »Druck« auch im Deutschen) kann impressio auch »Überfall« bzw. »Angriff« bedeuten. Zurückhaltend gegenüber einer Einordnung als metus reverentialis DU PLESSIS / ZIMMERMANN, (2003) 10 MJ 345, 351: »However, the fear had been instilled per impressionem and thus it is likely that we are dealing with metus proper rather than metus reverentialis.« 75 Siehe oben Fn. 54. 69 70

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allem dahin gehend verschärft,76 dass ein Verlöbnis durch die Frau auch ohne Rückerstattung des erhaltenen Brautgeschenks (arra sponsalicia)77 gelöst werden kann, wenn der Beamte auf sie oder ihre Eltern eine furchteinflößende Wirkung haben kann (potest esse terribilis).78 Honorius und Theodosius bestimmen schließlich, dass Kaufverträge, Schenkungen und andere Geschäfte, die durch Macht abgerungen worden sind (per potentiam extortae), ungültig zu machen sind.79 Diese Konstitutionen sind ebenfalls in ihrem historischen Kontext zu sehen. Um möglichen (und nicht unwahrscheinlichen) Erpressungen durch Beamte im Rechtsverkehr vorzubeugen, wurden gegen sie insbesondere generelle Erwerbsverbote bzw. -beschränkungen verhängt:80 Schon aus der Spätklassik wird eine entsprechende Konstitution von Severus und Caracalla überliefert;81 und auch Justinian stellt strenge Erwerbsverbote auf.82 Bei sons76 Eine weitere Verschärfung besteht darin, dass das Verbot auch auf die gewaltfreien Söhne, die Enkel, nahen Verwandten, Mitarbeiter und Dienstboten des Provinzialbeamten erstreckt wird, vgl. Cod. 5, 2, 1, 1 (Grat. Val. et Theod.). 77 Zur arra sponsalicia vgl. KASER, Privatrecht, Bd. II (1975), § 216 I, S. 160 ff.; KASER / KNÜTEL / LOHSSE, Privatrecht (2017), § 58 Rn. 13. 78 Cod. 5, 2, 1 pr. (Grat. Val. et Theod.): »Si quis in potestate publica positus atque honore administrandarum provinciarum, qui parentibus aut tutoribus aut curatoribus aut ipsis quae matrimonium contracturae sunt potest esse terribilis, arras sponcalicias dederit, iubemus, ut deinceps, sive parentes sive eaedem mutaverint voluntatem, non modo iuris laqueis liberentur poenaeque statutae expertes sint, sed extrinsecus data pignora lucrativa habeant, si ea non putent esse reddenda.« – LEVY, ZRG RA 68 (1951), 360, 401; KASER, Privatrecht, Bd. II (1975), § 216 I, S. 162 Fn. 16; ASTOLFI, Il matrimonio nel diritto romano classico (2006), S. 100, 177 ff. 79 Cod. 2, 19 (20), 12 (Hon. et Theod.): »Venditiones donationes transactiones, quae per potentiam extortae sunt, praecipimus infirmari.« 80 Zum Ganzen LEVY, ZRG RA 68 (1951), 360, 399 ff.; KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 92 II 1, S. 377; § 98 II 3, S. 406 in Fn. 19; Bd. II (1975), § 201 VI 1, S. 90 in Fn. 43; § 241 II 7 c, S. 268 mit Fn. 55. 81 Marci. Dig. 18, 1, 46: »Non licet ex officio, quod administrat quis, emere quid vel per se vel per alienam personam: alioquin non tantum rem amittit, sed et in quadruplum convenitur secundum constitutionem Severi et Antonini: et hoc ad procuratorem quoque Caesaris pertinet. sed hoc ita se habet, nisi specialiter quibusdam hoc concessum est.« 82 Cod. 1, 53, 1 pr.–2 (Iust.): »[pr.] Quicumque administrationem in hac florentissima urbe gerunt, emere quidem mobiles vel immobiles res vel domus extruere non aliter possint, nisi specialem nostri numinis hoc eis permittentem divinam rescriptionem meruerint. [1] Donationes vero omnimodo recusent, scientes non esse validas eas in quibuscumque rebus et quacumque aestimatione, nisi post administrationem depositam vel specialiter in scriptis donator eandem donationem ratam habuerit vel tempus quinquennale praeterierit, in quo nulla querella super isdem donationibus vel ab ipso donatore vel ab successoribus eius facta sit. [2] Provincias vero moderantibus non solum donationes, sed etiam emptiones quarumcumque mobilium vel immobilium rerum praeter eas, quae ad alimonias vel vestem pertinent, et aedificationes, licet sacri apices aliquid eorum permiserint, penitus interdicimus. nec ratum sit, quod his donatione vel venditione datum est, licet

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tigen gesellschaftlich hochgestellten und einflussreichen Personen (potentiores),83 für die diese Verbote nicht galten, bleibt es freilich bei der grundsätzlichen Frage, ob Formulierungen wie per impressionem oder per potentiam eine tatsächliche Druckausübung implizieren oder nicht.84

II. Die mittelalterliche Rezeption II. Die mittelalterliche Rezeption

1. Glossatoren

Von diesen im Corpus Iuris Civilis überlieferten Texten ausgehend übernehmen die Glossatoren das römische Konzept von metus und entwickeln es weiter.85 Die Frage etwa, was unter einem schweren Übel zu verstehen sei und damit von metus begrifflich erfasst werde, beantworten Wilhelmus de Cabriano,86 Placentinus,87 Azo88 sowie seine Schüler Roffredus89 und Ac-

quinquennale tempus post depositam administrationem excesserit vel consensus donatoris vel venditoris post eandem administrationem adiectus sit.« 83 Hierzu LEVY, ZRG RA 68 (1951), 360, 403 f.; WACKE, ANRW, Bd. II/13 (1980), S. 562, 578 ff., 586 f. 84 HARTKAMP, Zwang (1971), S. 68 f. sieht hier eine Veränderung dahin gehend, dass mit Konstantin das Erfordernis einer tatsächlichen Bedrohung aufgegeben worden sei. Ähnlich WACKE, ANRW, Bd. II/13 (1980), S. 562, 587. – DU PLESSIS / ZIMMERMANN, (2003) 10 MJ 345, 351 sprechen sich gegen die Annahme aus, dass hier für den Tatbestand von metus bereits eine einflussreiche Stellung als solche ausgereicht habe: »Again, however, it cannot simply be assumed that a position of power or influence was sufficient, as such, for relief to be granted.« 85 Vgl. hierzu SCHOLTENS, (1960) Acta Juridica 276, 277 f. 86 WILHELMUS DE CABRIANO, Casus Codicis, ad Cod. 2, 4, 13 (Zeile 3 ff.): »Nec tamen sufficiet tibi quemlibet metum allegare, sed talem qui contineat periculum vitae vel cruciatum corporis vel similem, ut eversionem instrumentorum vel stuprum tui vel filiorum«. 87 PLACENTINUS, Summa, ad Cod. 2, 19 (20): »Sed exigitur ut metus sit maioris mali, ut ff. eo. l. iv et v [Dig. 4, 2, 4 et 5]. […] proditus est metus etiam ex edicto, ut mortis et metus corporis cruciatus, ut C. de transactionibus l. interpositas [Cod. 2, 4, 13 pr.].« 88 AZO, Summa, ad Cod. 2, 19 (20) (S. 39 linke Sp.): »Habet autem locum hoc edictum ex verbis et sententia si timuit quis mortem vel cruciatum corporis ut supra de transactionibus l. interpositas [Cod. 2, 4, 13 pr.].« – Ferner DERS., Lectura ad Cod. 2, 4, 13, No 36, 41. Auch hinsichtlich der exceptio metus folgt Azo dem Grundsatz Ulpians, wann diese nicht erhoben werden kann (s. o. Fn. 59), vgl. DERS., Summa, ad Cod. 2, 19 (20) (S. 41 linke Sp.): »Porro personarum reverentia has excludit exceptiones ut ff. de exceptione doli apud § ult. [Dig. 44, 4, 4, 34].« 89 ROFFREDUS, Libelli iuris civilis, Pars I, De actione quod metus causa (S. 42 linke Sp.): »Compellit quis aliquem per metum qui caderet in hominem constantissimum qui continet corporis periculum et animae cruciatum ut rem aliquam sibi tradat vel donet vel eum ab obligatione liberet.«

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cursius90 noch ganz im strengen Sinne des römischen Rechts. In der Gesamtschau der – schon bei Azo zusammengefassten91 – Stellen aus Digesten und Codex legt die Accursische Glosse jedoch ein Verständnis von metus zugrunde, das auch denjenigen Textstellen Rechnung trägt, die hierbei weniger strikte Anforderungen stellen: Rechtsschutz wegen metus wird dementsprechend zunächst nach dem prätorischen Edikt gewährt (sei es sententia et verbis bzw. nur sententia des Edikts), aber auch über dessen Anwendungsbereich hinaus auf Grundlage der Konstitutionen sowie der Responsen von Juristen.92 Wie schon Azo93 differenziert folglich auch Accursius zwischen der Rückerstattung nach dem prätorischen Edikt einerseits und einer solchen per officium

90 ACCURSIUS, Glossa, Gl. sed maioris ad Dig. 4, 2, 5 (Vol. 7, S. 140): »id est magni, ut verberum, vel cruciatus corporis, ut C. de transactionibus l. interpositas [Cod. 2, 4, 13 pr.].« 91 AZO, Summa, ad Cod. 2, 19 (20) (S. 39 linke Sp.): »Et hic probabilis metus punitur quandoque per constitutiones […] ut infra e. l. si per impressionem [Cod. 2, 19 (20), 11] […] ut ff. de contrahenda emptione l. non licet [Dig. 18, 1, 46]. Item per iudicis punitur officium […] ut ff. e. l. ult. § pe. et antepe. [Dig. 4, 2, 23, 2 et 1] […] ut ff. quarum rerum actio non datur l. i. § quae onerandae [Dig. 44, 5, 1, 5] […] ut ff. de extraordinariis cognitionibus l. medicus [Dig. 50, 13, 3]. Punitur et metus ex sententia huiusmodi edicti tantum […] ut ff. eo. l. isti § ul. et penul. [Dig. 4, 2, 8, 3 et 2] […]. Habet autem locum hoc edictum ex verbis et sententia […] ut supra de transactionibus l. interpositas [Cod. 2, 4, 13 pr.].« – Ähnlich, allerdings noch ohne die Kategorie des officium iudicis, bereits PLACENTINUS, Summa, ad Cod. 2, 19 (20): »Metus tribus modis distinguitur, siquidem invenitur metus proditus per constitutiones […] ut ff. eod. l. penult. [Dig. 4, 2, 22]. […] ut ff. de contrahenda emptione [Dig. 18, 1]. proditus est metus etiam ex edicto […] ut C. de transactionibus l. interpositas [Cod. 2, 4, 13 pr.]. Proditus est metus per interpretationem edicti […] ut ff. eod. l. isti [Dig. 4, 2, 8] et in Inst. de noxalibus [Inst. 4, 8].« 92 ACCURSIUS, Glossa, Gl. restitui ad Dig. 4, 2, 7 pr. (Vol. 7, S. 140): »scilicet dicimus aliquem. licet alio modo restituatur. et sic nota, quod quandoque quis ex sententia et verbis huius edicti punitur, ut supra eodem l. continet in fi. [Dig. 4, 2, 3, 1] et C. de transactionibus l. interpositas [Cod. 2, 4, 13 pr.]. quandoque ex sententia tantum, ut infra eodem l. isti § pe. et § fi. [Dig. 4, 2, 8, 2 et 3]. quandoque per constitutionem, ut C. eodem l. si per impressionem [Cod. 2, 19 (20), 11] et infra de contrahenda emptione l. non licet [Dig. 18, 1, 46]. quandoque per responsa prudentum, ut infra eodem l. fi. [Dig. 4, 2, 23] et infra quarum rerum actio non datur l. i. § quae onerandae in fi. [Dig. 44, 5, 1, 5] et infra de variis cognitionibus l. medicus [Dig. 50, 13, 3].« – Gl. medicus ad Dig. 50, 13, 3 (Vol. 9, S. 556). 93 Vgl. AZO, Lectura ad Cod. 2, 4, 13, No 39 f.: »quia ex edicto illo datur actio et exceptio: ut ff. quod metus causa l. metum autem praesentem § sed quod praetor [Dig. 4, 2, 9, 3]. Datur ergo hic secundum verba et sententiam edicti, alias secundum sententiam tantum, non secundum verba: ut infra not. Praeterea alias etsi locum habeat edictum quo ad sententiam, non tamen datur actio, sed subvenitur per constitutiones: ut infra quod metus causa l. si per impressionem [Cod. 2, 19 (20), 11]. quandoque extra ordinem per officium iudicis: ut ff. quod metus causa l. ult. § ult. [Dig. 4, 2, 23, 3] et ff. quarum rerum actio non datur l. 1 § si manumisero [Dig. 44, 5, 1, 4] et ff. de extraordinariis cognitionibus l. medicus [Dig. 50, 13, 3].«

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iudicis,94 das heißt »kraft richterlichen Ermessens«95 bzw. »durch richterliche Spruchgewalt«96, andererseits.97 Die Ulpianstellen Dig. 44, 5, 1, 5 und 6 zur reverentia eines Freigelassenen gegenüber seinem Patron98 werden schließlich durch die Kommentierung der Glosse metu solo zum Ausgangspunkt von metus reverentialis.99 Der Begriff metus wird hier dezidiert anders als in Cod. 2, 4, 13 pr. aufgefasst, so dass reverentia nun beachtlich ist: Eine Ehefrau, die aus Furcht oder Ehrfucht (metu vel reverentia) einen Gegenstand verkauft oder belastet, kann die Transaktion rückgängig machen; Gleiches gilt für einen Priester, der aus Furcht und Ehrfurcht vor dem Bischof auf seine Pfründe verzichtet hat.100 Hinsichtlich des Celsus-Fragments in Dig. 23, 2, 22101 konstatiert die Glosse, dass der Sohn es in diesem Fall vorgezogen habe zu heiraten, als den Unwillen seines Vaters zu erregen.102 Der Sohn habe also die Ehe eingehen wollen, denn anderenfalls wäre sie nicht gültig geschlossen.103 Teilweise wird angenommen, dass Accursius hier von leichtem Zwang ausgegangen sei, was Die mittelalterlichen Quellen verwenden durchweg Formulierungen wie officium iudicis, per officium iudicis oder officio iudicis. Die Präposition ex wird dem Ablativ dabei nicht vorangestellt. Auch die neuzeitlichen Quellen halten sich gemeinhin mit wenigen Ausnahmen an diese Diktion. Gleichwohl wird in der Literatur mitunter der Ausdruck ex officio iudicis gebraucht, vgl. SCHOLTENS, (1960) Acta Juridica 276, 278 f.; DU PLESSIS /  ZIMMERMANN, (2003) 10 MJ 345, 353; JANSEN, in: Störungen der Willensbildung (2007), S. 125, 136. Da ex officio im deutschen Sprachgebrauch aber die Bedeutung »von Amts wegen« impliziert, wird im Folgenden bewusst immer nur von officium iudicis bzw. officio iudicis gesprochen. 95 So JANSEN, in: Störungen der Willensbildung (2007), S. 125, 136. 96 So BECKER, Die Lehre von der laesio enormis (1993), S. 124 ff. 97 ACCURSIUS, Glossa, Gl. edicto perpetuo ad Cod. 2, 4, 13 pr. (Vol. 10, S. 80): »quod habes ff. quod metus causa l. i. [Dig. 4, 2, 1]. sed et quandoque locum habet tantum edicti sententia, ut ff. quod metus causa l. isti quidem § si is [Dig. 4, 2, 8, 1]. quandoque officium iudicis, ut ff. eo. ti. l. fi. § si faenerator [Dig. 4, 2, 23, 2] et de variis cognitionibus l. medicus [Dig. 50, 13, 3] et quarum rerum actio non datur l. i. § quae onerandae [Dig. 44, 5, 1, 5]. quandoque constitutio, ut infra quod metus causa l. si per impressionem [Cod. 2, 19 (20), 11]. et his omnibus modis rata non habentur.« – Gl. decernat ad Dig. 4, 2, 23, 2 (Vol. 7, S. 148): »per officium suum.« 98 Siehe oben Fn. 64 bzw. Fn. 66. 99 So schon SCHOLTENS, (1960) Acta Juridica 276, 278. Ähnlich DU PLESSIS /  ZIMMERMANN, (2003) 10 MJ 345, 352. 100 ACCURSIUS, Glossa, Gl. metu solo ad Dig. 44, 5, 1, 6 (Vol. 9, S. 272): »aliter accipitur hic metus quam C. de transactionibus l. interpositas [Cod. 2, 4, 13 pr.]. Et nota hic argumentum quod mulier quae rem suam vendidit vel hypothecavit, si renuntiavit metu vel reverentia, quod possit revocare. Idem de clerico qui metu et reverentia episcopi renuntiavit praebendae licet non interveniat corporis cruciatus. Ac.« 101 Siehe oben Fn. 47. 102 ACCURSIUS, Glossa, Gl. maluisse hoc ad Dig. 23, 2, 22 (Vol. 7, S. 659): »quam odium patris incurrere, non autem dicas metum adhibitum, ut supra quod metus causa l. si mulier § si dos [Dig. 4, 2, 21, 3].« 94

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wiederum mit metus reverentialis gleichgesetzt werden könne.104 Bei dem von einem Provinzstatthalter herbeigeführten Verlöbnis nach Cod. 5, 2, 1 unterstellt die Glosse keine Ausübung von Gewalt (vis) gegenüber der Frau, sondern ein Einwirken durch Machtstellung oder Schmeichelei (per potentiam vel blanditiam).105 Ausgehend von Cod. 2, 4, 35106 nimmt Accursius an, dass die Anwesenheit von Freunden bei einer Transaktion die Annahme von metus grundsätzlich entkräftet,107 es sei denn, es werden hiergegen wiederum äußerst eindeutige Beweise vorgebracht.108 Anlässlich der Abgrenzung von Ermächtigung (iussum) und Auftrag (mandatum) verweist er zudem auf das Sprichwort, dass die Bitte eines Herren (rogatio domini) einem Befehl (praeceptum) gleichkommt. 109 Bezüglich der in Dig. 29, 6, 3 und Cod. 6, 34, 3 behandelten Einflussnahme auf Testierende halten Placentinus,110 Azo111 und Accursius112 bloße Schmeicheleien für zulässig, solange damit keine Gewalt oder Arglist verbunden ist. ACCURSIUS, Glossa, Gl. invitos ad Dig. 23, 2, 22 (Vol. 7, S. 659): »hic volens autem fuit, alias non valeret, ut hic et C. eo. l. nec filium [Cod. 5, 4, 12].« – Ähnlich ROFFREDUS, Libelli iuris canonici, Pars III, De septimo impedimento scilicet de violentia compulsiva (S. 351 linke Sp.): »Quaestio. Sed objicitur de eo quid legitur ff. de ritu nuptiarum l. si patre cogente [Dig. 23, 2, 22]. Respondeo ibi loquitur de quadam coactione quam habet pater de iure patriae potestatis non de illa quae inducit metum vel quae est omnino contraria voluntati illius qui debet contrahere matrimonium. et hoc dicit finis l. illius.« 104 Vgl. WYSZYŃSKI, De matrimonio Romano ob metum contracto (1962), S. 57 f. »coactio levis«. Unmittelbar für metus reverentialis SANFILIPPO, Il metus nei negozi giuridici (1934), S. 73 Fn. 2, der jedoch die additio ad Gl. sui arbitrii esset fälschlich Accursius zuschreibt, obwohl sie erst von Baldus stammt (s. u. Fn. 148), worauf WYSZYŃSKI, a. a. O., S. 54 zu Recht hinweist. Vgl. ACCURSIUS, Glossa, Gl. sui arbitrii esset ad Dig. 23, 2, 22 (Vol. 7, S. 659): »cogitur a patre filius, ut consentiat. sicque erit matrimonium, ut infra de tutelis l. ii § idem Cassius [Dig. 26, 1, 3, 2].« 105 ACCURSIUS, Glossa, Gl. pignora ad Cod. 5, 2, 1 (Vol. 10, S. 254): »et non est vis in nomine. […] vel haec lex loquitur quando per potentiam vel blanditiam eam induxit ad sponsalia.« 106 Siehe oben Fn. 68. 107 ACCURSIUS, Glossa, Gl. intervenientibus ad Cod. 2, 4, 35 (Vol. 10, S. 83): »per quod tollitur cogitatio metus, ut infra si per metum iudicis non appellaverunt l. ii. [Cod. 7, 67, 2].« 108 ACCURSIUS, Glossa, Gl. improbitatem ad Cod. 2, 4, 35 (Vol. 10, S. 83): »nisi apertissimis probet argumentis, ut ff. quod metus causa l. non est verisimile [Dig. 4, 2, 23 pr.].« 109 ACCURSIUS, Glossa, Gl. quemadmodum ad Dig. 15, 4, 1, 2 (Vol. 7, S. 485): »ex hoc potest perpendi differentiam esse inter iussum et mandatum. […] Et nota proverbium: Rogatio domini praeceptum est.« 110 PLACENTINUS, Summa, ad Cod. 6, 34: »Sane defuncti iudicium in se provocasse blando, honesto, maritalique sermone non est criminosum, ut C. eod. l. ult. [Cod. 6, 34, 3].« 111 AZO, Summa, ad Cod. 6, 34 (S. 239 rechte Sp.): »Porro prohibitio vel coactio, quae fit blanditiis, sine vi et sine dolo, non incidit in crimen, ut ff. e. l. ult. [Dig. 29, 6, 3] et infra e. l. ult. [Cod. 6, 34, 3].« – Ferner DERS., Lectura, ad Cod. 6, 34, 3, Maritali sermone: »Dicendo ei amicabilia verba, sicut consueverunt dicere mariti uxoribus, ita amor, et similia.« 103

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Der wohl prominenteste Accursius-Schüler113 Sinibaldus Fliscus (Papst Innozenz IV., 1243–1254), prägte mit seinem Dekretalenkommentar nachhaltig die Entwicklung des kanonischen Rechts. Dieses hatte in Anlehnung an das römische Recht ebenfalls das Konzept des vir constans übernommen,114 der sich nur durch die Aussicht auf Tod,115 Folter,116 oder Gefängnis117 in Angst versetzen lässt.118 Innozenz IV., der diesen Ansatz teilt,119 setzt sich dabei insbesondere mit dem Verhältnis zwischen Ehegatten auseinander: Hat ein Ehemann seiner Frau einmal Todesangst eingejagt, so ist davon auszugehen, dass bei der Frau eine entsprechende Furcht fortbesteht, solange ihr Mann lebt und die Möglichkeit hat, sie zu töten.120 Ferner stellt er in anderem Zusammenhang fest, dass vor dem Richter grundsätzlich von einer wirksamen Aussage (confessio) der Ehefrau auszugehen sei – es sei denn, sie habe aus Furcht vor ihrem Mann gehandelt, was aber wiederum nicht von vornherein vermutet werde, sondern nur wenn tatsächlich Furcht und Schläge vorangegangen sind.121 Anlässlich der in Lib. Extra 2, 24, 31 behandelten Frage, ob der von einem Fürsten abgepresste Eid einzuhalten ist,122 hält Innozenz IV. in seinem Kom112 ACCURSIUS, Glossa, Gl. Virum qui ad Dig. 29, 6, 3 (Vol. 8, S. 186): »facit, C. eo. l. fi. [Cod. 6, 34, 3].« 113 LANGE, Bd. I: Glossatoren (1997), S. 337. Zur Frage, ob auch Azo zu seinen Lehrern gehörte, DERS., a. a. O., S. 259. 114 Lib. Extra 1, 40, 4; 4, 1, 15; 4, 1, 28. 115 Lib. Extra 1, 40, 1; 1, 40, 6. 116 Lib. Extra 1, 40, 6. 117 Lib. Extra 4, 7, 2. 118 Dazu SÄGMÜLLER, Lehrbuch des katholischen Kirchenrechts, Bd. II (1914), S. 142. 119 Vgl. SINIBALDUS FLISCUS, Commentaria, Mortis ad Lib. Extra 1, 40, 6, No 1. 120 SINIBALDUS FLISCUS, Commentaria, Non timore ad Lib. Extra 1, 40, 1, No 1: »[…] metum mortis non tantum imminere, quando gladii erant praesentes, sed toto tempore quo vixit maritus, quia potestatem necis habebat super eam. […] intelligo hunc metum praesentem, cum semper possit occidi per maritum, quia ita potens erat, quod non poterat habere locum, ad quem confugeret sine timore mortis«. 121 SINIBALDUS FLISCUS, Commentaria, Confessa est ad Lib. Extra 1, 29, 16, No 1: »forte in absentia iudicis, et idem forte in praesentia, sed tanta erat saevitia sive potentia viri, quod mulier timebat, quod si coram iudice negaret, quod eam fortius affligeret. Vel potes dicere, quod cuilibet viro tanta potestas est, quod mulier sibi subiecta sit. Sed hac ratione posses dicere, quod confessio nullius uxoris tenetur, nec sibi praeiudicaret, cum quaelibet hoc ipsum iuste timere posset? Respond. quia semper praeiudicat confessio, nisi quando praecessit metus, et hoc ideo, quia non praesumitur metu fecisse, nisi quando metus vel verba praecesserunt.« – Verbera ad Lib. Extra 3, 32, 17. 122 Lib. Extra 2, 24, 31: »Petitio vestra nobis exhibita continebat, quod ecclesia Antiochena vacante […] princeps Antiochenus, timens conspirationes aliquas fieri contra eum, a vobis iuramentum extorsit, quod contra ipsum de cetero non essetis. […] Interpretatione congrua declaramus, vos iuramento huiusmodi non teneri, quin pro iuribus et honoribus ipsius ecclesiae, ac etiam specialibus vestris legitime defendendis contra ipsum

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mentar ungestüme Bitten (precibus importunis) für gleichwertig mit der Furcht, die einen vir constans befällt:123 Eine Aussage, die in der Folge von weitreichendem Einfluss sein sollte. 2. Kommentatoren Maßgebliche Bedeutung für die weitere Entwicklung von metus reverentialis bei den Kommentatoren124 kommt der Position von Bartolus zu.125 Er billigt zwar grundsätzlich die Kommentierung in der Glosse metu solo zu Dig. 44, 5, 1, 6,126 stellt aber zusätzliche Anforderungen: Allein das Verhältnis gegenüber einer Respektsperson (wie dem Ehemann oder dem Bischof) führt noch nicht zur Annahme eines beachtlichen iustus metus; erforderlich sind außerdem vorangegangene Drohungen oder Schläge (praecesserunt minae, vel verbera).127 principem stare libere valeatis, coercendo vos a machinatione duntaxat, per quam idem princeps deberet laesionem personae vel sui amissionem incurrere principatus.« – Diese Dekretale stammt nicht von Innozenz IV., wie SCHOLTENS, (1960) Acta Juridica 276, 280 in Fn. 27 irrtümlich annimmt; maßgeblich ist vielmehr der Kommentar von Innozenz IV. zu dieser Dekretale. 123 SINIBALDUS FLISCUS, Commentaria, Extorsit ad Lib. Extra 2, 24, 31: »precibus importunis, vel etiam metu, qui caderet in constantem virum, alias enim secus, ut not. supra eo. ad nostram [Lib. Extra 2, 24, 21].« – Per extorsionem ad Lib. Extra 2, 24, 21: »id est, contra consilium suum, vel, id est, desiderium, hic habes quod iuramentum licitum, etiam si per vim sit extortum, est servandum.« 124 Noch ganz auf dem Boden der Glosse bewegt sich etwa BUTRIGARIUS, Lectura, ad Cod. 2, 4, 13: »Ad evidentiam est sciendum quod quandoque facta rescinduntur ex edicto ut quando imminet metus corporis vel mortis, quandoque ex mente edicti ut quando est metus quasi mortis, quandoque rescinduntur iudicis officio, ut l. fi. ff. quod metus causa [Dig. 4, 2, 23], quandoque rescinduntur ex constitutione.« – Ähnlich CINUS, Commentaria, ad Cod. 2, 4, 13, No 1; ad Cod. 2, 19 (20), 11, No 1. Für die Ultramontanen JACOBUS DE RAVANIS, Lectura, ad Cod. 2, 4, 13; ad Cod. 2, 19 (20), 11. – Zur Glosse s. o. Fn. 97. 125 Vgl. hierzu SCHOLTENS, (1960) Acta Juridica 276, 278 ff. 126 Ähnlich für die Ultramontanen PETRUS DE BELLAPERTICA, Commentaria, ad Dig. 44, 5, 1, 5, No 3 f: »Advertatis, istud est notabile ad unum, l. ista supponit, ut quasi metu ductus, promittit, arg. est, ubi mulier timet saevitiam mariti, si consentiat venditioni rei dotalis, videtur coacta. Item ubi clericus resignat beneficium propter timorem Praelati, ideo non tenet, ut hic, ad finem.« 127 BARTOLUS, Commentaria, ad Dig. 44, 5, 1, 5, No 4: »Nota, quod licet actio quod metus causa requirat cruciatum vel metum corporis, tamen propter metum qui est ex nimia reverentia, ut quam mulier habet ad virum et in clerico erga Episcopum rescinditur promissio, ut dicit not. glossa quam not. Dico quod ista glossa dicit veritatem, et revocatur per officium iudicis. Casus est in simili in l. fi. § i et § si faenerator supra quod metus causa [Dig. 4, 2, 23, 1–2] et nota eodem tit. l. metum [Dig. 4, 2, 5] et C. de transactionibus l. interpositas [Cod. 2, 4, 13 pr.]. non tamen eo quod maritus, vel Episcopus erat, praesumitur illatus metus, d. l. interpositas [Cod. 2, 4, 13 pr.] et C. quod metus causa l. ad invidiam [Cod. 2, 19 (20), 6]. Debet ergo probari, quod praecesserunt minae, vel verbera,

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Denn einerseits genügen bloße Autorität oder Ehrfurcht – ganz nach »orthodoxer« Lesart – für sich nicht, um eine actio quod metus causa nach dem prätorischen Edikt zu begründen.128 Andererseits gesteht Bartolus zu, dass per officium iudicis selbst solche Geschäfte aufgehoben werden können, die auf weit weniger einschneidenden Zwangsmitteln beruhen als diejenigen, die nach dem Edikt vorausgesetzt werden:129 Wird jemand derart seiner Kleider entblößt, dass er schicklicherweise nicht mehr in der Öffentlichkeit erscheinen kann, um ihn zu einem Vertrag oder einer Verfügung zu zwingen, so kann diese Transaktion officio iudicis mit Blick auf das Schamgefühl (metus verecundiae) aufgehoben werden. Ähnliches gilt im Hinblick auf ein ungewisses Ereignis (metus alicuius futuri eventus), wenn etwa ein Arzt dem Patienten Versprechungen abpresst, indem er eine harmlose Erkrankung als schwerwiegend und gefährlich schildert. Als Grund für eine Aufhebung per officium iudicis wird aber auch die Ehrfurcht vor einer Respektsperson (metus ratione maioritatis et reverentiae) im privaten Bereich anerkannt, wie etwa vor dem Ehemann oder dem Patron.130 Handelt es sich um eine Amtsperson tunc cum ista qualitate, scilicet quod vir, vel maior, vel Episcopus, efficitur iustus metus, ut nota in l. metum C. quod metus causa [Cod. 2, 19 (20), 9]. idem in causam matrimonii facit de conversione coniugatorum c. accedens [Lib. Extra 3, 32, 17].« – Vgl. ferner a. a. O., additio c (veritatem): »Et sic no. hic, quod reverentia Episcopi, viri, vel patris, non est sufficiens ad rescindendum consensum factum, et praestitum per subditos eorum […] nisi interveniant minae, vel verbera, quia tunc officio iudicis succuritur, dato quod alias non induceretur metus qui caderet in virum constantem.« 128 BARTOLUS, Commentaria, ad Cod. 2, 19 (20), 6: »Sola dignitas non est causa inducendi actionem quod metus causa. h. d. Simile nota quod sola reverentia non est causa inducendi actionem quod metus causa, nisi metus, vel alius terror interveniat. Ita debet intellegi l. i. § quae onerandae ff. quarum rerum actio non datur [Dig. 44, 5, 1, 5]. Bar.« – Noch ohne Bezugnahme auf reverentia etwa BUTRIGARIUS, Lectura, ad Cod. 2, 19 (20), 6: »Dignitas non inducit praesumptionem metus. h. d.« – Ferner ALBERICUS DE ROSATE, Commentarii, ad Cod. 2, 19 (20), 6: »Sola dignitas contrahentis non sufficit ad metum arguendum.« – Für die Ultramontanen JACOBUS DE RAVANIS, Lectura, ad Cod. 2, 19 (20), 6: »Aliquis vult probare metum eo ipso quod adversarius erat potens vel in dignitate constitutus non sufficit. h. d.« 129 BARTOLUS, Commentaria, ad Dig. 4, 2, 5: »Metus intelligitur qui cadit in constantem virum, ut mortis, vel cruciatus corporis, vel servitutis, vel pudicitiae: secus si alterius levis vexationis, vel infamiae. h. d. usque ad l. metum autem [Dig. 4, 2, 9]. opponitur quod metus infamiae inducit rescissionem contractus infra eo. l. fi. § si faenerator [Dig. 4, 2, 23, 2]. Respondeo non rescinditur per actionem quod metus causa ut hic, sed per officium iudicis, ut ibi, idem si per timorem reverentiae, ut puta si filia ob reverentiam patris, uxor ob timorem et reverentiam viri, clericus ob timorem et reverentiam Episcopi aliquid fecerit l. i § quae onerandae infra quarum rerum actio non datur [Dig. 44, 5, 1, 5] et ideo gl. dicit quod factum metu rescinditur multis modis. Quod dic ut no. super l. nec timorem infra eo. [Dig. 4, 2, 7 pr.] et l. interpositas C. de transactionibus [Cod. 2, 4, 13 pr.] et ibi plene dixi.« – Vgl. ferner die parallele Kommentierung a. a. O., ad Dig. 4, 2, 23, 2. 130 BARTOLUS, Commentaria, ad Cod. 2, 4, 13, No 5: »Quandoque quis vult rescindere per officium iudicis, et tunc sufficit metus verecundiae […] Aliquis denudavit aliquem

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wie den Podestà oder capitaneus kommt eine Kondiktion nach Cod. 2, 19 (20), 11 in Betracht.131 Detailliert beschäftigt sich Bartolus mit der Frage, wann gegenüber einer Amtsperson eine beachtliche iusta causa timoris besteht: Insoweit ist auf die konkrete Führung der Amtsgeschäfte abzustellen. Ist der Amtsträger für ungerechtfertigte Inhaftierungen bekannt, so genügt bereits der ihm vorauseilende Ruf (sufficeret fama sola).132 Aus der bloßen Unausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung lässt sich dagegen noch keine Vermutung für metus ableiten.133 Schlägt ein Ehemann seine Frau, die einem Rechtsgeschäft nicht zustimmen will, und stimmt diese später nach einer gewissen Zeit zu, so handelt sie für Bartolus gewiss aus Furcht vor dem Mann; denn solange die Ehe andauert, bleibt diese Furcht bestehen.134 Was die Rechtsgeschäfte von mulieres oder minores angeht, empfiehlt Bartolus darüber hinaus, diese in Anwesenheit von Freunden oder Blutsverwandten abzuschließen, um dadurch jedweden Verdacht von metus auszuschließen, 135 was in der Folge als sog. cautela Bartoli von der Praxis aufgegriffen wird.136 capite, vel corpore, qui non poterat in publico comparere sine dedecore, huius rei gratia fecit pactum, vel transactionem. Certe rescinderetur officio iudicis, ut l. fi. § i ff. quod metus causa [Dig. 4, 2, 23, 1]. Quandoque infertur metus alicuius futuri eventus a natura, ut medicus qui infirmitatem modicam fecit magnam, et periculosam, huius gratia extorquet promissiones illicitas, certe rescindentur officio iudicis, ut l. medicus, de variis et extraordinariis cognitionibus [Dig. 50, 13, 3]. Quandoque infertur metus ratione maioritatis, et reverentiae, et istud fit dupliciter. nam quaedam est reverentia, vel maioritas absque potestate publica, ut maioritas, quae habetur a marito in uxorem, a patrono in libertum, et tunc rescinditur etiam per officium iudicis, ut l. i. § quae onerandae et ibi not. ff. quarum rerum actio non datur [Dig. 44, 5, 1, 5] quod tene menti«. 131 BARTOLUS, Commentaria, ad Cod. 2, 4, 13, No 6: »si uxor facit aliquid propter minas a viro illatas, officio iudicis rescinditur, ut d. § quae onerandae [Dig. 44, 5, 1, 5], qui hic allegatur. Quandoque haec autoritas, vel maioritas habetur ex officio publico, ut habet potestas, et capitaneus, et tunc rescindetur condictione ex l. fi. infra quod metus causa [Cod. 2, 19 (20), 12].« – Ad Cod. 2, 19 (20), 11: »Venditio celebrata per impressionem officialis, condictione ex hac l. rescinditur, nec pretium restituitur. h. d.« – Ad Cod. 2, 19 (20), 12: »Ista lex potest loqui in casu praecedentis legis, et extendit legem praecedentem, et dicit hoc breviter.« 132 BARTOLUS, Commentaria, ad Dig. 39, 1, 5, 7, No 14 ff., 17. 133 BARTOLUS, Commentaria, ad Cod. 2, 4, 13, No 3: »quod non praesumitur metus ex eo quod quis dedit magnum pro modico. quod tene menti.« 134 BARTOLUS, Commentaria, ad Dig. 12, 5, 8, No 7: »quod vir percussit optime uxorem quae nolebat consentire cuidam instrumento, postea mulier consensit ex intervallo, certe metu viri fecisse. Donec enim durat in matrimonio viri, instat et durat iste metus. Facit ad hoc quod no. infra quarum rerum actio non datur l. i. § quae onerandae [Dig. 44, 5, 1, 5] et C. de transactionibus l. interpositas [Cod. 2, 4, 13 pr.] et per Can. maxime per Inn. extra de conversione coniugatorum c. accedens et in c. veniens [Lib. Extra 3, 32, 17 et 16] de officio delegati c. causam matrimonii [Lib. Extra 1, 29, 16] et ibi plenius.« – Zur Kommentierung bei Innozenz IV. s. o. Fn. 121. 135 BARTOLUS, Commentaria, ad Cod. 2, 4, 35: »Praesentia amicorum tollit praesumptionem metus. h. d. Nota istam legem quia est valde no. quia licet venditio facta per uxorem

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Auch in seinem Tractatus de tyranno137 trifft Bartolus wesentliche Aussagen zu metus in Abhängigkeitsverhältnissen. Ein pater familias, der im häuslichen Bereich ein unrechtmäßiges Regiment führt (non iure principatur), steht einem Tyrannen gleich: Schließt ein Familienangehöriger aus Angst vor einem solchen häuslichen Tyrannen einen Vertrag, so ist dieser ebenso unter Verweis auf Dig. 44, 5, 1, 5 aufzuheben wie ein aus Furcht vor einem »richtigen« Tyrannen geschlossener Vertrag.138 Gleiches gilt für den Abt eines Klosters, der dort eine unrechtmäßige Herrschaft ausübt.139 Verträge zwischen dem Tyrannen und den seiner Zwangsherrschaft Unterworfenen können dabei entweder nach Cod. 1, 53, 1 als von vornherein nichtig angesehen werden oder aber nach Cod. 2, 19 (20), 11 als annullierbar, vor allem wenn der Tyrann sich etwas per impressionem verkaufen lässt; dies sei insbesondere dann anzunehmen, wenn er viele Bitten (multa rogamina) äußert, da schon nach der Glosse die »Bitte« eines Mächtigen einem Befehl gleichkomme (Rogamen enim maioris est iussus). 140 ob reverentiam maritalem, veniat rescindenda per officium iudicis ut l. i. § quae onerandae ff. quarum rerum actio non datur [Dig. 44, 5, 1, 5]. tamen si interveniunt consanguinei uxoris, valet contractus. et eodem modo si opponatur exceptio contra te, quod intulisti metum, potes replicare, intervenerunt consanguinei, vel amici. Et hic sumitur practica quando mulier, vel minor vendit, debet esse praesentia consanguineorum, vel amicorum.« – Noch ohne Bezugnahme auf reverentia etwa ALBERICUS DE ROSATE, Commentarii, ad Cod. 2, 4, 35, No 1: »Nota quod metus non praesumitur ubi sunt amici.« – Für die Ultramontanen JACOBUS DE RAVANIS, Lectura, ad Cod. 2, 4, 35: »si aliquis alleget metum contra eum est praesumptio si fuerit in praesentia amicorum vel in praesentia iudicis.« 136 SCHOLTENS, (1960) Acta Juridica 276, 279; DU PLESSIS / ZIMMERMANN, (2003) 10 MJ 345, 354. 137 Hierzu QUAGLIONI, Politica e diritto nel Trecento Italiano (1983), S. 39 ff. 138 BARTOLUS, De tyranno, Qu. 4 (S. 183 f., Zeile 171 ff.): »Respondeo: in domo propria potest dici patremfamilias habere aliquid iuris regalis. Ius enim sibi dicit in filios et servos […]. Merito, si in illa domo non iure principatur dicitur tyrannus. Et ideo si quis de familia faceret aliquem contractum vel aliquid simile, metu talis qui est tyrannus in domo, rescinderetur sicut factum metu tyranni, ut ff. quarum rerum actio non datur l. i § quae onerandae [Dig. 44, 5, 1, 5] et quod ibi notatur. Et qualiter probetur metu eorum factum ibi dixi, et notatur per Innocentium in c. i, 〈extra〉, quod metus causa [Lib. Extra 1, 40, 1].« – Vgl. BARTOLUS, Commentaria, ad Dig. 44, 5, 1, 5, No 4 (s. o. Fn. 127). 139 BARTOLUS, De tyranno, Qu. 4 in fine (S. 184, Zeile 190 ff.): »Possumus etiam dicere tyrannum in domo propria abbatem alicuius monasterii, qui in eo non iure principatur: quia intrusus, ut extra, de prebendis, c. eum qui, libro vi [Lib. Sext. 3, 4, 18], vel licet habeat iustum titulum tyrannice regit, ut dicam infra de tyranno civitatis.« – Zum entsprechenden Einfluss des Dekretalenkommentars Innozenz  IV. auf Bartolus vgl. QUAGLIONI, Politica e diritto nel Trecento Italiano (1983), S. 44. 140 BARTOLUS, De tyranno, Qu. 7 (S. 191 f., Zeile 342 ff.): »Quandoque fiunt aliqui contractus inter ipsum tyrannum et singulares homines sub eo existentes: et tunc etiam potest dici dictus contractus nullus per dictam l. i C. de contractibus iudicum [Cod. 1, 53, 1]. Potest etiam dici dictum contractum annullandum per l. si per impressionem C. quod metus causa [Cod. 2, 19 (20) 11], maxime si fecit rem sibi vendi per impressio-

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Baldus de Ubaldis stimmt im Wesentlichen mit seinem Lehrer Bartolus überein.141 Hinsichtlich der cautela Bartoli weist Baldus darauf hin, dass manche Statuten in Italien nicht nur die Anwesenheit, sondern auch die Zustimmung der engeren Blutsverwandten verlangen, da diese im Hinblick auf ihre Erbaussicht (am Nachlass der Frauen bzw. Minderjährigen) eine erhöhte Sorgfalt erwarten lassen.142 Er fügt hinzu, dass aber auch ohne Anwesenheit von Angehörigen wirksam kontrahiert werden kann, falls diese sich weit entfernt aufhalten; er empfiehlt jedoch, dann an deren Stelle auf die Autorität eines Richters zurückzugreifen.143 Ferner stellt er klar, dass die Beweislast bei demjenigen liegt, der sich darauf beruft, aus metus oder nimia reverentia nem: tunc enim incidit in constitutionem illam, ut rem cogatur reddere et pretium amittat. Impressionem autem probabit quis, si ille tyrannus non permittebat rem coli, vel possessori minabatur nisi venderet, vel alios colores querebat, vel multa rogamina fecit fieri ei qui non habebat rem venalem. Rogamen enim maioris, est iussus, ut ff. quod iussu l. i in principio [Dig. 15, 4, 1, 2], in glossa super verbo quemadmodum.« – Vgl. ACCURSIUS, Glossa, Gl. quemadmodum ad Dig. 15, 4, 1, 2 (s. o. Fn. 109). 141 Vgl. BALDUS, Commentaria, ad Cod. 2, 4, 13, No 7: »Quandoque quis vult rescindere per officium iudicis: et tunc sufficit metus verecundiae […]. Exemplum, quidam denudavit quandam mulierem: et dicit, aut remittam te nudam extra domum: aut promittas mihi x, ut l. fi. § i, quod metus causa [Dig. 4, 2, 23, 1]. Quandoque infertur metus alicuius futuri eventus a natura: ut medicus, qui infirmitatem modicam facit magnam et periculosam, et huius causa illicitas promissiones extorquet: certe rescindetur officio iudicis, ut l. medicus, de variis et extraordinariis cognitionibus [Dig. 50, 13, 3]. Quandoque infertur metus ratione maioritatis et oboedientiae, et istud fit dupliciter: nam quaedam est maioritas absque publica potestate, ut maioritas quae habetur a marito in uxorem, et a patrono in libertum: et tunc rescinditur per officium iudicis, ut l. i § quae onerandae, quarum rerum actio non datur [Dig. 44, 5, 1, 5] quod not. quia si uxor facit aliquid propter minas mariti, tunc rescinditur officio iudicis. Quandoque fit aliquid propter metum potestatis, vel officialis: et tunc rescinditur per l. pen. infra quod metus causa [Cod. 2, 19 (20), 11].« – Vgl. a. a. O., ad Cod. 2, 19 (20), 11, No 1: »Venditio celebrata per impressionem officialis, condictione ex hac l. rescinditur. h. d.« – Ad Cod. 2, 19 (20), 12, No 1: »Quod dixit lex praecedens in venditione, habet locum per hanc legem in omni contractu.« – Ferner a. a. O., ad Cod. 2, 19 (20), 6: »Ex sola dignitate non praesumitur dolus, vel metus inferri.« 142 BALDUS, Commentaria, ad Cod. 2, 4, 35, No 1 ff., 4: »Item nota per hanc legem in ratione statutorum, quae sunt per Italiam, quod minores et mulieres non possunt contrahere sine consensu propinquorum, et sine ipsorum propinquorum praesentia: nam hoc fit ad tollendam praesumptionem doli et metus, per hanc legem. Scilicet si dicit statutum sine praesentia consanguineorum proximiorum, in eo quod dicunt, proximiorum, est ratio: quia cum ad eos spes successionis pertineat, est verisimile quod diligentius hic providebunt.« – Ähnlich JASON DE MAYNO, Commentaria, ad Cod. 2, 4, 35, No 3: »[…] quando statutum requireret consensum proximiorum cognatorum, tunc ratio statuti esset, quia proximior ad quem spectat successio verisimiliter erit diligentior, quam alius remotior.« 143 BALDUS, Commentaria, ad Cod. 2, 4, 35, No 5: »Adde, quod si isti proximiores essent absentes in remotis partibus, quod poterit sine eis contrahi […]. Consulo tamen, quod loco absentium adhibeatur Iudicis authoritas«. – Ihm folgend PAULUS CASTRENSIS, Commentaria, ad Cod. 2, 4, 35, No 5.

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gehandelt zu haben.144 Baldus weicht allerdings insoweit von Bartolus ab, als er einen Vertrag mit dem Tyrannen nicht schlechterdings für nichtig hält, sondern nur beim Vorliegen von dolus oder impressio, was freilich im Falle der laesio enormis145 zu vermuten sei.146 Während Bartolus in seinem Kommentar das Celsus-Fragment in Dig. 23, 2, 22 überspringt,147 geht Baldus hierauf näher ein: Bloße Ehrfurcht vor dem Vater mache die vom Sohn geschlossene Ehe nicht ungültig; denn Furcht im eigentlichen Sinne (verus metus), die zu einer nichtigen Eheschließung führen würde, sei nicht im Spiel.148 Den Regelungsgrund für das in Dig. 23, 2, 38 und Cod. 5, 2, 1 behandelte Eheverbot zwischen amtierenden Provinzialbeamten und Angehörigen der betreffenden Provinz sieht Baldus in der Vermutung, dass der Beamte kraft seiner Amtsstellung Gewalt oder Druck ausübt (propter praesumptam violentiam, vel impressionem ratione officii).149

144 BALDUS, Consilia, Vol. IV, Cons. 316, No 1: »quod si per metum, vel nimiam reverentiam filius liberat patrem, quod talis liberatio non valet tamen hoc filius probare debet, C. de dolo l. si superstite [Cod. 2, 20 (21), 5] et ff. quarum rerum actio non datur l. i. § quae onerandae [Dig. 44, 5, 1, 5]. si autem non probatur metus, vel nimia reverentia: tunc valeret refutatio«. – Noch ohne Bezugnahme auf reverentia etwa BUTRIGARIUS, Lectura, ad Cod. 2, 4, 35: »Qui metum allegat metum probet.« 145 Vgl. hierzu DAWSON, (1936/37) 11 Tulane LR 345, 364 ff.; ZIMMERMANN, Richterliches Moderationsrecht (1979), S. 135 ff.; DERS., Obligations (1996), S. 259 ff. m. w. N.; BECKER, Die Lehre von der laesio enormis (1993); DERS., in: Das römisch-holländische Recht (1992), S. 201 ff.; GREBIENIOW, Rechtsfolgen der Übervorteilung (2015), S. 16 ff. 146 BALDUS, Commentaria, ad Cod. 1, 2, 16, No 9: »Et dico, quod contractus factus cum tyranno valet, nisi interveniret dolus vel impressio, quae tamen praesumitur intervenisse, si contrahens cum ipso enormiter laeditur […]. Sed Bartolus dicit contrarium: quia et cum isto praetore non potest contrahi, ut l. i, de contractibus iudicum [Cod. 1, 53, 1] ita multominus inter subditum et tyrannum. Sed ista ratio Bartoli est contra casum l. fi., de interdicto matrimonio [Cod. 5, 6, 8].« – Vgl. dazu QUAGLIONI, Il Pensiero Politico 13 (1980), 64, 65, 70 f., 82 f. 147 Vgl. BARTOLUS, Commentaria, ad Dig. 23, 2, fol. 157 v; WYSZYŃSKI, De matrimonio Romano ob metum contracto (1962), S. 59. 148 BALDUS, Commentaria, ad Dig. 23, 2, 22: »Reverentia filii erga patrem matrimonium non infirmat, licet alias filius non fuisset contracturus. h. d. ista l. istam l. intellige, quando propter reverentiam patris filius consentit. non autem intelligas quod intercesserit verus metus, quia tunc matrimonium esset nullum, ut in l. si mulier [Dig. 4, 2, 21], alle. hic in ultima gl. C. eo. l. nec filium [Cod. 5, 4, 12]. no. extra, quod metus causa c. Abbas [Lib. Extra 1, 40, 2]. probatur extra, de sponsalibus c. cum locum [Lib. Extra 4, 1, 14].« 149 BALDUS, Commentaria, ad Cod. 5, 2, 1, No 2, 10: »nam ista lex dicit, quod matrimonium durante officio non potest contrahi propter praesumptam violentiam, vel impressionem ratione officii: et tamen sponsalia possunt contrahi, ut d. l. si quis officium [Dig. 23, 2, 38].« – Zu den verschiedenen Konnotationen des Begriffs impressio s. o. Fn. 74. Die Kombination mit violentia spricht hier eher für »Druck ausüben« als »Eindruck machen«. – Ähnlich, allerdings noch ohne Bezugnahme auf den Begriff impressio, auch CINUS, Commentaria, ad Cod. 5, 2, 1, No 4: »Sed certe ista lex praesumit violentiam, ratione officii.«

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Sein Bruder Angelus de Ubaldis und die späteren Kommentatoren folgen ebenfalls den von Bartolus vertretenen Positionen zur Aufhebung officio iudicis150 sowie zur cautela Bartoli:151 Die entsprechende im Statutarrecht 150 ANGELUS DE UBALDIS, Lectura, ad Cod. 2, 4, 13, No 1: »Item quo ad hoc ut agi possit officio iudicis sufficit metus dedecoris si denudavisti aliquem caputio […] ut l. fi. § si faenerator, quod metus causa [Dig. 4, 23, 2, 2]. vel si infertur metus alicuius periculi futuri cuius evasio totaliter dependet a metu inferentem exemplum in medico qui extorquet pecuniam […] ut l. medicus, de variis cognitionibus [Dig. 50, 13, 3]. Item si ratione praeeminentiae inferatur terror uxori per virum et liberto per patronum […] et tandem actus pur rescinditur iudicis officio: ut l. i § quae onerandae, quarum rerum actio non datur [Dig. 44, 5, 1, 5]. ubi tamen esset praeeminentia magistralis non ageretur officio iudicis sed condictione ex l. si per impressionem infra quod metus causa [Cod. 2, 19 (20), 11].« – Ad Dig. 4, 2, 23, 1, No 1; ad Dig. 4, 2, 23, 2, No 1; ad Dig. 44, 5, 1, 5, No 4. – ANGELUS ARETINUS, Commentaria, ad Inst. 4, 6, 25, No 9: »Quandoque tamen quis non iure actionis, sed per officium iudicis vult rescindere, et tunc sufficit metus verecundiae, licet non contineat metum mortis vel cruciatus corporis, ut l. fi. § 1 ff. quod metus causa [Dig. 4, 23, 2, 1] quandoque dicitur inferri metus futuri eventus a natura, ut medicus qui […] extorquet promissiones illicitas, certe rescinditur officio iudicis, ut l. medicus ff. de variis et extraordinariis cognitionibus [Dig. 50, 13, 3] quandoque infertur metus ratione maioritatis et reverentiae, et ista est duplex, quaedam est maioritas sine authoritate publica, ut quam maritus habet in uxorem, pater in filium, et tunc officio iudicis rescinditur, ut l. 1 § quae onerandae, et ibi glo. et Bar. quarum rerum actio non datur [Dig. 44, 5, 1, 5]. […] quandoque maioritas habetur ex officio publico, ut Potestas Bonorum, et tunc rescinditur condi[c]tione ex l. fin. C. quod metus causa [Cod. 2, 19 (20), 12]. ista sunt de mente glo. Bar. et Bal. in l. interpositas, C. de transactionibus [Cod. 2, 4, 13].« – PAULUS CASTRESIS, Commentaria, ad Cod. 2, 4, 13, No 2 f.: »Item quantum ad hoc, ut competat officium iudicis ad rescindendum […] in l. fi. § si faenerator ff. e. ti. [Dig. 4, 23, 2, 2] et de variis cognitionibus l. medicus [Dig. 50, 13, 3] et quarum rerum actio non datur l. i § quae onerandae [Dig. 44, 5, 1, 5] […]. Item ad hoc, ut competat condictio ex lege […] in l. si per impressionem infra quod metus causa [Cod. 2, 19 (20), 11].« – JASON DE MAYNO, De actionibus, ad Inst. 4, 6, 25, No 56 ff. – Aus der Spruchpraxis SOCINUS, Consilia, Vol. II, Cons. 263, No 3. 151 ANGELUS DE UBALDIS, Lectura, ad Cod. 2, 4, 35, No 1: »Praesentia amicorum facit cessare praesumptionem metus. hoc dicit ista l. quam singulariter nota et per eam potes practicare, ut semper quando maritus facit uxorem contrahere ne allegari possit quod metu et reverentia maritali ad contrahendum prosiliit interveniat praesentia amicorum et consanguineorum uxoris per hanc l. quod tene menti per ea quae no. in l. i § quae onerandae ff. quarum rerum actio non datur [Dig. 44, 5, 1, 5].« – SALICETUS, Opera Omnia, Vol. I, ad Cod. 2, 4, 35, No 2: »Not. quod praesentia amicorum facit cessare praesumptionem metus ubi alias induceretur.« – ANGELUS ARETINUS, Commentaria, ad Inst. 4, 6, 25, No 14: »Et econtra, si tu velles omnem suspicionem, etiam reverentiae evitare, et quando mulier consentit viro, vel filius patri, vel minor, vel quando alius debilis conditionis contrahat, opus est, ut adhiberi facias praesentiam coniunctorum, et amicorum, nam talis praesentia facit cessare timorem metus et reverentiae«. – PAULUS CASTRENSIS, Commentaria, ad Cod. 2, 4, 35, No 1 ff.: »Interventus amicorum facit cessare praesumptionem metus, et facit praesumi, quod non intervenerit dolus, vel metus.« – ALEXANDER IMOLENSIS, Commentaria, ad Cod. 2, 4, 35, No 1 ff.: »Interventus amicorum metus praesumptionem

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verankerte Anwesenheitspflicht von Blutsverwandten bei Geschäften von Frauen oder Minderjährigen begründet Paulus Castrensis mit der fragilitas sexus et aetatis.152 Insoweit wird mitunter die Anwesenheit eines Richters als größere Absicherung empfohlen.153 Die Würde (eines Amtes) allein (sola dignitas) reicht nicht aus, um ein Rechtsgeschäft wegen metus aufzuheben.154 Ebenso wenig genügt die bloße Ehrfurcht (sola reverentia) in einem Näheverhältnis, es sei denn, es kommen Drohungen oder Schläge hinzu155 bzw. es handelt sich um einen Rohling, der regelmäßig Frau oder Sohn zu bedrohen und zu schlagen pflegt.156 In einem cessare facit. h. d.« – JASON DE MAYNO, Commentaria, ad Cod. 2, 4, 35, No 1: »Interventus amicorum facit cessare praesumptionem metus. h. d. […] si interveniat praesentia amicorum, vel consanguineorum cessat allegatio metus reverentialis«. 152 PAULUS CASTRENSIS, Commentaria, ad Cod. 2, 4, 35, No 4: »Ex his etiam dicit apparere rationem statutorum dicentium, quod mulier, vel minor non possit contrahere sine praesentia duorum vel trium consanguineorum, s. ad excludendum praesumptionem doli, vel metus, quia tales propter fragilitatem sexus et aetatis solent induci per dolum.« – Ähnlich JASON DE MAYNO, Commentaria, ad Cod. 2, 4, 35, No 3: »quod minores et mulieres facile seducuntur, quandoque minis, quandoque blanditiis, ideo aequissima sunt statuta, quae in eorum contractibus exigunt consensum coniunctorum.« 153 ANGELUS ARETINUS, Commentaria, ad Inst. 4, 6, 25, No 14: »et etiam ego adhiberem praesentiam iudicis, et multarum personarum in copia«. – JASON DE MAYNO, De actionibus, ad Inst. 4, 6, 25, No 63: »In praedictis tamen ad tollendam omnem suspicionem metus reverentialis solet adhiberi notabilis, et bona cautela, quam nota ad practicam, quod quando mulier consentit marito, aut filius patri, faciatis intervenire praesentiam coniunctorum, et amicorum, et quod tutius est, etiam ipsius iudicis: nam talis praesentia facit cessare omnem praesumptionem metus reverentialis.« 154 BALDUS, Commentaria, ad Cod. 2, 19 (20), 6: »Ex sola dignitate non praesumitur dolus, vel metus inferri.« – ANGELUS DE UBALDIS, Lectura, ad Cod. 2, 19 (20), 6: »Ex dignitate sola contrahentis violentia non probatur.« – SALICETUS, Opera Omnia, Vol. I, ad Cod. 2, 19 (20), 6, No 1: »Ex sola dignitate non praesumitur quis metum inferre, h. d.« – PAULUS CASTRENSIS, Commentaria, ad Cod. 2, 19 (20), 6, No 1: »Ex sola dignitate contrahentis violentia non praesumitur«. – ALEXANDER IMOLENSIS, Commentaria, ad Cod. 2, 19 (20), 6, No 1: »Ex sola dignitate contrahentis non praesumitur violentia. h. d.« 155 ANGELUS DE UBALDIS, Lectura, ad Cod. 2, 19 (20), 6, No 1: »Et ideo si uxor alicuius magni viri dici se ad contrahendum fuisse coactam per metum non creditur suo verbo. nec praesumitur metus illatus ex hoc quod vir etiam sit in dignitate positus nisi probetur minas et metum intercessisse.« – Ad Dig. 44, 5, 1, 5, No 4. – ALEXANDER IMOLENSIS, Commentaria, ad Cod. 2, 4, 13, No 5: »ubi contractus initus timore reverentiali imminente rescinditur officio iudicis, non tamen intelligas quod sola praesentia patris vel matris vel patroni, aut alterius personae cui reverentia debetur inducant sufficienter metum ad rescindendum illum contractum […] sed requiritur quod praecedant minae a patre seu marito etc.« – JASON DE MAYNO, De actionibus, ad Inst. 4, 6, 25, No 61: »quod nunquam sola praesentia mariti, vel episcopi, vel patris, est sufficiens causa ad faciendum rescindi contractum factum per uxorem, clericum, vel filium, tanquam factum metu reverentiae, nisi etiam interveniant verbera, aut minae.« 156 ANGELUS ARETINUS, Commentaria, ad Inst. 4, 6, 25, No 10, 11: »et per consequens, utrum pater vel maritus fuerit homo austerus, et solitus alias minari filio, vel uxori, sibi non

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solchen Fall dauert die Vermutung von metus solange an, wie etwa die Ehe fortbesteht.157 Im Anschluss an Bartolus wird im bloßen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung noch kein Anzeichen für metus gesehen;158 wird allerdings die Grenze zur laesio enormis überschritten, gehen die späteren Kommentatoren davon aus, dass sich die übervorteilte Partei bei einer Kombination von laesio enormis und reverentia auf metus oder dolus berufen kann.159 Diese Grundsätze schlagen sich auch in der Spruchpraxis nieder. Verzichtet etwa die Ehefrau bei einer Veräußerung durch ihren Mann auf eine ihr zustehende (Dotal-)Hypothek,160 so liegt die Annahme von metus reverentialis consentienti, vel eos verberare, quando non volebant alias renuntiare iuribus suis, vel eis consentire, tunc clarum est, quod non, et sic in praesenti actu praesumitur metus, et actus rescinditur, qui alias valeret. arg. no. in l. metum C. quod metus causa [Cod. 2, 19 (20), 9]. et quod non sufficiat sola reverentia patris, vel mariti, tenet expresse Bartolus in d. § quae onerandae [Dig. 44, 5, 1, 5] in fine quem in effectu sequuntur Baldus et Salycetus et Moderniores in l. transactionem C. de transactionibus [Cod. 2, 4, 35]. Non obstat glossa in d. § quae onerandae quia ibi reprehenditur a Bartolo.« – Ähnlich PAULUS CASTRENSIS, Commentaria, ad Cod. 2, 19 (20), 6, No 3: »Et dicit hic Bartolus, quod si uxor ad instantiam mariti faciat aliquem contractum super bonis suis, non praesumitur hoc ipso fecisse per metum, licet ille sit maritus, et potentior ea, nisi probetur, quod consueverit inferre uxori metum, ut in l i § quae onerandae ff. quarum rerum actio non datur [Dig. 44, 5, 1, 5], quod etiam tenet Innoc. in c. causam matrimonii, de offi. delega. [Lib. Extra 1, 29, 16].« 157 ANGELUS DE UBALDIS, Lectura, ad Cod. 2, 19 (20), 6, No 2: »et si semel metus fuit adhibitus semper praesumitur mulier per metum fecisse coacta donec stat in eodem habitu matrimonii«. – Ad Dig. 4, 2, 9 pr., No 2; ad Dig. 44, 5, 1, 5, No 4. – JASON DE MAYNO, De actionibus, ad Inst. 4, 6, 25, No 66 f.: »probatur quod maritus percusserat multum bene uxorem suam, quia nolebat consentire cuidam instrumento: postea ex intervallo mulier consensit: certe, secundum Bar. videtur fecisse metu: quia donec durabit in matrimonio illius viri, semper iste metus instabit […] quod si probat metum semel fuisse illatum, semper praesumitur perdurare.« – PHILIPPUS DECIUS, De regulis iuris, ad Dig. 50, 17, 39, No 15: »de marito qui verberavit uxorem quae nolebat consentire cuidam intrumento: si postea ex intervallo mulier consentit, certe, dicit Bartolus videtur consensisse metu mariti: quia donec durat matrimonium, durare dicitur metus.« – Vgl. BARTOLUS, Commentaria, ad Dig. 12, 5, 8, No 7 (s. o. Fn. 134). 158 Siehe oben Fn. 133. 159 ANGELUS ARETINUS, Commentaria, ad Inst. 4, 6, 25, No 13; ALEXANDER IMOLENSIS, Commentaria, ad Cod. 2, 19 (20), 11, No 2: »et ibi dicit quod contrahens cum tyranno si enormiter laedatur praesumitur in dubio per impressionem fuisse coactus«. – JASON DE MAYNO, Commentaria, ad Cod. 2, 4, 13, No 1, 4: »[…] quod si aliquis remisit rem maximi pretii pro modico, istud non sufficit ad probandum metum […] nisi quis remitteret minimo pretio rem magni valoris tyranno, per ista duo bene praesumeretur metus secundum Baldum in l. decernimus circa fi. C. de sacrosanctis ecclesiis [Cod. 1, 2, 16].« – PHILIPPUS DECIUS, Commentarii, ad Cod. 6, 20, 3, No 7: »et tali casu, quando enormiter filia laesa reperitur, praesumitur propter reverentiam patris consensisse, et contractus rescinditur«. – Aus der Spruchpraxis PAULUS CASTRENSIS, Consilia, Vol. I, Cons. 174, No 2 f.; SOCINUS, Consilia, Vol. II, Cons. 263, No 4: »secus quando constat de enormi laesione, quia tunc praesumi debet contractus per metum et dolum extortus.«

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zwar nahe, wie ein Consilium von Alexander Imolensis einräumt. Beachtlich ist dieser jedoch nur, wenn Drohungen oder Schläge des Mannes vorausgegangen sind.161 Im Grenzbereich zwischen metus und dolus schwankt insbesondere Socinus, der trotz fehlender Täuschung dann dolus bejaht, wenn jemand durch maßloses Überreden (nimia persuasio) zu etwas verleitet wird, da dies Druck und Zwang entspreche (habeatur loco compulsionis et coactionis).162 Ungestüme Bitten (preces importunae) wiederum werden unter Verweis auf Innozenz IV. und Bartolus einem beachtlichen metus gleichgesetzt.163 Schließlich wendet Bartolus die für metus entwickelten Grundsätze auch auf Testierende an, insbesondere die restitutio per officium iudicis und die cautela Bartoli.164 Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Drohungen im Zeitpunkt der Testamentserrichtung erfolgen, vielmehr reicht es aus, wenn der Mann seine Frau im Vorfeld mit Drohungen und Schlägen traktiert hat.165 Siehe oben Teil 1, Fn. 366. ALEXANDER IMOLENSIS, Consilia, Vol. VI, Cons. 83, No 5 ff., 7: »Et praedicta maxime vera esse videntur in renunciatione facta ab uxore iuri hypothecarum in alienatione facta per maritum […] quia in tali renunciatione inest tacitus metus propter reverentiam viri, et per consequens non ligat […] Nec etiam ad hoc obstat, quod supra dictum est, de tacito metu, et reverentia, quia ut dixit Barto. in d. § quae onerandae [Dig. 44, 5, 1, 5], in l. ad invidiam C. quod metus causa [Cod. 2, 19 (20), 6], in l. penul. ff. de condictione ob turpem causam [Dig. 12, 5, 8], Innoc. in cap. causam matrimonii de offic. deleg. [Lib. Extra 1, 29, 16], Bal. in l. interpositas C. de transactionibus [Cod. 2, 4, 13], […] quod illud debet intelligi, quando praecesserunt minae et verbera, quod in casu nostro non praesupponitur.« – Vgl. hierzu MEYNIAL, RHD 26 (1902), 49, 68 f. Im Übrigen hatte die Frau ihren Verzicht auch noch beeidet. 162 SOCINUS, Consilia, Vol. II, Cons. 263, No 2: »nam in volentem dolus committi potest, scilicet quando calliditate ducta et solicitata est persona et consentit […] per quae iura patet quod nimia persuasio per quam persona inducitur ad aliquid habeatur loco compulsionis et coactionis.« 163 SOCINUS, Consilia, Vol. II, Cons. 263, No 8: »preces autem importunae aequiparantur metui ad actus rescissionem secundum Innocentium in c. petitio, de iureiurando [Lib. Extra 2, 24, 31], Bartolus in tractatu de tyranno, q. VI.« – JASON DE MAYNO, De actionibus, ad Inst. 4, 6, 25, No 66: »Dicit etiam alibi singulariter Innoc. in cap. petitio, extra de iureiurando [Lib. Extra 2, 24, 31] quod importunae preces mariti habentur loco minarum.« – Zu Innozenz IV. und Bartolus s. o. Fn. 123 bzw. Fn. 140. 164 BARTOLUS, Commentaria, ad Dig. 29, 6, 3, No 4: »Quaero, quae coactio debet intervenire ut quis incidat in edictum? Respondeo metus mortis, vel cruciatus corporis, s. qui caderet in constantem virum l. metum, quod metus causa [Dig. 4, 2, 5] vel alius metus, qui induceret restitutionem per officium iudicis. De quo in l. i § quae onerandae, quarum rerum actio non datur [Dig. 44, 5, 1, 5] et l. fi. § i et 2 supra quod metus causa [Dig. 4, 2, 23, 1–2] et l. interpositas C. de transactionibus [Cod. 2, 4, 13] et no. in d. l. metum, quod metus causa [Dig. 4, 2, 5]. Ad tollendum tamen dictam praesumptionem, quod non intercesserit metus, curet quis quod testamentum fiat intervenientibus consanguineis l. transactionem C. de transactionibus [Cod. 2, 4, 35].« 165 BARTOLUS, Commentaria, ad Dig. 29, 6, 3, No 16: »Quaero iuxta legem nostram, pone quod tempore facti testamenti nullae minae fuerunt factae per virum uxori, sed 160 161

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Bloße Schmeicheleien gegenüber dem Testierenden sind dagegen weiterhin erlaubt.166 Entsprechende Aussagen finden sich sowohl bei Baldus167 und Salicetus168 als auch bei späteren Kommentatoren wie Paulus Castrensis,169 Alexander Imolensis170 und Jason de Mayno 171. praecesserant minae, et verbera utrum ex hoc vir reputetur indignus. Inn. in simili videtur determinare quod sic extra, de off. deleg. c. causam matrimonii [Lib. Extra 1, 29, 16]. Dixi in l. i § quae onerandae, quarum rerum actio non datur [Dig. 44, 5, 1, 5].« 166 BARTOLUS, Commentaria, ad Dig. 29, 6, 3: »Licet testatorem placare blando sermone. h. d.« – Ad Cod. 6, 34, 3: »Licet blanditiis provocare testantem, ut sibi provideat. h. d.« – So auch BUTRIGARIUS, Lectura, ad Cod. 6, 34, 3: »ibi adulationes adimunt liberam testamenti factionem: et ideo non licet eas fieri, hic secus.« – Ferner ALBERICUS DE ROSATE, Commentarii, ad Dig. 29, 6, 3: »unde aut in blanditiis est dolus, et tunc eis uti prohibitum est, ut in contrariis, aut non est dolus, et tunc est licitum, ut hic et C. eo. l. fin. [Cod. 6, 34, 3] ubi de hoc plene notavi.« – Ad Cod. 6, 34, 3: »aut blanditiae habent dolum admixtum, et tunc nocent […] aut non, et tunc si per eas pervenitur ad id quod est iure permissum, non vitiatur, ut hic, et ff. eod. l. fin. [Dig. 29, 6, 3] […] hic autem mariti est permissa institutio. nec per adulationem sine dolo, vel metu vitiatur«. – Ad Dig. 4, 2, 5, No 4: »blandis autem verbis potest induci aliquis ad aliquid faciendum, ut nota. per Azo. in summa si quis aliquem testari prohibuerit § fi. [Cod. 6, 34, 3]«. – Zu Azo s. o. Fn. 111. – Für die Ultramontanen JACOBUS DE RAVANIS, Lectura, ad Cod. 6, 34, 3: »Uxor laborat in extremis. Dives est. Maritus eius pauper. Maritus blando sermone maritali inducit eam ut instituat eum heredem hoc non est prohibitum. h. d. Rescio l. quae faciat pro adulatoribus nisi istam. Sed oportet quod hoc sit sine dolo et vi. et illud non est adulari.« 167 BALDUS, Commentaria, ad Cod. 6, 34, 1, No 8: »Quaero, qualis coactio debet intervenire, ut quis incidat in hoc edictum: Respondeo, metus mortis, vel cruciatus corporis, vel alius qui caderet in constantem virum, ut l. metum [Dig. 4, 2, 5] vel alius, qui induceret restitutionem per officium iudicis, ut l. i § quae onerandae ff. quarum rerum actio non datur [Dig. 44, 5, 1, 5] et l. fina. § i et l. ii ff. quod metus causa [Dig. 4, 2, 23, 1 et 2] et l. interpositas supra de transactionibus [Cod. 2, 4, 13]. Tamen ad tollendam omnem praesumptionem metus, cautela est quod testamentum fiat praesentibus consanguineis et amicis, ut l. transactionem supra de transactionibus [Cod. 2, 4, 35].« – No 16: »Item quaero: pone quod tempore facti testamenti nullae minae factae fuerunt per virum uxori, sed praecesserunt minae et verbera: an ex hoc vir reputetur indignus? Innocen. determinat in simili quod sic, in c. causam matrimonii, extra de offi. delega. [Lib. Extra 1, 29, 16] de quo per Barto. in l. i. § quae onerandae ff. quarum rerum actio non datur [Dig. 44, 5, 1, 5] hoc scribit Bar. in l. fina. ff. eo. [Dig. 29, 6, 3].« – No 20: »Sed nunquid omnis, qui procurat se institui, censetur in dolo? Respondeo non, nisi quando malis artibus et dolosis: quia licitum est procurare utilitatem suam sine dolo«. – Ad Dig. 29, 6, 3: »Not. quod inducere testatorem blandis sermonibus, et adulatoriis ad testandum, vel non mutandum testamentum non est dolus, nec delictum. et ubi cessat delictum, cessat poena. h. d. Not. quod in testamento quandoque intervenit violentia, quandoque dolus, quandoque quaedam persuasio.« 168 SALICETUS, Opera Omnia, Vol. III, ad Cod. 6, 34, 1, No 6: »Sed quaero […] qualis metus debeat probari? Respondeo mortis vel cruciatus vel alius qui caderet in constantem virum, ut supra de transactionibus l. interpositas [Cod. 2, 4, 13] et supra quod metus causa l. metum [Cod. 2, 19 (20), 9] et ff. eod. tit. l. metum [Dig. 4, 2, 5]. Et hoc remanet in iudicis arbitrio, ut ff. ex quibus causis maiores l. 3 [Dig. 4, 6, 3].« – Ad Cod. 6, 34, 3, No 1:

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Teil 2: Metus reverentialis

III. Das Gemeine Recht der Frühen Neuzeit III. Das Gemeine Recht der Frühen Neuzeit

1. Die Jurisprudenz des 16. Jahrhunderts Die Jurisprudenz des 16. Jahrhunderts folgt dem Ansatz der Kommentatoren. Wie weit deren Positionen auch nördlich der Alpen Fuß gefasst hatten, zeigt sich an Zasius, der metus in folgende fünf Kategorien unterteilt: metus minarum,172 metus facti,173 metus potentiae,174 metus reverentiae175 und metus perfidiae.176 Letztere hat er dabei nach eigenem Bekunden selbst hinzugefügt. »Institutio facta blando sermone non est vitiosa, hoc dicit. Quid si minae et verbera praecesserunt an vir reputetur indignus? Et videtur quod sic per not. per Inno. extra de offic. deleg. c. causam matrimonii [Lib. Extra 1, 29, 16]. quod etiam tenere videtur Bartol. ff. quarum rerum actio non datur l. 1 § quae onerandae [Dig. 44, 5, 1, 5]. Et adde quae dixi supra de transactionibus l. transactionem [Cod. 2, 4, 35].« 169 PAULUS CASTRENSIS, Commentaria, ad Cod. 6, 34 in fine: »quod dicitur in l. fi. huius tit. procedit, nisi probarent minae prius factae per maritum uxori, quia tunc licet postea per blanditias inducta instituerat maritum, quia adhuc durat causa metus, censeretur fuisse coacta, et haberent locum quae dicta sunt superius secundum Bar. in d. l. fi. et in l. i. § quae onerandae ff. quarum rerum actio non datur [Dig. 44, 5, 1, 5] et quod no. Inno. in c. causam matrimonii [Lib. Extra 1, 29, 16].« 170 ALEXANDER IMOLENSIS, Commentaria, ad Cod. 6, 34, 1, No 1: »et institutio facta a testatore, qui ad hoc blando sermone inductus est, non censetur vitiosa. h. d. totus tit.« 171 JASON DE MAYNO, Commentaria, ad Cod. 6, 34, 1, No 4 f.: »Ex l. fi. no. quod licitum est uxori blandis verbis provocare virum ut eam instituat, et econtra, et idem in quocunque alio, sed intellige istum tex. quando solae blanditiae interveniunt. secus si immisceantur minae, vel verbera.« 172 ZASIUS, De actionibus, ad Inst. 4, 6, 25 (S. 173, Zeile 8 ff.): »Primus metus minarum non est tanti ut propter eum competat actio, quod metus causa, quia minae non incutiunt terrorem […] nisi tria concurrant, tum quod persona quae minatur possit ad effectum minas ducere, tum quod persona quae minatur consueverit ad effectum perducere, tum etiam si sint minae atrociores.« 173 ZASIUS, De actionibus, ad Inst. 4, 6, 25 (S. 173, Zeile 14 ff.): »Secundum genus metus dicitur metus facti, quando praeversatur periculum salutis, vel cruciatus corporis, ut sunt verbera, carceres, armata manus, et si quae sint atrocioris facti: is dicitur metus cadens in constantem virum«. 174 ZASIUS, De actionibus, ad Inst. 4, 6, 25 (S. 173, Zeile 20 ff.): »Tertius est metus, et dicitur potentiae, quando is qui metum incutit est potens in Repub. vel superior aliquis, dominus terrae, Comes vel Baro, erga subditos, magistratus rerumpubl. Istae personae et similes dicuntur incutere metum ex potentia eorum, quia sola rogatio, solus iussus quantumvis civilis, potest incutere hunc metum. Unde si Comes roget subditum ut vendat sibi hortum, ista rogatio facit metum, et si subditus vendit, dicitur metu vendidisse, quia vulgo dicitur: Est rogare Ducum species violenta iubendi«. 175 ZASIUS, De actionibus, ad Inst. 4, 6, 25 (S. 173 f., Zeile 36 ff.): »Quartus est metus reverentiae. In hoc genere sunt, libertus erga patronum, filius erga patrem, uxor erga maritum, clericus erga suum epsicopum, illi solent esse in metu reverentiae.« 176 ZASIUS, De actionibus, ad Inst. 4, 6, 25 (S. 174, Zeile 16 ff.): »Quintus est metus perfidiae, ut cum aliquis permovetur ab alio, quia timet eius perfidiam: ut si cliens rogatus

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Nur bei der zweiten Kategorie (metus facti) steht die actio quod metus causa zur Verfügung, während bei den anderen Kategorien Rechtsschutz officio iudicis gewährt wird.177 Mynsinger178 und Schneidewin179 übernehmen diese Einteilung von Zasius.180 Auch im 16. Jahrhundert wird mit einem differenzierten System von Vermutungen gearbeitet.181 Danach ist reverentia für sich alleine grundsätzlich unbeachtlich; erst das Hinzutreten von Drohungen oder Schlägen (minae vel verbera)182 bzw. die Kombination mit laesio enormis183 spricht für das Vorliegen von metus, wie es Fachineus prägnant zum Ausdruck bringt: ab advocato ut vendat ei aliquem fundum, vel donet aliquid, ideo quod timet ne advocatus perfide cum eo agat: quod non est insolitum quibusdam advocatis. Sic si aeger rogatus a medico ut donet ei fundum, hortum, vel aliquid aliud, inter medendum, quia timet perfidiam eius.« 177 ZASIUS, De actionibus, ad Inst. 4, 6, 25 (S. 174, Zeile 26 ff.): »Hoc quintum genus metus ego addidi ultra Doct. quod est quotidianum. […] Solum secundum genus metus, qui in constantem virum cadit, qui cum timet ad verbera, cruciatus corporis, carceres etc. parit actionem, quod metus causa. Caetera quae per metum fiunt, rescinduntur officio iudicis.« – Nur mit metus im Sinne des Edikts beschäftigt sich etwa DONELLUS, Commentarii de Iure civili, Lib. 15, Cap. 38 (S. 502 ff.). 178 MYNSINGER, Scholia, ad Inst. 4, 6, 25, No 7: »Est autem metus in legibus multiplex: primus minarum […] Secundus facti […] Tertius potentiae […] Quartus reverentiae […] Quintus et ultimus perfidiae […] Solum autem secundum genus metus, qui in constantem virum cadit, parit actionem quod metus causa: caetera quae per metum fiunt, rescinduntur officio iudicis.« = DERS., Apotelesma, ad Inst. 4, 6, 25, No 7. 179 SCHNEIDEWIN, Commentarii, ad Inst. 4, 6, 25, No 39 f., 43 f., 50: »sciendum secundum DD. praesertim Zasium hic, quinque esse genera metus. Primo, est metus facti […] Secundo, est metus minarum […] Tertio est metus potentiae publicae […] Quarto est metus reverentialis […] Quintus est metus perfidiae […] Ex praedictis constat quod Iure actionis nostrae non potest rescindi contractus per metum initus, nisi sit talis metus illatus, qui in constantem virum cadit, Caetera quae fiunt per metum rescinduntur officio Iudicis«. 180 Zum officium iudicis bei metus reverentialis ferner SICHARD, Praelectiones, ad Cod. 2, 4, 13, No 5; ad Cod. 2, 19 (20), No 6; ad Cod. 2, 19 (20), 11, No 8. 181 MASCARDUS, Conclusiones Probationum, Vol. III, Concl. 1056 f.; MENOCHIUS, De arbitrariis, Lib. II, Casus 136; DERS., De praesumptionibus, Lib. III, Praes. 126 ff.; CACHERANUS, Decisiones, Dec. 179, No 1 ff.; BOERIUS, Aureae Decisiones, Dec. 101, No 1 ff. 182 CAPYCIUS, Decisiones, Dec. 159, No 32: »quod metus reverentialis non sufficit, nisi adsint minae vel verbera«. – CRAVETTA, Consilia, Cons. 49, No 2: »probatur metus ex eo, quod dicunt Doctores sufficere metum reverentialem praecedentibus minis vel verberibus.« – MASCARDUS, Conclusiones Probationum, Vol. I, Concl. 193, No 7: »nec praesumitur metus ob reverentiam, nisi concludenter probentur praecessisse verbera, et minae, sicut nec in patre et marito.« – Vol. III, Concl. 1056, No 17: »si minae, aut verbera non praecessissent, secus autem si praecessissent, nempe a viro contra uxorem, vel a patre contra filium: etenim si tunc ipsa mulier, filiusve consentiat, praesumetur metu consensisse«. – GOMEZIUS, Resolutiones, Tom. II, Cap. 14, No 27: »si cum praedicto metu reverentiali interveniant minae, vel verbera, quia tunc bene sufficit ad rescissionem actus, vel contractus.« – ZASIUS, De actionibus, ad Inst. 4, 6, 25 (S. 174 Zeile 8 ff.): »sola praesentia eorum quibus debetur reverentia nihil faceret, non sufficeret ad rescindendos illos actus, nisi verba interveniant vel

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»Communis est sententia Doctorum, ea quae gesta sunt reverentiae causa, veluti metu quodam, rata non esse habenda, si aut minae praecesserint, aut laesio intercesserit.«184

In Anlehnung an Bartolus gilt ein bloßes Ungleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung grundsätzlich noch nicht als hinreichendes Anzeichen für metus.185 Erst wenn das Missverhältnis die Grenzen von laesio enormis überminae.« – MYNSINGER, Scholia, ad Inst. 4, 6, 25, No 7: »si verba vel minae interveniant.« = DERS., Apotelesma, ad Inst. 4, 6, 25, No 7. – SICHARD, Praelectiones, ad Cod. 2, 19 (20), 6 et 9, No 3: »Nam non satis esset metus probatus, si uxor diceret, se reverentiae causa aliud fecisse. […] nisi accederent minae mariti, vel verbera.« – SCHNEIDEWIN, Commentarii, ad Inst. 4, 6, 25, No 45: »Quod sola praesentia patris vel mariti, nunquam est sufficiens ad inducendum metum reverentialem, et rescindendum contractum, nisi etiam interveniant verbera, vel minae«. – GAILL, Practicae observationes, 1. Aufl. (1578), Lib. II, Obs. 93, No 21: »si mulier vendidit aliquid propter metum mariti, metum non probari ex eo quod sit maritus, sed necesse esse probari minas et verbera mariti.« – Obs. 147, No 14 f.: »Ex sola tamen reverentia non praesumitur metus in filia renunciante: nam metus reverentialis non vitiat renunciationem legitime factam.« – COTHMANN, Responsa, Vol. III, Resp. 14, No 29: »si filii praetendant, se metu reverentiali adductos et coactos consensisse. nam vanus ille metus esse censetur, nisi filii probent, se verberibus et minis coactos esse«. – BOERIUS, Aureae Decisiones, Dec. 100, No 11: »His habitis videtur dicendum in patre respectu filiae, vel in marito respectu uxoris, vel in praelato respectu clerici, et similibus non praesumi metum reverentialem, ut actum rescindat, si minae vel verbera non praecedant«. – PAPON, Recueil d’Arrests notables, Liv. 7, Tit. 1, Arr. 14: »que la crainte maritale n’est suffisante […] et la seule crainte de desobeyr, ou reverence ne suffit, et faut que avec ce, accedant minae vel verbera […] I. C.« – FABER, Codex Fabrianus, II, 11, Def. 4: »Etsi non omnia, quae a nupta muliere, praesente et auctoritatem praestante marito, gesta sunt, idcirco facilius revocari debent per integrum restitutionem, quasi metus ex maritali reverentia praesumendus intervenerit, si de re ad maritum nihil pertinente contractum sit, nec verbera vel minae probentur«. – IV, 21, Def. 14 (s. o. Teil 1, Fn. 458); IV, 21, Def. 23 (s. o. Teil 1, Fn. 475). – IV, 21, Def. 18: »Quid enim si minis et verberibus adacta sit ad renunciationem? Constat numquam ratum haberi debere id, quod per vim metumve gestum est.« – IV, 21, Def. 26: »Quanquam multo facilius succurendum est mulieri, si proponas minis et verberibus mariti adactam illam«. – Ähnlich IV, 21, Def. 2: »quae maritalibus aut minis aut delinimentis coacta non satis sibi caveret«. 183 CAPYCIUS, Decisiones, Dec. 159, No 34; CRAVETTA, Consilia, Cons. 11, No 12; Cons. 114, No 1; MENOCHIUS, De praesumptionibus, Lib. III, Praes. 127, No 14; CACHERANUS, Decisiones, Dec. 179, No 5; BOERIUS, Aureae Decisiones, Dec. 100, No 19; COVARRUVIAS, De sponsalibus et matrimoniis, Pars II, Cap. 3, § 6, No 4; FABER, Codex Fabrianus, VI, 4, Def. 5, Alleg. 5. 184 FACHINEUS, Controversiae iuris, Lib. II, Cap. 96, S. 405, lit. A. Vgl. ferner FABER, Codex Fabrianus, II, 11, Def. 2: »nec ex solo metu reverentiali, ut vocant, praesumpto rescindi contractus poterit, si neque minae, neque verbera probentur, praeterquam si enormis laesio accedat.« – II, 11, Def. 6: »Ex sola praesentia mariti non inducitur metus reverentialis, qui sufficere possit ad contractum rescindendum, si neque minae probentur aut verbera, neque laesio, quae intervenerit in re ipsa.« 185 MASCARDUS, Conclusiones Probationum, Vol. III, Concl. 1056, No 8: »ut vera sit conclusio, etiamsi quis dedisset alicui magnum quid pro modico, quia eo casu minime

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steigt, ist insbesondere mit Baldus ein Rückschluss auf metus (bzw. dolus) zulässig.186 Teilweise werden allerdings die Voraussetzungen für laesio enormis dahin gehend abgeschwächt, dass nicht wie sonst eine Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes verlangt wird, sondern bereits eine weniger gravierende Übervorteilung genügt. 187 Vor allen Dingen aber wird die Rechtsfolge von laesio enormis modifiziert, wenn der Übervorteilte zugleich aus metus reverentialis gehandelt hat: In diesem Fall hat der Übervorteilende nicht wie sonst die Wahlmöglichkeit, das Rechtsgeschäft dadurch aufrechtzuerhalten, dass er den fehlenden Differenzbetrag bis zum vollen Wert nachentrichtet,188 sondern er muss die Aufhebung des Vertrages hinnehmen.189 Nur sehr vereinzelt wird, wie von Menochius, die Auffassung vertreten, dass selbst ohne laesio enormis oder Drohungen von der bloßen Anwesenheit der Respektsperson nach richterlichem Ermessen auf metus reverentialis quoque praesumeretur metus, ex sententia Bart. in l. interpositas C. de transactionibus [Cod. 2, 4, 13].« – Zu Bartolus s. o. Fn. 133. 186 CAPYCIUS, Decisiones, Dec. 159, No 34; MASCARDUS, Conclusiones Probationum, Vol. II, Concl. 532, No 25 ff. (dolus); MENOCHIUS, Responsa in causa Finariensi reddita, Resp. 4, No 29 ff.: »quod voluit Baldus in l. decernimus, num. 6 C. de sacrosanctis ecclesiis [Cod. 1, 2, 16] ubi dicit, quod contrahens cum potente, praesumitur dolo inductus, quando enormiter laeditur, similiter metus praesumitur, data laesione«. – Zu Baldus s. o. Fn. 146. 187 FABER, Codex Fabrianus, IV, 30, Def. 16: »Evenit aliquando, ut etiam inter maiores locus sit rescindendae venditioni ex causa laesionis, licet ea laesio non sit immodica, id est, ultra dimidiam iusti pretii, ut puta si cum laesione ad immodicam proxime accedente concurrat duplex metus reverentialis, id est, paternus et maritalis.« – II, 12, Def. 8: »ut ea quoque laesio ad restitutionem proficere debeat, quae nec sit enormis, dummodo non prorsus minima, ut privilegium aliquod aetas habeat, accedente praesertim paterna reverentia, adeoque materna«. – V, 15, Def. 1: »sed facilis in integrum restitutio est impetrata absolutione, si cum maritali reverentia, quae metus praesumptionem inducit, qualiscunque laesio concurrat, etiam intra dimidiam iusti pretii.« – Vgl. hierzu CHEVAILLER, TRG 20 (1952), 263, 279; 456, 461 f. 188 Zur beweglichen Rechtsfolge der laesio enormis vgl. BECKER, Lehre von der laesio enormis (1993), S. 113 ff.; GREBIENIOW, Rechtsfolgen der Übervorteilung (2015), S. 230 ff. 189 FABER, Codex Fabrianus, II, 11, Def. 2: »nec audiendus sit emptor, si iustum pretium supplere velit: quoniam ea electio tum demum emptori datur, cum sola laesio contractui rescindendo causam praebet, non item si cum enormi laesione concurrat metus quoque reverentialis«. – II, 11, Def. 6: »non relicta possessori electione supplendi iusti pretii, quam alioquin relinqui necesse esset, si sola laesio restitutioni causam daret.« – IV, 30, Def. 16: »Quantum vero intersit an ex capite metus rescindatur venditio, an ex causa laesionis, ex eo apparet, quod priore casu non habet emptor electionem supplendi iusti pretii, quam posteriore habet.« – V, 15, Def. 2: »si laesio interveniat enormis, ut vocant, et immodica, perinde mulier in integrum restituetur ad venditionem omnimodo rescindendam, ita ut nec supplendi iusti pretii electio emptori detur; propter concurrentem metum reverentialem, qui hactenus saltem prodesse mulieri debet, quamvis nec mariti minas probet, nec verbera.«

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geschlossen werden könne.190 Covarruvias differenziert insoweit zwischen der Eheschließung (matrimonium) mit besonderen Anforderungen an die Willensfreiheit einerseits und den übrigen Verträgen andererseits:191 Während bei der Eheschließung bloße Ehrfurcht bereits ein beachtliches Hindernis darstelle, würden bei den übrigen Verträgen darüber hinaus vorangegangene Drohungen vorausgesetzt.192 Anders als die traditionelle Ansicht193 macht Covarruvias dabei allerdings keinen Unterschied mehr zwischen dem matrimonium carnale und dem matrimonium spirituale, das heißt dem Eintritt in den geistlichen Stand (professio religionis).194 Was den Eintritt in den geistliVgl. MENOCHIUS, De arbitrariis, Lib. II, Casus 136, No 8: »[…] affirmaverint, metum reverentialem non praesumi ex sola maioris praesentia, nisi cum illa intercesserit vel laesio, vel minae. veruntamen verius intelligo, solam ipsam maioris praesentiam metum probare, si modo ex iudicis arbitrio huiusmodi sit, ut probabiliter metus dici possit«. – DERS., De praesumptionibus, Lib. III, Praes. 127, No 13. – Ferner CACHERANUS, Decisiones, Dec. 179, No 3: »Qua patris vel alterius, cui debetur reverentia, sevitia sic probata etiam remotis minis vel verberibus, deberet officio iudicis rescindi ratificatio veluti ob nimiam reverentiam, et iustum metum facta«. – BOERIUS, Aureae Decisiones, Dec. 100, No 19: »scilicet maritum aut alium contrahentem austerum et potentem contra uxorem, vel alios etiam sine minis vel verberibus, tunc contractus est nullus«. – MOLINA, De iustitia et iure, Vol. II, Disputatio 267, No 4: »etiam reverentialem metum […] si involuntariam mixte efficiat promissionem aut stipulationem, reddere illam nullam […]. Quoniam reverentialis metus aequiparatur ea in parte metui per minas incusso.« 191 COVARRUVIAS, De sponsalibus et matrimoniis, Pars II, Cap. 3, § 6, No 4: »Sed cum in matrimonio maior sit exigenda libertas, quam in caeteris contractibus, notandum est, caeteros contractus non esse rescindendos, ex solo metu reverentiali, nisi praecedentibus minis illatis«. – Ähnlich MOLINA, De iustitia et iure, Vol. II, Disputatio 326, No 14 in fine. 192 COVARRUVIAS, De sponsalibus et matrimoniis, Pars II, Cap. 3, § 6, No 3: »Caeterum, cum de libero consensu agamus, scire oportet, num metus ille, qui contingit ex obsequio, et reverentia, quae Praelatis, parentibus, et Superioribus debetur, matrimonii contractum impediat. Et glo. in c. praesens clericus 20 q. 3 [Decr. Grat. C. 20 q. 3 c. 4] tenuit, non impediri propter istum metum matrimonium carnale, quamvis spirituale, quod in religionis professione contrahitur, impediatur. […] Ego tamen distincte hoc tractabo«. 193 Vgl. additio c (veritatem) zu BARTOLUS, Commentaria, ad Dig. 44, 5, 1, 5, No 4: »Et ad unum adverte quod dixit glo. in dicto c. praesens [Decr. Grat. C. 20 q. 3 c. 4]. videlicet quod licet matrimonium contractum non invalidetur propter reverentiam patris, per dictam l. si patre [Dig. 23, 2, 22], quod intelligitur secundum distinctionem hic not. tamen secus videtur in matrimonio spirituali, cum voluntarium militem, et non coactum eligat Christus.« – Ferner JASON DE MAYNO, De actionibus, ad Inst. 4, 6, 25, No 62. Zum Ganzen WYSZYŃSKI, De matrimonio Romano ob metum contracto (1962), S. 55 ff. 194 COVARRUVIAS, De sponsalibus et matrimoniis, Pars II, Cap. 3, § 6, No 7 f.: »Puellae enim, quae non audent contradicere patribus imperantibus religionis ingressum, propter parentum reverentiam saepissime profitentur invitae. […] Sed ista opinio, licet videatur communis, non tamen procedit: tanta enim libertas in matrimonio carnali requiritur, quanta in spirituali. […] Quae omnia, si exacte perpendantur, eo tendunt, ut nulla sit constituenda differentia inter matrimonium carnale, et spirituale […] tametsi utroque casu nitatur probare, ex solo metu, quem reverentialem, docendi causa, appellamus, actum esse rescindendum.« 190

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chen Stand angeht, befindet sich Covarruvias somit zwar in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung,195 hinsichtlich der eigentlichen Eheschließung handelt es sich jedoch um eine Mindermeinung.196 Ist die Furcht einmal hervorgerufen, so wird vermutet, dass sie ebenso lange anhält wie die sie begründende Situation.197 Hinsichtlich der Beziehung zwischen Mann und Frau bedeutet dies also, dass während der Ehe selbst eine mit zeitlichem Abstand erfolgte Zustimmung der Frau zu dem betreffenden Rechtsgeschäft unbeachtlich ist.198 Für den Verzicht der Frau auf ihre (Dotal-)Hypothek gilt mit der Authentica Sive a me (Nov. 61) allerdings eine besondere Regelung:199 Ein solcher 195 Vgl. SCHNEIDEWIN, Commentarii, ad Inst. 4, 6, 25, No 49: »quod metus reverentialis in ingressu religionis quod spirituale matrimonium appellatur sufficiat ad hoc, ut rescindatur talis transitus, si filia dicat se coactam metu reverentiali monasterium ingressam esse«. – Ferner GAILL, Practicae observationes, 1. Aufl. (1578), Lib. II, Obs. 93, No 23 f.: »Aliud tamen est in matrimonio spirituali, puta in ingressu religionis, vel professione vitae ecclesiasticae: nam metus etiam reverentialis ingressum et professionem vitiat, ita quod sine praevaricatione ordo deseri et deponi possit.« 196 Vgl. SCHNEIDEWIN, Commentarii, ad Inst. 4, 6, 25, No 48; GAILL, Practicae observationes, 1. Aufl. (1578), Lib. II, Obs. 93, No 20; Obs. 147, No 16. 197 MASCARDUS, Conclusiones Probationum, Vol. III, Concl. 1056, No 36: »quando causa metus semel illati adhuc duraret, quia licet actus demonstrans liberam voluntatem sequatur, nihilominus praesumitur et adhuc durare metus«. – MENOCHIUS, De praesumptionibus, Lib. III, Praes. 126, No 28: »metum praesumi adhuc perdurare, quando extat eadem causa metus.« – DERS., Responsa in causa Finariensi reddita, Resp. 4, No 32: »quod si probatum sit metum fuisse illatum, semper praesumitur durare subsistente eadem causa«. – CACHERANUS, Decisiones, Dec. 179, No 11 f.: »metum semel illatum praesumi durare […] vivente persona quae metum intulit, eadem causa, et potentia durante nunquam induci purgationem metus.« – BOERIUS, Aureae Decisiones, Dec. 100, No 13: »etiam si actus vel consensus fiat ex intervallo post minas vel verbera, cum duret eadem cogendi potestas, et eadem reverentiae causa«. 198 MENOCHIUS, De praesumptionibus, Lib. III, Praes. 126, No 28: »Et metus a viro semel illatus uxori praesumitur durare toto tempore matrimonii, ex quo eadem causa, id est maritus durat.« – GOMEZIUS, Resolutiones, Tom. II, Cap. 14, No 27: »etiam si talis actus vel contractus fiat ex maximo intervallo, unde si uxor minata, vel verberata a marito consentiat durante in matrimonio«. – SCHNEIDEWIN, Commentarii, ad Inst. 4, 6, 25, No 45: »Et quando maritus percutit suam uxorem, nolentem consentire alienationi, licet postea ex intervallo uxor consentiat, adhuc metu consensisse videtur, et si talis metus semel illatus probetur semper praesumitur perdurare«. – BOERIUS, Aureae Decisiones, Dec. 100, No 13: »quod vir percusserat optime uxorem, quae nolebat consentire cuidam instrumento: quae postea ex intervallo consensit: quod certe metu fecisse videtur, quandiu enim durat in maleficio, durat metus.« – PAPON, Recueil d’Arrests notables, Liv. 16, Tit. 3, Arr. 5: »Et en tel cas est requis seulement qu’il y ait de la force, menaces, et crainte de la femme, encores que long temps apres elle ait contracté, la puissance du mary tousiours durant«. – FABER, Codex Fabrianus, IV, 21, Def. 14, Alleg. 6: »Metum vero, qui semel illatus probetur, non purgari ex actu ullo sequenti, quamvis ex intervallo tamdiu durat eadem causa metus, puta inter coniuges, quamdiu durat idem matrimonium.«

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Verzicht sei nach Menochius zwar grundsätzlich auf Schmeicheleien des Mannes (blanditiis viri) zurückzuführen, so dass er erst mit der wiederholten Vornahme nach Ablauf von zwei Jahren wirksam werde. Da dann aber die Ehe ja immer noch bestehe, könne hier die Ehrfurcht (reverentia) der Frau vor ihrem Mann weder beim zweiten Verzicht der Grund für beachtlichen metus sein noch beim ersten.200 Auch der Ruf, in dem eine Person steht, kann metus begründen.201 Ähnlich ist a personarum qualitate von dolus auszugehen, wenn etwa ein gerissener Geschäftsmann mit Personen kontrahiert, deren Urteilsvermögen schwach ausgeprägt ist (fragile consilium), wie bei einem Mündel, einem Minderjährigen oder einer Frau.202 Zudem genügt bei einer Frau wegen ihrer fragilitas sexus bereits ein geringerer Grad an Furcht für beachtlichen metus.203 In der Praxis können dabei verschiedene Aspekte wie fragilitas sexus, laesio enormis und reverentia durchaus zusammentreffen.204 Am Grundsatz der cautela Bartoli, dass der Beistand durch anwesende Verwandte oder Freunde die Vermutung von metus entkräftet,205 wird ebenfalls festgehalten.206 Auch die alleinige Anwesenheit eines Richters reicht insoweit aus und wird mitunter sogar als sicherer betrachtet.207 Zu Nov. 61 bzw. zur Authentica Sive a me s. o. Teil 1, Fn. 171 bzw. Fn. 287. MENOCHIUS, De praesumptionibus, Lib. III, Praes. 127, No 4: »Constituit Iustinianus quod mulier renuntians hypothecis super donatione propter nuptias assignatis, inducta videtur blanditiis viri, et ob id recepta. Deinde subiungit Iustinianus quod si post biennium iterum renuntiat, praesumitur interim magis deliberate cogitasse, atque ita deceptam non esse. Et propterea infert confirmari primam illam donationem: Ex quo intelligimus hanc secundam confirmationem, eodem matrimonio constante factam, non esse factam vi, vel metu: ita nec primam illam, cum tamen eodem tempore extet eadem causa reverentiae.« 201 MENOCHIUS, De praesumptionibus, Lib. III, Praes. 126, No 22: »quando extat vox et fama illati metus.« 202 MENOCHIUS, De praesumptionibus, Lib. V, Praes. 3, No 100: »coniectura doli sumitur a personarum qualitate, sicuti quando multum sagax contrahit cum pupillo, vel minore, vel muliere, vel simili, quorum fragile est consilium. Nam tunc dolus in sagaci praesumitur.« 203 SCHNEIDEWIN, Commentarii, ad Inst. 4, 6, 25, No 48 in fine: »quod in foemina minor metus sufficiat, idque propter sexus fragilitatem.« – GAILL, Practicae observationes, 1. Aufl. (1578), Lib. II, Obs. 93, No 9: »nam minor metus in foemina, ob sexus fragilitatem, quam in viro admittitur.« – BOERIUS, Aureae Decisiones, Dec. 100, No 2: »tamen magis excusat mulierem propter sexus fragilitatem, quam virum«. 204 CAPYCIUS, Decisiones, Dec. 159, No 35: »in dicto casu […] in quo intervenit sexus fragilitas, minor aetas et enormis laesio, et etiam reverentia, quam puella debet habere ad patruum suum, in cuius domo et sub cuius gubernatione remanserat post mortem patris«. 205 Siehe oben Fn. 135 f. 206 CRAVETTA, Consilia, Cons. 114, No 3; MASCARDUS, Conclusiones Probationum, Vol. III, Concl. 1056, No 23 ff.; MENOCHIUS, De praesumptionibus, Lib. III, Praes. 126, No 4; Praes. 127, No 6; Praes. 128, No 1 ff.; GOMEZIUS, Resolutiones, Tom. II, Cap. 14, No 27; SICHARD, Praelectiones, ad Cod. 2, 19 (20), No 7 f.; ad Cod. 6, 34, No 5; 199 200

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Der Gedanke von Socinus,208 dass unmäßiges Überreden dolus oder metus begründen kann, wirkt ebenso nachhaltig fort209 wie der von Innozenz IV. bzw. Bartolus,210 die bei ungestümen Bitten (preces importunae) bzw. den Bitten eines Tyrannen auf beachtlichen metus schließen.211 Aufgegriffen und fortgeführt werden zudem die hergebrachten Prinzipien zu metus reverentialis bei Testierenden:212 Ein gefälliges und offenes EintreSCHNEIDEWIN, Commentarii, ad Inst. 4, 6, 25, No 46; BOERIUS, Aureae Decisiones, Dec. 100, No 7 ff. – Ohne originären Bezug zur cautela Bartoli, aber im Ergebnis mit funktionalen Parallelen bei Eheschließung und Verlöbnis, das Revidierte Lübische Stadtrecht von 1586, I 4 Art. 2 und 4. 207 CRAVETTA, Consilia, Cons. 114, No 2; MENOCHIUS, De praesumptionibus, Lib. III, Praes. 128, No 6; SICHARD, Praelectiones, ad Cod. 2, 19 (20), No 7; SCHNEIDEWIN, Commentarii, ad Inst. 4, 6, 25, No 47. 208 Zu Socinus s. o. Fn. 163. 209 CRAVETTA, Consilia, Cons. 10, No 17: »Rursus arguitur metus ex illa persuasione […] quae persuasio vim coactionis habet.« – Cons. 192, No 12: »Imo nimia persuasio per quam inducitur quis ad aliquid faciendum habetur loco coactionis et compulsionis.« – MASCARDUS, Conclusiones Probationum, Vol. II, Concl. 532, No 40: »immo unica persuasio, per quam quis inducitur ad aliquid faciendum, habetur loco coactionis et compulsionis«. – GAILL, Practicae observationes, 1. Aufl. (1578), Lib. II, Obs. 147, No 14: »si filia minis, vel verberibus, a patre ad renunciandum sit inducta, vel callida machinatione et persuasione, quae dolum contineret«. 210 Zu Innozenz IV. und Bartolus s. o. Fn. 123 bzw. Fn. 140. 211 CRAVETTA, Consilia, Cons. 10, No 17: »ex qua importunitate metus arguitur Inno. in c. petitio, de iureiurando [Lib. Extra 2, 24, 31], Bart. in tractatu de tyranno, q. 6, Ias. in § quadrupli, column. 8 nu. 66, Instit. de actionibus [Inst. 4, 6, 25].« – MASCARDUS, Conclusiones Probationum, Vol. I, Concl. 193, No 9: »si blanditiae, preces, ac persuasiones sint importunae […] c. petitio et ibi Innoc. in princ. de iureiurando [Lib. Extra 2, 24, 31].« – CACHERANUS, Decisiones, Dec. 179, No 4: »praesumitur etiam iustus metus si ad preces seu rogitum patris vel alterius, cui debetur reverentia, probetur ratificatio facta, quia quo ad rescisionem alicuius contractus, preces maiorum aequiparantur metui, teste Socin. consil. 263 nume. 8 post Innoc. Barto.« – SICHARD, Praelectiones, ad Cod. 2, 19 (20), No 7: »Ex pulchro dicto Innocent. in cap. petitio de iureiurando [Lib. Extra 2, 24, 31] quo dicit importunas preces maritorum haberi instar coactionis. Quod sequitur Baldus in l. si sine voluntate tua post prin. infra ad Velleianum [Cod. 4, 29, 5].« – Zu Baldus s. o. Teil 1, Fn. 354. – No 9: »Nam scimus, rogamina magnatum esse mandati loco. Ideo si praefectus hic roget me, ut vendam sibi domum vicinam, quia rogatio habet in se inclusum metum«. – SCHNEIDEWIN, Commentarii, ad Inst. 4, 6, 25, No 45: »Importunae tamen preces mariti habentur loco minarum, secundum Innocentium in c. petitio, extra de iureiurando [Lib. Extra 2, 24, 31].« – GAILL, Practicae observationes, 1. Aufl. (1578), Lib. II, Obs. 93, No 19: »ubi dicit Tyranni preces praecepta esse, non preces.« – BOERIUS, Aureae Decisiones, Dec. 101, No 10: »Et est notandum, quod paria sunt obtinere per importunitatem et obtinere per metum, ut dicit Innocen. in capit. petitio [Lib. Extra 2, 24, 31].« – Abweichend allerdings CAPYCIUS, Decisiones, Dec. 159, No 33: »quod iussus Principis non inducit iustum metum, nec etiam imperium patris […] nisi Princeps sit talis, qui solet barbarice tractare suos subditos […] quod iussus Regis non inducit iustum metum, nisi Rex soleat saevire omnino in non obedientes«.

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ten für die eigenen Interessen oder schmeichelnde Worte gegenüber dem Erblasser sind grundsätzlich zulässig, solange die Schwelle zu metus bzw. dolus nicht überschritten wird.213 Dabei wird eingeräumt, dass der Unterschied zwischen Schmeicheleien eines Mächtigen und Drohungen, die relevanten metus begründen, gering ist.214 Große Bedeutung erlangt in diesem Zusammenhang eine neapolitanische Entscheidung, über die Matthaeus de Afflictis berichtet.215 Hier hatte ein gewisser Scipio seine auf dem Sterbebett liegende Frau Catharina dazu gebracht, ihm eine Liegenschaft zu vermachen und nicht – wie sie es ursprünglich vorhatte – ihrem Vater Franciscellus. Erreicht hatte der Mann dies, indem er heimlich das Zimmer der Sterbenden betrat, als diese ihr Testament machen wollte, und dafür sorgte, dass keiner ihrer Verwandten anwesend war.216 Sodann beugte er sein Gesicht über ihres und bearbeitete sie solange mit

SICHARD, Praelectiones, ad Cod. 6, 34, No 4. OLDENDORP, Actionum forensium progymnasmata, Classis 5, Actio 4, Defensio 2 (S. 770): »Quanquam enim officiosa et aperta intercessio, quae nemini nocet, prodesse autem potest roganti, extra vicium est: fraudulenta tamen delinimenta in detrimentum alterius, non minus detestantur leges, quam apertam vim.« – SICHARD, Praelectiones, ad Cod. 6, 34, No 12 ff.: »Imo etiam, ut Ias. hic tex. extendit in omnibus aliis qui nec sunt mariti, nec uxores, permissum est blanditiis aliquem invitare ad testandum. Quod primo procedit, nisi una cum blanditiis concurreret dolus. adhibitus enim dolus blanditiis, facit ut testamentum non valeat. […] Secundo limitatur, nisi blanditiis essent coniunctae minae vel verbera: quia tum propter minas et verbera infertur quidam timor, qui facit testamentum invalidum, ut pulchre dicit Bart. in l. 1 § quae onerandae ff. quarum rerum actio non datur [Dig. 44, 5, 1, 5].« – PISTORIS, Quaestiones, Lib. I (1579), Qu. 29, No 1 ff.: »Blando sermone invitare licet testatorem, ut aliquem haeredem instituat, neque ex eo institutio viciosa redditur […] Idque procedit, etiamsi blanditiae illae tendant in praeiudicium alterius […] Limitatur tamen haec dicta regula, ut non procedat, siquidem dolus blandientis intervenerit«. 214 FABER, Codex Fabrianus, VI, 15, Def. 2: »Etsi enim ultimam alterius erga se voluntatem blando sermone provocare non est prohibitum, parum tamen interest inter blanditias praepotentis viri et minas. Minis autem probatis eius, qui nocere posset, nemo negaret probatum causatumque videri metum, nam et iustus metus dicitur, ubi adest iusta suspicio. Nec quod absente eo, cui reverentia debebatur, testamentum factum sit, statim consequens est, metu extortum non fuisse.« 215 DE AFFLICTIS, Decisiones, Dec. 69. Vgl. hierzu SCHOLTENS, (1960) Acta Juridica 276, 281 f.; DU PLESSIS / ZIMMERMANN, (2003) 10 MJ 345, 357; WAGNER, OIR 12 (2008), 85, 95 f. 216 DE AFFLICTIS, Decisiones, Dec. 69, No 7: »unde ista malitia Scipionis in intrando occulte per aliam portam, quando volebat facere testamentum, et rogando uxorem suam, ut relinqueret domum sibi importune, habens annexum quasi dolum […] Item quia clam et occulte intravit […] non permittendo, quod ibi essent consanguinei d. Catherinae ex parte patris«. – Eine ähnliche Situation schildert SICHARD, Praelectiones, ad Cod. 6, 34, No 13: »Sic etiam blanditiae dolosae possent intelligi, quando detineo uxorem domi, nec faciam copiam cognatis vel amicis uxoris, ut possint adesse testamento. Nam si tum maritus blandiatur uxori, prohibeat autem accedere cognatos ipsius, vel hoc curet clam fieri, illa omnia habent argumenta doli.« 212 213

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ungestümen Bitten (precibus importunis), bis sie seinem Willen nachkam.217 Das Gericht sieht hierin unter Verweis auf Innozenz IV. und Bartolus einen beachtlichen metus reverentialis und hebt die betreffende letztwillige Verfügung auf, da diese nicht dem freien Willen der Erblasserin entsprach: » dictum legatum fuit factum per uxorem ob nimiam reverentiam mariti stantis supra eius caput, concurrentibus eius importunis precibus, et blanditiis in damnum et praeiudicium Franciscelli patris. Unde sicut actus rescinditur stante metu reverentiali, vel metu verberum, vel stantibus minis […]. Ita etiam rescinditur legatum metu reverentiali marito factum concurrentibus importunis precibus mariti in damnum alterius. Nam ista aequiparantur, esse facta cum metu tyranni, vel ad eius importunas preces, ut dicit Inn. in c. petitio, de iureiurando et Bart. in tract. de tyrannide, in 6. q. et preces istorum aequiparantur iussui […] Et sic comprehenditur, quod non fuit libera et absoluta voluntas testatricis relinquere domum marito. Sed eius importunae preces fuerunt causa relicti. « 218

Denn es handelte sich nicht nur um bloße Schmeicheleien, sondern um ein rücksichtloses Bitten und Überreden; außerdem wird mit Blick auf die Umstände des Falles auch dolus angenommen.219 Ähnlich wie Socinus schwankt das Gericht also hier ebenfalls zwischen metus und dolus. Cravetta, Mascardus und Menochius folgen dieser Entscheidung.220 Nach Auffassung von Menochius ist im Zweifel zwar grundsätzlich von der Willensfreiheit des Testierenden auszugehen. Diese Vermutung kehrt sich jedoch unter bestimmten Umständen um. Insbesondere wenn der todkranke Erblasser belästigt oder bedroht wurde bzw. wenn er unter allzu großer Ehrfurcht stand, ist zu unterstellen, dass er aus metus gehandelt hat.221 Eine 217 DE AFFLICTIS, Decisiones, Dec. 69, No 2: »et postea maritus stabat supra caput Catharinae et posuit faciem suam super faciem Catherinae, et is requisivit rogando ipsam Catherinam ut vellet sibi domum relinquere, et ipsa nihil respondit, et Scipio praedictus dicebat, Scrive notario che me lassa la casa. Et tandem notarius eam interrogavit, et illa movebat caput, et tandem precibus importunis Scipionis qui per ingannum et dolum intravit cameram, dicta testatrix dixit quod sic.« 218 DE AFFLICTIS, Decisiones, Dec. 69, No 4 ff. – Zu Innozenz IV. und Bartolus s. o. Fn. 123 bzw. Fn. 140. 219 DE AFFLICTIS, Decisiones, Dec. 69, No 8: »Et sic cum hic nedum fuerunt blanditiae, sed importunae preces et persuasiones, et interfuit dolus, ut percipitur ex variis coniecturis ex qualitate facti«. 220 CRAVETTA, Consilia, Cons. 10, No 17; MASCARDUS, Conclusiones Probationum, Vol. I, Concl. 193, No 9; MENOCHIUS, De arbitrariis, Lib. II, Casus 136, No 10; Casus 395, No 41: »quando violentis persuasionibus, et blanditiis dolosis allectus fuit testator ad ita testandum, vel ad iam conditum testamentum non revocandum, ita decidit Afflictus decisi. 69 num. 7. Nam immodica persuasio vim habet violentiae«. 221 MENOCHIUS, De praesumptionibus, Lib. IV, Praes. 11, No 9: »quando constat testatorem graviter aegrotantem molestiis et minis affectum confecisse testamentum vel quando ob nimiam reverentiam sic testatus est. Nam tunc praesumitur metu disposuisse. Ita Afflictus in decis. 69 num. 4 qui decidit, mulierem praesumi metu mariti legatum ei fecisse, ob ipsius mariti minas, et reverentiam. Et Afflictum secutus sum in d. casu 395 num. 41 ubi alios quamplures commemoravi.« – Lib. III, Praes. 127, No 12.

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solche unlautere Einflussnahme auf den Sterbenden kann dabei auch von Seiten habgieriger Geistlicher drohen.222 Darüber hinaus spricht übermäßiges Einreden auf den Erblasser für das Vorliegen von dolus.223 Diese Gedanken werden nicht nur auf dem ganzen Kontinent rezipiert, wie etwa von Boerius,224 Covarruvias,225 Peckius226 oder Christinaeus227 sowie auch von Berlich,228 Carpzov,229 Brunnemann,230 Willenberg231 oder Leyser,232 sondern selbst jenseits des Ärmelkanals in Swinburne’s Treatise of Testaments and Last Wills.233 Die Kursächsischen Konstitutionen von 1572 etwa setzen sich in III 5 Abs. 3 ebenfalls mit der Willensfreiheit des »auf dem Todbette« Testierenden auseinander und halten fest, dass allein aus seiner Hinfälligkeit noch keine unlautere Einflussnahme abzuleiten sei: III 5 Abs. 3 »Zum dritten, das keine Praesumption und Vermutung vorhanden, doraus abzunemen, das der Testator Schwachheit halben sein Testament nicht freywillig, sondern denen zu Gefallen verordenet, so bey ime seind, durch welche er mit harten Worten oder ungestümmen Anhalten zu testieren gebracht worden.«234

2. Südliche Niederlande Die Juristen der südlichen Niederlande vertreten im 16. und 17. Jahrhundert im Wesentlichen dieselben Positionen wie im übrigen Kontinentaleuropa. Auch sie kennen neben der actio quod metus causa des Edikts die Möglich222 CRAVETTA, Consilia, Cons. 10, No 16: »quod ista instigatio fiebat solum ex avaritia, quae animos clericorum excaecat […] et clericorum genus avarissimum est […] quod ista ultima electio censetur facta ob metum ex illa importunitate presbyteri et filii quaerentium«. 223 MENOCHIUS, De praesumptionibus, Lib. IV, Praes. 12, No 8 f.: »quando testator immodicis persuasionibus adductus testatus est. Nam praesumitur dolo inductus. Cum multae persuasiones arguant dolum«. 224 BOERIUS, Aureae Decisiones, Dec. 101, No 4, 10. 225 COVARRUVIAS, De sponsalibus et matrimoniis, Pars II, Cap. 3, § 6, No 8. 226 PECKIUS, De testamentis coniugum, Lib. I, Cap. 9, No 5 in fine. 227 CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. II, ad Cod. 2, 19 (20), Dec. 114, No 11 f.; Dec. 115, No 7 f. 228 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars III, Conclusio 7, No 21. 229 CARPZOV, Jurisprudentia forensis Romano-Saxonica, Pars III, Const. 5, Def. 17, No 4 f. 230 BRUNNEMANN, Commentarius, ad Cod. 6, 34, 3, No 5. 231 WILLENBERG, De metu reverentiali (1712), Cap. 2, § 6. 232 LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. VI, Spec. 375, Meditatio 9. 233 Siehe unten Teil 3, Fn. 85. 234 QNPD, Bd. I/2 (1938), S. 287 = HAUBOLD (Hrsg.), Handbuch (1800), S. 70. Vgl. hierzu BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars III, Conclusio 7, No 1; CARPZOV, Jurisprudentia forensis Romano-Saxonica, Pars III, Const. 5, Def. 7, No 1 ff.; Def. 9, No 1 ff.; Def. 11, No 5 ff.; LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. VI, Spec. 375, Meditatio 8, 9 (s. u. Fn. 307).

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keit einer Aufhebung von Rechtsgeschäften officio iudicis.235 Voraussetzung ist hierfür wiederum, dass zur Ehrfurcht ein weiteres Moment hinzukommt, seien es Drohungen oder Schläge,236 sei es die Verquickung mit laesio enormis.237 Im letzteren Fall kann der Übervorteilende nicht wie sonst die Vertragsanpassung wählen und die zum vollen Wert fehlende Differenz nachbezahlen.238 235 WESENBECK, Commentarii, Tom. I (1589), ad Dig. 4, 2, No 3: »Metus Reverentialis in hoc Edictum non venit: etiamsi officio iudicis, rescissionem quandoque actus importet: nisi accedat alia impressio, et violentia. […] Si tamen constaret, quid metu etiam levi et vano factum esse (quod quidem non praesumitur:) crediderim restitutioni, saltem ex officio iudicis, locum fore: licet non ex edicto, attamen ex edicti ratione, benignaque interpretatione. Quid enim interest, quo metu quis compulsus sit, dum constet compulsum esse.« – Tom. II (1590), ad Cod. 2, 19 (20), No 6: »adeo ut et reverentialis interdum iustam praebeat restitutionis causam, officio saltem iudicis, si non ex edicto.« – PECKIUS, De testamentis coniugum, Lib. I, Cap. 9, No 7 in fine: »Et huiusmodi testamentum reverentia mariti factum, Bart. in d. § quae onerandae [Dig. 44, 5, 1, 5] sentit retractari officio iudicis, licet non per actionem quod metus causa, quae competit, ubi intervenit metus mortis, aut cruciatus corporis«. – Aus der Spruchpraxis CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. II, ad Cod. 2, 19 (20), Dec. 114, No 7: »Et si levior sit metus quam qui in constantem virum cadit, et qui non infert corporis cruciatum, actio quidem, Quod metus causa, cessabit, sed actus rescindetur per officium Iudicis, et ea praxi utimur«. – Mitunter wird metus reverentialis allerdings zu den Fällen von metus gravis gezählt, die einen vir constans befallen, vgl. LESSIUS, De Iustitia et Iure, Lib. II, Cap. 17, Dub. 6, No 35: »Ad metum quoque gravem pertinet, metus reverentialis, quo filius timet offensionem parentum […]; nimirum si haec offensio putetur fore magna et diuturna, cum asperitate vultus vel verborum, vel alia mala tractatione.« 236 CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. II, ad Cod. 2, 19 (20), Dec. 114, No 12; Dec. 115, o N 2 f.: »neque ex solo metu reverentiali (ut vocant) praesumpto, rescindi contractus posse, si neque minae neque verbera probentur.« – LESSIUS, De Iustitia et Iure, Lib. II, Cap. 17, Dub. 6, No 35: »Unde non quivis metus reverentialis censetur gravis; sed ingens; vel si coniunctae sint minae, vel timor malae tractationis«. – ZOESIUS, Commentarius, ad Dig. 4, 2, No 21: »An metus reverentialis censeatur justus […]? Aliqui eum ponunt justum ad actus rescissionem […]. Verior tamen est sententia, solum metum reverentialem non sufficere […]. Nisi tamen alia violentiae accedat incussio«. – PEREZIUS, Praelectiones, ad Cod. 2, 19 (20), No 7 f.: »quoniam sola dignitas sine alia impressione, nec facit impressionem, nec inducit metum, nec vim infert cogentem. […] Imo nec metus reverentialis in hoc edictum cadit«. 237 CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. II, ad Cod. 2, 19 (20), Dec. 114, No 12; Dec. 115, o N 2. 238 CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. II, ad Cod. 2, 19 (20), Dec. 115, No 2: »praeterquam si enormis laesio accedat, quia illo casu et multo magis si enormissima intervenerit, contractus rescindi debet, adeo quod nec audiendus videatur emptor; si iustum pretium supplere velit; nam reverentia iuncta cum tam gravi laesione inducit probationem iusti metus […] illa enim electio tum demum emptori datur cum sola laesio contractui rescindendo causam praebuit, non autem sic si cum enormi laesione concurrit metus etiam reverentialis, ut aliquando censuit supremus Senatus Mechliniensis, et iudicasse quoque refert Fab. in suo Cod. hoc titulo, definit. 2 et in minore etiam ob eumdem metum et

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Wurde etwa die Ehefrau von ihrem Mann durch Schläge oder Drohungen eingeschüchtert, wird mit Bartolus vermutet, dass ihre Furcht über die gesamte Dauer der Ehe fortbesteht: Folglich entfaltet in diesem Zeitraum auch eine spätere Bestätigung des betreffenden Rechtsgeschäfts durch die Frau keine Wirkung.239 Im Übrigen wird bei einer Frau infolge ihrer imbecillitas sexus schon eher von iustus metus ausgegangen als bei einem Mann.240 Auch die cautela Bartoli ist weiterhin wohlbekannt.241 Ungestümes Verlangen bzw. die Bitten eines Tyrannen werden in Anlehnung an Innozenz IV. bzw. Bartolus für beachtlich gehalten.242 Ferner wird immodicam laesionem sic iudicatum fuisse docet in eodem Senatu Sabaudiae definit. 6«. – Zu Faber s. o. Fn. 189. 239 PECKIUS, De testamentis coniugum, Lib. I, Cap. 9, No 2 f.: »si prius vel verberibus, vel minis coniunx metum intulerit coniugi, deinde vero blandiendo eum ad relinquendum adduxerit. Eo enim casu non libero animo, sed metus causa reliquisse intelligetur. Nam metus semel per atrocitatem incussus, perpetuus censetur, et inter coniuges tamdiu permanere, quam matrimonium constat. Bar. in l. pen., circa fi. per illum tex. ff. de condictione ob turpem causam [Dig. 12, 5, 8] […]. Veluti si probari possit, maritum verberibus excepisse suam uxorem, quia nollet in rem aliquam consentire, ex intervallo autem consentiit, creditur metu fecisse.« – Aus der Spruchpraxis CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. II, ad Cod. 2, 19 (20), Dec. 114, No 11 f.: »unde si uxor fuerit verberata per virum ut venditioni rei consentiret, durante matrimonio non cessat metus […] id vero notandum venit quod metus numquam dicatur purgatus durante eadem causa metus«. – No 15: »tamen si maritus egregie uxorem verberaverit ad id quod contractui consentire nollet, si deinceps illa etiam ex intervallo consenserit, consensus metu extortus praesumetur, licet amici intervenerint, […] Bartholus in l. Si ob turpem 8 ff. De condictione ob turpem causam [Dig. 12, 5, 8]. et ob id communiter Doctores notant ex hoc Titulo quod metus semel per atrocitatem incussus censetur perpetuus, et ideo inter coniuges tamdiu permanere quam matrimonium constat: et ita intellexi aliquando censuisse supremam Curiam Mechliniensem«. – Dec. 115, No 3: »Unde fit quod uxor restituatur etiam adversus contractum metu verberum vel minarum mariti initum, etiamsi postea absente marito, durante tamen matrimonio talem contractum ratificaverit et approbaverit, uti eleganter decidit Senatus Burdegalensis, teste Ioan. Papone libro 16 titul. 3 arrest. 5«. – Vol. IV, ad Cod. 6, 34, Dec. 31, No 2: »si prius metum non intulerit vel verberibus vel minis; nam metus praecedens vitiat testamentum inter coniuges blanditiis captatum, cum is perpetuus censeatur, et tamdiu permanere quam matrimonium constat«. – Zu Bartolus s. o. Fn. 134; zu Papon s. o. Fn. 198. 240 CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. II, ad Cod. 2, 19 (20), Dec. 114, No 6 f.: »Iudex ergo prudens ac diligens […] iustum metum arbitrabitur iuxta personarum qualitatem. Minor enim metus cadit in feminam quam in virum […] sufficit enim (uti antea dixi) in muliere et puero propter sexus imbecillitatem minor metus«. 241 CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. II, ad Cod. 2, 19 (20), Dec. 115, No 2; PEREZIUS, Praelectiones, ad Cod. 2, 4, No 35. 242 PECKIUS, De testamentis coniugum, Lib. I, Cap. 9, No 9: »Extorsio autem et importuna flagitatio aequiparantur, cum in eadem causa sint obtenta per importunitatem, et obtenta per metum, Inno. in c. petitio, ext. de iureiurando [Lib. Extra 2, 24, 31].« – CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. II, ad Cod. 2, 19 (20), Dec. 114, No 11 f.: »Praeceptum quoque Ducis iustum metum inducit, et voluntarie quid factum ab eo non dicitur qui

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der auf Socinus zurückgehende Gedanke aufgegriffen und metus angenommen, wenn das Überreden den Grad von Zwang (vim coactionis) erreicht.243 Vor allen Dingen Ehemännern gelingt es, durch Schmeicheleien Vieles von ihren leichtgläubigen Frauen abzupressen.244 Im Hinblick auf Testamente sind bloße Schmeicheleien zwar unverfänglich.245 Etwas anderes gilt jedoch, wenn darüber hinaus die Ehefrau ihrem darniederliegenden Mann die medizinische Versorgung und Pflege vorenthält246 oder wenn ein Arzt sich während der Behandlung vom Kranken etwas compelli potest […] atque preces Tyrannorum metum inducunt, et aequiparantur iussui qui solent minas ad effectum perducere: secus in aliis quae contractum non faciunt meticulosum, Afflict. decis. 69 n. 4 […] metus tamen praesumitur ex precibus eius cui debetur reverentia […] quia quis compelli potest precibus. Afflict. decis. 69 n. 6.« – LESSIUS, De Iustitia et Iure, Lib. II, Cap. 17, Dub. 6, No 35: »Item si parens vel alius, cui haec reverentia debetur, aliquid importune et assidue petat. […] preces importunae, id est, vehementes et saepius repetitae: haec enim, dum iunguntur illi reverentiae, quae Superioribus deferri solet, aequivalent metui gravi.« – Vgl. aber WESENBECK, Commentarii, Tom. I (1589), ad Dig. 4, 2, No 3: »multo vero minus preces etiam potentioris suffecerint: quamvis vulgo dicatur, Preces domini esse praeceptum, et blanditias Principis, vim continere minarum, iuxta dictum: Rogando cogit, qui rogat potentior.« – Zu Innozenz IV. und Bartolus s. o. Fn. 123 bzw. Fn. 140. 243 CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. II, ad Cod. 2, 19 (20), Dec. 114, No 11: »Arguitur quoque metus ex importunitate et persuasione quae vim coactionis habet, maxime etiam ex contradictione statim secuta«. 244 CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. II, ad Cod. 2, 19 (20), Dec. 115, No 7 f.: »et (ut ait Afflict. decis. 69 n. 4) blanditiae maritales multa a credulis uxoribus extorquent, ac proinde cum difficilis sit probationis metus, praesumitur etiam ex precibus eius cui debetur reverentia«. 245 PECKIUS, De testamentis coniugum, Lib. I, Cap. 9, No 1, 10 f.: »Dicitur utrobique, Maritali sermone, hoc est, blando, amico, nihil truculentiae, dolive continente: qui sane ut extraneorum institutionem seu legatum non vitiat: ita a coniunctissima persona adhibitus nocere non debet.« – CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. IV, ad Cod. 6, 34, Dec. 31, No 2: »et recte ibidem utrobique dicitur, maritali sermone, hoc est, blando, amico, nihil truculentiae dolive continente, qui sane ut extraneorum institutionem seu legatum non vitiat, ita a coniunctissima persona adhibitus nocere non debet«. – ZOESIUS, Commentarius, ad Dig. 29, 6, No 3: »unde aegrae mulieris animum maritali sermone placando, aut blanditiis aliquem invitando ad suum commodum, non potest videri incidisse in hanc poenam, l. 3 hoc tit. [Dig. 29, 6, 3] neque enim blanditiis prohibemur allicere alicuius voluntatem aut benignitatem.« – PEREZIUS, Praelectiones, ad Cod. 6, 34, No 2: »nam si blando sermone et maritali affectu aegrae mulieris animum maritus placaverit, et induxerit, ut ipsum institueret, aut institutum non revocaret, non potest videri incidisse in poenam, l. 3 h. t. [Cod. 6, 34, 3] et l. 3 ff. eod. [Dig. 29, 6, 3] cum delictum non sit, blanditiis judicium alicujus postremum provocare et benignitatem elicere, etiam in praejudicium alterius successuri ab intestato.« 246 PECKIUS, De testamentis coniugum, Lib. I, Cap. 9, No 5: »Porro huc refer alium extorquendi modum, quo mulier aegrotanti marito neque Medicum adhibet, neque ipsa nisi prorsus neglecte operam suam accommodat, atque interim eius haereditatem aut legatum

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vermachen lässt.247 Ein relevanter metus reverentialis wird ferner dann bejaht, wenn der Ehemann von seiner Frau eine letztwillige Zuwendung durch elendes Jammern und inständiges Bitten (miseris precibus et obtestationibus) erreicht.248 Gleiches gilt, wenn etwas nicht durch bloße verführerische und maßvoll gewählte Worte vom Ehegatten erschmeichelt, sondern durch fortwährendes und ungestümes Ersuchen (assidua et importuna petitione) herausgeschlagen wird.249 3. Römisch-holländisches Recht Das römisch-holländische Recht250 orientiert sich ebenso wie das Gemeine Recht am strengen metus-Begriff des römischen Rechts.251 Wie im Ius comblando sermone ambit. Nam si maritus hac arte victus, leget, aut instituat, non tam blanditiis adductus, quam malae curationis metu impulsus fuisse videbitur.« 247 PECKIUS, De testamentis coniugum, Lib. I, Cap. 9, No 6: »Quomodo certum est, Medicum, dum medetur, promissionem ab aegro accipere non posse: quia lex praesumit aegrum quidvis promittere, ne deseratur, aut male curetur. quod si etiam Medicus per adversa medicamenta morbum trahat, quo plus a testatore aegro sibi relinquatur, relictum non capit«. 248 PECKIUS, De testamentis coniugum, Lib. I, Cap. 9, No 7: »Sed et metus reverentialis uxoris legatum invalidum reddit […] ut si maritus ab ea lachrymabundus miseris precibus et obtestationibus legatum impetret […] quia reverentia mariti pro iusto metu habetur«. 249 PECKIUS, De testamentis coniugum, Lib. I, Cap. 9, No 8: »Secundo temperant Doct. hanc conclusionem, quando coniunx non solis delenificis, et modeste conceptis verbis aliquid a coniuge eblanditur, sed assidua et importuna petitione extundit […]. Nam institutio haeredis et legatum sunt verae libertatis, et liberalis animi, qui extorsionem improbam non admittit.« – CHRISTINAEUS, Decisiones, Vol. IV, ad Cod. 6, 34, Dec. 31, No 2: »testamentum importunis postulationibus extortum a coniuge non valere«. 250 Vgl. hierzu SCHOLTENS, (1960) Acta Juridica 276, 285 ff.; JOUBERT, (1970) 87 SALJ 94, 97; ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 658 ff.; DU PLESSIS / ZIMMERMANN, (2003) 10 MJ 345, 360 ff. 251 GROTIUS, Inleidinge, III, 48, § 6: »Vare werd verstaen een groote vreeze, als van dood, onteering, groote pijn, onwettelicke gevanckenisse sijns selfs ofte der sijnen.« – CORVINUS, Methodica Enarratio, ad Cod. 2, 19 (20): »Iustus, est metus majoris malitatis […] ut servitutis, […] stupri, […] mortis, cruciatus corporis, […] vinculorum, […] carcerum«. – WISSENBACH, Exercitationes, Pars I, Disp. 13, No 13: »Metus autem non vanus, sed qui in constantem hominem cadat, ad hoc edictum pertinet«. – U. HUBER, Praelectiones, ad Dig. 4, 2, No 2: »omnis metus, qui cadit in hominem constantem, facit locum restitutioni«. – VAN LEEUWEN, Censura forensis, Lib. IV, Cap. 41, No 2: »Justus metus est, non qui juste infertur, sed qui merito in hominem constantem cadit, ut est majoris mali timor, veluti mortis, deportationis, stupri, servitutis, carceris, vinculorum, cruciatus corporis, potentiae, perfidiae, et quandoque minarum«. – Lib. I, Cap. 13, No 7. – DERS., Rooms-Hollands-Regt, IV, 42, No 4: »uit groote vrees ofte nood-dwang […]. Also werd hy verschoont, ende herstelt, dewelke in doods-nood ende gevaar zijnde, eenige Belovten ofte Verbintenis heeft aangegaan, om daar door sijn leven te behouden.« – VOET, Commentarius, ad Dig. 4, 2, No 11: »metum oportet justum esse, id est satis gravem; qualis, qui merito et in hominem constantem cadit: neque enim vani timoris ulla excusatio

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mune ist folglich auch im römisch-holländischen Recht bloßer metus reverentialis ohne das Hinzutreten weiterer Umstände grundsätzlich unerheblich, wie zahlreiche Autoren unter Verweis auf Dig. 23, 2, 22 festhalten.252 In diesem Zusammenhang stellen insbesondere Bronchorst253 und van Leeuwen darauf ab, ob derartige Gesichtspunkte im Verhältnis zwischen Eltern und Kind hinzukommen: Drohen Eltern ihren Kindern mit schwerwiegenden Folgen wie Enterbung, Verstoßung, Schlägen oder körperlicher Misshandlung liegt beachtlicher metus iustus vor. Ohne solche Drohungen, wenn die Kinder also lediglich aus Scheu und Ehrfurcht (pudore et reverentia) vor ihren Eltern handeln, bleibt es bei unbeachtlichem metus reverentialis.254 Dies gilt, so est. […] Sane, ut nulli dubium, quin metus mortis, perdendae sanitatis, vulnerum, stupri, servitutis, vinculorum, carceris illiciti et privati, sufficiens sit«. – WESTENBERG, Principia juris, ad Dig. 4, 2, § 8: »Metus etiam non qualiscunque intelligendus, sed justus, i. e. talis, qui in hominem constantem cadit; […] qualis est mortis, sive naturalis sive civilis; […] verberum; […] cruciatus corporis; […] stupri; […] nec non vinculorum et carceris«. – VAN DER KEESSEL, Dictata, ad Inst. 1, 10, § 18, Vol. I, S. 70: »Vel voluntati ut vis metusque major. Haec postrema vox merito additur ut talis vis intendatur quae virum constantem potest movere eique metum incutere, qualis est metus mortis vel vulneris aut vinculorum etc.« – DERS., Praelectiones, ad III, 48, § 6 (MS S. 1681), Vol. V, S. 516. 252 CORVINUS, Methodica Enarratio, ad Cod. 2, 19 (20): »Iustus metus non est, reverentialis: arg. l. si patre cogente 22 ff. de ritu nuptiarum [Dig. 23, 2, 22].« – WISSENBACH, Exercitationes, Pars I, Disp. 13, No 13: »Metus reverentiae non facit locum restitutioni in integrum, arg. l. 22 D. de ritu nuptiarum [Dig. 23, 2, 22]«. – U. HUBER, Praelectiones, ad Dig. 4, 2, No 2: »Non igitur metus reverentiae qui dicitur, de qua tamen vide Wissenbachium ad h. t. th. 13 per l. 22 de Nupt. [Dig. 23, 2, 22] nec potentiae, l. 6 C. h. [Cod. 2, 19 (20), 6] nisi pro argumento metus minisque proposita sit«. – VOET, Commentarius, ad Dig. 4, 2, No 11: »ita ex adverso expeditum illud, metum reverentialem huic restitutioni locum non facere, arg. l. si patre cogente [Dig. 23, 2, 22]«. – WESTENBERG, Principia juris, ad Dig. 4, 2, § 9: »Non etiam vanus timor; […] nec non dignitatis, et reverentialis, l. 6 C. h. t. [Cod. 2, 19 (20), 6] arg. l. 22 de R. N. [Dig. 23, 2, 22].« – VAN DER KEESSEL, Dictata, ad Inst. 1, 10, § 18, Vol. I, S. 70: »Metus ergo reverentialis hic excluditur, id est talis metus qui ex reverentia erga parentes oritur; unde lege D. 23, 2, 22 dicitur filiusfamilias qui patre cogente eam uxorem duxit quam non duxisset si sui arbitrii esset, hoc maluisse videri, adeoque hoc matrimonium irritum non esse.« 253 BRONCHORST, Enarrationes, ad Dig. 50, 17, 4: »Si filius cogente patre duxit uxorem, maluisse hoc videtur: hoc intelligendum est de metu reverentiali, quando filius propter reverentiam patris, et verecundiam, non ausus est patri contradicere, tunc maluisse id videtur, quod pater voluit, verecundia voluntatem mutante. […] Secus autem est, si pater filium verberibus, carcere, vel alio metu, qui in constantem virum cadit, coegit, ad ducendam uxorem: tale enim matrimonium iusto metu contractum, non subsistit. […] quod ille metus qui cadit in constantem virum, puta qui infert periculum mortis vel cruciatum corporis, vel amissionem omnium bonorum, impedit et rescindit matrimonium.« 254 VAN LEEUWEN, Censura forensis, Lib. I, Cap. 13, No 8: »Sed an parentum minae justum inducant metum ut sponsalia liberorum irritentur? distinguendum est, ut si atroces et graves sint, veluti si parentes minentur liberos exheredare, abdicare, verberibus aut alio cruciatu corporis afficere, nisi se huic vel illi in matrimonium collocent, justus existimatur

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Voet, sowohl im römischen als auch im römisch-holländischen Recht (nostris moribus).255 Zwar räumt Wissenbach ein, dass manche gemeinrechtliche Autoren bei aus Ehrfurcht abgeschlossenen Rechtsgeschäften eine Aufhebung officio iudicis für möglich halten; ob aber metus iustus im eigentlichen Sinne vorliegt, habe der Richter unter Berücksichtigung des Geschlechts und der anderen Umstände zu ermessen.256 Nach dem zweigliedrigen Ansatz von Voet setzt beachtlicher metus zum einen voraus,257 dass die Furcht unter Verstoß gegen die guten Sitten (contra bonos mores) hervorgerufen wurde.258 Zum anderen muss sie mit Blick auf das bedrohte Rechtsgut als hinreichend schwer (satis gravis) gerechtfertigt sein, wobei Alter, Geschlecht und Verfassung der Person zu berücksichtigen sind. Die Entscheidung hierüber ist freilich in das richterliche Ermessen (disquisitio ac arbitrium judicis) gestellt.259 Diesen Maßstäben genügt metus reverentialis grundsätzlich nicht, es sei denn, ein Vater oder Ehemann hat darüber hinaus schwerwiegendere Drohungen wie eine Enterbung oder Ähnmetus, qui matrimonium impediret, praesertim in filiabus […]. At si metus tantum sit reverentialis, ut si filius vel filia pudore et reverentia quam parentibus debent, ducti, ne patrem offendant, aut ad iram provocent, sponsalibus consenserint, quibus alioqui non consensissent, eo praetextu extricare se non possunt, quum metus justus non sit, aut talis qui cadit in constantem virum; sed hoc maluisse praesumuntur, l. si patre 22 ff. de Ritu nuptiarum [Dig. 23, 2, 22] Andr. Gail lib. 2 observ. 93 num. 22.« – Zu Gaill s. o. Fn. 196. 255 VOET, Commentarius, ad Dig. 23, 2, No 6: »Sed et, si metu coactus fuerit, non reverentiali, sed gravi, in virum fortem ac constantem cadente, placuit Romanis, nuptias ipso jure inutiles esse […]. Quae omnia, licet nostris moribus in sponsalibus usum inveniant, sic ut ex sponsalibus metu mortis aut alias justo extortis, aut dolo obtentis, ad nuptias efficaciter agi nequeat«. – Ad Dig. 23, 1, No 4. 256 WISSENBACH, Exercitationes, Pars I, Disp. 13, No 13 in fine: »Sunt tamen qui dicant, officio judicis implorato succurrendum filio, uxori, liberto, si reverentia victi dederint quid vel promiserint, Bart. in d. l. 1, Sichar. ad l. ult. C. de his qui metus causa, Wesenb. in par. D. quod metus causa n. 4. Sane quis justus sit metus, cadens in constantem virum, Judex arbitrabitur, habita ratione sexus, aliarumque circumstantiarum.« – Zu Bartolus s. o. Fn. 127; zu Sichard s. o. Fn. 180; zu Wesenbeck s. o. Fn. 235. 257 Ähnlich schon CORVINUS, Methodica Enarratio, ad Cod. 2, 19 (20): »Sed hic Vim accipimus atrocem, et quae contra bonos mores fiat: non eam quam magistratus jure licito infert […]. Metum justum, qui cadere possit in constantem virum«. – Ferner WESENBECK, Commentarii, Tom. I (1589), ad Dig. 4, 2, No 3: »Vim autem accipimus, quae adversus bonos mores fit, non eam, quam magistratus iure licito infert. Metum vero praesentem, et qui in hominem constantissimum a formidine obiectorum cadat«. – Tom. II (1590), ad Cod. 2, 19 (20), No 6: »Vim accipimus atrocem, et quae contra bonos mores fiat: metum, qui cadere possit in constantem virum«. 258 VOET, Commentarius, ad Dig. 4, 2, No 10: »Ut autem huic restitutioni locus sit, non omnis metus sufficit; sed primo quidem necesse, ut contra bonos mores, adeoque injuste illatus sit: justa enim si subfuerit metus inferendi causa, remedio huic locus non est.« 259 VOET, Commentarius, ad Dig. 4, 2, No 11: »Ut tamen pro ratione aetatis, ac sexus, conditionisve personarum, aestimandum sit, quis satis gravis metus dici debeat; unde et hujus rei, quis nempe metus sufficiens sit, disquisitio ac arbitrium judicis est.«

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liches ausgestoßen.260 Was das Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant angeht, lehnt zwar auch Voet Vereinbarungen über einen Bruchteil des Streiterlöses (pacta de quota litis) als unzulässig ab: Anderslautenden Stimmen zum Trotz spricht er sich jedoch dagegen aus, während eines Rechtsstreits schon bei jeder unentgeltlichen Zuwendung des Mandanten an seinen Anwalt metus anzunehmen.261 Ebensowenig sieht er ohne weitere Anhaltspunkte etwas Anstößiges bei Vereinbarungen, die zwischen Arzt und Patient während der Behandlung abgeschlossen werden.262 Denn grundsätzlich ist in Zweifelsfällen nicht von metus auszugehen, sondern, bis zum Beweis des Gegenteils, von der Lauterkeit der Umstände. Dies gilt vor allen Dingen, wenn ein Geschäft in Anwesenheit von Freunden abgeschlossen wurde – eine deutliche Reminiszenz an die cautela Bartoli. Die Beweislast liegt folglich bei dem, der sich auf metus beruft. Zu dem Problem aber, auf welche Weise metus bewiesen werden kann, äußert sich Voet nicht selbst, sondern verweist diesbezüglich auf Mascardus und Gaill.263 VOET, Commentarius, ad Dig. 4, 2, No 11: »Nisi tamen metus reverentialis fines excedens pater aut maritus minis gravioribus, injecto exheredationis terrore, aliisque similibus, filium filiamve ad contrahendum adegisse probari possit. arg. l. 1 § qui onerandae 5 ff. quarum rerum actio non datur [Dig. 44, 5, 1, 5] […] eo fere modo, quo et rescriptum est, dignitatem adversarii senatoriam solam non sufficere ad metum arguendum, per quem dicebatur contractum esse, l. ad invidiam 6 C. h t. [Cod. 2, 19 (20), 6] cum tamen infirmandae fuerint venditiones, donationes, transactionesque, quae per impressionem eorum qui in officio constituti, et per potentiam extortae sunt, l. pen. et ult. C. h t. [Cod. 2, 19 (20), 11 et 12].« 261 VOET, Commentarius, ad Dig. 2, 14, No 18: »Quin imo, non desunt plures, quibus placuit, liberalitatem omnem servente lite per clientem in advocatum procuratorem aliumve similem litis administrum collatam, sive donatione, sive legato, ipso jure nullam esse, tanquam extortam magis metu litis perperam administrandae, quam a voluntate libera profectam […]. Sed cum in dubio quisque bonus credatur; neque metus in liberalitatibus ultimisque elogiis aut contractibus praesumatur, verum probandus sit tanquam delictum.« 262 VOET, Commentarius, ad Dig. 2, 14, No 19: »Similiter pactum omne inter medicum chirurgum aut Pharmacopolam et aegrotum, quo commodum hisce cum aegri aut laborantis jactura esset accessurum, improbatum putant, si curatione durante sit interpositum. Sed neque id leges, neque ratio dictat; non utique Ulpianus in l. si medicus 3 ff. de extraordinariis cognitionibus [Dig. 50, 13, 3] ut pote qui non aliud indigitat, quam rescindendum esse contractum, quem medicus re ipsa medicamentis adversis adhibitis extorserat. […] Ubi ergo nulla talis malitiae detestandae probatio est, non magis hic, quam superiori casu in advocato, praesumi debet; ratumque manebit quod fide bona inter eos contractum est.« 263 VOET, Commentarius, ad Dig. 4, 2, No 14: »Non autem metum satis gravem, velut mortis, vulnerum, allegasse suffecerit, neque in dubio praesumitur, terrorem incussum esse, dum quisque bonus creditur, donec contrarium apparuerit; l. ult. pr. ff. h. t. [Dig. 4, 2, 23 pr.] maxime, si amicis intervenientibus negotium gestum fuerit. l. transactionem 35 C. de transactionibus [Cod. 2, 4, 35] sed probatione opus est, quae imponenda ei, qui metum sibi illatum ait, sive actione metus agat ipse, sive metus exceptione se tueatur […]. Quibus vero modis probari possit, metum illatum esse, et de protestatione, quod metus coactus contraxerit aut contracturus sit, vide Mascardum de probation. conclus. 1056, 260

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Ein Rechtsgutachten vom Juni 1636 führt etwa aus, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Bartolus und Alexander Imolensis,264 dass allein die bloße Ehrfurcht (ontzag) des Schwiegersohns vor seinem Schwiegervater nicht genügt, um eine beachtliche Furcht (vreese) anzunehmen, sondern es müssen dazu noch Drohungen oder andere dergleiche Handlungen vorangegangen sein (voorgaande dreigementen of andere diergelyke acten).265 Die Position des Ius commune zur Beachtlichkeit von metus reverentialis wird also auch von der Rechtspraxis aufgegriffen.266 In der Spruchpraxis des Hoge Raad trägt ebenfalls derjenige die Darlegungs- und Beweislast, der metus iustus geltend macht.267 Insoweit genügt es nicht zu behaupten, bei der Abgabe eines notariellen Schuldversprechens gesundheitlich angeschlagen gewesen zu und dem Drängen der anderen nachgegeben zu haben, weil diese an das gute Gewissen appelliert und mit großem Geschrei Druck ausgeübt haben. Ein derartiges Überreden (persuasio) ist zulässig, zumal wenn es in der Sache darauf abzielt, den Entwurf eines Testaments zu vollziehen, das lediglich wegen des Versterbens des Erblassers nicht mehr formgerecht hatte errichtet werden können.268 1057, 1058, responsa JCtor. Holland. part. 5 consil. 59, Andr. Gayl libr. 2, observ. 93, num. 15, 16, 17, et seqq.« 264 Siehe oben Fn. 127 bzw. Fn. 155. 265 Consultatien, Advysen, en Advertissementen, Deel V (1747), Nr. 60, S. 199, 201 f. »Wel verstaande nochtans dat van zoodanig ontzag moet blyken, door dien, na bekenden rechten, niet en werd gepresumeert iets te zyn gedaan door vreese, maar daar van altyd moet werden gedoceert, ita ut neque metus ex ipsa praesentia istius cui reverentia debetur probatus censeatur Bart. in d. l. 1 quae onerandae ff. quarum rerum actio non datur [Dig. 44, 5, 1, 1] per text. in l. ad invidiam C. de his quae metus [Cod. 2, 19 (20), 6]. Soo dat in allen gevalle noodig is, tot dien einde te doen blyken eenige voorgaande dreigementen of andere diergelyke acten die eenig vreese zyn infererende Alex. in l. interpositas C. de transactionibus [Cod. 2, 4, 13 pr.], Bart. in dict. § quae onerandae.« – Vgl. hierzu SCHOLTENS, (1960) Acta Juridica 276, 286. 266 SCHOLTENS, (1960) Acta Juridica 276, 286 weist noch ein anderes Rechtsgutachen aus dem Jahr 1667 nach, hält aber das einschlägige Quellenmaterial insgesamt für dürftig (»only scanty material«). 267 Vgl. VAN BIJNKERSHOEK, Observationes tumultuariae, Tom. I (1926), No 658, S. 365; Tom. II (1934), No 1416, S. 262; No 1462, S. 296; PAUW, Observationes tumultuariae novae, Tom. I (1964), No 133, S. 91; No 212, S. 157, 158; No 242, S. 176, 177; No 549, S. 413, 414. 268 Hoge Raad, Urt. v. 28. Juli 1718, VAN BIJNKERSHOEK, Observationes tumultuariae, Tom. II (1934), No 1462, S. 296 f.: »[…] implorat restitutionem in integrum contra instrumentum publicum, quo legata promiserat, quod scilicet tunc temporis minus integra valetudine uteretur, quod legatarii conscientiam suam obtestati essent, et quod magno clamore se ursissent ad illam promissionem. Sed praeterquam quod haec minus essent probata, et non nisi duo testes de auditu adfirmarent, sibi narratum esse illum clamorem, quid rogo, haec omnia ad justum metum, quem definiunt l. 5, 6 et 7 ff. quod metus causa [Dig. 4, 2, 5–7]. Notarius et quatuor alii testes, tunc praesentes, adfirmabant, nihil minus,

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Die gemeinrechtlichen Positionen zu letztwilligen Verfügungen werden darüber hinaus in der Rechtsprechung des Hofs von Friesland übernommen: Danach ist es grundsätzlich zulässig, den Erblasser durch Schmeicheleien zur Errichtung eines Testaments zu veranlassen, auch wenn dies zu Lasten der gesetzlichen Erben geht. Von dieser Regel wird erst abgewichen, wenn der Testierende schlichtweg belogen oder fortwährend mit impertinenten Bitten bearbeitet wurde.269 Alleinige Ehrfurcht des Testierenden ist freilich unbeachtlich, es sei denn, es treten ungestüme Bitten (preces importunae) oder Drohungen hinzu.270 In der Rechtsprechung des Hoge Raad finden sich ähnliche Erwägungen. Als Zwang wird im Urteil vom 2. Februar 1720 die ungeheure Grausamkeit des Ehemanns (immanis mariti saevitia) bewertet, mit der er erwiesenermaßen seine Frau dazu gebracht hat, seine Schwester als ihre Erbin einzusetzen, da er nach den Gesetzen des Landes selbst nicht testamentarisch bedacht werden konnte.271 Eine andere Entscheidung betrifft zwar keine letztwillige Verfügung, sondern die auf dem Sterbebett getroffene Anerkennung und Schließung fehlerhafter Geschäftsbücher. Aber auch hier stellt der Hoge Raad nihil metu fuisse actum; legatarios duntaxat persuassise Semproniam, ut voluntatem defuncti, quam scieret, exsequeretur, neque legata retineret sub praetextu testamenti non rite perfecti. Quae utique honesta est persuasio, cui quum cesserit Sempronia, inhoneste sane legatarios repelli.« – Vgl. hierzu das Compendium, a. a. O., S. 886; SCHOLTENS, (1960) Acta Juridica 276, 286 f. 269 VAN DEN SANDE, Decisiones Frisicae, IV, 1, Def. 11: »Dolus malus et vis prohibetur, non blanditiae aut illecebrae […]. Et si aliter statueremus, nunquam locus esset legi permittenti blandis verbis testatorem ad testandum inducere, quia hoc semper fit cum detrimento heredum legitimorum, Pistoris d. loco num. 1 et Petrus Peckius de testam. conjug., lib. 1, cap. 3, n. 8, Jacobus Menochius lib. 2 de arbit. judic., cas. 395, n. 43. Duae sunt hujus regulae exceptiones. I. Nisi testator per falsas suggillationes et mendacium inductus sit ad testandum […]. II. Nisi sint importunae, instantes, assiduae, saepius repetitae ac inculcatae preces et sollicitationes. Haec enim speciem vis habent, et praesumitur testator tandem testatum esse quodammodo invitum, et ut se istis molestiis liberaret, Jacobus Menochius d. cas. 395, n. 47, Pistoris d. loco et alii«. – Zu Pistoris s. o. Fn. 213; zu Peckius s. o. Fn. 249; zu Menochius s. o. Fn. 220. 270 VAN DEN SANDE, Decisiones Frisicae, IV, 1, Def. 11: »Cum ne quidem actus gestus cum iis, quibus jure reverentia debetur, solius reverentiae ratione retractetur, nisi constet quid etiam reverentiae causa gestum esse, ut si durus pater filio suo quid imperiose mandaverit vel sit frontis torvae et minacis in liberos […] vel si cum reverentia etiam conjunctae essent preces importunae […] vel minae«. 271 Hoge Raad, Urt. v. 2. Feb. 1720, VAN BIJNKERSHOEK, Observationes tumultuariae, Tom. II (1934), No 1610, S. 408, 409: »Tandem ait Semproniam a marito suo insigni saevitia esse coactam, ut, cum ipse secundum leges Flandriae ex testamento uxoris suae capere non posset, id praedium sorori suae relinqueret. […] Sed plurimum valuit postrema ratio, quia plene probata esset immanis mariti saevitia erga uxorem, non alia fine, quam ut cogeret eam testari de hoc feudo in sui gratiam. Octo testes jurati se hoc ab uxore accepisse, et ipsos se audisse adfirmabant, tam pleno ore, et tot tantisque circumstantiis, ut nemo de eo facto dubitaret.« – Vgl. hierzu das Compendium, a. a. O., S. 931; VAN OOSTEN, Systematisch Compendium (1962), S. 144.

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darauf ab, dass die entsprechenden Bitten (preces) des Sohnes für sich genommen unbeachtlich sind, solange ihm keine Arglist (dolus) nachgewiesen wird, das heißt, wenn er etwa ausgenutzt hätte, dass sein hinfälliger Vater gar nicht mehr geschäftsfähig war.272 Auch Voet hält es für unbedenklich, sich den Testierenden durch Wohltaten und Ehrerweisungen gewogen zu machen.273 Hinsichtlich der Umstände, aus denen auf Zwang, Furcht oder unmäßige und arglistige Schmeicheleien geschlossen werden kann, verweist Voet auf die Rechtsprechung des Hofs von Friesland sowie auf Menochius, Peckius, Carpzov, Mascardus und Berlich.274 Insgesamt wird metus reverentialis von zahlreichen Autoren des römischholländischen Rechts in Übereinstimmung mit dem Ius commune behandelt:275 Danach begründet bloße Ehrfurcht für sich allein, das heißt ohne Hinzutreten weiterer Umstände, keinen beachtlichen metus. Auch bei der Errichtung letztwilliger Verfügungen spielt die Ehrfurcht des Testierenden erst dann eine Rolle, wenn er zugleich ungestümen Bitten oder Drohungen ausgesetzt war. Die Kontinuität mit den südlichen Niederlanden, die das römischholländische Recht im Allgemeinen auszeichnet,276 lässt sich bei metus reverentialis somit ebenfalls feststellen. 272 Hoge Raad, Urt. v. 13. Feb. bzw. 1. Juli 1710, VAN BIJNKERSHOEK, Observationes tumultuariae, Tom. I (1926), No 590, S. 332 f.: »Dat hij voorts sijn vader, op sijn siek- en doot-bedde leggende, dolo hat geinduceert, om die boeken soo te sluyten en daarvan te passeren acte onder willige condemnatie […] sed Senatus putavit, solos errores restitutioni impetrandae non sufficere, nec audiri posse preces, nisi et dolus probetur, patrem forte, quum subscriberet libris et rationibus, mentis suae compotem non fuisse, aut si quid his est simile.« – Vgl. hierzu das Compendium, a. a. O., S. 711; SCHOLTENS, (1960) Acta Juridica 276, 286. 273 VOET, Commentarius, ad Dig. 29, 6, No 3: »Coactioni autem aut prohibitioni non adnumerandum, si bene meretis et officiis honestis provocetur benevolentia testatoris, ut hunc aut illum heredem instituat, aut legato honoret, velut ad antidora beneficiis invitatus […]. Uti nec in crimen incidit, aut relictis privandus est maritus, qui non per vim, nec dolum, quo minus uxor contra eum, mutata voluntate, codicillos faceret, intercesserat, sed, ut fieri adsolet, offensam aegrae mulieris maritali sermone placaverat; quive judicium uxoris postremum in se eadem provocaverat ratione. l. ult. ff. h. t. [Dig. 29, 6, 3] l. ult. C. h. t. [Cod. 6, 34, 3].« 274 VOET, Commentarius, ad Dig. 29, 6, No 5: »Ex quibus autem factis et indiciis colligi possit, aut coactionem, aut metum, aut immoderatas dolosasque blanditias, ad testamentum extorquendum vel impediendum intervenisse, petendum ex iis, quae habet Menochius de praesumt., libr. 3, praesumt. 126, 127, 128 et libr. 4, praesumt. 11 et 12, Peckius de testam. conjugum, libr. 1, cap. 9, Sande Decis., libr. 4, tit. 1, def. 11, Carpzovius defin. for., part. 3, constit. 5, defin. 7 et seqq. ad defin. 17, Mascardus de probat., conclus. 193, Berlichius conclus. pract., part. 3, conclus. 7«. 275 Siehe oben Fn. 252. Dabei geht insbesondere auch van der Keessel auf metus reverentialis ein, so dass sich insoweit die Aussage von DU PLESSIS / ZIMMERMANN, (2003) 10 MJ 345, 361 Fn. 105 wohl etwas relativieren dürfte. 276 ZIMMERMANN, JZ 1990, 825, 836; DERS., in: Das römisch-holländische Recht (1992), S. 9, 54; DERS., (1992) 66 Tulane LR 1685, 1714.

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Auch Johannes van der Linden nimmt in seinen Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Holland von 1807/08277 die ausdrückliche Regelung auf, dass Furcht allein aus Ehrfurcht (vrees, alleen uit eerbied) gegenüber den Eltern (jegens Ouders) ohne zusätzliche Zwangsmomente nicht genügt, um sich von einem Vertrag lösen zu können: III 1, 1 Art. 11 »De vrees, alleen uit eerbied jegens Ouders voortkomende, mits ’er geen onbehoorlijk geweld gepleegd zij, is tot vernietiging der overeenkomst onvoldoende. […].«278

Zwar fallen die Ähnlichkeiten zur Parallelvorschrift im französischen Code civil von 1804 (Art. 1114 Cc)279 unmittelbar ins Auge,280 zugleich kann hier aber auch an eine römisch-holländische Traditionslinie angeknüpft werden, die stärker ausgeprägt ist, als dies bislang angenommen wurde.281 4. Der Usus modernus pandectarum im 17. und 18. Jahrhundert Auch der Usus modernus folgt dem Ansatz des klassischen römischen Rechts und setzt für metus das Vorliegen einer maior malitas voraus, die mit folgendem Merkvers definiert wird: »Excusat carcer, status, mors, verbera, stuprum.«282 Maßstab hierfür bleibt grundsätzlich der vir constans bzw. constantissimus,283 der aber eine gewisse Relativierung erfährt, als es dem richterlichem Ermessen (arbitrium Judicis) überlassen wird, dabei auch Geschlecht, Alter und Verfassung des Bedrohten zu berücksichtigen.284 Siehe oben Teil 1, Fn. 644. VAN DER LINDEN, Ontwerp Burgerlijk Wetboek 1807/1808 (1967), S. 164. 279 Siehe unten Fn. 455. 280 Gleiches gilt mit Blick auf Art. 1112 Cc für III 1, 1 Art. 10 vgl. VAN DER LINDEN, Ontwerp Burgerlijk Wetboek 1807/1808 (1967), S. 164: »Het geweld moet van een wezenlijk belang zijn, zoo dat het op een moedig Mensch indruk maken, en zijn Persoon of goederen aan een merkelijk en dadelijk nadeel bloot stellen zoude. – In de beoordeeling hier van, moet de Regter op den Ouderdom, de Kunne, en den staat der Personen acht geven.« 281 SCHOLTENS, (1960) Acta Juridica 276, 288; DU PLESSIS / ZIMMERMANN, (2003) 10 MJ 345, 362. 282 LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 4, 2, No 11; GLÜCK, Pandecten, Bd. 4/1 (1796), ad Dig. 2, 14, §§ 300–301, S. 169 in Fn. 38. – Zum Einfluss der stoischen Philosophie auf Dig. 4, 2, 21, 5 (s. o. Fn. 34) ferner GLÜCK, a. a. O., S. 177. 283 BRUNNEMANN, Repetitio Paratitlorum Wesenbecii, ad Dig. 4, 2, qu. 4; DERS., Commentarius, ad Dig. 4, 2, 5; LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 4, 2, No 11; STRUVE, Syntagma Jurisprudentiae, Exercitatio 8, ad Dig. 4, 2, No 12; DERS., Jurisprudentia Romano-Germanica forensis, Lib. III, Tit. 22, No 4; STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 4, 2, No 12. 284 BRUNNEMANN, Commentarius, ad Dig. 4, 2, 6, No 1 f.: »quod in latitudine explicandum, pro qualitate personae, et sic etiam metus hic consideratur, qui in constantem foeminam cadit; nec in utroque sexu par metus requiritur, et sic arbitrio Judicis committendum hoc […]. Et ita minor metus excusat foeminam, quam marem […]. Deinde inter mares magna est dissimilitudo, nam major metus in milite, quam in literato requiritur; 277 278

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Die nicht zuletzt auf Zasius zurückgehende Einteilung von metus in fünf Kategorien findet sich ebenfalls wieder.285 Wegen der schwierigen Beweisbarkeit von metus, wird dabei weiterhin auf Vermutungen zurückgriffen.286 Wurde die Furcht erst einmal eingejagt, so wird vermutet, dass sie solange fortdauert, wie die ihr zugrunde liegende Ursache.287 Wiederum wird Ehrfurcht vor Respektspersonen288 nur dann für beachtlich gehalten, wenn Drohungen oder Schläge vorangegangen sind oder wenn zugleich die Voraussetzungen einer laesio enormis erfüllt sind.289 Dabei können ungestüme Bitten quidam natura aliis sunt meticulosiores, qui nullibi non timent. Aetas etiam in metu consideranda. Et ita metus cadens in virum constantem, non absolute tantum, sed etiam respective ad personam«. – Ähnlich LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 4, 2, No 16: »Quis metus justus, quis injustus sit, cum in facto consistat, Judicis arbitrio est committendum, qui personarum qualitates considerare debet. Sunt enim maribus timidiores foeminae.« – STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 4, 2, No 12: »Non tamen hic excludendum erit arbitrium judicis in qualitate metus aestimanda, ut considerata personae, quae passa metum, conditione statuat, an metus illatus restitutionem mereatur, an non«. 285 BRUNNEMANN, Repetitio Paratitlorum Wesenbecii, ad Dig. 4, 2, qu. 5: »Quotuplex est metus? Quintuplex: 1. Minarum, 2. Facti, 3. potentiae, 4. reverentiae, 5. perfidiae.« – WILLENBERG, De metu reverentiali (1712), Cap. 1, § 5: »[…] cujus species sunt 1. Metus Concussionis qui per minas infertur 2. Impressionis qui etiam metus facti dicitur […] 3. Compulsivus Potentiae publicae […] 4. Reverentialis seu potentiae sine autoritate publica […] 5. Perfidiae […]«. 286 BARBOSA / TABOR, Thesaurus, Lib. XI, Cap. 27, 7: »Metus difficilis est probationis.« – Collectio nova Consiliorum juridicorum Tubingensium, Vol. II (1731), Cons. 69, No 21: »Quod autem vis et metus praesumptionibus indiciis et coniecturis probetur«. – Vol. III (1732), Cons. 239, No 18 f.: »metum etiam per conjecturas et indicia plene probari posse. Quia metus ab animo dependet, et clam inferri solet; adeoque difficillimae est probationis. […] Et hanc regulam, metum probari per conjecturas, etiam procedere, quando agitur de informando matrimonio, testatur.« – GLÜCK, Pandecten, Bd. 33/2 (1830), ad Dig. 28, 1, § 1405, S. 439 f.: »Da jedoch Zwang und Betrug gemeiniglich im Geheimen vorgehen, und daher der Beweis mit vielen Schwierigkeiten verbunden zu seyn pflegt; so werden hier auch Vermuthungen, und künstliche Beweismittel zugelassen.« 287 BARBOSA / TABOR, Thesaurus, Lib. XI, Cap. 27, 3: »Metus semel illatus praesumitur durare.« – Cap. 27, 5: »Metus causa durante metus semper durare praesumitur.« – BRUNNEMANN, Commentarius, ad Cod. 2, 19 (20), 2, No 6 f.: »Deinde non purgatur metus, si causa metus adhuc duret. […] v. g. vivo Marito vel patre non cessat metus.« – Collectio nova Consiliorum juridicorum Tubingensium, Vol. III (1732), Cons. 239, No 105: »Metus enim semel illatus, durante et subsistente ipsius causa, non videtur purgatus: sed tamdiu durare censetur, quamdiu causa cogendi et potestas nocendi sublata non est.« 288 Dies sind nach WILLENBERG, De metu reverentiali (1712), Cap. 3, §§ 1 ff.: Gott, die von ihm eingesetzten Fürsten, deren Beamte (auch die von niedrigem Rang), die Eltern, der Ehemann, der Herr (für seinen Diener), der Kirchenpatron, die Geistlichen, der Lehensherr, die Lehrer, die Vormünder und Pfleger sowie Greise. 289 BRUNNEMANN, Commentarius, ad Cod. 2, 19 (20), 6, No 5 f.: »Collige: Metum Reverentialem non parere Restitutionem, nisi minae, mores tyrannici accedant, aut persona

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(preces importunae) einer Respektsperson den Charakter von Drohungen annehmen und metus iustus begründen.290 Im Falle der laesio enormis kann der Übervorteilende das Geschäft nicht wie sonst durch eine Nachzahlung bis zum vollen Wert retten.291 Zur cautela Bartoli finden sich ebenfalls die gewohnten Ausführungen.292 Mit Blick auf die Formulierung in Dig. 23, 2, 22 (patre cogente) stellt zumindest noch Glück einen Zusammenhang zwischen der Eheschließung und metus reverentialis her.293 Ein umfassender Überblick zu Rechtsgeschäften hunc metum passa sit nimis meticulosa«. – Ad Cod. 2, 4, 13, No 1. – Collectio nova Consiliorum juridicorum Tubingensium, Vol. III (1732), Cons. 239, No 32 ff.; Vol. VIII (1741), Cons. 2, No 22: »Et si cum metu reverentiali insignis laesio concurrit, aut pater persona talis sit, quae metum incutere consuevit, et terribilis sit, satis bene exinde coactio colligi potest«. – LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 4, 2, No 15 in fine: »Si tamen minae concurrant aut verbera, aut atrocissima laesio, etiam ex hoc metu DD. restitutionem concedunt«. – STRUVE, Syntagma Jurisprudentiae, Exercitatio 8, ad Dig. 4, 2, No 13 in fine: »Vel ex alius potentia […] aut ex reverentia alteri debita […] ipse quis concipit metum […] nisi modus in potentia, aut in exigenda reverentia duriori tractatione aut minis excedatur, et ita metus incutiatur: tunc enim, si magna subsit laesio, admittimus restitutioni locum esse«. – WILLENBERG, De metu reverentiali (1712), Cap. 2, § 4: »[…] Metum Reverentialem vanum esse metum, et in jure nullum effectum parere.« – §§ 6 f.: »[…] et hunc metum ad actus rescissionem sufficere statuunt, si (1) ex nimia reverentia proveniat, quam importunis precibus quis sollicitat […] (2) si concurrat facti atrocitas […] verbis minatus fuerit aut percusserit […] (3) si cum metu hoc concurrat magna laesio«. – GLÜCK, Pandecten, Bd. 4/1 (1796), ad Dig. 2, 14, §§ 300–301, S. 171 f.: »Der Paciscent ist entweder von Jemanden in Furcht gesetzt worden, oder nicht, sondern seine eigene Einbildung hat die Furcht erregt. Im letztern Falle ist der Vertrag gültig, und die vorgegebene Furcht, wodurch der Vertrag soll veranlaßt worden seyn, verdient keine Rücksicht. Dahin gehört auch, wenn die Furcht aus bloßem Gefühl der Ehrerbietung gegen eine gewisse Person entspringt, ohne daß solche durch Drohungen, oder Gewalt erregt worden ist, (metus reverentialis).« – Bd. 5/2 (1799), ad Dig. 4, 2, §§ 445 f., S. 489: »Daß übrigens auch kein bloßer metus reverentialis in Betrachtung kommt […], ist schon oben (§ 300) gesagt worden; ich füge hier nur noch hinzu, daß die Meinung derjenigen, welche nach dem kanonischen Rechte ein Anders behaupten wollen, ganz ungegründet sey.« 290 Collectio nova Consiliorum juridicorum Tubingensium, Vol. III (1732), Cons. 239, No 31: »Cum etiam importunae preces illius, cui reverentia debetur, minis aequiparentur, et ad justum metum sufficiant. […] Et is quoque, qui propter nimiam importunitatem matrimonium contraxit, metu illud contraxisse censetur; quia nimia importunitas idem est quod metus.« 291 EYBEN, De jure paraphernorum, No 26 (S. 315): »Quod si fortassis horum paraphernorum a muliere venditio facta sit, et laesio enormis seu immodica intervenerit, mulier in integrum restituitur ad venditionem omnino rescindendam, ita ut nec supplendi justi pretii electio emptori detur; quae alioquin danda esset […] et hoc propter concurrentem metum reverentialem, qui hactenus saltem mulieri prodest, quamvis nec mariti minas probet, nec verbera. Anton. Faber in cod. l. 5, Tit. 15, def. 2.« – Zu Faber s. o. Fn. 189. 292 BRUNNEMANN, Commentarius, ad Cod. 2, 4, 35, No 1; Collectio nova Consiliorum juridicorum Tubingensium, Vol. III (1732), Cons. 239, No 99, 118. 293 GLÜCK, Pandecten, Bd. 5/2 (1799), ad Dig. 4, 2, § 444, S. 476.

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unter Lebenden, die wegen metus reverentialis eingegangen werden, findet sich daneben bei Willenberg.294 Die Aufhebung von Rechtsgeschäften officio iudicis wird zwar immer noch erwähnt,295 sie stößt allerdings zunehmend auf Ablehnung. Bachovius verwirft dabei insbesondere die von Wesenbeck vertretene Auffassung, dass eine restitutio statt auf das prätorische Edikt auch auf das officium iudicis gestützt werden könne,296 da er mit dieser Zweiteilung nichts anzufangen vermag. Die Ansicht Wesenbecks, dass selbst metus levis et vanus für eine Aufhebung officio iudicis ausreichend sein soll, hält Bachovius für schlicht falsch, da auf diese Weise die gesetzlichen Anforderungen an einen metus iustus et verus offensichtlich umgangen würden. Im Übrigen sei bereits der Ansatz unbrauchbar, für beachtlichen metus reverentialis mit dem Hinzutreten einer anderen impressio et violentia zu arbeiten, da es sich dann ja gar nicht mehr um metus reverentialis im eigentlichen Sinne handele.297 – Ein nicht ganz unberechtigter Einwand, da beim Vorliegen von Gewalttätigkeit an sich »regulärer« metus im Sinne des prätorischen Edikts in Betracht käme. Brunnemann, 298 Lauterbach299 und 294 WILLENBERG, De metu reverentiali (1712), Cap. 4, §§ 1 ff., insbesondere §§ 3 ff. sponsalia, § 6 matrimonium, §§ 7 ff. tutela, §§ 12 ff. praescriptio, § 16 f. dos, § 18 mutuum, § 19 commodatum, § 20 depositum, § 21 pignus, § 22 ff. fideiussio, §§ 26 ff. emptio venditio, § 29 locatio conductio, § 30 societas, §§ 31 f. mandatum. – Zur Bürgschaft der Frau für ihren Ehemann s. o. Teil 1, Fn. 891. 295 BACHOVIUS, Commentarii (1630), ad Dig. 4, 2, Cap. 3, No 4; BRUNNEMANN, Commentarius, ad Cod. 2, 4, 13, No 1; ad Cod. 2, 19 (20), 7, No 4 jeweils bei metus minor; STRUVE, Syntagma Jurisprudentiae, Exercitatio 8, ad Dig. 4, 2, No 15; EYBEN, De jure paraphernorum, No 26 (S. 315); WILLENBERG, De metu reverentiali (1712), Cap. 6, § 2. 296 Siehe oben Fn. 235. 297 BACHOVIUS, Wesenbecii Commentaria (1650), ad Dig. 4, 2, No 3, Annotatio f (S. 150): »Metum reverentialem recte negat facere locum restitutioni. Sed addit duas limitationes: una est, nisi accedat alia impressio et violentia. Haec est inepta, quoniam ita res non manet in terminis metus reverentialis. Altera est, quod licet non fiat restitutio ex hoc Edicto, tamen aliquando rescindatur actus ex officio judicis. Non capio quae haec sit oppositio, si quidem etiam ex hoc Edicto potest dici restitutio fieri officio judicis. Deinde ita lex posita erit nudis verbis. Quid enim interest, an judicis officio (quod quale sit, non capio) an ex hoc Edicto restitutio fiat. […] Si quid etiam metu levi et vano factum fuerit, restitutioni tamen ex officio judicis locum fore. Ego vero falsam hanc sententiam […] esse non dubito. Ita enim leges quae requirunt metum justum et verum perspicue eluderentur.« 298 BRUNNEMANN, Repetitio Paratitlorum Wesenbecii, ad Dig. 4, 2, qu. 15: »An levis metus meretur restitutionem ex officio iudicis? Neg. contra authorem. Licet communiter id videatur receptum in praxi.« – Vgl. ferner a. a. O., qu. 24. 299 LAUTERBACH, Collegium theoretico-practicum, Pars I, ad Dig. 4, 2, No 15: »Quaeritur: An negotium metu Reverentiali gestum officio Judicis rescindi possit? Nonnulli utili remedio ex hoc edicto, vel officio Judicis id fieri posse existimant, quibus adstipulatur Wesenbecius; Verum eorum sententiam recte rejicit Bachovius, ad Wes. (1.) Quia metus requiritur, qui in constantissimum cadere potest; metus autem reverentialis est vani hominis […]. (2.) Ille tantum metus locum facit restitutioni, qui ab alio infertur […] Reverentialem autem quilibet sibi infert.« – Vgl. ferner a. a. O., ad Dig. 16, 1, No 6 in fine.

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Stryk300 schließen sich dieser Kritik an und lehnen mit Bachovius eine Aufhebung von Rechtsgeschäften officio iudicis ab.301 Was letztwillige Verfügungen betrifft, so wird im Usus modernus an den überlieferten Positionen festgehalten, angefangen bei Berlich302 und Carpzov,303 über Brunnemann,304 Mevius,305 Willenberg306 oder Leyser307 bis hin zu Glück: 300 STRYK, Specimen usus moderni Pandectarum, ad Dig. 4, 2, No 12: »Caeterum quod Wesenbec. Paratitl. h. t. num. 3 post alios Dd. ibi citatos existimat, si quid ex vano et levi metu factum sit, illi hodie saltem officio judicis succurrendum esse; cui subscribit Hahn. in not. Verum improbat illam sententiam Bachov. ad Wes. d. l. quod enim una via prohibitum, altera concessum esse non debet; et pleraeque Jurium dispositiones vel Praetorum Edicta ad certum tempus vel modum restricta eludi possent, si promiscuus ille recursus ad officium Judicis concedatur, illo caso, ubi ex Edicto experiundi facultas amplius non est. Interim illam Wesenbecii sententiam in praxi receptam videri, existimat Dn. Brunnem. ad Wesenb. qu. 14 quod dubium.« 301 Vermittelnd WILLENBERG, De metu reverentiali (1712), Cap. 6, § 3: »Itaque ob solum Metum Reverentialem ad rescindenda negotia non utilis actio Praetoria competit, nec laesis officio judicis succurritur. Sed quid si ultra reverentiam aliud quid concurrat, quod istum metum causatur, ut minae, verbera, gravis laesio […] an tunc aliud dicendum erit? et quoniam communiter receptum, istas causas qualificare metum, ut justus reputetur, concedimus restitutionem in integrum tunc locum habere, et ad eam impetrandam utilem actionem vel exceptionem quod metus causa laesis inservire«. 302 BERLICH, Conclusiones practicabiles, Pars III, Conclusio 7, No 15: »si uxor, vel alius importunis mariti, vel alterius sollicitationibus flagitatus se ad domum amici alicujus recipiat, eidemque re patefacta testamentum suum ibi conficiat, clausulis derogatoriis adjectis, in quibus importunitates, et inverecundas mariti, vel alterius inhiationes exprimit, postea vero se domum recipiat, et aliud testamentum ad arbitrium viri scribit, non adjecta clausula, qua testamentum alibi clam in aedibus amici confectum revocet«. – No 19: »si superior ad inferiorem, vel subditum suum misit literas, et in eis rogavit, ut se heredem institueret, cum enim preces potentum sint jussus, et dum superiores rogant, imperent, ideoque si subditus ad ejusmodi rogationem testamentum fecit, et in eo superiorem instituit heredem, testamentum etiam non valet«. – No 21: »ob nimiam reverentiam testamentum etiam metu factum praesumitur, Afflict. decis. 69 n. 4, Jacob Menoch. d. praesumpt. 11 nu. 9 post princ. lib. 4«. – No 26: »si tyrannus est heres institutus«. – No 29 ff.: »an et quatenus testator assiduis, immoderatis, et importunis sollicitationibus, petitionibus, et efflagitationibus ad testandum persuasus, et compulsus praesumitur«. – No 38 f.: »an ab alio adulationibus, et blandis verbis tantum absque importunitatibus, et fraudulentis efflagitationibus ad testamentum prius revocandum, et alium heredem instituendum persuaderi possit? […] quod scilicet testamentum posterius non solum sit validum, sed etiam primus heres ad hereditatem a secundo herede revocandam, nullam omnino actionem habeat, modo secundus heres non fuerit usus dolosis et fraudulentis persuasionibus […]. Ratio est, quia si aliter diceremus, nunquam locum haberet legis permissio concedentis conjugi, vel alii, ut blandis verbis ad instituendum, vel legandum testatorem inducat, quoniam illud semper fiat, cum detrimento eorum, qui ab intestato erant successuri«. 303 CARPZOV, Jurisprudentia forensis Romano-Saxonica, Pars III, Const. 5, Def. 7: »Blanditiis testatorem ad testamenti factionem inducere haud prohibitum est.« – Def. 8: »Ad falsas autem et dolosas persuasiones conditum testamentum haud subsistit.« – Def. 9:

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Teil 2: Metus reverentialis

»Ungestümes Zudringen und unablässiges Bitten, wodurch der Erblasser gegen seinen Willen zur Errichtung eines Testaments bestimmt wurde, werden, besonders bey kranken und reitzbaren Personen, einem Zwange gleichgeachtet. Dieses ist wenigstens die gemeine »Nec vi metuve, aut duris ac importunis sollicitationibus extortum testamentum vel donatio mortis causa subsistit.« – Def. 10: »Dolosis persuasionibus vel importunis sollicitationibus testamenti factionem impediens, ad interesse conveniri potest.« – Def. 11: »Non praesumitur testator verbis duris importunisque sollicitationibus inductus testamentum suum fecisse, nisi praesumptionibus id doceatur.« – Def. 12: »Confessio testatoris propria sufficienter probat coactam testandi voluntatem.« 304 BRUNNEMANN, Commentarius, ad Dig. 29, 6, 3, No 1: »licitum tamen est blando sermone iratum placare testatorem.« – No 4 f.: »Jam dictae blanditiae approbantur, modo cum blanditiis non concurrat metus violentiae […] vel importunae sollicitationes, quae per confessionem ipsius testatoris, vel ex aliis praesumptionibus probantur.« – No 9: »De duris ac importunis sollicitationibus […] v. gr. si amorem conjugalem deneget, nisi se instituat, vel si nimius metus reverentialis.« – DERS., Commentarius, ad Cod. 6, 34, 3, No 1 f.: »quia aliud est blandis verbis invitare Testatorem, et aliud cogere, illud non est prohibitum […]. Sic nec illicitum est, blando sermone iratum placare Testatorem«. – DERS., Repetitio Paratitlorum Wesenbecii, ad Dig. 29, 6, qu. 5. 305 MEVIUS, Commentarii in Jus Lubecense, ad Lib. II, Tit. 1, Art. 4, No 27 f.: »certum est id jure non sustineri, quo constitutum ad aliorum immodestas sollicitationes vel dolosas persuasiones, utpote libertati voluntatis contrarias conditum testamentum non valere«. – No 30: »Persuasiones illae et durae sollicitationes non quidem praesumuntur, sed probandae sunt […] haud tamen opus est exacta probatione, sed ut in caeteris, ubi difficilis veritatis probatio est, per praesumptiones et urgentes conjecturas docentur«. – No 33: »Haec autem eo trahenda non sunt, quasi testatorem blando sermone, ut aliquem haeredem instituat, invitare non liceat. Ex hoc institutio non redditur vitiosa«. – Ad Lib. II, Tit. 1, Art. 1, No 36 f. 306 WILLENBERG, De metu reverentiali (1712), Cap. 5, § 3: »[…] cum blanditiae libertati voluntatis humanae nihil officiant, testamentum, quod testator blanditiis commotus in gratiam alicujus condidit, non erit nullum […] nam si aliter statueretur, nunquam locus esset legi quae permittit inducere testatorem blandis verbis ad testandum. Modo suggillationes et mendacia non concurrant, nec importunae sollicitationes saepiusque repetitae preces adhibeantur, quae violentiae speciem habent, quibus testator non potest videri blando sermone captus, quam potius molestia affectus. Tales enim actum testamenti vitiant«. – § 4: »Regulariter vero negandum testamentum tale nullum esse, quia metus reverentialis ut vanus non sufficit ad rescindenda negotia […] Quod si etiam cum reverentia terreant concurrentes minae, quando pater vehementer urget, ut a filio ex asse instituatur heres, etiam tunc testamentum ipso jure nullum erit«. 307 LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. VI, Spec. 375, Meditatio 8: »Vicinae sunt violentae coactioni importunae solicitationes, ungestümes Anhalten, uti ab Electore Saxone in Constitutione 5, P. 3 vocantur, quando quis continuis precibus, flagitationibus, clamoribus et persuasionibus testatorem ita fatigat, ut ille tandem pertaesus atque se a molestiis liberaturus heredem vel legatarium faciat eum, quem importunus iste solicitator jubet.« – Meditatio 9: »Unus idemque est et violentae coactionis, et importunae solicitationis effectus. Utraque enim libertatem consensus, quae in testatore summa esse debet, L. 1 C. de S. S. eccles. [Cod. 1, 2, 1] tollit, et proinde recte conjungitur in Constit. elect. Sax. 5, P. 3 ibi: mit harten Worten oder ungestümen Anhalten.« – Zu den Kursächsischen Konstitutionen von 1572, III 5 Abs. 3 s. o. Fn. 234.

III. Das Gemeine Recht der Frühen Neuzeit

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Meinung der Rechtsgelehrten. […] Blose Liebkosungen, Bitten, und Schmeicheleyen, sofern sie mit keinen arglistigen Ueberredungen verbunden sind, stehen der Gültigkeit des Testaments nicht im Wege, denn sie heben die Freyheit des Willens nicht auf.«308

Dabei fasst Glück den Begriff maritali sermone in Cod. 6, 34, 3 bzw. Dig. 29, 6, 3 als bloße Liebkosungen und Schmeicheleien des Ehemanns auf.309 Treten aber Drohungen oder Schläge hinzu, sei auch hier wieder ein beachtlicher metus reverentialis anzunehmen.310 Ein schönes Beispiel aus der damaligen Gesetzgebung bietet der von Kreittmayr entworfene Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756, der ganz in der gemeinrechtlichen Tradition eines strengen Konzepts von metus steht: IV 1 § 25 CMBC »Nichts ist dem Consens und freyen Willen mehr entgegen, als Zwang, Betrug und Irrthum. Um aber ad 1mum eine Handlung ex Capite Vis Metusve für null und nichtig zu achten, wird ein gross- und wiederrechtlicher Zwang erfordert, welches die Obrigkeit aus der Person, und anderen Umständen zu ermessen hat, und ist hierinfalls eins, ob solcher von einem aus denen Paciscenten selbst, oder von einem Dritten ausgeübt worden.«311

In seinen Anmerkungen hierzu stellt Kreittmayr einerseits auf den »herzhaften Menschen« (vir constans) als objektiven Maßstab ab, andererseits gesteht er dem Richter einen breiten Ermessensspielraum zu, wie er die jeweiligen Umstände im konkreten Einzelfall beurteilt: 308 GLÜCK, Pandecten, Bd. 33/2 (1830), ad Dig. 28, 1, § 1405, S. 433 f. – Ganz allgemein a. a. O., Bd. 4/1 (1796), ad Dig. 2, 14, §§ 300–301, S. 181: »[…] daß bloße Persuasionen ein Versprechen nicht entkräften, wenn nicht Betrug damit verbunden ist«. – Ähnlich LEYSER, Meditationes ad Pandectas, Vol. I, Spec. 42, Meditatio 1/2 mit einem Spruch der Helmstedter Fakultät vom Oktober 1712. 309 GLÜCK, Pandecten, Bd. 33/2 (1830), ad Dig. 28, 1, § 1405, S. 435 ff. 310 GLÜCK, Pandecten, Bd. 33/2 (1830), ad Dig. 28, 1, § 1405, S. 437: »Denn soweit geht doch gewiß die Ehrfurcht nicht, welche die Gesetze der Frau gegen den Ehemann gebieten, daß sie sich eine solche Behandlung von ihrem Manne müßte gefallen lassen. Der metus reverentialis darf sich nicht auf Drohungen oder Gewalt gründen. Es paßt daher nicht hierher, wenn die Gesetze sagen, daß eine Handlung, welche durch einen bloßen metus reverentialis ist veranlaßt worden, für keine unfreywillige zu halten sey.« 311 Bezüglich der Drohung durch einen Dritten liegt ein Satzfehler beim Druck vor, der gleichsam im Wege einer authentischen Interpretation berichtigt wird, vgl. KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu IV 1 § 25 CMBC, No 2 lit. g: »Item ob der Zwang von einem ex Paciscentibus selbst oder mit seinem Wissen und Willen von einem Dritten ausgeübt worden. Cod. n. 1. Die Wort: mit seinem Wissen und Willen befinden sich zwar in dem Text nicht, seynd aber in dem zum Druck beförderten Exemplar aus einem blossen Schreibfehler unterblieben, und müssen also hier von uns supplirt werden. Dann wann es ohne seinem Wissen und Willen geschihet, so ist der actus nicht nullus sed validus, salvo tamen regressu contra Tertium auf Art und Maas, wie wir bereits […] von dem dolo Tertii gehört haben. […] welches nur desto mehr Platz greift, wann metus a Tertio illatus nicht causa impulsiva factae promissionis gewest, sondern nur Gelegenheit dazu gegeben hat.« – Vgl. hierzu MARTENS, Durch Dritte verursachte Willensmängel (2007), S. 157 ff.

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Teil 2: Metus reverentialis

»Ein geringer Zwang oder metus macht die Handlung nicht ungiltig, sondern er muß groß und so beschaffen seyn, daß auch ein herzhafter Mensch dadurch in Schröcken gesezt wird. […] welches jedoch in einer gewissen latitudine genommen und pro diversa qualitate personarum ac circumstantiarum verstanden werden muß, mithin lediglich ab arbitrio Judicis dependirt.«312

Unmittelbar im Anschluss daran gibt er die in der Rezeption entwickelten Voraussetzungen für die Beachtlichkeit von metus reverentialis wieder: »Metum vexationis, potentiae, reverentiae halt man nicht für hinlänglich, sofern keine Schläg, Drohungen oder andere beschwerliche Umständ dazu kommen. […] Blosse Beredund Vorstellungen oder Sollicitationes, welche mit keiner Impetuosität und Ungestümmigkeit vergesellschaftet seynd, machen ebenfalls keinen hinlänglichen Zwang vel metum gravem aus.«313

Ferner wird im Eherecht durch I 6 § 8 Nr. 1 CMBC die Ungültigkeit der Ehe angeordnet, wenn diese auf einem »wiederrechtlichen schweren Zwang« beruht: I 6 § 8 CMBC »Nicht nur die Ehe-Verlobnuß sondern auch die Ehe selbst wird durch folgende Hindernussen gänzlich entkräftet und vernichtet. 1mo Durch wiederrechtlichen schweren Zwang«.

Auch in diesem Zusammenhang geht Kreittmayr in seinen Anmerkungen kurz auf metus reverentialis ein: »Metus reverentialis, welchen man Elteren, Obrigkeiten und anderen zutragt, reicht nicht hin, es seye dann, daß Drohungen, Schläg und andere dergleichen Adminicula dazu kommen. […] Wie weit die Persuasiones in Metum gravem degeneriren können, siehe unten ad P. 4 C. 1 § 25.«314

Nichtig ist schließlich nach III 2 § 7 CMBC eine letztwillige Verfügung, die »erweislichermassen nur mit Gewalt und Furcht erzwungen« wurde: III 2 § 7 CMBC »Wenn […] die Disposition erweislichermassen nur mit Gewalt und Furcht erzwungen, betrüglich- und hinterlistiger Weis erschlichen, durch wesentlichen Irrthum veranlasset, im Scherz oder blossen Discurs, ohne anscheinenden rechten Ernst geäussert worden, so ist es entweder kein freyer, oder doch kein wahrer Will.«

Diesbezüglich holt Kreittmayr in seinen Anmerkungen noch einmal weiter aus. Danach ist bloßer metus reverentialis für sich allein ebenso unbeachtlich wie Schmeicheleien. Insoweit versteht auch Kreittmayr unter dem Begriff maritali sermone in Dig. 29, 6, 3 lediglich »süsse Wort[e]« des Ehemanns. Werden Bitten aber fortwährend mit »Importunität« gegenüber dem Erblasser vorgetragen, ist die Schwelle zu beachtlichem metus überschritten:

312 313 314

KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu IV 1 § 25 CMBC, No 2 lit. d. KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu IV 1 § 25 CMBC, No 2 lit. e. KREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu I 6 § 8 CMBC, No 1.

IV. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert

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»Eine blosse Ehrfurcht oder metus reverentialis wird ohne anderer hinzukommender grösserer Nöthigung für keinen solchen Zwang gehalten, der den freyen Willen sperrt […] vielweniger glimpfliches Bitten, Vorstellen, Ermahnen, Erinneren, Einschmeichlen, und anderes dergleichen Bezeigen, wodurch man jemand mit guter Art zu disponiren sucht. […] sonderbar unter Eheleuten L. 3 ff. si quis aliquem testari [Dig. 29, 6, 3] massen die in diesem Text einfliessende Formalia: Maritali Sermone nichts anders als süsse Wort bedeuten, welche der Mann seiner Ehefrauen gibt. […] Eine stett- und anhaltend- oder sonst mit Importunitæt verknüpfte Bitt und Sollicitation hingegen wird einer Violenz hierin gleich, sohin ebenfalls für eine dem freyen Willen entgegen laufende Sach geachtet.«315

IV. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert IV. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert

1. Gemeines Recht

Die pandektistische Literatur des 19. Jahrhunderts verwendet ebenfalls die strengen Maßstäbe der römischen Quellen und nimmt eine »gegründete Furcht« (metus iustus) nur an, wenn Rechtsgüter wie Leib und Leben oder die Freiheit bedroht werden.316 Gleiches gilt grundsätzlich für die gemeinrechtliche Rechtsprechung. Darüber hinaus sehen das Reichsoberhandelsgericht und das Reichsgericht aber auch die Drohung mit einem erheblichen Vermögensverlust oder einer Beeinträchtigung der Kreditwürdigkeit als hinreichend an, um beachtlichen metus zu begründen. 317 Die Drohung mit einer Strafanzeige bzw. einem Strafprozess wird hingegen zunächst nur von Teilen der gemeinrechtlichen Rechtsprechung für relevant gehalten,318 während der ganz überKREITTMAYR, Anmerkungen, Bd. IV (1765), zu III 2 § 7 CMBC, lit. c und d. THIBAUT, System des Pandekten-Rechts, Bd. I, 1. Aufl. (1803), § 133, S. 105 = Bd. II, 8. Aufl. (1834), § 454, S. 13; PUCHTA, Lehrbuch der Pandekten (1838), § 44, S. 40; MÜHLENBRUCH, Lehrbuch des Pandekten-Rechts, Theil I, 3. Aufl. (1839), § 93, S. 187 f.; SAVIGNY, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. III (1840), § 114, S. 105 ff.; SINTENIS, Civilrecht, Bd. I, 2. Aufl. (1860), § 22, S. 187; SCHLIEMANN, Die Lehre vom Zwange (1861), S. 15 ff.; BRINZ, Lehrbuch der Pandekten, Bd. II/2, 2. Aufl. (1882), § 342, S. 817 mit Fn. 11 »›major malitas‹ (…) mors, verbera, vincula, servitus, stuprum«; Bd. IV, 2. Aufl. (1892), § 531, S. 69; DERNBURG, Pandekten, Bd. I, 7. Aufl. (1902), § 103 Nr. 2 lit. a, S. 240; WINDSCHEID / KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. I, 9. Aufl. (1906), § 80, S. 418 mit Fn. 6. 317 ROHG, Urt. v. 7. Dez. 1872, ROHGE 8, 171, 173 f.; RG, Urt. v. 19. Nov. 1883, RGZ 10, 188, 191. Ebenso im Anschluss OLG Braunschweig, Urt. v. 16. März 1889, SeuffA Bd. 46 Nr. 168, S. 266, 267 f. Ferner RG, Urt. v. 14. Mai 1886, SeuffA Bd. 42 Nr. 12, S. 18, 18 f. bei angedrohtem Verlust der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stellung. – Vgl. zuvor schon OAG Wolfenbüttel, Erk. v. 4. Feb. 1845, SeuffA Bd. 24 Nr. 38, S. 62, 64 bei angedrohtem Verlust der Existenzgrundlage. 318 OAG Jena, Bescheid v. 24. Dez. 1844, SeuffA Bd. 20 Nr. 219, S. 360, 361 – Ähnlich zur Drohung gegenüber einem verheirateten Mann mit einem (zivilrechtlichen) Unterhaltsprozess für ein nichteheliches Kind Oberhofgericht Mannheim, SeuffA Bd. 8 Nr. 27, S. 37, 38. 315 316

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Teil 2: Metus reverentialis

wiegende Teil dies ablehnt.319 Erst durch das Reichsgericht setzt sich die Auffassung durch, dass auch hierin das vorausgesetzte maius malum bestehen kann.320 Wer im Übrigen die Drohung ausgeprochen hat, ob der andere Teil oder ein Dritter, spielt grundsätzlich keine Rolle.321 Bloßer metus reverentialis ist dagegen grundsätzlich unbeachtlich und wird in der Literatur nur mehr gelegentlich angesprochen,322 insbesondere bei der Interpretation von Dig. 23, 2, 22 (patre cogente).323 Die Berückichtigung von Zwang kraft officio iudicis wird noch seltener thematisiert.324 In einer Entscheidung des OAG Darmstadt etwa hatte der Vater seiner heiratsunwilligen Tochter »mit Schlägen oder mit Verstoßen aus dem Hause« gedroht, so dass die Eheschließung nach Ansicht des Gericht auf »gerechter Furcht vor körperlichen Leiden« beruhte. 325 Hier wird also nicht auf metus reverentialis und das Hinzutreten von Drohungen oder Schlägen (minae vel

319 OAG Kassel, Urt. v. 10. Nov. 1863, SeuffA Bd. 18 Nr. 112, S. 178, 179; OAG Celle, Urt. v. 16. Okt. 1868, SeuffA Bd. 22 Nr. 215, S. 334, 335 f.; Erk. v. 7. Dez. 1876, SeuffA Bd. 33 Nr. 213, S. 293; OLG Hamburg, Urt. v. 25. Feb. 1882, SeuffA Bd. 37 Nr. 190, S. 269; OLG Braunschweig, Urt. v. 4. Juli 1888, SeuffA Bd. 44 Nr. 22, S. 33, 35 ff. – Kritisch gegenüber dieser Ansicht GLASENAPP, AcP 65 (1882), 258 ff. 320 RG, Urt. v. 16. März 1893, RGZ 31, 156, 159 ff. = SeuffA Bd. 49, Nr. 148, S. 260 – zustimmend ECK, JhJ 35 (1896), S. 284, 305 f. – Ferner RG, Urt. v. 10. April 1900, JW 29 (1900), 418 (Nr. 20). – Ähnlich zuvor schon OLG Hamburg, Urt. v. 2. Juli 1892, SeuffA Bd. 48 Nr. 168, S. 261, 262 f. – Differenzierend BayObLG, Urt. v. 25. April 1896, SeuffA Bd. 52 Nr. 21, S. 41, 41 f. 321 SAVIGNY, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. III (1840), § 115, S. 117: »Der durchgreifendste Unterschied zwischen Zwang und Betrug liegt darin, daß die dem Gezwungenen gewährte Hülfe auch gegen fremde, schuldlose Personen wirkt (in rem), die des Betrogenen nur gegen den Betrüger und dessen Successoren (in personam). Dabey liegt also die Ansicht zum Grunde, daß in dem Zwang die schlimmere, gefährlichere Störung des Rechtszustandes enthalten ist, vergleichsweise mit dem Betrug.« – Vgl. ferner a. a. O., § 114, S. 107. 322 THIBAUT, System des Pandekten-Rechts, Bd. I, 1. Aufl. (1803), § 133, S. 105 = Bd. II, 8. Aufl. (1834), § 454, S. 13 f.; MÜHLENBRUCH, Lehrbuch des Pandekten-Rechts, Theil I, 3. Aufl. (1839), § 93, S. 188; SINTENIS, Civilrecht, Bd. I, 2. Aufl. (1860), § 22, S. 188 in Fn. 8; SCHLIEMANN, Die Lehre vom Zwange (1861), S. 26 in Fn. 16. 323 SAVIGNY, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. III (1840), § 114, S. 103 in Fn. c: »Es ist kein Grund vorhanden, unter dem allgemeinen Ausdruck dieser […] Stelle, wie Manche wollen, etwas Anderes als den eigentlichen Zwang, nämlich die ehrfurchtsvolle Nachgiebigkeit gegen den ernsten Willen des Vaters (metus reverentialis) zu verstehen.« – Vgl. hierzu ferner SCHLOSSMANN, Zur Lehre vom Zwange (1874), S. 65 ff., 68, 70; BRINZ, Lehrbuch der Pandekten, Bd. IV, 2. Aufl. (1892), § 531, S. 75 f.; DERNBURG, Pandekten, Bd. I, 7. Aufl. (1902), § 103 Nr. 4, S. 242 mit Fn. 25. 324 So etwa bei SCHLOSSMANN, Zur Lehre vom Zwange (1874), S. 138. Im Rahmen der dogmengeschichtlichen Darstellung noch bei SCHLIEMANN, Die Lehre vom Zwange (1861), S. 183 f. 325 OAG Darmstadt, Erk. v. 1828, SeuffA Bd. 23 Nr. 144, S. 233.

IV. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert

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verbera) abgestellt, sondern gleich auf den durch Drohungen hervorgerufenen regulären metus. Was das Zusammenspiel von metus und den Interzessionsbeschränkungen für die Ehefrau angeht, sind folgende zwei Entscheidungen von besonderem Interesse. Die erste des OAG Dresden vom 28. April 1857 betrifft eine Ehefrau, die bei der Bürgschaft für ihren Ehemann zwar die geltenden gesetzlichen Vorschriften eingehalten hatte, 326 die sich dann aber darauf berief, von ihrem Ehemann hierzu gezwungen worden zu sein.327 Wie das OAG Dresden ausführt, dienen diese Regelungen sowohl der Information der Frau über die möglichen Konsequenzen ihrer Interzession als auch ihrem Schutz vor einer unlauteren Einflussnahme durch den Ehemann. Selbst eine vor dem Richter und in Abwesenheit des Ehemanns erfolgte Bürgschaftserklärung biete aber nicht notwendigerweise die Gewähr dafür dass, diese ratio legis immer erreicht würde. Vielmehr könne die Frau im Vorfeld von ihrem Mann derart »bearbeitet« worden sein, dass sie die Bürgschaft aus einer immer noch anhaltenden Zwangslage heraus eingehe: »[…] so läßt sich doch […] durchaus nicht behaupten, daß der wohlgemeinte Zweck des Gesetzgebers unter allen Umständen erreicht werden könne und erreicht werden müsse. Denn die Möglichkeit bleibt immer nicht ausgeschlossen, daß die Ehefrau vor der gerichtlichen, in Abwesenheit ihres Ehemannes zu vollziehenden Bürgschaftserklärung durch widerrechtliche Handlungen und Bedrohungen ihres Ehemannes in einen solchen Zustand des moralischen Zwanges und der hierdurch bedingten Willensunfreiheit versetzt worden sei, welcher auch bei dieser Verhandlung noch fortgedauert und, ungeachtet der richterlichen Concurrenz und Belehrung, zur Abgabe der geforderten Erklärung geführt habe.«328

Die Annahme einer solchen fortwährenden Zwangslage bei der gerichtlichen Bürgschaftserklärung setze allerdings voraus, dass die vorherige Einflussnahme durch den Ehemann eine deutlich höhere Intensität aufweist, als die bei einem außergerichtlichen Rechtsgeschäft, das gewöhnlich in unmittelbarem Zusammenhang hiermit erfolge: »Nur so viel würde man zugeben müssen, daß, wenn ein auf diese Weise fortwirkender Zwang angenommen werden sollte, eine bei weitem entschiedenere Handlungsweise des Ehemannes erforderlich sein würde, als bei einer außergerichtlichen und unter dem unmittelbaren und augenblicklichen Einflusse einer Drohung oder Mißhandlung abgegebenen obligatorischen Erklärung.«329 326 Im überlieferten Sachverhalt werden zwar keine genauen Angaben zum Zeitpunkt der Bürgschafterklärung gemacht. Bei lebensnaher Auslegung dürfte aber das Königliche Mandat vom 6. November 1828 (s. o. Teil 1, Fn. 1346) einschlägig gewesen sein. Hierfür spricht auch die Verwendung des Begriffs »Verbürgung«. 327 OAG Dresden, Urt. v. 28. April 1857, Zeitschrift für Rechtspflege und Verwaltung, zunächst für das Königreich Sachsen, n.F. 17 (1859), 39 = SeuffA Bd. 12 Nr. 136, S. 181. – Vgl. hierzu MARTENS, Durch Dritte verursachte Willensmängel (2007), S. 189 f. 328 OAG Dresden, Urt. v. 28. April 1857, Zeitschrift für Rechtspflege und Verwaltung, zunächst für das Königreich Sachsen, n.F. 17 (1859), 39, 39 f.

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Teil 2: Metus reverentialis

Die Darlegungs- und Beweislast für die »thätlichen Mißhandlungen und Drohungen« des Ehemanns vor und das Andauern des »justus metus« bei der gerichtlichen Bürgschaftserklärung trage die Ehefrau. Sie brauche hierbei aber nicht darzutun, dass sie mit Wissen des Gläubigers gezwungen worden sei.330 Das OAG Dresden misst also den speziellen gesetzlichen Interzessionsbeschränkungen gerade wegen ihres Schutzzwecks keine Sperrwirkung bei, sondern lässt daneben den allgemeinen Einwand des Zwangs zu. Dabei geht auch in diesem Fall das Gericht nicht etwa auf metus reverentialis im Verhältnis zwischen Mann und Frau ein,331 sondern stellt direkt die Frage, ob die Drohungen und Schläge regulären metus begründen. Außerdem klingt der alte gemeinrechtliche Gedanke an, dass der einmal erregte metus solange anhält, wie die zugrunde liegende Beziehung zwischen Drohendem und Bedrohtem. Dass es schließlich nach Ansicht des Gerichts nicht darauf ankommt, ob der Gläubiger von der Ausübung des Zwangs etwas gewusst hat, beruht auf der hergebrachten Drittwirkung (in rem) von metus. Die zweite Entscheidung des OLG Braunschweig vom 16. März 1889 hat die Bürgschaft einer Ehefrau zum Gegenstand, die nach Aufhebung der gemeinrechtlichen Interzessionsbeschränkungen im Herzogtum Braunschweig (durch Gesetz vom 5. April 1870)332 eingegangen wurde:333 Hier hatte jedoch nicht der zahlungsunfähige Ehemann entsprechenden Zwang auf die Frau ausgeübt, sondern dessen Gläubiger. Nachdem die Frau nicht bereit gewesen war, eine Bürgschaft für die betreffende Forderung einzugehen, hatte der Gläubiger ihr zweimal gedroht, die Zwangsvollstreckung in ihr Vermögen zu betreiben, wenn sie nicht das Bürgschaftsformular unterzeichne. Beide Male konnte die Frau aber rechtzeitig die gerichtliche Einstellung der Zwangsvollstreckung erwirken. Schließlich gelang es dem Gläubiger im dritten Anlauf, die Frau mit dem Gerichtsvollzieher derart zu überrumpeln, dass ihr eine Einschaltung des Gerichts nicht mehr möglich war. Um das Verbringen ihrer Sachen in den bereitstehenden Möbelwagen zu verhindern und weiteres Aufsehen zu vermeiden, unterzeichnete sie schließlich die Bürgschaft. Das OLG Braunschweig bewertet ein solches Vorgehen als Zwang, so dass die Frau gegenüber dem Gläubiger ihres Mannes die exceptio metus geltend machen kann.334 329 OAG Dresden, Urt. v. 28. April 1857, Zeitschrift für Rechtspflege und Verwaltung, zunächst für das Königreich Sachsen, n.F. 17 (1859), 39, 40. 330 OAG Dresden, Urt. v. 28. April 1857, Zeitschrift für Rechtspflege und Verwaltung, zunächst für das Königreich Sachsen, n.F. 17 (1859), 39, 40 f. 331 Zur ehelichen reverentia der Frau gegenüber ihrem Mann, etwa PUCHTA, Lehrbuch der Pandekten (1838), § 402 S. 446; SINTENIS, Civilrecht, Bd. III, 2. Aufl. (1861), § 131, S. 6 Fn. 4; BRINZ, Lehrbuch der Pandekten, Bd. III/2, 2. Aufl. (1889), § 470, S. 679 Fn. 10. 332 Gesetz- und Verordnungsblatt für die Herzoglich Braunschweigischen Lande 1870, S. 259. 333 OLG Braunschweig, Urt. v. 16. März 1889, SeuffA Bd. 46 Nr. 168, S. 266, 266 f. 334 OLG Braunschweig, Urt. v. 16. März 1889, SeuffA Bd. 46 Nr. 168, S. 266, 267 f.

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Diese Entscheidung zeigt zum einen, dass der Gläubiger des Mannes eben nicht überall durch das Güterrecht in der Lage ist, seine Forderung einfach aus dem Vermögen der Frau zu befriedigen. Um hierauf zugreifen zu können, bedarf es vielmehr einer anderen Anspruchsgrundlage wie der Bürgschaft, für die der Gläubiger hier sogar zu unerlaubten Mitteln greift. Zum anderen wird deutlich, dass mit den gemeinrechtlichen Interzessionsbeschränkungen zugleich ein Schutzmechanismus gegen Zudringlichkeiten des Gläubigers weggefallen ist. Die Ehefrau kann sich nicht mehr darauf berufen, dass die Bürgschaft für ihren Mann ipso iure nichtig ist, sondern sie ist darauf verwiesen, die Einrede des Zwangs zu erheben, die ihr aber nur zusteht, wenn das Verhalten des Gläubigers – wie im vorliegenden Fall – die Schwelle des beachtlichen metus erreicht. Hinsichtlich der Errichtung letztwilliger Verfügungen hält die Literatur daran fest, dass bloßes Zureden grundsätzlich keinen Zwang begründet.335 Ähnlich restriktiv wird diese Konstellation von der Rechtsprechung beurteilt.336 So verneint das OLG Wiesbaden beachtlichen metus, wenn sich der Erblasser »den ihn zur Testamentserrichtung drängenden Drohungen und Mißhandlungen« ohne Weiteres hätte entziehen können.337 Anders liegt der Fall aber, wenn ein Todkranker durch Zudringlichkeit seines Arztes dazu gebracht wird, diesen testamentarisch als (Mit-)Erben einzusetzen, wie das OAG Darmstadt im Gegensatz zu den beiden Vorinstanzen feststellt. Denn gerade ein Arzt dürfe seine Position gegenüber dem hinfälligen Patienten nicht derart missbrauchen.338 Im Anschluss hieran nimmt das OAG Darmstadt beachtlichen Zwang aber auch an, wenn jemand anders als ein Arzt solange durch »unablässiges Bestürmen und Umdrängen« auf eine gebrechliche, im Sterben liegende 85-jährige Witwe einwirkt, bis diese endlich ein neues Testament zu seinen Gunsten errichtet – eine Szene, die an den bei Matthaeus de Afflictis geschilderten Sachverhalt339 erinnert: »Unmittelbar nach der Entfernung des Gerichts seien hierauf die Beklagten in der frühern Weise wieder zu der Wittwe C. eingedrungen, hätten dieselbe mit wahrhaft empörenden 335 THIBAUT, System des Pandekten-Rechts, Bd. II, 1. Aufl. (1803), § 1016, S. 215 = 8. Aufl. (1834), § 949, S. 459; PUCHTA, Lehrbuch der Pandekten (1838), § 465 in Note e a. E., S. 519; MÜHLENBRUCH, Lehrbuch des Pandekten-Rechts, Theil III, 3. Aufl. (1840), § 644, S. 253 in Fn. 4; SINTENIS, Civilrecht, Bd. III, 2. Aufl. (1861), § 171, S. 390 in Fn. 53b a. E.; VANGEROW, Lehrbuch der Pandekten, Bd. II, 7. Aufl. (1867), § 431 Anm. 1 a. E., S. 90; DERNBURG, Pandekten, Bd. III, 7. Aufl. (1903), § 80, S. 152 mit Fn. 2; WINDSCHEID /  KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. III, 9. Aufl. (1906), § 548, S. 247 mit Fn. 6. 336 Zur Aktivlegitimation bei der Testamentsanfechtung wegen Zwanges vgl. BayObLG, Urt. v. 22. Dez. 1890, SeuffA Bd. 46 Nr. 268, S. 421, 422 f. – Zur Nichtigerklärung eines erzwungenen Testaments nach dem CMBC vgl. BayObLG, Urt. v. 11. Nov. 1893, SeuffA Bd. 50 Nr. 55, S. 104. 337 OAG Wiesbaden, Erk. v. 29. Nov. 1843, SeuffA Bd. 5 Nr. 195, S. 249. 338 OAG Darmstadt, Urt. v. 27. Okt. 1863, ApR 1 n.F. (1864), 345, 347 ff. 339 Siehe oben Fn. 215.

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Vorwürfen bestürmt, sie fortwährend geplagt und gepeinigt und bis zur Rückkehr des Gerichts planmäßig überwacht, so daß dieselbe, welche Anfangs den Beklagten W. und V. gegenüber ihre Weigerung durch die Worte: ›Ihr glaubt, da Ihr reiche Leute seid, müsse es nach Euch gehen‹ – zu erkennen gegeben, – endlich, um Ruhe zu bekommen und sterben zu können, ihren wirklichen Willen dem Willen der Dränger untergeordnet habe.«340

Insgesamt ist die Rechtsprechung somit im Einzelfall eher bereit, die Anforderungen an beachtlichen metus abzusenken. 2. Gesetzgebung a) Preußen aa) Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 Sowohl der 1784–1788 im Druck erschienene »Entwurf eines allgemeinen Gesetzbuchs für die Preußischen Staaten«341 (EAGB)342 als auch das ALR bauen auf dem gemeinrechtlichen Konzept von metus auf (I 4 §§ 31 ff. ALR).343 Neben Drohungen für Leben, Gesundheit und Freiheit, werden aber auch Drohungen für die Ehre als gleichrangig bewertet (I 4 § 33 ALR).344 Gleiches gilt »in der Regel« für die Drohung mit einer Strafanzeige (I 4 § 35 ALR).345 Außerdem können nach den Umständen des Einzelfalls selbst Drohungen für sonstige Rechtsgüter in Betracht kommen, wobei die individuelle »Leibes- und Gemüthsbeschaffenheit« des Bedrohten zu berücksichtigen ist (I 4 §§ 36–37 ALR).346 Bloßer metus reverentialis genügt dagegen nicht, wie noch einmal ausdrücklich festgehalten wird: I 4 § 41 ALR »Der Vorwand, daß Scheu oder Ehrfurcht die Willenserklärung veranlaßt habe, verdient keine Rücksicht.«347

OAG Darmstadt, Urt. v. 15. Sept. 1868, SeuffA Bd. 25 Nr. 120, S. 172, 173 f. Siehe oben Teil 1, Fn. 1044. 342 II 1 §§ 31 ff. EAGB. – Vgl. KRAUSE (Hrsg.), EAGB, Bd. 4 (2004), S. 24 ff. 343 Vgl. Preußisches Obertribunal, Erk. v. 29. Mai 1856, Entscheidungen des Obertribunals, Bd. 33 (1856), S. 8, 10, 12 f. – Ferner SCHLIEMANN, Die Lehre vom Zwange (1861), S. 201 ff., 204. 344 So auch schon II 1 § 35 EAGB. 345 So auch schon II 1 § 38 EAGB. – Vgl. hierzu BIELITZ, Praktischer Kommentar, Bd. I (1823), zu I 4 §§ 33–44 ALR (S. 433 f.); BORNEMANN, Von Rechtsgeschäften, 1. Aufl. (1825), S. 109 f.; DERS., Systematische Darstellung des Preussischen Civilrechts, Bd. I, 1. Aufl. (1834), S. 337 mit Fn. *; Gesetz-Revision, Pensum XIV, Motive zu I 3–6 ALR (1830), S. 32 f., in: SCHUBERT (Hrsg.), Bd. 3 (1983), S. 108 f.; DERNBURG, Lehrbuch des Preußischen Privatrechts, Bd. I, 1. Aufl. (1875), § 112, S. 211 f. Fn. 8. – Ferner Preußisches Obertribunal, Erk. v. 30. Okt. 1848, Entscheidungen des Obertribunals, Bd. 17 (1849), S. 97, 99 ff. 346 So auch schon II 1 §§ 36–37 EAGB. – Vgl. hierzu Preußisches Obertribunal, Erk. v. 29. Mai 1856, Entscheidungen des Obertribunals, Bd. 33 (1856), S. 8, 10, 13 ff., 22 ff.; Erk. v. 3. Dez. 1857, Archiv für Rechtsfälle, Bd. 28 (1858), S. 122, 127 ff. 340 341

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Diese Vorschrift wird von Svarez und Goßler für so wichtig gehalten, dass sie in ihrem für Laien herausgegebenen »Unterricht über die Gesetze« aufgegriffen und erläutert wird: »Es sind also wegen Mangels einer freyen Einwilligung alle Verträge ungültig, zu welchen jemand durch äußerliche Gewalt, durch körperliche Schmerzen, durch Hunger und Durst, oder durch gefährliche Drohungen gezwungen worden. Dagegen kann niemand unter dem Vorwande, daß er bloß aus Scheu oder Respekt gegen einen Andern sich zu einem Contracte bequemt habe, denselben wiederrufen.«348

Hinsichtlich der erzwungenen Ehe (II 1 § 39 ALR)349 und des erzwungenen Testaments (I 12 § 25 ALR)350 kommen grundsätzlich jeweils die allgemeinen Vorschriften zur Anwendung.351 Bielitz bildet in seinem Kommentar hierzu folgendes Beispiel: Heiratet die Braut »einen ihr verhaßten Mann« deswegen, weil sie erlebt hat, wie ihre ältere Schwester vom Vater verstoßen wurde, nachdem diese sich geweigert hatte, den für sie bestimmten Mann zu ehelichen, liege mehr vor als »bloßer timor reverentialis«. Zwar sei keine ausdrückliche Drohung ausgesprochen worden, aber die Braut habe eine ähnliche Behandlung befürchten müssen, so dass hier die allgemeinen Vorschriften in I 4 §§ 36–37 ALR durchaus einschlägig sein können.352 Bornemann teilt die Auffassung, dass in einem solchen Fall mehr als bloßer metus reverentialis gegeben sein kann, zieht aber statt Zwang sogar eine vorübergehende Geschäftsunfähigkeit der Braut in Betracht nach I 4 § 44 i.V.m. § 29 ALR.353

347 So auch schon II 1 § 42 EAGB »Eben so wenig verliert eine Willenserklärung ihre Gültigkeit bloß dadurch, daß Ehrfurcht, oder Scheu vor Personen höhern Standes, den Erklärenden dazu vermocht haben.« 348 SVAREZ / GOSSLER (Hrsg.), Unterricht über die Gesetze für die Einwohner der Preussischen Staaten (1793), S. 96 (§ 20). 349 So auch schon I 1 § 26 EAGB. – Vgl. KRAUSE (Hrsg.), EAGB, Bd. 1 (1996), S. 42. 350 II 9 § 18 EAGB geht im Erbrecht nur auf das »in der Trunkenheit oder in Leidenschaften« errichtete Testament noch einmal besonders ein. – Vgl. KRAUSE (Hrsg.), EAGB, Bd. 5 (2004), S. 118. 351 Bei einem gerichtlich errichteten Testament können Willensmängel wie der Zwang nur dann geltend gemacht werden, wenn der Richter den Willensmangel kannte (I 12 §§ 23–24 ALR). Vgl. hierzu BIELITZ, Praktischer Kommentar, Bd. I (1823), zu I 4 §§ 31– 32 ALR (S. 431 f.); Bd. III (1825), zu I 12 §§ 23–25 ALR (S. 16 ff.); BORNEMANN, Von Rechtsgeschäften, 1. Aufl. (1825), S. 111 f.; DERS., Systematische Darstellung des Preussischen Civilrechts, Bd. I, 1. Aufl. (1834), S. 358; Bd. VI, 1. Aufl. (1839), S. 37 f.; DERNBURG, Lehrbuch des Preußischen Privatrechts, Bd. III, 1. Aufl. (1880), § 127, S. 358. 352 BIELITZ, Praktischer Kommentar, Bd. I (1823), zu I 4 §§ 33–44 ALR (S. 435); Bd. V (1827), zu II 1 §§ 38–44 ALR (S. 27). 353 BORNEMANN, Von Rechtsgeschäften, 1. Aufl. (1825), S. 107 f.; DERS., Systematische Darstellung des Preussischen Civilrechts, Bd. I, 1. Aufl. (1834), S. 335 Fn. *.

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bb) Die Reformprojekte im Vormärz (Gesetzrevision) Im Rahmen der 1825 begonnenen Preußischen Gesetzrevision sind lediglich kleinere redaktionelle Veränderungen der I 4 §§ 31 ff. ALR vorgesehen. Insbesondere I 4 § 41 ALR soll dabei völlig unverändert beibehalten werden.354 b) Österreich aa) Der Codex Theresianus Bezüglich »Forcht, Gewalt und Zwang« verweist der Codex Theresianus im Vertragsrecht (III 2 § 11 Nr. 125)355 auf die nähere Regelung im Deliktsrecht (III 21 § 16 Nr. 131 ff.).356 Diese steht noch völlig auf dem Boden des Ius commune, als für eine »rechtmäßige Forcht« (metus iustus) ein »Uebel« (malum) verlangt wird, das selbst den »standhaftesten Mann« (vir constantissimus) in Schrecken versetzen würde, wie »der Tod, Entführung, widerrechtliche Einkerkerung, Nothzucht, Schläge, gewaltsame Mißhandlung und Verlust der Güter« (III 21 § 16 Nr. 133). Dem Richter wird allerdings die Kompetenz eingeräumt, dabei die individuelle Gemütsverfassung des Bedrohten und die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (III 21 § 16 Nr. 134). Ohne das Hinzutreten von zusätzlichen Zwangsmomenten kann metus reverentialis somit allein keine »rechtmäßige Forcht« begründen (III 21 § 16 Nr. 137): III 21 § 16 Nr. 137 »Desgleichen, was aus Beisorge der Uebermacht eines Anderen oder aus Ehrerbietigkeit gegen die Eltern oder seine Vorgesetzte geschieht, kann mit keiner rechtmäßigen Forcht entschuldiget werden, wann nicht die Uebermacht oder die Gewalt deren Eltern und Vorgesetzten durch allzu hartes Verfahren, unerlaubten Zwang und sonstige Zudringlichkeiten sich bis zur Ungebühr erstrecket.«

Im Erbrecht betont der Codex Theresianus noch einmal die Freiheit der Willensbildung bei letztwilligen Verfügungen (II 11 § 3 Nr. 37 ff.),357 die insbesondere dann fehlt, wenn »Zwang, Gewalt, Forcht« auf den Erblasser ausgeübt wurden (II 11 § 3 Nr. 38). Dagegen sind »bloßer Rath, Anfrage, Erinnerung, Empfehlung, Bitt oder Vorbitte, Zuschmeichlung und dergleichen Anmuthungen« unschädlich (II 11 § 3 Nr. 41).

354 Gesetz-Revision, Pensum XIV, Entwurf zu I 3–6 ALR (1830), S. 9 ff., 10, in: SCHUBERT (Hrsg.), Bd. 3 (1983), S. 9 ff., 10 – Vgl. hierzu die entsprechenden Motive zu I 3–6 ALR (1830), S. 31 ff., 34, in: SCHUBERT (Hrsg.), a. a. O., S. 107 ff., 110. 355 HARRASOWSKY (Hrsg.), Codex Theresianus, Bd. III (1884), S. 38. 356 HARRASOWSKY (Hrsg.), Codex Theresianus, Bd. III (1884), S. 364 f. 357 HARRASOWSKY (Hrsg.), Codex Theresianus, Bd. II (1884), S. 170. – Als Rechtsfolge sieht der Codex Theresianus die Ungültigkeit einer erzwungenen letztwilligen Verfügung vor (II 18 § 2 Nr. 13 f.), vgl. a. a. O., S. 354.

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bb) Der Entwurf Horten Der Entwurf Horten begnügt sich im Vertragsrecht ebenfalls mit dem Verweis (III 1 § 25)358 auf die entsprechenden Bestimmungen des Deliktsrechts (III 22 §§ 59 ff.).359 Von gewissen Umstellungen abgesehen bleiben diese inhaltlich im Wesentlichen unverändert, wie vor allem das Konzept der »rechtmäßigen Forcht« (III 22 § 63). Der richterliche Bewertungsspielraum etwa wird nun im Anschluss an die Regelung des metus reverentialis aufgeführt (III 22 § 65): III 22 § 65 »Auch kann Dasjenige, was aus Beisorge wegen Uebermacht eines Andern, oder aus Ehrerbietigkeit gegen die Eltern und andere Vorgesetzte geschehen ist, mit keiner rechtmäßigen Forcht entschuldiget werden, wofern nicht die Uebermacht oder die Gewalt der Eltern und Vorgesetzten mißbrauchet, und durch allzu hartes Verfahren oder unerlaubten Zwang bis zur Ungebühr erstrecket worden. In all derlei Fällen aber soll dem Richter obliegen, vorzüglich auf die mehr oder minder starke Gemüthsbeschaffenheit Desjenigen zu sehen, deme die Forcht eingejaget worden, und nach Erwägung aller Umstände zu beurtheilen, ob die Forcht rechtmäßig gewesen oder nicht.«

Auch im Erbrecht unterstreicht der Entwurf Horten mit Blick auf die Willensfreiheit des Testierenden (II 8 §§ 8 ff.)360 wieder ausdrücklich, dass zwar »Zwang, Gewalt und Forcht« diese ausschließen (II 8 § 13), nicht aber »bloßer Rath, Anfrage, Erinnerung, Empfehlung, Vorbitte und Zuschmeichlung« (II 8 § 12). Darüber hinaus begründet Horten einen seiner Regelungsvorschläge im Eherecht (I 3 §§ 1 ff.)361 mit metus reverentialis: Für den Fall, dass einem Minderjährigen von seinen Eltern die zur Eheschließung erforderliche Einwillung (I 3 § 2) verweigert wird, sollen hiergegen nicht nur der Minderjährige selbst (oder der Partner), sondern auch seine Verwandten das Gericht anrufen können (I 3 § 3), da davon auszugehen sei, dass der Minderjährige diese Möglichkeit häufig nicht in Anspruch nehmen werde aus Ehrfurcht vor seinen Eltern.362 cc) Der Entwurf Martini Der Entwurf Martini hingegen regelt die »ungerechte Furcht« nicht mehr im Deliktsrecht, sondern direkt im Vertragsrecht, allerdings nur mehr äußerst knapp und ohne weitere Festlegung der hierfür notwendigen Voraussetzungen:

HARRASOWSKY (Hrsg.), Codex Theresianus, Bd. IV (1886), S. 317 f. HARRASOWSKY (Hrsg.), Codex Theresianus, Bd. IV (1886), S. 508 f. 360 HARRASOWSKY (Hrsg.), Codex Theresianus, Bd. IV (1886), S. 180 f. 361 HARRASOWSKY (Hrsg.), Codex Theresianus, Bd. IV (1886), S. 29 ff. 362 HARRASOWSKY (Hrsg.), Codex Theresianus, Bd. IV (1886), S. 33, 34 in Fn. 9. – Die Kompilationskommission sprach sich allerdings gegen diesen Vorschlag Hortens aus, vgl. ebd. sowie dann I 3 § 6 JosGB. 358 359

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III 1 § 17 »Niemand ist befugt, ein Versprechen anzunehmen, welches er durch ungerechte Furcht erzwungen oder durch Hinterlist erschlichen hat. Mittelst unerlaubter Handlungen kann sich Jemand zwar Verbindlichkeiten auflegen, aber niemals Rechte erwerben.«363

Leicht umformuliert findet diese Vorschrift sowohl Eingang in das Westgalizische Gesetzbuch von 1797 (III § 16 WGGB) als auch in den sog. Urentwurf des ABGB: III § 16 »Wer ein Versprechen durch ungerechte Furcht erzwungen, oder durch List erschlichen hat, ist nicht befugt es anzunehmen. […]«364

Zwar sieht der Entwurf Martini somit anders als die vorherigen Entwürfe keine Regelung zu metus reverentialis mehr vor. Dafür ordnet der Entwurf Martini im selben Hauptstück die Ungültigkeit bestimmter Verträge an, die – wovon in der Folge auch Zeiller ausgeht365 – typischerweise auf einer unlauteren Einflussnahme bzw. Zwangslage beruhen können: III 1 § 28 »Folgende Verträge sollen ungiltig sein: 1. Wenn der Rechtsfreund sich von seiner Partei für die Behauptung eines Processes, oder 2. wenn der Arzt sich von dem Kranken eine bestimmte Belohnung für die Cur vorhinein bedingen will, 3. wenn es um die Abtretung eines Processes, welcher schon anhängig gemacht worden ist, oder 4. wenn es um die Verabredung über die Erbschaft einer dritten noch lebenden Person zu thun ist.«366

Nach den Mitteilungen bei Harrasowsky war dabei ursprünglich nicht geplant, die generelle Ungültigkeit dieser Verträge zu statuieren, sondern nur deren gerichtliche Errichtung zu verlangen. Zudem sollte dieses Formerfordernis auch noch weitere Vertragstypen erfassen, insbesondere »Bürgschaftserklärungen der Frauen« sowie Vereinbarungen, bei denen »etwas für die Unterhandlung eines Ehecontractes bedungen wird«.367 Von den dann im Entwurf Martini zu einer einzigen Vorschrift zusammengezogenen vier Tatbeständen finden sich zwei im Codex Theresianus noch an 363 HARRASOWSKY (Hrsg.), Codex Theresianus, Bd. V (1886), S. 161. – Eine weitere Regelung enthält daneben noch III 1 § 20 zur Drohung durch Dritte. 364 Vgl. OFNER (Hrsg.), Ur-Entwurf, Bd. I (1889), S. XCI rechte Sp. – Eine weitere Regelung enthält daneben noch III § 19, ebd., wiederum zur Drohung durch Dritte. 365 Vgl. ZEILLER, Commentar, Bd. III/1 (1812), zu § 879 ABGB, No 1: »Verträge, die von dem Civil-Gesetze für unerlaubt und ungültig erkläret werden, kommen in diesem Gesetzbuche an den zukommlichen Orten zerstreuet vor. Hier werden hauptsächlich solche eingerückt, welche den kurz vorher angeführten, mit unfähigen Personen, oder durch ungerechte Furcht, oder List und Irrthum geschlossenen, Verträgen wenigstens sehr nahe kommen.« – No 2: »Von einem zwischen dem Arzte und dem Kranken für die Uebernehmung der Cur geschlossenen Vertrage, wodurch sich ersterer eine bestimmte Belohnung bedinget, vermuthet das Gesetz, daß er in einer Zwangslage geschlossen worden ist, und es läßt, indem es den Vertrag schlechterdings für ungültig erklärt, keinen rechtfertigenden Beweis des Gegentheils zu, daß der Kranke freywillig zur Forderung sich verstanden habe.« – No 3: »Bey Rechtsvertretern vereinigen sich die eben (N. 1 u. 2) angeführten Gründe.« 366 HARRASOWSKY (Hrsg.), Codex Theresianus, Bd. V (1886), S. 162. – Vgl. darüber hinaus III 8 §§ 10 f. und III 11 § 17, a. a. O., S. 188 bzw. S. 204.

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verschiedenen Stellen des Vertragsrechts: Die Ungültigkeit einer Streitanteilsvereinbarung mit Anwälten (III 2 § 10 Nr. 57) und die Ungültigkeit eines Vertrags über den Nachlass eines noch lebenden Dritten (III 2 § 14 Nr. 165– 168).368 Im Entwurf Horten sind diese beiden Tatbestände zwar noch in verschiedenen Paragraphen geregelt, die aber schon unmittelbar aufeinander folgen (III 1 §§ 65 f. bzw. § 67) und denen außerdem das Veräußerungsverbot einer streitbefangenen Sache (III 1 §§ 63 f.) unmittelbar vorangestellt wird.369 Der Tatbestand der entgeltlichen »Unterhandlung eines Ehecontractes«, der zuvor schon im Eherecht sowohl des Codex Theresianus (I 3 § 1 Nr. 57–63)370 als auch des Entwurfs Horten (I 3 §§ 20 f.)371 enthalten war, wird – entgegen den ursprünglichen Überlegungen (s. o.) – nicht in den Entwurf Martini aufgenommen. Gleichwohl wird dieser Tatbestand in die entsprechende Bestimmung des Westgalizischen Gesetzbuchs (III § 23 WGGB) und des Urentwurfs eingereiht, deren Kanon damit jeweils aus fünf Tatbeständen besteht: III § 23 »Folgende Verträge sind ungiltig: 1) Wenn etwas für die Unterhandlung eines Ehecontractes bedungen wird. 2) Wenn der Rechtsfreund sich von seiner Parthei für die Behauptung eines Processes, oder 3) Wenn der Arzt sich von dem Kranken für die Cur in voraus eine bestimmte Belohnung bedingt. 4) Wenn ein bereits anhängiger Proceß, oder 5) die Erbschaft einer dritten noch lebenden Person verhandelt wird.«372

Darüber hinaus stellt der Entwurf Martini im Eherecht noch einmal klar, dass insbesondere eine unter Zwang eingegangene Ehe unwirksam ist: I 3 § 8 »Auch die Einwilligung zur Ehe ist damals ohne Wirkung, wenn solche durch Forcht und Gewalt absichtlich erzwungen, oder durch einen wesentlichen Irrthum, nemlich in der Person selbst des künftigen Ehegatten listigerweise erschlichen, oder von einer entführten, und in die vorige Freiheit noch nicht gesetzten Person ertheilet worden ist.«373

Auch diese Vorschrift wird, lediglich leicht umformuliert, in das Westgalizische Gesetzbuch (I § 65 WGGB) und den Urentwurf übernommen: HARRASOWSKY (Hrsg.), Codex Theresianus, Bd. V (1886), S. 162 in Fn. 1. Zu den ursprünglich im Entwurf Martini vorgesehenen Interzessionsbeschränkungen für Frauen s. o. Teil 1, Fn. 1163 ff. 368 HARRASOWSKY (Hrsg.), Codex Theresianus, Bd. III (1884), S. 29 f. und S. 44 f. 369 HARRASOWSKY (Hrsg.), Codex Theresianus, Bd. IV (1886), S. 323 f. 370 HARRASOWSKY (Hrsg.), Codex Theresianus, Bd. I (1883), S. 86 ff., 98. 371 HARRASOWSKY (Hrsg.), Codex Theresianus, Bd. IV (1886), S. 42 f. – Sowie dann I 3 §§ 40 f. JosGB. 372 Vgl. OFNER (Hrsg.), Ur-Entwurf, Bd. I (1889), S. XCII linke Sp. 373 HARRASOWSKY (Hrsg.), Codex Theresianus, Bd. V (1886), S. 28 f. – Vgl. aus den vorangegangenen Stellungnahmen hierzu, a. a. O. in Fn. 7: »Professor Borzaga in Lemberg gedachte insbesondere der Nöthigung, welche von einem Vater gegenüber der sich äußernden Abneigung seines Kindes geübt werde.« 367

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I § 65 »Die Einwilligung zur Ehe ist auch dann ohne Rechtskraft, wenn sie durch Gewalt und erregte Furcht absichtlich erzwungen, oder wenn sie durch einen wesentlichen Irrthum in der Person des künftigen Ehegatten listigerweise erschlichen, oder von einer entführten, und noch nicht in ihre vorige Freiheit gesetzten Person gegeben worden ist.«374

Im Erbrecht schließlich beschränkt sich der Entwurf Martini darauf, die Ungültigkeit einer vom Erblasser erzwungenen letztwilligen Verfügung anzuordnen (II 11 § 17),375 ohne aber wie der Codex Theresianus oder der Entwurf Horten daneben noch auf die Unbeachtlichkeit von »bloßem Rath, … Zuschmeichlung und dergleichen Anmuthungen« einzugehen. Gleiches gilt in der Folge für das Westgalizische Gesetzbuch (II § 360 WGGB) und den Urentwurf (II § 360)376 bishin zur endgültigen Fassung der entsprechenden Vorschrift in § 565 ABGB, wenngleich Zeiller später in seinem Kommentar den beachtlichen Zwang hier doch wieder mit den unbeachtlichen »bloßen Vorschlägen, Schmeicheleyen, selbst Zudringlichkeiten« kontrastiert.377 dd) Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811 Während in der Ersten Lesung I § 65 des Urentwurfs (§ 55 ABGB) hinsichtlich der erzwungenen Ehe unverändert bleibt378 und II § 360 des Urentwurfs (§ 565 ABGB) bezüglich der erzwungenen letztwilligen Verfügung nur Gegenstand redaktioneller Umstellungen ist, 379 wird III § 16 des Urentwurfs (§ 870 ABGB) auf Antrag von Zeiller und unter Hinweis auf die preußischen Regelungen dahin gehend ergänzt, dass der Richter nach den konkreten Umständen zu beurteilen hat, ob im Einzelfall eine »gegründete Furcht« – das heißt mit anderen Worten metus iustus380 vor einem bedeutenden Übel381 – vorliegt: Vgl. OFNER (Hrsg.), Ur-Entwurf, Bd. I (1889), S. VIII rechte Sp. HARRASOWSKY (Hrsg.), Codex Theresianus, Bd. V (1886), S. 122. 376 Vgl. OFNER (Hrsg.), Ur-Entwurf, Bd. I (1889), S. LXI. 377 Vgl. ZEILLER, Commentar, Bd. II/2 (1812), zu §§ 565–566 ABGB, No 5: »Der Zwang ist aus dem, was anders wo gesagt worden (§ 55), zu beurtheilen, und von bloßen Vorschlägen, Schmeicheleyen, selbst Zudringlichkeiten, denen der Erblasser ausweichen konnte, zu unterscheiden.« – Ferner UNGER, System des österreichischen allgemeinen Privatrechts, Bd. VI, 1. Aufl. (1864), S. 55: »[…] Zwang (§ 565), wovon jedoch bloßes Zureden zu unterscheiden ist«. Sowie DERS., a. a. O., Bd. II, 1. Aufl. (1859), S. 49 in Fn. 18. 378 OFNER (Hrsg.), Ur-Entwurf, Bd. I (1889), S. 78, 78 f. (9. Sitzung v. 22. Feb. 1802). 379 OFNER (Hrsg.), Ur-Entwurf, Bd. I (1889), S. 336, 337 und 341 (49. Sitzung v. 16. Jan. 1804). 380 UNGER, System des österreichischen allgemeinen Privatrechts, Bd. II, 1. Aufl. (1859), S. 49. 381 In seiner Kommentierung greift Zeiller auch hier wieder auf die hergebrachten gemeinrechtlichen Beispiele zurück, vgl. ZEILLER, Commentar, Bd. III/1 (1812), zu § 870 ABGB, No 2: »Es ist hier nicht die Rede von einem mechanischen, durch gewaltsame Besitznehmung oder Raub verübten Zwange, sondern von dem psychologischen, der durch gefährliche, das Leben, die Gesundheit, körperliche Sicherheit, Freyheit (mittelst Gefan374 375

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»[…] 3. Dürfte über den Einfluß der Furcht, worüber das preußische Gesetzbuch sehr umständlich handelt, doch einige nähere Bestimmung nothwendig sein, daher würde er in nachfolgender Weise textiren: ›Wer ein Versprechen durch ungerechte und gegründete Furcht erzwungen hat, erwirbt daraus kein Recht. Ob die Furcht gegründet war, muß von dem Richter aus der Größe und Wahrscheinlichkeit der Gefahr und aus der Leibes- und Gemüthsbeschaffenheit des Bedrohten beurtheilet werden.‹«382

Ferner wird auf Vorschlag Zeillers bei III § 23 des Urentwurfs (§ 879 ABGB) das in Nr. 4 vorgesehene Veräußerungsverbot einer streitbefangenen Sache ersatzlos gestrichen, da »bei einer ordentlichen Justitzverwaltung« hierfür kein Regelungsbedarf mehr bestehe.383 Im Zuge der Revision wird auf Empfehlung Zeillers bei I § 48 des Ersten Entwurfs (§ 55 ABGB) ebenfalls ein Satz nach obigem Muster eingefügt, dass auch bei der Eheschließung nach den konkreten Umständen zu bestimmen sei, ob diese auf einer »gegründeten Furcht« beruhe.384 In diesem Zusammenhang stellt die Kommission durch Pratobevera noch einmal ausdrücklich die Verbindung zum – unbeachtlichen – metus reverentialis her: »Man fand nichts zu erinnern, als daß v. Pratobevera auf timorem reverentialem aufmerksam machte, welche oft von der größten Wirkung ist, und allerdings unwirksam sein soll.«385

Als redaktionelle Folgeänderung wird bei III § 11 des Ersten Entwurfs (§ 870 ABGB) ein Verweis auf diese Bestimmung des Eherechts aufgenommen.386 Keinen Anklang findet dagegen die Idee Pratobeveras, bei III § 19 des Ersten Entwurfs (§ 879 ABGB) doch wieder ein Veräußerungsverbot für streitbefangene Sachen zu verhängen.387 genhaltung), Ehre (Nothzucht) oder das Vermögen (mittelst Brandlegung) betreffende Drohungen zugefüget wird«. 382 OFNER (Hrsg.), Ur-Entwurf, Bd. II (1889), S. 9, 12 f. (79. Sitzung v. 28. Jan. 1805). – Daneben wird auf Vorschlag von v. Aichen auch die Drohung durch Dritte einbezogen. 383 OFNER (Hrsg.), Ur-Entwurf, Bd. II (1889), S. 13, 15 f. (80. Sitzung v. 4. Feb. 1805). – Abgelehnt wird dagegen der Vorschlag der Juristischen Fakultät Freiburg im Breisgau, auch das in Nr. 5 enthaltene Verbot ersatzlos zu streichen, vgl. SCHOTT (Hrsg.), Das Freiburger ABGB-Gutachten (2000), S. 123 f., 194 (sowie S. 100 f., 189). 384 In seiner späteren Kommentierung hebt Zeiller dabei ausdrücklich auf das Näheverhältnis zwischen Eltern und Kind ab, vgl. ZEILLER, Commentar, Bd. I (1811), zu § 55 ABGB, No 2 f. a. E.: »Rücksichtswürdig ist insbesondere der erwiesene Mißbrauch der Gewalt der Aeltern über die schwachen Gemüther ihrer Kinder, sie durch stäte Verfolgungen, Drohung der Verstoßung, der Entziehung aller Unterstützung u. d. gl. zur Ehe zu bewegen.« – Zudem verweist er, a. a. O. in Fn. * (S. 193) auf die Strafbarkeit nach dem Gesetzbuch über Verbrechen und schwere Polizey-Übertretungen von 1803: »Dieser Mißbrauch der älterlichen Gewalt wird als eine schwere Polizey-Uebertretung bestraft. Strafges. II. Th. § 253.« 385 OFNER (Hrsg.), Ur-Entwurf, Bd. II (1889), S. 335, 341 f. (134. Sitzung v. 11. Mai 1807). 386 OFNER (Hrsg.), Ur-Entwurf, Bd. II (1889), S. 399, 402 (147. Sitzung v. 14. Sept. 1807).

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Die Superrevision schließlich führt weder bei § 54 des Revidierten Entwurfs (§ 55 ABGB) noch bei § 866 des Revidierten Enwurfs (§ 870 ABGB) zu Änderungsvorschlägen,388 während bei § 874 des Revidierten Entwurfs (§ 879 ABGB) dem »Rechtsfreund« auf Anregung Pratobeveras zusätzlich noch verboten wird, die Streitsache an sich zu lösen.389 Die dargestellten Normen haben somit bei Inkrafttreten des ABGB vom 1. Juni 1811 (zum 1. Januar 1812) folgende Fassung: § 55 ABGB »Die Einwilligung zur Ehe ist ohne Rechtskraft, wenn sie durch eine gegründete Furcht erzwungen worden ist. Ob die Furcht gegründet war, muß aus der Größe und Wahrscheinlichkeit der Gefahr, und aus der Leibes- und Gemüthsbeschaffenheit der bedrohten Person beurtheilet werden.« § 565 ABGB »Der Wille des Erblassers muß bestimmt, nicht durch bloße Bejahung eines ihm gemachten Vorschlages; er muß im Zustande der vollen Besonnenheit, mit Ueberlegung und Ernst, frey von Zwang, Betrug, und wesentlichem Irrthume erkläret werden.« § 870 ABGB »Wer von dem annehmenden Theile durch ungerechte und gegründete Furcht zu einem Vertrage gezwungen worden, ist ihn zu halten nicht verbunden. Ob die Furcht gegründet war, muß von dem Richter aus den Umständen beurtheilet werden. (§. 55.)« § 879 ABGB »Insbesondere sind, außer den am gehörigen Orte angeführten, folgende Verträge ungültig: 1) Wenn etwas für die Unterhandlung eines Ehevertrages bedungen wird; 2) Wenn ein Wundarzt oder was immer für ein Arzt sich von dem Kranken für die Uebernehmung der Cur; oder 3) Wenn ein Rechtsfreund sich für die Uebernehmung eines Processes eine bestimmte Belohnung bedingt; oder eine ihm anvertraute Streitsache an sich löset; 4) Wenn eine Erbschaft oder ein Vermächtniß, die man von einer dritten Person hofft, noch bey Lebzeiten derselben veräußert wird.«390

Als ein Jahrhundert später das ABGB durch die drei Teilnovellen von 1914 bis 1916 einer Revision unterzogen wird,391 bleiben diese Vorschriften im Wesentlichen unverändert: In § 870 ABGB wird neben der »Furcht« nun auch die »List« aufgeführt; der bisherige Satz 2 wird gestrichen, abgesehen von der Verweisung auf § 55 ABGB. § 879 ABGB erhält einen neuen ersten Absatz, der die Nichtigkeit von Verträgen bei Verstoß gegen ein VerbotsgeOFNER (Hrsg.), Ur-Entwurf, Bd. II (1889), S. 403 (148. Sitzung v. 21. Sept. 1807). Vgl. OFNER (Hrsg.), Ur-Entwurf, Bd. II (1889), S. 493, 500 (161. Sitzung v. 13. Nov. 1809) bzw. S. 555, 556 f. (169. Sitzung v. 11. Dez. 1809). 389 OFNER (Hrsg.), Ur-Entwurf, Bd. II (1889), S. 555, 557 (169. Sitzung v. 11. Dez. 1809). 390 Zu den letzten Umstellungen innerhalb der Vorschrift durch Zeiller vgl. OFNER (Hrsg.), Ur-Entwurf, Bd. II (1889), S. 756. 391 RGBl. 1914, Nr. 276, S. 1115–1124; RGBl. 1915, Nr. 208, S. 443 f.; RGBl. 1916, Nr. 69, S. 135–161. Vgl. hierzu DÖLEMEYER, Ius Commune 6 (1977), 274 ff.; DIES., in: Coing (Hrsg.), Handbuch, Bd. III/2 (1982), S. 1782 ff.; DIES., in: 200 Jahre ABGB (2012), S. 353, 367 ff. 387 388

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setz oder Sittenwidrigkeit anordnet; die bisherigen Tatbestände aus Nr. 1, 3 und 4 werden leicht umformuliert zu Abs. 2 Nr. 1 bis 3, während der bisherige Tatbestand aus Nr. 2 entfällt und stattdessen in Abs. 2 Nr. 4 der Wuchertatbestand Aufnahme findet.392 Die in § 55 ABGB enthaltene Definition der »gegründeten Furcht« wird zusammen mit den anderen Vorschriften zur Eheschließung im Zuge des Anschlusses an das Deutsche Reich durch § 128 des Ehegesetzes vom 6. Juli 1938 aufgehoben.393 Seitdem verweist § 870 ABGB diesbezüglich auf eine nicht mehr existierende Vorschrift. c) Frankreich In der französischen Literatur des Ancien Régime vertreten prominente Stimmen wie Domat oder Pothier grundsätzlich ähnliche Positionen zu metus wie der Usus modernus. So setzen sowohl Domat als auch Pothier für beachtlichen metus die Drohung mit einem erheblichen Übel (quelque mal considerable bzw. grand mal) voraus.394 Der objektive Maßstab des vir constantissimus (l’homme le plus courageux) aus dem römischen Recht wird jedoch deutlich eingeschränkt. Stattdessen wird darauf abgestellt, wie sich die Drohung nach den konkreten Umständen des Einzelfalls aus subjektiver Sicht des Bedrohten darstellt, wobei auf dessen Alter, Geschlecht und Verfassung (à l’âge, au sexe et à la condition) Rücksicht zu nehmen ist: »Tous ces principes du Droit Romain sont très-justes, et pris dans le Droit naturel; sauf que celui qui ne connoît d’autre crainte suffisante pour faire pécher un contrat par défaut de liberté, que celle qui est capable de faire impression sur l’homme le plus courageux, est trop rigide, et ne doit pas être parmi nous suivi à la lettre: mais on doit en cette matiere avoir égard à l’âge, au sexe et à la condition des personnes; et telle crainte qui ne seroit pas jugée suffisante pour avoir intimidé l’esprit d’un homme d’un âge mûr et d’un militaire, et pour faire en conséquence rescinder le contrat qu’il aura fait, peut être jugée suffisante à l’égard d’une femme ou d’un vieillard. Voyez Brunneman, ad L. 6, ff. quod metus causa [Dig. 4, 2, 6], et les Docteurs par lui cités.«395

Bloßer metus reverentialis ist freilich unbeachtlich, es sei denn, derjenige, der die betreffende Person in seiner Gewalt (sous sa puissance) hat, setzt zudem Misshandlungen oder Drohungen (les mauvais traitemens ou les menaces) ein, wie Pothier in Übereinstimmung mit dem Ius commune (minae vel verbera) ausführt: RGBl. 1916, Nr. 69, S. 135, 145. RGBl. 1938 I S. 807, 822. 394 DOMAT, Les loix civiles, Tome I, 2nde éd. (1695), Liv. I, Tit. 18, Sect. 2, Art. 1 et 3; POTHIER, Traité des Obligations, Partie I, Chap. I, Sect. 1, Art. 3, § 2, No 25. 395 POTHIER, Traité des Obligations, Partie I, Chap. I, Sect. 1, Art. 3, § 2, No 25 a. E. – Zu Brunnemann s. o. Fn. 284. – Ähnlich DOMAT, Les loix civiles, Tome I, 2nde éd. (1695), Liv. I, Tit. 18, Sect. 2, Préambule et Art. 7. 392 393

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»La crainte de déplaire à un père, à une mère, ou autres personnes à qui l’on doit des égards, n’est pas non plus une crainte qui rende vicieux le contrat fait par l’impression de cette espece de crainte; L. 22, ff. de Ritu nuptiarum [Dig. 23, 2, 22]; L. 26, § 1, ff. de pignoribus et hypothecis [Dig. 20, 1, 26, 1]; […] Mais si celui qui a une personne sous sa puissance, avoit employé les mauvais traitemens ou les menaces pour la forcer à contracter, le contrat pourroit, selon les circonstances, être sujet à rescision.«396

Mit Blick auf letztwillige Verfügungen werden bloße Schmeicheleien weiterhin als unschädlich betrachtet, solange nicht die Hinfälligkeit eines kranken Erblassers auf ungebührliche Art ausgenutzt wird: »Il ne faut pas confondre avec les voyes illicites […] quelques voyes dont plusieurs se servent pour attirer les dispositions d’un testateur, comme des services, des offices, des caresses, des flateries, des presens, l’interposition de personnes qui leur ménagent la bonne volonté du testateur, et l’engagent à quelque disposition à leur avantage. […] mais que, par exemple, des personnes abusant de la foiblesse d’un malade à l’extremité, eussent concerté un testament qu’on luy eût presenté, luy demandant aprés le luy avoir lû, s’il ne vouloit pas en approuver les dispositions, et qu’il eût dit qu’ouy. Ce qui seroit une suggestion veritablement illicite, et qui étant prouvée annulleroit de pareilles dispositions.«397

Die weitere Entwicklung wird ganz maßgeblich durch Pothiers posthum erschienenen Traité des Donations Entre-vifs beeinflusst, in dem er sich eingehend mit dem Verbot von Schenkungen auseinandersetzt, sei es an den Vormund (tuteur) oder Verwalter (administrateur), sei es an alle, bei denen vermutet wird, dass sie über den Geist der Zuwendenden zu viel Macht besitzen (sur l’esprit desquelles on présume qui’ils ont trop de pouvoir).398 Der Droit coutumier verbietet nämlich lebzeitige oder letztwillige Zuwendungen an den Vormund oder Verwalter sowie an Personen, die von diesen zwischengeschaltet werden, insbesondere an deren Kinder, solange die Vermögensverwaltung andauert bis zur abschließenden Rechnungslegung. Ausgenommen von diesem Verbot werden nur Eltern, die als Vormund ihrer Kinder fungieren und nicht wieder verheiratet sind: POTHIER, Traité des Obligations, Partie I, Chap. I, Sect. 1, Art. 3, § 2, No 27. – Ähnlich DOMAT, Les loix civiles, Tome I, 2nde éd. (1695), Liv. I, Tit. 18: »Mais s’il se plaint seulement que la dignité, ou l’authorité de la personne avec qui il a traitté luy a fait des impressions qui l’ont porté à donner un consentement, qu’il n’auroit pas donné sans cette circonstance; ces sortes d’impressions n’étant accompagnées ny de force, ny de menaces, laissent la liberté entiere, et n’annullent pas la convention.« – Ferner DOMAT, a. a. O., Sect. 2, Art. 9: »Ainsi, le conseil et l’authorité des personnes dont le respect engage à quelque condescendance, comme d’un père, d’un Magistrat, ou d’autres personnes qui sont dans quelque dignité, et qui s’interessent à exhorter, et engager à quelque convention, sans violence, sans menace, sont des motifs dont l’impression n’a rien de contraire à la liberté: et ne donnent pas d’atteinte aux conventions.« 397 DOMAT, Les loix civiles, Tome III, 2nde éd. (1697), Liv. III, Tit. 1, Sect. 5, Art. 25 ff. – Ähnlich POTHIER, Traité des Donations Testamentaires, Chap. 2, Sect. 2, Art. 7 »De la Suggestion« (S. 325). Hierzu SCHOLTENS, (1960) Acta Juridica 276, 283. 398 POTHIER, Traité des Donations Entre-vifs, Sect. 1, Art. 2, § 8 (S. 450 ff.). 396

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»L’Ordonnance de 1539, art. 131, déclare nulles toutes les Donations entre-vifs et testamentaires, faites au profit des tuteurs et autres administrateurs. L’Ordonnance de 1549 ajoute, ou à toutes personnes par eux interposées. La Coutume de Paris, conformément à ces dispositions, dit, art. 276, que les mineurs et autres sous la puissance d’autrui, ne peuvent donner ni tester directement ni indirectement au profit de leurs tuteurs, curateurs, pédagogues ou autres administrateurs, ou aux enfants desdits administrateurs, pendant le temps de leur administration, et jusqu’à ce qu’ils aient rendu leur compte. Elle en excepte néanmoins les ascendans qui auroient eu la tutelle de leurs enfans, pourvu qu’ils ne soient pas remariés.«399

Der Grund für diese Ausnahme sei die elterliche Pietät (piété paternelle), die jeden Verdacht ausschließe, dass Eltern dem Willen ihrer Kinder Zwang antun (gêner la volonté), um von diesen eine lebzeitige oder letztwillige Zuwendung zu erhalten. Denn der natürliche Wunsch der Eltern sei es eher umgekehrt, etwas von ihrem eigenen Vermögen auf ihre Kinder zu übertragen.400 Dabei wird auch die Detailfrage aufgeworfen, ob der Vormund außer der Rechnungslegung auch noch seine Außenstände (reliquat) gegenüber dem Mündel beglichen haben muss, damit das Abhängigkeitsverhältnis endet. Während manche dies bejahen, sieht Pothier hierfür keine Notwendigkeit, da das Mündel mit der Rechnungslegung die Stellung eines vollständig informierten Gläubigers erlange und nicht mehr vom Vormund, seinem Schuldner abhängig sei; ansonsten müsste bei jedem Gläubiger eine entsprechende Abhängigkeit von seinem Schuldner angenommen werden, so dass schlichtweg alle Schenkungen des Gläubigers an Schuldner zu verbieten wären, was im Ergebnis wohl kaum sein könne.401 Im Übrigen hält es Pothier für mehr als gerechtfertigt, dass dieses Schenkungsverbot die Kinder des Vormunds miterfasst, da eine Zuwendung an sie indirekt immer auch dem Vormund zugute komme, der ohnehin meistens mehr an die Versorgung seiner Kinder denke als an die eigene. Aus derselben POTHIER, Traité des Donations Entre-vifs, Sect. 1, Art. 2, § 8 (S. 450 f.). POTHIER, Traité des Donations Entre-vifs, Sect. 1, Art. 2, § 8 (S. 451 f.): »3o […] La raison sur laquelle est fondée cette interprétation […] est que la piété paternelle exclut dans ces personnes tout soupçon qu’elles aient voulu gêner la volonté de leurs enfans, en extorquant d’eux des Donations ou legs, le vœu naturel des peres étant plutôt de transmettre et faire passer leurs biens à leurs enfans, que de chercher à se faire passer les biens de leurs enfans.« 401 POTHIER, Traité des Donations Entre-vifs, Sect. 1, Art. 2, § 8 (S. 452): »4o […] Je ne pense pas néanmoins que le paiement du reliquat soit absolument nécessaire pour faire cesser l’incapacité. Car le mineur, étant pleinement instruit de tous ses droits par le compte qui lui a été rendu, et demeurant seulement créancier d’une somme liquide de son tuteur, qu’il peut exiger de lui comme d’un autre débiteur, il cesse dès-lors d’être dans la dépendance de son tuteur; ce qui suffit pour faire cesser l’incapacité du ci-devant tuteur qui n’étoit fondée que sur cette raison. Autrement il faudroit dire que tous créanciers sont dans la dépendance de leurs débiteurs, et que tous débiteurs sont incapables de recevoir des Donations de leurs créanciers; ce qui est tout-à-fait absurde.« 399 400

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Erwägung müsse das Verbot ebenso für Schenkungen des Mündels an den Ehegatten und die Eltern des Vormunds gelten.402 Unter den Begriff des Verwalters (administrateur) fallen nach der Coutume de Paris zudem Lehrer (pédagogues) und Lehrherren (Maîtres ou Maîtresses), die zwar nicht für das Vermögen, wohl aber für die Person ihrer Schüler (éleves et disciples) bzw. Lehrlinge (apprentifs) Sorge zu tragen haben. Angesichts ihres entsprechenden Züchtigungsrechts (droit de correction) sei ihr Einfluss (empire) auf den Geist (esprit) ihrer Zöglinge nicht geringer zu bewerten als der eines Vormunds oder Verwalters.403 Aus ähnlichen Gründen erstreckt die Rechtsprechung das Schenkungsverbot des Droit coutumier darüber hinaus auf geistliche Begleiter und Beichtväter, Vertreter der Heilberufe sowie Anwälte: »7o La Jurisprudence a encore étendu les dispositions de l’Ordonnance et de la Coutume à plusieurs autres especes de personnes, sçavoir: 1o Aux Directeurs, Confesseurs. L’empire que ces personnes acquierent ordinairement sur l’esprit de leurs pénitens, et beaucoup plus sur l’esprit de leurs pénitentes, a servi de motif à cette extension. […] 2o Un semblable motif a fait étendre la disposition de l’Ordonnance aux Médecins, Chirurgiens, Apothicaires, Empyriques, Opérateurs qui ont entrepris une cure. […] 3o Par un semblable motif, on a étendu la disposition de l’Ordonnance aux Procureurs […]«404

Denn gewöhnlich bestehe ein vergleichbarer Einfluss auf den Geist (empire … sur l’esprit) der Beichtkinder, vor allem der weiblichen. Selbst wenn der Beichtvater als Ordensangehöriger kein persönliches Eigentum besitzen dürfe, sei immer noch zu befürchten, dass er dem Beichtkind eine Zuwendung an seinen Orden oder seine Gemeinschaft abzuringen versuche, die daher eben402 POTHIER, Traité des Donations Entre-vifs, Sect. 1, Art. 2, § 8 (S. 453): »5o Ce que la Coutume décide, qu’on ne peut donner aux enfants des administrateurs est encore une interprétation de l’Ordonnance; car l’affection que les peres ont pour les enfants, fait que ce qui est donné aux enfants, est censé donné aux peres. Quod donatur filio videtur donatum patri; et il n’y auroit pas moins à craindre que l’administrateur ne pouvant se faire donner à lui-même, extorquât des Donations pour ses enfans, qu’il y auroit à craindre qu’il en extorquât pour lui-même, si la liberté lui en étoit laissée, les peres ayant ordinairement plus de passion pour enrichir leurs enfans, que pour s’enricher eux-mêmes. […] il s’ensuit que celles faites à la femme ou au mari, ou aux ascendans du tuteur ou administrateur, doivent par la même raison être réprouvées; car elles sont aussi en quelque façon faites au tuteur lui-même.« 403 POTHIER, Traité des Donations Entre-vifs, Sect. 1, Art. 2, § 8 (S. 453): »6o C’est encore par une interprétation de l’Ordonnance, que la Coutume a compris les pédagogues sous le terme général d’autres administrateurs, dont l’Ordonnance s’étoit servie; car les pédagogues ont l’administration ou gouvernement, non à la vérité des biens, mais de la personne des éleves et disciples, ayant sur eux un droit de correction, ils ne doivent pas avoir sur leur esprit un moindre empire qu’en ont les tuteurs et curateurs […] Des Maîtres ou Maîtresses sont aussi, à l’égard de leurs apprentifs, des especes de pédagogues, à cause du droit de correction qu’ils ont sur eux.« 404 POTHIER, Traité des Donations Entre-vifs, Sect. 1, Art. 2, § 8 (S. 454).

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falls unter das Verbot fielen.405 Eine ähnliche Machtposition hätten auch Vertreter der Heilberufe inne, denen die auf Heilung hoffenden Patienten nichts abzuschlagen wagten (n’osent rien refuser).406 Hinsichtlich der Anwälte ist zu differenzieren zwischen dem sog. Procureur einerseits, der für die Partei Prozesshandlungen vornimmt, und dem sog. Avocat andererseits, der für die Partei in der mündlichen Verhandlung vor Gericht auftritt. Der Procureur wird gemeinhin dem Zuwendungsverbot des Droit coutumier unterworfen, was Pothier allerdings auf Fälle beschränken möchte, bei denen es um das gesamte Vermögen des Mandanten oder wesentliche Teile davon geht. Nur dann habe der Streitgegenstand eine derart existentielle Bedeutung für den Mandanten (affaire embarrassée), dass er sich nicht mehr traue, seinem Anwalt etwas zu verweigern (n’oseroit rien lui refuser), weil er sich von diesem abhängig sieht.407 Der Avocat wird hingegen uneinheitlich bewertet. Während manche wegen der noblesse dieses Berufsstandes keine Veranlassung für die Anwendung des Schenkungsverbots sehen, treten andere für eine Gleichbehandlung mit dem Procureur ein.408 Pothier ist insgesamt der Auffassung, dass Beichtväter, Ärzte und Anwälte sowie andere vergleichbare Personengruppen in diesem Zusammenhang we405 POTHIER, Traité des Donations Entre-vifs, Sect. 1, Art. 2, § 8 (S. 454): »Lorsque le Confesseur est un Religieux ou Membre de quelque Communauté, le Couvent ou la Communauté dont il est membre, et celles du même Ordre, sont incapables de recevoir des Donations des pénitens de ce Confesseur; car il y a également à craindre qu’il n’abuse de l’empire qu’il a sur l’esprit de son pénitent, pour extorquer quelque Donation au profit de cette Communauté, comme il y a lieu de craindre qu’un Confesseur n’en extorque pour luimême, les Religieux étant ordinairement aussi portés pour les intérêts de leur Communauté, que les Séculiers le sont pour leurs propres intérêts.« 406 POTHIER, Traité des Donations Entre-vifs, Sect. 1, Art. 2, § 8 (S. 454): »Toutes ces personnes sont incapables de recevoir aucunes Donations ni legs de leurs malades, lesquels pour avoir la guérison, n’osent rien refuser à ces personnes, desquelles ils s’imaginent pouvoir l’obtenir. La Jurisprudence est en cela conforme aux Loix Romaines. L. 9, Cod. de Professoribus et Medicis [Cod. 10, 53, 9].« 407 POTHIER, Traité des Donations Entre-vifs, Sect. 1, Art. 2, § 8 (S. 454): »[…] on les a jugés incapables de recevoir aucunes Donations ni legs de leurs clients. Au reste, pour que ce motif reçoive application, je pense qu’il faut, pour qu’un Procureur soit incapable de recevoir de dons et legs de son client, que l’affaire qu’il a entre les mains, soit une affaire embarrassée, et dans laquelle il s’agisse de toute la fortune, ou d’une partie considérable de la fortune du client; ce qui met dans ce cas le client dans sa dépendance, qui, pour sortir d’une affaire importante, qui est entre les mains de son Procureur, n’oseroit rien lui refuser. Si l’affaire étoit de peu d’importance, et très-simple par elle-même, alors le motif de l’Ordonnance ne paroîtroit pas recevoir d’application.« 408 POTHIER, Traité des Donations Entre-vifs, Sect. 1, Art. 2, § 8 (S. 454): »A l’égard des Avocats, il y en a qui pensent que la noblesse de leur profession doit écarter d’eux tout soupçon de vue intéressée, et par conséquent qu’ils ne doivent pas être incapables de recevoir des Donations de leurs cliens. Néanmoins Ricard pense que les Avocats doivent être incapables de recevoir des Donations de leurs cliens aussi-bien que les Procureurs.«

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niger streng zu behandeln seien als Vormünder oder Verwalter, da das Zuwendungsverbot hier nicht auf einem Gesetz, sondern nur auf Richterrecht beruhe. Deshalb seien bei ihnen maßvolle Geschenke oder Vermächtnisse von diesem Verbot auszunehmen. Selbst bedeutendere Zuwendungen seien zulässig, sofern sie auf einem nachvollziehbaren Motiv des Zuwendenden beruhen, insbesondere wenn es sich um einen nahen Angehörigen handelt, der ohnehin als Erbe vorgesehen ist. Es komme dabei aber immer auf die konkreten Umstände an: »L’incapacité des Confesseurs, Médecins, Procureurs, et autres semblables personnes, n’étant établie par aucune Loi, comme l’est celle des tuteurs et administrateurs, mais seulement sur la Jurisprudence des Arrêts, il s’ensuit que cette incapacité ne doit pas être si strictement interprétée. C’est pourquoi, lorsque les Donations et legs faits à ces sortes de personnes sont modiques, et n’excedent pas les bornes d’une juste reconnoissance, ils doivent subsister. Lors même qu’ils sont plus considérables, s’il paroît des motifs probables qui aient pu porter le donateur à les faire, ils doivent subsister, comme si cette personne étoit le proche parent; par exemple, si ce Confesseur, ce Médecin, etc. étoit un petit neveu du défunt, que le défunt ait rappellé à sa succession. Ceci doit néanmoins dépendre des circonstances.«409

Um das missbrauchsanfällige Abhängigkeitsverhältnis zu charakterisieren werden alles in allem also folgende Begrifflichkeiten verwendet: Zunächst stellt die Coutume de Paris bezüglich des Mündels auf die Gewalt des anderen ab, in der es sich befindet (sous la puissance d’autrui). Dann wird bei Pädagogen auf den Einfluss verwiesen, den sie auf den Geist ihrer Schüler haben; Gleiches gilt für Beichtväter mit Blick auf ihre Beichtkinder (empire … sur l’esprit). Bei den Heilberufen und Anwälten schließlich wird argumentiert, dass ihnen ihre Patienten und Mandanten nichts abzuschlagen wagen (n’osent rien refuser). Vom Unterworfensein unter die Gewalt (sous sa puissance), das Pothier auch für beachtlichen metus reverentialis verlangt,410 öffnet sich somit die Begrifflichkeit hin zu vergleichbaren Verhältnissen. aa) Die Vorentwürfe von Cambacérès und Jacqueminot Im Zuge der Französischen Revolution kommt es zu mehreren Vorentwürfen für eine zivilrechtliche Kodifikation.411 In seinem Premier Projet von 1793 geht Cambacérès im Obligationenrecht nur knapp auf den Mangel der Willensfreiheit (défaut de liberté) ein und führt als Beispiel einen durch Freiheitsberaubung abgerungenen Vertrag an (III 1 Art. 14 No 2).412 Das Deuxième POTHIER, Traité des Donations Entre-vifs, Sect. 1, Art. 2, § 8 (S. 455). Siehe oben Fn. 396. 411 Vgl. HALPÉRIN, Le Code civil, 2e éd. (2003), S. 10 ff. 412 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome I (1827), S. 17, 66 f.: »[…] 2o Le défaut de liberté, comme si une obligation était passée par un détenu en charte privée, au profit de celui qui le détiendrait.« 409 410

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Projet von 1794 schickt die apodiktische Feststellung voraus, dass ein Vertrag der Zustimmung (consentement) bedarf (III 1 Art. 145): Hieran fehlt es jedoch insbesondere, wenn auf eine Partei violence grave ausgeübt wurde, ohne diesen Begriff aber näher zu definieren (III 1 Art. 149).413 Parallele Regelungen finden sich ebenfalls im Troisième Projet von 1796 (III 1 Art. 709 bzw. Art. 717 und 719).414 Im Übrigen wird weder violence im Eherecht thematisiert,415 noch werden im Schenkungsrecht etwa Zuwendungen an den Vormund, Verwalter oder vergleichbare Personengruppen verboten.416 Allerdings wird sowohl im Premier Projet (II 3 Art. 37)417 als auch im Troisième Projet (II 6 Art. 583)418 jeweils festgehalten, dass bloßes Einflüstern, Vereinnahmen oder dergleichen (suggestion, captation ou autre motif) für eine letztwillige Verfügung unschädlich seien. Im Troisième Projet findet sich darüber hinaus die bemerkenswerte Bestimmung, dass der Zuwendende eine letztwillige Zuwendung mindestens zehn Tage vor seinem Tod getroffen haben muss (II 6 Art. 573).419 Jacqueminot dagegen statuiert in seinem Projet von 1799 ausdrücklich die Ungültigkeit einer Ehe, wenn diese auf Zwang (violence) beruht, der geeignet ist, einen starken Charakter (esprit fort) einzuschüchtern (Titel Du mariage, Art. 4 No 2).420 Außerdem stellt das Schenkungsrecht ein Verbot von unentgeltlichen Zuwendungen an den Vormund auf, das selbst nach Beendigung der Vormundschaft noch solange weiter gilt, bis die Schlussrechnung (compte définitif) des Vormunds »abgelegt« (rendu) und »als richtig anerkannt« (apuré)421 worden ist (Titel Des Donations entre-vifs et à cause de mort, Art. 6): FENET (Éd.), Recueil complet, Tome I (1827), S. 110, 123 f. FENET (Éd.), Recueil complet, Tome I (1827), S. 178, 278. 415 Vgl. FENET (Éd.), Recueil complet, Tome I (1827), S. 17, 18 f. (I 2 Art. 1 ff. Premier Projet); S. 110, 113 f. (I 5 Art. 35 ff. Deuxième Projet); S. 178, 224 f. (I 5 Art. 267 ff. Troisième Projet). 416 Vgl. FENET (Éd.), Recueil complet, Tome I (1827), S. 17, 50 ff. (II 3 Art. 21 ff. Premier Projet); S. 110, 119 f. (II 6 Art. 93 ff. Deuxième Projet); S. 178, 259 ff. (II 6 Art. 538 ff. Troisième Projet). 417 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome I (1827), S. 17, 52 f.: »[…] aucune disposition n’est révocable pour raison de survenance d’enfans, d’ingratitude, de suggestion, captation ou autres motifs.« 418 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome I (1827), S. 178, 264: »Aucune donation à cause de mort ne peut être annulée pour suggestion, captation ou autre motif quelconque.« 419 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome I (1827), S. 178, 263: »Aucune donation à cause de mort n’est valable, si elle n’a dix jours de date à la mort du donateur.« 420 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome I (1827), S. 333: »[…] 2o Si l’un des époux a cédé à une violence capable d’intimider un esprit fort«. 421 Zur Begrifflichkeit ZACHARIÄ, Handbuch, Bd. I (1837), § 116, S. 256 mit Fn. 10; Bd. IV (1837), § 649, S. 187. 413 414

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Art. 6 »Le mineur ne peut donner à son tuteur. Lors même qu’il est devenu majeur, il ne peut lui donner, si le compte définitif de la tutelle n’a été préalablement rendu et apuré. Sont néanmoins exceptés les tuteurs naturels et légitimes.«422

Jacqueminot übernimmt in dieser Frage also vollständig die von Pothier vertretene Ansicht.423 Untersagt werden ferner unentgeltliche Zuwendungen an den Arzt (officier de santé), der einen tödlich Erkrankten behandelt (a.a.O., Art. 14): Art. 14 »Le malade, dans le cours de la maladie dont il décède, ne peut donner à l’officier de santé qui le traite.« 424

Daneben wird aber kein Beweis zugelassen, dass die Zuwendung durch bloßes Einreden oder Vereinnahmen (suggestion ou captation) veranlasst wurde (a.a.O., Art. 4 Abs. 3): Art. 4 Abs. 3 »La loi n’admet point la preuve que la donation n’a été faite que par haine, colère, suggestion ou captation.«425

Das private, unveröffentlicht gebliebene Projet von Target426 schließlich ordnet im Eherecht ebenfalls die Ungültigkeit der Ehe an, die auf violence grave beruht (Titel Mariage, Art. 41-bis).427 Darüber hinaus werden im Schenkungsrecht unentgeltliche Zuwendungen an den Vormund, den Lehrherren, den behandelnden Arzt und den beurkundenden Notar sowie an deren Angehörige verboten. Das Verbot für den Vormund soll aber – anders als bei Pothier und Jacqueminot – erst dann enden, wenn dieser nicht nur seine Schlussrechnung erstellt, sondern auch seine Außenstände (reliquat) beglichen hat (Titel Dispositions à titre gratuit, Art. 145).428 Überdies wird ein weiteres Mal betont, dass insbesondere bloßes Zureden (suggestion) die Wirksamkeit unentgeltlicher Zuwendungen unberührt lässt, solange die Schwelle zu violence nicht überschritten wird (a.a.O., Art. 166).429 Ähnlich wie nach dem FENET (Éd.), Recueil complet, Tome I (1827), S. 333, 369. Siehe oben Fn. 401. 424 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome I (1827), S. 333, 370. 425 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome I (1827), S. 333, 369. 426 Vgl. hierzu SOLIMANO, Verso il Code Napoléon (1998), S. 235 ff. sowie die Edition a. a. O., Appendice, S. 357 ff. 427 SOLIMANO, Verso il Code Napoléon (1998), Appendice, S. 361: »[…] il est nul s’il est l’effet d’une violence grave«. – Vgl. hierzu a. a. O., S. 260. 428 SOLIMANO, Verso il Code Napoléon (1998), Appendice, S. 372: »Les tuteurs ou curateurs avant le compte rendu et le reliquat payé, les maîtres à l’égard de leurs apprentifs ou de leurs domestiques, les médecins et chirurgiens de la dernière maladie, les notaires devant qui sont passés les actes de disposition, leurs chères, les témoins sont incapables de recevoir par eux mêmes, par leurs ascendans, descendans héritiers ou par personnes interposées.« 429 SOLIMANO, Verso il Code Napoléon (1998), Appendice, S. 374: »Les dispositions gratuites valables ne peuvent être attaquées pour cause de suggestion, de haine contre l’héritier, ni pour autre cause que celle de violence ou démence.« 422 423

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Troisième Projet von Cambacérès sind Testamente (a.a.O., Art. 162) sowie aber auch Schenkungen (a.a.O., Art. 161) nichtig, wenn der Zuwendende danach nicht mindestens noch vierzig Tage weitergelebt hat.430 bb) Projet de l’An IX Die von Napoleon eingesetzte Kommission – mit Tronchet, BigotPréameneu, Portalis und Maleville – stellt mit ihrem Anfang 1801 vorgelegten Projet de l’An IX wesentliche Weichen für die Zukunft.431 Die Willensmängel werden nun eingehend im Obligationenrecht geregelt (III 2 Art. 7 ff.).432 Dabei wird insbesondere eine Legaldefinition des Zwangs (violence) aufgenommen (III 2 Art. 10), die insoweit an den Voraussetzungen des Ius commune für beachtlichen metus festhält, als sie die Drohung mit einem bedeutenden Übel (mal considérable) für die Person oder das Vermögen verlangt. Zugleich modifiziert sie diese Voraussetzungen aber dahin gehend, dass nicht mehr der vir constans sondern eine vernünftige Person (personne raisonnable) als Maßstab herangezogen wird. Außerdem sind Alter, Geschlecht und Verfassung der beteiligten Personen zu berücksichtigen: III 2 Art. 10 »La violence n’annulle le contrat que lorsqu’elle était de nature à faire impression sur une personne raisonnable, et qu’elle a pu lui inspirer la crainte d’exposer sa personne ou sa fortune à un mal considérable et présent. On a égard en cette matière, à l’âge, au sexe, et à la condition des personnes.«

Der Entwurf verlässt also den eher starren gemeinrechtlichen Rahmen mit seinen Parametern maius malum und vir constans zugunsten eines flexibleren Ansatzes, der sich den individuellen Umständen des Einzelfalls öffnet. In Übereinstimmung mit den hergebrachten Positionen des Ius commune stellt der Entwurf jedoch klar, dass bloßer metus reverentialis (crainte révérentielle) ohne die Ausübung von Gewalt nicht genügt: III 2 Art. 12 »La seule crainte révérentielle envers le père, la mère, ou un ascendant, ne suffit point pour annuller le contrat, s’il n’y a eu une violence exercée.«

Die Aufnahme dieser Bestimmung mag auch durch den beschriebenen Paradigmenwechsel beim Tatbestand der Gewalt selbst bedingt sein, um dessen Ausufern durch eine etwaige Berücksichtigung aller subjektiven Befindlichkeiten zu verhindern. Als Rechtsfolge zieht violence nicht die Nichtigkeit des Vertrags nach sich, sondern nur dessen Vernichtbarkeit im Wege der action de nullité ou en restitution (III 2 Art. 16).

430 431 432

SOLIMANO, Verso il Code Napoléon (1998), Appendice, S. 374. Zur Bezeichnung und Datierung HALPÉRIN, Le Code civil, 2e éd. (2003), S. 16 ff., 18. FENET (Éd.), Recueil complet, Tome II (1827), S. 160 ff.

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Im Eherecht wiederum sieht der Entwurf der Kommission – ähnlich wie schon das Projet von Jacqueminot und das von Target – ausdrücklich die Ungültigkeit einer erzwungenen Ehe vor: I 5 Art. 5 »Le mariage n’est pas valable, si les deux époux n’y ont pas donné un consentement libre et formel. Le consentement n’est point libre, […] 2o S’il est l’effet de la violence; […]«433

Völlig unverändert wird aus dem Projet von Jacqueminot das Verbot von Zuwendungen des Mündels an den Vormund in das Schenkungsrecht (Des Donations entre-vifs et du testament)434 des Kommissionsentwurfs übernommen: III 9 Art. 6 »Le mineur ne peut donner à son tuteur. Lors même qu’il est devenu majeur, il ne peut lui donner, si le compte définitif de la tutelle n’a été préalablement rendu et apuré. Sont néanmoins exceptés les tuteurs naturels et légitimes.«

Ebenso findet das Verbot von Zuwendungen eines Todkranken an den behandelnden Arzt aus dem Projet von Jacqueminot Eingang in den Kommissionsentwurf: III 9 Art. 14 »Le malade, dans le cours de la maladie dont il décède, ne peut donner à l’officier de santé qui le traite.«

Gleiches gilt für die so schon bei Jacqueminot angeordnete Unzulässigkeit des Beweises von suggestion bzw. captation: III 9 Art. 4 »Pour donner soit entre-vifs, soit par testament, if faut être, 1o Majeur; 2o Sain d’esprit au moment de la donation. […] La loi n’admet point la preuve que la disposition n’a été faite que par haine, colère, suggestion ou captation.«

Im Zuge der anschließenden Begutachtung des Entwurfs durch die französischen Gerichte hat der Tribunal de Cassation gegen die dargestellten Bestimmungen grundsätzlich keinerlei Einwände.435 Lediglich in Bezug auf das Zuwendungsverbot an den behandelnden Arzt schlägt er vor, hiervon maßvolle Geschenke und Vermächtnisse auszunehmen, die das Dreifache des üblichen Honorars nicht übersteigen.436 Von den zahlreichen Stellungnahmen der Appellationsgerichte greift nur die des Appellationsgerichts in Rennes die Definition von violence in III 2 Art. 10 des Entwurfs auf. Jedoch wird nicht etwa vorgeschlagen, den Inhalt FENET (Éd.), Recueil complet, Tome II (1827), S. 38. FENET (Éd.), Recueil complet, Tome II (1827), S. 274 ff. 435 Vgl. FENET (Éd.), Recueil complet, Tome II (1827), S. 415, 454, 582 bzw. 697. 436 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome II (1827), S. 415, 698: »[…] un don ou legs excédant le triple de ce qui pourrait lui être légitimement dû. – Un legs non excessif paraît devoir être autorisé, de la part du malade, envers l’officier de santé qui l’a traité.« 433 434

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der Definition selbst zu ändern, sondern nur, diesen Artikel mit dem nachfolgenden in einer Vorschrift zusammenzuziehen.437 Substantiell ist hingegen die vom Appellationsgericht in Orléans aufgeworfene Frage, ob die Gewalt (violence), die nach III 2 Art. 12 des Entwurfs zur Ehrfurcht (crainte révérentielle) hinzukommen muss, sich mit dem Begriff der Gewalt nach III 2 Art. 10 des Entwurfs deckt. – Falls ja, wäre III 2 Art. 12 des Entwurfs aber überflüssig, denn dann würde bei Vorliegen derselben Gewalt immer schon III 2 Art. 10 des Entwurfs greifen. Folglich müsse den beiden Vorschriften ein unterschiedliches Verständnis von violence zugrunde liegen. Denn es genüge schon ein geringeres Ausmaß von Gewalt (moindre violence), um eine person raisonnable zu beeindrucken, wenn der Drohende ihr gegenüber eine Ehrfurcht gebietende Position innehat.438 Auf diese Weise versucht das Gericht, das Verhältnis der beiden Vorschriften konsistent aufzulösen. Mit Blick auf das in III 9 Art. 6 des Entwurfs vorgesehene Verbot von Schenkungen eines Mündels an seinen Vormund sprechen sich die Appellationsgerichte in Caen439 und Rouen440 – wiederum ähnlich wie schon Pothier – dafür aus, in Anlehnung an zahlreiche ältere Gesetze ebenso die Schenkungen eines Schülers an seinen Lehrer, eines Lehrlings an seinen Lehrherren oder eines Dieners an seinen Herrn zu verbieten. Das Appellationsgericht in Bourges beschäftigt sich mit der in III 9 Art. 6 (2) des Entwurfs geregelten Frage, unter welchen Voraussetzungen nach Beendigung der Vormundschaft eine Schenkung an den Vormund zulässig ist. Während der Entwurf hierfür verlangt, dass zuvor eine Schlussrechnung gelegt und als richtig anerkannt (rendu et apuré) wurde, möchte das Gericht zur Vermeidung von Missverständnissen noch ausdrücklich hinzufügen, dass eine etwaige Restschuld vom Vormund beglichen sein muss (et le reliquat payé). Denn solange der Vormund nicht seine verbliebenen Verbindlichkeiten bezahlt, bleibt das Mündel weiterhin in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis (dans une sorte de dépendance).441 – Ein Argument, das nicht FENET (Éd.), Recueil complet, Tome V (1827), S. 319, 368 f. FENET (Éd.), Recueil complet, Tome V (1827), S. 29, 61: »La violence, jointe à la crainte révérentielle, doit-elle, pour annuler le contrat, être la même que celle exprimée en l’article 10? Si cela est, celui-ci semble superflu. Il paraît qu’il n’y a été ajouté que parce qu’une moindre violence, jointe à la crainte révérentielle, peut faire impression sur une personne raisonnable.« 439 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome III (1827), S. 395, 441: »On aurait dû interdire aussi aux écoliers, apprentis et serviteurs, la faculté de donner à leurs maîtres et instituteurs. Beaucoup de lois anciennes consacrent ce principe.« 440 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome V (1827), S. 455, 525: »L’instituteur, le curateur, ne doivent-ils pas être mis dans la même classe que le tuteur?« 441 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome III (1827), S. 206, 240: »Ce mot apuré, qu’on trouve partout, ferait croire qu’on lui a donné le sens de soldé: c’est sans doute inattention. 437 438

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völlig von der Hand zu weisen ist, da das Mündel in dieser Phase immer noch auf den guten Willen des Vormunds angewiesen ist, um seine Forderungen gegen diesen zu realisieren, das heißt, die Beziehung zum Vormund ist immer noch anfällig für Pressionen. Insoweit vertritt das Gericht also, wie der Entwurf von Target, eine andere Auffassung als Pothier, der Entwurf von Jacqueminot und der Kommissionsentwurf. Das Appellationsgericht in Rennes schließlich möchte noch die Ausnahme vom Schenkungsverbot streichen, die III 9 Art. 6 (3) des Entwurfs für Eltern zulässt, die als Vormund ihrer Kinder fungieren. Denn seiner Ansicht nach seien die Möglichkeiten einer Einflussnahme hier noch größer.442 Was das Verbot von Zuwendungen an den behandelnden Arzt in III 9 Art. 14 des Entwurfs angeht, fordern die Appellationsgerichte in Brüssel,443 Rouen444 und Paris, dieses auch auf den Geistlichen zu erstrecken, der einen Todkranken seelisch betreut. Für den Fall, dass es untunlich erscheinen sollte, den Geistlichen ausdrücklich im Gesetz aufzuführen, schlägt letzteres eine allgemeine Formulierung vor und verweist auf die Vorschrift der Coutume de Paris, auf die schon Pothier abgestellt hatte. Danach knüpft das Verbot generell an ein Abhängigkeitsverhältnis (ceux qui sont en puissance d’autrui) an. Hierauf könnten – gewissermaßen als Regelbeispiele – besondere Bestimmungen zum Vormund und Arzt folgen: »L’article ne parle que des médecins: il est une autre espèce d’hommes contre lesquels la jurisprudence s’était précautionée; ce sont les confesseurs et directeurs. On peut n’en rien dire, en effet, si le silence de la loi suppose qu’ils n’existent pas, ou qu’ils existent sans abus: dans le cas contraire, il faut en parler; et si l’on ne veut pas rappeler leurs noms, on peut y suppléer par un article général, rédigé dans l’esprit de l’art. 276 de la Coutume de Paris, sur ceux qui sont en puissance d’autrui; viendraient ensuite les articles particuliers du tuteur et du médicin.«445

Einen anderen Gedanken Pothiers greifen in diesem Zusammenhang die Appellationsgerichte in Caen446 und Toulouse447 auf, als sie maßvolle Geschenke Jusqu’au paiement du reliquat, le mineur, même devenu majeur, est toujours dans une sorte de dépendance de son tuteur. On propose d’ajouter à l’article, et le reliquat payé.« 442 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome V (1827), S. 319, 383. 443 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome III (1827), S. 255, 276: »Ajouter: ›ni à celui qui le dirige comme ministre d’un culte‹.« 444 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome V (1827), S. 455, 525: »Ne faudrait-il pas mettre au même rang que le médecin du malade, le ministre de son culte qui l’assiste dans sa dernière maladie?« 445 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome V (1827), S. 91, 261. Vgl. ferner a. a. O., S. 260: »[…] et l’exception mentionnée en l’article suivant [III 9 Art. 6] reportée après l’article 8, parmi les incapacités de recevoir. Sa vraie place est avant l’article 14.« 446 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome III (1827), S. 395, 441: »Il faut pourtant excepter l’officier de santé qui se trouverait être le parent du malade dans un degré déterminé. Il ne faut pas qu’il soit privé des effets de la bienveillance de son parent, parce qu’il lui aurait donné des soins.«

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an den behandelnden Arzt zulassen wollen, vor allem wenn es sich um einen Angehörigen handelt. Zahlreiche Appellationsgerichte wenden sich nachdrücklich gegen die Regelung in III 9 Art. 4 (3) des Entwurfs und fordern, den Beweis von suggestion bzw. captation zuzulassen, da ansonsten betrügerischem Verhalten (dol et fraude) gegenüber dem Zuwendenden Tür und Tor geöffnet werde.448 Insgesamt lässt sich in den Stellungnahmen der Gerichte somit ein deutlicher Einfluss von Pothiers Gedankengut ausmachen. cc) Die abschließenden Beratungen Bei der Beratung des Obligationenrechts im Conseil d’État werden an III 2 Art. 10 und Art. 12 des Entwurfs nur noch kleine Umformulierungen vorgenommen:449 Zum einen wird bei III 2 Art. 10 des Entwurfs am Anfang der Charakter als Definition klarer herausgestellt (Il y a violence lorsqu’elle est de nature …), zum anderen wird bei III 2 Art. 12 des Entwurfs vor dem Wort ascedant das Adjektiv autre eingefügt.450 Die Diskussion im Conseil d’État dreht sich dabei noch einmal um das Verhältnis zwischen der personne raisonnable und dem vir constans des römischen Rechts. Während Lacuée zwischen den beiden einen eindeutigen Unterschied erkennt und den römischen vir constans als robuster und somit widerstandsfähiger ansieht, bemühen sich Bigot-Préameneu, Portalis und Maleville, eine Kontinuität zwischen den beiden Begriffen herzustellen, indem sie betonen, dass es schon immer auf die konkreten Umstände angekommen sei.451 Diese Sichtweise wird von Bigot-Préameneu auch gegenüber 447 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome V (1827), S. 554, 606: »Il n’y aurait pas d’inconvénient à faire une exception à l’égard des libéralités modiques, dont on pourrait fixer la quotité, en faveur de l’officier de santé, surtout lorsqu’il est parent du malade.« 448 Prägnant etwa das Appellationsgericht in Amiens, vgl. FENET (Éd.), Recueil complet, Tome III (1827), S. 124, 138: »Le dol et la fraude sont des moyens d’annulation contre tous les actes; pourquoi rejeter absolument la suggestion et la captation, qui ne sont en elles-mêmes que dol et fraude?« – Ferner a. a. O., Tome IV (1827), S. 419, 450 f. (Montpellier); Tome V (1827), S. 29, 74, (Orléans); S. 319, 382 f. (Rennes); S. 455, 525 (Rouen); S. 554, 606 (Toulouse). 449 Vgl. FENET (Éd.), Recueil complet, Tome XIII (1827), S. 3, 5 f. = LOCRÉ (Éd.), Législation, Tome 12 (1828), S. 89, 94 f. 450 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome XIII (1827), S. 3, 46 f. bzw. 48 = LOCRÉ (Éd.), Législation, Tome 12 (1828), S. 89, 132 f. bzw. 133 (Sitzung v. 3. Nov. 1803 = 11 Brumaire An XII). 451 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome XIII (1827), S. 3, 47 = LOCRÉ (Éd.), Législation, Tome 12 (1828), S. 89, 132 f.: »M. Lacuée observe que l’expression des lois romaines est plus forte que celle de personne raisonnable. – M. Bigot-Préameneu dit que c’est aussi pour mieux développer l’esprit de l’article que la section a ajouté qu’on a égard, en cette matière, à l’âge, au sexe et à la condition des personnes. – M. Portalis dit qu’on se méprend sur le sens des lois lorsqu’on prend leurs expressions dans l’acception qu’elles

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dem Corps-législatif – selbst mit Blick auf den homo constantissimus – vertreten.452 Letztlich bleibt aber festzustellen, dass der gemeinrechtliche Rahmen von metus durch die personne raisonnable und die Aufzählung der berücksichtigungsfähigen Umstände zugunsten einer flexibleren Handhabung durch den Richter geöffnet wird.453 Im weiteren Verlauf der Schlussredaktion bleiben die beiden Vorschriften unverändert,454 so dass sie dergestalt als Art. 1112 und 1114 Cc in Kraft treten: Art. 1112 Cc »Il y a violence lorsqu’elle est de nature à faire impression sur une personne raisonnable, et qu’elle peut lui inspirer la crainte d’exposer sa personne ou sa fortune à un mal considérable et présent. On a égard, en cette matière, à l’âge, au sexe et à la condition des personnes.« Art. 1114 Cc »La seule crainte révérentielle envers le père, la mère, ou autre ascendant, sans qu’il y ait eu de violence exercée, ne suffit point pour annuller le contrat.«455

Im Eherecht wird I 5 Art. 5 des Kommissionsentwurfs nach Anhörung der Gerichte zunächst gewissen, eher redaktionellen Änderungen unterzogen. Die Wendung consentement libre et formel wird verschlankt zu consentement libre. Zudem wird die Reihenfolge der aufgeführten Willensmängel dahin gehend geändert, dass violence nun als erster Tatbestand genannt wird: »Le mariage n’est pas valable, si les deux époux n’y ont pas donné un consentement libre. Il n’y a point de consentement, 1o S’il y a eu violence; […]«456

ont dans le langage ordinaire. […] quand les lois romaines parlent de la crainte capable d’affecter celui qu’elles nomment constantem virum, elles veulent dire qu’on ne doit pas avoir égard aux circonstances qui pourraient faire peur à un enfant, mais seulement à celles qui sont de nature à causer à un homme fait une frayeur raisonnable. – M. Maleville dit que l’expression constantem virum a toujours été ainsi entendue.« 452 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome XIII (1827), S. 215, 223 = LOCRÉ (Éd.), Législation, Tome 12 (1828), S. 289, 320: »Ces expressions in homine constantissimo ont été rendues dans leur véritable sens, en déclarant qu’il y a violence lorsqu’elle est de nature à faire impression sur une personne raisonnable, et en donnant aux juges pour instruction qu’ils doivent avoir égard à l’âge, au sexe et à la condition des personnes. Il faut, comme dans la loi romaine, que ce soit une violence qui puisse inspirer la crainte d’exposer sa personne ou sa fortune à un mal considérable et présent.« 453 Vgl. hierzu ferner WINDSCHEID, Zur Lehre des Code Napoleon von der Ungültigkeit der Rechtsgeschäfte (1847), S. 246 f. 454 Vgl. FENET (Éd.), Recueil complet, Tome XIII (1827), S. 121, 122 (Sitzung v. 8. Dez. 1803 = 16 Frimaire An XII); S. 143, 144 (Communication officieuse); S. 170, 172 f. (Rédaction définitive du Conseil d’État); S. 215, 223 f. (Présentation au Corpslégislatif); S. 312, 314 f. (Communication officielle au Tribunat); S. 413, 416 f., 449 (Discussion devant le Corps Législatif). – Ferner LOCRÉ (Éd.), Législation, Tome 12 (1828), S. 223, 225; S. 248, 257 f.; S. 288 f.; S. 289, 319 f.; S. 416, 424 f.; S. 545, 554 f. 455 Vgl. hierzu ZACHARIÄ, Handbuch, Bd. II (1837), § 343b, S. 333. 456 Vgl. FENET (Éd.), Recueil complet, Tome IX (1827), S. 3, 12. = LOCRÉ (Éd.), Législation, Tome 4 (1827), S. 308, 312 f.

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Bei der anschließenden Beratung im Conseil d’État greift Tronchet das altbekannte Problem auf, dass einem der Verlobten vor der eigentlichen Trauung von seinen Angehörigen gedroht wird, indem etwa ein junges Mädchen nur die Wahl hatte zwischen dem Kloster und der Ehe mit dem von der Familie ausgewählten Bräutigam.457 Napoleon betont daher nachdrücklich, dass der Artikel so gefasst werden müsse, dass alle derartigen Nötigungen unterbunden werden.458 Auf Vorschlag von Bigot-Préameneu wird die Vorschrift daraufhin noch weiter verdichtet und der Begriff consentement völlig ohne Adjektiv verwendet: »Il n’y a pas de mariage lorsqu’il n’y a pas de consentement; il n’y a pas de consentement lorsqu’il y a violence, séduction ou erreur sur la personne.«459

Anlässlich der Schlussredaktion im Conseil d’État wird noch einmal eingehend diskutiert, welche Rechtsfolgen ein Willensmangel bei der Eheschließung nach sich zieht.460 Napoleon differenziert insoweit danach, ob überhaupt kein Jawort erklärt oder ob es unter Zwang abgegeben wurde: Während im ersten Fall von vornherein keine Ehe zustandekomme, liege dagegen im zweiten Fall sehr wohl eine Ehe vor, die allerdings aufhebbar sei. Denn wer unter Zwang (violence) handle, habe gleichwohl gehandelt – wie Napoleon ganz im Sinne der alten tamen coactus volui-Regel argumentiert.461 Schließ457 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome IX (1827), S. 3, 14 f. = LOCRÉ (Éd.), Législation, Tome 4 (1827), S. 308, 325 (Sitzung v. 13. Sept. 1801 = 26 Fructidor An IX): »M. Tronchet dit qu’en effet les menaces faites par des parens, avant qu’on se présente à l’officier civil, ont pu forcer le consentement de l’un des époux: c’est ainsi qu’autrefois on ne laissait à une jeune fille que l’option entre un couvent et la personne qu’on lui offrait pour époux.« 458 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome IX (1827), S. 3, 15 = LOCRÉ (Éd.), Législation, Tome 4 (1827), S. 308, 325: »Le Premier Consul dit que l’article devrait être rédigé de manière à prevenir ces sortes de violences. Quand elles ont eu lieu, il y a un acte civil; mais il est nul, car il n’y a pas de mariage là où il n’y a pas de consentement libre; et l’on ne peut pas regarder comme tel consentement d’un individu violenté par sa famille: il faudrait même chercher une expression qui rendît mieux cette idée que l’expression consentement libre.« – Vgl. hierzu THEEWEN, Napoléons Anteil am Code civil (1991), S. 118 f. 459 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome IX (1827), S. 3, 16 f. = LOCRÉ (Éd.), Législation, Tome 4 (1827), S. 308, 327. 460 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome IX (1827), S. 97, 99 ff. = LOCRÉ (Éd.), Législation, Tome 4 (1827), S. 423, 437 ff. (Sitzung v. 15. Dez. 1801 = 24 Frimaire An X). – Vgl. hierzu THEEWEN, Napoléons Anteil am Code civil (1991), S. 119 f. 461 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome IX (1827), S. 97, 101 = LOCRÉ (Éd.), Législation, Tome 4 (1827), S. 423, 438: »Le Premier Consul dit que le mot violence exprime une chose faite forcément, mais faite néansmoins, et qui subsiste jusqu’à ce qu’elle soit détruite. Quand il n’y a pas eu de consentement, le mariage n’existe pas même en apparence. […] Si, au contraire, intimidée par les menaces, elle consent au mariage, ne fût-ce qu’un moment, le mariage subsistera jusqu’à ce que les tribunaux aient décidé que le consentement n’a pas été libre.«

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Teil 2: Metus reverentialis

lich wird auf Vorschlag von Cambacérès der zweite Halbsatz ganz gestrichen.462 Da die Vorschrift im Folgenden keine Veränderungen mehr erfährt,463 tritt sie in dieser Form als Art. 146 Cc in Kraft: Art. 146 Cc »Il n’y a pas de mariage lorsqu’il n’y a point de consentement.«464

Im Schenkungsrecht greift der Conseil d’État keinen der genannten Ergänzungsvorschläge auf, die zu dem in III 9 Art. 6 des Entwurfs geregelten Zuwendungsverbot an den Vormund gemacht wurden. Zwar wird die Vorschrift – wie vom Appellationsgericht Paris empfohlen – innerhalb des Kapitels umgestellt. Ansonsten wird sie lediglich sprachlich präziser gefasst, insbesondere in Absatz 2 hinsichtlich des Wegfalls des Verbots nach Beendigung der Vormundschaft.465 Darauf finden keine wesentlichen Änderungen mehr statt,466 so dass Art. 907 Cc schon früh seine endgültige Form erhält: Art. 907 Cc »Le mineur, quoique parvenu à l’âge de seize ans, ne pourra, même par testament, disposer au profit de son tuteur. Le mineur, devenu majeur, ne pourra disposer, soit par donation entre-vifs, soit par testament, au profit de celui qui aura été son tuteur, si le compte définitif de la tutelle n’a été préalablement rendu et apuré. Sont exceptés, dans les deux cas ci-dessus, les ascendans des mineurs, qui sont ou qui ont été leurs tuteurs.«467

In Bezug auf III 9 Art. 14 des Entwurfs ist der Conseil d’État hingegen damit einverstanden, den Vorschlag der Appellationsgerichte umzusetzen und hier neben dem behandelnden Arzt auch den Geistlichen (ministre du culte) aufzunehmen: 462 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome IX (1827), S. 97, 110 = LOCRÉ (Éd.), Législation, Tome 4 (1827), S. 423, 448. 463 Vgl. FENET (Éd.), Recueil complet, Tome IX (1827), S. 118 (Communication officieuse); S. 126, 127 (Rédaction définitive du Conseil d’État); S. 138, 148 (Présentation au Corps-législatif); S. 182, 185 (Communication officielle au Tribunat); S. 196, 200 f., 212 (Discussion devant le Corps Législatif). – Ferner LOCRÉ (Éd.), Législation, Tome 4 (1827), S. 448, 451; S. 460, 461; S. 470, 489 f.; S. 526, 532; S. 544, 552 f. 464 Vgl. hierzu ZACHARIÄ, Handbuch, Bd. III (1837), § 451, S. 10 f. – Eine ohne »consentement libre« geschlossene Ehe kann nach Maßgabe von Art. 180 f. Cc nur von den bzw. dem Ehegatten angefochten werden, dessen »consentement« einem Willensmangel unterlag. 465 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome XII (1827), S. 275, 295, 299 = LOCRÉ (Éd.), Législation, Tome 11 (1827), S. 104, 131, 135 (Sitzung v. 3. Feb. 1803 = 14 Pluviôse An XI). 466 Vgl. FENET (Éd.), Recueil complet, Tome XII (1827), S. 417, 419 (Sitzung v. 24. März 1803 = 3 Germinal An XI); S. 439, 442 (Communication officieuse); S. 469, 474 f. (Rédaction définitive du Conseil d’État); S. 508, 519 f. (Présentation au Corpslégislatif); S. 575, 582 (Communication officielle au Tribunat); S. 627, 629, 647 (Discussion devant le Corps Législatif). – Ferner LOCRÉ (Éd.), Législation, Tome 11 (1827), S. 271, 273; S. 293, 305; S. 335, 339; S. 339, 363 f.; S. 423, 441; S. 488, 493. 467 Vgl. hierzu ZACHARIÄ, Handbuch, Bd. IV (1837), § 649, S. 186 f.

IV. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert

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»Le malade, dans le cours de la maladie dont il décède, ne pourra disposer au profit de l’officier de santé qui le traite, ni du ministre du culte qui l’assiste.«468

Das Tribunat spricht sich dafür aus, außerdem noch promovierte Ärzte und Chirurgen (docteurs en médecine ou chirurgie) sowie Apotheker (pharmaciens) aufzuführen und die Vorschrift umzuformulieren: »Toute espèce de disposition faite dans le cours de la maladie dont le disposant décède, au profit de docteurs en médecine ou chirurgie, officiers de santé ou pharmaciens, qui l’ont traité, et du ministre du culte qui l’a assisté, est nulle.«469

Bei der Schlussredaktion kommt der Conseil d’État diesem Verlangen grundsätzlich nach. Darüber hinaus werden noch zwei Ausnahmen hinzugefügt. Zum einen werden moderate Verfügungen zugelassen, solange sie als Anerkennung für die geleisteten Dienste im Verhältnis zum vorhandenen Vermögen stehen. Zum anderen sind Universalverfügungen an Verwandte bis zum vierten Grad erlaubt, sofern keine Erben in direkter Linie vorhanden sind. Insoweit bringt der Conseil d’État ebenfalls Gedanken von Pothier in Gesetzesform, wie es manche Appellationsgerichte angeregt hatten.470 Anschließend wird an dieser Gestalt der Vorschrift festgehalten,471 die sich daher völlig mit der von Art. 909 Cc deckt: Art. 909 Cc »Les docteurs en médecine ou en chirurgie, les officiers de santé et les pharmaciens qui auront traité une personne pendant la maladie dont elle meurt, ne pourront profiter des dispositions entre-vifs ou testamentaires qu’elle aurait faites en leur faveur pendant le cours de cette maladie. Sont exceptées, 1o les dispositions rémunératoires faites à titre particulier, eu égard aux facultés du disposant et aux services rendus; 2o Les dispositions universelles, dans le cas de parenté jusqu’au quatrième degré inclusivement, pourvu toutefois que le décédé n’ait pas d’héritiers en ligne directe; à moins que celui au profit de qui la disposition a été faite ne soit lui-même du nombre de ces héritiers. Les mêmes règles seront observées à l’égard du ministre du culte.«472

FENET (Éd.), Recueil complet, Tome XII (1827), S. 275, 295, 299 (Sitzung v. 3. Feb. 1803 = 14 Pluviôse An XI) bzw. S. 417, 419 (Sitzung v. 24. März 1803 = 3 Germinal An XI). – LOCRÉ (Éd.), Législation, Tome 11 (1827), S. 104, 132, 135 bzw. S. 271, 273. 469 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome XII (1827), S. 439, 442 f. = LOCRÉ (Éd.), Législation, Tome 11 (1827), S. 293, 305 f. (Communication officieuse). 470 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome XII (1827), S. 469, 475 = LOCRÉ (Éd.), Législation, Tome 11 (1827), S. 335, 339 (Rédaction définitive du Conseil d’État). 471 Vgl. FENET (Éd.), Recueil complet, Tome XII (1827), S. 508, 520 (Présentation au Corps-législatif); S. 575, 583 (Communication officielle au Tribunat); S. 627, 629, 647 (Discussion devant le Corps Législatif). – Ferner LOCRÉ (Éd.), Législation, Tome 11 (1827), S. 339, 364; S. 423, 442; S. 488, 493. 472 Vgl. hierzu ZACHARIÄ, Handbuch, Bd. IV (1837), § 649, S. 187 ff. – Zum Verhältnis von Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 RG, Urt. v. 10. Feb. 1885, RGZ 13, 306, 308 f.; GEYER, Code civil »richtiger« auslegen (2009), S. 35 f. 468

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Die Regelung in III 9 Art. 4 (3) des Kommissionsentwurfs, wonach der Beweis einer suggestion bzw. captation unzulässig sein sollte, wird ersatzlos gestrichen. Stattdessen soll es der Rechtsprechung überlassen bleiben, die konkreten Umstände zu berücksichtigen und zu bewerten.473 Deshalb beschränkt sich Art. 901 Cc (1804) darauf, den gesunden Geisteszustand des Verfügenden zu verlangen: Art. 901 Cc »Pour faire une donation entre-vifs ou un testament, il faut être sain d’esprit.«474

Alles in allem zeigt die Entstehungsgeschichte der untersuchten Vorschriften, dass der Conseil d’État sachlichen Verbesserungsvorschlägen durchaus aufgeschlossen ist. Zudem wird einmal mehr deutlich, wie groß dabei der konkrete Einfluß von Pothier zu veranschlagen ist, wenn etwa Bigot-Préameneu (vor dem Corps Législatif) zu den beiden letztgenannten Normen ausführt, dass der Wille frei von Zwang und Nötigung sein müsse und dass das Gesetz daher interveniere, falls jemand zuviel Einfluss auf den Geist (trop d’empire sur l’esprit) des Zuwendenden gehabt habe: »Il ne suffit pas que la volonté soit certaine, il faut encore qu’elle n’ait pas été contrainte ou extorquée par l’empire qu’aurait eu sur l’esprit du donateur celui au profit duquel est la disposition. Cet empire est tel de la part d’un tuteur sur son mineur […] La loi regarde encore comme ayant trop d’empire sur l’esprit de celui qui dispose, et qui est atteint de la maladie dont il meurt, les médecins, les chirurgiens, les officiers de santé ou les pharmaciens qui le traitent.«475

d) Baden Das Badische Landrecht von 1810 übernimmt im Allgemeinen Vertragsrecht (Buch III Titel 3) den Regelungsgehalt des Art. 1112 Cc ohne in der Sache Vgl. FENET (Éd.), Recueil complet, Tome XII (1827), S. 275, 294, 296 f. (Sitzung v. 3. Feb. 1803 = 14 Pluviôse An XI); S. 417, 418 (Sitzung v. 24. März 1803 = 3 Germinal An XI); S. 439, 441 (Communication officieuse); S. 469, 474 (Rédaction définitive du Conseil d’État); S. 508, 518 (Présentation au Corps-législatif); S. 575, 579 ff. (Communication officielle au Tribunat); S. 627, 629, 647 (Discussion devant le Corps Législatif). – Ferner LOCRÉ (Éd.), Législation, Tome 11 (1827), S. 104, 130 f., 132 ff.; S. 271, 273; S. 293, 304; S. 335, 339; S. 339, 361 f.; S. 423, 438 ff.; S. 488, 493. 474 Vgl. hierzu ZACHARIÄ, Handbuch, Bd. IV (1837), § 648, S. 180 f.; § 653, S. 194 ff. – Ferner RG, Urt. v. 20. März 1896, RA 90 II, 45; GEYER, Code civil »richtiger« auslegen (2009), S. 95 ff. 475 FENET (Éd.), Recueil complet, Tome XII (1827), S. 508, 519 f. = LOCRÉ (Éd.), Législation, Tome 11 (1827), S. 339, 363 f. – Vgl. ferner Jaubert bei FENET (Éd.), a. a. O., S. 575, 583 = LOCRÉ (Éd.), a. a. O., S. 423, 442: »Ce que le législateur peut faire dans un point aussi délicat, c’est de surveiller d’une matière particulière les dispositions qui seraient faites par un individu, malade de la maladie dont il meurt, en faveur des personnes qui étaient présumées avoir le plus d’empire sur son esprit. Voilà pourquoi le projet admet des restrictions et des tempéramens à l’égard de ceux qui, pendant le cours de la maladie, auraient administré au malade les secours de l’art ou les consolations de la religion.« 473

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irgendwelche Veränderungen vorzunehmen. Für violence wird, wie in den Sz. 1111 ff. überhaupt, der Begriff »Zwang« verwendet. Die Figur der personne raisonnable wird nicht wortwörtlich übersetzt, sondern adverbial aufgelöst, ob sich ein Mensch »vernünftigerweise« unter den entsprechenden Umständen ängstigt: Sz. 1112 »Ein solcher Zwang ist vorhanden, so oft durch Wort oder That eine Lage hervorgebracht wird, die vernünftigerweise auf einen Menschen Eindruck machen, und bey ihm die Furcht erregen kann, er sey für seine Person oder sein Vermögen einem überwiegenden und innestehenden Uebel ausgesezt. Bey Beurtheilung dieser Lage ist Alter, Geschlecht und persönliche Beschaffenheit des Betroffenen zu erwägen.«

Nach den Erläuterungen von Brauer ist die Drohung mit einer Strafanzeige insoweit immer als »widerrechtliche Gewaltanmaßung« im Sinne des Sz. 1111 und somit als Zwang anzusehen,476 während »ein bloßes die Ehre angreifendes« Übel hierfür nicht genügt.477 Auch Art. 1114 Cc wird grundsätzlich schlicht ins Deutsche übertragen, wobei crainte révérentielle mit »Furcht vor dem Unwillen« wiedergegeben wird.478 Hinzugefügt wird allerdings eine Öffnungsklausel für alle Abhängigkeitsverhältnisse, die mit dem gegenüber den Eltern vergleichbar sind (»und dergleichen«): Sz. 1114 »Bloße Furcht vor dem Unwillen der Eltern oder der Ahnen und dergleichen, welche durch keinen Zwang rege gemacht worden ist, reicht nicht hin, um einen Vertrag für ungültig zu erklären.«

Vor allen Dingen aber wird in Sz. 1114a eine Ausnahmeregelung ergänzt, wonach metus reverentialis im Verhältnis zwischen Eltern und Kind bzw. zwischen Vorgesetztem und Untergebenen im Einzelfall doch beachtlich sein kann, wenn der betreffende Vertrag für den Unterlegenen »nachtheilig« ist: Sz. 1114a »In einem Vertrag zwischen Eltern und Kindern oder Vorgesezten und Untergebenen kann jedoch auch jene Furcht nach Umständen zur Umstossung eines dem gehorchenden Theil nachtheiligen Vertrags in Anschlag kommen.«

Zur Begründung verweist Brauer in seinen Erläuterungen auf die Fürsorgepflicht, die den Eltern bzw. dem Vorgesetzten obliegt und die ihre besondere Position gegenüber dem Kind bzw. dem Untergebenen überhaupt erst rechtfertigt. Solange der Vertrag mit den wohlverstandenen Interessen des Kindes bzw. des Untergebenen im Einklang stehe, gebe es keinen Anlass, seine Wirksamkeit in Frage zu stellen. Wenn aber Eltern oder Vorgesetzte ihre BRAUER, Erläuterungen, Bd. III (1810), zu Sz. 1111–1113, No 15. BRAUER, Erläuterungen, Bd. III (1810), zu Sz. 1111–1113, No 16. 478 Der Begriff »Ehrfurcht« findet sich aber bei BRAUER, Erläuterungen, Bd. III (1810), zu Sz. 1114, No 18 sowohl in der Überschrift als auch durchgehend im Text der Kommentierung. 476 477

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Position aus purem Eigennutz »mißbrauchen«, um sich selbst einen Vorteil zu verschaffen, und dadurch dem anderen Teil einen »erheblichen Schaden« zufügen, dann verdiene ein solcher Vertrag nicht den Schutz der Rechtsordnung, auch wenn kein Zwang im eigentlichen Sinne vorliege: »Ehrfurcht (metus reverentialis) schadet in der Regel einem Vertrag nichts, wenn sie nicht von einem Zwang begleitet gewesen ist, und das ist ganz richtig, denn wenn diese einer Handlung an ihrer Kraft Eintrag thun könnte, so würde sie gegen ihren Zweck wirken, welcher darinn besteht, Handlungen des Andern dadurch leiten zu können. Inzwischen ist dieser Zweck selbst wiederum in der Pflicht gegründet, die Leitung des Andern vernünftig, mithin mit Rücksicht auf dessen eigenes Bestes zu führen. Wenn nun Eltern oder Vorgesezte (…), wenn diese das ihnen anvertraute Ansehen mißbrauchen, um ihren Privatvortheil, zu welchem jenes Ansehen ihnen nicht gegeben ist, auf Unkosten des Untergebenen geltend zu machen, und diese dadurch in erheblichen Schaden bringen; dann wäre es sehr rechtswidrig solchen erpreßten Verträgen den Schuz der Geseze darum zukommen zu lassen, weil noch kein wirklicher Zwang angelegt war.«479

Besonders zu beachten sind die näheren Kautelen, die Brauer hierzu aufstellt. Zunächst wird es als unerheblich angesehen, ob der Vorteil den Eltern bzw. dem Vorgesetzten selbst zugute kommt oder einer Mittelsperson, die von ihnen zwischengeschaltet wird. Schließt das Kind bzw. der Untergebene den Vertrag aber direkt mit einem Dritten, soll die Mitwirkung der Eltern bzw. des Vorgesetzten keine Auswirkungen auf dessen Bestand haben, da dem Dritten selten ein Vorwurf gemacht werden könne.480 Weiterhin müsse der Untergebene dem Willen des Vorgesetzten nachgekommen sein und nicht umgekehrt der Vorgesetzte dem Willen des Untergebenen, das heißt, das Abhängigkeitsverhältnis wirkt nur in einer Richtung.481 Ferner setze ein »nachtheiliger« Vertrag den drohenden Eintritt eines wesentlichen Verlustes voraus, wofür nicht schon eine jede geringfügige Einbuße genüge.482 Und

BRAUER, Erläuterungen, Bd. III (1810), zu Sz. 1114, No 18. BRAUER, Erläuterungen, Bd. III (1810), zu Sz. 1114, No 18: »Unser Zusaz sagt daher: Ehrfurcht könne in Betrachtung gezogen werden, aber nur a) in Verträgen zwischen Vorgesezten und Untergebenen: darunter sind […] auch jene begriffen, wo der Vortheil an untergeschobene oder Mittelspersonen der Vorgesezten kommt. Bey Verträgen mit Dritten kann die bloße Beywirkung der Eltern und Vorgesezten niemals einer Anfechtung aus Ehrfurcht Raum machen, weil für einen Dritten die Theilnahme selten so groß ist, daß man sich selbst darum einer unrechten That überläßt.« 481 BRAUER, Erläuterungen, Bd. III (1810), zu Sz. 1114, No 18: »b) Nur alsdann wenn bey dem Vertrag der Untergebene als gehorchender Theil erscheint, sich also klar ergibt, daß die Einwilligung von dem vorgesezten Theil vorgeschrieben, und von dem Untergebenen ungern angenommen worden«. 482 BRAUER, Erläuterungen, Bd. III (1810), zu Sz. 1114, No 18: »annebst weiter c) wenn dem lezteren die Einwilligung wirklich nachtheilig befunden wird, worunter jedoch, wie allemal nur ein sicherer und erheblicher Verlust, nicht jede geringe oder mögliche Verkürzung zu rechnen ist«. 479 480

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schließlich müsse der Vorgesetzte – ähnlich wie im Ius commune – dafür bekannt sein, raue Umgangsformen zu pflegen.483 Im Eherecht wird Art. 146 Cc ebenfalls einfach ins Deutsche übersetzt, wobei consentement wie bei Art. 1109 Cc mit »Einwilligung« wiedergegeben wird: Sz. 146 »Ohne Einwilligung beeder Ehegatten besteht keine Heyrath.«484

Wie Brauer in seinen Erläuterungen klarstellt, gelten für Willensmängel bei der Eheschließung daher die allgemeinen Vorschriften aus dem Vertragsrecht.485 Im Schenkungs- bzw. Erbrecht geht dies allein aus Art. 901 Cc so nicht unmittelbar hervor, der auch in der Fassung des Badischen Landrechts nur verlangt, dass der Zuwendende bei »gesundem Verstand« (sain d’esprit) ist: Sz. 901 »Um unter Lebenden zu schenken, oder lezte Willens-Verordnungen zu machen, muß man bey gesundem Verstand seyn.«486

Zwar räumt Brauer ein, dass in der französischen Lehre unter den Begriff sain d’esprit auch die Abwesenheit von Willensmängeln subsumiert wird. Seiner Ansicht nach ist jedoch zumindest im Deutschen eine derartige Auslegung nicht mehr vom Wortlaut der Vorschrift gedeckt. Infolgedessen nimmt das Badische Landrecht hier eine umfassende Ergänzung vor und fordert in Sz. 901a ausdrücklich die Freiheit der Willenserklärung.487 Außerdem sind nach Sz. 901b auf Willensmängel die allgemeinen Vorschriften des Vertragsrechts anzuwenden, soweit nach Maßgabe der Sz. 901c und 901d keine Besonderheiten gelten: 483 BRAUER, Erläuterungen, Bd. III (1810), zu Sz. 1114, No 18: »und auch alsdann nur d) nach Umständen, nemlich wenn aus dem Ganzen hervorgeht, daß der Vorgesezte ein Mann sey, der im Gebrauch seines Amts sich Härte erlaube, und Leidenschaften Raum gebe, mithin vernünftiger Weise die Ehrfurcht zugleich Furcht für Zwang hat seyn können.« 484 Wie nach Art. 180 f. Cc kann auch nach Sz. 180 f. eine ohne »freye Einwilligung« geschlossene Ehe nur von den bzw. dem Ehegatten angefochten werden, dessen »Einwilligung« auf einem Willensmangel beruhte. 485 BRAUER, Erläuterungen, Bd. I (1809), zu Sz. 146, No 3: »Indem unser Saz sagt, ohne Einwilligung besteht keine Ehe, so ist damit nicht nur gesagt, daß alles was wegen den Mängeln der Einwilligung zu Verträgen Saz 1109, 1110 gesagt wird, auch hierher anwendbar sey und eine Ungültigkeit bewirke […]«. 486 Vgl. hierzu BRAUER, Erläuterungen, Bd. II (1809), zu Sz. 901, No 16 ff. 487 BRAUER, Erläuterungen, Bd. II (1809), zu Sz. 901a–901d, No 19: »Die französische Rechtlehre zieht unter das Wort des Grundtexts sain d’esprit, auch die Erfordernisse der freyen WillensEntschließung ein. Die deutsche Sprache würde dieses nicht gestattet haben, ohne den Vorwurf der Willkührlichkeit dem Rechtsausleger zuzuziehen; deswegen bestimmt der erste unserer Zusäze, die Nothwendigkeit der Willensfreyheit noch besonders, und die drey folgende Zusäze geben die Folgen ihres Mangels an, welches darum nöthig war, weil sie nicht durchaus in der Nichtigkeit des Verfügten bestehen konnten, wenn sie angemessen seyn sollten.«

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Sz. 901a »Auch muß man im Zustand freyer Entschließung seyn.« Sz. 901b »Was nach Saz 1109–1117 die Willensfreyheit hindert, vernichtet auch die Schenkung oder den lezten Willen ganz oder zum Theil, je nachdem das Ganze oder nur ein Theil durch die Hemmung der Willensfreyheit hervorgebracht wurde, und kann solches ohne eine neue freye und gültige Verordnung niemals wieder wirksam werden.«

In seinen Erläuterungen geht Brauer darüber hinaus auf die unlautere Einflussnahme auf Testierende ein, die im Badischen Landrecht nicht behandelt wird, obwohl sie in der bisherigen gerichtlichen Praxis eine nicht unerhebliche Bedeutung besessen habe. Er bildet insoweit folgende drei Kategorien »Erschmeichlung«, »ungestümes Anhalten« und »Willensunterlegung (suggestio)«. Die letztgenannte Kategorie sei bei einem eigenhändigen oder geheimen letzten Willen (Sz. 970 bzw. Sz. 976 ff.) ohnehin kaum nachweisbar; bei einem öffentlichen letzten Willen (Sz. 971 ff.) aber gewährten schon die vorgeschriebenen Förmlichkeiten einen hinreichenden Schutz des Testierenden. Die ersten beiden Kategorien wiederum seien künftig nur noch dann beachtlich, wenn sie das Ausmaß eines gewöhnlichen Willensmangels erreichten, also von Zwang, Betrug oder Irrtum, so dass vor Gericht ein entsprechend substantiierter Vortrag notwendig sei: »Ueber manche Mängel der Willensfreyheit, die in den Prozeßschriften bey Gerichten häufig eine Hauptrolle spielen, als Erschmeichlung, ungestümes Anhalten, Willensunterlegung (suggestio), sagt das Landrecht nichts. Was leztere betrifft so könnte von den jezigen lezten Willensformen nur die öffentliche dazu Anlaß werden, denn bey den andern beeden ist sie nicht wohl mit Wirkung anwendbar und noch weniger mit Sicherheit zu entdecken; und bey jener bewahrt, wie wir unten sehen werden, die gesezliche Vorschrift dagegen. Die andern beeden Mängel können jezt in ihrer alten unbestimmten Art nicht mehr zur Sprache kommen, sondern es muß bestimmt auf Betrug, Zwang oder Irrthum geklagt werden, wenn die Klage annehmlich erscheinen soll, mithin können jene Umstände der Einschmeichlung, des Ungestüms u.s.w. nur alsdann Gehör finden, wenn sie nach dem Vortrag auf einen jener drey Mängel folgerichtig schließen lassen.«488

Im Übrigen übernimmt das Badische Landrecht aus Art. 907 Cc das besondere Verbot für Zuwendungen des Mündels an seinen Vormund: Sz. 907 »Ein Minderjähriger, auch wenn er sechszehn Jahre alt ist, kann zum Vortheil seines Vormunds nicht einmal durch lezten Willen verordnen. Selbst wenn er volljährig geworden, kann er weder durch Schenkung unter Lebenden, noch durch lezten Willen seinen gewesenen Vormund begünstigen, ehe die Schlußrechnung über die Vormundschaft gestellt und abgehört ist. Von diesem Verbot der Begünstigung sind ausgenommen die Ahnen der Minderjährigen, welche Vormünder sind oder waren.«489

Ebenso werden nach dem Vorbild von Art. 909 Cc Zuwendungen an das behandelnde medizinische Personal untersagt: 488 489

BRAUER, Erläuterungen, Bd. II (1809), zu Sz. 901a–901d, No 20. Vgl. hierzu BRAUER, Erläuterungen, Bd. II (1809), zu Sz. 907, No 23.

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Sz. 909 »Heil- Heb- und Wund-Aerzte, andere Krankenpfleger und Apotheker, die eine Person während der lezten Krankheit behandelt haben, können aus deren Verordnung unter Lebenden oder auf den Todesfall die während dieser Krankheit gemacht wurden, keinen Vortheil ziehen. Ausgenommen sind: 1.) Stück-Vermächtnisse, (Saz 1002) zur Belohnung, welche dem Vermögen des Gebers und dem geleisteten Dienste nicht unangemessen sind. 2.) Erb-Verfügungen für Seiten-Verwandte bis zum vierten Grad einschließlich, wo der Verstorbene keine Erben in grader Linie hinterläßt, oder wo derjenige, zu dessen Vortheil verfügt wird, selbst unter die Zahl der Erben in grader Linie gehört. In diesen beeden Fällen hindert die Bedienung in der lezten Krankheit die Kraft der Verfügung nicht. Dieselben Regeln gelten der Begünstigung der Kirchendiener.«

Zum medizinischen Personal zählt Brauer auch Hebammen, während Apotheker nur dann erfasst sein sollen, wenn sie tatsächlich an der unmittelbaren Pflege des Kranken beteiligt sind, nicht aber wenn sie lediglich Medikamente ausreichen.490 Eine ergänzende Regelung in Sz. 909a untersagt überdies letztwillige Verfügungen zugunsten des Schreibers, der an deren Errichtung mitwirkt: Sz. 909a »Diejenige, deren Handschrift zur Niederschreibung des Inhalts eines lezten Willens benuzt worden ist, können aus solchem keinen Gewinn ziehen.«

Der Gesetzgeber habe es nach den Erläuterungen bei Brauer bewusst unterlassen, dieses Verbot auch auf lebzeitige Schenkungen zu erstrecken, da der Zuwendende hier noch nachverfolgen könne, ob alles nach seinem Willen abläuft, und somit keine große Gefahr bestehe, dass der Schreiber unentdeckt eine Zuwendung zu seinen eigenen Gunsten in den Urkundentext schmuggelt.491 Etwas anderes gelte für Amtspersonen, die ohnehin nach den Landesgesetzen keine Geschenke annehmen dürften. Verbotswidrige Schenkungen an sie seien zudem nicht nichtig, sondern würden an die öffentliche Hand verfallen, es sei denn, der Zuwendende wurde hierzu durch »Mißbrauch der Amtsgewalt erpreßt«. Vermächtnisse zugunsten von Amtspersonen seien hingegen grundsätzlich zulässig. Liegt dem Vermächtnis allerdings eine »AmtsErpressung« zugrunde, könne es nach den (oben dargestellten) Sz. 901b und 1114a angefochten werden.492 Insgesamt orientiert sich das von Brauer redigierte Badische Landrecht auch hier sehr eng am französischen Vorbild des Code civil. Die Ergänzungen im Schenkungs- bzw. Erbrecht besitzen eher flankierenden Charakter, wenn sie in Sz. 901a–901d eine ausdrückliche Regelung der Willensmängel vorsehen und in Sz. 909a eine zusätzliche Berufsgruppe aufführen. Demgegenüber bringt Sz. 1114a eine echte Abweichung vom Code civil, als metus reverentialis unter bestimmten Umständen doch beachtlich sein soll. Bei der 490 491 492

BRAUER, Erläuterungen, Bd. II (1809), zu Sz. 909, No 27. BRAUER, Erläuterungen, Bd. II (1809), zu Sz. 909a, No 28. BRAUER, Erläuterungen, Bd. II (1809), zu Sz. 909a, No 29.

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Teil 2: Metus reverentialis

notwendigen Eingrenzung dieser Rechtsfigur greift Brauer einerseits wieder auf gemeinrechtliche Ansätze zurück, insbesondere etwa auf das notorisch rohe Verhalten der Respektsperson im Vorfeld. Andererseits entwickelt er aber auch eigenständige Gedanken wie das Erfordernis eines für den Unterlegenen besonders »nachtheiligen« Vertrags. e) Bayern Mit dem gemeinrechtlichen Konzept von metus reverentialis setzen sich auch die bayerischen Kodifikationsentwürfe des 19. Jahrhunderts auseinander.493 aa) Der Entwurf Feuerbachs von 1808/09 Der von Feuerbach angefertigte Entwurf eines »Allgemeinen Bürgerlichen Gesezbuchs für das Königreich Baiern« von 1808/09494 übernimmt im Allgemeinen Vertragsrecht (Buch III Titel 3) in den Art. 1174 ff. (»Zwang und Furcht«) schlicht die entsprechenden Regelungen der Art. 1111 ff. Cc zu violence. Während allerdings im Code civil durchgängig der Begriff violence gebraucht wird, schwankt die Begrifflichkeit des Entwurfs von 1808/09 zwischen »Gewalt« und »Zwang«. Ähnlich wie das parallel entstehende Badische Landrecht überträgt der bayerische Entwurf in Art. 1175 die Legaldefinition des beachtlichen Zwangs aus Art. 1112 Cc nahezu wörtlich ins Deutsche: Art. 1175 »Ein solcher Zwang muß von der Art seyn, daß er auf einen vernünftigen Menschen Eindruck machen kann, und denselben mit Gefahr eines beträchtlichen gegenwärtigen Uebels an seiner Person oder seinen Gütern bedroht. Man nimmt übrigens hiebei Rücksicht auf Alter, Geschlecht und Beschaffenheit der Personen.«

Entscheidend ist nach diesem objektiven Ansatz somit, ob das fragliche Verhalten auch einen »vernünftigen Menschen« (personne raisonnable) eingeschüchtert hätte, weil dieser es als »Gefahr eines beträchtlichen gegenwärtigen Uebels an seiner Person oder seinen Gütern« (crainte d’exposer sa personne ou sa fortune à un mal considérable et présent) wahrgenommen hätte, wobei freilich in subjektiver Hinsicht auch »auf Alter, Geschlecht und Beschaffenheit der Personen« (à l’âge, au sexe et à la condition des personnes) abzustellen ist. Ebenfalls eine schlichte Übersetzung der entsprechenden Regelung in Art. 1114 Cc zur crainte révérentielle bietet Art. 1177 des Entwurfs:

Vgl. hierzu Teil 1, Fn. 1212. SCHUBERT (Hrsg.), Entwurf von 1808–1809 (1986). Zur Entstehungsgeschichte s. o. Teil 1, Fn. 1215. 493 494

IV. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert

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Art. 1177 »Bloße Ehrfurcht (metus reverentialis) gegen Aeltern oder andere Ascendenten ist, wenn kein Zwang angewendet worden, nicht hinreichend, den Vertrag unwirksam zu machen.«

Im Eherecht verlangt Art. 161 des Entwurfs in Übereinstimmung mit Art. 146 Cc die »Einwilligung« (consentement) der Brautleute: Art. 161 »Die Eingehung einer Ehe sezt die Einwilligung beider Theile voraus.«495

Im Schenkungs- bzw. Erbrecht wird die Vorschrift des Art. 901 Cc – ebenso wie im Badischen Landrecht – dahin gehend ergänzt, dass Art. 935 des bayerischen Entwurfs neben dem »gesunden Verstand« (sain d’esprit) des Zuwendenden ausdrücklich auch die Freiheit seiner Willenserklärung fordert: Art. 935 »Um eine Schenkung unter Lebenden oder durch Testament zu machen, muß 1) der Verfügende bei gesundem Verstande seyn; 2) seinen Willen frei und ungezwungen äussern, und 3) weder durch Betrug, noch durch wesentlichen Irrthum zu seiner Erklärung bestimmt werden.«

Die Beschränkungen des Art. 907 Cc bezüglich der Zuwendungen zugunsten des Vormunds werden wortwörtlich in Art. 942 des Entwurfs wiedergegeben: Art. 942 »Ein Minderjähriger darf, selbst nach erreichtem sechszehnten Jahre, zum Vortheile seines Vormundes nicht verfügen, auch nicht durch Testament. Ein Volljähriger kann weder durch Schenkungen unter Lebenden, noch durch Testament zum Vortheile seines gewesenen Vormundes eher verfügen, als dessen Schlußrechnung abgelegt und justificirt worden ist. Jedoch sind in den vorstehenden beiden Fällen die Ascendenten des Minderjährigen ausgenommen, welche dessen Vormundschaft führen, oder geführt haben.«

Der Regelungsgehalt des Art. 909 Cc wird ebenfalls übernommen, wenngleich Art. 944 des bayerischen Entwurfs bei der Aufzählung der Heilberufe insoweit abweicht, als er weder officiers de santé noch pharmaciens aufführt, dafür aber namentlich Hebammen und über eine allgemeine Auffangklausel alle einbezieht, die den Todkranken »behandelt haben«: Art. 944 »Aerzte, Wundärzte, Hebammen und andere Personen, welche einen Menschen in der Krankheit behandelt haben, woran er gestorben ist, können durch Schenkungen oder Testamente, welche derselbe während dieser Krankheit zu ihrem Vortheile gemacht hat, nichts erwerben. Ausgenommen sind: 1) die bloß als Vergeltung hinterlassenen Particularvermächtnisse, so weit sie mit dem Vermögen des Verfügenden und den geleisteten Diensten im Verhältnisse stehen; 2) Universalverfügungen, im Falle der Verwandtschaft bis zum vierten Grade einschließlich; vorausgesezt, daß der Verstorbene keine Erben in gerader Linie hat; es müßte 495 Nach Art. 192 f. des Entwurfs ist die Anfechtung einer ohne »freie Einwilligung« geschlossenen Ehe – wie nach Art. 180 f. Cc – nur durch die bzw. den Ehegatten möglich, dessen »Einwilligung« auf einen Willensmangel zurückzuführen war.

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Teil 2: Metus reverentialis

denn derjenige, zu dessen Vortheile die Verfügung geschehen ist, selbst unter der Zahl dieser Erben seyn. Alles dieß gilt auch in Ansehung der Religionsdiener.«

Im Ergebnis lehnen sich die untersuchten Vorschriften in Feuerbachs bayerischem Entwurf von 1808/09 trotz anderer Zählung inhaltlich noch enger an das Vorbild des Code civil an als die des von Brauer redigierten Badischen Landrechts. Dies gilt vor allem für Art. 1177 des bayerischen Entwurfs, der – anders als Sz. 1114 und 1114a des Badischen Landrechts – bei bloßem metus reverentialis keine ausnahmsweise beachtlichen Konstellationen anerkennt. bb) Der Entwurf eines revidierten CMBC von 1811 Als Grundlage für den Entwurf eines »Revidirten Codex Maximilianeus Bavaricus civilis« von 1811 dient seinen Redaktoren Feuerbach, Johann Adam v. Aretin und Gönner grundsätzlich der CMBC von 1756.496 Dabei werden die in IV 1 § 25 CMBC aufgeführten Tatbestände von Zwang, Betrug und Irrtum auf verschiedene Paragraphen des Obligationenrechts verteilt (IV 1 §§ 30–33).497 Die ursprüngliche, sehr knappe Regelung des Zwangs in IV 1 § 25 Nr. 1 CMBC wird in IV 1 § 33 dieses Entwurfs (»Von Furcht und Zwang«) deutlich erweitert, indem aus dem Entwurf Feuerbachs von 1808/09 die Art. 1174–1176 mehr oder weniger unverändert übernommen werden, das heißt letztlich im Ergebnis die Bestimmungen der Art. 1111–1113 Cc. Wie schon im Entwurf von 1808/09 wird aber auch hier kein einheitlicher deutscher Begriff für violence verwendet, sondern abwechselnd von Furcht, Zwang und Gewalt gesprochen. Die Anforderungen an beachtlichen Zwang aus Art. 1175 des Entwurfs von 1808/09 bzw. aus Art. 1112 Cc werden ohne wesentliche Änderungen498 nun in IV 1 § 33 Nr. 2 eingefügt: IV I § 33 »[…] Ein solcher Zwang muß jedoch 2.) von der Art seyn, daß er auf einen vernünftigen Menschen Eindruck machen kann und denselben mit Gefahr eines beträchtlichen gegenwärtigen Uebels an seiner Person oder an seinen Gütern bedroht, wobei zugleich auf Geschlecht, Alter und Beschaffenheit der Person Rücksicht zu nehmen ist.«499

Keine Aufnahme findet dagegen die Regelung aus Art. 1177 des Entwurfs von 1808/09 bzw. aus Art. 1114 Cc zu metus reverentialis. Da schon der CMBC von 1756 keine Vorschrift hierzu enthalten hatte, sondern dies nur in den Anmer496 DEMEL / SCHUBERT (Hrsg.), Entwurf von 1811 (1986). Zur Entstehungsgeschichte s. o. Teil 1, Fn. 1219. 497 DEMEL / SCHUBERT (Hrsg.), Entwurf von 1811 (1986), S. 439 ff. Vgl. die Motive hierzu a. a. O., S. 602. 498 So stellt der Entwurf von 1811 »auf Geschlecht, Alter und Beschaffenheit der Person« im Singular ab, statt wie der Entwurf von 1808/09 (und der Code civil) »auf Alter, Geschlecht und Beschaffenheit der Personen« (à l’âge, au sexe et à la condition des personnes) im Plural. 499 DEMEL / SCHUBERT (Hrsg.), Entwurf von 1811 (1986), S. 441.

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kungen von Kreittmayr behandelt worden war, steht zu vermuten, dass die Redaktoren keinen Anlass sahen davon abzuweichen, weil sie insoweit eine gesetzliche Regelung weiterhin für überflüssig und entbehrlich hielten. Ebenso wie schon I 6 § 8 Nr. 1 CMBC statuiert auch der Entwurf von 1811 die Ungültigkeit einer erzwungenen Ehe, wobei einmalig der Begriff der »gegründeten Furcht« fällt: I 6 § 5 »Zur Gültigkeit einer Ehe wird die freie Einwilligung beider Theile erfordert, daher ist die Ehe ungültig, 1.) wenn ein Theil durch Zwang oder gegründete Furcht zur Eingehung der Ehe genöthiget wurde […].«500

Im Erbrecht nehmen die Redaktoren die Regelung bezüglich erzwungener letztwilliger Verfügungen in III 2 § 7 CMBC zum Anlass für eine klarstellende Ergänzung, wann fortwährende Zudringlichkeiten gegenüber dem Erblasser die Schwelle von beachtlichem Zwang erreichen – nämlich dann, wenn der Erblasser krank und deswegen auf den Umgang mit demjenigen angewiesen ist, der ihn bedrängt: III 2 § 4 »Ein rechtsgültiger lezter Wille ist nicht vorhanden […] 2.) wenn und so weit die leztwillige Verfügung durch Gewalt oder Furcht erpreßt, oder durch Betrug von Seite desjenigen, zu deßen Vortheil sie gereicht oder von einem Dritten bewirkt worden ist; es werden auch 3.) ungestüme oder zudringlich wiederholte Bitten, so ferne sie einem Kranken von denjenigen Personen gemacht werden, mit welchen er umzugehen durch seine Verhältniße genöthiget ist, dem Zwange gleich geachtet.«501

Während Kreittmayr diese Frage im CMBC nicht geregelt und auch in seinen Anmerkungen nur gestreift hatte, sehen die Redaktoren des Entwurfs von 1811 nun Handlungsbedarf für den Gesetzgeber, um Unklarheiten zu beseitigen, wie aus den Motiven hervorgeht: »[…] desgleichen war es 2.) nothwendig, das schwankende, welches bisher bei den durch Schmeicheleien oder Zudringlichkeiten (per blanditias) abgelenkten leztwilligen Dispositionen herrschte, aufzuheben; deshalb sezten wir die nähere Beschränkung bei, wenn diese Personen herkommen, mit welchen der Erblaßer seiner Verhältniße wegen umzugehen genöthiget ist, weil nur die Zudringlichkeiten solcher Personen auf die Willensfreiheit eines Testators Einfluß haben können, indem sonst ein kranker Testator von solchen Personen gequält, vernachläßiget und auf feine Art mißhandelt würde, wenn er sich nicht nach dem zudringlichen Wunsche solcher Personen bequemte.«502

Ansatzpunkt ist demnach das neuralgische Abhängigkeitsverhältnis eines hinfälligen Erblassers zu seinem unmittelbaren persönlichen Umfeld, dem er sich nicht mehr entziehen kann. Der Missbrauch dieser Nähebeziehung zu einer unlauteren Einflussnahme soll sanktioniert werden, jedoch nicht die Über500 DEMEL / SCHUBERT (Hrsg.), Entwurf von 1811 (1986), S. 29. Die Motive zu dieser Vorschrift gehen nicht näher auf den Tatbestand des »Zwangs« ein, vgl. a. a. O., S. 111. 501 DEMEL / SCHUBERT (Hrsg.), Entwurf von 1811 (1986), S. 315. 502 DEMEL / SCHUBERT (Hrsg.), Entwurf von 1811 (1986), S. 393.

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redungsversuche durch außenstehende Dritte, von deren weiterem Wohlwollen der Erblasser nicht abhängig ist. Insgesamt benutzt der Entwurf von 1811 den CMBC also einerseits lediglich als Plattform, auf die er die Regelungen des Code civil zur violence – vermittelt durch den vorhergehenden Entwurf von 1808/09 – aufsetzt, allerdings ohne eine Parallelvorschrift zur crainte révérentielle. Andererseits orientiert sich der Entwurf von 1811 bei den Tatbeständen im Ehe- und Erbrecht eng am CMBC mit gewissen Modifikationen. cc) Der Entwurf von 1816/18 Der Entwurf von 1816/18 mit dem Titel »Neuverbessertes Allgemeines Baierisches Land-Recht« ist dagegen dem Vorbild des CMBC wesentlich stärker verhaftet als der Entwurf von 1811.503 Im Obligationenrecht wird der Wortlaut von IV 1 § 25 Nr. 1 CMBC nahezu unverändert wiedergegeben, abgesehen von der Verwendung deutscher statt lateinischer Begriffe (wie etwa »Einwilligung« statt Consens). Die einzig nennenswerte Ergänzung besteht in der ausdrücklichen Klarstellung, dass bei der Drohung durch einen Dritten der andere Vertragsteil Kenntnis davon haben muss, was im CMBC durch einen Redaktionsfehler unterblieben war:504 IV 1 § 25 »Nichts ist der Einwilligung und dem freien Willen mehr entgegen, als Zwang, Betrug und Irrthum. Um aber 1. eine Handlung wegen Zwanges oder wegen Furcht für ungültig und nichtig zu achten, wird ein großer und widerrechtlicher Zwang erfordert, welches das Gericht aus der Person, und aus andern Umständen zu ermessen hat, und ist hierbei eins, ob solcher von einem der vertragenden Theile selbst, oder mit seinem Wissen und Willen, von einem Dritten ausgeübt worden.«505

Auch im Eherecht wird die Vorschrift des I 6 § 8 Nr. 1 CMBC fast wortgleich wiederholt, dass eine durch »widerrechtlichen schweren Zwang« herbeigeführte Ehe ungültig ist: I 6 § 8 »Das Eheverlöbniß sowohl, als auch die Ehe selbst, werden durch folgende Hinderniße ohne alle Ausnahme und Nachsichts Erklärung gänzlich entkräftet und vernichtet: 1) Durch widerrechtlichen schweren Zwang […]«506 503 ARETIN, Allgemeines Baierisches Land-Recht, BayHStA, Staatsrat 2184–2195. Zur Entstehungsgeschichte s. o. Teil 1, Fn. 1234. 504 Siehe oben Fn. 311. 505 ARETIN, Allgemeines Baierisches Land-Recht, BayHStA, Staatsrat 2190, S. 31 f. Vgl. hierzu die Bemerkungen, a. a. O., Staatsrat 2192, S. 1, 6: »Zum Nummer 1 am Schluße in der Anmerkung zum § 25 N. 2 wird dieser Satz für einen Druckfehler erklaert, und soll es nach solchen heißen: ob solche von einander [sic! – statt ›von einem der‹] vertragenden Theile selbst oder mit seinem Wissen und Willen von einem Dritten ausgeübt werden. Man hat daher hiernach die Aenderung vorgenommen.« 506 ARETIN, Allgemeines Baierisches Land-Recht, BayHStA, Staatsrat 2185, S. 78. Vgl. hierzu die Bemerkungen, a. a. O., Staatsrat 2184, S. 24, 73 f.

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Gleiches gilt im Erbrecht für die Formulierung aus III 2 § 7 CMBC bezüglich der Nichtigkeit einer erzwungenen letztwilligen Verfügung: III 2 § 7 »Wenn […] die Verfügung erweislichermassen nur mit Gewalt und Furcht erzwungen, betrüglicher und hinterlistiger Weis erschlichen, durch wesentlichen Irrthum veranlasset, im Scherz oder blossen Gespräch ohne anscheinenden rechten Ernst geäußert worden, so ist es entweder kein freyer, oder doch kein wahrer Wille.«507

Alles in allem weisen die Tatbestände des Entwurfs von 1816/18 gegenüber dem CMBC somit keinerlei inhaltliche Neuerung auf. dd) Der Entwurf Leonrods von 1834 Für seinen »Entwurf eines allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern« von 1834 orientiert sich Leonrod grundsätzlich am Vorbild des österreichischen ABGB von 1811.508 Wie in § 55 ABGB wird daher die »gegründete Furcht« im Eherecht legaldefiniert, in Zusammenhang mit der Ungültigkeit einer erzwungenen Ehe: § 50 »Die Einwilligung zur Ehe ist ungültig, wenn sie durch eine gegründete Furcht erzwungen wurde; ob die Furcht gegründet war, muß aus der Größe und Wahrscheinlichkeit der Gefahr, und aus der Leibs- und Gemüthsbeschaffenheit der bedrohten Person beurtheilt werden.«509

Nach Ansicht Leonrods bringt diese Vorschrift die Kombination subjektiver und objektiver Elemente dabei prägnant und präzise zum Ausdruck: »[…] denn die Ehe ist ein Vertrag, zum Vertrage gehört freier Wille, Zwang schließt freien Willen aus; aber nicht jede Furcht genügt, sie muß gegründet seyn, dieß muß aus den Umständen hervorgehen, und diese muß das Gesez bezeichnen; es ist dem Oesterreichischen Rechte (§ 55), wie der Entwurf glaubt, gelungen, die sub- und objektive Rücksicht, worauf es hier ankommt, kurz und gut zu geben.«510

Auch im Erbrecht wird die Regelung zu erzwungenen letztwilligen Verfügungen aus § 565 ABGB unverändert in den Entwurf übernommen: § 533 »Der Wille des Erblassers muß bestimmt – nicht durch bloße Bejahung eines ihm gemachten Vorschlags – er muß im Zustande der vollen Besonnenheit – mit Ueberlegung und Ernst – frei von Zwang, Betrug und wesentlichem Irrthume erklärt werden.«511

507 ARETIN, Allgemeines Baierisches Land-Recht, BayHStA, Staatsrat 2188, S. 82 f. Vgl. hierzu die Bemerkungen, a. a. O., Staatsrat 2189, S. 23, 31. 508 LEONROD, Entwurf, BayHStA, Staatsrat 4038. Zur Entstehungsgeschichte s. o. Teil 1, Fn. 1242. 509 LEONROD, Entwurf, BayHStA, Staatsrat 4038, S. 65 f. 510 LEONROD, Motive, BayHStA, Staatsrat 4038, S. 36. 511 LEONROD, Entwurf, BayHStA, Staatsrat 4038, S. 223. In den Motiven finden sich keine Ausführungen hierzu, vgl. a. a. O., S. 234 ff., 236.

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Eine weitere Parallele besteht im Vertragsrecht, als dort nach dem Modell des § 870 ABGB auf die im Eherecht gegebene Legaldefinition der »gegründeten Furcht« verwiesen wird: § 784 »Wer durch ungerechte und gegründete Furcht zu einem Vertrage gezwungen wurde, ist ihn zu halten nicht verbunden; ob die Furcht gegründet war, muß nach den in § 50 angegebenen Rücksichten beurtheilt werden.«512

Im Gegensatz zu § 875 ABGB verlangt der Entwurf Leonrods aber bei Drittkonstellationen keine Kenntnis des anderen Vertragsteils von dem durch einen Dritten herbeigeführten Willensmangel, sondern behandelt diese Fälle alle gleich: § 789 »Ob Zwang oder Betrug vom Mitkontrahenten oder von einem Dritten herrühre, macht bezüglich der Gültigkeit des Vertrags keinen Unterschied.«513

Die entsprechenden Motive betonen in rechtsvergleichender Hinsicht die isolierte Position des österreichischen Rechts, was den von einem Dritten ausgeübten Zwang angeht. Daneben wird mit Blick auf die »Rechtsphilosophie« das Prinzip der Willensfreiheit in den Vordergrund gestellt, zumal dadurch – ganz pragmatisch – keine Zunahme der Prozesse zu befürchten sei.514 Die Verbotsvorschrift in § 879 ABGB schließlich wird im Entwurf Leonrods von vier auf zwei Tatbestände reduziert: § 793 »Insbesondere sind, ausser den am gehörigen Orte angeführten, folgende Verträge ungültig: 1.) wenn ein Arzt oder Wundarzt sich vom Kranken für die Uebernahme der Heilung – oder 2.) ein Anwalt sich für die Uebernahme eines Prozesses eine bestimmte Belohnung bedingt, oder eine ihm anvertraute Streitsache an sich löst.«515

Wiederum stellen die Motive insoweit rechtsvergleichende Betrachtungen an. Da das Verbot der entgeltlichen »Unterhandlung eines Ehevertrages« in § 879 Nr. 1 ABGB eine Besonderheit des österreichischen Recht darstelle, wird es von Leonrod nicht aufgenommen, während die Tatbestände in § 879 Nr. 2 und 3 ABGB beibehalten werden. Der in § 879 Nr. 4 ABGB untersagte Abschluss von Verträgen über den Nachlass eines noch lebenden Dritten sei zwar auch in anderen Rechtsordnungen verboten, nicht aber im bayerischen Recht. Da in Bayern bislang kaum Fälle vorgekommen seien, wo dem ErblasLEONROD, Entwurf, BayHStA, Staatsrat 4038, S. 307. LEONROD, Entwurf, BayHStA, Staatsrat 4038, S. 308. 514 LEONROD, Motive, BayHStA, Staatsrat 4038, S. 292 f.: »[…] kann der Regreß gegen den Urheber den unfreien Willen frei machen? Man könnte sagen, der § 789 des Entwurfs werde mehr Prozesse veranlassen, als der § 875 des Oesterreichischen Rechts; unter den Kontrahenten – ja, aber ist der Regreßprozeß gegen den Dritten nicht auch ein Prozeß – und wenn von der Zahl der Prozesse die Rede ist, macht es einen Unterschied, ob A mit B oder mit C streitet?« – Zu § 875 ABGB vgl. MARTENS, Durch Dritte verursachte Willensmängel (2007), S. 168 ff. 515 LEONROD, Entwurf, BayHStA, Staatsrat 4038, S. 309. 512 513

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ser um der Erbschaft willen nach dem Leben getrachtet wurde, wird dieser Tatbestand ebenfalls als obsolet angesehen.516 Die vorliegend untersuchten Vorschriften zeigen, dass der Entwurf Leonrods im Wesentlichen dem Vorbild des österreichischen ABGB folgt, insbesondere als er keine Norm zu metus reverentialis enthält. Dabei klammert er sich aber nicht sklavisch an das ABGB, sondern weicht in bestimmten Punkten deutlich ab und vertritt dezidiert andere Positionen. ee) Der Entwurf von 1861/64 Der Aufbau des »Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern« von 1861/64517 folgt dem Pandektensystem, allerdings sind der vierte und fünfte Teil zum Familien- bzw. Erbrecht nicht mehr erschienen.518 Dabei beginnt der Allgemeine Teil mit der Rechtsgeschäftslehre und regelt im Anschluss an die Willenserklärung den »Zwang« (Theil I Art. 20–22). Ansatzpunkt ist auch hier wieder die »gegründete Furcht«, ohne dass es eine Rolle spielt, ob diese vom anderen Teil oder von einem Dritten hervorgerufen wurde (Theil I Art. 20 Abs. 1). Ähnlich wie die beiden Entwürfe von 1808/09 und 1811 setzt der Entwurf von 1861/64 insoweit eine »erhebliche Gefahr« für »Person oder Vermögen« voraus, wobei »Alter, Geschlecht und sonstige persönliche Verhältnisse« in die Bewertung einzubeziehen sind (Theil I Art. 22): Theil I Art. 22 »Die Furcht ist eine gegründete, wenn die angewendeten Mittel geeignet waren, in dem Genöthigten den Glauben zu erwecken, daß er oder einer seiner Angehörigen in Bezug auf Person oder Vermögen mit einer erheblichen Gefahr bedroht sey. Hiebey sind Alter, Geschlecht und sonstige persönliche Verhältnisse der Betheiligten sowie die Wichtigkeit der bedrohten Interessen zu berücksichtigen.«

Anders als in den beiden Entwürfen von 1808/09 und 1811 wird nun jedoch bewusst nicht mehr verlangt, dass die betreffende Drohung auch einen »Besonnenen und Festen« zum Einlenken gebracht hätte: »Hiebei kann aber darauf kein entscheidendes Gewicht gelegt werden, ob die gedrohten Uebel geeignet waren, mit übermächtiger Gewalt auch auf einen Besonnenen und Festen Wirkung zu äußern. Sind vielmehr die gedrohten Uebel überhaupt nur von der bezeichneten Art, so ist für die Frage, ob anzunehmen sei, daß die Drohungen auf den Willen der bedrohten Person jene widerrechtliche Einwirkung wirklich geäußert haben d. h. dieselbe zur Handlung wirklich bewogen haben, die Rücksicht auf die konkreten Eigenschaften und 516 LEONROD, Motive, BayHStA, Staatsrat 4038, S. 293 ff., 295: »Der Entwurf glaubte, am besten zu thun, wenn er sich bezüglich dieser Verbote an das Bayrische Recht hält, die Nummern 1 und 4 des § 879 des Oesterreichischen Rechtes verwirft, die Nummern 2 und 3 annimmt; zu 1 steht das Oesterreichische Recht ganz allein, und zu 4 ist es gleichsam eine Ehrensache für die Bayerische Nation, keinen Rückschritt zu thun.« 517 BayStMJ (Hrsg.), Entwurf, Theil I–III (1861–1864). Zur Entstehungsgeschichte s. o. Teil 1, Fn. 1247. 518 DÖLEMEYER, Ius Commune 5 (1975), 138, 173 f.

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Teil 2: Metus reverentialis

Verhältnisse der bedrohten Person und auf die Wichtigkeit der bedrohten Interessen maßgebend, weil aus diesen Umständen zu ermessen ist, welchen Grad inneren Widerstands der Bedrohte zu entwickeln befähiget und veranlaßt war.«519

Der Entwurf von 1861/64 entscheidet sich somit für eine Abkehr vom objektiven Maßstab der personne raisonnable des Code civil bzw. des gemeinrechtlichen vir constans hin zu einem subjektiven Ansatz, der allein auf die Situation der im konkreten Einzelfall bedrohten Person abstellt. Demgegenüber wird metus reverentialis weder im Entwurf geregelt noch in den Motiven erwähnt. In der Literatur wird insoweit bemängelt, dass der Begriff der Widerrechtlichkeit in der Definition des Zwangs fehle, die insbesondere bei einem bloßen metus reverentialis nicht gegeben sei.520 f)

Hessen-Darmstadt

Die Arbeiten an einem »Bürgerlichen Gesetzbuch für das Großherzogthum Hessen-Darmstadt« führen 1842 zunächst zur Fertigstellung eines Ersten Entwurfs des Personenrechts.521 Dieser beschränkt sich im Eherecht (I 2 Art. 28), ähnlich wie Sz. 146 des Badischen Landrechts, auf eine deutsche Übersetzung von Art. 146 Cc: I 2 Art. 28 »Ohne Einwilligung beider Theile ist keine Ehe möglich.«522

Denn nach den Motiven sollen für metus bei der Eheschließung die allgemeinen Grundsätze des Schuldrechts gelten.523 Der 1844 vorgelegte Zweite Entwurf des Personenrechts524 stellt bei den Ehehindernissen ebenfalls den Grundsatz aus Art. 146 Cc voran: BayStMJ (Hrsg.), Motive, Theil I (1861), S. 10 (neu: S. 314). Vgl. LANG, Der Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Bayern mit Berücksichtigung des hessischen und sächsischen Entwurfs, Heft I (1861), S. 54: »In der Lehre vom Zwang fehlt im Art. 20 die Bezeichnung des Zwangs als widerrechtlichen. Nach dem bestehenden Recht, sowie nach dem sächsischen Entwurf § 95 und dem hessischen Artikel 71 muß das Angedrohte selbst eine Widerrechtlichkeit sein; der sogenannte metus reverentialis ist nicht widerrechtlich, z. B. L. 22 D. de R. N. (23.2), L. 6 cod. de his, quae vi metusve causa gesta sunt (2.20)«. – Zum Hessischen Entwurf s. u. S. 398 ff.; zum Sächsischen Entwurf von 1860 bzw. dem Sächsischen BGB von 1863/65 s. u. S. 404 ff. 521 HessMIJ (Hrsg.), Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs, Abt. I (1842). Vgl. hierzu SCHUBERT, ZRG GA 88 (1971), 110 ff.; JUNG, Die zivilrechtliche Stellung der Frau im Großherzogtum Hessen (1997), S. 243 ff. 522 Wie nach Art. 180 f. Cc kann auch nach I 2 Art. 41 eine ohne »freie Einwilligung« geschlossene Ehe nur von den bzw. dem Ehegatten angefochten werden, dessen »Einwilligung« auf einem Willensmangel beruhte. 523 HessMIJ (Hrsg.), Motive, Abt. I (1842), S. 67 f. (zu I 2 Art. 28) und S. 82 ff., 84 (zu I 2 Art. 41): »Da übrigens die hier dem Richter zu gebenden allgemeinen Anhaltspunkte zur Beurtheilung des metus dieselben sind, wie sie auch hinsichtlich des metus bei anderen Rechtsgeschäften in Betracht kommen, so sind die Bestimmungen über diese Anhaltspunkte in die Lehre von den allgemeinen Grundsätzen über die Obligationen verwiesen worden.« 519 520

IV. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert

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I 2 Art. 2 »Ohne freie Einwilligung beider Theile kann eine Ehe rechtsgültig nicht eingegangen werden.«525

Im unmittelbaren Anschluss werden nun aber schon hier im Eherecht detaillierte Regelungen zu metus aufgestellt, was mit der eminenten Bedeutung und den Besonderheiten der Ehe begründet wird. Zugleich künden die Motive jedoch an, dass manche dieser Vorschriften am Ende wieder entfallen könnten, wenn die Arbeiten zum Obligationenrecht vorangeschritten sind.526 Inhaltlich stehen grundsätzlich die Art. 1111 ff. Cc Pate, wenn etwa für die »begründete Furcht« eine »wesentliche Gefahr« für »Person oder Eigenthum« verlangt wird und dabei auf »Alter, Geschlecht und sonstige persönliche Verhältnisse« Rücksicht zu nehmen ist (I 2 Art. 3–5): I 2 Art. 3 »Die durch Zwang oder Erweckung einer begründeten Furcht abgedrungene Einwilligung hat keine verbindende Kraft, die Nöthigung mag von dem anderen Theile oder von einem Dritten ausgegangen seyn.« I 2 Art. 4 »Die Furcht ist eine begründete, wenn die Beschaffenheit der angewendeten Mittel in dem Genöthigten den Glauben erwecken mußte, daß dadurch er oder einer seiner nächsten Angehörigen in Bezug auf Person oder Eigenthum mit einer nahen und wesentlichen Gefahr bedroht sey.« I 2 Art. 5 »Bei Würdigung des Einflusses der Nöthigungsmittel auf die Gemüthsstimmung des Genöthigten, und der Wichtigkeit der dadurch bedrohten Interessen, sind Alter, Geschlecht und sonstige persönliche Verhältnisse der Betheiligten zu berücksichtigen.«

Keinen Niederschlag findet hingegen das objektive Element der personne raisonnable aus Art. 1112 Abs. 1 Cc. Vielmehr vertrauen die Motive auf die richtige Ausübung des richterlichen Ermessens bei der Einschätzung der Gesamtsituation.527 In Übereinstimmung mit Art. 1114 Cc wird abschließend noch die Unbeachtlichkeit von bloßer »ehrerbietiger Scheu« (crainte révérentielle) angeordnet (I 2 Art. 6). Während Art. 1114 Cc insoweit nur auf Eltern HessMIJ (Hrsg.), Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs, Abt. I (1844). Das entsprechende Anfechtungsrecht des bzw. der Ehegatten (Art. 180 f. Cc) findet sich in I 2 Art. 48 f. des Zweiten Entwurfs. 526 HessMIJ (Hrsg.), Motive, Abt. I (1844), S. 34, 35 (zu I 2 Art. 2–8): »Mit diesem Erfordernisse des gemeinschaftlichen Consenses der Ehegatten sind denn auch von selbst die allgemeinen Voraussetzungen, wodurch ein gültiger Consens schon nach den Grundsätzen des Obligationenrechts bedingt wird, als nothwendig geboten. Da indessen die positiven und negativen Erfordernisse eines gültigen Consenses sich bei der Ehe mehrfach modificiren […] so erscheint es nöthig, schon jetzt die nothwendigsten Bestimmungen darüber dem Entwurfe einzuverleiben, obwohl sie, als zum größeren Theile auf alle Rechtsgeschäfte anwendbar, dem Obligationenrechte nicht minder angehören. Welche der hier vorläufig aufgestellten Grundsätze dereinst vielleicht durch Berufung auf die bezüglichen Artikel des allgemeinen Obligationenrechts an dieser Stelle entbehrlich werden könnten, wird künftig, wenn die Redaction des Gesetzbuches so weit vorgeschritten ist, zu erwägen seyn.« 527 HessMIJ (Hrsg.), Motive, Abt. I (1844), S. 34, 37 f. (zu I 2 Art. 2–8). Vgl. ferner a. a. O., S. 66 f. (zu I 2 Art. 48). 524 525

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und Voreltern explizit Bezug nimmt, führt der Hessische Entwurf daneben noch die Vorgesetzen an, ohne aber so weit zu gehen wie Sz. 1114 des Badischen Landrechts und jedes vergleichbare Verhältnis (»und dergleichen«) einzubeziehen: I 2 Art. 6 »Ehrerbietige Scheu vor Eltern, Voreltern oder Vorgesetzten allein ist nicht geeignet, um eine dadurch bewirkte Zustimmung unverbindlich zu machen.«

Die Motive räumen freilich ein, dass Drohungen der Eltern oder Vorgesetzten stärker wirken als die eines Fremden. Die Vorschrift stelle daher lediglich klar, dass metus reverentialis hier allein noch nicht genüge. In diesem Abhängigkeitsverhältnis bedürfe es aber weniger als sonst, um insgesamt die Schwelle für beachtlichen metus zu erreichen: »Die von Ascendenten oder Vorgesetzten ausgegangene Drohung hat ein ganz anderes Gewicht, als wenn sie von untergeordneten oder dem Bedrohten fremden Personen herrührten. Nichts desto weniger wahrt Art. 6, daß die ehrerbietige Scheu vor jenen Personen nicht mit der Furcht, als der unerläßlichen Voraussetzung der Unverbindlichkeit der Einwilligung, verwechselt werde, wenn es gleich in Verbindung mit jener Scheu eines geringeren Aufwandes von Mitteln bedürfen sollte, um der Anforderung des Gesetzes zu entsprechen.«528

Bei der Behandlung des Zweiten Entwurfs durch die Landstände (1846) stößt dieser im Eherecht gewählte Ansatz teilweise auf erhebliche Kritik. Der Referent des von der Zweiten Kammer gebildeten Ausschusses, Andreas Hesse, hält schon die Aufnahme einer Parallelvorschrift zu Art. 146 Cc in I 2 Art. 2 für obsolet, da die »Einwilligung beider Theile« kein Spezifikum der Ehe sei, sondern ein gewöhnliches »Criterium« wie bei jedem anderen Vertrag auch.529 Vor allen Dingen jedoch gehöre die in I 2 Art. 3–6 geregelte Materie zum Obligationenrecht und sei konsequenterweise allein dort im schuldrechtlichen Kontext zu regeln, wie es auch in Art. 1112 ff. Cc geschehe. Demgegenüber stelle es einen Systembruch dar, nach dem Vorbild des § 55 ABGB die »Lehre von der Furcht« schon im Eherecht zu behandeln.530 Mit Blick auf metus reverentialis sei eine Regelung wie in I 2 Art. 6 zwar unschädlich aber HessMIJ (Hrsg.), Motive, Abt. I (1844), S. 34, 38 (zu I 2 Art. 2–8). Bericht der Ausschüsse erster und zweiter Kammer (1846), S. 132 (zu I 2 Art. 2). 530 Bericht der Ausschüsse erster und zweiter Kammer (1846), S. 133 f. (zu I 2 Art. 3– 6): »[…] daß alle Bestimmungen über die der Vertragslehre im Allgemeinen angehörigen Nichtigkeitsgründe in das Obligationenrecht und nicht hierher gehörten, indem sie erst dort im Zusammenhange mit anderen concernirenden Bestimmungen der Obligationenlehre gebracht und beurtheilt werden könnten. Der erste Entwurf, welcher in Uebereinstimmung mit dem Code civil Art. 1112 ff. von dieser Ansicht ausgegangen sei, scheine hierin den Vorzug vor der Oekonomie des österreichischen Gesetzbuches, Art. 55, auf welche man jetzt zurückgekommen sei, zu verdienen, denn wolle man, und davon habe man sich auch bei der Discussion über das französische Civilgesetzbuch überzeugt, die Lehre von der Furcht hier abhandeln, so müßten noch andere Bestimmungen über andere correspondirende Materien angereiht werden, z. B. die Lehre vom Betrug«. 528 529

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überflüssig, da der Richter ohnehin immer die Umstände jedes Einzelfalls zu berücksichtigen habe, wenn es um die Frage einer beachtlichen Furcht geht: »Darum sei auch der Art. 6, wenn auch unschädlich, doch ohne Werth, indem, verstehe man anders unter ehrerbietiger Scheu kindlichen Respect vor den Ansichten der Eltern, die Reflexion des Richters sich in dem einzelnen Fall doch darüber werde verbreiten müssen, ob die behauptete Furcht vor den Eltern wahre Furcht oder kindlicher Gehorsam gewesen sei.«531

Die Mehrheit des Ausschusses findet allerdings weder an I 2 Art. 2 noch an I 2 Art. 3–6 etwas auszusetzen und hält die Aufnahme dieser Vorschriften angesichts der herausragenden Rolle der Ehe für gerechtfertigt.532 Infolgedessen behalten diese Vorschriften 1846 ihre Gestalt, abgesehen von kleinen Umformulierungen in I 2 Art. 3 und 4, die auf den Ausschuss der Ersten Kammer zurückgehen.533 Der 1853 veröffentlichte Entwurf zum Obligationenrecht begnügt sich schließlich im Wesentlichen damit, die Vorschriften zu metus aus dem Eherecht (I 2 Art. 3–6) in das Erste Buch zum allgemeinen Schuldrecht (IV 1 Art. 71–74) zu übertragen.534 Lediglich die Regelung aus I 2 Art. 3 wird umformuliert und in IV 1 Art. 71 um einen Absatz zum Schadensersatz ergänzt. Zudem wird aus »Zwang« nun »ungerechter Zwang« sowie aus »begründeter Furcht« nun »gegründete Furcht«: IV 1 Art. 71 »Ist die Einwilligung einem der Vertragschließenden durch ungerechten Zwang, sei es durch Zufügung körperlicher Leiden oder durch Erwirkung gegründeter Furcht, abgedrungen worden, so hat sie keine verbindende Kraft, ohne Unterschied, ob der Zwang von dem anderen Theile oder von einem Dritten ausgegangen ist. Außerdem ist derjenige, welcher sich des Zwangs schuldig machte, dem Gezwungenen allen durch den Zwang entstandenen Schaden zu ersetzen schuldig.«

Die darauffolgenden Vorschriften in IV 1 Art. 72–74 bleiben ansonsten nahezu unverändert, insbesondere die Regelung in IV 1 Art. 74 zu metus reverentialis:535 Bericht der Ausschüsse erster und zweiter Kammer (1846), S. 134 (zu I 2 Art. 3–6). Bericht der Ausschüsse erster und zweiter Kammer (1846), S. 132 f. (zu I 2 Art. 2) bzw. S. 134 f. (zu I 2 Art. 3–6). 533 Bericht der Ausschüsse erster und zweiter Kammer (1846), S. 181 f. (zu I 2 Art. 3– 6); Entwurf nach den Anträgen der Ausschüsse der ersten und zweiten Kammer (1846), S. 12 f. – Ebenfalls unverändert bleibt das allein dem bzw. den Ehegatten zustehende Anfechtungsrecht in I 2 Art. 48 f., vgl. den Bericht, a. a. O., S. 213 (zu I 2 Art. 48–49); Entwurf, a. a. O., S. 20 f. 534 HessMIJ (Hrsg.), Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs, Abt. IV/1 (1853). 535 HessMIJ (Hrsg.), Motive, Abt. IV/1 (1853), S. 49 f. (zu IV 1 Art. 71–74): »Darum bestimmt auch der Art. 71 Abs. 1, daß ein auf einer solchen unfreien Einwilligung beruhender Vertrag nicht verbindlich sey, und die Art. 72–74, welche nur die einstweilen im Titel II von dem Eherechte aufgenommenen Artikel 3–6 zu ersetzen bestimmt sind, und dort bereits ihre Rechtfertigung gefunden haben, sollen nur die näheren sub- und objectiven Anhaltspunkte für das richterliche Ermessen darbieten, inwiefern im einzelnen Falle 531 532

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IV 1 Art. 72 »Die Furcht ist eine gegründete, wenn die Beschaffenheit der angewendeten Mittel in dem Genöthigten den Glauben erwecken mußte, daß dadurch er selbst oder einer seiner Angehörigen in Bezug auf Person oder Eigenthum mit einer nahen und wesentlichen Gefahr bedroht sei.« IV 1 Art. 73 »Bei Würdigung des Einflusses der Nöthigungsmittel auf die Gemüthsstimmung des Genöthigten und der Wichtigkeit der dadurch bedrohten Interessen, sind Alter, Geschlecht und sonstige persönliche Verhältnisse der Betheiligten zu berücksichtigen.« IV 1 Art. 74 »Ehrerbietige Scheu vor Eltern, Voreltern, Vorgesetzten allein ist nicht geeignet, um eine dadurch bewirkte Einwilligung unverbindlich zu machen.«

Im Übrigen sieht auch der 1845 veröffentlichte Entwurf zum Erbrecht in bewusster Übereinstimmung mit den »im Obligationenrechte aufzustellenden allgemeinen Grundsätzen« die Ungültigkeit einer erzwungenen letztwilligen Verfügung vor:536 III Art. 47 »Letztwillige Verfügungen, zu welchen der Erblasser durch Zwang bestimmt worden ist, sind ungültig.«

Das Konzept von metus im Hessischen Entwurf weist also deutliche Parallelen zum Code civil auf, wenngleich der objektive Maßstab der personne raisonnable aufgegeben wird. Stattdessen wird dem Richter mehr Spielraum eingeräumt, die Umstände des konkreten Einzelfalls angemessen zu würdigen. Dies soll gerade auch bei Abhängigkeitsverhältnissen gegenüber Eltern und Vorgesetzten zu sachgerechten Ergebnissen führen, ohne dass dabei eine »ehrerbietige Scheu« (crainte révérentielle) für sich allein beachtlich ist. g) Sachsen aa) Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs von 1852 Der 1852 im Druck erschienene Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Sachsen,537 dessen Aufbau sich erstmalig am Pandektensystem orientiert,538 regelt die »Furcht« grundsätzlich in seinem Dritten Teil, dem Schuldrecht:

der Zwang von der Beschaffenheit war, um als wahre, die Freiheit der Einwilligung aufhebende Nöthigung zu gelten.« 536 HessMIJ (Hrsg.), Motive, Abt. III (1845), S. 37 f. (zu III Art. 47). 537 SächsStReg (Hrsg.), Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs (1852). – Zur Entstehungsgeschichte s. o. Teil 1, Fn. 1355. 538 Der Entwurf von 1852 besteht aus folgenden sechs Teilen: (1.) »Allgemeiner Theil«, (2.) »Das Sachenrecht«, (3.) »Das Recht der Forderungen«, (4.) »Das Familienund Vormundschaftsrecht«, (5.) »Das Erbschaftsrecht« sowie (6.) »Das Gantrecht«. – Vgl. hierzu AHCIN, Zur Entstehung des bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Sachsen (1996), S. 148 ff.

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§ 685 »Ist der eine Theil von dem anderen auf ungerechte Weise in eine gegründete Furcht versetzt und dadurch zu dem Versprechen genöthigt worden, so ist er nicht verbunden, den Vertrag zu halten.« § 686 »Ob die Furcht eine gegründete war, wird nach der Beschaffenheit des angedrohten Uebels und der angewendeten Mittel, sowie nach der Persönlichkeit des Bedrohten und Bedrohenden in Erwägung der jedesmaligen Umstände beurtheilt.«

Auch wenn der Entwurf somit nicht mehr wie etwa noch das österreichische ABGB dem Institutionensystem folgt, lehnt er sich inhaltlich in dieser Frage doch eng an §§ 55 und 870 ABGB an, als die »gegründete Furcht« (metus iustus) vom Richter nach den Umständen des Einzelfalls und »billigem Ermessen« zu beurteilen ist: »Da die Erklärung der vis injusta und des metus justus zu manchen Zweifeln und Härten in der Anwendung des jetzigen Rechts Veranlassung gegeben hat, so hat man denselben durch die Fassung der §§ 685 und 686 insofern zu begegnen gesucht, als man den Richter bei Beurtheilung, ob eine gegründete Furcht vorhanden sei, auf die Umstände jedes einzelnen Falles gewiesen und so ein billiges Ermessen möglich gemacht hat.«539

Im Familienrecht, dem Vierten Teil, verweist der Entwurf anlässlich der erzwungenen Eheschließung auf die im Schuldrecht gegebene Definition der »gegründeten Furcht«: § 1398 »Die durch Erregung einer gegründeten Furcht (§ 686) erzwungene Einwilligung hat keine verbindende Kraft, die Nöthigung mag von dem anderen Theile oder von einem Dritten ausgegangen sein.«540

Außerdem stellt eine eigene Vorschrift im Eherecht noch einmal ausdrücklich klar, dass in diesem Zusammenhang bloßer metus reverentialis »vor Eltern, Großeltern oder Vorgesetzten« unbeachtlich ist: § 1400 »Ehrerbietige Scheu vor Eltern, Großeltern oder Vorgesetzten allein macht die dadurch bewirkte Einwilligung nicht ungültig.«

Begründet wird die Aufnahme einer solchen Bestimmung damit, dass ansonsten die Ungültigkeit der Ehe im Nachhinein mit dem schlichten Einwand herbeigeführt werden könne, nur aus Angst vor den Eltern geheiratet zu haben. Zugleich wird aber eingeräumt, dass im Verhältnis zwischen Eltern und Kind nur wenig hinzuzukommen brauche, um die Schwelle von unbeachtlicher Ehrfurcht zur beachtlichen »gegründeten Furcht« zu überschreiten: SächsStReg (Hrsg.), Specielle Motiven (1852), zu §§ 685 und 686, S. 154. Vgl. SächsStReg (Hrsg.), Specielle Motiven (1852), zu §§ 1398 bis 1400, S. 324: »Was zur Einwilligung gehöre und inwiefern wegen deren Ermangelung Nichtigkeit eines Vertrags vorhanden sei, ist zwar schon im Abschnitte 1, Abth. II, Theil III [= §§ 668, 680 ff.] entwickelt und auch auf den Vertrag, welcher der Ehe unterliegt, zu beziehen; es macht jedoch die besondere Natur und die Wichtigkeit der Ehe hier noch einige, theils abweichende, theils ergänzende Vorschriften nöthig. In den Paragraphen 1398 bis 1400 wird zuvörderst vom Zwange und der Furcht gehandelt. Was unter einer gegründeten Furcht zu verstehen sei, giebt der Entwurf durch das in § 1398 enthaltene Citat zu erkennen«. 539 540

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»Dagegen soll § 1400 verhüten, daß die öfters gebrauchte Einwendung erlittener Nöthigung eine mißbräuchliche Beachtung finde, wenn schon dabei nicht zu verkennen ist, daß es in Verbindung mit einer solchen ehrerbietigen Scheu, wie in § 1400 erwähnt wird, eines nur geringeren Aufwandes von anderen Mitteln bedarf, um eine zu beachtende Furcht zu erzeugen.«541

Hinsichtlich der unter Zwang getroffenen letztwilligen Verfügungen begnügt sich der Entwurf im Erbrecht (Fünfter Teil) damit, deren Ungültigkeit anzuordnen: § 1753 »Letztwillige Verfügungen, zu welchen der Erblasser durch Zwang bestimmt worden ist, sind ungültig.«542

bb) Das Sächsische BGB von 1863/65 Der Aufbau nach dem Pandektensystem wird auch im überarbeiteten Entwurf von 1860543 beibehalten,544 auf dem das Sächsische BGB von 1863/65 beruht.545 Der Allgemeine Teil wird dabei gegenüber dem Entwurf von 1852 insbesondere um die Vierte Abteilung »Von den Handlungen« erweitert, die einen eigenen Abschnitt »Rechtsgeschäfte« enthält.546 In diesem wird nun ganz allgemein die Anfechtbarkeit erzwungener Rechtsgeschäfte statuiert und die »gegründete Furcht« definiert: § 93 »Ist Jemand zu einem Rechtsgeschäfte widerrechtlicherweise durch Erregung einer gegründeten Furcht genöthigt worden, so kann er das Rechtsgeschäft anfechten.«547 § 94 »Ob die Furcht eine gegründete war, wird nach der Beschaffenheit des angedrohten Uebels und der angewendeten Mittel, sowie nach der Persönlichkeit des Bedrohten und des Bedrohenden und sonst nach den Umständen beurtheilt.«548

SächsStReg (Hrsg.), Specielle Motiven (1852), zu §§ 1398 bis 1400, S. 324. Vgl. SächsStReg (Hrsg.), Specielle Motiven (1852), zu §§ 1750 bis 1756, S. 439: »[…] daß der ausgesprochene Wille der wirkliche und gehörig bestimmte Wille des Erblassers sein muß. Da der letzte Wille dieses Erforderniß mit den Verträgen im Ganzen gemein hat, so kann man auch auf die Motiven zu Theil III, Abtheilung II, Abschnitt 1 [= §§ 668, 680 ff.] Bezug nehmen.« 543 SächsStReg (Hrsg.), Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs (1860). 544 Der Entwurf von 1860 besteht aus folgenden fünf Teilen: (1.) »Allgemeine Bestimmungen«, (2.) »Das Sachenrecht«, (3.) »Das Recht der Forderungen«, (4.) »Das Familienund Vormundschaftsrecht« sowie (5.) »Das Erbschaftsrecht«. Der im Entwurf von 1852 noch enthaltene sechste Teil zum Gantrecht wird als zum Prozessrecht gehörig herausgenommen, vgl. SächsStReg (Hrsg.), Allgemeine Motiven (1860), S. 423, 458 (lfd. Nr. 5). – Hierzu AHCIN, Zur Entstehung des bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Sachsen (1996), S. 276. 545 Siehe oben Teil 1, Fn. 1361. 546 SächsStReg (Hrsg.), Allgemeine Motiven (1860), S. 423, 443 f. (lfd. Nr. 1), 464. 547 So auch schon § 95 des Entwurfs von 1860. 548 So auch schon § 96 des Entwurfs von 1860. 541 542

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Bezüglich der entscheidenden Frage, ob im konkreten Einzelfall eine »gegründete Furcht« (metus iustus) vorliegt, greifen die Motive auf vertraute gemeinrechtliche Maßstäbe zurück, als sie von einem »gesetzten und besonnenen Menschen« (vir constans) ausgehen, den zu beeindrucken in der Regel nur möglich ist durch »geeignete Uebel« (maius malum), das heißt mit »Gefahren für Leben, Gesundheit, Freiheit oder Keuschheit«, aber nicht durch »Drohungen mit üblen Nachreden oder mit Prozessen« oder gar nur durch »bloße dringliche Bitten oder Vorstellungen« (preces importunae): »Drittens ist die Frage, ob ein metus justus anzunehmen sei, […] unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des einzelnen Falles, insbesondere des Alters, Geschlechtes und der Geistesbeschaffenheit des Gezwungenen nach richterlichem Ermessen zu entscheiden. Als leitende Grundsätze werden hierbei etwa folgende gelten können: es ist darauf zu sehen, ob das angedrohte Uebel von dem Gezwungenen als gewiß bevorstehend angesehen werden konnte und ob dasselbe so beschaffen war, daß die Besorgniß, es werde dasselbe eintreten, auch einen gesetzten und besonnenen Menschen zur Vornahme der in Frage stehenden Handlung bewegen konnte; die Furcht vor bloßen möglichen oder leicht abwendbaren Uebeln, der Einfluß des Ansehens oder der Würde einer Person, bloße dringliche Bitten oder Vorstellungen, auch Drohungen mit üblen Nachreden oder mit Prozessen, werden, wenigstens in der Regel, nicht zu beachten sein; dagegen werden Gefahren für Leben, Gesundheit, Freiheit oder Keuschheit in der Regel als geeignete Uebel anzuerkennen sein.«549

Daneben sieht aber auch der Dritte Teil (»Recht der Forderungen«) weiterhin ein besonderes Anfechtungsrecht bei Verträgen vor, die aus »gegründeter Furcht« eingegangen wurden: § 831 »Wer durch widerrechtlich erregte gegründete Furcht zu Eingehung eines Vertrages genöthigt worden ist, kann bei dem Vertrage stehen bleiben oder denselben anfechten.«550

Die Regelungen zur erzwungenen Ehe im Vierten Teil werden nun in einem Paragraphen zusammengezogen und ergänzt durch einen Verweis auf die Legaldefinition der »gegründeten Furcht« im Allgemeinen Teil: § 1593 »Eine durch körperliche Ueberwältigung oder Erregung einer gegründeten Furcht abgenöthigte Einwilligung zur Ehe hat keine Kraft, die Nöthigung mag von dem anderen Theile oder von einem Dritten ausgegangen sein. Ob die Furcht eine gegründete sei, ist nach § 94 zu beurtheilen. Ehrerbietige Scheu vor Eltern, Großeltern oder Vorgesetzten ist nicht als gegründete Furcht zu betrachten.«551

In diesem Zusammenhang spricht das Sächsische BGB somit nach wie vor die Unbeachtlichkeit von bloßem metus reverentialis aus, was im Kommentar von Siebenhaar mit der praktischen Bedeutung dieses Einwandes gerechtfertigt wird: 549

Nr. 5). 550 551

SächsStReg (Hrsg.), Specielle Motiven (1861), zu §§ 90 bis 104, S. 595, 596 f. (lfd. So auch schon § 856 des Entwurfs von 1860. So auch schon § 1624 des Entwurfs von 1860.

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»Den Schlußsatz, welcher selbstverständlich erscheinen kann, hat man aufgenommen, weil in Fällen der Anfechtung der Ehe wegen Furcht von demselben am häufigsten Gebrauch zu machen ist.«552

Schließlich hält das Sächsische BGB auch im Erbrecht an einer besonderen Vorschrift fest, in der die Nichtigkeit einer erzwungenen letztwilligen Verfügung verfügt wird: § 2078 Satz 1 »Ein letzter Wille, zu welchem der Erblasser durch körperliche Ueberwältigung oder durch Furcht bestimmt wurde, ist nichtig.«553

In Übereinstimmung mit dem Ius commune stellen die Motive dabei einmal mehr klar, dass »blose Liebkosungen, Bitten und Schmeicheleien« hierfür aber nicht ausreichen: »Uebrigens bedurfte es […] keiner besonderen Erwähnung, daß blose Liebkosungen, Bitten und Schmeicheleien im Gegensatze zu den in Const. 5, P. III erwähnten, unter den Begriff des Zwanges fallenden Handlungen nicht als Zwang angesehen werden können.«554

Das Regelungsmodell des Sächsischen BGB, einerseits die »gegründete Furcht« im Allgemeinen Teil vor die Klammer zu ziehen, andererseits besondere Regelungen hierzu im Vertrags-, Ehe- und Erbrecht zu treffen, stößt bei manchen Zeitgenossen freilich auf Kritik. So hält etwa Unger einen Allgemeinen Teil zwar in einer wissenschaftlichen Darstellung für notwendig und zielführend, aber nicht in einem Gesetzbuch. Vor allem zweifelt er am Sinn einer abstrahierten Rechtsgeschäftslehre, da in seinen Augen gerade die Willensmängel wie insbesondere der »Zwang« erst durch die besonderen Regelungen des Vertrags-, Ehe- oder Erbrechts mit Leben erfüllt würden.555 Auffällig ist insoweit ferner, dass sowohl im Vertragsrecht (§ 832), im Eherecht (§ 1593 Satz 1 a. E.) als auch im Erbrecht (§ 2078 Satz 2) ausdrücklich klargestellt wird, dass es keine Rolle spielt, ob der Zwang vom anderen Teil oder von einem Dritten ausgeübt wird, während die einschlägige Vorschrift des Allgemeinen Teils (§ 93) hierauf nicht explizit eingeht (s. o.).556

SIEBENHAAR, Commentar, Bd. III, 2. Aufl. (1869), zu § 1593 (S. 17). So auch schon § 2112 Satz 1 des Entwurfs von 1860. 554 SächsStReg (Hrsg.), Specielle Motiven (1861), zu §§ 2112 bis 2125, S. 894 (lfd. Nr. 1). – Zu den Kursächsischen Konstitutionen von 1572, III 5 Abs. 3 s. o. Fn. 234. 555 UNGER, Der revidirte Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Sachsen (1861), S. 7 ff., 9 f.: »So enthält zunächst der dritte Abschnitt der vierten Abtheilung: von den Rechtsgeschäften (§ 90 fg. [= §§ 88 ff. Sächsisches BGB]) fast durchaus Überflüssiges: […] Ebenso überflüssig sind die allgemeinen Bestimmungen der §§ 93 fg. [= §§ 91 ff. Sächsisches BGB] über Zwang, Irrthum und Betrug, da diese doch erst im besondern Theile (§ 855 fg., 1624 fg., 2112 fg. [= §§ 830 ff., 1593 ff., 2078 ff. Sächsisches BGB]) ihre praktische bestimmte Ausbildung und Durchführung finden.« 556 Auch die Motive sprechen diese Problematik nicht an, vgl. SächsStReg (Hrsg.), Specielle Motiven (1861), zu §§ 90 bis 104, S. 595, 596 f. (lfd. Nr. 5). 552 553

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Dessen ungeachtet zeichnet sich das Sächsische BGB dadurch aus, dass es innerhalb des Pandektensystems – im Familienrecht – immer noch eine ausdrückliche gesetzliche Regelung zu metus reverentialis bei der Eheschließung trifft und dass zumindest in seinen Motiven – sowohl zum Allgemeinen Teil als auch zum Erbrecht – die Unbeachtlichkeit von bloßen Bitten klargestellt wird. h) Deutscher Bund, Norddeutscher Bund und Deutsches Reich aa) Wirtschaftsrecht Das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch von 1861 enthält zwar in Art. 317–323 ADHGB Regelungen zur Rechtsgeschäftslehre. Diese beschäftigen sich jedoch – wie schon der den Beratungen zugrunde liegende Preußische Entwurf von 1857 (Art. 236–240)557 – nur mit der Form sowie dem Abschluss von Handelsgeschäften, das heißt dem Angebot und der Annahme, aber nicht mit Willensmängeln. Auch bei den Verhandlungen der Nürnberger Kommission wird in diesem Zusammenhang nicht auf Willensmängel eingegangen.558 Im Anwendungsbereich des ADHGB gelten deshalb insoweit die allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften über den »Zwang«.559 bb) Bürgerliches Recht (1) Der Dresdner Entwurf von 1866 Bei den Arbeiten am Allgemeinen Teil des Dresdner Entwurfs zum Obligationenrecht lehnt sich die Vorlage des vorbereitenden Ausschusses (Anlage B, Art. 75 ff.) sehr eng an die Regelungen des Zwangs in den §§ 830 ff. des Sächsischen BGB an. Mit nahezu der gleichen Formulierung wie in §§ 831 und 832 des Sächsischen BGB wird die Anfechtbarkeit eines Vertrags statuiert, den einer der Kontrahenten oder ein Dritter »durch widerrechtlich erregte gegründete Furcht« erzwungen hat (Anlage B, Art. 76 und 77): Anlage B, Art. 76 »Wer durch widerrechtlich erregte gegründete Furcht zur Eingehung eines Vertrages genöthigt worden ist, kann den letzteren anfechten.«

557 Auch in den Motiven hierzu werden Willensmängel nicht behandelt, vgl. Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preussischen Staaten, Theil II (1857), S. 121 ff. 558 SCHUBERT (Hrsg.), Protokolle der Commission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetz-Buches, Bd. 2 (1984), S. 565 ff. (64. Sitzung v. 11. Mai 1857); S. 575 ff. (65. Sitzung v. 12. Mai 1857); S. I, LVI f. (Entwurf Erster Lesung); Bd. 3 (1984), S. 1358 ff. (163. Sitzung v. 8. Feb. 1858); Bd. 10 (1984), S. I, LXII f. (Entwurf Zweiter Lesung); Bd. 9 (1984), S. 4578 ff. (558. Sitzung v. 7. Dez. 1860); S. 5064, 5076 (581. Sitzung v. 4. Feb. 1861). 559 STAUB, Kommentar zum ADHGB, 5. Aufl. (1897), Art. 278 vor Rn. 1.

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Teil 2: Metus reverentialis

Anlage B, Art. 77 »In den Fällen der Art. 75 und 76 ist es gleich, ob die körperliche Ueberwältigung oder Erregung der Furcht von einem bei dem Vertrage Betheiligten oder von einem Dritten ausgegangen ist.«560

Gleich zu Beginn der ersten Lesung werden diese beiden Vorschriften (nach Wegfall des Art. 75) zu einer zusammengefasst und in zweifacher Hinsicht ergänzt. Zum Ersten werden die »Zufügung körperlicher Leiden oder Drohungen« ausdrücklich als Mittel der Nötigung bezeichnet. Zum Zweiten wird klargestellt, dass es keinen Unterschied mache, ob sich die Drohung gegen den Genötigten oder gegen »ihm nahe stehende Personen« richtet. Dieser Begriff wird bewusst anstelle des Wortes »Angehörige« verwendet, um dem Richter größtmögliche Freiheit bei der Bewertung der Frage einzuräumen, ob im Einzelfall eine solche persönliche Nähebeziehung besteht.561 Die entsprechend modifizierte Vorlage des Redactionsausschusses (Anlage E, Art. 85)562 wird von der Kommission gebilligt563 und liegt sowohl den Redigirten Beschlüssen (Anlage F, Art. 85)564 als auch dem Entwurf nach den in erster Lesung festgestellten Beschlüssen (Art. 66)565 zugrunde. In zweiter Lesung jedoch werden diese Ergänzungen wieder als »überflüssig« entfernt,566 so dass sich die endgültige Fassung des Dresdner Entwurfs auf den anfänglichen Regelungsgehalt beschränkt: Art. 69 »Ist ein Vertragschließender von dem anderen Vertragschließenden oder von einem Dritten widerrechtlich mittelst Erregung gegründeter Furcht zur Schließung des Vertrages genöthigt worden, so kann er denselben anfechten.«567

Für die Legaldefinition der »gegründeten Furcht« wiederum zieht die Vorlage des vorbereitenden Ausschusses mit jeweils geringfügigen UmformulierunSCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 1 (1863), S. 163. SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 1 (1863), S. 148, 154 f. (17. Sitzung v. 2. März 1863): »[…] erachtete man gerade einen möglichst allgemeinen Ausdruck für angemessen, der sich nicht blos auf den Begriff der Verwandtschaft beschränke, sondern dem Richter möglichsten Spielraum lasse, um bei der Mannigfaltigkeit intimer Beziehungen im einzelnen Falle zu ermessen, ob die Furcht für das Wohlergehen einer Person auf Seiten eines Contrahenten in der That Beweggrund zum Vertragsabschlusse gewesen, da lediglich dieses letzte Moment den Kern der Frage bilde.« 562 SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 1 (1863), S. 252, 259. 563 SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 1 (1863), S. 236, 251 (24. Sitzung v. 21. März 1863). 564 SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 2 (1864), S. 15 f. (separate Seitenzählung). 565 SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 2 (1864), S. 12 (separate Seitenzählung – Entwurf des Allgemeinen Teils) bzw. Bd. 5 (1865), S. 12 (separate Seitenzählung – vollständiger Entwurf). 566 SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 6 (1866), S. 3923, 3936 (271. Sitzung v. 1. Dez. 1865). 567 SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 6 (1866), S. 13 (separate Seitenzählung) = FRANCKE (Hrsg.), Dresdener Entwurf (1866), S. 14. 560 561

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gen zum einen Theil I Art. 22 des Bayerischen Entwurfs von 1861/64 heran (Anlage B, Art. 79 Satz 1 und 2) sowie zum anderen die eherechtliche Bestimmung zu metus reverentialis aus § 1593 Satz 3 des Sächsischen BGB (Anlage B, Art. 79 Satz 3): Anlage B, Art. 79 »Die Furcht ist eine gegründete, wenn die angewendeten Mittel geeignet waren, in dem Genöthigten den Glauben zu erwecken, daß er oder seine Angehörigen für ihre Person oder ihr Vermögen mit einer nahen und erheblichen Gefahr bedroht seien. Hierbei sind Alter, Geschlecht und andere persönliche Verhältnisse der Betheiligten, sowie die Wichtigkeit der bedrohten Interessen zu berücksichtigen. Ehrerbietige Scheu vor Eltern, Voreltern und Vorgesetzten ist nicht zu berücksichtigen.«568

Die Kommission ist mit den vorgeschlagenen Bestimmungen in Satz 1 und 2 einverstanden und ergänzt lediglich in Satz 1 die Ehre als weiteres Schutzgut neben der Person und dem Vermögen.569 Die Regelung in Satz 3 dagegen stößt auf Widerspruch: Die Formulierung lasse sich entweder so verstehen, dass »ehrerbietige Scheu« vor Eltern oder Vorgesetzten überhaupt nicht zu berücksichtigen sei, oder so, dass diese Scheu für sich allein noch keine »gegründete Furcht« darstelle. Die erste Lesart könne aber im Ergebnis sicherlich nicht richtig sein, da das betreffende Abhängigkeitsverhältnis im Falle von widerrechtlichen Drohungen der Eltern oder Vorgesetzten sehr wohl eine Rolle spiele bei der Beurteilung der Frage, ob eine »gegründete Furcht« vorliege. Die zweite Interpretation wiederum sei ihrerseits zwar in der Sache zutreffend, jedoch bestehe insoweit kein Regelungsbedarf. Denn eine einzig auf Ehrerbietung beruhende Furcht sei nicht »widerrechtlich erregt« und somit schon von vornherein unbeachtlich. Infolgedessen sei Satz 3 als überflüssig anzusehen, was die Kommission zu seiner Streichung veranlasst.570 Dieser Argumentation ist zuzugeben, dass die Formulierung hier in Satz 3, wie in § 1593 Satz 3 des Sächsischen BGB in der Tat zu Missverständnissen führen kann, anders als der insoweit klarer gefasste § 1400 des Sächsischen Entwurfs von 1852. In der Sache bestehen aber keine Unterschiede zum früheren Verständnis von metus reverentialis, insbesondere mit Blick auf die Motive zu § 1400 des Sächsischen Entwurfs von 1852,571 wonach das Abhängigkeitsverhältnis für sich allein zwar keine beachtliche Furcht begründen kann, aber sehr wohl als ein relevanter Gesichtspunkt in die entsprechenden Überlegungen einzustellen ist. Vor diesem Hintergrund erscheint die Streichung von Satz 3 nicht als eine Abkehr von der bisherigen Dogmatik, sondern als Weglassen von etwas Selbstverständlichem. 568 569

1863). 570

1863). 571

SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 1 (1863), S. 163. SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 1 (1863), S. 148, 156 (17. Sitzung v. 2. März SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 1 (1863), S. 148, 157 (17. Sitzung v. 2. März Siehe oben Fn. 541.

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Teil 2: Metus reverentialis

In der Folge wird die Vorschrift kaum noch verändert. Die Vorlage des Redactionsausschusses (Anlage E, Art. 87) ersetzt in Satz 1 ebenfalls den Begriff »Angehörige« durch »nahestehende Personen«.572 Dergestalt wird die Vorschrift von der Kommission angenommen573 und findet sich sowohl in den Redigirten Beschlüssen (Anlage F, Art. 87)574 als auch im Entwurf nach den in erster Lesung festgestellten Beschlüssen (Art. 68)575. In zweiter Lesung werden schließlich in Satz 1 noch die Wörter »zu ihrer Erregung« eingefügt,576 so dass sich die endgültige Fassung im Dresdner Entwurf also weitgehend mit der ursprünglichen deckt, das heißt mit Theil I Art. 22 des Bayerischen Entwurfs von 1861/64: Art. 70 »Die Furcht ist eine gegründete, wenn die zu ihrer Erregung angewendeten Mittel geeignet waren, in dem Genöthigten den Glauben zu erwecken, daß er oder ihm nahestehende Personen für ihre Person, ihre Ehre oder ihr Vermögen mit einer nahen und erheblichen Gefahr bedroht seien. Hierbei sind Alter, Geschlecht und andere persönliche Verhältnisse der Betheiligten, sowie die Wichtigkeit der bedrohten Interessen zu berücksichtigen.«577

Festzuhalten bleibt somit, dass der Dresdner Entwurf im Ergebnis nicht mehr ausdrücklich auf metus reverentialis eingeht. Dies beruht jedoch nicht auf einem Bruch mit der bisherigen Dogmatik, sondern darauf, dass diese als selbstverständlich vorausgesetzt wird: Ehrfurcht für sich allein rechtfertigt (noch) nicht die Annahme einer »gegründeten Furcht«, das entsprechende Abhängigkeitsverhältnis ist aber bei der Würdigung aller Umstände sehr wohl zu berücksichtigen. Damit erfolgt hier schon eine wesentliche Weichenstellung für die weitere Entwicklung. (2) Das Bürgerliche Gesetzbuch (a) Der von Albert Gebhard vorgelegte Teilentwurf zum Allgemeinen Teil lehnt sich insoweit an Art. 69 des Dresdner Entwurfs an, als er in § 101 TEAT demjenigen ein Anfechtungsrecht einräumt,578 der »widerrechtlich durch 572 573

1863).

SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 1 (1863), S. 252, 259 f. SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 1 (1863), S. 236, 251 (24. Sitzung v. 21. März

SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 2 (1864), S. 16 (separate Seitenzählung). SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 2 (1864), S. 12 (separate Seitenzählung – Entwurf des Allgemeinen Teils) bzw. Bd. 5 (1865), S. 12 (separate Seitenzählung – vollständiger Entwurf). 576 SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 6 (1866), S. 3923, 3936 (271. Sitzung v. 1. Dez. 1865). 577 SCHUBERT (Hrsg.), Protocolle, Bd. 6 (1866), S. 13 (separate Seitenzählung) = FRANCKE (Hrsg.), Dresdener Entwurf (1866), S. 14. 578 Die vom Entwurf gewählte Rechtsfolge der Anfechtbarkeit wird ausführlich begründet, vgl. SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. I/2 (1981), S. 131, 133 ff. und 137 ff. (= S. 111, 113 ff. und 117 ff.). 574 575

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Erregung einer gegründeten Furcht« zur Abgabe einer Willenserklärung gebracht wurde. Anders als nach Art. 69 des Dresdner Entwurfs soll dabei aber der von einem Dritten ausgeübte Zwang nur dann zu berücksichtigen sein, wenn der Erklärungsempfänger dies wusste oder wissen musste: § 101 TE-AT »Ist Jemand zur Abgabe einer Willenserklärung von einem Anderen widerrechtlich durch Erregung einer gegründeten Furcht bewogen oder durch Betrug verleitet worden, so ist die Willenserklärung unmittelbar wirkender Anfechtung unterworfen. Ist die Willenserklärung an eine Person hingegeben, so kommt ein von Dritten geübter Zwang oder Betrug nur in Betracht, wenn der Empfänger der Willenserklärung denselben kannte oder kennen mußte.«579

Begründet wird diese »leise Korrektur« mit dem Verkehrsschutz und der Schutzbedürftigkeit des Erklärungsempfängers, wogegen der Gezwungene auf den Regress gegen den Dritten zu verweisen sei. Etwas anderes gelte nur bei der Eheschließung, da hier zum einen besonders hohe Maßstäbe an die Willensfreiheit anzulegen seien und zum anderen ja keine Regressmöglichkeit gegen den Dritten in Betracht komme: »Demgegenüber enthält der Entwurf nur eine leise Korrektur. Das Inbetrachtkommen des Zwanges wird eingeschränkt und ausgeschlossen, wenn der Erklärungsempfänger um denselben nicht wußte. Im Vermögensverkehr könnte eine Berücksichtigung des für den Erklärungsempfänger latenten Zwanges zu großen Härten führen. […] Dagegen ist es möglich, daß für die Ehe aus sittlichen Gründen ein Nichtgezwungensein absolut gefordert wird, weil hier der Gezwungene den Nachtheil, welcher ihn in der Gültigkeit der Ehe bei dem anderen Vertragschließenden verborgenen Zwange trifft, nicht durch einen Regreß gegen den Zwingenden wieder ausgleichen kann (Entwurf des Familienrechts § 51 Ziff. 1).«580

Mit dem selben Argument wie bei der Beratung des Dresdner Entwurfs wird es auch nun für überflüssig gehalten, eine besondere Regelung zu metus reverentialis aufzunehmen, da es bei bloßer Ehrfurcht an der Widerrechtlichkeit der Handlung fehle, so dass schon deshalb eine beachtliche Furcht ausscheide: »Des metus reverentialis gedenken das preußische A.L.R. I 4 § 41, der code civil art. 1114, das badische L.R. Satz 1114a, der hessische Entwurf IV 1 Art. 74, doch braucht im Gesetze die Wirksamkeit desselben nicht ausgeschlossen zu werden, weil eine widerrechtliche Veranlassung von Furcht hier nicht vorliegt.«581

Im Gegensatz zu zahlreichen früheren Kodifikationen und Entwürfen – insbesondere dem Dresdner Entwurf – verzichtet der Teilentwurf von Gebhard bewusst darauf, im Gesetz selbst die Einzelheiten zu regeln, unter denen eine »gegründete Furcht« anzunehmen sei. Stattdessen soll der Richter dadurch 579 SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. I/1 (1981), S. 19 (= S. 19). Die Fassung ist identisch mit der des zuvor – in separater Paragraphenzählung – vorgelegten § 21 dieses Titels, vgl. Bd. I/2 (1981), S. 7 (= S. 5). 580 SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. I/2 (1981), S. 131, 141 ff., 142 (= S. 111, 121 ff., 122). 581 SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. I/2 (1981), S. 131, 144 (= S. 111, 124).

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den notwendigen Spielraum erhalten, um den konkreten Umständen im Einzelfall gebührend Rechnung tragen zu können, nicht zuletzt der individuellen Verfassung sowohl des Drohenden als auch des Bedrohten. Zugleich soll aber als objektiver Maßstab weiterhin der »vernünftige Mensch« (personne raisonnable) nach Art. 1112 Cc gelten, auf den die Begründung ausdrücklich abstellt: »Wird weiter nichts gesagt, so bleibt die Frage, ob die Furcht eine gegründete war, der richterlichen Würdigung nach allen konkreten Umständen, Beschaffenheit des angedrohten Uebels und der angewendeten Mittel, Persönlichkeit des Bedrohten und des Bedrohenden, überlassen. […] Der Entwurf glaubt sich auf die Forderung einer gegründeten Furcht beschränken zu sollen. Wird über die Frage, wann eine gegründete Furcht vorliege, geschwiegen, so wird ihre Beantwortung dem Richter überlassen und derselbe in der Berücksichtigung von gegen Angehörige oder gegen das Vermögen gerichteten Bedrohungen nicht beschränkt. Mit dem gewählten Ausdruck ist zugleich gesagt, daß auf Seiten des Bedroheten ein verständiges Verhalten, und eine Drohung verlangt wird, welche auf einen vernünftigen Menschen Eindruck zu machen geeignet ist – code civil art. 1112.«582

Der durch Planck 1880 fertiggestellte Teilentwurf zum Familienrecht sieht die Anfechtbarkeit der Ehe vor,583 »wenn einer der Eheschließenden durch Zwang zur Eheschließung bestimmt worden ist« (§ 51 Nr. 1 TE-FamR).584 Dabei spielt es hier im Eherecht keine Rolle, ob der andere Partner oder ein Dritter den Zwang gegen ihn ausgeübt hat.585 Darüber hinaus werden ausdrücklich keine weiteren besonderen Vorschriften aufgenommen, auch nicht zu metus reverentialis, da im Eherecht ebenfalls die allgemeinen Regeln gelten sollen: »Ueber die näheren Voraussetzungen, unter denen ein Ehegatte als durch Zwang zur Eingehung der Ehe bestimmt anzusehen, insbesondere über die Beschaffenheit des Zwanges, den erforderlichen Kausalzusammenhang, über die Frage, ob und inwieweit auch ein gegen nahe Angehörige der Eheschließenden ausgeübter Zwang das Anfechtungsrecht zu begründen im Stande ist, über den sog. metus reverentialis (…) hat der Entwurf an dieser Stelle keine Bestimmungen geben zu sollen geglaubt. In Uebereinstimmung mit dem preußischen A.L.R. II 1 § 39, dem code art. 146 […] geht der Entwurf davon aus, daß in den gedachten Beziehungen lediglich die allgemeinen Grundsätze der Lehre vom Zwange entscheiden sollen.«586

SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. I/2 (1981), S. 131, 145 (= S. 111, 125). Schon in der Vorlage Nr. 5 von 1875 hatte Planck als Rechtsfolge nicht die Nichtigkeit, sondern nur die Anfechtbarkeit der Ehe vorgeschlagen, vgl. SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. IV/1 (1983), Einleitung, S. L, LI (unter 4.) = JAKOBS / SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. IV/1 (1987), S. 132, 133, 135 f. 584 SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. IV/1 (1983), S. 14 (= S. 10). 585 SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. IV/1 (1983), S. 357, 358 (= S. 205, 206): »Daß auch ein von Dritten ausgegangener Zwang die Anfechtung der Ehe zu begründen vermag, entspricht den allgemeinen Grundsätzen.« 586 SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. IV/1 (1983), S. 357, 358 (= S. 205, 206). 582 583

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Auch der durch Gottfried v. Schmitt 1879 eingebrachte Teilentwurf zum Erbrecht lässt die Anfechtung letztwilliger Verfügungen zu,587 »wenn der Erblasser dazu durch Drohungen vermocht worden ist« (§ 38 TE-ErbR);588 – und zwar wiederum unabhängig davon, ob diese vom Bedachten oder von einem Dritten ausgesprochen wurden.589 Da ansonsten die allgemeinen Vorschriften Anwendung finden sollen, werden keine weiteren besonderen Vorschriften im Erbrecht vorgesehen. Außerdem geht die Begründung in Übereinstimmung mit dem Gemeinen Recht davon aus, dass »bloßes Zureden« für sich allein noch keinen Zwang darstellt: »Welche Einwirkungen auf den Willen des Erblassers als Drohungen im Sinne des Gesetzes zu gelten haben, richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften; einer besonderen Bestimmung hierüber […] bedarf es nicht. […] wobei man mit dem gemeinen Rechte (…) wohl zugeben kann, daß bloßes Zureden noch kein Zwang ist.«590

Im Übrigen entscheidet sich der Teilentwurf bewusst dagegen, etwa nach französischem Vorbild Zuwendungen an den Vormund oder den behandelnden Arzt generell zu verbieten, da Beschränkungen wie in Art. 907 bzw. Art. 909 Cc nicht mehr zeitgemäß seien bzw. nur Anlass zu Rechtsstreitigkeiten geben würden.591 (b) Die Erste Kommission hält im Zuge der Beratung des Allgemeinen Teils am 2. Dezember 1881 an der Grundsatzentscheidung des Teilentwurfs fest, dass eine erzwungene Willenserklärung mit ex tunc Wirkung angefochten werden kann.592 Allerdings wird der Begriff der »gegründeten Furcht« durch »Drohung« ersetzt, um im Anschluss an § 253 StGB eine präzisere Ausdrucksweise zu erreichen.593 Vor allen Dingen aber verwirft die Erste Kommision den Ansatz des Teilentwurfs, bei der Drohung durch einen Dritten die Anfechtung nur zuzulassen, wenn der Empfänger der Willenserklärung dies kannte oder kennen musste. Stattdessen entscheidet sich die Erste Kommission dafür, zur hergebrachten Regelung zurückzukehren und bei Zwang (metus) – anders als bei Betrug (dolus) – immer die Anfechtung zuzulassen, auch wenn die Willensbeeinträchtigung von einem Dritten ausgeht. Denn dies 587 Zur Anfechtbarkeit als Rechtsfolge vgl. SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. V/1 (1984), S. 252, 254 ff. (= S. 136, 138 ff.). 588 SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. V/1 (1984), S. 13 (= S. 7). 589 SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. V/1 (1984), S. 252, 256 (= S. 136, 140): »Da der Entwurf nicht unterscheidet, versteht sich von selbst, […] daß die Anfechtung stattfindet, gleichviel, ob die rechtswidrige Einwirkung (Zwang, Betrug) vom Bedachten oder von einem Dritten, mit oder ohne Vorwissen des Ersteren ausgegangen ist.« 590 SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. V/1 (1984), S. 256 (= S. 140). 591 SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. V/1 (1984), S. 193 bzw. S. 195 ff., 198 (= S. 77 bzw. S. 79 ff., 82). 592 JAKOBS / SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. I/1 (1985), S. 600, 600 f. (28. Sitzung). 593 JAKOBS / SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. I/1 (1985), S. 600, 601 (28. Sitzung).

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entspreche der bisherigen Rechtslage und erleichtere dem Genötigten zudem die Beweisführung, wenn er seine Erklärung – insbesondere »in aufgeregten Zeiten« – nicht nur einem, sondern jeweils vielen Empfängern gegenüber abgegeben habe: »Zu Gunsten des Antrags war sowohl auf das geltende Recht als darauf hingewiesen worden, daß nicht selten, namentlich in aufgeregten Zeiten, einzelne Personen Zwang im Interesse vieler mit Erfolg übten, denen gegenüber der Gezwungene in überaus mißlicher Lage sein würde, wenn er jedem seine Mitschuld oder auch nur sein Kennen oder Kennenmüssen nachweisen sollte.«594

Mit geringfügigen redaktionellen Veränderungen595 wird die Regelung folglich als § 103 im Ersten Entwurf (1888) veröffentlicht: § 103 »Ist Jemand zur Abgabe einer Willenserklärung widerrechtlich durch Drohung oder durch Betrug bestimmt worden, so kann er die Willenserklärung anfechten. Ist bei einer Willenserklärung, deren Wirksamkeit davon abhängt, daß sie gegenüber einem Betheiligten abgegeben wird, der Betrug von einem Dritten verübt, so ist die Willenserklärung nur dann anfechtbar, wenn der Empfänger der Willenserklärung den Betrug kannte oder kennen mußte.«596

Die Motive des Ersten Entwurfs (1888) rechtfertigen insbesondere noch einmal die Anfechtbarkeit einer Willenserklärung, die auf der Drohung eines Dritten beruht.597 Des Weiteren wird die Verwendung des Begriffs »Drohung« statt der bislang gebräuchlichen Begriffe »Zwang« oder »Furcht« damit begründet, dass er den Kern der Sache besser treffe und durch ihn auch die Einheit der Rechtsordnung gewahrt werde mit Blick auf den Tatbestand der Erpressung in § 253 StGB, wo derselbe Begriff seit 1871 gebraucht wird: »Der Entwurf spricht, abweichend von der Mehrzahl der Gesetze, nicht von Zwang oder Erregung von Furcht, sondern, im Anschlusse an § 253 des St.G.B., von Drohung (vergl. preuß. A.L.R. I 4 §§ 34 ff., zür. G. B. §§ 922 ff.). Es wird damit nicht nur der richtige Gedanke in zutreffenderer Weise zum Ausdruck gebracht, sondern zugleich die Einheit der Behandlung auf strafrechtlichem und privatrechtlichem Gebiete gewahrt.«598

Im Übrigen wird aber an der hergebrachten Dogmatik des 19. Jahrhunderts vollkommen festgehalten, auch wenn dies weniger aus dem Gesetzestext selbst als mehr aus den Motiven hervorgeht. Denn danach wird neben der Widerrechtlichkeit der Drohung eben auch verlangt, dass sie eine »gegründete Furcht« bei einem »besonnenen Menschen« (personne raisonnable) herJAKOBS / SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. I/1 (1985), S. 600, 601 f. (28. Sitzung). Vgl. JAKOBS / SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. I/1 (1985), S. 613 f. 596 RJA (Hrsg.), Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches (1888), S. 24 = MUGDAN (Hrsg.), Materialien, Bd. I (1899), S. LXXXIV. 597 RJA (Hrsg.), Motive, Bd. I (1888), S. 206 f. = MUGDAN (Hrsg.), Materialien, Bd. I (1899), S. 466 f. 598 RJA (Hrsg.), Motive, Bd. I (1888), S. 207 = MUGDAN (Hrsg.), Materialien, Bd. I (1899), S. 467. 594 595

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vorrufen könne. Bloßer metus reverentialis sei daher unbeachtlich, ohne dass es insoweit noch einer besonderen Regelung bedürfe: »Die Drohung muß eine widerrechtliche sein (preuß. A.L.R. I 4 § 38). Soweit ein Recht besteht, einen Anderen zur Abgabe einer Willenserklärung zu nöthigen (…), ist die abgenöthigte Erklärung gültig. Die Gesetze fordern fast durchgängig, daß die erregte Furcht eine gegründete sei. In der Regel wird damit der Sinn verbunden, daß die Drohung eine solche sein müsse, welche auf einen besonnenen Menschen Eindruck zu machen geeignet sei. […] Die Unerheblichkeit des sog. metus reverentialis (preuß. A.L.R. I 4 § 41, code civil Art. 1114, hess. Entw. Abth. IV, 1 Art. 74) versteht sich von selbst.«599

Bei den Beratungen des Familienrechts äußert die Erste Kommission am 11. Mai 1885 ihr Einverständnis mit der in § 51 Nr. 1 TE-FamR vorgesehenen Anfechtbarkeit einer erzwungenen Ehe und überlässt die Wahl zwischen den beiden Begriffen »Zwang« und »Drohung« der späteren Redaktion,600 bei der sich dann der Begriff der »Drohung« durchsetzt.601 Der Erste Entwurf (1888) verwendet in § 1259 Nr. 1 daher folgende Formulierung: § 1259 »Die Ehe ist nur dann anfechtbar: 1. wenn einer der Eheschließenden widerrechtlich durch Drohung oder durch Betrug zu der Eheschließung bestimmt worden ist; […]«

Die Motive zu § 1259 des Ersten Entwurfs verweisen bezüglich der Anfechtbarkeit der erzwungenen Ehe auf § 103 im Allgemeinen Teil und wiederholen noch einmal ausdrücklich die dortige Argumentation, so dass auch hier keine Notwendigkeit für eine Regelung zu metus reverentialis gesehen wird: »Daß die Ehe anfechtbar sein soll, wenn einer der Eheschließenden, sei es von dem anderen Theile, sei es von einem Dritten, widerrechtlich durch Drohung zu der Eheschließung bestimmt worden ist (Nr. 1), entspricht den allgemeinen Grundsätzen des Gesetzbuches (§ 103) und steht mit dem geltenden Rechte insofern im Einklange […] Nähere Bestimmungen über die Voraussetzungen dieses Anfechtungsgrundes, insbesondere über die Beschaffenheit der Drohung und den sog. metus reverentialis (vergl. sächs. G.B. § 1593; hess. Entw. II, 4–6) sind hier ebensowenig, wie in dem allgemeinen Theile des Gesetzbuches (vergl. § 103), als erforderlich oder angemessen erachtet.«602

Auch bei den Beratungen des Erbrechts billigt die Erste Kommission am 21. Juni 1886 die in § 38 TE-ErbR603 gesondert geregelte Anfechtbarkeit 599 RJA (Hrsg.), Motive, Bd. I (1888), S. 207 f. = MUGDAN (Hrsg.), Materialien, Bd. I (1899), S. 467. 600 JAKOBS / SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. IV/1 (1987), S. 159, 167 ff., 169 (435. Sitzung). 601 Vgl. JAKOBS / SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. IV/1 (1987), S. 199, 202 (§ 33 Nr. 1 Redaktionsvorlage von Pape); S. 206, 208 (§ 1231 Nr. 1 Redaktionsvorlage von Planck); S. 234 ff. (§ 1231 Nr. 1 Kommissionsentwurf). 602 RJA (Hrsg.), Motive, Bd. IV (1888), S. 71 f. = MUGDAN (Hrsg.), Materialien, Bd. IV (1899), S. 40 f. 603 Noch 1886 hatte v. Schmitt Änderungsvorschläge zu seinem TE-ErbR eingebracht, um diesen an den Kommissionsentwurf der übrigen Teile entsprechend anzupassen, vgl.

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einer erzwungenen letztwilligen Verfügung.604 Um Unklarheiten zu vermeiden, enthält der Erste Entwurf (1888) deshalb mit § 1780 weiterhin eine eigene Vorschrift hierzu: § 1780 »Eine letztwillige Verfügung kann angefochten werden, wenn der Erblasser zu derselben widerrechtlich durch Drohung oder durch Betrug bestimmt worden ist.«

Soweit es um die zugrunde liegende Drohung geht, nehmen die Motive zu § 1780 des Ersten Entwurfs ebenfalls allein auf die Regelung des Allgemeinen Teils in § 103 Bezug.605 Die öffentliche Kritik am Ersten Entwurf konzentriert sich im Wesentlichen auf den darin verwendeten Begriff der »Drohung«.606 Vor allem Franz v. Liszt betont, dass sich insoweit das strafrechtliche Verständnis gerade nicht mit dem des Ersten Entwurfs decke. Zudem zieht er dessen Abkehr vom Begriff der »Gewalt« in Zweifel.607 Ganz ähnlich äußern sich auch andere Stimmen wie Schilling,608 Rocholl609 oder Zitelmann.610 Während Rocholl611 SCHUBERT (Hrsg.), Vorlagen, Bd. V/2 (1984), S. 551, 563 (= S. 7) und S. 649, 681 ff. (= S. 27 ff.). 604 JAKOBS / SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. V/1 (2002), S. 886, 886 f. (564. Sitzung). Vgl. ferner a. a. O., S. 893, 894 (§ 1737 Redaktionsvorlage). 605 RJA (Hrsg.), Motive, Bd. V (1888), S. 47 f. = MUGDAN (Hrsg.), Materialien, Bd. V (1899), S. 25 f. 606 RJA (Hrsg.), Zusammenstellung der gutachtlichen Aeußerungen, Bd. I (1890), S. 175; Bd. V (1890), S. 16; Bd. VI (1891), S. 112 f. – Keine Einwände gegen § 103 des Ersten Entwurfs hat hingegen HACHENBURG, Annalen der Großherzoglich Badischen Gerichte 55 (1889), 153, 156 f. 607 LISZT, Die Grenzgebiete zwischen Privatrecht und Strafrecht (1889), S. 20 ff.: »Der Begriff der Drohung ist mithin im Entwurf ein ganz anderer als im Strafrecht, und die ›Einheit der Behandlung‹ auf beiden Gebieten nicht nur nicht gewahrt, sondern unmöglich gemacht. Das wäre ja zu ertragen. Aber die vom Entwurf hier aufgestellte Unterscheidung von vis absoluta einerseits, von Drohung anderseits ist auch für das Privatrecht unhaltbar, sobald das Gebiet der Willenserklärungen verlassen wird.« 608 SCHILLING, Aphorismen (1888), S. 44 f.: »Die Herstellung einer, zudem nur stückweise, gleichen und gleichbedeutenden Ausdrucksweise im Civil- und Straf-Recht bloß für diesen Fall ist ohne praktischen Nutzen, eher schädlich […] Dann aber widerspricht es auch dem herrschenden Sprachgebrauch, die Anwendung wirklicher Gewalt, z. B. die Freiheitsberaubung, unter dem Gesichtspunkt der Motive, als Drohung aufzufassen. Man belasse es auch hier bei dem althergebrachten Sprachgebrauch«. 609 ROCHOLL, Vorschläge zur Abänderung des Entwurfes eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuches, Bd. I (1890), S. 51 unten: »Ueberdies ist eine feste Grenze zwischen Zwang und Drohung gar nicht zu bestimmen. Jeder psychische Zwang erscheint mehr oder weniger unter dem Gewande der Drohung.« 610 ZITELMANN, Die Rechtsgeschäfte im Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches, Theil II (1890), S. 41 f.: »Jedenfalls aber ist es mißlich, wenn der Entwurf das Wort Drohung in anderem Sinne gebraucht als das RStGB. Es empfiehlt sich also, entweder mit dem RStGB ›Gewalt oder Drohung‹ zu setzen, oder, um auch hier einen bequemeren Ausdruck zu haben, den altbekannten ›Zwang‹ beizubehalten«.

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und Zitelmann612 aber in ihren Gegenentwürfen den Begriff »Drohung« konsequent durch die Formel »Zwang oder Drohung« bzw. durch »Zwang« allein austauschen, lässt v. Liszt dagegen in seinem Alternativvorschlag (zu § 103 des Ersten Entwurfs) den Begriff der »Drohung« letzten Endes – ob bewusst oder versehentlich – unverändert stehen und ersetzt nur den Begriff »Betrug« durch »arglistige Täuschung«: »Ist Jemand zur Abgabe einer Willenserklärung widerrechtlich durch Drohung oder arglistige Täuschung bestimmt worden«.613

Im Übrigen wird die Regelung der von einem Dritten erzwungenen Willenserklärung nur mehr vereinzelt problematisiert.614 (c) Die zur Vorbereitung der Zweiten Lesung gebildete Vorkommission des Reichsjustizamtes kehrt daraufhin am 7. Februar 1891 wieder von der »Drohung« zum Begriff des »Zwangs« zurück und führt zugleich erstmalig anstelle des »Betrugs« den Begriff der »arglistigen Täuschung« ein.615 Im Rahmen der Zweiten Lesung akzeptiert die Zweite Kommission den Begriff der »arglistigen Täuschung« und überlässt die Wahl zwischen den Begriffen »Drohung« und »Zwang« der Redaktionskommission; letzte Versuche, die Drohung und Täuschung durch Dritte gleichzubehandeln, werden hingegen abgelehnt.616 Im Folgenden setzt sich bei der Redaktionskommission der Begriff der »Drohung« durch,617 an dem auch bei der Revision des Zweiten Entwurfs festgehalten wird.618 Die Denkschrift des Reichsjustizamtes zum Dritten Entwurf verwendet dann die beiden Begriffe »Drohung« und »arglistige Täuschung«, ohne dies 611 Vgl. ROCHOLL, Vorschläge zur Abänderung des Entwurfes eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuches, Bd. I (1890), S. 51 oben, rechte Sp. (§ 103) bzw. S. 49 oben, rechte Sp. (§ 97). 612 Vgl. ZITELMANN, Die Rechtsgeschäfte im Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches, Theil II (1890), S. 153 (§ 103*); S. 193 (§ 1259*); S. 195 (§ 1781*). 613 LISZT, Die Grenzgebiete zwischen Privatrecht und Strafrecht (1889), S. 25. 614 Vgl. ZITELMANN, Die Rechtsgeschäfte im Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches, Theil II (1890), S. 43 f. bzw. S. 153 (§§ 103a* und 103b*). 615 JAKOBS / SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. I/1 (1985), S. 616, 619 (Antrag Börners), 620 (Antrag Struckmanns), 625 (17. Sitzung). 616 ACHILLES / GEBHARD / SPAHN (Hrsg.), Protokolle, Bd. I (1897), S. 115, 118 ff. (Protokoll 20) = MUGDAN (Hrsg.), Materialien, Bd. I (1899), S. 722 f. (= S. 247 ff.). – Vgl. JAKOBS / SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. I/1 (1985), S. 626, 631, 634 f., 637. 617 Vgl. JAKOBS / SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. I/1 (1985), S. 638, 639 (§ 103 »E IZustRedKom«); S. 639, 640 (§ 98 »E II«). 618 ACHILLES / GEBHARD / SPAHN (Hrsg.), Protokolle, Bd. VI (1899), S. 123, 128 f. (Protokoll 411) = MUGDAN (Hrsg.), Materialien, Bd. I (1899), S. 723 (= S. 8368 f.). – Vgl. JAKOBS / SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. I/1 (1985), S. 640, 641 f. – Ergänzt wird im Zuge der Revision noch der spätere § 123 Abs. 2 Satz 2 BGB.

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Teil 2: Metus reverentialis

weiter zu problematisieren, während sie bei Drittkonstellationen noch einmal die beiden unterschiedlichen Lösungen anspricht und mit den bekannten Argumenten rechtfertigt.619 Im Reichstag schließlich wird die Streichung des Wortes »widerrechtlich« beantragt, woraufhin durch eine Umstellung innerhalb des Absatzes klargestellt wird, dass es sich allein auf die Drohung bezieht.620 In dieser Form gilt § 123 BGB seit dem Inkrafttreten am 1. Januar 1900 bis heute: § 123 BGB »Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten. Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem Anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen mußte. […]«

Bei der Zweiten Lesung des Familienrechts besteht in der Zweiten Kommission von Anfang an Einverständnis mit der Anfechtbarkeit einer Ehe, die aufgrund einer widerrechtlichen Drohung geschlossen worden ist.621 Ungeachtet aller redaktionellen Veränderungen der Anfechtungstatbestände bleibt diese Regelung daher in der Folge inhaltlich völlig unverändert erhalten.622 Lediglich das Wort »widerrechtlich« wird auf Antrag des Reichstags innerhalb dieses Tatbestands ebenso wie bei der Parallelvorschrift des Allgemeinen Teils von der Redaktionskommission umgestellt.623 Das BGB enthält somit von 1900 bis zum Inkrafttreten des Ehegesetzes von 1938 folgende Vorschrift: § 1335 BGB »Eine Ehe kann von dem Ehegatten angefochten werden, der zur Eingehung der Ehe widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist.« RJA (Hrsg.), Denkschrift (1896), S. 20 f. = MUGDAN (Hrsg.), Materialien, Bd. I (1899), S. 834 f. 620 ENNECCERUS / BUCHKA / BACHEM / SCHROEDER, Bericht der Reichstags-Kommission über den Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs (1896), S. 36 und 358 = MUGDAN (Hrsg.), Materialien, Bd. I (1899), S. 965. – Vgl. JAKOBS / SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. I/1 (1985), S. 644: »Der Antrag […] im § 119 Abs. 1 das Wort ›widerrechtlich‹ zu streichen, erledigte sich durch die allgemein als zutreffend anerkannte Erläuterung des Geheimraths Dr. Gebhard, daß sich das Wort selbstverständlich nur auf die Drohung beziehe und durch den ohne Widerspruch angenommenen Vorschlag […] bei der Redaktion zu erwägen, ob nicht das Wort ›widerrechtlich‹ den Worten ›durch Drohung‹ vorzusetzen sei.« 621 ACHILLES / GEBHARD / SPAHN (Hrsg.), Protokolle, Bd. IV (1897), S. 72 ff., 74 (Protokoll 271) = MUGDAN (Hrsg.), Materialien, Bd. IV (1899), S. 720 ff., 722 (= S. 5010 ff., 5014). – Vgl. JAKOBS / SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. IV/1 (1987), S. 258 ff., 260. 622 Vgl. JAKOBS / SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. IV/1 (1987), S. 265, 268 (§ 1259 »E I-VorlZust«); S. 270, 271 (§ 1259e »E I-ZustRedKom«); S. 275, 278 (§ 1243 »E II«); S. 280, 281 (§ 1320 »E II rev.« bzw. § 1318 »E III«). 623 ENNECCERUS / BUCHKA / BACHEM / SCHROEDER, Bericht der Reichstags-Kommission über den Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs (1896), S. 190 und 393 = MUGDAN (Hrsg.), Materialien, Bd. IV (1899), S. 1211. – Vgl. JAKOBS / SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. IV/1 (1987), S. 286, 289, 290. – Eine ähnliche Umstellung war auf Antrag von Gebhard schon in der Ersten Lesung vorgenommen worden, vgl. a. a. O., S. 235. 619

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Im Rahmen der Zweiten Lesung des Erbrechts schließlich wird beantragt, das Wort »widerrechtlich« im dortigen Tatbestand zu streichen, da es schon keine Konstellationen gebe, wo eine Drohung gegen den letztwillig Verfügenden nicht widerrechtlich wäre. Die Mehrheit der Zweiten Kommission bewertet dies jedoch anders und entscheidet sich unter Verweis auf die Parallelvorschrift des Allgemeinen Teils dafür, das Wort »widerrechtlich« beizubehalten,624 so dass in der Folge nur noch redaktionelle Anpassungen erfolgen.625 Der bis heute geltende Anfechtungstatbestand in § 2078 Abs. 2 BGB lautet daher: § 2078 Abs. 2 BGB »Das Gleiche gilt, soweit der Erblasser zu der Verfügung durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstandes oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist.«

Insgesamt setzen folglich alle drei dargestellten Anfechtungstatbestände ausdrücklich die Widerrechtlichkeit der Drohung voraus. Nach dem Verständnis des historischen Gesetzgebers ist hierdurch die Unbeachtlichkeit von bloßem metus reverentialis schon hinreichend klargestellt, ohne dass es noch einer besonderen Regelung im BGB bedarf. Denn mit den Worten von Gebhard »braucht im Gesetze die Wirksamkeit desselben nicht ausgeschlossen zu werden, weil eine widerrechtliche Veranlassung von Furcht hier nicht vorliegt«. Im Ergebnis unterstellt das BGB also implizit weiterhin dieselbe gemeinrechtliche Doktrin, die etwa der Code civil 1804 noch explizit ausspricht: »La seule crainte révérentielle […] ne suffit point« (Art. 1114 Cc). Diese vom historischen Gesetzgeber stillschweigend vorausgesetzte Regel wird so auch von den Zeitgenossen noch als völlig selbstverständlich zugrunde gelegt, wie etwa von Hartmann bei der Diskussion des Ersten Entwurfs: »Auch im Fall der Drohung sind doch gottlob die gröbsten, brutalsten und dadurch liquidesten Erscheinungen, wo geradezu das Messer an die Kehle gesetzt wird, praktisch die selteneren. Die wirklich alltäglich vorkommenden Fälle liegen oft hart an der Grenze, wo man zweifeln kann, ob nicht ein bloßer, nicht mehr berücksichtigenswerther sogenannter metus reverentialis oder dgl. vorliegt.«626

Eine derartige unausgesprochene Fortführung gemeinrechtlicher Grundsätze durch das BGB ist nicht ungewöhnlich. Auch das Nemo-plus-iuris-Prinzip des Ius commune lebt im Rechtsalltag des 20. Jahrhundert ganz selbstverständlich weiter,627 obwohl keine Vorschrift des BGB dies besonders anord624 ACHILLES / GEBHARD / SPAHN (Hrsg.), Protokolle, Bd. V (1899), S. 52 (Protokoll 337) = MUGDAN (Hrsg.), Materialien, Bd. V (1899), S. 542. – Vgl. JAKOBS /  SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. V/1 (2002), S. 895, 898. Ferner WINDSCHEID / KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. III, 9. Aufl. (1906), § 548, S. 247 f. 625 Vgl. JAKOBS / SCHUBERT (Hrsg.), Beratung, Bd. V/1 (2002), S. 898 (§ 1779 »E IVorlZust« bzw. § 1951 »E II«, § 2055 »E II rev.« und § 2053 »E III«). 626 HARTMANN, AcP 73 (1888), 309, 338. 627 Statt vieler HECK, Grundriß des Sachenrechts (1930), § 96 Nr. 7.

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net und seine Bezeichnung nicht mehr jedem Juristen geläufig sein mag. So wie bloßer metus reverentialis nach Gemeinem Recht unbeachtlich war, genügt auch im 20. Jahrhundert alleine die Ehrfurcht noch nicht für die Anfechtbarkeit einer Willenserklärung. Eine inhaltliche Abkehr des historischen Gesetzgebers von den Maßstäben dieser Figur liegt jedenfalls nicht vor. Als etwa Erwin Riezler 1930 ein Gutachten zur Regelung der Willensmängel im französisch-italienischen Projekt eines gemeinsamen Obligationenrechts von 1927 erstattet, konstatiert er zu Art. 20, der Art. 1114 Cc beinahe wörtlich übernimmt,628 dass die dort angeordnete Unbeachtlichkeit von bloßem metus reverentialis materiell mit deutschem Recht übereinstimmt, auch wenn es keine entsprechende Vorschrift im BGB gibt.629

Art. 20 »La seule crainte révérentielle, sans qu’il y ait eu de violence exercée, ne suffit point pour annuller le contrat.« 629 RIEZLER, in: Il Progetto italo-francese (2007), Materiali, S. 743, 767: »La disposizione contenuta nell’art. 20 del Progetto, tratta dall’art. 1114 del Cod. civ. italiano che cioè il solo metus reverentialis, come tale, non basta per annullare un contratto, non trova riscontro nè nel codice civile tedesco nè nel Diritto delle obbligazioni svizzero. Il che peraltro non implica alcuna differenza di diritto sostanziale: giacché anche per i diritti tedesco e svizzero quella massima deve reputarsi valida, non potendo il mero timore reverenziale, come tale, di fronte a persone che abbiano qualche ascendente sul contraente, adeguarsi a quella influenza antigiuridica che si esercita, producendo timore in altri.« 628

Teil 3

»The relief stands upon a general principle« – Undue influence Teil 3: Undue influence

I. Frühe Neuzeit

I. Frühe Neuzeit

Was die Darstellung des Fallrechts in der Frühen Neuzeit angeht,1 so soll hier der Einteilung von Fallgruppen gefolgt werden, wie sie sich in der zeitgenössischen, von John Fonblanque2 besorgten Ausgabe von Henry Ballow’s3 Treatise of Equity findet,4 zumal Fonblanque seinerseits in der Leitentscheidung Huguenin v Baseley (1807)5 als Beklagtenvertreter auftritt.6 In der zweiten von Fonblanque herausgegebenen Auflage wird zum ersten Mal in diesem Werk überhaupt der Begriff undue influence verwendet, unter dem die entsprechenden Entscheidungen zusammengefasst und in Fallgruppen eingeteilt werden. 7 Diese Ausführungen zu undue influence befinden sich jedoch nicht in einem eigenständigen Abschnitt, sondern in einer Fußnote im Abschnitt zu

Die folgende Darstellung beruht im Wesentlichen auf WAGNER, ZRG RA 123 (2006), 248, 250 ff. 2 Zu seiner Person s. u. Fn. 269. 3 Zur Frage nach dem Verfasser dieses ursprünglich anonym publizierten Werkes vgl. HOLDSWORTH, History of English Law, Vol. XII (1938), S. 191 f.; MACNAIR, in: Itinera Fiduciae (1998), S. 207, 210 f. in Fn. 9; IBBETSON, Obligations (2001), S. 218 Fn. 96. Vorliegend werden die erste und eine weitere, in Dublin verlegte Auflage herangezogen: BALLOW, A Treatise of Equity, 1st ed., E. and R. Nutt, and R. Gosling, London (1737); »Dublin-edition«, S. Cotter, Dublin (1756). 4 Vgl. HOLDSWORTH, History of English Law, Vol. XII (1938), S. 193. Vorliegend werden folgende vier der insgesamt fünf von Fonblanque besorgten Auflagen herangezogen: FONBLANQUE (ed.), A Treatise of Equity, Vol. I–II, 1st ed., Whieldon and Butterworth, London (1793/94); 2nd ed., W. Clarke and Son, London (1799); 4th ed., W. Clarke and Sons, London (1812); 5th ed., J. and W.T. Clarke, London (1820). 5 Siehe unten S. 453 ff. 6 Siehe unten S. 456 f. 7 FONBLANQUE (ed.), Treatise of Equity, Vol. I, 2nd ed. (1799), book I, chap. II, sect. 12, note k (S. 134): »or whose confidence may have betrayed them to that undue influence which may grow out of particular relations, as between attorney and client […] Guardian and Ward […] Parent and Child […] Master and Servant […]«. – Die erste Auflage von 1793 hatte diese Passage noch nicht enthalten, vgl. 1st ed. (1793), note k (S. 124). 1

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»unconscionable bargains with young heirs«.8 Dies hängt in erster Linie damit zusammen, dass Fonblanque den von ihm vorgefundenen Text dieses Treatise unverändert ließ und diesen stattdessen mit einem umfangreichen Apparat von Fußnoten und Anmerkungen versah. Warum die Ausführungen zu undue influence jedoch gerade in diesem Abschnitt untergebracht wurden und nicht etwa in einem anderen, lässt sich mit letzter Gewissheit nicht beantworten. Die Wahl dieses Standorts spiegelt vermutlich nur die Schwierigkeiten wider, überhaupt einen ansprechenden Platz in einem verwandten Kontext zu finden. Dessen ungeachtet soll vor diesem Hintergrund die Fallgruppe der unconscionable bargains in die Untersuchung der Frühen Neuzeit miteinbezogen werden, zumal auch andere zeitgenössische Abhandlungen diesen Zusammenhang herstellen.9 Eine weitere Fallgruppe, die in ihren dogmatischen Ursprüngen ebenfalls weit zurückreicht, aber trotzdem in diesem Zusammenhang oft nicht erwähnt wird, betrifft Testierende, auf die undue influence ausgeübt wird (sog. probate doctrine).10 Diese Fallgruppe soll daher, obwohl sie bei Fonblanque nicht aufgeführt wird, ebenfalls analysiert werden. Die bereits angesprochene, von Fonblanque vorgenommene Fallgruppenbildung des zu undue influence vorhandenen Case law der Equity (sog. equitable doctrine) richtet sich danach, in welcher Beziehung undue influence ausgeübt wurde:11 Eltern und Kind, Vormund und Mündel, Herr und Diener sowie Anwalt und Mandant. Als eine weitere Fallgruppe wurde von ihm in der fünften Auflage die Beziehung zwischen Trustee und Begünstigtem (cestuy que trust bzw. beneficiary) ergänzt.12

8 FONBLANQUE (ed.), Treatise of Equity, Vol. I, 2nd ed. (1799), book I, chap. II, sect. 12 »But unconscionable bargains with young heirs set aside in equity.« Vgl. das dortige Inhaltsverzeichnis. 9 NEWLAND, Treatise on Contracts (1806), S. 435: »The three following chapters comprise those instances, where courts of Equity, have rescinded unequal Contracts on account of the character of one of the contracting parties, or of their relative situation. Under this general title, I propose to consider. First, the Contracts of heirs dealing with their expectancies, and of sailors with their prize money. Secondly, Contracts between parent and child, and guardian and ward. And thirdly, those between attorney and client. In these respective cases, Equity relieves upon the ground of public policy.« 10 Zur Unterscheidung von probate und equitable doctrine vgl. GOFF / JONES, Unjust Enrichment (2016), 11–02. 11 FONBLANQUE (ed.), Treatise of Equity, Vol. I, 2nd ed. (1799), book I, chap. II, sect. 12, note k (S. 134). 12 FONBLANQUE (ed.), Treatise of Equity, Vol. I, 5th ed. (1820), book I, chap. II, sect. 12, note k (S. 135 f.). Die vorangegangene Auflage hatte diese Fallgruppe noch nicht enthalten, vgl. 4th ed. (1812), note k (S. 134).

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1. Unconscionable bargains a) Unconscionable bargains mit künftigen Erben (expectant heirs) Die Rechtsprechung zum Schutz von expectant heirs wird gemeinhin als Sprungbrett für die Entwicklung der Doktrin des sog. unequal bargaining begriffen.13 Die ersten Entscheidungen hierzu lassen sich bis in das späte 16. Jahrhundert zurückverfolgen.14 Typischerweise hatten junge Gentlemen in einer finanziellen Notlage entweder wucherische Darlehen aufgenommen oder Waren zum Zweck der Weiterveräußerung erworben, die sie aber aufgrund des überteuerten Ausgangspreises nur noch mit Verlust losschlagen konnten.15 In Barny v Beak (1682) etwa hatte der Kläger, ein prospective heir, vom Beklagten Wein zu folgenden Konditionen gekauft: Sollte der Kläger vor seinem Vater sterben, würde der Kaufpreisanspruch des Beklagten untergehen; sollte der Kläger den Erbfall erleben, würde sich der Kaufpreis verdoppeln. Bei einer ersten Anhörung durch Lord Nottingham LC im Jahre 1680 wurde dem Kläger zunächst einmal Rechtsschutz gewährt.16 In seinem Manuskript hatte Lord Nottingham hierzu vermerkt, dass früher bereits die Star Chamber und dann die Chancery solche Geschäfte aufgehoben hätten.17 Wie er in einer Randnote hierzu weiter ausführt, sei dies eine Praxis, die zu allen Zeiten wie in allen Ländern anzutreffen ist, etwa im römischen Recht mit dem SC Macedonianum ebenso wie in England unter Königin Elisabeth I.18 So CARTWRIGHT, Unequal Bargaining (1991), S. 197 f. – An zeitgenössischen Darstellungen etwa POWELL, Contracts, Vol. II (1790), S. 143, 181 ff.; NEWLAND, Treatise on Contracts (1806), S. 435 ff. Vgl. ferner DAWSON, (1947) 45 Michigan LR 253, 267 ff.; SWAIN, Law of Contract (2015), S. 162 ff. 14 Savill v Wolfall (1582–83) Choyce Cases 166 = 21 ER 97; JONES, Elizabethan Court of Chancery (1967), S. 432, 434 m. w. N. – Zur Rechtsprechung der Star Chamber auf diesem Gebiet vgl. Attorney General v Howe and East (1596) Hawarde 47; HUDSON, in: Collectanea Juridica, Vol. II (1792), S. 1, 99, 111. 15 Waller v Dalt (1676) 1 Ch Cas 276 = 22 ER 798; Fairfax v Trigg (1676) 79 Selden Society 448, Case 581; Draper v Dean (1677) 79 Selden Society 602, Case 787; Lord Francis Pawlett v Pleydell (1679) 79 Selden Society 739, Case 935. – Vgl. hierzu YALE (ed.), 73 Selden Society, Introduction, xciv ff. 16 Berry v Fairclough and others 79 Selden Society 868, Case 1089. – Vgl. hierzu YALE (ed.), 73 Selden Society, Introduction, xcvi f. 17 79 Selden Society 868: »[…] for this infamous kind of trade and circumvention ought by all means to be suppressed. The Star Chamber used to punish it and this Court did always relieve against it. No family can be safe if this be suffered.« 18 79 Selden Society 868 note 2: »Nota, all ages and all nations have condemned and punished this kind of practice. Vetus senatusconsultum: qui filio patre vivente mutuum pecunias dederit, ei post mortem parentis nulla sit actio. [Sc. Macedonianum: Dig. 14. 6. 1] Id a Solone longe antea sancitum Alexander ab Alexandro, [Geniales Dies, 1673 ed. lib. I], c. 7, p. 45. So among the Grecians and the Romans the principal was lost. Tacitus, lib. 11, [c. 13]: Claudius lege lata saevitiam creditorem cohercuit ne in mortem parentem 13

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Zwei Jahre später aber wird diese Klage schließlich von Lord North LK mit der Begründung abgewiesen, dass keine Anhaltspunkte für ein betrügerisches Verhalten (fraud) seitens des Beklagten vorlägen; dieser sei vielmehr ein für ihn risikoreiches Geschäft (hazardous bargain) eingegangen, welches die vereinbarten Bedingungen durchaus rechtfertige.19 Eine ähnliche Klage in Earl of Arglasse v Muschamp (1684) ist hingegen erfolgreich, da dort fraud seitens des Beklagten bejaht wird.20 Wie schwankend und unsicher die Rechtsprechung der Chancery zu dieser Zeit noch ist, lässt sich insbesondere an Nott v Hill illustrieren.21 Hier hatte der Kläger zu Lebzeiten seines Vaters Grundvermögen (estate-tail) unter Wert veräußert. Dieser Sachverhalt wird in derselben Instanz nacheinander unterschiedlich bewertet: Die Ausgangsentscheidung von Lord Nottingham LC fällt zugunsten des Klägers aus,22 während Lord North LK23 nach einer neuerlichen Anhörung die Klage abweist,24 bis schließlich Lord Jeffreys LC am Ende dann doch wieder das Urteil Norths aufhebt und die Entscheidung Nottinghams wiederherstellt.25 Der expectant heir braucht bei Abschluss des Geschäftes nicht etwa jung und unerfahren sein, um später Rechtsschutz zu erhalten. Es kann sich vielmehr, wie in Wiseman v Beake (1690)26, auch um einen welterfahrenen, fast 40-jährigen Proctor at Doctors’ Commons27 handeln.28

[pecunias] filiisfamiliarum faenori darent. 13 Eliz. c. 8 complains that usury by sale of wares had increased to the undoing of very many gentlemen.« 19 Barny v Beak (1682) 2 Ch Cas 136 = 22 ER 883. – Vgl. auch die weiteren Verfahren: Barney v Tyson (1682) 2 Ventris 359 = 86 ER 485; Berny v Pitt (1686) 2 Vern 14 = 23 ER 620. 20 (1684) 1 Vern 237 = 23 ER 438; (1682) 1 Vern 75, 135 = 23 ER 322, 369. Der Kläger war dann auch in einem darauf folgenden Verfahren gegen einen anderen Beklagten erfolgreich, dem ebenfalls fraud angelastet wurde, vgl. Earl of Arglasse v Pitt (1685/86) 1 Vern 239 = 23 ER 439 bzw. Pitt v Earl of Arglasse (1686) 1 Vern 441 = 23 ER 572. 21 Vgl. hierzu YALE (ed.), 73 Selden Society, Introduction, xcvii f.; BARTON, (1987) 103 LQR 118, 133 f. 22 Nott v Hill (1682) 2 Ch Cas 120 = 22 ER 875. Aus rechtsvergleichender Sicht ist hier insbesondere die Äußerung Lord Nottinghams zum Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung hervorzuheben, 2 Ch Cas 121: »He said, by the Civil Law a Bargain of double the Value shall be avoided, and wish’d it were so in England.« 23 Am 27. September 1683 wurde ihm der Titel Baron Guilford verliehen, vgl. G.W. THOMAS, Art. »North, Sir Francis (First Baron Guilford of Wroxton, Oxfordshire)«, in: BDCL (1984), S. 386, 387. 24 Nott v Hill (1683) 1 Vern 167 = 23 ER 391. Vgl. ferner Johnson Executor of Hill v Nott (1684) 1 Vern 271 = 23 ER 464. 25 Nott v Hill (1687) 2 Vern 27 = 23 ER 627. 26 (1690) 2 Vern 121 = 23 ER 688; (1689) 2 Freem 111 = 22 ER 1092. 27 Zu diesem juristischen Beruf vgl. BAKER, English Legal History (2002), S. 169 f. 28 (1690) 2 Vern 122. IBBETSON, Obligations (2001), S. 209.

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Diese gegen Ende des 17. Jahrhunderts konsolidierte Rechtsprechung wird auch im frühen 18. Jahrhundert fortgeführt.29 Lord Talbot LC bezeichnet dabei in Cole v Gibbons and Martin v Cole (1734)30 den präventiven Schutz der Familien vor dem finanziellen Ruin durch solche Geschäfte als das maßgebliche Ziel einer auf rechtspolitischen Erwägungen beruhenden Rechtsprechung.31 Ein hiernach an sich aufzuhebendes Rechtsgeschäft kann jedoch für den Fall Bestand haben, dass es der Erbe nach Eintritt des Erbfalls in Kenntnis aller maßgeblichen Umstände förmlich bestätigt hatte (deed of confirmation).32 Des Weiteren wird in Berkley Freeman v Bishop (1740)33 noch einmal ausdrücklich klargestellt, dass alle Erben im Rahmen dieser Rechtsprechung gleich schutzwürdig seien, unabhängig davon, in welcher Weise sie mit dem Erblasser verwandt sind.34 Die Grundsätze dieser Rechtsprechung können somit schon in der ersten Auflage von Ballow’s Treatise of Equity (1737) dargestellt werden,35 in der folgende Parallele zum römischen Recht gezogen wird: »And so in the Roman Law, the lending Money to Heirs, in their Father’s Life, was prohibited expressly.«36 Obwohl diesbezüglich keine weitere erläuternde Anmerkung gegeben wird, bezieht sich diese Aussage ohne Zweifel auf das SC Macedonianum: Nach diesem unter Claudius oder Vespasian verabschiedeten Senatsbeschluss konnte ein Darlehensgeber, der zu Lebzeiten des Hausvaters (pater familias) Geld an einen unter dessen Gewalt stehenden Haussohn (filius familias) verliehen hatte, seine Darlehensforderung (auch nach dem Tode des Hausvaters) nicht klageweise geltend machen.37 29 Twisleton v Griffith (1716) 1 P Wms 310 = 24 ER 403; Curwyn v Milner (1731) 3 P Wms 292 note = 24 ER 1071 note; Barnardiston v Lingood (1740) 2 Atk 133 = 26 ER 484. 30 (1734) 3 P Wms 290 = 24 ER 1070. 31 (1734) 3 P Wms 290, 293: »[…] for that the policy of the nation, to prevent what was a growing mischief to ancient families, […] forasmuch as this tended to the manifest ruin of families; therefore the policy of the nation thought fit […] to put a stop to so mischievous a practice, by setting aside all these bargains with young heirs«. 32 (1734) 3 P Wms 290, 294. 33 (1740) 2 Atk 39 = 26 ER 420. 34 (1740) 2 Atk 39. Bereits in Wiseman v Beake (1690), s. o. Fn. 26, war der Erblasser des Klägers dessen Onkel und nicht etwa ein Verwandter in gerader Linie. 35 Wie IBBETSON, Obligations (2001), S. 218 f. m. w. N. zeigt, weist der Aufbau dieses Treatise deutliche Parallelen auf zu PUFENDORF, De jure naturae et gentium libri octo. IBBETSON, a. a. O., S. 218 in Fn. 98 vermutet daher, dass der Autor von Ballow’s (s. o. Fn. 3) wahrscheinlich die vierte Auflage der englischen Übersetzung benutzt hat, vgl. KENNETT (tr.), Law of Nature and Nations, 4th ed., J. Walthoe and others, London (1729). 36 BALLOW, Treatise of Equity, 1st ed. (1737), book I, chap. II, sect. 11 (S. 12) = »Dublin-edition« (1756), sect. 11 (S. 23). 37 Dig. 14, 6; Cod. 4, 28. Vgl. hierzu DAUBE, ZRG RA 65 (1947), 261 ff.; KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 124 II, S. 532; KASER / KNÜTEL / LOHSSE, Privatrecht (2017), § 39 Rn. 7; WACKE, ZRG RA 112 (1995), 239 ff.; ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 177 ff.

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Die erste Entscheidung – von der Randnote in Lord Nottinghams Manuskript einmal abgesehen38 – in der in diesem Zusammenhang auf das SC Macedonianum eingegangen wird, stellt vermutlich Earl of Chesterfield v Janssen (1751)39 dar. John Spencer hatte vom Beklagten ein Darlehen aufgenommen und sich dabei verpflichtet, die doppelte Summe zurückzuzahlen, falls er seine Großmutter überleben sollte. Nach ihrem Tod bestätigte Spencer dieses Geschäft und leistete sogar Teilzahlungen. Nach seinem Tod wiederum versuchten seine Nachlassverwalter (executors) die gerichtliche Aufhebung dieses Geschäfts zu erreichen. Der Rechtsstreit konzentriert sich dabei auf drei Fragen: Zum Ersten, ob der ursprüngliche Vertrag gegen die einschlägigen Wuchergesetze, das heißt Statutory law, verstoßen hatte, was das Gericht im Ergebnis verneint. 40 Zum Zweiten, ob das ursprüngliche Geschäft als unconscionable bargain aufzuheben sei. Und zum Dritten schließlich, welche Bedeutung gegebenenfalls der Bestätigung zukomme. Entscheidend für den Ausgang des Verfahrens zugunsten des Beklagten ist zwar letztlich die Bestätigung des Ausgangsgeschäfts nach dem Eintritt des ersten Erbfalls.41 Mit Blick auf die zweite Frage war die Klägerseite jedoch zunächst in aller Breite und Tiefe auf das vorhandene Fallrecht eingegangen, um dann einen Vergleich zwischen englischer Equity und dem SC Macedonianum anzustellen: »The policy of law and equity in this kingdom does nothing more than what has been done in other ages and nations«.42 Der Beklagtenvortrag widmet sich ebenfalls einer detaillierten Analyse des vorgetragenen Fallrechts. Der Anwendbarkeit des SC Macedonianum auf die vorliegende Fallkonstellation wird mit Hinweis auf Domat energisch widersprochen.43 Während Burnett J und Strange MR in ihren Voten das SC Macedonianum mit keinem Wort erwähnen, geht Lord Lee CJ hierauf näher ein. Er folgt dabei der Ansicht Domats, dass das Verbot des SC Macedonianum keine Anwendung finden sollte, wenn die Darlehensvaluta für einen nachvollziehbaren und vernünftigen Zweck verwendet worden waren, was er für den vorliegenden Fall bejaht.44 Siehe oben Fn. 18. (1751) 2 Ves Sen 125 = 28 ER 82; 1 Atk 301 = 26 ER 191. 40 (1751) 2 Ves Sen 125, 153. 41 (1751) 2 Ves Sen 125, 158 ff. 42 (1751) 2 Ves Sen 125, 131; 1 Atk 301, 313 mit wörtlichem Zitat aus Ulp. Dig. 14, 6, 1 pr., Ulp. Dig. 14, 6, 3, 3 und Iul. Dig. 14, 6, 14. 43 (1751) 2 Ves Sen 125, 139; 1 Atk 301, 334. – Vgl. DOMAT, Les loix civiles dans leur ordre naturel; STRAHAN (tr.), The civil law in its natural order, Vol. I (1722), book 1, title 6 »Of the Loan of Money«, sect. 4 »Of the Prohibitions to lend Money to Sons living under the Paternal Jurisdiction« (S. 136 ff.). 44 (1751) 2 Ves Sen 125, 152; 1 Atk 301, 348 f. mit einem wörtlichen Zitat aus der Übersetzung von STRAHAN (tr.), The civil law in its natural order, Vol. I (1722), book 1, title 6, sect. 4 (S. 136 f.): »The lending of money to sons, who are still under the power and tuition of their fathers, being to them an occasion of debauchery, is one of the pernicious 38 39

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Lord Hardwicke stellt bei der Beantwortung der zweiten Frage in seiner Urteilsbegründung vier generelle Kategorien von fraud auf,45 deren offener Charakter nach Auffassung von Lubbe nicht nur das dolus-Konzept Labeos (Dig. 4, 3, 1, 2) widerspiegelt, sondern sogar daraus abgeleitet sein soll.46 Bei der letzten dieser vier von Hardwicke gebildeten Kategorien steht der Schutz Dritter aus Gründen der public utility im Vordergrund.47 Bezogen auf die Rechtsprechung der expectant heirs wird insofern jeweils der Erblasser als schutzwürdiger Dritter angesehen.48 Der maßgebliche Gesichtspunkt ist also der Schutz der Familie vor der Verschwendung ihres Vermögens:49 »[…] the discouragement of prodigality and preventing the ruin of families […] which the law of all countries and all wise legislatures have endeavoured at as far as possible. The senate and law-makers in Rome were not so weak as not to know, that a law to restrain prodigality, to prevent a son’s running in debt in life of his father, would be vain in many cases: yet they made laws to this purpose; viz. the Macedonian decree, already mentioned; happy if they could in some degree prevent it: est aliquod prodire tenus.«50

Diese kurze Bezugnahme auf das SC Macedonianum durch Lord Hardwicke wird in Gwynne v Heaton (1778)51 aufgegriffen. Lord Thurlow betont in dieeffects of usury, […] that to restrain this disorder, a regulation was made by a decree of the senate, called, The Macedonian Decree, from the name of the usurer who gave occasion to it; by which all obligations of sons, living under the parental jurisdiction, contracted by the loan of money, were declared null without any distinction. But if any creditor had lent money for a cause that was just and reasonable, sufficient to support the equity of the obligation; it was by favourable interpretation of the decree of the senate, that this case was to be excepted from the general prohibition, according to the quality of the use to which the son put the money which he borrowed.« – Vgl. ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 180; WACKE, ZRG RA 112 (1995), 239, 281 ff. m. w. N. 45 (1751) 2 Ves Sen 125, 155 ff. – Vgl. hierzu ASHBURNER’S Principles of Equity, 2nd ed. (1933), S. 288 ff.; SWAIN, Law of Contract (2015), S. 166 ff. 46 LUBBE, in: Southern Cross (1996), S. 261, 301 verweist in diesem Zusammenhang auf die zivilistischen Kenntnisse Hardwickes. Vgl. dazu HOLDSWORTH, History of English Law, Vol. XII (1938), S. 280; JONES, Art. »Yorke, Philip (Earl of Hardwicke)«, in: BDCL (1984), S. 555 ff. – Zu Dig. 4, 3, 1, 2 vgl. ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 665 ff. m. w. N. 47 (1751) 2 Ves Sen 125, 156: »Particular persons in contracts shall not only transact bona fide between themselves, but shall not transact mala fide in respect of other persons, who stand in such a relation to either as to be affected by the contract or the consequences of it; and as the rest of the mankind beside the parties contracting are concerned, it is properly said to be governed on public utility.« 48 (1751) 2 Ves Sen 125, 157: »[…] the father, ancestor, or relation, from whom was the expectation of the estate, has been kept in the dark: […] This misleads the ancestor; who has been seduced to leave his estate not to his heir or family, but to a set of artful persons, who have divided the spoil beforehand.« 49 LOBBAN, (1997) 17 OJLS 441, 451 f. charakterisiert daher die Rolle der EquityRechtsprechung als »the family’s policeman«. 50 (1751) 2 Ves Sen 125, 158.

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ser Entscheidung, dass ein bloßes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung (consideration) nicht ausreiche, um ein Geschäft aufzuheben.52 Es müsse sich vielmehr um ein eklatantes Missverhältnis handeln.53 Entscheidend für die von der Rechtsprechung zum Schutz der expectant heirs entwickelten Grundsätze seien aber rechtspolitische Gründe.54 Eine Analogie mit dem römischen Recht könne man seiner Ansicht nach aber nur sehr schwer herstellen, auch wenn Lord Hardwicke einmal auf das SC Macedonianum Bezug genommen habe.55 Angesichts der eher beiläufigen und sehr allgemein gehaltenen Bezugnahme Lord Hardwickes in Chesterfield v Janssen scheint Lord Thurlow diesem Umstand wohl völlig zu Recht eine nicht allzu große Bedeutung beizumessen. Ausschlaggebend ist in seinen Augen vielmehr die seit beinahe einem Jahrhundert gefestigte Rechtsprechung, welche die generelle Repression solcher Geschäfte mit expectant heirs erreichen wolle und sie aus diesem Grunde anders behandle als sonstige Fälle: »The heir of a family dealing for an expectancy in that family, shall be distinguished from ordinary cases, and an unconscionable bargain made with him shall not only be looked upon as oppressive in the particular instance, and therefore avoided, but as pernicious in principle, and therefore repressed. […] fraud is not the ground for relief; it is the example and pernicious consequences.«56

An dieser Rechtsprechung wird auch im frühen 19. Jahrhundert, also um die Zeit von Huguenin v Baseley, festgehalten.57 b) Unconscionable bargains mit Seeleuten Seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts finden sich darüber hinaus Ansätze, die Grundsätze dieser Rechtsprechung auch auf andere Fallkonstellationen anzuwenden. So wird etwa eine Parallele hierzu im Falle eines minderjährigen Schülers gezogen, der wiederholt Alkohol von einem Lebensmittelhändler erstanden hatte und unmittelbar nach Eintritt seiner Volljährigkeit diesem (1778) 1 Bro CC 1 = 28 ER 949. (1778) 1 Bro CC 1, 6: »An inadequate consideration is not alone sufficient to vitiate the contract, altho’ in order to do so, the consideration must be inadequate«. 53 (1778) 1 Bro CC 1, 9: »To set aside such a conveyance, there must be an inequality so strong, gross, and manifest that it must be impossible to state it to a man of common sense, without producing an exclamation at the inequality of it.« 54 (1778) 1 Bro CC 1, 9: »[…] there is a policy in justice, protecting the person who has the expectancy, and reducing him to the situation of an infant, against the effects of his own conduct.« 55 (1778) 1 Bro CC 1, 9: »It is very difficult to state the analogy between our law and the Roman, with respect to the protection of children in the life-time of their parents. Lord Hardwicke, in the case before him, referred to the senatus consultum Macedonianum.« 56 (1778) 1 Bro CC 1, 9 f. 57 Vgl. Peacock v Evans (1809) 16 Ves Jun 512 = 33 ER 1079; Gowland v De Faria (1810) 17 Ves Jun 20 = 34 ER 8; Bowes v Heaps (1814) 3 Ves & B 117 = 35 ER 423. 51 52

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einen Schuldschein gab, ohne selbst eine ordentliche Rechnungslegung erhalten zu haben.58 Zu einer regelrechten Übertragung dieser Grundsätze kommt es dann bei Geschäften mit Seeleuten.59 In Baldwin and Alder v Rochford (1748)60 hatten zwei Seeleute ihren Anteil an der Prise zu einem Viertel des tatsächlichen Wertes veräußert, was Lord Hardwicke als Indiz für das Vorliegen von fraud bewertet.61 Vor allen Dingen aber betrachtet er den Schutz der Seeleute wegen ihrer besonderen Nützlichkeit für die Allgemeinheit aus Gründen der public policy als ebenso dringlich wie bei den expectant heirs.62 Taylour v Rochford (1751) 63 betrifft ebenfalls die Veräußerung eines Prisenanteils unter Wert, die zugunsten des betroffenen Seemanns aufgehoben wird. Auch hier wird wiederum betont, dass grundsätzlich ein bloßes Missverhältnis der Leistungen an sich noch nicht zu einer Aufhebung des betreffenden Geschäfts führe.64 Insbesondere wird die Geltung des gemeinrechtlichen Instituts der laesio enormis65 in England ausdrücklich verneint.66 Entsprechend fällt auch die Entscheidung von Clarke MR in How v Weldon and Edwards (1754)67 aus. Seeleute seien ähnlich schutzbedürftig wie junge Erben und daher in gleicher Weise zu privilegieren.68 Die Grundsätze der laesio enormis hätten allerdings in England keine Geltungskraft, so dass 58 Brooke v Gally (1740) 2 Atk 34 = 26 ER 417, vgl. 2 Atk 36: »The case nearest to this, is the imposition on young heirs, in the life-time of their ancestors«. – In einem ähnlichen Fall am Ende des 17. Jahrhunderts war dagegen nur auf fraud abgestellt worden, ohne einen Vergleich mit jungen Erben anzustellen, vgl. Smith v Burroughs, Loader & Al (1697) 2 Vern 346 = 23 ER 820. 59 Vgl. NEWLAND, Treatise on Contracts (1806), S. 443 f. – Ferner ATIYAH, Rise and Fall of Freedom of Contract (1979), S. 171 f.; LUTHER, (1999) 19 Legal Studies 526, 540 f.; IBBETSON, Obligations (2001), S. 209 Fn. 41. 60 (1748) 1 Wils KB 229 = 95 ER 589. 61 (1748) 1 Wils KB 229, 229 f. 62 (1748) 1 Wils KB 229, 230: »There cannot be a more useful set of men to the public, nor a more unthinking sort of people than common sailors […] a set of men not fit to take care of themselves, and therefore have taken care of them against themselves. I do not say that every contract with a sailor is void, or ought to be set aside, but every contract with them must be fair.« 63 (1751) 2 Ves Sen 281 = 28 ER 182. 64 (1751) 2 Ves Sen 281, 284: » […] nor will inequality be a reason to set it aside here (…): for if men, who are free agents, will with open eyes ratify unfair agreements, this court will not relieve fools.« 65 Vgl. hierzu Teil 2, Fn. 145. 66 (1751) 2 Ves Sen 281, 284: »[…] but their courts are more easy in rescinding agreements than ours: for if a purchase is made for less than half, though ever so fair, the mere inequality is, in the civil law sufficient to rescind it: but not so here.« 67 (1754) 2 Ves Sen 516 = 28 ER 330. 68 (1754) 2 Ves Sen 516, 518: »It is reasonable to consider the vendor [the suing sailor] at least in as favourable a light as a young heir. I am warranted in saying that, by what has been often said in cases of this kind, and what has been done by the legislature itself;

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ein krasses Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung nur als ein Indiz bei der Würdigung der Gesamtumstände herangezogen werden könne.69 Auf der Grundlage dieser Entwicklung kann Fonblanque schließlich 1793 festhalten, dass sowohl der Schutzgedanke als auch Erwägungen der public policy eine gleiche Behandlung der Seeleute mit den jungen Erben rechtfertigen: »And it is upon this principle, as also upon that of public policy that seamen dealing for their prize-money or wages, are considered intitled to as much favour and protection in equity as young heirs«.70

Mit Blick auf das dargestellte Fallrecht zum Schutz von jungen Erben und Seeleuten gegen unconscionable bargains ist der Einfluss des kontinentaleuropäischen Rechts verglichen mit den Gesichtspunkten der public policy eher gering zu veranschlagen. Der Hinweis auf das SC Macedonianum im Manuskript Lord Nottinghams sowie die ausdrückliche Bezugnahme auf dieses Institut in Chesterfield v Janssen und Gwynne v Heaton haben jeweils eher den Charakter eines illustrierenden Beispiels zum bereits ausgestalteten englischen Fallrecht.71 Überdies werden hieran ganz unterschiedliche Rechtsfolgen geknüpft: Während die englische Equity dem Gläubiger in der Regel stets einen Anspruch auf Rückzahlung der valutierten (Darlehens-)Summe nebst angemessenen (vom Gericht festgesetzten) Zinsen zubilligt,72 ist nach dem SC Macedonianum ein solcher Rückzahlungsanspruch gerade ausgeschlossen, selbst wenn die Darlehenssumme noch im Vermögen des filius familias vorhanden sein sollte.73 Soweit daneben in der Rechtsprechung zu den Seewhich has considered them as a race of men loose and unthinking, who will almost for nothing part with what they have acquired perhaps with their blood«. 69 (1754) 2 Ves Sen 516, 518: »By the rules of the civil law, if half had been paid, it would have been a mere nullity. Our law differs from that; but though the inadequateness of the value will not itself be sufficient to set aside the contract, yet it is a very material ingredient, and, with other things, will go great way toward it.« 70 FONBLANQUE (ed.), Treatise of Equity, Vol. I, 1st ed. (1793), book I, chap. II, sect. 12, note k (S. 124). 71 SPENCER BOWER, Actionable Non-Disclosure (1915), § 698 (S. 615). 72 Vgl. Berry v Fairclough and others 79 Selden Society 868, Case 1089; Barney v Tyson (1682) 2 Ventris 359; Berny v Pitt (1686) 2 Vern 14, 16; Earl of Arglasse v Muschamp (1684) 1 Vern 237, 239; Earl of Arglasse v Pitt (1685/86) 1 Vern 239, 240; Wiseman v Beake (1690) 2 Vern 121, 122; 2 Freem 111, 112; Twisleton v Griffith (1716) 1 P Wms 310, 313; Barnardiston v Lingood (1740) 2 Atk 133, 136; Lamplugh v Cox (1769) Dickens 411, 414; Peacock v Evans (1809) 16 Ves Jun 512, 518; Gowland v De Faria (1810) 17 Ves Jun 20, 26; Bowes v Heaps (1814) 3 Ves & B 117, 121. – Etwa bestellte Sicherheiten bleiben in Höhe dieses Rückzahlungsanspruches bestehen, vgl. Berkley Freeman v Bishop (1740) 2 Atk 39; Gwynne v Heaton (1778) 1 Bro CC 1, 11. 73 Ulp. Dig. 14, 6, 9, 2: »[…] nec interest, consumpti sint nummi an exstent in peculio.« – Vgl. hierzu WACKE, ZRG RA 112 (1995), 239, 299 f. – Auch nach Ansicht Lord Nottinghams war durch das SC Macedonianum ein Rückzahlungsanspruch der Darle-

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leuten auf die gemeinrechtliche Lehre der laesio enormis eingegangen wird, so wird deren Geltung und Anwendbarkeit in England in diesem Kontext stets kategorisch abgelehnt.74 Gleichwohl fügt Fonblanque in der ersten von ihm bearbeiteten Ausgabe von 1793/94 einen Nachweis zum »Roman law« hinzu,75 indem er eine Passage von Domat zum »Macedonian Decree« in der von Strahan besorgten Übersetzung zitiert.76 Ab der zweiten Auflage 1799 gibt er daneben noch weitere Belegstellen zum »Roman law« an, nämlich Dig. 14, 6 sowie Pothiers Traité des obligations77 und Pufendorf.78

henssumme ausgeschlossen (s. o. Fn. 18): »So among the Grecians and the Romans the principal was lost.« 74 Vgl. hierzu generell die ganz eindeutigen, zeitgenössischen Stellungnahmen: POWELL, Contracts, Vol. II (1790), S. 143, 152; FONBLANQUE (ed.), Treatise of Equity, Vol. I, 1st ed. (1793), book I, chap. II, sect. 9, note d (S. 116); sect. 10, note g (S. 119) = 5th ed. (1820), sect. 9, note d (S. 127); sect. 10, note g (S. 130 f.). – Der ursprüngliche Autor des Treatise of Equity war insoweit einfach dem Aufbau Pufendorfs gefolgt, ohne dass dem in irgendeiner Weise englisches Recht zugrunde lag, vgl. IBBETSON, Obligations (2001), S. 218 f. Fn. 102. Zur Problematik ferner BARTON, (1987) 103 LQR 118, 123 ff. 75 Siehe oben Fn. 36. 76 FONBLANQUE (ed.), Treatise of Equity, Vol. I, 1st ed. (1793), book I, chap. II, sect. 12, note l (S. 125): »By the Macedonian Decree, so called from the name of the usurer who gave occasion to it, ›all obligations of sons living under the paternal jurisdiction, contrasted by the loan of money, were declared null, without any distinction. But if any creditor had lent money for a cause which was just and reasonable, and sufficient to support the equity of the obligation, it was, by a favourable interpretation of the decree of the senate, to be excepted from the general prohibition, according to the quality of the use to which the son put the money which he had borrowed,‹ Domat’s Civ. L. b. 1 tit. 6 s. 4.« – Diese Fußnote wurde bis zur fünften und letzten Auflage beibehalten, vgl. 5th ed. (1820), note l (S. 137). – Vgl. die Übersetzung von Domat durch STRAHAN (tr.), The civil law in its natural order, Vol. I (1722), book 1, title 6, sect. 4 (S. 136 f.). Diese Passage war bereits in Chesterfield v Janssen (1751) zitiert worden (s. o. Fn. 44). 77 Fonblanque konnte 1799 noch nicht auf eine Übersetzung Pothiers zurückgreifen: Die erste amerikanische Übersetzung erfolgte durch F.-X. MARTIN (tr.), A Treatise on Obligations, Vol. I–II, Martin and Ogden, Newbern/N.C. (1802); die erste britische Übersetzung durch EVANS (tr.), A Treatise on the Law of Obligations or Contracts, Vol. I– II, A. Strahan, London (1806). – Vgl. IBBETSON, Obligations (2001), S. 220 Fn. 4. 78 FONBLANQUE (ed.), Treatise of Equity, Vol. I, 2nd ed. (1799), book I, chap. II, sect. 12, marginal-note 1 (S. 135): »Dig. lib. 14 tit. 6 – Pothier Traité des Obligations, par. 1 c. 1 s. 1 art. 3 s. 5 – Puff. L. of Nature and Nations, b. 3 c. 6 s. 5«. – Diese Randnote wurde bis zur fünften und letzten Auflage beibehalten, vgl. 5th ed. (1820), marginal-note 1 (S. 136). – Vgl. Dig. 14, 6 »De senatus consulto Macedoniano«; POTHIER, Traité des Obligations, Partie I, Chap. I, Sect. 1, Art. 3 »Des différents vices qui peuvent se rencontrer dans les Contrats«, § 5 »De la lésion entre mineurs«; Pufendorf in der Übersetzung von KENNETT (tr.), Law of Nature and Nations, 4th ed. (1729), book 3, chap. 6 »Of the Consent required in making Promises and Pacts«, sect. 5 »Of such as are under Age«.

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Selbst dieser insgesamt eher redundante Gebrauch kontinentaleuropäischer Quellen im Kontext der unconscionable bargains muss mit Blick auf die Entwicklung von undue influence freilich mit Zurückhaltung betrachtet werden. Denn die erste Entscheidung, in der überhaupt im Kontext der unconscionable bargains der Begriff »undue influence« fällt, scheint erst Lamplugh v Cox (1769)79 zu sein,80 während er anderweitig schon wesentlich früher belegt ist.81 2. Undue influence auf Testierende (sog. probate doctrine) Weit zurück reichen demgegenüber die Wurzeln der sog. probate doctrine zur unlauteren Einflussnahme auf Testierende.82 Schon in der ersten Auflage von Swinburne’s Treatise of Testaments and Last Wills (1590)83 werden die verschiedenen Formen einer solchen Einflussnahme behandelt. Zulässig sind danach ehrliches Auftreten und maßvolles Überreden des Testierenden durch eine schöne und schmeichelnde Sprache: »It is not unlawfull for a man by honest intercessions and modest perswasions, to procure either another person or himselfe to be made executor: neither is it altogether unlawfull for a man, even with faire and flattering speeches, to move the testator to make him his executor, or to give him his goods«.84

Dagegen werden Testamente als nichtig (void) betrachtet, wenn der Testierende Schmeicheleien (flattery) seiner Umgebung ausgesetzt war, die über das erlaubte Maß hinausgingen, so insbesondere in folgenden Konstellationen: »[…] when the testator is a person of weake iudgement, and easie to be perswaded, and the legacie great […] when the testator is under the government of the perswader, or in his danger […] when the perswader is verie importunate: for an importunate begger is compared to an extortor«.85 (1769) Dickens 411 = 21 ER 329. (1769) Dickens 411, 413 f.: Selbst hier wird der Begriff nur vom Beklagten verwendet, der das Geschäft als »free from fraud, imposition, and undue influence« rechtfertigen möchte, während das Gericht darauf abstellt, »that the contract […] ought to be set aside, as unconscionable and oppressive, and obtained […] by taking advantage of the poverty and distressed circumstances of the plaintiff«. 81 Vgl. Morris v Burroughs (1737) s. u. Fn. 126 ff. 82 Der Begriff undue influence wird hierfür allerdings erst seit dem frühen 19. Jahrhundert verwendet, vgl. WINDER, (1939/40) 3 MLR 97, 104 ff.; DERS., (1940) 56 LQR 97, 106 ff. 83 SWINBURNE, A Briefe Treatise of Testaments and Last Wills, 1st ed., J. Windet, London (1590). Ferner werden vorliegend folgende Auflagen herangezogen: 3rd ed., Company of Stationers, London (1635); 5th ed., E. and R. Nutt, and R. Gosling, London (1728); 7th ed., Lynch, Dublin (1793). 84 SWINBURNE, Testaments and Last Wills, 1st ed. (1590), part VII, § iiii, No 1 (fol. 243 r) = 3rd ed. (1635), § iiii, No 1 (S. 104). 85 SWINBURNE, Testaments and Last Wills, 1st ed. (1590), part VII, § iiii, No 3 ff. (fol. 243 v) = 3rd ed. (1635), § iiii, No 3 ff. (S. 104 f.). 79 80

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Die in den dortigen Randnoten angeführten Belegstellen aus der gemeinrechtlichen Literatur, wie etwa Matthaeus de Afflictis,86 Menochius87 oder Peckius,88 beschäftigen sich allesamt mit metus reverentialis, der zur Unwirksamkeit letztwilliger Verfügungen führt.89 Bereits die Entscheidung des House of Lords, Upper Bench, in Hacker v Newborn (1654)90 erinnert stark an einen Beispielsfall Swinburne’s.91 Deutliche sprachliche Anklänge an Swinburne finden sich ferner in Hatfield v Hatfield (1725)92, wo der Berufungskläger darauf abstellt, dass die Gegnerin auf seinen Vater bei der Abfassung des Testaments Druck ausgeübt habe: »[…] that he [the testator], being old, weak, and infirm, she had so great an ascendant over him, that she persuaded him to make a will, framed by herself, whereby he devised to her several legacies«.93

Ebenfalls nur im Klägervortrag findet sich die Unterstellung, dass die beklagte Ehefrau des Erblassers in Marriot v Marriot (1725)94 die letztwillige Zuwendung des unbeweglichen Restnachlasses (residuary devise) auf unlautere Weise, »by fraudulent means, and by surprize« erhalten habe.95 Dagegen wird in Kerrich v Bransby (1727)96 sogar die Aufhebung des streitgegenständlichen Testaments in erster Instanz damit begründet, dass dieses auf der Ausübung von »great fraud and imposition« durch den Beklagten beruht habe;97 auf die Berufung des Beklagten hin, der die Zuständigkeit der Chancery in Abrede stellt, wird die Ausgangsentscheidung dann jedoch ohne nähere Begründung aufgehoben.98 DE AFFLICTIS, Decisiones, Dec. 69: s. o. Teil 2, Fn. 215 ff. MENOCHIUS, De arbitrariis, Lib. II, Casus 395, No 41: s. o. Teil 2, Fn. 220. 88 PECKIUS, De testamentis coniugum, Lib. I, Cap. 9, No 5: s. o. Teil 2, Fn. 246. 89 Siehe oben Teil 2, S. 331 ff. bzw. S. 337 f. 90 (1654) Style 427 = 82 ER 834. 91 (1654) Style 427: »If a man make his will in his sickness, by the over-importuning of his wife, to the end he may be quiet, this shall be said to be a will made by constraint, and shall not be a good will.« – Vgl. SWINBURNE, Testaments and Last Wills, 1st ed. (1590), part VII, § iiii, No 4 (fol. 243 v) = 3rd ed. (1635), § iiii, No 4 (S. 104 f.): »[…] So it is if the testator being sicke, his wife neglect to helpe him, or to provide remedie for the recoverie of his health, and neverthelesse in the meane time busily applie him sweete and flattering speeches, to make her his executrix, or to bestow his goodes upon her: for in this case, the disposition is uneffectuall.« 92 (1725) 5 Bro PC 100 = 2 ER 559. 93 (1725) 5 Bro PC 100, 102. 94 (1725) 1 Strange 666 = 93 ER 770. 95 (1725) 1 Strange 666. Vgl. insbesondere die breiten historischen Ausführungen des Gerichts zur Abgrenzung der Zuständigkeit von Ecclesiastical Courts und Courts of Equity, 1 Strange 667 ff. Da sich die Parteien gütlich einigen, ergeht keine Entscheidung in der Sache selbst, 1 Strange 673. 96 (1727) 7 Bro PC 437 = 3 ER 284. 97 (1727) 7 Bro PC 437, 439. 86 87

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In Bennet v Vade (1742)99 klagen die gesetzlichen Erben mit Erfolg gegen ein Testament und ein sog. inter vivos settlement,100 mit dem der Erblasser noch zu Lebzeiten sein ganzes Vermögen (estates) auf den Beklagten übertragen hatte. Wie Lord Hardwicke in seiner Urteilsbegründung ausführt, war der Erblasser zwar nicht unzurechnungsfähig (non compos mentis), aber »a person of great weakness of mind, and of insufficient capacity to manage his affairs as a prudent man […] liable to be imposed upon by any person who got the government over him«. 101 Nachdem der Beklagte unter zweifelhaften Umständen seine etwa 16-jährige Tochter mit dem 55-jährigen Erblasser verheiratet hatte,102 gelang es ihm, den Erblasser derart einzuschüchtern, dass dieser Angst (terror) bzw. Ehrfurcht (awe) wie ein Kind empfand, wenn er auch nur den Name des Beklagten hörte.103 Auf diese Weise habe es der Beklagte durch fraud, imposition und undue influence vermocht,104 jeden Kontakt zwischen dem Erblasser und den Klägern, seinen gesetzlichen Erben, zu unterbinden sowie das streitige settlement zu seinen Gunsten zu erhalten, das daher keinen rechtlichen Bestand haben könne.105 In dieser Entscheidung sind sprachliche Anklänge an metus reverentialis nahezu mit Händen zu greifen. Auch vor den Ecclesiastical Courts, wie dem Prerogative Court, argumentiert man hinsichtlich der unlauteren Einflussnahme auf Testierende mit Swinburne, wie Lamkin v Babb (1752)106 zeigt.107 Ausdrücklich auf Swinburne und Godolphin108 bezieht sich ferner der Beklagtenvertreter in Harwood v Goodright (1774)109, um den im Civil law geltenden Grundsatz zu belegen, dass ein nachfolgendes das vorangegangene Testament dann nicht aufhebt, wenn das nachfolgende selbst ungültig ist, weil etwa bei dessen (1727) 7 Bro PC 437, 443. (1742) Dickens 84 = 21 ER 200; 2 Atk 324 = 26 ER 597; 9 Modern 312 = 88 ER 474. 100 Erst diese Verbindung von Testament (will) und inter vivos settlement eröffnet überhaupt die Zuständigkeit der Chancery, vgl. 2 Atk 324 sowie 9 Modern 312, 313. 101 (1742) 9 Modern 312 315 f. Der Beklagte, ein Chirurg und Apotheker, machte den beinahe vollständig erblindeten Erblasser sogar glauben, dass ihm die amputierten Zehen wieder nachwachsen würden. 102 (1742) Dickens 84, 85; 9 Modern 312, 316 f.; 2 Atk 324, 325. Die Tochter des Beklagten starb kurze Zeit nach der Hochzeit. 103 (1742) 9 Modern 312, 318 f. bzw. 2 Atk 324, 326. 104 (1742) Dickens 84, 87 und 2 Atk 324, 327 gebrauchen ausdrücklich auch den Ausdruck »undue influence«; 9 Modern 312, 314, 315, 322 spricht demgegenüber nur von »power and influence«. Der begriffliche Unterschied dürfte allerdings nicht besonders groß sein, da 2 Atk 324, 326 f. nebeneinander sowohl »power and influence« als auch »power and undue influence« verwendet. 105 (1742) 9 Modern 312, 324 f.; 2 Atk 324, 327 f. 106 (1752) 1 Lee 1 = 161 ER 1. 107 (1752) 1 Lee 1, 8. 108 GODOLPHIN, The Orphan’s Legacy: or, a Testamentary Abridgment, 3rd ed. (1685). 109 (1774) Lofft 558 = 98 ER 798. 98 99

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Errichtung undue influence auf den Testierenden ausgeübt wurde.110 Nicht mit dem Begriff undue influence, sondern mit fraud kategorisiert hingegen der Kläger in Dixon v Olmius (1787)111 das Verhalten des Beklagten, der den Erblasser davon abgehalten hatte, wieder ein Testament zu errichten.112 Gegen Ende des 18. Jahrhunderts finden sich weitere Beispiele zu undue influence auf Testierende.113 In der Petition Ex parte Fearon (1800)114 setzen sich die Parteien dabei ein weiteres Mal mit Swinburne auseinander: Hier wird die Errichtung bzw. die unterbliebene Abänderung des in Streit stehenden Testaments vom Petenten auf die Ausübung von undue influence durch die Gegenseite zurückgeführt, was nach Swinburne ein ursprünglich gültiges Testament nachträglich ungültig machen könne.115 Die in Swinburne erfolgte Rezeption von metus reverentialis ist also mehrfach Gegenstand der Diskussion bei der Frage nach undue influence auf Testierende. In diesem Zusammenhang darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Chancery nur ganz ausnahmsweise für die Beurteilung von Testamenten zuständig ist, nämlich dann, wenn diese mit einer lebzeitigen Verfügung verbunden sind.116

110 (1774) Lofft 558, 562. – Vgl. SWINBURNE, Testaments and Last Wills, 1st ed. (1590), part VII, § xiiii, No 5 (fol. 264 r) = 3rd ed. (1635), § xiiii, No 5 (S. 166) = 5th ed. (1728), § xiiii, No 5 (S. 503); GODOLPHIN, Orphan’s Legacy (1685), part I, chap. 18, § 5 (S. 53). 111 (1787) 1 Cox 414 = 29 ER 1227. Vgl. zu diesem Verfahren ferner (1787) 1 Cox 412 = 29 ER 1226; (1795) 2 Cox 414 = 30 ER 191; (1790) 1 Ves Jun 153 = 30 ER 276; 1 Ves Jun Supp 58 = 34 ER 690. 112 (1787) 1 Cox 414: »[…] that he [the testator] meant and intended to republish his said will, but was prevented from so doing by several acts of fraud and violence on the part of the defendant, who would not permit the attorney sent for by Lord Waltham [the testator] to go into his bedroom, together with several circumstances of fraud very fully charged by the bill.« 113 So wird in Goodtitle v Braham (1792) 4 TR 497 = 100 ER 1139 ein Testament wegen »undue influence« aufgehoben; allerdings geht der Report mit keinem Wort darauf ein, wie in diesem Fall undue influence ausgeübt worden war, vgl. 4 TR 499. – In Bates v Graves (1793) 2 Ves Jun 287 = 30 ER 637 hatte der Erblasser bereits zu Lebzeiten sein Vermögen auf den Beklagten übertragen und dies durch letztwillige Verfügung bestätigt; mit Blick auf Kerrich v Bransby (s. o. Fn. 96) eröffnet erst diese Verbindung von Testament und lebzeitiger Verfügung wie schon in Bennet v Vade (s. o. Fn. 100) überhaupt die Zuständigkeit der Chancery, um diese »einheitliche Transaktion« wegen »fraud, and undue influence« aufzuheben. 114 (1800) 5 Ves Jun 633 = 31 ER 778. 115 (1800) 5 Ves Jun 633, 643: »Swinburne in the 7th part lays down all the cases, in which wills may be avoided either from the beginning or by matter subsequent. Even in the summary of this chapter he states it as a general proposition, that a will free from fault in the original may afterwards become void in various ways. One case he puts is, where the party is in the government of another.« – Vgl. SWINBURNE, Testaments and Last Wills, 5th ed. (1728), part VII, § i (S. 451) i.V.m. § iiii (S. 455).

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3. Undue influence (sog. equitable doctrine) a) Undue influence im Verhältnis zwischen Eltern und Kind Ganz unstreitig in die Zuständigkeit der Chancery fallen dagegen Rechtsgeschäfte zwischen Eltern und Kind.117 Auf das Eltern-Kind-Verhältnis als solches wird bereits in Blunden v Barker (1720)118 abgestellt. Hier argumentiert die Beklagtenseite, dass ein Kind nicht in der Position sei, seinem Vater einen Erlass (release) abzuschlagen: »The Child was not sui juris; the Awe he was presumed to have of his Parent, the Duty he owed him, the total Dependance he had upon him for all the Conveniencies of Life, would not suffer him to be a Free Agent in this Case, would not permit him to deny giving a Release to his Father«.119

Diese Formulierung erinnert stark an die Rechtsfigur des metus reverentialis. Lord Parker LC erteilt jedoch einem solchen abstrakten Ansatz eine klare Absage zugunsten einer konkreten Betrachtungsweise des Einzelfalls: »I do not see the Argument from the Father’s Power over the Child to be of any Weight; for if it should ever appear that this Power has been abused, a Court of Equity would certainly set aside the Release thus indirectly gained.«120

Auch der Klägervortrag in Kemps v Kelsey (1722)121 versucht, mit Verweis auf das Ehrfurcht gebietende Eltern-Kind-Verhältnis von einem abgeschlossenen Erlass loszukommen.122 Doch Lord Parker LC lässt sich auch hier nicht auf eine abstrakte Betrachtungsweise ein, sondern stellt wiederum auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ab.123 Dessen ungeachtet hebt der Vortrag der Kläger und Berufungskläger in Gould v Okeden (1731)124 einmal mehr auf die elterliche Autorität des Vaters ab.125 In Morris v Burroughs (1737)126 wird schließlich von Lord Hardwicke 116 Vgl. das ausdrückliche Bedauern von Lord Loughborough LC in Ex parte Fearon (1800) 5 Ves Jun 643, 647 über »the inconvenience of that determination of Kerrich v Bransby«. 117 NEWLAND, Treatise on Contracts (1806), S. 445 ff. 118 (1720) 1 P Wms 634 = 24 ER 548. 119 (1720) 1 P Wms 634, 639. 120 (1720) 1 P Wms 634, 639 f. 121 (1722) Prec Ch 594 = 24 ER 266. 122 (1722) Prec Ch 594, 595: »[…] but a child was a child, whether she would or not; that it was not a matter of her own choice, and therefore an act of this kind was to be looked upon as proceeding from the awe and influence of a parent and ought not to be no farther binding than it was just«. 123 (1722) Prec Ch 594, 596. 124 (1731) 4 Bro PC 198 = 2 ER 135. 125 (1731) 4 Bro PC 198, 201: »[…] and from the influence of his paternal authority, they were liable to be imposed upon by him.«

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unter anderem das Postulat aufgestellt, dass bei Rechtsgeschäften im ElternKind-Verhältnis dem Kind auch eine Gegenleistung (consideration)127 zufließen muss, um der Gefahr von undue influence durch den Missbrauch elterlicher Autorität vorzubeugen: »But as the parental authority is great, to prevent any undue influence it may have in prejudice of the children, there must, in all instances of this kind, be a valuable consideration moving from the father, and an actual benefit accruing to the child.«128

Gemeinhin wird angenommen, dass hier durch Hardwicke zum ersten Mal überhaupt der Begriff undue influence verwendet wird.129 Wie Hardwicke später in Tendril v Smith (1740)130 klarstellt, kann ein Kind, das bei der (Änderungs-)Vereinbarung eines settlements volljährig ist, im Nachhinein nicht abstrakt einwenden, es sei hierzu durch väterliche Autorität veranlasst worden;131 ein Grundsatz, der von Hardwicke auch in Cory v Cory (1747)132 angewendet wird.133 Gleichwohl betont Strange MR in Cocking v Pratt (1749–50),134 dass Rechtsgeschäfte zwischen Eltern und einem gerade erst volljährig gewordenen Kind von der Chancery stets mit besonders kritischen Augen geprüft würden, auch wenn wie hier im konkreten Fall kaum Anhaltspunkte für undue influence vorlägen.135

(1737) 1 Atk 399 = 26 ER 253; West t Hard 242 = 25 ER 917, beachte dort die andere Schreibweise des Beklagten: »Burrows«. 127 Zur Entwicklung der englischen consideration-Lehre vgl. IBBETSON, Obligations (2001), S. 141 ff., S. 203 ff., S. 236 ff. m. w. N. 128 (1737) 1 Atk 399, 403. Im anderen Report fällt der Begriff »undue influence« dagegen nicht, vgl. West t Hard 242, 248: »The effect of parental authority has always been considered as great. The Court, therefore, to remove the presumption of such influence, expects to find in these agreements a valuable consideration and benefit moving from the father to the child«. 129 WINDER, (1939/40) 3 MLR 97, 98; GOFF / JONES, Unjust Enrichment (2016), 11–01. 130 (1740) 2 Atk 85 = 26 ER 452. 131 (1740) 2 Atk 85 f.: »Where a father and a child of full age come to an agreement to alter the limitations under a settlement, there is no ground of equity for a child to set aside such agreement, under pretence of being drawn into it by the power and authority of a father, and to restore the antient limitations again.« – Hardwicke bezieht sich seinerseits auf eine Entscheidung aus der Zeit von Lord Cowper LC, vgl. 2 Atk 86: »In a case in Lord Cowper’s time […] his lordship would not set it aside upon the suggestion of the father’s having undue influence over him, etc.« 132 (1747) 1 Ves Sen 19 = 27 ER 864. 133 (1747) 1 Ves Sen 19: »[…] and afterward the son complains of paternal authority being exerted; though there might be something of that sort, yet if the agreement be reasonable, the court will not set it aside«. – Vgl. POWELL, Contracts, Vol. II (1790), S. 143, 162 f. 134 (1749–50) 1 Ves Sen 400 = 27 ER 1105. 126

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Nicht auf »undue influence«, sondern auf »paternal influence« stellt Northington LK ab, um in Carpenter v Heriot (1759)136 eine Schuldverschreibung aufzuheben, die ein Sohn nach Eintritt seiner Volljährigkeit seinem Vater gegeben hatte. Denn der Schuldverschreibung lagen hier Beträge zugrunde, die der Vater für den Sohn während seiner Kindheit aufgewendet hatte.137 Diesen Ansatz bestätigt Northington LC138 in Wycherley v Wycherley (1763)139 und begründet dies mit der sonst drohenden Aushöhlung des Minderjährigenschutzes.140 Diese von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe zum Missbrauch der »parental influence« kommen dergestalt auch gegen Ende des 18. Jahrhunderts zur Anwendung, wie die Entscheidung Lord Thurlows in Kinchant v Kinchant (1784)141 zeigt.142 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass im 18. Jahrhundert zwar mehrfach von Seiten des klagenden Kindes versucht wird, abstrakt auf die im Eltern-Kind-Verhältnis bestehende Ehrfurcht abzustellen, um sich von einem nachteiligen Geschäft zu lösen. Ein solcher genereller Unwirksamkeitsgrund, in seiner Wirkung dem metus reverentialis nicht unähnlich, wird aber von der Rechtsprechung entschieden abgelehnt, die stattdessen eine konkrete Betrachtung der besonderen Umstände des Einzelfalls vornimmt. b) Undue influence im Verhältnis zwischen Vormund und Mündel Ähnlich dem Eltern-Kind-Verhältnis ist auch das Verhältnis zwischen Vormund und Mündel rechtlich sehr sensibel, so dass es nicht weiter verwundert, bei dieser Fallkonstellation eine ähnlich ausgestaltete Rechtsprechung anzutreffen.143 In Duke of Hamilton v Lord Mohun (1710)144 hatte eine Mutter, die zugleich auch Vormund ihrer Tochter war, mit ihrem künftigen Schwiegersohn vor der Hochzeit eine Vereinbarung abgeschlossen, welche sie von ihrer Pflicht zur Rechnungslegung entbinden sollte. Eine solche Vereinbarung wird jedoch als ungültig betrachtet, da sich der Bräutigam gewissermaßen in einer 135 (1749–50) 1 Ves Sen 400, 401: »Though there is no very great evidence of undue influence, yet the court will always look with a jealous eye upon a transaction between a parent and a child just come of age, and interpose if any advantage is taken.« 136 (1759) 1 Eden 338 = 28 ER 715. 137 (1759) 1 Eden 338, 342. 138 Northington war 1761 zum Lord Chancellor ernannt worden, vgl. ADAMS, Art. »Henley, Robert (Earl of Northington)«, in: BDCL (1984), S. 234. 139 (1763) 2 Eden 175 = 28 ER 864. 140 (1763) 2 Eden 175, 180. 141 (1784) 1 Bro CC 369 = 28 ER 1183. 142 (1784) 1 Bro CC 369, 373 f. 143 NEWLAND, Treatise on Contracts (1806), S. 448 ff. 144 (1710) 1 P Wms 118 = 24 ER 319. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 44 f.

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Zwangslage befand, die ihm keine Entscheidungsfreiheit mehr ließ, wollte er nicht unter Umständen die angestrebte Vermählung aufs Spiel setzen.145 Des Weiteren wird eine Parallele zu den sog. marriage brocage bonds hergestellt, das heißt Vereinbarungen, die für die Einwilligung der Eltern bzw. des Vormunds in die Hochzeit Geldleistungen in Aussicht stellen.146 Der Erlass einer Schuld sei mit einer solchen Geldleistung gleichzusetzen, da beide im Ergebnis auf einen »Verkauf« der Braut hinausliefen, der von der Rechtsordnung nicht toleriert werden könne.147 Zwar handelt es sich mit Blick auf das Verhältnis von Mutter und Tochter hier um die Einschränkung der Entscheidungsfreiheit eines Dritten, doch kann in den Augen von Cowper LC eine derartige Vereinbarung ebenso wenig Bestand haben, wie wenn das Kind selbst eine solche über seinen Erbteil abgeschlossen hätte:148 »the Heir is under the Awe of his Parent in such Case, and not supposed to act freely« – eine Formulierung, die wieder an metus reverentialis erinnert. Wie in Pearce v Waring (1737)149 klargestellt wird, kommt es dem Vormund und Testamentsvollstrecker (executor) nicht zu, von dem gerade volljährig gewordenen Erben anlässlich der Rechnungslegung eine Schenkung anzunehmen.150 Dass eine vergleichbare Zuwendung an den Verwalter der väterlichen Güter in Cray v Mansfield (1749–50)151 von Strange MR nicht völlig aufgehoben wird, dürfte vor allem durch deren geringen Wert begründet sein.152

145 (1710) 1 P Wms 118, 119 ff.: »[…] as it seemed to be extorted […] by one who had a Power over the young Lady courted by him; by one who had a Power over her, as her parent; which ought not to have been made use of in this Manner. […] this Covenant could not be supposed to be made freely«. 146 Vgl. hierzu Hall v Potter (1695) Shower PC 76 = 1 ER 52. Ferner POWELL, Contracts, Vol. I (1790), S. 152, 174 f.; NEWLAND, Treatise on Contracts (1806), S. 469 f.; COMYN, Contracts, Vol. I (1807), S. 33. – IBBETSON, Obligations (2001), S. 212. 147 (1710) 1 P Wms 118, 120: »That this agreement was within the same reason as a marriage-brokage agreement, which had been so often condemned in equity. A bond to give money if such a marriage could be obtained, was ill: and, By the same reason, a bond to forgive a sum of money must be ill also. […] and to tolerate such an agreement, would be paving a way to guardians to sell infants under their wardship«. 148 (1710) 1 P Wms 118, 121: »That this was within the common Case of Equity’s relieving an Heir against any private Agreement with his Father, upon the Marriage of the Heir; as where the Father covenants to settle an Estate on the Marriage, and the Heir privately agrees to repay back so much out of it to the Father; the Heir is under the Awe of his Parent in such Case, and not supposed to act freely; for which Reason a Court of Equity relieves against all such private Agreements.« 149 (1737) West t Hard 148 = 25 ER 866. 150 (1737) West t Hard 148, 153: »This was an act unbecoming a guardian, such an act as if any young man, within a month after he came of age, had offered to do, his guardian should have advised him against and withstood. This is a circumstance of very ill appearance, and demonstrates a prodigious influence over the young man.« 151 (1749–50) 1 Ves Sen 379 = 27 ER 1093; Ves Sen Supp 167 = 28 ER 490.

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Der grundsätzlich strikten Haltung der Rechtsprechung, die von Lord Hardwicke in Hylton v Hylton (1754)153 bestätigt wird, liegen hauptsächlich rechtspolitische Erwägungen (public utility) zugrunde. Das gerade volljährig gewordene Mündel wird für besonders schutzwürdig gehalten, da es der Gefahr einer unlauteren Vorteilsnahme ebenso ausgesetzt sei wie etwa ein prospective heir, ein Mandant während des Rechtsstreits oder ein Brautwerber bei marriage brocage bonds.154 Denn die Entscheidungsfreiheit eines Mündels, das auf die Übergabe seines Erbteils und eine ordentliche Rechnungslegung angewiesen ist, sei in diesem Moment ähnlich eingeschränkt: »The thing speaks itself. ›I will not deliver up the estate you are entitled to, and account, unless you grant me this.‹«155

Mit Blick auf diese Entscheidung fordert der Klägervertreter in Hatch v Hatch (1804)156 die generelle Anwendung des Grundsatzes, dass das Mündel vor undue influence seitens des Vormundes zu schützen sei.157 Lord Eldon LC kommt dieser Forderung nach, als er die streitige Transaktion aufhebt, obwohl seitdem 25 Jahre vergangen waren. Denn die Rechtsprechung müsse diese Konstellation wegen der besonderen Missbrauchsanfälligkeit mit größtem Argwohn (jealousy) betrachten, um nicht unfreiwillig Beihilfe zu fraud zu leisten: »This case proves the wisdom of the Court in saying, it is almost impossible in the course of the connection of guardian and ward, attorney and client, trustee and cestui que trust, that a transaction shall stand, purporting to be bounty for the execution of antecedent duty. There may not be a more moral act […]. But the Court cannot permit it; except quite satisfied, that the act is of that nature, for the reason often given; and recollecting, that in dis152 (1749–50) 1 Ves Sen 379, 382: »The smallness of the value is, I own, a circumstance inducing me to think there was not a design fallaciously to draw in the plaintiff to execute a deed conveying these estates; for had the defendant meant such a fraud, he would rather have taken something in present of greater value to him, than such a remote reversion.« 153 (1754) 2 Ves Sen 547 = 28 ER 349. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 44. 154 (1754) 2 Ves Sen 547, 548 f.: »Where a man acts as guardian, or trustee in nature of a guardian, for an infant, the court is extremely watchful to prevent that person’s taking any advantage immediately upon his ward or cestuy que trust coming of age, and at the time of settling account or delivering up the trust; because an undue advantage may be taken. It would give an opportunity either by flattery or force, by good usage unfairly meant, or by bad usage imposed, to take such advantage; and therefore the principle of the court is of the same nature relief in this court on the head of public utility, as in bonds obtained from young heirs, and rewards given to an attorney pending a cause and marriage brocage bonds. All depend on public utility«. 155 (1754) 2 Ves Sen 547, 549. 156 (1804) 9 Ves Jun 292 = 32 ER 615. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 45. 157 (1804) 9 Ves Jun 292, 294.

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cussing, whether it is an act of rational consideration, an act of pure volition, uninfluenced, that inquiry is so easily baffled in a Court of justice, that instead of the spontaneous act of a friend, uninfluenced, it may be the impulse of a mind, misled by undue kindness, or forced by oppression; […] and therefore, if the Court does not watch these transactions with a jealousy almost invincible, in a great majority of cases it will lend its assistance to fraud«.158

Insgesamt ist die Rechtsprechung aus den dargestellten rechtspolitischen Gründen gegenüber dem Vormund also wesentlich strikter eingestellt als gegenüber Eltern. Anders als beim Eltern-Kind-Verhältnis neigt sie hier stärker dazu, generell die Unwirksamkeit einer Zuwendung an den Vormund zu unterstellen und nur ganz ausnahmsweise eine Rechtfertigung durch die besonderen Umstände des Einzelfalls anzuerkennen. Die für den Vormund entwickelten Grundsätze werden von der Rechtsprechung auch auf Konstellationen mit vergleichbaren Interessenlagen übertragen. So wird in Griffin v De Veiulle (1781) nicht eine Zuwendung an einen Vormund im eigentlichen Sinne aufgehoben, sondern eine an den Schwager, mit dem der junge Kläger zusammengelebt hatte.159 Parallelen zum Verhältnis von Vormund und Mündel bzw. Anwalt und Mandant werden ferner in Wright v Proud (1806)160 gezogen, als ein ehemaliger Insasse eines Irrenhauses, der dort nicht mehr als Patient, sondern (inzwischen geheilt) als Kostgänger logierte, dem Leiter des Irrenhauses sein gesamtes Vermögen übertragen hatte.161 c) Undue influence im Verhältnis zwischen Herr und Diener Die gebräuchliche Bezeichnung dieser Fallgruppe als »Herr und Diener« (master and servant) ist insofern etwas ambivalent, als sie auf den ersten Blick eher eine Einflussnahme des Herrn auf den Diener impliziert. Dagegen handelt es sich tatsächlich in aller Regel um die Ausnutzung einer besonderen, gleichsam familiären Vertrauensstellung durch den Diener. Eine solche Vertrauensstellung ist etwa Gegenstand von Osmond v Fitzroy and Duke of Cleveland (1731):162 Hier hatte der Duke of Cleveland seinen 17-jährigen, also noch minderjährigen Sohn und Erben der Fürsorge eines Dieners anvertraut. Dieser behielt jene Stellung auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Erben und ließ sich von ihm später eine Schuldverschreibung geben, die er vor den Eltern geheim hielt. Zwar war der junge Lord, wie das (1804) 9 Ves Jun 292, 296 f. (1781) 3 Woodeson, Appendix 16; 1 Bacon’s Abridgement 109; 3 P Wms 131, Cox’s note = 24 ER 999. 160 (1806) 13 Ves Jun 136 = 33 ER 246. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 70. 161 (1806) 13 Ves Jun 136, 138 f. per Lord Erskine LC. 162 (1731) 3 P Wms 129 = 24 ER 997. 158 159

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Urteil feststellt, nicht geistesschwach, aber doch sehr leicht zu beeinflussen. Umso mehr Gewicht wird deshalb der besonderen Vertrauensstellung des Dieners beigemessen, deren Missbrauch letztlich zur Aufhebung der Schuldverschreibung führt.163 Die Entscheidung verbindet dabei Elemente des generellen Schutzes junger Erben mit dem Schutz von besonderem Vertrauen, das in einer konkreten Beziehung entgegengebracht wurde.164 Der Aspekt einer leichten Beeinflussbarkeit, die jedoch noch nicht den Grad der Geistesschwäche erreicht, findet sich auch in Bell v Howard (1743)165 wieder.166 In diesem Fall hatte die Haushälterin, die selbst nicht Partei des Rechtstreits war, den hinfälligen Vater des Beklagten kurz vor dessen Tod zu einer Veräußerung an den Kläger bestimmt.167 Obgleich also dem Kläger selbst nichts vorgeworfen werden kann (»no imposition or fraud«), wird seine Klage auf Erfüllung (specific performance) von Hardwicke LC deshalb abgewiesen.168 Der klagende Ehemann in Cole v Gibson (1750)169 wiederum versucht die Aufhebung einer Zuwendung zu erreichen, mit der im Ehevertrag das ehemalige Kindermädchen seiner Frau bedacht worden war. Er begründet dies mit der besonderen Vertrauensstellung und den daraus erwachsenden Einflussnahmemöglichkeiten, die das Kindermädchen seit dem Tod der Mutter seiner Frau gehabt habe. Deshalb sei ihm keine andere Wahl geblieben, als in diese Bestimmung einzuwilligen. Auch Hardwicke LC stellt Parallelen zwischen der Position des Kindermädchens und der Stellung eines Vormunds her.170 Er verweist jedoch die Sache zurück an die Jury zur Beweisaufnahme, ob die streitige Zuwendung nicht doch eher völlig freiwillig als ein Zeichen der Dankbarkeit und der Anerkennung treuer Dienste geleistet worden war.171 Derartige Gesichtspunkte spielen bei Hardwickes Ausgangsentscheidung in Bridgeman v Green and others (1757)172 hingegen keine Rolle, die zu dem (1731) 3 P Wms 129, 131: »A breach of trust is of itself evidence of fraud, nay, of the greatest fraud: because a man, however careful otherwise, is apt to be off his guard when dealing with one in whom he reposes a confidence.« 164 FONBLANQUE (ed.), Treatise of Equity, Vol. I, 1st ed. (1793), book I, chap. II, sect. 12, note k (S. 124) = 5th ed. (1820), note k (S. 135) zählt diesen Fall zur Rubrik »expectant heir«. – IBBETSON, Obligations (2001), S. 209 Fn. 38 ordnet ihn der Kategorie »servant and master« zu. 165 (1743) 9 Mod 302 = 88 ER 467. 166 (1743) 9 Mod 302: »[…] I do not consider him [the father] to have been in that state which the law calls non compos, but he was, to be sure, very weak, and liable to be imposed upon, especially by this woman, who had an influence over him.« 167 (1743) 9 Mod 302, 302 f. 168 (1743) 9 Mod 302, 305. 169 (1750) 1 Ves Sen 503 = 27 ER 1169; Ves Sen Supp 211 = 28 ER 503. 170 (1750) 1 Ves Sen 503, 508. 171 (1750) 1 Ves Sen 503, 509. – Das Ergebnis der Beweisaufnahme fiel zugunsten des beklagten Kindermädchens aus, vgl. Ves Sen Supp 211, 212. 172 (1757) Wilm 58 = 97 ER 22; (1755) 2 Ves Sen 627 = 28 ER 399. 163

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Ergebnis gekommen war, dass der beklagte Diener die Zuwendung von 5.000 Pfund von seinem Herrn, dem Kläger, nur durch die Ausübung von »undue influence and imposition« erhalten hatte.173 Bei einer neuerlichen Anhörung betont Lord Commissioner Wilmot, dass – anders als im römischen Recht – grundsätzlich jeder so große Schenkungen tätigen könne, wie er wolle.174 Bei krass unverhältnismäßigen Zuwendungen werde jedoch genau geprüft, ob der Schenker hierzu durch die Ausübung von undue influence bestimmt wurde,175 was Wilmot im konkreten Fall ebenso wie Hardwicke bejaht.176 Dass der beklagte Diener das ihm zugewendete Geld an die anderen Beklagten, seine Frau und seinen Bruder, weitergegeben hatte, die ihrerseits behaupteten, nichts von den zugrunde liegenden Umständen gewusst zu haben, lässt deren Rückerstattungspflicht unberührt, da auch insofern der unredliche Ersterwerb durchschlägt.177

173 (1757) Wilm 58, 60. Nach dem Report in (1755) 2 Ves Sen 627, 628 war der Kläger »under the influence […] Liable to be imposed on«. 174 (1757) Wilm 58, 60 f.: »[…] for our laws, very unfortunately for the owners, leave them at liberty to dissipate their fortunes as they please, to the ruin of themselves and their families. The Roman laws drew a line between liberality and profusion; they very wisely for the public, and very kindly for the parties, considered immoderate extravagance – ›inconsulta largitio‹ – as a distemper of the mind, and treated a ›prodigus‹ as a madman: they said, ›expedit rei publicae nequis sua re male utatur.‹ […] But our laws strike no such boundary; ›stat pro ratione voluntas‹, is the law with us; every man may give a part or all his fortune to the most worthless object in the creation; and this Court never did, nor ever will rescind or annul donations merely because they are improvident, and such as a wise man would not have made, or a man of very nice honour would not have accepted«. – Zum Verbot der lex Cincia de donis et muneribus, Schenkungen über einem bestimmten Höchstwert anzunehmen, vgl. KASER, Privatrecht, Bd. I (1971), § 140 I 3 a, S. 602 ff.; KASER /  KNÜTEL / LOHSSE, Privatrecht (2017), § 47 Rn. 8; ZIMMERMANN, Obligations (1996), S. 482 ff. 175 (1757) Wilm 58, 61: »[…] yet where a gift is immoderate, bears no proportion to the circumstances of the giver; ›ubi modus non adhibetur, ubi non refertur ad facultates‹, where no reason at all appears, or the reason given is falsified, and proved to be a fiction and the giver is a weak man, of a facile easy temper, liable to be imposed upon, this Court will look upon with a very jealous eye, and very strictly examine the conduct and behaviour of the persons in whose favour it is made: if it see that any arts or stratagems, or any undue means have been used by them to procure such gift; if it see the least speck of imposition at the bottom, or that the donor is in such a situation with respect to the donee, as may naturally give him an undue influence over him, if there be the least scintilla of fraud; in such a case, this Court will and ought to interpose«. 176 (1757) Wilm 58, 62 ff. 177 (1757) Wilm 58, 64 f.: »[…] it seems to me to be quite immaterial from which of them the undue influence and imposition came. […] whoever receives it, must take it tainted and infected with the undue influence and imposition of the person procuring the gift; […] Let the hand receiving it be ever so chaste, yet if it comes through a corrupt polluted channel, the obligation of restitution will follow it«.

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Die gegen Ende des 18. Jahrhunderts ergangenen Entscheidungen Earl of Abingdon v Butler (1790),178 Lord Hardwicke v Vernon (1798)179 sowie Middleditch v Sharland (1799),180 die von Fonblanque in diesem Zusammenhang angegeben werden,181 haben gleichwohl nicht die Ausübung von undue influence durch einen Diener auf seinen Herrn zum Gegenstand, sondern das kollusive Zusammenwirken eines Angestellten mit Dritten bzw. die Verletzung seiner Pflichten zum Nachteil seines Herrn. Hingegen geht es in Nantes v Corrock (1803)182 wiederum um undue influence einer Haushälterin auf ihren hinfälligen Herrn.183 Alles in allem muss die Rechtsprechung bei der Prüfung von undue influence im Verhältnis von Diener und Herr also, ohne abstrahieren zu können, auf die konkreten Umstände des Einzelfalls eingehen.184 Anhaltspunkte für unmittelbare Einflüsse aus dem Civil law sind insoweit nicht festzustellen. d) Undue influence im Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant Die Möglichkeit der unlauteren Einflussnahme ist jedoch nicht auf das familiäre Umfeld beschränkt, sondern kann in ähnlicher Weise auch durch einen Rechtsbeistand ausgeübt werden,185 wie etwa schon der Vortrag des Klägers in Lord Kingsland v Barnewall (1706)186 argumentiert, wenngleich in der Sache letztlich ohne Erfolg.187 Ein ähnliches Vorbringen in White v Lightburne (1722)188 ist hingegen erfolgreich.189 Dass es dabei weniger um die abstrakte Eigenschaft als Rechtsanwalt, sondern vielmehr um die konkret wahrgenommene Funktion als Rechtsbeistand ankommt, zeigt Proof v Hines (1735).190 Hier hatte sich der Beklagte – von Beruf nicht Anwalt, sondern Kupferschmied – vom Kläger für die Wahrnehmung seiner Interessen bei 178 (1790) 2 Cox 260 = 30 ER 121; 3 Bro CC 112 = 29 ER 440; 1 Ves Jun 206 = 30 ER 303. 179 (1798) 4 Ves Jun 411 = 31 ER 209. 180 (1799) 5 Ves Jun 87 = 31 ER 485. 181 FONBLANQUE (ed.), Treatise of Equity, Vol. I, 5th ed. (1820), book I, chap. II, sect. 12, note k (S. 136). 182 (1803) 9 Ves Jun 182 = 32 ER 572. 183 (1803) 9 Ves Jun 182, 183 ff. 184 NEWLAND, Treatise on Contracts (1806), S. 452. 185 NEWLAND, Treatise on Contracts (1806), S. 453 ff. 186 (1706) 4 Bro PC 154 = 2 ER 105. 187 (1706) 4 Bro PC 154, 155: »[…] that he put his whole confidence in Barnewall, and was entirely guided and governed by him as being his standing counsel and manager; and that he had as great a power over the appellant as a parent had over a child, and could persuade him to do whatever he pleased.« 188 (1722) 4 Bro PC 181 = 2 ER 123. 189 (1722) 4 Bro PC 181, 185 f.: »[…] when he was under imprisonment: and that they being attornies, were the more capable of imposing on him in that situation.« 190 (1735) Cases t Talbot 111 = 25 ER 690.

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einer Erbstreitigkeit eine Schuldverschreibung geben lassen. Lord Talbot LC stellt insoweit eine Parallele her zwischen der hier ausgenutzten Zwangslage und der Situation bei expectant heirs bzw. bei marriage brocage bonds.191 Nicht anlässlich einer zivilrechtlichen Streitigkeit, sondern anlässlich der Stellung einer Kaution im Strafverfahren hatte sich der Anwalt von seinem Mandanten die Schuldverschreibung geben lassen, die dem Folgerechtsstreit in Walmesley v Booth (1739/41)192 zugrunde liegt. Zunächst stellt Lord Hardwicke zwar fest, dass Anwälte grundsätzlich keine solchen Schuldverschreibungen von ihren Mandanten annehmen sollten. Doch spreche im konkreten Fall der Charakter des Mandanten dafür, dass dieser die Schuldverschreibung sehenden Auges abgegeben habe, da er nicht der Typ gewesen sei, auf den man hätte Druck ausüben können. Ein Vergleich mit der Zwangslage junger Erben gehe daher völlig fehl.193 Bei einer neuerlichen Anhörung zwei Jahre später ändert Hardwicke jedoch seine Meinung grundlegend. So verweist er nun auf die Eigenschaft der Anwälte als Organe der Rechtspflege (»officers of justice«) mit gesetzlich festgelegten Gebühren, die nicht überschritten werden dürften.194 Es komme hier nicht auf den Charakter des Mandanten im konkreten Einzelfall an, sondern abstrakt auf die Zwangslage, der ein Angeklagter im Strafverfahren ausgesetzt ist. Diese sei aber sogar größer als etwa im Falle eines Erben oder bei marriage brocage bonds.195 Um hier wie dort etwaigen Missbräuchen von vornherein einen Riegel vorzuschieben, müsse aus rechtspolitischen Erwägungen solchen Schuldverschreibungen die rechtliche Anerkennung generell versagt bleiben.196 Einzig und allein als Sicher(1735) Cases t Talbot 111, 115 f. (1739/41) 2 Atk 25 = 26 ER 412. 193 (1739) 2 Atk 25, 26: »To be sure it is extremely wrong in an attorney to take bonds for services; but if a client, with his eyes open, will give such a bond, it would be going too far to say such a bond is absolutely void. This case has been compared to that of young heirs in distress in the life-time of the father; but I do not think this comes up to the present case, for there the court presumes weakness in the person, and upon that consideration relieves; but there is no pretence for it here, for Japhet Crook [the client] was more likely to impose, than to be imposed upon«. 194 (1741) 2 Atk 25, 27. 195 (1741) 2 Atk 25, 28 f.: »[…] but the court must not consider the particular circumstances of the man, but the case in general; for a person may be prosecuted for these very crimes, and yet be innocent; and it would be very mischievous if there was any encouragement given to an undue advantage taken of another under such circumstances. […] I think the case is stronger between attornies and their clients, than any of the cases that it has been compared with by the counsel.« 196 (1741) 2 Atk 25, 30 f.: »And what is the reason the court goes upon, in such determination? why, the great power and influence that an attorney has over his client. […] I am of opinion that the court ought to pay no regard to such a bond, as it might be attended with bad consequences, by encouraging attornies, after they have got into the secrets of their clients, to extort from them unreasonable rewards to themselves.« 191 192

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heit für die Honorarforderung in Höhe der tatsächlich erbrachten Dienstleistungen könne eine solche Schuldverschreibung Bestand haben.197 Dieser neue Ansatz wird von Hardwicke beibehalten und mehrfach bestätigt.198 In Bridgeman v Green and others (1757)199 nutzt dann Lord Commissioner Wilmot die Gelegenheit, die Pflichten eines Anwalts gegenüber seinem Mandanten weiter zu präzisieren.200 So habe der Anwalt zunächst die Pflicht, seinen Mandanten nicht in offenkundig nachteilige Geschäfte zu ziehen, insbesondere wenn sich ihm entsprechende Verdachtsmomente geradezu aufdrängten.201 Des Weiteren habe ein Anwalt, der von seinem Mandanten damit betraut wird, ihm ein Darlehen zu beschaffen,202 während der Kreditverhandlungen eine ähnlich starke Position wie während eines Prozesses, die es ihm ermöglicht, undue influence auf den Mandanten auszuüben, um sich selbst geldwerte Vorteile gewähren zu lassen.203 Die tragenden Gründe aus Walmesley v Booth sind nach Ansicht Wilmots daher auch auf den Fall zu erstrecken, dass ein Anwalt seinem Mandanten einen Kredit beschaffen soll.204 Auch Lord Thurlow LC folgt den Leitlinien dieser Rechtsprechung. So betont er sowohl in Welles v Middleton (1784)205 als auch in Hall v Hallet (1741) 2 Atk 25, 31. Vgl. Drapers Company v Davis (1742) 2 Atk 295 = 26 ER 580; Saunderson v Glass (1742) 2 Atk 296 = 26 ER 581; Brown v Pring (1749–50) 1 Ves Sen 407 = 27 ER 1109. 199 (1757) Wilm 58 = 97 ER 22; (1755) 2 Ves Sen 627 = 28 ER 399. Hier hatte der Diener des Klägers (s. o. Fn. 173) mit dem Anwalt kollusiv zu Lasten des Klägers zusammengewirkt, so dass neben dem Diener auch der Anwalt verklagt wurde. 200 (1757) Wilm 58, 68 ff. 201 (1757) Wilm 58, 69 f. 202 Zur Bedeutung des Kreditgeschäfts für das Einkommen der Anwälte im 17. Jahrhundert vgl. BROOKS, Pettyfoggers and Vipers of the Commonwealth (1986), S. 196 f. 203 (1757) Wilm 58, 72 f.: »[…] would this Court endure, that an attorney, who is borrowing money for a client, should, pending the negotiation, receive either for himself, or any of his family, such an immoderate and extravagant bounty as this is? […] This Court will not let an attorney take a security from his client, pending a suit, for a shilling; […] The relation between them, and the power which his situation gives him over his client, makes it impossible to distinguish between free agency and undue influence and imposition; and therefore, in such a state an attorney shall not take at all.« 204 (1757) Wilm 58, 75: »Attornies, by being entrusted with their clients’ secrets, must always have a great influence and ascendancy over them: they are the great money-borrowers now all over the nation. The wants, the pressures and the keenness of men’s passions to get money […] would make them give any thing to expedite or accelerate a loan. Men are really not free agents under such circumstances; they are as much, or more, under the influence of their attorney in negotiating a loan, as in the prosecution or defence of a suit; and the reason of the decree in Walmesley and Booth, applies strongly to the present case.« 205 (1784) 1 Cox 112 = 29 ER 1086, vgl. 1 Cox 125 ff.: »Compare those principles and the rules to be drawn from them with this case. Here you will find these people [the defendants] were to manage every thing for him, when he had no positive knowledge of the object itself, or the means of acquiring that object without their assistance. […] I therefore 197 198

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(1784)206, dass aus rechtspolitischen Gründen jede Zuwendung eines Mandanten an seinen Anwalt während der Wahrnehmung seiner Interessen aufzuheben sei, ohne dass es dabei auf deren Fairness oder die besonderen Umstände des Einzelfalls ankomme. Es verwundert daher nicht, dass später Lord Loughborough LC in Newman v Payne (1793)207 ebenfalls dieser von Hardwicke in Walmesley v Booth aufgestellten Regel folgt.208 In gleicher Weise stellt Lord Eldon LC in Gibson v Jeyes (1801)209 fest, dass ein Anwalt an sich nicht wirksam mit seinem Mandanten kontrahieren könne.210 Dies sei ausnahmsweise nur dann hinzunehmen, wenn er seinen Klienten über alle maßgeblichen Umstände aufgeklärt habe und er diesem gewissermaßen wie ein Dritter auf gleicher Augenhöhe gegenüber trete.211 Die Beweislast hierfür trage der Anwalt.212 set these deeds aside, entirely upon the grounds I have before stated, and without reference to the fairness of the characters of the defendants in any respect whatever«. – Die daraufhin von den Beklagten eingelegte Berufung wird vom House of Lords abgewiesen, das diese Ausgangsentscheidung bestätigt, vgl. (1784) 1 Cox 127 ff. sowie (1785) 4 Bro PC 245 = 2 ER 166. 206 (1784) 1 Cox 134 = 29 ER 1096, vgl. 1 Cox 140: »[…] for no attorney can be permitted to buy things in a course of litigation, of which litigation he has the management. This the policy of justice will not endure.« 207 (1793) 4 Bro CC 350 = 29 ER 930. 208 (1793) 4 Bro CC 350, 352: »An attorney cannot be permitted to take such a security; […] Upon the general policy of justice, arising from the relation of attorney and client, the Court will not suffer it to stand.« – Allerdings wird daneben die Veräußerung eines Pferdes durch den Anwalt an seinen Mandanten nicht per se beanstandet. 209 (1801) 6 Ves Jun 266 = 31 ER 1044. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 52 f. 210 (1801) 6 Ves Jun 266, 271: »An attorney buying from his client can never support it; unless he can prove, that his diligence to do the best for the vendor has been as great, as if he was only an attorney, dealing for the vendor with a stranger. That must be the rule. […] But, from the general danger the Court must hold, that if the attorney does mix himself with the character of vendor, he must shew to demonstration, for that must not be left in doubt that no industry he was bound to exert would have got a better bargain. Therefore, without imputing fraud, a general principle of public policy makes it impossible, that this bargain can stand.« 211 (1801) 6 Ves Jun 266, 277: »It has been truly said, an attorney is not incapable of contracting with his client. […] but the relation must be in some way dissolved: or, if not, the parties must be put so much at arm’s length, that they agree to take the characters of purchaser and vendor«. 212 (1801) 6 Ves Jun 266, 278: »[…] and throws upon him the whole onus of the case; that, if he will mix with the character of attorney that of vendor, he shall, if the propriety of the contract comes in question, manifest, that he has given her all that reasonable advice against himself, that he would have given her against a third person. […] he, who bargains in matter of advantage with a person placing confidence in him is bound to shew, that a reasonable use has been made of that confidence; a rule, applying to trustees, attornies, or any one else.«

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Dies verdeutlicht gleichsam exemplarisch, dass nach der gefestigten Rechtsprechung der Chancery ein Geschäft zwischen Anwalt und Mandant schon als solches grundsätzlich für unwirksam erachtet wird, sofern der Anwalt nicht ausnahmsweise die Fairness der Transaktion im Einzelfall nachweisen kann. e) Undue influence im Verhältnis zwischen Trustee und Begünstigtem (cestuy que trust bzw. beneficiary) Die unter dieser Rubrik zusammengefassten Fälle betreffen zumeist Geschäfte, die ein Treuhänder (Trustee) über das Treugut mit sich selbst abgeschlossen hatte.213 So wird etwa in Whitackre v Whitackre (1725)214 zunächst lapidar die Regel aufgestellt, dass ein Treuhänder wegen der großen Missbrauchsgefahr das ihm anvertraute Treugut nicht selbst erwerben dürfe.215 Whelpdale v Cookson (1747),216 Ex parte Lacey (1802)217 oder Coles v Trecothick (1804)218 behandeln dann die Frage, unter welchen engen Voraussetzungen der Treuhänder bzw. einer seiner Angehörigen das Treugut doch kaufen könne. Um Interessenkonflikte auszuschließen, wird hierfür verlangt, dass der Trustee zuvor den Begünstigten (cestuy que trust bzw. beneficiary) vollständig über alle maßgeblichen Tatsachen aufgeklärt und somit seinen Wissensvorsprung beseitigt hat.219 Es gibt jedoch in diesen Entscheidungen keine Anhaltspunkte dafür, dass etwa der Treuhänder auf den Begünstigten undue influence ausgeübt hätte. In Fox v Mackreth (1788)220 ist hingegen heftig umstritten, ob der Beklagte Mackreth überhaupt die Eigenschaft eines Treuhänders gehabt hatte.221 Kenyon MR stellt daher auf das besondere Vertrauen ab, das der Beklagte missNEWLAND, Treatise on Contracts (1806), S. 459 ff. (1725) Sel Cas t King 13 = 25 ER 195. 215 (1725) Sel Cas t King 13: »[…] no trustee, or any person acting under a trustee, can ever be a purchaser in this Court, on account of the great inlet to fraud.« 216 (1747) 1 Ves Sen 9 = 27 ER 856; Ves Sen Supp 8 = 28 ER 440. 217 (1802) 6 Ves Jun 625 = 31 ER 1228. 218 (1804) 9 Ves Jun 234 = 32 ER 592. 219 (1804) 9 Ves Jun 234, 246 f. per Lord Eldon LC: »[…] a Trustee may buy from the Cestui que Trust, provided there is a distinct and clear Contract, ascertained to be such after a jealous and scrupulous examination of all the circumstances, that the Cestui que Trust intended, the Trustee should buy; and there is no fraud, no concealment, no advantage taken, by the Trustee of information, acquired by him in the character of Trustee.« 220 (1788) 2 Bro CC 400 = 29 ER 224. IBBETSON, Obligations (2001), S. 209 Fn. 38 ordnet diesen Fall der Kategorie »attorney and client« zu. 221 (1788) 2 Bro CC 400, 423 ff., 426 per Lord Thurlow LC: »He was obliged, by every call of honour, to consider himself as a trustee; but I fear that if I should lay down the rule, that the Court will compel whatever a man of strict honour would do, I should go too far, and might lay down a rule which would be inconvenient in other cases.« – Vgl. ferner den entsprechenden Beklagtenvortrag, a. a. O., 410 ff. sowie den Klägervortrag, a. a. O., 417 f. 213 214

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braucht habe, um hieraus für sich unlautere Vorteile zu ziehen,222 was im Ergebnis von Lord Thurlow LC bestätigt wird.223 Noch einen Schritt weiter geht der Kläger in Morse v Royal (1806)224, als er Geschäfte zwischen Treuhänder und Begünstigtem in die Nähe der Rechtsprechung zum Schutz junger Erben rückt.225 Lord Erskine LC bringt diesem Ansatz zwar große Sympathie entgegen, da es seiner Ansicht nach immer ungeheure Schwierigkeiten bereite, im Einzelfall festzustellen, ob ein Geschäft zwischen Treuhänder und Begünstigtem den dargestellten Anforderungen entspreche. An sich halte er es daher ebenfalls für praktikabler, solche Geschäfte schlicht aus rechtspolitischen Gründen aufzuheben (being contrary to the Policy of the Law).226 Angesichts der Präzedenzfälle zum Verhältnis von Trustee und Begünstigtem komme er aber nicht umhin, auch hier wieder anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob die in Coles v Trecothick geforderten Voraussetzungen für die Gültigkeit solcher Geschäfte erfüllt sind oder nicht.227 Somit geht es bei dieser Fallgruppe weniger um die Ausübung von undue influence seitens des Trustees auf den Begünstigten, als vielmehr um den 222 (1788) 2 Bro CC 400, 406: »[…] that undue advantage was taken by the defendant Mackreth, of the confidence reposed in him by the plaintiff Fox, and that therefore the defendant Mackreth ought to be considered as a trustee«. 223 (1788) 2 Bro CC 400, 427. Das House of Lords weist auch die folgende Berufung des Beklagten ab und bestätigt diese Entscheidung, vgl. (1791) 4 Bro PC 258 = 2 ER 175; (1789) 2 Cox 158 = 30 ER 72; (1791) 2 Cox 320 = 30 ER 148. 224 (1806) 12 Ves Jun 355 = 33 ER 134. 225 (1806) 12 Ves Jun 355, 363 f.: »The peculiar Protection, given by the Court to young heirs, is extended beyond the strict interpretation of that word; comprehending persons, entitled to Reversionary Property from any quarter; persons, treating with Guardians; or those, who are in the nature of Guardians; […] The Principle of the Relief is not merely Youth and Inexperience; for any Transaction, while the Account remains unsettled, shall be set aside, as long as one Party is in the power of the other. Another class of Agreements, at which the Court looks with great jealousy, is that between Trustees and Cestui que Trust«. 226 (1806) 12 Ves Jun 355, 371 f.: »One Class of Cases is that of Contracts, that may be avoided, as being contrary to the Policy of the Law; which are interdicted for the wisest Reasons. Of that kind are a Deed of Gift, obtained by an Attorney, while engaged in the Business of the Author of that Gift; a Deed by an Heir, when of Age, to his Guardian; Purchases of Reversions from young Heirs, when of Age. […] To that Class of Cases I shall add the Case of a Trustee selling to himself. Without any consideration of Fraud, or looking beyond the Relation of the Parties that Contract is void. […] I have no difficulty in saying, I should not have regretted to have found, that the Rule extended even to such a Case as this. Finding, that there is so much difficulty in supporting a Purchase by a Trustee from the Cestui que Trust, that the Transaction ought to be guarded with that necessary degree of Jealousy, running so near the verge, it might be better embraced under the Policy of the Law.« 227 (1806) 12 Ves Jun 355, 372 f.

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Wissensvorsprung des Trustees gegenüber dem Begünstigtem. Der Trustee trägt daher die Darlegungs- und Beweislast für die Aufklärung des Begünstigten über alle maßgeblichen Umstände des nachfolgenden Geschäftes. f)

Undue influence im Verhältnis zwischen Verlobten oder Eheleuten

Für die frühe Neuzeit sind keine Entscheidungen bekannt, in denen es auf die Ausübung von undue influence durch einen Verlobten auf den anderen angekommen wäre. Mit Blick auf das Verhältnis zwischen Ehegatten führt der rechtliche Status der Frau nach dem Common law zu folgender Situation: Eine volljährige alleinstehende Frau (feme sole) kann als Eigentümerin ihres Vermögens selbst hierüber verfügen und in eigenem Namen Verträge schließen. Mit der Eheschließung fällt sie jedoch in die sog. coverture des Mannes und wird mit diesem rechtlich als eine einheitliche Person (one person in law) betrachtet, so dass sie als verheiratete Frau (feme covert) grundsätzlich nicht mehr selbständig handeln kann.228 Da also der Ehemann ohnehin in eigenem Namen auch über das von der Frau eingebrachte Vermögen verfügen kann, ist er in aller Regel nicht auf ihre Zustimmung oder Mitwirkung angewiesen, wenn er dieses wirtschaftlich einsetzen will. Ausnahmen gelten aber etwa, wenn anlässlich der Hochzeit ein Sondervermögen (separate estate) für die Frau bestellt wird, über das sie weiterhin selbständig verfügen kann.229 Teile eines solchen als Trust ausgestalteten Sondervermögens waren in Grigby v Cox (1750)230 von der Ehefrau an den Kläger verkauft worden. Daneben hatte der Ehemann dem Kläger vertraglich zugesichert, dass dieses Sondervermögen von dinglichen Belastungen frei sei. Dem Einwand der Ehefrau, dass sie von ihrem Mann, der auch den Kaufpreis erhalten habe, zum Verkauf gedrängt worden sei, schenkt Lord Hardwicke LC mangels konkreter Beweise für eine unlautere Einflussnahme kein Gehör. Die entsprechende Einlassung der Ehefrau allein genüge nicht, auch wenn derartige Geschäfte zugunsten des Ehemanns grundsätzlich mit größerem Argwohn (jealousy) zu verfolgen seien: 228 BLACKSTONE, Commentaries on the Laws of England, Vol. I (1765), book I, chap. 15, sub III (S. 430): »By marriage, the husband and wife are one person in law: that is, the very being or legal existence of the woman is suspended during the marriage, or at least is incorporated and consolidated into that of the husband: under whose wing, protection, and cover, she performs every thing; and is therefore called in our law-french a femecovert; is said to be covert-baron, or under the protection and influence of her husband, her baron, or lord; and her condition during her marriage is called her coverture.« 229 NEWLAND, Treatise on Contracts (1806), S. 21 ff., 23 ff. – Über ihr Sondervermögen kann die Frau dabei nicht nur lebzeitig, sondern auch letztwillig wirksam erfügen, Fettiplace v Gorges (1789) 3 Bro CC 8 = 29 ER 374, vgl. 3 Bro CC 10 per Lord Thurlow LC. 230 (1750) 1 Ves Sen 517 = 27 ER 1178; Ves Sen Supp 218 = 28 ER 505.

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»And this will hold, though the act done by the wife is in some degree a transaction alone with the husband: although in that case a court of equity will have more jealousy over it: and therefore if there is any proof that the husband had any improper influence over the wife in it by ill, or even extraordinary good usage, to induce her to it, the court might set it aside: but not without that.«231

Eine Zustimmung der Trustees zur Verfügung der Frau sei nur dann notwendig, wenn dies bei der Errichtung des Trusts im settlement so vorgesehen wurde. Im Übrigen sei die vertragliche Zusage des Ehemanns an den Käufer nicht zu beanstanden, da letzterer ein legitimes Interesse gehabt habe, sich gegen etwaige Belastungen abzusichern. Allerdings könne er hieraus keinen Anspruch gegen die Ehefrau ableiten, sondern nur gegen den Ehemann.232 Anders als im Eltern-Kind-Verhältnis, wo er seit Morris v Burroughs (1737) von der Missbrauchsanfälligkeit elterlicher Autorität (parental authority) ausgeht,233 sieht Lord Hardwicke also im Verhältnis von Mann und Frau keine vergleichbare Gefahr, die eine Vermutung von undue influence rechtfertigen würde. Auch Interzessionen kommen in der Folge auf den Prüfstand der Rechtsprechung. In Hulme v Tenant and Wife (1778)234 hatte eine Frau, ohne auf ihr Sondervermögen Bezug zu nehmen, gemeinsam mit ihrem Mann einen bond ausgestellt, um dessen Schulden abzusichern. Während die Klage der Gläubigerin in erster Instanz abgewiesen wird, lässt Lord Thurlow LC erkennen, dass er von einer wirksamen Verpflichtung der Ehefrau hinsichtlich ihres Sondervermögens (separate property) ausgeht. Daraufhin schließen die Parteien einen Vergleich, dass die Hauptschuld einschließlich der Zinsen von der Frau beglichen werden, jedoch nicht die Kosten des Rechtsstreits.235 Die Vertreter der beklagten Ehefrau in Pybus v Smith (1790)236 stellen dezidiert darauf ab, dass ihr die Interzession aufgezwungen worden sei (imposed upon) und dass die bisherige Beratungspraxis den Gläubigern immer nahegelegt habe, die Sicherheit einer verheirateten Frau nur dann zu akzeptieren, wenn deren Zustimmung wirklich feststeht.237 Auch Lord Thurlow LC hält es für angebracht, genau darauf zu achten, wie und unter welchen Um-

(1750) 1 Ves Sen 517, 518. (1750) 1 Ves Sen 517, 518 f. 233 Siehe oben Fn. 128. 234 (1778) 1 Bro CC 16 = 28 ER 958; Dickens 560 = 21 ER 388. 235 (1778) 1 Bro CC 16, 21. 236 (1790) 1 Ves Jun 189 = 30 ER 294; 1 Ves Jun Supp 67 = 34 ER 694; (1791) 3 Bro CC 341 = 29 ER 570. 237 (1790) 1 Ves Jun 189, 191, 192 f.: »Counsel always advise creditors never to take a security from a married woman, unless she consents, or ratifies it, being examined. The constant practice at the Rolls shews it.« 231 232

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ständen die Verfügung einer verheirateten Frau getroffen wurde.238 Nachdem die von ihm angeordnete Untersuchung durch den Master of the Rolls allerdings keinerlei Anhaltspunkte für Ungereimtheiten ergibt,239 kommt selbst Lord Thurlow nicht umhin, die Wirksamkeit der Verfügung anzuerkennen.240 Nicht anlässlich einer Interzession der Frau, sondern anlässlich der Übertragung ihres Vermögens auf den Ehemann äußert in Milnes v Busk (1794)241 mit Lord Loughborough LC ein weiterer Lordkanzler sein Bedauern darüber, dass das Verhältnis zwischen Eheleuten nicht wie das Eltern-Kind-Verhältnis behandelt werde, obwohl es ebenso sensibel und anfällig für eine Einflussnahme sei.242 Es wird also von der Rechtsprechung durchaus als Problem wahrgenommen, einerseits Barrieren abzubauen, die das Vermögen der Frau vor dem Zugriff des Ehemanns sichern (wie etwa die Mitwirkungspflicht der Trustees), ohne andererseits adäquate Schutzmechanismen zuzulassen. Mit Blick auf die untersuchten Fallgruppen bleibt festzuhalten, dass am Ende des 18. Jahrhunderts bereits eine gefestigte Rechtsprechung der Chancery zu undue influence existiert. Bei der Ausbildung dieser Fallgruppen spielt das Civil law alles in allem eine untergeordnete Rolle. Die zentrale Bedeutung der public policy tritt hingegen in folgender zeitgenössischer Anmerkung geradezu beispielhaft zutage: »Besides the cases of actual fraud upon a contracting party, as where there has been suppressio veri or suggestio falsi […] or where advantage has been taken of weakness of mind […] or of necessity […] there are other cases in which Courts of Equity will relieve against unequal contracts, (though executed) on principles of public policy, arising either from the subject matter of the contract, or the relative situations of the contracting parties. Of the first kind (which are also in some degree considered as frauds upon third persons) are the cases of marriage brocage […] of sales of offices […] of underhand agreements upon marriage […] or upon composition with creditors […] Of the second kind are transactions between guardian and ward […] or between parent and child […] or between attorney and (1790) 1 Ves Jun 189, 194: »And let the inquiry be both of the first and second deeds, how they were executed; for it is very fit in case of a married woman, that the Court should know, how she has disposed of her property. These cases have not been sufficiently attended to.« 239 (1791) 3 Bro CC 341, 343 f. 240 (1791) 3 Bro CC 341, 346. 241 (1794) 2 Ves Jun 488 = 30 ER 738; 1 Ves Jun Supp 293 = 34 ER 795. 242 (1794) 2 Ves Jun 488, 498: »[…] but that it has gone farther, that all the maxims of the common law and the prudence and care of this Court as to married women with respect to their husbands, so liable to influence, should be totally set aside without any form, not only the guards the law has established, and the course of this Court with regard to trust estates in equity, but without the common precaution, that would attend the transactions of persons under a degree of influence (and it is well compared by the Solicitor General to the case of parent and child), that she should be considered as a feme sole quoad her husband and in transactions between them, would require great consideration.« 238

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client […] or between steward or agent and his principal […] bargains with heirs apparent, etc. for their expectations […] or with sailors for their prize-money […]«243

Gleichwohl bestehen aber gewisse augenfällige Parallelen dieser Rechtsprechung zum kontinentaleuropäischen Recht, etwa zur zeitgenössischen Vorschrift des III § 23 WGGB.244 Auch dass redliche Dritterwerber, die selbst kein undue influence ausgeübt haben, nach der englischen Rechtsprechung eine Rückerstattungspflicht trifft,245 erinnert insoweit an das römisch-rechtliche Konzept von metus, das ebenfalls einen Durchgriff auf jeden Dritterwerber einräumt.246 4. Huguenin v Baseley (1807) a) Die Entscheidung Der Leitentscheidung in Huguenin v Baseley (1807)247 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin hatte 1798 von ihrem Vater Vermögen in Oxfordshire und Jamaika geerbt. Nach ihrer Rückkehr aus Jamaika im Herbst 1803 starb jedoch ihr erster Ehemann. Wenig später lernte sie den entfernt mit ihr verwandten Beklagten, einen Geistlichen, kennen.248 Im Januar 1804 entband sie ihre Anwälte von deren Mandat mit einem Brief, den der Beklagte entworfen hatte. Darin erklärte sie, dass künftig der Beklagte ihre Interessen wahrnehmen werde.249 Ihr Schwager, der sich bis dahin ebenso ihrer Angelegenheiten angenommen hatte, gab dies aufgrund jenes Briefs gleichfalls auf.250 Mit Urkunde vom 5. Mai 1804 übertrug die damals völlig allein3 P Wms 131, Cox’s note, 5th ed. by Cox (1793) = 6th ed. by Monro, Lowndes and Randall (1826) = 24 ER 998. Die vierte Auflage hatte diese Anmerkung noch nicht enthalten, vgl. 4th ed. by Cox (1787). Die sechste Auflage fügt am Ende noch den Erwerb des Treuguts durch den Trustee selbst hinzu: »To these cases may be added the established rule respecting trustees where purchasing from themselves […]«. – Zu public policy vgl. IBBETSON, Obligations (2001), S. 211 ff., S. 249 ff. 244 Siehe oben Teil 2, S. 363. 245 Vgl. Bridgeman v Green (1757) Wilm 58, 64 f. (s. o. Fn. 177). Ähnlich Bell v Howard (1743) 9 Mod 302, 305 (s. o. Fn. 168). 246 Siehe oben Teil 2, Fn. 39. 247 (1807) 14 Ves Jun 273 = 33 ER 526 sowie (1806) 13 Ves Jun 105 = 33 ER 234; (1808) 15 Ves Jun 180 = 33 ER 722; 2 Ves Jun Supp 324, 372, 400 = 34 ER 1115, 1138, 1151. – Die folgende Darstellung beruht im Wesentlichen auf WAGNER, in: Rechtstransfer in der Geschichte (2006), S. 354, 373 ff.; DERS., ZRG RA 123 (2006), 248, 282 ff. – Vgl. ferner KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 59 ff.; SWAIN, Law of Contract (2015), S. 214 f. 248 Der Beklagte hatte nach dem Tode des Vaters der Klägerin gemeinsam mit anderen ein Verfahren angestrengt, um als gesetzlicher Erbe anerkannt zu werden. Dieses Verfahren war jedoch zugunsten der Klägerin ausgegangen. 249 (1807) 14 Ves Jun 273, 273 ff. 250 (1807) 14 Ves Jun 273, 292 f. 243

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stehende Klägerin eine ihrer englischen Liegenschaften auf einen Trust: Die entsprechenden Erträge wurden dabei dem Beklagten sowie dessen Frau und Kindern zugedacht. Gegen diese Transaktion251 erhoben die Klägerin und ihr zweiter Ehemann später Klage. Die Klägervertreter – mit Sir Samuel Romilly252 – verweisen zunächst auf die gefestigte Rechtsprechung zur Unzulässigkeit unentgeltlicher Zuwendungen zwischen Personen in einer bestimmten Beziehung, wie etwa Vormund und Mündel, aus Gründen der public policy: »The Authorities against permitting a Transaction of Bounty to take effect between Persons, standing in certain Relations are numerous. Among those Relations that of Guardian and Ward is not for this Purpose confined to Persons, so related in a strict Sense; […] but the Rule includes any Person, placing himself in that Situation: Hylton v. Hylton,253 Pierce v. Waring,254 Griffin v. De Veiulle,255 Hatch v. Hatch, 256 Proof v. Hines,257 Dixon v. Olmius,258 Wright v. Proud,259 Newman v. Payne260. The last of these Cases is perhaps the most applicable to this: one Person undertaking to manage the Affairs of another. Such a Transaction as this between Persons so connected, cannot upon Principles of public Policy, or, as Lord Hardwicke expresses it, public Utility, be permitted.«261

Daneben wird ergänzend auf Pothier und das französische Recht abgestellt, das aus ähnlichen Erwägungen der public utility eine entsprechende Regel für den administrateur kenne: »The Law of other Countries, however, affords Authorities, more precisely to the Circumstances of this Case. According to Pothier by the antient Law of France the same Doctrine, that by our Law prevails as between Guardian and Ward, is applied to an Administrateur: a Person managing the Affairs of another; who cannot take a Bounty either for himself or his Children: what is given to the Children being, with the reference to natural Affection, considered as given to the Parent; and this by a singular Concurrence with Lord Hardwicke is expressed to be upon the Ground of public Utility.«262

251 Eine weitere, vom 21. Juni 1804 datierende Transaktion war hingegen nicht Gegenstand des Verfahrens, vgl. (1807) 14 Ves Jun 273, 277 f., 291. 252 Romilly war hugenottischer Abstammung und hatte 1781 Frankreich bereist, wo er u. a. Mirabeau kennen gelernt hatte. Vgl. HOLDSWORTH, History of English Law, Vol. XIII (1952), S. 274; MEDD, Romilly (1968); MANCHESTER, Art. »Romilly, Samuel«, in: BDCL (1984), S. 451, 452. 253 Siehe oben Fn. 153 (Vormund und Mündel). 254 Siehe oben Fn. 149 (Vormund und Mündel). 255 Siehe oben Fn. 159 (Vormund und Mündel). 256 Siehe oben Fn. 156 (Vormund und Mündel). 257 Siehe oben Fn. 190 (Anwalt und Mandant). 258 Siehe oben Fn. 111 (Testierende). 259 Siehe oben Fn. 160 (Vormund und Mündel). 260 Siehe oben Fn. 207 (Anwalt und Mandant). 261 (1807) 14 Ves Jun 273, 279. 262 (1807) 14 Ves Jun 273, 279 f. – Vgl. POTHIER, Traité des Donations Entre-vifs, Sect. 1, Art. 2, § 8 (S. 450 f., 453): s. o. Teil 2, Fn. 399 und 402.

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Der vorliegende Fall gehe nach Ansicht der Klägerseite jedoch noch über das Verhältnis zwischen Vormund und Mündel hinaus.263 Zwar gebe es noch keinen entsprechenden englischen Präzedenzfall, doch könne insoweit die französische Rechtsprechung herangezogen werden, da diese auf denselben rechtspolitischen Erwägungen beruhe: »According to Pothier it has been decided, upon the same Principles of public Utility that a Confessor, or Director of the Conscience, a Person, to whom another trusted his spiritual Concerns in Matters of Religion, cannot take any Bounty from the Person to whom he acts in that Character; and the Apprehension of the Empire, which these Persons obtain, was carried so far, that a Gift to the Order, of which they were Members, was not allowed to have Effect.«264

Die Klägervertreter hatten allerdings übersehen, dass es eigentlich schon einen entsprechenden englischen precedent gab:265 In Norton v Relly (1764)266 hatte ein sektiererischer Priester so großen Einfluss über eine alleinstehende Dame gewonnen, dass ihm diese nahezu ihr gesamtes Vermögen übertragen hatte. Die Aufhebung dieser Zuwendung hatte Lord Northington LC damals zum einen mit der Aufgabe der Chancery begründet, die Schwachen, insbesondere Frauen, vor einer besonders subtilen und gefährlichen Art der Einflussnahme zu schützen.267 Zum anderen hatte er auf Belange der Allgemeinheit (public utility) abgestellt.268 263 (1807) 14 Ves Jun 273, 280: »This Case however goes beyond that. This is an Instance of a very peculiar Species of Influence, gained over the Mind of this Lady by no common Means«. 264 (1807) 14 Ves Jun 273, 280. – Vgl. POTHIER, Traité des Donations Entre-vifs, Sect. 1, Art. 2, § 8 (S. 454): s. o. Teil 2, Fn. 404 und 405. 265 2 Eden 286, 291, Eden’s note; SPENCER BOWER, Actionable Non-Disclosure (1915), § 423 note e (S. 384); KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 72; LUBBE, in: Southern Cross (1996), S. 261, 296 f. Fn. 343; SWAIN, Law of Contract (2015), S. 214 Fn. 110. – Zwar erschien der entsprechende Report von Eden erst im Jahre 1818, die Entscheidung war jedoch anderweitig bereits 1791 veröffentlicht worden, vgl. HARGRAVE (ed.), Collectanea Juridica, Vol. I (1791), 458 ff. 266 (1764) 2 Eden 286 = 28 ER 908; HARGRAVE (ed.), Collectanea Juridica, Vol. I (1791), 458 ff. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 71 f. 267 (1764) 2 Eden 286, 288: »Men who go about in the Apostles’ language, and creep into people’s dwelling, deluding weak women: […] to the destruction not only of the temporal concerns of many of the subjects of this realm, but to the endangering their eternal welfare. And shall it be said that this court cannot relieve against the glaring impositions of these men? That it cannot relieve the weak and unwary, especially when the impositions are exercised on those of the weaker sex? […] This court is the guardian and protector of the weak and helpless of every denomination, and the punisher of fraud and imposition in every degree. […] it has a conscience to relieve, and the constitution itself would be in danger if it did not.« 268 (1764) 2 Eden 286, 291: »Yet let it not be told in the streets of London that this preaching sectary is only defending his just rights, and must be supported in them: […] I have considered this cause not merely as a private matter, but of public concernment and

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Die Beklagtenvertreter – mit John Fonblanque269 – heben in ihrer Erwiderung hervor, dass es nach geltender Rechtsprechung nicht verboten sei, unter solchen Umständen eine unentgeltliche Zuwendung anzunehmen. Seit der Entscheidung Lord Nottinghams in Villers v Beaumont270 sei es vielmehr anerkannt, dass lebzeitige Zuwendungen bis hin zu einer völligen Entäußerung des Vermögens zulässig seien, solange auf den Zuwendenden kein undue influence ausgeübt wurde.271 Etwas Gegenteiliges könne für den vorliegenden Sachverhalt weder aus Dixon v Olmius272 noch aus Wright v Proud273 hergeleitet werden.274 Mit Blick auf Pothier sei festzustellen, dass das Civil law an sich nur ein Schenkungsverbot unter Ehegatten kenne,275 welches bei Pothier jedoch auf weitere Konstellationen ausgedehnt werde: »The Authority, cited from the French Law, is not supported by the Civil Law; which, prohibiting Donations inter vivos, on the Ground of Relation, does not go beyond Husband and Wife: but Pothier goes much farther than the Case of the Administrateur; to a Physician, a Surgeon, a Confessor; every one, who may have Influence; and extends it even to Wills. The Rule, thus extended, can stand only upon the Principle of the Civil Law, by which an Act of Improvidence even may be restrained by the Judge. In this Country a Man has the absolute Dominion over his Property; and may give it away in any Manner he thinks proper.«276

Zwar bestehe nach der englischen Rechtsprechung ein absolutes Verbot für den Vormund, von seinem Mündel Geschenke anzunehmen, das in Griffin v De Veiulle277 auch auf jede Person ausgedehnt wurde, die faktisch die Aufgabe eines Vormunds wahrnimmt. Doch sei die Klägerin weder jung noch unerfahren gewesen, sondern genauso geschäftsgewandt wie der Beklagutility. […] the deed was obtained on circumstances of the greatest fraud, imposition and misrepresentation that could be«. 269 Fonblanque war ebenfalls hugenottischer Abstammung, vgl. YALE, Art. »Fonblanque, John de Grenier«, in: BDCL (1984), S. 182. Zu der von ihm übernommenen Herausgeberschaft von Ballow’s Treatise of Equity s. o. Fn. 4. 270 (1682) 1 Vern 100 = 23 ER 342. 271 (1807) 14 Ves Jun 273, 280 f.: »[…] but there is no Rule that creates a Disability to take a Bounty under these Circumstances. The Result of the Authorities is, that the Transaction must be fairly sifted: but, a voluntary Deed, free from any Imputation of Surprise, undue Influence, spontaneously executed by a Person, with her Eyes open, cannot be set aside in a Court of Equity. […] It is not the Province of this Court to enable a Person to rescind an absurd Disposition of Property. […] The Law of this Country does not prevent even a prodigal Disposition by a Person of sound Mind, and under no Duress.« 272 Siehe oben Fn. 258 sowie Fn. 111 (Testierende). 273 Siehe oben Fn. 259 sowie Fn. 160 (Vormund und Mündel). 274 (1807) 14 Ves Jun 273, 281 f. 275 Siehe oben Teil 1, Fn. 99. 276 (1807) 14 Ves Jun 273, 282. – Vgl. POTHIER, Traité des Donations Entre-vifs, Sect. 1, Art. 2, § 8 (S. 454): s. o. Teil 2, Fn. 404 und 406. 277 Siehe oben Fn. 255 sowie Fn. 159 (Vormund und Mündel).

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te.278 Dieser habe keine Pflichten auf sich genommen: Zum einen habe er nicht als Anwalt der Klägerin fungiert, so dass die für Anwälte entwickelten Grundsätze der public policy hier nicht zum Tragen kämen. Zum anderen sei er auch nicht als deren Vertreter (agent) aufgetreten, zumal die public policy gar kein entsprechendes Verbot für Vertreter aufstelle.279 In seiner Replik für die Klägerseite bezeichnet Romilly die Handlungsweise des Beklagten als »undue Influence, exerted by the Means of spiritual Ascendancy«.280 Das vorgeblich uneigennützige und altruistische Handeln des Beklagten sei als Täuschungsmanöver zu charakterisieren, was rhetorisch mit einem Zitat von Cicero untermauert wird.281 Schon allein die rein faktische Übernahme der Geschäftsbesorgung habe dem Beklagten die Pflicht auferlegt, eine solch große Zuwendung wie die streitige nicht anzunehmen, ohne dass man so weit gehen müsse, dass er überhaupt keine Zuwendung hätte annehmen dürfen.282 Diese Regel sei nicht etwa auf Anwälte beschränkt, sondern beruhe auf dem allgemeinen Prinzip, das überall Anwendung findet, wenn eine Person unter der Herrschaft (»Dominion«) einer anderen steht. Nachdem diese Grundsätze für das Verhältnis Eltern und Kind bzw. Vormund und Mündel von der Rechtsprechung anerkannt seien, müssten sie erst recht im Verhältnis zu einem Priester gelten, der über eine noch größere Macht, Einfluss zu nehmen, verfüge: »The Rule is not confined to Attorneys, or Persons entitled to Reward. […] The Relief stands upon a general Principle, applying to all the Variety of Relations, in which Dominion may be exercised by one Person over another; and this Case discovers one of a peculiar (1807) 14 Ves Jun 273, 282 f. (1807) 14 Ves Jun 273, 283 f.: »The Defendant undertook no Office. He never assumed the Functions of her Attorney: a Relation, involving necessary Confidence on one Side, and probable Influence upon the other; calling for Application of the Principle of public Policy: but in the Capacity of Attorney another Person was employed by the Plaintiff: […] It is then said, the Defendant was her Agent. There is no Authority, that a mere Agent […] is not capable of receiving a Gift; […] The Principle of public Policy has no Reference to that mere naked Relation. This Defendant however cannot be represented as an Agent in that Sense; undertaking for Remuneration. If he was an Agent, every Man, acting for his Friend, is so. […] The utmost Extent, to which this Case can be carried, is, that the Defendant, as a Friend, advised the Plaintiff as to the Management of her Affairs.« 280 (1807) 14 Ves Jun 273, 284. 281 (1807) 14 Ves Jun 273, 285: »In these Cases one of the strongest Circumstances is the Appearance by one Person of consulting only the Interest of another, and neglecting his own. The Passage in Cicero is most applicable: ›Totius autem Injustitiae nulla capitalior est quam eorum, qui, cum maxime fallunt, id agunt, ut viri boni esse videantur.‹« – Vgl. Cicero, De officiis I, 13 in fine. 282 (1807) 14 Ves Jun 273, 285: »The Duty, imposed upon the Defendant by merely undertaking the Concerns of this Lady, made it impossible for him to take the whole of her Estate; for it is not necessary to go to the Extent, that he could not accept any Bounty. He took upon him the entire Management of her Affairs«. 278 279

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Nature: Influence, obtained through the sacred Character of a Minister of Religion. Though there is no Case, in which the Court has proceeded upon such Grounds, the general Principle has prevailed, where the Means of acquiring Influence were much less powerful: the Respect of a Child or Ward for a Parent or Guardian.«283

In diesem Zusammenhang bezieht sich Romilly ein weiteres Mal auf Pothier, der diese Regel ebenfalls aus Gründen der public utility auch auf Beichtväter erstrecke: »Pothier says, that by a Latitude of Interpretation, proceeding upon Principles of public Utility, that Ordinance, expressly concerning only a Tutor or Administrateur, has been extended to the Master of a School; the Director of the Conscience; the Physician; who is not permitted during his Attendance to take a Conveyance from the Patient; and to other Relations, in which Authority or Influence must be supposed to exist.«284

Aber wie Romilly weiter ausführt, sei es eigentlich gar nicht notwendig, ausländische Belegstellen heranzuziehen. Die Entscheidungen englischer Gerichte würden diesen Ansatz schon voll und ganz rechtfertigen:285 Dieselbe Regel, die Lord Eldon selbst zuletzt in Hatch v Hatch286 bestätigt habe, sei bereits von Wilmot LCJ in Bridgeman v Green287 zugrunde gelegt worden, aus der er längere Passagen zitiert.288 Abschließend plädiert Romilly noch einmal eindringlich, die zu Eltern und Vormund entwickelten Grundsätze auch auf den geistlichen Beistand auszudehnen, da dieser verglichen mit jenen noch ungleich größeren Einfluss ausüben könne.289 Lord Eldon LC290 zitiert am Anfang seiner Entscheidung ebenfalls wörtlich aus Bridgeman v Green291 und verweist ferner auf Lord Thurlows Argumentation in Lutterel v Lord Waltham292, dass Dritte, wie die Frau und Kinder des (1807) 14 Ves Jun 273, 285 f. (1807) 14 Ves Jun 273, 286. – Vgl. POTHIER, Traité des Donations Entre-vifs, Sect. 1, Art. 2, § 8 (S. 453 f.): s. o. Teil 2, Fn. 403 und 404. 285 (1807) 14 Ves Jun 273, 286. 286 Siehe oben Fn. 256 sowie Fn. 156 (Vormund und Mündel). 287 Siehe oben Fn. 172 (Herr und Diener) bzw. Fn. 199 (Anwalt und Mandant). 288 (1807) 14 Ves Jun 273, 286 f. – Vgl. Bridgeman v Green (1757) Wilm 58, 60 f. (s. o. Fn. 174 f.) bzw. Wilm 70 f. 289 (1807) 14 Ves Jun 273, 288: »What is the Authority of a Guardian, or even parental Authority, what are the Means of Influence by Severity or Indulgence in such a Relation, compared with the Power of religious Impressions under the Ascendancy of a spiritual Adviser; with such an Engine to work upon the Passions; to excite superstitious Fears or pious Hopes; to inspire, as the Object may be best promoted, Despair or Confidence; to alarm the Conscience by Horrors of eternal Misery, or support the drooping Spirits by unfolding the Prospect of eternal Happiness: that Good or Evil, which is never to end? What are all other Means to these?« – Vgl. LUBBE, in: Southern Cross (1996), S. 261, 297. 290 Lord Eldon hatte sich nie in Frankreich aufgehalten, vgl. MELIKAN, John Scott, Lord Eldon (1999), S. 84. 291 (1757) Wilm 58, 64 f. (s. o. Fn. 177). 292 = Dixon v Olmius s. o. Fn. 258 und 272 sowie Fn. 111 (Testierende). 283 284

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Beklagten, auch wenn sie nicht an der unlauteren Einflussnahme beteiligt waren, die daraus erlangten Vorteile nicht behalten dürften.293 Angesichts der Beweislage bezweifelt Lord Eldon, ob die Klägerin eine ihren wirtschaftlichen Mitteln entsprechende Entscheidungsfreiheit besessen hatte.294 Ferner hält er es für wahrscheinlicher, dass die Klägerin aus eigenem Antrieb die Entscheidung gefasst hatte, ihre Anwälte zu entlassen, als dass ihr dies durch den Beklagten suggeriert wurde.295 Letztlich könne jedoch dahingestellt bleiben, wie und warum sie diesen Entschluss gefasst bzw. wer den entsprechenden Brief diktiert habe. Maßgeblich sei vielmehr, dass der Beklagte durch den Inhalt des Brief jedenfalls habe erkennen müssen, welches Vertrauen ihm die damals alleinstehende Klägerin entgegenbrachte.296 Des Weiteren mache es ihn misstrauisch, dass die betreffende Urkunde keine Widerrufsmöglichkeit vorsehe, ein Umstand, auf den anderweitig bereits Lord Hardwicke abgestellt habe.297 Entscheidend sei letztlich das besondere Vertrauensverhältnis, das zwischen Klägerin und Beklagtem bestanden habe. Jede Zuwendung könne hier nur dann Bestand haben, wenn dieses Vertrauensverhältnis entlastet wurde.298 Es komme dabei nicht auf den tatsächlichen Willen der Klägerin an, sondern vielmehr auf die zugrunde liegende Willensbildung, das heißt, ob der Beklagte sie pflichtgemäß über alle maßgeblichen Umstände und Wirkungen dieser Transaktion aufgeklärt habe:

293 (1807) 14 Ves Jun 273, 288 ff., 289: »[…] and I should regret, that any Doubt could be entertained, whether it is not competent to a Court of Equity to take away from third Persons the Benefits, which they have derived from the Fraud, Imposition, or undue Influence, of others.« 294 (1807) 14 Ves Jun 273, 293: »It is doubtful upon the Report, whether Mrs. Huguenin had the immediate Means of acting with the Freedom of an affluent Person. […] Certainly therefore she was not in a Condition of immediate Affluence.« 295 (1807) 14 Ves Jun 273, 293 f. 296 (1807) 14 Ves Jun 273, 294: »[…] that it was Demonstration to Baseley, that she placed Confidence in him, as high as one Individual ever placed in another. […] Who dictated that Letter is of very little Importance. […] that is the most direct Communication to him of the Nature and Extent of the Confidence she placed in him; […] The Effect of it is at least a Communication to him of the Information, that she was unprotected by the death of her Husband; that she wanted Assistance for the Purpose of advising her in the Adjustment of her Affairs«. 297 (1807) 14 Ves Jun 273, 296 f. – Vgl. Bennet v Vade (1742) 2 Atk 324, 326 sowie 9 Modern 312, 319 f. (s. o. Fn. 99): Dort war in einer entsprechenden Urkunde eine Widerrufsmöglichkeit nur in Gegenwart von drei bestimmten Einzelpersonen vorgesehen; da diese nach den konkreten Umständen aber kaum jemals zusammengebracht werden konnten, war im Ergebnis ein Widerruf nahezu unmöglich. 298 (1807) 14 Ves Jun 273, 299: »If […] the Defendant […] permitted her to suppose, that he was to take the Management for her Benefit […] the known Doctrine is, that the Fruit of that Relation, if it was not absolutely dissolved cannot be permitted to subsist. Then was the Relation dissolved?«

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»Take it, that she intended to give it to him: it is by no means out of the Reach of the Principle. The Question is not, whether she knew, what she was doing, had done, or proposed to do, but how the Intention was produced: […] I represent the Question thus: whether she executed these Instruments not only voluntarily, but with that Knowledge of all their Effect, Nature, and Consequences, which the Defendants Baseley and the Attorney were bound by their Duty to communicate to her«.299

Dass der Beklagte seine Aufklärungspflicht möglicherweise nicht gekannt habe, sei insoweit unerheblich. Gegebenenfalls müsse ihm die Kenntnis seiner Pflicht unterstellt werden, da die Durchsetzung der auf public utility beruhenden Regel Vorrang genieße.300 Aus diesen Gründen wird der Klage stattgegeben und die angegriffene Transaktion aufgehoben. Lord Eldon geht also in seiner Entscheidung mit keinem Wort auf Pothier ein, sondern setzt sich ausschließlich mit dem einschlägigen Fallrecht auseinander. Dabei finden sich jedoch keine Ausführungen Eldons zu Norton v Relly (1764), nachdem die Parteien übersehen hatten, dass es eigentlich schon eine Entscheidung zu einem ähnlichen Sachverhalt gab.301 Während dort allerdings wirklich die »spiritual ascendancy« des Priesters ausschlaggebend gewesen war, so behauptet Romilly hier (ohne Norton v Relly zu kennen) zwar die Existenz einer solchen Beziehung, ohne dass sich dies in der Entscheidung Lord Eldons niederschlägt; denn diese stellt vielmehr auf das in Anspruch genommene besondere Vertrauen ab. Was die Bedeutung Pothiers für den Ausgang von Huguenin v Baseley angeht, so kann man natürlich unterstellen, dass vermutlich auch Lord Eldon von den vorgetragenen Argumenten nicht völlig unbeeindruckt geblieben ist. Aber selbst wenn man Pothier nicht schon von vornherein jede Wirkung absprechen mag, so dürften angesichts des fundierten und pointierten Rückgriffs auf das bestehende Fallrecht die Gesichtspunkte der public policy bzw. public utility bei weitem überwogen haben. b) Die Rezeption von Huguenin v Baseley in der Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts Abschließend soll noch kurz die Rezeption von Huguenin v Baseley in der Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts skizziert werden.302 In Pratt v Barker (1826)303 betont etwa Sir John Leach V-C, dass der maßgebliche Aspekt von (1807) 14 Ves Jun 273, 299 f. (1807) 14 Ves Jun 273, 300: »[…] and though perhaps they were not aware of the Duties, which this Court required from them in the Situation, in which they stood, where the Decision rests upon the Ground of public Utility, for the Purpose of maintaining the Principle it is necessary to impute Knowledge, which the Party may not actually have had.« 301 Siehe oben Fn. 265. 302 Vgl. SPENCER BOWER, Actionable Non-Disclosure (1915), § 408 note c (S. 370); LUBBE, in: Southern Cross (1996), S. 261, 297 Fn. 344; WAGNER, ZRG RA 123 (2006), 248, 291 ff. 303 (1826) 1 Sim 1 = 57 ER 479; (1828) 4 Russ 507 = 38 ER 896. 299 300

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Huguenin v Baseley das besondere Vertrauensverhältnis und die unterbliebene Aufklärung gewesen sei.304 Lord Brougham LC rühmt in Hunter v Atkins (1834)305 zwar das unvergleichliche Talent Romillys, in der Sache aber zitiert er wörtlich die tragenden Erwägungen Lord Eldons306.307 Lord Cottenham LC hingegen stellt in Dent v Bennett (1839)308 dezidiert auf Romillys Argumentation ab, dass der gewährte Rechtsschutz auf einem allgemeinen Grundsatz beruhe,309 um auf diese Weise einer enumerativen Aufzählung von Fallgruppen auszuweichen.310 Besonders aussagekräftig für das Verständnis von Huguenin v Baseley ist Middleton v Sherburne (1841)311. Hier argumentiert die Klägerseite neben Norton v Relly vor allem mit Romillys Replik unter Verweis auf das französische Recht und Pothier.312 Lord Abinger CB jedoch, der nach eigenem Bekunden Huguenin v Baseley selbst miterlebt hatte, stellt ausdrücklich klar, dass Lord Eldon in seiner Entscheidung gerade der Frage nach der Übertragbarkeit des französischen Rechts ausgewichen sei, sondern stattdessen auf das besondere Vertrauensverhältnis abgestellt und so den Fall ganz konventionell nach den Grundsätzen der englischen Equity gelöst habe: 304 (1826) 1 Sim 1, 4: »In the case of Huguenin v. Baseley, the Defendant was the confidential friend and adviser of Mrs. Huguenin, and was held bound to establish, not only that she executed the deeds of gift voluntarily, but with full knowledge of their nature, effect and consequences.« 305 (1834) 3 My & K 113 = 40 ER 43. 306 Siehe oben Fn. 299. 307 (1834) 3 My & K 113, 139 f.: »In the famous case of Huguenin v. Baseley, remarkable among other things for the display of those transcendent talents, and the pure taste, by which, among many other accomplishments, Sir Samuel Romilly elevated and adorned the bar, there was a great and general influence exercised of a peculiar kind. […] and yet the Court held that the proper inquiry was, were her bounties the pure, voluntary, well understood acts of her mind? ›Did she execute the deeds not only voluntarily, but with all the knowledge of their effect, nature, and consequences, which the defendants Baseley and the attorney were bound by their duty to communicate to her?‹« 308 (1839) 4 My & Cr 269 = 41 ER 105. 309 Siehe oben Fn. 283. 310 (1839) 4 My & Cr 269, 276 f.: »It was argued, upon the authority of the civil law and of some reported cases, that medical attendants were […] within that class of persons whose acts, when dealing with their patients, ought to be watched with great jealousy. Undoubtedly they are; but I will not narrow the rule or run the risk of in any degree fettering the exercise of the beneficial jurisdiction of this Court by any enumeration of the description of persons against whom it ought to be most freely exercised. ›The relief,‹ – as Sir S. Romilly says in his celebrated reply in Huguenin v. Baseley (from hearing which I received so much pleasure that the recollection of it has not been diminished by the lapse of more than thirty years), – ›the relief stands upon a general principle, applying to all the variety of relations in which dominion may be exercised by one person over another;‹ […]«. 311 (1841) 4 Y & C Ex 358, 593 = 160 ER 1044, 1149. 312 (1841) 4 Y & C Ex 358, 365 ff.

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»I remember that case well. I was present when Lord Eldon decided it. I knew the defendant Mr. Baseley. He was a clergyman of the Church of England, and a very respectable man. Mr. Sharpe [for the Plaintiff] quoted properly the argument of Sir S. Romilly in that case […] and he has taken up Sir S. Romilly’s suggestion. He has shewn that by the French law, or the law existing over the greatest part of the Continent where the Roman Catholic religion prevails, a gift made to a confessor, or even a legacy given to a confessor would be void by reason of the relation of the parties. Now you will observe upon looking at that case that Lord Eldon altogether evades that part of the subject, though he decreed the gifts made to Mr. Baseley to be set aside. […] but he put it on the ground that Mr. Baseley had shewn, by his own conduct, that he had acquired the management of her affairs; that he stood in the relationship of a confidential agent, having the direction and management of her affairs […] and therefore he brought it within that class of cases which have determined that a gift made under the influence of the confidential manager of a party cannot be sustained, being without consideration.«313

Auch Sir John Romilly MR,314 der eigene Sohn von Sir Samuel Romilly, zieht in Hoghton v Hoghton (1852)315 ganz selbstverständlich die maßgebliche Erwägung von Lord Eldon aus Huguenin v Baseley heran.316 Die Diskussion in Nottidge v Prince (1860)317 beschäftigt sich ebenfalls eingehend mit dieser Problematik. Die Klägerseite stützt ihr Vorbringen detailliert auf Norton v Relly sowie auf Huguenin v Baseley.318 Dem Einwand der Beklagten, dass die Entscheidung in Norton v Relly in der Sache zu weit gegangen sei,319 widerspricht Sir John Stuart V-C mit Hinweis auf Romillys Argumentation in Huguenin v Baseley ganz energisch.320 Seine eigene Entscheidung stellt daher auf die spirituelle Überlegenheit des Klerikers gegenüber dem Laien als solche ab, die noch stärker einzustufen sei als die eines Anwalts, Vormunds oder der Eltern, aber eben nicht auf das konkret missbrauchte Vertrauen wie Lord Eldon. Stuart verweist daher ausdrücklich auf (1841) 4 Y & C Ex 358, 390 f. MANCHESTER, Art. »Romilly, John (Baron Romilly)«, in: BDCL (1984), S. 451. 315 (1852) 15 Beav 278 = 51 ER 545. 316 (1852) 15 Beav 278, 299: »[…] the question is not, to use the words of Lord Eldon, in Huguenin v. Baseley (14 Ves. 300), ›whether the donor knew what he was doing, but how the intention was produced‹; and though the donor was well aware of what he did, yet if his disposition to do it was produced by undue influence, the transaction would be set aside.« 317 (1860) 2 Giff 246 = 66 ER 103. 318 (1860) 2 Giff 246, 259 ff., 266. 319 (1860) 2 Giff 246, 263: »In Norton v. Relly, indeed, the law was carried higher than in the other authorities, and than in the opinion of Lord Eldon, but that case was of little authority.« 320 (1860) 2 Giff 246, 263: »The case is of unquestionable authority, and spoken of with approval by the present Lord Chancellor. It was cited by Sir S. Romilly in his celebrated argument in the case of Huguenin v. Baseley. At that time it had only been published in the ›Collectanea Juridica‹, but it was afterwards published in Mr. Eden’s Reports.« – Vgl. hierzu insbesondere SPENCER BOWER, Actionable Non-Disclosure (1915), § 423 note e (S. 384). 313 314

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Norton v Relly und Erwägungen der public utility, die in katholischen Ländern wie Frankreich zu ähnlichen Ergebnissen führen würden.321 Eine nicht unerhebliche Rolle spielt Huguenin v Baseley schließlich auch in Allcard v Skinner (1887),322 einer weiteren Leitentscheidung des 19. Jahrhunderts, die für die heutige Unterscheidung der beiden Fallgruppen von actual undue influence (sog. Class 1) und presumed undue influence (sog. Class 2) grundlegend wurde.323 So zitieren dort sowohl die Klägervertreter324 als auch Kekewich J325 sowie Lindley LJ326 den entscheidenden Gesichtspunkt aus der Urteilsbegründung Lord Eldons wörtlich.327 Hingegen stützen sich in Morley v Loughnan (1893)328 die Klägervertreter auf die Replik Romillys,329 die auch Wright J seiner Entscheidung zugrundelegt in der Annahme, dass Lord Eldon sich diese zu eigen gemacht habe.330 In

321 (1860) 2 Giff 246, 269 f.: »[…] When Lord Northington, in the case of Norton v. Relly, set aside a gift made by a lady to a Dissenting minister, he noticed that such questions seldom occur. But the principle is clearly established in this Court. The strength of religious influence is far beyond that of gratitude to a guardian, trustee or attorney, and the same ground of public utility which requires this Court to guard against such influences has its most important application to that influence which is the strongest. In Roman Catholic countries, where spiritual influence has its highest dominion, public policy has required the interposition of an absolute and imperative check. The law of France, as stated by M. Pothier, absolutely prohibits not only all gifts by a penitent to his confessor, but all gifts to that religious community of which the confessor is member.« 322 (1887) 36 Ch D 145. 323 Siehe unten S. 524 ff. 324 (1887) 36 Ch D 145, 150: »The test is ›how the intention was produced‹: Huguenin v. Baseley.« 325 (1887) 36 Ch D 145, 160 unter Bezugnahme auf das Zitat von Sir John Romilly MR in Hoghton v Hoghton (s. o. Fn. 316). 326 (1887) 36 Ch D 145, 182: »[…] that Lord Eldon used the language so often quoted and so much relied on in this case. He said: ›Take it, that she (the plaintiff) intended to give it to him (the defendant): it is by no means out of the reach of the principle. The question is, not, whether she knew, what she was doing, had done, or proposed to do, but how the intention was produced: […]‹ This principle has been constantly recognised and acted upon in subsequent cases«. 327 Siehe oben Fn. 299. 328 [1893] 1 Ch 736. 329 [1893] 1 Ch 736, 750: »The jurisdiction of the Court, according to the statement of Sir Samuel Romilly in Huguenin v. Baseley, which has been adopted by Lord Cottenham in Dent v. Bennett, and by other Judges, extends to all the varieties of relationship in which influence may by reason of that relation be exercised by one person over another.« 330 [1893] 1 Ch 736, 752: »[…] the rule as laid down by Lord Eldon, adopting the argument of Sir Samuel Romilly in Huguenin v. Baseley, that the rule stands on a general principle applying to all the variety of relations by which dominion may be exercised by one person over another.«

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Bischoff’s Trustee v Frank (1903)331 ist eine weitere Bezugnahme durch Wright J ebenfalls nicht völlig klar zuzuordnen.332 Neben der eigentlichen Entscheidung Lord Eldons hat sich somit die Replik Romillys zu Beginn des 20. Jahrhunderts bereits tief im Bewusstsein der Juristen festgesetzt, wie dies etwa das Diktum von Byrne J in Cavendish v Strutt (1903) dokumentiert.333 Dass jedoch Lord Eldon in Huguenin v Baseley eben gerade nicht auf die spirituelle Überlegenheit abgestellt hatte, wird selbst im Jahre 1915 noch ausdrücklich betont.334 Die Replik Romillys wird in der nachfolgenden Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts zum Teil wörtlich angewendet und erreicht auf diese Weise, für einen Parteivortrag höchst außergewöhnlich, 335 den Charakter einer »recognized quasi-judicial authority«.336 Warum Romillys Replik aus Huguenin v Baseley eine derartige Bedeutung gewinnen konnte, während der einleitende Vortrag daneben völlig ausgeblendet wurde, ist schwer zu erklären.337 Vielleicht liegt die Ursache hierfür hauptsächlich darin, dass Romilly mit dieser Argumentation und unter Einsatz seines rhetorischen Talents338 einen Fall (1903) 89 LT 188. (1903) 89 LT 188, 189 f.: »Authority will be found for that in Lord Eldon’s wellknown judgment in Huguenin v. Baseley (14 Ves. 273), or, as expressed in the same judgment the burden lies on the donee to show that the transaction is righteous. If the donee does not satisfy that burden he fails.« – Die Formulierung erinnert zudem stark an Sir John Romilly MR in Cooke v Lamotte (s. u. Fn. 718). 333 (1903) 19 TLR 483, 489: »As was said in Sir Samuel Romilly’s celebrated reply in ›Huguenin v. Baseley‹ (…), in a passage judicially adopted by Lord Cottenham in ›Dent v. Bennett‹ (…), ›the relief stands upon a general principle applying to all the variety of relations in which dominion may be exercised by one person over another.‹« 334 SPENCER BOWER, Actionable Non-Disclosure (1915), § 423 note f (S. 384): »From these it has been thought better to exclude Huguenin v. Baseley, sup., where the dominant party, though he happened to be a clergyman, and though, in ›the celebrated reply‹, he was sought to be made liable in that character principally, was not in fact held liable on that ground, but solely on the ground of a relation of ›influence‹ created by his conduct.« 335 POLLOCK (ed.), Revised Reports, Vol. IX (1893), Preface, S. vi: »Huguenin v. Baseley (…) is perhaps the only modern case in which a reported argument (that of Sir Samuel Romilly) has acquired by later judicial approval an authority equal to that of the judgment itself.« – Ähnlich schon DERS., Principles of Contract (1876), S. 516: »The authority of Huguenin v. Baseley, 14 Ves. 273, as to this particular kind of influence, is to be found not in the judgment, which proceeds on the ground of confidential agency, but in Sir S. Romilly’s argument in reply, to which repeated judicial approval has given a weight scarcely if at all inferior to that of the decision itself.« 336 SPENCER BOWER, Actionable Non-Disclosure (1915), § 407 note u (S. 369). 337 SPENCER BOWER, Actionable Non-Disclosure (1915), § 408 note c (S. 370): »On reading the cold printed page, it is difficult to see […] why Sir Samuel Romilly’s reply should be so favourably distinguished from his opening, as to which the chroniclers have observed a conspiracy of silence.« 338 SPENCER BOWER, Actionable Non-Disclosure (1915), § 408 note c (S. 370): »One can only suppose that the effect produced by the effort was largely rhetorical, and depend331 332

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gewinnen konnte, bei dem die Ausgangslage der Gegenseite nicht aussichtslos gewesen war. Vielleicht trug auch seine Reputation nicht unerheblich hierzu bei.339 Für die Wahrnehmung des 19. Jahrhunderts, in einem Klima, in dem der Gebrauch kontinentaler Literatur mehr als beliebt war,340 scheint die Versuchung jedenfalls groß gewesen zu sein, in Huguenin v Baseley einfach eine Adaption von Pothier zu sehen, zumal der Gedankengang im Traité des donations entre vifs dem englischen Leser bekannt und vertraut erscheinen musste. Die andauernde Beliebtheit von Romillys Replik darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Sache die Entscheidung Lord Eldons die weitere Entwicklung ganz maßgeblich beeinflusste und nicht etwa in Vergessenheit geraten war. Huguenin v Baseley stellt daher weniger einen revolutionären Wendepunkt der Rechtsprechung durch kontinentale Einflüsse dar, als eine kontinuierliche Fortentwicklung der englischen Equity. Dies bedeutet jedoch nicht etwa im Umkehrschluss, dass diese Entwicklung völlig abgeschottet vom kontinentaleuropäischen Recht verlaufen wäre. Vielmehr war die Anwendbarkeit zivilistischer Rechtsgedanken diskutiert und vereinzelt, wie im Falle des metus reverentialis, sogar rezipiert worden. Für den Zeitraum vom späten 16. Jahrhundert bis zum frühen 19. Jahrhundert scheint sich insoweit einmal mehr die Einschätzung von Stein zu bestätigen, dass das kontinentaleuropäische Recht auf sehr subtile und schwer fassbare Weise weniger das substantielle Recht in England beeinflusst hat, als vielmehr die Denkweise und Methodik der englischen Juristen.341

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Anfang des 19. Jahrhunderts hat sich undue influence als eigenständiges Rechtsinstitut derart etabliert, dass im Folgenden auf unconscionable ed upon a personal ascendancy and authority which has evaporated in the record, and can no more be reproduced in a report«. 339 Vgl. hierzu HOLDSWORTH, History of English Law, Vol. XIII (1952), S. 274 ff.; MEDD, Romilly (1968); MANCHESTER, Art. »Romilly, Samuel«, in: BDCL (1984), S. 451, 452 f. 340 LUBBE, in: Southern Cross (1996), S. 261, 296 Fn. 337 verweist in diesem Zusammenhang etwa auf den Gebrauch von Domat und Pothier bei Story und Kerr: STORY, Commentaries on Equity Jurisprudence, 1st English ed. (1884), S. 148 Fn. 1 = 2nd English ed. (1892), S. 149 Fn. 5 = 3rd English ed. (1920), S. 99 Fn. q; KERR, A Treatise on the Law of Fraud and Mistake, 3rd ed. (1902), S. 167 Fn. p. 341 STEIN, Continental Influences on English Legal Thought, in: Historical Essays (1988), S. 209: »[…] continental influences were more subtle and elusive but were still considerable. They affected not so much the substance of the law as the way lawyers looked at it, and the way they presented and expounded it.« – Ferner LUBBE, in: Southern Cross (1996), S. 261, 297. Ähnlich SWAIN, Law of Contract (2015), S. 278.

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bargains nicht mehr eingegangen wird.342 Stattdessen konzentriert sich die Untersuchung auf undue influence sowohl nach der sog. probate doctrine als auch nach der sog. equitable doctrine.343 1. Undue influence auf Testierende (sog. probate doctrine) Die Entwicklung der sog. probate doctrine zu undue influence bei letztwilligen Verfügungen verläuft im 19. Jahrhundert weiterhin getrennt von der sog. equitable doctrine bei Rechtsgeschäften unter Lebenden. Denn wenn es um die Wirksamkeit letztwilliger Verfügungen geht, bleiben grundsätzlich die Ecclesiastical Courts zuständig.344 Hieran hält das House of Lords auch in Allen v M‘Pherson (1847)345 mit knapper Mehrheit fest: Während Lord Langdale MR gegen die Ausgangsentscheidung des Prerogative Courts346 zunächst doch den Rechtsweg zu den Courts of Equity für eröffnet sieht,347 beharrt dagegen Lord Lyndhurst LC – insbesondere unter Verweis auf Kerrich v Bransby348 – auf der Zuständigkeit der Ecclesiastical Courts.349 Das House of Lords schließlich bestätigt ebenfalls die hergebrachte Zuständigkeit der Ecclesiastical Courts mit den drei Stimmen von Lord Lyndhurst, Lord Brougham und Lord Campbell350 gegen die beiden abweichenden Stimmen von Lord Cottenham LC351 und Lord Langdale MR.352 Vgl. hierzu POLLOCK, Principles of Contract (1876), S. 527 ff.; WHITE / TUDOR, Leading Cases in Equity, Vol. I (1897), S. 307 ff.; SPENCER BOWER, Actionable NonDisclosure (1915), §§ 434 ff. (S. 399 ff.). 343 Vgl. hierzu POLLOCK, Principles of Contract (1876), S. 503 ff.; WHITE / TUDOR, Leading Cases in Equity, Vol. I (1897), S. 265 ff.; SPENCER BOWER, Actionable NonDisclosure (1915), §§ 404 ff. (S. 362 ff.). – Ferner LOBBAN, in: OHLE, Vol. XII (2010), S. 400, 402 ff.; SWAIN, Law of Contract (2015), S. 215 ff. 344 Handelt es sich bei der Erbmasse jedoch nicht um bewegliches Vermögen (personal estate), sondern um Liegenschaften (real estate), fallen Streitigkeiten in die Zuständigkeit der Courts at law. – Zur Reform der Gerichtsverfassung durch die Judicature Acts von 1873 and 1875 vgl. POLDEN, in: OHLE, Vol. XI (2010), S. 757 ff. 345 (1847) 1 HLC 191 = 9 ER 727. Vgl. ferner (1840) 2 Curt 513 = 163 ER 492; (1841) 5 Beav 469 = 49 ER 660 sowie mit anderer Schreibweise Allen v Macpherson (1842) 1 Ph 133 = 41 ER 582. 346 Vgl. (1840) 2 Curt 513, 514 f. sowie (1847) 1 HLC 191, 202 ff. in Fn. * per Sir Herbert Jenner. 347 (1841) 5 Beav 469, 480 ff. 348 Siehe oben Fn. 98. 349 (1842) 1 Ph 133, 142 ff., 145 f. – Vgl. hierzu SHELFORD, Lunatics, 2nd ed. (1847), S. 409 f. 350 (1847) 1 HLC 191, 207 ff. per Lord Lyndhurst, 222 ff. per Lord Brougham bzw. 232 ff. per Lord Campbell. 351 Lord Cottenham hatte im Jahre 1846 Lord Lyndhurst wieder als Lord Chancellor abgelöst. 352 (1847) 1 HLC 191, 214 ff. per Lord Cottenham LC bzw. 227 ff. per Lord Langdale MR. 342

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Die Courts of Equity haben jedoch über fraud und undue influence zu befinden, wenn es wie in Hindson v Weatherill (1854)353 um die Wirksamkeit einzelner Bestimmungen eines Testaments geht, die eine Schenkung unter Lebenden bestätigen oder eine letztwillige Zuwendung treffen.354 In der Sache selbst bejaht Stuart V-C dabei zum einen die pflichtwidrige Unterlassung des Anwalts, einen Irrtum seines Mandanten auszuräumen;355 zum anderen stellt er auf den Grundsatz ab, dass eine unentgeltliche Zuwendung keinen Bestand haben könne, solange das Mandanten-Verhältnis andauere.356 Dagegen sind in der nächsten Instanz sowohl Knight Bruce LJ als auch Turner LJ der Ansicht, dass im konkreten Fall keine Anhaltspunkte für ein unlauteres Verhalten des Anwalts im Sinne der Equity vorliegen.357 Die für letztwillige Verfügungen grundsätzlich zuständigen Prerogative Courts setzen sich in einer Reihe von Entscheidungen mit undue influence unter Eheleuten auseinander. In Williams v Goude (1828)358 stellt Sir John Nicholl fest, dass eine beachtliche Einflussnahme auf den testierenden Ehemann nur dann anzunehmen sei, wenn diese nachweislich das Ausmaß von Gewalt und Zwang (force and coercion) erreicht habe. Zuneigung und emotionale Verbundenheit oder die bloße Absicht, den Wünschen eines anderen zu entsprechen, seien insoweit nicht ausschlaggebend, sondern lieferten vielmehr ein starkes Argument für die Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung. Erst wenn die fortwährende Aufdringlichkeit (importunity) schlicht unwiderstehlich geworden sei, komme eine Beeinträchtigung der Testierfreiheit in Betracht, wofür es aber im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte gebe: »The influence to vitiate an act must amount to force and coercion destroying free agency – it must not be the influence of affection and attachment – it must not be the mere desire of gratifying the wishes of another; for that would be a very strong ground in support of a testamentary act: further, there must be proof that the act was obtained by this coercion – by importunity which could not be resisted: that it was done merely for the sake of peace, so that the motive was tantamount to force and fear.«359

(1854) 5 De G M & G 301 = 43 ER 886. Vgl. ferner (1853) 1 Sm & Giff 604 = 65 ER 265. 354 (1853) 1 Sm & Giff 604, 613 ff. per Stuart V-C. 355 (1853) 1 Sm & Giff 604, 618 ff. 356 (1853) 1 Sm & Giff 604, 616 f. und 622 ff. 357 (1854) 5 De G M & G 301, 310 ff. bzw. 312 ff. 358 (1828) 1 Hagg Ecc 577 = 162 ER 682. 359 (1828) 1 Hagg Ecc 577, 580 f. bzw. 595 f.: »[…] but I can find no trace of any unfair importunity, on the part of the wife, to induce him to alter his will or to do any testamentary act. The general influence arising from his affection and deference for, and from his wish, in the disposition of his property, to gratify and to please, a wife who was the principal means of acquiring that property, she undoubtedly possessed; but that, as I have already observed, will not vitiate the testamentary act; there must be proof of something 353

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Eine solche Aufdringlichkeit wird etwa in Baker v Batt (1838)360 bejaht, wo ein Mann seine Frau auf ihrem Sterbebett solange drangsaliert hatte, bis sie das von seinem Anwalt entworfene Testament unterschrieb.361 Mit der umgekehrten Situation, dass die Frau möglicherweise undue influence auf ihren testierenden Mann ausgeübt hatte, muss sich das House of Lords in Boyse v Rossborough (1857)362 beschäftigen.363 Dabei stellt Lord Cranworth LC ebenfalls einige grundlegende Erwägungen an,364 da es die emotionale Nähebeziehung zwischen Eheleuten noch schwieriger mache, hier bestimmte Vorgänge herauszugreifen und einer rechtlichen Bewertung zu unterziehen.365 Um eine letztwillige Verfügung ungültig zu machen, müsse undue influence entweder den Tatbestand von coercion oder den von fraud erfüllen, die aber jeweils weit zu verstehen seien.366 Für coercion sei nicht etwa die Anwendung von tatsächlicher Gewalt oder die entsprechende Drohung nötig, sondern es reiche bereits aus, dass der Testierende handelt, weil er von einem anderen in Angst (terror) versetzt wurde, wobei insbesondere die körperliche Verfassung beider Seiten zu berücksichtigen sei.367 Von fraud amounting to force and coercion in the obtaining of the act itself.« – Vgl. SHELFORD, Lunatics, 2nd ed. (1847), S. 426, der diese Passagen nahezu wörtlich wiedergibt. 360 (1838) 2 Moo PC 317 = 12 ER 1026. Vgl. ferner (1836) 1 Curt 125 = 163 ER 42. 361 (1838) 2 Moo PC 317, 329: »[…] the Court […] must believe that the deceased did not so sign it, of her own free will, but by the undue influence and continued importunities of her husband, exercised towards her when upon her death-bed and incapable of resisting it; and such importunity destroying her agency, and amounting to a species of duress, which certainly avoids the Will«. 362 (1857) 6 HLC 2 = 10 ER 1192. Vgl. ferner (1857) 6 HLC 1 = 10 ER 1192. 363 Zur Zuständigkeit (1857) 6 HLC 2, 31 ff. per Lord Cranworth LC. 364 (1857) 6 HLC 2, 33 f., 47 f.: »The difficulty of deciding such a question arises from the difficulty of defining with distinctness what is undue influence. In a popular sense, we often speak of a person exercising undue influence over another, when the influence certainly is not of a nature which would invalidate a will.« 365 (1857) 6 HLC 2, 48: »I must further remark that all the difficulties of defining the point at which influence exerted over the mind of a testator becomes so pressing as to be properly described as coercion, are greatly enhanced when the question is one between husband and wife. The relation constituted by marriage is of a nature which makes it as difficult to inquire, as it would be impolitic to permit inquiry, into all which may have passed in the intimate union of affections and interests which it is the paramount purpose of that connection to cherish«. 366 (1857) 6 HLC 2, 48: »In order, therefore, to have something to guide us in our inquiries on this very difficult subject, I am prepared to say that influence, in order to be undue within the meaning of any rule of law which would make it sufficient to vitiate a will, must be an influence exercised either by coercion or by fraud. In the interpretation, indeed, of these words some latitude must be allowed.« 367 (1857) 6 HLC 2, 48 f.: »In order to come to the conclusion that a will has been obtained by coercion, it is not necessary to establish that actual violence has been used or even threatened. The conduct of a person in vigorous health towards one feeble in body, even though not unsound in mind, may be such as to excite terror and make him execute as

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sei auszugehen, wenn die Frau aktiv und dolos die Entfremdung ihres Manns von seiner Verwandtschaft vorantreibe, um letztwillige Zuwendungen an diese zu verhindern.368 Die Beweislast hierfür trage jedenfalls derjenige, der die Unwirksamkeit eines ordnungsgemäß errichteten Testaments wegen undue influence geltend macht. Eine Vermutung komme insoweit nicht in Betracht, so dass im konkreten Fall mangels ausreichender Beweise für coercion oder fraud eine unlautere Einflussnahme zu verneinen sei.369 Ebenfalls undue influence seitens der Ehefrau auf ihren Mann steht in Hall v Hall (1868)370 im Raum. In seiner Instruktion gegenüber der erkennenden Jury betont Sir J. P. Wilde, dass ein bloßes Überreden (persuasion) des Testierenden, sei es durch den Appell an seine Dankbarkeit oder an sein Mitgefühl, die Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung nicht berühre. Erst das massive Ausüben von Druck (pressure), dem der Testierende nichts entgegenzusetzen habe, verletze seine Willensfreiheit, so dass undue influence vorliege, selbst wenn ihm gegenüber keine Gewalt (force) gebraucht oder angedroht werde. Denn der Testierende dürfe zwar geführt aber nicht bedrängt werden (a testator may be led but not driven): »Persuasion, appeals to the affections or ties of kindred, to a sentiment of gratitude for past services, or pity for future destitution, or the like, – these are all legitimate, and may be fairly pressed on a testator. On the other hand, pressure of whatever character, whether acting on the fears or the hopes, if so exerted as to overpower the volition without convincing the judgment, is a species of restraint under which no valid will can be made. Importunity or threats, such as the testator has not the courage to resist, moral command asserted and yielded to for the sake of peace and quiet, or of escaping from distress of mind or social discomfort, these, if carried to a degree in which the free play of the testator’s judgment, discretion or wishes, is overborne, will constitute undue influence, though no force is

his will an instrument which, if he had been free from such influence, he would not have executed. Imaginary terrors may have been created sufficient to deprive him of free agency. A will thus made may possibly be described as obtained by coercion.« 368 (1857) 6 HLC 2, 49: »So as to fraud. If a wife, by falsehood, raises prejudices in the mind of her husband against those who would be the natural objects of his bounty, and by contrivance keeps him from intercourse with his relatives, to the end that these impressions which she knows he had thus formed to their disadvantage may never be removed, such contrivance may, perhaps, be equivalent to positive fraud, and may render invalid any will executed under false impressions thus kept alive.« 369 (1857) 6 HLC 2, 49 ff.: »One point, however, is beyond dispute, and that is, that where once it has been proved that a will has been executed with due solemnities by a person of competent understanding, and apparently a free agent, the burthen of proving that it was executed under undue influence, is on the party who alleges it. Undue influence cannot be presumed, and, looking to the evidence in the present case, I am unable to discover evidence warranting the conclusion at which the jury arrived, supposing them to have proceeded on the ground of undue influence.« 370 (1868) LR 1 P & D 481.

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either used or threatened. In a word, a testator may be led but not driven; and his will must be the offspring of his own volition, and not the record of some one else’s.«371

Nach Überzeugung der Jury ist aufgrund der Beweislage davon auszugehen, dass die Frau hier tatsächlich undue influence auf ihren Mann ausgeübt hatte.372 Neben der Beziehung zwischen Eheleuten sind auch andere typische Abhängigkeitsverhältnisse Gegenstand der Rechtsprechung wie das zwischen Arzt und Patient oder zwischen Geistlichem und Gläubigem. Auch hier wird die Ausübung von undue influence auf den Testierenden aber nicht vermutet, sondern sie muss von demjenigen bewiesen werden, der sich hierauf beruft. In Ashwell v Lomi, einer Entscheidung aus dem Jahre 1850, die allerdings erst 1872 erscheint,373 wird die Beweislast für die Wirksamkeit der letztwilligen Verfügungen freilich dem Arzt aufgebürdet. Denn nach den unter Beteiligung seines Anwalts getroffenen Dispositionen sollte er von seiner schwerkranken Patientin nahezu ihr gesamtes Vermögen erhalten, was ihrem Ehemann bewusst verheimlicht worden war.374 Dem Arzt gelingt es aber nachzuweisen, dass die Testierende frei von jeder unlauteren Einflussnahme handelte.375 Gleichwohl werden die Kosten nicht dem unterlegenen Ehemann auferlegt, da er nach Ansicht des Gerichts hinreichenden Anlass hatte, die Wirksamkeit der vor ihm vertuschten Verfügungen in Zweifel zu ziehen.376 Der Ansatz des Gerichts erscheint hier daher eher als eine Beweislastumkehr, die angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalls getroffen wird, denn als eine grundsätzlich andere Beweislastregelung.377

(1868) LR 1 P & D 481, 482. (1868) LR 1 P & D 481, 483. 373 (1872) LR 2 P & D 477. 374 (1872) LR 2 P & D 477, 478: »It is here to be observed that Dr. Ashwell […] was the medical attendant of the testatrix, who had long been suffering under a very severe malady in a very aggravated form, and was much reduced as to her bodily state. Under these circumstances the onus lies upon him, and lies pretty heavily, to maintain the validity of these papers; for although there is no rule of law which says that no person may bequeath his or her property to a medical attendant, yet it is not a favourable circumstance, undoubtedly, for one in such a confidential position with respect to a patient labouring under severe disease, to take a large benefit, more particularly when the will is executed with secresy, and the whole transaction assumes the character of a clandestine proceeding.« 375 (1872) LR 2 P & D 477, 488: »I cannot but think, upon such evidence as this, it is too much to say that the deceased’s faculties were so impaired as to render her liable to influence, or incapable of understanding the contents of the instruments in question, one of which was drawn up in her own handwriting and the other explained to her. The evidence is that her mind was unimpaired, therefore the instruments executed under the circumstances I have stated must be considered as the testamentary disposition of a capable testatrix.« 376 (1872) LR 2 P & D 477, 488 ff. 377 So aber ENONCHONG, Undue Influence (2012), Rn. 13-010 in Fn. 43. 371 372

II. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert

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Die Mitteilungen in Haydon v Pring (1918/19)378 beschränken sich auf die knappe Feststellung, dass der klagende Arzt zusammen mit einer Krankenschwester undue influence auf die Erblasserin ausgeübt hat. Im Übrigen beschäftigen sie sich allein mit der Frage, wem die Kosten seines Mitklägers aufzuerlegen sind, dem kein unlauteres Verhalten vorzuwerfen war, dem Nachlass (so die Ausgangsentscheidung) oder dem Mitkläger (so der Court of Appeal).379 Das Verhältnis zwischen Geistlichem und Gläubigem ist in Parfitt v Lawless (1872)380 Gegenstand der Entscheidung.381 Allein aus der Stellung des Beichtvaters wird aber ebenfalls keine unlautere Einflussnahme auf den Testierenden abgeleitet. Anders als bei Rechtsgeschäften unter Lebenden, wo die Grundsätze der Equity gelten, trägt bei letztwilligen Verfügungen derjenige die Beweislast, der ihre Unwirksamkeit wegen undue influence geltend macht. Da ein solcher Beweis hier nicht erbracht wird, bleibt das Testament zugunsten des Beichtvaters wirksam.382 Kann dagegen wie in Hampson v Guy (1891)383 nachgewiesen werden, dass die Leiterinnen einer Schwesternschaft tatsächlich unlauteren Einfluss auf die Testierende ausgeübt haben, sind die betreffenden letztwilligen Verfügungen unwirksam.384 Diese von der Probate-Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Beweislast bei undue influence auf Testierende sind gegen Ende des langen 19. Jahrhunderts völlig etabliert, wie etwa in Wingrove v Wingrove (1885),385 Baudains v Richardson (1906),386 Radford v Risdon (1912)387 und Craig v Lamoureux (1920)388.389 Die probate doctrine zu undue influence auf Testierende konkurriert im Übrigen mit der Lehre des want of knowledge and approval.390 Danach muss derjenige, der sich auf eine letztwillige Verfügung beruft, einerseits zur Überzeugung des Gerichts darlegen, dass das diese dem freien Willen eines testierfähigen Erblassers entspricht. Andererseits wird grundsätzlich jede Verfügung kritisch gesehen, an deren Errichtung der Bedachte beteiligt war. Eine Vielzahl von Entscheidungen ergeht daher zu letztwilligen Verfügungen, in = In the Estate of Barlow [1919] P 14; [1919] P 131. [1919] P 14, 15 f. bzw. [1919] 131, 132 f. 380 (1872) LR 2 P & D 462. 381 Bedeutung erlangt daneben ein obiter dictum von Lord Penzance zum Verhältnis zwischen von Mann und Frau im Rahmen der sog. equitable doctrine (s. u. Fn. 598). 382 (1872) LR 2 P & D 462, 468 ff. per Lord Penzance. 383 (1891) 64 LT 778. 384 (1891) 64 LT 778, 779 per Lindley LJ bzw. 779 f. per Kay LJ. 385 [1885] 11 PD 81, 82 f. per Sir James Hannen. 386 [1906] AC 169, 184 f. per Lord Macnaghten. 387 (1912) 28 TLR 342. 388 [1920] AC 349, 356 f. per Viscount Haldane. 389 Vgl. SPENCER BOWER, Actionable Non-Disclosure (1915), § 447 (S. 414). 390 KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 81 ff.; KERRIDGE, (2000) 59 CLJ 310, 318 ff.; ENONCHONG, Undue Influence (2012), Rn. 13-011 ff. 378 379

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denen der Anwalt bedacht wird, der sie aufgesetzt hat,391 insbesondere in Wyatt v Ingram (1832)392 und Barry v Butlin (1838)393. Mit Blick auf die übrigen Verdachtsmomente, die gegen die Willensfreiheit des Testierenden sprechen,394 wird in manchen Entscheidungen insoweit auch wieder undue influence angesprochen.395

2. Undue influence (sog. equitable doctrine) a) Undue influence im Verhältnis zwischen Eltern und Kind aa) Allgemeine Grundsätze Im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts ergehen zahlreiche Entscheidungen zu undue influence im Eltern-Kind-Verhältnis. 396 Gegenstand sind zumeist Schenkungen oder andere unentgeltliche Zuwendungen, die das Kind unmittelbar nach Erreichen seiner Volljährigkeit zugunsten eines Elternteils veranlasst hat. Die hierzu entwickelten Grundsätze der Rechtsprechung werden von Turner LJ in Wright v Vanderplank (1856)397 prägnant zusammengefasst. Danach kann ein Kind grundsätzlich auch einem Elternteil etwas zuwenden, sofern es sich nicht mehr unter dessen Einfluss (parental influence) befindet. Ein solcher Einfluss ist aber zu vermuten, solange das Kind tatsächlich unter dessen Herrschaft (dominion) steht – es sei denn, der betreffende Elternteil ist Vgl. Paine v Hall (1812) 18 Ves Jun 475 = 34 ER 397; 2 Ves Jun Supp 541 = 34 ER 1217; Paske v Ollat (1815) 2 Phill Ecc 323 = 161 ER 1158; Wheeler and Batsford v Alderson (1831) 3 Hagg Ecc 574 = 162 ER 1268; Raworth v Marriott (1833) 1 My & K 643 = 39 ER 824; Croft v Day (1838) 1 Curt 782 = 163 ER 271 bzw. Dufaur v Croft (1840) 3 Moo 136 = 13 ER 59; Durling v Loveland (1839) 2 Curt 225 = 163 ER 393; Nock v Austin (1918) 25 CLR 519. – In Greville v Tylee (1851) 7 Moo PC 320 = 13 ER 904 hatte nicht der Anwalt, sondern der Arzt des Erblassers das streitige Testament entworfen. 392 (1832) 3 Hagg Ecc 466 = 162 ER 1228. Ferner (1827) 1 Hagg Ecc 94 = 162 ER 519; (1828) 1 Hagg Ecc 384 = 162 ER 621. Vgl. hierzu SHELFORD, Lunatics, 2nd ed. (1847), S. 416 ff. 393 (1838) 2 Moo PC 480 = 12 ER 1089. Ferner (1837) 1 Moo 98 = 12 ER 749 bzw. (1837) 1 Curt 614 = 163 ER 215; (1838) 1 Curt 637 = 163 ER 223. Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 81 f. 394 Vgl. Mackenzie v Handasyde (1829) 2 Hagg Ecc 211 = 162 ER 838; Durnell v Corfield (1844) 1 Rob Ecc 51 = 163 ER 961; Mitchell v Thomas (1847) 6 Moo PCC 137 = 13 ER 636; Browning v Budd (1848) 6 Moo PCC 430 = 13 ER 749; Fulton v Andrew (1875) LR 7 HL 448; Tyrrell v Painton [1894] P 151; [1895] 1 QB 202; Gregson v Taylor [1917] P 256. – Ebenso zum schottischen Recht Low v Guthrie [1909] AC 278. 395 Mackenzie v Handasyde (1829) 2 Hagg Ecc 211, 222 f. per Sir John Nicholl; Browning v Budd (1848) 6 Moo PCC 430, 435, 440 per Parke B; Greville v Tylee (1851) 7 Moo PC 320, 329 f., 351 per Dr. Lushington; Tyrrell v Painton [1894] P 151, 157 per Lindley LJ; Low v Guthrie [1909] AC 278, 283 per Lord James of Hereford. 396 Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 30 ff. 397 (1856) 8 De G M & G 133 = 44 ER 340. Zur Entscheidung von Page Wood V-C in der Vorinstanz (1855) 2 K & J 1 = 69 ER 669 vgl. KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 31. 391

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in der Lage, diese Vermutung zu entkräften, indem er insbesondere darlegen und beweisen kann, dass sein Kind eine Beratung von unabhängiger Seite (independent advice) erfahren hat: »The law on the subject is well settled. A child may make a gift to a parent, and such a gift is good if it is not tainted by parental influence. A child is presumed to be under the exercise of parental influence as long as the dominion of the parents lasts. Whilst that dominion lasts, it lies on the parent maintaining the gift to disprove the exercise of parental influence, by shewing that the child had independent advice, or in some other way. When the parental influence is disproved, or that influence has ceased, a gift from a child stands on the same footing as any other gift«.398

Dieselben Grundsätze kommen etwa in Bury v Oppenheim (1859),399 Davies v Davies (1863),400 Chambers v Crabbe (1865),401 Turner v Collins (1871)402 oder Powell v Powell (1900)403 zum Tragen. Die Ursache für den elterlichen Einfluss wird nun in einer persönlichen Nähebeziehung gesehen, die nicht von Furcht und Zwang (terror and coercion) geprägt ist, sondern von Liebe und Zuneigung (kindness and affection).404 Eine weitere Eigentümlichkeit dieser Nähebeziehung besteht folglich darin, dass der Elternteil in den meisten Fällen auf stille und subtile Weise in seinem Sinne Einfluss auf das Kind nehmen kann, ohne hierzu auf offene und direkte Mittel zurückgreifen zu müssen.405 398 (1856) 8 De G M & G 133, 146. – Die betreffende Passage findet sich in den Ausführungen von Turner LJ und nicht in denen von Knight Bruce LJ, wie UNGAN, Sicherheit durch Angehörige (2012), S. 33 Fn. 154 irrtümlich annimmt. 399 (1859) 26 Beav 594 = 53 ER 1028. 400 (1863) 4 Giff 417 = 66 ER 769. 401 (1865) 34 Beav 457 = 55 ER 712. 402 (1871) LR 7 Ch App 329. – Zu den sachlichen Erwägungen der Entscheidung in der Vorinstanz vgl. a. a. O., 334 f. in Fn. 1; der entsprechende Report in (1871) LR 12 Eq 438 beschäftigt sich ausschließlich mit der Kostenentscheidung. 403 [1900] 1 Ch 243. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 32 f. 404 Turner v Collins (1871) LR 7 Ch App 329, 340 per Lord Hatherley LC: »When we talk of parental influence we do not think of terror in connection with it – that is not the primary idea – it is not terror and coercion, but kindness and affection, which may bias the child’s mind, and induce the child to do that which may be highly imprudent, and which, if the child were properly protected, he would never do.« 405 Hartopp v Hartopp (1856) 21 Beav 259, 266 per Sir John Romilly MR: »[…] the parental influence was not openly and distinctly inforced, and which is undoubtedly true. But where this becomes necessary, the parental influence has lost much of its force; it is the silence influence that is the most efficacious; the knowledge which the son possesses of what would be the consequence if he refused to comply with his father’s wishes will, in the great majority of cases, have far greater effect upon him than the actual and open exertion of the parental authority, whether by commands or entreaties; this will be not openly exerted until the son has, by his determination to resist them, rendered recourse to them necessary.«

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Deshalb beobachtet die Rechtsprechung Zuwendungen von Kindern an ihre Eltern auch im 19. Jahrhundert weiterhin mit großem Argwohn (jealousy).406 Im Vordergrund stehen dabei nach wie vor Erwägungen der public policy.407 Neben den Belangen der Gesellschaft (interests of society) sind für Knight Bruce LJ insoweit aber auch Prinzipien der natürlichen Gerechtigkeit (natural justice) von Bedeutung.408 Darüber hinaus werden dieselben Grundsätze auch auf vergleichbare Beziehungen übertragen, etwa zwischen ein Stiefmutter und Stiefkind,409 zwischen Geschwistern410 oder zwischen Neffe und Tante.411 Eine Ausnahme macht die Rechtsprechung allerdings – nach dem Grundsatz cessante ratione, cessat lex412 – im Falle eines sog. family arrangements, wie es typischerweise der älteste Sohn nach Erreichen der Volljährigkeit mit seinem Vater eingeht, um die bisherige Regelung der Einkünfte aus dem Familienvermögen (settlement) durch eine Neuregelung (resettlement) so zu modifizieren, dass auch eine angemessene Versorgung der nachgeborenen Kinder sichergestellt ist.413 In Tweddell v Tweddell (1822)414 etwa räumt Lord Eldon ein, dass bei der rechtlichen Bewertung solcher Transaktionen zwischen Vater und Sohn größere Zurückhaltung angezeigt ist als sonst bei Verträgen über Erbanwartschaften (reversionary bargains), da das getroffene arrangement häufig im wohlverstandenen Interesse aller Familienmitglieder liege, also auch in dem des ältesten Sohnes: »The Court will not view transactions between father and son in the light of reversionary bargains, but will regard them as family arrangements, with a reasonable degree of jealousy; and will not look into all motives and feelings which might actuate the parties in entering into such arrangements. There may be considerations in such cases, which the 406 So etwa Hoghton v Hoghton (1852) 15 Beav 278, 299 f. per Sir John Romilly MR; Wright v Vanderplank (1855) 2 K & J 1, 9 per Page Wood V-C; (1856) 8 De G M & G 133, 137 per Knight Bruce LJ; Turner v Collins (1871) LR 7 Ch App 329, 338 f. per Lord Hatherley LC. 407 Davies v Davies (1863) 4 Giff 417, 419 f. per Stuart V-C. 408 Wright v Vanderplank (1856) 8 De G M & G 133, 137: »[…] upon the ground of the close attention, the strictness, and the jealousy with which, upon principles of natural justice, and upon considerations important to the interests of society, the law of this country examines, scrutinizes, and, if I may borrow an old expression, weighs in golden scales every transaction between a guardian and his ward, or between a parent and his child«. 409 Powell v Powell [1900] 1 Ch 243. 410 Harvey v Mount (1845) 8 Beav 439 = 50 ER 172; (1844) 7 Beav 517 = 49 ER 1166 befasst sich nur mit prozessualen Fragen einer Zeugenvernehmung; Sharp v Leach (1862) 31 Beav 491 = 54 ER 1229. 411 Toker v Toker (1862) 31 Beav 629 = 54 ER 1283; (1863) 3 De G J & S 487 = 46 ER 724. 412 So pointiert SPENCER BOWER, Actionable Non-Disclosure (1915), § 410 (S. 374). 413 Vgl. hierzu POLLOCK, Principles of Contract (1876), S. 513. 414 (1822) Turn & R 1 = 37 ER 992.

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court could not possibly reach. It might be conducive for instance to the best interests of the parties, that the father should be enabled to educate all his children in a liberal way«. 415

Diese Erwägungen werden im Verfahren Bellamy v Sabine (1847)416 ebenfalls herangezogen und durch Pepys MR dahin gehend fortgeführt, dass die Wirksamkeit eines solchen family arrangements selbst dann nicht in Frage steht, wenn es durch die Machenschaften eines außenstehenden Dritten (nämlich des gemeinsamen Anwalts) veranlasst wurde, solange sein Inhalt den Interessen von Vater und Sohn entspricht.417 Maßgeblich für die weitere Entwicklung sind aber vor allem einige Entscheidungen von Sir John Romilly MR, der zunächst in Hoghton v Hoghton (1852)418 zwei Fallgruppen bildet, die unterschiedlich zu behandeln sind, nämlich einerseits gewöhnliche Fälle von undue influence und andererseits family arrangements: »I think it desirable to state what I apprehend to be the principles which affect transactions of this nature, entered into between members of the same family. In doing so, it is important, in the first place, to point out the distinction between two classes of cases which afford contradictory analogies, and both of which have been relied upon as applicable to the questions before me. The first class is, that where one person, by undue influence, obtains an advantage from another; the other class of cases is, that where arrangements are entered into for the peace of families and the security of the family property.«419

Nach einer eingehenden Analyse des bisherigen Fallrechts arbeitet Romilly MR folgende Voraussetzungen heraus für die rechtliche Anerkennung eines settlements als family arrangement. Zum Ersten darf dem Vater selbst hierdurch kein unmittelbarer geldwerter Vorteil (benefit) erwachsen. Weiterhin muss es inhaltlich vernünftig und angemessen (reasonable and proper) sein. Und schließlich darf keine der maßgeblichen Tatsachen unterdrückt oder vorgetäuscht worden sein. Unter diesen Umständen ist selbst die Ausübung eines gewissen Drucks vom Vater auf den Sohn hinzunehmen. Überträgt dagegen der Sohn seinem Vater Vorteile, die dieser zuvor nicht besessen hatte, sind die Maßstäbe von undue influence anzuwenden: »The rule to be drawn from these cases, which is perfectly consistent with the rule which prevails in the first class of cases to which I referred, may, I think, be thus stated: that if the settlement of the property be one in which the father acquires no benefit not already possessed by him, and if the settlement be a reasonable and proper one, the Court will support it, even though it may appear that some influence was exerted by him to induce the son to execute it; and provided also, that there was no suppression of what is true, or suggestion of what is false. […] Where, however, the son confers on the parent by the transac(1822) Turn & R 1, 13 f. (1847) 2 Ph 425 = 41 ER 1007. 417 (1847) 2 Ph 425, 439 ff. – in der Ausgangsentscheidung aus dem Jahre 1835, vgl. a. a. O., 428 ff. 418 (1852) 15 Beav 278 = 51 ER 545. 419 (1852) 15 Beav 278, 298. 415 416

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tion some advantages which he did not previously possess, then the principle which prevails in the first class of cases interposes«.420

Da die Voraussetzungen für ein solches family arrangement im konkreten Fall nicht vorlagen, war das settlement nach den gewöhnlichen Maßstäben von undue influence im Eltern-Kind-Verhältnis zu beurteilen,421 so dass es im Ergebnis mangels ordnungsmäßer Aufklärung des Sohnes aufgehoben wurde.422 Denn die professionelle Beratung eines Laien darf sich, wie Romilly MR insoweit klarstellt, nicht im bloßen Vorlesen der Urkunde durch den Anwalt ohne weitere Erläuterung erschöpfen, weil selbst der Court of Chancery oft größte Schwierigkeiten habe, den Inhalt einer Urkunde richtig zu erfassen, obwohl diese in der mündlichen Verhandlung mit größtmöglicher Sorgfalt vorgetragen werde: »[…] the mere reading over of a deed would not be sufficient to satisfy me that the person hearing it read understood it. To an unprofessional person, however intelligent, and exerting the closest attention, the long and involved sentences and technical language of a deed render it frequently unintelligible; and even the Court not unfrequently misapprehends the limitations and effect of the provisions of a deed read in open Court, where the greatest pains are exerted to read it clearly and intelligibly. In my opinion, unless it is accompanied with an explanation of the contents of a deed, the reading over to an unprofessional person is more likely to confuse than to enlighten him.«423

Die von Sir John Romilly MR aufgestellten Anforderungen für ein family arrangement werden in der Folge mehrfach bestätigt, sowohl von ihm selbst in Hartopp v Hartopp (1856)424 und Potts v Surr (1865)425 als auch von anderen wie Sir Richard T. Kindersley V-C in Dimsdale v Dimsdale (1856),426 Lord Campbell LC in Jenner v Jenner (1860)427 oder Kekewich J in Hoblyn v

(1852) 15 Beav 278, 305 f. (1852) 15 Beav 278, 306 ff. 422 (1852) 15 Beav 278, 308 ff. 423 (1852) 15 Beav 278, 311. – Eine gemessen an diesen Maßstäben ausreichende Beratung dagegen in Toker v Toker (1862) 31 Beav 629, 634 f. und 641 per Sir John Romilly MR. 424 (1856) 21 Beav 259 = 52 ER 858, vgl. 21 Beav 265 »I fully concur in the observations of Lord Eldon, in Tweddell v. Tweddell (Turn. & Russ. 13), that these cases between parent and child are to be regarded with jealousy, and I also concur in the statement made by myself in Hoghton v. Hoghton, as the result of the cases in this subdivision of the subject, which relates to instruments executed between persons standing in intimate relation to each other effecting a resettlement of family property: that if the settlement be not obtained by misrepresentation or suppression of the truth, if it be one in which the father acquires no benefit, and the settlement be a reasonable one, the Court will support it even though the father did exert parental authority and influence over the son to procure his execution of it.« 425 (1865) 34 Beav 543 = 55 ER 745, vgl. 34 Beav 552. 426 (1856) 3 Drew 556 = 61 ER 1015, vgl. 3 Drew 569 ff. 427 (1860) 2 De G F & J 359 = 45 ER 660, vgl. 2 De G F & J 367 ff. 420 421

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Hoblyn (1889)428. Lord Campbell rechtfertigt die Privilegierung von family arrangements dabei ausdrücklich mit dem Interesse der alten Familien am Erhalt ihres Vermögens: »The practice of re-settling entailed estates on the eldest son coming of age, which sustains ancient families, and still leaves a sufficiency of land in commerce, has been praised and fostered by English Judges of the highest name. What could be more natural or laudable […] The father gaining no pecuniary advantage by this re-settlement of the estate, and the settlement being reasonable, it would not be set aside by a Court of Equity on the ground of parental influence; and a Court of Equity will not view it with jealousy or require evidence which, under other circumstances, might be necessary, of the son having a separate solicitor, and being advised by separate counsel.«429

Neben dieser teleologischen Ausnahme für family arrangements kann undue influence auch dadurch unbeachtlich werden, dass das Kind zu lange damit wartet, dies gerichtlich geltend zu machen, nachdem der Einfluss des betreffenden Elternteils beendet ist. Ohne sich insoweit auf eine starre Frist festzulegen zieht die Rechtsprechung nach den konkreten Umständen des Einzelfalls eine Verwirkung durch Zeitablauf (lapse of time) oder eine nachträgliche stillschweigende Genehmigung (acquiescence) in Betracht.430 Denn solange der Einfluss andauert, ist dem unterlegenen Teil kein Vorwurf bezüglich seiner Untätigkeit zu machen.431 bb) Interzessionen Die Rechtsprechung beschäftigt sich freilich nicht nur bei unentgeltlichen Vermögenszuwendungen mit undue influence im Eltern-Kind-Verhältnis, sondern auch bei Interzessionen, wie eine ganze Reihe von Fällen zeigt. Diese werden daher im Folgenden einer besonderen Analyse unterzogen, wenngleich sie in der zeitgenössischen Literatur nicht etwa als eine eigene Unterkategorie dieser Fallgruppe begriffen werden.432

(1889) 41 Ch D 200, 204 ff. (1860) 2 De G F & J 359, 368 f. 430 Wright v Vanderplank (1856) 8 De G M & G 133, 137 ff. per Knight Bruce LJ bzw. 149 ff. per Turner LJ; Dimsdale v Dimsdale (1856) 3 Drew 556, 575 ff. per Kindersley VC; Turner v Collins (1871) LR 7 Ch App 329, 340 ff. per Lord Hatherley LC. – POLLOCK, Principles of Contract (1876), S. 541. 431 Pointiert Sharp v Leach (1862) 31 Beav 491, 503 per Sir John Romilly MR: »It is obviously reasonable to conclude that the influence which vitiates the act of the person over whom that influence is exercised should also, as long as it lasts, excuse the omission of that person to complain of that act obtained by such influence.« 432 Vgl. etwa SPENCER BOWER, Actionable Non-Disclosure (1915), §§ 409 ff. (S. 372 ff.). POLLOCK, Principles of Contract (1876), S. 540 sieht hierin das typische Beispiel für die Zurechnung von undue influence in einem Dreiecksverhältnis, ohne darüber hinaus eine eigene Unterkategorie zu bilden. 428 429

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In Rhodes v Cook (1826)433 lehnt es Sir John Leach V-C freilich noch ab, ohne konkrete Beweise allein aus dem Eltern-Kind-Verhältnis auf die Ausübung von undue influence zu schließen und dies dem Gläubiger des Vaters zuzurechnen. Da die Unterstützung des Vaters durch die Töchter vielmehr auf reiner Zuneigung oder gar Lebensklugheit beruhen könne, sei die für den Gläubiger bestellte mortgage wirksam und vollstreckbar.434 Die Klägerin in Archer v Hudson (1844)435 war als Waise bei Onkel und Tante aufgewachsen und unterzeichnete kurz nach ihrer Volljährigkeit mit ihrem Onkel eine gesamtschuldnerische Schuldverschreibung (joint and several promissory note) für seinen geplanten Kredit bei der beklagten Bank. Während die Klägerin insbesondere vortrug, dass diese Schuldverschreibung ihr gegenüber bei Abschluss als reine Formsache ohne finanzielle Konsequenzen dargestellt worden sei,436 behauptete die beklagte Bank, dass damals höchstens die Tante aber nicht der Onkel einen entsprechenden Einfluss auf die Klägerin gehabt habe.437 Lord Langdale MR hingegen hat in seiner Entscheidung keinerlei Zweifel daran, dass der Onkel zu seiner Nichte in eine persönlichen Nähebeziehung wie ein Vater (in loco parentis) stand.438 Folglich wird nach den allgemeinen Grundsätzen die Ausübung von undue influence auf den jungen, noch nicht völlig emanzipierten Erwachsenen vermutet, es sei denn, der Gegenseite gelingt es, dies hinreichend zu widerlegen.439 Da aber der Vertreter (agent) der Bank, mit dem der Onkel den Kredit verhandelt hatte, die häuslichen Verhältnisse genau kannte und die Interzedentin zum Abschluss der Schuldverschreibung zuhause bei ihrem Onkel aufgesucht hatte, gibt es keinerlei unabhängige Beratung, mit der sich diese Vermutung auch nur ansatzweise entkräften ließe.440 In Thornber v Sheard (1850)441 hatte die seit etwa einem halben Jahr volljährige Tochter mehrfach zugunsten ihres Vaters interzediert, indem sie zunächst gemeinsam mit ihrem Vater eine Schuldverschreibung (promissory (1826) 2 Sim & St 488 = 57 ER 432. (1826) 2 Sim & St 488, 489: »[…] there being no evidence to affect the mortgagee as party or privy to any undue influence used by the father with his daughters. And His Honor stated that such undue influence was not to be inferred; and that the assistance, thus afforded by the daughters to the father, might either be the effect of pure affection, or, under some circumstances, might even be dictated by wordly prudence.« 435 (1844) 7 Beav 551 = 49 ER 1180, bestätigt durch (1846) 15 LJ Ch 211. Die Zwischenentscheidung in (1845) 8 Beav 321 = 50 ER 126 betrifft nur die Kosten. 436 (1844) 7 Beav 551, 553: »That it was represented to be a matter of form, and that she would never be required to pay anything in consequence.« 437 (1844) 7 Beav 551, 558. 438 (1844) 7 Beav 551, 558 f., 560. 439 (1844) 7 Beav 551, 560. 440 (1844) 7 Beav 551, 560 f. 441 (1850) 12 Beav 589 = 50 ER 1186. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 32. 433 434

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note) unterzeichnet, dann eine mortgage bestellt und schließlich das betreffende Grundvermögen selbst zur Sicherheit auf den Gläubiger übertragen hatte. Zwar war von undue influence im Verhältnis des Vaters zur Tochter auszugehen, da dieses mangels Einlassung des Vaters als zugestanden zu gelten hatte.442 Dies unterstellt, gab es jedoch keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Gläubiger hiervon auch nur irgendwie Kenntnis gehabt oder gar selbst unlauteren Einfluss ausgeübt hätte.443 Hingegen wusste der Gläubiger in Espey v Lake (1852)444 sehr wohl, dass die 22-jährige Interzedentin immer noch im Haus ihres Stiefvaters lebte und unter dessen Einfluss stand, das heißt in einer vergleichbaren Abhängigkeitsbeziehung wie gegenüber einem Elternteil (in loco parentis). Gleichwohl beharrte er darauf, von ihr eine promissory note zu bekommen, da er keine andere Sicherheit für sein Darlehen an den Stiefvater erlangen konnte. Bei wertender Betrachtung könne es keinen Unterschied machen, ob der beklagte Gläubiger selbst unmittelbar Druck auf die Interzedentin ausgeübt oder ob er sich insoweit des Stiefvaters bedient hat, wie Sir G. J. Turner V-C ausführt: »In the application of the principles of the Court, I see no distinction between the case of one who himself exercises a direct influence, or of another who makes himself a party with the guardian who obtains such a security from his ward. The Defendant, Lake, left it to Speakman [the step-father], who had influence over his young ward, as she may be called, to induce her to join in the security, thereby placing her more directly under undue influence than if he had applied for the security himself. Such a security cannot be maintained consistently with the principles of this Court.«445

Durchaus aufgeschlossen zeigt sich das Gericht aber gegenüber der Argumentation des beklagten Gläubigers, dass auch die Interzedentin selbst von der Darlehensgewährung profitiert habe. Allerdings müsse es sich in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (injunction) auf die gegenwärtige Beweislage stützen. Es bleibe dem Gläubiger aber unbenommen, dies im Hauptsacheverfahren noch geltend zu machen: »It was suggested that the lady had been participating in the profits of the business since the transaction – a business carried on with this borrowed capital. If there be any facts of that kind, the Defendant may allege them in his answer, and avail himself of them, when they are proved at the hearing of the cause; but I must deal with this injunction upon the evidence before me«.446

Gegenstand von Baker v Bradley (1855)447 sind wiederum mehrere mortgages, die ein eben erst volljährig Gewordener bestellt hatte, um die Schulden 442 443 444 445 446 447

(1850) 12 Beav 589, 601. (1850 )12 Beav 589, 602 f. (1852) 10 Hare 260 = (1906) 68 ER 923. (1852) 10 Hare 260, 263 f. (1852) 10 Hare 260, 265. (1855) 7 De G M & G 597 = 44 ER 233 bzw. (1854) 2 Sm & Giff 531 = 65 ER 513.

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seines Vaters und seiner Mutter abzusichern. Während die Ausgangsentscheidung die gesamte Transaktion nicht beanstandet, sondern als ein angemessenes (reasonable) und damit privilegiertes family arrangement bewertet,448 kommt die Berufungsentscheidung zu einem gegenteiligen Ergebnis.449 Mithin finden die allgemeinen Grundsätze Anwendung, so dass die mortgages mangels unabhängiger Beratung (independent advice) des Sohnes jeweils wegen undue influence aufzuheben waren.450 Da einer der Gläubiger an den Machenschaften des Vaters beteiligt war bzw. hiervon wusste, konnten sich auch die übrigen Gläubiger nach den konkreten Umständen des Falles nicht etwa auf Unkenntnis berufen.451 Im Übrigen sieht das Berufungsgericht auch keine Anhaltspunkte für eine Bestätigung oder stillschweigende Anerkennung (confirmation or acquiescence) der mortgages durch den Sohn.452 Das Verfahren in Savery v King (1856)453 ist gleich in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung, als der Sohn unmittelbar nach Eintritt der Volljährigkeit zunächst dem Gläubiger und Anwalt seines Vaters eine mortgage eingeräumt hatte und dann einige Jahre später mit eben diesem Gläubiger und Anwalt einen Kaufvertrag abschloss, um mit dem Erlös die Schulden seines Vaters zu bedienen. Schon die Ausgangsentscheidung stellt die Unwirksamkeit dieser mortgage fest: Denn obwohl der Gläubiger als Anwalt mit den Grundsätzen der Rechtsprechung hätte vertraut sein müssen und sogar von anderer Seite noch ausdrücklich hierauf aufmerksam gemacht worden war, hatte er den Sohn zur zu dieser Interzession gedrängt, ohne eine wirklich unabhängige 448 (1854) 2 Sm & Giff 531, 558 ff. per Stuart V-C, der sich a. a. O., 560 insbesondere auf die Argumentation von Sir John Leach V-C in Rhodes v Cook (1826) stützt (s. o. Fn. 434). Dass außerdem hier die Eltern des klagenden Sohnes vor Gericht die Ausübung von undue influence geltend machten, war der Sache des Klägers ebenfalls nicht förderlich gewesen, vgl. a. a. O., 563: »The Plaintiff’s case is not improved by the parents appearing by counsel to support the case of undue influence exercised by them.« 449 (1855) 7 De G M & G 597, 615 f. per Knight Bruce LJ bzw. 620 f. per Turner LJ. 450 (1855) 7 De G M & G 597, 613 per Knight Bruce LJ bzw. 621 und 625 per Turner LJ. 451 (1855) 7 De G M & G 597, 614 f. per Knight Bruce LJ: »[…] the Plaintiff has, in my opinion, with respect to the disputed mortgage deeds of 1848, established a case, on his part, of misapprehension, imprudence, inexperience, unadvisedness, ignorance and subjection to unduly exercised influence, in all which Mr. Joseph Lovegrove’s [one of the mortgagees] participation, and to all which his privity, must prevent the other mortgagees from effectually contending that they were not throughout apprised of the true circumstances: A case, I say, sufficient on these grounds, in my opinion, to render it incumbent on a Court of Equity to relieve the Plaintiff and his property from all the obligations of suretyship for his father which were with such a remarkable want of propriety imposed on the Plaintiff in 1848. The same observations apply with equal force, or not importantly less strongly, to the security […] of October 1850.« 452 (1855) 7 De G M & G 597, 617 f. per Knight Bruce LJ bzw. 625 f. per Turner LJ. 453 (1856) 5 HLC 627 = 10 ER 1046 bzw. (1853) 1 Sm & Giff 271 = 65 ER 118.

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Beratung (independent advice) durch einen anderen Anwalt zu veranlassen.454 An dieser rechtlichen Bewertung hält daher auch die Entscheidung des House of Lords fest, die insbesondere keinen Raum für ein privilegiertes family arrangement oder eine Verwirkung (lapse of time) sieht, worauf der Gläubiger sein Rechtsmittel gestützt hatte.455 Da also der Gläubiger selbst beteiligt gewesen war, brauchte die Zurechnung von undue influence hier nicht weiter problematisiert werden. Schon etwas älter als 21 waren die beiden Söhne, die mit 25 bzw. 23 Jahren in Berdoe v Dawson (1865)456 eine mortgage für die Geschäftsschulden ihres Vaters in Höhe von 5.350 Pfund eingegangen waren. Zwar waren die beiden Söhne ebenfalls in der Schneiderei ihres Vaters beschäftigt, jedoch ohne als Partner am Gewinn beteiligt zu sein, sondern nur zu einem wöchentlichen Gehalt von zwanzig Schilling, das heißt einem Pfund. Sir John Romilly MR folgt daher der Einlassung der Söhne, dass sie kein eigenes Interesse am Fortgang des Geschäftsbetriebs hatten, und sieht für sie keinen eigenen Vorteil (benefit) aus der Interzession.457 Angesichts des von den Söhnen geschilderten rabiaten Charakters des Vaters und der völligen Abhängigkeit, in der sie sich befanden,458 fällt das von Gläubigerseite herausgestellte reifere Alter der Söhne für Romilly ebenfalls nicht ins Gewicht.459 Die unlautere Einflussnahme im Eltern-Kind-Verhältnis muss sich auch ein Gläubiger zurechnen lassen, der seinerseits entsprechenden Druck auf den Vater ausgeübt hat, um diesen hierzu zu bringen: »So were there is pressure used by a third person, who by means of threats against the father induces him to compel his sons to join in a security of which he derives the sole benefit, the Court holds that neither he nor the third person can retain the benefit of that security as against the sons.«460

(1853) 1 Sm & Giff 271, 301 ff. per Stuart V-C. (1856) 5 HLC 627, 656 ff., 661 bzw. 666 per Lord Cranworth LC. 456 (1865) 34 Beav 603 = 55 ER 768. 457 (1865) 34 Beav 603, 605, 607. 458 (1865) 34 Beav 603, 607: »They say that they were totally dependent upon their father, that he was ›a man of determined and austere temper,‹ and that his children never ›dared to contradict him or interfere with his wishes; that his word with them was law, and the only conversation which ever passed between him and any of them was of the shortest and most ordinary description, and that no intercourse of a confidential character ever passed between them.‹ In substance, that they never thought of resisting what he advised, recommended or required them to do.« 459 (1865) 34 Beav 603, 610: »[…] I do not think this affects the case. If these two persons were entirely under the control of their father, and could do nothing but what he allowed them to do, and he required them to sign a deed of this description under the pressure of his displeasure and the fear of ruin in case of refusal, I think they are entitled to the protection of the Court and to be relieved from it.« 460 (1865) 34 Beav 603, 608 f. 454 455

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Noch deutlicher und unmittelbarer tritt die Beteiligung der Gläubiger in Sercombe v Sanders (1865)461 zutage. Hier hatten die beiden älteren Brüder nach dem Tod des Vaters ihren jüngeren Bruder Walter großgezogen und waren ihm gegenüber in loco parentis gerückt. Sechs Monate nach Vollendung des 21. Lebensjahrs interzedierte der jüngere Bruder in Form einer mortgage (kombiniert mit der Einwilligung in den Verkauf seines Erbteils) für die Außenstände, die seine Brüder im Rahmen ihres Saatguthandels bei den beklagten Bankern offenstehen hatten. Die von den Anwälten der Banker entworfene Interzession wurde dem jüngeren Bruder dabei von einem Bankangestellten zur Unterschrift vorgelegt zusammen mit einem Begleitschreiben, das einer der beiden älteren Bruder auf Betreiben des Bankangestellten verfasst hatte und in dem nachdrücklich an die Dankbarkeit und Solidarität von Walter appelliert wurde.462 Romilly MR nimmt hier ausdrücklich auf seine Entscheidung in Berdoe v Dawson Bezug und hebt die streitige Interzession mangels independent advice auf. Darüber hinaus spricht er noch einmal klar und deutlich eine Warnung aus, dass Gläubiger ihre Position nicht verbessern, wenn sie die Schuldner dazu verleiten, nahe Angehörige (near relations or persons under their influence) mit in die Haftung zu holen, die nicht in der Lage sind, deren Drängen zu widerstehen (to resist their importunity): »It is important that creditors should understand that they cannot improve their security, taken from persons to whom they have given credit, by inducing them, at the last moment, to compel near relations or persons under their influence, and not in a situation to resist their importunity, to pay their debts. Here a firm of bankers permit the Plaintiff’s elder brothers to draw on them to a large amount, without having sufficient security for these advances, and six months after the Plaintiff, their younger brother, comes of age, they press him, through his brother, to convey his share of the property for his brothers’ debt. This is like Berdoe v. Dawson (…), where exactly similar transactions took place; there the security was obtained through the father, but here through the elder brother.«463

Ebenfalls um Interzessionen für eine Person in loco parentis dreht sich der Rechtsstreit in Kempson v Ashbee (1874)464, wo eine Halbwaise noch als Minderjährige für ihren Stiefvater eine Schuldverschreibung mitgezeichnet hatte. Kurz nach Erreichen der Volljährigkeit ging sie gegenüber dem Gläubiger ihres Stiefvaters eine weitere Zahlungsverpflichtung ein für den Fall, dass dieser in sechs Jahren seine Verbindlichkeiten nicht bedienen können sollte. Schon die Begleitumstände dieser Interzession erscheinen fragwürdig, als die Klägerin ihre Zustimmung nur unter Druck und im Vertrauen auf die (1865) 34 Beav 382 = 55 ER 682. (1865) 34 Beav 382, 383 f.: »›My dear Walter, – Mr. Cole [the bankers’ clerk] will call and see you for your signature to the assignment of your interest in the house. You will not object to do it, I am sure, after all that has passed. You may rely upon it that what we both have at stake shall be protected and preserved; but we must act in concert now. […]‹« 463 (1865) 34 Beav 382, 385. 464 (1874) LR 10 Ch App 15. 461 462

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ausdrückliche Zusicherung des Stiefvaters erteilt hatte, dass ihre Unterschrift eine reine Formsache sei und sie mit keiner tatsächlichen Zahlung rechnen müsse: »The Plaintiff at first refused, but under considerable pressure, as on the former occasion, being, as she stated, made to sign, and relying upon his assurance that her signature would be only a matter of form, and that she would never be called upon for anything under the instrument, she consented.«465

Eine solche Verharmlosung steigert die originäre Gefahr einer jeden Interzession, nämlich das Vertrauen des Interzedenten darauf, dass der Schuldner später schon zahlen und es somit nicht zum Eintritt des Sicherungsfalls kommen werde. Umso mehr ist daher in derartigen Fällen eine unabhängige Beratung (independent advice) des Interzedenten unerlässlich: »This security was not to come into operation for six years, and only by way of suretyship, if her step-father himself failed to pay. If there ever was a transaction which required independent advice this was one. How could this young lady understand the nature of the transaction? How could she know whether, at the end of six years, her step-father was likely to be solvent or insolvent? Of course he told her he would pay, but it was a case, above all others, in which independent advice was necessary.«466

Ferner geht das Gericht nach den konkreten Umständen davon aus, dass der Gläubiger hier sehr wohl Kenntnis (knowledge) von der unlauteren Einflussnahme im Eltern-Kind-Verhältnis hatte.467 Eine dritte Schuldverschreibung, die schließlich nach Eintritt des Sicherungsfalls von der inzwischen 29-Jährigen eingegangen wurde, wird ebenfalls aufgehoben, da ihr diese nach Überzeugung des Gerichts direkt vom Gläubiger abgerungen wurde. Anderenfalls drohe eine Aushebelung der gesamten Rechtsprechung durch Gläubiger, die sich später einfach immer weitere Sicherheiten durch den Interzedenten bestellen ließen.468 In Bainbrigge v Browne (1881)469 hatten drei Geschwister ihre eigenen Anteile am Familienvermögen mitabgetreten, um die Schulden ihres Vaters bei dessen Gläubigern abzusichern. Da die Tochter (25) noch zuhause bei ihren Eltern lebte und ihre beiden Brüder (24 bzw. 22) noch studierten, ging das Gericht davon aus, dass sich alle drei noch nicht vollständig von der Autorität ihres Vaters emanzipiert hatten. Folglich lag beim Vater die Beweislast dafür, dass die Kinder nicht aufgrund von undue influence, sondern nach einer unabhängigen Beratung (independent advice), im Wissen um den maßgeblichen Inhalt des Rechtsgeschäfts und aus freiem Willen gehandelt haben. Da sich (1874) LR 10 Ch App 15, 16. (1874) LR 10 Ch App 15, 19 f. per Lord Cairns LC. 467 (1874) LR 10 Ch App 15, 21 per Sir W. M. James LJ. 468 (1874) LR 10 Ch App 15, 20 f. per Lord Cairns LC bzw. 21 per Sir W. M. James LJ. 469 (1881) 18 Ch D 188. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 31 f. 465 466

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dieser aber hierzu nicht eingelassen hatte und dem ganzen Prozess überhaupt ferngeblieben war, wurde die Vereinbarung ihm gegenüber für unwirksam erklärt.470 Bei der Frage, wie sich dies im Weiteren auf das Verhältnis der Kinder gegenüber den Gläubigern auswirkt, stellt Fry J einige grundsätzliche Überlegungen dazu an, wer die Vermutung von undue influence gegen sich gelten lassen muss. Dies ist zum Ersten die Person, die in der Lage ist, selbst einen entsprechenden Einfluss auszuüben; dann jeder, der sich dies bereitwillig zu Nutze macht (every volunteer); und schließlich jeder, der von der fehlenden Billigkeit (equity) der Transaktion Kenntnis (notice) hat oder der zumindest die Umstände (circumstances) kennt, aus denen sich diese Unbilligkeit ergibt. Darüber hinaus muss sich aber niemand undue influence zurechnen lassen: »[…] against whom does this inference of undue influence operate? Clearly it operates against the person who is able to exercise the influence (in this case it was the father) and, in my judgment, it would operate against every volunteer who claimed under him, and also against every person who claimed under him with notice of the equity thereby created, or with notice of the circumstances from which the Court infers the equity. But, in my judgment, it would operate against no others; it would not operate against a person who is not shewn to have taken with such notice of the circumstances under which the deed was executed.«471

Mit Blick auf die konkrete Beweislage gibt es jedoch nach Auffassung von Fry J keine Anhaltspunkte, dass die Gläubiger von den Umständen Kenntnis (notice or knowledge) hatten, die für die Vermutung von undue influence im Eltern-Kind-Verhältnis maßgeblich waren; vielmehr konnten sie aus ihrer Sicht berechtigterweise davon ausgehen konnten, dass die drei Kinder hinreichend anwaltlich beraten und von Freunden der Familie unterstützt wurden.472 Zwar räumt Fry J ein, dass hier die Beratung der Kinder durch denselben Anwalt erfolgt ist, der auch für den Vater tätig war. Er sieht hierin jedoch keinen möglichen Interessenkonflikt, der eine wirklich unabhängige Beratung gefährden könnte: »Therefore, unless I am to hold that it is absolutely necessary that the solicitor who is advising the children in such a case should be a different person from the solicitor who is advising the parent, I am unable to find that the Defendants had notice of any of the circumstances from which undue influence can be inferred.«473

Im Gegensatz zu Fry J drängt die Rechtsprechung sonst in vergleichbaren Situationen darauf, dass zur Vermeidung von Interessenkonflikten insoweit ein anderer und nicht derselbe Anwalt eingeschaltet wird sowohl in früheren

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(1881) 18 Ch D 188, 196. (1881) 18 Ch D 188, 196 f. (1881) 18 Ch D 188, 197 f. (1881) 18 Ch D 188, 198.

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Entscheidungen wie Harvey v Mount (1845),474 Toker v Toker (1862)475 oder Everitt v Everitt (1870)476 als auch in späteren wie Hoblyn v Hoblyn (1889)477 oder Powell v Powell (1900)478. Auch an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert heben weitere Entscheidungen wie De Witte v Addison (1899)479 oder London & Westminster Loan & Discount Co v Bilton (1911)480 jeweils eine mortgage wegen undue influence auf, die eine junge, noch daheim lebende Erwachsene zugunsten ihres Vaters bestellt hatte, ohne dabei zuvor eine unabhängige Beratung (independent advice) erhalten zu haben. Während all diese Entscheidungen die Interzession des Kindes für einen Elternteil bzw. für eine Person in loco parentis betreffen, geht es in Williams 474 (1845) 8 Beav 439, 452 f. per Lord Langdale MR: »I do, however, think, that he would have taken a more prudent and wise course, when he found out that these ladies understood so little what it was they wanted […] if he had said, I will act for one of you only, I cannot act for both. […] By directing his attention to the interest of both, and by endeavouring to give satisfaction to both, he seems to me to have failed, and in this respect I think that his conduct was erroneous«. 475 (1862) 31 Beav 629, 641 per Romilly MR: »There is another circumstance which I also think strongly in favour of the Defendant: the solicitor who prepared the deed was her own solicitor, and the old family solicitor. […] It differs, therefore, materially from those cases in which only one solicitor was employed, and that one the solicitor of the grantee.« – Für den beklagten Neffen war es hier also entlastend, dass die Tante nicht etwa seinen, sondern ihren eigenen Anwalt konsultiert hatte. 476 (1870) LR 10 Eq 405, 411 per Sir W. M. James V-C: »I think, possibly, it would have been better, also, if Mr. Futvoye [the solicitor] had said, ›You had better talk to some one else. I have been solicitor for the trustees; this is my view; go and get some other solicitor, and consult him about it.‹« 477 (1889) 41 Ch D 200, 205 per Kekewich J: »And if this duty is often, and in simple cases sufficiently, discharged by the father’s solicitor, it is sometimes with advantage handed over to another solicitor called in for the particular purpose, or, according to a commendable practice familiar to me through an eminent conveyancer, referred to counsel instructed to advise the young man independently. To omit all these precautions is to incur risk.« 478 [1900] 1 Ch 243, 246 f. per Farwell J: »Further, in my judgment, the donee does not discharge this burden by shewing that his own solicitor acted for both parties. A solicitor who accepts such a post puts himself in a false position; if he acts for both, he owes a duty to both, to do the best that he can for both. But the Court requires that the donor should be placed in as good a position as if he were in fact emancipated. The solicitor, therefore, must be independent of the donee in fact, and not merely in name, and this he cannot be if he is solicitor for both.« 479 (1899) 80 LT 207, 211 f. per Lindley MR. 480 (1911) 27 TLR 184, 185 f. per Joyce J: »Where a parent was borrowing upon such a security as this given by his unmarried daughter living under his roof it behoved the lender to ascertain and assure himself not only that she understood what she was doing, but also that she was not acting under parental unfluence, and practically this could hardly be done except by seeing that she had competent and independent advice.«

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v Bayley (1866)481 um den umgekehrten Fall, dass der Vater für seinen Sohn interzediert. Um die Gläubiger von einer Strafanzeige gegen den Sohn abzuhalten, der mehrere Indossamente mit der Unterschrift des Vaters gefälscht hatte, vereinbarte der Vater mit diesen, eine mortgage zu ihren Gunsten zu bestellen. Dies bewerten die Richter in beiden Instanzen übereinstimmend als unlautere Ausnutzung einer Zwangslage durch die Gläubiger, so dass die betreffenden Vereinbarungen mit dem Vater wegen der Ausübung von pressure bzw. undue influence aufgehoben werden.482 Wie die Analyse des Fallrechts insgesamt zeigt, sind im 19. Jahrhundert sowohl Personalinterzessionen, vor allem in Gestalt einer promissory note,483 als auch Realinterzessionen, typischerweise in Gestalt einer mortgage,484 Gegenstand der Rechtsprechung, mitunter sogar Kombinationen aus beiden.485 Mit Blick auf die persönliche Nähebeziehung werden, wie auch sonst, neben dem Eltern-Kind-Verhältnis auch andere Beziehungen erfasst, bei denen der überlegene Teil eine vergleichbare Position in loco parentis innehat, sei es der Stiefvater wie in Espey v Lake (1852) und Kempson v Ashbee (1874), der Onkel wie in Archer v Hudson (1844) oder ein älterer Bruder wie in Sercombe v Sanders (1865). b) Undue influence im Verhältnis zwischen Vormund und Mündel aa) Allgemeine Grundsätze Die von der Chancery entwickelten Grundsätze finden auch auf irische Fälle Anwendung. In Dawson v Massey (1809)486 werden mehrere Pachtverträge (leases) aufgehoben, die das ehemalige Mündel kurz nach Eintritt der Volljährigkeit mit seinem Onkel und früheren Vormund weit unter Wert abgeschlossen hat. Zwar war zu diesem Zeitpunkt das Vormundschaftsverhältnis beendet, aber der Onkel nahm nach den konkreten Umständen immer noch eine Position in loco parentis ein.487 Zudem besaß er durch die langjährige Verwaltung der Anwesen gegenüber seinem Neffen einen Informationsvorsprung, der nicht einmal ansatzweise ausgeglichen war.488 Auch in Ayl(1866) LR 1 HL 200; (1864) 4 Giff 638 = 66 ER 862. (1866) LR 1 HL 200, 208 ff. per Lord Cranworth LC, 213 ff. per Lord Chelmsford bzw. 216 ff. per Lord Westbury. So zuvor schon (1864) 4 Giff 638, 658 ff. per Sir John Stuart V-C. – Der Begriff undue influence fällt nur bei Lord Chelmsford, a. a. O., 216. 483 Vgl. Archer v Hudson (1844) 7 Beav 551; Espey v Lake (1852) 10 Hare 260; Kempson v Ashbee (1874) LR 10 Ch App 15; Bainbrigge v Browne (1881) 18 Ch D 188. 484 Vgl. Baker v Bradley (1855) 7 De G M & G 597; Savery v King (1856) 5 HLC 627; Berdoe v Dawson (1865) 34 Beav 603; Sercombe v Sanders (1865) 34 Beav 382. 485 Vgl. Thornber v Sheard (1850) 12 Beav 589. 486 (1809) 1 Ball & B 219. 487 (1809) 1 Ball & B 219, 233 per Lord Manners LC of Ireland. 488 (1809) 1 Ball & B 219, 236 f. per Lord Manners LC of Ireland. 481 482

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ward v Kearney (1814)489 geht es um einen Pachtvertrag zu völlig unangemessenen Konditionen, den ein gerade volljährig gewordenes Mündel eingegangen war, allerdings nicht mit dem Vormund (seinem Großvater), sondern mit dessen Sohn (seinem Onkel). Es kommt jedoch nicht darauf an, ob letzterer an der Einflussnahme beteiligt gewesen ist oder nicht, solange er den Vorteil hieraus erhalten hat,490 so dass der Pachtvertrag sowohl wegen public policy als auch wegen private justice keinen Bestand haben kann.491 Beide Entscheidungen betonen dabei einmal mehr, dass die Rechtsprechung mit besonderem Argwohn (jealousy) jede Transaktion verfolgt, die kurz nach Eintritt der Volljährigkeit getätigt wird.492 Mitunter kann das Verhältnis zwischen Vormund und Mündel mit dem zwischen Eltern und Kind zusammenfallen, wenn ein (Stief-)Elternteil gleichzeitig die Funktion eines Vormunds übernommen hat wie etwa in Davies v Davies (1863)493 der Vater oder in Powell v Powell (1900)494 die Stiefmutter. Darüber hinaus ist eine vergleichbare Beziehung grundsätzlich auch ohne die förmliche Bestellung zum Vormund denkbar. Allerdings genügt es nach Taylor v Johnston (1882)495 hierfür nicht, wenn die Waise nur für wenige Monate bis zu ihrem Tod bei Verwandten ihres Vaters zur Pflege gewohnt hat, zumal wenn sie außerhalb des häuslichen Umfelds auf den unabhängigen Rat und die Unterstützung durch einen alten Freund ihres verstorbenen Vaters zurückgreifen konnte.496 bb) Interzessionen Besonders aussagekräftig sind die beiden Entscheidungen in Maitland v Irving (1846)497 und Maitland v Backhouse (1847)498 zu Interzessionen eines ehemaligen Mündels für den Onkel und früheren Vormund. Im ersten Verfahren hatte sich die Klägerin anderthalb Jahre nach ihrem 21. Geburtstag zunächst bei zwei Geschäftspartnern ihres Onkels Maclean verbürgt, um für ihn einen Zahlungsaufschub zu erreichen. Als die gerichtli(1814) 2 Ball & B 463. (1814) 2 Ball & B 463, 476 per Lord Manners LC of Ireland. 491 (1814) 2 Ball & B 463, 478 per Lord Manners LC of Ireland. 492 Dawson v Massey (1809) 1 Ball & B 219, 232; Aylward v Kearney (1814) 2 Ball & B 463, 478. 493 (1863) 4 Giff 417, 423 f. per Stuart V-C mit einem wörtlichen Zitat aus Lord Eldons Argumentation in Hatch v Hatch (s. o. Fn. 158). 494 [1900] 1 Ch 243. 495 (1882) 19 Ch D 603. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 46. 496 (1882) 19 Ch D 603, 609 f. per Bacon V-C. 497 (1846) 15 Sim 437 = 60 ER 688. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 45 f. 498 (1847) 16 Sim 58 = 60 ER 794. 489 490

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che Durchsetzung der gesicherten Ansprüche drohte, war diese guarantee dann auf Betreiben ihres Onkels durch einen Scheck und eine zusätzliche Schuldverschreibung der Nichte ersetzt worden. Die beklagten Gläubiger räumten ein, dass sie die Nähebeziehung der Interzedentin zum Schuldner, ihr beträchtliches Vermögen und ihr Alter kannten sowie insbesondere den Umstand, dass sie zuvor als sein Mündel bei ihm gelebt hatte. Allerdings habe der Schuldner ihnen gegenüber weder erwähnt, dass er irgendeinen Einfluss (any influence or control) auf sie gehabt hatte, noch habe einer von ihnen dies gewusst oder geahnt.499 Sir Lancelot Shadwell V-C bewertete diese Einlassung jedoch als reine Schutzbehauptung.500 Angesichts der ihnen bekannten Umstände hätten die beiden Gläubiger vielmehr erkennen müssen, dass sie sich gerade diesen Einfluss selbst zunutze machen, den der Schuldner pflichtwidrig einsetzte, um seine Nichte zur ersten Interzession zu bewegen. Da die beiden Gläubiger im Wissen um die Wehrlosigkeit der Interzedentin mit dem Schuldner zusammengewirkt hätten, seien sie ihm insoweit gleichzustellen.501 Folglich komme die Rechtsprechung zu nahen Angehörigen (near relations) zum Tragen, so dass die von der Klägerin beantragte einstweilige Verfügung (injunction) gegen den Scheck zu gewähren sei. Denn der später ausgestellte Scheck habe als neue Sicherheit (zusammen mit der Schuldverschreibung) lediglich die ursprüngliche Interzession ersetzt.502 Das zweite Verfahren wurde von derselben Klägerin gegen die Bank ihres Onkels angestrengt, um ebenfalls mittels einer injunction die Inanspruchnahme aus einem Indossament zu verhindern. Hier hatte der Onkel zunächst selbst (1846) 15 Sim 437, 441 f. (1846) 15 Sim 437, 442: »Now, it seems to me a most extraordinary thing that these gentlemen, after making the admission, which they do in detailed terms, of the circumstances which existed with regard to D. Maclean and this young lady; should go on to say that he did not state to them, nor did they or either of them understand or believe that Maclean had any influence or control over her.« 501 (1846) 15 Sim 437, 443: »They must, if they had thought proper to think, have perceived that, by adopting the suggestion of Maclean (which they immediately did), they relied on the influence that he had over the young lady. […] she was induced to do the act upon an application made to her by a person who, if he had performed his duty, would have advised her not to do that which he applied to her to do. She was influenced by him, or, at least, allowed by him to give this very guarantee […] knowing the defenceless situation of the young lady, combined with Maclean, who disclosed it to them, in order that advantage might be taken of her defenceless situation, for the benefit of all the three. And my opinion is that they must, all three, be considered as standing in the same situation.« 502 (1846) 15 Sim 437, 443 f.: »For what subsequently took place was nothing more than a substitution of the note and the cheque for the guarantee, which had been given by the Plaintiff […]. Having regard, then, to what has been the rule of this Court, namely, to view with great jealousy the exercise of any influence by persons standing in the situation of near relations over persons just attaining their age of twenty-one years, it seems to me that this case, as it is represented by the answer, is one in which the Court is bound to interfere to the extent, at least, of continuing the injunction«. 499 500

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eine Schuldverschreibung (promissory note) zugunsten seiner Nichte ausgestellt, die sie auf seinen Vorschlag hin indossierte in der Annahme, mit ihrer Unterschrift nur den Erhalt zu quittieren bzw. die inhaltliche Richtigkeit ihrer verbrieften Forderung zu bestätigen. Anschließend übergab der Onkel das Papier an seine Geschäftsfreunde, die Stahlfabrikanten Bolckow & Vaughan, die es kurz darauf bei der beklagten Bank einreichten, bei der sowohl sie als auch der Onkel ein Konto unterhielten. Ähnlich wie im ersten Verfahren gab die beklagte Bank zu, dass sie die Nähebeziehung zwischen dem Schuldner und der Klägerin kannte, die namentlich als sein Mündel einige Zeit bei ihm gelebt hatte. Ebenso wusste die Bank von der prekären finanziellen Lage des Onkels und von den bei ihr aufgelaufenen Verbindlichkeiten der Stahlfabrikanten. Die Bank vergewisserte sich freilich nur bezüglich der Volljährigkeit der Klägerin und ihres Vermögens, ohne aber darüber hinaus weitere Erkundigungen zu den näheren Umständen anzustellen. 503 Schon bei einem ersten Termin meldet Sir Lancelot Shadwell V-C deshalb erhebliche Zweifel an, ob die beklagte Bank sich redlicherweise hiermit begnügen konnte.504 Lord Cottenham LC schließlich bewertet die gesamte Transaktion als ein abgekartetes Spiel zwischen dem Onkel und den Stahlfabrikanten, um an das Geld der Klägerin zu gelangen. Dies sei so offensichtlich gewesen, dass die beklagte Bank jedenfalls Veranlassung gehabt hätte, weitere Erkundigungen zu den näheren Umständen des Indossaments einzuholen, insbesondere bei der Klägerin selbst.505 Dies habe die Beklagte jedoch bewusst unterlassen, weil ihr – wie allen Banken – erst einmal eine jede weitere Sicherheit willkommen gewesen sei, unabhängig davon, ob sich diese später überhaupt verwerten lässt: »We know very well that if bankers have a customer to whom they are in advance, they will take any security the customer gives them, whatever it may be; if it is good, so much the better; if it is bad, they are none the worse for having it.«506

Auch in diesem Verfahren erhält die Klägerin deshalb eine injunction gegen die beklagte Bank.507

(1847) 16 Sim 58, 62. (1847) 16 Sim 58, 63. 505 (1847) 16 Sim 58, 66: »The whole transaction shews an understanding and arrangement between Maclean and Bolkow & Vaughan for the purpose of obtaining money either for Maclean alone or for themselves and him; and if the transaction was sufficient to raise a presumption in the minds of the bankers, that the note came out of the possession of Maclean into the hands of Bolkow & Vaughan, it surely was sufficient to create a suspicion in their minds as to the origin of the transaction, and to induce them to inquire into the history of it; especially as they knew the connexion between the Plaintiff and Maclean; that she had not long before emerged from infancy and that he was insolvent.« 506 (1847) 16 Sim 58, 67. 507 (1847) 16 Sim 58, 67 ff. 503 504

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c) Undue influence im Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant aa) Allgemeine Grundsätze Besonders strenge Maßstäbe werden von der Rechtsprechung weiterhin angelegt, wenn es um unentgeltliche Zuwendungen des Mandanten an seinen Anwalt (solicitor) geht, wie etwa in Goddard v Carlisle (1821),508 Tomson v Judge (1855),509 Morgan v Minett (1877),510 Liles v Terry (1895),511 oder Barron v Willis (1900)512.513 Denn mit Blick auf die public utility514 besteht hier in mehrfacher Hinsicht ein gesteigertes Schutzbedürfnis: Zum einen besitzt gerade ein solicitor intime Kenntnisse über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seines Mandanten, der sich ihm häufig über einen längeren Zeitraum in allen rechtlichen Fragen anvertraut hat.515 Zum anderen nimmt ein Anwalt als Organ der Rechtspflege aber auch gegenüber dem Gericht eine besondere Vertrauensstellung ein.516 Außerdem ist bei einem Anwalt davon auszugehen, dass er als Rechtskundiger von Anfang an weiß, worauf er sich einlässt, wenn er Transaktionen tätigt, die von der Rechtsordnung missbilligt werden.517 Aus diesen Gründen finden sich folglich nur sehr wenige Stimmen, die diese restriktive Haltung der Rechtsprechung kritisieren. So äußert Lord Esher MR in Liles v Terry (1895) zwar deutliche Kritik an den von der Equity entwickelten Grundsätzen, die er dann aber gleichwohl uneinge-

(1821) 9 Price 169 = 147 ER 57. (1855) 3 Drew 306 = 61 ER 920. 510 (1877) 6 Ch D 638. 511 [1895] 2 QB 679. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 49. 512 [1900] 2 Ch 121, bestätigt durch die einstimmige Entscheidung des House of Lords in Willis v Barron [1902] AC 271. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 49 f. 513 Die Entscheidung des House of Lords in Bulkley v Wilford (1834) 2 Cl & Fin 102 = 6 ER 1094; 8 Bligh NS 111 = 5 ER 888 wird mitunter ebenfalls in diesem Kontext aufgeführt, wie etwa bei KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 51 Fn. 13. In der Sache geht es jedoch nicht um undue influence, sondern allein um fraud, da es der Anwalt arglistig unterlassen hatte (fraudulenty omitted), seinen Mandanten pflichtgemäß über eine zunächst unbemerkt gebliebene Rechtsfolge des fraglichen Geschäfts zu informieren, um hierdurch einen Vorteil für sich selbst zu erlangen (nämlich das Erbe des Mandanten, dessen Verwandter er zugleich war), vgl. 2 Cl & Fin 102, 171 ff. und 8 Bligh NS 111, 137 ff. per Earl of Eldon bzw. 2 Cl & Fin 102, 182 ff. und 8 Bligh NS 111, 148 ff. per Lord Wynford. 514 Morgan v Minett (1877) 6 Ch D 638, 645 per Bacon V-C »safety of society«; Liles v Terry [1895] 2 QB 679, 684 per Lopes LJ bzw. 685 f. per Kay LJ »public policy«. 515 Tomson v Judge (1855) 3 Drew 306, 316 per Kindersley V-C; Allison v Clayhills (1907) 97 LT 709, 712 per Parker J. 516 Goddard v Carlisle (1821) 9 Price 169, 181 per Richards CB bzw. 185 per Garrow Β. 517 Ähnlich Liles v Terry [1895] 2 QB 679, 686 per Kay LJ. 508 509

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schränkt anwendet.518 Seine beiden Kollegen Lopes LJ und Kay LJ hingegen verteidigen in derselben Entscheidung mit großem Nachdruck die konsequente Linie der Rechtsprechung. 519 Ausgenommen sind hiervon – im Anschluss an Turner LJ in Rhodes v Bate (1866) – lediglich Bagatellgeschenke.520 Schon allein das Bestehen der Vertrauensbeziehung (confidential relation) zwischen Anwalt und Mandant zieht die rechtliche Vermutung (legal presumption) nach sich, dass die Zuwendung auf undue influence beruht.521 Für die Annahme einer Vertrauensbeziehung kommt es dabei nicht auf eine förmliche Mandatierung an, sondern darauf, ob de facto nach den konkreten Umständen berechtigterweise ein besonderes Vertrauen auf den Anwalt gesetzt werden kann.522 Eine ausnahmsweise wirksame Zuwendung wird nur dann anerkannt, wenn dieses Verhältnis zuvor beendet wird523 und anschließend eine fachkundige und unabhängige Beratung durch einen Dritten (competent and independent advice) stattfindet.524 Der bloße Vorschlag, einen anderen Anwalt zu konsultieren, reicht insoweit nicht aus, wenn nicht gleichzeitig erklärt wird, warum dies im konkreten Fall angezeigt ist, um im Hinblick auf bestimmte Rechtsfolgen eine neutrale Beratung durch einen unabhängigen Dritten sicherzustellen.525 Keine Rolle spielt es hierbei, ob die unentgeltliche Zuwendung des Mandanten an den Anwalt selbst oder an einen seiner Angehörigen erfolgt.526 Vgl. Liles v Terry [1895] 2 QB 679, 683 f. per Lord Esher MR. Vgl. Liles v Terry [1895] 2 QB 679, 684 per Lopes LJ bzw. 685 per Kay LJ. – Ebenso später Barron v Willis [1900] 2 Ch 121, 131 f. per Lindley MR. 520 Rhodes v Bate (1866) LR 1 Ch App 252, 258 per Turner LJ; Liles v Terry [1895] 2 QB 679, 685 f. per Kay LJ; Barron v Willis [1900] 2 Ch 121, 132 per Lindley MR. – POLLOCK, Principles of Contract (1876), S. 542. 521 Liles v Terry [1895] 2 QB 679, 683 per Lord Esher MR bzw. 685 ff. per Kay LJ. – Ähnlich Morgan v Minett (1877) 6 Ch D 638, 646 f. per Bacon V-C. 522 Barron v Willis [1900] 2 Ch 121, 130, 133 per Lindley MR, 134 per Rigby LJ bzw. 135 f. per Collins LJ. – Anders im Ergebnis noch die Ausgangsentscheidung Barron v Willis [1899] 2 Ch 578, 582, 586 f. per Cozens-Hardy J. 523 Tomson v Judge (1855) 3 Drew 306, 316 f. per Kindersley V-C; Morgan v Minett (1877) 6 Ch D 638, 646 ff. per Bacon V-C; Liles v Terry [1895] 2 QB 679, 684 per Lopes LJ. – Während Kindersley V-C dabei noch offen lässt, ob die Beziehung vollständig (»in all respects«) oder nur in dieser Angelegenheit (»in hac re only«) beendet werden muss, fordert Lopes LJ insoweit die völlige Auflösung (»entirely«). 524 Goddard v Carlisle (1821) 9 Price 169, 181 per Richards CB bzw. 185 per Garrow Β; Morgan v Minett (1877) 6 Ch D 638, 648 per Bacon V-C; Liles v Terry [1895] 2 QB 679, 684 per Lopes LJ bzw. 685 f. per Kay LJ. 525 Barron v Willis [1900] 2 Ch 121, 130 per Lindley MR, 133 f. per Rigby LJ bzw. 136 per Collins LJ. 526 Goddard v Carlisle (1821) 9 Price 169, 179, 182 per Richards CB bzw. 184 per Graham B; Liles v Terry [1895] 2 QB 679, 685 per Lopes LJ bzw. 686 per Kay LJ; Barron v Willis [1899] 2 Ch 578, 585 per Cozens-Hardy J; [1900] 2 Ch 121, 135 per Rigby LJ bzw. 136 f. per Collins LJ. 518 519

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Die gleichen Grundsätze dürften ferner auch gegenüber einem barrister zur Anwendung kommen, der den Mandanten vor Gericht vertritt.527 In Broun v Kennedy (1863)528 hatte der Beklagte für die Klägerin einen bedeutenden Erbstreit gewonnen,529 ohne aber hieraus einen Vergütungsanspruch für sich ableiten zu können, da das entsprechende Erfolgshonorar während des laufenden Rechtsstreits vereinbart worden war.530 Um sich abzusichern, hatte sich der Beklagte nach erfolgreichem Abschluss des Erbstreits außerdem noch Grundbesitz von der Klägerin übertragen lassen. Diese Zuwendung wurde von Sir John Romilly ebenfalls für unwirksam unerklärt, da zu diesem Zeitpunkt zwar die gerichtliche Vertretung formal beendet war, aber eben nicht die besondere Vertrauensbeziehung zum rechtlichen Berater und Beistand (relation of confidential adviser and counsel), die nach den konkreten Umständen des Falles vielmehr immer noch andauerte.531 Über die Liebesbeziehung, die im fraglichen Zeitraum zwischen den beiden bestanden hatte,532 schweigen sich die offiziellen Reports aus. Eine scharfe Trennlinie wird von der Rechtsprechung schließlich zwischen unentgeltlichen Zuwendungen einerseits und entgeltlichen Rechtsgeschäften andererseits gezogen.533 Mit letzteren beschäftigt sich ebenfalls eine Vielzahl von Entscheidungen wie Wood v Downes (1811),534 Montesquieu v Sandys (1811),535 Edwards v Meyrick (1842),536 Holman v Loynes (1854)537 oder Gresley v Mousley (1859)538. 527 So auch ENONCHONG, Undue Influence (2012), Rn. 14-008 in Fn. 21. Zurückhaltender KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 50 f. 528 (1863) 33 Beav 133 = 55 ER 317, bestätigt durch (1864) 4 De G J & S 217 = 46 ER 901. 529 Zum sog. Swinfen will case vgl. PUE, (1990) 15 LSI 49, 60 ff. 530 (1863) 13 CB NS 677 = 143 ER 268. Anders noch die Entscheidung der Vorinstanz in (1862) 2 F & F 801 = 175 ER 1292. – Vgl. hierzu PUE, (1990) 15 LSI 49, 102 ff. 531 (1863) 33 Beav 133, 148: »Mr. Kennedy argues strenuously that the relation of advocate and client did not exist at the moment of time when this deed was executed, for that she was not engaged in litigation. But this Court does not proceed on the mere technicality of the existence of such a relation at that moment, if the fact were so, but upon the proof of the degree of influence existing at the time, which, in the present case, is established conclusively, and also that it arose from the relation of confidential adviser and counsel previously existing and subsequently continued, and which enabled the Defendant to exert over the mind of the grantor a power sufficient to obtain the deed.« 532 PUE, (1990) 15 LSI 49, 102. 533 Tomson v Judge (1855) 3 Drew 306, 313 ff. per Kindersley V-C; Morgan v Minett (1877) 6 Ch D 638, 646 per Bacon V-C. 534 (1811) 18 Ves Jun 120 = 34 ER 263. 535 (1811) 18 Ves Jun 302 = 34 ER 331; 2 Ves Jun Supp 525 = 34 ER 1210. 536 (1842) 2 Hare 60 = 67 ER 25. 537 (1854) 4 De G M & G 270 = 43 ER 510. 538 (1859) 4 De G & J 78 = 45 ER 31. – Vgl. zuvor (1856) 2 K & J 288 = 69 ER 789 sowie (1858) 1 Giff 450 = 65 ER 995 bzw. danach (1862) 3 De G F & J 433 = 45 ER 946.

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Beim Erwerb der Streitsache durch den Anwalt kann wie in Wood v Downes (1811) zugleich eine unzulässige Unterstützung der Prozesspartei durch einen Außenstehenden in Betracht kommen, insbesondere wenn er sich für den Fall des Obsiegens einen Teil des Prozessgewinns zusichern lässt (maintenance and champerty)539.540 Wie Lord Eldon LC in Montesquieu v Sandys (1811) klarstellt, ist es dem Anwalt nicht verwehrt, von seinem Mandanten einen Gegenstand zu kaufen, mit dem er im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit (in hac re) nicht unmittelbar zu tun hatte, insbesondere wenn die Initiative hierzu vom Mandanten ausgeht und er selbst weder besonderes Vertrauen in seiner Funktion als Anwalt in Anspruch nimmt noch irgendeinen Informationsvorsprung hat.541 In einigen Fällen ist es etwa entscheidend, ob der Anwalt beim Grundstückskauf gegenüber seinem Mandanten einen auszugleichenden Informationsvorsprung besessen hat hinsichtlich der anstehenden Erschließbarkeit von Kohlevorkommen oder anderen Bodenschätzen.542 Schon Wigram V-C relativiert allerdings in Edwards v Meyrick (1842) die Bedeutung der umittelbaren anwaltlichen Betreuung in der betreffenden Sache (in hac re) und stellt stattdessen darauf ab, ob die konkrete Beziehung den Gleichrang (equal footing) der beiden Vertragsparteien ausschließt.543 Ganz ähnlich betont Turner LJ in Holman v Loynes (1854), dass es insoweit weniger auf die formale Mandatierung in der Angelegenheit ankomme, sondern auf das (Fort-)Bestehen des besonderen Vertrauensverhältnisses (confidential relation), da auf diesem der Einfluss des Anwalts beruhe.544 Der Erwerb durch den Anwalt kann im Übrigen auch schwerlich darauf gestützt werden, dass der andere Teil mit der Geltendmachung seiner Rechte Vgl. hierzu LEAKE, Law of Contracts (1867), S. 385 ff. m. w. N. (1811) 18 Ves Jun 120, 123 ff. per Lord Eldon LC. 541 (1811) 18 Ves Jun 302, 313 per Lord Eldon LC: »[…] there is no authority establishing, nor was it ever laid down, that an attorney cannot purchase from his client what was not in any degree the object of his concern as attorney; the client making the proposal, himself proposing the price, no confidence asked or received in that article, and both ignorant of the value. Under such circumstances he is not the attorney in hac Re; and therefore, not being under any duty as attorney to advise against the act, he may be the purchaser.« 542 Vgl. Edwards v Meyrick (1842) 2 Hare 60, 70 ff. per Wigram V-C (im Ergebnis verneint); Gresley v Mousley (1859) 4 De G & J 78, 96 ff. per Turner LJ bzw. in der Vorinstanz (1858) 1 Giff 450, 456 f. per Stuart V-C (im Ergebnis jeweils bejaht). 543 (1842) 2 Hare 60, 68 f.: »It appears to me, however, that the question whether Meyrick was the solicitor in hac re is one rather of words than of substance. The rule of equity which subjects transactions between solicitor and client to other and stricter tests than those which apply to ordinary transactions is not an isolated rule, but is a branch of a rule applicable to all transactions between man and man, in which the relation between the contracting parties is such as to destroy the equal footing on which such parties should stand.« 544 (1854) 4 De G M & G 270, 282 ff. 539 540

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durch Zeitablauf (lapse of time) präkludiert sei, da der Anwalt aufgrund seiner Rechtskenntnis hiermit immer noch rechnen und entsprechende Vorkehrungen zur Aufbewahrung seiner Beweismittel treffen müsse.545 Instruktiv ist schließlich Wright v Carter (1903),546 als dort zugunsten des Anwalts sowie der Kinder des Mandanten – nicht des Anwalts – einerseits unentgeltliche und andererseits entgeltliche Transaktionen stattgefunden hatten. Bei der Schenkung wird wegen des besonderen Treueverhältnisses (fiduciary relation) vermutet, dass sie auf undue influence des Anwalts zurückzuführen ist. Um diese Vermutung zu widerlegen, muss der beschenkte Anwalt nachweisen, dass diese Beziehung hierbei keine Rolle gespielt hat, insbesondere mittels einer unabhängigen fachkundigen Beratung (independent competent advice) durch einen anderen Anwalt. Dieser Nachweis gelingt vorliegend jedoch nicht, weil nach Überzeugung des Gerichts der Einfluss des beschenkten Anwalts gleichwohl fortgedauert hat und die Beratung zudem ungenügend war, weil der beratende Anwalt nicht sämtliche maßgeblichen Umstände gekannt hatte.547 Beim Kauf wird zunächst eine hinreichende Information des Mandanten verlangt sowie ebenfalls eine unabhängige fachkundige Beratung (independent competent advice), sofern der gezahlte Preis nicht offensichtlich fair ist, was hier nach Auffassung der Richter schon nicht der Fall war.548 Die vorgeblich trennscharfe Unterscheidung zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Geschäften verwischt also letztlich in dieser Entscheidung wieder. Bezüglich der Kinder, die als Dritte außerhalb der Beziehung zwischen Anwalt und Mandant stehen, wird danach differenziert, ob die Transaktion auf die vermutete Ausübung von undue influence zurückzuführen ist: Nach den konkreten Umständen des Falles wird bei den unentgeltlichen Zuwendungen hier keine derartige kausale Verknüpfung gesehen,549 während das betreffende entgeltliche Geschäft als einheitliche Transaktion bewertet wird, die daher auch gegenüber den Kindern keinen Bestand haben kann.550

545 Gresley v Mousley (1859) 4 De G & J 78, 94 ff., 98 f. per Turner LJ. Ähnlich in der Vorinstanz (1858) 1 Giff 450, 458 per Stuart V-C. 546 [1903] 1 Ch 27. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 51 f. 547 [1903] 1 Ch 27, 48 ff. per Vaughan Williams LJ, 56 ff. per Stirling LJ, 62 f. per Cozens-Hardy LJ. – Vaughan Williams LJ und Stirling LJ stützen sich dabei maßgeblich auf die Argumentation von Lord Eldon in Hatch v Hatch (s. o. Fn. 158). 548 [1903] 1 Ch 27, 54 f. per Vaughan Williams LJ, 60 per Stirling LJ, 61 f. per CozensHardy LJ. 549 [1903] 1 Ch 27, 53 f. per Vaughan Williams LJ, 59 f. per Stirling LJ, 63 per CozensHardy LJ. 550 [1903] 1 Ch 27, 55 f. per Vaughan Williams LJ, 60 f. per Stirling LJ, 62 per CozensHardy LJ.

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bb) Interzessionen In manchen Fällen wie in Cheslyn v Dalby (1836)551 oder Johnson v Fese[n]meyer (1858)552 bestellt der Mandant außerdem Sicherheiten zugunsten seines Anwalts, um seine eigenen Kredit- oder Honorarverbindlichkeiten bei ihm abzusichern. Das heißt, der Mandant ist hier jeweils selbst der Hauptschuldner und tritt nicht etwa für die Schulden eines anderen ein, so dass es sich nicht um Interzessionen handelt. Die Rechtsprechung sieht derartige Sicherheiten unkritisch und beanstandet sie nicht, da sie darin allein keine unlautere Ausnutzung des Mandantenverhältnisses zu erkennen vermag.553 Denn der Mandant ist hier nicht schutzwürdiger als ein anderer Schuldner, dessen Gläubiger auf die Bestellung einer Sicherheit drängt.554 In Rhodes v Bate (1866)555 hingegen hatte die Klägerin mehrfach interzediert um die Schulden ihres Schwagers, mit dessen Familie sie zusammenlebte, beim Beklagten, einem auf Grundstücksübertragungen spezialisierten Anwalt (certificated conveyancer) abzusichern, bis ihr gesamtes Vermögen hierdurch belastet war. Die Entscheidung von Stuart V-C in der Vorinstanz sieht es aufgrund der Beweislage als erwiesen an, dass der Beklagte nicht nur für den Schwager juristisch tätig gewesen war, sondern auch für die Klägerin selbst. Neben der Nähebeziehung zwischen der Klägerin und ihrem Schwager wird demnach ein weiteres Vertrauensverhältnis zwischen ihr und dem beklagten Anwalt angenommen, das letzterem die Möglichkeit einer unmittelbaren Einflussnahme auf sie eröffnet habe – zusätzlich zum Einfluss des Schwagers, der ihm sehr wohl bewusst gewesen sei.556 Auch Turner LJ geht in der Rechtsmittelentscheidung grundsätzlich von einem besonderen Vertrauensverhältnis (confidential relationship) zwischen der Klägerin und dem Beklagten aus.557 Allerdings habe dieses noch nicht (1836) 2 Y & C Ex 170 = 160 ER 357. Vgl. ferner (1840) 4 Y & C Ex 238 = 160 ER 993. 552 (1858) 3 De G & J 13 = 44 ER 1174. – In der Vorinstanz spielt das Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant insoweit noch keine Rolle, vgl. (1858) 25 Beav 88 = 53 ER 569. 553 Cheslyn v Dalby (1836) 2 Y & C Ex 170, 194 ff., 195 per Alderson B: »But I do not find it laid down that where only a security has been given for a debt really due, or for a reasonable reward for services already rendered, the Court will set such security aside.« 554 Johnson v Fese[n]meyer (1858) 3 De G & J 13, 22 ff., 25 f. per Lord Chelmsford LC. 555 (1866) LR 1 Ch App 252; (1865) 4 Giff 670 = 66 ER 875. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 47 f. 556 (1865) 4 Giff 670, 679 ff., 681: »Upon a fair consideration of the evidence it seems plain that the Defendant, Bate [the conveyancer], took advantage of the influence which the Defendant, Codrington [the brother-in-law], and he himself had over the Plaintiff. There must, therefore, be a decree against both these Defendants to make good to the Plaintiff all her property which the Defendant, Bate, thus acquired.« 557 (1866) LR 1 Ch App 252, 258 f. 551

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zum Zeitpunkt der ersten Interzession bestanden, so dass die Klägerin insoweit allein dem Einfluss des Schwagers ausgesetzt gewesen sei. Weil jedoch nicht bewiesen sei, dass der Beklagte hiervon Kenntnis gehabt habe, bestehe kein Grund, diese Interzession aufzuheben, zumal sie mit Blick auf das Gesamtvermögen der Klägerin nur einen geringfügigen Betrag abgesichert habe.558 Zum Zeitpunkt der beiden anderen Interzessionen dagegen sei sehr wohl ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Klägerin und Beklagtem anzunehmen, so dass diese Transaktionen mangels fachkundiger Beratung durch einen unabhängigen Dritten (competent and independent advice) unwirksam seien.559 Zwar habe der Beklagte selbst die Klägerin auf die entsprechenden Risiken aufmerksam gemacht, aber dies genüge nicht den von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an die Warnfunktion, wie sie die Beratung durch einen unabhängigen Dritten verspricht.560 Seiner Überzeugung nach habe die Klägerin freiwillig (freely and voluntarily) interzediert, ohne dass der beklagte Anwalt Druck auf sie ausgeübt habe und in voller Kenntnis der damit verbundenen Gefahren.561 Trotzdem schlage die fehlende unabhängige Beratung auf die Wirksamkeit dieser Interzessionen durch. Darüber hinaus betont Turner LJ, dass in derartigen Fällen weder Alter oder Geschäftserfahrung (age or capacity) des Zuwendenden noch die Natur des zugewendeten Vorteils (nature of the benefit) eine wirkliche Rolle spielen könnten, da diese Kriterien anders als sonst kaum einen hinreichenden Schutz bieten, wenn es um Einfluss geht, der auf Vertrauen beruht (influence founded upon confidence).562 (1866) LR 1 Ch App 252, 259 f. (1866) LR 1 Ch App 252, 260 f. 560 (1866) LR 1 Ch App 252, 261 f.: »It is true that he told the Plaintiff this, and cautioned her as to it, but I do not find that he pressed the subject upon her as an independent and disinterested adviser would have done; or that he recommended her to employ an independent solicitor. Under these circumstances, I think that these transactions cannot stand consistently with the general principles of the Court […] I think that he meant to give, and did give, the Plaintiff honest advice, and that his liability arises not from his having failed to do so, but from his not having sufficiently attended to the law of this Court, with reference to persons standing in confidential relations.« 561 (1866) LR 1 Ch App 252, 257: »I think that the evidence on the part of the Defendant Bate establishes that the Plaintiff signed the bill of exchange, promissory notes and memoranda, and executed the bonds and deeds in question freely and voluntarily, and without pressure or solicitation on the part of this Defendant; that their contents were fully explained to her, and that she perfectly understood them and their nature, purport, and effect, and the consequences of her signing and executing them.« 562 (1866) LR 1 Ch App 252, 257 f.: »[…] I do not think that either the age or capacity of the person conferring the benefit, or the nature of the benefit conferred, affects this principle. Age and capacity are considerations which may be of great importance in cases in which the principle does not apply; but I think they are but of little, if any, importance in cases to which the principle is applicable. They may afford a sufficient protection in ordinary cases, but they can afford but little protection in cases of influence founded upon 558 559

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Knight Bruce LJ lässt in seiner kurzen Stellungnahme deutlich erkennen, dass er in diesem Fall zunächst anderer Auffassung gewesen sei, um sich dann doch der Argumentation von Turner LJ anzuschließen.563 Im Ergebnis setzt sich somit dessen eher formale Betrachtung durch, dass die fehlende Beratung durch einen unabhängigen Dritten selbst dann nicht zu kompensieren ist, wenn die Interzedentin auch ohne diese eigentlich sehr genau weiß, was sie tut. Die Billigkeitsrechtsprechung der Chancery stützt sich hier also auf einen eher prozeduralen Gesichtspunkt, was nicht ohne Grund als hart empfunden werden kann.564 Keiner der vorliegend untersuchten Entscheidungen liegt freilich ein Sachverhalt zugrunde, wo der Mandant für eine Verbindlichkeit des Anwalts bei einem Dritten eine Sicherheit bestellt hätte.565 d) Undue influence im Verhältnis zwischen Trustee und Begünstigtem (cestuy que trust bzw. beneficiary) Ähnlich wie in der bereits untersuchten Rechtsprechung des 18. Jahrhunderts geht es auch während des 19. Jahrhunderts hier ganz überwiegend um den Grundsatz, dass der Trustee nicht mit sich selbst über das Treugut kontrahieren kann.566 Bei einem Erwerb vom Begünstigten wird weiterhin verlangt, dass jeder Informationsvorsprung ausgeglichen und der Vertrag nicht nur zu fairen, sondern zu den bestmöglichen Konditionen abgeschlossen wird.567 Dezidiert mit der Ausübung von Druck innerhalb eines Treuhandverhältnisses setzt sich Barrett v Hartley (1866)568 auseinander. Hier war die vom Kläger gemeinsam mit seinem Vater betriebene Baumwollspinnerei in eine so prekäre finanzielle Lage geraten, dass sie beim Onkel des Klägers (bzw. dem Schwager des Vaters) einen weiteren Kredit aufnehmen mussten. Im Gegenzug traten sie zur Sicherheit ihr persönliches Vermögen und alle confidence. And, as to the nature of the benefit, the injury to the party by whom the benefit is conferred cannot depend upon its nature.« 563 (1866) LR 1 Ch App 252, 262 f. 564 Vgl. SPENCER BOWER, Actionable Non-Disclosure (1915), § 419 note m (S. 380); § 476 (S. 439 f.). 565 In Baker v Bradley (s. o. Fn. 447) ist einer der Beklagten (Joseph Lovegrove) zwar Anwalt, aber der Gläubiger der angegriffenen mortgage und nicht etwa der Schuldner der gesicherten Forderung, vgl. (1855) 7 De G M & G 597, 625 per Turner LJ. – Gleiches gilt für die Situation in Savery v King (s. o. Fn. 453), vgl. (1856) 5 HLC 627, 655 ff. bzw. 665 f. per Lord Cranworth LC. 566 Ähnlich KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 54 f. m. w. N. 567 Pointiert Denton v Donner (1856) 23 Beav 285 = 53 ER 112 bzw. Grosvenor v Sherratt (1860) 28 Beav 659 = 54 ER 520, vgl. 23 Beav 289 ff. bzw. 28 Beav 661 ff. per Sir John Romilly MR. Ferner Plowright v Lambert (1885) 52 LT 646, 652 f. per Field J. 568 (1866) LR 2 Eq 789. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 56.

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Aktiva an ihn ab, die er als Trustee solange verwalten sollte, bis die gesamten Verbindlichkeiten einschließlich der Zinsen zurückgezahlt sind. Es handelt sich insoweit also nicht um eine Interzession, sondern um die Stellung einer Sicherheit für die eigenen Verbindlichkeiten durch die beiden Schuldner. Der Trustee, der nun für die erfolgreiche Leitung des Unternehmens verantwortlich zeichnete, befriedigte in der Folge nicht nur seinen Anspruch auf Zins und Tilgung aus dem Geschäftsergebnis, sondern verbuchte mehrfach einen zusätzlichen Bonus für sich. Anlässlich der Rechnungslegung nach dem Tod seines Vaters unterzeichnete der Kläger auf Betreiben des Trustee ein weiteres Schuldanerkenntnis. Nach Ansicht des Gerichts können jedoch weder die Bonusleistungen noch das Schuldanerkenntnis Bestand haben, da sie nicht auf einer freien Entscheidung beruhen, sondern auf der Ausübung von Druck (pressure) und der Ausnutzung einer wirtschaftlichen Abhängigkeit. Da die ursprüngliche Vereinbarung des Trusts keine weitere Vergütung für den Trustee vorgesehen habe, könne eine solche nachträglich nur dann vereinbart werden, wenn der Begünstigte auch die Wahl habe, gegebenenfalls den Trustee zu wechseln, was ihm vorliegend jedoch nicht möglich war.569 In Ellis v Barker (1871)570 hatte der Erblasser zwei Trustees als Testamentsvollstrecker eingesetzt und seinem Neffen, dem Kläger, den gepachteten Hof vermacht unter der Bedingung, dass der Verpächter ihn als Pächter akzeptiert. Nachdem die Trustees allerdings festgestellt hatten, dass der restliche Nachlass nicht ausreichen würde, um den sonstigen letztwilligen Verfügungen des Erblassers nachzukommen, mit denen dieser insbesondere auch die Eltern und Geschwister des Kläger bedacht hatte, nahm einer der beiden Kontakt mit dem Verpächter auf, für den er ohnehin als Verwalter arbeitete. Der Verpächter ließ sich ihnen gegenüber dahin gehend ein, dass er seine Zustimmung von einem korrekten und ehrenwerten Verhalten des Klägers in dieser Angelegenheit abhängig machen werde. Gegenüber dem Kläger wiederum erklärten die Trustees daraufhin, dass der Verpächter letztlich ihnen die Entscheidung überlassen habe und dass er den Hof nicht erhalten werde, wenn er nicht auf einen Teil des Nachlasses verzichte. Obwohl die Trustees zuvor noch professionellen Rechtsrat eingeholt hatten und ausdrücklich davor gewarnt worden waren, irgendwelchen Druck (any pressure) auf den Kläger auszuüben, brachten die Trustees auf diese Weise den Kläger dazu, ihnen wesentliche Teile des restlichen Nachlasses zu übertragen. Das Gericht bewertet dieses Verhalten der Trustees als Missbrauch ihrer Machtposition gegenüber dem Kläger, die sie durch Anmaßung sogar noch weiter ausgebaut haben, und hebt alle getroffenen Verfügungen wegen Treubruchs (breach of trust) wieder auf.571 (1866) LR 2 Eq 789, 794 ff., 797 f. per Stuart V-C. (1871) LR 7 Ch App 104. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 55 f. 569 570

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In keiner der beiden Entscheidungen wird jedoch der Begriff undue influence verwendet. Ausdrücklich um undue influence geht es zwar in Lloyd v Attwood (1859)572, allerdings nicht durch die Trustees, sondern durch den Onkel der beiden Begünstigten, der eine elterngleiche Stellung gegenüber seinen Nichten einnahm.573 Ebenso wird in Farrant v Blanchford (1863)574 die Frage nach undue influence nicht etwa im Verhältnis zum beklagten Trustee aufgeworfen, sondern wiederum nur im Verhältnis zum Vater des Begünstigten, ohne in diesem Punkt auf dessen Eigenschaft als Co-Trustee abzustellen.575

Gleichwohl wird in Urteilen, die zu anderen Beziehungen ergehen, das Verhältnis zwischen Trustee und Begünstigtem häufig in einem Atemzug mit dem zwischen Vormund und Mündel oder dem zwischen Anwalt und Mandant genannt als Beispiel für ein typisches Abhängigkeitsverhältnis.576 Umgekehrt wird allerdings auch eingeräumt, dass nicht aus jeder treuhänderischen Beziehung im Zusammenhang mit einem Trust gleich eine entsprechende Möglichkeit der Einflussnahme erwächst.577 e) Undue influence im Verhältnis zwischen Verlobten oder Eheleuten aa) Allgemeine Grundsätze Die rechtliche Stellung der verheirateten Frau bleibt im Wesentlichen unverändert bis zum Inkrafttreten der Married Women’s Property Acts von 1870 und 1882,578 so dass für sie bis dahin als sog. feme covert keine Möglichkeit besteht, at law Verfügungen zu treffen oder Verträge zu schließen.579 Lediglich in equity kann ihr ein bestimmtes Sondervermögen zustehen, über das sie (1871) LR 7 Ch App 104, 107 f. per James LJ. (1859) 3 De G & J 614 = 44 ER 1405. 573 Vgl. (1859) 3 De G & J 614, 620 ff., 625 f., 640 f. per Knight Bruce LJ, 649 f. per Turner LJ. 574 (1863) 1 De G J & S 107 = 46 ER 42 – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 32 in Fn. 10. 575 (1863) 1 De G J & S 107, 119 ff. per Lord Westbury LC. 576 Vgl. Hunter v Atkins (1834) 3 My & K 113, 135 per Lord Brougham LC; Smith v Kay (1859) 7 HLC 750, 778 per Lord Kingsdown. – Ebenso in der Literatur, vgl. ANSON, Principles of the English Law of Contract (1879), S. 159. 577 Smith v Kay (1859) 7 HLC 750, 771 per Lord Cranworth: »I believe, if the principle is examined, it will be found most frequently applied in such cases, for this simple reason, that the fiduciary relation gives a power of influence: but I could suggest fifty cases of fiduciary relation where the principle will not apply at all. If a man makes me trustee of an estate, to pay certain securities, and then ultimately to stand possessed of it for him, we deal with one another in purchase, or in any other way, perfectly at arm’s length. I have no influence over him because I am his trustee. It is only a particular sort of trusteeship that gives the influence.« 578 Vgl. hierzu CORNISH, in: OHLE, Vol. XIII (2010), S. 757 ff. 579 Siehe oben Fn. 228. Ferner CHITTY, Law of Contracts (1826), S. 39 ff. 571 572

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wie eine feme sole disponieren kann.580 Allein das Verhältnis zwischen Eheleuten wird dabei auch im 19. Jahrhundert nicht als ausreichend gesehen, um ein Rechtsgeschäft wegen undue influence aufzuheben.581 In Nedby v Nedby (1852)582 hatte eine Witwe von ihrem ersten Ehemann testamentarisch einen Trust zu ihrer besonderen Verwendung (separate use) erhalten. In zweiter Ehe heiratete sie einen der beiden Trustees und übertrug ihm die Hälfte des Trustvermögens. Als sie 15 Jahre später von ihrem zweiten Mann verlassen wird, erhebt sie gegen ihn Klage und macht die Unwirksamkeit dieser Übertragung wegen undue influence geltend. Die Klagevertreter ziehen dabei zum einen einmal mehr das allgemeine Prinzip aus Romilly’s Replik in Huguenin v Baseley heran,583 ohne dies aber namentlich zu benennen.584 Zum anderen versuchen sie aus Äußerungen in Pybus v Smith585 und Milnes v Busk586 den Grundsatz herzuleiten, dass die Beweislast bei derartigen Verfügungen den Ehemann trifft, zumindest dann wenn die Frau keine unabhängige rechtliche Beratung (independent legal advice) hatte.587 Die Beklagtenvertreter dagegen halten eine derartige Schlussfolgerung aus Pybus v Smith für zu weitgehend und begnügen sich ansonsten mit einem längeren Zitat aus Lord Hardwicke’s Entscheidung in Grigby v Cox,588 um die Beweislast auf die klagende Ehefrau abzuwälzen.589 Auch Sir James Parker V-C bewegt sich voll und ganz auf dieser Linie. Nach den allgemeinen Regeln habe die Frau als Klägerin die entsprechenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen, aus denen sie die Unwirksamkeit ihrer Verfügung ableiten möchte. Dies gehe eindeutig aus Grigby v Cox so hervor, auch wenn dort eingeräumt werde, dass solche Geschäfte kritisch zu beobachten seien: »This raises the question on which side the burthen of proof lies. Is the appointment to be invalid unless the husband proves that the circumstances were such that the appointment ought to be supported? Or is the appointment to be considered valid unless the wife shews that it was executed under circumstances sufficient to invalidate it? An answer in the affirmative of the second of these questions is the correct view of the case; and I am of opinion 580 LEAKE, Law of Contracts (1867), S. 234 ff., 238 f. – CORNISH, in: OHLE, Vol. XIII (2010), S. 735 ff. 581 SPENCER BOWER, Actionable Non-Disclosure (1915), § 446 (S. 412 ff.). 582 (1852) 5 De G & Sm 377 = 64 ER 1161. 583 Siehe oben Fn. 283. 584 (1852) 5 De G & Sm 377, 381: »Courts of Equity constantly set aside deeds procured or executed under undue influence. This relief stands upon a general principle, applying to all the varieties of relations in which dominion may be exercised by one person over another.« 585 Siehe oben Fn. 238. 586 Siehe oben Fn. 242. 587 (1852) 5 De G & Sm 377, 381 f. 588 Siehe oben Fn. 231. 589 (1852) 5 De G & Sm 377, 382 f.

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that the onus probandi lies on the party who impugns the instrument. […] Upon all the principles of this Court the appointment is good, unless the Plaintiffs claiming adversely to it shall shew sufficient reasons to the contrary. This is the principle plainly to be deduced from the observations of the Court in Grigby v. Cox (1 Ves. sen. 517, 518), although, as was said in that case, ›the Court will have more jealousy over such a transaction‹.«590

Dass im konkreten Fall die betreffende Urkunde vom Anwalt des Ehemanns entworfen worden war und von der Frau im Beisein von zwei Angestellten ohne vorheriges Verlesen unterzeichnet wurde, sei an der Tagesordnung und nicht zu beanstanden. Ansonsten drohe solchen Verfügungen die Unwirksamkeit.591 Dass die Frau zudem bei der Unterzeichnung aufgewühlt und verstört (agitated and distressed) auf Zeugen gewirkt habe, genüge ebenfalls nicht. Denn die Entscheidung dürfe in einem derartigen Fall nicht auf Spekulationen beruhen, auch wenn hier bestimmte Gesichtspunkte durchaus verdächtig erscheinen.592 Trotz dieser Bedenken verharrt also Parker V-C im Ergebnis auf der überkommenen Position Lord Hardwickes in Grigby v Cox, die er schematisch weiter anwendet. In Coulson v Allison (1860)593 hatte ein Witwer die Schwester seiner verstorbenen Frau »geheiratet«, obwohl dies gegen ein damals geltendes Eheverbot verstieß und daher zu keiner wirksamen Eheschließung führte. Anschließend ließ er sich von ihr erhebliche Vermögenswerte übertragen. Während die Klagevertreter in beiden Instanzen die Unwirksamkeit dieser Transaktion sowohl mit undue influence als auch mit fehlender consideration begründen,594 wird die Entscheidung in beiden Instanzen allein auf die fehlende consideration gestützt, da die »Frau« die Zuwendung im Vertrauen darauf getätigt habe, im Gegenzug die Vorteile einer bestehenden Ehe zu genießen.595

Darüber hinaus finden sich in der Rechtsprechung auch einige obiter dicta zu dieser Frage. So vertritt Cozens-Hardy J in Barron v Willis (1899) im An(1852) 5 De G & Sm 377, 383 f. (1852) 5 De G & Sm 377, 384: »The Master has found in substance that the deed was prepared by the husband’s solicitor, and was executed by the wife in the presence of two of the clerks of the solicitor, and that it was not read over to her. These are circumstances which constantly occur in ordinary transactions; and it would be dangerous to say that the deed could not be supported on such grounds.« 592 (1852) 5 De G & Sm 377, 384: »The only other circumstance […] is that […] one of the witnesses attesting Mrs. Nedby’s execution of the deed, has deposed that she was agitated and distressed, and signed it in a reluctant manner. It is impossible to act upon this evidence as a ground for setting aside the deed. The decision of the Court, in such a case as this, should not rest on speculation. There is no ground for setting aside the deed, though it is impossible not to see that there are circumstances of suspicion in the case.« 593 (1860) 2 Giff 279 = 66 ER 117, bestätigt in (1860) 2 De G F & J 521 = 45 ER 723. 594 (1860) 2 Giff 279, 284 f. bzw. (1860) 2 De G F & J 521, 523 f. 595 (1860) 2 Giff 279, 286 per Stuart V-C bzw. (1860) 2 De G F & J 521, 524 f. per Lord Campbell LC, der zwar auch eine Vertrauensbeziehung (fiduciary relation) mit Informationspflicht bejaht, ohne aber undue influence zu thematisieren. – Unscharf insoweit KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 42 in Fn. 12. 590 591

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schluss an Nedby v Nedby und Grigby v Cox eine restriktive Ansicht, räumt aber ein, dass manche Stimmen in der Literatur anderer Meinung sind.596 Andere wie etwa Sir John Romilly MR in Broun v Kennedy (1863)597 oder Lord Penzance in Parfitt v Lawless (1872)598 stellen das Verhältnis zwischen Mann und Frau, was Einfluss und Kontrolle angeht, auf dieselbe Stufe wie das zwischen Eltern und Kind.599 bb) Interzessionen Ebenso wie beim Eltern-Kind-Verhältnis bildet die zeitgenössische Literatur auch beim Verhältnis zwischen Eheleuten keine besondere Unterkategorie zu Interzessionen.600 Auffällig ist aber, dass die maßgeblichen Entscheidungen [1899] 2 Ch 578, 585: »It is also settled by authority which binds me, although textwriters seem to have adopted the opposite view, that the relation of husband and wife is not one of those to which the doctrine of Huguenin v. Baseley applies. In other words, there is no presumption that a voluntary deed executed by a wife in favour of her husband, and prepared by the husband’s solicitor, is invalid. The onus probandi lies on the party who impugns the instrument, and not on the party who supports it. This was clearly decided by Sir James Parker in 1852 in Nedby v. Nedby, and it accords with what Lord Hardwicke said in Grigby v. Cox.« 597 (1863) 33 Beav 133, 140: »I cannot, in any of the cases I have met with or that are to be found in the books, nor indeed can I conceive, a case in which […] the influence and controul of a man over a woman would be more complete or absolute, unless it were that of a father over a daughter, or that of a husband over his wife.« 598 (1872) LR 2 P & D 462, 468: »In equity persons standing in certain relations to one another – such as parent and child, man and wife, doctor and patient, attorney and client, confessor and penitent, guardian and ward – are subject to certain presumptions when transactions between them are brought in question«. – In einem anderen obiter dictum einige Jahre später wird die Beziehung zwischen Eheleuten in diesem Zusammenhang nicht mehr genannt, vgl. Erlanger v New Sombrero Phosphate Co (1878) 3 App Cas 1218, 1230: »The relations of principal and agent, trustee and cestui que trust, parent and child, guardian and ward, priest and penitent, all furnish instances in which the Courts of Equity have given protection and relief against the pressure of unfair advantage resulting from the relation and mutual position of the parties, whether in matters of contract or gift«. – SPENCER BOWER, Actionable Non-Disclosure (1915), § 446 note e (S. 412 f.) sieht hierin eine bewusste Auslassung und schließt daraus auf eine Meinungsänderung von Lord Penzance. Dies erscheint freilich wenig zwingend angesichts des beispielhaften und nicht abschließenden Charakters der Aufzählung, die zudem eine völlig andere Reihenfolge wählt. Darüber hinaus werden die Beziehungen zwischen Arzt und Patient sowie zwischen Anwalt und Mandant ebenfalls nicht mehr aufgeführt, was aber wohl kaum darauf zurückzuführen sein dürfte, dass Lord Penzance insoweit seine Ansicht geändert hätte. 599 Vgl. ferner in anderem Zusammenhang Archer v Hudson (1846) 15 LJ Ch 211, 213 per Lord Lyndhurst LC: »How then can acquiescence be held to affect her? When she was freed from the influence of her uncle, she immediately became under the controul of her husband.« 600 Vgl. etwa SPENCER BOWER, Actionable Non-Disclosure (1915), § 446 (S. 412 ff.). 596

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zum Verhältnis von Mann und Frau an der Wende zum 20. Jahrhundert durchweg Interzessionen zum Gegenstand haben. (1) Cobbett v Brock (1855) Noch nicht das Verhältnis zwischen Eheleuten, sondern das zwischen Verlobten ist in Cobbett v Brock (1855)601 ausschlaggebend. Hier hatte ein Schneider seine Verlobte dazu gebracht, die Verbindlichkeiten bei seinen Lieferanten durch eine mortgage abzusichern. Der von den Gläubigern eingeschaltete Anwalt hatte gegenüber dem Hauptschuldner wiederholt darauf bestanden, dass die Interzedentin vor der Unterzeichnung der Urkunde durch einen unabhängigen Anwalt beraten werden soll. Erst nachdem der Anwalt des Hauptschuldners schriftlich bestätigt hatte, dass er auch die Interzedentin entsprechend aufgeklärt und beraten habe, gab sich der Anwalt der Gläubiger zufrieden. Sir John Romilly MR sieht ein solches Verhalten der Gläubigerseite im Hinblick auf die unabhängige Beratung (independent advice) der Interzedentin als ausreichend an, da ansonsten der Anwalt des Gläubiger auch noch die rechtliche Betreuung des Interzedenten übernehmen müsste. Der Anwalt des Gläubigers habe aber nur dafür zu sorgen, dass der Interzedent überhaupt eine entsprechende unabhängige Beratung erfährt. Mehr sei von ihm nicht zu verlangen, also insbesondere nicht die Durchführung der Beratung selbst.602 Unterstellt, der Hauptschuldner habe undue influence gegenüber der Interzedentin ausgeübt, so müssen sich die Gläubiger dies im Übrigen nur dann zurechnen lassen, wenn sie hieran beteiligt waren oder zumindest hiervon wussten. Im Verhältnis zwischen Hauptschuldner und Interzedentin kämen vorliegend zwar die allgemeinen Grundsätze zum Tragen, die er schon in Cooke v Lamotte603 und Hoghton v Hoghton604 angewandt habe. Allein aus der Mitteilung des Hauptschuldners, dass er mit der Interzedentin verlobt sei, hätten die Gläubiger aber noch nicht auf eine unlautere Einflussnahme schließen müssen. Zudem sei die Einräumung eines Zahlungsaufschubs durch die Gläubiger als Gegenleistung (valuable consideration) an den Hauptschuldner anzusehen. Eine Zurechnung über die doctrine of notice kommt daher für Romilly MR hier nicht in Betracht: »I fully adhere to what I expressed in the cases of Cooke v. Lamotte (…) and Hoghton v. Hoghton (…), and if this were a case between Mr. Brock and his wife I should require him to prove all the requisites I pointed out in those cases as necessary to give validity to the transaction; but when the security gets into the hands of a purchaser for valuable consideration, the case is very different, unless the person obtaining the benefit of it has been (1855) 20 Beav 524 = 52 ER 706. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 42. 602 (1855) 20 Beav 524, 528 ff. 603 Siehe unten Fn. 718. 604 Siehe oben Fn. 422. 601

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guilty of or privy to the fraud. The fact of Mr. Brock saying, ›I am about to marry a lady who will give you security,‹ does not amount to notice to them that this security could only be obtained by undue influence.«605

Da sich im Sachverhalt keine Anhaltspunkte für eine ausdrückliche Einflussnahme auf die Interzedentin finden, lässt Romilly MR also einerseits allein die Beziehung zwischen den Verlobten für eine entsprechende Vermutung genügen. Dies ist insoweit wenig überraschend, als er ja auch die Beziehung zwischen Eheleuten – wenngleich nur in einem obiter dictum – als typische Vertrauensbeziehung anerkennt, die mit dem Eltern-Kind-Verhältnis vergleichbar ist. Andererseits muss sich in seinen Augen der Gläubiger allein wegen der Kenntnis von der Vertrauensbeziehung noch nicht die dort zu vermutende unlautere Einflussnahme zurechnen lassen. Dies erscheint ein wenig widersprüchlich: Denn warum sollte der Gläubiger dann veranlasst sein, seinerseits auf einer unabhängige Beratung der Interzedentin zu bestehen? Gerade dass der Anwalt der Gläubiger hierauf so nachdrücklich bestanden hatte, dürfte aber letztlich für Romilly MR ausschlaggebend gewesen sein, die mortgage im vorliegenden Fall rechtlich anzuerkennen. (2) Turnbull & Co v Duval (1902) Ganz maßgeblich wird die Frage der Zurechnung durch die Entscheidung des Privy Council in Turnbull & Co v Duval (1902)606 geprägt, der folgender Sachverhalt aus Jamaika zugrunde lag: Der Ehemann war wegen seiner Geschäftsschulden mit dem Geschäftsführer der Gläubiger übereingekommen, eine Sicherheit am Vermögen der Ehefrau zu stellen. Pikanterweise hatte der Geschäftsführer gleichzeitig als Testamentsvollstrecker den restlichen Nachlass (residuary estate) des Vaters der Ehefrau zu verwalten, an dem ihr ein Fünftel zustand. Streitig blieb, wer auf die Idee zur Interzession gekommen war, ob der Ehemann oder der Geschäftsführer. Jedenfalls ließ der Geschäftsführer absprachegemäß eine entsprechende Urkunde entwerfen, die der Ehemann von seiner Frau unterschreiben ließ.607 Darin belastete die Frau ihren Anteil am Nachlass des Vaters mit einem Sicherungsrecht (charge).608 Ihren Angaben zufolge leistete sie dabei ihre Unterschrift auf Druck ihres Mannes, der seinerseits unter dem Druck der Gläubiger stand, und ohne die rechtliche

(1855) 20 Beav 524, 530 f. [1902] AC 429. – Vgl. hierzu ENONCHONG, Undue Influence (2012), Rn. 22-005 f. Ungenau leider UNGAN, Sicherheit durch Angehörige (2012), S. 38 f. mit verkehrter Zuordnung der prozessualen Rollen: Klägerin des (Ausgangs-)Verfahrens ist die Ehefrau. Zudem steht auch nicht etwa eine »Grundpfandrechtsbestellung« in Frage, sondern allein die Belastung (charge) ihres Anteils am Nachlass des Vaters. 607 [1902] AC 429, 432. 608 [1902] AC 429, 433. 605 606

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Bedeutung zu kennen, weil ihr maßgebliche Informationen hierzu bewusst vorenthalten wurden.609 Nach der Beweislage ist das Privy Council davon überzeugt, dass diese Sicherheit in zweifacher Hinsicht nicht bestehen könne. Zum einen habe der Geschäftsführer der Gläubiger gleichzeitig als Nachlassverwalter in einem Treuhandverhältnis zur Interzedentin gestanden. Innerhalb einer solchen Beziehung zwischen Trustee und Cestui que trust könne eine Verfügung aber nur dann rechtliche Anerkennung finden, wenn eine unabhängige Beratung (independent advice) stattgefunden habe. Zum anderen sei die Interzedentin von ihrem Ehemann durch die Ausübung von Druck und die Unterdrückung wesentlicher Tatsachen zur Unterschrift bestimmt worden: »In the face of such evidence, their Lordships are of opinion that it is quite impossible to uphold the security given by Mrs. Duval. It is open to the double objection of having been obtained by a trustee from his cestui que trust by pressure through her husband and without independent advice, and of having been obtained by a husband from his wife by pressure and concealment of material facts.«610

Ob der erste Aspekt einer fehlenden unabhängigen Beratung innerhalb des Treuhandbeziehung unabweislich zur Unwirksamkeit der Interzession führe, brauche nicht abschließend geklärt zu werden, da jedenfalls der zweite die Wirksamkeit der Interzession sicher ausschließe.611 Denn die Frau habe erwiesenermaßen nur auf Druck ihres Mannes unterschrieben und in Unkenntnis der wirklichen Bedeutung der Urkunde. Diese beiden aus dem Verhältnis zwischen den Eheleuten, das heißt zwischen dem Hauptschuldner und der Interzedentin, stammenden Fehler seien auch im Verhältnis zwischen der Interzedentin und den Gläubigern zu berücksichtigen, da diese den Hauptschuldner bewusst für ihre Zwecke eingespannt hätten. Dabei wird die Drittwirkung eines solchen Fehlverhaltens einmal mehr mit einem Verweis auf Bridgeman v Green 612 untermauert: »It is, in their Lordships’ opinion, quite clear that Mrs. Duval was pressed by her husband to sign, and did sign, the document, which was very different from what she supposed it to be, and a document of the true nature of which she had no conception. It is impossible to hold that Campbell [the manager] or Turnbull & Co [the creditors] are unaffected by such pressure and ignorance. They left everything to Duval, and must abide the consequences. Their Lordships do not think it necessary to refer to authorities to shew that such a transac-

[1902] AC 429, 432 f. [1902] AC 429, 434. 611 [1902] AC 429, 434 f.: »Whether the security could be upheld if the only ground for impeaching it was that Mrs. Duval had no independent advice has not really to be determined. Their Lordships are not prepared to say it could not. But there is an additional and even stronger ground for impeaching it.« 612 Siehe oben Fn. 177. 609 610

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tion cannot stand. The well-known case of Bridgman v. Green is conclusive to shew that Turnbull & Co can obtain no benefit from it.«613

Zwar wird dieses Fehlverhalten in den Entscheidungsgründen keiner rechtlichen Kategorie ausdrücklich zugewiesen, wie Ungan zutreffend feststellt.614 Der Verweis auf Bridgeman v Green – die einzige Entscheidung, die vom Privy Council überhaupt zitiert wird – spricht jedoch dafür, dass das Fehlverhalten als undue influence durch tatsächliche Druckausübung eingestuft wird.615 (3) Bischoff’s Trustee v Frank (1903) Einen Schritt weiter geht Wright J, der in Bischoff’s Trustee v Frank (1903)616 dezidiert für die Vermutung von undue influence im Verhältnis zwischen Mann und Frau eintritt. Hier hatte die Beklagte, die selbständig ein eigenes Geschäft betrieb, eine Garantie (guarantee) für ihren Mann abgegeben. Nachdem sowohl ihr Mann als auch sein Gläubiger bankrott gegangen und flüchtig waren, wurde sie vom Konkursverwalter (trustee in bankruptcy) des Gläubigers aus der Garantie in Anspruch genommen. Die Klagevertreter stellten darauf ab, dass ihr zum Zeitpunkt der Interzession die finanziellen Verhältnisse ihres Mannes bekannt gewesen seien. Als Geschäftsfrau müsse ihr außerdem die rechtliche Bedeutung ihrer Garantieerklärung sehr wohl bewusst gewesen sein, so dass hier keine weitere unabhängige Beratung (independent advice) mehr erforderlich war.617 In seiner Entscheidung beschäftigt sich Wright J zunächst mit der Frage, ob dem Gläubiger etwaige Willensmängel (equitable flaws) aus dem Verhältnis zwischen den Eheleuten überhaupt zuzurechnen seien, was er aufgrund der konkreten Umstände bejaht, da der Gläubiger mit seinem Anwalt bei der Interzession der Frau persönlich anwesend war.618 Dann wendet sich Wright J der Frage nach einem solchen Willenmangel selbst zu. Dabei geht er von den beiden Entscheidungen Lord Eldons in Gibson v Jeyes und Huguenin v Baseley aus und leitet hieraus zwei Grundsätze ab:619 Zum einen trage derjenige, dem ein nicht unerheblicher Vermögensvorteil zugewendet wird, die Beweislast dafür, dass der Zuwendende im Wesentlichen die Tragweite der Transaktion kennt. Liegt ein Abhängigkeitsverhältnis vor, müsse der Empfänger zum anderen nachweisen, dass die Zuwendung nicht auf einer Einflussnahme 613 [1902] AC 429, 435. – Der Ehemann ist insbesondere auch nicht etwa als agent der Gläubiger zu qualifizieren, vgl. ENONCHONG, Undue Influence (2012), Rn. 22-005. 614 Vgl. UNGAN, Sicherheit durch Angehörige (2012), S. 38 f. 615 So im Ergebnis auch SPENCER BOWER, Actionable Non-Disclosure (1915), § 429 note h (S. 395 f.). 616 (1903) 89 LT 188. 617 (1903) 89 LT 188, 188 f. 618 (1903) 89 LT 188, 189. 619 Siehe oben Fn. 212 bzw. Fn. 299.

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beruht, was üblicherweise durch die Einholung von independent advice geschehe.620 Wie Wright J gleichzeitig einräumt, wird allerdings die Beziehung zwischen Mann und Frau zumeist nicht im Zusammenhang mit den anderen Beziehungen genannt, bei denen typischerweise eine solche Einflussnahme angenommen wird.621 In erster Linie stützt er sich daher auf die bereits skizzierte Rechtsprechungslinie von Sir John Romilly MR in Cooke v Lamotte, Hoghton v Hoghton und Cobbett v Brock, um die dort ganz allgemein gefassten Grundsätze auch auf Eheleute anzuwenden: »There are several judgments of Lord Romilly in which he lays down in the most general terms doctrines which would include the case of husband and wife. In Cooke v. Lamotte (…) especially, and in Hoghton v. Hoghton (…), Lord Romilly lays down in the most general terms the proposition I have just explained, and, although he does not in either of those cases apply it to husband and wife, yet in the case of Cobbett v. Brock (…), at the end of his judgment, he does expressly apply those doctrines to husband and wife notwithstanding that it was unnecessary for him to do so.«622

Dieses Ergebnis stehe ferner mit der Entscheidung des Privy Council in Turnbull v Duval in Einklang, wenngleich es nicht völlig mit den früheren Ausführungen von Parker V-C in Nedby v Nedby übereinstimme (not entirely consistent), wie Wright J überaus zurückhaltend formuliert.623 Aber selbst wenn man der Ansicht von Parker V-C folge und nicht per se von undue influence zwischen Mann und Frau ausgehe, habe die Frau nach seiner Überzeugung hier die Bedeutung ihrer Garantie nicht ausreichend verstanden. Auch hätte sich der Gläubiger im vorliegenden Fall danach erkundigen müssen, ob die Interzedentin wusste, was sie tat. Da er dies unterlassen habe, könne die Klage keinen Erfolg haben.624 (1903) 89 LT 188, 189 f. (1903) 89 LT 188, 190: »The law is, no doubt, in a somewhat unsatisfactory condition, and it is very singular that the text-book and leading cases in equity, in enumerating the relationship of persons between whom these occasions of influence are supposed to exist, do not as a rule, if at all, mention that of husband and wife. Parent and child, engaged persons, solicitor and client, and all sorts of other relationships are mentioned, but so far as I know husband and wife are not as a rule included, and there are very few authorities on the subject.« 622 (1903) 89 LT 188, 190. 623 (1903) 89 LT 188, 190: »[…] notwithstanding that in the earlier case of Nedby v. Nedby (…) Parker, V.C. is reported as having used expressions which were not entirely consistent with what Lord Romilly said, and do appear certainly to some extent to suggest that the burden would be on the wife to displace the validity of the transaction.« 624 (1903) 89 LT 188, 190: »Suppose the burden was on the wife to displace the validity of the transaction; supposing the judgment of Parker, V.C. is correct, and that its effect is that which is suggested and binds me as against the other authorities which have been cited, I still think that in all the circumstances I ought to hold that the transaction was one which for the reasons I have given could not stand as between husband and wife. I do not 620 621

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Wright J trimmt also alle Präjudizien in seine Richtung, die auch nur ansatzweise die von ihm vertretene Auffassung rechtfertigen, ohne in die eigentliche sachliche Diskussion einzutreten, warum die Beziehung zwischen Mann und Frau mit den übrigen gleich zu behandeln sei. Vermutlich unterlässt er dies bewusst, um die etablierte Position der Gegenansicht nicht stärker herausstellen zu müssen. Dessen ungeachtet versucht er seine Entscheidung dadurch abzusichern, dass er selbst auf der Grundlage der Gegenansicht im konkreten Fall zum selben Ergebnis gelangt. Wie aus anderen Verfahren hervorgeht, wurde seine Entscheidung gleichwohl später vom Court of Appeal aufgehoben, dessen Urteil aber unveröffentlicht blieb.625 (4) Chaplin & Co Ltd v Brammall (1908) In Chaplin & Co Ltd v Brammall (1908)626 hatte ein Spirituosenhändler bei den Vertragsverhandlungen mit seinen Lieferanten die Möglichkeit erörtert, dass seine vermögende Frau eine Garantieerklärung (guarantee) abgeben könnte, um die Warenlieferungen auf Kredit abzusichern. Die Lieferanten übermittelten daraufhin dem Mann eine entsprechend formulierte Garantieerklärung, die dieser von seiner Frau unterschreiben ließ. Die Klage, mit der die Lieferanten die Frau aus der Garantie in Anspruch nehmen wollten, wird in der Ausgangsinstanz abgewiesen. Zwar ließen sich die genauen Umstände bei der Unterzeichnung der Garantieerklärung nicht mehr zweifelsfrei klären. Nach Überzeugung von Ridley J aber war die Frau jedenfalls nicht ausreichend über den Inhalt und die Bedeutung ihrer Erklärung informiert worden. Zugleich erklärt er, dass er über die Klage anders befunden und den Anspruch der Gläubiger anerkannt hätte, wenn der Hauptschuldner und die Interzedentin nicht Mann und Frau gewesen wären. Wegen dieser besonderen Beziehung hätte er jedoch im Anschluss an Bischoff’s Trustee v Frank und Turnbull & Co v Duval die Klage abweisen müssen.627 Mit ihrem Rechtsmittel wehren sich die Kläger in erster Linie dagegen, sich ein Fehlverhalten des Hauptschuldners gegenüber der Interzedentin zurechnen lassen zu müssen. Sowohl aus Bainbrigge v Browne628 als auch aus Bischoff’s Trustee v Frank und Turnbull & Co v Duval gehe klar hervor, dass die Gläubiger ein solches nur dann gegen sich gelten lassen müssen, wenn sie belief that Mrs. Frank fully understood the guarantee, and I think it was the husband’s duty to see that she did understand it. I also think that, as between Bischoff and Mrs. Frank, Bischoff was, for the reasons I have stated, sufficiently put on inquiry as to whether Mrs. Frank fully understood what she was doing, and that he did not satisfy himself that she did.« 625 Vgl. Howes v Bishop and Wife [1909] 2 KB 390, 397 f. per Lord Alverstone CJ; Talbot v Von Boris and Wife [1911] 1 KB 854, 863 f. per Farwell LJ. 626 [1908] 1 KB 233. – Vgl. hierzu ENONCHONG, Undue Influence (2012), Rn. 22-007. 627 [1908] 1 KB 233, 234 f. 628 Siehe oben Fn. 471.

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positive Kenntnis (notice) von den näheren Umständen gehabt haben, woran es im vorliegenden Fall jedoch fehle.629 Vaughn Williams LJ hingegen ist überzeugt, dass die Gläubiger den Einfluss, den ein Ehemann typischerweise auf seine Frau hat, hier ganz bewusst instrumentalisierten, um die Unterschrift der Interzedentin zu erhalten. Da sie den somit ihnen obliegenden Nachweis einer vernünftigen Aufklärung der Interzedentin nicht erbringen können, indem sie etwa für eine unabhängige Beratung (independent advice) Sorge getragen hätten, könne die Interzession keinen rechtlichen Bestand haben. In Übereinstimmung mit der Ausgangsentscheidung macht sich auch Vaughn Williams insoweit die Argumentation in Bischoff’s Trustee v Frank zu eigen: »It is unfortunate that the plaintiffs did not take care to see that the defendant had independent advice in the matter. But the result is that the plaintiffs, who, through their agents, were undoubtedly aware that the execution of this guarantee was to be procured through the guarantor’s husband, who was living with his wife at the time, and would presumably have the influence of a husband over her, fail to shew that the document was properly explained to her. Under those circumstances the case appears to me to fall within the decision in Bischoff’s Trustee v. Frank, cited by Ridley J. in his judgment.«630

Vor allem aber zieht Vaughn Williams eine Parallele zum entscheidenden Aspekt in Turnbull & Co v Duval, aus der er die maßgebliche Passage zitiert, die den Gläubigern den vom Ehemann auf die Frau ausgeübten Druck zurechnet.631 Demnach macht es keinen Unterschied, ob sich Gläubiger und Hauptschuldner (wie dort) ausdrücklich oder (wie hier) stillschweigend auf ein gemeinsames arbeitsteiliges Vorgehen gegenüber der Interzedentin verständigen: »So here the plaintiffs left everything to the defendant’s husband; they furnished him with the document that he might get his wife’s signature to it, and they must take the consequences of his having obtained it without explaining to her or her understanding what she was signing.«632

Der Vergleich mit Bainbrigge v Browne schließlich geht in seinen Augen fehl, als die Gläubiger dort nicht den Hauptschuldner eingeschaltet hätten, um die Unterzeichnung der Interzession zu erreichen. Zudem sei den Gläubigern [1908] 1 KB 233, 235 f. [1908] 1 KB 233, 237. Vgl. ferner ebd.: »Those who, as representing the plaintiffs, prepared and sent to the defendant’s husband the document sued upon, in order that he might procure his wife’s signature to it, so that the plaintiffs might have security in respect of the business transactions into which they were about to enter with him, were, when they did so, clearly cognizant of the fact that the influence of a husband was being employed to obtain the signature of his wife to that document. That being so, I am sorry for the plaintiffs that they turn out not to be in a position to prove that any proper explanation of the instrument which she was about to sign was given to the defendant before she signed it.« 631 Siehe oben Fn. 611 und 613. 632 [1908] 1 KB 233, 237 f. Vgl. ferner a. a. O., 236: »So here the plaintiffs left everything to the defendant’s husband.« 629 630

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dort die Einflussnahme des Vaters nicht bewusst und – angesichts einer anwaltlichen Beratung der interzedierenden Kinder633 – eine solche auch nicht zu vermuten gewesen: »There the persons who had given valuable consideration had not sent or requested the person who obtained the execution of the instrument in question to procure its execution, and were not aware of the influence which that person had over those who executed it, the case not being one where there was a necessary presumption that such influence existed.«634

Insgesamt stellt Vaughn Williams in Chaplin & Co Ltd v Brammall also einerseits auf die Vermutung von undue influence in der Beziehung zwischen Eheleuten ab. Andererseits nimmt er auch auf die tatsächliche Ausübung von Druck bzw. undue influence Bezug.635 (5) Howes v Bishop and Wife (1909) Die Diskussion kulminiert schließlich in Howes v Bishop and Wife (1909)636. Der zugrunde liegende Sachverhalt ist insofern atypisch, als nicht Verbindlichkeiten des Ehemanns abgesichert werden, sondern die seines Geschäftsfreunds, indem jener und die beiden Eheleute gemeinsam eine gesamtschuldnerische Schuldverschreibung (joint and several promissory note) gegenüber dem Gläubiger eingehen. Nachdem der Geschäftsfreund in Verzug gerät, hält sich der Gläubiger an die Eheleute und erreicht ein Versäumnisurteil gegen den Ehemann, während die Ehefrau sich gegen eine Inanspruchnahme mit der Begründung wehrt, dass sie nur unter Druck und undue influence ihres Ehemanns unterschrieben hätte. In erster Instanz wird die Ehefrau jedoch zur Zahlung verurteilt, da eine Jury zum Ergebnis kommt, dass der Frau weder falsche Tatsachen vorgespiegelt noch wesentliche Tatsachen vorenthalten worden seien. Vielmehr sei ihr der Inhalt der Schuldverschreibung hinreichend erklärt worden, so dass sie die Tragweite und Bedeutung ihrer Unterschrift sehr wohl gekannt habe. Auch die Ausübung von duress durch Ehemann wird von der Jury ausgeschlossen. Die Frage nach undue influence wird allerdings nicht beantwortet, da sich die Jury nur darüber einig ist, dass der Mann Einfluss auf seine Frau ausgeübt hat, aber nicht darüber, ob dies in unlauterer Weise geschah: »The jury further said, in answer to the third question, that they were agreed that the signature of Mrs. Bishop was obtained by the influence of her husband, but that they were not agreed as to undue influence.«637

633 634 635 636 637

Siehe oben Fn. 472. [1908] 1 KB 233, 238. Ähnlich SPENCER BOWER, Actionable Non-Disclosure (1915), § 446 note f (S. 413). [1909] 2 KB 390. [1909] 2 KB 390, 392.

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Gegen die Verurteilung der Frau kämpfen ihre Vertreter in der nächsten Instanz mit folgender Argumentation. Die Beweislastverteilung im vorliegenden Fall gehe aus Chaplin & Co Ltd v Brammall hervor: Danach müsse der Gläubiger darlegen und beweisen, dass die Frau wirklich die Bedeutung ihrer Unterschrift kannte, weil sie zuvor eine unabhängige Beratung (independent advice) erhalten hat. Außerdem folge diese Regel aus Huguenin v Baseley, die anerkanntermaßen auch bei der Beziehung zwischen Mann und Frau Anwendung finde. Als Beleg hierfür werden die Entscheidung von Romilly MR in Cobbett v Brock und das obiter dictum von Lord Penzance in Parfitt v Lawless angeführt sowie vor allem das erstinstanzliche Urteil von Wright J in Bischoff’s Trustee v Frank, das in zweiter Instanz allein aus tatsächlichen Gründen aufgehoben worden sei.638 Dieses Vorbringen hat jedoch keinen Erfolg, da Lord Alverstone CJ, Fletcher Moulton LJ und Farwell LJ die einschlägigen Präjudizien ganz überwiegend anders bewerten als die Vertreter der beklagten Frau. Die Einlassung von Lord Penzance in Parfitt v Lawless besitze als bloßes obiter dictum nicht den tragenden Charakter einer ratio decidendi.639 Dagegen stehe die Äußerung von Cozens-Hardy J in Barron v Willis, die zwar ebenfalls nur ein obiter dictum darstellt, aber von allen drei Richtern übereinstimmend als vorzugswürdig und richtig bezeichnet wird.640 Lord Alverstone CJ sieht aber zumindest in Turnbull & Co v Duval einen Ansatzpunkt dafür, dass die von der Equity entwickelte Beweislastregel unter bestimmten Umständen auch in der Beziehung zwischen Eheleuten Anwendung finden könne, ohne dass dies jedoch notwendigerweise immer der Fall sein müsse.641 Der Sachverhalt in Chaplin & Co v Brammall hingegen weise einen wesentlichen Unterschied auf, da es dort als erwiesen galt, dass die Frau nicht hinreichend aufgeklärt worden war und folglich in Unkenntnis über die möglichen Folgen interzediert hatte.642 Mit Blick auf das Verfahren in Bischoff’s Trustee v Frank sei die Ausgangsentscheidung von Wright J von der nächsten Instanz nicht nur aus tatsächlichen, sondern auch aus rechtlichen [1909] 2 KB 390, 393 f. [1909] 2 KB 390, 395 f. per Lord Alverstone CJ bzw. 402 per Farwell LJ. 640 [1909] 2 KB 390, 396 f. per Lord Alverstone CJ: »Whether that is right or wrong, it is an authoritative expression of opinion by a learned judge of great experience in that branch of the law, and is far more weighty than the general statement of Lord Penzance. That view derives support from other authorities. […] on this point I think that the view of Cozens-Hardy J. in Barron v. Willis was quite right.« – Ebenso a. a. O., 399 per Fletcher Moulton LJ bzw. 400 f. per Farwell LJ. 641 [1909] 2 KB 390, 396 f.: »For this reason I think that there may be circumstances in which the equitable doctrine that the onus of proof rests on the person supporting the document which creates a gift inter vivos would apply to the relationship of husband and wife, but I am not prepared to assent to the contention that the relationship necessarily comes within the application of the doctrine«. 642 [1909] 2 KB 390, 397. – Ebenso a. a. O., 402 per Farwell LJ. 638 639

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Gründen anders bewertet worden, was er trotz der unterbliebenen Veröffentlichung mit zwei wörtlichen Zitaten untermauert.643 Letztlich seien im vorliegenden Fall die Feststellungen der Jury alle eindeutig zulasten der Beklagten ausgefallen, bis auf die unbeantwortet gebliebene Frage nach undue influence: Demnach habe die Beklagte – entgegen ihrer Darstellung – insbesondere die Bedeutung und Tragweite ihrer Interzession gekannt, so dass jedenfalls von einer Beweislastumkehr zugunsten des Klägers auszugehen sei.644 Dieser Bewertung der Beweislastfrage schließt sich Fletcher Moulton LJ in seinem kurzen Votum voll und ganz an. Darin betont er ebenfalls, dass es somit nicht notwendig sei, im vorliegenden Fall die Grundsatzfrage zu entscheiden, ob Eheleute unter die in Huguenin v Baseley aufgestellte Regel fielen.645 Deutlich weiter als seine beiden Kollegen geht Farwell LJ. Seiner Ansicht nach ist es sehr wohl erforderlich, die aufgeworfene Grundsatzfrage zu entscheiden und zwar negativ, da die Beklagte ansonsten trotz der Feststellungen der Jury mit ihrem Rechtsmittel Erfolg haben würde. Denn wie Lord Lindley in Allcard v Skinner646 und er selbst in Powell v Powell647 dargelegt hätten, ziehe bereits die Existenz einer entsprechenden Nähebeziehung die Vermutung von undue influence nach sich.648 Die Beziehung zwischen Mann und Frau zähle jedoch gerade nicht zu den von der Rechtsprechung anerkannten Nähebeziehungen, wozu er längere Zitate von Lord Hardwicke aus Grigby v Cox649 und Parker V-C aus Nedby v Nedby650 anführt.651 Dem stehe zwar die Ausgangsentscheidung von Wright J in Bischoff’s Trustee v Frank gegenüber, die sich aber im Wesentlichen nur auf Turnbull & Co v Duval stütze. Dort sei aber zum Verhältnis zwischen Eheleuten noch die anerkannte Nähebeziehung zwischen Trustee und Cestui que trust hinzugetreten, innerhalb der Druck ausgeübt und wesentliche Tatsachen verschwiegen worden seien. Folglich gebe dies nichts für diese Argumentation der Beklagten her.652 – Hiermit stellt Farwell LJ freilich das Verhältnis der beiden Aspekte in Turnbull & Co v Duval geradezu auf den Kopf, hatte der Privy Council doch sein Urteil dort in erster Linie auf die Beziehung zwischen Mann und Frau gestützt. 643 644 645 646 647 648 649 650 651 652

[1909] 2 KB 390, 397 f. [1909] 2 KB 390, 398 f. [1909] 2 KB 390, 399. Siehe unten Fn. 755. [1900] 1 Ch 243, 246. [1909] 2 KB 390, 399 f. Siehe oben Fn. 231. Siehe oben Fn. 590 f. [1909] 2 KB 390, 400 f. [1909] 2 KB 390, 401 f.

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Neben der Auswertung der bisherigen Rechtsprechung stellt Farwell LJ flankierend noch die Überlegung an, dass das alltägliche Eheleben maßgeblich beeinträchtigt würde, wenn ein Mann bei jeder Zuwendung seiner Frau nachweisen müsste, dass sie zuvor eine unabhängige Beratung hatte: »Upon principle, it is clear that business could not go on if in every transaction by way of gift by a wife to her husband the onus were on the husband to shew that the wife had had independent advice; such a position would render married life intolerable.«653

Diese Argumentation erscheint freilich in erster Linie vom Ergebnis her gedacht und lässt zudem außer Betracht, dass die Rechtsprechung bei Bagatellgeschenken in einer Nähebeziehung eine Ausnahme macht und keine unabhängige Beratung verlangt. Das heißt, ein großer Teil der alltäglichen Zuwendungen bliebe hiervon unberührt, selbst wenn man die Beziehung zwischen Eheleuten unter die Regel aus Huguenin v Baseley fassen würde. Eine bemerkenswerte Parallele zieht Farwell LJ wenig später in anderem Zusammenhang: In Talbot v Von Boris and Wife (1911)654 gelangte die Jury zu dem Ergebnis, dass die Beklagte zwar von ihrem Ehemann zur Mitzeichnung von zwei gesamtschuldnerischen Schuldverschreibungen (joint and several promissory notes) durch duress gezwungen worden war, jedoch ohne Wissen des Gläubigers. Nach Ansicht von Farwell LJ ändere das Verhältnis von Mann und Frau hier ebenso wenig an der Beweislastverteilung (bei duress) wie in Howes v Bishop and Wife (bei undue influence). Diejenige Partei, die sich auf die Unwirksamkeit berufe, müsse diese darlegen und beweisen, das heißt, die Interzedentin habe die Kenntnis des Gläubigers zu beweisen und nicht umgekehrt der Gläubiger seine Unkenntnis. Als Beleg führt Farwell LJ dabei außerdem die unveröffentlichte Entscheidung des Court of Appeal in Bischoff’s Trustee v Frank an und zitiert aus den Auszügen, die Lord Alverstone CJ diesbezüglich in Howes v Bishop and Wife gemacht hat.655

(6) Bank of Montreal v Stuart (1910) Ebenfalls nicht im Mutterland, sondern in Kanada spielt der Sachverhalt in Bank of Montreal v Stuart (1910)656. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens hatte für die Verbindlichkeiten einer Gesellschaft, an der ihr Mann als einer von fünf Gesellschaftern beteiligt war, mehrfach Sicherheiten bei der beklagten Bank gestellt, bis sie ihr gesamtes Vermögen verloren hatte. Der High Court for Ontario wies die Klage der Frau in erster Instanz ab, was vom Court of Appeal for Ontario bestätigt wurde, allerdings nur aufgrund eines Patts der Stimmen. Der Supreme Court of Canada hingegen hob die Interzessionen mangels einer unabhängigen Beratung (independent advice) auf, da er im

[1909] 2 KB 390, 402. [1911] 1 KB 854. – Vgl. hierzu MARTENS, Durch Dritte verursachte Willensmängel (2007), S. 276 ff. 655 [1911] 1 KB 854, 863 f. 656 [1911] AC 120. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 41 f. 653 654

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Anschluss an seine Entscheidung in Cox v Adams (1904)657 von undue influence des Ehemanns ausging.658 Der von der beklagen Bank angerufene Privy Council tritt zwar der in Cox v Adams vertretenen Rechtsauffassung nicht näher,659 sondern folgt der Ansicht von Parker V-C in Nedby v Nedby, dass die Beweislast für undue influence des Ehemanns bei der Interzedentin liegt.660 Im vorliegenden Fall ist dieser Nachweis aber nach Überzeugung des Gerichts von ihr erbracht worden. Sie habe als Schwerbehinderte stets in völliger Abhängigkeit von ihm gehandelt und nie einen eigenen Willen entwickelt. Ihre gegenteiligen Einlassungen, insbesondere ihre Aussage im Kreuzverhör, würden letztlich nur zeigen, wie tief verwurzelt und lang anhaltend der Einfluss ihres Mannes auf sie sei.661 Dabei zeigt sich der Privy Council offen für einen Ansatz, den Nachweis von undue influence insbesondere dann als erbracht anzusehen, wenn Indizien für einen erdrückenden Einfluss (overpowering influence) vorliegen und zudem das Geschäft maßlos und nicht mehr vernünftig nachvollziehbar (immoderate and irrational) erscheint: »It may well be argued that when there is evidence of overpowering influence and the transaction brought about is immoderate and irrational, as it was in the present case, proof of undue influence is complete. However that may be, it seems to their Lordships that in this case there is enough, according to the recognized doctrine of Courts of Equity, to entitle Mrs. Stuart to relief.«662

Die Zurechnung bereitet keine Schwierigkeiten, da der Anwalt, der für die Bank die Interzessionen mit der Frau ausgehandelt hatte, zugleich Anwalt ihres Mannes und Gesellschafter der verschuldeten Gesellschaft gewesen war. Er war folglich mit allen Gegebenheiten bestens vertraut und hatte – mit Wissen der Bank – die Situation im eigenen Interesse nutzen können.663 (1904) 35 Can SCR 393 allerdings nur mit einer knappen Mehrheit von drei zu zwei Stimmen, soweit es um die Ausübung von undue influence auf die Ehefrau geht. Dabei liegt der Entscheidung eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem englischen Case law zugrunde, vgl. a. a. O., 404 ff. per Girouard J bzw. 415 ff. per Davies J. 658 [1911] AC 120, 122 f., 125 f. 659 [1911] AC 120, 126. 660 [1911] AC 120, 137. – Zur Beziehung zwischen Eheleuten wird außerdem auf Lord Cranworth in Boyse v Rossborough Bezug genommen (s. o. Fn. 365). 661 [1911] AC 120, 136 f.: »The evidence is clear that in all these transactions Mrs. Stuart, who was a confirmed invalid, acted in passive obedience to her husband’s directions. She had no will of her own. Nor had she any means of forming an independent judgment even if she had desired to. She was ready to sign anything that her husband asked her to sign and do anything he told her to do. […] Her declarations in the course of her cross-examination that she acted of her own free will and not under her husband’s influence merely shew how deep-rooted and how lasting the influence of her husband was.« 662 [1911] AC 120, 137. 663 [1911] AC 120, 137 ff., 138 unter Bezugnahme auf Lord Davey in Willis v Barron [1902] AC 271, 283. 657

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Wie schon in Howes v Bishop and Wife wird also auch hier wieder auf die Entscheidung von Parker V-C in Nedby v Nedby verwiesen, in der er trotz gewisser Bedenken nicht bereit gewesen war, vom einmal eingeschlagenen Weg der Rechtsprechung abzuweichen, was das Verhältnis von Mann und Frau betrifft: Die Ausübung von undue influence wird folglich auch bei Interzessionen nicht vermutet, sondern muss bewiesen werden. Gegenstand der Rechtsprechung sind dabei die unterschiedlichsten Formen der Real- und Personalinterzesssionen von der mortgage über die charge und guarantee bis hin zur promissory note. Da zwei Fälle aus Jamaika und Kanada zu entscheiden sind, kommt dem Privy Council insoweit eine wichtige Rolle zu. f)

Undue influence im Verhältnis zwischen Arzt und Patient

Das Verhältnis zwischen Arzt und Patient wird im 19. Jahrhundert für ähnlich missbrauchsanfällig gehalten wie das zwischen Anwalt und Mandant, da der Arzt über ähnlich intime Kenntnisse verfügt, was die persönlichen Verhältnisse seines Patienten angeht.664 Folglich haben unentgeltliche Zuwendungen des Patienten an seinen Arzt grundsätzlich keinen Bestand, es sei denn, vorher erfolgt wie in Pratt v Barker (1826)665 eine hinreichende rechtliche Beratung des Patienten durch einen unabhängigen Dritten, etwa durch den eigenen Anwalt.666 Unterbleibt eine solche Beratung, werden unentgeltliche Zuwendungen in aller Regel schon allein deswegen von der Rechtsprechung aufgehoben.667 In Mitchell v Homfray (1881) bleibt die Schenkung an den Arzt aber trotz fehlendem independent advice unangetastet, weil die Patientin hieran bewusst (intentionally) über mehrere Jahre festgehalten hatte, nachdem die Beziehung beendet worden war, so dass nach ihrem Tod die Zuwendung nicht mehr angegriffen werden kann.668 Eine ganze Reihe von Entscheidungen beschäftigt sich mit Vereinbarungen, bei denen der Patient dem Arzt für eine lebenslange Behandlung eine bestimmte Gegenleistung verspricht. So setzte der Patient in Popham v Brooke (1828)669 seinem Arzt für eine lebenslange medizinische Betreuung eine jährliche Rente von 100 Pfund aus, die bis zum Tode des Arztes – nicht des Patienten – gezahlt werden sollte. Nach Einschätzung eines durch den Arzt hinzugezogenen Spezialisten hatte der Patient aber zu diesem Zeitpunkt nur noch Vgl. POLLOCK, Principles of Contract (1876), S. 515 f.; SPENCER BOWER, Actionable Non-Disclosure (1915), § 425 (S. 386). 665 (1826) 1 Sim 1 = 57 ER 479; (1828) 4 Russ 507 = 38 ER 896. 666 (1826) 1 Sim 1, 4 per Leach V-C; (1828) 4 Russ 507 per Lord Lyndhurst LC. 667 So etwa in Gibson v Russell (1843) 2 Y & C CC 104 = 63 ER 46, vgl. 2 Y & C CC 117 f. per Knight Bruce V-C; Radcliffe v Price (1902) 18 TLR 466 per Swinfen Eady J. 668 (1881) 8 QBD 587, 591 f. per Lord Selborne LC, 593 per Baggallay LJ. 669 (1828) 5 Russ 8 = 38 ER 930. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 68. 664

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wenige Wochen zu leben, was dem Patienten verschwiegen wurde. Anders als dem Patienten war dem Arzt somit bewusst, dass er so gut wie keine Gegenleistung (consideration) mehr erbringen muss. Folglich findet die zu seinen Gunsten vereinbarte Rente keine rechtliche Anerkennung.670 Ein noch krasseres Missverhältnis besteht in Dent v Bennett (1839),671 als dort ein 85-Jähriger seinem Arzt für die künftige Versorgung 25.000 Pfund zugesagt hatte, obwohl sich zuvor die jährlichen Behandlungskosten in einer Größenordnung von allenfalls 30 Pfund bewegt hatten. Für Lord Cottenham LC stellt sich diese Vereinbarung daher weniger als entgeltlicher Vertrag (contract for value) dar, dem es an einer hinreichenden Gegenleistung fehlen würde, sondern mehr als unentgeltliche Zuwendung (voluntary and gratuitious contract) in Würdigung bereits geleisteter Dienste.672 Eine solche unentgeltliche Zuwendung könne aber mangels independent advice keinen Bestand haben, wenn sie bewusst vor dem Anwalt und anderen Vertrauenspersonen des Patienten geheim gehalten wurde.673 Denn die Beziehung zwischen Arzt und Patient zählt für Lord Cottenham LC unzweifelhaft zu denjenigen, die von der Rechtsprechung mit gutem Grund kritisch verfolgt werden (ought to be watched with great jealousy). Dabei vermeidet er es bewusst, insoweit eine eingrenzende Definition aufzustellen, und stützt sich stattdessen auf den von Romilly in Huguenin v Baseley aufgestellten allgemeinen Grundsatz, wonach in einem Abhängigkeitsverhältnis dem Schwächeren Rechtsschutz zu gewähren sei.674 Nach ähnlichem Muster hatte ein betagter Patient in Allen v Davis (1850)675 vorgeblich einen Wechsel in Höhe von 262 Pfund akzeptiert, um dafür eine lebenslange zahnärztliche Versorgung einschließlich Zahnersatz zu erhalten. Deshalb ordnet Knight Bruce V-C unter Verweis auf Dent v Bennett die Herausgabe des Wechsels an, obwohl die beiden Sachverhalte, wie er selbst einräumt, nicht völlig miteinander übereinstimmen. 676 In Billage v Southee (1852)677 hatte sich der Arzt ohne Honorarabrechnung von seinem Patienten, einem armen Schuster, eine Schuldverschreibung (promissory note) über 325 Pfund ausstellen lassen, als dessen Tochter vor der Heirat mit einem vermögenden Adligen stand. Da dieser Betrag selbst die (1828) 5 Russ 8, 10 f. per Leach MR. (1839) 4 My & Cr 269 = 41 ER 105; (1835) 7 Sim 539 = 58 ER 944. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 67. 672 (1839) 4 My & Cr 269, 272 f. 673 (1839) 4 My & Cr 269, 276 ff. 674 Siehe oben Fn. 310. 675 (1850) 4 De G & Sm 133 = 64 ER 767. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 68. 676 (1850) 4 De G & Sm 133, 135 f. 677 (1852) 9 Hare 534 = 68 ER 623. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 68 f. 670 671

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höchsten Gebührensätze bei weitem überstieg, wird auch hier eine unlautere Ausnutzung des Vertrauensverhältnisses (relation of confidence) zwischen Arzt und Patient angenommen, so dass die Schuldverschreibung lediglich als Sicherheit in Höhe des tatsächlich geschuldeten Honorars bestehen bleibt.678 – Eine Rechtsfolge, die bei vergleichbaren Fällen im Verhältnis von Anwalt und Mandant schon früher von der Rechtsprechung vertreten wurde, etwa in Walmesley v Booth (1739/41).679 Keine Honorarvereinbarung mit dem Arzt, sondern Transaktionen der Patientin mit einem Dritten sind schließlich Gegenstand von Blackie v Clark (1852)680. Die Beklagte und Widerklägerin argumentierte, dass sie die streitigen vier Jahresrenten nur deshalb auf die klagende Versicherungsgesellschaft übertragen hätte, weil sie unter dem Einfluss ihres Lebensgefährten, eines Arztes, gestanden habe, was die Versicherungsgesellschaft gewusst hätte. Sir John Romilly MR betont aber in seiner Entscheidung, dass es sich hier anders als in Archer v Hudson681 oder Maitland v Irving682 nicht um Interzessionen handelt, sondern um den Verkauf an einen Dritten, bei dem ein angemessener Erlös erzielt worden sei (purchase for valuable consideration). Die Beweislast für die Ungültigkeit des Geschäfts liege folglich bei ihr. Selbst wenn man ihren Lebensgefährten als den eigentlichen Nutznießer der ganzen Transaktionen betrachte, sei sie bei der Übertragung der ersten Rente nachweislich von einem unabhängigen Anwalt über die rechtlichen Auswirkungen aufgeklärt worden. Zwar habe dann bei der Übertragung der anderen drei Renten keine entsprechende Beratung mehr stattgefunden. Dennoch sei davon auszugehen, dass sie weiterhin genau wusste, welche Folgen die nachfolgenden Transaktionen jeweils für sie hatten. Insgesamt seien daher alle vier Renten wirksam an die Versicherungsgesellschaft übertragen worden.683 – Romilly MR verlangt in diesem Fall also nicht, dass bei jeder ähnlich gelagerten Transaktion erneut eine unabhängige Beratung stattfinden muss, sondern sieht eine einmal erfolgte ausführliche Beratung als ausreichend an. g) Undue influence im Verhältnis zwischen Geistlichem und Gläubigem Auf Huguenin v Baseley folgen im 19. Jahrhundert weitere Entscheidungen zum Verhältnis zwischen Geistlichem und Gläubigem, die spiritual influence neben legal influence (zwischen Anwalt und Mandant) und medical influence (zwischen Arzt und Patient) als Ausprägung von professional influence eta-

678 679 680 681 682 683

(1852) 9 Hare 534, 539 ff. per Turner V-C. Siehe oben Fn. 197. (1852) 15 Beav 595 = 51 ER 669. Siehe oben Fn. 435. Siehe oben Fn. 497. (1852) 15 Beav 595, 600 ff.

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blieren.684 Typischerweise stehen dabei in dieser Beziehung unentgeltliche Zuwendungen im Vordergrund. In Middleton v Sherburne (1841)685 hatte der Erblasser seinem Beichtvater, einem römisch-katholischen Priester, Geld und Liegenschaften teils zu Lebzeiten geschenkt, teils testamentarisch vermacht, so dass bereits die Frage der Zuständigkeit erhebliche Schwierigkeiten bereitet, da ein Court of Equity nur für Klagen gegen lebzeitige Zuwendungen (gifts inter vivos) zuständig ist, aber nicht für Klagen gegen ein Testament (will), die bezüglich der Liegenschaften (will of real estate) in die Gerichtsbarkeit der Courts of Law fallen bzw. bezüglich des sonstigen Vermögens (will of personalty) in die der Ecclesiastical Courts.686 Lord Abinger CB löst das Problem, indem er die eigentliche Streitfrage an das zuständige Gericht at law verweist: Sollte die Jury dort zu dem Ergebnis kommen, dass bezüglich der testamentarisch vermachten Liegenschaften die strengeren Voraussetzungen für undue influence nach der probate doctrine vorliegen, dann seien bezüglich der lebzeitigen Zuwendungen die Anforderungen an undue influence nach der equitable doctrine erst recht erfüllt.687 Gleichzeitig lässt Lord Abinger aber in der Sache deutlich erkennen, dass er, nachdem er sich mit Huguenin v Baseley auseinander gesetzt hat,688 von einer Vertrauensbeziehung in der stärksten Ausprägung ausgeht.689 – Das Verfahren endete schließlich durch Vergleich vor dem Court of Law. Ebenfalls Zuwendungen an katholische Einrichtungen haben folgende Fälle aus Irland zum Gegenstand.690 In Whyte v Meade (1840)691 hatte eine Ordensschwester kurz nach ihrer Volljährigkeit nahezu ihr gesamtes Vermögen 684 POLLOCK, Principles of Contract (1876), S. 516; SPENCER BOWER, Actionable NonDisclosure (1915), § 408 (S. 369); § 429 (S. 396). 685 (1841) 4 Y & C Ex 358, 593 = 160 ER 1044, 1149. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 72. 686 (1841) 4 Y & C Ex 358, 377 ff. – Zur kontroversen Bewertung von Kerrich v Bransby (s. o. Fn. 96) einerseits hier durch Lord Abinger CB und andererseits in Allen v Macpherson durch Lord Lyndhurst LC (s. o. Fn. 349) vgl. 4 Y & C Ex 593 m. w. N. 687 (1841) 4 Y & C Ex 358, 392 f. – Vgl. hierzu SPENCER BOWER, Actionable NonDisclosure (1915), § 424 note s (S. 385). 688 Siehe oben Fn. 313. 689 (1841) 4 Y & C Ex 358, 391 f.: »[…] I do not pretend at all to draw any inference from it, but it is very fit that a jury should be allowed to draw their inference from these facts. This gentleman stands in the most confidential relation which can subsist between a clergyman and a layman, namely, that of confessor to his friend, and unites with that character, I should say, the character of confidential manager of his friend’s temporal affairs.« 690 In Fulham v M’Carthy (1848) 1 HLC 703 = 9 ER 937 bzw. M’Carthy v M’Carthy (1846) 9 Ir Eq Rep 620 wird eine vergleichbare Klage auf Übertragung der von zwei Nonnen versprochenen Vermögenswerte letztlich abgewiesen, ohne auf undue influence abzustellen. 691 (1840) 2 Ir Eq Rep 420.

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auf ihren Konvent übertragen. Da sie von der Außenwelt abgeschnitten war und keinerlei externe Unterstützung hatte, werden die entsprechenden Verfügungen wegen undue influence aufgehoben.692 Hingegen bleibt der in Kirwan v Cullen (1854)693 zugunsten eines Damenkonvents errichtete Trust unangetastet, bei dem der Erzbischof von Dublin und der Jesuitenobere von Irland als die beiden Trustees bestimmt worden waren. Zwar war letzterer bis rund zwei Jahre zuvor der Beichtvater (confessor) der Stifterin gewesen, ehe ein anderer, ihm unterstellter Jesuit diese Aufgabe übernahm. Jedoch gehörte die Stifterin nicht dem begünstigten Konvent an, sondern lebte bei ihrer Familie. Zudem machte das übertragene Vermögen nur etwa die Hälfte ihres Eigentums aus. Nach Überzeugung des Gerichts ist undue influence deshalb hier auszuschließen.694 Wenig verwunderlich ist im Ergebnis die Entscheidung von Stuart V-C in Nottidge v Prince (1860),695 nach eingehender Würdigung von Norton v Relly und Huguenin v Baseley 696 auch die Schenkung des gesamten Vermögens an einen Sektenführer aufzuheben, dem seine Anhängerin übernatürliche Kräfte zugeschrieben hatte.697 In Re Metcalfe’s Trusts (1864)698 begehrt eine Nonne die Auszahlung ihres Erbteils, den die Nachlassverwalter bei Gericht hinterlegt haben, weil sie als Karmelitin anlässlich ihrer Profess (in Paris) ihr gesamtes gegenwärtiges und künftiges Vermögen auf einen von ihr bestellten Trust übertragen hatte zugunsten der Oratorianer, eines katholischen Männerordens (in Brompton/London). Während der Master of the Rolls zunächst eine Auszahlung wegen undue influence bei der Errichtung des Trusts verweigert, gibt Knight Bruce LJ in der nächsten Instanz dem Antrag der Nonne statt: Es stehe den englischen Gerichten nicht zu, einer Verfügung die Anerkennung zu verweigern, die von der Antragstellerin im vollen Besitz ihrer Kräfte (in the full possession of her faculties) getroffen wird, nur weil man selbst diese für unklug oder unratsam hält. Ob sie bei der Errichtung des Trusts möglicherweise unter undue influence

(1840) 2 Ir Eq Rep 420, 422 f. per Pennefather B bzw. 423 per Richards B, der diesen Fall der Kategorie Vormund und Mündel zuordnet. – Hingegen sieht Lindley LJ später hierin einen Fall von »coercion, clearly proved«, vgl. Allcard v Skinner (1887) 36 Ch D 145, 181. 693 (1854) 4 Ir Ch 322. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 74. 694 (1854) 4 Ir Ch 322, 327 ff. 695 (1860) 2 Giff 246 = 66 ER 103. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 72 f. 696 Siehe oben Fn. 320 f. 697 (1860) 2 Giff 246, 268 ff. 698 (1864) 2 De G J & S 122 = 46 ER 321. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 76. 692

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handelte, müsse hier also dahin gestellt bleiben.699 – Vielleicht wäre die Entscheidung anders ausgefallen, wenn die Zuwendung dem eigenen Kloster oder dem eigenen Orden der Nonne zugute gekommen wäre. Auf das Gebiet des Spiritismus muss sich schließlich Giffard V-C in Lyon v Home (1868)700 wagen. Die betagte Klägerin, eine überzeugte Spiritistin, hatte dem Beklagten, dem vorgeblichen Medium zu ihrem verstorbenen Mann, erhebliche Vermögenswerte zugewendet. Nach Überzeugung von Giffard V-C hatte hier zwischen den beiden Parteien erwiesenermaßen eine vergleichbare Beziehung bestanden, wie sie von Lord Eldon in Hatch v Hatch701 und von Lord Cottenham – unter Bezugnahme auf Huguenin v Baseley – in Dent v Bennett702 beschrieben wird.703 Der Beklagte trage daher die Beweislast dafür, dass die Entscheidungsfreiheit der Klägerin auch nicht durch den Hauch einer unzulässigen Einflussnahme (least speck of imposition or undue influence) beeinträchtigt war.704 Dem sei der Beklagte nicht ansatzweise nachgekommen, zumal die entsprechenden Urkunden auch keine Widerrufsmöglichkeit vorgesehen hätten, was schon von Lord Eldon in Huguenin v Baseley705 bemängelt worden sei.706 Obwohl die Aussagen der Klägerin ansonsten als wenig glaubwürdig eingestuft werden,707 sind die Zuwendungen deshalb aufzuheben: Ein Ergebnis, das Giffard V-C abschließend unter Verweis auf Lord Hardwicke einmal mehr mit public utility rechtfertigt.708 Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass die Klagevertreter neben zahlreichen prominenten englischen Präzedenzfällen auch zwei französische Entscheidungen bei d’Aguesseau ins Feld geführt hatten,709 auf die Giffard V-C 699 (1864) 2 De G J & S 122, 125 f. – Vgl. hierzu SPENCER BOWER, Actionable NonDisclosure (1915), § 422 note d (S. 384). 700 (1868) LR 6 Eq 655. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 76 f.; SMITH, in: Landmark Cases (2006), S. 183, 194. 701 Siehe oben Fn. 158. 702 Siehe oben Fn. 310. 703 (1868) LR 6 Eq 655, 674 f.: »[…] The question then arises, was the relation of the Defendant to the Plaintiff during these transactions at all analogous to those which are referred to by Lord Eldon and Lord Cottenham? I answer that it has been proved to be so.« 704 (1868) LR 6 Eq 655, 676: »This, without more, is in my judgment enough to throw upon the Defendant the onus of proving that the Plaintiff’s acts were the pure, voluntary, well-understood acts of her mind, unaffected by the least speck of imposition or undue influence«. – Diese Formulierung erinnert wiederum an Lord Commissioner Wilmot in Bridgeman v Green (1757) Wilm 58, 61 (s. o. Fn. 175). 705 Siehe oben Fn. 297. 706 (1868) LR 6 Eq 655, 680 f. 707 (1868) LR 6 Eq 655, 673, 681. 708 (1868) LR 6 Eq 655, 673, 682: »[…] that this should be so is of public concern, and, to use the words of Lord Hardwicke, ›of the highest public utility‹.« 709 (1868) LR 6 Eq 655, 671: »[…] the Court will not permit the retention of property thus improperly obtained, and will protect the public against this new and most dangerous species of fraud: Hatch v. Hatch; Bridgman v. Green; Huguenin v. Baseley, and the cases

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aber im Gegensatz zu den englischen in seiner Entscheidung nicht eingeht. Insoweit besteht eine gewisse Parallele zu Huguenin v Baseley als auch dort der Klagevertreter (Sir Samuel Romilly) zusätzlich zum englischen Fallrecht auf Pothier abgestellt hatte, um eine (vermeintlich) neue Fallkonstellation in seinem Sinne zu lösen, ohne dass sich dies dann im eigentlichen Judiz (Lord Eldons) unmittelbar niederschlug. h) Untypische Vertrauensverhältnisse Über die typischen Beziehungen hinaus nimmt die Rechtsprechung ein äquivalentes Vertrauensverhältnis an, wenn im Einzelfall insoweit vergleichbare Umstände vorliegen. Häufig handelt es sich dabei um Verfügungen älterer alleinstehender Damen: Sei es wie in Taylor v Obee (1816)710, dass eine alte Witwe ein Grundstück unter Wert an einen Bauunternehmer verkauft, dem sie als Freund ihres verstorbenen Mannes in dieser Angelegenheit ein besonderes Vertrauen (confidence) entgegenbrachte.711 Sei es wie in Griffiths v Robins (1818)712 die Schenkung einer nahezu völlig erblindeten 84-Jährigen an ihre Nichte und deren Mann, auf deren Fürsorge sie angewiesen war,713 oder wie in Custance v Cunningham (1851)714 die Schenkung einer alten Frau an ihren Vermieter.715 Auch in Cooke v Lamotte (1851)716 dreht sich der Streit um Zuwendungen einer 73-jährigen Witwe. Ihr Lieblingsneffe, der nach dem Tod ihres Mannes referred to in the note to Tudor’s Leading Cases in Equity; Dent v. Bennett; Norton v. Relly; Nottidge v. Prince; Smith v. Tebbitt; Œuvres d’Aguesseau (La Cause des Héritiers de la Dame de Vaugermain contre les Religieuses du Saint-Sacrement); Ibid. (La Cause des Religieuses Ursulines de Castel-Sarrazin contre Guillaume Gabriel de Charron intimé, et Jean de Charron intervenant).« – Vgl. hierzu POLLOCK, Principles of Contract (1876), S. 517. 710 (1816) 3 Price 26, 83 = 146 ER 180, 198. 711 (1816) 3 Price 83, 92 per Wood B (»confidential friend«) bzw. 92 f. per Richards B: »Any one possessing the confidence of a party, must be regarded as in the situation of attorney of that party, and should not be allowed to take advantage of that situation.« 712 (1818) 3 Madd 191 = 56 ER 480. 713 (1818) 3 Madd 191, 192 per Leach V-C: »She had entire trust and confidence in them; and it may be stated that they were the persons upon whose kindness and assistance she depended. They stood, therefore, in a relation to her, which so much exposed her to their influence that they can maintain no deed of gift from her unless they can steablish that it was the result of her own free will, and effected by the intervention of some indifferent person.« 714 (1851) 13 Beav 363 = 51 ER 140. 715 (1851) 13 Beav 363, 364 f. per Lord Langdale MR: »This is a case as full of suspicion as any I have ever met with. An old woman who had accumulated a sum of stock has, as it is said, been induced, by some means or other, to make a gift of this sum to the Defendant, he being a person in whose house she lodged, subject only to the payment of the dividends to her for life.« 716 (1851) 15 Beav 234 = 51 ER 527.

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bei ihr eingezogen war, hatte sie dazu gebracht, ihm und seinen beiden Brüdern in einem bond den Erhalt von 15.000 Pfund nach ihrem Tod zu versprechen. Anderenfalls sollte eine Strafsumme von 30.000 Pfund zulasten des Nachlasses fällig werden. Sir John Romilly MR stellt bei dieser Gelegenheit noch einmal ausdrücklich klar, dass die Rechtsprechung nicht auf bestimmte Beziehungen beschränkt sei, sondern für jede Beziehung gelte, in der eine Partei die andere beherrschen kann (exercise a dominion). Diesen Grundsatz untermauert er mit einem Zitat aus der Replik seines Vaters in Huguenin v Baseley,717 ohne dies aber namentlich anzugeben: »The rule in cases of this description is this: where those relations exist, by means of which a person is able to exercise a dominion over another, the Court will annul a transaction, under which a person possessing that power takes a benefit, unless he can shew that the transaction was a righteous one. It is very difficult to lay down with precision what is meant by the expression ›relation in which dominion may be exercised by one person over another.‹ That relation exists in the cases of parent, of guardian, of solicitor, of spiritual adviser, and of medical attendant, and may be said to apply to every case in which two persons are so situated, that one may obtain considerable influence over the other. The rule of the Court, however, is not confined to such cases.«718

Darüber hinaus könne eine derartige Zuwendung nur dann Bestand haben, wenn der Zuwendende wusste, worauf er sich eigentlich einließ.719 Nach den konkreten Umständen habe die Tante jedoch nicht erkannt, dass sie statt einer widerrufbaren letztwilligen Verfügung im Ergebnis eine unwiderrufbare Schenkung tätigt.720 Die Verfügung sei somit nicht nur im Verhältnis zum Lieblingsneffen unwirksam, sondern nach Bridgeman v Green721 auch gegenüber unbeteiligten Dritten wie den beiden anderen Neffen.722 In Hobday v Peters (1860)723 bestätigt Romilly MR zum einen seinen Standpunkt aus Cooke v Lamotte, dass es nicht auf das Vorliegen einer bestimmen vertypten Beziehung ankommt.724 Zum anderen misst er dem Begünstigten nach der konkret wahrgenommenen Funktion aber eine anwaltsgleiche Stellung bei.725 Siehe oben Fn. 283. (1851) 15 Beav 234, 239 f. – Die anschließende Bezugnahme auf Lord Cottenham dürfte sich auf Dent v Bennett beziehen (s. o. Fn. 310). Die im Report, a. a. O., 240 in Klammern angeführte Entscheidung Billage v Southee stammt jedenfalls nicht von Lord Cottenham, sondern von Turner V-C (s. o. Fn. 678). 719 (1851) 15 Beav 234, 240 f. 720 (1851) 15 Beav 234, 243 ff., 249. 721 Siehe oben Fn. 177. 722 (1851) 15 Beav 234, 250. 723 (1860) 28 Beav 349 (No. 1), 354 (No. 2), 603 (No. 3) = 54 ER 400, 402, 498. 724 (1860) 28 Beav 349, 351 f. 725 (1860) 28 Beav 349, 352 f. – Ähnlich schon Richards B in Taylor v Obee (s. o. Fn. 711). 717 718

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Schon bald entwickelt sich daher eine gefestigte Rechtsprechung, dass die Grundsätze zu undue influence über die vertypten Beziehungen hinaus auf alle vergleichbaren Abhängigkeitsverhältnisse anwendbar sind, so etwa in Smith v Kay (1859)726 durch Lord Cranworth727 und Lord Kingsdown728 oder in Tate v Williamson (1866)729 durch Page Wood V-C (in der Ausgangsentscheidung)730 und Lord Chelmsford LC731. Auch Dritte müssen daher die Ausübung von undue influence in einer atypischen Beziehung jedenfalls dann gegen sich gelten lassen, wenn sie wie in Smith v Kay kollusiv mit dem dominanten Teil zusammengewirkt haben.732 (1859) 7 HLC 750 = 11 ER 299. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 37 f.; ENONCHONG, Undue Influence (2012), Rn. 23-006. 727 (1859) 7 HLC 750, 770 f.: »[…] there is, I take it, no branch of the jurisdiction of the Court of Chancery which it is more ready to exercise than that which protects infants and persons in a situation of dependance, as it were, upon others, from being imposed upon by those upon whom they are so dependant. The familiar cases of the influence of a parent over his child, of a guardian over his ward, of an attorney over his client, are but instances. The principle is not confined to those cases«. 728 (1859) 7 HLC 750, 778 f.: »The principle applies to every case where influence is acquired and abused, where confidence is reposed and betrayed. The relations with which the Court of Equity most ordinarily deals, are those of trustee and cestui que trust, and such like. It applies specially to those cases, for this reason and this reason only, that from those relations the Court presumes confidence put and influence exerted. Whereas in all other cases where those relations do not subsist, the confidence and the influence must be proved extrinsically; but where they are proved extrinsically, the rules of reason and common sense, and the technical rules of a Court of Equity, are just as applicable in the one case as in the other.« 729 (1866) LR 1 Eq 528; LR 2 Ch App 55. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 62 f. 730 (1866) LR 1 Eq 528, 536 f.: »The broad principle on which the Court acts in cases of this description is that, wherever there exists such a confidence, of whatever character that confidence may be, as enables the person in whom confidence or trust is reposed, to exert influence over the person trusting him, the Court will not allow any transaction between the parties to stand, unless there has been the fullest and fairest explanation and communication of every particular resting in the breast of the one who seeks to establish a contract with the person so trusting him.« 731 (1866) LR 2 Ch App 55, 60 f.: »The jurisdiction exercised by Courts of equity over the dealings of persons standing in certain fiduciary relations has always been regarded as one of a most salutary description. The principles applicable to the more familiar relations of this character have been long settled by many well-known decisions, but the Courts have always been careful not to fetter this useful jurisdiction by defining the exact limits of its exercise. Wherever two persons stand in such a relation that, while it continues, confidence is necessarily reposed by one, and the influence which naturally grows out of that confidence is possessed by the other, and this confidence is abused, or the influence is exerted to obtain an advantage at the expense of the confiding party, the person so availing himself of his position will not be permitted to retain the advantage, although the transaction could not have been impeached if no such confidential relation had existed.« 726

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Teil 3: Undue influence

Die atypische Vertrauensbeziehung der Witwe und des Sohnes eines verstorbenen Verlegers zu ihrem Geschäftsführer gibt James LJ in Moxon v Payne (1873)733 Gelegenheit zu einigen grundsätzlichen Feststellungen.734 Ein Rechtsgeschäft, das auf undue influence beruht, kann später nur dann durch eine Bestätigung oder einen Vergleich geheilt werden, wenn die unterlegene Partei inzwischen volle Kenntnis aller Tatsachen und aller ihrer Rechte erlangt und sich von jedwedem Einfluss befreit hat.735 Selbst die Beratung und Unterstützung der unterlegenen Partei durch einen Anwalt ist hierbei unbeachtlich, solange sie weiter unter dem Einfluss der überlegenen Partei steht.736 3. Allcard v Skinner (1887) In Allcard v Skinner (1887)737 war die Klägerin durch Vermittlung ihres Beichtvaters (spiritual director and confessor) einer Schwesternschaft der Church of England beigetreten,738 die von der Beklagten als Oberin (lady superior) geleitet wurde. Nach den Statuten der Schwesternschaft waren die 732 (1859) 7 HLC 750, 773 per Lord Cranworth bzw. 778 per Lord Kingsdown. Schon das Ausgangsverfahren gegen den Dritten war erfolgreich, vgl. Kay v Smith (1855) 20 Beav 566 = 52 ER 722; (1856) 21 Beav 522 = 52 ER 961. Vgl. ferner (1857) 7 De G M & G 383 = 44 ER 149. – Dagegen scheiterte eine Klage gegen den dominanten Teil auf Verwendungsersatz bezüglich des gemeinschaftlich erworbenen Grundvermögens an der fehlenden Anspruchsgrundlage, vgl. Kay v Johnston (1856) 21 Beav 536 = 52 ER 967. 733 (1873) LR 8 Ch App 881. – Vgl. hierzu ENONCHONG, Undue Influence (2012), Rn. 12-011 und 29-006. 734 Vgl. (1873) LR 8 Ch App 881, 887: »[T]he obtaining of property, or of any benefit, through the undue and unconscientious abuse of influence by a person in whom trust and confidence are placed, has always been treated as a fraud of the gravest character«. 735 (1873) LR 8 Ch App 881, 885: »Frauds or impositions of the kind practised in this case cannot be condoned; the right to property acquired by such means cannot be confirmed in this Court unless there be full knowledge of all the facts, full knowledge of the equitable rights arising out of those facts, and an absolute release from the undue influence by means of which the frauds were practised. To make a confirmation or compromise of any value in this Court the parties must be at arm’s length, on equal terms, with equal knowledge, and with sufficient advice and protection.« 736 (1873) LR 8 Ch App 881, 886: »In this case the influence was so continuous that it is impossible to say that Arthur Moxon had the advice and assistance which he ought to have had. He was not, in truth, relying on or being advised by Mr. Allen [his solicitor] against the Defendant Payne, but was relying on and being advised by the Defendant Payne against Mr. Allen.« 737 (1887) 36 Ch D 145. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 20 f., 74 f.; SMITH, in: Modern Studies in Property Law, Vol. III (2005), S. 131, 135 ff.; DIES., in: Landmark Cases (2006), S. 183, 187 ff.: Allerdings stimmen die dort angegebenen Belegstellen nicht mit (1887) 36 Ch D 145 überein, obwohl diese Fassung (a. a. O., Fn. 1) ebenfalls zugrunde gelegt wird. 738 Dies ist der einzige Fall, der eine Institution der anglikanischen Staatskirche betrifft, vgl. SMITH, in: Landmark Cases (2006), S. 183, 188, 194.

II. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert

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Schwestern zu Armut, Keuschheit und Gehorsam verpflichtet und mussten ihr persönliches Vermögen aufgeben. Zwar stand es den Schwestern grundsätzlich frei, ob die Übertragung ihres Vermögens an Verwandte und Freunde, an die Armen oder an die Schwesternschaft selbst erfolgen sollte. Die entsprechenden Formulare im Anhang der Statuten sahen aber alle die Schwesternschaft als Empfänger vor. Ferner waren die Schwestern gegenüber der Oberin zu absolutem Gehorsam verpflichtet und durften ohne deren Erlaubnis ausdrücklich keinen Rat von Externen einholen.739 Die Klägerin hatte schon am Anfang ihres Postulats ein Testament zugunsten der Oberin errichtet, um dann nach der Profess erhebliches Vermögen auf die Oberin zu übertragen. 1879 verließ die Klägerin die Schwesternschaft und widerrief sofort ihr Testament. Hingegen verlangte sie erst sechs Jahre später die Rückerstattung des lebzeitig zugewendeten Vermögens.740 Die Ausgangsentscheidung von Kekewich J legt hier die gleichen Maßstäbe an wie bei unentgeltlichen Zuwendungen des Mündels an seinen Vormund oder von Kindern an ihre Eltern.741 Dabei macht er sich die Argumentation der Klagevertreter742 zu eigen und bezeichnet den religiösen Einfluss als den subtilsten überhaupt (the most subtle of all).743 Folglich ist von undue influence auszugehen, es sei denn, der Zuwendende hatte zuvor nachweislich competent independent advice. Diese Beratung muss aber nicht notwendigerweise durch einen Juristen erfolgen, wie vom Klagevertreter angenommen,744 sondern vorzugsweise durch jemanden mit Geschäftserfahrung und gesundem Menschenverstand: »The advice which is more urgently required is that of a man of the world – a man of common sense – who, without despising emotion, does not rank it among the virtues, but also finds a place there for prudence. Such a man, especially if in a general way conversant with the administration of property, and capable of expressing his views clearly and strongly, would be a far better adviser than a solicitor or counsel, who did not possess these qualifications.«745

Dass der Zuwendende einen entsprechenden Rat mit aller Wahrscheinlichkeit letzten Endes doch ignoriert, lasse die Erforderlichkeit von competent independent advice unberührt, auch wenn es der Zuwendungsempfänger somit in der Hand habe, auf diese Weise doch die Wirksamkeit der Zuwendung herbeizuführen:

739 740 741 742 743 744 745

(1887) 36 Ch D 145, 147 f. (1887) 36 Ch D 145, 149. (1887) 36 Ch D 145, 157 ff. (1887) 36 Ch D 145, 150: »The spiritual influence is the most subtle of all«. (1887) 36 Ch D 145, 158: »Religious influence is the most subtle of all«. (1887) 36 Ch D 145, 153. (1887) 36 Ch D 145, 159.

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Teil 3: Undue influence

»The necessity of competent independent advice wherever that necessity occurs, is not affected by the consideration that the advice, however plainly and strongly given, would in all probability be disregarded, or, in other words, that the donee of a gift obtained by the exercise of undue influence might insist on the donor adopting this precaution (which would make the gift indubitably safe) without running any appreciable risk of loss.«.746

Entgegen der Auffassung der Beklagtenvertreter747 spielt es darüber hinaus keine Rolle, ob der Einfluss zum eigenen Vorteil ausgeübt wird oder zum Vorteil Dritter. Denn selbst einem unbeteiligten Dritten könne keine bessere Position zuerkannt werden als demjenigen, der den Druck ausgeübt hat, was einmal mehr mit einem Zitat aus der Urteilsbegründung von Lord Eldon in Huguenin v Baseley748 untermauert wird.749 Der ebenfalls von den Beklagtenvertretern in Spiel gebrachten Verwirkung oder Genehmigung (laches or acquiescence) tritt Kekewich J nur teilweise näher.750 Stattdessen stellt er darauf ab, dass die Klägerin beim Eintritt ins Kloster gewusst habe, worauf sie sich damit einließ, nämlich auf die Hingabe ihres gesamten Vermögens. Zu diesem Zeitpunkt habe sie auch noch competent external advice besessen. Die eigentliche Schenkung sei somit schon mit dem Eintritt ins Kloster geschehen, so dass später die einzelnen Vermögenstransfers nur als bloße Vollzugsakte anzusehen seien, bei denen daher nicht jedes Mal wieder competent independent advice eingeholt werden musste. Deshalb sei die Schenkung insgesamt gültig und die Klage abzuweisen.751 Auf die Berufung (appeal) der Klägerin hin setzen sich Cotton LJ, Lindley LJ und Bowen LJ noch einmal eingehend mit dem Fall und den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zu undue influence auseinander. Cotton LJ stellt hierzu in seinem Votum einige allgemeine Überlegungen an und bildet zwei Fallgruppen, in die er die bisherigen Entscheidungen zusammenfasst – zum einen die Fälle, wo sich ein ausdrücklich ausgeübter Einfluss (influence expressly used) feststellen lässt, und zum anderen die Fälle, wo aus einer bestimmten Beziehung eine entsprechende Vermutung (presumption) abgeleitet wird, die der Zuwendungsempfänger widerlegen muss: »These decisions may be divided into two classes – First, where the Court has been satisfied that the gift was the result of influence expressly used by the donee for the purpose; second, where the relations between the donor and donee have at or shortly before the execution of the gift been such as to raise a presumption that the donee had influence over the donor. In such a case the Court sets aside the voluntary gift, unless it is proved that in fact the gift was the spontaneous act of the donor acting under circumstances which en-

746 747 748 749 750 751

(1887) 36 Ch D 145, 159. (1887) 36 Ch D 145, 152. Siehe oben Fn. 293. (1887) 36 Ch D 145, 159 f. (1887) 36 Ch D 145, 163 ff. (1887) 36 Ch D 145, 165 ff., 167 f.

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abled him to exercise an independent will and which justifies the Court in holding that the gift was the result of a free exercise of the donor’s will.«752

Die ratio der ersten Fallgruppe bestehe darin, niemandem den Vorteil zu belassen, den er aus seinem Fehlverhalten gezogen hat. Die zweite Fallgruppe hingegen beruhe auf public policy und dem Präventionsgedanken, dass bestimmte Beziehungen nicht ausgenutzt werden sollen: »The first class of cases may be considered as depending on the principle that no one shall be allowed to retain any benefit arising from his own fraud or wrongful act. In the second class of cases the Court interferes, not on the ground that any wrongful act has in fact been committed by the donee, but on the ground of public policy, and to prevent the relations which existed between the parties and the influence arising therefrom being abused.«753

Lindley LJ nimmt ebenfalls eine ähnliche Einteilung in zwei Gruppen vor, räumt aber gleich ein, dass sich diese beiden auch häufig überlappen können. Wiederum knüpft die erste Gruppe an ein tatsächlich erwiesenes unlauteres Verhalten an: »Theses cases may be subdivided into two groups, which, however, often overlap. First, there are the cases in which there has been some unfair and improper conduct, some coercion from outside, some overreaching, some form of cheating, and generally, though not always, some personal advantage obtained by a donee placed in some close and confidential relation to the donor. Norton v. Relly, Nottidge v. Prince, Lyon v. Home, and Whyte v. Meade, all belong to this group.«754

Die zweite Gruppe allerdings setzt die Akzente ein wenig anders als bei Cotton LJ und hebt stärker auf bestehende Loyalitätspflichten ab, die der Zuwendungsempfänger gegenüber dem Zuwendenden einzuhalten hat: »The second group consists of cases in which the position of the donor to the donee has been such that it has been the duty of the donee to advise the donor, or even to manage his property for him. In such cases the Court throws upon the donee the burden of proving that he has not abused his position, and of proving that the gift made to him has not been brought about by any undue influence on his part. In this class of cases it has been considered necessary to shew that the donor had independent advice, and was removed from the influence of the donee when the gift to him was made. Huguenin v. Baseley was a case of this kind.«755

Das grundlegende Prinzip der gesamten Rechtsprechung sei der Schutz des Schwächeren vor der Ausbeutung durch den Stärkeren. Angesichts der Vielzahl von Einflussnahmemöglichkeiten sei es freilich ebenso wenig zielführend undue influence zu definieren wie fraud, worauf die Rechtsprechung bislang wohlweislich verzichtet habe: 752 753 754 755

(1887) 36 Ch D 145, 171. (1887) 36 Ch D 145, 171. (1887) 36 Ch D 145, 181. (1887) 36 Ch D 145, 181 f.

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Teil 3: Undue influence

»[…] to protect people from being forced, tricked or misled in any way by others into parting with their property is one of the most legitimate objects of all laws; and the equitable doctrine of undue influence has grown out of and been developed by the necessity of grappling with insidious forms of spiritual tyranny and with the infinite varieties of fraud. As no Court has ever attempted to define fraud so no Court has ever attempted to define undue influence, which includes one of its many varieties.«756

Auch Lindley LJ teilt insoweit die Einschätzung, dass religiöser Einfluss der mit Abstand gefährlichste sei.757 Alle drei Richter heben schließlich übereinstimmend die maßgebliche Bedeutung von public policy in diesem Zusammenhang hervor.758 Da im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte für eine unmittelbare Ausübung (actual exercise) von undue influence vorliegen, kommen allein die für die zweite Gruppe entwickelten Maßstäbe zum Tragen. Zwischen Klägerin und Beklagter bestand ein Vertrauensverhältnis (confidential relation), so dass es für die Wirksamkeit der Zuwendung maßgeblich darauf ankommt, ob die Klägerin competent independent advice hatte.759 Dies wird aber von allen drei Richtern verneint, die – anders als Kekewich J – nicht auf den Zeitpunkt des Beitritts zur Schwesternschaft abstellen, sondern später auf den Vollzug der Zuwendungen, als die Klägerin von externem Rat völlig abgeschnitten war.760 Streitentscheidend ist letztlich die Frage der Verwirkung. Während Cotton LJ mit Blick auf Wright v Vanderplank761 noch keine illoyale Verspätung der Klage annimmt,762 sind sowohl Lindley LJ als auch Bowen LJ gegenteiliger Auffassung,763 so dass die ursprüngliche Klageabweisung deshalb mit zwei zu eins Stimmen bestätigt wird. Illustrativ für die anschließende Entwicklung ist das Verfahren in Morley v Loughnan (1893),764 wo der Beklagte, ein Sektenmitglied, das ursprünglich als Reisebegleiter eines wohlhabenden Epileptikers engagiert war, diesen von seiner Familie entfremdet und zum Sektenbeitritt bewegt hatte. In der Folge erhielt der Beklagte von seinem Schützling durch lebzeitige Zuwendungen den Großteil des entsprechenden Vermögens, wovon er bestimmte Beträge (1887) 36 Ch D 145, 182 f. (1887) 36 Ch D 145, 183: »But the influence of one mind over another is very subtle, and of all influences religious influence is the most dangerous and the most powerful, and to counteract it Courts of Equity have gone very far.« 758 (1887) 36 Ch D 145, 171 per Cotton LJ, 187 per Lindley LJ bzw. 190 per Bowen LJ. 759 Die Ausnahme für Bagatellgeschenke greift vorliegend nicht, vgl. (1887) 36 Ch D 145, 185 per Lindley LJ. 760 (1887) 36 Ch D 145, 172 f. per Cotton LJ, 183 ff. per Lindley LJ bzw. 189 ff. per Bowen LJ. 761 Siehe oben Fn. 430. 762 (1887) 36 Ch D 145, 173 ff. 763 (1887) 36 Ch D 145, 186 ff. bzw. 191 ff. 764 [1893] 1 Ch 736. – Vgl. hierzu KEMPERMANN, Unlautere Ausnutzung (1975), S. 75 f. 756 757

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innerhalb der eigenen Familie weiterverteilte. Nach dem Freitod des Zuwendenden begehrten dessen Brüder und Erben freilich die Rückerstattung des Geldes. Die Klage wurde dabei ausdrücklich auf beide in Allcard v Skinner gebildeten Fallgruppen gestützt, das heißt sowohl auf eine tatsächlich ausgeübte Einflussnahme (influence expressly exercised) als auch auf eine besondere Vertrauensbeziehung (confidential relation), wegen der eine Einflussnahme zu vermuten sei (presumption of influence).765 Wright J stellt daher in seiner Entscheidung eingangs noch einmal die Grundsätze der Beweislastverteilung in beiden Gruppen dar: Danach müssen die Kläger hier entweder eine tatsächliche unlautere Einflussnahme darlegen und beweisen oder aber das Bestehen einer confidential relationship, bei der aus Gründen der public policy eine Einflussnahme vermutet wird, sofern der Beklagte seinerseits diese Vermutung nicht etwa durch den Nachweis von independent advice entkräften kann.766 Da sich in seinen Augen hier keine der üblichen Vertrauensbeziehungen aufdrängt, prüft Wright J zunächst eine tatsächliche Einflussnahme. Diese sieht er nach eingehender Würdigung der Beweislage als erwiesen an, so dass er die Existenz einer besonderen Vertrauensbeziehung dahingestellt sein lassen kann, wobei er aber deutlich dazu neigt, eine solche Beziehung ebenfalls bejahen.767 Dies zeigt, dass beide Fallgruppen sich nicht etwa gegenseitig ausschließen, sondern sogar überschneiden können, wie dies auch schon von Lindley LJ in Allcard v Skinner erkannt worden ist. Wenig überraschend ist folglich das Verhalten vor Gericht: Eine Klage wird nach Möglichkeit mit Blick auf beide Gruppen begründet, während das Urteil sich gegebenenfalls mit der Bejahung der leichter zu prüfenden begnügen kann. Eine weitere Kontinuität der Rechtsprechung ist schließlich insoweit festzustellen, als Wright J den Klägern auch einen Anspruch gegen die anderen Familienmitglieder des Beklagten zubilligt und zur Rechtfertigung dieser »Drittwirkung« dieselbe Passage aus der Urteilsbegründung von Lord Eldon in Huguenin v Baseley768 heranzieht, wie dies schon Kekewich J in Allcard in Skinner769 getan hat.770 4. Gesetzgebung: Indian Contract Act Englisches Recht wird zwar häufig nur als reines Fallrecht wahrgenommen, gleichwohl wird im 19. Jahrhundert mit dem Indian Contract Act ein Vertragsgesetzbuch für Britisch-Indien geschaffen, das schon von Zeitgenossen 765 766 767 768 769 770

[1893] 1 Ch 736, 748 f. [1893] 1 Ch 736, 751 f. [1893] 1 Ch 736, 752 ff., 756. Siehe oben Fn. 293. Siehe oben Fn. 749. [1893] 1 Ch 736, 757 f.

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Teil 3: Undue influence

als eine Kodifikation des englischen Vertragsrechts gesehen wird: »The Indian Contract Act is in effect […] a code of English law.«771 Aus diesem Grund wird dieses Vertragsgesetzbuch hier in die Untersuchung einbezogen, obwohl es in England selbst nie gegolten hat.772 Die 1861 eingesetzte Third Indian Law Commission unter dem Vorsitz von Sir John Romilly legt 1866 den Entwurf einer Vertragsrechtskodifikation vor, der nach einer Revision durch das Legislative Departement in Indien sowie einer weiteren Überarbeitung durch James Fitzjames Stephen 1872 als Indian Contract Act (No. IX 1872) in ganz Britisch-Indien in Kraft tritt.773 Dieses Obligationenrecht gliedert sich in elf Kapitel, denen eine knappe Präambel und ein Präliminar-Titel (Sect. 1–2) vorangestellt sind. Auf die allgemeinen Regelungen in Chapter 1–6 (Sect. 3–75) folgen Vorschriften zu bestimmten Vertragstypen in Chapter 7–11 (Sect. 76–266). Das zweite Kapitel, das sich mit der Wirksamkeit von Verträgen beschäftigt (Chapter 2 »Of Contracts, Voidable Contracts, and Void Agreements«), enthält dabei einige Bestimmungen zu undue influence. Zunächst wird in Sect. 14 vorausgeschickt, dass es insbesondere dann an einem freien Konsens fehlt, wenn dieser auf undue influence (im Sinne von Sect. 16) beruht: Sect. 14 »Consent is said to be free when it is not caused by – […] (2) undue influence, as defined in section sixteen, or […]«

Ein aufgrund von undue influence geschlossener Vertrag ist nach Sect. 19 anfechtbar (voidable) im Sinne von Sect. 2 (i), das heißt, der Teil, der unter Druck kontrahiert, hat die Wahl, ob er am Vertrag festhalten möchte oder nicht. Die Legaldefinition von undue influence in Sect. 16 sieht die folgenden beiden Konstellationen vor: Zum Ersten die Ausnutzung einer besonderen Vertrauensstellung (confidence) oder einer tatsächlichen oder offensichtlichen Autorität (real or apparent authority) gegenüber einem anderen, um von ihm einen Vorteil erlangen; und zum Zweiten, wenn jemand, der in seiner 771 POLLOCK / MULLA, Indian Contract Act, 1st ed. (1905), Preface, S. iii. Dies gilt insbesondere für den Entwurf von 1866, vgl. a. a. O., S. v: »First, there was the draft prepared in England by the Indian Law Commission, uniform in style and possessing great merit as an elementary statement of the combined effect of common law and equity doctrine as understood about forty years ago.« – Zum Einfluss des Draft of a Civil Code for the State of New York von 1862 a. a. O., S. v. 772 Auch in der englischen Literatur des 19. Jahrhunderts wird der Indian Contract Act ganz selbstverständlich herangezogen, um undue influence und andere Rechtsinstitute zu erläutern, vgl. etwa POLLOCK, Principles of Contract (1876), S. 504 f., 512 Fn. d, 542 ff. 773 STOKES (ed.), The Anglo-Indian Codes, Vol. I (1887), S. 535 ff., 545 ff. – Grundlegend TOFARIS, A Historical Study of the Indian Contract Act 1872 (2011), S. 88 ff., 103 ff., 107 ff., 128 ff., 178 ff. Zu den Kommissionsmitgliedern a. a. O., S. 174 ff. – Ferner LOBBAN, in: OHLE, Vol. XII (2010), S. 306 f.; SETHU, (2011) 28 JCL 31 ff.; SWAIN, Law of Contract (2015), S. 263 ff.

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Entschlusskraft (mind) durch Alter, Krankheit oder ein sonstiges mentales oder körperliches Leiden geschwächt ist, dazu gebracht wird zuzustimmen, ohne dass dies die Intensität von Zwang erreicht: Sect. 16 » ›Undue influence‹ is said to be employed in the following cases: – (1) When a person in whom confidence is reposed by another, or who holds a real or apparent authority over that other, makes use of such confidence or authority for the purpose of obtaining an advantage over that other, which, but for such confidence or authority, he could not have obtained. (2) When a person whose mind is enfeebled by old age, illness, or mental or bodily distress, is so treated as to make him consent to that, to which, but for such treatment, he would not have consented, although such treatment may not amount to coercion.«

Wenngleich in Sect. 16 (1) der Begriff der Beziehung (relation) nicht ausdrücklich gebraucht wird, ist klar, dass sich unter confidence bzw. authority alle einschlägigen Beziehungen subsumieren lassen, in denen von der englischen Rechtsprechung typischerweise eine derartige Überlegenheit der einen Partei über die andere angenommen wird.774 Der in Sect. 16 (2) aufgeführte Tatbestand hat psychische Zwangslagen vor Augen, die nicht unter den vornehmlich physisch verstandenen Begriff des Zwangs (coercion) nach Sect. 15 fallen.775 Zudem hatte der Entwurf anfangs vier amtliche Beispiele (Illustrations) zu Sect. 16 vorgesehen. Der Vizegouverneur von Bengalen war der Ansicht, dass darüber hinaus ein weiteres Beispiel zur unlauteren Ausnutzung der sozialen Unterlegenheit, Unkenntnis oder Unerfahrenheit des Vertragspartners notwendig sei, wie zwischen einem reichen und mächtigen Grundherrn (zemindar) und einem armen und ungebildeten Pächter (ryot). Dieser Vorschlag wurde jedoch abgelehnt. Zugleich wurde beschlossen, die anderen

774 Vgl. CUNNINGHAM / SHEPHERD, Indian Contract Act (1878), S. vii f.: »In the different relations of life, persons are frequently so circumstanced in reference to each other as to give the one an ascendancy, more or less complete, over the other’s mind and will. There are cases, for instance, in which one person places confidence in another, and, so far, submits his own judgment to that other’s superior skill, knowledge or experience: a doctor with his patient, a solicitor with his client, a spiritual adviser with the person who comes to him for advice, a trustee with his cestui que trust – have all a certain decree of confidence reposed in them, and the influence which they exercise is in proportion to the confidence reposed. Again, there are cases where one person exercises authority over another; and this authority, whether real or apparent, so far as it is submitted to, interferes with the freedom of will of the person so submitting. Parents and children, guardians and their wards, masters and their pupils, stand in this relation to one another.« – Vgl. ferner a. a. O., S. 67. 775 Vgl. CUNNINGHAM / SHEPHERD, Indian Contract Act (1878), S. viii: »An agreement forced upon a person distracted by pain, prostrate with illness or sorrow, or unnerved by terror, would, accordingly, be lacking in ›freedom of consent‹. ›Undue influence‹ differs, it will be seen, from coercion, in the respect that ›coercion‹ is mainly of a physical, ›undue influence‹ of a moral character. In both alike the freedom of the will is impaired.«

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Beispiele ebenfalls wegzulassen.776 Dessen ungeachtet werden die vier im Entwurf ursprünglich vorgesehenen Beispiele in einigen Textausgaben des Indian Contract Act weiter aufgeführt: »(a) A, a young woman who has resided during her minority in the family of B, her guardian, continues to reside with him after attaining majority, and is induced, by means of his influence, to enter into a contract with him which is disadvantageous to herself. B employs undue influence. (b) A, having advanced money to his son, B, during his minority, upon B’s coming of age obtains, by parental influence, a bond from B, for a greater amount than the sum due upon the advance. A employs undue influence. (c) A is induced, by B’s influence over him as his legal adviser, to convey an estate to B for his benefit. B employs undue influence. (d) A, a man enfeebled by disease or age, is induced by B’s influence over him as his medical attendant to agree to pay B an unreasonable sum for his professional assistance during the rest of A’s life. B employs undue influence.«777

Alle diese vier Beispiele beruhen offensichtlich auf englischer Equity-Rechtsprechung und nehmen Bezug auf die von ihr entwickelten Grundsätze im Verhältnis zwischen (a) Vormund und Mündel, (b) Eltern und Kind, (c) Anwalt und Mandant sowie (d) Arzt und Patient. Keine ausdrückliche Regelung enthält Sect. 16 zur Frage der Beweislast, so dass insoweit Sect. 111 des Indian Evidence Act (No. I 1872)778 heranzuziehen ist.779 Wird danach einer Partei von der anderen ein besonderes Vertrauen (active confidence) entgegengebracht, so trägt sie die Beweislast dafür, dass die Transaktion den Grundsätzen von Treu und Glauben (good faith) entspricht: Sect. 111 »Where there is a question as to the good faith of a transaction between parties, one of whom stands to the other in a position of active confidence, the burden of proving the good faith of the transaction is on the party who is in a position of active confidence.«

Die beiden amtlichen Beispiele (Illustrations) hierzu lassen deutlich erkennen, dass der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift Geschäfte zwischen Personen erfassen will, bei denen die Annahme von undue influence naheliegt, nämlich den Kaufvertrag eines Anwalts mit seinem Mandanten bzw. eines Vaters mit seinem gerade volljährig gewordenen Sohn: CUNNINGHAM / SHEPHERD, Indian Contract Act (1878), S. 66. Ferner TOFARIS, A Historical Study of the Indian Contract Act 1872 (2011), S. 131 f. 777 CUNNINGHAM / SHEPHERD, Indian Contract Act (1878), S. 66 f.; STOKES (ed.), The Anglo-Indian Codes, Vol. I (1887), S. 554 f. in Fn. 4. – Sogar das vom Vizegouverneur vorgeschlagene Beispiel wird indirekt aufgegriffen, vgl. CUNNINGHAM / SHEPHERD, a. a. O., S. viii: »So, also, it is easy to conceive a case in which, where a rich, powerful proprietor had dealings with ignorant and subservient tenants, his ›apparent authority‹ would virtually rob the other parties to the transaction of all real freedom of choice.« 778 STOKES (ed.), The Anglo-Indian Codes, Vol. II (1888), S. 842 ff. 779 So schon POLLOCK, Principles of Contract (1876), S. 504 f. 776

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»(a) The good faith of a sale by a client to an attorney is in question in a suit brought by the client. The burden of proving the good faith of the transaction is on the attorney. (b) The good faith of a sale by a son just come of age to a father is in question in a suit brought by the son. The burden of proving the good faith of the transaction is on the father.«

Neben dieser Zersplitterung hinsichtlich der Beweislast wird vor allem die Definition von undue influence selbst als unzureichend empfunden, da sie das weite Verständnis der englischen Equity nicht entsprechend abbilde.780 Durch den Indian Contract Act Amendment Act 1899 (VI 1899, Sect. 2) wird daher die Definition von undue influence in Sect. 16 neu gefasst. Absatz 1 knüpft zunächst an die Beziehungen (relations) zwischen den Parteien an, die es der einen ermöglichen, den Willen der anderen zu dominieren (to dominate the will), um für sich einen unlauteren Vorteil (unfair advantage) zu erlangen. Absatz 2 konkretisiert sodann in nicht abschließender Weise, wann insbesondere anzunehmen ist, dass eine Partei den Willen der anderen zu beherrschen vermag. Hierzu werden die beiden Tatbestände aus Sect. 16 (1) und (2) a. F. nun präzisiert und in die Unterabsätze (a) und (b) übernommen, das heißt einerseits das Bestehen einer tatsächlichen oder offensichtlichen Autorität (real or apparent authority) oder eines besonderen Treueverhältnisses (fiduciary relation) sowie andererseits die Beeinträchtigung der geistigen Verfassung (mental capacity) durch Alter, Krankheit oder ein sonstiges mentales oder körperliches Leiden. Absatz 3 schließlich regelt nun ausdrücklich die Beweislastfrage. Erweist sich die fragliche Transaktion im Ergebnis als unzumutbar (unconscionable), muss der dominierende Teil nachweisen, dass der zugrunde liegende Vertrag nicht auf undue influence beruht. Im Übrigen bleibt Sect. 111 des Indian Evidence Act von 1872 unberührt: Sect. 16 »(1) A contract is said to be induced by ›undue influence‹ where the relations subsisting between the parties are such that one of the parties is in a position to dominate the will of the other and uses that position to obtain an unfair advantage over the other. (2) In particular and without prejudice to the generality of the foregoing principle, a person is deemed to be in a position to dominate the will of another – (a) where he holds a real or apparent authority over the other, or where he stands in a fiduciary relation to the other; or (b) where he makes a contract with a person whose mental capacity is temporarily or permanently affected by reason of age, illness, or mental or bodily distress. (3) Where a person who is in a position to dominate the will of another, enters into a contract with him, and the transaction appears, on the face of it or on the evidence adduced, to be unconscionable, the burden of proving that such contract was not induced by undue influence shall lie upon the person in a position to dominate the will of the other. Nothing in this sub-section shall affect the provisions of section 111 of the Indian Evidence Act, 1872.«

Vgl. POLLOCK / MULLA, Indian Contract Act, 1st ed. (1905), S. 68. Zur Rechtsprechung der indischen Gerichte, a. a. O., S. 70 ff. und 74 ff. m. w. N. 780

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Teil 3: Undue influence

Darüber hinaus werden der Vorschrift jetzt doch vier offizielle Beispiele (Illustrations) zur Seite gestellt. Um die beiden Tatbestände in Absatz 2 (a) und (b) zu veranschaulichen, werden als Beispiel (a) und (b) zwei Beispiele aus dem alten inoffiziellen Kanon nahezu unverändert übernommen, nämlich »Beispiel (b) a.F.« zum Verhältnis zwischen Eltern und Kind sowie »Beispiel (d) a.F.« zum Verhältnis zwischen Arzt und Patienten. Die Beweislastregelung in Absatz 3 wird durch die beiden neu gebildeten Beispiele (c) und (d) illustriert, die zwischen einem inhaltlich unzumutbaren und einem marktkonformen Ergebnis differenzieren: »(a) A, having advanced money to his son, B, during his minority, upon B’s coming of age obtains, by misuse of parental influence, a bond from B for a greater amount than the sum due in respect of the advance. A employs undue influence. (b) A, a man enfeebled by disease or age, is induced by B’s influence over him as his medical attendant, to agree to pay B an unreasonable sum for his professional services. B employs undue influence. (c) A, being in debt to B, the money-lender of his village, contracts a fresh loan on terms which appear to be unconscionable. It lies on B to prove that the contract was not induced by undue influence. (d) A applies to a banker for a loan at a time when there is stringency in the money market. The banker declines to make the loan except at an unusually high rate of interest. A accepts the loan on these terms. This is a transaction in the ordinary course of business, and the contract is not induced by undue influence.«

Außer der Definition von undue influence in Sect. 16 wird durch den Indian Contract Act Amendment Act 1899 (VI 1899, Sect. 3) auch die entsprechende Rechtsfolge neu gefasst, die aus Sect. 19 herausgenommen und in Sect. 19a eigenständig geregelt wird. Eine inhaltliche Neuerung stellt insoweit nur Absatz 2 dar, der den Gerichten einen weiten Gestaltungsspielraum einräumt, ob sie den betreffenden Vertrag vollständig oder nur teilweise aufheben: Sect. 19a »(1) When consent to an agreement is caused by undue influence, the agreement is a contract voidable at the option of the party whose consent was so caused. (2) Any such contract may be set aside either absolutely or, if the party who was entitled to avoid it has received any benefit thereunder, upon such terms and conditions as to the Court may seem just.«

Die offizielle Begründung des Select Committee stellt darauf ab, dass undue influence insoweit eine andere Behandlung als fraud verlange, wo die Annahme eines Vorteils durch den Getäuschten als Bestätigung des Geschäfts anzusehen sei, wenn er von der Täuschung wisse.781 Unklar bleibt allerdings, 781 Vgl. POLLOCK / MULLA, Indian Contract Act, 1st ed. (1905), S. 92 »A contract obtained by undue influence is on a different footing from a contract obtained by fraud. In the case of the latter, a party who, with knowledge of the fraud, has taken any benefit under the contract, is held to have elected to affirm it; but where a contract has been obtained through the exercise of undue influence it is necessary that the Court should have power to relieve the party who acted under the undue influence, even although he may have received

II. Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert

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worin dann eigentlich der sachliche Unterschied noch zu sehen ist, wenn jemand bei undue influence einen Vorteil annimmt, nachdem keine Drucksituation mehr für ihn besteht. Diese Vorschrift wird ebenfalls durch zwei neue Beispiele näher erläutert. Das erste Beispiel beruht dabei ganz offenkundig auf der Entscheidung des House of Lords in Williams v Bayley (1866).782 Das zweite illustriert die richterliche Gestaltungsmacht anhand eines wucherischen Darlehens, bei dem der Bewucherte trotz Aufhebung des entsprechenden bonds zur Rückzahlung der tatsächlich erhaltenen Valuta einschließlich einer angemessenen Zinszahlung verurteilt wird: »(a) A’s son has forged B’s name to a promissory note. B, under threat of prosecuting A’s son, obtains a bond from A for the amount of the forged note. If B sues on this bond, the Court may set the bond aside. (b) A, a money-lender, advances Rs. 100 to B, an agriculturist, and, by undue influence, induces B to execute a bond for Rs. 200 with interest at 6 per cent. per month. The Court may set the bond aside, ordering B to repay the Rs. 100 with such interest as may seem just.«

In dieser Gestalt sind die dargestellten Vorschriften der Sect. 16 und 19a des Indian Contract Act immer noch geltendes Recht in der Republik Indien.783 Wie eng die Bindung an die englische Equity des 19. Jahrhunderts ist, zeigt sich insbesondere daran, dass auch die indische Literatur bis heute auf Sir Samuel Romilly’s Replik in Huguenin v Baseley784 oder die Argumentation von Lindley LJ in Allcard v Skinner785 Bezug nimmt.786

some benefit under the contract. On the other hand, where such benefit has been received the Court ought to have full power to impose such conditions as may be just upon the party seeking relief.« 782 Siehe oben Fn. 481. – Diese Entscheidung wird bereits nach der alten Fassung des Contract Acts von 1872 im Kontext von Sect. 16 gesehen, vgl. CUNNINGHAM / SHEPHERD, Indian Contract Act (1878), S. ix, 68 f. 783 POLLOCK / MULLA, Indian Contract and Specific Relief Acts, 15th ed. (2017), Vol. I, S. 349 ff. bzw. 459 ff.; DUTT on Contract, 11th ed. (2013), S. 214 ff. bzw. 267 ff.; SINGH, Contract and Specific Relief, 12th ed. (2017), S. 180 ff. bzw. 200. – Aufgehoben und ersetzt wurden hingegen die Bestimmungen des Indian Contract Act zum Kaufrecht (Chapter 7, Sect. 76–123) und zum Gesellschaftsrecht (Chapter 11, Sect. 239–266) durch den Indian Sale of Goods Act 1930 bzw. durch den Indian Partnership Act 1932. 784 Siehe oben Fn. 283. 785 Siehe oben Fn. 756. 786 Vgl. die wörtlichen Zitate bei POLLOCK / MULLA, Indian Contract Act, 1st ed. (1905), S. 69 = 15th ed. (2017), Vol. I, S. 354. Ferner SINGH, Contract and Specific Relief, 12th ed. (2017), S. 182; DUTT on Contract, 11th ed. (2013), S. 216 Fn. 8.

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

I. Das SC Velleianum und seine Rezeption

I. Das SC Velleianum und seine Rezeption

1. Das SC Velleianum, ein Beschluss des römischen Senats aus der Mitte des ersten Jahrhunderts nach Christus, untersagt Frauen, im Interesse Dritter Verbindlichkeiten einzugehen (pro aliis reas fieri). Das verbotene Eintreten für Dritte (intercedere) kann dabei unter anderem in einer Bürgschaft, einer Schuldübernahme oder einer Pfandbestellung der Frau bestehen oder aber darin, dass sie anstelle des Dritten von vornherein selbst das Darlehen aufnimmt und die Valuta an ihn auskehrt. Als Rechtsfolge einer verbotswidrigen Interzession wird der Frau grundsätzlich eine peremptorische Einrede gegen den Gläubiger gewährt (exceptio SC Velleiani), der wiederum mit der sog. actio restitutoria bzw. der sog. actio institutoria gegen den Dritten vorgehen kann. Die nachklassische Entwicklung wird vor allem durch die Gesetzgebung Justinians geprägt. Die wichtigste Neuerung stellt dabei die Nov. 134, 8 aus dem Jahre 556 dar, die in ihrer lateinischen Übersetzung als Authentica Si qua mulier rezipiert wird. Danach ist jede Interzession für den eigenen Ehemann schlicht nichtig, sofern nicht der klare Nachweis geführt wird (manifeste probetur), dass die erlangte Geldsumme tatsächlich zum eigenen Nutzen der Frau selbst (in propriam ipsius mulieris utilitatem) verwendet worden ist. Die mittelalterliche Rezeption folgt dem römischen Recht, was den sachlichen Anwendungsbereich des SC Velleianum angeht. Sowohl Glossatoren als auch Kommentatoren bewerten grundsätzlich jede Übernahme einer fremden Schuld durch eine Frau als tatbestandliche Interzession. Der Regelungszweck wird in der fragilitas sexus der Frau gesehen, deretwegen die Rechtsordnung zu intervenieren habe. Als Rechtsfolgen werden dem Gläubiger die hergebrachten Rechtsbehelfe gegen den materiellen Schuldner zuerkannt: die actio restitutoria bzw. die actio institutoria. Die betroffene Interzession selbst wird bei einem Verstoß gegen die Formvorschrift aus Cod. 4, 29, 23, 2 als nichtig angesehen. Tragweite und Bedeutung dieser Formvorschrift sind hingegen umstritten. Während nach Ansicht von Martinus hierdurch alle vorjustinianischen Regelungen obsolet geworden sind, erfasst die Formvorschrift nach herrschender Meinung nur Interzessionen bei denen nach den hergebrachten Grundsätzen das SC Velleianum zur Anwendung kam, so dass

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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

– bei Einhaltung der Form – weiterhin ein Anwendungsbereich für die exceptio SC Velleiani verbleibt. Der Grund für die von Nov. 134, 8 angeordnete schärfere Sanktion der Nichtigkeit bei einer Interzession für den eigenen Ehemann wird in der erhöhten Schutzbedürftigkeit der Frau gesehen. Denn wegen der Furcht oder Ehrfurcht (propter timorem vel reverentiam) vor ihrem Mann könne dieser sie leichter zu einer Interzession verleiten als ein fremder Dritter. 2. Schon die römischen Juristen verharren nicht etwa bei einer starren und formalen Betrachtung der von ihnen zu beurteilenden Sachverhalte. Statt jede Übernahme einer fremden Verbindlichkeit durch eine Frau einfach dem Interzessionsverbot zu unterwerfen und ihr pauschal die entsprechende Einrede zuzubilligen, berücksichtigen sie vielmehr die konkreten Umstände und die Interessenlage des Einzelfalls. Dabei zeigen sich bereits bestimmte Grundsätze, wann das SC Velleianum nicht zur Anwendung kommen soll. Aus dieser überlieferten Kasuistik wird in der Rezeption ein Kanon von anerkannten Ausnahmefällen abgeleitet, bei denen das SC Velleianum nicht zur Anwendung kommt. Prägnant werden diese von der Glosse in einem Merkvers zusammengefasst. Keine Anwendung findet das SC Velleianum demnach, wenn der Gläubiger keine Kenntnis von den maßgeblichen Tatsachen hat, insbesondere wenn ihn die Frau hierüber täuscht. Zwar braucht der Gläubiger grundsätzlich nicht nachzuforschen, wofür eine Frau, der er ein Darlehen gewährt, die erlangten Valuta verwendet. Anders verhält es sich jedoch, wenn sie die Verbindlichkeit ersichtlich für einen anderen (pro alio) eingeht: Dann muss der Gläubiger dem Verwendungszweck sehr wohl nachgehen (creditor curiosus esse debet). Wird der Gläubiger umgekehrt über den persönlichen Anwendungsbereich getäuscht, indem die Frau Männerkleidung anlegt (veste virili), findet das SC Velleianum gleichfalls keine Anwendung. Dieses von der Glosse gebildete Beispiel wird von den Kommentatoren bereitwillig aufgenommen und gehört auch in der Frühen Neuzeit zum festen Inventar vieler Darstellungen in der Literatur. Selbst der Gesetzgeber greift mitunter hierauf zurück, wie etwa Kreittmayr in IV 10 § 26 CMBC (»Wenn sie […] sich z. E. unter unter Manns-Kleidern versteckt«). Gegenstand einer lebhaften Diskussion ist vor allem bei den Kommentatoren die Frage, wie hoch die Gegenleistung sein muss, die eine Frau für ihre Interzession erhält (pretium capiat), damit dieser Ausnahmetatbestand erfüllt ist. In der Frühen Neuzeit setzt sich – abgesehen vom römisch-holländischen Recht – überwiegend der vermittelnde Ansatz von Baldus durch, dass insoweit eine angemessene Gegenleistung vorliegen müsse, für die unter solchen Umständen auch ein verständiger Mann interzediert hätte, was im Einzelfall vom Richter zu beurteilen sei. Die Pandektisten und die Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts hingegen lassen wiederum jedweden Betrag ausreichen. Seit der Frühen Neuzeit nehmen zahlreiche Partikularrechte zudem die Tätigkeit als Kauffrau generell vom Anwendungsbereich des SC Velleianum

I. Das SC Velleianum und seine Rezeption

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aus, bis sie schließlich von den gemeinrechtlichen Autoren des Usus modernus und den Pandektisten des 19. Jahrhunderts ganz selbstverständlich als eine weitere anerkannte Ausnahme aufgeführt wird. 3. Die wichtigste Frage, mit der sich die Rezeption seit dem Mittelalter beschäftigt, ist die Verzichtbarkeit des SC Velleianum. Für die Glossatoren ist dabei zum einen ausschlaggebend, dass das römische Recht in Cod. 5, 35, 3 einen Verzicht auf das SC Velleianum (sogar zwingend) vorsieht. Zum anderen interpretieren sie das SC Velleianum als eine Regelung zugunsten der Frau (suo favore) und leiten daraus dessen grundsätzliche Disponibilität ab – unter der Voraussetzung einer entsprechenden Belehrung (certioratio) der Frau. Entsprechende Verzichtsklauseln auf das SC Velleianum sind in der notariellen Praxis ab der Mitte des 12. Jahrhunderts belegt. Die von der Forschung bislang ausgewerteten Urkunden zeigen, dass die Einrede des SC Velleianum häufig formelhaft abbedungen wird, obwohl es zweifelhaft erscheint, ob das zugrunde liegende Rechtsgeschäft überhaupt eine tatbestandliche Interzession der Frau darstellt. Für dieses Phänomen dürften in erster Linie kautelarjuristische Erwägungen eine Rolle spielen, einen einredefreien Erwerb sicherzustellen, insbesondere wenn im selben Atemzug auch Einreden des kanonischen Rechts und des heimischen Gewohnheitsrechts abbedungen werden. Die Kommentatoren erkennen die seit der Glosse etablierte Verzichtbarkeit des SC Velleianum grundsätzlich an. Allerdings wird unter dem Einfluss der Ultramontanen hieran kritisiert, dass es keine Stelle im römischen Recht gebe, mit der sich ein einfacher, außergerichtlicher Verzicht belegen ließe. Vor allem aber schlage dieselbe fragilitas sexus der Frau, die schon der Interzession zugrunde liegt, grundsätzlich auch beim Verzicht durch. Gleichwohl erkennen die Kommentatoren an, dass sich durch Übung (consuetudo) in der Praxis die Zulässigkeit des Verzichts schlicht durchgesetzt hat. Das heißt, das Ergebnis der gelebten Rechtswirklichkeit wird über die theoretisch richtige Interpretation des römischen Rechts gestellt. Ein wirksamer Verzicht auf das SC Velleianum setzt dabei sowohl in der Theorie als auch in der konsiliaren Praxis der Kommentaren eine Belehrung der Frau (certioratio) voraus. Ein Verzicht auf die Authentica Si qua mulier wird hingegen grundsätzlich abgelehnt. Allerdings können diese Grundsätze durch einen Eid der Frau ausgehebelt werden, da diesem nach kanonischem Recht besondere Bedeutung zukommt. Beeidet die Frau den Verzicht, so ist eine Belehrung entbehrlich und sogar ein Verzicht auf die Authentica Si qua mulier möglich. Dies mündet schließlich in der kautelarjuristischen Empfehlung, den Verzicht am besten immer auch noch von der Frau beeiden zu lassen. Insgesamt lässt sich somit für die mittelalterliche Rezeption des SC Velleianum feststellen, dass dessen Disponibiliät sowohl von den Glossatoren als auch von den Kommentatoren nicht nur theoretisch bei der Behandlung von Dig. 16, 1 und Cod. 4, 29 diskutiert wird, sondern auch ganz maßgeblich auf der (notariellen) Praxis fußt und insoweit die Rechtswirklichkeit widerspiegelt.

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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

In der Frühen Neuzeit wird die Zulässigkeit des Verzichts nur mehr vereinzelt in Frage gestellt. Die Diskussion beschäftigt sich vielmehr in erster Linie mit den Modalitäten, die für einen wirksamen Verzicht einzuhalten sind. Diese sind auch Gegenstand einer umfassenden Partikulargesetzgebung sowohl in den Stadtrechten, wie etwa den Reformationen von Frankfurt oder Nürnberg, als auch in den Landrechten, wie etwa den Kursächsischen Konstitutionen von 1572 oder das Bayerische Landrecht von 1616. In den Fokus rückt dabei vor allem die Belehrung der Ehefrau beim Verzicht auf die Authentica Si qua mulier, wie zahlreiche Einzelverordnungen in den Territorien zeigen. Teilweise wird wie im Bayerischen Landrecht von 1616 ausdrücklich angeordnet, dass der Ehemann der Belehrung seiner Frau durch die zuständigen Organe fernzubleiben hat. Neben der Verwendung einer für den Laien verständlichen Ausdrucksweise werden die zuständigen Organe ausdrücklich dazu angehalten, die Frau danach zu fragen, ob ihr Mann im Vorfeld entsprechenden Druck auf sie ausgeübt habe. Kreittmayr übernimmt dieses Modell 1756 nahezu unverändert in I 6 § 34 CMBC, das folglich in Altbayern bis zu seiner Aufhebung im Jahre 1871 eine unabhängige Beratung der Ehefrau sicherstellt. Die Kodifikationen des langen 19. Jahrhunderts behandeln die Interzession der Frau unterschiedlich. Die endgültige Beseitigung aller Interzessionsbeschränkungen durch den französischen Code civil von 1804 steht in der Tradition des Edikts von 1606. Das preußische ALR von 1794 hält an einer richterlichen Belehrung der Frau bei einer Interzession für einen Dritten fest (I 14 §§ 221 ff.). Bei einer Interzession für den eigenen Ehemann ist darüber hinaus die Zuziehung eines rechtskundigen Beystandes notwendig (II 1 §§ 343 f.). Das österreichische ABGB von 1811 dagegen schafft mit § 1349 alle Interzessionsbeschränkungen für Frauen kurzerhand ab. Dieses auf den ersten Blick völlig konträre Ergebnis relativiert sich freilich erheblich bei näherer Betrachtung des Gesetzgebungsverfahrens. In Berlin hatte Svarez, der verantwortliche Referent, ursprünglich nur die Interzession für den eigenen Ehemann einem besonderen Regime unterwerfen wollen, da er hier wegen des persönlichen Näheverhältnisses weiterhin einen entsprechenden Regelungsbedarf sah. Die übrigen gemeinrechtlichen Interzessionsbeschränkungen aber waren in seinen Augen obsolet. In der Folge werden jedoch sowohl die Interzessionen für den eigenen Mann als auch die für einen Dritten gleichermaßen reglementiert. In Wien wiederum war die zuständige Hofkommission in dieser Frage gespalten. Knapp die Hälfte der Kommissionsmitglieder wollte ebenfalls wegen der persönlichen Nähebeziehung zwischen Eheleuten an einer gerichtlichen Belehrung der Ehefrau festhalten. Dem verantwortlichen Referenten Zeiller gelang es aber, seine Auffassung durchzusetzen und alle Beschränkungen zu beseitigen. Die gesetzgeberischen Entscheidungen hingen letzten Endes also von der persönlichen Ansicht des Referenten und dessen Durchsetzungsfähigkeit ab. Hätte der Schlesier Svarez in Wien als Referent

I. Das SC Velleianum und seine Rezeption

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fungiert, hätte das ABGB womöglich bei der Interzession für den eigenen Mann eine richterliche Belehrung vorgesehen. Ungeachtet derartiger Spekulationen ist zu konstatieren, dass viele der Verantwortlichen in Berlin wie in Wien zu dieser Zeit immer noch einen entsprechenden Regelungsbedarf bei der Interzession für den Ehemann bejahen und dies mit der persönlichen Nähebeziehung begründen. Daher ist es wenig überraschend, dass auch die bayerischen Kodifikationsentwürfe des 19. Jahrhunderts – vom Entwurf Leonrods abgesehen, der sich am Vorbild des § 1349 ABGB orientiert – zumindest bei der Interzession für den eigenen Ehemann allesamt besondere Kautelen vorsehen. Gleiches gilt für den Hessischen Entwurf und das Sächsische BGB von 1863/65. Das Klima wandelt sich letztlich in den 1860ern entscheidend, als vor allem in Preußen (1869) und Bayern (1871) durch Einzelgesetzgebung sämtliche bestehenden Interzessionsbeschränkungen für Frauen aufgehoben werden. Die typische Begründung, die in der zeitgenössischen Diskussion hierfür ins Feld geführt wird, relativiert zum einen die besondere Gefährlichkeit der Interzession, indem sie auf andere Rechtsgeschäfte verweist, die ebenso risikoreich seien, ohne irgendwelchen weiteren Beschränkungen zu unterliegen. Zum anderen wird eine höhere weibliche Risikobereitschaft pauschal mit der Behauptung abgetan, dass Männer sich oft noch leichtsinniger auf Bürgschaften einlassen würden als Frauen. Mit Blick auf die Interzession für den eigenen Ehemann werden bestehende Schutzmechanismen wie die Belehrung oder die Bestellung eines unabhängigen Beistands als unnütze und wirkungslose Förmeleien diskreditiert. Sowohl in Preußen als auch in Bayern gibt es aber bis zuletzt mahnende Stimmen, die gerade aus praktischer Erfahrung bei der Interzession der Ehefrau die Beibehaltung einer besonderen Regelung nach dem Vorbild des Sächsischen BGB fordern. Die Rechtsvereinheitlichung auf nationaler Ebene beginnt auf dem Gebiet des Wirtschaftsrechts. Schon 1848 wird in Art. 1 ADWO die allgemeine Wechselfähigkeit der Frau verankert. Ob die nach Landesrecht einschlägigen Interzessionsbeschränkungen über Art. 82 ADWO im Wechselrecht noch zu berücksichtigen sind, ist zunächst zwischen den Höchstgerichten der Länder umstritten, bis das Reichsoberhandelsgericht und das Reichsgericht übereinstimmend die Beachtlichkeit etwaiger Verstöße bejahen. Im Handelsrecht sieht Art. 6 Abs. 2 ADHGB seit 1861 ausdrücklich vor, dass sich eine »Handelsfrau« im Rahmen ihres Handelsbetriebs selbst in den Staaten, in denen noch Interzessionsbeschränkungen bestehen, nicht auf diese berufen kann. Ähnliche Regelungen werden 1868 im Genossenschaftsrecht und 1869 auch im Gewerberecht getroffen. Mit Blick auf das allgemeine Bürgerliche Recht fordert zwar bereits der Zweite Deutsche Juristentag 1861 die Aufhebung aller gemein- oder partikularrechtlichen Interzessionsbeschränkungen für Frauen. Der Dresdner Entwurf von 1866 aber sieht in Art. 928 für die Bürgschaft verheirateter Frauen

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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

weiterhin einen entsprechenden Vorbehalt zugunsten des Landesrechts vor. Bei den Vorarbeiten des BGB erfolgt schon 1876 eine frühe Weichenstellung durch die erste Vorlage v. Kübels zur »Form der Verträge«, als er bei der Bürgschaft sämtlichen Interzessionsbeschränkungen sowie überhaupt jeder Formvorschrift eine Daseinsberechtigung abspricht. Seine Begründung, die sich die eben dargestellten zeitgenössischen Argumente völlig zu eigen macht, überzeugt die Erste Kommission. Der von Planck 1880 vorgelegte Teilentwurf zum Familienrecht verzichtet daher auf jedwede Regelung zur Interzession der Ehefrau für ihren Mann. Entsprechendes gilt für den Teilentwurf zum Obligationenrecht. Während an dieser Grundsatzentscheidung bis zum Schluss der Gesetzgebungsarbeiten nicht mehr gerüttelt wird, ist die geplante allgemeine Formfreiheit der Bürgschaft fortwährend heftiger Kritik ausgesetzt. Otto Gierke und einige andere prominente Stimmen verweisen dabei wiederholt auf den Wegfall der Interzessionsbeschränkungen für Frauen und betonen die Notwendigkeit der Schriftform, um auf diese Weise einen vergleichbaren Schutz vor Übereilung zu gewährleisten. Letztlich führt aber erst 1896 die im Reichstag gebildete XII. Kommission die Schriftform für die Bürgschaftserklärung ein (§ 766 Satz 1 BGB).

II. Metus reverentialis II. Metus reverentialis

1. Das römische Recht verwendet grundsätzlich einen engen Begriff von Zwang (metus), wonach nur solche Drohungen beachtlich sind, die selbst ein »gestandenes Mannsbild« (vir constans) in Furcht versetzen, wie etwa die Sorge um Leib und Leben oder seine Freiheit. Rechtsschutz gewährt das prätorische ius honorarium dabei zum einen durch eine besondere Klageformel (actio quod metus causa), zum anderen durch eine besondere Einrede (exceptio metus causa), je nachdem, ob sich der Kläger oder der Beklagte hierauf beruft: Beiden ist gemein, dass sie auch gegenüber gutgläubigen Dritten geltend gemacht werden können (in rem scripta), die nicht an der Erpressung beteiligt waren. In den Digesten finden sich jedoch auch Stellen, die hinsichtlich der strengen Anforderungen an metus ein etwas anderes, weicheres Bild zu zeichnen scheinen. Ulpian ist in Dig. 44, 5, 1, 6 dabei der einzige, der den Begriff reverentia unmittelbar mit metus verwendet. Diese Stelle ist jedoch nicht isoliert, sondern im Kontext von Dig. 44, 5, 1, 4 ff. zu betrachten, die sich mit dem Verhältnis zwischen dem Freigelassenen und seinem Patron beschäftigen, dem er weiterhin ganz allgemein reverentia entgegen zu bringen hat. Celsus setzt sich in Dig. 23, 2, 22 mit der Wirksamkeit einer Ehe auseinander, die der Sohn nur deshab eingegangen ist, weil sein Vater Druck auf ihn ausgeübt hat (patre cogente), was von manchen Stimmen in der Literatur nicht als Zwang im technischen Sinne von metus angesehen wird, sondern als Ein-

II. Metus reverentialis

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wirken durch väterliche Autorität im Sinne eines metus reverentialis. Die besondere Beziehung zwischen Ehegatten ist schließlich Gegenstand von Dig. 29, 6, 3. Bringt der Mann seine Frau durch ein Gespräch unter Ehegatten (maritali sermone) davon ab, eine für ihn nachteilige letztwillige Verfügung zu treffen, so sieht Papinian hierin nichts Verbotenes. In der frühen Nachklassik stellen Diokletian und Maximian in Cod. 2, 19 (20), 6 klar, dass allein die senatorische Würde (senatoria dignitas) der Gegenpartei nicht ausreicht, um beachtlichen metus zu begründen. Indessen räumt eine Konstitution von Konstantin aus dem Jahre 326 jemandem, der per impressionem etwas an einen mittleren Beamten verkauft hat, die Möglichkeit ein, den geleisteten Gegenstand zurückzufordern, ohne das erhaltene Entgelt zurückerstatten zu müssen, Cod. 2, 19 (20), 11. Ebenso ordnen Honorius und Theodosius in Cod. 2, 19 (20), 12 die Unwirksamkeit von Verträgen an, die durch Macht (per potentiam) abgerungen worden sind. Schwierigkeiten bereiten insoweit die Formulierungen per impressionem bzw. per potentiam, die einerseits eine tatsächliche Ausübung von Druck nahelegen, aber andererseits auch die Ausnutzung einer gesellschaftlichen Position ohne ein unmittelbares Zwangsmoment implizieren können. 2. Die Glossatoren rezipieren grundsätzlich das strenge Konzept des römischen Rechts, wonach metus ein schweres Übel voraussetzt. Zugleich versuchen sie aber auch, die Textstellen, die für ein weniger striktes Verständnis sprechen, hiermit in Übereinstimmung zu bringen. Hier soll neben den strengen Voraussetzungen des prätorischen Edikts ein besonderer Rechtsschutz durch den Richter erfolgen kraft seiner Spruchgewalt und seines Ermessens: per officium iudicis. Die Glosse metu solo zu Dig. 44, 5, 1, 6 geht sogar so weit, die Ehrfurcht (reverentia), die eine Frau ihrem Mann entgegen bringt, mit Furcht (metus) gleichzusetzen. Hervorzuheben ist ferner, dass bereits Accursius aus Cod. 2, 4, 35 die Regel ableitet, dass die Anwesenheit von Freunden bei einem Geschäft grundsätzlich gegen metus des Verfügenden spricht. Bloße Schmeicheleien auf Testierende wiederum werden mit Blick auf Dig. 29, 6, 3 nicht beanstandet. Darüber hinaus setzt sich Sinibaldus Fliscus (Papst Innozenz IV.), der wohl prominenteste Accursius-Schüler, mit dem Konzept von metus im kanonischen Recht auseinander. In seinem Dekretalenkommentar greift er dabei ebenfalls die Beziehung zwischen Eheleuten auf. Hat ein Mann seiner Frau einmal (Todes-)Angst eingejagt, so unterstellt Fliscus, dass dieser beachtliche metus bei der Frau fortdauert, solange der Mann lebt und sie ihm ausgeliefert ist. Außerdem ist seiner Ansicht nach die Aussage der Frau vor einem Richter grundsätzlich als unbeeinflusst und wirksam zu betrachten. Denn metus sei hier nicht von vornherein zu vermuten, sondern nur wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie im Vorfeld von ihrem Mann entsprechend bedroht wurde. In anderem Zusammenhang, bei der Frage nach der Wirksamkeit eines abgepressten Eides, hält Innozenz IV. ungestüme Bitten (preci-

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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

bus importunis) für ein ebenso unzulässiges Mittel wie Drohungen, die einen vir constans zu beeindrucken vermögen. Auch die Kommentatoren erkennen durchweg die Aufhebung von Rechtsgeschäften per officium iudicis in Konstellationen an, bei denen die engen Voraussetzungen für metus nach dem Edikt nicht vorliegen. Zudem übernehmen sie, allen voran Bartolus, die dargestellte Position der Glosse metu solo, allerdings mit einer wesentlichen Ergänzung: Danach genügt die reverentia gegenüber dem Ehemann für sich allein noch nicht. Hinzukommen müssen vielmehr noch Drohungen oder Schläge (minae vel verbera) des Ehemanns, die dem betreffenden Rechtsakt vorangegangen sind. Wurde eine Frau auf diese Art aber einmal eingeschüchtert, wird vermutet, dass dieser Zustand während der gesamten Dauer der Ehe anhält. Weiterhin rät auch Bartolus dazu, Rechtsgeschäfte mit einer verheirateten Frau in Anwesenheit ihrer Freunde oder Blutsverwandten vorzunehmen, um dadurch jedweden Anschein von metus zu vermeiden. Diese Empfehlung etabliert sich in der Praxis als sog. cautela Bartoli und findet teilweise sogar Eingang in das Statutarrecht. Im Übrigen greift Bartolus in seinem Tractatus de tyranno Abhängigkeitsverhältnisse im häuslichen Bereich auf und stellt den »Haustyrannen« auf die gleiche Stufe wie den »richtigen« Tyrannen, was Verträge betrifft, die aus Angst mit ihm geschlossen werden. Spätere Kommentatoren stimmen mit Bartolus dahin gehend überein, dass ein bloßes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung dabei noch nicht für die Annahme von metus ausreicht. Nimmt das Missverhältnis aber das Ausmaß einer laesio enormis an, wird im Anschluss an Baldus von beachtlichem metus ausgegangen. 3. Das Gemeine Recht der Frühen Neuzeit hält im Wesentlichen an den Positionen der mittelalterlichen Rezeption fest und arbeitet bei metus reverentialis mit Vermutungen. Demnach ist bloße Ehrfurcht für sich allein grundsätzlich unbeachtlich. Etwas anderes gilt jedoch, wenn Drohungen oder Schläge (minae vel verbera) hinzutreten oder wenn zudem die Voraussetzungen für laesio enormis vorliegen, die in diesem Zusammenhang mitunter sogar abgesenkt werden. Gegenstand der Spruchpraxis ist dabei insbesondere die Einflussnahme auf Testierende. Bloßes Schmeicheln oder Überreden werden hier als unschädlich betrachtet, das fortgesetzte Bedrängen eines hinfälligen Ehegatten mit ungestümen Bitten (precibus importunis) dagegen als beachtlicher metus reverentialis. Insoweit stimmen sowohl die Jurisprudenz des 16. Jahrhunderts als auch das römisch-holländische Recht und der Usus modernus überein. Während aber die Juristen des 16. Jahrhunderts, auch in den südlichen Niederlanden, die Aufhebung von Rechtsgeschäften per officium iudicis noch anerkennen, wird dieser Ansatz im römisch-holländischen Recht sowie im Usus modernus überwiegend abgelehnt. Statt beachtlichen von unbeachtlichem metus reverentialis danach abzugrenzen, ob Drohungen oder Schläge zum Abhängigkeitsverhältnis hinzutreten, soll der Rich-

II. Metus reverentialis

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ter vielmehr prüfen, ob diese Umstände für sich genommen nicht schon regulären metus begründen. Ein weiteres Moment könnte das sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts durchsetzende Verständnis des Richteramts darstellen:1 »Mais les juges de la nation ne sont […] que la bouche qui prononce les paroles de la loi«. 2 Dieser von Montesquieu geprägte Grundsatz einer strengen Gesetzesbindung des Richters ist mit der Einräumung von richterlichem Ermessen bei der Aufhebung von Rechtsgeschäften (officio iudicis) kaum noch in Einklang zu bringen. 4. Die pandektistische Literatur des 19. Jahrhunderts legt an metus ebenfalls die strengen Maßstäbe des römischen Rechts an und geht auf metus reverentialis nur noch vereinzelt ein. Auch die Rechtsprechung operiert bei Nähebeziehungen wie zwischen Vater und Tochter oder zwischen Mann und Frau nicht mit metus reverentialis und dem Hinzutreten von Drohungen oder Schlägen, sondern prüft direkt, ob eine Zwangslage im Sinne von regulärem metus vorgelegen hat, was sie im Einzelfall durchaus bejaht. Dies gilt insbesondere bei Interzessionen von Ehefrauen für ihren Ehemann. Nach Ansicht des OAG Dresden sperren entsprechende Interzessionsbeschränkungen nicht die Anwendbarkeit von metus, so dass es eine fortdauernde Zwangslage berücksichtigt, obwohl die Frau ordnungsgemäß vor dem Richter und in Abwesenheit des Ehemanns interzediert hatte. Mit Blick auf letztwillige Verfügungen sind sowohl Literatur als auch Rechtsprechung bei Zudringlichkeiten sehr zurückhaltend und nehmen beachtlichen Zwang erst an, wenn es sich etwa um einen todkranken Patienten handelt. Die Kodifikationen des langen 19. Jahrhunderts halten im Ergebnis bloßen metus reverentialis allesamt für unbeachtlich. Während die einen dies aber ausdrücklich statuieren, gehen die anderen stillschweigend von diesem gemeinrechtlichen Grundsatz aus, ohne dies in einer besonderen Vorschrift noch einmal auszusprechen. Das preußische ALR von 1794 etwa gehört zur ersten Gruppe und ordnet explizit die Unbeachtlichkeit von bloßer »Scheu oder Ehrfurcht« an (I 4 § 41). Auch der österreichische Codex Theresianus (III 21 § 16 Nr. 137) und der Entwurf Horten (III 22 § 65) enthalten noch entsprechende Regelungen. Dagegen verzichten der Entwurf Martini und das ABGB von 1811 hierauf. Einen gewissen Ausgleich schafft § 879 ABGB, der die Ungültigkeit von Verträgen vorsieht, die in bestimmten missbrauchsanfälligen Konstellationen geschlossen werden. Vor allem aber wird auf Antrag von Zeiller klargestellt, dass der Richter die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen hat bei der Frage, ob es sich um eine »gegründete Furcht« handelt (§§ 870, 55 ABGB). 1 Hierzu CONRAD, Richter und Gesetz im Übergang vom Absolutismus zum Verfassungsstaat (1971), S. 8 ff.; VOGENAUER, Auslegung von Gesetzen, Bd. I (2001), S. 475 ff., 611 ff., 617 ff. 2 MONTESQUIEU, De l’Esprit des lois, XI, 6.

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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

Einen ähnlichen Ansatz hatte in Frankreich schon Pothier verfolgt, als er statt auf den objektiven Maßstab des römischen vir constans vielmehr auf die subjektive Verfassung des Bedrohten abstellt, insbesondere auf sein Alter und Geschlecht. Ausgehend vom Droit coutumier entwickelt Pothier in seinem Traité des Donations Entre-vifs zudem eine Reihe von Schenkungsverboten in typischen Abhängigkeitsverhältnissen. Diese werden schon von den Vorentwürfen des Code civil aufgegriffen und führen schließlich zu den entsprechenden Verboten in Art. 907 und 909 Cc. Weiterhin ersetzt die Legaldefinition des Zwangs (violence) in Art. 1112 Cc den römischen vir constans durch die Figur der personne raisonnable und verlangt, dabei auch Alter, Geschlecht und Verfassung der Beteiligten in die Bewertung einzubeziehen. Bloße Ehrfurcht (crainte révérentielle) ist nach Art. 1114 Cc unbeachtlich. Das Badische Landrecht von 1810 übernimmt diese Vorschrift aus dem Code civil, fügt aber in Sz. 1114a eine Ausnahmeregelung hinzu: Danach ist metus reverentialis doch beachtlich, wenn ein Vertrag zwischen Eltern und Kind oder zwischen Vorgesetztem und Untergebenen für das Kind bzw. den Untergebenen »nachtheilig« ist, worunter nach den Erläuterungen von Brauer ein »erheblicher Verlust« verstanden wird. Enger an das Vorbild des französischen Code civil hält sich in dieser Frage der Entwurf Feuerbachs von 1808/09 (Art. 1177). Die anderen bayerischen Entwürfe hingegen erwähnen metus reverentialis später nicht mehr. Der Hessische Entwurf wiederum sieht sowohl im 1844 vorgelegten Eherecht (I 2 Art. 6) als auch im 1853 veröffentlichten Obligationenrecht (IV 1 Art. 74) jeweils eine besondere Bestimmung vor, in der alleinige »ehrerbietige Scheu« für unbeachtlich erklärt wird. Selbst das Sächsische BGB von 1863/65 enthält in seinem Eherecht eine entsprechende Vorschrift zur »ehrerbietigen Scheu« (§ 1593 Satz 3). Auf nationaler Ebene überrascht es daher nicht, dass bei den Arbeiten am Dresdner Entwurf zunächst eine Parallelvorschrift zur »ehrerbietigen Scheu« vorgesehen ist (Anlage B, Art. 79 Satz 3), die dann aber als überflüssig gestrichen wird, da eine solche Furcht schon nicht »widerrechtlich erregt« sei. Aus demselben Grund verzichten beim BGB daher bereits die Teilentwürfe ganz bewusst darauf, noch eine besondere Regel zur Unbeachtlichkeit von bloßem metus reverentialis zu treffen. Auch in den Motiven wird dies als Selbstverständlichkeit bezeichnet. Nach dem Verständnis des historischen Gesetzgebers geht das BGB also stillschweigend weiter von dem hergebrachten gemeinrechtlichen Grundsatz aus, den der Code civil 1804 folgendermaßen formuliert: »La seule crainte révérentielle […] ne suffit point«.

III. Undue influence

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III. Undue influence III. Undue influence

1. Undue influence, das von der englischen Equity in der Frühen Neuzeit entwickelte Rechtsinstitut einer beachtlichen unlauteren Einflussnahme, wird von der zeitgenössischen Literatur häufig in den Kontext des unconscionable bargaining gerückt. Diese Rechtsprechung zum Schutz von künftigen Erben (expectant heirs) und Seeleuten vor ausbeuterischen Rechtsgeschäften lässt sich zwar bis in das späte 16. Jahrhundert zurückverfolgen. Der erste Fall, in dem tatsächlich der Begriff undue influence in diesem Zusammenhang fällt, datiert jedoch erst aus dem Jahre 1769, während er anderweitig in der Rechtsprechung zum Eltern-Kind-Verhältnis schon wesentlich früher auftaucht. Unabhängig hiervon verläuft die Entwicklung der sog. probate doctrine zur unlauteren Einflussnahme auf Testierende. Der Grund besteht in unterschiedlichen Zuständigkeiten, da letztwillige Verfügungen nicht in die Jurisdiktion der Chancery, sondern in die der Ecclesiastical Courts fallen. Dessen ungeachtet findet hier schon 1590 in Swinburne’s Treatise of Testaments and Last Wills eine offene Rezeption kontinentaleuropäischen Gedankenguts statt, als ungestüme Zudringlichkeiten, denen sich der Testierende nicht entziehen kann, zur Nichtigkeit von letztwilligen Verfügungen führen. Dieser Ansatz wird in der Folge auch von der Rechtsprechung aufgegriffen. Bei der von der Chancery entwickelten equitable doctrine lassen sich hingegen kaum solch unmittelbare Einflüsse des Ius commune ausmachen. Mitunter finden sich sprachliche Anklänge an metus reverentialis in der Fallgruppe zu undue influence im Verhältnis zwischen Eltern und Kind, wo die Rechtsprechung nie ein Rechtsgeschäft mit dem abstrakten Verweis auf die in diesem Verhältnis bestehende Ehrfurcht aufhebt, sondern immer auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abstellt. Der Schutz des Mündels vor einer unlauteren Vorteilsnahme seitens des Vormunds steht bei dieser Fallgruppe aus Gründen der public policy im Vordergrund, ohne dass dabei direkt auf gemeinrechtliche Institute zurückgegriffen wird. Auch der Missbrauch der ihm eingeräumten familiären Vertrauensstellung durch einen Diener wird von der Chancery sanktioniert, wenn er im konkreten Einzelfall undue influence auf seinen Herrn ausgeübt hatte: Rechtsgedanken aus dem Civil law sind auch hier nicht offen auszumachen. Bei Anwalt und Mandant handelte es sich dagegen um ein außerfamiliäres Abhängigkeitsverhältnis, bei dessen unlauterer Ausnutzung die Rechtsprechung ebenfalls aus Gründen der public policy interveniert, ohne hierbei unmittelbar auf das Civil law zu rekurrieren. Die Fallgruppe von Trustee und Begünstigtem schließlich betrifft nicht etwa die Ausübung von undue influence in dieser Beziehung, sondern die Ausnutzung eines aus seiner Position resultierenden Wissensvorsprungs durch den Trustee bei einem Geschäft mit dem Begünstigtem. Dagegen wird die Beziehung zwischen Eheleuten in Grigby v Cox (1750) nicht als eine vergleichbare

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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

Konstellation anerkannt, die eine Vermutung von undue influence rechtfertigen würde. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts etabliert die Chancery insgesamt eine gefestigte Rechtsprechung zu undue influence, die ganz maßgeblich auf Erwägungen der public policy beruht. Daher verwundert es nicht weiter, dass sich auch in Huguenin v Baseley (1807) die Diskussion eingehend mit dem bestehenden Case law beschäftigte. Die Bedeutung Pothiers, mit dessen Traité des donations entre vifs sich zwar der Kläger- und Beklagtenvortrag sowie die Replik Romillys auseinandersetzten, nicht aber die Urteilsbegründung Lord Eldons, dürfte für den Ausgang dieses leading case demgegenüber deutlich zurücktreten. 2. Die Entwicklung von undue influence im 19. Jahrhundert ist weiterhin geprägt von der Dichothomie mit der equitable doctrine einerseits und der probate doctrine andererseits. Mit Blick auf die letztere hält die Rechtsprechung daran fest, dass nur bei einer fortwährenden unerträglichen Aufdringlichkeit eine justiziable Beeinträchtigung der Testierfreiheit in Betracht kommt. Die Beweislast hierfür trägt derjenige, der sich auf die Unwirksamkeit der entsprechenden letztwilligen Verfügung beruft. Mit Vermutungen arbeitet hingegen die equitable doctrine bei undue influence im Eltern-Kind-Verhältnis. Solange sich das Kind tatsächlich noch unter der Herrschaft (dominion) eines Elternteils befindet, wird grundsätzlich vermutet, dass eine unentgeltliche Zuwendung des Kindes auf dem elterlichen Einfluss (parental influence) beruht – es sei denn, der betroffene Elternteil kann darlegen und beweisen, dass sein Kind eine Beratung von unabhängiger Seite (indepedent advice) erfahren hat. Darüber hinaus betrifft eine ganze Reihe von Entscheidungen die Interzession eines Kindes für einen Elternteil. Dabei handelt es sich sowohl um Personalinterzessionen, etwa in Form einer promissory note, als auch um Realinterzessionen, typischerweise in Gestalt einer mortgage. Auch hier gilt, dass die Vermutung von undue influence in erster Linie durch eine unabhängige Beratung entkräftet werden kann. Darüber hinaus versucht die Rechtsprechung erste Kriterien zu entwickeln, wann der Gläubiger sich die unlautere Einflussnahme des Elternteils auf das Kind zurechnen lassen muss. Dieselben Grundsätze wendet die Rechtsprechung insbesondere auf das Verhältnis von Vormund und Mündel oder Anwalt und Mandant an. Dagegen genügt das Verhältnis zwischen Eheleuten in den Augen der Rechtsprechung an und für sich nicht, um eine Vermutung von undue influence zu begründen. Allerdings wird diese Sichtweise an der Wende zum 20. Jahrhundert in Zweifel gezogen, als einige Fälle jeweils eine Interzession der Ehefrau zum Gegenstand hatten. Vor allem in Bischoff’s Trustee v Frank (1903) wird der Versuch unternommen, auch im Verhältnis zwischen Eheleuten mit der Vermutung von undue influence zu arbeiten. Letztlich kann sich dieser Ansatz jedoch nicht durchsetzen, da sich die Rechtsprechung an die bisherigen Prä-

IV. Ausblick

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judizien gebunden fühlt und somit weiterhin konkrete Anhaltspunkte für eine unlautere Einflussnahme verlangt. Grundlegend für die endgültige Ausdifferenzierung der beiden Fallgruppen von undue influence ist insoweit Allcard v Skinner (1887). Die erste Klasse bilden demnach Fälle bei denen tatsächlich eine unlautere Einflussnahme erfolgt ist (actual exercise). Die zweite Klasse betrifft Fälle, bei denen wegen einer bestimmten Beziehung eine solche unlautere Einflussnahme vermutet wird (presumption). Die ratio der ersten Kategorie wird darin gesehen, niemandem den Vorteil seines Fehlverhaltens zu belassen. Die zweite Kategorie wird auf public policy und den Präventionsgedanken gestützt, dass bestimmte anfällige Beziehungen vor einer unlauteren Einflussnahme zu schützen seien. Dass die von der Equity entwickelte Rechtsprechung zu undue influence nicht dauerhaft als Case law gefasst sein muss, sondern sehr wohl kodifiziert werden kann, zeigt schließlich der Indian Contract Act, der die Grundsätze dieses Rechtsinstituts in Gesetzesform bringt.

IV. Ausblick IV. Ausblick

Die Charakteristika des englischen Rechts im Umgang mit Interzessionen von nahen Angehörigen sind somit bereits im 19. Jahrhundert angelegt. Dies ist zum einen die einheitliche Behandlung von Personal- und Realsicherheiten. Zum anderen werden Interzessionen im Eltern-Kind-Verhältnis einer anderen Kategorie von undue influence zugeordnet als Interzessionen im Verhältnis von Eheleuten. Dies sind jedoch keine genuinen Spezifika des englischen Rechts. Auch die Rezeption der Interzessionsbeschränkungen für Frauen aus dem römischen Recht führt im Ius commune zu einer einheitlichen Behandlung von Personal- und Realsicherheiten. Das ebenfalls sensible Eltern-Kind-Verhältnis wird hingegen über metus reverentialis, also über ein anderes Rechtsinstitut, gelöst. Der eigentliche Unterschied zum englischen Recht besteht lediglich darin, dass gerade die gemeinrechtlichen Interzessionsbeschränkungen für Frauen gewissermaßen einen unlauteren Einfluss des Ehemanns unterstellen, während bei metus reverentialis zusätzliche Zwangsmomente wie Drohungen oder Schläge hinzukommen müssen. Insgesamt zeichnen sich aber auch auffällige Parallelen ab, etwa zwischen dem bis 1871 geltenden bayerischen Recht der Frühen Neuzeit und der englischen Equity des 19. Jahrhunderts, als beide auf eine unabhängige Beratung bzw. independent advice ganz besonderes Gewicht legen. Dies beruht hier natürlich nicht etwa auf einem Rechtstransfer, sondern auf einer Strukturverwandtschaft, wie sie sich bei der Bewältigung von vergleichbaren Problemen in ähnlichen Situationen herausbilden kann. Während in England das geltende Recht aber immer noch mit diesem Instrument bei Interzessionen naher An-

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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

gehöriger arbeitet, wird es hierzulande allenfalls mit Verbraucherschutz in Verbindung gebracht. Wie die Untersuchung zeigt, existierten somit gemeinsame oder zumindest ähnliche Prinzipien, von denen sich das deutsche Recht Ende des 19. Jahrhunderts verabschiedet hat. Der mit entscheidende Grund hierfür dürfte die Verquickung der besonderen Interzessionsbeschränkungen für die Ehefrau mit den generellen, geschlechtsspezifischen Beschränkungen für die Frau gewesen sein. Eine sachgerechte, allein auf die Interzession der Ehefrau zugeschnittene Regelung hätte in einem nächsten Schritt auch auf den Ehemann angewendet oder geschlechtsneutral für beide Eheleute formuliert werden können. Eine analoge Anwendung auf andere familiäre Nähebeziehungen wäre ebenfalls offen gestanden. Vor diesem historischen Hintergrund wirkt die Bürgschaftsrechtsprechung über § 138 BGB daher eher wie ein Notnagel.

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Sachverzeichnis Sachverzeichnis Hochgestellte Zahlen verweisen auf Fundstellen in Fußnoten.

Vorjustinianische Quellen Gai Institutiones Gai 1, 144 Gai 1, 145 Gai 1, 157 Gai 1, 171

34138 127 128 128

Gai 1, 190 34138 Gai 1, 194 127 Gai 2, 63 1950, 1952

Corpus Iuris Civilis Institutiones Iustiniani Inst. 2,8 Quibus alienare licet vel non – Inst. 2, 8 pr. 1950 Inst. 4, 6 De actionibus – Inst. 4, 6, 27 30141

– Inst. 4, 6, 29 39169 Inst. 4, 13 De exceptionibus – Inst. 4, 13, 1 2971, 30031, 30146 – Inst. 4, 13, 9 30146

Digesta Iustiniani Dig. 4, 2 Quod metus causa gestum erit – Ulp. Dig. 4, 2, 1 2987 f., 29810, 29814 – Paul. Dig. 4, 2, 2 2989 – Ulp. Dig. 4, 2, 3 pr. 29814 – Ulp. Dig. 4, 2, 3, 1 29924 – Ulp. Dig. 4, 2, 5 29923 – Gai. Dig. 4, 2, 6 29919 – Ulp. Dig. 4, 2, 7 pr. 29920, 29930 – Ulp. Dig. 4, 2, 7, 1 29924, 29926 – Paul. Dig. 4, 2, 8, 1 29927 – Paul. Dig. 4, 2, 8, 2 29928 – Ulp. Dig. 4, 2, 9, 1 30139 – Ulp. Dig. 4, 2, 9, 8 29917, 30139 – Ulp. Dig. 4, 2, 14, 1 30038 – Ulp. Dig. 4, 2, 14, 4 30141 – Ulp. Dig. 4, 2, 14, 5 30139 – Ulp. Dig. 4, 2, 14, 10 30038 – Ulp. Dig. 4, 2, 14, 11 30038, 30141 – Paul. Dig. 4, 2, 21 pr. 29927, 30567

– Paul. Dig. 4, 2, 21, 5 2971, 30034, 30248, 345282 – Paul. Dig. 4, 2, 22 29926 Dig. 4, 3 De dolo malo – Ulp. Dig. 4, 3, 1, 2 427 Dig. 4, 4 De minoribus viginti quinque annis – Gai. Dig. 4, 4, 12 36, 206 Dig. 6, 1 De rei vindicatione – Ulp. Dig. 6, 1, 39, 1 2377 – Gai. Dig. 6, 1, 40 2377 Dig. 12, 6 De condictione indebiti – Marci. Dig. 12, 6, 40 pr. 1741, 28103, 33129 Dig. 14, 6 De senatus consulto Macedoniano – Ulp. Dig. 14, 6, 1 pr. 42642 – Ulp. Dig. 14, 6, 3, 3 42642 – Ulp. Dig. 14, 6, 9, 2 43073 – Iul. Dig. 14, 6, 14 42642

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Dig. 16, 1 Ad senatus consultum Velleianum – Paul. Dig. 16, 1, 1 pr. 1313 – Paul. Dig. 16, 1, 1, 1 34140 – Paul. Dig. 16, 1, 1, 2 1842, 33132 – Ulp. Dig. 16, 1, 2 pr. 128 – Ulp. Dig. 16, 1, 2, 1 1313, 13, 16 f., 2165, 33131 – Ulp. Dig. 16, 1, 2, 2 33135 – Ulp. Dig. 16, 1, 2, 3 32124, 33131, 33136 – Ulp. Dig. 16, 1, 2, 5 1635 – Ulp. Dig. 16, 1, 4 pr. 2797, 31120 – Ulp. Dig. 16, 1, 4, 1 2374, 2797, 33132 – Gai. Dig. 16, 1, 5 2376, 2481, 2588 – Ulp. Dig. 16, 1, 6 2585, 31120, 33131 – Pap. Dig. 16, 1, 7 2585 – Ulp. Dig. 16, 1, 8 pr. 2160, 2377 – Ulp. Dig. 16, 1, 8, 1 2160 – Ulp. Dig. 16, 1, 8, 2 2694 – Ulp. Dig. 16, 1, 8, 3 2271 – Ulp. Dig. 16, 1, 8, 4 2272 – Ulp. Dig. 16, 1, 8, 5 2161, 2588 – Ulp. Dig. 16, 1, 8, 6 2589 – Ulp. Dig. 16, 1, 8, 7–13 1844 – Ulp. Dig. 16, 1, 8, 8 33130 – Ulp. Dig. 16, 1, 8, 14 1845, 2160, 2480 – Paul. Dig. 16, 1, 11 2480, 31120, 31123 – Paul. Dig. 16, 1, 12 2480, 31120 – Gai. Dig. 16, 1, 13 pr. 2161, 2692, 33133 – Iul. Dig. 16, 1, 16 pr. 2161, 2796, 132 – Afr. Dig. 16, 1, 17 pr. 31120 – Afr. Dig. 16, 1, 17, 1 2377, 31120, 189 – Afr. Dig. 16, 1, 17, 2 2267, 191 – Paul. Dig. 16, 1, 18 2267 – Afr. Dig. 16, 1, 19, 2 29113 – Afr. Dig. 16, 1, 19, 5 2480, 31120 – Call. Dig. 16, 1, 21 pr. 2796 – Call. Dig. 16, 1, 21, 1 2797, 33132, 33134 – Paul. Dig. 16, 1, 22 2795 – Paul. Dig. 16, 1, 23 30118, 32124, 33133 – Paul. Dig. 16, 1, 24 pr. 2694 – Mod. Dig. 16, 1, 25 pr. 2692 – Mod. Dig. 16, 1, 25, 1 2165, 33134 – Ulp. Dig. 16, 1, 26 29115, 33130 – Pap. Dig. 16, 1, 27 pr. 31120 – Pap. Dig. 16, 1, 27, 2 2692 – Scaev. Dig. 16, 1, 28, 1 2480, 31120 – Paul. Dig. 16, 1, 29 pr. 2377, 2480

– – – – – – – –

Paul. Dig. 16, 1, 30 pr. 32124 Paul. Dig. 16, 1, 30, 1 2585, 33133 Paul. Dig. 16, 1, 31 28105 Pomp. Dig. 16, 1, 32 pr. 2692, 33132 Pomp. Dig. 16, 1, 32, 1 2377, 2379 Pomp. Dig. 16, 1, 32, 2 2481 Pomp. Dig. 16, 1, 32, 3 2585, 31120 Pomp. Dig. 16, 1, 32, 4 28107, 58, 77, 110 Dig. 18, 1 De contrahenda emptione … – Marci. Dig. 18, 1, 46 30781 Dig. 23, 2 De ritu nuptiarum – Ter. Cl. Dig. 23, 2, 21 30247 – Cels. Dig. 23, 2, 22 2971, 30033, 302, 310 f., 318, 339, 347, 354, 368, 542 – Paul. Dig. 23, 2, 38 pr. 30354, 318 – Marci. Dig. 23, 2, 57 30353 – Paul. Dig. 23, 2, 59 30351 – Pap. Dig. 23, 2, 63 30352 – Paul. Dig. 23, 2, 65 pr. 30352 – Paul. Dig. 23, 2, 66 pr. 30351 Dig. 23, 3 De iure dotium – Paul. Dig. 23, 3, 41 pr. 35152 Dig. 23, 5 De fundo dotali – Paul. Dig. 23, 5, 1 pr. 1950 Dig. 29, 6 Si quis aliquem testari prohibuerit vel coegerit – Pap. Dig. 29, 6, 3 303 f., 311, 351– 353, 543 Dig. 37, 15 De obsequiis parentibus et patronis praestandis – Ulp. Dig. 37, 15, 7, 2 30462 Dig. 44, 4 De doli mali et metus exceptione – Ulp. Dig. 44, 4, 4, 16 304 f.64 – Ulp. Dig. 44, 4, 4, 33 30146, 30460 – Ulp. Dig. 44, 4, 4, 34 30459 Dig. 44, 5 Quarum rerum actio non datur – Ulp. Dig. 44, 5, 1, 4 ff. 305, 542 – Ulp. Dig. 44, 5, 1, 5 82, 305, 310, 316 – Ulp. Dig. 44, 5, 1, 6 304 f., 310, 313, 542 f. Dig. 46, 2 De novationibus et delegationibus – Paul. Dig. 46, 2, 19 2694 Dig. 50, 17 De diversis regulis iuris antiqui – Ulp. Dig. 50, 17, 4 304 – Ulp. Dig. 50, 17, 116 pr. 30032

Quellenregister

595

Codex Iustinianus Cod. 1, 53 De contractibus iudicum … – Cod. 1, 53, 1 (Iust.) 30782, 316 Cod. 2, 4 De transactionibus – Cod. 2, 4, 13 pr. (Diocl. et Max.) 29923, 29924, 29925, 310 – Cod. 2, 4, 35 (Diocl. et Max.) 305, 311, 543 Cod. 2, 19 (20) De his quae vi metusve causa gesta sunt – Cod. 2, 19 (20), 4 (Gord.) 29924, 29925 – Cod. 2, 19 (20), 6 (Diocl. et Max.) 30670, 543 – Cod. 2, 19 (20), 7 (Diocl. et Max.) 29924, 29925 – Cod. 2, 19 (20), 8 (Diocl. et Max.) 30671 – Cod. 2, 19 (20), 10 (Diocl. et Max.) 29929 – Cod. 2, 19 (20), 11 (Const.) 306, 315 f., 543 – Cod. 2, 19 (20), 12 (Hon. et Theod.) 307, 543 Cod. 4, 29 Ad senatus consultum Velleianum – Cod. 4, 29, 1 (Ant.) 2269, 31120, 33131 – Cod. 4, 29, 2 (Ant.) 2694, 33130 – Cod. 4, 29, 3 (Ant.) 33134 – Cod. 4, 29, 4 pr. (Alex.) 2269 – Cod. 4, 29, 4, 1 (Alex.) 2481, 33130 – Cod. 4, 29, 5 (Alex.) 2377, 32124, 33130, 33132, 33136, 57, 73, 121, 157 – Cod. 4, 29, 6 pr. (Alex.) 2377, 2692, 33130, 33133 – Cod. 4, 29, 6, 1 (Alex.) 33130 – Cod. 4, 29, 6, 2 (Alex.) 33134 – Cod. 4, 29, 7 (Gord.) 35146, 35148 – Cod. 4, 29, 9 (Gord.) 35148 – Cod. 4, 29, 10 (Phil.) 2482, 35148 – Cod. 4, 29, 11 (Phil.) 35147 – Cod. 4, 29, 12 (Val. et Gall.) 35146, 35148, 36153 – Cod. 4, 29, 13 (Diocl. et Max.) 35145, 35148 – Cod. 4, 29, 14 (Diocl. et Max.) 35148 – Cod. 4, 29, 15 (Diocl. et Max.) 2585 – Cod. 4, 29, 16 (Diocl. et Max.) 35148 – Cod. 4, 29, 17 (Diocl. et Max.) 35148

– Cod. 4, 29, 18 (Diocl. et Max.) 32124, 35148 – Cod. 4, 29, 19 (Diocl. et Max.) 35145, 35148 – Cod. 4, 29, 20 (Diocl. et Max.) 144719 – Cod. 4, 29, 21 (Anast.) 35147, 39170, 61, 189 – Cod. 4, 29, 22 (Iust.) 61, 77, 80, 163, 206 f. – Cod. 4, 29, 22 pr. (Iust.) 35150 f., 38164 – Cod. 4, 29, 22, 1 (Iust.) 38165, 42190 – Cod. 4, 29, 23 (Iust.) 49–53, 66 f., 69, 73–75, 80–82, 93, 118 f., 127, 131, 138–142, 154 f. – Cod. 4, 29, 23 pr. (Iust.) 35149, 35151, 40180 – Cod. 4, 29, 23, 1 (Iust.) 35149, 40181, 139 – Cod. 4, 29, 23, 1a (Iust.) 35149, 41182 – Cod. 4, 29, 23, 1b (Iust.) 35149, 41183 – Cod. 4, 29, 23, 1c (Iust.) 41183 – Cod. 4, 29, 23, 2 (Iust.) 41187, 42190, 66 f., 69, 84 f., 152, 170, 192 f., 197 f., 216, 256, 268 f., 537 – Cod. 4, 29, 23, 3 (Iust.) 35149, 42188, 50 – Cod. 4, 29, 24 (Iust.) 50 f., 155, 193 – Cod. 4, 29, 24 pr. (Iust.) 35151, 36155 – Cod. 4, 29, 25 (Iust.) 36154, 50 f., 155, 193 Cod. 5, 2 Si rector provinciae vel ad eum pertinentes sponsalia dederint – Cod. 5, 2, 1 (Grat. Val. et Theod.) 311, 318 – Cod. 5, 2, 1 pr. (Grat. Val. et Theod.) 30778 – Cod. 5, 2, 1, 1 (Grat. Val. et Theod.) 30776 Cod. 5, 4 De nuptiis – Cod. 5, 4, 12 (Diocl. et Max.) 30247 – Cod. 5, 4, 14 (Diocl. et Max.) 30247 Cod. 5, 12 De iure dotium – Cod. 5, 12, 30 pr. (Iust.) 39169 – Cod. 5, 12, 30, 1 (Iust.) 39169 Cod. 5, 13 De rei uxoriae actione in ex stipulatu actionem transfusa et de natura dotibus praestita

596

Quellenregister

– Cod. 5, 13, 1, 1b (Iust.) 39169 – Cod. 5, 13, 1, 1c (Iust.) 39169 – Cod. 5, 13, 1, 15 (Iust.) 1953, 38168 – Cod. 5, 13, 1, 15a (Iust.) 38167 – Cod. 5, 13, 1, 15b (Iust.) 38168 – Cod. 5, 13, 1, 15c (Iust.) 38170 Cod. 5,35 Quando mulier tutelae officio fungi potest – Cod. 5, 35, 2 pr. (Theod. et Arcad.) 37158 – Cod. 5, 35, 3 (Iust.) 37, 57 f., 77, 103, 122, 135, 164, 539

Cod. 6, 34 Si quis aliquem testari prohibuerit vel coegerit – Cod. 6, 34, 3 (Diocl. et Max.) 30355, 311, 351 Cod. 8, 17 (18) Qui potiores in pignore habeantur – Cod. 8, 17 (18), 12 (Iust.) 39169 Cod. 8, 27 De distractione pignorum – Cod. 8, 27, 11 (Diocl. et Max.) 32124, 35146

Novellae Nov. 61 39 f., 61, 76, 110 Nov. 61, 1, 1 39173 Nov. 61, 1, 2 40177 Nov. 61, 1, 3 39172, 39174, 40176 Nov. 94, 2 37, 57 f., 77, 103, 164

Nov. 118, 5 37, 54, 57 f., 68, 77, 85, 103, 164 Nov. 134, 8 42 f., 50 f., 53 f., 67–69, 82 f., 92 f., 102, 118, 160, 163 f., 195 f., 537

Corpus Iuris Canonici Liber Extra Lib. Extra 1, 40 De his, quae vi metusve causa fiunt – Lib. Extra 1, 40, 1 312115 – Lib. Extra 1, 40, 4 312114 – Lib. Extra 1, 40, 6 312115, 312116 Lib. Extra 2, 24 De iureiurando – Lib. Extra 2, 24, 9 83401 – Lib. Extra 2, 24, 28 83401

– Lib. Extra 2, 24, 31 312 f. Lib. Extra 4, 1 De sponsalibus et matrimoniis – Lib. Extra 4, 1, 15 312114 – Lib. Extra 4, 1, 28 312114 Lib. Extra 4, 7 De eo, qui duxit in matrimonium quam polluit per adulterium – Lib. Extra 4, 7, 2 312117

Liber Sextus Lib. Sext. 1, 18 De pactis – Lib. Sext. 1, 18, 2 83401 Lib. Sext. 2, 11 De iureiurando – Lib. Sext. 2, 11, 2 83401

Lib. Sext. 5, 12, De regulis iuris – Lib. Sext. 5, 12, De regulis iuris, 58 83402

Weltliche Quellen des Mittelalters Edictum Rothari c. 204

45206

Sachsenspiegel Landrecht – I 41 44202 – I 44 44203 – I 45 § 1 44204

– I 45 § 2 45205, 88424 – I 46 44201 – II 63 § 1 44201

597

Quellenregister Siete Partidas V, 12, 2

71344

V, 12, 3

71344, 73351, 81391

Stadt- und Landrechte Nürnberger Reformation von 1479 – 12, 5 101491 – 18, 2 104508 – 28, 16 101491, 112557, 113559 von 1522 – 12, 5 101492 – 18, 2 104509 – 28, 16 101492, 112 f.558, 113559 von 1564 – 19, 5 101493, 113560 f. – 39, 3 104510 Wormser Reformation (1498) III, 2, 34 91442, 104511 IV, 1, 4 103505 IV, 1, 6 103505 V, 5, 2 104511 Frankfurter Reformation von 1509 – 35 Abs. 6 104506 von 1578 – II, 16, § 11 91443, 111552, 112553, 256 – II, 16, § 12 101494, 111551, 216 – II, 16, § 13 106522 – VII, 2, § 4 104507 Bayerisches Landrecht von 1518 – XLIV Art. 7 100488 von 1616 – I Art. 10 f. 114 – I Art. 12 101490, 114–116 – I Art. 13 115570, 116 – I Art. 14 116 f., 117578 Freiburger Stadtrecht (1520) II 9, 8 92 II 9, 9 86 f. III 1, 8 86420 Amsterdam (1524) 128641

Württembergisches Landrecht von 1555 – II 9, 7 92 – II 9, 8 86 f. von 1610 87421, 92445 Genter Stadtrecht (1563) XVII, 4 119591 Kursächsische Konstitutionen (1572) 167845 II 15 87 f. II 16 109–111, 166 f.844 III 5 334, 349 f.307, 406 Decisiones electorales 24 von 1661 87423 25 von 1661 111, 174892, 258 Decisiones electorales novissimae 24 von 1746 110538, 258 Antwerpener Stadtrecht (1582) Titel 41, Art. 36 119592 Revidiertes Lübisches Stadtrecht (1586) 167845 I 4 Art. 2 330 f.206 I 4 Art. 4 330 f.206 I 5 Art. 7 101495, 112555 I 10 Art. 1 88 f., 112556 III 6 Art. 21 101495 Brüsseler Stadtrecht (1606) Art. 235 119 f.593 Niederösterreichische Verordnung über die weiblichen Rechtswohltaten (1655) 177, 218 Sachsen-Gothaische Landesordnung (1666) III, D, 3, 3 164831 Salzburger Verordnung über die weiblichen Freiheiten (1678) 152, 161, 177, 178917 Leipziger Wechselordnung (1682) § 2 159

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Quellenregister

Groningen (1702) Van Mede-Schuldt ende Borgh-Toght, Art. 18–22 128642

Regensburger Ratsbeschluss über die Bürgschaft der Ehefrauen (1738) 177, 178918

Preußische Vormundschaftsordnung (1718) § 12 164832

Ellinger Verordnung über Schuldverschreibungen der Ehefrauen (1750) 177, 178918

Oberamtspatent für die Oberlausitz (1732) 177, 178917, 258 Gereformeerde Willekeuren ende StadtRechten van Harderwijk (1734) II 13 Art. 18 128643

Kodifikationen und Einzelgesetze Bayern CMBC (1756) – I 6 § 8 352, 393 f. – I 6 § 33 151, 1981028, 234 – I 6 § 34 178 f., 1981028, 199, 232, 234, 243, 540 – III 2 § 7 352, 393, 395 – IV 1 § 25 351, 392, 394 – IV 10 § 4 247, 2491307 – IV 10 §§ 23–27 235 – IV 10 § 23 150, 151751, 235 – IV 10 § 24 148 f., 233 – IV 10 § 25 150, 159 f.804, 233 – IV 10 § 26 156 f., 179, 232 f., 235, 238, 243, 538 – IV 10 § 27 150 Entwurf Feuerbachs (1808/09) – Art. 161 391 – Art. 192 f. 391495 – Art. 935 391 – Art. 942 391 – Art. 944 391 f. – Art. 1174 ff. 390 – Art. 1174–1176 392 – Art. 1175 390, 392 – Art. 1177 390–393, 546 – Art. 1191 f. 2311216 – Art. 2134 231 Entwurf eines revidierten CMBC (1811) – I 6 § 5 393 – I 7 § 15 234 f. – III 2 § 4 393 f.

– IV 1 §§ 30–33 392 – IV 1 § 33 392 – IV 10 § 4 232 f., 2341228 – IV 10 § 5 233 Entwurf (1816/18) – I 6 § 8 394 – I 6 § 33 235 – I 6 § 34 235 f. – III 2 § 7 395 – IV 1 § 25 394 – IV 10 §§ 23–27 235 – IV 10 § 23 235 – IV 10 § 26 235 Entwurf Leonrods (1834) – § 50 395 – § 533 395 – § 784 396 – § 789 396 – § 793 396 f. – § 1253 236 Entwurf (1861/64) – Theil I Art. 20–22 397 – Theil I Art. 20 397 – Theil I Art. 22 397, 409 f. – Theil II Art. 858 ff. 237 – Theil II Art. 860 238 – Theil II Art. 868 238 – Theil II Art. 869 238 f. Gesetz, die Intercessionen betreffend (1871) 251

Quellenregister Preußen Corpus Juris Fridericianum (1781) – III 7 §§ 1 ff. 2031057 EAGB (1784–1788) – I 1 § 26 359349 – I 1 §§ 229 ff. 2011046, 2081088 – I 1 § 231 2081089 – I 1 §§ 652 f. 2091096 – II 1 §§ 31 ff. 358342 – II 1 § 35 358344 – II 1 §§ 36 f. 358346 – II 1 § 38 358345 – II 1 § 42 358 f.347 – II 2 § 24 2011045 – II 9 § 18 359350 – II 11 §§ 144 ff. 2011047, 2041059 – II 11 § 144 2031056 – II 11 § 147 2051063 – II 11 § 148 2061076 – II 11 § 150 2071082 – II 11 § 151 201074 – II 11 § 152 2061071 – II 11 § 153 2061072 – II 11 § 154 2051068 – II 11 § 155 2071079 – II 11 §§ 272 f. 2051066 – II 11 § 273 Anm. * 201 f., 2051065 AGO (1793) – II 1 § 9 2161136 – III 7 §§ 1 ff. 2031057 ALR (1794) – I 4 § 29 359 – I 4 §§ 31 ff. 358, 360 – I 4 § 33 358 – I 4 §§ 34 ff. 414 – I 4 § 35 358 – I 4 §§ 36 f. 358 f. – I 4 § 41 358, 360, 411, 415, 545 – I 4 § 44 359 – I 5 § 23 180 – I 11 §§ 1091 ff. 205 – I 12 §§ 23 f. 359351 – I 12 § 25 359 – I 14 § 203 284 – I 14 §§ 220–244 216 – I 14 §§ 221 ff. 202, 204, 208, 540 – I 14 §§ 221–225 203, 216 – I 14 § 224 204, 216

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

I 14 § 225 204, 216 I 14 § 226 205, 216 I 14 § 227 204, 216 I 14 §§ 228 f. 204, 216 I 14 § 230 204, 216 I 14 § 231 204, 216 I 14 § 232 205, 216 I 14 § 233 205, 216 I 14 § 234 206, 216 I 14 § 236 207, 216, 233 I 14 § 238 207, 216 I 14 §§ 239 ff. 233 I 14 § 239 206, 216 I 14 § 240 206, 216 I 14 § 241 206, 216 I 14 § 243 205, 216, 233 I 14 § 244 207, 216 I 14 § 256 216 I 14 § 308 216 I 14 §§ 407–412 216 I 14 § 407 205, 216 I 14 § 408 205, 216 I 14 § 409 206, 216 I 14 § 410 206, 216 I 14 § 411 206, 216 I 16 § 402 215 II 1 § 39 359, 412 II 1 § 189 181 II 1 §§ 198 ff. 216 f. II 1 §§ 198–201 215 II 1 § 198 216 II 1 §§ 210 ff. 208 II 1 § 272 215 II 1 § 273 216 II 1 § 341 208, 216 II 1 § 342 208, 238 II 1 § 343 208, 212, 216, 234, 540 II 1 § 344 208, 216, 540 II 1 § 891 216 II 1 § 892 216 II 1 § 901 209 II 1 § 902 209 II 8 §§ 488 ff. 206, 266 II 8 § 496 267 Anhang § 48 207 f., 211, 216 Anhang § 75 2081091, 212, 216

599

600

Quellenregister

Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preussischen Staaten (1857) – Art. 4 ff. 266 – Art. 4 266 – Art. 236–240 407

Gesetz, betreffend die Aufhebung der besonderen, bei Interzessionen der Frauen geltenden Vorschriften (1869) 215 f., 245, 285, 288

Frankreich Premier Projet de Cambacérès (1793) – I 2 Art. 1 ff. 373415 – II 3 Art. 21 ff. 373416 – II 3 Art. 37 373 – III 1 Art. 14 No 2 372 – III 1 Art. 31 ff. 2261189 Deuxième Projet de Cambacérès (1794) – I 5 Art. 35 ff. 373415 – II 6 Art. 93 ff. 373416 – III 1 Art. 145 373 – III 1 Art. 149 373 – III 3 Art. 159 ff. 2261189 Troisième Projet de Cambacérès (1796) – I 5 Art. 267 ff. 373415 – II 6 Art. 538 ff. 373416 – II 6 Art. 573 373 – II 6 Art. 583 373 – III 1 Art. 709 373 – III 1 Art. 717 373 – III 1 Art. 719 373 – III 3 Art. 754 ff. 2261189 Projet de Jacqueminot (1799) – Du mariage, Art. 4 No 2 373 – Des Donations entre-vifs et à cause de mort, Art. 4 374 – Des Donations entre-vifs et à cause de mort, Art. 6 373 f. – Des Donations entre-vifs et à cause de mort, Art. 14 374 Projet de Target (1798/99) – Mariage, Art. 41-bis 374 – Dispositions à titre gratuit, Art. 145 374 – Dispositions à titre gratuit, Art. 161 375

– Dispositions à titre gratuit, Art. 162 375 – Dispositions à titre gratuit, Art. 166 374 Projet de l’An IX (1801) – I 5 Art. 5 376, 380–382 – III 2 Art. 7 ff. 375 – III 2 Art. 10 375–377, 379 f. – III 2 Art. 12 375, 377, 379 f. – III 2 Art. 16 375 – III 9 Art. 4 376, 379, 384 – III 9 Art. 6 376–378, 382 – III 9 Art. 14 376, 378, 382 f. Code civil (1804) – Art. 146 382, 387, 391, 398–400, 412 – Art. 180 f. 382464, 387484, 391495, 398522, 399525 – Art. 215 f. 181 – Art. 217 181, 227 – Art. 218 181 – Art. 219 181 – Art. 901 384, 387, 391 – Art. 907 382, 388, 391, 413, 546 – Art. 909 383, 388 f., 391 f., 413, 546 – Art. 1109 387 – Art. 1111 ff. 390, 399 – Art. 1111–1113 392 – Art. 1112 ff. 400 – Art. 1112 345280, 380, 384 f., 390, 392, 399, 412, 546 – Art. 1114 9, 345, 380, 385, 390 f., 392, 399 f., 411, 415, 419 f., 546 – Art. 1123 227 – Art. 1124 227, 253 – Art. 2018 227 f.

Holland (Königreich) Ontwerp Burgerlijk Wetboek (1807/08) – III 1, 1 Art. 10 345280

– III 1, 1 Art. 11 345 – III 1, 3 Art. 3 128

Quellenregister

601

Baden Beistandsordnung – von 1804 – §§ 9–11 229 – von 1808 – §§ 5 f. 229 Landrecht (1810) – Sz. 146 387, 398 – Sz. 180 f. 387484 – Sz. 217 229 – Sz. 515a–515k 181, 228 – Sz. 515a 229 – Sz. 901 387 – Sz. 901a 387–389 – Sz. 901b 387–389 – Sz. 901c 387, 389 – Sz. 901d 387, 389 – Sz. 907 388

– – – – – – – – – –

Sz. 909 388 f. Sz. 909a 389 Sz. 970 388 Sz. 971 ff. 388 Sz. 976 ff. 388 Sz. 1111 ff. 385 Sz. 1111 385 Sz. 1112 385 Sz. 1114 385, 392, 400, 546 Sz. 1114a 385–387, 389 f., 392, 411, 546 – Sz. 1124 229 – Sz. 2018 228 Gesetz vom 28. August 1835 181 f.944 – Art. 1 230 – Art. 3 230

Österreich Codex Theresianus (1766) – I 3 § 1 Nr. 57–63 363 – II 11 § 3 Nr. 37 ff. 360 – II 11 § 3 Nr. 38 360 – II 11 § 3 Nr. 41 360 – III 2 § 10 Nr. 57 363 – III 2 § 11 Nr. 125 360 – III 2 § 14 Nr. 165–168 363 – III 8 § 2 Nr. 16 ff. 218 – III 8 § 2 Nr. 16 218 – III 8 § 2 Nr. 17 218 – III 8 § 2 Nr. 20 f. 219 – III 8 § 2 Nr. 22 ff. 219 – III 8 § 2 Nr. 25 218 – III 8 § 2 Nr. 26 f. 218 – III 8 § 2 Nr. 28 218 – III 8 § 2 Nr. 29 218 – III 8 § 2 Nr. 30 218 – III 8 § 2 Nr. 31 218 – III 8 § 2 Nr. 32 219 – III 8 § 2 Nr. 36 219 – III 21 § 16 Nr. 131 ff. 360 – III 21 § 16 Nr. 133 360 – III 21 § 16 Nr. 134 360 – III 21 § 16 Nr. 137 360, 545 Entwurf Horten – I 3 §§ 1 ff. 361

– I 3 § 2 361 – I 3 § 3 361 – I 3 §§ 20 f. 363 – II 8 § 8 ff. 361 – II 8 § 12 361 – II 8 § 13 361 – III 1 § 25 361 – III 1 §§ 63 f. 363 – III 1 §§ 65 f. 363 – III 1 § 67 363 – III 22 §§ 59 ff. 361 – III 22 § 63 361 – III 22 § 65 361, 545 – III 8 §§ 7 ff. 219 JosGB (1786) – I 3 § 6 361362 – I 3 §§ 40 f. 363371 Entwurf Martini – I 3 § 8 363 – II 11 § 17 364 – III 1 § 17 361 f. – III 1 § 20 362363 – III 1 § 28 362 – III 8 §§ 10 f. 362366 – III 11 § 17 362366 – III 15 §§ 15 ff. a.F. 220 – III 15 § 15 221

602

Quellenregister – III 19 365 – III § 475 2251183 Revidierter Entwurf – § 54 366 – § 866 366 – § 874 366 – § 1327 2251183 ABGB (1811) – § 55 364–367, 395, 400, 403, 545 – § 91 181 – § 565 364, 366, 395 – § 870 364–367, 396, 403, 545 – § 875 396 – § 879 365–367, 396 f., 545 – § 1349 225, 236, 241, 245, 247, 259, 288, 540 f.

WGGB (1797) – I § 65 363 – II § 360 364 – III § 16 362 – III § 23 363, 453 – III § 504 221 Urentwurf – I § 65 363 f. – II § 360 364 – III § 16 362, 364 – III § 19 362364 – III § 23 363, 365 – III § 504 221 Erster Entwurf – I 48 365 – III 11 365 Württemberg Pfandentwicklungsgesetz (1828) – Art. 2 f. 181942 – Art. 5 ff. 182945 – Art. 90 182945

269

Entwurf eines Handelsgesetzbuches für das Königreich Württemberg (1839) – Art. 7 266

Nassau Entwurf einer Handels- und Wechsel-Ordnung für das Herzogthum Nassau (1842) Art. 1 266 Schwarzburg-Sondershausen Gesetz, die Intercessionen der Frauenzimmer betreffend (1844)

265 f.1394

Hessen-Darmstadt Verordnung vom 2. März 1797 – § 10 252, 256 – § 11 252, 256 – § 12 252, 256 – § 13 252, 256 – § 14 252, 256 – § 15 252 Verordnung vom 25. März 1812 252 Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs (1842–1853) – Erster Entwurf des Personenrechts (1842) – I 2 Art. 28 398

– Zweiter Entwurf des Personenrechts (1844) – I 2 Art. 2 398–401 – I 2 Art. 3 399–401 – I 2 Art. 4 399–401, 415 – I 2 Art. 5 399–401, 415 – I 2 Art. 6 399–401, 415, 546 – Von der Erbfolge (1845) – III Art. 47 402 – Von den Verbindlichkeiten (1853) – IV 1 Art. 46 253 – IV 1 Art. 52 253 – IV 1 Art. 71–74 401 – IV 1 Art. 71 401 f.

Quellenregister – – – – –

IV 1 Art. 72 401 f. IV 1 Art. 73 401 f. IV 1 Art. 74 401 f., 411, 415, 546 IV 2 Art. 588 253 IV 2 Art. 590 254

603

Gesetz, die Aufhebung der bei Schuldübernahmen der Frauen in den Provinzen Starkenburg und Oberhessen […] bestehenden besonderen Vorschriften betreffend (1875) 256

Mecklenburg-Schwerin Verordnung, betreffend die Bürgschaften und sonstigen Intercessionen der Frauenzimmer (1857) 265 f.1394 Sachsen Mandat, die Geschlechtsvormundschaft betreffend (1828) 181 f.943, 2571346 Mandat, über die Verbürgungen der Frauenspersonen (1828) 181 f.943, 355326 – § 1 257 – §§ 2–4 257 – § 5 257 – § 6 257 – § 7 257 – § 8 257 – § 9 258 – § 11 258 – § 13 258 – § 15 258 Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs (1852) – § 685 403 – § 686 403 – § 855 258 f. – § 856 259 – § 1398 403 – § 1400 403 f., 409 – § 1753 404 Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs (1860) – §§ 90 ff. 406555 – §§ 93 ff. 406555 – § 95 404547 – § 96 404548 – §§ 855 ff. 406555 – § 856 405550 – §§ 1624 ff. 406555

– § 1624 405551 – § 1681 2611368 – § 1682 2611372 – § 1683 2621373 – § 1684 2621376 – § 1685 2621377 – §§ 2112 ff. 406555 – § 2112 406553 Sächsisches BGB (1863/65) – §§ 88 ff. 406555 – §§ 91 ff. 406555 – § 93 404, 406 – § 94 405 – §§ 830 ff. 406555, 407 – § 831 405, 407 – § 832 406 f. – §§ 1449 ff. 260 – §§ 1593 ff. 406555 – § 1593 405 f., 409, 415, 546 – §§ 1638 ff. 182 – §§ 1650 ff. 260 – § 1650 217, 261, 265, 270 – § 1651 217, 261 – § 1652 262 – § 1653 262 – § 1654 262 – §§ 2078 ff. 406555 – § 2078 406 Publikationsverordnung (1863) – § 6 2611366 Einführungsverordnung (1865) – § 17 2611365

604

Quellenregister

Frankfurter Nationalversammlung ADWO (1848) – Art. 1 264 f., 541 – Art. 81 265 – Art. 82 264 f., 280, 283, 541

– Art. 84 272 Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für Deutschland (1849) – Art. 12 266

Deutscher Bund ADHGB (1861) – Art. 6 256 f., 267 f., 270 f., 541 – Art. 7 267 – Art. 8 267 – Art. 9 267, 271 – Art. 271–431 268, 287 – Art. 272 287 – Art. 274 268

– Art. 277 268, 287 f. – Art. 317–323 407 – Art. 317 268–270, 287 f., 292 Dresdner Entwurf (1866) – Art. 69 407 f., 410 f. – Art. 70 407–410, 546 – Art. 928 276, 281 f., 541 f.

Norddeutscher Bund Gesetz, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirthschafts-Genossenschaften (1868)

– § 12 270, 541 Gewerbeordnung (1869) – § 11 271, 541

Deutsches Reich StGB (1871) – § 253 413 f. ZPO (1877/79) – § 51 182 f. – § 52 (i.d.F. von 1900) 183 Gesetz, betreffend die Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften (1889) – § 23 2701423, 2711425 Teilentwürfe zum BGB – § 101 TE-AT 410 f. – § 51 TE-FamR 411 f., 415 – § 71 TE-FamR 183952, 279, 281–283, 2941556 – § 356 TE-FamR 282 – § 518 TE-FamR 282 – § 38 TE-ErbR 413, 415 f.

Bundesrepublik Deutschland Grundgesetz (1949) Art. 2

1

Erster Entwurf (1888) – § 103 414–417 – § 1259 415 – § 1780 416 BGB (1896) – § 123 1, 9, 417618, 418 – § 138 1, 550 – § 242 1 – § 766 291 f., 542 – § 1335 418 – § 1358 183 – § 1822 282 – § 2078 419 HGB (1897) – § 350 291 f. Ehegesetz (1938) 418 – § 128 367

Quellenregister

605

Britisch-Indien Indian Contract Act (1872) – Sect. 1–2 530 – Sect. 2 530 – Sect. 3–75 530 – Sect. 14 530 – Sect. 15 531

– Sect. 16 530–535 – Sect. 19 530, 534 – Sect. 19a 534 f. – Sect. 76–266 530 Indian Evidence Act (1872) – Sect. 111 532 f.

Schweiz Schweizerisches Obligationenrecht (1881/83) – Art. 491 284 Rechtsvereinheitlichung Projet de Code des Obligations et des Contrats – Progetto di Codice delle Obbligazioni e dei Contratti (1927) – Art. 20 420 Italien Codice civile (1942) – Art. 1437 9 Republik Österreich Konsumentenschutzgesetz (1979) – § 25c (1997) 8

Entscheidungsregister

Entscheidungsregister Entscheidungsregister Hochgestellte Zahlen verweisen auf Fundstellen in Fußnoten.

England 1580 ff. Savill v Wolfall (1582–83) Choyce Cases 166 = 21 ER 97........................................... 42314 1590 ff. Attorney General v Howe and East (1596) Hawarde 47 .............................................. 42314 1650 ff. Hacker v Newborn (1654) Style 427 = 82 ER 834 .......................................................... 433 1670 ff. Waller v Dalt (1676) 1 Ch Cas 276 = 22 ER 798 ......................................................... 42315 Fairfax v Trigg (1676) 79 Selden Society 448, Case 581............................................. 42315 Draper v Dean (1677) 79 Selden Society 602, Case 787 ............................................. 42315 Lord Francis Pawlett v Pleydell (1679) 79 Selden Society 739, Case 935 ................... 42315 1680 ff. Berry v Fairclough and others (1681) 79 Selden Society 868, Case 1089............. 423, 43072 Barny v Beak (1682) 2 Ch Cas 136 = 22 ER 883 ......................................................... 423 f. Barney v Tyson (1682) 2 Ventris 359 = 86 ER 485............................................ 42419, 43072 Villers v Beaumont (1682) 1 Vern 100 = 23 ER 342 ....................................................... 456 Earl of Arglasse v Muschamp (1684) 1 Vern 237 = 23 ER 438............................. 424, 43072 – (1682) 1 Vern 75, 135 = 23 ER 322, 369 ................................................................ 42420 Pitt v Earl of Arglasse (1686) 1 Vern 441 = 23 ER 572 ............................................... 42420 – Earl of Arglasse v Pitt (1685/86) 1 Vern 239 = 23 ER 439........................... 42420, 43072 Berny v Pitt (1686) 2 Vern 14 = 23 ER 620 ....................................................... 42419, 43072 Nott v Hill (1687) 2 Vern 27 = 23 ER 627 ...................................................................... 424 – (1682) 2 Ch Cas 120 = 22 ER 875 ............................................................................. 424 – (1683) 1 Vern 167 = 23 ER 391 ................................................................................ 424 – Johnson Executor of Hill v Nott (1684) 1 Vern 271 = 23 ER 464 ........................... 42424 1690 ff. Wiseman v Beake (1690) 2 Vern 121 = 23 ER 688 ..................................... 424, 42534, 43072 – (1689) 2 Freem 111 = 22 ER 1092 ............................................................................. 424 Hall v Potter (1695) Shower PC 76 = 1 ER 52 ........................................................... 439146 Smith v Burroughs, Loader & Al (1697) 2 Vern 346 = 23 ER 820 ............................... 42958 1700 ff. Lord Kingsland v Barnewall (1706) 4 Bro PC 154 = 2 ER 105....................................... 444

608

Entscheidungsregister

1710 ff. Duke of Hamilton v Lord Mohun (1710) 1 P Wms 118 = 24 ER 319 ........................... 438 f. Twisleton v Griffith (1716) 1 P Wms 310 = 24 ER 403 ..................................... 42529, 43072 1720 ff. Blunden v Barker (1720) 1 P Wms 634 = 24 ER 548...................................................... 436 White v Lightburne (1722) 4 Bro PC 181 = 2 ER 123 ..................................................... 444 Kemps v Kelsey (1722) Prec Ch 594 = 24 ER 266 .......................................................... 436 Hatfield v Hatfield (1725) 5 Bro PC 100 = 2 ER 559 ..................................................... 433 Whitackre v Whitackre (1725) Sel Cas t King 13 = 25 ER 195 ....................................... 448 Marriot v Marriot (1725) 1 Strange 666 = 93 ER 770 .................................................... 433 Kerrich v Bransby (1727) 7 Bro PC 437 = 3 ER 284 ......... 433, 435113, 435 f.116, 466, 518686 1730 ff. Gould v Okeden (1731) 4 Bro PC 198 = 2 ER 135 ......................................................... 436 Curwyn v Milner (1731) 3 P Wms 292 note = 24 ER 1071 note .................................. 42529 Osmond v Fitzroy and Duke of Cleveland (1731) 3 P Wms 129 = 24 ER 997 .............. 441 f. Cole v Gibbons and Martin v Cole (1734) 3 P Wms 290 = 24 ER 1070 .......................... 425 Proof v Hines (1735) Cases t Talbot 111 = 25 ER 690 ........................................ 444 f., 454 Pearce v Waring (1737) West t Hard 148 = 25 ER 866 .......................................... 439, 454 Morris v Burroughs [Burrows] (1737) 1 Atk 399 = 26 ER 253; West t Hard 242 = 25 ER 917 .............................................................. 43281, 436 f., 451 Walmesley v Booth (1739/41) 2 Atk 25 = 26 ER 412 ....................................... 445–447, 517 1740 ff. Brooke v Gally (1740) 2 Atk 34 = 26 ER 417 .............................................................. 42958 Berkley Freeman v Bishop (1740) 2 Atk 39 = 26 ER 420 ..................................... 425, 43072 Tendril v Smith (1740) 2 Atk 85 = 26 ER 452 ................................................................ 437 Barnardiston v Lingood (1740) 2 Atk 133 = 26 ER 484 .................................... 42529, 43072 Drapers Company v Davis (1742) 2 Atk 295 = 26 ER 580 ......................................... 446198 Saunderson v Glass (1742) 2 Atk 296 = 26 ER 581.................................................... 446198 Bennet v Vade (1742) Dickens 84 = 21 ER 200; 2 Atk 324 = 26 ER 597; 9 Modern 312 = 88 ER 474 ............................................. 434, 435113, 459297 Bell v Howard (1743) 9 Mod 302 = 88 ER 467 ...................................................442, 453245 Whelpdale v Cookson (1747) 1 Ves Sen 9 = 27 ER 856; Ves Sen Supp 8 = 28 ER 440 .................................................................................... 448 Cory v Cory (1747) 1 Ves Sen 19 = 27 ER 864 .............................................................. 437 Baldwin and Alder v Rochford (1748) 1 Wilson 229 = 95 ER 589 .................................. 429 Cray v Mansfield (1749–50) 1 Ves Sen 379 = 27 ER 1093; Ves Sen Supp 167 = 28 ER 490 ................................................................................ 439 Cocking v Pratt (1749–50) 1 Ves Sen 400 = 27 ER 1105 ............................................... 437 Brown v Pring (1749–50) 1 Ves Sen 407 = 27 ER 1109 ............................................. 446198 1750 ff. Cole v Gibson (1750) 1 Ves Sen 503 = 27 ER 1169; Ves Sen Supp 211 = 28 ER 503 ................................................................................................................ 442 Grigby v Cox (1750) 1 Ves Sen 517 = 27 ER 1178; Ves Sen Supp 218 = 28 ER 505 ........................................... 450 f., 500–502, 512, 547 f. Earl of Chesterfield v Janssen (1751) 2 Ves Sen 125 = 28 ER 82; 1 Atk 301 = 26 ER 191 .................................................................................. 426 f., 430 Taylour v Rochford (1751) 2 Ves Sen 281 = 28 ER 182 ................................................. 429

Entscheidungsregister

609

Lamkin v Babb (1752) 1 Lee 1 = 161 ER 1..................................................................... 434 How v Weldon and Edwards (1754) 2 Ves Sen 516 = 28 ER 330 ................................ 429 f. Hylton v Hylton (1754) 2 Ves Sen 547 = 28 ER 349............................................... 440, 454 Bridgeman v Green and others (1757) Wilm 58 = 97 ER 22 ................... 442 f., 446, 453245, 458, 505 f., 520704, 522 – (1755) 2 Ves Sen 627 = 28 ER 399 ................................................................. 442 f., 446 Carpenter v Heriot (1759) 1 Eden 338 = 28 ER 715 ...................................................... 438 1760 ff. Wycherley v Wycherley (1763) 2 Eden 175 = 28 ER 864 ................................................ 438 Norton v Relly (1764) 2 Eden 286 = 28 ER 908 .............................. 455, 460–463, 519, 527 Lamplugh v Cox (1769) Dickens 411 = 21 ER 329 ............................................... 43072, 432 1770 ff. Harwood v Goodright (1774) Lofft 558 = 98 ER 798 .................................................. 434 f. Gwynne v Heaton (1778) 1 Bro CC 1 = 28 ER 949 ................................... 427 f., 430, 43072 Hulme v Tenant and Wife (1778) 1 Bro CC 16 = 28 ER 958; Dickens 560 = 21 ER 388 ......................................................................................... 451 1780 ff. Griffin v De Veiulle (1781) 3 Woodeson, Appendix 16; 1 Bacon’s Abridgement 109; 3 P Wms 131, Cox’s note = 24 ER 999 ......................... 441, 454, 456 Kinchant v Kinchant (1784) 1 Bro CC 369 = 28 ER 1183 .............................................. 438 Welles v Middleton (1784) 1 Cox 112 = 29 ER 1086 .................................................. 446 f. – 4 Bro PC 245 = 2 ER 166 ................................................................................... 446 f.205 Hall v Hallet (1784) 1 Cox 134 = 29 ER 1096 ............................................................ 446 f. Dixon v Olmius [Lutterel v Lord Waltham] (1787) 1 Cox 414 = 29 ER 1227..................................................................................... 435, 454, 456, 458 f. – (1787) 1 Cox 412 = 29 ER 1226 ............................................................................ 435111 – (1795) 2 Cox 414 = 30 ER 191 .............................................................................. 435111 – (1790) 1 Ves Jun 153 = 30 ER 276; 1 Ves Jun Supp 58 = 34 ER 690.................... 435111 Fox v Mackreth (1788) 2 Bro CC 400 = 29 ER 224 ..................................................... 448 f. – (1789) 2 Cox 158 = 30 ER 72 ................................................................................ 449223 – (1791) 2 Cox 320 = 30 ER 148 .............................................................................. 449223 – (1791) 4 Bro PC 258 = 2 ER 175 ........................................................................... 449223 Fettiplace v Gorges (1789) 3 Bro CC 8 = 29 ER 374 ................................................. 450229 1790 ff. Earl of Abingdon v Butler (1790) 2 Cox 260 = 30 ER 121; 3 Bro CC 112 = 29 ER 440; 1 Ves Jun 206 = 30 ER 303 ........................................... 444 Pybus v Smith (1791) 3 Bro CC 341 = 29 ER 570 ............................................... 451 f., 500 – (1790) 1 Ves Jun 189 = 30 ER 294; 1 Ves Jun Supp 67 = 34 ER 694............. 451 f., 500 Goodtitle v Braham (1792) 4 TR 497 = 100 ER 1139 ................................................. 435113 Newman v Payne (1793) 4 Bro CC 350 = 29 ER 930 ............................................. 447, 454 Bates v Graves (1793) 2 Ves Jun 287 = 30 ER 637 .................................................... 435113 Milnes v Busk (1794) 2 Ves Jun 488 = 30 ER 738; 1 Ves Jun Supp 293 = 34 ER 795 ..................................................................................................... 452, 500 Lord Hardwicke v Vernon (1798) 4 Ves Jun 411 = 31 ER 209 ....................................... 444 Middleditch v Sharland (1799) 5 Ves Jun 87 = 31 ER 485 ............................................. 444

610

Entscheidungsregister

1800 ff. Ex parte Fearon (1800) 5 Ves Jun 633 = 31 ER 778 ...................................................... 435 Gibson v Jeyes (1801) 6 Ves Jun 266 = 31 ER 1044............................................... 447, 506 Ex parte Lacey (1802) 6 Ves Jun 625 = 31 ER 1228 ...................................................... 448 Nantes v Corrock (1803) 9 Ves Jun 182 = 32 ER 572 .................................................... 444 Coles v Trecothick (1804) 9 Ves Jun 234 = 32 ER 592 ............................................... 448 f. Hatch v Hatch (1804) 9 Ves Jun 292 = 32 ER 615 ........... 440, 454, 458, 487493, 494547, 520 Morse v Royal (1806) 12 Ves Jun 355 = 33 ER 134 ....................................................... 449 Wright v Proud (1806) 13 Ves Jun 136 = 33 ER 246 ....................................... 441, 454, 456 Huguenin v Baseley (1807) 14 Ves Jun 273 = 33 ER 526 ......... 935, 421, 428, 453–465, 500, 502596, 506, 511–513, 516–522, 526 f., 529, 535, 548 – (1806) 13 Ves Jun 105 = 33 ER 234 ...................................................................... 453247 – (1808) 15 Ves Jun 180 = 33 ER 722 ...................................................................... 453247 – 2 Ves Jun Supp 324, 372, 400 = 34 ER 1115, 1138, 1151 ..................................... 453247 Peacock v Evans (1809) 16 Ves Jun 512 = 33 ER 1079 ..................................... 42857, 43072 1810 ff. Gowland v De Faria (1810) 17 Ves Jun 20 = 34 ER 8 ...................................... 42857, 43072 Wood v Downes (1811) 18 Ves Jun 120 = 34 ER 263 .................................................. 492 f. Montesquieu v Sandys (1811) 18 Ves Jun 302 = 34 ER 331; 2 Ves Jun Supp 525 = 34 ER 1210 ......................................................................... 492 f. Paine v Hall (1812) 18 Ves Jun 475 = 34 ER 397; 2 Ves Jun Supp 541 = 34 ER 1217 ....................................................................................................... 472391 Bowes v Heaps (1814) 3 Ves & B 117 = 35 ER 423 .......................................... 42857, 43072 Paske v Ollat (1815) 2 Phill Ecc 323 = 161 ER 1158 ................................................. 472391 Taylor v Obee (1816) 3 Price 26, 83 = 146 ER 180, 198 .....................................521, 522725 Griffiths v Robins (1818) 3 Madd 191 = 56 ER 480 ....................................................... 521 1820 ff. Goddard v Carlisle (1821) 9 Price 169 = 147 ER 57 ............................... 490, 491524, 491526 Tweddell v Tweddell (1822) Turn & R 1 = 37 ER 992 ................................................. 474 f. Rhodes v Cook (1826) 2 Sim & St 488 = 57 ER 432 ...........................................478, 480448 Pratt v Barker (1826) 1 Sim 1 = 57 ER 479 ........................................................ 460 f., 515 – (1828) 4 Russ 507 = 38 ER 896 ......................................................................... 460, 515 Popham v Brooke (1828) 5 Russ 8 = 38 ER 930 .......................................................... 515 f. Williams v Goude (1828) 1 Hagg Ecc 577 = 162 ER 682 ............................................... 467 Mackenzie v Handasyde (1829) 2 Hagg Ecc 211 = 162 ER 838 ....................... 472394, 472395 1830 ff. Wheeler and Batsford v Alderson (1831) 3 Hagg Ecc 574 = 162 ER 1268 .................. 472391 Wyatt v Ingram (1832) 3 Hagg Ecc 466 = 162 ER 1228 ................................................. 472 – (1827) 1 Hagg Ecc 94 = 162 ER 519 ..................................................................... 472392 – (1828) 1 Hagg Ecc 384 = 162 ER 621 ................................................................... 472392 Raworth v Marriott (1833) 1 My & K 643 = 39 ER 824 ............................................. 472391 Hunter v Atkins (1834) 3 My & K 113 = 40 ER 43..............................................461, 499576 Bulkley v Wilford (1834) 2 Cl & Fin 102 = 6 ER 1094; 8 Bligh NS 111 = 5 ER 888 ........................................................................................................... 490513 Cheslyn v Dalby (1836) 2 Y & C Ex 170 = 160 ER 357 ................................................. 495 – (1840) 4 Y & C Ex 238 = 160 ER 993 ................................................................... 495551 Baker v Batt (1838) 2 Moo PC 317 = 12 ER 1026 .......................................................... 468

Entscheidungsregister

611

– (1836) 1 Curt 125 = 163 ER 42 .............................................................................. 468360 Barry v Butlin (1838) 2 Moo PC 480 = 12 ER 1089 ....................................................... 472 – (1837) 1 Moo 98 = 12 ER 749 ............................................................................... 472393 – (1837) 1 Curt 614 = 163 ER 215 ............................................................................ 472393 – (1838) 1 Curt 637 = 163 ER 223 ............................................................................ 472393 Croft v Day (1838) 1 Curt 782 = 163 ER 271 ............................................................. 472391 Dent v Bennett (1839) 4 My & Cr 269 = 41 ER 105 ............................ 461, 516, 520, 522718 – (1835) 7 Sim 539 = 58 ER 944 .............................................................................. 516671 Durling v Loveland (1839) 2 Curt 225 = 163 ER 393 ................................................. 472391 1840 ff. Dufaur v Croft (1840) 3 Moo 136 = 13 ER 59............................................................ 472391 Middleton v Sherburne (1841) 4 Y & C Ex 358, 593 = 160 ER 1044, 1149 ............ 461, 518 Edwards v Meyrick (1842) 2 Hare 60 = 67 ER 25 ....................................................... 492 f. Gibson v Russell (1843) 2 Y & C CC 104 = 63 ER 46................................................ 515667 Durnell v Corfield (1844) 1 Rob Ecc 51 = 163 ER 961 .............................................. 472394 Archer v Hudson (1844) 7 Beav 551 = 49 ER 1180 ............................. 478, 486483, 486, 517 – (1845) 8 Beav 321 = 50 ER 126............................................................................. 478435 – (1846) 15 LJ Ch 211 .................................................................................. 478435, 502599 Harvey v Mount (1845) 8 Beav 439 = 50 ER 172 ................................................474410, 485 – (1844) 7 Beav 517 = 49 ER 1166........................................................................... 474410 Maitland v Irving (1846) 15 Sim 437 = 60 ER 688.............................................. 487 f., 517 Maitland v Backhouse (1847) 16 Sim 58 = 60 ER 794 ........................................... 487–489 Allen v M‘Pherson [Macpherson] (1847) 1 HLC 191 = 9 ER 727 .................................. 466 – (1840) 2 Curt 513 = 163 ER 492 ................................................................................ 466 – (1841) 5 Beav 469 = 49 ER 660................................................................................. 466 – (1842) 1 Ph 133 = 41 ER 582......................................................................... 466, 518686 Bellamy v Sabine (1847) 2 Ph 425 = 41 ER 1007 ........................................................... 475 Mitchell v Thomas (1847) 6 Moo PC 137 = 13 ER 636 .............................................. 472394 Browning v Budd (1848) 6 Moo PC 430 = 13 ER 749 ..................................... 472394, 472395 Fulham v M‘Carthy (1848) 1 HLC 703 = 9 ER 937 ................................................... 518690 – [M‘Carthy v M‘Carthy] (1846) 9 Ir Eq Rep 620 .................................................... 518690 1850 ff. Thornber v Sheard (1850) 12 Beav 589 = 50 ER 1186 .................................... 478 f., 486485 Allen v Davis (1850) 4 De G & Sm 133 = 64 ER 767 ..................................................... 516 Custance v Cunningham (1851) 13 Beav 363 = 51 ER 140 ............................................ 521 Greville v Tylee (1851) 7 Moo PC 320 = 13 ER 904 ....................................... 472391, 472395 Cooke v Lamotte (1851) 15 Beav 234 = 51 ER 527 ..................................... 503, 507, 521 f. Billage v Southee (1852) 9 Hare 534 = 68 ER 623 .......................................... 516 f., 522718 Hoghton v Hoghton (1852) 15 Beav 278 = 51 ER 545................. 462, 463325, 474406, 475 f., 503, 507 Blackie v Clark (1852) 15 Beav 595 = 51 ER 669 .......................................................... 517 Nedby v Nedby (1852) 5 De G & Sm 377 = 64 ER 1161............... 500–502, 507, 512, 514 f. Espey v Lake (1852) 10 Hare 260 = 68 ER 923 ........................................... 479, 486483, 486 Holman v Loynes (1854) 4 De G M & G 270 = 43 ER 510 .......................................... 492 f. Hindson v Weatherill (1854) 5 De G M & G 301 = 43 ER 886 ....................................... 467 – (1853) 1 Sm & Giff 604 = 65 ER 265 ........................................................................ 467 Cobbett v Brock (1855) 20 Beav 524 = 52 ER 706 ...................................... 503 f., 507, 511 Tomson v Judge (1855) 3 Drew 306 = 61 ER 920 ................................... 490, 491523, 492533

612

Entscheidungsregister

Baker v Bradley (1855) 7 De G M & G 597 = 44 ER 233 ..................... 479 f., 486484, 497565 – (1854) 2 Sm & Giff 531 = 65 ER 513 ..................................................................... 479 f. Hartopp v Hartopp (1856) 21 Beav 259 = 52 ER 858 .........................................473405, 476 Denton v Donner (1856) 23 Beav 285 = 53 ER 112 ................................................... 497567 Wright v Vanderplank (1856) 8 De G M & G 133 = 44 ER 340 ................................................................... 472 f., 474406, 474408, 477430, 528 – (1855) 2 K & J 1 = 69 ER 669 ................................................................... 472397, 474406 Savery v King (1856) 5 HLC 627 = 10 ER 1046 ................................... 480 f., 486484, 497565 – (1853) 1 Sm & Giff 271 = 65 ER 118 ..................................................................... 480 f. Dimsdale v Dimsdale (1856) 3 Drew 556 = 61 ER 1015 .....................................476, 477430 Boyse v Rossborough (1857) 6 HLC 2 = 10 ER 1192 ..........................................468, 514660 – (1857) 6 HLC 1 = 10 ER 1192 ............................................................................... 468362 Johnson v Fese[n]meyer (1858) 3 De G & J 13 = 44 ER 1174 ........................................ 495 – (1858) 25 Beav 88 = 53 ER 569............................................................................. 495552 Lloyd v Attwood (1859) 3 De G & J 614 = 44 ER 1405 .................................................. 499 Smith v Kay (1859) 7 HLC 750 = 11 ER 299.................................................... 499576 f., 523 – (1855) 20 Beav 566 = 52 ER 722........................................................................ 523 f.732 – (1856) 21 Beav 522 = 52 ER 961........................................................................ 523 f.732 – (1856) 21 Beav 536 = 52 ER 967........................................................................ 523 f.732 – (1857) 7 De G M & G 383 = 44 ER 149 ............................................................. 523 f.732 Bury v Oppenheim (1859) 26 Beav 594 = 53 ER 1028 ................................................... 473 Gresley v Mousley (1859) 4 De G & J 78 = 45 ER 31 ............................. 492, 493542, 494545 – (1856) 2 K & J 288 = 69 ER 789 ........................................................................... 492538 – (1858) 1 Giff 450 = 65 ER 995 ....................................................... 492538, 493542, 494545 – (1862) 3 De G F & J 433 = 45 ER 946................................................................... 492538 1860 ff. Jenner v Jenner (1860) 2 De G F & J 359 = 45 ER 660............................................... 476 f. Nottidge v Prince (1860) 2 Giff 246 = 66 ER 103 ...........................................462, 519, 527 Coulson v Allison (1860) 2 Giff 279 = 66 ER 117 .......................................................... 501 – (1860) 2 De G F & J 521 = 45 ER 723....................................................................... 501 Hobday v Peters (No. 1) (1860) 28 Beav 349 = 54 ER 400............................................. 522 – (No. 2) (1860) 28 Beav 354 = 54 ER 402............................................................... 522723 – (No. 3) (1860) 28 Beav 603 = 54 ER 498............................................................... 522723 Grosvenor v Sherratt (1860) 28 Beav 659 = 54 ER 520 ............................................. 497567 Sharp v Leach (1862) 31 Beav 491 = 54 ER 1229 ........................................... 474410, 477431 Farrant v Blanchford (1863) 1 De G J & S 107 = 46 ER 42 ........................................... 499 Toker v Toker (1863) 3 De G J & S 487 = 46 ER 724................................................. 474411 – (1862) 31 Beav 629 = 54 ER 1283 ......................................................474411, 476423, 485 Davies v Davies (1863) 4 Giff 417 = 66 ER 769 ......................................... 473, 474407, 487 Broun v Kennedy (1863) 33 Beav 133 = 55 ER 317 ............................................... 492, 502 – (1862) 2 F & F 801 = 175 ER 1292 ....................................................................... 492530 – (1863) 13 CB NS 677 = 143 ER 268...................................................................... 492530 – (1864) 4 De G J & S 217 = 46 ER 901................................................................... 492528 Re Metcalfe’s Trusts (1864) 2 De G J & S 122 = 46 ER 321 ....................................... 519 f. Sercombe v Sanders (1865) 34 Beav 382 = 55 ER 682 ................................ 482, 486484, 486 Chambers v Crabbe (1865) 34 Beav 457 = 55 ER 712 ................................................... 473 Potts v Surr (1865) 34 Beav 543 = 55 ER 745................................................................ 476 Berdoe v Dawson (1865) 34 Beav 603 = 55 ER 768 ........................................ 481 f., 486484

Entscheidungsregister

613

Rhodes v Bate (1866) LR 1 Ch App 252 ......................................................... 491, 495–497 – (1865) 4 Giff 670 = 66 ER 875 .................................................................................. 495 Barrett v Hartley (1866) LR 2 Eq 789 ......................................................................... 497 f. Williams v Bayley (1866) LR 1 HL 200............................................................... 485 f., 535 – (1864) 4 Giff 638 = 66 ER 862 ............................................................................... 485 f. Tate v Williamson (1866) LR 2 Ch App 55 .................................................................... 523 – (1866) LR 1 Eq 528 ................................................................................................... 523 Hall v Hall (1868) LR 1 P & D 481 ............................................................................ 469 f. Lyon v Home (1868) LR 6 Eq 655 ....................................................................... 520 f., 527 1870 ff. Everitt v Everitt (1870) LR 10 Eq 405............................................................................ 485 Ellis v Barker (1871) LR 7 Ch App 104 ......................................................................... 498 Turner v Collins (1871) LR 7 Ch App 329 .............................................. 473, 474406, 477430 – (1871) LR 12 Eq 438 ............................................................................................. 473402 Parfitt v Lawless (1872) LR 2 P & D 462 .......................................................471, 502, 511 Ashwell v Lomi (1872) LR 2 P & D 477 ......................................................................... 470 Moxon v Payne (1873) LR 8 Ch App 881....................................................................... 524 Kempson v Ashbee (1874) LR 10 Ch App 15 ...........................................482 f., 486483, 486 Fulton v Andrew (1875) LR 7 HL 448 ....................................................................... 472394 Morgan v Minett (1877) 6 Ch D 638 ................................ 490, 491521, 491523, 491524, 492533 Erlanger v New Sombrero Phosphate Co (1878) 3 App Cas 1218 .............................. 502598 1880 ff. Mitchell v Homfray (1881) 8 QBD 587 .......................................................................... 515 Bainbrigge v Browne (1881) 18 Ch D 188 ........................................... 483 f., 486483, 508 f. Taylor v Johnston (1882) 19 Ch D 603 .......................................................................... 487 Plowright v Lambert (1885) 52 LT 646 ...................................................................... 497567 Wingrove v Wingrove [1885] 11 PD 81 .......................................................................... 471 Allcard v Skinner (1887) 36 Ch D 145 ......................... 463, 512, 519692, 524–529, 535, 549 Hoblyn v Hoblyn (1889) 41 Ch D 200 ................................................................. 476 f., 485 1890 ff. Hampson v Guy (1891) 64 LT 778 ................................................................................. 471 Morley v Loughnan [1893] 1 Ch 736 .................................................................. 463, 528 f. Tyrrell v Painton [1895] 1 QB 202 ............................................................................ 472394 – [1894] P 151 .............................................................................................. 472394, 472395 Liles v Terry [1895] 2 QB 679 .................................................................................... 490 f. De Witte v Addison (1899) 80 LT 207 ............................................................................ 485 Barron v Willis [1900] 2 Ch 121 ............................................. 490, 491519 f., 491522, 491525 f. – [1899] 2 Ch 578 ...................................................................... 491522, 491526, 501 f., 511 – [1902] AC 271 ........................................................................................... 490512, 514663 1900 ff. Powell v Powell [1900] 1 Ch 243 .................................................473, 474409, 485, 487, 512 Radcliffe v Price (1902) 18 TLR 466 ......................................................................... 515667 Turnbull & Co v Duval [1902] AC 429 ....................................................... 504–509, 511 f. Wright v Carter [1903] 1 Ch 27 ..................................................................................... 494 Cavendish v Strutt (1903) 19 TLR 483 ........................................................................... 464 Bischoff’s Trustee v Frank (1903) 89 LT 188 ........................... 464, 506–509, 511–513, 548 Baudains v Richardson [1906] AC 169 .......................................................................... 471

614

Entscheidungsregister

Allison v Clayhills (1907) 97 LT 709 ........................................................................ 490515 Chaplin & Co Ltd v Brammall [1908] 1 KB 233 .................................................... 508–511 Howes v Bishop and Wife [1909] 2 KB 390......................................... 508625, 510–513, 515 1910 ff. Bank of Montreal v Stuart [1911] AC 120 .............................................................. 513–515 London & Westminster Loan & Discount Co v Bilton (1911) 27 TLR 184...................... 485 Talbot v Von Boris and Wife [1911] 1 KB 854 ....................................................508625, 513 Radford v Risdon (1912) 28 TLR 342 ............................................................................ 471 Gregson v Taylor [1917] P 256 .................................................................................. 472394 Nock v Austin (1918) 25 CLR 519.............................................................................. 472391 Haydon v Pring [In the Estate of Barlow] [1919] P 14 ................................................... 471 – [1919] P 131 .............................................................................................................. 471 1920 ff. Craig v Lamoureux [1920] AC 349 ................................................................................ 471

Irland 1800 ff. Dawson v Massey (1809) 1 Ball & B 219 ....................................................................... 486 1810 ff. Aylward v Kearney (1814) 2 Ball & B 463 .................................................................. 486 f. 1840 ff. Whyte v Meade (1840) 2 Ir Eq Rep 420 ............................................................... 518 f., 527 M‘Carthy v M‘Carthy (1846) 9 Ir Eq Rep 620 ........................................................... 518690 – [Fulham v M‘Carthy] (1848) 1 HLC 703 = 9 ER 937 ............................................ 518690 1850 ff. Kirwan v Cullen (1854) 4 Ir Ch 322 ............................................................................... 519

Kanada Cox v Adams (1904) 35 Can SCR 393 ............................................................................ 514

Schottland Low v Guthrie [1909] AC 278 .................................................................................. 472394 f.

Personenregister

Personenregister Personenregister Hochgestellte Zahlen verweisen auf Fundstellen in Fußnoten. Abeken, Christian Wilhelm (Gerichtsrat) .................................................................... 272 f. Abinger, Lord ..................................................................................................... 461 f., 518 Accursius........................................................................ 46 f., 49, 53–59, 67, 308–311, 543 de Afflictis, Matthaeus................................................................................ 332 f., 357, 433 d’Aguesseau, Henri François ......................................................................................... 520 v. Aichen (Hofrat) ..............................................................................................223, 365382 Albericus ......................................................................................................................... 51 Albericus de Rosate ........................................................................... 45, 68 f., 79, 82, 84 f. Alderson, Edward Hall .............................................................................................. 495553 Alexander Imolensis ........................................................................................... 322 f., 342 Alverstone, Lord ......................................................................................... 508625, 511–513 Angelus Aretinus ..........................................................................69 f., 75 f., 81, 85, 95, 99 Angelus de Ubaldis .......................................................................................74, 81, 85, 319 v. Arens, Franz Joseph (Kanzler) ................................................................................... 252 v. Aretin, Johann Adam ..................................................................................231, 235, 392 v. Aretin, Johann Christoph ........................................................................................... 235 Arnheim, Fischel (Abgeordneter) ................................................................ 240 f., 243, 244 Augustus ................................................................................................................ 11 f., 43 Azo .............................................................................. 46–49, 52–58, 66 f., 73, 308 f., 311 Azzoni, Josef ................................................................................................................. 218 Bachovius ab Echt, Reinhardus ..................................................... 154 f., 165 f., 172, 348 f. Bacon, James ............................................................. 487496, 490514, 491521, 491523 f., 492533 Baggallay, Richard .................................................................................................... 515668 Bähr, Otto ...................................................................................................................... 284 Baldus de Ubaldis ............................................................70, 73–76, 79, 81 f., 99, 121, 131, 158, 317 f., 323, 327, 538, 544 Ballow, Henry ....................................................................................................... 421, 425 Balthasar, Johann Franz .............................................................................................. 170 f. Baron, Julius.................................................................................................................. 284 Barth, Marquard Adolph (Abgeordneter) ................................................ 240, 244, 246–251 Bartolus de Saxoferrato ...................................79 f., 110, 123, 313–316, 318 f., 321 f., 326, 331, 333, 336, 342, 544 v. Bayer (Reichsrat) ....................................................................................................... 242 Berlich, Matthias .......................................................165 f., 168 f., 171–175, 334, 344, 349 Bielitz, Gustav Alexander .............................................................................................. 359 Bigot-Préameneu, Félix Julien Jean ..................................................... 375, 379 f., 381, 384

616

Personenregister

van Bijnkershoek, Cornelis .................................................................................... 134, 143 Bluntschli, Johann Caspar .............................................................................................. 274 Boerius, Nicolaus .......................................................................................................... 334 Böhmer, Justus Henning .............................................................. 148, 163–165, 171 f., 195 Bolckow & Vaughan ...................................................................................................... 489 Bornemann, Wilhelm ..................................................................................................... 359 Börner, Carl Heinrich ................................................................................................ 417615 Borzaga, Balthasar ..................................................................................................... 363373 Bowen, Charles ..................................................................................................... 526, 528 Brauer, Johann Nikolaus Friedrich ............................................... 228 f., 385–390, 392, 546 Brinz, Alois ........................................................................................................... 191, 196 Bronchorst, Everhardus ................................................................................................. 339 Brougham, Lord ......................................................................................... 461, 466, 499576 Brunnemann, Johann .............................................................152 f., 170 f., 175, 334, 348 f. Brunner, Heinrich .................................................................................................. 289–291 Bulgarus ........................................................................................... 52 f., 67, 154 f., 192 f. v. Bülow, Friedrich ........................................................................................................ 175 Burnett .......................................................................................................................... 426 Butrigarius, Jacobus................................................................................................... 78, 80 Byrne............................................................................................................................. 464 Cairns, Lord ................................................................................................... 483466, 483468 de Cambacérès, Jean-Jacques Régis ..................................................... 226, 372 f., 375, 382 Campbell, Lord........................................................................................466, 476 f., 501595 Caracalla ....................................................................................................................... 307 Carion-Nisas (Tribun) .................................................................................................... 226 Carpzov, Benedikt ....................................................................... 153, 174 f., 334, 344, 349 Celsus .................................................................................................. 302, 310, 318, 542 f. Chelmsford, Lord ................................................................................... 486482, 495554, 523 Christineaus, Paulus.................................................................................8, 119, 122 f., 334 Cicero................................................................................................................... 2973, 457 Cinus de Pistoia ........................................................................................ 74 f., 78, 99, 121 Claudius ............................................................................................................ 12, 43, 425 Collins, Richard ............................................................................................491522, 491525 f. Commodus ................................................................................................................. 30351 Corvinus, Johannes Arnoldi ........................................................................................... 137 Cottenham, Lord .................................................................. 461, 466, 489, 516, 520, 522718 Cotton, Henry ........................................................................................................ 526–528 Covarruvias a Leyva, Didacus ......................................................... 107 f., 123, 328 f., 334 Cowper, William ........................................................................................................... 439 Cozens-Hardy, Herbert ................................................ 491522, 491526, 494547–550, 501 f., 511 Cranworth, Lord ........................................... 468, 481455, 486482, 497565, 499577, 514660, 523 Cravetta, Aymo ............................................................................................................. 333 Curtman (Abgeordneter) ................................................................................................ 254 Davey, Lord............................................................................................................... 514663 Davies, Louis Henry .................................................................................................. 514657 Dernburg, Heinrich ........................................................................................................ 217 Dinus de Rossonis Mugellanus ........................................................................................ 83

Personenregister

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Diokletian ........................................................................................................... 305 f., 543 Dittmar, Emil................................................................................................................. 287 Domat, Jean ........................................................................................ 367, 426, 431, 465340 Donellus, Hugo.............................................................................................................. 100 Dove ...................................................................................................................... 287–289 v. Ehrenberg (Hofrat)..................................................................................................... 223 Eldon, Lord ...................................................... 440 f., 447, 448219, 458–465, 474 f., 487493, 490513, 493, 494547, 506, 520 f., 526, 529, 548 Elisabeth I. (England) .................................................................................................... 423 Enneccerus, Ludwig .............................................................................................. 289–291 Erskine, Lord ......................................................................................................441161, 449 Esher, Lord .................................................................................................................490 f. Euler (Notar) ................................................................................................................. 273 Faber, Antonius ................................................................................................. 8, 105, 107 Fachineus, Andreas ..................................................................................... 108, 123, 325 f. Farwell, George .............................................................................. 485478, 508625, 511–513 v. Feuerbach, Paul Johann Anselm .......................................................... 231, 390–392, 546 Field .......................................................................................................................... 497567 Fletcher Moulton, John ............................................................................................... 511 f. Fonblanque, John ............................................................................. 421 f., 430 f., 444, 456 Friedrich I. Barbarossa..................................................................................................... 59 Fry, Edward ................................................................................................................... 484 Gaill, Andreas ................................................................................. 8, 101 f., 133, 160, 341 Gaius .................................................................................................................... 33 f., 299 Gallienus ......................................................................................................................... 36 Garrow, William ............................................................................................. 490516, 491524 Gebhard, Albert .................................................................................. 410–412, 418620, 419 Gierke, Otto ............................................................................................ 284, 287–290, 542 Giffard, George Markham........................................................................................... 520 f. Girouard, Désiré ........................................................................................................ 514657 Girtanner, Wilhelm ..................................................................................... 186, 191, 195 f. Glück, Christian Friedrich ....................................... 148, 155, 163, 172, 175, 347, 349–351 Godolphin, John ............................................................................................................ 434 Goldschmidt, Levin ....................................................................................................... 294 v. Gönner, Nikolaus Thaddäus ............................................................................ 230 f., 392 Goßler, Christoph .................................................................................................. 209, 359 Gothofredus, Dionysius ................................................................................................... 91 Grabner, Max (Abgeordneter) ........................................................................................ 249 Graham, Robert ......................................................................................................... 491526 van Groenewegen van der Made, Simon ..................................................... 137, 139 f., 143 Grotius, Hugo ......................................................................................... 127, 131, 137, 139 Gundling, Nicolaus Hieronymus ................................................................................ 163821 Hadrian.......................................................................................................................... 297 v. Hafenbrädl, Alois (Abgeordneter) .............................................................................. 249 Hagemann, Theodor ...................................................................................................... 175

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Personenregister

Haldane, Viscount ......................................................................................................... 471 Hannen, James ........................................................................................................... 471385 Hardwicke, Lord ............................................... 427–429, 434, 436 f., 440, 442 f., 445–447, 450 f., 454, 459, 500 f., 502596, 512, 520 Hartmann, Gustav ................................................................................... 284–286, 288, 419 Hatherley, Lord .................................................................................. 473404, 474406, 477430 Heimsoeth (Geheimer Oberjustizrat) ........................................................................... 273 f. Heinrich IV. (Frankreich) .............................................................................................. 114 Heinzerling, Wilhelm (Abgeordneter) ............................................................................ 255 Hesse, Andreas (Abgeordneter) ..................................................................................... 400 v. Hippel (Geheimrat) .................................................................................................... 202 Hoffmann (Abgeordneter).............................................................................................. 252 Hohenadel, Gustav (Abgeordneter) ............................................................247, 2481301, 249 Holger, Josef Ferdinand ................................................................................................. 218 Honorius ................................................................................................................ 307, 543 Horten, Johann Bernhard ............................................................................................... 219 Huber, Ulrich....................................................................... 129, 132 f., 136–139, 142–146 Hugo ...................................................................................................................... 50 f., 67 Innozenz IV. (Papst) ......................................................... 312 f., 322, 331, 333, 336, 543 f. Jacobus ............................................................................................................................ 50 Jacobus de Ravanis .................................................................................................... 74, 77 Jacqueminot, Jean-Ignace ............................................................... 2261189, 373 f., 376, 378 James of Hereford, Lord ............................................................................................ 472395 James, William Milbourne ..................................................... 483467 f., 485476, 498 f.571, 524 Jason de Mayno ....................................................................................................... 70, 323 Jeffreys, Lord ................................................................................................................ 424 Jenner, Herbert .......................................................................................................... 466346 v. Jhering, Rudolf ....................................................................................................... 273 f. Johannes Bassianus.......................................................................................................... 50 Joyce ......................................................................................................................... 485480 Justinian ....................................................... 7, 1953, 35–43, 49, 54, 57 f., 74, 300, 307, 537 Kay, Edward Ebenezer ................................................................ 471384, 490514, 490517, 491 van der Keessel............................................................................ 130 f., 137, 139–141, 145 Kekewich, Arthur .............................................................. 463, 476 f., 485477, 525 f., 528 f. Kenyon, Lloyd ............................................................................................................ 448 f. Kindersley, Richard T. ..................................................... 476, 477430, 490515, 491523, 492533 Kingsdown, Lord ................................................................................................499576, 523 Kipp, Theodor ............................................................................................................ 193 f. Knight Bruce, James L......................................... 467, 473398, 474406, 474, 477430, 480, 497, 499573, 515667, 516, 519 f. Konstantin ............................................................................................................. 306, 543 v. Kräwel ....................................................................................................................216 f. Kreittmayr, Wigulaeus Xaverius Aloysius ................147–151, 153, 156 f., 162, 169, 171 f., 178–180, 235, 243, 351–353, 393, 538, 540 v. Kübel, Philipp ..................................................................................... 277–281, 283, 542 Kurz, Karl Heinrich (Abgeordneter)....................................................................... 248, 293

Personenregister

619

Labeo .................................................................................................................... 299, 427 Lacuée, Jean-Girard ....................................................................................................... 379 Langdale, Lord ............................................................................... 466, 478, 485474, 521715 Lauterbach, Wolfgang Adam ...................................................................... 153, 170 f., 348 Leach, John .......................................................... 460 f., 478, 480448, 515666, 516670, 521713 Lee, Lord ....................................................................................................................... 426 van Leeuwen, Simon ........................................................................... 127, 137, 139 f., 339 v. Leonrod, Ludwig Karl ..................................................................... 236 f., 395–397, 541 Leyser, Augustin .............................................................. 148, 161, 171 f., 175 f., 334, 349 van der Linden, Johannes ....................................................................................... 128, 345 Lindley, Nathaniel ................................. 463, 471384, 472395, 485479, 491519 f., 491522, 491525, 512, 519692 , 526–529, 535 v. Liszt, Franz ............................................................................................................. 416 f. Lopes, Henry ......................................................................................................490514, 491 Loughborough, Lord ................................................................................435 f.116, 447, 452 Louis Napoleon (Holland) ............................................................................................. 128 Lushington, Stephen .................................................................................................. 472395 Lyndhurst, Lord ........................................................................... 466, 502599, 515666, 518686 v. Lyro (Hofrat) ............................................................................................................. 224 Macnaghten, Lord...................................................................................................... 471386 de Maleville, Jacques ............................................................................................. 375, 379 Manners, Lord ............................................................................................................ 486 f. Marc Aurel ................................................................................................................. 30351 v. Martini, Karl Anton ................................................................................................ 219 f. Martinus ....................................................................................... 49–52, 67, 155, 193, 537 Mascardus, Josephus.......................................................................................333, 341, 344 Maximian ........................................................................................................... 305 f., 543 Menochius, Jacobus ..................................................................... 327 f., 330, 333, 344, 433 Mevius, David ........................................................................................ 153, 165, 171, 349 de Montesquieu, Charles-Louis ...................................................................................... 545 Moser, Johann Jacob ................................................................................................... 162 f. Müller (Abgeordneter) ................................................................................................... 252 Mynsinger, Ioachimus ................................................................................................... 325 Napoleon ............................................................................................................... 375, 381 v. Neumayr (Reichsrat) ............................................................................................... 250 f. Nicholl, John ......................................................................................................467, 472395 North, Lord.................................................................................................................... 424 Northington, Earl of ............................................................................................... 438, 455 Nottingham, Lord ................................................................................ 423 f., 426, 430, 456 Octavius (Prätor) ........................................................................................................... 297 v. Orlandini (Hofrat) ...................................................................................................... 223 Page Wood, William ............................................................................... 472397, 474406, 523 Papinian ............................................................................................................. 303 f., 543 Parke ......................................................................................................................... 472395

620

Personenregister

Parker ........................................................................................................................ 490515 Parker, James........................................................................ 500 f., 502596, 507, 512, 514 f. Parker, Lord .................................................................................................................. 436 Paulus ........................................................................................................................ 28, 30 Paulus Castrensis ............................................................................ 68, 70, 75, 81, 320, 323 Pauw, Willem ........................................................................................................ 141, 143 Peckius, Petrus ...............................................................................................334, 344, 433 Pennefather................................................................................................................ 519692 Penzance, Lord ............................................................................... 471381, 471382, 502, 511 Pepys, C. C. ................................................................................................................... 475 Perezius, Antonius ...................................................................................... 121 f., 131, 133 Perneder, Andreas.......................................................................................................... 100 Petrus de Bellapertica ...................................................................................................... 74 Pfeiffer, J. E. ......................................................................................................... 200, 244 v. Pitreich (Hofrat) ........................................................................................................ 223 Placentinus ..................................................................................... 46, 48, 51, 54, 308, 311 Planck, Gottlieb ...................................................................................... 279–283, 412, 542 Pomponius ....................................................................................................................... 28 Portalis, Jean-Étienne-Marie .................................................................................. 375, 379 Pothier, Robert J. ......................................................... 367–372, 374, 377–379, 383 f., 431, 454–456, 458, 460 f., 465, 521, 546, 548 v. Pratobevera, Carl Joseph ......................................................................................... 365 f. v. Pufendorf, Samuel ........................................................................................... 42535, 431 Radulfus Niger ................................................................................................................ 48 Richards, Richard .........................................................490516, 491524, 491526, 521711, 522725 Ridley, Edward ........................................................................................................... 508 f. Riezler, Erwin ............................................................................................................... 420 Rigby, John ........................................................................................ 491522, 491525, 491526 Rocholl, Carl ...................................................................................................... 284, 416 f. Roffredus Beneventanus ................................................................ 45 f., 49, 52–54, 58, 308 Romilly, John ................................ 462, 463325, 473405, 474406, 475 f., 477431, 481 f., 485475, 492, 497567, 502–504, 507, 511, 517, 522, 530 Romilly, Samuel ........................................ 454, 457 f., 460–465, 500, 516, 521 f., 535, 548 v. Rottenhan, Heinrich Franz ...................................................................................... 223 f. Salicetus, Bartholomaeus .................................................... 67–70, 75 f., 81, 99 f., 121, 323 van den Sande, Johan ............................................................................................. 8, 133668 Schilling, B.................................................................................................................... 416 Schilter, Johann .......................................................................148, 155, 166, 168, 171, 175 v. Schleppel (Hofrat) ..................................................................................................... 223 v. Schmitt, Gottfried ...........................................................................................413, 415603 Schneidewin, Johannes .................................................................................................. 325 Schüttinger, Jacob (Abgeordneter) ................................................................................. 248 Selborne, Lord ........................................................................................................... 515668 Severus .......................................................................................................................... 307 v. Seydewitz (Abgeordneter) ......................................................................................... 215 Shadwell, Lancelot ..................................................................................................... 488 f. Sichard, Johann ............................................................................................92, 95, 99, 121

Personenregister

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Siebenhaar, Eduard ........................................................................................................ 405 Sinibaldus Fliscus siehe Innozenz IV. Sintenis, Carl Friedrich Ferdinand ......................................................................187969, 191 Socinus, Bartholomaeus .......................................................................... 322, 331, 333, 337 v. Sonnenfels, Joseph..................................................................................................... 223 Stephen, James Fitzjames .............................................................................................. 530 Stirling, James ...................................................................................................... 494547–550 Stolterfoth, Paul ........................................................................................................ 2851505 Strahan, William ............................................................................................................ 431 Strange, John ..................................................................................................426, 437, 439 Struckmann, Hermann .................................................................................... 286 f., 417615 Struve, Georg Adam ........................................................................................... 153, 170 f. Stryk, Samuel ................................................................... 153, 162 f., 168 f., 171, 175, 349 Stuart, John....................................462 f., 467, 474407, 480448, 481454, 486482, 487493, 493542, 494545, 495, 498569, 501595, 519 Stupan, Felix .............................................................................................................. 220 f. Svarez, Carl Gottlieb .................................................200–203, 207, 209, 222 f., 359, 540 f. Swinburne, Henry ................................................................................... 334, 432–435, 547 Swinfen Eady, Charles ............................................................................................... 515667 Talbot, Lord .......................................................................................................... 425, 445 Target, Guy Jean-Baptiste ...............................................................................374–376, 378 Theodosius ......................................................................................................... 306 f., 543 Thomasius, Christian ....................................................................................... 165 f., 172 f. Thurlow, Lord ........................................ 427 f., 438, 446, 448221, 449, 450229, 451 f., 458 f. Tronchet, François Denis ....................................................................................... 375, 381 Turner, George J. ................................................. 467, 472, 477430, 479 f., 491, 493, 494545, 495–497, 499573, 517678, 522718 Ulpian ............................................................... 12–14, 23, 29 f., 298–300, 304 f., 310, 542 Unger, Joseph .................................................................................... 271–274, 2851505, 406 Valerian ........................................................................................................................... 36 v. Vangerow, Karl Adolph ..............................................................................186, 191, 195 Vaughan Williams, Roland ........................................................................ 494547–550, 509 f. Vespasian ...................................................................................................................... 425 Vinnius, Arnoldus.......................................................................................................... 138 Voet, Johannes ................................................... 130 f., 136 f., 139 f., 143, 145, 340 f., 344 Wesenbeck, Matthaeus .................................................................................................. 348 Westbury, Lord............................................................................................... 486482, 499575 Westenberg, Johann Ortwin ................................................................................ 129 f., 137 Wigram, James .............................................................................................................. 493 Wilde, J. P. .................................................................................................................... 469 Wilhelmus de Cabriano............................................................................................ 46, 308 Wilke, Richard Karl .................................................................................................... 290 f. Willenberg, Samuel Friedrich ............................................................................. 334, 348 f. Wilmot, John Eardley ......................................................................... 443, 446, 458, 520704 Winderl, Nikolaus (Abgeordneter) ......................................................................... 246, 248

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Personenregister

Windscheid, Bernhard ................................................. 184–186, 187969, 191, 193–196, 282 Windthorst (Abgeordneter) ............................................................................................ 215 Wissenbach, Johann Jacob ..............................................................................133, 137, 340 Wood, George ........................................................................................................... 521711 Wright, Robert Samuel ............................................................. 463 f., 506–508, 511 f., 529 Wynford, Lord ........................................................................................................... 490513 Zasius, Ulrich ............................................................................................... 92, 324 f., 346 v. Zeiller, Franz ............................................................ 221–225, 236, 362, 364 f., 540, 545 Zitelmann, Ernst ......................................................................................................... 416 f. Zoesius, Henricus ....................................................................................................... 122 f.

Sachregister

Sachregister Sachregister Hochgestellte Zahlen verweisen auf Fundstellen in Fußnoten. ABGB (1811) siehe Kodifikation, Österreich actio de dolo 195 actio institutoria 18, 49, 66, 91, 118, 126, 149 f., 189, 537 – Begriff 91 actio iudicati 1740 actio mandati contraria 25, 28 actio quod metus causa 98, 300 f., 314, 325, 334, 542 – arbitraria 301 – Drittwirkung (in rem scripta) 98, 300 f., 542 – quadruplum 300 – simplum 300 actio rei uxoriae 20 actio restitutoria 18, 36, 49, 66, 91, 118, 126, 149 f., 189, 206, 537 ADHGB (1861) siehe Kodifikation, Deutscher Bund ADWO (1848) siehe Kodifikation, Frankfurter Nationalversammlung ALR (1794) siehe Kodifikation, Preußen alternative Regelungsmodelle zur Authentica Si qua mulier (Kodifikationen) siehe Authentica Si qua mulier Amiens (Appellationsgericht) 379448 Amsterdam 128 Anhalt – Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen siehe dort Antwerpener Stadtrecht (1582) 119 f. Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen 173, 271–275, 294 – Anhalt (1878) 2941556 – Baden 228 f. – Bayern (1871) 200, 236 f., 240–251, 289, 294, 541

– Braunschweig (1870) 2941556, 356 – Bremen (1870) 2941556 – Deutsches Reich 277–283, 285 f., 288, 542 – Frankreich 225–227, 288 f., 540 – Edikt (1606) 114, 540 – Hamburg (1870) 2941556 – Hessen-Darmstadt (1875) 254–257, 289 – Königreich Holland (1809) 128 – Lübeck (1870) 2941556 – Oldenburg und Fürstentum Lübeck (1870) 2941556 – Österreich (1811) 220–225, 267, 288 f., 540 – Preußen (1869) 212–216, 245, 256, 285, 288, 294, 541 – Sachsen-Coburg (1878) 2941556 – Sachsen-Gotha (1869) 2941556 – Sachsen-Meiningen (1869) 2941556 – Sachsen-Weimar-Eisenach (1871) 2941556 – Schaumburg-Lippe (1872) 2941556 – Schwarzburg-Sondershausen (1887) 2941556 – Südafrika (1971) 129648 – Waldeck (1872) 2941556 Augsburg 63, 287 Ausnahmen zum SC Velleianum – Beerben des Hauptschuldners (successit) 56 – eigenes Interesse (in rem suam) 8, 21 f., 26, 32, 56, 103, 187, 218, 232 – Erhalt einer Gegenleistung (pretium capiat) 8, 26, 32, 40–42, 55, 73–75, 99 f., 103, 117578, 121, 131, 158, 194, 206, 218, 258, 262, 538 – Beweislast 41, 51

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Sachregister

– Höhe der Gegenleistung (aliquid) 41, 74 f., 99 f., 131, 158, 194 f., 538 – Freilassung eines Sklaven (pro libertate) 36, 50 f., 55, 94, 130, 156 – Freilassung des Ehemanns 94 f., 130, 156 – Handelsfrau (mercatrix) siehe dort – Kategorisierung 129 f., 155, 194 – Merkvers der Glosse 54–56, 71, 93 f.451, 120596, 129, 538 – minderjähriger Gläubiger (apud minorem) 36, 71, 93, 120, 206 – Mitgiftbestellung (pro dote) 35152, 36, 50 f., 55, 72, 95, 120 f., 130, 156, 194 – eheliche Ehrfurcht (reverentia maritalis) 95 – Erstreckung auf jede pia causa 72, 95 f., 121, 130, 156, 194 – neutrales Geschäft 26 f., 32, 56, 132, 218, 232 f., 258, 262 – öffentliche Versteigerung 132 – Regentin (femina illustris) 162 f. – richterliche Entscheidung (decretum iudicis) 71 f.345 – Schenkungsabsicht (donandi animo) 27, 186 – Täuschung des Gläubigers (decipiat) 31 f., 55 f., 72, 96–98, 121, 130, 134, 156 f., 218, 232, 538 – Anlegen von Männerkleidung (veste virili) 56 f., 73, 96, 121, 156 f., 235, 538 – Nachforschungspflicht des Gläubigers (curiosus esse debet) 56, 72 f., 96 f., 130 f., 157 f., 538 – Verzicht (renuntiat) siehe Verzicht auf SC Velleianum – Wiederholung der Interzession (secundo caveat) 38, 55 f., 76, 100, 117578, 122, 158, 206 f. – Erforderlichkeit einer Belehrung 76, 100, 122, 158 Authentica Sacramenta puberum 59 f., 85, 173 Authentica Si qua mulier – alternative Regelungsmodelle (Kodifikationen) – Abwesenheit des Ehemanns 257, 259, 261

– – –

– – – –

– – –

– gerichtliche Urkunde 254, 257, 259–261 – öffentliche Urkunde 238–241, 245, 248 – richterliche Belehrung 254, 257, 259–261 – richterliche Genehmigung »auf vorgängiges Gutachten des Familienraths« 231, 240 – Zustimmung des Ehemanns 239 f., 245 f., 254 – Zustimmung eines Geschlechtsvormunds 257 – Zuziehung eines Beistands 208 f., 219 f., 231, 234 f., 240, 540 analoge Anwendung auf den Ehemann 153, 162 Aufhebung siehe Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen Ausnahme (nach Nov. 134, 8) 43, 50 f., 67, 92 f., 102, 118, 126, 150–152, 160 f., 190, 234, 537 – bloße Einlassung der Frau 68 f., 93, 118, 151 – Eid 84, 151 – metus reverentialis 152 – Nachforschungspflicht des Gläubigers (curiosus esse debet) 69 – öffentliche Urkunde 152 – weitere Ausnahmen 163 f., 195 f. Entstehung 42 f. Freilassung des Ehemanns 94 f., 130, 156 Gütergemeinschaft 126, 154, 192, 295 Handelsfrau 195 f. – gemeinsames Handelsgeschäft mit dem Ehemann siehe Handelsfrau (mercatrix) minderjährige Ehefrau 252 Rechtsfolge (Nichtigkeit) 43, 80, 118, 126 f., 135, 150, 190, 537 f. Regelungsgrund 54, 68, 82 f., 92, 118, 153, 190, 538 – metus reverentialis 68, 82 f., 118, 153 f., 190, 538 – Nähebeziehung 201, 209, 221–224, 228, 236 f., 239 f., 246, 249 f., 254, 257, 259 f., 278–280, 284, 288 f.

Sachregister – Verzicht siehe Verzicht auf Authentica Si qua mulier – Witwe 154 Authentica Sive a me 61, 76, 83401, 110 f., 329 f. – Verzicht auf (Dotal-)Hypothek siehe metus reverentialis, Verhältnis zwischen Mann und Frau Baden 181 f. – Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen siehe dort – Beistandsordnung (1804) 229 – Beistandsordnung (1808) 229 – Landrecht (1810) siehe Kodifikation, Baden Basel 62 Bayern 279, 292, 293 f. – Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen siehe dort – BayOGH 198–200, 244, 248, 250 – CMBC (1756) siehe Kodifikation, Bayern – Entwürfe siehe Kodifikation, Bayern – Landrecht (1518) 100 f., 114 – Landrecht (1616) 101490, 114–117, 177–180, 234, 239, 540 Belegenheitsstatut siehe Kollisionsrecht Belehrung – independent advice siehe undue influence (equitable doctrine) – Praxistauglichkeit – Belehrung der Ehefrau 249 f., 257, 280, 289, 541 – Belehrung der Frau 211–213, 216 f., 222 f., 236–238, 241 f., 273, 278, 289, 541 – »Verwarnung« (Certioration) der Frau ohne Verzichtserklärung 201–209, 211–213, 232 f., 235, 273, 540 – Ausnahmen 206, 232 – durch den Richter 203 f., 232 – Entbehrlichkeit 207 f. – Verständlichkeit 204 – Zuziehung eines Beistands 208 f., 219 f., 231, 234 f., 240, 540 – Verzicht auf Authentica Si qua mulier siehe dort – Verzicht auf SC Velleianum siehe dort

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Betrug siehe dolus – arglistige Täuschung (BGB) 1, 417 BGB (1896) siehe Kodifikation, Deutsches Reich Bourges (Appellationsgericht) 377 f. Bozen 62 Brabant 119 f. – Raad van Brabant siehe dort Braunschweig 356 – Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen siehe dort Braunschweig (OLG) 356 f. Bremen – Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen siehe dort Britisch-Indien – Indian Contract Act (1872) siehe Kodifikation, Britisch-Indien bzw. undue influence (equitable doctrine) – Indian Evidence Act (1872) siehe Kodifikation, Britisch-Indien Brüssel (Appellationsgericht) 378 Brüsseler Stadtrecht (1606) 119 f. Bundesgerichtshof 2, 550 Bundesrat 291 f. Bundesverfassungsgericht 1 f. Bürger und Bauern 247, 2491307, 255 f. Bürgschaft siehe Interzession (SC Velleianum), Personalinterzession – Form siehe Form der Bürgschaft »Bürgschaftsbeschluss« 1 f. Caen (Appellationsgericht) 377, 378 f. cautela Bartoli 113 f., 208 f., 305, 311, 315, 317, 319 f., 322, 330, 336, 341, 347, 544 – Blutsverwandte 315, 317, 320, 330, 544 – Freunde 305, 311, 315, 330, 341, 543 f. – Richter 317, 320, 330 – Statutarrecht 317, 319 f., 544 Celle (Appellationsgericht) 213 certioratio bzw. Certioration siehe Belehrung cessante ratione legis cessat ipsa lex 153, 162 CMBC (1756) siehe Kodifikation, Bayern coactus volui-Regel siehe metus

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Sachregister

Code civil (1804) siehe Kodifikation, Frankreich Codex Fabrianus siehe Senat von Savoyen Codex Theresianus (1766) siehe Kodifikation, Österreich coercion 467–469, 519692, 531 condictio 17, 22, 315 – condictio indebiti 28, 150, 205 f., 219 f., 233, 257, 261 Conseil d’État 379–384 consideration 437, 501, 503, 516 f. crainte révérentielle 377, 385, 390–394, 399, 402, 546 – »ehrerbietige Scheu« 399–402, 405, 409, 546 – »Ehrfurcht« 390 f. – »Furcht vor dem Unwillen« 385 – metus reverentialis siehe dort culpa in contrahendo 9 f. cura maritalis siehe Geschlechtsvormundschaft cura sexus siehe Geschlechtsvormundschaft Darlehensaufnahme für Dritte siehe Interzession (SC Velleianum), Personalinterzession Darmstadt (Hofgericht) 256 Darmstadt (OAG) 354 f., 357 f. datio in solutum 23 Deutscher Bund – ADHGB (1861) siehe Kodifikation, Deutscher Bund – Dresdner Entwurf (1866) siehe Kodifikation, Deutscher Bund Deutscher Juristentag 271–275, 287– 291, 541 f. Deutsches Reich – Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen siehe dort – BGB (1896) siehe Kodifikation, Deutsches Reich – Genossenschaftsgesetz (1889) siehe Kodifikation, Deutsches Reich – HGB (1897) siehe Kodifikation, Deutsches Reich – StGB (1871) siehe Kodifikation, Deutsches Reich

– ZPO (1877/79) siehe Kodifikation, Deutsches Reich Dissensiones dominorum 49–51 dolus 84406, 220, 318, 321 f., 327, 330– 334, 344, 413, 427 – actio de dolo siehe dort donatio propter nuptias 39172, 61 Dotalgrundstücke siehe lex Iulia de fundo dotali Dresden (OAG) 355 f., 545 Dresdner Entwurf (1866) siehe Kodifikation, Deutscher Bund Drohung siehe metus – widerrechtliche Drohung (BGB) 1, 413–419 Drohungen oder Schläge (minae vel verbera) siehe metus reverentialis Droit coutumier 368–372, 378, 546 – Coutume de Paris 369 f., 372, 378 duress 626, 510, 513 EAGB (1784–1788) siehe Kodifikation, Preußen edictum perpetuum 297 f. – prätorisches Edikt siehe dort Ehe – Ehe zur linken Hand 209 – Ehegesetz (1938) 367 – Ehegesetzgebung unter Augustus 11 f., 19 f. – Eheschenkung siehe donatio propter nuptias – Eheschließung 302 f., 310 f., 318, 328 f., 330 f.206, 339 f., 347, 352, 354 f., 359, 361, 363–367, 373 f., 376, 380– 382, 387, 391, 393–395, 398–401, 403– 407, 411 f., 415, 418, 542 f. – maluisse hoc videtur 302 – patre cogente 302, 347, 354, 542 f. – Eheverbote 303, 306 f., 318, 501 Ehrenbreitstein (Justizsenat) 213 Eid 83 – Authentica Sacramenta puberum siehe dort – Bindungswirkung 83 – Eidesformel 143 – Regentin (femina illustris) 174 – Erklärung an Eides statt 111, 175, 198 – erpresster Eid 312 f.

Sachregister – Form der Interzession siehe dort – körperlicher Eid 111, 175, 198 – Kursächsische Konstitutionen 109, 173, 174892 – Verzicht auf Authentica Si qua mulier siehe dort – Verzicht auf SC Velleianum siehe dort Einreden bzw. Einwendungen 64 f., 143, 213 f., 264 f. – exceptio metus siehe dort – exceptio onerandae libertatis causa siehe dort – exceptio SC Velleiani siehe dort Eintritt in den geistlichen Stand 328 f. Ellingen 177, 178918 Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches (1849) siehe Kodifikation, Frankfurter Nationalversammlung Entwurf Horten siehe Kodifikation, Österreich Entwurf Martini siehe Kodifikation, Österreich Erwerbsverbote für Beamte 307 f. exceptio metus 98, 300 f., 356 f., 542 – Drittwirkung (in rem scripta) 98, 301, 304, 356, 542 exceptio onerandae libertatis causa 305 exceptio SC Velleiani 7, 17, 32, 36, 49– 53, 66, 91, 95, 118, 126 f., 149 f., 189, 537 f. – Geltendmachung durch die Erben 144 f., 164 – siehe auch Verzicht auf SC Velleianum, letztwillige Verfügung facilitas sexus siehe »Schwäche« des weiblichen Geschlechts favor dotis 35152, 36 favor libertatis 36 Fideikommiss 145 Flandern 63, 119 Florenz 75, 103502 Foralrecht (Spanien) 103 force 467, 469 Form der Bürgschaft 237 f., 277, 279, 281, 283–292, 542 Form der Interzession 41 f., 69 f., 80, 118 f., 127, 154, 192 f., 196 f., 245, 247, 251, 268–270, 537 f.

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– Entbehrlichkeit bei Eid 84, 197 f. – Stellung von Cod. 4, 29, 23 49–53, 66 f., 93, 154 f., 192 f. Form des Verzichts siehe Verzicht auf SC Velleianum, Form formula Octaviana 297 fragilitas aetatis 320 fragilitas sexus siehe »Schwäche« des weiblichen Geschlechts Frankfurter Nationalversammlung – ADWO (1848) siehe Kodifikation, Frankfurter Nationalversammlung – Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches (1849) siehe Kodifikation, Frankfurter Nationalversammlung Frankfurter Reformation 540 – von 1509 103 f. – von 1578 91, 101, 103 f., 106, 111 f. Frankfurt/Oder 154, 164829 Frankreich – Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen siehe dort – Code civil (1804) siehe Kodifikation, Frankreich – Projets siehe Kodifikation, Frankreich – Zuwendungsverbote siehe dort Französische Rechtsschule siehe Ultramontane fraud 424, 427, 429, 433–435, 440 f., 467–469, 490513, 527 f., 534 Freiburg (Juristische Fakultät) 2211170, 365383 Freiburger Stadtrecht (1520) 86 f., 92 Friesland 132, 133668, 139, 145 – Hof von Friesland siehe dort Furcht siehe metus – »gegründete Furcht« 353, 364 f., 393, 395–397, 399, 401–415, 546 – Ehre 358, 409 f. – Freiheit 353, 358, 360, 405 – Gesundheit 353, 358, 360, 405, 409 f. – Leben 353, 358, 360, 405, 409 f. – Strafanzeige 353 f., 358, 405 – Vergewaltigung 360, 405 – Vermögen 353, 360, 409 f. – iustus metus siehe metus – »rechtmäßige Forcht« 360 f. – »ungerechte Furcht « 361 f.

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Sachregister

Generalklauseln 1 f., 550 Genossenschaftsgesetz (1868) siehe Kodifikation, Norddeutscher Bund Genossenschaftsgesetz (1889) siehe Kodifikation, Deutsches Reich Genter Stadtrecht (1563) 119 genus avarissimum – Frauen siehe »Schwäche« des weiblichen Geschlechts – Geistliche 48229, 334222 Geschlechtsvormundschaft – Aufhebung 181–183, 230, 240, 242, 274 f. – Bürgschaftsfähigkeit der Frau 226– 228, 253 f., 258, 283 – Geschäftsfähigkeit der Frau 180–183, 201, 227–230, 269, 276 – Handlungsfähigkeit der Frau 11 f., 43 f., 86 f., 181, 269, 271–275 – Interessenkollision 227–230, 254 – Munt, Muntehe bzw. Muntwalt 44–46 – Prozessfähigkeit der Frau 43 f., 86 f., 181–183, 267 – Testierfähigkeit der Frau 87 f. – tutela mulieris 11 f., 19, 33 f. – Vertragsfähigkeit der Frau 182, 227 f., 253 – Vogt, Vogtei 45 f. – Ehevogtei (cura maritalis) 86, 180– 183, 229, 276 – Geschlechtsvogtei (cura sexus) 86, 180–183, 229, 274–276 – Kriegsvogtei (cura litis) 86 f. – Wechselfähigkeit der Frau 213, 263– 265, 280, 541 Gesetzrevision (1825–1848) siehe Kodifikation, Preußen Gewalt (vis) siehe metus Gewerbefrau siehe Handelsfrau Gewerbeordnung (1869) siehe Kodifikation, Norddeutscher Bund Gewohnheitsrecht bzw. Rechtsgewohnheiten 64 f., 79 f., 85, 101 f., 119, 122, 192, 195 f., 199 f., 244, 248 f. Gießen (Hofgericht) 256 Glosse metu solo 9, 310, 313, 543 f. Greifswald (Appellationsgericht) 213 Grenoble (Appellationsgericht) 226 Groningen 128

Großer Rat von Mecheln 119, 123 Güterstand bzw. Güterrecht 245, 2671403, 272, 274, 293–296, 356 f. – Dotalrecht 293 – Gütergemeinschaft 126, 154, 192, 293, 295 – Gütertrennung 293 – Verfügungsbefugnis des Ehemanns 126, 214, 280 – Verwaltungsgemeinschaft 208 – eingebrachtes Vermögen 208 Hamburg – Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen siehe dort – Stadtrecht (1603) 89430 Handelsfrau (mercatrix) 7 f., 86, 88 f., 102 f., 132, 159, 167, 193, 195 f., 206, 218, 220, 232 f., 258, 262, 265–270, 538 f., 541 – gemeinsames Handelsgeschäft mit dem Ehemann 100–103, 122, 133 f., 160– 162 – bloße Einlassung der Frau 161 f. – kein Handelsgeschäft bei »moralischer Pflicht der Mutter gegen ihren Sohn« 268 Handlungsfähigkeit der Frau siehe Geschlechtsvormundschaft Harderwijk 128 Helmstedt 154, 161 f., 172, 174, 175899, 176 f., 351308 Hennegau 63, 65321 Hessen-Darmstadt 292 – Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen siehe dort – Hessischer Entwurf siehe Kodifikation, Hessen-Darmstadt HGB (1897) siehe Kodifikation, Deutsches Reich Hildesheim 63 Hof von Friesland 132, 135 f., 138, 141– 145, 343 f. Hoge Raad 132–134, 141, 143, 342–344 Holland 132, 139, 141, 145 – Hoge Raad siehe dort Holland (Königreich) – Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen siehe dort

Sachregister – Ontwerp Burgerlijk Wetboek (1807/08) siehe Kodifikation, Holland (Königreich) homo liber bona fide serviens 304 Hypothek siehe Interzession (SC Velleianum), Realinterzession imbecillitas sexus siehe »Schwäche« des weiblichen Geschlechts independent advice siehe undue influence (equitable doctrine) Indian Contract Act (1872) siehe Kodifikation, Britisch-Indien bzw. undue influence (equitable doctrine) Indian Evidence Act (1872) siehe Kodifikation, Britisch-Indien Infamie (infamia) 299, 301 infirmitas sexus siehe »Schwäche« des weiblichen Geschlechts Inhaltskontrolle 1 f. Innsbruck (Juristische Fakultät) 221 Interzession (allgemein) 1, 6, 8 f., 21, 184 f., 281 f. Interzession (englisches Recht) – eigener Vermögensvorteil 479, 481 – Personalinterzession – charge 504 – guarantee 487 f., 506, 508 – Indossament 489 – Scheck 488 – Schuldverschreibung (promissory note) 478 f., 482 f., 486, 488, 510, 548 – Realinterzession – mortgage 478–482, 485 f., 503, 548 – Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant 495–497 – Verhältnis zwischen Eheleuten 451 f., 502–515, 548 f. – Verhältnis zwischen Eltern und Kind 477–486, 548 f. – Verhältnis zwischen Verlobten 503 f. – Verhältnis zwischen Vormund und Mündel 487–489 Interzession (SC Velleianum) 7 f., 21, 46 f., 66, 90, 117 f., 125, 148 f., 184 f., 204, 218, 233, 2351235, 257, 261, 281 f., 537 – Form siehe Form der Interzession

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– Kenntnis des Gläubigers 31 f., 56, 72, 195, 258, 262, 538 – intercessio tacita 187 f. – kumulative Interzession 21, 148, 186, 233 – Personalinterzession – Anweisung (delegatio) 22, 25 – Auftrag (mandatum) 24 f. – Bürgschaft (fideiussio) 7, 14 f., 20 f., 204, 210, 537 – Darlehensaufnahme für Dritte (mutui dationes pro aliis) 14, 20 f., 24, 31, 35, 187 f., 537 – gemeinsame Verpflichtung mit dem Ehemann 69, 93, 96 f., 135, 151 f., 191 f., 199, 205, 210, 257, 262, 293 f., 2941557 – gesamtschuldnerische Verpflichtung 21 f., 26, 191 f., 257, 262 – Kaufvertrag (emptio venditio) 24 – Novation (novatio) 22 – Pachtvertrag (locatio conductio) 24 – Schuldübernahme (Expromission) 7, 205, 211, 537 – Verpflichtungsanweisung (delegatio obligandi) 26 – Wechsel 125, 133 f., 2071085, 213 f., 263–265, 280 f., 283 – privative Interzession 21, 148, 186, 233, 258 – Realinterzession – Pfandrecht bzw. Hypothek 7, 23, 35, 47, 188, 198 f., 213, 233, 261, 537 – Rangverzicht 189, 204, 261 – Verzicht 23, 35, 39, 47, 90, 118, 125, 149, 188, 204, 261 – subjektives Element (animus intercedendi) 29 f., 185 – unmittelbare Erfüllung einer Verbindlichkeit 22 f., 118, 125, 218, 220 Italienische Rechtsschule 78 f. ius honorarium 297, 300, 542 JosGB (1786) siehe Kodifikation, Österreich jüdische Frauen 102499 Justizkommissar (Preußen) 203

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Sachregister

Kanonisches Recht 64, 83–85, 123, 172, 312 f., 539, 543 f. Kassel (Appellationsgericht) 213 Katalonien 62 Kauffrau siehe Handelsfrau Kiel (Appellationsgericht) 213 Kodifikation – Baden – Landrecht (1810) 181, 228–230, 254, 384–390, 546 – Bayern – CMBC (1756) 148–151, 155–157, 159, 178–180, 1981028, 231–236, 238 f., 243, 295, 351–353, 357336, 392–395, 538, 540 – Entwurf Feuerbachs (1808/09) 231, 390–392, 397, 541, 546 – Entwurf eines revidierten CMBC (1811) 231–235, 392–394, 397, 541 – Entwurf (1816/18) 235 f., 394 f., 541 – Entwurf Gönners 231 – Entwurf Leonrods (1834) 236 f., 395–397, 541 – Entwurf (1861/64) 237–243, 245, 248, 397 f., 541 – Britisch-Indien – Indian Contract Act (1872) 529– 535, 549 – Indian Evidence Act (1872) 532 f. – Deutscher Bund – ADHGB (1861) 213, 256 f., 266– 271, 287 f., 292, 407, 541 – Dresdner Entwurf (1866) 245, 275– 277, 281 f., 407–411, 542, 546 – Deutsches Reich – StGB (1871) 413 f. – ZPO (1877/79) 182 f. – Genossenschaftsgesetz (1889) 2701423, 2711425 – Erste Kommission (1874–1889) 279, 281–284, 413–416, 542 – Teilentwürfe zum BGB (1879 ff.) 279–281, 410–413, 542, 546 – Erster Entwurf (1888) 282–284, 414–416, 546 – Zweite Kommission (1890–1896) 287, 291, 417–419 – Denkschrift des RJA (1896) 283, 2921541, 417 f.







– – –



– BGB (1896) 1 f., 4, 8 f., 183, 282, 291 f., 418–420, 542, 550 – HGB (1897) 291 f. Frankfurter Nationalversammlung – ADWO (1848) 213, 263–265, 272, 280, 283, 541 – Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches (1849) 266 Frankreich – Premier Projet de Cambacérès (1793) 2261189, 372 f. – Deuxième Projet de Cambacérès (1794) 2261189, 372 f. – Troisième Projet de Cambacérès (1796) 2261189, 372 f. – Projet de Jacqueminot (1799) 2261189, 373 f., 376, 378 – Projet de Target (1798/99) 374– 376, 378 – Projet de l’An IX (1801) 375–379 – Code civil (1804) 180 f., 210, 225– 228, 231, 236, 253 f., 345, 379–392, 394, 398–402, 540, 546 Hessen-Darmstadt – Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs (1842–1853) 238, 253, 398– 402, 541, 546 Holland (Königreich) – Ontwerp Burgerlijk Wetboek (1807/08) 128, 345 Nassau – Entwurf einer Handels- und WechselOrdnung (1842) 266 Norddeutscher Bund – Genossenschaftsgesetz (1868) 213, 270, 541 – Gewerbeordnung (1869) 213, 271, 541 Österreich – Codex Theresianus (1766) 218 f., 360, 362 f., 545 – Entwurf Horten 219, 361, 363, 545 – JosGB (1786) 361362, 363371 – Entwurf Martini 219–221, 361–364, 545 – WGGB (1797) 221, 362–364, 453 – Urentwurf 221, 362–365 – Erster Entwurf 2251183, 365 – Revidierter Entwurf 2251183, 366

Sachregister – ABGB (1811) 180 f., 210, 221–225, 236, 241, 245, 247, 258 f., 288, 364– 367, 395–397, 403, 540, 545 f. – Teilnovellen (1914–1916) 366 f. – Preußen – EAGB (1784–1788) 201–204, 2051066, 207 – »Unterricht über die Gesetze« (1793) 209 f., 359 – ALR (1794) 180 f., 202–210, 225, 232–235, 295, 358–360, 364 f., 540, 545 – Gesetzrevision (1825–1848) 210– 212, 360 – Sachsen – Entwurf (1852) 258–260 – Entwurf (1860) 238, 260–262 – Sächsisches BGB (1863/65) 182, 217, 245, 248, 260–262, 265, 270, 295, 541, 546 – Schweiz – Obligationenrecht (1881/83) 284 – Württemberg – Entwurf eines Handelsgesetzbuches (1839) 266 Kollisionsrecht 830, 200, 209, 213, 270, 272 – Belegenheitsstatut 200 – Personalstatut 200, 209, 213, 270, 272 – Vertragsstatut 200, 209, 213, 2691417, 270 Köln 103 Kreditgenossenschaften 293 f. Kursächsische Konstitutionen (1572) 87 f., 109–111, 166, 167845, 173, 174892, 540 – Decisiones electorales 87423, 111, 174892, 258 – Decisiones electorales novissimae 110538, 258 laesio enormis 84406, 318, 321, 325–327, 330, 335, 346 f., 429–431, 544 – siehe auch metus bzw. metus reverentialis langobardische Frauen 61 Langobardisches Recht 45, 61 Leipzig 110, 154 – Wechselkonferenz 263 f.

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– Wechselordnung (1682) 159 Lemberg (Juristische Fakultät) 363373 letztwillige Verfügung – Errichtung 303 f., 311, 322 f., 331– 334, 337 f., 343 f., 349–353, 357 f., 360 f., 364, 368, 387–388, 393–395, 402, 404, 406 f., 413, 415 f., 419, 543– 545 – sain d’esprit 384, 387, 391 – Überlebensfrist 373, 375 – maritali sermone 303 f., 351–353, 543 – Schmeicheleien (blanditiae) 311, 323, 332 f., 337, 343 f., 351–353, 360 f., 364, 368, 388, 393 f., 406, 413, 543 – suggestion bzw. captation siehe Zuwendungsverbote (Frankreich) – undue influence (probate doctrine) siehe dort – ungestüme Bitten (preces importunae) 332 f., 338, 343 f., 350–353, 388, 393 f., 544 – Vermutung 333 f. – Arzt 337, 357 – Geistlicher 334 lex Cincia de donis et muneribus 443174 lex Claudia 12 lex Iulia de fundo dotali 19 f., 38–40 lex Iulia et Papia 11 f., 19 Leyes de Toro 105513 Lombardei 61291 Lübeck – Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen siehe dort Lübisches Recht siehe Revidiertes Lübisches Stadtrecht (1586) Lüttich 63 Mainz 63 – Landrecht 256 maior malitas siehe metus maritali sermone siehe letztwillige Verfügung marriage brocage bonds 439 f., 445, 452 Mecheln 122 – Großer Rat von Mecheln siehe dort Mecklenburg-Schwerin 265 f.1394, 291 Mecklenburg-Strelitz 291 Merseburg 63

632

Sachregister

metus – actio quod metus causa siehe dort – Beweislast 317 f., 341 f., 356 – coactus volui-Regel 300, 30248, 381 – Drittwirkung (in rem) 98, 300 f., 304, 351311, 354, 356, 362363 f., 365382, 386, 394, 396 f., 406–408, 411–414, 417 f., 453, 542 – Ermessen des Richters (arbitrium iudicis) 340, 345, 351 f., 360 f., 364 f., 399, 402, 403, 408, 411 f. – Alter, Geschlecht und Verfassung des Bedrohten 340, 345280, 345, 358, 360 f., 367, 546 – exceptio metus siehe dort – iustus metus bzw. metus iustus 313, 336, 339 f., 342, 347 f., 353, 356, 360 f., 364 f., 405 – »gegründete Furcht« siehe Furcht – violence grave siehe violence – Kategorisierung 309 f., 314, 324, 346 – maior malitas 299, 308 f., 312, 345, 353, 360, 364 f., 367, 375, 405 – Anklage 299 – Ehre 358, 385 – Folter 299, 312, 345 – Gefängnis 299, 312, 345, 353, 360 – Infamie (infamia) 299 – Merkvers 345, 353316 – Sklaverei 299, 345 – Strafanzeige bzw. -prozess 353 f., 358, 385 – Tod 299, 312, 345, 353, 358, 360 – Vergewaltigung 299, 345, 360 – metus causa 298 f. – per officium iudicis bzw. officio iudicis 309 f., 314, 319, 322, 325, 335, 340, 348 f., 354, 543–545 – prätorisches Edikt 297 f., 309, 314, 325, 334, 338, 348, 542–544 – ungestüme Bitten (preces importunae) 312 f., 316, 322, 331, 333, 336 f., 346 f., 405, 543 f. – Vermutung 312, 315, 318, 325, 341, 346, 544 – anhaltende Zwangslage (metus semel illatus) 312, 315, 320–322, 329 f., 336, 346, 355 f., 543 f. – cautela Bartoli siehe dort

– laesio enormis 318, 321, 326 f., 544 – Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung 315, 321, 326, 544 – Verstoß gegen die guten Sitten (contra bonos mores) 340 – vir constans bzw. constantissimus 299, 312 f., 345, 351 f., 360, 367, 375, 379 f., 397 f., 405, 542, 544, 546 – personne raisonnable siehe violence – vis (Gewalt) 297 f. – Widerrechtlichkeit 398, 407, 409, 411, 414 f., 418 f. metus reverentialis – Amt bzw. Rang 305–308, 311–315, 318, 320, 543 – Eheverbote siehe Ehe – per blanditiam 311 – per impressionem 306, 308, 316, 318, 543 – per potentiam 307, 308, 311, 543 – potentiores 307 f. – precibus importunis 312 f., 316, 543 f. – rogatio domini praeceptum est 311, 316 – Drohungen oder Schläge (minae vel verbera) 95, 98, 312 f., 320, 322, 325– 328, 335, 339 f., 342, 346, 351, 354 f., 367 f., 544 f., 549 – Glosse metu solo 9, 310, 313, 543 f. – laesio enormis 318, 321, 325 f., 327 f., 330, 335, 346 f., 544 – Tyrann 316, 318, 331, 336, 544 – Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant 341 – pacta de quota litis 341 – Verhältnis zwischen Arzt und Patient 341 – letztwillige Verfügung 357 – Verhältnis zwischen Bischof und Priester 310, 313 – Verhältnis zwischen Eltern und Kind 304, 340 – Eheschließung 302 f., 310 f., 318, 320, 328 f., 339 f., 347, 352, 354 f., 359, 361, 365384, 399–401, 403–407, 542 f. – Eintritt in den geistlichen Stand 328 f.

Sachregister – »nachtheiliger Vertrag« 385 f., 390, 546 – Verhältnis zwischen Mann und Frau 312–314, 337, 340, 543 – Interzession 68 f., 73, 82 f., 95, 111548, 113 f., 118, 135, 142, 146, 152–154, 157, 174–176, 178, 355– 357, 545 – letztwillige Verfügung 303 f., 311, 322 f., 332 f., 337 f., 343, 351–353, 543 f. – metus maritalis 201, 223, 236 – Mitgiftbestellung 95 – Veräußerung bzw. Belastung 310 – Verzicht auf (Dotal-)Hypothek 76, 110 f.548, 321 f., 329 f. – Verhältnis zwischen Patron und Freigelassenem 304 f., 310, 314, 542 – Verhältnis zwischen Schwiegervater und Schwiegersohn 342 – Verhältnis zwischen Vorgesetztem und Untergebenem 385–387, 390, 546 – »nachtheiliger Vertrag« 385 f., 390, 546 Minderjährige 276 – Authentica Sacramenta puberum siehe dort Montpellier (Appellationsgericht) 379448 Munt, Muntehe bzw. Muntwalt siehe Geschlechtsvormundschaft Nähebeziehung – Authentica Si qua mulier siehe dort, Regelungsgrund – metus reverentialis siehe dort – undue influence (equitable doctrine) siehe dort Nassau – Entwurf einer Handels- und WechselOrdnung (1842) siehe Kodifikation, Nassau natural justice 474 Naturalobligation 150, 219, 220, 233, 257, 261 Naturalrestitution 301 Naturrecht 148 – natürliche Billigkeit (aequitas naturalis) 148, 165 Nemo-plus-iuris-Prinzip 419 f.

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Niederösterreich 4, 167845, 177, 218 Norddeutscher Bund – Genossenschaftsgesetz (1868) siehe Kodifikation, Norddeutscher Bund – Gewerbeordnung (1869) siehe Kodifikation, Norddeutscher Bund Noxalhaftung 29 Nürnberger Reformation 540 – von 1479 101, 104, 112 f. – von 1522 101, 104, 112 f. – von 1564 101, 104, 113 f. Oberlausitz 177, 178917, 258 Oberösterreich 4, 167845 Oberösterreichisches Appellationsgericht 221 Oberste Justizstelle 148 öffentliche Versteigerung 132 Oldenburg und Fürstentum Lübeck – Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen siehe dort Orléans (Appellationsgericht) 377, 379448 Österreich – ABGB (1811) siehe Kodifikation, Österreich – Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen siehe dort – Niederösterreich siehe dort – Oberösterreich siehe dort ostgotische Frauen 60282 Paris (Appellationsgericht) 378, 382 Personalstatut siehe Kollisionsrecht Pfälzer Landrecht 255 f., 295 Pfandrecht siehe Interzession (SC Velleianum), Realinterzession Pflegschaft (cura) 37 pia causa siehe Ausnahmen zum SC Velleianum positives Recht 148 Prätorisches Edikt 297 f., 300 – edictum perpetuum 297 f. – metus siehe dort Preußen 279 – ALR (1794) siehe Kodifikation, Preußen – Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen siehe dort

634

Sachregister

– EAGB (1784–1788) siehe Kodifikation, Preußen – Gesetzrevision (1825–1848) siehe Kodifikation, Preußen – Justizkommissar 203 Preußisches Landes-Ökonomie-Kollegium 286 Preußisches Obertribunal 214, 269 f. Privatautonomie 1 f. Provence 62 Prozessfähigkeit der Frau siehe Geschlechtsvormundschaft public policy 429 f., 452–454, 457, 460, 474, 487, 490514, 527–529, 547–549 public utility 427, 440, 454 f., 458, 460, 463, 490, 520 Raad van Brabant 120 Rauris 106 f. – Rauriser Landrecht (1565) 106 Rechtsgeschichte – Forschungsstand 4–6 – Vergleichende Rechtsgeschichte 6 f. Rechtssoziologie 3 f. Rechtsvergleichung 3, 9 f. Regensburg 177, 178918 Regentin (femina illustris) – Ausnahmen zum SC Velleianum siehe dort – Eid siehe Eid, Eidesformel Reichsgericht 189, 265, 283, 353 f., 541 Reichshofrat 102 Reichsjustizamt 283, 417 f. Reichskammergericht 103 Reichsoberhandelsgericht 186, 265, 280, 283, 353, 541 Reichstag 283, 291 f., 418, 542 Rennes (Appellationsgericht) 376, 378, 379448 renunciatio bzw. renuntiatio siehe Verzicht restitutio in integrum 301 – Authentica Sacramenta puberum siehe dort Reuß 2891527 Revidiertes Lübisches Stadtrecht (1586) 88 f., 101, 112, 167845, 173881 Rom (Stadt) 5, 60 f. Romagna 61291

Rouen (Appellationsgericht) 379448

377 f.,

Sachsen 181 f., 279 – Kursächsische Konstitutionen (1572) siehe dort – Mandat, die Geschlechtsvormundschaft betreffend (1828) 181 f.943, 2571346 – Mandat, über die Verbürgungen der Frauenspersonen (1828) 257 f., 295, 355326 – Sächsisches BGB (1863/65) siehe Kodifikation, Sachsen Sachsen-Coburg – Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen siehe dort Sachsen-Gotha 164 – Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen siehe dort Sachsen-Meiningen – Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen siehe dort Sachsen-Weimar-Eisenach – Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen siehe dort Sachsenspiegel 44 f. Salerno 61 Salzburg (Erzstift) 106, 152, 161, 177, 178917 – Rauris siehe dort Savoyen 62 – Senat von Savoyen siehe dort SC Macedonianum 423, 425–428, 430 f. SC Velleianum – Anwendungsbereich (persönlich) – jüdische Frauen 102499 – langobardische Frauen 61 – minderjährige Frauen 59 f., 173, 2061077 – ostgotische Frauen 60282 – Anwendungsbereich (sachlich) siehe Interzession (SC Velleianum) – Aufhebung siehe Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen – Ausnahmen siehe Ausnahmen zum SC Velleianum – Entstehung 12 f., 68 – Datierung 1315 – Schreibweise 1211

Sachregister – Rechtsfolgen – actio institutoria siehe dort – actio restitutoria siehe dort – condictio 17 – defensio 1635 – denegatio actionis 16 f. – exceptio SC Velleiani siehe dort – Regelungsgrund 18–20, 32–34, 48, 58, 77, 89, 184, 222 f. – Gefährdung des Familienvermögens (periculum rei familiaris) 34140, 89, 117, 124, 147, 226 – Männersache (virile officium) 20, 89, 124, 147, 184 – »Schwäche« des weiblichen Geschlechts siehe dort – Sprachgebrauch 33–35 – Verbotsgesetz 16 – Wortlaut 13–16 Schaumburg-Lippe – Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen siehe dort Schenkungsverbot unter Ehegatten 2799, 47, 456 Schwaben und Neuburg (Notariatskammer) 244, 246–248 »Schwäche« des weiblichen Geschlechts 33–35, 148, 228, 236 – facilitas sexus 65 f.324, 74, 77, 80, 107, 122 f., 136 – faiblesse de leur sexe 226 – fragilitas sexus 35, 38, 45, 48, 65 f., 75 f., 79, 85, 89, 117, 124, 146, 320, 330, 537, 539 – genus avarissimum 48, 66, 89 – gutmüthige Schwäche 184 – imbecillitas sexus 33, 65 f., 89, 117, 124, 146, 153, 162, 183 f., 203, 336 – infirmitas feminarum 33, 35150, 89432, 117579, 183 – Leichtsinn 222 – gleicher oder größerer Leichtsinn der Männer 214, 248 f., 277 f. – leichtsinnige Gutmüthigkeit 184, 277 – levitas 33, 200, 202 f., 207, 222 – Rechtsunerfahrenheit (ignorantia) 207, 221 f., 255, 259 – Sinnlichkeit 201

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Schwarzburg-Sondershausen 182946, 265 f.1394 – Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen siehe dort Schweiz – Mittelland 62 – Obligationenrecht (1881/83) siehe Kodifikation, Schweiz Senat von Savoyen 94–98, 121, 130 Septimanien 62 Siete Partidas 71344, 73351, 81391 Star Chamber 423 StGB (1871) siehe Kodifikation, Deutsches Reich Stoa 300, 345282 Straßburg 62 Südafrika 129 – Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen siehe dort Teilnovellen (1914–1916) siehe Kodifikation, Österreich Toulouse (Appellationsgericht) 378 f., 379448 Tribunal de Cassation 376 Trient 62 Trier 63 tutela siehe Vormundschaft tutela mulieris siehe Geschlechtsvormundschaft Ultramontane (französische Rechtsschule) 74, 77, 79, 84 f. unabhängige Beratung 203 – independent advice siehe undue influence (equitable doctrine) unconscionable bargains 422–432, 465 f., 547 – mit künftigen Erben (expectant heirs) 422–428, 440, 442, 445, 449, 547 – mit Seeleuten 428–431, 547 undue influence (equitable doctrine) 422, 547 f. – Drittwirkung 442 f., 453, 458 f., 505 f., 522 f., 526, 529 – Fallgruppen 421 f., 452 f., 461, 477, 502, 526–529, 549 – actual undue influence 463, 526– 529, 549

636

– – –







Sachregister

– presumed undue influence 463, 526–529, 549 Indian Contract Act (1872) 530–535, 549 – Beweislast 532–534 Untypische Vertrauensverhältnisse 521–524 Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant 440 f., 444–448, 457, 490–497, 499, 515, 517, 532 f., 547 f. – Aufklärungspflicht 447, 493 – barrister 492 – Darlehen(-svermittlung) 446 – Erfolgshonorar 492 f. – Interzession 495–497 – Kauf 447, 492–494 – Kenntnis des Gläubigers 496 – lapse of time 493 f. – Schuldverschreibung 445 f. – solicitor 490 f. – unabhängige Beratung (independent advice) 491, 494, 496 – Zuwendung 447, 490–492, 494 Verhältnis zwischen Arzt und Patient 515–517, 532, 534 – Gegenleistung (consideration) 516 f. – überhöhtes Honorar 515–517 – unabhängige Beratung (independent advice) 515–517 – Zuwendung 515 Verhältnis zwischen Eheleuten 450– 452, 499–515, 547–549 – Beweislast 450–452, 500–502, 505– 515 – coverture 450, 499 – Gegenleistung (consideration) 501 – Interzession 451 f., 502–515, 548 f. – Kenntnis des Gläubigers 505 f., 509 f., 514 – Sondervermögen (separate estate) 450 f., 499 f. – unabhängige Beratung (independent advice) 500, 506 f., 509, 511, 513 Verhältnis zwischen Eltern und Kind 436–438, 457 f., 472–486, 502, 504, 525, 532–534, 547–549 – acquiescence 477, 480 – Erlass (release) 436



– –





– family arrangement 474–477, 480 f. – Gegenleistung (consideration) 437 – in loco parentis 474, 478 f., 482, 485–487 – Interzession 477–486, 548 f. – Kenntnis des Gläubigers 478–484 – lapse of time 477, 481 – metus reverentialis 436, 547 – reversionary bargains 474 – Schuldverschreibung 438 – settlement bzw. resettlement 437, 474–477 – Strafanzeige 485 f. – unabhängige Beratung (independent advice) 473, 478, 480–485, 548 – Zuwendung 472–474, 548 Verhältnis zwischen Geistlichem und Gläubigem 453–460, 517–521, 524– 529 – acquiescence 526, 528 – Aufklärungspflicht 459 f. – Beweislast 520, 529 – coercion 519692 – »spiritual ascendancy« 457 f., 460, 462 – unabhängige Beratung (independent advice) 525 f., 528 f. – Zuwendung 454 f., 518–520, 525– 529 Verhältnis zwischen Geschwistern 474, 482 Verhältnis zwischen Herr und Diener 441–444, 547 – Schuldverschreibung 441 f. – Veräußerung 442 – Zuwendung 442 f. Verhältnis zwischen Trustee und Begünstigtem 448–450, 497–499, 505, 547 – Aufklärungspflicht 448–450, 497 – Erwerb des Treuguts 448, 497 Verhältnis zwischen Verlobten 450, 503 f. – Beweislast 503 f. – Gegenleistung (consideration) 503 – Interzession 503 f. – Kenntnis des Gläubigers 503 f. – unabhängige Beratung (independent advice) 503 f.

Sachregister – Verhältnis zwischen Vormund und Mündel 438–441, 454–458, 486–489, 499, 519692, 525, 532, 547 f. – Interzession 487–489 – Kenntnis des Gläubigers 488 f. – marriage brocage bonds 439 f. – metus reverentialis 439 – Pachtvertrag (lease) 486 f. – Rechnungslegung 438–440 – Zuwendung 439, 441 undue influence (probate doctrine) 422, 432–435, 466–472, 518, 547 f. – Beweislast 469–471, 548 – metus reverentialis 433–435, 547 – importunity 432 f., 547 – persuasion 432 f. – Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant 467 – siehe auch want of knowledge and approval – Verhältnis zwischen Arzt und Patient 470 f. – Verhältnis zwischen Eheleuten 433, 467–470 – coercion 467–469 – force 467 – fraud 468 f. – importunity 433, 467 f. – persuasion 469 – Verhältnis zwischen Geistlichem und Gläubigem 471, 518 – Zuständigkeit 433–435, 466 f., 468363, 518, 547 unequal bargaining 423 »Unterricht über die Gesetze« (1793) siehe Kodifikation, Preußen Utrecht 64 f. verbotene Verträge 366 f., 453 – entgeltliche »Unterhandlung eines Ehecontractes« 362 f., 396 – Nachlass eines lebenden Dritten 362 f., 396 f. – Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant 362 f., 365, 396 – Verhältnis zwischen Arzt und Patient 362 f., 396 Verlöbnis 303, 307, 311, 330 f.206 Vertragsstatut siehe Kollisionsrecht

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Verzicht auf Authentica Si qua mulier – Abwesenheit des Ehemanns 115 f., 177 f., 234, 540 – Belehrung 115 f., 142 – Dokumentation 115, 178 f., 234, 252 – Verständlichkeit 116, 177 f., 234, 243 f., 252, 540 – Eid 84 f., 108–110, 115, 124, 142 f., 173 f., 198–200, 244, 248 f., 252, 295, 539 – einfacher Verzicht 82 f., 107, 115, 173 f., 539 – Publizitätsakt 111, 115 – Vermögensverschiebungen 109 – Verzichtserklärung – ausdrückliche Bezugnahme auf Authentica Si qua mulier 143 f., 176 f., 203 – Musterformel 179 f., 243 f., 252 f. Verzicht auf Pfandrecht bzw. Hypothek siehe Interzession (SC Velleianum), Realinterzession – Verzicht auf (Dotal-)Hypothek siehe metus reverentialis, Verhältnis zwischen Mann und Frau Verzicht auf SC Velleianum – außergerichtlicher Verzicht 27–29, 55, 77–81, 85, 104 f., 122 f., 135–138, 166 f., 539 – eadem facilitate bzw. eadem fragilitate 77–81, 104 f., 122 f., 135–137, 165 f., 200, 539 – Eid 84 f., 107 f., 123, 172 – Belehrung (certioratio) 58 f., 81, 85, 106, 116 f., 123, 138, 167, 196, 539 – Dokumentation 58 f., 138, 167–169 – Entbehrlichkeit bei Eid 84, 108, 124, 170–172, 197, 539 – Form 81 f., 106, 127, 138 f., 170, 196 f. – Entbehrlichkeit bei Eid 141 f., 197 f. – gerichtlicher Verzicht 37, 77, 80, 85, 109, 166, 218 f. – Gewohnheit (consuetudo) 79 f., 109, 122 f., 137, 141, 196, 539 – letztwillige Verfügung 144 f., 164, 207, 219, 232 f.

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Sachregister

– notarielle Praxis 7, 58, 60–65, 81, 539 – Augsburg 63 – Basel 62 – Bozen 62 – Flandern 63 – Hennegau 63, 65321 – Hildesheim 63 – Katalonien 62 – Lombardei 61291 – Lüttich 63 – Mainz 63 – Merseburg 63 – Provence 62 – Rauris 106 f. – Rom (Stadt) 60 f. – Romagna 61291 – Salerno 61 – Savoyen 62 – Schweizer Mittelland 62 – Septimanien 62 – Straßburg 62 – Trient 62 – Trier 63 – Utrecht 64 f. – Verzichtserklärung – ausdrückliche Bezugnahme auf SC Velleianum 138, 145, 169 f., 197, 203 – Musterformel 179 f. – Übernahme der Pflegschaft 37 – Übernahme der Vormundschaft 37, 54, 57 f., 77, 85, 103 f., 122, 135, 163, 164 – Zustimmung des Ehemanns 116, 179, 208, 231, 238, 240 – Zustimmung des Geschlechtsvormunds 109 f., 112556, 120, 133, 173 violence 367, 375–377, 379–381, 385, 390, 392, 394 – esprit fort 373 – mal considérable et present 367, 375, 380 – »beträchtliches gegenwärtiges Uebel« 390, 392 – »erhebliche Gefahr« 397 – »nahe und erhebliche Gefahr« 409 – »überwiegendes und innestehendes Uebel« 385

– »wesentliche Gefahr« 399 – personne raisonnable 375, 377, 379 f., 385, 390, 397 f., 399, 412, 414 f., 546 – »besonnener Mensch« 414 f. – »vernünftiger Mensch« 385, 390, 412 – sa personne ou sa fortune 375, 380 – »an seiner Person oder seinen Gütern« 390, 392 – »für ihre Person oder ihr Vermögen« 409 – »für seine Person oder sein Vermögen« 385 – »in Bezug auf Person oder Eigenthum« 399 – »in Bezug auf Person oder Vermögen« 397 – Verfassung des Bedrohten 375, 390, 392498, 397, 399, 409 f., 546 – violence grave 373 f. vir constans bzw. constantissimus siehe metus – personne raisonnable siehe violence vis (Gewalt) siehe metus Vormundschaft (tutela) 37, 54, 57 f., 77, 85, 103 f., 122, 135, 163, 164 Waldeck – Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen siehe dort want of knowledge and approval 471 f. Wechselfähigkeit der Frau 213, 263– 265, 280, 541 Weibliche Freiheiten bzw. Rechtswohlt[h]aten 114 f., 155784, 177912, 178, 193, 197–199, 230, 232, 234, 243, 250–252, 2541333, 265–267, 270 f., 280 – Aufhebung siehe Aufhebung der Interzessionsbeschränkungen – beneficie van rechte 119 – »voordeel« bzw. »voorregt« 127 WGGB (1797) siehe Kodifikation, Österreich Wien (Juristische Fakultät) 221 Wiesbaden (Appellationsgericht) 213 Wiesbaden (OLG) 357 Wismarer Tribunal 149739, 154, 160, 168 Wormser Reformation (1498) 91, 103

Sachregister Württemberg 181 f., 279, 287, 2891527, 290, 291 – Landrecht (1555) 86 f., 92 – Landrecht (1610) 87421, 92445 – Pfandentwicklungsgesetz (1828) 181942, 182945, 269 f. – Entwurf eines Handelsgesetzbuches (1839) siehe Kodifikation, Württemberg ZHR 294 ZPO (1877/79) siehe Kodifikation, Deutsches Reich Zuwendungsverbote (Frankreich) 454– 458, 461, 463, 546 – Anwälte 370 f.

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– Droit coutumier 368–372, 378, 546 – Coutume de Paris 369 f., 372, 378 – Geistliche 370 f., 378, 382 f., 413 – Heilberufe 370, 374, 376, 378 f., 382 f., 388 f., 391 f., 413 – Lehrer 377 – Lehrherren 377 – Schreiber 389 – suggestion bzw. captation 373 f., 376, 379, 384, 388 – Verwalter (administrateur) 368, 370 – Vormund (tuteur) 368–370, 373 f., 376–378, 382, 388, 391, 413 – Eltern 378 – Schlussrechnung 369, 373 f., 377 f. Zwang siehe metus