Internationalisierung der Rechnungslegung und deren Auswirkungen auf Handels- und Steuerbilanz nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteter Unternehmen [1 ed.] 9783428525737, 9783428125739

Angesichts der teils verpflichtenden, teils optionalen Anwendung der IFRS im Konzernabschluss wird zum Teil für eine Aus

148 102 2MB

German Pages 496 Year 2008

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Internationalisierung der Rechnungslegung und deren Auswirkungen auf Handels- und Steuerbilanz nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteter Unternehmen [1 ed.]
 9783428525737, 9783428125739

Citation preview

Forschungsergebnisse aus dem Revisionswesen und der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre Band 19

Internationalisierung der Rechnungslegung und deren Auswirkungen auf Handels- und Steuerbilanz nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteter Unternehmen Von

Ute Siebler

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

UTE SIEBLER

Internationalisierung der Rechnungslegung und deren Auswirkungen auf Handels- und Steuerbilanz nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteter Unternehmen

Forschungsergebnisse aus dem Revisionswesen und der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre Herausgegeben von Prof. Dr. h. c. Erich Loitlsberger, Prof. Dr. Dieter Rückle, Prof. Dr. h. c. Jörg Baetge und Prof. Dr. Reinhold Hömberg

Band 19

Internationalisierung der Rechnungslegung und deren Auswirkungen auf Handels- und Steuerbilanz nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteter Unternehmen

Von

Ute Siebler

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich IV (Wirtschafts- und Sozialwissenschaften/Mathematik/Informatik) der Universität Trier hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-6909 ISBN 978-3-428-12573-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Geleitwort des Herausgebers Geleitwort des Herausgebers

Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die für die Veröffentlichung überarbeitete Version der an der Professur für Mittelstandsökonomie der Universität Trier entstandenen Dissertation, die unter dem gleichnamigen Titel im Sommersemester 2006 vom Fachbereich IV der Universität Trier angenommen wurde. Insofern berücksichtigt diese Arbeit den Rechts- sowie Literaturstand bis zum 30. Juni 2006. Die mündliche Doktorprüfung fand am 6. März 2007 statt. Die so genannte „kapitalmarktorientierte“ Rechnungslegung der IFRS ist inzwischen als Pflicht für die Konzernrechnungslegung börsennotierter Konzerne etabliert. In Wissenschaft und Praxis wird zum Teil gefordert, dass die IFRS auch für die Jahresabschlüsse gelten sollten, zumindest für die Jahresabschlüsse derjenigen Unternehmen, welche in den Anwendungsbereich der Vierten EGRichtlinie fallen. Ferner wird unter Hinweis auf die Eigenkapitalvereinbarung des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht zum Teil die These eines mehr oder minder starken Drucks – insbesondere auch auf mittelständische Unternehmen – zur Internationalisierung der Rechnungslegung geäußert. Somit ist es Zielsetzung der vorliegenden Dissertationsschrift, „dem deutschen Gesetzgeber vor dem Hintergrund der Internationalisierung der Rechnungslegung normative Handlungsempfehlungen hinsichtlich der zukünftigen Regulierung und Ausgestaltung des Jahresabschlusses sowie der de lege lata daran anknüpfenden Anspruchs- und Steuerbemessungszwecke mit Blick auf nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichtete Unternehmen zu geben.“ Dabei wird der Schwerpunkt v. a. auf die Betrachtung mittelständischer Unternehmen gelegt. Hinsichtlich der steuerrechtlichen Rechnungslegung wird die Untersuchung gemäß den Prämissen auf eine Gewinnermittlung im Sinne der klassischen Reinvermögenszugangstheorie begrenzt. Das übergeordnete Forschungsziel – die Ableitung von Handlungsempfehlungen für den nationalen Gesetzgeber – legt die „deduktiv-normative“ Vorgehensweise nahe. Zur Herleitung von Rechnungslegungszwecken werden in der Arbeit das Instrumentarium der Neuen Institutionenökonomie und hier insbesondere der Principal-Agent-Ansatz herangezogen. Da die so ermittelten Rechnungslegungszwecke jedoch nicht notwendigerweise regulative Eingriffe rechtfertigen, rekurriert die Autorin in einem ersten Schritt auf Aspekte der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt. Bei Anwendung des Maßstabes der gesamt-

6

Geleitwort des Herausgebers

wirtschaftlichen Wohlfahrt müssten sich regulative Eingriffe anhand einer gesamtwirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Analyse rechtfertigen lassen. Da ein gesamtwirtschaftlicher Kosten-Nutzen-Vergleich bislang jedoch nicht vorliegt und dem auch erhebliche methodische Schwierigkeiten entgegenstehen, wird in einem zweiten Schritt auf das explizit dargelegte Werturteil einer schutzorientierten Rechnungslegung zurückgegriffen. Bei der genaueren Analyse der einzelnen Zwecke wird jeweils zunächst gefragt, ob und gegebenenfalls in welcher Form diese Aufgaben künftig reguliert werden sollen. Für die so bestimmten handelsrechtlichen Rechnungslegungszwecke werden sodann auf Basis der Interessenanalyse grundlegende Anforderungen an zweckadäquate Rechnungslegungsnormen abgeleitet; anhand dieser Kriterien werden die konkurrierenden Rechnungslegungssysteme HGB und IFRS beurteilt. Zur Unterstützung sowie zur Überprüfung der „logischdeduktiv“ abgeleiteten Aussagen werden – soweit vorhanden – die Ergebnisse empirischer Studien hinzugezogen, zum Teil werden auch rechtsvergleichende Analysen angestellt. Für die Herleitung steuerlicher Beurteilungskriterien greift die Autorin – analog zur Vorgehensweise bezüglich der handelsrechtlichen Kriterien – auf aus der Wirtschafts- und Rechtsordnung abgeleitete steuerrechtliche Werturteile zurück. Die nutzenorientierte Untersuchung bezüglich der verschiedenen Rechnungslegungszwecke liefert wertvolle Teilergebnisse: Zentrale Aussage der Autorin bezüglich der Informationsfunktion ist, dass ein allgemein höherer Informationswert einer Rechnungslegung nach IFRS im Vergleich zum HGB weder logisch-deduktiv noch auf Basis der Ergebnisse empirischer Untersuchungen eindeutig belegt werden kann. Im Rahmen der Informationsfunktion setzt sich die Autorin auch mit dem Entwurf des IASB zur Entwicklung von IFRS „for Small and Medium-Sized Entities“ auseinander. Ferner bezieht sie im Hinblick auf erleichterte informatorische Anforderungen für bestimmte Unternehmen die Vorschriften und Erfahrungen aus Großbritannien und den USA mit ein. Dieser Blick ins Ausland erhärtet ihre Feststellung, dass die bisher vorgesehenen Erleichterungen des IASB nicht zweckadäquat sind. Für Zwecke der Anspruchsbemessung sind die IFRS nicht konzipiert. Die Diskussion um Alternativen, wie Unternehmen von der Pflicht zur Aufstellung eines zusätzlichen Jahresabschlusses nach HGB für die Erfüllung der Anspruchsbemessungszwecke befreit werden könnten, ist von besonderer Mittelstandsrelevanz. Dabei geht die Autorin auf die diskutierten Optionen von Insolvenztests sowie von Ausschüttungssperren näher ein. Hier kommt sie – auch unter Rückgriff auf in den USA gemachte Erfahrungen – zu der Empfehlung, weiterhin an einer Anspruchsbemessung basierend auf Jahresabschlussrecht festzuhalten. Bei der Analyse der Steuerbemessungszwecke legt die Autorin dar, dass auch eine Entscheidung für oder gegen eine Maßgeblichkeit nicht oh-

Geleitwort des Herausgebers

7

ne Werturteile auskommt. Hinsichtlich der umgekehrten Maßgeblichkeit befürwortet sie deren Abschaffung u. a. aufgrund der durch sie bedingten Verzerrungen der handelsrechtlichen Anspruchsbemessungs- und Informationszwecke. Mit Blick auf die inhaltliche Ausgestaltung einer steuerlichen Gewinnermittlung kommt sie v. a. zu dem Ergebnis, dass auf das Imparitätsprinzip, solange steuerlich kein unbeschränkter sofortiger Verlustausgleich besteht, nicht verzichtet werden kann. An die nutzenorientierte Untersuchung bezüglich der verschiedenen Rechnungslegungszwecke schließt sich eine Betrachtung der Kosten an. Auch hier werden die Ergebnisse empirischer Studien mit einbezogen. Da keines der Rechnungslegungssysteme die Informationsfunktion nachweislich besser erfüllt, gewinnt der Aspekt der Kosten zusätzlich an Bedeutung. Unter Zusammenführung der in den vorangegangenen Kapiteln erarbeiteten Argumente leitet die Autorin in Kapitel H. als Beantwortung der übergeordneten Forschungsfrage ihre Handlungsempfehlungen an den nationalen Gesetzgeber ab. Dabei kommt sie zu dem Kernbefund, die Einführung einer verpflichtenden Anwendung der IFRS für alle betrachteten Unternehmen zugunsten eines Wahlrechts für informatorische Zwecke abzulehnen und gleichzeitig die Vorschriften des HGB fortzuentwickeln. Bezüglich der Anspruchsbemessungszwecke wird das Festhalten am Konzept der Kapitalerhaltung sowie an der handelsrechtlichen Gewinnermittlung befürwortet. Im Zentrum der Empfehlungen zur Modifikation des HGB stehen die Beseitigung von Wahlrechten sowie Überlegungen zur Verwendung von Zeitwerten für informatorische Zwecke. Insgesamt betrachtet behandelt die Arbeit ein Thema, das durch ein Höchstmaß an Aktualität und Relevanz für nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichtete, insbesondere mittelständische Unternehmen geprägt ist. Aufbauend auf einer umfassenden und selbstständigen Auswertung der einschlägigen Literatur erarbeitet die Autorin Handlungsempfehlungen zur zukünftigen Ausgestaltung der Rechnungslegung im Jahresabschluss nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteter Unternehmen sowie zum künftigen Verhältnis von Handels- und Steuerbilanz. Die vorliegende überaus gründliche und wichtige Ergebnisse liefernde Schrift sollte bei der künftigen Regulierung und Ausgestaltung der Rechnungslegung im Jahresabschluss Beachtung finden; sie kann darüber hinaus insbesondere auch Bilanzpraktikern bei der kritischen Reflexion der häufig von Beraterseite aus geäußerten Empfehlung, auch freiwillig auf eine Rechnungslegung nach IFRS umzustellen, hilfreich sein. Ich wünsche der Arbeit eine weitreichende Beachtung. Trier, im Oktober 2007

Dieter Rückle

Inhaltsübersicht Inhaltsübersicht

A. Einleitung......................................................................................................... I.

29

Ausgangssituation: Internationalisierung der Rechnungslegung in der EU ...................................................................................................

29

II. Problemstellung und Untersuchungsziel....................................................

48

III. Methodisches Vorgehen ............................................................................

52

IV. Prämissen und Gang der Untersuchung.....................................................

59

B. Begriff und Bedeutung mittelständischer im Rahmen der nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteten Unternehmen...............................

66

I.

Begriffsabgrenzung und praktische Relevanz............................................

66

II. Im Rechnungslegungskontext relevante Merkmale mittelständischer Unternehmen .............................................................................................

76

C. Rechnungslegung im Licht normativer Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke ..........................................................

82

I.

Die Unternehmung als Vertragsgeflecht verschiedener Interessengruppen und die Zwecke der Rechnungslegung für die Vertragspartner........................................................................................................

82

II. Konkurrierende Ansätze zur Herleitung von handelsrechtlichen Rechnungslegungszwecken und -normen..................................................

88

III. Typisierte Erscheinungsformen der betrachteten Unternehmen im Licht organisationsrechtlicher Merkmale als zweckorientierte Gestaltungsbzw. Differenzierungskriterien der Rechnungslegung............................... 107 D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung ...................... 148 I.

Konkretisierung des informatorischen Eigner- und Gläubigerschutzes ..... 148

II. Rechtsgrundlagen, Zwecksetzungen, Bestandteile und Grundsätze der Rechnungslegungskonzeptionen nach HGB/GoB und IFRS im Vergleich .............................................................................................. 191 III. Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen im Vergleich .............................................................................................. 261 IV. Ausgewählte Ansätze zur Deregulierung bzw. Differenzierung der Rechnungslegungsanforderungen an Unternehmen unterschiedlicher organisationsrechtlicher Merkmale............................................................ 312 V. Zwischenfazit ............................................................................................ 330

10

Inhaltsübersicht

E. Rechnungslegung zum Zweck der Anspruchsbemessung............................ 336 I.

Analyse der Liquiditätssituation von kleinen und mittleren Unternehmen als „Eckpfeiler“ bezüglich der Ermittlung eines „entziehbaren“ Gewinnes ................................................................................................... 336

II. Die einzelnen Zwecke der Gruppe „Anspruchsbemessung“ und Grundanforderungen an zweckadäquate Rechnungslegungsnormen ......... 342 III. Regulierung von Gewinnausschüttungen in Deutschland.......................... 355 IV. Regulierung von Gewinnausschüttungen in den USA............................... 358 V. Konzept zur Einführung eines (In-)Solvenztests auf europäischer Ebene......................................................................................................... 364 VI. Ausschüttungssperren auf Basis eines modifizierten IFRS-Abschlusses als Alternative?.......................................................................................... 366 VII. Zwischenfazit ............................................................................................ 372 F.

Rechnungslegung zum Zweck der Steuerbemessung ................................... 376 I.

Formen der Verknüpfung von Handels- und Steuerbilanz und Überblick über die Argumente für und gegen eine Verknüpfung............................... 376

II. Aus der Wirtschafts- bzw. Rechtsordnung abgeleitete ökonomische und steuerrechtliche Werturteile als Grundlage zur Beurteilung steuerlicher Gewinnermittlungsnormen ........................................................................ 380 III. Beurteilung einer Verknüpfung von Handels- und Steuerbilanz aus Sicht der Anforderungen an steuerliche Gewinnermittlungsnormen .................. 384 IV. Beurteilung einer Verknüpfung von Handels- und Steuerbilanz aus Sicht der handelsrechtlichen Rechnungslegungszwecke .................................... 398 V. Zwischenfazit ............................................................................................ 401 G. Kosten der Unternehmen infolge der Erfüllung der Rechnungslegungsanforderungen ................................................................................................. 402 I.

Mögliche Zusatzkosten insbesondere für mittelständische Unternehmen durch Umstellung des Jahresabschlusses von HGB auf IFRS ................... 402

II. Ergebnisse empirischer Untersuchungen hinsichtlich möglicher Zusatzkosten durch Umstellung des Jahresabschlusses von HGB auf IFRS aus Sicht insbesondere mittelständischer Unternehmen ............................ 410 H. Empfehlungen zur Rechnungslegung im Jahresabschluss nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteter Unternehmen ............................... 414 I.

Weichenstellungen der künftigen Regulierung der Rechnungslegung im Jahresabschluss in Deutschland ................................................................. 414

II. Fortentwicklung der Vorschriften des HGB .............................................. 426 III. Weiterführende Überlegungen für den Fall einer abweichenden Entscheidung des Gesetzgebers ................................................................. 451 I.

Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse ........................................ 452

Inhaltsübersicht

11

Literaturverzeichnis ............................................................................................... 454 Rechtsquellenverzeichnis ....................................................................................... 480 Sachwortregister..................................................................................................... 488

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung......................................................................................................... I.

Ausgangssituation: Internationalisierung der Rechnungslegung in der EU ..................................................................................................

29 29

1.

Harmonisierungsbestrebungen bzw. Stand der Internationalisierung der Rechnungslegung in der EU.........................................................

29

2.

Möglichkeiten des deutschen Gesetzgebers zur Umsetzung der Internationalisierung der Rechnungslegung im Jahresabschluss ........

41

II. Problemstellung und Untersuchungsziel....................................................

48

III. Methodisches Vorgehen ............................................................................

52

1.

Deduktiv-normative Untersuchungsmethode zur Bestimmung von Kriterien für die Gestaltung bzw. Beurteilung gesetzlicher Rechnungslegungsnormen..........................................................................

52

Bedeutung der Ergebnisse empirischer Untersuchungen ...................

56

IV. Prämissen und Gang der Untersuchung.....................................................

59

B. Begriff und Bedeutung mittelständischer im Rahmen der nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteten Unternehmen...............................

66

2.

I.

Begriffsabgrenzung und praktische Relevanz............................................

66

II. Im Rechnungslegungskontext relevante Merkmale mittelständischer Unternehmen .............................................................................................

76

C. Rechnungslegung im Licht normativer Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke ..........................................................

82

I.

Die Unternehmung als Vertragsgeflecht verschiedener Interessengruppen und die Zwecke der Rechnungslegung für die Vertragspartner........................................................................................................

82

II. Konkurrierende Ansätze zur Herleitung von handelsrechtlichen Rechnungslegungszwecken und -normen..................................................

88

1.

Herleitung von Gründen für und wider eine hoheitliche Normierung der Rechnungslegung aus dem Maßstab der gesamtwirtschaftlichen Allokationseffizienz ........................................................................... a) b)

88

Marktversagen bzw. -ineffizienzen als Gründe für eine hoheitliche Normierung ..............................................................

88

Verpflichtende Vorgabe eines versus Anwendung verschiedener Rechnungslegungssysteme ..................................

92

14

Inhaltsverzeichnis

2.

(1) Netzwerkeffekte ..................................................................

92

(2) Gefahr von Qualitätsproblemen oder Unsicherheiten bei der Anwendung unterschiedlicher Rechnungslegungssysteme?..............................................................................

95

Herleitung von Rechnungslegungszwecken aus dem Werturteil einer schutzorientierten Interessenregelung .......................................

98

a)

Werturteil einer schutzorientierten Interessenregelung...............

98

b)

Relevanz der rechtlichen Organisationsform für die Gestaltung einer schutzorientierten Interessenregelung................................ 103

III. Typisierte Erscheinungsformen der betrachteten Unternehmen im Licht organisationsrechtlicher Merkmale als zweckorientierte Gestaltungsbzw. Differenzierungskriterien der Rechnungslegung............................... 107 1.

Erfordernis und Überblick einer Typisierung nach ausgewählten Kriterien ............................................................................................. 107

2.

Ausprägungen und organisationsrechtliche Rahmenbedingungen nicht kapitalmarktorientierter, personenbezogener Unternehmen ...... 115

3.

a)

Unternehmen ohne Eigner-Manager-Konflikte .......................... 115

b)

Unternehmen mit möglichen Eigner-Manager-Konflikten ......... 117

c)

Unternehmen aus der Sicht möglicher Eigner-GläubigerKonflikte..................................................................................... 129

Ausprägungen und organisationsrechtliche Rahmenbedingungen von auf den nicht geregelten Kapitalmarkt ausgerichteten Unternehmen............................................................................................... 132 a)

(Rechtliche) Rahmenbedingungen am nicht geregelten Kapitalmarkt ............................................................................... 132

b)

Unterschiedliche Ausprägungen der Kapitalmarktorientierung.. 141

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung ...................... 148 I.

Konkretisierung des informatorischen Eigner- und Gläubigerschutzes ..... 148 1.

Ermittlung der Informations- und Zahlungsinteressen der Rechnungslegungsinteressenten......................................................... 148 a)

Rechnungslegungsinteressenten und die Ermittlung ihrer Interessen.................................................................................... 148

b)

Interessen der Anteilseigner........................................................ 150

c)

Interessen der Gläubiger ............................................................. 158 (1) Generelle Gläubigerinteressen ............................................ 158 (2) Bedeutung von Basel II hinsichtlich Fremdkapitalverhältnissen........................................................................ 161

d)

Interessen der Geschäftsführung................................................. 163

e)

Interessen der „interessierten“ Öffentlichkeit ............................. 164

Inhaltsverzeichnis f) 2.

15

Ergebnisse der Interessenanalyse................................................ 165

Informationsfunktion.......................................................................... 166 a)

Begriffsverständnisse und vorläufige Adressatenkonkretisierung ........................................................................... 166

b)

Dokumentation ........................................................................... 173

c)

Rechenschaft der Geschäftsführung gegenüber sich selbst......... 174 (1) Zweck und Rechtfertigung einer hoheitlichen Normierung der Rechenschaft vor sich selbst ......................................... 174 (2) Informationswert und Anforderungen an zweckadäquate Rechnungslegungsnormen .................................................. 178

d)

Rechenschaft der Geschäftsführung gegenüber Außenstehenden ......................................................................... 181 (1) Zweck und Rechtfertigung einer hoheitlichen Normierung der Rechenschaft gegenüber nicht an der Geschäftsführung beteiligten Gesellschaftern .................................................. 181 (2) Zweck und Rechtfertigung einer hoheitlichen Normierung der Rechenschaft gegenüber außen stehenden Dritten ........ 182 (3) Informationswert und Anforderungen an zweckadäquate Rechnungslegungsnormen .................................................. 185

II. Rechtsgrundlagen, Zwecksetzungen, Bestandteile und Grundsätze der Rechnungslegungskonzeptionen nach HGB/GoB und IFRS im Vergleich .............................................................................................. 191 1.

2.

Rechtsauffassungen bzw. -grundlagen, Zwecksetzungen und Bestandteile................................................................................. 191 a)

Nach HGB/GoB.......................................................................... 191

b)

Nach IFRS .................................................................................. 204

Periodisierungs- und Objektivierungsgrundsätze ............................... 209 a)

Nach HGB/GoB.......................................................................... 209 (1) Überblick über die Systematik der Rechnungslegungsgrundsätze ........................................................................... 209 (2) Grundlegende Periodisierungs- und Objektivierungsgrundsätze ........................................................................... 211 (a) Periodisierungsgrundsätze ........................................... 211 (b) (Rahmen- bzw.) Objektivierungsgrundsätze................ 221

b)

Nach IFRS .................................................................................. 224 (1) Überblick über die Systematik der Rechnungslegungsgrundsätze ........................................................................... 224 (2) Grundlegende Periodisierungs- und Objektivierungsgrundsätze ........................................................................... 225

16

Inhaltsverzeichnis (a) Periodisierungsgrundsätze ........................................... 225 (b) (Rahmen- bzw.) Objektivierungsgrundsätze................ 229 3.

Grundlegende Ansatz- und Bewertungsnormen als Ausprägungen der Konzeptionsgrundsätze ................................................................ 231 a)

Ansatznormen............................................................................. 231 (1) Nach HGB/GoB .................................................................. 231 (2) Nach IFRS........................................................................... 239

b)

Bewertungsnormen ..................................................................... 245 (1) Nach HGB/GoB .................................................................. 245 (2) Nach IFRS........................................................................... 251

III. Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen im Vergleich .............................................................................................. 261 1.

Eignung der unterschiedlichen Rechnungslegungsinformationen als Entscheidungsgrundlage ............................................................... 261 a)

Vergleich der Gewinn- und Vermögenskonzeptionen nach HGB/GoB und IFRS................................................................... 261

b)

Grenzen einer Effektivvermögensapproximation durch Bilanz und GuV-Rechnung.................................................................... 269

c)

Grundsätzliche Problematik der Schätzung zukünftiger Zahlungen auf Basis vergangenheitsorientierter Daten............... 271

d)

Zeitwertbilanzierung................................................................... 276

e)

Besonderheiten des Eigenkapitalausweises nach IFRS – insbesondere bei Personengesellschaften.................................... 286

2.

Verlässlichkeit versus Entobjektivierungen ....................................... 292

3.

Ergebnisse empirischer Untersuchungen zu den Präferenzen insbesondere mittelständischer Unternehmen und deren Rechnungslegungsadressaten hinsichtlich der Erfüllung der Informationsfunktion.............................................................................................. 298

4.

a)

Ergebnisse aus der Sicht mittelständischer Unternehmen........... 298

b)

Ergebnisse aus der Sicht von Fremdkapitalgebern unter Berücksichtigung von Basel II.................................................... 306

Ergebnisse empirischer Kapitalmarktstudien zu Informationsnutzen und Eigenkapitalkosteneffekten bei Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards............................................................... 311

IV. Ausgewählte Ansätze zur Deregulierung bzw. Differenzierung der Rechnungslegungsanforderungen an Unternehmen unterschiedlicher organisationsrechtlicher Merkmale............................................................ 312 1.

IASB: International Financial Reporting Standards for Small and Medium-sized Entities (SME)............................................................ 312

Inhaltsverzeichnis

17

2.

Großbritannien: Deregulierung und Financial Reporting Standard for Smaller Entities (FRSSE) ............................................................. 319

3.

USA: weit reichende Deregulierung und Differenzierung nach Kapitalmarktorientierung ................................................................... 328

V. Zwischenfazit ............................................................................................ 330 E. Rechnungslegung zum Zweck der Anspruchsbemessung............................ 336 I.

Analyse der Liquiditätssituation von kleinen und mittleren Unternehmen als „Eckpfeiler“ bezüglich der Ermittlung eines „entziehbaren“ Gewinnes ................................................................................................... 336

II. Die einzelnen Zwecke der Gruppe „Anspruchsbemessung“ und Grundanforderungen an zweckadäquate Rechnungslegungsnormen ................... 342 1.

2.

Anteilseignerschutz durch Konkretisierung der Entnahme- bzw. Ausschüttungsansprüche .................................................................... 342 a)

Ermittlung eines „entziehbaren“ Gewinnes als Hauptansatzpunkt zum Schutz von Anteilseignern und Anforderungen an zweckadäquate Rechnungslegungsnormen................................. 342

b)

Zweck und Rechtfertigung einer hoheitlichen Normierung von Mindestausschüttungen............................................................... 344

„Institutioneller“ Gläubigerschutz...................................................... 346 a)

Gründe für eine hoheitliche Normierung eines „institutionellen“ Gläubigerschutzes....................................................................... 346

b)

Gläubigerschutz durch (bilanzielle) Kapitalerhaltung ................ 349 (1) Ökonomische Wirkungen von Ausschüttungssperren......... 349 (2) Problematik der Nominalkapitalerhaltung........................... 352

c)

Anforderungen an Rechnungslegungsnormen zur Ermittlung einer gläubigerschützenden Ausschüttungsrichtgröße ................ 353

III. Regulierung von Gewinnausschüttungen in Deutschland.......................... 355 IV. Regulierung von Gewinnausschüttungen in den USA............................... 358 1.

Gläubigerschutz durch Insolvenztests ................................................ 358

2.

Private Vereinbarungen in US-amerikanischen Kreditverträgen (covenants)......................................................................................... 362

V. Konzept zur Einführung eines (In-)Solvenztests auf europäischer Ebene......................................................................................................... 364 VI. Ausschüttungssperren auf Basis eines modifizierten IFRS-Abschlusses als Alternative?.......................................................................................... 366 VII. Zwischenfazit ............................................................................................ 372 F.

Rechnungslegung zum Zweck der Steuerbemessung ................................... 376 I.

Formen der Verknüpfung von Handels- und Steuerbilanz und Überblick über die Argumente für und gegen eine Verknüpfung............................... 376

18

Inhaltsverzeichnis II. Aus der Wirtschafts- bzw. Rechtsordnung abgeleitete ökonomische und steuerrechtliche Werturteile als Grundlage zur Beurteilung steuerlicher Gewinnermittlungsnormen ........................................................................ 380 1.

Ökonomische Anforderung der Entscheidungsneutralität der Besteuerung........................................................................................ 380

2.

Steuerrechtliche Prinzipien der Gesetzesbestimmtheit, der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Eigentumsgarantie........... 381

III. Beurteilung einer Verknüpfung von Handels- und Steuerbilanz aus Sicht der Anforderungen an steuerliche Gewinnermittlungsnormen .................. 384 1.

Forderung nach Entscheidungsneutralität der Besteuerung................ 384

2.

Forderung nach Gleichmäßigkeit der Besteuerung ............................ 390

IV. Beurteilung einer Verknüpfung von Handels- und Steuerbilanz aus Sicht der handelsrechtlichen Rechnungslegungszwecke .................................... 398 1.

Vereinbarkeit von handelsrechtlicher Anspruchsbemessung und Steuerbemessung................................................................................ 398

2.

Vereinbarkeit von handelsrechtlicher Information und Steuerbemessung................................................................................ 399

V. Zwischenfazit ............................................................................................ 401 G. Kosten der Unternehmen infolge der Erfüllung der Rechnungslegungsanforderungen ................................................................................................. 402 I.

Mögliche Zusatzkosten insbesondere für mittelständische Unternehmen durch Umstellung des Jahresabschlusses von HGB auf IFRS ................... 402

II. Ergebnisse empirischer Untersuchungen hinsichtlich möglicher Zusatzkosten durch Umstellung des Jahresabschlusses von HGB auf IFRS aus Sicht insbesondere mittelständischer Unternehmen ............................ 410 H. Empfehlungen zur Rechnungslegung im Jahresabschluss nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteter Unternehmen ............................... 414 I.

Weichenstellungen der künftigen Regulierung der Rechnungslegung im Jahresabschluss in Deutschland ................................................................. 414 1.

Ergebnisse empirischer Untersuchungen bezüglich der Umsetzungsmöglichkeiten im Rahmen der IAS-Verordnung aus Sicht insbesondere mittelständischer Unternehmen .................................... 414

2.

Wahlrecht einer IFRS-Rechnungslegung im Jahresabschluss für informatorische Zwecke..................................................................... 416

3.

Gewährleistung der Anspruchsbemessung......................................... 424

II. Fortentwicklung der Vorschriften des HGB .............................................. 426 1.

Ausrichtung einer solchen Reform an den unterschiedlichen Zwecken des Jahresabschlusses ......................................................... 426

2.

Modifikationen des Realisationsprinzips für Informationszwecke..... 428

3.

Beseitigung von Wahlrechten ............................................................ 437

Inhaltsverzeichnis 4.

19

Frage der Einführung einer finanzwirtschaftlichen Rechnung als weiterer Bestandteil des Jahresabschlusses ........................................ 449

III. Weiterführende Überlegungen für den Fall einer abweichenden Entscheidung des Gesetzgebers ................................................................. 451 I.

Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse ........................................ 452

Literaturverzeichnis ............................................................................................... 454 Rechtsquellenverzeichnis ....................................................................................... 480 Sachwortregister..................................................................................................... 488

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Typisierte Unternehmensformen ..................................................... 111 Abbildung 2: Zentrale Basisgrundsätze der Rechnungslegung nach IFRS............ 224 Tabellenverzeichnis

Tabelle 1:

Mitgliedstaatenwahlrechte bezüglich einer Anwendung der IFRS nach der IAS-Verordnung................................................................

33

Anwendungsbereiche der IFRS in Deutschland nach dem Bilanzrechtsreformgesetz ................................................................

38

Tabelle 3:

Höchstgrenzen verschiedener kmU-Definitionen ............................

69

Tabelle 4:

Anteile überwiegend eigentümergeführter Unternehmen an den jeweiligen Rechtsformen .................................................................

74

Anzahl der Unternehmen in Deutschland nach Rechtsformen und Umsatzgrößenklassen im Jahr 2004.................................................

75

Tabelle 2:

Tabelle 5: Tabelle 6:

Erleichterungen für Unternehmen, die lediglich die Rechnungslegungsanforderungen für alle Kaufleute beachten müssen (im Vergleich zu Kapital- und „& Co.“-Gesellschaften) ................. 200

Tabelle 7:

Größenabhängige Erleichterungen hinsichtlich Erstellung, Prüfung und Offenlegung des Jahresabschlusses für kleine und mittelgroße (im Vergleich zu großen) Kapital- und „& Co.“Gesellschaften.................................................................................. 202

Tabelle 8:

Unternehmensinsolvenzen nach Rechtsformen und Eröffnungsgründen 2004 ................................................................................... 340

Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis

a. A.

anderer Ansicht

Abb.

Abbildung

ABl.

Amtsblatt

Abs.

Absatz

ADHGB

Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch

a. F.

alte Fassung

AfA

Absetzung für Abnutzung

AG

Aktiengesellschaft(en)

AICPA

American Institute of Certified Public Accountants

AktG

Aktiengesetz

amtl.

amtlich

Anh.

Anhang

Anm.

Anmerkung

AnSVG

Anlegerschutzverbesserungsgesetz

AO

Abgabenordnung

Art.

Artikel

ASB

Accounting Standards Board

Aufl.

Auflage

Auftr.

Auftrag

B.

Beschluss

BaFin

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

BAWe

Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel

BB

Betriebs-Berater (Zeitschrift)

BC

Bilanzbuchhalter und Controller (Zeitschrift)

Bd.

Band

BDI

Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.

bearb.

bearbeitet

Bek.

Bekanntmachung

22

Abkürzungsverzeichnis

BetrAVG

Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung

BetrVG

Betriebsverfassungsgesetz

BFH

Bundesfinanzhof

BFuP

Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift)

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BilReG

Bilanzrechtsreformgesetz

BiRiLiG

Bilanzrichtliniengesetz

BMF

Bundesministerium der Finanzen

BMJ

Bundesministerium der Justiz

BMWA

Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit

Brit. Pfund

Britische(s) Pfund

BStBl.

Bundessteuerblatt

BT-Drucks.

Bundestags-Drucksache(n)

Buchst.

Buchstabe(n)

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

bzw.

beziehungsweise

CA

Companies Act

ca.

circa

CDAX

Composite Deutscher Aktienindex

DB

Der Betrieb (Zeitschrift)

DBW

Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift)

d. h.

das heißt

DIHK

Deutscher Industrie- und Handelskammertag

Diss.

Dissertation

DIW

Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung

DrittelbG

Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat

droh.

drohend(e)

DRSC

Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee e. V.

DSR

Deutscher Standardisierungsrat, zentrales Gremium des DRSC

DStR

Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis DStZ

Deutsche Steuer-Zeitung (Zeitschrift)

ED

Exposure Draft

E-DRS

Entwurfspapier(e) des DSR

EEA

European Economic Area (Europäischer Wirtschaftsraum)

EG

Europäische Gemeinschaft

EGHGB

Einführungsgesetz zum HGB

einschl.

einschließlich

Erg.

Ergänzung

erw.

erweitert

EStG

Einkommensteuergesetz

EStR

Einkommensteuerrichtlinie(n)

et al.

et alii

23

etc.

et cetera

EU

Europäische Union

EuGH

Europäischer Gerichtshof

e. V.

eingetragener Verein

EWG

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

EWGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft

f.

folgende Seite

FASB

Financial Accounting Standards Board

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

ff.

fortfolgende Seiten

Fn.

Fußnote(n)

FRS

Financial Reporting Standard(s)

FRSSE

Financial Reporting Standard for Smaller Entities

FW

Framework (Rahmenkonzept)

GbR

Gesellschaft(en) bürgerlichen Rechts

Gesell.

Gesellschaft(en)

GEX

German Intrepreneurial Index

GG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

GmbH

Gesellschaft(en) mit beschränkter Haftung

GmbH & Co. KG

Gesellschaft(en) mit beschränkter Haftung & Co. KG

24

Abkürzungsverzeichnis

GmbHG

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung

GoB

Grundsatz bzw. Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung

GrS

Großer Senat

GuV

Gewinn und Verlust

H.

Heft

Habil.

Habilitationsschrift

HFA

Hauptfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V.

HGB

Handelsgesetzbuch

h. M.

herrschende Meinung

hrsg.

herausgegeben

Hrsg.

Herausgeber

Hs.

Halbsatz

IAS

International Accounting Standard(s)

IASB

International Accounting Standards Board

IASB-FW

International Accounting Standards Board Framework

IASC

International Accounting Standards Committee

IASCF

International Accounting Standards Committee Foundation

IDW

Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V.

i. e. S.

im engeren Sinne

IfM

Institut für Mittelstandsforschung

IFRS

International Financial Reporting Standard(s)

IKB

Deutsche Industriebank AG

InsO

Insolvenzordnung

IRB

Internal-Ratings-Based

IRC

Internal Revenue Code

IRZ

Zeitschrift für Internationale Rechnungslegung

ISAR

Intergovernmental Working Group of Experts of International Standards of Accounting and Reporting

i. S. d.

im Sinne der/des

i. V. m.

in Verbindung mit

i. w. S.

im weiteren Sinne

JfB

Journal für Betriebswirtschaft (Zeitschrift)

Jg.

Jahrgang

Abkürzungsverzeichnis KfW

Kreditanstalt für Wiederaufbau

KG

Kommanditgesellschaft(en)

KGaA

Kommanditgesellschaft(en) auf Aktien

kmU

kleine und mittlere Unternehmen

KoR

Kapitalmarktorientierte Rechnungslegung (Zeitschrift)

KStG

Körperschaftsteuergesetz

KWG

Kreditwesengesetz

Lfg.

Lieferung

Mio.

Million(en)

Mitarb.

Mitarbeit

MitbestG

Mitbestimmungsgesetz

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

NJW

Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

NPAE

Non-Publicly Accountable Entities

Nr.

Nummer(n)

o.

ohne

o. Ä.

oder Ähnliches

öHGB

österreichisches HGB

OHG

Offene Handelsgesellschaft(en)

o. Jg.

ohne Jahrgang

o. V.

ohne Verfasser

p. a.

per annum

par.

paragraph

PublG

Publizitätsgesetz

rd.

rund

RGBl.

Reichsgesetzblatt

RIW

Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift)

RL

Richtlinie

RMBCA

Revised Model Business Corporation Act

Rn.

Randnummer(n)

ROHG

Reichsoberhandelsgericht

RUPA

Revised Uniform Partnership Act

S.

Seite(n)

SA

Securities Act

25

26

Abkürzungsverzeichnis

SEA

Securities Exchange Act

SEC

Securities and Exchange Commission

sec.

section (Paragraph)

SME

Small and Medium-sized Entities

Sonst.

Sonstige

Sp.

Spalte(n)

StbJb

Steuerberaterjahrbuch

StEntlG

Steuerentlastungsgesetz

StGB

Strafgesetzbuch

StuB

Steuern und Bilanzen (Zeitschrift)

StuW

Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift)

Tz.

Textziffer(n)

U.

Urteil

u. a.

unter anderem

u. Ä.

und Ähnliches

überarb.

überarbeitet

UITF

Urgent Issues Task Force

UmwG

Umwandlungsgesetz

UNCTAD

United Nations Conference on Trade and Development

Univ.

Universität

US(A)

United States (of America)

US-GAAP

United States-Generally Accepted Accounting Principles

Verf.

Verfasserin

VerkProspG

Verkaufsprospektgesetz

vgl.

vergleiche

vol.

volume

vollst.

vollständig

VVC

Verband der Vereine Creditreform

WM

Wertpapiermitteilungen

WPg

Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift)

WpHG

Gesetz über den Wertpapierhandel

WPK

Wirtschaftsprüferkammer

WpPG

Wertpapierprospektgesetz

z. B.

zum Beispiel

Abkürzungsverzeichnis

27

ZfB

Zeitschrift für Betriebswirtschaft (Zeitschrift)

ZfbF

Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (Zeitschrift)

ZGR

Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (Zeitschrift)

Ziff.

Ziffer(n)

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis (Zeitschrift)

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik (Zeitschrift)

zugl.

zugleich

A. Einleitung Einleitung

I. Ausgangssituation: Internationalisierung der Rechnungslegung in der EU Ausgangssituation: Internationalisierung der Rechnungslegung in der EU

1. Harmonisierungsbestrebungen bzw. Stand der Internationalisierung der Rechnungslegung in der EU Die zunehmende Internationalisierung hat zu weit reichenden Harmonisierungsbestrebungen und Veränderungen der Rechnungslegung sowohl auf Ebene der Europäischen Union (EU) als auch auf nationaler Ebene geführt. Die einschlägigen EG-Richtlinien1 zur Harmonisierung des Gesellschaftsrechts und der Rechnungslegung der Unternehmen2 basieren auf dem „Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft“ (EWGV) vom 25. März 1957, in dem sich die Mitgliedstaaten das Ziel gesetzt haben, einen gemeinsamen Markt zu errichten und alle Hindernisse, welche die Bewegungsfreiheit von Arbeit, Kapital, Gütern und Dienstleistungen beeinträchtigen, zu beseitigen.3 Als primäres Ziel der Harmonisierung wird deshalb im Allgemeinen die Aufhebung von Niederlassungsbeschränkungen durch Vergleichbarkeit und Gleichwertigkeit der Informationen für Gesellschafter und Dritte in allen Mit-

___________ 1 Da die Rechtsetzungskompetenz auf den Vertrag der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag) – bzw. früher den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) – zurückgeht („Erste Säule“ der EU), ist weiterhin von EGRichtlinien bzw. EG-Verordnungen zu sprechen. Ansonsten wird der Begriff der Europäischen Union (EU) verwendet. Vgl. Titel II des Vertrages über die Europäische Union vom 07.02.1992, ABl. der EG Nr. C 191 vom 29.07.1992, S. 1 und Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25.03.1957, BGBl. II 1957, S. 766 (im Folgenden: EWGV). Vgl. hierzu auch Wiedmann, T./Gebauer, M. (2005), S. 8; Schweitzer, M./Hummer, W. (1996), S. 21 f. und S. 100 ff. 2 In der vorliegenden Arbeit werden die Begriffe „Unternehmen“ und „Unternehmung“ einem verbreiteten Sprachgebrauch folgend synonym verwendet. 3 Vgl. Art. 2 und 3 EWGV. In Art. 54 Abs. 3 Buchstabe g) EWGV ist geregelt, dass die Organe der Mitgliedstaaten „soweit erforderlich die Schutzbedingungen koordinieren, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Art. 58 Abs. 2 im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten“.

30

A. Einleitung

gliedstaaten angesehen.4 Der Zustand der Vergleichbarkeit soll durch den Harmonisierungsprozess erreicht werden.5 Im Zuge dieser Harmonisierungsbestrebungen wurden zahlreiche EG-Richtlinien erlassen, wobei die Vierte6 und die Siebente7 EG-Richtlinie den Grundstein für die Angleichung der Rechnungslegung in den Mitgliedstaaten gelegt haben.8 Ziel der Vierten und Siebenten EG-Richtlinie ist somit die Harmonisierung, d. h. Rechtsangleichung der Rechnungslegungsvorschriften in der EU, um vergleichbare und materiell gleichwertige Informationen zu erhalten.9 Durch die Normierung von Mindestanforderungen an Inhalt, Prüfung und Offenlegung von Jahres-10 und Konzernabschlüssen von Kapital- und diesen gleichgestellten Gesellschaften in der EU sollen die einzelstaatlichen Normen zur externen Unternehmensberichterstattung harmonisiert werden. Dabei legen die Richtlinien lediglich das Ziel fest und verpflichten die Staaten, durch Umsetzung der Richtlinien in nationales Recht ein Ergebnis zu erreichen, das in allen EU-Ländern ___________ 4 Vgl. etwa Weber-Braun, E., in: Küting, K./Weber, C.-P. (1995), Kapitel I, Rn. 5; Wagenhofer, A. (2005), S. 26; Eierle, B. (2004-a), S. 132; Kittner, W. A. (2001), S. 38. 5 Vgl. Kittner, W. A. (2001), S. 39. 6 Vgl. Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25.07.1978 aufgrund von Artikel 54 Abs. 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. der EG Nr. L 222 vom 14.08.1978, S. 11 (im Folgenden: Vierte EG-Richtlinie). 7 Vgl. Siebente Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13.06.1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den konsolidierten Abschluß, ABl. der EG Nr. L 193 vom 18.07.1983, S. 1. 8 Während sich die Vierte EG-Richtlinie (zum Teil auch Bilanz- oder Jahresabschlussrichtlinie genannt) auf Jahresabschlüsse bezieht, betrifft die Siebente EG-Richtlinie konsolidierte Abschlüsse. 9 Rechtsangleichung bedeutet nicht zwangsweise zugleich Rechtsvereinheitlichung im Sinne einheitlicher Rechnungslegungsregeln. Vgl. Weber-Braun, E., in: Küting, K./ Weber, C.-P. (1995), Kapitel I, Rn. 5. Harmonisierung kann einzelne Rechnungslegungsvorschriften, -grundsätze sowie ganze Rechnungslegungssysteme betreffen. Wird auf der Ebene der Rechnungslegungssysteme eines der Ausgangssysteme durch ein anderes ganz oder teilweise aufgegeben, tritt der Fall der Rechtsvereinheitlichung ein. Vgl. Kittner, W. A. (2001), S. 50 ff. 10 Hinsichtlich des Begriffes „Jahresabschluss“ ist zwischen dessen Verwendung auf EU- und auf nationaler Ebene zu unterscheiden: Während die IAS-Verordnung und die Vierte EG-Richtlinie jeweils vom „Jahresabschluss“ (neben dem Konzernabschluss) sprechen, wird nach dem Bilanzrechtsreformgesetz auf nationaler Ebene der „Begriff des Jahresabschlusses (…) für den Einzelabschluss nach HGB reserviert (…).“ Entwurf BilReG, S. 46. Siehe auch § 325 Abs. 2a HGB, wonach an die Stelle eines Jahresabschlusses ein nach den IFRS aufgestellter Einzelabschluss treten kann. Im Folgenden wird Jahresabschluss i. w. S. als Oberbegriff für die Jahresabschlüsse von rechtlich selbstständigen (Einzel-)Unternehmen verstanden sowie i. e. S. als ein nach den Vorschriften des HGB aufgestellter Jahresabschluss. Demgegenüber wird ein nach IFRS aufgestellter Jahresabschluss als IFRS-Einzelabschluss bezeichnet.

I. Ausgangssituation: Internationalisierung der Rechnungslegung in der EU

31

gleichwertig sein muss.11 Um eine behutsame Umsetzung unter Berücksichtigung nationaler Besonderheiten zu ermöglichen, werden den Mitgliedstaaten teilweise Wahlrechte gewährt.12 Ursprünglich war der Anwendungsbereich der EG-Rechnungslegungsrichtlinien auf Kapitalgesellschaften eingeschränkt, was insbesondere mit Praktikabilitätsüberlegungen und den Unterschieden im Recht der übrigen Unternehmensformen begründet wurde.13 Zudem wurde bei Kapitalgesellschaften ein besonderer Handlungsbedarf gesehen, „weil die Tätigkeit der betreffenden Gesellschaften einerseits häufig über das nationale Hoheitsgebiet hinausreicht und die Gesellschaften andererseits Dritten eine Sicherheit nur durch ihr Gesellschaftsvermögen bieten.“14 Durch die so genannte GmbH & Co.-Richtlinie15 vom 8. November 1990 wurde der Anwendungsbereich der Vierten und Siebenten EG-Richtlinie auf Kapitalgesellschaften & Co. ausgedehnt:16 Dabei handelt es sich um Personengesellschaften, bei denen nicht wenigstens ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person bzw. eine andere Personengesellschaft mit einer natürlichen Person als persönlich haftendem Gesellschafter ist. Diese sind demnach dazu verpflichtet, ihren Jahresabschluss wie Kapitalgesellschaften aufzustellen, prüfen zu lassen und offen zu legen. Die Richtlinien wurden durch das Bilanzrichtliniengesetz am 19. Dezember 198517 sowie durch das Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz vom 24. Februar 200018 in deutsches Recht umgesetzt.19 ___________ 11

Vgl. Rückle, D. (1987), S. 310. So gestattet z. B. die Vierte EG-Richtlinie den Mitgliedstaaten in Art. 33, von historischen Anschaffungskosten abweichende Bewertungsprinzipien zuzulassen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Wahlrechten, die im Rahmen der Rechtsangleichung den Mitgliedstaaten bzw. den Unternehmen erhalten bleiben sollen, und solchen, die lediglich bis zu einer späteren Harmonisierung bzw. Inkrafttreten einer anderen Richtlinie eingeräumt werden. 13 Vgl. hierzu Eierle, B. (2004-a), S. 134. 14 Vierte EG-Richtlinie, Präambel. 15 Vgl. etwa Coenenberg, A. G. (2005), S. 28. 16 Vgl. Art. 1, Ziff. 1 der Richtlinie 90/605/EWG des Rates vom 08.11.1990 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG über den Jahresabschluß bzw. den konsolidierten Abschluß hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs, ABl. der EG Nr. L 317 vom 16.11.1990, S. 60. 17 Vgl. Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 19.12.1985, BGBl. I, S. 2355 (im Folgenden: Bilanzrichtliniengesetz (BiRiLiG)). 18 Gesetz zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Europäischen Union zur Änderung der Bilanz- und der Konzernbilanzrichtlinie hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs (90/605/EWG), zur Verbesserung der Offenlegung von Jahresabschlüssen und zur Änderung anderer handelsrechtlicher Bestimmungen vom 24.02.2000, BGBl. I, S. 154 (im Folgenden: Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz). 12

32

A. Einleitung

International lässt sich seit einiger Zeit eine klare Hinwendung zu angloamerikanisch beeinflussten Rechnungslegungssystemen – neben den US-GAAP insbesondere den IFRS20 – feststellen. Um möglichen Nachteilen für die europäische Wirtschaft zu entgehen, wenn diese nur bei einer zusätzlichen Rechnungslegung nach US-GAAP Zugang zu dem von der Securities and Exchange Commission (SEC) beaufsichtigten US-amerikanischen Kapitalmarkt hat, ist von der EU eine neue Strategie zur Harmonisierung der Rechnungslegung umgesetzt worden: Diese stellt – in der Hoffnung einer gegenseitigen Anerkennung der IFRS und der US-GAAP21 – auf eine Anpassung der Rechnungslegung in der EU an die IFRS ab: Gemäß der EG-Verordnung „betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards“ vom 19. Juli 2002 (kurz: IAS-Verordnung)22 sind kapitalmarktorientierte23 Unternehmen in der EU verpflichtet, ihre Konzernabschlüsse für Geschäftsjahre seit dem 1. Januar 2005 nach den IFRS aufzustellen. Darüber hinaus erlaubt die IAS-Verordnung den Mitgliedstaaten, die Anwendung der IFRS auch auf die Jahresabschlüsse kapitalmarktorientierter Unternehmen sowie die Jahres- und Konzernab___________ 19

Vgl. beispielsweise Coenenberg, A. G. (2003), S. 26. Die Standards wurden zunächst unter der Bezeichnung International Accounting Standards (IAS) erlassen. Die neueren Rechnungslegungsstandards werden mit dem Begriff International Financial Reporting Standards (IFRS) benannt. Im Folgenden wird die Gesamtheit des Regelwerkes als IFRS bezeichnet und IAS ausschließlich den weiterhin so benannten Standards vorbehalten. Zugrunde gelegt werden die IFRS in der für 2006 geltenden Fassung, in der sie von der EU durch Verordnungen bis einschließlich der Verordnung (EG) Nr. 108/2006 der Kommission vom 11.01.2006 übernommen worden sind.Dabei werden die von der EU autorisierten deutschen Übersetzungen angewendet. Die IFRS werden vom International Accounting Standards Board (IASB), einem privaten Zusammenschluss von nationalen Berufsverbänden der Wirtschaftsprüfer, erlassen. 21 Siehe auch FASB and IASB (2002), S. 1 ff. 22 Vgl. Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.07.2002, S. 1 ff. 23 Genauer: Unternehmen, deren Wertpapiere am jeweiligen Bilanzstichtag „in einem beliebigen Mitgliedstaat zum Handel in einem geregelten Markt im Sinne des Art. 1 Absatz 13 der Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10.05.1993 über Wertpapierdienstleistungen (…) zugelassen sind“, Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.07.2002, Art. 4, S. 3. Die Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10.05.1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABl. der EG Nr. L 141 vom 11.06.1993, S. 27 wurde inzwischen ersetzt durch die Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.04.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. der EU L 145 vom 30.04.2004, S. 1 (im Folgenden: Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.04.2004). 20

I. Ausgangssituation: Internationalisierung der Rechnungslegung in der EU

33

schlüsse nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen auszudehnen (siehe Tabelle 1).24 Tabelle 1 Mitgliedstaatenwahlrechte bezüglich einer Anwendung der IFRS nach der IAS-Verordnung Anwendung der IFRS

Konzernabschluss

Jahresabschluss

kapitalmarktorientierte25 Unternehmen

(1) IFRS als Pflicht

(3) Mitgliedstaatenwahlrecht:

(vgl. Art. 4)

Verbot, Wahlrecht oder Pflicht der IFRS? (vgl. Art. 5, Altern. a)) nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen

(2) Mitgliedstaatenwahlrecht:

(4) Mitgliedstaatenwahlrecht:

Verbot, Wahlrecht oder Pflicht der IFRS?

Verbot, Wahlrecht oder Pflicht der IFRS?

(vgl. Art. 5, Altern. b))

(vgl. Art. 5, Altern. b))

Quelle: in Anlehnung an Winkeljohann, N. (2004), S. 20.

Dabei sollten nach der Rechnungslegungsstrategie der EU „die Mitgliedstaaten soweit wie möglich die Anwendung der IAS bei der Aufstellung von Einzelabschlüssen fördern bzw. sogar so weit gehen, sie vorzuschreiben.“26 Nach der Vision der EU-Kommission bedarf es „einer zunehmenden Konvergenz der derzeitig international angewandten Rechnungslegungsstandards, mit dem Ziel, letztlich zu einem einheitlichen Regelwerk weltweiter Rechnungslegungsstandards zu gelangen.“27 Auch für den Jahresabschluss befürwortet die EU also nachdrücklich die Anwendung der IFRS für alle Unternehmen.28 ___________ 24 Vgl. Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.07.2002, Art. 5, S. 3. 25 Gemeint ist „kapitalmarktorientiert“ i. S. d. IAS-Verordnung. 26 Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament KOM (2000) 359 endgültig vom 13.06.2000, Tz. 17. 27 Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.07.2002, Begründung, Abs. 2, Satz 3. 28 Eine Analyse der Europäischen Kommission im Januar 2005 zur Ausübung der Wahlmöglichkeiten in den einzelnen EU-Mitgliedsländern sowie den drei Mitgliedsländern der European Economic Area (EEA) hat zu folgenden Ergebnissen geführt: • Hinsichtlich des Konzernabschlusses (nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen) haben nach dieser Umfrage 24 der Mitgliedsländer beabsichtigt, ein Wahlrecht und

34

A. Einleitung

Im Rahmen ihrer neuen Strategie zur Harmonisierung der Rechnungslegung hat die EU mehrere Richtlinien zur Anpassung der EG-Rechnungslegungsrichtlinien an die IFRS erlassen, damit die Rechnungslegungsrichtlinien weiterhin die Grundlage der Rechnungslegung für alle haftungsbeschränkten Gesellschaften bilden können: Der erste Schritt zur Anpassung der Rechnungslegungsrichtlinien in Richtung IFRS erfolgte durch die so genannte Fair-Value-Richtlinie vom 27. September 2001,29 durch welche die Vierte EG-Richtlinie um die Möglichkeit einer Bewertung von Finanzinstrumenten zum beizulegenden Zeitwert (fair value) erweitert wurde. Danach besteht ein Staatenwahlrecht, eine solche Bewertung von Finanzinstrumenten allen oder bestimmten Unternehmen vorzuschreiben ___________ damit keine Verpflichtung zur Erstellung des Konzernabschlusses nach IFRS einzuführen. Dabei sollen in Italien „kleine“ Unternehmen von einem solchen Wahlrecht ausgenommen sein (konkrete Größenkriterien wurden nicht genannt). Zwei Staaten (Slowakei und Malta) haben vorgesehen, eine Anwendung der IFRS im Konzernabschluss für alle Unternehmen vorzuschreiben, zwei Länder (Lettland und Litauen) haben angegeben, dass sie beabsichtigen, eine solche Anwendung – mit Ausnahme für Banken – zu verbieten. • Bezüglich der Anwendung der IFRS im Jahresabschluss hat Malta als einziger Staat angegeben, dass eine verpflichtende Anwendung der IFRS im Jahresabschluss für alle Unternehmen vorgesehen ist; zwei Länder haben sich als unentschieden geäußert; zwei weitere Länder wollen die Anwendung der IFRS (derzeit) jeweils ausschließlich für Informationszwecke zulassen (Deutschland und Ungarn). Ansonsten differieren die Antworten teilweise nach börsennotierten und nicht börsennotierten Unternehmen. Bei börsennotierten Unternehmen soll neben Malta in acht weiteren Ländern eine Pflicht zur Anwendung der IFRS im Jahresabschluss gelten, neun Länder sehen ein generelles Wahlrecht vor, sechs Länder ein Verbot. Bezüglich der Jahresabschlüsse nicht börsennotierter Unternehmen soll in sieben Ländern ein generelles Verbot, in 16 Ländern ein Wahlrecht für die Anwendung der IFRS gelten; dabei nimmt Italien hiervon „kleine“ Unternehmen aus; Finnland und Griechenland gestatten ein Wahlrecht ausschließlich für geprüfte Unternehmen, Portugal und Polen schließlich lediglich für Unternehmen, deren Mutterunternehmen einen konsolidierten Abschluss nach IFRS erstellt. Vgl. Europäische Kommission (2005), S. 1 ff. Ferner weist Haller darauf hin, dass darüber hinaus in zahlreichen Ländern Südosteuropas (wie z. B. Serbien, Kroatien, Bulgarien etc.) auf Drängen der Weltbank bereits heute für sämtliche Unternehmen die Pflicht besteht, sowohl ihren Jahres- als auch ihren Konzernabschluss nach den IFRS aufzustellen. Vgl. Haller, A./Eierle, B. (2004), S. 1838. 29 Vgl. Richtlinie 2001/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.09.2001 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG und 86/635/EWG des Rates im Hinblick auf die im Jahresabschluss bzw. im konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen und von Banken und anderen Finanzinstituten zulässigen Wertansätze, ABl. der EG Nr. L 283 vom 27.10.2001 (im Folgenden: Richtlinie 2001/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.09.2001), S. 29, neu eingefügter Art. 42a.

I. Ausgangssituation: Internationalisierung der Rechnungslegung in der EU

35

oder zu gestatten.30 Durch die Modernisierungsrichtlinie vom 18. Juni 200331 sind sodann in einem zweiten Schritt bestehende Konflikte bzw. Unstimmigkeiten zwischen den Rechnungslegungsrichtlinien und den IFRS zum Stand 1. Mai 2002 ausgeräumt worden; so sind insbesondere folgende Änderungen vorgenommen worden:32 • Die EU-Mitgliedstaaten können den Jahresabschluss um weitere Bestandteile wie Kapitalflussrechnung, Eigenkapitalspiegel oder Segmentberichterstattung wahlweise oder verpflichtend erweitern. • Ferner können die Mitgliedstaaten den Unternehmen eine Ausrichtung der Gliederungen von Bilanz und GuV-Rechnung am wirtschaftlichen Gehalt des zugrunde liegenden Geschäftsvorfalles gestatten oder vorschreiben. • Rückstellungen werden entsprechend dem Rückstellungsbegriff nach IFRS33 nicht mehr als „genau umschriebene Verluste oder Verbindlichkeiten“ definiert, sondern als „genau umschriebene(n) Verbindlichkeiten“. • Die Möglichkeit einer Bewertung mit dem beizulegenden Zeitwert (fair value) ist nach dem Vorbild der IFRS auf das restliche Anlagevermögen ausgedehnt worden. Die Mitgliedstaaten können allen Unternehmen oder einzelnen Gruppen von Unternehmen eine solche Bewertung gestatten oder vorschreiben. Ziel der Modernisierungsrichtlinie ist u. a. die „Öffnung der nach den IAS bestehenden Rechnungslegungsoptionen für die EU-Unternehmen, für welche die Rechnungslegungsrichtlinien weiterhin Rechtsgrundlage der Rechnungslegung sind“34. Durch dieses Ziel sollen gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden zwischen Unternehmen, die aufgrund der IAS-Verordnung zur Rechnungslegung nach IFRS verpflichtet sind, und solchen Unternehmen, für welche die Rechnungslegungsrichtlinien weiterhin die Rechtsgrundlage der ___________ 30 Vgl. Richtlinie 2001/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.09.2001, Art. 42a-42d. 31 Vgl. Richtlinie 2003/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.06.2003 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG, 86/635/EWG und 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, von Banken und anderen Finanzinstituten sowie von Versicherungsunternehmen, ABl. der EU Nr. L 178 vom 17.07.2003, S. 16 ff. (im Folgenden: Richtlinie 2003/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.06.2003). 32 Vgl. im Folgenden Richtlinie 2003/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.06.2003, Art. 1, insbesondere Tz. 1, 27, 10. Hinsichtlich einer Übersicht über die Änderungen der Rechnungslegungsrichtlinien siehe auch Böcking, H.-J. (2004), S. 111 ff. 33 Vgl. IAS 37. 34 Mitteilung der Kommission KOM (2002) 259 endgültig vom 09.07.2002, S. 4.

36

A. Einleitung

Rechnungslegung bilden.35 Ziel der Modernisierungsrichtlinie ist ferner die „Modernisierung der grundlegenden Struktur der Rechnungslegungs-Richtlinien, um einen Rechnungslegungsrahmen zu schaffen, der sowohl der modernen Praxis entspricht, als auch flexibel genug ist, um künftigen Entwicklungen der IAS Rechnung zu tragen.“36 Die Modernisierungsrichtlinie soll mit ihren zahlreichen Mitgliedstaatenwahlrechten eine flexible Transformation des jeweiligen nationalen Handelsrechts hin zu den IFRS ermöglichen.37 Über das Endorsement-Verfahren hat die EU fast alle IAS/IFRS in den Status europäischer Rechtsnormen gehoben.38 Bei einer Betrachtung der Harmonisierungsbestrebungen bzw. des Internationalisierungsstandes in der EU ist schließlich zu berücksichtigen, dass die IFRS in ein internationales Konvergenzprogramm eingebettet sind: Um den Konzernen gegebenenfalls eine zweigleisige Rechnungslegung nach US-GAAP und nach IFRS zu ersparen, wird auf eine künftige Konvergenz von IFRS und USGAAP hingearbeitet. Entsprechend hat das IASB gemeinsam mit dem FASB ein Projekt zur Konvergenz von IFRS und US-GAAP aufgenommen.39 So soll ein Set von globalen Standards erstellt werden, welches auf den Stärken der beiden Regelwerke US-GAAP und IFRS beruhen soll. Eine Anerkennung der IFRS durch die SEC ist bislang noch nicht erfolgt. Bei einem solchen Konvergenzprojekt gilt es zu bedenken, dass die US-GAAP private Rechnungslegungsstandards sind, welche im Auftrag der US-amerikanischen Börsenaufsichtsbehörde SEC entworfen werden.40 Da Voraussetzung für die Verbindlichkeit eines Standards dessen Akzeptanz durch die SEC ist, stellt die SEC gleichsam die oberste Instanz im Prozess der Regulierung dar. Deren Zielsetzungen sind aber auf die Interessen zumeist anonymer Kapitalmarktteilnehmer an der Börse ausgerichtet, nicht auf die Bedürfnisse der Rechnungslegungsadressa-

___________ 35

Vgl. Böcking, H.-J. (2004), S. 107. Mitteilung der Kommission KOM (2002) 259 endgültig vom 09.07.2002, S. 4. 37 Vgl. Mitteilung der Kommission KOM (2002) 259 endgültig vom 09.07.2002, S. 24. 38 Zur Übernahme der IAS/IFRS in europäisches Recht siehe die Verordnungen (EG) Nr. 1606/2002, 1725/2003, 707/2004, 2086/2004, 2236/2004, 2237/2004, 2238/2004, 211/2005, 1073/2005, 1751/2005, 1864/2005, 1910/2005, 2106/2005 und 108/2006 der Kommission. Hinsichtlich der Übernahme der IAS/IFRS des IASB durch die EU sowie diesbezügliche Ausnahmen siehe auch Bohl, W., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 1 Rn. 19. 39 Vgl. FASB and IASB (2002), S. 1 f. 40 Vgl. Coenenberg, A. G. (2003), S. 61. 36

I. Ausgangssituation: Internationalisierung der Rechnungslegung in der EU

37

ten41 nicht am Kapitalmarkt orientierter, überwiegend mittelständischer42 Unternehmen.43 Im Rahmen seines Mitgliedstaatenwahlrechts zur Umsetzung der IASVerordnung hat der deutsche Gesetzgeber in seinem im Dezember 2004 beschlossenen Bilanzrechtsreformgesetz44 zunächst das Kriterium der Kapitalmarktorientierung gegenüber der IAS-Verordnung ausgedehnt: Als kapitalmarktorientiert i. S. d. HGB sind demnach auch Mutterunternehmen anzusehen, die lediglich die Zulassung als Wertpapieremittent an einem organisierten Kapitalmarkt beantragt haben (vgl. § 315a Abs. 2 HGB).45 Da es neben dem organisierten bzw. geregelten46 Kapitalmarkt auch einen nicht in diesem Sinne geregelten Kapitalmarkt gibt, wird im Folgenden bei einer Ausrichtung auf den geregelten Kapitalmarkt auch von Kapitalmarktorientierung i. e. S. gesprochen.47 Neben der Pflicht i. e. S. kapitalmarktorientierter Unternehmen zur Erstellung eines Konzernabschlusses nach IFRS hat er ein Wahlrecht zur Erstellung eines befreienden IFRS-Konzernabschlusses für alle nicht i. e. S. kapitalmarktorientierten Unternehmen eingeführt.48 Bezüglich des Jahresabschlusses können große Kapitalgesellschaften i. S. d. § 267 Abs. 3 HGB sowie diesen gleichgestellte Personenhandelsgesellschaften ___________ 41

Es ist zu unterscheiden zwischen Rechnungslegungsinteressenten und -adressaten. Nicht jeder Rechenschaftsinteressent ist zugleich auch Rechenschaftsadressat; Rechenschaftsadressat sind vielmehr lediglich die Interessenten, die auch einen rechtlichen (gesetzlichen oder vertraglichen) Anspruch auf Information bzw. Zahlungsansprüche haben. Für die Konkretisierung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke sind ausschließlich die Rechnungslegungsadressaten relevant. Siehe hierzu ausführlich Abschnitt D.I.2.a) der vorliegenden Arbeit. 42 Unter mittelständischen Unternehmen werden überwiegend eigentümergeführte Unternehmen von geringerer Unternehmensgröße verstanden. Eine detaillierte Definition des Begriffes sowie eine Darlegung der praktischen Bedeutung mittelständischer Unternehmen wird in Abschnitt B.I. vorgenommen. 43 Hinsichtlich der Frage, ob eine solche Konvergenz tatsächlich gleichgewichtig im Sinne einer entsprechenden Veränderung beider ursprünglichen Rechenwerke in Richtung des „besseren“ Standards sein wird, bestehen unterschiedliche Auffassungen. Siehe hierzu Wagenhofer, A. (2005), S. 46; Ballwieser, W. (2002), S. 296 f.; Schildbach, T. (2005), S. 53. 44 Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz – BilReG) vom 04.12.2004, BGBl. I, S. 3166 (im Folgenden: Bilanzrechtsreformgesetz). 45 Aus diesem Grund wird im Folgenden von Ausrichtung auf den Kapitalmarkt gesprochen. 46 Diese beiden Begriffe sind synonym zu verwenden, siehe hierzu Abschnitt B.I. der vorliegenden Arbeit. 47 Hierauf wird in Abschnitt B.I. der vorliegenden Arbeit noch näher eingegangen. 48 Vgl. § 315a Abs. 3 HGB und Entwurf BilReG, Begründung, Abschnitt A.II, Tz. 3 a).

38

A. Einleitung

gemäß § 325 Abs. 2a i. V. m. Abs. 2b HGB für Informationszwecke anstelle des Jahresabschlusses nach HGB einen IFRS-Einzelabschluss zur Veröffentlichung im Bundesanzeiger einreichen (vgl. Tabelle 2).49 Tabelle 2 Anwendungsbereiche der IFRS in Deutschland nach dem Bilanzrechtsreformgesetz Anwendung der IFRS 50

kapitalmarktorientierte Unternehmen

nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen

Konzernabschluss

Jahresabschluss

(1) IFRS als Pflicht

(3) IFRS-Wahlrecht für Offenlegungszwecke

(vgl. § 315a Abs. 1 und Abs. 2 HGB)

(2) IFRS-Wahlrecht (vgl. § 315a Abs. 3 HGB)

(vgl. § 325 Abs. 2a i. V. m. Abs. 2b und § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB) (4) IFRS-Wahlrecht für Offenlegungszwecke für große Kapitalgesellschaften (vgl. § 325 Abs. 2a i. V. m. Abs. 2b und § 267 Abs. 3 Satz 1 HGB)

Quelle: in Anlehnung an Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S. (2005), S. 62.

Eine Kapitalgesellschaft, die einen organisierten Markt im Sinne des § 2 Abs. 5 WpHG durch von ihr ausgegebene Wertpapiere im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG in Anspruch nimmt oder die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt beantragt hat, gilt gemäß § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB stets als große. Mit der Möglichkeit, für die Bundesanzeigerpublizität einen nach IFRS anstelle nach HGB erstellten Jahresabschluss einzureichen, hat der Gesetzgeber dem Wunsch vieler Unternehmen Rechnung getragen, im Hinblick auf eine Kongruenz von Jahres- und Konzernabschluss in der Außendarstellung flexibel zu sein.51 Die börsenrechtlichen Bestimmungen der Frankfurter Wertpapierbör___________ 49 Kleine und mittelgroße Unternehmen i. S. d. § 267 HGB können ebenfalls neben ihrem handelsrechtlichen Jahresabschluss, dessen Aufstellungs-, Prüfungs- und Offenlegungspflichten unberührt bleiben, einen freiwilligen IFRS-Einzelabschluss für Informationszwecke erstellen. Anders als bei großen Kapital- und diesen gleichgestellten Gesellschaften, welche einer Bundesanzeigerpublizität mit anschließender Registerpublizität unterliegen (vgl. § 325 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 HGB), gilt für kleine und mittlere Gesellschaften lediglich eine Registerpublizität. Die Erleichterungen bezüglich der begrenzt befreienden Offenlegungswirkung des IFRS-Einzelabschlusses beziehen sich entsprechend lediglich auf große Gesellschaften. Vgl. IDW (2006), F Rn. 8 ff. 50 Gemeint ist „kapitalmarktorientiert“ i. S. d. § 315a HGB. 51 Vgl. Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft (2004), S. 546.

I. Ausgangssituation: Internationalisierung der Rechnungslegung in der EU

39

se als dem größten deutschen Wertpapierhandel verlangen auch von nicht konsolidierungspflichtigen Unternehmen bereits jetzt, ihre Jahresabschlüsse in Übereinstimmung mit internationalen Rechnungslegungsstandards zu erstellen, soweit diese eine Notierung in einem Segment des geregelten Kapitalmarktes anstreben.52 Die Zulassung eines IFRS-Einzelabschlusses ist ausschließlich beschränkt auf dessen informatorische Zwecksetzung möglich. Er kann den Jahresabschluss nach HGB nicht ersetzen. Formale Voraussetzung der „begrenzt befreienden Offenlegungswirkung des IFRS-Einzelabschlusses“53 ist u. a. die Offenlegung des HGB-Jahresabschlusses und des dazugehörigen Bestätigungs- oder Versagungsvermerkes durch Einreichung zum Handelsregister sowie die Bekanntmachung eines Hinweises auf diese im Bundesanzeiger (vgl. § 325 Abs. 2b Nr. 3 HGB). Der Gesetzgeber hat demnach Kapitalerhaltung und Ausschüttungsbemessung als zentrale Informationsbedürfnisse der Gesellschafter betrachtet.54 Für Zwecke der gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltung bzw. der Anspruchsbemessung sowie als Grundlage für die steuerliche Gewinnermittlung ist weiterhin ein verpflichtender Jahresabschluss nach HGB aufzustellen sowie gegebenenfalls zu prüfen.55 Alternativen zu dieser Regelung würden gemäß der Gesetzesbegründung voraussetzen, „dass die Aufgaben des HGB-Abschlusses in den Bereichen des Gesellschafts- und des Steuerrechts von anderen Rechenwerken übernommen werden (…).“56 Dabei wird bezüglich des Gesellschaftsrechts auf Überlegungen hingewiesen, die Ausschüttung an einen so genannten (In-)Solvenztest zu knüpfen.57 Da eine ausgereifte Methodik für einen solchen Test aber noch ausstehe, erscheine eine Aufgabe des Prinzips der Kapitalerhaltung „zum jetzigen Zeitpunkt“58 nicht verantwortbar. Auch bezüglich einer Abkopplung der Steuer- von der Handelsbilanz wird darauf hingewiesen, dass ein solcher abrupter ___________ 52

Vgl. Deutsche Börse AG (2006-e). Ellrott, H./Aicher, H.-P., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 325 E (S. 2147). Die begrenzt befreiende Offenlegungswirkung eines IFRS-Einzelabschlusses bedeutet, dass kein Jahresabschluss nach HGB im Bundesanzeiger offen gelegt werden muss. 54 Vgl. Ellrott, H./Aicher, H.-P., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 325 Rn. 71. 55 Vgl. Entwurf BilReG, Begründung, Abschnitt A.II, Tz. 3 b); Hüttemann, R. (2004), S. 205. 56 Entwurf BilReG, Begründung, Abschnitt A.II, Tz. 3 b). 57 Hierauf wird im Rahmen der Anspruchbemessungszwecke näher eingegangen (siehe v. a. Abschnitt E.V. der vorliegenden Arbeit). 58 Entwurf BilReG, Begründung, Abschnitt A.II, Tz. 3 b) (S. 24). 53

40

A. Einleitung

Systemwandel „derzeit“59 nicht geboten sei. Hinsichtlich der Informationszwecke des Jahresabschlusses wird angemerkt, dass ein IFRS-Einzelabschluss diese „anerkanntermaßen besonders gut erfüllt“60. Die Begründung lässt somit die mittelfristige Entwicklung – sofern Lösungen für die gesellschafts- und steuerrechtlichen Aufgabenbereiche gefunden werden – offen. Diesbezüglich ist anzumerken, dass auf europäischer Ebene bereits der Entwurf eines (In-)Solvenztests entwickelt wurde, um die Bemessung eines maximal ausschüttbaren Betrages vom Jahresabschlussrecht abzulösen.61 Auf nationaler Ebene wurde vom BMF ein Gutachten in Auftrag gegeben, in welchem die „Anwendung internationaler Rechnungslegungsgrundsätze und ihre Auswirkungen auf die steuerliche Gewinnermittlung“62 untersucht worden sind. In Wissenschaft und Praxis wird zum Teil gefordert, dass die IFRS generell auch für die Jahresabschlüsse63 oder zumindest für die Jahresabschlüsse der Unternehmen gelten sollten, die in den Anwendungsbereich der Vierten EGRichtlinie fallen.64 Entsprechende Vorschläge zu einer stufenweisen Anpassung der bisherigen Rechnungslegungspraxis werden diskutiert.65 Zum Teil wird auch für eine optionale Anwendung der IFRS im Jahresabschluss plädiert.66 Ferner wird unter Hinweis auf die Eigenkapitalvereinbarung des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht (Basel II) teilweise die These eines mehr oder minder starken Zwangs zur Internationalisierung der Rechnungslegung vertreten.67 Die durch die Globalisierung der Wirtschaftstätigkeit getriebenen fort___________ 59

Entwurf BilReG, Begründung, Abschnitt A.II, Tz. 3 b) (S. 24). Entwurf BilReG, Begründung, Abschnitt A.II, Tz. 3 b). 61 Siehe Abschnitt E.V. der vorliegenden Arbeit. 62 Herzig, N. (2004), Vorwort, S. 1. 63 Vgl. Niehues, M. (2001), S. 1220 f.; Böcking, H.-J. (2002), S. 928; Böcking, H.-J. (2001), S. 1438 ff.; Böcking, H.-J. (2005), S. 22, ebenfalls mit einem Plädoyer für eine Anwendung der IFRS auch im „Mittelstand“; Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (2003), S. 1585 ff., wobei danach jedoch bestimmte Unternehmen ohne eine wirtschaftliche Bedeutung, welche durch die Unternehmensgröße repräsentiert werde, von einer Verpflichtung zu einer Rechnungslegung nach IFRS befreit werden sollen. 64 Vgl. IDW (2002), S. 985; Naumann, K.-P./Tielmann, S. (2001), S. 1451; eine verpflichtende Übernahme der IFRS für die Jahresabschlüsse von Kapitalgesellschaften fordert Busse von Colbe, W. (2002), S. 169 ff. Zu einem Überblick über das Meinungsspektrum siehe etwa Haller, A. (2003), S. 417; Kahle, H. (2003), S. 263 f. 65 Vgl. Niehus, R. J. (2001), S. 742 ff.; IDW (2002), S. 986 ff. 66 So etwa Busse von Colbe, W. (2002), S. 169 ff.; Lüdenbach, N./Hoffmann, W.-D. (2004-a), S. 597. 67 Vgl. Baums, T. (2001), Tz. 268; zur Diskussion siehe etwa Küting, K./Ranker, D./Wohlgemuth, F. (2004), S. 93 ff., welche dazu kritisch Stellung nehmen. 60

I. Ausgangssituation: Internationalisierung der Rechnungslegung in der EU

41

schreitenden Internationalisierungsentwicklungen, die zunehmende Verbreitung der IFRS68 ebenso wie die im Folgenden skizzierten umfangreichen Reformvorschläge zur Zukunft der deutschen Rechnungslegung zeigen, dass die Diskussionen bezüglich der Internationalisierung bzw. Harmonisierung der Rechnungslegung auf Ebene des Jahresabschlusses sowie bezüglich der Zukunft der Maßgeblichkeit69 noch längst nicht zu Ende sind. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sollen somit Empfehlungen an den deutschen Gesetzgeber erarbeitet werden, wie vor dem Hintergrund der Internationalisierung der Rechnungslegung die künftige Regulierung und Fortentwicklung im Jahresabschluss sowie in der Steuerbilanz nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteter Unternehmen aussehen soll. Dabei wird der Fokus v. a. auf mittelständische Unternehmen gerichtet, welche den ganz überwiegenden Teil der nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteten Unternehmen ausmachen.70 Um den Diskussionsstand aufzuzeigen und anschließend das Untersuchungsziel der vorliegenden Arbeit näher zu konkretisieren, werden im Folgenden die verschiedenen Möglichkeiten des deutschen Gesetzgebers zur Umsetzung der Internationalisierung der Rechnungslegung im Jahresabschluss, welche in der Literatur und Praxis diskutiert werden, kurz dargestellt.

2. Möglichkeiten des deutschen Gesetzgebers zur Umsetzung der Internationalisierung der Rechnungslegung im Jahresabschluss Wie in Tabelle 1 dargestellt, gewährt die IAS-Verordnung dem nationalen Gesetzgeber im Rahmen der Mitgliedstaatenwahlrechte die Möglichkeit, die Anwendung der IFRS für die Jahresabschlüsse i. e. S. kapitalmarktorientierter sowie nicht i. e. S. kapitalmarktorientierter Unternehmen als Pflicht oder als Wahlrecht einzuführen oder zu verbieten. Angesichts der teils optionalen, teils verpflichtenden Anwendung der IFRS im Konzernabschluss stellt sich die Frage, in welcher Weise die Internationalisierung der Rechnungslegung71 im Jahresabschluss umzusetzen ist.

___________ 68

Für Deutschland siehe etwa BDI/Ernst & Young (2005), S. 22. Zum Maßgeblichkeitsprinzip, d. h. der Verknüpfung von Handels- und Steuerbilanz siehe Abschnitt F.I. der vorliegenden Arbeit. 70 Siehe hierzu Abschnitt B.I. der vorliegenden Arbeit. 71 Dabei wird der Begriff der Internationalisierung aufgrund der Entscheidung der EU für die IFRS im Folgenden lediglich auf die IFRS bezogen, sofern nichts Anderes gesagt wird. 69

42

A. Einleitung

Dabei ist zum einen entscheidend, welcher Stellenwert einer Einheit bzw. Konvergenz des Bilanzrechts beigemessen wird und ob wesentliche Unterschiede hinsichtlich der Interessen der Rechnungslegungsadressaten unterschiedlicher Unternehmen bestehen. Angesichts der Pflicht von auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteten Unternehmen, im konsolidierten Abschluss nach IFRS Rechnung zu legen, wäre eine Einheit des Rechnungslegungsrechts nur noch auf Basis der IFRS möglich. Zum anderen ist angesichts der de lege lata gegebenen Anbindung des Gesellschafts-, Insolvenz- und Steuerrechts an die handelsrechtliche Rechnungslegung maßgeblich, welche Funktionen der Jahresabschluss auch weiterhin erfüllen soll. Im Folgenden werden die wesentlichen, von Seiten der Literatur und Praxis diskutierten Vorschläge zur Umsetzung der Internationalisierung der Rechnungslegung im Jahresabschluss kurz dargestellt, um den Forschungsstand darzustellen und entsprechenden Forschungsbedarf aufzuzeigen. Von einem Teil der Fachgremien sowie der Literatur wird eine Beschränkung der Reform des deutschen Rechnungslegungsrechts auf den Konzernabschluss abgelehnt und eine Anpassung auch des Jahresabschlusses an die IFRS gefordert: So haben sich der Arbeitskreis „Externe Unternehmensrechnung“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V., das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (IDW) sowie der Deutsche Standardisierungsrat (DSR) für die grundsätzliche Anwendung der IFRS auch im Jahresabschluss ausgesprochen, wobei sich die Vorschläge hinsichtlich der konkreten Umsetzung – insbesondere hinsichtlich der Unternehmen, die davon betroffen sein sollen – unterscheiden.72 Entsprechende Vorschläge, den Jahresabschluss in die Internationalisierung einzubeziehen, werden v. a. in Verbindung mit der Prämisse bzw. Forderung gemacht, dass eine Anwendung der IFRS im Konzernabschluss verpflichtend ist.73 Es wird argumentiert, bei einer unterschiedlichen Rechnungslegung im Jahres- und Konzernabschluss könne der Konzernabschluss seinen Zweck, die Mängel der Jahresabschlüsse konzernverbundener Unternehmen zu kompensieren, nicht mehr erfüllen. Vielmehr sollten beide Abschlüsse möglichst einheitlichem Rechnungslegungsrecht folgen, um die erforderliche Verflechtung zu gewährleisten. Ein weiterer Nachteil bei einer Abkopplung von Jahres- und Konzernabschluss wird v. a. auch darin gesehen, dass die dadurch bedingte Ermittlung unterschiedlicher Bilanz- und Ergebnisgrößen für die Handelsbilan___________ 72 Vgl. Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (2003), S. 1585 ff.; IDW (2002), S. 985 f.; DRSC (2002-a), S. 3. 73 Siehe hierzu die im Folgenden dargestellten Vorschläge.

I. Ausgangssituation: Internationalisierung der Rechnungslegung in der EU

43

zen I und II74 bei den Jahresabschlussadressaten zu Verwirrung führen könnte.75 Der Arbeitskreis „Externe Unternehmensrechnung“ der SchmalenbachGesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. plädiert dafür, für alle konzernrechnungslegungspflichtigen Mutterunternehmen die Anwendung der IFRS im Konzernabschluss zwingend vorzuschreiben. Ferner spricht er sich für eine unmittelbare Anwendung der IFRS auch im Jahresabschluss aus. Von der Pflicht zur Aufstellung eines IFRS-Einzelabschlusses ausgenommen werden sollen allerdings Unternehmen ohne wirtschaftliche Bedeutung, gemessen an den aus § 267 HGB bekannten Größenkriterien der Bilanzsumme, Umsatzerlöse und Arbeitnehmerzahl. Die Abgrenzung der von einem IFRS-Einzelabschluss zu befreienden Unternehmen soll also rechtsformunabhängig sein. Ferner sollen Unternehmen, die als Tochterunternehmen in einen konsolidierten IFRS-Abschluss einbezogen werden, grundsätzlich von der Veröffentlichung eines IFRS-Einzelabschlusses befreit werden.76 Das IDW spricht sich hinsichtlich des Konzernabschlusses ebenfalls dafür aus, dass grundsätzlich alle Mutterunternehmen zur Aufstellung von Konzernabschlüssen nach IFRS verpflichtet sein sollten.77 Hinsichtlich des Jahresabschlusses fordert das IDW, „dass langfristig alle in den Anwendungsbereich der 4. EU-Richtlinie fallenden Unternehmen verpflichtet werden sollten, auch ihre Einzelabschlüsse unter Beachtung der IAS aufzustellen.“78 Dies soll v. a. für die Jahresabschlüsse börsennotierter79 Unternehmen gelten, die keinen Konzernabschluss aufstellen. Die Jahresabschlüsse der übrigen Unternehmen sollen lediglich bei einzelnen Berichtsinstrumenten – wie der Kapitalflussrechnung, der Segmentberichterstattung sowie den Angabepflichten – Erleichterungen gegenüber den IFRS aufweisen, nicht jedoch für die Ansatz- und Bewertungsvorschriften. Nach den Vorschlägen des IDW soll somit langfristig eine verpflichtende Anwendung der IFRS im Jahresabschluss für alle Kapital- und diesen gleichgestellte Gesellschaften eingeführt werden. Um das gesellschaftsrechtliche Schutzsystem nicht zu beeinträchtigen sowie um steuerliche Konsequenzen ___________ 74 Als Handelsbilanz I werden die ursprünglichen Jahresabschlüsse der in den Konzernabschluss einzubeziehenden Unternehmen und als Handelsbilanz II die an konzerneinheitliche Rechnungslegungsgrundsätze angepassten Abschlüsse bezeichnet. Vgl. Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S. (2004), S. 9. 75 Vgl. Grund, M. (2005), S. 323 ff. 76 Vgl. Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (2003), S. 1585 ff. 77 Vgl. IDW (2002), S. 984. 78 IDW (2002), S. 985. 79 Börsennotierte Gesellschaften sind solche, deren Aktien zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. Vgl. § 21 Abs. 2 WpHG.

44

A. Einleitung

zu vermeiden, sollen die Rechnungslegungsvorschriften des Jahresabschlusses von denen des Konzernabschlusses entkoppelt werden, bis Gesellschafts-, Insolvenz- und Steuerrecht entsprechend umgestaltet sind.80 Der DSR plädiert dafür, „die Internationalisierung der deutschen Konzernrechnungslegungsvorschriften nicht auf kapitalmarktorientierte Unternehmen zu begrenzen, sondern alle zur Konzernrechnungslegung verpflichteten Unternehmen einzubeziehen.“81 Bezüglich des Jahresabschlusses spricht sich der DSR dafür aus, dass „kapitalmarktorientierte Unternehmen ohne Konzernbindung und in einen Konzernabschluss einzubeziehende Unternehmen ihren Jahresabschluss nach IAS aufstellen müssen. Ergänzende Maßnahmen wie Ausschüttungssperren sind gegebenenfalls zu regeln. Langfristig sollte keinem Unternehmen verwehrt werden, statt eines HGB Abschlusses einen nach IAS vorzulegen.“82 Die Entwicklung vereinfachter IFRS für kleine und mittlere Unternehmen wird grundsätzlich begrüßt. Hinsichtlich solcher internationalen Standards für kleinere bzw. mittelgroße Unternehmen sei abzuwägen, „ob man die Einheitlichkeit oder gemeinsame Grundlage in den Vordergrund stellt oder ein leicht handhabbares eigenständiges Gebilde produziert.“83 Neben diesen Empfehlungen, welche eine unmittelbare Übernahme der IFRS in den Jahresabschluss vorsehen, wird von Seiten des IDW und des DSR ferner vorgeschlagen, das HGB schrittweise an die IFRS anzupassen.84 Das IDW hält als Endpunkt einer längerfristigen Entwicklung das Szenario für wahrscheinlich, dass „für alle Unternehmen einheitlich die IFRS bzw. ihnen weitestgehend entsprechende nationale Normen die ausschließliche Grundlage für die externe Rechnungslegung bilden, und zwar nicht nur für den Konzern-, sondern auch für den Jahresabschluss.“85 Auch bei den von der Literatur gemachten Vorschlägen lassen sich unterschiedliche Positionen feststellen: Eine Position empfiehlt die Anwendung der IFRS im Jahresabschluss aller Unternehmen.86 Diese Empfehlung wird zum Teil an die Prämisse geknüpft, dass die Entwürfe des IASB, auf den voll um___________ 80

Vgl. IDW (2002), S. 985. DRSC (2002-a), S. 2. 82 DRSC (2002-a), S. 3. 83 So die Generalsekretärin des DRSC in einem Interview zum Thema „Mittelstands IFRS“, in: Karkowski, B. (2004), S. 2. 84 So die Zielsetzung der vom DSR gemachten Reformvorschläge zum Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, vgl. DRSC (2005), S. 1 f.; vgl. auch IDW (2005), S. 60. 85 IDW (2005), S. 60. 86 Vgl. Haller, A. (2003), S. 413 ff., insbesondere S. 424; Haller, A./Eierle, B. (2004), S. 1838; Eierle, B. (2004-a), S. 505 ff.; Böcking, H.-J./Herold, C./Müßig, A. (2004), S. 664 ff., S. 672. 81

I. Ausgangssituation: Internationalisierung der Rechnungslegung in der EU

45

fänglichen IFRS basierende Rechnungslegungsstandards für „Small and Medium-sized Entities“ zu entwickeln, zu vereinfachten Standards führen, deren Anwendung ein ausgewogenes Kosten-Nutzen-Verhältnis der Unternehmensberichterstattung sicherstellt.87 Demgegenüber ist nach anderer Auffassung auf eine strikte Trennung der Rechnungslegung von (i. e. S.) kapitalmarktorientierten Unternehmen einerseits und eigentümerorientierten Unternehmen andererseits abzustellen.88 Generell gegen die Einführung einer obligatorischen Anwendung der IFRS, die über den Pflicht-Anwendungsbereich der IAS-Verordnung hinausgeht, hat sich der „Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft“ im Jahre 2002 ausgesprochen. Insbesondere für den Jahresabschluss hat er einen Übergang auf eine Rechnungslegung nach IFRS abgelehnt.89 In einer neueren Stellungnahme scheint er diese Ansicht abzuschwächen, indem er auf die Ergebnisse der deutschen und internationalen Diskussion hinsichtlich gesetzgeberischer Alternativen zu den EG-rechtlichen Kapitalerhaltungsregelungen abstellt.90 Auch hinsichtlich der künftigen Ausgestaltung der Zahlungsbemessungszwecke unterscheiden sich die Vorschläge: Die eine Position hält gesetzliche Regeln zur bilanziellen Kapitalerhaltung nach wie vor für erforderlich.91 Sofern eine „Informationsbilanz“ nach IFRS für bestimmte Unternehmen gefordert wird, kommen dann entweder die parallele Aufstellung einer Informations- und einer Ausschüttungsbilanz oder die Ermittlung eines entziehbaren Gewinnes mit Hilfe von Überleitungsrechnungen in Betracht. In diese Richtung gehen die Empfehlungen des Arbeitskreises „Externe Unternehmensrechnung“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V., wonach für alle Unternehmen, d. h. unabhängig davon, ob sie einen IFRS-Einzelabschluss erstellen, eine Pflicht zur Erstellung eines „Einheitsab___________ 87

Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 505 ff.; Haller, A. (2003), S. 424. So die „Saarbrücker Thesen“, vgl. Küting, K. (2004), S. I. Dieser spricht von „kapitalmarktorientierten“ gegenüber „eigentümerorientierten“ Unternehmen, ohne jedoch die beiden Gruppen näher zu definieren. Hinsichtlich des Begriffes „kapitalmarktorientiert“ siehe auch Abschnitt C.III.1. der vorliegenden Arbeit. Vgl. Grund, M. (2005), S. 323, S. 332 ff., S. 376 ff. und S. 384 ff., dort bezüglich der Jahres- und Konzernabschlüsse von Unternehmen, die einen organisierten Kapitalmarkt i. S. d. WpHG durch die Ausgabe von Wertpapieren in Anspruch nehmen oder die Zulassung zu einem solchen Handel beantragt haben (siehe S. 376 f.); Schön, W. (2000), S. 731 f. 89 Vgl. Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft (2002), S. 2372 ff. 90 Vgl. Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft (2004), S. 546 ff. 91 Vgl. Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft (2002), S. 2375 f.; Moxter, A. (2001), S. 606; Watrin, C. (2001), S. 263 f.; Kahle, H. (2003), S. 269 f.; Schön, W. (2000), S. 741; Euler, R. (2002), S. 878 f. 88

46

A. Einleitung

schlusses“ für steuerliche Zwecke, Gewinnausschüttungen und das Feststellen einer Überschuldung mit den entsprechenden insolvenzrechtlichen Konsequenzen gelten soll. Für Unternehmen, die keinen IFRS-Einzelabschluss aufstellen müssen, soll dies der einzig zu erstellende Abschluss sein, der von offenlegungspflichtigen Unternehmen auch publiziert werden muss. Dieser „Einheitsabschluss“ soll auf reformierten HGB- und EStG-Vorschriften basieren. Bei der Fortentwicklung des HGB soll somit die Zahlungsbemessungs- bzw. Rechtsfolgenfixierungsfunktion92 im Vordergrund stehen, es wird eine engere Verzahnung von Handels- und Steuerbilanz in Gestalt einer steuerlich geprägten „Einheitsbilanz“93 gefordert. Am Grundsatz der Maßgeblichkeit soll festgehalten werden.94 Die Gegenposition will den handelsrechtlichen Jahresabschluss schließlich gänzlich von Rechtsfolgen, insbesondere auch von Kapitalerhaltungsvorschriften aufgrund des bilanziellen Gläubigerschutzes abkoppeln und stattdessen den Gläubigerschutz ausschließlich auf Informationen und Solvenztests basieren lassen. Dadurch soll i. e. S. kapitalmarktorientierten Unternehmen ermöglicht werden, künftig neben einem obligatorischen IFRS-Abschluss lediglich für steuerliche Zwecke zusätzlich Rechnung legen zu müssen.95 Bei den dargestellten Vorgehensweisen zur Umsetzung der Internationalisierung der Rechnungslegung im Jahresabschluss lassen sich zur Normierung von Erleichterungen für bestimmte, insbesondere mittelständische Unternehmen zwei grundsätzlich verschiedene Differenzierungsstrategien systematisieren:96 ___________ 92 Mit „Rechtsfolgenfixierung“ ist gemeint, dass an die durch die handelsrechtliche Rechnungslegung ermittelten Größen verschiedene Rechtsfolgen, so insbesondere positive oder negative Zahlungsbemessungswirkungen sowie insolvenzrechtliche Folgen, anknüpfen. Vgl. Rückle, D. (1983), S. 209 ff.; auf die Anspruchsbemessungszwecke sowie insolvenzrechtlichen Anknüpfungspunkte wird in Abschnitt C.III.2. bei der Darstellung der organisationsrechtlichen Rahmenbedingungen unterschiedlicher Unternehmenstypen sowie in den Kapiteln E. (Anspruchsbemessung) und F. (Steuerbemessung) näher eingegangen. 93 Unter einer „Einheitsbilanz“ ist eine „Abschrift der Handelsbilanz (zu verstehen, Erg. d. Verf.), die in vollem Umfang auch den steuerlichen Vorschriften entspricht“, Federmann, R. (2000), S. 35 f.; vgl. auch Rückle, D. (1997), S. 438. 94 Dabei besteht Uneinigkeit darüber, ob bei einer solchen Trennung von IFRSInformationsabschluss und Einheitsbilanz die Einheitsbilanz eine primär steuerrechtliche oder handelsrechtliche Domäne sein sollte. Vgl. hierzu auch Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (2004), Folien 15 f. 95 Vgl. Pellens, B./Jödicke, D./Richard, M. (2005), S. 1393 ff., insbesondere S. 1401; vgl. ferner die Bemühungen auf europäischer Ebene zur Entwicklung eines alternativen Kapitalschutzkonzeptes auf Basis eines Solvenztests; siehe hierzu Abschnitt E.V. der vorliegenden Arbeit. 96 Vgl. auch Eberhartinger, E. (2000), S. 164 f.

I. Ausgangssituation: Internationalisierung der Rechnungslegung in der EU

47

Zum einen kann die Forderung nach (weitgehender) Konvergenz der Rechnungslegung im Jahres- und Konzernabschluss aller Unternehmen als Ausgangspunkt zugrunde gelegt und eine Modifizierungsstrategie angewendet werden. Danach gelten prinzipiell für alle Unternehmen dieselben Rechnungslegungsregeln; unter Berücksichtigung der divergierenden Präferenzen der Abschlussadressaten sowie der Kostenbelastung werden jedoch Modifikationen entweder durch die Normierung von Erleichterungen (top-down approach) oder durch die Festlegung von Zusatzanforderungen (bottom-up approach) vorgenommen.97 Aufgrund der Verpflichtung für auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichtete Unternehmen, den konsolidierten Abschluss nach IFRS aufzustellen, ließe sich eine solche zumindest konzeptionelle Einheit des Rechnungslegungsrechts nur erhalten, wenn die IFRS als Ausgangspunkt zugrunde gelegt würden. In diese Richtung zielt das derzeitige Arbeitspapier des IASB zur Konzipierung von „IFRS for Small and Medium-sized Entities (SME)“, wonach hinsichtlich Anwendung und Informationspflichten vereinfachte Rechnungslegungsstandards für SME98 geschaffen werden sollen. Dabei soll es sich um eine unter Berücksichtigung der Bedürfnisse von SME sowie deren Abschlussadressaten modifizierte Version der vollumfänglichen IFRS handeln, um so die Erstellung eines IFRS-Einzelabschlusses für alle Unternehmen zu vereinfachen (top-down approach).99 Daneben kann eine Konvergenz – wie im Rahmen der Vorschläge gezeigt – ferner auch durch eine sukzessive Annäherung der nationalen Rechnungslegungsnormen an die IFRS im Rahmen einer HGB-Reform angestrebt werden.100 Zum anderen können im Sinne einer Separations- bzw. Abkopplungsstrategie verschiedene Rechnungslegungssysteme mit unterschiedlichen Ansatz-, Bewertungs- und Ausweisnormen nebeneinander bestehen.101 In diesem Fall wäre denkbar, Handels- und Steuerbilanz stärker zu verzahnen, wie dies im Vorschlag einer steuerlich geprägten „Einheitsbilanz“ der Fall ist.

___________ 97 98

Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 58 f. Zur Definition von SME i. S. d. IASB siehe Abschnitt B.I. der vorliegenden Ar-

beit. 99

Vgl. Haller, A./Eierle, B. (2004), S. 1840. Auf den Ansatz des IASB zur Entwicklung von IFRS für SME wird im Rahmen der Darstellung ausgewählter Ansätze zur Differenzierung der Rechnungslegungsanforderungen näher eingegangen (siehe Abschnitt D.IV.1.). 100 Vgl. IDW (2005), S. 60. 101 Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 57; IDW (2005), S. 60.

48

A. Einleitung

II. Problemstellung und Untersuchungsziel Problemstellung und Untersuchungsziel

Vor dem Hintergrund der dargestellten Ausgangssituation sowie des Diskussionsstandes bezüglich der Internationalisierung und/oder Fortentwicklung der Rechnungslegung im Jahresabschluss lässt sich folgender Forschungsbedarf feststellen: (1) Die unterschiedlichen Vorschläge, wie die Rechnungslegung im Jahresabschluss in Zukunft ausgestaltet sein soll, unterscheiden sich sowohl hinsichtlich der Herleitung als auch der Umsetzung der konkreten Zwecke und Zielsetzungen zum Teil erheblich. So führen die Befürworter einer möglichst weit reichenden Anwendung der IFRS als Begründung v. a. die Forderung nach einer Konvergenz der Rechnungslegungsregeln an sowie die These, dass eine Rechnungslegung nach IFRS eine bessere Informationsversorgung der Rechnungslegungsadressaten gewährleiste als eine solche nach HGB.102 Teilweise werden auch Wertungen bzw. Annahmen zugrunde gelegt, ohne dass diese explizit dargelegt werden. Die These einer generell besseren Informationsversorgung durch die IFRS ist jedoch nicht belegt. Ferner hat die Frage der Umsetzung der Internationalisierung grundsätzlich unter Abwägung des Harmonisierungsgedankens auf der einen Seite und der Forderung nach Deregulierung103 auf der anderen Seite zu erfolgen. Dabei bedarf es aufgrund der bestehenden Verknüpfungen zwischen den handels-, gesellschafts- und steuerrechtlichen Zwecken einer umfassenden Betrachtung der einzelnen Zwecke. (2) Ferner werden im Rahmen der Diskussion die Besonderheiten und Belange nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteter, primär mittelständischer Unternehmen bzw. deren Rechnungslegungsadressaten häufig nicht oder lediglich am Rande betrachtet. ___________ 102

Vgl. etwa DRSC (2005), S. 1; Böcking, H.-J./Herold, C./Müßig, A. (2004), S. 667 ff.: Diese vertreten die Auffassung, dass die „IFRS der handelsrechtlichen Rechnungslegung hinsichtlich der Selbstinformationspflicht des Kaufmanns durchweg überlegen“ (S. 668) seien. Zudem führen sie aus, dass auch die „Effektivität der IFRS (…) im Hinblick auf die Fremdkapitalbeschaffung (…) außer Frage (steht; Erg. d. Verf.)“ (S. 670). In der Begründung zum BilReG heißt es bezüglich der Informationszwecke, dass diese „ein IAS-Abschluss anerkanntermaßen besonders gut erfüllt“, Entwurf BilReG, Begründung, A. II. 3. b); zur Diskussion siehe auch Kahle, H. (2002), S. 28 m. w. N. 103 Die Forderung nach Deregulierung lässt sich u. a. auch aus der von der EU geforderten Entlastung des kleinen und mittleren Unternehmertums im Hinblick auf administrative Anforderungen herleiten. Die Gewährung von Erleichterungen bezüglich administrativer Anforderungen für kmU ist erklärtes Ziel der EU. Vgl. Entschließung des Rates vom 03.11.1986 zum Aktionsprogramm für die kleinen und mittleren Unternehmen, S. 1.

II. Problemstellung und Untersuchungsziel

49

(3) Nach verbreiteter Ansicht weisen die de lege lata geltenden Rechnungslegungsregeln des HGB Schwachstellen auf, so etwa bezüglich der zahlreichen expliziten Wahlrechte;104 Uneinigkeit besteht jedoch hinsichtlich der Empfehlungen zur künftigen Fortentwicklung und Ausgestaltung der Rechnungslegung. Insofern gilt es Vorschläge zur Verbesserung des „Status quo“ zu leisten. Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ist es, dem deutschen Gesetzgeber vor dem Hintergrund der Internationalisierung der Rechnungslegung normative Handlungsempfehlungen hinsichtlich der zukünftigen Regulierung und Ausgestaltung des Jahresabschlusses sowie der de lege lata daran anknüpfenden Anspruchs- und Steuerbemessungszwecke mit Blick auf nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichtete Unternehmen zu geben. Dabei wird der Fokus v. a. auf die Betrachtung mittelständischer Unternehmen gelegt. Nicht unmittelbarer Betrachtungsgegenstand der vorliegenden Arbeit sind die Jahresabschlüsse von auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteten Unternehmen. Wie bereits dargelegt, verlangen die börsenrechtlichen Bestimmungen der Frankfurter Wertpapierbörse unabhängig von dem gesetzlich eingeräumten Wahlrecht auch von nicht konsolidierungspflichtigen Unternehmen bereits jetzt, ihre Jahresabschlüsse in Übereinstimmung mit internationalen Rechnungslegungsstandards zu erstellen, soweit diese eine Notierung in einem Segment des geregelten Kapitalmarktes anstreben.105 Gleichwohl lassen sich bestimmte Erkenntnisse, welche unabhängig von einer möglichen Kapitalmarktorientierung gelten, auch auf diese Unternehmen übertragen. Wie anhand der verschiedenen Vorschläge zur künftigen Ausgestaltung der Rechnungslegung im Jahresabschluss gezeigt wurde, kommt grundsätzlich entweder eine Konvergenz- oder eine Separationsstrategie in Betracht. Somit ist in einem ersten Schritt zu fragen, ob und gegebenenfalls für welche der nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteten Unternehmen der deutsche Gesetzgeber einen IFRS-Einzelabschluss zur befreienden Offenlegung optional oder verpflichtend zulassen sollte und wie die Regulierung der Anspruchsbemessungszwecke ausgestaltet werden sollte. Sofern eine unmittelbare Anwendung eines IFRS-Einzelabschlusses nicht oder lediglich für bestimmte Unternehmen in Betracht gezogen wird, ist in einem zweiten Schritt zu klären, ob im Rahmen der geplanten HGB-Reform eine Übernahme bestimmter Elemente der ___________ 104

Siehe auch die Ankündigung eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes im Rahmen des BilReG, vgl. Entwurf BilReG, Begründung A. I (S. 21) sowie Reformvorschläge von Seiten der Praxis und Literatur, so etwa DRSC (2005), S. 1 ff.; Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (2003), S. 1585 ff.; Jessen, U./Weller, H. (2005), S. 489 ff. und S. 532 ff.; SchulzeOsterloh, J. (2004), S. 1128 ff. 105 Vgl. Deutsche Börse AG (2006-e).

50

A. Einleitung

Rechnungslegung nach IFRS zweckadäquat ist oder ob ein separater Weg beschritten werden soll. Eine Entscheidung bezüglich der Anwendung der IFRS im Jahresabschluss hat an einer Betrachtung der dem Jahresabschluss zugewiesenen Funktionen anzusetzen. Somit ist zunächst die Frage zu beantworten, welche Bedeutung der Informationsfunktion künftig im Jahresabschluss nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteter Unternehmen beigemessen werden soll und inwieweit eine Anwendung der IFRS im Vergleich zum HGB hierfür geeignet ist. Angesichts des derzeitigen Entwurfes des IASB zur Ausgestaltung von IFRS für SME ist in dem Zusammenhang v. a. zu untersuchen, inwieweit ein solcher „top-down approach“ zur Gewährung von Erleichterungen primär mittelständischer Unternehmen im Vergleich zu einem gegebenenfalls reformierten HGB grundsätzlich geeignet erscheint. Denn unter der Prämisse einer Übernahme solcher IFRS in den Status europäischer Rechtsnormen betrifft die Entscheidungssituation des nationalen Gesetzgebers bezüglich eines IFRS-Einzelabschlusses sowohl die vollumfänglichen IFRS als auch künftig gegebenenfalls entwickelte IFRS für SME. Dabei wird eine Vergleichbarkeit der Abschlüsse nur dann erreicht, wenn die IFRS für SME grundsätzlich auf denselben Rechnungslegungsprinzipien basieren wie die voll umfänglichen IFRS. Neben der Informationsfunktion erfüllt der Jahresabschluss in Deutschland de lege lata auch Rechtsfolgenfixierungsfunktionen für v. a. gesellschafts- und steuerrechtliche Zwecke. Eine Entscheidung bezüglich der Anwendung der IFRS im Jahresabschluss kann aufgrund der derzeitigen Verknüpfung des Jahresabschlusses mit dem Gesellschafts- und Steuerrecht nicht getroffen werden, ohne die damit verbundenen Konsequenzen für die Anspruchsbemessungszwecke sowie für die Besteuerung der Unternehmen zu betrachten.106 Somit ist zum einen hinsichtlich der Anspruchsbemessungszwecke zu untersuchen, welcher dieser Zwecke weiterhin reguliert werden soll sowie ob und gegebenenfalls wie dies auch künftig durch den Jahresabschluss erfolgen soll oder inwieweit bestimmte Zwecke gegebenenfalls auf andere Instrumente übertragen werden können.107

___________ 106

Vgl. IDW (2002), S. 986. Auf insolvenzrechtliche Zwecke wird in der vorliegenden Arbeit lediglich insoweit eingegangen, als Verknüpfungen zum Jahresabschluss – sowie zur Besteuerung – aufgezeigt werden; so werden insolvenzrechtliche Zusammenhänge insbesondere bei den Informations- und Anspruchsbemessungsinteressen der Rechnungslegungsadressaten, der Betrachtung von (In-)Solvenztests als alternatives Instrument zum „institutionellen“ Gläubigerschutz sowie dem Verhältnis des Fiskus gegenüber den anderen Gläubigern berührt. 107

II. Problemstellung und Untersuchungsziel

51

Zum anderen ist mit Blick auf die de lege lata gegebene (einfache sowie umgekehrte)108 Maßgeblichkeit zwischen Handels- und Steuerbilanz zu prüfen, ob diese – unter Annahme der Beibehaltung einer steuerlichen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich – grundsätzlich aufgegeben oder zumindest deutlich gelockert werden soll, um die handelsrechtliche Rechnungslegung von den steuerrechtlichen Zwängen zu befreien. Hierzu ist neben den Gründen für und gegen eine einheitsbilanzielle Rechnungslegung nach der Herleitung von Kriterien für steuerliche Gewinnermittlungsregeln zu fragen. Dabei wird in der vorliegenden Arbeit dem Konzept der klassischen Reinvermögenszugangstheorie109 gefolgt; entsprechend wird im Folgenden lediglich hinsichtlich der Gewinnermittlungsregeln nach HGB geprüft, inwieweit diese den Kriterien grundsätzlich entsprechen, d. h. für eine steuerliche Gewinnermittlung geeignet erscheinen.110 Die Frage nach der Zukunft der steuerlichen Rechnungslegung ist gerade für mittelständische Unternehmen angesichts der dort teilweise noch verbreiteten „Einheitsbilanz“ oder zumindest weitestgehenden Anpassung der handelsrechtlichen Wahlrechte an die steuerlichen Vorschriften111 sowie aufgrund der Liquiditätswirkungen, die von Steuerzahlungen ausgehen, von besonderer Bedeutung. Somit sind im Rahmen der vorliegenden Zielsetzung folgende Teilfragen zu untersuchen: • ob und gegebenenfalls für welche der nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteten Unternehmen für informatorische Zwecke die Anwendung eines IFRS-Einzelabschlusses geeignet ist, ___________ 108 Zu den unterschiedlichen Verknüpfungen siehe die Ausführungen in Abschnitt F.I. der vorliegenden Arbeit. 109 Bei der „Theorie“ vom realisierten Vermögenszugang sollen lediglich „realisierte“ Vermögenszugänge steuerlich relevant sein. Siehe hierzu Abschnitt F.III.2. der vorliegenden Arbeit. 110 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit kann dabei lediglich auf grundsätzliche Fragen der Periodisierung und Objektivierung eingegangen werden. 111 Siehe hierzu insbesondere die Ausführungen in Abschnitt G.II. der vorliegenden Arbeit. Dabei ist anzumerken, dass eine vollständige Einheitsbilanz bei Kapitalgesellschaften, sofern diese einen Aufsichtsrat haben, nicht mehr möglich ist; so sind gemäß § 10 Nr. 4 Körperschaftsteuergesetz (KStG) die Aufsichtsratsvergütungen lediglich zur Hälfte als Betriebsausgaben abziehbar. Ein Aufsichtsrat ist bei der AG sowie der KGaA generell zwingend vorgeschrieben; bei der GmbH ist ein Aufsichtsrat lediglich dann verpflichtend, wenn diese der Mitbestimmung der Arbeitnehmer unterliegt (vgl. § 52 GmbHG, §§ 30 Abs. 1, 95 ff., 287 AktG). Hinsichtlich der Mitbestimmungsregeln siehe Abschnitt D.I.2.a) der vorliegenden Arbeit. Ferner dürfte die vertragliche Vereinbarung einer solchen Einheitsbilanz seit dem BGH-Urteil vom 29.03.1996 auch bei Gesellschaften mit teilweise beschränkt haftenden Gesellschaftern allerdings keine allgemeine Gültigkeit mehr haben. Vgl. Rückle, D. (1997), S. 436 und S. 439 m. w. N.

52

A. Einleitung

• ob und in welcher Form (d. h. durch Jahresabschlussrecht oder alternative Instrumente) die de lege lata an den handelsrechtlichen Jahresabschluss anknüpfenden Anspruchsbemessungszwecke künftig reguliert werden sollen und • inwieweit die handelsrechtlichen Rechnungslegungsregeln als Grundlage der steuerlichen Gewinnermittlung geeignet sind bzw. wie künftig das Verhältnis von Handels- und Steuerbilanz ausgestaltet werden soll. Die Ergebnisse zu den einzelnen Teilbereichen sind Voraussetzung zur Beantwortung der Frage, ob und gegebenenfalls für welche der hier betrachteten Unternehmen der deutsche Gesetzgeber die Anwendung eines IFRS-Einzelabschlusses als Wahlrecht zu dessen (befreiender) Offenlegung zulassen oder verpflichtend vorgeben sollte und wie gegebenenfalls die Regulierung der Anspruchsbemessungszwecke ausgestaltet sein sollte. Sofern eine unmittelbare Anwendung eines IFRS-Einzelabschluss nicht oder nicht für alle Unternehmen in Betracht gezogen wird, ist in einem zweiten Schritt zu klären, ob im Rahmen der geplanten HGB-Reform eine Übernahme bestimmter Elemente der Rechnungslegung nach IFRS zweckadäquat ist oder ob ein separater Weg beschritten werden soll. Die Analyse einer zweckadäquaten Ausgestaltung der Anspruchsbemessungs- sowie der steuerlichen Zwecke dient zugleich generell – d. h. unabhängig von dem in der vorliegenden Arbeit abgeleiteten Ergebnis hinsichtlich der künftigen Ausgestaltung der Rechnungslegung – als „Vorsorge“ für den Fall, dass die internationalen Standards Eingang in den Jahresabschluss finden.

III. Methodisches Vorgehen Methodisches Vorgehen

1. Deduktiv-normative Untersuchungsmethode zur Bestimmung von Kriterien für die Gestaltung bzw. Beurteilung gesetzlicher Rechnungslegungsnormen Als Untersuchungsmethode liegt der vorliegenden Arbeit grundsätzlich eine deduktiv-normative Konzeption zugrunde. In einer normativen Analyse werden Handlungsempfehlungen für die Rechtsetzung gegeben. Es wird nach dem Zweck einer Norm, nach deren Legitimationsbasis gefragt.112 Im vorliegenden Kontext sind als Deduktionsbasis Rechnungslegungszwecke heranzuziehen; diesen werden auf deduktivem Wege Regeln für eine zweckkonforme Gestaltung der Rechnungslegung zugeordnet. ___________ 112

Vgl. Schmidt, M. (2000), S. 34 f.

III. Methodisches Vorgehen

53

Diese Vorgehensweise setzt voraus, dass operationable Rechnungslegungszwecke bzw. ein System operationabler Rechnungslegungszwecke zugrunde liegen. Dabei bedeutet Operationabilität eine inhaltlich präzise Zweckformulierung, welche eine eindeutige Entscheidung für eine konkrete Gestaltung oder Gestaltungsalternative der Rechnungslegung möglich macht. Sofern mehrere Zwecke existieren, setzt Operationabilität voraus, dass diese in ein widerspruchsfreies System überführt werden können oder dass Regeln für die Auswahl oder Rangordnung konkurrierender Systemelemente gegeben sind.113 In der betriebswirtschaftlichen und juristischen Literatur besteht zwar Einigkeit über die Zweckorientierung der Rechnungslegung.114 Die Auffassungen divergieren jedoch hinsichtlich der Struktur des Zwecksystems sowie hinsichtlich der inhaltlichen Konkretisierung einzelner Rechnungslegungszwecke.115 Es stellt sich die Problematik, die Berechtigung eines bestimmten präzisierten Zweckes oder eines in bestimmter Weise strukturierten Zwecksystems der Rechnungslegung zu begründen sowie zweckadäquate Normen zu gestalten.116 Zur Ermittlung der als Gestaltungskriterien heranzuziehenden Zwecke des Jahresabschlusses wird in der vorliegenden Arbeit auf den theoretischen Rahmen der Neuen Institutionenökonomie zurückgegriffen: Mit der Bejahung der Existenz von Transaktionskosten und der Aufgabe der Annahme vollkommener Information und Markttransparenz eröffnet sich die ökonomische Betrachtung der Informationsproblematik und der Normierung der externen Unternehmensberichterstattung bzw. Rechnungslegung.117 Aus dem Verständnis der Unternehmung als Bündelung von Beiträgen unterschiedlicher Gruppen werden – unter Rückgriff auf den Prinzipal-Agent-Ansatz – die Zwecke der Rechnungslegung für die an der Unternehmung Interessierten abgeleitet. Die so ermittelten Rechnungslegungszwecke rechtfertigen aber nicht notwendigerweise regulative Eingriffe. Bei Anwendung des ökonomischen Maßstabes der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt ließe sich ein regulatives Eingreifen ausschließlich dann rechtfertigen, wenn der damit erzielte gesamtgesellschaftliche Nutzen die damit verbundenen gesamtgesellschaftlichen Kosten übersteigt. Dabei kann eine Regulierung grundsätzlich dann einen gesamtge___________ 113

Vgl. Klatte, V. (1991), S. 22. Vgl. beispielsweise Moxter, A. (1984), S. 5 ff.; Klatte, V. (1991), S. 22; Schneider, D. (1997-a), S. 233 ff.; Egner, H. (1974), S. 9 ff.; Kirchner, C. (1997), S. 275 ff. 115 Zur Diskussion um das Verhältnis der Informations- zu den Anspruchsbemessungszwecken siehe etwa Förster, G. W. (1999), S. 145 ff.; Jüttner, U. (1992), S. 47 ff., welcher ausgewählte Literaturvorschläge zu einer zweckgerichteten GoB-Systematisierung betrachtet; vgl. auch Ballwieser, W. (1982), S. 774 f.; Klatte, V. (1991), S. 22. 116 Vgl. Ballwieser, W. (1982), S. 772 f.; Klatte, V. (1991), S. 22. 117 Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 23. 114

54

A. Einleitung

sellschaftlichen Nutzen erzielen, wenn sich am Markt keine oder lediglich ineffiziente Lösungen zur Regelung der unterschiedlichen Interessen ergeben. Diesen Nutzen sind allerdings die gesamtgesellschaftlichen Kosten gegenüberzustellen, so dass eine Regulierung auch in diesen Fällen nicht in jedem Fall vorteilhaft ist.118 Ein gesamtwirtschaftlicher Kosten-Nutzen-Vergleich ist jedoch bislang noch nicht gelungen, dem stehen auch kaum zu überwindende methodische Schwierigkeiten entgegen.119 So kann insbesondere die gesellschaftlich optimale Informationsmenge in einer Welt unvollständiger Information und eingeschränkter Rationalität nicht bestimmt werden.120 Auch bei Anwendung des ökonomischen Maßstabes der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt verbleiben somit Wertungsspielräume, so dass zur Begründung einer gesetzlichen Normierung bestimmter Rechnungslegungszwecke und -normen ein – zu explizierender – Rückgriff auf Werturteile erforderlich ist. Dabei wird in der vorliegenden Arbeit auf das Werturteil einer schutzorientierten Interessenregelung zurückgegriffen. Dieser übergeordnete Zweck einer schutzorientierten Interessenregelung ist durch Unterzwecke näher zu konkretisieren. Hierzu sind zunächst, ausgehend von einer Interessenanalyse, die Rechnungslegungsadressaten zu bestimmen. Nur der Adressat hat einen rechtlichen (gesetzlichen oder vertraglichen) Anspruch. Bezüglich der Informationsfunktion werden hierfür zunächst die rechtlichen Informationsansprüche, wie sie in den EG-, gesellschafts- sowie gegebenenfalls kapitalmarktrechtlichen Normen geregelt sind, sowie die Wirtschaftlichkeit der Informationsvermittlung als Rahmenbedingungen zugrunde gelegt.121 Lediglich dann, wenn in Übereinstimmung mit den Wertungsprinzipien der nationalen Wirtschafts- und Rechtsordnung sowie der europarechtlichen Vorgaben anderenfalls das Schutzziel verfehlt würde, gilt es eine Erweiterung (oder Einschränkung) des Kreises der Informationsadressaten zu erwägen. Im Rahmen der Anspruchsbemessungszwecke wird auf Vorschläge zur Deregulierung sowie zur Abkopplung dieser Zwecke vom Jahresabschluss einge___________ 118 Im Rahmen der Darstellung der konkurrierenden Ansätze zur Herleitung von Rechnungslegungszwecken wird auf den Ansatz einer Herleitung von Rechnungslegungszwecken aus dem Gesetz verzichtet. Eine solche Vorgehensweise erscheint mit Blick auf die Gegenüberstellung konkurrierender Rechnungslegungssysteme nicht sinnvoll. Hinsichtlich der Darstellung dieses Ansatzes siehe etwa Pannen, M. (2000), S. 77 ff. 119 Vgl. Hax, H. (1988), S. 188. 120 Vgl. Kirchner, C. (1997), S. 270; Schmidt, M. (2000), S. 42. 121 Auf die Vermeidung gefährdender Nebenwirkungen der Informationsverteilung wird angesichts der weitgehenden Ausgrenzung einer De-lege-ferenda-Betrachtung von Offenlegungsfragen nicht eingegangen.

III. Methodisches Vorgehen

55

gangen. Für die so bestimmten handelsrechtlichen Rechnungslegungszwecke werden auf Basis der Interessenanalyse jeweils grundlegende Anforderungskriterien an zweckadäquate Rechnungslegungsvorschriften logisch-deduktiv abgeleitet, anhand derer die miteinander konkurrierenden Rechnungslegungssysteme beurteilt werden. Dabei wird im Rahmen der Anforderungskriterien jedoch kein vollständiges Sollkonzept konkreter Periodisierungs-, Ansatz- und Bewertungsnormen entwickelt. Dies erscheint zum einen sinnvoll, da – ausgehend von der eingangs dargestellten Entscheidungssituation des Gesetzgebers – zunächst untersucht werden soll, ob bzw. inwieweit sich eine weitergehende Anwendung der IFRS im Jahresabschluss im Vergleich zu einer Anwendung des HGB begründen lässt. Hierfür bedarf es einer Abwägung der gesamten Zusammenhänge, welche sowohl analytisch als auch durch empirische Erkenntnisse untersucht werden sollen. Aussagefähige empirische Erkenntnisse liegen lediglich hinsichtlich der bestehenden Rechnungslegungssysteme vor.122 Zum anderen trägt diese Vorgehensweise auch der Problematik Rechnung, dass die verschiedenen Informations- (und Zahlungs-)interessen teilweise miteinander konfligieren und dass sich aus einem konkretisierten Zweck und dem entsprechenden Abbildungsziel, welches im vermuteten Interesse bestimmter Adressaten liegt – insbesondere aufgrund mangelhafter Operationalisierbarkeit – zum Teil keine eindeutigen Ansatz- und Bewertungsregeln ableiten lassen.123 Aus den genannten Gründen wird deshalb iterativ vorgegangen, indem zuerst untersucht wird, ob bzw. inwieweit die Rechnungslegungszwecke sowie die grundlegenden Anforderungen an zweckadäquate Rechnungslegungsnormen jeweils von den konkurrierenden Rechnungslegungssystemen erfüllt werden. In einem weiteren Schritt können aus der Beurteilung der Zweckadäquanz der Normen sodann gegebenenfalls Empfehlungen an den nationalen Gesetzgeber hinsichtlich konkreter Reformvorschläge abgeleitet werden. Zur Unterstützung sowie zur kritischen Hinterfragung der logisch abgeleiteten Aussagen werden jeweils – soweit vorhanden – die Ergebnisse empirischer Untersuchungen sowie rechtsvergleichende Analysen mit dem Ausland hinzugezogen.124 Für die Deduktion steuerlicher Beurteilungskriterien wird analog zur Herleitung der handelsrechtlichen Rechnungslegungszwecke auf aus der Wirtschaftsund Rechtsordnung abgeleitete steuerrechtliche Werturteile zurückgegriffen. ___________ 122

Hierauf wird im folgenden Kapitel noch näher eingegangen. Vgl. Ballwieser, W. (1982), S. 776, welcher dies anhand eines Beispieles veranschaulicht. 124 Nicht weiter betrachtet werden hingegen informationsökonomische sowie verhaltenswissenschaftliche Untersuchungen. Zu den Möglichkeiten und Grenzen solcher Ansätze siehe etwa die Darstellung bei Klatte, V. (1991), S. 25 ff. und S. 30 ff. 123

56

A. Einleitung

2. Bedeutung der Ergebnisse empirischer Untersuchungen Wenn bei der Ableitung von Rechnungslegungszwecken bzw. -zielen125 auf der Grundlage der Interessen von Rechnungslegungsinteressenten126 unerörtert bleibende Hypothesen hinsichtlich deren Zielvorstellungen und deren Entscheidungsverhalten zugrunde gelegt werden, besteht die Gefahr, dass die Diskussion über die Rechnungslegungsziele sowie die Vorschläge zur zielkonformen Ausgestaltung der Rechnungslegung dogmatisch wird. Hypothesen gilt es in einer wissenschaftlichen Arbeit zum einen explizit darzutun. Zum anderen sollten Hypothesen nach Möglichkeit durch fruchtbare Ergebnisse empirischer Untersuchungen „plausibilisiert“ werden.127 Bei den Methoden empirischer Bilanzforschung können grundsätzlich zwei verschiedene Gruppen unterschieden werden:128 1. Deskriptive Untersuchungen: Diese befassen sich mit einer systematischen Bestandsaufnahme von veröffentlichten Rechnungslegungsinformationen sowie mit einer empirischen Analyse der Korrelationen zwischen bestimmten Determinanten der Rechnungslegungspraxis, wie z. B. dem Zusammenhang zwischen Unternehmensgröße oder Erfolgslage einerseits und dem Offenlegungsverhalten andererseits. 2. Untersuchungen zur Bedarfskonformität von Rechnungslegungsnormen: Hierunter fallen empirische Erhebungen des Informationsbedarfes von Rechnungslegungsadressaten, Studien der Eignung von Rechnungslegungsdaten zur Prognose künftiger Ereignisse (z. B. Unternehmenskrisen) sowie Informationsnutzenanalysen auf der Grundlage kapitalmarktorientierter Ansätze.129 Ebenfalls hierzu zählen lassen sich Erhebungen zur Bedarfskonformität ganzer Rechnungslegungssysteme im Vergleich. Im Zusammenhang mit der Ermittlung des Informationsbedarfes der Rechnungslegungsadressaten sowie adäquater Rechnungslegungsnormen bieten sich ___________ 125

Zur unterschiedlichen Verwendung dieser beiden Begriffe siehe Abschnitt C.II.2.a) der vorliegenden Arbeit. 126 Zu den Rechnungslegungsinteressenten eines Unternehmens gehören allgemein diejenigen Personen, Personengruppen und Institutionen, deren Zielrealisierung durch das Geschehen in dem jeweiligen Unternehmen berührt wird. Eine nähere Betrachtung der einzelnen Interessenten sowie deren Interessen erfolgt in Abschnitt D.I.1. der vorliegenden Arbeit. 127 Die Bedeutung empirischer Erkenntnisse noch stärker betont Ballwieser: „,(p)lausible‘ Hypothesen setzen fruchtbare Ergebnisse empirischer Untersuchungen voraus“, Ballwieser, W. (1982), S. 772. 128 Hinsichtlich dieser Einteilung siehe auch Klatte, V. (1991), S. 28. 129 Vgl. Klatte, V. (1991), S. 28 f.; Coenenberg, A. G. (2003), S. 1188 ff., welcher die Untersuchungen zum Informationsbedarf der Rechnungslegungsadressaten als verhaltenswissenschaftlichen Ansatz bezeichnet.

III. Methodisches Vorgehen

57

grundsätzlich empirische Informationsbedarfsanalysen an. Diese Untersuchungen lassen sich nach der Methode in direkte und indirekte Befragungen sowie nach ihrer Ausrichtung auf ein bestimmtes Rechnungslegungssystem unterscheiden. Solche Bedarfsanalysen sind grundsätzlich nach Unternehmenstypen bestimmter organisationsrechtlicher Kriterien, welche möglicherweise eine höhere Schutzbedürftigkeit bestimmter Adressaten begründen können,130 zu differenzieren. Angesichts des heterogenen Bereiches der in der vorliegenden Arbeit betrachteten Unternehmen liegen nicht für alle Erscheinungsformen entsprechende Informationsbedarfsanalysen vor. Die Brauchbarkeit der Ergebnisse empirischer Informationsbedarfsanalysen für die Herleitung von Informationsinteressen ist ferner aus verschiedenen Gründen stark eingeschränkt:131 • So haben direkte Befragungen von Rechnungslegungsinteressenten ohne Ausrichtung auf ein bestimmtes System in der Regel zu wenig konkreten Aussagen geführt. • Die Ergebnisse indirekter Befragungen, bei denen der Informationsbedarf der Interessenten nicht unmittelbar bei diesen selbst, sondern bei „Experten“ (wie z. B. Wirtschaftsprüfern etc.) erhoben wird, sind in ihrer Aussagekraft insofern eingeschränkt, als dass Expertenaussagen aufgrund des Vorwissens der Befragten nicht unbedingt mit den Informationswünschen der eigentlichen Rechnungslegungsinteressenten übereinstimmen müssen.132 • Bei einem Vergleich verschiedener Rechnungslegungsinstrumente oder -systeme zur Deckung des Informationsbedarfes ist zu vermuten, dass die Befragten die ihnen bekannten Formen bevorzugen. • Ferner ist bei einer Bedürfnisformulierung von Seiten der Adressaten denkbar, dass diese sich auf die ihnen geläufigen Entscheidungssituationen beschränken. • Auch muss der artikulierte Informationsbedarf nicht zwingend mit dem für die Entscheidung objektiv erforderlichen übereinstimmen. So haben diesbezügliche Laborexperimente ergeben, dass die Befragten zum Teil lediglich über einen begrenzten Einblick in ihren eigenen Entscheidungsprozess verfügen. Dieselben Grenzen bezüglich der Aussagekraft empirischer Ergebnisse gelten grundsätzlich auch für Untersuchungen, welche aus Kosten-Nutzen-Sicht ___________ 130

Siehe hierzu die Ausführungen in Abschnitt C.II.2.b) der vorliegenden Arbeit. Vgl. im Folgenden Platzer, W. (1982), S. 34 ff.; Klatte, V. (1991), S. 29 f., dort bezogen auf die GmbH & Co. KG. 132 Hinzu kommt, dass die Befragten möglicherweise auch Eigeninteressen verfolgen. 131

58

A. Einleitung

der Unternehmen die konkurrierenden Rechnungslegungssysteme als Ganzes sowie die Frage der künftigen Regulierung der Rechnungslegung im Jahresabschluss betreffen. Hinzu kommt, dass die Untersuchungen die Antworten der teilnehmenden Unternehmen lediglich zum Teil nach organisationsrechtlichen Kriterien, welche möglicherweise eine höhere Schutzbedürftigkeit bestimmter Adressaten oder bestimmte Interessen der teilnehmenden Unternehmen begründen können (wie z. B. Konzernabhängigkeit), differenzieren.133 Angesichts der aufgezeigten Einschränkungen werden in der vorliegenden Arbeit die Interessen sowie die Anforderungen zweckadäquater Rechnungslegungsnormen primär auf logisch-analytischem Wege ermittelt. Empirische Forschungsarbeiten können grundsätzlich wertvolle Zubringerdienste für deduktive Untersuchungen leisten. Im vorliegenden Kontext werden somit die Ergebnisse empirischer Untersuchungen, welche die Präferenzen und potenziellen Vorund Nachteile der konkurrierenden Rechnungslegungssysteme aus Sicht insbesondere mittelständischer Unternehmen bzw. deren Rechnungslegungsadressaten betreffen, ergänzend hinzugezogen und geprüft, ob diese dazu dienen können, die logisch-deduktiv abgeleiteten Aussagen gegebenenfalls zu bestärken oder nicht. Dasselbe gilt für empirische Ergebnisse hinsichtlich der Frage der künftigen Regulierung der Rechnungslegung im Jahresabschluss. Zum Teil werden auch Ergebnisse deskriptiver empirischer Untersuchungen zu bestimmten Fragestellungen hinzugezogen. Informationsnutzenanalysen liegen lediglich auf Basis kapitalmarktorientierter Ansätze, welche sich ausschließlich auf den geregelten Kapitalmarkt beziehen, vor.134 Die Ergebnisse solcher Untersuchungen lassen sich zwar nicht unmittelbar auf Anteile von Unternehmen übertragen, die nicht am geregelten Kapitalmarkt oder allenfalls auf dem nicht geregelten, teilweise auch so genannten „grauen“ Kapitalmarkt gehandelt werden.135 Außerhalb des geregelten Kapitalmarktes sind andere Marktusancen gegeben (z. B. fehlende Reglementierungen, unterschiedliche Fungibilität, d. h. Handelbarkeit der Anteile).136 Hinzu kommt, dass sich die Gewichtung der Rechnungslegungszwecke sowie die Kosten-Nutzen-Abwägung hinsichtlich der Erfüllung bestimmter Informa___________ 133

Siehe hierzu Abschnitt D.III.3. und Abschnitt H.I.1. der vorliegenden Arbeit. Vgl. Coenenberg, A. G. (2003), S. 1190 f. 135 Als „grauer“ Kapitalmarkt wird der spezialgesetzlich weitgehend unregulierte Kapitalmarkt verstanden. In der vorliegenden Arbeit wird lediglich der außerbörsliche Kapitalmarkt darunter erfasst, nicht hingegen der „Open Market“ (Freiverkehr). Der Begriff „grau“ wird hier nicht mit Missbrauchsfällen gleichgesetzt. Zum Begriff des „grauen“ Kapitalmarktes vgl. auch Klaffke, M. (2003), S. 450; Berger, M./Möller, A. (2000), S. 382; diese gehen von einem (zu dem Zeitpunkt) gänzlichen Fehlen spezialgesetzlicher Regelungen aus. 136 Vgl. Klatte, V. (1991), S. 30. 134

IV. Prämissen und Gang der Untersuchung

59

tionsziele bei den Rechnungslegungsadressaten gegebenenfalls unterscheiden, je nachdem, ob es sich um auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichtete oder nicht kapitalmarktorientierte, primär mittelständische Unternehmen handelt. Da Informationsasymmetrie und daraus resultierendes Risiko jedoch auch bei nicht oder nicht i. e. S. kapitalmarktorientierten Unternehmen entstehen, wenn nicht alle Eigentümer zugleich Geschäftsführer sind, sind die Ergebnisse dieser Informationsnutzenanalysen auch hinsichtlich nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen von Belang. Selbst wenn sich die Informationsinteressen nicht vollständig decken, lassen sich die Ergebnisse dennoch in großen Teilen übertragen. Sofern sich aus einer Informationsbereitstellung nach IFRS bei börsennotierten Unternehmen, welche die primäre Zielgruppe einer Rechnungslegung nach IFRS sind, keine positiven Effekte (hinsichtlich der Eigenkapitalkosten) feststellen lassen, ist dies bei nicht börsennotierten Unternehmen ebenfalls nicht bzw. umso weniger zu erwarten. So lassen sich gegebenenfalls Rückschlüsse hinsichtlich der in der Literatur teilweise vertretenen These, die IFRS seien bezüglich der Informationsfunktion dem HGB generell überlegen und könnten einen positiven Einfluss auf die Eigenkapitalkosten haben, gewinnen.

IV. Prämissen und Gang der Untersuchung Prämissen und Gang der Untersuchung

Zur Eingrenzung des Untersuchungsbereiches sind entsprechende Prämissen bzw. Einschränkungen vorzunehmen: 1. Gegenstand der Untersuchung ist primär die handels- und steuerrechtliche Rechnungslegung. Der Begriff der Rechnungslegung wird in der Literatur unterschiedlich verwendet. Nach einer vergleichsweise engen Begriffsauffassung ist Rechnungslegung als Rechenschaft durch den Jahresabschluss einschließlich zugehöriger Erläuterungen zu verstehen.137 Dieses Begriffsverständnis ist jedoch zur Präzisierung des hier betrachteten Untersuchungsgegenstandes v. a. aufgrund der Eingrenzung auf die Zwecksetzung Rechenschaft nicht geeignet. Für die vorliegende Betrachtung wird stattdessen einer weiteren Begriffsausprägung der Vorzug gegeben, wonach Rechnungslegung verstanden wird als „eine obligatorische, regelmäßige und in bestimmter Form geordnete Zusammenstellung von Informationen, mit denen Außenstehende über Ergebnisse des Wirtschaftens in Unternehmen unterrichtet werden. Der Begriff bezeichnet sowohl das Ergebnis als auch die Abfolge bestimmter Tätigkeiten.“138 Auf eine nähere Definition des Begriffes „Information“ wird in Gliederungspunkt C.I. eingegangen. Die Rechnungsle___________ 137 138

Vgl. Leffson, U. (1987), S. 64. Castan, E. (1990), S. 1.

60

A. Einleitung

gung ist der praktisch bedeutsamste Teil des externen Rechnungswesens,139 weshalb diese beiden Begriffe teilweise auch synonym verwendet werden.140 Dabei werden ausschließlich die periodisch zu erstellenden, nicht hingegen die aperiodischen Rechnungsabschlüsse in die Betrachtung einbezogen. Auf den Bereich der Konzernrechnungslegung wird gemäß der Themenstellung lediglich insoweit eingegangen, als sich daraus teilweise Auswirkungen bzw. Anforderungen im Zusammenhang mit dem Jahresabschluss ergeben. 2. Auch Fragen der Prüfung sowie der Offenlegung141 werden lediglich behandelt, soweit entsprechende Zusammenhänge dies erforderlich erscheinen lassen. So werden im Rahmen der Konkretisierung der einzelnen Subzwecke der Informationsfunktion die jeweiligen Rechnungslegungsadressaten und damit grundsätzlich auch die Offenlegungsadressaten bestimmt. Fragen einer möglichen Differenzierung der Offenlegungsinhalte für bestimmte Adressatenkreise sowie der Offenlegungskanäle (wie z. B. unmittelbare oder mittelbare Offenlegung) werden hingegen ausgegrenzt.142 Eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit Fragen der Prüfung der Rechnungslegung ist im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ebenfalls nicht möglich. Diesbezüglich wird im Wesentlichen auf die nach geltendem Recht bestehenden Prüfungspflichten sowie gegebenenfalls auf besondere Gefahrenpotenziale bei Fehlen einer solchen Pflicht hingewiesen. Da Fragen der Offenlegung und Prüfung somit lediglich ergänzend betrachtet werden, erscheint die Eingrenzung des Titels auf den Bereich der Rechnungslegung gerechtfertigt. ___________ 139 Die Rechnungslegung ist wesentlicher Bestandteil des Rechnungswesens, welches seinerseits nach dem Adressatenkreis üblicherweise in das interne sowie das externe Rechnungswesen unterschieden wird: Während sich das interne Rechnungswesen an der Geschäftsführung als Empfänger orientiert, ist das externe Rechnungswesen auf die Bedürfnisse von nicht an der Geschäftsführung beteiligten bzw. unternehmensexternen Empfängern (wie z. B. Gesellschafter, Gläubiger, Fiskus u. a.) ausgerichtet. Vgl. Schneider, D. (1997-a), S. 30; Dellmann, K. (1981), Sp. 1416 f. 140 So etwa Rost, P. (1991), S. 5; ebenso Dellmann, K. (1981), Sp. 1418. Schneider weist darauf hin, dass das externe Rechnungswesen neben der Rechnungslegung auch noch die Prospektrechnung beinhaltet. Siehe hierzu Schneider, D. (1997-a), S. 31. 141 „Offenlegung“ wird hier umfassend als jede an Externe gerichtete Darstellung von Sachverhalten verstanden. Dabei wird jeder als Externer betrachtet, der keinen vollständigen Zugang zu den Dispositions- und Dokumentationsunterlagen hat. „Offenlegung“ kann dem Wortsinn nach somit auch die Unterbreitung von Informationen an einen begrenzten Kreis von Externen betreffen. Demgegenüber grenzen die §§ 325 ff. HGB den Begriff der „Offenlegung“ auf eine jedermann zugängliche Darstellung, d. h. eine Offenlegung gegenüber der Öffentlichkeit („Publizität“) ein. Offenlegung (i. w. S.) beinhaltet demnach „Publizität“ als auch „Offenlegung gegenüber begrenztem Adressatenkreis“. Vgl. Rückle, D./Klatte, V. (1989), S. 195 f. 142 Siehe hierzu beispielsweise die Vorschläge bezüglich einer Differenzierung der Offenlegungspflichten für unterschiedliche Erscheinungsformen der GmbH & Co. KG bei Rückle, D./Klatte, V. (1989), S. 207 ff.

IV. Prämissen und Gang der Untersuchung

61

3. Vor dem Hintergrund der Frage nach einer Beibehaltung der Maßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz (sowie der Umkehrmaßgeblichkeit) wird die Untersuchung hinsichtlich der steuerrechtlichen Rechnungslegung auf eine Gewinnermittlung i. S. d. klassischen Reinvermögenszugangstheorie begrenzt. Ebenso werden Fragen der Sonder- und Ergänzungsbilanzen aus der Betrachtung ausgenommen. 4. Nicht betrachtet werden branchenspezifische Regelungen sowie Regelungen für besondere Rechtsformen wie beispielsweise eingetragene Genossenschaften. 5. Aufgrund der Entscheidung der EU, die weiteren Harmonisierungsbestrebungen der Rechnungslegung an den IFRS auszurichten, werden bei der Betrachtung der unterschiedlichen Ansatz- und Bewertungsregeln die Vorschriften nach HGB bzw. den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB)143 und IFRS einander gegenüber gestellt. Auf eine rechtsvergleichende Betrachtung entsprechender Regelungen in den USA – sowie zum Teil in weiteren ausgewählten Ländern – wird in Zusammenhang mit der Darstellung unterschiedlicher Regulierungs- bzw. Differenzierungskonzepte sowie bei der Regelung der Anspruchsbemessungszwecke eingegangen. Hierdurch sollen mögliche Alternativen sowie gegebenenfalls empirische Erfahrungen, welche bezüglich solcher alternativen Regulierungskonzepte bzw. Instrumente bestehen, zur Fundierung der an den nationalen Gesetzgeber auszusprechenden Empfehlungen herangezogen werden. 6. Bei dem Vergleich der Rechnungslegungskonzeptionen wird der Schwerpunkt auf die Betrachtung der grundlegenden Periodisierungs- und Objektivierungsgrundsätze sowie deren Ausprägungen in Form konkreter Ansatzund Bewertungsvorschriften gelegt.144 Vor dem Hintergrund des derzeitigen Entwurfes des IASB zur Konzipierung von IFRS für SME wird die Annahme getroffen, dass solche im Sinne einer „Modifizierungsstrategie“ im Wesentlichen quantitative Erleichterungen, aber lediglich sehr begrenzt eigene Ansatz- und Bewertungsvorschriften vorsehen.145 Diese Annahme wird zum einen durch die Bestrebungen einer Harmonisierung der Rechnungslegungs___________ 143

Neben den Regelungen des HGB sind für die handelsrechtliche Rechnungslegung aller Kaufleute die so genannten GoB als gesetzlich nicht unbedingt kodifizierte Regeln der Rechnungslegung relevant. Dabei handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, deren Inhalte nicht durch einen fest umrissenen Sachverhalt bestimmt sind. Es handelt sich vielmehr um ausfüllungsbedürftige Wertungsmaßstäbe, deren inhaltliche Ausfüllung insbesondere auch aus den Zwecken der Rechnungslegung abzuleiten ist. Vgl. Schildbach, T. (2004-b), S. 134 f. Hierauf wird in Abschnitt D.II.1.a) der vorliegenden Arbeit näher eingegangen. 144 Dies erscheint u. a. auch angesichts der weitgehenden Ausgrenzung von Offenlegungsfragen sinnvoll. 145 Vgl. Haller, A./Eierle, B. (2004), S. 1840.

62

A. Einleitung

vorschriften sowie zum anderen durch das derzeitige Diskussionspapier des IASB gestützt.146 Nach dem Diskussionspapier des IASB soll es den nationalen Gesetzgebern überlassen bleiben, ob die Anwendung solcher IFRS für SME allen oder lediglich manchen der Unternehmen, welche die Kriterien erfüllen, optional oder verpflichtend vorgegeben werden sollen.147 Nach der IAS-Verordnung erstreckt sich die Entscheidungssituation des nationalen Gesetzgebers hinsichtlich der Anwendung der voll umfänglichen IFRS auch auf die nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteten Unternehmen. Unter der Prämisse einer entsprechenden Übernahme solcher IFRS für SME in den Status europäischer Rechtsnormen würde sich die Entscheidungssituation des nationalen Gesetzgebers bezüglich der Rechnungslegung von SME gegebenenfalls um die Frage einer optionalen oder verpflichtenden Anwendung der IFRS für SME erweitern. 7. Da auf Fragen einer Differenzierung der Offenlegung nicht eingegangen wird, werden negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsstellung des Unternehmens (wie beispielsweise infolge der erleichterten Nachahmung wichtiger Entscheidungen durch die Wettbewerber) oder (Folge-)Kosten (wie z. B. aufgrund höherer Lohnforderungen bei Offenlegung von Absatzsteigerungen), welche mit der Bekanntgabe spezifischer Rechnungslegungsinhalte verbunden sein können, nicht näher betrachtet.148 8. Auf institutionelle Fragen der Schaffung von Rechnungslegungsnormen durch Gesetzgeber, Gerichte oder private Rechnungslegungsgremien wird ebenfalls nicht eingegangen. Um einen Eindruck über die praktische Bedeutung und die Erscheinungsformen mittelständischer Unternehmen zu vermitteln, wird in Kapitel B. zunächst neben der weiteren Konkretisierung des Begriffsverständnisses die praktische Relevanz mittelständischer im Rahmen der nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteten Unternehmen dargelegt. Ferner werden Merkmale mittelständischer Unternehmen, welche im Rechnungslegungskontext relevant sind, näher betrachtet. ___________ 146 Das IASB stellt klar heraus, dass die Entwicklung von Standards für SME auf den wesentlichen Grundprinzipien des IASB-Framework sowie den Rechnungslegungsgrundsätzen und -regeln der IFRS – einschließlich bestehender Interpretationen – basieren wird. Das IASB begründet dies mit der Annahme, dass die Interessen der Abschlussnutzer von SME und öffentlich rechenschaftspflichtigen Unternehmen sich in den meisten Punkten ähnlich seien. Ferner würde eine nicht auf den IFRS begründete Entwicklung von Standards für SME Unternehmen einen freiwilligen oder zwingenden Übergang auf die vollumfänglichen IFRS erschweren. Vgl. IASB (2004-c), Rn. 62 ff.; IASB (2005-a), Rn. 7 b. 147 Vgl. IASB (2004-c), Tz. 26 (und Tz. 35). 148 Hierzu beispielsweise Kuhner, C. (1998), S. 86 ff.; Merkt, H. (2001), S. 220; Kuhner, C. (1998), S. 86; Moxter, A. (1962), S. 4 ff.

IV. Prämissen und Gang der Untersuchung

63

In Kapitel C. erfolgt eine Darstellung der Rechnungslegung im Licht normativer Ansätze zur Begründung der Zwecke gesetzlicher Rechnungslegung. Hierzu werden zunächst in Abschnitt C.I. die Unternehmung im Licht der Neuen Institutionenökonomie als Interessenverbund bzw. als Vertragsgeflecht verschiedener Interessengruppen sowie die Bedeutung von Rechnungslegungsnormen zur Regelung der unterschiedlichen Interessen dargestellt. Dabei wird insbesondere auch auf den Prinzipal-Agent-Ansatz als Teilbereich der Neuen Institutionenökonomie kurz eingegangen. In Abschnitt C.II. wird sodann konkurrierenden Ansätzen zur Herleitung handelsrechtlicher Rechnungslegungszwecke und -normen nachgegangen. Da auch bei dem ökonomischen Maßstab der Effizienz Wertungsspielräume verbleiben, wird dieser um das aus der Wirtschafts- und Rechtsordnung abgeleitete Werturteil einer schutzorientierten Rechnungslegung ergänzt. Angesichts der Relevanz der rechtlichen Organisationsform für die Gestaltung einer solchen schutzorientierten Rechnungslegung erfolgt in Abschnitt C.III. eine Typisierung der unterschiedlichen Erscheinungsformen der betrachteten Unternehmen im Licht organisationsrechtlicher Merkmale. Vor dem Hintergrund dieser normativen Grundlagen zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke werden in den folgenden Kapiteln die unterschiedlichen Zwecke, die dem Jahresabschluss in Deutschland zugewiesen sind, analysiert. In Kapitel D. wird die Informationsfunktion der Rechnungslegung untersucht. Zur Konkretisierung der informatorischen Schutzzwecke werden in Abschnitt D.I. die einzelnen (Sub-)Zwecke der Informationsfunktion näher bestimmt. Hierfür wird, ausgehend von einer Interessenanalyse, auf die in Abschnitt C.II. dargestellten Gründe für eine hoheitliche Normierung Bezug genommen, welche nun mit Blick auf die konkreten Informationszwecke nochmals aufgenommen werden. Bezüglich der so bestimmten informatorischen (Sub-)Zwecke werden auf Basis der Interessenanalyse grundlegende Anforderungskriterien an zweckadäquate Rechnungslegungsvorschriften logischdeduktiv abgeleitet, anhand derer im weiteren Verlauf die miteinander konkurrierenden Rechnungslegungssysteme beurteilt werden. Nach der Konkretisierung der informatorischen Schutzfunktion werden die beiden Rechnungslegungssysteme HGB/GoB sowie IFRS in Abschnitt D.II. einander gegenübergestellt. Abschnitt D.III. dient der Beurteilung der Rechnungslegungssysteme hinsichtlich ihrer Eignung zur Erfüllung der Informationszwecke. Dabei werden nach einer logischen Analyse auch die Ergebnisse empirischer Untersuchungen zu den Präferenzen insbesondere mittelständischer Unternehmen und deren Rechnungslegungsadressaten bezüglich der konkurrierenden Rechnungslegungssysteme zur Erfüllung der Informationsfunktion näher betrachtet. In Abschnitt D.IV. werden ausgewählte Ansätze zur Deregulierung bzw. Differenzierung der Rechnungslegungsanforderungen an Unterneh-

64

A. Einleitung

men unterschiedlicher organisationsrechtlicher Merkmale dargestellt. Dabei wird insbesondere auch auf den Entwurf des IASB zu IFRS für SME näher eingegangen. Die Ergebnisse aus Kapitel D. werden in einem Zwischenfazit zusammengefasst und beurteilt. In Kapitel E. werden die Zwecke der Anspruchsbemessung näher betrachtet und untersucht, ob und gegebenenfalls in welcher Form diese Aufgaben künftig reguliert werden sollen. In Abschnitt E.I. wird zunächst eine Analyse der Liquiditätssituation der Unternehmensgröße nach kleiner und mittlerer Unternehmen als „Eckpfeiler“ bezüglich der Ermittlung eines „entziehbaren“ Gewinnes vorangestellt. In Abschnitt E.II. werden sodann der Anteilseigner- sowie der Gläubigerschutz als Zwecke der Gruppe „Anspruchsbemessung“ näher betrachtet. Dabei wird jeweils nach der Begründung einer hoheitlichen Normierung der entsprechenden Schutzfunktion gefragt. Sofern an einer hoheitlichen Normierung der jeweiligen Schutzfunktion demnach weiterhin festgehalten werden soll, werden Anforderungen an zweckadäquate Rechnungslegungsnormen zur Erfüllung der Schutzfunktionen durch Ermittlung bilanzieller Entnahme- bzw. Ausschüttungsrichtgrößen hergeleitet. Im Anschluss daran wird die Regulierung von Gewinnausschüttungen in Deutschland (siehe Abschnitt E.III.) dargestellt. Mit Blick auf die Möglichkeit einer generellen Anwendung der IFRS auch im Jahresabschluss werden sodann alternative Formen des institutionellen Gläubigerschutzes außerhalb der bilanziellen Gewinnermittlung betrachtet. Hierfür wird zunächst die Regulierung von Gewinnausschüttungen in den USA dargestellt sowie hinsichtlich deren Beurteilung auf Ergebnisse empirischer Untersuchungen in den USA zurückgegriffen (siehe Abschnitt E.IV.). In Abschnitt E.V. wird das Konzept zur Einführung eines (In-)Solvenztests auf europäischer Ebene dargestellt und beurteilt. Schließlich wird in Abschnitt E.VI. untersucht, inwieweit Ausschüttungssperren auf Basis eines modifizierten IFRS-Abschlusses als Alternative zur Erfüllung der Anspruchsbemessungszwecke geeignet sind. Die Ergebnisse von Kapitel E. werden ebenfalls in einem Zwischenfazit zusammengefasst und beurteilt. Nach Darstellung der handels- bzw. gesellschaftsrechtlichen Rechnungslegungszwecke ist schließlich als weiterer Zweck in Kapitel F. die Steuerbemessung näher zu betrachten. In Abschnitt F.I. werden zunächst Formen der Verknüpfung von Handels- und Steuerbilanz sowie Argumente für und gegen eine Verknüpfung näher betrachtet. Im Anschluss daran wird in Abschnitt F.II. analog zur Herleitung der handelsrechtlichen Rechnungslegungszwecke auf aus der Wirtschafts- bzw. Rechtsordnung abgeleitete steuerrechtliche Werturteile als Grundlage zur Beurteilung steuerlicher Gewinnermittlungsnormen zurückgegriffen. Dabei wird in der vorliegenden Arbeit von einer steuerlichen Gewinnermittlung auf Basis eines Betriebsvermögensvergleiches ausgegangen. In

IV. Prämissen und Gang der Untersuchung

65

Abschnitt F.III. wird sodann eine Verknüpfung von Handels- und Steuerbilanz aus Sicht der dargestellten Beurteilungskriterien steuerlicher Gewinnermittlungsnormen analysiert. Dabei wird – wie in den Prämissen angeführt – lediglich ein Betriebsvermögensvergleich auf Basis der „Reinvermögenszugangstheorie“ betrachtet. Anschließend wird eine Verknüpfung von Handels- und Steuerbilanz sodann aus Sicht der handelsrechtlichen Rechnungslegungszwecke beurteilt (Abschnitt F.IV.). Die Ergebnisse von Kapitel F. werden wiederum in einem Zwischenfazit zusammengefasst und beurteilt. Im Anschluss an die nutzenorientierte Untersuchung bezüglich der verschiedenen Rechnungslegungszwecke wird in Kapitel G. auf die Kosten der Unternehmen infolge der Erfüllung der Rechnungslegungsanforderungen eingegangen. Dabei werden mögliche Zusatzkosten insbesondere mittelständischer Unternehmen im Falle einer Umstellung der Rechnungslegung von HGB auf IFRS betrachtet. In Kapitel H. werden auf Basis der so vorgenommenen Nutzen- und KostenBetrachtung Empfehlungen hinsichtlich der Weichenstellungen der künftigen Regulierung und Ausgestaltung des Jahresabschlusses nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteter Unternehmen abgeleitet. In Kapitel I. schließlich werden die Ergebnisse der Arbeit abschließend zusammengefasst.

B. Begriff und Bedeutung mittelständischer im Rahmen der nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteten Unternehmen Begriff und Bedeutung mittelständischer Unternehmen

I. Begriffsabgrenzung und praktische Relevanz Begriffsabgrenzung und praktische Relevanz

Im Rechnungslegungskontext wird als qualitatives Kriterium, um Unternehmen mit unterschiedlichen Rechnungslegungserfordernissen zu unterscheiden, neben der Art der Unternehmenstätigkeit insbesondere darauf abgestellt, ob ein Unternehmen „kapitalmarktorientiert“ oder „nicht kapitalmarktorientiert“ ist.1 Dabei werden kapitalmarktorientierte Unternehmen wie bereits dargelegt zumeist gleichgesetzt mit solchen i. S. d. § 2 Abs. 5 WpHG, d. h. mit Unternehmen, welche einen „organisierten“, öffentlichen Kapitalmarkt in Anspruch nehmen,2 hier bezeichnet als kapitalmarktorientierte Unternehmen i. e. S.3 Im Rahmen der IAS-Verordnung werden darunter wie bereits erläutert Unternehmen verstanden, deren Wertpapiere zum Handel in einem „geregelten Markt“ i. S. d. Wertpapierdienstleistungsrichtlinie zugelassen sind.4 Der Begriff des „organisierten Marktes“ in § 2 Abs. 5 WpHG umfasst wie auch der Begriff des „geregelten Marktes“ in Art. 4 Abs. 14 und Art. 36 ff. der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie die Börsensegmente des amtlichen sowie des geregelten Marktes in Deutschland.5 Da es auch alternative Möglichkeiten der Kapital___________ 1 Vgl. etwa die Übersicht bei Haller, A. (2003), S. 417; Peemöller, V. H./Spanier, G./Weller, H. (2002), S. 1799; Küffner, P./Hock, B. (1998), S. 64; Ernst, C. (2002/2003), S. 232 f.; Küting, K. (2004), S. I; Böcking, H.-J./Herold, C./Müßig, A. (2004), S. 665; nach dessen Verständnis tritt neben das Definitionsmerkmal der engen Verknüpfung von Unternehmensleitung und Eigentum als weiteres, negatives Abgrenzungskriterium mittelständischer Unternehmen die fehlende Kapitalmarktorientierung hinzu. 2 So etwa der Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der SchmalenbachGesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (2003), S. 1585; Pellens, B./Fülbier, R. U. (2000), S. 572 ff.; Mandler, U. (2004), S. 16; Kahle, H. (2002), S. 243; ebenfalls Herzig, N. (2001), S. 47. 3 Siehe bereits Abschnitt A.I. der vorliegenden Arbeit. 4 Vgl. Fn. 23 in Abschnitt A.I.1. der vorliegenden Arbeit. 5 Vgl. Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.04.2004, Art. 4 Abs. 14 und Art. 69 i. V. m. der Übersicht über die geregelten Märkte und einzelstaatliche Rechtsvorschriften zur Umsetzung der entsprechenden Anforderungen der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (93/22/EWG), S. 25. Zum Teil wird mit dem

I. Begriffsabgrenzung und praktische Relevanz

67

beschaffung gibt, die außerhalb der Schutzinstitutionen der geregelten Kapitalmärkte liegen,6 wird in der vorliegenden Arbeit einem darüber hinausgehenden Verständnis von Kapitalmarktorientierung gefolgt, wonach darunter das öffentliche7 Werben um zahlreiche, einander in der Regel persönlich nicht bekannte Kapitalanleger zu verstehen ist.8 Auch das IASB knüpft in seinem Entwurf zur Entwicklung von IFRS für SME trotz der Bezeichnung SME nicht unmittelbar an die Unternehmensgröße als Definitionsmerkmal an, sondern an das Merkmal der öffentlichen Rechenschaftspflicht (public accountability): In Form einer Negativabgrenzung definiert das IASB als „SME“ all diejenigen Einheiten, die keiner öffentlichen Rechenschaftspflicht unterliegen. Dabei ist ein Unternehmen nach dem Entwurf des IASB dann öffentlich rechenschaftspflichtig, wenn:9 • es geregelte, öffentliche Kapitalmärkte zur Unternehmensfinanzierung durch (erfolgte oder erwartete) Ausgabe von Eigen- oder Fremdkapitaltiteln in Anspruch nimmt, welche die Einreichung des Jahresabschlusses bei den entsprechenden Behörden erforderlich macht oder • es sich um ein Unternehmen einer bestimmten Branche (wie Banken, öffentliche Versorgungsunternehmen etc.) handelt.10 Nach dem ursprünglichen Entwurf des IASB wurde die Unternehmensgröße als weiterer Auslösungstatbestand für das Vorliegen einer public accountability und damit als Grund für die Anwendung der vollumfänglichen IFRS betrachtet. Danach war ein Unternehmen auch dann automatisch öffentlich rechenschafts___________ Begriff des geregelten Kapitalmarktes vereinfachend der börsenmäßig organisierte Kapitalmarkt bezeichnet. So z. B. Ziegler, O. (2005), S. 30. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das Marktsegment des „Open Market“ (Freiverkehr) der deutschen Wertpapierbörse(n) nicht die Anforderungen des organisierten Marktes im Sinne des WpHG bzw. des geregelten Marktes im Sinne der EG-Richtlinie erfüllt; vgl. Assmann, H.-D./Schneider, U. H. (1999), § 2 Rn. 96; Kiel, P. (1994), S. 42. Der Freiverkehr wurde zum Oktober 2005 in „Open Market“ umbenannt. Vgl. Angaben hierzu auf der Homepage der Deutschen Börse, abrufbar unter: http://deutsche-boerse.com/dbag/dispatch/ de/allInstruments/gdb_navigation/listing/10_Market_Structure/20_Markets/70_Regulate d_Unofficial_Market (Stand: 21.01.2006). 6 Siehe hierzu die Ausführungen in Abschnitt C.III.3. der vorliegenden Arbeit. 7 Hinsichtlich der Probleme bei der Abgrenzung von öffentlichen gegenüber begrenzten Angeboten siehe Abschnitt C.III.1. dieser Arbeit sowie auch die Ausführungen zu den unterschiedlichen Definitionen im WpPG und im VerkProspG in Abschnitt C.III.3.a) der vorliegenden Arbeit. 8 Vgl. Rückle, D./Klatte, V. (1989), S. 197. 9 Vgl. IASB (2004-c), Tz. 28 ff.; IASB (2005-b), S. 2 f. 10 Allerdings stellt das IASB fest, dass ein Unternehmen, welches öffentliche Leistungen erbringt, nicht per Definition öffentlich rechenschaftspflichtig ist. Vgl. IASB (2006-f), S. 3.

68

B. Begriff und Bedeutung mittelständischer Unternehmen

pflichtig, wenn es für den jeweiligen nationalen Markt von wesentlicher Bedeutung hinsichtlich Kriterien wie Bilanzsumme, Jahresergebnis, Anzahl der Beschäftigten etc. ist.11 Das IASB weist allerdings in seinen jüngsten Sitzungen explizit darauf hin, dass ein Unternehmen, das in seinem Heimatstaat von ökonomischer Bedeutung ist, nicht in jedem Fall zugleich ein öffentlich rechenschaftspflichtiges Unternehmen ist. Es soll vielmehr der jeweilige Mitgliedstaat entscheiden, ob bestimmten, nicht börsengelisteten Unternehmen erlaubt sein soll, die IFRS für SME anzuwenden.12 Die Unternehmensgröße ist in der SME-Definition des IASB somit kein primäres Kriterium, sondern wird lediglich als eine mögliche Ausprägung der öffentlichen Rechenschaftspflicht verstanden – unter dem Vorbehalt der letztlichen Entscheidung durch den nationalen Gesetzgeber.13 So hat das IASB seinen Entwurf zwischenzeitlich auch als IFRS for Non-Publicly Accountable Entities (NPAE) bezeichnet,14 im weiteren Verlauf diese Bezeichnung jedoch kommentarlos wieder zurückgenommen. Der Entwurf trägt daher weiterhin die Bezeichnung IFRS für SME.15 Das IASB unterstellt für SME zum einen einen engeren Kreis von Nutzern der Jahresabschlussinformationen als bei „public accountable entities“ und zum anderen eine andere Gewichtung hinsichtlich der Bedeutung der Adressaten.16 Es lässt sich also festhalten, dass in der Literatur wie in der Praxis mit der Ausrichtung eines Unternehmens auf den geregelten, öffentlichen Kapitalmarkt ein erhöhtes Schutzbedürfnis bzw. eine erhöhte Schutzwürdigkeit der Rechnungslegungsadressaten verbunden wird.17 Fraglich ist, welche Bedeutung demgegenüber Rechnungslegung bei Unternehmen zukommt, die nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichtet sind. ___________ 11 Hinsichtlich der größenbezogenen Merkmale verzichtet das IASB auf die Festlegung konkreter Schwellenwerte und überlässt dies stattdessen den nationalen Gesetzgebern. Vgl. IASB (2004-c), Tz. 31. Als denkbare Vergleichsgröße sei hier auf die Anwendung des „Financial Reporting Standard for Smaller Entities“ in Großbritannien (siehe Abschnitt D.IV.2. der vorliegenden Arbeit) hingewiesen: Dieser ist dort auf Kapital- und diesen gleichgestellte Gesellschaften anzuwenden, welche als „klein“ i. S. d. EG-Richtlinien zu klassifizieren sind. 12 Vgl. IASB (2006-g), S. 1. 13 Vgl. Haller, A./Eierle, B. (2004), S. 1841. 14 Vgl. IASB (2005-b), S. 3. 15 Siehe hierzu auch die Bezeichnung im Rahmen der Projektagenda des IASB. 16 Vgl. IASB (2004-c), Tz. 70. Mit der Unterscheidung zwischen publicly accountable entities und non-publicly accountable entities sieht das IASB – analog dem britischen und kanadischen Modell – ein zweistufiges Differenzierungskonzept vor. Vgl. auch Haller, A./Eierle, B. (2004), S. 1840. 17 Siehe hierzu auch die Ausführungen in Abschnitt C.II.2.b).

I. Begriffsabgrenzung und praktische Relevanz

69

Innerhalb der nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteten Unternehmen kommt den mittelständischen Unternehmen eine dominierende Rolle zu, was im Folgenden veranschaulicht wird. Der Begriff „mittelständische“ Unternehmen ist eine ganz vorwiegend im deutschen Sprachraum gebräuchliche Bezeichnung für einen Unternehmenstypus mit in der Regel kleiner oder mittlerer Unternehmensgröße. Im internationalen Sprachgebrauch hingegen überwiegt die Bezeichnung kmU (kleine und mittlere Unternehmen) als rein quantitative, größenbezogene Begriffsabgrenzung. Der Begriff mittelständischer Unternehmen im deutschen Sprachgebrauch deckt diesen quantitativ abgrenzbaren Bereich ebenfalls mit ab, geht inhaltlich aber darüber hinaus.18 Entsprechend wird in der Literatur zu mittelständischen Unternehmen zwischen quantitativen und qualitativen Kriterien unterschieden. Eine einheitliche Abgrenzung mittelständischer Unternehmen besteht hingegen nicht.19 „Aus quantitativer Sicht umfasst der Begriff ‚wirtschaftlicher Mittelstand‘ über alle Branchen hinweg die Gesamtheit von Unternehmen und Freien Berufen, soweit sie eine bestimmte Größe nicht überschreiten.“20 Dabei werden je nach Kontext unterschiedliche Größenindikatoren wie beispielsweise der Jahresumsatz oder die Anzahl der Beschäftigten verwendet (vgl. Tabelle 3): Tabelle 3 Höchstgrenzen verschiedener kmU-Definitionen KmU-Höchstgrenzen

Anzahl der Beschäftigten

Jahresumsatz

Bilanzsumme

IfM Bonn

499

50 Mio. Euro

-

Europäische Union

249

50 Mio. Euro

43 Mio. Euro

250

32,12 Mio. Euro

16,06 Mio. Euro

(allgemeine kmU-Definition) § 267 Abs. 2 HGB (mittelgroße Kapitalgesellschaft) Quelle: in Anlehnung an Mandler, U. (2004), S. 16.

Nach der für wissenschaftliche Fragestellungen in Deutschland gebräuchlichen Definition des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn zählen Un___________ 18

Vgl. Günterberg, B./Wolter, H.-J. (2002), S. 1; Mandler, U. (2004), S. 13. Die Definition ist vielmehr jeweils an der zugrunde liegenden wissenschaftlichen Fragestellung auszurichten. So z. B. auch Reinemann, H. (2002), S. 22. 20 Günterberg, B./Wolter, H.-J. (2002), S. 1. 19

70

B. Begriff und Bedeutung mittelständischer Unternehmen

ternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten und bis zu 50 Mio. Euro Jahresumsatz noch zur Größenklasse der kmU im Gegensatz zu Großunternehmen.21 Nach der Definition der Europäischen Kommission zählen zu kmU Unternehmen, die weniger als 250 Beschäftigte haben und die entweder einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. Euro erzielen oder deren Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 43 Mio. Euro beläuft.22 Neben diesen allgemeinen Definitionen hat die EU im Zusammenhang mit der Vierten EG-Richtlinie für die Gewährung bestimmter Erleichterungen hinsichtlich Aufstellung, Prüfung und Offenlegung der Jahresabschlüsse eigenständige Schwellenwerte festgesetzt,23 welche der nationale Gesetzgeber in § 267 HGB umgesetzt hat.24 Unter qualitativen Aspekten wird allgemein die enge Verbindung von Unternehmen und Eigentümern hervorgehoben, die sich idealtypisch in der – zumindest weitgehenden – Einheit von Eigentum und Geschäftsführung niederschlägt. Das qualitative Kriterium der Einheit von Eigentum und Geschäftsführung wird allerdings häufig dahingehend relativiert, dass der oder die Geschäftsführer bzw. ihre Familienangehörigen mindestens 50 % der Anteile am Unternehmen halten.25 ___________ 21

Vgl. Günterberg, B./Wolter, H.-J. (2002), S. 21. Innerhalb der Kategorie der kmU wird ein kleines Unternehmen (Kleinstunternehmen) als ein Unternehmen definiert, das weniger als 50 (10) Personen beschäftigt und dessen Jahresumsatz bzw. Jahresbilanz 10 (2) Mio. Euro nicht übersteigt. Vgl. Anhang, Art. 2 der Empfehlung der Kommission vom 06.05.2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen, ABl. der EU Nr. L 124 vom 20.05.2003, S. 36 (im Folgenden: Empfehlung der Kommission vom 06.05.2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen). 23 Danach können die Mitgliedstaaten Gesellschaften die Aufstellung einer verkürzten Bilanz ermöglichen, wenn diese eine Bilanzsumme bis zu 3,65 Mio. Euro, Nettoumsatzerlöse von bis zu 7,3 Mio. Euro und/oder eine jahresdurchschnittliche Beschäftigtenzahl von bis zu 50 haben, wobei zwei der drei Größenmerkmale gegeben sein müssen. Erleichterungen für die Gliederung der GuV-Rechnung können Gesellschaften gewährt werden, die am Bilanzstichtag eine Bilanzsumme von 14,6 Mio. Euro, Nettoumsatzerlöse von bis zu 29,2 Mio. Euro und/oder eine jahresdurchschnittliche Beschäftigtenzahl bis zu 250 haben. Es müssen wiederum mindestens zwei der drei Merkmale erfüllt sein. Vgl. Art. 1, Tz. 1 und Tz. 2 der Richtlinie 2003/38/EG des Rates vom 13.05.2003 zur Änderung der Richtlinie 78/660/EWG über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen hinsichtlich der in Euro ausgedrückten Beträge, ABl. der EU Nr. L 120 vom 15.05.2003, S. 22 i. V. m. der Vierten EG-Richtlinie, Art. 11 und Art. 27. Bei den Schwellenwerten des § 267 HGB wurde bei der Umrechnung in Euro von der in Art. 12 Abs. 2 der Vierten EG-Richtlinie eingeräumten Möglichkeit einer Erhöhung um 10 % Gebrauch gemacht. 24 Hierzu siehe Abschnitt D.II.1.a) der vorliegenden Arbeit. 25 Vgl. Wolter, H.-J./Hauser, H.-E. (2001), S. 33. Nach der Empfehlung der EU hinsichtlich der Definition von kmU gelten Unternehmen als unabhängig, wenn sie „nicht zu 25 % oder mehr des Kapitals (…) im Besitz von einem oder von mehreren Unter22

I. Begriffsabgrenzung und praktische Relevanz

71

In der vorliegenden Arbeit werden mittelständische Unternehmen aus qualitativer Sicht entsprechend definiert als Unternehmen, bei denen eine überwiegende Einheit von Eigentum und Geschäftsleitung gegeben ist. Dabei wird es als ausreichend angesehen, wenn der oder die Geschäftsführer bzw. ihre Familienangehörigen mindestens 50 % der Anteile am Unternehmen halten. Bezüglich des quantitativen Verständnisses mittelständischer Unternehmen wird auf die in Deutschland gebräuchlichen Schwellenwerte des IfM Bonn zurückgegriffen.26 Sofern in empirischen Untersuchungen bezüglich der quantitativen Schwellenwerte auf andere als die des IfM Bonn Bezug genommen wird – so v. a. die Schwellenwerte des § 267 HGB – wird dies kenntlich gemacht. Die quantitativen sowie die qualitativen Kriterien können jeweils in unterschiedlichen Erfüllungsgraden gegeben sein.27 Mittelständische Unternehmen im qualitativen Sinne können somit Unternehmen umfassen, welche die quantitativen Kriterien erfüllen oder aber über diese hinausgehen und umgekehrt.28 Der Begriff mittelständischer Unternehmen ist somit nicht identisch mit dem Begriff von kmU, da Letzterer lediglich auf das Merkmal der geringen Unternehmensgröße abstellt. Entsprechend wird im Folgenden immer dann der Be___________ nehmen gemeinsam stehen, welche die Definition von KMU bzw. der kleinen Unternehmen nicht erfuellen.“ Empfehlung der Kommission vom 03.04.1996 betreffend die Definition der kleinen und mittleren Unternehmen, Anhang Art. 1 Abs. 3 i. V. m. Empfehlung der Kommission vom 06.05.2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen, S. 37, Abs. 9. Um die als Anreiz für die Eigenmittelinvestition in kmU gedachten Maßnahmen zu verstärken, können nach der Empfehlung der EU die Unternehmen sogar dann als eigenständig betrachtet werden, wenn die Beteiligung bestimmter Kategorien von Investoren – wobei explizit auf die „Business Angels“ hingewiesen wird – 25 % oder mehr erreicht. Vgl. Empfehlung der Kommission vom 06.05.2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen, S. 37, Abs. 10. 26 Die unterschiedlichen Schwellenwerte in den verschiedenen kmU-Definitionen zeigen, dass jeder Grenzziehung durch Festlegung bestimmter Zahlen eine gewisse Willkür anhängt. 27 Je nach Erfüllungsgrad der qualitativen sowie der quantitativen Kriterien lassen sich vier verschiedene Gruppen von Unternehmen unterscheiden: 1. Unternehmen, welche sowohl die quantitativen als auch die qualitativen Kriterien erfüllen (überwiegend inhabergeführte mittelständische Unternehmen), 2. Unternehmen, welche die qualitativen, jedoch nicht die quantitativen Kriterien erfüllen (große Familienunternehmen), 3. Unternehmen, welche die quantitativen, jedoch nicht die qualitativen Kriterien erfüllen (konzernabhängige oder fremd geführte kleine und mittlere Unternehmen) und 4. Unternehmen, welche weder die quantitativen noch die qualitativen Kriterien erfüllen (Großunternehmen). Vgl. Reinemann, H. (2002), S. 13 ff.; siehe auch Wolter, H.-J./Hauser, H.-E. (2001), S. 29 ff. 28 Vgl. Günterberg, B./Wolter, H.-J. (2002), S. 1; Mandler, U. (2004), S. 13 f.; Böcking, H.-J./Herold, C./Müßig, A. (2004), S. 665.

72

B. Begriff und Bedeutung mittelständischer Unternehmen

griff kmU verwendet, wenn auf den Aspekt der geringen Unternehmensgröße abgestellt wird oder bei empirischen Untersuchungen lediglich quantitative Kriterien zugrunde gelegt werden. Ferner sind nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichtete Unternehmen auch nicht gleichzusetzen mit mittelständischen Unternehmen.29 Unter die nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteten Unternehmen fallen vielmehr auch überwiegend fremd geführte Unternehmen sowie Publikumsgesellschaften.30 Umgekehrt können – ausgehend von dem Merkmal einer überwiegenden Einheit von Eigentum und Geschäftsführung – grundsätzlich auch mittelständische Unternehmen auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichtet sein. So kann auch ein börsennotiertes Unternehmen, welches Eigenkapitaltitel ausgibt, überwiegend eigentümergeführt sein; ferner kann ein Unternehmen auch lediglich Fremdkapitaltitel am geregelten Kapitalmarkt anbieten. Allerdings ist empirischen Daten zufolge der Anteil der Unternehmen am geregelten Kapitalmarkt, die lediglich Schuldtitel in Form von Anleihen oder Genussrechten emittieren, vergleichsweise gering (rd. 17,8 %), wobei unter diesen Unternehmen der Anteil der Finanzinstitute mit 90 % ganz deutlich dominiert.31 Bezogen auf das Kriterium der Unternehmensgröße sind auch Unternehmen am geregelten Kapitalmarkt vertreten, welche einen Jahresumsatz von maximal 50 Mio. Euro haben.32 Angaben, inwieweit es sich bei den am geregelten Kapi___________ 29

So aber Kahle, H. (2002), S. 243. Hierauf wird bei der Typisierung der in der vorliegenden Arbeit betrachteten Unternehmen näher eingegangen. 31 Der Anteil der Unternehmen, die dem Industrie-, Handels- oder sonstigen Dienstleistungssektor zuzuordnen sind, beträgt innerhalb dieser Gruppe hingegen lediglich 9 %. Vgl. PricewaterhouseCoopers (2004), S. 17. 32 Vgl. Engel, D. et al. (2006), S. 178. Einer Unternehmensbefragung der KfW im Jahr 2002 zufolge kommt ein Börsengang für rd. 92 % der Unternehmen mit Jahresumsätzen bis 50 Mio. Euro nicht in Betracht. Insgesamt lässt sich in der Befragung feststellen, dass für die Unternehmen ein Börsengang umso eher in Betracht kommt oder bereits erfolgt ist, je größer sie sind. Vgl. KfW et al. (2003), S. 54. Im Rahmen einer weiteren Untersuchung wurden für das Jahr 2002 aus der Gesamtheit der i. S. d. IASVerordnung kapitalmarktorientierten Unternehmen mit Sitz in Deutschland die Emittenten ermittelt, die einen Konzernabschluss erstellen und somit unter den Anwendungsbereich des Art. 4 der IAS-Verordnung fallen. Bei einer nach Branchen und Umsatzgrößenklassen differenzierten Betrachtung dieser Unternehmen fallen rund 32 % der kapitalmarktorientierten Konzerne der Industrie, des Handels und der sonstigen Dienstleistungen in den Bereich von Unternehmen, deren Umsatz weniger als 50 Mio. Euro beträgt. Von insgesamt 671 kapitalmarktorientierten Konzernen konnten aus den verfügbaren Daten für 605 Unternehmen die Umsatzzahlen ermittelt werden. Insbesondere bei Unternehmen, die in Insolvenz oder in Liquidation sind, fehlten Abschlüsse und/oder waren auch anderweitig Größendaten nicht ermittelbar. Unter den 192 Unternehmen mit Umsätzen von weniger als 50 Mio. Euro waren 48 Unternehmen solche mit einem Umsatz von weniger als 10 Mio. Euro. Vgl. PricewaterhouseCoopers (2004), S. 21 f. 30

I. Begriffsabgrenzung und praktische Relevanz

73

talmarkt notierten Unternehmen um mittelständische Unternehmen im Verständnis der vorliegenden Arbeit handelt, lassen sich den Kapitalmarktstatistiken nicht ohne Weiteres entnehmen.33 Auch der im Januar 2005 eingeführte German Intrepreneurial Index (GEX)34 lässt keine Rückschlüsse zu, inwieweit es sich dabei um überwiegend eigentümergeführte Unternehmen handelt.35 Insgesamt tritt lediglich ein Bruchteil der Unternehmen überhaupt in der Rechtsform der AG oder KGaA auf (in 2004: rd. 0,2 %) und auch von diesen wiederum ist lediglich ein geringer Anteil börsennotiert (vgl. Tabelle 5).36 Bezogen auf die Gesamtheit mittelständischer Unternehmen sind die Fälle einer Ausrichtung auf den geregelten Kapitalmarkt von vernachlässigbarer Bedeutung, so dass mittelständische Unternehmen im vorliegenden Kontext in Übereinstimmung mit der Mehrheit der Literatur auf nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichtete Unternehmen eingeschränkt werden.37 Bei mittelständischen Unternehmen kann es sich nach der hier vorgenommenen Definition ferner auch um mittelständische Konzernstrukturen handeln, bei denen das Mutterunternehmen jeweils überwiegend eigentümergeführt ist und dieses zugleich durch Stimmrechtsmehrheit o. Ä. die Führung der Tochterunternehmen beherrscht. Insgesamt handelt es sich bei der überwiegenden Mehrzahl der nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteten Unternehmen um mittelständische Unternehmen: Nach einer im Jahr 2001 durchgeführten Studie beträgt der Anteil der überwiegend eigentümergeführten Unternehmen für das Jahr 1998 insgesamt ___________ 33

Hierzu wäre eine Analyse der einzelnen Abschlüsse der Unternehmen erforderlich. Siehe hierzu die Angaben auf der Homepage der Deutschen Börse AG, abrufbar unter: http://deutsche-boerse.com/dbag/dispatch/de/kir/gdb_navigation/listing/10_ Market_Structure/32_all_share_indizes/20_GEX (Stand: 30.06.2006). 35 Im GEX erfasst sind so genannte „eigentümerdominierte“ Unternehmen mit Sitz in Deutschland, die im Prime Standard an der Frankfurter Wertpapierbörse gelistet sind, deren Börsengang nicht länger als zehn Jahre zurück liegt und bei denen Vorstände und Aufsichtsräte zusammen mindestens 25 %, maximal 75 % der Stammaktien halten. Vgl. Deutsche Börse AG (2006-b). Die geringe Anforderung an den Eigenkapitalanteil der Geschäftsführer, welche das Merkmal mittelständischer Unternehmen im hier verstandenen Sinne nicht erfüllt, führt dazu, dass sehr unterschiedliche Unternehmen in diesem Index erfasst werden. Ferner verdeutlichen die Mindestgrenze von 25 % des vom Management gehaltenen Anteilsbesitzes sowie die Einschränkung auf den Zehnjahreszeitraum auch die Vermutung, dass der Eigentümeranteil bei vielen Unternehmen nach dem Börsengang unter 25 % fällt. Vgl. Kaserer, C. et al. (2006), S. 10. Zum Stand Dezember 2005 waren 108 Unternehmen im GEX enthalten. Vgl. Kaserer, C. et al. (2006), S. 10. Insgesamt waren im Dezember 2005 im Prime Standard 324 inländische Unternehmen gelistet. Vgl. Deutsche Börse AG (2006-a), S. 28. 36 Siehe hierzu auch im Folgenden die Tabellen 4 und 5. 37 Siehe etwa Kahle, H. (2002), S. 243; Böcking, H.-J./Herold, C./Müßig, A. (2004), S. 665; Mandler, U. (2004), S. 16. 34

74

B. Begriff und Bedeutung mittelständischer Unternehmen

94,8 % aller Unternehmen (vgl. Tabelle 4).38 Dabei wurde obiges Kriterium der überwiegenden Einheit von Eigentum und Leitung allerdings noch um eine Höchstgrenze von Gesellschaftern ergänzt: Unternehmen mit mehr als fünf Gesellschaftern wurden nicht mehr als „Eigentümerunternehmen“ bezeichnet mit der Begründung, dass bei mehr als fünf Gesellschaftern die Vorteile der Einheit von Eigentum und Leitung großteils verloren gingen.39 Im Einzelnen ergeben sich dabei die in Tabelle 4 dargestellten Anteile überwiegend eigentümergeführter Unternehmen an den jeweiligen Rechtsformen. Tabelle 4 Anteile überwiegend eigentümergeführter Unternehmen an den jeweiligen Rechtsformen Unternehmen

Anzahl

davon überwiegend eigentümergeführte Unternehmen (in %)

2 033 853

100,0 %

GbR, OHG, KG40

277 464

95,6 %

GmbH

426 724

79,9 %

69 925

85,6 %

3 139

28,3 %

319 409

83,9 %

3 130 514

94,8 %

Einzelunternehmen

GmbH & Co. KG AG Sonstige Unternehmen41 Insgesamt

Quelle: in Anlehnung an Wolter, H.-J./Hauser, H.-E. (2001), S. 71 und Mandler, U. (2004), S. 15.

___________ 38

Die Gesamtzahl der deutschen Unternehmen wurde ermittelt als Summe der Unternehmen aus der Umsatzsteuerstatistik zuzüglich einer geschätzten Anzahl von Organschaftsunternehmen. Vgl. hierzu Wolter, H.-J./Hauser, H.-E. (2001), S. 48 f. 39 Dieser Grenze haftet – wie auch jeder anderen Grenzziehung in diesem Bereich – etwas Willkürliches an. 40 Die GbR, OHG und die KG sehen zwar grundsätzlich die Selbstorganschaft vor, d. h. die Geschäftsführung steht den Gesellschaftern – bei der KG ausschließlich den Komplementären – zu. Die Gesellschafter einer GbR, OHG oder KG können jedoch auch Kapitalgesellschaften sein, so dass die Prüfung bezüglich der Einheit von Eigentum und Leitung auch auf die dahinter stehenden Kapitalgesellschaften auszuweiten ist. Vgl. Wolter, H.-J./Hauser, H.-E. (2001), S. 62 ff. 41 Sammelposten, der neben sonstigen Rechtsformen auch Freiberufler, Unternehmen des Kredit- und Versicherungsgewerbes sowie Organschaftsunternehmen erfasst.

I. Begriffsabgrenzung und praktische Relevanz

75

Nach den quantitativen (Umsatz-)Kriterien des IfM Bonn hat der Anteil kleiner und mittlerer Unternehmen im Jahr 2004 99,7 % aller Unternehmen in Deutschland ausgemacht. Dabei ist die überwiegende Mehrzahl der kmU in der Rechtsform von Personenunternehmen, d. h. Einzelunternehmen und Personengesellschaften organisiert (vgl. Tabelle 5). Tabelle 5 Anzahl der Unternehmen in Deutschland nach Rechtsformen und Umsatzgrößenklassen im Jahr 2004 Rechtsform

davon Anzahl der Unternehmen mit jährlichen Umsatzerlösen

Anzahl der Unternehmen1

” 8 Mio. Euro4

Einzelunternehmen

2 064 135

2 060 440

3 393

188

85

29

OHG (einschl. GbR)

259 277

256 423

2 343

234

159

118

KG und GmbH & Co. KG

116 632

99 794

11 486

2 186

1 825

1 341

GmbH

> 8 Mio. > 32 Mio. > 50 Mio. > 130 und ” 32 und ” 50 und ” 130 Mio. Euro4 Mio. Euro4 Mio. Euro4 Mio. Euro4

452 957

431 275

16 095

2 310

1 908

1 369

AG und KGaA2 [davon börsennotiert]3

7 189 [979]

5 441

781

213

281

473

Sonstige

56 983

53 651

2 114

462

425

331

2 957 173 (100 %)

2 907 024 (98,3 %)

36 212 (1,2 %)

5 593 (0,2 %)

4 863 (0,2 %)

3 661 (0,1 %)

insgesamt 1

Die Daten basieren auf der Umsatzsteuerstatistik 2004. Erfasst sind ausschließlich umsatzsteuerpflichtige Unternehmen (auch Nichtvollkaufleute) mit Lieferungen und Leistungen von mehr als 17 500 Euro.

2

Einschließlich bergrechtlicher Gewerkschaften.

3

Vgl. Deutsche Börse AG (2006-a), S. 28. Darin sind alle Unternehmen mit Sitz in Deutschland erfasst, welche im Dezember 2004 an deutschen Börsen gelistet waren. Somit sind in diesem Wert auch Werte des „Open Market“ (Freiverkehr) enthalten. (Die Anzahl der an der Frankfurter Wertpapierbörse gelisteten Unternehmen im Freiverkehr mit Sitz in Deutschland betrug in 2004 156; für die Regionalbörsen liegen jedoch keine Daten für die jeweiligen Marktsegmente vor.)

4

Aufgrund der eingeschränkten Verfügbarkeit statistischen Datenmaterials wurde ausschließlich auf die Höhe der Umsatzerlöse zurückgegriffen. Eine aktuelle, offizielle Statistik des Sta-

76

B. Begriff und Bedeutung mittelständischer Unternehmen tistischen Bundesamtes, die Aufschluss über Rechtsform und z. B. die jeweilige Beschäftigtenanzahl gibt, liegt nicht vor; schätzungsweise beschäftigen aber mehr als 98 % der Unternehmen in Deutschland weniger als 50 Mitarbeiter pro Unternehmen; vgl. Niehues, K. (2000), Abb. 1). Die in der obigen Tabelle verwendeten Schwellenwerte wurden als Annäherung an die in § 267 HGB, § 1 Abs. 1 PublG sowie die nach dem IfM Bonn geltenden Grenzwerte herangezogen. Dabei wurde eine Gleichverteilung innerhalb der Größenklassen der Umsatzsteuerstatistik angenommen.

Quelle: eigene Berechnungen auf Grundlage des Statistischen Bundesamtes (2006), Gliederungspunkt 3.2.

II. Im Rechnungslegungskontext relevante Merkmale mittelständischer Unternehmen Rechnungslegungsrelevante Merkmale mittelständischer Unternehmen

Wie dargestellt dominieren bei mittelständischen Unternehmen die Rechtsformen der Einzelunternehmen und Personengesellschaften. Bei Personengesellschaften sind die Informationsrechte der Gesellschafter großteils vertraglich gestaltbar; die Gesellschafter verfügen häufig über „gute“ Einblicks- und Prüfungsrechte. Insbesondere das Unabhängigkeitsstreben vieler Eigentümer-Unternehmer führt dazu,42 dass hinsichtlich der Aufnahme von Kapital eine Aufnahme neuer Gesellschafter und die Vergabe von Eigentums- bzw. Mitspracherechten vermieden werden soll. Empirischen Ergebnissen zufolge berücksichtigen mittelständische Unternehmen bei der Wahl eines Finanzierungsinstruments – neben einer Minimierung der Finanzierungskosten – auch in hohem Maße, dass der Kapitalgeber keinen Einfluss auf die Geschäftspolitik nimmt.43 Hieraus resultieren u. a. Konsequenzen für die Finanzierung sowie die Beziehungen zwischen dem Unternehmen und dessen Umfeld. So weisen kmU in Deutschland im Durchschnitt eine im Vergleich zu Großunternehmen geringe Eigenkapitalquote auf.44 Das traditionelle Finanzierungsverhalten mittelständischer Unter___________ 42

Vgl. Engel, D. et al. (2006), S. 141; Engel, D. et al. (2006), S. 189. Vgl. Engel, D. et al. (2006), S. 45 f., S. 174 m. w. N. 44 Vgl. Engel, D. et al. (2006), S. 158 ff.; Deutsche Bundesbank (2005), S. 5 ff. und S. 18 ff.: Nach den Daten der Deutschen Bundesbank für das Jahr 2003 lässt sich branchenübergreifend (im Folgenden betrachtet für das Verarbeitende Gewerbe, Produzierende Gewerbe, Handel und unternehmensnahe Dienstleistungen) bei Personenunternehmen im Durchschnitt ein klares Ansteigen der Eigenkapitalquote mit zunehmender Unternehmensgröße, bezogen auf die dort unterschiedenen drei Größenklassen, feststellen. Bei den Kapitalgesellschaften ergibt sich ein nennenswerter Unterschied bei den durchschnittlichen Eigenkapitalquoten lediglich zwischen der Gruppe der kleinsten Unternehmen mit Jahresumsätzen mit weniger als 2,5 Mio. Euro und den Unternehmen mit 2,5 Mio. bis 50 Mio. Euro Jahresumsatz. Nach Analysen der Europäischen Kommission auf Basis harmonisierter Unternehmensbilanzstatistiken (BACH-Datenbank) sind die Unterschiede bei der Eigenkapitalquote zwischen kmU und großen Unternehmen in 43

II. Rechnungslegungsrelevante Merkmale mittelständischer Unternehmen

77

nehmen in Deutschland basiert neben der Innenfinanzierung durch Einbehaltung von Gewinnen v. a. auf einer lang- und kurzfristigen Finanzierung über Bankkredite; dabei kommt den Hausbanken eine tragende Rolle zu.45 Auch Lieferantenkredite sind ein relativ bedeutsames Finanzierungsinstrument.46 Daneben werden teilweise gesellschaftsrechtliche Gestaltungsformen gewählt, bei denen die Aufnahme reiner „Anlagegesellschafter“ möglich ist, deren vertraglich gestaltbare Einblicks- und Kontrollrechte großteils eingeschränkt werden. In Betracht kommt ferner rechtsformunabhängig die Aufnahme schuldrechtlicher Finanzierungsformen, welche eigenkapitalähnlichen Charakter aufweisen.47 Das Unabhängigkeitsstreben vieler mittelständischer Unternehmen sowie hohe Kosten und Transparenzanforderungen des geregelten Kapitalmarktes wirken sich hemmend auf deren Inanspruchnahme des geregelten Kapitalmark___________ Deutschland v. a. im europäischen Vergleich besonders ausgeprägt. Diesen Analysen zufolge gibt es bei einer internationalen Betrachtung keinen klaren Zusammenhang zwischen der Eigenkapitalquote (Eigenkapital in Prozent des Gesamtkapitals) und der Unternehmensgröße. Vielmehr ist in einigen Ländern die Eigenkapitalquote von kleinen Unternehmen niedriger als jene von mittleren bzw. großen Unternehmen (so u. a. in Deutschland, Österreich, Dänemark). In anderen Ländern bestehen bezüglich der Eigenkapitalquote keine oder nur geringfügige Unterschiede zwischen kmU und großen Unternehmen. Insbesondere in Großbritannien und in den USA schließlich verfügen kmU über eine bessere Kapitalausstattung als Großunternehmen. In den USA wie auch in Großbritannien unterscheidet sich die Organisation der Kapitalmärkte von der in Deutschland. Dies lässt vermuten, dass der Struktur der (Eigen-)Kapitalmärkte für die Bedeutung der Eigenkapitalfinanzierung neben der gewachsenen „Kultur“ des Unabhängigkeitsstrebens der Unternehmer, den steuerlichen Möglichkeiten der Innenfinanzierung sowie der Verfügbarkeit von Kreditmärkten eine Rolle zukommt. Allerdings enthält die BACH-Datenbank ausschließlich Jahresabschlüsse von Kapitalgesellschaften, ferner sind große Unternehmen stark überrepräsentiert. Die Analyse basiert auf der so genannten BACH-Datenbank (Bank for the Accounts of Companies Harmonised). Diese enthält Jahresabschlussstatistiken von Unternehmen des Produzierenden Gewerbes, des Handels und des Dienstleistungssektors in 11 europäischen Ländern (Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden und Spanien) sowie zusätzlich Angaben für die USA und Japan und das Vereinigte Königreich auf Grundlage einer externen Quelle. Vgl. Europäische Kommission (1998), S. 2, S. 17, S. 22. Ebenfalls zu dem Ergebnis, dass es bei einer internationalen Betrachtung keinen klaren Zusammenhang zwischen der Eigenkapitalquote und der Unternehmensgröße gibt, kommt das Beobachtungsnetz der europäischen kmU (2003), S. 41. 45 Vgl. Engel, D. et al. (2006), S. 140 ff., dem Vorwort zufolge wurde die Mittelstandsdefinition in Anlehnung an die des IfM Bonn vorgenommen; KfW et al. (2003), S. 45 f. 46 Vgl. Engel, D. et al. (2006), S. 140 f. 47 Einer Untersuchung der KfW et al. aus 2005 zufolge fassen rd. 11 % der befragten mittelständischen Unternehmen eine Aufnahme von Mezzaninkapital ins Auge. Vgl. Engel, D. et al. (2006), S. 172.

78

B. Begriff und Bedeutung mittelständischer Unternehmen

tes aus. So ist mit den Transparenzanforderungen eine hohe, regelmäßige Kostenbelastung verbunden.48 Ferner sind die Kosten für den Eintritt in den geregelten Kapitalmarkt großteils unabhängig von der Höhe des aufgenommenen Kapitals und besitzen demnach Fixkostencharakter (wie z. B. ein erforderlicher Rechtsformwechsel etc.). Die Aufnahme eines vergleichsweise niedrigen Kapitalvolumens wird dadurch verhältnismäßig stark belastet. Die beabsichtigte Transaktionskostensenkung lässt sich deshalb lediglich dann realisieren, wenn die Emission an Wertpapieren einen bestimmten Mindestbetrag erreicht. Dies dürfte jedoch bei einer Vielzahl mittelständischer Unternehmen nicht der Fall sein. Die geringe Anzahl von mittelständischen Unternehmen, welche am geregelten Kapitalmarkt teilnehmen, stärkt die Vermutung, dass die Markteintrittsbarrieren – in Verbindung mit dem Unabhängigkeitsstreben bei vielen mittelständischen Unternehmen – in Deutschland eine nicht unwesentliche Rolle spielen.49 Inwieweit ferner auch die Tatsache von Belang ist, dass mit den Transparenzanforderungen zugleich eine Offenlegung von Unternehmensdaten für Konkurrenten einhergeht, ist empirisch nicht belegt. Nach den jüngsten Daten der KfW et al. kommt der Gang an die Börse für den überwiegenden Teil mittelständischer Unternehmen auch weiterhin nicht in Frage.50 Stattdessen nutzen sie zur Aufnahme von Kapital ganz überwiegend Finanzierungsmöglichkeiten außerhalb öffentlicher Kapitalmärkte. Entsprechend sind die Beziehungen zu den einzelnen Kapitalgebern – im Gegensatz zu typischerweise anonymen Kapitalgeberbeziehungen am öffentlichen Kapitalmarkt – in der Regel durch individuelle Vertragsgestaltungen geregelt.51 Auch in vielen mittelständischen Unternehmen wird jedoch Rechnungslegung relevant, wenn nicht alle Gesellschafter bzw. Eigenkapitalgeber zugleich Geschäftsführer sind oder ihre individuellen Einsichtsrechte wahrnehmen können. Lediglich beim Einzelunternehmen fallen Eigentum und Geschäftsführung wie gezeigt in jedem Fall zusammen. Ferner kommt Rechnungslegung auch hinsichtlich der Aufnahme von Fremdkapital eine Bedeutung zu. Um die Bedeutung der Rechnungslegung bei mittelständischen ebenso wie generell bei nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteten Unternehmen zu analysie-

___________ 48

Vgl. Engel, D. et al. (2006), S. 178. Vgl. Schmidt, A. G. (1998), S. 293 f.; Kaufmann, F./Kokalj, L. (1996), S. 14 f.; Ahrweiler, S./Börner, C. J. (2003), S. 7. Hinsichtlich der Anzahl der am geregelten Kapitalmarkt gelisteten AG und KGaA siehe Tabelle 5 der vorliegenden Arbeit. 50 Vgl. Engel, D. et al. (2006), S. 178. 51 Hierauf wird in Abschnitt C.III.3. der vorliegenden Arbeit näher eingegangen. 49

II. Rechnungslegungsrelevante Merkmale mittelständischer Unternehmen

79

ren, bedarf es somit rechtsformübergreifend einer Typisierung in Abhängigkeit bestimmter organisationsrechtlicher Merkmale.52 Der Aspekt der (geringen) Unternehmensgröße kann im Rechnungslegungskontext in mehrerlei Hinsicht eine mittelbare oder unmittelbare Bedeutung haben. So wird bei Unternehmen geringerer Unternehmensgröße zum Teil ein engerer Kreis an Nutzern von Jahresabschlussinformationen und/oder eine andere Gewichtung der Bedeutung von Jahresabschlussadressaten als bei Großunternehmen vermutet.53 Hierauf wird im Rahmen der organisationsrechtlichen Merkmale sowie der Analyse der Informationsfunktion näher einzugehen sein. So ist de lege lata eine Publizitätspflicht lediglich bei Fehlen eines persönlich haftenden Gesellschafters oder erst ab einer bestimmten Unternehmensgröße vorgesehen. Entsprechend sind „große“ Unternehmen, welche nicht bereits aufgrund beschränkter Haftung publizitätspflichtig sind (vgl. § 3 Abs. 1 PublG), zur Publizität zwecks Information der interessierten Öffentlichkeit verpflichtet. Gemäß § 1 Abs. 1 PublG fallen unter den Geltungsbereich dieses Gesetzes alle Unternehmen, die an drei aufeinander folgenden Abschlussstichtagen mindestens zwei der drei nachfolgenden Merkmale erfüllen: • Bilanzsumme > 65 Mio. Euro, • Jahresumsatz > 130 Mio. Euro, • durchschnittliche Anzahl Arbeitnehmer > 5 000.54 Weitere Schwellenwerte im Rechnungslegungskontext bestehen ferner für die Pflicht zur Erstellung eines Konzernabschlusses. So ist ein Mutterunternehmen gemäß § 293 Abs. 1 Nr. 1 HGB nach der so genannten Bruttomethode55 verpflichtet, einen Konzernabschluss aufzustellen, wenn jeweils mindestens zwei der drei nachstehenden Merkmale zutreffen: • die Bilanzsummen in den Bilanzen des Mutterunternehmens und der einzubeziehenden Tochterunternehmen übersteigen insgesamt 19,272 Mio. Euro, • die Umsatzerlöse des Mutterunternehmens und der einzubeziehenden Tochterunternehmen übersteigen insgesamt 38,544 Mio. Euro und/oder

___________ 52

Siehe Abschnitt C.III. der vorliegenden Arbeit. Vgl. IASB (2004-c), Tz. 70. 54 Dieselben Größenmerkmale gelten gemäß § 11 Abs. 1 PublG auch hinsichtlich der Konzernabschlusspflicht von Mutterunternehmen, die nicht als Kapitalgesellschaft organisiert sind (und für die somit nicht die §§ 290 ff. HGB gelten). Vgl. Küting, K./ Weber, C.-P. (2000-b), S. 79. 55 Nach der Bruttomethode werden die Jahresabschlüsse aller einzubeziehenden Unternehmen addiert. Vgl. etwa Coenenberg, A. G. (2005), S. 567. 53

80

B. Begriff und Bedeutung mittelständischer Unternehmen

• das Mutterunternehmen und die einzubeziehenden Tochterunternehmen haben in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag im Jahresdurchschnitt mehr als 250 Arbeitnehmer beschäftigt. Nach der Nettomethode, welche sich auf die Werte eines konsolidierten (Probe-)Abschlusses bezieht, gelten dieselben Schwellenwerte wie für die Abgrenzung mittelgroßer gegenüber großen Unternehmen nach § 267 HGB (vgl. § 293 Abs. 1 Nr. 2 HGB). Eine gesetzliche Prüfungspflicht besteht ebenfalls lediglich für Kapital- und diesen gleichgestellte Personengesellschaften bestimmter Größe. Schließlich sind de lege lata auch die Anforderungen an die Aufstellung – sowie die gegebenenfalls bestehenden Publizitätspflichten – des Jahresabschlusses in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße differenziert.56 Das Kriterium der (geringen) Unternehmensgröße ist zudem v. a. auch in Zusammenhang mit den Kosten, die den Unternehmen durch die Erfüllung von Rechnungslegungsanforderungen entstehen, von Belang. Auch hinsichtlich der Liquidität eines Unternehmens liefern theoretische sowie empirische Analysen Anhaltspunkte für größenspezifische Besonderheiten.57 Ob bzw. inwiefern diese gegebenenfalls bei der Ermittlung eines „entziehbaren“ Gewinnes im Rahmen der Anspruchs- und Steuerbemessungsfunktion mit berücksichtigt werden sollten, wird in den jeweiligen Kapiteln näher betrachtet. Im Rechnungslegungskontext ist ferner von Bedeutung, ob bzw. in welchem Umfang die Unternehmen international und ob sie im Konzernverbund tätig sind. Bei internationaler Unternehmenstätigkeit handelt es sich um die Aufnahme jeglicher Art grenzüberschreitender Tätigkeiten. Die Internationalisierungsaktivitäten der Unternehmen können somit sehr unterschiedliche Formen und Intensitäten annehmen.58 Untersuchungen zu den Internationalisierungsaktivitäten zufolge stellt bei kmU der Export die bedeutendste Internationalisierungsform dar:59 Mit steigender Unternehmensgröße nimmt nach empirischen Daten sowohl der Anteil der Unternehmen mit Außenhandelsaktivitäten60 als auch der Anteil des Aus___________ 56 Hierauf wird bei der Betrachtung der Rechnungslegungssysteme in Abschnitt D.II.1.a) der vorliegenden Arbeit näher eingegangen. 57 Siehe Abschnitt E.I. der vorliegenden Arbeit. 58 Vgl. Dülfer, E. (2001), S. 127. 59 Vgl. Dornig, A./Brenken, A. (2006), S. 1 ff.; Bamberger, I./Wrona, T. (2002), S. 275 f., S. 279, welche auf verschiedene Studien verweisen. KmU werden nach Bamberger/Wrona verstanden als Unternehmen mit bis zu 500 Beschäftigten, welche typischerweise ein Familienbetrieb sind. 60 Vgl. Maaß, F./Wallau, F. (2003), S. 39 f.; Günterberg, B./Kayser, G. (2004), S. 29: Diese zeigen für Deutschland für das Jahr 2002 eine steigende „Exporteurquote“ (definiert als prozentualer Anteil der exportierenden Unternehmen an allen Unternehmen,

II. Rechnungslegungsrelevante Merkmale mittelständischer Unternehmen

81

landsumsatzes am Gesamtumsatz zu.61 Auch bezüglich einer Internationalisierung in Form von Kooperationen62 und Direktinvestitionen lässt sich ein solcher positiver Zusammenhang zwischen der Unternehmensgröße und der Bereitschaft der Unternehmen, international tätig zu werden, feststellen.63 Hinsichtlich des Merkmals der Konzernierung weisen mittelständische Unternehmen überwiegend (bezogen auf die Gesamtheit mittelständischer Unternehmen einschließlich Einzelunternehmen) keine Tochterunternehmen, d. h. Konzernstrukturen auf, wobei bei größeren mittelständischen Unternehmen – wie auch bei großen Familienunternehmen – eine Konzernierung häufiger anzutreffen ist. Bei den auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteten Unternehmen hingegen handelt es sich mehrheitlich um konsolidierungspflichtige Emittenten.64

___________ jeweils bezogen auf eine Unternehmensgrößenklasse) mit zunehmender Unternehmensgröße; vgl. analog für das Jahr 1999 Günterberg, B./Wolter, H.-J. (2002), S. 246. 61 Vgl. Günterberg, B./Kayser, G. (2004), S. 29 bezüglich der Exportquote der Unternehmen in Deutschland für das Jahr 2002 nach Umsatzgrößenklassen. Allerdings ist bei der Interpretation von Durchschnittswerten, die auf einem solch hohen Aggregationsniveau ermittelt wurden, Vorsicht geboten; möglicherweise ergibt sich auf Länderebene ein anderes Bild; vgl. Schmidt, A. et al. (1995), S. 27. 62 Dabei lässt sich die Zunahme des Anteils der international kooperierenden Unternehmen mit steigender Unternehmensgröße sowohl bei einer Unterscheidung nach Beschäftigten- als auch nach Umsatzgrößenklassen feststellen. Vgl. Maaß, F./Wallau, F. (2003), S. 32 f. und S. 80 (Tabelle A6); Schmidt, A. G./Kiefer, C. (2005), S. 1367. 63 Vgl. Maaß, F./Wallau, F. (2003), S. 39 f. 64 Vgl. Ballwieser, W. (2006), S. 24; hinsichtlich des Anteils der konsolidierungspflichtigen Emittenten am geregelten Kapitalmarkt siehe PricewaterhouseCoopers (2004), S. 16 und S. 19; deren Anteil lag demnach für das Geschäftsjahr 2002 bei rd. 73 %.

C. Rechnungslegung im Licht normativer Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

I. Die Unternehmung als Vertragsgeflecht verschiedener Interessengruppen und die Zwecke der Rechnungslegung für die Vertragspartner Die Unternehmung als Vertragsgeflecht und Zwecke der Rechnungslegung

Einigkeit besteht darüber, dass zur Herleitung von Zwecken der handelsrechtlichen Rechnungslegung auf die am Rechnungsabschluss interessierten Personen, Personengruppen oder Institutionen abzustellen ist. Im Folgenden werden deshalb zunächst das Verständnis der Unternehmung näher präzisiert und die grundsätzliche Bedeutung sowie die zentralen (finanziellen) Zwecke der Rechnungslegung für die an der Unternehmung Interessierten daraus abgeleitet.1 Die Unternehmung lässt sich als Bündelung von Beiträgen unterschiedlicher Gruppen verstehen. Einen Zusammenhang zwischen dem Verständnis der Unternehmung als Organisationseinheit und der Rechnungslegung versuchen Ansätze herzustellen, wonach die Unternehmung als „Koalition“ betrachtet wird, welche der Realisierung unterschiedlicher Zielvorstellungen diene,2 und die Koalitionsmitglieder nach dem Anreiz-Beitrags-Modell über ihre Mitgliedschaft entscheiden.3 Nach diesen Koalitionsansätzen gelte es bei der Unternehmensführung, die individuellen Zielvorstellungen der unterschiedlichen Anspruchsgruppen – wie Kreditgeber, Arbeitnehmer, Lieferanten, Kunden, Fiskus etc. – möglichst gleichgewichtig zu wahren.4 Die individualistische Sicht der Unternehmung als Bündelung verschiedener Beiträge unterschiedlicher Gruppen ist zutreffend. Problematisch erscheint hingegen die Folgerung, angesichts des Verbundes unterschiedlicher Interessen auf ein auf Gleichbehandlung aller Koalitionäre ausgerichtetes Anspruchsgrup___________ 1

Eine eingehende Interessenanalyse erfolgt erst in Abschnitt D.I.1. der vorliegenden Arbeit. 2 Vgl. etwa Baetge, J./Thiele, S. (1997), S. 12 ff.; Egner, H. (1974), S. 10 ff. 3 Kritisch hierzu siehe etwa Klatte, V. (1991), S. 31. 4 Vgl. Janisch, M. (1992), S. 32.

I. Die Unternehmung als Vertragsgeflecht und Zwecke der Rechnungslegung

83

penmanagement abzustellen. Diese Sicht vernachlässigt die austausch- und gesellschaftsrechtlichen Verknüpfungen der verschiedenen Interessengruppen. Zudem lässt sich der Fiskus aufgrund der Andersartigkeit der Beziehungen, die sich nicht als Anreiz-Beitrags-Phänomen erklären lassen, nicht als Koalitionsmitglied verstehen. Aus diesen Gründen wird ein Verständnis der Unternehmung als „Koalition“ im vorliegenden Kontext als nicht zweckmäßig angesehen.5 Die Unternehmung lässt sich vielmehr als ein Geflecht unterschiedlicher Verträge interpretieren. Bei dem Verständnis der Unternehmung als Vertragsgeflecht lässt sich das Recht der Rechnungslegung – wie noch zu zeigen sein wird – als Lückenfüllung unvollständiger Verträge begreifen.6 Bereits vor Vertragsabschluss werden die Interessen der potenziellen Vertragspartner koordiniert und es kommt lediglich dann ein Vertragsabschluss zustande, wenn die Durchsetzung der jeweiligen Interessen der potenziellen Vertragsgruppen diesen auch möglich erscheint. Sofern davon ausgegangen wird, dass die Interessen der verschiedenen Gruppen nicht gleichgerichtet und die Informationen ungleich verteilt sind, wird die Vertragsgestaltung zum entscheidenden Problem.7 Mit den Problemen der Ausgestaltung von Auftragsbeziehungen (Prinzipal-Agent-Problemen) unterschiedlichster Art bei Vorliegen von Informationsasymmetrien beschäftigt sich die Agency-Theorie als Forschungszweig der Neuen Institutionenökonomie. In der Neuen Institutionenökonomie werden die Entstehung, Veränderung und Funktionsweise von Institutionen untersucht. Unter diesen Begriff subsumiert die Neue Institutionenökonomie abstrakte Regeln (wie den Vertrag, das Privateigentum etc.) aller Art sowie Organisationen als Institutionen einschließlich der daran beteiligten Personen (wie den Markt, die Unternehmung etc.).8 Auch Rechnungslegungsnormen können somit als Institutionen betrachtet werden. Die Entstehung solcher Institutionen kann auf verschiedenen Ebenen stattfinden: Sie kann marktmäßig erfolgen oder das Ergebnis von Kollektiventscheidungen sein. Marktmäßig entstandene Institutionen sind z. B. individuell vereinbarte Verträge, Institutionen auf der Grundlage von Kollektiventscheidungen sind insbesondere kodifizierte Rechtsnormen.9

___________ 5

Vgl. Schmidt, M. (2000), S. 9 f.; Klatte, V. (1991), S. 31. Vgl. Schmidt, M. (2000), S. 15. 7 Vgl. Schmidt, M. (2000), S. 10. 8 Vgl. Kirchner, C. (1997), S. 269; Richter, R./Furubotn, E. G. (2003), S. 7 f. 9 Vgl. Kirchner, C. (1997), S. 271; Richter, R./Furubotn, E. G. (2003), S. 7 f. und S. 171; Schmidt, M. (2000), S. 38. 6

84

C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

Ein wesentlicher Grundsatz der Neuen Institutionenökonomie ist der methodologische Individualismus, wonach für die Erklärung ökonomischer Sachverhalte grundsätzlich auf das Verhalten der individuellen Akteure abgestellt wird. Es wird davon ausgegangen, dass die einzelnen Entscheidungssubjekte verschieden sind und vielfältige Präferenzen und Ziele haben.10 Makrowirkungen sind demnach das Ergebnis einer Aggregierung der Mikrowirkungen.11 Im Gegensatz zur Neoklassik gibt die Neue Institutionenökonomie die Grundannahme kostenloser Tauschvorgänge sowie die Idealwelt sicherer Erwartungen auf. Die Berücksichtigung von Transaktionskosten12 und unvollkommener Voraussicht hat zur Folge, dass Anbahnung, Aushandlung, Überwachung und Durchsetzung von Verträgen mit Kosten verbunden sind. Aus diesem Grund können die Marktakteure nicht länger als vollständig informiert gelten, da der unbegrenzte Erwerb von Informationen nicht mehr erschwinglich oder der Erwerb bestimmter Informationen über in der Zukunft liegende Entwicklungen nicht möglich ist. Dies bedeutet, dass die jeweiligen Akteure ihre Entscheidungen unter Unsicherheit treffen, und zwar auf der Grundlage ihres jeweiligen Informationsstandes, der individuellen Kosten- und Nutzenfunktion hinsichtlich der Gewinnung und Verarbeitung weiterer Informationen sowie in ihrem gegebenen institutionellen Umfeld.13 Daraus folgt auch, dass sich die Rationalitätsannahme nicht mehr im Sinne der Neoklassik aufrechterhalten lässt, nach welcher jeder einzelne Akteur bei vollkommener Information eine Nutzenmaximierung vornimmt. Rationale Entscheidungen sind vielmehr beschränkt durch das gegebene Umfeld, es ist somit von so genannter eingeschränkter Rationalität auszugehen. Die Akteure verfügen demnach lediglich über ein begrenztes Wissen, sie sind in ihrer Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten und ökonomisch optimale Entscheidungen zu treffen, beschränkt.14 Mit der Bejahung der Existenz von Transaktionskosten und der Aufgabe der Annahme vollkommener Information und Markttransparenz eröffnet sich die ökonomische Betrachtung der Informationsproblematik und der Normierung der Rechnungslegung.15 Angesichts des weiten Sprachgebrauchs des Begriffes ___________ 10

Vgl. Richter, R./Furubotn, E. G. (2003), S. 3. Vgl. Kirchner, C. (1997), S. 269. 12 Zum Begriff der Transaktionskosten siehe etwa Richter, R./Furubotn, E. G. (2003), S. 12 f. und S. 592. 13 Vgl. Kirchner, C. (1997), S. 270; Richter, R./Furubotn, E. G. (2003), S. 3 ff.; Eierle, B. (2004-a), S. 23. 14 Vgl. Richter, R./Furubotn, E. G. (2003), S. 3 ff.; Wüstemann, J. (2002), S. 13 ff.; Kirchner, C. (1997), S. 270. 15 Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 23. 11

I. Die Unternehmung als Vertragsgeflecht und Zwecke der Rechnungslegung

85

„Information“16 erscheint es angemessen, diesen kurz zu präzisieren: Information wird in der vorliegenden Arbeit mit Blick auf die Ausrichtung auf ökonomische Entscheidungen verstanden als zweckorientiertes Wissen, welches „bereits vorhandene sowie im Zeitablauf zugehende Signale (oder Nachrichten) (umfasst; Anm. d. Verf.), die den Ausgang ökonomischer Entscheidungen beeinflussen und Kontrollen ermöglichen.“17 Rechnungslegungsinformationen dienen also grundsätzlich sowohl als Instrument zur Kontrolle über die Verwendung und den Ertrag des von den Außenstehenden überlassenen Geldes als auch als Entscheidungsgrundlage. Sowohl Anteilseigner als auch Gläubiger18 verfügen über Zahlungsansprüche gegenüber dem Unternehmen, welche es zu ermitteln gilt. Diese Ansprüche können infolge von Interessenkonflikten gefährdet sein. Ein solcher Konflikt kann insbesondere in den Fällen beschränkter Haftung auftreten: Bei beschränkter Haftung bestehen Möglichkeiten und Anreize für die Eigner bzw. die Geschäftsführung, durch bestimmte Handlungen zu ihrem eigenen Vorteil den Wert der Zahlungsansprüche der Gläubiger zu verringern. Als solche Möglichkeiten der Anspruchsgefährdung lassen sich v. a. fremdfinanzierte Ausschüttungen, die Nichtrealisierung oder vorzeitige Liquidation vorteilhafter Investitionsprojekte sowie suboptimale19 Investitionsstrategien anführen.20 Von den vielfältigen Konflikten, die zwischen den beteiligten Akteuren auftreten können, sind diejenigen von besonderer Bedeutung, die durch das gleichzeitige Vorliegen von Interessengegensätzen und asymmetrischer Informationsverteilung charakterisiert sind. Im Rahmen der Agency-Theorie werden mögliche Lösungen dieses Problems untersucht.21 Informationsasymmetrien und Interessenkonflikte zwischen Auftraggeber (Prinzipal) und Auftragnehmer (Agent) bedingen typische Probleme der Auftragsbeziehung, welche es im Rahmen adäquater Vertragsgestaltungen zu lösen gilt. Solche PrinzipalAgenten-Probleme können in Unternehmen typischerweise: ___________ 16

Vgl. hierzu etwa Schneider, D. (1997-a), S. 200 f. Klatte, V. (1991), S. 132. 18 Unter dem Begriff „Gläubiger“ werden im Folgenden Fremdkapitalgeber, Kunden, Lieferanten und Arbeitnehmer eines Unternehmens zusammengefasst, soweit diesen aus der Geschäftsbeziehung rechtliche Ansprüche gegenüber dem Unternehmen zustehen. Zur genaueren Abgrenzung der „Gläubiger“ von den anderen Interessengruppen siehe Abschnitt D.I.1.a) der vorliegenden Arbeit. 19 Als Maßstab dient in diesem Zusammenhang der Erhalt oder die Steigerung des Gläubigerzugriffsvermögens. 20 Vgl. Schmidt, M. (2000), S. 43 f.; Näheres zu suboptimalen Investitionsstrategien siehe Abschnitt E.II.2.b)(1) der vorliegenden Arbeit. 21 Vgl. Richter, R./Furubotn, E. G. (2003), S. 173 ff.; Schmidt, M. (2000), S. 10. 17

86

C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

1. zwischen den Eignern und den Managern sowie 2. zwischen den Gläubigern einerseits und den Eignern bzw. den Managern andererseits auftreten. Eine Auftragsbeziehung kann generell zu Interessenkonflikten führen, wenn die von den Agenten (z. B. der Geschäftsführung) zu wählenden Handlungen aus Sicht der Prinzipale (z. B. der Eigner) andere Konsequenzen haben als aus Sicht der Agenten. Im Falle einer Auftragsbeziehung zwischen Eignern und Managern sind die Eigner nicht in das Tagesgeschäft involviert. Sie besitzen somit weder vollständige Informationen über sämtliche handlungsrelevanten Sachverhalte noch können sie die von der Geschäftsführung durchgeführten Handlungen direkt beobachten. Auch ex post sind unmittelbare Rückschlüsse von dem erzielten Erfolg auf die Handlungen der Unternehmensführung aufgrund der Existenz externer Einflussfaktoren nicht (mit Sicherheit) möglich.22 Diesen Wissensvorsprung können die Agenten zum eigenen Vorteil und zum Nachteil ihrer Auftraggeber ausnutzen.23 Die entstehenden Probleme werden in der Literatur im Wesentlichen unterschieden in die Kategorien des moral hazard einerseits und der hidden characteristics bzw. der adversen Selektion andererseits. Das Phänomen des moral hazard (moralisches Risiko) kommt in zwei verschiedenen Formen vor: zum einen als hidden action, zum anderen als hidden information. Beide Problemtypen treten nach Vertragsabschluss im Laufe der Prinzipal-Agent-Beziehung auf. Bei der Situation der hidden action ergreift der Agent nach Vertragsabschluss für den Prinzipal nicht beobachtbare (oder nicht gegenüber Dritten verifizierbare) Handlungen bzw. Verhaltensweisen, die das angestrebte Ergebnis beeinflussen. Wenn die Anteilseigner das Anstrengungsniveau der Manager nicht beobachten können – z. B. weil ein günstiges Jahresergebnis auf die Anstrengungen der Manager, neue Kunden zu akquirieren, zurückzuführen sein kann oder auch darauf, dass lediglich die Wechselkursentwicklung dazu geführt hat, dass viele Kunden Geschäfte abgeschlossen haben – kann der Agent die entstehende Informationsasymmetrie ausnutzen. So kann z. B. eine leistungsscheue Geschäftsführung ihre Tätigkeit dort einschränken, wo der Prinzipal diese nicht hinreichend kontrollieren kann. Dieses Problem, dass sich der Agent vor der Arbeit drückt, bewusst langsam arbeitet etc., wird in der PrinzipalAgent-Literatur als shirking (Drückebergerei) bezeichnet.24 ___________ 22

Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 26. Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 26; Pannen, M. (2000), S. 101. 24 Vgl. Göbel, E. (2002), S. 102 f.; Bannier, C. E. (2005), S. 7; Richter, R./Furubotn, E. G. (2003), S. 174 f. 23

I. Die Unternehmung als Vertragsgeflecht und Zwecke der Rechnungslegung

87

Die Problematik einer hidden information liegt demgegenüber dann vor, wenn der Agent nach Vertragsabschluss relevante Informationen über den Vertragsgegenstand erhält, welche die Wahl seiner Handlungen bestimmen, diese jedoch dem Prinzipal nicht mitteilt; der Prinzipal kann somit die Aktivitäten des Agenten zwar beobachten, aber nicht beurteilen. Der Agent kann dann die Handlungen wählen, die ihm selbst den größten Nutzen bringen. So können z. B. Anteilseigner häufig nicht beurteilen, ob sich die Manager für die in ihrem Sinne beste Investitionsalternative entschieden haben oder ob eigennützige Aspekte wie Machtzuwachs etc. entscheidend waren.25 Liegt hingegen bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eine asymmetrische Informationsverteilung vor, besteht die Problematik der hidden characteristics (verborgene Eigenschaften). Bevor jemand einen Vertrag mit einem potenziellen Agenten abschließt, möchte er die Eigenschaften des Agenten und/oder der von ihm angebotenen Leistung kennen. Häufig kann der Prinzipal diese Eigenschaften oder Informationen des Agenten vor Vertragsabschluss jedoch nicht genau in Erfahrung bringen. Die Eigenschaften oder Informationen bleiben teilweise verborgen und es besteht die Gefahr der Auswahl „schlechter“ Vertragspartner (adverse Selektion).26 So wird etwa durch das Verschweigen von Informationen oder durch Fehlinformationen die Abschätzung der zukünftigen Unternehmensentwicklung und damit der Attraktivität eines Investments für die (potenziellen) Anteilseigner erschwert.27 Neben den Kategorien des moral hazard und der hidden characteristics gibt es ferner noch das Problem der hidden intention. Hierbei geht es zum einen darum, dass dem Prinzipal vor Vertragsabschluss die Absichten des Agenten verborgen bleiben, etwa wie ehrlich, fair etc. sich dieser im Falle von Interessenkonflikten verhalten würde. Diese Verhaltensmerkmale können allerdings auch unter die Kategorie der hidden characteristics subsumiert werden.28 Nach Vertragsabschluss kann hingegen als zusätzliches Problem das des hold up (Raubüberfall) entstehen. Beim hold up nutzt eine der Vertragsparteien die Abhängigkeit der anderen Partei aus, die sich aus vertrags- oder beziehungsspezifischen Besonderheiten ergeben kann. So etwa, wenn der geschlossene Vertrag insofern unvollständig ist, als Spielräume bezüglich der Auslegung von Vertragsregeln bestehen oder wenn eine der Vertragsparteien für die Geschäftsbeziehung spezifische irreversible Investitionen getätigt hat. Anders als beim moralischen Risiko ist das unerwünschte Verhalten in diesen Fällen zwar klar er___________ 25

Vgl. Göbel, E. (2002), S. 102 f.; Bannier, C. E. (2005), S. 7 und S. 70; Richter, R./ Furubotn, E. G. (2003), S. 588. 26 Vgl. Richter, R./Furubotn, E. G. (2003), S. 588 f.; Bannier, C. E. (2005), S. 7 f. 27 Vgl. Baetge, J./Lienau, A. (2005-a), S. 66 f. 28 Vgl. Göbel, E. (2002), S. 103.

88

C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

kennbar, es fehlt jedoch an Sanktionsmöglichkeiten, um den Vertragspartner zu einem loyalen Verhalten zu bewegen.29 Eine Möglichkeit zum Abbau von Konflikten zwischen den beteiligten Akteuren besteht in der Normierung der externen Unternehmensberichterstattung bzw. Rechnungslegung. Die Existenz von Informationsasymmetrien und daraus resultierenden Konflikten rechtfertigt aber nicht notwendigerweise regulative Eingriffe. So besteht für die Marktakteure grundsätzlich die Möglichkeit, sich selbst durch einzelvertragliche Vereinbarungen vor möglichen Nachteilen zu schützen. Im Folgenden werden deshalb konkurrierende Ansätze zur Herleitung handelsrechtlicher Rechnungslegungszwecke näher betrachtet.

II. Konkurrierende Ansätze zur Herleitung von handelsrechtlichen Rechnungslegungszwecken und -normen Ansätze zur Herleitung von handelsrechtlichen Rechnungslegungszwecken

1. Herleitung von Gründen für und wider eine hoheitliche Normierung der Rechnungslegung aus dem Maßstab der gesamtwirtschaftlichen Allokationseffizienz a) Marktversagen bzw. -ineffizienzen als Gründe für eine hoheitliche Normierung Wie jede rechtliche Institution gehört das Handelsrecht zu den gesamtgesellschaftlichen Organisationsregeln, die den Handlungsrahmen der einzelnen Wirtschaftssubjekte bilden. Entsprechend der Zielsetzung einer Wohlstandsmaximierung werden solche Regeln ökonomisch anhand des Kriteriums der gesamtwirtschaftlichen Allokationseffizienz, d. h. einer Vermeidung der Verschwendung volkswirtschaftlicher Ressourcen, beurteilt.30 Eine Betrachtung von Rechnungslegungsvorschriften de lege ferenda hat daher grundsätzlich von gesamtwirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Überlegungen auszugehen. Auf dieser Grundlage gilt es zu beurteilen, ob anstelle von Privatautonomie überhaupt gesetzliche Vorschriften erforderlich bzw. zweckmäßig sind und gegebenenfalls wie die Normen – im Zusammenwirken mit anderen Regelungen – ausgestaltet werden sollten.31 Entscheidend ist somit die Frage, inwieweit die hoheitliche ___________ 29

Vgl. Fritsch, M./Wein, T./Ewers, H.-J. (2005), S. 289 ff. Vgl. Pannen, M. (2000), S. 92. 31 Vgl. Rückle, D./Klatte, V. (1989), S. 198 (bezüglich Offenlegung); Hax, H. (1988), S. 188; Eierle, B. (2004-a), S. 21; Franken, L. (2001), S. 7 ff.; Watrin, C. (2001), S. 10 f.; Pannen, M. (2000), S. 92. Eine staatliche Regulierung kann ferner auch mit stabilitätspolitischen Argumenten begründet werden, worauf im Folgenden jedoch nicht 30

II. Ansätze zur Herleitung von handelsrechtlichen Rechnungslegungszwecken

89

Normierung der Rechnungslegung die Verschwendung von knappen Ressourcen verhindern bzw. eine effiziente Mittelallokation gewährleisten kann und somit zur Sicherung der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt beiträgt.32 Als mögliche Gründe für und wider eine hoheitliche Regulierung zur Sicherung der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt kommen grundsätzlich Marktineffizienzen bis hin zu völligem Marktversagen in Betracht. Dabei gibt es neben dem Kapitalmarkt v. a. auch den Kreditmarkt sowie etwa den Venture CapitalMarkt.33 Generell gibt es zwei unterschiedliche Argumentationspfade, die miteinander verbunden werden können: Zum einen kann am Individualschutz, zum anderen an der Funktionsfähigkeit des Marktes angesetzt werden.34 Rechnungslegung dient sowohl der Lösung privat- als auch öffentlich-rechtlicher Regelungsaufgaben:35 (1) Auf der Ebene des Individualschutzes können kodifizierte Rechnungslegungsvorschriften – selbst wenn einzelvertragliche Regelungen zustande kommen – eine Transaktionskostensenkung durch Standardisierung bewirken: Kodifizierte Rechnungslegungsvorschriften können eine Standardisierung von zur Information und zum Schutz der Marktakteure dienenden Regelungen und dadurch eine Verminderung der Such-, Informations-, Aushandlungs-, Anpassungs- und Kontrollkosten – kurz: der Transaktionskosten – der Akteure zur Folge haben.36 Die Ausgestaltung von Rechnungslegungsregelungen für jeden einzelnen Vertrag, jede einzelne Satzung wäre unzweckmäßig und kostspielig. Somit können gesetzlich vorgegebene Normen aus Effizienzüberlegungen gerechtfertigt sein, „wenn sie wie vorfabrizierte Formularverträge einmal und mit geringeren Kosten das regeln, was Private ohnehin – aber vielmals und dadurch mit höheren Kosten – in Verträgen regeln würden.“37 Sofern eine Lösung für eine bestimmte Gruppe von Unternehmen konsensfähig erscheint, können durch eine gesetzliche Vorgabe dieser Lösung Verhandlungskosten gespart werden. Ferner können auch Unzulänglichkeiten einzelvertraglicher Regelungen bei prohibitiv hohen Transaktionskosten sowie fehlender Verhandlungsmacht eine ___________ näher eingegangen wird. Stabilitätspolitische Aspekte werden insbesondere in Bezug auf den Bankensektor und die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes diskutiert. Vgl. Watrin, C. (2001), S. 10. 32 Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 21. 33 Ebenso wie Güter- und Dienstleistungsmärkte. 34 Vgl. Walz, R. (1993), S. 90. 35 Vgl. Klatte, V. (1991), S. 24. 36 Vgl. Schildbach, T. (1986), S. 91 f.; Hax, H. (1988), S. 198; Brandl, R. (1987), S. 154 ff.; Schmidt, M. (2000), S. 43. 37 Schmidt, R. H. (1982), S. 746.

90

C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

Rolle spielen: Für bestimmte Marktteilnehmer können die für individuelle Vertragsvereinbarungen aufzuwendenden Transaktionskosten so hoch sein, dass sie den Vorteil aus der sich bietenden Transaktion übersteigen. Somit ist nicht jeder Marktakteur aufgrund der individuell unterschiedlichen Kosten-NutzenSituationen in der Lage, sich durch umfangreiche einzelvertragliche Regelungen zu schützen.38 Des Weiteren ist davon auszugehen, dass nicht alle Marktakteure über die erforderliche Verhandlungsmacht verfügen, entsprechende Schutzinstitutionen einzelvertraglich zu vereinbaren. Insbesondere bei Kleinanlegern, Waren- und Dienstleistungslieferanten sowie Arbeitnehmern dürfte eine entsprechende Verhandlungsmacht teilweise fehlen. Schließlich gibt es auch „Gläubiger, die mit dem Unternehmen nicht in vertraglicher Beziehung stehen, sondern zivilrechtlich einklagbare gesetzliche Ansprüche gegen das Unternehmen haben.“39 Zu nennen sind v. a. die Deliktsgläubiger, die Ansprüche aus „unerlaubte(r) Handlung“ gemäß den §§ 823 ff. BGB (wie etwa Schadensersatzansprüche etc.) haben.40 Diese Gruppe ist ausschließlich auf gesetzliche Regeln zur Sicherung ihrer (Zahlungs- und Informations-)Ansprüche angewiesen.41 (2) Die angeführte Standardisierungsfunktion von Rechnungslegungsrecht, die auf der Individualebene als Transaktionskostensenkung entwickelt wurde, hat zusätzlich Bezüge zum Funktionenschutz: Denn ohne Standardisierung bestehen weder zwischen Unternehmen noch zwischen verschiedenen Perioden eines Unternehmens hinreichende Vergleichsmöglichkeiten, die der Rechnungslegungspublizität erst ihren Wert verleihen.42 Die vorgeschriebenen, insbesondere öffentlich zugänglichen Rechnungslegungsinformationen bilden eine Infrastruktur.43 Aus dieser Perspektive lässt sich zwar Regelungsbedarf plausibel machen, hinsichtlich seiner Richtung und seinem konkreten Inhalt lassen sich jedoch keine konkreten Aussagen ableiten. ___________ 38

Vgl. Schildbach, T. (1986), S. 91 f.; Watrin, C. (2001), S. 97 f.; Eierle, B. (2004-a), S. 38. 39 Eierle, B. (2004-a), S. 39, Fn. 161. Dieser Aspekt ist insbesondere in Zusammenhang mit Ausschüttungen und der Möglichkeit damit verbundener negativer externer Effekte von Bedeutung. Denn im Falle einer Insolvenz eines Unternehmens, dessen Anteilseigner lediglich beschränkt haften, werden die unternehmerischen Risiken auf die anderen Unternehmensinteressenten externalisiert. Vgl. Watrin, C. (2001), S. 195 ff. 40 Andere Nicht-Vertragsgläubiger sind solche mit gesetzlichen Ansprüchen aus den §§ 677 ff. BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) und §§ 812 ff. BGB (ungerechtfertigte Bereicherung). 41 Vgl. Watrin, C. (2001), S. 40 und S. 98. 42 Vgl. Schildbach, T. (1986), S. 92; Walz, R. (1993), S. 106. 43 Vgl. Walz, R. (1993), S. 106.

II. Ansätze zur Herleitung von handelsrechtlichen Rechnungslegungszwecken

91

Als weiteres Argument, welches allerdings primär die Publizität von Abschlussinformationen am geregelten Kapitalmarkt betrifft, wird angeführt, bei Rechnungslegungsinformationen handele es sich um öffentliche Güter. Demnach müsste der Staat die periodische Veröffentlichung bestimmter Informationen zwingend vorschreiben, da es anderenfalls zu einem Marktversagen käme.44 Öffentliche Güter sind durch die gemeinsame Nutzung (Nicht-Rivalität im Konsum des Gutes) und die fehlende Ausschließbarkeit im Konsum gekennzeichnet.45 Eine fehlende Rivalität im Konsum lässt sich zwar nicht uneingeschränkt nachweisen.46 Hinsichtlich der Ausschließbarkeit im Konsum wird jedoch argumentiert, dass eine solche aus der Sicht der Marktteilnehmer nicht wünschenswert sei, da mit ihr eine ungleiche Informationsverteilung zwischen den Anlegern verbunden wäre. So ist zu vermuten, dass Anleger am Kapitalmarkt Informationen über ein Wertpapier oder eine andere Anlage auch dann nützlich finden, wenn das jeweilige Wertpapier letztlich im gewählten Portfolio nicht enthalten ist. Gleichzeitig ist anzunehmen, dass die potenziellen Investoren wegen der risikovernichtenden und informationsbedarfsreduzierenden Effekte einer Portfoliobildung nicht bereit wären, größere Geldbeträge für die Informationsbereitstellung auszugeben.47 Ohne eine gesetzliche Normierung der Informationsverteilung und -instrumente würden diejenigen, die dann über die Offenlegung entscheiden würden, lediglich insoweit informieren, wie es ihrem Nutzen und ihrer Nachfrage entspräche; die positiven externen Effekte, die aus einer Partizipation von „Trittbrettfahrern“ an der Offenlegung resultieren würden, blieben unberücksichtigt. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht könnte die Kapitalsammelfunktion des Kapitalmarktes beeinträchtigt sein. Dies spricht dafür, dass Jahresabschlussinformation für die Marktsegmente, die marktähnliche Arbitrage- und Allokationsprozesse leisten sollen, als „öffentliche Güter“ zur Verfügung stehen sollten. Allgemein bekannt gemachte Rechnungslegungsinformationen können demnach die Kapitalmarktliquidität fördern.48 Angesichts der Standardisierungsfunktion und der Bedeutung der Rechnungslegungsinformationen für die Allokationsfunktion der Kapitalmärkte ___________ 44

Vgl. Brandl, R. (1987), S. 145 ff.; Eierle, B. (2004-a), S. 35. Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 35; Watrin, C. (2001), S. 59. 46 So haben etwa Anleger, die über einen Informationsvorsprung verfügen und dadurch die künftige Entwicklung eines Unternehmens besser prognostizieren können, im Marktprozess die Möglichkeit, Kursgewinne zu erzielen. Vgl. Watrin, C. (2001), S. 61 f. 47 Vgl. Brandl, R. (1987), S. 146 f. 48 Daraus wird gefolgert, dass das Ausschlussprinzip auf Rechnungslegungsinformationen bei Kapitalmärkten nicht immer angewendet werden kann, so dass Jahresabschlussinformationen demnach zumindest teilweise den Charakter eines öffentlichen Gutes haben. Vgl. Watrin, C. (2001), S. 65; Brandl, R. (1987), S. 146 ff. 45

92

C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

stellt sich die Frage, ob die hoheitliche Normierung einer solchen Informationsversorgung nach einheitlichen Regeln erfolgen sollte oder nicht. Hierauf wird im Folgenden näher eingegangen.

b) Verpflichtende Vorgabe eines versus Anwendung verschiedener Rechnungslegungssysteme (1) Netzwerkeffekte Aus der dargestellten Bedeutung, die der Standardisierung für die Vergleichbarkeit von Rechnungslegungsinformationen zukommt, wird zugleich das Argument der Netzwerkeffekte abgeleitet: Als solche (positiven) Netzwerkeffekte bzw. Standardisierungsvorteile kommen insbesondere: 1. eine Verbesserung der Vergleichbarkeit von Rechnungslegungsinformationen sowie 2. eine Erleichterung hinsichtlich der Aneignung von Expertenwissen in Betracht. Durch die Vergleichbarkeit der Jahresabschlussinformationen wird die Auswertung der Abschlussdaten für die Dispositionsentscheidungen der Marktakteure erleichtert. Das Vorhandensein entsprechender Fachkenntnisse hinsichtlich eines verwendeten Rechnungslegungssystems erspart den Beteiligten gegebenenfalls langwierige Einarbeitungszeiten und erhöht die Verständlichkeit der bereitgestellten Informationen für die Nutzer. Standardisierung senkt die Kosten der Informationsverarbeitung. Solche positiven Netzwerkeffekte in Form von Standardisierungsvorteilen können die Transaktionskosten der Marktakteure senken.49 Die Vorteile einheitlicher Standards steigen, je größer die Zahl der Teilnehmer eines Rechnungslegungsnetzes ist.50 Das Argument der Netzwerkeffekte wird im Rahmen der Diskussion, wie der Harmonisierungsprozess der Rechnungslegung weitergeführt werden soll, von einem Teil der Literatur gegen einen Wettbewerb verschiedener Rechnungslegungssysteme angeführt. Bei einer wettbewerblichen Regelung bestünde die Gefahr, dass sich eine Vielfalt unterschiedlicher Systeme herausbilden und es zu einer Netzzersplitterung kommen könnte.51 Mit dem Hinweis auf die ___________ 49

Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 36 f.; Watrin, C. (2001), S. 124. Vgl. Watrin, C. (2001), S. 124 m. w. N., dort bezüglich Konzernrechnungslegungsvorschriften. 51 Bei einem Wettbewerb von Rechnungslegungsnetzen würden die Akteure die positiven externen Effekte einer Netzteilnahme nicht in ihre individuellen Kosten-NutzenÜberlegungen mit einbeziehen; dies könne zu Wohlfahrtsverlusten führen. So sei denk50

II. Ansätze zur Herleitung von handelsrechtlichen Rechnungslegungszwecken

93

Netzwerkeffekte wird in der Literatur teilweise gefordert, dass die Rechnungslegung der Unternehmen nach einheitlichen Vorschriften zu erfolgen habe.52 Für die Frage, ob sich aus dem Argument der Netzwerkeffekte die Forderung nach einheitlichen Rechnungslegungsnormen begründen lässt, ist zum einen von Bedeutung, ob die unterschiedlichen Rechnungslegungsnetze untereinander kompatibel sind oder nicht. Wenn nach unterschiedlichen Regeln erstellte (Jahres- oder Konzern-)Abschlüsse von Unternehmensexternen nicht einfach in solche nach einem einheitlichen Standard überführt werden können, leidet die Vergleichbarkeit und Aussagekraft der Abschlüsse. Sofern hingegen Kompatibilität zwischen den Rechnungslegungsnetzen gegeben ist, verliert das Argument für die Verwendung einheitlicher Standards an Bedeutung.53 In der EU ist zumindest ein gewisses – wenn auch geringes – Mindestmaß an Standardisierung durch die Vierte und Siebente EG-Richtlinie gegeben.54 Von einer „Netzzersplitterung“ ließe sich außerdem lediglich dann sprechen, wenn die Unternehmen nach einer großen Anzahl verschiedener Vorschriften Rechnung legen würden. Gegenwärtig wendet die deutsche Unternehmenspraxis im Jahres- und Konzernabschluss jedoch ganz überwiegend nur drei verschiedene „handelsrechtliche“ Rechnungslegungssysteme an.55 Der bis zum 31. Dezember 2004 befristete § 292a HGB a. F. ermöglichte deutschen wertpapieremittierenden Mutterunternehmen, auf die Aufstellung eines Konzernabschlusses nach den Regelungen des HGB zu verzichten, wenn diese einen entsprechenden Abschluss nach international anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen veröffentlichten. Hierzu zählten gleichermaßen nach IFRS oder US-GAAP aufgestellte Konzernabschlüsse. Mit der Ablösung des § 292a HGB a. F. infolge der IAS-Verordnung haben kapitalmarktorientierte Unternehmen i. S. d. § 315a HGB für ab dem 1. Januar 2005 beginnende Geschäftsjahre den konsolidierten Abschluss zwingend nach IFRS aufzustellen.56 Die Gefahr einer Netzzersplitterung scheint damit nicht gegeben.57 ___________ bar, dass sich ein neues, eventuell besseres System nicht etablieren ließe, da sich nicht genügend Teilnehmer finden, die bereit sind, die Übergangskosten zur Umstellung auf ein neues System zu tragen. Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 36 f.; hinsichtlich eines Überblicks über die Argumentation siehe beispielsweise Watrin, C. (2001), S. 122 ff. 52 Vgl. Achleitner, A.-K. (1995), S. 42 ff. m. w. N. 53 Vgl. Watrin, C. (2001), S. 126 f. 54 Vgl. Pellens, B./Gassen, J. (2001), S. 139. 55 Dabei handelt es sich neben den Vorschriften des HGB um die der IFRS und gegebenenfalls auch der US-GAAP. Vgl. etwa die empirischen Ergebnisse zu den verwendeten Rechnungslegungssystemen im Jahres- und Konzernabschluss bei BDI/Ernst & Young (2005), S. 22. 56 Hinsichtlich Ausnahmen, für welche eine Pflichtanwendung der IFRS erst für Geschäftsjahre ab dem 01.01.2007 gilt, siehe Hoyos, M./Ritter-Thiele, K. M., in:

94

C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

Ferner hängt der Wechsel von Rechnungslegungssystemen neben den Netzwerkeffekten und Übergangskosten ganz entscheidend davon ab, wie die Rechnungslegungsvorschriften die Interessen der jeweiligen Adressaten erfüllen. Einer Wohlfahrtssteigerung durch eine Verwendung einheitlicher Rechnungslegungsvorschriften sind deshalb Grenzen gesetzt durch heterogene Präferenzen der Rechnungslegungsadressaten in Bezug auf die Rechnungslegungssysteme. Wenn die Akteure heterogene Präferenzen hinsichtlich verschiedener Rechnungslegungssysteme haben, führt ein Wettbewerb zwischen den Systemen dazu, dass einige Unternehmen nach dem einen, andere nach dem anderen System Rechnung legen. Eine hoheitlich erzwungene Vereinheitlichung der Rechnungslegungsvorschriften würde den Präferenzen der einen oder anderen Gruppe nicht entsprechen und damit zu Wohlfahrtsverlusten führen. Ob ein Wahlrecht bzw. die Anwendung verschiedener Rechnungslegungssysteme effizient ist oder nicht, hängt deshalb entscheidend davon ab, inwieweit die Unternehmen bzw. deren Rechnungslegungsadressaten homogene oder heterogene Rechnungslegungspräferenzen haben.58 Eine nähere Betrachtung der Beweggründe, die einzelne deutsche – börsennotierte – Unternehmen dazu veranlasst haben, auf eine Rechnungslegung nach internationalen Vorschriften überzugehen, lässt die Vermutung aufkommen, dass zwischen lokalen Akteuren einerseits und globalen Akteuren andererseits unterschiedliche Präferenzen bestehen.59 Dies ist auch nahe liegend, da bei Unternehmen mit überwiegend lokalen Anspruchsgruppen bzw. Geschäftspartnern eine internationale Vergleichbarkeit kaum einen unmittelbaren Nutzen verspricht. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich unter der Annahme einer zunehmenden IFRS-Rechnungslegung in deutschen Konzernabschlüssen die Präferenzen der lokalen bzw. nationalen Akteure gegebenenfalls verändern können. Auf die Informationswünsche der Rechnungslegungsadressaten sowie darauf, ob diese möglicherweise in Abhängigkeit bestimmter Merkmale der jeweiligen Unternehmen (wie z. B. der fehlenden Ausrichtung auf den geregelten Kapitalmarkt) divergieren, wird im Rahmen der Interessenanalyse, der Beurtei___________ Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 315a Rn. 18 f. Eine solche Ausnahme gilt bei Unternehmen, die lediglich mit Schuldtiteln an einem geregelten Markt notiert sind oder deren Wertpapiere zum öffentlichen Handel in einem Nicht-Mitgliedstaat der EU zugelassen sind. 57 So auch Watrin, C. (2001), S. 128 f. 58 Vgl. Watrin, C. (2001), S. 130. Bestünden homogene Präferenzen, müsste logisch ableitbar und empirisch feststellbar sein, welches der im Wettbewerb stehenden Rechnungslegungssysteme die Marktteilnehmer vorziehen. Welches Rechnungslegungssystem die Bedürfnisse der Adressaten am besten erfüllt, ist jedoch strittig. Diese Schwierigkeiten, die Vorziehenswürdigkeit eines der Systeme nachzuweisen, legen es nahe, dass die Annahme homogener Präferenzen der Marktteilnehmer nicht zutrifft. 59 Vgl. bezüglich börsennotierter AG Watrin, C. (2001), S. 134 ff. und S. 6.

II. Ansätze zur Herleitung von handelsrechtlichen Rechnungslegungszwecken

95

lung der beiden Rechnungslegungssysteme sowie empirischer Ergebnisse hinsichtlich der Präferenzen bestimmter Jahresabschlussadressaten insbesondere mittelständischer Unternehmen näher eingegangen.60

(2) Gefahr von Qualitätsproblemen oder Unsicherheiten bei der Anwendung unterschiedlicher Rechnungslegungssysteme? (1) Eng verbunden mit dem dargestellten Aspekt der Netzwerkeffekte ist das Argument, aus der Anwendung unterschiedlicher Rechnungslegungssysteme resultiere die Gefahr von Unsicherheiten. Unterschiedliche Rechnungslegungssysteme schüfen eine Vielzahl von Auslegungsfragen, die eine steigende Rechtsunsicherheit bezüglich der Bedeutung der Rechnungslegungsnormen zur Folge haben könnten.61 Die Regelungen der verschiedenen Rechnungslegungssysteme würden seltener Gegenstand einer richterlichen Auslegung sein als dies im Falle eines einheitlichen gesetzlichen Rechnungslegungssystems der Fall ist. Auch dies könnte sich nachteilig auf die Rechtssicherheit auswirken. Marktakteure, insbesondere Kapitalgeber, die mit verschiedenen Unternehmen in Verbindung stehen, müssten sich gegebenenfalls mit unterschiedlichen Rechnungslegungssystemen beschäftigen.62 Dem Standardisierungsvorteil einheitlicher Normen steht jedoch wie gezeigt möglicherweise ein Effizienznachteil aufgrund unterschiedlicher Präferenzen gegenüber. Mit dem Hinweis auf den Standardisierungsvorteil einheitlicher Normen kann die Anwendung unterschiedlicher Rechnungslegungssysteme deshalb nicht abgelehnt werden. Außerdem überschätzt die These, dass konkurrierende Normen zu (Rechts-)Unsicherheit führen würden, wie gezeigt die Zahl der anwendbaren Rechnungslegungsnetze.63 (2) Ein anderer Aspekt betrifft die simultane Anwendung unterschiedlicher Rechnungslegungsnormen in mehreren (parallelen) Jahres- (ebenso wie mehreren) Konzernabschlüssen oder die simultane Anwendung unterschiedlicher Rechnungslegungsnormen im Jahres- und Konzernabschluss eines Unternehmens.64 Es besteht die Befürchtung, dass die parallele Veröffentlichung mehre___________ 60

Siehe Abschnitte D.I.1. und D.III.3. der vorliegenden Arbeit. Vgl. Spindler, G. (1998), S. 59. 62 Zur Diskussion siehe Watrin, C. (2001), S. 157. 63 So auch Watrin, C. (2001), S. 157. 64 In Deutschland liegt eine Spaltung zwischen Konzern- und Jahresabschluss derzeit durch die befreiende Wirkung eines IFRS-Konzernabschlusses einerseits und die Pflicht zur Aufstellung eines HGB-Jahresabschlusses andererseits vor. Der deutsche Gesetzgeber hat bei großen Kapital- und diesen gleichgestellten Gesellschaften allerdings durch das Wahlrecht, anstelle eines Jahresabschlusses nach HGB einen IFRS-Einzelabschluss 61

96

C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

rer Abschlüsse, die für ein konkretes Geschäftsjahr unterschiedliche Abschlussgrößen zu ein und demselben Sachverhalt ausweisen, zu Irritationen am Kapitalmarkt bzw. bei den Rechnungslegungsadressaten führen würde.65 Multiple Abschlussgrößen müssen nicht notwendigerweise zu Irritationen führen. Manche Autoren weisen darauf hin, dass die mehrdimensionale Darstellung der Unternehmenssituation unter Umständen sogar zu einem Informationsgewinn führen kann. So bei professionellen Finanzanalysten, sofern diese in Kenntnis der unterschiedlichen Zielsetzungen und Verfahren der jeweiligen Rechnungslegungssysteme differenzierte Informationen zur Entscheidungsfundierung sinnvoll verwerten können.66 Die Annahme, dass ein Mehr an Informationen selbst dann besser ist, wenn es sich um voneinander abweichende Informationen zu ein und demselben Sachverhalt handelt, setzt allerdings das Vorliegen informationseffizienter Märkte voraus.67 Deren Existenz konnte jedoch – zumindest in der strengen Form, wonach die vollkommene und unverzügliche Berücksichtigung jeder Information gewährleistet sein soll – nicht schlüssig bewiesen werden.68 Das Argument möglicher Irritationen wird insbesondere auch gegen eine Entkopplung von Jahres- und Konzernabschluss angeführt, da die simultane Anwendung unterschiedlicher Rechnungslegungsnormen im Jahres- und Konzernabschluss eines Unternehmens zu Irritationen führe, wenn konkrete Größen ___________ beim Bundesanzeiger einzureichen, die Möglichkeit eingeräumt, auch im Falle eines IFRS-Konzernabschlusses eine Kongruenz von Jahres- und Konzernabschluss in der Außendarstellung zu erreichen (vgl. die Ausführungen in Abschnitt A.I.1. der Arbeit). Auch in diesen Fällen werden allerdings unterschiedliche Bilanz- und Ergebnisgrößen für die Handelsbilanzen I und II ermittelt. 65 Vgl. Pellens, B. (2001) S. 543; Kittner, W. A. (2001), S. 166; siehe auch Niehus, R. J. (1995), S. 940 hinsichtlich „dualer“ Konzernabschlüsse, welche sowohl den HGBals auch den IFRS-Vorschriften entsprechen. 66 Vgl. Rost, P. (1991), S. 256 f. 67 Hierzu sowie zur Abgrenzung der unterschiedlichen Formen der Informationseffizienz siehe Schildbach, T. (1986), S. 10 f. und S. 51. Bei halbstrenger Informationseffizienz spiegelt sich lediglich ein Teil der Informationen in den Kursen auf dem Markt wider. So wird bei einer Modifikation der Effizienzthese um Kostenaspekte die vollkommene und unverzügliche Verarbeitung von Informationen auf diejenigen Informationen beschränkt, die kostenlos verfügbar sind. Dabei entstehen auch dann Kosten für die Beschaffung von Informationen, wenn im Jahresabschluss etwa lediglich bestimmte Komponenten für interessierende Zahlen ausgewiesen sind, so dass die Zahlen erst errechnet werden müssen etc. 68 Vgl. Kittner, W. A. (2001), S. 167 mit weiteren Hinweisen auf empirische Kapitalmarktstudien, in welchen sowohl die strenge als auch die halbstrenge Form der Informationseffizienz überwiegend verworfen wurde; die strenge Informationseffizienz ebenfalls verneinend siehe Schneider, D. (1992), S. 541 f. Dabei ist anzumerken, dass sich die Studien auf den geregelten Kapitalmarkt beziehen.

II. Ansätze zur Herleitung von handelsrechtlichen Rechnungslegungszwecken

97

des Konzernabschlusses durch die der Jahresabschlüsse der Konzernunternehmen nicht erklärt werden könnten.69 Diesem Argument lässt sich entgegenhalten, dass dem Konzernabschluss gerade die Funktion zukommt, Informationsmängel der einzelnen Jahresabschlüsse, welche aus der fehlenden Abbildung der wirtschaftlichen Einheit resultieren, zu beheben. Da bzw. solange jedoch die Anspruchsbemessungszwecke wie auch andere Rechtsfolgen an den einzelnen Jahresabschlüssen anknüpfen, ist anzunehmen, dass den Jahresabschlüssen zumindest diesbezüglich auch eine Informationsfunktion zukommen kann. Inwieweit unterschiedliche Größen in Konzern- und Jahresabschlüssen zu Irritationen führen, lässt sich somit nicht abschließend beurteilen. (3) Ein weiterer Aspekt von Qualitätsproblemen betrifft die Befürchtung, dass sich im Falle eines Wettbewerbes verschiedener Rechnungslegungssysteme bei einer marktlichen Lösung, bei der die Rechnungslegungsstandards von privaten Institutionen formuliert werden, möglicherweise ein minderwertiges70 System durchsetzt: Das Management könnte bei der Wahl des von einem Unternehmen angewendeten Rechnungslegungssystems ein Interesse daran haben, ein solches System zu wählen, welches umfangreiche Rechnungslegungswahlrechte enthält. Da die Standardgeber ihrerseits ein Interesse daran haben, dass sich die von ihnen entwickelten Normensysteme am Markt durchsetzen, könnte dies dazu führen, dass bei einem Wettbewerb verschiedener Systeme die Normgeber die Interessenlage der Unternehmensleitungen, die über die Anwendung eines jeweiligen Systems (mit-)entscheiden, stärker berücksichtigen als die der anderen Rechnungslegungsadressaten. Dies könnte zur Folge haben, dass die Qualität der Rechnungslegungssysteme und damit der auf deren Basis erstellten Jahresabschlüsse immer weiter sinkt. Es wäre denkbar, dass eine solche Qualitätsverschlechterung zu einem Marktzusammenbruch infolge von Qualitätsunkenntnis führen könnte.71 Dieser Aspekt wird hier jedoch aufgrund der Ausgrenzung institutioneller Fragen der Schaffung von Rechnungslegungsnormen durch Gesetzgeber oder private Rechnungslegungsgremien nicht näher betrachtet.72 Ferner ist anzunehmen, dass sich dieser Aspekt je nach Inanspruchnahme der Kapitalmärkte unterscheidet und nicht ohne Weiteres auf Kapitalüberlas___________ 69 So etwa Kittner, W. A. (2001), S. 169; Grund, M. (1996), S. 1295; Stein, H.-G. (1994), S. 664 f. 70 Dabei bezieht sich der Aspekt der minderwertigen Qualität eines Rechnungslegungssystems auf dessen Eignung, die Rechnungslegungszwecke zu erfüllen. 71 Hinsichtlich einer ausführlichen Erörterung der Möglichkeit eines Marktzusammenbruches infolge von Qualitätsunkenntnis siehe Watrin, C. (2001), S. 148 ff., dort bezogen auf Konzernrechnungslegungsstandards, veranschaulicht anhand des Akerlof’schen market for lemons. 72 Siehe Prämissen der vorliegenden Arbeit.

98

C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

sungsverhältnisse im Rahmen individueller Vertragsgestaltungen, so insbesondere bei Fremdkapitalaufnahme über die Hausbank, übertragen lässt. Auch mit dem Argument der Gefahr von Qualitätsproblemen oder Unsicherheiten lässt sich somit ein Wahlrecht zwischen verschiedenen Rechnungslegungssystemen nicht stichhaltig ablehnen. Die Problematik einer umfassenden Kosten-Nutzen-Abwägung sollte nahe legen, zur Vermeidung einer Überregulierung, sofern unterschiedliche Präferenzen bzw. Schutzbedürfnisse bestehen, nach Möglichkeiten einer teilweisen Deregulierung bzw. Differenzierung zu suchen. So ist es denkbar, Normregelungen für verschiedene Klassen von Unternehmungen bereitzustellen, zu denen sich jedes Unternehmen unter Abwägung seiner individuellen Kosten und Nutzen selbst zuordnen könnte. Wenn die Kosten-Nutzen-Abwägung jeweils von den Unternehmen selbst durchgeführt wird, die die Kosten zu tragen haben, denen aber auch der Nutzen zukommt, führt eine solche „Dezentralisierung“ bzw. Differenzierung zu sinnvollen Ergebnissen.73 Daher erscheint es sinnvoll, für die Rechtfertigung einer gesetzlichen Normierung der Rechnungslegung von der Perspektive der handelnden Akteure auszugehen.74

2. Herleitung von Rechnungslegungszwecken aus dem Werturteil einer schutzorientierten Interessenregelung a) Werturteil einer schutzorientierten Interessenregelung Wie dargestellt, lässt sich die Unternehmung, ausgehend vom methodologischen Individualismus, als Geflecht von Verträgen interpretieren. „Das Ziel der Regeln muß sein, jenes einander Anpassen oder Aufeinanderabstimmen der Erwartungen zu erleichtern, von denen der Erfolg der Pläne der Individuen abhängt“75. Einzelwirtschaftlich stellen sie einen Teil „allgemeiner Geschäftsbedingungen“76 für Gesellschafts-, Kredit- und sonstige Verträge zwischen der

___________ 73

Vgl. Hax, H. (1988), S. 189 und S. 199. Vgl. Schmidt, M. (2000), S. 42. Die beiden Aspekte des Individual- und des Institutionenschutzes sind nicht getrennt voneinander zu sehen, der Individualschutz ist vielmehr Voraussetzung für einen funktionierenden Institutionenschutz. Umgekehrt verhindert Funktionenschutz die Behinderung von Transaktionen, deren Zustandekommen die Wohlfahrt der Betroffenen erhöht. Vgl. etwa Kahle, H. (2002), S. 22 m. w. N. Die Rechnungslegungspflicht hat somit sowohl eine privatrechtliche als auch eine öffentlichrechtliche Verankerung. Vgl. Klatte, V. (1991), S. 24. 75 Von Hayek, F. A. (1980), S. 137. 76 Pannen, M. (2000), S. 92. 74

II. Ansätze zur Herleitung von handelsrechtlichen Rechnungslegungszwecken

99

Unternehmung und anderen Marktakteuren dar.77 Rechnungslegung lässt sich somit als Lückenfüllung unvollständiger Verträge begreifen.78 Im Falle von Prinzipal-Agent-Konflikten haben Rechnungslegungsregeln die Funktion, Geschäftsbeziehungen zwischen verschiedenen Marktakteuren durch Regeln zur Wissensübertragung und begleitende Schutzmechanismen zu schützen, um das Scheitern von Vertragsverhandlungen, bedingt durch das Wissen um die Möglichkeit von Vertragsstörungen, zu vermeiden.79 Die handelsrechtlichen Rechnungslegungsnormen lassen sich als „konfliktschlichtende Organisationsregelungen“80 für die verschiedenen Geschäftsbeziehungen eines Unternehmens verstehen. Für die Frage, wie sich eine gesetzliche Normierung bestimmter Rechnungslegungsnormen begründen lässt, kann als Legitimationsbasis auf den Konsens der beteiligten Vertragsparteien abgestellt werden: Auf Basis der Transaktionskosten und der Denkfigur unvollständiger Verträge lässt sich eine Regulierung in Form hoheitlicher Rechtsnormen dann legitimieren, wenn die angeordneten Regelungen dem entsprechen, was die Parteien im Wege des Konsenses vereinbart hätten, wenn sie nicht die tatsächliche Höhe der Transaktionskosten an einer solchen Vereinbarung hinderte (einzelvertragssubstituierender Ansatz).81 Nach der Denkfigur des unvollständigen Vertrages ist es ohne Belang, ob zwischen den Akteuren tatsächlich ein Vertrag geschlossen worden ist. Es geht vielmehr um die Frage, ob sich die rechtliche Regelung des Verhältnisses zwischen den jeweiligen Akteuren als Ergebnis eines Konsenses dieser verstehen lässt.82 Probleme treten allerdings deswegen auf, da die Institutionenbildungen auf unterschiedlichen Ebenen erfolgen können. Dabei kommen wiederum ver___________ 77 Vgl. Pannen, M. (2000), S. 92, dieser grenzt den Funktionsbereich der handelsrechtlichen Rechnungslegung allerdings ein auf Kredit- und Gesellschaftsverträge, d. h. auf die Beziehungen der Unternehmung zu ihren Kapitalgebern. Pannen spricht in dem Zusammenhang von „kommutativer Gerechtigkeit“ im Sinne von Verfahrensgerechtigkeit hinsichtlich der Spielregeln des Tausches; vgl. Pannen, M. (2000), S. 100 ff. 78 Vgl. Kirchner, C. (1997), S. 276. 79 Vgl. Pannen, M. (2000), S. 100 f. 80 Pannen, M. (2000), S. 101. 81 Vgl. Schmidt, M. (2000), S. 10 f., S. 37 ff.; Kirchner, C. (1997), S. 276 f. 82 So kann das Rechnungslegungsrecht in Bezug auf die Deliktsgläubiger, deren Gläubigerposition nicht auf einem vertraglich gestalteten Schuldverhältnis beruht, als Teil eines hypothetischen Vertrages verstanden werden, den Gläubiger und Schuldner abgeschlossen hätten, wenn ihnen eine Ex-ante-Regelung möglich gewesen wäre. Vgl. Kirchner, C. (1997), S. 276 ff. Dabei ist hinsichtlich des hypothetischen Konsenses davon auszugehen, dass dieser zu einem Zeitpunkt getroffen wird, zu dem die einzelnen Akteure noch keine Information darüber haben, wie konkret ihre eigene Position betroffen sein wird (veil of ignorance). Vgl. Kirchner, C. (1997), S. 274.

100 C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

schiedene Vertragsverhältnisse in Betracht: So lässt sich Rechnungslegungsrecht gedanklich als Regelung der Verhältnisse etwa der Anteilseigner untereinander, als Regelung des Prinzipal-Agent-Verhältnisses zwischen Anteilseigner und Management, als Regelung des Verhältnisses zwischen der Unternehmung und ihren Gläubigern sowie mit potenziellen Anteilseignern verstehen. Der Konsens der vertragsschließenden Parteien als Legitimationsgrundlage wird dann brüchig, wenn von einer vertraglichen Vereinbarung negative externe Effekte für am Vertrag unbeteiligte Dritte resultieren. Um dieses Problem zu lösen, bedarf es angesichts der Mehrzahl betroffener Parteien eines – explizit zu äußernden – Werturteils. Es wäre denkbar, hierfür auf das Konstrukt des hypothetischen Konsenses abzustellen: Dabei wird zur Herleitung sowie zur Umsetzung von Rechnungslegungsnormen nicht auf Wertungen eines Gesetzgebers, sondern auf den hypothetischen Konsens der beteiligten Akteure abgestellt.83 Zunächst müssen die Ebenen der verschiedenen Vertragsverhältnisse hierarchisch geordnet und die Entscheidungen auf der jeweils oberen Ebene als verbindlich für die unteren Ebenen vorgegeben werden. Sodann ist zu fragen, ob sich aus dem betreffenden Vertrag, von dem auf der obersten Ebene ausgegangen wird (z. B. der Gesellschaftsvertrag), negative externe Effekte für andere Akteure (z. B. die Gläubiger) ergeben. Ist dies der Fall, ist der Vertrag so anzupassen, bis der hypothetische Konsens aller beteiligten Akteure angenommen werden kann.84 Dieser Ansatz wird im Folgenden jedoch nicht weiterverfolgt: Zum einen lassen sich aus einem konkretisierten Zweck und dem entsprechenden Abbildungsziel nicht unbedingt eindeutige Ansatz- und Bewertungsregeln ableiten. Ursache hierfür kann die fehlende oder mangelhafte Operationalisierbarkeit des Rechnungslegungszweckes sein.85 Die Schwierigkeiten, die sich sowohl auf der normativen Ebene als auch auf Basis empirischer Untersuchungen ergeben, wenn die Vorzugswürdigkeit bestimmter Rechnungslegungsnormen im Vergleich zu anderen nachgewiesen werden sollen, legen es nahe, die Annahme homogener Präferenzen der Marktakteure bezüglich bestimmter Rechnungslegungsnormen in Frage zu stellen.86 Um den hypothetischen Konsens aller vertragsschließenden Parteien bezüglich bestimmter Rechnungslegungsnormen zu begründen, ist somit auch nach dem Konzept des hypothetischen Konsenses der Rückgriff auf bestimmte Annahmen und Einzelwerturteile erforderlich. ___________ 83

Vgl. auch Schmidt, M. (2000), S. 132. Vgl. Kirchner, C. (1997), S. 276 ff. 85 Vgl. Ballwieser, W. (1982), S. 776, welcher dies anhand eines Beispiels veranschaulicht. 86 Vgl. Watrin, C. (2001), S. 134. 84

II. Ansätze zur Herleitung von handelsrechtlichen Rechnungslegungszwecken 101

Zum anderen, da in der vorliegenden Arbeit – ausgehend von der eingangs dargestellten Entscheidungssituation des Gesetzgebers – unter Nutzen- und Kostenaspekten Handlungsempfehlungen, auch bezüglich der Beziehungen zum Fiskus, gegeben werden sollen. Für die Beziehungen zum Fiskus erscheint das Konzept des hypothetischen Konsenses aufgrund der Andersartigkeit der entsprechenden Beziehungen nicht geeignet. Hierfür muss ohnehin auf aus der Wirtschaftsordnung abgeleitete Werturteile zur steuerrechtlichen Rechnungslegung zurückgegriffen werden. Aus diesen Gründen wird zur Ableitung von Rechnungslegungszwecken nicht das Konzept des hypothetischen Konsenses verwendet; die handelsrechtlichen Rechnungslegungszwecke werden vielmehr aus dem Werturteil einer schutzorientierten Rechnungslegung abgeleitet. Damit wird das Verständnis von Rechnungslegung als Lückenfüllung unvollständiger Verträge nicht aufgegeben. Lediglich der Rückgriff auf den hypothetischen Konsens aller vertragsschließenden Parteien zu konkreten Normen wird durch explizite Einzelwerturteile – welche das übergeordnete Werturteil einer schutzorientierten Rechnungslegung konkretisieren – ersetzt. Da Werturteile nicht durch logische Verarbeitung von Beobachtungen berichtigt oder widerlegt werden können, sind sie einer Ableitung der Rechnungslegungszwecke vorzugeben. Nach dem Verständnis einer schutzorientierten Rechnungslegung dient diese dem Schutz derjenigen Interessen von Unternehmensadressaten, die als schutzwürdig anerkannt und nicht bereits aufgrund anderer gesetzlicher bzw. vertraglicher Regelungen außerhalb des Rechts der Rechnungslegung hinreichend gewährleistet sind.87 Bereits nach Adam Smith kommt dem Staat u. a. die Aufgabe zu, soweit wie möglich jedes Mitglied des Gemeinwesens gegen Unrecht oder Unterdrückung durch andere Mitglieder zu schützen.88 Handelsrechtliche Rechnungslegung ist in einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung darauf gerichtet, der mit der Entscheidungs- bzw. Vertragsfreiheit einhergehenden möglichen Benachteiligung für schutzwürdig erachteter Interessen anderer Vertragsparteien vorzubeugen. Indem der Ableitung von handelsrechtlichen Rechnungslegungszwecken das Werturteil einer schutzorientierten Rechnungslegung vorgeschaltet wird, wird das Kriterium der ökonomischen Effizienz bei der Beurteilung von Rechtsinstituten nicht völlig bedeutungslos.89 Vielmehr ist auch für die Ableitung der Einzelwerturteile jeweils darauf abzustellen, was die betrachteten Vertragsparteien im Wege des Konsenses vereinbart hätten, wenn sie nicht die tatsächliche Höhe ___________ 87

Vgl. Klatte, V. (1991), S. 38. Vgl. Smith, A. (1974), S. 600 (neu aus dem Englischen übertragen). 89 Vgl. Kirchner, C. (1997), S. 274; Schmidt, M. (2000), S. 39. 88

102 C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

der Transaktionskosten an einer solchen Vereinbarung hinderte (einzelvertragssubstituierender Ansatz). Die Einzelwerturteile zur Rechnungslegung als schutzorientierte Rechnungslegung resultieren aus den als schutzwürdig betrachteten Interessen der unterschiedlichen Unternehmensbeteiligten, die in gesellschaftsvertraglichen oder sonstigen Austauschbeziehungen zur Unternehmung stehen. Die Konkretisierung des Inhaltes einer schutzorientierten Rechnungslegung setzt also eine Analyse der Interessen der an der Rechnungslegung interessierten Personen bzw. Personengruppen oder Institutionen voraus. Dabei kommt den dargestellten Prinzipal-Agent-Konflikten eine besondere Bedeutung zu. Erst in einem weiteren Schritt können die aus der Interessenanalyse gewonnenen Erkenntnisse unter Berücksichtigung des Verständnisses von Rechnungslegung als schutzorientierte Rechnungslegung – und europarechtlicher sowie nationaler Vorgaben aus der Wirtschafts- und Rechtsordnung – in konkrete Rechnungslegungszwecke transformiert werden. Letztere wiederum sind in konkrete Maßgrößen (zum Teil wird diesbezüglich der Begriff Rechnungslegungsziele verwendet)90 umzusetzen; Beispiele hierfür sind etwa der „Periodengewinn nach nomineller Kapitalerhaltung“91 als Maßgröße für die Messung einer Ausschüttungssperre zum Gläubigerschutz oder eine „Gegenüberstellung von Vermögen und Schulden zu Tageswerten“92 als Maßgröße für die Messung des Schuldendeckungspotenzials bei gedachter Liquidation zum Gläubigerschutz.93 Das Rechnungslegungsziel als Maßgröße bzw. Meß-Modellergebnis ergibt sich aus dem Zusammenspiel der „Teil-Meß-Modellergebnisse“ (wie z. B. Realisation, Periodisierung etc.), d. h. der konkreten Rechnungslegungsgrundsätze.94 ___________ 90

So Schneider, D. (1997-a), S. 235 ff.; Pannen, M. (2000), S. 73 ff. Pannen, M. (2001), S. 140. 92 Pannen, M. (2001), S. 140. 93 Auch Moxter weist darauf hin, dass es z. B. verschiedene und von ihren unterschiedlichen Aufgaben her auch sinnvolle Gewinnkonzeptionen gibt und jede dieser Gewinnkonzeptionen einen anderen Bilanzinhalt bedingt; vgl. Moxter, A. (1984), S. 140. 94 Hinsichtlich der Unterscheidung in Rechnungslegungszwecke und -ziele siehe Schneider, D. (1997-a), S. 109; Pannen, M. (2001), S. 73 ff., S. 139 ff.; von einem Großteil der Literatur werden die beiden Begriffe jedoch synonym verwendet, vgl. etwa Klatte, V. (1991), S. 21. Dabei liegt die Bedeutung nicht in der Unterscheidung der Begriffe, sondern darin, dass hinter jedem Rechnungslegungsziel ein Rechnungslegungszweck stehen muss. So gerät man beispielsweise in einen Zirkel, wenn die Messung des „Gewinnes“ zum Rechnungslegungszweck erklärt wird. Denn die Inhaltsbestimmung der Größe „Gewinn“ ist gerade das zu lösende Problem; es gibt viele unterschiedliche und von ihren unterschiedlichen Aufgaben her auch sinnvolle Gewinnkonzeptionen. Erst wenn der Zweck der Rechnungslegung bestimmt ist, kann die Gewinnkonzeption für die 91

II. Ansätze zur Herleitung von handelsrechtlichen Rechnungslegungszwecken 103

b) Relevanz der rechtlichen Organisationsform für die Gestaltung einer schutzorientierten Interessenregelung Je nach Ausprägung bestimmter rechtlicher und wirtschaftlicher Merkmale können Gefährdungen schutzwürdiger Interessen überhaupt erst oder verstärkt auftreten. Die rechtliche Organisations- bzw. Rechtsform eines Unternehmens bildet das „Rechtskleid“, mit dem ein Unternehmen im Wirtschaftsleben in Erscheinung tritt. Das Gesellschaftsrecht stellt verschiedene Gesellschaftsformen als alternative rechtliche Organisationsformen zur Verfügung. Bei den organisationsrechtlichen Merkmalen dieser Gesellschaftstypen handelt es sich um gesetzlich geregelte Bestimmungen eines zum Teil dispositiven Rechts, um gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen sowie gegebenenfalls um durch Interpretation bzw. richterliche Rechtsfortbildung abzuleitende Normen.95 Gegenstand organisationsrechtlicher Normen sind allgemein die Rechtsbeziehungen im Innenverhältnis der jeweiligen Gesellschafter zueinander, die Rechtsbeziehungen zu einem Sondervermögen sowie die Rechtsbeziehungen der Gesellschaft bzw. des Sondervermögens gegenüber Dritten. Solche organisationsrechtlichen Merkmale sind „als Schutz- und Ordnungsvorschriften aufzufassen, die – als Bestandteil einer Teilrechtsordnung – in erster Linie dem Schutze und der Organisation individueller Rechtsbeziehungen und des allgemeinen Rechtsverkehrs dienen sollen.“96 In der Rechnungslegungspraxis werden unterschiedliche unternehmensbezogene Merkmale für eine Differenzierung der Rechnungslegung herangezogen. Die zur Konkretisierung einer schutzorientierten Interessenregelung erforderliche Interessenanalyse und -abwägung setzt in zumindest typisierter Weise die organisationsrechtlichen Regelungen als Elemente der Entscheidungsfelder der Unternehmensinteressenten voraus. Somit wird im Folgenden iterativ vorgegangen:97 Zunächst lassen sich im Hinblick auf den allgemein formulierten Zweck einer schutzorientierten Interessenregelung als relevant erachtete organisationsrechtliche Merkmale bestimmen. Sodann erfolgt eine Typisierung unterschiedlicher Erscheinungsformen der betrachteten Unternehmen in Abhängigkeit der jeweiligen Ausprägung dieser Merkmale. Erst im Anschluss daran werden die Rechnungslegungszwecke auf Basis einer Interessenanalyse und unter Berücksichtigung der typisierten Erscheinungsformen konkretisiert. ___________ Ermittlung eines zweckadäquaten Gewinnes festgelegt werden; vgl. Moxter, A. (1984), S. 140. 95 Vgl. Klatte, V. (1991), S. 34. 96 Klatte, V. (1991), S. 35. 97 Vgl. auch Klatte, V. (1991), S. 38.

104 C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

Als solche organisationsrechtlichen Differenzierungskriterien werden – außer der Branche des Unternehmens – in der Literatur sowie vom Gesetzgeber98 teils explizit, teils implizit üblicherweise folgende organisationsrechtlichen Merkmale zugrunde gelegt: (1) Verfügungsverhältnisse Bei Unternehmen, in denen Kapitaleigentum und Geschäftsführung teilweise (oder ganz) auseinander fallen, kann es zu Prinzipal-AgentKonflikten zwischen der Geschäftsführung und den Eignern kommen. Der Informations- bzw. Rechenschaftsanspruch99 der Eigentümer lässt sich mit dem grundgesetzlich verankerten Eigentumsschutz (vgl. Art. 14 Abs. 1 GG) begründen. Die nicht an der Geschäftsführung beteiligten Gesellschafter wollen sich vor einer eigene Interessen verfolgenden oder unfähigen Geschäftsführung schützen.100 In Unternehmen ohne eine solche Trennung von Eigentum und Geschäftsführung kann es hingegen nicht zu diesbezüglichen Prinzipal-Agent-Problemen kommen. Mit diesem Argument sind beispielsweise in Neuseeland Unternehmen, bei denen alle Eigentümer zugleich Organmitglieder sind, von der Befolgung bestimmter Rechnungslegungsvorschriften befreit. Dies gilt jedoch nicht für Unternehmen, die einer öffentlichen Rechenschaftspflicht unterliegen, wie z. B. öffentliche Körperschaften oder kapitalmarktorientierte Unternehmen.101 (2) Gesellschafterzahl und Fungibilität der Anteile Ähnlich wie die Trennung von Anteilseigentum und Geschäftsführung knüpft auch der Aspekt der Gesellschafterzahl und Fungibilität an der Ausprägung des Eigner-Manager-Konfliktes an. Diesem Kriterium liegt die Annahme zugrunde, dass Entscheidungsfreiräume und Verhandlungsmacht der Geschäftsführung tendenziell umso höher ausfallen, je weniger personalistisch die Beteiligungsstrukturen eines Unternehmens ausgeprägt sind, d. h. je größer die Zahl der involvierten Gesellschafter ist. Ferner wird davon ausgegangen, dass die Managementfreiheiten auch unmittelbar an die Häufigkeit des Mitgliederwechsels gekoppelt sind, da die einzelvertragli___________ 98

Eine Darstellung der Differenzierung der Rechnungslegungsanforderungen nach HGB erfolgt in Abschnitt D.II.1.a) der vorliegenden Arbeit. 99 Eine genaue Definition des Begriffes „Rechenschaft“ erfolgt in Abschnitt D.I.2.a) der Arbeit. 100 Vgl. Rückle, D./Klatte, V. (1989), S. 200; Eierle, B. (2004-a), S. 43. 101 Vgl. Framework for Differential Reporting for Entities Applying the New Zealand Equivalents to International Financial Reporting Standards Reporting Regime, FW.3.5. Zu eventuell erhöhten Risiken, welche aus einer Einbindung sämtlicher Eigentümer in die Geschäftsführung insbesondere für Gläubiger resultieren können, siehe auch Abschnitt C.III.2.c) der vorliegenden Arbeit.

II. Ansätze zur Herleitung von handelsrechtlichen Rechnungslegungszwecken 105

che Absicherung von Informations- und Zahlungsansprüchen durch steigende Gesellschafterzahl und Fungibilität der Anteile erschwert und zunehmend ineffizient wird.102 (3) Haftungsverhältnisse Bei einer Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen wird typischerweise eine höhere Gefährdung der Gläubiger angenommen als bei Unternehmen mit persönlich haftenden Gesellschaftern. Dies wird auf das begrenzte Haftungspotenzial und die Verleitung zu einer weniger sorgfältigen Geschäftsführung zurückgeführt.103 So wird vermutet, dass durch die Haftungsbegrenzung Anreize zu risikoreicheren Geschäften bestehen, da die Eigentümer zwar an den Gewinnen, jedoch unter Umständen lediglich teilweise an den Verlusten partizipieren.104 (4) Kapitalmarktorientierung Eine Vielzahl von Kapitalmarktteilnehmern sowie eine zunehmende Fungibilität der Anteile führen zu steigender Anonymität und zu höherem Formalismus bezüglich der Eigenkapitalüberlassungsverhältnisse sowie der Kommunikationsstrukturen zwischen Geschäftsführung und Eigentümern bzw. Kapitalgebern. Die Inanspruchnahme öffentlicher Kapitalmärkte gilt entsprechend seit Langem als Auslöser für eine Regulierung von Rechnungslegung und Offenlegungspflichten. Eine solche Differenzierung wird mit dem erhöhten Schutzbedürfnis der auf anonymen Kapitalmärkten agierenden Investoren sowie der großen Bedeutung funktionierender Kapitalmärkte für eine Volkswirtschaft begründet. Als Argumente werden im Einzelnen vorgebracht, dass die über den Kapitalmarkt geschlossenen Kapitalüberlassungsverhältnisse aufgrund des üblicherweise sehr weiten Kapitalgeberkreises, dessen Zusammensetzung aufgrund der Fungibilität der Anteils- und Gläubigerpapiere zudem ständig wechseln kann, in der Regel von großer Anonymität gekennzeichnet sind und den Kapitalgebern – bei brei___________ 102 Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 44. So sind in Australien z. B. Kapitalgesellschaften mit nicht mehr als 50 (nicht angestellten) Gesellschaftern grundsätzlich von einer gesetzlichen Rechnungslegungspflicht befreit, sofern bestimmte weitere Größenmerkmale erfüllt und keine Wertpapiere – außer an bestehende Gesellschafter oder Angestellte – ausgegeben werden. Vgl. sec. 292 i. V. m. sec. 45A und sec. 113 Australia Corporations Act 2001. Auch in Deutschland war die Personenbezogenheit der GmbH bis zur Umsetzung des Bilanzrichtliniengesetzes im Jahr 1985 der zentrale Grund dafür, dass die GmbH im Vergleich zur AG nur eingeschränkten Anforderungen an die externe Unternehmensberichterstattung unterlegen hat. Vgl. hierzu Eierle, B. (2004-a), S. 45. In Großbritannien wird ebenfalls zwischen private und public companies unterschieden (vgl. Abschnitt D.IV.2. der vorliegenden Arbeit). 103 Vgl. Rückle, D./Klatte, V. (1989), S. 199 f. 104 Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 45.

106 C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

ter Streuung des Eigen- oder Fremdkapitals – üblicherweise lediglich geringe Verwaltungs- und Kontrollrechte einräumen. Ferner soll eine standardisierte und publizierte Rechnungslegung Transaktionskosten senken, wenn sie individuelles „Aushandeln“ von Rechnungslegungsbedingungen und individuelle Wahrnehmung von Kontrollrechten ersetzt. Die Publizität aussagekräftiger Rechnungslegung soll zudem die gesamtwirtschaftliche Kapitalallokation verbessern.105 (5) Verflechtungsverhältnisse Die rechtliche oder wirtschaftliche Verbindung mehrerer rechtlich zu unterscheidender Gesellschaften zu einer umfassenderen Einheit kann zu einer geänderten Interessenausrichtung auf die neu geschaffene Einheit oder auf das beherrschende Unternehmen führen. Es kann dadurch zu Beeinträchtigungen schutzwürdiger Interessen von Gesellschaftern und Gläubigern der jeweils einzelnen Gesellschaften kommen. Entsprechend haben der nationale sowie der europäische Gesetzgeber für bestimmte Verbindungen rechtlich selbstständiger Unternehmen einen gesteigerten Informationsbedarf durch Sonderregelungen zur Rechnungslegung (Konzernrechnungslegung) und Publizität berücksichtigt.106 (6) Unternehmensgröße Eine Differenzierung nach der Unternehmensgröße weist keinen direkten Bezug zu spezifischen Konflikten zwischen den Beteiligten auf. Der Unternehmensgröße wird jedoch vielfach Indikatorfunktion für andere, qualitative Merkmale zugewiesen. So ist die Größe eines Unternehmens oft ein Indikator für die strukturelle Unternehmenskomplexität und die Personenbezogenheit einer Gesellschaft. Je kleiner ein Unternehmen ist, umso geringer ist empirischen Untersuchungen zufolge in der Regel auch die Gesellschafterzahl und desto eher sind die Eigentümer selbst in die Geschäftsführung eingebunden.107 Dementsprechend ist der Eigner-Manager-Konflikt oft weniger stark ausgeprägt als in großen Unternehmen. Andererseits sind insbesondere Fremdkapitalgeber bei kleineren Unternehmen unter Umständen größeren Risiken ausgesetzt als bei größeren Unternehmen. Hierfür sind verschiedene Ursachen denkbar, so etwa die erhöhte Krisenan___________ 105 Vgl. Rückle, D./Klatte, V. (1989), S. 201; Pellens, B./Fülbier, R. U. (2000), S. 580. Auf die Frage, ob bzw. inwieweit für die Kapitalgeber unterschiedliche Gefährdungen bestehen, je nachdem, ob diese in ein Unternehmen investieren, das auf den nicht geregelten im Vergleich zum geregelten Kapitalmarkt ausgerichtet ist, wird in Abschnitt C.III.3.b) näher eingegangen. 106 Vgl. Rückle, D./Klatte, V. (1989), S. 201; Eierle, B. (2004-a), S. 51 f. 107 Siehe Tabelle 4 der vorliegenden Arbeit. Zu einer Darstellung der Ergebnisse diesbezüglicher Studien in Großbritannien siehe Eierle, B. (2004-a), S. 366 f.

III. Typisierte Erscheinungsformen nach organisationsrechtlichen Merkmalen 107

fälligkeit kleinerer Unternehmen, welche aus der häufig fehlenden Möglichkeit zur Diversifizierung resultiert (siehe auch Abschnitt E.I.).108

III. Typisierte Erscheinungsformen der betrachteten Unternehmen im Licht organisationsrechtlicher Merkmale als zweckorientierte Gestaltungs- bzw. Differenzierungskriterien der Rechnungslegung Typisierte Erscheinungsformen nach organisationsrechtlichen Merkmalen

1. Erfordernis und Überblick einer Typisierung nach ausgewählten Kriterien Wie dargestellt dienen Jahresabschlüsse im Zusammenwirken mit anderen, außerhalb des Rechnungslegungsrechts stehenden Instrumenten (so v. a. dem Gesellschafts-, Kapitalmarkt-, Schuld- und Insolvenzrecht) der Lösung privatund öffentlichrechtlicher Regelungsaufgaben.109 Die Rechnungslegungsregeln sind nicht losgelöst von den anderen Rahmenbedingungen zu betrachten, vielmehr müssen die verschiedenen Regelungen in ihrem gegenseitigen Zusammenspiel einen ausreichenden Schutz gewährleisten. Für die Bestimmung der Funktionen des Jahresabschlusses ist somit grundsätzlich mitentscheidend, welche Aufgaben ihm im Rahmen der rechtlichen Organisationsformen, in denen sich unternehmerisches Handeln vollzieht, durch die gesetz- oder vertraglichen Vorschriften sowie gegebenenfalls die Rechtsprechung zugewiesen oder aber durch andere Schutzmechanismen übernommen werden. Es gilt die verschiedenen Kompetenzen der einzelnen Akteure sowie bestehende Schutzmechanismen und Wirkungszusammenhänge zu berücksichtigen. Die gesellschaftsrechtlichen Regelungen sind zu einem großen Teil dispositiv, d. h. sie stellen eine gesetzlich vorgesehene Standardisierung dar, von der jedoch in den Gesellschaftsverträgen abgewichen werden kann. Da sich eine Analyse der verschiedenen rechtstatsächlichen Erscheinungsformen in der Betrachtung von Einzelfällen verlieren würde, erscheint eine typisierende Betrachtungsweise angebracht, welche sich an den Schutzzwecken der Rechnungslegung orientiert. Dementsprechend werden im Folgenden die wichtigsten in der Realität auftretenden Erscheinungsformen typisiert nach ausgewählten organisationsrechtlichen Merkmalen dargestellt. Als Typisierungsmerkmale werden solche herangezogen, welche je nach Ausprägung zu Gefährdungen möglicher ___________ 108 Vgl. Europäische Kommission (1998), S. 22; Eierle, B. (2004-a), S. 50. Dort werden noch weitere Argumente dargestellt, die in diesem Zusammenhang diskutiert werden. 109 Vgl. Walz, R. (1993), S. 97; Klatte, V. (1991), S. 24.

108 C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

schutzwürdiger Interessen führen können. Die für diese typisierten Erscheinungsformen konkretisierbaren Aussagen können dann auf rechtstatsächliche Ausprägungen der Unternehmen im Wesentlichen übertragen werden.110 Eine solche Typisierung nach Erscheinungsmerkmalen bildet die Grundlage für die Bestimmung der jeweiligen Rechnungslegungszwecke bzw. gegebenenfalls für eine Differenzierung der Rechnungslegungsanforderungen. Als Typisierungskriterium wird zunächst darauf abgestellt, ob die Unternehmen auf den öffentlichen Kapitalmarkt ausgerichtet sind oder nicht. Dabei wird entsprechend des Untersuchungsgegenstandes der vorliegenden Arbeit lediglich die Inanspruchnahme des nicht geregelten Kapitalmarktes betrachtet. Das Differenzierungskriterium der Kapitalmarktorientierung knüpft wie dargelegt grundsätzlich an dem Merkmal der Trennung von Eigentum und Geschäftsführung an.111 Dabei ergeben sich jedoch aus der Inanspruchnahme des Kapitalmarktes zusätzliche Besonderheiten hinsichtlich der Ausprägung der Prinzipal-Agent-Konflikte. So resultiert bei über den öffentlichen Kapitalmarkt geschlossenen Kapitalüberlassungsverhältnissen aus der typischerweise gegebenen Anonymität112 und den fehlenden individuellen Vertragsverhandlungen eine besondere Gefährdung der Kapitalgeber. Die Inanspruchnahme des nicht geregelten Kapitalmarktes ist rechtsformübergreifend möglich. So ist beispielsweise eine Publikums-GbR ebenso denkbar wie eine Publikums-KG. Bei einer Aufnahme von Eigenkapital über den Kapitalmarkt wird von so genannten Publikumsgesellschaften gesprochen.113 Daneben ist auch die Aufnahme von mezzaninen, d. h. eigenkapitalähnlichen Formen oder Fremdkapital über den Kapitalmarkt möglich. Bei den nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen handelt es sich demgegenüber um personenbezogene Unternehmen. Diese lassen sich nach dem Merkmal der Gesellschafterkompetenzen weiter unterteilen in Unternehmen ohne und mit Eigner-Manager-Konflikten. Innerhalb der jeweiligen „Typen“ werden die wesentlichen Rechts- und Finanzierungsformen dargestellt, in denen diese typisierten Erscheinungsformen auftreten können.114 Dabei sind in ___________ 110

Vgl. auch Klatte, V. (1991), S. 108 f. Bei der Aufnahme von Fremdkapital über den Kapitalmarkt gilt dies analog für Eigner-Gläubiger-Konflikte. 112 Die Transaktionen sind allerdings nicht immer anonym. 113 Vgl. etwa BMJ (1980), Rn. 1015. 114 Obgleich es zulässig ist, eine Unternehmung in Deutschland unter einer ausländischen Rechtsform (wie z. B. der englischen Limited) zu führen, wird die folgende Betrachtung auf die wesentlichen deutschen Rechtsformen begrenzt. Nach welchem Recht sich die Rechnungslegung, Publizität und Prüfung ausländischer Rechtsformen in Deutschland richtet, ist strittig; die offenbar h. M. hält jedoch aufgrund der Wechselwirkungen von Rechnungslegungs- und Gesellschaftsrecht das englische Rechnungsle111

III. Typisierte Erscheinungsformen nach organisationsrechtlichen Merkmalen 109

den Fällen einer Trennung von Eigentum und Geschäftsführung v. a. die gesellschaftsrechtlichen – am Kapitalmarkt ergänzend die kapitalmarktrechtlichen – Regelungen zu den jeweiligen Informations- und Verwaltungsrechten der Gesellschafter bezüglich der Schutzfunktion der Rechnungslegung von Bedeutung. Hinsichtlich der Rechte der Anteilseigner ist generell zwischen den Verwaltungs- und den Vermögensrechten zu unterscheiden.115 Zu den Vermögensrechten zählen primär das Gewinnbezugsrecht sowie das Recht auf Teilhabe am Liquidationserlös. Der Jahresabschluss bestimmt die Gewinnhöhe und ist damit generell Grundlage für die Gewinn- oder Verlustzuweisung nach den für die jeweilige Gesellschaft geltenden gesetzlichen oder einzelvertraglichen Regelungen.116 Er ist also unmittelbarer oder mittelbarer Anknüpfungspunkt für gesetzliche bzw. vertragliche Ansprüche der Gesellschafter. Insofern sind die Kompetenzen hinsichtlich der Aufstellung des Jahresabschlusses sowie dessen Feststellung von Belang: Unter die Aufstellung des Jahresabschlusses fällt dessen Vorbereitung bis zur Beschlussreife. Sie obliegt der Geschäftsführung. Mit der Feststellung hingegen wird der Jahresabschluss im Verhältnis der Gesellschafter untereinander sowie im Verhältnis Dritten gegenüber verbindlich festgelegt. Die Beteiligung an der Aufstellung des Jahresabschlusses ermöglicht gegebenenfalls die Einflussnahme auf Ansätze und Bewertungen. Der Abgrenzung und Kompetenzverteilung hinsichtlich Auf- und Feststellung des Jahresabschlusses kommt somit bezüglich der Wahrung der einzelnen Interessen eine große Bedeutung zu. Hieraus resultieren zugleich Informationsbelange und -an___________ gungsrecht für anwendbar, so dass eine Betrachtung dieser Rechtsformen nicht in die Ausführungen der vorliegenden Arbeit passen. Vgl. hierzu Müller, K. J. (2006), S. 842 m. w. N. 115 Dabei setzen sich die Verwaltungsrechte aus Teilhabe- und Schutzrechten zusammen. Wichtige Teilhaberechte sind etwa: das Recht zur Teilnahme an Versammlungen, das Stimmrecht sowie das Informationsrecht; dabei stellen Einsichts- bzw. Kontroll- und Auskunftsrechte unterschiedliche Informationstechniken dar. Leitungsbefugnisse können Teilhaberechte sein, zum Teil sind sie vom Gesetzgeber als solche angelegt. Zu den Schutzrechten gehören die Klagerechte. Vgl. Hueck, G./Windbichler, C. (2003), § 26 Rn. 17; Schmidt, K. (2002), § 19 III. 2. c) aa), § 21 I., § 21 III. 1. e) und § 45 I. 2. b). Die in einem Gesellschaftsanteil zusammengefassten Rechte lassen sich ökonomisch als eine Struktur von Verfügungsrechten (property rights) deuten. Vgl. Förster, G. W. (1999), S. 103. Eine Übersicht über die unterschiedlichen Kompetenzen im Zusammenhang mit der Rechnungslegung sowie deren Verteilung zwischen Gesellschaftern, Geschäftsführern und der Gesellschaft geben am Beispiel einer OHG und AG Lehmann, M./Müller, U. (2002), S. 197. 116 Die Erfolgsverteilung bedeutet unmittelbar lediglich Gewinn- bzw. Verlustzurechnung, nur mittelbar auch Festsetzung oder Verhinderung rechtswirksamer Zahlungen an die jeweiligen Gesellschafter. Vgl. Moxter, A. (1984), S. 98.

110 C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

sprüche der nicht an der Aufstellung Beteiligten, da eine sachgemäße Entscheidung über den Inhalt des Jahresabschlusses ohne Information nicht möglich ist, soweit Wahlrechte oder Ermessensspielräume gegeben sind.117 Nach der Kompetenzverteilung – und Kapitalmarktausrichtung – lassen sich somit verschiedene Erscheinungsformen von Unternehmen danach unterscheiden, welcher Einfluss den Gesellschaftern oder bestimmten Gruppen von Gesellschaftern zusteht in Abhängigkeit von: • einer möglichen Trennung von Eigentum und Geschäftsführung unter Berücksichtigung der Streuung und Fungibilität der Anteile im Falle einer Inanspruchnahme des Kapitalmarktes für Beteiligungskapital, • der Befugnis zur Aufstellung und Mitwirkung bei der Feststellung des Jahresabschlusses einschließlich der Entscheidung über die Ergebnisverwendung sowie • der Ausprägung der Informations- und Kontrollrechte der Gesellschafter.118 Neben der Differenzierung nach der Kompetenzverteilung sind die Unternehmen auch aus der Sicht möglicher Eigner-Gläubiger-Konflikte zu betrachten. Eine Haftungsbeschränkung stellt wie dargelegt generell eine erhöhte Gläubigergefährdung dar.119 Die Möglichkeit eines Eigner-Gläubiger-Konfliktes bzw. ein besonderes Gläubigerschutzerfordernis wird somit in der Regel mit dem rechtsformabhängigen Merkmal der Haftungsbeschränkung verknüpft. Gleichwohl sind auch Gläubigergefährdungen im Falle von Unternehmen mit unbeschränkt haftenden Gesellschaftern denkbar. Ferner kann auch das Fehlen von Eigner-Manager-Konflikten mit entsprechenden Kontrollstrukturen Einfluss auf das Ausmaß der Gläubigergefährdung haben. Bei einer Aufnahme von Fremdkapital über den öffentlichen Kapitalmarkt stellen die Anonymität und die fehlenden individuellen Vertragsverhandlungen ebenfalls eine zusätzliche Gefährdung dar. Da sowohl die Ausprägung des Eigner-Manager- als auch des Eigner-Gläubiger-Konfliktes jeweils verstärkt wird, sofern die Kapitalüberlassungsverhältnisse über den Kapitalmarkt geschlossen werden, erfolgt zunächst eine Darstellung der jeweiligen Konfliktsituationen bei nicht kapitalmarktorien___________ 117

Vgl. Förster, G. W. (1999), S. 103 f. So auch Klatte, V. (1991), S. 109 hinsichtlich der verschiedenen Erscheinungsformen der GmbH & Co. KG. 119 Infolgedessen geben die EG-Richtlinien – sowie entsprechend auch die nationalen Regelungen im HGB – bei Unternehmen mit beschränkter Haftung eine Publizitätspflicht als Korrelat der Haftungsbeschränkung vor. Bei Unternehmen mit unbeschränkter Haftung hingegen bestehen gegebenenfalls lediglich individualrechtliche Vereinbarungen, jedoch kein gesetzlich verankerter Informationsanspruch der Gläubiger, sofern das Unternehmen nicht der Publizitätspflicht des PublG unterliegt. 118

III. Typisierte Erscheinungsformen nach organisationsrechtlichen Merkmalen 111

tierten Unternehmen. Im Anschluss daran werden dann die Rahmenbedingungen am nicht geregelten Kapitalmarkt näher betrachtet. Auf Regelungen zum Schutz der Arbeitnehmer, welche ebenfalls zum Teil rechtsformabhängig sind, wird an dieser Stelle nicht eingegangen. Die entsprechenden Regelungen werden jedoch im Rahmen der Adressatenkonkretisierung der Informationsfunktion in Abschnitt D.I.2.a) dargestellt. Somit ergeben sich insgesamt die in Abbildung 1 unterschiedenen Unternehmensformen:

Typisierte Unternehmensformen

Nicht kapitalmarktorientierte, „personenbezogene“ Unternehmen

ohne EignerManagerKonflikte

Auf den nicht geregelten Kapitalmarkt ausgerichtete Unternehmen

mit (potenziellen) Eigner-ManagerKonflikten

Gläubigerschutzerfordernis Quelle: eigene Darstellung.

Abbildung 1: Typisierte Unternehmensformen

Nach dem Merkmal der Kapitalmarktausrichtung ist zu unterscheiden zwischen: (1) nicht kapitalmarktorientierten, „personenbezogenen“ Unternehmen einerseits und (2) auf den nicht geregelten Kapitalmarkt ausgerichteten Unternehmen andererseits. Zu (1): Nicht kapitalmarktorientierte, „personenbezogene“ Unternehmen Nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen wenden sich weder zur Aufnahme von Eigen- noch von Fremd- oder Mezzaninkapital an den Kapitalmarkt. Die Abgrenzung zwischen „personenbezogenen“120 Unternehmen einerseits und kapitalmarktorientierten Publikumsunternehmen andererseits ist problematisch. Üblicherweise werden personenbezogene Unternehmen durch die fehlen___________ 120

Generell zu den Problemen einer rechtsformübergreifenden Definition von „personenbezogenen“ sowie von „Publikums“-Unternehmen siehe v. a. auch BMJ (1980), Tz. 985 ff.

112 C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

de Ausrichtung auf den Kapitalmarkt bestimmt.121 Es gibt vielmehr einen „geschlossenen“ Kreis einer begrenzten Anzahl von Gesellschaftern, zwischen denen in der Regel enge persönliche Beziehungen bestehen, v. a. auch im Familienverband. Sie lassen sich nach der Kompetenzverteilung weiter unterteilen in solche, in denen alle Gesellschafter als „Eigentümer-Unternehmer“ fungieren, d. h. zugleich auch an der Geschäftsführung partizipieren (Unternehmen ohne EignerManager-Konflikte) und solche, in denen ein oder mehrere Gesellschafter nicht an der Geschäftsführung teilhaben (Unternehmen mit (potenziellen) EignerManager-Konflikten). Bei den „personenbezogenen“ Gesellschaften kann es sich insbesondere auch um Familiengesellschaften handeln, wobei in solchen Fällen ebenso sowohl eine „Unternehmergemeinschaft“ als auch eine (Familien-)Gesellschaft mit reinen Anlagegesellschaftern, welche von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind, denkbar ist. Das Attribut eines „geschlossenen“ Kreises einer begrenzten Anzahl von Gesellschaftern bringt zum Ausdruck, dass die Übertragbarkeit der Gesellschaftsanteile stark eingeschränkt ist, um das Eintreten unerwünschter Gesellschafter zu verhindern. So wird im Gesellschaftsvertrag die Abtretung eines Geschäftsanteils an Dritte zum Teil an weitere Voraussetzungen, wie insbesondere an die Genehmigung der Gesellschaft, geknüpft. Als weitere Barrieren gegen den Ausstieg von Gesellschaftern dienen in der Praxis ferner vertraglich vereinbarte Kündigungsfristen, die Staffelung der Auszahlung des Abfindungsbetrages sowie das Vorgeben von Bewertungsklauseln, welche im Falle des Ausscheidens die Bewertung der Beteiligung für Abfindungszwecke niedrig halten.122 Außerdem ist auch die Reizschwelle zum Ausscheiden regelmäßig relativ hoch, teils wegen wirtschaftlicher, teils wegen persönlicher Bindungen. Für eine enge wirtschaftliche Bindung können v. a. sprechen: • die Bedeutung der Beteiligung als wichtigste, zum Teil auch einzige Einkommensquelle,123 ___________ 121

Zur Definition von Kapitalmarkt siehe im Folgenden die Erläuterungen zu (2): Auf den nicht geregelten Kapitalmarkt ausgerichtete Unternehmen. 122 So in einer empirischen Untersuchung bezüglich des Gesellschafterausstiegs in deutschen Familienunternehmen siehe Redlefsen, M./Witt, P. (2006), S. 7 ff., insbesondere S. 13; vgl. auch Kübler, F./Assmann, H.-D. (2006), S. 96 ff.; Schmidt, K. (2002), § 50 IV.2. 123 Einkommen wird hier – von der Entstehungsseite her – verstanden als Reinvermögenszugang einer Person in einer Abrechnungsperiode. Daneben kann Einkommen auch von der Verwendungsseite her definiert werden, siehe hierzu auch die Ausführungen zur neodynamischen Bilanzauffassung in Abschnitt D.III.1.a) der vorliegenden Arbeit. Vgl. Schneider, D. (1997-a), S. 42.

III. Typisierte Erscheinungsformen nach organisationsrechtlichen Merkmalen 113

• das Fehlen eines aktiven Sekundärmarktes für die Gesellschaftsanteile und/ oder • das Drohen hoher Vermögensverluste bei einem Ausscheiden aus der Gesellschaft aufgrund von gegebenenfalls ungünstigen Abfindungskonditionen. Eine enge persönliche Beziehung kann beispielsweise durch Verwandtschaftsverhältnisse, Ehe oder aufgrund der Mitwirkung beim Aufbau des Unternehmens gegeben sein.124 Zusätzlich zu den reinen Gesellschafterbeteiligungen kommen ferner auch Beteiligungen in Form von mezzaninem Kapital in Betracht. Bei den mezzaninen Kapitalformen handelt es sich je nach Ausprägung um Eigen- oder Fremdkapital. Diese Kapitalformen können sowohl im geschlossenen Kreis genutzt werden, z. B. wenn sich ein Familienangehöriger als stiller Gesellschafter engagiert, als auch grundsätzlich für ein breites Anlegerpublikum angeboten werden. Bei den Anlegern kann es sich jeweils auch um institutionelle Anleger (z. B. Beteiligungsgesellschaften mit Fokus auf mittelständische Unternehmen, Venture-Capital-Geber etc.) handeln. Diese unterscheiden sich jedoch von privaten Investoren u. a. dadurch, dass die jeweilige Beteiligung lediglich eine von in der Regel vielen Einkommensquellen ist; entsprechend haben institutionelle Investoren häufig einen kurzfristigeren Anlagehorizont als private Investoren.125 Neben einer Aufnahme von Eigenkapital oder eigenkapitalähnlichen Mitteln kommt ferner auch der Aufnahme von Fremdkapital über den Kreditmarkt eine wesentliche Bedeutung zu. Zu (2): Auf den nicht geregelten Kapitalmarkt ausgerichtete Unternehmen Bei den Unternehmen, die den nicht geregelten Kapitalmarkt in Anspruch nehmen, kommen v. a. so genannte Publikumspersonengesellschaften, die sich zur Aufnahme von Beteiligungskapital an den Kapitalmarkt wenden, als auch Unternehmen, die rechtsformunabhängige Finanzierungsmöglichkeiten in Form von mezzaninem Kapital nutzen,126 in Betracht. Neben der Aufnahme von Eigenkapital oder eigenkapitalähnlichem (mezzaninem) Kapital kann ein Unter___________ 124

Vgl. Klatte, V. (1991), S. 112. So wollen Private-Equity- und Venture-Capital-Geber teilweise Wertsteigerungen durch den Verkauf der Beteiligungen im Rahmen eines Börsenganges realisieren. Siehe auch Tykvová, T. (2005), S. 468. 126 Aufgrund der Kostenbelastung der emittierenden Unternehmen (z. B. für Due Diligence, Emissionsmarketing, Vertrieb u. Ä.) fordern die in diesem Segment tätigen Wertpapierhandelshäuser und Finanzdienstleister regelmäßig bestimmte Mindesthöhen bezüglich des geplanten Finanzierungsvolumens. Das geforderte Mindestvolumen liegt empirischen Untersuchungen zufolge bei etwa 1,5 Mio. Euro. Mezzaninkapital als Finanzierungsinstrument kommt deshalb regelmäßig lediglich für größere mittelständische Unternehmen in Betracht. Vgl. Paffenholz, G. (2004), S. 105 ff. 125

114 C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

nehmen den nicht geregelten Kapitalmarkt ferner auch zur Aufnahme von Fremdkapital in Anspruch nehmen. Eine Publikumsgesellschaft ist dadurch charakterisiert, dass sie sich nicht auf einen relativ überschaubaren, geschlossenen Gesellschafterkreis beschränkt, sondern sich öffentlich an ein breites Anlegerpublikum wendet.127 Die Probleme, die aus einem Angebot von mezzaninem Kapital für ein breites Anlegerpublikum resultieren, entsprechen je nach Ausgestaltung weitgehend denen bei Publikumsgesellschaften.128 Auf den Kapitalmarkt ausgerichtete Unternehmen werben „öffentlich“ um zahlreiche, einander typischerweise nicht persönlich bekannte Kapitalanleger. Folgende Merkmale sind in der Regel charakteristisch:129 • zahlreiche, im Allgemeinen nicht miteinander in einem persönlichen Verhältnis stehende Kapitalanleger sind an der Unternehmung beteiligt; • die Gesellschafts- oder Treuhandverträge sind vorformuliert, die Aufnahme als Beteiligter bzw. Kapitalgeber erfolgt durch Beitritt und nicht durch individuelle Aufnahmeverträge; analog hierzu entfallen individuelle Vertragsvereinbarungen auch bei der Aufnahme von Fremdkapital; • die Gesellschaft ist nicht auf einen festen Anlegerbestand fixiert, vielmehr können weitere Anleger aufgenommen werden bzw. bisherige Anleger durch Kündigung ausscheiden; • die Anleger werden „öffentlich“130 durch Werbeanzeigen, Prospekte oder Anlageberater geworben. Bei den auf den Beteiligungskapitalmarkt ausgerichteten Unternehmen sind die „Nur-Anlagegesellschafter“ von der Geschäftsführung ausgeschlossen, so dass keine Identität von Eigentum und Geschäftsführung gegeben ist. Diese Merkmale lassen sich großteils auch auf den Kapitalmarkt für mezzanines Kapital übertragen. Den typisierten Erscheinungsformen liegt jeweils – zwecks Begrenzung der Untersuchung – die vereinfachende Annahme zugrunde, dass keine mehrstufigen Konstruktionsformen gegeben sind. Im Folgenden wird somit lediglich ein begrenzter Kreis wesentlicher Unternehmenstypen aufgegriffen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass in der Realität Unschärfen zwischen den unterschiedli___________ 127

Vgl. Hueck, G./Windbichler, C. (2003), S. 33, S. 214. Vgl. Hueck, G./Windbichler, C. (2003), S. 226. 129 Vgl. Klatte, V. (1991), S. 120 f. 130 Auf die verschiedenen Definitionen des Begriffes „öffentlich“ im Sinne des WpPG sowie des VerkProspG wird bei der Darstellung der kapitalmarktrechtlichen Regelungen in Abschnitt C.III.3.a) der vorliegenden Arbeit eingegangen. 128

III. Typisierte Erscheinungsformen nach organisationsrechtlichen Merkmalen 115

chen Typen bestehen können, da die tatsächliche Verfügungsgewalt der Gesellschafter nicht nur durch organisationsrechtliche Bestimmungen, sondern teilweise auch wesentlich durch informelle Beziehungen geprägt wird. Solche informellen Beziehungen sind allerdings einer typisierenden Betrachtung lediglich sehr eingeschränkt zugängig.131

2. Ausprägungen und organisationsrechtliche Rahmenbedingungen nicht kapitalmarktorientierter, personenbezogener Unternehmen a) Unternehmen ohne Eigner-Manager-Konflikte Die Unternehmen ohne Eigner-Manager-Konflikte lassen sich neben dem Einzelunternehmer132 typisieren in: (1) Einmann-Gesellschaften sowie (2) „Unternehmergemeinschaften“. Zu (1): Einmann-Gesellschaften Unter Einmann-Gesellschaften fallen z. B. die Einmann-GmbH, die Einmann-GmbH & Co. KG oder die Einmann-AG. Zu (2): „Unternehmergemeinschaften“ Bei den so genannten „Unternehmergemeinschaften“ sind Geschäftsführung und Eigentum grundsätzlich nicht getrennt. Es handeln ausschließlich die Personen(-gruppen), welche zugleich auch die eigentumsrechtlichen Folgen des Handelns betreffen. Die Gesellschafter wirken an den unternehmerischen Entscheidungen mit und haben uneingeschränkten Zugang zum betrieblichen Rechnungswesen. Die personelle Übereinstimmung von Kapitaleignern und Geschäftsführung begünstigt im Allgemeinen eine tendenziell gleich gerichtete Interessenausrichtung und vertrauensvolle Zusammenarbeit. In der Realität lassen sich allerdings Meinungsverschiedenheiten bezüglich unternehmerischer Entscheidungen (z. B. über Investition und Finanzierung einschließlich Gewinnverwendung etc.) nicht ausschließen.133 Hier steht allgemein das personale

___________ 131 132

Vgl. Klatte, V. (1991), S. 110. Dieser unterliegt naturgemäß nicht dem gesellschaftsrechtlichen Regelungsbe-

reich. 133 So bezüglich der Rechtsform der GmbH & Co. KG siehe Klatte, V. (1991), S. 113.

116 C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

Element im Vordergrund; die Anzahl der Eigner ist aufgrund der Koordinationserfordernisse faktisch beschränkt.134 Hierunter fallen insbesondere die gesetzestypisch ausgestalteten Formen der GbR sowie der OHG.135 Bei diesen sind in der vom Gesetzgeber vorgesehenen typischen Form Geschäftsführung und Eigentum grundsätzlich nicht getrennt. Die Gesellschafter tragen Unternehmerinitiative und Unternehmerrisiko, indem ihre Haftung – analog dem Einzelunternehmer – unbeschränkt ist. Auf die Fälle, in denen aufgrund dispositiver Regelungen hiervon abgewichen wird, wird bei den Ausprägungen mit möglichen Eigner-Manager-Konflikten eingegangen. Daneben können Eigentum und Geschäftsführung ferner auch bei ganz oder teilweise beschränkt haftenden Gesellschaften in einer Hand liegen. Hierbei handelt es sich also um Gesellschaften mit beschränkter Haftung und mit mehreren Gesellschaftern, welche alle zugleich an der Geschäftsführung beteiligt sind. Ein Beispiel ist etwa der Fall einer „personengleichen“ GmbH & Co. KG.136 Bei den Personen(handels-)gesellschaften sind sowohl die Regelungen der Erfolgszurechnung137 als auch die Entnahmerechte138 dispositiv, d. h. sie finden lediglich insoweit Anwendung, als nicht durch den Gesellschaftsvertrag etwas Anderes bestimmt ist. Kommen mangels abweichender Vereinbarungen die gesetzlichen Regelungen zur Anwendung, ist der Gesellschafter einer OHG gemäß § 122 Abs. 1 HGB berechtigt, einen Betrag bis zu 4 % seines für das letzte Geschäftsjahr festgestellten Kapitalanteiles zu entnehmen; er kann ferner, sofern dies nicht zum offenbaren Schaden der Gesellschaft gereicht, die Auszahlung seines diesen Betrag überschreitenden Gewinnanteiles des letzten Jahres verlangen. Lediglich für Entnahmen, die den Gewinnanteil des Gesellschafters übersteigen, bedarf er der Einwilligung der anderen Gesellschafter (vgl. § 122 Abs. 2 HGB).

___________ 134

Vgl. Fladung, H.-D. (2000), S. 36 f. Die OHG beruht ihrer Konzeption nach – wie alle Personenhandelsgesellschaften – auf der BGB-Gesellschaft, welche in den §§ 705-740 BGB geregelt ist. 136 Hierzu sowie zu weiteren Sonderfällen einer Einheit von Eigentum und Geschäftsführung bei der GmbH & Co. KG siehe Klatte, V. (1991), S. 113 ff. 137 Vgl. für die GbR §§ 722 BGB, für die OHG § 109 i. V. m. §§ 120, 121 HGB, für die KG §§ 163, 167 Abs. 1 und 3, 168 i. V. m. §§ 120, 121 HGB. 138 Vgl. § 721 BGB, §§ 109, 122 HGB und § 161 Abs. 2 i. V. m. § 122 Abs. 1 HGB. 135

III. Typisierte Erscheinungsformen nach organisationsrechtlichen Merkmalen 117

b) Unternehmen mit möglichen Eigner-Manager-Konflikten Bei einer vollständigen oder teilweisen Trennung von Eigentum und Geschäftsführung erlangen die Unterscheidung zwischen Aufstellung („Vorbereitung bis zur Beschlussreife“139) und Feststellung („Verbindlicherklärung“140) des Jahresabschlusses, die Kompetenzen bezüglich der Ergebnisverwendungsentscheidung sowie die Informations- und Kontrollrechte Bedeutung. Die Aufstellung der Jahresabschlüsse gehört ausschließlich insoweit zum Verantwortungsbereich der Gesellschafter, als sie Geschäftsführungsbefugnis haben. Im Ergebnis bedeutet somit die Zuordnung bestimmter Bilanzierungsmaßnahmen in den Bereich der Bilanzaufstellung (Ergebnisermittlung) oder der Bilanzfeststellung (Ergebnisverwendung) zugleich die Zuordnung in verschiedene Kompetenzbereiche. Die Begrenzung des (Ermessens-)Spielraumes bei der Bilanzaufstellung, insbesondere zur Bildung stiller Rücklagen, ist somit für die Begrenzung der Kompetenzen der bilanzaufstellenden Geschäftsführer von großer Bedeutung.141 Bedingt durch den Ausschluss eines Teiles der Gesellschafter von der Geschäftsführung und damit von der Aufstellung des Jahresabschlusses kommt den Gewinnermittlungsvorschriften gegenüber den Anteilseignern die Funktion der Ermittlung eines Mindestausschüttungs- bzw. Entnahmebetrages zu.142 Eine solche Trennung von Eigentum und Geschäftsführung kommt in Betracht: (1) bei reinen Anlagegesellschaftern im Rahmen der jeweiligen Gesellschaftsform sowie (2) bei Anlegern in Gestalt rechtsformübergreifender Finanzierungsmöglichkeiten des mezzaninen Kapitals. Dabei wird die Form stiller Beteiligungen trotz ihrer gesellschaftsrechtlichen Verankerung aufgrund ihrer rechtsformübergreifenden Bedeutung im Rahmen der mezzaninen Finanzierungsmöglichkeiten dargestellt. Zu (1): Unternehmen mit Gesellschaftern als reinen Anlagegesellschaftern Eine Trennung von Eigentum und Geschäftsführung kann aufgrund dispositiver Regelungen zum einen grundsätzlich auch bei den Personengesellschaften, bei denen im gesetzlich vorgesehenen Regelfall Eigentum und Geschäftsführung typischerweise zusammenfallen, gegeben sein. So können etwa bei einer ___________ 139

Hopt, K. J., in: Baumbach/Hopt (2006), § 164 Rn. 3. Hopt, K. J., in: Baumbach/Hopt (2006), § 164 Rn. 3. 141 Hierauf wird in Abschnitt E.II.1. der vorliegenden Arbeit näher eingegangen. 142 Vgl. Fladung, H.-D. (2000), S. 45 f. 140

118 C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

OHG einzelne Gesellschafter von der Geschäftsführung ausgeschlossen sein (vgl. §§ 114 Abs. 2, 117 HGB). Sofern ein OHG-Gesellschafter von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist, verfügt er über Einsichts- und Kontrollrechte nach § 118 HGB. Das Einsichtsrecht eines OHG-Gesellschafters erstreckt sich auf alle Handelsbücher und Papiere der OHG, damit dieser „sich von den Angelegenheiten der Gesellschaft persönlich unterrichten“ (§ 118 Abs. 1 HGB) kann.143 Zum anderen sind eine Trennung von Eigentum und Geschäftsführung und damit potenzielle Eigner-Manager-Konflikte – abgesehen von den bereits genannten Fällen von Einmann-Gesellschaften und „Unternehmergemeinschaften“ – bei den gesetzestypischen Formen (a) der KG sowie (b) der Kapital- und „&-Co.“-Gesellschaften gegeben.144 (a) Die KG gehört wie die OHG zur Gruppe der Personen(handels-)gesellschaften. Im Gegensatz zur OHG ist der Kreis der Gesellschafter jedoch in der Weise heterogen, dass ausschließlich die Komplementäre auch mit ihrem privaten Vermögen haften, während die Haftung der Kommanditisten gemäß § 171 Abs. 1 HGB auf maximal die Höhe ihrer im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Einlage beschränkt ist. Bei diesen Unternehmen verschiebt sich also die Risikoposition eines Teiles der Gesellschafter vom Unternehmer hin zum Kapitalanleger, entsprechend ist auch die Entscheidungsbefugnis analog zum jeweiligen Haftungsumfang asymmetrisch verteilt: Die Kommanditisten sind gemäß § 164 HGB von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Dadurch entsteht grundsätzlich zusätzlicher Regelungsbedarf sowohl auf Ebene des Gesellschaftsrechts als auch hinsichtlich der Anforderungen an den handelsrechtlichen Jahresabschluss.145 Die Aufstellung des Jahresabschlusses ist eine Maßnahme allein der geschäftsführenden Gesellschafter, die hierbei grundsätzlich einstimmig entscheiden. Die Feststellung (Billigung) des Jahresabschlusses hingegen stellt bei Personenhandelsgesellschaften nach h. M. ein gesellschaftsrechtliches Grundlagengeschäft dar, welches regelmäßig die einstimmige Mitwirkung aller Gesellschafter voraussetzt, soweit der Gesellschaftsvertrag keine Abweichungen hiervon vorsieht.146 Die Gesellschafter sind im Rahmen der Feststellung an die ___________ 143

Vgl. Hopt, K. J., in: Baumbach/Hopt (2006), § 118 HGB Rn. 4. Vgl. auch Förster, G. W. (1999), S. 93. 145 Vgl. Fladung, H.-D. (2000), S. 44. 146 Vgl. Rückle, D. (1997), S. 433 f.; Förster, G. W. (1999), S. 105 m. w. N.; Hopt, K. J., in: Baumbach/Hopt (2006) § 114 HGB Rn. 3, § 164 HGB Rn. 3 m. w. N.; Hopt, K. J. (1996), S. 800. Nach dem Grundlagenurteil des BGH erstreckt sich die Feststellungskompetenz der Gesellschafter – also auch der Kommanditisten – auch auf Bilanzierungsentscheidungen, die ihrer Natur nach Ergebnisverwendung darstellen. Der BGH 144

III. Typisierte Erscheinungsformen nach organisationsrechtlichen Merkmalen 119

bei der Aufstellung getroffenen Abbildungsentscheidungen gebunden. Es steht ihnen allerdings ein Prüfungsrecht zu, ob dabei die Grenzen der bilanzrechtlichen bzw. gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen eingehalten und ob Beurteilungsspielräume sachgemäß ausgeübt worden sind.147 Zur Wahrnehmung dieses Prüfungsrechts können die von der Geschäftsführung ausgeschlossenen (Anlage-)Gesellschafter auf die Einsichts- und Kontrollrechte nach den §§ 118, 166 HGB sowie gegebenenfalls ein weitergehendes Auskunftsrecht zurückgreifen.148 Im Gegensatz zum Einsichtsrecht des OHG-Gesellschafters, welches sich auf alle Handelsbücher und Papiere der OHG erstreckt, ist das Einsichtsrecht des Kommanditisten gemäß § 166 HGB auf die Kontrolle des Rechnungsabschlusses beschränkt.149 Die Kontroll- und Auskunftsrechte können allerdings durch Gesellschaftsvertrag erweitert, auf einen Treuhänder o. Ä. übertragen oder möglicherweise auch beschränkt werden.150 Das außerordentliche, ___________ nennt hier neben der Bildung offener Rücklagen zusätzliche Abschreibungen nach § 253 Abs. 4 HGB, den Ansatz von Aufwandsrückstellungen nach § 249 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 HGB sowie steuerliche Sonderabschreibungen. Vgl. BGH, U. vom 29.03.1996 – II ZR 263/94, DB 1996, S. 926 ff.; Schmidt, K. (2002), § 53 II 2. c). Sofern das Recht der Anlagegesellschafter zur Feststellung des Jahresabschlusses nach dem Gesellschaftsvertrag einem aus ihnen gebildeten Beirat übertragen ist, bedarf die Bilanzfeststellung der Zustimmung der geschäftsführenden Gesellschafter sowie des Beirats. Vgl. BGH, U. vom 29.03.1996 – II ZR 263/94, DB 1996, S. 926; siehe auch Breitfeld, A., in: Sudhoff, H. (2005), § 15 Rn. 15. 147 Vgl. BGH, U. vom 29.03.1996 – II ZR 263/94, DB 1996, S. 926; Förster, G. W. (1999), S. 106; Rückle, D. (1997), S. 435 ff., S. 443 f. 148 Nach inzwischen weit verbreiteter Auffassung stellt das in § 166 HGB geregelte Kontroll- und Informationsrecht keine erschöpfende Regelung dar. Es wird vielmehr angenommen, dass neben § 166 HGB nach allgemeinen verbandsrechtlichen Regeln ein Informationsrecht besteht, das durch das Informationsbedürfnis des Gesellschafters begründet und begrenzt ist. Dieses soll ein Auskunftsrecht zu allen Angelegenheiten der Gesellschaft gewähren, die für die sachgemäße Wahrnehmung der Mitgliedschaftsrechte eines Gesellschafters erforderlich sind. Vgl. Schmidt, K. (2002), § 53 III 3.; Goerdeler, R. (1991), S. 79 m. w. N., S. 84 und S. 86; Förster, G. W. (1999), S. 107 f.; vgl. auch Hopt, K. J., in: Baumbach/Hopt (2006), § 118 Rn. 4 ff. und § 166 HGB Rn. 4 ff.; Binz, M. K./Sorg, M. H. (2005), S. 84 f. 149 Vgl. Hopt, K. J., in: Baumbach/Hopt (2006), § 166 HGB Rn. 4. Bezüglich des im Vergleich zu einem BGB-, OHG- oder GmbH-Gesellschafter stark eingeschränkten individuellen Informationsrechts eines Kommanditisten vgl. auch Schmidt, K. (2002), § 53 III. 3. und § 21 III. 1. 150 Inwieweit der Gesellschaftsvertrag die gesetzlichen Informationsrechte einschränken kann, ist strittig. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das ordentliche Informationsrecht in seiner Substanz zwingend ist. Denkbar sind jedoch insbesondere Einschränkungen hinsichtlich der Art und Weise seiner Ausübung. Verbreitet sind Bestimmungen, wonach die Informationsrechte von einem Vertreter oder Gesellschaftsorgan, beispielsweise einem Beirat, ausgeübt werden. Ob solche Klauseln wirksam vereinbart werden können, ist umstritten. Von einem Teil der Literatur wird eine Übertragung des Einsichtsrechts auf einen Beirat oder ein sonstiges Kontrollorgan für zulässig gehalten. So etwa Schlitt, M., in: Sudhoff, H. (2005), § 24 Rn. 22 ff.; zur Diskussion siehe ferner

120 C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

durch das Gericht anzuordnende Informations- und Überwachungsrecht gemäß § 166 Abs. 3 HGB ist wie immer unbeschränkbar.151 Hinsichtlich der Zahlungsansprüche bei der KG sieht die dispositive Regelung des § 169 Abs. 1 HGB vor, dass der Kommanditist Anspruch auf Auszahlung lediglich seines Gewinnanteiles hat, und dies auch nur dann, wenn sein Kapital den Betrag der bedungenen Einlage erreicht. Das Bestreben der gesetzlichen Regelung ist es also, die Einlage möglichst in ursprünglicher Höhe zu erhalten. Der Gesellschaftsvertrag kann das Entnahmerecht jedoch abweichend regeln.152 Für den Komplementär gelten gemäß §§ 161 Abs. 2 i. V. m. 122 HGB dieselben Regelungen wie für einen OHG-Gesellschafter, sofern im Gesellschaftsvertrag nichts Abweichendes geregelt ist. (b) Bei den Kapital- und diesen gleichgestellten Gesellschaften ist das Verlustrisiko der Gesellschafter grundsätzlich beschränkt auf die Höhe der gesellschaftsrechtlich vereinbarten Einlage. Formal sind Gesellschafts- und Gesellschaftersphäre voneinander getrennt. Im Unterschied zu den Personenunternehmen besteht die Möglichkeit einer Trennung von Eigentum und Geschäftsführung in Gestalt einer Fremdorganschaft. Dadurch wird es Kapitalgesellschaften ermöglicht, größere Zahlen wechselnder Eigner aufzunehmen (körperschaftlicher Charakter), ohne dass dies zu erhöhten Koordinationserfordernissen bezüglich der geschäftlichen Willensbildung führt. Bei Kapitalgesellschaften tritt somit nach der gesetzlichen Grundstruktur die personale Verbindung zwischen Eignern und Unternehmung in den Hintergrund, da die Unternehmung als solche selbstständig handelt.153

___________ Hopt, K. J., in: Baumbach/Hopt (2006), § 166 HGB Tz. 18; Schmidt, K. (2002), § 53 III. 3. d). Bei der Sonderform der GmbH & Co. KG treten angesichts der rechtlichen und wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen der KG und der Komplementär-GmbH weitere Problembereiche hinzu. Das gesetzliche, weitgehend abdingbare Kontrollrecht des Kommanditisten greift dort im Hinblick auf den Informationsbedarf in den Fällen zu kurz, in denen mindestens ein Kommanditist gegeben ist, der nicht GmbH-Gesellschafter ist, bzw. ein GmbH-Gesellschafter, der nicht Kommanditist ist (so genannte „personenverschiedene“ GmbH & Co. KG). Vgl. hierzu Schmidt, K. (2002), § 56 IV 1. d); Klatte, V. (1991), S. 109 ff. 151 Vgl. etwa Hopt, K. J., in: Baumbach/Hopt (2006), § 166 Rn. 19: Schlitt, M., in: Sudhoff, H. (2005), § 24 Rn. 28. 152 Der Gesellschaftsvertrag kann sowohl Erweiterungen (etwa die Einräumung eines gewinnunabhängigen Entnahmerechts) als auch Beschränkungen desselben vorsehen. Vgl. etwa Hueck, G./Windbichler, C. (2003), § 18 Rn. 13; Schmidt, K. (2002), § 53 III.5.c); Hopt, K. J., in: Baumbach/Hopt (2006), § 169 Rn. 1 und Rn. 7; Ihrig, H.-C., in: Sudhoff, H. (2005), § 20 Rn. 7 ff. 153 Vgl. Fladung, H.-D. (2000), S. 46 f.

III. Typisierte Erscheinungsformen nach organisationsrechtlichen Merkmalen 121

In der GmbH können die Gesellschafter einen großen Einfluss auf die Geschäftsführung ausüben – soweit der Gesellschaftsvertrag keine Abweichungen vorsieht –, da die Geschäftsführung weisungsgebunden ist. Der Jahresabschluss wird zwar von den Geschäftsführern aufgestellt, während die Gesellschafter grundsätzlich lediglich über die Feststellung und die Ergebnisverwendung entscheiden (vgl. § 46 Nr. 1 GmbHG). Die Gesellschafterversammlung ist jedoch aufgrund ihrer Weisungsbefugnis gegenüber der Geschäftsführung bei der Feststellung nicht an den aufgestellten Jahresabschluss gebunden. Sie kann vielmehr Ansatz-, Bewertungs- und Ausweiswahlrechte sowie Bewertungsspielräume im Jahresabschluss selber ausüben.154 Den Gesellschaftern einer GmbH steht ferner das kollektive Überwachungsrecht der Gesellschafterversammlung gemäß § 46 Nr. 6 GmbHG sowie das vertraglich unabdingbare Individualrecht der Gesellschafter auf Auskunft und Einsicht gemäß §§ 51a, 51b GmbHG zu. Danach haben die Geschäftsführer jedem Gesellschafter auf Verlangen unverzüglich Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben sowie ihnen die Einsicht der Bücher und Schriften zu gestatten (vgl. § 51a Abs. 1 GmbHG). Die Regelung ist zwingend (vgl. § 51a Abs. 3 GmbHG) und lässt eine Informationsverweigerung lediglich unter außerordentlich strengen Voraussetzungen auf Grundlage eines Gesellschafterbeschlusses zu (vgl. § 51a Abs. 2 GmbHG). Das Informationsrecht des GmbHGesellschafters ist somit sehr weit gefasst.155 Auch im GmbH-Recht bildet der Jahresabschluss die Basis für die Gewinnverwendung: Gemäß § 29 Abs. 1 GmbHG haben die Gesellschafter grundsätzlich Anspruch auf die Ausschüttung des gesamten Jahresüberschusses zuzüglich eines Gewinn- bzw. abzüglich eines Verlustvortrages. Sofern der Jahresabschluss allerdings unter Berücksichtigung der teilweisen Ergebnisverwendung aufgestellt wird, haben die Gesellschafter lediglich Anspruch auf den – nach teilweiser Ergebnisverwendung verbleibenden – Bilanzgewinn (vgl. § 29 Abs. 1 Satz 2 GmbHG). Nach dem gesetzlichen Leitbild ist die GmbH aufgrund der Verknüpfung personalistischer und kapitalistischer Strukturelemente v. a. auf mittelständische Unternehmen mit einem geschlossenen Gesellschafterkreis ausgerichtet. Die Fungibilität der GmbH-Anteile ist eingeschränkt. Ein Gesellschafterwechsel erfordert eine notarielle Beurkundung (vgl. § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG) sowie eine Anmeldung der Anteilsübertragung bei der GmbH.156 Zudem kann im ___________ 154

Vgl. § 42a Abs. 2 Satz 3 GmbHG; vgl. Förster, G. W. (1999), S. 110 m. w. N. Vgl. Schmidt, K. (2002) § 21 III. 1. b) und § 35 I. 4. a). Hinsichtlich der Diskussion zur Einschränkung des Informationsrechts durch die Grenzen des Informationsbedürfnisses vgl. Schmidt, K. (2002), § 35 I. b) und c). 156 Vgl. § 16 Abs. 1 GmbHG sowie Schmidt, K. (2002), § 35 II. 1. a). 155

122 C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

Gesellschaftsvertrag festgelegt sein, dass eine Anteilsübertragung der Zustimmung der Gesellschaft bedarf (vgl. § 15 Abs. 5 GmbHG). Diese Möglichkeit soll es v. a. Familiengesellschaften ermöglichen, sich vor Überfremdung zu schützen und die Rechtsform der GmbH für solche Gesellschaften attraktiv machen.157 Aufgrund der eingeschränkten Fungibilität ist der Anonymitätsgrad der Anteile ähnlich wie bei Personengesellschaften oft sehr gering. Infolge der Weisungsgebundenheit der Geschäftsführung ist die funktionale Trennung der Organe nicht so stark ausgeprägt wie bei Gesellschaften in der Rechtsform der AG. Vor diesem Hintergrund sowie v. a. auch aufgrund des jederzeitigen Auskunftsrechts der Gesellschafter (vgl. § 51 a GmbHG) treten die Agency-Probleme zwischen Eignern und Geschäftsführern bei der GmbH im Vergleich zur AG lediglich in abgemilderter Form auf.158 Die eingangs dargestellte Untersuchung zu den Anteilen überwiegend eigentümergeführter Unternehmen an den jeweiligen Rechtsformen zeigt, dass die GmbH bei diesen sehr stark vertreten ist.159 Sie ist also überwiegend durch eine personalistische Struktur gekennzeichnet. Dies lässt vermuten, dass darunter eine große Zahl „verkappter“ Einzelunternehmen und Personengesellschaften vertreten sind, bei denen der oder die Eigentümer die mit diesen Rechtsformen verbundene unbeschränkte Haftung nicht in Kauf nehmen wollen.160 Neben diesem gesetzlichen Leitbild kommt der GmbH in der Realität insbesondere in der Stellung als (zumeist einzige) Komplementärin einer GmbH & Co. KG eine besondere Bedeutung zu.161 Die GmbH & Co. KG stellt eine Sonderform der KG dar, bei welcher die Komplementärstellung von einer GmbH übernommen wird. Diese Gestaltungsform bietet – neben steuerlichen und Haftungsfragen – für eine verzweigte Familienhierarchie, wie sie im Mittelstand häufig anzutreffen ist, größere führungsorganisatorische Möglichkeiten als beispielsweise die GmbH: Neben der Kommanditistenstellung ist auch die Stellung als GmbH-Gesellschafter (und Geschäftsführer) möglich. Von besonderer Bedeutung ist die Möglichkeit der Fremdorganschaft. Dies ermöglicht die Heranziehung qualifizierter Personen außerhalb des Gesellschafterkreises als Führungspersonal. Insbesondere bei Gesellschaften mit geschlossenem Gesell___________ 157

Vgl. Schmidt, K. (2002), § 35 II. 1. b). Vgl. Fladung, H.-D. (2000), S. 58 f. 159 Siehe Tabelle 4 der vorliegenden Arbeit. Den dort dargestellten Ergebnissen einer Studie zufolge liegt für das Jahr 1998 bei 79,9 % der als GmbH geführten Unternehmen eine Einheit von Eigentum und Geschäftsführung dergestalt vor, dass bis zu fünf natürliche Personen oder ihre Familienmitglieder mindestens 50 % der Anteile eines Unternehmens halten und der Geschäftsführung angehören. 160 Vgl. Wolter, H.-J./Hauser, H.-E. (2001), S. 65 f. 161 Vgl. Hueck, G./Windbichler, C. (2003), § 37 Rn. 1 ff.; Rückle, D./Klatte, V. (1988), S. 409. 158

III. Typisierte Erscheinungsformen nach organisationsrechtlichen Merkmalen 123

schafterkreis dient dies auch der Sicherung des Unternehmensfortbestandes. Eine reine KG müsste demgegenüber aufgelöst werden, wenn nach dem Tod des einzigen Komplementärs kein Gesellschafter bereit ist, die volle persönliche Haftung zu übernehmen.162 Ferner bedarf die Übertragung eines Gesellschaftsanteiles bei der GmbH & Co. KG im Gegensatz zur GmbH keiner notariellen Beurkundung. Dies hat dazu geführt, dass die GmbH & Co. KG eine bevorzugte Rechtsform in Familiengesellschaften ist, die zum Teil auch im mittleren bis oberen Größenbereich angesiedelt ist.163 Bei der „geschlossenen“ GmbH & Co. KG mit Anlagegesellschaftern lassen sich nach ihrem Einfluss auf die Geschäftsführung die Unternehmergesellschafter einerseits und die Anlagegesellschafter andererseits unterscheiden. Die Unternehmergesellschafter bestimmen alle wesentlichen Fragen der Geschäftsführung, sei es als Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH, sei es aufgrund weitgehender Weisungsbefugnis gegenüber der Geschäftsführung. Die Anlagegesellschafter hingegen sind typischerweise „Nur-Kommanditisten“, die nicht zugleich an der Komplementär-GmbH beteiligt sind und deren Interesse primär auf die Anlage von Beteiligungskapital zu einer angemessenen Rendite ausgerichtet ist. Hinsichtlich der Feststellung der Jahresabschlüsse, der Ergebnisverwendungsentscheidung sowie der Informations- und Kontrollrechte lassen sich insbesondere folgende Konstellationen unterscheiden:164 1. Mangels anderweitiger Festsetzungen im Gesellschaftsvertrag gelten die gesetzlichen Regelungen. Die Rechte und Pflichten der Gesellschafter der GmbH & Co. KG bestimmen sich nach dem Recht der KG.165 Die Feststellung des Jahresabschlusses der Komplementär-GmbH sowie die Ergebnisverwendungsentscheidung obliegt der Gesellschafterversammlung der GmbH (vgl. § 46 Nr. 1 GmbHG) bzw. gegebenenfalls einem vorhandenen Aufsichtsrat. Den Anlagegesellschaftern steht keine diesbezügliche Befugnis zu. 2. Abweichend von den gesetzlichen Regelungen kann den Anlagegesellschaftern im Gesellschaftsvertrag eine Kompetenzerweiterung zugesprochen werden. Beispielsweise können die Kontrollrechte i. S. d. § 166 HGB erweitert werden. 3. Schließlich können die Rechte der Anlagegesellschafter auch eingeschränkt sein, so insbesondere, indem ihre Mitwirkungsrechte zur Feststellung des ___________ 162 Vgl. Hueck, G./Windbichler, C. (2003), § 37 Rn. 8; Kübler, F./Assmann, H.-D. (2006), S. 349 f. 163 Siehe Tabellen 4 und 5 der vorliegenden Arbeit, dort allerdings zusammengefasst mit der KG. 164 Vgl. im Folgenden auch Klatte, V. (1991), S. 118 f. 165 Vgl. Hopt, K. J., in: Baumbach/Hopt (2006), Anh. § 177a, Rn. 21 und Rn. 26.

124 C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

Jahresabschlusses und zur Ergebnisverwendungsentscheidung auf einen Beirat oder ein ähnliches Organ übertragen sind. Dies gilt ebenso für die ordentlichen Informationsrechte nach § 166 HGB.166 Zwischen den Unternehmer- und Anlagegesellschaftern lässt sich nach Maßgabe der organisationsrechtlichen Kompetenzverteilung insgesamt ein Macht- und Informationsgefälle feststellen, welches je nachdem, in welchem Ausmaß die Rechte der Anlagegesellschafter beschränkt sind, sogar stärker ausgeprägt sein kann als bei Publikumspersonengesellschaften,167 für welche von der Rechtsprechung sowie durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) anlegerschützende Regeln entwickelt worden sind.168 Zum Teil nimmt eine solche GmbH & Co. KG mit Unternehmergesellschaftern einerseits und reinen Anlagegesellschaftern andererseits die Form einer Massengesellschaft an. Bei einer solchen ist der Gesellschaftsvertrag vorgegeben und auf eine Vielzahl von beitretenden Gesellschaftern ausgerichtet. Im Gegensatz zum öffentlichen Angebot bei Publikumspersonengesellschaften bestehen jedoch neben den gesellschaftsrechtlichen weitere Beziehungen zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft; dies ist beispielsweise bei einer Massen-KG mit Arbeitnehmerkommanditbeteiligungen der Fall. Ebenso kommen Familiengesellschaften mit einem großen Kreis von Anlagegesellschaftern in Betracht.169 Bei einer AG obliegt die Aufstellung des Jahresabschlusses dem Vorstand als geschäftsführendem und zur Vertretung der AG berufenem Organ (vgl. §§ 76 Abs. 1, 78 Abs. 1, 91 Abs. 1 AktG). In der Regel erfolgt die Feststellung des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat: Billigt der Aufsichtsrat den ihm vorgelegten Jahresabschluss, so ist dieser festgestellt (vgl. § 172 HGB).170 Die Hauptversammlung ist an den festgestellten Jahresabschluss gebunden und beschließt lediglich noch über die Verwendung des Bilanzgewinnes (vgl. §§ 172, 174 Abs. 1 AktG). ___________ 166 Hinsichtlich eines Falles, in dem die Informationsrechte der Anlagegesellschafter vertraglich zu weit eingeschränkt worden sind, siehe Kübler, F./Assmann, H.-D. (2006), S. 104 f. Das außerordentliche Kontrollrecht i. S. d. § 166 Abs. 3 HGB bei Vorliegen eines wichtigen Grundes kann vertraglich hingegen nicht ausgeschlossen werden. 167 Vgl. Klatte, V. (1991), S. 119. 168 Siehe Abschnitt C.III.3.b) der vorliegenden Arbeit. 169 Vgl. Assmann, H.-D./Schütze, R. A. (1997), § 23 Rn. 19 f.; Binz, M. K./Sorg, M. H. (2005), § 13 Rn. 4. 170 Gemäß § 90 AktG obliegt dem Vorstand eine Berichtspflicht gegenüber dem Aufsichtsrat. Daneben besitzt der Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 2 AktG ein Einsichtsrecht, wonach er die Bücher, Schriften und Vermögensgegenstände der Gesellschaft einsehen und prüfen kann. Vgl. Schmidt, K. (2002), § 28 III. 1. c).

III. Typisierte Erscheinungsformen nach organisationsrechtlichen Merkmalen 125

Entsprechend dem Leitgedanken der AG als Kapitalsammelstelle sind die Entscheidungsrechte der Aktionäre beschränkt: Zu den Verwaltungsrechten gehören v. a. das Recht auf Teilnahme an der Hauptversammlung (vgl. § 118 Abs. 1 AktG), das Stimmrecht (vgl. §§ 133 ff. AktG), das Auskunftsrecht (vgl. § 131 AktG) sowie das Anfechtungsrecht (vgl. §§ 243 ff. AktG).171 Wichtiges Instrument zur innergesellschaftlichen Mitwirkung ist die Wahl des Aufsichtsrats (vgl. § 119 Abs. 1 Nr. 1 AktG) sowie die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats durch die Hauptversammlung (vgl. § 120 Abs. 1 AktG). Die Vermögensrechte sind v. a. der Dividendenanspruch (vgl. §§ 58 Abs. 4, 60 AktG) sowie das Recht auf Anteil am Liquidationserlös (vgl. § 271 AktG). Aktionäre haben gemäß § 58 Abs. 4 AktG Anspruch auf den Bilanzgewinn, soweit seine Ausschüttung nicht nach Gesetz, Satzung oder Hauptversammlungsbeschluss ausgeschlossen ist.172 Der Bilanzgewinn ermittelt sich unter Rückgriff auf das im Jahresabschluss ausgewiesene Ergebnis des Geschäftsjahres (vgl. § 158 Abs. 1 AktG).173 Zu (2): Unternehmen mit mezzaninen Beteiligungsformen Als rechtsformübergreifende Finanzierungsmöglichkeiten kommen mezzanine Finanzierungsinstrumente in Betracht. Diese können grundsätzlich sowohl im Rahmen eines bestimmten Kreises (insbesondere im Rahmen des Gesellschafterkreises) vereinbart als auch für ein breites Anlegerpublikum angeboten werden.174 Mezzanines Kapital wird einer Untersuchung der KfW aus dem Jahr 2005 zufolge bislang zwar nur von wenigen, meist größeren mittelständischen Unternehmen genutzt; für diese stellen diese Formen jedoch häufig eine wichtige Finanzierungsquelle dar, insbesondere zur Finanzierung für „Turnarounds“, Unternehmensübernahmen oder zur Finanzierung schnellen Wachstums. Rd. 11 % der befragten mittelständischen Unternehmen fassen der Befragung zufolge eine Aufnahme von Mezzaninkapital ins Auge. Angaben dazu, ob diese Finanzierungsformen über individuelle Kapitalgeber oder über den öffentlichen Kapitalmarkt erfolgen, wurden nicht gemacht.175 ___________ 171

Vgl. Schmidt, K. (2002), § 28 I. 1. a). Eine Einsicht in Unterlagen der Gesellschaft steht den Aktionären nicht zu. Vgl. Förster, G. W. (1999), S. 58 ff. und S. 111 f.; Fladung, H.-D. (2000), S. 47 ff. Daneben hat die Hauptversammlung in bestimmten Fällen auch die Möglichkeit, eine Sonderprüfung zu beantragen (vgl. §§ 142 ff. AktG (Verlangen auf Sonderprüfung)). 172 Auf diese Beschränkungen des verteilbaren Gewinnes wird in Abschnitt C.III.2.c) näher eingegangen. 173 Vgl. Emmrich, M. (1999), S. 79 ff.; Fladung, H.-D. (2000), S. 54 ff.; Förster, G. W. (1999), S. 61 f. 174 Vgl. Hueck, G./Windbichler, C. (2003), S. 226. 175 Vgl. Engel, D. et al. (2006), S. 140 f. und S. 172.

126 C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

Es existiert keine allgemein gültige, klar abgegrenzte Definition für mezzanine Finanzierungsinstrumente. Nach ihrer Funktionsbeschreibung werden darunter hybride Finanzierungsformen verstanden, die eine Zwischenstellung zwischen Eigen- und Fremdkapital einnehmen. Je nach Ausgestaltung weisen sie eher einen Eigen- oder einen Fremdkapitalcharakter auf. Der Grundsatz der Vertragsfreiheit ermöglicht den Beteiligten vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten für mezzanines Kapital, sowohl bezogen auf die Finanzierungsformen als auch auf deren konkrete Konzeption. Daher ist eine klare Systematisierung kaum möglich. Gemeinhin werden mit Mezzaninkapital jedoch insbesondere folgende konzeptionellen Eigenschaften verbunden: • Nachrangigkeit des Mezzaninkapitals in Bezug auf die Gläubiger (und Vorrangigkeit gegenüber dem haftenden Eigenkapital), • Kündbarkeit oder regelmäßig zeitliche Befristung der Kapitalüberlassung sowie • Flexibilität bezüglich der Renditekomponenten; so sind neben einer Festvergütung auch variable Vergütungen sowie eine Teilhabe an einer Steigerung des Unternehmenswertes möglich.176 Das Merkmal der Nachrangigkeit bedingt die – typischerweise dem Eigenkapital inhärente – Haftungs- bzw. Risikofinanzierungseigenschaft des Mezzaninkapitals.177 Anders als bei der Aufnahme neuer Gesellschafter zieht die Bereitstellung von Mezzaninkapital – einer Kreditfinanzierung vergleichbar – mit Ausnahme der stillen Beteiligung178 jedoch keine Erweiterung des Gesellschafterkreises nach sich; es werden lediglich schuldrechtliche Ansprüche eingeräumt.179 Eine Verwässerung der Anteile der Altgesellschafter bezüglich der Kapital- und Stimmrechtsverhältnisse wird dadurch vermieden.180 Aufgrund dieser Eigenschaften wird Mezzaninkapital gerade von mittelständischen Unternehmen zur Verbesserung ihrer Finanzierungsstruktur in Betracht gezogen, ohne ungewollte Veränderungen in den Eigentumsverhältnissen in ___________ 176

Vgl. Paffenholz, G. (2004), S. 72 ff.; Küting, K./Dürr, U. L. (2005), S. 1531. Die steuerliche Behandlung ergibt sich jeweils aus der konkreten Gestaltung. Bei entsprechender Konzeption kombinieren die Mezzaninkapital-Instrumente zugleich die haftungsrechtlichen Vorteile einer Eigenkapitalfinanzierung mit der steuerlichen Vorteilhaftigkeit einer Fremdkapitalfinanzierung, so dass die gezahlten Gewinnanteile als steuerliche Betriebsausgabe abzugsfähig sind. Vgl. Küting, K./Dürr, U. L. (2005), S. 1531. 177 Vgl. Küting, K./Dürr, U. L. (2005), S. 1531. 178 Vgl. Assmann, H.-D./Schütze, R. A. (1997), § 24 Rn. 3 ff. 179 Vgl. Assmann, H.-D./Schütze, R. A. (1997), § 25 Rn. 68 (Genussscheinbeteiligung). 180 Vgl. Paffenholz, G. (2004), S. 73.

III. Typisierte Erscheinungsformen nach organisationsrechtlichen Merkmalen 127

Kauf nehmen zu müssen.181 Je nach Ausgestaltung lässt sich unterscheiden zwischen Mezzaninkapital, bei welchem der Kapitalgeber lediglich am laufenden Gewinn oder aber bei dem er daneben zusätzlich auch an den Wertsteigerungen des finanzierten Unternehmens beteiligt ist.182 Im Folgenden werden beispielhaft die in der Praxis besonders geläufigen Formen der stillen Gesellschaften, der Nachrangdarlehen sowie der Genussrechte und ihre wesentlichen Merkmale kurz dargelegt. Der stille Gesellschafter ist, sofern gesellschaftsvertraglich nichts Abweichendes vereinbart ist, sowohl am Verlust als auch am Gewinn des Inhabers des Handelsgeschäftes beteiligt.183 Dabei kann die Beteiligung am Gewinn in keinem Fall ausgeschlossen werden (vgl. § 231 Abs. 2 HGB). Eine stille Gesellschaft kann befristet, auflösend bedingt oder aber auf unbestimmte Zeit eingegangen werden. Eine unbefristet eingegangene stille Beteiligung kann im gesetzlichen Regelfall gemäß § 234 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 132 HGB mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Geschäftsjahres durch einen der beiden Gesellschafter gekündigt werden. Daneben besteht – lediglich bei auf bestimmte Dauer eingegangenen stillen Gesellschaften – ein außerordentliches Kündigungsrecht „aus wichtigen Gründen“ (§ 234 Abs. 1 Satz 2 HGB). Der stille Gesellschafter verfügt über keine Geschäftsführungsbefugnisse; ihm stehen Informations- und Kontrollrechte vergleichbar einem Kommanditisten zu: Gemäß § 233 Abs. 1 HGB hat der stille Gesellschafter das Recht, ein Exemplar des Jahresabschlusses zu verlangen und dessen Richtigkeit unter Einsicht der Bücher und Papiere zu prüfen.184 Im Insolvenzfall kann er gemäß § 236 Abs. 1 HGB „seine Forderung als Insolvenzgläubiger geltend machen“. U. a. aufgrund dieser Einstufung als Insolvenzgläubiger wird die stille Gesellschaft zum Teil als qualifiziertes Kreditverhältnis betrachtet.185 Ein Großteil der gesellschaftsrechtlichen Vorschriften der §§ 230-236 HGB sind dispositiv, so dass die Gesellschaftsverträge der stillen Gesellschaft von diesem gesetzlichen „Normalbild“ (typisch stille Gesellschaft) abweichen kön___________ 181 Nach einer im Jahr 2002 durchgeführten Befragung der KfW von Unternehmen aller Größenklassen, Branchen, Rechtsformen und Regionen will knapp ein Viertel der teilnehmenden Unternehmen eine Eigenkapitalerhöhung erreichen, indem es eigenkapitalähnliche Finanzierungsformen (Nachrangdarlehen, stille Beteiligungen) einsetzt. Dabei streben die Unternehmen eigenkapitalähnliche Mittel umso weniger an, je größer sie sind. Vgl. KfW et al. (2003), S. 49 f. 182 Vgl. Paffenholz, G. (2004), S. 72. 183 Vgl. § 231 Abs. 1 und 2 HGB. Gemäß § 232 Abs. 2 HGB nimmt der stille Gesellschafter lediglich bis zur Höhe seiner Einlage an den Verlusten teil. 184 Vgl. etwa Hopt, K. J., in: Baumbach/Hopt (2006), § 233 Rn. 1 ff.; Hueck, G./Windbichler, C. (2003), § 19 Rn. 12. 185 Vgl. Küting, K./Dürr, U. L. (2005), S. 1532.

128 C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

nen (atypische stille Gesellschaft). Dabei bestehen die Abweichungen in der Erweiterung der Rechte des stillen Gesellschafters: Neben einer Gewinnbeteiligung kann er auch an den stillen Rücklagen des Unternehmens beteiligt werden. Ferner können ihm Geschäftsführungsbefugnisse übertragen werden.186 Nachrangdarlehen unterscheiden sich von einer „klassischen“ Kreditfinanzierung vielfach nur durch ihren Rangrücktritt. Ein Indiz für ein Nachrangdarlehen in Abgrenzung zur stillen Beteiligung liegt darin, dass der Darlehensgeber (zum Teil neben einer gewinnabhängigen Komponente) in der Regel einen festen Zins erhält, der stille Gesellschafter dagegen typischerweise am Gewinn und Verlust beteiligt ist. Auch beim Darlehen kann jedoch eine Vergütung in Form einer Gewinnbeteiligung vereinbart werden.187 Genussrechte können inhaltlich alle Rechte gewähren, wie sie typischerweise Aktionären zustehen, wobei ihre Begebung jedoch nicht auf die Rechtsform der AG beschränkt ist. Vielfältige Rechte, wie das Recht auf Anteil am Gewinn und/oder am Liquidationserlös, das Recht auf Forderung eines festen Betrages bzw. sonstige Rechte können unabhängig voneinander gewährt bzw. beliebig miteinander kombiniert werden. Zur Bildung von eigenkapitalähnlich ausgestaltetem Haftkapital werden sie regelmäßig mit Nachrang gegenüber anderen Gläubigern im Insolvenzfall ausgestaltet.188 Genussrechte werden überwiegend in Genussscheinen verbrieft.189 Bei Nachrangdarlehen ebenso wie bei Genussrechten handelt es sich jeweils stets um reine Gläubiger-, niemals jedoch um Mitverwaltungsrechte.190 Ihnen stehen somit im Gegensatz zur stillen Gesellschaft keine Kontroll- und Informationsrechte gegenüber den emittierenden Unternehmen kraft Gesetzes zu.191 ___________ 186

Vgl. Hueck, G./Windbichler, C. (2003), S. 228. Entscheidend für die Abgrenzung zwischen Nachrangdarlehen und stiller Beteiligung ist, ob durch das Verhältnis bei Berücksichtigung aller Einzelheiten in seiner Gesamtheit eine wirkliche Zweckgemeinschaft begründet wird oder ob die Beteiligten wie bei einer bloßen Kreditgewährung lediglich ihre eigenen Interessen verfolgen. Die Notwendigkeit einer gemeinsamen Zweckverfolgung resultiert für Gesellschaften aus § 705 BGB. Vgl. Hueck, G./Windbichler, C. (2003), S. 224 f. Ist statt einer festen Zinszahlung ausschließlich eine erfolgsabhängige Vergütung vorgesehen, wird auch von „partiarischem Darlehen“ gesprochen. Vgl. Paffenholz, G. (2004), S. 78. 188 Vgl. Hueck, G./Windbichler, C. (2003), S. 401 f.; Küting, K./Dürr, U. L. (2005), S. 1531. 189 Vgl. Hueck, G./Windbichler, C. (2003), S. 401 f. 190 Vgl. Hueck, G./Windbichler, C. (2003), S. 401 f.; Assmann, H.-D./Schütze, R. A. (1997), § 24 Rn. 15 und Rn. 24. 191 Vgl. Assmann, H.-D./Schütze, R. A. (1997), § 24 Rn. 15 (Nachrangdarlehen), § 25 Rn. 68 (Genussscheine). Entsprechende Rechte können jedoch durch Vertragsgestaltung eingeräumt werden. Vgl. Paffenholz, G. (2004), S. 81. 187

III. Typisierte Erscheinungsformen nach organisationsrechtlichen Merkmalen 129

c) Unternehmen aus der Sicht möglicher Eigner-Gläubiger-Konflikte Hinsichtlich der generellen Gefahren im Rahmen eines Prinzipal-AgentenKonflikts wird auf die Ausführungen im Rahmen der Betrachtung der Unternehmung als Vertragsgeflecht192 verwiesen. Eine nähere Analyse der Informations- und Zahlungsinteressen erfolgt im Rahmen der Interessenanalyse in Abschnitt D.I.1. Die unbeschränkte Haftung des Einzelunternehmers sowie der Gesellschafter einer OHG oder einer KG mit unbeschränkt haftendem Komplementär trägt aus Sicht des Rechts- und Kreditverkehrs zunächst dazu bei, dass die jeweiligen Geschäftsherren die Absicherung des Geschäftes betreiben, da sie ihr gesamtes (Privat- und Betriebs-)Vermögen riskieren. Auch bei unbeschränkter Haftung besteht jedoch die Gefahr, dass Unternehmer bzw. Gesellschafter zuviel Geld aus dem Unternehmen entnehmen und für private Konsumzwecke verwenden.193 Im Falle einer nichtinvestiven Verwendung des verlagerten Kapitals wird die potenzielle Haftungsmasse verringert. Ferner existiert auch die Gefahr, dass ein Unternehmer angesichts drohender Insolvenzgefahr Vermögen dem Gläubigerzugriff bewusst entzieht, indem er es „rechtzeitig“ entnimmt und auf nahe stehende Dritte überträgt. Faktisch wird dadurch sein Unternehmerrisiko gemindert und auf die Gläubiger abgewälzt. Vor diesem Hintergrund kann es sinnvoll sein, seitens des Staates mittels bestimmter Regelungen die Möglichkeiten zu solchermaßen Gläubiger schädigendem Verhalten einzuschränken bzw. solches Verhalten zu sanktionieren, um wirtschaftspolitisch günstige Rahmenbedingungen für die Kapitalüberlassung zu schaffen. Der deutsche Gesetzgeber hat Sanktionen gegen Gläubiger schädigendes Verhalten der beschriebenen Art in der InsO194 sowie im StGB195 verankert.196 Verringert ein Kaufmann bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung das Zugriffsvermögen, indem er Vermögensgegenstände „beiseite schafft“ (§ 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB) oder auf andere Art in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise der Insolvenzmasse entzieht, handelt er strafbar (vgl. § 283 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB). Ebenso handelt strafbar, wer durch solche Handlungen seine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit herbeiführt (vgl. § 283 Abs. 2 StGB).

___________ 192

Siehe Abschnitt C.I. der vorliegenden Arbeit. Vgl. Fladung, H.-D. (2000), S. 38 f. 194 Vgl. §§ 129 ff. InsO; siehe auch Fladung, H.-D. (2000), S. 39 f. 195 Vgl. § 283 Abs. 1 und Abs. 2 und § 283b StGB. 196 Vgl. Fladung, H.-D. (2000), S. 38 f. 193

130 C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

Als wesentliche Voraussetzung für die Fähigkeit, in einer der „ordnungsgemäßen Wirtschaft“ entsprechenden Weise zu handeln bzw. bei Verstoß schuldhaft zu handeln, wird vom Gesetzgeber die Selbstinformation des Kaufmanns angesehen. Dieses Maß an Selbstinformation sieht der Gesetzgeber u. a. durch die Aufstellung von Bilanz und GuV-Rechnung nach den handelsrechtlichen GoB erfüllt. Verstößt der Kaufmann gegen die Pflicht zur Führung der Bücher (vgl. § 283b Abs. 1 Nr. 1 StGB), führt er diese fahrlässig (vgl. § 283b Abs. 2 StGB) oder bewusst (vgl. § 283 Abs. 1 Nr. 5 StGB) falsch oder erstellt er Bilanzen so, dass die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird (vgl. § 283 Abs. 1 Nr. 7 StGB), so handelt er strafbar. Nutzt der Kaufmann diese Mittel zur Selbstinformation nicht und gefährdet infolgedessen die Gläubigerinteressen, indem er unangemessene Privatentnahmen durchführt, liegt gemäß § 283 Abs. 4 Nr. 2 i. V. m. § 283 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 StGB ein leichtfertiges Herbeiführen einer Krisensituation vor und er handelt ebenfalls strafbar. Durch diese gesetzliche Verankerung gläubigerschützender Mechanismen soll bezweckt werden, dass die grundgesetzlich verankerte Freiheit hinsichtlich der Verwendung des Vermögens seitens des Kaufmanns erhalten bleibt, gleichzeitig jedoch Anreize (in Form von Sanktionen) vor Missbrauch zu Lasten der Gläubiger bestehen.197 Neben diesen insolvenz- und strafgesetzlichen Regelungen bestehen ferner gesellschaftsrechtliche Bestimmungen, welche der Kapitalerhaltung dienen sollen. Bei Unternehmen mit unbeschränkt haftenden Gesellschaftern sind die Entnahmeregelungen wie gezeigt dispositiv ausgestaltet. Demgegenüber werden bei Unternehmen mit beschränkter Haftung für Gläubigerschutzzwecke Ausschüttungen an die Gesellschafter bzw. Entnahmen derselben begrenzt oder verhindert. Ziel ist, ein gewisses Mindesthaftungsvermögen zu sichern. Es soll verhindert werden, dass die Unternehmenseigner in unbegrenztem Maße verfügbare Mittel vom haftenden in den nicht haftenden Bereich, d. h. in das Privatvermögen übertragen und dadurch dem Gläubigerzugriff entziehen.198 Entsprechend zielen das deutsche Aktienrecht sowie das GmbH-Recht darauf ab, insbesondere durch Gewinnverwendungsregeln das Grund- bzw. Stammkapital (vgl. §§ 6, 7 AktG, § 5 GmbHG) zu erhalten. Bei der AG ist der Jahresüberschuss um einen möglichen Verlustvortrag zu bereinigen (vgl. § 150 Abs. 2 AktG), ferner muss für eigene Anteile eine Rücklage gebildet werden (vgl. § 272 Abs. 4 HGB). Dadurch wird eine indirekte Rückzahlung des Grundkapitals vermieden. Aus dem verbleibenden Betrag wird der Aufbau der gesetzlichen Gewinnrücklagen vorgenommen, so dass zusätzliche Rücklagen zur Stärkung des Haftungskapitals mit dem Ziel des Gläubigerschutzes gebildet werden ___________ 197 198

Vgl. Fladung, H.-D. (2000), S. 40 ff. Vgl. Moxter, A. (1984), S. 93.

III. Typisierte Erscheinungsformen nach organisationsrechtlichen Merkmalen 131

(vgl. § 150 Abs. 2 AktG). Schließlich verfügen Vorstand und Aufsichtsrat über Ausschüttung oder Thesaurierung von 50 % des verbleibenden Jahresüberschusses (vgl. § 58 Abs. 2 Satz 2 AktG), zuletzt entscheidet die Hauptversammlung als Vertretungsorgan der Aktionäre über die Verwendung der übrigen 50 % des verteilbaren Jahresüberschusses (vgl. § 58 Abs. 3 AktG).199 Bei der GmbH darf das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen nicht ausgeschüttet werden (vgl. § 30 Abs. 1 GmbHG). Die Gesellschafter einer GmbH haben wie dargestellt200 grundsätzlich Anspruch auf den Jahresüberschuss zuzüglich eines Gewinn- und abzüglich eines Verlustvortrags, soweit der sich ergebende Betrag nicht nach Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Gesellschafterbeschluss von der Ausschüttung ausgeschlossen ist (vgl. § 29 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 GmbHG). Unabhängig von der Geschäftsführung, d. h. auch im Falle einer Fremdgeschäftsführung, bestimmen die GmbH-Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung über die Verwendung des vollen Gewinnes (vgl. § 29 Abs. 1 und 2 GmbHG), der Geschäftsführer hat kein eigenständiges Mitwirkungsrecht bei der Gewinnverwendungsentscheidung. Die Rechtsprechung hat hier versucht, einer missbräuchlichen Nutzung der auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung vorzubeugen: So bedient sie sich zum einen der Konstruktion des eigenkapitalersetzenden Darlehens, um im Insolvenzfall die Haftungsmasse durch von Gesellschaftern gewährte Darlehen mit Eigenkapitalcharakter zu verstärken. Zum anderen ermöglicht sie in bestimmten Fällen des offensichtlichen Missbrauchs einen Durchgriff auf die hinter der Körperschaft stehenden Gesellschafter und deren Privatvermögen.201 Bei Unternehmen ohne Eigner-Manager-Konflikte wird unter Umständen das Schutzbedürfnis der Gläubiger dadurch verstärkt, dass der im Interesse der Gläubiger liegende Schutzmechanismus einer Interessendivergenz, wie sie idealtypischerweise zwischen außen stehenden Gesellschaftern und Geschäftsführern besteht, fehlt.202 Eine solche erhöhte Gläubigergefahr wird z. B. in den Fällen einer GmbH, in der die Gesellschafter selbst direkt oder indirekt über die Führung der Geschäfte entscheiden, gesehen.203

___________ 199

Vgl. Fladung, H.-D. (2000), S. 54 ff. Siehe die Ausführungen in Abschnitt C.III.2.b) der vorliegenden Arbeit. 201 Vgl. Schmidt, K. (2002), § 37 III. 7. und IV. 1. ff. m. w. N.; Fladung, H.-D. (2000), S. 59 ff. 202 Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 43 f. m. w. N.; siehe auch Rückle, D./Klatte, V. (1989), S. 212 in Bezug auf die GmbH & Co. KG. 203 Vgl. Fladung, H.-D. (2000), S. 60. 200

132 C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

3. Ausprägungen und organisationsrechtliche Rahmenbedingungen von auf den nicht geregelten Kapitalmarkt ausgerichteten Unternehmen a) (Rechtliche) Rahmenbedingungen am nicht geregelten Kapitalmarkt Unter den nicht geregelten Kapitalmarkt fällt zum einen das Börsensegment des „Open Market“ (Freiverkehr), welcher einen alternativen Kapitalmarktzugang zu den i. S. d. EU-Rechts regulierten Segmenten des amtlichen und des geregelten Marktes darstellt.204 Innerhalb des Börsensegmentes des „Open Market“ wurde im Oktober 2005 der Entry Standard als privatrechtlich organisiertes Marktsegment eingeführt, an dem bestimmte, von der Börse vorgegebene Transparenzstandards gelten. Der Entry Standard ist als Teilbereich gedacht, der insbesondere kleineren und mittleren Unternehmen eine einfache und kosteneffiziente Einbeziehung in den Börsenhandel ermöglichen soll. Aufgrund der vergleichsweise geringen Regulierungsintensität205 und niedrigen Transparenzanforderungen206 sind die Kosten im Entry Standard wesentlich niedriger als bei einem Börsengang an einem EU-regulierten Markt. Im Mai 2006 waren insgesamt 228 inländische Unternehmen im Open Market gelistet.207 Untersuchungen über die Eigentümerstrukturen dieser Unternehmen liegen nicht vor. Zum anderen gehört zum nicht geregelten Kapitalmarkt der Bereich des außerbörslichen, auch so genannten „grauen“ Kapitalmarktes.208 Der außerbörsliche Kapitalmarkt unterliegt – von einer Prospektpflicht abgesehen – keinen gesetzlichen Zugangsbeschränkungen.209 ___________ 204 Siehe bereits Abschnitt B.I. der vorliegenden Arbeit; siehe ferner auch die Ausführungen zu den gesetzlichen Marktsegmenten auf der Homepage der Deutschen Börse AG, abrufbar unter: http://deutsche-boerse.com/dbag/dispatch/de/allInstruments/gdb_ navigation/listing/10_Market_Structure/20_Markets/70_Regulated_Unofficial_Market (Stand: 30.06.2006). 205 Aktien im Open Market unterliegen im Hinblick auf Regeln zu Insidergesetzgebung und Marktmissbrauch der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Die Überwachung der Preisfindung liegt bei der Handelsüberwachungsstelle. Vgl. Deutsche Börse AG (2006-c). 206 Da Open Market und Entry Standard keine organisierten Märkte im Sinne des § 2 Abs. 5 WpHG sind, gelten verschiedene Regelungen hier nicht, z. B. Ad-hoc-Publizitätspflicht, Meldung des Erreichens von Schwellenwerten und Verpflichtung zu Zwischenberichten. Vgl. Deutsche Börse AG (2005), S. 9. 207 Demgegenüber waren im Mai 2006 6 411 ausländische Unternehmen im Open Market gelistet. Vgl. Deutsche Börse AG (2006-a), S. 28. 208 Zum Begriff des „grauen“ Kapitalmarktes siehe bereits Abschnitt A.III.2. der vorliegenden Arbeit. 209 Das Angebot von Wertpapieren oder wertpapierlosen Anlagen außerhalb der Börse wird von manchen Autoren als Privatplatzierung bezeichnet. So etwa Gündel, M./Hirdes, M. (2005), S. 207. Diese Ansicht ist jedoch zu eng; entscheidendes Kriterium ist vielmehr die Abgrenzung gegenüber „öffentlichen“ Angeboten i. S. d. WpPG bei

III. Typisierte Erscheinungsformen nach organisationsrechtlichen Merkmalen 133

Zu den Formen des „grauen“ Marktes zählen insbesondere Unternehmensbeteiligungen an einer KG, GmbH-Anteile sowie stille Beteiligungen und andere mezzanine Finanzierungsformen.210 Insgesamt liegen keine genauen Daten vor, welche Rolle der nicht geregelte Kapitalmarkt in Deutschland bei der Finanzierung mittelständischer Unternehmen spielt.211 Einer empirischen Befragung von „Finanzexperten“ zufolge leistet der „graue“ Kapitalmarkt bei der Finanzierung mittelständischer Unternehmen durchaus einen Beitrag, eine konkrete Einschätzung hinsichtlich der Bedeutung wird nicht vorgenommen.212 Einen Hauptanwendungsbereich innerhalb des „grauen“ Kapitalmarktes stellen allerdings „Kapitalanlagegesellschaften“ dar, welche zur Finanzierung eines Projekts o. Ä. als Kapitalsammelbecken fungieren.213 Das Abschließen von Kapitalüberlassungsverträgen über den Kapitalmarkt ist mit typischen Anlegerrisiken verbunden, so dass an dessen Inanspruchnahme erweiterte Anforderungen insbesondere an Offenlegung, Auskunfts- und Beratungspflichten, Mitwirkungs- und Kontrollrechte geknüpft werden. Hier sind insbesondere die spezialgesetzlich geregelten Prospektpflichten zu nennen. Diese der Bereitstellung von Informationen dienenden Regelungen sollen – zusammen mit den handelsrechtlichen Rechnungslegungs-, Prüfungs- und Offenlegungspflichten der §§ 264 ff., 316 ff., 325 ff. HGB – den dargestellten214 Gefahren einer adversen Selektion vor Erwerb des Titels sowie des moral hazard nach dem Erwerb des Titels begegnen. Da selbst bei umfangreicher Allgemeinpublizität in Form von Prospekten u. Ä. bei vielen Anlegern ein darüber hi___________ Wertpapieren bzw. i. S. d. VerkProspG bei nicht in Wertpapieren verbrieften Vermögensanlagen. 210 Ebenfalls unter die Formen des „grauen“ Kapitalmarktes fallen Treuhandvermögen. Vgl. Mattil, P./Fohrer, K. (2004), S. 9. 211 Einen ersten Anhaltspunkt dafür gibt eine Durchsicht der auf der Seite der BaFin hinterlegten Verkaufsprospekte, abrufbar unter: http://www.bafin.de/database/VPInfo/ (Stand: 30.06.2006). Eine Analyse, inwieweit es sich dabei um Kapital suchende mittelständische Unternehmen handelt, liegt nicht vor. 212 Kokalj, L./Paffenholz, G./Moog, P. (2003), S. 70. Diese sprechen vom „Markt für Privatplatzierungen“, subsumieren darunter allerdings insbesondere auch prospektpflichtige Angebote. Somit wird der Begriff „Privatplatzierung“ dort allgemein als Gegensatz zum „Public Offering“ im Sinne von außerbörslichem Kapitalmarkt verstanden. Dies wurde auf Rückfrage hin bestätigt. Im kapitalmarktrechtlichen Zusammenhang wird der Begriff „Privatplatzierung“ hingegen in der Regel i. S. d. Kapitalaufnahme bei einer Anzahl bestimmter bzw. bestimmbarer Personen (im Gegensatz zur Öffentlichkeit) verstanden. Siehe hierzu auch die Diskussion im Zusammenhang mit der Abgrenzung des Begriffes „öffentlicher“ Kapitalmarkt (siehe Abschnitt C.III.1. und Abschnitt C.III.3.a) der vorliegenden Arbeit). 213 Auch hierfür siehe die auf der Seite der BaFin hinterlegten Verkaufsprospekte. Auf diese Ausprägungen wird im folgenden Abschnitt noch näher eingegangen. 214 Siehe Abschnitt C.I. der vorliegenden Arbeit.

134 C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

nausgehendes Bedürfnis nach Anlageberatung gegeben ist, gelten für Anlageberater und -vermittler bestimmte Auskunfts- und Beratungspflichten, deren Verletzung eine Haftung zur Folge hat. Diese Verhaltenspflichten variieren u. a. je nach Aufklärungsbedürftigkeit des Anlegers.215 Neben diesen Pflichten sind mit Blick auf die aktuellen Gesellschafter die dargestellten Verwaltungsrechte sowie die Kontrolle der Geschäftsführung von Belang. Ferner sind für die Anteilseigner zur Sicherung einer effizienten Verwaltung ihres Kapitals v. a. auch die Möglichkeiten der Veräußerung oder der Rückgewähr des Kapitals von Bedeutung.216 Dies setzt grundsätzlich das Vorhandensein eines „funktionierenden“, d. h. eines aktiven Sekundärmarktes für die jeweilige Form der Kapitalanlage oder einen – gesetzlichen oder vertraglichen – Rücknahmeanspruch des Anlegers gegenüber dem Unternehmen oder den Gesellschaftern voraus. Im Folgenden werden die wichtigsten Anlegerschutzbestimmungen betreffend (Prospekt-)Publizität, Auskunfts- und Beratungspflichten, welche am nicht geregelten Kapitalmarkt gelten, sowie gegebenenfalls bestehende handelsrechtliche Pflichten zu Offenlegung und Prüfung kurz dargestellt, um das Zusammenwirken der Regelungen mit Blick auf das Informationsrisiko der Anleger zu zeigen: Bezüglich der Regelungen zur Prospektpublizität ist zu unterscheiden zwischen Wertpapieren und nicht in Wertpapieren verbrieften Anlageformen. Zur Verringerung des Informationsrisikos der Anleger im (börslichen wie außerbörslichen) Wertpapierhandel enthält das WpPG, durch welches die so genannte Prospekt-Richtlinie vom 4. November 2003217 umgesetzt wurde, eine Prospektpflicht „für Wertpapiere, die öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen“ (§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 WpPG). Um ein öffentliches Angebot im Sinne des WpPG handelt es sich gemäß § 2 Ziff. 4 WpPG bei einer „Mitteilung an das Publikum in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise, die ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, über den Kauf oder die Zeichnung dieser ___________ 215 Vgl. Kiel, P. (1994), S. 50 ff. m. w. N.; Schwark, E. (2004), § 31 WpHG Rn. 39 ff., insbesondere Rn. 52 ff. hinsichtlich Informations- und Aufklärungspflichten beim Erbringen von Wertpapierdienstleistungen. Assmann, H.-D./Schütze, R. A. (1997), § 5 Rn. 18 ff., insbesondere auch Rn. 65 ff. m. w. N. 216 Vgl. Kiel, P. (1994), S. 67; Schmidt, M. (2000), S. 18 f. 217 Vgl. Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. der EU Nr. L 345 vom 31.12.2003, S. 64 ff (im Folgenden: Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003).

III. Typisierte Erscheinungsformen nach organisationsrechtlichen Merkmalen 135

Wertpapiere zu entscheiden“.218 Ein Angebot in diesem Sinne ist öffentlich, wenn es sich an einen unbestimmten Personenkreis wendet, wobei die Frage, ob es sich um einen unbestimmten Personenkreis richtet, primär nach qualitativen und nicht nach quantitativen Kriterien zu beurteilen ist.219 Für die Einbeziehung in den Anwendungsbereich entscheidend ist ferner der Wertpapierbegriff. Nach § 2 Ziff. 1 WpPG gelten als übertragbare „Wertpapiere“: 1. „Aktien und andere Wertpapiere, die Aktien oder Anteilen an Kapitalgesellschaften (...) vergleichbar sind, sowie Zertifikate, die Aktien vertreten“, 2. „Schuldtitel, insbesondere Schuldverschreibungen und Zertifikate, die andere als die in Buchstabe a genannten Wertpapiere vertreten“ sowie 3. „alle sonstigen Wertpapiere, die zum Erwerb oder zur Veräußerung solcher Wertpapiere berechtigen (…) mit Ausnahme von Geldmarktinstrumenten mit einer Laufzeit von weniger als zwölf Monaten“. Unter den Wertpapierbegriff des WpPG fallen also insbesondere Aktien, Schuldverschreibungen oder Genussscheine, nicht jedoch z. B. Gesellschaftsanteile an einer GmbH, KG oder BGB-Gesellschaft oder Anteile, die eine stille Beteiligung verkörpern.220 Eine Prospektpflicht entfällt, wenn sich das öffentliche Angebot ausschließlich an „qualifizierte Anleger“ (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 WpPG) richtet oder bestimmte Schwellenwerte nicht überschreitet.221 Der Begriff des ___________ 218 Ebenso Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003, Art. 2 Abs. 1 d). 219 Vgl. Groß, W. (2006), § 2 WpPG Rn. 16 ff. Der Begriff des unbestimmten Personenkreises selbst ist jedoch ebenfalls unklar. Mit Blick auf die Schutzfunktion der Rechnungslegung sollte nach hier vertretener Auffassung auf das (durch externe Berichtspflichten zu befriedigende) Informationsbedürfnis des Anlegerkreises abgestellt werden. Demnach muss ein Bedürfnis nach Aufklärung durch einen Verkaufsprospekt bestehen, da der Anleger noch keine Informationen über die angebotenen Wertpapiere und deren Emittenten hat. So auch Ritz, C., in: Assmann, H.-D./Lenz, J./Ritz, C. (2001), § 1 VerkProspG Rn. 48; Heidelbach, A., in: Schwark, E. (2004), § 1 VerkProspG Rn. 17; BAWe (1999), S. 16180 ff., Anm. II. 1 zu § 2. Eine solche am Anlegerschutz orientierte Abgrenzung zwischen öffentlichem und privatem Angebot wird auch im US-amerikanischen Recht praktiziert. Dort richtet sich die Abgrenzung nach dem Informationsbedürfnis der Anleger sowie nach deren Erfahrenheit. Vgl. Dittrich, K. P. (1998), S. 30 f.; Pellens, B./Fülbier, R. U./Gassen, J. (2006), S. 895 f. Siehe insbesondere auch sec. 4 par. 2 SA, rules 501, 506 of Regulation D mit der Unterscheidung zwischen „accredited investors“ und sonstigen Anlegern. Als accredited investor gelten nur solche, bei denen von ausreichendem Fachwissen ausgegangen wird, so dass kein Gesetzesschutz für notwendig erachtet wird (so insbesondere Banken, Investmentfonds etc.). 220 Vgl. Groß, W. (2006), § 2 WpPG Rn. 3; Weitnauer, W. (2001), S. 263. 221 So z. B. wenn sich die Angebote an einen begrenzten Personenkreis (von weniger als 100 nicht qualifizierten Anlegern pro Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes) wenden, die Wertpapiere eine Mindeststückelung von 50 000 Euro haben oder sofern

136 C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

„qualifizierten Anlegers“ wird in § 2 Ziff. 6 WpPG legal definiert. Darunter fallen insbesondere Kreditinstitute, Wertpapierdienstleister, Versicherungsgesellschaften, aber auch bestimmte natürliche Personen, sofern diese bestimmte Voraussetzungen erfüllen.222 Mit Blick auf die Publizität von nicht in Wertpapieren verbrieften Anlageformen wurde durch das AnSVG vom 28. Oktober 2004223 mit Wirkung zum 1. Juli 2005 eine Prospektpflicht mit Prospekthaftung eingeführt. Ziel dieser neuen Prospektpflicht ist es, „eine bislang bestehende spezialgesetzliche Regelungslücke im Wesentlichen für Unternehmensbeteiligungen und Anteile an Treuhandvermögen, die den Schwerpunkt des Marktes für nicht in Wertpapieren verbriefte Anlageformen bilden, und für die sich in der Vergangenheit anhand von erlittenen Schäden bis hin zu Totalverlusten ein besonderer Regelungsbedarf gezeigt hat (zu schließen; Erg. d. Verf.).“224 In der Vergangenheit hat sich zwar ein „Sonderrecht“ für die so genannten Publikumspersonengesellschaften, welche einen Schwerpunkt der Anlageformen in diesem Segment ausmachen, gebildet.225 So wird insbesondere der Gesellschaftsvertrag einer gerichtlichen Inhaltskontrolle gemäß § 242 BGB unterworfen; ferner wurden v. a. auch bestimmte Verhaltenspflichten für Emittenten und Emissionshelfer und eine Haftung der Initiatoren und deren Berater gegenüber den Anlegern entwickelt (so genannte Prospekthaftung).226 Die Verhältnisse des „grauen“ Kapitalmarktes waren jedoch auch weiterhin durch eine

___________ der Verkaufspreis für alle angebotenen Wertpapiere weniger als 100 000 Euro beträgt (bezogen auf einen Zeitraum von zwölf Monaten). Hierzu sowie hinsichtlich weiterer Ausnahmen siehe § 3 Abs. 2 Nr. 2-5 WpPG. 222 Dies ist der Fall, wenn natürliche Personen „in großem Umfang“ (§ 27 Abs. 2 Nr. 1 WpPG) Geschäfte an Wertpapiermärkten durchgeführt haben, der Wert ihres Wertpapierportfolios 500 000 Euro übersteigt und/oder die Personen mindestens ein Jahr lang im Finanzsektor in einer beruflichen Position tätig waren, die Kenntnis auf dem Gebiet der Wertpapieranlage voraussetzt; dabei müssen mindestens zwei der drei Voraussetzungen erfüllt sein (vgl. § 2 Ziff. 6 e) i. V. m. § 27 Abs. 2 WpPG). 223 Vgl. Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz) vom 28.10.2004, BGBl. I, S. 2630 (im Folgenden: AnSVG). 224 Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG), BT-Drucks. 15/3174 vom 24.05.2004, S. 1 (im Folgenden: Entwurf AnSVG), Begründung zu Art. 2, zu Nummer 1, Vorbemerkung (S. 41 f.). 225 Vgl. Hopt, K. J., in: Baumbach/Hopt (2006), Anh. § 177a, Rn. 53 m. w. N.; Wagner, K.-R., in: Assmann, H.-D./Schütze, R. A. (1997), § 23 Rn. 10 ff. 226 Vgl. Sudhoff, H. (2005), § 3 Rn. 27 f.; Assmann, H.-D., in: Assmann, H.-D./ Schütze, R. A. (1997), § 1 Rn. 12 f.; hierzu sowie hinsichtlich weiterer Sonderregeln für die Publikums-KG siehe Binz, M. K./Sorg, M. H. (2005), § 13 Rn. 13 ff.

III. Typisierte Erscheinungsformen nach organisationsrechtlichen Merkmalen 137

beträchtliche Zahl von Betrugsfällen sowie eine hohe Schadenssumme geprägt.227 Nach § 8i Abs. 1 Verkaufsprospektgesetz (VerkProspG) muss der Anbieter solcher nicht in Wertpapieren verbrieften Vermögensanlagen den Verkaufsprospekt vor seiner Veröffentlichung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übermitteln. Der Verkaufsprospekt darf erst veröffentlicht werden, wenn die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht die Veröffentlichung gestattet hat (vgl. § 8i Abs. 2 VerkProspG). Für den Begriff des öffentlichen Angebots kann auf die Ausführungen beim WpPG verwiesen werden.228 Von dieser Prospektpflicht gibt es an bestimmte Schwellenwerte geknüpfte Ausnahmen für „kleinere“ Emissionen.229 Das AnSVG verdeutlicht die Schutzbedürftigkeit dieses Kapitalmarktsegmentes, in dem es keine dem organisierten Kapitalmarkt entsprechende staatliche Aufsicht gibt. Bereits jetzt wird jedoch kritisiert, dass der Anlegerschutz nicht ausreichend ausgestaltet ist.230 Als problematisch wird insbesondere die ausschließlich formale Prüfung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht angesehen. Eine Prüfung auf inhaltliche Richtigkeit der Angaben, wie z. B. ob die Leistungsbilanz zutreffend dargestellt oder die angegebenen Renditen plausibel sind, bzw. eine Beurteilung der Qualität der Anlage erfolgt hingegen nicht. Ferner muss ein nicht nach anderen Vorschriften zur Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts verpflichteter Emittent lediglich auf die unterlassene Prüfung im Prospekt an herausgehobener Stelle hinweisen ___________ 227 Vgl. Assmann, H.-D., in: Assmann, H.-D./Schütze, R. A. (1997), § 1 Rn. 68. Bislang entstanden jährliche Schäden in Höhe von schätzungsweise 20 und mehr Milliarden Euro. Dies beeinträchtigt die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes. Vgl. BMF (2003), S. 7; Klaffke, M. (2003), S. 450. 228 Vgl. Groß, W. (2006), § 8f VerkprospG Rn. 4. 229 Solche Ausnahmen sollen v. a. gelten bei Angeboten: • bei denen von derselben Vermögensanlage nicht mehr als 20 Anteile angeboten werden, • bei denen der Verkaufspreis der im Zeitraum von zwölf Monaten angebotenen Anteile insgesamt nicht mehr als 100 000 Euro beträgt, • bei denen der Preis jedes angebotenen Anteiles mindestens 200 000 Euro je Anleger beträgt (vgl. § 8f Abs. 2 Nr. 3 VerkProspG), • die ausschließlich an Personen, die beruflich oder gewerblich für eigene oder für fremde Rechnung Wertpapiere oder Vermögensanlagen i. S. d. § 8f Abs. 1 Satz 1 VerkProspG erwerben oder veräußern, angeboten werden oder • die ausschließlich einem begrenzten Personenkreis i. S. d. § 2 Nr. 2 VerkProspG oder ausschließlich den Arbeitnehmern von ihrem Arbeitgeber oder einem mit diesem Unternehmen verbundenen Unternehmen angeboten werden. Siehe hierzu sowie hinsichtlich weiterer Ausnahmen § 8f Abs. 2 Nr. 1-8 VerkProspG. 230 Vgl. Mattil, P./Fohrer, K. (2004), S. 10.

138 C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

(vgl. § 8h VerkProspG).231 Eine solche Prüfungspflicht des Jahresabschlusses besteht nach den de lege lata geltenden handelsrechtlichen Vorschriften der §§ 316 ff. HGB lediglich für mittlere und große Kapital- und diesen gleichgestellte Personengesellschaften, nicht hingegen für kleine Kapital- und „&-Co“Gesellschaften sowie für „typische“ Personenunternehmen, sofern diese nicht den Regelungen des PublG unterliegen (vgl. §§ 1, 6 Abs. 1 PublG).232 Zum Schutz potenzieller Anleger sind neben den Publizitätspflichten ferner auch gegebenenfalls bestehende Auskunfts- und Beratungspflichten entsprechender Anlagevermittler von Belang, sofern solche eingeschaltet sind. Einer empirischen Untersuchung bezüglich junger und „kleiner“ Wachstumsunternehmen zufolge suchen diese zur Emission ihrer Beteiligungen am nicht geregelten Kapitalmarkt überwiegend Banken und andere Finanzintermediären. Einer Eigenemission über Internetplattformen kommt demgegenüber im Vergleich eine geringe Rolle zu.233 Auch bei nicht in Wertpapieren verbrieften Anlagen kann eine Einschaltung von Finanzdienstleistern einer Art „Vorselektion“ unseriöser Angebote dienen; dies ist insbesondere bei etablierten Banken und ähnlichen Intermediären teilweise anzunehmen, die mit Blick auf den Erhalt ihrer Reputation bzw. nachhaltiger Kundenbeziehungen ein Eigeninteresse am Ausschluss unseriöser Beteiligungsangebote haben. Eine solche „Vorselektion“ entfällt jedoch großteils bei Fremdvertrieb über andere Finanzdienstleister ohne anderweitige Kundenbeziehungen sowie im Falle einer Eigenplatzierung, bei der das Unternehmen selbst potenzielle Investoren anspricht. Auch die bestehenden Auskunfts- und Beratungspflichten konnten in der Vergangenheit hier keine hinreichende Abhilfe schaffen. In der Praxis wird beklagt, dass mangelhafte Aufklärung von Seiten der Finanzdienstleister über die Risiken der jeweiligen Anlagekategorie ein Entwicklungshemmnis auch für seriöse Finanzierungen darstelle.234 Zusätzlich zu den Publizitäts-, Aufsichts- und Auskunftspflichten sind bei gesellschaftsrechtlichen Kapitalbeteiligungen für den Schutz der aktuellen Ge___________ 231 Vgl. Mattil, P./Fohrer, K. (2004), S. 9 f. Diese merken an, dass im Vergleich hierzu der Anlegerschutz in anderen EU-Mitgliedstaaten zum Teil umfassender ausgestaltet ist. Als Beispiel führen sie an, dass in Österreich die Zulassung zum Kapitalmarkt davon abhängt, dass eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft oder eine andere Prüfstelle den Prospekt auf inhaltliche Richtigkeit geprüft hat. Ferner ist dort bei fehlerhaften Prospektangaben ausdrücklich die Haftung des Prospektprüfers, des Abschlussprüfers sowie des Vermittlers vorgesehen. 232 Siehe hierzu auch Abschnitt D.II.1.a) der vorliegenden Arbeit. 233 Vgl. Kokalj, L./Pfaffenholz, G./Moog, P. (2003), S. 16 ff., S. 69 ff. Hinsichtlich der dort gebrauchten Verwendung der Begriffe siehe bereits Fn. 212 in Abschnitt C.III.3.a) der vorliegenden Arbeit. Angaben zu Größenkriterien liegen nicht vor. 234 Vgl. Kokalj, L./Pfaffenholz, G./Moog, P. (2003), S. 72 f.

III. Typisierte Erscheinungsformen nach organisationsrechtlichen Merkmalen 139

sellschafter auch die bereits im Rahmen der personenbezogenen Unternehmen dargestellten Bestimmungen über die Mitwirkungs- und Kontrollrechte der Gesellschafter von Belang. Das Aktienrecht für die AG als eine typische Publikumsgesellschaft sieht wie dargelegt insbesondere die Kontrollrechte des Aufsichtsrats, die Berichtspflichten des Vorstands sowie die Haftung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder vor.235 Bei Publikumspersonengesellschaften ergibt sich jedoch eine besondere Gefährdung der Anleger dadurch, dass die im Gesetz eingeräumten Kontrollrechte (z. B. § 166 HGB) im Gegensatz zu den bei der AG dem Anlegerschutz dienenden Vorschriften großteils dispositiv sind. In der Praxis können sie somit durch entsprechende gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen zum Teil eingeschränkt werden.236 Für die Anleger sind zur Sicherung ihrer Interessen an größtmöglichem Ertrag und optimaler Verwaltung ihres Kapitals wie bereits dargelegt auch die Möglichkeiten der Veräußerung oder der Rückgewähr ihres Kapitals von Bedeutung.237 Angesichts der praktisch zum Großteil relativ begrenzten Mitwirkungs- und Kontrollrechte bestehen für die Anleger oft lediglich die Handlungsmöglichkeiten, ihr Kapital trotz einer von ihnen abgelehnten Geschäftsführung im Unternehmen zu belassen oder das Kapital abzuziehen und in andere Anlagen zu investieren. Letzteres setzt jeweils das Vorhandensein eines funktionierenden Marktes oder einen – gesetzlichen oder vertraglichen – Rücknahmeanspruch des Anlegers gegenüber dem Unternehmen voraus. Das Entstehen eines Sekundärmarktes, auf dem Veräußerung und Erwerb bestehender Anteile als Marktprozess Fungibilität und Preisbildung sicherstellen, wird u. a. davon wesentlich beeinflusst, inwieweit die Instrumente zur Organisation des Marktes gegeben sind.238 Im Gegensatz zu den Kapitalanlagen am geregelten ___________ 235

Vgl. auch Hueck, G./Windbichler, C. (2003), S. 246. Dem daraus resultierenden „Konditionenrisiko“ begegnet die Rechtsprechung in Ausnahmefällen mit dem oben dargestellten Instrument der so genannten Inhaltskontrolle nach § 242 BGB. 237 Vgl. Kiel, P. (1994), S. 67. 238 Als solche Instrumente zur Organisation eines Marktes sind insbesondere zu nennen: • die Standardisierung der gehandelten Titel sowie der Vertragstypen, • die beschränkte Haftung des Titelinhabers, • eine Vereinfachung der Eigentumsübertragung, • zeitliche und örtliche Konzentration des Handels, • strenge, d. h. klar definierte (und publizierte) Regelung des Preisermittlungsverfahrens, • Publizierung des Marktgeschehens, • Verpflichtung der Emittenten zur Offenlegung etc. Vgl. Franke, G./Hax, H. (1999), S. 58 f. 236

140 C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

Kapitalmarkt ist die Fungibilität der Beteiligungen am nicht geregelten Kapitalmarkt wesentlich geringer – sofern ein Markt überhaupt entsteht –, da der Organisationsgrad des Marktes wesentlich niedriger ist. Der Aktionär kann – sofern es sich nicht um vinkulierte Aktien (vgl. § 68 Abs. 2 AktG) handelt – frei über die Veräußerung seiner Beteiligung entscheiden. Realisieren kann der Aktionär dieses Recht jedoch lediglich dann, wenn ein funktionierender Markt besteht. Eine Rückgewähr der Einlagen an die Aktionäre ist nicht zulässig (vgl. § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG). Der zulässige Erwerb eigener Aktien zum Erwerbspreis, welcher wirtschaftlich einer Rückgewähr der Einlagen an die Aktionäre entspricht, gilt jedoch nicht als Rückgewähr (vgl. § 57 Abs. 1 Satz 2 AktG). Der zulässige Erwerb eigener Aktien ist allerdings auf die in § 71 AktG abschließend aufgezählten Ausnahmen beschränkt. Außer den aufgezählten Ausnahmen ist der Erwerb eigener Aktien grundsätzlich verboten (vgl. §§ 71 ff. AktG).239 Insbesondere im außerbörslichen Bereich sind die Veräußerungsmöglichkeiten beschränkt. Zwar existiert in begrenztem Umfang ein außerbörslicher Sekundärmarkt für Wertpapiere.240 Dieser bietet jedoch faktisch aufgrund seines begrenzten Umfanges keine gesicherte Chance zur jederzeitigen Veräußerung. Sofern auch keine Rücknahmegewähr von Seiten einer Bank oder einer anderen Finanzintermediäre, welche die Anteile vermittelt hat, eingeräumt wurde, sind Aktionäre bei Unternehmen, die keinen Börsengang planen, bezüglich mangelnder Rückgewähr- oder Veräußerungsmöglichkeiten gefährdet.241 Im GmbH-Recht sowie bei Beteiligungen an Personengesellschaften sind die Geschäftsanteile ebenfalls grundsätzlich frei veräußerlich, sofern eine Abtretung der Anteile nicht an weitere Voraussetzungen, wie insbesondere die Genehmigung durch die Gesellschaft, geknüpft ist.242 Bei der GmbH bedarf die ___________ 239

Vgl. Hueck, G./Windbichler, C. (2003), § 26 Rn. 5 ff. Siehe: http://www.youmex.de (Stand: 30.06.2006). Dabei handelt es sich nach eigenen Angaben um ein elektronisches Handelssystem für die Wertpapiere (Aktien, Anleihen, Genussscheine) „mittelständischer“ Unternehmen. Der Handel im „Open Market“ zählt hingegen zum Börsenhandel. Vgl. Assmann, H.-D./Schütze, R. A. (1997), § 2 Rn. 179; Kiel, P. (1994), S. 42. So ist in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den „Open Market“ an der Frankfurter Wertpapierbörse in § 19 Abs. 1 geregelt, „dass für den Handel und die Geschäftsabwicklung von Wertpapieren im Open Market und im Entry Standard, die Entscheidung über die Art der Preisermittlung sowie für die Preisfeststellung in diesen Wertpapieren einschließlich deren Beaufsichtigung (…) die Regelungen des amtlichen Marktes sinngemäß (gelten; Erg. d. Verf.), soweit nicht Besonderheiten gemäß diesen AGB zu beachten sind“ (Deutsche Börse AG (2006-d)). 241 Vgl. Ljuba, K./Paffenholz, G./Moog, P. (2003), S. 73. 242 Hinsichtlich vinkulierter Anteile bei der GmbH vgl. § 15 Abs. 5 GmbHG. Bei der GmbH ist auch der Erwerb eigener Anteile im Gegensatz zur AG nicht grundsätzlich verboten. Vgl. hierzu auch Hueck, G./Windbichler, C. (2003), § 26 Rn. 14 und Rn. 16. 240

III. Typisierte Erscheinungsformen nach organisationsrechtlichen Merkmalen 141

Übertragung eines Geschäftsanteiles der notariellen Beurkundung (§ 15 Abs. 3 GmbHG), wodurch vergleichsweise hohe Transaktionskosten entstehen. Faktisch fehlt für GmbH-Anteile243 ebenso wie für Beteiligungen an Personengesellschaften244 ein organisierter, liquider Markt. Die mezzaninen Finanzierungsverhältnisse schließlich sind wie gezeigt durch Kündbarkeit oder regelmäßig zeitliche Befristung der Kapitalüberlassung gekennzeichnet. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass das Anlegerschutzniveau des nicht geregelten Kapitalmarktes in Deutschland zum Teil vergleichsweise gering ausgeprägt ist. Unabhängig von einem Werturteil bezüglich der Erscheinungsformen des nicht geregelten bzw. „grauen“ Kapitalmarktes gilt es – ausgehend von deren rechtstatsächlicher Existenz – den mit diesen auftretenden Gefährdungen Rechnung zu tragen. Die mit diesen Erscheinungsformen verbundenen Gefahrenpotenziale sind zu berücksichtigen, um die Möglichkeit von Betrugsfällen in Zusammenhang mit Kapitalanlagen am nicht geregelten Kapitalmarkt zu begrenzen. Sofern die Weiterentwicklung des nicht geregelten Kapitalmarktes befürwortet wird, ist der Schutz des Anlegervertrauens ferner auch mit Blick auf die Funktionsfähigkeit des gesamten nicht geregelten Kapitalmarktes von Bedeutung.245 Soweit eine Lösung nicht durch andere institutionelle Lösungen (wie durch die Zwischenschaltung von Banken etc.) erzielt wird, kommt der Schutzfunktion der Rechnungslegung in diesem Kapitalmarktbereich somit eine besondere Bedeutung zu.

b) Unterschiedliche Ausprägungen der Kapitalmarktorientierung Als Finanzierungsformen, die für ein breites Anlegerpublikum angeboten werden, kommen – neben der Aufnahme von Fremdkapital – wie ausgeführt sowohl Beteiligungen im Rahmen des Gesellschaftsverhältnisses als auch die ___________ Bei Personengesellschaften wurde zum Schutz der Anleger im Sonderrecht für Publikumspersonengesellschaften das Recht zur fristlosen außerordentlichen Kündigung entwickelt. Vgl. Kiel, P. (1994), S. 66. 243 Der Verfasserin ist kein solcher organisierter Markt bekannt. Auch im Falle des Bestehens würde ein solcher Markt aufgrund seines begrenzten Umfanges ebenso keine gesicherte Chance zur jederzeitigen Veräußerbarkeit bieten. 244 Vgl. Ziegler, O. (2005), S. 30; Brandt, C. (2005), S. 27 m. w. N.; Hueck, G./Windbichler, C. (2003), S. 214. Ein allgemeines Handelssystem für Beteiligungen an Personengesellschaften besteht nach Kenntnis der Verfasserin nicht. Die Ende 2005 gestartete Handelsplattform der Lloyd Zweitmarkt GmbH bietet als „Lloyd-Zweitmarkt“ eine spezielle Internetplattform zum Handel der (Kommandit-)Beteiligungen der Lloyd Fonds während der Laufzeit dieser geschlossenen Fonds an. Siehe unter: https://zweitmarkt.lloydfonds.de (Stand: 03.03.2006). 245 Vgl. Klaffke, M. (2003), S. 450.

142 C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

dargestellten rechtsformübergreifenden Finanzierungsmöglichkeiten in Gestalt mezzaniner Finanzierungsinstrumente in Betracht. Da die mezzaninen Formen bereits bei den personenbezogenen Ausprägungen dargestellt worden sind, werden im Folgenden lediglich die Besonderheiten der Publikumsgesellschaften näher betrachtet. Die so genannten Publikumsgesellschaften, insbesondere die Publikumspersonengesellschaften, sind – wie bereits in Abschnitt C.III.1. dargestellt – dadurch charakterisiert, dass sie sich zur Kapitalsammlung durch das öffentliche Werben zahlreicher Anleger an den Kapitalmarkt für Beteiligungskapital wenden. Sie nehmen auf der Grundlage vorformulierter Gesellschaftsverträge eine unbestimmte Vielzahl rein kapitalmäßig beteiligter Gesellschafter mit beschränkten Mitgliedschaftsrechten auf. Geschäftsführung und Vertretung obliegen in der Regel einer kleinen Gruppe von Personen (wie z. B. den Gründern der Gesellschaft).246 Im außerbörslichen Bereich treten solche Publikumsgesellschaften ganz überwiegend in Form von Publikumspersonengesellschaften, so insbesondere in Gestalt der GmbH & Co. KG auf;247 bei Kapitalgesellschaften finden sich Publikumsgesellschaften zumeist in der Gestalt der PublikumsAG.248 Im Vergleich zu den „idealtypischen“ Formen einer Personengesellschaft besitzt die KG durch die Möglichkeit der Aufnahme von Kommanditisten, deren Haftung auf ihre Kapitaleinlage beschränkt ist und die von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind, wesentlich günstigere Voraussetzungen für eine Ausweitung der Eigenkapitalbasis als eine idealtypische Personengesellschaft wie die OHG.249 Solche auf dem „grauen“ Kapitalmarkt tätigen Gesellschaften ___________ 246 Vgl. etwa Hopt. K. J., in: Baumbach/Hopt (2006), Anh § 177 a Rn. 52. Inwieweit dabei der oder die Geschäftsführer noch 50 % oder mehr der Anteile am Unternehmen halten (vgl. Kapitel B. der vorliegenden Arbeit), hängt vom Einzelfall ab. 247 Vgl. Hopt. K. J., in: Baumbach/Hopt (2006), Anh § 177 a Rn. 52; Schmidt, K. (2002), § 57 I.2.a). 248 Vgl. Schmidt, K. (2002), § 26 III 2. a); Hueck, G./Windbichler, C. (2003), § 20 Rn. 12 ff. 249 Ferner entfallen im Vergleich zur GmbH die Kosten infolge der Pflicht einer notariellen Beurkundung. Bei Beteiligungen an typischen Personengesellschaften ist hingegen der Aspekt der (fehlenden) Haftungsbeschränkung in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: Zum einen geht ein potenzieller Kapitalgeber bei unbeschränkter Haftung das Risiko ein, im Haftungsfall wesentliche Teile seines Vermögens zu verlieren. Aus diesem Grund sind lediglich wenige Kapitalgeber bereit, unter diesen Voraussetzungen Beteiligungskapital zu erwerben. Zum anderen wird auch der reibungslose Ablauf durch die Haftungsbeschränkung erleichtert; denn im Falle unbeschränkter Haftung dürften die Kapitalanleger nicht anonym bleiben, damit sie sich der Haftung nicht einfach entziehen könnten. Unbeschränkte Haftung ist mit reibungslosem Handel daher schwer vereinbar, weswegen ein Markt für Anteile an unbeschränkt haftenden Personengesellschaften nur schwer entsteht. Vgl. Schmidt, A. G. (1998), S. 291; Franke, G./Hax, H. (1999), S. 59.

III. Typisierte Erscheinungsformen nach organisationsrechtlichen Merkmalen 143

in der Form der Publikums-KG räumen ihren Kommanditisten in Standardverträgen vielfach nur recht bescheidene Rechte ein.250 Ursprünglich kam Publikumspersonengesellschaften v. a. in Form so genannter Abschreibungs- oder Verlustzuweisungsgesellschaften eine große Bedeutung zu, da ausschließlich die Rechtsform der Personengesellschaft die Möglichkeit eröffnet, die Gesellschafter steuerlich als Mitunternehmer zu behandeln und ihnen Verluste zuzuweisen. Diese Steuervorteile werden allerdings inzwischen durch § 15a EStG begrenzt, so dass die Publikumspersonengesellschaften diesbezüglich an Bedeutung verloren haben.251 Daneben spielen Publikumspersonengesellschaften, insbesondere in der Gestalt der GmbH & Co. KG, aufgrund ihrer organisationsrechtlichen Flexibilität sowie aufgrund der steuerlichen Behandlung der Gesellschafter als Mitunternehmer v. a. auch als Sammelbecken für Venture-Capital eine Rolle. Kapitalbeteiligungsgesellschaften und Venture-Capital-Fonds252 werden in Deutschland deshalb häufig in der Rechtsform der GmbH & Co. KG geführt.253 In diesen Fällen erfolgt eine Beteiligungsfinanzierung durch die Zwischenschaltung von spezialisierten Intermediären.254 Aufgrund der Ausgrenzung branchenspezifi___________ 250 Vgl. Rückle, D. (1997), S. 447; nach der in Abschnitt C.III.3.a) dargestellten gerichtlichen Inhaltskontrolle ist lediglich solchen Vertragsbestimmungen die Wirksamkeit abzusprechen, welche die Anlagegesellschafter unangemessen in ihren Rechten beschränken, so z. B. im Falle ungerechtfertigt kurzer Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen Mitglieder des Aufsichtsrats. Als Maßstab für die Inhaltskontrolle werden rechtsfortbildend körperschaftsrechtliche Grundsätze verwendet; siehe hierzu sowie zu weiteren Beispielen Hueck, G./Windbichler, C. (2003), § 18 Rn. 33 m. w. N. Die Reichweite einer solchen Inhaltskontrolle ist begrenzt, vgl. Schmidt, K. (2002), § 5 III.4.b). 251 Vgl. Hueck, G./Windbichler, C. (2003), S. 200 f. Zu der Frage, ob Gesellschafter einer Publikumspersonengesellschaft steuerlich Mitunternehmer sind, grundsätzlich bejahend BFH, U. vom 25.06.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, S. 751; verneinend hingegen bei Beteiligung ohne Gewinnchance, vgl. Wacker, R., in: Schmidt, L. (2006), § 15 Rn. 259 ff. und Rn. 707 m. w. N. 252 Während Kapitalbeteiligungsgesellschaften in der Regel auf den Erwerb von Minderheitsbeteiligungen an ertragskräftigen mittleren Unternehmen ausgerichtet sind, zielt die Tätigkeit von Venture-Capital-Gesellschaften primär auf die Beteiligungsfinanzierung von jungen, insbesondere innovativen Unternehmen ab, die noch nicht den Reifegrad und die Ertragskraft erreicht haben, den Kapitalbeteiligungsgesellschaften in der Regel voraussetzen. Vgl. Assmann, H.-D./Schütze, R. A. (1997), § 27 Rn. 1 ff. und Rn. 5 ff. 253 Vgl. Hueck, G./Windbichler, C. (2003), § 18 Rn. 5; Assmann, H.-D./Schütze, R. A. (1997), § 27 Rn. 29. 254 Diese übernehmen gegenüber den kapitalsuchenden Unternehmen die Rolle der Kapitalgeber, so dass zwischen den kapitalsuchenden Unternehmen und den Financiers der Beteiligungsgesellschaften keine unmittelbaren Vertragsbeziehungen bestehen. Beide Seiten treten vielmehr in eigenständige, voneinander unabhängige Vertragsverhältnisse mit der jeweiligen Beteiligungsgesellschaft ein. Bei einem fondsorientierten An-

144 C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

scher Betrachtungen und dem Fokus der Arbeit auf mittelständische Unternehmen werden diese mittelbaren Beteiligungsfinanzierungen durch Zwischenschaltung von Fonds etc. im Folgenden nicht gesondert betrachtet. Bei den Publikumspersonengesellschaften sind als praktisch besonders bedeutsame Ausgestaltungen insbesondere: (1) die Publikumsgesellschaft in der Form der Massengesellschaft mit einer Vielzahl an Anlagegesellschaftern sowie (2) die Anlagegesellschaft mit mittelbar über einen Treuhänder beteiligten Anlagegesellschaftern zu nennen.255 Zu (1): Publikumsgesellschaft in der Form der Massengesellschaft Hinsichtlich der bei Publikumsgesellschaften geltenden Kompetenzen bezüglich Abschlussaufstellung, Feststellung und Ergebnisverwendungsentscheidung sowie hinsichtlich der Informations- und Kontrollrechte kann grundsätzlich auf die Ausführungen zu den personenbezogenen Ausprägungen verwiesen werden. Dabei sind die Rechte der Anlagegesellschafter jedoch häufig eingeschränkt. Zusätzlich zu den gesetzlichen Regelungen hat der BGH für den Bereich der Publikumspersonengesellschaften – wie in Abschnitt C.III.3.a) angemerkt – schrittweise ein Sonderrecht entwickelt. Dabei hat er die Publikumspersonengesellschaft dergestalt charakterisiert, dass sie darauf angelegt sei, eine unbestimmte Vielzahl von Anlagegesellschaftern aufzunehmen, die sich untereinander nicht kennen und zu den Unternehmergesellschaftern in keinerlei persönlichen oder sonstigen Beziehungen stehen; „(i)n der Öffentlichkeit geworben, können sie, wenn sie beitreten wollen, nur einen Gesellschaftsvertrag unterzeichnen, der fertig formuliert ist und auf dessen Inhalt sie keinen (…), ihre Interessen wahrenden Einfluss, ausüben können.“256 Demgegenüber kann etwa eine Massen-KG mit Arbeitnehmerkommanditbeteiligungen wie ausgeführt stark personenbezogene Komponenten aufweisen. Somit lässt sich festhalten, dass jede Publikumspersonengesellschaft zugleich eine Massengesellschaft ist, nicht aber jede Massengesellschaft gleichzeitig ei___________ satz erhalten die Investoren der Beteiligungsgesellschaften einen Anteil an einem Beteiligungsportefeuille, nicht an den jeweiligen Einzelgesellschaften. Vgl. Kokalj, L./Pfaffenholz, G./Moog, P. (2003), S. 15. 255 Mehrstufige Konstruktionsformen, wie beispielsweise die „doppelstöckige“ GmbH & Co. KG etc., werden zwecks Begrenzung der Untersuchung nicht betrachtet. 256 BGH, U. vom 14.04.1975 – II ZR 147/73, NJW 1975, S. 1319. Dabei meint „Öffentlichkeit“ das Werben eines unbestimmten Anlegerkreises durch Werbeanzeigen, Prospekte oder Anlageberater; siehe hierzu die Ausführungen zum Begriff „öffentlich“ in den Abschnitten C.III.1. und C.III.3.a) der vorliegenden Arbeit.

III. Typisierte Erscheinungsformen nach organisationsrechtlichen Merkmalen 145

ne Publikumspersonengesellschaft sein muss. Diese Differenzierung ist von Bedeutung, um nicht das Sonderrecht des BGH zu Publikumspersonengesellschaften undifferenziert auch auf jede Massengesellschaft zu übertragen.257 Zu (2): Anlagegesellschaft mit mittelbar über einen Treuhänder beteiligten Anlagegesellschaftern Bei Anlagegesellschaften mit mittelbar über einen Treuhänder beteiligten Anlagegesellschaftern beteiligen sich die Anlagegesellschafter in der Regel lediglich mittelbar durch Zeichnung eines Treuhandanteils. Der Treuhänder kann eine natürliche Person oder eine von den Initiatoren bzw. den Unternehmergesellschaftern gebildete oder eine institutionalisierte, auf treuhänderische Beteiligungsverwaltung spezialisierte Gesellschaft sein. Rechtlich sind bei einer so genannten echten Treuhand die Beziehungen aus dem Treuhandverhältnis zwischen den Treugebern (Anlegern) und dem Treuhänder einerseits sowie aus der (Gesellschafter-)Stellung des Treuhänders zum Unternehmen andererseits zu unterscheiden. Die Rechte und Pflichten aus dem Gesellschaftsverhältnis treffen unmittelbar nur den Treuhänder. Wirtschaftlich hingegen sind die Treugeber Inhaber der Beteiligungen, da sie das Risiko und mittelbar die Pflichten aus der Beteiligung an der jeweiligen Gesellschaft tragen.258 Aus der Zwischenschaltung des Treuhänders ergeben sich zusätzliche potenzielle Gefahren für die Anleger.259 Da die besonderen Gefahren bzw. daraus resultierenden Probleme hinsichtlich der Rechnungslegung bei Treuhandverhältnissen eine gesonderte, nicht zielführende Analyse erfordern würden, werden sie aus der weiteren Untersuchung ausgegrenzt. Vor dem Hintergrund der dargestellten Rahmenbedingungen sind Kapitalbeteiligungen am nicht geregelten Kapitalmarkt für Anleger mit besonderen Gefahren verbunden. Dies gilt gleichermaßen für Beteiligungen bei Publikumsgesellschaften wie für Anlagen in Form von mezzaninem Kapital. Dabei kommen im Wesentlichen folgende Gefahren in Betracht:260 • Fehlerhafte Prospekte können einen Anleger zum Vertragsabschluss veranlassen, indem etwa zu optimistische Renditeprognosen abgegeben werden. ___________ 257 Vgl. Assmann, H.-D./Schütze, R. A. (1997), § 23 Rn. 20; wohl ebenso Binz, M. K./Sorg, M. H. (2005), § 13 Rn. 4; diese weisen darauf hin, dass die Gesellschafterstellung eines Arbeitnehmers nur im Zusammenhang mit seinem Arbeitsverhältnis richtig beurteilt werden kann. 258 Vgl. Hueck, G./Windbichler, C. (2003), S. 215. 259 Vgl. Klatte, V. (1991), S. 125 f. 260 So zum Teil hinsichtlich der Gefahren einer Publikums-GmbH & Co. KG siehe Klatte, V. (1991), S. 121 f.

146 C. Normative Ansätze zur Begründung gesetzlicher Rechnungslegungszwecke

• Aufgrund standardisierter, vorformulierter Verträge kann der Anleger bei Vertragsabschluss keine eigenen Interessen geltend machen.261 Häufig werden die Kapitalanleger aufgrund solcher Standardverträge zugunsten der Gründer der Anlagegesellschaft weitgehend entrechtet. Es fehlt der einer individuellen Vertragsgestaltung idealtypisch inhärente Mechanismus der Vertragsgerechtigkeit. • Die Aufnahme und Mitberechtigung zusätzlicher Anleger kann eine „Verwässerung“ der Anteilsrechte der bisherigen Beteiligten bewirken. • Aufgrund der personellen Trennung von Kapitaleigentum und Geschäftsführung bei den „Anlagegesellschaftern“ oder mezzaninen Kapitalgebern sowie infolge häufig beschränkter Mitwirkungs- und Kontrollrechte der Anleger besteht die Gefahr einer Verselbstständigung der Geschäftsführung. • Es existiert in der Regel kein aktiver Sekundärmarkt für den fortlaufenden Handel mit Produkten, insbesondere mit nicht in Wertpapieren verbrieften Anlagen des nicht geregelten Kapitalmarktes. Die Fungibilität, d. h. die Vertret- bzw. Handelbarkeit der Anteile auf dem nicht geregelten ist im Vergleich zum geregelten Kapitalmarkt ungleich geringer.262 Somit kann der Anleger sein einmal in die Gesellschaft investiertes Kapital lediglich unter sehr erschwerten Bedingungen abziehen, da sich nur schwer ein Erwerber für die Beteiligung bzw. den Kapitaltitel finden lässt.263 Investitionen in nicht den geregelten Kapitalmarkt in Anspruch nehmende Unternehmen sind deshalb häufig mit wesentlich größerer Unsicherheit hinsichtlich späterer Ausstiegsmöglichkeiten verbunden. Zum Teil wird daraus gefolgert, dass ___________ 261 Zu Rechtsformen bei Publikumspersonengesellschaften siehe Schmidt, K. (2002), § 57 I. 2.; Hopt, K. J., in: Baumbach/Hopt (2006), Anh. § 177a HGB, Anm. B Tz. 52 ff. 262 Fungibilität von an organisierten Börsen gehandelten Kapitalanteilen entsteht – wie bereits bei den Instrumenten zur Organisation eines Marktes dargestellt – dadurch, dass der Handel nach genau fixierten Regeln stattfindet, die Handelsobjekte ausschließlich in verbriefter Form sowie in der Regel in kleinere Einheiten gestückelt den Eigentümer wechseln und v. a. börsentäglich eine offizielle Preisfeststellung stattfindet. Ohne einen organisierten Kapitalmarkt ist es hingegen häufig schwierig, Käufer zu finden. Die Bewertung eines nicht notierten Kapitalanteils bereitet in der Regel Probleme. Zum Teil wird die Fungibilität der Anteile auch durch formale Anforderungen wie die Handelsregistereintragung bei Beteiligungsübertragung von KG-Anteilen, die Einreichung einer Gesellschafterliste zum Handelsregister bei Beteiligungsübertragung von GmbH-Anteilen (vgl. § 40 GmbHG) oder die notarielle Beurkundung der Übertragung von GmbHAnteilen (vgl. § 15 Abs. 3 GmbHG) erschwert. Vgl. Hueck, G./Windbichler, C. (2003), S. 211 und S. 497. 263 Vgl. Ziegler, O. (2005), S. 30; Brandt, C. (2005), S. 27 m. w. N.; Hueck, G./Windbichler, C. (2003), S. 214; Walz, R. (1993), S. 96, dort explizit bezogen auf nicht börsennotierte Unternehmen; Schön, W. (2000), S. 730; Eierle, B. (2004-a), S. 4, bezogen auf die Unterscheidung zwischen börsennotierten und nicht börsennotierten Unternehmen; Franke, G./Hax, H. (1999), S. 58 f.

III. Typisierte Erscheinungsformen nach organisationsrechtlichen Merkmalen 147

das Schutzbedürfnis solcher Gesellschafter bzw. Anleger, für deren Anteile kein aktiver Sekundärmarkt besteht, tendenziell erhöht ist.264 Die geringere Fungibilität lässt vermuten, dass der nicht geregelte im Vergleich zum geregelten Kapitalmarkt stark auf nationale Anleger fokussiert ist. Damit liegt zugleich auch die Vermutung nahe, dass in diesem Bereich mit Blick auf die Adressaten einer international verständlichen Rechnungslegung im Vergleich zu einer Inanspruchnahme des geregelten Kapitalmarktes eine vergleichsweise geringere Bedeutung zukommt.265 Es bleibt abzuwarten, ob bzw. inwieweit die durch das AnSVG vorgenommenen Änderungen die Fungibilität der nicht in Wertpapieren verbrieften Vermögensanlagen zu fördern vermögen.266 Für reine Fremdkapitalverhältnisse treffen die oben angeführten Gefahren bezüglich standardisierter, vorformulierter Verträge sowie eines fehlenden aktiven Sekundärmarktes in analoger Weise zu. Ansonsten gelten die obigen Ausführungen zu den Eigner-Gläubiger-Konflikten.

___________ 264

Vgl. Streim, H./Kugel, B. (1985), S. 109. Näheres hierzu siehe Abschnitt C.III.3.a) der vorliegenden Arbeit. 266 Vgl. Ziegler, O. (2005), S. 34. 265

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

I. Konkretisierung des informatorischen Eigner- und Gläubigerschutzes Konkretisierung des informatorischen Eigner- und Gläubigerschutzes

1. Ermittlung der Informations- und Zahlungsinteressen der Rechnungslegungsinteressenten a) Rechnungslegungsinteressenten und die Ermittlung ihrer Interessen Zu den Rechnungslegungsinteressenten eines Unternehmens gehören allgemein diejenigen Personen, Personengruppen und Institutionen, deren Zielrealisierung durch das Geschehen in dem jeweiligen Unternehmen berührt wird. Im Folgenden wird aus Gründen der Überschaubarkeit eine vereinfachende Komprimierung bezüglich der Gruppen der verschiedenen Rechnungslegungsinteressenten vorgenommen. Entsprechend lassen sich folgende Gruppen unterscheiden, wobei zum Teil Überschneidungen zwischen diesen bestehen können:1 1. aktuelle, potenzielle sowie gegebenenfalls ehemalige2 Anteilseigner der jeweiligen Unternehmung;3 sofern mezzanine Kapitalgeber am Gewinn sowie gegebenenfalls am Verlust oder Vermögen partizipieren, können sie insoweit den Anteilseignern zugerechnet werden; 2. aktuelle sowie potenzielle Gläubiger der jeweiligen Unternehmung. Dabei werden unter dem Begriff „Gläubiger“ im Folgenden in Anlehnung an die Rechtswissenschaft sowie zu Zwecken der Übersichtlichkeit Fremdkapitalgeber, Kunden, Lieferanten und Arbeitnehmer eines Unternehmens zusammengefasst, soweit diesen aus der Geschäftsbeziehung rechtliche Ansprüche ___________ 1 Vgl. Egner, H. (1974), S. 10 f.; Klatte, V. (1991), S. 128 ff. Diese differenzieren allerdings in Gläubiger einerseits und Arbeitnehmer, Marktpartner etc. andererseits. 2 Dabei handelt es sich um ehemalige persönlich haftende Anteilseigner, die noch für Verbindlichkeiten haften, welche während ihrer Anteilseignerschaft begründet wurden, oder um ehemalige Anteilseigner, denen noch nicht befriedigte Ansprüche gegen die Gesellschaft (z. B. auf ein Abfindungsguthaben) zustehen. 3 Überschneidungen zur Gruppe der Gläubiger und der Geschäftsführung sind möglich.

I. Konkretisierung des informatorischen Eigner- und Gläubigerschutzes

149

gegen das Unternehmen erwachsen.4 Sofern Marktpartner (Kunden, Lieferanten, Konkurrenten) hingegen keine Gläubigerposition gegenüber der Unternehmung innehaben, werden sie zur „interessierten Öffentlichkeit“ gezählt. Die Interessen des Fiskus werden im Folgenden ausgeklammert und gesondert in Kapitel F. der vorliegenden Arbeit behandelt;5 3. die Geschäftsführung6 sowie 4. die sonstige „interessierte Öffentlichkeit“. Dabei handelt es sich um eine Sammelbezeichnung für eine nicht abschließende Vielzahl verschiedener Personen, Personengruppen und Institutionen, wie z. B. Anlageberater, Wirtschafts- und Finanzministerien, Gewerkschaften, Wirtschaftszweigverbände, Konkurrenten etc. Hierunter fallen ferner wie gesagt auch Marktpartner, soweit diese keine Gläubigerposition gegenüber der Unternehmung innehaben.7 Die Interessen, die nach den Wünschen der Rechnungslegungsinteressenten durch die Rechnungslegung erfüllt werden sollen, hängen wesentlich von deren individueller Entscheidungssituation8 sowie deren jeweiligen Präferenzen ab. Angesichts der Vielfalt der Interessen sowohl der verschiedenen Gruppen von Rechnungslegungsinteressenten als auch innerhalb der verschiedenen Gruppen sowie angesichts der Komplexität der individuellen Entscheidungssituation ist lediglich eine Analyse der wichtigsten und typischen Interessen möglich. Vor diesem Hintergrund werden im Hinblick auf die Überschaubarkeit folgende Vereinfachungen bzw. Prämissen bei der Ermittlung der Interessen vorgenommen:9 • Lediglich als typisch erachtete Entscheidungssituationen werden in die Betrachtung einbezogen. ___________ 4 So auch Watrin, C. (2001), S. 30 f. Der Begriff des Gläubigers wird also nicht mit dem des Kreditgebers gleichgesetzt, so aber Pannen, M. (2000), S. 93. Zum Teil werden mit dem Begriff Gläubiger i. e. S. auch lediglich Kontrahenten aus Darlehens-, Lieferungs- oder Leistungsverträgen verstanden und die Arbeitnehmer separat hiervon betrachtet. So etwa Leffson, U. (1987), S. 42. In der vorliegenden Arbeit wird innerhalb der Analyse der Gläubigerinteressen unterschieden zwischen Kontrahenten aus Darlehens-, Lieferungs- oder Leistungsverträgen einerseits und Arbeitnehmern andererseits. 5 Überschneidungen zur Gruppe der Anteilseigner und der Geschäftsführung sind möglich. Mitglieder von Aufsichtsrat, Beirat u. Ä. werden je nach Zugehörigkeit der Gruppe der Anteilseigner oder als Arbeitnehmer der Gruppe der Gläubiger zugeordnet; vgl. Klatte, V. (1991), S. 131. 6 Überschneidungen zur Gruppe der Anteilseigner und der Gläubiger sind möglich. 7 Im Ergebnis wie hier Klatte, V. (1991), S. 130 f. und S. 143. 8 Die individuellen Entscheidungsrechte der Gesellschafter werden u. a. von deren jeweiligen Kompetenzen im Rahmen der Auf- und/oder Feststellung des Jahresabschlusses beeinflusst. 9 Vgl. im Folgenden auch Klatte, V. (1991), S. 131 f.

150

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

• Es soll ausschließlich von finanziellen Zielvorstellungen der Rechnungslegungsinteressenten ausgegangen werden. Diese Zielvorstellungen lassen sich vereinfachend auf das Streben nach Einkommen reduzieren. • Es wird grundsätzlich rationales Verhalten der Rechnungslegungsinteressenten unterstellt. Dabei gilt es jedoch in Anlehnung an den Transaktionskostenansatz zu berücksichtigen, dass die Akteure in ihrer Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten und ökonomisch optimale Entscheidungen zu treffen, zum Teil beschränkt sein können.10 Auf dieser Grundlage abzuleitende rechnungslegungsbezogene Interessen lassen sich in Informations-11 und Zahlungsinteressen unterscheiden. Zahlungsinteressen betreffen die Steuerung und Abwicklung von Zahlungsströmen. Wenn die Höhe von Zahlungen an bestimmte, durch Rechnungslegung zu ermittelnde Größen geknüpft ist, wird üblicherweise von Zahlungsbemessungsinteressen gesprochen.12 Aufgrund auftretender Informationsverteilungs- und Zahlungskonflikte können die Informations- und Zahlungsinteressen der Rechnungslegungsinteressenten jeweils positiv oder negativ sein, je nachdem, ob übrigen Interessenten Informationen oder Zahlungen gewährt oder aber verwehrt werden sollen.13 Da zum Teil Wechselbeziehungen zwischen Informationsvermittlung und Rechtsfolgenfixierung bestehen,14 werden im Folgenden die Informations- und Zahlungsinteressen gemeinsam dargestellt.

b) Interessen der Anteilseigner Die Anteilseigner haben zum einen über die Verwendung ihres Kapitals zu disponieren. Zum anderen sind sie in Abhängigkeit ihrer Kompetenzen – wie dargestellt – zur Mitgestaltung und Überwachung der Geschäftsführung, einschließlich der Festlegung spezifischer Rechtsfolgen, berechtigt oder verpflichtet. Um solche Interesse wahrende Entscheidungen treffen zu können, benötigen sie Informationen. Neben diesen Informationsinteressen haben die Anteilseigner wie dargelegt Zahlungsbemessungsinteressen:

___________ 10

Vgl. Richter, R./Furubotn, E. G. (2003), S. 3 ff.; Wüstemann, J. (2002), S. 13 ff. Zur Definition des Begriffes „Information“ siehe bereits Abschnitt C.I. der vorliegenden Arbeit. 12 Vgl. Egner, H. (1974), S. 12. 13 Vgl. Egner, H. (1974), S. 11 f. 14 Vgl. Rückle, D./Klatte, V. (1989), S. 199. 11

I. Konkretisierung des informatorischen Eigner- und Gläubigerschutzes

151

(1) Anteilseigner von Unternehmen müssen über die Verwendung ihres Kapitals disponieren. Sie interessieren daher Informationen für die zielgerechte Entscheidung über die Begründung, Aufrechterhaltung oder Beendigung der Eigentümerschaft bzw. Unternehmensbeteiligung. Dafür benötigen sie – entsprechend dem Vorteilhaftigkeitskalkül einer dynamischen Wirtschaftlichkeitsrechnung etwa auf Basis der Kapitalwertmethode – v. a. Informationen über:15 • die Anschaffungsauszahlung für den Erwerb der Beteiligung, • die Höhe, zeitliche Verteilung und Sicherheit der künftigen Entnahmen bzw. Ausschüttungen auf das von ihnen in der Unternehmung investierte Kapital und • den Wert ihrer Beteiligung bei Verkauf der Beteiligung oder der gesamten Unternehmung. Der Wert der Kapitalbeteiligung wird wesentlich von den Nutzungen bestimmt, die der Anteilseigner aus der Kapitalanlage ziehen kann. Somit ist der Wert der Beteiligung – solange die Unternehmung fortgeführt wird – eine abhängige Variable der zu erwartenden Ausschüttungen bzw. Entnahmemöglichkeiten.16 Künftige Entnahme- oder Ausschüttungsströme wiederum sind nachhaltig lediglich dann möglich, wenn das Unternehmen Gewinne erzielt. „Die Hauptkomponente künftiger Zahlungen liegt in den künftigen Einnahmen der Unternehmung aus dem regulären Geschäftsverkehr.“17 Deshalb besteht für Anteilseigner ein vorrangiges Interesse an Informationen über die „Erfolgskraft“ des Unternehmens, d. h. dessen Fähigkeit, künftig Gewinne zu erwirtschaften.18 Da die Fähigkeit der Unternehmung, Gewinne zu erzielen, ihrerseits abhängig ist von der Entwicklung auf ihren Absatzmärkten, ihren Kapitalbeschaffungsmöglichkeiten, der Kompetenz des Managements etc., erstreckt sich das Informationsinteresse auch auf diese Einflussgrößen. Letztere sind jedoch traditionell lediglich am Rande Gegenstand der Rechnungslegung, sie werden allenfalls und

___________ 15

Vgl. Leffson, U. (1984), Tz. 32; Egner, H. (1974), S. 30 ff. Vgl. Leffson, U. (1984), Tz. 32 ff.; Förster, G. W. (1999), S. 96; Brandl, R. (1987), S. 259. 17 Leffson, U. (1987), S. 74. 18 Vgl. Klatte V. (1991), S. 133, dieser spricht allerdings von „Ertragskraft“; Rückle, D. (1986-b), S. 174; Leffson, U. (1987), S. 70 f. und S. 74; Leffson, U. (1984), Tz. 33 und Tz. 63; Egner, H. (1974), S. 32. Förster hingegen stellt auf die Abschätzung der künftig erwarteten Einzahlungsüberschüsse der Unternehmung ab. Vgl. Förster, G. W. (1999), S. 96. 16

152

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

auch nur teilweise in den Berichten der Geschäftsführung erörtert.19 Somit richtet sich das Informationsinteresse ergänzend auf Hilfsgrößen wie den Periodenerfolg einschließlich seiner planmäßigen und außerplanmäßigen positiven und negativen Komponenten.20 In ihrer Eigenschaft als Risikoträger und beim Wunsch nach dem Erhalt ihrer Einkommensquelle21 sind die Eigner ferner an Informationen über die Existenzfähigkeit des Unternehmens bzw. Existenz bedrohende Sachverhalte interessiert.22 Gesetzliche Insolvenztatbestände sind – wie bereits aufgeführt – die (drohende) Zahlungsunfähigkeit (vgl. §§ 17, 18 InsO)23 sowie bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung alternativ auch die Überschuldung (vgl. § 19 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 InsO). Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO). Zahlungsfähigkeit, also Liquidität, ist – neben dem Anfangsbestand an liquiden Mitteln – eine Funktion des gesamten Ein- und Auszahlungsstroms.24 Eine Unternehmung ist liquide, wenn Einzahlungs- und Auszahlungsstrom so koordiniert sind, dass die Unternehmung stets allen fälligen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann.25 Die Eigner benötigen deshalb grundsätzlich Informationen über das Verhältnis von vorhandenen und fristgerecht beschaffbaren liquiden Mitteln zu den (kurzfristig) fälligen Verpflichtungen.26 Für unmittelbar verwertbare Angaben über künftige Zahlungsströme müsste zweckmäßigerweise ein Finanzplan erstellt werden.27 Die Eignung eines Finanzplanes als prognoseorientiertes Rechenwerk zur Begrün___________ 19 So im Rahmen des Prognose- und zum Teil auch des Wirtschaftsberichts als Bestandteile des Lageberichts bei Kapital- und diesen gleichgestellten Gesellschaften (vgl. §§ 289 Abs. 2 Nr. 2 und 289 Abs. 1 HGB). 20 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 74; Klatte, V. (1991), S. 134 f. 21 Leffson weist darauf hin, dass der Unternehmenserhalt kein Primärziel der Anteilseigner ist. Ihr primäres Ziel ist vielmehr die Erzielung eines möglichst hohen Einkommensstroms. Diesen können sie einerseits durch die Fortführung der Unternehmung als Einkommensquelle oder andererseits durch die Herausnahme des Kapitals durch Verkauf ihrer Anteile oder Liquidierung der Unternehmung erzielen. Solange sich die Eigner für die Fortführung der Unternehmung entschieden haben, ist der Unternehmenserhalt Bestandteil der Zielvorschrift Einkommenserzielung. Vgl. Leffson, U. (1984), Tz. 33. 22 Vgl. Klatte, V. (1991), S. 134. 23 Der Insolvenztatbestand der Zahlungsunfähigkeit gilt bei allen Schuldnern, d. h. gleichermaßen bei natürlichen wie juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit. Stellt der Schuldner den Insolvenzantrag, so genügt sogar drohende Zahlungsunfähigkeit (vgl. § 18 Abs. 1 InsO). 24 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 73. 25 Vgl. Leffson, U. (1984), Tz. 43 ff. 26 Vgl. Klatte, V. (1991), S. 134. 27 Vgl. Moxter, A. (1984), S. 151; Rammert, S. (2004), S. 590.

I. Konkretisierung des informatorischen Eigner- und Gläubigerschutzes

153

dung von Rechtsfolgen wird jedoch von einem Großteil der Literatur mit dem Argument bezweifelt, dass der Aufsteller über zu große Ermessensspielräume verfügt bzw. grundlegenden Objektivierungsanforderungen dadurch nicht genügt wird.28 Bilanzen informieren hingegen lediglich über einen Teil der künftigen Einund Auszahlungen. Die in der Bilanz ausgewiesenen kurzfristigen Forderungen und Verbindlichkeiten sind bis zum Zeitpunkt der Vorlage des Jahresabschlusses in der Regel erloschen und neue entstanden.29 Ferner sind aus der Bilanz nicht alle künftigen Zahlungsverpflichtungen ersichtlich, so sind in ihr z. B. keine Hinweise bezüglich Zahlungen für Gehälter, Miete etc. enthalten.30 Ebenso wenig sind die künftigen Einzahlungen aus den zu erstellenden Unternehmensleistungen ersichtlich. Auch die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben im Anhang können diese „Lücken“ nicht gänzlich schließen. Zunächst unbedeutend erscheinen in diesem Zusammenhang Informationen über die Fähigkeit des Unternehmens künftig Gewinne zu erwirtschaften. Auch hier gilt jedoch, dass eine Unternehmung tendenziell umso leichter in der Lage sein wird, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, je höhere Gewinne sie in der Zukunft erzielt. Ferner lassen sich bei nachhaltiger Gewinnerzielung gegebenenfalls auch eher neue Kapitalgeber finden. Somit sind die „Erfolgskraft“ und deren Komponenten auch in diesem Zusammenhang zumindest indirekt von Interesse.31 Überschuldung liegt gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO vor, „wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt.“32 Nach Auffassung der älteren, auch so genannten Zerschlagungsstatik33 wurde ___________ 28

Vgl. Rammert, S. (2004), S. 590; Pellens, B./Jödicke, D./Richard, M. (2005), S. 1395. 29 Außerdem sind die in der Bilanz ausgewiesenen Vermögensgegenstände nicht selbst Liquidität, sondern besitzen lediglich einen Liquidisierbarkeitswert. Um den Einfluss der Forderungen und Verbindlichkeiten auf die künftige Liquidität schätzen zu können, bedarf es einer weitgehenden zeitlichen Gliederung dieser Bilanzpositionen. 30 Nur Unternehmens-Insider, d. h. solche Personen, die neben dem Jahresabschluss auch noch auf weitere Informationen zugreifen können, welche der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind, werden deshalb zuverlässige Angaben über die voraussichtlichen künftigen Ein- und Auszahlungen besitzen bzw. einem Finanzplan entnehmen können. Vgl. Leffson, U. (1984), Tz. 49 ff., insbesondere auch Tz. 56; vgl. auch Leffson, U. (1987), S. 72 ff. 31 So im Rahmen der Gläubigerinteressen vgl. Leffson, U. (1987), S. 74; Klatte, V. (1991), S. 136. 32 Das Vermögen in diesem Sinne ist allerdings anders als nach den Vorschriften des HGB bzw. der GoB zu ermitteln. Grund dieser Verschärfung ist die beschränkte Haftung der Kapitalgesellschaft; vgl. Foerste, U. (2004), S. 59. 33 Den Begriff der Zerschlagungsstatik für diese Ausprägung der statischen Bilanzauffassung verwenden etwa Moxter, A. (1984), S. 6; Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S.

154

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

unterstellt, dass die Eigner sich deswegen zur Beurteilung der Schuldendeckungsfähigkeit für Liquidationswerte interessieren.34 Liquidationswerte sind bei einer Unternehmung, die auf unbestimmte Zeit fortgeführt werden soll, jedoch nicht vorhersehbare Größen. Im Voraus sind weder der Liquidationszeitpunkt noch die Gründe für die Auflösung etc. bekannt. Von diesen, die Liquidationssituation bestimmenden Sachverhalten hängt es jedoch ab, ob die Unternehmung als Ganzes verkauft und fortgeführt oder zerschlagen wird. Liquidationswerte sind folglich unvorhersehbare Größen. Deshalb scheint ein Rückgriff auf Hilfsgrößen zweckmäßig zu sein. Hierbei interessieren Informationen, die eine möglichst gute und rechtzeitige Insolvenzvorhersage erlauben.35 Dabei können als Hilfsgrößen auch Informationen darüber hilfreich sein, ob und gegebenenfalls wieweit die dem Unternehmen zur Verfügung gestellten Eigenmittel aufgezehrt sind.36 Ferner benötigen die Anteilseigner – abhängig von ihren organisationsrechtlich oder faktisch begründeten Kompetenzen – Informationen zur Mitgestaltung oder Überwachung der Geschäftsführung (z. B. Entlastung der Geschäftsführung, Feststellung der Rechnungsabschlüsse, Ergebnisverwendungsentscheidung).37 Hierfür sind grundsätzlich Informationen über vorhandene sowie zukünftige Erfolgspotenziale des Unternehmens bzw. über die Leistungen oder Fehlleistungen der Geschäftsführung erforderlich. Insbesondere zur Überwachung der Geschäftsleitung können erwirtschaftete Periodengewinne der Vergangenheit einschließlich deren Erfolgskomponenten als Ausgangsgrundlage für Soll-Gewinne bzw. einen Soll-Ist-Vergleich zur Beurteilung der Zweckmäßigkeit von Geschäftsführungsmaßnahmen dienen.38 (2) Neben den Informationsinteressen haben die Anteilseigner Zahlungsinteressen. Abgesehen von erfolgsunabhängigen Zahlungen (wie bestimmten Ent___________ (2005), S. 13. Näheres zu den statischen Bilanzauffassungen siehe in Abschnitt D.III.1.a) der vorliegenden Arbeit. 34 Vgl. ROHG, U. vom 03.12.1873 – Rep. 934/73, ROHGE Bd. 12, S. 16 ff.; dabei wird jedoch auf S. 19 festgestellt, dass „davon ausgegangen werden muß, daß in Wirklichkeit nicht die Liquidation, sondern vielmehr der Fortbestand des Geschäftes beabsichtigt wird und daß daher bei der Ermittlung und Feststellung der einzelnen Werte derjenige Einfluß unberücksichtigt zu lassen ist, welchen eine Liquidation auf dieselben ausüben würde.“ 35 Vgl. Leffson, U. (1984), Tz. 34; Leffson, U. (1987), S. 76 f. 36 Diese Informationen sind insbesondere für Einzelkaufleute und Gesellschafter von typischen Personengesellschaften aufgrund ihrer unbeschränkten Haftung von Interesse. Vgl. Rückle, D./Klatte, V. (1986), S. 119. 37 Vgl. Federmann, R. (2000), S. 41; Klatte, V. (1991), S. 132 f.; Förster, G. W. (1999), S. 95. 38 Vgl. Moxter, A. (1982), S. 220.

I. Konkretisierung des informatorischen Eigner- und Gläubigerschutzes

155

nahmen oder Einlagenrückgewähr) setzen Ausschüttungen grundsätzlich Gewinne voraus. Hat ein Unternehmen mehrere Eigner, so ist eine Gewinnverteilung, d. h. eine Zuweisung des Gewinnes an die Gewinnberechtigten erforderlich. Die Rechnungslegung bestimmt in dem Zusammenhang die Gewinnhöhe und damit auch die Höhe der Gewinnzuweisung. Dabei können Interessenkonflikte hinsichtlich der Höhe der Gewinnzuweisung entstehen:39 • wenn die Beteiligten unterschiedliche Ausschüttungsinteressen haben, • wenn die Beteiligten in unterschiedlichem Verhältnis am Gewinn und am Vermögen teilhaben, • wenn sich der Gewinnverteilungsschlüssel während des Bestehens der Gesellschaft ändert, z. B. im Zuge des Eintrittes neuer Gesellschafter, oder • wenn der Schlüssel für die Verteilung des Liquidationsgewinnes vom Schlüssel für die Verteilung des laufenden Gewinnes abweicht. Der Nutzen gegenwärtiger Ausschüttungen wird von den Anteilseignern ebenso uneinheitlich beurteilt wie der Nutzen, den künftige, aus einem gegenwärtigen Ausschüttungsverzicht resultierende Mehrausschüttungen bringen.40 So ist zum Beispiel davon auszugehen, dass „Unternehmergesellschafter“ tendenziell stärker an einer Gewinneinbehaltung und Reinvestition im Unternehmen interessiert sind als „Anlagegesellschafter“.41 Denkbar sind solche Differenzen auch zwischen Mehrheits- und Minderheitsgesellschaftern beispielsweise bei einer GmbH. Die Gesellschaftermehrheit kann mit Hilfe ihrer Stimmenmehrheit in der Gesellschafterversammlung – aufgrund der Weisungsbefugnis der Gesellschafterversammlung gegenüber der Geschäftsführung – das Gewinnbezugsrecht der Minderheit durch Einstellung von Beträgen in die Gewinnrücklagen, aber auch durch bilanzpolitische oder Sachverhaltsgestaltungen unterlaufen. Häufig wird die Gesellschaftermehrheit an einer Bindung von Gewinnen in der Gesellschaft interessiert sein, um ihren unternehmerischen Handlungsspielraum auszuweiten, während hingegen die Minderheit gegebenenfalls Ausschüttungen bevorzugt. Letzteres kann der Fall sein, da die Minderheitsgesellschafter befürchten müssen, die von ihrem Gewinnbezugsrecht erfassten, aber in der Gesellschaft thesaurierten Gewinne bei einem Verkauf der Anteile ___________ 39

Vgl. im Folgenden Moxter, A. (1984), S. 98; Förster, G. W. (1999), S. 115 f. m. w. N. 40 Vgl. Moxter, A. (1984), S. 98. 41 Vgl. Klatte, V. (1991), S. 135. Zu den Begriffen Unternehmer- und Anlagegesellschafter siehe die Ausführungen in Abschnitt C.III.1. und Abschnitt C.III.2.b) der vorliegenden Arbeit.

156

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

im Kaufpreis nicht realisieren zu können oder wenn sie Gewinnausschüttungen für private bzw. Konsumzwecke benötigen.42 Zur Lösung dieser Ausschüttungsinteressenkonflikte sichern die Gesetze sowie zum Teil die Gesellschaftsverträge den Eignern gewisse Mindestausschüttungs- bzw. -entnahmeansprüche zu. Dadurch soll das „Aushungern“ von Minderheiten verhindert werden.43 Aufgrund einer asymmetrischen Entscheidungsbefugnis entsteht also grundsätzlich – im Vergleich zu einer symmetrischen – zusätzlicher Regelungsbedarf sowohl auf Ebene des Gesellschaftsrechts als auch hinsichtlich der Anforderungen, die an die handelsrechtliche Gewinnermittlung zu stellen sind.44 Einer „fairen“ Erfolgszurechnung kommt ferner auch unabhängig von Gewinnausschüttungen oder -entnahmen eine Bedeutung für die Konkretisierung der Vermögensrechte i. e. S.45 zu. Diesbezüglich können immer dann Interessenkonflikte entstehen, wenn die Gesellschafter in einem ungleichen Verhältnis an Gewinn und Verlust partizipieren, wenn es also Gesellschafter oder andere Gewinnberechtigte gibt, die stärker am Gewinn als am Vermögen oder möglicherweise auch ausschließlich am Gewinn beteiligt sind.46 Dies ist z. B. bei einer typischen stillen Beteiligung der Fall, bei welcher vereinbart ist, dass der stille Gesellschafter ausschließlich am Gewinn, nicht aber am Vermögen beteiligt ist.47 Ebenfalls, allerdings in eingeschränktem Masse in Betracht kommen die Fälle, in denen die Gesellschafter aufgrund einer Buchwertklausel bei einem vorzeitigen Ausscheiden aus der Gesellschaft lediglich mit dem Buchwert ihrer Kapitalkonten abgefunden werden, also an den stillen Rücklagen nicht mehr teilhaben.48 Hier wirkt sich eine Gewinnverkürzung einseitig zu Lasten ___________ 42

Vgl. Förster, G. W. (1999), S. 119 f. Vgl. Moxter, A. (1984), S. 98; siehe hierzu auch Abschnitt E.II.1.b) der vorliegenden Arbeit. 44 Vgl. Fladung, H.-D. (2000), S. 44. 45 Zu den einzelnen Elementen des Begriffes „Vermögensrechte“ siehe Abschnitt C.III.1. der vorliegenden Arbeit. 46 Vgl. Moxter, A. (1984), S. 101. 47 Gewinnverkürzungen benachteiligen somit den stillen Gesellschafter zugunsten des Geschäftsinhabers, da er aufgrund eines zu niedrig ermittelten Gewinnes einen geringeren jährlichen Gewinnanteil zugewiesen bekommt und bei Vertragsbeendigung gleichwohl lediglich seine Einlage (und nicht etwa mehr) zurückerhält. Dies verdeutlicht die Bedeutung des zeitlichen Anfalls von Gewinnen. Vgl. zu diesem Beispiel ausführlicher Moxter, A. (1984), S. 101 f. 48 Vgl. Rückle, D. (1997), S. 448 f.; Förster, G. W. (1999), S. 116. Anders als früher werden solche Buchwertklauseln von der Rechtsprechung heute nicht mehr als grundsätzlich zulässig erachtet. Sie werden vielmehr bei erheblicher Abweichung zwischen Buchwert und vollem wirtschaftlichem Wert wegen unzumutbarer Erschwerung für 43

I. Konkretisierung des informatorischen Eigner- und Gläubigerschutzes

157

des stärker oder ausschließlich am Gewinn beteiligten Gesellschafters aus. In solchen Fällen gilt es deshalb, Gewinnverkürzungen unabhängig vom Mindestausschüttungsgebot zu verhindern. Dasselbe gilt in den Fällen einer Änderung des Gewinnverteilungsschlüssels im Zeitablauf. Hier werden diejenigen Gesellschafter, deren Anteil am Jahreserfolg im Zeitablauf zunimmt, daran interessiert sein, positive Erfolgsbeiträge erst dann entstehen zu lassen, wenn der eigene Anteil am Jahreserfolg gestiegen ist. Dagegen werden die Interessen derjenigen, deren Anteil am Jahreserfolg im Zeitablauf abnimmt, umgekehrt liegen.49 Des Weiteren können sich – insbesondere bei Personenhandelsgesellschaften – Interessendivergenzen bezüglich der Gewinnverteilung bzw. -ausschüttung auch aufgrund unterschiedlichen Haftungsrisikos der einzelnen Gesellschafter ergeben. Dies ist offensichtlich in der KG hinsichtlich der persönlich unbeschränkt haftenden Komplementäre einerseits und den ausschließlich mit ihrer Einlage haftenden Kommanditisten andererseits der Fall. Periodenübergreifende Erfolgsverlagerungen können zu Konflikten führen. So kann eine „Überbewertung“ der Aktiva, welche zu einer „verfrühten“ Gewinnentnahme der Kommanditisten oder einer Gutschrift auf deren Darlehenskonto führt, zur Folge haben, dass der Komplementär in die Haftung gerät. Umgekehrt kann sich ein „verspäteter“ Gewinnausweis für die Kommanditisten nachteilig auswirken, da die Gefahr besteht, dass die dadurch gebundenen Mittel über die vereinbarte Haftsumme hinaus zur Abdeckung später anfallender Verluste eingesetzt werden müssen. Für die Komplementäre hingegen bewirkt die Bindung von Mitteln in der Unternehmung, dass die Gefahr der persönlichen Inanspruchnahme für Verbindlichkeiten der Gesellschaft verringert wird.50 Mögliche Konflikte zwischen einzelnen Gesellschaftern aufgrund unterschiedlichen Haftungsrisikos sind jedoch nicht beschränkt auf das Verhältnis zwischen Komplementären und Kommanditisten einer KG. Sie können vielmehr auch im Verhältnis persönlich unbeschränkt haftender Gesellschafter untereinander immer dann auftreten, wenn einzelne von ihnen aufgrund ihrer Vermögensposition voraussichtlich nicht in der Lage sind, im Fall persönlicher Inanspruchnahme die anteilig auf sie entfallenden Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu decken.51

___________ grundsätzlich unzulässig angesehen. Vgl. Hopt, K. J., in: Baumbach/Hopt (2006), § 131 Rn. 64 m. w. N. 49 Vgl. Förster, G. W. (1999), S. 116. 50 Vgl. Förster, G. W. (1999), S. 117 f. 51 Vgl. hierzu etwas ausführlicher Förster, G. W. (1999), S. 118 f.

158

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

c) Interessen der Gläubiger (1) Generelle Gläubigerinteressen Auch hier lassen sich wiederum Informations- und Zahlungsinteressen unterscheiden: (1) Gläubiger aus Darlehens-, Lieferungs- oder Leistungsverträgen erwarten, dass der Schuldner seinen jeweiligen Zahlungsverpflichtungen fristgerecht nachkommt. Sie sind deshalb regelmäßig an Informationen über die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens, an der zeitlichen Verteilung, Unsicherheit und Breite des zukünftigen Zahlungsstromes interessiert.52 Wie bereits im Rahmen der Eignerinteressen dargelegt, lässt sich die Liquidität der Unternehmung zu den in der Zukunft liegenden Schuldentilgungsterminen der Bilanz jedoch lediglich bedingt entnehmen. Unternehmens-Outsider müssen statt der Zielgröße Liquidität Hilfsgrößen suchen.53 Eine Unternehmung wird ihre Zahlungsverpflichtungen tendenziell umso leichter erfüllen können, je höhere Gewinne sie erwirtschaftet. Bei nachhaltiger Gewinnerzielung lassen sich in der Regel auch leichter neue Kredit- bzw. Kapitalgeber oder Käufer finden. Folglich richtet sich das Interesse der Gläubiger hilfsweise auch auf den Periodenerfolg einschließlich seiner planmäßigen und außerplanmäßigen Komponenten, also auf die Erfolgskraft des Unternehmens.54 Diese Informationen benötigen sie, um über die Aufnahme, Erweiterung oder Beendigung bzw. die Konditionen ihrer Geschäftsverbindung mit dem Unternehmen zu entscheiden. Gläubiger gewinnabhängiger Vergütungen (z. B. im Fall partiarischer Darlehen oder gewinnabhängiger Bezüge der Arbeitnehmer) haben außerdem ein unmittelbares Interesse an Informationen über gegenwärtige wie zukünftige Periodengewinne.55 Arbeitnehmer stellen der Unternehmung ihre Arbeitskraft gegen ein vereinbartes Entgelt zur Verfügung. Als wichtigste unternehmensbezogene Interessensbereiche lassen sich die Arbeitsplatzsicherheit, Einkommenssicherung und Gestaltung der Arbeitsinhalte und -bedingungen nennen. Informationen über Arbeitsinhalte und -bedingungen gehören jedoch nicht zum Gegenstand der gesetzlichen Rechnungslegung. Das Informationsinteresse der Arbeitnehmer bzw. deren Vertreter betrifft somit primär Einflussgrößen der Unternehmenserhaltung. Mittelbar sind sie folglich ebenfalls an Informationen über die Zahlungs___________ 52

Vgl. Franken, L. (2001), S. 63; Kahle, H. (2002), S. 126. Beide sprechen diesbezüglich von „Prognoseinformationen“. 53 Vgl. Leffson, U. (1984), Tz. 55 f. 54 Vgl. Leffson, U. (1984), Tz. 37; Klatte, V. (1991), S. 136. 55 Vgl. Klatte, V. (1991), S. 136.

I. Konkretisierung des informatorischen Eigner- und Gläubigerschutzes

159

fähigkeit sowie die Erfolgskraft des Unternehmens interessiert.56 Aus den Informationsinteressen der Arbeitnehmer resultieren somit im Vergleich zu den übrigen Gläubigern keine spezifischen Analysezwecke.57 Die Gläubiger sind ferner am Bestand und der Veränderung des Haftungsbzw. Schuldendeckungspotenzials interessiert.58 Wie dargestellt ist das Schuldendeckungspotenzial bzw. der Liquidationswert zum Zeitpunkt einer möglichen Insolvenz jedoch eine in der Regel nicht vorhersehbare Größe. Die Bilanz kann lediglich eingeschränkt Informationen über die Schuldendeckungsmöglichkeiten bei Unternehmensfortführung geben.59 Deshalb richtet sich das Interesse der Gläubiger ersatzweise auf Informationen über die gegenwärtige Höhe und Zusammensetzung des Vermögens und der Schulden sowie auf bevorrechtigte Zugriffsrechte anderer Gläubiger.60 So dienen bestimmte Komponenten des Vermögens und des (Eigen- und Fremd-)Kapitals den Gläubigern häufig zur Bildung verschiedener Kennzahlen (wie z. B. zur Vermögens- und Kapitalstruktur, zur Liquidität, zur Rentabilität etc.).61 Durch die Eigenkapitalvereinbarung des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht (Basel II) gilt es solche Kriterien, wie beispielsweise die Kapitalstruktur oder die Fähigkeit, Erfolge zu erwirtschaften, im Rahmen des Ratings für Kreditnehmer zu beachten.62 Empirischen Untersuchungen zufolge können v. a. mit Hilfe „moderner“ Verfahren der Bilanzanalyse (wie etwa die multivariate Diskriminanzanalyse oder die Regressionsanalyse) zumindest nützliche Anhaltspunkte zur Früherkennung von Unternehmenskrisen gewonnen werden.63 Da der Liquidationserlös wesentlich davon mitbestimmt wird, ob die Unternehmung fortgeführt wird, und dies wiederum entscheidend von den künftigen Gewinnchancen der Unternehmung abhängt, führt die Beurteilung des Haftungs- bzw. Schuldendeckungspotenzials ferner auch indirekt zurück zur Beurteilung der Fähigkeit, Gewinne zu erwirtschaften.64 ___________ 56

Vgl. Klatte, V. (1991), S. 140. So auch Leffson, U. (1984), Tz. 40. 58 Vgl. Leffson, U. (1984), Tz. 38. 59 Vgl. Moxter, A. (1984), S. 88 f.; Kahle, H. (2002), S. 126. 60 Vgl. Klatte, V. (1991), S. 137; Kahle, H. (2002), S. 127. Kahle ergänzt die relevanten Zusatzinformationen zum Jahresabschluss noch um schwebende Verträge sowie Produktions- und Absatzrisiken. 61 Vgl. etwa Coenenberg, A. G. (2003), S. 948 ff., insbesondere S. 956, S. 965; IKB (2002), S. 13 ff. 62 Vgl. Ewert, R./Szczesny, A. (2002), S. 576 f. m. w. N.; vgl. auch Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (2004). 63 Vgl. Baetge, J./Stellbrink, J. (2005), S. 213 ff. m. w. N.; Baetge, J./Kruse, A./ Uthoff, C. (1996), S. 276 ff. 64 Vgl. Leffson, U. (1984), Tz. 38. 57

160

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

Gläubiger (insbesondere die Hausbanken) haben zudem auch an der Steuerbilanz ein gewisses Interesse. Denn zum einen ermöglicht der Einblick in die Steuerbilanz aufgrund der strengeren steuerlichen Rechnungslegungsvorschriften sowie der zumindest teilweisen Überwachung durch die Finanzverwaltung eine zuverlässigere Befriedigung ihrer Informationsbedürfnisse als ein – gegebenenfalls ungeprüfter65 – handelsbilanzieller Abschluss. Zum anderen bedeutet der Mittelabfluss an den Fiskus aus ihrer Sicht eine potenzielle Gefahr für ihre Schuldentilgungsinteressen.66 (2) In der Regel stehen Gläubigern gewinnunabhängige, vertraglich fixierte Zahlungsansprüche (z. B. auf Zins-, Tilgungs-, Kaufpreiszahlungen etc.) zu. Deshalb sind sie, vordergründig betrachtet, nicht vom Zahlungsinteressenkonflikt insbesondere gewinnanteilsberechtigter Gruppen betroffen. Sie haben jedoch ein Interesse daran, dass ihre Zahlungsansprüche nicht durch übermäßige Zahlungen an andere Gruppen (v. a. durch Entnahmen oder Gewinnausschüttungen, aber auch durch Zahlungen an den Fiskus) gefährdet werden.67 Wie im Rahmen der Ausprägungen möglicher Eigner-Gläubiger-Konflikte in Abschnitt C.III.2.c) dargestellt, können Entnahmen auch bei Gesellschaftsformen mit voll haftenden Anteilseignern für die Gläubiger eine gewisse Rolle spielen. Die Gläubigeransprüche richten sich bei unbeschränkter Haftung zwar auf die gesamte Vermögensposition des Schuldners, Entnahmen aus der betrieblichen Sphäre werden jedoch nicht nur zur Vermögensbildung in der Privatsphäre verwendet, sondern auch für Konsumausgaben oder etwa Schenkungen an Angehörige.68 Im Falle einer nichtinvestiven Verwendung des verlagerten Kapitals wird die potenzielle Haftungsmasse verringert. So ist davon auszugehen, dass die Gläubiger speziell für den Fall einer – rechtlichen oder faktischen – Haftungsbeschränkung der Schuldnerunternehmen an einer Ausschüttungssperre interessiert sind. In diesem Zusammenhang wird auch von einem negativen Zahlungsbemessungsinteresse der Gläubiger gesprochen.69 Die Zahlungsinteressen der Arbeitnehmer sind auf die regelmäßige und fristgerechte Zahlung der Arbeitsentgelte sowie sonstiger Leistungen wie Betriebspensionen etc. gerichtet. Daneben bestehen im Hinblick auf Arbeitsplatzund Einkommenssicherung grundsätzlich auch negative Zahlungsbemessungs___________ 65 Siehe hierzu im Einzelnen die Ausführungen in Abschnitt D.II.1.a) der vorliegenden Arbeit. 66 Vgl. Federmann, R. (2000), S. 43. Bei Kapitalgesellschaften sind die Unternehmenssteuern allerdings auch dem Jahresabschluss zu entnehmen. 67 Vgl. Klatte, V. (1991), S. 137; Fladung, H.-D. (2000), S. 30; Schneider, D. (1997a), S. 110 f. 68 Vgl. Pannen, M. (2000), S. 123. 69 Vgl. Pannen, M. (2000), S. 122 f.

I. Konkretisierung des informatorischen Eigner- und Gläubigerschutzes

161

interessen gegenüber allen anderen Gruppen: Den Bestand des Unternehmens gefährdende Zahlungen sollen vermieden werden.70 Deren konkrete Ausrichtung kann in Abhängigkeit der jeweiligen Gegebenheiten differieren.71

(2) Bedeutung von Basel II hinsichtlich Fremdkapitalverhältnissen Wie eingangs bereits angesprochen, wird teilweise die These vertreten, dass mit Basel II für die Unternehmen ein mehr oder minder starker Zwang zur Bilanzierung nach IFRS einhergehen könnte. Deshalb soll an dieser Stelle kurz darauf eingegangen werden. Durch die Vorschriften von Basel II finden Rechnungslegungsinformationen Eingang in die Kreditkosten: Nach Basel II soll die Verpflichtung der Kreditinstitute zur Eigenkapitalunterlegung an der Bonität ihrer Schuldner ausgerichtet werden. Die Ermittlung des Bonitäts- bzw. Risikogewichtes zur Quantifizierung des Ausfallrisikos erfolgt auf Basis des Ratings. Das Rating beeinflusst somit die Kreditkonditionengestaltung, indem den verschiedenen Ratingeinstufungen bestimmte Risikogewichte zugeordnet werden. Solche Ratings setzen bestimmte Rechnungslegungsinformationen, sei es in Form bestimmter Kennzahlen oder Aussagen über die Lage und Entwicklung des Unternehmens, voraus. Dadurch beeinflussen die aus der Rechnungslegung abgeleiteten Informationen die Finanzierungskosten der Unternehmen.72 Festzuhalten ist zunächst, dass Basel II kein bestimmtes Rechnungslegungssystem fordert, sondern ebenso mit einer Rechnungslegung nach HGB vereinbar ist.73 Es wird jedoch zum Teil vermutet, dass eine Rechnungslegung nach IFRS vorteilhaft sei, da sie tendenziell zu einem höheren Eigenkapitalausweis führe74 und auch von den Banken zunehmend zugrunde gelegt würde.75 Die Präferierung eines Rechnungslegungssystems könnte sich dann ergeben, wenn die vermittelten Informationen für Ratingzwecke nachweislich einen höheren Wert hätten, als dies bei einem anderen Rechnungslegungssystem der ___________ 70

Vgl. Klatte, V. (1991), S. 140; Fladung, H.-D. (2000), S. 32. Auf die Frage, ob solche, gegebenenfalls von denen der übrigen Gläubiger divergierenden Zahlungsinteressen der Arbeitnehmer zu berücksichtigen sind, wird im Rahmen der Anspruchsbemessungszwecke in Abschnitt E.II.2. eingegangen. 72 Vgl. Küting, K./Ranker, D./Wohlgemuth, F. (2004), S. 93 ff., S. 97. 73 Vgl. auch Rückle, D. (2007), S. 237; Küting, K./Ranker, D./Wohlgemuth, F. (2004), S. 100. 74 Vgl. Merkt, H. (2004), S. 308; Jebens, C. T. (2003), S. 2345 ff. 75 Vgl. Peemöller, V. H./Spanier, G./Weller, H. (2002), S. 1800 f.; Krumnow, J. (2002), S. 420 f.; Keßler, M. (2003), S. 104 f. 71

162

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

Fall ist. Hierzu müsste jedoch ein objektiv überprüfbarer Maßstab für die Qualität einer Information für die Zwecke des Ratings gegeben sein. Diesbezüglich ist bislang jedoch kein Nachweis gelungen. Hinsichtlich der Detailliertheit der Informationen ist für Zwecke des Ratings ferner zu berücksichtigen, dass Informationen, die sich etwa aus dem Anhang eines Jahresabschlusses ergeben, grundsätzlich auch während des Ratingprozesses beim Unternehmen erfragt werden können.76 Bei einem funktionierenden Ratingverfahren ist davon auszugehen, dass die Kreditinstitute die Jahresabschlussdaten nicht ohne bilanzanalytische Bereinigungen übernehmen. Vielmehr ist zu erwarten, dass die Kreditinstitute für Zwecke des Ratings IFRS-Werte in Richtung eines HGB-Abschlusses bereinigen. Umgekehrt können Unternehmen bei einer Rechnungslegung nach HGB den Banken zusätzliche Informationen geben, welche sich einer Auswertungsroutine auf Basis der IFRS annähern.77 Hinzu kommt, dass die Baseler Regelungen unter bestimmten Voraussetzungen Begünstigungen für Klein- und Mittelbetriebe gewähren, wonach die Unternehmen einer pauschalierten oder einer in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße gegebenenfalls abgesenkten Risikogewichtung unterliegen. In diesen Fällen kommen unmittelbare Auswirkungen einer Rechnungslegung auf die Kreditkonditionen nicht in Betracht.78 Eine ausführliche Darstellung, inwieweit mögliche Auswirkungen einer Rechnungslegungsumstellung von der Ausgestaltung der Ratingsysteme abhängen, erfolgt in Abschnitt D.III.3.a) bei der Betrachtung empirischer Untersuchungen. Schließlich kommen bei einer Rechnungslegung nach den IFRS in ihrer derzeitigen Fassung noch Bilanzierungsprobleme bezüglich des Eigenkapitalausweises von Personengesellschaften hinzu, welche statt zu einem verbesserten Eigenkapital zu massiven Eigenkapitalproblemen führen.79

___________ 76

Vgl. Küting, K./Ranker, D./Wohlgemuth, F. (2004), S. 97. Insbesondere die bei mittelständischen Unternehmen häufig anzutreffenden Hausbanken verfügen in der Regel über zahlreiche zusätzliche Einblicke in das Unternehmen außerhalb des Jahresabschlusses. 77 Vgl. Rückle, D. (2007), S. 237; Küting, K./Ranker, D./Wohlgemuth, F. (2004), S. 99 ff. Auf Ergebnisse empirischer Untersuchungen hierzu wird in Abschnitt D.III.3.a) der vorliegenden Arbeit eingegangen. 78 Hinsichtlich einer näheren Darstellung hierzu siehe etwa Küting, K./Ranker, D./Wohlgemuth, F. (2004), S. 100; Oehler, R. (2006), S. 113 ff. 79 Hierauf wird in Abschnitt D.III.1.e) der vorliegenden Arbeit näher eingegangen.

I. Konkretisierung des informatorischen Eigner- und Gläubigerschutzes

163

d) Interessen der Geschäftsführung Träger der Geschäftsführung können Eigentümer oder Fremdgeschäftsführer sein. Soweit die Geschäftsführer zugleich Eigentümer sind, ist auch auf die dargelegten Anteilseignerinteressen zu verweisen.80 (1) Mitglieder der Geschäftsführung benötigen Informationen über das Ergebnis des abgelaufenen Geschäftsjahres zur Kontrolle der Dispositionstätigkeit sowie unter Umständen als Grundlage für Entscheidungen, die das unternehmerische Handeln im kommenden Jahr betreffen.81 Zur Unterstützung von Führungsentscheidungen (wie z. B. Strategie-, Investitions-, Finanzierungs-, Beschaffungs-, Produktionsentscheidungen etc.) sind Informationen über vielfältige Komponenten der wirtschaftlichen Lage, wie etwa derzeitiges und künftiges Beschaffungs-, Produktions- und Absatzpotenzial etc., von Bedeutung. Darüber hinaus müssen die Möglichkeiten zur Nutzung dieses Potenzials bekannt sein. Diese Informationen sind jedoch nicht oder lediglich eingeschränkt im Rechnungswesen erfasst. Hierfür sind grundsätzlich allenfalls Teile des internen Rechnungswesens wie Kosten- und Leistungsrechnung etc. hilfreich.82 Daneben richtet sich das Informationsinteresse der Geschäftsführung aber auch auf die Rechnungslegung nach gesetzlichen Vorschriften.83 • So nimmt die Bedeutung der gesetzlichen Rechnungslegung als Dispositionsgrundlage im Falle eines unzureichend ausgestalteten internen Rechnungswesens zu. Ein wichtiges Instrument ist etwa der Vergleich des Ergebnisses der vergangenen Dispositionen der Geschäftsleitung mit den Planungen, um hieraus Anhaltspunkte für künftige Entscheidungen zu erlangen.84 • Ferner unterstützt Rechnungslegung die intersubjektiv nachprüfbare Erfassung von Geschäftsvorfällen. • Rechnungslegung kann als Instrument zur Beeinflussung von Informationswirkungen und Rechtsfolgen, insbesondere von Zahlungen, benutzt werden. Die Geschäftsführung kann diesbezüglich in mehrerlei Hinsicht ein Eigeninteresse an der Rechnungslegung haben, so z. B. der Wunsch der Geschäfts-

___________ 80

Vgl. Klatte, V. (1991), S. 138. Vgl. Leffson, U. (1987), S. 63; Egner, H. (1974), S. 26 f.; Förster, G. W. (1999), S. 86 f. 82 Vgl. Klatte, V. (1991), S. 138. 83 Vgl. Klatte, V. (1991), S. 138 f. 84 Zur Problematik einer Vergleichbarkeit von Gewinnen siehe insbesondere Moxter, A. (1982), S. 221 f.; Moxter, A. (1984), S. 143 ff. 81

164

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

führung nach Schaffung eines finanziellen Dispositionsrahmens.85 Auch muss die Geschäftsführung davon ausgehen, dass die Beurteilung ihrer Leistungen von anderen Gruppen, insbesondere auch von den Anteilseignern, u. a. auf der Grundlage der Rechnungslegungsinformationen erfolgt. Infolgedessen hat die Geschäftsführung zum einen positive Informationsinteressen bezüglich der finanziellen Größen (wie Gewinn oder Umsatz), anhand derer die Eigner die Leistungen der Geschäftsführung messen. Da die Geschäftsleitung Zugang zu allen unternehmensinternen Informationen hat, haben positive Informationsinteressen am Jahresabschluss allerdings lediglich eine geringe Bedeutung. Die Geschäftsführung wird vielmehr zum anderen auch negative Informationsinteressen haben: Aufgrund von Konkurrenz mit den Interessen anderer Gruppen ist zu vermuten, dass sie ein Interesse an der Verhinderung der Abgabe bestimmter Informationen sowie an der gezielten Abgabe von solchen Informationen hat, die beim Empfänger einen beabsichtigten Eindruck erwecken.86 (2) Die Mitglieder der Geschäftsführung haben aufgrund ihrer Ansprüche auf Tätigkeitsvergütungen und Aufwandsersatz Zahlungsinteressen analog zu denen der Gläubiger. Im Falle erfolgsabhängiger Vergütungen bestehen darüber hinaus auch positive Zahlungsbemessungsinteressen.87 Die negativen Zahlungsbemessungsinteressen ergeben sich bei der Geschäftsführung wie gesagt v. a. aus dem Wunsch, sich einen finanziellen Dispositionsrahmen zu verschaffen.88

e) Interessen der „interessierten“ Öffentlichkeit Zur Unterstützung einzel- und gesamtwirtschaftlicher Entscheidungen sind beispielsweise Abnehmer, Konkurrenten, öffentliche Stellen (wie z. B. die Kartellbehörde etc.) sowie sonstige Institutionen (wie z. B. Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände) an finanziellen sowie nicht-finanziellen Informationen von Unternehmen interessiert:89 Dabei interessieren sich Abnehmer zum einen v. a. für produkt- und verfahrensspezifische Informationen, für künftige Preisverhandlungen sind ferner In___________ 85 Jeweils mit Argumenten für und wider einen solchen finanziellen Dispositionsrahmen des Managements (so genannter negativer Zahlungsinteressen) vgl. Schildbach, T. (1986), S. 75 ff.; Kittner, W. A. (2001), S. 31; Federmann, R. (2000), S. 45. 86 Vgl. Kittner, W. A. (2001), S. 31; Egner, H. (1974), S. 25 ff. 87 Vgl. Klatte, V. (1991), S. 139. 88 Vgl. Kittner, W. A. (2001), S. 31. 89 Vgl. im Folgenden Klatte, V. (1991), S. 143.

I. Konkretisierung des informatorischen Eigner- und Gläubigerschutzes

165

formationen über die Kalkulationsgrundlagen des Lieferanten interessant.90 Sofern Abnehmer eine langfristige Geschäftsverbindung planen, sind sie zudem auch am Fortbestand der Bezugsquelle und damit mittelbar an Informationen über die Fähigkeit des Unternehmens, künftig Gewinne zu erwirtschaften, bzw. die wirtschaftliche Lage und deren Komponenten interessiert. Aktuelle oder potenzielle Konkurrenten haben zur Beurteilung der Wettbewerbsposition vielfältige Informationsinteressen. Um etwa den Mitbewerber „ausschalten“ zu können oder neue Marktchancen zu entdecken, interessieren neben produkt- und verfahrensspezifischen Informationen ebenfalls Informationen über die Erfolgskraft bzw. die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens und deren Komponenten. Auch Entscheidungsträger öffentlicher Stellen benötigen u. a. Informationen über die wirtschaftliche Lage von Unternehmen, um beispielsweise Entscheidungen hinsichtlich branchen- oder regionenspezifischer Strukturmaßnahmen treffen zu können. Institutionen wie Gewerkschaften oder Arbeitgeberverbände sind an Informationen über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens interessiert, um eine Entscheidungs- und Argumentationsgrundlage zur Durchsetzung der zu vertretenden Gruppeninteressen (z. B. beim Abschluss von Tarifverträgen) zu haben. Finanzielle und nicht-finanzielle Informationen über das Unternehmensgeschehen werden ferner auch für wissenschaftliche Zwecke benötigt. Die Liste der verschiedenen Gruppen und deren vielfältiger Interessen ließe sich noch weiter fortführen. Sofern ein Interesse an der Unternehmenserhaltung besteht, folgen daraus mittelbar negative Zahlungsbemessungsinteressen gegenüber den anderen Rechnungslegungsinteressenten.

f) Ergebnisse der Interessenanalyse Die Analyse verdeutlicht die – trotz der vereinfachenden Prämissen – sehr vielfältigen und zum Teil konfligierenden Interessen an der Rechnungslegung. Die wichtigsten Ergebnisse lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: 1. Die Rechnungslegungsinteressenten benötigen finanzielle sowie nicht-finanzielle Informationen über das Unternehmensgeschehen v. a. für Zwecke der Entscheidungsfundierung und Kontrolle. 2. Zur Unterstützung von Entscheidungen sind primär zukunftsorientierte Informationen, zu Kontrollzwecken auch vergangenheitsorientierte Informationen sowie die Kenntnis von Sollgrößen erforderlich. ___________ 90

Vgl. Egner, H. (1974), S. 37; Klatte, V. (1991), S. 143.

166

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

3. Generell interessieren Informationen über Erfolgskraft, Liquidität und Schuldendeckungspotenzial des Unternehmens. Hilfsweise besteht ein Interesse an Informationen über: • Periodenerfolge sowie deren planmäßigen und außerplanmäßigen Komponenten, • vorhandene und fristgerecht beschaffbare liquide Mittel und fällige Zahlungsverpflichtungen sowie • Bestand, Veränderung und Zusammensetzung von Vermögen und Eigensowie Fremdkapital. 4. Für Entscheidungs- ebenso wie für Kontrollzwecke ist jeweils eine möglichst hohe Aktualität der gewünschten Informationen erforderlich. Umfang, Inhalt und Detaillierungsgrad der interessierenden Informationen sind von der jeweiligen Entscheidungs- und Kontrollsituation abhängig. Im Rahmen einer Nutzen-Kosten-Abwägung wird ferner zu prüfen sein, ob mögliche Einblicks-, Auskunftsrechte etc. gegebenenfalls einen unterschiedlichen Inhalt bzw. Detaillierungsgrad gerechtfertigt erscheinen lassen. 5. Konflikte bezüglich der Informationsverteilung können grundsätzlich sowohl zwischen den Interessengruppen als auch innerhalb einer Gruppe zwischen einzelnen Mitgliedern vorkommen. 6. Die Rechnungslegungsinteressenten verfolgen zudem Zahlungsinteressen: Sofern ihnen gesetzlich oder vertraglich fest bestimmte Zahlungsansprüche zustehen, interessiert v. a., dass die Zahlungen in zustehender Höhe und fristgerecht erbracht werden. Wenn die Zahlungsansprüche erfolgsabhängig sind, kommt das Interesse an einer zuverlässigen Ermittlung der Zahlungsbemessungsgrundlage hinzu. Ferner haben all diejenigen, die am Fortbestand des Unternehmens interessiert sind – unabhängig davon, ob ihnen Zahlungsansprüche zustehen – negative Zahlungsbemessungsinteressen gegenüber den Empfängern von Zahlungen.

2. Informationsfunktion a) Begriffsverständnisse und vorläufige Adressatenkonkretisierung Ausgehend von dem im Folgenden dargestellten Begriffsverständnis von Rechenschaft sowie der bereits dargestellten Definition von Information91 lassen sich die Begriffe der Informations- sowie der Rechenschaftsfunktion im ___________ 91

Siehe Abschnitt C.I. der vorliegenden Arbeit.

I. Konkretisierung des informatorischen Eigner- und Gläubigerschutzes

167

Wesentlichen als synonym behandeln.92 Nach dem Verständnis der vorliegenden Arbeit heißt Rechenschaft, über „die finanziellen Konsequenzen realisierter oder geplanter Dispositionen zu informieren (…). Der Adressat (Informationsempfänger) soll durch Rechnungslegung befähigt werden, interessewahrende Entscheidungen zu treffen.“93 Mit Blick auf die Kapitalgeber einer Unternehmung dient Rechenschaft der „Offenlegung der Verwendung anvertrauten Kapitals“94, sie soll die Redlichkeit bzw. Zweckmäßigkeit der Geschäftsführung nachweisen und Fehlentscheidungen der Adressaten (z. B. beim Kauf oder Verkauf von Anteilen) verhindern.95 „Rechenschaft umfasst Retrospektive und Prospektive.“96 Auf den jeweiligen Informationswert wird in Zusammenhang mit den an die Rechnungslegungsdaten zu stellenden Anforderungen näher eingegangen.97 Eine sinnvolle Rechenschaft setzt stets einen wohl definierten Adressaten voraus, der Rechenschaftsinhalt muss am Informationsinteresse der Adressaten ausgerichtet sein.98 Als Ausgangspunkt sind die Ergebnisse der Interessenanalyse heranzuziehen. Es sind jedoch nicht alle Interessen schutzwürdig und konzeptionsbedingt durch Rechnungslegung zu gewährleisten. Nicht jeder Rechenschaftsinteressent ist zugleich auch Rechenschaftsadressat. Die Vielzahl der unterschiedlichen Interessenten ist vielmehr auf den Kreis der Rechenschaftsadressaten einzugrenzen. Die in Abschnitt C.II.2.a) als übergeordneter Zweck an___________ 92 So im Ergebnis Leffson, U. (1987), S. 55 ff. Dabei lässt sich dann die Dokumentation innerhalb der Informationsfunktion als Voraussetzung jeder Informationsvermittlung betrachten. Demgegenüber werden die Begriffe „Information“ und „Rechenschaft“ in der Literatur zum Teil unterschiedlich verwendet. Z. B. unterscheiden manche Autoren zwischen Rechnungslegungsinformation als Entscheidungsgrundlage einerseits und als Instrument zur Rechenschaft andererseits; so beispielsweise Schmidt, M. (2000), S. 15 f. Manche Autoren führen gesondert eine Rechenschafts- und eine Informationsfunktion auf, so Winkeljohann, N./Schellhorn, M., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 264 Rn. 35. Moxter unterscheidet zwischen der Information Dritter (der Rechenschaft) und der Selbstinformation des Rechnungslegenden, vermutlich in Anlehnung an den juristischen Sprachgebrauch der Rechenschaft. Innerhalb der Rechenschaft differenziert er zwischen Rechenschaft i. e. S. als Nachweis über die Redlichkeit der Geschäftsführung und Rechenschaft i. w. S. als jede Rechnungslegung gegenüber Dritten, die nicht Rechenschaft i. e. S. ist (wie z. B. die Aufgabe, Fehlentscheidungen zu verhindern); vgl. Moxter, A. (1982), S. 219. 93 Im Original zum Teil kursiv. Moxter, A. (1982), S. 219. Dort allerdings mit der abweichenden Terminologie, nur Rechnungslegung gegenüber Dritten sei „Rechenschaft“, die Information des Rechnungslegenden „Selbstinformation“. Im Ergebnis wie hier vgl. Leffson, U. (1987), S. 55 ff., S. 63 ff. 94 Leffson, U. (1987), S. 64. 95 Vgl. Moxter, A. (1982), S. 219; Leffson, U. (1987), S. 57. 96 Leffson, U. (1987), S. 63. 97 Siehe hierzu etwa auch Schmidt, M. (2000), S. 17 ff. 98 Vgl. Moxter, A. (1976), S. 94 f.

168

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

erkannte schutzorientierte Interessenregelung ist durch näher präzisierte Unterzwecke zu konkretisieren. Auf Basis des Verständnisses von Rechnungslegung als schutzorientierte Interessenregelung dienen als Kriterien der vorläufigen Adressatenkonkretisierung zunächst: 1. die rechtlichen Informationsansprüche sowie 2. die Wirtschaftlichkeit der Informationsvermittlung. Ausgangspunkt bezüglich der Informationsfunktion sind somit die durch EG-Recht bzw. Gesetz oder Vertrag fixierten Informationsansprüche.99 Ausschließlich der Adressat hat einen rechtlichen (gesetzlichen oder vertraglichen) Anspruch auf Information, muss also informiert werden; bei den bloßen Rechenschaftsinteressenten ist hingegen fraglich, ob sie überhaupt informiert werden dürfen. Dabei basieren die Aussagen zur Adressatenkonkretisierung zunächst grundsätzlich auf geltendem Recht. Erst bei der genaueren Analyse der einzelnen Zwecke sowie deren Rechtfertigung wird in einem zweiten Schritt gefragt, ob de lege ferenda eine Erweiterung oder Eingrenzung des Adressatenkreises in Betracht kommt.100 Eine Erweiterung des Kreises der Informationsberechtigten gilt es lediglich dann zu erwägen, sofern im Zusammenspiel mit den nationalen und europarechtlichen Vorgaben anderenfalls das Schutzziel verfehlt würde. Umgekehrt wäre gegebenenfalls eine Einschränkung des Adressatenkreises in Betracht zu ziehen, wenn ansonsten schutzwürdige Interessen aufgrund der Informationsverteilung gefährdet würden101 oder falls sich herausstellen würde, dass bestimmte Interessen auch durch außerhalb der Rechnungslegung liegende Schutzinstrumente erfüllt werden könnten. Zum Adressatenkreis eines jeden Unternehmens gehört in Deutschland de lege lata die Geschäftsführung, welche zur Rechenschaft gegenüber sich selbst verpflichtet ist. Dies zeigt sich daran, dass die Geschäftsführung für eine ordnungsmäßige Buchführung sowie für die regelmäßige Aufstellung von Jahresabschlüssen zu sorgen hat, unabhängig davon, ob diese Unterlagen Außenstehenden zu zeigen sind oder nicht (vgl. § 238 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. §§ 239 ff. HGB).102 Ob bei einer Betrachtung de lege ferenda an einer solchen Pflicht ___________ 99 Ebenso die Adressatenkonkretisierung nach den Grundsätzen einer adressaten- und gefahrenorientierten Rechenschaft bei Moxter; vgl. Moxter, A. (1976), S. 94 ff. 100 Dieses iterative Vorgehen beruht darauf, dass v. a. eine Einschränkung des Adressatenkreises die Beurteilung voraussetzt, inwieweit an dem betreffenden (Unter-)Zweck bzw. seiner Erfüllung durch Jahresabschlussrecht festgehalten werden soll. 101 Vgl. Klatte, V. (1991), S. 150. Auf die Vermeidung gefährdender Nebenwirkungen der Informationsverteilung wird angesichts der weitgehenden Ausgrenzung einer De-lege-ferenda-Betrachtung von Offenlegungsfragen nicht eingegangen. 102 Vgl. etwa Leffson, U. (1987), S. 55 f.

I. Konkretisierung des informatorischen Eigner- und Gläubigerschutzes

169

festgehalten oder eine entsprechende Normierung aufgegeben bzw. die Schutzfunktion auf andere, außerhalb der Rechnungslegung liegende Instrumente übertragen werden soll, wird bei der Konkretisierung der Rechenschaftszwecke in Abschnitt D.I.2.c)(1) näher betrachtet. Zum Adressatenkreis gehören ferner nicht an der Geschäftsführung beteiligte Gesellschafter. Diesen kommt, wie in Abschnitt C.III.2. dargestellt, eine gesellschaftsrechtliche Adressateneigenschaft im Verhältnis zu derjenigen Gesellschaft zu, an der die Beteiligung besteht. Mit Blick auf den Eigentumsschutz kann auch die Adressateneigenschaft ehemaliger Gesellschafter für den Fall ihrer Nachhaftungspflicht sowie gegebenenfalls aufgrund eigener Ansprüche gegenüber der Gesellschaft z. B. auf Pensionsleistungen gerechtfertigt sein. Potenzielle Gesellschafter kommen dann als Adressaten in Betracht, wenn sie als Gesellschafter einer personenbezogenen Gesellschaft aufgenommen oder als Kapitalanleger einer Publikums-Gesellschaft geworben werden sollen.103 Bei auf den nicht geregelten Kapitalmarkt ausgerichteten Unternehmen bestehen zum Schutz der potenziellen Anleger die in Abschnitt C.III.3.a) dargestellten rechtlichen Regelungen. Darüber hinaus wird die Rechenschaft gegenüber potenziellen und aktuellen Mitgesellschaftern bei Kapital- und diesen gleichgestellten Gesellschaften auch durch die Publizitätspflicht der §§ 325 ff. HGB sowie bei „großen“, nicht anderweitig publizitätspflichtigen Unternehmen durch die Publizitätspflicht i. S. d. § 1 Abs. 1 PublG gestärkt. Die Vierte EG-Richtlinie bzw. die in den §§ 325 ff. HGB vorgeschriebene Publizitätspflicht bei Unternehmen mit beschränkter Haftung zielt auf den Schutz der Gesellschafter sowie generell „Dritter“ ab; dabei sind mit „Dritten“ alle Arten von Gläubigern und anderen Interessenten gemeint.104 Die dort vorgegebene Pflicht zur Publizität des Jahresabschlusses 105 dient sowohl dem Schutz von Gesellschaftern, wobei v. a. potenzielle Gesellschafter in Betracht kommen, da aktuellen Gesellschaftern der Jahresabschluss unabhängig von seiner Offenlegung vorzulegen ist.106 Daneben dient die Offenlegung der Informationen auch dem Schutz von Gläubigern sowie der Unterrichtung der „interessierten“ Öffentlichkeit. Letztere verfügt großteils über keine anderweitigen Informationsrechte. Strenge Rechnungslegung (und Prüfung)107 wird als Korrelat zur Haftungsbeschränkung angesehen. ___________ 103

Vgl. Klatte, V. (1991), S. 152. Vgl. Präambel der Vierten EG-Richtlinie. 105 Vgl. Art. 47 (i. V. m. Art. 1) der Vierten EG-Richtlinie. 106 Vgl. Förster, G. W. (1999), S. 50 ff. 107 Vgl. Vierte EG-Richtlinie, Präambel; Rückle, D. (1990), 2. Lfg., S. 5. Von der Prüfungspflicht ausgenommen sind jedoch kleine (i. S. d. § 267 Abs. 1 HGB) Kapital104

170

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

Bei Unternehmen mit unbeschränkter Haftung verfügen Gläubiger aus Darlehens-, Lieferungs- oder Leistungsverträgen gegebenenfalls über einen individuellen Informationsanspruch aufgrund von individualrechtlichen Vereinbarungen. Ein (handels-)gesetzlich verankerter Informationsanspruch besteht bei diesen Unternehmen hingegen im Allgemeinen nicht. Eine Publizitätspflicht ist bei diesen lediglich für „große“ Personenunternehmen i. S. d. §§ 1 ff. PublG gesetzlich vorgeschrieben. Hinsichtlich spezieller Gläubigergruppen, so für den Fiskus sowie in bestimmten Fällen auch für Arbeitnehmer, bestehen neben dem handelsrechtlich geregelten Informationsanspruch zum Teil weitere rechtliche Regelungen, welche einen Rechenschaftsanspruch begründen: Dem Interesse der Arbeitnehmerschaft am Erhalt des Unternehmens hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass er im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sowie bei Kapitalgesellschaften ab einer bestimmten Größe im Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (DrittelbG) oder im Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) die Mitwirkung des Betriebsrats in Kontroll- und Entscheidungsinstanzen sowie gegebenenfalls eine Vertretung im Aufsichtsrat verankert hat. Arbeitnehmer sind im Rahmen mitbestimmungsrechtlicher Vorschriften entweder unmittelbar (als Mitglieder einer der betrieblichen Arbeitnehmervertretungen) oder mittelbar (durch Unterrichtung seitens der Arbeitnehmervertreter) informationsberechtigt. Bei Personengesellschaften besitzen die Arbeitnehmer lediglich durch die Bildung eines Betriebsrats (betriebliche) Mitbestimmungsmöglichkeiten nach dem BetrVG. Eine „unternehmerische“ Mitbestimmung durch Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat nach dem MitbestG oder dem DrittelbG ist bei Personengesellschaften hingegen nicht vorgesehen.108 Gemäß § 1 Abs. 1 BetrVG haben die Arbeitnehmer grundsätzlich ein Recht auf Bildung eines Betriebsrats, sofern ein Betrieb fünf dauerhaft Beschäftigte109 hat. Der Betriebsrat hat insbesondere Informations- und Mitbestimmungsrechte bei Änderungen der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs und der Arbeitsumgebung (vgl. §§ 90, 91 BetrVG) sowie Informations- und Mitberatungsrechte bezüglich der Personalplanung (vgl. § 92 Abs. 1 BetrVG). In Unternehmen mit in der Regel mehr als einhundert ständig beschäftigten Arbeitnehmern ist gemäß § 106 Abs. 1 BetrVG ein Wirtschaftsausschuss zu bilden. Dieser hat die Aufgabe, wirtschaftliche Ange___________ und diesen gleichgestellte Gesellschaften, siehe hierzu Abschnitt D.II.1.a) der vorliegenden Arbeit. 108 Das MitbestG und das DrittelbG sind grundsätzlich nur auf Kapitalgesellschaften anzuwenden. Vgl. etwa Jacobs, O. H. (2002), S. 17 f., S. 24, S. 31. 109 Hierzu zählen gemäß § 5 Abs. 2 und Abs. 3 BetrVG insbesondere weder Gesellschafter noch mithelfende Familienangehörige oder leitende Angestellte.

I. Konkretisierung des informatorischen Eigner- und Gläubigerschutzes

171

legenheiten mit den Geschäftsführern zu beraten sowie den Betriebsrat zu unterrichten. Gemäß § 108 Abs. 5 BetrVG ist der Jahresabschluss dem Wirtschaftsausschuss unter Beteiligung des Betriebsrats zu erläutern. Ferner sind die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses nach § 108 Abs. 3 BetrVG unter den dort gegebenen Bedingungen berechtigt, in die für das Verständnis der wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens erforderlichen Unterlagen Einsicht zu nehmen. Bei Kapitalgesellschaften wird die betriebliche Mitbestimmung des BetrVG durch die „unternehmerische“ Mitbestimmung ergänzt. Letztere richtet sich je nach der Größe des Unternehmens nach dem DrittelbG110 oder dem MitbestG. Bei Kapitalgesellschaften mit weniger als 2 000, aber in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern haben die Arbeitnehmer ein Mitbestimmungsrecht im Aufsichtsrat nach Maßgabe des DrittelbG (vgl. § 1 Abs. 1 DrittelbG). In diesen Fällen ist der Aufsichtsrat zu einem Drittel mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen (vgl. § 4 Abs. 1 DrittelbG). Kapitalgesellschaften, die in der Regel mehr als 2 000 Arbeitnehmer beschäftigen, unterliegen den Bestimmungen des MitbestG.111 Nach den §§ 6, 7 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 MitbestG setzt sich der Aufsichtsrat in diesen Fällen je zur Hälfte aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern zusammen.112 Im Falle einer GmbH & Co. KG werden die bei dieser beschäftigten Arbeitnehmer gemäß § 4 Abs. 1 MitbestG unter bestimmten Voraussetzungen den Arbeitnehmern der GmbH hinzugerechnet, sofern Letztere nicht einen eigenen Geschäftsbetrieb mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern hat.113 Zwecks Überwachung der Geschäftsführung stehen dem Aufsichtsrat relativ umfangreiche Informationsrechte zu; § 25 Abs. 1 Satz 1 MitbestG verweist insoweit ganz (Nr. 1) oder teilweise (Nr. 2) auf die Vorschriften des AktG.114 Insbesondere verfügt der Aufsichtsrat gemäß § 90 AktG über umfangreiche Rechte zur Forderung einer Berichterstattung, gemäß § 111 Abs. 2 AktG hat der Aufsichtsrat das Recht, die Handelsbücher der Gesellschaft einzusehen und zu prüfen. § 171 Abs. 1 Satz 1 AktG enthält die Pflicht des Aufsichtsrats zur Prüfung des Jahresabschlusses, des Lageberichts sowie des Gewinnverwendungsvorschlags. ___________ 110

Das DrittelbG hat das zuvor geltende BetrVG 1952 zum 1. Juli 2004 abgelöst. Zum BetrVG 1952 siehe etwa Hueck, G./Windbichler, C. (2003), S. 309. 111 Vgl. § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 MitbestG. 112 Vgl. Schneider, D. (1997-b), S. 466; Hueck, G./Windbichler, C. (2003), S. 301 ff. 113 Durch diese Regelung wird die GmbH & Co. KG nicht unmittelbar, aber mittelbar der Mitbestimmung unterworfen. 114 So verweist § 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG für Gesellschaften mit beschränkter Haftung etwa bezüglich der Berichterstattungsrechte gemäß § 90 AktG lediglich auf die Abs. 3, 4 und 5 Satz 1 und 2.

172

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

Der Fiskus schließlich richtet insoweit Informations- und Zahlungsinteressen an die handelsrechtliche Rechnungslegung, als sich die steuerlichen Vorschriften auf die handelsrechtliche Vorgehensweise beziehen. Aufgrund des in Deutschland de lege lata geltenden Prinzips der Maßgeblichkeit der Handelsfür die Steuerbilanz ist die handelsrechtliche Gewinnermittlung für die Ermittlung der erfolgsabhängigen Steuern relevant. Darüber hinaus hat der Fiskus ein Interesse an der fristgerechten Zahlung fälliger Steuern.115 Wird unterstellt, dass das Unternehmen als Steuerquelle erhalten bleiben soll, hat der Fiskus ferner auch ein Interesse daran, durch die aufgrund der Bemessungsgrundlage berechneten Steuern nicht den Bestand des Unternehmens zu gefährden.116 Auf die Anforderungen an eine Gewinnermittlung für Zwecke der Steuerbemessung wird in Kapitel F. der Arbeit gesondert eingegangen. Die Interessen der „interessierten“ Öffentlichkeit bzw. die Frage nach deren Berücksichtigung sind insbesondere mit Blick auf die der Unternehmung möglicherweise in Form von Wettbewerbsnachteilen entstehenden Belastungen von Belang, die mit einer allgemeinen Bekanntgabe spezifischer Rechnungslegungsinformationen verbunden sein können. Die Anerkennung der „interessierten“ Öffentlichkeit als Rechenschaftsadressat stellt seit jeher ein äußerst umstrittenes Problem der Rechnungslegung dar.117 De lege lata gilt in Deutschland eine Pflicht zur Publizierung periodischer Abschlüsse generell für Kapital- und diesen gleichgestellte Gesellschaften (vgl. §§ 325 ff. HGB) sowie für „große“ Personenunternehmen, welche nicht bereits anderweitig publizitätspflichtig sind und die Schwellenwerte gemäß § 1 Abs. 1 PublG überschreiten.118 Ferner stehen bestimmten Gruppen der „interessierten Öffentlichkeit“, so insbesondere staatlichen Stellen, Informationsansprüche kraft spezieller gesetzlicher Regelungen zu. Die in diesen Sonderregelungen geforderten Informationen lassen sich jedoch, je nach dem verfolgten spezifischen Informationszweck, in der Regel nicht mit Rechenschaft119 gleichsetzen.120 Ob und inwieweit ein Interesse der Allgemeinheit an der Unternehmung an sich als schutzwürdig eingestuft wird, hängt in starkem Maße von der individu___________ 115

Vgl. Federmann, R. (2000), S. 44. Vgl. Klatte, V. (1991), S. 142; Coenenberg, A. G. (2003), S. 1146. 117 Vgl. etwa Klatte, V. (1991), S. 152. 118 Durch die Publizitätspflicht sowie aufgrund der gegenüber den Vorschriften für alle Kaufleute erhöhten Anforderungen, denen ein nach dem PublG zu publizierender Abschluss gemäß § 5 Abs. 1 PublG entsprechen muss, hat der Gesetzgeber zugleich den Schutz aller von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Interessentengruppen gestärkt, sofern deren Informationszwecke mit Rechenschaft erfüllt werden können. 119 Zum Begriffsverständnis von Rechenschaft siehe Abschnitt D.I.2.a) der vorliegenden Arbeit. 120 Vgl. Klatte, V. (1991), S. 152. 116

I. Konkretisierung des informatorischen Eigner- und Gläubigerschutzes

173

ellen Wirtschaftsgesinnung ab.121 Angesichts der Ausgrenzung von Offenlegungsfragen sowie vor dem Hintergrund des Verständnisses von Rechnungslegung als Teil „allgemeiner Geschäftsbedingungen“ für Gesellschafts-, Kreditund sonstige Verträge122 bleibt ein Werturteil zur allgemeinen Information der „interessierten Öffentlichkeit“ im Folgenden außer Betracht.123

b) Dokumentation Notwendige Voraussetzung jeglicher Informations- wie auch der Rechtsfolgenfixierungsfunktion124 ist zunächst die Dokumentation. Darunter ist die Aufgabe des Kaufmanns zu verstehen, die Geschäftsvorfälle jeder Periode vollständig, systematisch und intersubjektiv nachvollziehbar aufzuzeichnen (und zu archivieren).125 Festzuhalten sind alle Geld- und Güterbewegungen der Periode sowie der Bestand aller Vermögensgegenstände, Schulden und des Eigenkapitals des Unternehmens zum Periodenende.126 Dokumentationsinstrumente sind primär die laufende Buchführung und das Inventar. Der darauf beruhende Rechnungsabschluss i. S. d. Bilanz und GuV-Rechnung kann als abgeleitetes Dokumentationsinstrument verstanden werden.127 Die Dokumentation der Geschäftsvorfälle (= Geld- und Güterbewegungen) dient zum einen dazu, dass die Geschäftsvorfälle nicht vergessen werden, zum anderen sollen Gläubiger und Gesellschafter vor unredlichem Verhalten der Geschäftsleitung bzw. der Mitgesellschafter bewahrt werden.128 In einem Rechtsstreit dient Dokumentation der Beweissicherung. Schließlich soll der Kaufmann durch die Dokumentation „vor sich selbst davor bewahrt werden, seine geschäftliche und finanzielle Lage falsch zu beurteilen und dementspre-

___________ 121

Vgl. Fladung, H.-D. (2000), S. 31 m. w. N.; Moxter, A. (1997), S. 197. Siehe Abschnitt C.II.2.a) der vorliegenden Arbeit. 123 Mit einem engeren Verständnis von Rechnungslegung, aber im Ergebnis wie hier vgl. Pannen, M. (2000), S. 93; vgl. auch Watrin, C. (2001), S. 31. 124 So Coenenberg, A. G. (2003), S. 14; ebenso Leffson, U. (1987), S. 157 ff. 125 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 157. 126 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 157 ff.; Moxter, A. (1984), S. 81 ff.; Klatte, V. (1991), S. 147. 127 Moxter führt die Bilanz explizit als drittes Dokumentationsinstrument auf. Vgl. Moxter, A. (1984), S. 81. Leffson bezeichnet die Dokumentation als einen Hauptzweck lediglich der Buchführung. Vgl. Leffson, U. (1987), S. 150 und S. 157. Im Ergebnis wie hier vgl. Klatte, V. (1991), S. 148. 128 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 157. 122

174

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

chend falsch zu disponieren.“129 Der Dokumentation kommt also eine Beweis-, Sicherungs- und Informationsfunktion zu.130

c) Rechenschaft der Geschäftsführung gegenüber sich selbst (1) Zweck und Rechtfertigung einer hoheitlichen Normierung der Rechenschaft vor sich selbst In Deutschland wird dem Jahresabschluss wie in Abschnitt D.I.2.a) dargestellt u. a. der Zweck der Rechenschaft des Kaufmanns bzw. der Geschäftsführer vor sich selbst als öffentlichrechtliche Aufgabe der Insolvenzvorsorge zugewiesen.131 Der Zwang zur rechtzeitigen Selbstinformation des Kaufmanns soll durch die damit bezweckte Insolvenzvermeidung dem Schutz der Gläubiger des Kaufmanns dienen.132 Eine solche Pflicht zur Selbstinformation kennen hingegen nicht alle Länder.133 Für Unternehmen, bei denen keine weiteren Jahresabschlusszwecke hinzutreten, ist dies – sofern die Dokumentation als Voraussetzung bzw. zwingender Bestandteil der Selbstinformation betrachtet wird – der einzige Zweck des Jahresabschlusses nach HGB.134 Entsprechend wird im Rahmen der Diskussion um die Internationalisierung der Rechnungslegung im Jahresabschluss überlegt, ob insbesondere solche Unternehmen von einer handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht völlig befreit werden und lediglich einer steuerlichen Rechnungslegungspflicht unterliegen sollten.135 Wie im Rahmen des methodischen Vorgehens dargelegt, ist jeder Rechnungslegungszweck auf seine Regulierungsnotwendigkeit hin zu überprüfen und gegebenenfalls zu deregulieren oder neu zu regulieren. Es ist somit zu überlegen, ob eine solche Pflicht zur Selbstinformation, welche sich ausschließlich an den handelnden Kaufmann bzw. den Ge___________ 129

Leffson, U. (1987), S. 46. Vgl. Leffson, U. (1987), S. 47. 131 Wie hier Leffson, U. (1987), S. 64. 132 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 55 f.; Schneider, D. (1997-a), S. 203; Förster, G. W. (1999), S. 23 f.; Rückle, D. (1990), 2. Lfg., S. 25. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass die Selbstinformation zudem auch dem Schutz des Kaufmanns selbst dienen sollte. Vgl. Leffson, U. (1987), S. 55 f. In einer grundsätzlich auf Privatautonomie angelegten Wirtschaftsverfassung erscheint es jedoch nicht adäquat, einen hoheitlichen Zwang zum Selbstschutz vorzusehen. Vgl. etwa Förster, G. W. (1999), S. 23; Walz, R. (1993), S. 105 f. 133 Siehe hierzu auch die Ausführungen in den Abschnitten D.IV.2. und D.IV.3. der vorliegenden Arbeit. 134 Vgl. Förster, G. W. (1999), S. 89. 135 Vgl. Karkowski, B. (2004), S. 2. 130

I. Konkretisierung des informatorischen Eigner- und Gläubigerschutzes

175

schäftsführer richtet, bzw. ihr Inhalt überhaupt gesetzlich normiert oder in die Privatautonomie des jeweiligen Kaufmanns gestellt werden sollte. Durch die Pflicht zur Aufstellung von Jahresabschlüssen soll das allgemeine Vertrauen der Gläubiger in eine ordnungsgemäße Geschäftsführung gestützt werden.136 Der Zwang zur Selbstinformation soll damit zugleich einen Funktionenschutz des Zahlungs- und Kreditverkehrs bewirken.137 Gegen eine Normierung des Inhaltes der Selbstinformationspflicht könnte vorgebracht werden, dass es dem Handelnden selbst überlassen sein sollte, das für seine Entscheidungen genutzte Informationsinstrument inhaltlich auszugestalten.138 Die Geschäftsführung hat es selbst in der Hand zu entscheiden, welche Informationen sie beschafft und aufbereitet haben möchte. Dann sind für eine Verbesserung der Geschäftsführung grundsätzlich andere Instrumente, wie beispielsweise Kosten-Leistungsrechnungen, Finanzplanungen etc., geeigneter als Bilanzen und GuV-Rechnungen.139 Für eine inhaltliche Normierung spricht jedoch die Drittbezogenheit der Selbstinformationspflicht. Durch den Zwang zur Selbstinformation soll das allgemeine Vertrauen in die Ordnungsmäßigkeit des kaufmännischen Gebarens gestützt werden, welches sich in der regelmäßigen Unterrichtung über die Lage des Unternehmens ausdrückt und wodurch die Gefahr von Insolvenzen verringert werden soll. Vor diesem Hintergrund wäre es lediglich dann sinnvoll, die inhaltliche Ausgestaltung der Selbstinformation als Mittel zum Gläubigerschutz in die Hände des Kaufmanns bzw. Geschäftsführers zu legen, wenn dadurch der damit bezweckten Insolvenzprophylaxe gedient würde. Dies würde zwei Bedingungen voraussetzen: Zum ersten müssten die Interessen des bzw. der Handelnden maßgeblich durch den Wunsch zur Insolvenzvermeidung mitbestimmt werden. Zum zweiten müsste eine hinreichende Rationalität des Handelnden bei der inhaltlichen Ausgestaltung des Informationssystems bezüglich der Insolvenzpro-

___________ 136

Vgl. Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für Deutschland (1848/49), S. 91 (Einleitung der Motive zum Zweiten Titel, Zweiter Abschnitt: Von den Handelsbüchern). Dort wird allerdings auch das Interesse des Einzelkaufmanns selbst angeführt. Den öffentlichrechtlichen Charakter zeigen auch die de lege lata daran anknüpfenden Strafvorschriften der §§ 283, 283b StGB. 137 Vgl. etwa Förster, G. W. (1999), S. 24 m. w. N.; Baetge, J./Thiele, S. (1997), S. 16. 138 Vgl. Förster, G. W. (1999), S. 89. 139 Bezogen auf geprüfte Jahresabschlüsse großer Nicht-Kapitalgesellschaften vgl. Rückle, D. (1990), 2. Lfg., S. 5.

176

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

phylaxe gewährleistet sein.140 An der Erfüllung beider Bedingungen bestehen allerdings zum Teil Bedenken: In den Fällen, in denen die zur Selbstinformation Verpflichteten unbeschränkt mit ihrem gesamten Vermögen haften, kann zwar im Allgemeinen davon ausgegangen werden, dass diese auch ein großes Eigeninteresse an Insolvenzprophylaxe haben.141 In Fällen beschränkter Haftung hingegen erscheint es nicht zwingend, dass die Interessen der handelnden Personen sowie die Ausgestaltung des ihren Handlungen zugrunde liegenden Informationsinstruments auf die Vermeidung von Insolvenzen ausgerichtet sind, da die Risiken aus einer Insolvenz lediglich begrenzt von den Handelnden getragen werden. Dies gilt auch in den Fällen formal unbeschränkter Haftung, in denen aufgrund des geringen Vermögens des Unternehmers die Risiken einer Insolvenz im Wesentlichen die Gläubiger treffen, während die Chancen erfolgreichen Handelns beim Unternehmer verbleiben. In beiden Fällen bestehen Anreize, die Gefahren einer Insolvenz nicht hinlänglich in dem Instrument der Selbstinformation zu berücksichtigen.142 Auch die hinreichende Rationalität der handelnden Personen bezüglich der Ausrichtung des Informationssystems auf die angestrebten Zwecke ist keinesfalls sicher. So können etwa Unkenntnis der betreffenden Personen143 oder bewusste Selbsttäuschung in kritischen Situationen144 eine entsprechende Ausgestaltung verhindern. Die Bedeutung des Insolvenzgrundes „Mängel im Rechnungswesen“145 in empirischen Studien zu den Insolvenzursachen mittelständischer Unternehmen146 stützt die Annahme, dass von Seiten der handelnden Per___________ 140

Vgl. Förster, G. W. (1999), S. 90. Vgl. Rückle, D. (1990), 2. Lfg., S. 5; Förster, G. W. (1999), S. 90. Zum Teil wird deshalb der Selbstinformationszweck ausgeklammert. So Schildbach, T. (1986), S. 5 ff. 142 Vgl. Förster, G. W. (1999), S. 90 f. 143 Vgl. Moxter, A. (1982), S. 170, S. 183 f., S. 225; Förster, G. W. (1999), S. 91. Siehe ferner auch die Ausführungen in Abschnitt A.III.2. der vorliegenden Arbeit zur eingeschränkten Aussagekraft der Ergebnisse empirischer Informationsbedarfsanalysen. 144 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 67, S. 82, S. 152 f.; Klatte, V. (1991), S. 168; Förster, G. W. (1999), S. 91. 145 Förster, G. W. (1999), S. 81. Dabei beziehen sich die darunter subsumierten Unterfälle sowohl auf Bereiche des internen Rechnungswesens als auch der Rechnungslegung (siehe hierzu die näheren Ausführungen zu den Studien in der folgenden Fn.). 146 Vgl. Reske, W./Brandenburg, A./Mortsiefer, H.-J. (1976), S. 122 ff. Nach dieser Studie wurden bei 50 % aller untersuchten Insolvenzen erfassbare Insolvenzursachen im Bereich des Rechnungswesens vorgefunden. Dabei kam innerhalb dieser Insolvenzursachen, die auf Mängeln im Rechnungswesen beruhen, Unterlassungen in der Buchhaltung die größte Bedeutung (29,9 % der untersuchten Unternehmen) zu. Hierunter wurden insbesondere auch Fälle erfasst, in denen wesentliche Mängel in der Debitorenbuchhaltung vorlagen. Nach der Häufigkeit lagen Kalkulationsprobleme an zweiter Stelle (19,4 % der untersuchten Unternehmen). Verspätete Rechnungslegung als nachweisbare 141

I. Konkretisierung des informatorischen Eigner- und Gläubigerschutzes

177

sonen insbesondere auch einer adäquaten Rechnungslegung häufig nicht entsprochen bzw. diese vernachlässigt wird sowie dass einem regelmäßigen Überblick über die Geschäfte eine insolvenzprophylaktische Wirkung zukommt.147 Eine empirische Untersuchung zu Finanzierungsproblemen bei kleinen Unternehmen hat als eine wesentliche Ursache Defizite im Bereich der „finanziellen Führung“ festgestellt.148 Eine solchermaßen mangelhafte und/oder lediglich vereinzelte Anwendung rechnungswesenbasierter Managementinstrumente führt bei mittelständischen Unternehmen teilweise zu einer mangelhaften Steuerung von Zahlungsströmen, wodurch Liquiditätsprobleme verursacht werden.149 Eine mögliche Erklärung für diese empirisch festgestellten Probleme im Bereich des Rechnungswesens bzw. der „finanziellen Führung“ mittelständischer Unternehmen wird von einem Teil der Literatur in der bei diesen vorherrschenden Personenbezogenheit sowie häufig anzutreffenden qualifikatorischen Defiziten in Bezug auf Instrumente der finanziellen Unternehmensführung gesehen.150 Im Falle eines unzureichend ausgestalteten internen Rechnungswesens gewinnt die gesetzliche Rechnungslegung als Dispositionsgrundlage erhebliche Bedeutung. Die Eignung von Rechnungslegungsdaten zur Unternehmenssteuerung und Kontrolle ist zwar stark eingeschränkt.151 Dennoch ist der Rückgriff auf Rechnungslegungsinformationen sicherlich besser, als gar keine Steue___________ Insolvenzursache konnte in 9,8 %, fehlende Rechnungslegung in 12,9 % der Fälle festgestellt werden. Die „mittelständischen“ Unternehmen wurden in dieser Studie allerdings ausschließlich nach Beschäftigtengrößenklassen definiert, so dass nicht erkennbar ist, inwieweit es sich dabei um mittelständische Unternehmen i. S. d. vorliegenden Verständnisses handelt. Zu den Erhebungsgrundlagen siehe Reske, W./Brandenburg, A./ Mortsiefer, H.-J. (1976), S. 44 ff. Vgl. auch Uhlenbruck, W. (1988), S. 13 f. Dort belegte die Ursache „Mängel im Rechnungswesen/Finanzplanung/Kostenrechnung“ branchen- und rechtsformübergreifend Rang 10 von insgesamt 38 herauskristallisierten Insolvenzursachen. 147 Vgl. ebenso Förster, G. W. (1999), S. 81. 148 Vgl. Kück, M. (1990), S. 27. Dabei scheinen kleine Unternehmen in dieser Untersuchung durch eine geringe Betriebsgröße definiert zu sein, eine klare Definition fehlt allerdings. 149 Vgl. Paffenholz, G. (1998), S. 49 f. und S. 53 f. Dort wird allerdings keine eigene empirische Untersuchung durchgeführt, sondern auf Befunde von Studien aus dem Bereich der Krisenursachenforschung zurückgegriffen. 150 Vgl. Buchhart, A. (2001), S. 186 m. w. N.; Daschmann, H.-A. (1994), S. 59 f. 151 Hier sei nur auf den Vergangenheitsbezug sowie auf die Komprimiertheit der Daten hingewiesen. Es erscheint fraglich, zukünftige Entscheidungen auf die Ergebnisse vergangener Entscheidungen zu stützen. Somit sollten zumindest für die Stützung geschäftspolitischer Entscheidungen geeignetere, zukunftsgerichtete Instrumente herangezogen werden. Vgl. statt vieler Coenenberg, A. G. (2003), S. 922 f.; Federmann, R. (2000), S. 46.

178

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

rungsinstrumente einzusetzen.152 Insgesamt lassen die Ergebnisse der empirischen Untersuchungen vermuten, dass ohne eine Normierung der Selbstinformationspflicht die Insolvenzursache „Mängel im Rechnungswesen“ eine noch größere Bedeutung gewinnen würde. Die Zweifel an der jederzeitigen Übereinstimmung der Interessen der zur Selbstinformation verpflichteten Personen mit dem Gläubigerschutzzweck sowie auch an der Fähigkeit zur rationalen Umsetzung dieser Interessen in ein zweckadäquates Informationsinstrument sprechen somit für eine gesetzliche Normierung der Grundanforderungen an das Instrument der Selbstinformationspflicht. Für eine gesetzliche Normierung des Jahresabschlusses als Selbstinformationsinstrument spricht ferner auch der Umstand, dass die gesetzliche Normierung gegebenenfalls eine Senkung der Transaktionskosten bewirken kann. Denn unter den in der Realität gegebenen Bedingungen der Unsicherheit sowie unvollkommener Märkte, in der die (beschränkt) rationale Ausgestaltung eines Informationsinstruments zum Teil von der jeweiligen Person des Entscheidenden abhängt,153 kann es im Falle mehrerer handelnder Personen zu Differenzen hinsichtlich der Ausgestaltung des Jahresabschlusses als Instrument zur Selbstinformation kommen.154

(2) Informationswert und Anforderungen an zweckadäquate Rechnungslegungsnormen Hinsichtlich der Selbstinformation als Mittel zum Gläubigerschutz gilt es primär bzw. ausschließlich diejenigen Interessen zu berücksichtigen, die sich mit dem Gläubigerschutz decken. Nicht mit einzubeziehen sind hingegen gegebenenfalls von der Geschäftsführung verfolgte Eigeninteressen, die ausschließlich deren Belangen dienen. Der Kaufmann soll durch die Rechenschaft vor sich selbst davor bewahrt werden, seine geschäftliche und finanzielle Lage falsch zu beurteilen und infolgedessen Fehlentscheidungen zu treffen.155 Die Übersicht über die Geschäfte soll vielmehr rechtzeitige Anpassungsentscheidungen ermöglichen.156 Hervorzuheben ist dabei mit Blick auf die bezweckte insolvenzprophylaktische Funktion das Interesse, frühzeitig Existenzgefährdungen des Unternehmens zu erkennen.157 Somit kommt der Abschätzbarkeit ___________ 152

Vgl. Federmann, R. (2000), S. 46. Siehe hierzu auch Abschnitt A.III.2. der vorliegenden Arbeit. 154 Vgl. Abschnitt C.II.1.a) der vorliegenden Arbeit; vgl. auch Förster, G. W. (1999), S. 92. 155 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 46; Busse von Colbe, W. (1966), S. 96 f. 156 Vgl. Förster, G. W. (1999), S. 84 f. 157 Vgl. Klatte, V. (1991), S. 139. 153

I. Konkretisierung des informatorischen Eigner- und Gläubigerschutzes

179

der künftigen Zahlungsfähigkeit und damit der Erfolgskraft der Unternehmung eine große Bedeutung zu.158 Fraglich ist, ob für einen Einzelkaufmann, sofern keine Gesellschaftsverhältnisse oder Gewinnbeteiligungsabreden vorliegen, dieselben Anforderungen hinsichtlich der Abbildungsregeln im Jahresabschluss zu stellen sind wie bei anderen Unternehmen. Diesbezüglich mag die Ansicht vertreten werden, dass ein solcher Einzelkaufmann sich durch das Legen stiller Rücklagen ärmer rechnen dürfe, als er sei. Denn eine ausschließlich auf der Bilanz beruhende Selbstinformation des Kaufmanns über seine Schuldendeckungsmöglichkeiten sei ohnehin insbesondere dann mehr als fragwürdig, wenn sich eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz abzeichne.159 Auf die stark eingeschränkte Eignung von Bilanz und GuV-Rechnung als Instrumente zur Geschäftsführung wurde bereits hingewiesen. Somit kann die Meinung vertreten werden, dass es bei Anzeichen einer existenzgefährdenden Situation sowieso die Sorgfaltspflicht des Kaufmanns erfordert, im Interesse der Gläubiger eine Finanzplanung durchzuführen. Gleichwohl wird hier angesichts der aufgezeigten Defizite im Rechnungswesen mittelständischer Unternehmen grundsätzlich befürwortet, dass auch im Falle des Einzelkaufmanns die Selbstinformation mit Blick auf den Gläubigerschutz grundsätzlich nach denselben Regeln zu bestimmen ist wie die Rechenschaft gegenüber (nicht an der Geschäftsführung beteiligten) Außenstehenden. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass die Unternehmensleitung der menschlichen Schwäche einer Selbsttäuschung durch nicht objektivierte Informationen unterliegt. Denn die Legung stiller Rücklagen zeichnet ein verfälschtes Bild der tatsächlichen Lage: In den Jahren der Bildung stiller Rücklagen erscheint der Gewinn zu ungünstig, in den Folgejahren entsteht durch die Auflösung der stillen Rücklagen hingegen ein zu positives Bild der Ertragslage. Dadurch kann der Unternehmer zu Fehldispositionen veranlasst werden.160 Die Selbstinforma___________ 158

Vgl. Leffson, U. (1987), S. 72 f. Vgl. Moxter, A. (1997), S. 196: „(E)in solcher Kaufmann darf sich ‚arm rechnen‘, also durch entsprechende Wahlrechtsausübung ‚stille Reserven‘ legen. (…) der (alleinigen) Gläubigerschutzaufgabe einer solchen Bilanz ist damit durchaus gedient“. 160 Die Gefahr, dass der Unternehmer durch bilanzpolitische Maßnahmen zur Ergebnisbeeinflussung selbst den Überblick verlieren kann, wurde bei einer Interviewbefragung von 35 großteils gemäß § 267 HGB kleiner und mittlerer Gesellschaften in der Form der GmbH oder GmbH & Co. KG, welche nicht konzernabhängig und ganz überwiegend eigentümergeführt waren, bestätigt. Die Unternehmen waren alle im Kammerbezirk der IHK Kiel geführt, befragt wurden jeweils die Geschäftsführer oder der Leiter des Rechnungswesens. Die Geschäftsführer oder Leiter des Rechnungswesens wurden zu ihrer Einstellung gegenüber ergebnisbeeinflussenden bilanzpolitischen Maßnahmen auf einer Skala von 7 (uneingeschränkte Zustimmung) bis 1 (völlige Ablehnung) befragt. Dabei stieß etwa die Frage nach der Zu- oder Ablehnung ergebnismindernder Ab159

180

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

tionsaufgabe verlangt daher, den Jahresabschluss von willkürlichen Aussageverzerrungen frei zu halten, um die Gefahr zu vermeiden, dass der zur Selbstinformation Verpflichtete eine ungünstige Entwicklung in den Folgeperioden zu spät erkennt und aufgrund dessen fehlerhaft disponiert, da er den Einfluss aus der späteren Auflösung der stillen Rücklagen auf das Bild der Ertragslage übersieht oder fehlerhaft einschätzt. Bei einer durchgehenden Ausübung einer solchen stillen Rücklagenpolitik hat gegebenenfalls selbst die Unternehmensleitung keine genauen Vorstellungen mehr davon, in welchem Ausmaß Realität und Abbild voneinander abweichen.161 Die prinzipielle Verwendung derselben Regeln für die Rechenschaft gegenüber sich selbst sowie gegenüber Außenstehenden ist zugleich auch einer Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Jahresabschlüssen zuträglich. Die auf der Grundlage solcher Regeln zu ermittelnden Informationen können gegebenenfalls hinsichtlich Detailliertheit und Ausmaß zu begrenzen sein.162 Eine solche Anwendung einheitlicher Normen stößt jedoch – je nach konkreter Ausgestaltung des betreffenden Rechnungslegungssystems – gegebenenfalls unter Kosten-Nutzen-Abwägungen an ihre Grenzen. Es gilt stets zu bedenken, dass die Selbstinformation zum Schutz der Gläubiger für viele Unternehmen der einzig gesetzlich vorgegebene Zweck handelsrechtlicher Rechnungslegungsnormen ist. Im Falle einer verpflichtenden Übernahme primär investororientierter Rechnungslegungsnormen auch in den Jahresabschluss sollten solche Unternehmen unter Kosten-Nutzen-Aspekten von einer handelsrechtlichen Rechnungslegung gegebenenfalls gänzlich befreit und lediglich zu einer steuerlichen Rechnungslegung – in Gestalt eines Betriebsvermögensvergleiches – verpflichtet werden. Im Folgenden werden die Anforderungen an entsprechende Regeln einer Rechenschaft gegenüber Außenstehenden betrachtet.

___________ schreibungspolitik eher auf Ablehnung (Median: 3). Als Argument wurde von den teilnehmenden Unternehmen angeführt, dass infolge von Abschreibungen, die wesentlich über den tatsächlichen Wertverzehr hinausgingen, bei großem Investitionsvolumen und ständigen Re- und Neuinvestitionen auch Unternehmensinterne den Überblick verlieren könnten. Vgl. Glieden, P. (1997), S. 71, S. 291, hinsichtlich näherer Hinweise zur Stichprobe sowie zur Datenerhebung siehe S. 46 ff. 161 Vgl. Egner, H. (1974), S. 123 f.; Förster, G. W. (1999), S. 88. 162 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 66; Klatte, V. (1991), S. 168.

I. Konkretisierung des informatorischen Eigner- und Gläubigerschutzes

181

d) Rechenschaft der Geschäftsführung gegenüber Außenstehenden (1) Zweck und Rechtfertigung einer hoheitlichen Normierung der Rechenschaft gegenüber nicht an der Geschäftsführung beteiligten Gesellschaftern Die Trennung von Eigentum und Verfügungsgewalt bedingt die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit zur Rechenschaftslegung gegenüber den außen stehenden,163 d. h. nicht an der Geschäftsführung beteiligten Eigentümern. Jede Arbeitsteilung mit einer Auftraggeber-Beauftragten-Beziehung macht eine Rechenschaft als Gegengewicht erforderlich.164 „Wer anderen Aufgaben überträgt, verlangt Rechenschaft über die Ausführung seines Auftrags.“165 Der Rechenschaftsanspruch der Eigentümer lässt sich wie bereits gesagt mit dem grundgesetzlich verankerten Eigentumsschutz (vgl. Art. 14 Abs. 1 GG) und der gespaltenen Unternehmerfunktion begründen.166 „Dieses Recht ist ein inhärenter Bestandteil unserer Wirtschafts- und Rechtsordnung.“167 Bei einer Trennung von Geschäftsleitung und der Bereitstellung von Kapital müssen an die Stelle von Vertrauensbeziehungen Rechtsnormen und Institutionen treten.168 „Die Rechenschaft ist damit die Grundlage der den außen stehenden Eigentümern verbliebenen Dispositionsrechte.“169 Die Rechenschaft gegenüber den nicht geschäftsführenden Gesellschaftern dient somit zunächst der Kontrolle der Geschäftsführer, um sicherzustellen, dass diese im Interesse auch der nicht an der Geschäftsführung beteiligten Gesellschafter handeln.170 Das Bedürfnis nach einer solchen Kontrolle entsteht durch das Problem des „moral hazard“171, welches bei Unsicherheit und asymmetrischer Informationsverteilung gegeben ist, sofern davon ausgegangen wird,

___________ 163 Die Bezeichnung „Außenstehender“ bezieht sich auf nicht an der Geschäftsführung beteiligte Adressaten. Innerhalb dieser Gruppe lässt sich weiter differenzieren in solche, die Zugang zum unternehmensinternen Informationssystem haben und solche, die dies nicht haben. 164 Vgl. Schneider, D. (1997-a), S. 395; Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S. (2005), S. 98. 165 Leffson, U. (1987), S. 64. 166 Vgl. Klatte, V. (1991), S. 151. 167 Leffson, U. (1987), S. 57. 168 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 57. 169 Leffson, U. (1987), S. 57. 170 Vgl. Schneider, D. (1997-a), S. 395; Förster, G. W. (1999), S. 93. 171 Siehe Abschnitt C.I. der vorliegenden Arbeit.

182

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

dass die Geschäftsführer eigennützig handeln.172 Die Einschränkung des moral hazard erfordert manipulationsarme und zuverlässige Informationsgrößen. Darüber hinaus sollen die nicht an der Geschäftsführung beteiligten Gesellschafter mit Hilfe der Rechenschaft befähigt werden, die Unternehmung betreffende Entscheidungen unter Wahrung ihrer Interessen sachgemäß ausüben zu können.173 Hierzu gehören die Entscheidung über die Begründung, Aufrechterhaltung, Ausweitung oder Beendigung ihrer Unternehmensbeteiligung sowie die Wahrnehmung der den nicht geschäftsführenden Gesellschaftern verbliebenen Verwaltungsrechte.174 Grundsätzlich besteht für die Gesellschafter die Möglichkeit, sich im Rahmen der auszuhandelnden Gesellschaftsverträge vor einer Unterversorgung mit Informationen durch die Geschäftsführung zu schützen. Lediglich eingeschränkt gilt dies allerdings für den Fall von Publikumsgesellschaften. Kodifizierte Regelungen zur Rechnungslegung bewirken jedoch generell eine Standardisierung der offen gelegten Informationen und dadurch eine Verringerung der Such-, Aushandlungs-, Anpassungs- und Kontrollkosten.175 Hoheitlich normierte Regelungen zur Rechenschaft gegenüber außen stehenden Gesellschaftern finden ihre Legitimation folglich darin, dass sie einzelvertragliche Regelungen zur Informationsveröffentlichung substituieren oder ergänzen. Sie entsprechen dann dem, was die Parteien im Wege des Konsenses vereinbart hätten, wenn sie nicht die tatsächliche Höhe der Transaktionskosten an einer solchen Vereinbarung hinderte. Der vertragliche Zweck des Schutzes der Gesellschafter vor einer Unterversorgung mit Rechnungslegungsinformationen ist somit auch als Zweck kodifizierter Rechnungslegungsnormen begründbar.176

(2) Zweck und Rechtfertigung einer hoheitlichen Normierung der Rechenschaft gegenüber außen stehenden Dritten Die vorgeschriebene Publizitätspflicht bei Unternehmen mit beschränkter Haftung zielt wie dargelegt neben dem Schutz der Gesellschafter auf den Schutz „Dritter“, d. h. der Gläubiger ab. Daneben dient sie der Information der „interessierten“ Öffentlichkeit. ___________ 172

Vgl. Förster, G. W. (1999), S. 93. Vgl. Moxter, A. (1982), S. 219; Förster, G. W. (1999), S. 94. 174 Vgl. Förster, G. W. (1999), S. 94 f.; Leffson, U. (1984), Tz. 32 ff. 175 Vgl. Schmidt, M. (2000), S. 42 f. m. w. N. 176 Siehe Abschnitte C.II.1.a) und C.II.2.a) der vorliegenden Arbeit; vgl. auch Schmidt, M. (2000), S. 43. 173

I. Konkretisierung des informatorischen Eigner- und Gläubigerschutzes

183

Informationeller Schutz kann zur Verringerung der ex ante und ex post informationsbedingten Gläubigerrisiken beitragen. Entsprechend wird von einem Teil der Literatur davon ausgegangen, dass ohne eine Schutzinstitution, die den Gläubigern die nötigen Informationen zur Verfügung stellt, eine effiziente Allokation nicht zustande kommt.177 „(E)in effizientes Schutzinstitutionenset zur Verringerung von Gläubigerrisiken beinhaltet stets die Rechnungslegung.“178 Vertragsgläubiger mit einer entsprechenden Verhandlungsposition können sich grundsätzlich durch Verträge hinreichend schützen. Somit ist im Grundsatz davon auszugehen, dass diese Gläubigergruppe nicht auf zwingende Regelungen angewiesen ist. Auch die geringe Inanspruchnahme einer Einforderung nicht publizierter Jahresabschlüsse über das Registergericht spricht dafür, dass dem direkten Kontakt zwischen Unternehmen und Gläubigern gerade bei mittelständischen Unternehmen in der Praxis eine große Bedeutung zukommt: So wird trotz der weitgehenden Publizitätsverweigerung179 von der Möglichkeit, über einen Antrag beim Handelsregister die Publizität der Informationen durch Androhung von Zwangs- oder Ordnungsgeld zu erzielen (vgl. §§ 335, 335a HGB), kaum Gebrauch gemacht.180 Gerade bei mittelständischen Unternehmen ist angesichts des in Deutschland bei diesen vorherrschenden Hausbankprinzips181 zu vermuten, dass die Finanzgläubiger über weit reichende Einblicke und Informationen auch außerhalb des Jahresabschlusses verfügen.182 Sofern keine gegenläufigen Anhaltspunkte bestehen, ist anzunehmen, dass die Vertragspartner solche alternativen Informationsmöglichkeiten gegebenenfalls im Rahmen vertraglicher Vereinbarungen, ___________ 177

Vgl. etwa Kahle, H. (2002), S. 126; Böcking, H.-J. (2001), S. 1437 m. w. N. Franken, L. (2001), S. 5. 179 Eine Untersuchung der Offenlegungen und Hinterlegungsbekanntmachungen im Bundesanzeiger ergibt für das Jahr 2002 für die eingetragenen GmbH in Deutschland – welche wie gezeigt überwiegend mittelständisch sind – eine Offenlegungsquote von lediglich 2,5 %; bei den AG beträgt die Offenlegungsquote 11,8 %. Vgl. Marx, F. J./ Dallmann, H. (2004), S. 933. 180 Vgl. Marx, F. J./Dallmann, H. (2004), S. 933 f. 181 Siehe bereits Abschnitt B.II. der vorliegenden Arbeit; vgl. ferner Europäische Kommission (1998), S. 22 ff., insbesondere auch S. 24; Pellens, B. (2001), S. 26 f.; Haller, A./Raffournier, B./Walton, P. (2000), S. 11 ff. 182 Größere Finanzgläubiger können unter Umständen auf Rechnungslegungsinformationen sogar gänzlich verzichten, da sie aufgrund des Kreditverhältnisses über genügend Einblicke in das Unternehmen verfügen. Vgl. Kahle, H. (2002), S. 135 f. Für „größere“ Kredite i. S. d. § 18 Kreditwesengesetz (KWG) schreibt dieser den Kreditinstituten allerdings vor, dass sie sich die laufenden Jahresabschlüsse vorlegen lassen müssen. Hiervon kann das Kreditinstitut lediglich dann absehen, wenn das Verlangen nach Offenlegung im Hinblick auf die gestellten Sicherheiten oder auf die Mitverpflichteten offensichtlich unbegründet wäre (vgl. § 18 Satz 2 KGW). 178

184

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

welche die an die Informationsfunktion des Jahresabschlusses zu stellenden Anforderungen betreffen, unter Kosten-Nutzen-Aspekten berücksichtigen würden. Entsprechende Vereinbarungen kommen allerdings für Nicht-Vertragsgläubiger183 sowie Vertragsgläubiger ohne ausreichende Verhandlungsposition nicht in Betracht. Im Falle von Nicht-Vertragsgläubigern wäre gegebenenfalls eine beschränkte Offenlegung gegenüber diesen möglich. Hinsichtlich der Vertragsgläubiger ohne ausreichende Verhandlungsposition stellt sich – insbesondere angesichts der geringen Nutzung eines Antrages beim Handelsregister – die Frage nach der praktischen Relevanz bzw. der Nützlichkeit (veröffentlichter) Jahresabschlussinformationen. Maßnahmen, welche das Eigeninteresse der „Internen“ an einer gläubigerschützenden Geschäftsführung fördern, können unter bestimmten Umständen wirksamer sein als Offenlegung. So kommen publizierte Jahresabschlussinformationen häufig für interessewahrende Entscheidungen der Gläubiger – v. a. in der Krise des Unternehmens – zu spät. Demgegenüber kann die zeitnahe Offenlegung gegenüber nicht an der Geschäftsführung beteiligten Eignern oder Aufsichtsgremien u. Ä. gegebenenfalls rechtzeitige gläubigerschützende Maßnahmen auslösen. Des Weiteren stellt ein Haftungsdurchgriff bei Pflichtennachlässigkeit der Geschäftsführung sowie der Aufsichtspflichtigen ebenfalls ein wirksames Disziplinierungsmittel dar. Insbesondere bei Unternehmen, bei denen eine dem Gläubigerschutz dienende Interessendivergenz zwischen Geschäftsführung und außen stehenden Gesellschaftern nicht gegeben ist, können Maßnahmen, welche die Geschäftsführung disziplinieren sowie die Eigner einer ihrem Einfluss entsprechenden Mitverantwortung unterwerfen, einen wirksameren Schutz entfalten als Offenlegung.184 Die Möglichkeit eines solchermaßen unterschiedlichen Stellenwertes des Gläubigerschutzes durch Jahresabschlussinformationen gilt es im Rahmen der Beurteilung konkreter Rechnungslegungsnormen gegebenenfalls zu berücksichtigen.185 ___________ 183

Auch diese benötigen Informationen zur Sicherung ihrer Ansprüche. Vgl. Rückle, D./Klatte, V. (1989), S. 208 und S. 212. 185 In Anbetracht der empirischen Ergebnisse sollte über eine Differenzierung der Publizitätspflicht haftungsbeschränkter Unternehmen nachgedacht werden. Dies würde allerdings eine entsprechende Änderung der Vierten EG-Richtlinie voraussetzen. Möglicher Anknüpfungspunkt für eine Publizitätspflicht könnte auf einer ersten Stufe die Inanspruchnahme eines öffentlichen Kapitalmarktes sein. Unabhängig von einer solchen Kapitalmarktorientierung kommt gegebenenfalls für sehr große Unternehmen aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung eine Publizitätspflicht in Betracht. Vgl. Rückle, D./ Klatte, V. (1989), S. 208; Marx, F. J./Dallmann, H. (2004), S. 934 ff. Ferner wäre auch eine Differenzierung zwischen der AG, welche als Rechtsform für Publikumsgesellschaften angelegt ist, und der überwiegend personenbezogenen GmbH denkbar. Eine 184

I. Konkretisierung des informatorischen Eigner- und Gläubigerschutzes

185

Unabhängig von der Frage einer Offenlegung gilt auch hier, dass kodifizierte Regelungen zur Rechnungslegung eine Standardisierung der offen gelegten Informationen und dadurch eine Verringerung der Such-, Aushandlungs-, Anpassungs- und Kontrollkosten bewirken. Ihre Legitimation liegt dann darin, dass sie einzelvertragliche Regelungen zur Informationsveröffentlichung substituieren oder für die Fälle bereitstellen, in denen einzelvertragliche Vereinbarungen aus den genannten Gründen nicht zustande gekommen wären.

(3) Informationswert und Anforderungen an zweckadäquate Rechnungslegungsnormen (1) Bezogen auf die Kontrollfunktion der Rechenschaft sind Informationen zu vermitteln, welche geeignet sind, das Misstrauen der Rechenschaftsadressaten, insbesondere der Kapitalgeber, zu reduzieren und die Glaubwürdigkeit der rechnungslegenden Unternehmen zu erhalten. Mit Blick auf die Interessen der Kapitalgeber sollen die Kontrollinformationen diese dazu befähigen, die Kapitalnehmer zu disziplinieren und gegebenenfalls ihr Kapital zurückzuziehen.186 Voraussetzung für die Erfüllung dieser Kontrollfunktion ist die Nachprüfbarkeit der bereitgestellten Informationen. Ein Informationswert der Rechnungslegungsdaten im Sinne der Kontrollfunktion setzt voraus, dass diese hinreichend objektiviert, d. h. frei von subjektiven Erwartungen und Beurteilungsspielräumen und zuverlässig sind.187 Dies bedingt zwangsläufig die Vergangenheitsorientierung der bereitzustellenden Daten.188 Hinsichtlich der Verlässlichkeit zur Verfügung gestellter Informationen sind gegebenenfalls bestehende Prüfungspflichten der Unternehmen von Bedeutung. Informationen gewinnen grundsätzlich an Zuverlässigkeit, wenn sie durch eine unabhängige Einrichtung geprüft und testiert sind.189 Strenge Rechnungslegung und Prüfung wird wie gezeigt als Korrelat zur Haftungsbeschränkung gesehen. Der Wert, den Jahresabschlussinformationen für die Gläubiger haben, hängt insbesondere von deren Vertrauenswürdigkeit ___________ adäquate Lösung macht gerade bei mittelständischen Unternehmen eine Abwägung von schutzwürdigen Informationsinteressen einerseits und Geheimhaltungsinteressen andererseits erforderlich. 186 Vgl. Schmidt, M. (2000), S. 17 f.; Schmidt, R. H. (1982), S. 742 f. Hinsichtlich der Voraussetzung entsprechender Einwirkungs- und Sanktionsrechte der Eigenkapitalgeber siehe Schmidt, M. (2000), S. 18 f. 187 Vgl. Schmidt, M. (2000), S. 18; Schneider, D. (1997-a), S. 199 f. 188 Vgl. Schmidt, M. (2000), S. 18; Schmidt, R. H. (1982), S. 743. 189 Vgl. Rückle, D. (2005), S. 279.

186

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

ab.190 Irrtums- oder manipulationsbehaftete Informationen hingegen können Gläubiger nicht schützen. Hieraus ergibt sich ein Argument für den hohen Stellenwert der Objektivierbarkeit der Rechnungslegungsinformationen191 bzw. gegebenenfalls für die Notwendigkeit einer Abschlussprüfung. Eine gesetzliche Prüfungspflicht besteht de lege lata jedoch ausschließlich für mittlere und große Kapital- und diesen gleichgestellte Gesellschaften. Nach Art. 51 Abs. 2 der Vierten EG-Richtlinie besteht bei kleinen Kapitalgesellschaften ein Mitgliedstaatenwahlrecht zur Befreiung dieser Unternehmen von der Prüfungspflicht, welches vom nationalen Gesetzgeber an die Unternehmen weitergegeben worden ist. Gerade bei (i. S. d. § 267 Abs. 1 HGB) kleinen Kapital- und diesen gleichgestellten Gesellschaften, bei denen keine Prüfungspflicht besteht, kommt der Nachprüfbarkeit der zur Verfügung gestellten Informationen somit eine besondere Bedeutung zu. Die Kreditvergabepraxis gegenüber nicht prüfungspflichtigen (i. S. d. § 267 Abs. 1 HGB „kleinen“ und/oder unbeschränkt haftenden) Unternehmen stützt diese Annahme bezüglich der Gläubigergruppe der Fremdkapitalgeber: So haben Kreditinstitute bei Unklarheiten bezüglich des Jahresabschlusses des kreditnachfragenden Unternehmens bereits bisher regelmäßig bei dem Unternehmen und/oder dem Abschluss erstellenden Steuerberater nachgefragt.192 Bei Krediten, welche 750 000 Euro oder 10 % des haftenden Eigenkapitals des Kreditinstitutes überschreiten, sind die Kreditinstitute gemäß § 18 KWG verpflichtet, sich die wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere durch Vorlage der Jahresabschlüsse, offen legen zu lassen. Bei Jahresabschlüssen handelsrechtlich nicht prüfungspflichtiger Unternehmen ist aus Sicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht die Heranziehung weiterer Unterlagen erforderlich. Diese Anforderungen wurden im Rundschreiben 16/99 der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht erläutert.193 Neben einer EigenPlausibilisierung kommen Plausibilitätsbeurteilungen bzw. Prüfungshandlungen durch den Steuerberater in Betracht. Vor diesem Hintergrund werden von Seiten der Banken zum Teil Forderungen nach Plausibilitätsbeurteilungen oder Prüfungshandlungen durch den Steuerberater laut.194 ___________ 190

Vgl. Watrin, C. (2001), S. 40. Vgl. Kahle, H. (2002), S. 136. 192 Vgl. Braun, F. (2003), S. 999. 193 Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat alle Rundschreiben zu § 18 KWG aufgehoben, um die Eigenverantwortung der Banken zu stärken. Peemöller weist darauf hin, dass die Rundschreiben in der Praxis jedoch nach wie vor herangezogen werden; vgl. Peemöller, V. H. (2005), S. 2203. 194 Vgl. Braun, F. (2003), S. 998 f. m. w. N.; siehe auch Clausen, P. (2005), S. 513 ff. In diesem Kontext hat die Bundessteuerberaterkammer im Oktober 2001, u. a. unter Bezugnahme auf § 18 KWG, neue Grundsätze für die Erstellung von Jahresabschlüssen 191

I. Konkretisierung des informatorischen Eigner- und Gläubigerschutzes

187

Aus dieser Sorgfaltspflicht der Kreditinstitute lassen sich zwar keinesfalls eine Pflicht dieser Unternehmen zu (unfreiwilligen) Abschlussprüfungen oder unmittelbar Anforderungen an den Jahresabschluss des Kaufmanns im handelsrechtlichen Sinne ableiten. Es ist jedoch zu befürchten, dass bei einer Anwendung von Rechnungslegungsregeln, welche den Rechnungslegenden weitergehende Ermessensspielräume gewähren, von Seiten der Kreditgeber zunehmend ein faktischer Zwang zur Vornahme von Abschlussprüfungen ausgehen würde. Die Verlässlichkeit der zur Verfügung gestellten Informationen ist außer für die Gläubiger auch für die Gesellschafter von Bedeutung. Bei unbeschränkt haftenden Personenunternehmen, welche weder kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten noch den Vorschriften des PublG unterliegen, eignet sich hinsichtlich der wechselseitigen Kontrolle die persönliche Mitwirkung einschließlich der persönlichen Ausübung von Einsichts- und Prüfungsrechten in der Regel besser als eine gesetzliche Prüfungspflicht. Die Möglichkeit vertraglicher Regelungen ist sowohl im Verhältnis der Gesellschafter untereinander als auch im Verhältnis zu Kreditgebern einer gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungspflicht im Allgemeinen überlegen. Im Bedarfsfall besteht immer noch die Möglichkeit, dass Prüfungen individuell vereinbart oder auch von einzelnen Gesellschaftern eingefordert werden. Zudem sorgen auch die steuerlichen Vorschriften sowie die steuerliche Betriebsprüfung für eine gewisse Mindestqualität von Buchführung und Jahresabschluss.195 In der Praxis wird in Gesellschaftsverträgen teilweise, soweit dies noch möglich ist, die Bindung der Handels- an die Steuerbilanz im Sinne einer „Einheitsbilanz“ benutzt, um das Bilanzierungsermessen zu beschränken.196 Eine Prüfungspflicht bei Unternehmen ohne Haftungsbegrenzung oder Publizitätspflicht müsste durch sehr stichhaltige ökonomische Argumente begründet werden. In Betracht käme hier etwa der Schutz von Kapitalanlegern bei Publikumspersonengesellschaften. Diese sind in der Regel, sofern sie keine Ausnahme darstellen, nach den in Abschnitt C.III.3.a) dargestellten Regelungen am nicht geregelten Kapitalmarkt prospektpflichtig. Bei Informationen, welche ___________ durch Steuerberater beschlossen; im Rahmen dieses Beschlusses empfiehlt sie im Hinblick auf die Anforderungen gemäß § 18 KWG, „eine Prüfung bzw. Plausibilitätsbeurteilung der wesentlichen Vermögens- und Schuldposten zu vereinbaren.“ Bundessteuerberaterkammer (2001), S. 2*. 195 Vgl. Rückle, D. (1990), 2. Lfg., S. 5. 196 Eine solche Möglichkeit, Ermessens- und Wahlrechtsausübung zu begrenzen, bietet auch den Vorteil der leichten Handhabbarkeit solcher Lösungen. Hinsichtlich der Konkretisierung, bei welchen Unternehmen eine „Einheitsbilanz“ de lege lata noch möglich ist, siehe bereits Abschnitt A.II. der vorliegenden Arbeit. Zu Ergebnissen empirischer Studien zur praktischen Relevanz der Einheitsbilanz siehe auch Abschnitt G.II. der vorliegenden Arbeit.

188

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

für die Öffentlichkeit bestimmt sind, kommt der Verlässlichkeit besondere Bedeutung zu. Grundsätzlich wäre für Publikumsgesellschaften neben einer standardisierten Rechnungslegungspflicht auch eine standardisierte Prüfungspflicht wie für Kapitalgesellschaften zu erwägen. (2) Neben der Kontrollfunktion kommt der Rechenschaft ferner die Aufgabe zu, entscheidungsrelevante Informationen zu vermitteln. Dabei lässt sich wie gezeigt zwischen Entscheidungen im Rahmen der Wahrnehmung verbliebener Verwaltungsrechte sowie Entscheidungen von Kapitalgebern oder sonstigen Partnern hinsichtlich Begründung, Aufrechterhaltung oder Beendigung der Geschäftsverbindung mit dem Unternehmen unterscheiden. Für Entscheidungen der Anteilseigner im Rahmen der ihnen verbliebenen Verwaltungsrechte, wie z. B. bezüglich der Entlastung der Geschäftsführung oder der Ergebnisverwendung, sind sowohl zukunfts- als auch vergangenheitsbezogene Informationen von Belang.197 Für die Entscheidungen der verschiedenen Adressaten hinsichtlich Begründung, Aufrechterhaltung oder Beendigung eines finanziellen Engagements oder einer sonstigen Geschäftsverbindung sind hingegen grundsätzlich nur Informationen über Gegenwart und Zukunft relevant. Ziel der Jahresabschlussanalyse ist es, Erwartungen über künftige Erfolge sowie die künftige Zahlungsfähigkeit zu fundieren. Ferner kommt ein Interesse an gegenwärtigen Werten (Tageswerten) in Betracht. In diese fließen ebenfalls Zukunftserwartungen ein. In einer idealen Welt vollkommener und vollständiger Güter- und Kapitalmärkte fallen Tages- und Prognosewerte letztlich zusammen, indem die Tageswerte durch Diskontierung der wahrscheinlichkeitsverteilten prognostizierten Zahlungen mit einheitlichen Marktzinsen bestimmt werden.198 Somit wären für entscheidungsrelevante Informationen primär Tages- oder Zukunftswerte zu verwenden. Idealerweise sollten entscheidungsrelevante Informationen sowohl zukunftsbezogen als auch intersubjektiv nachprüfbar sein.199 Beides zugleich ist jedoch nicht erreichbar, es besteht vielmehr ein Spannungsverhältnis zwischen Aktualität und Verlässlichkeit.200 Gegen eine zukunftsorientierte Berichterstattung spricht somit die mangelnde Verlässlichkeit solcher Informationen. Demgegenüber besteht an vergangenheitsbezogenen Informationen an sich als Entscheidungsgrundlage zwar kein unmittelbares Interesse. Vergangenheitsbezogene Informationen sind jedoch verlässlicher (objektiviert) und können zumindest zum Teil zur Bildung von Erwartungen dienen. ___________ 197

Vgl. Abschnitt D.I.1.b) der vorliegenden Arbeit. Vgl. Rückle, D. (2005), S. 290. 199 Vgl. Rückle, D. (2005), S. 280 f. 200 Vgl. etwa Rückle, D. (2005), S. 281; Baetge, J./Lienau, A. (2005-a), S. 67. 198

I. Konkretisierung des informatorischen Eigner- und Gläubigerschutzes

189

Angesichts des Spannungsverhältnisses zwischen der Relevanz und der aus der Manipulationsanfälligkeit von Prognosen201 resultierenden Probleme gehen die Ansichten über Veröffentlichung, Gegenstand und zweckmäßige Ausgestaltung sowie die Frage des Umfangs von Prognosen auseinander.202 Da die Geschäftsführung in der Regel über die beste Wissensbasis verfügt, um Aussagen über die künftige Entwicklung des Unternehmens zu treffen, könnte der Versuch nahe liegen, dieses Wissen für die Informationen des Unternehmens nach außen zu nutzen. Dabei wäre als eine Möglichkeit denkbar, dass die Geschäftsführung die künftige Entwicklung der für die Adressaten wichtigen Größen unmittelbar selbst prognostiziert. Ergebnis wären also Prognosen der Geschäftsführung z. B. über künftige Zahlungsüberschüsse, Umsätze etc. Soll dagegen grundsätzlich an Berichten über vergangenheitsorientierte Größen festgehalten werden, könnte der Geschäftsführung durch Einräumung entsprechender Abbildungsspielräume die Möglichkeit gegeben werden, die Berichte so zu beeinflussen, dass dadurch ein Eindruck vermittelt würde, der im Einklang mit den Zukunftserwartungen der (gut informierten) Unternehmensführung stünde. In beiden Fällen würde dem Vertrauen in die Informationsbereitschaft der Geschäftsführung der Vorrang vor einer möglichst wahlrechtsund ermessensfreien Informationspflicht eingeräumt werden.203 Ob ein solcher Ansatz die Bereitstellung aussagekräftiger Informationen bewirkt, ist allerdings aus mehreren Gründen fraglich. Sofern die Adressaten solchen offen gelegten Prognosen oder Berichten gegenüber misstrauisch sind, was zu vermuten ist, kann dies zur Folge haben, dass die Prognosen oder Berichte nicht beachtet werden, also keinen Einfluss auf die Erwartungen und damit letzten Endes keinen Informationsgehalt haben. Hinzu kommt, dass es mangels gesicherten Wissens über die Zusammenhänge zwischen vergangenen und künftigen wirtschaftlichen Größen lediglich subjektive Vorstellungen darüber gibt, welche Schlüsse aus vergangenheitsbezogenen Daten für die Zukunft gezogen werden sollten. Hierauf wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch näher eingegangen.204 Wenn es den Rechnungslegenden schon bei bestem Willen schwer fällt, die Wahlrechte so auszuüben, dass dadurch der Einblick in die Lage des Unternehmens verbessert wird, würden die Wahlrechte bei Informationsunwilligkeit möglicherweise genutzt werden, um gezielt einen falschen Ein___________ 201 Prognose wird dabei als „Aussage über zukünftige Zustände, Abläufe oder Ereignisse verstanden“ Rückle, D. (1984), S. 57. 202 Vgl. Rückle, D. (1984), S. 61 ff. 203 Zur Darstellung der diesbezüglichen Diskussion um entscheidungsrelevante Informationen siehe etwa Schildbach, T. (2004-b), S. 64 ff. 204 Siehe Abschnitt D.III.1.c) der vorliegenden Arbeit.

190

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

druck zu vermitteln. Ein generelles Vertrauen in die Informationsfreudigkeit der Unternehmen erscheint nicht gerechtfertigt.205 Die andere Vorgehensweise besteht somit darin, im Jahresabschluss grundsätzlich auf die Bereitstellung solcher Informationen abzustellen, die sich vergleichsweise wenig beeinflussen lassen. Danach kommen vergangenheitsbezogene Informationen in Betracht, bei denen es plausible Anhaltspunkte dafür gibt, dass diese Größen Rückschlüsse hinsichtlich der Zukunft des Unternehmens ermöglichen, und die weitestgehend frei von Wahlrechten und Gestaltungsfreiheiten der Rechnungslegenden sind.206 Daneben sind auch gegenwartsbezogene Informationen von Bedeutung, soweit sie hinreichend verlässlich ermittelt werden können. Die im Jahresabschluss bereitgestellten Daten sind somit grundsätzlich lediglich Ausgangspunkt für die Prognosen der Adressaten bezüglich künftiger Erfolge sowie künftiger Zahlungsfähigkeit, sie selbst sind hingegen keine subjektiven Prognosen der Rechnungslegenden. Dabei ist festzuhalten, dass Zukunftseinschätzungen des Rechnungslegenden durchaus im Interesse der Informationsadressaten für deren eigene Prognosen sind. Sie sind jedoch strikt von den Tatsachenaussagen der Rechnungslegung zu trennen.207 So können etwa im Lagebericht als zusätzlichem Berichtsinstrument neben dem Jahresabschluss Daten mit Prognosecharakter verlangt werden.208 Auch diese Vorgehensweise ist allerdings mit Problemen behaftet: Zum einen ist sie auf Vermutungen darüber angewiesen, welche vergangenheitsorientierten Größen geeignet sind, um daraus Schlüsse hinsichtlich interessierender, künftiger Entwicklungen abzuleiten. Zum anderen ist zu erwarten, dass gerade solche vergangenheitsorientierten Größen als für die Zukunft aussagefähig anzusehen sind, die sich nicht gänzlich ohne Gestaltungsfreiheiten des Rechnungslegenden ermitteln lassen.209 Selbst im „traditionellen“ Jahresabschluss, der grundsätzlich über vergangenheitsorientierte Größen informiert, enthalten die Ansätze in Bilanz und GuV-Rechnung Zukunftselemente, so v. a. bei der Bewertung bestimmter Positionen (z. B. Abschreibungen, Rückstellungen). Daneben enthält die Geltung des Prinzips der Unternehmensfortführung auch eine Prognose über den Fortbestand der Unternehmung.210 Die Unsicherheiten, die ___________ 205

Vgl. Schildbach, T. (2004-b), S. 65. Vgl. Schildbach, T. (2004-b), S. 66. 207 Vgl. Schmidt, M. (2000), S. 22. 208 Entsprechend ist etwa gemäß § 289 Abs. 1 Satz 4 HGB im Lagebericht die voraussichtliche Entwicklung mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken zu beurteilen. Die solchermaßen zu publizierenden Daten haben Prognosecharakter. 209 Vgl. Schildbach, T. (2004-b), S. 66 f. 210 Vgl. Rückle, D. (1984), S. 59. 206

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

191

aus solchen – auch im Rahmen grundsätzlich vergangenheitsorientierter Berichterstattung erforderlichen – Schätzungen resultieren, sind durch weitestgehendes Befolgen objektivierter Annahmen (z. B. über Zinssätze bei Abzinsungen) zu verringern.211 Angesichts der aufgezeigten Probleme bei dem Bestehen von Manipulationsspielräumen ist nach hier vertretener Auffassung auch hinsichtlich der entscheidungsrelevanten Informationen grundsätzlich auf die Bereitstellung solcher Informationen abzustellen, die sich vergleichsweise wenig beeinflussen lassen. Die Problematik der Manipulationsanfälligkeit von Prognosedaten wiegt insbesondere mit Blick auf nicht prüfungspflichtige, überwiegend mittelständische Unternehmen besonders schwer. Dies spricht grundsätzlich dafür, dass es sich zunächst um vergangenheitsbezogene, objektivierte und von Wahlrechten und Beurteilungsspielräumen freie Informationen handeln sollte.212 Neben vergangenheitsbezogenen Daten sind ferner gegenwartsbezogene Größen, sofern sie hinreichend verlässlich ermittelt werden können, von Bedeutung. Damit Informationen zur Entscheidungsfundierung nützlich sind, ist die Eindeutigkeit der Abbildungsregeln zu fordern, d. h. insbesondere die Abwesenheit von Wahlrechten sowie bei notwendigen Schätzungen ein weitestgehendes Befolgen objektivierter Annahmen.213 Eine weitergehende Beurteilung der unterschiedlichen Möglichkeiten und Grenzen zur Bereitstellung entscheidungsrelevanter Informationen wird nach der folgenden Gegenüberstellung der beiden konkurrierenden Rechnungslegungssysteme im Rahmen deren Beurteilung vorgenommen.214

II. Rechtsgrundlagen, Zwecksetzungen, Bestandteile und Grundsätze der Rechnungslegungskonzeptionen nach HGB/GoB und IFRS im Vergleich Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

1. Rechtsauffassungen bzw. -grundlagen, Zwecksetzungen und Bestandteile a) Nach HGB/GoB Ein grundlegendes Charakteristikum der deutschen Rechnungslegung ist die gesetzliche Verankerung der relevanten Bestimmungen. Dies entspricht der in ___________ 211

Vgl. Rückle, D. (2005), S. 282. Vgl. Schmidt, M. (2000), S. 22. 213 Vgl. Rückle, D. (2005), S. 282. 214 Siehe hierzu die Ausführungen in Abschnitt D.III.1. der vorliegenden Arbeit. 212

192

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

kontinentaleuropäischen Ländern vorherrschenden Rechtsauffassung, wonach – ausgehend von einer grundsätzlichen Vertragsfreiheit – umfangreiche Gesetzesvorschriften zur Standardisierung erlassen werden, die nach Möglichkeit alle Spezialfälle abdecken sollen und in denen sämtliche Vertragspflichten und -rechte der jeweiligen Vertragspartner vorgegeben sind (Risikokoordination durch gesetzliche Regulierung).215 Gesetzliche Grundlage der handelsrechtlichen Rechnungslegung ist das Dritte Buch des HGB. Dabei nimmt das deutsche Handelsrecht eine deutliche Trennung zwischen den Vorschriften für alle Kaufleute und denen für Kapital- bzw. diesen gleichgestellte Gesellschaften vor: Der Erste Abschnitt des Dritten Buches enthält Vorschriften „für alle Kaufleute“ (vgl. §§ 238-263 HGB), der Zweite Abschnitt beinhaltet solche, die als lex specialis ergänzende und im Vergleich zu den für alle geltenden detailliertere Bestimmungen für Kapitalund diesen gleichgestellte Gesellschaften (vgl. §§ 264-335b HGB) vorgeben. Nach den für alle Kaufleute geltenden Bestimmungen hat der Kaufmann in seinen Büchern „seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens (…) ersichtlich zu machen. Die Buchführung muss (…) einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über (…) die Lage des Unternehmens vermitteln (…)“ (§ 238 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 HGB). Dabei ist der Einblick „nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung“ (§ 238 Abs. 1 Satz 1 HGB und § 243 Abs. 1 HGB) zu gewähren. Der Jahresabschluss „muß klar und übersichtlich sein“ (§ 243 Abs. 2 HGB). Von den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen schließlich „darf nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden“ (§ 252 Abs. 2 HGB). Diese Bestimmungen können als Elemente einer für die Rechnungslegung aller Kaufleute geltenden Generalnorm aufgefasst werden.216 Für Kapitalgesellschaften gibt die Vierte EG-Richtlinie in Art. 2 Abs. 3 vor, dass der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild („true and fair view“) der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage217 darzu___________ 215 Vgl. Pellens, B. (2001), S. 22 ff.; Haller, A./Raffournier, B./Walton, P. (2000), S. 15 ff. Zur Einteilung der unterschiedlichen Rechnungslegungssysteme in die im weitesten Sinne angloamerikanische Rechnungslegungskonzeption auf der einen Seite und die kontinentaleuropäische Rechnungslegungskonzeption auf der anderen Seite siehe etwa Pellens, B./Fülbier, R. U./Gassen, J. (2006), S. 36; Eierle, B. (2004-a), S. 77 f. 216 Vgl. etwa Adler/Düring/Schmaltz (1997), § 264 HGB Tz. 59 und Tz. 93; Rückle, D. (1987), S. 313; ebenso Klatte, V. (1991), S. 189. 217 An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass in dem Zusammenhang der Begriff „Erfolgslage“ gegenüber dem verwendeten Begriff „Ertragslage“ vorzuziehen gewesen wäre, da im Kontext nicht nur die Erträge, sondern auch die Aufwendungen von Bedeutung sind. Diese beiden Aspekte werden jedoch dem eigentlichen Wortsinn nach nur durch den Begriff „Erfolg“ abgedeckt.

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

193

stellen hat. Dieser Generalnorm für Kapitalgesellschaften entspricht im deutschen Recht § 264 Abs. 2 HGB, wonach der Jahresabschluss der Kapitalgesellschaft „unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln“ hat.218 Durch den Einfluss der Vierten EG-Richtlinie hat die Informationsfunktion bei Kapitalgesellschaften also eine verstärkte Bedeutung erlangt. Reicht die Anwendung der Richtlinie nicht zur Vermittlung des true and fair view aus, so sind gemäß Art. 2 Abs. 4 der Vierten EG-Richtlinie Zusatzangaben zu machen. Sofern schließlich in Ausnahmefällen eine Richtlinienvorschrift mit der Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes unvereinbar ist, muss nach Art. 2 Abs. 5 der Vierten EG-Richtlinie von der Einzelvorschrift unter Erläuterung im Anhang abgewichen werden.219 Die Wirkungsweise, d. h. das Verhältnis zwischen der Generalklausel einerseits und den in der Richtlinie und den nationalen Rechnungslegungsvorschriften kodifizierten Grundsätzen sowie den konkreten Einzelnormen andererseits, ist in der Literatur umstritten.220 Die Haltung des Richtliniengebers zur Stellung der Generalklausel ist zum Teil nicht klar erkennbar: So haben Rat und Kommission die strikte Anweisung des Art. 2 Abs. 5 in einer Protokollerklärung selbst mit der Feststellung eingeschränkt, dass es „normalerweise ausreicht, die Richtlinie anzuwenden, damit das gewünschte, den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Bild entsteht“221. Ferner findet sich kein klarer Hinweis, wann ein Ausnahmefall als gegeben anzunehmen ist.222 Der deutsche Gesetzgeber hat auf die ausdrückliche Übernahme der in Art. 2 Abs. 5 der Vierten EG-Richtlinie formulierten Vorrangregelung der Generalnorm in § 264 Abs. 2 HGB verzichtet. Es ist unklar, wie dieser Verzicht zu beurteilen ist. Zur Begründung des Verzichts einer Übernahme hat der deutsche Gesetzgeber angeführt, dass „die Anwendung gesetzlicher Vorschriften jeweils ___________ 218

Der Begriff des „true and fair view“ hat somit über die Vierte EG-Richtlinie mit der Formulierung „ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild“ (§ 264 Abs. 2 Satz 1 HGB) Eingang in das deutsche Bilanzrecht gefunden. Vgl. Bohl, W./Mangliers, O., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 2 Tz. 7. Die Generalnorm für Kapitalgesellschaften baut systematisch auf der Generalnorm für alle Kaufleute auf. 219 „Ist in Ausnahmefällen die Anwendung einer Vorschrift dieser Richtlinie mit der in Absatz 3 vorgesehenen Verpflichtung unvereinbar, so muß von der betreffenden Vorschrift abgewichen werden, um sicherzustellen, daß ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild im Sinne des Absatzes 3 vermittelt wird. Die Abweichung ist im Anhang anzugeben und hinreichend zu begründen (…).“ Art. 2 Abs. 5 der Vierten EGRichtlinie. 220 Vgl. auch Kittner, W. A. (2001), S. 58 ff. 221 Zitiert nach Adler/Düring/Schmaltz (1997), § 264 HGB Rn. 41. 222 Vgl. auch Kittner, W. A. (2001), S. 61.

194

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

so zu erfolgen hat, daß der den gesetzlichen Vorschriften vom Gesetzgeber beigelegte Sinn und Zweck erfüllt wird“223. Von einem Teil der deutschen Literatur wird der Verzicht auf die Transformation damit zu rechtfertigen versucht, dass mit § 252 Abs. 2 HGB bezüglich Bewertungsfragen sowie mit § 265 HGB bezüglich der Gliederung Öffnungsklauseln im deutschen Rechnungslegungsrecht gegeben seien, die als sinngemäße Umsetzung von Art. 2 Abs. 5 der Vierten EG-Richtlinie gelten könnten.224 Eine generelle Nichtübernahme von Art. 2 Abs. 5 der Vierten EG-Richtlinie ist jedoch problematisch: Denn der Verzicht auf dessen Umsetzung in nationales Recht wäre grundsätzlich nur dann gerechtfertigt, wenn bereits die Einzelvorschriften sowie die GoB im Sinne der durch Art. 2 gebotenen Informationsvermittlung auszulegen wären. Dies kann jedoch – insbesondere auch mit Hinblick auf die steuerlichen Konsequenzen – nicht angenommen werden.225 Hinsichtlich des Streites um den Stellenwert der Generalklausel im Verhältnis zu den Einzelnormen lassen sich im Wesentlichen folgende Standpunkte unterscheiden:226 • Nach verbreiteter Auffassung sei die Generalnorm ausschließlich bei der Auslegung und Lückenfüllung von Gesetzestexten heranzuziehen. Demnach wäre auch die Ausübung der gesetzlichen Wahlrechte und Ermessensspielräume infolge der Generalnorm grundsätzlich nicht eingeschränkt.227 • Nach der so genannten Abkopplungsthese kommt dem Grundsatz des true and fair view lediglich eine Informations-, jedoch keine Gewinnermittlungsfunktion zu. Danach ist die Generalnorm bei der Auslegung von Einzelnormen zur Gewinnermittlung nicht entscheidend, sondern grundsätzlich nur für ___________ 223

Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Vierten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (BilanzrichtlinieGesetz), BT-Drucks. 10/317 vom 26.08.1983 (im Folgenden: Entwurf BilanzrichtlinieGesetz), S. 77 zu § 237. 224 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (1997), § 264 HGB Rn. 44 ff.; Winkeljohann, N./Schellhorn, M., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 264 Rn. 27, welche zur Zulässigkeit des Verzichts auf die Ausführungen bei Adler/Düring/Schmaltz verweisen. 225 Vgl. Merkt, H., in: Baumbach/Hopt (2006), § 264 Rn. 9; Hennrichs, J. (1999), S. 137 ff.; Rückle, D. (1987), S. 317. 226 Bezüglich eines Überblicks über den Meinungsstreit mit weiteren Literaturquellen siehe etwa Hinz, M., in: Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung (2004), B 106 Tz. 38 ff.; Adler/Düring/Schmaltz (1997), § 264 HGB Rn. 59 und Rn. 93; vgl. ferner Pilhofer, J. (2002), S. 108 m. w. N. Innerhalb der jeweiligen Gruppen gibt es zum Teil unterschiedliche Nuancen, zum Teil bestehen Überschneidungen zwischen den verschiedenen Ansichten. 227 Vgl. etwa Winkeljohann, N./Schellhorn, M., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 264 Rn. 25 ff.; IDW (2006), F Tz. 70.

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

195

den durch Bilanz, GuV-Rechnung und insbesondere Anhang zu vermittelnden Gesamteindruck.228 • Nach anderer Auffassung hat die Generalnorm gegebenenfalls Vorrang vor den Einzelvorschriften. Dies bedeutet zugleich, dass sie das Unternehmen auch bei der Ausübung von Wahlrechten binden kann.229 Die erste Auffassung wird den Anforderungen der Vierten EG-Richtlinie nach in der vorliegenden Arbeit vertretener Auffassung nicht gerecht. Von den Vertretern der Abkopplungsthese wird zur Umsetzung der Generalklausel in nationales Recht vom Vorrang der Ausschüttungsbemessungsfunktion für Bilanz und GuV-Rechnung sowie von der Dominanz der Informationsfunktion im Anhang ausgegangen. Diese Vorgehensweise wird insbesondere mit Blick auf die de lege lata gegebene Verbindung von Handels- und Steuerbilanz sowie auch wegen der übrigen Rechtsfolgen (vgl. die folgenden Ausführungen zu den Zwecksetzungen des Jahresabschlusses nach HGB) befürwortet.230 Als Begründung für die Dominanz der Ausschüttungsbemessungsfunktion in Bilanz und GuV-Rechnung wird angeführt, dass die Anspruchsbemessungsfunktion unmittelbar wirtschaftliche Folgen nach sich zieht. Aus diesem Grund sei es unabdingbar, dass die für die Gewinnermittlung benötigten Anatz- und Bewertungsvorschriften für die Gewinnermittlungsinstrumente Bilanz und GuV-Rechnung gelten, da Verstöße durch Anhangsangaben nicht geheilt werden könnten.231 Fraglich ist allerdings, ob die Abkopplungsthese richtlinienkonform ist. In Art. 2 Abs. 4 sowie in mehreren Einzelvorschriften der Vierten EGRichtlinie wird die Funktion des Anhangs betont. Daraus könnte abgeleitet ___________ 228 Demnach sollen mit dem Grundsatz des true and fair view nicht vereinbare Ansätze und Bewertungen im Anhang zu vermerken – nicht jedoch zu korrigieren und im Anhang zu begründen – sein. Die Generalnorm soll nach dieser Auffassung also ausschließlich für den Anhang relevant sein. Vgl. Moxter, A. (1984), S. 157 ff.; Schildbach, T. (1994), S. 718 f., wohl auch Adler/Düring/Schmaltz (1997), § 264 HGB Tz. 47, Tz. 59 und Tz. 62. 229 Vgl. Rückle, D. (1990), 1. Lfg., S. 15 f., mit der Forderung, dass alles richtlinienkonform auszulegen ist, so dass es für die von der Richtlinie betroffenen Gesellschaften infolgedessen auch nur richtlinienkonforme GoB gibt. Vgl. Leffson, U. (1987), S. 104 f., wobei dieser einen Vorrang der Generalnorm vor entsprechenden Einzelvorschriften lediglich „in Sonderfällen“ zulassen will; Weber-Grellet, H. (1997), S. 98 f.; bezüglich Wahlrechten eine Ausübung im Einklang mit der Generalnorm fordernd siehe Siegel, T. (1986-b), S. 425; Hennrichs, J. (1999), S. 137 ff.; siehe insbesondere auch Merkt, H., in: Baumbach/Hopt (2006), § 264 Rn. 9 und Rn. 14 mit dem Hinweis, dass die Abkopplungsthese mit dem Tomberger-Urteil des EuGH (vgl. U. vom 27.06.1996 – Rs. C234//94, DB 1996, S. 1400 f.) angesichts der dort vorgenommen starken Betonung des true and fair view unvereinbar sei. 230 Vgl. Schildbach, T. (1987), S. 1 ff., insbesondere S. 13 f. 231 Einen Überblick über diese Diskussion gibt etwa Kittner, W. A. (2001), S. 175 ff.

196

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

werden, dass der Jahresabschluss lediglich als Ganzes dem Grundsatz des true and fair view entsprechen und somit die Informationsfunktion des Jahresabschlusses erfüllen müsse.232 Eine solche Richtlinienauslegung widerspricht allerdings jener in Großbritannien: Dort wird explizit gefordert, dass jeder Bestandteil des Jahresabschlusses für sich allein, also auch Bilanz und GuVRechnung, dem Grundsatz des true and fair view entsprechen muss.233 Das IASB folgt dieser Position und verbietet explizit, den Anhang zur Korrektur unangemessener Rechnungslegungsmethoden zu nutzen.234 Eine Übernahme der umfassenden britischen Auslegung zum Wirkungsbereich des Prinzips des true and fair view von den anderen EU-Mitgliedstaaten könnte jedoch lediglich dann verlangt werden, wenn dies eindeutig in der Absicht des Richtliniengebers läge. Die Frage der Richtlinienkonformität der Abkopplungsthese kann somit zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend beantwortet werden.235 Wie bereits aus den Wortlauten der Generalnormen folgt, sind neben den im HGB kodifizierten Rechtsvorschriften für die handelsrechtliche Rechnungslegung aller Kaufleute ferner die so genannten Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) relevant.236 Welche Grundsätze hierzu zählen und was diese verlangen, ist im Gesetz jedoch nicht näher geregelt. Dies gilt auch nach dem Bilanzrichtliniengesetz, durch das eine Reihe von Grundsätzen kodifiziert wurde, die zuvor als nicht kodifizierte GoB angesehen wurden, da die gesetzlichen Festlegungen weder umfassend noch hinreichend bestimmt sind.237 Wie schon die Verweise in beiden Generalnormen verdeutlichen, sind die GoB nach h. M. rechtsformübergreifend für alle Kaufleute normiert.238 Bei Kapital- und diesen ___________ 232 So die Vertreter der Abkopplungsthese, vgl. etwa Moxter, A. (1986-a), S. 66 ff.; Schildbach, T. (1994), S. 718 f. 233 Nach der Auslegung in Großbritannien verstößt die Abkopplungsthese demnach gegen die Vierte EG-Richtlinie. Vgl. Kittner, W. A. (2001), S. 176 f. m. w. N. 234 Vgl. IAS 1.16. 235 Vgl. ebenso Kittner, W. A. (2001), S. 177. De lege lata hat der deutsche Gesetzgeber die für die Anwendung der Abkopplungsthese erforderliche Aufwertung der Anhangsangaben bislang allerdings kaum betrieben. Angesichts der Rechtslage wird der Abkopplungsthese wie oben angemerkt zum Teil auch in der deutschen Literatur die Gesetzeskonformität abgesprochen. Vgl. Kittner, W. A. (2001), S. 178 f. Hinsichtlich der generellen Diskussion um Argumente für und gegen die Abkopplungsthese siehe z. B. Kittner, W. A. (2001), S. 178. 236 Vgl. etwa Coenenberg, A. G. (2003), S. 36; Adler/Düring/Schmaltz (1998), § 243 HGB Tz. 2; Federmann, R. (2000), S. 127. 237 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (1998), § 243 HGB Tz. 21. 238 Auch das Steuerrecht verweist in § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG auf die GoB; so ist in der Steuerbilanz grundsätzlich das Betriebsvermögen auszuweisen, das nach den handelsrechtlichen GoB anzusetzen ist. Vgl. etwa Federmann, R. (2000), S. 127; Förschle, G., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 243 Rn. 31; Leffson, U. (1987), S. 65; Leffson, U. (1987), S. 152 ff.; Kahle, H. (2002), S. 171.

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

197

gleichgestellten Gesellschaften werden der Grundsatz der Klarheit sowie der Grundsatz der Vorsicht jeweils durch weitere Vorschriften ergänzt: So gelten bei diesen bestimmte Gliederungsvorschriften für den Jahresabschluss (vgl. §§ 265, 266, 275, 277 HGB) sowie spezielle Bewertungsregeln (vgl. §§ 279, 280, 282, 283 HGB) mit dem Zweck des Einblicks in die Vermögens-, Finanzund Ertragslage.239 Der Anwendungsbereich der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung beschränkt sich entgegen dem engen Wortsinn nicht auf die formale Buchführung. Die GoB erstrecken sich vielmehr nach h. M. sowohl auf die Buchführung i. e. S. und auf die Inventur als auch auf die Bilanz und GuVRechnung als Komponenten des Jahresabschlusses.240 Nach heute herrschender Auffassung sind die GoB als unbestimmte Rechtsbegriffe anzusehen, deren Inhalte nicht durch einen fest umrissenen Sachverhalt bestimmt sind. Es handelt sich um ausfüllungsbedürftige Wertungsmaßstäbe, die ihre inhaltliche Ausfüllung durch das allgemeine Rechtsbewusstsein erhalten.241 Die Funktion eines unbestimmten Rechtsbegriffes im Rechnungslegungsrecht liegt darin, die Kodifizierung einer Vielzahl konkreter Einzelfallregelungen zu vermeiden. Dies hat zum einen eine Entschlackung der relevanten Normen im Rechnungslegungsrecht zur Folge. Zum anderen wird eine größere Flexibilität bzw. Anpassungsfähigkeit des Rechnungslegungsrechts an die Vielgestaltigkeit und Veränderlichkeit des Wirtschaftslebens bewahrt.242 Bezüglich der Ordnung dieser Grundsätze und deren Vor- bzw. Nachrangigkeit gibt es jedoch kein allgemein anerkanntes System. Nach offenbar überwiegender Auffassung sind die GoB nach der deduktiven Methode zu ermitteln,

___________ 239

Vgl. Förschle, G., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 243 Rn. 31 f. Bei dem Teil der Literatur, der die Informationsfunktion des Jahresabschlusses betont, bereitet die Einordnung der Generalnorm Probleme: Entweder das Prinzip des true and fair view wird als generelles bilanzrechtliches Oberprinzip betrachtet; dann ist jedoch nicht zu begründen, warum das Einblicksgebot explizit nur den Rechnungslegungsvorschriften für Kapital- und diesen gleichgestellten Gesellschaften vorangestellt worden ist. Oder das Prinzip des true and fair view wird als bilanzrechtliches Oberprinzip ausschließlich für Kapitalgesellschaften verstanden. Dieses Verständnis ist jedoch lediglich eingeschränkt mit dem GoB-Vorbehalt in § 264 Abs. 2 HGB für Kapitalgesellschaften vereinbar. Zu dieser Problematik siehe Jüttner, U. (1992), S. 94 f. m. w. N. Leffson betont beispielsweise, dass das Prinzip des true and fair view eine „Grundidee der Bilanzierung“ (Leffson, U. (1987), S. 65) ausdrücke; die Vorschrift gelte zwar ausschließlich für Kapitalgesellschaften, sie konkretisiere aber, was der Gesetzgeber unter einer umfassenden Rechenschaft verstehe, vgl. Leffson, U. (1987), S. 65. 240 Vgl. etwa Adler/Düring/Schmaltz (1998), § 243 HGB Tz. 2; Federmann, R. (2000), S. 127; Kittner, W. A. (2001), S. 71. 241 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (1998), § 243 HGB Tz. 6. 242 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (1998), § 243 HGB Tz. 7.

198

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

d. h. aus dem bzw. den Zweck(en) des Jahresabschlusses abzuleiten.243 Die meisten Literaturvorschläge, die sich um eine deduktive Ableitung der GoB bemühen, lassen eine Hierarchie der unterschiedlichen Jahresabschlusszwecke sowie der korrespondierenden GoB in dem von ihnen aufgestellten Ordnungssystem erkennen.244 Im HGB sind die Zwecke der handelsrechtlichen Rechnungslegung nicht explizit genannt. Für die Ableitung der Zwecke geltender Rechnungslegungsregeln ist vielmehr im Sinne der teleologischen Normauslegung auf den Wortlaut der Rechtsnormen selbst sowie auf die durch Rechtsprechung konkretisierten GoB abzustellen und nach dem (hypothetischen) Willen des Gesetzgebers zu fragen.245 Dem Jahresabschluss nach HGB kommen wie bereits dargelegt sowohl eine Informations- als auch eine Rechtsfolgenfixierungsfunktion zu.246 Dabei können Konflikte zwischen den Zwecken der Rechtsfolgenfixierungsfunktion (insbesondere den Anspruchs- und Steuerbemessungszwecken247) und denen der Informationsfunktion auftreten. Das Verhältnis der Informations- zu den Anspruchs- bzw. Steuerbemessungszwecken ist strittig. Von einem Teil der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass der primäre Zweck des handelsrechtlichen Jahresabschlusses nach geltendem Recht die Anspruchsbemessung sei. Im Konfliktfall müssten demnach die Informationszwecke hinter die Anspruchsbemessung zurücktreten.248 ___________ 243 Vgl. stellvertretend etwa Coenenberg, A. G. (2003), S. 36; Emmrich, M. (1999), S. 46; Leffson, U. (1987), S. 35 f.; Förster, G. W. (1999), S. 167; Kittner, W. A. (2001), S. 71. Eine vollständige Einigkeit ist jedoch auch diesbezüglich nicht gegeben, vgl. Emmrich, M. (1999) m. w. N. 244 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (1998), § 243 HGB Tz. 9; Federmann, R. (2000), S. 134; so sieht Leffson die handelsrechtliche Rechnungslegung primär als Rechenschaftsinstrument, welches als Nebenzweck zugleich der Kapitalerhaltung dienen soll, vgl. Leffson, U. (1987), S. 72, S. 91 f. und S. 104 ff.; Moxter betrachtet die vorsichtige Ausschüttungsbemessung als Primärzweck des Jahresabschlusses, der daneben auch Informationsaufgaben zu erfüllen hat, vgl. Moxter, A. (1984), S. 156 ff. 245 Vgl. etwa Leffson, U. (1987), S. 29 ff.; Knobbe-Keuk, B. (1993), S. 42. 246 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 41 ff.; Winkeljohann, N./Schellhorn, M., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006) § 264 Tz. 35; Schmidt, M. (2000), S. 15 ff., S. 28 ff. und S. 127 f. 247 Im Folgenden wird der Begriff der Anspruchsbemessungszwecke zum Teil auch als Oberbegriff sowohl über die Gewinnausschüttungs- bzw. Entnahme- als auch über die Steuerbemessungsfunktion verwendet; dies lässt sich mit einer Betrachtung des Fiskus gleichsam als „stiller Teilhaber“ begründen. 248 Vgl. etwa Moxter, A. (1984) S. 157 f.; Schneider, D. (1997-a), S. 110; Winkeljohann, N./Schellhorn, M., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 264 Rn. 35, welche die „Gläubigerschutzfunktion“ als dominierend betrachten; Hinweise auf weitere Litera-

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

199

Nach anderer Meinung hingegen stehen sich gemäß den gesetzlichen Bestimmungen die beiden Zwecke Anspruchsbemessung bzw. die damit bezweckte Kapitalerhaltung sowie Information gleichwertig gegenüber.249 Die deutsche Rechnungslegung dient nach dieser Auffassung dem „ausgewogenen und damit gegenseitig relativierten Schutz aller (berechtigten) Jahresabschlußadressaten“250. Je nach Grundverständnis über das Verhältnis der Rechnungslegungszwecke untereinander ergeben sich Unterschiede in der Gewichtung bzw. dem Verständnis der einzelnen Rechnungslegungsgrundsätze, die sich wiederum in der konkreten Definition der Rechnungslegungselemente, in deren Ansatz und Bewertung fortsetzen. Von zentraler Bedeutung sind insoweit die Rechnungslegungsgrundsätze, welche die Periodisierung sowie die Objektivierungsanforderungen betreffen. Diese werden im weiteren Verlauf in Abschnitt D.II.2. näher betrachtet.251 Wie teilweise bereits angeführt, sind die Anforderungen an die Rechnungslegung und die damit gegebenenfalls verbundenen Prüfungs- und Offenlegungspflichten in Deutschland rechtsform- (siehe Tabelle 6) und unternehmensgrößenabhängig (siehe Tabelle 7) geregelt:

___________ turquellen, welche de lege lata von einer Dominanz der Anspruchsbemessungszwecke ausgehen, finden sich bei Förster, G. W. (1999), S. 145. 249 Vgl. Baetge, J./Kirsch, H.-J., in: Küting, K./Weber, C.-P. (1995), Kapitel I, Rn. 264 ff., insbesondere Rn. 275; Baetge, J./Roß, H.-P. (1998), S. 35; Förster, G. W. (1999), S. 158 ff.; Leffson, U. (1987), S. 98 ff. und S. 104 ff., allerdings mit der Einschränkung, dass der Gesetzgeber dieses Konzept nicht systematisch verwirklicht hat, vgl. S. 107; Baetge, J. /Kirsch, H.-J. /Thiele, S. (2003), S. 92 ff., insbesondere S. 102 ff. 250 Baetge, J./Kirsch, H.-J., in: Küting, K./Weber, C.-P. (1995), Kapitel I, Rn. 279; vgl. auch Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S. (2005), S. 103. 251 Vgl. Kleekämper, H. et al. (2003), S. 78, Tz. 201; Herzig, N. (2004), S. 39.

200

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung Tabelle 6 Erleichterungen für Unternehmen, die lediglich die Rechnungslegungsanforderungen für alle Kaufleute beachten müssen (im Vergleich zu Kapital- und „& Co.“-Gesellschaften)

Abschluss- und Lageberichterstellung

• keine Pflicht zur Erstellung von Anhang und Lagebericht (vgl. § 242 Abs. 3 HGB), • keine Pflicht zur Beachtung spezifischer Gliederungsvorschriften für Bilanz und GuV-Rechnung, • der Jahresabschluss unterliegt nicht der generellen Anforderung, ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu vermitteln, • weniger strenge Vorschriften hinsichtlich der Bewertung von Vermögensgegenständen, z. B. Abschreibungswahlrecht bei nur vorübergehenden Wertminderungen im Anlagevermögen (vgl. § 253 Abs. 2 Satz 3 HGB); Möglichkeit zur Vornahme von Abschreibungen nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung (vgl. § 253 Abs. 4 HGB); Wertbeibehaltungswahlrecht bei Wegfall des Grundes für eine außerplanmäßige Abschreibung (vgl. § 253 Abs. 5 HGB); großzügigere Möglichkeiten zur Berücksichtigung steuerrechtlicher Abschreibungen im handelsrechtlichen Jahresabschluss (vgl. § 254 HGB) und • der Jahresabschluss ist nicht zwingend innerhalb von drei Monaten nach Ende des Geschäftsjahres, sondern innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit aufzustellen (vgl. § 243 Abs. 3 HGB);

Prüfung

• keine Pflicht einer Jahresabschlussprüfung;

Offenlegung

• keine Offenlegungspflicht nach handelsbilanzrechtlichen Vorschriften.

Quelle: in Anlehnung an Eierle, B. (2004-a), S. 202.

Die Erleichterungen betreffen zum einen die erforderlichen Bestandteile der Rechnungslegung: Bei Einzelkaufleuten und typischen Personengesellschaften mit unbeschränkter Haftung besteht der Jahresabschluss lediglich aus Bilanz und GuV-Rechnung (vgl. § 242 Abs. 3 HGB), während bei Kapitalgesellschaften und atypischen, d. h. haftungsbegrenzten Personengesellschaften der Jahresabschluss um einen Anhang erweitert ist (vgl. § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB). Ferner muss von mittleren und großen Kapital- und diesen gleichgestellten Gesellschaften zusätzlich ein Lagebericht aufgestellt werden (vgl. § 264 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Satz 2 und 3 HGB). Zum anderen sind Kapital- und diesen gleichgestellte Personengesellschaften auch zur Befolgung strengerer Bewertungsvorschriften verpflichtet (vgl. §§ 279 ff. HGB), müssen bestimmte Gliederungsformate für Bilanz und GuVRechnung berücksichtigen (vgl. §§ 266, 275 HGB), den Jahresabschluss innerhalb von drei (bei kleinen Gesellschaften: sechs) Monaten nach Ende des Geschäftsjahres erstellen (vgl. § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB) und unterliegen einer generellen Prüfungs- und Offenlegungspflicht (vgl. §§ 316, 325 HGB). Ledig-

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

201

lich „kleine“ Gesellschaften i. S. d. § 267 Abs. 1 HGB sind von der Prüfungspflicht befreit (vgl. § 316 Abs. 1 HGB). Außerdem bestehen für die Leitungsund Aufsichtsorgane dieser Unternehmen spezifische Straf- und Bußgeldvorschriften (vgl. §§ 331, 334, 335, 335a, 335b HGB).252 In Anlehnung an die größenbezogenen Erleichterungen der Vierten EGRichtlinie253 beinhaltet das HGB für kleine und mittelgroße Kapital- und diesen gleichgestellte Personengesellschaften Erleichterungen bezüglich der Erstellung, Prüfung und Offenlegung des Jahresabschlusses (siehe Tabelle 7). Von den Erleichterungen kann Gebrauch gemacht werden, wenn an mindestens zwei aufeinander folgenden Abschlussstichtagen mindestens zwei der in § 267 Abs. 2 HGB genannten Höchstgrenzen nicht überschritten werden.254

___________ 252

Vgl. auch Eierle, B. (2004-a), S. 203. Die Vierte EG-Richtlinie unterscheidet zwischen großen, mittleren und kleinen Kapitalgesellschaften. Für kleine und mittlere Gesellschaften sieht die EG-Richtlinie Erleichterungen vor hinsichtlich: • Abschlusserstellung, • Prüfung sowie • Offenlegung von Rechnungslegungsunterlagen; zur Erstellung vgl. Art. 11, 27, 44, 45 Abs. 2; zur Offenlegung vgl. Art. 47 Abs. 2 und Abs. 3; bezüglich Prüfung vgl. Art. 51 Abs. 2 der Vierten EG-Richtlinie. Hinsichtlich einer tabellarischen Übersicht siehe Eierle, B. (2004-a), S. 142 f. 254 Hinsichtlich der Höchstgrenzen für mittelgroße Kapital- und diesen gleichgestellte Gesellschaften siehe Tabelle 3 in Kapitel B. der vorliegenden Arbeit. Die Höchstwerte für kleine Gesellschaften sind gemäß § 267 Abs. 2 HGB: 8,030 Mio. Euro Umsatzerlöse, 4,015 Mio. Euro Bilanzsumme und (im Jahresdurchschnitt) 50 Arbeitnehmer. Gemäß § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB gilt eine Kapitalgesellschaft ferner stets als große, wenn sie einen organisierten Markt im Sinne des § 2 Abs. 5 WpHG durch von ihr ausgegebene Wertpapiere im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG in Anspruch nimmt oder die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt beantragt worden ist. 253

202

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung Tabelle 7 Größenabhängige Erleichterungen hinsichtlich Erstellung, Prüfung und Offenlegung des Jahresabschlusses für kleine und mittelgroße (im Vergleich zu großen) Kapital- und „& Co.“-Gesellschaften

Abschluss- und Lageberichterstellung

Kleine Kapital- und „& Co.“-Gesellschaften

Mittelgroße Kapital- und „& Co.“Gesellschaften

• Aufstellungsfrist: innerhalb von sechs (anstelle von • Erstellung einer verkürzten drei) Monaten nach Ende des Geschäftsjahres (vgl. GuV-Rechnung: zusammengefasster Ausweis des „Rohergeb§ 264 Abs. 1 Satz 3, 2. Hs. HGB), • Erstellung einer verkürzten Bilanz (vgl. § 266 Abs. 1 nisses“ (vgl. § 276 Satz 1 HGB), Satz 3 HGB), • Erstellung einer verkürzten GuV-Rechnung: zusam- • Verzicht auf eine segmentierte Angabe der Umsatzerlöse im mengefasster Ausweis des „Rohergebnisses“ Anhang (vgl. § 288 HGB); (vgl. § 276 Satz 1 HGB), • Verzicht auf Lageberichterstellung (vgl. § 264 Abs. 1 Satz 3, 1. Hs. HGB), • keine Erläuterungspflicht für außerordentliche und periodenfremde Aufwendungen/Erträge (vgl. §§ 276 Satz 2 i. V. m. 277 Abs. 4 Satz 2 und 3 HGB), • Erstellung eines verkürzten Anhangs (vgl. §§ 274a und 288 HGB) durch Verzicht auf: • Erstellung eines Anlagegitters (vgl. § 274a HGB), • Erläuterung antizipativer Aktiva und Passiva (vgl. § 274a Nr. 2 u. 3 HGB), • gesonderten Ausweis oder Anhangsangabe eines Disagios (vgl. § 274a Nr. 4 HGB), • Erläuterung aktivierter Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebes (vgl. § 274a Nr. 5 HGB), • Erläuterung der „sonstigen Rückstellungen“ (vgl. § 288 HGB), • Angabe von Unterschiedsbeträgen aus der Anwendung von Bewertungsvereinfachungsverfahren (vgl. § 288 HGB), • Angaben zu Restlaufzeit u. Sicherheiten für jeden Posten der Verbindlichkeiten (vgl. § 288 HGB), • Angaben sonstiger finanzieller Verpflichtungen (vgl. § 288 HGB), • segmentierte Angabe der Umsatzerlöse (vgl. § 288 HGB), • Angaben zu Auswirkungen von steuerrechtlichen Vergünstigungsvorschriften (vgl. § 288 HGB), • Angaben zum Umfang der auf das gewöhnliche und das außergewöhnliche Ergebnis entfallenden Ertragsteuern (vgl. § 288 HGB), • Angabe der durchschnittlichen Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer getrennt nach Gruppen (vgl. § 288 HGB), • Angaben zum Materialaufwand bei Anwendung des Umsatzkostenverfahrens (vgl. § 288 HGB),

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

203

Prüfung

• keine Pflicht zur Durchführung einer Jahresabschluss- • verpflichtende Jahresabschlussprüfung (vgl. § 316 Abs. 1 Satz 1 HGB); und Lageberichtprüfung kann von einem vereidigten Buchanstelle von einem Wirtschaftsprüfer durchgeführt werden (vgl. § 319 Abs. 1 Satz 2 HGB);

Offenlegung nach handelsbilanzrechtlichen Vorschriften

• Angaben zu den Gesamtbezügen von aktiven u. früheren Leitungs-/Aufsichtsorganen (vgl. § 288 HGB), • Angaben zu Honoraren für den Abschlussprüfer (vgl. § 288 HGB), • Angaben zu Art, Umfang und Zeitwert von Finanzinstrumenten (vgl. § 288 HGB);

• Offenlegung der (verkürzt erstellten) Bilanz und des • Offenlegung der Bilanz in der (verkürzt erstellten) Anhangs; keine Pflicht zur Offen- in § 266 Abs. 1 Satz 3 HGB für kleine Kapitalgesellschaften legung der GuV-Rechnung (vgl. § 326 HGB), • Bekanntgabe der Unterlagen im Bundesanzeiger, wie vorgesehenen Form, jedoch mit für große Unternehmen gefordert, ist nicht erforderlich zusätzlichen Informationsanga(vgl. § 325 Abs. 2 HGB); lediglich die Einreichung der ben in Bilanz oder Anhang (vgl. Unterlagen beim Handelsregister muss im Bundesan- § 327 Nr. 1 HGB) sowie Verzicht auf bestimmte Informazeiger bekannt gemacht werden. tionsangaben im Anhang (§ 327 Nr. 2 HGB), so insb. auf: • Aufgliederung der Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mehr als fünf Jahren sowie Betrag, Art und Form bestehender Sicherheiten jeweils für die einzelnen in der Bilanz ausgewiesenen Verbindlichkeitspositionen, • Auswirkungen von steuerrechtlichen Sonderabschreibungen, • Angaben zum Materialaufwand bei Anwendung des Umsatzkostenverfahrens, • Angaben zu den „sonstigen Rückstellungen“; • Bekanntgabe der Unterlagen im Bundesanzeiger, wie für große Unternehmen gefordert, ist nicht notwendig (vgl. § 325 Abs. 2 HGB); lediglich die Einreichung der Unterlagen muss im Bundesanzeiger bekannt gemacht werden.

Quelle: in Anlehnung an IDW (2006), F Rn. 69.

Neben den allgemeinen Zusatzregelungen für Kapital- und diesen gleichgestellte Gesellschaften gibt es schließlich noch zusätzliche Anforderungen an

204

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

Unternehmen, die einen geregelten bzw. organisierten Kapitalmarkt i. S. d. § 2 Abs. 5 WpHG (d. h. die Börsensegmente des amtlichen Marktes oder des geregelten Marktes)255 in Anspruch nehmen oder die Zulassung zum Handel an einem solchen Markt beantragt haben. Innerhalb dieser Sonderregelungen wird nochmals differenziert nach der Art der emittierten Wertpapiere (Aktien oder sonstige eigen- oder fremdkapitalverbriefende Wertpapiere i. S. d. § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG) einerseits sowie nach dem in Anspruch genommenen Börsensegment (amtlicher oder geregelter Markt i. e. S.) andererseits.256

b) Nach IFRS Die Rechnungslegungsnormen der IFRS stellen keine Gesetzeswerke dar, sondern werden vom International Accounting Standards Board (IASB) – vormals International Accounting Standards Committee (IASC) – als privatrechtliche Vereinigung von Vertretern berufsständischer Organisationen entwickelt.257 Die IFRS-Rechnungslegung basiert auf einem dreistufigen Aufbau: • dem Rahmenwerk (Framework) mit subsidiären Grundsätzen für die Auslegung und Entwicklung der einzelnen Standards, • den einzelnen Standards selbst sowie • den Interpretationen.258 Das Framework soll insbesondere: ___________ 255 Hinsichtlich der synonymen Begriffsverwendung der Begriffe des organisierten und des geregelten Kapitalmarktes siehe bereits Kapitel B. der vorliegenden Arbeit. 256 Entsprechend ist zu unterscheiden zwischen: • Regelungen, die für alle auf einen organisierten Kapitalmarkt ausgerichtete Unternehmen gelten (vgl. §§ 267 Abs. 3, 286 Abs. 3 Satz 3, 342b Abs. 2 Satz 2 HGB), • zusätzlichen Regeln für börsennotierte Unternehmen (vgl. §§ 285 Nr. 9a), Nr. 10 und Nr. 11 sowie §§ 285 Nr. 16, 325 Abs. 1 HGB i. V. m. § 161 AktG, §§ 289 Abs. 2 Nr. 5, 313 Abs. 2 Nr. 4, 314 Abs.1 Nr. 6 und Nr. 8, 315 Abs. 2 Nr. 4, 317 Abs. 4 HGB) sowie • zusätzlichen Vorschriften für amtlich notierte Aktiengesellschaften (vgl. §§ 319 Abs. 3 Nr. 6, 323 Abs. 2 HGB). Dabei sind börsennotierte Gesellschaften solche, deren Aktien zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind (vgl. auch § 21 Abs. 2 WpHG); sie sind somit eine Teilmenge der auf einen organisierten Kapitalmarkt ausgerichteten Unternehmen. Amtlich notierte Gesellschaften sind solche, deren Aktien am amtlichen Markt zugelassen sind, sie stellen somit ihrerseits eine Teilmenge der börsennotierten Gesellschaften dar. Hinsichtlich einer Übersicht hierzu siehe Eierle, B. (2004-a), S. 210. 257 Vgl. Coenenberg, A. G. (2003), S. 49. 258 Vgl. Federmann, R. (2000), S. 82.

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

205

• den Regelgeber bei der Entwicklung der einzelnen Standards, • die Rechnungslegenden bei der Anwendung der einzelnen Standards sowie bei der Lösung noch nicht geregelter Fragen sowie • die Abschlussadressaten bei der Interpretation der Abschlüsse unterstützen.259 Das Framework kann als „Unterbau“ der Rechnungslegung nach IFRS verstanden werden. In ihm werden: • die Zwecke der Rechnungslegung nach IFRS, • die qualitativen Anforderungen an die Rechnungslegung sowie • Fragen der Bilanzierungsfähigkeit und Gewinnrealisierung geregelt.260 Was die Normenhierarchie betrifft, hat das Framework jedoch nicht die Rechtswirkung eines Standards und tritt im Überschneidungsfall hinter den Einzelregelungen zurück.261 Teilbereiche des Framework sind vom IASB inzwischen in den IAS 1, welcher allgemeine Grundsätze beinhaltet, übernommen worden mit der Folge, dass diesen Regelungen nunmehr eine höhere Verbindlichkeit zukommt.262 Zusammen mit dem IAS 8 bilden diese Regelungen eine Art „Allgemeinen Teil“.263 Das Rahmenkonzept bzw. die Standards sind in der gegenwärtigen Form grundsätzlich allgemeinverbindlich. So wird im Framework aufgeführt, dass das Rahmenkonzept „für die Abschlüsse aller (…) Handels-, Industrie- und Dienstleistungsunternehmen (gilt; Erg. d. Verf.), die Bericht erstatten“ (IASBFW.8). Es ist also generell weder zwischen Jahres- und Konzernabschlüssen, zwischen verschiedenen Rechtsformen oder Branchen zu differenzieren noch bestehen derzeit größenspezifische Erleichterungen.264 Die Interpretationen schließlich dienen der Auslegung einzelner Regelungen in den Standards.265 ___________ 259

Vgl. IASB-FW.1; vgl. auch Wulf, I. (2001), S. 102; Lüdenbach, N./Hoffmann, W.-D., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 1 Tz. 2. 260 Vgl. Wollmert, P./Achleitner, A.-K., in: Baetge, J. et al. (2003), Teil A, Kapitel II, Tz. 7 f.; Wulf, I. (2001), S. 102; Lüdenbach, N./Hoffmann, W.-D., in: Haufe IFRSKommentar (2005), § 1 Tz. 3. 261 Vgl. IASB-FW.2; vgl. auch Wollmert, P./Achleitner, A.-K., in: Baetge, J. et al. (2003), Teil A, Kapitel II, Tz. 12; Herzig, N. (2004), S. 38; Bohl, W./Mangliers, O., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 2 Tz. 1. 262 Vgl. Achleitner, A.-K./Wollmert, P./Van Hulle, K./Hey, J./Bischof, S., in: Baetge, J. et al. (2003), Teil A, Kapitel III, Tz. 1. 263 Vgl. Bohl, W./Mangliers, O., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 2 Tz. 2. 264 Vgl. IAS 1.2 f.; Wollmert, P./Achleitner, A.-K., in: Baetge, J. et al. (2003), Teil A, Kapitel II, Tz. 17. „Full IFRSs are suitable für all entities“, so das IASB in seinem Diskussionspapier hinsichtlich der Rechnungslegung von Small and Medium-sized Entities,

206

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

Für die Ausfüllung von Regelungslücken verweist IAS 8.11 (a) in erster Linie auf eine analoge Anwendung von Standards, die ähnliche oder verwandte Geschäftsvorfälle bzw. Ereignisse regeln. Bei einer solchen analogen Anwendung muss immer der Zweck im Auge behalten werden, den die IFRS verfolgen, also die Bereitstellung entscheidungsrelevanter Informationen. In zweiter Linie soll bei der Lückenausfüllung gemäß IAS 8.11 (b) auf die Definitionen, Ansatz- und Bewertungskriterien zurückgegriffen werden, welche im Framework für Vermögenswerte (assets), Schulden (liabilities), Erträge (income) und Aufwendungen (expenses) festgelegt sind. Führen diese Methoden nicht zu einer sachgerechten Lösung, soll der Anwender nach IAS 8.12 sogar auf Aussagen anderer Standardsetter zurückgreifen dürfen, die auf Grundlagen fußen, die denen des IASB-Framework vergleichbar sind.266 Als Zwecksetzung der Rechnungslegung nach IFRS bestimmt IAS 1.7: „Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage und die Cashflows eines Unternehmens bereitzustellen, die für eine breite Palette von Adressaten nützlich sind, um wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen. Ein Abschluss zeigt ebenfalls die Ergebnisse der Verwaltung des dem Management anvertrauten Vermögens.“ Zentraler Zweck ist somit die Vermittlung von entscheidungsrelevanten Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens.267 Hierbei steht die Befähigung der Adressaten im Vordergrund, anhand der Jahresabschlussinformationen „die künftigen Cashflows des Unternehmens (…) vorauszusagen.“268 Neben der Abschätzung künftiger Cashflows bezwecken die IFRS auch die Rechenschaftsfunktion im Sinne von Kontrolle, indem sie Informationen über die Leistungen des Managements bereitstellen wollen.269 In Anbetracht der Interessenvielfalt der Rechnungslegungsadressaten geht das IASB davon aus, dass ein Jahresabschluss, der die Informationsanforderungen der Investoren erfüllt, zugleich auch den Informationsbedürfnissen der meisten anderen Adressaten entspricht.270 ___________ vgl. IASB (2004-c), issue 1, preliminary view 1.1. Auf den derzeitigen Entwurf des IASB zur Konzipierung von Standards for Small and Medium-sized Entities wird in Abschnitt D.IV.1. näher eingegangen. 265 Vgl. Wollmert, P./Achleitner, A.-K., in: Baetge, J. et al. (2003), Teil A, Kapitel II, Tz. 10. 266 Vgl. Bohl, W./Mangliers, O., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 2 Tz. 34. 267 Vgl. auch IASB-FW.12: „Zielsetzung von Abschlüssen ist es, Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie Veränderungen in der Vermögens- und Finanzlage eines Unternehmens zu geben, die für einen weiten Adressatenkreis bei dessen wirtschaftlichen Entscheidungen nützlich sind.“ 268 IAS 1.7. 269 Vgl. IAS 1.7; IASB-FW.14. 270 Vgl. IASB-FW.10.

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

207

Neben dem Zweck der Informationsvermittlung ist im Framework – oder in den einzelnen Standards selbst – kein weiterer Jahresabschlusszweck verankert.271 Ein direkter Hinweis auf einen Anspruchsbemessungszweck findet sich nicht. Ob ein Rückgriff des nationalen Gesellschaftsrechts bezüglich der Anspruchsbemessungszwecke auf einen nach IFRS aufgestellten Jahresabschluss zweckmäßig und möglich ist, hängt davon ab, ob eine Übereinstimmung zwischen den Konzeptionen der Kapitalerhaltung besteht. Im Framework werden zwei Konzeptionen der Kapitalerhaltung vorgestellt (vgl. IASB-FW.104): • die nominelle Kapitalerhaltung und • die Substanzerhaltung. Eine Wertung, welche der beiden Kapitalerhaltungskonzepte vorzuziehen ist, wird im Framework nicht getroffen. Ausdrücklich wird festgestellt, dass das Board nicht die Absicht hat, ein bestimmtes Modell vorzuschreiben.272 Damit unterscheidet sich die Rechnungslegung nach IFRS zentral von der in Deutschland geltenden Konzeption, mit welcher mehrere Zwecke verfolgt werden und versucht wird, zwischen den verschiedenen Zwecken einen Kompromiss zu erreichen.273 Um die beschriebene Informationsfunktion zu erfüllen, hat der Abschluss die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage „fairly“ darzustellen, es soll eine „fair presentation“ (beide Zitate: IAS 1.13), also eine den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Darstellung erzielt werden. Bezüglich der Rechnungslegung nach IFRS war lange Zeit umstritten, ob dem Grundsatz des true and fair view – bzw. synonym dem Grundsatz der fair presentation274 – der Stellenwert eines overriding principle zukommen soll oder nicht. Mit der Überarbeitung von IAS 1 wurde der Grundsatz der fair presentation schließlich als overriding principle in der IFRS-Rechnungslegung etabliert.275 Denn IAS 1.17 (i. V. m. ___________ 271 Vgl. Bohl, W./Mangliers, O., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 2 Tz. 4 ff.; Emmrich, M. (1999), S. 95; Herzig, N. (2004), S. 36. 272 Dies wird nur unter besonderen Umständen als erforderlich angesehen, wie beispielsweise für Unternehmen, die sich in einer hochinflationären Wirtschaft befinden. Vgl. IASB-FW.110. Von dieser Ausnahme abgesehen finden sich in den IFRS jedoch keine Regelungen zur Kaufkraftanpassung. Vgl. auch Lüdenbach, N./Hoffmann, W.-D., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 1 Tz. 166 f. 273 Vgl. Bohl, W./Mangliers, O., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 2 Tz. 5. 274 Vgl. etwa Achleitner, A.-K./Wollmert, P., in: Baetge, J. et al. (2003), Teil A, Kapitel II, Tz. 2; Bohl, W./Mangliers, O., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 2 Tz. 7. 275 Vgl. stellvertretend Pellens, B./Fülbier, R. U./Gassen, J. (2006), S. 112 f.; Wagenhofer, A. (2005), S. 131 f.

208

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

IAS 1.13 ff.) erkennt an, dass es Sonderfälle geben kann, in denen von Einzelregelungen abgewichen werden muss, um eine fair presentation zu gewährleisten. Wird von Einzelvorschriften tatsächlich abgewichen, sind die Gründe und Auswirkungen dieser Abweichungen grundsätzlich zu erläutern.276 Die IFRS gelten im Gegensatz zu den US-GAAP, welche als case- bzw. rule-based betrachtet werden, als principle-based Standards.277 Dabei beinhaltet der Begriff der Prinzipienorientierung zum einen nach offenbar übereinstimmender Auffassung die deduktive Herleitung von Rechnungslegungsregeln nach Prinzipien anstelle von unsystematischen Einzelentscheidungen. Zum anderen lässt sich darunter mit Blick auf den Regelungsgehalt die Forderung nach mehr Prinzipien und weniger Regeln, also nach mehr Konsistenz und weniger Kasuistik verstehen.278 Obwohl bei den IFRS von einer prinzipienorientierten Rechnungslegung gesprochen wird, enthalten diese jedoch eine Vielzahl detaillierter Einzelfallregelungen in Form einzelner Rechnungslegungsstandards. Diese Art der Einzelfallregelung ist typisch für das angloamerikanische System279 des case law. Anstelle von kodifizierten Gesetzen mit relativ hohem Abstraktionsgrad (code law) bildet bereits in vergleichbaren Fällen ergangene Rechtsprechung die primäre Rechtsquelle.280 Im Vergleich zu den Regelungen des HGB sind die IFRS weniger prinzipienorientiert.281 Die IFRS weisen – wie auch im Rahmen der weiteren Ausführungen noch veranschaulicht wird – ein deutlich höheres Maß an Detaillierungsgrad und Komplexität auf als die Regelungen nach HGB/GoB.282 Hinsichtlich der Bestandteile kennen die IFRS im Gegensatz zum deutschen HGB im Wesentlichen keine rechtsform- oder größenabhängigen Unterscheidungen.283 Nach den Vorschriften der IFRS umfassen die Bestandteile der ___________ 276 Vgl. IAS 1.18; vgl. auch Pilhofer, J. (2002), S. 118; Bohl, W./Mangliers, O., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 2 Tz. 7; Schmidt, M. (2000), S. 136. 277 Vgl. Wagenhofer, A. (2005), S. 109; Lüdenbach, N./Hoffmann, W.-D., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 1 Rn. 76 ff. m. w. N. 278 Vgl. Lüdenbach, N./Hoffmann, W.-D., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 1 Rn. 77 ff. 279 Zu Hinweisen bezüglich der Einteilung in angloamerikanische und kontinentaleuropäische Normenkreise siehe bereits Abschnitt D.II.1.a) der vorliegenden Arbeit. 280 Vgl. Coenenberg, A. G. (2003), S. 48. 281 Vgl. Wagenhofer, A. (2005), S. 109; Pellens, B./Fülbier, R. U./Gassen, J. (2006), S. 920 f. 282 Auch wenn in neueren Standards des IASB der Haupttext tendenziell auf Prinzipien gekürzt ist, wurde die Komplexität stattdessen in mehr oder weniger umfangreiche Anhänge verlagert. Dies hat materiell mit Prinzipienorientierung wenig zu tun. Vgl. Wagenhofer, A. (2005), S. 109 m. w. N. 283 Vgl. IAS 1.3; siehe auch Bohl, W./Mangliers, O., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 2 Tz. 111.

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

209

Rechnungslegung für alle Unternehmen jeweils Bilanz, GuV-Rechnung, Kapitalflussrechnung284, Eigenkapitalveränderungsrechnung sowie Anhangsangaben.285 Lediglich an wenigen Stellen (Segmentberichterstattung, Zwischenberichterstattung) sehen die IFRS eine Differenzierung hinsichtlich des Anwenderkreises vor. So ist die Pflicht zur Aufstellung einer Segmentberichterstattung auf die Unternehmen beschränkt, deren Wertpapiere (Anteils- oder Gläubigerpapiere) öffentlich gehandelt werden oder die die Ausgabe von Wertpapieren an einer Wertpapierbörse in die Wege geleitet haben.286 Bezüglich Prüfung und Offenlegung enthalten die IFRS selbst keinerlei Regeln, diesbezüglich sind jeweils die nationalen Vorschriften relevant.287

2. Periodisierungs- und Objektivierungsgrundsätze a) Nach HGB/GoB (1) Überblick über die Systematik der Rechnungslegungsgrundsätze Die GoB lassen sich untergliedern in:288 • Rahmen- bzw. Objektivierungsgrundsätze, • Abgrenzungsgrundsätze sowie • ergänzende Grundsätze. Diese GoB werden durch Basiskonventionen289 ergänzt. Hierunter sind allgemeine Forderungen bezüglich der Aufstellung von Jahresabschlüssen zu ver___________ 284

Vgl. IAS 7. Vgl. IAS 1.8 und IASB-FW.7; vgl. auch Bohl, W./Mangliers, O., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 2 Rn. 111. 286 Vgl. IAS 14.3. Dabei geht der Begriff des öffentlichen Marktes über die Börsensegmente des amtlichen und des geregelten Marktes (i. e. S.) hinaus. Alle nach der Definition für Wertpapiere in § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG genannten Papiere sind auch Wertpapiere i. S. d. IAS 14. Vgl. auch Hütten, C., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 36 Rn. 9 ff., Pellens, B./Fülbier, R. U./Gassen, J. (2006), S. 819. 287 Vgl. Wagenhofer, A. (2005), S. 91. 288 Bezüglich der Systematik der GoB wird im Folgenden überwiegend dem Aufbau von Leffson gefolgt, soweit die offenbar h. M. hiervon nicht wesentlich abweicht. Ein solcher wesentlicher Unterschied besteht hinsichtlich der Stellung des Vorsichtsprinzips. Dabei handelt es sich nach Leffson um einen ergänzenden Grundsatz. Vgl. Leffson, U. (1987), S. 179. Leffson unterscheidet die Rechnungslegungszwecke der Dokumentation, der Rechenschaft sowie der Kapitalerhaltung. Vgl. Leffson, U. (1987), S. 111. 289 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 180. Von anderen Autoren werden diese Postulate großteils bereits selbst als GoB bezeichnet. 285

210

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

stehen, die ihren Niederschlag in den GoB finden, so das Postulat der Fortführung der Unternehmenstätigkeit, die Bedingungen der Nützlichkeit und der Vergleichbarkeit sowie die Konvention der Periodisierung. Die Annahme der Unternehmensfortführung als Postulat ist in Art. 31 Abs. 1 a) der Vierten EGRichtlinie sowie in § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB kodifiziert. Nach dieser Prämisse ist im Rahmen der Bewertung von der Unternehmensfortführung auszugehen, sofern dem nicht rechtliche oder tatsächliche Gegebenheiten entgegenstehen.290 Ist der Jahresabschluss demnach unter der Prämisse der Unternehmensfortführung aufzustellen, dürfen keine Liquidations- bzw. Zerschlagungswerte angesetzt werden.291 Aus dem Sinn der Rechenschaft, Informationen als Entscheidungsgrundlage zu liefern, lässt sich das Postulat der Nützlichkeit von Informationen – in der Literatur zum Teil auch als Kriterium der Wesentlichkeit von Informationen bezeichnet292 – herleiten, welches nach Leffson als allgemeine Voraussetzung der Ableitung von GoB anzusehen ist.293 Die Rahmengrundsätze sind Grundvoraussetzungen jeder Vermittlung nützlicher Rechnungslegungsinformationen; sie gelten unabhängig von materiellen Regelungen.294 In der Literatur werden die bei Leffson darunter subsumierten Grundsätze zum Teil auch als „Objektivierungsgrundsätze“ bezeichnet.295

___________ 290

Die Wirkungsweise der Annahme der Unternehmensfortführung gilt international als umstritten. Vgl. etwa Leffson, U. (1987), S. 187; Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 252 HGB Tz. 25. Der Grundsatz der Unternehmensfortführung wirkt sich als allgemeiner Bewertungsgrundsatz zugleich auch auf die Gewinnrealisation aus. Vgl. Pilhofer, J. (2002), S. 111 f. m. w. N. 291 Dies lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass die Prämisse der Unternehmensfortführung eine Bewertung zu Veräußerungswerten untersagt. Vgl. Siegel, T./Schmidt, M., in: Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung (1999), Tz. 106. 292 So zum Beispiel Baetge, J./Roß, H.-P. (1998), S. 39. Diese betrachten die Forderung nach Wesentlichkeit allerdings als Grundsatz, welcher den kaum nachprüfbaren Grundsatz der Wirtschaftlichkeit konkretisiere bzw. substituiere. Im englischsprachigen Schrifttum hat sich aus diesem Gedanken der Grundsatz der materiality entwickelt, vgl. Leffson, U. (1987), S. 182. 293 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 180 ff.; ebenso Baetge, J./Roß, H.-P. (1998), S. 39. 294 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 179. 295 So z. B. bei Herzig, N. (2004), vgl. 4. Teil, 2. Kapitel, 2. Abschnitt: B I und II. Die Stellung dieser Rahmen- bzw. Objektivierungsgrundsätze wird in der Literatur sehr unterschiedlich dargestellt. Da diese Unterscheidungen jedoch nicht in erster Linie für die unterschiedlichen Jahresabschlusszwecke von Bedeutung sind, wird im Folgenden nicht näher darauf eingegangen.

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

211

Im Folgenden sollen nicht sämtliche GoB dargestellt und abgegrenzt werden. Es sei auf die umfangreiche Literatur zu diesem Thema verwiesen. Wie im Rahmen der Interessenanalyse gezeigt, interessieren generell Informationen über die Erfolgskraft, Liquidität sowie das Vermögen eines Unternehmens. Diese Informationen sind hinreichend verlässlich zu ermitteln.296 Entsprechend wird im Folgenden der Schwerpunkt auf jene Grundsätze gelegt, die mit Blick auf die Periodisierung, welche maßgeblich für die Ermittlung der Gewinn- und der Vermögensgröße ist, sowie für die Objektivierung besonders relevant erscheinen.297

(2) Grundlegende Periodisierungs- und Objektivierungsgrundsätze (a) Periodisierungsgrundsätze Nach dem in § 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB kodifizierten Periodisierungsprinzip sind Aufwendungen und Erträge einem Geschäftsjahr nicht nach deren Zahlungszeitpunkten, sondern nach ihrer Erfolgswirksamkeit zuzurechnen. Die Ermittlung des Periodenerfolges wird nach den GoB im Wesentlichen durch folgende Abgrenzungs- bzw. Periodisierungsgrundsätze bestimmt:298 (1) das Realisationsprinzip, (2) die Grundsätze der Abgrenzung der Sache und der Zeit nach und (3) das Imparitätsprinzip. Diese Grundsätze werden nach geltendem Recht wesentlich durch das Vorsichtsprinzip geprägt, welches deshalb vorweg dargestellt wird: § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB verpflichtet den Kaufmann, „vorsichtig zu bewerten, namentlich (…) alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlußstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen (…); Gewinne sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind.“

___________ 296

Siehe hierzu die Ausführungen in den Abschnitten D.I.2.c)(2) und D.I.2.d)(3) der vorliegenden Arbeit. 297 Auch bezüglich der Liquidität interessieren mittelbar Informationen über die Erfolgskraft eines Unternehmens, siehe hierzu auch die Ausführungen bei der Interessenanalyse in Abschnitt D.I.1. 298 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 189.

212

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

Durch diese Formulierung wird deutlich, dass das Vorsichtsprinzip nach geltendem Recht durch das Realisations- und das Imparitätsprinzip sowie die ihnen zugehörigen Objektivierungsregeln, insbesondere die Aktivierungs- und Passivierungsgrundsätze,299 konkretisiert wird.300 Daneben umfasst das Vorsichtsprinzip auch das Prinzip vorsichtiger Bewertung als spezifische Regel zur Wertermittlung (Schätzung) bei unsicheren Erwartungen.301 Diesbezüglich wird im Folgenden vom Vorsichtsprinzip i. e. S. gesprochen. Das Vorsichtsprinzip gilt im Schrifttum traditionell „als GoB, der in allen Fragen der Bilanzierung und Bewertung zu beachten ist“302, als „Leitprinzip“303 handelsbilanzieller Rechnungslegung, als ein vorrangiger Grundsatz, welcher „zur Auslegung anderer Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und generell zur Beantwortung von Bilanzierungsfragen heranzuziehen“304 ist.305 Soweit sich das Vorsichtsprinzip im Realisations- und Abschreibungsprinzip sowie in den konkreten Bilanzansatzregeln ausdrückt, findet seine Umsetzung in Form von – primär gesetzlich verankerten – Konventionen statt.306 Im Ver___________ 299 Hier sind insbesondere zu nennen die Beschränkung auf einzelne Vermögensgegenstände (vgl. § 246 Abs. 1 i. V. m. § 252 Abs. 1 Ziff. 3 HGB), die eine Gesamtunternehmensbewertung verhindert, das Verbot der Aktivierung von Gründungs- und Kapitalbeschaffungskosten sowie nicht entgeltlich erworbener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (vgl. § 248 Abs. 1 und Abs. 2 HGB) sowie das Verbot zur Aktivierung des originären Geschäftswertes (vgl. § 255 Abs. 4 HGB). Vgl. Winkeljohann, N./Geißler, H., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 252 Tz. 30 und Tz. 50; Rückle, D. (1986-a), S. 410 f.; Federmann, R. (2000), S. 163; Kempermann, M., in: Kirchhof, P./Söhn, H./Mellinghoff, R. (2005), § 5 Rn. B 96. 300 Vgl. Winkeljohann, N./Geißler, H., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 252 Tz. 29; Moxter, A. (1986-a), S. 37; Rückle, D. (1986-a), S. 409; Weber-Grellet, H., in: Schmidt, L. (2006), § 5 Tz. 77 f.; Kempermann, M. in: Kirchhof, P./Söhn, H./Mellinghoff, R. (2005), § 5 Rn. B 96. 301 Vgl. insbesondere Rückle, D. (1986-a), S. 409; Leffson, U. (1987), S. 423 ff.; Moxter, A. (1984), S. 163 f.; Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S. (2005), S. 138 ff. 302 Winkeljohann, N./Geißler, H., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 252 Tz. 30. 303 Federmann, R. (2000), S. 161 f. 304 Kempermann, M., in: Kirchhof, P./Söhn, H./Mellinghoff, R. (2005), § 5 Rn. B 97. 305 Vgl. auch Winkeljohann, N./Geißler, H., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 252 Tz. 30. Leffson hingegen betrachtet das Vorsichtsprinzip wie gesagt nicht als übergeordneten, sondern als ergänzenden Grundsatz. Vgl. Leffson, U. (1987), S. 467 f. Das Vorsichtsprinzip ebenfalls nicht als übergeordnetes Prinzip betrachten Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S. (2005), S. 135 und S. 141. 306 So ist etwa beim Realisationsprinzip der Zeitpunkt, zu dem Erfolgsbeiträge aus dem betrieblichen Umsatzprozess als realisiert gelten, nach Konvention der Zeitpunkt der Lieferung von Gütern oder der Beendigung von Dienstleistungen.

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

213

gleich zu Jahresabschlusswerten, die dem subjektiv richtigen Bild des Rechnungslegenden von der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage entsprechen, reduziert eine solchermaßen konventionsgeprägte Rechnungslegung zwar die den Adressaten vermittelten Informationen. Zugleich werden die Informationen jedoch verlässlicher, der Einblick in die Lage des Unternehmens wird damit standardisierter.307 Das Ausmaß der Vorsicht ist aber nicht für alle Einzelfälle geklärt. Es besteht zwar in der Literatur inzwischen weitgehend Einigkeit darüber, dass bei der Anwendung des Vorsichtsprinzips bezüglich der Rechnungslegungszwecke die Gefahren stiller Rücklagen zu berücksichtigen sind.308 Bei der Berücksichtigung von Zukunftsschätzungen im Rahmen des Imparitätsprinzips sowie des Vorsichtsprinzips i. e. S. gehen jedoch die Ansichten auseinander, ab wann eine nicht akzeptable Übervorsicht vorliegt.309 In der starken Gewichtung des Vorsichtsprinzips kommt zum Ausdruck, dass die GoB wie dargelegt insbesondere auch auf den Zweck der Anspruchsbemessung im Sinne eines maximal entziehbaren Gewinnausschüttungs- bzw. Entnahmebetrages gerichtet sind.310 Dadurch tritt der Grundsatz der periodengerechten Erfolgsermittlung im geltenden deutschen Bilanzrecht grundsätzlich hinter dem Vorsichtsprinzip zurück und wird somit beeinträchtigt. Hierdurch werden v. a. große Ermessensspielräume zur Legung und Auflösung stiller Rücklagen eröffnet.311 Die Möglichkeit zur Bildung stiller Rücklagen ist entsprechend auch ein zentraler Kritikpunkt an der derzeitigen Rechnungslegung nach HGB. Die durch die Dominanz des Vorsichtsprinzips entstehenden Infor-

___________ 307

Vgl. Rückle, D. (1986-a), S. 415. Vgl. Coenenberg, A. G. (2005), S. 45 f.; Rückle, D. (1986-a), S. 408 ff. m. w. N. 309 So geht ein Teil des Schrifttums davon aus, dass es dem Vorsichtsprinzip entspricht, „bei mehreren Schätzungsalternativen stets eine etwas pessimistischere als die wahrscheinlichste Alternative zu wählen“ (Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 252, Rn. 68 m. w. N.); nach Leffson soll hierfür ein „Wert vom unteren Ende der Bandbreite“ (Leffson, U. (1987), S. 479) anzusetzen sein. Rückle, D. (1986-a), S. 412 ff. Baetge/Kirsch/Thiele fordern zur Auflösung des Konflikts zwischen Rechenschafts- und Kapitalerhaltungszwecken den parallelen Ausweis zweier Werte: Die Bewertung für Rechenschaftszwecke soll zu mittleren Werten erfolgen; daneben soll für den Zweck der Kapitalerhaltung eine separate „Bandbreitenrückstellung“ passiviert werden, in der die Differenz zwischen Mittel- und pessimistischem Wert aufgenommen wird. Vgl. Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S. (2005), S. 139 f.; Leffson fordert ebenfalls einen mehrwertigen Ausweis, vgl. Leffson, U. (1987), S. 491 f.; ebenfalls die Angabe einer „Vorsichtskomponente“, d. h. des Unterschiedes zwischen einer vorsichtigen Bewertung und einer Bewertung zu Mittelwerten, befürwortet Rückle, D. (1986-a), S. 416. 310 Vgl. Schreiber, U. (1998), S. 90. 311 Vgl. Pilhofer, J. (2002), S. 106. 308

214

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

mationsdefizite sollen – i. S. d. in Abschnitt D.II.1.a) dargestellten Abkopplungsthese – durch den Anhang ausgeglichen werden.312 Die Interpretation und Auslegung des Vorsichtsprinzips werden in der deutschen Rechnungslegung ferner aufgrund der Maßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz auch entscheidend vom Bilanzsteuerrecht beeinflusst. Im Rahmen des internationalen Harmonisierungsprozesses der Rechnungslegung wird v. a. diese deutsche Auslegung des Vorsichtsprinzips stark kritisiert.313 Zu (1): Realisationsprinzip Das in § 252 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 2 HGB kodifizierte Realisationsprinzip stellt den zentralen Abgrenzungsgrundsatz dar und ist wie aufgeführt nach offenbar überwiegender Auffassung als Ausdruck des Vorsichtsprinzips anzusehen.314 Es bestimmt primär, wann eine Leistung des Unternehmens am Abschlussstichtag als realisiert gilt, d. h. ein Ertrag auszuweisen ist. Die Frage, was als Akt der Realisation gelten kann, d. h. also zu welchem Zeitpunkt eine Gewinnrealisation als vernünftig erscheint, ist im Gesetz nicht konkretisiert. Dies ist daher deduktiv aus den Rechnungslegungszwecken abzuleiten.315 Nach offenbar h. M. wird auf die faktische Erfüllung der vertraglich übernommenen Leistungspflicht als maßgeblicher Realisationsvorgang abgestellt.316 Ein Erlös aus dem Verkauf von Gütern oder Dienstleistungen gilt im Allgemeinen als realisiert, wenn die Lieferung vollzogen317 oder die Dienstleistung beendet ist. Das geltende Realisationsprinzip versteht den handelsrechtlichen Gewinn also als Umsatzgewinn.318 Damit soll als Ausfluss des Vorsichtsprinzips der Ausweis und gegebenenfalls eine Ausschüttung noch unsicherer Wertsteigerungen am ruhenden Vermögen verhindert werden. Dies dient der nominellen Kapitalerhaltung319 des Unternehmens sowie der Richtigkeit und Willkürfreiheit des Jahresabschlusses.320 ___________ 312

Vgl. Moxter, A. (1986-a), S. 67 f. Vgl. Pilhofer, J. (2002), S. 107. 314 Vgl. Moxter, A. (1987), S. 365 ff.; Adler/Düring/Schmaltz (1998), § 243 HGB Tz. 22a und § 252 HGB Tz. 63; Federmann, R. (2000), S. 161 ff.; Rückle, D. (1986-a), S. 409; Herzig, N. (2004), S. 46. 315 Vgl. Siegel, T. (1994), S. 7; Emmrich, M. (1999), S. 133. 316 Vgl. etwa Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 252 HGB Tz. 80; Federmann, R. (2000), S. 165. 317 Dabei gilt eine Lieferung nach Konvention mit dem Zeitpunkt des Gefahrenübergangs als erbracht. Vgl. z. B. Federmann, R. (2000), S. 165; Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 252 HGB Tz. 82; Coenenberg, A. G. (2003), S. 40. 318 Vgl. Federmann, R. (2000), S. 165; Moxter, A. (1987), S. 365. 319 Siehe hierzu auch die Ausführungen in Kapitel E. der vorliegenden Arbeit. 320 Vgl. Federmann, R. (2000), S. 165; Leffson, U. (1987), S. 251. 313

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

215

Somit ist gemäß GoB/HGB nach verbreiteter Auffassung auch bei Teilleistungen innerhalb langfristiger Produktionsprozesse321 eine Teilrealisation bereits vor der vollständigen Leistungserfüllung im Vergleich zu internationalen Rechnungslegungsregeln nur unter sehr restriktiven Bedingungen möglich;322 von manchen Autoren wird generell eine strenge Anwendung des Gewinnrealisationsprinzips323 gefordert. Demgegenüber soll nach anderer Auffassung eine Anwendung der Percentage-of-Completion-Methode möglich sein.324 In seltenen Fällen ist schließlich eine nachgelagerte Ertragserfassung zugelassen. Dabei handelt es sich jedoch um gesondert geregelte Ausnahmefälle (z. B. bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung).325 Aus dem Realisationsprinzip folgt de lege lata nach überwiegender Meinung das in § 253 Abs. 1 HGB verankerte Prinzip der Bewertung zu Anschaffungsoder Herstellungskosten (so genanntes Anschaffungswertprinzip). Denn ein höherer Ansatz als zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten würde den Ausweis eines unrealisierten Gewinnes bewirken.326 In der Literatur findet sich allerdings auch der Hinweis, dass das Realisationsprinzip das Anschaffungskostenprinzip nicht zwingend nach sich ziehen muss. So ist eine Höherbewertung von Vermögensgegenständen richtlinienkonform, solange der Differenzbetrag bis zum Realisationszeitpunkt für Ausschüttungen gesperrt bleibt (vgl. Art. 33 Abs. 1 Buchst. c) i. V. m. Abs. 2 Buchst. a) der Vierten EGRichtlinie).327 Eine derartige Bewertung würde nicht gegen das Realisationsprinzip verstoßen.328 ___________ 321 Eine langfristige (Auftrags-)Fertigung ist ein Herstellungsprozess, der sich über mehrere Geschäftsjahre erstreckt, vgl. Ellrott, H./Brendt, P., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 255 Rn. 457 m. w. N. 322 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 252 HGB Tz. 88 m. w. N., welche neun Voraussetzungen fordern; Ellrott, H./Brendt, P., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 255 Rn. 457 ff., welche den Ansatz der anteiligen Selbstkosten als zulässig ansehen; Coenenberg, A. G. (2003), S. 233 f.; IDW (2006), E Rn. 244. 323 Vgl. Schulze-Osterloh, J., in: Baumbach, A. (1996), § 42 Rn. 91. 324 Vgl. Selchert, F. W./Erhardt, M. (2003), S. 222 f. Die Frage der bilanziellen Behandlung langfristiger Fertigungsaufträge nach der Vierten EG-Richtlinie hat auch schon mehrfach die Europäische Kommission beschäftigt, vgl. Hennrichs, J. (1999), S. 153. 325 Vgl. Herzig, N. (2004), S. 47. 326 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 252 HGB Tz. 63; Leffson, U. (1987), S. 252; Coenenberg, A. G. (2003), S. 40; Winkeljohann, N./Geißler, H., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 252 Tz. 29. 327 Geändert durch Richtlinie 2003/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.06.2003, Art. 1 Tz. 10, siehe ferner auch Art. 1 Tz. 12. 328 Vgl. Bauch, G./Oestreicher, A. (1993), S. 66; bezüglich einzelveräußerungsstatischer Bilanzierung Berlage, H. (1993), S. 91.

216

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

Nach diesem herkömmlichen Verständnis – wie es der derzeit offenbar h. M.329 entspricht – bezieht sich das Realisationsprinzip somit direkt nur auf Erträge, lediglich neutralisierend bezieht es sich auch auf Aufwendungen: Die dem betreffenden Geschäft zuzurechnenden Aufwendungen werden zum Realisationszeitpunkt zu Aufwand, indem sie bei einer im weitesten Sinne als Abgrenzungsposten zu verstehenden Bilanzposition (z. B. Erzeugnisse) ausgebucht werden. Bis zum Realisationszeitpunkt waren diese Aufwendungen dort entsprechend dem Anschaffungswertprinzip erfolgsmäßig zu neutralisieren, sofern sie zur Entstehung eines Vermögensgegenstandes führen oder hierzu beitragen.330 Demgegenüber versteht ein neuerer (insbesondere steuerbilanzieller) Auslegungsansatz das Realisationsprinzip – zum Teil in Anlehnung an das angloamerikanische matching principle331 – auch als direktes Aufwandsperiodisierungsprinzip im Sinne einer „dynamischen“332 Gewinnermittlung: Danach sollen Aufwendungen grundsätzlich der Periode zuzurechnen sein, in der die Erträge, die sie alimentiert haben, realisiert werden.333 In bestimmten Fällen geht diese, in der Literatur auch als „Alimentationsprinzip“ bezeichnete Auffassung für die Zurechnung der Aufwendungen zu den alimentierten Erträgen von künftigen Erträgen aus, ohne das Vorsichtsprinzip entsprechend zu berücksichtigen bzw. bestimmte Objektivierungsrestriktionen aufzustellen.334 Die genannten Unterschiede im Verständnis des Realisationsprinzips bzw. der Ertrags- und Aufwandsrealisierung können sich – je nachdem, wie konsequent sie verfolgt werden – insbesondere im Bereich des Abschreibungsverfah-

___________ 329 Vgl. etwa Leffson, U. (1987), S. 355; Coenenberg, A. G. (2003), S. 40; Förschle, G., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 243 Tz. 35 und Winkeljohann, N./ Geißler, H., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 252 Tz. 43 ff.; Schildbach, T. (2004-b), S. 142 ff. 330 Vgl. Siegel, T. (1994), S. 1 und S. 3. 331 Siehe hierzu Abschnitt D.II.2.b)(2)(a) der vorliegenden Arbeit. 332 Siehe hierzu Abschnitt D.III.1.a) der vorliegenden Arbeit. 333 Diese Auffassung vertritt etwa Herzig, N. (2004), S. 47 und S. 238. Er betont, dass diese Behandlung dem Wortlaut des in § 252 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 2 HGB kodifizierten Realisationsprinzips entspreche, wonach „Gewinne“, also die positive Differenz aus Erträgen und Aufwendungen, erst zu berücksichtigen seien, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind. Vgl. Herzig, N. (2004), S. 47. Herzig übt jedoch in bestimmten Zweifelsfällen selbst Kritik am Alimentationsprinzip und empfiehlt in solchen Fällen den Vorzug des matching principle, vgl. Herzig, N. (2004), S. 241 f. Vgl. auch Moxter, A. (1995), S. 316 ff.; Moxter, A. (2003), S. 102 ff. Dieser sieht ebenfalls selbst Objektivierungsrestriktionen gegen eine durchgängige Anwendung des Alimentationsprinzips vor. 334 Kritisch hierzu etwa Siegel, T. (1994), S. 4.

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

217

rens, der Bewertung zu Voll- oder Teilkosten sowie der Rückstellungen auswirken.335 So kommt dem Alimentationsprinzip v. a. eine rückstellungsbegrenzende Wirkung zu: In Fällen, in denen die rechtliche der wirtschaftlichen Verursachung zeitlich vorgelagert ist, kommt es – wenn wirtschaftliche Verursachung mit dem Anfallen von Erträgen gleichgesetzt wird – nach dem so verstandenen im Gegensatz zum herkömmlichen Realisationsprinzip nicht zur Rückstellungsbildung.336 Zu denken ist hier beispielsweise an Rückstellungen für öffentlichrechtliche Anpassungsverpflichtungen337 sowie an Rückstellungen für Rekultivierungen.338 Nach der handelsrechtlich offenbar überwiegenden Gegenmeinung hingegen ist spätestens mit der rechtlichen Verpflichtung auch eine wirtschaftliche Verpflichtung als gegeben anzunehmen, da sich die Risikosituation der Unternehmung verändert hat.339 Hierauf wird bei der Darstellung der unterschiedlichen Ansatznormen in Abschnitt D.II.3.a)(1) weiter eingegangen.

___________ 335

Beispiele hierzu siehe Siegel, T. (1994), S. 9 ff. Hinsichtlich dieser Unterschiede siehe Siegel, T. (1994), S. 19. 337 Nach den Vertretern der Alimentationsformel soll der künftige Aufwand die künftige Produktion alimentieren und sei deshalb am entsprechenden Bilanzstichtag nicht rückstellungsfähig. Sofern der Kaufmann die zur Anpassung erforderlichen Ausgaben tätige, um die betreffenden Anlagen seines Unternehmens auch weiterhin nutzen zu können, schließe der darin zum Ausdruck kommende Bezug zu künftigen Erträgen eine Rückstellungsbildung aus. Vgl. Herzig, N. (2004), S. 238 ff. Demgegenüber stellt nach herkömmlicher Auffassung des Realisationsprinzips eine öffentlichrechtliche Anpassungsverpflichtung (etwa zur Anpassung bestimmter Emissionswerte) eine Rechtsverpflichtung dar und genügt demnach zum Ansatz in der Bilanz. Vgl. BFH, U. vom 27.06.2001 – I R 45/97, DB 2001, S. 1698 ff.; vgl. auch Hoyos, M./Ring, M., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 249 Rn. 100. 338 Siehe hierzu etwa Herzig, N. (2004), S. 240 f. Herzig führt als Beispiel die Erschließung einer Kiesgrube an: Ein Kaufmann schließe in Periode 1 eine Kiesgrube auf und fördere das Kiesvorkommen, verkaufe aber noch nichts. Nach der Alimentationsformel wäre in diesem Fall keine Rückstellung zu bilden, da der entsprechende Aufwand die künftigen Erträge des Verkaufes alimentiert. 339 In den Fällen, in denen die rechtliche Entstehung einer Verpflichtung vor deren wirtschaftlicher Verursachung liegt, verlangt nach herkömmlichem Verständnis das Vorsichtsprinzip i. V. m. dem Gebot des vollständigen Ausweises der Verbindlichkeiten, dass die in einem Geschäftsjahr durch Vorgänge des Geschäftsbetriebes rechtlich entstandenen Außenverpflichtungen zurückgestellt werden. „Insoweit bedarf das Realisationsprinzip einer Ergänzung“. Adler/Düring/Schmaltz (1998), § 249 HGB Tz. 69; vgl. auch BFH, U. vom 19.05.1983 – IV R 205/79, BStBl. II 1983, S. 670 ff.; vgl. auch Siegel, T. (1994), S. 17: „Für den Ausgleich der ausstehenden Aufwendungen durch spätere Erträge besteht keine hinreichende Sicherheit; damit ist das gegenwärtige Vermögen belastet, so dass das Vollständigkeitsprinzip den Ausweis einer Rückstellung gebietet.“ 336

218

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

Wird das Realisationsprinzip im Sinne der derzeit offenbar h. M. als reines Ertragsperiodisierungsprinzip verstanden, so bleibt das Problem der Aufwandsperiodisierung. Von der diesem Verständnis des Realisationsprinzips folgenden Literatur wird hierfür ganz überwiegend auf die Grundsätze der Abgrenzung der Sache und der Zeit nach zurückgegriffen.340 Zu (2): Grundsätze der Abgrenzung der Sache und der Zeit nach Der Grundsatz der sachlichen Abgrenzung ist mit dem Realisationsprinzip eng verbunden. Er bestimmt, in welcher Rechnungsperiode die durch die Leistungserstellung verursachten Wertminderungen das Periodenergebnis als Aufwendungen mindern dürfen: Alle sachlich den Unternehmensleistungen zurechenbaren (leistungsbezogenen) Wertminderungen müssen demnach in der Periode als Aufwendungen erfasst werden, in der die aufwandsverursachenden Erzeugniseinheiten verkauft werden, also die sachlich zuzuordnenden Erträge realisiert werden. Die Wertminderungen werden hierfür zunächst den einzelnen Produkteinheiten zugerechnet. Sobald die Erzeugniseinheiten veräußert sind und somit feststeht, welcher Periode die Erlöse zuzurechnen sind, werden die auf die Erzeugniseinheit verrechneten Wertminderungen den Erlösen als Aufwendungen zugeordnet. Soweit Erzeugniseinheiten aus der Produktion einer Periode am Ende dieser Periode nicht veräußert sind, werden sie in der Bilanz mit den auf sie verrechneten Wertminderungen zu Herstellungskosten aktiviert. Dadurch werden die durch die Produktion veranlassten Wertminderungen einer Periode neutralisiert, soweit sie nicht verkauft worden sind.341 Voraussetzung für die Aktivierung von Ausgaben ist dabei stets, dass die Kriterien für das Vorliegen eines Vermögensgegenstandes erfüllt sind.342 Der Umfang der sachlich zurechenbaren Wertminderungen ist in der gesetzlichen Bestimmung der Herstellungskosten in § 255 Abs. 2 HGB geregelt. Aufgrund des dort formulierten Wahlrechts hinsichtlich der Einbeziehung von Gemeinkosten sowie des Verbotes der Einbeziehung von Vertriebskosten ist keine vollständige Abgrenzung der leistungs- bzw. produktionsbezogenen Aufwendungen gewährleistet. Gemäß dem Grundsatz der zeitlichen Abgrenzung sind Aufwendungen (und Erträge), die zeitraumbezogen anfallen, pro rata temporis zu periodisieren. Darüber hinaus regelt der Grundsatz der zeitlichen Abgrenzung die Periodisie___________ 340

Vgl. etwa Leffson, U. (1987), S. 299 ff.; Siegel, T. (1994), S. 4; Schildbach, T. (2002-b), S. 145 f.; Coenenberg, A. G. (2003), S. 40 ff. 341 Vgl. Coenenberg, A. G. (2003), S. 40 f.; Leffson, U. (1987), S. 251; Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 252 HGB Tz. 100. 342 Vgl. Herzig, N. (2004), S. 47 f., dort Bezug nehmend auf eine Bilanzierung für steuerliche Zwecke.

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

219

rung der Vermögensänderungen, die weder streng zeitraumbezogen sind noch mangels Leistungsbezug nach dem Grundsatz der Sache oder dem Realisationsprinzip abgegrenzt werden können: Derartige Wertänderungen, wie z. B. erhaltene oder selbst gewährte Schenkungen, Währungsgewinne oder -verluste etc., werden nach dem Grundsatz der zeitlichen Abgrenzung der Periode zugerechnet, in der sie angefallen sind.343 Zu (3): Imparitätsprinzip Durch das Realisationsprinzip sowie durch die Grundsätze der sachlichen und zeitlichen Abgrenzung ist grundsätzlich für alle Vermögensänderungen geregelt, welcher Periode sie zuzurechnen sind. Gleichwohl wurde daneben als ein das Realisationsprinzip modifizierendes Prinzip, basierend auf dem Vorsichtsprinzip, das Imparitätsprinzip in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB kodifiziert. Ohne Rückgriff auf das Imparitätsprinzip würden künftige einzelgeschäftliche Verluste, d. h. Verluste aus Geschäften, die durch den Kauf von Gütern oder den Abschluss von Verträgen eingeleitet, aber noch nicht realisiert worden sind, erst in der Periode erfolgswirksam erfasst werden, in der die Leistung erbracht wird. In diesen Fällen sind die Verluste nach dem Imparitätsprinzip als Ausnahme zu den anderen Abgrenzungsgrundsätzen so früh wie möglich erfolgswirksam zu berücksichtigen, auch wenn die Leistung noch nicht erbracht ist oder der Leistungszeitraum noch nicht abgelaufen ist. Solche künftigen Verluste sind nach dem Imparitätsprinzip zu erfassen, sobald sie mit hinreichender Sicherheit bekannt sind.344 Für Verluste gilt das Realisationsprinzip somit nicht.345 Im Ergebnis führt dies zu einer ungleichen (imparitätischen) Behandlung von unrealisierten Gewinnen und Verlusten. Diese Vorwegberücksichtigung vorhersehbarer Risiken und Verluste soll der Kapitalerhaltung des Unternehmens sowie dem Gläubigerschutz dienen.346 Das Imparitätsprinzip kommt bei der Abschlusserstellung: • beim Ansatz der Höhe nach in Form des Niederstwertprinzips bei der Aktiva-Bewertung und des Höchstwertprinzips bei der Passiva-Bewertung sowie • beim Ansatz dem Grunde nach durch die Verpflichtung zur Rückstellungsbildung in bestimmten Fällen

___________ 343 Vgl. Coenenberg, A. G. (2003), S. 41 f.; Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 252 HGB Tz. 98 (dort allerdings nur bezogen auf Aufwendungen). 344 Vgl. Coenenberg, A. G. (2005), S. 43; Rückle, D. (1986-a), S. 410. 345 Vgl. Coenenberg, A. G. (2005), S. 44. 346 Vgl. Federmann, R. (2000), S. 167; kritisch hierzu z. B. Emmrich, M. (1999), S. 134.

220

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

zum Tragen.347 Das Niederstwertprinzip verlangt oder ermöglicht bei zwei für die Bewertung von Aktiva in Betracht kommenden Werten die Wahl des niedrigeren Wertes.348 Bei Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens gilt das strenge Niederstwertprinzip (vgl. § 253 Abs. 3 HGB), wonach bei der Wahl zwischen Anschaffungs-/Herstellungskosten einerseits und niedrigerem Börsen-/Marktpreis oder – falls ein Börsen- oder Marktpreis nicht festzustellen ist – beizulegendem Wert andererseits der niedrigere angesetzt werden muss.349 ___________ 347 Welche Rückstellungen im Einzelnen auf das Imparitätsprinzip zurückgeführt werden, wird in der Literatur zum Teil unterschiedlich dargestellt. Diese Unterschiede resultieren in der Regel auf einer unterschiedlichen Abgrenzung oder inhaltlichen Konkretisierung der einzelnen Abgrenzungs- bzw. Periodisierungsgrundsätze. So werden von manchen Autoren neben den Teilwertabschreibungen lediglich die Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften explizit als Ausfluss des Imparitätsprinzips bezeichnet. Vgl. Coenenberg, A. G. (2005), S. 44 f.; Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 252 HGB Tz. 92: „In beiden Fällen sind Risiken und Verluste zu berücksichtigen, ohne daß – wie bei der Gewinnentstehung – auf eine Bestätigung durch den Markt (Realisation) abgestellt wird“; Schildbach, T. (2004), S. 147 und S. 210; Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S. (2005), S. 414. Auch nach Moxter resultieren von den Rückstellungen lediglich diejenigen für drohende Verluste aus dem Imparitätsprinzip. Dies leitet er auf Basis seiner abweichenden Interpretation der Abgrenzungsgrundsätze her, indem er das Realisationsprinzip nicht nur auf Erträge, sondern auch auf Aufwendungen bezieht. Dabei weist Moxter darauf hin, dass neben den Drohverlustrückstellungen aus schwebenden Verträgen im Grunde auch solche aus anderen, am Abschlussstichtag schwebenden Schuldverhältnissen (wie z. B. Schadensersatzpflichten) zu den Drohverlustrückstellungen gehören, auch wenn diese üblicherweise als Verbindlichkeitsrückstellungen bezeichnet werden. Vgl. Moxter, A. (2003), S. 55 ff. Zum Teil werden darüber hinausgehend auch die anderen Verbindlichkeitsrückstellungen als Ausdruck des Imparitätsprinzips betrachtet; vgl. etwa Siegel, T./Schmidt, M., in: Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung (1999), B 161 Rn. 165; Federmann, R. (2000), S. 167 f. Adler/Düring/Schmaltz weisen darauf hin, dass der Begriff des Imparitätsprinzips von der Literatur entgegen dem Wortsinn weitgehend i. e. S. verwendet wird, indem darunter nicht die Ungleichbehandlung noch nicht realisierter Gewinne und Verluste verstanden wird, sondern die Verpflichtung, unrealisierte Verluste zu berücksichtigen. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 252 HGB Tz. 93. 348 Der „beizulegende Zeitwert“ ist das deutsche Pendant zum internationalen Begriff des „fair value“. Allerdings spielt der beizulegende Zeitwert in der deutschen Rechnungslegung ausschließlich als Korrekturwert eine Rolle, während er nach IFRS auch als Bewertungsmaßstab für die Folgebewertung verwendet wird. Vgl. Coenenberg, A. G. (2003), S. 108 f. 349 Ob der Börsen-/Marktpreis dabei vom Beschaffungs- oder vom Absatzmarkt her zu ermitteln ist, wird im Gesetz nicht festgelegt und ist umstritten. Vgl. Rückle, D. (1986-a), S. 410; Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 253 HGB Tz. 488 ff. Nach gängiger Auslegung ist der Beschaffungsmarkt immer dann maßgeblich, wenn es sich um Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe oder um unfertige und fertige Erzeugnisse handelt, soweit Fremdbezug möglich wäre. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 253 HGB Tz. 488; Coenenberg, A. G. (2003), S. 108. Näheres hierzu siehe Abschnitt D.II.3.b)(1) der vorliegenden Arbeit.

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

221

Bei Vermögensgegenständen des Anlagevermögens gilt das gemilderte Niederstwertprinzip (vgl. § 253 Abs. 2 Satz 3 HGB), wonach der niedrigere Wertansatz entsprechend der langfristigen Nutzung der Anlagegüter nur bei voraussichtlich dauernder Wertminderung angesetzt werden muss. Bei vorübergehender Wertminderung besteht folglich keine Abwertungspflicht, sondern ein Abwertungswahlrecht.350 Gemäß dem Höchstwertprinzip sind Schulden mit dem höheren Betrag anzusetzen, falls die aus ihnen resultierende Belastung am Bilanzstichtag über dem bisherigen Buchwert liegt.351 Neben dem Niederst- und Höchstwertprinzip folgt aus dem Vorsichts- bzw. Imparitätsprinzip ferner – in Zusammenhang mit der Forderung nach einem vollständigen Schuldenausweis – die Bildung von Rückstellungen aufgrund von Verpflichtungen gegenüber Dritten.

(b) (Rahmen- bzw.) Objektivierungsgrundsätze Die Rahmengrundsätze lassen sich zum Teil auch als Bedingungen jeder Vermittlung nützlicher Informationen verstehen.352 Gläubiger wie (geschäftsführungsexterne) Eigner werden wie dargestellt Informationen des Unternehmens in der Regel lediglich dann berücksichtigen, wenn sie verlässlich und nachprüfbar sind.353 Die in § 239 Abs. 2 HGB kodifizierte Forderung nach Richtigkeit von Buchführung und Jahresabschluss kann als wichtigster Rahmengrundsatz angesehen werden.354 Buchführung und Jahresabschluss bilden betriebliche Vorgänge mit einer bestimmten Technik und nach ganz bestimmten Vorschriften ab. Da mit dem Jahresabschluss Dritten gegenüber Rechenschaft gelegt werden soll, muss die Übereinstimmung zwischen den Abbildungen in Buchführung und Jahresabschluss und den ihnen zugrunde liegenden realen Sachverhalten objektiv, d. h. intersubjektiv nachprüfbar sein. Die Nachprüfbarkeit (Grundsatz der Objektivität) verlangt die Berücksichtigung der GoB sowie der übrigen handels___________ 350 Das Wahlrecht wird allerdings bei Kapitalgesellschaften auf das Finanzanlagevermögen eingeschränkt, für Sachanlagen gilt bei nur vorübergehender Wertminderung hingegen ein Abwertungsverbot (vgl. § 279 Abs. 1 Satz 2 HGB). 351 Vgl. Coenenberg, A. G. (2005), S. 115; Schildbach, T. (2004), S. 147; Federmann, R. (2000), S. 168 f. 352 So z. B. Leffson, U. (1987), S. 179 hinsichtlich der Grundsätze der Richtigkeit, Willkürfreiheit, Klarheit und Vollständigkeit. 353 Siehe hierzu die Ausführungen in Abschnitt D.I.2.d)(3); vgl. auch Herzig, N. (2004), S. 55. 354 So z. B. Schreiber, U. (1998), S. 37.

222

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

rechtlichen Rechnungslegungsvorschriften.355 Buchführung und Abschluss sind in diesem Zusammenhang richtig, wenn die Wirklichkeit im Sinne der bei der Abbildung geltenden Normen dargestellt wird.356 Da in einen Jahresabschluss auch subjektive Erwartungen eingehen, wird zusätzlich der Grundsatz der Willkürfreiheit erforderlich. Die Forderung nach Willkürfreiheit (subjektiver Wahrhaftigkeit) fordert vom Rechnungslegenden, dass dieser bei Schätzungen „nur solche Werte wählt, die aus realitätsnahen und von ihm für zutreffend gehaltenen Hypothesen abgeleitet sind“357. Schätzwerte sollten innerhalb objektiv bestimmbarer, sachbezogener Grenzen liegen.358 Neben diesen Grundsätzen, welche die materielle Richtigkeit eines Abschlusses betreffen, stellt der Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit (vgl. §§ 243 Abs. 2, 247 Abs. 1 HGB) auf die formale Richtigkeit ab. Er bezieht sich auf die Qualität der äußeren Gestaltung, d. h. die Form der Aufzeichnungen in Buchführung und Jahresabschluss. Er verlangt, dass die Bücher und Abschlüsse einem bilanzkundigen Leser verständlich sind (intersubjektive Eindeutigkeit der Jahresabschlussinformationen). Die Forderung nach Klarheit betrifft v. a. die Gliederung der Bilanz und der GuV-Rechnung.359 Der in § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB kodifizierte Grundsatz der Vollständigkeit lässt sich entweder aus der Forderung nach der Wahrheit oder mittelbar aus dem Grundsatz der Richtigkeit ableiten.360 Danach hat der Jahresabschluss sämtliche Vermögensgegenstände, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten sowie Aufwendungen und Erträge zu enthalten, die dem Rechnungslegenden am Bilanzstichtag zuzurechnen sind, sofern nicht ein Bilanzierungswahlrecht im Sinne des Nichtansatzes ausgeübt worden ist und kein Bilanzierungsverbot besteht. Aus dem Grundsatz der Vollständigkeit lässt sich zugleich die Forderung nach einer unverkürzten Darstellung aller Posten bzw. das Saldierungsverbot

___________ 355

Vgl. Leffson, U. (1987), S. 201; Baetge, J./Roß, H.-P. (1998), S. 37. Hier zeigt sich deutlich die Interdependenz der GoB, denn die Richtigkeit eines Wertes kann nur unter Zuhilfenahme anderer Grundsätze (hier v. a. Abgrenzungsgrundsätze) beurteilt werden. Vgl. Leffson, U. (1987), S. 196 f.; Coenenberg, A. G. (2003), S. 38. 357 Leffson, U. (1987), S. 203. 358 Vgl. Coenenberg, A. G. (2003), S. 38. 359 Vgl. Federmann, R. (2000), S. 146 f.; Coenenberg, A. G. (2003), S. 38; Leffson, U. (1987), S. 207 f. 360 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 219. 356

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

223

ableiten.361 Gemäß dem Saldierungsverbot dürfen Aktiv- und Passivposten sowie Aufwendungen und Erträge nicht gegenseitig verrechnet werden (vgl. § 246 Abs. 2 HGB).362 Entsprechend gilt auch der Grundsatz der Einzelbewertung (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB), der in engem Zusammenhang mit dem Realisationsprinzip steht.363 Danach sind die „Vermögensgegenstände und Schulden (…) zum Abschlußstichtag einzeln zu bewerten“ (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Dadurch soll insbesondere eine Saldierung von Wertminderungen und Wertsteigerungen verhindert werden. Dieses Bewertungsgebot wird allerdings eingeschränkt zum einen durch explizit im Gesetz genannte Ausnahmen364 und zum anderen durch die in § 252 Abs. 2 HGB eingeräumte Möglichkeit, von diesem Prinzip in „begründeten Ausnahmefällen“ abzuweichen. Diese Vereinfachungsregelungen sollen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen gerecht werden.365 Aus § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB folgt zugleich der Grundsatz der Bewertung zum Abschlussstichtag, der so genannte Grundsatz der Stichtagsbezogenheit.366 Hinsichtlich der nach dem Abschlussstichtag eintretenden Ereignisse sind ausschließlich wertaufhellende Tatsachen zu berücksichtigen, d. h. solche, die zwar erst nach dem Abschlussstichtag bekannt werden, den Wert einer Position aber bereits zum Abschlussstichtag beeinflusst haben. Nicht berücksichtigt werden hingegen wertbeeinflussende Tatsachen.367 Schließlich ist eine weitere Bedingung für die Vermittlung nützlicher Informationen die Vergleichbarkeit der Jahresabschlussgrößen. Hieraus lässt sich der Grundsatz der Bilanzstetigkeit bzw. -kontinuität (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6 HGB) ableiten. Der Grundsatz der Stetigkeit soll v. a. die Vergleich___________ 361 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 223 f. Zum Teil wird das Saldierungsverbot – ebenso wie das Prinzip der Einzelbewertung – unmittelbar aus dem Grundsatz der Klarheit abgeleitet, so etwa Coenenberg, A. G. (2003), S. 38. Nach anderen Systematisierungen haben diese Prinzipien zum Teil eine andere Stellung. So stehen sie beispielsweise bei Federmann als Einzelabbildungsgrundsätze neben dem Grundsatz der Klarheit als Ausweisgrundsatz, vgl. Federmann, R. (2000), S. 145 und S. 150. 362 Vgl. Federmann, R. (2000), S. 150. 363 Der Grundsatz der Einzelbewertung fehlt in der GoB-Systematik von Leffson, obwohl er von ihm mehrfach erwähnt wird, so dass dieser mit dem GoB-System von Leffson kompatibel ist, vgl. Leffson, U. (1987), S. 418, S. 489 f. 364 Hierzu zählen die Möglichkeit eines Festwertansatzes (vgl. § 240 Abs. 3 HGB), der Gruppenbewertung (vgl. § 240 Abs. 4 HGB) sowie der Anwendung von Verbrauchsfolgeverfahren (vgl. § 256 HGB). 365 Vgl. Federmann, R. (2000), S. 150; Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S. (2003), S. 117 mit Beispielen. 366 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 252 HGB Tz. 37. 367 Vgl. ausführlich etwa Winkeljohann, N./Geißler, H. in Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 252 Tz. 37 ff.

224

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

barkeit mehrerer aufeinander folgender Jahresabschlüsse wahren, zugleich soll er auch einer willkürlichen Bilanzgestaltung entgegenwirken.368

b) Nach IFRS (1) Überblick über die Systematik der Rechnungslegungsgrundsätze Aufbauend auf der zentralen Zwecksetzung, entscheidungsrelevante Informationen zu vermitteln, werden im Framework zunächst die grundlegenden Basisannahmen369 sowie die qualitativen Anforderungen370 an eine Rechnungslegung nach IFRS dargelegt. Die qualitativen Anforderungen werden teilweise durch Nebenbedingungen eingeschränkt (vgl. Abbildung 2). Basisannahmen:

Grundsatz der periodengerechten Erfolgsermittlung und Grundsatz der Unternehmensfortführung

Qualitative Anforderungen:

Verständlichkeit

Sekundärgrundsätze:

Relevanz

Verlässlichkeit

Wesentlichkeit

Richtigkeit

Vergleichbarkeit

Wirtschaftliche Betrachtung Willkürfreiheit

Vorsicht

Vollständigkeit

(Einschränkende) Nebenbedingungen:

- zeitnahe Berichterstattung - Kosten-Nutzen-Postulat - Ausgewogenheit der Grundsätze

True and fair view/fair presentation

Ergebnis:

Quelle: in Anlehnung an Pellens, B./Fülbier, R. U./Gassen, J. (2006), S. 112.

Abbildung 2: Zentrale Basisgrundsätze der Rechnungslegung nach IFRS

___________ 368

Vgl. Leffson, U. (1987), S. 186; Federmann, R. (2000), S. 157 f. Vgl. IASB-FW.22 f. 370 Vgl. IASB-FW.24 ff. 369

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

225

Als Basisannahme liegt den IFRS die Prämisse der Unternehmensfortführung (going concern) zugrunde, welche inhaltlich im Wesentlichen mit den handelsrechtlichen Vorschriften übereinstimmt.371 Danach ist der Jahresabschluss so lange auf der Grundlage der Annahme der Unternehmensfortführung aufzustellen, bis dem tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen. Besteht hingegen eine Absicht oder Notwendigkeit, die Tätigkeiten oder einen wesentlichen Teil davon einzustellen bzw. aufzulösen, muss der Abschluss auf einer anderen Grundlage erstellt werden (vgl. IAS 1.23, 1.24, IASB-FW.23).372 Dem Ziel der Entscheidungsnützlichkeit kann nach dem Framework des IASB entsprochen werden, wenn die vermittelten Rechnungslegungsinformationen den qualitativen Anforderungen an Jahresabschlüsse genügen. Hierzu gehören der Grundsatz der Verständlichkeit (understandability), der Entscheidungsrelevanz (relevance), der Verlässlichkeit (reliability) sowie der Vergleichbarkeit (comparability).373 Die Forderung nach Entscheidungsrelevanz sowie das Kriterium der Verlässlichkeit der Informationen stehen teilweise in einem gegenseitigen Spannungsverhältnis,374 wie im Rahmen der weiteren Ausführungen gezeigt wird. Im Folgenden werden wiederum ausschließlich die Grundsätze näher dargestellt, welche mit Blick auf die Periodisierung sowie Objektivierung von besonderer Bedeutung sind.375

(2) Grundlegende Periodisierungs- und Objektivierungsgrundsätze (a) Periodisierungsgrundsätze Die Rechnungslegung nach IFRS basiert wie dargestellt ebenfalls auf der Annahme der Unternehmensfortführung sowie dem Grundsatz der periodenge___________ 371 Vgl. Buchholz, R./Weis, R. (2002), S. 514. Abweichend von den handelsrechtlichen Vorschriften sind hier zur Feststellung einer negativen Fortführungsprämisse allerdings nicht nur wertaufhellende, sondern auch wertbeeinflussende Tatsachen nach dem Bilanzstichtag heranzuziehen, so Baetge, J. et al. (2003), Teil A, Kapitel III, Tz. 86. 372 Vgl. Wagenhofer, A. (2005), S. 118. 373 Vgl. Abbildung 2 sowie IASB-FW.24-46 und IAS 8.10 ff. 374 Vgl. Streim, H./Bieker, M./Esser, M. (2005), S. 88; Schreiber, U. (1999), S. 893; Herzig, N. (2004), S. 55 m. w. N. 375 Dabei ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die nicht näher erläuterten Grundsätze auch indirekt durch ihren Stellenwert gegenüber den anderen Grundsätzen von Bedeutung für die Periodisierung bzw. die Objektivierung sein können. Hinsichtlich Erläuterungen zu den sonstigen, allgemeinen Grundsätzen siehe beispielsweise Bohl, W./Mangliers, O., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 2 Tz. 16 ff.

226

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

rechten Ertrags- und Aufwandszurechnung (accrual principle).376 Das für die Ermittlung des Periodengewinnes maßgebliche accrual principle wird primär durch: (1) das Realisationsprinzip (realisation principle) sowie (2) den Grundsatz der sachlichen Abgrenzung (matching principle) konkretisiert.377 Daneben gelten ferner die Ansätze zur Verteilung zeitraumbezogener Aufwendungen und Erträge (deferrals). Mit dem Realisationsprinzip werden die Zeitpunkte der Ertragsrealisation bestimmt. Das matching principle legt die periodengerechte Zuordnung von Aufwendungen zu den durch sie alimentierten Erträgen fest. Zu (1): Realisationsprinzip (realisation principle) Erträge sind nach dem Framework grundsätzlich dann zu erfassen, wenn es zu einer Zunahme des künftigen Nutzens infolge der Zunahme bei einem Vermögenswert (asset) oder einer Abnahme bei einer Schuld (liability) gekommen ist, die verlässlich ermittelt werden kann.378 Eine Nutzenzunahme in diesem Sinne kann nicht nur durch Vermögenszuflüsse, sondern insbesondere auch durch Wertsteigerungen beim ruhenden Vermögen erzielt werden. Aus dieser Definition folgt bereits, dass nicht lediglich durch Umsatzakt realisierte,379 sondern auch reine Wertsteigerungen und damit noch nicht i. e. S. realisierte Gewinne erfasst werden.380 Weitere Konkretisierungen der Ertragserfassung sind in den einzelnen Standards geregelt.381 Die IFRS kennen demnach drei Zeitpunkte der Ertragserfassung:382 • mit dem Umsatzakt (Regelfall), • dem Umsatzakt vorgelagert und • dem Umsatzakt nachgelagert.

___________ 376

Vgl. IAS 1.23-26, IASB-FW.22 f.; das accrual principle entspricht dem in § 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB festgeschriebenen Periodisierungsprinzip des HGB. 377 Vgl. Achleitner, A.-K./Wollmert, P./Van Hulle, K./Hey, J./Bischof, S., in: Baetge, J. et al. (2003), Teil A, Kapitel III, Tz. 79; vgl. Buchholz, R./Weis, R. (2002), S. 514. 378 Vgl. IASB-FW.92; vgl. auch Herzig, N. (2004), S. 42. 379 Im Folgenden wird die herkömmliche Realisation durch Umsatzakt als Realisation i. e. S. bezeichnet. 380 Vgl. Herzig, N. (2004), S. 42. 381 So insbesondere in IAS 18 (Erträge), IAS 11 (Auftragsfertigung) sowie IAS 39 (Finanzinstrumente). 382 Vgl. im Folgenden Herzig, N. (2004), S. 42 ff.

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

227

Die Ertragserfassung zum Zeitpunkt des Umsatzaktes gilt nach IFRS v. a. für den Verkauf von Waren und Erzeugnissen sowie für die Erfassung von Zinserträgen. Bei dem Verkauf von Gütern sind Erlöse dann zu erfassen, wenn die Höhe des Erlöses verlässlich bestimmbar ist. Der Regelfall nach IFRS stimmt also mit dem Realisationszeitpunkt nach HGB überein. Gleichwohl ist zu beachten, dass nach IFRS das Realisationsprinzip nicht wie beim deutschen Handelsrecht aus dem Vorsichtsprinzip, sondern primär aus dem Grundsatz der periodengerechten Gewinnermittlung heraus zu interpretieren und vor dem Hintergrund der Informationsfunktion des Abschlusses zu sehen ist. Die IFRS zielen entsprechend ihrer Zwecksetzung auf eine möglichst umfassende Vermögensdarstellung ab. Diese erfordert grundsätzlich die Erfassung aller hinreichend konkretisierten Gewinne und Verluste – gegebenenfalls auch vor ihrer Realisation. Entsprechend kommt dem Vorsichtsprinzip in der Rechnungslegung nach IFRS lediglich eine untergeordnete Bedeutung zu. Das Vorsichtsprinzip zählt in der Rechnungslegung nach IFRS weder zu den Basisannahmen (underlying assumptions) noch zu den qualitativen Anforderungen (qualitative characteristics), sondern ist, wie in Abbildung 2 dargestellt, ein Unterprinzip des Grundsatzes der Verlässlichkeit (reliability).383 Im Ergebnis genießt u. a. der Grundsatz der periodengerechten Erfolgsermittlung Vorrang. Dem Vorsichtsprinzip kommt lediglich als Bewertungsregel bei der Schätzung unsicherer und zweifelhafter zukünftiger Ereignisse eine Bedeutung zu.384 Aufgrund dessen ist nach IFRS – abweichend vom deutschen Handelsrecht – auch eine vorgelagerte Ertragserfassung grundsätzlich möglich.385 Zu einer solchen dem Umsatzakt vorgelagerten Ertragserfassung kann es nach IFRS v. a. bei Dienstleistungsgeschäften und Auftragsfertigung sowie im Bereich der Finanzinstrumente kommen.386 In den ersten beiden Fällen erfolgt die Ertragserfassung grundsätzlich nach der Percentage-of-Completion-Methode, d. h. ein prozentualer Anteil am erwarteten Gesamtumsatz wird entsprechend dem Fertigstellungsgrad am Abschlussstichtag als Ertrag ausgewiesen. Für den Aufwand erfolgt ebenfalls eine entsprechende Zurechnung (vgl. IAS 11.22 und IAS 18.21). Voraussetzung ist dabei, dass sowohl der Fertigstellungsgrad als

___________ 383

Vgl. IASB-FW.37; vgl. auch Herzig, N. (2004), S. 51; Pilhofer, J. (2002), S. 119. Vgl. Herzig, N. (2004), S. 51; Pilhofer, J. (2002), S. 119. 385 Vgl. Herzig, N. (2004), S. 46 ff. 386 Eine vorgelagerte Ertragserfassung ist ferner auch bei als Finanzinvestitionen gehaltenen Immobilien möglich. Vgl. Herzig, N. (2004), S. 43 m. w. N. 384

228

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

auch der Gesamtumsatz und -aufwand verlässlich schätzbar sowie die erwarteten Zuflüsse hinreichend wahrscheinlich sind.387 Bei den Finanzinstrumenten werden grundsätzlich vier verschiedene Kategorien unterschieden. Die Zuordnung zu diesen Kategorien ist auch für die Ertragsrealisation maßgeblich.388 In Ausnahmefällen kann es nach IFRS auch zu einer dem Umsatzakt nachgelagerten Ertragserfassung kommen. Dies ist insbesondere in Einzelfällen möglich, bei denen zum Umsatzzeitpunkt die Höhe des Erlöses noch nicht verlässlich bestimmbar oder aber der künftige Zufluss nicht hinreichend wahrscheinlich ist.389 Zu (2): Grundsatz der sachlichen Abgrenzung (matching principle) Das Realisationsprinzip ist sehr eng mit dem so genannten matching principle verknüpft. Danach sind Aufwendungen grundsätzlich der Periode zuzurechnen, in der die aufwandsverursachenden Erträge realisiert worden sind. Es besteht somit eine relativ enge Verknüpfung zwischen der Aufwands- und Ertragsperiodisierung. So müssen z. B. Ausgaben in der Regel aktiviert werden, sofern sie erst in einer zukünftigen Periode zu Nutzen führen.390 Dem matching principle kommt demnach – wie auch einem nach der Alimentationsformel verstandenen Realisationsprinzip391 – grundsätzlich eine rückstellungsbegrenzende Wirkung zu. Das matching principle ist allein aus dem Grundsatz der periodengerechten Gewinnermittlung abzuleiten und wird nicht durch ein umfassendes Vorsichtsprinzip wie nach geltendem HGB beschränkt. Das Vorsichtsprinzip nach IFRS gebietet keine imparitätische Behandlung von Gewinnen und Verlusten und gestattet grundsätzlich keine Bildung stiller Rücklagen durch „den bewusst zu niedrigen Ansatz von Vermögenswerten oder Erträgen oder den bewusst zu hohen Ansatz von Schulden oder Aufwendungen“ (IASB-FW.37), da dies der Neutralität und damit der Verlässlichkeit des Abschlusses zuwiderlaufen würde.392 Die Forderung nach periodengerechter Abgrenzung von Aufwendungen ___________ 387 Wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, sind die Erträge nur in dem Ausmaß zu erfassen, in dem die geleisteten Aufwendungen wiedererlangt werden können (vgl. IAS 18.26, IAS 11.32); vgl. auch Herzig, N. (2004), S. 44. 388 Vgl. Herzig, N. (2004), S. 44 m. w. N. 389 Vgl. Herzig, N. (2004), S. 44 m. w. N. 390 Vgl. Herzig, N. (2004), S. 45. Umgekehrt zeigt sich diese Verknüpfung von Aufwands- und Ertragsperiodisierung auch darin, dass z. B. beim Verkauf einer Ware die Ertragsrealisierung erst dann angenommen werden darf, wenn die damit in Zusammenhang stehenden Kosten zuverlässig bestimmbar sind. 391 Vgl. Abschnitt D.II.2.a)(2)(a) der vorliegenden Arbeit. 392 Vgl. Herzig, N. (2004), S. 51; Pilhofer, J. (2002), S. 119.

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

229

und Erträgen wird allerdings durch den asset-liability-approach,393 dem die IFRS grundsätzlich folgen, begrenzt.394

(b) (Rahmen- bzw.) Objektivierungsgrundsätze Im Zusammenhang mit Objektivierungsregeln ist zunächst der im Framework verankerte Grundsatz der Verlässlichkeit (reliability) zu nennen.395 Um nützlich zu sein, müssen die Informationen verlässlich sein. Der Grundsatz der Verlässlichkeit wird durch fünf Teilprinzipien konkretisiert (siehe Abbildung 2 in Abschnitt D.II.2.b)(1)): Hierzu gehört zunächst die Forderung nach Richtigkeit bzw. glaubwürdiger Darstellung (faithful representation) der Geschäftsvorfälle und der anderen Ereignisse durch das Unternehmen.396 Für die Rechnungslegung soll ferner die wirtschaftliche Betrachtung und nicht die rechtliche Form der Geschäftsvorfälle bzw. Ereignisse maßgeblich sein (substance over form).397 Die vermittelten Informationen sollen neutral, d. h. frei von Verzerrungen bzw. Willkür sein (neutrality).398 Dies setzt voraus, dass der Rechnungslegende die Informationen nach bestem Wissen und ohne subjektive Beeinflussung, also ohne Bilanzpolitik vermitteln soll.399 Die Überprüfung der Einhaltung dieses Grundsatzes dürfte in der Praxis erhebliche Probleme bereiten.400 Ferner ist als Voraussetzung für die Verlässlichkeit von Informationen bei der Erstellung des Abschlusses Vorsicht (prudence) zu berücksichtigen. Dabei bedeutet Vorsicht im Rahmen dieser Konzeption das vorsichtige Ausüben von Ermessen für die beim Erstellen des Abschlusses erforderlichen Schätzungen.401 Schließlich muss der Abschluss vollständig sein (completeness), d. h. in ___________ 393 Die IFRS folgen konzeptionell – wie auch das deutsche Handelsrecht – einem asset-liability-approach, der Bilanz nach IFRS kommt somit vorrangig die Funktion zu, die Vermögens- und Schuldenlage des Unternehmens „richtig“ darzustellen. Im Gegensatz hierzu steht der revenue-expense-approach, bei welchem der Bilanz primär die Aufgabe eines Abgrenzungskontos zukommt. Vgl. Bohl, W./Mangliers, O., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 2 Tz. 9. 394 So schreibt IAS 1.26 vor, dass Vermögenswerte, Schulden, Eigenkapital, Erträge und Aufwendungen dann anzusetzen sind, wenn sie die Voraussetzungen und Erfassungskriterien, wie das Framework sie für diese vorgibt, erfüllen. Vgl. Bohl, W./Mangliers, O., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 2 Tz. 9; Herzig, N. (2004), S. 42 ff.; Näheres hierzu im Rahmen der Ansatzvorschriften in Abschnitt D.II.3.a)(2). 395 Vgl. auch Herzig, N. (2004), S. 55. 396 Vgl. IASB-FW.33 f. 397 Vgl. IASB-FW.35, IAS 8.10 (b) (ii). 398 Vgl. Emmrich, M. (1999), S. 146; Buchholz, R./Weis, R. (2002), S. 514. 399 Vgl. IASB-FW.31 und IASB-FW.36, IAS 8.10 (b) (iii). 400 Vgl. Buchholz, R./Weis, R. (2002), S. 514. 401 Vgl. IASB-FW.37, IAS 8.10 (b) (iv).

230

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

ihm müssen – unter Beachtung von Wesentlichkeit und Kosten der Erstellung – alle Informationen enthalten sein.402 Konkrete Objektivierungsrestriktionen finden sich in verschiedenen Rechnungslegungsgrundsätzen und -regelungen. Von besonderer Bedeutung sind dabei das Saldierungsverbot, der Grundsatz der Einzelbewertung sowie das Stichtagsprinzip:403 Vermögenswerte und Schulden sowie Erträge und Aufwendungen dürfen auch nach IFRS gemäß dem Saldierungsverbot grundsätzlich nicht miteinander verrechnet werden, es sei denn, eine Saldierung ist in einzelnen Standards oder Interpretationen ausdrücklich vorgesehen (vgl. IAS 1.32).404 Der Grundsatz der Einzelbewertung ist ausdrücklich in einzelnen Standards geregelt405 und lässt sich aus dem Rahmenkonzept mittelbar ableiten (vgl. IASB-FW.82 ff.). Verglichen mit dem deutschen Bilanzrecht sehen die IFRS allerdings größere Abweichungen vom Grundsatz der Einzelbewertung vor.406 Ebenfalls nicht explizit im Framework geregelt ist das Stichtagsprinzip. Dieses wird jedoch implizit aus der periodengerechten Gewinnermittlung abgeleitet und in einzelnen Standards näher konkretisiert.407 Im Vergleich zum HGB wird der Wertaufhellungszeitraum nach den IFRS weiter gefasst: Während nach HGB als Schlusszeitpunkt für die Berücksichtigung späterer Ereignisse der Bilanzaufstellungstag maßgeblich ist (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB), wird ___________ 402

Vgl. IASB-FW.38, IAS 8.10 (b) (v); vgl. auch Wagenhofer, A. (2005), S. 121. Vgl. auch Herzig, N. (2004), S. 54 f. 404 So sind z. B. gemäß IAS 32.33 Saldierungen von finanziellen Vermögenswerten und Schulden geboten, wenn ein Rechtsanspruch auf Aufrechnung besteht und ein Nettoausgleich vorgesehen ist. Gemäß IAS 1.34 sind Saldierungen von Erträgen und Aufwendungen zulässig, wenn die Darstellung den Gehalt des Geschäftsvorfalles oder Ereignisses widerspiegelt. 405 So ist in IAS 1.29 geregelt, dass jeder wesentliche Posten im Abschluss gesondert darzustellen ist. Vgl. Bohl, W./Mangliers, O., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 2 Tz. 28. Siehe ferner etwa die außerplanmäßigen Abschreibungen von Gegenständen des Sachanlagevermögens; vgl. im Ergebnis auch Pilhofer, J. (2002), S. 121; Hoffmann, W.-D., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 11 Rn. 55; Herzig, N. (2004), S. 55. 406 Durchbrechungen des Einzelbewertungsgrundsatzes werden zum einen – wie beim HGB – in Form von Vereinfachungsverfahren zur Bewertung zugelassen, so z. B. beim Vorratsvermögen die gewogene Durchschnittsmethode oder die Fifo-Methode. Zum anderen erlauben die IFRS Durchbrechungen v. a. auch im Rahmen der Ermittlung von Wertminderungen. Vgl. Bartels, P./Jonas, M., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 27 Rn. 12 ff.; Pilhofer, J. (2002), S. 121. 407 Vgl. IAS 10.3 (a)-(b) i. V. m. IAS 10.8 und IAS 10.10; vgl. auch Herzig, N. (2004), S. 58 f. 403

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

231

nach IAS 10.3 auf den Tag der Freigabe des Abschlusses zur Veröffentlichung abgestellt.408

3. Grundlegende Ansatz- und Bewertungsnormen als Ausprägungen der Konzeptionsgrundsätze a) Ansatznormen (1) Nach HGB/GoB Die dargestellten generellen Periodisierungs- und Objektivierungsgrundsätze werden durch konkrete Ansatz- und Bewertungsnormen ergänzt. Dabei werden die Grundsätze zum Teil konkretisiert bzw. – insbesondere mit Blick auf Objektivierungserfordernisse – eingeschränkt, zum Teil weichen die Einzelvorschriften auch von den allgemeinen Periodisierungs- und Objektivierungsgrundsätzen ab. Um beurteilen zu können, inwieweit sich die beiden konkurrierenden Rechnungslegungssysteme zur Erfüllung der informatorischen Zwecke eignen, sind somit im Folgenden die grundlegenden Ansatz- sowie anschließend die Bewertungsgrundsätze nach HGB/GoB und IFRS einander gegenüberzustellen. Dabei wird angesichts der Bedeutung der EG-rechtlichen Bestimmungen (für Kapital- und diesen gleichgestellte Gesellschaften) bei der Darstellung der Ansatz- sowie anschließend der Bewertungsnormen auch auf EG-rechtliche Vorgaben kurz eingegangen und geprüft, ob sich hieraus gegebenenfalls weitere Anforderungen an bestimmte Normen ergeben. Nach § 242 Abs. 1 HGB enthält die Bilanz Vermögensgegenstände und Schulden. § 246 Abs. 1 HGB erweitert den Bilanzinhalt um die Rechnungsabgrenzungsposten, § 247 Abs. 1 HGB um das Eigenkapital. Unter welchen Voraussetzungen ein zu aktivierender Vermögensgegenstand vorliegt, ist allerdings weder in der Vierten EG-Richtlinie noch im Gesetz definiert. Zur Auslegung der im HGB nicht bestimmten Begriffe „Vermögensgegenstände“ und „Schulden“, durch deren Merkmale der Bilanzinhalt festgelegt ist, müssen die Jahresabschlusszwecke bzw. die daraus abgeleiteten GoB herangezogen werden.409 Eine allgemeingültige, einheitliche Definition des Vermögensgegenstandes ist weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur zu finden. Nach überwiegender Auffassung müssen für den Ansatz die Kriterien: ___________ 408 Siehe hierzu auch Bohl, W./Mangliers, O., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 2 Tz. 26; Engel-Ciric, D., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 4 Tz. 45 ff. 409 Vgl. Emmrich, M. (1999), S. 103; Coenenberg, A. G. (2003), S. 78; Kittner, W. A. (2001), S. 86.

232

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

• der selbstständigen Verkehrsfähigkeit410 sowie • der selbstständigen Bewertbarkeit411 erfüllt sein. Die Vertreter dieses Begriffsverständnisses beziehen sich im Allgemeinen auf den Rechnungslegungszweck des Gläubigerschutzes und das daraus abgeleitete Vorsichtsprinzip.412 Dabei ist zentrales Aktivierungskriterium nach wohl h. M. die selbstständige Verkehrsfähigkeit.413 Überwiegend wird darunter die Eignung eines Gutes verstanden, einzeln dem wirtschaftlichen Verkehr überlassen zu werden, also einzeln verwertbar,414 insbesondere einzeln veräußerbar zu sein.415 In bestimmten Fällen wird das Kriterium der selbstständigen Verkehrsfähigkeit durch zusätzliche Anforderungen für das Vorliegen eines Vermögensgegenstandes ergänzt. Gerade aus dem Blickwinkel der Nachprüfbarkeit sowie der Schuldendeckung bestehen hinsichtlich des immateriellen Anlagevermögens Zweifel, ob die Einzelveräußerbarkeit als alleiniges Kriterium für den Ansatz eines Vermögensgegenstandes genügt. In Übereinstimmung mit dem explizit formulierten Ansatzverbot des § 248 Abs. 2 HGB wird deshalb bezogen auf das immaterielle Anlagevermögen einschränkend angenommen, dass in diesem Bereich ein Vermögensgegenstand erst vorliegt, wenn zusätzlich zur (abstrakten) Einzelverkehrsfähigkeit auch das Kriterium des entgeltlichen Erwerbs von einem Dritten gegeben ist.416 Bei dem Kriterium der Einzelbewertbarkeit handelt es sich demgegenüber nach offenbar überwiegender Auffassung um eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für einen Vermögensgegenstand. Denn Einzelveräußerbarkeit oder -verwertbarkeit implizieren die selbstständige Bewertbarkeit eines Vermögensgegenstandes; dies gilt jedoch nicht umgekehrt.417 Das Kriterium ___________ 410 Vgl. etwa Adler/Düring/Schmaltz (1998), § 246 HGB Tz. 15 ff., insbesondere Tz. 26 ff. mit weiteren Hinweisen zur Diskussion; Federmann, R. (2000), S. 199; Coenenberg, A. G. (2003), S. 78. 411 Vgl. etwa Federmann, R. (2000), S. 199; Coenenberg, A. G. (2003), S. 78. 412 Vgl. etwa Federmann, R. (2000), S. 198; Coenenberg, A. G. (2003), S. 78. 413 Vgl. etwa Coenenberg, A. G. (2003), S. 78; Adler/Düring/Schmaltz (1998), § 246 HGB Tz. 15; Kittner, W. A. (2001), S. 86; Schildbach, T. (2004-b), S. 188. 414 Dabei kann Verwertbarkeit außer Verkauf auch das in Zahlung Geben, Tauschen, Verarbeiten oder Gebrauchen, Vermieten oder Verpachten bedeuten. Vgl. Federmann, R. (2000), S. 199; Klatte, V. (1991), S. 213. 415 Dabei liegt eine Einzelveräußerbarkeit auch vor, wenn gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen eine rechtswirksame Verfügung über den Vermögensgegenstand im Einzelfall ausschließen. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (1998), § 246 HGB Tz. 18 ff. und Tz. 28; Schildbach, T. (2004-b), S. 188. 416 Vgl. Schildbach, T. (2004-b), S. 189. 417 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (1998), § 246 HGB Tz. 29.

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

233

der selbstständigen Bewertbarkeit bedeutet Einzelbewertbarkeit nach dem Grundsatz der Einzelbewertung; hierfür genügt grundsätzlich die einzelobjektbezogene Zurechenbarkeit von Aufwendungen bzw. die Verwendbarkeit eines bestimmten Wertmaßstabes.418 Das Kriterium der selbstständigen Bewertbarkeit steht also in einem Wechselspiel zur selbstständigen Verkehrsfähigkeit und dient der Konkretisierung abstrakt verwertbarer Objekte.419 Von einem Teil der Literatur wird die Existenz eines wirtschaftlichen Wertes als weiteres Kriterium gefordert.420 Dieses Kriterium ist allerdings insofern entbehrlich, als die Entscheidung, ob ein wirtschaftlicher Wert, d. h. ein einzeln abgrenzbarer Nutzen vorliegt, zu den Merkmalen der selbstständigen Verkehrsfähigkeit zurückführt. Diesem Merkmal kommt somit – im Gegensatz zur angloamerikanischen Rechnungslegungsauffassung – lediglich die Bedeutung einer Nebenbedingung zu.421 Die dargestellten GoB der Einzelbilanzierung und -bewertung grenzen den Begriff des Vermögensgegenstandes also objektivierungsbedingt ein. Dennoch bleibt der Ansatz eines Vermögensgegenstandes in Zweifelsfragen eine kaufmännische Ermessensentscheidung.422 An der in Deutschland vorherrschenden Auffassung bezüglich der Kriterien eines Vermögensgegenstandes wird zum Teil die Kritik geäußert, dass der fehlende Ausweis nicht objektivierbarer Nutzenpotenziale aufgrund des Vorsichtsprinzips die Erfüllung der Informationsfunktion einschränke.423 Zur Lösung dieses Problems wird wahlweise entweder die Aktivierung des Nutzenpotenzials bei gleichzeitiger Passivierung einer ausschüttungsgesperrten Rücklage oder auch eine entsprechende Anhangsangabe vorgeschlagen.424

___________ 418 Vgl. etwa Federmann, R. (2000), S. 198 f.; Adler/Düring/Schmaltz (1998), § 246 HGB Tz. 24 ff. 419 Vgl. Klatte, V. (1991), S. 214. 420 Vgl. Federmann, R. (2000), S. 199; Coenenberg, A. G. (2003), S. 78. 421 Vgl. Klatte, V. (1991), S. 212 ff.; Kittner W. A. (2001), S. 87. 422 Vgl. Emmrich, M. (1999), S. 104 ff. 423 Kritisch hinsichtlich des de lege lata geltenden Ansatzverbotes für nicht objektivierbare Nutzenpotenziale siehe etwa Thiele, K. (1999), S. 66 ff. und S. 177 ff.; diese fordert unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausdehnung der Ansatzpflichten bei immateriellen Vermögenswerten. Vgl. hierzu auch die Ausführungen zu stillen Rücklagen insbesondere in Abschnitt D.III.1.a) und Abschnitt D.III.2. der vorliegenden Arbeit. 424 Zur Diskussion siehe etwa Arbeitsgruppe Normierung der Rechnungslegung der Wissenschaftlichen Kommission Rechnungswesen im Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e. V. (2002), S. 2597 f.; generell zur Bereitstellung sowohl informationsorientierter als auch kapitalerhaltender (ausschüttungsrelevanter) GoB („duale GoB“) siehe Ordelheide, D. (1998), S. 31 f.

234

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

Diesem Vorwurf ist allerdings nicht uneingeschränkt zuzustimmen. Zwar trägt eine Dominanz des Vorsichtsprinzips – wie bereits dargelegt – zur Bildung stiller Rücklagen bei, welche wiederum zu einer nicht tolerierbaren Täuschung der Rechnungslegungsadressaten genutzt werden können. Dasselbe gilt jedoch auch für die Aktivierung von unsicheren Nutzenpotenzialen, deren subjektive Einzelbewertung von den Rechnungslegungsadressaten kaum nachvollzogen und somit von der Geschäftsführung ebenso zur Täuschung der Adressaten genutzt werden kann. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass dem Ausweis solcher unsicherer Nutzenpotenziale von bilanzierungskundigen Rechnungslegungsadressaten keine allzu große Bedeutung bei ihrem Entscheidungskalkül beigemessen wird.425 Auch eine Definition des Begriffes der „Schulden“ findet sich weder in der Vierten EG-Richtlinie noch im HGB. Nach offenbar h. M. setzen Schulden: • eine rechtliche oder faktische426 Leistungsverpflichtung voraus, • welche eine wirtschaftliche Belastung für das Unternehmen darstellt und • quantifizierbar, d. h. selbstständig bewertbar ist.427 Unter einer wirtschaftlichen Belastung sind wirtschaftliche Nachteile, d. h. Auszahlungs- oder Leistungsnotwendigkeiten zu verstehen.428 Die Verpflichtung muss bis zum Bilanzstichtag rechtlich entstanden oder wirtschaftlich verursacht sein. Die bilanzielle Behandlung in Fällen, bei denen die rechtliche Entstehung und die wirtschaftliche Verursachung zeitlich auseinander fallen, ist strittig. Würde das Gewinnrealisationsprinzip im Sinne des matching principle angewandt und nicht gegebenenfalls durch weitere Vorschriften relativiert, wäre die Passivierungspflicht ausschließlich durch die wirtschaftliche Verursachung ausgelöst. Eine rechtlich entstandene, aber künftigen Erträgen zuzuordnende Schuld dürfte demnach, wie in Abschnitt D.II.2.a)(2)(a) dargestellt, nicht passiviert werden. Wird hingegen das im deutschen Bilanzrecht vorherrschende Vorsichtsprinzip zugrunde gelegt, ist für die handelsrechtliche Passivierung jeweils der frühere der beiden Zeitpunkte entscheidend.429 ___________ 425

So auch Kittner, W. A. (2001), S. 89. Denkbar sind Leistungsverpflichtungen etwa aufgrund wirtschaftlicher, sozialer oder sittlicher Gründe. 427 Vgl. etwa Adler/Düring/Schmaltz (1998), § 246 HGB Tz. 103; Coenenberg, A. G. (2003), S. 78. 428 Vgl. Federmann, R. (2000), S. 201. 429 Vgl. Schildbach, T. (2004-b), S. 191 f. Diese Problematik kommt z. B. bei der Rekultivierungsverpflichtung für die Ausbeutung einer Kiesgrube zum Tragen: Rechtlich entsteht die Schuld bereits durch das Abtragen der Erdschicht, wirtschaftlich verursacht wird sie erst durch die Erzielung von Umsatzerlösen aus dem Kiesverkauf. Nach 426

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

235

Die Verpflichtung muss ferner grundsätzlich gegenüber einem Dritten bestehen, d. h. auf einer Außenverpflichtung beruhen, also einem rechtlichen oder faktischen Leistungszwang gegenüber Dritten (so genannte Verbindlichkeitsrückstellungen).430 Verpflichtungen sich selbst gegenüber müssen bzw. dürfen lediglich in Ausnahmefällen in Form bestimmter, ausdrücklich im Gesetz genannter Aufwandsrückstellungen431 (vgl. § 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 HGB) passiviert werden.432 Hinsichtlich des Kriteriums der selbstständigen Bewertbarkeit genügt es, wenn die Höhe der zu erbringenden Leistung zum Abschlussstichtag entweder feststeht oder – mit Blick auf Rückstellungen – ungewiss, aber schätzbar ist.433 Im Falle einer zum Abschlussstichtag dem Grunde nach sicher bestehenden, erzwingbaren und wirtschaftlich belastenden Leistung, welche der Höhe nach eindeutig quantifizierbar ist, liegt eine passivierungspflichtige Verbindlichkeit vor. Ist die Außenverpflichtung hinsichtlich ihres Ent- bzw. Bestehens und/oder ihrer Höhe nach ungewiss, liegen die Voraussetzungen für den Ansatz einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten vor.434 Zu den Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten gehören der Sache nach auch Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften sowie Rückstellungen für rechtlich nicht verpflichtende Gewährleistungen, obwohl diese in § 249 Abs. 1 HGB neben den Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten gesondert aufgeführt werden.435 Drohverlustrückstellungen dienen der Antizipation von künftigen Aufwandsüberschüssen aus schwebenden ___________ dem matching principle dürfte eine Rückstellung erst bei Beginn der Kiesvermarktung gebildet werden. Das Vorsichtsprinzip hingegen erfordert die Passivierung bereits zum Zeitpunkt der rechtlichen Entstehung der Verpflichtung. Vgl. hierzu ausführlich Siegel, T. (1993), S. 333 ff. 430 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (1998), § 249 HGB Tz. 1. 431 Hierbei handelt es sich um Rückstellungen, denen keine Drittverpflichtung zugrunde liegt. 432 Vgl. Schildbach, T. (2004-b), S. 192; Klatte, V. (1991), S. 214 f.; Kittner, W. A. (2001), S. 119. Zweck der Aufwandsrückstellungen soll nach Ansicht des Gesetzgebers die Vorsorge für künftige Belastungen sein, denen sich der Kaufmann bei Unternehmensfortführung nicht entziehen könne. Vgl. Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Vierten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Bilanzrichtlinie-Gesetz), BT-Drucks. 10/4268 vom 18.11.1985 (im Folgenden: Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (1985)), S. 99. 433 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (1998), § 246 HGB Tz. 106; Klatte, V. (1991), S. 215. 434 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (1998), § 249 HGB Tz. 42. 435 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (1998), § 249 HGB Tz. 137 und Tz. 182.

236

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

Geschäften, die noch nicht zu Erträgen geführt haben.436 Durch ihre explizite Erwähnung in § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB, obwohl es sich dabei um ungewisse Verbindlichkeiten handelt, soll ihre Bedeutung insbesondere zur Erfüllung des Imparitätsprinzips betont werden.437 Die anderen Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten lassen sich bei einem Verständnis des Realisationsprinzips als reinem Ertragsperiodisierungsprinzip ebenfalls aus dem Imparitätsprinzip und/oder dem Vollständigkeitsprinzip herleiten. Soll die Bilanz das Reinvermögen eines Unternehmens ausweisen, das den Gläubigern zur Befriedigung ihrer Ansprüche zur Verfügung steht, sind nach den Grundsätzen einer vorsichtigen Bilanzierung sämtliche Verpflichtungen des Unternehmens aufzunehmen (Vollständigkeit des Schuldenausweises)438, die das Haftungsvermögen schmälern.439 Voraussetzung für den Ansatz einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist, dass das Be- oder Entstehen sowie die Inanspruchnahme der Verbindlichkeiten objektiv wahrscheinlich sind. Dies ist nach Auffassung des BFH sowie eines Teiles der Literatur der Fall, wenn mehr Gründe für als gegen das Bestehen einer Verbindlichkeit und deren künftige Inanspruchnahme sprechen. Dabei ist diese Voraussetzung nicht nach den subjektiven Erwartungen des Kaufmanns, sondern nach objektiven Tatsachen zu beurteilen.440 Demgegenüber wird von der Gegenmeinung kritisiert, dass diese Auffassung dem Vorsichtsprinzip nur unzureichend Rechnung trägt.441 Demnach soll die Passivierung einer Rückstellung bereits dann geboten sein, „wenn stichhaltige Gründe dafür sprechen, daß das Unternehmen voraussichtlich in Anspruch genom___________ 436

Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (1998), § 249 HGB Tz. 136 f. Vgl. Coenenberg, A. G. (2006), S. 391, S. 407; Adler/Düring/Schmaltz (1998), § 249 HGB Tz. 136 f.; ein Konkurrenzverhältnis zwischen Verbindlichkeits- und Drohverlustrückstellungen nehmen Hoyos, M./Geißler, H., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 249 Tz. 67 an. 438 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (1998), § 249 HGB Tz. 21. 439 Vgl. Coenenberg, A. G. (2003), S. 348 f.; Adler/Düring/Schmaltz (1998), § 249 HGB Tz. 21; Hoyos, M./Ring, M., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 249 Tz. 2 beziehen nur die Drohverlustrückstellungen auf das Imparitätsprinzip. Nach HGB sind somit sämtliche Rückstellungen mit Schuldcharakter (abgesehen von der Beschränkung der Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten ohne rechtliche Verpflichtung auf die Gewährleistungsrückstellungen) in der Bilanz auszuweisen; vgl. Coenenberg, A. G. (2003), S. 351. Dies entspricht der statischen Bilanzauffassung, siehe Abschnitt D.III.1.a) der vorliegenden Arbeit. 440 Hinsichtlich der BFH-Rechtsprechung vgl. etwa BFH, U. vom 02.10.1992 – III R 54/91, BStBl. II 1993, S. 153 f.; bezüglich der Literatur vgl. Hennrichs, J., in: Münchner Kommentar zum Aktiengesetz (2003), § 249 Rn. 36. 441 Hoyos, M./Ring, M., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 249 Rn. 43; Merkt, H., in: Baumbach/Hopt (2006), § 249 Rn. 2. 437

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

237

men wird.“442 Nach dieser Auffassung soll somit nicht erforderlich sein, dass die Inanspruchnahme wahrscheinlicher als die Nichtinanspruchnahme sein muss. Ferner wird von Seiten der Kritiker richtigerweise angemerkt, dass jede prozentuale Erfassung an der Komplexität der zu beurteilenden Sachverhalte scheitern muss.443 Daneben lässt das geltende Handelsbilanzrecht in eingeschränktem Maße wie gesagt auch die Bildung so genannter Aufwandsrückstellungen zu, die dem abgelaufenen oder vergangenen Geschäftsjahr(en) zuzuordnen sind. Neben den gemäß § 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HGB vorgeschriebenen und den nach § 249 Abs. 1 Satz 3 HGB zulässigen Rückstellungen für Instandhaltung dürfen weitere Aufwandsrückstellungen gemäß § 249 Abs. 2 HGB ausschließlich für ihrer Eigenart nach genau umschriebene konkrete Aufwendungen gebildet werden. Die Aufwandsrückstellungen beruhen im Gegensatz zu den Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten nicht auf Verpflichtungen gegenüber Dritten. Nach welchem Maßstab die Zuordnung zu einem abgelaufenen Geschäftsjahr erfolgen kann, ist strittig: Einerseits wird als Zuordnungskriterium auf die zugehörigen Erträge abgestellt: Danach sollen Ausgaben dann einem abgelaufenen Geschäftsjahr zugeordnet werden können, wenn sie den bereits realisierten Erträgen des betreffenden Geschäftsjahres zugerechnet werden können.444 Andererseits sollen nach Ansicht mancher Autoren unter bestimmten Umständen auch Aufwendungen, die nach dem Realisationsprinzip künftigen Erträgen zuzuordnen sind, passivierbar sein. Die Zuordnung von Aufwendungen soll demnach der Erfolgsglättung dienen (so beispielsweise bei Großreparaturen).445 Solche Rückstellungen für künftige Aufwendungen können allerdings leicht zu den Problemen stiller Rücklagen führen.446 ___________ 442

Adler/Düring/Schmaltz (1998), § 249 HGB Rn. 75. Vgl. etwa Adler/Düring/Schmaltz (1998), § 249 HGB Tz. 75 m. w. N.; Merkt, H., in: Baumbach/Hopt (2006), § 249 Rn. 2; Schildbach, T. (2004-b), S. 206 („Die Verpflichtung muss sich mit einer trotz des Vorsichtsprinzips nicht zu geringen Eintrittswahrscheinlichkeit abzeichnen“); Pellens, B./Fülbier, R. U./Gassen, J. (2006), S. 417; kritisch zur „Wahrscheinlichkeit“ als Ansatzkriterium ebenfalls Hoffmann, W.-D., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 21 Tz. 34 ff.; ebenso Hoyos, M./Ring, M., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 249 Rn. 33. 444 Vgl. Coenenberg, A. G. (2005), S. 413. Siehe ferner Nachweise bei Adler/Düring/Schmaltz (1998), § 249 HGB Rn. 205. 445 So etwa Adler/Düring/Schmaltz (1998), § 249 HGB Rn. 192 m. w. N. und Rn. 207; vgl. auch Hoyos, M./Ring, M., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 249 Tz. 306. 446 Vgl. Merkt, H., in: Baumbach/Hopt (2006), § 249 HGB Rn. 26; kritisch ebenfalls Siegel, T. (2002), S. 1195, welcher Aufwandsrückstellungen materiell nicht als Rückstellungen, sondern als „offene Rücklagen in der Gewinnverwendungskompetenz der Geschäftsführung“ sieht. 443

238

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

Neben diesen Regelungen zur Bilanzierungsfähigkeit von Vermögensgegenständen, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten können Ansatzwahlrechte, -hilfen und -verbote in konkreten Vorschriften geregelt sein. Das HGB gewährt in bestimmten Fällen sowohl Bilanzierungshilfen als auch Bilanzierungswahlrechte.447 Beiden ist gemeinsam, dass die Entscheidung, ob ein Bilanzansatz vorgenommen wird, im Ermessen des Rechnungslegenden liegt. Bilanzierungswahlrechte gewährt das Gesetz insbesondere für das Disagio (vgl. § 250 Abs. 3 HGB), für den Sonderposten mit Rücklageanteil (vgl. §§ 247 Abs. 3 und 273 HGB), im Bereich der Pensionsrückstellungen für so genannte Altzusagen (vgl. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGHGB)448 sowie für mittelbare Pensionsverpflichtungen und pensionsähnliche Verpflichtungen (vgl. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 EGHGB), für Rückstellungen für unterlassene Instandhaltungsaufwendungen (vgl. § 249 Abs. 1 Satz 3 HGB) sowie für allgemeine Aufwandsrückstellungen (vgl. § 249 Abs. 2 HGB). Nach offenbar h. M. im Handelsrecht gilt ferner auch bezüglich unentgeltlich erworbener Vermögensgegenstände, sofern sie nicht zum immateriellen Anlagevermögen gehören, ein Aktivierungswahlrecht.449 Daneben eröffnet das HGB dem Rechnungslegenden die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen weitere Positionen als Bilanzierungshilfen in die Bilanz aufzunehmen. Eine solche Bilanzierungshilfe stellt zum einen die Möglichkeit einer Bilanzierung von Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs bei Kapitalgesellschaften (vgl. § 269 HGB) dar. Die Aktivierung einer solchen Position ist mit einer Ausschüttungssperre in gleicher Höhe verknüpft (vgl. § 269 Satz 2 HGB).450 Als weitere – ebenfalls explizit im Gesetz als solche bezeichnete – Bilanzierungshilfe mit Ausschüttungssperre besteht bei Kapitalgesellschaften die Möglichkeit des Ansatzes eines aktiven Abgrenzungspostens für latente Steuern (vgl. § 274 Abs. 2 HGB). Neben diesen ausdrücklich als solche bezeichneten lässt sich auch das Wahlrecht des Rechnungslegenden zum Ansatz eines derivativen Geschäfts- oder ___________ 447 Siehe hierzu im Folgenden auch Rammert, S., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 51 Rn. 21 ff.; Federmann, R. (2000), S. 268 f. 448 Dabei handelt es sich um Pensionsverpflichtungen aus vor dem 01.01.1987 erteilten Zusagen. 449 Vgl. stellvertretend Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 255 HGB Tz. 83; Coenenberg, A. G. (2003), S. 91; a. A. beispielsweise Emmrich, M. (1999), S. 105, der für unentgeltlich erworbene materielle Vermögensgegenstände von einer Ansatzpflicht ausgeht. 450 Allerdings ist weder im Gesetz noch in dessen Begründung näher konkretisiert, welche Aufwendungen im Einzelnen von der Vorschrift abgedeckt werden sollen, so dass in der Literatur die notwendigen Konkretisierungen kontrovers diskutiert werden. Vgl. Emmrich, M. (1999), S. 112 f.

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

239

Firmenwertes als eine Bilanzierungshilfe verstehen.451 Im Gegensatz zu den im Gesetz als solche ausgewiesenen Bilanzierungshilfen ist bei Aktivierung eines Geschäfts- oder Firmenwertes jedoch keine Ausschüttungssperre vorgesehen (vgl. § 255 Abs. 4 HGB). Da lediglich Vermögensgegenstände, Schulden sowie andere ausdrücklich genannte Positionen in die Bilanz aufgenommen werden dürfen, besteht hinsichtlich aller Geschäftsvorfälle, die unter keine dieser im Gesetz genannten Positionen zu subsumieren sind, ein implizites Ansatzverbot.452 Ferner sind in § 248 HGB weitere Ansatzverbote explizit formuliert. Dabei handelt es sich im Einzelnen um Aktivierungsverbote für Aufwendungen für die Gründung des Unternehmens und die Beschaffung des Eigenkapitals, für immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, die nicht entgeltlich erworben worden sind, sowie für Aufwendungen für den Abschluss von Versicherungsverträgen. Von besonderer, v. a. konstitutiver Bedeutung ist das Aktivierungsverbot für immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, welche nicht entgeltlich erworben worden sind. Selbsterstelltes immaterielles Vermögen, sofern dieses dazu bestimmt ist, dem Geschäftsbetrieb dauernd zu dienen, darf entgegen dem Grundsatz der Erfassung sämtlicher Vermögensgegenstände in der Bilanz nicht aktiviert werden. Hier besteht in Deutschland ein generelles Aktivierungsverbot, da dem Grundsatz der Objektivität oberste Priorität beigemessen wird.453 Den anderen explizit genannten Verboten kommt hingegen lediglich deklaratorische Bedeutung zu, soweit derartige Aufwendungen – wovon im Regelfall auszugehen ist – den Anforderungen für das Vorliegen eines Vermögensgegenstandes nicht genügen.454

(2) Nach IFRS Nach IFRS ist ein Vermögenswert dann zu aktivieren, wenn er sowohl die definitorischen Voraussetzungen eines Vermögenswertes als auch die generellen Ansatzkriterien erfüllt. Im Gegensatz zu den deutschen Rechnungslegungsregelungen enthalten die IFRS eine konkrete Definition für den Begriff eines Vermögenswertes (asset). Dabei ist das Verständnis eines asset weiter als das eines Vermögensgegenstandes nach HGB: Gemäß IASB-FW.49 (a) ist ein Vermögenswert definiert als eine: ___________ 451

Vgl. Emmrich, M. (1999), S. 113 f. Vgl. Federmann, R. (2000), S. 111. 453 Vgl. Baetge, J./Roß, H.-P. (1998), S. 38. 454 Vgl. auch Emmrich, M. (1999), S. 111 f. 452

240

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

• „Ressource, die auf Grund von Ereignissen der Vergangenheit • in der Verfügungsmacht des Unternehmens steht, und • von der erwartet wird, dass dem Unternehmen aus ihr künftiger wirtschaftlicher Nutzen zufließt.“ Der wirtschaftliche Nutzen eines Vermögenswertes spiegelt sich in dem Potenzial wider, einen positiven Beitrag zum Cashflow zu leisten.455 Bilanzierungsentscheidungen sind in der Rechnungslegung nach IFRS zweistufig aufgebaut: Nachdem eine Qualifizierung als Vermögens- oder Schuldposten i. S. d. definitorischen Voraussetzungen von IASB-FW.47-81 gegeben ist, sind noch die Ansatzkriterien der IASB-FW.82-98 zu erfüllen.456 So ist ein Geschäftsvorfall, der die Definition eines Abschlusspostens erfüllt, nach IASBFW.82-83 zu erfassen, wenn: • es wahrscheinlich (probable) ist, dass ein künftiger wirtschaftlicher Nutzen dem Unternehmen zufließen oder – im Falle von Schulden – von ihm abfließen wird und • der Wertansatz des Sachverhaltes verlässlich (reliable) bewertet werden kann. Aufgrund der Anknüpfung an die Wahrscheinlichkeit der Erzielung zukünftigen Nutzens kommt dem in Deutschland dominierenden Kriterium der Verkehrsfähigkeit für die Aktivierung eines Vermögenswertes somit lediglich die Rolle einer Identifikationshilfe zu.457 Ausgaben, denen kein oder lediglich ein unsicherer zukünftiger Nutzen zugewiesen werden kann, dürfen nicht als Vermögenswert angesetzt werden.458 Diese abstrakte Definition weckt mit ihrer Forderung des zukünftigen Zuflusses wirtschaftlicher Vorteile die Erwartung eines umfassenden zukunftsbezogenen Vermögensausweises. Zur objektivierungsbedingten Eingrenzung dieser sehr weit gefassten Begriffsbestimmung wird gefordert, dass die Bestimmung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder eines anderen Wertes (Zeitwertes) „verlässlich“ (reliable) möglich ist.459 Ferner wird bei den immateriellen Vermögenswerten als Ansatzvoraus___________ 455

Vgl. IASB-FW.53. Vgl. Winkeljohann, N. (2004), S. 60. 457 Vgl. Winkeljohann, N. (2004), S. 61; Kittner, W. A. (2001), S. 88, dort bezüglich US-GAAP. 458 So dürfen beispielsweise Ausgaben für Gründungs- bzw. Anlaufkosten und Werbekampagnen nicht aktiviert werden, vgl. IAS 38.69 (a) und (c). Dieser asset-liabilityapproach schränkt das matching principle ein. Vgl. Bohl, W./Mangliers, O., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 2 Tz. 9. 459 Vgl. IASB-FW.83 (b) und IASB-FW.89. 456

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

241

setzung gefordert, dass der Vermögenswert identifizierbar, also u. a. eindeutig vom Geschäfts- oder Firmenwert separierbar sein muss, so dass er vom Unternehmen getrennt und somit verkauft, übertragen, lizenziert, vermietet oder getauscht werden kann.460 Die für den Ansatz erforderlichen Kriterien, wonach der künftige Nutzenzuoder -abfluss wahrscheinlich zu sein hat und der Wert sich verlässlich ermitteln lassen muss, werden jedoch durch fehlende oder abwegige Konkretisierung zum Teil entwertet: So findet sich im Framework keine Definition des Begriffes „wahrscheinlich“. Hingegen wird im Zusammenhang mit Rückstellungen und der Passivierungsvoraussetzung eines wahrscheinlichen Nutzenabflusses nach IAS 37.23 ein Ereignis als „wahrscheinlich“ angesehen, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit größer als 50 % (more likely than not) ist. In IAS 37.23 wird diese Auslegung des Wahrscheinlichkeitskriteriums jedoch ausdrücklich auf den konkreten Standard bezogen, so dass sie nicht zwingend auf andere Standards übertragbar ist. Folglich reichen die Meinungen in der Literatur zur Auslegung des Wahrscheinlichkeitskriteriums von einer über 50 %-Grenze bis zu einem höheren Prozentsatz von ca. 70 bis 80 %.461 So bleibt das für den Ansatz erforderliche Kriterium der Wahrscheinlichkeit des künftigen Nutzens unerläutert.462 Die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit obliegt dem Management, so dass es sich regelmäßig um subjektive Wahrscheinlichkeiten handeln wird.463 Wie die vorstehenden Ausführungen gezeigt haben, sind die Begriffe Vermögensgegenstand und asset nicht deckungsgleich, der Begriff des asset im ___________ 460 Vgl. IAS 38.10 ff. Hierdurch wird der weite Begriff des Vermögenswertes in der Praxis weiter eingegrenzt. Vgl. Bohl, W./Mangliers, O., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 2 Tz. 47. Nach den IFRS wird hinsichtlich des Ansatzes anders als beim HGB weder zwischen entgeltlich erworbenen und selbst erstellten noch zwischen immateriellen Vermögenswerten des Anlage- oder des Umlaufvermögens differenziert. Allerdings sind für den Ansatz selbst geschaffener immaterieller Vermögenswerte zusätzliche Ansatzvoraussetzungen zu erfüllen. Bei der Aktivierung selbst erstellter immaterieller Vermögenswerte wird zwischen einer Forschungs- und einer Entwicklungsphase unterschieden (vgl. IAS 38.8 und 38.52 ff.). Die in der Forschungsphase angefallenen Kosten dürfen nicht aktiviert werden. Für in der Entwicklungsphase entstehende immaterielle Vermögenswerte besteht bei Vorliegen weiterer, in IAS 38.57 genannter Voraussetzungen eine Ansatzpflicht. Selbst geschaffene Markennamen, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten sowie ähnliche Sachverhalte dürfen hingegen generell nicht aktiviert werden (vgl. IAS 38.63 f.). Ebenso darf ein selbst geschaffener originärer Geschäfts- oder Firmenwerte – analog zum HGB – nicht aktiviert werden (vgl. IAS 38.48). Weitere Ansatzverbote bestehen insbesondere für Gründungs- und Anlaufkosten (vgl. IAS 38.69). 461 Vgl. Winkeljohann, N. (2004), S. 60. 462 Vgl. Schildbach, T. (2005), S. 47. 463 Vgl. Winkeljohann, N. (2004), S. 60.

242

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

Framework ist weiter gefasst als der des Vermögensgegenstandes. Allerdings weichen die konkreten Bilanzansatzregelungen von diesen Aktivierungskonzeptionen teilweise ab.464 Bei dem Begriff der Schuld ist die Abweichung der IFRS-Rechnungslegung gegenüber dem deutschen Handelsbilanzrecht deutlicher als beim Begriff des Vermögenswertes.465 Die Ansatzkriterien für Schulden nach IFRS ähneln denjenigen für Vermögenswerte. Notwendige Voraussetzungen für das Vorliegen einer zu passivierenden Schuld (liability) im Allgemeinen sowie einer Rückstellung im Besonderen sind nach IASB-FW.49 (b) und IAS 37.10, IAS 37.14, dass:466 • eine gegenwärtige rechtliche oder faktische (Außen-)Verpflichtung des Unternehmens besteht, • die Verpflichtung auf Ereignissen in der Vergangenheit beruht und • deren Erfüllung für das Unternehmen erwartungsgemäß mit einem Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen verbunden ist. In Anbetracht der Bedeutung des matching principle im Rahmen der IFRS läge die Vermutung nahe, dass dort allein die wirtschaftliche Verursachung einer liability maßgeblich für deren Passivierungszeitpunkt sei. Diese Vermutung trifft jedoch nicht zu, vielmehr löst wie auch in Deutschland meistens die rechtliche Entstehung die Passivierungspflicht aus.467 Neben diese in den grundlegenden Definitionen von Schulden bzw. Rückstellungen genannten Kriterien treten nach IAS 37.14 ff. weitere Kriterien, welche die Rückstellungen immanente Unsicherheit widerspiegeln und zumindest alternativ erfüllt sein müssen: So fordert IAS 37.14 (c) als zwingende Ansatzvoraussetzung einer Rückstellung, dass eine zuverlässige Ermittlung der Höhe der Verpflichtung möglich ist.468 Abweichend vom HGB stellt damit die Schätzbarkeit der Verpflichtungs___________ 464 So ergeben sich bei den IFRS Verstöße gegen eine uneingeschränkte Aktivierung aller künftigen Nutzenpotenziale bereits aus den aufgeführten objektivierungsbedingten Einschränkungen. Bezüglich des HGB sei beispielhaft auf die Möglichkeit zum Ansatz von Bilanzierungshilfen hingewiesen. Vgl. auch Kittner, W. A. (2001), S. 89. 465 Vgl. Bohl, W./Mangliers, O., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 2 Tz. 57. 466 Vgl. auch Hoffmann, W.-D., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 21 Rn. 10 und Rn. 25; Hebestreit, G./Dörges, C. E., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 13 Rn. 8 und Rn. 30 ff. 467 Vgl. Kittner, W. A. (2001), S. 120 m. w. N. 468 Vgl. auch Hoffmann, W.-D., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 21 Rn. 25; Hebestreit, G./Dörges, C. E., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 13 Rn. 8 und

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

243

höhe kein Bewertungs-, sondern ein Ansatzkriterium dar.469 Für die Verlässlichkeit der Schätzung reicht bereits die Feststellung einer Bandbreite möglicher Werte aus.470 Dabei wird in IAS 37.25-26 angenommen, dass eine solche verlässliche Schätzung der künftigen Belastungen aus Rückstellungen „(v)on äußerst seltenen Fällen abgesehen“ möglich ist. Ist eine verlässliche Schätzung ausnahmsweise nicht möglich, wird eine Rückstellungspassivierung zugunsten einer Berichterstattung im Anhang abgelehnt.471 Außer einer Unsicherheit hinsichtlich der Höhe der Verpflichtung kann ferner auch eine Unsicherheit hinsichtlich deren Fälligkeit oder Bestehen gegeben sein. Bezüglich des Bestehens einer Verpflichtung wird in IAS 37.16 davon ausgegangen, dass es in fast allen Fällen eindeutig sein wird, ob am Bilanzstichtag eine gegenwärtige Verpflichtung aus einem vergangenen Ereignis vorliegt. In unklaren Fällen sind alle substanziellen Hinweise für das Vorliegen einer Verpflichtung heranzuziehen und Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden, wenn mehr Gründe dafür als dagegen sprechen, aus der zugrunde liegenden Verpflichtung in Anspruch genommen zu werden (vgl. IAS 37.16 (a) und 37.23).472 Sofern die Inanspruchnahme bei vernünftiger Beurteilung lediglich für möglich gehalten wird, wird eine Rückstellungspassivierung verneint. Im Anhang sind in diesem Fall jedoch konkrete Angaben hierzu zu machen (vgl. IAS 37.16 (b) und 37.86). Ist schließlich eine Inanspruchnahme möglich, aber unwahrscheinlich, wird eine Aufnahme in den Jahresabschluss in jeder Form abgelehnt. Nach IAS 37.20 betrifft eine Verpflichtung explizit immer eine andere Partei, es muss sich also um eine Außenverpflichtung handeln. Somit sind Aufwandsrückstellungen nach IFRS – im Gegensatz zu den im HGB geregelten Fällen des § 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Satz 3 und Abs. 2 HGB – grundsätzlich nicht möglich.473 Es zeigt sich, dass die Begriffe der Schuld nach IFRS und HGB zwar Ähnlichkeiten aufweisen, in der Ausgestaltung konkreter Einzelregelungen jedoch ___________ Rn. 44 ff. Eine solche verlässliche Bewertbarkeit des Erfüllungsbetrages wird allerdings auch nach IASB-FW.91 allgemein für den Ansatz von Schulden gefordert. 469 Vgl. Hebestreit, G./Dörges, C. E., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 13 Rn. 44. 470 Vgl. Hebestreit, G./Dörges, C. E., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 13 Rn. 44; Hoffmann, W.-D., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 21 Rn. 21. 471 Vgl. IAS 37.25-26 und 37.86. 472 Vgl. auch die bereits im Zusammenhang mit dem Begriff des Vermögenswertes dargestellte Definition des Begriffes „wahrscheinlich“. 473 Ausnahmen bestehen unter bestimmten Voraussetzungen bei Restrukturierungsplänen. Vgl. auch Hebestreit, G./Dörges, C. E., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 13 Tz. 34 und Tz. 87 ff.

244

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

wesentliche Unterschiede bestehen, so insbesondere im Bereich der ungewissen Schulden:474 Ein signifikanter Unterschied besteht bezüglich der Abstufung der Eintrittswahrscheinlichkeiten zukünftiger Ereignisse und den daraus resultierenden bilanziellen Konsequenzen. Neben unterschiedlichen Meinungen hinsichtlich der Konkretisierung des Bestehens der Verpflichtung unterscheiden sich die Ansatzkriterien für Verbindlichkeitsrückstellungen nach HGB und IFRS insbesondere hinsichtlich des nach IFRS geforderten zwingenden Tatbestandsmerkmals eines Vergangenheitsereignisses. Dies bedeutet, dass lediglich für diejenigen Verpflichtungen Rückstellungen anzusetzen sind, die unabhängig von der künftigen Geschäftstätigkeit des Unternehmens bestehen. Es darf somit keine Möglichkeit für das Unternehmen bestehen, sich der in der Vergangenheit begründeten Verpflichtung durch künftiges Handeln zu entziehen.475 Infolgedessen sind nach IFRS Anpassungsverpflichtungen, wie sie etwa zur Förderung des Umweltschutzes vorgeschrieben sein können (z. B. Emissionsanpassungen), abzulehnen, da sich das Unternehmen dieser öffentlichen Auflage entziehen kann, indem es auf andere Produktionsverfahren umstellt (vgl. IAS 37.19).476 Bei den IFRS sind aufgrund der im Vergleich zum HGB weiter gefassten Ansatzkriterien von Vermögenswerten keine Bilanzierungshilfen vorgesehen, die über die Aktivierung von Vermögenswerten hinausgehen.477 Die IFRS kennen ferner auch keine expliziten Ansatzwahlrechte.478 Bilanzierungswahlrechte ergeben sich hier jedoch implizit über weitgehende Ermessensspielräume, welche v. a. bei immateriellen Vermögenswerten aus den dürftigen Normierungen ___________ 474

Vgl. Kittner, W. A. (2001), S. 121. Vgl. Hoffmann, W.-D., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 21 Rn. 50 ff.; Hebestreit, G./Dörges, C. E., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 13 Rn. 30. 476 Nach Auffassung des BGH ist hingegen nach den Regelungen des HGB in einem solchen Fall eine Rückstellung zu bilden, da dieser abweichend von den IFRS nicht zwingend das Kriterium des Vergangenheitsereignisses bzw. der Unentziehbarkeit voraussetzt. Vgl. BFH, U. vom 27.06.2001 – I R 45/97, DB 2001, S. 1698. Die Gegenauffassung hingegen beruft sich auf die rückstellungsbegrenzende Wirkung des im Sinne des Alimentationsgedankens verstandenen Realisationsprinzips und verneint eine bestehende rechtliche Verpflichtung. Vgl. Herzig, N. (2004), S. 238 f. Ebenfalls gegen den BFH argumentiert Siegel, T. (1994), S. 12 f.; dieser stellt hierfür allerdings nicht auf eine Neuinterpretation des Realisationsprinzips ab, sondern auf die Frage, ob eine Nettobelastung des gegenwärtigen Vermögens vorliegt. 477 Vgl. Federmann, R. (2000), S. 204; Emmrich, M. (1999), S. 126. 478 Vgl. Rammert, S., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 51 Rn. 23. Ein Sonderfall stellt das Wahlrecht für Subventionen dar, die sich auf einen bestimmten Vermögenswert beziehen (vgl. IAS 20.24). Dabei handelt es sich jedoch der Sache nach um ein Saldierungswahlrecht. Vgl. Wagenhofer, A. (2005), S. 554. Hinsichtlich der Bilanzierung von Subventionen siehe auch Scheinpflug, P., in: Beck’sches IFRSHandbuch (2006), § 5 Tz. 58 f. 475

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

245

des IASB resultieren.479 Bilanzierungsverbote für Vermögenswerte, welche die Voraussetzungen eines asset erfüllen – wie dies im HGB in § 248 Abs. 2 aus Objektivierungsgründen für selbst erstellte immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens gilt – sind in den IFRS nicht geregelt.480 Auf die weitgehenden Ermessensspielräume des Rechnungslegenden wird im Rahmen des Vergleiches der Entobjektivierungen nach HGB und IFRS in Abschnitt D.III.2. näher eingegangen.

b) Bewertungsnormen (1) Nach HGB/GoB Bezüglich der Bewertungsprinzipien und -maßstäbe für Vermögensgegenstände (bzw. -werte nach IFRS) und Schulden ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen: (1) der Bewertung beim erstmaligen Ansatz und (2) der Folgebewertung in den nachfolgenden Perioden. Zu (1): Nach EG-Recht kommen beim erstmaligen Ansatz von Bilanzpositionen grundsätzlich die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, der beizulegende Zeitwert sowie bei Verbindlichkeiten der Rückzahlungsbetrag, bei Rückstellungen der notwendige Betrag in Betracht.481 Das HGB gibt als „primäre“ Wertmaßstäbe für die Zugangs- bzw. Ausgangsbewertung von Vermögensgegenständen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten vor.482 Bei den Wertmaßstäben für die Zugangsbewertung von Schulden ist zu unterscheiden zwischen Verbindlichkeiten und Rückstellungen: Verbindlichkeiten sind mit ihrem Rückzahlungsbetrag, Pensionsrückstellungen mit ihrem Barwert sowie sonstige Rückstellungen mit dem Betrag zu passivieren, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist (vgl. § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB). Im Folgenden wird bezüglich der Bewertung von Vermögensgegenständen auf die Ermittlung der Herstellungskosten näher eingegangen, da hier deutliche Unterschiede zwischen den Vorschriften der beiden Rechnungslegungssysteme

___________ 479

Vgl. Emmrich, M. (1999), S. 126. Vgl. Emmrich, M. (1999), S. 126; vgl. Lüdenbach, N./Hoffmann, W.-D., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 1 Rn. 126 f. 481 Vgl. Art. 32, Art. 41, Art. 42, Art. 42a und Art. 42e der Vierten EG-Richtlinie. 482 Vgl. §§ 253 Abs. 1 und Abs. 2, 255 HGB. 480

246

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

bestehen.483 Bei der Bewertung von Schulden wird angesichts ihrer bilanzpolitischen Bedeutung die Rückstellungsbewertung betrachtet. Gemäß Art. 35 Abs. 3 und Abs. 4 der Vierten EG-Richtlinie müssen die Herstellungskosten als Pflichtbestandteile alle dem Erzeugnis unmittelbar zurechenbaren (Einzel-)Kosten enthalten (Teilkostenansatz). Bezüglich angemessener Teile der dem Erzeugnis lediglich mittelbar zurechenbaren (Gemein-) Kosten besteht ein Einbeziehungswahlrecht ebenso wie – unter bestimmten Voraussetzungen – für Fremdkapitalzinsen (Vollkostenansatz). Entsprechend dürfen nach den Regelungen des HGB bei der Berechnung der Herstellungskosten neben den dem Erzeugnis unmittelbar zurechenbaren Einzelkosten (vgl. § 255 Abs. 2 Satz 2 HGB) auch angemessene Teile der notwendigen Material-, Fertigungs- und (allgemeinen) Verwaltungsgemeinkosten sowie des durch die Fertigung veranlassten Werteverzehrs des Anlagevermögens mit einbezogen werden. Auch bezüglich Kosten für soziale Einrichtungen des Betriebs, freiwillige Sozialleistungen sowie für betriebliche Altersversorgung steht dem Bilanzaufsteller ein Einbeziehungswahlrecht zu (vgl. § 255 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 HGB). Fremdkapitalzinsen schließlich dürfen ausschließlich dann ausnahmsweise in die Herstellungskosten einbezogen werden, soweit sie zur Herstellungsfinanzierung dienen und auf den Herstellungszeitraum entfallen (vgl. § 255 Abs. 3 Satz 2 HGB). Forschungskosten sowie Kosten der Neuentwicklung dürfen nicht in die Herstellungskosten mit eingerechnet werden.484 Für Vertriebskosten besteht ein ausdrückliches Einbeziehungsverbot gemäß § 255 Abs. 2 Satz 6 HGB. Somit können nach HGB neben den produktionsbezogenen Kosten auch Kosten der allgemeinen Verwaltung und soziale Kosten aktiviert werden, soweit sie nicht ausschließlich der Produktion, sondern auch anderen Bereichen zuzuordnen sind.485 Daneben sind zur vereinfachten Ermittlung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Vorratsvermögens Bewertungsvereinfachungsverfahren nach § 256 HGB zulässig. Unterschiede können ferner insbesondere hinsichtlich der Bewertung von Rückstellungen auftreten. In Deutschland sind Rückstellungen wie dargestellt gemäß § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB mit dem nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Betrag anzusetzen. Dabei hat die vernünftige kauf___________ 483

Bezüglich des Umfangs der Anschaffungskosten hingegen unterscheiden sich die Vorschriften nur geringfügig. Siehe hierzu etwa Hoffmann, W.-D., in: Haufe IFRSKommentar (2005), § 8 Rn. 20 ff. 484 Vgl. Ellrott, H./Brendt, P., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 255 Rn. 425. 485 Vgl. Riese, J., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 8 Tz. 56.

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

247

männische Beurteilung den Grundsatz der Vorsicht einzubeziehen.486 Die Schätzung entspricht dann vernünftiger kaufmännischer Beurteilung, wenn der einzelne Bilanzansatz innerhalb einer Bandbreite möglicher Inanspruchnahmen liegt, welche unter Berücksichtigung aller bei Bilanzaufstellung gegebenen Informationen hinsichtlich der tatsächlichen Verhältnisse am Bilanzstichtag bestimmt worden ist.487 Innerhalb dieser Bandbreite stellt sich die Frage, ob für die Bewertung der wahrscheinliche oder der ungünstigstenfalls zu erwartende Betrag zugrunde zu legen ist. Können annähernd sichere Werte ermittelt werden, wie etwa bei Steuerrückstellungen, sind diese anzusetzen. Können aufgrund bestehender Erfahrungen und Daten statistische (objektivierbare) Wahrscheinlichkeiten berechnet werden, sind die daraus resultierenden Erwartungswerte für die Bewertung zugrunde zu legen. Dies ist z. B. bei Pensions- sowie Garantierückstellungen häufig der Fall.488 Bei einmaligen Sachverhalten sowie Sachverhalten ohne entsprechende statistische Daten ist nach verbreiteter Auffassung von mehreren Schätzalternativen jeweils eine etwas pessimistischere als die wahrscheinlichste Alternative auszuwählen, es sei denn, die Eintrittswahrscheinlichkeit des Wertes mit der höchsten Wahrscheinlichkeit ist wesentlich höher als die anderer realistischer Beträge.489 Sind verschiedene Werte mit derselben Wahrscheinlichkeit zu erwarten, ist der höchste dieser Werte anzusetzen.490 Rückstellungen dürfen schließlich lediglich abgezinst werden, soweit die ihnen zugrunde liegenden Verpflichtungen einen Zinsanteil enthalten (vgl. § 253 Abs. 1 Satz 2, 2. Hs. HGB). Zu (2): Hinsichtlich der Folgebewertung sieht die Vierte EG-Richtlinie in Art. 35 und Art. 39 grundsätzlich die Bewertung zu (fortgeführten) Anschaffungs- oder Herstellungskosten vor. Insbesondere durch die so genannte FairValue-Richtlinie vom 27. September 2001 sowie die Modernisierungsrichtlinie vom 18. Juni 2003 wurde die Vierte EG-Richtlinie jedoch dahingehend angepasst, dass die Mitgliedstaaten Gesellschaften, die in den Anwendungsbereich ___________ 486

Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 253 HGB Tz. 191; Hoyos, M./Ring, M., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 253 Rn. 154 f. 487 Vgl. Hoyos, M./Ring, M., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 253 Rn. 154; Coenenberg, A. G. (2003), S. 371; Wagenhofer, A. (2005), S. 266. 488 Vgl. Coenenberg, A. G. (2005), S. 398. 489 Vgl. etwa Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 253 HGB Tz. 192 und Tz. 68 m. w. N.; Rückle, D. (1986-a), S. 412 ff.; Hoyos, M./Ring, M., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 253 Rn. 155; Coenenberg, A. G. (2005), S. 398; Wagenhofer, A. (2005), S. 266. 490 Vgl. Hoyos, M./Ring, M., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 253 Rn. 155; ähnlich wohl Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 253 HGB Tz. 192.

248

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

dieser Richtlinie fallen, auch bei Finanzinstrumenten491 und anderen Vermögensgegenständen die Bewertung zum beizulegenden Zeitwert vorschreiben oder gestatten können.492 Bei den Vorschriften des HGB dominiert die Ausgangs- bzw. Zugangsbewertung zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zugleich die Folgebilanz: Planmäßige Abschreibungen sind auf Basis dieses Ausgangswertes vorzunehmen, außerplanmäßige Abschreibungen werden von diesem Wert aus vorgenommen und etwaige spätere Wertaufholungen werden durch die fortgeführten Ausgangswerte nach oben begrenzt.493 Die Möglichkeit zur Neubewertung auf Basis des beizulegenden Zeitwertes (fair value) hat der deutsche Gesetzgeber nicht in nationales Recht umgesetzt. Durch die Begrenzung aller künftigen Wertkorrekturen auf die Ausgangswerte als Wertobergrenze soll dem Vorsichts- und Objektivierungsprinzip entsprochen werden.494 Der Bilanzansatz zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten ist Ausfluss des Nominalwertprinzips.495 Das Anschaffungskostenprinzip ist primär vergangenheitsbezogen, allerdings enthält es in bestimmten Fällen auch Elemente der Zukunftsorientierung und damit des Marktpreises: Dies ist dann der Fall, wenn es abzuschätzen gilt, ob der nach Maßgabe der ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten – abzüglich etwaiger planmäßiger Abschreibungen – bestehende Buchwert nicht höher ist als der augenblickliche Zeitwert.496 ___________ 491 Als beizulegender Zeitwert eines Finanzinstrumentes gilt grundsätzlich dessen Marktwert, wenn sich ein verlässlicher Markt ermitteln lässt. Anderenfalls ist der beizulegende Zeitwert mit Hilfe anerkannter Bewertungsmodelle und -methoden zu ermitteln. Vgl. Richtlinie 2001/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.09.2001, Art. 1 Tz. 1 (zu Art. 42b Abs. 1 a) und b) der Vierten EG-Richtlinie). Fehlen auch diese, greift für die Bewertung das Anschaffungskostenprinzip. Vgl. Richtlinie 2001/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.09.2001, Art. 1 Tz. 1 (zu Art. 42b Abs. 2 der Vierten EG-Richtlinie). 492 Vgl. Richtlinie 2001/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.09.2001, Art. 1 Tz. 1 (zu Art. 42a Abs. 1 der Vierten EG-Richtlinie) und Richtlinie 2003/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.06.2003, Art. 1 Tz. 12 (zu Art. 42 e der Vierten EG-Richtlinie). „Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit haben, im Einklang mit den internationalen Entwicklungen, die ihren Niederschlag in den vom IASB herausgegebenen Standards finden, Neubewertungen und Bewertungen zum beizulegenden Zeitwert („fair value“) zu gestatten oder vorzuschreiben.“ Richtlinie 2003/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.06.2003, Begründung, Abs. (8). 493 Vgl. § 253 Abs. 1 HGB. 494 So auch Emmrich, M. (1999), S. 135. 495 Vgl. Federmann, R. (2000), S. 313. 496 Vgl. Hoffmann, W.-D., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 8 Tz. 13.

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

249

In der deutschen Rechnungslegung dient der beizulegende Zeitwert de lege lata somit ausschließlich als Korrekturwert.497 Aus dem Grundsatz der Vorsicht bzw. dem Imparitätsprinzip heraus muss geprüft werden, ob die primären Werte nicht überhöht und unter bestimmten Voraussetzungen Abwertungen vorzunehmen sind, um künftig drohende Verluste vorweg zu nehmen.498 Korrekturwert für Gegenstände des Anlage-499 sowie des Umlaufvermögens ist grundsätzlich der „Wert, der den Vermögensgegenständen am Abschlußstichtag beizulegen ist“ (§ 253 Abs. 3 Satz 2 HGB). Dabei ist der beizulegende Zeitwert im HGB nicht näher konkretisiert, sondern muss durch die GoB präzisiert werden. Der beizulegende Wert kann aus der Sicht der Veräußerung bzw. des Verbrauchs (Verwertungssicht) oder der Wiederbeschaffung bzw. Wiederherstellung (Reproduktionssicht) ermittelt werden.500 Wenn ein Markt- oder Börsenpreis gegeben ist, bestimmt dieser jeweils – gleichsam als Spezialfall – den beizulegenden Wert.501 Da es anders als bei der Börse „den“ Markt tatsächlich nur selten gibt und die Konditionen auch nicht unbedingt leicht zu ermitteln sind, ist ein Marktpreis eher vage.502 Die Absatzmarkt- oder sonstige Verwertungsorientierung ist maßgeblich für Gegenstände, bei denen eine Veräußerung nahe liegt, so insbesondere bei abgenutzten, stillgelegten oder zu veräußernden Anlagen sowie bei unfertigen und

___________ 497 Bezüglich Vermögensgegenständen des Anlagevermögens vgl. § 253 Abs. 2 Satz 3 HGB, für Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens vgl. § 253 Abs. 3 Satz 2 HGB. 498 Vgl. Schildbach, T. (2004-b), S. 282. Siehe auch die vom IDW gemachten Ausführungen zu den erforderlichen Handlungen zur Prüfung gegebenenfalls vorzunehmender außerplanmäßiger Abschreibungen auf den niedrigeren Wert, vgl. etwa IDW (2006), R 443, R 486, R 515 etc. Allerdings besteht für Nicht-Kapitalgesellschaften bei Vermögensgegenständen des Anlagevermögens bei voraussichtlich nicht dauerhafter Wertminderung wie dargelegt ein Wahlrecht zur Abschreibung auf den niedrigeren beizulegenden Wert (vgl. § 253 Abs. 2 Satz 3 HGB). Ein solches Wahlrecht beeinträchtigt die Nachvollziehbarkeit. 499 Vgl. § 253 Abs. 2 Satz 3 HGB. 500 Vgl. Federmann, R. (2000), S. 328 f. 501 Vgl. Federmann, R. (2000), S. 330 f.; Schildbach, T. (2004-b), S. 283 f.; Hoyos, M./Schramm, M./Ring, M., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 253 Rn. 288 und Rn. 510 ff.; Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 253 HGB Rn. 459 und Rn. 491; da dies bei Vermögensgegenständen des Anlagevermögens selten vorkommt, ist dieser Fall lediglich für das Umlaufvermögen explizit im Gesetz berücksichtigt (vgl. § 253 Abs. 3 Satz 2 HGB). 502 Vgl. Schildbach, T. (2004-b), S. 284.

250

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

fertigen Erzeugnissen im Regelfall.503 Dabei gilt als Veräußerungswert grundsätzlich der vorsichtig geschätzte Verkaufserlös abzüglich der noch entstehenden Aufwendungen. Sofern dieser nur sehr schwer abzuschätzen ist, was bei Gegenständen des Anlagevermögens, insbesondere bei Spezialanlagen, häufig der Fall sein wird, kann aus Vorsichtsgründen gegebenenfalls lediglich der Schrottwert angesetzt werden.504 Bei bestimmten ertragsorientierten Vermögensgegenständen wie Patenten, Beteiligungen und ähnlichen Rechten, für die insbesondere aufgrund ihrer Einmaligkeit weder ein Beschaffungs- noch ein Absatzmarkt existiert, ist der beizulegende Wert häufig nur mit Hilfe entsprechender Verfahren aus dem Ertragswert abzuleiten.505 Bei Gegenständen, die weiterhin dem Unternehmen dienen bzw. bearbeitet werden sollen und bei denen am Bilanzstichtag eher ein Kauf als ein Verkauf nahe liegt, ist nach offenbar h. M.506 grundsätzlich die Reproduktionskostensicht maßgeblich. Demnach sind die Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungskosten im Regelfall insbesondere für betriebsnotwendige Vermögensgegenstände des Anlagevermögens maßgeblich sowie für betriebsnotwendige Umlaufgüter (wie z. B. bei nötigen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, Handelswaren). Für Nicht-Kapitalgesellschaften besteht ferner gemäß § 253 Abs. 4 HGB für alle Vermögensgegenstände die Möglichkeit, Abschreibungen im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung vorzunehmen. Gründe und Ausmaß der Abschreibungen i. S. d. § 253 Abs. 4 HGB sind umstritten. Bei Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens kennt das HGB zusätzlich noch das Wahlrecht, Abschreibungen zur Vermeidung künftiger Wertschwankungen vorzunehmen (vgl. § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB). Diese Abschreibungswahlrechte ermöglichen die Bildung stiller Rücklagen.507 Bei Wegfall des Grundes der außerplanmäßigen Abschreibung ist eine Wertaufholung für Kapitalgesellschaften gemäß § 280 Abs. 1 HGB zwingend vorzunehmen, für Personenunternehmen besteht hingegen ein Beibehaltungswahlrecht gemäß § 253 Abs. 5 HGB. Neben den Abwertungen aus Furcht vor dro___________ 503

Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 253 HGB Rn. 460 ff.; bezüglich Umlaufvermögen auch Ellrott, H./Ring, St., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 253 Rn. 516 f. 504 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 253 HGB Rn. 462. 505 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 253 HGB Rn. 464 ff.; Federmann, R. (2000), S. 328. 506 Vgl. zum Folgenden etwa Federmann, R. (2000), S. 327 ff.; Schildbach, T. (2004b), S. 287; Coenenberg, A. G. (2003), S. 108; Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 253 HGB Rn. 457 f. und Rn. 489 ff.; bezüglich Umlaufvermögen auch Ellrott, H./Ring, St., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 253 Rn. 516 f. 507 Vgl. auch Klatte, V. (1991), S. 238 ff.

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

251

henden Verlusten kennt das HGB schließlich auch Abwertungen auf niedrigere Werte in Fällen, in denen Vergünstigungen aus dem Steuerrecht übernommen werden.508

(2) Nach IFRS Zu (1): Die Regelungen nach IFRS bilden keine geschlossene Bewertungskonzeption.509 Vielmehr enthält das Framework verschiedene allgemeine Wertmaßstäbe sowie Bewertungsgrundsätze. Als Bewertungsmaßstäbe sind in IASB-FW.100 aufgeführt: • historische Anschaffungs- oder Herstellungskosten (historical cost), • der Tageswert (current cost), • der realisierbare Betrag: Veräußerungswert (realisable value) bei Vermögenswerten bzw. Erfüllungsbetrag (settlement value) bei Schulden und • der Barwert (present value). Im Framework ist allerdings nicht geregelt, wann welcher Wert anzuwenden ist. Stattdessen werden die Wertmaßstäbe in den einzelnen Standards wieder aufgenommen und konkretisiert, wobei zum Teil auch nicht im Framework definierte Wertmaßstäbe verwendet werden.510 So sind als weitere Wertmaßstäbe in den einzelnen Standards aufgeführt: • der erzielbare Betrag (recoverable amount), • der beizulegende Zeitwert (fair value) sowie • der Marktwert (market value). Für die Zugangsbewertung sind in der Regel511 die historical cost relevant, welche nach IASB-FW.101 die vorherrschende Bewertungsgrundlage darstellen. Unter den historischen (Anschaffungs- oder Herstellungs-)Kosten eines Vermögenswertes ist nach IASB-FW.100 (a) entweder der Betrag zu verstehen, ___________ 508

Vgl. §§ 254 und 279 Abs. 2 HGB. Hierauf wird bei der Betrachtung der Maßgeblichkeit in Kapitel F. näher eingegangen. 509 Vgl. Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S. (2005), S. 261; Bohl, W./Mangliers, O., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 2 Tz. 71 ff. 510 Vgl. Coenenberg, A. G. (2003), S. 93. 511 Ausnahmen hiervon sind v. a. die Zugangsbewertung bei Erwerben, die als Sachgesamtheit im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses (vgl. IFRS 3) erfolgen, sowie bei Erwerben, bei denen es an einer entgeltlichen Anschaffung fehlt, wie z. B. bei Zuschüssen (vgl. IAS 20.23). Ferner ist bei der Zugangsbewertung von Finanzinstrumenten inzwischen der fair value relevant (siehe die folgenden Ausführungen).

252

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

der zum Zeitpunkt des Erwerbs an liquiden oder sonstigen Mitteln aufgewendet wurde oder der beizulegende Zeitwert (fair value) einer sonstigen hingegebenen Gegenleistung zum Erwerbszeitpunkt. Die historischen Anschaffungskosten von Schulden ergeben sich aus dem Betrag, den der Rechnungslegende im Austausch für die eingegangene Verpflichtung erhalten hat oder zur Begleichung der Schuld noch zu leisten hat (vgl. IASB-FW.100 (a)). Die historischen Kosten entsprechen somit nach deutschem Sprachgebrauch den Anschaffungs- oder Herstellungskosten.512 Was bei den konkreten Vermögenswerten und Schulden jeweils zu den Anschaffungskosten gehört, wird in den einzelnen Standards näher konkretisiert. Im Folgenden wird wiederum lediglich auf die Bemessung der Herstellungskosten näher eingegangen, da diesbezüglich deutliche Unterschiede zwischen den Vorschriften der beiden Rechnungslegungssysteme bestehen. Während nach HGB ein für bilanzpolitische Spielräume einsetzbares Wahlrecht zwischen Verfahren der Voll- und der Teilkostenbewertung besteht, beruht der Ansatz der Herstellungskosten nach IFRS – basierend auf dem matching principle – relativ strikt auf dem produktionsbezogenen Vollkostenansatz: Demnach umfassen die Herstellungskosten nach IFRS sämtliche Kosten, die im Rahmen des Produktionsvorganges angefallen sind. Daneben sind auch alle sonstigen Kosten zu berücksichtigen, die aufgewendet worden sind, um den Vermögenswert an seinen Ort und in seinen Zustand zu versetzen.513 Unter Berücksichtigung des Vollkostenprinzips müssen somit auch Kosten des sozialen Bereichs (wie z. B. Kosten für freiwillige soziale Leistungen etc.) in die Herstellungskosten einbezogen werden, soweit sie dem Produktionsprozess unmittelbar zugerechnet werden können. Hierzu ist in der Regel eine Aufschlüsselung der sozialen Kosten auf die Funktionsbereiche erforderlich.514 Eine solche Aufschlüsselung in produktionsbezogene und nicht produktionsbezogene Kosten ist ebenso im Bereich der Verwaltungskosten vorzunehmen. Für die dem Produktionsbereich zuzuordnenden Kosten besteht eine Aktivierungspflicht, für die anderen ein Aktivierungsverbot. Eine solche Aufteilung der Kosten setzt in der Regel eine funktionierende Kostenrechnung voraus.515 Nach IFRS gehören ferner auch Entwicklungskosten, sofern die Voraus___________ 512 Vgl. Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S. (2005), S. 260; Hoffmann, W.-D., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 8 Rn. 3. 513 Vgl. IAS 2.10 und IAS 16.16 (b). 514 Vgl. Riese, J., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 8 Tz. 36 ff. 515 Im Einzelfall kann es aus der Abwägung von Kosten und Nutzen (vgl. IASBFW.44) vertretbar erscheinen, zumindest die Kosten der allgemeinen Verwaltung in voller Höhe als Periodenaufwand zu behandeln. Vgl. Riese, J., in: Beck’sches IFRSHandbuch (2006), § 8 Tz. 41.

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

253

setzungen erfüllt sind, zu den Herstellungskosten.516 Hinsichtlich Vertriebskosten besteht ein Aktivierungsverbot.517 Nach IFRS existieren abgesehen von der Möglichkeit zur Aktivierung von herstellungsbezogenen Fremdkapitalzinsen518 keine Wahlrechte für die Ermittlung der Herstellungskosten.519 Die Wertuntergrenze der Herstellungskosten liegt aufgrund des produktionsbezogenen Vollkostenansatzes nach den IFRS somit über derjenigen nach den Vorschriften des HGB. Andererseits liegt die Wertobergrenze der Herstellungskosten nach HGB über der nach IFRS, da nach HGB Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie Kosten des sozialen Bereichs auch aktiviert werden dürfen, soweit sie nicht produktionsbezogen sind.520 Auch nach IFRS sind ferner in bestimmten Fällen Bewertungsvereinfachungsverfahren zulässig (vgl. IAS 2.25). Die IFRS kennen als weiteren Wertmaßstab für die Zugangsbewertung ferner den fair value. Als fair value wird generell der Betrag verstanden, zu dem zwei voneinander unabhängige, sachverständige Parteien bereit wären, den Vermögenswert zu tauschen bzw. die Schuld zu begleichen.521 So ist gemäß IAS 39.43 bei der Zugangsbewertung von finanziellen Vermögenswerten bzw. Schulden explizit der fair value anzusetzen. Dabei umfasst der Begriff der Finanzinstrumente bzw. finanziellen Vermögenswerte und Schulden nicht nur die klassischen Finanzinstrumente wie Kassenbestand, Forderungen bzw. Verbindlichkeiten522 oder Wertpapiere, sondern auch aus originären Finanzinstrumenten abgeleitete Instrumente, so genannte Derivate. In der überwiegenden Zahl der Fälle werden jedoch die Anschaffungskosten im Zeitpunkt der erstmaligen

___________ 516

Vgl. IAS 38. Vgl. IAS 2.16. 518 Vgl. IAS 23.7 ff. i. V. m. IAS 23.10 f.; siehe auch Merkt, H., in: Baumbach/Hopt (2006), § 256 Rn. 43; Hoffmann, W.-D., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 8 Tz. 32. 519 Alle anderen Komponenten sind entweder zwingend mit einzubeziehen oder nicht. Vgl. Wagenhofer, A. (2005), S. 159 f.; Hoffmann, W.-D., in: Haufe IFRSKommentar (2005), § 8 Tz. 36; Coenenberg, A. G. (2003), S. 104. 520 Vgl. Riese, J., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 8 Tz. 56; Hoffmann, W.-D., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 8 Tz. 36. 521 Vgl. etwa IAS 16.6 bezüglich des beizulegenden Zeitwertes bei Sachanlagen. Diese Definition findet sich in analoger Form in den anderen Standards, in denen der fair value als Wertmaßstab angewendet wird. Vgl. auch IAS 17.4, IAS 18.7, IAS 19.7, IAS 20.3, IAS 21.8, IAS 32.11, IAS 38.8, IAS 39.9, IAS 40.5, IAS 41.8 etc. Vgl. Schmidt, M. (2000), S. 157 f. 522 Hierunter fallen sowohl Forderungen bzw. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen als auch sonstige Forderungen bzw. Verbindlichkeiten. 517

254

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

Bewertung dem fair value entsprechen,523 so dass auch hier in der Regel die Anschaffungskosten den tatsächlichen Bewertungsmaßstab bilden.524 Unterschiede zum HGB können ferner auch bei der Bewertung von Rückstellungen auftreten. Nach den Regelungen der IFRS ist eine Rückstellung mit dem Betrag zu passivieren, der aufgrund bestmöglicher Schätzung bzw. bei vernünftiger Betrachtung zur Abdeckung einer Verpflichtung an eine dritte Partei benötigt wird.525 Dieser Wert wird nach IAS 37.38 durch das Management anhand von Erfahrungswerten bei ähnlichen Transaktionen oder anhand von Expertenmeinungen geschätzt. Bei der Bewertung einzelner Geschäftsvorfälle oder im Zeitverlauf inhomogener Grundgesamtheiten stellt in der Regel das jeweils wahrscheinlichste Ergebnis die bestmögliche Schätzung dar (vgl. IAS 37.40).526 Umfasst die zu bewertende Rückstellung eine große Anzahl ähnlicher Positionen (wie z. B. bei Garantiefällen im Massengeschäft) und liegt den möglichen Erfüllungsbeträgen eine Wahrscheinlichkeitsverteilung zugrunde, ist nach IAS 37.39 der Erwartungswert der Verpflichtung anzusetzen.527 Bei einer Bandbreite möglicher Ergebnisse, innerhalb derer die Wahrscheinlichkeit der einzelnen Punkte gleich groß ist, wird der Mittelpunkt der Bandbreite verwendet (vgl. IAS 37.39). Wenn andere mögliche Ergebnisse entweder größtenteils über oder größtenteils unter dem wahrscheinlichsten Ergebnis liegen, ist jedoch auf den Wert mit der höchsten Eintrittswahrscheinlichkeit ein subjektiver Zuoder Abschlag vorzunehmen (vgl. IAS 37.40). Da die Höhe des Zu- oder Abschlages nicht geregelt ist, verbleibt den Rechnungslegenden wie nach HGB ein nicht unerheblicher Ermessensspielraum. Rückstellungen sind schließlich mit ihrem Barwert anzusetzen, sofern der daraus resultierende Abzinsungseffekt wesentlich ist (vgl. IAS 37.45). ___________ 523 Es können jedoch Fälle auftreten, bei denen der fair value hiervon abweicht, so etwa bei Herausgabe unverzinslicher Darlehen. Vgl. Schruff, W. (2005), S. 121. 524 Vgl. Kehm, P./Lüdenbach, N., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 28 Rn. 111 und Rn. 211; Wawrzinek, W., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 3 Rn. 57; Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S. (2005), S. 264, wobei diese in dem Fall den fair value – wohl in Anlehnung an die Formulierung der historischen Anschaffungskosten im Framework – als Unterfall der Anschaffungskosten darstellen. 525 Vgl. IAS 37.36 f.; vgl. auch Hoffmann, W.-D., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 21 Rn. 135. 526 Vgl. Hebestreit, G./Dörges, C. E., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 13 Rn. 53. 527 Der gesamte Verpflichtungsumfang wird durch Gewichtung aller möglichen Verpflichtungseinzelbeträge mit den dazugehörigen Eintrittswahrscheinlichkeiten geschätzt. Vgl. Hebestreit, G./Dörges, C. E., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 13 Rn. 52; Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S. (2005), S. 271.

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

255

Bezüglich der Bewertung von Rückstellungen lässt sich zusammenfassend feststellen, dass den Rechnungslegenden sowohl nach den Regelungen des HGB als auch nach IFRS jeweils ein nicht unerheblicher Ermessensspielraum verbleibt.528 Bei der Bewertung nach IFRS ist grundsätzlich der beste Schätzwert heranzuziehen. Der bei der Bewertung nach HGB relevante Schätzwert fällt aufgrund des hohen Stellenwertes des Vorsichtsprinzips im HGB tendenziell höher aus als der nach IFRS.529 Zu (2): Die Folgebewertung ist nach IFRS nicht einheitlich geregelt.530 Auch die IFRS sehen für die Vermögenswerte großteils die Fortführung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten, gegebenenfalls vermindert um die notwendigen Abschreibungen vor.531 Daneben kommt im Rahmen der Folgebewertung grundsätzlich der Gedanke des Niederstwertprinzips mit der Berücksichtigung gesunkener Tageswerte zur Geltung. So ist zu prüfen, ob der erzielbare Betrag (recoverable amount) eines Vermögenswertes geringer ist als sein Buchwert und der Buchwert des Vermögenswertes somit auf seinen erzielbaren Betrag um eine entsprechende Wertminderung zu verringern ist.532 Sind die Gründe für die Wertminderung weggefallen oder haben sich deren Auswirkungen verringert, muss die außerplanmäßige Abschreibung verringert bzw. wieder aufgeholt werden (vgl. IAS 36.114). Dabei entspricht der erzielbare Betrag dem höheren Betrag von beizulegendem Zeitwert abzüglich Verkaufskosten und Nutzungswert. Somit macht auch die Ermittlung des erzielbaren Betrages im Rahmen außerplanmäßiger Abschreibungen u. a. die Ermittlung des beizulegenden Zeitwertes erforderlich.533 Ist die Ermittlung des erzielbaren Betrages für einen einzelnen Vermögenswert nicht möglich, ist der erzielbare Betrag der zah-

___________ 528 So bleibt nach den IFRS – ähnlich wie auch im HGB – unbestimmt, ab wann eine hinreichend große Anzahl ähnlicher Geschäftsvorfälle als Voraussetzung für die Anwendung der Erwartungswertmethode gegeben ist und unter welchen Voraussetzungen ähnliche Verpflichtungen gegeben sind. Ebenso ist offen, was unter größtenteils über oder unter dem wahrscheinlichsten Wert liegenden Beträgen zu verstehen ist. Vgl. Hebestreit, G./Dörges, C. E., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 13 Rn. 52 ff.; Hoffmann, W.-D., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 21 Rn. 143. 529 Vgl. Hebestreit, G./Dörges, C. E., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 13 Rn. 179. 530 Vgl. Herzig, N. (2004), S. 169 f. 531 Vgl. IAS 16.30, IAS 38.74, IAS 40.79. 532 So etwa bezüglich des Vorratsvermögens siehe IAS 2.9 ff., für das Sachanlagevermögen siehe IAS 16.63 i. V. m. IAS 36.58 ff. Dabei ist für das Anlagevermögen nach IAS 36 (anders als nach HGB bei Kapitalgesellschaften) eine voraussichtlich dauernde Wertminderung grundsätzlich nicht Voraussetzung für eine Abwertung. 533 Vgl. Wagenhofer, A. (2005), S. 164 f.

256

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

lungsmittelgenerierenden Einheit zu bilden, zu der ein Vermögenswert gehört.534 Nach IFRS spielt der fair value für die Folgebewertung jedoch nicht nur als Korrekturwert i. e. S. eine Rolle, sondern er wird auch als Bewertungsmaßstab im Rahmen der Neubewertungskonzeption verwendet. Die IFRS sehen zum Teil eine Neubewertung über die Anschaffungs- oder Herstellungskosten hinaus vor, sofern die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind. Von dieser neuen „Basis“ aus sind auch die planmäßigen und außerplanmäßigen Abschreibungen zu verrechnen. Bezüglich einer solchen Neubewertung ist der fair value von Bedeutung bei Sachanlagen (vgl. IAS 16.29 i. V. m. 16.31 ff.), als Finanzinvestitionen gehaltenen Immobilien (vgl. IAS 40.30 i. V. m. 40.33 ff.), in eingeschränktem Umfang bei immateriellen Vermögenswerten (vgl. IAS 38.72 i. V. m. 38.75 ff.), für bestimmte Finanzinstrumente (vgl. IAS 32 i. V. m. 39.46 f.) sowie für landwirtschaftliche und biologische Vermögenswerte (vgl. IAS 41.12 f.). Die Bewertungskonzeption der IFRS lässt sich als mixed model bezeichnen:535 Dies ist darin begründet, dass zum Teil ein Wahlrecht gegeben ist, entweder eine Bewertung zum beizulegenden Zeitwert oder eine Bewertung zu den fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorzunehmen (vgl. IAS 16.29, IAS 38.72 und IAS 40.30). In bestimmten Fällen ist die Bewertung zum fair value demgegenüber zwingend vorgeschrieben, so v. a. bei den biologischen Vermögenswerten (vgl. IAS 41.12), bei den Zuwendungen der öffentlichen Hand (vgl. IAS 20.7) und bei einem Teil der Finanzinstrumente. Zum Teil ist der Ansatz zum beizulegenden Zeitwert in bestimmten Situationen auch nicht erlaubt (siehe z. B. IAS 38.81). Uneinheitlich ist ferner auch die Ergebniswirksamkeit, die aus der Folgebewertung zum beizulegenden Zeitwert resultiert: Teils fließen die Wertänderungen in das Periodenergebnis ein, teils gehen sie ohne Berührung der GuVRechnung unmittelbar in einen gesonderten Eigenkapitalposten, die Neubewertungsrücklage, ein.536 Bei den immateriellen Vermögenswerten ist die Bewertung zum fair value ausschließlich dann zulässig, wenn (ausnahmsweise) ein aktiver Markt vorhan-

___________ 534

Dabei wird eine zahlungsmittelgenerierende Einheit verstanden als die kleinste identifizierbare Gruppe von Vermögenswerten, die Mittelzuflüsse aus der fortgesetzten Nutzung generieren. Vgl. IAS 36.65 ff., insbesondere IAS 36.68. 535 Vgl. Baetge, J./Lienau, A. (2005-a), S. 72 f.; Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S. (2005), S. 262. 536 Vgl. Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S. (2005), S. 262.

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

257

den ist.537 Dabei liegt nach IAS 36.6 und IAS 38.8 ein aktiver Markt vor, wenn die auf dem Markt gehandelten Produkte homogen sind, jederzeit eine ausreichende Zahl potenzieller Käufer und Verkäufer existiert und die Preise der Öffentlichkeit zugänglich sind.538 Bei Sachanlagen kann das Wahlrecht zur Zeitwertbilanzierung hingegen auch ausgeübt werden, wenn kein aktiver Markt vorhanden ist. In diesen Fällen orientiert sich die Neubewertung an den Wiederbeschaffungskosten oder dem Ertragswert der Sachanlage (vgl. IAS 16.33). Um zumindest für gleichartige Vermögenswerte ein Wertekonglomerat von fair values und fortgeführten historischen Kosten zu vermeiden, muss die Entscheidung für eine Neubewertung jeweils für die gesamte Gruppe der betreffenden Vermögenswerte und zum selben Zeitpunkt getroffen werden (vgl. IAS 16.29, IAS 38.72). Eine Option zur Neubewertung ist ferner von der Voraussetzung abhängig, dass die Neubewertung im Zeitverlauf mit hinreichender Regelmäßigkeit vorgenommen wird, damit der neu bewertete Buchwert nicht wesentlich vom beizulegenden Zeitwert am jeweiligen Bilanzstichtag abweicht (vgl. IAS 16.31). Die Neubewertung muss außerdem mit der notwendigen Häufigkeit durchgeführt werden. Die Häufigkeit der Neubewertungen hängt von den Änderungen des beizulegenden Zeitwertes des neu bewerteten Vermögenswertes ab. Je nach Vermögenswert kann im Falle hoher Volatilität eine jährliche Anpassung erforderlich sein (vgl. IAS 16.34, IAS 38.79). Im Bereich der Finanzinstrumente differenzieren die IFRS zum Zwecke der Folgebewertung zwischen vier verschiedenen Arten von Finanzinstrumenten: • Finanzinstrumente, die erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert bewertet werden (at fair value through profit and loss). Dazu gehören zu Handelsbzw. Spekulationszwecken gehaltene Finanzinstrumente (held for trading) sowie derivative Finanzinstrumente. Ferner fallen hierunter auch alle Finanzinstrumente, die beim erstmaligen Ansatz im Rahmen der Fair-ValueOption als solche eingestuft worden sind; • bis zur Endfälligkeit gehaltene Finanzinvestitionen (held-to-maturity investments); • Kredite und Forderungen (loans and receivables) und ___________ 537

Vgl. IAS 38.75 ff. Der überwiegende Teil der immateriellen Werte, wie Marken, Patente u. Ä., ist jedoch einzigartig, so dass diesbezüglich kein aktiver Markt besteht (vgl. IAS 38.78). Vgl. auch Lüdenbach, N./Hoffmann, W.-D. bzw. Hoffmann, W.-D., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 1 Tz. 144, § 8 Tz. 75, § 13 Tz. 73 ff.; Bohl, W./Mangliers, O., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 2 Tz. 78. 538 Vgl. Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S. (2005), S. 263; Beck’sches IFRSHandbuch (2006), Glossar (S. 1273).

258

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

• zur Veräußerung verfügbare finanzielle Vermögenswerte (available-for-sale financial assets).539 IAS 39 geht als grundlegendes Bewertungskonzept für aktive Finanzinstrumente vom beizulegenden Zeitwert (fair value) aus. Entsprechend ist im Bereich der Finanzinstrumente eine Folgebewertung zum fair value vorgeschrieben für alle finanziellen Vermögenswerte540 oder Verbindlichkeiten541, die der Kategorie „erfolgswirksam zum beizulegenden Wert“ zugeordnet sind, sowie für zur Veräußerung verfügbare finanzielle Vermögenswerte.542 Von der Bewertung zum beizulegenden Zeitwert ausgenommen sind hingegen v. a. bis zur Endfälligkeit gehaltene Finanzinvestitionen, Kredite und Forderungen sowie Eigenkapitalinstrumente, für die kein auf einem aktiven Markt notierter Preis vorhanden ist und deren beizulegender Zeitwert nicht verlässlich bestimmt werden kann (z. B. bestimmte GmbH-Anteile). Diese sind vielmehr zu Anschaffungskosten anzusetzen.543 Nach der Fair-Value-Option können auch finanzielle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten ohne Veräußerungsabsicht in bestimmten Fällen durch entsprechende Widmung bei der Erstbewertung als Handelswerte gewillkürt werden.544 Voraussetzung für die Ausübung einer solchen Option ist, dass dies entweder zu relevanteren Informationen führt, da eine Ansatz- oder Bewertungsinkongruenz beseitigt oder erheblich reduziert wird (vgl. IAS 39.9 (b) (i)).545 Oder es muss sich um Fälle handeln, in denen eine Gruppe von finanziellen Vermögenswerten oder Verbindlichkeiten oder beide gemeinsam im ___________ 539 Vgl. IAS 39.9. Siehe auch Wawrzinek, W., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 3 Tz. 28 und Tz. 40. 540 Vgl. IAS 39.9 i. V. m. IAS 39.46. Hilfsweise ist bei der Folgebewertung der Ansatz der Anschaffungskosten erforderlich, wenn der fair value nicht mit Sicherheit bestimmt werden kann (vgl. IAS 39.46 (c)). 541 Vgl. IAS 39.9 i. V. m. IAS 39.47. 542 Vgl. IAS 39.9 i. V. m. IAS 39.46. 543 Vgl. auch Pellens, B./Fülbier, R. U./Gassen, J. (2006), S. 525; Wagenhofer, A. (2005), S. 236. 544 Durch die Verordnung (EG) Nr. 2086/2004 der Kommission vom 19.11.2004 betreffend die (partielle) Übernahme des IAS 39 und die Verordnung (EG) Nr. 1864/2005 der Kommission vom 15.11.2005 bezüglich der uneingeschränkten Übernahme der geänderten Fair-Value-Option des IAS 39 hat die EU die IFRS-Vorschriften bezüglich Ansatz und Bewertung von Finanzinstrumenten einschließlich der Bestimmungen über die Verwendung der (überarbeiteten) Fair-Value-Option übernommen. 545 Als wesentliche Ursachen solcher Ansatz- und Bewertungsinkongruenzen werden die Regelungen über die bilanzielle Abbildung von Sicherungsbeziehungen (hedge accounting) sowie die Einteilung sämtlicher Finanzinstrumente in bestimmte Bewertungskategorien (d. h. der Mixed-Model-Ansatz) genannt (vgl. IAS 39.AG4E). Zu Beispielfällen solcher Inkongruenzen siehe IAS 39.AG4D ff.

II. Zwecksetzungen und Grundsätze der Rechnungslegung nach HGB/IFRS

259

Rahmen eines nachweislichen Risikomanagements oder einer nachweislichen Anlagestrategie gehandhabt werden (vgl. IAS 39.9 (b) (ii)).546 Schließlich gestattet die Fair-Value-Option, dass – sofern ein Vertrag ein eingebettetes Derivat enthält, welches die Zahlungsreihe nicht unerheblich beeinflusst – der gesamte zusammengesetzte Vertrag als finanzieller Vermögenswert oder finanzielle Verbindlichkeit der Bewertungskategorie erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert zugeordnet wird (vgl. IAS 39.9 (b) i. V. m. IAS 39.11A). Die Bestimmung des fair value gestaltet sich in der Praxis teilweise äußerst schwierig, da für die wenigsten Güter ein dem beizulegenden Zeitwert entsprechender verlässlicher Kauf- oder Verkaufspreis existiert. Als Anknüpfungspunkt für die Ermittlung des fair value muss demnach – je nach Bilanzposition – auf verschiedene Ausprägungsformen zurückgegriffen werden. Hierfür kommen in Frage der Börsen- oder Marktpreis (market value),547 auf Basis von Marktdaten geschätzte Werte,548 der Barwert (present value),549 der Ertragswert550 sowie die Wiederbeschaffungskosten (replacement cost)551 bzw. Tageswerte (current cost).552 Zur Bestimmung des fair value werden in einzelnen Standards für verschiedene Vermögenswerte und Schulden konkrete Wertmaßstäbe genannt, wobei von einer Hierarchie für die Bestimmung des fair value ausgegangen wird: 1. Den Hinweisen in den einzelnen Standards kann entnommen werden, dass zur Ermittlung des fair value primär zu untersuchen ist, ob ein „echter“ Marktpreis unmittelbar aus einem aktiven Absatzmarkt ermittelt werden kann.553 Sofern solche aktiven Marktwerte nicht vorliegen – was häufig der Fall sein dürfte – soll versucht werden, einen Marktpreis aus Transaktionen vergleichbarer Vermögenswerte abzuleiten. 2. Wenn weder Marktpreise für gleiche noch vergleichbare Vermögenswerte am oder nahe dem Bewertungsstichtag verfügbar sind, soll der beizulegende Zeitwert mit Hilfe von Bewertungsmodellen geschätzt werden. Der beizulegende Zeitwert wird dabei unter Verwendung von Bewertungsmodellen er___________ 546

Zu Beispielen hierzu vgl. IAS 39.AG4I. Vgl. IAS 16.32, IAS 38.75, IAS 39.AG71, IAS 40.45. 548 Vgl. IAS 39.AG72, IAS 40.46 (a)-(b). 549 Vgl. IAS 39.AG74, IAS 40.46 (c) i. V. m. IASB-FW.100 (d). 550 Vgl. IAS 16.33. 551 Vgl. IAS 16.33 i. V. m. IASB-FW.100 (b). 552 Zum Teil werden die Begriffe fair value, current value und market value synonym benutzt. Hierauf weist auch Kittner, W. A. (2001), S. 95 hin; vgl. auch Jung, H., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 6 Tz. 47. 553 Vgl. IAS 39.48 ff. i. V. m. IAS 39.AG 69 ff., IAS 40.45 ff. und IAS 41.17. Vgl. auch Wagenhofer, A. (2005), S. 161; für Finanzinstrumente vgl. Wawrzinek, W., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 3 Tz. 65. 547

260

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

mittelt, die künftige Cashflows oder Erträge in einen Barwert überführen, wie z. B. Discounted-Cashflow-Verfahren oder Optionspreismodelle. Soweit möglich, soll für die Schätzung auf Markterwartungen und nicht auf subjektive Erwartungen zurückgegriffen werden.554 3. Erst wenn es z. B. für spezielle Sachanlagen nicht möglich ist, Marktwerte direkt oder durch Schätzung zu gewinnen, kann ein Unternehmen den beizulegenden Zeitwert unter Anwendung der abgeschriebenen Wiederbeschaffungswertmethode schätzen.555 Bezüglich der Ergebnisse der Schätzverfahren wird gefordert, dass diese verlässlich sein müssen, anderenfalls soll auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten zurückgegriffen werden.556 Die dargestellten Regelungen zur Bewertung von Vermögenswerten und Schulden nach IFRS können je nach Geschäftsstruktur des bilanzierenden Unternehmens und nach Ausübung der Wahlrechte eine weit reichende Zeitwertbilanzierung zur Folge haben. Umgekehrt können die Rechnungslegenden jedoch bei einer entsprechenden Ausübung der Wahlrechte eine Bewertung von nicht finanziellen Vermögenswerten und Schulden zum fair value großteils vermeiden.557 Die Bewertungswahlrechte, die verschiedenen Wertmaßstäbe sowie die unterschiedliche Behandlung der Gewinne bzw. Verluste aus den Neubewertungen558 erschweren die Analyse und Vergleichbarkeit der Abschlüsse. Sonderregelungen, wie etwa die Pflicht zur Teilgewinnrealisierung bei Fertigungsaufträgen nach der Percentage-of-Completion-Methode etc., werden an dieser Stelle nicht dargestellt. Auf solche Sonderfälle wird zum Teil im Rahmen der Beurteilung der Zweckmäßigkeit der verschiedenen Rechnungslegungssysteme hingewiesen.559

___________ 554 Vgl. etwa IAS 16.33, IAS 39.AG74, IAS 40.46. Hinsichtlich unterschiedlicher Bewertungsverfahren siehe beispielsweise Wagenhofer, A. (2005), S. 161 ff.; EngelCiric, D., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 16 Tz. 80 ff. 555 Vgl. IAS 16.33; vgl. etwa auch Scheinpflug, P., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 5 Rn. 124 ff.; Jung, H., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 6 Rn. 48 ff. 556 Vgl. etwa IAS 39.46 (c), IAS 40.53. 557 Auch entsprechende Anhangsangaben zum fair value bei Sachanlagen werden lediglich empfohlen, vgl. IAS 16.79; vgl. auch Driesch, D., in: Beck’sches IFRSHandbuch (2006), Anlage I, Rn. 6. 558 Siehe hierzu näher Abschnitt D.III.1.d) der vorliegenden Arbeit. 559 Hinsichtlich einer Darstellung solcher Sonderfälle siehe etwa Wagenhofer, A. (2005), S. 270 ff.

III. Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen

261

III. Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen im Vergleich Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen

1. Eignung der unterschiedlichen Rechnungslegungsinformationen als Entscheidungsgrundlage a) Vergleich der Gewinn- und Vermögenskonzeptionen nach HGB/GoB und IFRS Der GuV-Rechnung sowie der Bilanz kommen je nach Bilanzauffassung unterschiedliche Bedeutung bzw. Aufgaben zu. Zum besseren Verständnis sowie zur Einordnung der (bestehenden) Regelsysteme in die „bilanztheoretische“560 Diskussion werden deshalb zunächst die Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Gewinn- und Vermögenskonzeptionen (Bilanzauffassungen) einerseits und Anspruchsbemessungs- und Informationszwecken andererseits dargestellt und die beiden Rechnungslegungssysteme an den verschiedenen Bilanzauffassungen widergespiegelt. Diese unterschiedlichen Zielsetzungen stellen in Teilen zugleich die Ausgangsgrundlage für die weitere Beurteilung der Rechnungslegungssysteme dar. Im Folgenden werden lediglich die im deutschen Schrifttum wesentlichen dynamischen sowie statischen Bilanzauffassungen näher betrachtet.561 In der angloamerikanischen Literatur existieren – analog zur deutschen Literatur – zwei konkurrierende Auffassungen für die Interpretation von Bilanzaufgaben und -konzeptionen, welche den deutschen Auffassungen ähneln.562 Bei den statischen Bilanzauffassungen steht die Ermittlung des Vermögens im Vordergrund, wobei sich hinsichtlich der Zwecksetzung der Vermögensermittlung und damit auch hinsichtlich der Vermögensinhalte innerhalb der statischen Bilanzauffassungen verschiedene Konzeptionen unterscheiden lassen.563 Die ältere Zerschlagungsstatik geht bei der Vermögensermittlung, abgeleitet ___________ 560

Da diese Ansätze allerdings die an eine Theorie zu stellenden Anforderungen eines geschlossenen Systems von Wenn-Dann-Sätzen nicht erfüllen, wird im Folgenden der Begriff der Bilanzauffassungen verwendet; hinsichtlich der Anforderungen an eine Theorie siehe etwa Schneider, D. (1997-b), S. 4 f. 561 Auf die organische Bilanzkonzeption einer Bewertung zu Tagesbeschaffungswerten zur Ermittlung des Reproduktionswertes eines Unternehmens wird hier nicht eingegangen. Siehe hierzu etwa Moxter, A. (1984), S. 57 ff.; Baetge, J./Zülch, H. (2001), S. 548. 562 Bezüglich einer Darstellung angloamerikanischer Bilanzauffassungen siehe etwa Pilhofer, J. (2002), S. 25 f.; Jacobi, A. (2003), S. 29 ff. 563 Zu einer kurzen Beschreibung der statischen Bilanzkonzeptionen siehe beispielsweise Coenenberg, A. G. (2003), S. 1150 ff.; Schmidt, M. (2000), S. 58 ff.; Moxter, A. (1993), Sp. 1852 ff.

262

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

aus dem Verständnis von Gläubigerschutz als Information über die Schuldendeckung bei gedachter Liquidation, von einer fiktiven Unternehmenszerschlagung am Bilanzstichtag aus und ermittelt somit ein Gläubigerzugriffsvermögen. Bewertungsmaßstab für den einzeln zu bewertenden Vermögensgegenstand ist sein jeweiliger Beitrag zum Liquidationsvermögen, d. h. sein Einzelzerschlagungswert. Dabei handelt es sich jeweils um den Veräußerungswert des Vermögensgegenstandes, wobei der Verkauf unter dem Druck einer Zwangsliquidation des gesamten Vermögens im Insolvenzfall anzunehmen ist. Diesem Zerschlagungsvermögen wären die bei einer Liquidation fälligen Zerschlagungsschulden gegenüberzustellen.564 Die Kritik an der Zerschlagungsstatik beruht v. a. auf Objektivierungsproblemen bei der Wertermittlung sowie darauf, dass eine Übertragung der Zerschlagungsstatik auf andere Rechnungslegungszwecke, wie etwa Anspruchsbemessungszwecke, bereits im Ansatz scheitert. Die Fiktion der Unternehmenszerschlagung als die pessimistischste Alternative des Unternehmens wird deshalb in den nachfolgenden Bilanzauffassungen durch die Annahme einer Unternehmensfortführung abgelöst.565 Nach der Fortführungsstatik ist bei der Vermögensermittlung von der Unternehmensfortführung auszugehen, solange dies die realistische Annahme ist. Nach den ursprünglichen, auf Simon566 zurückgehenden fortführungsstatischen Überlegungen ist auf die Ermittlung eines individuellen Kaufmannsvermögens im Sinne eines individuellen Unternehmenswertes unter der Prämisse der Unternehmensfortführung abzustellen.567 Dabei besteht generell kein Widerspruch zwischen Vermögens- und Gewinnermittlung, Gewinn ist vielmehr Vermögensüberschuss in dem Sinne, dass ein „richtig“ ermitteltes Vermögen stets zu einem „richtig“ ermittelten Gewinn führt. Das Fortführungsvermögen wird idealtypisch als Ertragswert des Unternehmens verstanden. Aufgrund der Unmöglichkeit, einen solchen Unternehmenswert nachprüfbar bilanziell zu bestimmen,568 beruhen die konkreten Ansatz- und Bewertungsnormen jedoch auf Objektivierungs- und Vereinfachungsnormen, welche von diesem „Ideal“ weitgehend losgelöst sind: Bilanziert werden dürfen ausschließlich solche Objekte, welche als solche Gegenstand des Rechtsverkehrs sein können, d. h. einzeln verkehrsfähig ___________ 564 Zur Darstellung der älteren Zerschlagungsstatik vgl. Schmidt, M. (2000), S. 59; Pannen, M. (2001), S. 182 f. 565 Vgl. Schmidt, M. (2000), S. 59; zur Kritik an der Zerschlagungsstatik siehe etwa Coenenberg, A. G. (2003), S. 1151; Pannen, M. (2001), S. 183 ff.; Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S. (2005), S. 124 f. 566 Vgl. Simon, H. V. (1910). 567 Vgl. Simon, H. V. (1910), S. 153 und S. 297. 568 Siehe hierzu auch Abschnitt D.III.1.b) der vorliegenden Arbeit.

III. Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen

263

sind.569 Das Anlagevermögen ist nach Simon zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten, gegebenenfalls verringert um eine Minderung des Betriebswertes durch Abnutzung, anzusetzen. Das Umlaufvermögen hingegen wird zum individuell zu erzielenden Veräußerungswert, welcher den allgemeinen Marktpreis nicht übersteigen darf, bewertet. Schulden werden mit ihrem Nennwert angesetzt.570 Es bleibt jedoch offen, welchen Zwecken die Ermittlung des individuellen Kaufmannsvermögens dient. Die Ermittlung eines verteilbaren Gewinnes als zusätzliche, ausschließlich bei Gesellschaftsverhältnissen relevante Bilanzaufgabe ist nach Simon streng von der Vermögensermittlung zu unterscheiden; das Verhältnis der beiden Bilanzaufgaben zueinander bleibt ungeklärt.571 In der neueren Fortführungsstatik ist die Bilanz eine unter der Prämisse der Unternehmensfortführung aufzustellende Vermögensübersicht, welche der Bestimmung eines entzieh- bzw. verteilbaren Gewinnes dient.572 Im weiteren Sinne fortführungsstatisch ist der Vorschlag einer Einzelveräußerungsstatik, wonach unter Annahme des sukzessiven Verkaufs der Vermögensgegenstände am Markt bei Unternehmensfortführung ein veräußerungsfähiges bzw. realisierbares Vermögen ermittelt werden soll. Eine solche Bewertung zu Einzelveräußerungswerten soll der Transparenz der stillen „Zwangsrücklagen“573 dienen. Schulden sind demnach in Höhe des jeweiligen Einzelablösewertes anzusetzen.574 Durch Einstellung positiver Differenzen gegenüber den Anschaffungs- oder Herstellungskosten in ausschüttungsgesperrte Rücklagen kann neben dem Informationszweck zugleich auch dem Zweck der Kapitalerhaltung bzw. Ausschüttungsbemessung entsprochen werden.575 Schmalenbach als Begründer der dynamischen Bilanzkonzeptionen lehnt die Darstellung des Vermögens im Sinne eines Unternehmenswertes ab, da ein solcher ausschließlich durch eine Diskontierung der künftigen Zahlungsüberschüs___________ 569 Vgl. Simon, H. V. (1910), S. 167; zur Darstellung der Fortführungsstatik siehe etwa auch Coenenberg, A. G. (2003), S. 1152. 570 Vgl. Simon, H. V. (1910), S. 353 ff. und S. 363 ff.; Coenenberg, A. G. (2003), S. 1151 ff.; Baetge, J./Zülch, H. (2001), S. 547 f.; Moxter, A. (1984), S. 6 ff. 571 Vgl. Simon, H. V. (1910), S. 334 ff.; siehe auch Coenenberg, A. G. (2003), S. 1154; Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S. (2005), S. 16 f., welche anmerken, dass Simon vor dem Hintergrund des seinerzeit geltenden Handelsrechts pragmatische, objektivierende Vorschläge zur Bilanzierung gemacht hat. 572 Vgl. Moxter, A. (1986-b), S. 174. 573 „Zwangsrücklagen“ entstehen ganz automatisch als Resultat gesetzlicher Vorschriften. Sie ließen sich nur durch Verstöße gegen die Bewertungsvorschriften vermeiden. Hierzu sowie zu einer Systematisierung der stillen Rücklagen siehe etwa Küting, K. (2000), S. 392 ff. 574 Vgl. Schmidt, M. (2000), S. 61. 575 Vgl. Siegel, T. et al. (1999), S. 2079 f.

264

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

se zu ermitteln sei und nicht durch die Einzelbewertung der Vermögensgegenstände und Schulden in einer Bilanz.576 Deshalb steht bei den dynamischen Bilanzauffassungen die Ermittlung des in einem bestimmten Zeitraum erwirtschafteten Gewinnes im Vordergrund, wobei Verfälschungen des Vermögensausweises zugunsten der Ermittlung eines aussagekräftigen Gewinnes bewusst in Kauf genommen werden. Dieser aussagefähige Gewinn kann nach Schmalenbach lediglich ein relativ richtiger im Sinne von vergleichbarer Gewinn sein, da ein absolut richtiger Gewinn aufgrund der erforderlichen Schätzungen bestimmter Aufwendungen und Erträge nicht ermittelt werden kann.577 Die Ermittlung eines vergleichbaren Periodenerfolgs soll neben der Ausschüttungsbemessung578 v. a. der richtigen Steuerung des Unternehmens dienen.579 Ein solcher Gewinn soll also sowohl der Selbstinformation des Kaufmanns dienen als auch den Gläubigerschutzerfordernissen am besten genügen. Da nur ein nachhaltiger Periodenerfolg die Liquidität der Unternehmung sichere, diene eine Rechnungslegung, welche die Erfolgsermittlung in den Mittelpunkt stelle, auch den Gläubigern.580 Der Periodenerfolg wird als Teilergebnis eines insgesamt erzielbaren Totalerfolgs eines Unternehmens verstanden und aus der Differenz von Erträgen als der betrachteten Periode zugerechneten Erfolgseinzahlungen und Aufwendungen als der betrachteten Periode zugerechneten Erfolgsauszahlungen abgeleitet.581 Die Bilanz ist gleichsam ein „Kräftespeicher der Unternehmung“, der typischerweise auf der Aktivseite neben den flüssigen Mitteln Auszahlungen, die noch keine Aufwendungen sind und Erträge, die erst zu künftigen Einzahlungen führen (Vorleistungen), auf der Passivseite neben dem Eigenkapital Aufwendungen, die erst zu künftigen Auszahlungen führen, und Einzahlungen, die noch keine Erträge sind (Nachleistungen), enthält.582 Der Kreis der möglichen ___________ 576

Vgl. Schmalenbach, E. (1962), S. 28 und S. 48 (Nachdruck). Vgl. Schmalenbach, E. (1962), S. 54. 578 Vgl. Schmalenbach, E. (1962), S. 56. 579 Vgl. Schmalenbach, E. (1962), S. 50 und S. 53 f. 580 Vgl. Schmalenbach, E. (1962), S. 51 f.; hinsichtlich einer Darstellung der dynamischen Bilanzauffassungen siehe auch Coenenberg, A. G. (2003), S. 1154 ff.; Lüdenbach, N./Hoffmann, W.-D., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 1 Tz. 22. 581 Vgl. Schmalenbach, E. (1962), S. 65 f.; vgl. auch Kloock, J. (1993), Sp. 387; Schmidt, M. (2000), S. 56. 582 Vgl. Schmalenbach, E. (1962), S. 67 ff.; hinsichtlich einer kurzen Darstellung dieser Konzepte siehe auch Federmann, R. (2000), S. 116 f.; Coenenberg, A. G. (2003), S. 1154 f.; Schmidt, M. (2000), S. 56 ff.; Kloock, J. (1993), Sp. 384 ff., insbesondere Sp. 390. Es sei lediglich möglich, die Entwicklung der Vermögenslage im Sinne der Vermögensänderung darzustellen. Deshalb sei es Aufgabe der Bilanz, einen aussagekräftigen, vergleichbaren Gewinn zur Betriebssteuerung sowie zur Ausschüttungsbemessung zu 577

III. Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen

265

Aktiva und Passiva ist sehr weit gefasst und gewährt dem Rechnungslegenden damit zwangsläufig einen hohen Ermessensspielraum.583 Bei der Bewertung von Bilanzposten lässt sich Schmalenbach vom Vorsichtsgedanken leiten, da im Zweifel „ein zu hoch berechneter Erfolg wesentlich gefährlicher als ein zu niedrig berechneter Erfolg“584 sei. Das Vermögen ist entsprechend höchstens zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten, nicht jedoch zu darüber liegenden Marktwerten zu bewerten.585 Bei der Vorratsbewertung sind nach Schmalenbach die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mit dem Marktpreis am Bilanzstichtag sowie dem erwarteten (Netto-)Veräußerungspreis zu vergleichen und der niedrigste Wert anzusetzen.586 Somit spielt neben der Gewinnvergleichbarkeit auch das Vorsichtsprinzip eine Rolle.587 Nach der weiterentwickelten neodynamischen Bilanzauffassung schließlich soll der Erfolg des Unternehmens aus Sicht seiner Eigentümer zu verstehen sein. Demnach soll es Ziel der neodynamischen Erfolgsermittlung sein festzustellen, welcher uniforme Betrag in jeder Periode ohne Veränderung des Eigenkapitals für Konsumzwecke der Eigner entnommen werden kann. Es gilt folglich, einen Indikator zur Approximation des Einkommens zu ermitteln. Bei der Ermittlung des neodynamischen Gewinnes werden den durchschnittlich einkommenswirksamen Einzahlungen die durchschnittlich einkommenswirksamen Auszahlungen gegenübergestellt. Als Indikatoren für die in Zukunft durchschnittlich möglichen Einzahlungen werden die im Unternehmen erzielten Umsätze herangezogen. Die durchschnittlich einkommenswirksamen Auszahlungen ergeben sich aus der verursachungsgerechten Zuordnung von Aufwendungen zu der Periode, in welcher die durch sie alimentierten Umsätze erfasst werden.588 Für einen solchermaßen gebildeten Periodengewinn werden nach der ___________ ermitteln. Vgl. Schmalenbach, E. (1962), S. 28; vgl. auch Coenenberg, A. G. (2003), S. 1154 f. 583 Vgl. auch Coenenberg, A. G. (2003), S. 1157. 584 Schmalenbach, E. (1962), S. 99. 585 Vgl. Schmalenbach, E. (1962), S. 105 f. Das Anschaffungswertprinzip ergibt sich zwangsweise aus dem Verständnis der Aktiva als schwebende Vorleistungen, die zwecks späterer Erfolgs- bzw. Einnahmewirksamkeit in der Bilanz gespeichert werden müssen. Vgl. hierzu Coenenberg, A. G. (2003), S. 1155. 586 Vgl. Schmalenbach, E. (1962), S. 149 f. 587 Vgl. Schmalenbach, E. (1962), S. 98 ff.; siehe ferner auch Coenenberg, A. G. (2003), S. 1155; Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S. (2005), S. 21. 588 Bei dieser einkommensapproximativen Bilanzierung nach Moxter wird danach gefragt, welcher Betrag in der gegenwärtigen Periode höchstens entnommen werden könnte, ohne die Entnahme eines gleich großen Betrages in den Folgeperioden zu beeinträchtigen. Dieser Entnahmenstrom soll nicht dem tatsächlichen Entnahmenstrom entsprechen, sondern zeigen, welche Entnahmen fiktiv möglich wären, wenn uniforme Entnahmen im Zeitablauf gewünscht wären. Vgl. Moxter, A. (1977), S. 682 ff.

266

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

neodynamischen Auffassung Objektivierungen zur Eingrenzung periodisierungsimmanenter Manipulationsmöglichkeiten der Rechnungslegenden gefordert, wodurch die Einkommensapproximation zwangsläufig eingeschränkt wird. Dies gilt umso mehr, wenn durch die Objektivierungen zugleich erreicht werden soll, dass die Ansätze in der Bilanz mehr sein sollen als aus der Periodisierung von Ein- und Auszahlungen resultierende Ausgleichsposten. So soll die Bilanz nach der neodynamischen Auffassung zum Teil hilfsweise auch der Approximation des Schuldendeckungspotenzials dienen.589 Sowohl das HGB als auch die IFRS gehen grundsätzlich vom Werturteil des Schutzes der Anteilseigner sowie der Gläubiger aus. Hinsichtlich der konkret verfolgten Rechnungslegungszwecke und -ziele bestehen allerdings Divergenzen. Während die deutsche handelsrechtliche Rechnungslegung insbesondere auch „einkommensorientierte“ bzw. Anspruchsbemessungszwecke verfolgt, stellen die IFRS bezüglich des Schutzes der Adressaten ausschließlich auf „informationsorientierte“ Rechnungslegungszwecke ab.590 Nach den Rechnungslegungsregeln des HGB dienen Bilanz und GuVRechnung, wie in Abschnitt D.II.1.a) dargelegt, v. a. der Ermittlung eines aus Gläubigersicht unbedenklich an die Anteilseigner verteilbaren Gewinnes. Demnach kann es nach geltendem Recht durch die Anwendung vorsichtsgeprägter, unter dem Primat des Gläubigerschutzes konkretisierter Rechnungslegungsgrundsätze zu Informationsverzerrungen in Bilanz und GuV-Rechnung kommen. Die Frage, wie mit solchen, bei Anwendung der GoB möglichen Informationsverzerrungen bei Kapitalgesellschaften, welche gemäß § 264 Abs. 2 HGB unter Beachtung der GoB einen zutreffenden Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage gewähren sollen, umzugehen ist, hängt davon ab, welcher Stellenwert der Generalnorm beigemessen wird.591 Von Vertretern der Abkopplungsthese werden die geltenden Vorschriften des HGB als Konkretisierung der neueren Fortführungsstatik verstanden. Danach stellt die Bilanz eine unter der Prämisse der Unternehmensfortführung aufzustellende Vermögensübersicht i. S. d. (neueren) Fortführungsstatik dar, welche der vorsichtigen Ermittlung eines entzieh- bzw. verteilbaren Gewinnes dient. Die Ermittlung des bei Fortführung des Unternehmens gültigen Schuldendeckungspotenzials tritt hinter das Ziel der Bestimmung des entziehbaren Gewinnes zurück.592 ___________ 589 Vgl. Moxter, A. (1977), S. 683 ff.; Oberbrinkmann, F. (1990), S. 228 f., S. 230 ff.; Schmidt, M. (2000), S. 58 und S. 140; Kahle, H. (2002), S. 34 f. 590 Vgl. Pannen, M. (2000), S. 274. 591 Siehe hierzu die Ausführungen in Abschnitt D.II.1.a) zu den unterschiedlichen Auffassungen bezüglich der Bedeutung der Generalnorm. 592 So etwa Moxter, A. (1986-b), S. 176.

III. Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen

267

Die Zweck- bzw. Zielsetzung der IFRS besteht laut Framework hingegen darin, „Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie Veränderungen in der Vermögens- und Finanzlage eines Unternehmens zu geben, die für einen weiten Adressatenkreis bei dessen wirtschaftlichen Entscheidungen nützlich sind.“593 Diese Informationen sollen es den Adressaten ermöglichen, die künftigen Zahlungsüberschüsse des Unternehmens, insbesondere deren Höhe, Zeitpunkt und Eintrittswahrscheinlichkeit, einschätzen zu können.594 Dabei unterstellt das Framework, dass die Informationsbedürfnisse von Investoren, die den Unternehmen Risikokapital zur Verfügung stellen, auch denen der meisten anderen Adressaten entsprechen.595 In der Rechnungslegung nach IFRS stehen die verschiedenen Bestandteile des Jahresabschlusses zwar gleichrangig nebeneinander. Gemäß IASB-FW.20 dient keiner der Bestandteile des Jahresabschlusses ausschließlich einem Zweck, sie sind jeweils in Verbindung miteinander zu sehen. Allerdings stellt die Ergebnisermittlung in der Rechnungslegung nach IFRS ebenso wie in den dynamischen Bilanzauffassungen die wichtigste Zielsetzung dar, da angenommen wird, dass die ökonomischen Entscheidungen der Adressaten bei der Beurteilung der Generierung von Cashflows des Unternehmens ansetzen: „Die von den Abschlussadressaten getroffenen wirtschaftlichen Entscheidungen erfordern eine Beurteilung der Fähigkeit des Unternehmens, Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente zu erwirtschaften, ferner des Zeitpunktes und der Wahrscheinlichkeit ihres Entstehens.“596 Nach IASB-FW.28 müssen die Informationen, um für Prognosen verwendbar zu sein, aber nicht unbedingt in Form einer konkreten Prognoserechnung vorliegen.597 Vielmehr gilt der in der Vergangenheit erzielte Gewinn als eine für die Prognose künftiger Cashflows maßgebliche Größe. Die Gewinnermittlung erfolgt mittels Periodisierung vergangener oder erwarteter Ein- und Auszahlungen.598 Im Framework wird hervorgehoben, dass durch die zusätzliche Periodisierung von Zahlungen ein besserer Indikator für die Abschätzung künftiger Cashflows durch die Kapitalgeber er___________ 593

IASB-FW.12. Vgl. IASB-FW.15-18 und IASB-FW.28. 595 Vgl. IASB-FW.10. Diese Behauptung ist jedoch weder theoretisch noch empirisch belegt. Vgl. auch Jacobi, A. (2003), S. 54. 596 IASB-FW.15. Entsprechend sollen die Informationen über die Vermögens- und Finanzlage bzw. die in der Verfügungsmacht des Unternehmens stehenden wirtschaftlichen Ressourcen nützlich sein, „um die Fähigkeit des Unternehmens zur zukünftigen Erwirtschaftung von Zahlungsmitteln und Zahlungsmitteläquivalenten zu prognostizieren.“ IASB-FW.16. 597 Vgl. auch Jacobi, A. (2003), S. 58. 598 Vgl. IAS 1.25, IASB-FW.22. 594

268

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

zeugt werde als durch eine ausschließliche Berichterstattung über vergangene oder aktuelle Cashflows.599 Bei der Rechnungslegung nach IFRS kommt somit der Ermittlung des erzielten Periodengewinnes eine zentrale Rolle zu.600 Nach dem IASB-Framework wird der im Unternehmen erzielte Erfolg – analog zu den neodynamischen Bilanzkonzeptionen – ebenfalls primär aus Sicht der Eigenkapitalgeber verstanden. Zweck der IFRS-Rechnungslegung ist nicht die Ermittlung eines ausschüttungsfähigen Gewinnes, sondern die Bereitstellung investororientierter, entscheidungsrelevanter Informationen. Daneben kommt der Bilanz nach IFRS zusätzlich die Aufgabe zu, möglichst wirklichkeitsgetreu über die wirtschaftliche Vermögenslage zu informieren. Die Rechnungslegung nach IFRS beschränkt sich nicht nur auf die periodengerechte Erfolgsermittlung, sondern beinhaltet auch statische Elemente in Bezug auf die Darstellung des Vermögens.601 Ein solches statisches Element stellt etwa die Aktivierungseinschränkung dar, wonach nicht alle Auszahlungen, welche nach dem matching principle noch keinen Aufwand darstellen, und nicht alle Einzahlungen, welche nach dem realisation principle noch keinen Ertrag repräsentieren, in der Bilanz „gespeichert“ werden dürfen; es dürfen vielmehr ausschließlich solche Abgrenzungsposten in der Bilanz erfasst werden, welche zusätzlich die Kriterien eines asset bzw. einer liability erfüllen. Die Periodenabgrenzung wird durch diese Nebenbedingung relativiert; es erfolgt dadurch im Ergebnis eine Annäherung an die statischen Bilanzkonzeptionen.602 Sowohl die Rechnungslegung nach HGB als auch nach IFRS weisen somit jeweils eine Kombination des dynamischen Grundsatzes der Periodisierung und des statischen Grundsatzes des zutreffenden Vermögensausweises bzw. Schuldendeckungspotenzials auf.603 Während das HGB neben der Darstellung eines – vorsichtig – ermittelten Vermögens zugleich der Ermittlung eines entziehbaren Gewinnes dient, dominiert bei der Rechnungslegung nach IFRS die Darstellung eines erzielten Gewinnes als Grundlage für die Prognose künftiger Cashflows. ___________ 599

Vgl. IASB-FW.22; vgl. auch Schmidt, M. (2000), S. 139. Vgl. Schmidt, M. (2000), S. 140; Lüdenbach, N./Hoffmann, W.-D., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 1 Tz. 23. 601 So auch Baetge, J./Beermann, T. (1998), S. 167, welche auf S. 160 ff. einen Überblick über bestehende Abweichungen bezüglich der konkreten Ansatz- und Bewertungsnormen zwischen der Rechnungslegung nach IFRS und der dynamischen Bilanz im Sinne Schmalenbachs geben. 602 Vgl. Streim, H. (2000), S. 117. 603 Vgl. Coenenberg, A. G. (2003), S. 1157 f.; Federmann, R. (2000), S. 117 ff. Die Frage, inwieweit die Handelsbilanz nach HGB statische oder dynamische Elemente enthält, war Gegenstand zahlreicher Untersuchungen. Zu Literaturhinweisen hierzu siehe etwa Coenenberg, A. G. (2003), S. 1157. 600

III. Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen

269

b) Grenzen einer Effektivvermögensapproximation durch Bilanz und GuV-Rechnung Die Interessenanalyse hat ergeben, dass sich Eigner wie Gläubiger für Informationen über die Fähigkeit des Unternehmens, in Zukunft bestimmte Zahlungen leisten zu können, interessieren.604 Im Schrifttum besteht Einigkeit darüber, dass unmittelbar verwertbare Informationen ausschließlich aus Finanzplänen oder Kapitalflussrechnungen605 gewonnen werden können.606 Eine Bilanz kann lediglich mittelbar zur Befriedigung dieser Informationsbedürfnisse beitragen, indem die Aktiva als Einzahlungs- und die Passiva als Auszahlungspotenziale interpretiert werden.607 Die Höhe der jeweiligen Ein- bzw. Auszahlungspotenziale lässt sich am besten durch deren Barwerte, d. h. die diskontierten zukünftigen Ein- und Auszahlungen ausdrücken.608 Beim kapitaltheoretischen Ansatz wird das zu erhaltende Anfangsvermögen im Ertragswert, d. h. im Barwert der künftigen Zahlungssalden der Unternehmung während des gesamten Planungszeitraumes einschließlich des Veräußerungserlöses am Ende ermittelt.609 Der Ertragswert der Unternehmung ist zugleich deren Effektivvermögen.610 Dabei geht der kapitaltheoretische Ansatz von der Annahme eines vollkommenen Kapitalmarktes aus. Der mit Hilfe des kapitaltheoretischen Ansatzes ermittelbare Gewinn einer Periode, der so genannte ökonomische Gewinn, entspricht den Zinsen auf den Ertragswert zu Beginn der Periode, berechnet zum Kapitalmarktzins. Der ökonomische Gewinn bemisst den maximal entziehbaren Betrag, der verbleibt, wenn zuvor diejenigen Investitions- und Finanzierungsvorhaben durchgeführt worden sind, die in Zukunft das gleiche Einkommen gewährleisten sollen. Er bestimmt somit den Betrag, dessen Entnahme den Marktpreis im Sinne des Ertragswertes des Unternehmens nicht ändern würde.611 ___________ 604

Vgl. Abschnitt D.I.1. der vorliegenden Arbeit. Dabei ist zu unterscheiden zwischen einer Kapitalflussrechnung i. w. S., welche einer Finanzierungsrechnung in nichts nachsteht und einer Kapitalflussrechnung i. e. S., womit eine ganz bestimmte, der Information außen Stehender dienende retrospektive Finanzierungsrechnung gemeint ist. Im Regelwerk des IASB wird für die Kapitalflussrechnung i. e. S. die Bezeichnung Cash Flow Statement verwendet. Siehe hierzu Coenenberg, A. G. (2003), S. 705 ff. 606 Vgl. Streim, H. (2000), S. 120; Streim, H./Bieker, M./Esser, M. (2005), S. 99. 607 Vgl. Streim, H./Bieker, M./Esser, M. (2005), S. 99; Streim, H./Bieker, M./Esser, M. (2003), S. 470. 608 Vgl. Franke, G./Hax, H. (1999), S. 81 ff.; Streim, H./Bieker, M./Esser, M. (2005), S. 99. 609 Vgl. Schneider, D. (1997-a), S. 41; Kahle, H. (2002), S. 30. 610 Vgl. etwa Moxter, A. (1984), S. 112 f.; Franke, G./Hax, H. (1999), S. 82 f. 611 Vgl. Schneider, D. (1997-a), S. 41. 605

270

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

Den finanziellen Interessen der Investoren an den künftigen Cashflows würde es somit entsprechen, den ökonomischen Gewinn des Unternehmens auszuweisen.612 Unter den gemachten Prämissen vollkommener Märkte erübrigt sich jedoch die Ermittlung eines ökonomischen Gewinnes, da aus ihm keine zusätzlichen Informationen zu gewinnen sind. Bei der Annahme vollständiger Märkte verliert die Informationsaufgabe der Rechnungslegung ihre Begründung, die Ermittlung des ökonomischen Gewinnes ist unter diesen Annahmen also nicht erforderlich.613 Sofern mit einer Bilanz eine Ertragswertapproximation angestrebt werden soll, erfordert dies eine weite Definition der Aktiva. Insofern scheinen die IFRS tendenziell besser geeignet zu sein, da sie die Ertragswertquellen umfassender erfassen als eine Rechnungslegung nach HGB, wie z. B. anhand der teilweisen Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögenswerte des Anlagevermögens erkennbar ist. Dennoch stehen einer Effektivvermögensapproximation durch Bilanzierung erhebliche Einwände gegenüber. Bei einer Bilanzierung nach dem ökonomischen Gewinnbegriff kann der Grundsatz der Einzelbewertung – welcher als Grundobjektivierung der Gewinnermittlung prägend für jede Bilanz im Rechtssinne ist – nicht aufrechterhalten bleiben, es sei denn, das Realisationsprinzip wird beibehalten und zugleich ein originärer Geschäfts- oder Firmenwert aktiviert. Dem ökonomischen Gewinnbegriff würde jedoch eher ein Ansatz der einzelnen Investitionsvorhaben als Bewertungseinheiten in der Bilanz entsprechen.614 Eine Bewertung zum fair value auf Einzelbewertungsbasis stößt also an ihre Grenzen.615 Die Güter einer Unternehmung führen im Verbund zu deren Ertragswert. Welche Güter im Einzelnen einen Ertragswertbeitrag liefern, ist nicht ohne Willkür bestimmbar. Auch die Ertragswertkomponenten lassen sich nicht will___________ Die Nähe des „ökonomischen Gewinnes“ zur „einkommensapproximativen Bilanzierung“ der „neodynamischen“ Bilanzauffassung ist nicht zu übersehen. Während jedoch der ökonomische Gewinn basierend auf einer als mit Sicherheit feststehend geltenden Zahlungsreihe berechnet wird, die lediglich durch arithmetische Umformung in eine unendlich uniforme Reihe umgewandelt wird und daher keinen zusätzlichen Informationswert hinsichtlich der Vermögensmessung beinhaltet, sollen bei der einkommensapproximativen Bilanzierung durch eine spezifische Periodisierung Zusatzinformationen gegenüber den retrospektiv gewonnenen Zahlungsströmen geschaffen werden. Vgl. Wagner, F. W. (1994), S. 1184. 612 Vgl. Albach, H. (1965), S. 24 und S. 30; Kahle, H. (2002), S. 30 m. w. N. 613 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 30 f. 614 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 30. 615 Vgl. Streim, H./Bieker, M./Esser, M. (2003), S. 471.

III. Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen

271

kürfrei bewerten.616 Für die Approximation der Barwerte ist es somit grundsätzlich von Vorteil, dass das IASB sich zumindest punktuell vom streng einzelwertbezogenen Denken löst und in bestimmten Fällen auf den Nutzungswert zahlungsmittelgenerierender Einheiten abstellt. Von dem aus Relevanzgesichtspunkten ableitbaren Ideal einer Bilanz, welche sich auf der Aktivseite ausschließlich aus solchen zu Ertragswerten bewerteten zahlungsmittelgenerierenden Einheiten zusammensetzt, ist das Konzept des IASB jedoch weit entfernt.617 Auf die Frage der Eignung unterschiedlicher Zeitwertansätze hinsichtlich der Approximation der Ertragswerte wird im Rahmen der näheren Betrachtung der Zeitwertbilanzierung eingegangen.618 Nachdem die Grenzen aufgezeigt worden sind, an welche der Versuch einer Effektivvermögensapproximation bzw. einer Ermittlung des ökonomischen Gewinnes durch Bilanz und GuV-Rechnung im Rechtssinne stößt, wird im Folgenden näher untersucht, inwieweit auf der Grundlage vergangenheitsorientierter Daten zukünftige Zahlungen geschätzt werden können.

c) Grundsätzliche Problematik der Schätzung zukünftiger Zahlungen auf Basis vergangenheitsorientierter Daten Ließen sich Finanzpläne oder prospektive Kapitalflussrechnungen mit hinreichender Sicherheit aufstellen, wäre das Problem der Information über künftige Zahlungsströme gelöst. Alle erdachten Konzepte zur Ausgestaltung derartiger zukunftsbezogener Rechnungen leiden jedoch darunter, dass sie ausschließlich auf Schätzungen beruhen. Dadurch eröffnen sie den Rechnungslegenden erhebliche Manipulationsspielräume.619 Im Rahmen der Beratungen zur Vierten EG-Richtlinie hat sich die Forderung nach verpflichtender Einführung einer Kapitalflussrechnung oder einer anderen Rechnung, welche speziell auf die Darstellung der Finanzlage ausgerichtet wäre, nicht durchgesetzt.620 Insbesondere der Nutzen von retrospektiven Kapitalflussrechnungen i. e. S.,621 wel-

___________ 616

Vgl. Kahle, H. (2002), S. 33 m. w. N. Vgl. Streim, H./Bieker, M./Esser, M. (2005), S. 101 f. m. w. N. 618 Siehe Abschnitt D.III.1.d) der vorliegenden Arbeit. 619 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 88 ff. 620 Aus der Bestimmung des Art. 2 Abs. 6 der Vierten EG-Richtlinie lässt sich allerdings ableiten, dass ein nationales Mitgliedstaatenwahlrecht besteht, eine Kapitalflussrechnung zu verlangen. Vgl. Rückle, D. (1986-b), S. 171 m. w. N. 621 Siehe die Differenzierung in Fn. 605 in Abschnitt D.III.1.b). 617

272

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

che der Information Außenstehender dienen sollen, ist umstritten.622 Soweit die Ergebnisse der Finanzpläne von Unternehmen – ob verpflichtend oder freiwillig – veröffentlicht würden, könnten diese aufgrund der genannten Gründe die Rechnungslegung mithilfe der traditionellen Jahresabschlusselemente der Bilanz und GuV-Rechnung lediglich ergänzen.623 Sollen keine Plan- oder Prognosegrößen veröffentlicht werden, muss – wie bereits im Rahmen der Interessenanalyse gezeigt – auf mittelbar verwertbare Informationen im Sinne prognosegeeigneter Ist-Größen zurückgegriffen werden.624 Als ein solcher Ersatzindikator kommt grundsätzlich der Periodengewinn in Betracht. Entsprechend wird immer wieder die Prognoseeignung der Gewinne als entscheidendes Kriterium insbesondere einer anlegerorientierten Gewinnermittlung bezeichnet.625 Gegen eine Schätzung zukünftiger Cashflows auf Basis des Periodengewinnes werden jedoch zentrale Einwände vorgebracht, welche im Folgenden betrachtet werden. Die bloße Extrapolation vergangener Periodenerfolge oder einzelner Aufwands- und Ertragskomponenten setzt gleich bleibende Umweltbedingungen voraus, d. h. lediglich unter stabilen Rahmenbedingungen können Periodenerfolge oder einzelne GuV-Komponenten eine Indikatorwirkung für die Zukunft entfalten. Unter variablen Umweltbedingungen hingegen, wie sie in der Realität gegeben sind, ändern sich die Einflussfaktoren der spezifischen Unternehmensumwelt (Kapitalgeber, Lieferanten, Kunden, Konkurrenzunternehmen etc.) sowie der allgemeinen Umwelt (soziale, rechtliche, technische, ökologische etc. Erfolgsfaktoren) im Zeitablauf. Die Zukunft kann dann nicht mehr als ein Abbild der Vergangenheit aufgefasst werden.626 Selbst die Umsatzerlöse eines Geschäftsjahres können nicht als hinreichend verlässliche Grundlage für Umsatzprognosen angesehen werden, wie die Hinzuziehung zusätzlicher Informationsquellen zur Ermittlung unternehmensinterner Umsatzprognosen zeigt.627 Streng genommen setzt prognosefähiges Wissen gesetzesartige Wenn-DannAussagen (Hypothesen) voraus. Hierfür sind Kenntnisse in Form von Tatsachenwissen oder Erwartungen über bestimmte Ereignisse als Anfangsbedin___________ 622 Hinsichtlich der unterschiedlichen Auffassungen siehe Abschnitt H.II.4. der vorliegenden Arbeit. 623 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 90. 624 Vgl. Streim, H. (2000), S. 120. 625 So etwa Ordelheide, D. (1998), S. 23. 626 Vgl. Rückle, D. (1984), S. 60; Streim, H. (2000), S. 125 f.; Kahle, H. (2002), S. 36 f. 627 Vgl. Moxter, A. (2000-b), S. 2147; Kahle, H. (2002), S. 36 f.

III. Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen

273

gungen erforderlich, um beurteilen zu können, ob der Bedingungsteil (die Wenn-Komponente) der Hypothese erfüllt ist. Ist dieser erfüllt, lässt sich aus dem Folgerungsteil der Hypothese (der Dann-Komponente) unmittelbar eine Prognose gewinnen.628 Durch den Jahresabschluss vermittelte Informationen können daher nicht unmittelbar entscheidungsrelevantes, zukunftsbezogenes Wissen vermitteln. Denn der für die Entscheidungsrelevanz zentrale Zusammenhang zu den vergangenheitsorientierten Rechnungslegungsinformationen ist weitgehend nicht bekannt.629 Rechnungslegung liefert allenfalls „bedingtes Tatsachenwissen“630 und vermittelt somit die Anfangsbedingungen, die beim Adressaten „aufgrund seiner Kenntnis oder seiner Vermutungen über Gesetzmäßigkeiten die Ableitung von Erwartungen über Zielbeiträge erlauben.“631 Aus diesen Anfangsbedingungen können die Rechnungslegungsadressaten aufgrund ihres Wissens über Fakten und Theorien sowie ihrer persönlichen Neigungen Wahrscheinlichkeitsvorstellungen über die künftige Unternehmensentwicklung ableiten.632 Die Eigenschaft des bestenfalls „bedingten Tatsachenwissens“ setzt dabei voraus, dass Verfälschungen des Jahresabschlusses, z. B. durch Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte, ausgeschlossen sind633 oder aber zumindest die verwendeten Abbildungsregeln erläutert werden, so dass Rückschlüsse auf den zugrunde liegenden realen Sachverhalt möglich sind.634 Da die „traditionelle“ Rechnungslegung somit nicht über die Zukunftserwartungen selbst informiert, gibt es keine Informationsfunktion i. e. S. von zukunftsbezogenem Wissen.635 Teilweise wird deshalb auch von einem Extrapolationsmythos der internationalen Rechnungslegungsstandards gesprochen.636 Der Zweck der Vergangenheitsanalyse kann nicht darin bestehen, eine in Zukunft extrapolierbare Erfolgsreihe abzuleiten, es können lediglich Anhaltspunkte über mögliche künftige Erfolgsdeterminanten gewonnen werden. Rechnungsabschlüsse können lediglich Kenntnisse über Anfangsbedingungen für ___________ 628

Vgl. hierzu ausführlich Schneider, D. (1997-a), S. 201 f. Vgl. Schildbach, T. (2002-b), S. 60; Kahle, H. (2002), S. 37. 630 Schneider, D. (1997-a), S. 201. 631 Ballwieser, W. (1996-b), S. 18. 632 Vgl. Kittner, W. A. (2001), S. 16. Schneider und Schildbach weisen darauf hin, dass unterschiedliche Jahresabschlussleser aufgrund ihrer individuellen Ausbildung, Erfahrungen und Erwartungen zu abweichenden Folgerungen gelangen können. Vgl. Schildbach, T. (2004-b), S. 70 ff.; Schneider, D. (1997-a), S. 202. 633 So etwa Schneider, D. (1997-a), S. 201, der Wahlrechte kategorisch ablehnt; vgl. auch Leffson, U. (1987), S. 38, der Wahlrechten ebenfalls kritisch gegenübersteht. 634 Vgl. etwa Leffson, U. (1987), S. 79. 635 Vgl. Schneider, D. (1997-a), S. 201; Schildbach, T. (2002-b), S. 60; Kahle, H. (2002), S. 37. 636 So etwa Moxter, A. (2000-b), S. 2147. 629

274

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

Prognosen bezüglich der künftigen Unternehmensentwicklungen liefern. Die Informationen sind dabei umso aussagekräftiger, je weniger sie durch die Rechnungslegenden beeinflusst bzw. manipuliert werden können.637 Jahresabschlüsse als Abrechnung eines Unternehmens über eine vergangene Periode vermitteln im Wesentlichen vergangenheitsorientierte Daten, da diese eher objektivierbar sind als Zukunftsprognosen, welche auf den subjektiven Einschätzungen der Rechnungslegenden beruhen.638 Allerdings gehen selbst in der vergangenheitsorientierten Rechnungslegung in die meisten Positionen implizite Zukunftsschätzungen ein, so dass auch die „traditionelle“ Jahresabschlussrechnung zum Teil eine mit Unsicherheit behaftete Zukunftsrechnung darstellt.639 Die Verwendung objektiver vergangenheitsorientierter Daten ist unverzichtbare Grundlage jeder Bilanz im Rechtssinne.640 Sowohl die Rechnungslegungsregeln nach HGB als auch nach IFRS sind von der Notwendigkeit der Objektivierung beeinflusst. Bei einem nach IFRS erstellten Jahresabschluss sind die Bereinigungserfordernisse für eine Vergangenheitsanalyse (zur Erstellung einer Prognosebasis für die künftigen Gewinne bzw. Einzahlungsüberschüsse) im Vergleich zum HGB teilweise geringer. So ist eine Bilanzierung auf Basis mittlerer Erwartungen für eine Prognose grundsätzlich besser geeignet als eine nach dem deutschen Vorsichtsprinzip einseitig pessimistisch geprägte Rechnungslegung. Denn hier entfällt die Notwendigkeit zur Bereinigung der einseitigen Färbung durch das Legen stiller Rücklagen bzw. zum Erkennen des gegenläufigen Effekts bei deren „stiller“ Auflösung. Allerdings unterliegt die Abgrenzung der GuV-Posten in Abschlüssen nach IFRS erheblichen Spielräumen, so dass das Erkennen der Aufwands- und Ertragsstrukturen bzw. die Einschätzung deren Fortschreibung für die Prognose künftiger Cashflows erschwert wird.641 Im Vergleich zum starren Gliederungsschema des § 275 HGB enthalten die IFRS lediglich fragmentarische Vorschriften zur Gliederung und Gestaltung der GuV-Rechnung.642 Mit Blick auf ___________ 637

Vgl. Kahle, H. (2002), S. 37 und S. 39. Vgl. Kittner, W. A. (2001), S. 14; Kahle, H. (2002), S. 40. 639 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 420 ff.; Rückle, D. (1984), S. 64 m. w. N. So sind Prognosen im Jahresabschluss etwa bei der Bewertung ungewisser Verbindlichkeiten wie Prozessrückstellungen erforderlich. Ferner sind Prognosen in beschränktem Umfang auch im Lagebericht vorgesehen. Vgl. Kittner, W. A. (2001), S. 15. Auf Prognosen in Form von Schätzungen wird bei der Betrachtung der Entobjektivierungen noch näher eingegangen. 640 Vgl. Kittner, W. A. (2001), S. 15. 641 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 38; Bruns, C. (1998), S. 195 ff., S. 245 f. 642 Vgl. Küting, K./Kessler, M./Gattung, A. (2005), S. 15. 638

III. Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen

275

die Prognose der künftigen Entwicklung auf Basis der vergangenheitsorientierten Daten der GuV-Rechnung einer Unternehmung ist eine Zerlegung des Jahreserfolgs in nachhaltige und nicht nachhaltige Teile erforderlich. Nachhaltige Komponenten zeichnen sich gerade dadurch aus, dass von ihrem Auftreten auch in der Zukunft ausgegangen werden kann, während hingegen nicht nachhaltige Erfolgsbestandteile einmaligen oder seltenen Charakter haben und somit einer starken Volatilität unterliegen können.643 Die Gliederung der GuVRechnung nach HGB ist erfolgsspaltungsorientiert aufgebaut, indem der Jahresüberschuss oder -fehlbetrag explizit in die Bestandteile „Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit“, „außerordentliches Ergebnis“ sowie „Steuern“ unterteilt wird. Das HGB gewährleistet damit ein Mindestmaß an Erfolgsspaltung. Demgegenüber kennen die IFRS kein festes Gliederungsschema; IAS 1.81 enthält lediglich einige wenige Posten, die eine GuV-Rechnung mindestens enthalten muss. Dieses Grobgerüst ist je nach Relevanz bzw. Wesentlichkeit der Posten anzupassen (vgl. IAS 1.83). Dadurch können zwar gegebenenfalls unternehmensindividuelle Besonderheiten besser berücksichtigt werden. Den Unternehmen stehen große Spielräume zu, den Erfolgsausweis ihrer individuellen Situation entsprechend zu gestalten. Dies erschwert jedoch die Vergleichbarkeit der Daten zwischen verschiedenen Unternehmen. Nach IAS 1.90 soll die Darstellungsweise der Aufwendungen und Erträge das Erfolgspotenzial sowie die Vorhersehbarkeit der einzelnen Posten verdeutlichen. Eine Aufspaltung in ein Betriebsergebnis oder ein Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit wird nicht verlangt; der explizite Ausweis außerordentlicher Aufwendungen und Erträge ist ausdrücklich verboten (vgl. IAS 1.85). Durch die detaillierteren Ausweisregeln des HGB für die GuV-Rechnung ist eine Erfolgsspaltung und damit eine Einsicht in die Unternehmenslage auf deren Basis – trotz bestehender Kritikpunkte644 – in der Regel eher gewährleistet als nach IFRS. Allerdings besteht nach IFRS die Möglichkeit, die angesprochenen Nachteile durch zusätzliche Angaben im Anhang oder in der GuVRechnung zu heilen.645 Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass sowohl HGB- als auch IFRS-Abschlüsse wie alle mehr oder weniger stark vergangenheitsorientierten Zahlenwerke lediglich in engen Grenzen geeignet sind, auf ihrer Grundlage die zukünftige Erfolgskraft und Liquidität des Unternehmens einzuschätzen.646 Auf ___________ 643

Vgl. Küting, K./Kessler, M./Gattung, A. (2005), S. 16. Diesbezüglich wird auf die zahlreiche Literatur hierzu verwiesen. Siehe etwa Küting, K./Kessler, M./Gattung, A. (2005), S. 17 f. 645 Vgl. Küting, K./Kessler, M./Gattung, A. (2005), S. 22. 646 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 40. 644

276

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

die Frage, ob eine Zeitwertbilanzierung allgemein bzw. die Bewertung zum fair value nach den IFRS zu einem prognosegeeigneteren Gewinnausweis führen, wird im Folgenden näher eingegangen.

d) Zeitwertbilanzierung Von den internationalen Standardsettern sowie von einem Teil der Literatur wird ein weitgehender Ansatz von Zeitwerten empfohlen.647 Dabei werden als in Frage kommende Zeitwerte v. a. sowohl Veräußerungswerte648 als auch Barwerte649 und Wiederbeschaffungswerte650 diskutiert. Hinsichtlich der Verwendung von Zeitwerten muss zum einen entschieden werden, ob diese lediglich in Form der sonstigen Informationsvermittlung, also beispielsweise durch zusätzliche Anhangsangaben, oder zur Informationsvermittlung in der Bilanz und/oder der GuV-Rechnung abgebildet werden sollen. Ferner ist zu klären, ob ausschließlich Positionen mit beobachtbaren Marktpreisen bzw. Positionen aus dem finanziellen Unternehmensbereich zu Zeitwerten bewertet werden dürfen oder ob alle Positionen zu Zeitwerten angesetzt und alle nicht marktnotierten Posten modellgestützt bewertet werden sollen. In dem Zusammenhang ist auch zu bestimmen, welche Bewertungseinheiten zugrunde gelegt werden sollen. Für alle Positionen, die zu Zeitwerten angesetzt werden sollen, ist ferner die Frage nach der Erfolgswirksamkeit der Verrechnung von Zeitwertänderungen im Zeitablauf zu entscheiden.651 Die Bewertung zu Zeitwerten wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt. Maßgeblich für die Beurteilung einer solchen Frage kann nur der mit der Rechnungslegung und dem Ansatz von Zeitwerten beabsichtigte Zweck bzw. das konkrete Rechnungslegungsziel sein.

___________ 647 So befürwortet etwa der DSR die schrittweise Einführung der Bilanzierung zum fair value auch im Jahresabschluss, wobei er zunächst lediglich für Finanzinstrumente eine Bewertung zu fair values für alle Unternehmen umsetzen möchte. Vgl. DRSC (2005), S. 33 f. Eine Beschränkung auf bestimmte Gruppen von Unternehmen hält der DSR aus Gründen der Gleichbehandlung und Vergleichbarkeit der Abschlüsse nicht für vertretbar. 648 Siehe auch obige Darstellung in Abschnitt D.III.1.a) zur Einzelveräußerungsstatik. Vgl. etwa Siegel, T. (1997), S. 126, welcher für eine Zeitwertbilanzierung unter Neutralisierung nicht realisierter Gewinne plädiert. 649 Siehe etwa IAS 39.AG74; IAS 40.46c. 650 Siehe etwa die Fair-Value-Hierarchie des IASB bei Sachanlagen (vgl. IAS 16.33). 651 Vgl. Streim, H./Bieker, M./Esser, M. (2005), S. 89; Streim, H./Bieker, M./Esser, M. (2003), S. 458.

III. Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen

277

Zweck der Rechnungslegung nach IFRS ist die Vermittlung entscheidungsnützlicher Informationen. Diese sollen gemäß IAS 1.7 insbesondere zur Messung der in der abgelaufenen Periode erbrachten Managementleistungen sowie zur Prognose künftiger Cashflows geeignet sein. Bei der Beurteilung, wie sich eine Zeitwertbilanzierung auswirkt, ist zwischen der Frage: • einer informativen Bilanz und der Frage • eines informativen Gewinnes im Sinne einer Prognosegröße und/oder eines Performancemaßes zu trennen. (1) Unter der Annahme perfekter Märkte mit vollständigem Wettbewerb und symmetrischer Informationsverteilung ist der fair value wohl definiert und es liegen entsprechende Marktpreise vor. Unter diesen idealen Bedingungen lassen sich alle Vermögenswerte und Schulden zum fair value bilanzieren. Durch eine regelmäßige Bewertung zum fair value werden Wertänderungen am ruhenden Vermögen zu jedem Bilanzstichtag ermittelt. Der bilanzielle Gewinn entsteht dann, indem die Änderungen der fair values der Vermögenswerte und Schulden zwischen zwei Bilanzstichtagen erfasst werden.652 In der realen Welt hingegen kann eine vollständige Bilanzierung aller Bilanzpositionen zum fair value aufgrund der Marktunvollkommenheiten nicht realisiert werden, da der fair value eines Vermögenswertes oder einer Schuld lediglich selten zuverlässig als Marktpreis bestimmbar ist. Der fair value in der realen Welt ist häufig nicht wohl definiert, Verkaufs- und Ankaufspreis sowie Nutzungswert fallen auseinander.653 Wie die obigen Ausführungen in Abschnitt D.III.1.b) gezeigt haben, ist die Vermögenslage im Sinne einer Bilanz im Rechtssinne nicht in der Lage, das Effektivvermögen als Abschätzung des Zeitwertes des Unternehmens abzubilden.654 Bezogen auf das Ideal eines Effektivvermögens, bei dem die Aktiva und Passiva Ein- bzw. Auszahlungspotenziale darstellen, ist sowohl bei den fair values auf liquiden Märkten,655 welche sich als Approximation des Barwertes bilden, als auch bei der Zeitwertbestimmung nicht marktnotierter Objekte als Bar___________ 652

Vgl. Baetge, J./Lienau, A. (2005-b), S. 312. Vgl. Baetge, J./Lienau, A. (2005-a), S. 72. 654 So lassen sich weitere wichtige Komponenten eines umfassenden Vermögens (wie im Bereich der originären immateriellen Vermögenswerte sowie der originäre Geschäftswert) auch bei einer Zeitwertbilanzierung nach IFRS aufgrund von Objektivierungsaspekten nicht bilanziell erfassen. Vgl. auch Siegel, T. (1998-b), S. 593. 655 Vgl. Siegel, T. (1998-b), S. 593. 653

278

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

wert656 zwar durchaus ein Zahlungsstrombezug gegeben. Bei der Ermittlung der Barwerte ist jedoch zu unterscheiden, ob die Berechnung der diskontierten Größen nach Möglichkeit auf Marktdaten oder auf unternehmensspezifischen Werten basiert. Eine Orientierung an Marktwerten ist für eine Effektivvermögensermittlung ausschließlich für die Objekte zweckadäquat, die tatsächlich verkauft werden sollen. In den anderen Fällen wäre hingegen der unternehmensindividuelle Ertragswert der zweckadäquate Maßstab.657 Das Konzept des fair value nach IFRS ist von einem vollständigen Zeitwertansatz, bei dem sämtliche Vermögenswerte und Schulden zum fair value bewertet werden, deutlich entfernt. Die Werte in der Bilanz setzen sich vielmehr aus einem Konglomerat unterschiedlicher Werte zusammen: so etwa aus historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten, fair values in Gestalt ihrer unterschiedlichen Wertansätze wie Einzelveräußerungswerten, Ertragswerten oder Wiederbeschaffungswerten.658 Daneben kennen die IFRS ferner auch den Nutzungswert bei der Ermittlung des erzielbaren Betrages im Rahmen der Wertminderung. Von einer Beschränkung der Zeitbewertung auf beobachtbare Marktpreise hat das IASB somit weitgehend abgesehen. Hierdurch wird die Aussagefähigkeit von Bilanz und GuV-Rechnung beeinträchtigt. Die IFRS stellen zwar zum Teil auf die unternehmensindividuellen Nutzungsmöglichkeiten in Form des Nutzungswertes ab, bisher ziehen sie diesen jedoch lediglich im Rahmen des Werthaltigkeitstests als niedrigeren Korrekturwert in Betracht.659 Diese solchermaßen vorgenommene Asymmetrie der Wertansätze ist für eine Annäherung an ein Effektivvermögen nicht zweckadäquat.660 Auch bei einer Rechnungslegung nach HGB kommt es zu einem Nebeneinander unterschiedlicher Werte. Die Vorschriften des HGB führen aufgrund der Berücksichtigung des Kapitalerhaltungszweckes zu einer Art imparitätischem Zeitwertansatz: Gemäß dem Imparitätsprinzip werden lediglich unrealisierte negative Erfolgsbeiträge, nicht hingegen noch unrealisierte positive Erfolgsbeiträge berücksichtigt. Infolge der einseitigen Verwendung der beizulegenden Zeitwerte – ausschließlich zur Gewinndämpfung – kommt es zu einer asymmetrischen Informationsvermittlung bezüglich der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage. Bei einer Rechnungslegung nach den IFRS ist ein solcher imparitä___________ 656

Vgl. etwa IAS 39.AG64, IAS 36.6. Vgl. auch Streim, H./Bieker, M./Esser, M. (2003), S. 471. 658 Dabei ist der Ansatz von fair values wie gezeigt teils verbindlich vorgeschrieben (so für bestimmte Finanzinstrumente), teils erlaubt. 659 Vgl. Streim, H./Bieker, M./Esser, M. (2005), S. 100; Wagenhofer, A. (2005), S. 165; Hoffman, W.-D., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 11 Rn. 40. 660 Vgl. Streim, H./Bieker, M./Esser, M. (2005), S. 99 f.; Streim, H./Bieker, M./Esser, M. (2003), S. 471. 657

III. Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen

279

tischer Zeitwertansatz im Vergleich zum deutschen Handelsrecht aufgrund der untergeordneten Stellung des Vorsichtsprinzips abgeschwächt.661 Neben der Anwendung von Zeitwerten auf Vermögenswerte wird ferner kontrovers diskutiert, ob die Bilanzierung zu Zeitwerten auch auf Verbindlichkeiten bezogen werden soll oder nicht. Der Ausweis von fair values für Verbindlichkeiten kann lediglich dann die künftigen Auszahlungen sinnvoll widerspiegeln, wenn die vom Nominalbetrag abweichenden Marktwerte auch für die Entscheidungen des rechnungslegenden Unternehmens relevant sind. Dies trifft für börsennotierte Schuldtitel grundsätzlich zu, da das Unternehmen die Möglichkeit hat, diese zum fair value abzulösen. Bei einem Bankkredit mit fester Restlaufzeit etwa besitzt das Unternehmen jedoch nicht die Handlungsfreiheit, jederzeit zum fair value aus dem Kreditverhältnis auszutreten. Fallen z. B. Gebühren als Vorfälligkeitsentschädigung an oder ist der Vertragspartner als Hausbank langfristig kaum verzichtbar, ist ein Austritt zum fair value der künftigen Zahlungsströme aus der Krediterfüllung nicht möglich.662 Hinzu kommt ferner, dass die Rechnungslegungsadressaten im Falle einer Bonitätsverschlechterung Gefahr laufen könnten, eine niedrigere Fremdkapitalbelastung anzunehmen, sofern sie lediglich die Bilanzinformationen zur Kenntnis nehmen und die zusätzlichen Angaben im Anhang außer Acht lassen.663 Aufgrund dieser Anomalien wurde die Fair-Value-Option nach IFRS, welche ursprünglich auch für Finanzverbindlichkeiten unbegrenzt eingeräumt war, inzwischen auf die in Abschnitt D.II.3.b)(2) dargestellten Fälle beschränkt. Außerhalb des Finanzdienstleistungssektors dürfte somit die Bewertung von Finanzverbindlichkeiten zum fair value insgesamt stark eingeschränkt sein.664 Wenngleich also aus mehreren Gründen ein „Effektivvermögen“ mittels Rechnungslegung nicht ermittelt werden kann, wird mit der Bewertung zu Zeitwerten möglicherweise dem Interesse der Gläubiger – wie auch dem der persönlich haftenden Eigner – an einer Abbildung des Schuldendeckungspotenzials besser entsprochen als mit einer Rechnungslegung zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Für diesen Zweck sind Zeitwerte jedoch als Einzelveräußerungswerte zu interpretieren, also nicht etwa als Wiederbeschaffungs- oder Barwerte.665 ___________ 661 Vgl. Baetge, J./Zülch, H. (2001), S. 549 ff., diese verwenden allerdings den Begriff eines „imparitätischen Fair Value-Konzept(s)“. 662 Vgl. Baetge, J./Lienau, A. (2005-b), S. 324. 663 Vgl. Baetge, J./Lienau, A. (2005-b), S. 324. 664 Vgl. Schulze Osthoff, H.-J., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 3 Rn. 11 f. 665 Vgl. Siegel, T. (1998-b), S. 593; Siegel, T. (1997), S. 134. Vgl. auch Abschnitt D.III.1.a) zu dem Vorschlag einzelveräußerungsstatischer Bilanzen.

280

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

Eine solche Zeitwertbilanzierung zu Einzelveräußerungswerten unter Neutralisierung nicht realisierter Gewinne könnte insbesondere zwei Gläubigergefahren, welche nach den derzeit geltenden Regelungen des HGB bestehen, entgegenwirken: Zum einen könnte eine entsprechende Zeitwertbilanzierung verbunden mit Abschreibungen nach dem Verlauf der Einzelveräußerungswerte einer Art „Abräummodell“ von Seiten der (bilanzierenden) Eigner entgegenwirken. Dabei ist von dem nicht unwahrscheinlichen Fall auszugehen, dass die Buchwerte nach planmäßiger Abschreibung höher als die Einzelveräußerungswerte sind. Eigner, die dies erkennen, können somit vor einer bevorstehenden Insolvenz Gewinne, die aus Sicht der Zeitbewertung prospektiv sind und sich später als ungedeckte Schulden herausstellen, entnehmen. Den Gläubigern stehen am Ende nicht die Buchwerte nach planmäßiger Abschreibung, sondern lediglich die geringeren Einzelveräußerungswerte zur Verfügung. Zum anderen würde mit einer solchen Bilanzierung zu Einzelveräußerungswerten auch die Legung stiller (Zwangs-)Rücklagen vermieden, deren stille Auflösung bekanntermaßen ausgesprochen gläubigergefährdend wirkt.666 Die stille Wiederauflösung stiller Rücklagen kann das Management als „unerkannten Puffer zur Verschleierung von Unwirtschaftlichkeiten“667 nutzen. Aufgrund offener (z. B. durch erfolgswirksame Zuschreibungen) oder stiller Auflösung stiller Rücklagen (durch nicht periodengerechte zu geringe oder fehlende Aufwandsverrechnung) wird in Perioden nach der Rücklagenbildung ein zu günstiges Bild der Ertragslage des Unternehmens vermittelt.668 Durch die Auflösung stiller Rücklagen kann den Gläubigern also eine Ertragslage vorgespiegelt werden, die realiter nicht besteht.669 Die Möglichkeiten zur Legung stiller Rücklagen stellen daher keinen erhöhten Schutz, sondern vielmehr eine Gefährdung der Gläubiger dar.670 Auch bei einer Bilanzierung zu Einzelveräußerungswerten können allerdings Probleme bei der Werterfassung auftreten, so in den Fällen, in denen kein Marktwert objektiv feststellbar ist. Zur Lösung dieses Problems wird von den Vertretern dieser Auffassung vorgeschlagen, zum Zweck des Gläubigerschutzes eine vorsichtige Schätzung der Zeitwerte vorzunehmen, selbst wenn dabei lediglich ein Schrottwert herauskommt.671 Hinzu kommt, dass Einzelveräußerungswerte unter der Annahme der Unternehmensfortführung zu Fehlschlüssen ___________ 666

Vgl. Siegel, T. (1997), S. 134. Vgl. Abschnitt D.III.1.a) zu dem Vorschlag einzelveräußerungsstatischer Bilanzen. 667 Siegel, T. (1997), S. 133. 668 Vgl. Klatte, V. (1991), S. 242. 669 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 86 ff. m. w. N. 670 Vgl. Siegel, T. (1997), S. 133 ff.; Siegel, T. et al. (1999), S. 2082. 671 Vgl. Siegel, T. (1998-b), S. 598 f.; Schmidt, M. (2000), S. 204 ff.

III. Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen

281

hinsichtlich des Dispositionserfolges der abgelaufenen Periode führen. Dies ist dann der Fall, wenn die betreffenden Objekte nicht verkauft werden sollen. Hierauf wird im Folgenden noch näher eingegangen. Auch ein entsprechendes Abschreiben nach dem Verlauf der Einzelveräußerungswerte wäre im Hinblick auf die Ertragslage irreführend, so dass zusätzliche Erläuterungen im Anhang oder eine Überleitungsrechnung erforderlich wären.672 Insbesondere die Objektivierungsprobleme sowie die Verzerrungen hinsichtlich des Erfolgsausweises, welche es wieder zu „neutralisieren“ gälte, sprechen nach hier vertretener Auffassung bei Annahme der Unternehmensfortführung gegen die Ermittlung des Vermögens als Schuldendeckungspotenzial. Der Forderung nach einem Aufdecken der stillen Rücklagen ist sowohl aus Gläubigerschutzgründen als auch hinsichtlich der Interessen der Investoren zuzustimmen. Zeitwerte sind, sofern sie sich verlässlich ermitteln lassen, zur Darstellung des Vermögens – auch des Gläubigerzugriffvermögens – grundsätzlich informativer als (gegebenenfalls fortgeführte) Anschaffungs- oder Herstellungskosten.673 Angesichts der Probleme hinsichtlich einer verlässlichen Ermittlung solcher Werte674 sowie hinsichtlich möglicher Verzerrungen der Ertragslage ist jedoch abzuwägen, in welchen Fällen Zeitwerte angesetzt werden sollen sowie ob diese in Bilanz und GuV-Rechnung Eingang finden oder als zusätzliche Angaben gemacht werden sollen.675 (2) Neben dem bilanziellen Vermögensausweis interessieren sich Eigner wie Gläubiger (a) für die Fähigkeit des Unternehmens, auch zukünftig einen Strom von Einkommenszahlungen in Form von Ausschüttungen, Zinsen etc. erzeugen zu können sowie (b) für ein Maß zur Beurteilung der Leistung der Geschäftsführung. (a) Wird ein Zeitwert angesetzt, soll der Bilanzausweis selbst unmittelbar den Bar- oder Marktwert der künftig erwarteten Zahlungsströme abbilden, die mit den betreffenden Aktiva und Passiva voraussichtlich verbunden sind. Eine Abschätzung von künftigen Zahlungsströmen auf der Grundlage von Erfolgen, die aus einer Veränderung des Zeitwertes resultieren, ist hier nicht mehr erforderlich. Sie kann vielmehr zu Fehlprognosen führen. So kann eine Veränderung des Zeitwertes nicht nur Ergebnis veränderter Zahlungsstromerwartungen sein, sondern auch das einer veränderten Bewertung dieser Erwartungen, die sich in einem geänderten Kapitalisierungszinsfuß bzw. einem veränderten Marktzins___________ 672

Vgl. Siegel, T. (1997), S. 133; Siegel, T. (1998-b), S. 601. Vgl. Arbeitsgruppe Normierung der Rechnungslegung der Wissenschaftlichen Kommission Rechnungswesen im Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e. V. (2002), S. 2598; Streim, H./Bieker, M./Esser, M. (2005), S. 101. 674 Siehe hierzu auch die Ausführungen in Abschnitt D.III.2. der vorliegenden Arbeit. 675 Siehe hierzu auch die Erläuterungen zur Abkopplungsthese in Abschnitt D.II.1.a). 673

282

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

satz ausdrückt.676 Soweit fair values aus Marktpreisen abgeleitet oder so geschätzt werden, dass sie sich solchen Preisen bestmöglich annähern, stellen die resultierenden Wertänderungen zum Teil Zufallsgrößen dar.677 Es handelt sich dabei um „außergewöhnliche“ Ereignisse, die sich nicht im ordentlichen Ergebnis niederschlagen dürfen, wenn das Ziel einer prognosegeeigneten Gewinn- bzw. Ergebnisgröße erfüllt sein soll, da sie sich in Folgeperioden nicht oder nicht regelmäßig wiederholen. Eine Prognoseeignung des Gewinnes setzt hingegen voraus, dass sich die Höhe der Gewinngröße nur bei einer nachhaltigen Veränderung der Geschäftsaussichten ändert.678 Zur Ermittlung einer prognosegeeigneten Ergebnisgröße bei einer Bewertung zum fair value wären daraus resultierende außerplanmäßige Abschreibungen sowie Zuschreibungen erfolgsneutral zu verrechnen.679 Bei einer Rechnungslegung nach IFRS werden solche Wertänderungen jedoch zum Großteil erfolgswirksam behandelt: Bei als Finanzinvestitionen gehaltenen Immobilien sind sämtliche Wertänderungen grundsätzlich erfolgswirksam zu berücksichtigen (vgl. IAS 40.35).680 Es kommt somit zu einer Durchbrechung des (umsatzbezogenen) Realisationsprinzips. Dasselbe gilt für Finanzinstrumente, welche zu Handels- bzw. Spekulationszwecken gehalten werden oder bei Zugangsbewertung der Kategorie „erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert“ zugewiesen worden sind (vgl. IAS 39.55 (a)).681 Bei zur Veräußerung verfügbaren finanziellen Vermögenswerten hingegen werden die Wertänderungen grundsätzlich in der betreffenden Periode erfolgsneutral unmittelbar ins Eigenkapital gebucht (vgl. IAS 39.55 (b)).682 Bei der Folgebewertung von Sachanlagen und immateriellen Vermögenswerten werden Neubewertungen, sofern sie nicht frühere, erfolgswirksame Abschreibungen korrigieren, ebenfalls erfolgsneutral im Eigenkapital innerhalb einer Neubewertungsrückla___________ 676

Vgl. Förster, G. W. (1999), S. 326 f.; Schildbach, T. (1999), S. 178 ff. Vgl. Ballwieser, W./Küting, K./Schildbach, T. (2004), S. 543; Streim, H./Bieker, M./Esser, M. (2003), S. 476. 678 Vgl. Streim, H./Bieker, M./Esser, M. (2003), S. 476. 679 Vgl. Streim, H./Bieker, M./Esser, M. (2005), S. 104 ff.; Streim, H./Bieker, M./Esser, M. (2003), S. 476 f. Auf mögliche Fehlschlüsse hinsichtlich der Ertragslage weist auch Siegel bezüglich einer Zeitwertbilanzierung im Sinne einer Bilanzierung zu Einzelveräußerungswerten zur Messung des Schuldendeckungspotenzials hin, dort mit dem Vorschlag einer Überleitungsrechnung zwischen informationsorientiertem und gläubigerschutzorientiertem Gewinn; vgl. Siegel, T. (1998-b), S. 597 und S. 600 f. 680 Vgl. auch Engel-Ciric, D., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 16 Tz. 68. 681 Bei erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert bewerteten Finanzinstrumenten werden Wertänderungen in der betreffenden Periode – wie die Bezeichnung zum Ausdruck bringt – erfolgswirksam angesetzt. 682 Lediglich unter bestimmten Umständen werden Gewinne oder Verluste aus Wertänderungen ebenfalls erfolgswirksam erfasst (vgl. IAS 39.67 ff.). 677

III. Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen

283

ge erfasst (vgl. IAS 16.39 f., IAS 38.85 f.);683 auch Währungsdifferenzen nach IAS 21.39 (c) werden erfolgsneutral behandelt.684 Zur Beseitigung dieser Mängel innerhalb des Konzeptes der IFRS wird in der Literatur eine Trennung in ein ordentliches und ein außerordentliches Ergebnis vorgeschlagen.685 Hinzu kommt, dass die Neubewertungsmethode teilweise zu Verzerrungen der Jahresergebnisse sowie des Totalgewinnes eines Unternehmens führt: So werden etwa durch die Neubewertungsmethode bei Sachanlagen im Vergleich zur Anschaffungswertmethode die Jahresergebnisse sowie der Totalgewinn eines Unternehmens niedriger ausgewiesen, da die Abschreibungen auf den höheren Zeitwert erfolgswirksam erfasst werden, nicht aber die korrespondierenden Wertänderungen, welche erfolgsneutral in der Neubewertungsrücklage erfasst werden.686 Die Auswirkungen einer Bewertung von Schulden zum fair value drohen die Prognoseeignung des Periodenergebnisses besonders zu beeinträchtigen:687 Wenn Schulden zu ihren beizulegenden Zeitwerten in der Bilanz angesetzt werden, ändert sich ihr Wert nicht nur mit der Zinsentwicklung, sondern auch bei Veränderungen der Bonität des zur Zahlung verpflichteten Unternehmens: Der fair value einer Schuld lässt sich ermitteln, indem die künftigen Auszah___________ 683

Hier wirken sich lediglich Abschreibungen auf einen fair value, der unterhalb der Anschaffungs-/Herstellungskosten liegt, sowie Zuschreibungen von diesem niedrigeren Wert zurück auf die Anschaffungs-/Herstellungskosten erfolgswirksam aus. Vgl. Streim, H./Bieker, M./Esser, M. (2003), S. 476 f. 684 Die genannten erfolgsneutralen Aufwendungen und Erträge, welche den so genannten anderen Periodenerfolg (other comprehensive income) bilden, werden lediglich in der Eigenkapitalveränderungsrechnung (vgl. IAS 1.96 ff.) erfasst. Vgl. Pellens, B./Fülbier, R. U./Gassen, J. (2006), S. 164 f.; Lüdenbach, N., in: Haufe IFRSKommentar (2005), § 20 Rn. 21 ff. Nach einem Änderungsentwurf des IASB soll der getrennte Ausweis von erfolgswirksam und erfolgsneutral im Eigenkapital erfasstem Periodenergebnis künftig nicht mehr gestattet sein; vielmehr soll nur das gesamte Periodenergebnis angegeben werden, aufgegliedert nach den Anteilen der Anteilseigner des Mutterunternehmens sowie der Minderheiten, vgl. IASB (2006-b), ED-IAS 1.106; vgl. auch IASB (2006-b), S. 2 f. 685 Vgl. Streim, H./Bieker, M./Esser, M. (2005), S. 106. Bezüglich eines Vorschlages im Rahmen einer HGB-Reform siehe Förster, G. W. (1999), S. 324 ff. Förster, welcher in den Fällen, in denen Finanzinstrumente an einem Markt jederzeit zu hinreichend genau prognostizierbaren Zahlungen abgesetzt werden können, das umsatzbezogene Realisationsprinzip partiell durch ein zeitwertorientiertes Realisationsprinzip ersetzen will, schlägt einen gesonderten Ausweis der auf einem unterschiedlichen Realisationsprinzip basierenden Erfolgsbeiträge in der GuV-Rechnung vor. 686 Das Kongruenzprinzip, wonach die Summe der Periodenerfolge dem Erfolg des Unternehmens über die Totalperiode entspricht, wird in diesen Fällen somit nicht eingehalten. Zum Kongruenzprinzip siehe etwa Coenenberg, A. G. (2005), S. 471 f. Mit einem Beispiel hierzu vgl. Hommel, M. (2005), S. 297. 687 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 50.

284

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

lungen, d. h. die künftigen Tilgungs- sowie Zinszahlungen zum vereinbarten Fremdkapitalzinssatz, zum Bilanzstichtag abgezinst werden. Diese künftigen Auszahlungen sind mit der risikoäquivalenten Renditeforderung der Fremdkapitalgeber, welche am Bilanzstichtag gilt, abzuzinsen. Dabei ist die Renditeforderung abhängig vom allgemeinen Zinsniveau sowie vom Risiko des Kreditausfalls; sie beschreibt die Einschätzungen der Fremdkapitalanbieter, für wie wertvoll die erwarteten Zahlungen aus einem bestimmten Kreditvertrag am Bilanzstichtag beurteilt werden.688 Sinkt die Bonität des Schuldnerunternehmens in der Wahrnehmung des Marktes oder der Ratingagenturen, sinkt auch der Wert der Ansprüche der Gläubiger. Eine Verschlechterung der Unternehmenslage kann sich somit positiv auf den Periodenerfolg auswirken: Sie kann zur Verbuchung eines Bewertungsgewinnes führen, obwohl die Verbindlichkeiten aus Sicht des bilanzierenden Schuldnerunternehmens mit unveränderten Zahlungsverpflichtungen verbunden sind.689 Sofern das ermittelte Jahresergebnis geeignet sein soll, Hilfestellung bei der Abschätzung von Umfang, Struktur und Sicherheit des künftigen Nettozahlungsstromes zu geben, erweist sich eine Bewertung von Finanzschulden zu Zeitwerten demnach als irreführend. Ein gesonderter Ausweis oder eine Erläuterung ist auch hier unbedingt erforderlich, um falsche Schlüsse zu vermeiden.690 (b) Zur Bestimmung des Dispositionserfolges der Geschäftsführung in der abgelaufenen Periode besitzen Zeitwerte als Einzelveräußerungswerte zum großen Teil „prospektive Relevanz“, zum Teil hingegen wären sie irreführend: Eine Orientierung an Absatzmarktwerten ist zur Messung des Dispositionserfolges ausschließlich für die Objekte zweckadäquat, die tatsächlich verkauft werden sollen. Bei zur Wiederbeschaffung bestimmten Vermögenswerten hingegen sind die Werte auf dem Beschaffungsmarkt relevant, um die Leistung des Managements zu erfassen, bei Vermögenswerten, die zur Weiternutzung im Unternehmen bestimmt sind, sind die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten maßgeblich.691 Bei einer Fair-Value-Bewertung von Schulden haben Managementleistungen angesichts der dargestellten Auswirkungen von Bonitätsveränderungen geradezu widersinnige Auswirkungen auf den Erfolg: Bei Bonitätsverschlechterungen ___________ 688

Vgl. Baetge, J./Lienau, A. (2005-b), S. 314. Vgl. IAS 39.55 (a); vgl. auch Wagenhofer, A. (2005), S. 245; Schildbach, T. (2004-a), S. 857; Kehm, P./Lüdenbach, N., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 28 Tz. 215; Kahle, H. (2002), S. 49 f.; Wawrzinek, W., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 3 Rn. 3. 690 Vgl. Schildbach, T. (1999), S. 179. 691 Vgl. Rückle, D. (2005), S. 292. 689

III. Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen

285

wird diese Fehlleistung durch den Ausweis von Erträgen aus Minderungen des Zeitwertes aus Schulden belohnt. Umgekehrt müssen sich Manager, welche die Bonität wieder verbessern, einen zusätzlichen Aufwand als Wertsteigerung der Schulden zurechnen lassen.692 Unabhängig von der zu ermittelnden Zielgröße ist für eine Beurteilung der Zeitbewertung ferner die Problematik der (verlässlichen) Wertermittlung von Bedeutung. Im Gegensatz zu den vergleichsweise operationablen Anschaffungs- oder Herstellungskosten lassen sich Zeitwerte oft nicht oder lediglich schwer nachprüfbar ermitteln. Diese Problematik besteht nur in den Fällen nicht, in denen es für das zu bewertende Vermögen und die Schulden leistungsfähige, dem Ideal vollkommener Märkte nahe kommende Märkte mit täglichem Handel gibt, welchen sich aktuelle Werte vergleichsweise verlässlich entnehmen lassen. Marktwerte sind jedoch lediglich in einer Minderzahl der Fälle objektiv feststellbar. Eine Bewertung durch die Unternehmen selbst würde diesen erhebliche Spielräume ermöglichen.693 Zeitwerte in der Bilanz, welche sich auf Objekte ohne Veräußerungs- respektive Wiederbeschaffungsabsicht beziehen, sowie insbesondere auch deren gegebenenfalls unmittelbar erfolgswirksame Erfassung im Periodenerfolg, zielen auf kurzfristig orientierte Anleger ab, die einen günstigen Zeitpunkt zum Ein- oder Ausstieg aus der Beteiligung suchen.694 Die aufgezeigten grundsätzlichen Grenzen einer Bewertung von Vermögenswerten oder -gegenständen und Schulden zu Zeitwerten sowie v. a. die Mängel des Fair-Value-Konzeptes nach IFRS lassen es fraglich erscheinen, ob eine Rechnungslegung nach IFRS die Entscheidungen von Eignern – v. a. mit langfristigen Interessen am Unternehmen – sowie von Gläubigern im Vergleich zu einem gegebenenfalls reformierten HGB tatsächlich besser unterstützen kann.695 Zeitwerte verlieren im Gegensatz zu Anschaffungskosten relativ rasch an Aktualität. Je nach Preisentwicklung können sie schon nach wenigen Wochen überholt und in ihrer Aussagekraft stark abgeschwächt sein. Eine Bewertung zu Zeitwerten macht dadurch umso mehr kurze Fristen zwischen Bilanzstichtag ___________ 692

Vgl. Schildbach, T. (2004-a), S. 857. Die Bewertung einer Verbindlichkeit zum fair value in der Bilanz des Schuldners erfolgt somit aus der Sicht des Gläubigers. Kritisch hierzu Kehm, P./Lüdenbach, N., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 28 Tz. 215. Nach Meinung des FASB dürften allerdings wertmäßig gesunkene Verbindlichkeiten in der Regel mit wertmäßig gesunkenen Vermögenswerten einhergehen, so dass es im Ergebnis nur in Ausnahmefällen zu einer Erhöhung des Gewinnausweises komme. Vgl. den Nachweis bei Kahle, H. (2002), S. 50. 693 Vgl. Schildbach, T. (1998-b), S. 587. 694 Vgl. Schildbach, T. (1998-b), S. 590 f. 695 So auch Kahle, H. (2002), S. 50 f.

286

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

und dem Zeitpunkt der Offenlegung erforderlich, was insbesondere für mittelständische Unternehmen eine zusätzliche Belastung darstellen würde.696 Neben den dargestellten Grenzen und Nachteilen einer Bewertung zu Zeitwerten kommt als weiterer Nachteil, insbesondere für nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichtete, primär mittelständische Unternehmen, hinzu, dass eine erfolgswirksame Erfassung von Zeitwertänderungen auch für die Ermittlung eines entziehbaren Betrages nicht geeignet ist.697

e) Besonderheiten des Eigenkapitalausweises nach IFRS – insbesondere bei Personengesellschaften Angesichts der Funktion des Eigenkapitals als Haftsumme sind die Gläubiger ebenso wie die persönlich haftenden Unternehmer(-gesellschafter) an der Höhe des Eigenkapitals interessiert.698 Somit wird im Folgenden näher betrachtet, inwieweit die Regelungen zum Eigenkapitalausweis nach IFRS im Vergleich zu denen des HGB zur Erfüllung dieser informatorischen Zielsetzungen geeignet sind. Nach IAS 32.16 und IAS 32.19 liegt Eigenkapital lediglich vor, soweit ein Unternehmen keine (bedingte oder unbedingte) vertragliche Verpflichtung zur Lieferung von Geld oder anderen finanziellen Vermögenswerten oder zu einem potenziell nachteiligen Tausch von finanziellen Vermögenswerten oder finanziellen Verbindlichkeiten hat.699 Nach IAS 32.18 (b) wird ein Finanzinstrument als Fremdkapital qualifiziert, wenn dem Inhaber ohne vorherigen Beschluss eines Unternehmensorgans ein Rückgaberecht zusteht („puttable instrument“) respektive wenn sich der Emittent der vertraglichen Verpflichtung zur Abgabe von flüssigen Mitteln oder anderen finanziellen Vermögenswerten etc. nicht entziehen kann.700 Neben dem Bestehen eines Inhaberkündigungsrechts führt v. a. auch eine vereinbarte Tilgung oder eine vereinbarte Laufzeit eines Finanzinstruments zur Einstufung als Fremdkapital.701 Darüber hinaus bewirken auch bedingte Erfüllungsvereinbarungen, d. h. Vereinbarungen, deren Erfüllung vom Eintritt unsicherer Ereignisse abhängt, grundsätzlich eine Fremdkapitaleinord___________ 696

Vgl. Schildbach, T. (1998-b), S. 587. Siehe Abschnitt E.VI. der vorliegenden Arbeit. 698 Siehe die Ausführungen zur Interessenanalyse in Abschnitt D.I. der vorliegenden Arbeit. 699 Vgl. auch Clemens, R./Hebestreit, G., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 12 Rn. 5 ff. 700 Vgl. Breker, N./Harrison, D. A./Schmidt, M. (2005), S. 471. 701 Vgl. Breker, N./Harrison, D. A./Schmidt, M. (2005), S. 470. 697

III. Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen

287

nung (vgl. IAS 32.20).702 Nach IFRS reicht eine temporäre Übernahme der Haftungsfunktion nicht aus, um Kapitalanteile als Eigenkapital auszuweisen.703 Nach deutschem Personengesellschaftsrecht steht jedem Gesellschafter ein (unabdingbares) Kündigungsrecht zu (vgl. § 723 BGB i. V. m. § 105 Abs. 3 bzw. § 161 Abs. 2 HGB). Eine Kündigung hat ein Ausscheiden des Gesellschafters gegen einen Abfindungsanspruch zur Folge (vgl. § 131 Abs. 3 Nr. 3 HGB). Aufgrund dieses Abfindungsanspruches erfolgt eine Klassifizierung als „puttable instrument“ i. S. d. IAS 32.18 (b). Im Extremfall ist bei einer Personengesellschaft nach einer Umstellung auf IFRS kein Eigenkapitalposten mehr vorhanden. Dies schließt jedoch die Wahl einer entsprechenden Postenbezeichnung für das umqualifizierte Eigenkapital, aus der dem Jahresabschlussadressaten unmittelbar ersichtlich wird, dass es sich bei dem Posten um die „umgegliederten“ Kapitaleinlagen handelt, nicht aus.704 Eine solche Umqualifizierung ist v. a. bei mittelständischen Unternehmen, welche großteils in der Form von Personengesellschaften geführt werden (vgl. Tabellen 4 und 5, Kapitel B.), relevant. Der Eigenkapitalausweis von Personengesellschaften ist somit problematisch, da sie im Gegensatz zu Kapitalgesellschaften nicht über eine fest definierte Haftungsmasse in Form von Festkapital verfügen.705 Sie beruhen vielmehr auf einer vom Willen der Gesellschafter abhängigen Vertragsverbindung weniger oder vieler Personen. Durch Ausscheiden eines Gesellschafters können sich die Geschäftsanteile verringern.706 Entsprechend haften ausgeschiedene Gesellschafter weiter für Verbindlichkeiten, die vor ihrem Ausscheiden entstanden sind (vgl. § 160 HGB), allerdings begrenzt auf fünf Jahre. Dadurch soll ein Ausgleich des Interessenkonfliktes zwischen dem Ausscheidenden und den Gläubigern erzielt werden.707 ___________ 702 Davon ausgenommen sind allerdings insbesondere solche Abreden, bei denen der Emittent lediglich im Liquidationsfall zur Erfüllung gezwungen werden kann (vgl. IAS 32.25 (b)). Vgl. Küting, K./Wirth, J./Dürr, U. (2006), S. 70. 703 Vgl. Lüdenbach, N., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 20 Rn. 8; Broser, M./Hoffjan, A./Strauch, J. (2004), S. 452 f. 704 Vgl. IAS 32.18 (b). 705 Bei der Kapitalgesellschaft besteht lediglich das Instrument zur „Einziehung“ von Geschäftsanteilen (vgl. § 34 GmbHG, §§ 237 AktG). Dabei darf eine Einziehung nicht in Widerspruch zu den Kapitalaufbringungs- und Erhaltungsvorschriften vorgenommen werden. Dies bedeutet, dass kein Einbeziehungsentgelt aus dem zum Erhalt des Stammkapitals erforderlichen Vermögen gezahlt werden darf. Vgl. Schmidt, K. (2002), § 35 III 1. a) und 2. c). 706 Vgl. Schmidt, K. (2002), § 35 III 1. a). 707 Der Gläubiger soll davor geschützt werden, dass sich ein Gesellschafter der einmal begründeten Haftung durch Austritt entzieht. Umgekehrt soll der Ausgeschiedene,

288

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

Die Umklassifizierung betrifft ebenso mezzanine Finanzierungsinstrumente. So sind etwa Genussrechte – bzw. generell Kapitalüberlassungsverhältnisse – nach deutschem Recht als bilanzielles Eigenkapital der Emittenten zu behandeln, wenn das Kapital im Insolvenzfall nachrangig bedient wird, Erfolgsabhängigkeit der Vergütung und Verlustbeteiligung bis zur vollen Höhe gegeben sind und das Kapital längerfristig überlassen wird.708 Nach IFRS führen bereits die in Abschnitt C.III.2.b) dargestellte Befristung oder die Kündigungsrechte analog dem Gesellschaftskapital bei Personengesellschaften zur Umqualifizierung in Fremdkapital.709 Eine Zuordnung von Genussrechten zum Eigenkapital ist lediglich dann möglich, wenn diese den Charakter von Vorzugsaktien haben. Nach der Eigenkapitaldefinition der IFRS werden Genussrechte somit vielfach als Fremdkapital zu qualifizieren sein.710 Nachrangdarlehen sowie stille Beteiligungen sind aufgrund der Kündbarkeit oder Befristung nach IFRS stets als Fremdkapital auszuweisen.711 Eine Umqualifizierung von Eigenkapital kann gegebenenfalls auch eine GmbH betreffen, sofern deren Gesellschaftsvertrag so ausgestaltet ist, dass er den Gesellschaftern ein Austrittsrecht bei Fortführung der Gesellschaft einräumt.712 Wenn ein solches ordentliches Kündigungsrecht im Vertrag nicht vorgesehen ist, steht dem Gesellschafter nach h. M. ein (unabdingbares) außerordentliches Kündigungsrecht aus wichtigem Grund zu. Der ausscheidende Gesellschafter verfügt über einen Abfindungsanspruch, der sich in der Regel analog zu den Personengesellschaften auf den Verkehrswert seines Geschäftsanteiles bezieht. Da die Kapitalerhaltung gemäß § 31 Abs. 1 GmbHG jedoch stets Vorrang vor dem Abfindungsanspruch hat, kommt eine Auszahlung des Stammkapitals bei Kündigung regelmäßig nicht in Betracht. Entsprechend erfolgt eine Klassifizierung des Stammkapitals als Eigenkapital. Für andere Eigenkapitalbestandteile, die nicht der Kapitalerhaltungsnorm des § 31 GmbHG oder anderen gesetzlichen Ausschüttungssperren (wie dem § 272 Abs. 4 HGB)

___________ der keinen Einfluss mehr auf die Entwicklung der Gesellschaft hat, ein Ende seiner Verpflichtungen absehen können. Vgl. Hueck, G./Windbichler, C. (2003), § 15 Rn. 24. 708 Vgl. Lüdenbach, N., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 20 Rn. 8 m. w. N.; Küting, K./Dürr, U. L. (2005), S. 1532. Allerdings bestehen auch bezüglich dieser Beurteilung der Eigenkapitalqualität Unsicherheiten. So bleibt etwa offen, wann eine Längerfristigkeit der Kapitalüberlassung gegeben ist. 709 Vgl. Küting, K./Dürr, U. L. (2005), S. 1532 f. 710 Vgl. Küting, K./Dürr, U. L. (2005), S. 1532 f. 711 Vgl. Küting, K./Dürr, U. L. (2005), S. 1533. 712 Vgl. Schmidt, K. (2002), § 35 IV 3. a); Breker, N./Harrison, D. A./Schmidt, M. (2005), S. 472.

III. Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen

289

unterliegen, d. h. für frei verfügbare Einlagen, verbleibt es hingegen bei einer Umqualifizierung als Fremdkapital.713 Die Rechtsform der AG hingegen ist von einer Umqualifizierung nicht betroffen, da den Aktionären kein individuelles Recht zur Rückgabe ihrer Aktien gegen Entgelt an die AG zusteht. Die Aktionäre verfügen lediglich über ein kollektives Recht, da die Hauptversammlung über Kapitalherabsetzungen beschließt.714 Um einen Fremdkapitalausweis nach IFRS zu vermeiden, wären jeweils gesellschaftsvertragliche Änderungen möglich. So kann etwa im Gesellschaftsvertrag einer KG vorgesehen werden, dass die Gesellschafter zwar kündigen können, jedoch zugleich für einen Nachfolger sorgen müssen. Im Falle einer solchen Übertragung würde keine Rückzahlung der Einlage erfolgen. Eine derartige Regelung müsste allerdings mit einer Abmachung zur verpflichtenden Übernahme der Kapitalanteile im Gesellschaftsvertrag durch die Mitgesellschafter verknüpft werden, sofern der Gesellschafter keinen Nachfolger findet. Anderenfalls wäre eine Kündigung unter Umständen faktisch nicht möglich, da für die Anteile an Personengesellschaften wie dargelegt kein jederzeit fungibler Kapitalmarkt zur Verfügung steht.715 Eine solche Vereinbarung steht funktionell einer Fortsetzungsklausel gleich;716 solche Fortsetzungsklauseln kommen in der Praxis v. a. bei der OHG vor, bei der der Tod des Gesellschafters zum Ausscheiden führt (vgl. § 131 Abs. 3 Nr. 1 HGB), sowie bezüglich der Komplementäre bei der KG.717 Den einem Eigenkapitalausweis entgegenstehenden (jederzeitigen) Entnahmerechten der Gesellschafter kann begegnet werden, indem die Entnahmen von einem Gesellschafterbeschluss abhängig gemacht werden. Das Fremdkapital muss grundsätzlich zum fair value des Abfindungsanspruches bewertet werden (vgl. IAS 32.23).718 Sofern dieser höher ist als der Buchwert, ist die Differenz zwischen bisherigem Buchwert des umqualifizierten Gesellschafterkapitals und dem Abfindungsanspruch zusätzlich als Fremdkapital auszuweisen. Die Vereinbarung einer Verkehrswertabfindung, wie sie nach deutschem Personengesellschaftsrecht sowie der Vertragspraxis großteils üb___________ 713

Vgl. Breker, N./Harrison, D. A./Schmidt, M. (2005), S. 472. Vgl. Breker, N./Harrison, D. A./Schmidt, M. (2005), S. 471. 715 Ohne eine solche Regelung einer verpflichtenden Übernahme durch die Mitgesellschafter läge ein Verstoß gegen § 723 Abs. 3 BGB vor. Vgl. Broser, M./Hoffjan, A./Strauch, J. (2004), S. 458 f. 716 Vgl. Broser, M./Hoffjan, A./Strauch, J. (2004), S. 458 f. 717 Die Erben des Kommanditisten treten mangels abweichender Bestimmung ohnehin in dessen Gesellschafterstellung ein (vgl. § 177 HGB). 718 Vgl. Lüdenbach, N., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 20 Rn. 18c. 714

290

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

lich ist, hat dann zur Konsequenz, dass die zu passivierende Abfindungsverpflichtung umso höher ist, je besser sich das Unternehmen in seinen wirtschaftlichen Verhältnissen darstellt.719 Sofern die Abfindungsverbindlichkeit zum Verkehrswert, Vermögen und sonstige Schulden jedoch (ganz oder teilweise) zum Buchwert angesetzt werden, stimmen die Bilanzsummen auf der Aktivund auf der Passivseite allerdings nicht mehr überein. Hieraus würden zugleich auch Folgewirkungen hinsichtlich der dargestellten Eigenkapitaländerungsrechnung resultieren.720 Angesichts dieser aus der Bewertung resultierenden Probleme hat das IASB einen Vorschlag zur Änderung der Regelung des Eigenkapitalausweises entworfen. Danach sollen Finanzinstrumente, unabhängig von bestehenden Kündigungsrechten o. Ä., dann als Eigenkapital klassifiziert werden, wenn ihre Ablösung zum fair value erfolgt (instruments puttable at fair value).721 Aus konzeptioneller Sicht erscheint dieses – aufgrund der Bewertungsfolgen entstandene – Verkehrswertkriterium mangels Bezug zur Haftungsfunktion von Eigenkapital für eine Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital jedoch nicht zweckadäquat.722 Die Auswirkungen einer solchen Umklassifizierung von Eigen- in Fremdkapital auf die Jahresabschlussadressaten hängen davon ab, inwieweit diese die Umgliederung als solche erkennen und akzeptieren. Sofern den Anforderungen an eine klare Postenbezeichnung Folge geleistet wird und die Gläubiger oder potenziellen Gesellschafter den neuen Ausweis als (bloße) Umgliederung klassifizieren, wird über die Kreditvergabe oder Kapitalbeteiligung unbeeinflusst von der Form der Rechnungslegung entschieden. Falls die Gläubiger den Ausweis im Fremdkapital hingegen als angemessen empfinden, würde aufgrund dessen die Kreditvergabe künftig gegebenenfalls verweigert werden.723 Weitere Unterschiede zwischen dem Kapitalausweis nach HGB und IFRS können ferner hinsichtlich der Aufgliederung der einzelnen Komponenten des Eigen- (bzw. umqualifizierten Fremd-)Kapitals bestehen. Für Kapitalgesellschaften enthalten die §§ 266 Abs. 3, 268 Abs. 1 und Abs. 3 sowie § 272 HGB Regelungen, wie diese Aufgliederung vorzunehmen ist. Danach hat insbesondere ein gesonderter Ausweis von gezeichnetem Kapital, Kapitalrücklage, Gewinnrücklagen, Gewinn- oder Verlustvortrag sowie dem Jahresüberschuss oder ___________ 719

Vgl. Lüdenbach, N./Hoffmann, W.-D. (2005), S. 405. Vgl. Lüdenbach, N./Hoffmann, W.-D. (2005), S. 406 f., welche diese Problematik anhand eines Beispiels veranschaulichen. 721 Vgl. IASB (2006-a), Tz. 4 ff., insbesondere Tz. 8 ff. 722 Vgl. Pawelzik, K. U. (2006), S. 156 f.; Breker, N./Harrison, D. A./Schmidt, M. (2005), S. 474 ff. 723 Vgl. Broser, M./Hoffjan, A./Strauch, J. (2004), S. 456. 720

III. Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen

291

-fehlbetrag der laufenden Berichtsperiode zu erfolgen.724 Für beschränkt haftende Personenhandelsgesellschaften, welche den Kapitalgesellschaften gleich gestellt werden, substituiert § 264c Abs. 2 HGB zum Teil die für Kapitalgesellschaften anzuwendenden Regelungen. Nach § 264c Abs. 2 Satz 6 HGB sind die Kapitalanteile von Kommanditisten gesondert von denen des Komplementärs auszuweisen. Für Einzelkaufleute und unbeschränkt haftende Personengesellschaften enthält das HGB dagegen keine detaillierte Regelung zur Bilanzierung des Eigenkapitals. Diese haben ihr Eigenkapital auf Grundlage der für alle Kaufleute geltenden Vorschriften, so insbesondere der GoB zu bilanzieren. Die hinreichende Aufgliederung ist beim Einzelkaufmann dabei aus dem Zweck der Selbstinformation abzuleiten; bei den (persönlich haftenden) Personengesellschaften tritt als weiterer Zweck die Rechenschaft vor Mitgesellschaftern hinzu.725 Die IFRS hingegen sehen in der Bilanz generell keine detaillierte Gliederung des Eigenkapitals vor. Nach IAS 1.68 (o) und (p) sind lediglich das gezeichnete Kapital, Rücklagen sowie Minderheitsanteile auszuweisen. Gewisse Gestaltungsspielräume sollen aufgrund des Grundsatzes der fair presentation begrenzt werden, wonach eine angemessene Aufgliederung aller Bilanzpositionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Wesentlichkeit zu erfolgen hat. Entsprechend der Forderung in IAS 1.74 hat das Unternehmen eine weitere Untergliederung des Eigenkapitals wahlweise entweder in der Bilanz oder im Anhang in geeigneter Weise vorzunehmen. Die Notwendigkeit zur Bildung bestimmter Unterpositionen des Eigenkapitals resultiert zum Teil auch aus einzelnen Standards, so etwa die Bildung einer Neubewertungsrücklage bei einer Folgebewertung von Sachanlagevermögen nach der Neubewertungsmethode, wenn diese zu Werterhöhungen über die fortzuführenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten hinaus führt und zuvor keine außerplanmäßige Abschreibung vorgenommen wurde (vgl. IAS 16.39). Aus IAS 1.68 (p) i. V. m. IAS 1.76 (b) ergibt sich, dass die IFRS in der Bilanz keinen getrennten Ausweis der erwirtschafteten Ergebnisse in Gewinnrücklagen, Ergebnisvortrag sowie Ergebnis des laufenden Geschäftsjahres, wie dies gemäß § 266 Abs. 3 Buchst. A III HGB der Fall ist, zwingend vorsehen. Das Periodenergebnis ergibt sich als Residualgröße in der GuV-Rechnung der jeweiligen Berichtsperiode.726 Es ist ferner als Position im Eigenkapitalspiegel ___________ 724

Sofern der Abschluss nach (vollständiger oder teilweiser) Verwendung des Jahresergebnisses aufgestellt wird, werden die beiden letzten Positionen zum Bilanzgewinn oder -verlust zusammengefasst (vgl. § 268 Abs. 1 HGB). 725 Vgl. Rückle, D./Klatte, V. (1986), S. 113 ff. 726 Vgl. Clemens, R./Hebestreit, G., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 12 Rn. 82 f.

292

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

auszuweisen.727 Hinsichtlich der Besonderheiten einer KG findet sich in den IFRS kein Hinweis darüber, ob die Kapitalanteile der Kommanditisten getrennt von dem des Komplementärs auszuweisen sind. Anhand der Kriterien „Entscheidungsrelevanz“ und „Verlässlichkeit“ der Informationen kann jedoch abgeleitet werden, dass ein getrennter Ausweis nach den Regeln der IFRS ebenfalls sinnvoll bzw. auch erforderlich ist, da für die Jahresabschlussadressaten die Existenz eines Vollhafters entscheidungsrelevant ist.728 Insgesamt lassen die relativ offenen Gliederungsvorschriften zum Eigenkapital nach IFRS sehr unterschiedliche Darstellungen der Gesellschafteransprüche innerhalb der Bilanz oder im Anhang zu. Die Aussagekraft des Eigenkapitalausweises nach IFRS ist somit im Vergleich zum HGB zum Teil eingeschränkt.729

2. Verlässlichkeit versus Entobjektivierungen Wie im Rahmen der Anforderungen an zweckadäquate Rechnungslegungsnormen ausgeführt,730 ist von zentraler Bedeutung, dass die bereitgestellten Informationen hinreichend objektiviert und zuverlässig sind. Um die Zweckadäquanz der beiden Rechnungslegungssysteme beurteilen zu können, sind somit auch die Entobjektivierungen, d. h. die bilanzpolitischen Spielräume, welche den Rechnungslegenden nach den unterschiedlichen Normen zur Verfügung stehen, zu vergleichen. Bei einer Betrachtung bilanzpolitischer Spielräume ist generell zu unterscheiden zwischen: (1) ausdrücklich benannten Wahlrechten einerseits731 und (2) sich lediglich indirekt ergebenden Spielräumen andererseits.

___________ 727

Vgl. IAS 1.96 (a). Vgl. Broser, M./Hoffjan, A./Strauch, J. (2004), S. 454; Kirsch, H. (2003-b), S. 143. Diese Interpretation lässt sich ferner auch aus IAS 1.76 herleiten, wonach die mit jeder Eigenkapitalkategorie verbundenen Restriktionen, Rechte und Vorrechte kenntlich zu machen sind. 729 Vgl. Pellens, B./Fülbier, R. U./Gassen, J. (2006), S. 458 ff.; Clemens, R./Hebestreit, G., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 12 Rn. 113 ff. 730 Siehe die Ausführungen in Abschnitt D.I.2.c)(2) und Abschnitt D.I.2.d)(3) der vorliegenden Arbeit. 731 Dabei werden im Folgenden lediglich die materiellen Wahlrechte betrachtet; auf die formellen Wahlrechte wird nicht weiter eingegangen. Siehe hierzu etwa Wagenhofer, A. (2005), S. 557. 728

III. Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen

293

Solche indirekten Wahlrechte können darauf beruhen, dass faktische oder verdeckte Wahlrechte bestehen oder im Rahmen von Regelungen Ermessensspielräume verbleiben.732 (1) Eindeutig benannte Wahlrechte überlassen die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Bilanzierungstechnik oder Bewertung explizit dem Rechnungslegenden. Im Gegensatz zum HGB gewähren die IFRS relativ wenig explizite Wahlrechte. Solche werden nach IFRS gewährt, wenn das IASB mehr als eine Option für sinnvoll hält und entsprechend verschiedene Bilanzierungsoder Bewertungsmethoden für zulässig erklärt. Hierunter fallen insbesondere die in einzelnen Standards gewährten expliziten Wahlrechte zur Bewertung von Vermögenswerten mit den (fortgeführten) Anschaffungs-/Herstellungskosten oder zur Neubewertung mit dem fair value.733 Des Weiteren ist die Einflussmöglichkeit nach der Fair-Value-Option zu nennen, Finanzinstrumente unter bestimmten Voraussetzungen als Handelswerte zu willküren und infolgedessen mit dem beizulegenden Zeitwert zu bewerten.734 Ebenfalls in diesen Zusammenhang fällt die Möglichkeit der Bewertung von Beteiligungen im Jahresabschluss in Übereinstimmung mit IAS 39 anstelle der (nach HGB zwingenden) Bewertung zu Anschaffungskosten.735 Diese Neubewertungswahlrechte stellen einen wesentlichen Unterschied zum HGB dar, welches entsprechende Wahlrechte nicht kennt. Zwar enthalten die IFRS neben diesen Wahlrechten zur Neubewertung im Detail noch weitere ausdrücklich gewährte Wahlrechte;736 sie vermeiden jedoch wesentliche explizite Wahlrechte des HGB.737 ___________ 732

Vgl. Tanski, J. S. (2004), S. 1843. Vgl. IAS 16.29, IAS 38.72, IAS 40.30. Siehe hierzu auch die Ausführungen in Abschnitt D.II.3.b)(2) sowie in Abschnitt D.III.1.d) der vorliegenden Arbeit. 734 So auch Kehm, P./Lüdenbach, N., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 28 Tz. 177. 735 Vgl. IAS 27.37, IAS 28.35, IAS 31.46. 736 So gewähren etwa IAS 23.7 ff. bezüglich der Bilanzierung von Fremdkapitalzinsen die Möglichkeit der sofortigen Aufwandsverbuchung in der laufenden Periode als bevorzugte Methode oder als alternativ zulässige Methode deren Aktivierung, soweit sie sich auf die Anschaffung oder Herstellung eines Vermögenswertes beziehen. Nach HGB hingegen ist eine Aktivierung nach verbreiteter Ansicht lediglich bei Herstellung möglich (strittig), so Wagenhofer, A. (2005), S. 555 f.; Ellrott, H./Brendt, P., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 255 Rn. 501, dort mit Hinweisen auf Gegenmeinungen. 737 Hinsichtlich einer Übersicht über Wahlrechte nach IFRS und HGB im Vergleich siehe Wagenhofer, A. (2005), S. 555 ff. Daneben finden sich wie im HGB auch bei den IFRS „kleinere“ Wahlrechte, welche häufig nicht als solche bezeichnet werden, dem Rechnungslegenden jedoch eine Auswahl unter verschiedenen Möglichkeiten geben. Beispiele für solche – auch nach HGB zulässigen – Wahlrechte sind etwa die Möglichkeit verschiedener Abschreibungsmethoden für Vermögenswerte des Sachanlagevermögens (vgl. IAS 16.50 und IAS 16.62) oder die Zulässigkeit sowohl der First-in-first-out733

294

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

Obwohl der Rechnungslegende seine Wahl nach den im Rahmenkonzept aufgestellten allgemeinen Regeln treffen soll, wird die konkrete Auswahl realiter zumindest auch unter bilanzpolitischen Überlegungen getroffen. Die in diesen expliziten Wahlrechten zugelassenen Methoden sind häufig sehr unterschiedlich, was dazu beitragen kann, dass Jahresabschlüsse möglicherweise nur eingeschränkt vergleichbar sind oder keine sicheren Informationen vermitteln. Beim IASB gibt es deshalb Überlegungen, diese Wahlrechte entweder einzuschränken oder ganz zu streichen.738 (2) Die IFRS gewichten die Funktion der Vermittlung entscheidungsnützlicher Informationen durch den Abschluss sehr hoch. Um eine individuell aussagekräftige Rechnungslegung zu ermöglichen, versuchen die IFRS im Vergleich zum HGB typisierende Regelungen (wie etwa das Aktivierungsverbot von selbst erstelltem immateriellem Anlagevermögen nach HGB) zu vermeiden und gewähren entsprechend zahlreiche Ermessensspielräume.739 Diese erfordern eine fachgerechte Beurteilung von Seiten der Geschäftsführung (professional judgement).740 Wesentliche Ermessensspielräume resultieren insbesondere aus Diskrepanzen zwischen abstrakter und konkreter Bilanzierungsfähigkeit, indem die erforderlichen Ansatzkriterien, wonach der künftige Nutzenzu- oder -abfluss „wahrscheinlich“ zu sein hat und Kosten oder Wert sich „verlässlich“ ermitteln lassen müssen, durch fehlende oder abwegige Konkretisierung entwertet werden.741 So wird etwa für den Ansatz einer Verbindlichkeit eine verlässliche Schätzung der Verpflichtung verlangt.742 Nach IAS 37.25-26 lassen sich die künftigen Belastungen aus Rückstellungen lediglich in „äußerst seltenen Fällen“ nicht verlässlich schätzen. Es liegt großteils im Ermessen des Bilanzierenden festzustellen, ob die Schätzung noch verlässlich ist oder nicht und damit über die Passivierung der Rückstellung zu entscheiden.743 Der Ansatz von Schulden kann somit unter Umständen niedriger erfolgen als nach HGB.744 Im Bereich der Aktivie___________ Methode als auch der Durchschnittsbewertung bei der Bewertung von Vorräten (vgl. IAS 2.25) etc. 738 Vgl. Tanski, J. S. (2004), S. 1844. 739 Hinsichtlich einer Übersicht wesentlicher Ermessensspielräume nach IFRS siehe Wagenhofer, A. (2005), S. 558 ff. 740 Vgl. Wagenhofer, A. (2005), S. 558. 741 Vgl. Abschnitt D.II.3.a)(2) der vorliegenden Arbeit. 742 Vgl. IAS 37.14 (c). 743 So etwa Schildbach, T. (2005), S. 47; Tanski, J. S. (2004), S. 1846. 744 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Unterschiede einer Rechnungslegung nach IFRS oder HGB außer von der Ausübung der Wahlrechte und Ermessensspielräume auch von der Branche sowie der jeweiligen Bilanz- und Geschäftsstruktur des einzelnen Unternehmens abhängig sind.

III. Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen

295

rung kann es bei entsprechender Ausübung solcher Spielräume gegebenenfalls zu einem höheren Vermögensausweis als in einer HGB-Bilanz kommen. Die IFRS enthalten zahlreiche weitere Regelungen, bei deren Interpretation dem Rechnungslegenden verschiedene Auslegungsalternativen für unbestimmte Rechtsbegriffe oder bei weit gefassten Normen offen stehen. Beispielhaft zu nennen sind hier etwa die Ansatzkriterien für selbst erstellte immaterielle Anlagewerte: Der Ansatz von Entwicklungskosten als selbst erstellter immaterieller Vermögenswert ist – neben den allgemeinen Ansatzkriterien – an das Vorliegen bestimmter Zusatzkriterien geknüpft (vgl. IAS 38.57).745 Dabei enthalten die Aktivierungsbedingungen subjektive Schätzungen, wie etwa den Nachweis des voraussichtlichen künftigen ökonomischen Nutzens des immateriellen Vermögenswertes, welcher auf Basis subjektiver Erwartungen erfolgt. Neben solchen Schätzungen ist eine weitere Voraussetzung die Absicht des Managements, den aus der Entwicklungsphase stammenden immateriellen Vermögenswert fertig zu stellen und zu nutzen. Damit hat das Management einen verdeckten Gestaltungsspielraum. Aus der Beeinflussbarkeit der genannten Voraussetzungen ergeben sich faktische Ansatz- und Bewertungswahlrechte, die für den Rechnungslegungsadressaten kaum nachzuvollziehen sind.746 Dies stellt einen wesentlichen Unterschied zum deutschen Rechnungslegungsrecht dar, wonach eine Aktivierung von nicht entgeltlich erworbenen immateriellen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens verboten ist (vgl. § 248 Abs. 2 HGB).747 Weitere faktische Wahlrechte ergeben sich ferner in Zusammenhang mit der Bewertung zum fair value – sofern kein unmittelbarer Marktwert existiert – bei der Wahl dessen Ausprägungsform. Zwar hat der Rechnungslegende die nach IFRS vorgegebene „Hierarchie“ bzw. Wertung zu berücksichtigen, welche Quellen und Verfahren zur Ermittlung des fair value heranzuziehen sind. Die Entscheidung, wie der fair value im Einzelfall zu ermitteln ist, ist dennoch wesentlich vom Ermessen des Rechnungslegenden geprägt. Zunächst hat er zu be___________ 745

Bei kumulativer Erfüllung aller Bedingungen besteht eine Aktivierungspflicht für Entwicklungskosten als immaterieller Vermögenswert. Sofern jedoch eine oder mehrere der dort genannten Ansatzvoraussetzungen nicht erfüllt werden, besteht hingegen ein Aktivierungsverbot. 746 Vgl. Küting, K./Reuter, M. (2005), S. 708 und S. 711; Hoffmann, W.-D., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 1 Tz. 45 ff. mit weiteren Beispielen zur Beeinflussbarkeit der Kriterien durch den Rechnungslegenden; Kirsch, H. (2003-a), S. 1111 f. 747 Der deutsche Gesetzgeber hat die von der Vierten EG-Richtlinie eingeräumte Wahlmöglichkeit zur Aktivierung selbst erstellter immaterieller Güter des Anlagevermögens (vgl. Art. 9) bei der Transformation durch das Bilanzrichtliniengesetz nicht genutzt. Neben den aufgeführten Beispielen gibt es noch weitere Fälle, in denen die IFRS unscharfe Begriffe enthalten, so etwa im Zusammenhang mit der Bilanzierung von Leasinggütern oder der Behandlung eines unbedeutenden Restwertes (vgl. IAS 17.10 (c) und (d), IAS 16.53); vgl. Tanski, J. S. (2004), S. 1847.

296

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

urteilen, ob ein aktiver Markt vorliegt und ob dieser Markt noch repräsentativ für den zu beurteilenden Vermögenswert ist.748 Bei Anwendung des entsprechenden Verfahrens zur Bestimmung des fair value schließlich kommt dem Rechnungslegenden ein erheblicher Ermessensspielraum zu, so etwa bei der Festlegung von Gewinn- und Cashflow-Prognosen, Zins- und Steuereffekten, im Rahmen der Ermittlung von fair values mittels dem Ertragswertverfahren oder bei der Bestimmung von Beschaffungspreis, Nutzungsdauer und Abschreibungsmethode im Falle einer Verwendung fortgeführter Wiederbeschaffungskosten.749 Soweit – wie bereits bei der Zeitbewertung von Grundstücken nach IFRS – auf Schätzgutachten von Sachverständigen zurückgegriffen werden soll, verlagert sich der Spielraum auf die Auswahl des Gutachters. Selbst der Prüfer – sofern der Jahresabschluss geprüft wird – kann faktisch zum Teil nicht korrigierend eingreifen.750 Wenn keine Marktwerte vorliegen, sind – gegebenenfalls fortgeführte – Anschaffungs- und Herstellungskosten Zeitwerten hinsichtlich der Objektivierung überlegen. Eine (weitgehende) Bilanzierung zu Zeitwerten verstärkt also die subjektive Komponente.751 Das Argument, dass eine Bewertung zum fair value die Legung stiller Rücklagen unterbindet, trifft somit lediglich dann uneingeschränkt zu, wenn ein objektiv nachvollziehbarer fair value vorhanden ist. Dies ist aber in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nicht gegeben. Folglich werden – zumindest teilweise – auch bei einer Bilanzierung nach IFRS stille Rücklagen zum Einsatz kommen, sofern der Rechnungslegende von dieser bilanzpolitischen Möglichkeit Gebrauch machen möchte.752 Weitere Ermessensspielräume entstehen insbesondere durch vielfältige Schätzregeln nach IFRS. Hier ist neben den aufgezeigten Problemen bei der Schätzung von fair values etwa die Schätzung des zukünftigen Gesamterfolgs einer langfristigen Fertigung als Beispiel zu nennen.753 Ein im Vergleich zum HGB ebenfalls erhöhter Gestaltungsspielraum ergibt sich beispielsweise auch

___________ 748 Vgl. Ballwieser, W./Küting, K./Schildbach, T. (2004), S. 534; Kehm, P./Lüdenbach, N., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 28 Tz. 112b. 749 Vgl. Küting, K. (2005), S. 509. 750 So Schildbach, T. (1998-b), S. 588; Siegel, T. (1998-b), S. 599; Baetge, J./Zülch, H. (2001), S. 559. 751 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 48 f. 752 So auch Küting, K./Reuter, M. (2005), S. 713. 753 Vgl. etwa Ballwieser, W./Küting, K./Schildbach, T. (2004), S. 536; Streim, H./Bieker, M./Esser, M. (2003), S. 472 ff.

III. Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen

297

durch den Ausweis von aktiven latenten Steuern auf steuerliche Verlustvorträge gemäß IAS 12.34.754 Darüber hinaus ist nach IFRS bei Werthaltigkeitsprüfungen im Gegensatz zum HGB die Bildung von Sachgesamtheiten zulässig.755 Dadurch kommt es zu einer Durchbrechung des Grundsatzes der Einzelbewertung, was eine Interpretation einzelner Bilanzpositionen erschwert oder sogar unmöglich macht.756 Neben der Verwendung einer Vielzahl unscharfer Regelungen resultieren weitere Ermessensspielräume nach IFRS aus Regelungslücken. Wie dargestellt basieren die IFRS stärker auf Einzelfallregelungen als die Vorschriften des HGB.757 Dadurch kann es vorkommen, dass einzelne Sachverhalte nicht angesprochen und damit nicht direkt einer Regelung unterworfen sind. In diesen Fällen wird die Geschäftsleitung ausdrücklich dazu aufgefordert zu entscheiden, welche Bilanzierungs- und Bewertungsmethode zu entwickeln und anzuwenden ist, um zu entscheidungsrelevanten und verlässlichen Informationen zu führen (vgl. IAS 8.10). Dabei ist zu beachten, dass als ein Verlässlichkeitskriterium gemäß IAS 8.10 (b) (iv) auch die Vorsicht genannt wird. Was jedoch diese Anforderungen letztlich erfüllt, steht wiederum in der Wahl des Rechnungslegenden.758 ___________ 754 Bei IFRS resultieren aktive latente Steuern entweder aus abzugsfähigen temporären Differenzen zwischen dem IFRS-Buchwert und dem steuerlichen Buchwert, welche sich später ausgleichen (vgl. IAS 12.24), oder nach IAS 12.34 aus einem „ökonomischen Vorteil“ eines steuerlichen Verlustvortrags. Nach IAS 12.34 ist der Steuereffekt aus einem am Bilanzstichtag vorhandenen Verlustvortrag (laut Steuerbilanz) in dem Umfang zu aktivieren, in dem es wahrscheinlich ist, dass ein zukünftiges zu versteuerndes Ergebnis zur Verfügung stehen wird, gegen das die noch nicht genutzten steuerlichen Verluste verwendet werden können. Nach HGB besteht für die aktive Steuerlatenz im Jahresabschluss lediglich ein Ansatzwahlrecht als – ausschüttungsgesperrte – Bilanzierungshilfe. Dieses Ansatzwahlrecht gilt zudem ausschließlich für Kapital- und diesen gleichgestellte Personengesellschaften (vgl. § 274 Abs. 2 HGB). Dabei wird eine Aktivierung von Steuererstattungen aufgrund künftiger Verlustnutzung im deutschen Schrifttum als vorzeitige Realisierung künftigen Gewinnes in Höhe des Steuersatzes überwiegend abgelehnt. Hier verwandeln sich Verluste aufgrund von positiven Ertragserwartungen in aktivierbare Vermögenswerte, welche im Falle des Nichteintretens der Gewinne aufwandswirksam abgeschrieben werden müssen. Vgl. Küting, K./Reuter, M. (2005), S. 711; auf diesen Unterschied hinweisend siehe auch Hoffmann, W.-D., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 26 Tz. 55. 755 Vgl. IAS 36. Demgegenüber sind die nach HGB gegebenenfalls erforderlichen außerplanmäßigen Abschreibungen auf Grundlage des Einzelbewertungsgrundsatzes vorzunehmen. 756 Vgl. Küting, K./Reuter, M. (2005), S. 710 und S. 712. 757 Siehe Abschnitt D.II.1.b) der vorliegenden Arbeit. 758 Vgl. Tanski, J. S. (2004), S. 1845.

298

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

Insgesamt lässt sich feststellen, dass es nach den IFRS im Vergleich zum HGB teilweise zu stärkeren Entobjektivierungen kommt, da die IFRS unter Zurückdrängung der Objektivierungsprinzipien und stärkerer Betonung der Relevanz (relevance) auf die Informationsvermittlung zugeschnitten sind. Die aufgeführten Beispiele lassen erkennen, dass dem Grundsatz der reliability im Vergleich zum deutschen Rechnungslegungsrecht ein geringerer Stellenwert zukommt.759 Diese im Vergleich zum HGB stärkeren Entobjektivierungen können eventuell gerade bei i. S. d. § 267 Abs. 1 HGB „kleinen“ und/oder unbeschränkt haftenden Unternehmen, welche gesetzlich nicht zur Prüfung verpflichtet sind, zusätzliche Prüfungserfordernisse bedingen.760

3. Ergebnisse empirischer Untersuchungen zu den Präferenzen insbesondere mittelständischer Unternehmen und deren Rechnungslegungsadressaten hinsichtlich der Erfüllung der Informationsfunktion a) Ergebnisse aus der Sicht mittelständischer Unternehmen Im Folgenden werden Ergebnisse empirischer Befragungen, welche sich primär auf „mittelständische“761 Unternehmen beziehen, hinsichtlich potenzieller Vor- oder Nachteile bzw. möglicher Gründe für oder gegen eine Rechnungslegung nach IFRS mit Blick auf die Erfüllung der Informationsfunktion näher betrachtet. Dabei wird bezüglich der möglichen Nachteile an dieser Stelle lediglich auf Kritik hinsichtlich der Erfüllung der informatorischen Zwecke eingegangen. Mögliche Nachteile in Form von Zusatzkosten der Unternehmen werden gesondert in Kapitel G. betrachtet; zum Teil bestehen je nach Befragung Überschneidungen. Die Fragen bezüglich der möglichen Vor- bzw. Nachteile einer Rechnungslegung nach IFRS aus Sicht der Unternehmen betreffen zum Teil auch die erwarteten Auswirkungen auf deren Finanzierungsmöglichkeiten. Insoweit wird mittelbar nach den (vermuteten) Präferenzen der entsprechenden Rechnungslegungsadressaten mittelständischer Unternehmen gefragt. Daneben werden fer___________ 759 So hinsichtlich internationaler Rechnungslegungsvorschriften (am Beispiel USGAAP) auch Kahle, H. (2002), S. 66. 760 Vgl. Schildbach, T. (2002-a), S. 272. 761 Die Mehrzahl der Studien wird zumindest ausdrücklich als Befragung mittelständischer Unternehmen bezeichnet. Vgl. Mandler, U. (2004), S. 4 ff.; von Keitz, I./Stibi, B. (2004), S. 423; DIHK/PricewaterhouseCoopers (2005), S. 3 ff. Inwieweit es sich dabei um mittelständische Unternehmen im Verständnis der vorliegenden Arbeit handelt, bleibt im Einzelfall näher zu betrachten.

III. Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen

299

ner auch die Ergebnisse unmittelbarer Befragungen von Banken hinzugezogen, in denen nach Auswirkungen einer IFRS-Umstellung eines kreditnehmenden Unternehmens auf dessen Kreditrating bzw. dessen Fremdkapitalkosten gefragt worden ist. Im sich anschließenden Abschnitt D.III.4. werden entsprechend Ergebnisse empirischer Kapitalmarkstudien hinzugezogen, um zu untersuchen, ob sich Anhaltspunkte bezüglich möglicher Auswirkungen einer Rechnungslegung nach IFRS auf die Eigenkapitalkosten der Unternehmen ergeben. In einer Umfrage aus dem Jahr 2002 wurden Unternehmen verschiedener Branchen mit einer Unternehmensgröße von maximal 5 000 Arbeitnehmern hinsichtlich ihrer Zustimmung zu vorgegebenen Argumenten pro und contra eine Rechnungslegung nach IFRS befragt. Die Fragebögen wurden an die Geschäftsführungen überwiegend kleiner und mittlerer Unternehmen in Deutschland versandt.762 Die meisten der antwortenden Unternehmen (mehr als drei Viertel) beschäftigen zwischen 50 und 500 Arbeitnehmern. Die Mehrzahl (über 80 %) ist in der Rechtsform der GmbH oder GmbH & Co. KG organisiert. Keines der Unternehmen ist börsennotiert, der Auslandsanteil ihres Umsatzes ist eher gering (rd. 32 % haben einen Auslandsanteil von null %, 35 % haben einen Auslandsanteil von maximal 25 %, insgesamt rd. 33 % haben einen Auslandsanteil von mehr als 25 %). Die Unternehmen sind nach ihrer Unternehmensgröße in „kleinere“ Unternehmen, deren Mitarbeiterzahl höchstens 250 beträgt, und „größere“ Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern unterteilt. Unternehmen mit bis zu 250 Arbeitnehmern, die gemäß § 293 Abs. 1 Nr. 2 HGB dennoch zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet sind, sind der zweiten Gruppe der größeren Unternehmen zugeordnet.763 Bei den Unternehmen der Befragung handelt es sich somit den quantitativen Kriterien nach überwiegend um kmU. Hinsichtlich der Verhältnisse von Eigentum und Geschäftsführung sind keine Angaben vorhanden. Es handelt sich jedoch um keine konzernabhängigen Tochterunternehmen, sondern ausschließlich um Unternehmen ohne Konzernbezug oder um Unternehmen, die selbst Mutterunternehmen sind. Da auch sonst keine anderweitigen Anzeichen gegeben sind, ist zu vermuten, dass sich die Anteile überwiegend eigentümergeführter Unternehmen im Vergleich zu den in Tabelle 4 dargestellten Anteilen je Rechtsform ähnlich verhalten. ___________ 762

400 Unternehmen wurden angeschrieben, 105 Unternehmen haben geantwortet, davon waren als effektiver Rücklauf 96 Fragebögen auswertbar. Knapp die Hälfte der Fragebögen wurde von der jeweiligen Geschäftsführung beantwortet, die anderen Fragebögen wurden in der Regel von den zuständigen Abteilungsleitern bearbeitet. Vgl. Mandler, U. (2004), S. 4 f. 763 Vgl. hierzu sowie zu weiteren Hinweisen bezüglich des Untersuchungssamples Mandler, U. (2004), S. 4 ff.

300

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

Bei der Frage nach dem Kenntnisstand bezüglich der IFRS gaben die Entscheidungsträger der größeren der teilnehmenden Unternehmen im Durchschnitt an, dass sie sich bisher „gelegentlich“ mit den Standards haben vertraut machen können; bei den kleineren der teilnehmenden Unternehmen haben sich die Entscheidungsträger ihren Angaben nach bis zum Zeitpunkt der Befragung im Durchschnitt „selten“ bis „gelegentlich“ mit den Standards vertraut gemacht.764 Aufgrund dieser geringen Kenntnisse der IFRS sind die Befragungsergebnisse hinsichtlich der Fragen zum Informationsgehalt eines IFRS-Abschlusses sowie einer möglichen Konvergenz von internem und externem Rechnungswesen wenig bis gar nicht aussagekräftig, da sie nicht auf eigenen Erfahrungen bzw. Kenntnissen basieren. Unabhängig von den IFRS-Kenntnissen sind die Einschätzungen zu beurteilen, ob der Aspekt der internationalen Vergleichbarkeit von IFRS-Abschlüssen auch für den „Mittelstand“765 zu begrüßen wäre.766 Bei diesem Argument liegen die Antworten der kleineren der teilnehmenden Unternehmen im Durchschnitt im Indifferenzbereich zwischen Zustimmung und Ablehnung. Die größeren der teilnehmenden Unternehmen stimmen dem Argument internationaler Vergleichbarkeit nach dieser Studie zu.767 Im Rahmen einer Befragung „(größerer) mittelständischer Unternehmen“768 aus dem Jahr 2003 wurden Unternehmen unterschiedlicher Rechtsformen und mit einem Umsatz von mehr als 20 Mio. Euro hinsichtlich einer IFRSAnwendung sowie nach einer Beurteilung der potenziellen Vorteile einer IFRSRechnungslegung befragt.769 Ca. 7 % der befragten Unternehmen haben zum Zeitpunkt der Befragung den Kapitalmarkt mit Wertpapieren i. S. d. § 2 Abs. 1 WpHG in Anspruch genommen.770 Bei den Unternehmen handelt es sich somit teilweise um kmU im quantitativen Sinne der vorliegenden Arbeit; bezüglich etwaiger Umsatzobergrenzen oder Eigentümerstrukturen der betrachteten Unternehmen sind keine Angaben gemacht. Auch liegen keine Angaben dazu vor, ___________ 764

Vgl. Mandler, U. (2004), S. 69. Mandler, U. (2004), S. 99, so die Formulierung im Fragebogen. 766 Vgl. Mandler, U. (2004), S. 97 ff. 767 Vgl. Mandler, U. (2004), S. 99 und S. 101. 768 Von Keitz, I./Stibi, B. (2004), S. 423. 769 Der Fragebogen wurde an 4 556 Unternehmen in Nordrhein-Westfalen versandt, die Rücklaufquote betrug 6,6 %. Finanzdienstleistungsunternehmen wurden generell von der Befragung ausgeschlossen. Angesichts der Selektion der Unternehmen aus einer Region sowie aufgrund der geringen Rücklaufquote sind die Ergebnisse der Studie auch für die Unternehmen der betrachteten Unternehmensgröße (ohne Finanzdienstleistungsunternehmen) nicht repräsentativ. Vgl. von Keitz, I./Stibi, B. (2004), S. 423. 770 Angaben dazu, wie viele der teilnehmenden Unternehmen in diesem Sinne kapitalmarktorientiert waren, liegen nicht vor. Vgl. von Keitz, I./Stibi, B. (2004), S. 424. 765

III. Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen

301

wie groß die Anteile der verschiedenen Rechtsformen sowie der Anteil der konzernabhängigen Unternehmen an allen teilnehmenden Unternehmen sind. Dadurch wird die Aussagekraft der Untersuchung stark eingeschränkt, da zu vermuten ist, dass Konzernabhängigkeiten einen großen Einfluss auf die Auswahl des Rechnungslegungssystems haben. Insgesamt haben sich von den teilnehmenden Unternehmen mehr als 40 % für eine IFRS-Anwendung entschieden. Diese wenden die IFRS entweder bereits an (20 %) oder planen eine Umstellung ihrer Rechnungslegung von HGB auf IFRS (22 %). Eine Differenzierung nach Konzern- oder Jahresabschluss lässt sich nicht entnehmen.771 Aufgrund dieses relativ hohen Anteils an Unternehmen, die sich für IFRS bereits entschieden haben, ist davon auszugehen, dass es sich bei den teilnehmenden Unternehmen um eine Positivselektion handelt, so dass die Ergebnisse lediglich eingeschränkt aussagekräftig sind. Die Vermutung, dass ein Konzernbezug Einfluss auf die Beurteilung der Rechnungslegungssysteme hat, wird durch die Differenzierung der Ergebnisse nach Konzernabhängigkeit bestätigt. Danach ziehen von den Unternehmen, die nicht im Konzernverbund tätig oder selbst Mutterunternehmen sind, 54 % eine IFRS-Anwendung in Betracht. Demgegenüber stehen von den konzernabhängigen Unternehmen lediglich 12 % einer IFRS-Anwendung ablehnend gegenüber.772 Die Analyse nach Rechtsformen ergibt, dass 79 % der teilnehmenden (nicht börsennotierten) AG und 74 % der teilnehmenden GmbH eine IFRS-Anwendung zumindest nicht generell ausschließen. Von den teilnehmenden Personengesellschaften haben sich demgegenüber erst 24 % für eine Anwendung der IFRS-Rechnungslegungsnormen entschieden, 50 % lehnen zum Zeitpunkt der Befragung eine Rechnungslegung nach IFRS ab.773 Für eine Differenzierung nach dem Grad der internationalen Ausrichtung wurden Unternehmen danach befragt, ob sie „wesentliche“774 Geschäftsbeziehungen zu mindestens zwei Gruppen (Kunden, Lieferanten, Kreditgebern, Gesellschaftern, Organmitgliedern etc.) haben. 80 % der teilnehmenden Unternehmen bestätigten dies; bei diesen Unternehmen „mit hoher internationaler Ausrichtung“775 ergab sich der Studie zufolge eine größere Akzeptanz der IFRS. Angesichts der fehlenden Angaben zum Anteil der konzernabhängigen ___________ 771

Vgl. von Keitz, I./Stibi, B. (2004), S. 424. Vgl. von Keitz, I./Stibi, B. (2004), S. 424. 773 Vgl. von Keitz, I./Stibi, B. (2004), S. 424. 774 Von Keitz, I./Stibi, B. (2004), S. 425. 775 Von Keitz, I./Stibi, B. (2004), S. 425. 772

302

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

an den teilnehmenden Unternehmen sind diese Ergebnisse lediglich eingeschränkt aussagekräftig.776 Im Rahmen der Umfrage wurden die teilnehmenden Unternehmen um eine Einschätzung der Bedeutung möglicher Vor- und Nachteile einer IFRSUmstellung gebeten, welche in der Literatur diskutiert werden. Dabei wurde jeweils zwischen einer allgemeinen Beurteilung der Vorteile und einer Beurteilung bezogen auf das eigene Unternehmen unterschieden.777 Die teilnehmenden Unternehmen messen den verbesserten Möglichkeiten der Unternehmensfinanzierung bei einer allgemeinen Betrachtung durchschnittlich eine mittlere bis hohe Bedeutung zu. Bezogen auf das eigene Unternehmen nennen sie hingegen zuerst die verbesserte Berichterstattung und erst zuletzt die verbesserten Möglichkeiten der Unternehmensfinanzierung.778 Die Nutzung alternativer Finanzierungsquellen, wie die Inanspruchnahme des öffentlichen Kapitalmarktes und die Kapitalbeschaffung im Ausland, wird bislang lediglich von wenigen der teilnehmenden Unternehmen geplant oder realisiert, so dass diesbezügliche potenzielle Vorteile von den teilnehmenden Unternehmen bezogen auf das eigene Unternehmen entsprechend geringer bewertet werden.779 Im Jahr 2005 wurde eine Befragung überwiegend kleiner und mittlerer Unternehmen durchgeführt, an der insgesamt 600 Unternehmen teilgenommen haben.780 Die beteiligten Unternehmen sind nach Umsatz und Arbeitnehmerzahl jeweils in vier Gruppen unterteilt. Die Gruppe der kleinsten Unternehmen sind solche mit weniger als 50 Arbeitnehmern und weniger als 8 Mio. Euro Jahresumsatz, die Gruppe der größten Unternehmen umfasst solche mit mehr als 500 Arbeitnehmern und einem Jahresumsatz von mehr als 60 Mio. Euro. Bei einer Betrachtung nach Rechtsformen überwiegt der Anteil der Kapitalgesellschaften (66 %). 45 % der Unternehmen sind Muttergesellschaften mit Tochterunternehmen im In- und/oder Ausland; Angaben dazu, inwieweit unter den anderen ___________ 776 Den Autoren der Umfrage zufolge bestärken die Ergebnisse die Annahme, dass der Aspekt der internationalen Vergleichbarkeit von Unternehmensabschlüssen auch bei nicht (i. e. S.) kapitalmarktorientierten Unternehmen durchaus von Bedeutung ist. Vgl. von Keitz, I./Stibi, B. (2004), S. 425. 777 Vgl. von Keitz, I./Stibi, B. (2004), S. 427. 778 Als mögliche Erklärung für diese Abweichung zwischen der allgemeinen und der auf das eigene Unternehmen bezogenen Beurteilung hinsichtlich der Unternehmensfinanzierung wird von den Autoren angeführt, dass die u. a. infolge von Basel II vermuteten neuen Anforderungen zum gegebenen Zeitpunkt von den Banken nicht oder kaum umgesetzt worden seien. Vgl. von Keitz, I./Stibi, B. (2004), S. 428. 779 Vgl. von Keitz, I./Stibi, B. (2004), S. 428. 780 Die Fragebögen wurden über die Industrie- und Handelskammern verschickt; Angaben dazu, an wie viele Unternehmen insgesamt der Fragebogen verschickt wurde, sind nicht gegeben. Die Studie enthält ferner keine Angaben dazu, an welche Personen in den Unternehmen der Fragebogen gerichtet war.

III. Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen

303

Unternehmen selbst konzernabhängige Tochterunternehmen enthalten sind, liegen nicht vor.781 Auch Angaben zu den Eigentumsverhältnissen sowie zur Inanspruchnahme des Kapitalmarktes sind nicht gegeben. Nach dieser Umfrage bilanziert lediglich ein vergleichsweise geringer Anteil der teilnehmenden782 Unternehmen (8 %) bereits nach IFRS. Darunter sind Unternehmen in der Rechtsform von Kapitalgesellschaften mit einem Umsatz von mehr als 60 Mio. Euro überdurchschnittlich häufig vertreten; lediglich 5 % der Unternehmen, die bereits nach IFRS bilanzieren, weisen keinerlei Auslandsumsatz auf.783 Immerhin 11 % aller teilnehmenden Unternehmen geben an, eine Umstellung auf IFRS konkret zu planen. Auch bei diesen Unternehmen sind solche mit einem Umsatz von mehr als 60 Mio. Euro zu mehr als der Hälfte vertreten, zudem ist mehr als die Hälfte dieser Unternehmen „konzerngebunden“784. Der überwiegende Anteil (rund 80 %) der Unternehmen hingegen will nach dieser Umfrage IFRS auch in naher Zukunft nicht anwenden. Diese Unternehmen weisen überwiegend keinen oder lediglich einen geringen Auslandsumsatz auf und sind nicht als Konzern strukturiert. Aus Sicht dieser Unternehmen überwiegen die jeweiligen Nachteile einer IFRS-Rechnungslegung deren Vorteile.785 Fast die Hälfte der Teilnehmer gibt als Vorteil einer IFRS-Rechnungslegung für ihr Unternehmen eine bessere Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage an;786 dabei sehen 20 % die Geschäftsführer und Gesellschafter als relevante Rechnungslegungsadressaten an. Als weiterer Vorteil wird von fast einem Drittel der Unternehmen die Hoffnung auf Erleichterungen bei der Beschaffung von Fremdkapital genannt. 19 % rechnen mit positiven Effekten beim Rating durch die Hausbank. Lediglich ein geringer Anteil (12 %) geht von einem erleichterten Zugang zum nationalen und internationalen Kapitalmarkt oder zu alternativen Finanzierungsformen aus. Vorteile im internationalen

___________ 781 Vgl. hierzu sowie zu den Anteilen der einzelnen Gruppen DIHK/PricewaterhouseCoopers (2005), S. 30 f. Inwieweit in der letzten Größenklasse somit auch Unternehmen erfasst wurden, die nicht der in der vorliegenden Arbeit verwendeten Definition mittelständischer Unternehmen entspricht, ist nicht erkennbar. 782 Obwohl bei der Auswertung der Studie von „befragten“ (DIHK/PricewaterhouseCoopers (2005), S. 25) Unternehmen gesprochen wird, muss es sich dem Kontext nach um die teilnehmenden Unternehmen handeln. 783 Vgl. DIHK/PricewaterhouseCoopers (2005), S. 25. 784 DIHK/PricewaterhouseCoopers (2005), S. 25. 785 Vgl. DIHK/PricewaterhouseCoopers (2005), S. 25. 786 Bei den vorgegebenen Antwortmöglichkeiten waren Mehrfachnennungen möglich. Vgl. DIHK/PricewaterhouseCoopers (2005), S. 25.

304

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

Wettbewerb werden hingegen nur von wenigen der Unternehmen als möglicher Vorteil genannt (14 %).787 In einer im Jahr 2005 durchgeführten Studie wurden sowohl (i. S. d. IASVerordnung) kapitalmarktorientierte als auch nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen jeder Größenordnung und aus verschiedenen Branchen in Deutschland angeschrieben.788 Insgesamt haben 820 Unternehmen den Fragebogen beantwortet, davon waren 70 % Kapitalgesellschaften. Die Größeneinteilung erfolgt nach den Schwellenwerten des § 267 HGB. Angaben zu den Eigentumsverhältnissen der teilnehmenden Unternehmen liegen nicht vor; da auch keine weitergehende Differenzierung innerhalb der Kapitalgesellschaften (GmbH oder AG) gegeben ist, können keine Annahmen darüber getroffen werden, inwieweit es sich bei den beteiligten Unternehmen um mittelständische Unternehmen, welche auch das qualitative Kriterium erfüllen, handelt. 57 % der teilnehmenden Unternehmen stellen lediglich einen Jahresabschluss, 43 % neben dem Jahres- auch einen Konzernabschluss auf.789 Insgesamt wenden 13 % der teilnehmenden Unternehmen die IFRS freiwillig und 14 % verpflichtend an; ferner planen bereits 14 % zum Befragungszeitpunkt eine konkrete Umstellung auf IFRS.790 Der Anteil derer, die bereits nach IFRS bilanzieren oder eine Umstellung planen (insgesamt 41 %) ist somit relativ hoch, so dass auch hier wiederum von einer Positivselektion auszugehen ist. Die Unternehmen, die noch nicht nach IFRS Rechnung legen, jedoch eine Umstellung beabsichtigen, wurden nach den Beweggründen für die beabsichtigte Umstellung gefragt. Dabei geben – differenziert nach der Unternehmensgröße – bei den i. S. d. HGB kleinen und mittleren Unternehmen 42,3 % und bei den großen Unternehmen 40,7 % die Sicherung und Erschließung von Finanzierungsquellen als Beweggrund für die Umstellung an. Eine positive Wirkung auf Investoren wird von 38,5 % der kmU und von 47,7 % der großen Unternehmen genannt. Erleichterungen der ausländischen Geschäftsbeziehungen werden lediglich von 23,1 % der kmU (25,6 % der großen Unternehmen) als Beweggrund angegeben.791 ___________ 787

Vgl. DIHK/PricewaterhouseCoopers (2005), S. 26 f. Die Fragebögen wurden an die Mitgliedsunternehmen des BDI in ganz Deutschland verschickt; Angaben zur genauen Anzahl der angeschriebenen Unternehmen wurden nicht gegeben. Die Fragebögen wurden an die Geschäftsführung oder die Leiter der Steuer- bzw. Rechnungswesenabteilungen geschickt. Vgl. BDI/Ernst & Young (2005), S. 20. 789 Vgl. BDI/Ernst & Young (2005), S. 22. 790 Vgl. BDI/Ernst & Young (2005), S. 23. 791 Vgl. BDI/Ernst & Young (2005), S. 26. Angaben dazu, inwieweit es sich bei den der Unternehmensgröße nach kleinen und mittleren Unternehmen gegebenenfalls zugleich um i. e. S. kapitalmarktorientierte Unternehmen handelt, wurden nicht gemacht. 788

III. Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen

305

Aus Sicht der Unternehmen, die bereits nach IFRS Rechnung legen und wiederum differenziert nach der Unternehmensgröße, werden die Sicherung und Erschließung von Finanzierungsquellen lediglich von 36,4 % der kmU als Vorteile einer IFRS-Rechnungslegung genannt, bei den großen Unternehmen hingegen von 55,7 %. Eine positive Wirkung auf Investoren geben 33,3 % der kmU und 58,4 % der großen Unternehmen als Vorteil der IFRS-Umstellung an.792 Es lässt sich feststellen, dass bei den kmU, die bereits nach IFRS Rechnung legen, die betreffenden Vorteile nach der Umstellung von einem etwas geringeren Anteil der Unternehmen wahrgenommen werden, als sie von den kmU, welche die Umstellung planen, erhofft werden. Bei den großen Unternehmen ist ein gegenteiliges Verhältnis festzustellen: Hier werden bei den Unternehmen, die bereits nach IFRS bilanzieren, die Vorteile jeweils von einem größeren Anteil bestätigt als sie bei den Unternehmen, die eine Umstellung planen, erhofft werden. Unterschiede hinsichtlich der Vorteile aus Sicht der Unternehmen, die bereits nach IFRS Rechnung legen, ergeben sich v. a. auch bei einer nach der Kapitalmarktorientierung differenzierten Betrachtung der Unternehmen: Während die kapitalmarktorientierten Unternehmen als Vorteile v. a. die positive Wirkung auf Investoren (72,6 %; nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen: 46,6 %) sowie die Sicherung und Erschließung von Finanzierungsquellen (65,8 %; nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen: 45,9 %) nennen, werden von den nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen am häufigsten die Vereinfachung der Konzernrechnungslegung (80,1 %; kapitalmarktorientierte Unternehmen: 63 %) sowie die Harmonisierung von internem und externem Rechnungswesen (73,3 %; kapitalmarktorientierte Unternehmen: 67,1 %) angegeben.793 In den dargestellten Untersuchungen wurde jeweils auch nach den möglichen Nachteilen einer IFRS-Anwendung für die Unternehmen bzw. nach den Gründen, warum eine IFRS-Rechnungslegung von diesen abgelehnt wird, gefragt. Neben dem Aspekt der Kosten, auf den in Kapitel G. gesondert eingegangen wird, wurde von den teilnehmenden Unternehmen zum Teil auch grundsätzliche Kritik an den Rechnungslegungsvorschriften der IFRS geäußert. So erfolgt die Ergebnisbetrachtung nach Ansicht mancher der Unternehmen kurzfristig und unter Kapitalmarktaspekten zu Lasten einer langfristigen und kontinuierlichen Ergebnisentwicklung. Eine Abkehr vom Vorsichtsprinzip wird insbesondere von kleineren Unternehmen als Nachteil angesehen.794 Teilweise wird kritisiert, dass ein Übergang zum Ausweis nicht realisierter Gewinne ei___________ 792

Vgl. BDI/Ernst & Young (2005), S. 30. Vgl. BDI/Ernst & Young (2005), S. 28 f. 794 Vgl. Mandler, U. (2004), S. 102; DIHK/PricewaterhouseCoopers (2005), S. 28 f. 793

306

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

nen unzutreffenden Ausweis der Ertragslage bzw. eine zu positive Darstellung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens nach sich ziehen könnte.795 Des Weiteren werden zum Teil die gegebenen Interpretationsspielräume, die Bewertung zum fair value sowie die „Amerikanisierung“ der Rechnungslegung gegen eine Umstellung auf IFRS angeführt.796

b) Ergebnisse aus der Sicht von Fremdkapitalgebern unter Berücksichtigung von Basel II Neben den dargestellten Untersuchungen zu möglichen Vorteilen einer IFRS-Rechnungslegung aus Sicht der Unternehmen ist ferner von Interesse, wie Kreditinstitute eine IFRS-Umstellung eines kreditnehmenden Unternehmens mit Blick auf das Kreditrating beurteilen. Das von Unternehmensseite teilweise vermutete Argument, wonach die Kreditinstitute künftig aufgrund veränderter Ratingmethoden verstärkt IFRS-Abschlüsse einfordern würden, wurde im Rahmen von Befragungen unterschiedlicher Bankengruppen und -verbände nicht bestätigt: Im Jahr 2005 wurde eine Befragung der unterschiedlichen Bankengruppen in Deutschland (Großbanken, Regionalbanken, Sparkassen, Genossenschaftsbanken, Landesbanken etc.)797 durchgeführt, in der die Ausgestaltung von deren Ratingsystemen sowie die Auswirkungen einer IFRS-Umstellung auf das Kreditrating von kmU (definiert anhand der Größenkriterien des IfM Bonn) untersucht wurden. Von 250 befragten Kreditinstituten haben 30 die Fragebögen zurückgeschickt, die Rücklaufquote beträgt somit 12 %.798 Die Vermutung, die Banken würden eine Rechnungslegung nach IFRS bevorzugen und dies mit einer verminderten Risikoprämie honorieren, wurde in dieser Umfrage nicht bestätigt.799 Zur Fundierung dieser Aussage wurden die Banken in dieser Untersuchung auch bezüglich der Ausgestaltung ihrer Ratingsysteme befragt. Die Frage, ob eine Umstellung nach IFRS zu einer Änderung des Ratings führt, hängt entscheidend von der Ausgestaltung des Ratingsystems ab. Die Neue Baseler Ei___________ 795

Bei der Umfrage wurden Mehrfachnennungen zugelassen. Vgl. DIHK/PricewaterhouseCoopers (2005), S. 29; von Keitz, I./Stibi, B. (2004), S. 429. 796 Vgl. DIHK/PricewaterhouseCoopers (2005), S. 28 f. 797 Mit Ausnahme der Bausparkassen. Bei den Ergebnissen ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den teilnehmenden Banken nicht nur um „Hausbanken“ mittelständischer Unternehmen, sondern auch um Großbanken mit einer gegebenenfalls anderen Kundenstruktur handelt. 798 Vgl. Oehler, R. (2006), S. 115 ff. 799 Vgl. Oehler, R. (2006), S. 118 f.

III. Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen

307

genkapitalverordnung (kurz: Basel II) ermöglicht den Banken die Anwendung des so genannten Standardansatzes oder des (Basis- oder fortgeschrittenen) Internal-Ratings-Based-(IRB-)Ansatzes.800 Nach dem Standardansatz kommt allen Unternehmen, die nicht extern geratet sind, ein Bonitätsgewicht von 100 % zu.801 Sofern ein Unternehmen kein externes Rating aufweist, wie dies bei einem Großteil von kmU Fall ist, hat eine Umstellung auf IFRS bei diesem aufgrund des festgelegten Bonitätsgewichtes bei Anwendung des Standardansatzes somit keine Verbesserung des Ratings zur Folge.802 Die Analyse hinsichtlich der angewandten Ratingsysteme ergab, dass 63,33 % der teilnehmenden Kreditinstitute den Standardansatz, 40 % den Standard-IRB-Ansatz und 9 % den fortgeschrittenen IRB-Ansatz anwenden.803 Zu berücksichtigen sind ferner die Erleichterungen, die die Neue Baseler Eigenkapitalverordnung hinsichtlich der Risikogewichtung von kmU gewährt.804 Angesichts dieser Risikoabschläge stellt sich bei den „kleineren“ Unternehmen die Frage, inwieweit die mit einer Umstellung denkbare Verbesserung des Ratings noch von Bedeutung ist.805 Hinsichtlich des Inhaltes der Jahresabschlussanalyse wurde im Rahmen der Untersuchung gefragt, welche Bedeutung der Steuerbilanz beim Rating zukommt. Je höher die Bedeutung der Steuerbilanz, desto geringer wären die Auswirkungen, die eine Umstellung im handelsrechtlichen Jahresabschluss auf das Ratingergebnis hätte. Zwar kommt nach dieser Befragung der Steuerbilanz ___________ 800 Vgl. Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (2004), Tz. 50 ff. (Standardansatz) und Tz. 211 ff., insbesondere Tz. 244 ff. (IRB-Ansatz). 801 Vgl. Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (2004), Tz. 66. 802 Vgl. Oehler, R. (2006), S. 114 f. 803 Die Frage ließ Mehrfachnennungen zu, so dass die Summe der Einzelwerte nicht 100 % ergibt. Vgl. Oehler, R. (2006), S. 115. 804 So können sowohl im Standardansatz als auch im IRB-Ansatz Unternehmenskredite, wenn das Gesamtengagement einer Bankengruppe gegenüber einem Kleinunternehmen geringer als 1 Mio. Euro ist, unter bestimmten Voraussetzungen dem Retailgeschäft (Privatkundengeschäft) der Banken zugeordnet werden. Dabei sind Kleinunternehmen definiert als Unternehmen mit einem (konsolidierten) Jahresumsatz von weniger als 50 Mio. Euro. Für das Retailsegment wurde die Risikogewichtung im Standardansatz aufgrund der besseren Risikostreuung von 100 % auf 75 % abgesenkt; solche Kredite unterliegen somit einer pauschalen Risikogewichtung. Im IRB-Ansatz kommt die Gewichtungsfunktion für Retailkredite zur Anwendung. Ferner kann im IRB-Ansatz für Kredite an Unternehmen, die dem Unternehmensportfolio zugewiesen werden, in der Risikogewichtsfunktion eine größenabhängige Minderung des Anrechnungsbetrages vorgenommen werden. Im fortgeschrittenen IRB-Ansatz kann zudem bei „kleineren inländischen Unternehmen“, deren konsolidierte Jahresumsätze sowie konsolidierte Bilanzsumme unter 500 Mio. Euro liegen, eine Kreditrestlaufzeit von zweieinhalb Jahren angenommen werden. Die Höhe der Restlaufzeit wirkt sich unmittelbar auf die Risikogewichtung aus. Vgl. Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (2004), Tz. 69 f., Tz. 231, Tz. 273 f. und Tz. 319. 805 Vgl. Oehler, R. (2006), S. 119.

308

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

für 50 % der teilnehmenden Kreditinstitute lediglich eine untergeordnete Bedeutung zu, immerhin 36,66 % stufen ihre Bedeutung jedoch als hoch ein; die Effekte einer Umstellung würden demnach lediglich begrenzt zur Wirkung kommen.806 Wesentlich für das Gesamturteil sind v. a. die Ratingkriterien der Kreditinstitute. Die Anwendung eines bestimmten Rechnungslegungssystems ist umso mehr von Bedeutung, je größer das Gewicht ist, das den quantitativen Kriterien im Rahmen der Bonitätsbeurteilung zukommt. Nach Angaben der Befragungsteilnehmer machen quantitative Kriterien bei einem Großteil der Befragten (63,66 %) zwischen 40 % und 60 % des Gesamtscores, bei 10 % sogar mehr als 60 % des Gesamtscores aus. Dabei wird der Eigenkapitalquote von 90 % der teilnehmenden Kreditinstitute eine hohe (56,66 %) oder zumindest eine mittlere (36,66 %) Bedeutung beigemessen.807 Aufgrund des hohen Stellenwertes der Eigenkapitalquote sowie deren – branchen- und unternehmensabhängig – möglichen Anstiegs bei einem Übergang auf IFRS könnte folglich eine Verbesserung des Ratings durch eine Umstellung auf IFRS vermutet werden. Dies ist jedoch nur möglich, wenn die Kreditinstitute Ratingsysteme verwenden, die nicht in der Lage sind, zwischen HGB- und IFRS-Abschlüssen zu differenzieren. Zum Befragungszeitpunkt besitzen 73,3 % der teilnehmenden Kreditinstitute keine unterschiedlichen Auswertungssysteme für HGB- und IFRS-Abschlüsse. Ferner wenden lediglich 20 % der Kreditinstitute Korrekturfaktoren bei der Auswertung von Abschlüssen auf Grundlage unterschiedlicher Rechnungslegungsnormen an. Mittelfristig ist denkbar, dass in einem funktionierenden Kapital- und Kreditmarkt die Banken ihre Ratingsysteme an unterschiedliche Rechnungslegungssysteme anpassen werden.808 Sofern hingegen davon ausgegangen wird, dass die Kreditinstitute keine zwei Auswertungsroutinen für (i. e. S.) kapitalmarktorientierte und nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen bereithalten wollen, bedeutet dies, dass mittelständische Unternehmen ihre Abschlusszahlen künftig gegebenenfalls nach einer EDV-Maske ausgewertet bekommen, die auf der Struktur und den Informationen von IFRS-Abschlüssen beruht. Sofern hieran gemessen in HGBAbschlüssen Informationen fehlen, werden diese entweder beim potenziellen Kreditnehmer zusätzlich angefordert oder im Zweifel zu seinen Lasten nicht ___________ 806

Vgl. Oehler, R. (2006), S. 116. Vgl. Oehler, R. (2006), S. 117. 808 Vgl. Oehler, R. (2006), S. 117. Fragen zum Kenntnisstand bei den Banken hinsichtlich der IFRS-Regelungen haben gezeigt, dass diese bislang nicht sehr ausgeprägt sind. Vgl. Oehler, R. (2006), S. 118. 807

III. Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen

309

berücksichtigt.809 Vor diesem Hintergrund scheint ein verbessertes Rating durch eine Umstellung auf IFRS zunächst möglich zu sein. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich das durch eine Rechnungslegung nach IFRS gegebenenfalls „verschönerte“ Erscheinungsbild in Bilanz und GuV-Rechnung relativiert, sofern der Anhang bei der Analyse mit berücksichtigt wird; nach den Ergebnissen der Befragung ist dies bei 80 % der Kreditinstitute der Fall. Daneben ist ferner von Bedeutung, ob die Banken Aufbereitungsmaßnahmen zur Bilanzanalyse durchführen. Die Befragung ergab, dass 76,66 % der Banken die Jahresabschlussdaten aufbereiten, ehe sie diese in ihre Ratingsysteme eingeben. Auch dadurch wird der gegebenenfalls erhöhte Eigenkapitalausweis nach IFRS relativiert.810 Als solche Bereinigungsmaßnahmen auf Basis eines IFRS-Abschlusses kommt z. B. in Betracht, eine Aktivierung von Entwicklungskosten nach IFRS oder eine Bewertung zu Zeitwerten etc. rückgängig zu machen. Mit solchen Bereinigungsmaßnahmen, für die Vorschläge von Seiten der Literatur bereits bestehen,811 erfolgt eine Annäherung an das HGB.812 Auf die Frage, welche Unterlagen die Kreditinstitute derzeit im Rahmen eines Kreditratings von ihren Kunden verlangen, geben 93,33 % an, einen Jahresabschluss nach HGB einzufordern. Allerdings verlangen 20 % von den Kreditnehmern neben dem HGB- zusätzlich einen IFRS-Abschluss. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass den Ergebnissen der Untersuchung zufolge eine Umstellung auf IFRS somit nicht automatisch zu einer Verbesserung des Gesamtratings führt.813 Die Auffassung, dass die Kreditinstitute künftig keine Aufstellung von IFRS-Abschlüssen fordern, wurde auch in einer weiteren Befragung von sieben Kreditinstituten (Sparkassen, Volksbanken) bestätigt.814 Diese Ansicht wird ferner auch vom Bundesverband deutscher Banken geteilt: Nach Ansicht des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) lassen sich „(d)urch die Umstellung der Rechnungslegung auf IFRS (…) per se keine Ratingvorteile erzielen.“815 Eine Anfrage bei verschiedenen Bankenverbänden kommt zu demselben Er___________ 809

Vgl. Ballwieser, W. (2005-b), S. 42. Vgl. Oehler, R. (2006), S. 116 f. 811 Hinsichtlich eines Vorschlages für die Erstellung einer Strukturbilanz zur Analyse eines IFRS-Einzelabschlusses siehe Küting, K./Wohlgemuth, F. (2004), S. 18. 812 Vgl. Ballwieser, W. (2005-b), S. 43. 813 Vgl. Oehler, R. (2006), S. 119. 814 Dem Argument eines höheren Informationswertes der IFRS wird von den Kreditinstituten in dieser Umfrage jedoch zugestimmt. Vgl. Mandler, U. (2004), S. 100. 815 Bundesverband deutscher Banken (2005), S. 26. 810

310

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

gebnis.816 Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes hat festgestellt, dass IFRS für kmU „zumeist auch völlig unnötig“817 seien. Denn für ihre Hauptfinanzierungsquelle, den Kredit, „benötigen die kleinen und mittleren Unternehmen keine internationalen Rechnungslegungsstandards“818. Hinsichtlich der Aussagekraft der dargestellten Ergebnisse sind die Einschränkungen bei empirischen Untersuchungen zur Ermittlung des Informationsbedarfes, welche bei der Erläuterung des methodischen Vorgehens819 dargelegt worden sind, zu berücksichtigen: So gilt es zu bedenken, dass der artikulierte Informationsbedarf nicht zwingend mit dem für die Entscheidung objektiv erforderlichen übereinstimmen muss. Ferner sind Ergebnisse indirekter Befragungen, wie hier in Form der Befragung primär mittelständischer Unternehmen hinsichtlich möglicher Vorteile bei deren Rechnungslegungsadressaten, ebenfalls nur eingeschränkt aussagefähig. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass das von Unternehmensseite aus vermutete Argument, wonach die Kreditinstitute künftig aufgrund veränderter Ratingmethoden verstärkt IFRSAbschlüsse einfordern würden, bei unmittelbaren Befragungen unterschiedlicher Bankengruppen und -verbände nicht bestätigt worden ist. Unabhängig von den (artikulierten) Informationsbedürfnissen führen die betrachteten Studien alle zu dem Ergebnis, dass die Beurteilung der Vorteilhaftigkeit einer Rechnungslegung nach IFRS bei nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteten, primär mittelständischen Unternehmen davon beeinflusst wird, ob bzw. in welchem Umfang die Unternehmen international und ob sie im Konzernverbund tätig sind. Dabei zeigen die Ergebnisse mehrheitlich, dass dem Vorteil der internationalen Vergleichbarkeit bei „kleineren“ Unternehmen eine relativ geringe Bedeutung zukommt; die „größeren“ Unternehmen stimmen dem Argument internationaler Vergleichbarkeit im Vergleich zu den „kleineren“ Unternehmen eher zu. Diese Ergebnisse decken sich mit der Feststellung, dass der Internationalisierungsgrad der Unternehmen tendenziell mit steigender Unternehmensgröße zunimmt.

___________ 816

Vgl. Deutscher Steuerberaterverband e. V. (2005), S. 1. Hoppenstedt, D. H. (2006), S. 2. 818 Hoppenstedt, D. H. (2006), S. 2. 819 Siehe Abschnitt A.III.2. der vorliegenden Arbeit. 817

III. Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Rechnungslegungskonzeptionen

311

4. Ergebnisse empirischer Kapitalmarktstudien zu Informationsnutzen und Eigenkapitalkosteneffekten bei Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards Die These, dass eine Rechnungslegung nach IFRS im Vergleich zu einer solchen nach HGB zu einer besseren Informationsversorgung der Rechnungslegungsadressaten und damit zu einer Senkung der Eigenkapitalkosten führe, wurde durch die bislang vorliegenden empirischen Kapitalmarktstudien nicht bestätigt. Diese Studien beziehen sich zwar auf börsennotierte Unternehmen, für nicht an der Börse agierende Unternehmen hingegen mangelt es an entsprechenden Erhebungen. Da Informationsasymmetrie und daraus resultierendes Risiko jedoch auch bei nicht börsennotierten Unternehmen entstehen, wenn nicht alle Eigentümer zugleich Geschäftsführer sind, sind diese Ergebnisse auch hinsichtlich nicht börsennotierter Unternehmen von Belang. Selbst wenn sich die Informationsinteressen nicht vollständig decken, lassen sich die Ergebnisse dennoch in großen Teilen übertragen. Sofern sich aus einer Informationsbereitstellung nach IFRS bei am (geregelten) Kapitalmarkt agierenden Unternehmen, welche die primäre Zielgruppe einer Rechnungslegung nach IFRS sind, keine positiven Effekte feststellen lassen, ist dies bei nicht börsennotierten Unternehmen ebenfalls nicht bzw. umso weniger zu erwarten. Bei den Studien konnten bislang im Schnitt keine Kapitalkosteneffekte aus einem Wechsel von den nationalen Rechnungslegungsnomen auf internationale Rechnungslegungsstandards (IFRS oder US-GAAP) nachgewiesen werden. Dabei greifen diese Studien ganz überwiegend auf deutsche Unternehmen zurück. Ferner beziehen sich alle bisherigen Studien auf die Analyse der Eigenkapitalkosten.820 Der empirische Nachweis von Eigenkapitalkosteneffekten aus der Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards ist methodisch sehr schwer, da sowohl die Isolierung der Informationseffekte der Rechnungslegungsstandards als auch die Schätzung der Kapitalkosten sehr problematisch ist.821 Angesichts dieser Probleme haben manche Studien auf die direkte Schätzung der Eigenkapitalkosten verzichtet und stattdessen hilfsweise Variablen untersucht, welche stellvertretend für die Informationsasymmetrie-Komponente der Eigenkapitalkosten herangezogen werden können und sich empirisch besser messen

___________ 820

Hierzu sowie zu einer Übersicht über die Studien siehe Daske, H. (2005), S. 462 f. Hinsichtlich einer näheren Darstellung dieser Schwierigkeiten siehe Daske, H. (2005), S. 462 ff. 821

312

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

lassen, so insbesondere die Geld-Brief-Spanne einer Aktie.822 Die Geld-BriefSpanne, d. h. der Unterschiedsbetrag zwischen Angebots- und Nachfragepreis einer Aktie, wird als Maß für Marktliquidität und Informationsasymmetrie der Marktteilnehmer angesehen.823 Bei einer Verwendung solcher Größen sind Aussagen zu den Kapitalkosteneffekten allerdings lediglich eingeschränkt möglich, da eine Erhöhung der Liquidität nicht mit einer Verringerung der Eigenkapitalkosten des Unternehmens einhergehen muss und umgekehrt.824 Vor diesem Hintergrund sind auch die Ergebnisse der vorliegenden empirischen Untersuchungen zu betrachten; abgesicherte Erkenntnisse lassen sich erst durch eine Reihe von Studien mit verschiedenen Untersuchungsmethoden erzielen, da jede Methode bestimmte Vor- und Nachteile hat.825 Die Anzahl der vorhandenen Studien, welche die Kapitalkosteneffekte eines Wechsels von nationalen Rechnungslegungsstandards auf IFRS untersucht haben, ist bislang noch relativ gering. Die durchgeführten Studien haben insgesamt bislang keinen unmittelbaren Nachweis von Kapitalkosteneffekten liefern können.826

IV. Ausgewählte Ansätze zur Deregulierung bzw. Differenzierung der Rechnungslegungsanforderungen an Unternehmen unterschiedlicher organisationsrechtlicher Merkmale Ansätze zur Differenzierung der Rechnungslegungsanforderungen

1. IASB: International Financial Reporting Standards for Small and Medium-sized Entities (SME) Wie im Rahmen der Vorschläge zur Umsetzung der Internationalisierung der Rechnungslegung im Jahresabschluss dargestellt,827 lassen sich zur Normierung von Erleichterungen für bestimmte Unternehmen zwei grundsätzlich verschiedene Differenzierungsstrategien systematisieren:828 Zum einen kann die Forderung nach (weitgehender) Konvergenz der Rechnungslegung im Jahres- und ___________ 822 So etwa Möller, H. P./Hüfner, B./Kavermann, M. (2004), S. 817 ff., insbesondere S. 827 ff.; bezüglich weiterer Studien, welche solche liquiditätsorientierten Maße verwenden, siehe Daske, H. (2005), S. 466 ff. 823 „Die Spanne ist erwartungsgemäß umgekehrt proportional zur Güte der Offenlegungspolitik: Je besser die Offenlegungspolitik, desto geringer die Geld-Brief-Spanne.“ Ballwieser, W. (2005-b), S. 41; vgl. auch Daske, H. (2005), S. 464. 824 Vgl. Daske, H. (2005), S. 464. 825 Zu einer Erläuterung der unterschiedlichen Methoden siehe Daske, H. (2005), S. 462 ff. 826 Vgl. Daske, H. (2005), S. 466 ff. 827 Siehe Abschnitt A.I.2. der vorliegenden Arbeit. 828 Vgl. auch Eberhartinger, E. (2000), S. 164 f.

IV. Ansätze zur Differenzierung der Rechnungslegungsanforderungen

313

Konzernabschluss aller Unternehmen als Ausgangspunkt zugrunde gelegt und eine Modifizierungsstrategie angewendet werden. In diese Richtung zielt das derzeitige Arbeitspapier des IASB zur Konzipierung von IFRS for Small and Medium-sized Entities (SME); dieses verfolgt einen Top-down-Ansatz, d. h. es sollen ausgehend von den voll umfänglichen Rechnungslegungsnormen Erleichterungen für bestimmte Unternehmen gewährt werden. Zum anderen können im Sinne einer Separations- bzw. Abkopplungsstrategie verschiedene Rechnungslegungssysteme mit unterschiedlichen Ansatz-, Bewertungs- und Ausweisnormen nebeneinander bestehen.829 Um beurteilen zu können, inwieweit der vom IASB verfolgte Top-downAnsatz im Vergleich zu den Regelungen des HGB geeignet erscheint, den Rechnungslegungsbedürfnissen von SME bzw. deren Adressaten zu entsprechen, werden im Folgenden der Stand des Entwurfes bzw. die ersten Weichenstellungen des IASB zur Entwicklung von IFRS für SME dargestellt. Dabei handelt es sich bei SME, für welche es den nationalen Gesetzgebern aus Sicht des IASB überlassen sein sollte, die vereinfachten IFRS optional oder verpflichtend vorzugeben, um Unternehmen, die nicht den geregelten Kapitalmarkt in Anspruch nehmen.830 Auf das ursprünglich als weiteres Abgrenzungsmerkmal genannte Größenkriterium verzichtet das IASB in seinen jüngsten Beschlüssen und überlässt dies stattdessen den nationalen Gesetzgebern. Danach soll es den jeweiligen Einzelstaaten überlassen sein, bestimmten nicht gelisteten Unternehmen die Anwendung der IFRS für SME zu ermöglichen, auch wenn sie für den jeweiligen nationalen Markt von wesentlicher Bedeutung sind.831 Bei den so abgegrenzten SME kann es sich somit um mittelständische Unternehmen i. S. d. vorliegenden Arbeit handeln, dies muss aber nicht der Fall sein. In seinem Entwurf zur Entwicklung von Rechnungslegungsstandards für SME zielt das IASB auf die Entwicklung eines vollständigen Satzes vereinfachender Vorschriften ab (comprehensive approach).832 Es verfolgt somit ein ähnliches Konzept, wie es bereits in Großbritannien umgesetzt worden ist.833 In seinem Entwurf stellt das IASB klar heraus, dass die Entwicklung der Standards für SME auf den wesentlichen Grundprinzipien des IASB-Framework

___________ 829

Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 57; IDW (2005), S. 60. Ausgenommen sind Unternehmen bestimmter Branchen, siehe hierzu bereits Kapitel B. der vorliegenden Arbeit. 831 Vgl. IASB (2006-g), S. 1. 832 Vgl. Hüttche, T. (2002), S. 1804. 833 Siehe hierzu Abschnitt D.IV.2. der vorliegenden Arbeit. 830

314

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

sowie den Rechnungslegungsgrundsätzen und -regeln der IFRS einschließlich bestehender Interpretationen basieren wird: „Development of IASB Standards for SMEs should start by extracting the fundamental concepts from the IASB Framework and the principles and related mandatory guidance form IFRSs (including interpretations).“834 Nach der in dem Diskussionspapier formulierten Absicht sollten IFRS für SME „be based on the same conceptual framework as IFRSs“835. Diese Auffassung wird auch in den jüngsten Sitzungen des IASB bestätigt.836 Damit bringt das IASB zum Ausdruck, dass es sich analog dem Financial Reporting Standard for Smaller Entities (FRSSE) in Großbritannien um keine eigenständigen Rechnungslegungsstandards handeln soll, sondern um eine unter Berücksichtigung der Bedürfnisse von SME modifizierte Version der vollumfänglichen IFRS. Es handelt sich also um einen „top-down approach“. Dadurch soll einerseits der mit der Abschlusserstellung verbundene Aufwand für SME reduziert sowie ein einfacher Übergang auf die vollumfänglichen IFRS ermöglicht werden.837 Der Anwendungsbereich soll dabei auf solche Unternehmen beschränkt sein, die keiner öffentlichen Rechenschaftsverpflichtung unterliegen.838 Diese Vorgehensweise birgt den Nachteil, dass die spezifischen Belange der Jahresabschlussadressaten von nicht auf einen geregelten Kapitalmarkt ausgerichteten Unternehmen, welche häufig auch eine vergleichsweise geringe Unternehmensgröße haben, lediglich insoweit berücksichtigt werden können, als die hieraus resultierenden Anforderungen nicht mit denen des Conceptual Framework sowie den vollumfänglichen IFRS konfligieren.839 Die Bedeutung dieser Restriktion wird schon bei der Bestimmung der Rechnungslegungsadressaten deutlich: Denn auch bei der vorgesehenen Entwicklung der Standards für SME werden das Management sowie der Fiskus als zu berücksichtigende Nutzer explizit ausgeschlossen.840 In der Praxis werden jedoch gerade das Unter-

___________ 834

IASB (2004-c), Tz. 62. IASB (2004-c), Tz. 16 (c). 836 Vgl. IASB (2006-d), S. 3. 837 Vgl. IASB (2004-c), Tz. 16 (d) und (e). 838 Hinsichtlich der Kriterien, die nach Auffassung des IASB zu einer öffentlichen Rechenschaftsverpflichtung führen, siehe die dazu bereits in Kapitel B. der vorliegenden Arbeit gemachten Ausführungen; vgl. ferner IASB (2004-c), Tz. 31. Kritisch zu der mangelnden Konkretisierung der Kriterien beispielsweise Haller, A./Eierle, B. (2004), S. 1841. 839 Vgl. Haller, A./Eierle, B. (2004), S. 1840. 840 Vgl. IASB (2004-c), Tz. 18 f. 835

IV. Ansätze zur Differenzierung der Rechnungslegungsanforderungen

315

nehmensmanagement und auch der Fiskus als zentrale Rechnungslegungsadressaten von kmU angesehen.841 Im Folgenden werden die vorläufigen Entwürfe des IASB hinsichtlich der Entwicklung von IFRS für SME dargestellt, wie sie dem derzeitigen Stand entsprechen. Als Hauptkriterien für die Änderung eines IAS/IFRS bei der Ausarbeitung der Standards für SME gelten v. a.:842 • dass das Auftreten einer bestimmten Fragestellung bei einem SME unwahrscheinlich ist („(t)he issue is unlikely to arise in an SME“843). Sofern dies doch der Fall sein sollte, ist ein Rückgriff auf den jeweiligen IFRS zwingend vorgeschrieben; • den Ansprüchen der Adressaten gerecht zu werden; dies kann je nach Bedarf zusätzliche oder verringerte Angaben im Vergleich zu den vollumfänglichen IFRS nach sich ziehen; • die Bereitstellung von Anleitungen zur Anwendung eines IFRS-Prinzips auf einen für SME typischen Geschäftsvorfall; • die Vereinfachung der Bewertungsberechnungen bei gleichzeitiger Konsistenz zu den Bewertungsprinzipien der IFRS sowie • dass die entsprechende(n) Darstellung und Anhangsangaben bei einer Kosten-Nutzen-Betrachtung als zu aufwändig erachtet werden.844 Regelungen der voll umfänglichen IFRS, die Transaktionen, Ereignisse etc. betreffen, die gewöhnlich bei SME auftreten, sollen entweder unmittelbar oder mittelbar durch Verweis auf die voll umfänglichen IFRS in die IFRS für SME übernommen werden. Regelungen betreffend Geschäftsvorfälle etc., die nicht üblicherweise bei SME vorkommen, sollen nicht in den Standards für SME enthalten sein.845 Im Falle von Regelungslücken ist nach den Entwürfen des IASB zwingend auf den entsprechenden IAS/IFRS einschließlich Interpretationen zurückzugreifen, für den verbleibenden Teil des Abschlusses sind die IFRS für SME weiter anzuwenden. Sofern ein SME zur Bilanzierung eines Sachverhaltes einen Standard der voll umfänglichen IFRS heranziehen muss, hat es auch die entsprechenden Interpretationen des jeweiligen Standards zu berücksichti___________ 841 Vgl. Haller, A. (2004), S. 1840, Fn. 26; Schoenfeld, A. (1988), S. 154 ff. Siehe ferner die Ergebnisse empirischer Untersuchungen hinsichtlich der Opportunitätskosten in Abschnitt G.II. der vorliegenden Arbeit. 842 Vgl. im Folgenden IASB (2004-a), S. 7. 843 IASB (2004-a), S. 7. 844 Vgl. IASB (2004-a), S. 7. 845 Vgl. IASB (2006-d), S. 3.

316

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

gen. Ferner sollen für SME relevante Interpretationen in den betreffenden SME-Standard übernommen werden.846 Hinsichtlich der Regelungen, welche die Darstellung des Abschlusses sowie die Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden betreffen, hat das IASB beschlossen, dass alle in den IFRS enthaltenen Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte auch den SME zustehen sollen.847 Dabei ist die einfachere Regelung in den IFRS für SME dargestellt. Unternehmen, welche die andere(n) Möglichkeit(en) nutzen wollen, müssen diese durch Verweis auf die voll umfänglichen IFRS anwenden.848 Hinsichtlich der Bedingungen zur Vermittlung einer getreuen Darstellung soll nach den Entwürfen des IASB in Teilen ein Querverweis auf IAS 1.13-22 erfolgen, welche Regelungen bezüglich möglicher Abweichungen von einzelnen IFRS enthalten, um eine „fair presentation“ zu erreichen.849 Für Ausgaben für selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte (außer dem Geschäfts- oder Firmenwert) wird in den IFRS für SME deren generelle Erfassung als Aufwand vorgesehen. Unternehmen, welche entsprechende Ausgaben aktivieren wollen, werden auf die diesbezüglichen Regelungen der voll umfänglichen IFRS verwiesen.850 Bei den Finanzinstrumenten sieht das IASB die Klassifizierung in zwei Kategorien vor: eine Kategorie, für die ein beobachtbarer Marktpreis existiert und eine andere, für die kein solcher Marktpreis gegeben ist. Ferner beabsichtigt das IASB, das Erfordernis der Effektivzinsmethode beizubehalten.851 Bezüglich der Bilanzierung von Leasingverhältnissen will das IASB die Unterscheidung zwischen Operating Leasing und Finanzierungsleasing mit Bewertungserleichterungen beibehalten.852 Betreffend Leistungen an Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sollen im Wesentlichen lediglich versicherte sowie beitragsorientierte Versorgungspläne unmittelbar in die IFRS für SME aufgenommen werden; für leistungsorientierte Pläne hingegen soll auf die Vorschriften des IAS 19 verwiesen werden.853 ___________ 846

Vgl. IASB (2004-a), S. 7. Vgl. IASB (2004-a), S. 7; IASB (2006-e), S. 5. 848 Vgl. IASB (2006-f), S. 3. 849 Vgl. IASB (2004-a), S. 7; IASB (2006-f), S. 3. 850 Vgl. IASB (2006-g), S. 2. 851 Vgl. IASB (2005-d), S. 3; IASB (2006-g), S. 2. 852 Vgl. IASB (2006-d), S. 4. Für Finanzierungsleasing soll auf IAS 17 verwiesen werden. Vgl. IASB (2006-g), S. 2. 853 Vgl. IASB (2006-e), S. 6. 847

IV. Ansätze zur Differenzierung der Rechnungslegungsanforderungen

317

Aktive und passive latente Steuern sollen für alle zu versteuernden temporären Differenzen zwischen den bilanziellen Wertansätzen nach IFRS für SME und den steuerbilanziellen Ansätzen gebildet werden; die verschiedenartigen Ausnahmen und Sonderregelungen der voll umfänglichen IFRS sollen in die IFRS für SME übernommen werden.854 Das Wahlrecht zur Neubewertung von Sachanlagevermögen sowie immateriellen Vermögenswerten soll durch Verweis auf IAS 16 und IAS 38 in den Standards für SME anwendbar sein. Auch hinsichtlich der als Finanzinvestitionen gehaltenen Immobilien soll neben dem Anschaffungskosten- auch das Neubewertungsmodell mit einbezogen werden.855 Zur Feststellung der Wertminderung eines Goodwill oder eines anderen immateriellen Vermögenswertes mit unbegrenzter Nutzungsdauer soll anstelle eines Abschreibungsansatzes auf einen Indikatoransatz zurückgegriffen werden. Der Indikatoransatz ersetzt die jährliche Ermittlung der Wertminderung.856 Hinsichtlich der Wertminderung von nicht-finanziellen Vermögenswerten, die kein Goodwill oder immaterieller Vermögenswert mit unbegrenzter Nutzungsdauer sind, wird vom IASB untersucht, ob ebenfalls ein Indikatoransatz in Betracht kommt. Erleichterungen sollen ferner durch Nutzung der in IAS 36.12 aufgeführten Anhaltspunkte für eine vorliegende Wertminderung entstehen.857 Zudem soll bei nicht-finanziellen Vermögenswerten mit Ausnahme der Vorräte die Ermittlung der Wertminderung lediglich anhand des beizulegenden Zeitwertes (abzüglich der Veräußerungskosten) und nicht zusätzlich anhand einer Bestimmung des Nutzungswertes erfolgen.858 Beteiligungen an assoziierten Unternehmen sollen SME entweder unter Anwendung der Equity-Methode nach IAS 28 oder zum beizulegenden Wert bewerten. Zur Bilanzierung von Anteilen an Joint Ventures sollen SME eine der erlaubten Methoden aus IAS 31 anwenden.859 Die Prinzipien zur Ertragserfassung gemäß IAS 18 sollen nach dem Entwurf des IASB mit Ausnahme bestimmter detaillierter Erläuterungen, welche durch einen Verweis auf IAS 18 ersetzt werden, in der SME-Version enthalten sein. Darüber hinaus soll auf einige Anhangsangaben verzichtet werden.860 ___________ 854

Vgl. IASB (2006-e), S. 6; IASB (2006-f), S. 3. Vgl. IASB (2005-d), S. 3 f. 856 Vgl. IASB (2005-c), S. 2; IASB (2006-d), S. 4. 857 Vgl. IASB (2005-c), S. 2. 858 Vgl. IASB (2006-e), S. 5 f. 859 Vgl. IASB (2005-c), S. 2. 860 Vgl. IASB (2004-b), S. 5. 855

318

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

Hinsichtlich der Fremdkapitalkosten soll das in IAS 23 gewährte Wahlrecht zwischen einer Aktivierung oder einer Erfassung als Aufwand in der Version für SME beibehalten werden. Bezüglich der im Fall einer Aktivierung vorzunehmenden Erläuterungen ist ein Verweis auf IAS 23 vorgesehen.861 Bezüglich der Kapitalflussrechnung soll lediglich die indirekte Methode in den IFRS für SME dargestellt sein; Unternehmen, welche die direkte Methode anwenden wollen, müssen insoweit den Anforderungen des IAS 7 entsprechen.862 Zusätzlich zu den aufgeführten Abweichungen will das IASB Erleichterungen etwa durch Anwendung einer einfachen Sprache unter Inkaufnahme von Änderungen des Textes, der den voll umfänglichen IFRS entnommen wurde, erzielen.863 Daneben hat das IASB nach derzeitigem Stand beschlossen, dass keine wesentlichen Vereinfachungen erforderlich sind für:864 • Ansatz und Bewertung von Rückstellungen und Eventualverbindlichkeiten nach IAS 37, • Bewertung der Vorräte nach IAS 2, • Percentage-of-Completion-Methode für Fertigungsaufträge nach IAS 11 sowie Erträge aus Dienstleistungen nach IAS 18865 sowie • Restwerte und Nutzungsdauern von Sachanlagevermögen nach IAS 16.866 Ungefähr alle zwei Jahre sollen die IFRS für SME an Änderungen der voll umfänglichen IFRS angepasst werden.867 Wie die Ausführungen zeigen, beruhen die Vereinfachungen der IFRS für SME häufig lediglich darauf, dass auf die Übernahme detaillierter Einzelregelungen oder bestimmter Anhangsangaben verzichtet wird. Bezüglich vieler Sachverhalte wird auf die korrespondierenden IFRS verwiesen. Entsprechend hat auch der DSR bereits Kritik an dem Entwurf des IASB geäußert und die vorgesehenen Erleichterungen als nicht weitgehend genug bemängelt. Insbesondere kritisiert er die Verknüpfung zwischen den IFRS für SME und den vollumfänglichen IFRS und fordert stattdes___________ 861

Vgl. IASB (2004-b), S. 5; IASB (2006-e), S. 5. Vgl. IASB (2006-d), S. 3. 863 Vgl. IASB (2006-c), S. 2. 864 Vgl. im Folgenden IASB (2005-d), S. 4. 865 Bestätigt durch IASB (2006-e), S. 5. 866 Hinsichtlich der Neubewertungsmethode wird auf IAS 16 verwiesen. Vgl. IASB (2006-d), S. 3. 867 Vgl. IASB (2006-g), S. 1. 862

IV. Ansätze zur Differenzierung der Rechnungslegungsanforderungen

319

sen ohne Verweise verständliche IFRS für SME.868 Hinsichtlich des Aussagegehaltes eines so ermittelten Vermögens und Gewinnes gelten die in den Unterabschnitten zu Abschnitt D.III.1. dargelegten Einschränkungen im Wesentlichen analog.

2. Großbritannien: Deregulierung und Financial Reporting Standard for Smaller Entities (FRSSE) Aus einer rechtsvergleichenden Betrachtung der Regulierung und Differenzierung der Rechnungslegung können möglicherweise Erfahrungen hinsichtlich des Anwendungsbereiches primär investororientierter Rechnungslegungsregeln, entsprechender Erleichterungen solcher Regeln für bestimmte Unternehmen sowie mögliche Befreiungen von der handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht gewonnen werden. Vor dem Hintergrund, dass die IFRS-Rechnungslegung in großen Teilen angloamerikanische Elemente enthält, interessiert die Regulierung bzw. Differenzierung der Rechnungslegung in Ländern mit im weitesten Sinne angloamerikanischer Rechnungslegungskonzeption. Dabei kommt der Betrachtung der Normierungs- bzw. Differenzierungsansätze in Großbritannien als EU-Mitgliedstaat eine besondere Bedeutung zu: Wie bereits angesprochen, ist die vom IASB verfolgte Strategie, ausgehend von vollumfänglichen Standards Erleichterungen für bestimmte Unternehmen vorzusehen, bereits in Großbritannien bezüglich der dort geltenden nationalen Standards umgesetzt worden.869 Wesentliches Charakteristikum der Regulierung der Rechnungslegung in Großbritannien ist, dass die handels- bzw. gesellschaftsrechtliche Rechnungslegungspflicht nach eigener Rechtspersönlichkeit (d. h. juristischen Personen)870 und (rechtlicher) Haftungsbegrenzung – und damit nach der Rechtsform – der Unternehmen differenziert: Eine entsprechende gesetzliche Pflicht zur Jahresabschlusserstellung besteht ausschließlich für Kapitalgesellschaften (registered companies) sowie haftungsbeschränkte Personengesellschaften, die über keine natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter verfügen (qualifying partnerships871, limited liability partnerships872). Für Einzelunternehmen (sole ___________ 868

Vgl. DRSC (2006). Siehe hierzu Abschnitt D.IV.1. der vorliegenden Arbeit. 870 Hinsichtlich des Kriteriums der eigenen Rechtspersönlichkeit siehe etwa Hueck, G./Windbichler, C. (2003), § 2 Rn. 7. 871 Konzeptionell vergleichbar mit den deutschen Kapitalgesellschaften & Co., vgl. etwa Eierle, B. (2004-a), S. 266. 872 Dabei handelt es sich um eine im britischen Rechtskreis relativ neue Rechtsform mit eigener Rechtspersönlichkeit, welche die Haftungsbeschränkung der Gesellschafter 869

320

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

trader), Personengesellschaften mit voll haftenden natürlichen Personen als Gesellschafter (general partnerships)873 sowie Personengesellschaften mit Vollund Teilhaftern (limited partnerships)874 ist hingegen keine gesetzliche Verpflichtung zur Erstellung eines Jahresabschlusses normiert.875 Ein Großteil der Unternehmen unterliegt also – im Gegensatz zu Deutschland – keiner handels- bzw. gesellschaftsrechtlich verpflichtenden Abschlusserstellung.876 Die Rechnungslegung für handelsrechtliche Zwecke dieser Unternehmen ist somit der Privatautonomie der Marktakteure überlassen. Für die gesetzlich nicht zur handelsrechtlichen Rechnungslegung verpflichteten Personenunternehmen besteht aber dennoch die Notwendigkeit einer Rechnungslegung: Alle Unternehmen müssen zum einen für steuerliche Zwecke, Gesellschaften müssen zum anderen auch aufgrund der gemeinschaftlichen Verfügung der Gesellschafter über das Gesellschaftsvermögen sowie der gemeinsamen persönlichen Haftung Bücher führen.877 Bei den gesetzlich nicht zu einer handelsrechtlichen Rechnungslegung verpflichteten Personengesellschaften wird eine gesellschaftsrechtliche Rechnungslegungspflicht in der Regel im Rahmen des Gesellschaftsvertrages vereinbart, in dem üblicherweise auch die anzuwendenden Rechnungslegungsnormen festgelegt werden. Dabei wird vielfach auf die steuerliche Gewinnermittlung zurückgegriffen, so dass diese Unternehmen in der Praxis häufig lediglich über eine steuerliche Rechnungslegung verfügen.878 Für die gesetzlich zur handelsrechtlichen Rechnungslegung verpflichteten Unternehmen bilden die Rechnungslegungsvorschriften des Companies Act (CA) die zentrale Gesetzesgrundlage. Diese Vorschriften, die grundsätzlich nur für Kapitalgesellschaften unmittelbare Gültigkeit besitzen, sind aufgrund entsprechender Verordnungen auch für haftungsbeschränkte Personengesellschaf___________ auf ihre Einlage als typischem Vorzug einer Kapitalgesellschaft mit Elementen einer Personengesellschaft verbindet. Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 272 f. 873 Konzeptionell vergleichbar mit der deutschen GbR und OHG, vgl. etwa Eierle, B. (2004-a), S. 265. 874 Konzeptionell vergleichbar der deutschen KG, vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 267. 875 Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 263 f. und S. 270 f. und S. 471. Im Gegensatz zu Kapitalgesellschaften sowie nur beschränkt haftenden Personengesellschaften besitzen die Unternehmensformen der general partnerships und der limited partnerships vergleichbar dem sole trader keine selbstständige Rechtsfähigkeit und zählen damit nicht zu den juristischen Personen. Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 265 und S. 268, jeweils mit weiteren Ausführungen zu den gesellschaftsrechtlichen Regelungen. 876 Nach Daten des britischen Wirtschaftsministeriums beträgt der Anteil dieser Unternehmen für das Jahr 2000 rd. 80 %, vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 276. 877 Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 270 f. 878 Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 471.

IV. Ansätze zur Differenzierung der Rechnungslegungsanforderungen

321

ten anzuwenden. Hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung des zu erstellenden Jahresabschlusses findet in Anlehnung an die Vierte EG-Richtlinie eine Differenzierung zwischen kleinen, mittelgroßen und großen Unternehmen statt.879 Dabei beziehen sich die größenspezifischen Erleichterungen analog zur EG-Richtlinie ausschließlich auf den Umfang der darzustellenden Informationen sowie den Detaillierungsgrad, der CA enthält jedoch keinerlei größenspezifischen Differenzierungen bezüglich der Bilanzansatz- und -bewertungsgrundsätze.880 Die Größenkriterien werden ergänzt durch die Unterscheidung in public und private companies sowie um rechtsformspezifische Merkmale.881 Dabei besteht nach dem CA das wesentliche Abgrenzungsmerkmal zwischen public und private companies darin, dass private companies die öffentliche Ausgabe von Gesellschaftsanteilen (shares) und Schuldtiteln (debentures) verboten ist.882 Daneben verfügt Großbritannien auch über eine privatrechtlich organisierte Normengebung, welche die zweite wesentliche Säule der Normierung der han___________ 879 Größenklassen für Kapital- bzw. diesen gleichgestellte Personengesellschaften im CA:

Kleine Gesellschaften

Mittelgroße Gesellschaften

Große Gesellschaften

Umsatzerlöse

” 5,6 Mio. Brit. Pfund ” 22,8 Mio. Brit. Pfund > 22,8 Mio. Brit. Pfund

Bilanzsumme

” 2,8 Mio. Brit. Pfund ” 11,4 Mio. Brit. Pfund > 11,4 Mio. Brit. Pfund

Anzahl Mitarbeiter

(ca. 8,18 Mio. Euro)

(ca. 33,32 Mio. Euro)

(ca. 33,32 Mio. Euro)

(ca. 4,09 Mio. Euro)

(ca. 16,66 Mio. Euro)

(ca. 16,66 Mio. Euro)

” 50

” 250

> 250

Vgl. sec. 247 (3) CA; Wechselkurs 1 Euro = 0,68430 Brit. Pfund (Stand: 31.01.2006). Gemäß sec. 247 (3) CA müssen mindestens zwei der oben aufgeführten Größenkriterien an zwei aufeinander folgenden Abschlussstichtagen erfüllt sein, um einer Größenklasse zuzugehören. 880 Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 405. 881 Darüber hinaus bestehen Sonderregelungen für bestimmte Branchen. Hierzu sowie hinsichtlich eines Überblicks der Differenzierungsebenen des CA siehe Eierle, B. (2004-a), S. 317 ff., S. 322 und S. 475 f. 882 Vgl. sec. 81 CA. Eine Differenzierung nach unmittelbar an der Unternehmenskomplexität anknüpfende Merkmale, wie einer Trennung zwischen Eigentum und Geschäftsführung, Anzahl der Anteilseigner etc., findet sich in der derzeitigen Fassung des CA nicht. Dies wird zum Teil auf die Schwierigkeit der Festlegung eindeutiger Definitionskriterien zurückgeführt. So Eierle, B. (2004-a), S. 321.

322

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

delsrechtlichen Rechnungslegung darstellt. Hierzu zählen insbesondere die vom britischen privaten Standard Setter erlassenen Accounting Standards sowie die von der Urgent Issues Task Force (UITF) des Accounting Standards Board (ASB) entwickelten UITF Abstracts.883 In diesen Normen spiegelt sich die Rechtstradition des common law wider: Die gesetzlichen Vorschriften zur materiellen Ausgestaltung der Abschlusserstellung beschränken sich auf die Bestimmung grundlegender Anforderungen, insbesondere die Vermittlung eines true and fair view, während die inhaltliche Ausfüllung des gesetzlichen Rahmens der Rechnungslegungspraxis dem privaten Standardsetter sowie der Urteilsfindung der Gerichte überlassen wird.884 Im Gegensatz zu den Vorschriften des CA sind die Rechnungslegungsnormen des Standardsetters für diejenigen Unternehmen verpflichtend, deren Abschluss dem Prinzip des true and fair view entsprechen muss. Dies sind zum einen alle gesellschaftsrechtlich zur Rechnungslegung verpflichteten Unternehmen. Zum anderen gehören aber auch all jene Unternehmen dazu, die sich freiwillig oder aufgrund satzungsmäßiger oder sonstiger vertraglicher Vereinbarungen zu einer dem Grundsatz des true and fair view genügenden Abschlusserstellung verpflichtet haben.885 Letztere sind grundsätzlich ausschließlich zur Beachtung der Accounting Standards sowie der UITF Abstracts verpflichtet.886 Die Accounting Standards dienen also einerseits der Konkretisierung der gesetzlichen Bestimmungen, andererseits stellen sie die alleinige Normierungsgrundlage für sämtliche nicht unter den Anwendungsbereich des CA fallenden, aber dennoch nach dem Grundsatz des true and fair view rechnungslegenden Unternehmen dar.887 Die primäre Zwecksetzung der gesetzlichen Abschlusserstellung in Großbritannien ist die Vermittlung eines true and fair view, also die Bereitstellung realitätsgetreuer Informationen der Unternehmenssituation. Die Ermittlung des ausschüttbaren Betrages erfolgt für companies angesichts der Informationsorientierung des Jahresabschlusses nicht im Rahmen der bilanziellen Gewinnermittlung, sondern aufgrund einer periodisch fortzuschreibenden Ausschüttungsrechnung. Dabei ist Ausgangsgrundlage für die Ermittlung des ausschüttbaren Betrages das nach den Vorschriften des CA sowie den Accounting Standards erstellte Jahresergebnis; dieses ist zur Ermittlung der realised profits and losses ___________ 883

Zu den Accounting Standards gehören nach der Legaldefinition des CA die vom ASB entwickelten Financial Reporting Standards (FRS) als auch die von dessen Vorgängergremium erlassenen Statements of Standard Accounting Practice (SSAP), sofern diese noch gültig sind. 884 Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 236 f. 885 Vgl. Eierle, B. (2004-b), S. 987. 886 Vgl. auch Eierle, B. (2004-a), S. 293. 887 Einen zusammenfassenden Überblick über die Normierungsgrundlagen der externen Unternehmensberichterstattung in Großbritannien gibt Eierle, B. (2004-a), S. 293.

IV. Ansätze zur Differenzierung der Rechnungslegungsanforderungen

323

zu modifizieren.888 Dabei werden einige Korrekturen unmittelbar vom CA vorgegeben (so sind etwa Entwicklungskosten stets als realised losses zu behandeln);889 weitere Hinweise zu Korrekturen finden sich in den vom Institute of Chartered Accountants in England and Wales in Zusammenarbeit mit dem Institute of Chartered Accountants of Scotland erlassenen Richtlinien.890 Da diese Richtlinien allerdings keine Rechtsverbindlichkeit besitzen, ist in Großbritannien die Ermittlung des ausschüttungsfähigen Gewinnes mit einer gewissen Rechtsunsicherheit behaftet.891 Auch die Anforderungen an die Prüfung und Offenlegung von gesellschaftsrechtlich zur Rechnungslegung verpflichteten Unternehmen werden nach Rechtsform, Größenkriterien und Branche differenziert: So besteht für sämtliche gesellschaftsrechtlich zur Rechnungslegung verpflichteten Unternehmen grundsätzlich zugleich auch eine Pflicht zur Durchführung einer Abschlussprüfung. Von dieser generellen Prüfungspflicht befreit sind jedoch sehr kleine Unternehmen, deren Umsatzerlöse 1 Mio. Brit. Pfund nicht übersteigen und deren Bilanzsumme kleiner als 1,4 Mio. Brit. Pfund ist, es sei denn, diese erfüllen bestimmte rechtsform-, branchen- oder tätigkeitsspezifische Merkmale. Durch diese Einschränkungen der Prüfungsbefreiung soll verhindert werden, dass Unternehmen von einer solchen Befreiung Gebrauch machen können, an deren Jahresabschlussinformationen aufgrund deren Möglichkeit zur öffentlichen Kapitalmarktinanspruchnahme, Branchenzugehörigkeit oder Tätigkeit ein allgemeines öffentliches Interesse besteht.892 Daneben sind alle gesellschaftsrechtlich rechnungslegungspflichtigen Unternehmen grundsätzlich auch zur Hinterlegung ihres Jahresabschlusses beim Unternehmensregister verpflichtet. Im Hinblick auf Umfang und Detaillierungsgrad der gegenüber der Öffentlichkeit offen zu legenden Informationen bestehen in Anlehnung an die Vierte EGRichtlinie Publizitätserleichterungen für nach dem CA als „klein“ oder „mittelgroß“ zu qualifizierende Unternehmen.893 ___________ 888

Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 360 ff. Vgl. sec. 269 (2) CA. 890 Vgl. Institute of Chartered Accountants in England and Wales/Institute of Chartered Accountants in Scotland (2003). Hierauf sowie auf den vorliegenden Änderungsentwurf hierzu (siehe Institute of Chartered Accountants in England and Wales/Institute of Chartered Accountants in Scotland (2005)) wird im Folgenden nicht näher eingegangen. 891 Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 362. 892 Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 437 ff. und S. 474. 893 Von der Publizitätspflicht ausgenommen sind aufgrund ihrer unbeschränkten Haftung ausschließlich Unternehmen in der Rechtsform der unlimited company als Kapitalgesellschaft mit unbeschränkter Haftung. Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 240 ff., S. 449 ff. und S. 476. 889

324

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

Nachdem die Accounting Standards stetig komplexer geworden sind und deren Anwendung dadurch – insbesondere für kleinere Unternehmen – zunehmend mit mehr Aufwand verbunden ist, hat das ASB für kleine Unternehmen, welche die Größenmerkmale des CA für „small companies“ erfüllen, nicht als „public“ zu qualifizieren sind sowie bestimmten, insbesondere branchenspezifischen Voraussetzungen genügen,894 einen eigenen Rechnungslegungsstandard, den Financial Reporting Standard for Smaller Entities (FRSSE) entwickelt. Dabei war das ASB allerdings an den für alle companies geltenden Grundsatz des true and fair view gebunden.895 Darüber hinaus bestehen Bedenken, dass abweichende Rechnungslegungsmethoden für kleine Unternehmen Inkonsistenzen zwischen dem FRSSE und den übrigen Accounting Standards sowie den UITF Abstracts fördern und dadurch leichter zu Fehlinterpretationen bei den Rechnungslegungsadressaten führen können. Aus diesen Gründen hat das ASB den FRSSE eng an die für große Unternehmen relevanten Ansatz-, Bewertungs- und Offenlegungsnormen angelehnt, um eine zwischen großen und kleinen Unternehmen grundsätzlich konsistente Rechnungslegung zu ermöglichen (top-down approach orientierte Modifizierungsstrategie).896 Dabei hat das ASB versucht, durch den Verzicht auf eine Übernahme von Ausnahmeregelungen einen auf wenigen Seiten zusammengefassten, einfach handhabbaren Rechnungslegungsstandard bereitzustellen, der dem Großteil aller Anwendungsfälle gerecht wird.897 Bei kleinen Unternehmen gilt ebenso wie bei großen die Informationsfunktion als primäre Zwecksetzung der Rechnungslegung. Allerdings wird im FRSSE hervorgehoben, dass bei kleinen Unternehmen die Anforderungen der Rechnungslegungsadressaten und die Gewichtung der beiden genannten Informationszwecke – Rechenschaftslegung der Geschäftsführung gegenüber den Eigenkapitalgebern versus Information als Instrument für wirtschaftliche Entscheidungen – von denen der übrigen Unternehmen abweichen.898 Der FRSSE enthält keine wesentlichen Abweichungen von den materiellen Rechnungslegungsmethoden der generellen FRS und UITF Abstracts.899 Mit Hilfe dieser auf Konsistenz zielenden Modifizierungsstrategie soll die Realisierung von Netzwerkeffekten zumindest teilweise ermöglicht werden und gleichzeitig bis zu einem gewissen Ausmaß den individuellen Gegebenheiten Rechnung getragen werden. Ein wesentlicher Vorteil einer solchen ___________ 894 Vgl. Part B, par. 7(a), 8 FRSSE. Wesentliches Unterscheidungskriterium zwischen public und private companies ist, dass private companies die öffentliche Ausgabe von Gesellschaftsanteilen oder Schuldtiteln untersagt ist. 895 Vgl. Part B, par. 1.1 FRSSE. 896 Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 472. 897 Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 408. 898 Vgl. Part A, par. 1 FRSSE. 899 Vgl. General 5 (a) FRSSE.

IV. Ansätze zur Differenzierung der Rechnungslegungsanforderungen

325

Modifizierungsstrategie besteht auch darin, dass ein in sich konsistentes Rechnungslegungssystem geschaffen wird, das es den Unternehmen ermöglicht, sich sukzessiv in zunehmende Rechnungslegungsanforderungen hineinzuentwickeln.900 Die Erleichterungen des FRSSE betreffen überwiegend bestimmte Angaben sowie die Verwendung einer einfacheren Sprache und das Weglassen zahlreicher Anwendungshinweise, um die Lesbarkeit der Normen zu vereinfachen. Die Ansatz- und Bewertungsnormen des FRSSE weichen nur in wenigen Ausnahmen von denen der FRS bzw. von den anderen Regelungen ab.901 So ist nach dem FRSSE die Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögenswerte im Gegensatz zu den vollumfänglichen FRS generell verboten.902 Das ASB hat diese Abweichung damit begründet, dass solche Vermögenswerte in der Praxis lediglich selten über einen verlässlich ermittelbaren Marktwert verfügen und deshalb mangels entsprechender Praxisrelevanz zugunsten eines kompakten, einfach anwendbaren Standards auf eine Übernahme des Aktivierungswahlrechts in den Standard für kmU verzichtet wird.903 Ferner ist die maximale Nutzungsdauer für aktivierte immaterielle Vermögenswerte auf einen Höchstwert beschränkt, so dass die Notwendigkeit einer Spezifizierung der Indikatoren sowie die Notwendigkeit zur Durchführung von impairment tests (Niederstwerttests) entfällt.904 Ähnlich argumentiert das ASB auch hinsichtlich des im FRSSE festgesetzten Verbotes einer Neubewertung immaterieller Vermögenswerte.905

___________ 900

Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 58. Jede Abweichung des FRSSE von den materiellen Bilanzansatz- und Bewertungsnormen der FRS und UITF Abstracts werden vom ASB anhand eines seinem Differenzierungskonzept zugrunde liegenden Kriterienkataloges überprüft. Das ASB weist darauf hin, dass v. a. Abweichungen bezüglich der Ansatz- und Bewertungsnormen leicht zu Missinterpretationen und Verständnisschwierigkeiten der Rechnungslegungsadressaten führen können. Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 406. 902 Vgl. Part B, par. 6.11 FRSSE. Nach FRS 10 hingegen ist die Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögenswerte in Ausnahmefällen erlaubt, wenn diese über einen verlässlichen Marktwert verfügen; vgl. Appendix V (derivation tables in respect of accounting standards) FRSSE, page 175; Appendix VI (simplifications in the FRSSE) FRSSE, page 218. 903 Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 407. 904 Vgl. Part B, par. 6.13 FRSSE; hinsichtlich der Gegenüberstellung der Regelung in FRS 10 vgl. Appendix V (derivation tables in respect of accounting standards) FRSSE, page 176; vgl. auch Eierle, B. (2004-a), S. 408 f. 905 Vgl. Part B, par. 6.16 FRSSE; hinsichtlich der Gegenüberstellung der Regelung in FRS 10 vgl. Appendix V (derivation tables in respect of accounting standards) FRSSE, page 177. 901

326

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

Bei Sachanlagen ist demgegenüber eine Neubewertung zulässig. Im Gegensatz zu den FRS wird nicht zwischen Immobilien und sonstigem Sachanlagevermögen unterschieden; als Bewertungsmaßstab für eine Neubewertung ist generell der Marktwert oder dessen beste Schätzung maßgeblich. Sofern diese(r) jedoch nicht als zweckadäquat betrachtet wird, ist der niedrigere Wert aus erzielbarem Betrag und Wiederbeschaffungskosten anzusetzen.906 Ferner wurde für Vermögenswerte des Sachanlagevermögens im Unterschied zu den vollumfänglichen FRS auf eine Verpflichtung zur Durchführung jährlicher Niederstwerttests sowie auf eine Berücksichtigung sehr spezifischer Einzelsachverhalte verzichtet.907 Bezüglich der Finanzinstrumente wurden teilweise Normen zu komplexeren Finanzinstrumenten nicht in den FRSSE übernommen.908 Vorräte sind analog zu SSAP 9 mit ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder bei Wertminderungen zum niedrigeren realisierbaren Nettoveräußerungserlös zu bewerten.909 Im Bereich der Rückstellungen wurden zur Gewährung von Erleichterungen zum Teil bestimmte detaillierte Vorschriften sowie spezifische Einzelvorschriften zur Konkretisierung rückstellungsbedingter Sachverhalte weggelassen. So wurde etwa auf die Übernahme der Vorschriften des FRS 12 zur Ermittlung des Diskontierungszinssatzes verzichtet. Stattdessen kann nach den FRSSE auf den Marktzins entsprechender Regierungsanleihen zurückgegriffen werden.910 Bei Altersversorgungsverpflichtungen wurden stark ins Detail gehende, spezifische Bilanzierungs- und Bewertungsanforderungen sowie entsprechende Anwendungshinweise nicht übernommen.911 Weitere Vereinfachungen gegenüber den ___________ 906 Vgl. Part B, par. 6.23 FRSSE. Hierdurch entfällt die Übernahme einer Reihe von detaillierten Bewertungsregelungen für bestimmte Sachanlagen. Hinsichtlich der Gegenüberstellung der Regelung in FRS 15 vgl. Appendix V (derivation tables in respect of accounting standards) FRSSE, page 178. 907 Vgl. Part B, par. 6.40 FRSSE; danach sind die Restbuchwerte und Restnutzungsdauern der Sachanlagen regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Hinsichtlich der Gegenüberstellung der Regelung in FRS 15 vgl. Appendix V (derivation tables in respect of accounting standards) FRSSE, page 179. 908 Vgl. Part B, par. 12 FRSSE und Appendix VI (simplifications in the FRSSE) FRSSE, page 214 f. Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 417 f. 909 Vgl. Part B, par. 8.1 FRSSE; Appendix V (derivation tables in respect of Accounting Standards), page 185. 910 Vgl. Part B, par. 11.2 FRSSE; hinsichtlich der Gegenüberstellung der Regelung in FRS 12 vgl. Appendix VI (simplifications in the FRSSE) FRSSE, page 220; vgl. auch Eierle, B. (2004-a), S. 418 f. 911 Vgl. Part B, par. 10 FRSS; hinsichtlich der Gegenüberstellung der Regelung in FRS 17 vgl. Appendix VI (simplifications in the FRSSE) FRSSE, page 223 und Appendix V (derivation tables in respect of accounting standards) FRSSE, page 188; vgl. auch Eierle, B. (2004-a), S. 419 f.

IV. Ansätze zur Differenzierung der Rechnungslegungsanforderungen

327

vollumfänglichen FRS wurden etwa hinsichtlich der Informationsangaben und Ausweisanforderungen zu latenten Steuern vorgenommen.912 Im Rahmen einer solchen Strategie können die Interessen der Rechnungslegungsadressaten kleiner und mittlerer Unternehmen lediglich insofern berücksichtigt werden, als die daraus resultierenden Rechnungslegungsanforderungen im Grundsatz nicht mit den „großen“ Accounting Standards konfligieren.913 Bei solchermaßen „vereinfachten“ Rechnungslegungsnormen stellt sich mit Blick auf deren Nutzen insbesondere die Frage, welches konkrete Abbildungsziel, d. h. welcher Aussagegehalt mit den Ansatz- und Bewertungsnormen erzielt werden soll. Die Annäherung an ein Effektivvermögen wird neben den in Abschnitt D.III.1.b) ausgeführten generellen Einschränkungen, ein solches Vermögen näherungsweise durch Bilanz und GuV-Rechnung im Rechtssinne zu bestimmen, durch bestimmte „Vereinfachungsvorschriften“ noch weiter eingeschränkt. Hier sind z. B. das generelle Aktivierungsverbot selbst erschaffener immaterieller Vermögenswerte sowie auch das allgemeine Neubewertungsverbot bei immateriellen Vermögenswerten zu nennen. Ebenso wenig wird ein veräußerungsfähiges Vermögen i. S. d. Einzelveräußerungsstatik ermittelt. Auch die Aussagekraft des entsprechend ermittelten Gewinnes ist nicht klar; die bezüglich der Zeitbewertung nach IFRS vorgenommene Kritik gilt hier entsprechend. Die Erleichterungen, die aus der Anwendung der FRSSE gegenüber einer Rechnungslegung nach den FRS resultieren, sind einer empirischen Untersuchung zufolge eher als gering einzustufen.914 Da die im FRSSE enthaltenen „Vereinfachun___________ 912 Vgl. Part B, par. 9 FRSSE; hinsichtlich der Gegenüberstellung der Regelung in FRS 19 vgl. Appendix VI (simplifications in the FRSSE) FRSSE, page 225 und Appendix V (derivation tables in respect of accounting standards) FRSSE, page 186 f.; vgl. auch Eierle, B. (2004-a), S. 415 f. 913 Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 351. 914 Vgl. Fearnley, S./Hines, T. (2003), S. 22 und S. 26: Diese führten im Jahr 2002 Interviews mit „Rechnungslegungsexperten“ unterschiedlicher Gruppen durch: Befragt wurden fünf Mitglieder der Gesetzgebung, zwei Wirtschaftsprüfer der „Big-Four-Wirtschaftsprüfungsgesellschaften“, jeweils ein Wirtschaftsprüfer einer mittleren und einer kleinen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, ein Geschäftsführer einer börsennotierten und ein Geschäftsführer einer großen nicht börsennotierten Gesellschaft. Dabei haben gerade die Wirtschaftsprüfer der kleinen und der mittleren Prüfungsgesellschaft die Kosteneinsparung bei Anwendung der FRSSE gegenüber den voll umfänglichen Standards als gering eingestuft. Aufgrund des sehr geringen Umfangs der Befragungsteilnehmer ist die Aussagekraft dieser Ergebnisse jedoch sehr stark eingeschränkt. Diese Untersuchung hat sich zwar nicht auf die im Januar 2005 überarbeitete, sondern eine ältere Fassung der FRSSE bezogen. Die überarbeitete Fassung vom Januar 2005 unterscheidet sich jedoch hinsichtlich der hier dargestellten Ansatz- und Bewertungsvorschriften nicht von der älteren Fassung aus 2002. Die Regelungen aus der Fassung von 2002 wurden ganz überwiegend übernommen, die Änderungen resultieren

328

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

gen“ zum Teil über die nach dem Entwurf der IFRS für SME hinausgehen,915 ist zu vermuten, dass die aus einer Anwendung der IFRS für SME resultierenden potenziellen Erleichterungen nach dem derzeitigen Entwurf ebenfalls eher als gering einzuschätzen wären.

3. USA: weit reichende Deregulierung und Differenzierung nach Kapitalmarktorientierung Als weiterer Rechtsvergleich wird im Folgenden die Regulierungs- bzw. Differenzierungskonzeption in den USA herangezogen. In den USA hängen die Rechnungslegungspflichten der Unternehmen entscheidend davon ab, ob die jeweilige Unternehmung den öffentlichen Kapitalmarkt in Anspruch nimmt bzw. nehmen möchte oder nicht.916 Da die gesellschaftsrechtliche Gesetzgebungskompetenz in den USA grundsätzlich den Einzelstaaten obliegt, existiert kein bundeseinheitliches Gesellschaftsrecht. Trotzdem gibt es einzelne Bundesgesetze, die wesentlichen Einfluss auf die einzelstaatlichen gesellschaftsrechtlichen Regulierungen haben. Personengesellschaften (partnerships) unterliegen dem Revised Uniform Partnership Act (RUPA), welcher von beinahe allen Staaten fast vollständig übernommen wurde.917 Für Personengesellschaften ist im Gesellschaftsrecht generell keine Verpflichtung zur Aufstellung eines Jahresabschlusses festgeschrieben.918 Konkrete gesetzliche Vorschriften, welche im Detail regeln, wie die Bücher zu führen sind, existieren für Personenunternehmen nicht.919 Eine solche Pflicht kann jedoch im Gesellschaftsvertrag festgelegt werden. Für Kapitalgesellschaften (corporations) ist der RMBCA relevant.920 Bezüglich Kapitalge___________ primär aus der Umsetzung von Änderungen einzelner FRS. Zu den Änderungen siehe FRSSE (effective January 2005), Appendix VIII. 915 So beispielsweise bei dem generellen Verbot zur Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögenswerte ebenso wie bei dem Verbot einer Neubewertung immaterieller Vermögenswerte. 916 Vgl. Pellens, B./Fülbier, R. U./Gassen, J. (2006), S. 56. 917 Für Personengesellschaften wurde bereits 1911 der Uniform Partnership Act erlassen. Im Jahr 1994 wurde der Revised Uniform Partnership Act verabschiedet, welcher 1997 nochmals geändert wurde. Vgl. Pellens, B. (2001), S. 41. 918 Vgl. § 403 RUPA; siehe auch Pellens, B. (2001), S. 43. 919 Vgl. Schildbach, T. (2002), S. 7. 920 Der ursprüngliche Model Business Corporation Act (MBCA) wurde mehrmals modifiziert und in schließlich als Revised Model Business Corporation Act (RMBCA) herausgegeben. Dieser wurde allerdings von einigen Einzelstaaten mit stärkeren individuellen Änderungen übernommen, so dass hinsichtlich des Rechts der Kapitalgesellschaften zwischen den Einzelstaaten zum Teil noch erhebliche Unterschiede bestehen.

IV. Ansätze zur Differenzierung der Rechnungslegungsanforderungen

329

sellschaften bestehen zwar in manchen Bundesstaaten vereinzelt Rechnungslegungsvorschriften, diese engen den Handlungsspielraum der Gesellschaften jedoch nicht maßgeblich ein. Personen- und Kapitalgesellschaften legen somit häufig ausschließlich nach steuerlichen Vorschriften Rechnung. In welchem Umfang Kapitalgesellschaften vertraglich oder freiwillig nach US-GAAP Rechnung legen, ist nicht genau bekannt.921 Kapitalmarktorientierte Gesellschaften hingegen unterliegen in den USA der Regulierung des Wertpapierhandels mit der Folge der Rechnungslegung nach US-GAAP und der Überprüfung dieser Rechnungslegung durch die Securities and Exchange Commission (SEC). Welche Auflagen im Detail einzuhalten sind, hängt u. a. von dem Segment des US-Kapitalmarktes ab, auf dem der Handel geschieht oder geschehen soll sowie davon, ob es sich um den Primäroder den Sekundärmarkt handelt.922 Der Securities Act (SA) von 1933 enthält die wesentlichen Bestimmungen zur Regelung des Primärmarktes für die Ausgabe neuer „securities“, der Securities Exchange Act (SEA) von 1934 hingegen betrifft den Sekundärmarkt, d. h. den Handel mit bereits emittierten Wertpapieren.923 Der für das US-amerikanische Kapitalmarktrecht zentrale Begriff der „security“ wird in sec. 2 (1) SA definiert924 und geht deutlich über den deutschen Wertpapierbegriff hinaus. So bezieht sich der Begriff der securities auch auf nicht verbriefte Rechtspositionen der Kapitalanleger. Damit fällt etwa die Beteiligung an Personengesellschaften, wie z. B. einer limited partnership, ebenfalls in den sachlichen Anwendungsbereich des SA sowie der übrigen kapitalmarktrechtlichen Regelungen des amerikanischen Bundesrechts, die im

___________ Vgl. Pellens, B. (2001), S. 41; Merkt, H./Göthel, S. R. (2006), S. 144 ff., S. 171 f., diese geben auch einen kurzen Überblick über die historische Entwicklung des RMBCA. 921 Vgl. Schildbach, T. (2002), S. 8. 922 Vgl. Schildbach, T. (2002), S. 8 f. 923 Vgl. Schildbach, T. (2002), S. 66 f.; Pellens, B./Fülbier, R. U./Gassen, J. (2006), S. 849 f. 924 Sec. 2 (1) SA: „The term ,security‘ means any note, stock, treasury stock, security future, bond, debenture, evidence of indebtedness, certificate of interest or participation in any profit-sharing agreement, collateral-trust certificate, preorganization certificate or subscription, transferable share, investment contract, voting-trust certificate, certificate of deposit for a security, fractional undivided interest in oil, gas, or other mineral rights, any put, call, straddle, option, or privilege on any security, certificate of deposit, or group or index of securities (including any interest therein or based on the value thereof), or any put, call, straddle, option, or privilege entered into on a national securities exchange relating to foreign currency, or, in general, any interest or instrument commonly known as a ,security‘, or any certificate of interest or participation in, temporary or interim certificate for, receipt for, guarantee of, or warrant or right to subscribe to or purchase, any of the foregoing.“

330

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

Wesentlichen einen mit der Legaldefinition des sec. 2 (1) SA übereinstimmenden Begriff der securities verwenden.925 Die US-GAAP sind somit nur für kapitalmarktorientierte Unternehmen einer bestimmten Größe verbindlich, die ihre Eigen- und/oder Fremdkapitaltitel über den öffentlichen Kapitalmarkt handeln lassen, davon ausgenommen sind Kleinunternehmen sowie Unternehmen, welche sich zur Aufnahme von Kapital lediglich an einen kleinen Investorenkreis wenden.926 Der Aufsicht der SEC und damit den Rechnungslegungsanforderungen nach US-GAAP unterliegen ungefähr nur 12 000 Gesellschaften.927 Entsprechend wurde in den USA von Unternehmen, die nicht der Aufsicht der SEC unterliegen, schon vor einiger Zeit die Forderung nach „little GAAP“, also nach vereinfachten Rechnungslegungsregeln erhoben.928 Die Bestrebungen des FASB bzw. des American Institute of Certified Public Accountants (AICPA) zur Entwicklung von „little GAAP“ für nicht kapitalmarktorienterte Unternehmen, welche zunächst nicht weiterverfolgt wurden, wurden in jüngerer Zeit wieder aufgenommen.929 So wurde vom FASB und AICPA gemeinsam ein Vorschlag zum „Financial Accounting and Reporting Standard-Setting Process for Private Companies“ veröffentlicht.930 Aufgrund des rechtlichen Hintergrundes der Rechnungslegung nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen in den USA, wonach gesellschaftsrechtlich wie dargestellt nur wenige und zudem in den einzelnen Bundesstaaten unterschiedliche Regelungen bestehen, sind diese Bemühungen für die Entwicklung von IFRS für SME jedoch nach hier vertretener Auffassung eher nicht relevant.931

V.Zwischenfazit Zwischenfazit

Der überlegene Informationswert der IFRS – gleichermaßen für Investoren wie andere Rechnungslegungsinteressenten – ist die zentrale These, mit der die Vorteilhaftigkeit dieses Rechnungslegungssystems von einem Teil der Literatur und Praxis begründet wird.932 Bei Beurteilung der beiden Rechnungslegungssysteme HGB und IFRS anhand der herausgearbeiteten Kriterien wurden jedoch sowohl bezüglich einer Rechnungslegung nach HGB als auch nach IFRS ___________ 925

Vgl. Kiel, P. (1994), S. 22 f. Hinsichtlich einer genaueren Darstellung siehe Schildbach, T. (2002-b), S. 9 f. 927 Vgl. Kieso, D. E./Weygandt, J. J./Warfield T. D. (2001), S. 7. 928 Vgl. Kieso, D. E./Weygandt, J. J./Warfield T. D. (2001), S. 17. 929 Vgl. Rückle, D. (2007), S. 238. 930 Vgl. FASB and AICPA (2006). 931 Vgl. auch Rückle, D. (2007), S. 238. 932 Siehe hierzu bereits Abschnitt A.II. der vorliegenden Arbeit. 926

V. Zwischenfazit

331

Schwachstellen festgestellt, welche die Erfüllung der Informationszwecke jeweils erheblich beeinträchtigen. Ein generell höherer Informationswert einer IFRS-Rechnungslegung konnte weder auf Basis der Beurteilungskriterien noch anhand der Ergebnisse empirischer Untersuchungen eindeutig belegt werden. Wie im Rahmen der Interessenanalyse hergeleitet, sind Gläubiger und Eigner an Informationen über Erfolgskraft und Liquidität eines Unternehmens interessiert. Gläubiger wie auch Anteilseigner, welche unbeschränkt haften, werden zudem in der Regel ein Interesse an Informationen über das Schuldendeckungspotenzial bzw. hilfsweise an der gegenwärtigen Höhe und Zusammensetzung des Vermögens und der Schulden bzw. des Eigenkapitals eines Unternehmens haben. Dabei liegt die Vermutung nahe, dass mit Blick auf den Zweck des Haftungspotenzials v. a. auch dem vollständigen Ausweis der Schulden eine besondere Bedeutung zukommt. Die beiden Rechnungslegungssysteme unterscheiden sich hinsichtlich ihrer jeweiligen Rechnungslegungszwecke bzw. -ziele: Während nach den Regelungen des HGB Bilanz und GuV-Rechnung v. a. auch der Ermittlung eines ausschüttungsfähigen Gewinnes dienen, sind die Ziele, welche die IFRS verfolgen, primär auf Unternehmen ausgerichtet, die sich über Wertpapiere an einem (geregelten) Kapitalmarkt finanzieren.933 Bei einer Rechnungslegung nach IFRS steht die Befähigung der Adressaten im Vordergrund, anhand der Jahresabschlussinformationen die künftigen Cashflows des Unternehmens vorauszusagen. Dabei geht das IASB davon aus, dass ein Jahresabschluss, der die Informationsanforderungen der Investoren erfüllt, zugleich auch den Informationsbedürfnissen der meisten anderen Adressaten entspricht.934 Daneben kommt der Bilanz nach IFRS zusätzlich, wie in Abschnitt D.III.1.a) dargestellt, die Aufgabe zu, möglichst wirklichkeitsgetreu über die Vermögenslage zu informieren. Aus diesem Grund sind in den IFRS ebenfalls „statische“ Elemente in Bezug auf die Vermögensdarstellung (v. a. in Form bestimmter Aktivierungsbeschränkungen) enthalten. Bei einer Rechnungslegung nach IFRS können die Ansatzkriterien der Wahrscheinlichkeit sowie der verlässlichen Schätzbarkeit zur Folge haben, dass für Sachverhalte, obwohl sie dem Rechnungslegenden bekannt sind, keine Schulden passiviert werden und somit stille Lasten gebildet werden. Dadurch kann es zu einer verzerrten Darstellung der Schuldenlage kommen. Auch hinsichtlich der zentralen Zielsetzung der IFRS, der Eignung für die Indikation künftiger Cashflows, weist die Fair-Value-Konzeption der IFRS Mängel auf, so ___________ 933 934

Vgl. auch Bohl, W., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 1 Tz. 29. Vgl. IASB-FW.10.

332

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

insbesondere durch die zum Teil erfolgswirksame Behandlung entsprechender Zeitwertdifferenzen. Bei einer HGB-Bilanzierung führen hingegen v. a. die Möglichkeiten zur Bildung stiller Rücklagen zu einer Einschränkung des Informationswertes der Jahresabschlüsse. Der Spielraum zur Schaffung stiller Rücklagen stellt keinen erhöhten Schutz, sondern vielmehr eine Gefährdung insbesondere der Gläubiger dar, da das Management die stille Auflösung stiller Rücklagen als „unerkannten Puffer zur Verschleierung von Unwirtschaftlichkeiten“935 nutzen kann. Einer Forderung nach der Aufhebung solcher stiller Rücklagen ist zuzustimmen. Neben diesen Aspekten, welche die konzeptionelle Eignung der unterschiedlichen Rechnungslegungsinformationen bzw. Zielgrößen als Entscheidungsgrundlage für die verschiedenen Adressaten betreffen, ist ferner ihre Verlässlichkeit für den Wert der zur Verfügung gestellten Informationen maßgeblich. Irrtums- oder manipulationsbehaftete Informationen hingegen können die Rechnungslegungsadressaten nicht schützen. Während es beim HGB insbesondere durch das Vorhandensein zahlreicher expliziter Wahlrechte sowie durch die Möglichkeit stiller Rücklagen zu Informationsverzerrungen kommt, werden dem Rechnungslegenden bei den IFRS angesichts des Zweckes der Bereitstellung entscheidungsrelevanter Informationen zahlreiche Ermessensspielräume eingeräumt.936 Diese Entobjektivierungen bedeuten eine Gefährdung sowohl der von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Anteilseigner als auch der Gläubiger. Dabei wiegen die Entobjektivierungen bei kleinen Kapital- und diesen gleichgestellten Personengesellschaften sowie bei den „typischen“ Personenunternehmen mit unbeschränkter Haftung, sofern sie nicht unter das PublG fallen (vgl. § 6 PublG), aufgrund der bei diesen nicht vorhandenen Prüfungspflicht besonders schwer. So fordern Fremdkapitalgeber angesichts des Bedarfes an verlässlichen Informationen bei handelsrechtlich nicht prüfungspflichtigen Unternehmen zum Teil die Vorlage von durch den Steuerberater „plausibilisierten“ Steuerbilanzen.937 Im Falle der verpflichtenden Einführung eines IFRS-Einzelabschlusses könnten diese Ermessensspielräume bei gesetzlich nicht prüfungspflichtigen Unternehmen möglicherweise zu einer faktischen Prüfungspflicht führen, indem Anteilseigner oder Gläubiger – sofern sie über eine entsprechende Verhandlungsposition verfügen – eine solche Prüfungspflicht vertraglich vereinbaren. ___________ 935

Siegel, T. (1997), S. 133. So auch Rammert, S. (2004), S. 586. 937 Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt D.I.2.d)(3) der vorliegenden Arbeit. 936

V. Zwischenfazit

333

Diese Ermessensspielräume sind v. a. auch mit Blick auf den nicht geregelten, „grauen“ Kapitalmarkt von besonderer Bedeutung. Wie dargestellt gilt eine Kapitalgesellschaft, welche einen geregelten Kapitalmarkt in Anspruch nimmt, stets als große, so dass sie prüfungspflichtig ist. Demgegenüber muss am „grauen“, d. h. am außerbörslichen Kapitalmarkt ein Emittent, welcher handelsrechtlich nicht zur Prüfung des Jahresabschlusses und gegebenenfalls des Lageberichts verpflichtet ist, im Prospekt lediglich auf die unterlassene Prüfung an herausgehobener Stelle hinweisen. Für potenzielle Anleger besteht angesichts solcher ungeprüfter, stark ermessensabhängiger Informationen sowie angesichts möglicherweise bestehender Missverständnisse über die betreffenden Rechnungslegungs- und sonstigen Informationen in besonderem Maße die Gefahr der adversen Selektion. Für von der Geschäftsführung ausgeschlossene Anteilseigner führen sie zu einer Beeinträchtigung der diesen im Rahmen der Wahrnehmung ihrer Verwaltungsrechte verbliebenen Möglichkeiten. Auf die mit Ermessensspielräumen verbundenen Gefahren für die Vermögens- bzw. Gewinnansprüche von Anteilseignern wird in Kapitel E. gesondert eingegangen. Wie dargestellt, können bei Publikumspersonengesellschaften die im Gesetz eingeräumten Kontrollrechte (z. B. § 166 HGB) in der Praxis durch entsprechende gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen zum Teil eingeschränkt werden. Bei mezzaninen Finanzierungsformen bestehen in der Regel938 – ebenso wie bei reinen Fremdkapitalfinanzierungen – ohnehin keine vergleichbaren gesetzlich geregelten persönlichen Einsichts- und Prüfungsrechte. Es ist zu vermuten, dass Eigen- wie Fremdkapitalgeber außerhalb des öffentlichen Kapitalmarktes im Rahmen persönlicher Vereinbarungen eine Pflicht zur Prüfung durch einen Abschlussprüfer vorsehen würden, sofern ihnen keine persönlichen Einsichts- und Prüfungsrechte zustehen würden. Mangels individueller Vereinbarungen am in der Regel anonymen Kapitalmarkt kommt einer Prüfungspflicht somit eine besondere Bedeutung zu. Dies gilt umso mehr, je größer die Ermessensspielräume sind, die ein Rechnungslegungssystem gewährt. Entsprechend sollte bei Unternehmen, die den nicht geregelten Kapitalmarkt in Anspruch nehmen, aus Gründen des Anlegerschutzes nach hier vertretener Auffassung die Einführung einer generellen Prüfungspflicht überlegt werden. Im Vergleich zu den Regelungen des HGB sind die IFRS weniger prinzipienorientiert und weisen angesichts einer Vielzahl detaillierter Einzelfallregelungen ein deutlich höheres Maß an Detaillierungsgrad und Komplexität auf. ___________ 938 Eine Sonderstellung nimmt, wie in Abschnitt C.III.2.b) dargestellt, die stille Gesellschaft ein.

334

D. Rechnungslegung zum Zweck der Informationsvermittlung

Dies ist v. a. hinsichtlich der Kosten, die den Unternehmen durch die Erfüllung der Rechnungslegungsanforderungen entstehen, von Bedeutung. Insgesamt ist festzuhalten, dass sich ein Informationsvorteil der IFRS für Gläubiger sowie für Anteilseigner nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteter, überwiegend mittelständischer Unternehmen somit logisch-deduktiv nicht begründen lässt. Im Rahmen der dargestellten empirischen Untersuchungen stimmen die dort befragten Kreditinstitute der Frage nach einem höheren Informationswert einer Rechnungslegung nach IFRS zwar zu. Die Frage, ob die Kreditinstitute künftig aufgrund veränderter Rating-Methoden verstärkt nach IFRS erstellte Abschlüsse einfordern würden, wurde von diesen jedoch nicht bestätigt. Selbst mit Blick auf die primäre Zielgruppe der IFRS – die Aktionäre und potenziellen Investoren am (geregelten) Kapitalmarkt – lässt sich ein höherer Informationswert einer Rechnungslegung nach IFRS gegenüber einer solchen nach HGB nicht nachweisen. Ergebnisse empirischer Informationsnutzenanalysen auf Basis kapitalmarktorientierter Ansätze kommen vielmehr zu dem Ergebnis, dass selbst am geregelten Kapitalmarkt eine Rechnungslegung nach IFRS nicht zu niedrigeren Eigenkapitalkosten führt. Neben der Beurteilung der grundsätzlichen Zweckmäßigkeit und Verlässlichkeit der beiden Rechnungslegungssysteme wurde ferner auch betrachtet, inwieweit die Regelungen der IFRS als Ausgangsbasis für eine Differenzierung der Rechnungslegungsanforderungen bezüglich nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteter, primär mittelständischer Unternehmen geeignet sind. Dabei kommt als Modifizierungsstrategie lediglich die Normierung von Erleichterungen in Betracht (top-down approach). Wie dargestellt beruhen die nach dem derzeitigen Stand des IASB vorgesehenen Erleichterungen für SME großteils lediglich auf dem Verzicht zur Übernahme detaillierter Einzelregelungen oder bestimmter Anhangsangaben. Bezüglich zahlreicher Sachverhalte wird auf die voll umfänglichen IFRS verwiesen. Die derzeit vorgesehenen Erleichterungen für SME sind nach hier vertretener Auffassung nicht weit reichend genug. Insbesondere die Verknüpfung zwischen den IFRS für SME und den vollumfänglichen IFRS durch die vorgesehenen Verweise erschwert eine einfache Verständlichkeit solcher Standards für SME. Die primäre Ausrichtung der IFRS auf die Bereitstellung von für Investoren entscheidungsrelevanten Informationen – und die damit verbundene Inkaufnahme größerer Ermessensspielräume – spiegelt sich maßgeblich in den zugrunde liegenden Periodisierungs- und Objektivierungs- sowie in den konkreten Ansatz- und Bewertungsvorschriften wider. Entsprechend sind auch die Erleichterungen relativ geringer Natur, die bei einem Festhalten an den generellen Ansatz- und Bewertungsvorschriften gewährt werden können. Insbesondere bleibt im Vergleich zu einem auf dem Ansatz von Vermögensgegenständen und einer Bewertung überwiegend zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten ba-

V. Zwischenfazit

335

sierten Rechnungslegungssystem die Problematik der stärkeren Entobjektivierungen bestehen. Hinzu kommt, dass die Informationen, die primär auf die Informationsinteressen von Investoren am geregelten Kapitalmarkt ausgerichtet sind, den Interessen anderer Adressaten wie gezeigt lediglich in Teilen gerecht werden.939 Bei einem stärkeren Abweichen von den generellen Ansatz- und Bewertungsgrundsätzen würde hingegen die Vergleichbarkeit der Abschlüsse verloren gehen. Auch der „Vorreiter“ des FRSSE in Großbritannien lässt die Vorgehensweise eines Top-down-Ansatzes zur Gewährung von Erleichterungen für bestimmte Unternehmen in einem kritischen Licht erscheinen. Im Rahmen der Frage nach möglichen Ansätzen zur Deregulierung bzw. Differenzierung der Rechnungslegungsanforderungen an unterschiedliche Unternehmen wurde ferner neben den Regelungen in Großbritannien auch die Regulierung der Rechnungslegung in den USA betrachtet. In beiden Ländern unterliegen Einzelunternehmer und Personengesellschaften mit ganz oder teilweise unbeschränkter Haftung keiner gesetzlichen Verpflichtung zur Erstellung eines Jahresabschlusses. In den USA sind darüber hinausgehend auch die Rechnungslegungsvorschriften für Kapitalgesellschaften nur vereinzelt gesetzlich geregelt, diese engen den Handlungsspielraum der Gesellschaften jedoch nicht wesentlich ein. Dort lässt sich eine klare Differenzierung der Rechnungslegungsanforderungen nach der Kapitalmarktorientierung der Unternehmen erkennen. Sowohl in Großbritannien als auch in den USA legen somit – zumindest „typische“ – Personenunternehmen häufig lediglich nach steuerlichen Vorschriften Rechnung. Für eine abschließende Beurteilung, inwieweit sich eine Rechnungslegung nach IFRS gegenüber einer solchen nach HGB im Jahresabschluss als zweckadäquat rechtfertigen lässt oder nicht, sind neben der Informationsfunktion im Folgenden auch die weiteren mit dem handelsrechtlichen Jahresabschluss verknüpften Zwecke zu betrachten.

___________ 939

Vgl. auch Hüttche, T. (2002), S. 1805.

E. Rechnungslegung zum Zweck der Anspruchsbemessung Rechnungslegung zum Zweck der Anspruchsbemessung

I. Analyse der Liquiditätssituation von kleinen und mittleren Unternehmen als „Eckpfeiler“ bezüglich der Ermittlung eines „entziehbaren“ Gewinnes Liquiditätssituation von kmU als „Eckpfeiler“ eines entziehbaren Gewinnes

Die Ermittlung eines „entziehbaren“ Gewinnes zur Erfüllung der Anspruchsbemessungszwecke steht im Spannungsfeld zwischen der Mindestausschüttung1 mit Blick auf die Anteilseigner einerseits und einer zum Zweck des Gläubigerschutzes maximalen Ausschüttungsgröße2 bei haftungsbeschränkten Unternehmen andererseits. Ferner ist die Frage nach dem „entziehbaren“ Gewinn auch bei der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage von Bedeutung. Der Begriff wird im Folgenden somit nicht nur für die Ermittlung einer Ausschüttungsgröße, sondern auch für die Konkretisierung der Anteilseigneransprüche bzw. eines entnehmbaren Betrages verwendet. Bei der Diskussion um unterschiedliche Gewinnermittlungsvorschriften wird bezüglich kmU zum Teil von einer „Eigenkapitallücke“ sowie von einer Notwendigkeit der Innenfinanzierung gesprochen und mit dieser Argumentation eine stille Rücklagenfinanzierung befürwortet.3 Sogar vom Bundesverfassungsgericht wird zugunsten stiller Rücklagen im Zusammenhang mit dem Gläubigerschutz aufgeführt, diese würden als „Mittel der Unternehmenssicherung und Konkursvorsorge“, als Schutz „gegen allgemeine wirtschaftliche Risiken“ und gegen „Wertschwankungen der bilanzierten Vermögensgegenstände“ sowie schließlich der Sicherung des „good will“4 des Unternehmens am Markt dienen. Eine solche Innenfinanzierung als Mittel der Unternehmenssicherung ließe sich jedoch grundsätzlich auch durch eine offene Rücklagenfinanzierung bewirken. Hierauf wird im Rahmen der Anforderungen an Rechnungslegungsnormen zur Ermittlung eines entziehbaren Gewinnes noch näher eingegangen.5 ___________ 1

Vgl. Moxter, A. (1984), S. 98 ff. Vgl. Moxter, A. (1984), S. 93 ff. 3 Für eine Beibehaltung der stillen Rücklagen für alle handelsrechtlichen Jahresabschlüsse siehe Deutsche Bundesbank (2002), S. 54; Küffner, P./Hock, B. (1998), S. 60 f. 4 Alle vier Zitate: BVerfG, B. vom 20.09.1999 – 1 BvR 168/93, NJW 2000, S. 130. 5 Siehe Abschnitt E.II.1.a) der vorliegenden Arbeit. 2

I. Liquiditätssituation von kmU als „Eckpfeiler“ eines entziehbaren Gewinnes 337

Unternehmenserhaltung an sich ist zur Beurteilung bestimmter Gewinnermittlungsvorschriften mit einer marktwirtschaftlichen Ordnung nicht vereinbar. Unternehmenssicherung kann jedoch im Ausmaß notwendigen Gläubigerschutzes im Hinblick auf die Insolvenzvorsorge ein zu berücksichtigendes Ziel sein.6 Die Insolvenzvorsorge lässt sich als zu berücksichtigendes „Unterziel“ im Rahmen des Gläubigerschutzes verstehen. Angesichts des großen gesamtwirtschaftlichen Stellenwertes von kmU7 erscheint es angebracht, als „Eckpunkt“ bei der Diskussion um die Ermittlung eines entziehbaren Gewinnes, insbesondere für die Frage der Bedeutung des Vorsichtsprinzips, mit Blick auf den Gläubigerschutz die Liquiditätssituation von kmU näher zu betrachten. Leistungswirtschaftliche Probleme haben angesichts eines unvollkommenen Kapitalmarktes Auswirkungen auf die finanzwirtschaftliche Situation von Unternehmen. Leistungswirtschaftliche Probleme bzw. Risiken sind ihrer Natur nach zwar primär unternehmensabhängig. Gleichwohl liefern theoretische Analysen Anhaltspunkte für ein systematisch höheres leistungswirtschaftliches Risiko von Unternehmen einer geringeren Unternehmensgröße im Vergleich zu großen Unternehmen.8 Das leistungswirtschaftliche Risiko lässt sich durch die Streuung der Rentabilität im Zeitablauf verkörpern.9 Die Ergebnisse empirischer Studien bezüglich eines Zusammenhangs zwischen Rentabilität und Unternehmensgröße divergieren teilweise. Die Widersprüchlichkeit der empirischen Befunde lässt sich u. a. darauf zurückführen, dass es keine in sich geschlossene „Mittelstandstheorie“ gibt, aus der empirisch überprüfbare Hypothesen abgeleitet werden könnten. Zwar bestehen einzelne betriebwirtschaftliche Theorien, die daraus ableitbaren Argumente für oder gegen Rentabilitätsvorteile bestimmter Unternehmensgrößen deuten aber nicht alle in dieselbe Richtung. So stehen organisationstheore-

___________ 6

Vgl. Siegel, T. et al. (1999), S. 2081 m. w. N. Siehe etwa Günterberg, B./Kayser, G. (2004), S. 5; Günterberg, B./Wolter, H.-J. (2002), S. 21 f. 8 Systematische Probleme bzw. Risiken sind dabei solche, die sich v. a. aus der Größenordnung sowie strukturellen Besonderheiten bei den kmU selbst oder in deren Umwelt ergeben. Es werden ausschließlich objektive, von der Unternehmensführung nur sehr begrenzt gestaltbare Unternehmensstrukturen und Umweltkonstellationen von kmU in die Betrachtung einbezogen. Vgl. Buchhart, A. (2001), S. 133 und S. 181. Andere, von den Personen bzw. deren Verhalten abhängige Gründe, wie etwa Unzulänglichkeiten in der finanziellen Führung von kmU, werden hier nicht betrachtet. 9 Vgl. Schmidt, A. G. (1995), S. 174 ff. Da hier der Risikoaspekt im Vordergrund steht, wird das gesamte Jahresergebnis, nicht lediglich das (leistungswirtschaftliche) Betriebsergebnis ins Verhältnis zum Kapital oder Umsatz gesetzt, so auch Buchhart, A. (2001), S. 131. 7

338

E. Rechnungslegung zum Zweck der Anspruchsbemessung

tisch begründbaren Effizienzvorteilen kleiner Unternehmen Nachteile z. B. im Bereich der Produktion entgegen.10 Bei einer Betrachtung des Risikos als Streuung der Rentabilität im Zeitablauf kommen jedoch einige Untersuchungen zu dem Befund, dass kmU eine geringere Stabilität ihrer Rentabilität im Zeitablauf aufweisen, also einem höheren leistungswirtschaftlichen Risiko unterliegen. Zu dem Ergebnis einer mit zunehmender Unternehmensgröße11 tendenziell abnehmenden Streuung der Rentabilität im Zeitablauf kommt beispielsweise eine für die Jahre 1978-1982 durchgeführte Untersuchung. Dabei dienten als Rentabilitätskriterien wahlweise die Eigenkapital-, die Gesamtkapital- sowie die Umsatzrentabilität; als Maß für die Streuung im Zeitablauf wurde die Standardabweichung der durchschnittlichen Rentabilität gewählt.12 Eine weitere Studie kommt ebenfalls zu dem Ergebnis einer geringeren Stabilität der Rentabilität von kmU im Zeitablauf.13 Dieser empirische Befund wird durch Analyseergebnisse für die Berichtskreise der Deutschen Bundesbank erhärtet.14 Nach Untersuchungen der Deutschen Bundesbank führen konjunkturelle Schwankungen bei kmU zu vergleichsweise höheren Ergebnisschwankungen als bei größeren Unternehmen, was mit der häufig gegebenen Konzentration auf bestimmte, wenige Marktsegmente begründet wird und sich in höheren Rentabilitätsschwankungen von kmU widerspiegelt.15 Ferner zeigen empirische Studien, dass v. a. kmU mit einseitiger Kundenabhängigkeit bei Insolvenzen überdurchschnittlich vertreten sind. Bei nur wenigen Kunden leidet insbesondere die Liquidität im Falle von Forderungsverzögerungen oder -verlusten.16 Die Ergebnisse dieser Studien lassen vermuten, dass kmU einem systematisch höheren leistungswirtschaftlichen Risiko unterliegen als größere Unternehmen.17 Mögliche Gründe für solch größere Schwankungen lassen sich teilweise in den angesprochenen einzelwirtschaftlichen Theorien finden. So lassen ___________ 10

Vgl. Schmidt, A. G. (1995), S. 13 ff. und 176 ff. Zur Bestimmung der Unternehmensgröße wurden alternativ der durchschnittliche Jahresumsatz und die durchschnittliche Anzahl der Beschäftigten im Betrachtungszeitraum herangezogen. Vgl. Schmidt, A. G. (1995), S. 174. 12 Vgl. Schmidt, A. G. (1995), S. 174. 13 Vgl. etwa Ballantine, J. W./Cleveland, F. W./Koeller, C. T. (1993), S. 87 ff. Diese bilden die Größenklassen in Abhängigkeit vom Gesamtvermögen und definieren kleine Unternehmen als Unternehmen mit weniger als 5 Mio. US-$ Gesamtvermögen, vgl. S. 92. 14 Vgl. Deutsche Bundesbank (1995), S. 63. 15 Vgl. Deutsche Bundesbank (1995), S. 64. 16 Vgl. Bretz, M. (1998), S. 269 f. 17 Vgl. exemplarisch Schmidt, A. G. (1995), S. 174 ff.; Buchhart, A. (2001), S. 149 ff.; Kaufmann, F. (1997), S. 148 f. 11

I. Liquiditätssituation von kmU als „Eckpfeiler“ eines entziehbaren Gewinnes 339

sich systematische Risiken mit der Größenordnung von kmU, Unteilbarkeiten und Diskontinuitäten aufgrund von Monostrukturen bei der Leistungserstellung begründen.18 Eine geringere Unternehmensgröße kann häufig eine Einschränkung der Diversifikationsmöglichkeiten bedeuten.19 Beispielsweise können Risiken von Investitionsprojekten bei kleineren Unternehmen mit einer häufig geringen Anzahl an Projekten intern kaum diversifiziert werden20 und insbesondere auch die Risiken aus Innovationsprojekten nicht auf mehrere Produkte verteilt werden.21 Eine geringere Diversifikation in diesen Bereichen bedeutet ein erhöhtes Marktrisiko.22 Diese leistungswirtschaftlichen Risiken haben mittelbar Auswirkungen auf die Liquidität eines Unternehmens: Die zum Teil größenbedingte geringe Diversifizierung bzw. leistungswirtschaftliche Monostruktur impliziert häufig zugleich ein deutlich ausgeprägteres Risikoprofil bezüglich der Zahlungsüberschüsse in Abhängigkeit von den als relevant betrachteten Umweltzuständen der Periode. Die bei kmU aufgrund von Unteilbarkeiten zum Teil zu beobachtenden Schubinvestitionen23 führen ceteris paribus zu deutlichen Schwankungen der Auszahlungsströme. Diese Diskontinuitäten der Zahlungsströme erschweren den Ausgleich der Ein- und Auszahlungen und können zu Liquiditätsproblemen führen. Bei Liquiditätsproblemen infolge von Schubinvestitionen handelt es sich allerdings dann um Planungsfehler, wenn die Investition voraussehbar war und dafür beispielsweise Rücklagen hätten gebildet werden können.24 Ferner können auch Veränderungen im Eigentümerkreis Liquiditätsprobleme bewirken. Diese sind v. a. auf eine Konzentration des Unternehmenseigentums zurückzuführen. So kann beispielsweise der Austritt eines Gesellschafters bzw. die Ausbezahlung seines Anteils gegebenenfalls zu einem schwer zu verkraftenden Liquiditätsabfluss führen.25 Der Ausgleich dieser Liquiditätsprobleme bzw. -risiken wird durch die Probleme auf der Finanzierungsseite erschwert. Auf unvollkommenen Kapitalmärkten ist aufgrund der Existenz von Transaktionskosten, Informationsproblemen und der unsicheren Kapitalwerte der Investitionsprojekte die Finanzierung von temporären Zahlungsdefiziten auch bei rentablen Unternehmen nicht immer si___________ 18

Vgl. etwa Buchhart, A. (2001), S. 137; Kaufmann, F. (1997), S. 148. Vgl. Buchhart, A. (2001), S. 150; Ahrweiler, S./Börner, C. J. (2003), S. 8. 20 Vgl. Kaufmann, F. (1997), S. 148 f. 21 Vgl. Schmidt, A. G. (1995), S. 40; Kaufmann, F. (1997), S. 148 f. 22 Vgl. Buchhart, A. (2001), S. 137; Kaufmann, F. (1997), S. 148 f. 23 Vgl. Buchhart, A. (2001), S. 182. 24 Denn die Tatsache der Unteilbarkeit von Produktionsfaktoren ist hinlänglich bekannt und tritt nicht zufällig ein. 25 Vgl. Buchhart, A. (2001), S. 182 f. 19

340

E. Rechnungslegung zum Zweck der Anspruchsbemessung

chergestellt. Die häufig geringe Marktmacht kleiner und mittlerer Unternehmen gegenüber ihren Finanzierungspartnern kann zudem möglicherweise zu Nachteilen bei den Kosten für Liquidität sowie gegebenenfalls zu Beschaffungsengpässen führen.26 Es ist zu vermuten, dass diese Risiken im Liquiditätsbereich für die Insolvenzgefährdung durch Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 InsO eine Rolle spielen. Diese Vermutung wird durch Daten zu den Unternehmensinsolvenzen in Teilen bekräftigt: So stellt die Zahlungsunfähigkeit über alle Rechtsformen hinweg den mit Abstand häufigsten alleinigen Insolvenzeröffnungsgrund der Unternehmen in Deutschland dar (siehe Tabelle 8).27 Tabelle 8 Unternehmensinsolvenzen nach Rechtsformen und Eröffnungsgründen 2004 Rechtsformen

Einzel- Personen- Kapitalgesellschaften untergesellnehmen, schaften GmbH AG, freie BeKGaA rufe u. Ä.

Eröffnungsgründe

Sonst.

Insgesamt

Anzahl

%

Zahlungsunfähigkeit

16 235

1 878

8 431

172

306

27 022

68,9

Drohende Zahlungsunfähigkeit

64

25

118

4

5

216

0,5

Überschuldung

-

36

359

11

8

414

1,1

Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung

-

1 114

9 932

226

169

11 441

29,2

Drohende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung

-

18

98

2

2

120

0,3

Quelle: in Anlehnung an Statistisches Bundesamt (2005), Tabelle 10, S. 29.

___________ 26

Vgl. Buchhart, A. (2001), S. 183 ff. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass bei voll haftenden Unternehmen die (drohende) Zahlungsunfähigkeit die alleinigen Insolvenztatbestände sind. 27

I. Liquiditätssituation von kmU als „Eckpfeiler“ eines entziehbaren Gewinnes 341

Eine Analyse der Insolvenzquoten28 in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße ist anhand der verfügbaren amtlichen Statistiken nicht unmittelbar möglich, da in diesen lediglich die absoluten Insolvenzzahlen nach (Beschäftigten-)Größenklassen erfasst sind.29 In einer Untersuchung für das Jahr 1988 wurden für eine Stichprobe von 2 000 insolventen Unternehmen die Insolvenzquoten nach Beschäftigtengrößenklassen berechnet. Nach dieser Studie besteht die höchste Insolvenzanfälligkeit bei Unternehmen im Größenbereich mit 51 bis 200 Beschäftigten. Im Vergleich hierzu kleinere und größere Unternehmen erscheinen hingegen relativ stabil. Das Ergebnis dieser Untersuchung weist demnach auf einen nichtmonotonen Zusammenhang zwischen Unternehmensgröße und Insolvenzwahrscheinlichkeit hin.30 Zu demselben Ergebnis kommt eine weitere, für das Jahr 1989 durchgeführte Studie.31 Bei einer nach Beschäftigtengrößenklassen differenzierten Betrachtung der Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2004 lässt sich kein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Unternehmensgröße und der Anzahl der Insolvenzen erkennen. Es ist jedoch festzustellen, dass von Unternehmen ohne Beschäftigte bis zu Unternehmen mit maximal 100 Beschäftigten über alle Größenklassen hinweg die Anzahl der Insolvenzen wesentlich höher ist als bei den Unternehmen mit 101 und mehr Beschäftigten.32 Vor dem Hintergrund der dargestellten, großteils unternehmensgrößenspezifisch bedingten Liquiditätsprobleme ist festzuhalten, dass bezüglich der Entnahme- und Ausschüttungsbemessungsfunktion der Liquiditätssituation von kmU eine besondere Bedeutung beizumessen ist.

___________ 28 Um Klarheit darüber zu erlangen, ob sich die Insolvenzanfälligkeit von kleineren gegenüber größeren Unternehmen unterscheidet, muss die Anzahl der Insolvenzen in einer Unternehmensgrößenklasse ins Verhältnis zur Gesamtzahl der Unternehmen dieser Größenklasse gesetzt werden; sodann müssen die dergestalt für die verschiedenen Unternehmensgrößen ermittelten Verhältniszahlen miteinander verglichen werden. Vgl. Schmidt, A. G./Kraus, M. (2001), S. 24. 29 Für die Ermittlung der Insolvenzquote je Beschäftigtengrößenklasse müssten für den Nenner Daten zur Anzahl aller Unternehmen je Beschäftigtengrößenklasse hinzugezogen werden. 30 Vgl. Hesselmann, S./Stefan, U. (1990), S. 25 ff. 31 Vgl. Woywode, M. (1998), S. 154 und S. 212. Beide Studien wurden auf der Grundlage von Daten des Verbands der Vereine Creditreform e. V. (Neuss) durchgeführt. 32 Vgl. Statistisches Bundesamt (2005), Tabelle 11, S. 29. Eine Differenzierung nach Umsatzgrößenklassen ist in den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes nicht vorgenommen worden.

342

E. Rechnungslegung zum Zweck der Anspruchsbemessung

II. Die einzelnen Zwecke der Gruppe „Anspruchsbemessung“ und Grundanforderungen an zweckadäquate Rechnungslegungsnormen Anspruchsbemessung und zweckadäquate Rechnungslegungsnormen

1. Anteilseignerschutz durch Konkretisierung der Entnahmebzw. Ausschüttungsansprüche a) Ermittlung eines „entziehbaren“ Gewinnes als Hauptansatzpunkt zum Schutz von Anteilseignern und Anforderungen an zweckadäquate Rechnungslegungsnormen Für gegenwärtige Anteilseigner sind die entstandenen Ausschüttungs- bzw. Entnahmeansprüche von Bedeutung. Für die Rechnungslegung kommt es dabei auf die Ermittlung eines entziehbaren Gewinnes an. Die tatsächliche Ausschüttung oder Verwendung wird erst in einem zweiten Schritt geklärt und ist abhängig von der jeweiligen Verwendungskompetenz. Die Frage des entziehbaren Gewinnes bzw. der Ausschüttungsfähigkeit hängt insbesondere von der Liquiditätssituation des Unternehmens ab.33 Dabei ergibt sich die Funktion der Ermittlung eines entnehmbaren bzw. ausschüttbaren Gewinnes für nicht an der Geschäftsführung beteiligte Anteilseigner aus der Gefahr, dass deren gewinnabhängige Zahlungsansprüche noch vor der Ergebnisverwendung zugunsten von Innenfinanzierungswünschen der Geschäftsführung vermindert werden. Bei Kapital- ebenso wie bei Personengesellschaften kommt dem Handelsgewinn daher mit Blick auf Anteilseigner, die nicht an der Geschäftsführung beteiligt sind, die Funktion zu, einen anteilseignerschützenden Mindestgewinn zu ermitteln.34 Dies gilt ebenso für die rechtsformunabhängigen Finanzierungsformen des mezzaninen Kapitals. Die Ermittlung eines entziehbaren Betrages dient der Festlegung eines verwendungsneutralen Maßes an Innenfinanzierung, so dass Benachteiligungen von Gewinnbeteiligungsansprüchen der Anteilseigner bzw. Mezzaninkapitalgeber gegenüber den Innenfinanzierungswünschen der Geschäftsführung vermieden werden.35 Dabei ist die Ermittlung eines entziehbaren Gewinnes v. a. in den Fällen von besonderer Bedeutung, in denen die Kapitalgeber ausschließlich (oder hauptsächlich) am Gewinn, nicht aber am Vermögen beteiligt sind. Bei Personenhandelsgesellschaften, bei denen die Gesellschafter rechtsformbedingt in unterschiedlichem Umfang haften (so bei der KG), ist die Ermittlung eines entziehbaren Gewinnes zudem auch angesichts des unterschiedlichen Haftungsrisikos ___________ 33

Vgl. Pannen, M. (2000), S. 110. Vgl. Moxter, A. (1984), S. 98 f. 35 Vgl. Pannen, M. (2000), S. 113. 34

II. Anspruchsbemessung und zweckadäquate Rechnungslegungsnormen

343

der einzelnen Gesellschafter und daraus resultierender Interessendivergenzen36 von Bedeutung.37 Für die Entscheidung, wie die Grenzen der Ermessens- und Wahlrechtsausübung der Jahresabschlussaufsteller zu bestimmen sind, gilt es, die Interessen der Gesellschafter und der Gesellschaft sowie auch der Gläubiger, sofern deren Schutz nicht auf Instrumente außerhalb des Jahresabschlussrechts verlagert wird, gegeneinander abzuwägen. Fraglich ist, ob sich auch bei typischen Personenunternehmen, bei denen jeder unbeschränkt haftende Eigner bzw. Gesellschafter zugleich Geschäftsführungsbefugnis innehat sowie alle Gesellschafter über Einsichtsrechte verfügen, eine hoheitliche Normierung eines solchen Gewinnes begründen lässt oder ob entsprechende Vereinbarungen in diesen Fällen der Verantwortung der Beteiligten überlassen werden können. Im Vergleich zu individuellen Vereinbarungen lässt sich auch hier das Argument der Verringerung der Transaktionskosten anführen. Erfahrungen aus Ländern, in denen solche Unternehmen keiner gesetzlichen Pflicht zur Jahresabschlusserstellung unterliegen, zeigen, dass dort häufig auf die steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften zurückgegriffen wird.38 Da für diese Unternehmen bereits bezüglich der Informationszwecke dargelegt worden ist, dass an einer gesetzlichen Normierung festgehalten werden soll, stellt sich hier die Frage, inwieweit die den Informationszwecken dienenden Rechnungslegungsnormen zugleich bzw. mit Hilfe von Überleitungsrechnungen auch für Anspruchsbemessungszwecke verwendet werden können. Soll der Jahresabschluss also eine Ausgangsgröße für die Bemessung der Auszahlungsansprüche ermöglichen sowie Schädigungsmöglichkeiten begrenzen, die aus der Besonderheit der Gesellschafterbeteiligungen resultieren, müssen die Grundsätze zur Bestimmung des Jahreserfolges hinreichend objektiviert sein. Dies macht insbesondere eine Begrenzung des Ermessens derjenigen Personen erforderlich, die den Jahresabschluss aufstellen.39 Das Gewinnverkürzungsverbot steht insofern in Konflikt mit einer vorsichtigen Rechnungslegung, als durch eine Überbetonung der Vorsicht Gewinne bei der Aufstellung des Jahresabschlusses verkürzt bzw. zeitlich in die Zukunft verschoben werden.40 ___________ 36

Siehe hierzu die Ausführungen im Rahmen der Interessenanalyse in Abschnitt D.I.1.b). 37 Vgl. Förster, G. W. (1999), S. 123. 38 So liegt in Großbritannien die Ermittlung des verteilungsfähigen Gewinnes solcher Gesellschaften ausschließlich in der Hand der Unternehmensbeteiligten. In der Praxis werden dort in Ermangelung gesetzlicher Vorschriften zur Jahresabschlusserstellung dieser Unternehmen häufig die steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften verwendet. Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 271. 39 Vgl. Förster, G. W. (1999), S. 121 f. m. w. N. Siehe hierzu auch die Ausführungen zu stillen Rücklagen in Abschnitt D.III.1.d) der Arbeit. 40 Vgl. Moxter, A. (1984), S. 104; Förster, G. W. (1999), S. 203.

344

E. Rechnungslegung zum Zweck der Anspruchsbemessung

„Stille“ Vorsorgemaßnahmen bergen die Gefahr, dass gegebenenfalls die gesellschaftsrechtlich vorgesehene Beteiligung bestimmter Gesellschafter an der Auf- bzw. Feststellung des Jahresabschlusses unterlaufen wird. Darüber hinaus kann dies bei Unternehmen mit beschränkter Haftung dazu führen, dass die Gesellschafter mit solchen (stillen) Gewinnanteilen für Verluste haften müssen.41 Um das Ermessen des Rechnungslegenden insbesondere bei der Bildung stiller Rücklagen und damit sein Missbrauchspotenzial stark einzugrenzen, muss der Kreis der Aktiva und Passiva eindeutig bestimmt sein. Auch für die Bewertung müssen eindeutige Regeln in Form von Mindestwerten für Aktiva und Höchstwerten für Passiva gelten.42 In der Praxis wird als Instrument zur Beschränkung des Rechnungslegungsermessens bei Personengesellschaften zum Teil – wie bereits im Rahmen zweckadäquater Rechnungslegungsnormen zur Erfüllung der Rechenschaftsfunktion angesprochen43 – die Bindung der Handels- an die Steuerbilanz (so genannte „Einheitsbilanz“) benutzt.44

b) Zweck und Rechtfertigung einer hoheitlichen Normierung von Mindestausschüttungen Bezüglich der AG, welche nach dem gesetzlichen Leitbild typischerweise auch als Kapitalsammelbecken fungieren kann, wird zudem die Frage einer Regulierung von Mindestausschüttungen kontrovers diskutiert. Entscheidungen über die Gewinnverwendung und damit über die Aufteilung zwischen den Gesellschaftern lassen sich grundsätzlich in einzelvertraglichen Vereinbarungen regeln. Entsprechend erscheint von Seiten des Gesetzgebers aus die Vorgabe dispositiver Regelungen sinnvoll, welche als Vorlage dienen, von denen im Einzelfall jedoch abgewichen werden kann. Fraglich ist, ob bzw. in welchen Fällen und inwieweit demgegenüber bestimmte Mindestausschüttungen gesetzlich reguliert werden sollten. Dies setzt zunächst die Begründung der Notwendigkeit von Ausschüttungen voraus. Eine solche Notwendigkeit kann zum einen mit den Nutzenfunktionen bzw. Konsumwünschen der Investoren begründet werden. Die Relevanz von Ausschüttungen für die Konsuminteressen der Anteilseigner ist jedoch nur insoweit gegeben, als Ausschüttungen nicht durch Anteilsveräußerungen oder -beleihungen – allerdings unter Berücksichtigung von Transaktionskosten – ersetzt werden können. Eine solche ständige Veräußerbarkeit der Anteile ist aber ___________ 41

Vgl. Förster, G. W. (1999), S. 203. Vgl. Moxter, A. (1984), S. 103 f. 43 Vgl. Abschnitt D.I.2.d)(3). 44 Vgl. Rückle, D. (1997), S. 436. 42

II. Anspruchsbemessung und zweckadäquate Rechnungslegungsnormen

345

gerade bei nicht börsennotierten Gesellschaften nicht gewährleistet. Dementsprechend kommt Ausschüttungen bei nicht börsennotierten Gesellschaften gegenüber börsennotierten Gesellschaften eine höhere Relevanz zu.45 Zum anderen wird gegen eine untergeordnete Bedeutung von Ausschüttungen von manchen Autoren auch eingewendet, dass sich Gewinnthesaurierungen möglicherweise nicht in derselben Höhe auf den Anteilspreis auswirken wie es einer vergleichbaren Ausschüttung entspräche.46 Zur Begründung der Notwendigkeit von Ausschüttungen lässt sich ferner auf Agency-Kosten im Falle fehlender Ausschüttungen sowie auf die Überlegungen hinsichtlich gesamtwirtschaftlich effizienter Kapitalallokation zurückgreifen.47 Angesichts der so begründeten Notwendigkeit von Ausschüttungen ist zu fragen, ob entsprechende Ausschüttungen auch ohne regulatorische Maßnahmen zustande kommen würden oder nicht. Dabei ist zu bedenken, dass jeder Vorschlag bezüglich der Regulierung einer Mindestausschüttung das Dreiecksverhältnis zwischen Geschäftsführung, Anteilseignern und Gläubigern berücksichtigen muss. Anderenfalls könnte sich der Verschuldungsspielraum des Unternehmens reduzieren, wenn eine vertragliche Ausschüttungsbegrenzung nicht möglich wäre. Aus diesem Grund ist mit der Frage nach Regeln betreffend eine Mindestausschüttung nicht etwa ein Vollausschüttungsgebot gemeint.48 Es geht vielmehr um den Schutz von Minderheitsgesellschaftern. Gegen die Idee eines Vollausschüttungsgebotes lässt sich auch anführen, dass ein solches gerade bei denjenigen Unternehmen zu einem hohen Mittelentzug führen würde, bei denen dies im Hinblick auf die Kapitalallokation am wenigsten zu wünschen sei.49 Sofern bei börsennotierten Unternehmen dem Aktienmarkt eine gewisse Kontrollfunktion für eine nicht an den Interessen der Anteilseigner ausgerichtete Dividendenpolitik zugesprochen wird, erscheint für diese eine Regulierung von Mindestausschüttungen nicht unbedingt erforderlich.50 Empirische Studien zur Ausschüttungspolitik börsennotierter Gesellschaften zeigen, dass in Ländern ohne Regulierungen zur Mindestausschüttung, wie etwa in den USA, nicht ___________ 45

Vgl. Pannen, M. (2000), S. 112. Vgl. Schneider, D. (1992), S. 293 f.; Pannen, M. (2000), S. 112. 47 Siehe hierzu Watrin, C. (2001), S. 237 ff. Auf Fragen der Kapitalallokation wird an dieser Stelle nicht weiter eingegangen. 48 Vgl. Watrin, C. (2001), S. 242 f. m. w. N. 49 Vgl. Watrin, C. (2001), S. 242 m. w. N. 50 Kritisch hierzu siehe Watrin, C. (2001), S. 90 f., welcher zu dem Ergebnis kommt, dass die Unternehmenskontrolle durch den Aktienmarkt ein opportunistisches Verhalten der Verwaltung nur bedingt ausschließt, da den Unternehmen auch andere Finanzierungsquellen zur Verfügung stehen. 46

346

E. Rechnungslegung zum Zweck der Anspruchsbemessung

weniger an die Aktionäre ausgeschüttet wird als in Ländern mit entsprechenden Regulierungen.51 Bei nicht börsennotierten Unternehmen hingegen gibt es keine entsprechende Kontrollfunktion, so dass hier Regulierungen zum Interessenschutz der Minderheitsgesellschafter erforderlich werden. In solchen Fällen eines Marktversagens kommt somit grundsätzlich eine hoheitliche Normierung in Betracht, um sowohl den individuellen Schutz der Minderheitsgesellschafter als auch den Funktionenschutz des Kapitalmarktes zu gewährleisten. Die Regulierung von Mindestausschüttungen setzt neben den gesellschaftsrechtlichen Regelungen auch entsprechende Vorschriften zur Ermittlung des Gewinnes oder der sonstigen Größe, an welche die Mindestausschüttung anknüpfen soll, voraus, welche das Ermessen des Rechnungslegenden beschränken. Anderenfalls könnte das Ausschüttungsgebot durch die bilanzielle Verschleierung der Gewinne bzw. einer alternativen Bezugsgröße unterlaufen werden.52 Entsprechende Lösungsvorschläge reichen von einer am Free-Cashflow orientierten Mindestausschüttung über die Orientierung am Steuerbilanzgewinn bis hin zu einer Verwendung des nach IFRS ermittelten Ergebnisses, wobei gegebenenfalls Ausschüttungssperren für nicht realisierte Ergebnisse zu berücksichtigen wären.53 Auf die Möglichkeit von Ausschüttungsregelungen auf Basis eines modifizierten IFRS-Abschlusses wird in Abschnitt E.VI. näher eingegangen.

2. „Institutioneller“ Gläubigerschutz a) Gründe für eine hoheitliche Normierung eines „institutionellen“ Gläubigerschutzes Neben einem informationellen Gläubigerschutz dienen Rechnungslegungsvorschriften im Zusammenspiel mit den Regelungen des Gesellschaftsrechts in manchen Ländern, wie in Deutschland, auch einem so genannten „institutionellen“ Gläubigerschutz. Bezüglich eines „institutionellen“ Gläubigerschutzes lässt sich ebenso wie bei den Mindestausschüttungen unterscheiden zwischen Regelungen, die bereits im Wege der Gewinnermittlung Ausschüttungsansprüche beschränken (vorsichtige Gewinnermittlung) sowie den gesellschaftsrecht-

___________ 51

Vgl. Pellens, B. (2001), S. 867 m. w. N. Vgl. Watrin, C. (2001), S. 242. 53 Vgl. Pellens, B. (2001), S. 867. 52

II. Anspruchsbemessung und zweckadäquate Rechnungslegungsnormen

347

lichen Bestimmungen über die Ausschüttungen und Kapitalerhaltung als solche.54 Ein Gläubigerschutz ausschließlich durch Informationsvermittlung ist aus mehreren Gründen nicht ausreichend.55 So sind im Falle irrtums- oder manipulationsbehafteter Informationen auch Vertragsgläubiger etwa durch Ausschüttungssperren besser geschützt als durch Rechnungslegungsinformationen.56 Ferner sind bestimmte Reichtumsverschiebungen zu Lasten der Gläubiger auch in einer Welt ohne Informationsasymmetrie möglich.57 Solche Gläubigerrisiken können somit nicht durch Informationsvermittlung reduziert,58 sondern lediglich im Nachhinein bekannt werden. Für Deliktsgläubiger schließlich ist evident, dass ihnen Rechnungslegungsinformationen im Vorfeld nichts nützen. Solche gläubigerschützenden Ausschüttungsbegrenzungen können zwar auch in einzelvertraglichen Vereinbarungen getroffen werden. Entsprechende Vereinbarungen kommen jedoch für Nicht-Vertragsgläubiger sowie Vertragsgläubiger ohne ausreichende Verhandlungsposition nicht in Betracht. Ferner können durch private Vereinbarungen auch die Interessenkonflikte zwischen den Gläubigern eines Unternehmens verstärkt werden, etwa durch die Vereinbarung der sofortigen Rückzahlungsverpflichtung zu Gunsten eines Gläubigers im Falle von Vertragsverletzungen. Solche Sanktionen gehen zu Lasten der anderen Gläubiger.59 Darüber hinaus verursacht jede Vertragslösung Transaktionskosten. Hoheitliche Regelungen zum Schutz der Gläubiger im Falle von haftungsbeschränkten Unternehmen können somit Transaktionskosten senken, sofern sie dem entsprechen, was die Beteiligten ohnehin vereinbart hätten, wenn sie nicht aufgrund fehlender Möglichkeit oder zu hoher Transaktionskosten daran gehindert würden.60 Solche Regelungen dienen dem Schutz der Zahlungsansprüche der Gläubiger. ___________ 54

Kahle unterteilt diesbezüglich in Gläubigerschutz im Bilanzrecht und Gläubigerschutz im Gesellschaftsrecht. Vgl. Kahle, H. (2002), S. 141 ff., insbesondere auch S. 143. Im Folgenden werden beide Bereiche aufgrund ihres Zusammenwirkens unter dem Begriff der „bilanziellen Kapitalerhaltung“ zusammengefasst. 55 Vgl. etwa Franken, L. (2001), S. 63 m. w. N.; Kahle, H. (2002), S. 128; Schildbach, T. (1986), S. 68 f. 56 Vgl. Siegel, T. (1997), S. 124; Kahle, H. (2002), S. 136. 57 Als solche Möglichkeiten der Anspruchsgefährdung lassen sich – wie bereits in Abschnitt C.I. angeführt – v. a. fremdfinanzierte Ausschüttungen, die Nichtrealisierung oder vorzeitige Liquidation vorteilhafter Investitionsprojekte sowie suboptimale Investitionsstrategien anführen. 58 Vgl. Franken, L. (2001), S. 63. 59 Vgl. Rammert, S. (2004), S. 589. 60 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 135 f.

348

E. Rechnungslegung zum Zweck der Anspruchsbemessung

Wie im Rahmen der Interessenanalyse61 gezeigt, bestehen ferner grundsätzlich auch negative Zahlungsinteressen insbesondere der Arbeitnehmer sowie weiterer Interessenten (wie z. B. ortsansässige Geschäfte) gegenüber anderen Gruppen; Arbeitnehmer sowie weitere Gruppen sind zum Schutz vor Arbeitsplatzverlust bzw. von Einkommenseinbußen an bestandsschützenden Ausschüttungsregelungen interessiert. Bestandsgefährdende Zahlungen sollen demgegenüber vermieden werden. Fraglich ist, ob sich bezüglich dieser negativen Zahlungsinteressen ebenfalls ein institutioneller Schutz begründen lässt. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass das durch Ausschüttungen freigesetzte Kapital zur Reinvestition an anderer Stelle zur Verfügung steht. Eine Reallokation unrentabel eingesetzten Vermögens durch die Kapitaleigner hat nicht nur deren individuelle Wohlstandssteigerung, sondern auch positive externe Effekte sowie das Entstehen neuer Arbeitsplätze zur Folge. Auch die Möglichkeit ungewollter Verteilungseffekte, wie z. B. der Profit ortsansässiger Geschäfte durch den vermiedenen Wegzug nicht freigesetzter Arbeitnehmer, lässt sich gegen die Berücksichtigung solcher negativer Zahlungsinteressen anführen. Schließlich ist auch bei Erhalt des Unternehmensbestandes nicht ausgeschlossen, dass Arbeitnehmer freigesetzt werden, z. B. im Zuge von Sanierungsmaßnahmen. Ein Bestandsschutz hinsichtlich dieser Interessen kann allenfalls kurzfristig wirken; mittel- bis langfristig hingegen dürfte der Erhalt unrentabler Unternehmen auch auf diese Interessengruppe negative Auswirkungen haben. Aus den genannten Gründen wird ein institutioneller Schutz solcher negativer Zahlungsinteressen im Folgenden nicht berücksichtigt.62 Im Folgenden werden zunächst die konzeptionelle Wirkungsweise und Probleme eines „institutionellen“ Gläubigerschutzes durch bilanzielle Kapitalerhaltung sowie Anforderungen an damit verbundene Rechnungslegungsnormen betrachtet.63 Im Anschluss daran wird auf dessen konkrete Ausgestaltung in Deutschland sowie auf die damit gesammelten Erfahrungen näher eingegangen; sodann werden als alternative Möglichkeit zur Regulierung von Gewinnausschüttungen die diesbezüglichen Regelungen eines Gläubigerschutzes durch Insolvenztests in den USA sowie ein entsprechendes Konzept zur Einführung eines (In-)Solvenztests auf europäischer Ebene näher betrachtet.

___________ 61

Siehe Abschnitt D.I.1.c) der vorliegenden Arbeit. Vgl. ebenso Schmidt, M. (2000), S. 51 f. 63 Dabei bleibt eine Betrachtung von Substanzerhaltungskonzepten außen vor. 62

II. Anspruchsbemessung und zweckadäquate Rechnungslegungsnormen

349

b) Gläubigerschutz durch (bilanzielle) Kapitalerhaltung (1) Ökonomische Wirkungen von Ausschüttungssperren Möglichkeiten des moral hazard in Form von Reichtumsverlagerungen zwischen Eignern und Gläubigern können v. a. im Konsum- und/oder Finanzierungsverhalten der Schuldner liegen. So können Eigner ohne entsprechende Regelungen zusätzliches (gleich- oder vorrangiges) Fremdkapital aufnehmen und diese Mittel ausschütten oder das (fremdfinanzierte) Investitionsprogramm des Unternehmens ganz oder teilweise liquidieren und die dadurch erhaltenen Mittel ausschütten. Aus beiden Möglichkeiten kann im Extremfall eine vollständige Entwertung der Ansprüche der (Alt-)Gläubiger resultieren. Hier kommen direkte oder indirekte Ausschüttungsrestriktionen – wie etwa zur Einhaltung bestimmter Finanzierungsregeln, hinsichtlich der Veräußerung des Investitionsprogramms (Sicherheiten) etc. – in Betracht. Sind solche gesetzlich nicht geregelt, lässt der Eigner-Gläubiger-Konflikt entsprechende Regelungen in privaten Kreditvereinbarungen vermuten.64 Direkte Ausschüttungsbeschränkungen können gegenüber Beschränkungen der Liquidations- und Neuverschuldungsmöglichkeiten ein zweckmäßiges Instrument darstellen. Denn Sicherheiten können möglicherweise Desinvestitionen, welche hinsichtlich einer Steigerung des Unternehmenswertes vorteilhaft wären, verhindern; ebenso kann ein Verbot zur Aufnahme weiterer Fremdkapitalmittel eine gesamtwertmaximale Unternehmenspolitik erschweren.65 Reichtumsverlagerungsmöglichkeiten zwischen Eignern und Gläubigern können jedoch nicht ausschließlich über solche fremd- und liquidationsfinanzierten Ausschüttungen, sondern auch im Rahmen der Investitionspolitik gegeben sein.66 So wird gegen Ausschüttungssperren zum Teil angeführt, dass diese die Probleme von Unter- und Überinvestitionen unter Umständen nicht nur mindern, sondern auch verschärfen können.67 Unter bestimmten Bedingungen68 ___________ 64

Vgl. Kahle, H. (2002), S. 125; Ewert, R. (1986), S. 66 f. In Abschnitt E.IV.2. wird dargestellt, inwieweit diese Vermutung durch Erfahrungen aus Vereinbarungen in USamerikanischen Kreditverträgen gestützt wird. 65 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 125. 66 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 128. 67 „Über- oder Unterinvestitionen verfehlen eine gesamtwertmaximale Investitionspolitik.“ Ballwieser, W. (1996-a), S. 517, Fn. 99. Unterinvestitionsprobleme entstehen durch die Unterlassung von Projekten mit positivem Kapitalwert. Sie resultieren daraus, dass es sich bei bereits bestehender hoher Fremdfinanzierung für den Eigner nicht mehr in jedem Fall lohnt, für den Gesamtmarktwert des Unternehmens vorteilhafte Investitionen mit Eigenmitteln zu finanzieren. Denn dadurch käme es zu einer faktischen Nachbesicherung der risikobehafteten Gläubigerpositionen, da mit den Erträgen dieser Investition zunächst Gläubiger befriedigt

350

E. Rechnungslegung zum Zweck der Anspruchsbemessung

wirken Ausschüttungsbeschränkungen als Mindestinvestitionsverpflichtung, d. h. bei einem positiven Zahlungsüberschuss aus dem Umsatzprozess müssen die einzubehaltenden Teile des Umsatzüberschusses investiert werden. Zugleich wirken sie als Mindesteigenfinanzierungsverpflichtung für neue Investitionen; diese müssen mindestens in Höhe der Ausschüttungsbeschränkung eigenfinanziert werden.69 Die Wirkungszusammenhänge hängen von den konkreten Investitions- und Finanzierungsmöglichkeiten in der jeweiligen Situation ab.70 Überinvestitionen, d. h. die Durchführung von Projekten mit negativem Kapitalwert, können sowohl Eigner als auch Gläubiger schädigen. Solche neuen Investitionen können – im Vergleich zu einer alternativ möglichen risikolosen Kapitalmarktanlage – für Eigner jedoch dann von Vorteil sein, wenn diese zwar an den Einzahlungsüberschüssen teilhaben, die Auszahlungsüberschüsse aber (großteils) in den Insolvenzzuständen anfallen.71 Dabei wird vereinfachend davon ausgegangen, dass die Investitionsmöglichkeiten mit nichtnegativem Kapitalwert begrenzt sind.72 Ein höheres Einbehaltungserfordernis aufgrund einer vorsichtigen Gewinnermittlung kann also unter Umständen auch eine Positionsverschlechterung der Gläubiger bewirken, wenn die Eigner anderenfalls eine Ausschüttung anstelle der Investition vorgenommen hätten.73 Ausschüttungsbeschränkungen sind somit lediglich eingeschränkt mit Gläubigerschutz kompatibel. Entsprechende Untersuchungen zeigen, dass „je nach gegebenen Investitions- und Finanzierungsalternativen strenge Ausschüttungsbegrenzungsregeln für den umsatzbezogenen Zahlungsüberschuss Unter- und Überinvestitionsprobleme so___________ werden müssten, die ansonsten leer ausgegangen wären. Vgl. Kahle, H. (2002), S. 129; Leuz, C. (1996), S. 69; zu Beispielen siehe Leuz, C. (1996), S. 85, Beispiel III.2 und Kahle, H. (2002), S. 131, Beispiel 1. Überinvestitionsprobleme entstehen durch die Durchführung von Projekten mit negativem Kapitalwert. Dies ist für die Eigner dann vorteilhaft, wenn die Auszahlungsüberschüsse (überwiegend) im Insolvenzzustand auftreten und der aus dem negativen Kapitalwert resultierende Marktwertverlust durch Vermögenstransfers zugunsten der Eigner überkompensiert wird. Vgl. Kahle, H. (2002), S. 129; Leuz, C. (1996), S. 69; zu Beispielen siehe Leuz, C. (1996), S. 84 f., Beispiel III.1 und Kahle, H. (2002), S. 132, Beispiel 2. 68 So beispielsweise bei einer Beschränkung der Tilgungsmöglichkeiten oder auch ohne eine solche Beschränkung, wenn eine frühzeitige Tilgung nicht im Interesse der Eigner liegt, diese also bei Beschränkung der Ausschüttungen eine Investition gegenüber der Rückzahlung des Fremdkapitals vorziehen. Vgl. Leuz, C. (1996), S. 72. 69 Vgl. im Einzelnen hierzu Leuz, C. (1996), S. 71 ff. 70 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 133 f.; Leuz, C. (1996), S. 91 ff., insbesondere S. 93. 71 Vgl. etwa Kahle, H. (2002), S. 129 und S. 133, Beispiel 3. 72 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 131. 73 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 134; Ewert, R. (1986), S. 251; Leuz, C. (1996), S. 90.

II. Anspruchsbemessung und zweckadäquate Rechnungslegungsnormen

351

wohl mindern als auch verschärfen können, so daß die optimale Strenge von Ausschüttungsbegrenzungsregeln situationsabhängig ist“74. Die Analysen zu Über- und Unterinvestitionsproblemen von Ausschüttungssperren verdeutlichen ferner, dass es wichtig ist, zwischen einer Verringerung der Agency-Probleme und dem Schutz der Gläubiger zu unterscheiden. Der Schutz der Gläubiger müsste sich grundsätzlich am Marktwert der Ansprüche der Gläubiger orientieren. Wie die genannten Analysen zeigen, führt dies jedoch nicht unbedingt zur Maximierung des Gesamtwertes des Unternehmens. So führen restriktionsbedingte Überinvestitionen zu einer Verringerung des Unternehmenswertes, machen jedoch bei nicht-negativen Zahlungsüberschüssen neuer Investitionen die Position der Gläubiger sicherer.75 Für die Wirkungszusammenhänge zwischen dem maximal ausschüttungsfähigen Betrag und der Investitionspolitik ist grundsätzlich nicht entscheidend, ob die Ausschüttungssperre auf der Grundlage einer bilanziellen Gewinnermittlung oder einer reinen Zahlungsrechnung formuliert ist. Hinsichtlich der Interpretation der Ergebnisse dieser Untersuchungen sind jedoch die im Rahmen der Modellbetrachtungen gesetzten engen Prämissen zu beachten: So setzt die Definition des Risikos bzw. die Einigung von Gläubigern und Eignern auf eine optimale Ausschüttungsrestriktion die Prämissen der Ex-ante- und Ex-post-Informationssymmetrie voraus.76 In diesen Untersuchungen wird ferner angenommen, dass die Gläubiger sämtliche Schädigungsmöglichkeiten der Eigner kennen und der Ausgangsvertrag vollständig sowie dessen Durchsetzung kostenlos möglich ist.77 In der Realität verfügen Gläubiger jedoch gerade nicht vollständig über die genannten Informationen. Kapitalmärkte sind unvollständige Zukunftsmärkte. Die Gläubiger können nicht alle Handlungsalternativen des Eigners antizipieren und ihnen folglich vertraglich auch nicht begegnen. Der Abschluss vollständiger Verträge, in denen jede zukünftige Entwicklung vertraglich berücksichtigt ist, wäre nur bei vollkommener Voraussicht möglich.78 Infolge dieser Vertragsunvollkommenheiten und der damit vom Einzelfall abhängigen Schädigungsmöglichkeiten ist die Erwartung plausibel, dass Gläubiger bei der Formulierung ___________ 74 Ballwieser, W. (1996-a), S. 517; dieser bezieht sich auf die entsprechenden Analysen von Leuz, C. (1996), S. 76 ff. Die Analysen von Leuz basieren ihrerseits auf den Modellen von Ewert, R. (1986). 75 Vgl. Leuz, C. (1996), S. 90; Kahle, H. (2002), S. 132; Ewert, R. (1986), S. 3 f. 76 Vgl. Ewert, R. (1986), S. 389; Leuz, C. (1996), S. 170 ff.; Franken, L. (2001), S. 65. 77 Vgl. Leuz, C. (1996), S. 171 ff. 78 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 134 f.; Franken, L. (2001), S. 65 f.

352

E. Rechnungslegung zum Zweck der Anspruchsbemessung

von Ausschüttungsbeschränkungen eine vorsichtige Gewinnermittlung bevorzugen.79

(2) Problematik der Nominalkapitalerhaltung Ziel der Konzeption der nominellen Geldkapitalerhaltung (Nominalkapitalerhaltung) ist die Bewahrung des geldziffernmäßig bestimmten ursprünglichen Eigenkapitals (Reinvermögens) ohne Berücksichtigung der Kaufkraftänderung. Erhaltungsmaßstab ist folglich das Ursprungskapital in Höhe seines nominellen Wertes. Ein solcher Erhalt einer (passivischen) Eigenkapitalgröße kann jedoch lediglich dann eine Gläubigerschutzwirkung entfalten, wenn dem auch Vermögenswerte auf der Aktivseite gegenüberstehen. Hinter der Kapitalerhaltung kommt damit indirekt durch die Wirkung der bilanziellen Ansatz- und Bewertungsvorschriften eine Vermögenserhaltungskonzeption zum Vorschein.80 Der Gewinn ergibt sich als positive Differenz zwischen dem nominellen Eigenkapital am Periodenanfang und am Periodenende, korrigiert um erfolgsneutrale Einlagen oder Entnahmen.81 Je nach Vermögensdefinition fällt der ausschüttungsfähige Betrag unterschiedlich hoch aus, da dann auch der entsprechende Vermögenserhaltungsumfang jeweils ungleich hoch ist.82 Die Notwendigkeit bzw. Rechtfertigung des Prinzips der Nominalkapitalerhaltung wird kontrovers diskutiert. Dem Grund- bzw. Stammkapital wird die Funktion eines Verlustpuffers zugeschrieben.83 Der Grundsatz der nominellen Kapitalerhaltung kann jedoch nicht als Grundsatz der Erhaltung eines dauernden Garantievermögensstocks eines Unternehmens verstanden werden.84 Denn unmittelbar nach der Gründung des Unternehmens kann das gesamte Gesellschaftskapital durch Verluste aufgezehrt werden. Zudem stellt die vermögensmäßige Erhaltung des Nominalkapitals vor einer Veräußerung oder Liquidation des Unternehmens wie bereits gesagt eine Vermutung dar, deren Plausibilität von der Art der Ermittlung des Reinvermögens abhängt. Schließlich können die einbehaltenen Beträge wie ausgeführt für risikoreiche Investitionen eingesetzt werden, so dass sich das Insolvenzrisiko erhöht.85 Auch wenn Kapitalerhaltung ___________ 79

Vgl. Kahle, H. (2002), S. 135. Vgl. Fladung, H.-D. (2000), S. 82 f. 81 Vgl. Schneider, D. (1997-b), S. 36. 82 Vgl. Fladung, H.-D. (2000), S. 66. 83 Ausführlich zur Diskussion um die Funktion des Verlustpuffers sowie den dahinter stehenden Finanzierungshypothesen siehe Schneider, D. (1997-a), S. 111 ff. m. w. N., S. 323 und S. 377 ff. 84 Solchermaßen missverständlich etwa Schulze zur Wiesche, D. (1988), S. 31. 85 Vgl. etwa Kahle, H. (2002), S. 137. 80

II. Anspruchsbemessung und zweckadäquate Rechnungslegungsnormen

353

die Gläubiger somit lediglich unvollkommen – insbesondere auch nicht gegen Verluste z. B. infolge konjunktureller Schwäche etc. – schützt und Insolvenzen nicht verhindert, so beugt sie doch Eingriffen in die Haftungsmasse durch überhöhte Entnahmen der Eigner vor.86 Aus ökonomischer Perspektive gewährleistet der Grundsatz der Nominalkapitalerhaltung ohnehin nicht den Erhalt des Unternehmens als Einkommensquelle. Hierfür wäre die Ermittlung des Periodengewinnes i. S. d. maximal entziehbaren Betrages bei Erhalt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens erforderlich; Letztere spiegelt sich im Ertragswert des Unternehmens wider. Entziehbarer Gewinn in einem solchen Sinne wäre somit der kapitaltheoretische Gewinn.87

c) Anforderungen an Rechnungslegungsnormen zur Ermittlung einer gläubigerschützenden Ausschüttungsrichtgröße Die Beurteilung der Zweckmäßigkeit einzelner Ansatz- und Bewertungsregeln für die Ausschüttungsbemessung ist zum einen daran zu prüfen, inwieweit explizite oder implizite Wahlrechte die Bedeutung der Rechnungslegung für die Kapitalbindung schwächen, da die Unternehmen durch sie den Periodengewinn (oder -verlust) beeinflussen können. Wahlrechte bzw. deren gezieltes Ausnutzen zur Bildung (und späteren Auflösung) stiller Rücklagen sind für den Schutz der Gläubiger kontraproduktiv: In guten Zeiten benötigen sie keine Erweiterung der Haftungsmasse, in schlechten Zeiten hingegen droht eine nachträgliche Ausschüttung.88 Zum anderen ist die Zweckmäßigkeit auch anhand des Ertragsrealisationszeitpunktes zu beurteilen.89 Regelungen, die die Höhe des ausschüttungsoffenen Gewinnes bestimmen, sind an einer Wertentscheidung über die Entziehbarkeit des Gewinnes auszurichten.90 Das Ausmaß des Gläubigerschutzes bzw. die Frage, was als entziehbar gilt, setzt ein Werturteil über die Gewichtung der Interessen von Eignern und Gläubigern voraus.91 ___________ 86

Vgl. Rammert, S. (2004), S. 580. Vgl. Kahle, H. (2002), S. 138. 88 Vgl. Siegel, T. (1986-b), S. 422; Kahle, H. (2002), S. 158; siehe ferner die Ausführungen zur Kritik hinsichtlich der Bildung stiller Rücklagen in Abschnitt D.III.1.d) (Zeitwertbilanzierung) der vorliegenden Arbeit. 89 So auch Kahle, H. (2002), S. 158 f. 90 Vgl. Förster, G. W. (1999), S. 144. 91 Vgl. Rammert, S. (2004), S. 583. 87

354

E. Rechnungslegung zum Zweck der Anspruchsbemessung

Sofern Gewinnbeteiligungen bzw. -ausschüttungen von den Empfängern im Verlustfall nicht zurückverlangt werden können, d. h. in den Fällen beschränkter Haftung, haben Rechnungslegungsvorschriften zum Zweck der Ausschüttungsbegrenzung nach hier vertretener Auffassung Chancen und Risiken imparitätisch zu berücksichtigen. Angesichts der nur beschränkten Haftung erscheint es vertretbar, die Interessen der Anteilseigner bis zur Grenze der erforderlichen Kapitalerhaltung hinter die Interessen der Gläubiger zurückzustellen.92 Die dargestellten Insolvenzhäufigkeiten gerade bei haftungsbeschränkten Unternehmen (vgl. Tabelle 8) stützen die hier vertretene Auffassung. Für die Ausschüttungsbemessungsfunktion kommt es bezüglich der Aktivierung darauf an, dass eine hinreichende Konkretisierung der zukünftigen Einzahlungen gegeben ist. Somit erscheint es sinnvoll, Gewinne grundsätzlich erst nach dem Zeitpunkt der Lieferung oder Leistung zu realisieren.93 Passivierungsregeln hingegen sollten für den Zweck des Gläubigerschutzes zu einem vollständigen Ausweis der sicheren und unsicheren Schulden führen.94 Auch bezüglich des Ansatzes von Rückstellungen ist somit auf das Vollständigkeitsprinzip abzustellen. Dabei reicht nach hier vertretener Auffassung in den Fällen, in denen eine rechtliche Verpflichtung bzw. Anordnung vor deren wirtschaftlicher Verursachung entsteht, wie beispielsweise bei Anpassungsverpflichtungen, die rechtliche Entstehung aus Vorsichtsgründen für den Ansatz einer Verbindlichkeitsrückstellung aus.95 Ferner soll auch in den Fällen, in denen keine Außenverpflichtung gegenüber Dritten, sondern lediglich eine Verpflichtung gegenüber sich selbst besteht, eine Rückstellung in eng begrenzten Fällen zu bilden sein, sofern die Aufwendungen wirtschaftlich einer bereits abgelaufenen Periode zuzurechnen sind. Dies erscheint unter dem Gesichtspunkt der Vergleichbarkeit der Periodenergebnisse sowie insbesondere der Liquidität bei Fortführung der Unternehmenstätigkeit zweckadäquat. ___________ 92

Vgl. Siegel, T. (1997), S. 123. Vgl. Kahle, H. (2002), S. 159. Siegel fordert, dass „die entsprechende Geldwerdung zumindest quasisicher ist.“ Siegel, T. (1994), S. 8. 94 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 162 f.; Siegel, T. (1994), S. 1 ff., S. 20; Förster, G. W. (1999), S. 123 f. und S. 144; Schneider, D. (1997-a), S. 283 f., S. 337; Pannen, M. (2000), S. 157. 95 A. A. ist hingegen Siegel, welcher die Unentziehbarkeit als Voraussetzung für die Bildung von Rückstellungen fordert. Der Vollzug von Anpassungsrückstellungen etwa kann jedoch durch Einstellung der betreffenden Aktivitäten vermieden werden. Vgl. Siegel, T. (2002), S. 1192 ff.; Siegel, T. (1995), S. 1141; Siegel, T. (1994), S. 1 ff. Durch eine solche Forderung nach Unentziebarkeit liegt eine Annäherung an die IFRS vor, die hinsichtlich des Erfassungszeitpunktes einer Verpflichtung ebenfalls darauf abstellen, inwieweit sich das Unternehmen dem künftigen Mittelabfluss entziehen kann. Vgl. hierzu auch Schmidt, M. (2000), S. 172 f. 93

III. Regulierung von Gewinnausschüttungen in Deutschland

355

III. Regulierung von Gewinnausschüttungen in Deutschland Regulierung von Gewinnausschüttungen in Deutschland

Wie in den vorangegangenen Abschnitten dargestellt, ist nach hier vertretener Auffassung sowohl an einer hoheitlichen Normierung von Mindestausschüttungen bei nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteten Aktiengesellschaften als auch grundsätzlich an einer hoheitlichen Normierung des entziehbaren Gewinnes sowie eines „institutionellen“ Gläubigerschutzes festzuhalten. Insbesondere hinsichtlich des „institutionellen“ Gläubigerschutzes bestehen Überlegungen, diesen vom Jahresabschlussrecht loszulösen und Gewinnausschüttungen künftig mit Hilfe von (In-)Solvenztests zu regulieren. Dabei wird v. a. auch auf die möglichen Über- und Unterinvestitionswirkungen von Ausschüttungssperren sowie die Problematik der Nominalkapitalerhaltung hingewiesen.96 Eine solche Abkopplung vom Jahresabschlussrecht würde es ermöglichen, den Jahresabschluss ausschließlich auf informatorische Zwecke auszurichten. Um die alternativen Instrumente zur Regulierung von Gewinnausschüttungen bei Kapital- und diesen gleichgestellten Gesellschaften beurteilen zu können, wird im Folgenden zunächst auf die diesbezüglichen Regelungen in Deutschland sowie auf die damit gesammelten Erfahrungen näher eingegangen. Bei Personenunternehmen mit persönlicher Haftung hingegen existieren keine gesellschaftsrechtlichen Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsregelungen. Auf die Ermittlung eines „entziehbaren“ Gewinnes durch die konkreten Ansatz- und Bewertungsvorschriften des HGB, welche in Abschnitt D.II. eingehend betrachtet wurden, wird an dieser Stelle nicht mehr gesondert eingegangen. Hingegen wird in Abschnitt E.VI. mit Blick auf die IFRS, welche lediglich auf den Zweck der Informationsvermittlung abzielen, untersucht, inwieweit Zusatzregelungen erforderlich wären, um auf Basis der IFRS zu einem entziehbaren Gewinn überzuleiten. Während die Regelungen zur Gewinnverteilung bzw. -verwendung bei den Personengesellschaften wie auch bei der GmbH großteils dispositiv sind,97 sind ___________ 96 Siehe hierzu die entsprechenden Ausführungen in Abschnitt E.V. der vorliegenden Arbeit. 97 Siehe hierzu die Ausführungen in Abschnitt C.III.2.b) der vorliegenden Arbeit sowie auch Hueck, G./Windbichler, C. (2003), S. 152 ff. (OHG), S. 204 f. (KG), S. 500 ff. (GmbH). Der Ergebnisverwendungsbeschluss bedarf bei der GmbH grundsätzlich nur der einfachen Mehrheit (vgl. § 47 Abs. 1 GmbHG). Dadurch besteht die Gefahr einer Benachteiligung von Minderheitsgesellschaftern durch eine auf übermäßige Rücklagenbildung gerichtete Gewinnverwendungspolitik der Mehrheit. Dies kann im Extremfall zu einer „Aushungerung“ der Minderheit führen, insbesondere da der Gesetzgeber keine dem § 254 AktG vergleichbare Regelung bei der GmbH getroffen hat. Vgl. Hueck, G./Windbichler, C. (2003), S. 501 f.

356

E. Rechnungslegung zum Zweck der Anspruchsbemessung

bei der AG bestimmte Regelungen zur Sicherung von Mindestausschüttungen im AktG zwingend vorgegeben. Die Minderheitsaktionäre sollen dadurch vor den Mehrheitseignern, die Aktionäre insgesamt sollen vor den Verwaltungsorganen geschützt werden. Im AktG sind, wie zum Teil bereits dargestellt,98 insbesondere der Anspruch auf Bilanzgewinn (vgl. § 58 Abs. 4 AktG), die Begrenzung der Rücklagenbildungsmöglichkeit durch das bilanzfeststellende Organ (vgl. § 58 Abs. 1 und Abs. 2 AktG) sowie das Anfechtungsrecht des Gewinnverwendungsbeschlusses der Hauptversammlung (vgl. § 254 Abs. 1 AktG) zu nennen.99 Für die Rechnungslegung gelten bei der AG ebenso wie für die anderen Kapital- und diesen gleichgestellte Personengesellschaften die Vorschriften der §§ 264 ff. HGB. Diese Regelungen enthalten explizite Verbote bestimmter Unterbewertungen (vgl. §§ 279, 280 HGB). Bei beschränkt haftenden Unternehmen kommt als weitere Teilaufgabe im Rahmen der Zahlungsbemessungsinteressen die Begrenzung der ausschüttbaren Beträge hinzu. Der aus der Haftungsbeschränkung resultierenden Gläubigergefährdung soll mit Hilfe des Konzepts der Kapitalerhaltung begegnet werden. Von der Zweiten (gesellschaftsrechtlichen) EG-Richtlinie ist das System der Nominalkapitalerhaltung in Form von Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsregelungen für die AG derzeit als Faktum vorgegeben.100 Die Umsetzung des Jahresabschlusszweckes der nominellen Kapitalerhaltung erfolgt zum einen durch die dargestellten gesellschaftsrechtlichen Kapitalsicherungsvorschriften in Form von Einzahlungsvorschriften und Begrenzungen der Zugriffsmöglichkeiten der Anteilseigner,101 zum anderen durch flankierende Ansatz- und Bewertungsvorschriften.102 Was als „entziehbar“ gilt, bestimmt sich im HGB nach den vom Vorsichtsprinzip geprägten Gewinnermittlungsgrundsätzen. Aus Gläubigerschutzgesichtspunkten ist festzustellen, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtrücklagen103 lediglich eine schwache Ausschüttungssperrwirkung entfalten: Sie sind als Prozentsatz des Grundkapitals bestimmt und somit als Instrument nomineller Kapitalerhaltung zu qualifizieren; ebenso wie die Kapitalrücklagen aus Emissionen über pari unterliegen sie keiner wertmäßigen Anpassung bei geänderten Preisverhältnissen. Anders verhält es sich bei der Einstellung in die anderen Gewinnrücklagen durch den Vorstand, da sich die Höhe des eingestellten Betrages tendenziell auf Rechengrößen des abgelaufenen Geschäftsjahres bezieht und somit keine großen Preisabweichun___________ 98

Siehe Abschnitt C.III.2.b) der vorliegenden Arbeit. Vgl. Coenenberg, A. G. (2005), S. 15. 100 Vgl. Zweite EG-Richtlinie, Art. 6 ff. 101 Siehe Abschnitt C.III.2.c) der vorliegenden Arbeit. 102 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 52 ff. 103 Siehe Abschnitt C.III.2.c) der vorliegenden Arbeit. 99

III. Regulierung von Gewinnausschüttungen in Deutschland

357

gen zu erwarten sind.104 Inwieweit diese Tatsache als gläubigerschützend anzusehen ist, hängt zum einen davon ab, ob von einem Thesaurierungsinteresse der Geschäftsführung ausgegangen wird (siehe hierzu die Ausführungen in Abschnitt D.I.1.d)). Zum anderen gilt eine solche Einschätzung nur, wenn die Geschäftsführung ungestört ihren Interessen nachgehen kann oder im Fall einer faktischen Kontrolle durch die Aktionäre oder den Aufsichtsrat keine abweichende Interessenmehrheit von Seiten der Aktionäre besteht. Dabei wird der Grad der Unabhängigkeit der Verwaltungsorgane wesentlich beeinflusst von der Art und Zusammensetzung der Anlegerschaft.105 Die Rechtfertigung der gesellschaftsrechtlichen Schutzinstitutionen der Ausschüttungsbegrenzung und des Nominalkapitalkonzepts ist in Literatur und Praxis umstritten. Die hohe Anzahl an Insolvenzen – neben den Einzelunternehmen u. Ä. – insbesondere in der Rechtsform der GmbH (vgl. Tabelle 8, Abschnitt E.I.), die hohe Anzahl von Insolvenzabwicklungen mangels Masse106 sowie die Häufigkeit von Insolvenzen in den ersten Jahren nach der Gründung107 veranschaulichen, dass die Mindestkapitalisierungserfordernisse keine Gläubigerverluste in nennenswerter Höhe auffangen können.108 Demnach können „Ausschüttungssperren auf Basis traditioneller Jahresabschlüsse die Gläubiger nur höchst unvollkommen schützen“109. Würde jedoch ein nennenswert höheres Mindestnennkapital vorgeschrieben, würde dies die Haftungsbeschränkung für viele kleinere Unternehmen faktisch unerreichbar werden lassen.110 Angesichts der aufgezeigten Schwächen der „bilanziellen“ Kapitalerhaltung sowie mit Blick auf die Internationalisierung der Rechnungslegung wird in Wissenschaft und Praxis zum Teil gefragt, inwieweit mögliche Alternativen zum bestehenden System der Kapitalerhaltung in Betracht kommen. Aus diesem Grund werden im Folgenden das Konzept des Gläubigerschutzes aufgrund von Insolvenztests in den USA sowie das Konzept zur Einführung eines (In-) Solvenztests auf europäischer Ebene dargestellt. ___________ 104 Selbst die Thesaurierung von Gewinnen, die auf Basis von historischen Anschaffungskosten berechnet wird, führt zu einer stärker inflationsangepassten Einstellung in die Rücklagen als die gegebenenfalls lange zurückliegende Pflichtrücklage; vgl. Fladung, H.-D. (2000), S. 57. 105 Somit kann es in Fällen einer faktisch aktionärsdominierten AG zu einer rücklagenadversen Ausschüttungspolitik kommen. Ein wirksamer Gläubigerschutz ist unter solchen Bedingungen nicht unbedingt gewährleistet. Vgl. Fladung, H.-D. (2000), S. 57. 106 Im Jahr 2004 wurden von insgesamt 118 274 Insolvenzverfahren 21 450 Verfahren mangels Masse abgewiesen, siehe Statistisches Bundesamt (2005), Tabelle 5, S. 22. 107 Vgl. Statistisches Bundesamt (2005), Tabelle 10, S. 29. 108 Vgl. auch Kahle, H. (2002), S. 136 m. w. N. 109 Schildbach, T. (1998-a), S. 79. 110 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 137.

358

E. Rechnungslegung zum Zweck der Anspruchsbemessung

IV. Regulierung von Gewinnausschüttungen in den USA Regulierung von Gewinnausschüttungen in den USA

1. Gläubigerschutz durch Insolvenztests In den USA sind Insolvenztests111 als gesetzliche Ausschüttungsbegrenzung von zentraler Bedeutung. Dort werden die Notwendigkeit des Jahresabschlusses sowie seine Eignung für die Aufgabe der Ausschüttungsbemessungsfunktion weitgehend bezweifelt.112 Die Aufgabe einer Mindestausschüttungsbemessung, wie sie in Deutschland für Aktiengesellschaften geregelt ist, gibt es in den USA nicht. Über die Höhe der Ausschüttung entscheidet ausschließlich die Verwaltung (board of directors); Anteilseigner verfügen diesbezüglich lediglich insoweit über unmittelbare Mitbestimmungsbefugnisse, als sie selbst Verwaltungsmitglieder sind. Die Anteilseigner können eine Ausschüttung nur in Ausnahmefällen gerichtlich erstreiten, so dass es im Kern lediglich um eine Ausschüttungsobergrenze geht.113 Gesetzliche Ausschüttungsbeschränkungen der corporations in den USA finden sich aufgrund der Gesetzgebungskompetenz der Einzelstaaten in deren Kapitalgesellschaftsrechten. Darüber hinaus sind bei der Festlegung der Dividenden einschlägige Gerichtsurteile, Vorschriften anderer Gesetze sowie Bestimmungen in der Satzung oder in Kreditvereinbarungen zu berücksichtigen. In den USA lässt sich unterscheiden zwischen dem traditionellen System (Nennkapitalsystem) und dem modernen System, welches durch die Abschaffung des Konzepts des gesetzlichen Grundkapitals gekennzeichnet ist.114 Im traditionellen System ist eine Ausschüttung grundsätzlich nur erlaubt, soweit sie das Grundkapital unangetastet lässt und nicht zur Insolvenz der Kapitalgesellschaft führt.115 Im Revised Model Business Corporation Act (RMBCA), welcher Vorbildfunktion für das Kapitalgesellschaftsrecht in den USamerikanischen Einzelstaaten besitzt,116 wird das traditionelle Konzept des gesetzlichen Kapitals hingegen aufgegeben und die Zulässigkeit von Entnahmen u. a. an das Bestehen eines Insolvenztests geknüpft.117 Als wesentlicher Grund ___________ 111 Im Folgenden werden die Begriffe des Insolvenz- und des Solvenztests synonym verwendet. 112 Vgl. Schildbach, T. (2002-b), S. 11. 113 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 152; Schildbach, T. (1998-a), S. 74. 114 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 148. 115 Vgl. Merkt, H./Göthel, S. R. (2006), S. 263 f.; Kahle, H. (2002), S. 153; Schildbach, T. (2002-b), S. 12 f. 116 Siehe auch Abschnitt D.IV.3. der vorliegenden Arbeit. 117 Vgl. § 6.40 (c) RMBCA; Merkt, H./Göthel, S. R. (2006), S. 269; Rammert, S. (2004), S. 590.

IV. Regulierung von Gewinnausschüttungen in den USA

359

für die Umstellung vom traditionellen zum modernen System ist angeführt worden, dass Ersteres einen wirksamen Gläubigerschutz nicht leisten kann.118 In sämtlichen US-Bundesstaaten gilt entweder per Gesetz oder aufgrund von common law die Bedingung, dass eine Ausschüttung nicht die Insolvenz des Unternehmens verursachen darf. Eine Ausschüttung ist grundsätzlich nur insoweit erlaubt, als sie das Unternehmen nicht in die Zahlungsunfähigkeit (equity insolvency test) oder in die Überschuldung (bankruptcy test) treiben würde. Insbesondere das zweite der beiden Kriterien hängt maßgeblich von den Ansatz- und Bewertungsvorschriften ab. Gleichwohl sind beide Kriterien nicht an die US-GAAP gebunden.119 Die Verfahren unterscheiden sich grundlegend: Der bankruptcy test untersucht, ob das Unternehmen überschuldet ist, d. h. dessen Schulden die Vermögenswerte übersteigen, und stellt hierfür auf Bilanzdaten ab. Demgegenüber geht der equity test der Frage nach, ob das Unternehmen illiquide wird und zieht dazu Plan-GuV-Rechnungen bzw. Plan-Cashflow-Rechnungen heran. Aufgrund der unterschiedlichen Herangehensweisen führen die beiden Verfahren teilweise zu unterschiedlichen Ergebnissen.120 In fast allen US-amerikanischen Bundesstaaten existieren jedoch als zusätzliche Ausschüttungsrestriktionen verschiedene Formen von balance sheet tests, welche sich ihrem Kern nach auf den bankruptcy test zurückführen lassen. Im Folgenden wird lediglich der equity test des RMBCA dargestellt, da dessen Regelungen in zahlreichen Einzelstaaten übernommen worden sind.121 Durch die Aufgabe des Nennkapitalsystems im RMBCA kommt den Insolvenztests im modernen System in den USA eine besondere Bedeutung zu.122 Nach dem dortigen equity test ist eine Ausschüttung ausschließlich dann erlaubt, wenn die Gesellschaft anschließend in der Lage ist, ihre im gewöhnlichen Geschäftsverlauf fällig werdenden Verbindlichkeiten zu begleichen.123 Offen gelassen wird jedoch, unter welchen Umständen von einer solchen Solvenz des Unternehmens i. S. d. § 6.40(c) (1) RMBCA auszugehen ist. Eine Gewinnaus___________ 118

Vgl. Kahle, H. (2002), S. 148 m. w. N. Wie bereits in Abschnitt D.III.3. dargestellt, müssen die US-GAAP lediglich von Kapitalgesellschaften beachtet werden, die unter die Registrierung nach dem SEA fallen. Deshalb wurde davon abgesehen, auch den anderen beschränkt haftenden Gesellschaften die Anwendung der US-GAAP vorzuschreiben, was im Falle einer Basierung des Insolvenztests auf den US-GAAP der Fall gewesen wäre. Vgl. Kahle, H. (2002), S. 153; vgl. auch Schildbach, T. (2002-b), S. 12; Rammert, S. (2004), S. 590. 120 Vgl. Pellens, B./Jödicke, D./Richard, M. (2005), S. 1395. 121 Vgl. Pellens, B./Jödicke, D./Richard, M. (2005), S. 1396. 122 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 154. 123 Vgl. § 6.40 (c) (1) RMBCA. 119

360

E. Rechnungslegung zum Zweck der Anspruchsbemessung

schüttung ist unabhängig davon nicht zulässig, wenn nach der Ausschüttung die Gesamtverbindlichkeiten größer als das Gesamtvermögen sind.124 Eine rein stichtagsbezogene Betrachtung auf der Grundlage von Bilanzdaten genügt jedoch nicht. So gilt eine Gesellschaft z. B. auch bei einem die kurzfristigen Verbindlichkeiten übersteigenden Kassenbestand als insolvent i. S. d. Testverfahrens, wenn die Geschäftsführung weiß, dass ein Lieferant in Kürze eine hohe Rechnung für eine Lieferung ausstellen wird, zu deren fristgerechter Begleichung das Unternehmen nach Ausschüttung der geplanten Dividende nicht mehr genügend liquide Mittel hätte. Ebenso kann im umgekehrten Fall ein Unternehmen trotz aktuell zu geringer Kassenbestände die Voraussetzungen für eine Dividende erfüllen, wenn kurzfristig hohe Einzahlungen aus dem operativen Geschäft mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartet werden können.125 Sofern Hinweise auf wirtschaftliche Schwierigkeiten oder Liquiditätsengpässe des Unternehmens hindeuten, hat das board of directors weitergehende Untersuchungen zur Beurteilung der Solvenz vorzunehmen. Dabei muss die Geschäftsführung beurteilen, ob durch die erwartete Nachfrage nach Produkten oder Leistungen des Unternehmens ausreichend Einzahlungen erwirtschaftet werden, um die aktuell sowie zukünftig bestehenden finanziellen Verpflichtungen bei Fälligkeit begleichen zu können. Im Rahmen dieser Prognosen müssen auch Eventualschulden ausdrücklich beachtet werden.126 Bei den erforderlichen Schätzungen müssen die Mitglieder der Geschäftsführung bestimmte Sorgfaltspflichten berücksichtigen.127 Sofern ein Mitglied für eine unrechtmäßige Dividendenausschüttung gestimmt hat und ihm ein Verstoß gegen seine Sorgfaltspflichten nachgewiesen werden kann, haftet es persönlich gegenüber der Gesellschaft in Höhe der Ausschüttung. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass im Gesetz keine konkreten Handlungsempfehlungen für die Durchführung eines equity test vorgegeben werden.128 Im Gegensatz zum Konzept eines Mindestnennkapitals in Verbindung mit der Beschränkung von Gewinnausschüttungen vertraut das US-Gesellschaftsrecht stärker auf einen Ex-post-Gläubigerschutz durch gerichtliche Kontrolle des Schuldnerverhaltens im Insolvenzfall.129 Wenn auf das Prinzip der Kapitalerhaltung verzichtet wird, kommt einer Ausgestaltung der Durchgriffshaftung als einem wirksamen Instrument des Gläubigerschutzes eine umso größere Be___________ 124

Vgl. § 6.40 (c) (2) RMBCA. Vgl. Pellens, B./Jödicke, D./Richard, M. (2005), S. 1396. 126 Vgl. Pellens, B./Jödicke, D./Richard, M. (2005), S. 1396 f. 127 Vgl. § 8.30 RMBCA. 128 Vgl. Pellens, B./Jödicke, D./Richard, M. (2005), S. 1397. 129 Vgl. Watrin, C. (2001), S. 230 f. 125

IV. Regulierung von Gewinnausschüttungen in den USA

361

deutung zu.130 Entsprechend wird in den US-Staaten, welche für die Erlangung der Haftungsbeschränkung keine oder lediglich eine geringe Mindestkapitalausstattung vorschreiben, stattdessen die Frage des Haftungsdurchgriffs in bestimmten Fällen diskutiert.131 Grundsätzlich ist in den USA ein Haftungsdurchgriff auf das Privatvermögen von Gesellschaftern leichter als in Deutschland zu erreichen. Ein solcher Ex-post-Gläubigerschutz ohne das Erfordernis eines Mindestkapitals vermeidet das Errichten einer Markteintrittsbarriere, wie sie das Mindestkapital darstellt.132 Dem stehen jedoch auch bedeutsame Nachteile gegenüber. Aus ökonomischer Perspektive kann eine solche Durchgriffshaftung die beschränkte Haftung der Anteilseigner aufheben und somit die Funktion bestimmter Kapitalgesellschaften als Kapitalsammelbecken zerstören, sofern die Durchgriffshaftung nicht auf eng begrenzte Tatbestände beschränkt bleibt. Es ist zu vermuten, dass solchermaßen für die Anteilseigner entstehende hohe Risiken dazu führen würden, dass bestimmte Anleger sich womöglich ganz vom Kapitalmarkt zurückziehen würden. Eine solche Beschränkung des Kapitalmarktes als Quelle der Unternehmensfinanzierung hätte gesamtwirtschaftliche Nachteile zur Folge.133 Hinsichtlich des Insolvenztests lässt sich als wesentlicher Vorteil aufführen, dass mit der Zahlungsfähigkeit die Zulässigkeit von Ausschüttungen grundsätzlich an ein insolvenzrechtliches Kriterium gebunden wird. Im Gegensatz dazu weist die „bilanzielle“ Kapitalerhaltung keinen unmittelbaren Bezug zum Insolvenzrecht auf. Durch das Konzept der Kapitalerhaltung lässt sich nicht ausschließen, dass die Gesellschaft aufgrund von Entnahmen zahlungsunfähig wird.134 Dem stehen jedoch nicht unerhebliche Anwendungsprobleme eines Insolvenztests aufgrund des Objektivierungsproblems prognoseorientierter Daten gegenüber. Der Insolvenztest ist zudem mit der Schwierigkeit verbunden, die Kausalität zwischen der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens und einer vorangegangenen Ausschüttung nachweisen zu müssen.135 Da Zahlungsunfähigkeit in der Regel auf einer Vielzahl von Faktoren beruht, ist es schwierig, Ausschüttungen als eindeutige Ursache zu identifizieren.136 Eindeutig zu untersagen sind die Fälle, in denen absehbar ist, dass bestimmte Entnahmen die Insol___________ 130

Vgl. Kahle, H. (2002), S. 148. Vgl. Kahle, H. (2002), S. 148. 132 Vgl. Watrin, C. (2001), S. 231. 133 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 149. 134 Vgl. Rammert, S. (2004), S. 590. 135 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 157; Watrin, C. (2001), S. 231. 136 Vgl. Wagenhofer, A./Ewert, R. (2003), S. 149; Rammert, S. (2004), S. 591. 131

362

E. Rechnungslegung zum Zweck der Anspruchsbemessung

venz auslösen würden. Weniger klar sind hingegen diejenigen Fälle, in denen nach Entnahmen zwar nicht mit einer alsbaldigen Insolvenz, aber mit einem deutlich erhöhten Insolvenzrisiko zu rechnen ist. Entscheidend ist hier insbesondere die Frage, von welchem Prognosezeitraum sowie von welcher Wesentlichkeitsgrenze für das Insolvenzrisiko bzw. dessen Veränderung auszugehen ist.137 Ferner ist zu berücksichtigen, dass Insolvenztests als Gläubigerschutzinstrument für die Unternehmen nur dann eine tatsächliche Erleichterung bedeuten, wenn die Unternehmen bei Fehlen entsprechender gesetzlicher Rechnungslegungsregeln auch nicht aufgrund privatvertraglicher Ausschüttungsbeschränkungen zu einer vorsichtigen Gewinnermittlung verpflichtet wären. Im Folgenden werden deshalb entsprechende Erfahrungen bezüglich privatvertraglich vereinbarter Ausschüttungsbeschränkungen in US-amerikanischen Kreditverträgen kurz dargestellt.

2. Private Vereinbarungen in US-amerikanischen Kreditverträgen (covenants) Angesichts der praktisch wenig restriktiven Beschränkungen der Ausschüttungsmöglichkeiten von Kapitalgesellschaften nach Recht und Gesetz spielen vertragliche Entnahmebegrenzungen in den US-amerikanischen Staaten eine zentrale Rolle. Die Gläubiger schützen sich zusätzlich durch vertragliche Vereinbarungen in Kreditverträgen, in denen sie nicht nur Sicherungsrechte vereinbaren, sondern ihren Schuldnern auch die Einhaltung wohl definierter Bedingungen in Form von Geboten oder Verboten (covenants) auferlegen.138 Dabei werden als solche covenants neben der Begrenzung der Aufnahme weiterer Kredite in der Regel auch (direkte) Ausschüttungsbegrenzungen festgelegt, welche die Ausschüttungen auf einen festen Betrag zuzüglich der seit der Kreditgewährung erwirtschafteten Gewinne beschränken. Wird der feste Betrag als Gewinnvortrag oder jederzeit auflösbare andere Gewinnrücklage interpretiert, wird privat etwas vereinbart, was in Teilen dem Gläubigerschutz durch deutsche Kapitalerhaltungsvorschriften sehr nahe kommt.139 Dies gilt ebenso für die vertraglich vereinbarten Rechnungslegungsvorschriften, welche der Berechnung der Gewinne zugrunde zu legen sind. Die so vereinbarten Regeln sind ___________ 137

Vgl. Rammert, S. (2004), S. 591. Untersuchungen zufolge sind Gerichte in den USA deswegen teilweise eher abgeneigt, eine unzulässige Dividendenzahlung anzunehmen. Vgl. Watrin, C. (2001), S. 231 f. 138 Vgl. Schildbach, T. (2002-b), S. 14 f.; Kahle, H. (2002), S. 149 f.; Rammert, S. (2004), S. 588 f. 139 Vgl. Schildbach, T. (2002-b), S. 15; Alberth, M. R. (1997), S. 749.

IV. Regulierung von Gewinnausschüttungen in den USA

363

teilweise noch vorsichtiger als die Regelungen nach GoB bzw. HGB. Sie scheinen somit die traditionelle These zu belegen, wonach Vorsicht – sofern sie nicht überbetont ist – grundsätzlich im Interesse der Gläubiger liegt.140 Untersuchungen entsprechender covenants in US-amerikanischen Kreditverträgen zeigen, dass solche Zusätze die US-GAAP insbesondere dahingehend modifizieren, dass:141 • Ansatzverbote für den good will, große Teile der immateriellen Werte sowie aktive latente Steuern formuliert werden, • Vermögenswerte nach dem Niederstwertprinzip, höchstens zu den Anschaffungskosten bewertet werden, • Beteiligungen nicht auf Basis von equity, sondern höchstens mit Anschaffungskosten bewertet und vorzeitige Gewinnausweise somit verhindert werden, • gemietetes Vermögen sowie die entsprechenden Schulden bilanziert werden, wenn der Leasingvertrag eine Laufzeit von mindestens drei Jahren hat, • Verbindlichkeiten im Allgemeinen umfassender definiert werden als nach US-GAAP sowie • unsichere Schulden über die Grenzen der vagen Ansatzkriterien der „Wahrscheinlichkeit“ sowie der verlässlichen Schätzbarkeit hinaus nach vorsichtigen Gesichtspunkten angesetzt werden. Tendenziell resultieren aus diesen Änderungen ein niedrigeres Reinvermögen und ein späterer Gewinnausweis. Dies legt die Vermutung nahe, dass Gläubiger in Kreditverträgen eine vorsichtige Gewinnermittlung vereinbaren würden, sofern eine solche nicht gesetzlich bestimmt wäre. Entsprechend dem Verständnis von Rechnungslegung als schutzorientierte Interessenregelung hat sie als ein Teil „allgemeiner Geschäftsbedingungen“ für Gesellschafts-, Kreditund sonstige Verträge das Aufeinanderabstimmen der Erwartungen zu erleichtern, von denen der Erfolg der Pläne der Individuen abhängt.142 Gesetzliche Rechnungslegungsvorschriften können somit die Transaktionskosten in Form der Kosten der Erstellung sowie der Einhaltung der Verträge verringern, wenn sie einmal und mit geringeren Kosten das regeln, was die Marktakteure bei ent-

___________ 140 Hinsichtlich solcher Beispiele siehe auch Schildbach, T. (2002-b), S. 15 f.; Kahle, H. (2002), S. 164 ff. m. w. N. 141 Vgl. im Folgenden Leftwich, R. (1983), S. 31 ff.; Alberth, M. R. (1998), S. 812 f. 142 Siehe Abschnitt C.II.2.a) der vorliegenden Arbeit.

364

E. Rechnungslegung zum Zweck der Anspruchsbemessung

sprechender Marktmacht ohnehin – jedoch vielmals und somit mit höheren Kosten – in Verträgen regeln würden.143 Sofern also in Deutschland von dem derzeitigen System einer vorsichtigen Gewinnermittlung in Verbindung mit Ausschüttungssperren und Nominalkapitalerhaltung im Gesellschaftsrecht abgewichen würde, ist zu vermuten, dass solche Grundsätze dann großteils in privatvertraglichen Vereinbarungen geregelt werden würden.144 „Solange rationale Gläubiger (…) in Kreditverträgen vorsichtige Jahresabschlüsse vereinbaren, muß davon ausgegangen werden, dass einfachere Ausschüttungsgrenzen die angesprochene Aufgabe schlechter erfüllen.“145 Die Tatsache, dass auf Grundlage von nach HGB ermittelten Gewinnen kreditvertraglich vereinbarte Ausschüttungsrestriktionen in der Regel nicht anzutreffen sind,146 spricht mit Blick auf Gläubigerschutzzwecke zumindest nicht gegen die Effizienz der gesetzlichen Regelungen in Deutschland.147

V. Konzept zur Einführung eines (In-)Solvenztests auf europäischer Ebene Konzept zur Einführung eines (In-)Solvenztests auf europäischer Ebene

Auf EU-Ebene steht die Erhaltung des Systems der bilanziellen Kapitalerhaltung auf dem Prüfstand. So werden zur Zweiten EG-Richtlinie, welche die europarechtlichen Grundlagen für die Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsregelungen der AG beinhaltet, seit längerem Reformüberlegungen angestellt. Die diesbezüglich von der Europäischen Kommission eingesetzte Expertenkommission (High Level Group of Company Law Experts) befürwortet die Entwicklung eines alternativen Regelungskonzeptes auf Basis eines Solvenztests, wodurch die bestehenden Kapitalschutzregelungen zumindest als Mitgliedstaatenwahlrecht ergänzt werden sollen.148 Aktuelle gesellschaftsrechtliche Entwicklungen in anderen EU-Mitgliedstaaten spiegeln die in Europa zunehmend ablehnende Haltung gegenüber dem gesetzlichen „Garantiekapital“ wi-

___________ 143

Vgl. Kahle, H. (2003), S. 270. Vgl. Kahle, H. (2002), S. 166. 145 Schildbach, T. (2002-a), S. 273. 146 Vgl. Leuz, C. (1996), S. 242. 147 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 166. 148 Vgl. High Level Group of Company Law Experts (2002), S. 80 f. Auf Basis dieser Empfehlungen der High Level Group wurde eine Expertengruppe zur Erarbeitung eines Reformvorschlages, die Interdisciplinary Group on Capital Maintenance (zum Teil auch nach ihrem Vorsitzenden Rickford benannt), gegründet. Vgl. Rammert, S. (2004), S. 579. 144

V. Konzept zur Einführung eines (In-)Solvenztests auf europäischer Ebene

365

der. So hat beispielsweise in Frankreich der Gesetzgeber inzwischen das Mindestkapitalerfordernis für die société à responsabilité limitée abgeschafft.149 Nach dem von der Expertengruppe vorgeschlagenen Konzept eines zweistufigen Solvenztests muss die Gesellschaft nach Ansicht der Geschäftsführung zum einen unmittelbar nach der Ausschüttung weiterhin in der Lage sein, ihre Schulden zu tilgen; zum anderen muss sie unter der Prämisse der Unternehmensfortführung wirtschaftlich fähig sein, ihre im folgenden Geschäftsjahr fällig werdenden Verbindlichkeiten zu erfüllen.150 Dabei sollen sowohl Eventualals auch künftige Verbindlichkeiten ebenso wie Eventualforderungen und künftige Vermögenswerte berücksichtigt werden. Ferner wird betont, dass bei der Analyse ein Vorsichtsprinzip zu beachten sein soll, eine lediglich mögliche Kapitalerhöhung z. B. wäre demnach nicht mit einzubeziehen. Dieser Solvenztest soll nicht um einen Bilanztest ergänzt werden. Gleichwohl seien Bilanzinformationen jedoch nicht völlig zu vernachlässigen. Sofern eine dem Solvenztest genügende Ausschüttung das traditionell ausschüttungsgesperrte Eigenkapital – d. h. die Summe aus gezeichnetem Kapital und nicht ausschüttungsfähigen Rücklagen – vermindern sollte, soll die Geschäftsführung darauf hinweisen und erklären müssen, weshalb sie trotzdem von der Zulässigkeit der Ausschüttung überzeugt ist.151 Bei Verstößen gegen pflichtgemäßes Verhalten sollen effiziente Sanktionen greifen: Vorstände sollen zivilrechtlich und in besonders schweren Fällen auch strafrechtlich haften, wenn sie ihren Sorgfaltspflichten schuldhaft nicht entsprochen haben. Auch Aktionäre sollen bei Verschulden verpflichtet werden, unrechtmäßig bekommene Ausschüttungen an die Gesellschaft zurückzuzahlen.152 Insgesamt enthält der Reformvorschlag – ebenso wie die Regelungen in den USA – keine konkreten Handlungsanweisungen an die Geschäftsführung mit der Begründung, dass zur Analyse der Solvenz keine allgemeingültigen Regeln getroffen werden können.153 Die bereits bei der Darstellung der Insolvenztests nach US-amerikanischem Recht aufgeführten Probleme lassen sich grundsätzlich auch hier anbringen. ___________ 149

Die société à responsabilité limitée (s. à r. l.) korrespondiert mit der deutschen GmbH. Vgl. hierzu etwa Rammert, S. (2004), S. 580. 150 Vgl. Rickford, J. (2004), S. 979 f.; High Level Group of Company Law Experts (2002), S. 88. Der Abschlussbericht dieser Interdisciplinary Group on Capital Maintenance wird nach ihrem Vorsitzenden Rickford benannt. 151 Vgl. Rickford, J. (2004), S. 980. 152 Vgl. Rickford, J. (2004), S. 972 ff., 980 f. Dort wird auf die Regelung in Großbritannien verwiesen, wonach darauf abgestellt wird, ob der Anteilseigner von dem Verstoß gegen die Gesetzesvorschriften gewusst hat oder gewusst haben sollte, vgl. Rickford, J. (2004), S. 973. 153 Vgl. Rickford, J. (2004), S. 981.

366

E. Rechnungslegung zum Zweck der Anspruchsbemessung

Dies gilt insbesondere für den generellen Zielkonflikt zwischen Prognoseorientierung und Objektivierungsanforderungen: Um eine mögliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts eines Unternehmens durch Ausschüttungen festzustellen, müsste zweckmäßigerweise ein Finanzplan erstellt werden.154 Die Eignung eines Finanzplans als prognoseorientiertes Rechenwerk zur Begründung von Rechtsfolgen wird jedoch von einem Teil der Literatur mit dem Argument bezweifelt, dass der Aufsteller über zu große Ermessensspielräume verfügt bzw. grundlegenden Objektivierungsanforderungen dadurch nicht genügt wird.155 Als Alternative wäre denkbar, das Objektivierungsproblem dadurch zu lösen, dass dem Insolvenztest anstelle eines Finanzplans bilanzielle Kennzahlen zugrunde gelegt werden, wie etwa das Verhältnis von Umlaufvermögen zu kurzfristigen Schulden in Form von Liquiditätsgraden.156 Auch diese Hilfsgrößen sind allerdings nicht frei von Objektivierungsproblemen. Außerdem ermöglichen solche bilanziellen Ersatzmaßstäbe keine sachgerechten Rückschlüsse auf das finanzielle Gleichgewicht einer Gesellschaft. Sie sind somit nach hier vertretener Auffassung abzulehnen.157

VI. Ausschüttungssperren auf Basis eines modifizierten IFRS-Abschlusses als Alternative? Ausschüttungssperren auf Basis eines modifizierten IFRS-Abschlusses?

Im Zusammenhang mit der Frage nach der Zulassung eines IFRSEinzelabschlusses wird für die Reform der Kapitalerhaltung von manchen Autoren vorgeschlagen, der Anspruchsbemessung einen (gegebenenfalls modifizierten) Jahresabschluss nach IFRS zugrunde zu legen.158 „Vorsichtige“ Jahresabschlüsse schützen Gläubiger zweifellos nur unvollkommen. Da sich unvollkommener Schutz auch durch einfachere, bei einer Rechnungslegung nach IFRS mit weniger zusätzlichem Rechenaufwand verbundene Ausschüttungs___________ 154

Vgl. Moxter, A. (1984), S. 151; Rammert, S. (2004), S. 590. Vgl. Rammert, S. (2004), S. 590; Pellens, B./Jödicke, D./Richard, M. (2005), S. 1395. 156 Vgl. High Level Group of Company Law Experts (2002), S. 88. 157 Vgl. Küting, K./Weber, C.-P. (2000-a), S. 120 f.; Rammert, S. (2004), S. 591; Leffson, U. (1984), Tz. 133 ff. Eine konkrete Definition der equity insolvency fehlt im US-Recht. Ein Anknüpfen ihres Vorliegens an solche festen Bilanzregeln wird dort weitgehend abgelehnt. Vgl. Watrin, C. (2001), S. 231. 158 Vgl. Schildbach, T. (2002-a), S. 271 ff. Dies würde zugleich die Möglichkeit offen halten, im Konzern den nach IFRS erstellten Konzernabschluss für die Anspruchsbemessung zu verwenden. 155

VI. Ausschüttungssperren auf Basis eines modifizierten IFRS-Abschlusses?

367

grenzen erreichen ließe, ist zu überlegen, ob durch Modifikationen auf Ebene der Gewinnverwendung nicht eine Synthese zwischen einer Rechnungslegung nach IFRS und dem Zweck der Kapitalerhaltung erreicht werden könnte.159 Für eine solche Synthese kommt grundsätzlich die Möglichkeit des Prinzips der „gläsernen, aber verschlossenen Taschen“160 in Frage, wonach der erzielte Gewinn nach IFRS auf einen entziehbaren Gewinn übergeleitet wird. Mit Hilfe einer Verlagerung der Anspruchsbemessung von der Gewinnermittlung auf die Gewinnverwendung könnten gegebenenfalls die konkurrierenden Zwecke der Kapitalerhaltung sowie der Informationsvermittlung in Einklang gebracht werden. Denkbar wäre es, einzelne Posten der Bilanz nach IFRS – wie etwa aktivierte Entwicklungskosten oder Teilgewinne aus langfristigen Fertigungsaufträgen – analog den Bilanzierungshilfen nach HGB zu behandeln und mit Ausschüttungssperren zu versehen. Solche Ergänzungen zu IFRS werden gerade aus Sicht der Lasten für den Mittelstand in Betracht gezogen.161 Gegen das Konzept gläserner, aber verschlossener Taschen wird zum Teil eingewandt, dass diese bei den Anteilseignern (wie auch beim Fiskus) ein Ausschüttungsbegehren wecken könnten, zu deren Befriedigung das Management auf entsprechende Rücklagen zurückgreifen müsste. Dies würde dem Zweck der Kapitalerhaltung entgegenlaufen und gegebenenfalls zu einer Substanzverringerung führen.162 Ein weiterer Kritikpunkt besteht darin, dass mehrere Teilrechnungen bei widersprüchlichen Zahlen Verwirrung stiften könnten.163 Ob und in welchem Ausmaß dies der Fall sein könnte, wird u. a. vom Umfang der Abweichungen sowie vom Vorhandensein entsprechender Erläuterungen beeinflusst. Inwieweit solche Zusatzrechnungen auf Basis eines nach den IFRS erstellten Abschlusses zweckmäßig sind, hängt insbesondere davon ab, wie umfassend die erforderlichen Einzelkorrekturen sind. Ausschüttungssperren werden den Rechnungslegenden zum Schutze der Gläubiger auferlegt. Sie sind folglich so zu gestalten, dass sie von Seiten der Rechnungslegenden nicht unterlaufen werden können. Dies erfordert strenge Objektivierungen; der Ermessensspielraum und damit die Missbrauchsmöglichkeiten im Rahmen der Ermittlung des ent-

___________ 159

Vgl. Rammert, S. (2004), S. 587. Küting, K. (1995), S. 14. 161 Vgl. Schildbach, T. (2002-a), S. 272 f. 162 Vgl. etwa Rammert, S. (2004), S. 586; siehe zur Diskussion auch Kahle, H. (2002), S. 254 m. w. N. 163 Siehe bereits die Ausführungen in Abschnitt C.II.1.b)(2) der vorliegenden Arbeit; vgl. ferner Rammert, S. (2004), S. 588; Küting, K. (2004), S. I. 160

368

E. Rechnungslegung zum Zweck der Anspruchsbemessung

ziehbaren Gewinnes müssen eng begrenzt werden.164 Ferner sollten für Zwecke der Ausschüttungsbemessung Gewinne wie dargelegt grundsätzlich erst nach dem Zeitpunkt der Lieferung oder Leistung als realisiert ausgewiesen werden. Passivierungsregeln hingegen sollten zu einem vollständigen Ausweis der sicheren und unsicheren Schulden führen. Der Umfang der erforderlichen Korrekturen hängt somit insbesondere davon ab, wie umfassend die Abweichungen der IFRS vom Vorsichts- und Objektivierungsprinzip sind und mit welcher Strenge an den Ausschüttungssperren festgehalten werden soll. Sofern die Abweichungen sich durch sämtliche Bereiche der Bilanzierung und Bewertung durchziehen, müsste der Gewinn, um den Unterschieden umfassend Rechnung zu tragen, in einer gesonderten Rechnung ermittelt werden.165 Im Folgenden werden die wesentlichen Ansatz- und Bewertungsregeln nach IFRS aufgezeigt, die im Hinblick auf eine Ausschüttungsbemessung als unzweckmäßig angesehen werden. Ein wesentlicher Unterschied der Rechnungslegung nach IFRS im Vergleich zum HGB besteht wie dargestellt166 darin, dass der Gewinn nicht durchgängig umsatzabhängig ermittelt wird. Während die Rechnungslegungsvorschriften nach HGB bzw. GoB vom Vorsichts- und Imparitätsprinzip geprägt sind, nimmt das Vorsichtsprinzip bei den IFRS demgegenüber lediglich eine untergeordnete Bedeutung ein. Durch zu hohe Vorab-Ausschüttungen könnten Gläubiger geschädigt werden. Bezogen auf die Forderung, dass die zukünftigen Einzahlungen hinreichend konkretisiert sein müssen, bergen insbesondere die nach den IFRS gestalteten Regelungen zur Aktivierung selbst erstellter immaterieller Vermögenswerte (des Anlagevermögens) die Gefahr, dass die geleisteten Auszahlungen zukünftig möglicherweise nicht zu Einzahlungen führen werden. Im Bereich der Passivierung können die Kriterien der Wahrscheinlichkeit sowie der verlässlichen Schätzbarkeit nach IFRS zur Folge haben, dass für dem Rechnungslegenden bekannte Sachverhalte keine Schulden passiviert werden und es zur Bildung stiller Lasten kommt. Während nach HGB entsprechend dem Vorsichtsprinzip nach in der (handelsrechtlichen) Literatur verbreiteter Auffassung eine Rückstellung bereits zu bilden ist, wenn stichhaltige Gründe für eine künftige Inanspruchnahme sprechen,167 muss nach IFRS eine Wahrscheinlichkeit von mehr

___________ 164

Vgl. Moxter, A. (1984), S. 95. Vgl. Rammert, S. (2004), S. 588 m. w. N. 166 Siehe Abschnitte D.II.2.a)(2)(a) und D.II.2.b)(2)(a) der vorliegenden Arbeit. 167 Die Inanspruchnahme muss also nicht wahrscheinlicher als die Nichtinanspruchnahme sein. Siehe hierzu Abschnitt D.II.3.a)(1) der vorliegenden Arbeit. 165

VI. Ausschüttungssperren auf Basis eines modifizierten IFRS-Abschlusses?

369

als 50 % gegeben sein.168 Die Bilanz nach IFRS weist bestehende Vermögensbelastungen somit nicht vollständig aus.169 Fraglich ist, wie das nach IFRS im Gegensatz zum HGB bestehende grundsätzliche Verbot von Aufwandsrückstellungen (z. B. für unterlassene Instandhaltungen oder Abraumbeseitigung, für Großreparaturen etc.) bezüglich der Ausschüttungsbemessungsfunktion zu beurteilen ist. Soweit infolge unterlassener Instandhaltung der Wert eines Vermögensgegenstandes unter seinen Buchwert gesunken ist, sind grundsätzlich Abschreibungen bzw. eine Wertminderung erforderlich. Hierfür sind somit keine Aufwandsrückstellungen erforderlich. Die nach den Regelungen des HGB zulässigen Instandhaltungsrückstellungen lassen sich diesbezüglich als Ausnahmeregelung (lex specialis) auffassen.170 Entsprechend geht das grundsätzliche Verbot von Aufwandsrückstellungen bei den IFRS einher mit der Möglichkeit, Aufwendungen, die bei Vermögenswerten des Sachanlagevermögens für Generalüberholungen oder Großinspektionen anfallen und eine weitere Nutzung des Vermögenswertes ermöglichen, unter bestimmten Bedingungen zu aktivieren und über das Überholungs- bzw. Inspektionsintervall abzuschreiben (vgl. IAS 16.13 f.).171 Generell ist bei entsprechenden Abschreibungs- bzw. Bewertungsvorgängen auf der Aktivseite der Ansatz von Aufwandsrückstellungen überflüssig. Eine Aufwandsverteilung mit Hilfe von Abschreibungen ermöglicht gegenüber dem Ansatz (und der Auflösung) von Rückstellungen einen gleichmäßigeren Ergebnisausweis.172 Daneben kommen jedoch auch künftige Aufwendungen in Betracht, deren zugehörigen Erträge ebenfalls bereits im abzuschließenden Geschäftsjahr entstanden sind und bei denen keine wertberichtigenden Bewertungsvorgänge auf der Aktivseite gegeben sind. Die Beurteilung solcher Rückstellungen hängt v. a. davon ab, ob auf den Aspekt der Vergleichbarkeit der Erfolgsermittlung ___________ 168

Vgl. Wagenhofer, A. (2005), S. 397; Pellens, B./Fülbier, R. U./Gassen, J. (2006), S. 417. Siehe ferner die Ausführungen in Abschnitt D.II.3.a)(1) der vorliegenden Arbeit. 169 So analog hinsichtlich US-GAAP vgl. Kahle, H. (2002), S. 163. 170 Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (1998), § 249 Rn. 170. Moxter betont, dass die „Rückstellungen für unterlassene Reparaturen und Instandhaltungen (…) lediglich die Aufgabe (haben; Erg. d. Verf.), die bilanztechnisch aufwendigere außerplanmäßige Abschreibung zu ersetzen.“ Moxter, A. (1986-a), S. 29. 171 Hierfür sind die Anschaffungskosten von Sachanlagen in verschiedene Komponenten aufzuteilen, welche bei Vorliegen unterschiedlicher Nutzungsdauern auch getrennt abgeschrieben werden können. Vgl. auch Hebestreit, G./Dörges, C. E., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 5 Rn. 81 ff. 172 Hinsichtlich eines Beispieles zur Veranschaulichung, dass Aufwandsrückstellungen das (dynamische) Ziel einer Erfolgsglättung nicht erreichen, siehe Siegel, T. (1985), S. 416.

370

E. Rechnungslegung zum Zweck der Anspruchsbemessung

bzw. das Verursachungsprinzip abgestellt wird oder ob hingegen auf einen vollständigen Schuldenausweis abgezielt wird und eine Passivierung somit das Vorhandensein einer Außenverpflichtung voraussetzt.173 Ein generelles Passivierungsverbot wäre zweckmäßig für eine Ausschüttungsbemessung, die den Erhalt eines die Gläubigeransprüche befriedigenden Liquidationsvermögens zum Ziel hat. Sofern die Ausschüttungsbemessung hingegen auf den Erhalt eines Liquiditätspolsters bei Unternehmensfortführung abzielt, sind nach hier in Übereinstimmung mit einem Teil der Literatur vertretener Auffassung unter bestimmten Voraussetzungen Aufwandsrückstellungen zu bilden.174 Dabei sind die an solche Rückstellungen zu stellenden Anforderungskriterien aus Objektivierungsgründen sehr eng zu fassen, da es anderenfalls zu einer Schädigung der Anteilseigner kommen kann. So ist insbesondere zu fordern, dass „die der Verpflichtung zugrunde liegende unterlassene Maßnahme für die Fortführung der Unternehmenstätigkeit zwingend ist und in einem engen zeitlichen Rahmen und Zusammenhang nachgeholt wird.“175 Eine abschließende Prüfung, inwieweit bzw. unter welchen Voraussetzungen ein Verbot von Aufwandsrückstellungen mit dem Zweck der Ausschüttungssperre – bzw. der Bemessung der Gewinnansprüche – vereinbar ist oder nicht, bleibt noch zu leisten. Auch bei der Bewertung sind etliche Regeln nach IFRS mit Blick auf die Ausschüttungsbemessung als nicht zweckmäßig anzusehen: Unzweckmäßig sind etwa die – sowohl nach HGB als auch nach IFRS bestehenden – Wahlrechte bei den Verfahren zur planmäßigen Abschreibung im Sachanlagevermögen, da diese von der Geschäftsleitung nicht unbedingt im Interesse der Gläubiger ausgeübt werden.176 Ferner kann es nach IFRS im Gegensatz zum HGB insbesondere auch bei langfristiger Fertigung sowie im Bereich bestimmter Finanzinstrumente und als Finanzinvestitionen gehaltenen Immobilien zu einer dem Umsatzakt vorgelagerten Ertragserfassung kommen.177 Die Zeitwertbilanzierung bei Finanzinstrumenten, welche zu Handels- bzw. Spekulationszwecken gehalten oder bei der Zugangsbewertung der Kategorie „erfolgswirksam zum beizulegenden ___________ 173

Vgl. Adler/Düring/Schmaltz (1998), § 249 Rn. 20 ff. Vgl. auch Baetge, J. (1992), S. 27 ff., S. 37; Franken, L. (2001), S. 228 f. 175 Baetge, J. (1992), S. 38. 176 So bezüglich US-GAAP etwa Kahle, H. (2002), S. 164. 177 Siehe teilweise bereits die Ausführungen in Abschnitt D.III.1.d) zur Zeitwertbilanzierung. Vgl. auch Herzig, N. (2004), S. 43 f.; bezüglich entsprechender Regelungen nach US-GAAP siehe etwa Kahle, H. (2002), S. 160 f.; hinsichtlich einer Übersicht über wesentliche Unterschiede bei der Ertragsrealisation nach HGB und IFRS siehe Pilhofer, J. (2002), S. 292 ff. und S. 360 ff. 174

VI. Ausschüttungssperren auf Basis eines modifizierten IFRS-Abschlusses?

371

Zeitwert“ zugewiesen worden sind, weist erhöhte zukünftige Einzahlungsströme gegenüber einer Bewertung zu Anschaffungskosten aus, welche jedoch noch ungewiss sind. Ebenso unzweckmäßig für Anspruchsbemessungszwecke ist die Percentage-of-Completion-Methode aufgrund der mit ihr verbundenen Ermessensspielräume.178 Die Bewertung zu Vollkosten stellt ebenfalls einen Verstoß gegen das umsatzbezogene Realisationsprinzip im herkömmlichen Sinne dar, indem es zusätzliche Gewinnausweise ohne zusätzlichen Absatz ermöglicht.179 Im Vergleich zum Vollkostenansatz würde der Ansatz nur von Teilkosten den maximal ausschüttungsfähigen Betrag verringern und damit die Zwangsthesaurierung zum Schutz der Gläubiger erhöhen. Inwieweit eine Bewertung zu Vollkosten gegenüber einer Teilkostenbewertung hinsichtlich der Ausschüttungsbemessung mehr oder weniger gläubigerschädigend wirkt, lässt sich – solange durch die Herstellung eines Vermögensgegenstandes ein zukünftiger Einzahlungsstrom geschaffen wird, dessen Minimum den aufgewendeten Vollkosten größengleich ist180 – an dieser Stelle nicht beurteilen:181 Auf den ersten Blick werden Gläubigerbelange bezüglich der Ausschüttungsbemessung nicht tangiert, wenn Erzeugnisse zu Voll- anstelle zu Teilkosten aktiviert werden: Da anderenfalls eine Abschreibung erfolgen müsste, ist anzunehmen, dass auch zu Vollkosten bewerteten Vermögensgegenständen bzw. -werten entsprechendes Schuldendeckungspotenzial gegenübersteht. Gleichwohl ermöglicht eine Vollkostenbewertung – je nach Gegebenheiten mehr oder weniger umfangreiche – Gewinnmanipulationsmöglichkeiten.182 Umgekehrt kann die im Falle einer Teilkostenaktivierung bewirkte Zwangsthesaurierung bei den Unternehmen analog zu den Ausschüttungssperren zu ineffizienten Investitionen führen.183 ___________ 178

So hinsichtlich US-GAAP etwa Kahle, H. (2002), S. 164. Vgl. Siegel, T. (1998-a), S. 165, S. 168; Siegel, T. (1994), S. 10 ff.; den Verstoß gegen das Realisationsprinzip bestätigend ebenfalls Schneider, D. (1997-a), S. 294. A. A. Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S. (2005), S. 210. 180 Unter dieser Bedingung einen Vollkostenansatz mit der Ausschüttungsbemessung für vereinbar haltend siehe etwa Kahle, H. (2002), S. 164. 181 Vgl. Franken, L. (2001), S. 231. 182 Siehe hierzu Siegel, T. (1998-a), S. 153 ff. Von der Beurteilung des Vollkostenprinzips für Ausschüttungsbemessungszwecke zu unterscheiden ist dessen Beurteilung mit Blick auf den informationellen Eigner- und Gläubigerschutz. Hier kann der Ansatz zu Vollkosten zu falschen Reaktionen aufgrund ungeeigneter Informationen führen. Hinsichtlich einer Darstellung der aus einem Vollkostenansatz resultierenden Gefahren falscher Informationen siehe ebenfalls Siegel, T. (1998-a), S. 153 ff., insbesondere S. 166 ff., welcher somit für einen Teilkostenansatz de lege ferenda plädiert. Hinsichtlich der Diskussion zum Ansatz der Voll- oder Teilkosten im Steuerrecht siehe etwa Herzig, N. (2004), S. 156 f. 183 Vgl. Franken, L. (2001), S. 231. 179

372

E. Rechnungslegung zum Zweck der Anspruchsbemessung

Bei den Rückstellungen führen die Bewertungsvorschriften nach IFRS im Vergleich zum HGB wie dargestellt tendenziell zu einem niedrigeren Ansatz, da bei den IFRS grundsätzlich der beste Schätzwert angesetzt wird. Nach dem Vorsichtsprinzip des HGB hingegen ist ein in der Regel pessimistischerer Betrag zu passivieren.184

VII. Zwischenfazit Zwischenfazit

Die Ermittlung eines „entziehbaren“ Gewinnes steht im Spannungsfeld zwischen der Ermittlung einer (Mindest-)Ausschüttungsgröße bzw. eines entnehmbaren Betrages mit Blick auf den Anteilseignerschutz einerseits und der Ermittlung einer maximalen Ausschüttungsgröße bei haftungsbeschränkten Unternehmen zum Zweck des Gläubigerschutzes andererseits. Für die Anteilseigner dient die Ermittlung des entziehbaren Gewinnes der Konkretisierung ihrer Gewinnbezugsrechte. Die Grundsätze zur Ermittlung des entziehbaren Gewinnes müssen hinreichend objektiviert sein. Insbesondere muss der Kreis der Aktiva und Passiva eindeutig bestimmt sein, um das Ermessen des Rechnungslegenden bei der Bildung stiller Rücklagen zu beschränken. Auch bei der Bewertung müssen eindeutige Regeln gegeben sein. Hinsichtlich der Frage einer möglichen Deregulierung der de lege lata geltenden Mindestausschüttungen bei Gesellschaften in der Rechtsform der AG ist zwischen börsennotierten und nicht börsennotierten Gesellschaften zu unterscheiden. Bei börsennotierten Unternehmen kommt gegebenenfalls eine gewisse Kontrollfunktion für eine nicht an den Interessen der Anteilseigner ausgerichtete Dividendenpolitik durch den Aktienmarkt in Frage. Bei nicht börsennotierten Unternehmen hingegen kommt eine entsprechende Kontrollfunktion nicht in Betracht, so dass hier Regelungen zum Interessenschutz von Minderheitsgesellschaftern erforderlich sind. Aus diesem Grund ist es nach hier vertretener Auffassung sinnvoll, für die nicht börsennotierten Gesellschaften in der Form der AG an den de lege lata geltenden Vorschriften zur Regulierung von Mindestausschüttungen festzuhalten. Neben der Ermittlung einer (Mindest-)Ausschüttungsgröße bzw. eines entnehmbaren Betrages zur Konkretisierung der Gewinnbezugsrechte der Anteilseigner kommt dem Bilanzgewinn in Deutschland bei haftungsbeschränkten Unternehmen zugleich die Funktion zu, zum Zweck des Gläubigerschutzes einen ___________ 184

Siehe hierzu Abschnitt D.II.3.b) der vorliegenden Arbeit. Vgl. auch Wagenhofer, A. (2005), S. 398; Hebestreit, G./Dörges, C. E., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 13 Tz. 179.

VII. Zwischenfazit

373

maximal ausschüttungsfähigen Betrag zu ermitteln. Wie dargestellt, ist es bei haftungsbeschränkten Unternehmen zum Schutz der Gläubiger unverzichtbar, den maximal ausschüttbaren Betrag zu regulieren. Eine Regelung zur Bestimmung des ausschüttbaren Betrages muss getroffen werden, um negative Externalitäten zu vermeiden.185 Eine solche Regulierung kann durch Jahresabschlussrecht oder wie dargelegt alternativ auch durch Insolvenztests erfolgen. Im Hinblick darauf, dass künftig zur Erfüllung der informatorischen Zwecke im Jahresabschluss möglicherweise generell die (befreiende) Anwendung der IFRS als Wahlrecht oder für bestimmte Unternehmen sogar als Pflicht vorgesehen würde, werden Alternativen diskutiert, wie die Unternehmen von der Pflicht zur Aufstellung eines zusätzlichen Jahresabschlusses nach HGB für Ausschüttungsbemessungszwecke befreit werden könnten. Hierfür kämen grundsätzlich die Möglichkeit eines Insolvenztests oder Ausschüttungssperren auf Basis eines IFRS-Einzelabschlusses in Betracht. Dabei wäre die ausschließliche Anwendung eines Insolvenztests bzw. der Verzicht auf eine bilanzielle Kapitalerhaltung bezüglich der AG allerdings erst dann möglich, wenn die de lege lata geltenden Vorschriften der Zweiten EG-Richtlinie zur Kapitalerhaltung geändert werden, wie dies derzeit diskutiert wird. Die Anwendung eines Insolvenztests würde ferner das Vorhandensein eines ausgereiften Konzeptes voraussetzen. Eine Überlegenheit eines Insolvenztests gegenüber der kontinentaleuropäischen Vorgehensweise, die Ausschüttungen auf einen vorsichtig ermittelten Gewinn zu beschränken, konnte nicht gezeigt werden. Eine entsprechende Liberalisierung hätte somit nicht unbedingt eine allgemeine Wohlfahrtsverbesserung zur Folge. Die aufgezeigten Probleme, eine Insolvenzprognose in justiziable Tatbestände zu fassen, können zu dem Versuch führen, negativen Externalitäten durch eine Ausweitung des Haftungsdurchgriffs zu begegnen. Mit einem zu umfangreichen Haftungsdurchgriff können jedoch wohlfahrtsmindernde Effekte verbunden sein, da dadurch die beschränkte Haftung der Gesellschafter aufgehoben und somit die Möglichkeit einer Kapitalsammelfunktion bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung zerstört werden kann. Wird umgekehrt der Haftungsdurchgriff auf enge Ausnahmefälle begrenzt, wird die Aufgabe der Vermeidung negativer Externalitäten lediglich unvollständig erfüllt.186 Somit lässt sich ein Beibehalten der handelsrechtlichen Gewinnermittlung für Ausschüttungszwecke nicht zuletzt mit den Vorteilen einer pfadabhängigen Entwicklung begründen.187 Selbst wenn das Konzept der Kapitalerhaltung die ___________ 185

Vgl. Watrin, C. (2001), S. 234. Vgl. Watrin, C. (2001), S. 234. 187 Vgl. Watrin, C. (2001), S. 234 f., S. 255. 186

374

E. Rechnungslegung zum Zweck der Anspruchsbemessung

Gläubiger nur unvollkommen schützt und Insolvenzen nicht verhindern kann, so beugt es dennoch verschiedenen, besonders verwerflichen Eingriffen in die Haftungsmasse – wie insbesondere liquidations- oder finanzierungsbedingten Schädigungen188 – vor.189 Die Erfahrungen aus den privaten Vereinbarungen in US-amerikanischen Kreditverträgen lassen vermuten, dass ein möglicher IFRSEinzelabschluss „die Aufgabe des Kapitalschutzes nicht verdrängen (wird; Erg. d. Verf.), sei es, dass entsprechende zivilrechtliche Vereinbarungen (covenants) abgeschlossen werden, oder dass (…) Kapitalschutz weiterhin über den Jahresabschluss angestrebt wird.“190 Aus diesen Gründen sollte die Frage des Gläubigerschutzes nach hier vertretener Auffassung durch Jahresabschlussrecht weiterverfolgt werden.191 Die Ermittlung eines maximal ausschüttungsfähigen bzw. entnehmbaren Betrages setzt ein (explizit zu äußerndes) Werturteil über die Gewichtung der Interessen von Eignern und Gläubigern voraus. Nach hier vertretener Auffassung sind für Gläubigerschutzzwecke, neben den Objektivierungsaspekten, Chancen und Risiken imparitätisch zu berücksichtigen. Die Ausführungen zu den Risiken im Liquiditätsbereich gerade kleiner und mittlerer Unternehmen, die große Anzahl an Insolvenzen sowie nicht zuletzt die Erfahrungen aus den privaten Vereinbarungen in US-amerikanischen Kreditverträgen stützen dieses Werturteil der diesbezüglichen Gewichtung der Interessen von Eignern und Gläubigern. Gläubigerschutz durch Jahresabschlussrecht lässt sich grundsätzlich mit einer Rechnungslegung nach IFRS kombinieren, indem Teile des informationsorientierten Jahresergebnisses mit Ausschüttungssperren versehen werden. Inwieweit solche Zusatzrechnungen auf Basis eines IFRS-Einzelabschlusses zweckmäßig sind, hängt insbesondere davon ab, wie umfassend die erforderlichen Einzelkorrekturen sind. Nach hier vertretener Auffassung sollte die Ausschüttungsbegrenzung gemäß einer „traditionellen“ HGB-Rechnungslegung aufrechterhalten bleiben. Vorsichtige Jahresabschlüsse schützen Gläubiger wie dargelegt nur unvollkommen. Da sich unvollkommener Schutz auch durch einfachere, mit weniger zusätzlichem Rechnungslegungsaufwand zu ermittelnde Ausschüttungsgrenzen erreichen ließe, werden solche Ergänzungsrechnungen zu IFRS aus Sicht der Lasten gerade für mittelständische Unternehmen in Betracht gezogen. Solange ___________ 188

Vgl. die in Abschnitt E.II.2.b)(1) dargestellten Schädigungsmöglichkeiten durch Reichtumsverschiebungen im Eigner-Gläubiger-Konflikt. 189 Vgl. Schildbach, T. (2005), S. 58; Schildbach, T. (1986), S. 61 ff. 190 Siegel, T. (2002), S. 1192. 191 So auch Siegel, T. (1997), S. 125.

VII. Zwischenfazit

375

Gläubiger jedoch, wie die Erfahrungen aus den USA zeigen, in Kreditverträgen vorsichtig ermittelte Gewinne als Ausschüttungsgrößen vereinbaren, ist davon auszugehen, dass einfachere Ausschüttungssperren den Gläubigerschutz schlechter erfüllen. Gesetzliche Vorgaben solcher einfacherer Grenzen bergen dann die Gefahr in sich, dass mächtige Gläubiger sich gleichwohl vertraglich durch vorsichtige Jahresabschlüsse schützen, so dass die erhofften Erleichterungen für mittelständische Unternehmen letztlich unterlaufen werden.192

___________ 192

Vgl. Schildbach, T. (2002-a), S. 272 f.

F.Rechnungslegung zum Zweck der Steuerbemessung Rechnungslegung zum Zweck der Steuerbemessung

I. Formen der Verknüpfung von Handels- und Steuerbilanz und Überblick über die Argumente für und gegen eine Verknüpfung Argumente für und gegen eine Verknüpfung von Handels- und Steuerbilanz

Grundsätzlich kommen drei verschiedene Beziehungen zwischen handelsund steuerrechtlicher Gewinnermittlung in Betracht: Die Gewinnermittlung der handels- und steuerrechtlichen Rechnungslegung erfolgt einheitlich, vollkommen getrennt oder grundsätzlich zwar getrennt, es findet aber ein eingeschränkter Rückgriff auf das jeweils andere Regelsystem statt. Ein solcher Rückgriff wiederum kann unterschiedliche Ausprägungen haben.1 Der einkommensteuerrechtliche Verweis auf die abstrakten GoB in § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG wird als materielle Maßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz bezeichnet.2 Einigkeit besteht darüber, dass zwingende steuerrechtliche Normen dem Verweis auf die handelsrechtlichen GoB vorgehen.3 Von solchen steuerrechtlichen Vorbehaltsnormen abgesehen, führen handelsrechtliche Aktivierungs- und Passivierungsgebote auch zu steuerrechtlichen Geboten und handelsrechtliche Aktivierungs- und Passivierungsverbote zu steuerrechtlichen Verboten.4 Handelsrechtliche Aktivierungswahlrechte sind nach inzwischen h. M. grundsätzlich nicht maßgeblich, sofern nicht einkommensteuerrechtliche Vorschriften ein gleichartiges Wahlrecht vorsehen, sie führen zu einem steuerlichen Aktivierungsgebot. Handelsrechtliche Passivierungswahlrechte führen grundsätzlich zu einem steuerlichen Passivierungsverbot.5 Nach der formellen Maßgeblichkeit sind bei der steuerrechtlichen Gewinnermittlung nicht nur die handelsrechtlichen GoB, sondern „darüber hinaus der ___________ 1

Vgl. Pannen, M. (2000), S. 50 ff. Vgl. Pannen, M. (2000), S. 31. 3 Ausführlich zu steuerlichen Vorbehaltsnormen siehe beispielsweise Eichhorn, K. T. (2001), S. 8 ff., S. 16 ff.; Pannen, M. (2000), S. 34 ff. 4 Vgl. Knobbe-Keuk, B. (1993), S. 21; Weber-Grellet, H., in: Schmidt, L. (2006), § 5 Rn. 30. 5 Vgl. z. B. Weber-Grellet, H., in: Schmidt, L. (2006), § 5 Rn. 31 m. w. N.; so die ständige Rechtsprechung des BFH, siehe stellvertretend BFH, U. vom 03.02.1969 – GrS 2/68, BStBl. II 1969, S. 291. 2

I. Argumente für und gegen eine Verknüpfung von Handels- und Steuerbilanz 377

konkrete zulässigerweise gebildete handelsrechtliche Ansatz“6 maßgebend. Rechtliche Grundlage ist § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG, wonach steuerrechtliche Wahlrechte in Übereinstimmung mit der handelsrechtlichen Jahresbilanz auszuüben sind. Von der Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG werden zum einen steuerliche Wahlrechte erfasst, denen handelsrechtliche Wahlrechte gegenüberstehen und die folglich den GoB entsprechen. Diese Regelung kann zur Folge haben, dass ein Steuerpflichtiger eine Bilanzierungsentscheidung vorrangig aus steuerlichen Gründen trifft. Daneben erfasst die Regelung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG auch Steuervergünstigungen, die den GoB zuwiderlaufen. Steuerrechtliche Ansatz- und Bewertungswahlrechte, die über die eigentlichen handelsrechtlichen Vorschriften hinausgehen und dem Steuerpflichtigen erlauben, subventionelle Steuervergünstigungen – aus wirtschafts-, sozial-, konjunktur- oder strukturpolitischen Gründen – vorzunehmen, müssen aufgrund § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG ebenso in der handelsrechtlichen Rechnungslegung ausgeübt werden. Handelsrechtliche Öffnungsklauseln7 ermöglichen, dass diese subventionellen Steuervergünstigungen Eingang in die Handelsbilanz finden. Diesbezüglich wird von der so genannten umgekehrten Maßgeblichkeit gesprochen. Die umgekehrte Maßgeblichkeit lässt sich als Reflex der formellen Maßgeblichkeit betrachten.8 Bei der Entstehung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes waren ursprünglich v. a. Vereinfachungsüberlegungen ausschlaggebend. Die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung sollte nicht dadurch erschwert werden, dass neben der vom Kaufmann ohnehin zu erstellenden Handelsbilanz zusätzlich noch ein eigenes Rechenwerk für steuerliche Zwecke aufgestellt werden muss.9 Dieses Argument ist dahingehend einzuschränken, dass ein Rückgriff auf das Ausgangsmaterial des Rechnungswesens, d. h. Buchhaltung und Inventur, grundsätzlich möglich ist, so dass zusätzliche Arbeiten großteils erst bei einer Trennung der konkreten handels- und steuerrechtlichen Gewinnermittlungsregeln, d. h. bei der eigentlichen Gewinnermittlung entstehen. Das Argument dürfte möglicherweise auch durch die elektronische Datenverarbeitung in der heutigen Zeit zum Teil an Bedeutung verloren haben.10 Trotz der Zunahme an steuerrechtli___________ 6

Knobbe-Keuk, B. (1993), S. 22. Solche Öffnungsklauseln sind die §§ 247 Abs. 3, 254, 273, 279 Abs. 2 und 280 Abs. 2 HGB. 8 Vgl. Knobbe-Keuk, B. (1993), S. 28 f.; Herzig, N. (2004), S. 8. 9 Vgl. hierzu Kahle, H. (2002), S. 175; Pannen, M. (2000), S. 61 ff. m. w. N.; Herzig, N. (2004), S. 5 f. Auch bei der Umsetzung der Vierten EG-Richtlinie durch das Bilanzrichtliniengesetz wurde von Seiten des nationalen Gesetzgebers die Zielsetzung vorgegeben, den Rechnungslegenden weiterhin die Aufstellung einer kostengünstigen Einheitsbilanz zu ermöglichen. Vgl. Biener, H. (1982), S. 427. 10 Vgl. Pannen, M. (2000), S. 64. 7

378

F. Rechnungslegung zum Zweck der Steuerbemessung

chen Sonderregelungen in jüngerer Vergangenheit spielt der Gedanke der „Einheitsbilanz“, soweit diese noch möglich ist, oder zumindest der weitestgehenden Annäherung der beiden Rechenwerke in der Praxis11 nach wie vor eine große Rolle. Auch bei der umgekehrten Maßgeblichkeit wird dem Vereinfachungsaspekt insoweit eine Rolle zugesprochen, als es für die Unternehmen verwaltungstechnisch einfacher ist, beispielsweise eine Sonderabschreibung in der Steuerbilanz geltend zu machen als eine Direktsubvention zu beantragen.12 Dem stehen allerdings auch Nachteile solcher mittelbarer Subventionen gegenüber. Auf die Auswirkungen bezüglich der handelsrechtlichen Informations- und Anspruchsbemessungszwecke wird in Abschnitt F.IV. näher eingegangen. Daneben haben mittelbare Subventionen im Vergleich zu unmittelbaren Subventionen weitere Nachteile. So nimmt etwa die begünstigende Wirkung von Sonderabschreibungen aufgrund des progressiven Tarifs mit steigenden Einkünften zu. Solche mittelbaren Vergünstigungen setzen grundsätzlich Gewinn voraus. Da nicht alle Unternehmen in gleichem Maße von diesen Vergünstigungen Gebrauch machen können, wirken sie wettbewerbsverzerrend.13 Die materielle Rechtfertigung für das Maßgeblichkeitsprinzip wird von einem Teil der Literatur v. a. aus der Gleichstellungsthese hergeleitet, wonach die Gewinnansprüche des Fiskus als „stiller Teilhaber“ nicht anders bemessen werden könnten als die der anderen Teilhaber am Gewinn der Unternehmung. Nach dieser These der Zweckkomplementarität von Handels- und Steuerbilanz soll nicht zwischen einem ausschüttungs- bzw. entnahmefähigen Gewinn nach der Handelsbilanz und einem Steuerbilanzgewinn unterschieden werden. Vielmehr müsse der Staat primär darauf bedacht sein, einen Gewinn zu besteuern, der auch entziehbar sei, da ansonsten die Basis der Einnahmequelle des Staates gefährdet sei. Dies soll demnach die gemeinsame Klammer darstellen, die Handels- und Steuerrecht verbindet.14 Die Gleichstellungsthese geht demnach davon aus, dass der dominierende Zweck der Handelsbilanz in der Anspruchsbemessung zu sehen ist. Dem Maßgeblichkeitsgrundsatz wird insofern von einem Teil der Literatur eine doppelte Schutzfunktion zugesprochen: Die Steuerpflichtigen würden gegenüber dem Fiskus vor unsystematischen, kasuistischen Gewinnermittlungs___________ 11

Siehe hierzu die bereits in Abschnitt D.I.2.d)(3) gemachten Ausführungen sowie Abschnitt G.II. der vorliegenden Arbeit. 12 Vgl. Hey, J., in: Tipke, K./Lang, J. (2005), § 19 Rn. 5; Broer, F. D. (2001), S. 362. 13 Vgl. Broer, F. D. (2001), S. 361 f. 14 Vgl. Döllerer, G. (1971), S. 1334; so auch Moxter, A. (2000-a), S. 160, nach dem die Reinvermögenszugangskonzeption die „Basis für die Einheit von Handelsbilanz und Steuerbilanz“ ist. Zur Diskussion vgl. Kahle, H. (2002), S. 180.

I. Argumente für und gegen eine Verknüpfung von Handels- und Steuerbilanz 379

vorschriften geschützt, welche ausschließlich auf fiskalischen Interessen beruhen. Denn eine reine Steuerbilanz ließe sich leichter zu fiskalischen Zwecken missbrauchen.15 Zugleich werde aber auch der Fiskus geschützt, indem Steuern gezahlt werden müssen, wenn ein Gewinn erzielt wird.16 Das Argument einer rechtlichen Beschränkung des Fiskus trägt bei einem Zuwachs zahlreicher steuerrechtlicher Sondervorschriften, wie dies in der jüngeren Vergangenheit der Fall war, allerdings höchstens noch bedingt.17 Als allgemeingültiger Zweck sowohl handels- als auch steuerrechtlicher Rechnungslegung wird – unabhängig von der Frage der Zweckkomplementarität – generell die Forderung nach Objektivierung angesehen.18 Aus der Frage der Zweckmäßigkeit einer solchen Verknüpfung resultieren zugleich auch die wesentlichen Argumente, die gegen eine Verknüpfung von handels- und steuerrechtlicher Rechnungslegung angeführt werden. Die These der Zweckkomplementarität wird von den Gegnern der Maßgeblichkeit aufgrund unterschiedlicher Zwecke von Handels- und Steuerbilanz verneint.19 Gegen eine Verknüpfung wird angeführt, dass dadurch sowohl die Zwecke der steuerlichen Gewinnermittlung als auch die handelsrechtlichen Zwecke der Anspruchsbemessung und Information jeweils beeinträchtigt würden. Zur Beurteilung werden im Folgenden aus der Wirtschafts- bzw. Rechtsordnung abgeleitete steuerrechtliche und ökonomische Werturteile als Grundlage zur Beurteilung steuerlicher Gewinnermittlungsnormen erläutert. Sodann erfolgt auf dieser Grundlage die Beurteilung einer Verknüpfung handels- und steuerrechtlicher Rechnungslegung aus Sicht der Anforderungen an steuerliche Gewinnermittlungsnormen sowie aus Sicht der Erfüllung der handelsrechtlichen Rechnungslegungszwecke.

___________ 15

So etwa Sigloch, J. (2000), S. 175; Söffing, G. (1995), S. 655. Zur Darstellung der Diskussion siehe Herzig, N. (2004), S. 6 f. 17 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 175; einen solchen Schutz gänzlich verneinend etwa Broer, F. D. (2001), S. 390: „Die Maßgeblichkeit gibt in Zeiten haushaltlicher Engpässe keinerlei Gewährleistungen für eine Zurückhaltung des Fiskus.“ 18 Vgl. etwa Pannen, M. (2000), S. 136 f.; Ballwieser merkt an, das „auch bei divergierenden Zielen die Bilanzen objektivierungsbedingt annähernd deckungsgleich werden (können; Erg. d. Verf.)“. Ballwieser, W. (1990), S. 493. 19 Vgl. etwa Siegel, T. (1999), S. 195; Pannen, M. (2000), S. 136 f. 16

380

F. Rechnungslegung zum Zweck der Steuerbemessung

II. Aus der Wirtschafts- bzw. Rechtsordnung abgeleitete ökonomische und steuerrechtliche Werturteile als Grundlage zur Beurteilung steuerlicher Gewinnermittlungsnormen Ökonomische und steuerrechtliche Werturteile als Beurteilungsgrundlage

1. Ökonomische Anforderung der Entscheidungsneutralität der Besteuerung Wie bereits im Zusammenhang mit der handelsrechtlichen Rechnungslegung dargestellt,20 existieren Werturteile aus der Wirtschaftsordnung zur Rechnungslegung, die einer Behandlung von Interessen von Rechnungslegungsempfängern vorgelagert sind.21 Entsprechend setzt auch eine Entscheidung für eine bestimmte Steuerbemessungsgrundlage eine Wertung des Gesetzgebers voraus. Das einzelwirtschaftliche Ideal entscheidungsneutraler Besteuerung soll eine Verschwendung volkswirtschaftlicher Ressourcen vermeiden und Allokationseffizienz sichern: Eine Besteuerung ist entscheidungsneutral, wenn sie die Wirtschaftspläne und das Verhalten rational handelnder Wirtschaftssubjekte nicht verzerrt. Durch eine entscheidungsneutrale Besteuerung werden keine Ausweichhandlungen der Steuerpflichtigen verursacht. Aus einzelwirtschaftlicher Sicht kann eine Forderung nach entscheidungsneutraler Besteuerung damit begründet werden, dass dem Steuerpflichtigen anderenfalls durch die Berücksichtigung von Steuern in seinem Planungskalkül höhere Planungskosten entstehen. Gesamtwirtschaftlich soll ein entscheidungsneutrales Steuerrecht Allokationseffizienz sicherstellen. Unter der Annahme, dass der Marktmechanismus zu einer effizienten Verteilung der Produktionsfaktoren führt, darf diese Verteilung auch durch die Besteuerung nicht verändert werden.22 Unter dieser Bedingung verzerren Steuerwirkungen die optimale Ressourcenallokation, indem sie zu Anpassungshandlungen des Steuerpflichtigen führen, und verursachen somit eine Verringerung der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt.23 Im vorliegenden Kontext steht wiederum primär die einzelwirtschaftliche Betrachtungsweise im Vordergrund. Als Entscheidungen des Steuerpflichtigen, welche nicht beeinflusst werden sollen, kommen insbesondere Investitions- und Finanzierungsentscheidungen (intersektorale Neutralität) sowie Spar- bzw. Konsumentscheidungen (inter-

___________ 20

Siehe insbesondere Abschnitt C.II.2. der vorliegenden Arbeit. Vgl. Pannen, M. (2000), S. 91. 22 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 188; Herzig, N. (2004), S. 22; Eichhorn, K. T. (2001), S. 72. 23 Vgl. Eichhorn, K. T. (2001), S. 72; Kahle, H. (2002), S. 188 f. 21

II. Ökonomische und steuerrechtliche Werturteile als Beurteilungsgrundlage

381

temporale Neutralität) in Betracht.24 Konsumneutral sind Steuersysteme, welche Zinsaufwendungen steuerlich nicht zum Abzug zulassen sowie Zinserträge steuerlich nicht belasten. Die Einkommensteuer verzerrt demnach intertemporale Konsumentscheidungen.25 Im Folgenden werden Investitionsentscheidungen betrachtet, da diesen gemeinhin besondere Bedeutung beigemessen wird;26 dies wird v. a. damit begründet, dass Produktionsentscheidungen stets unverzerrt bleiben sollten, während hingegen Verzerrungen von Konsumentscheidungen auch optimal sein können. Verzerrungen gegen die Investitionsneutralität führen zu branchenspezifischen Belastungsunterschieden.27

2. Steuerrechtliche Prinzipien der Gesetzesbestimmtheit, der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Eigentumsgarantie Ein steuerrechtliches Gewinnermittlungsrecht muss den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit genügen (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG). Die rechtsstaatlich gebotene Rechtssicherheit wird im Steuerrecht durch den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung sowie den Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit konkretisiert. Demnach ist die Besteuerung nur aufgrund eines Gesetzes erlaubt.28 Der Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit bezieht sich auf die Ausgestaltung der Gesetze und fordert, dass die eine Steuerpflicht begründenden Normen eindeutig und objektiv kontrollierbar sein müssen. Der Steuerpflichtige soll auf Grundlage der steuerlichen Vorschriften seine Steuerlast schon im Voraus eindeutig berechnen können. Die Gewinngröße muss ferner für Dritte leicht nachvollziehbar und intersubjektiv überprüfbar sein. Entsprechend dürfen keine zu weit reichenden Ermessensspielräume bei der Ermittlung der steuerlich relevanten Tatbestände bestehen.29 Aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (vgl. Art. 3 Abs. 1 GG) folgt ferner das Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. In diesem Zusammenhang dient das Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit als allgemein aner___________ 24 Vgl. Eichhorn, K. T. (2001), S. 71 f.; Kahle, H. (2002), S. 189 f.; Herzig, N. (2004), S. 22. Ein weiterer Fall wäre etwa die Rechtsformneutralität. 25 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 189 f. 26 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 190; Eichhorn, K. T. (2001), S. 72. 27 Zu dieser Begründung siehe auch Kahle, H. (2002), S. 190; ähnlich Broer, F. D. (2001), S. 72. 28 Es ist zu bezweifeln, dass ein Verweis auf außergesetzliche, private Normen des IASB diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen würde. Vgl. Herzig, N. (2004), S. 16. 29 Vgl. Lang, J., in: Tipke, K./Lang, J. (2005), § 4 Rn. 50 ff. und Rn. 150 ff.; Herzig, N. (2004), S. 15 f.; Eichhorn, K. T. (2001), S. 65 f.

382

F. Rechnungslegung zum Zweck der Steuerbemessung

kannter normativer Maßstab.30 Der Begriff der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beschreibt die Fähigkeit eines Steuersubjektes, Geldzahlungen zu erbringen. Die so verstandene Leistungsfähigkeit bedarf der weitergehenden Konkretisierung durch den Gesetzgeber; zu ihrer Messung ist ein geeigneter Indikator erforderlich. In Betracht kommen insbesondere die Bestandsgröße „Vermögen“ oder die Stromgrößen „Einkommen“ (Vermögensänderung) oder „Konsum“.31 In der vorliegenden Arbeit wird aufgrund der Betrachtung der Verknüpfung von Handels- und Steuerbilanz lediglich die Bemessung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nach dem Einkommen betrachtet. Dabei stellt der Begriff des Einkommens die Änderung der Werte zweier Vermögensbestände zwischen zwei Stichtagen dar.32 Leistungsfähigkeit wird hier somit i. w. S. als Fähigkeit verstanden, Steuern aus dem Einkommen zahlen zu können. Der Einkommensbegriff wird im geltenden Recht durch die Einkunftsarten in § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG näher konkretisiert.33 Dabei bestehen zwei unterschiedliche Säulen der Einkunftsermittlung, der Betriebsvermögensvergleich (vgl. §§ 4 Abs. 1 und 5 Abs. 1 EStG) und der Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben (vgl. § 4 Abs. 3 EStG)34 oder die Werbungskosten (vgl. §§ 8-9a EStG).35 Somit ist es problematisch, überhaupt mit Hilfe eines Betriebsvermögensvergleiches eine Einkommensbesteuerungsgrundlage zu ermitteln, da wesentliche materielle Unterschiede gegenüber einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung bestehen.36 Auf hieraus entstehende ___________ 30

Vgl. statt vieler Lang, J., in: Tipke, K./Lang, J. (2005), § 4 Rn. 81 ff.; siehe ferner die ständige Rechtsprechung des BVerfG, so beispielsweise BVerfG, B. vom 17.01.1957 – 1 BvL 4/54, NJW 1957, S. 418 f. 31 Vgl. statt vieler Lang, J., in: Tipke, K./Lang, J. (2005), § 4 Rn. 95; Küting, K./Kessler, H. (2000), S. 22. 32 Vgl. Eichhorn, K. T. (2001), S. 64; vgl. auch Siegel, T., in: Korff, W. et al. (1999), S. 364, dieser spricht von der „Änderung des Reinvermögens in einer Periode“. Siehe auch bereits Abschnitt C.III.1. der vorliegenden Arbeit. 33 Diese Einkunftsarten werden in Gewinn- (§§ 4 bis 7k EStG) und Überschusseinkünfte (§§ 9 bis 9a EStG) unterschieden (vgl. § 2 Abs. 2 EStG). 34 Die Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ist technisch großteils mit der Ermittlung von Überschusseinkünften nach §§ 8-9a EStG vergleichbar; gleichwohl handelt es sich dabei um eine Gewinnermittlungsvorschrift. Im Gegensatz zu einer Bilanzierung dem Grunde nach müssen sich jedoch Wertänderungen des Betriebsvermögens (Aufwand/Ertrag) nicht zeitgleich auf den Gewinn auswirken. Eine Feststellung eines betrieblichen Reinvermögens entfällt. 35 Vgl. Lang, J., in: Tipke, K./Lang, J. (2005), § 9 Rn. 188 ff. Gemeinsames Merkmal der Einkunftsarten ist das Erfordernis, dass erwirtschaftetes, am Markt realisiertes Einkommen vorliegen muss. Vgl. Herzig, N. (2004), S. 18. 36 Vgl. bereits Rückle, D. (1977), S. 108; ebenso Kahle, H. (2002), S. 210. Eine Abkehr von der vereinfachten Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG und der Ermittlung des Überschusses der Einnahmen über die Werbungskosten kommt nach Kahle aus Praktikabilitäts- und Vereinfachungsgründen nicht in Betracht. Daraus schlussfolgert er:

II. Ökonomische und steuerrechtliche Werturteile als Beurteilungsgrundlage

383

Verstöße gegen die Gleichmäßigkeit der Besteuerung – wie sie bereits de lege lata bestehen – wird hier nicht weiter eingegangen.37 Die Betrachtung wird vielmehr unter der nicht weiter diskutierten Voraussetzung durchgeführt, dass die Steuerbilanz überhaupt einen geeigneten Besteuerungsmaßstab darstellen kann. Die Einkommensteuer erfasst nicht erst das Totaleinkommen einer natürlichen Person während derer gesamten Erwerbszeit, sondern periodisch und sukzessiv das Jahreseinkommen. Dies führt zur Frage der zeitgerechten Erfassung des Gewinnes bzw. der Periodisierung.38 In Zusammenhang mit der Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips lässt sich ferner aus der in Art. 14 GG normierten Eigentumsgarantie die Forderung nach eigentumsschonender Besteuerung ableiten. Diese Argumentationslinie wurde durch einschlägige Beschlüsse des BVerfG39 aufgenommen. Danach darf die Besteuerung ein Wirtschaftgut nur derart belasten, dass dessen Substanz nicht verringert wird und auch nach der Besteuerung ein Teil des Ertrages beim Steuerpflichtigen verbleibt.40

___________ „Wenn diese Einkunftsermittlungsmethoden unvermeidbar sind, Gleichmäßigkeit der Besteuerung aber verwirklicht werden soll, so muss sich die Gewinnermittlung stärker an Zahlungen orientieren“ (Kahle, H. (2002), S. 211). 37 Herzig plädiert aus diesem Grund dafür, bei den Gewinneinkünften allen Unternehmen ein generelles Wahlrecht zwischen einer Gewinnermittlung durch eine (modifizierte) Einnahmen-Überschuss-Rechnung oder durch Betriebsvermögensvergleich einzuräumen. Vgl. Herzig, N. (2004), S. 449 ff. 38 Vgl. Herzig, N. (2004), S. 19; Eichhorn, K. T. (2001), S. 67 f.; Tipke, K./Lang, J. (2005), § 9 Rn. 44. 39 Vgl. insbesondere BVerfG, B. vom 22.06.1995 – 2 BvL 37/91, DStR 1995, S. 1345 ff. 40 Vgl. Herzig, N. (2004), S. 16 f.; Hennrichs, J. (2001), S. 312; im Einzelnen sind die in dem betrachteten Urteil angeführten Thesen allerdings umstritten. Kritisch zur Grundaussage des BVerfG vom 22.06.1995, dass die Vermögensteuer nur so bemessen werden dürfe, dass sie „aus den üblicherweise zu erwartenden, möglichen Erträgen bezahlt werden kann“, siehe Lang, J., in: Tipke, K./Lang, J. (2005), § 4 Rn. 101: Eine Steuer, die an möglichen, d. h. an Sollerträgen anknüpfe, greife vielfach in die Substanz des Vermögens ein, so dass der vom BVerfG angestrebte Schutz des Vermögensstammes mit einem Bekenntnis zum Sollertragsteuerkonzept nicht erreicht werden könne.

384

F. Rechnungslegung zum Zweck der Steuerbemessung

III. Beurteilung einer Verknüpfung von Handels- und Steuerbilanz aus Sicht der Anforderungen an steuerliche Gewinnermittlungsnormen Beurteilung einer Verknüpfung aus steuerlicher Sicht

1. Forderung nach Entscheidungsneutralität der Besteuerung Eine entscheidungsneutrale Besteuerung lässt sich grundsätzlich über die Besteuerung der Zielgröße erreichen. Wenn die Bemessungsgrundlage der Steuer zugleich die Zielgröße des Entscheidungsträgers ist, führt die Alternative mit dem höchsten Bruttoergebnis zugleich zum höchsten Nettoergebnis. In einem solchen Fall könnte der Steuerpflichtige der Besteuerung lediglich ausweichen, wenn er auf die mögliche individuelle Zielerreichung verzichten würde.41 Der steuerbilanzielle Gewinn ist allerdings in der Regel nicht identisch mit dem aus der Unternehmung fließenden Entnahmestrom. Aus zeitlichen Divergenzen zwischen dem Gewinn und dem Entnahmestrom können Steuerwirkungen resultieren. Eine Gewinnbesteuerung, welche auf einem durch Bilanz und GuV-Rechnung ermittelten Gewinn basiert, stellt regelmäßig keine Zielgrößenbesteuerung dar.42 Investitionsneutralität wird grundsätzlich durch die Besteuerung des kapitaltheoretischen Gewinnes, also der Verzinsung des Ertragswertes der Unternehmung zu Beginn der Periode erreicht.43 Die Ertragswerte der Investitionsobjekte werden durch die Besteuerung nicht verändert, da die ökonomische Zielgröße Gewinn besteuert wird. Die Besteuerung des kapitaltheoretischen Gewinnes ist demnach intersektoral – allerdings nicht intertemporal – neutral. In der Realität ist die Besteuerung des kapitaltheoretischen Gewinnes jedoch nicht umsetzbar, da sich die Ermittlung des kapitaltheoretischen Gewinnes wie gezeigt44 einer intersubjektiven Nachprüfbarkeit entzieht. Eine Gewinnermittlung, welche der Forderung nach Entscheidungsneutralität gerecht wird, lässt sich somit nicht rechtssicher und justiziabel umsetzen.45 Sofern die Einkommensteuer sowohl der Forderung nach Rechtssicherheit als auch der Forderung nach Entscheidungsneutralität gerecht werden soll, wäre von der Einkommensteuer herkömmlicher Prägung abzugehen und der Übergang zu einer alternativen Besteuerung (wie z. B. einer Cashflow-Besteuerung oder anderen Alternativen)46 ___________ 41

Vgl. Kahle, H. (2002), S. 189; Schneider, D. (1992), S. 208. Vgl. Kahle, H. (2002), S. 189. 43 Vgl. Herzig, N. (2004), S. 23; Kahle, H. (2002), S. 190; Schneider, D. (1999), S. 105; Schneider, D. (1992), S. 224 ff.; Eichhorn, K. T. (2001), S. 73. 44 Siehe hierzu die Ausführungen in Abschnitt D.III.1.b) der vorliegenden Arbeit. 45 Siehe auch Kahle, H. (2002), S. 192 m. w. N.; Herzig, N. (2004), S. 23; Ballwieser, W. (1990), S. 495. 46 Siehe etwa Eichinger, M. (1993), S. 190 ff. 42

III. Beurteilung einer Verknüpfung aus steuerlicher Sicht

385

zu prüfen. In der vorliegenden Arbeit wird jedoch wie dargelegt die Prämisse einer Beibehaltung der herkömmlichen Einkommensteuer zugrunde gelegt. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass das Maßgeblichkeitsprinzip mit den Voraussetzungen neutraler Besteuerung grundsätzlich nicht vereinbar ist. Somit ergibt sich aus dieser Forderung weder eine stichhaltige materielle Begründung für eine Beibehaltung der GoB im Steuerrecht noch für eine Übernahme der IFRS. Denn auch die IFRS sind nicht dazu geeignet, systematisch Entscheidungsneutralität zu erzeugen.47 Es wäre allerdings zu überlegen, ob sich aus dem Modell des kapitaltheoretischen Gewinnes Periodisierungsregeln für die steuerliche Gewinnermittlung ableiten lassen, mit denen die IFRS stärker übereinstimmen als die GoB.48 Gegen ein solches Vorgehen bestehen jedoch wesentliche Bedenken: Die primär auf den GoB basierende geltende Einkommensteuer kann nicht als Näherungslösung einer investitionsneutralen Einkommensteuer betrachtet werden. Denn die geltende Konzeption ist einzelwertorientiert, während hingegen das Konzept des kapitaltheoretischen Gewinnes von einer Gesamtbewertung ausgeht. Aussagen der Ertragswertkonzeption, die lediglich im Kapitalmarktgleichgewicht sowie unter Sicherheit gelten, lassen sich nicht ohne Weiteres auf eine Bilanzierungswelt übertragen, die durch Unsicherheit sowie ein fehlendes Kapitalmarktgleichgewicht gekennzeichnet ist.49 Somit können aus der Forderung einer investitionsneutralen Einkommen steuer keine konkreten Ansatz- und Bewertungsnormen für einzelne Wirtschaftsgüter50 abgeleitet werden. Denn es ist möglich, eine im Sinne der Besteuerung des kapitaltheoretischen Gewinnes investitionsneutrale Besteuerung zu erreichen, indem zahlreiche Einzelregelungen kombiniert werden, die für sich allein betrachtet nicht entscheidungsneutral sind, deren Neutralitätsverlet___________ 47

Siehe auch Kahle, H. (2002), S. 193. Schneider etwa zieht dieses Modell als Hilfe heran, um Näherungslösungen zu begründen, wie z. B. das Realisationsprinzip durch das Konzept der Barrealisation (Zahlungszu- oder -abfluss) zu ersetzen sowie die Notwendigkeit eines sofortigen steuerlichen Verlustausgleichs zu betonen, wodurch das Imparitätsprinzip im Bilanzsteuerrecht entbehrlich würde. Vgl. Schneider, D. (1999), S. 105 ff.; Schneider, D. (1997-a), S. 279 ff.; Schneider, D. (1992), S. 220. Das Konzept der Barrealisation passt zwar zur Zahlungsüberschussorientierung der betrachteten Periode, ein ökonomischer Gewinn kann jedoch auch gegeben sein, wenn keine Zahlungen in der betreffenden Periode vorliegen (z. B. bei Zero-Bonds). Vgl. Kahle, H. (2002), S. 194. 49 Vgl. Wagner, F. W. (2000), S. 189 ff.; Kahle, H. (2002), S. 194; Schreiber, U. (1999), S. 900. Siehe ferner auch die Ausführungen in Abschnitt D.III.1.b) der vorliegenden Arbeit. 50 Zum steuerrechtlichen Begriff des Wirtschaftsgutes als „Pendant“ zum handelsrechtlichen Begriff des Vermögensgegenstandes siehe etwa Weber-Grellet, H., in: Schmidt, L. (2006), § 5 Rn. 93 ff. 48

386

F. Rechnungslegung zum Zweck der Steuerbemessung

zungen sich aber gegenseitig kompensieren.51 Im Ergebnis eignet sich das ökonomische Neutralitätsprinzip somit nicht als alleinige Deduktionsbasis steuerrechtlicher Gewinnermittlungsregeln.52 Sofern zu erwarten ist, dass die steuerlichen Gewinnermittlungsregeln Investitionsentscheidungen verzerren, ist allerdings darauf zu achten, dass diese zumindest so ausgestaltet sind, dass die Verzerrungen der Entscheidungen möglichst gering ausfallen.53 Die Bilanzierungsprinzipien des geltenden Bilanz(steuer-)rechts bewirken zahlreiche Investitionsverzerrungen. Als Beispiele seien v. a. genannt:54 • das Aktivierungsverbot nicht entgeltlich erworbener immaterieller Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, wodurch es zu deren Begünstigung gegenüber materiellen Wirtschaftsgütern und somit zu Steuerlastdifferenzen unterschiedlicher Branchen kommt (vgl. § 5 Abs. 2 EStG), • die Begünstigung von Human- gegenüber Sachkapital infolge der lediglich im Rahmen der Herstellungskosten bestehenden, beschränkten Aktivierungsfähigkeit von Ausbildungskosten (vgl. R 6.3 Abs. 4 EStR), • die Begünstigung der Herstellung im Vergleich zum Erwerb von Wirtschaftsgütern,55 • die Begünstigung der beweglichen gegenüber den unbeweglichen Anlagegütern infolge der Abschreibungsregelungen (vgl. §§ 7, 7a EStG), • die Begünstigung bestimmter Branchen mit langer Dauer der Auftragsdurchführung gegenüber solchen mit kurzer Dauer aufgrund der grundsätzlich fehlenden Teilgewinnrealisation, • die Begünstigung von Branchen, bei denen Rückstellungen in besonderem Umfang von Bedeutung sind.56 Verallgemeinert entstehen steuerliche Investitionsverzerrungen zum einen dann, wenn bei Ausgaben mit Investitionscharakter kein Gegenwert aktiviert ___________ 51 So mag beispielsweise eine Abschreibungsregelung für sich genommen eine Steuervergünstigung beinhalten, alle Positionen zusammen aber doch „barwertrichtig“ sein. Vgl. Kahle, H. (2002), S. 198. 52 Vgl. Wagner, F. W. (2000), S.190; Kahle, H. (2002), S. 194 f. 53 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 195; Herzig, N. (2004), S. 23. 54 Vgl. im Folgenden etwa auch Wagner, F. W. (2000), S. 193. 55 Vgl. R 6.3 EStR. 56 Bei Rückstellungen kommt es allerdings nur dann zu Verzerrungen, wenn diese nicht investitionsneutral ausgestaltet sind (so v. a. wenn sie nicht bzw. nicht in adäquater Weise abgezinst werden, vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e) i. V. m. Nr. 3 Satz 2 EStG); hierauf wird im Folgenden noch eingegangen.

III. Beurteilung einer Verknüpfung aus steuerlicher Sicht

387

wird oder der Wertansatz unter dessen Ertragswert liegt. Zum anderen führen Abschreibungsmethoden zu Verzerrungen, wenn sie nicht den Ertragswertverlauf widerspiegeln. Generell gilt, dass Abschreibungen einen umso größeren steuerbegünstigenden Effekt haben, je stärker die Abschreibungsverrechnung der Ertragswertabschreibung – d. h. der Differenz zwischen dem Ertragswert zu Beginn und dem Ertragswert am Ende der Periode – zeitlich vorgelagert ist. Eine Abschreibungsmethode würde dann Investitionsneutralität erreichen, wenn sie genau den Ertragswertverlauf einer Investition abbilden würde. Dies würde die Kenntnis der tatsächlichen Zahlungsreihen, die aus einer Investition fließen, voraussetzen. Je nach Zahlungsreihe kann im Einzelfall eine degressive Abschreibungsmethode weniger stark verzerrend wirken als eine lineare Methode.57 Ferner bewirken auch vorzuverrechnende Ausgaben Steuerwirkungen, wenn die Rückstellungen zum Zeitpunkt ihres erstmaligen Ansatzes nicht in entsprechender Höhe ermittelt und insbesondere auch nicht in entsprechender Höhe abgezinst werden.58 Dafür, dass die dargestellten Steuerlastreduzierungen, welche aus den geltenden Bilanzierungsprinzipien resultieren, angestrebt werden sollen, finden sich in der allokationstheoretischen Literatur keine Hinweise.59 Bei den de lege lata geltenden Gewinnermittlungsgrundsätzen werden insbesondere die Entscheidungswirkungen des Vorsichtsprinzips kritisiert: Das Vorsichtsprinzip führt teilweise dazu, dass die effektive Steuerbelastung der Cashflows einer Investition sinkt, wodurch die Investition mittelbar subventioniert wird. Investitionen werden infolgedessen auch dann noch durchgeführt, wenn ihre Rendite unterhalb des Marktzinses liegt. Solche Subventionen sind ineffizient.60 Eine Zurückdrängung des Vorsichtsprinzips entspräche demnach grundsätzlich „eher dem steuerlichen Leitbild einer unverzerrten Gewinnermittlung.“61 Die steuerliche Gewinnermittlung ist insbesondere auch vor dem Hintergrund des internationalen Steuerwettbewerbes zu betrachten. Die Besteuerung kann eine Änderung der Rangfolge der Investitionen bewirken, so dass im ungünstigen Falle inländische Investoren sich für einen ausländischen Standort entscheiden oder ausländische Investoren das Inland meiden. Sowohl modellgestützte Überlegungen als auch empirische Befunde stützen die Annahme, dass im internationalen Steuerwettbewerb eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage bei gleichzeitiger Senkung des Steuersatzes die Stellung Deutsch___________ 57

Vgl. Eichhorn, K. T. (2001), S. 81 und S. 225 ff. Vgl. Eichhorn, K. T. (2001), S. 241. 59 Vgl. Wagner, F. W. (2000), S. 193. 60 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 196; Schreiber, U. (1997), S. 504 f. 61 Schreiber, U. (1997), S. 505. 58

388

F. Rechnungslegung zum Zweck der Steuerbemessung

lands im internationalen Steuerwettbewerb stärker verbessern könnte als eine Verringerung der Bemessungsgrundlage bei gleich bleibenden Steuersätzen.62 Dabei wird in den Modellüberlegungen davon ausgegangen, dass in Planungskalkülen potenzieller Investoren Tarifreduzierungen relativ einfach berücksichtigt werden können. Demgegenüber haben Steuervorteile, die aus den am Vorsichtsprinzip ausgerichteten Bilanzierungsregeln resultieren, bei reduzierter Komplexität des Planungskalküls lediglich eine geringe Chance, bereits in die Investitionsentscheidung aufgenommen zu werden.63 Dies gilt umso mehr bei ausländischen Investoren, welchen derartige Steuervorteile aus ihrem nationalen Steuerrechtssystem nicht bekannt sind.64 Steuervorteile, die in den Kalkülen nicht berücksichtigt werden, sind entscheidungsneutral. Empirische Studien unterstützen die Annahme, dass Steuerbe- bzw. -entlastungen, die aufgrund der bilanzrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften des Maßgeblichkeitsprinzips entstehen, lediglich eine geringe Chance haben, in Investitionsentscheidungen berücksichtigt zu werden; ebenso bestätigen sie die Vermutung, dass für Investitionsentscheidungen ausländischer Investoren der tarifliche Steuersatz von großer Bedeutung ist.65 Insbesondere für internationale Standortvergleiche ist es demnach entscheidend, dass eine tatsächlich niedrige Steuerbelastung auch erkennbar ist. Bei Geltung dieser Wirkungszusammenhänge ist somit eine Senkung der Steuersätze bei rentablen Investitionen vorteilhaft für einen Standort, da sie dessen Attraktivität für mobiles Kapital erhöhen.66 Unter dem Aspekt der Entscheidungsneutralität liegt es somit nahe, das Vorsichtsprinzip in der steuerlichen Gewinnermittlung in Deutschland einzuschränken und entsprechend den Steuertarif zu senken. Dabei kommt grundsätzlich sowohl das Vorsichtsprinzip in seiner Ausprägung als Bewertungsgrundsatz bei unsicheren Erwartungen als auch dessen Konkretisierung in Gestalt des Imparitätsprinzips sowie des Realisationsprinzips im herkömmlichen Sinne in Betracht. Wie anhand der Beispiele veranschaulicht, führen auch das Realisationsprinzip sowie das Imparitätsprinzip zu Steuerwirkungen. Ob bzw. inwieweit ein Abweichen von diesen Prinzipien zweckadäquat ist, bestimmt sich jedoch wie ausgeführt nicht nur unter Neutralitätsaspekten, sondern v. a. auch anhand der steuerrechtlichen Forderung nach Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Hierauf wird im folgenden Abschnitt F.III.2. näher eingegangen. ___________ 62

Vgl. Wagner, F. W. (2000), S. 194 ff.; Kahle, H. (2002), S. 197 und S. 199 f. Vgl. Wagner, F. W. (2000), S. 194 ff. m. w. N.; Kahle, H. (2002), S. 198 f. 64 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 199. 65 Vgl. Wagner, F. W. (2000), S. 198 f. m. w. N.; Kahle, H. (2002), S. 200 m. w. N. 66 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 199 f. 63

III. Beurteilung einer Verknüpfung aus steuerlicher Sicht

389

Inwieweit eine Übernahme internationaler Gewinnermittlungsnormen für die steuerliche Gewinnermittlung dem Ziel der Allokationseffizienz besser entsprechen würde als das geltende Maßgeblichkeitsprinzip, lässt sich kaum genau abschätzen. Zwar sind die IFRS nicht durch ein dominierendes Vorsichtsprinzip wie im HGB geprägt; steuerrechtlich wurden allerdings im EStG inzwischen etliche Vorbehaltsnormen gegenüber dem HGB bzw. den GoB erlassen, durch welche die Wirkung des Vorsichtsprinzips im Steuerrecht deutlich verringert wird.67 Ferner bestehen nach IFRS wie gezeigt68 ebenso Möglichkeiten zur Bildung stiller Rücklagen. So sind insbesondere auch nach IFRS unrealisierte Verluste zu antizipieren, sofern sie mit entsprechender Wahrscheinlichkeit anfallen, obwohl die IFRS kein explizites Imparitätsprinzip kennen. Nach HGB erfolgt die Bewertung von Rückstellungen gemäß § 253 Abs. 1 HGB zu dem Betrag, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist; eine Abzinsung darf lediglich dann vorgenommen werden, wenn die zugrunde liegenden Verbindlichkeiten einen Zinsanteil enthalten.69 Demgegenüber besteht steuerlich ein Abzinsungsgebot, sofern die Verbindlichkeiten nicht verzinslich sind (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e) i. V. m. Nr. 3 Satz 2 EStG). Zu Manipulationsspielräumen führt allerdings die Regelung, dass die Verzinslichkeit einer Verbindlichkeit deren Abzinsung vermeidet. Dies eröffnet die Möglichkeit, durch Vereinbarung einer niedrigen Verzinsung die gesetzliche Abzinsung zu umgehen.70 Zweckadäquat wäre eine „Rückstellung in Höhe des Barwerts der erwarteten Auszahlung“71. Auch nach IFRS hat beim erstmaligen Ansatz eine Abzinsung zu erfolgen, unabhängig davon, ob die zugrunde liegende Verbindlichkeit einen Zinsanteil enthält.72 Hinsichtlich der Abschreibungen engen die Vorschriften des EStG den Spielraum im Vergleich zum HGB durch klar definierte Abschreibungsmethoden ein (vgl. §§ 7, 7a EStG). Soweit steuerlich zulässig, können die Vorschriften des HGB grundsätzlich genauso eine individuelle Vorgehensweise ermöglichen, um Verzerrungen zu vermeiden, wie die IFRS. Ein wesentlicher Unterschied zum HGB besteht bei den IFRS in dem weiter gefassten Kreis von anzusetzenden Vermögenselementen. Ein Beispiel hierfür ist die Aktivierung von Entwicklungskosten. Eine solche Aktivierung verringert grundsätzlich die beim HGB diesbezüglich kritisierten Verstöße gegen das ___________ 67

Siehe hierzu die näheren Ausführungen im folgenden Abschnitt F.III.2. der vorliegenden Arbeit. 68 Vgl. die Ausführungen in Abschnitt D.III.2. der vorliegenden Arbeit. 69 Vgl. Pellens, B./Fülbier, R. U./Gassen, J. (2006), S. 417. 70 Vgl. Herzig, N. (2004), S. 288. 71 Siegel, T. (2000-b), S. 33. 72 Vgl. IAS 37.45 ff., IAS 37.59-60.

390

F. Rechnungslegung zum Zweck der Steuerbemessung

Neutralitätsprinzip. Eine vollständige Investitionsneutralität wird jedoch auch nach IFRS in diesem Bereich nicht gewährleistet, da für die Aufwandsverteilung der vermögenswerten Entwicklungskosten die lineare Abschreibungsmethode fest vorgegeben ist. Die Beispiele ließen sich noch weiter fortführen. Wie die aufgezeigten Fälle zeigen, resultieren aus den IFRS im Einzelfall zwar zum Teil geringere Verstöße gegen die Investitionsneutralität als nach HGB. Dem sind jedoch die zahlreichen Ermessensspielräume der IFRS entgegenzuhalten.73 Hinzu kommt – wie bereits erläutert – dass es methodisch nicht zulässig ist, lediglich einzelne Bilanzierungsregeln zu betrachten.74

2. Forderung nach Gleichmäßigkeit der Besteuerung Auch eine einkommensorientierte Interpretation des Leistungsfähigkeitsprinzips auf Basis eines Betriebsvermögensvergleiches ist noch kein eindeutiger Ausgangspunkt für eine differenzierte Gewinnermittlung; die Frage nach sachgerechten Gewinnermittlungstechniken bleibt vielmehr noch zu konkretisieren. Als solche Gewinnermittlungsmethoden kommen grundsätzlich entweder die „Reinvermögenszugangstheorie“ oder die „Reinvermögenszuwachstheorie“ in Betracht: Bei der „Theorie“ vom realisierten Vermögenszugang sollen lediglich realisierte Vermögenszugänge steuerlich relevant sein, bei der „Reinvermögenszuwachstheorie“ darüber hinaus auch alle nicht realisierten Wertänderungen.75 Die Lehre vom realisierten Reinvermögenszugang zielt auf nominelle Kapitalerhaltung und damit stark auf die de lege lata geltenden GoB ab. Grundlegendes Charakteristikum ist, dass sie das Realisationsprinzip beachtet.76 Die Anwendung bzw. der Inhalt der anderen Periodisierungsgrundsätze ist allerdings zum Teil umstritten, so insbesondere die Frage, zu welchem Zeitpunkt Verluste berücksichtigt werden.77 ___________ 73

Siehe hierzu die Ausführungen in Abschnitt D.III.2. der vorliegenden Arbeit. Vgl. Kahle, H. (2002), S. 197. 75 Vgl. Küting, K./Kessler, H. (2000), S. 23; Siegel, T., in: Korff, W. et al. (1999), S. 364 ff.; Schneider, D. (1997-a), S. 245 f. Die einzelnen Ermittlungsmodelle werden jedoch in der Literatur zum Teil unterschiedlich verwendet; so sprechen etwa Tipke/Lang demgegenüber von Markteinkommenstheorie und Reinvermögenszugangstheorie. Vgl. Lang, J., in: Tipke, K./Lang, J. (2005), § 8 Rn. 32 f. 76 Vgl. Schneider, D. (1997-a), S. 246. 77 Das Imparitätsprinzip als Element der Reinvermögenszugangstheorie bejahend etwa Schneider, D. (1997-a), S. 246; a. A. siehe beispielsweise Siegel, T., in: Korff, W. et al. (1999), S. 366 f.; die Diskussion wird im Folgenden näher betrachtet. 74

III. Beurteilung einer Verknüpfung aus steuerlicher Sicht

391

Bei der Reinvermögenszuwachstheorie hingegen ist der Marktpreis der Vermögensgegenstände am Ende des Jahres mit dem am Anfang des Jahres zu vergleichen. Ein Problem dieses Konzeptes liegt somit in der mangelnden Praktikabilität, da es zu jedem Bewertungsstichtag eine umfassende Neubewertung des Vermögens erforderlich macht, um die Zeitwerte aller Wirtschaftsgüter zu ermitteln.78 Hinzu kommt v. a. das Problem der mangelnden Objektivierbarkeit des zu ermittelnden Steuergewinnes, da eine vorzeitige Gewinnrealisation – insbesondere wenn sie auf Schätzungen basiert – zwangsläufig mit Unsicherheit verbunden ist. Mangelnde Objektivierbarkeit verstößt sowohl gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit als auch gegen das Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.79 Darüber hinaus würde ein steuerlicher Zugriff auf unrealisierte Vermögenszuwächse zu einer realen Substanzbesteuerung führen, da ein solcher das Vorhandensein liquider Mittel unterstellt, die möglicherweise nicht vorhanden sind. Dieser Effekt ist umso bedenklicher, als die festgestellte Zunahme an Leistungsfähigkeit in Gestalt gestiegener Zeitwerte oftmals unsicher und bis zur endgültigen Realisation des Vermögenszuwachses gefährdet ist.80 Eine solche Besteuerung verletzt somit die nominelle Kapitalerhaltung sowie den Aspekt einer eigentumsschonenden Besteuerung. Zur Behebung dieser Verstöße wären ein so genannter sofortiger Verlustausgleich, die Bereitstellung einer „Liquiditätshilfe“81, z. B. durch Steuerstundung bis zum Zeitpunkt des Einnahmenzuflusses, sowie die Verzinsung der Steuerzahlung auf unrealisierte Gewinne bis zum Zeitpunkt des Einnahmenzuflusses erforderlich. Bestandteil eines sofortigen Verlustausgleiches ist zum einen ein unbeschränkter Verlustausgleich zwischen den einzelnen Einkunftsarten sowie zum anderen im Falle eines Restverlustes für das verbleibende negative Einkommen ein verzinslicher, zeitlich und in der Höhe unbeschränkter Verlustrücktrag in frühere Gewinnjahre82 oder zumindest ein verzinster, unbeschränkter Verlustvortrag. Aufgrund der skizzierten Probleme der Reinvermögenszuwachstheorie wird im Folgenden die Annahme zugrunde gelegt, dass der ___________ 78

Vgl. Küting, K./Kessler, H. (2000), S. 23; Lang, J., in: Tipke, K./Lang, J. (2005), § 8 Rn. 33. 79 Vgl. Herzig, N. (2004), S. 49. 80 Vgl. Küting, K./Kessler, H. (2000), S. 23; Lang, J., in: Tipke, K./Lang, J. (2005), § 8 Rn. 33 und § 4 Rn. 102 ff.; Schneider, D. (1997-a), S. 247 ff.; Siegel, T., in: Korff, W. et al. (1999), S. 365 f.; Herzig, N. (2004), S. 49. 81 Schneider, D. (1997-a), S. 248. 82 Vgl. Schneider, D. (1997-a), S. 248 f. Schneider weist darauf hin, dass ein solcher verzinslicher, zeitlich und in der Höhe unbeschränkter Verlustrücktrag lediglich eine Näherungslösung ist für eine „Verlustsubvention in Höhe des Produktes Restwert mal (konstantem Grenz-)Steuersatz“, Schneider, D. (1997-a), S. 248.

392

F. Rechnungslegung zum Zweck der Steuerbemessung

Gesetzgeber weiterhin an der Konzeption des realisierten Reinvermögens festhält.83 Bei der Konzeption des realisierten Reinvermögenszuganges steht seit Längerem zur Diskussion, ob die Berücksichtigung des Vorsichts- sowie des Imparitätsprinzips einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit entspricht.84 Generell gilt wie gesagt, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip zur Ableitung konkreter Ansatz- und Bewertungsnormen nicht geeignet ist. Dabei gilt es zu bedenken, dass ein durch Periodisierungskonventionen ermittelter Gewinn dem Anspruch, den „tatsächlichen“, den „wahren“ Gewinn zu ermitteln, nicht genügen kann. Er stellt vielmehr einen Kompromiss dar, von dem gegebenenfalls in den Fällen, in denen zu große Härten auftreten, wieder abzurücken ist.85 Die asymmetrische Behandlung nicht realisierter Gewinne und Verluste in der Steuerbilanz wird von manchen Autoren zum Teil als Verstoß gegen die Gleichmäßigkeit der Besteuerung gesehen.86 Die Bildung von Rückstellungen führt durch die frühe Steuerminderzahlung zu einem Zinsvorteil, welcher insbesondere bei langfristigen Rückstellungen von wesentlicher Bedeutung sein kann.87 Der Rückgriff auf das Imparitätsprinzip wird als entbehrlich betrachtet, da das Steuerrecht in Form des Verlustausgleiches88 sein eigenes Instrument zur Verlustberücksichtigung habe und es insoweit einer bilanzrechtlichen Verlustvorsorge nicht bedürfe. Dies wird jeweils an die Voraussetzung eines sofortigen Verlustausgleiches geknüpft.89 Damit ist ein unbeschränkter Verlustausgleich zwischen den Einkunftsarten sowie bei einem verbleibenden Restverlust als Näherungslösung ein verzinslicher, zeitlich und in der Höhe unbeschränkter Verlustrück- oder -vortrag gemeint.90 Unter dieser Voraussetzung wird ein voll___________ 83

So beispielsweise auch Schneider, D. (1997-a), S. 246 ff., insbesondere S. 249 f.; Kahle, H. (2002), S. 207; Herzig, N. (2004), S. 48 f. 84 Ablehnend hierzu etwa Siegel, T. (1999), S. 196. 85 Vgl. Rückle, D. (1977), S. 115. 86 So insbesondere hinsichtlich Drohverlustrückstellungen etwa Siegel, T. (1999), S. 195 ff.; siehe auch Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom, BT-Drucks. 14/23 vom 09.11.1998, S. 1 (im Folgenden: Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002), Begründung, S. 171 f. 87 Hinsichtlich einer anschaulichen Darstellung dieses Zinsvorteils siehe etwa Siegel, T. (2000-a), S. 564 ff. 88 Zu den Regelungen des Verlustausgleiches i. w. S. (Verlustausgleich und -abzug) de lege lata siehe §§ 2 Abs. 3, 2a, 10d, 15 Abs. 4, 15a, 23 Nr. 3, 23 Abs. 3 EStG und § 10a GewStG. 89 Vgl. Schreiber, U. (1997), S. 504; Siegel, T. (1999), S. 196; Wagner, F. W. (1998), S. 2075. 90 Vgl. etwa Schneider, D. (1997-a), S. 248. Die Bezeichnung „sofortiger Verlustausgleich“ ist insofern ungenau, als nicht der Verlust, sondern lediglich der Betrag aus (Grenz-)Steuersatz mal Verlust ausgeglichen wird. Vgl. Schneider, D. (1992), S. 211 ff.

III. Beurteilung einer Verknüpfung aus steuerlicher Sicht

393

ständiges oder teilweises Ansatzverbot für ungewisse Schulden,91 zumindest aber ein Verbot für Drohverlustrückstellungen gefordert. Stattdessen wird für eine stärkere Orientierung an Zahlungen plädiert.92 Als weitere Argumente für eine solche stärkere Zahlungsorientierung wird angeführt, dass die Begrenzung der Periodisierung die Gewinnermittlung vereinfache und die Zahl möglicher Streitfälle reduziere93 sowie die Erstreckung von EU-rechtlichen Regeln auf die Ermittlung weiterer Einkünfte erleichtern würde.94 Durch eine solche Annäherung an Zahlungen würde zugleich zumindest ein Teil der dargestellten Investitionsverzerrungen, welche aus den derzeit geltenden Periodisierungsregeln resultieren, behoben. Auf Seiten des Fiskus würde der aus der vorzeitigen Minderung der Steuerzahlung resultierende Zwischenfinanzierungsbedarf behoben.95 Auch die Unterschiede zur steuerlichen Bemessungsgrundlage auf Basis einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung würden dadurch reduziert. Sofern das Imparitätsprinzip durch einen sofortigen Verlustausgleich ersetzt werden könnte, würde dies zudem die Möglichkeit zu einer Verbreiterung der Bemessungsgrundlage und einer entsprechenden Senkung des Steuertarifes bieten. Eine solche Verbreiterung der Bemessungsgrundlage bei gleichzeitiger Senkung des Steuersatzes könnte wie dargelegt die Stellung Deutschlands im internationalen Steuerwettbewerb möglicherweise stärker verbessern als eine Verringerung der Bemessungsgrundlage bei gleich bleibenden Steuersätzen.96 Eine Aufgabe des Imparitätsprinzips in dem umfassenden Sinne, dass generell auf die Bildung von Rückstellungen verzichtet wird, würde allerdings die Aufgabe der Reinvermögenszugangskonzeption (im hier verstandenen Sinne) bedeuten. In diesem Falle läge eher eine Zahlungsrechnung als ein Vermögens___________ 91

Vgl. Kahle, H. (2002), S. 213 ff.; Kahle überlegt, insgesamt auf Rückstellungen zu verzichten; Schreiber, U. (2002), S. 114; nach Schreiber ist „möglicherweise an ein Ansatzverbot für ungewisse Schulden“ (S. 114) zu denken; Schreiber, U. (1997), S. 50; Wagner, F. W. (1998), S. 2073 und v. a. S. 2077; Wagner lässt offen, ob über die Drohverlustrückstellungen hinaus auch eine gänzliche Abschaffung sämtlicher Rückstellungen möglich wäre. 92 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 213 ff.; Wagner, F. W. (1998), S. 2077; Wagner, F. W. (2000), S. 200; Schreiber, U. (1997), S. 504. 93 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 214; Schreiber, U. (2002), S. 114. 94 Vgl. Schreiber, U. (2002), S. 114. 95 Wagner spricht diesbezüglich von „Korrespondenzlücken“. Diese entstehen dadurch, wenn die leistenden Unternehmen noch keine Forderung realisiert haben, obwohl die verpflichteten Unternehmen bereits eine Rückstellung passivieren können. Vgl. Wagner, F. W. (1998), S. 2077. 96 Vgl. Wagner, F. W. (2000), S. 197 ff.; Kahle, H. (2002), S. 199 f. m. w. N.

394

F. Rechnungslegung zum Zweck der Steuerbemessung

vergleich vor.97 Eine auf einer Zahlungsrechnung basierte Besteuerungsgrundlage ist jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Betrachtung. Die unterschiedlichen Meinungen basieren v. a. auf einem unterschiedlichen Verständnis, was Ausfluss des Imparitätsprinzips ist. Unstrittig ist, dass die – steuerlich unzulässigen – Drohverlustrückstellungen und außerplanmäßige Abschreibungen, steuerrechtlich der Teilwert, unmittelbar auf dem Imparitätsprinzip beruhen. Die anderen Verbindlichkeitsrückstellungen stellen nach hier vertretener Auffassung in Teilen jedoch weniger einen Ausfluss des Imparitätsprinzips als vielmehr einen dem Vermögensvergleich immanenten Bestandteil dar. Nur bei einer reinen Kassenrechnung sind die Bestandteile (Kasse und Kassenäquivalente) von vornherein einwertig bestimmbar. Anlage-, Umlaufvermögen und Schulden verkörpern hingegen in der Regel „eine Risiken und Chancen umfassende Bandbreite von Werten.“98 Dies führt zu dem Problem der Abgrenzung, was bereits als „realisiert“ gilt und was noch nicht realisiert ist;99 die Abgrenzung zwischen der Gewinnquelle und dem entziehbaren Gewinn ist nicht eindeutig. Innerhalb der nach den GoB zu bildenden Verbindlichkeitsrückstellungen lassen sich verschiedene „Realisationszeitpunkte“ feststellen. So unterscheiden sich v. a. die Rückstellungen für drohende Verluste von den anderen Verbindlichkeitsrückstellungen dadurch, dass sie auf schwebenden, d. h. beidseitig unerfüllten Verträgen beruhen. Die Frage, was als „realisiert“ betrachtet – und damit rückstellungsbildend oder in Gestalt des Teilwertes in der Steuerbilanz berücksichtigt wird –, sollte insbesondere auch an den ökonomischen Wirkungen ausgerichtet werden. Der „periodenrichtige“ Steuerbilanzgewinn kann nicht unabhängig von der Interessenlage der anderen an der Unternehmung (im weitesten Sinn) „Beteiligten“ betrachtet werden.100 Es ist vielmehr die Stellung des Fiskus im Vergleich zu den anderen Gruppen der an der Unternehmung „Beteiligten“ zu betrachten. ___________ 97

Auch Wagner merkt an, dass eine Gewinnermittlung, welche auf Teilwertabschreibungen und Rückstellungen verzichtet „konzeptionell der Überschußermittlung näher als dem vollständigen Vermögensvergleich” steht. Wagner, F. W. (1998), S. 2077; nach Siegel sind Rückstellungen ebenfalls lediglich insoweit einzuschränken, als dem Rückstellungssachverhalt keine erhaltene Gegenleistung – z. B. Pensionszusage gegenüber Arbeitsleistungen – entspricht. Bei Verbindlichkeitsrückstellungen sind solche Gegenleistungen in der Regel gegeben. Vgl. Siegel, T. (1999), S. 196 f.; vgl. ebenfalls Moxter, A. (2000-a), S. 157, wobei sich nach dessen GoB-Verständnis das Imparitätsprinzip lediglich in den Bewertungsausprägungen sowie Drohverlustrückstellungen, nicht hingegen in (herkömmlichen) Verbindlichkeitsrückstellungen niederschlägt. Letztere resultieren seiner Auffassung nach vielmehr aus dem Realisationsprinzip; zu seinem Verständnis des Imparitätsprinzips siehe Moxter, A. (2003), S. 55 ff. 98 Moxter, A. (2000-a), S. 160. 99 Beispiele zu der Problematik einer Grenzziehung gibt Kessler, H. (2000), S. 1093. 100 Vgl. Rückle, D. (1977), S. 107.

III. Beurteilung einer Verknüpfung aus steuerlicher Sicht

395

Die Beurteilung der Frage, ob der Fiskus im Vergleich zu anderen Gläubigern eine Sonderstellung beanspruchen kann oder ob Gläubigerschutz auch hinsichtlich des Fiskus geboten ist, wird wie gezeigt grundsätzlich an die Voraussetzung eines sofortigen Verlustausgleiches geknüpft. Ein solcher Verlustausgleich lässt sich als Haftungsbereitschaft des Fiskus verstehen. In Abhängigkeit der Rückgriffsbereitschaft des Fiskus sind folgende Fälle zu unterscheiden:101 • Sofern die Regelung eines sofortigen Verlustausgleiches gilt, wird der Fiskus den eingetretenen Verlust in Höhe des eingetretenen Grenzsteuersatzes sofort erstatten. Die in den Vorjahren geleistete überhöhte Steuerzahlung wird somit zurückerstattet. • Wird der im Folgejahr erzielte Verlust als Verlustrücktrag berücksichtigt, ergibt sich, sofern ausreichend Vorjahresgewinne vorhanden sind, im Rücktragszeitraum ebenfalls eine Steuerrückzahlung. • Wird dem Unternehmen ausschließlich die Möglichkeit eines Verlustvortrages eingeräumt, kann der Steuererstattungsanspruch lediglich unter der Bedingung künftiger Gewinne realisiert werden; bei Fehlen künftiger Gewinne hingegen würde der Steuererstattungsanspruch verloren gehen. Beteiligt sich der Staat sowohl an Gewinnen als auch an Verlusten sofort, wäre es demnach denkbar, auf bestimmte Gläubigerschutzmaßnahmen gegenüber dem Fiskus zu verzichten. Sofern der Fiskus hingegen die Position eines asymmetrischen Teilhabers einnimmt, der an Gewinnen sofort partizipiert, an Verlusten jedoch lediglich bedingt, ist er aus wirtschaftlicher Sicht eher einem beschränkt oder nicht haftenden Residualanspruchsberechtigten gleichzustellen. In diesem Fall kann auf gläubigerschützende Maßnahmen nicht verzichtet werden.102 Hinsichtlich der Bedeutung eines sofortigen Verlustausgleiches gilt es ferner zu bedenken, dass finanzielle Anspannungen mit entsprechender Existenzgefährdung der Unternehmung längst eingetreten sein können, ehe die Institution eines Rücktrags wirksam wird.103 Dieses Argument wiegt insbesondere im Hinblick auf kmU angesichts deren Liquiditätssituation, wie in Abschnitt E.I. gezeigt, besonders schwer. Hinzu kommt, dass ein solcher Verlustausgleich auch tatsächlich eingeführt werden müsste. Die steuerlichen Entwicklungen in der jüngeren Vergangenheit zeigen hingegen den gegenläufigen Effekt in Richtung einer Einschränkung des Verlustrücktrags sowie der Anwendung von ___________ 101

Zum Folgenden siehe Sigloch, J. (2000), S. 177. Vgl. auch Sigloch, J. (2000), S. 177 f. 103 Vgl. Moxter, A. (2000-a), S. 157; Moxter, A. (1998), S. 510. 102

396

F. Rechnungslegung zum Zweck der Steuerbemessung

Mindestbesteuerungsregeln.104 Der Zinsvorteil, der aus der Bildung von Rückstellungen resultiert, lässt sich durch die Abzinsung der Rückstellungen auf deren Barwert vermeiden.105 Letzten Endes kann die Entscheidung darüber, ob auf Drohverlustrückstellungen – oder die Abschreibung auf den Teilwert106 – verzichtet werden soll, nicht ohne ein Werturteil getroffen werden. Nach hier vertretener Auffassung wiegt der Liquiditätsaspekt besonders schwer, so dass der Möglichkeit zum Ansatz von Drohverlustrückstellungen zu deren Barwert sowie der Beibehaltung der Teilwertabschreibung der Vorzug gegeben wird. Die Bildung von Aufwandsrückstellungen sollte steuerlich auch weiterhin grundsätzlich abgelehnt werden, da es sich dabei primär um Gewinnverwendung handelt.107 Neben seiner Ausprägung in Form des Imparitätsprinzips kommt eine Einschränkung des Vorsichtsprinzips grundsätzlich auch in dessen weiteren Ausprägungen in Betracht, so v. a. im Abschreibungsprinzip sowie als Regel zur Wertermittlung bei unsicheren Erwartungen. Während eine „vorsichtige“ Bilanzierung zu Gläubigerschutzzwecken wie gezeigt eher niedrigere Wertansätze fordert, ist für den Zweck der steuerlichen Gewinnermittlung ein Ansatz zu „mittleren“ Werten aus Gründen der steuerlichen Gleichbehandlung der Vorzug zu geben. Im geltenden Steuerrecht sind die vorhandenen Spielräume im Bereich der Bewertung von (steuerlich zulässigen) Rückstellungen, hinsichtlich Teilwertabschreibungen u. Ä. allerdings bereits weitgehend eingegrenzt.108 Beim Wertansatz von Rückstellungen werden höchstens zulässige Beträge durch § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG vorgegeben. So schreibt etwa § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. a) EStG ___________ 104 Hinsichtlich einer Darstellung der Beschränkungen des Verlustausgleichs und -abzugs im Rahmen des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 siehe Lang, J., in: Tipke, K./Lang, J. (2005), § 9 Rn. 65 ff. 105 Voraussetzung ist, dass der Zinsfuss der Abzinsung gleich hoch ist wie der Renditezinsfuss der Unternehmung. Eine solche Vorgehensweise als Kompromiss gesteht auch Siegel zu, vgl. Siegel, T. (2000-a), S. 565. 106 Die Diskussion zu Gemeinsamkeiten bzw. Unterschieden von Teilwertabschreibungen und Drohverlustrückstellungen sollen an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. Siehe hierzu etwa Siegel, T. (2000-a), S. 564 ff.; Kessler, H. (2000), S. 1091 ff. 107 Ebenso siehe Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der SchmalenbachGesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (2003), S. 1586. In manchen Fällen mag stattdessen die Bildung einer Teilwertabschreibung in Betracht kommen. 108 So sind für den Bilanzansatz die steuerrechtlichen Regelungen in § 5 Abs. 2 bis Abs. 5 sowie §§ 6a bis 6d EStG vorrangig zu beachten. Im Bereich der Bewertung sind ebenfalls die handelsrechtlichen Bewertungsvorschriften nachrangig anzuwenden. Aus dem Bewertungsvorbehalt in § 5 Abs. 6 EStG ergeben sich ausdrückliche Vorschriften für Entnahmen und Einlagen (vgl. § 4 Abs. 1 EStG), die Zulässigkeit der Bilanzänderung (vgl. § 4 Abs. 2 EStG), Betriebsausgaben (vgl. § 4 Abs. 4 und Abs. 5 EStG), Bewertung (vgl. § 6 EStG) und die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung.

III. Beurteilung einer Verknüpfung aus steuerlicher Sicht

397

für den Wertansatz von Verbindlichkeitsrückstellungen vor, dass „auf der Grundlage der Erfahrungen in der Vergangenheit aus der Abwicklung solcher Verpflichtungen die Wahrscheinlichkeit zu berücksichtigen (ist; Erg. d. Verf.), dass der Steuerpflichtige nur zu einem Teil der Summe dieser Verpflichtungen in Anspruch genommen wird“. Ferner sind Rückstellungen steuerlich abzuzinsen, sofern sie nicht verzinslich sind (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 3a e) EStG). AfATabellen und klar definierte Abschreibungsmethoden (vgl. §§ 7, 7a EStG) engen auch im Bereich der kontinuierlichen Aufwandsverrechnung den Spielraum gegenüber dem Handelsrecht deutlich ein.109 Eine Lockerung der Aktivierungsbeschränkungen schließlich, welche sich als Ausfluss – zugegebenermaßen extrem vorsichtiger – Bewertungsregeln verstehen lassen, wäre lediglich denkbar, wenn eine hinreichende Objektivierung gewährleistet wäre. Durch die Einschränkung des Vorsichtsprinzips sind zwar gegenüber dem HGB zahlreiche Wahlrechte beseitigt worden; gleichwohl bestehen auch steuerlich noch Wahlrechte, so insbesondere das Wahlrecht zum Einbezug bestimmter Gemeinkosten bei der Ermittlung der Herstellungskosten (vgl. R 6.3 Abs. 4 EStR).110 Wahlrechte stehen mit einer gleichmäßigen Besteuerung jedoch nicht in Einklang.111 Auch eine solche Einschränkung des Vorsichtsprinzips setzt jedoch grundsätzlich wiederum einen unbegrenzt zulässigen Verlustvor- und -rücktrag voraus, um Liquiditätsentzüge, die aus der Besteuerung auf Basis „mittlerer“ Erwartungen bei Fehleinschätzungen resultieren, zu vermeiden und nicht die Existenz des Unternehmens zu gefährden. Ferner ist ein Verlustrücktrag insbesondere auch im Insolvenzfall eines Unternehmens von besonderer Bedeutung, da eine übermäßige Besteuerung in den Vorperioden zu einer Aushöhlung der Insolvenzmasse beigetragen hat und es dadurch anderenfalls zu einer Benachteiligung der (anderen) Gläubiger käme.112 Eine Zurückdrängung des Vorsichtsprinzips für die Steuerbilanz bei gleichzeitiger Eingrenzung der Verlustverrechnung, wie dies im Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 umgesetzt wurde, ist hingegen nicht zweckadäquat.113 ___________ 109

Vgl. die §§ 7, 7a EStG. Die bestehenden Wahlrechte hinsichtlich der anzuwendenden planmäßigen Abschreibungsmethode hingegen (vgl. die §§ 7 Abs. 1 Satz 6, Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 EStG) sind primär Ausdruck des dargestellten Problems, dass sich die Richtigkeit einer Abschreibungsmethode nur schwerlich objektiv herleiten lässt. Vgl. Herzig, N. (2004), S. 180 f. 110 Weitere Wahlrechte bestehen ferner in Form der subventionellen Steuervergünstigungen. 111 Vgl. Kahle, H. (2002), S. 211. 112 Vgl. Rückle, D. (1977), S. 134 ff. 113 Siehe hierzu Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, insbesondere S. 5, S. 9 und Begründung S. 170 f.

398

F. Rechnungslegung zum Zweck der Steuerbemessung

IV. Beurteilung einer Verknüpfung von Handels- und Steuerbilanz aus Sicht der handelsrechtlichen Rechnungslegungszwecke Beurteilung einer Verknüpfung aus handelsrechtlicher Sicht

1. Vereinbarkeit von handelsrechtlicher Anspruchsbemessung und Steuerbemessung Infolge der formellen und der dadurch implizierten umgekehrten Maßgeblichkeit wird die Erlangung subventioneller Steuervergünstigungen an die Voraussetzung geknüpft, dass die erhöhten steuerlichen Abschreibungen auch in der Handelsbilanz angesetzt werden. Die Begründung für die Geltung der umgekehrten Maßgeblichkeit besteht laut Gesetzgeber darin zu verhindern, dass die durch Steuervergünstigungen herbeigeführte Stärkung der Finanzkraft der Unternehmen durch Gewinnausschüttungen neutralisiert werden kann.114 Soweit der Jahresabschluss die Ausschüttungsmöglichkeiten an die Anteilseigner begrenzt – wie bei Kapital- und diesen gleichgestellten Gesellschaften – kommt es bei der Ausnutzung steuerlicher Sonderabschreibungen u. Ä.115 grundsätzlich zu einer Zwangsthesaurierung des vollen Betrages der Sonderabschreibungen.116 Die umgekehrte Maßgeblichkeit birgt unter Umständen die Gefahr einer Benachteilung von (Minderheits-)Gesellschaftern. Sie wird deshalb auch als „Allokationsbremse“117 bezeichnet.118 Die umgekehrte Maßgeblichkeit vergrößert grundsätzlich den Handlungsspielraum der Manager und kann zu einer Beeinträchtigung von Anteilseignern führen, die Ausschüttungsinteressen und höhere Anlagerenditen als die Renditen in der Unternehmung haben.119 Bei kleineren, personenbezogenen Unternehmen erscheinen vertragliche Einflüsse auf die Ausschüttungspolitik denkbar, vorausgesetzt, dass die Anteilseigner ein solches Managerverhalten antizipieren. Bei Publikumsgesellschaften oder anderen Unternehmen, die – insbesondere mezzanines – Kapital über den öffentlichen Kapitalmarkt aufnehmen, mangelt es an individuellen Vertragsvereinbarungen. Gleichzeitig gibt es auch keinen täglichen Kurs wie an ___________ 114 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes, des Spar-Prämiengesetzes, des Wohnungsbau-Prämiengesetzes und anderer Gesetze (Steueränderungsgesetz 1964) vom 19.06.1964, BTDrucks. IV/2400, S. 1, Amtl. Begründung zu § 6 b Abs. 3 EStG, S. 64. 115 Technisch werden die steuerlichen Subventionen unterschiedlich verwirklicht; im Wesentlichen kommen v. a. erhöhte Absetzungen, Sonderabschreibungen, Bewertungsund Abschreibungsfreiheiten sowie die Bildung von Rücklagen zur Anwendung. 116 Vgl. Schildbach, T. (2004-b), S. 180. 117 Wagner, F. W. (1990), S. 6. 118 Diese Auffassung teilend siehe etwa Robisch, M. (1993), S. 1003. 119 Vgl. Schildbach, T. (2004-b), S. 180; Robisch, M. (1993), S. 1002 f.

IV. Beurteilung einer Verknüpfung aus handelsrechtlicher Sicht

399

der Börse, der fehlende Ausschüttungen kompensieren könnte.120 In diesen Fällen lässt sich somit eine Gefährdung von Minderheitsgesellschaftern oder bestimmten Kapitalgebern annehmen. Bei personenbezogenen Unternehmen kann – sofern davon ausgegangen wird, dass diese ein solches Managerverhalten antizipieren – als Argument zumindest angeführt werden, dass eine Antizipation des denkbaren Fehlverhaltens und die damit verbundenen Anpassungskosten überflüssig wären, wenn es keine umgekehrte Maßgeblichkeit geben würde.121 Da Ausschüttungssperren nicht bei allen Rechtsformen bestehen, werden die Steuerpflichtigen von der umgekehrten Maßgeblichkeit ferner – unter Umständen122 – unterschiedlich betroffen.123 Umgekehrt werden durch die Gleichstellung von Gesellschaftern und Fiskus unter Umständen Steuervorteile nicht wahrgenommen, da ansonsten die Ausschüttungen verringert werden müssten und dies gegenwärtigen Ausschüttungswünschen entgegensteht.124

2. Vereinbarkeit von handelsrechtlicher Information und Steuerbemessung Zentraler Kritikpunkt an der Maßgeblichkeit, insbesondere an der umgekehrten Maßgeblichkeit, ist die Verzerrung der Handelsbilanz durch die Steuerbilanz. Die Umkehrmaßgeblichkeit trägt nach offenbar überwiegender Auffassung in der Literatur zu einer verfälschten Darstellung der Vermögens-, Finanzund Ertragslage bei.125 Durch die Übernahme rein steuerlicher bzw. wirtschaftspolitisch bedingter Ansätze in die handelsrechtliche Rechnungslegung werden verschiedene Positionen in der Bilanz und GuV-Rechnung beeinflusst. Infolge der Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen beispielsweise fallen die Abschreibungen zunächst höher und später niedriger aus als bei linearer oder degressiver Abschreibung. Dies wirkt sich gegebenenfalls in umgekehrter Richtung auf den Erfolg der Unternehmung aus. Durch Aggregationseffekte kann es ___________ 120

Vgl. Ballwieser, W. (1990), S. 491 f. Vgl. Ballwieser, W. (1990), S. 492. 122 Wagner weist darauf hin, dass diese vereinfachte Argumentation lediglich dann zutrifft, wenn der Steuerpflichtige den Eingriff in seine Verfügungskompetenz nicht durch entsprechende Anpassungsmaßnahmen ausgleichen kann. So ist z. B. zu berücksichtigen, dass ein Mitteltransfer an die Gesellschafter nicht auf die Ausschüttung von Gewinnen beschränkt sein muss, sondern v. a. auch durch Auflösung von nicht ausschüttungsgesperrten Rücklagen erfolgen kann. Vgl. Wagner, F. W. (1990), S. 5 ff. 123 Vgl. Schildbach, T. (2004-b), S. 180. 124 Vgl. Schildbach, T. (2004-b), S. 181. 125 Vgl. Schildbach, T. (2004-b), S. 180; Broer, F. D. (2001), S. 369; Eberhartinger, E. (2000), S. 228. 121

400

F. Rechnungslegung zum Zweck der Steuerbemessung

zwar möglicherweise – so bei gleich bleibender Abschreibungsbasis im Zeitablauf – zu einem Ausgleich kommen, so dass ceteris paribus lediglich das Anlagevermögen und das Eigenkapital niedriger ausgewiesen werden als bei GoBkonformer Abschreibung. Konkrete Angaben, wie hoch die Ergebniswirksamkeit steuerlicher Ansätze ist, liegen nicht vor. Möglicherweise sind die Auswirkungen auf die Erfolgslage geringer als angenommen. In jedem Fall kommt es jedoch zur Bildung stiller Rücklagen, die ceteris paribus zu einem verringerten Ausweis des Eigenkapitals führen.126 Ob die diesbezüglichen handelsrechtlichen Ausweis- und Erläuterungspflichten im Anhang127 die Informationsverzerrungen gänzlich beseitigen können, kann nicht eindeutig nachgewiesen werden. Hinzu kommt, dass diese zusätzlichen Erläuterungen für die Unternehmen einen Mehraufwand bedeuten.128 Bei typischen Personenunternehmen entfällt die Möglichkeit korrigierender Anhangsangaben.129 In welchem Umfang die umgekehrte Maßgeblichkeit die Informationsfunktion des Jahresabschlusses beeinträchtigt, lässt sich nicht abschließend feststellen. Neben der umgekehrten übt jedoch auch die formelle Maßgeblichkeit faktischen Einfluss auf die handelsrechtlichen Bilanzansätze aus. Soweit der konkrete Handelsbilanzansatz Grundlage der Besteuerung ist, erzeugt die Maßgeblichkeit entscheidende Anreize für den Steuerpflichtigen, „vorsichtig“ Rechnung zu legen. Es ist zu vermuten, dass in vielen Fällen der Zielkonflikt zwischen der Information Dritter und einer Minimierung der Steuerbemessungsgrundlage bzw. des Steuerbarwertes zu Lasten der Information entschieden wird. Die Beurteilung des steuerlichen Einflusses der formellen Maßgeblichkeit hängt maßgeblich davon ab, wieweit die Manipulation durch die ausschließlich steuerlich motivierte Abbildung von Risiken geht; somit ist entscheidend, in welchem Umfang implizite handelsrechtliche Wahlrechte auch steuerrechtlich relevant sind.130 Im geltenden Steuerrecht sind die vorhandenen Spielräume im Bereich von Ansatz und Bewertung wie bereits dargelegt stark

___________ 126

Vgl. Broer, F. D. (2001), S. 370. So muss gemäß § 281 Abs. 2 Satz 1 HGB im Anhang der Betrag der zusätzlichen Abschreibungen, die im Geschäftsjahr allein nach steuerlichen Regelungen vorgenommen worden sind, getrennt für Anlage- und Umlaufvermögen angegeben werden, soweit er sich nicht aus der Bilanz oder GuV-Rechnung ergibt. Siehe ferner auch §§ 281 Abs. 1 Satz 2, 273 Satz 2, 2. Hs., 281 Abs. 2 Satz 2, 285 Nr. 5 HGB. 128 Vgl. Schildbach, T. (2004-b), S. 180. 129 Vgl. Broer, F. D. (2001), S. 370; Schildbach, T. (2004-b), S. 180. 130 Vgl. Broer, F. D. (2001), S. 370 f. 127

V. Zwischenfazit

401

begrenzt. Eine Beurteilung, wie groß der Einfluss der formellen Maßgeblichkeit auf die Handelsbilanz im geltenden Recht tatsächlich ist, fällt schwer.131

V.Zwischenfazit Zwischenfazit

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass auch eine Entscheidung für oder gegen eine Maßgeblichkeit nicht ohne Werturteile auskommt. Die Kritik an der umgekehrten Maßgeblichkeit sowie die Tatsache, dass sich die wirtschafts-, struktur- oder konjunkturpolitischen Ziele des Staates auch durch offene Subventionen anstreben ließen, sprechen für deren Aufgabe.132 Die Verknüpfung zwischen handels- und steuerrechtlicher Rechnungslegung – ohne umgekehrte Maßgeblichkeit – stellt seit jeher einen Kompromiss dar. „Das Fehlen eines praktikablen, ökonomisch und rechtlich überzeugenden Konzepts steuerlicher Gewinnermittlung hat seit jeher Zweifel genährt, ob die ‚Krücke’ Maßgeblichkeitsprinzip aufgegeben werden muß.“133 Sofern eine steuerliche Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich auf Basis des realisierten Reinvermögens beibehalten werden soll,134 würde ein Festhalten einer Verknüpfung von Handels- und Steuerbilanz voraussetzen, dass in der Handelsbilanz für Anspruchsbemessungszwecke weiterhin das Realisationsprinzip im herkömmlichen Sinne gilt. Unter Liquiditätsaspekten erscheint eine vollständige Aufgabe des Imparitätsprinzips nicht empfehlenswert. Solange steuerlich ein unbeschränkter sofortiger Verlustausgleich nicht besteht, ist das Imparitätsprinzip in jedem Fall für die steuerliche Gewinnermittlung zwingend erforderlich. Die weiteren Ausprägungen des Vorsichtsprinzips, so insbesondere als Regel zur Wertermittlung bei unsicheren Erwartungen, wie generell bestehende – explizite wie implizite – Wahlrechte sollten weiter eingeschränkt werden. Sie widersprechen dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Eine solche weitergehende Einschränkung des Vorsichtsprinzips macht aber zugleich die Einführung zumindest eines unbeschränkten Verlustrücktrags erforderlich, da es anderenfalls im Insolvenzfall zu einer Schädigung der anderen Gläubiger kommen könnte. ___________ 131

Vgl. Broer, F. D. (2001), S. 371 f. So auch Schildbach, T. (2004-b), S. 181. 133 Schreiber, U. (1997), S. 506. 134 Die Möglichkeit einer einheitlichen Bilanz auf Basis des realisierten Reinvermögenskonzeptes (ohne umgekehrte Maßgeblichkeit) bejahend: Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (2003), S. 1585 ff.; Ballwieser, W. (1990), S. 493. 132

G. Kosten der Unternehmen infolge der Erfüllung der Rechnungslegungsanforderungen Kosten der Unternehmen infolge der Rechnungslegungsanforderungen

I. Mögliche Zusatzkosten insbesondere für mittelständische Unternehmen durch Umstellung des Jahresabschlusses von HGB auf IFRS Mögliche Zusatzkosten durch Umstellung von HGB auf IFRS

Für eine Gesamtbeurteilung von Rechnungslegungsnormen ist neben der Betrachtung der Nutzen auch eine Betrachtung der Kosten erforderlich. Bei einem Verständnis handelsrechtlicher Rechnungslegung als Lückenfüllung unvollständiger Verträge, welche einer schutzorientierten Interessenregelung der Rechnungslegungsadressaten dient, bestimmt sich deren Nutzen danach, inwieweit die Normen die Zwecke des Individualschutzes erfüllen und dadurch zugleich auch dem Funktionenschutz dienen. Die Untersuchung, inwieweit die unterschiedlichen Rechnungslegungsnormen geeignet sind, den Zweck der Informationsvermittlung als Unterzweck einer schutzorientierten Interessenregelung zu erfüllen, hat bei beiden Systemen Einschränkungen hinsichtlich deren Eignung aufgezeigt.1 Da keines der Systeme die Informationsfunktion nachweislich besser erfüllt, gewinnt die Betrachtung der Kosten zusätzlich an Bedeutung. Dabei werden im Folgenden lediglich die Kosten auf Ebene der Unternehmen betrachtet, nicht hingegen die Kosten, welche auf Ebene des Staates oder privatrechtlicher Gremien für die Formulierung und Durchsetzung der Normen entstehen.2 Auf mögliche Belastungen in Form von indirekt bewirkten Kosten (wie z. B. infolge höherer Lohnforderungen aufgrund positiver Informationen über die Ertragslage)3 oder Wettbewerbsnachteilen (wie z. B. durch das Auftreten neuer Konkurrenten), die einem Unternehmen aus der Bekanntgabe bestimmter Informationen entstehen können, wird aufgrund der Ausgrenzung von Fragen einer Differen___________ 1

Im Falle einer verpflichtenden Vorgabe eines Rechnungslegungssystems zur Erfüllung der informatorischen Zwecke können einem Unternehmen Opportunitätskosten in Gestalt des entgangenen Nutzens individueller, seinen bzw. den Bedürfnissen seiner Rechnungslegungsadressaten besser entsprechender Lösungen entstehen. 2 Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 40 f. 3 Vgl. Watrin, C. (2001), S. 139 f.

I. Mögliche Zusatzkosten durch Umstellung von HGB auf IFRS

403

zierung von Offenlegungsinhalten oder -kanälen ebenfalls nicht weiter eingegangen.4 Durch die Erfüllung der Rechnungslegungsanforderungen entstehen für die Unternehmen Kosten in Form der erforderlichen zeitlichen und finanziellen Aufwendungen u. a. für die Schulung der Mitarbeiter, das Studium der relevanten Normvorgaben sowie für die Informationsbeschaffung, -verarbeitung und -aufbereitung.5 In welchem Umfang sich aus einer Rechnungslegung nach IFRS gegenüber einer solchen nach HGB zusätzliche Belastungen oder möglicherweise Erleichterungen ergeben können, hängt v. a. wesentlich davon ab, für welche Zwecke – zusätzlich zur Erstellung des Jahresabschlusses – vom Unternehmen Informationen beschafft und verarbeitet werden. So kommen als weitere mögliche Zwecke gegebenenfalls ein Konzernabschluss sowie ein internes Rechnungswesen in Betracht. Da eine Rechnungslegung nach IFRS ausschließlich die Informationsvermittlung zum Zweck hat, sind bei dieser ferner zusätzliche Rechnungen zur Erfüllung der Anspruchsbemessungszwecke erforderlich. Daneben hat ein Unternehmen auch für steuerliche Zwecke Rechnung zu legen. Hierdurch entstehen dem Unternehmen zusätzliche Kosten zur Erstellung der unterschiedlichen Rechenkreise. Neben den dauernden Folgelasten, die sich aus einer Rechnungslegung nach IFRS ergeben, gilt es bei einer Umstellung auf die IFRS ferner auch die einmaligen Umstellungskosten zu berücksichtigen. Der relative Anteil der durch die Rechnungslegungsanforderungen verursachten Kosten an den Gesamtkosten eines Unternehmens kann zwischen den Unternehmen deutlich divergieren. Dabei liegt die Vermutung nahe, dass insbesondere für kleinere Unternehmen die Einhaltung von Rechnungslegungsvorschriften mit verhältnismäßig hohen Kosten verbunden ist, da sie mangels entsprechender Ressourcen, insbesondere der entsprechenden Fachkenntnisse, in

___________ 4

Potenzielle Wettbewerbsnachteile betreffen nach Ansicht eines Teiles der Literatur eher Unternehmen mit einer geringeren Diversifizierung der Geschäftstätigkeit, welches wie in Abschnitt E.I. gezeigt vorwiegend kleinere Unternehmen sind – als solche mit stark diversifizierter Unternehmenstätigkeit. Dies wird damit begründet, dass Konkurrenten oder Geschäftspartner bei Unternehmen mit lediglich einem oder wenigen Produkten in Abhängigkeit der offen zu legenden Informationen gegebenenfalls am ehesten wertvolle Rückschlüsse auf die Erfolgskraft der Unternehmen und deren Ursachen bzw. auf Aufwandssituation oder Gewinnmargen ziehen können als bei Unternehmen, deren Tätigkeit sich über unterschiedliche Sparten erstreckt. Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 53; Schildbach, T. (1994), S. 707. Dieser Annahme entspricht auch die hohe Publizitätsverweigerung mittelständischer Unternehmen, siehe Marx, F. J./Dallmann, H. (2004), S. 931 ff. 5 Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 52 f.; Watrin, C. (2001), S. 139 f.

404

G. Kosten der Unternehmen infolge der Rechnungslegungsanforderungen

der Regel externe Rechnungslegungsexperten für die Abschlusserstellung beauftragen müssen.6 Obwohl die IFRS lediglich die offen zu legenden Informationen regeln und die zugrunde liegende Buchführung als gegeben annehmen, haben sie dennoch Auswirkungen auf die Buchhaltung sowie das interne Rechnungswesen bzw. Controlling eines Unternehmens. Im Folgenden werden beispielhaft einige wesentliche Implikationen aufgezeigt, welche eine Rechnungslegung nach IFRS im Vergleich zu einem HGB-Abschluss für die Buchhaltung wie auch für das interne Rechnungswesen zur Folge haben kann. Eine IFRS-Umstellung bringt zum Teil neuartige Geschäftsvorfälle mit sich, erfordert eine andere Gliederung sowie neue Rechenwerke im Vergleich zu einer Rechnungslegung nach HGB. Alle Geschäftsvorfälle, die nach IFRS anders als nach HGB behandelt werden, sowie alle Informationen, die in anderer Form oder zusätzlich zu den bislang bereit gestellten Informationen benötigt werden, wirken sich auf die Informationsbeschaffung und -verarbeitung sowie die Dokumentation im Unternehmen aus. Insbesondere aus den weitergehenden Anforderungen nach IFRS können etliche veränderte oder neue Prozesse resultieren.7 So setzen die Ansätze von Vermögen, Schulden, Aufwendungen und Erträgen nach IFRS wie gezeigt jeweils voraus, dass Vor- bzw. Nachteile wahrscheinlich sind und sich verlässlich messen lassen. Sachverhalte, welche diesen Eigenschaften nicht von Anfang an genügen, diese jedoch später erfüllen können, müssen als Merkposten erfasst und spätestens bei der Jahresabschlusserstellung nochmals überprüft werden. Umgekehrt können zunächst erfasste Vorgänge zum Bilanzstichtag eine der Eigenschaften wieder verloren haben und somit in einen Merkposten zu überführen sein.8 In allen Fällen muss eine unterjährige Erfassung sämtlicher IFRS-relevanten Informationen bei der Verbuchung der einzelnen Geschäftsvorfälle erfolgen.9 Zum Teil setzt eine Rechnungslegung nach IFRS ferner ein im Vergleich zu einer Rechnungslegung nach HGB umfangreicheres Controlling voraus. So erfordert das nach IFRS vorgeschriebene Vollkostenprinzip10 eine gegenüber dem HGB umfassendere produktionsorientierte Erfassung der Kosten.11 Sofern von ___________ 6

Vgl. Eierle, B. (2004-a), S. 54 m. w. N. Auf mögliche Divergenzen in Abhängigkeit unterschiedlicher Unternehmensstrukturen wird an dieser Stelle nicht eingegangen. 7 Vgl. Dräger, T. (2004), S. 410 m. w. N. 8 Hierzu sowie zu weiteren Beispielen siehe Schildbach, T. (2002-a), S. 270. 9 Vgl. Weißenberger, B. E. et al. (2003), S. 54. 10 Siehe Abschnitt D.II.3.b)(2) der vorliegenden Arbeit. 11 Sowohl für sämtliche allgemeinen Verwaltungskosten, für alle Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebes, für freiwillige soziale Leistungen und für betriebliche Altersversorgung sowie für Aufwendungen der Neu- und Weiterentwicklung würde

I. Mögliche Zusatzkosten durch Umstellung von HGB auf IFRS

405

der Möglichkeit der so genannten Standardkostenmethode nach IFRS Gebrauch gemacht werden soll,12 erfordert dies die regelmäßige Überprüfung von Normalausstattung und typischen Kostenhöhen und -strukturen.13 Bei langfristigen (Fertigungs-)Aufträgen ist im Gegensatz zum HGB, wonach die Zulässigkeit einer Teilgewinnrealisierung strittig ist und gegebenenfalls nur unter relativ restriktiven Voraussetzungen möglich sein soll,14 nach IFRS grundsätzlich die Bilanzierung entsprechend der Percentage-of-Completion-Methode erforderlich, sofern das Ergebnis des Auftrages verlässlich geschätzt werden kann, d. h. eine verlässliche Ermittlung von Auftragserlösen, Auftragskosten sowie dem Fertigstellungsgrad möglich ist.15 Dies erfordert intern die Etablierung eines zuverlässigen Projektcontrollings.16 Sofern im Bereich der Sachanlagen von der Möglichkeit der Neubewertung Gebrauch gemacht werden soll, ist stets die gesamte Gruppe einer Sachanlage neu zu bewerten17 und somit die Ermittlung des Zeitbzw. Marktwertes aller betroffenen Vermögenswerte erforderlich. Wenn für einzelne Vermögenswerte Zeit- bzw. Marktwerte im Rahmen der Wertminderung nicht ermittelt werden können, erfolgt die Bildung von Bewertungseinheiten.18 Die aufgeführten Implikationen für das interne Rechnungswesen ließen sich noch weiter fortsetzen.19 Ferner sind nach IFRS im Vergleich zum HGB zusätzliche Rechnungslegungsbestandteile relevant:20 Nach IFRS müssen alle Unternehmen außer Bilanz und GuV-Rechnung einen Anhang – welcher nach HGB ausschließlich bei Kapital- und diesen gleichgestellten Gesellschaften Bestandteil des Jahresab___________ eine produktionsorientierte Erfassung zwingend erforderlich. Nach HGB besteht mit Ausnahme der Kosten der Neuentwicklung, für die ein Aktivierungsverbot gilt, lediglich ein Wahlrecht zur Aktivierung (vgl. § 255 Abs. 2 Satz 4 HGB). 12 Zur Bewertung der Anschaffungs- und Herstellungskosten von Vorräten kann vereinfachend die Standardkostenmethode angewendet werden. Diese verwendet Planpreise und unterstellt die „normale“ Höhe des Materialeinsatzes und der Löhne sowie die „normale“ Leistungsfähigkeit und Kapazitätsauslastung. Diese Plangrößen sind regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls an die aktuellen Gegebenheiten anzupassen; vgl. IAS 2.21. 13 Vgl. Weißenberger, B. E. et al. (2003), S. 30 f. 14 Siehe hierzu bereits die Ausführungen im Rahmen der Periodisierungsgrundsätze nach HGB/GoB in Abschnitt D.II.2.a)(2)(a) der vorliegenden Arbeit. 15 Vgl. IAS 11.22; vgl. auch Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 18 Rn. 28. 16 Vgl. Weißenberger, B. E. et al. (2003), S. 31 f.; Lüdenbach, N., in: Haufe IFRSKommentar (2005), § 18 Rn. 47. 17 Vgl. IAS 16.36 f. 18 Siehe Abschnitt D.II.3.b)(2) der vorliegenden Arbeit. 19 Vgl. etwa Weißenberger, B. E. et al. (2003), S. 29 ff. 20 Siehe hierzu auch Abschnitt D.II.1.a) und Abschnitt D.II.1.b) der vorliegenden Arbeit.

406

G. Kosten der Unternehmen infolge der Rechnungslegungsanforderungen

schlusses ist –, sowie zusätzlich im Vergleich zum HGB eine Kapitalflussrechnung21 und eine Eigenkapitalveränderungsrechnung erstellen. Der Anhang nach den IFRS ist gegenüber dem nach den Regelungen des HGB zudem deutlich erweitert.22 Ob und inwieweit sich bei einer Rechnungslegung nach IFRS neben den dargestellten Implikationen und Zusatzanforderungen möglicherweise auch Erleichterungen aus einer Harmonisierung unterschiedlicher Rechnungswesenkreise ergeben können, hängt wie gesagt davon ab, inwieweit ein Unternehmen über ein entsprechendes internes Rechnungswesen verfügt und/oder ob es in einen gegebenenfalls internationalen Konzernabschluss einbezogen ist. Im Falle einer internationalen Konzernstruktur kann die Verwendung einheitlicher Rechnungslegungsvorschriften die Aufstellung des Konzernabschlusses erleichtern.23 Auch eine mögliche Harmonisierung von internem und externem Rechnungswesen kommt in der Regel eher für größere Unternehmen in Betracht. Bei kleineren Unternehmen hingegen fehlt empirischen Untersuchungen zufolge häufig ein eigenständiges internes Rechnungswesen.24 Angesichts ihrer Ausrichtung auf Entscheidungsrelevanz ähnelt eine Rechnungslegung nach IFRS hinsichtlich ihrer Wertermittlungsziele zum Teil dem internen Rechnungswesen. Sind z. B. die Abschreibungen in der Rechnungslegung entsprechend ihrem wirtschaftlichen Nutzungsverlauf zu erfassen, ist dies deckungsgleich mit der Abbildungsidee des internen Rechnungswesens; die Ermittlung rein „kalkulatorischer“ Abschreibungen wird somit überflüssig. Eine „Verzerrung“ der Werte durch die Prinzipien vorsichtiger Gewinnermittlung sowie durch eine steuerliche Maßgeblichkeit entfällt bei einer Rechnungslegung nach IFRS.25 ___________ 21 Eine Kapitalflussrechnung (i. e. S.) ist nach HGB lediglich als verpflichtender Bestandteil für alle Konzernabschlüsse vorgeschrieben, vgl. § 297 Abs. 1 Satz 1 HGB. 22 Vgl. Dräger, T. (2004), S. 406. 23 Vgl. BDI/Ernst & Young (2005), S. 26. Die Pflicht, einen Konzernabschluss zu erstellen, gilt wie dargelegt allerdings nur für Kapitalgesellschaften, bei denen – unter Einbezug der Tochterunternehmen – die Schwellenwerte des § 293 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 HGB überschritten werden, für i. e. S. kapitalmarktorientierte Unternehmen (vgl. § 293 Abs. 5 HGB) oder für Unternehmen i. S. d. PublG. 24 Vgl. Mandler, U. (2004), S. 99 m. w. N.; siehe auch bereits die Ausführungen in Abschnitt D.I.2.c)(1) der vorliegenden Arbeit. 25 Vgl. Mandler, U. (2004), S. 82 f. und S. 99. Eine Verzerrung durch steuerliche Belange entfällt allerdings lediglich dann, wenn auch faktisch keine Verknüpfung zwischen Handels- und Steuerbilanz besteht. Erfahrungen aus Ländern ohne ein Maßgeblichkeitsprinzip zeigen allerdings, dass auch dort in der Regel keine vollständige Entkopplung von Handels- und Steuerbilanz, sondern eine zumindest schwache Verknüpfung gegeben ist. So bezüglich USA etwa Kahle, H. (2002), S. 177 ff.; Eberhartinger, E. (2000), S. 219; Pannen, M. (2000), S. 241 ff., dieser gibt eine Übersicht über einen internationalen Vergleich der Verknüpfung von handels- und steuerrechtlicher Gewinnermittlung.

I. Mögliche Zusatzkosten durch Umstellung von HGB auf IFRS

407

Eine marktwertorientierte Erfolgsrechnung nähert die verwendete Erfolgsgröße zwar dem ökonomischen Gewinn an, so dass auf den ersten Blick eine Bewertung zu fair values bezüglich einer Harmonisierung scheinbar positiv zu bewerten sein könnte. Bezüglich der Frage einer möglichen Harmonisierung ist jedoch zu bedenken, dass sich die Entscheidungsrelevanz der Informationen im einen Fall auf unternehmensexterne und im anderen Fall auf unternehmensinterne Adressaten bezieht. Selbst bei Annahme einer vollständigen Zielkongruenz zwischen Kapitaleignern und Managern bestehen unterschiedliche Informationsanforderungen aufgrund der anderen Entscheidungszwecke im Unternehmen im Vergleich zu den Investitionsentscheidungen der Kapitaleigner. Insbesondere gehen auch unternehmensspezifische Kapitalwertansätze von den Erwartungen in der Unternehmung aus und berücksichtigen unternehmungsspezifische Faktoren, während bei der Ermittlung von fair values grundsätzlich marktwertrelevante Daten verwendet werden. Dabei können Unterschiede auftreten, wenn etwa die betriebliche Kostenstruktur vom Marktniveau abweicht.26 Dem Umfang einer Harmonisierung sind also Grenzen gesetzt. Für den Erhalt einer geeigneten wertorientierten Steuerungsgröße wären ferner aufgrund der teilweise erfolgsneutralen Verrechnung von Änderungen der fair values entsprechende Überleitungsrechnungen erforderlich.27 Neben der Frage einer möglichen Harmonisierung von Konzern- und Jahresabschluss und/oder internem und externem Rechnungswesen ist ferner von Bedeutung, inwiefern die zu ermittelnden Informationen die Bedürfnisse der (nicht an der Geschäftsführung beteiligten) Rechnungslegungsadressaten erfüllen oder aber besser entsprechenden Lösungen entgegenstehen. Dies ist abhängig von den zugrunde liegenden Präferenzen hinsichtlich der zu erfüllenden Rechnungslegungszwecke und der zu ermittelnden Abbildungsziele bzw. Messgrößen. Bezüglich der Interessen der Gläubiger, insbesondere der Fremdkapitalgeber, ist wie gezeigt zu vermuten,28 dass diese im Fall eines nach IFRS erstellten Jahresabschlusses bestimmte Ausschüttungssperren vertraglich vereinbaren, wenn die offiziellen Rechenwerke solche nicht bereitstellen. Neben den in Kapitel E. aufgeführten Nachteilen, wenn entsprechende Regelungen lediglich in Form vertraglicher Vereinbarungen bestehen, bedeuten vorsichtige Ausschüttungssperren als Ergänzung zum Jahresabschluss in jedem Fall erhebliche Belastungen insbesondere für kmU, da sie die Aufstellung eines weiteren Re___________ 26

Vgl. Troßmann, E./Baumeister, A. (2005), S. 638 und S. 642 ff. Vgl. Weißenberger, B. E. (2006), S. 10 ff. 28 Vgl. Abschnitt E.IV.2. der vorliegenden Arbeit. 27

408

G. Kosten der Unternehmen infolge der Rechnungslegungsanforderungen

chenwerkes oder, wenn die vertraglichen Vorgaben der verschiedenen Gläubiger divergieren, sogar mehrerer Rechenwerke erforderlich machen. Hinzu kommen eventuelle Prüfungserfordernisse.29 Wird wie hier davon ausgegangen, dass die IFRS in Zukunft nicht Grundlage der Steuerbilanzierung werden, bedeutet eine Rechnungslegung nach IFRS die Aufgabe der bisherigen Maßgeblichkeit und damit die Notwendigkeit einer eigenen steuerlichen Bemessungsgrundlage. Die damit verbundenen Kosten sind – unter der Annahme, dass an einer steuerlichen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich festgehalten werden soll – umso größer, je mehr Abweichungen bestehen. Für Unternehmen, die bislang eine „Einheitsbilanz“30 aufstellen oder zumindest weitestgehend die handelsrechtlichen Wahlrechte den steuerlichen Vorschriften anpassen, wie dies gerade bei mittelständischen Unternehmen in der Rechtsform der Personenunternehmen noch häufig der Fall ist,31 würde eine Rechnungslegung nach IFRS somit die Notwendigkeit eines im Vergleich zu bisher weiteren Rechenkreises bedeuten. Sofern eine Rechnungslegung nach IFRS für Anspruchsbemessungsund/oder steuerliche Zwecke genutzt werden soll, wird in der Regel vorgeschlagen, insbesondere die Bewertung zum fair value durch die Bildung einer ausschüttungsgesperrten bzw. steuerfreien Rücklage zu neutralisieren. Aus technischer Sicht lassen sich dadurch die Steuereffekte einer Bewertung zum fair value vermeiden. Eine solche Rücklagentechnik macht im Ergebnis die Fortführung eines IFRS- sowie eines Steuerwertes für jeden Vermögenswert er___________ 29

Vgl. Schildbach, T. (2002-a), S. 272. Hinsichtlich der Definition des Begriffes „Einheitsbilanz“ sowie zu den Fällen, in denen eine solche nicht mehr möglich ist, siehe bereits Abschnitt A.II. der vorliegenden Arbeit. Angesichts der zunehmenden Auseinanderentwicklung der handels- und steuerrechtlichen Rechnungslegung durch eigene, vom Handelsrecht abweichende steuerrechtliche Regelungen dürfte eine vollständig einheitliche Bilanzierung auch bei Personengesellschaften ohne beschränkt haftende Gesellschafter zurzeit nur in relativ wenigen Fällen möglich sein. Als Beispiele für solche Abweichungen sind etwa § 5 Abs. 2a bis Abs. 4b, § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG zu nennen; vgl. Mandler, U. (2004), S. 51; Horschitz, H. et al. (2004), S. 144. 31 Vgl. Herzig, N. (2004), S. 6; Mandler, U. (2004), S. 102; dort stimmen insbesondere die kleineren Unternehmen dem nachteiligen Argument, dass eine einheitliche Bilanz für handels- und steuerrechtliche Zwecke mit IFRS nicht mehr möglich sei, zu. Eine Differenzierung nach Rechtsformen wurde allerdings nicht vorgenommen. Vgl. auch die Ergebnisse der Interviewbefragung von Glieden, welche das Bilanzierungsverhalten von 35 großteils i. S. d. § 267 HGB kleiner und mittlerer, nicht konzernabhängiger und ganz überwiegend eigentümergeführter (86 %) Gesellschaften in der Form der GmbH oder GmbH & Co. KG untersucht hat. Die Unternehmen waren alle im Kammerbezirk der IHK Kiel geführt, befragt wurden jeweils die Geschäftsführer oder der Leiter des Rechnungswesens; vgl. Glieden, P. (1997), S. 46 ff. und S. 58 f.; die Ergebnisse dieser Studie sind allerdings lediglich eingeschränkt gültig, da seit der Durchführung dieser Studie etliche steuerliche Änderungen erfolgt sind. 30

I. Mögliche Zusatzkosten durch Umstellung von HGB auf IFRS

409

forderlich, der mit einem höheren fair value bewertet wird. Für jeden Vermögenswert ist eine Einzelrücklage zu bilden, welche in der Folgebewertung eng mit diesem verknüpft bleiben muss. Denn im Ergebnis muss die Differenz aus dem IFRS-Wert und der zugehören Einzelrücklage stets den relevanten Steuerwert für das betreffende Wirtschaftsgut ergeben.32 Sofern handelsrechtlicher Vermögenswert und steuerliches Wirtschaftsgut deckungsgleich sind und nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter vorliegen – wie insbesondere bei Finanzinstrumenten –, lässt sich dies relativ einfach umsetzen. Auch hier ist jedoch zu beachten, dass sich Veränderungen des fair value in der Rücklage widerspiegeln und beim Ausscheiden eines Vermögenswertes auch die Einzelrücklage entsprechend aufzulösen ist. Bei abnutzbaren Vermögenswerten muss die Rücklage sukzessive über die Nutzungsdauer aufgelöst werden, um die überhöhten Abschreibungen vom fair value mit steuerlicher Wirkung zu neutralisieren. Stimmt schließlich die Abgrenzung des Vermögenswertes mit dem steuerlichen Wirtschaftsgut nicht überein, könnte dies bei der Fortentwicklung der steuerfreien Rücklage erhebliche Probleme aufwerfen.33 Hinzu kommt ferner, dass die IFRS wie gezeigt zum Teil der angloamerikanischen und damit einer ganz anderen Kultur entstammen. Daraus resultieren große Anforderungen an diejenigen, die nicht aus diesem Kulturkreis stammen und die Standards umsetzen sollen.34 Der Zugang zu dieser „Sprache“ der Standardsetter erfordert eine grundlegende Einarbeitung. Für eine Umsetzung der Standards bedarf es neben diesbezüglichem Expertenwissen in der Regel tieferer Einsichten in das Geschäft, so dass Expertenwissen allein oft nicht ausreicht, sondern auch der Unternehmer selbst gefragt ist. Gerade kmU mit oft beschränkten zeitlichen und finanziellen Ressourcen sind davon besonders schwer betroffen. Der Unternehmer oder die Unternehmergesellschafter nimmt bzw. nehmen bei diesen häufig die zentrale Rolle ein. Sämtliche Führungsaufgaben sind auf eine oder wenige Personen konzentriert. Gleichzeitig sind die Unternehmer zumeist auch in die operative Geschäftstätigkeit eingebunden, was zu Zeitknappheit der Unternehmer führt.35 Dabei ändern sich die Standards und zum Teil auch grundlegende Prinzipien – wie etwa der Trend der Bewertung zum fair value zeigt – mit großer Ge-

___________ 32

Vgl. Herzig, N. (2004), S. 225 f. Vgl. Herzig, N. (2004), S. 225 f. 34 So führt Schildbach die Mängel der Rechnungslegung, die am Neuen Markt zu beobachten waren, entscheidend auf diese Ursache mit zurück. Vgl. Schildbach, T. (2002a), S. 269 f. 35 Vgl. Kosmider, A. (1994), S. 39 f.; Lanz, R. (1992), S. 74 f. 33

410

G. Kosten der Unternehmen infolge der Rechnungslegungsanforderungen

schwindigkeit, so dass fortwährend Neuerungen zu verfolgen sind.36 Das Volumen der IFRS-Regelungen übersteigt ferner schon jetzt bei weitem das der Regeln des HGB: Während die relevanten Vorschriften des Dritten Buches des HGB mit einem Regelungsvolumen von ca. 100 Paragraphen (vgl. §§ 242 bis 335b HGB) je nach Drucklegung auf ca. 50 bis 60 Seiten stehen, umfassen die Originalausgaben der IFRS ohne Beiwerk rd. 1 600 Seiten.37 Auch im Falle separater Standards für SME soll im Zweifel auf die vollumfänglichen Standards zurückgegriffen werden, wenn die bilanzielle Behandlung eines bestimmten Geschäftsvorfalles nicht anhand dieser Standards möglich ist. Aufgrund der Kasuistik der Rechnungslegung nach IFRS muss in solchen Fällen gegebenenfalls geprüft werden, ob in den umfangreichen Einzelstandards bereits Einzelfallregelungen bezüglich des betreffenden Sachverhaltes bestehen. Die komplizierten und anspruchsvollen Regeln sowie die häufigen, einschneidenden Veränderungen drohen v. a. kmU schwer zu belasten.38 Die geplante Einführung von IFRS für SME soll zwar Erleichterungen bringen. Die nach dem derzeitigen Stand des Entwurfes vorgesehenen Vereinfachungen schaffen jedoch, wie in Abschnitt D.IV.1. gezeigt, lediglich in Teilen Abhilfe.

II. Ergebnisse empirischer Untersuchungen hinsichtlich möglicher Zusatzkosten durch Umstellung des Jahresabschlusses von HGB auf IFRS aus Sicht insbesondere mittelständischer Unternehmen Ergebnisse empirischer Untersuchungen zu möglichen Zusatzkosten

Dem genannten Nachteil hoher Umstellungs- und Folgeaufwendungen wird in den empirischen Befragungen, auf welche bereits bezüglich der Informationspräferenzen insbesondere „mittelständischer“ Unternehmen bzw. deren Rechnungslegungsadressaten eingegangen worden ist,39 von der Mehrzahl der teilnehmenden Unternehmen zugestimmt:40 ___________ 36 Vgl. Schildbach, T. (2002-a), S. 270; Schildbach, T. (2005), S. 59; Eschbach, H. (2004), S. 11. Siehe hierzu ferner die monatlichen Updates des IASB, welche die Beschlüsse des IASB bezüglich Änderungen der IFRS enthalten. 37 Vgl. Federmann, R./IASCF (2006), S. 17. 38 Vgl. Schildbach, T. (2005), S. 59. 39 Hinsichtlich der Angaben zum methodischen Vorgehen bzw. zum jeweiligen Begriffsverständnis „mittelständischer“ Unternehmen in den Studien siehe die entsprechenden Ausführungen in Abschnitt D.III.3. der vorliegenden Arbeit. 40 Vgl. DIHK/PricewaterhouseCoopers (2005), S. 28 f. (Umstellungs- und Folgeaufwand; dabei werden insbesondere anfallende externe Beratungskosten (57 %) sowie interne Personalkosten bzw. Personalumstrukturierungen (50 %) angegeben); Mandler, U. (2004), S. 101 ff. (bezüglich Umstellungsaufwand); von Keitz, I./Stibi, B. (2004), S. 429 (dem Umstellungsaufwand wurde eine mittlere bis hohe, den Folgekosten lediglich eine mittlere bis geringe Bedeutung beigemessen); hinsichtlich „mittelgroßer“ Unternehmen

II. Ergebnisse empirischer Untersuchungen zu möglichen Zusatzkosten

411

Bei einer Befragung sowohl kapitalmarktorientierter (i. S. d. IAS-Verordnung) als auch nicht kapitalmarkorientierter Unternehmen verschiedener Größenordnung und Branchen, die bereits nach IFRS Rechnung legen, stufen 73,3 % der teilnehmenden kmU (definiert i. S. d. § 267 HGB) die Höhe des angefallenen einmaligen finanziellen Umstellungsaufwandes41 als niedriger als 100 000 Euro ein, 20 % der kmU geben sogar an, dass kein einmaliger zusätzlicher Aufwand durch die Umstellung angefallen ist. Bei den großen Unternehmen klassifizieren demgegenüber 22,8 % der teilnehmenden Unternehmen den einmaligen finanziellen Umstellungsaufwand auf mehr als 100 000 Euro und weniger als 250 000 Euro, 28,9 % stufen ihn auf mehr als 250 000 Euro ein.42 Bezüglich der Höhe des mit der Umstellung verbundenen laufenden finanziellen Aufwandes geben 37,9 % der kmU an, dass die IFRS-Umstellung keinen zusätzlichen laufenden Aufwand verursacht. Die Mehrheit der kmU (55,2 %) stufen die laufenden finanziellen Zusatzkosten infolge der Umstellung auf weniger als 100 000 Euro ein.43 Die Mehrzahl sowohl der kmU als auch der großen Unternehmen gibt ferner an, dass ein höherer organisatorischer Aufwand, insbesondere für Schulungen, anfällt. Ferner bestätigen 97 % der großen Unternehmen und 93,8 % der kmU, dass bei der Umstellung externe Ressourcen benötigt wurden. Hierbei handelt es sich um finanziellen Aufwand, so dass dieser Befund bei kmU die bezüglich des finanziellen Aufwandes getroffenen Angaben, wonach 20 % der kmU keinen einmaligen Umstellungsaufwand gehabt haben, relativiert.44 Bei der Frage nach möglichen Nachteilen einer Rechnungslegung nach IFRS differiert der Anteil der Unternehmen, welche den Aspekt der Komplexität und der damit verbundenen Kosten nennen, zwischen den einzelnen Untersuchungen: In einer der Studien wird die Komplexität der IFRS-Vorschriften bei einer differenzierten Auswertung der Antworten nach Unternehmen, die bereits nach IFRS Rechnung legen, von 60 % dieser Unternehmen als Nachteil einer IFRS___________ in der Schweiz vgl. Meyer, C./Schill, P./Bütler, R. (2004), S. 1106. Nach der Studie von BDI/Ernst & Young geben kmU ebenso wie große Unternehmen als zweithäufigsten Grund für eine Nicht-Umstellung die Höhe des organisatorischen und finanziellen Aufwandes (kmU: 54,2 % und 46,2 %; große und sehr große Unternehmen: 51,0 % und 40,7 %) an, vgl. BDI/Ernst & Young (2005), S. 28. Es ist darauf hinzuweisen, dass in den Untersuchungen zum Teil unterschiedliche Kostenfaktoren unter den Aspekt der Umstellungs- bzw. Folgekosten subsumiert wurden. 41 In dem Fragebogen wurde differenziert nach mit der Umstellung verbundenem einmaligem sowie laufendem finanziellem Aufwand, organisatorischem Aufwand (z. B. für Schulungen) sowie benötigten externen Ressourcen (insbesondere für Berater). 42 Vgl. BDI/Ernst & Young (2005), S. 31. 43 Vgl. BDI/Ernst & Young (2005), S. 31. 44 Vgl. BDI/Ernst & Young (2005), S. 32. Die einzelnen Aussagen sind somit nur im Zusammenhang mit den Antworten zu den anderen Teilfragen zu betrachten.

412

G. Kosten der Unternehmen infolge der Rechnungslegungsanforderungen

Rechnungslegung genannt.45 Soweit die Antworten nicht danach differenziert sind, ob die Unternehmen IFRS bereits anwenden oder nicht, wird dem Nachteil der Komplexität teils mehrheitlich, teils nur von weniger als der Hälfte der teilnehmenden Unternehmen zugestimmt.46 Ein möglicher Nachteil in Form einer höheren Transparenz der Lage des Unternehmens bei Offenlegung, nach welchem lediglich in einer Studie explizit gefragt wurde, wird nur von einem geringen Teil der Unternehmen (18 %) genannt.47 Zu Hinweisen auf unterschiedliche Präferenzen insbesondere mittelständischer Unternehmen hinsichtlich der konkurrierenden Rechnungslegungssysteme bzw. dazu, wie diese die Präferenzen ihrer Rechnungslegungsadressaten einschätzen, wird auf Abschnitt D.III.3. verwiesen. Je heterogener die Präferenzen, desto höher sind die aus einer einheitlichen Rechnungslegung resultierenden Opportunitätskosten sowie die möglicherweise anfallenden Kosten für die Erfüllung zusätzlicher Anforderungen (etwa von Seiten der Gläubiger). Die Abkehr vom Maßgeblichkeitsprinzip bzw. die Aufgabe einer Kosten sparenden „Einheitsbilanz“ wird in den empirischen Studien von überwiegend mittelständischen Unternehmen mehrheitlich abgelehnt.48 Eine Trennung von Handels- und Steuerbilanz unter Aufgabe der Maßgeblichkeit wird auch im Falle einer gleichzeitigen Entwicklung neuer – von IFRS unabhängiger49 – Rechnungslegungsvorschriften zur Ermittlung der steuerlichen Bemessungs___________ 45 Bei der Umfrage wurden Mehrfachnennungen zugelassen. Vgl. DIHK/PricewaterhouseCoopers (2005), S. 29. 46 Bei der Befragung überwiegend nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen, welche nicht nach IFRS bilanzieren, mit einem Umsatz von mehr als 20 Mio. Euro wird dem Nachteil der Komplexität anhand einer Beurteilungsskala durchschnittlich eine mittlere bis hohe Bedeutung beigemessen. Vgl. von Keitz, I./Stibi, B. (2004), S. 429. Bei der von BDI/Ernst & Young durchgeführten Befragung kleiner und mittlerer Unternehmen i. S. d. HGB wird die Komplexität von 37,2 % der kmU als Grund für die Nicht-Umstellung genannt. Vgl. BDI/Ernst & Young (2005), S. 28. In beiden Studien ist der Anteil der teilnehmenden Unternehmen, die sich bereits für IFRS entschieden haben, d. h. diese bereits anwenden oder eine Umstellung konkret planen, relativ hoch; siehe die Erläuterungen in Abschnitt D.III.3. In der von DIHK/PricewaterhouseCoopers vorgenommenen Befragung überwiegend kleiner und mittlerer Unternehmen geben 48 % die Komplexität als Nachteil an. Vgl. DIHK/PricewaterhouseCoopers (2005), S. 28 f. 47 Vgl. DIHK/PricewaterhouseCoopers (2005), S. 28 f. 48 Vgl. Mandler, U. (2004), S. 102 f.; dort wird bei der Befragung überwiegend mittelständischer Unternehmen eine Abschaffung der „Einheitsbilanz“ von allen teilnehmenden Unternehmen als gravierender Nachteil beurteilt; dabei ist die Ablehnung bei den kleineren stärker als bei den größeren Unternehmen. Bei der Befragung von BDI/Ernst 6 Young lehnen 74,7 % der i. S. d. HGB kleinen und mittleren Unternehmen eine Aufgabe der „Einheitsbilanz“ ab. Vgl. BDI/Ernst & Young (2005), S. 33 f. 49 Demgegenüber wird die Einführung einer Maßgeblichkeit auf Basis der IFRS von den teilnehmenden Unternehmen ganz überwiegend abgelehnt (78 %). Vgl. BDI/Ernst & Young (2005), S. 34.

II. Ergebnisse empirischer Untersuchungen zu möglichen Zusatzkosten

413

grundlage von der Mehrheit der Unternehmen abgelehnt. Dabei wird die Trennung von Handels- und Steuerbilanz auch hier von kmU (definiert nach § 267 HGB) etwas stärker abgelehnt (61,4 %) als von großen Unternehmen (57,2 %).50 Inwieweit bei der Befürwortung einer Verknüpfung von Handelsund Steuerbilanz der Gedanke eines Schutzes vor fiskalischen Interessen oder der Kostenaspekt überwiegt, lässt sich anhand dieser Untersuchung nicht feststellen. Der Aspekt möglicher Erleichterungen aus einer Harmonisierung von externem und internem Rechnungswesen findet demgegenüber bei nicht i. e. S. kapitalmarktorientierten Unternehmen insgesamt sowohl bei kmU51 als auch größeren Unternehmen relativ wenig Zustimmung. Unter den teilnehmenden Unternehmen waren jeweils auch Mutter- oder konzernabhängige Unternehmen enthalten, genaue Anteile oder eine Auswertung der Kostenbetrachtung nach Konzernbezug sind jedoch nicht angegeben.52 ___________ 50

Vgl. BDI/Ernst & Young (2005), S. 34 und S. 37. Vgl. Mandler, U. (2004), S. 99 f. (sowohl für Unternehmen mit bis zu als auch mit mehr als 250 Mitarbeitern); DIHK/PricewaterhouseCoopers (2005), S. 26 f.; nach letzterer Befragung sehen lediglich 22 % der Unternehmen eine Erleichterung des internen und externen Rechnungswesens als Vorteil einer IFRS-Rechnungslegung an. Vgl. von Keitz, I./Stibi, B. (2004), S. 428, dort wird der Möglichkeit einer Harmonisierung bezüglich des eigenen Unternehmens von solchen mit einem Umsatz von mehr als 20 Mio. Euro durchschnittlich lediglich eine mittlere bis geringe Bedeutung beigemessen. 52 Im Unterschied zu den genannten Studien, in denen Unternehmen unabhängig von einer konkreten Umstellungsabsicht auf IFRS nach ihrer Einschätzung potenzieller Vorteile befragt wurden, sollten Unternehmen in der Studie von BDI/Ernst & Young ihre Beweggründe für eine konkret beabsichtigte Umstellung angeben. Nach dieser Befragung sehen die kmU, definiert nach den Größenklassen des § 267 HGB, die Harmonisierung des internen und externen Rechnungswesens mit 69,2 % häufiger als einen wesentlichen Beweggrund an als große Unternehmen. Die großen Unternehmen sehen als Beweggrund eher den Vorteil einer vereinfachten Konzernrechnungslegung an (59,3 % im Vergleich zu 42,3 % bei kmU); vgl. BDI/Ernst & Young (2005), S. 21 und S. 26 f. sowie der Fragebogen im Anhang auf S. 50 ff. Die so gewonnen Ergebnisse können somit Hinweise darauf geben, inwieweit bestimmte Gründe tatsächlich einen Einfluss auf die Umstellungsentscheidung der Unternehmen haben. Sie erscheinen aufgrund der Positivselektion jedoch nicht geeignet, einen Einblick in die generelle Beurteilung eines möglichen Vorteils durch Harmonisierung von internem und externem Rechnungswesen von Seiten insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen zu vermitteln. Aus demselben Grund ist auch die Aussagekraft einer empirischen Untersuchung „mittelgroßer“ Unternehmen in der Schweiz, verstanden als nicht börsennotierte und nicht durch ein anderes Unternehmen beherrschte Unternehmen mit einem jährlichen Umsatz von mind. 75 Mio. CHF, stark eingeschränkt. Hier wurden den befragten Unternehmen die meistgenannten Gründe für eine IFRS-Umstellung zur Beurteilung vorgelegt, dabei wurden diesbezüglich jedoch nur diejenigen Unternehmen befragt, die sich nicht bereits aktiv gegen IFRS entschieden haben. Hier ergibt sich ein relativ ausgewogenes Ergebnis mit 46 % zustimmenden im Vergleich zu 44 % ablehnenden Antworten; vgl. Meyer, C./Schill, P./Bütler, R. (2004), S. 1104 f. 51

H. Empfehlungen zur Rechnungslegung im Jahresabschluss nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteter Unternehmen Empfehlungen zur Rechnungslegung im Jahresabschluss

I. Weichenstellungen der künftigen Regulierung der Rechnungslegung im Jahresabschluss in Deutschland Weichenstellungen der künftigen Regulierung der Rechnungslegung

1. Ergebnisse empirischer Untersuchungen bezüglich der Umsetzungsmöglichkeiten im Rahmen der IAS-Verordnung aus Sicht insbesondere mittelständischer Unternehmen Im Rahmen der bereits im Zusammenhang mit Argumenten für und gegen eine IFRS-Rechnungslegung aufgeführten Umfrage von nicht börsennotierten Unternehmen mit maximal 5 000 Arbeitnehmern wurden auch die Mitgliedstaatenwahlrechte bezüglich der Umsetzung der IAS-Verordnung zur Beurteilung und Auswahl vorgegeben.1 Bei den „kleineren“ Unternehmen (mit höchstens 250 Mitarbeitern), die ausschließlich einen Jahresabschluss aufstellen, lassen die Ergebnisse der Umfrage eine eindeutige Reihenfolge nach dem Ausmaß des Eingriffs in das deutsche Bilanzrecht erkennen: 40 % der kleineren der teil___________ 1

Dabei wurden auf Basis der IAS-Verordnung folgende Möglichkeiten vorgegeben: 1. keine über den Pflichtanwendungsbereich der IAS-Verordnung hinausgehende Reform des HGB-Bilanzrechts; 2. Anwendung der IFRS auf die gesamte Rechnungslegung (Jahres- und Konzernabschluss) kapitalmarktorientierter Unternehmen i. S. d. IAS-Verordnung; 3. der Konzernabschluss aller Unternehmen ist nach IFRS aufzustellen, der Jahresabschluss wird weiterhin nach HGB erstellt; 4. umfassende Anwendung der IFRS für alle Unternehmen sowohl im Jahres- als auch im Konzernabschluss; 5. Einführung eines Wahlrechts für alle (nicht von der Pflichtanwendung betroffenen) Unternehmen zur Anwendung der IFRS im Jahres- und/oder Konzernabschluss. Dabei wurde angenommen, dass die Unternehmen bei Ausübung des Wahlrechts von der Anwendung der HGB-Vorschriften befreit werden. Vgl. Mandler, U. (2003), S. 149. Da die Diskussion, wie die von der IAS-Verordnung gewährten Mitgliedstaatenwahlrechte sowie die Internationalisierung der Rechnungslegung in Deutschland künftig umgesetzt werden sollen, auch nach dem Beschluss des Bilanzrechtsreformgesetzes im Dezember 2004 fortdauert, können die Ergebnisse dieser Studien weiterhin nützliche Informationen liefern, auch wenn sie vor Beschluss dieses Gesetzes durchgeführt worden sind.

I. Weichenstellungen der künftigen Regulierung der Rechnungslegung

415

nehmenden Unternehmen wollen der Umfrage zufolge keine Änderung des deutschen Bilanzrechts, die über die Pflichtvorgabe des Art. 4 der IASVerordnung hinausgeht. 23 % befürworten ein Wahlrecht. Eine verpflichtende Anwendung der IFRS auch im Jahresabschluss dieser Unternehmen findet so gut wie keine Zustimmung (4 %). Diese Befragungsergebnisse legen die Vermutung nahe, dass kleinere, nicht börsennotierte Unternehmen eine IFRSEinführung für ihren eigenen Anwendungsbereich eher ablehnen. Eine Verpflichtung zur Aufstellung eines IFRS-Einzelabschlusses findet kaum Zustimmung.2 Die größeren der teilnehmenden Unternehmen (mit mehr als 250 und maximal 5 000 Mitarbeitern) stehen der IFRS-Rechnungslegung der Umfrage zufolge hingegen deutlich aufgeschlossener gegenüber: Bei diesen findet die Alternative des Unternehmenswahlrechts die deutlich stärkste Zustimmung mit fast der Hälfte der Befragten. Eine nicht unerhebliche Minderheit von 21 % präferiert den vollständigen Systemwechsel, d. h. die völlige Aufgabe des HGB zugunsten der IFRS im Jahres- und im Konzernabschluss. Dabei handelt es sich den Daten nach tendenziell um größere bzw. international tätige Unternehmen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Mehrheit der größeren der teilnehmenden Unternehmen (72 %) neben dem Jahresabschluss auch zur Erstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet ist. Lediglich 14 % dieser Unternehmen wollen die IFRS auf den Pflicht-Anwendungsbereich der IAS-Verordnung beschränken.3 Zu teilweise anderen Ergebnissen hinsichtlich der Umsetzungsmöglichkeiten im Rahmen der IAS-Verordnung kommt eine weitere Studie aus dem Jahr 2002, die sich ebenfalls ausdrücklich an „mittelständische“ Unternehmen richtete. Die Aussagekraft dieser Studie ist jedoch stark eingeschränkt, da keine näheren Angaben hinsichtlich der Größen- sowie sonstiger Merkmale der Teilnehmer offen gelegt sind.4 Nach dieser Umfrage räumen die Unternehmen sowohl in Bezug auf (i. S. d. IAS-Verordnung) kapitalmarktorientierte als auch nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen einer Beibehaltung des HGB im Jahresabschluss und – bei nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen – auch im Konzernabschluss die größte Präferenz ein. In Bezug auf den Jahresabschluss nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen (i. S. d. IAS-Verordnung) ergibt die Umfrage eine klare Reihenfolge: Eine knappe Mehrheit (51 %) will das HGB beibehalten, rund ein Drittel plädiert für ein Wahlrecht, 15 % für eine verpflichtende Anwendung der IFRS im Jahresabschluss dieser Unternehmen. ___________ 2

Vgl. Mandler, U. (2004), S. 121 f. Vgl. Mandler, U. (2004), S. 123 f. 4 Nach Auskunft des DIHK haben 194 Unternehmen an der Online-Umfrage teilgenommen. Davon war nur knapp mehr als die Hälfte auswertbar. 3

416

H. Empfehlungen zur Rechnungslegung im Jahresabschluss

Reformbefürworter (49 %) und Reformgegner (51 %) sind somit in etwa gleich stark gegeben.5 Hinsichtlich des Jahresabschlusses kapitalmarktorientierter Unternehmen ergibt die Umfrage ein etwas anderes Bild: Bezüglich dieser Unternehmen befürworten der Studie zufolge mehr Unternehmen eine Pflichtanwendung der IFRS (35 %) als ein Wahlrecht zu deren Anwendung (29 %). Mehr als ein Drittel der teilnehmenden Unternehmen lehnt in dieser Umfrage eine Rechnungslegung nach IFRS jedoch auch für kapitalmarktorientierte Unternehmen generell ab.6

2. Wahlrecht einer IFRS-Rechnungslegung im Jahresabschluss für informatorische Zwecke Nach Analyse der Nutzen- und Kostenaspekte werden im Folgenden aus der Zusammenführung der einzelnen Argumente konkrete Handlungsempfehlungen zur künftigen Regulierung der Rechnungslegung im Jahresabschluss nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteter Unternehmen gegeben: Eine für alle Unternehmen geltende einheitliche Rechnungslegung wäre aufgrund der IAS-Verordnung, nach der im Konzernabschluss i. e. S. kapitalmarktorientierter Unternehmen eine IFRS-Anwendung verpflichtend ist, nur noch auf Basis der IFRS möglich. Die Koexistenz mehrerer Rechnungslegungsnormen führt zu einer gewissen Verschlechterung der internationalen Vergleichbarkeit. Ein einheitliches Rechnungslegungsrecht erzeugt wertvolle Netzwerkeffekte. Solche Netzwerkeffekte lassen sich jedoch auch bei einem kontrollierten Wettbewerb, bei dem nicht beliebig viele, sondern zwei oder drei Rechnungslegungssysteme miteinander konkurrieren, erzielen. Der Nutzen einer Standardisierung wird ferner wesentlich davon beeinflusst, dass die Adressaten die Rechnungslegungsdaten von unterschiedlichen Unternehmen nutzen. Auch wenn diesbezüglich sicherlich branchenspezifische Unterschiede bestehen, ist dies – abgesehen von den Kreditgebern als Adressaten – bei nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteten Unternehmen vermutlich eher in geringerem Umfang der Fall als bei auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteten Unternehmen. Zudem ist durch die Vierte und Siebente EG-Richtlinie in der EU zumindest ein – wenn auch sehr geringes – Mindest___________ 5

Im Vergleich mit den Ergebnissen der anderen Studie deckt sich dieser Befund weniger mit der ablehnenden Haltung der kleineren, sondern eher mit dem Meinungsbild der größeren mittelständischen Unternehmen. 6 Zitiert nach Mandler, U. (2004), S. 126 f. Die Studie wurde auf Anfrage beim DIHK hin nicht zur Verfügung gestellt.

I. Weichenstellungen der künftigen Regulierung der Rechnungslegung

417

maß an Standardisierung gegeben, so dass das Argument für die Verwendung einheitlicher Standards auch hierdurch etwas an Bedeutung verliert. Wie dargelegt hängt die Beurteilung eines Wechsels von Rechnungslegungssystemen neben dem Aspekt der Netzwerkeffekte, der Gefahr von Unsicherheiten und den entstehenden Kosten vielmehr ganz entscheidend davon ab, wie die Rechnungslegungsvorschriften die Interessen der jeweiligen Adressaten erfüllen.7 Einer gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtssteigerung durch eine Verwendung einheitlicher Rechnungslegungsvorschriften sind deshalb Grenzen gesetzt durch heterogene Präferenzen der Rechnungslegungsadressaten in Bezug auf die Rechnungslegungssysteme. Wenn die Akteure diesbezüglich heterogene Präferenzen haben, führt ein Wettbewerb zwischen den Systemen dazu, dass einige Unternehmen nach dem einen, andere nach dem anderen System Rechnung legen. Eine hoheitlich erzwungene Vereinheitlichung der Rechnungslegungsvorschriften würde den Präferenzen und komparativen Kostenvorteilen der einen oder anderen Gruppe nicht entsprechen und damit zu Wohlfahrtsverlusten führen. Ob ein Wahlrecht zwischen verschiedenen Rechnungslegungssystemen effizient ist oder nicht, hängt somit zum einen von der Homogenität oder Heterogenität der Rechnungslegungspräferenzen der Unternehmen bzw. ihrer Rechnungslegungsadressaten ab. Zum anderen ist entscheidend, ob eines der Rechnungslegungssysteme eine (oder mehrere) dieser Präferenzen bzw. Rechnungslegungszwecke besonders gut erfüllt und wie gegebenenfalls die anderen Rechnungslegungszwecke erfüllt werden können. Ein generell höherer Informationswert einer IFRS-Rechnungslegung konnte wie gezeigt weder auf Basis der Beurteilungskriterien noch anhand der Ergebnisse empirischer Untersuchungen eindeutig begründet werden. Vielmehr wurden bei der Beurteilung beider Rechnungslegungssysteme anhand der herausgearbeiteten Kriterien Einschränkungen festgestellt, welche die Erfüllung der Informationsfunktion jeweils nicht unerheblich beeinträchtigen. Beim HGB kommt es insbesondere durch das Vorhandensein zahlreicher Wahlrechte sowie durch die Möglichkeit stiller Rücklagen zu Informationsverzerrungen. Die IFRS zielen primär auf die Bereitstellung entscheidungsrelevanter Informationen ab, wobei die Befähigung der Adressaten im Vordergrund steht, anhand der Jahresabschlussinformationen die künftigen Cashflows des Unternehmens vorauszusagen. Neben der Abschätzung künftiger Cashflows bezwecken die IFRS auch, zur Kontrolle des Managements Informationen über die Leistungen der Geschäftstätigkeit bereitzustellen. Dabei steht der Schutz anonymer Kapitalmarktteilnehmer vor Unterinformation im Vordergrund; die Er___________ 7

Siehe hierzu die Ausführungen in Abschnitt C.II. der vorliegenden Arbeit.

418

H. Empfehlungen zur Rechnungslegung im Jahresabschluss

mittlung eines entziehbaren Gewinnes wie im HGB wird hingegen nicht angestrebt. Zur Erfüllung dieser Zielsetzungen stellen die IFRS zunehmend auf die Bereitstellung von Zeitwerten ab. Neben Einzelveräußerungswerten verwenden die IFRS für die Ermittlung der fair values ferner Ertrags- sowie auch Wiederbeschaffungswerte. Die Verwendung dieser Wertmaßstäbe lässt erkennen, dass die IFRS nicht auf die Ermittlung des Vermögens als Schuldendeckungspotenzial abzielen, sondern vielmehr ein Vermögen abbilden wollen, welches dem theoretischen Ideal des Effektivvermögens möglichst nahe kommt. Idealerweise ließen sich hieraus gleichermaßen Informationen über künftige Ausschüttungen/Entnahmen sowie über den Wert des Vermögens bzw. von Unternehmensanteilen gewinnen. Hiervon ist die Rechnungslegung nach IFRS jedoch, wie gezeigt wurde, deutlich entfernt. In der Realität weist das Konzept des fair value, wie es in den IFRS umgesetzt ist, vielmehr einige Schwachstellen auf. So ist insbesondere die Orientierung an Absatzmarktwerten zur Messung des Dispositionserfolges ausschließlich bei den Bilanzpositionen relevant, bei denen eine Veräußerung auch tatsächlich geplant ist. Ferner wird die Prognoseeignung des Periodenerfolges zur Abschätzung künftiger Cashflows durch die zum Teil erfolgswirksame Behandlung von Zeitwertdifferenzen beeinträchtigt. Der Wert der bereitgestellten Informationen wird zudem durch die zahlreichen Ermessensspielräume erheblich eingeschränkt. Da sich das theoretische Ideal des Effektivvermögens durch Bilanz und GuV-Rechnung im Rechtssinne nicht erreichen lässt, ist wie gezeigt davon auszugehen, dass die Gewichtung der Rechnungslegungszwecke sowie die Präferenzen der Rechnungslegungsadressaten bezüglich konkurrierender Rechnungslegungssysteme in Abhängigkeit bestimmter Merkmale divergieren. Die beiden konkurrierenden Rechnungslegungssysteme zielen jeweils auf unterschiedliche Rechnungslegungsziele ab. Aufgrund unterschiedlicher Verhandlungs- und Kontrollpositionen sowie unterschiedlicher Entscheidungssituationen der Rechnungslegungsadressaten ist anzunehmen, dass die Präferenzen der Adressaten von nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteten gegenüber auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteten Unternehmen divergieren. Ferner ist anzunehmen, dass bei nicht i. e. S. kapitalmarktorientierten Unternehmen auch dem Aspekt der internationalen Vergleichbarkeit unter Umständen ein anderer Stellenwert zukommt. Sofern allerdings eine Anwendung der IFRS auch national zunehmend mehr Verbreitung finden würde, trifft das Argument der Vergleichbarkeit zunehmend auch auf nicht international ausgerichtete Unternehmen zu.

I. Weichenstellungen der künftigen Regulierung der Rechnungslegung

419

Kapitalgeber, welche in Eigen- (oder Fremd-)Kapitaltitel von Unternehmen investieren, die am geregelten Kapitalmarkt gehandelt werden und liquide sind, werden aufgrund der großteils kurzfristigen bzw. spekulativen Natur der Kapitalanlage neben Informationen über die künftigen Ausschüttungen auch an der zukünftigen Kursentwicklung der Anteile am Unternehmen interessiert sein. Hierfür ist eine möglichst zeitnahe Bewertung des Vermögens grundsätzlich informativer als eine Bewertung zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Sofern davon ausgegangen wird, dass bei börsennotierten Unternehmen dem Aktienmarkt eine gewisse Kontrollfunktion zukommt, wird das Interesse an der Ermittlung eines entziehbaren Gewinnes demgegenüber zurücktreten. Auch bei diesen Unternehmen ist jedoch davon auszugehen, dass die Adressaten zur Kontrolle der Geschäftsführung ein Interesse an Informationen über den erwirtschafteten Periodenerfolg haben. Diesbezüglich weisen die IFRS jedoch – wie auch das HGB – Unzulänglichkeiten auf. Ferner gilt auch am geregelten Kapitalmarkt, dass Entobjektivierungen den Informationswert einschränken. Die börsenrechtlichen Bestimmungen der Frankfurter Wertpapierbörse verlangen auch von nicht konsolidierungspflichtigen Unternehmen bereits jetzt, ihre Jahresabschlüsse in Übereinstimmung mit internationalen Rechnungslegungsstandards zu erstellen, soweit diese eine Notierung in einem Segment des geregelten Kapitalmarktes anstreben.8 Demgegenüber haben die Anteilseigner bei Unternehmen, die nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichtet sind, entweder ein längerfristiges Interesse am Untenehmen oder sind aufgrund der eingeschränkten Fungibilität der Anteile längerfristig daran gebunden. Hier tritt somit das Interesse der Kapitalgeber an kurzfristigen Spekulationsgewinnen zurück. Wie gezeigt kommt vielmehr der Ermittlung eines entziehbaren Gewinnes für den Anteilseignerschutz eine zentrale Bedeutung zu. Ferner sind bei nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteten Unternehmen v. a. auch Informationen sowohl über den erwirtschafteten als auch den entziehbaren Periodengewinn für die Adressaten von Belang, um ihre Vermögens- sowie Verwaltungsrechte sichern und gegebenenfalls die Geschäftsführung kontrollieren zu können. Bei Unternehmen, in denen Eigentum und Geschäftsführung ganz zusammenfallen, kommt Rechnungslegung der Zweck der Selbstinformation zum Schutz der Gläubiger zu. Auch in diesem Fall sind Informationen sowohl über den erwirtschafteten als auch den entziehbaren Periodengewinn von Interesse. Dabei besteht bei Unternehmen, die auf den nicht geregelten Kapitalmarkt ausgerichtet sind, für die Anleger ein besonderes Schutzbedürfnis. Da diesen in der Regel vergleichsweise geringe Einsichts- und Kontrollrechte zustehen, kommt der Objektivierung der Rechnungslegungsinformationen sowie der Be___________ 8

Vgl. Deutsche Börse AG (2006-e).

420

H. Empfehlungen zur Rechnungslegung im Jahresabschluss

urteilung der von der Geschäftsführung erbrachten Leistung eine besondere Bedeutung zu. Da bei solchen Unternehmen ein handelsrechtlich nicht zur Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts verpflichteter Emittent im Prospekt lediglich auf die unterlassene Prüfung an herausgehobener Stelle hinweisen muss, ergibt sich angesichts der Ermessensspielräume nach IFRS hier gegebenenfalls ein besonderer Schutzbedarf. Denn für potenzielle Anleger besteht angesichts solcher ungeprüfter, stark ermessensabhängiger Informationen sowie angesichts möglicherweise bestehender Missverständnisse über die betreffenden Rechnungslegungs- und sonstigen Informationen in besonderem Maße die Gefahr der adversen Selektion.9 Bei personenbezogenen Unternehmen hingegen, bei denen die in Betracht kommenden Rechnungslegungsadressaten in einer vergleichsweise engen Beziehung zum Unternehmen stehen, kommt dem Schutz vor Unterinformation teilweise eine vergleichsweise geringe Bedeutung zu. Bei Unternehmen mit persönlich haftenden Gesellschaftern sind diese zumeist ohnehin an der Geschäftsführung beteiligt, bei von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschaftern bestehen häufig persönliche Einsichts- und Kontrollrechte der Gesellschafter. Zudem können die Gesellschafter – wie auch etwa die Hausbanken – im Rahmen der persönlichen Vertragsvereinbarungen gegebenenfalls zusätzliche Rechnungslegungsanforderungen oder im Falle eines Wahlrechts zwischen verschiedenen Rechnungslegungssystemen das von ihnen präferierte vereinbaren. Dies gilt in besonderem Masse auch für „institutionelle“ Investoren wie z. B. Venture-Capital-Geber. Es ist zu vermuten, dass diese aufgrund eines im Vergleich zu anderen Gesellschaftern eher kurzfristigen Anlageinteresses – und dem Interesse an einem späteren Börsengang – gegebenenfalls andere Informationsinteressen haben. Hinsichtlich der Gläubiger, mit Ausnahme gegebenenfalls von Fremdkapitalgebern am geregelten Kapitalmarkt, liegt generell die Vermutung nahe, dass diese neben der Ermittlung des entziehbaren Gewinnes an Informationen über das Schuldendeckungspotenzial sowie den erwirtschafteten Erfolg interessiert sind. Auch mit Blick auf die Kreditvergabe lässt sich aus den Baseler Eigenkapitalvorschriften wie gezeigt keine Präferierung einer Rechnungslegung nach IFRS begründen. Basel II präferiert kein bestimmtes Rechnungslegungssystem und die Untersuchung der Zweckmäßigkeit der beiden betrachteten Normensysteme hat nicht erkennen lassen, dass die Güte der Informationen nach IFRS für Zwecke des Bonitätsratings höher sein könnte als nach HGB.10 ___________ 9 Siehe hierzu die Ausführungen in den Abschnitten C.III.3.b) und C.III.3.a) der vorliegenden Arbeit. 10 Vgl. auch Küting, K./Ranker, D./Wohlgemuth, F. (2004), S. 104.

I. Weichenstellungen der künftigen Regulierung der Rechnungslegung

421

Neben den angeführten Nutzenaspekten sind ferner die Belastungen bzw. Kosten zu berücksichtigen, die für die Unternehmen aus der Erfüllung der Rechnungslegungsanforderungen resultieren. Eine Anpassung des Jahresabschlusses an die Anforderungen einer Rechnungslegung nach IFRS kann neben den einmaligen Umstellungskosten zu unterschiedlichen Folgekosten oder auch teilweise zu Erleichterungen für die Unternehmen führen, je nachdem, für welche Zwecke – zusätzlich zur Erstellung des Jahresabschlusses – Informationen beschafft und verarbeitet werden. Hierbei kommen neben dem Jahresabschluss gegebenenfalls ein erforderlicher Konzernabschluss sowie ein internes Rechnungswesen in Betracht. Sofern ein Unternehmen internationale Geschäftspartner hat, welche eine entsprechende Verhandlungsposition besitzen, ist ferner möglich, dass diese einen nach internationalen Standards aufgestellten Abschluss verlangen. Es ist somit zu vermuten, dass dem Standardisierungsvorteil international vergleichbarer Rechnungslegungsregeln v. a. bei Unternehmen mit einem hohen Internationalisierungsgrad und/oder in einem (gegebenenfalls zum Teil internationalen) Konzernverbund Bedeutung zukommt. Dies kommt auch im Rahmen empirischer Studien zum Ausdruck.11 Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht sind zusätzlich zu diesen Kosten auf Unternehmensebene auch Kosten für die Normengebung, Rechtsprechung etc. zu berücksichtigen. Bezüglich der Differenzierung der Rechnungslegungsanforderungen für SME sind die nach dem derzeitigen Entwurfsstand des IASB vorgesehenen Erleichterungen nach hier vertretener Meinung nicht weit reichend genug. Im Vergleich zu einem Rechnungslegungssystem, das auf dem Ansatz von herkömmlichen Vermögensgegenständen und Schulden und einer stärker an nachprüfbaren Werten orientierten Bewertungskonzeption basiert ist, bleibt die Problematik der umfangreicheren Entobjektivierungen. Die genannten Einschränkungen hinsichtlich der Erfüllung der Informationsinteressen bestimmter Adressatengruppen gelten auch hier. Unter Abwägung der dargestellten Nutzen- und Kostenaspekte ist eine verpflichtende Übernahme der IFRS in den Jahresabschluss generell abzulehnen, so insbesondere auch für Kapital- und diesen gleichgestellte Personengesellschaften. Auch IFRS für SME dürfen – unter der Prämisse einer entsprechenden Übernahme durch die EU – nicht zur Einführung einer Pflichtanwendung für SME führen. Für eine Anwendung der IFRS auch für nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen wäre eine Rückbesinnung des IASB auf einfachere und hinreichend objektivierbare Rechnungslegungsanforderungen erforderlich.12

___________ 11 12

Vgl. Abschnitt D.III.3. der vorliegenden Arbeit. Vgl. Ballwieser, W. (2006), S. 30.

422

H. Empfehlungen zur Rechnungslegung im Jahresabschluss

Ein Verbot eines IFRS-Einzelabschlusses zu Informationszwecken wird angesichts der generellen Wahlmöglichkeit zur Erstellung eines befreienden IFRS-Konzernabschlusses sowie der de lege lata bereits möglichen Bundesanzeigerpublizität eines IFRS-Einzelabschlusses bei großen Kapital- und diesen gleichgestellten Gesellschaften aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht in Betracht gezogen. Durch ein Wahlrecht wird allen Unternehmen, die einen konsolidierten Abschluss nach IFRS erstellen, freigestellt, auch ihre Jahresabschlüsse auf Basis der IFRS aufzustellen und offenzulegen. Dies würde für informatorische Zwecke die Anwendung unterschiedlicher Rechnungslegungsnormen in Jahres- und Konzernabschluss und daraus möglicherweise resultierende Irritationen bei den Rechnungslegungsadressaten vermeiden.13 Der Konzernabschluss hat weltweit einheitlich die Aufgabe der Informationsvermittlung. Er dient dazu, den Rechnungslegungsadressaten Aufschluss zu geben über die wirtschaftliche Lage und Entwicklung der wirtschaftlichen Einheit ohne Verzerrungen, die aus der rechtlichen Zersplitterung und zwischengesellschaftlichen Beziehungen resultieren (vgl. § 297 Abs. 3 Satz 1 HGB).14 Welche Wirkungen der Ausweis unterschiedlicher Rechnungslegungsdaten im Jahres- und Konzernabschluss bei den Rechnungslegungsadressaten auslöst, ist in der Literatur umstritten.15 Die Veröffentlichung unterschiedlicher Größen in Konzern- und Jahresabschluss kann möglicherweise zu Irritationen bei den Rechnungslegungsadressaten führen, wenn konkrete Größen des Konzernabschlusses durch jene der Jahresabschlüsse der Konzernunternehmen nicht erklärt werden können.16 Von einigen Autoren wird die Dauerhaftigkeit einer Trennung der Rechnungslegungsregeln von Jahres- und Konzernabschluss bezweifelt. Vielmehr wird eine Katalysatorwirkung der Konzernrechnungslegungsregeln auf die Jahresabschlussregelungen angenommen, durch welche die von den Kapitalmärkten bevorzugten Konzernrechnungslegungsregeln früher oder später auch auf Jahresabschlüsse angewendet werden.17 So wird etwa vermutet, „daß sich kurz- bis mittelfristig Rückwirkungen des internationalen Konzernabschlusses auf den Einzelabschluß ergeben werden und mittel- bis

___________ 13 Siehe hierzu bereits die Ausführungen in Abschnitt C.II.1.b)(2) der vorliegenden Arbeit. 14 Vgl. Coenenberg, A. G. (2005), S. 553; Grund, M. (2005), S. 324; Baetge, J./ Kirsch, H.-J./Thiele, S. (2004), S. 42 f. 15 Zur Diskussion siehe etwa Kittner, W. A. (2001), S. 166 ff. 16 Vgl. Kittner, W. A. (2001), S. 166 ff. m. w. N. 17 Zur Diskussion siehe etwa Kittner, W. A. (2001), S. 169.

I. Weichenstellungen der künftigen Regulierung der Rechnungslegung

423

langfristig auch der Einzelabschluß nach ‚internationalen Regeln‘ erstellt wird.“18 Ein Wahlrecht kann die Standardisierungskosten reduzieren und einen aus dynamischer Sicht positiv erscheinenden Wettbewerb der Rechnungslegungssysteme ermöglichen.19 Durch eine Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Systemen wird für den jeweils verantwortlichen Normengeber eine wettbewerbsinduzierte Lernfähigkeit in Bezug auf die Weiterentwicklung des Rechnungslegungsrechts ermöglicht.20 Durch einen Systemwettbewerb kann sich entweder das für alle Unternehmen und Adressaten beste System oder aber eine Menge von jeweils unternehmensspezifisch besten Systemen herauskristallisieren.21 Rechnungslegungsrecht stellt jedoch nicht nur i. S. d. Senkung der Transaktionskosten Vertragsrecht zur Verfügung, mit dessen Hilfe sich die Parteien selbst schützen können, sondern es hat wie dargelegt auch eine Schutzfunktion in den Fällen, in denen vertragliche Schutzvereinbarungen nicht zustande kommen würden. Die Wahlfreiheiten dürfen demnach nicht so weit gehen, dass die Anspruchsbemessungs- oder die Besteuerungsgrundlage in das Ermessen des Rechnungslegenden gestellt wird; wohl aber lässt sich die Informationsfunktion durch verschiedene zur Wahl stehende Systeme unterstützen.22 Die dargelegten Argumente sprechen somit dafür, auch den übrigen Unternehmen ein Wahlrecht zur Anwendung der IFRS im Jahresabschluss zu informatorischen Zwecken zu ermöglichen. Neben dem Wahlrecht für informatorische Zwecke sind jedoch Regelungen zur Erfüllung der Anspruchsbemessungszwecke erforderlich. Da für Zwecke des Gesellschafter- und Gläubigerschutzes auch Informationen über den entziehbaren Gewinn von Bedeutung sind,23 würde eine befreiende Offenlegung eines IFRS-Einzelabschlusses somit voraussetzen, dass im Anhang oder im Rahmen einer zusätzlichen Rechnung Angaben zur Ermittlung des entziehbaren bzw. ausschüttbaren Gewinn gegeben werden.24 Realiter würde dadurch ein zumindest in Teilen mehrwertiger Abschluss ___________ 18 Eberhartinger, E. (2000), S. 104, welche diese Vermutung für Österreich ausspricht. In Österreich ist die Befreiungswirkung des internationalen Konzernabschlusses analog zu Deutschland nicht auf börsennotierte Unternehmen beschränkt, sondern erstreckt sich auf die Konzernabschlüsse aller Unternehmen. Vgl. § 245a öHGB. 19 Vgl. auch Pellens, B./Gassen, J. (2001), S. 142; Schmidt, M. (2000), S. 237 ff. und S. 249; Wagenhofer, A. (2005), S. 48 f.; Ballwieser, W. (2005-a), S. 18. 20 Vgl. Schmidt, M. (2000), S. 238. 21 Vgl. Ballwieser, W. (2005-a), S. 18. 22 Vgl. Ballwieser, W. (2005-a), S. 18. 23 Vgl. IDW (2003), S. 3. 24 Bei Personengesellschaften, deren Jahresabschluss de lege lata keinen Anhang enthält, wäre somit entweder ein Anhang oder eine Überleitungsrechnung als ergänzender Bestandteil des Jahresabschlusses erforderlich.

424

H. Empfehlungen zur Rechnungslegung im Jahresabschluss

entstehen.25 Hinsichtlich der (materiellen) Ermittlung des entziehbaren Gewinnes für nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichtete Unternehmen sollte nach hier vertretener Auffassung an den in Abschnitt E.II. dargestellten Anforderungen festgehalten werden. Auf Probleme bei der Umsetzung einer solchen Ermittlung des entziehbaren Gewinnes wird im folgenden Abschnitt näher eingegangen. Bei Unternehmen, die den nicht geregelten Kapitalmarkt in Anspruch nehmen, ist ein solches Wahlrecht aus Gründen des Anlegerschutzes an die Prämisse zu knüpfen, dass für diese Unternehmen, soweit sie de lege lata keiner handelsrechtlichen Prüfungspflicht unterliegen, eine solche gesetzliche Pflicht eingeführt wird. Bei personenbezogenen Unternehmen kann die Entscheidung über eine gegebenenfalls erwünschte Prüfungspflicht dem Naheverhältnis der Gesellschafter sowie der anderen Anspruchsgruppen zum Unternehmen überlassen werden. Ferner gilt es die aufgezeigten Schwachstellen des HGB im Rahmen einer Reform zu beheben, um ein wettbewerbsfähiges Rechnungslegungssystem auf nationaler Ebene bereitzustellen. Dabei kommt die Übernahme internationaler Elemente – so insbesondere einer Zeitwertbilanzierung – lediglich insoweit bzw. dergestalt in Betracht, wie dies zweckadäquat ist.

3. Gewährleistung der Anspruchsbemessung Sofern die Möglichkeit eines IFRS-Einzelabschlusses gewährt wird, sind die bisherigen Rechtsfolgen des Jahresabschlusses zu beachten. Wie dargelegt kommt bei nicht börsennotierten Unternehmen eine Kontrollfunktion für eine nicht an den Interessen der Anteilseigner ausgerichtete Dividendenpolitik durch den Aktienmarkt nicht in Betracht, so dass hier Regelungen zum Interessenschutz von Minderheitsgesellschaftern erforderlich sind. Somit sollte nach hier vertretener Auffassung bezüglich der Gewinnverwendung bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften an den de lege lata geltenden Vorschriften zur Regulierung von Mindestausschüttungen festgehalten werden. Daneben ist die Ermittlung eines entziehbaren Gewinnes für die Konkretisierung der Gewinnansprüche der Anteilseigner von zentraler Bedeutung. Die Ermittlung eines entziehbaren Betrages ist zugleich im Sinne eines Maximalausschüttungsbetrages für Gläubigerschutzzwecke relevant. Die Vorschriften zur Kapitalaufbringung und -erhaltung sind für die AG derzeit durch EU-Recht vorgegeben.26 ___________ 25 Offen ist, inwieweit eine solche Überleitungsrechnung weniger Irritationen bei den Rechnungslegungsadressaten erzeugt als die Erstellung eines parallelen Abschlusses. 26 Siehe Abschnitt E.III. der vorliegenden Arbeit.

I. Weichenstellungen der künftigen Regulierung der Rechnungslegung

425

Sollte auf EU-Ebene die Möglichkeit eines Insolvenztests eingeführt werden, wäre gegebenenfalls bei einer Umsetzung darauf zu achten, dass auch die Haftungsregelungen verschärft würden. Gleichwohl bliebe bei nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichteten Unternehmen die Ermittlung eines entziehbaren Gewinnes zum Schutz der Anteilseigner relevant. Für die Regulierung der Anspruchsbemessung könnte im Falle einer IFRSRechnungslegung grundsätzlich entweder an der (annahmegemäß) weiterhin zu erstellenden Steuerbilanz angeknüpft werden. Dabei müsste die Gewinnermittlungsrechnung, aus der die Ertragsteuern sowie Gewinnausschüttungen abgeleitet werden, nicht zwingend im Detail veröffentlicht werden.27 Bei einem solchen Vorgehen wäre allerdings zu bedenken, dass wie gezeigt auch zwischen Anspruchs- und Steuerbemessung keine Interessenhomogenität besteht. Als alternatives Vorgehen wäre denkbar, über Ausschüttungssperren auf Basis eines IFRS-Einzelabschlusses ein Ausschüttungsergebnis zu ermitteln. Angesichts der Dynamik, mit der sich die IFRS-Normen derzeit ändern, ist allerdings fraglich, ob der nationale Gesetzgeber in der Lage wäre, auf Normenänderungen zeitnah zu reagieren.28 Inwieweit solche Zusatzrechnungen auf Basis eines IFRS-Einzelabschlusses zweckmäßig sind, hängt wie gesagt v. a. davon ab, wie umfassend die erforderlichen Einzelkorrekturen sind. Diese wären allerdings – wie in Abschnitt E.VI. dargestellt – relativ umfangreich, wobei der tatsächliche Umfang im Einzelfall neben der individuellen Geschäftstätigkeit eines Unternehmens auch davon abhängt, inwieweit bestimmte Wahlrechte in Anspruch genommen werden oder nicht. Die Tatsache, dass die in US-amerikanischen Kreditverträgen zum Gläubigerschutz vereinbarten Rechnungslegungsregeln große Ähnlichkeit mit denen nach HGB aufweisen, entspricht der traditionellen These, wonach Vorsicht – solange sie nicht zu stillen Rücklagen führt – im Interesse der Gläubiger liegt. IFRS für SME als Ausgangsbasis für Ausschüttungssperren würden nach dem derzeitigen Entwurfsstand lediglich geringfügige Erleichterungen gegenüber den vollumfänglichen IFRS als Basis verschaffen. Vor diesem Hintergrund kommt der Fortentwicklung der Vorschriften des HGB eine große Bedeutung zu.

___________ 27 28

Vgl. Pellens, B./Gassen, J. (2001), S. 140. Vgl. Pellens, B./Gassen, J. (2001), S. 140.

426

H. Empfehlungen zur Rechnungslegung im Jahresabschluss

II. Fortentwicklung der Vorschriften des HGB Fortentwicklung der Vorschriften des HGB

1. Ausrichtung einer solchen Reform an den unterschiedlichen Zwecken des Jahresabschlusses Wie bereits eingangs bei der Darstellung der verschiedenen Reformvorschläge gezeigt, lassen sich hinsichtlich der Vorschläge zu einer Reform des HGB zwei grundsätzlich unterschiedliche Herangehensweisen unterscheiden: Zum Teil wird eine weitestgehende Annäherung der Vorschriften des HGB an die Regelungen der IFRS vorgeschlagen, zum Teil wird hingegen eine stärkere Verknüpfung von Handels- und Steuerbilanz in Gestalt einer „Einheitsbilanz“ für steuerliche Zwecke, Gewinnausschüttungen sowie für das Feststellen einer Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne befürwortet. Die Entscheidung, welche Vorgehensweise gewählt wird, hängt maßgeblich von der Beurteilung der Zweckadäquanz der beiden Rechnungslegungssysteme hinsichtlich der Informationsfunktion sowie von der Entscheidung bezüglich der künftigen Ausgestaltung der Anspruchs- und Steuerbemessungszwecke ab. In der vorliegenden Arbeit wird, wie im vorangegangenen Abschnitt H.I.2. dargelegt, die Einführung eines verpflichtenden IFRS-Einzelabschlusses abgelehnt, so insbesondere auch für Kapital- und diesen gleichgestellte Gesellschaften. Auch die geplanten IFRS für SME dürfen nicht zur Einführung einer Pflichtanwendung für SME bzw. nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichtete Unternehmen führen. Stattdessen wird der Einführung eines Wahlrechts bei gleichzeitiger Reform des HGB der Vorzug gegeben. Zugleich wird für eine Weiterverfolgung der hoheitlichen Normierung der Anspruchsbemessungszwecke durch Jahresabschlussrecht plädiert. Vor diesem Hintergrund macht eine generelle Anpassung an internationale Rechnungslegungsregeln als primäre Zielsetzung einer HGB-Reform keinen Sinn, da der Jahresabschluss nach IFRS nicht der Kapitalerhaltung bzw. der Bemessung eines entziehbaren Gewinnes, sondern ausschließlich der Information dient. Auch erfüllen die IFRS die Informationsinteressen der Rechnungslegungsadressaten nicht alle gleichermaßen. Dabei soll nicht übersehen werden, dass der Berücksichtigung des internationalen Harmonisierungsprozesses angesichts der „EU-Strategie“ sowie der teils optionalen, teils verpflichtenden Anwendung der IFRS im Jahres- und Konzernabschluss hinsichtlich der Vergleichbarkeit der Abschlüsse auch bei der Weiterentwicklung der nationalen Normen eine Bedeutung zukommt. Eine Annäherung der unterschiedlichen Rechnungslegungssysteme – bzw. der durch diese zur Verfügung gestellten Informationen – erscheint jedoch lediglich insoweit sinnvoll, als dies mit den betrachteten Zwecken des Jahresabschlusses vereinbar ist. Zudem gilt es die Entwicklung von „nationalen IFRS“ zu vermei-

II. Fortentwicklung der Vorschriften des HGB

427

den. Denn wenn der nationale Gesetzgeber eine Anwendung der internationalen Rechnungslegungsstandards für bestimmte Unternehmen als erforderlich ansieht, sollte er dies durch Verweis auf das „Original“ ermöglichen, anstatt „nationale IFRS“ zu entwickeln.29 Vielmehr sollte eine Reform der Handelsbilanz nach in der vorliegenden Arbeit vertretener Meinung sowohl am Ziel einer Verbesserung der Informationsfunktion als auch an einer Fortführung des Eigner- und Gläubigerschutzes durch eine objektivierte Anspruchs- bzw. Ausschüttungsbemessung ausgerichtet werden. Dabei gilt es die Informationsfunktion unter der Restriktion der Erfüllung der Anspruchsbemessungszwecke zu erfüllen. Da „es bei Optimalitätskalkülen die Restriktionen sind, die uneingeschränkt erfüllt sein müssen“30, ist die Erfüllung der Anspruchsbemessungszwecke sichergestellt. Durch das Ziel der Anspruchsbemessung als Nebenbedingung wird die Erreichung der Informationsfunktion gegebenenfalls begrenzt.31 Die Ermittlung eines Effektivvermögens bzw. eines ökonomischen Gewinns durch eine Bilanz und GuV-Rechnung im Rechtssinne ist wie gezeigt nicht möglich. Zentrale Größe ist somit ersatzweise der Periodengewinn. Dieser stellt für die Informationsempfänger ein Indiz für die Erfolgskraft und Zahlungsfähigkeit der Unternehmung dar. Aufgabe des Periodenerfolges ist es, die Entwicklung der Unternehmung in der Berichtsperiode zu indizieren. Das Interesse der Rechnungslegungsadressaten, v. a. auch der Anteilseigner, ist auf den erwirtschafteten, nicht lediglich den verteilbaren Erfolg ausgerichtet. Die Ermittlung einer solchen, den Periodenerfolg möglichst gut indizierenden Erfolgsgröße ist sowohl wichtiger Bestandteil der Rechenschaft als auch zugleich Voraussetzung für Ausschüttungsüberlegungen sowie gegebenenfalls eine Ausschüttungssperre.32 Der erwirtschaftete Periodenerfolg ist eine gleichermaßen für alle Unternehmen bzw. deren Adressaten relevante Zielgröße. Auch Gläubigerschutz ist nur möglich, wenn auch die Ertragslage transparent gemacht wird. Solange von der Fortführung der Unternehmung ausgegangen wird, ist für die Gläubiger primär wichtig, ob die Unternehmung ausreichend rentabel ist, so dass mit der Fortführung der Unternehmenstätigkeit gerechnet werden kann.33 Neben einem für die Indikation der Ertragslage geeigneten Gewinn ist zugleich die Ermittlung eines entziehbaren Gewinnes von zentraler Bedeutung. Die Information über einen entziehbaren Gewinn ist auch für den Einzelkaufmann sowie die typischen Personengesellschaften von Bedeutung, auch wenn diese ___________ 29

Ebenfalls ablehnend hierzu siehe etwa Bieker, M./Schmidt, L. (2002), S. 216. Leffson, U. (1987), S. 100 f. 31 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 104. 32 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 70 ff. 33 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 74 und S. 76 f. 30

428

H. Empfehlungen zur Rechnungslegung im Jahresabschluss

bei schlechter Lage der Unternehmung nicht gehindert sind, Kapital zu entnehmen. Sollen die Bilanzen ihnen zeigen, dass sie Kapital statt Gewinn entnehmen, sind eindeutige, unmanipulierbare Wertansätze der Bilanzpositionen ebenso erforderlich wie bei den Kapitalgesellschaften.34 Für die Ermittlung der solchermaßen bestimmten Zielgrößen sind die derzeit gegebenen Wahlrechte bei Ansatz und Bewertung nicht zweckadäquat.35 Eine Objektivierung des Jahresabschlusses erfordert eindeutige Rechnungslegungsregeln. Eine HGB-Reform hat somit zum einen v. a. an den zahlreichen Wahlrechten anzuknüpfen, welche derzeit bestehen. Insbesondere sind die im geltenden Recht bestehenden Möglichkeiten der Bildung und Auflösung stiller Rücklagen weitestgehend einzuschränken. Zum anderen ist zu prüfen, inwieweit darüber hinaus zur Ermittlung eines erwirtschafteten sowie eines entziehbaren Periodenerfolges gegebenenfalls Änderungen bestimmter Ansatz- und Bewertungsvorschriften adäquat sind.

2. Modifikationen des Realisationsprinzips für Informationszwecke Eigner wie Gläubiger sind wie gezeigt beide an den künftigen Zahlungsströmen interessiert. Das theoretische Ideal des Effektivvermögens, bei dem die Aktiva und Passiva eines Unternehmens Ein- bzw. Auszahlungspotenziale darstellen und sich zugleich ein ökonomischer Gewinn ermitteln lässt, lässt sich durch eine Bilanz im Rechtssinne wie gezeigt nicht abbilden. Auch einer näherungsweisen Ermittlung eines solchen Effektivvermögens stehen schwerwiegende Bedenken, so insbesondere die mangelnde Objektivierbarkeit entgegen. Eigner und Gläubiger sind teils unmittelbar, teils mittelbar – zur Abschätzung der künftigen (Ein-)Zahlungsströme – an der Ermittlung des Periodenerfolges einschließlich seiner planmäßigen und außerplanmäßigen Komponenten interessiert. Eigner haben ferner ein Interesse am Wert bei Verkauf ihrer Beteiligung oder des ganzen Unternehmens, Gläubiger hingegen sind primär am Wert des Vermögens im Sinne eines Schuldendeckungspotenzials interessiert. Der Ansatz i. S. d. Einzelveräußerungsstatik, durch eine Zeitwertbilanzierung zu Einzelveräußerungswerten ein veräußerungsfähiges bzw. realisierbares Vermögen zur Bestimmung eines Schuldendeckungspotenzials zu ermitteln,36 wird aus den bereits in Abschnitt D.III.1.d) dargelegten Gründen hier nicht weiter verfolgt. ___________ 34

Vgl. ebenso Leffson, U. (1987), S. 106 f.; Schmidt, M. (2000), S. 97 f., Fn. 176. So auch Schulze-Osterloh, J. (2004), S. 1129. 36 Vgl. Siegel, T. (1998-b), S. 593 ff.; Kittner, W. A. (2001), S. 204 ff. 35

II. Fortentwicklung der Vorschriften des HGB

429

Grundsätzlich sind zur Bereitstellung von Zeitwerten zwei verschiedene Vorgehensweisen möglich: Nach der Abkopplungsthese dienen Bilanz und GuV-Rechnung weiterhin der Ermittlung eines ausschüttungsfähigen bzw. entziehbaren Gewinnes, während zusätzliche Informationen über unrealisierte Gewinne, insbesondere aus dem Ansatz von Zeitwerten, im Anhang gewährt werden. Die andere Möglichkeit besteht darin, solche Zeitwerte unmittelbar in der Bilanz anzusetzen und die daraus resultierenden Zeitwertdifferenzen in eine ausschüttungsgesperrte Rücklage einzustellen, die so genannten gläsernen, aber verschlossenen Taschen. Wie in Abschnitt D.II.1.a) dargelegt, bestehen Bedenken, ob die Abkopplungsthese richtlinienkonform ist. Faktisch ist zu berücksichtigen, dass die letztendliche Entscheidung bezüglich der Auslegung der Vierten EG-Richtlinie dem EuGH obliegt.37 Sofern die Abkopplungsthese für nicht richtlinienkonform beurteilt wird, ist die Möglichkeit der gläsernen, aber verschlossenen Taschen umzusetzen. Die Vierte EG-Richtlinie gewährt in Art. 42a bis Art. 42c Mitgliedstaatenwahlrechte hinsichtlich der Bewertung von Finanzinstrumenten mit dem beizulegenden Zeitwert. Art. 42e und 42f der Vierten EG-Richtlinie enthalten Mitgliedstaatenwahlrechte hinsichtlich der Bewertung auch von Nicht-Finanzinstrumenten zum fair value. Wertänderungen, die aus einer Bewertung zum fair value resultieren, können erfolgswirksam erfasst werden. Bei der Bewertung von Finanzinstrumenten zum fair value beziehen sich die Mitgliedstaatenwahlrechte im Wesentlichen lediglich auf den Anwenderkreis der Regelung (alle Unternehmen, Gruppen von Unternehmen oder Beschränkung auf den Konzernabschluss). Soweit eine Bewertung von Finanzinstrumenten zum fair value umgesetzt wird, sind die Mitgliedstaaten somit an die in der Vierten EG-Richtlinie enthaltenen Vorgaben gebunden. Darin sind sowohl die von der Bewertung zum fair value umfassten Positionen (vgl. Art. 42a)38 als auch die Ermittlung der fair values (vgl. Art. 42b) sowie die Berücksichtigung von Wertänderungen (vgl. Art. 42c) vorgegeben. Wertänderungen sind grundsätzlich, abgesehen von den explizit genannten Ausnahmen, unmittelbar in der GuV-Rechnung auszuweisen (vgl. Art. 42c Abs. 1). Lediglich bei Wertänderungen von zur Veräußerung zur Verfügung stehenden Finanzanlagen verfügen die Mitgliedstaaten über das Wahlrecht, die erfolgswirksame oder -neutrale Berücksichtigung vorzuschreiben (vgl. Art. 42c Abs. 2). Diesbezüglich ist eine erfolgsneutrale Behandlung vorzuziehen.39 Gemäß Art. 42e der Vierten EG___________ 37 Vgl. Winkeljohann, N./Schellhorn, M., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 264 Rn. 24. 38 Darunter fallen neben zur Veräußerung gehaltenen Finanzinstrumenten auch derivative Finanzinstrumente (vgl. Art. 42a Abs. 2 bis Abs. 4 der Vierten EG-Richtlinie). 39 Vgl. auch DRSC (2005), S. 33 f.

430

H. Empfehlungen zur Rechnungslegung im Jahresabschluss

Richtlinie können die Mitgliedstaaten ferner „gestatten oder vorschreiben, dass alle Gesellschaften oder einzelne Gruppen von Gesellschaften bestimmte Arten von Vermögensgegenständen mit Ausnahme von Finanzinstrumenten auf der Grundlage des beizulegenden Zeitwertes (‚fair value‘) bewerten“. Hinsichtlich daraus resultierender Wertänderungen können die Mitgliedstaaten ebenfalls einen erfolgswirksamen oder -neutralen Ausweis vorschreiben (vgl. Art. 42f). Die Möglichkeit eines umfassenden Ansatzes von Zeitwerten auch in den Fällen, in denen keine aktiven Märkte gegeben sind, wird in der vorliegenden Arbeit aufgrund der damit verbundenen Objektivierungsprobleme abgelehnt. Fraglich ist, wie ein Zeitwertansatz in denjenigen Fällen zu beurteilen ist, in denen ein Marktwert gegeben ist, so dass dem Kriterium einer Objektivierbarkeit hinreichend gerecht wird. Zeitwerte als Einzelveräußerungserlöse haben bei Annahme der Unternehmensfortführung lediglich dann „prospektive Relevanz“40, wenn auch eine Realisierung angestrebt wird. Bei Vermögenswerten, bei denen hingegen keine Realisierung angestrebt wird, ist fraglich, was Schwankungen von fair values anzeigen sollen, so insbesondere beim Anlagevermögen.41 In diesen Fällen sind Zeitwerte irreführend.42 Ein Ansatz von Tageswerten könnte jedoch bei zum Absatz bestimmten Vermögensgegenständen in Betracht gezogen werden, um – neben dem realisierten Erfolg – den in einer Periode erzielten Dispositionserfolg zu bestimmen. Hier kommen insbesondere Wertpapiere in Betracht, welche zu Spekulationsbzw. Handelszwecken gehalten werden. Durch einen Ausweis der Differenz zwischen den Anschaffungs- und den Einzelveräußerungswerten ließe sich zum einen zeigen, ob in der abgeschlossenen Periode geschickt disponiert wurde. Zum anderen wäre aufgrund der Liquidierbarkeit und der Spekulations- bzw. Veräußerungsabsicht auch ein Zahlungsstrombezug gegeben. Sofern eine solche Bewertung zu Tageswerten bei finanziellen Vermögensgegenständen in Betracht gezogen wird, ist zu erwägen, dies analog auch bei zum Absatz bestimmten nicht-finanziellen Vermögensgegenständen einzuführen. Eine unterschiedliche Behandlung von finanziellen und nicht-finanziellen ___________ 40

Rückle, D. (2005), S. 292. Einer Untersuchung zufolge kommt einer Folgebewertung von Sachanlagen zu Zeitwerten in der Praxis deutscher Unternehmen auch keine Bedeutung zu: Eine Analyse von 100 Geschäftsberichten deutscher, börsennotierter Konzernunternehmen der Jahre 2001 bis 2003, welche nach IFRS erstellt waren, ergab, dass alle untersuchten Unternehmen ihre Sachanlagen entsprechend der Anschaffungskostenmethode zu fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten bewertet haben. Vgl. Pellens, B./Fülbier, R. U./Gassen, J. (2006), S. 310. 42 Vgl. Rückle, D. (2005), S. 292; Ballwieser, W./Küting, K./Schildbach, T. (2004), S. 548; so bezüglich Finanzvermögen und Finanzschulden siehe auch Schildbach, T. (1999), S. 178. 41

II. Fortentwicklung der Vorschriften des HGB

431

Bilanzpositionen kann Verzerrungen bei den Managemententscheidungen bewirken. So können Manager, soweit sie anhand solcher Erfolge beurteilt werden, schlechtere Finanzinvestitionen vorteilhafteren Sachinvestitionen vorziehen, da sie bei Ersteren selbst in den Genuss der Erfolge auf Basis der gestiegenen Marktwerte kommen.43 Bei zur Wiederbeschaffung bestimmten Vermögensgegenständen, wie etwa Rohstoffen, kämen als Tageswerte die Wiederbeschaffungswerte, bei zum Absatz bestimmten Vermögensgegenständen, wie den Fertigerzeugnissen, die Tagesveräußerungswerte in Betracht.44 Diese Orientierung der Wertermittlung je nach Vermögensgegenstand am Absatz- oder am Wiederbeschaffungsmarkt entspricht der im HGB de lege lata geltenden Ermittlung des beizulegenden Wertes bei der Vornahme außerordentlicher Abschreibungen.45 Auch die IFRS kennen eine Bewertung der Vorräte zu Zeitwerten lediglich im Rahmen einer Abschreibung, wobei dort der niedrigere Nettoveräußerungswert relevant ist (vgl. IAS 2.9).46 Durch eine solche Bewertung der zum Absatz bestimmten Vermögensgegenstände zu Tageswerten wird die Leistung der Geschäftsführung in der abgelaufenen Periode umfassend erfasst, indem sowohl die realisierten Gewinne und Verluste als auch unrealisierte Gewinne und Verluste v. a. durch die Schaffung absatzbereiter Produkte sowie die Beschaffung von Vorräten abgebildet werden. Eine solche Bestimmung des Dispositionserfolges der Geschäftsführung dient insbesondere dazu, die Leistungen des Managements zu beurteilen.47 Aufgrund des Zahlungsstrombezuges der Marktwerte können sie zugleich der Prognose künftiger Zahlungen dienen. Somit sind sie sowohl zur Selbstinformation der Geschäftsführung als auch für von der Geschäftsführung ausgeschlossene Eigner sowie für Gläubiger interessant. Die unrealisierten Gewinne sind gegebenenfalls – soweit möglich – in ausschüttungsgesperrte Rücklagen einzustellen,48 um dem Ziel der Einkommensbzw. Anspruchsbemessung gerecht zu werden. Ein gesonderter Ausweis der realisierten und unrealisierten Gewinn- bzw. Vermögensbestandteile ist ferner auch erforderlich, damit die Informationsadressaten die Qualität der Vermögen bzw. Erfolge erkennen und künftige Erfolgs- bzw. Zahlungsströme abschätzen ___________ 43

Vgl. Schildbach, T. (1999), S. 182. Vgl. Rückle, D. (2005), S. 292 hinsichtlich der Bereitstellung anlegerrelevanter Informationen bei Investitionen in Aktien, Investmentfonds und Lebensversicherungen (am geregelten Kapitalmarkt). 45 Siehe hierzu die Ausführungen in Abschnitt D.II.3.b)(1) der vorliegenden Arbeit. 46 Vgl. auch Coenenberg, A. G. (2005), S. 201. 47 Vgl. Rückle, D. (2005), S. 292. 48 Vgl. Rückle, D. (2005), S. 292; Kittner, W. A. (2001), S. 209. 44

432

H. Empfehlungen zur Rechnungslegung im Jahresabschluss

können.49 Wertänderungen von Finanzinstrumenten sind allerdings gemäß Art. 42c der Vierten EG-Richtlinie, soweit es sich dabei nicht lediglich um zur Veräußerung verfügbare Finanzinstrumente oder weitere Ausnahmen handelt, grundsätzlich direkt in der GuV-Rechnung zu erfassen. Eine Bewertung zu Marktwerten enthält jedoch – v. a. bei Finanzinstrumenten – Zufallskomponenten, so etwa wenn die Tageswerte von Finanzinstrumenten vom Management unbeeinflusst lediglich aufgrund einer Veränderung des Kapitalmarktzinses variieren.50 Nach hier vertretener Auffassung sollte bei Unternehmen, die nicht auf den geregelten Kapitalmarkt ausgerichtet sind, der Ansatz von Zeitwerten in der Bilanz gegebenenfalls auf für zu Spekulations- oder Handelszwecken gehaltene finanzielle Vermögensgegenstände beschränkt werden. Entsprechende Wertsteigerungen sollten dann allerdings in einer ausschüttungsgesperrten Rücklage zu erfassen sein. Zur Weiternutzung bestimmte Vermögensgegenstände, wie insbesondere (Spezial-)Anlagen, sind zu fortgeführten Anschaffungskosten zu bewerten. Bei einer Bewertung des Anlagevermögens zu gegebenenfalls um Abschreibungen verringerten Anschaffungs- oder Herstellungskosten besteht allerdings immer noch das Problem, dass es zur Bildung stiller Rücklagen kommen kann. Die Bildung solcher stiller Rücklagen kann teilweise durch die Beseitigung entsprechender Wahlrechte eingeschränkt werden; hierauf wird bei der Betrachtung des Abbaus von Wahlrechten näher eingegangen. Ein großes Potenzial besteht ferner auch an steuerlichen Abwertungsmöglichkeiten, welche durch eine Aufhebung der umgekehrten Maßgeblichkeit beseitigt werden könnten. Sofern bestimmte Positionen des Anlagevermögens aufgrund von Wertsteigerungen über Anschaffungs- oder Herstellungskosten hinaus stille Zwangsrücklagen in hohem Umfang enthalten, sind solche Sachverhalte im Anhang anzugeben.51 Eine solche Angabepflicht besteht nach offenbar h. M. derzeit noch nicht;52 nach anderer Auffassung greift in diesem Fall jedoch § 264 Abs. 2 ___________ 49 Auf die Gefahr, dass der Jahresabschlussadressat gegebenenfalls nicht mehr weiß, welche Qualität Vermögen und Erfolg besitzen, wenn der Erfolg sowohl den strengen Kriterien des herkömmlichen Realisations- und Imparitätsprinzips genügt oder aber auf Kursentwicklungen beruht, weist auch Schildbach hin. Vgl. Schildbach, T. (1994), S. 715 f. 50 Vgl. Schildbach, T. (1999), S. 183. 51 Vgl. Schildbach, T. (1994), S. 720 f.; Lachnit, L. (1993), S. 200; Siegel, T. et al. (1999), S. 2080, diese lassen offen, ob solche Angaben in der Bilanz in Verbindung mit einer ausschüttungsgesperrten Rücklage oder im Anhang gemacht werden sollen. Sofern auch bei den zum Absatz bestimmten Vermögensgegenständen ein Ausweis der Tageswerte in der Bilanz abgelehnt wird, besteht auch diesbezüglich die Möglichkeit, diese Informationen i. S. d. Abkopplungsthese im Anhang zu vermitteln. 52 Vgl. etwa Winkeljohann, N./Schellhorn, M., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 264 Rn. 44 f. m. w. N.

II. Fortentwicklung der Vorschriften des HGB

433

Satz 2 HGB mit seiner Forderung nach zusätzlichen Angaben, da anderenfalls ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild nicht vermittelt wird.53 Dabei können relativ hoch anzusetzende Wesentlichkeitskriterien angesetzt werden.54 Bei einer solchen Vorgehensweise werden diese Informationen – anders als bei einem umfassenden Ansatz von Einzelveräußerungswerten in der Bilanz – lediglich bei Kapital- und diesen gleichgestellten Personengesellschaften bereitgestellt.55 Dies erscheint gerechtfertigt, da gerade bei diesen Unternehmen aufgrund der beschränkten Haftung die Gefährdung der Gläubiger besonders ausgeprägt ist. Hinsichtlich des Anteilseignerschutzes sind solche Informationen v. a. relevant bei Unternehmen, bei denen die Eigner keine persönlichen Einsichtsrechte haben und bei denen die Offenlegung solcher Informationen sich auf die Marktpreise der Anteile am Unternehmen auswirken können.56 Neben einer Einführung von Zeitwerten wird eine Modifikation des Realisationsprinzips ferner auch hinsichtlich einer punktuellen Erweiterung der Bilanzansatzpflichten sowie einer anteiligen Gewinnrealisierung bei langfristigen Fertigungsaufträgen diskutiert. Bezüglich einer punktuellen Ausweitung der Bilanzansatzpflichten kommt insbesondere der Ansatz von selbst erstelltem immateriellem Anlagevermögen in Betracht. Die Vierte EG-Richtlinie sieht in Art. 8 i. V. m. Art. 9 C.I bzw. Art. 10 C.I für die Aktivierung von Forschungsund Entwicklungskosten sowie selbst erstellte Konzessionen, Patente, Lizen___________ 53

Vgl. Lachnit, L. (1993), S. 200; Siegel, T. et al. (1999), S. 2080. Die Bedeutung, welche die Information über stille Rücklagen insbesondere auch für Fremdkapitalgeber hat, kommt auch in einer im Jahr 1994 durchgeführten Interviewbefragung von 35 großteils kleinen und mittleren (i. S. d. § 267 HGB) Gesellschaften in der Form der GmbH oder GmbH & Co. KG zum Ausdruck. Danach hat die Mehrheit dieser Unternehmen (rund 63 %) die eigene Bank über das Zahlenmaterial des Jahresabschlusses hinaus informiert, wobei u. a. der Umfang der stillen Rücklagen als Beispiel genannt wurde. Die befragten Unternehmen waren zudem nicht konzernabhängig und ganz überwiegend eigentümergeführt; vgl. Glieden, P. (1997), S. 118 f. 54 Vgl. Lachnit, L. (1993), S. 200. 55 Demgegenüber fordert etwa Schmidt, welcher zur Gewinnung einer schuldendeckungsbezogenen Bilanz den Ansatz sämtlicher Bilanzpositionen zu Einzelveräußerungswerten vorsieht, die Ermittlung einer solchen Bilanz für alle Unternehmen, unabhängig von Größe, Rechtsform oder Inanspruchnahme der Kapitalmärkte. Vgl. Schmidt, M. (2000), S. 97. 56 Bei Unternehmen, welche Finanzinstrumente an einem organisierten Kapitalmarkt handeln, sind Informationen, welche geeignet sind, den Börsenpreis der Wertpapiere erheblich zu beeinflussen, gemäß § 15 Abs. 1 WpHG zwingend vorgeschrieben. Dazu im Widerspruch steht allerdings das Urteil des BVerfG, wonach gemäß § 131 Abs. 3 AktG Kleinaktionären die Auskunft über Tageswerte verweigert werden darf. Vgl. BVerfG, B. vom 20.09.1991 – 1 BvR 168/93, NJW 2000, S. 129 ff.

434

H. Empfehlungen zur Rechnungslegung im Jahresabschluss

zen, Warenzeichen und ähnliche Rechte und Werte ein Mitgliedstaatenwahlrecht vor. Die Möglichkeit einer Aktivierung selbst erstellter immaterieller Vermögensgegenstände unter der Voraussetzung einer trennscharfen, die Werthaltigkeit sichernden Aktivenabgrenzung könnte sowohl zu einer periodengerechteren Erfolgsermittlung als auch einem realitätsnäheren Vermögensausweis beitragen. Hinsichtlich einer solchen (punktuellen) Erweiterung der Ansatzpflichten bestehen jedoch Bedenken: Als Argument gegen einen lediglich punktuellen Ansatz von immateriellem Vermögen lässt sich anführen, dass Vermögen und Erfolge von solchen Unternehmen, die in verschiedene Formen immateriellen Vermögens – wie Entwicklung einerseits, Forschung, Mitarbeiterausbildung und Werbung andererseits – investieren, ihre Vergleichbarkeit verlieren.57 Ob und wie außen stehende Rechnungslegungsinteressenten solche Ungleichbehandlungen erkennen und interpretieren können, ist ungewiss.58 Hinzu kommt die alt bekannte Problematik der Ermessensspielräume, welche bei der Ermittlung der Wertansätze der immateriellen Vermögensgegenstände auftreten.59 Gegen das derzeit geltende generalisierende Ansatzverbot selbst erstellter immaterieller Anlagegüter lässt sich einwenden, dass etwa auch eine selbst erstellte Spezialmaschine in ihrem Wert ebenso gefährdet ist wie beispielsweise selbst erstellte Standardsoftware. Ferner kommt es infolge eines solchen Ansatzverbotes von selbst erstelltem Anlagevermögen zu einer Ungleichbehandlung von immateriellem Vermögen, je nachdem, ob dieses im Dienstvertrag oder im Werkvertrag entwickelt wird. Diese Gründe sprechen grundsätzlich für eine weniger generalisierende Lösung für die immateriellen Anlagegüter.60 Solange ein Konzept fehlt,61 welches eine trennscharfe, hinreichend objektivierte Lösung enthält, wird zugunsten einer objektivierten und einfachen Regelung – analog zur Vorgehensweise des FRSSE in Großbritannien – ein Beibehalten des generellen Aktivierungsverbotes selbst geschaffener immaterieller ___________ 57 So beispielsweise, wenn Forschungs- und Entwicklungskosten noch den Perioden als Aufwand zu Buche schlagen, in denen sie entstehen, während Ausgaben für die Entwicklung konkreter Produkte oder Prozesse nach IFRS unter bestimmten Voraussetzungen durch Aktivierung und anschließende Abschreibung zeitlich abgegrenzt werden. Vgl. Schildbach, T. (1994), S. 715. 58 Vgl. Schildbach, T. (1994), S. 715 f. 59 Vgl. Coenenberg, A. G. (2005), S. 147; anschaulich hierzu Moxter, A. (2003), S. 74 ff. 60 Vgl. Rückle, D. (1987), S. 311. 61 Hinsichtlich einer kritischen Betrachtung des Entwurfes des DSR zu einer künftigen Bilanzierung immaterieller Vermögenswerte (E-DRS 14) siehe Euler, R. (2001), S. 2631 ff.

II. Fortentwicklung der Vorschriften des HGB

435

Vermögenswerte des Anlagevermögens empfohlen.62 Nach IAS 38 besteht für selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte des Anlagevermögens kein generelles Aktivierungsverbot, steuerrechtlich hingegen schon.63 Neben einer solchen Ausweitung der Bilanzansatzpflichten wird in der Literatur v. a. auch die anteilige Gewinnrealisation bei langfristiger Fertigung durch Einsatz der Percentage-of-Completion-Methode diskutiert.64 Das bilanzielle Problem der Teilgewinnrealisierung bei langfristiger Fertigung besteht darin, wie die Spanne zwischen der bilanziellen Obergrenze der Herstellungskosten und den anteiligen Erlösen nach dem Fertigstellungsgrad zu behandeln ist.65 Als Sinn eines vorzeitigen Teil-Gewinnausweises wird angeführt, dass es anderenfalls zu einer gravierenden Beeinträchtigung der Informationsfunktion des Jahresabschlusses käme66 und das „Jahresergebnis als Maßgröße des wirtschaftlichen Erfolgs unbrauchbar“67 wäre, sofern sich die Jahreserfolge nicht durch eine größere Anzahl derartiger Projekte gegebenenfalls ausgleichen könnten. Dem Vorteil, dass die Periodenerträge durch einen Teil-Gewinnausweis nicht allzu unregelmäßig anfallen, steht jedoch der Nachteil gegenüber, dass der Erfolg zwangsweise und meist nicht unerheblich auf Schätzungen basiert.68 Es besteht die Gefahr, dass die Erfolgsrechnung absichtlich manipuliert oder unabsichtlich verfälscht wird. Dementsprechend verhält sich die deutsche Literatur relativ restriktiv und erkennt eine Ausnahme vom Realisationsprinzip überwiegend nur unter sehr engen Bedingungen an, indem ein vorzeitiger TeilGewinnausweis in der Regel an eine Reihe zusätzlicher Voraussetzungen ge-

___________ 62 So auch Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (2003), S. 1586; a. A. der DSR, welcher mit Ausnahme des Aktivierungsverbots für Forschungskosten und den originären Goodwill eine Aktivierungspflicht für immaterielles Vermögen empfiehlt und entsprechend vorschlägt, den Begriff der „Vermögensgegenstände“ in den der „Vermögenswerte“ zu ändern, vgl. DRSC (2005), S. 32. 63 Vgl. Weber-Grellet, H., in: Schmidt, L. (2006), § 5 Rn. 161. 64 Selchert schlägt vor, zwischen auftragsloser Fertigung und Auftragsfertigung zu unterscheiden und bei Letzterer während einer mehrperiodigen Fertigungszeit eine fertigungsanteilige Gewinnrealisierung zu berücksichtigen. 65 Vgl. Ellrott, H./Brendt, P., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 255 Rn. 458. 66 Dies wird teilweise zugleich explizit als Prämisse für eine vorzeitigen Teil-Gewinnausweis gefordert: „(E)ine Abrechnung des Auftrages erst nach Abschluß der langfristigen Fertigung müßte zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung des Einblicks in die Ertragslage des Unternehmens führen“. Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 252 HGB Rn. 88. 67 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 279. 68 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 287; Schildbach, T. (1994), S. 716 f.

436

H. Empfehlungen zur Rechnungslegung im Jahresabschluss

knüpft wird.69 So wird insbesondere gefordert, dass keine Risiken ersichtlich sein dürfen, die das erwartete Ergebnis wesentlich beeinflussen können; ferner müssen die Teilobjekte bzw. -leistungen innerhalb der Gesamtproduktion des Unternehmens so bedeutend sein, dass ihre Realisation erheblichen Einfluss auf den Periodenerfolg hat.70 Sofern die langfristige Fertigung einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Unternehmens bildet und ohne einen entsprechenden Ausweis eines Teilgewinnes die Aussagekraft der Periodenergebnisse in den Jahren der Herstellung stark eingeschränkt wäre, ist nach hier vertretener Auffassung der Ausweis eines Teilgewinnes in seltenen Fällen vertretbar, sofern weitere, sehr restriktive Bedingungen erfüllt sind.71 Dabei wird dem Vorschlag einer begrenzten Teilgewinnrealisierung gefolgt, wonach bei Aufträgen, deren Durchführung sich über mehrere Jahre erstreckt, unter bestimmten Voraussetzungen ein über die Herstellungskosten hinausgehender Ansatz der anteiligen Selbstkosten zugelassen werden soll. Auf diese Weise beschränkt sich die bilanzielle Teilgewinnrealisierung auf den zusätzlichen Ansatz angefallener Selbstkosten, welche nicht im Rahmen der Herstellungskosten aktivierbar sind; ein möglicher Gewinnzuschlag i. e. S. wird hingegen nicht berücksichtigt. Dieser Ansatz von Zwischenwerten lässt sich mit dem Vorsichtsprinzip begründen (nicht etwa mit einer Abweichung von der Definition der Herstellungskosten).72 Als Voraussetzung für einen solchen Ansatz muss absehbar sein, dass die zukünftigen Erlöse abzüglich der noch anfallenden Herstellungsund sonstigen Aufwendungen sowie abzüglich Gewinnaufschlag den Wertansatz decken. Ferner ist bei Kapital- und diesen gleichgestellten Gesellschaften im Anhang darüber zu berichten.73 Ein solcher Ansatz erscheint ausgewogen hinsichtlich der zu erfüllenden Rechnungslegungsziele. Zugleich ermöglicht er ___________ 69 Siehe etwa Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 252 HGB Rn. 88, welche insgesamt neun kumulativ zu erfüllende Bedingungen aufstellen; auf diese Voraussetzungen verweist auch IDW (2006), E Rn. 244; Leffson, U. (1987), S. 278 ff., insbesondere S. 282 und S. 287. 70 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 282; Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 252 HGB Rn. 88; IDW (2006), E Rn. 244. 71 Demgegenüber eine Teilgewinnrealisierung ausschließlich bei endgültiger Teilabrechnung befürwortend siehe Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (2003), S. 1587. 72 Für ein solches Vorgehen bereits de lege lata plädieren Ellrott/Brendt, vgl. Ellrott, H./Brendt, P., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 255 Rn. 459. 73 Vgl. Ellrott, H./Brendt, P., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 255 Rn. 459. Gegen den Ansatz solcher Zwischenwerte etwa Leffson, U. (1987), S. 284; nach Leffson kann es demnach ausschließlich eine Aktivierung zu Herstellungskosten oder den Ausweis von Teilerlösen geben.

II. Fortentwicklung der Vorschriften des HGB

437

es in der Praxis, den Unterschied zu einer anteiligen Gewinnrealisierung nach IFRS zu mildern.74 Des Weiteren setzt eine solche Teilgewinnrealisierung insbesondere auch voraus, dass nicht mit der Möglichkeit zu rechnen sein darf, dass in der Folgezeit Fehlleistungen auftreten können, welche den Gewinn des gesamten Projektes aufzehren.75 Ebenso wenig dürfen Anzeichen dafür vorliegen, dass der Abnehmer eines Auftrages Einwendungen erheben kann, welche sich negativ auf das Gesamtergebnis auswirken können, oder Risiken ersichtlich sein, die das erwartete Ergebnis wesentlich beeinträchtigen können.76 Endgültige Teilabrechnungen hingegen stehen nicht im Gegensatz zum Realisationsprinzip, so dass in diesen Fällen ohnehin eine Teilgewinnrealisierung gegeben ist.77 Dabei müssen die Vertragsgegenstände rechtlich und wirtschaftlich übergehen und in den Folgeperioden dürfen keine Verluste drohen.78 Steuerrechtlich ist die Anwendung einer Percentage-of-Completion-Methode nicht möglich.79 Nach den IFRS hingegen ist eine entsprechende Teilgewinnrealisierung wie gezeigt verpflichtend vorgegeben, sofern die Voraussetzungen hierzu erfüllt sind.

3. Beseitigung von Wahlrechten Neben diesen möglichen Modifizierungen des Realisationsprinzips hat eine HGB-Reform v. a. eindeutige Abbildungsregeln, d. h. die Abwesenheit von Wahlrechten sowie bei erforderlichen Schätzungen ein weitestgehendes Einhalten objektivierter Annahmen anzustreben.80 Im Rahmen einer HGB-Reform sind somit Beschränkungen der zahlreichen Ansatz- und Bewertungswahlrechte81 zu prüfen, wie dies zum Teil auch in der Literatur82 gefordert und in Ansätzen bereits im Rahmen des Maßnahmenkataloges der Bundesregierung zur Stärkung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes am 25. März 200383 angekündigt worden ist. ___________ 74

Vgl. Ellrott, H./Brendt, P., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 255 Rn. 462. So auch Leffson, U. (1987), S. 282. 76 So auch Adler/Düring/Schmaltz (1995), § 252 HGB Rn. 88. 77 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 287; Coenenberg, A. G. (2005), S. 218. 78 Vgl. Ellrott, H./Brendt, P., in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 255 Rn. 461. 79 Vgl. Coenenberg, A. G. (2003), S. 234. 80 Vgl. Rückle, D. (2005), S. 282. 81 Siehe Abschnitte D.II.3.a)(1) und D.II.3.b)(1) der vorliegenden Arbeit. 82 Vgl. DRSC (2002-b), Anhang B14; DRSC (2005), S. 3 ff.; IDW (2003), S. 3. 83 Vgl. BMJ (2003), Punkt 4. 75

438

H. Empfehlungen zur Rechnungslegung im Jahresabschluss

Aus Sicht der Informationsfunktion werden Wahlrechte, sofern sie sich nicht angesichts geringer Auswirkungen aus Wirtschaftlichkeitsgründen (so genannte Vereinfachungswahlrechte) oder angesichts ansonsten drohender schwerwiegender Nachteile (so genannte Billigkeitswahlrechte, wie das Ansatzwahlrecht für Ingangsetzungsaufwendungen) in strengen Grenzen rechtfertigen lassen, von der Literatur überwiegend abgelehnt.84 Die Einschränkung von Wahlrechten, die lediglich aus Unsicherheit über die zweckadäquatere Rechnungslegungsvorschrift eingeräumt werden, dient der Information, wenn die ausgeschlossenen Darstellungsmöglichkeiten nicht aufschlussreicher wären, die Einschränkung auf weniger Abbildungsmöglichkeiten jedoch den Rückschluss vom Abbild auf die Realität verbessert. Sofern in bestimmten Fällen Unternehmen durch die Wahlrechtseinschränkung zu einer verzerrten Darstellung gezwungen wären, werden informationswillige Unternehmen von sich aus richtig stellende Angaben im Anhang vornehmen. Bei nicht informationswilligen Unternehmen hingegen ist anzunehmen, dass sie im Falle von Wahlrechten stets die wenig aussagekräftige Methode wählen.85 Aus Sicht der Anspruchsbemessungszwecke sollen handelsrechtliche Rechnungslegungsvorschriften der Eingrenzung der Handlungsspielräume der Manager gegenüber den außen stehenden Eignern und Gläubigern dienen. Auch diesbezüglich sind Wahlrechte somit grundsätzlich abzulehnen.86 Dabei ist der Umfang der Wahlrechte, die im Rahmen einer HGB-Reform abgeschafft werden können, ausschließlich auf solche begrenzt, die in der Vierten EG-Richtlinie als Mitgliedstaatenwahlrechte geregelt und vom deutschen Gesetzgeber an die bilanzierenden Unternehmen weitergegeben worden sind.87 Angesichts des Wunsches eines Großteils der mittelständischen Unternehmen, für handels- und steuerrechtliche Zwecke eine weitgehend einheitliche Bilanz aufstellen zu können, ist auch von Belang, inwieweit die im Falle der Beseitigung bestimmter Wahlrechte handelsrechtlich dann vorgeschriebenen Methoden zugleich mit den steuerlichen Zwecken harmonieren.88 Bezüglich der vom Steuerrecht induzierten Wahlrechte, d. h. der so genannten Umkehrmaßgeblichkeit, wird wie dargelegt in Übereinstimmung mit einem großen Teil der Li___________ 84 Vgl. etwa Siegel, T. (1986-b), S. 421 ff.; Schneider, D. (1997-a), S. 396 ff.; Rückle, D. (2005), S. 282. 85 Zur Diskussion vgl. Schildbach, T. (1994), S. 703. 86 Schildbach hingegen plädiert dafür, mehrere Möglichkeiten zur Wahl zu stellen verbunden mit der Auflage, dass etwa im Gesellschaftsvertrag eine Methode verbindlich vorgegeben werden muss. Vgl. Schildbach, T. (1994), S. 706. 87 Von der Richtlinie gewährte Unternehmenswahlrechte hingegen kann der nationale Gesetzgeber nicht ohne eine entsprechende Änderung der betreffenden Richtlinienregelung vornehmen. Vgl. Jessen, U./Weller, H. (2005), S. 490. 88 Vgl. Schildbach, T. (1994), S. 708 f.

II. Fortentwicklung der Vorschriften des HGB

439

teratur deren Abschaffung gefordert.89 Sofern den Unternehmen die subventionellen Steuervergünstigungen weiterhin gewährt werden sollen, würde dies voraussetzen, dass steuerrechtlich akzeptable Wege gefunden werden, wie diese Steuervergünstigungen gegebenenfalls auf anderem Weg, ohne schädliche Rückwirkungen auf die Handelsbilanz gewährt werden können.90 Durch die Abschaffung der Wahlrechte kann schließlich in Teilen auch eine Annäherung an die IFRS erfolgen. Im Folgenden werden Vorschläge bezüglich der wesentlichen Ansatz- und Bewertungswahlrechte gemacht:91 Hinsichtlich der Aktivierungswahlrechte ist das Ansatzwahlrecht betreffend den derivativen Geschäfts- oder Firmenwert (vgl. § 255 Abs. 4 Satz 1 HGB) in ein Aktivierungsgebot umzuwandeln.92 Ob die Vierte EG-Richtlinie diesbezüglich ein Mitgliedstaatenwahlrecht oder ein Aktivierungsgebot enthält, ist strittig.93 Steuerlich ist ein derivativer Geschäfts- oder Firmenwert ohnehin als Wirtschaftsgut aktivierungspflichtig (vgl. § 5 Abs. 2 EStG). Nach IFRS besteht ebenfalls eine Aktivierungspflicht (vgl. IFRS 3.51). Gegebenenfalls sollte eine Klarstellung – eventuell in § 246 Abs. 1 HGB – erfolgen, dass ein solcher Geschäfts- oder Firmenwert unter die Vermögensgegenstände fällt.94 Die Möglichkeit einer Bilanzierungshilfe für Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen (vgl. § 269 HGB) ist durch ein Ansatzverbot zu ersetzen.95 Die Zulässigkeit der Bildung einer solchen Bilanzierungshilfe basiert ebenfalls auf einem Mitgliedstaatenwahlrecht (vgl. Art. 34 Abs. 1 der Vierten EGRichtlinie). Empirischen Untersuchungen zufolge nehmen kleine und mittelgroße Kapital- und diesen gleichgestellte Gesellschaften die Bilanzierungshilfe ___________ 89 Vgl. Schildbach, T. (1994), S. 708; Busse von Colbe, W. (1998), S. 384; Kommission Rechnungswesen im Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e. V. (1979), Tz. 29; Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der SchmalenbachGesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (2003), S. 1587; Siegel, T. (1986-b), S. 423. 90 Vgl. Schildbach, T. (1994), S. 708 f. 91 Dabei wird nur auf die bereits in den vorangegangenen Abschnitten dargestellten Wahlrechte eingegangen. Hinsichtlich der Diskussion zu weiteren Wahlrechten siehe etwa DRSC (2005), S. 4 ff. und Jessen, U./Weller, H. (2005), S. 491 ff. 92 Vgl. DRSC (2005), S. 4 f.; Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (2003), S. 1586; IDW (2005), S. 53. 93 Zur Diskussion siehe Hennrichs, J. (1999), S. 156 f. m. w. N., dieser geht von einer Aktivierungspflicht gemäß Art. 2 Abs. 3 der Vierten EG-Richtlinie aus. 94 Vgl. DRSC (2005), S. 4 f. 95 Vgl. DRSC (2005), S. 5; Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (2003), S. 1586; IDW (2005), S. 53.

440

H. Empfehlungen zur Rechnungslegung im Jahresabschluss

ohnehin eher selten in Anspruch.96 Steuerlich wäre ihre Abschaffung neutral, da eine solche Bilanzierungshilfe nach den Regelungen des EStG kein Wirtschaftsgut darstellt.97 Nach IFRS handelt es sich um Aufwendungen der Periode, es sei denn, sie erfüllen die Aktivierungsvoraussetzungen für Vermögenswerte (vgl. IAS 38.69 (a)). Das Ansatzwahlrecht für aktive latente Steuern (vgl. § 274 Abs. 2 HGB) stellt ebenfalls lediglich eine Bilanzierungshilfe, jedoch keinen Vermögensgegenstand dar. Vom Rechtsausschuss wurde bei der Entwicklung des Bilanzrichtliniengesetzes das Aktivierungswahlrecht mit der Begründung gerechtfertigt, den Unternehmen die Bildung von Aufwandsrückstellungen zu erleichtern.98 Das Bedürfnis nach einer Aktivierung latenter Steuern im Jahresabschluss ist in der Literatur umstritten: Von der einen Auffassung wird unabhängig von der Möglichkeit, Aufwandsrückstellungen zu bilden, ein Aktivierungsgebot gefordert mit dem Ziel, dass angesichts der Pflicht zum Ansatz passiver latenter Steuern (vgl. § 274 Abs. 1 HGB) sowohl Aktiv- als auch Passivposten latenter Steuern abzubilden sind.99 Demgegenüber wird nach anderer Auffassung in der Literatur der Ausweis eines solchen Postens abgelehnt, da er gegen das Vorsichtsprinzip verstoße. Realiter hängt die Höhe aktiver latenter Steuern von zahlreichen Ungewissheiten ab, so insbesondere vom zukünftigen Steuerbilanzergebnis und den zukünftigen Steuersätzen.100 Die Regelung zum Ansatz aktiver latenter Steuern hat in der Vierten EGRichtlinie keine unmittelbare Entsprechung. Ein Teil des Schrifttums führt das Wahlrecht des § 274 Abs. 2 HGB auf Art. 4 Abs. 1 Satz 3 der Vierten EGRichtlinie zurück.101 Danach dürfen der Bilanz neue Posten hinzugefügt werden, sofern deren Inhalt nicht von einem der im Gliederungsschema vorgesehenen Posten abgedeckt ist. Diesen Ansatz aufgreifend, kann nach Art. 43 Abs. 1 Nr. 11 Satz 2 der Vierten EG-Richtlinie die Steuerlatenz „auch als Gesamtbetrag in der Bilanz unter einem gesonderten Posten (…) ausgewiesen werden“. ___________ 96

So bei einer Interviewbefragung von 35 großteils gemäß § 267 HGB kleiner und mittlerer Gesellschaften in der Form der GmbH oder GmbH & Co. KG, welche nicht konzernabhängig und ganz überwiegend eigentümergeführt waren, vgl. Glieden, P. (1997), S. 128 f.; nach der Untersuchung der Jahresabschlüsse von 150 mittelgroßen Kapitalgesellschaften für das Jahr 1988 von Ballwieser/Häger nahmen lediglich drei Unternehmen die Bilanzierungshilfe in Anspruch, vgl. Ballwieser, W./Häger, R. (1991), S. 17 und S. 72. 97 Vgl. Weber-Grellet, H., in: Schmidt, L. (2006), § 5 Rn. 101 m. w. N. 98 Vgl. Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (1985), S. 107. 99 Vgl. DRSC (2005), S. 36 f.; IDW (2005), S. 54. 100 Vgl. Schulze-Osterloh, J. (2004), S. 1131; Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (2003), S. 1586. 101 Vgl. Jessen, U./Weller, H. (2005), S. 492 m. w. N.

II. Fortentwicklung der Vorschriften des HGB

441

Die Zulässigkeit eines solchen Postens ist hier nicht eindeutig in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten gestellt, so dass diesbezüglich von einem Unternehmenswahlrecht auszugehen ist. Aufgrund des aus dem Wortlaut abgeleiteten Unternehmenswahlrechts kann der nationale Gesetzgeber ein solches nicht beseitigen, ohne gegen die EG-Richtlinie zu verstoßen.102 Aus Vorsichtsaspekten ist eine Beibehaltung der Ausschüttungssperre sinnvoll. Nach IAS 12.12 besteht eine Aktivierungspflicht für latente Steuern. Ebenso würde eine Umwandlung des derzeitigen Wahlrechts in § 250 Abs. 3 HGB in eine entsprechende Pflicht, das Disagio auf Verbindlichkeiten als aktiven Rechnungsabgrenzungsposten auszuweisen, eine Änderung des in Art. 41 Abs. 1 der Vierten EG-Richtlinie enthaltenen Unternehmenswahlrechts voraussetzen.103 Eine solche Aktivierungspflicht wäre gemäß der handelsrechtlichen Bewertung der Verbindlichkeiten zum Rückzahlungsbetrag zu begrüßen. Steuerlich muss das Disagio ohnehin aktiviert und während der Laufzeit der Verbindlichkeit abgeschrieben werden.104 Nach den IFRS hingegen erfolgt die erstmalige Bewertung der finanziellen Verbindlichkeit, die mit einem Disagio oder Agio versehen ist, lediglich mit den Anschaffungskosten, d. h. mit dem ausgezahlten Betrag (vgl. IAS 39.43). In den Folgeperioden ist nach Maßgabe der Effektivzinsmethode sukzessive eine erfolgswirksame Aufzinsung vorzunehmen, so dass sich zum Ende der Laufzeit der Rückzahlungsbetrag ergibt (vgl. IAS 39.56 und IAS 39.AG65).105 Die Zulässigkeit von Aufwandsrückstellungen für die Bemessung von Anspruchsbemessungszwecken ist seit Langem umstritten: Der Gesetzesbegründung zufolge geht es bei den Aufwandsrückstellungen ausdrücklich um eine bessere Darstellung der Ertragslage106 sowie der Vergleichbarkeit der Ab___________ 102 Vgl. Jessen, U./Weller, H. (2005), S. 493; Hennrichs, J. (1999), S. 239. Demgegenüber geht der DSR davon aus, dass die Vierte EG-Richtlinie die Steuerabgrenzung nur partiell regelt und einer Änderung auf nationaler Ebene nicht entgegensteht. Der DSR schlägt ein Aktivierungsgebot, gegebenenfalls unter Beibehaltung der Ausschüttungssperre vor, vgl. DRSC (2005), S. 36 f.; für ein Aktivierungsverbot plädiert hingegen der Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (2003), S. 1586. 103 Vgl. DRSC (2005), S. 33 und S. 42; Jessen, U./Weller, H. (2005), S. 492; ebenfalls eine Aktivierungspflicht fordert der Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (2003), S. 1587. 104 Vgl. Weber-Grellet, H., in: Schmidt, L. (2006), § 5 Rn. 270. 105 Vgl. Wawrzinek, W., in: Beck’sches IFRS-Handbuch 2006), § 3 Rn. 58; Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S. (2005), S. 542; Kehm, P./Lüdenbach, N., in: Haufe IFRSKommentar (2005), § 28 Rn. 211; DRSC (2005), S. 42; Coenenberg, A. G. (2005), S. 387; IDW (2005), S. 54. 106 Vgl. Entwurf Bilanzrichtlinie-Gesetz, S. 83 f.

442

H. Empfehlungen zur Rechnungslegung im Jahresabschluss

schlüsse.107 Aufgrund der fehlenden Außenverpflichtung sowie der Problematik, den Aufwand zu Maßnahmen (oder Unterlassungen) der vergangenen Periode zuordnen zu können, stellen Aufwandsrückstellungen nach der inzwischen vom BGH geäußerten Ansicht sowie verbreiteter Auffassung in der Literatur jedoch ganz oder teilweise Maßnahmen der Gewinnverwendung dar. Eine solche Ergebnisverwendung wird demnach zumindest bei den Aufwandsrückstellungen angenommen, bei denen ein gesetzliches Wahlrecht besteht.108 Durch Aufwandsrückstellungen können Rücklagen für Aufwendungen künftiger Perioden gebildet werden, wobei die Aufwendungen möglicherweise nie anfallen, etwa wenn unterlassene Reparaturen infolge neuer geschäftspolitischer Entscheidungen nicht mehr durchgeführt werden.109 Dies kann leicht zu den Problemen der Gewinnverkürzung der Gesellschafter führen.110 Angesichts der hier angestrebten Ausrichtung auf eine periodengerechte Erfolgsermittlung unter der einzuhaltenden Restriktion, zugleich objektivierbar einen entziehbaren Gewinn zu bestimmen, ist nach in der vorliegenden Arbeit vertretener Auffassung eine vollständige Aufhebung der Aufwandsrückstellungen nicht ohne Weiteres zweckadäquat.111 Hinzu kommt, dass die Mitgliedstaaten von diesem Wahlrecht ganz unterschiedlich Gebrauch gemacht haben112 und den Unternehmen in Deutschland aus einem generellen Verbot somit unter Umständen auch Nachteile gegenüber ausländischen Unternehmen entstehen könnten. Hinsichtlich der Fälle, in denen die Möglichkeit entsprechender Be___________ 107 Der Rechtsausschuss hat darauf hingewiesen, dass es sich bei Aufwandsrückstellungen um „die Vorsorge für konkrete künftige Aufwendungen, die dem Geschäftsjahr oder einem früheren zuzurechnen sind und denen sich der Kaufmann nicht entziehen kann, wenn er seinen Geschäftsbetrieb unverändert fortführen will.“ Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (1985), zu § 249 HGB (S. 99). 108 Vgl. BGH, U. vom 29.03.1996 – II ZR 263/94, DB 1996, S. 926 ff.; Siegel, T. (2002), S. 1195 (generell bezüglich Aufwandsrückstellungen); Siegel, T. (1986-a), S. 841 ff.; zur Diskussion siehe Hoyos, M./Ring, M. (2006), in: Beck’scher Bilanzkommentar (2006), § 249 Rn. 306. Eine Gegenüberstellung unterschiedlicher Meinungen zur Bedeutung bzw. Auslegung von Aufwandsrückstellungen, insbesondere auch zu deren Verhältnis zur dynamischen Bilanzauffassung siehe Oberbrinkmann, F. (1990), S. 291 ff. 109 Vgl. Rückle, D. (1997), S. 440. 110 Vgl. Merkt, H., in: Baumbach/Hopt (2006), § 249 HGB Rn. 26. 111 Demgegenüber wird von einigen Fachgremien dafür plädiert, die Passivierungswahlrechte bezüglich Rückstellungen für unterlassene Aufwendungen für Instandhaltung nach § 249 Abs. 1 Satz 3 HGB sowie für allgemeine Aufwandsrückstellungen (vgl. § 249 Abs. 2 HGB) aufzuheben und diesbezüglich Passivierungsverbote einzuführen. Eine gänzliche Abschaffung fordern etwa: DRSC (2005), S. 3; Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (2003), S. 1586; IDW (2005), S. 55. 112 Vgl. Hennrichs, J. (1999), S. 351 m. w. N.

II. Fortentwicklung der Vorschriften des HGB

443

wertungsvorgänge auf der Aktivseite besteht, ist zu entscheiden, ob weiterhin aus Vereinfachungsgründen an der Bildung von Aufwandsrückstellungen festgehalten werden soll oder der Möglichkeit von Abschreibungen der Vorzug gegeben werden soll. Für die so bestimmten Aufwandsrückstellungen sind die Maßstäbe für deren Ausübung zu verschärfen,113 um Gestaltungsspielräume, welche die Eigner als Residualeinkommensbezieher schädigen könnten, zu vermeiden. Eine weitere Untersuchung bleibt noch zu leisten. Die Regelungen der Vierten EG-Richtlinie beinhalten bezüglich der Aufwandsrückstellungen ein Mitgliedstaatenwahlrecht (vgl. Art. 20 Abs. 2). EU-rechtlich wäre somit auch ein Verbot oder eine Pflicht möglich. Steuerlich werden die de lege lata in der Handelsbilanz als Wahlrecht gewährten Aufwandsrückstellungen hingegen nicht anerkannt.114 Nach den IFRS ist wie gezeigt grundsätzlich kein Ansatz von Aufwandsrückstellungen möglich.115 Anstelle des gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 2 EGHGB bestehenden Passivierungswahlrechts für mittelbare Pensionsverpflichtungen und pensionsähnliche Verpflichtungen (über eine Unterstützungskasse, Direktversicherung, Pensionskasse oder einen Pensionsfonds) ist demgegenüber eine Ansatzpflicht einzuführen. Dies gilt ebenso für Pensionsverpflichtungen aus Altzusagen (vgl. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGHGB),116 sofern diesbezüglich nicht von einem Vertrauensschutz der betroffenen Unternehmen ausgegangen wird.117 Beide Wahlrechte verstoßen gegen den Grundsatz, dass ungewisse Verbindlichkeiten als Rückstellungen zu passivieren sind. In Ermangelung konkreter Vorschriften wird bezüglich der Pensionsrückstellungen in der Literatur großteils unter Rückgriff auf eine Protokollerklärung des Rates und der Kommission zu Art. 43 Abs. 1 Nr. 7 der Vierten EG-Richtlinie von einem Mitgliedstaatenwahlrecht ausgegangen.118 Demgegenüber fallen nach wohl überwiegender Auffassung die mittelbaren und pensionsähnlichen Verpflichtungen nicht unter den Begriff der Pensionsverpflichtung in Art. 43 der Vierten EG-Richtlinie, so dass die im EGHGB diesbezüglich gewährten Wahlrechte ohnehin richtlinienwidrig sind.119 ___________ 113

Vgl. auch Jessen, U./Weller, H. (2005), S. 491. Vgl. H 5.7 Abs. 3 EStR, R 5.7 Abs. 11 EStR. 115 Vgl. Abschnitt D.II.3.a)(2) der vorliegenden Arbeit. 116 Vgl. DRSC (2005), S. 3 f.; IDW (2005), S. 54. 117 So etwa Jessen, U./Weller, H. (2005), S. 493. 118 Vgl. Jessen, U./Weller, H. (2005), S. 493 m. w. N.; zur Diskussion siehe Hennrichs, J. (1999), S. 232 ff. m. w. N.; dieser negiert allerdings ein Mitgliedstaatenwahlrecht und geht vielmehr von einer Passivierungspflicht aus. 119 Vgl. etwa Hennrichs, J. (1999), S. 235 f. m. w. N.; Jessen, U./Weller, H. (2005), S. 493. 114

444

H. Empfehlungen zur Rechnungslegung im Jahresabschluss

Hinsichtlich Altzusagen gilt steuerlich ebenfalls ein Wahlrecht.120 Allerdings ist das Nachholverbot des § 6a Abs. 4 Satz 1 EStG zu beachten, welches gestrichen werden müsste, damit die aus der nachträglichen Passivierung resultierenden Pensionsrückstellungen auch steuerrechtlich anerkannt werden. Dabei wäre für die Passivierung ausstehender Pensionsverpflichtungen eine Übergangsregelung zu treffen, um den zusätzlichen Rückstellungsbetrag auf mehrere Jahre zu verteilen.121 Für mittelbare Pensionsverpflichtungen und ähnliche Verpflichtungen kommt steuerlich eine Rückstellungsbildung derzeit erst in Betracht, wenn feststeht oder zumindest wahrscheinlich ist, dass das Unternehmen aus der Verpflichtung in Anspruch genommen wird. Eine Inanspruchnahme aus solchen über einen externen Träger durchgeführten Altersversorgungsleistungen kann auf der in Deutschland hierfür geregelten Subsidiärhaftung des Arbeitgebers beruhen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG) oder darauf, dass das Unternehmen die von einem externen Versorgungsträger (wie Pensionskasse, Pensionsfonds) zu erbringenden Leistungen garantiert hat.122 In der Regel besteht steuerlich somit ein Passivierungsverbot für mittelbare Pensionsverpflichtungen.123 Dementsprechend wären handelsrechtlich hierfür zu bildende Rückstellungsbeträge nicht von der Besteuerung ausgenommen.124 Nach IAS 19 ist entscheidend, ob Leistungs- oder Beitragszusagen vorliegen. Bei Beitragszusagen ist die Verpflichtung des Arbeitgebers auf die Zahlung eines vereinbarten Beitrages an einen unternehmensexternen Versorgungsträger, wie z. B. eine Versicherung oder einen Fonds, beschränkt. Bei solchen Beitragszusagen erfolgt gemäß IAS 19.44 in der Regel kein Bilanzansatz, der Aufwand besteht lediglich aus den zu zahlenden Beiträgen.125 ___________ 120

Vgl. R 6 a Abs. 1 EStR. Vgl. IDW (2005), S. 54. 122 Vgl. Förster, W., in: Blümich (2005), § 6a EStG Rn. 62. 123 Vgl. DRSC (2005), S. 3 f.; Weber-Grellet, H., in: Schmidt, L. (2006), § 6a Rn. 5 f. i. V. m. § 4d Rn. 5. 124 Vgl. DRSC (2005), S. 3 f. 125 Die Durchführung von Pensionsplänen über eine Versicherungsgesellschaft oder analog operierende Pensionskassen oder Pensionsfonds sind meistens als Beitragszusagen zu behandeln. Hier ist aufgrund aufsichtsrechtlicher Vorschriften mit einer Inanspruchnahme des Arbeitgebers, die über die Beitragszahlung hinausreicht, in der Regel nicht zu rechnen. Vgl. Seemann, T., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 26 Rn. 17. Bei Direktzusagen sowie bei über Unterstützungskassen finanzierten Versorgungsplänen handelt es sich hingegen um Leistungszusagen. Für diese sind Rückstellungen zu bilden. Zu Einzelheiten hierzu siehe Rhiel, R., in: Haufe IFRS-Kommentar (2005), § 22 Rn. 8 ff.; Seemann, T., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 26 Rn. 16 ff.; IDW (2006), N Rn. 347 ff. 121

II. Fortentwicklung der Vorschriften des HGB

445

Eine Aufhebung des Sonderpostens mit Rücklageanteil (vgl. §§ 247 Abs. 3, 273 HGB) würde wie dargelegt die Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit voraussetzen.126 Die IFRS kennen solche rein aus steuerlichen Gründen gebildete Bilanzpositionen nicht. Hinsichtlich der Beschränkung von Bewertungswahlrechten lässt sich feststellen, dass ein einheitliches Bewertungsrecht für alle Rechtsformen seit Langem den Forderungen eines Großteils der Literatur entspricht.127 Im Bereich der Bewertungswahlrechte sind insbesondere die außerplanmäßigen Abschreibungen nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung gemäß § 253 Abs. 4 HGB aufzuheben. Diese so genannten Willkürabschreibungen, welche für Kapitalgesellschaften nach der Vierten EG-Richtlinie bzw. nach § 279 Abs. 1 HGB ebenso wie nach IFRS unzulässig sind, sollten aufgrund der erheblichen Beeinträchtigung der Informationsfunktion für alle Kaufleute abgeschafft werden.128 Steuerlich sind solche Willkürabschreibungen ohnehin nicht anerkannt.129 Ferner sollte anstelle des Wertaufholungswahlrechts gemäß § 253 Abs. 5 HGB ein Wertaufholungsgebot eingeführt werden;130 für Kapitalgesellschaften besteht ohnehin eine Wertaufholungspflicht gemäß § 280 Abs. 1 HGB. Steuerlich hat diese Wahlrechtsbeseitigung keine Auswirkungen, da nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4, Nr. 2 Satz 3 EStG ein generelles Zuschreibungsgebot besteht, ebenso nach IFRS (vgl. IAS 36.109 ff., insbesondere IAS 36.114).131 Das nach § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB gewährte Wahlrecht zur Berücksichtigung niedrigerer Werte beim Umlaufvermögen aufgrund von zu erwartenden Wertschwankungen in der nächsten Zukunft sollte ebenfalls aufgehoben werden.132 Art. 39 Abs. 1 c) der Vierten EG-Richtlinie gewährt diesbezüglich ein ___________ 126

Vgl. DRSC (2005), S. 28. Vgl. Kommission Rechnungswesen im Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e. V. (1979), S. 3 ff., insbesondere Tz. 18 mit Begründung. 128 Vgl. DRSC (2005), S. 9, dort wird die Prüfung von Übergangsregelungen für damit verbundene Zuschreibungen vorgesehen; Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (2003), S. 1586; IDW (2005), S. 56; die Nicht-Gewährung einer solchen Abschreibungsmöglichkeit im österreichischen Recht begrüßend siehe Rückle, D. (1990), 2. Lfg., S. 69. 129 Im Steuerrecht bestehen eigenständige Regelungen zu außerplanmäßigen Abschreibungen (vgl. §§ 6, 7 EStG). 130 Vgl. DRSC (2005), S. 9; Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (2003), S. 1586 f.; IDW (2005), S. 56 f. 131 Vgl. auch Scheinpflug, P., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 5 Rn. 201 f.; eine Wertaufholung von Geschäfts- oder Firmenwerten ist allerdings nicht zulässig; Riese, J., in: Beck’sches IFRS-Handbuch (2006), § 8 Rn. 102. 132 Vgl. DRSC (2005), S. 8; Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (2003), S. 1587; IDW (2005), S. 55. 127

446

H. Empfehlungen zur Rechnungslegung im Jahresabschluss

Mitgliedstaatenwahlrecht. Steuerlich wird dieses Wahlrecht ohnehin nicht anerkannt. Die IFRS kennen ebenfalls keine solchen Abschreibungen zur Vorwegnahme künftiger Wertschwankungen. Außerplanmäßige Abschreibungen auf Gegenstände des Anlagevermögens bei nur vorübergehender Wertminderung (vgl. § 253 Abs. 2 Satz 3 HGB), welche bei Kapitalgesellschaften nach § 279 Abs. 1 HGB auf Finanzanlagen beschränkt sind, sollten nach hier vertretener Auffassung für alle Unternehmen auf Finanzanlagen beschränkt werden.133 Hinsichtlich der Finanzanlagen gewährt die Vierte EG-Richtlinie hingegen ein Unternehmenswahlrecht (vgl. Art. 35 Abs. 1 c) aa)). Steuerlich ergeben sich hieraus keine Änderungen, da gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG ein niedrigerer Teilwert bei nur vorübergehender Wertminderung nicht angesetzt werden darf. Nach IFRS besteht entsprechend der Absatzmarktorientierung eine Abschreibungspflicht, sobald der erzielbare Betrag niedriger als der Buchwert ist (vgl. IAS 36.59). Das Wahlrecht bezüglich des Ansatzes von Gemeinkosten bei der Bemessung der Herstellungskosten (vgl. § 255 Abs. 2 und Abs. 3 HGB) basiert auf einem in Art. 35 Abs. 3 der Vierten EG-Richtlinie gewährten Unternehmenswahlrecht, so dass eine Beseitigung dieses Wahlrechts durch den nationalen Gesetzgeber nicht möglich ist. Hinsichtlich der Eignung der unterschiedlichen Möglichkeiten, d. h. des Voll- oder des Teilkostenansatzes, bestehen sowohl zwischen den verschiedenen Rechnungslegungssystemen als auch in der Literatur geteilte Auffassungen:134 Manche Autoren gehen unter stärkerer Betonung des Prinzips der periodengerechten Erfolgsermittlung davon aus, dass sämtliche Herstellungskosten, auch (fixe und variable) Gemeinkosten zu aktivieren sind.135 Andere Autoren hingegen messen dem Vorsichtsprinzip ein größeres Gewicht bei.136 Auf den Einwand, dass ein Vollkostenansatz gegen das umsatzbezogene Realisationsprinzip im herkömmlichen Sinne verstößt, wurde bereits in Abschnitt E.VI. eingegangen. Steuerrechtlich137 sowie nach IAS 2.10 ff. be___________ 133 Vgl. DRSC (2005), S. 7 f.; Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (2003), S. 1586; IDW (2005), S. 55; das IDW fordert allerdings die generelle Abschaffung des Abschreibungswahlrechts, Finanzanlagen werden davon nicht ausgenommen. 134 Hinsichtlich eines kurzen Überblicks über die Diskussion siehe etwa auch Hennrichs, J. (1999), S. 43. 135 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 315 ff., insbesondere S. 328; Baetge, J./Kirsch, H.-J./Thiele, S. (2005), S. 210. Einen produktionsbezogenen Vollkostenansatz befürworten auch: DRSC (2005), S. 40; Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (2003), S. 1586. 136 So etwa Siegel, T. (1998-a), S. 152 ff. m. w. N.; Moxter, A. (1988), S. 938 f.; siehe bereits Abschnitt E.VI. der vorliegenden Arbeit. 137 Nach R 6.3 Abs. 1 EStR sind „angemessene Teile“ der notwendigen Material- und Fertigungsgemeinkosten sowie der durch die Herstellung des Wirtschaftsgutes veran-

II. Fortentwicklung der Vorschriften des HGB

447

steht hinsichtlich des Ansatzes der Material- und Fertigungsgemeinkosten eine Aktivierungspflicht. Etwas anderes gilt für Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für betriebliche Altersversorgung. Steuerrechtlich besteht hier analog zum HGB ebenfalls ein Aktivierungswahlrecht.138 Unter Abwägung des Periodisierungsgedankens einerseits sowie des Vorsichtsprinzips andererseits erscheint grundsätzlich eine Erweiterung der Aktivierungspflicht um die notwendigen Material- und Fertigungsgemeinkosten zweckadäquat. Bei den Material- und Fertigungsgemeinkosten handelt es sich grundsätzlich um variable Produktionsgemeinkosten, d. h. sie variieren somit (nahezu) unmittelbar mit dem Produktionsvolumen, so z. B. Aufwendungen für Hilfs- oder Betriebsstoffe, für Energie etc. Handels- und steuerrechtliche Behandlung wären identisch. Auch eine Aufteilung der fixen Gemeinkosten in produktionsbezogene und nicht produktionsbezogene wäre nicht erforderlich.139 Eine entsprechende Regelung würde eine Änderung der Vierten EG-Richtlinie voraussetzen. Durch eine solche Regelung würde jedoch eine zwingende Abweichung gegenüber den IFRS entstehen. Nach IAS 2 besteht wie gezeigt eine Aktivierungspflicht, soweit die Aufwendungen der Produktion direkt zugeordnet werden können; ansonsten ist ein Aktivierungsverbot vorgeschrieben (vgl. IAS 2.10 ff.). Sofern eine solche Abweichung vermieden werden sollte, wäre entsprechend den IFRS ein produktionsbezogener Vollkostenansatz erforderlich.140 Wie bereits ausgeführt ist eine Aufhebung der umgekehrten Maßgeblichkeit hinsichtlich der Informationsfunktion der Handelsbilanz zu befürworten. Die rein steuerlich motivierten Abschreibungen nach den §§ 254, 279 Abs. 2 HGB i. V. m. § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG, welche den GoB widersprechen, sind somit aufzuheben. Nach Art. 35 Abs. 1 d) (Anlagevermögen) und Art. 39 Abs. 1 e) (Umlaufvermögen) der Vierten EG-Richtlinie handelt es sich dabei um Mitgliedstaatenwahlrechte.141 Die Abschaffung dieser Abschreibungen würde wie___________ lasste Wertverzehr des Anlagevermögens in die Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes einzubeziehen. 138 Vgl. R 6.3 Abs. 4 EStR. 139 Das IDW schlägt die Erweiterung der Aktivierungspflicht um die notwendigen Material- und Fertigungsgemeinkosten vor, vgl. IDW (2005), S. 55. 140 Einen produktionsbezogenen Vollkostenansatz befürworten auch: DRSC (2005), S. 40; Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (2003), S. 1586. 141 Zur Auslegung der diesbezüglichen Regelungen der Vierten EG-Richtlinie siehe Hennrichs, J. (1999), S. 205 ff.

448

H. Empfehlungen zur Rechnungslegung im Jahresabschluss

derum die Aufhebung der umgekehrten Maßgeblichkeit durch den Steuergesetzgeber voraussetzen.142 Den IFRS sind steuerlich bedingte Abschreibungen fremd. Die Bewertungsvereinfachungsverfahren nach § 256 HGB basieren auf einem Mitgliedstaatenwahlrecht gemäß Art. 40 Abs. 1 der Vierten EG-Richtlinie. § 256 HGB dient der vereinfachten Ermittlung der durchschnittlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Rahmen der Jahresabschlusserstellung.143 Mit Blick auf eine möglichst periodengerechte Erfolgsermittlung sowie einen möglichst realitätsnahen Vermögensausweis ist grundsätzlich das Verfahren anzuwenden, welches der tatsächlichen Verbrauchsfolge am nächsten kommt. Verfahren, die den Preis selbst als Kriterium für die Zuordnung von Anschaffungsauszahlungen ansehen (so die Verfahren des Hifo (Highest-in-first-out) und des Lofo (Lowest-in-first-out)) sind aufzuheben. Denn bei diesen wird nicht versucht, den Verbrauch möglichst realitätsnah zu bepreisen, sondern bewusst stille Rücklagen zu legen oder aufzulösen.144 Die Durchschnittsbewertung, die sich bereits aus § 240 Abs. 3 und Abs. 4 HGB ergibt und auf die § 256 HGB verweist, dürfte der tatsächlichen Verbrauchsfolge in den Fällen besonders nahe kommen, in denen aus allen Beschaffungsvorgängen gleichmäßig verbraucht wurde bzw. die Güter sich vermischen (z. B. bei Tanks).145 Aus diesem Grund ebenso wie unter Kosten-NutzenAspekten sollte die Methode der Durchschnittsbewertung beibehalten werden.146 Das Verfahren entsprechend Fifo (First-in-first-out) wird in all denjenigen Fällen der tatsächlichen Verbrauchsfolge am nächsten kommen, in denen die Güter mit der Zeit verderben oder veralten. Dies ist bei einem großen Teil der Vorräte der Fall. Das Lifo-Verfahren hingegen führt bei Annahme steigender Preise der Vorräte zu einer Verzerrung des Vermögensausweises, indem der Bestand zu veralteten und damit zu niedrigen Preisen bewertet wird.147 Es sollte somit nach hier vertretener Auffassung aufgehoben werden. ___________ 142

Vgl. DRSC (2005), S. 28 f. Sofern – wie in Abschnitt H.II.2. angeführt – einer Bewertung der Vorräte zu Tageswerten gefolgt würde, wäre insoweit der Rückgriff auf Bewertungsvereinfachungsverfahren hinfällig. Im Folgenden wird jedoch der Fall einer Bewertung zu den Anschaffungskosten näher betrachtet. 144 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 309; ebenfalls für eine Abschaffung dieser Bewertungsvereinfachungsverfahren siehe IDW (2005), S. 56. 145 Vgl. auch Leffson, U. (1987), S. 309. 146 Die Beibehaltung der Durchschnittsmethode wird überwiegend befürwortet, so etwa DRSC (2005), S. 29; Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (2003), S. 1587; Jessen, U./Weller, H. (2005), S. 535. 147 Vgl. auch Leffson, U. (1987), S. 309. 143

II. Fortentwicklung der Vorschriften des HGB

449

Steuerlich ist jedoch derzeit allein das Lifo-Verfahren nach § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG als Verbrauchsfolgefiktion zugelassen. Eine Abschaffung des LifoVerfahrens würde daher zunächst eine eigenständige steuerliche Regelung von Verbrauchsfiktionen erforderlich machen. Sofern der Möglichkeit einer Konvergenz zwischen handels- und steuerrechtlicher Bewertung der Vorrang gegenüber einer Abbildung der tatsächlichen Verbrauchsfolge eingeräumt würde, wäre somit neben der Durchschnitts- und der Fifo-Methode auch an dem LifoVerfahren festzuhalten.148 Ein möglicher Wegfall des Lifo-Verfahrens würde eine Konvergenz mit IAS 2.25 bewirken, wonach lediglich die gewogene Durchschnittsmethode und das Fifo-Verfahren zulässig sind.149

4. Frage der Einführung einer finanzwirtschaftlichen Rechnung als weiterer Bestandteil des Jahresabschlusses Im Rahmen einer HGB-Reform gilt es ferner die Frage der Einführung einer finanzwirtschaftlichen Rechnung als weiteren obligatorischen Bestandteil eines Jahresabschlusses zu klären. Die Überlegungen haben gezeigt, dass Gläubiger wie Eigner v. a. an Informationen über zukünftige Zahlungsströme interessiert sind. Die Ansichten, inwieweit eine verpflichtende Einführung einer Kapitalflussrechnung oder einer anderen Rechnung, die speziell auf die Darstellung der Finanzlage ausgerichtet wäre, gefordert werden sollte, sind kontrovers. Eine Verpflichtung zu einer solchen Rechnung wäre EG-konform:150 „Die Mitgliedstaaten können gestatten oder vorschreiben, daß in dem Jahresabschluß neben den Angaben, die aufgrund dieser Richtlinie erforderlich sind, weitere Angaben gemacht werden“ (Art. 2 Abs. 6 der Vierten EG-Richtlinie). So ist außer nach IFRS etwa auch in den nationalen Rechnungslegungsvorschriften in Großbritannien eine Kapitalflussrechnung bei allen Jahresabschlüssen vorgeschrieben, die dem Grundsatz des true and fair view unterliegen. Die Einführung einer obligatorischen Kapitalflussrechnung wurde auch dem deutschen Gesetzgeber u. a. von Seiten der Wirtschaftsprüfer151, vom DRSC152 sowie der Kommission Rechnungswesen im Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft ___________ 148 Hierfür plädiert das IDW, vgl. IDW (2005), S. 56. Eine Beibehaltung aller derzeit zulässigen Verfahren sieht hingegen der Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (2003), S. 1587 vor. 149 Vgl. DRSC (2005), S. 29. 150 Vgl. Rückle, D. (1987), S. 311. 151 Vgl. Niehus, R. J. (1979), S. 32 f., welcher die Einführung einer solchen Rechnung für alle Publikumsgesellschaften überlegt. 152 Vgl. DRSC (2005), S. 26 mit der Forderung, den Jahresabschluss von nicht konsolidierungspflichtigen, aber (i. S. d. IAS-Verordnung) kapitalmarktorientierten „Einzelunternehmen“ um eine Kapitalflussrechnung zu ergänzen.

450

H. Empfehlungen zur Rechnungslegung im Jahresabschluss

e. V.153 jeweils für bestimmte Unternehmen empfohlen. Wie der Nutzen von Kapitalflussrechnungen – zumindest im Vergleich zu Finanzplänen – zu veranschlagen bzw. wie solche Rechnungen zweckmäßig auszugestalten sind, ist umstritten.154 Rechnungen in Form von Finanzplänen leiden darunter, dass sie ausschließlich auf Schätzungen basieren.155 Bezüglich der Frage, inwieweit solche zukunftsbezogenen Rechnungen Eingang in die handelsrechtliche Rechnungslegung finden sollen, gehen die Meinungen auseinander.156 Generell ist zu unterscheiden zwischen der Pflicht zur Aufstellung einer solchen Rechnung (zur unternehmerischen Eigeninformation) einerseits oder zu deren Offenlegung andererseits.157 Bei Kapitalgesellschaften, von welchen nach der Generalklausel auch ein Einblick in die Finanzlage zu vermitteln ist, muss eine Finanzplanung zwar nicht offen gelegt werden; entsprechend dem Grundsatz der Wesentlichkeit lässt sich jedoch bereits de lege lata fordern, dass im Anhang zumindest eine wesentliche Belastung der künftigen Liquidität anzugeben ist, wenn ohne derartige Angaben die Finanzlage irreführend indiziert würde.158 Inwieweit gegebenenfalls die Einführung einer Kapitalflussrechnung oder einer anderen finanzwirtschaftlichen Rechnung als weiterer Bestandteil eines Jahresabschlusses zu befürworten wäre, bedarf einer eingehenden Untersuchung der Zweckmäßigkeit solcher Rechnungen.159

___________ 153 Vgl. Kommission Rechnungswesen im Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e. V. (1979), S. 30 ff. Danach soll unabhängig von der Unternehmensgröße als Teil des Anhangs eine Kapitalflussrechnung aufzustellen, zu erläutern und zu publizieren sein. 154 Vgl. Rückle, D. (1986-b), S. 172. 155 Vgl. Leffson, U. (1987), S. 88. 156 Busse von Colbe etwa plädiert für die Einführung retrospektiver und prospektiver Kapitalflussrechnungen, vgl. Busse von Colbe, W. (1966), S. 82 ff.; Brandl fordert eine obligatorische Finanzplanung im Rahmen der Selbstinformationspflicht, somit insbesondere auch für mittelständische Unternehmen, vgl. Brandl, R. (1987), S. 178 ff.; Leffson bezweifelt die Zweckmäßigkeit solcher prospektiver Rechnungen als Rechenschaftsinstrumente (für Gläubigerschutzzwecke), vgl. Leffson, U. (1987), S. 90. 157 Vgl. hierzu Rückle, D. (1986-b), S. 181. Nach Rückle kann eine Pflicht zur Aufstellung (nicht zugleich zur Offenlegung) einer Finanzplanung zumindest in den Fällen angenommen werden, „in denen eine Kennzahlenanalyse auf eine erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung des Unternehmensbestands schließen läßt“, Rückle, D. (1986b), S. 182. 158 Vgl. Rückle, D. (1986-b), S. 182. 159 Die generelle Einführung einer Kapitalflussrechnung befürwortend siehe etwa Thiele, K. (1999), S. 192 ff., Schmidt, M. (2000), S. 97.

III. Weiterführende Überlegungen

451

III. Weiterführende Überlegungen für den Fall einer abweichenden Entscheidung des Gesetzgebers Weiterführende Überlegungen

Mit Blick auf den Wunsch insbesondere mittelständischer Unternehmen, auch weiterhin zumindest weitgehend eine einheitliche Handels- und Steuerbilanz erstellen zu können, lässt sich feststellen, dass die Abweichungen, die sich nach den hier vorgeschlagenen Änderungen zwingend gegenüber der Steuerbilanz ergeben, relativ überschaubar sind. Sofern der Gesetzgeber von den vorgestellten Vorschlägen abweicht und sich dadurch bzw. im Rahmen der künftigen Entwicklung weiter reichende Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz ergeben würden, wäre aus Kosten-Nutzen-Aspekten zu überlegen, kleine, typische Personenunternehmen mit persönlicher Haftung160 von der Aufstellung einer Handelsbilanz zu befreien. Diese hätten dann lediglich eine Steuerbilanz zu erstellen, und zwar auch dann, wenn das Steuerrecht höhere Wertansätze fordert als das Handelsrecht. Eine solche Befreiung würde wie dargestellt dem Vorgehen in den USA sowie in Großbritannien entsprechen.161

___________ 160

Eine entsprechende Abgrenzung wäre gegebenenfalls vorzunehmen. Vgl. Altenburger, O. A. et al. (2001), S. 67 f.; hinsichtlich des Vorschlages einer solchen Befreiung siehe auch Karkowski, B. (2004), S. 2. 161

I. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse

1.

Die Ausweitung einer verpflichtenden Anwendung einer Rechnungslegung nach IFRS auf den Jahresabschluss ist auf Basis des hier verfolgten Ansatzes, wonach Rechnungslegung als Lückenfüllung unvollständiger Verträge einer schutzorientierten Rechnungslegung dient, hinsichtlich aller betrachteten Unternehmenstypen abzulehnen. Eine solche Pflicht lässt sich v. a. auch nicht – wie zum Teil von Seiten der Literatur und Praxis gefordert – für Kapital- und diesen gleichgestellte Gesellschaften hinreichend begründen.

2.

Auch die konzipierten IFRS für SME dürfen nicht zur Einführung einer Pflichtanwendung für SME im Jahresabschluss führen.

3.

Ein Verbot eines IFRS-Einzelabschlusses zu Informationszwecken wird angesichts der generellen Wahlmöglichkeit zur Erstellung eines befreienden IFRS-Konzernabschlusses sowie der de lege lata bereits möglichen Bundesanzeigerpublizität eines IFRS-Einzelabschlusses bei großen Kapital- und diesen gleichgestellten Gesellschaften aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht in Betracht gezogen.

4.

In der vorliegenden Arbeit wird somit dafür plädiert, auch für die übrigen Unternehmen ein Wahlrecht zur Anwendung der IFRS im Jahresabschluss zu informatorischen Zwecken einzuführen.

5.

Bei auf den nicht geregelten Kapitalmarkt ausgerichteten Unternehmen ist ein solches Wahlrecht an die Prämisse zu knüpfen, dass für diese Unternehmen, soweit sie de lege lata keiner handelsrechtlichen Prüfungspflicht unterliegen, eine solche Pflicht eingeführt wird. Bei personenbezogenen Unternehmen kann die Entscheidung über eine gegebenenfalls erwünschte Prüfungspflicht dem Naheverhältnis der Gesellschafter bzw. der „Unternehmensbeteiligten“ überlassen werden.

6.

Für die Anspruchsbemessungszwecke wird deren weitere Verfolgung durch Jahresabschlussrecht befürwortet. Sofern dies in Form von Ergänzungsrechnungen auf Basis eines IFRS-Einzelabschlusses zulässig sein soll, sind an diese zur Sicherung der Inhaberrechte ebenso wie für Gläubigerschutzzwecke sehr restriktive Anforderungen zu stellen.

7.

Die Abschaffung der so genannten umgekehrten Maßgeblichkeit ist bezüglich der handelsrechtlichen Rechnungslegungszwecke generell zu befürworten.

I. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse

453

8.

Auf Basis eines IFRS-Einzelabschlusses ist weder die einfache noch die umgekehrte Maßgeblichkeit aufrechtzuerhalten.

9.

Neben der Einführung eines Wahlrechts zur Anwendung der IFRS im Jahresabschluss sind die Vorschriften des HGB zu modernisieren.

10. Vor dem Hintergrund der teilweise verpflichtenden, teilweise optionalen Anwendung der IFRS im Konzernabschluss sowie der de lege lata bzw. de lege ferenda möglichen Anwendung der IFRS im Jahresabschluss kommt der Berücksichtigung des internationalen Harmonisierungsprozesses mit Blick auf die Vergleichbarkeit der Abschlüsse auch bei der Weiterentwicklung der nationalen Normen eine Bedeutung zu. Dabei erscheint eine Annäherung der unterschiedlichen Rechnungslegungssysteme jedoch lediglich insoweit sinnvoll, als dies mit den betrachteten Zwecken bzw. den konkreten Zielsetzungen des Jahresabschlusses vereinbar ist. 11. Soweit sich Zeitwerte (insbesondere Tageswerte) verlässlich ermitteln lassen, sind diese aufgrund der Aufdeckung der stillen Rücklagen grundsätzlich informativer als Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Solche Zeitwerte können entweder nach der Abkopplungsthese als zusätzliche Informationen im Anhang gewährt werden. Dabei dienen Bilanz und GuVRechnung weiterhin der Ermittlung eines ausschüttungsfähigen bzw. entziehbaren Gewinnes. Die andere Möglichkeit besteht darin, solche Zeitwerte unmittelbar in der Bilanz anzusetzen und die daraus resultierenden Zeitwertdifferenzen in eine ausschüttungsgesperrte Rücklage einzustellen (so genannte gläserne, aber verschlossene Taschen). Sofern die Abkopplungsthese für nicht richtlinienkonform beurteilt wird, ist die Möglichkeit der gläsernen, aber verschlossenen Taschen umzusetzen. 12. Des Weiteren sind die de lege lata geltenden zahlreichen Ansatz- und Bewertungswahlrechte einzuschränken. 13. Inwieweit gegebenenfalls die Einführung einer finanzwirtschaftlichen Rechnung als weiterer Bestandteil eines Jahresabschlusses zu befürworten wäre, bedarf einer eingehenden Untersuchung der Zweckmäßigkeit solcher Rechnungen.

Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis

Die Literatur- und Rechtsquellen berücksichtigen den Stand bis einschließlich Juni 2006. Nach Autoren zitierte Beiträge in Kommentaren sowie in den Handbüchern Assmann/Schütze, Beck und Tipke/Lang sind nicht aufgeführt; diese Werke können unter den Bezeichnungen der Kommentare oder Handbücher nachgeschlagen werden. Achleitner, Ann-Kristin (1995): Die Normierung der Rechnungslegung. Eine vergleichende Untersuchung unterschiedlicher institutioneller Ausgestaltungen des nationalen und internationalen Standardsetzungsprozesses, Schriftenreihe der TreuhandKammer, Bd. 132, Winterthur. Adler, Hans/Düring, Walther/Schmaltz, Kurt (1995/1998): Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen: Kommentar zum HGB, AktG, GmbHG, PublG nach den Vorschriften des Bilanzrichtlinien-Gesetzes, 6. Aufl., neu bearb. von Forster, KarlHeinz et al., Stuttgart (zitiert mit dem jeweiligen Erscheinungsjahr der Teillieferung). Ahrweiler, Sonja/Börner, Christoph J. (2003): Neue Finanzierungswege für den Mittelstand: Ausgangssituation, Notwendigkeit und Instrumente, in: Neue Finanzierungswege für den Mittelstand. Von der Notwendigkeit zu den Gestaltungsformen, hrsg. von Kienbaum, Jochen/Börner, Christoph J., Wiesbaden, S. 3-73. Albach, Horst (1965): Grundgedanken einer synthetischen Bilanztheorie, in: ZfB, 35. Jg., S. 21-31. Alberth, Markus R. (1997): USA: Vertraglicher Gläubigerschutz und Ausschüttungsbemessung durch Covenants als Vorbild zur Änderung des deutschen Bilanzrechts?, in: WPg, 50. Jg., S. 744-750. – (1998): US-amerikanische Gläubigerbilanzen durch Covenants in Verträgen, der Versuch einer weltweiten Kategorisierung der Rechnungslegung und Folgen für die internationale Harmonisierungsdiskussion, in: ZfB, 68. Jg., S. 803-824. Altenburger, Otto A. et al. (2001): Vorschläge zur Weiterentwicklung des internen und des externen Rechnungswesens, in: BFuP, 53. Jg., S. 67-92. Arbeitsgruppe Normierung der Rechnungslegung der Wissenschaftlichen Kommission Rechnungswesen im Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e. V. (Hrsg.) (2002): Stellungnahme Nr. 3: Zum Entwurf der Grundsätze ordnungsmäßiger Rechnungslegung des DRSC, in: BB, 57. Jg., S. 2595-2599. Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft (Hrsg.) (2002): Zur Fortentwicklung des deutschen Bilanzrechts, in: BB, 57. Jg., S. 2372-2381. – (Hrsg.) (2004): Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Bilanzrechtsreformgesetzes, in: BB, 59. Jg., S. 546-548. Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (Hrsg.) (2003): International Financial Reporting Standards im

Literaturverzeichnis

455

Einzel- und Konzernabschluss unter der Prämisse eines Einheitsabschlusses für unter Anderem steuerliche Zwecke, in: DB, 56. Jg., S. 1585-1588. – (2004): Die Zukunft der Rechnungslegung im Mittelstand – IFRS / IAS – Enforcement – Maßgeblichkeit – Thesen und Gegenthesen zur Diskussion, Präsentation auf dem 58. Deutschen Betriebswirtschafter-Tag am 28.09.2004 in Berlin. Assmann, Heinz-Dieter/Lenz, Jürgen/Ritz, Corinna (2001): Verkaufsprospektgesetz: Verkaufsprospekt-Verordnung, Verkaufsprospektgebühren-Verordnung; Kommentar, Köln. Assmann, Heinz-Dieter/Schneider, Uwe H. (Hrsg.) (1999): WpHG-Kommentar, 2. Aufl., Köln. Assmann, Heinz-Dieter/Schütze, Rolf A. (Hrsg.) (1997): Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2., neu bearb. Aufl., München. Baetge, Jörg (1992): Zur Frage der Reichweite des Passivierungsgrundsatzes, in: Rechnungslegung: Entwicklungen bei der Bilanzierung und Prüfung von Kapitalgesellschaften; Festschrift zum 65. Geburtstag von Prof. Dr. Dr. h. c. Karl-Heinz Forster, hrsg. von Moxter, Adolf, Düsseldorf, S. 27-44. Baetge, Jörg et al. (Hrsg.) (2003): Rechnungslegung nach International Accounting Standards (IAS). Kommentar auf der Grundlage des deutschen Bilanzrechts, 2. Aufl., Stuttgart. Baetge, Jörg/Beermann, Thomas (1998): Die Bilanzierung von Vermögenswerten in der Bilanz nach International Accounting Standards und der dynamischen Bilanztheorie Schmalenbachs, in: BFuP, 50. Jg., S. 154-168. Baetge, Jörg/Kirsch, Hans-Jürgen/Thiele, Stefan (2004): Konzernbilanzen, 7., überarb. Aufl., Düsseldorf. – (2005): Bilanzen, 8., wesentlich überarb. Aufl., Düsseldorf. Baetge, Jörg/Kruse, Ariane/Uthoff, Carsten (1996): Bonitätsklassifikationen von Unternehmen mit Neuronalen Netzen, in: Wirtschaftsinformatik, 38. Jg., S. 273-281. Baetge, Jörg/Lienau, Achim (2005-a): Der Gläubigerschutzgedanke im Mixed Fair Value-Modell des IASB, in: Kritisches zur Rechnungslegung und Unternehmensbesteuerung. Festschrift zur Vollendung des 65. Lebensjahres von Theodor Siegel, hrsg. von Schneider, Dieter et al., Berlin, S. 65-86. – (2005-b): Fair Value auf der Passivseite der Bilanz?, in: Fair Value – Bewertung in Rechnungswesen, Controlling und Finanzwirtschaft, hrsg. von Bieg, Hartmut/Heyd, Reinhard, München, S. 309-331. Baetge, Jörg/Roß, Heinz-Peter (1998): Was bedeutet „fair presentation“?, in: USamerikanische Rechnungslegung. Grundlagen und Vergleiche mit deutschem Recht, hrsg. von Ballwieser, Wolfgang, 3., überarb. und erw. Aufl., Stuttgart, S. 29-45. Baetge, Jörg/Stellbrink, Jörn (2005): Früherkennung von Unternehmenskrisen mit Hilfe der Bilanzanalyse, in: Controlling, 17. Jg., S. 213-222. Baetge, Jörg/Thiele, Stefan (1997): Gesellschafterschutz versus Gläubigerschutz – Rechenschaft versus Kapitalerhaltung. Zu den Zwecken des deutschen Einzelabschlusses vor dem Hintergrund der internationalen Harmonisierung, in: Handelsbilanzen und Steuerbilanzen. Festschrift zum 70. Geburtstag von Prof. Dr. h. c. Heinrich Beis-

456

Literaturverzeichnis

se, hrsg. von Budde, Wolfgang D./Moxter, Adolf/Offerhaus, Klaus, Düsseldorf, S. 11-24. Baetge, Jörg/Zülch, Henning (2001): Fair Value-Accounting, in: BFuP, 53. Jg., S. 543-562. Ballantine, John W./Cleveland, Frederick W./Koeller, C. Timothy (1993): Profitability, Uncertainty, and Firm Size, in: Small Business Economics, 5. Jg., S. 87-100. Ballwieser, Wolfgang (1982): Zur Begründbarkeit informationsorientierter Jahresabschlußverbesserungen, in: ZfbF, 34. Jg., S. 772-793. – (1990): Ist das Maßgeblichkeitsprinzip überholt?, in: BFuP, 42. Jg., S. 477-498. – (1996-a): Ein Überblick über Ansätze zur ökonomischen Analyse des Bilanzrechts, in: BFuP, 48. Jg., S. 503-527. – (1996-b): Zum Nutzen handelsrechtlicher Rechnungslegung, in: Rechnungslegung – warum und wie. Festschrift für Hermann Clemm zum 70. Geburtstag, hrsg. von Ballwieser, Wolfgang/Moxter, Adolf/Nonnenmacher, Rolf, München, S. 1-25. – (2002): Rechnungslegung im Umbruch. Entwicklungen, Ziele, Missverständnisse, in: Der Schweizer Treuhänder, 76. Jg., S. 295-304. – (2005-a): Bilanzrecht zwischen Wettbewerb und Regulierung. Eine ökonomische Analyse, München. – (2005-b): Vor- und Nachteile einer Rechnungslegung nach IFRS für nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen, in: IFRS für den Mittelstand? Tagungsband zur Fachveranstaltung des Ulmer Forums für Wirtschaftswissenschaften (UFW) e. V. am 25. Mai 2005 an der Universität Ulm, hrsg. von Marten, Kai-Uwe/Quick, Reiner/Ruhnke, Klaus, unter Mitarbeit von Weiser, Felix, M., Düsseldorf, S. 31-56. – (2006): IFRS auch für nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen, in: IRZ, o. Jg., S. 23-30. Ballwieser, Wolfgang/Häger, Ralf (1991): Jahresabschlüsse mittelgroßer Kapitalgesellschaften; Ergebnisse mittelgroßer Kapitalgesellschaften: Ausweis, Gestaltung, Berichterstattung; Ergebnisse einer Untersuchung von 150 mittelgroßen Kapitalgesellschaften, Düsseldorf. Ballwieser, Wolfgang/Küting, Karlheinz/Schildbach, Thomas (2004): Fair value – erstrebenswerter Wertansatz im Rahmen einer Reform der handelsrechtlichen Rechnungslegung?, in: BFuP, 56. Jg., S. 529-549. Bamberger, Ingolf/Wrona, Thomas (2002): Ursachen und Verläufe von Internatio nalisierungsentscheidungen mittelständischer Unternehmen, in: Handbuch Inter nationales Management. Grundlagen – Instrumente – Perspektiven, hrsg. von Macharzina, Klaus/Oesterle, Michael-Jörg, 2., überarb. und erw. Aufl., Wiesbaden, S. 273-313. Bannier, Christina E. (2005): Vertragstheorie. Eine Einführung mit finanzökonomischen Beispielen und Anwendungen, Heidelberg. Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (Hrsg.) (2004): Internationale Konvergenz der Kapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen. Überarbeitete Rahmenvereinbarung, Übersetzung der Deutschen Bundesbank, Juni.

Literaturverzeichnis

457

Bauch, Günter/Oestreicher, Andreas (1993): Handels- und Steuerbilanzen. Einschließlich der Systematik betrieblicher Ertrag- und Substanzsteuern und der Vermögensaufstellung, 5., neu bearbeitete und erweiterte Aufl., Heidelberg. Baumbach, Adolf (1996): GmbH-Gesetz: Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, begr. von Baumbach, Adolf, fortgef. von Hueck, Alfred, 16., erw. und völlig überarb. Aufl., München. Baumbach/Hopt (2006): Handelsgesetzbuch mit GmbH & Co., Handelsklauseln, Bankund Börsenrecht, Transportrecht (ohne Seerecht), hrsg. von Hopt, Klaus J./Merkt, Hanno, begründet von Baumbach, Adolf, Beck’sche Kurz-Kommentare, Bd. 9, 32., neu bearb. und erw. Aufl., München. Baums, Theodor (Hrsg.) (2001): Bericht der Regierungskommission Corporate Governance. Unternehmensführung, Unternehmenskontrolle, Modernisierung des Aktienrechts, Köln. BAWe (Hrsg.) (1999): Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel zum Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 09.09.1998 (BGBl. I, S. 2701 ff.) und zur Verordnung über Wertpapier-Verkaufsprospekte (Verkaufsprospekt-Verordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 09.09.1998 (BGBl. I, S. 2853 ff.) vom 06.09.1999, in: Bundesanzeiger Nr. 177 vom 21.09.1999, S. 16180 ff. BDI/Ernst & Young (Hrsg.) (2005): Rechnungslegung im Umbruch, Berlin. Beck’scher Bilanzkommentar (2006): Handels- und Steuerbilanz – §§ 238 bis 339, 342 bis 342e HGB mit EGHGB und IAS/IFRS-Abweichungen –, hrsg. von Ellrott, Helmut et al., begründet von Budde, Wolfgang Dieter et al., 6., völlig neu bearb. Aufl., München. Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung (1999/2005): hrsg. und begründet von Castan, Edgar et al., Band I, München, Loseblattsammlung, Stand: 23. Ergänzungslieferung Mai 2005 (zitiert mit dem jeweiligen Erscheinungsjahr der Teillieferung). Beck’sches IFRS-Handbuch (2006): Kommentierung der IAS/IFRS, hrsg. von Bohl, Werner/Riese, Joachim/Schlüter, Jörg, 2., vollständig überarb. und erw. Aufl., München. Beobachtungsnetz der europäischen kmU (Hrsg.) (2003): KmU und Zugang zur Finanzierung, Beobachtungsnetz der europäischen kmU, Nr. 2, Belgien. Berger, Matthias/Möller, Andreas (2000): „Grauer Kapitalmarkt“: Initiativen zur Verbesserung des Anlegerschutzes, in: Die Bank, o. Jg., H. 6, S. 382-389. Berlage, Hans (1993): Einzelveräußerungsstatik und Bilanzierung latenter Steuern, Schriften zum Steuer-, Rechnungs- und Prüfungswesen, Bd. 11, Hamburg. Bieker, Marcus/Schmidt, Lars (2002): Der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Änderung der Bilanzrichtlinien, in: KoR, 2. Jg., S. 206-219. Biener, Herbert (1982): Interessenkonflikte bei der Anpassung der Rechnungslegungsvorschriften in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), in: WPg, 35. Jg., S. 421-430. Binz, Mark K./Sorg, Martin H. (2005): Die GmbH & Co. KG im Gesellschafts- und Steuerrecht. Handbuch für Familienunternehmen, 10. Aufl., München.

458

Literaturverzeichnis

Blümich (2005): EStG – KStG – GewStG Kommentar, hrsg. von Ebling, Klaus, Stand: 88. Ergänzungslieferung, Dezember 2005, München. BMF (Hrsg.) (2003): Eckpunktepapier: Der Finanzmarktförderplan 2006. BMJ (Hrsg.) (1980): Bericht über die Verhandlungen der Unternehmensrechtskommission, Köln. – (2003): Maßnahmenkatalog der Bundesregierung zur Stärkung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes, 25.02.2003, Berlin. Böcking, Hans-Joachim (2001): IAS für Konzern- und Einzelabschluß?, in: WPg, 54. Jg., S. 1433-1440. – (2002): IAS für Konzern- und Einzelabschluss! – Replik zum Beitrag von Zabel, IAS zwingend für Konzern- und Einzelabschluss?; zugleich Würdigung der Aussagen der Deutschen Bundesbank zur Umsetzung der Mitgliedstaatenwahlrechte im Rahmen der EU-Verordnung und eine Empfehlung an den Gesetzgeber, in: WPg, 55. Jg., S. 925-928. – (2004): Modernisierung der 4. und 7. EU-Richtlinie, in: Übergang der Rechnungslegung vom HGB zu den IFRS, hrsg. von Baetge, Jörg, Vorträge und Diskussionen zum 19. Münsterischen Tagesgespräch des Münsteraner Gesprächskreis Rechnungslegung und Prüfung e. V. am 22. Mai 2003, Düsseldorf, S. 103-129. – (2005): Rechnungslegung nach IFRS auch für den Mittelstand, in: FAZ vom 25.10.2004, Nr. 249, S. 22. Böcking, Hans-Joachim/Herold, Christian/Müßig, Anke (2004): IFRS für nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen – unter besonderer Berücksichtigung mittelständischer Belange, in: Der Konzern, 2. Jg., S. 664-672. Brandl, Rainer (1987): Zur Begründbarkeit handelsrechtlicher Rechnungslegungsnormen, Europäische Hochschulschriften: Reihe 5, Volks- und Betriebswirtschaft, Bd. 774, Frankfurt am Main et al. Brandt, Christoph (2005): Prospekthaftung. Anlegerschutz durch Prospektpublizität, Berlin, zugl. Univ. Kiel, Diss., 2004. Braun, Frank (2003): Aufstellen von Jahresabschlüssen mittelständischer Unternehmen mit oder ohne Prüfung bzw. Plausibilisierung?, in: DStR, 41. Jg., S. 998-1002. Breker, Norbert/Harrison, David A./Schmidt, Martin (2005): Die Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital – Der gegenwärtige IASB-Ansatz und Verbesserungsvorschläge –, in: KoR, 5. Jg.,S. 469-479. Bretz, Michael (1998): Eigenkapitalausstattung und Insolvenzen im Mittelstand, in: BFuP, 50. Jg., S. 263-278. Broer, Frank D. (2001): Maßgeblichkeitsprinzip und Harmonisierung der Rechnungslegung, Baden-Baden, zugl. Univ. Konstanz, Diss., 1999. Broser, Manuela/Hoffjan, Andreas/Strauch, Joachim (2004): Bilanzierung des Eigenkapitals von Kommanditgesellschaften nach IAS 32 (rev. 2003), in: KoR, 4. Jg., S. 452-459.

Literaturverzeichnis

459

Bruns, Carsten (1998): Unternehmensbewertung auf der Basis von HGB- und IASAbschlüssen. Rechnungslegungsunterschiede in der Vergangenheitsanalyse, Berlin, zugl. Univ. Münster, Diss., 1998. Buchhart, Anton (2001): Insolvenzprophylaxe und Sanierung kleiner und mittlerer Unternehmen. Eine finanzierungstheoretische Analyse unter besonderer Berücksichtigung der InsO, Unternehmensrechnung und Insolvenzwesen, Bd. 1, Hamburg, zugl. Univ. Eichstätt, Diss., 2001. Buchholz, Rainer/Weis, Regina (2002): Maßgeblichkeitsprinzip ade? Zur inhaltlichen Vereinbarkeit der Gewinnermittlung nach IAS und EStG, in: DStR, 40. Jg., S. 512-517 (Teil I) und S. 559-564 (Teil II). Bundessteuerberaterkammer (Hrsg.) (2001): Schreiben der Bundessteuerberaterkammer zu den Grundsätzen für die Erstellung von Jahresabschlüssen durch Steuerberater, beschlossen von der Bundeskammerversammlung am 22./23. Oktober 2001, in: Beihefter zu DStR, 39. Jg., S. 1*-4*. Bundesverband deutscher Banken (Hrsg.) (2005): Bankeninternes Rating mittelständischer Kreditnehmer im Zuge von Basel II, Berlin. Busse von Colbe, Walther (1966): Aufbau und Informationsgehalt von Kapitalflußrechnungen, in: ZfB, 36. Jg., 1. Ergänzungsheft, S. 82-114. – (1998): Rechnungslegungsziele und Ansätze zur internationalen Harmonisierung der Rechnungslegung deutscher Unternehmen, in: US-amerikanische Rechnungslegung. Grundlagen und Vergleiche mit deutschem Recht, hrsg. von Ballwieser, Wolfgang, 3., überarb. und erw. Aufl., Stuttgart, S. 369-387. – (2002-a): Die deutsche Rechnungslegung vor einem Paradigmawechsel, in: ZfbF, 54. Jg., S. 159-172. Castan, Edgar (1990): Rechnungslegung der Unternehmung, 3., neubearb. Aufl., München. Clausen, Peter (2005): Plausibilitätsbeurteilungen bzw. Prüfungshandlungen von Steuerberatern bei Jahresabschlüssen nicht-prüfungspflichtiger Kreditnehmer – Anforderungen aus Bankensicht –, in: DB, 58. Jg., S. 513-515. Coenenberg, Adolf G. (2003): Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse. Betriebswirtschaftliche, handelsrechtliche, steuerrechtliche und internationale Grundsätze – HGB, IAS/IFRS, US-GAAP, DRS, 19., völlig überarb. und erw. Aufl., Stuttgart. – (2005): Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse. Betriebswirtschaftliche, handelsrechtliche, steuerrechtliche und internationale Grundsätze – HGB, IAS/IFRS, US-GAAP, DRS, 20., völlig überarb. und erw. Aufl., Stuttgart. Daschmann, Hans-Achim (1994): Erfolgsfaktoren mittelständischer Unternehmen. Ein Beitrag zur Erfolgsfaktorenforschung, Controlling Entwicklungen, Stuttgart, zugl. Univ. München, Diss., 1994. Daske, Holger (2005): Internationale Rechnungslegung und Kapitalkosten: Zum Stand der empirischen Rechnungswesenforschung, in: BFuP, 57 Jg., S. 455-473. Dellmann, Klaus (1981): Systematik des Rechnungswesens, in: Handwörterbuch des Rechnungswesens, hrsg. von Kosiol, Erich/Chmielewicz, Klaus/Schweitzer, Marcell unter Mitarb. von zahlreichen Fachgelehrten u. Experten aus Wissenschaft und Pra-

460

Literaturverzeichnis

xis, Enzyklopädie der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 3, 2., völlig neu gestaltete Aufl., Stuttgart, Sp. 1415-1425. Deutsche Börse AG (Hrsg.) (2005): Entry Standard. Maßgeschneiderter Kapitalmarktzugang für Small- und Midcaps, Frankfurt am Main. – (2006-a): Cash Market: Monthly Statistics – June 2006, Frankfurt am Main. – (2006-b): GEX – German Entrepreneurial Index, in: http://deutsche-boerse.com/ dbag/dispatch/de/kir/gdb_navigation/listing/10_Market_Structure/32_all_share_indiz es/20_GEX (Stand: 20.06.2006). – (2006-c): Open Market (Freiverkehr), in: http://deutsche-boerse.com/ dbag/dispatch/de/allInstruments/gdb_navigation/listing/10_Market_Structure/20_Mar kets/70_Regulated_Unofficial_Market (Stand: 30.06.2006). – (2006-d): Allgemeine Geschäftsbedingungen für den Freiverkehr an der Frankfurter Wertpapierbörse vom 29.05.2006. – (2006-e): Transparenzstandards, in: http://deutsche-boerse.com/dbag/dispatch/de/kir/ gdb_navigation/trading_members/25_Market_structure/20_Transparenzstandards (Stand: 30.06.2006). Deutsche Bundesbank (Hrsg.) (1995): Konjunkturelle Abschwungphasen im Spiegel der Jahresabschlüsse von Unternehmen, in: Monatsbericht Oktober, S. 61-72. – (2002): Rechnungslegungsstandards für Kreditinstitute im Wandel, in: Monatsbericht Juni, Nr. 6, S. 41-57. – (2005): Verhältniszahlen aus Jahresabschlüssen deutscher Unternehmen von 2002 bis 2003, Statistische Sonderveröffentlichung 6, Frankfurt am Main. Deutscher Steuerberaterverband e. V. (Hrsg.) (2005): Kreditinstitute forcieren IAS für den Mittelstand nicht. DStV veröffentlicht Ergebnisse einer Umfrage bei Bankenverbänden, Pressemitteilung P10/05 vom 23.02.2005, Berlin. DIHK/PricewaterhouseCoopers AG (Hrsg.) (2005): International Financial Reporting Standards (IFRS) in mittelständischen Unternehmen. Grundlagen – Nutzenpotenziale – Umfrageergebnisse – Umstellungsanforderungen, Berlin/Frankfurt am Main. Dittrich, Kurt Peter (1998): Die Privatplatzierung im deutschen Kapitalmarktrecht. eine Untersuchung der Vorschriften des Auslandinvestmentgesetzes, des WertpapierVerkaufsprospektgesetzes und des Gesetzes über Kapitalanlage-Gesellschaften unter Berücksichtigung des Rechts der Vereinigten Staaten von Amerika und des Vereinigten Königreichs, Frankfurter wirtschaftsrechtliche Studien, Bd. 27, Frankfurt am Main et al., zugl. Univ. Frankfurt am Main, Diss., 1997. Döllerer, Georg (1971): Maßgeblichkeit der Handelsbilanz in Gefahr, in: BB, 26. Jg., S. 1333-1335. Dornig, Antje/Brenken, Anke (2006): Mittelstand goes global, KfW-Research, WirtschaftsObserver online, Nr. 10, hrsg. von der KfW Bankengruppe. Dräger, Thomas (2004): Die Umstellung auf die Rechnungslegung nach IFRS – Ein Praxisleitfaden, in: Winkeljohann, Norbert: Rechnungslegung nach IFRS. Ein Handbuch für mittelständische Unternehmen, Berlin, S. 393-434.

Literaturverzeichnis

461

DRSC (Hrsg.) (2002-a): Stellungnahme zur EG-Verordnung vom 7. Juni betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards vom 24.10.2002, Berlin. – (2002-b): Entwurf Grundsätze ordnungsmäßiger Rechnungslegung (Rahmenkonzept) vom 16.10.2002, Berlin. – (2005): Vorschläge des DSR zum Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz vom 03.05.2005, in: http://www.standardsetter.de/drsc/docs/press_releases/Vorschlag% 20BilMoG_DSR.pdf (Stand: 14.07.2005). – (2006): Brief des DSR an den IASB vom 17.02.2006, betreffend das IASB Project: Accounting Standard for Small and Medium-sized Entities (SMEs), in:aaaaaa http://www.standardsetter.de/drsc/news/news.php (Stand: 26.02.2006). Dülfer, Eberhard (2001): Internationales Management in unterschiedlichen Kulturbereichen, 6., ergänzte Aufl., München/Wien. Eberhartinger, Eva (2000): Ertragsteuerliche Konsequenzen der Internationalisierung der Rechnungslegung, Wien, zugl. Univ. Wien, Habil., 1999. Egner, Henning (1974): Bilanzen. Ein Lehrbuch zur Bilanztheorie, München. Eichhorn, Klaus T. (2001): Das Maßgeblichkeitsprinzip bei Rechnungslegung nach International Accounting Standards, Köln, zugl. Univ. Mannheim, Diss., 2000. Eichinger, Michaela (1993): Ökonomische Analyse der Verknüpfung von handels- und steuerrechtlicher Rechnungslegung, Weiden, zugl. Univ. Tübingen, Diss., 1992. Eierle, Brigitte (2004-a): Die Entwicklung der Differenzierung der Unternehmensberichterstattung in Deutschland und Großbritannien. Ansatzpunkte für die Diskussion der zukünftigen Gestaltung der Abschlusserstellung nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen in Deutschland, Europäische Hochschulschriften, Reihe 5, Bd. 3068, hrsg. von Sigloch, Jochen/Henselmann, Klaus, Frankfurt am Main et al., zugl. Johannes Kepler Univ. Linz, Diss., 2003. – (2004-b): UK Financial Reporting Standard for Smaller Entities – ein Modell für das IASB?, in: BB, 59. Jg., S. 987-995. Emmrich, Markus (1999): Ansätze und Perspektiven einer Reform der externen Rechnungslegung in Deutschland, Unternehmen und Steuern, Bd. 11, Aachen. Engel, Dirk et al. (2006): Mittelstandsmonitor 2006, Konjunkturaufschwung bei anhaltendem Problemdruck, Jährlicher Bericht zu Konjunktur- und Strukturfragen kleiner und mittlerer Unternehmen, hrsg. von KfW et al., Frankfurt am Main. Ernst, Christoph (2002/2003): Die Zukunft des Einzelabschlusses und der Maßgeblichkeit im Licht der Internationalisierung der Rechnungslegung, in: Steuer-BeraterJahrbuch 2002/2003, hrsg. im Auftr. des Fachinstituts der Steuerberater von Herzig, Norbert, Köln, S. 229-240. Eschbach, Hans (2004): Unzumutbar, in: Handelsblatt, Nr. 139 vom 21.07.2004, S. 11. Euler, Roland (2001): Immaterielle Vermögenswerte – Stellungnahme zum E-DRS 14, in: BB, 56. Jg. S. 2631-2637. – (2002): Paradigmenwechsel im handelsrechtlichen Einzelabschluss: Von den GoB zu den IAS?, in: BB, 57. Jg., S. 875-880.

462

Literaturverzeichnis

Europäische Kommission (Hrsg.) (2005): Planned Implementation of the IAS Regulation (1606/2002) in the EU and EEA (Published for information purposes only), 17.01.2004, in: http://www.iasplus.com/restruct/euro2005.htm (Stand: 29.03.2005). Europäische Kommission Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen (Hrsg.) (1998): Die finanzielle Situation der europäischen Unternehmen 1996, in: Europäische Wirtschaft, Beiheft A Wirtschaftsanalysen, Nr. 11/12. Ewert, Ralf (1986): Rechnungslegung, Gläubigerschutz und Agency-Probleme, Beiträge zur betriebswirtschaftlichen Forschung, hrsg. von Albach, Horst et al., Bd. 61, Wiesbaden, zugl. Univ. Passau, Diss., 1985. Ewert, Ralf/Szczesny, Andrea (2002): Risikoindikatoren, Rating und Ausfallwahrscheinlichkeit im Kreditgeschäft – Eine empirische Untersuchung vor dem Hintergrund von Basel II, BFuP, 54. Jg., S. 574-590. FASB and AICPA (2006): Enhancing the Financial Accounting and Reporting Standard-Setting Process for Private Companies. A Joint Proposal by the Financial Accounting Standards Board and the American Institute of Certified Public Accountants, June 2006, Financial Accounting Series No. 1310-100, Connecticut, in: http://www.privatecompanyfinancialreporting.org/downloads/itc_private_company_ financial_reporting.pdf (Stand: 09.09.2007). FASB and IASB (Hrsg.) (2002): Memorandum of Understanding: „The Norwalk Agreement“, 18.09.2002, in: FASB-News Release from 29.10.2002, London. Fearnley, Stella/Hines, Tony (2003): The Adoption of International Accounting Standards in the UK: a Review of Attitudes, unveröffentlichtes Manuskript, präsentiert auf der llinois International Summer Conference 2003 in Göttingen, in: http://www.business.uiuc.edu/accountancy/vkzcenter/conferences/gottingen/Papers/ Fearnley.pdf (Stand: 23.06.2006). Federmann, Rudolf (2000): Bilanzierung nach Handels- und Steuerrecht. Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Abhängigkeiten von Handels- und Steuerbilanz unter Berücksichtigung internationaler Rechnungslegungsstandards, 11., neu bearb. und erw. Aufl., Berlin. Federmann, Rudolf/IASCF (Hrsg.) (2006): IAS/IFRS-stud. International Accounting Standards/International Financial Reporting Standards mit SIC/IFRIC-Interpretationen. Für Studienzwecke gekürzte deutsche Originalfassung mit über 40 Abbildungen und einer Einführung, 3., neu bearb. und erweiterte Aufl., Berlin. Fladung, Hans-Dieter (2000): Das Vorsichts- und Objektivierungsprinzip im deutschen Bilanzrecht, Wiesbaden, zugl. Univ. Dortmund, Diss., 2000. Foerste, Ulrich (2004): Insolvenzrecht, 2., überarb. und erw. Aufl., München. Förster, Guido W. (1999): Jahresabschlußzwecke, GoB-System und Erfolgsausweis, zugl. Univ. Köln, Habil., 1999. Franke, Günter/Hax, Herbert (1999): Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, 4., neubearb. und erw. Aufl., Berlin et al. Franken, Lars (2001): Gläubigerschutz durch Rechnungslegung nach US-GAAP. Eine ökonomische Analyse, Betriebswirtschaftliche Studien Rechnungs- und Finanzwesen, Organisation und Institution, Bd. 52, Frankfurt am Main, zugl. Univ. Bochum, Diss., 2000.

Literaturverzeichnis

463

Fritsch, Michael/Wein, Thomas/Ewers, Hans-Jürgen (2005): Marktversagen und Wirtschaftspolitik. Mikroökonomische Grundlagen staatlichen Handelns, 6., überarb. und erw. Aufl., München. Glieden, Patricia (1997): Das Bilanzierungsverhalten mittelständischer Unternehmen: eine Paneluntersuchung, Köln, zugl. Univ. Kiel, Diss., 1996. Göbel, Elisabeth (2002): Neue Institutionenökonomik, Stuttgart. Goerdeler, Reinhard (1991): Das allgemeine Informationsrecht des Kommanditisten in Bezug auf den Jahresabschluß, in: Festschrift für Kellermann zum 70. Geburtstag am 29. November 1990, hrsg. von Goerdeler, Reinhard, Zeitschrift für Unternehmensund Gesellschaftsrecht, Sonderheft 10, Berlin/New York, S. 77-89. Groß, Wolfgang (2006): Kapitalmarktrecht. Kommentar zum Börsengesetz, zur Börsenzulassungs-Verordnung, zum Wertpapierverkaufsprospekt und zum Verkaufsprospektgesetz, 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, München. Grund, Matthias (1996): Internationale Entwicklung und Bilanzrecht – Reform oder Resignation?, in: DB, 49. Jg., S. 1293-1296. – (2005): Die Anpassung des HGB an internationale Rechnungslegungsstandards, zugl. Univ. Bonn, Diss., 2005. Gündel, Matthias/Hirdes, Mario (2005): Mezzanine-Kapital zur Bilanzoptimierung und bankenunabhängigen Unternehmensfinanzierung – Praxisfall zur Beschaffung von Mezzanine-Kapital im Wege der Privatplatzierung, in: BC, 29. Jg., S. 205-210. Günterberg, Brigitte/Kayser, Gunter (2004): SMEs in Germany Facts and Figures 2004, IfM-Materialien Nr. 161, hrsg. vom IfM Bonn, Bonn. Günterberg, Brigitte/Wolter, Hans-Jürgen (2002): Unternehmensgrößenstatistik 2001/2002 – Daten und Fakten –, hrsg. vom IfM Bonn, Bonn. Haller, Axel (2003): IFRS für alle Unternehmen – ein realisierbares Szenario in der Europäischen Union?, in: KoR, 3. Jg., S. 413-424. Haller, Axel/Eierle, Brigitte (2004): Accounting Standards for Small and Medium-sized Entities – erste Weichenstellungen durch das IASB, in: BB, 59. Jg., S. 1838-1845. Haller, Axel/Raffournier, Bernhard/Walton, Peter (Hrsg.) (2000): Unternehmenspublizität im internationalen Wettbewerb, ins Deutsche übertragen und wesentlich bearb. von Haller, Axel/Eierle, Brigitte, Stuttgart. Haufe IFRS-Kommentar (2005): hrsg. von Lüdenbach, Norbert/Hoffmann, Wolf-Dieter, begründet von Lüdenbach, Norbert/Hoffmann, Wolf-Dieter/Bernhard, Michael, 3. Aufl., Freiburg im Breisgau et al. Hax, Herbert (1988): Rechnungslegungsvorschriften – Notwendige Rahmenbedingungen für den Kapitalmarkt? in: Unternehmungserfolg: Planung – Ermittlung – Kontrolle; Walther Busse von Colbe zum 60. Geburtstag, hrsg. von Domsch, Michael et al., Festschrift Walther Busse von Colbe zum 60. Geburtstag, Wiesbaden, S. 187-201. Hennrichs, Joachim (1999): Wahlrechte im Bilanzrecht der Kapitalgesellschaften unter besonderer Berücksichtigung der EG-Bilanz-Richtlinie, Köln, zugl. Univ. Mainz, Habil., 1998.

464

Literaturverzeichnis

– (2001): Maßgeblichkeitsgrundsatz oder eigenständige Prinzipien für die Steuerbilanz?, in: Besteuerung von Einkommen, hrsg. von Ebling, Iris, Köln, S. 301-328. Herzig, Norbert (2001): Gefahren der internationalen Rechnungslegung für den Mittelstand? – Problemfelder: Besteuerung und Gewinnausschüttung, in: Internationale Rechnungslegung – Konsequenzen für Unternehmensführung, Rechnungswesen, Standardsetting, Prüfung und Kapitalmarkt – Kongress-Dokumentation 54. Deutscher Betriebswirtschafter-Tag 2000, hrsg. von Coenenberg, Adolf G./Pohle, Klaus, Stuttgart, S. 46-61. – (2004): IAS/IFRS und steuerliche Gewinnermittlung. Eigenständige Steuerbilanz und modifizierte Überschussrechnung – Gutachten für das Bundesfinanzministerium, Düsseldorf. Hesselmann, Stephan/Stefan, Ute (1990): Sanierung oder Zerschlagung insolventer Unternehmen – Betriebswirtschaftliche Überlegungen und empirische Ergebnisse –, Schriften zur Mittelstandsforschung Nr. 39 NF, hrsg. vom IfM Bonn, Stuttgart. High Level Group of Company Law Experts (Hrsg.) (2002): Report of the High Level Group of Company Law Experts on a Modern Regulatory Framework for Company Law in Europe, Brüssel, in: http://europa.eu.int/comm/internal_market/en/company/ company/modern/consult/report_en.pdf (Stand: 06.10.2005). Hommel, Michael (2005): Die Neubewertungsmethode als Allowed Alternative Treatment für Sachanlagen und immaterielle Anlagewerte, in: Fair Value – Bewertung in Rechnungswesen, Controlling und Finanzwirtschaft, hrsg. von Bieg, Hartmut/Heyd, Reinhard, München, S. 288-307. Hoppenstedt, Dietrich H. (2006): Der Mittelstand im internationalen Wettbewerb, in: Forum. Vortragsreihe des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, Nr. 9, Köln. Hopt, Klaus J. (1996): Bilanz, Reservenbildung und Gewinnausschüttung bei der OHG und KG, in: Festschrift für Walter Odersky zum 65. Geburtstag am 17. Juli 1996, hrsg. von Böttcher, Reinhard, Berlin/New York, S. 799-822. Horschitz, Harald et al. (Hrsg.) (2004): Bilanzsteuerrecht und Buchführung, 10., neu bearb. Aufl., Stuttgart. Hueck, Götz/Windbichler, Christine (2003): Gesellschaftsrecht. Ein Studienbuch, 20., völlig neu bearbeitete Aufl., München. Hüttche, Tobias (2002): IAS für den Mittelstand: light, little oder gar nicht?, in: BB, 57. Jg., S. 1804-1806. Hüttemann, Rainer (2004): BB-Gesetzgebungsreport: Internationalisierung des deutschen Handelsbilanzrechts im Entwurf des Bilanzrechtsreformgesetzes, in: BB, 59. Jg., S. 203-209. IASB (Hrsg.) (2004-a): IASB Update June 2004, London. – (2004-b): IASB Update July 2004, London. – (2004-c): Preliminary Views on Accounting Standards for Small and Medium-sized Entities. Discussion Paper. Comments to be submitted by 24 September 2004, London. – (2005-a): Staff Questionnaire on Possible Recognition and Measurement Modifications for Small and Medium-Sized Entities (SMEs), 05.04.2005, London.

Literaturverzeichnis

465

– (2005-b): IASB issues staff questionnaire on recognition and measurement principles for small entities, press release, 05.04.2005, London. – (2005-c): IASB Update November 2005, London. – (2005-d): IASB Update December 2005, London. – (2006-a): Amendments to IAS 32 (Financial Instruments: Presentation) and IAS 1 (Presentation of Financial Statements) in respect of Financial Instruments Puttable at Fair Value and Instruments with Obligations Arising on Liquidation, Project Update, dated 20 April 2006, London. – (2006-b): Exposure Draft (ED) of proposed amendments to IAS 1 presentation of financial statements, a revised presentation, March 2006. – (2006-c): IASB Update January 2006, London. – (2006-d): IASB Update February 2006, London. – (2006-e): IASB Update March 2006, London. – (2006-f): IASB Update May 2006, London. – (2006-g): IASB Update June 2006, London. IDW (Hrsg.) (2002): Stellungnahme des IDW zur EU-Verordnung zur Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards sowie zum Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der EU-Bilanzrichtlinien, in: WPg, 55. Jg., S. 983-990. – (2003): Stellungnahme des IDW zum Maßnahmenkatalog der Bundesregierung vom 25. Februar 2003 zur Stärkung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes, Presseinformation vom 05.03.2003. – (2004): Stellungnahme des IDW: Exposure Draft of Proposed Amendments to IAS 32 „Financial Instruments: Disclosure and Presentation“ – Liabilities and Equity, in: WPg, 57. Jg., S. 86-87. – (2005): Internationalisierung der Rechnungslegung im Mittelstand. Wirtschaftsprüfer begleiten mittelständische Unternehmen bei der Umstellung auf IFRS, Düsseldorf. – (2006): WP Handbuch 2006. Wirtschaftsprüfung, Rechnungslegung, Beratung, Bd. I, bearb. von Geib, Gerd et al., 13. Aufl., Düsseldorf. IKB Deutsche Industriebank AG (Hrsg.) (2002): EBILA – Die Bilanzanalyse der IKB, Brüggen. Jacobi, Arne (2003): Analyse bilanztheoretischer Grundlagen der International Accounting Standards als Basis für deren Interpretation und Weiterentwicklung, Aachen, zugl. Univ. Göttingen, Diss., 2003. Jacobs, Otto H. (Hrsg.) (2002): Unternehmensbesteuerung und Rechtsform. Handbuch zur Besteuerung deutscher Unternehmen, bearb. von Jacobs, Otto H./Scheffler, Wolfram unter Mitarbeit von Vituschek, Michael, 3., neu bearb. Aufl., München. Janisch, Monika (1992): Das strategische Anspruchsgruppenmanagement. Vom shareholder value zum stakeholder value, Bamberg, zugl. Hochschule St. Gallen, Diss., 1992. Jebens, Carsten Thomas (2003): Was bringen die IFRS oder IAS dem Mittelstand?, in: DB, 56. Jg., S. 2345-2350.

466

Literaturverzeichnis

Jessen, Ulf/Weller, Heino (2005): Fortentwicklung des deutschen Bilanzrechts – Die Möglichkeiten eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes für den Einzelabschluss, in: DStR, 43. Jg., S. 489-493 (Teil I), S. 532-536 (Teil II). Jüttner, Uwe (1992): GoB-System, Einzelbewertungsgrundsatz und Imparitätsprinzip, Frankfurt am Main et al., zugl. Univ. Hannover, Diss., 1992. Kahle, Holger (2002): Internationale Rechnungslegung und ihre Auswirkungen auf Handels- und Steuerbilanz, Wiesbaden, zugl. Univ. Mannheim, Habil., 2002. – (2003): Zur Zukunft der Rechnungslegung in Deutschland – IAS im Einzel- und Konzernabschluss?, in: WPg, 56. Jg., S. 262-275. Karkowski, Boris (2004): „Mittelstands IFRS ist nur eine Frage der Zeit“. Wann kommt IFRS für den Mittelstand?, in: Finance, o. Jg., Ausgabe November, S. 1-3. Kaserer, Christoph et al. (2006): Ein Jahr „German Entrepreneurial Index (GEX)“ – Bestandsaufnahme und Analyse, in: Finanz Betrieb, 8. Jg., S. 10-17. Kaufmann, Friedrich (1997): Besonderheiten der Finanzierung kleiner und mittlerer Unternehmen, in: Kredit und Kapital, S. 140-155. Kaufmann, Friedrich/Kokalj, Ljuba (1996): Risikokapitalmärkte für mittelständische Unternehmen, Schriften zur Mittelstandsforschung, Nr. 68 NF, hrsg. vom Institut für Mittelstandsforschung Bonn, Stuttgart. Kessler, Harald (2000): Von realisierten, erwarteten und bestrittenen Verlusten – Ein neuerlicher Anlauf zur Klärung des Verhältnisses von Drohverlustrückstellungen und Teilwertabschreibungen aus steuerlicher Sicht, in: StuB, 2. Jg., S. 1091-1099. Keßler, Marco (2003): IAS/IFRS für mittelständische Unternehmen ab 2005? – Chancen und Probleme – Ein Tagungsbericht, in: KoR, 3. Jg., S. 103-105. KfW et al. (Hrsg.) (2003): Unternehmensfinanzierung in schwierigem Fahrwasser. Wachsende Finanzierungsprobleme im Mittelstand – Auswertung einer Unternehmensbefragung 2002, Frankfurt am Main. Kiel, Peter (1994): Internationales Kapitalanlegerschutzrecht: zum Anwendungsbereich kapitalanlegerschützender Normen im deutschen, europäischen und US-amerikanischen Recht, Recht des internationalen Wirtschaftsverkehrs; Bd. 14, Berlin/New York, zugl. Univ. Hamburg, Diss., 1993. Kieso, Donald E./Weygandt, Jerry J./Warfield, Terry D. (2001): Intermediate Accounting, 10. Aufl., New York u. a. Kirchhof, Paul/Söhn, Hartmut/Mellinghoff, Rudolf (Hrsg.) (2005): Einkommensteuergesetz. Kommentar, 146. Aufl., Heidelberg. Kirchner, Christian (1997): Bilanzrecht und neue Institutionenökonomik: Interdisziplinäre Überlegungen, in: Handelsbilanzen und Steuerbilanzen. Festschrift zum 70. Geburtstag von Prof. Dr. h. c. Heinrich Beisse, hrsg. von Budde, Wolfgang D./Moxter, Adolf/Offerhaus, Klaus, Düsseldorf, S. 267-283. Kirsch, Hanno (2003-a): Gestaltungspotenzial durch verdeckte Bilanzierungswahlrechte nach IAS/IFRS, in: BB, 58. Jg., S. 1111-1116. – (2003-b): IAS-Jahresabschluss für Kommanditgesellschaften, in: BB, 58. Jg., S. 143-149.

Literaturverzeichnis

467

Kittner, Willy A. (2001): Die europäische Rechnungslegungsharmonisierung unter dem zunehmenden Einfluss der International Accounting Standards und der US-amerikanischen Rechnungslegungsstandards, Berichte aus der Betriebswirtschaft, Aachen, zugl. Humboldt-Univ. Berlin, Diss., 1999. Klaffke, Martin (2003): Verbesserungspotenzial bei der Bekämpfung von Anlagebetrug im Bereich der Justiz – Grauer Kapitalmarkt, in: ZRP, 36. Jg., S. 450-453. Klatte, Volkmar (1991): Die Rechnungslegung der GmbH & Co. KG: Auswirkungen des Spannungsfelds zwischen rechtlicher Vielheit und funktionaler Einheit von KG und Komplementär-GmbH, Forschungsergebnisse aus dem Revisionswesen und der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, Bd. 10, Berlin, zugl. Univ. Münster (Westfalen), Diss., 1990. Kleekämper, Heinz et al. (2003): IAS 1 Darstellung des Abschlusses (Presentation of Financial Statements), in: Rechnungslegung nach International Accounting Standards (IAS). Kommentar auf der Grundlage des deutschen Bilanzrechts, hrsg. von Baetge, Jörg et al., Teil B: Kommentierung der IASB-Standards, Kapitel D, 2. Aufl., Stuttgart. Kloock, Josef (1993): Dynamische Bilanz, in: Handwörterbuch des Rechnungswesens, hrsg. von Chmielewicz, Klaus/Schweitzer, Marcell, unter Mitarbeit von zahlreichen Fachgelehrten und Experten aus Wissenschaft und Praxis, 3. Aufl., Stuttgart, Sp. 384-398. Knobbe-Keuk, Brigitte (1993): Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9., völlig überarb. und erw. Aufl., Köln. Kokalj, Ljuba/Pfaffenholz, Guido/Moog, Petra (2003): Neue Tendenzen in der Mittelstandsfinanzierung, Schriften zur Mittelstandsforschung, Nr. 99 NF, hrsg. vom IfM Bonn, Wiesbaden. Kommission Rechnungswesen im Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e. V. (Hrsg.) (1979): Reformvorschläge zur handelsrechtlichen Rechnungslegung, in: DBW, 39. Jg., S. 3-70. Korff, Wilhelm et al. (Hrsg.) (1999): Handbuch der Wirtschaftsethik, Band 3: Ethik wirtschaftlichen Handelns, Gütersloh. Kosmider, Andreas (1994): Controlling im Mittelstand – Eine Untersuchung der Gestaltung und Anwendung des Controllings in mittelständischen Industrieunternehmen, 2., überarb. Aufl., Stuttgart. Krumnow, Jürgen (2002): Basel II und seine Auswirkungen auf die Finanzierungsstruktur und Informationspolitik der Unternehmen, in: Vom Financial Accounting zum Business Reporting. Kapitalmarktorientierte Rechnungslegung und integrierte Unternehmenssteuerung, Beiträge anlässlich der 6. Fachtagung „Das Rechnungswesen im Konzern – Vom Financial Accounting zum Business Reporting“ am 22./23. November 2001 in Frankfurt a. M., hrsg. von Küting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter, unter der redaktionellen Mitarbeit von Boecker, Corinna/Busch, Julia/Zwirner, Christian, Stuttgart, S. 409-421. Kübler, Friedrich/Assmann, Heinz-Dieter (2006): Gesellschaftsrecht. Die privatrechtlichen Ordnungsstrukturen und Regelungsprobleme von Verbänden und Unternehmen, 6., neu bearb. und erw. Aufl., Heidelberg.

468

Literaturverzeichnis

Kück, Marlene (1990): Aspekte der Finanzierung des Kleinbetriebssektors, Berlin. Küffner, Peter/Hock, Burkhard (1998): Internationalisierung der Rechnungslegung aus der Sicht mittelständischer Unternehmen, in: BFuP, 50. Jg., S. 57-76. Küting, Karlheinz (1995): Stille Rücklagen – ein betriebswirtschaftliches Phänomen. Bestandsaufnahme – Bedeutung – Perspektiven, in: BB, 50. Jg., Beilage 15 zu H. 38, S. 1-15. – (2000): Stille Reserven: Theoretisch umstritten – Praktisch relevant – Zukünftig noch existent?, in: Betrieb und Wirtschaft, 54. Jg., S. 389-398 (Teil I) und S. 433-442 (Teil II). – (2004): Saarbrücker Thesen zur Fortentwicklung des deutschen Bilanzrechts, in: BB, 59. Jg., S. 1. – (2005): Die Bedeutung der Fair Value-Bewertung für Bilanzanalyse und Bilanzpolitik – Informiert der Fair Value besser über die „wahre“ Unternehmenslage? – in: Fair Value – Bewertung in Rechnungswesen, Controlling und Finanzwirtschaft, hrsg. von Bieg, Hartmut/Heyd, Hartmut, München, S. 495-516. Küting, Karlheinz/Dürr, Ulrike L. (2005): Mezzanine-Kapital – Finanzierungsentscheidung im Sog der Rechnungslegung, in: DB, 58. Jg., S. 1529-1534. Küting, Karlheinz/Kessler, Harald (2000): Einige Bemerkungen zum Verhältnis von Imparitätsprinzip und Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, in: StuB, 2. Jg., S. 21-33. Küting, Karlheinz/Kessler, Marco/Gattung, Andreas (2005): Die Gewinn- und Verlustrechnung nach HGB und IFRS, in: KoR, 5. Jg., S. 15-22. Küting, Karlheinz/Ranker, Daniel/Wohlgemuth, Frank (2004): Auswirkungen von Basel II auf die Praxis der Rechnungslegung – Ist eine ausschließlich ratinginduzierte Umstellung der Rechnungslegung auf IFRS sinnvoll? –, in: Finanz Betrieb, 6. Jg., S. 93-104. Küting, Karlheinz/Reuter, Michael (2005): Werden stille Reserven in Zukunft (noch) stiller? – Machen die IFRS die Bilanzanalyse überflüssig oder weitgehend unmöglich?, in: BB, 60. Jg., S. 706-713. Küting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter (Hrsg.) (1995): Handbuch der Rechnungslegung. Kommentar zur Bilanzierung und Prüfung, Band Ia, 4., grundlegend überarb. und wesentlich erw. Aufl., Stuttgart. – (2000-a): Bilanzanalyse. Lehrbuch zur Beurteilung von Einzel- und Konzernabschlüssen, unter Mitarbeit von Dawo, Sascha et al., 5., erw. und akt. Aufl., Stuttgart. – (2000-b): Der Konzernabschluß. Lehrbuch und Fallstudie zur Praxis der Konzernrechnungslegung, unter Mitarbeit von Dawo, Sascha et al., 6. Aufl., Stuttgart. Küting, Karlheinz/Wirth, Johannes/Dürr, Ulrike (2006): Personenhandelsgesellschaften durch IAS 32 (rev. 2003) vor der Schuldenfalle?, in: WPg, 59. Jg., S. 69-79. Küting, Karlheinz/Wohlgemuth, Frank (2004): Möglichkeiten und Grenzen der internationalen Bilanzanalyse. Erkenntnisfortschritte durch eine internationale Strukturbilanz?, in: DStR, 42. Jg., Beihefter zu H. 48, S. 1*-19*.

Literaturverzeichnis

469

Kuhner, Christoph (1998): Verfügungsrechte an Unternehmensinformationen – Die Verrechtlichung des Informationsflusses zwischen Unternehmen und Kapitalmarkt im Blickfeld ökonomischer Analysen –, zugl. Univ. München, Habil., 1998. Lachnit, Laurenz (1993): „True and fair view“ und Rechnungslegung über stille Rücklagen im Jahresabschluß von Kapitalgesellschaften, in: WPg, 46. Jg., S. 193-201. Lanz, Rolf (1992): Controlling in kleinen und mittleren Unternehmen, 3., überarb. und erw. Aufl., Bern/Stuttgart. Leffson, Ulrich (1984): Bilanzanalyse, 3., verb. Aufl., Stuttgart. – (1987): Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 7., revidierte und erw. Aufl., Düsseldorf. Leftwich, Richard (1983): Accounting Information in Private Markets: Evidence from Private Lending Agreements, in: The Accounting Review, vol. 58, S. 23-42. Lehmann, Matthias/Müller, Ursula (2002): Der Jahresabschluss. Vom Erwerbswirtschaften bis zur Erfolgsermittlung, Berlin. Leuz, Christian (1996): Rechnungslegung und Kreditfinanzierung: zum Zusammenhang von Ausschüttungsbegrenzung, bilanzieller Gewinnermittlung und vorsichtiger Rechnungslegung, Betriebswirtschaftliche Studien – Rechnungs- und Finanzwesen, Organisation und Institution, Bd. 32, Frankfurt am Main, zugl. Univ. Frankfurt am Main, Diss., 1996. Ljuba, Kokalj/Paffenholz, Guido/Moog, Petra (2003): Neue Tendenzen in der Mittelstandsfinanzierung, Schriften zur Mittelstandsforschung, Nr. 99 NF, hrsg. vom IfM Bonn, Wiesbaden. Lüdenbach, Norbert/Hoffmann, Wolf-Dieter (2004-a): IFRS für den Mittelstand?, in: BFuP, 56. Jg., S. 596-614. – (2004-b): Kein Eigenkapital in der IAS/IFRS-Bilanz von Personengesellschaften und Genossenschaften?, in: BB, 59. Jg., S. 1042-1047. – (2005): IFRS-Rechnungslegung für Personengesellschaften als Theater des Absurden, in: DB, 58. Jg., S. 404-409. Maaß, Frank/Wallau, Frank (2003): Internationale Kooperationen kleiner und mittlerer Unternehmen – Unter besonderer Berücksichtigung der neuen Bundesländer – IfMMaterialien Nr. 158, hrsg. vom IfM Bonn, Bonn. Mandler, Udo (2003): IAS/IFRS für mittelständische Unternehmen: Ergebnisse einer Unternehmensbefragung, in: KoR, 3. Jg., S. 143 ff. – (2004): Der deutsche Mittelstand vor der IAS-Umstellung 2005. Konzepte und empirische Befunde zur IAS-Verordnung, Berlin. Marx, Franz Jürgen/Dallmann, Holger (2004): Jahresabschlusspublizität mittelständischer Unternehmen. Empirische Befunde und konzeptionelle Überlegungen, in: BB, 59. Jg., S. 929-935. Mattil, Peter/Fohrer, Katja (2004): Was die Einführung einer allgemeinen Prospektpflicht für den Anleger bedeutet, in: DFI-Report, Nr. 23, DFI-Forum, S. 9-10. Merkt, Hanno (2001): Unternehmenspublizität. Offenlegung von Unternehmensdaten als Korrelat der Marktteilnahme, Tübingen.

470

Literaturverzeichnis

– (2004): Der Kapitalschutz in Europa – ein rocher de bronze?, in: Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, 33. Jg., S. 305-323. Merkt, Hanno/Göthel, Stephan R. (2006): US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2., neu bearb. Aufl., Frankfurt am Main. Meyer, Conrad/Schill, Philipp/Bütler, René (2004): Rechnungslegung mittelgroßer Unternehmen. Ergebnisse einer empirischen Erhebung, in: Der Schweizer Treuhänder, 78. Jg., S. 1097-1112. Möller, Hans Peter/Hüfner, Bernd/Kavermann, Markus (2004): Zur Aktienmarktwirkung „international anerkannter“ Rechnungslegung in Deutschland, in: Personal und Organisation – Festschrift für Rolf Bühner, hrsg. von Wildemann, Horst, München, S. 817-843. Moxter, Adolf (1962): Der Einfluß von Publizitätsvorschriften auf das unternehmerische Verhalten, Köln und Opladen, zugl. Univ. Frankfurt am Main, Habil., 1961 – (1976): Fundamentalgrundsätze ordnungsmäßiger Rechenschaft, in: Bilanzfragen. Festschrift zum 65. Geburtstag von Ulrich Leffson, hrsg. von Baetge, Jörg/Moxter, Adolf/Schneider, Dieter, Düsseldorf, S. 87-100. – (1977): Bilanztheorien, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, hrsg. von Albers, Willi, Bd. 1: Absatz bis Bilanztheorien, Stuttgart et al., S. 670-686. – (1982): Betriebswirtschaftliche Gewinnermittlung, Tübingen. – (1984): Bilanzlehre, Bd. I: Einführung in die Bilanztheorie, 3., vollständig umgearb. Aufl., Wiesbaden. – (1986-a): Bilanzlehre Bd. II: Einführung in das neue Bilanzrecht, 3., vollständig umgearb. Aufl., Wiesbaden. – (1986-b): Ulrich Leffson und die Bilanzrechtsprechung, in: WPg, 39. Jg., S. 173-177. – (1987): Zum Sinn und Zweck des handelsrechtlichen Jahresabschlusses nach neuem Recht, in: Bilanz- und Konzernrecht. Festschrift zum 65. Geburtstag von Dr. Dr. h. c. Reinhard Goerdeler, hrsg. von Havermann, Hans, Düsseldorf, S. 361-374. – (1988): Aktivierungspflichtige Herstellungskosten in Handels- und Steuerbilanz, in: BB, 43. Jg., S. 937-945. – (1993): Statische Bilanz, in: Handwörterbuch des Rechnungswesens, hrsg. von Chmielewicz, Klaus/Schweitzer, Marcell, 3. Aufl., Stuttgart, Sp. 1852-1860. – (1995): Rückstellungskriterien im Streit, in: ZfbF, 47. Jg., S. 311-326. – (1997): Zum Verhältnis von Handelsbilanz und Steuerbilanz, in: BB, 52. Jg., S. 195-199. – (1998): Künftige Verluste in der Handels- und Steuerbilanz, in: DStR, 36. Jg., S. 509-515. – (2000-a): Missverständnisse um das Maßgeblichkeitsprinzip, in: DStZ, 88. Jg., S. 157-161. – (2000-b): Rechnungslegungsmythen, in: BB, 55. Jg., S. 2143-2149. – (2001): Die Zukunft der Rechnungslegung? – Anmerkungen zu den Thesen eines Arbeitskreises der Schmalenbach-Gesellschaft –, in: DB, 54. Jg., S. 605-607.

Literaturverzeichnis

471

– (2003): Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, Düsseldorf. Müller, Klaus J. (2006): Die englische Limited in Deutschland – für welche Unternehmen ist sie tatsächlich geeignet?, in: BB, 61. Jg., S. 837-843. Münchner Kommentar zum Aktiengesetz (2003): Band 5/1. §§ 148 – 151, 161 – 178 AktG, §§ 238 – 264 c, 342, 342 a HGB, hrsg. von Kropff, Bruno/Semler, Johannes, 2. Aufl., München. Naumann, Klaus-Peter/Tielmann, Sandra (2001): Die Anwendung der IAS im Kontext der deutschen Corporate Governance, in: WPg, 54. Jg., S. 1445-1458. Niehues, Michael (2001): EU-Rechnungslegungsstrategie und Gläubigerschutz, in: WPg, 54. Jg., S. 1209-1222. Niehus, Rolf J. (1979): Die Anpassung der handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften; Anforderungen und Erwartungen aus der Sicht des Wirtschaftsprüfers, in: BFuP, 31. Jg., S. 17-36. – (1995): Zur „Internationalisierung“ der Konzernabschlüsse 1994 der Bayer AG und der Schering AG, in: DB, 48. Jg., S. 937-940. – (2001): „Auch für Einzelabschlüsse gelten grundsätzlich die IAS“? – Ein Beitrag zu den (möglichen) Grenzen einer „Internationalisierung“ der Rechnungslegung im Einzelabschluss –, in: WPg, 54. Jg., S. 737-752. Oberbrinkmann, Frank (1990): Statische und dynamische Interpretation der Handelsbilanz: eine Untersuchung der historischen Entwicklung, insbesondere der Bilanzrechtsaufgabe und der Bilanzrechtskonzeption, Düsseldorf. Oehler, Ralph (2006): Auswirkungen einer IFRS-Umstellung auf das Kreditrating mittelständischer Unternehmen, in: DB, 59. Jg., S. 113-119. Ordelheide, Dieter (1998): Wettbewerb der Rechnungslegungssysteme IAS, US-GAAP, HGB – Plädoyer für eine Reform des deutschen Bilanzrechts, in: Controlling und Rechnungswesen im internationalen Wettbewerb, Kongress-Dokumentation 51. Deutscher Betriebswirtschaftler-Tag 1997, S. 15-53. Paffenholz, Guido (1998): Krisenhafte Entwicklungen in mittelständischen Unternehmen: Ursachenanalyse und Implikationen für die Beratung, IfM-Materialien Nr. 130, Bonn. – (2004): Mezzaninkapital – Option zur Wachstumsfinanzierung im Mittelstand, in: Jahrbuch zur Mittelstandsforschung 2/2003, hrsg. vom IfM Bonn, Bonn, S. 67-116. Pannen, Michael (2000): Meßtheoretische Grundprobleme des Maßgeblichkeitsprinzips, Reihe: Steuer, Wirtschaft und Recht, Bd. 172, Lohmar/Köln, zugl. Univ. Bochum, Diss., 1999. Pawelzik, Kai Udo (2006): Kommen Personengesellschaften durch den „ownership approach“ nach IFRS wieder zu Eigenkapital?, in: KoR, 6. Jg., S. 153-160. Peemöller, Volker H. (2005): Bescheinigung zur Erstellung von Jahresabschlüssen mit Plausibilitätsbeurteilungen, in: DStR, 43. Jg., S. 2203-2208. Peemöller, Volker H./Spanier, Günter/Weller, Heino (2002): Internationalisierung der externen Rechnungslegung: Auswirkungen auf nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen, in: BB, 57. Jg., S. 1799-1803.

472

Literaturverzeichnis

Pellens, Bernhard (2001): Internationale Rechnungslegung, unter Mitarbeit von Bonse, Andreas et al., 4., überarb. und erw. Aufl., Stuttgart. Pellens, Bernhard/Fülbier, Rolf Uwe (2000): Differenzierung der Rechnungslegungsregulierung nach Börsenzulassung, in: Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, S. 572-593. Pellens, Bernhard/Fülbier, Rolf Uwe/Gassen, Joachim (2006): Internationale Rechnungslegung. IFRS 1 bis 7, IAS 1 bis 41, IFRIC-Interpretationen, Standardentwürfe mit Beispielen, Aufgaben und Fallstudie, 6., überarb. Aufl., Stuttgart. Pellens, Bernhard/Gassen, Joachim (2001): EU-Verordnungsentwurf zur IAS-Konzernrechnungslegung – Gestaltungsmöglichkeiten des deutschen Gesetzgebers –, in: KoR, 1. Jg., S. 137-142. Pellens, Bernhard/Jödicke, Dirk/Richard, Marc (2005): Solvenztests als Alternative zur bilanziellen Kapitalerhaltung?, in: DB, 58. Jg., S. 1393-1401. Pilhofer, Jochen (2002): Umsatz- und Gewinnrealisierung im internationalen Vergleich. Bilanzpolitische Gestaltungsmöglichkeiten nach HGB, US-GAAP und IFRS, Rechnungs- und Prüfungswesen, hrsg. von Küting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter, Berlin, zugl. Univ. Saarbrücken, Diss., 2002. Platzer, Walter (1982): Jahresabschluß und Insolvenzgefahr. Informationsgehalt und Prüfung der externen Rechnungslegung bestandsgefährdeter Unternehmungen, Wien. PricewaterhouseCoopers (Hrsg.) (2004): IAS/IFRS – Kapitalmarktorientierte Unternehmen in Deutschland. Eine Analyse der deutschen Aktien- und Anleiheemittenten vor dem Hintergrund der Internationalisierung der Rechnungslegung, Franfurt am Main. Rammert, Stefan (2004): Lohnt die Erhaltung der Kapitalerhaltung?, in: BFuP, 56. Jg., S. 578-595. Redlefsen, Matthias/Witt, Peter (2006): Gesellschafterausstieg in großen Familienunternehmen, in: ZfB, 76. Jg., S. 7-27. Reinemann, Holger (2002): Betriebliche Weiterbildung in mittelständischen Unternehmen, Trierer Schriften zur Mittelstandsökonomie, Bd. 5, Münster, zugl. Univ. Trier, Diss., 2000. Reske, Winfried/Brandenburg, Achim/Mortsiefer, Hans-Jürgen (1976): Insolvenzursachen mittelständischer Betriebe – Eine empirische Analyse, 2. Aufl., Göttingen. Richter, Rudolf/Furubotn, Eirik G. (2003): Neue Institutionenökonomik. Eine Einführung und kritische Würdigung, übersetzt von Streissler, Monika, 3., überarb. und erw. Aufl., Tübingen. Rickford, Jonathan (Hrsg.) (2004): Reforming Capital: Report of the Interdisciplinary Group on Capital Maintenance, in: European business law review, vol. 15, S. 919-1027. Robisch, Martin (1993): Die Umkehrung des Maßgeblichkeitsprinzips – eine kritische Bestandsaufnahme unter besonderer Berücksichtigung der Situation in den neuen Bundesländern –, in: DStR, 31. Jg., S. 998-1004.

Literaturverzeichnis

473

Rost, Peter (1991): Der internationale Harmonisierungsprozeß der Rechnungslegung. Theorie, Praxis, Perspektiven, Europäische Hochschulschriften: Reihe 5, Volks- und Betriebswirtschaft, Bd. 1228, Frankfurt am Main et al. Rückle, Dieter (1977): Besteuerung des periodenrichtigen Erfolges, unsichere Erwartungen und Konkurs, in: JfB, 27. Jg. S. 102-115 und S. 129-137. – (1983): Normative Theorie der Steuerbilanzpolitik, Wien, zugl. Univ. Wien, Habil., 1978/79. – (1984): Externe Prognosen und Prognoseprüfung, in: DB, 37. Jg., S. 57-69. – (1986-a): Vorsicht, in: Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe im Bilanzrecht des HGB, hrsg. von Leffson, Ulrich/Rückle, Dieter/Großfeld, Bernhard, Köln, S. 403-416. – (1986-b): Finanzlage, in: Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe im Bilanzrecht des HGB, hrsg. von Leffson, Ulrich/Rückle, Dieter/Großfeld, Bernhard, Köln, S. 168-184. – (1987): Ausgestaltung und Bedeutung der Generalnormen im neuen Rechnungslegungsrecht, in: Rechnungslegung und Gewinnermittlung, Gedenkschrift für Karl Lechner, hrsg. von Loitlsberger, Erich/Egger, Anton/Lechner, Eduard, Wien, S. 307-325. – (1990): Analyse der österreichischen Reformbestrebungen auf dem Gebiete der han delsrechtlichen Rechnungslegung, Offenlegung und Prüfung („Rechnungslegungsgesetz“) im Lichte der EG-Richtlinien und des deutschen BilanzrichtlinienGesetzes (Projekt „Rechnungslegungsvorschriften“, gefördert aus dem Universitäts preis der Wiener Wirtschaft), Wien, als Manuskript veröffentlicht (1. Lfg. 54 S., 2. Lfg. 81 S.). – (1997): Jahresabschlussaufstellung und -feststellung bei Personengesellschaften, in: Handelsbilanzen und Steuerbilanzen. Festschrift zum 70. Geburtstag von Prof. Dr. h. c. Heinrich Beisse, hrsg. von Budde, Wolfgang D./Moxter, Adolf/Offerhaus, Klaus, Düsseldorf, S. 433-449. – (2005): Transparenzdefizite in der Anlegerinformation, in: Kritisches zur Rechnungslegung und Unternehmensbesteuerung. Festschrift zur Vollendung des 65. Lebensjahres von Theodor Siegel, hrsg. von Schneider, Dieter et al., Berlin, S. 275-297. – (2007): Rechnungslegung im Widerstreit der Interessen. Zum aktuellen Vordringen sogenannter „kapitalmarktorientierter“ Rechnungslegung: Chancen und Defizite, in: Jahrbuch für Controlling und Rechnungswesen 2007, hrsg. von Seicht, Gerhard, Wien, S. 207-252. Rückle, Dieter/Klatte, Volkmar (1986): Eigenkapital des Einzelkaufmanns und der Personenhandelsgesellschaften, in: Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe im Bilanzrecht des HGB, hrsg. von Leffson, Ulrich/Rückle, Dieter/Großfeld, Bernhard, Köln, S. 113-134. – (1989): GmbH & Co. KG und Offenlegungspflicht – Möglichkeiten eines differenzierenden Offenlegungskonzepts, in: BFuP, 41. Jg., S. 193-212. Schildbach, Thomas (1986): Jahresabschluß und Markt, Heidelberger betriebswirtschaftliche Studien, Berlin et al.

474

Literaturverzeichnis

– (1987): Die neue Generalklausel für den Jahresabschluß von Kapitalgesellschaften – zur Interpretation des Paragraphen 264 Abs. 2 HGB, in: BFuP, 39. Jg., S. 1-15. – (1994): Internationale Rechnungslegungsstandards auch für deutsche Einzelabschlüsse?, in: Bilanzrecht und Kapitalmarkt. Festschrift zum 65. Geburtstag von Adolf Moxter, hrsg. von Ballwieser, Wolfgang et al., Düsseldorf, S. 699-721. – (1998-a): Rechnungslegung nach US-GAAP – ein Fortschritt für Deutschland?, in: Rechnungslegung und Steuern international. Tagung des Ausschusses Unternehmensrechnung im Verein für Socialpolitik am 9. und 10. Mai 1997 in Evelle/Frankreich, hrsg. von Ballwieser, Wolfgang/Schildbach, Thomas, ZfbF, 50. Jg., Sonderheft Nr. 40, Düsseldorf, S. 55-81. – (1998-b): Zeitwertbilanzierung in USA und nach IAS, in: BFuP, 50. Jg., S. 580-591. – (1999): Zeitbewertung, Gewinnkonzeptionen und Informationsgehalt – Stellungnahme zu „Financial Assets and Liabilities – Fair Value or Historical Cost?“, in: WPg, 52. Jg., S. 177-185. – (2002-a): IAS als Rechnungslegungsstandards für alle, in: BFuP, 54. Jg., S. 263-279. – (2002-b): US-GAAP: amerikanische Rechnungslegung und ihre Grundlagen, 2., überarb. und aktualisierte Aufl., München. – (2004-a): Bilanzierung zum „fair value“ – Zukunft der Rechnungslegung?, in: Wildemann, Horst (Hrsg.): Personal und Organisation, Festschrift für Rolf Bühner, München, S. 846-863. – (2004-b): Der handelsrechtliche Jahresabschluss, 7., wesentlich erw. Aufl., Berlin. – (2005): Das System der IAS/IFRS in der EU: Charakter und Probleme, in: Kritisches zur Rechnungslegung und Unternehmensbesteuerung. Festschrift zur Vollendung des 65. Lebensjahres von Theodor Siegel, hrsg. von Schneider, Dieter et al., Berlin, S. 45-63. Schmalenbach, Eugen (1962): Dynamische Bilanz, unveränd. Nachdruck der 13., verb. und erw., von Bauer, Richard bearb. Aufl., Köln/Opladen/Darmstadt. Schmidt, Axel G. (1995): Der Einfluß der Unternehmensgröße auf die Rentabilität von Industrieunternehmen, Beiträge zur betriebswirtschaftlichen Forschung, Bd. 76, Wiesbaden, zugl. Univ. Köln, Habil., 1994. – (1998): Zur finanzwirtschaftlichen Situation kleiner und mittlerer Unternehmen im Strukturwandel, in: Franke, Günter/Laux, Helmut et al. (Hrsg.): Unternehmensführung und Kapitalmarkt, Festschrift für Herbert Hax, Berlin, S. 285-326. Schmidt, Axel et al. (1995): Die Internationalisierung mittelständischer Industrieunternehmen unter besonderer Berücksichtigung der Rolle der Banken, IfM-Materialien Nr. 113, hrsg. vom IfM Bonn, Bonn. Schmidt, Axel G./Kiefer, Clemens (2005): Kooperationen zwischen mittelständischen Unternehmen, in: Kooperationen, Allianzen und Netzwerke. Grundlagen – Ansätze – Perspektiven, hrsg. von Zentes, Joachim/Sowboda, Bernhard/Morschett, Dirk, 2. überarb. und erw. Aufl., Wiesbaden, S. 1357-1381. Schmidt, Axel G./Kraus, Markus (2001): Qualifikation und Unternehmenskontinuität. Beitrag der Meisterausbildung zur Bestandssicherung von Handwerksunternehmen,

Literaturverzeichnis

475

Gutachten im Auftrag der Handwerkskammer Trier und des Instituts für Technik der Betriebsführung, Gifhorn. Schmidt, Karsten (2002): Gesellschaftsrecht, 4., völlig neu bearb. und erw. Aufl., Köln et al. Schmidt, Ludwig (Hrsg.) (2006): Einkommensteuergesetz. Kommentar, 25., völlig neubearb. Aufl., München. Schmidt, Matthias (2000): Das Konzept einer kapitalmarktorientierten Rechnungslegung. Legitimation, Ableitung einer Sollvorstellung und Brauchbarkeit nationaler sowie internationaler Regelungen, Schriften zum Steuer-, Rechnungs- und Prüfungswesen, Bd. 25, zugl. Humboldt-Univ. Berlin, Diss., 1999. Schmidt, Reinhard H. (1982): Rechnungslegung als Informationsproduktion auf nahezu effizienten Kapitalmärkten, in: ZfbF, 34. Jg., S. 728-748. Schneider, Dieter (1992): Investition, Finanzierung und Besteuerung, 7., vollständig überarb. und erw. Aufl., Wiesbaden. – (1997-a): Betriebswirtschaftslehre Bd. 2: Rechnungswesen, 2., vollständig überarb. und erw. Aufl., München/Wien. – (1997-b): Betriebswirtschaftslehre Bd. 3: Theorie der Unternehmung, München/Wien. – (1999): Abbau von Steuervergünstigungen durch Skalpierung der Maßgeblichkeit und Verlustverrechnung als „Stärkung der Investitionskraft“?, in: DB, 52. Jg., S. 105-110. Schön, Wolfgang (2000): Gesellschafter-, Gläubiger- und Anlegerschutz im Europäischen Bilanzrecht, in: ZGR, 29. Jg., S. 706-742. Schoenfeld, Armin (1988): Das Bilanzierungsverhalten mittelständischer Unternehmen in der Rechtsform der GmbH – Eine empirische Untersuchung –, Ulm, zugl. Univ. Augsburg, Diss., 1988. Schreiber, Ulrich (1997): Hat das Maßgeblichkeitsprinzip noch eine Zukunft?, in: Handelsbilanzen und Steuerbilanzen. Festschrift zum 70. Geburtstag von Prof. Dr. h. c. Heinrich Beisse, hrsg. von Budde, Wolfgang D./Moxter, Adolf/Offerhaus, Klaus, Düsseldorf, S. 491-509. – (1998): Die Bedeutung der US-amerikanischen Rechnungslegung für die Besteuerung von Gewinnen und Ausschüttungen, in: US-amerikanische Rechnungslegung. Grundlagen und Vergleiche mit deutschem Recht, hrsg. von Ballwieser, Wolfgang, 3., überarb. und erw. Aufl., Stuttgart, S. 47-94. – (1999): Rechnungslegung im Einzelabschluß nach internationalen Grundsätzen?, in: Unternehmenspolitik und internationale Besteuerung. Festschrift für Lutz Fischer zum 60. Geburtstag, hrsg. von Kleineidam, Hans-Jochen, Berlin, S. 879-912. – (2002): Gewinnermittlung und Besteuerung der Einkommen, in: StuW, 79. (32.) Jg., S. 105-115. Schruff, Wienand (2005): Die Zeitwertbilanzierung nach IFRS/IAS – ein zukunftsweisendes Konzept oder ein fundamentaler Irrtum?, in: Kritisches zur Rechnungslegung und Unternehmensbesteuerung. Festschrift zur Vollendung des 65. Lebensjahres von Theodor Siegel, hrsg. von Schneider, Dieter et al., Berlin, S. 111-137.

476

Literaturverzeichnis

Schulze-Osterloh, Joachim (2004): Vorschläge für ein Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, in: ZIP, 25. Jg., S. 1128-1137. Schulze zur Wiesche, Dieter (1988): Sacheinlagen in Kapitalgesellschaften, insbesondere GmbH, in: GmbHR, 79. Jg., S. 31-37. Schwark, Eberhard (Hrsg.) (2004): Kapitalmarktrechtskommentar. Börsengesetz mit Börsenzulassungsverordnung, Verkaufsprospektgesetz mit Verkaufsprospektverordnung, Wertpapierhandelsgesetz, Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, bearb. von Beck, Heiko et al., 3. Aufl., München. Schweitzer, Michael/Hummer, Waldemar (1996): Europarecht. Das Recht der Europäischen Union – Das Recht der Europäischen Gemeinschaften (EGKS, EG, EAG) – mit Schwerpunkt EG, 5., neu bearb. und erw. Aufl., Neuwied/Berlin. Selchert, Friedrich W. (1990): Das Realisationsprinzip – Teilgewinnrealisierung bei langfristiger Auftragsfertigung, in: DB, 43. Jg., S. 797-805. Selchert, Friedrich W./Erhardt, Martin (2003): Internationale Rechnungslegung: Der Jahresabschluss nach HGB, IAS und US-GAAP, 3., völlig neu bearb. und erw. Aufl., München/Wien. Siegel, Theodor (1985): Das geplante Rückstellungswahlrecht für Großreparaturen, in: WPg, 38. Jg., S. 414-418. – (1986-a): Echte Aufwandsrückstellungen und der Wandel des Gesellschafterschutzes im neuen Bilanzrecht, in: BB, 41. Jg., S. 841-844. – (1986-b): Wahlrecht, in: Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe im Bilanzrecht des HGB, hrsg. von Leffson, Ulrich/Rückle, Dieter/Großfeld, Bernhard, Köln, S. 417-427. – (1992): Metamorphosen des Realisationsprinzips?, in: Rechnungslegung. Entwicklungen bei der Bilanzierung und Prüfung von Kapitalgesellschaften. Festschrift zum 65. Geburtstag von Professor Dr. Dr. h. c. Karl-Heinz Forster, hrsg. von Moxter, Adolf et al., Düsseldorf, S. 585-605. – (1993): Umweltschutz im Jahresabschluß. Probleme und Lösungsansätze, in: BB, 48. Jg., S. 326-336. – (1994): Das Realisationsprinzip als allgemeines Periodisierungsprinzip?, in: BFuP, 46. Jg., S. 1-24. – (1995): Rückstellungen und die Risikoverteilungswirkung des Jahresabschlusses, in: ZfbF, 47. Jg., S. 1141-1143. – (1997): Mangelnde Ernsthaftigkeit des Gläubigerschutzes als offene Flanke der deutschen Rechnungslegungsvorschriften, in: Jahresabschluß und Jahresabschlußprüfung. Probleme, Perspektiven, internationale Einflüsse; Festschrift zum 60. Geburtstag von Jörg Baetge, hrsg. von Fischer, Thomas R./Hömberg, Reinhold, Düsseldorf, S. 117-149. – (1998-a): Herstellungskosten und Einkommensbemessung sowie Informationsfunktion. Widerlegung der „Widerlegung“ des Silvesterbeispiels, in: Unternehmensrechnung und –besteuerung. Grundfragen und Entwicklungen, Festschrift für Dietrich Börner zum 65. Geburtstag, hrsg. von Meffert, Heribert/Krawitz, Norbert, Wiesbaden, S. 152-173.

Literaturverzeichnis

477

– (1998-b): Zeitwertbilanzierung für das deutsche Bilanzrecht?, in: BFuP, 50. Jg., S. 593-603. – (1999): Rückstellungen, Teilwertabschreibungen und Maßgeblichkeitsprinzip, in: StuB, 1. Jg., S. 195-201. – (2000-a): Die Beziehung zwischen steuerlich abzulehnenden Drohverlustrückstellungen und gebotenen Teilwertabschreibungen – Zum Abschied von einer lieb gewonnenen Steuerpause –, in: StuB, 2. Jg., S. 564-567. – (2000-b): Rückstellungen in der Steuerbilanz und Leistungsfähigkeitsprinzip – Auch eine Stellungnahme zu Küting/Kessler, StuB 2000 S. 21 ff. –, in: StuB, 2. Jg., S. 29-33. – (2002): Unentziehbarkeit als zentrales Kriterium für den Ansatz von Rückstellungen, in: DStR, 40. Jg., S. 1192-1196. Siegel, Theodor et al. (1999): Stille Reserven und aktienrechtliche Informationspflichten, in: ZIP, 20. Jg., S. 2077-2085. Sigloch, Jochen (2000): Ein Valet dem Maßgeblichkeitsprinzip?, in: BFuP, 52. Jg., S. 157-182. Simon, Herman V. (1910): Die Bilanzen der Aktiengesellschaften und der Kommanditgesellschaften auf Aktien, 4. Aufl., Berlin. Smith, Adam (1974): An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, deutsch: Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und Ursachen, neu aus dem Englischen übertragen nach der 5. Auflage und mit einer Würdigung von Horst Claus Recktenwald, München. Söffing, Günter (1995): Für und Wider den Maßgeblichkeitsgrundsatz, in: Rechenschaftslegung im Wandel. Festschrift für Wolfgang Dieter Budde, hrsg. von Förschle, Gerhart/Kaiser, Klaus/Moxter, Adolf, München, S. 635-673. Spindler, Gerald (1998): Deregulierung des Aktienrechts?, in: Die AG, 43. Jg., S. 53-74. Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2004): Umsatzsteuer 2002, Fachserie 14, Reihe 8, Wiesbaden. – (2005): Unternehmen und Arbeitsstätten. Insolvenzverfahren, Dezember und Jahr 2004, Fachserie 2/Reihe 4.1, Wiesbaden. – (2006): Umsatzsteuer 2004, Fachserie 14, Reihe 8, Wiesbaden. Stein, Heinz-Gerd (1994): Die deutsche Bilanzierung vor neuen Herausforderungen, in: ZfbF, 46. Jg., S. 658-669. Streim, Hannes (2000): Die Vermittlung von entscheidungsnützlichen Informationen durch Bilanz und GuV – Ein nicht einlösbares Versprechen der internationalen Standardsetter, in: BFuP, 52. Jg., S. 111-131. Streim, Hannes/Bieker, Marcus/Esser, Maik (2003): Vermittlung entscheidungsnützlicher Informationen durch Fair Values – Sackgasse oder Licht am Horizont?, in: BFuP, 55. Jg., S. 457-479. – (2005): Fair Value Accounting in der IFRS-Rechnungslegung – eine Zweckmäßigkeitsanalyse, in: Kritisches zur Rechnungslegung und Unternehmensbesteuerung.

478

Literaturverzeichnis

Festschrift zur Vollendung des 65. Lebensjahres von Theodor Siegel, hrsg. von Schneider, Dieter et al., Berlin, S. 87-109. Streim, Hannes/Kugel, Birgit (1985): GmbH & Co. KG und Rechnungslegungsreform, in: BFuP, 37. Jg., S. 102-117. Sudhoff, Heinrich (2005): GmbH & Co. KG, 6., überarb. Aufl. des von Sudhoff, Heinrich begründeten Werkes, bearbeitet von Reichert, Jochem et al., München. Tanski, Joachim S. (2004): Bilanzpolitische Spielräume in den IFRS, in: DStR, 42. Jg., S. 1843-1847. Thiele, Konstanze (1999): Stille Reserven in der Rechnungslegung: Vergleich von HGB, US-GAAP und IAS, Wiesbaden, zugl. Univ. Linz, Diss., 1999. Tipke, Klaus/Lang, Joachim (Hrsg.) (2005): Steuerrecht, begründet von Tipke, Klaus, fortgeführt von Lang, Joachim et al., 18. völlig überarb., Aufl. Köln. Troßmann, Ernst/Baumeister, Alexander (2005): Harmonisierung von internem und externem Rechnungswesen durch die Fair Value-Bewertung?, in: Fair Value: Bewertung in Rechnungswesen, Controlling und Finanzwirtschaft, hrsg. von Bieg, Hartmut/Heyd, Reinhard, München, S. 630-648. Tykvová, Tereza (2005): Licht- und Schattenseiten des Private Equity-Geschäfts in Deutschland, in: Finanz Betrieb, 7. Jg., S. 465-471. Uhlenbruck, Wilhelm (1988): Die GmbH & Co. KG in Krise, Konkurs und Vergleich: die rechtlichen und betriebwirtschaftlichen Zusammenhänge bei Insolvenz der KG und der GmbH, 2., neubearb. und wesentlich erw. Aufl., Köln. Von Hayek, Friedrich A. (1980): Recht, Gesetzgebung und Freiheit, Bd. 1: Regeln und Ordnung. Eine neue Darstellung der liberalen Prinzipien der Gerechtigkeit und der politischen Ökonomie, München. Von Keitz, Isabel/Stibi, Bernd (2004): Rechnungslegung nach IAS/IFRS – auch ein Thema für den Mittelstand? – Ergebnisse einer Befragung mittelständischer Unternehmen –, in: KoR, 4. Jg., S. 423-429. Wagenhofer, Alfred (2005): Internationale Rechnungslegung – IAS/IFRS. Grundkonzepte/Bilanzierung, Bewertung, Angaben/Umstellung und Analyse, 5., überarb. und erw. Auflage, Frankfurt am Main. Wagenhofer, Alfred/Ewert, Ralf (2003): Externe Unternehmensrechnung, Heidelberg. Wagner, Franz W. (1990): Die umgekehrte Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz – Eine Analyse ihrer ökonomischen Wirkungen –, in: StuW, 67. (20.) Jg., S. 3-14. – (1994): Periodenabgrenzung als Prognoseverfahren – Konzeption und Anwendungsbereich der „einkommensapproximativen Bilanzierung“, in: Bilanzrecht und Kapitalmarkt. Festschrift zum 65. Geburtstag von Adolf Moxter, hrsg. von Ballwieser, Wolfgang et al., Düsseldorf, S. 1174-1197. – (1998): Aufgabe der Maßgeblichkeit bei einer Internationalisierung der Rechnungslegung? – Eine Analyse der ökonomischen Wirkungen des Bilanzsteuerrechts, in: DB, 51. Jg., S. 2073-2077.

Literaturverzeichnis

479

– (2000): Welche Kriterien bestimmten die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Methoden steuerlicher Gewinnermittlung?, in: BFuP, 52. Jg., S. 183-203. Walz, Rainer (1993): Ökonomische Regulierungstheorien vor den Toren des Bilanzrechts, in: Ökonomische Analyse des Bilanzrechts. Entwicklungslinien und Perspektiven, hrsg. von Wagner, Franz W., ZfbF, 45. Jg., Sonderheft Nr. 32, Düsseldorf/Frankfurt am Main, S. 85-106. Watrin, Christoph (2001): Internationale Rechnungslegung und Regulierungstheorie, Beiträge zur betriebswirtschaftlichen Forschung, Bd. 100, Wiesbaden, zugl. Univ. Köln, Habil., 2001. Weber-Grellet, Heinrich (1997): Europäisierung des deutschen Bilanzrechts – Perspektiven und Entwicklungen, in: Europäisierung des Bilanzrechts. Konsequenzen der Tomberger-Entscheidung des EuGH für die handelsrechtliche Rechnungslegung und die steuerliche Gewinnermittlung, hrsg. von Herzig, Norbert, Köln, S. 95-104. Weißenberger, Barbara E. (2006): Integrierte Rechnungslegung als Controllinginstrument? – Möglichkeiten und Grenzen unter IFRS, Berufungsvortrag an der Universität Trier, 08.02.2006, Trier. Weißenberger, Barbara E. et al. (2003): IAS/IFRS: Quo vadis Unternehmensrechnung? Konsequenzen für die Unternehmensrechnung in deutschen Unternehmen, Vallendar. Weitnauer, Wolfgang (2001): Rahmenbedingungen und Gestaltung von Private Equity Fonds, in: Finanz Betrieb, 3. Jg., S. 258-271. Wiedmann, Thomas/Gebauer, Martin (2005): Zivilrecht und europäische Integration, in: Zivilrecht unter europäischem Einfluss. Die richtlinienkonforme Auslegung des BGB und anderer Gesetze – Erläuterung der wichtigsten EG-Verordnungen, hrsg. von Wiedmann, Thomas/Gebauer, Martin, Stuttgart et al., S. 1-32. Winkeljohann, Norbert (2004): Rechnungslegung nach IFRS. Ein Handbuch für mittelständische Unternehmen, Berlin. Wolter, Hans-Jürgen/Hauser, Hans-Eduard (2001): Die Bedeutung des Eigentümerunternehmers in Deutschland – Eine Auseinandersetzung mit der qualitativen und quantitativen Definition des Mittelstands, in: Jahrbuch zur Mittelstandsforschung 1/2001, hrsg. von Institut für Mittelstandsforschung Bonn, Schriften zur Mittelstandsforschung, N. F., Nr. 90, Wiesbaden. Woywode, Michael (1998): Determinanten der Überlebenswahrscheinlichkeit von Unternehmen. Eine empirische Überprüfung organisationstheoretischer und industrieökonomischer Erklärungsansätze, Schriftenreihe des ZEW, Band 25, Baden-Baden. Wüstemann, Jens (2002): Institutionenökonomik und internationale Rechnungslegungsordnungen, Tübingen, zugl. Univ. Frankfurt am Main, Habil., 2000. Wulf, Inge (2001): Stille Reserven im Jahresabschluss nach US-GAAP und IAS: Möglichkeiten ihrer Berücksichtigung im Rahmen der Unternehmensanalyse, Oldenburg. Ziegler, Ole (2005): Die Prospekthaftung am nicht-organisierten Kapitalmarkt im Spannungsverhältnis zu personengesellschaftsrechtlichen Grundsätzen, in: DStR, 43. Jg., S. 30-34.

Rechtsquellenverzeichnis Rechtsquellenverzeichnis

I. Europarechtliche Grundlagen Europarechtliche Grundlagen

Empfehlung der Kommission vom 03.04.1996 betreffend die Definition der kleinen und mittleren Unternehmen, in: ABl. der EG Nr. L 107 vom 30.04.1996, S. 4. Empfehlung der Kommission vom 06.05.2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen, ABl. der EU Nr. L 124 vom 20.05.2003, S. 36. IAS bzw. IFRS in der am 1. Januar 2006 geltenden Fassung, in der sie von der EU durch die Verordnungen (EG) Nr. 1606/2002, 1725/2003, 707/2004, 2086/2004, 2236/2004, 2237/2004, 2238/2004, 211/2005, 1073/2005, 1751/2005, 1864/2005, 1910/2005, 2106/2005 bis einschließlich 108/2006 veröffentlicht worden sind. Dabei werden die von der EU autorisierten deutschen Übersetzungen angewendet. IAS-Verordnung: Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.07.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, ABl. der EG Nr. L 243 vom 11.09.2002, S. 1. Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament KOM (2000) 359 endgültig vom 13.06.2000, Rechnungslegungsstrategie der EU: Künftiges Vorgehen, Brüssel, S. 1. Mitteilung der Kommission KOM (2002) 259 endgültig vom 09.07.2002: Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG- und 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen sowie Versicherungsunternehmen, S. 2. Richtlinie 90/604/EWG des Rates vom 08.11.1990 zur Änderung der Richtlinie 78/660/EWG über den Jahresabschluß und der Richtlinie 83/349/EWG über den konsolidierten Abschluß hinsichtlich der Ausnahme für kleine und mittlere Gesellschaften sowie der Offenlegung von Abschlüßen in Ecu, ABl. der EG Nr. L 317 vom 16.11.1990, S. 57. Richtlinie 90/605/EWG des Rates vom 08.11.1990 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG über den Jahresabschluß bzw. den konsolidierten Abschluß hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs, ABl. der EG Nr. L 317 vom 16.11.1990, S. 60. Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10.05.1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABl. der EG Nr. L 141 vom 11.06.1993, S. 27. Richtlinie 2001/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.09.2001 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG und 86/635/EWG des Rates im Hinblick auf die im Jahresabschluss bzw. im konsolidierten Abschluss von Gesell-

Rechtsquellenverzeichnis

481

schaften bestimmter Rechtsformen und von Banken und anderen Finanzinstituten zulässigen Wertansätze, ABl. der EG Nr. L 283 vom 27.10.2001, S. 28. Richtlinie 2003/38/EG des Rates vom 13.05.2003 zur Änderung der Richtlinie 78/660/EWG über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen hinsichtlich der in Euro ausgedrückten Beträge, ABl. der EU Nr. L 120 vom 15.05.2003, S. 22. Richtlinie 2003/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.06.2003 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG, 86/635/EWG und 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, von Banken und anderen Finanzinstituten sowie von Versicherungsunternehmen, ABl. der EU Nr. L 178 vom 17.07.2003, S. 16. Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. der EU Nr. L 345 vom 31.12.2003, S. 64. Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.04.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. der EU L 145 vom 30.04.2004, S. 1. Siebente Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13.06.1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den konsolidierten Abschluß, ABl. der EG Nr. L 193 vom 18.07.1983, S. 1. Übersicht über die geregelten Märkte und einzelstaatliche Rechtsvorschriften zur Umsetzung der entsprechenden Anforderungen der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (93/22/EWG): Mit Anmerkungen versehene Übersicht über die geregelten Märkte und einzelstaatliche Rechtsvorschriften zur Umsetzung der entsprechenden Anforderungen der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (93/22/EWG), ABl. der EU Nr. C 300 vom 30.11.2005, S. 23. Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 der Kommission vom 29.09.2003 betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates veröffentlicht worden sind, ABl. der EU Nr. L 261 vom 13.10.2003, S. 1. Verordnung (EG) Nr. 707/2004 der Kommission vom 06.04.2004 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. der EU Nr. L 111 vom 17.04.2004, S. 3. Verordnung (EG) Nr. 2086/2004 der Kommission vom 19.11.2004 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates und im Hinblick auf die Einführung von IAS 39, ABl. der EU Nr. L 363 vom 09.12.2004, S. 1.

482

Rechtsquellenverzeichnis

Verordnung (EG) Nr. 2236/2004 der Kommission vom 29.12.2004 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend „International Financial Reporting Standards“ (IFRS) Nr. 1, 3 bis 5, „International Accounting Standards“ (IAS) Nr. 1, 10, 12, 14, 16 bis 19, 22, 27, 28, 31 bis 41 und die Interpretationen des „Standard Interpretation Committee“ (SIC) Nr. 9, 22, 28 und 32, ABl. der EU Nr. L 392 vom 31.12.2004, S. 1. Verordnung (EG) Nr. 2237/2004 der Kommission vom 29.12.2004 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf IAS 32 und IFRIC 1, ABl. der EU Nr. L 393 vom 31.12.2004, S. 1. Verordnung (EG) Nr. 2238/2004 der Kommission vom 29.12.2004 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend IFRS 1 und IAS Nr. 1 bis 10, 12 bis 17, 19 bis 24, 27 bis 38, 40 und 41 und SIC Nr. 1 bis 7, 11 bis 14, 18 bis 27 und 30 bis 33, ABl. der EU Nr. L 394 vom 31.12.2004, S. 1. Verordnung (EG) Nr. 211/2005 der Kommission vom 04.02. 2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf den „International Financial Reporting Standard“ (IFRS) Nr. 1 und 2 und die „International Accounting Standards“ (IAS) Nr. 12, 16, 19, 32, 33, 38 und 39, ABl. der EU Nr. L 41 vom 11.02.2005, S. 1. Verordnung (EG) Nr. 1073/2005 der Kommission vom 07.07.2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf IFRIC 2, ABl. der EU Nr. L 175 vom 08.07.2005, S. 3. Verordnung (EG) Nr. 1751/2005 der Kommission vom 25.10.2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 der Kommission betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf IFRS 1, IAS 39 und SIC 12, ABl. der EU Nr. L 282 vom 26.10.2005, S. 3. Verordnung (EG) Nr. 1864/2005 der Kommission vom 15.11.2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Einfügung von „International Financial Reporting Standard“ (IFRS) 1 und der „International Accounting Standards“ (IAS) 32 und 39, ABl. der EU Nr. L 299 vom 16.11.2005, S. 45. Verordnung (EG) Nr. 1910/2005 der Kommission vom 8.11.2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 der Kommission betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der

Rechtsquellenverzeichnis

483

Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf IFRS 1 und 6, IAS 1, 16, 19, 24, 38 und 39, IFRIC 4 und IFRIC 5, ABl. der EU Nr. L 305 vom 24.11.2005, S. 4. Verordnung (EG) Nr. 2106/2005 der Kommission vom 21.12.2005zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf den „International Accounting Standard“ (IAS) 39, ABl. der EU Nr. L 337, S. 16. Verordnung (EG) Nr. 108/2006 der Kommission vom 11.01.2006 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 der Kommission betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf IFRS 1, 4, 6 und 7, IAS 1, 14, 17, 32, 33 und 39 sowie IFRIC 6, ABl. der EU Nr. L 24, S. 1. Vertrag über die Europäische Union vom 07.02.1992, ABl. der EG Nr. C 191 vom 29.07.1992, S. 1. Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) vom 25.03.1957, BGBl. II 1957, S. 766. Vierte EG-Richtlinie: Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25.07.1978 aufgrund von Artikel 54 Abs. 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. der EG Nr. L 222 vom 14.08.1978, S. 11. Wertpapierdienstleistungsrichtlinie = Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.04.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. der EU Nr. L 145 vom 30.04.2004, S. 1. Zweite EG-Richtlinie: Zweite Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13.12.1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. der EG Nr. L 26 vom 31.01.1977, S. 1.

II.Nationale Rechtsgrundlagen Nationale Rechtsgrundlagen

1. Australien Australia Corporations Act 2001, prepared on 22 November 2005, taking into account amendments up to Act No. 138 of 2005, in:aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa http://www.comlaw.gov.au/ComLaw/Legislation/ActCompilation1.nsf/0/8E4923CE C2E097B6CA2570C100832120?OpenDocument (Stand: 30.06.2006).

484

Rechtsquellenverzeichnis 2. Bundesrepublik Deutschland a) Gesetze, Verordnungen und Richtlinien

Aktiengesetz (AktG) vom 06.09.1965, BGBl I, S. 1089, zuletzt geändert durch Art. 1 Gesetz vom 22.09.2005, BGBl. I, S. 2802. Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG): Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz) vom 28.10.2004, BGBl. I, S. 2630. Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) vom 15.01.1972, BGBl. I, S. 13, neu gefasst durch Bek. vom 25.09.2001, BGBl. I, S. 2518; zuletzt geändert durch Art. 5 Nr. 2 Gesetz vom 18.05.2004, BGBl. I, S. 974. Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG): Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz – BilReG) vom 04.12.2004, BGBl. I, S. 3166. Bilanzrichtliniengesetz (BiRiLiG): Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 19.12.1985, BGBl. I, S. 2355. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vom 18.08.1896, RGBl., S. 195, neu gefasst durch Bek. vom 02.01.2002, BGBl. I, S. 42, 2909; 2003, 738; zuletzt geändert durch Art. 123 Gesetz vom 19.04.2006, BGBl. I, S. 866. Einführungsgesetz zum HGB (EGHGB) vom 10.05.1897, RGBl., S. 437, mit späteren Änderungen, zuletzt geändert durch das Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz vom 03.08.2005, BGBl. I, S. 2267. Einkommensteuergesetz (EStG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16.04.1997, BGBl. I, S. 821, zuletzt geändert durch Art. 1 Gesetz vom 28.04.2006, BGBl. I, S. 1095. Einkommensteuerrichtlinien (EStR) 2005 mit den amtlichen Einkommensteuer-Hinweisen 2005 vom 16.12.2005, BStBl. I, Sondernummer 1. Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) vom 20.04.1892, RGBl., S. 477, zuletzt geändert durch Art. 12 Gesetz vom 22.03.2005, BGBl. I, S. 837. Gesetz über den Wertpapierhandel (WpHG) vom 26.07.1994, BGBl. I, S. 1749, neu gefasst durch Bek. vom 09.09.1998, BGBl. I, S. 2708, zuletzt geändert durch Art. 10a Gesetz vom 22.05.2005, BGBl. I, S. 1373. Gesetz über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (DrittelbG) vom 18.05.2004, BGBl I, S. 974. Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) vom 19.12.1974, BGBl. I, S. 3610, zuletzt geändert durch Art. 2 Gesetz vom 29.08.2005, BGBl. I, S. 2546. Gewerbesteuergesetz vom 01.12.1936, RGBl. I, S. 979, neugefasst durch Bek. vom 15.10.2002, BGBl. I, S. 4167, zuletzt geändert durch Art. 4 Gesetz vom 15.12.2004, BGBl. II, S. 1653.

Rechtsquellenverzeichnis

485

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) vom 23.05.1949, BGBl., S. 1, zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.07.2002, BGBl. I, S. 2863. Handelsgesetzbuch (HGB) vom 10.05.1897, RGBl., S. 219, zuletzt geändert durch Art. 145 Gesetz vom 19.04.2006, BGBl. I, S. 866 (Nr. 18). Insolvenzordnung (InsO) vom 05.10.1994, BGBl. I, S. 2866, zuletzt geändert durch Art. 9 Gesetz vom 22.03.2005, BGBl. I, S. 837. Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz: Gesetz zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Europäischen Union zur Änderung der Bilanz- und der Konzernbilanzrichtlinie hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs (90/605/EWG), zur Verbesserung der Offenlegung von Jahresabschlüssen und zur Änderung anderer handelsrechtlicher Bestimmungen vom 24.02.2000, BGBl. I, S. 154. Körperschaftsteuergesetz (KStG) vom 31.08.1976, BGBl. I, S. 2597, neu gefasst durch Bek. vom 15.10.2002, BGBl. I, S. 4144, zu-letzt geändert durch Art. 2 Gesetz vom 19.07.2006, BGBl. I, S. 1652. Kreditwesengesetz: Gesetz über das Kreditwesen (KWG) vom 10.07.1961, BGBl. I, S. 881, neu gefasst durch Bek. vom 09.09.1998, BGBl. I, S. 2776, zuletzt geändert durch Art. 4a Gesetz vom 22.09.2005, BGBl. I, S. 2809. Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) vom 04.05.1976, BGBl. I, S. 1976, 1153, zuletzt geändert durch Art. 4 Gesetz vom 08.06.2005, BGBl. I, S. 1530. Publizitätsgesetz (PublG): Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen vom 15.08.1969, BGBl. I, S. 1189, BGBl. 1970 I, S. 1113, zuletzt geändert durch Art. 3 Gesetz vom 04.12.2004, BGBl. I, S. 3177. Strafgesetzbuch (StGB) vom 15.05.1871, RGBl., S. 127, neu gefasst durch Bek. vom 13.11.1998, BGBl. I, S. 3322; zuletzt geändert durch Art. 168 Gesetz vom 19.04.2006, BGBl. I, S. 866. Verkaufsprospektgesetz (VerkProspG) vom 13.12.1990, BGBl. I, S. 2749, neu gefasst durch Bek. vom 09.09.1998, BGBl. I, S. 2701, zuletzt geändert durch Art. 7 Gesetz vom 16.08.2005, BGBl. I, S. 2437. Wertpapierprospektgesetz (WpPG): Gesetz über die Erstellung, Billigung und Veröffentlichung des Prospekts, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt zu veröffentlichen ist, vom 22.06.2005, BGBl. I, S. 1698.

b) Gesetzesentwürfe der Bundesregierung u. Ä. Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (1985): Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Vierten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Bilanzrichtlinie-Gesetz), BT-Drucks. 10/4268 vom 18.11.1985, S. 1. Entwurf AnSVG: Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG), BT-Drucks. 15/3174 vom 24.05.2004, S. 1.

486

Rechtsquellenverzeichnis

Entwurf Bilanzrichtlinie-Gesetz: Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Vierten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Bilanzrichtlinie-Gesetz), BT-Drucks. 10/317 vom 26.08.1983, S. 1. Entwurf BilReG: Entwurf eines Gesetzes zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz – BilReG), BT-Drucks. 15/3419 vom 24.06.2004, S. 1. Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für Deutschland (1848/49). Von der durch das Reichsministerium der Justiz niedergesetzten Commission; in: Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für Deutschland (1848/49). Text und Materialien, hrsg. und mit einer Einführung von Theodor Baums, Abhandlungen aus dem gesamten bürgerlichen Recht, Handelsrecht und Wirtschaftsrecht; H. 54, Heidelberg 1982, S. 60. Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, BT-Drucks. 14/23 vom 09.11.1998, S. 1. Entwurf Steueränderungsgesetz 1964: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes, des Spar-Prämiengesetzes, des Wohnungsbau-Prämiengesetzes und anderer Gesetze (Steueränderungsgesetz 1964) vom 19.06.1964, BT-Drucks. IV/2400, S. 1.

3. Großbritannien a) Gesetze, Standards und Richtlinien Companies Act (CA) 1985, Amendment as at: January 1, 2005. Financial Reporting Standard for Smaller Entities (FRSSE), effective January 2005, issued by the Accounting Standards Board and by the Institute of Chartered Accountants in Ireland, London, in:ahttp://www.frc.org.uk/images/uploaded/documents/ FRSSE%201%20Jan%202005%20web1.pdf (Stand: 30.06.2006). Institute of Chartered Accountants in England and Wales/Institute of Chartered Accountants in Scotland (Hrsg.) (2003): TECH 7/03. Guidance on the determination of realised profits and losses in the context of distributions under the Companies Act 1985, London.

b) Entwürfe Institute of Chartered Accountants in England and Wales/Institute of Chartered Accountants in Scotland (Hrsg.) (2005): TECH 21/05. Distributable profits: implications of IFRS, draft guidance, London.

Rechtsquellenverzeichnis

487

4. Neuseeland Framework for Differential Reporting for Entities Applying the New Zealand Equivalents to International Financial Reporting Standards Reporting Regime, issued by the Institute of Chartered Accountants of New Zealand June 2005, amendments up to January 2006, in: http://handbook.brookers.co.nz/icanz/resources/IFRS/ framework.pdf (Stand: 30.06.2006).

5. Österreich Handelsgesetzbuch (öHGB): Handelsgesetzbuch in der Fassung BGBl. I, Nr. 114/1997, zuletzt geändert durch BGBl I, Nr. 98/2001.

6. USA Regulation D: Rules governing the limited offer and sale of securities without registration under the Securities Act of 1933, SEC 1972-A (05-05), Release No. 33-6455, March 3, 1983, Washington, D. C., in:ahttp://www.sec.gov/about/forms/regd.pdf (Stand: 30.06.2006). (Revised) Model Business Corporation Act (RMBCA) von 1984, revised through 2002, amendments June 2006, adopted by the Committee on Corporate Laws of the Section of Business Law with support of the American Bar Foundation. Revised Uniform Partnership Act (RUPA), current through the 2005 edition. Securities Act (SA) of 1933, revised through September http://www.sec.gov/about/laws/sa33.pdf (Stand: 30.06.2006).

30,

2004,

in:

Securities Exchange Act (SEA) of 1934, revised through September 30, 2004, in: http://www.sec.gov/about/laws/sea34.pdf (Stand: 30.06.2006).

Sachwortregister Sachwortregister

Abgrenzung der Sache und der Zeit nach, Grundsatz der 211, 218 Abkopplungsthese 194 ff., 214, 266, 429, 453 Abschlussaufstellung 109 f., 117 ff., 144, 319, 328 f., 335, 342 ff. Abschlussfeststellung 109 f., 117 ff., 123 f., 144, 344 Abschlussprüfung 186 f., 200, 203, 323, siehe auch Prüfungspflicht Abschreibungen – außerplanmäßige 200, 248 f., 255, 282, 291, 394, 431, 446 – im Rahmen vernünftiger kaufmännischer Beurteilung 200, 245 f., 250, 389, 445 – steuerrechtliche (Sonder-)Abschreibungen 200, 203, 398 ff., 447 f. – Verschiedenes 119 (Fn.), 256, 282 f., 369, 387, 406, 409 Abzinsung 254, 389, 396 f. Accounting Standards Board (ASB) 322, 324 f. Accrual principle 226 Adverse Selektion 86 f., 133, 333, 420, siehe auch Prinzipal-AgentKonflikte Aktiver Markt 256 ff., 296 Alimentationsprinzip 216, 244 Allokationseffizienz, gesamtwirtschaft liche 53, 88 ff., 183, 345, 380, 389 Angloamerikanische Rechnungslegungskonzeption 208, 261, 319, 409 Anhang(sangaben) 70 f., 153, 162, 193 ff., 200 ff., 214, 243, 275 f., 279, 281, 291 f., 309, 400, 405, 413, 423, 429 ff., 436 ff., 450 Anlagegesellschafter 77, 114, 117 ff., 123 f., 143 ff., 155 Anlegerschutz 135 ff., 333

Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) 124, 136 f., 147 Ansatz- und Bewertungsregeln – nach FRSSE 324 ff. – nach HGB 231 ff., 245 ff., 385 ff., 392 – nach IFRS 239 ff., 251 ff., 368 ff. Ansatzkriterien, generelle nach IFRS 213, 239 ff., 294 f., 331, 363, 404 Ansatzverbote 232, 239, 241, 252, 294 f., 327, 363, 386, 405, 435, 441, 447 Anschaffungswertprinzip 215 f., 248, 265 Anspruchsbemessung(sfunktion) 117, 195, 198 f., 213, 262, 336 ff., 398, 424 ff., 431 Anteilseignerschutz 102, 342 ff., 372, 419 Asset-liability-approach 229, 240 Auftragsbeziehung 85 f., 181, siehe auch Prinzipal-Agent(-Konflikt) Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs 202, 238, 438 f. Ausschüttungsansprüche 342 ff., siehe auch Zahlungsansprüche Ausschüttungsbemessung(sfunktion) 195, 263 f., 342 ff., 427 Ausschüttungsfähiger Gewinn 268, 323, 331, siehe auch entziehbarer Gewinn Ausschüttungsgesperrte Rücklagen 233, 263, 336, 429, 431 Ausschüttungsrechnung (in Großbritannien) 322 Ausschüttungssperren 215, 238, 288, 346 ff., 350 ff., 355, 357 ff., 362, 364, 366 ff., 371 ff., 398 f., 407, 425, 441 (Fn.) Außerordentliches Ergebnis 275, 283

Sachwortregister Basel II 159, 161, 302, 306 f., 420 Beizulegender (Zeit-)Wert 220, 245, 248 ff., 251 ff., 278 ff., 429 f. Beschränkte Haftung siehe Haftung Bewertungseinheiten 256, 270, 405 Bewertungsmodelle 248, 259 Bewertungsvereinfachungsverfahren 202, 246, 253, 448 Bilanzauffassungen – dynamische 261, 264, 267 f., 369 – Einzelveräußerungsstatik 263, 276, 327, 428 – Fortführungsstatik 262 f., 266 – neodynamische 265, 268, 270 – statische 236, 261, 268, 331 – Zerschlagungsstatik 153 f., 261 f. Bilanzierungshilfen 238, 244, 439 f. Bilanzstetigkeit, Grundsatz der 223 Bonität 161, 283 ff., 420 Case law 208 Cash Flow Statement 269 Code law 208 Companies Act (CA) 320 ff. Comparability 225 Covenants 362 ff. Differenzierung der Rechnungslegung 46 f., 98, 103 ff., 108, 110, 145, 184, 209, 301, 304, 312, 319, 321, 328, 334 f., 341, 408, 421 Differenzierungskriterien 104, 107, siehe auch organisationsrechtliche Merkmale Disagio 238, 441 Dokumentation 167, 173 f., 209, 404 Effektivvermögen 269, 271, 277 ff., 327, 418 EG-Richtlinie(n) 29 f., 34 f., 40, 110 (Fn.), 184 (Fn.), 186, 192, 201, 231, 234, 246 f., 271, 356, 429, 438, 440 f., 443, 446, 449 Eigenkapital – Aufgliederung 290 ff. – Klassifizierung nach HGB 231 – Klassifizierung nach IFRS 229, 286 ff. Eigenkapitalkosten 299, 311, 334 Eigenkapitalquote 76 ff., 308

489

Eigenkapitalveränderungsrechnung 209, 283, 290 f., 406 Eigentümerstrukturen 132, 300, siehe auch organisationsrechtliche Merkmale Eigentümer-Unternehmer 76, 112 Eigentumsschutz 104, 169, 181, 381, 383, 391 Einheitsbilanz 187, 344, 377 f., 408, 412, 426 Einkommen 112 (Fn.), 150, 266, 269, 382 f., 391 Einnahmen-Überschuss-Rechnung 382 f., 393 Einsichts- und Prüfungsrechte 78, 117 ff., 187, 333, 343, 433, siehe auch Informations-, Kontrollrechte Einzelbewertung, Grundsatz der 223, 230, 232 f., 264, 270, 297 Einzelfallregelungen 197, 208, 297, 333, 410, siehe auch case law Einzelunternehmer 75 f., 115 f., 154, 179, 200, 291, 319, 335, 427 Einzelwirtschaftliche Betrachtungsweise 84, 98 f., 380 Entnahmeansprüche 115 ff., 289, 342, siehe auch Zahlungsansprüche Entobjektivierungen 245, 274, 292, 298, 332, 335, 419, 421 Entscheidungsneutralität, Forderung nach 380, 384 ff. Entscheidungsrelevanz, Grundsatz der 225, 273, 292, 406 f. Entwicklungskosten 246, 252 f., 295, 309, 323, 367, 389, 433 Entziehbarer Gewinn 263, 266, 286, 342, 353 f., 355 ff., 419, 424, 427 Erfolgskraft 151, 153, 158 f., 165 f., 179, 211, 275, 331, 403, 427 Erfolgsspaltung 275 Erfolgswirksame Erfassung von Zeitwertdifferenzen 276, 282 f., 285, 332, 429 f. Erfolgszurechnung 116, 156 Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit 275 Erleichterungen bezüglich der Rechnungslegung – in Deutschland 70, 200 ff., 205 – in Großbritannien 319, 321, 323 ff.

490

Sachwortregister

– nach IFRS for SME 312, 317 ff. – Verschiedenes 362, 403, 406, 413, 421, 425 Ermessensspielräume 110, 121, 153, 187, 194, 213, 244, 254, 265, 274 f., 285, 292 ff., 332 ff., 366, 371, 381, 390, 396, 400, 418 ff., 434 Ertragslage 179, 192, 206, 267, 280 ff., 306, 399 f., 427, 435, 441 Ertragswert 250, 257, 259, 262, 269 f., 278, 353, 387 Erzielbarer Betrag 251, 255, 278 Externe Effekte 91, 100, 348 Fair value 253, 256 ff., 277, 289, 295, 306, 429 Fair-Value-Option 257 f., 279, 293 Financial Accounting Standards Board (FASB) 330 Financial Reporting Standard for Smaller Entities (FRSSE) 319, 324 ff., 335 Financial Reporting Standards (FRS) 322 Finanzinstrumente 226 f., 248, 253, 256 ff., 276, 278, 282, 286, 290, 293, 316, 326, 370, 429, 432 f. Finanzlage 206, 267, 271, 449 f. Finanzplan 152 f., 269, 271, 366 Forschungskosten 246, 433 f. Framework des IASB 204 ff., 224 ff., 239 ff., 251, 267 f. 313 f. Fremdkapital 78, 108, 110, 113 f., 126, 141, 166, 284, 286, 288 ff., 303, 349 Fremdkapitalkosten 299, 318 Fungibilität 58, 104 f., 110, 121 f., 139 f., 146 f., 419 Funktionenschutz 90, 98, 175, 346 Generalnorm(en) 192 ff., 266 Geschäfts- oder Firmenwert 239, 241, 270, 316, 439, 445 Gesetzesbestimmtheit, Grundsatz der 381 Gewinnausschüttungen 156, 213, 355 ff., 358 ff., 398, 424 f.

Gewinnermittlung 156, 172, 194 f., 216, 227 ff., 262, 267 ff., 346 ff., 362 ff., 367, 376 ff., 382 ff., 393 ff. Gewinnkonzeptionen 261 ff. Gewinnverteilung 155 ff., 355 Gewinnverwendung 15, 121, 344, 367, 396, 424, 442 Gläubiger – Begriff 85 – Deliktsgläubiger 90, 99, 347 – Nicht-Vertragsgläubiger 90, 184, 347, siehe auch Deliktsgläubiger – Vertragsgläubiger 183 f., 347 Gläubigerschutz – allgemein 102, 184, 219, 262 f., 337 – informatorischer 175, 178 f., 371 – institutioneller 346 ff., 374 f., 395 f., 424 f., 427 Gleichmäßigkeit der Besteuerung, Gebot der 381 ff., 388, 390 ff., 401 Größenkriterien 138, 306, 321, 323 Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) 61, 191 ff., 209 ff., 231 ff., 245 ff., 363, 376 f., 390 Grundsatz der Objektivität 221 Haftung, beschränkte 79, 85, 105, 110, 116, 118, 122 f., 129 ff., 142, 152 ff., 157, 160, 169 ff., 176, 182, 185, 187, 236, 287, 319 f., 323, 332, 354 ff., 361, 373, 433, siehe auch Differenzierungskriterien Haftungsdurchgriff 184, 360 f., 373, 425 Harmonisierung von internem und externem Rechnungswesen 305, 406 f., 413 Herstellungskosten 218, 245ff., 252, 255 f., 446 HGB-Reform, Vorschläge in Wissenschaft und Praxis 42 ff. Höchstwertprinzip 219, 221 Hoheitliche Normierung 88 ff., 174 ff., 181 ff., 344 ff., 355 ff., siehe auch Regulierung IAS-Verordnung 32, 66, 72, 93, 304, 411, 414 ff., 449

Sachwortregister Imparitätsprinzip 211, 219 ff., 236, 249, 278, 368, 388 ff., 392 ff., 401 Individualschutz 89, 98 Information, Begriff 84 f. Informationsasymmetrie 59, 83 ff., 311, 347 Informationsbedarfsanalysen 56 f., 310 Informationsfunktion 79, 97, 111, 166 ff., 193 ff., 207, 227, 233, 273, 298, 324, 335, 400, 417 ff., 426 f., 435, 438, 445, 447 Informationsinteressen 57 ff., 148 ff., 311, 420 f. Informationsnutzenanalysen 56 ff., 311 f., 334 Informationsrechte 76, 117 ff., 123 f., 128, 168 ff., 172 Informationswert 167, 178, 185, 189, 330, 332, 334, 417, 419 Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen 202, 238, 439 Innenfinanzierung 77, 336, 342 Insider 153 (Fn.) Insolvenzhäufigkeiten 340, 354 Insolvenzmasse 129, 397 Insolvenzprophylaxe 174 ff., 337 Insolvenzquoten 341 Insolvenztatbestände 152, 340 Insolvenztests 348, 358 ff., 365, 373, 425, siehe auch Solvenztests Insolvenzursachen 176 f., 340 Institution 83, 88, 395 Interessenanalyse 82, 102 ff., 148 ff., 211, 269, 272, 331, 343, 348 Interessendivergenzen 55, 85 ff., 117 ff., 129 ff., 184, 343 Internal-Ratings-Based-Ansatz 307 International Accounting Standards Board (IASB) 36, 44, 47, 50, 67 f., 196, 206 International Accounting Standards Committee (IASC) 204 International Financial Reporting Standards (IFRS) – allgemein 32, 204 ff., 224 ff., 239 ff., 251 ff., 286 ff. – for Small and Medium-sized Entities (SME) 67 f., 313 ff., 328, 330, 334, 410, 421, 425 f., 452

491

Internationalisierungs(grad) 29, 80 f., 310, 421 Intersektorale Neutralität 380 ff., 390, siehe auch Entscheidungsneutralität Intertemporale Neutralität 381, siehe auch Entscheidungsneutralität Investitionsneutralität siehe intersektorale Neutralität Investoren 91, 105, 113 f., 133 ff., 144, 206, 267, 270, 281, 304 f., 330 ff., 344, 387 f., 420 Jahresabschluss – Begriff 30 (Fn.) – Zwecke 38 f., 50, 102, 166 ff., 191 ff., 204 ff., 342 ff. Kapitalerhaltung 130, 198 ff., 213 f., 219, 263, 278, 288, 347 ff., 352 ff., 360 f., 364, 366 f., 373, 390 f., 426 Kapitalflussrechnung – allgemein 209, 318, 406, 449 f. – i. e. S. 269, 271 – i. w. S. 269 Kapitalgesellschaften (und diesen gleichgestellte Gesellschaften) 31 f., 38, 43, 80, 118 ff., 138, 142, 169 ff., 186, 192, 200 ff., 238, 250, 266, 290, 303 f., 319 ff., 328, 333, 335, 340, 355 f., 358, 361 f., 421, 426, 433, 436, 439, 445 f., 450 Kapitalmarkt – geregelter bzw. organisierter 66 ff., 72 f., 77 f., 90, 311 – „grauer“ (außerbörslicher) 58, 132 ff., 140 ff., 333 – nicht geregelter 111, 113, 132 ff. Kapitalmarktorientierte Unternehmen, siehe Kapitalmarktorientierung Kapitalmarktorientierung 32, 66 f., 105 f., 108, 141 ff., 305, 328, 335 Kapitalmarktstudien 96, 311 f. Kapitaltheoretischer Ansatz 269 f., 353, 384 f., siehe auch ökonomischer Gewinn Klarheit und Übersichtlichkeit, Grundsatz der 222 Kleine und mittlere Unternehmen (kmU) 69 ff., 76 ff., 299 f., 304 ff., 310, 325, 336 ff., 395, 407 ff.

492

Sachwortregister

Koalition 82 f. Kongruenzprinzip 283 Kontrollrechte 109 f., 115 ff., 333, 419, siehe auch Informationsrechte Konzernabschluss 72, 79, 93, 95 ff., 301, 303 f., 313, 366, 403, 406, 414 ff., 421 f., 429, 453 Kosten – allgemein 53 f., 62, 77 f., 402 ff. – Opportunitätskosten 402, 412 – Umstellungskosten, einmalige 403, 410 f., 421 – zusätzliche durch eine Rechnungslegung nach IFRS 403 ff. Kosten-Nutzen-Betrachtung 53 f., 88, 98, 166, 180, 315, 416 ff. Kündigungsrechte 112, 126, 286 ff. Lagebericht 190, 200, 274 Latente Steuern 238, 297, 317, 327, 440 Leistungsfähigkeit, Prinzip der 353, 381 ff., 391 f., 405 Leistungswirtschaftliches Risiko 337 ff. Liquidation 72, 85, 102, 154, 262, 347, 352 Liquidationsvermögen 262 Liquidationswerte 154 Liquidität 264, 275, 338 ff., 354 Liquiditätshilfe 391 Liquiditätssituation von kmU 336 f., 341 f., 395 f. Marktversagen bzw. -ineffizienzen 88 ff., 346 Massengesellschaft 124, 144 f. Maßgeblichkeit – Durchbrechungen siehe Vorbehaltsnormen – einfache 172 – formelle 376, 398, 400 – Kosten der Unternehmen 408, 412 – materielle 376, 382, 385 – umgekehrte 251, 377, 398 f., 400 f., 432, 445, 447 f., 453 Matching principle 216, 226, 228, 234 f., 240, 242, 252, 268

Mezzanine Finanzierungsformen 108, 113 f., 125 ff., 133, 141 f., 148, 288, 333, 342 Minderheitsaktionäre 356 Minderheitsgesellschafter 155, 291, 345 f., 399 Mindestausschüttungen 117, 336, 344 ff., 356, 424, siehe auch Gewinnverwendung Mindestnennkapital 357, 361 Mitbestimmung 170 f. Mitgliedstaatenwahlrechte 186, 271, 364, 434, 439, 443, 446, 448 Mittelständische Unternehmen 66 ff., 183, 286 f., 298, 334 Modifizierungsstrategie 47, 313, 324, 334 Moral hazard 86 f., 133, 181 f., 349, siehe auch Prinzipal-Agent-Konflikte Netzwerkeffekte 92 f., 95, 416 f. Neubewertung 248, 256 f., 282 f., 293, 317, 325 ff., 391, 405 Neubewertungsrücklage 256, 283, 291 Neue Institutionenökonomie 83 ff. Niederstwertprinzip 220 f., 363 Nützlichkeit, Postulat der 184, 210 Nutzungswert 255, 271, 277 f. Objektivierbarkeit 186, 391, 428, 430 Objektivierung(en) 185 ff., 211 f., 229 f., 248, 266, 274, 292 f., 296, 343, 366, 379, 397, 419, 427 ff. Objektivierungsgrundsätze – nach HGB 209 ff., 221 ff. – nach IFRS 229 ff. Öffentliche Güter 91 Öffnungsklauseln, handelsrechtliche 194, 377 Ökonomischer Gewinn 269 f., 407, siehe auch kapitaltheoretischer Ansatz Offenlegung – begrenzt befreiende Offenlegungswirkung 39 – Begriff 60 (Fn.) – beschränkte 184

Sachwortregister Organisationsrechtliche Merkmale 57 f., 78 f., 103 ff. Outsider 158 Overriding principle 207 Percentage-of-Completion-Methode 215, 227, 318, 371, 405, 435 ff. Periodenerfolg 102, 152, 158, 218, 256, 264 f., 268, 272, 283 ff., 291, 353, 419, 427, 436 Periodisierungsgrundsätze – nach HGB 211 ff., 390 – nach IFRS 225 ff. Personenbezogene Unternehmen 111 ff., 139, 398, 420 Personengesellschaften 75 f., 117, 140, 170, 175, 200, 249 f., 287, 289 ff., 301, 320, 328, 335, 344, 355, 427 Personenunternehmen 75 f., 120, 138, 170, 172, 187, 250, 320, 328, 332, 335, 343, 355, 400, 408, 451 Prinzipal-Agent(-Konflikte) – allgemein 83, 85 f., 99 ff., 102 – Eigner-Gläubiger-Konflikte 108, 110, 129 ff., 147, 160 – Eigner-Manager-Konflikte 104, 108, 110 ff., 117 ff., 131 Prinzipienorientierung 208, 333 Prognoseeignung 272, 282 f., 418 Prognosen 189 f., 267 f., 274, 277, 296, 360, 431, siehe auch Zukunftsbezug Prognoseorientiert 152, 361, 366 Prospektpflicht 132 f., 135 ff., 187 Prospektpublizität 134 Prüfungspflicht 60, 80, 138, 169, 185 ff., 201, 323, 332 f., 424, 452 Publikumsgesellschaften 114, 139, 144, 182, 188, 398 Publikumspersonengesellschaften 139, 142 ff., 333 Publizität, Begriff 60 (Fn.) Publizitätsgesetz (PublG) 75, 79, 110, 138, 169 f., 172, 187, 332, 406 Publizitätspflicht 79, 110, 132, 169 f., 172, 182, 184, 187, 323 Qualitätsprobleme 95 ff.

493

Rating 303, 306 ff., 334 Rationalität, eingeschränkte 54, 84, 175 f. Realisation principle 226, 268 Realisationsprinzip 211 f., 214 ff., 223, 226 ff., 237, 270, 283, 371, 385, 388, 390, 394, 401, 428 ff. Rechenschaft – Begriff 104, 166 ff. – gegenüber Außenstehenden 181 ff. – vor sich selbst 174 ff. Rechnungslegung – Begriff 59 f. – de lege ferenda 414 ff., 426 ff. – Differenzierung siehe dort – Reformvorschläge aus Literatur und Praxis 42 ff. – steuerliche 376 ff., 408, 438, 447 Rechnungslegungsadressaten 37 (Fn.), 54, 79, 94 ff., 166 ff., 298, 314 Rechnungslegungsbestandteile 191 ff., 204, 405 Rechnungslegungsinteressenten 37 (Fn.), 56, 148 ff. Rechnungslegungsziele 102, 418, 436 Rechnungslegungszwecke 82 ff., 199, 209, 213, 262, 266, 379, 398, 407, 417 f., 452, siehe auch Jahresabschlusszwecke Rechnungswesen 60, 163, 176 ff., 300, 403 ff., 413, 421, 439, 445 Rechtsfolgenfixierung(sfunktion) 46, 97, 150 ff., 198 Rechtsform(en) 73 ff., 103, 108, 115 ff., 132 ff., 184, 289, 299, 303, 319, 323, 357, 372 Rechtssicherheit 95, 381, 384, 391 Regulierung 88 f., 99, 105, 192, 319, 328 f., 335, 344 ff., 355, 358, 372 f., 414 ff., 424 f. Reinvermögenszugangstheorie 390 Reinvermögenszuwachstheorie 390 f. Relevance 225, 298 Reliability 225, 227, 229, 298 Rentabilität, Streuung der 159, 337 f., siehe auch leistungswirtschaftliches Risiko Revised Model Business Corporation Act (RMBCA) 328, 358 ff.

494

Sachwortregister

Revised Uniform Partnership Act (RUPA) 328 Richtigkeit, Grundsatz der 127, 137 f., 214, 221 f., 229, 397 Rückstellungen – Aufwandsrückstellungen 119, 235 ff., 243, 369 f., 396, 440 ff. – für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften 220, 235, 394 ff. – für ungewisse Verbindlichkeiten 220, 235 ff., 243 f., 354, 394, 397 – Verschiedenes 190, 202 f., 216, 241 ff., 254 f., 294, 318, 326, 372, 386 f., 389, 392 ff. Saldierungsverbot 222 f., 230 Schulden 102, 159, 173, 206, 221 ff., 228 ff., 234, 238 ff., 251 ff., 259 f., 263 f., 277 f., 280, 283 ff., 290, 294, 331, 354, 359, 363, 365 f., 368, 393 f., 421 Schuldendeckungspotenzial 154, 159, 166, 262, 266 f., 279, 281, 331, 371, 418, 420, 428 Schutzorientierte Rechnungslegung 54, 98 ff., 168 Securities Act (SA) 329 Securities and Exchange Commission (SEC) 329 f. Securities Exchange Act (SEA) 329 Sekundärmarkt 134, 139 f., 146 f. Selbstständige Bewertbarkeit 232 f. Selbstständige Verkehrsfähigkeit 232 Separationsstrategie 47, 313 Small and Medium-sized Entities (SME) 67 f., 205, 312 ff., 328, 334, 410, 421, 426, 452 Solvenztests 355, 364 f., siehe auch Insolvenztests Sonderposten mit Rücklageanteil 238, 445 Standardansatz 307 Standardisierung(sfunktion) 89 ff., 107, 139, 182, 185, 192, 416 Steuerbemessung(sfunktion) 80, 172, 198, 336, 376, 398 f., 425 Steuerbilanz 160, 172, 187, 195 f., 214, 307, 332, 344, 376 ff., 380 ff., 384 ff., 398 ff., 412, 425 f., 451

Steuervergünstigungen, subventionelle 377, 397 f., 439 Steuerwettbewerb, internationaler 387, 393 Stichtagsbezogenheit, Grundsatz der 223, 230 Stille Lasten 331, 368 Stille Rücklagen 213, 233 f., 237, 250, 263, 274, 280 f., 296, 332, 336, 344, 353, 400, 428 Tageswerte 188, 255, 259, 430 ff. Teilwert 394 ff., 446 Transaktionskosten 84, 89, 92, 99, 102, 106, 141, 178, 182, 339, 343 f., 347, 363, 423 Treuhandverhältnisse 119, 144 f. True and fair view 192 ff., 322, 324 Überinvestitionsprobleme 350 Überleitungsrechnungen 281 f., 367, 374, 423, 425, 343, 407 Überschuldung 129, 152 f., 340, 359, 426, siehe auch Insolvenztatbestände Understandability 225, 334 Unsicherheiten bei der Anwendung unterschiedlicher Rechnungslegungssysteme 95 Unterinvestitionsprobleme 349 Unternehmensfortführung, Grundsatz der 159, 190, 210, 225, 235, 262 f., 266, 280, 365, 370, 430 Unternehmensgröße 67 ff., 76 ff., 106, 299 f., 304 f., 310, 314, 337 ff., siehe auch Differenzierungskriterien Unternehmergemeinschaft 112, 115 f. US-GAAP 93, 208, 311, 329 f., 359, 363, 369 ff. Veräußerbarkeit von Anteilen 141, 344, siehe auch Sekundärmarkt Verbindlichkeiten 148, 153, 157, 202 f., 217, 235 f., 245, 253, 258, 279, 284, 286 f., 359, 363, 365, 389 Vereinfachungsüberlegungen 377 Verfügungsverhältnisse 104, 299, siehe auch organisationsrechtliche Merkmale

Sachwortregister Vergangenheitsorientierung 185, 188 ff., 248, 274 Vergleichbarkeit 92 ff., 163, 180, 210, 223, 260, 275 f., 300 ff., 310, 335, 354, 369, 416 ff., 426, 434, 441, 453 Verkaufsprospektgesetz (VerkProspG) 114, 133 ff., 137 f. Verlustausgleich, 391 ff., 395, 401 Verlustrücktrag 391, 395, 397 Vermögens-, Finanz- und Ertragslage 192, 197, 200, 206 f., 212, 266 f., 278, 303, 399, siehe auch Generalnorm(en) Vermögensgegenstand, Begriff 231 f., 241 f., 262, 431, 440 Vermögenskonzeptionen 261 ff. Vermögenslage 268, 277, 331, siehe auch Vermögens-, Finanz- und Ertragslage Vermögensrechte 109, 125, 156 Vermögenswert, Voraussetzungen 226, 239 ff., 244 f., 295 f. Vertragsgeflecht 82 f., 129 Vertragsunvollkommenheiten 351 Verwaltungsrechte 106, 109, 125, 134, 182, 188, 333 Vollkostenprinzip 246, 252, 371, 404, 446 f. Vollständigkeit, Grundsatz der 221 f., 236, 354 Vorbehaltsnormen, steuerrechtliche 376, 389, 396, siehe auch Maßgeblichkeit Vorräte 246, 265, 317 f., 326, 431, 448 Vorsichtsprinzip 211 ff., 216 f., 219, 227 f., 232 ff., 247, 249, 265, 274, 305, 343, 356, 363, 365, 368, 372, 387 ff., 396 f., 436, 440, 446 Wahlrechte – bilanzielle 189, 194, 218, 238, 244, 246, 249, 253, 256 f., 260, 273, 292 ff., 316, 332, 353, 370, 428, 432, 437 ff., 443, siehe auch Ermessensspielräume – steuerrechtliche 377, 397, 400 f.

495

– zwischen verschiedenen Rechnungslegungssystemen siehe Wettbewerb verschiedener Rechnungslegungssysteme, siehe auch IASVerordnung Wertaufholung 248, 250, 445 Wertbeibehaltungswahlrecht 200, 250 Werthaltigkeitsprüfungen 297 Wertmaßstäbe 245 ff. Wertminderung 200, 220 f., 255, 317, 369, 446 Wertpapiere, Begriff 135 Wertpapierprospektgesetz (WpPG) 67, 114, 132 (Fn.), 134 ff. Werturteil(e) 98, 101, 141, 173, 266, 353, 374, 396 Wettbewerb verschiedener Rechnungslegungssysteme 92, 416 f., 423 Wiederbeschaffungswert 220 (Fn.), 249 f., 260, 278, 284, 431 Willkürfreiheit, Grundsatz der 214, 221 f., 224, 229 Wirtschaftsgut 385 (Fn.), 409, 439 f. Zahlungsansprüche 85, 120, 160, 166, 342, 347, siehe auch Vermögensrechte Zahlungsbemessungsinteresse 150, 160, 164 ff. Zahlungsfähigkeit 152, 158, 179, 188, 190, 269, 361, 427 Zahlungsinteressen 148 ff., 348 Zahlungsmittelgenerierende Einheit 256, 271 Zahlungsorientierung der Steuerbemessungsgrundlage 393 Zahlungsströme 152, 271, 279, 281, 339, 428, 431, 449 Zahlungsunfähigkeit 129, 152, 340, 359, 361, siehe auch Insolvenztatbestände Zeitwert(bilanzierung) 248, 257, 260, 271, 276 f., 280, 282, 296, 353, 370, 391, 424, 428 ff. Zukunftsbezug 188 ff., 248 Zukunftserwartungen 188 f., 273 Zweckkomplementarität von Handelsund Steuerbilanz, These der 378 f.