Integration im Schützengraben: Personen mit Migrationshintergrund beim Militär im Kontext des sozialen Friedens 9783205790655, 9783205789024

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Integration im Schützengraben: Personen mit Migrationshintergrund beim Militär im Kontext des sozialen Friedens
 9783205790655, 9783205789024

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Internationale Sicherheit und Konfliktmanagement Schriftenreihe des Center für Strategische Analysen

Herausgegeben von Walter Feichtinger Band 8

Rastislav Báchora, Katharina Leitner, Hanns Matiasek

INTEGRATION IM SCHÜTZENGRABEN Personen mit Migrationshintergrund beim Militär im Kontext des sozialen Friedens

2013 BÖHLAU VERLAG WIEN . KÖLN . WEIMAR

Dieses Projekt (Projektnummer 14233) wurde aus Mitteln des Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank gefördert.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Reinhard Scheiblich, 2011

© 2013 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, A-1010 Wien, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Druck und Bindung: Prime Rate Kft, 1047 Budapest Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Hungary ISBN 978-3-205-78902-4

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

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Vorwort

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Kurzfassung

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Abstract

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Einführung in die Problematik

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Darstellung des Themas

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Migration und Integration im Kontext des sozialen Friedens Die Rolle der Streitkräfte Der Ländervergleich

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Ziele und Forschungsfragen

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Vorgehensweise, Struktur und Aufbau der Studie

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Methodik

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Stand der Forschung

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Stand der Forschung in Österreich Positionierung der eigenen Forschungsarbeit Zielgruppe der Publikation Definitionen und begriffliche Abgrenzungen

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Migration

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Integration

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Wissenschaftliche Definition Administrative Definition Analyse der Definitionen Sozialer Frieden und gesellschaftlicher Zusammenhalt Sozialer Frieden – ein empirischer Befund Österreich – sozialer Frieden und gesellschaftlicher Zusammenhalt

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Inhaltsverzeichnis

Deutschland – gesellschaftlicher Zusammenhalt Schweden – sozialer Zusammenhalt Großbritannien – community cohesion Interkulturelle Kompetenz

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Fazit

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Länderanalysen Österreich Bevölkerungsprofil Integrationsstrategie und Maßnahmen Österreichisches Bundesheer Fazit Deutschland Bevölkerungsprofil Integrationsstrategien und Konzepte Die Bundeswehr Fazit Schweden Bevölkerungsprofil Integrationskonzepte und Maßnahmen Politische Konzepte, Integrationsstrategie und Integrationsmaßnahmen Exkurs: Verwaltung – Institutionalisierung Bedeutung des sozialen Zusammenhalts und die Rolle der Streitkräfte Die Schwedischen Streitkräfte Fazit Großbritannien Bevölkerungsprofil Politische Maßnahmen Die britischen Streitkräfte Fazit 6

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Inhaltsverzeichnis

Präsentation der Forschungsfragen – Ableitungen und Empfehlungen Erste Forschungsfrage Begrifflichkeit und Konzepte Die Streitkräfte

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Zweite Forschungsfrage

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Quantitative Aspekte Qualitative Aspekte

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Dritte Forschungsfrage

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Vierte Forschungsfrage – Ableitungen und Empfehlungen

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Begrifflichkeit des sozialen Friedens Ebenen des sozialen Friedens Einsatzbereitschaft

182 183 189

Schlusswort und kritische Reflexion

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Abkürzungsverzeichnis

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Quellenverzeichnis

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Literatur- und Onlinequellen

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Sonstige Quellen

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AutorInnen- und Herausgeberverzeichnis

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Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildung 1: Kategorien migrantischer Bevölkerung Deutschland

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Tabelle 1: Deutsche Auslandskontingente

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Tabelle 2: Gesamtanteil der „ethnischen Minderheiten“ in den britischen Streitkräften in den Jahren 1998-2007

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Tabelle 3: Gesamtanteil der „ethnischen Minderheiten“ in den britischen Streitkräften in den Jahren 2008-2012 im jeweiligen Monat

160 

Tabelle 4: Übersichtstabelle: Zentrale Ergebnisse Tabelle 5: Kategorisierung der Beeinflussung der Bevölkerungsgruppen durch migrantische KadersoldatInnen

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Frieden ist, wenn alle gleich sind. Sag an, was wir hier haben: Das Leben, das wir leben, geschützt im Schützengraben. Gesucht und gefunden – du vergisst, was du weißt, in dem Gefühl, wir wär’n eins. (Kettcar, Single „Balu“)

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Vorwort

Das Schlagwort vom demografischen Wandel nimmt nach und nach Gestalt an. Am augenscheinlichsten kommt dieser bei der altersmäßigen Zusammensetzung einer Gesellschaft zum Ausdruck, wo die Kohorte der über 60-Jährigen rapide wächst. Ein Blick in die Schulklassen wiederum zeigt auf einfache Weise, wie sehr sich die ethnische Zusammensetzung innerhalb weniger Jahrzehnte in Europa verändert hat. Das darf nicht verwundern, denn die meisten Industriestaaten sind vom Phänomen der Alterung infolge erhöhter Lebenserwartung und sinkender Geburtenzahlen schon länger betroffen und wurden verstärkt zu Einwanderungsländern. Über lange Zeit blieb dieser Faktor eher unterbelichtet, weil durch die politische Abschottung der europäischen Nationalstaaten die Bevölkerungen sehr homogen zusammengesetzt waren und Migranten eher als „zeitlich befristete Gastarbeiter“ wahrgenommen und eingestuft wurden. Dies hat sich im Zuge der Globalisierung nach 1989 erheblich verändert. In Verbindung mit der Alterung von Gesellschaften kommt daher der Integration und dem Zuzug von Migranten erhöhte Bedeutung – vor allem aus volkswirtschaftlichen Überlegungen – zu. Wie zahlreiche aktuelle Diskussionen in den betroffenen Ländern zeigen, kann eine verstärkte Zuwanderung diese Trends zwar zum Teil kompensieren, sie birgt aber auch erheblichen Konfliktstoff. Der Erhalt des sozialen Friedens, der ein konfliktfreies, einträchtiges und geordnetes Zusammenleben aller Bevölkerungsgruppen bedeutet, wird somit zu einer zentralen Herausforderung für Regierungen wie Aufnahmegesellschaften. Staatliche und zivilgesellschaftliche Einrichtungen spielen dabei eine bedeutende Rolle. So auch die Streitkräfte, die gewissermaßen die Zusammensetzung der Gesellschaft spiegeln und in vorbildlicher Weise ein harmonisches Zusammenleben und die gemeinsame Ausrichtung auf ein Ziel , die militärische Auftragserfüllung, demonstrieren sollen. Neben diesem Beitrag zur gesamtstaatlichen Kohäsion stellt sich innerhalb des Militärs aber auch die Frage, ob qualitative und quantitative Überlegungen die Gruppe der „Personen mit Migrationshintergrund“ besonders attraktiv als potenzielle Soldaten machen. Es ist ja mittlerweile bekannt, dass manche Staaten nur mit größten Anstrengungen ihre Personalstärke – vor allem bei Auslandseinsätzen – erreichen können und daher jungen Männern aus dem Ausland im Gegenzug für eine zeitlich befristete militärische Verpflichtung die Staatsbürgerschaft anbieten. Abgesehen von diesem Extremfall kann man davon ausgehen, dass es in westlichen Ländern zunehmend schwieriger werden wird, geeignetes Personal in der benötigten Zahl für den Soldatenberuf zu gewinnen. Dessen Image ist bei vielen 13

Vorwort

Personen mit Migrationshintergrund jedoch sehr unterschiedlich ausgeprägt – es reicht von der überzeugten Zustimmung bis zur totalen Ablehnung, häufig aufgrund negativer Erfahrungen der Vorfahren in ihrem Herkunftsland. In Auslandseinsätzen wiederum werden häufig Zusatzqualifikationen wie Sprache oder kulturelle Kompetenz, über die Personen mit Migrationshintergrund meist verfügen, dringend benötigt. Aber sind diese Soldaten auch zuverlässig, oder verhalten sie sich in Extremsituationen eher loyal zur lokalen Bevölkerung, mit der sie bestimmte Merkmale wie Religion, ethnische oder kulturelle Zugehörigkeit verbinden? Wie die Einwanderungsgesellschaften sind auch die Streitkräfte dieser Länder gefordert, sich mit allen Phänomenen, die der demografische Wandel birgt, ernsthaft auseinander zu setzen. Die Forschung hinkt dabei vermutlich den Realitäten hinterher, weil die komplexen Entwicklungen unterschätzt und Fragen der Immigration und Integration lange Zeit politisch nicht opportun waren. Umso erfreulicher ist es, dass sich ein junges Forscherteam, bestehend aus Mag.a Katharina Leitner und Hanns Matiasek (BA) unter Leitung von Dr. Rastislav Báchora, in einem von der Österreichischen Nationalbank geförderten Projekt der Thematik angenommen hat. In ihrer Vergleichsstudie befassen sie sich mit der Situation in ausgewählten Staaten, wobei sich der Bogen der Bestandsaufnahme von den politischen Ambitionen bis zur Einschätzung durch die „Betroffenen“, also von Soldaten und Soldatinnen mit Migrationshintergrund spannt. Da mit Ausnahme Österreichs in allen untersuchten Staaten keine Wehrpflicht mehr besteht, wurden hauptsächlich Berufssoldaten und -soldatinnen interviewt. Es ging dabei primär darum, einen ersten Überblick über das Thema zu geben. Folglich bieten die Untersuchungen keine ausführlichen Details, sondern sind eher gedacht, ein Grundgerüst sowie Inspirationen für tiefer gehende Auseinandersetzungen mit der komplexen Materie zu liefern. Der vorliegende Band stellt somit keinerlei Anspruch auf eine vollständige Abhandlung der Thematik – er lädt vielmehr ein, sich mit dieser ein wenig auseinander zu setzen und aus der sehr spezifischen Perspektive von Streitkräften einen Einblick in die umfassenden Herausforderungen, die der demografische Wandel und der Erhalt des sozialen Friedens mit sich bringen, zu erhalten. Die Herausgeber

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Kurzfassung

Die vorliegende Publikation beschäftigt sich mit dem Themenkomplex „Personen mit Migrationshintergrund beim Militär“ und geht der Frage nach, welche gesellschaftspolitischen Überlegungen und Notwendigkeiten, aber auch konkrete Strategien und Konzepte zur Integration von Menschen mit Migrationshintergrund beim Militär in Österreich, Deutschland, Schweden und Großbritannien tatsächlich bestehen. Es wird auch der Frage nachgegangen, welche quantitativen und qualitativen Aspekte betreffend die migrantische Bevölkerung im Hinblick auf die Einsatzbereitschaft des Militärs spielen. Dies geschieht durch eine sozialwissenschaftliche Herangehensweise unter Zuhilfenahme von vor allem qualitativen Forschungsmethoden. Ausgehend von demographischen Tatsachen lässt sich das Thema „Integration von SoldatInnen mit Migrationshintergrund“ auf längere Sicht wohl kaum umgehen. Der Anteil an Personen mit Migrationshintergrund an der Gesamtgesellschaft nimmt in allen untersuchten Ländern zu, gleichzeitig stagnieren die Geburtenraten der „einheimischen“ Bevölkerung. Der Anteil an MigrantInnen im Militär wird demnach zwangsläufig steigen und gleichzeitig wird es unumgänglich sein, mehr MigrantInnen für den Dienst im Militär zu gewinnen. In Deutschland, Schweden und Großbritannien, wo es derzeit keine Wehrpflicht gibt, müssen gezielt potenzielle SoldatInnen angeworben werden, um den Personalbedarf zu decken. Dabei kommt der Zielgruppe der Personen mit Migrationshintergrund eine zunehmende Bedeutung zu. Österreich stellt in dieser Hinsicht eine Ausnahme dar, da es bis dato an der Wehrpflicht festhält und diese somit automatisch mit dem Militär in Kontakt kommen, was den Personalfindungsprozess beeinflusst. Unabhängig von der demographischen Entwicklung und den damit einhergehenden quantitativen Überlegungen, spielen aber auch qualitative Aspekte eine Rolle. Je nach Einsatzgebiet des Militärs sind besondere Kompetenzen gefragt, die MigrantInnen oftmals mitbringen und somit eine Mehrkompetenz für die Truppe darstellen. Während auch hier Österreich aufgrund seiner vorwiegend im Katastrophenschutz liegenden Aufgaben eine gewisse Sonderstellung einnimmt, spielen in den anderen Ländern vor allem bei den Auslandseinsätzen „interkulturelle Kompetenzen“ wie Sprach- und Kulturkenntnisse von SoldatInnen eine große Rolle. Neben diesen militärisch-organisatorischen Überlegungen wird in vorliegender Studie auch die Frage gestellt, welchen Beitrag SoldatInnen mit Migrationshintergrund zur Integration sowohl auf Ebene des Militärs, als auch in der Gesamtgesellschaft leisten können. Dem in letzter Zeit in politischen Konzepten im 15

Kurzfassung

Kontext der Integration verwendeten Schlagwort des „sozialen Friedens“ kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.

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Abstract

This publication deals with the complex topic of soldiers from post-migration backgrounds and analyses the chosen strategies and concepts for integration of these people into Austria, Germany, Sweden and Great Britain. In addition, another area investigated was the kind of role quantitative and qualitative aspects play on soldiers from ethnic minorities in the context of the military preparedness. Therefore a socio-scientific perspective was selectedas well as the research method of conducting qualitative interviews. Demographic information shows that the subject ofintegratingsoldiers from post-migration backgrounds will get more and more important and relevant in the next few years. The percentage of peoplefrom post-migration backgrounds is on the rise in every reviewed country. Therefore the percentage of migrants within the armedforces will on the one handalso rise as a consequence. On the other hand, it will be more and more important to recruit people specifically frompost-migration backgrounds. Due to the abolishment of the conscription in Germany, Sweden and Great Britain, the armed forces in these countries have had to concentrate heavily on recruitment to ensure a consistent intake of enough soldiers. In this context, the importance of recruiting peoplewith post-migration backgrounds gets higher on the agenda. In Austria, national service is still in place, so every male citizen is obliged to automatically register the military at a certain age, which makes recruitment considerably easier. Besides demographic changes and quantitative considerations, assessing the qualitative aspects is also becoming very important. Depending on what the military force is doing, soldiers obtainingspecial cultural skills are required to support. In Austria, where the military forces are mainly dealing with crisis management, those skills are not so relevant, while in other countries, where the military forces are based onforeign soil, it is important that soldiers speak foreign languages and have an acute awareness of other cultures. Last but not least, this study also deals with the role of soldiers from a postmigration background in regards to their integration into the military. From one standpoint, they can improve the working atmosphere within the military forces and furthermore from a different standpointthey can moveintegration within a particularsociety forward. In this context the keyword “social cohesion” is often heard from politicians as well as read widley in integration policy concepts.

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Einführung in die Problematik

Einführung in die Problematik

Darstellung des Themas Die Integration von Personen mit Migrationshintergrund in die Mehrheitsgesellschaft ist aufgrund von Zuwanderung und der damit verbundenen wirtschaftlichen, sozialen, und politischen Herausforderungen nicht nur ein wichtiges innenpolitisches Thema in westeuropäischen Staaten, sondern auch ein bedeutendes wissenschaftliches Untersuchungsobjekt, das zunehmend im Fokus von Forschungsarbeiten unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen steht. Aufgrund der Tatsache, dass Migration und Integration vielschichtige alltagsrelevante Themengebiete sind, welche auf politischen, medialen und subjektiven Erfahrungsinhalten beruhen und somit von gesellschaftspolitischen Ereignissen beeinflusst werden, sind wissenschaftliche Objektivierungsmaßnahmen im Sinne von Erkenntnisgewinnung für das Verstehen der oft als „gescheitert“1 bezeichneten „multikulturellen Gesellschaften“2 notwendig. Vor diesem Hintergrund sind Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung aufgerufen, sozio-ökomische und gesellschaftspolitische Prozesse zu steuern sowie die Gesellschaft als solche zu repräsentieren. Das Militär als Teilelement der staatlichen Verwaltung mit sicherheitspolitischem Auftrag weist eine besondere Beziehung sowohl zum Staat als auch zu dessen Bevölkerung auf. Deshalb werden Personen mit Migrationshintergrund und deren Integration beim Militär für Österreich im Ländervergleich mit Deutschland, Schweden und Großbritannien in vorliegender Arbeit thematisiert.

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Vgl. Merkel wettert gegen die Multikultur. In: Der Spiegel online, 30.11.2004. , abgerufen am 21.2.2012.; Vgl. Auch Sarkozy erklärt Multikulturalismus für gescheitert. In: Der Standard online, 11.2.2011. , abgerufen am 21.2.2012. Basierend auf theoretischen Konzepten nach Milton M. Gordon kann zwischen „multikulturellem Pluralismus“ und „ethnisch pluraler Gesellschaft“ unterschieden werden. Der Unterschied besteht darin, dass es in der „ethnischen pluralen Gesellschaft“ keine Leitgesellschaft „core society“ sowie Leitkultur „core culture“ gibt, die gegenüber anderen ethnischen Gruppen innerhalb der Gesellschaft dominant auftreten. Vgl. Fußl, Peter: Integration im Österreichischen Bundesheer. Eine Studie zur Situation von Migranten der ersten und zweiten Generation. Diplomarbeit, Universität Wien, 2009, S. 50.

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Einführung in die Problematik

Migration und Integration im Kontext des sozialen Friedens In der Alltagswahrnehmung sind Themen der Migration und Integration mit Emotionen verbunden und stark politisiert, weil Veränderungsprozesse in der persönlichen Lebensumgebung unterschiedlich interpretiert und mit Vorurteilen in Einklang gebracht werden können.3 Grundsätzlich gilt die Migration neben den Geburten und Sterbefällen als entscheidender Faktor für die Beschaffenheit der Bevölkerung, die bezogen auf ihre Größe und Struktur einer ständigen Veränderung unterworfen ist. Daher nimmt die Zuwanderung einen wesentlichen Stellenwert bei der Beurteilung der künftigen Bevölkerungsentwicklung ein.4 Unbedingt berücksichtigt werden müssen dabei innerstaatliche Parameter wie das vorherrschende politische System, die gegebene Verfassungsordnung und die sozioökonomischen Bedingungen, aber auch globale Veränderungsprozesse. Vor dem Hintergrund des Klimawandels, den zunehmenden Ressourcenkonflikten und der Verarmung von großen Teilen der Weltbevölkerung im Zusammenhang mit Globalisierungsprozessen ist künftig mit neuen Migrationsbewegungen zu rechnen, die unweigerlich zu verstärkten Anpassungen von gesellschaftspolitischen und staatlich-institutionellen Ordnungsfaktoren in den Aufnahmeländern führen werden.5 Trotz der gegenwärtigen Aktualität der Thematik sind Migrations- und Integrationsprozesse keine neuzeitlichen Erscheinungen, sondern vielmehr ein Kontinuum in der Menschheitsgeschichte.6 Migrationsbewegungen aufgrund von Unterdrückung, Ressourcenknappheit und sozioökonomischen Zwängen lassen sich mit historischen Quellen weit in die vorchristlichen Jahre belegen.7 Stets 3 4 5

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Vgl. Sassenberg, Kai/Fehr, Jennifer/Hansen, Nina et al.: Eine sozialpsychologische Analyse zur Reduzierung sozialer Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund In: Zeitschrift für Sozialpsychologie, 38/2007, S. 239-249, hier S. 245. Vgl. Lutz, Wolfgang: Migrationsforschung aus der Sicht der Demographie. In: Bauböck, Rainer/Perchinig, Bernhard (Hrsg.): Migrations- und Integrationsforschung in Österreich – Ansätze, Schnittstellen, Kooperationen. Wien 2003, S. 14-16, hier S. 14. Im Zusammenhang mit dem globalen Klimawandel geht Walter Feichtinger davon aus, dass im kommenden Jahrzehnt der Lebensraum von bis zu 200 Mio. Menschen zerstört werden wird und dadurch massive Migrationsbewegungen in Gang gesetzt werden. Vgl. Stöger, Klaus: Klimawandel lässt Kriminalität steigen. In: Die Presse, 24.10.2009. Belegbar sind bereits Wanderungsbewegungen des Vorgängers des modernen Menschen, des homo erectus, der vor 1,9 Millionen Jahren in Ostafrika in Erscheinung trat und bis in das Gebiet des heutigen Georgien im Norden und Java bei Indonesien im Osten vordrang. Schließlich verbreitete sich der homo sapiens seit seiner Entstehung vor 150.000 Jahren in Afrika über alle Kontinente. Vgl. Haywood, John: Die Geschichte der Völkerwanderung – zwischen Pioniergeist und Flucht. Deutsche Ausgabe veröffentlicht von National Geographic Deutschland. Hamburg 2009, S. 18f. Im Laufe der Geschichte sind nicht nur Imperien und staatliche Strukturen durch Migrationsbewegungen und Ansiedelungen entstanden, sondern auch zerstört worden. Somit ist Migration ein bedeutender Teil der Menschheitsgeschichte und des modernen Staatswe-

Einführung in die Problematik

damit verbunden war die Frage nach der Adaption und Anpassung von Zuwanderern an die hoheitlichen, sozialen und kulturellen Strukturen und Gewohnheiten der bereits auf einem Territorium ansässigen Mehrheitsbevölkerung.8 Wie in der Vergangenheit, wird Migration auch in der Gegenwart als Gefahr und gleichzeitig als Chance sowohl für die Mehrheitsgesellschaft, als auch für die MigrantInnen selbst, betrachtet.9 Dabei sind politische Maßnahmen auf der Grundlage von demokratisch legitimierten Mehrheitsverhältnissen aufgefordert, einen Ausgleich zwischen gesellschaftlichen Partikularinteressen langfristig aufrechtzuerhalten und somit das friedliche Zusammenleben von Gesellschaftsgruppen mit unterschiedlichen religiösem, kulturellem und ethnischem Hintergrund innerhalb eines Staatswesens zu garantieren. Das Hauptaugenmerk ist diesbezüglich auf das friedliche Zusammenleben gerichtet.10 Eine besondere Bedeutung kommt deshalb dem Schlagwort des „sozialen Friedens“ zu, das gegenwärtig von PolitikerInnen im Kontext von Integration verwendet wird.11 Negative Einstellungen zu Zuwanderung und Integration aber

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sens. An dieser Stelle seien nur die epochalen Auswirkungen der Völkerwanderung ab dem vierten Jahrhundert nach Christus sowie die Auswanderungswellen in der frühen Neuzeit des 15. Jahrhunderts zu nennen oder jene im 20. Jahrhundert zur Zeit der beiden Weltkriege. John Haywood beschreibt in seinem Buch insgesamt 51 bedeutende Wanderungsbewegungen der gesamten Menschheitsgeschichte und analysiert, wie sich der „ethnische, linguistische, kulturelle, ökonomische und sogar der ökologische Charakter weiter Teile der Welt“ veränderte. Vgl. Haywood: Die Geschichte der Völkerwanderung, S. 6. Durch die Aufnahme von Menschen in die eigene Gesellschaft konnten neue Fertigkeiten erlernt und die lokalen Machtverhältnisse gestärkt werden, jedoch wurde die ursprüngliche Bevölkerung auch verdrängt und das Ordnungssystem zerstört. Gleichzeitig mussten sich MigrantInnen an die neuen Lebensbedingungen und die lokalen Normen anpassen, um koexistieren zu können, wobei der Verlust der kulturellen und ethnischen Einzigartigkeit durch Assimilation drohte. Diese Probleme sind nach wie vor Gegenstand der modernen Integrationsforschung. Als deutlicher Indikator für eine Assimilation gilt die Veränderung in der Namensgebung von MigrantInnen. Vgl. Gerhards, Jürgen/Hans, Silke: Zur Erklärung der Assimilation von Migranten an die Einwanderungsgesellschaft am Beispiel der Vergabe von Vornamen. Berliner Studien zur Soziologie Europas, Freie Universität Berlin, Institut für Soziologie, Nr. 5/April 2006. , abgerufen am 19.2.2012, S. 4f. Vgl. Österreichischer Städtebund: Kommunalpolitische Akzente für ein friedliches Zusammenleben , abgerufen am 19.2.2012. Vgl. Maria Fekter im Interview mit Ursula Schallaböck: Deutsch ist Bedingung – keine Option! , abgerufen am 19.2.2012.

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Einführung in die Problematik

auch von MigrantInnen gegenüber der Aufnahmegesellschaft können das Zusammenleben erschweren und politische Regulationsmaßnahmen beeinflussen.12 Abseits von parteipolitischen Wahrnehmungen und Interpretationen haben Migration und Integration zweifelsohne hohe Relevanz für die Sicherheit in einem Staat. So wurde im Entwurf der neuen österreichischen Sicherheitsstrategie die „nicht gelingende Integration“ erstmals als eine eigene Bedrohungsform für die österreichische Sicherheit deklariert, wobei die Notwendigkeit des Erhalts des sozialen Friedens besonders betont wird.13 Insbesondere aufgrund von möglichen Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Aspekten der Integrationsproblematik mit jenen von Sicherheitsfragen sowie des sozialen Friedens, kommt den Sicherheitsorganen der öffentlichen Verwaltung eine wichtige Bedeutung zu. Diesbezüglich erfüllen die Streitkräfte eine zentrale Aufgabe. Die Rolle der Streitkräfte Die Streitkräfte eines Landes sind in erster Linie mit der Verteidigung der Souveränität und der territorialen Einheit des Staatsgebietes beauftragt. Gleichzeitig bietet das Militär besondere Voraussetzungen, Personen mit unterschiedlichem ethnischem, kulturellem und religiösem Hintergrund zu integrieren, was wiederum positiven Einfluss auf die Gesamtgesellschaft haben kann. Deshalb steht die Integration von Personen mit Migrationshintergrund beim Militär im Zentrum der vorliegenden Untersuchung, wobei vor allem zwei inhaltliche Schwerpunkte hervorgehoben werden. Erstens wird Integration als eine wichtige gesellschaftspolitische Maßnahme zum Erhalt des sozialen Friedens sowie des gesellschaftlichen Zusammenhalts behandelt. Zweites wird die Frage gestellt, ob aufgrund der demographischen Entwicklung und personalintensiver Militäreinsätze für viele Streitkräfte die Notwendigkeit gegeben ist, gezielt MigrantInnen für den Militärdienst zu rekrutieren.14 Konkret geht es also um die quantitativen und qualitativen Erfordernisse der Einsatzbereitschaft.

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Persönliche Einstellungen von Einheimischen und MigrantInnen zur Integration werden im sogenannten Integrationsklima erhoben. Vgl. Statistik Austria und Kommission für Migrations- und Integrationsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften: Migration und Integration – Zahlen, Daten, Indikatoren 2010. Wien 2010, S. 82ff. Vgl. Dokument: Bundeskanzleramt: Österreichische Sicherheitsstrategie Sicherheit in einer neuen Dekade – Sicherheit gestalten, S. 4, 8. , abgerufen am 20.2.2012. Vgl. Hattiangadi, Anita U./Quester, Aline O./Lee, Gary et al.: Non-Citizens in Today’s Military: Final Report, CRM D0011092.A2/Final, Alexandria. Virginia 2005, S. 1.

Einführung in die Problematik

Unterschiedliche Beispiele zeigen, dass vorrangig jene Berufsarmeen, die gefährliche Auslandseinsätze zu bewerkstelligen haben, spezielle Rekrutierungsmaßnahmen für Personen mit Migrationshintergrund oder sogar fremde StaatsbürgerInnen haben. Damit verbunden ist die Frage, welchen Stellenwert die Nutzung der spezifischen Fähigkeiten und Kenntnisse für das Berufsfeld des/der SoldatIn einnimmt oder auch erfordert. In diesem Bereich nehmen die USA eine Vorreiterrolle ein, da diese in zunehmendem Ausmaß NichtstaatsbürgerInnen in ihren Streitkräften einsetzen.15 Besonders Personen mit Arabisch- und Chinesischkenntnissen sind in den Streitkräften der USA – nicht nur für den nachrichtendienstlichen Bereich – sehr gefragt.16 Ähnliche Rekrutierungsmaßnahmen, besonders ImmigrantInnen in die Armee aufzunehmen, sind auch in Großbritannien gegeben und daher für die vorliegende Untersuchung von besonderer Relevanz.17 Aus dem Vergleich mit Deutschland, Schweden und Großbritannien sowie der diesbezüglichen gegenwärtigen Situationsbeschreibung Österreichs sollen bisherige Erfahrungen und Perspektiven, aber auch notwendige Schlussfolgerungen für künftige Entwicklungen präsentiert werden. Damit sollen die praxisbezogenen Erfahrungen und verwaltungstechnischen Praktiken im Themenbereich der Integration von Personen mit Migrationshintergrund beim Militär veranschaulicht und für die österreichischen Verhältnisse nutzbar gemacht werden. Der Ländervergleich Aufgrund der Vergleichbarkeit der vorherrschenden gesellschaftlichen und institutionell-administrativen Bedingungen in Deutschland, Großbritannien und Schweden mit jenen in Österreich, ergibt sich aus der Analyse des Integrationsprozesses von Personen mit Migrationshintergrund beim Militär der jeweiligen Staaten eine besondere Relevanz für Österreich. Konkret weist Deutschland eine Gesellschaftsstruktur mit ähnlichem Migrationsprofil wie Österreich auf. Ähn15

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So dienten in der US-Armee mit Stichtag 30. Juni 2009 insgesamt 114 601 MigrantInnen, von welchen rund 14 500 keine US-StaatsbürgerInnen waren. Vgl. Stock, Margaret D.: Essential to the Fight – Immigrants in the Military Eight Years after 9/11, Immigration Policy Centre, American Immigration Centre, Special Report, November 2009, S. 3. Allerdings sei hier kritisch angemerkt, dass die Ursachen für diesen große Anteil von MigrantInnen vermutlich nicht in guter Integrationspolitik zu finden sind, sondern diese Zahlen eher auf mangelnde berufliche Alternativen für MigrantInnen zurückzuführen sind. Vgl. ebd. S. 7. Vgl. Army: A Regular Army Interim Guide for Commonwealth Citizens and their Families, S. 5, , abgerufen am 4.9.2011.

23

Einführung in die Problematik

lichkeiten sind auch im Wehrsystem und dessen Reformprozess gegeben, jedoch ist durch die Aussetzung der Wehrpflicht in Deutschland ein höherer Grad der Professionalisierung erreicht worden. Schwedens sozialstaatliches Modell, die Gesellschaftsstrukturen sowie der schwedische allianzfreie internationale Status verbindet dieses Land mit Österreich. Zudem gilt das schwedische Modell der Transformation des Wehrsystems von einer wehrpflichtigen Armee zu einer Berufsarmee für die gegenwärtigen politischen EntscheidungsträgerInnen des österreichischen Verteidigungsministeriums als Vorbild.18 Schwedische Erfahrungen bei der Integration von Personen mit Migrationshintergrund in der Armee sind also für Österreich von großer Aussagekraft. Großbritannien hat wiederum vor dem Hintergrund der kolonialen Geschichte spezielle Erfahrungen mit der Integration von Personen aus anderen Kulturen in ihren Sicherheitseinrichtungen. Sowohl die Aspekte des sozialen Friedens sowie die des gesellschaftlichen Zusammenhaltes haben in Großbritannien einen besonderen Stellenwert. Trotz der eben kurz angesprochenen Unterschiede haben diese ausgewählten Staaten eines gemeinsam: Ihre demographischen Charakteristika und die vorherrschenden Herausforderungen im Zusammenhang mit der Integration von Zuwanderern versetzen die jeweiligen Regierungen in Handlungszwang, integrationspolitische Maßnahmen einzuleiten. Dabei stehen vor allem die Aspekte des sozialen Friedens und des gesellschaftlichen Zusammenhalts und in weiterer Folge die Verantwortung gegenüber dem Gemeinwohl im Vordergrund.19 Mit ebendiesen Herausforderungen ist auch Österreich konfrontiert, weshalb die Erfahrungen der anderen Staaten hinsichtlich der Integration von Personen mit Migrationshintergrund in das Militär für die österreichischen Verhältnisse relevant sind. Der Fokus liegt dabei auf der Integration von MigrantInnen im jeweiligen Militärsystem. Die Streitkräfte stellen ein Berufsfeld dar, das Einfluss auf die Gesellschaft ausüben kann. Aus diesen Überlegungen heraus stehen BerufssoldatInnen mit Migrationshintergrund und nicht die Grundwehrdiener im Mittelpunkt der Untersuchung. Jedoch sei an dieser Stelle betont, dass in Öster18 19

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Vgl. Rentzsch, Anne: Schwedens Heer hat „Erwartungen übertroffen“. In: Der Standard online, 16.1.2012, , abgerufen am 17.1.2012. Allerdings werden im Kontext des gesellschaftlichen Zusammenhalts die sicherheitspolitischen Aspekte von Zuwanderung und Integration in Großbritannien ernster genommen als in den anderen Staaten. Bereits 2008 warnten einflussreiche Abgeordnete im britischen Unterhaus vor Unruhen. In einem Bericht von Abgeordneten wurde der Zuwanderung und Integration mehr Einfluss auf die lokale Sicherheit als Kriminalität und Terrorismus eingeräumt. Vgl. We fear riots in Britain – MPs have warned that tensions could cause riots. In: Express online, 16.7.2008, , abgerufen am 20.2.2012.

Einführung in die Problematik

reich die Integrationsdebatte im Kontext des Militärs, im öffentlichen Diskurs vor allem vor dem Hintergrund der Wehrplicht geführt wird und aus diesem gewichtigen Grund die Besonderheiten des österreichischen Wehrsystems – nämlich des Präsenzdienstes – in vorliegender Studie in einem entsprechenden Rahmen berücksichtigt wurden.

Ziele und Forschungsfragen Ziel der vorliegenden Studie war es zu untersuchen, welche gesellschaftspolitischen Überlegungen und Notwendigkeiten, aber auch konkrete Strategien und Konzepte, zur Integration von Menschen mit Migrationshintergrund beim Militär in Österreich, Deutschland, Schweden und Großbritannien tatsächlich bestehen. Die konkrete Realisierung und Umsetzung von Integrationsmaßnahmen in den Streitkräften wurde analysiert und es sollte eruiert werden, ob Personen mit sprachlichen und kulturellen Zusatzkompetenzen inm Militär benötigt und auch tatsächlich eingesetzt werden. Dabei wird auf den Dienst im Inland sowie auf Auslandseinsätze eingegangen. Zu klären war auch, ob Personen mit Migrationshintergrund grundsätzlich anders als ihre „einheimischen“ KollegInnen eingesetzt und ob besondere Kompetenzen speziell genutzt werden. Wie hoch die Akzeptanz innerhalb der Streitkräfte ist, Personen mit Migrationshintergrund in diesen zu integrieren und welche Probleme entstehen können, wurde ebenfalls untersucht. Die forschungsleitenden Fragestellungen lauten daher: a) Welche Rolle spielt der Erhalt des sozialen Friedens bei der Integration von Personen mit Migrationshintergrund beim Militär in Strategien und Konzepten der untersuchten Länder? Wo gibt es Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu Österreich? • Wie schaut das demographische und ethnische Profil der jeweiligen Staaten aus? • Nimmt der Erhalt des sozialen Friedens im Kontext der gesellschaftlichen Situation in den jeweiligen Staaten einen besonderen Stellenwert ein? • Welche politischen Maßnahmen regeln die Integration von Personen mit Migrationshintergrund? • Welche administrativen Verwaltungsinstitutionen sind für die Integrationsagenden in den jeweiligen Staaten zuständig? b) Welche quantitativen und qualitativen Aspekte spielen im Hinblick auf die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte bei der Aufnahme von Personen mit Migrationshintergrund eine Rolle? • Welche Unterschiede bestehen im Wehrsystem? 25

Einführung in die Problematik

• Welches „ethnische Profil, kulturelle und religiöse Profil“ weisen die einzelnen Armeen auf? • Welche Dienstvorschriften, Regeln und Normen existieren in den jeweiligen Staaten, die die MigrantInnen betreffen? • Werden Aspekte der interkulturellen Kompetenz bei der Aufnahme von SoldatInnen in den militärischen Dienst berücksichtigt? c)

Existieren konkrete Strategien zur Personalgewinnung, um migrantische KandidatInnen anzusprechen und auch für die Berufsanforderungen der Streitkräfte rekrutieren zu können? • Werden spezielle Rekrutierungsmaßnahmen für MigrantInnen im Allgemeinen und konkreter ethnischer Gruppen (aufgrund von spezifischer kulturellen und sprachlichen Mehrkompetenzen) eingesetzt?

d) Welche Erkenntnisse lassen sich aus der Untersuchung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den untersuchten Staaten konkret für Österreich ableiten?

Vorgehensweise, Struktur und Aufbau der Studie Ein wesentliches Element der vorliegenden Arbeit ist die Klärung und Analyse zentraler Terminologien unter Berücksichtigung länderspezifischer Schwerpunktsetzungen der jeweiligen begrifflichen Unterscheidungsmerkmale. Aufgrund der spezifischen Themensetzung sind vor allem die Definitionen der Begriffe „Integration“, „sozialer Frieden“ und „gesellschaftlicher Zusammenhalt“ entscheidend. Nach der Klärung des Verständnisses für die grundlegenden Begrifflichkeiten, folgt eine kurze Darstellung des Konzeptes der interkulturellen Kompetenz und die Bedeutung für die militärische Anforderung. Anschließend werden die Länderanalysen durchgeführt. Diese heben zunächst das Bevölkerungsprofil Österreichs, Deutschlands, Schwedens und Großbritannien hervor. Darin werden nicht nur die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung, sondern auch das Alter und der Bildungsgrad der Zuwanderer im Vergleich zur Mehrheitsgesellschaft veranschaulicht. Die integrationsspezifischen Agenden der einzelnen Regierungen sowie die politischen Konzepte werden danach untersucht und beurteilt, welche Rolle der soziale Frieden und der gesellschaftliche Zusammenhalt in den wesentlichen Dokumenten einnehmen. Zu untersuchen gilt daher, welcher Stellenwert diesen gesellschaftspolitischen Aspekten der Integrationsmaßnahmen beigemessen wird. Somit erfolgt eine Analyse bestehender Regierungsabkommen, strategischer Konzepte und politischer Maßnahmen der jeweiligen Staaten, die die aktuelle Integrationsproblematik (Stand: Juli 2012) widerspiegeln. Dem Einsatz qua26

Einführung in die Problematik

litativer Inhaltsanalyse unter Verwendung komparatistischer Methoden beim Vergleich „strategischer Integrationsdokumente“ kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Das Kernelement des Vergleichs bei den politischen Konzepten wird die Untersuchung jener Dokumente sein, die dem österreichischen „Nationalen Aktionsplan für Integration“, (NAP/Integration) gleichwertig sind. Besonders berücksichtigt wird, welche Funktion die Streitkräfte bei der Integration von Personen mit Migrationshintergrund in den Dokumenten einnehmen. Ausgehend von der Analyse der genannten Dokumente und einer Beschreibung der unterschiedlichen Wehrsysteme der untersuchten Länder werden dann die einzelnen Integrationsmaßnahmen und Konzepte des jeweiligen Militärs untersucht. Eine Beschreibung von spezifischen Richtlinien und offiziellen Berichten mit Schwerpunkt auf die Integrationsthematik wird ebenfalls durchgeführt. Schließlich erfolgt eine Beschreibung der Rekrutierungsmaßnahmen in den jeweiligen Streitkräften. Die Untersuchung der vorgegebenen und tatsächlich durchgeführten Richtlinien und Maßnahmen bei der Rekrutierung von MigrantInnen soll klären, ob eine spezielle Anwerbung von MigrantInnen in den jeweiligen Staaten erfolgt und wie diese konzipiert und organisiert ist. Im abschließenden Teil werden die zentralen Ergebnisse präsentiert sowie die wesentlichen Erkenntnisse und Ableitungen vorgestellt.

Methodik Um oben genannte Fragestellungen bearbeiten zu können, wurde ein Methodentool aus sozialwissenschaftlichen Disziplinen, unter anderem aus den Bereichen der Politikwissenschaft, der Soziologie, der Kultur- und Sozialanthropologie sowie der Zeitgeschichte, eingesetzt. Zunächst wird gemäß dem „methodischen Essentialismus“ eine präzise definitorische Abgrenzung vorgenommen, wobei die zentralen Begriffe inhaltlich vertieft werden. Die Definitionen wurden allgemein gehalten, um den Anforderungen des Untersuchungsobjektes – dem Militär – gerecht werden zu können. Mittels der Methoden der Inhalts-, Text-, Dokumenten- und Aggregatdatenanalyse wurde schließlich Erkenntnisgewinnung aus internen und externen Primär- und Sekundärquellen erzielt. Eine wesentliche Datengewinnung zur Informationsverdichtung erfolgte mittels qualitativer Interviews. Diese erfolgten in teilstandardisierter Form mit Hilfe eines Fragenkataloges mit Personen mit Migrationshintergrund, die als BerufssoldatInnen in den Streitkräften der untersuchten Länder dienen. Mit Vertretern von Führungspositionen innerhalb des militärischen Systems wurden Experteninterviews geführt, die ebenfalls mit Hilfe eines Fragenkataloges semi-strukturiert waren. Zur Erschließung weiteren ExpertInnenwissens fanden zusätzlich Fachgespräche mit militärischen Entscheidungsträgern statt. Kennzeichnend für diese Gespräche war, dass zwar Fragen vorbereitet waren, allerdings kein standardi27

Einführung in die Problematik

sierter Fragebogen verwendet wurde, wodurch das Gespräch offener und flexibler gestaltet werden konnte. Die Interviews und Fachgespräche fanden mit den österreichischen und deutschen SoldatInnen sowie Experten in deutscher Sprache statt, mit den schwedischen und britischen VertreterInnen der Streitkräfte wurde in englischer Sprache kommuniziert, wobei die in vorliegender Studie verwendeten Zitate von den AutorInnen ins Deutsche übersetzt wurden. Die aus den Interviews und Gesprächen gewonnenen Daten dienen zur Verdichtung der Forschungsergebnisse und erlaubten vor allem Rückschlüsse auf die Zusammenhänge zwischen den integrativen Prozessen innerhalb der militärischen Systeme und dem sozialen Frieden im Kontext der Gesamtgesellschaft zu ziehen. An dieser Stelle sei jedoch darauf hingewiesen, dass die Vergleichbarkeit der InterviewpartnerInnen in den jeweiligen Staaten nicht gegeben ist. Während in Österreich ein problemloser Zugang zum Forschungsfeld auf allen Ebenen möglich war, war die Kontaktaufnahme mit ExpertInnen und Personen mit Migrationshintergrund in den Streitkräften in den anderen untersuchten Ländern mit gewissen Hürden verbunden. Abgesehen von Großbritannien konnten allerdings Interviews mit migrantischen SoldatInnen in allen untersuchten Staaten durchgeführt werden, wobei die Anzahl der InterviewpartnerInnen zwischen den Staaten variiert. Insgesamt wurden 21 Soldaten mit Migrationshintergrund interviewt. Zehn in Deutschland, neun in Österreich und zwei in Schweden. Zusätzlich erfolgten auch ExpertInneninterviews und offene Fachgespräche in Österreich, Deutschland und Schweden. Die Kooperation mit ExpertInnen aus dem britischen Verteidigungsministerium wurde in Form von schriftlichen Anfragen abgewickelt. Auch zur Datenlage und zur Vergleichbarkeit der in dieser Studie genannten Zahlen sei hier noch eine Anmerkung gemacht. Wie später noch ausgeführt, definiert jedes Land den Terminus „Migrationshintergrund“ anders und erhebt – wenn überhaupt – auch den Anteil an SoldatInnen mit Migrationshintergrund in den eigenen Reihen unterschiedlich. Der Einschub „wenn überhaupt“ deutet zudem darauf hin, dass es oft keine Zahlen zum Anteil an SoldatInnen mit Migrationshintergrund gibt. Oft basieren diese lediglich auf Schätzungen oder Stichproben.

Stand der Forschung Themen mit Bezug zur Migration und Integration werden in Österreich von unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen mit Schwerpunkt in den Fächern der Sozialwissenschaft, Politikwissenschaft, Geschichte und Philologie zum

28

Einführung in die Problematik

weiterführenden Verständnis der Problematik bearbeitet.20 Jede dieser Disziplinen definiert eigene Forschungsfragen, die mit ihrer fachspezifischen Methodik zur Erkenntnisgewinnung im Bereich der Migrations- und Integrationsforschung beitragen. Die Thematik selbst wird im Allgemeinen von Vorurteilen, Alltagswissen sowie von politischen Interessen beeinflusst, weshalb wissenschaftliche Objektivierungsmaßnamen unbedingt notwendig sind.21 Obwohl gerade in Österreich seit Beginn der 1990er „Ausländerthemen“ bei Wahlkämpfen dominieren, wurde mit der systematischen Erforschung des Themengebietes der Migration und Integration, über das bis dato ein „erschreckendes“ Wissensdefizit vorhanden war, erst im Jahr 2003 begonnen.22 Im Vergleich dazu kann z.B. Großbritannien auf systematische wissenschaftliche Untersuchungen im Bereich der Migrations- und Integrationsforschung seit den 1960er Jahren verweisen, die im europäischen Kontext in vielen Bereichen beispielgebend sind.23 Gerade die realpolitische Bedeutung von Migration und der damit implizierten Integrationsproblematik ist für die gegenwärtige Grundlagen- aber auch anwendungsorientierte Auftragsforschung unterschiedlicher wissenschaftlicher Fachgebiete ausschlaggebend. Der Stand der Forschung zum Thema „Integration von Personen mit Migrationshintergrund beim Militär“ ist vor allem durch empirische Berichte und Darstellung charakterisiert, die erst in jüngster Zeit entstanden sind. Die wesentli20

21

22 23

Heinz Fassmann und seine MitarbeiterInnen werteten im Jahr 2009 die Forschungstätigkeit österreichischer wissenschaftlicher Einrichtungen zu Themen mit Bezug zur Migration und Integration nach qualitativen und quantitativen Kriterien. Dabei wurden relevante Arbeiten folgender wissenschaftlicher Disziplinen ermittelt: Sozialwissenschaften, Politikwissenschaften, Philologie, Afrikawissenschaften, Anglistik, Translationswissenschaften, Geschichte, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Recht, Menschenrechte, Kulturwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, Demographie, Sozialanthropologie, Geographie, Medizin/Psychologie, Pädagogik, Philosophie, Publizistik und Theologie. Vgl. Fassmann, Heinz: Migrations- und Integrationsforschung in Österreich: Institutionelle Verankerungen, Fragestellungen und Finanzierungen, Kommission für Migrations- und Integrationsforschung, Working Paper 15. Wien 2009, S. 15. Eine in den Medien oft diskutierte politische Frage ist jene nach der Verträglichkeit und Notwendigkeit von Zuwanderung. Dieser Problematik sollte aus der Sicht des Demographen Wolfgang Lutz eine zentrale Rolle zukommen und er definiert folgende Fragestellungen als entscheidend: „Wie viele Migranten braucht das Land?“ und „Welche Migranten (nach Alter, Qualifikation etc.) werden gebraucht?“. Vgl. Lutz, Wolfgang: Migrationsforschung aus der Sicht der Demographie. In: Bauböck, Rainer/Perchinig, Bernhard (Hrsg.): Migrations- und Integrationsforschung in Österreich – Ansätze, Schnittstellen, Kooperationen, Wien 2003, S. 14-16, hier S. 15. Die Absicht besteht darin, wissenschaftliche Ableitungen für den Migrationsbedarf zu erheben, um die negativen Folgen der Überalterung moderner Gesellschaften abfedern zu können. Vgl. Fassmann, Heinz: Der österreichische Migrations- und Integrationsbericht. In: Bauböck, Rainer/Perching, Bernhard (Hrsg.): Migrations- und Integrationsforschung in Österreich – Ansätze, Schnittstellen, Kooperationen. Wien 2003, S. 7- 13, hier S. 7. Vgl. ebd. S. 7.

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Einführung in die Problematik

chen Publikationen und Problembeschreibungen heben einerseits die Bedingungen der Multiethnizität in modernen Gesellschaften hervor und leiten daraus die Notwendigkeit ab, das „ethnische Bevölkerungsprofil“ auch in der öffentlichen Verwaltung – und somit in den Streitkräften – zu repräsentieren. Diesbezüglich vergleicht Will Kymlicka den Prozess der Integration von MigrantInnen in Sicherheitsinstitutionen mit jenen in der Gesamtgesellschaft.24 Im Verlauf des Integrationsprozesses entstehe ein Konfliktpotenzial, das auch Sicherheitsinstitutionen vor Herausforderungen stellen kann. Ein mögliches Transportieren von gesellschaftlichen Konflikten in die Armee wurde von John Hillen thematisiert, indem er von möglichen zivilgesellschaftlichen „Kulturkriegen“ innerhalb der Streitkräfte spricht.25 Die Thesen von Will Kymlicka und John Hillen spiegeln nur zum Teil die Schwerpunkte der jüngsten Forschung wider. Gegenwärtig stehen der „funktionelle“ Charakter von Sicherheitsorganisationen bei der Integration, der praktische Nutzen diverser Mehrkompetenzen von Personen mit Migrationshintergrund in Sicherheitsinstitutionen sowie die damit verbundenen Probleme im Rahmen der Diensterfüllung im Mittelpunkt. Charles Moskos untersucht die Funktion der Armee auf Integration und betont, dass gerade die dort vorherrschenden hierarchischen Strukturen diesen Prozess erleichtern.26 Das Militär verschaffe zwar Identität, jedoch keine nationale, so die These von Roland R Krebs.27 Heiko Biehl, Paul Klein und Gerhard Kümmeln betonen vor allem Probleme in der Armee, die aufgrund der sprachlichen Mängel von Rekruten mit Migrationshintergrund entstehen sowie Schwierigkeiten im Umgang mit den Vorgesetzten.28 In jüngster Zeit werden bei der Integration von Muslimen und Muslimas in Sicherheitsinstitutionen sowohl Vorurteile als auch reale Gefahren vor dem Hintergrund des politischen Islams und Terrorismus behandelt. Bernard Boëne und Claud Webere sprechen vor allem Probleme bei militärischen Auslandsmissionen an, in denen muslimische SoldatInnen in westlichen Armeen durch den Einsatz in muslimisch geprägten Staaten in einem inneren Konflikt geraten können. Daher muss sowohl die Reli24 25 26 27 28

30

Vgl. Kymlicka, Will: Our Way: Rethinking Ethnocultural Relations in Canada. Toronto 1998. Vgl. Hillen, John: Must U.S. Military Culture Reform? In: Lehman, John F./Sicherman, Harvey (Hrsg.): America The Vulnerable – Our Military Problems And How To Fix Them. Foreign Policy Research Institute. Philadelphia 1999, S. 152-170. Vgl. Moskos, Charles: Diversity in the armed forces of the United States. In: Soeters, Joseph/van der Meulen, Jan (Hrsg.): Cultural Diversity in the Armed Forces. An international comparison. London, New York 2009, S. 15-30. Vgl. Krebs, Ronald R: A School for the Nation? How Military Service Does Not Build Nations, and How It Might. In: International Security, Vol. 28, Nr. 4 2004, S. 85-124. Vgl. Biehl, Heiko/Klein, Paul/Kümmel, Gerhard: Diversity in the German armed Forces. In: Soeters, Joseph/van der Meulen, Jan (Hrsg.): Cultural Diversity in the Armed Forces. An international comparison. London, New York 2009, S. 171-184.

Einführung in die Problematik

gion als auch der ethnische Hintergrund von SoldatInnen mit Migrationshintergrund bei Militäreinsätzen berücksichtigt werden.29 Im internationalen Bereich sind Arbeiten von Phil C. Langer,30 Christoph Dandeker und David Mason31 als Grundlagentexte zu werten. Phil C. Langer erwähnte als erster die Begrifflichkeit und die damit implizierten thematischen Inhalte des sozialen Friedens im integrationspolitischen Zusammenhang migrantischer SoldatInnen in der Bundeswehr. Obwohl der soziale Frieden in seinem Artikel kein primäres Untersuchungsobjekt darstellt, können seine konzeptuellempirischen Überlegungen als richtungsweisend bezeichnet werden. Stand der Forschung in Österreich Die Erforschung des Integrationsthemas im Zusammenhang mit der Armee befindet sich in Österreich erst in den Anfängen. Eine wesentliche Grundlagenarbeit stellt die Diplomarbeit von Peter Fußl dar, in der die grundsätzliche Situation von Personen mit Migrationshintergrund beim Österreichischen Bundesheer (ÖBH) beschrieben wird.32 Die aktuellste Arbeit mit dem Titel „Integration und Rolle von Migranten in Sicherheitskräften – Rahmenbedingungen, Trends, Ableitungen“, wurde von Thomas Achleitner im November 2010 veröffentlicht und präsentiert einen Gesamtüberblick über die gegebene Thematik.33 Grundsätzlich können beide Arbeiten als Grundlagentexte für die relevante Problematik in Österreich betrachtet werden und stellen nicht nur einen weiteren thematischen Aspekt in der allgemeinen Migrations- und Integrationsforschung dar, sondern sind insbesondere für die spezifischen Fragestellungen, die die Streitkräfte betreffen, von höchster Relevanz.

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Vgl. Boëne, Bernard/Weber, Claude: Diversity in the French Armed Forces. In: Soeters, Joseph/van der Meulen, Jan (Hrsg.): Cultural Diversity in the Armed Forces. An international comparison. London/New York 2009, S. 154-170. Langer, Phil C: Das Integrationspotential von Streitkräften in Migrationsgesellschaften – Argumente, Entwicklungen und Perspektiven zur Rolle der Bundeswehr im aktuellen Diskurs. In: Krysl, Ludwig W. (Hrsg.): Integration und Migration, Forschungsprojekt 39/82, Institut für Human- und Sozialwissenschaften, (unveröffentlichtes Manuskript) o. J., S. 72-90. Dandeker, Christopher/Mason, David: Ethnic Diversity in the British armed forces. In: Soeters, Joseph/van der Meulen, Jan (Hrsg.): Cultural Diversity in the Armed Forces – An international comparison. London, New York 2009, S. 140-153. Vgl. Fußl, Peter: Integration im Österreichischen Bundesheer. Eine Studie zur Situation von Migranten der ersten und zweiten Generation. Diplomarbeit, Universität Wien 2009. Vgl. Achleiter, Thomas: Integration und Rolle von Migranten in Sicherheitskräften – Rahmenbedingungen – Trends – Ableitungen, Österreichischer Integrationsfonds, ÖIF Dossier No. 15, 2010.

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Einführung in die Problematik

Positionierung der eigenen Forschungsarbeit Die vorliegende Studie reiht sich in erster Linie in die von Peter Fußl begonnene Grundlagenarbeit auf diesem Gebiet ein und soll, wie bereits erläutert, in einem Ländervergleich die Lage der Integration von Personen mit Migrationshintergrund mit Fokus auf die BerufssoldatInnen im Kontext des sozialen Friedens analysieren. Diese thematische Schwergewichtung kann als innovativer Ansatz in der Migrations- und Integrationsforschung verstanden werden. Da Berufskader in den Streitkräften und nicht die Grundwehrdiener, wie bei der Arbeit von Peter Fußl, im Mittelpunkt stehen, dient die vorliegende Studie nicht als eine bloße Aktualisierung des bestehenden Wissensstandes, sondern stellt vielmehr einen neuen Zugang zur Integrationsproblematik innerhalb relevanter Forschungsarbeiten mit Bezug zum Militär dar. Gerade die Verknüpfung zwischen dem sozialen Frieden und der Integration von MigrantInnen in einem ausgewählten Bereich der öffentlichen Verwaltung stellt die vorliegende Untersuchung aus wissenschaftlicher und forschungstechnischer Sicht vor Herausforderungen, da konzeptuelle als auch empirische Quellen kaum vorhanden sind. Zielgruppe der Publikation Die vorliegende Publikation richtet sich an eine breite LeserInnenschaft und umfasst sowohl WissenschaftlerInnen im Bereich der Migrations- und Integrationsforschung, als auch Personen, die sich im bearbeiteten Themenfeld einen Überblick verschaffen möchten. Somit können die Darstellungen und Präsentationen der Forschungsergebnisse dem fachkundigen Publikum zu einer Erkenntnisvertiefung verhelfen, gleichzeitig jedoch bei einer breiten LeserInnenschaft das Interesse am Untersuchungsobjekt wecken. Eine besondere Zielgruppe stellen jene Personen dar, die sich beruflich mit integrationspolitischen Fragenstellungen auseinandersetzen und Berührungspunkte mit dem öffentlichen Dienst im Allgemeinen und dem Militär im Besonderen haben. Wünschenswert ist, dass die vorliegende Publikation weiteren Forschungsarbeiten als Inspiration aber auch als Motivation dient, Erkenntnisgewinnung im Themenfeld der Integration zu generieren – mit dem Ziel, ein friedliches Miteinander unterschiedlicher Kulturen zu fördern.

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Definitionen und begriffliche Abgrenzungen

Definitionen und begriffliche Abgrenzungen

In der vorliegenden Publikation werden terminologische Fokussierungen für die Begriffe Migration und Integration mittels Definition, nicht jedoch über die in der Einleitung hinausgehende allgemeine Beschreibung von Migrations- und Integrationsproblemen durchgeführt. Die Begriffe des sozialen Friedens und des gesellschaftlichen Zusammenhaltes werden allerdings in der Tiefe und Weite umfassender präsentiert, da es sich gegenwärtig um eine wichtige gesellschaftspolitische Begriffskonstruktion handelt, die im Mittelpunkt der gegebenen Arbeit steht. Besonders die sprachliche und somit die begriffliche Verwendung des sozialen Friedens und des gesellschaftlichen Zusammenhaltes in den jeweiligen Staaten wird hinsichtlich deren Gebrauch in offiziellen Dokumenten untersucht. Damit soll einerseits das Verständnis für die Begrifflichkeit im Allgemeinen und für den länderspezifischen Gebrauch im Besonderen vergegenwärtigt werden.

Migration Das Wort Migration leitet sich vom Lateinischen „migratio“ ab und bedeutet im Allgemeinen „Wanderung“. Im modernen Verständnis unterscheidet man zwischen Binnenmigration und internationaler Migration. Während erstere innerhalb eines Staates stattfindet, kennt zweitere keine Grenzen. Migration kann als „temporäre oder permanente Verlagerung des Lebensmittelpunktes“ von Personen bezeichnet werden.34 Weiters gibt es bei der Migration Typologien, die nach folgenden Kriterien unterteilt werden können: „Motive, Richtung, Dauer und Umfang von Wanderungsbewegungen sowie Zielsetzungen von Migrationspolitik.“35 Eine weitere begriffliche Unterscheidung erfolgt zwischen der Auswanderung „Emigration“ und der Einwanderung „Immigration“.36

Integration Die Begrifflichkeit der Integration wird jeweils zweckorientiert definiert und daher unterliegt diese terminologische Operationalisierung unterschiedlichen 34 35 36

Vgl. Falk, Katrin/Nohlen, Dieter: Migration/Migrationspolitik. In: Nohlen, Dieter/Grotz, Florian (Hrsg.): Kleines Lexikon der Politik. München 2001, S. 370-375, hier S. 370. Ebd. Vgl. Politiklexikon: Migration: , abgerufen am 20.2.2012.

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Definitionen und begriffliche Abgrenzungen

wissenschaftlichen und praxisorientierten Anforderungen. An dieser Stelle wird zunächst eine wissenschaftliche Definition und dann eine „administrative“ Begriffsklärung präsentiert, um die Unterschiede in der Schwerpunktlegung von Definitionen veranschaulichen zu können. Wissenschaftliche Definition Das normative Verständnis der Begrifflichkeit „Integration“ erlebte in jüngster Zeit in den wissenschaftlichen Disziplinen einen qualitativen Wandel, welcher insbesondere die tagespolitische Relevanz widerspiegelt. An dieser Stelle wird ein Begriffsverständnis, das aus der Politikwissenschaft und der Soziologie kommt, vorgestellt. Der Begriff Integration leitet sich etymologisch vom lateinischen Wort „integratio“ ab und bedeutet „Wiederherstellung des Ganzen“37 aber auch „Erneuerung“, „Wiederherstellung“ und „Durchdringung“.38 Aus politikwissenschaftlicher Perspektive bezieht sich Integration auf „wirtschaftliche“, „militärische“, „politische“ und „gesellschaftliche Teileinheiten“, die sich zu einer „größeren Einheit zusammenschließen“ und „kann als Zustand, Prozess, als Funktion oder (End)-Ziel verstanden werden“.39 Politikwissenschaftliche Bedeutungsinhalte und Erscheinungsformen betreffend MigrantInnen werden unter „sozialer Integration“ zusammengefasst und man versteht darunter: „(…) Prozesse der Bildung kleiner gesellschaftlicher Einheiten, etwa der Verbände, die gesellschaftliche Interessen nach innen bündeln. In stärkerer gesellschaftspolitischer Perspektive bedeutet soziale Integration die Befriedigung des Bedürfnisses individueller und kollektiver Teilhabe an den materiellen und kulturellen Gütern der Gesellschaft. Ein besonderes politisches Aufgabenfeld ist die gesellschaftliche Integration von Minderheiten, von Randgruppen und gegenwärtig in Deutschland und in der Europäischen Union von Zuwanderungsminderheiten.“ Dazu gehören „Asylpolitik“, „Integrationspolitik“ und „Migrationspolitik“.40

Aus soziologischer Sicht fokussiert das Verständnis des Begriffes auf gesellschaftliche Prozesse. Daher ist Integration eine: „soziologische Bezeichnung für Prozesse der verhaltens- und bewusstseinsmäßigen Eingliederung in bzw. Angleichung an Wertstrukturen und Verhaltensmuster: a) durch soziale Personen an bestimmte Gruppen oder Organisationen oder in die für die relevanten Bereiche einer Gesellschaft;

37 38 39 40

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Hillmann, Karl-Heinz: Wörterbuch der Soziologie, begründet von Günter Hartfield, fünfte überarbeitete und erweiterte Aufl., Alfred Kröner Verlag. Stuttgart 2007, S. 383. Drechsler, Hanno/Hilliger, Wolfgang/Neumann, Franz in Verbindung mit Bohlen, Gerd/ Neumann, Franz (Hrsg.): Gesellschaft und Politik – Lexikon der Politik. Zehnte überarbeitete und erweiterte Auflage. München 2003, S. 489. Ebd. Nohlen, Dieter: Integration, S. 270.

Definitionen und begriffliche Abgrenzungen

b) c)

zwischen verschiedenen Schichten, Klassen, Rassen [der Begriff „Rasse“ muss kritisch betrachtet werden, Anm. d. Verf.]41 einer Gesellschaft; zwischen verschiedenen Gesellschaften zugunsten der Herausbildung neuer „höherer“ gemeinsamer kultureller Strukturen und sozialer Ordnung.“42

Im Kontext der „internationalen Wanderungsbewegungen“ wird Integration von „Arbeitsmigranten, Armutswanderern, Vertriebenen und Flüchtlingen in den Aufnahmegesellschaften“ zunehmend wichtiger und aus soziologischer Sicht werden auch Probleme erkannt: „Problematisch und z.T. konfliktträchtig ist der Grad der Bereitschaft von Migranten, sich soziokulturell integrieren zu lassen, ferner die unterschiedlich ausgeprägten Einstellungen (von Toleranz bis Rassismus) der autochthonen bzw. angestammten Bevölkerung in den Aufnahmegesellschaften gegenüber den Einwanderern.“43

Administrative Definition Für die praktische Handhabung des Begriffes „Integration“ hat in Österreich jene des „Nationalen Aktionsplan für Integration – NAP/Integration“ vom Jänner 2010 die größte Bedeutung, da sie sowohl das politische Verständnis als auch die Umsetzung von Integrationsmaßnahmen in der Praxis prägt. Eine sogenannte „administrative Definition“ drückt eine institutionalisierte Form des Verständnisses für ein bestimmtes Themen- oder Politikfeld aus, das im Rahmen von Regierungsmaßnahmen gesellschaftspolitische Prozesse zu steuern vermag. Im wichtigsten Konzept für die österreichische Integrationspolitik ist Integration „(…) ein wechselseitiger Prozess, der von gegenseitiger Wertschätzung und Respekt geprägt ist, wobei klare Regeln den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den sozialen Frieden sichern.“44 Dabei werden Kriterien für erfolgreiche Integration definiert: „Erfolgreiche Integration liegt vor, wenn jedenfalls ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache für das Arbeitsleben, für die Aus- und Weiterbildung sowie für den Kontakt zu öffentlichen Einrichtungen vorhanden sind, die wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähig41

42 43 44

Das Konzept der „Rasse“ ist dazu benutzt worden, gänzlich unannehmbare Verletzungen der Menschenrechte zu rechtfertigen. Ein wichtiger Schritt, einem solchen Missbrauch genetischer Argumente vorzubeugen, besteht darin, das überholte Konzept der „Rasse“ durch Vorstellungen und Schlussfolgerungen zu ersetzen, die auf einem gültigen Verständnis genetischer Variation beruhen, das für menschliche Populationen angemessen ist. UNESCO-Erklärung gegen den „Rasse“-Begriff, online abzurufen unter , abgerufen am 19.9.2012. Hillmann, Karl-Heinz: Wörterbuch der Soziologie, S. 383. Ebd. Bundesministerium für Inneres: Nationaler Aktionsplan für Integration. Bericht. 2010. , abgerufen am 4.9.2011, S. 2f.

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keit gegeben ist sowie die Anerkennung und Einhaltung der dem Rechtsstaat zugrundeliegenden österreichischen und europäischen Rechts- und Werteordnung vorliegen.“45

Erwähnenswert sind vor allem die Vorstellungen einer optimalen Gesellschaft vor dem Hintergrund integrationspolitischer Prozesse. „Eine integrierte Gesellschaft ist durch soziale Durchlässigkeit und Offenheit geprägt. Sie ermöglicht dem/r Einzelnen, sein/ihr Leben eigenverantwortlich zu gestalten, ohne wegen seiner/ ihrer Herkunft, Sprache oder Hautfarbe diskriminiert zu werden. Integration zielt auf die Partizipation an wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Prozessen sowie auf die Einhaltung der damit verbundenen Pflichten ab. Integration ist ein individueller ebenso wie ein gesellschaftlicher Prozess, der durch eigenverantwortliches Engagement sowie durch staatliche Rahmenbedingungen permanent zu gestalten ist.“46

Analyse der Definitionen Der jeweils spezielle Fokus der Definitionen ist Ausdruck sowohl wissenschaftlich-disziplinärer als auch übergeordneter staatlicher und verwaltungstechnischer Anforderungen. Während die Politikwissenschaft den Begriff Integration unter anderem in institutioneller Hinsicht als einen Prozess von „Teileinheiten“ auf der internationalen und nationalstaatlichen, aber auch auf der gesellschaftlichen Ebene versteht, ist das soziologische Verständnis primär auf die Interaktionen gesellschaftlicher Phänomene fokussiert. Die begriffliche Wahrnehmung aus politikwissenschaftlicher Sicht wird, wie es auch die oben angeführte Definition unterstreicht, durch integrationspolitische Aspekte von Zuwanderern in einer Mehrheitsgesellschaft bestimmt. Dadurch wird der realpolitische Anspruch dieser wissenschaftlichen Disziplin deutlich. In der Soziologie wird, anders als in der Politikwissenschaft, der Integrationsbegriff in einem breiteren gesellschaftlichen Kontext verstanden, wobei nicht nur die Minderheiten im ethnischen und kulturellen Sinne erfasst werden, sondern gesellschaftsrelevante Differenzierungen auch im Hinblick auf „Schicht“, „Klasse“ und „race“47 getätigt werden. Zuwanderer selbst werden im Rahmen eines Integrationsprozesses kategorisiert und nach Gründen ihrer Auswanderungen unterschieden. Hierbei werden vor allem wirtschaftliche aber auch lebensbedrohliche Gründe – z.B. wegen eines Krieges – angeführt. Die administrative Definition stellt jene Aspekte des Begriffsverständnisses in den Vordergrund, die den staatlich-administrativen Institutionen als Arbeits45 46 47

36

Ebd. Ebd. Der Begriff „race“ ist nicht mit dem deutschen Begriff „Rasse“ gleichzusetzen, sondern bezeichnet ethnische Zuschreibungen mit Hilfe einzelner körperlicher Merkmale. Vgl. Gingrich, André: Concepts of race vanishing, movements of racism rising? Global issues and Austrian Ethnography. In: Ethnos: Journal of Anthropology, 69:2, S. 156-176.

Definitionen und begriffliche Abgrenzungen

grundlage dienen und im weitesten Sinne Handlungsanweisungen für den Umsetzungsprozess der Regierungsvorgaben an die Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung vermitteln. Dazu gehören gemäß der Definition im österreichischen NAP/Integration unter anderem der Spracherwerb, die Aus- und Weiterbildung aber auch das Rechtsverständnis sowie eine entsprechende Werteordnung.

Sozialer Frieden und gesellschaftlicher Zusammenhalt Aufgrund des demographischen Wandels und den damit einhergehenden Veränderungen in den nordamerikanischen und westeuropäischen Zuwanderungsgesellschaften müssen die daraus resultierenden Probleme in einem gesamtgesellschaftlichen und politischen Zusammenhang betrachtet werden. Diese Zugangsweise führt dazu, die mit Migration und Integration verbundenen Phänomene der sozialen Realität begrifflich erfassen zu wollen, um in weiterer Folge staatliche Maßnahmen aber auch wissenschaftliche Untersuchungen besser bewerkstelligen zu können. In Österreich selbst rücken die Begriffe sozialer Frieden und gesellschaftlicher Zusammenhalt in den Mittelpunkt des politischen und medialen Diskurses. Insbesondere werden diese Begriffskonstruktionen in integrationspolitischen Strategien und Konzepten verwendet, womit die zunehmende Bedeutung der implizierten Phänomene deutlich zum Ausdruck kommt. Obwohl moderne Aufnahmegesellschaften im Allgemeinen mit den gleichen Problemen konfrontiert sind, haben sich unterschiedliche terminologische Begriffskonstruktionen etabliert, um diverse Problematiken vor dem Hintergrund der Integrationsthematik institutionell und verwaltungstechnisch steuern zu können. Diese gilt es nun in den, in dieser Publikation zu untersuchenden Ländern – Österreich, Deutschland, Schweden und Großbritannien – darzustellen. Somit erfolgt von der österreichischen Begrifflichkeit ausgehend, einerseits eine analytische Darstellung des „sozialen Friedens“ sowie des gesellschaftlichen Zusammenhaltes und andererseits eine Kurzpräsentation äquivalenter terminologischer Konzepte für das Benennen gleicher empirischer Phänomene in den untersuchten Staaten. Sozialer Frieden – ein empirischer Befund Der Begriff sozialer Frieden erlebte in den vergangenen Jahren in Österreich einen inhaltlichen und kontextuellen Bedeutungswandel. So wurde er ursprünglich in der tagespolitischen Auseinandersetzung im Kontext von politischen Streitthemen betreffend Sozialpartnerschaft, Arbeitsmarkt, Sozialleistungen, Pensionen, Verteilungsgerechtigkeit oder gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen

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Definitionen und begriffliche Abgrenzungen

hauptsächlich von Sozialpartnern und politischen Parteien verwendet.48 Zu Beginn des neuen Jahrhunderts stand vermehrt die innere Sicherheit im Vordergrund und seit 2009 wird der Begriff des sozialen Friedens zunehmend im Kontext von Migration und Integration verwendet.49 Das gegenwärtige Verständnis des sozialen Friedens kann grundsätzlich in einem engeren und weiteren Sinn aufgefasst werden. Im engeren Sinn bezeichnet sozialer Frieden das konfliktfreie Verhältnis zwischen verschiedenen sozialökonomisch definierten „Klassen“ innerhalb einer Gesellschaft. Dieses traditionelle Verständnis versteht den Begriff als gelungenen Ausgleich zwischen „Arbeit“ und „Kapital“.50 Betrachtet man jedoch die große Bandbreite an Kontexten, in denen der Begriff in der heutigen Debatte gebraucht wird, so muss man feststellen, dass dieses traditionelle, enge Begriffsverständnis unzureichend ist. In einem weiten Sinn kann „sozialer Frieden“ allgemein als Frieden innerhalb einer – in der Regel staatlich organisierten – Gesellschaft aufgefasst werden. Dieses Verständnis schließt die engere Definition ein, was sich etwa an der positiven Bewertung von Faktoren wie „gesichertes Einkommen“ und „gesicherter Arbeitsplatz“ sowie „sozialer Gerechtigkeit“ erkennen lässt.51 In einem weiten Verständnis des Begriffes meint sozialer Frieden aber auch, dass Interessenskonflikte zwischen gesellschaftlichen AkteurInnen bzw. Gruppen gewaltfrei und im Einklang mit allgemein anerkannten Normen ausgedrückt und ausgeglichen werden.52 Voraussetzung für einen „zivilisierten“ Interessenausgleich sind unter anderem das allgemein verbreitete Bewusstsein für und die generelle Akzeptanz von demokratischen und rechtsstaatlichen Werten und Institutionen.53 In diesem Zusammenhang wird auch der Identifikation der BürgerInnen mit dem Gemeinwesen – d.h. in der Regel mit dem Staat – große Bedeutung zugemessen.54 Insbesondere bei Zuwanderern ist eine positive emotionale Bindung und Identifizierung mit dem aufnehmenden Staat meist nicht von Anbeginn gegeben, kann und soll sich aber im Laufe eines Integrationsprozesses schrittweise entwickeln. All48 49 50 51 52 53 54

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Recherche und empirische Untersuchung von Presseaussendungen ab 2000, die „sozialen Frieden“ beinhalten (www.ots.at), durchgeführt von Hanns Matiasek. Ebd. Vgl. Dauderstädt, M.: Sozialer Frieden. In: Gießmann, H. J. (Hrsg.): Handbuch Frieden. Wiesbaden 2011, S. 559. Ein Modell für dieses Verständnis bildet das Konzept des zivilisatorischen Hexagons von Dieter Senghaas. Vgl. Senghaas, Dieter: Frieden als Zivilisierungsprojekt. In: Senghaas, Dieter (Hrsg.): Den Frieden denken. Frankfurt am Main 1995. Mit Fragen des sozialen Friedens ist auch das Konzept von societal security – gesellschaftliche Sicherheit verknüpft. Vgl. Buzan, Barry/Wæver, Ole/de Wilde, Jaap: Security: A new framework for analysis. Boulder/London 1998. Vgl. Senghaas, Dieter: Frieden als Zivilisierungsprojekt, S. 196-223. Vgl. Jaschke, Hans-Gerd: Bedingungsfaktoren des gesellschaftlichen Zusammenhalts. 2009, S. 23.

Definitionen und begriffliche Abgrenzungen

gemein gilt, dass Vertrauen in den Staat bzw. dessen Institutionen vor allem auf der rechtlichen wie praktischen Verwirklichung gleicher Rechte und Pflichten (zum Beispiel politische Partizipation, aber auch den Dienst in den Streitkräften) für alle StaatsbürgerInnen basiert.55 Somit ist nach eingehender Betrachtung der Themen und Politikfelder, die mit dem Begriff verknüpft werden, festzustellen, dass sozialer Frieden von Seiten politischer, medialer, und zivilgesellschaftliche AkteurInnen in drei unterschiedlichen Kontexten verstanden wird: 1) Einkommen, Beschäftigung und soziale Versorgung; 2) Demokratische Werthaltung, politische Partizipation und bürgerschaftliches Engagement; 3) Migration, Integration und Identität. Ein eng mit sozialem Frieden verknüpfter Begriff ist „gesellschaftlicher Zusammenhalt“, auch als „soziale Kohäsion“ bezeichnet. Den Hintergrund stellt dabei die Diversität in Gesellschaften dar. Die „cleavages“ sind Alter, Einkommen, Wohnort (urban oder ländlich) auch ethnische Herkunft und religiöses Bekenntnis.56 Für den Begriff des gesellschaftlichen Zusammenhaltes gibt es verschiedene Erklärungsansätze bzw. Konzepte, die jedoch eine Reihe von gemeinsamen Elementen mit dem sozialen Frieden verbindet. Wesentlicher Unterschied zwischen sozialem Frieden und gesellschaftlichen Zusammenhalt ist die Ebene der Beziehungen, die im Mittelpunkt des Interesses stehen. Gesellschaftlicher Zusammenhalt konzentriert sich dabei vor allem auf die horizontalen Beziehungen zwischen verschiedenen Gruppen, Communities, Milieus bis hinunter auf die Ebene der Nachbarschaft und Familie. Die Rolle des Staates und anderer öffentlicher AkteurInnen (auch Städte, Gemeinden) wird dabei in Zusammenhang mit der Beeinflussung bzw. Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts thematisiert.57 Insgesamt kann gesagt werden, dass das Konzept des sozialen Friedens sich primär auf die vertikale Beziehung Staat – Bevölkerung(sgruppen) konzentriert und dabei – im Unterschied zum Begriff des gesellschaftlichen Zusammenhaltes – auf der Makroebene bleibt.58 Österreich – sozialer Frieden und gesellschaftlicher Zusammenhalt Die Begriffe sozialer Frieden und gesellschaftlicher Zusammenhalt haben in österreichischen Konzepten eine zentrale Bedeutung für die Bereiche Sicherheit 55 56 57 58

Vgl. ebd. Vgl. ebd., S. 12f. Empirische Untersuchung von Hanns Matiasek. Empirische Untersuchung von Hanns Matiasek. Zum Ebenenmodell des gesellschaftlichen Zusammenhalts siehe: Jaschke: Bedingungsfaktoren des gesellschaftlichen Zusammenhalts, S. 8.

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Definitionen und begriffliche Abgrenzungen

und Integration. Im Regierungsprogramm von 2008 wird sozialer Frieden als „Fundament“ für die innere Sicherheit bezeichnet.59 Gesellschaftlicher Zusammenhalt wird im Regierungsprogramm hingegen im Zusammenhang mit den Themen „Soziales“, „Gesundheit“, „Pensionen“, „Armutsbekämpfung“ und „Beschäftigung“ genannt. Im NAP/Integration von 2009 wird im Abschnitt über die allgemeinen Integrationspolitischen Leitlinien festgestellt, dass Integration eine der großen Herausforderungen Österreichs für den Erhalt des sozialen Friedens und des wirtschaftlichen Erfolgs ist.60 Obwohl die Aspekte der Sicherheit im Kontext des sozialen Friedens auch bei integrationspolitischen Maßnahmen betont werden, wird diese Beziehung vor allem in sicherheitspolitischen Konzepten hervorgehoben. In der Strategie „Innen.Sicher“ des Bundesministerium für Inneres (BM.I) wird „sozialer Frieden“ als strategische Stoßrichtung definiert und umfasst neben klassischen Agenden der inneren Sicherheit auch die Bereiche der Migration und Integration.61 Der Entwurf der österreichischen Sicherheitsstrategie von 2011 erklärt die „Aufrechterhaltung des sozialen Friedens und des Zusammenhaltes der Gesellschaft“ zu einem politisch-strategischen Ziel.62 Trotz dieser Hervorhebung des Begriffes sozialer Frieden in Dokumenten ist festzuhalten, dass im Falle von Österreich weder staatlich-administrative noch wissenschaftliche Definitionen vom „sozialen Frieden“ und „gesellschaftlichen Zusammenhalt“ existieren.63 Bedingt durch den speziellen wissenschaftlichen Fokus der vorliegenden Untersuchung ist ein genaueres Eingehen auf diese spezielle Begrifflichkeit essentiell. Deutschland – gesellschaftlicher Zusammenhalt Im Regierungsabkommen zwischen der Christlich Demokratischen Union (CDU), Christlich Sozialen Union (CSU) und Freien Demokratischen Partei (FDP) vom Jahr 2009 ist „Zusammenhalt“ neben „Wachstum“ und „Bildung“ bereits als Begriff im Titel enthalten. In der Präambel wird gesellschaftlicher Zusammenhalt in Deutschland als das Resultat von Fleiß, Verantwortungsbereitschaft, ehrenamtlichem Engagement, der Arbeit christlicher Kirchen und anderer 59 60 61 62 63

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Vgl. SPÖ/ÖVP: Regierungsprogramm für die XXIV. Gesetzgebungsperiode. 2008. , abgerufen am 8.8.2011. Vgl. Bundeministerium für Inneres: Nationaler Aktionsplan für Integration. 2009. Vgl. Bundeministerium für Inneres: Innen.Sicher. Mehr Ordnung. Mehr Freiheit. Die Zukunftsstrategie des Innenministeriums. Wien 2010. , abgerufen am 8.8.2011. Vgl. Bundeskanzleramt: Österreichische Sicherheitsstrategie. Sicherheit in einer neuen Dekade – Sicherheit gestalten. 2011. Empirische Untersuchung von Hanns Matiasek 2011.

Definitionen und begriffliche Abgrenzungen

Religionsgemeinschaften, dem Engagement der UnternehmerInnen, der Leistungsbereitschaft der ArbeitnehmerInnen, und dem Miteinander der Generationen verstanden. Chancengerechtigkeit wird dabei ein hoher Stellenwert zugemessen: „Alle Menschen in unserem Land sollen die Chance auf wirtschaftlichen Erfolg, sozialen Zusammenhalt und ein Leben in Freiheit und Sicherheit haben.“64 Ferner wird im Kapitel „Sozialer Fortschritt durch Zusammenhalt und Solidarität“ (sozialer) Zusammenhalt in einer Reihe von Kontexten, wie etwa Familie, Ehrenamt und Sport genannt. Obwohl in Deutschland keine offizielle Definition von gesellschaftlichem Zusammenhalt vorliegt, gibt es im Bereich des Bundesministeriums des Innern ein Gutachten von Hanns-Gerd Jaschke, das sich mit der Thematik eingehend befasst. Jaschkes Arbeitsdefinition lautet: „Gesellschaftlicher Zusammenhalt in der Demokratie ist keine Tatsache und kein erreichbares Endziel, sondern ein politisch-sozialer Prozess, getragen von sozialmoralischen, lebensweltlichen kollektiven Einstellungen und Verhaltensweisen: Vertrauen in Verfassung, Institutionen und soziale Infrastruktur, Engagement für das Gemeinwohl, politische Beteiligung und Konfliktbereitschaft nach demokratischen Spielregeln. Sie sind politisch weder kontrollier- noch steuerbar, wohl aber können sie auf verschiedenen Ebenen beeinflusst und gefördert werden.“65

Obwohl die Begrifflichkeiten betreffend des sozialen Zusammenhaltes auf das gemeinsame Zusammenleben der Menschen abzielen, erscheint es erwähnenswert, dass in keinem der untersuchten deutschen Dokumente der Begriff „sozialer Frieden“ in Verwendung ist, jedoch dem friedvollen Zusammenleben im Kontext des gemeinschaftlichen Zusammenhalts ein wichtiger Stellenwert beigemessen wird. Schweden – sozialer Zusammenhalt Ein Kommuniqué der schwedischen Regierung von 2009/2010 befasst sich mit dem Zusammenhalt innerhalb der Gesellschaft. In dem Dokument wird sozialer Zusammenhalt im Abschnitt „Eine Vision von einer Gesellschaft des sozialen Zusammenhalts“ als ein wichtiger Teil der demokratischen Gesellschaft definiert. Die Elemente umfassen im Einzelnen: • Allgemeine Anerkennung dafür, dass alle Personen und Gruppen einen Beitrag für die Gesellschaft leisten und für diese wichtig sind; • Gleiche Rechte, Pflichten und Chancen für alle Menschen (insbesondere demokratische Grundwerte und Menschenrechte);

64 65

CDU/CSU/FDP: Wachstum. Bildung. Zusammenhalt. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP. 17. Legislaturperiode. 2009. , abgerufen am 3.12.2011. Jaschke: Bedingungsfaktoren des gesellschaftlichen Zusammenhalts, S. 7.

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Definitionen und begriffliche Abgrenzungen

• • •

Allgemeines Wissen und Bewusstsein für Rechte, Pflichten, und Verantwortlichkeiten des/der Einzelnen im Bezug auf die Gesellschaft und die Mitmenschen; Vertrauen der Menschen in die Gesellschaft und die Behörden; Das Gefühl der Menschen, Mitglied der Gesellschaft zu sein, in dieser wirken und den Mitmenschen vertrauen zu können.66

Im schwedischen Verständnis besitzt der Begriff des gesellschaftlichen Zusammenhalts zwei Dimensionen: eine zwischenmenschliche und eine, die das Verhältnis zwischen der Bevölkerung einerseits, und den Behörden bzw. dem öffentlichen Sektor andererseits umfasst. Betont wird in diesem Zusammenhang insbesondere das Vertrauen bzw. das gute Verhältnis der Bevölkerung gegenüber öffentlichen Institutionen, welches auf Schwächen bzw. Missstände hin überprüft werden muss. Festgestellt wird ebenfalls ein Zusammenhang zwischen dem sozialen Zusammenhalt und Integration, die als wechselseitig abhängige Prozesse beschrieben werden, wobei Integration nur als ein Element des umfassenderen sozialen Zusammenhalts angesehen wird.67 In der Evaluierung der schwedischen Integrationsstrategie von 2010 wird die Sicherung des sozialen Zusammenhalts als eine strategische Herausforderung für den öffentlichen Sektor betrachtet. So wird die Notwendigkeit genannt, den öffentlichen Dienst dahingehend vorzubereiten, dass dieser vor dem Hintergrund eines zunehmend komplexer werdenden Umfelds und einer Gesamtbevölkerung, die durch ethnische und religiöse Vielfalt geprägt ist, weiterhin handlungsfähig bleibt. Die Notwendigkeit hinsichtlich einer breiteren sprachlichen Kompetenz im öffentlichen Sektor wird als eine diesbezügliche Maßnahme genannt.68 Das schwedische Verständnis vom sozialen Zusammenhalt wird von klaren sozialen Normen innerhalb der Gesellschaft beeinflusst und weist ein besonders Vertrauensverhältnis zwischen den einzelnen Gesellschaftsgruppen auf, die sich in ihrer Herkunft, Kultur und dem sozialen Status unterscheiden. Das Verhältnis zwischen dem Staat einerseits und seiner Bevölkerung anderseits wird unter anderem auch durch Rechte und Pflichten geregelt, was einen Aspekt des sozialen Zusammenhaltes darstellt.

66 67 68

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Reinfeld, Fredrik/Sabuni, Nyamko: Dialog om samhallets vardegrund. 2010, S. 7. , abgerufen am 15.9.2011. Vgl. ebd. Vgl. Reinfeld, Fredrik/Sabuni, Nyamko: Dialog om samhallets vardegrund, S. 6f.

Definitionen und begriffliche Abgrenzungen

Großbritannien – community cohesion „Zusammenhalt“ findet sich als Begriff bzw. Konzept in einer Vielzahl von offiziellen britischen Dokumenten und wurde 2002 erstmals genauer definiert.69 Im britischen Kontext wird dabei in der Regel nicht von sozialer Kohäsion, „social cohesion“, sondern von „community cohesion“ gesprochen, welche 2008 von Seiten der Regierung neu definiert wurde: „Community cohesion is what must happen in all communities to enable different groups of people to get on well together. A key contributor to community cohesion is integration which is what must happen to enable new residents and existing residents to adjust to one another. Our vision of an integrated and cohesive community is based on three foundations: • People from different backgrounds having similar life opportunities; • People knowing their rights and responsibilities; • People trusting one another and trusting local institutions to act fairly. And three key ways of living together: • A shared future vision and sense of belonging; • A focus on what new and existing communities have in common, alongside a recognition of the value of diversity; • Strong and positive relationships between people from different backgrounds.“70

Beim britischen Konzept sind vor allem zwei Dinge auffällig: Erstens konzentriert es sich weniger auf die gesamtstaatliche Ebene, als auf lokale Gemeinschaften (wie zum Beispiel Stadtteile); Zweitens wird das Thema Integration im Rahmen des Konzepts der „community cohesion“ im Vergleich zu früher heute deutlich stärker in den Vordergrund gerückt. Wesentlicher Akteur innerhalb der Regierung ist das Department for Communities and Local Government, welches sich mit verschiedenen für lokale Communities wichtigen Bereichen wie Nachbarschafts- und Stadtentwicklung, Konfliktlösung und Gleichstellungsfragen befasst.71 In Großbritannien sind sozialer Frieden bzw. das englische Äquivalent „social peace“ keine gebräuchlichen Begriffe, hingegen wird der Zusammenhalt betont.

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Vgl. Local Government Association: guidance on community cohesion. 2002. , abgerufen am 29.1.2012; vgl. House of Commons: Social Cohesion. Sixth Report of Session 2003-04. 2004, , abgerufen am 29.1.2012. Department for Communities and Local Government: The Government’s Response to the Commission on Integration and Cohesion. 2008. , abgerufen am 29.1.2012. Vgl. Department for Communities and Local Government: About us. , abgerufen am 29.1.2012.

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Definitionen und begriffliche Abgrenzungen

Interkulturelle Kompetenz Das Verständnis für die Begrifflichkeit der interkulturellen Kompetenz leitet sich vordergründig vom Kulturbegriff ab, wobei der Mensch als Träger von Kultur zu sehen ist.72 In der militärischen praxisrelevanten Auffassung wird grundsätzlich „Kultur als soziale Praxis und als umfassender Zusammenhang menschlichen Verhaltens“73 verstanden. Die interkulturelle Kompetenz selbst ist als ein Oberbegriff zu verstehen und beinhaltet mehrere Aspekte: a) „kulturspezifische Kompetenz“ als die „Erfahrungs- und Wissenskompetenz in Bezug auf mehrere Kulturen“;74 b) „kulturübergreifende Kompetenz“ als „kulturunabhängige Kompetenz, mit Fremdheitserfahrungen umzugehen“; 75 c) „allgemeine Sozialkompetenz“ und bedeutet „Sozialkompetenz als Basis für interkulturelle Kompetenz“.76 Im allgemeinen militärischen Gebrauch kann die interkulturelle Kompetenz als ein Instrumentarium von speziellen Eigenschaften bezeichnet werden, die einem bestimmten militärischen Zweck – der Auftragserfüllung – dienen soll. Eine grobe Klarstellung des Begriffes betont den Umgang mit anderen Kulturen und hebt die Bedeutung bei Auslandseinsätzen hervor: „Interkulturelle Kompetenz ist der Begriff dafür, mit anderen Kulturen und Lebensweisen möglichst konfliktfrei umzugehen. Besondere Bedeutung hat diese Kompetenz für Einsatzorganisationen wie die Polizei oder das Bundesheer – und bei letzterem vor allem bei Einsätzen im Ausland.“77

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Vgl. Ertl, Paul: Vom „Zweck der Natur“ zur Unabdingbarkeit von „Inter-Kulturalität“, In: Krysl, Ludwig (Hrsg.): Interkulturelle Kompetenz – Voraussetzungen erfolgreicher Aufgabenerfüllung postmoderner Streitkräfte. Schriftenreihe der Landesverteidigungsakademie, 18/2007, S. 9-28, hier S. 11f. Bolten, Jürgen zitiert von Lampalzer, Hans: Comprensive Approach: Interkulturelle Kompetenz und Sprache als Erfolgsfaktoren und Wegbegleiter. In: Felberbauer, Ernst M./Riemer, Andrea (Hrsg.): Comprehensive Approach. Definitionen – Ansätze – Weiterentwicklung, Schriftenreihe der Landesverteidigungsakademie, 9/2011. Wien 2011, S. 95-110, hier S. 98. Vgl. Lampalzer, Hans: Interkulturelle Kompetenz – Erfahrungen aus der Sicht eines Lehrenden, In: Krysl, Ludwig (Hrsg.): Interkulturelle Kompetenz – Voraussetzungen erfolgreicher Aufgabenerfüllung postmoderner Streitkräfte. Schriftenreihe der Landesverteidigungsakademie, 18/2007, S. 99-116, hier S. 110. Vgl. ebd. S. 100. Vgl. ebd. BMLVS: Interkulturelle Kompetenz: Wie Soldaten mit anderen Kulturen umgehen, , abgerufen am 24.3.2012.

Definitionen und begriffliche Abgrenzungen

Zu den wesentlichen interkulturellen Kompetenzen, die auch im Friedenseinsatz notwendig sind, gehören in erster Linie die Sprachkenntnisse sowie das Wissen über die im Einsatzort vorherrschenden Kulturen.78 Die Betonung und auch Nutzung der Eigenschaften eines/einer SoldatIn, der/die als Teil einer bestimmten Kultur gilt, ist auf die sicherheitspolitischen Veränderungen nach dem Ende des Kalten Krieges zurückzuführen. War noch während der bipolaren Konfrontation das zentrale „Wesensmerkmal“ eines/einer SoldatIn die „Kampffähigkeit“, so ist im Zeitalter der „postheroischen Gesellschaft“79 die „Friedensfähigkeit“ wichtig, die unterschiedliche zivile Fähigkeiten und Kompetenzen hervorhebt.80 Daher spricht man, um besonderen ethischen Ansprüchen zu entsprechen, auch von einer Friedensarmee oder von „verzivilisierten“ SoldatInnen.81 Diese spezifische Wahrnehmung des SoldatInnenberufes hielt auch beim Bundesheer Einzug. Demnach sollen die modernen österreichischen SoldatInnen nicht nur zum Kämpfen und Töten ausgebildet werden, sondern sich auf der Basis eines UNO-Mandates und im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU in den Friedenseinsätzen aktiv am Friedensprozess beteiligen.82 Interkulturelle Kompetenz in Friedensmissionen soll dazu beitragen, die Beziehung zur lokalen Bevölkerung zu beeinflussen, um die Einstellung dieser gegenüber den eingesetzten Truppen positiv zu gestalten. Generell leitet sich von der Einstellung der Bevölkerung gegenüber den fremden Truppen auch die Vorgehensweise der EinsatzsoldatInnen im Operationsgebiet ab. Also bestimmt das Verhalten der SoldatInnen gegenüber der Zivilbevölkerung im Einsatz auch ihr Verhältnis zu den Militärangehörigen. Die „Beziehung“ der Einheimischen zu den ausländischen SoldatInnen kann freundlich, neutral und feindlich sein.83

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Vgl. Lampalzer, Hans: Comprensive Approach: Interkulturelle Kompetenz und Sprache als Erfolgsfaktoren und Wegbegleiter, S. 98. Unter postheroischer Gesellschaft wird eine Gesellschaft verstanden, die die Demokratie und friedliche Mittel der Konfliktlösung sowie die Gleichheit aller am politischen Leben beteiligter AkteurInnen betont. Heroische Gesellschaften hingegen favorisieren Kriegertum und Soldatenehre. Vgl. Böhm, Andrea: Kein Held, nirgendwo, Zeit online, 29.6.2006. , abgerufen am 12.9.2011. Vgl. ebd. S. 101f. Schnellhamer, Christine (unter Mitarbeit von Bunselmeyer, Lisa/Eifert, Yvonne/Groth, Jana/Plank, Friedrich): AFK Jahreskolloquium 2011 „Macht in Konflikten – Macht von Konflikten“, , abgerufen am 13.4.2012. Vgl. Lampalzer, Hans: Interkulturelle Kompetenz – Erfahrungen aus der Sicht eines Lehrenden, S. 102. Vgl. ebd.

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Definitionen und begriffliche Abgrenzungen

SoldatInnen mit hoher interkultureller Kompetenz beteiligen sich nicht nur auf besondere Art an der Auftragserfüllung, sondern sie können in weiterer Folge auch dazu beitragen, die Opferzahlen in der eigenen Truppe niedriger zu halten, wie Beispiele aus der Praxis der deutschen Bundeswehr zeigen. „Bei Einsätzen wie die in Afghanistan, im Kongo oder im Kosovo ist es für die Bundeswehr sowie andere Streitkräfte von zentraler Bedeutung, einen guten Kontakt zur Zivilbevölkerung aufzubauen, ihr Vertrauen durch kulturadäquate Verhaltensweisen zu gewinnen und dadurch über etwaig geplante Anschläge vermeintlicher Terroristen, Regierungsgegner oder Kriegstreiber informiert zu werden.“84

In einem Konflikt- und Kriegsgebiet müssen die SoldatInnen mit der Bevölkerung interagieren und ein hohes Maß an interkultureller Kompetenz im Umgang mit dieser an den Tag legen, wobei diese gleichzeitig einen Anschlag zu befürchten haben. Nicht zu wissen, wer FeindIn und wer FreundIn in einer Gesellschaft ist, die „offensichtlich grauenhafte Kriegsgeschehnisse zugelassen oder befördert hat“ belastet die eigene interkulturelle Kompetenz.85 Im Auslandseinsatz ist interkulturelle Kompetenz nicht nur in Bezug zur lokalen Bevölkerung wichtig, sondern auch im Umgang mit SoldatInnen von anderen Streitkräften im Rahmen eines multinationalen Verbandes.86

Fazit Grundsätzlich sei betont, dass das Verständnis für den Begriff Integration von wissenschaftlich-disziplinären Parametern und somit vom methodologischen Aufarbeiten einer konkreten Fragestellung im Forschungsprozess abhängig ist. Daher besteht auch keine allgemeingültige terminologische Normierung. Zusätzlich zum wissenschaftsbezogenen Erfordernis, den Integrationsbegriff zu präzisieren, sind administrativ-institutionelle Notwendigkeiten bei staatlichen Regulierungsprozessen zu berücksichtigen, die in weiterer Folge Einfluss auf die wissenschaftliche Anwendung des Begriffes selbst haben. Davon bleiben auch die mit dem sozialen Frieden korrelierenden Begriffe nicht verschont. Trotz der Tatsache, dass die Begriffskonstruktionen „sozialer Frieden“ (Österreich) und „gesellschaftlicher Zusammenhalt“ (Österreich und Deutschland), „sozialer Zusammenhalt“ (Schweden) und „community cohesion“ (Großbritan84

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Vgl. Keller, Jörg/Tomforde, Maren: Interkulturelle Kompetenz: Die Auslandseinsätze der Bundeswehr, In: Krysl, Ludwig (Hrsg.): Interkulturelle Kompetenz – Voraussetzungen erfolgreicher Aufgabenerfüllung postmoderner Streitkräfte. Wien 2007, S. 161-194, hier S. 161. Vgl. ebd. S. 180. Vgl. Lampalzer, Hans: Interkulturelle Kompetenz – Erfahrungen aus der Sicht eines Lehrenden, S. 102.

Definitionen und begriffliche Abgrenzungen

nien) nur vage definiert sind und terminologisch peripher variieren, können wesentliche gemeinsame Kernelemente bzw. Themenschwerpunkte identifiziert und somit hinsichtlich der Gemeinsamkeiten für die vorliegende Untersuchung operationalisiert werden. Es geht dabei im Wesentlichen um Fragen betreffend des Umgangs mit Diversität, Integration, sozialer Gerechtigkeit, demokratischen und rechtsstaatlichen Grundwerten und mit Vertrauen in Institutionen in sich rasch wandelnden Gesellschaften, was auch verschiedene Implikationen und Herausforderungen für die Streitkräfte mit sich bringt. Im Begriffsverständnis der vorliegenden Arbeit werden im Allgemeinen der soziale Frieden und der gesellschaftliche Zusammenhalt als jene Begriffskonstruktion verwendet, die die thematischen Kernelemente aller genannten Konzepte umfasst. Bei konkreten Analysen länderspezifischer Dokumente und Maßnahmen werden inhaltliche und begriffliche Nuancen der einzelnen Länder berücksichtigt. Abseits von theoretisch-konzeptueller Beschreibungen und Zuordnungen sind Aspekte der interkulturellen Kompetenz nicht nur im zivilen Alltagsprozess interpersoneller Kommunikation von Bedeutung, sondern besonders vor dem Hintergrund des sozialen Friedens und des gesellschaftlichen Zusammenhaltes im Hinblick auf Integrationsprozesse beim Militär relevant. In diesem Zusammenhang besitzt die interkulturelle Kompetenz sowohl einen integrationspolitischen als auch einen im höchsten Ausmaß einsatzrelevanten militärischen Charakter.

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Österreich

Länderanalysen

Im folgenden Arbeitsteil werden die jeweiligen Staaten dahingehend untersucht, welche Bedeutung die Konzepte des sozialen Friedens und des gesellschaftlichen Zusammenhalts in den Integrationskonzepten einnehmen und wie diese mit den Streitkräften zusammenhängen. Dabei wird der spezifische Umgang mit Personen mit Migrationshintergrund und ihre Rolle im jeweiligen militärischen System hervorgehoben. Da sich politische Maßnahmen und verwaltungstechnische Umsetzungsstrategien im Bereich der Integration von der gesellschaftspolitischen Notwendigkeit gesellschaftlicher Prozesse ableiten, wird zunächst genauer auf das Bevölkerungsprofil der jeweiligen Staaten eingegangen. Dabei richtet sich die statistische Zuordnung von Personen zur „Kategorie Migrationshintergrund“ in erster Linie nach nationalen Maßstäben und Kriterien, wobei definitorische Aspekte mit unterschiedlichen inhaltlichen Ausprägungen eine wichtige Rolle spielen.87 Ziel ist es, den Anteil an Personen mit Migrationshintergrund so zu bestimmen, dass in weiterer Folge eine potenzielle Zielgruppe für die Integration beim Militär statistisch erfasst werden kann. Dabei spielt nicht nur der ethnische und kulturelle Hintergrund, sondern auch der Bildungsstand eine wesentliche Rolle. Im Allgemeinen werden die personelle Stärke und Zusammensetzung einer Streitkraft durch deren Wehrsystem bestimmt. Das Wehrsystem eines Landes wiederum richtet sich nach den historischen Erfahrungen, gesellschaftspolitischen Richtlinien, dem sicherheitspolitischen Umfeld sowie den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.88 Somit sind Wehrsysteme stets Ausdruck geschichtlicher Bedingungen und von politischen EntscheidungsträgerInnen beeinflusste sowie von budgetären Vorgaben eingegrenzte Systemelemente, die nationalen Besonderheiten unterliegen.

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Vgl. Leitner, Katharina: Personen mit Migrationshintergrund in der Polizei – ein Ländervergleich. Vergleichende Studie der Länder Deutschland, Großbritannien, Niederlande, Österreich und Schweden. ÖIF Dossier 21. Wien 2011, S. 7. Vgl. Darabos, Norbert: Rede des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport zum Thema: Landesverteidigung im Wandel der Zeit – Anforderungen an ein Bundesheer des 21. Jahrhunderts. Wien 15.12.2010. , abgerufen am 10.9.2011.

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Länderanalysen

Österreich Bevölkerungsprofil Die Gesamtbevölkerung Österreichs betrug nach aktuellen Angaben der Statistik Austria zu Beginn 2011 8,404 Millionen Menschen. Dies stellte gegenüber dem Jahr 2010 eine Steigerung um 0,3% dar.89 Dieser Bevölkerungszuwachs ist hauptsächlich auf den positiven Wanderungssaldo zurückzuführen. Allgemeines zum Begriff Migrationshintergrund Von der Statistik Austria wird bei der Aufarbeitung von entsprechendem Datenmaterial über Personen mit Migrationshintergrund eine definitorische Abgrenzung dieser Personengruppe in Anlehnung an die United Nations Economic Commission for Europe (UNECE) zwecks internationaler Vergleichbarkeit durchgeführt, wobei bei der statistischen Erfassung von MigrantInnen folgende begriffliche Abgrenzung vorgenommen wird: „The group of persons with a foreign background is composed of those persons whose parents were born outside the country. The persons in this group may or may not have directly experienced an international migration.”90 Die von der Statistik Austria verwendete Begriffsklärung lautet: „Von Personen mit Migrationshintergrund wurden beide Elternteile im Ausland geboren, wobei Angehörige der Ersten Generation selbst im Ausland geboren wurden und Personen der Zweiten Generation in Österreich zur Welt gekommen sind.“91 In offiziellen Statistiken werden Personen mit dem „Merkmal ÖsterreicherIn“ versehen, wenn ein Elternteil in Österreich geboren wurde.92

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Vgl. Statistik Austria/Kommission für Migrations- und Integrationsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften: Migration und Integration – Zahlen, Daten, Fakten 2011. Wien 2011. , abgerufen am 3.9.2011, S. 20. United Nations Economic Commission for Europe: Conference of European Statisticians Recommendations for the 2010 Censuses of Population and Housing prepared in cooperation with the Statistical Office of the European Communities (EUROSTAT). New York/Geneva 2006. , abgerufen am 3.9.2011, S. 90. Statistik Austria: Bevölkerung mit Migrationshintergrund im Überblick. , abgerufen am 3.9.2011. Vgl. ebd.

Österreich

Kategorien migrantischer Bevölkerung Eine zahlenmäßige Erfassung der Bevölkerung mit Migrationshintergrund basiert zunächst auf staatsbürgerschaftsrechtlichen sowie weiteren normativen Bestimmungen. Somit werden die in Österreich lebenden MigrantInnen in vier Kategorien von Bevölkerungsgruppen eingeteilt: a) Ausländische Bevölkerung: Mit Stichtag 1. Jänner 2011 lebten laut Statistik knapp 928 000 Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft in Österreich. Davon waren 64% bereits vor dem 1. Jänner 2006 in Österreich und 36% kamen erst nach diesem Stichtag in das Land.93 b) Im Ausland geborene Bevölkerung: Am Stichtag 1. Jänner 2011 hatten insgesamt 15,7% der Gesamtbevölkerung, rund 1,316 Millionen Menschen, einen Geburtsort außerhalb Österreichs. Von diesen Personen wurden 40% durch den Erhalt der Staatsbürgerschaft bereits eingebürgert.94 c) Bevölkerung ausländischer Herkunft: Dabei handelt es sich sowohl um ausländische StaatsbürgerInnen als auch um jene Personen, die einen Geburtsort außerhalb Österreichs haben. Am Stichtag 1. Jänner 2011 hatten 1,453 Millionen Personen oder 17,3% der Gesamtbevölkerung eine ausländische Herkunft. d) Bevölkerung mit Migrationshintergrund: Zu dieser Kategorie gehören alle vorher aufgezählten Bevölkerungsgruppen, sowie jene, die als Nachkommen der ersten Generation der MigrantInnen bereits in Österreich auf die Welt gekommen sind. Im Jahr 2010 lebten in Österreich durchschnittlich 1,543 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich was einen Anteil von 18,6% der Gesamtbevölkerung ausmacht. 1,139 Millionen Menschen gehören der ersten und 404 600 der zweiten MigrantInnengeneration an.95 Profil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund Aus den aktuellen Statistiken geht hervor, dass ein Großteil, nämlich ca. 711 000 der 1,54 Millionen Personen mit Migrationshintergrund, bereits die österreichi93

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Vgl. Statistik Austria/Kommission für Migrations- und Integrationsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften: Migration und Integration – Zahlen, Daten, Fakten 2011. Wien 2011. , abgerufen am 3.9.2011, S. 20. Vgl. ebd. Vgl. Statistik Austria/Kommission für Migrations- und Integrationsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften: Migration und Integration – Zahlen, Daten, Fakten 2011. Wien 2011. , abgerufen am 3.9.2011, S. 20.

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Länderanalysen

sche Staatsbürgerschaft besitzt. Von diesen wurden 404 000 bereits in Österreich geboren. Von jenen im Ausland geborenen stelle jene aus Nicht EU-Ländern – ca. 718 000 Personen – den größten Anteil dar – 420 000 Personen kommen aus der EU. Die größte Gruppe sind Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien (ca. 356 000) und der Türkei (ca. 109 000). Auch bei den Personen mit Migrationshintergrund, die in Österreich geboren wurden, dominieren jene mit ex-jugoslawischer und türkischer Herkunft. Durchschnittsalter Ein wichtiger Faktor bei der Unterscheidung zwischen Personen der Mehrheitsbevölkerung und jenen mit ausländischer Herkunft sind das Alter und der Bildungsstand. Während das Durchschnittsalter der inländischen Staatsangehörigen am Stichtag 1. Jänner 2011 bei 41,9 Jahren und jener der ausländischen Herkunft mit 40,4 Jahren nur geringfügig darunter lag, sind ausländische Staatsangehörige mit 35,2 Jahren wesentlich jünger. Das Durchschnittsalter bei Personen aus den Staaten des ehemaligen Jugoslawien betrug 39,9 Jahre, aus der Türkei 35,6 Jahre und Afrika 34,4 Jahre.96 Bildungsstand Personen mit Migrationshintergrund sind anders als die Mehrheitsbevölkerung in den höchsten als auch in den niedrigsten Bildungsschichten überdurchschnittlich vertreten. Durch die Zuwanderungen aus den EU-Staaten ist der Bildungsstand der MigrantInnen gestiegen. Im Jahresdurchschnitt 2010 hatten 29% der MigrantInnen im Alter von 25-64 die Matura, während der Anteil bei der Mehrheitsbevölkerung 35% betrug. Allerdings hatten im Schnitt 17% der MigrantInnen einen Universitätsabschluss, während dieser mit 14% bei inländischen Staatsangehörigen etwas geringer war. Besonders hohen AkademikerInnen-Anteil haben mit 26% Personen aus der EU und aus den Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR).97 Auf der unteren Skala der Bildungsniveaus wird der Unterschied zwischen Personen mit Migrationshintergrund und der Mehrheitsbevölkerung besonders deutlich. Lag der Durchschnitt jener inländischen StaatsbürgerInnen, die nur über einen Pflichtschulabschnitt verfügten, bei 13%, so war dieser Anteil bei Personen mit Migrationshintergrund mit 30% mehr als doppelt so hoch. Beson96

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Vgl. Statistik Austria/Kommission für Migrations- und Integrationsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften: Migration und Integration – Zahlen, Daten, Fakten 2011. Wien 2011. , abgerufen am 3.9.2011, S. 26. Vgl. ebd., S. 46.

Österreich

ders stark vertreten in dieser Gruppe sind Personen aus den Staaten des ehemaligen Jugoslawiens mit 37%, aber vor allem jene aus der Türkei mit 66%. Allerdings belegen Statistiken, dass sich der Bildungsstand bereits in der zweiten MigrantInnengeneration verbessert und jenem der Mehrheitsgesellschaft allmählich annähert, jedoch mit 21% immer noch deutlich höher als jener der inländischen Bevölkerung ist.98 Relevante Zielgruppe für das Bundesheer Speziell für das Bundesheer relevant sind also eingebürgerte Personen mit ausländischer Herkunft sowie MigrantInnen der zweiten Generation. In absoluten Zahlen betrifft das 526 000 eingebürgerte Personen sowie 404 600 MigrantInnen der zweiten Generation. Zu berücksichtigen ist dabei das Alter und das Geschlecht, was besonders bei der Heranziehung zum Ableisten des Präsenzdienstes und bei einer möglichen befristeten oder dauerhaften Aufnahme in die militärischen Strukturen zu berücksichtigen ist. Integrationsstrategie und Maßnahmen Im aktuellen Regierungsabkommen von Österreich aus dem Jahr 2008 wurde die Erstellung eines Nationalen Aktionsplans für Integration (NAP/Integration) festgelegt, was seither das wichtigste Dokument der österreichischen Integrationspolitik darstellt, von dem sich alle anderen Maßnahmen in diesem Politikfeld ableiten. Auf der Bundesebene existieren die Integrationsvereinbarung (IV)99 und der NAP/Integration und gelten als die einzigen bundesweiten Integrationskonzepte. Im folgenden Arbeitsteil wird untersucht, welcher Stellenwert dem sozialen Frieden und dem Bundesheer in den integrationspolitischen Dokumenten eingeräumt wird.

98 99

Vgl. ebd. Die IV wurde in ihrer ursprünglichen Form 2002 eingeführt und beinhaltet den Nachweis von ausreichenden Deutschkenntnissen als Voraussetzung für die dauerhafte Niederlassung in Österreich. Die aktualisierte Version der IV betrifft Drittstaatsangehörige die nach dem 1.7.2011 nach Österreich gekommen sind. Da sich diese mit der Unterzeichnung dazu verpflichten innerhalb von zwei Jahren die geforderten Sprachkenntnisse nachzuweisen, richtet sich die IV direkt an MigrantInnen und trägt zum aktiven Integrationsprozess bei. Von strategischer gesellschaftspolitischer Bedeutung ist der NAP/ Integration, indem er Weichen für die gesamte Integrationspolitik stellt. Vgl. Österreichischer Integrationsfonds: Was ist die Integrationsvereinbarung? , abgerufen am 20.7.2011.

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Länderanalysen

Regierungsabkommen Das Regierungsabkommen für die XXIV. Gesetzgebungsperiode wurde im Herbst 2008 zwischen den Koalitionspartnern der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) und der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) abgeschlossen. Insgesamt werden 14 thematische Hauptteile im Abkommen behandelt, die alle Bereiche des öffentlichen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens erschließen.100 Die integrationspolitischen Maßnahmen werden im Teil „Inneres, Justiz und Landesverteidigung“ in einem Unterkapitel „Migration- und Integration“ behandelt. Das Unterkapitel zu „Migration und Integration“ besteht aus drei Abschnitten: „Neuregelung des Humanitären Aufenthalts“, „Zuwanderung und Integration“ und „Integration“.101 Im Regierungsprogramm wird Integration selbst als eine „Querschnittsmaterie“ bezeichnet, die als „gesamtgesellschaftliche Aufgabe (…) alle staatlichen Ebenen betrifft“. Einen vagen Hinweis auf das zugrunde liegende Integrationsverständnis liefert folgende Passage: „Die Bundesregierung verfolgt das Ziel einer gelungen Integration von Migranten/-innen, ihre Teilhabe am politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben.“ Ferner ist der Nationale Aktionsplan für Integration, der das Hauptelement bzw. den Hauptprozess der österreichischen Integrationspolitik darstellt, bereits explizit erwähnt.102 Im Regierungsprogramm wird der Begriff des sozialen Friedens nur einmal erwähnt und als „Fundament für die Innere Sicherheit (…).“ bezeichnet.103 Im Unterkapitel „Migration und Integration“ werden somit weder der soziale Frieden, noch der gesellschaftliche Zusammenhalt, jedoch die sicherheitspolitische Relevanz erwähnt.104 Obwohl der öffentlichen Verwaltung wesentliche Aspekte 100 Die 14 Kapitel des Regierungsabkommens sind: (1) Arbeitsplätze und Standortpolitik, (2) Forschung, Technologie und Innovation, (3) Infrastruktur und Verkehr (4) Land- und Forstwirtschaft, Ländlicher Raum, (5) Klima und Umwelt, (6) Inneres, Justiz und Landesverteidigung, (7) Gesellschaft, Frauen, Familie und Chancenpolitik, (8) Sport, (9) Soziales und Gesundheit, (10) Bildung, Wissenschaft, Forschung, Kultur und Medien, (11) Kunst und Kultur, (12) Außen- und Europapolitik, (13) Leistungsfähiger Staat, (14) Finanzen. 101 Politischer Hintergrund für die Formulierung diese speziellen Abschnittes dürfte der im Vergleich zu früheren Koalitionsabkommen gestiegene politische Druck und die öffentliche Erwartungshaltung gewesen sein, in diesem Politikfeld konkrete Handlungsschritte zu setzen. 102 Vgl. SPÖ/ÖVP: Regierungsprogramm 2008-2013 – Gemeinsam für Österreich, Regierungsprogramm für die XXIV. Gesetzgebungsperiode. , abgerufen am 4.9.2011, S. 107. 103 Ebd., S. 92. 104 Neben der Bestimmung des Niederlassungs- und Aufenthaltsverfahrens sowie des humanitären Aufenthaltes, werden Maßnahmen gegen Zuwanderungsmissbrauch präzisiert. Vgl. SPÖ/ÖVP: Regierungsprogramm 2008-2013, S. 107.

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bei der Integration zukommen, werden außer dem Innenministerium keine weiteren Ressorts zur Erfüllung von Integrationsaufgaben hervorgehoben. Zwar wird dem Thema „Sicherheit und Landesverteidigung“ und somit dem Bundesheer ein eigenes Hauptkapitel gewidmet, jedoch wird die Integration von Personen mit Migrationshintergrund – anders als bei der Polizei105 – in keinem Zusammenhang mit dem Bundesheer in Verbindung gebracht.106 Politische Konzepte und Maßnahmen Ausgehend vom oben beschriebenen SPÖ/ÖVP-Regierungsprogramm hat sich auf Bundesebene eine von der Einwanderungspolitik unabhängigere Integrationspolitik erst nach dem Jahr 2008 entwickelt. Grundlage ist der bereits erwähnte NAP/Integration, der in mehreren Schritten unter Einbeziehung von Bundesministerien, aller neun Bundesländer, des Städte- und Gemeindebundes, der Sozialpartnerschaft, der Industriellenvereinigung sowie VertreterInnen der Zivilgesellschaft erarbeitet und am 19. Jänner 2010 im Ministerrat beschlossen wurde.107 Der NAP/Integration stellt kein endgültig abgeschlossenes Dokument dar, sondern wird laufend weiterentwickelt und kann daher als ein „dynamischer Prozess“ verstanden werden.108 Darin wird Integration im Kern als „möglichst chancengleiche Partizipation an den zentralen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens“109 verstanden. Damit ist vor allem eine Teilhabe am wirtschaftlichen,

105 Zur Integration von PolizistInnen mit Migrationshintergrund in Österreich vgl.: Leitner, Katharina: Braucht Wien dich? Perspektiven für PolizistInnen mit Migrationshintergrund. In: Leitner, Katharina/Czekelius, Nicole (Hrsg.): alltäglich | fremd. Wien 2010, S. 93124. 106 Anders gestaltet sich der Sachverhalt bei der Polizei, die unter den Punkt B.1.2. „Erhöhung des Migranten/innen-Anteils“, explizit eine Integrationsaufgabe zu erfüllen hat. „Die Polizei soll die Verhältnisse in der Gesellschaft widerspiegeln, um größtmögliche Akzeptanz zu erreichen und damit auch effektiver arbeiten zu können.“ SPÖ/ÖVP: Regierungsprogramm 2008-2013, S. 98. 107 Als Grundlage für den NAP diente ein Positionspapier des Bundesministeriums für Inneres (BM.I), welches auch die gesamte Koordinierung für die Erstellung des Aktionsplanes innehatte. Vgl. Bundesministerium für Inneres: Nationaler Aktionsplan für Integration. Wien 2009, S. 5. 108 So heißt es wörtlich: „Der Nationale Aktionsplan ist kein Schlusspunkt, sondern versteht sich als ein Prozess, in dem laufend auf neue Herausforderungen reagiert wird, gemeinsam mit allen relevanten staatlichen Institutionen und auf allen Ebenen, mit dem Ziel der nachhaltigen Sicherung des gesellschaftlichen Zusammenhalts.“ Bundesministerium für Inneres: Nationaler Aktionsplan für Integration, S. 2. 109 Expertenrat für Integration: Integrationsbericht. Vorschläge des Expertenrates für Integration. 2011. , abgerufen am 6.8.2011.

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politischen und kulturellen Leben in einem Land gemeint.110 Das prozessuale und theoretische Verständnis für Integration erfolgt auf der Basis der Unterteilung in System- und Sozialintegration. Weiters wird Integration in eine kognitive, strukturelle, soziale und identifikatorische Dimension kategorisiert. Darüber hinaus wird im NAP/Integration das Bekenntnis Österreichs zur „geregelten Zuwanderung“ abgegeben, die einen „wirtschaftlichen und demographischen Mehrwert“ darstellt, dabei soll ein „Wir-Gefühl“ entstehen.111 Das Kernelement des Aktionsplans sind sieben Handlungsfelder: (1) Sprache und Bildung, (2) Arbeit und Beruf, (3) Rechtsstaat und Werte, (4) Gesundheit und Soziales, (5) Interkultureller Dialog, (6) Sport und Freizeit sowie (7) Wohnen und die regionale Dimension der Integration. Auf der Grundlage der Handlungsfelder wurden in einem Arbeitsprogramm des Expertenrates,112 das im Jänner 2011 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, konkrete Umsetzungsmaßnahmen zur Verbesserung der Integration definiert. Im Juli 2011 wurde dann im dritten Band des Integrationsberichts ein 20-Punkteprogramm zu den sieben Handlungsfeldern definiert.113 Bedeutung des sozialen Friedens und die Rolle des Bundesheeres Während im Regierungsabkommen die Integration nur indirekt mit dem sozialen Frieden im Zusammengang steht, wird diese Konnotation in den wichtigsten Dokumenten zum Thema Integration (NAP/Integration, Arbeitsprogramm, Integrationsbericht) unmissverständlich spezifiziert. Im NAP/Integration wird der soziale Frieden dreimal in unterschiedlichen Kontexten von Integration erwähnt. Bereits in der Präambel des NAP/Integration steht: „Integration ist ein wechselseitiger Prozess, der von gegenseitiger Wertschätzung und Respekt geprägt ist, 110 Vgl. Fassmann, Heinz: Integrationsindikatoren des Nationalen Aktionsplans für Integration. Wien 2009. 111 Bundesministerium für Inneres: Nationaler Aktionsplan für Integration, S. 3. 112 Der Expertenrat besteht aus unabhängigen Fachleuten und wird vom Prof. Dr. Heinz Fassmann geleitet. Vgl. , abgerufen am 30.1.2012. 113 Bei den drei Bänden des Integrationsberichtes handelt es sich um drei unterschiedliche Dokumente, die nicht als ein aufeinander chronologisches „Gesamtwerk“ zu sehen sind. Als Band eins gelten die Maßnahmenvorschläge des Expertenrates unter der Leitung von Prof. Dr. Heinz Fassmann. Als zweiter Band gilt das statistische Jahrbuch mit den aktuellen Zahlen zur Integration und Migration, das im Jahr 2011 bereits zum vierten Mal herausgegeben wurde. Der dritte Band stellt eine rechtliche Analyse (unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Janko) der Integration als eine Querschnittsmaterie dar. Vgl. Bundesministerium für Inneres: Integrationsbericht – Vorschläge des Expertenrates für Integration. Wien 2011. , abgerufen am 30.1.2011, S. 2.

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wobei klare Regeln den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den sozialen Frieden sichern.“114 Unter dem Punkt „Allgemeine integrationspolitische Leitlinien“ wird die Wichtigkeit von Integration für den sozialen Frieden betont: „Integration ist eine der großen Herausforderungen Österreichs für den Erhalt des sozialen Friedens und des wirtschaftlichen Erfolgs.“115 Eine essentielle sicherheitspolitische Funktion wird der Integration und somit dem sozialen Frieden im „Handlungsfeld Recht und Staat“ beigemessen: „Integration ist eine wesentliche Voraussetzung zur Schaffung sozialen Friedens und trägt dadurch zur Vermeidung von Konflikten und zur Prävention von Kriminalität bei.“116 Ähnlich wird auch der Begriff des gesellschaftlichen Zusammenhalts verstanden, der im Aktionsplan insgesamt dreimal117 aufscheint. Im Zusammenhang mit dem interkulturellen Dialog steht geschrieben: „Voraussetzungen für gutes Zusammenleben und gesellschaftlichen Zusammenhalt sollen unter Einbeziehung verschiedener kultureller und religiöser Bereiche erarbeitet werden.“118 Einen weiteren besonderen Maßnahmenkatalog stellt das Arbeitsprogramm des Expertenrates vom Jänner 2011 dar. Im Vorwort dieses Arbeitsprogramms wird sozialer Frieden sogar als Ziel des erarbeiteten Programms betrachtet: „Mit dem Arbeitsprogramm des Expertenrates wird nun ein weiterer wichtiger Schritt vorwärts getan – um ein vorrangiges gesellschaftspolitisches Ziel zu erreichen: Den sozialen Frieden in unserem Land zu stärken und ein Wir-Gefühl in unserer Gesellschaft zu schaffen.“119

Im Teil des Integrationsberichtes, der als „Vorschläge des Expertenrates für Integration“ konzipiert wurde, wird sozialer Frieden unter anderem als ein „Positives Branding von Integration in Österreich“ berücksichtigt und als eine „Außenwirkung“ verstanden.120

114 115 116 117

Bundesministerium für Inneres: Nationaler Aktionsplan für Integration, S. 2. Ebd., S. 8. Ebd., S. 25. Das erste Mal wird im NAP/Integration der gesellschaftliche Zusammenhalt gemeinsam mit dem sozialen Frieden erwähnt, was weiter oben im der vorliegenden Arbeit zitiert wurde. 118 Bundesministerium für Inneres: Nationaler Aktionsplan für Integration, S. 36. 119 Expertenrat für Integration: Arbeitsprogramm, Wien Jänner 2011 (Vorwort), , abgerufen am 30.1.2012. 120 Ein Bestreben ist es, Österreich als ein lebenswertes Land für Zuwanderer zu offenbaren. „Objektive Daten aus dem Integrationsmonitoring von Statistik Austria und Kooperationen mit Medien sollen dabei helfen, Österreich als ein attraktives Land, welches Zugewanderten in großer Zahl Arbeit, Sicherheit und sozialen Frieden offeriert hat, positiv zu besetzen.“ Bundesministerium für Inneres: Integrationsbericht – Vorschläge des Expertenrates für Integration, S. 50.

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Wie bereits aus dem Regierungsprogramm des Jahres 2008 hervorgeht, ist die öffentliche Verwaltung im besonderen Maße aufgerufen, die Integration von MigrantInnen auf unterschiedlichen Ebenen abzuwickeln. Im NAP/Integration wird im Handlungsfeld „Arbeit und Beruf“ konkret darauf eingegangen: „Die Beschäftigung von Personen mit Migrationshintergrund soll im öffentlichen Bereich erhöht werden, so wie etwa bei der Polizei, Justiz, in der Schule, beim AMS und im Gesundheitsbereich. Damit wird ein Beitrag zum gegenseitigen Verständnis und Respekt geleistet.“121

Eine weitere Spezifizierung erfolgt im Handlungsfeld „Recht und Staat“: „Die Aufnahme von Mitarbeiter/innen mit spezifisch sprachlichem und kulturellem Hintergrundwissen in die öffentliche Verwaltung, insbesondere in Polizei und Justiz, fördert das Bewusstsein für kulturelle Herausforderungen und soll aus Gründen der Vorbildwirkung gefördert werden.“122

Zwar kann durch die Formulierung in diesen Punkten das Bundesheer als ein Teil der öffentlichen Verwaltung theoretisch mitgedacht werden, die explizite Nichtnennung in diesem Zusammenhang deutet jedoch auf eine unbedeutende Position der Streitkräfte im Bereich der Integrationspolitik hin. Im NAP/Integration wird nur ein einziges Mal auf das Bundesheer unter dem Handlungsfeld „Sprache und Bildung“ eingegangen. Darin heißt es: „Für Soldat/innen mit Migrationshintergrund soll eine gezielte Sprachförderung bestehen, um auch ihre Karrierechancen in den Streitkräften zu erhöhen.“123 Die Vernachlässigung des Bundesheeres als eine relevante Institution für Integrationsaufgaben wird besonders im Vergleich zur Polizei im dritten Band des Integrationsberichts deutlich, wo die Aufgaben der Ministerien bei der Umsetzung der Integrationsmaßnahmen dargestellt werden.124 Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass der soziale Frieden in der österreichischen Integrationspolitik einen Schlüsselfaktor darstellt. Im Allgemeinen übernimmt die öffentliche Verwaltung eine Schlüsselaufgabe bei der Integration, wobei dem Bundesheer in den wichtigsten Dokumenten nahezu überhaupt keine Rolle zugeschrieben wird.

121 122 123 124

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Bundesministerium für Inneres: Nationaler Aktionsplan für Integration, S. 22. Ebd., S. 26. Ebd., S. 17. Während das BM.I insgesamt 40 Maßnahmen im Bereich der Integration umzusetzen hat – davon betreffen sechs die Sektion I (Präsidium), zehn die Sektion II (Generaldirektion für öffentliche Sicherheit) und die restlichen 24 die Sektion III (Recht) –, sind es beim BMLVS lediglich zwei. Nur eine Maßnahme innerhalb des BMLVS richtet sich an das Bundesheer, die andere an den mit Sport beauftragten Verwaltungsteil des Ministeriums. Vgl. Janko, Andreas: Integration als Querschnittsmaterie. In: Bundeministerium für Inneres (Hrsg.): Integrationsbericht. Integration als Querschnittsmaterie Bilanz bisheriger Maßnahmen. Wien 2011. S. 3-11, hier S. 10.

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Exkurs: Verwaltung – Institutionalisierung Zur rechtlichen Situation im Hinblick auf die Kompetenzverteilung im Bereich Integration kann festgehalten werden, dass kein eigener Politikbereich „Integration“ in der Verfassung existiert und es in der Folge auch keine dezidierte Bundeskompetenz, aber auch keine klare Regelung betreffend einer Kompetenzaufteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden geben kann. Andreas Janko stellt in diesem Zusammenhang fest, dass „der österreichischen Verfassungsordnung ein einheitliches, durchgehendes Konzept zur Reaktion auf die Herausforderungen, die das Integrationsthema mit sich bringt“,125 fehlt. „Mit der Zuständigkeit zur gesetzlichen Regelung und zum Vollzug einschlägiger Maßnahmen ist auch die Verantwortung für das Gelingen des Integrationsprojektes auf alle drei Gebietskörperschaftsebenen verteilt.“126 Dennoch existiert ein relativ junger und kleiner Rechtsbestand zu Integration, wie etwa jener, der die Regelungen zur Integrationsvereinbarung einschließt. Weitgehender ist der Rechtsbestand im Bereich des Aufenthaltsrechts, des Fremdenrechts und des Staatsbürgerschaftsrechts – drei Bereiche, die primär das Innenressort betreffen.127 Betrachtet man die Verteilung von Kompetenzen, die zwar dem Bereich Integration zugerechnet, aber nicht dezidiert als solche bezeichnet werden, muss festgestellt werden, dass auf Bundesebene beinahe allen Ministerien Agenden mit Integrationsrelevanz in irgendeiner Weise zukommen. Integration stellt somit eine sachlich zusammenhängende, aber kompetenzrechtlich inhomogene Materie dar, und kann daher nicht nur thematisch, sondern auch organisatorisch als „Querschnittsmaterie“ bezeichnet werden.128 Abgesehen von den oben dargestellten rechtlichen Aspekten, ist die verwaltungstechnische Regelung der Integrationsagenden durch besondere Spezifika gekennzeichnet. Im engeren Sinn sind auf Bundesebene die Integrationsagenden dem Bundesministerium für Inneres (BM.I) zugeordnet. Dies erstens, da dem Innenministerium auch die Wahrnehmung von den mit Integration stark verknüpften Bereichen Fremden- und Asylwesen sowie Staatsbürgerschaftswesen obliegen. Zweitens, da dem Innenressort jene Verwaltungsaufgaben zukommen, die nicht explizit dem Kompetenzbereichen anderer Ministerien zugeordnet sind. Dem BM.I unterstellt bzw. zugeordnet ist auf Bundesebene im Integrationsbereich bereits seit 1960 der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF), welcher als Flüchtlingsfonds der Vereinten Nationen durch UNHCR und das BM.I gegrün-

125 126 127 128

Janko: Integration als Querschnittsmaterie, S. 10. Ebd., S. 10. Vgl. ebd. S. 3-4. Vgl. ebd. S. 5.

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det wurde.129 Nach 2002 weitete der ÖIF seine Aufgabenbereiche vor allem auf Sprachausbildung, Berufsförderung sowie Informationskampagnen und die Abwicklung von Projekten des Europäischen Flüchtlings- und Integrationsfonds aus.130 Als „Begleiterscheinung“ des NAP/Integration kann der deutliche Ausbau der Institutionalisierung der Integrationsagenden im BM.I gewertet werden. Seit Beginn 2011 gibt es diesbezüglich zwei Neuerungen. Erstens wurde eine Abteilung „Integration“ (Abteilung 8) in der Rechtssektion (Sektion III) geschaffen. Dieser Abteilung obliegen vor allem die Koordination der Umsetzung des NAP und die Abwicklung von nationalen und europäischen Förderungen und Fonds.131 Zweitens wurde im April 2011 das Staatssekretariat für Integration eingerichtet, was vor allem als politisches Signal zu werten ist und dem die führende Rolle in der Umsetzung des NAP/Integration zukommt. Österreichisches Bundesheer Das Österreichische Bundesheer (ÖBH) ist als eine Institution der öffentlichen Verwaltung an Vorgaben des Regierungsabkommens gebunden. Im Bereich der Integration ist allerdings evident, dass das ÖBH keine prioritäre integrationspolitische Aufgabe innehat. Trotzdem wird dem Bundesheer zunehmend auch im öffentlichen Diskurs eine wichtige integrationspolitische Rolle zugeschrieben.132 Somit hat es abseits der gesetzmäßigen Auftragserfüllung im Bereich der Gewährleistung von Sicherheit auch eine gesellschaftspolitische Funktion, die ressortintern ebenso wie von den Medien als solche wahrgenommen wird. Im Mittelpunkt der Selbstwahrnehmung steht dabei die „gelebte und funktionierende Integration im ÖBH“, also das „funktionierende Miteinander“ im Dienstbetrieb.133 Vom Sprecher des Bundesheers, Major Thomas Holzbauer, wird das ÖBH sogar als „Musterschüler“ in der Integration von SoldatInnen mit Migrationshintergrund bezeichnet.134 Dabei ist in erster Linie die Integration von Rekruten mit Migrationshintergrund gemeint, die im Rahmen der Wehrdienstpflicht ihre Ausbildung absolvieren. 129 Seit 1991 ist der ÖIF aus dem BM.I ausgegliedert und seit 2002 wird sein Leistungsprofil gezielt ausgeweitet. Vgl. Österreichsicher Integrationsfonds: Geschichte des ÖIF. , abgerufen am 4.9.2011. 130 Vgl. Österreichsicher Integrationsfonds: Geschichte des ÖIF. 131 Vgl. Janko: Integration als Querschnittsmaterie, S. 10. 132 Vgl. Theuretsbacher, Wilhelm: Bundesheer – Integration mit Ordnung – Habt Acht! In: Kurier, 22.10.2010. , abgerufen am 20.9.2011. 133 Vgl. BMLVS: Weißbuch 2010. Wien 2011, S. 102. 134 Vgl. Integration: Bundesheer sieht sich als „Musterbeispiel“. In: Die Presse online. 28.8.2010. , abgerufen am 18.9.2011.

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Das österreichische Wehrsystem Das österreichische Wehrsystem basiert auf den Bestimmungen des Staatsvertrages vom 15. Mai 1955 sowie auf dem am 26. Oktober 1955 beschlossenen Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität135 und ist somit bis in die Gegenwart von den politischen Folgeprozessen des Zweiten Weltkriegs geprägt.136 Im Artikel 1 des Neutralitätsgesetzes kommt dies wie folgt zur Geltung: „Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen.“137

Da Österreich demgemäß keinem Militärbündnis beitreten kann, ist es für die Verteidigung der Unabhängigkeit nach außen mit eigenen militärischen Mitteln verantwortlich, was zu weiteren verfassungsrechtlichen Regelungen führte.138 Konkret finden sich diese im Artikel 9a des Bundesverfassungsgesetzes (B-VG) und beinhalten die Konzeption der umfassenden Landesverteidigung, die aus der geistigen, militärischen, zivilen und wirtschaftlichen Landesverteidigung besteht. Es gilt ferner, die „verfassungsmäßigen Einrichtungen“ sowie „demokratischen Freiheiten“ der EinwohnerInnen vor äußeren Angriffen zu schützen und zu verteidigen.139 Eine Besonderheit der militärischen Landesverteidigung Österreichs 135 Die Neutralität Österreichs ist eine direkte Folge des Zweiten Weltkrieges und verhinderte eine Aufteilung Österreichs in einen demokratischen Westen und einen kommunistischen Osten durch die Besatzungsmächte wie im Falle Deutschlands. Bis zur Wiedervereinigung im Jahre 1990 existierte die Bundesrepublik Deutschland (BRD) als Teil der North Atlantic Treaty Organization (NATO) und die Deutsche Demokratische Republik (DDR) unter dem sowjetischen Herrschaftsbereich als Mitglied des Warschauer Paktes. 136 Im Staatsvertrag wurde mit den Siegermächten (Frankreich, Großbritannien, UdSSR und USA) die Wiederherstellung eines freien und unabhängigen Österreichs vertraglich besiegelt. Vgl. Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich: Der Staatsvertrag betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich. 30. Juli 1955. , abgerufen am 20.9.2011. 137 Bundesverfassungsgesetz vom 26.10.1955 über die Neutralität Österreichs, , abgerufen am 18.9.2011. 138 Im Rahmen der Institutionalisierung der EU haben sich auch die sicherheits- und verteidigungspolitischen Agenden in der zweiten Säule der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) unter Einbindung Österreichs etabliert, was mit der Neutralität Österreichs vereinbar ist. Vgl. Österreichisches Bundesheer: Die sicherheitspolitischen Auswirkungen des Vertrages von Lissabon – Gemeinsam mehr Sicherheit, abgerufen am 18.9.2011. 139 Vgl. BGBl. Nr. 368/1975, Art. I Z 1, ab 9.7.1975, Bundesverfassungsgesetz Artikel 9a, siehe bei Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport, Abteilung Eigenlegislative: Wehrrechtliche Textausgabe: Verfassungsrecht und Militärische Landesverteidi-

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ist das Milizsystem140 des Bundesheeres sowie die nachwievor bestehende Wehrpflicht.141 MilizsoldatInnen haben zivile Berufe, werden jedoch bei Bedarf zu Übungen bzw. Ernstfall einberufen und üben als ChargInnen, UnteroffizierInnen und OffizierInnen in ihrer Einsatzorganisation eine entsprechende Funktion aus. Somit sind MilizsoldatInnen ein „integraler Bestandteil“ des Wehrsystems.142 Wehrplicht und Miliz im Kontext der Integration Innerhalb der EU gilt die Wehrpflicht als eine Ausnahmeerscheinung. Von den 27 EU-Mitgliedsländern ist die Wehrpflicht neben Österreich noch in weiteren fünf Staaten, nämlich in Finnland, Estland, Dänemark, Griechenland und Zypern, die Basis des jeweiligen Wehrmodels.143 Die Beibehaltung oder die Abschaffung der Wehrpflicht reflektiert unterschiedliche gesellschaftspolitische Interessenslagen, die sich unter anderem von sicherheitspolitischen Gegebenheiten und den budgetären Rahmenbedingungen des jeweiligen Landes ableiten. Diesbezüglich stellt Österreich keine Ausnahme dar. In Österreich werden gemäß § 18a Wehrgesetz wehrpflichtige männliche Personen bei Vollendung des 18. Lebensjahres zur Stellung einberufen, bei der die körperliche und psychische Tauglichkeit für den Wehrdienst festgestellt wird.144 Der Wehrdienst muss gegenwärtig bis zur Vollendung des 35. Lebensjahres in der Dauer von sechs Monaten abgeleistet werden. Ausgenommen davon sind die gesetzlich geregelten Fälle der Untauglichkeit. Zudem besteht die Möglichkeit des Ableistens eines Zivildienstes, wenn man den Wehrdienst aus Gewissensgründen verweigert.145 Seit 2010 stehen das gegenwärtige Wehrsystem und insbesondere die Wehrplicht in der bestehenden Form im öffentlichen Diskurs zur Debatte. BefürworterInnen der Abschaffung der Wehrplicht argumentieren, dass aus demokratiepolitischen Gründen eine Einberufung zum „Zwangsdienst“146 nicht mehr zu legitimieren sei. Aber auch neue Bedrohungen sowie die Wirtschaftlichkeit

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gung. 1.1.2012. , abgerufen am 10.1.2012. Vgl. Bundeverfassungsgesetz Artikel 79. Vgl. BGBl. I Nr. 106/2005, Art. 1 Z 1. Vgl. Österreichisches Bundesheer: Das Milizsystem. , abgerufen am 20.9.2011. Vgl. EU: Immer weniger Staaten setzen auf die Wehrplicht. In: Die Presse, 5.10.2010. Vgl. Wehrgesetz 2001, BGBl. I Nr. 146/2001 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 63/ 2012, § 18a. Die Überprüfung der Eignung für den Wehrdienst findet in Stellungskommissionen statt, die den Militärkommanden unterstellt sind. Parlamentskorrespondenz Nr. 594 vom 15.06.2011. , abgerufen am 12.2.2012.

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machen eine Transformation des bestehenden Systems notwendig. Somit erwarten sich BefürworterInnen von der Umstellung auf eine Berufsarmee Kosteneinsparungen.147 KritikerInnen befürchten hingegen eine höhere Budgetbelastung, bezweifeln die Aufrechterhaltung des Katastrophenschutzes und betonen auch integrationspolitische Aspekte bei ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der Berufsarmee – so wie Wilhelm Waldner, der Vorsitzende der Bundesheergewerkschaft: „Die allgemeine Wehrpflicht mit ihrer Werte- und Bewusstseinsbildung ist zudem ein wesentlicher Träger für die Integration von Österreichern mit Migrationshintergrund.“148 Tatsächlich wurde in der Integrationsforschung ein positiver Zusammenhang zwischen dem Präsenzdienst und bestimmten Aspekten von integrativen Prozessen nachgewiesen. Diesbezüglich hat Peter Fußl in seiner Grundlagenarbeit, in deren Rahmen er eine quantitative Umfrage unter 372 Grundwehrdienern sowie fünfzehn qualitative Interviews durchführte, die sprachliche, personale, identifikative, soziale, kulturelle und institutionelle Ebene integrativer Prozesse berücksichtigt. Als einen positiven Effekt der allgemeinen Wehrpflicht nennt er in erster Linie die Verwendung der deutschen Sprache im Dienstbetrieb und den Aufbau von sozialen Kontakten zwischen Grundwehrdienern nicht-österreichischer Herkunft und Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft.149 Obwohl die von ihm untersuchten Rekruten mit Migrationshintergrund über sehr gute oder ausreichende Sprachkenntnisse verfügen und somit der primäre Spracherwerb während des Präsenzdienstes nicht relevant erscheint, hat die Sprachnutzung dennoch eine wichtige integrative Wirkung.150 Im Kontext der Integration sind aber vor allem die interaktiven Prozesse, die sich aus sozialen Kontakten ergeben, ausschlaggebend. Allerdings kann über die Aufrechterhaltung der sozialen Interaktionen und somit über die Nachhaltigkeit der während des Grundwehrdienstes geschlossenen Freundschaften und sozialen Kontakte, keine allgemeine Aussage gemacht werden.151 Hinsichtlich der Identitätsbildung von Grundwehrdienern mit Migrationshintergrund, kommt Fußl auf der Basis von qualitativen Interviews zum Resultat, 147 Vgl. Darabos, Norbert: Berufsheer neu: Die Wehrplicht hat ausgedient. In: Der Standard, 26.10.2011. , abgerufen am 15.11.2011. 148 Gewerkschaft Öffentlicher Dienst: GÖD-Bundesheergewerkschaft legt sich fest: „Ja zur Wehrpflicht!“. , abgerufen am 30.8.2011. 149 Vgl. Fußl: Integration im Österreichischen Bundesheer, S. 105 f. 150 Vgl. ebd. S. 105. 151 Dass während des Präsenzdienstes aus den sozialen Kontakten auch Freundschaften entstehen, wurde in den von Peter Fußl gemachten Interviews bestätigt. Ob diese auch nach Beendigung des Grundwehrdienstes bestehen bleiben, müsste in weiteren Untersuchungen erhoben werden. Die Interviewpartner von Peter Fußl sind jedenfalls von der Annahme ausgegangen, dass die freundschaftlichen Beziehungen auch über den Dienst beim Bundesheer aufrechtbleiben würden. Vgl. ebd. S. 115.

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„(…) dass sich sowohl Migranten erster Generation als auch Migranten zweiter Generation, obwohl in dem Falle beide Gruppen bereits in Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft sind, selbst noch nicht als Österreicher sehen bzw. sich noch keine klare Identität als Österreicher gebildet hat.“152

Dabei müssen Diskriminierungserfahrungen berücksichtigt werden, welchen Präsenzdiener mit Migrationshintergrund ausgesetzt waren.153 Generell sind in diesem Zusammenhang der soziale und kulturelle Hintergrund, die Dauer des Aufenthaltes in Österreich, das Alter sowie die Schulbildung bedeutend.154 Auf die Frage, ob Präsenzdiener mit Migrationshintergrund und somit das System Bundesheer eine integrationsfördernde Auswirkung auf die gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse haben, gibt Peter Fußl keine eindeutigen Antworten und meint, dass dies „nicht eindeutig festgestellt werden“ kann. Er stellt aber fest: „(…) dass vom System Bundesheer eher keine integrationsfördernden Wirkungen für die Integration in die österreichische Gesellschaft ausgehen.“ Aus integrationspolitischer Sicht sind laut Fußl die bereits erwähnten sozialen Kontakte zwischen gebürtigen Österreichern und Migranten der ersten und zweiten Generation auschlaggebend. Diesbezüglich könnte der Miliz, als einer Besonderheit des österreichischen Wehrsystems, eine nicht unwesentliche Rolle zukommen. Vor dem Hintergrund möglicher Funktionen der Miliz im Bereich der Integration sind gemäß dem Militärkommandanten von Salzburg und zugleich dem Milizbeauftragten des Verteidigungsministers, Brigadier Heinz Hufler, unterschiedliche Aspekte zu berücksichtigen. Dabei sind grundsätzlich der gesellschaftspolitische Stellenwert sowie die Wahrnehmung des Bundesheeres im Allgemeinen und die der Miliz im Besonderen durch die Bevölkerung hervorzuheben. Dazu äußert sich Brigadier Hufler wie folgt: „In erster Linie ist zu betonen, dass Milizsoldaten aus der Mitte der Gesellschaft kommen und somit tragen sie im großen Maße zur Einstellung der Bevölkerung gegenüber den Streitkräften bei. Die Miliz ist ein wesentliches Element in der Meinungsbildung der Bevölkerung und das prägt auch die Beziehung zum Bundesheer. Somit ist die Miliz für das Heer im hohen Maße bedeutend und hat eine wichtige gesellschaftspolitische Funktion. Die Miliz ist ein wichtiges Bindeglied zwischen Gesellschaft und den Streitkräften. Soldaten werden als Teil der Gesellschaft wahrgenommen.“155

Besonderes im Hinblick auf integrationspolitische Aspekte156 bietet das Milizsystem bestimmte Möglichkeiten, diese „Bindegliedfunktion“ auch für Migrant152 153 154 155 156

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Vgl. ebd. S. 94. Vgl. ebd. Vgl. ebd. Hufler, Heinz im Gespräch mit Rastislav Báchora, Wien 5.6.2012. Um eine tatsächliche Auswirkung der Wehrplicht sowie der Miliz auf die Integration beurteilen und somit den integrationspolitischen Mehrwert dieser zentralen Elemente des österreichischen Wehrsystems ermitteln und unter Umständen künftig auch nützen zu

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Innen und der Mehrheitsgesellschaft auszuüben. Gemäß Brigadier Hufler ist die Miliz die „Weiterführung des Prozesses der Integration, die während des Grundwehrdienstes stattfindet“.157 Dieser Prozess kann nach Ansicht des Milizbeauftragten als eine „automatische Entwicklung“ bezeichnet werden.158 Personalstand Eine detaillierte Aufschlüsselung des „Gesamtumfanges“ des Bundesheeres findet sich im aktuellen Weißbuch 2010. Demnach verzeichnete das ÖBH mit Stand 1.12.2010 einen Präsenzstand von 27 358 Personen. Davon waren 14 751 BerufssoldaInnen159 als Militärpersonen in einem Dienstverhältnis beschäftigt. 12 607 waren Präsenzdiener, Personen im Ausbildungsdienst oder ZeitsoldatInnen. Von diesem Präsenzstand waren wiederum 7 042 Personen in den Grundorganisationen und 20 316 direkt bei der Truppe tätig. Zusätzlich gab es noch 9 029 Personen in einer zivilen Beschäftigung, das sind BeamtInnen, Vertragsbedienstete und Lehrlinge.160 Der Ausbildungsdienst stellt für österreichische StaatsbürgerInnen die Möglichkeit dar, basierend auf einer Freiwilligenmeldung einen Militärdienst in der Mindestdauer von zwölf Monaten und maximal vier Jahren zu leisten. Damit wird Frauen und Wehrpflichtigen über den Grundwehrdienst hinaus die Möglichkeit eröffnet, ins militärische System aufgenommen zu werden. Dieser Dienst

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können, bedarf es weiterer Erkenntnisse einer entsprechenden Grundlagenforschung. Während es Forschungsarbeiten zur Wehrplicht gibt, wurde die Miliz bisher in keiner wissenschaftlichen Untersuchung im Zusammenhang mit möglichen integrativen Aspekten berücksichtigt. Ebd. Ebd. Als BerufssoldatInnen gelten SoldatInnen in den Dienstgraden der „Offiziere“, „Unteroffiziere“ und „Chargen“, die bis zur Erreichung des Pensionsalters beim Bundesheer dienen ebenso wie jene, die nur für eine bestimmte Zeit in den österreichischen Streitkräften arbeiten. Bei den BerufssoldatInnen kann man in den einzelnen Dienstgradgruppen zwischen unterschiedlichen Besoldungsschemata unterscheiden. Die Besoldungsgruppen haben einen verwaltungstechnischen Charakter. Bei den ChargInnen gibt es folgende Besoldungsgruppen: Militärpersonen auf Zeit, Militärvertragspersonen, Personen im Ausbildungsdienst (PiAD) und ZeitsoldatInnen. Bei den UnteroffizierInnen und OffizierInnen gibt es Berufsmilitärpersonen, Militärpersonen auf Zeit, Militärvertragsbedienstete und Personen im Ausbildungsdienst. Zusätzlich gibt es bei den UnteroffizierInnen Beamte in Unteroffiziersfunktion und bei den Offiziersdienstgraden hat es früher ein eigenes Besoldungsschema „Berufsoffizier“ gegeben, das jedoch am Auslaufen ist. (Information des Pressesprechers des BMLVS Oberst Michael Bauer). Vgl. BMLVS: Weißbuch 2010, S. 94.

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ist Voraussetzung für die Verwendung in einer Kaderpräsenzeinheit oder für die Ausbildung zum/zur UnteroffizierIn oder OffizierIn.161 Aufgrund der Beitragsverpflichtung zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU hat sich eine besondere Form der schnell verfügbaren Einheiten – Kräfte für Internationale Operationen/Kaderpräsenzeinheiten (KIOP/KPE) – etabliert, die eine spezielle Form von BereitschaftssoldatInnen darstellen. Die KIOP/KPE-SodaltenInnen setzen sich aus allen Dienstgradund Besoldungsgruppen zusammen und werden vom Heerespersonalamt verwaltet, das auch um Personal innerhalb und außerhalb des Ressorts auf dem freien Berufsmarkt wirbt. Bei den KIOP/KPE werden hauptsächlich SoldatInnen im Alter von 17 bis 22 Jahren gesucht, die einen Chargen-Dienstgrad haben und sich für die Dauer von drei Jahren verpflichten, dieser Truppe mit hohem Bereitschaftsgrad zu dienen. Innerhalb dieses Zeitraumes müssen die SoldatInnen mindestens einen sechsmonatigen Auslandseinsatz absolvieren.162 Einen wichtigen Rekrutierungspool von potenziellen KIOP/KPE-SoldatInnen stellen die Grundwehrdiener dar, deren Zahl künftig – sollte die Wehrplicht beibehalten werden – rückläufig sein wird. Gemäß aktuellen Prognosen des BMLVS werden ab dem Jahr 2015 mehr als 1 200 Rekruten fehlen und ab 2017 werden es um 2 700 Grundwehrdiener weniger sein als derzeit. Gründe für diese Entwicklung sind einerseits die Geburtenrückläufe der jeweiligen Jahrgänge sowie die anhaltend hohe Tendenz der Wehrpflichtigen, den Zivildienst abzuleisten. So bevorzugen konstant 35% der Wehrpflichtigen den Zivildienst. Auch die seit Jahren stabile Rate der Untauglichkeit von bis zu 15% dürfte sich nicht ändern.163 Dem zufolge müssen sowohl in Folge einer Änderung, als auch im Falle der Beibehaltung des gegenwärtigen Wehrsystems die Rekrutierungsmaßnahmen insbesondere im Hinblick auf die Verpflichtungen des ÖBH bei Auslandseinsätzen modifiziert werden. Auslandseinsätze Neben dem Katastrophenschutz werden Auslandseinätze künftig zu den wichtigsten Aufgaben des Bundesheeres zählen.164 Österreich leistet auf der Basis von UN-Mandaten im Rahmen von internationalen Einsätzen einen wichtigen 161 Vgl. BMLVS: Der Wehrdienst. , abgerufen am 7.1.2012. 162 Vgl. BMLVS. , abgerufen am 7.1.2012. 163 Vgl. Weißensteiner, Nina: Rekrutenschwund beim Bundesheer. In: Der Standard, 31.1.2012. 164 Vgl. Parlamentskorrespondenz Nr. 634 vom 21.6.2011. , abgerufen am 7.1.2012.

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Beitrag zur internationalen Friedens- und Sicherheitspolitik.165 Im Jänner 2012 waren insgesamt 1 518 SoldatInnen des Bundesheeres in den Auslandseinsätzen tätig, wobei die größten Kontingente im Kosovo (459 SoldatInnen im österreichischen Bataillon und weitere 146 im deutsch-österreichischen Operational Reserve Force Bataillon), in Bosnien und Herzegowina (353), im Golan (351) und im Libanon (154) sind. Zudem sind MilitärbeobachterInnen in Asien und Afrika eingesetzt.166 Grundwehrdiener und BerufssoldatInnen mit Migrationshintergrund Der Zugang zu gesicherten Daten über die Anzahl der Personen mit Migrationshintergrund beim ÖBH ist schwierig. Einen vagen und nur sehr unzureichenden Anhaltspunkt über die Anzahl der Personen mit Migrationshintergrund beim ÖBH bietet die Religionszugehörigkeit.167 Laut Weißbuch des Bundesheeres vom Jahr 2010 gab es folgende Prozentanteile bei der Religionszugehörigkeit von SoldatInnen inklusive Grundwehrdiener: • 84 % römisch-katholische Glaubensgemeinschaft; • 87 % konfessionslos; • 85 % evangelische Glaubensgemeinschaft; • 82 % islamische Glaubensgemeinschaft; • 81 % sonstige Glaubensgemeinschaften; • 81 % unbekannt.168 Absolute Zahlen dazu sind aus dem Jahr 2009 vorhanden. Demnach waren von etwa 12 100 Grundwehrdienern ca. 10 137 katholisch,169 814 muslimisch,

165 Laut offiziellen Angaben haben seit 1960 mehr als 90 000 österreichische SoldatInnen und zivile HelferInnen in mehr als 50 internationalen friedensunterstützenden und humanitären Missionen in internationalen Einsätzen gedient.Vgl. BMLVS: Österreichs internationale Rolle. , abgerufen am 7.1.2012. 166 Vgl. BMLVS: Auslandseinsätze des Bundesheeres. , abgerufen am 7.1.2012. 167 Demnach gilt nicht der Migrationshintergrund gemäß der Definition der Statistik Austria, sondern die Religion als Hinweis für MigrantInnen beim ÖBH. Bei den Grundwehrdienern werden die Daten bei der Stellung in den jeweiligen Militärkommanden erhoben. Da die Angabe über die Religion beim Ausfüllen des Erhebungsformulars den Wehrpflichtigen allerdings selbst überlassen bleiben, gibt es keine abgesicherten Daten über die tatsächliche Anzahl der beim Bundesheer vertretenen Religionen. (Bauer, Michael, Pressesprecher BMLVS, Telefonische Auskunft, 7.2.2012). 168 Vgl. BMLVS: Weißbuch 2010, S. 102. 169 Diese Darstellung kann lediglich einer groben Orientierung dienen, da sie impliziert, dass KatholikInnen oder Konfessionslose keinen Migrationshintergrund haben, was jedoch nicht der Realität entspricht. Katholische Rekruten mit z.B. nigerianischem, philippini-

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457 evangelisch, 329 haben sich als konfessionslos bezeichnet und 204 Grundwehrdiener waren serbisch-orthodoxen Glaubens.170 Einen weiteren Anhaltspunkt für einen möglichen Migrationshintergrund bietet der Geburtsort. So dienten im Jahr 2009 insgesamt 25 000 Grundwehrdiener, von welchen 3 302 keine gebürtigen Österreicher waren. Die meisten im Ausland geborenen Rekruten stammten aus Bosnien und Herzegowina (369), aus der Türkei (318), aus Serbien (220) und aus Kroatien (55).171 Gerade was die Berufssoldaten anbelangt, so wären Daten für die Ermittlung des Migrationsintergrundes vorhanden. Jeder/jede, der/die sich beim ÖBH verpflichten will, muss eine Sicherheitserklärung abgeben, wobei verbindlich der Geburtsort der Eltern angegeben werden muss.172 Da diese Daten von einem der militärischen Nachrichtendienste, dem Abwehramt, verwaltet werden und strengsten Sicherheitsbestimmungen unterliegen, sind sie für Forschungszwecke nicht zugänglich. Nimmt man also die Religionszugehörigkeit als einziges Kriterium, so dienten im Jahr 2011 64 Angehörige der islamischen Glaubensgemeinschaft als BerufssoldatInnen beim ÖBH. Der dabei höchstvertretene Dienstgrad war Oberstleutnant.173 Im selben Jahr dienten 50 SoldatInnen mit christlichorthodoxem Glauben als BerufssoldatInnen beim Heer.174 Dienstvorschriften und Erlässe Das Funktionieren des militärischen Betriebes basiert auf der Einhaltung von Normen und Richtlinien. Der wichtigste „Normenkatlog“ beim ÖBH ist die Allgemeine Dienstvorschrift (ADV). Darin werden die Aspekte des alltäglichen SoldatInnenbetriebes sowie die Rechte und Pflichten genau definiert. Die Regeln der ADV muss jeder/jede SoldatIn einhalten, eine Bevorzugung oder Benachteiligung aufgrund eines Migrationshintergrundes wird kategorisch ausgeschlossen, wodurch eine Gleichbehandlung garantiert werden soll.175

170 171 172 173 174 175

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schem oder osteuropäischem Hintergrund werden nur als Katholiken erfasst, statistisch rechnet man sie deshalb der Gruppe der Mehrheitsgesellschaft zu. Vgl. Bundesheer: Islam ist zweitstärkste Konfession. In: Die Presse, 4.10.2010. , abgerufen am 20.9.2011. Vgl. Borovska, Milena: Das Bundesheer als Sprungbrett für Migranten. In: Die Presse, 25.10.2011. Somit sind genaue Daten, die gemäß Statistik Austria für die Erhebung des Migrationshintergrundes notwendig wären, vorhanden. Vgl. Borovska: Das Bundesheer als Sprungbrett für Migranten. In: Die Presse, 24.10.2011. Vgl. BMLVS: Orthodoxe Seelsorge im Bundesheer. , abgerufen am 7.1.2012. Kirchebner, Stefan, Obsterstleutnant, Kommandanten der Garde, Interview geführt von Rastislav Báchora, Wien 4.11.2011.

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Die einzigen beim Bundesheer gültigen Normen, die den Dienstbetrieb mit Personen mit Migrationshintergrund betreffen, richten sich an Gläubige unterschiedlicher Religionsgemeinschaften. Die Normierung des Dienstbetriebes für nicht-christliche Gläubige beim Bundesheer basiert auf der Initiative des Soldaten Attila Külcü176 und des ehemaligen Militärkommandanten von Wien, Generalmajor Karl Semlitsch. Im Jahr 2002 wurde eine Informationsveranstaltung über den muslimischen Glauben für Angehörige des Bundesheeres im türkischen Verein ATIB organisiert, bei dem die Militärs von Angehörigen des Vereins über Rechte und Pflichten im Islam aufgeklärt wurden. Im Jahr 2004 wurde erstmals in Europa in dieser Form177 ein Gebetsraum für SoldatInnen mit muslimischem Glauben in der Maria Theresia Kaserne (MTK) in Wien eröffnet.178 Per Erlass, einem Verlautbarungsblatt vom Jahr 2006, wurden spezielle Regeln für Angehörige von unterschiedlichen Religionsgemeinschaften beim ÖBH eingeführt. Außer diesem Verlautbarungsblatt gibt es keine weiteren Richtlinien beim Bundesheer, welche auf Personen mit Migrationshintergrund fokussieren. Insgesamt werden im genannten Erlass Gebetszeiten, Verpflegung, Barttragevorschriften sowie Besonderheiten der Adjustierung für folgende sieben religiöse Gruppen geregelt: 1) Strenggläubige (orthodoxe) Angehörige der Jüdischen Glaubensgemeinschaft; 2) Strenggläubige Angehörige der Islamischen Glaubensgemeinschaft; 3) Besonders strenggläubige Angehörige der Islamischen Glaubensgemeinschaft; 4) Nicht strenggläubige Angehörige der Islamischen Glaubensgemeinschaft; 5) Strenggläubige Angehörige der Glaubensgemeinschaft der SIKHS; 6) Angehörige der Gemeinschaft der Sieben-Tags-Adventisten; 7) Angehörige anderer Glaubensgemeinschaften.179 Die Tatsache, dass drei Punkte des Erlasses Angehörige der Islamischen Glaubensgemeinschaft betreffen, zeugt von der zunehmenden Bedeutung dieser SoldatInnen beim Bundesheer. Die zahlenmäßige Zunahme der SoldatInnen mit muslimischem Glauben wurde insofern berücksichtigt, als in Kooperation mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) zwei Imame auf

176 Attila Külcü ist Betreuer des muslimischen Gebetsraumes und Leiter des Offizierskasinos beim BMLVS Wien. 177 Vgl. BMLVS: Infoveranstaltung über Migration, Integration und Minderheitenpolitik. , abgerufen am 8.1.2012. 178 Külcü, Attila, Telefonische Auskunft, 8.11.2011. 179 BMLV: Verlautbarungsblatt I: Dienstbetrieb; Behandlung religiöser Minderheiten – Einberufung und Verwendung; Zusammenfassende Richtlinien – Neufassung, GZ S93109/9-FGG1/2006.

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einer vertraglichen Basis für die Belange der Gläubigen sorgen sollen.180 Die bereits im Jahr 2007 getroffene Entscheidung, islamische Geistliche in den Dienst des Bundesheeres zu stellen, konnte bis jetzt allerdings nicht realisiert werden, da es Probleme bei der Suche nach geeignetem Personal gab, wie weiter unten erläutert wird. Kategorien von SoldatInnen muslimischen Glaubens Gemäß dem oben zitierten Verlautbarungsblatt werden muslimische SoldatInnen beim ÖBH in drei Kategorien unterteilt: streng, besonders und nicht strenggläubige Angehörige der Islamischen Glaubensgemeinschaft. Die genaue Einteilung oder Zuordnung der muslimischen Grundwehrdiener erfolgt dabei nach einem bestimmten Verfahren, das von der IGGiÖ durchgeführt wird. Die strenggläubigen Muslime werden vom Militärkommando Wien (MilKdo W) einberufen, jedoch wird die Strenggläubigkeit bereits während des Stellungsprozesses festgestellt. Dies erfolgt durch eine „Bescheinigung“ des Obersten Rates der Islamischen Glaubensgemeinschaft und wird offiziell als „Bestätigung über Praktizierung islamischer Religion“ bezeichnet.181 Diese Grundwehrdiener sind als Funktionssoldaten in einer territorialen Organisation zu verwenden. Bei der Einhaltung von Erfordernissen für das „religiöse Umfeld“, was die Verpflegung, Speisegebote, Betraum und Gebetszeiten einschließt, sind gemäß des Erlasses Absprachen mit der IGGiÖ vorgesehen. Da strenggläubige muslimische SoldatInnen zu fünf Gebeten am Tag verpflichtet sind (Morgengebet vor dem Sonnenaufgang, Mittags-, Nachmittags-, Abendgebet nach dem Sonnenuntergang sowie das Nachtgebet), deren Durchführung oftmals mit den Dienstzeiten kollidieren, können sie diese nicht immer ohne Weiteres ausüben. Dazu wird im Erlass wie folgt Stellung genommen: „Einschränkungen im Rahmen der Ausbildung, der Ableistung von Diensten gemäß ADV, im Einsatz und bei einsatzähnlichen Übungen etc. sind nicht immer zu vermeiden, wobei aber auch in solchen Fällen die Ermöglichung der Ableistung der täglichen Gebete durch entsprechende organisatorische Maßnahmen anzustreben ist.“182

Da die Teilnahme an einem Freitaggebet, welches in der Gemeinschaft und nicht vom/von der Einzelnen alleine ausgeübt wird, für strenggläubige Muslime/ Muslimas verpflichtend ist, muss vom Dienstgeber eine Dienstfreistellungen dafür erteilt werden. Die Besonderheiten des Freitagsgebetes sind, dass dieses in einer Gruppe von mindestens drei Personen zu erfolgen hat, wobei eine ein Vorbeter sein muss. Die Funktion eines Vorbeters oder auch Imam genannt, kann jeder Erwachsene der islamischen Glaubensgemeinschaft ausüben. Da für das Beten selbst keine Moschee erforderlich ist, reicht auch ein geschlossener Ge180 Vgl. BMLVS: Weißbuch 2008. Wien 2009, S. 108. 181 Vgl. Verlautbarungsblatt I: Dienstbetrieb; Behandlung religiöser Minderheiten. 182 Ebd.

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betsraum mit mindestens drei am Gebet teilnehmenden Gläubigen aus. Als Kompensation für die Dienstfreistellung am Freitag sind gemäß dem Erlass muslimische SoldatInnen zum Dienst an Sonntagen und christlichen Feiertagen heranzuziehen.183 Von den strenggläubigen Angehörigen der islamischen Glaubensgemeinschaft sind die besonders strenggläubigen Muslime/Muslimas zu unterscheiden. Diese unterscheiden sich von den anderen Muslimen/Muslimas in ihrem Lebensstil und werden beim Bundesheer mit folgenden Eigenschaften charakterisiert: „Für diese Gruppe kommen, zusätzlich zu den üblichen religiösen Vorschriften (Gebote, Verbote, Gottesdienste, etc.) besondere Verhaltensnormen, die sie als unverzichtbare Bestandteile der religiösen Lebensführung betrachten, hinzu. Sie orientieren sich dabei an überlieferten Verhaltensnormen des Propheten und der großen charismatischen Religionsgelehrten des Islams.“184

Da nur ein kleiner Prozentsatz der Gläubigen die Anforderungen dieses Lebensstils und somit die Kriterien für die Zugehörigkeit zur Kategorie „besonders strenggläubige Muslime“ erfüllt, werden von der IGGiÖ besonders strenge Prüfverfahren für eine Zuerkennung des Status und somit der offiziellen Bescheinigung des Dazugehörens zu dieser Personengruppe durchgeführt. Die in diese Gruppe eingestuften Grundwehrdiener sind in weiterer Folge nicht allen Regeln und militärischen Ausbildungsmaßnahmen sowie Vorschriften unterworfen. So ist es dieser Personengruppe erlaubt, unter anderem einen Vollbart zu tragen, was zur Folge hat, dass sie vom Tragen einer Schutzmaske sowie der damit in Verbindung stehenden Ausbildung grundsätzlich befreit ist. Von den Sonderregeln, welche die strenggläubigen und besonders strenggläubigen Muslime/Muslimas haben, sind jene der „nicht strenggläubigen“ Angehörigen dieser Glaubensgemeinschaft gänzlich ausgenommen. Diese muslimischen SoldatInnen sollen aber gemäß Verlautbarungsblatt die Möglichkeit haben, eine Alternativverpflegung zum Schweinefleisch zu erhalten. Allerdings besteht kein Rechtsanspruch darauf.185 Hinsichtlich der Vergünstigungen dieser Soldaten heißt es: „Diesen Grundwehrdienst leistenden Soldaten, welche Angehörige der Islamischen Glaubensgemeinschaft sind, stehen über die Verabreichung schweinefleischloser Kost hinaus keinerlei Vergünstigungen aus ihrer Zugehörigkeit zur islamischen Glaubensgemeinschaft zu.“186

Bezüglich der Bestimmungen des Verlautbarungsblattes, das innerhalb und außerhalb des militärischen Systems im Allgemeinen positiv gewertet wird, gibt es aber auch kritische Aspekte, die von Peter Fußl in seiner Forschungsarbeit 183 184 185 186

Vgl. ebd. Ebd. Vgl. ebd. Ebd.

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detailliert beschrieben werden. So ortet er bei Teilen der Rekruten das Entstehen einer auf Religion beruhenden Identität, die ständig vor Augen führt, dass muslimische Soldaten „anders“ sind. Fußl sieht dies als potenzielle Ursache für eine mögliche Abgrenzung der Muslime von den Nicht-Muslimen, was insofern negative Wirkungen haben kann, als es der Entstehung eines einheitlichen WirGefühls entgegenläuft. Peter Fußl sieht hierbei einen Zusammenhang mit den Richtlinien des Verlautbarungsblattes gegeben: „Die Religion trägt hier eben zur Bildung einer Identität als Muslim bei, sagt gleichzeitig allerdings nichts darüber aus, ob und wie die einzelnen Grundwehrdiener ihre Religion praktizieren. Diese produzierte Abgrenzung ist im Alltag des Bundesheeres teilweise auf die durch das Verlautbarungsblatt I und durch den Umgang mit Muslimen im Bundesheer, teilweise durch erlebte Ablehnung auch im Alltag außerhalb des Bundesheeres zurückzuführen.“187

Integrationsmaßnahmen Gemäß dem NAP/Integration sowie dem Integrationsbericht ist das Bundesheer im Bereich der Integrationspolitik für die „Sprachförderung für zukünftige Kadersoldaten“ zuständig. Kamil Horbaczinksy, der sich im Rahmen seiner Forschung mit diesem Thema am Beispiel von Schulen beschäftigte, plädiert für die Betrachtung der Maßnahme der Sprachförderung im Kontext eines komplexen integrativen Prozesses und hebt vor allem die Bedeutung der Sprache am Arbeitsmarkt hervor: „Grundsätzlich muss die Sprache als eine wichtige Ressource betrachtet werden, über die weitere Ressourcen erlangt werden können. Die Sprache dient am Arbeitsmarkt als wichtiges Medium der Kommunikation, das als ein produktives Humankapital eingesetzt wird.“188

Somit hat die Sprachförderung beim Bundesheer im Kontext der integrationspolitischen gesamtstaatlichen Maßnahmen eine zentrale Bedeutung und kann auch als eine Förderung des „Humankapitals“ verstanden werden. Die damit verfolgte Zielsetzung ist laut Integrationsbericht die „Förderung der Kenntnisse der deutschen Sprache als Voraussetzung für die erfolgreiche Absolvierung der Unteroffiziersausbildung“. Die Kurzbeschreibung der Maßnahme lautet: „Nach Feststellung der Sprachkenntnisse der Unteroffiziersanwärter wird, wenn erforderlich, Sprachförderung auch für Personen mit Migrationshintergrund in Form von Deutschkursen über das Sprachinstitut des ÖBH durchgeführt.“189 Für die Durchführung dieser Maßnahme sind zwei Referate am Sprachinstitut des Bundesheeres (SIB) an der Landesverteidigungsakademie (LVAk) zuständig. 187 Fußl, Peter: Integration im Bundesheer, S. 97. 188 Horbaczinsky, Kamil, im Gespräch mit Rastislav Báchora, Wien 1.7.2012. 189 Integrationsbericht – Integration als Querschnittsmaterie, S. 76.

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Konkret handelt es sich dabei um das Referat für „Prüfungswesen und Qualitätsmanagement“, das vom Oberst Dr. Wolfgang Zecha geführt wird sowie um das unter der Leitung von Walter Rys stehende Referat „Deutsch als Fremdsprache“. Um beim ÖBH Unteroffizier werden können, müssen KandidatInnen eine Zulassungsprüfung bestehen, in der unter anderem Deutschkenntnisse geprüft werden. Für die Abwicklung sind die beiden Referate zuständig. Bereits im Jahr 2005 erfolgte eine Ausbildung von TutorInnen für Deutsch, die in der Folge als „Sprachtrainer Deutsch“ bezeichnet wurden. Das Ziel war es, im Rahmen der kleinen Verbände – der Ebene der Bataillone – Sprachförderung in Deutsch für Rekruten und angehende KadersoldatInnen, sowohl mit als auch ohne Migrationshintergrund, anzubieten.190 Im Jahr 2007 wurde durch die Ausbildungsabteilung A des BMLV (später BMLVS) eine „Arbeitsgruppe Prüfmittel Deutsch“ eingesetzt,191 die sich im Wesentlichen auf zwei Prüfungstypen von „Sprachstandsfeststellungen“ einigte: zunächst eine als „Massenprüfung“ angelegte Eignungsprüfung Deutsch für angehende KadersoldatInnen, die beim Heerespersonalamt im „Prüfzentrum LINZ“ durchgeführt wird. Wird im Rahmen der Feststellung eruiert, dass ein/eine KandidatIn das geforderte Niveau nicht erreicht, werden spezielle Förderseminare angeboten. Oberst Zecha drückt die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit der Förderung auch in Zahlen aus und macht deutlich, dass 75% jener KandidatInnen, die zunächst negativ waren und danach speziell gefördert wurden, die anstehende Prüfung bestehen und somit das Anforderungsniveau erreichen.192 Zudem wurde eine neue Zulassungsprüfung Deutsch entwickelt, mit welcher überprüft wird, ob die zur Ausübung des Unteroffizierberufs erforderlichen Deutschkenntnisse vorhanden sind.193 Dem Referat „Deutsch als Fremdsprache“

190 Um die Defizite in der deutschen Sprache standardisiert beschreibbar zu machen, erwies es sich als zweckmäßig, verschiedene Dienststellen zur Kooperation einzuladen, um die vorgegebenen Integrationspolitischen Maßnahmen in die Praxis umzusetzen. (Rys, Walter, im Gespräch mit Rastislav Báchora, Wien 14.2.2012). 191 Dabei wurden neben der Abteilung Personalmarketing des BMLV Streitkräfteführungskommando (SKFüKdo), Heerespersonalamt (HPA), Heeresunteroffiziersakademie (HUAk) sowie eben das SIB eingebunden. 192 Zecha, Wolfgang, im Gespräch mit Rastislav Báchora, Wien 31.8.2012. 193 Bei dieser Prüfung gilt es, in den Fertigkeiten Leseverstehen und Schreiben eine bestimmte Punkteanzahl zu erreichen. Bei Nichtbestehen werden die KandidatInnen einer Fördersystematik zugeführt, die sowohl Förderseminare auf Kursbasis als auch Einzelförderungsmaßnahmen umfasst. Die Förderseminare werden unter Einbindung von zivilen GastlehrerInnen in Zusammenarbeit mit heeresinternen SprachtrainerInnen durchgeführt. Diese speziellen Sprachfördermaßnahmen im Umfang von zwei Wochen finden unter Verantwortlichkeit des SKFüKdo, bei den kleinen Verbänden statt. Einzelförderungsmaßnahmen werden durch die einzelnen KommandantInnen vor Ort angeordnet und

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kommt ausgehend von den integrationspolitischen Maßnahmen eine weitere besondere Rolle zu. Seit 1.1.2012 wird ein neues Prüfmittel für den schriftlichen Gebrauch eingesetzt, das sich nicht auf Sprachwissen, sondern auf Sprachkönnen bezieht. Demnach wird nicht in erster Linie die Rechtschreibung wie bei einem Diktat, sondern die schriftsprachliche Kompetenz im Rahmen von Bildbeschreibungen überprüft. Robert Rozinsky, der unter anderem für die Sprachförderung beim ÖBH zuständig ist, hat in seiner wissenschaftlichen Untersuchung dargelegt, dass mit offenen Schreibaufgaben wie der Bildbeschreibung eine berufs- und lernorientierte Förderung ermöglicht werden könnte.194 Rechtschreibfehler wie bei einem Diktat zu messen und dies als Beurteilungsgrundlage für eine Berufsausübung heranzuziehen ist daher nicht nur höchst problematisch, sondern kann sich auch diskriminierend auswirken. Das gilt vor allem für Personen mit Migrationshintergrund, die aufgrund ihrer Mehrsprachigkeit kaum Möglichkeiten hatten, die Rechtschreibung entsprechend zu erlernen und so an der Berufseinstiegshürde Diktat zumeist scheiterten. Personen, die aufgrund ihrer allgemeinen berufsspezifischen Fähigkeiten für den SoldatInnenberuf durchaus geeignet waren, wurden daher vom Beruf ausgeschlossen. Das neue Prüfmittel hingegen eröffnet jedem/ jeder die Chance, sein/ihr schriftsprachliches Können unter Beweis zu stellen. Darüber hinaus ermöglicht es eine gezielte und auch nachhaltige Förderung über den Beruf hinaus. Dies kann auch integrationspolitische Auswirkungen im gesamtgesellschaftlichen Kontext haben, wie Robert Rozinsky zu verstehen gibt: „Somit bekommen zweisprachig aufgewachsene Personen auch aus bildungsfernen Schichten eine faire Chance.“195 Rekrutierungsmaßnahmen Zurzeit stellt die Wehrpflicht die wichtigste Quelle der Nachwuchsgewinnung der Soldaten dar. Interessierte können im Anschluss an den Grundwehrdienst (GWD) einen Ausbildungsdienst (PiAD) beginnen. Später werden diese Soldaten zu Militärpersonen auf Zeit und schließlich zu Berufsmilitärpersonen. Theoretisch können auf diese Weise alle Dienstgrade erreicht werden, allerdings ist für Offiziersanwärter die Matura zwingend erforderlich. Maturanten können sich gleich nach dem Abschluss einer höheren Schule als einjährig Freiwillige (EF) melden und werden dann in einem Jahr zu stellvertretenden Zugskommandanten durch die lokal vorhandenen SprachtrainerInnen Deutsch ohne externe Unterstützung wahrgenommen. Rys, Walter, 14.2.2012. 194 Anstatt des Diktats, das allein auf die Beherrschung der Norm und das Vermeiden von Fehlern abzielt, soll mit dem neuen Prüfmittel insbesondere auf berufsspezifischen Anforderungsnotwendigkeiten eingegangen werden. Vgl. Rozinsky, Robert: 163 Wörter als Berufseinstiegshürde. Diplomarbeit, Universität Wien 2012, S. 141. 195 Rozinsky, Robert, im Gespräch mit Rastislav Báchora, Wien 2.2.2012.

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ausgebildet, denen die Möglichkeit offensteht, nach weiterführenden Lehrgängen als Milizoffiziere oder nach Absolvierung der Militärakademie196 als Berufsoffiziere in der Truppe zu dienen. Frauen ist der Einstieg in eine militärische Karriere über den Ausbildungsdienst möglich. Da im NAP/Integration und auch im Integrationsbericht die Erhöhung des Anteils für MigrantInnen nicht vorgesehen ist, werden auch keine gezielten und expliziten Werbemaßnahmen für eine migrantische Zielgruppe durchgeführt. Wehrpflichtige mit Migrationshintergrund haben die Möglichkeit, sich nach Ableistung des Wehrdienstes für den Ausbildungsdienst zu melden. Die wenigen vom Heerespersonalamt getroffenen Werbemaßahmen für die Rekrutierung neuer SoldatInnen richten sich hauptsächlich an die relevante Altersgruppe der 17 bis 22 Jährigen. Dass aber MigrantInnen aufgrund der altersbedingten Zielgruppe nicht zu vernachlässigen sind, wurde vom ÖBH erkannt. Nach Angaben des Pressesprechers spielt der Migrationshintergrund sowohl bei den Werbemaßnahmen, als auch bei der Aufnahme in das Bundesheer „überhaupt keine Rolle“. Die Formalbedingungen, nämlich die österreichische Staatsbürgerschaft, psychische und physische Eignung, ein positives Leumundszeugnis und ein entsprechendes Alter, müssen erfüllt sein – der Migrationshintergrund werde nicht berücksichtigt.197 Der Leiter der Zentralsektion I (Personalwesen) beim BMLVS, Christian Kemperle, betont hingegen sehr wohl, dass der Migrationshintergrund bei der Gewinnung von neuem Personal eine Rolle spielt.198 Obwohl es keine festgelegten integrationspolitischen Konzepte gibt, den MigrantInnen-Anteil beim ÖBH zu erhöhen, wurden dennoch seitens des Verteidigungsressorts Maßnahmen eingeleitet, die darauf abzielen, konkret Personen mit Migrationshintergrund für das Heer zu gewinnen. Diese Initiative geht gemäß Nedad Memic, dem Chefredakteur des auf Bosnisch, Kroatisch und Serbisch (BKS) erscheinenden Magazins KOSMO, auf ein Interview mit dem Verteidigungsminister zurück. „Wir sind eine Kooperation mit dem Heerespersonalamt im Jahr 2010 eingegangen. Der Anlass dafür war ein gelungenes Interview mit dem österreichischen Verteidigungsminister Norbert Darabos, dem es auch ein Anliegen war, eine ausgesprochen integrationsfördernde Kooperation mit einem Ethno-Medium wie KOSMO einzugehen. (…) Dementsprechend war das Ziel dieser Kooperation, das Bewusstsein über das Österreichische Bundesheer in der Zielgruppe der Balkan-Zuwanderer zu heben und auch jungen Leuten den SoldatInnenberuf darzustellen.“199 196 Die Militärakademie bietet eine dreijährige Ausbildung und wird mit dem akademischen Grad „Bachelor of Arts in Military Leadership“ abgeschlossen. Vgl. BMLVS: Offizierslaufbahnen. , abgerufen am 15.11.2011. 197 Bauer, Michael, Pressesprechers BMLVS, Telefonische Auskunft. 198 Kemperle, Christian, im Gespräch mit Rastislav Báchora, Wien 8.2.2012. 199 Memic, Nedad, Schriftliche Auskunft, 9.2.2011.

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Dies leitete in weiterer Folge eine werbetechnische Zusammenarbeit zwischen KOSMO und dem ÖBH – dem Heerespersonalamt – ein. Neben KOSMO wird seitens des Heerespersonalamtes auch mit dem Magazin „biber“ zusammengearbeitet.200 Nedad Memic gibt zu verstehen, dass es sich bei der Zusammenarbeit um redaktionelle Kooperationen und nicht um klassische Inseratsschaltungen handle.201 Auch vom „biber“ wurde darauf hingewiesen, dass diese Schaltung nicht als eine richtige Kooperation im Rahmen eines festgelegten Pakets zu werten sei.202 Inhaltlich wurde beim KOSMO unter anderem der serbisch-stämmige Wiener Daniel Žurž, dessen Berufswunsch es war, Soldat zu werden und der im Jänner 2012 zum ÖBH einrückte, „begleitet“. Eine Artikelserie über die Erfahrungen von Daniel Žurž erschien regelmäßig im Magazin und auf der Internetseite.203 Im Jänner 2012 wurde bei KOSMO auch eine Werbemaßnahme gestartet, die darauf abzielte, weibliche Soldatinnen zu gewinnen. Auf der Homepage des Magazins wurde der Migrationshintergrund der Zielgruppe direkt angesprochen. „Magazin KOSMO und das Österreichische Bundesheer suchen ein Mädchen mit bosnischer, kroatischer, montenegrinischer oder serbischer Herkunft, das innovativ ist, Herausforderungen sucht, gerne im Team arbeitet, körperlich und geistig fit ist und eine internationale Berufserfahrung sammeln möchte.“204

Welche Resonanz und somit auch Wirkung solche Maßnahmen haben, wurde vom ÖBH nicht ermittelt. Daher kann man nicht sagen, wie viele Personen sich im Allgemeinen und mit Migrationshintergrund im Besonderen aufgrund von medial gestützten „Rekrutierungsmaßnahmen“ zum Bundesheer gemeldet haben. Gemäß Informationen der KOSMO-Redaktion zeigen die Texte allerdings sehr wohl Wirkung. „Laut Auskunft aus dem Heerespersonalamt haben sich im letzten Jahr vermehrt Zuwanderer mit ex-jugoslawischer Herkunft beim Personalamt angemeldet. Besonders bezeichnend ist die Tatsache, dass sich auch vermehrt Frauen anmelden.“205 200 Während das KOSMO-Magazin in BKS-Sprachen erscheint, aber eine deutschsprachige dazugehörige Internetseite führt, erscheint das „biber“ ausschließlich auf Deutsch. Durch Werbeeinschaltungen in beiden Zeitschriften, die hauptsächlich von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund konsumiert werden, werden mehrere ethnische Communities angesprochen. 201 Memic, Nedad, Schriftliche Auskunft, 9.2.2011. 202 „das biber“, telefonische Auskunft der Redakteurin, 9.2.2011. 203 Vgl. Ausbildung kann beginnen. In: KOSMO. , abgerufen am 12.1.2012. 204 Mädls aufgepasst! In: KOSMO. , abgerufen am 12.1.2012. 205 Bauer, Michael. Pressesprecher BMLVS, Telefonische Auskunft, 8.2.2012.

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Spezielle Verwendung Angesichts der Mehrkompetenzen, die SoldatInnen mit Migrationshintergrund beim Bundesheer zur Anwendungen bringen könnten, stellt sich die Frage, ob bestimmte Qualifikationen gezielt genutzt und gefördert werden. Auf eine mögliche Verwendungsart von Personen mit Migrationshintergrund wurde im Weißbuch 2008 konkret eingegangen: „Die Angehörigen ethnischer und religiöser Gruppen werden grundsätzlich bei allen Truppenkörpern und in jeder ihrer Eignung entsprechenden Funktion eingestellt, wobei auch eine Verwendung in einer Einheit der Kräfte für Internationale Operationen in der KIOP/KPE möglich ist.“206

Beim Bundesheer wird bis jetzt in keiner Verwendung ein Migrationshintergrund verlangt, jedoch kann ein solcher konkrete Vorteile, wie zum Beispiel in der Tätigkeit als SprachlehrerIn oder im strategischen Aufklärungsbereich, haben. Über die Vor- aber auch Nachteile, Personal mit entsprechenden Kenntnissen in einem Auslandseinsatz zu haben, berichtet auch Brigadier Heinz Hufler: „Im Jahr 1991 war im irakisch-iranischen Kurdengebiet ein österreichisches Feldspital im Iran im Einsatz. Wir waren an Personen mit entsprechenden Kenntnissen der kurdischen Sprache angewiesen und man entsandte auch Personal mit kurdischen Wurzel und das hatte viele Vorteile.“207

Innerhalb der Truppe werden BerufssoldatInnen mit Migrationshintergrund zurzeit nicht anders eingesetzt als ihre „österreichischen“ KollegInnen, wodurch der Migrationshintergrund formell und faktisch gegenwärtig keine Rolle bei der Besetzung von Posten insbesondere in einem Auslandseinsatz spielt. Sprachliche und kulturelle Mehrkompetenzen werden somit nicht genutzt, im Gegenteil, dies war lange Zeit ein klarer Nachteil. Es besteht nämlich die Regelung – basierend auf einer Richtlinie des Abwehramtes – wonach SoldatInnen nicht in eine Gegend auf eine Auslandsmission entsandt werden konnten, aus der sich ihr ethnischer Hintergrund ableitet. Somit wurden viele BerufssoldatInnen, die Bosnisch, Serbisch oder Albanisch sprechen und entsprechende kulturelle Kompetenzen aufweisen, gar nicht in Bosnien und Herzegowina oder im Kosovo – also den größten Friedensmissionen des ÖBH – eingesetzt. Begründet wurde dies mit Sicherheitsfragen, Ausnahmen waren selten.208 Dazu meint der Pressesprecher des Verteidigungsressorts Folgendes: „Vor jedem Auslandseinsatz werden mögliche Hindernisse für einen Auslandseinsatz geprüft. Etwaige frühere familiäre Bindungen im Land, in dem der Auslandseinsatz stattfin-

206 BMLVS: Weißbuch 2008, S. 108. 207 Hufler, Heinz, im Gespräch mit Rastislav Báchora, Wien 5.6.2012. 208 Berufssoldaten der Garde, Interviews, Wien 4.11.2011.

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det, könnten so ein derartiges Hindernis sein. Dies alles geschieht zum Schutz der Soldaten.“209

Eine wichtige Rolle spielt gemäß Brigadier Hufler in diesem Zusammenhang auch die Generation von jenen Personen mit Migrationshintergrund, welche als österreichische SoldatInnen im Ausland eingesetzt werden könnten. Wenn es sich um Personen handelt, die bereits in der dritten Generation in Österreich aufwachsen, dann sind die Risiken sicherlich andere, als wenn jemand im betreffenden Ausland geboren wurde.210 Jedoch sind abseits der vordergründigen und offensichtlichen Vorteile auch unterschiedliche negative Umstände zu berücksichtigen, die Risiken hervorrufen und Personal mit Mehrkompetenzen in eine belastende Situation bringen könnten. Dazu meint Brigadier Hufler: „Grundsätzlich ist es notwendig, sich über die Verwendung von Soldaten mit Migrationshintergrund im Auslandseinsatz genaue Gedanken zu machen. Diese können auch zu einer Ausschließung eines solchen führen. Hier spielt natürlich die Art des Einsatzes eine wesentliche Rolle. Bei humanitären Einsätzen stellt sich die Lage wesentlich anders und einfacher dar, als bei einem robusten Szenario in einem nicht kooperativen Umfeld.“211

In diesem Zusammenhang sind die Aussagen von österreichischen Soldaten interessant, die als spezielle Aufklärungskräfte unter anderem in BosnienHerzegowina und Kosovo als Experten für Human Intelligence (HUMINT) eingesetzt werden und seit Juli 2012 auch Teil der EU Battle-Group (EUBG) sind. Auf die Frage, ob SoldatInnen mit Migrationshintergrund in dieser speziellen Aufklärungseinheit von Vorteil wären, wurden differenzierte Aussagen getätigt. Dabei wurde zwischen migrantischen SoldatInnen unterschieden, die womöglich eine Verbundenheit mit dem jeweiligen Einsatzland selbst haben und solchen, die keinen Bezug zu diesem Land haben. Im ersten Falle bestehen offensichtliche Vorteile hinsichtlich des „kulturellen Backgrounds“, „eventueller Bekanntschaften im Einsatzraum“, die für die Informationsgewinnung genützt werden könnten und die für solche Tätigkeit wichtigen „Sprachkenntnisse.“212 Die wesentlichen Nachteile im Falle einer wie auch immer gearteten Verbundenheit könnten nach den Aussagen eines Offiziers hingegen sein: „Befangenheit“, die zu einem „Handeln im Sinne des alten Staates“ führen könnte, zudem könnte auch eine „Einseitigkeit gegenüber einer Konfliktpartei“ gegeben sein. Ein Risiko würde auch hinsichtlich einer möglichen „Anwerbung von anderen Diensten“ bestehen.213 Neben diesen offensichtlichen Vor- und Nachteilen weisen laut Aussagen eines anderen Offiziers der HUMINT-Abteilung, MigrantInnen im 209 210 211 212

Bauer, Michael, Pressesprechers BMLVS, Schriftliche Auskunft, 9.2.2012. Hufler, Heinz, im Gespräch mit Rastislav Báchora, Wien 5.6.2012. Ebd. Offizier der Human Intelligence (HUMINT) Abteilung, im Gespräch mit Rastislav Báchora, Götzendorf 21.6.2012. 213 Ebd.

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Allgemeinen besondere Eigenschaften auf, die für diese spezielle Aufklärungseinheit nützlich sind: „In unserem Tätigkeitsbereich ist es vor allem im Auslandseinsatz wichtig, sich auf die Gesprächspartner so einzustellen, dass eine angenehme Atmosphäre entsteht. Nur in so einer entsprechenden Gesprächssituation können wir die gewünschten Resultate erzielen. Jemand, der als Migrant in einer Aufnahmegesellschaft aufgewachsen ist, hat bestimmte sozialisierte Verhaltensprädispositionen, sensibel und empathisch auf seine Mitmenschen einzuwirken. Diese Personen können sich daher schnell den sozialen Begebenheiten, kulturellen und gruppendynamischen Befindlichen aber auch Launen der Gesprächspartner anpassen und somit haben Personen mit Migrationshintergrund besondere Vorteile in einem solchen Tätigkeitsbereich.“214

Nachdem es aufgrund der geltenden Restriktionen hinsichtlich der Verwendung von migrantischen SoldatInnen bei Auslandseinsätzen zu verstärkten Anfragen und auch Beschwerden beim Heerespersonalamt und auch bei der parlamentarischen Bundesheerkommission kam, aber auch aus der Überlegung heraus, Mehrkompetenzen künftig besser zu nutzen, findet seit dem Jahr 2009 ein Umdenken statt und die Richtlinien wurden hinsichtlich der Beschränkungen für Auslandseinsätze gelockert. Die sprachlichen und kulturellen Kompetenzen und somit auch die interkulturellen Kompetenzen gewinnen zunehmend an Bedeutung.215 Betreffend Nutzung spezieller durch den Migrationshintergrund bedingte Kenntnisse gaben die im Rahmen vorliegender Forschungsarbeit interviewten migratischen Soldaten des ÖBH an, dass auf diese bisher im Rahmen ihres Dienstes nicht oder nur wenig zurückgegriffen wurde. Unter besonderen Kenntnissen und Fähigkeiten aufgrund des Migrationshintergrundes wurden primär Sprachkenntnisse verstanden, die aber dienstlich nur in Ausnahmefällen beansprucht werden würden. Ein Interviewpartner im Dienstgrad eines Unteroffiziers bedauerte diesen Umstand und wünschte sich eine stärkere Beanspruchung seiner Sprachkenntnisse und kulturellen Kompetenzen.216 Ein anderer Soldat mit Migrationshintergrund erklärte, dass ihm seine Kenntnisse aufgrund seines kulturellen Hintergrundes im Auslandseinsatz zu Gute kamen, als es galt, in einer Konfliktsituation deeskalierend zu wirken. Obwohl die interviewten Soldaten ihre kulturellen Kenntnisse primär im Hinblick auf Konfliktlösung im In- und Ausland als wertvoll empfinden, wurden auch andere spezifische Kenntnisse wie z.B. im Bereich Straßenverkehr in Gebieten, in denen Auslandsmissionen durchgeführt werden, als nützlich empfunden.217 Alle bis auf einen Soldat sagten aus, dass die Mehrkompetenzen, die sie dem Bundesheer 214 Ebd. 215 Kemperle, Christian, Wien 8.2.2011. 216 Kadersoldaten mit Migrationshintergrund, Interviews geführt von Rastislav Báchora und Hanns Matiasek, Wien 4.11.2011. 217 Ebd.

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anbieten könnten, nicht genutzt werden. Die Ausnahme betraf jenen Soldaten, der den höchsten Dienstgrad sowie eine entsprechende akademische Ausbildung hatte. Nach dem Abschluss der Militärakademie konnte er seine Sprachkenntnisse im Rahmen des Sprachinstitutes des Bundesheeres (SIB) einsetzen. Mit dem Alleinstellungsmerkmal in einer westslawischen Sprache und seinem guten Englisch konnte er Vorteile aus seinem migrantischen Hintergrund ziehen. Dieser Interviewpartner äußerte sich daher offen über die Möglichkeiten, die er beim ÖBH gerade wegen seines Migrationshintergrundes hätte: „Der Migrationshintergrund war eindeutig von Vorteil. Meine Sprachkenntnisse haben mir eine besondere Karriere beim Heer und mir somit eine berufliche Laufbahn ermöglicht, die ich ohne diese Kenntnisse nicht gehabt hätte. Meine Kenntnisse konnte ich vor allem im Bereich der Sprachwissenschaft beim Bundesheer einsetzten. Das System profitierte beim Dolmetschen und in der Lehre von meinen Kompetenzen. Zum Einsatz kam ich bei Begegnungen mit ausländischen Vertretern und auch bei Konferenzen.“218

Aufgrund dieser Aussage ist grundsätzlich die Frage zu stellen, ob die Nutzung von Mehrkompetenzen und speziellen Kenntnissen nur OffizierInnen vorbehalten ist, die nach dem Abschluss der Militärakademie und eventuell einer entsprechenden Karrierephase als TruppenoffizierIn gezielt Möglichkeiten nutzen können, aus ihrem Spezialwissen Vorteile zu ziehen. Dies würde im Umkehrschluss die Frage aufwerfen, ob UnteroffizierInnen und andere Mannschaftsdienstgrade diesbezüglich beim ÖBH benachteiligt sind. Die Überlegungen, die Mehrkompetenzen von migrantischen SoldatInnen zu nutzen, werden derzeit in Ansätzen umgesetzt. Interkulturelle Kompetenz in der Ausbildung Beim ÖBH hat man sich mit dem Themenkomplex der interkulturellen Kompetenz sowie mit unterschiedlichen Fragestellungen, die sich mit der wichtigen Integrationsthematik überschneiden, auch im Kontext der Ausbildung von SoldatInnen auseinandergesetzt. Organisatorisch werden relevante Themenkomplexe innerhalb der Sektion II (Planungssektion) und dort in der Gruppe Ausbildung (Ausbildung A) strukturell abgearbeitet. Das Referat 7 ist im Rahmen der Ausbildung A unter anderem für Militärpädagogik und politische Bildung zuständig. Im Referat 7 werden Erkenntnisse resultierend aus der Ausbildungspraxis und aus wissenschaftlichen Studien generiert und für die Optimierung der Ausbildung genutzt. Der Zuständigkeitsbereich der politischen Bildung stellt zwar nur einen, dafür aber einen wichtigen Teil dieses Organisationsemelements dar und sollte etwas näher ausgeführt werden. Im Bereich der politischen Bildung gibt es inhaltliche Schwerpunkte, die sich mit dem thematischen Spektrum der interkulturellen Kompetenz auch im integra218 Österreichischer Offizier mit Migrationshintergrund, Interview geführt von Rastislav Báchora, Wien 14.3.2012.

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tionspolitischen Sinne überkreuzen und somit die Wichtigkeit der Thematik verstärken. Die Bedeutung der politischen Bildung innerhalb des Bundesheeres und somit die Vermittlung entsprechender Inhalte, welche in weiterer Folge SoldatInnen auf allen Führungsebenen abseits von der Aneignung von Faktenwissen zur kritischen Wahrnehmung gesellschaftlicher und politischer Prozesse anregen können, muss vor allem im Kontext der künftigen gesellschaftspolitischen Entwicklungen als hoch eingeschätzt werden. Daneben muss politische Bildung aber auch konkreten sicherheits- und verteidigungspolitischen Herausforderungen gerecht werden, wie eine entsprechende Grundlagenstudie219 von Oberstleutnant Christian Krammer220 zeigt. Hinsichtlich der politischen Bildung gibt es mehrere Berührungspunkte mit dem Themenkomplex der interkulturellen Kompetenz. Einer dieser Überschneidungspunkte stellt gemäß Oberstleutnant Krammer die „kompetenzorientierte Vermittlung“ der Grundwerte dar. Die zentralen Grundwerte sind: „Freiheit“ und „Gleichheit“. Diese Grundwerte sollen in erster Linie das demokratische Grundverständnis der SoldatInnen beim ÖBH stärken.221 Dabei ergeben sich vor allem zwei zentrale Schwerpunkte. Erstens muss der Umgang mit anderen Kulturen innerhalb des Dienstbetriebes beim ÖBH selbst thematisiert und reglementiert werden. Zweitens verlangen Handlungsfelder im Auslandseinsatz österreichischen SoldatInnen immer mehr kulturelle Kompetenz ab.222 Es sind vor allem die Inhalte, welche aus integrationspolitischer Sicht vor dem Hintergrund des sozialen Friedens durch die politische Bildung vermittelt werden, hervorzuheben. Dazu meint Oberstleutnant Krammer: „Durch die politische Bildung und insbesondere durch eine entsprechende kompetenzorientierte Vermittlung der Grundwerte kann die Sensibilisierung geschult werden. Gerade diese Sensibilisierung kann das friedliche Miteinander fördern und stärken.“223 Eine den gesellschaftspolitischen Entwicklungen angepasste Schulung sollte sich an Grundwehrdiener, Chargen, Unteroffiziere und Offiziere richten. Gemäß Christian Krammer muss daher der Kommandantenausbildung, in diesem Rahmen neben der politischen Bildung auch speziell der ethischen Bildung und der Führungsverhaltensausbildung, eine besondere Transferrolle dieser Thematik zugeordnet werden.224 219 Vgl. Krammer, Christian: Politische Bildung im ÖBH – Grundlagen, Schriftenreihe der Landesverteidigungsakademie, Wien 2012, S. 8. 220 Christian Krammer ist Oberstleutnant des höheren militärfachlichen Dienstes und Magister der Pädagogik. Er arbeitet am Institut für Human- und Sozialwissenschaften an der Landesverteidigungsakademie und ist für die strukturelle und inhaltliche Umsetzung von Vorgaben des Ministeriums im Bereich der politischen Bildung zuständig. 221 Krammer, Christian, im Gespräch mit Rastislav Báchora, Wien 19.7.2012. 222 Ebd. 223 Ebd. 224 Ebd.

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Wichtige ausbildungstechnische Inhalte werden unter anderem auch an der Heeresunteroffiziersakademie vermittelt. Gerade das Unteroffizierkorps, das bundesheerintern auch als „Stütze des Bundesheeres“ bezeichnet wird, stellt ein wichtiges Vermittlungselement zwischen den auszubildenden Grundwehrdienern oder anderer SoldatInnen im Ausbildungsdienst und den OffizierInnen dar. Gemäß des Militärkommandanten von Salzburg und Beauftragten für Milizangelegenheiten des Bundesheeres, Brigadier Heinz Hufler – er war von 2008-2011 Kommandant der Heeresunteroffiziersakademie – ergibt sich daraus folgende Konsequenz: „Die Ausbildung des Führungskaders muss in dieser Hinsicht weiter entwickelt werden. Der kulturelle Hintergrund der Personen, die beim ÖBH dienen, darf nicht unbeachtet gelassen werden. Dies gilt unter anderem auch bei Auslandseinsätzen.“225 Eine wichtige Rolle in diesem Zusammenhang kommt jedoch den verantwortlichen KommandantInnen zu. „Diese sind aufgefordert, Aufklärung zu betreiben.“226 Probleme und Konflikte Die Eingliederung der Personen mit Migrationshintergrund ins militärische System ist mit gewissen Problemen verbunden. Diese können einerseits im Zusammenhang mit den Wehrpflichtigen auftreten, andererseits können diese zwischen den BerufssoldatInnen selbst vorkommen. Was die Grundwehrdiener anbelangt, so wird seitens der Heeresverwaltung darauf geachtet, dass es bei den Einrückungsterminen zu einer „Durchmischung“ von Soldaten mit unterschiedlichen kulturellem Hintergrund kommt, soweit dies überhaupt erkennbar ist.227 Es gilt, eine zu starke Konzentration von bestimmten Gruppen zu vermeiden. Dies ist eine Maßnahme, die den alltäglichen Dienstbetrieb und das Bilden von Gemeinschaften erleichtern, aber auch potenzielle Spannungen verhindern soll. Dieser Vorgehensweise liegen allerdings keinerlei Konzepte oder Richtlinien zu Grunde, sondern es handelt sich dabei um eine auf Erfahrung basierende „Verwaltungspraxis“.228 Klares Ziel ist es dabei, keine homogenen Gruppen entstehen zu lassen, was der Konfliktprävention auf unterschiedlichen Ebenen dienen soll. Aufgrund der Tatsache, dass viele Grundwehrdiener unterschiedlichen ethnischen Gruppen angehören, zwischen denen es in der Vergangenheit Konflikte und Kriege gab, können mögliche Spannungen zu Auseinandersetzungen zwischen den Grundwehrdienern führen. Regulierend wirken auch die AusbildnerInnen, indem sie Konflikte im Entstehen zu verhindern versuchen. Ein ehemali-

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Hufler, Heinz, im Gespräch mit Rastislav Báchora, Wien 5.6.2012. Ebd. Kemperle, Christian, Wien 8.2.2011. Ebd.

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ger Rekrut mit türkischem Hintergrund, der seinen Präsenzdienst 2006 bei der Garde ableistete, sagte diesbezüglich: „In der ersten Woche wurde darauf geschaut, woher jemand kommt und Türken waren mit Türken, Jugos mit Jugos, Kurden mit Kurden und Österreicher mit Österreichern zusammen. Es waren sicher Spannungen vorhanden. Doch das Kader hat uns eingebläut, dass wir österreichische Soldaten sind und für sechs Monate alle zusammenhalten müssen, danach können wir machen, was wir wollen. Das hat schon gewirkt. Die Ausbildung war hart und wir waren alle in derselben Situation. Bei uns hat es dann nie Probleme gegeben, wir waren wir und mussten zusammenhalten, auf der anderen Seite war das Kader.“229

Ein Problem, das sich im Umgang mit migrantischen Grundwehrdienern ergibt, betrifft Rassismus seitens der Rekruten als auch der BerufssoldatInnen. Abgesehen von rassistischen Äußerungen wurden von der parlamentarischen Bundesheerkommission allerdings keine weiteren Handlungen untersucht: So wurde ein Soldat mit ägyptischem Hintergrund vom Zugskommandanten als „Kameltreiber“ bezeichnet230 oder wurden im Jahr 2007 betrunkene Soldaten beim „Hitler-Gruß“ gefilmt, wobei einer von ihnen bereits vor dem Einrücken wegen des Verbotsgesetzes rechtskräftig verurteilt worden war.231 Da auch BerufssoldatInnen mit Migrationshintergrund von Rassismus und Diskriminierung durch KollegInnen betroffen sein können, stellt das ein zu thematisierendes Problem dar. Im Rahmen der geführten Interviews mit Kadersoldaten, die einen Migrationshintergrund haben, wurde kein rassistisches Verhalten seitens der KollegInnen beklagt.232 Ein ernstzunehmendes Sicherheitsproblem könnte aber auch ein mögliches Einschleusen von religiösen ExtremistInnen in das Bundesheer sein. Ein denkbares Szenario wurde beim Gardebataillon zur Realität, als sich ein strenggläubiger, in Wien aufgewachsener Moslem mit afghanischen Eltern, nach seinem Dienst im Jahr 2009 im prestigeträchtigen Gardebataillon des Bundesheeres, in Afghanistan militärisch weiterausbilden ließ und dort gegen die NATO-Truppen kämpfte. Im Mai 2011 wurde er als Mitglied der Gruppe „Deutsche Taliban Mudschahedin“ in Deutschland von den Behörden verhaftet,233 woraufhin in den Medien die Frage gestellt wurde, ob die „Vorzeigetruppe des Bundesheeres“ von „Islamisten“ unterwandert sei.234 Hier ist es allerdings wichtig zu erwähnen, dass 229 Mete, K., im Gespräch mit Rastislav Báchora, Wien 6.12.2011. 230 Vgl. Berichte Parlamentarische Bundesheerkommission: Jahresbericht 2011 , abgerufen am 15.1.2012, S. 13. 231 Vgl. Parlamentarische Bundesheerkommission: Jahresbericht 2007. abgerufen am 15.1.2012, S. 21. 232 Interviews mit Chargen, Unteroffizieren und einem Offizier mit Migrationshintergrund bei der Garde, Wien 4.11.2011. 233 Vgl. Apfl, Stefan: Der muslimische Mustergardist. In: Falter 26/2011. 234 Vgl. ebd.

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der „Islamist“ schon lange, bevor er zum Heer kam, in seinem sozialen Umfeld in Wien radikalisiert wurde. Beim ÖBH selbst geht man mit diesem Thema sehr sensibel um, „weil sich nicht zu hundert Prozent ausschließen“ lässt, dass sich unter den strenggläubigen MuslimInnen ExtremistInnen befinden können.235 Dass radikale IslamistInnen ein Interesse daran haben könnten, die MuslimInnen beim ÖBH zu beeinflussen, könnte auch im Zusammenhang mit der Bestellung muslimischen Seelsorger gesehen werden. Wie oben bereits dargestellt, ist beim ÖBH im Jahr 2007 beschlossen worden, zwei islamische Seelsorger – einen für den Westen und einen für den Osten Österreichs – anzustellen. Im Jahr 2008 hatte der damalige Vorsitzende Anas Schakfeh der IGGiÖ dem BMLVS zwei islamische Gelehrte vorgeschlagen, wobei allerdings beide abgelehnt wurden. Die Tatsache, dass die Anforderungen des Verteidigungsministeriums hinsichtlich möglicher Sicherheitsüberlegungen aber auch bestimmter Qualitätskriterien von möglichen Seelsorgern der IGGiÖ bekannt waren und trotzdem ungeeignetes Personal empfohlen wurde, wurden bei den Militärs mit Enttäuschung zur Kenntnis genommen. Seit diesen Vorfällen soll das Vertrauensverhältnis zwischen dem Bundesheer und der IGGiÖ gestört sein.236 Ein Grund dafür, warum bis dato keine islamischen Seelsorger angestellt werden konnten, besteht zudem in der Uneinigkeit unter den muslimischen Geistlichen selbst. Es gibt zu viele Strömungen und Richtungen innerhalb der Muslime, so dass keine Einheit besteht, die repräsentiert werden könnte. Anders sieht die Situation bei den orthodoxen Christen aus, wo auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen dem BMLVS und der orthodoxen Bischofskonferenz seit Juli 2011 ein orthodoxer Seelsorger die griechisch-, serbisch-, bulgarisch- und russisch-orthodoxen Gläubigen betreut.237 Sichtweise von Kommandanten Die Integrationsprozesse beim ÖBH werden nicht nur von SoldatInnen mit Migrationshintergrund, sondern auch von KommandantenInnen in verantwortungsvollen Funktionen wahrgenommen und durchaus kritisch reflektiert. An dieser Stelle werden die wesentlichsten Ansichten des Kommandanten der Garde, Oberstleutnant Stefan Kirchebner, dem stellvertretenden Militärkommandanten und Leiter der Stabsarbeit im Militärkommando Wien, Oberst Gerhard Skal235 Vgl. Kirchebner, Stefan zit. nach Apfl, Stefan: Allahs Soldaten, in: Falter 27/2011. 236 Namentlich nicht genannter Offizier wird zitiert von Apfl, Stefan, in: Falter 27/2011. 237 Ein entsprechendes Abkommen für die Verwendungsdauer von 18 Monaten für den orthodoxen Theologen und Arzt Alexander Lapin wurde von Sektionschef Christian Kemperle und Metropoliten von Österreich Erzbischof Michael Staikos unterzeichnet. Vgl. BMLVS: Orthodoxe Seelsorge im Bundesheer. , abgerufen am 19.2.2012.

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vy, und jene des ehemaligen Militärkommandanten von Wien und Kommandanten des Kommando Einsatzunterstützung, Brigadier Franz Reissner, präsentiert. Oberstleutnant Stefan Kirchebner meint, dass das Militär ein Spiegelbild der Gesellschaft bleiben sollte und betont dabei die Vorteile bei der Nachwuchsgewinnung über die gegenwärtige Wehrplicht. Demnach bietet das bestehende Wehrsystem gute Selektionsverfahren bei der Rekrutierung von neuem Personal und führt zur Gewährleistung einer gewissen Repräsentanz gesellschaftlicher Strukturen beim Bundesheer. Somit müsste bei einer Änderung des Wehrsystems ein Einbinden der Gesamtgesellschaft in das Bundesheer durch das Personal berücksichtigt werden.238 Auch gemäß Gehard Skalvy sollte das Militär ein Spiegelbild der Gesellschaft sein, insbesondere sollte der Aufnahme neuen Personals eine erhöhte Bedeutung zukommen. Die Kriterien bei der Personalgewinnung sollten objektiv sein und sich vor allem nach den Leistungen der Kandidaten richten. Wichtig dabei ist, dass man dabei keinen Unterschied zwischen der Herkunft der potentiellen KadersoldatInnen macht.239 Beide betonen die Vorteile der kulturellen Kompetenz, welche die migrantischen SoldatInnen in das System mitbringen. Jedoch werden auch Probleme angesprochen. Während der Gardekommandant neben den bereits bekannten Vorteilen auch Sicherheitsrisiken hervorhebt, werden von Oberst Skalvy Probleme im gesellschaftspolitischen Kontext erwähnt, die Vorurteile von KadersodaltenInnen gegenüber migrantischen SoldatInnen, vor allem gegenüber Grundwehrdienern, betreffen. Dazu meint Brigadier Franz Reissner folgendes: „Innerhalb des Militärs gibt es einige wenige Personen, die das den migrantischern SoldatInnen innewohnende Potential erkennen, doch man muss sagen, dass es im Allgemeinen noch viele Ressentiments gibt.“240 Die wesentlichen Grundprobleme betreffen gemäß Oberst Skalvy den Sprachgebrauch. Spannungen entstehen, wenn von Rekruten nicht Deutsch gesprochen wird. Diesbezüglich gibt es jedoch mit migratischen KadersoldatInnen keine Schwierigkeiten.241 Eine kritische Sicht nimmt der ehemalige Militärkommandant von Wien, Franz Reissner, ein. Er meint, dass Kadersoldaten mit Migrationshintergrund nicht vollkommen akzeptiert werden und dass dafür vor allem Stereotype und Vorurteile von Teilen der Mehrheitsgesellschaft näher betrachtet werden müssen.242 Über mögliche Spannungen zwischen Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft und jener mit Migrationshintergrund, sieht Franz Reissner auch einen sozialen Aspekt, der in diesem Zusammenhang kaum berücksichtigt wird. 238 239 240 241 242

Kirchebner, Stefan, Wien 4.11.2011. Skalvy, Gerhard, Interview geführt von Rastislav Báchora, Wien 10.3.2012. Reissner, Franz, Interview geführt von Rastislav Báchora, Wien 20.7.2012. Ebd. Ebd.

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„Mögliche Spannungen können sich zwischen Angehörigen der unteren sozialen Schichten auf der einen Seite und jener der Mittel- und Oberschicht auf der anderen Seite ergeben. Somit muss nicht immer der Migrationshintergrund das Trennende und somit die Quelle von möglichen Konflikten und Spannungen sein. Dazu kommt, dass Angehörige bestimmter sozialer Gruppen gegenüber sozial schwächer gestellten Personen Vorbehalte haben können. Man kann sagen, dass MigrantInnen eher aus sozial schwachen Schichten kommen und deswegen eher leichter mit Vorurteilen konfrontiert werden können.“243

Dass es beim Militär auch MigrantInnen gibt, die eine respektable Karriere machen, wird von der Gesellschaft nicht wahrgenommen. Generell meint Oberstleutnant Kirchebner zum gesellschaftlichen Meinungsbild über das Bundesheer, dass dieses nicht der Realität entspricht und meint: „das Bundesheer wird zu unrecht schlecht dargestellt“.244 Der stellvertretende Militärkommandant von Wien sieht das Bundesheer als Vorbild für die Gesellschaft an, weil die Integration beim ÖBH im Allgemeinen besser funktioniert als im Zivilleben. Ein besonderer Stellenwert kommt laut Skalvy dem Militärdienst für muslimische SoldatInnen zu, weil gemäß dem Koran der Dienst beim Militär als ein „heiliger Dienst“ gilt. Dies ist deshalb wichtig zu wissen, damit man versteht, welche Einstellung bestimmte Teile der österreichischen Gesellschaft – nämlich die muslimischen – zum Bundesheer haben.245 Aufgrund der Tatsache, dass migrantische SoldatInnen und somit auch jene mit muslimischem Glauben bereits jetzt im ÖBH ihren Dienst versehen, mussten strukturelle und dienstinterne Anpassungen eingeleitet werden. Beim Bundesheer wird die Ausübung der Religionsfreiheit in Bezug auf staatlich anerkannte Religionen durch besondere Regelungen sichergestellt. Brigadier Reissner weist gleichzeitig auf ungenützte Potentiale hin, in dem er betont, dass anders als bei der Polizei, keine Aktivitäten gesetzt werden, die die Gruppe der MigrantInnen als spezielles Potential für Rekrutierung und besondere Dienstleitung – etwa Dolmetschdienste in internationalen Einsätzen oder als „Kenner“ der gesellschaftlichen Gegebenheiten in Einsatzräumen – ansprechen. Auch kann man gemäß Brigadier Reissner nicht pauschal sagen, dass nichts getan wird und drückt das folgendermaßen aus: „Eher trifft zu, dass einzelne Persönlichkeit sich bemühen, Akzente zu setzen. Somit hängt Vieles vom einzelnen Kommandanten ab. Die Initiativen z.B. islamischer Gebetsraum – vor allem im Bereich des Militärkommandos Wien – werden von einzelnen Funktionsträgern getragen, von Meinungsträgern und Meinungsbildnern der zivilen Intelligenzia zum Teil euphorisch begrüßt, vom Mainstream innerhalb von Heer und Gesellschaft aber skeptisch-passiv betrachtet. “246

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Ebd. Kirchebner, Stefan, Wien 4.11.2011. Skalvy, Gerhard, Wien 10.3.2012. Ebd.

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Hinsichtlich der Multikulturalität beim ÖBH haben die interviewten Kommandanten unterschiedliche Sichtweisen. Der stellvertretende Militärkommandant von Wien sieht das Bundesheer eindeutig als multikulturell an und hebt in erster Linie die ethnische und kulturelle Vielfalt der Grundwehrdiener hervor. Oberstleutnant Stefan Kirchebner meint, dass es beim Militär unterschiedliche Kulturen gibt, wobei die „Militärkultur“247 die wichtigste ist. Eine etwas andere Einschätzung hat Brigadier Franz Reissner und unterscheidet zwischen BerufssoldatInnen und Grundwehrdienern. Dieser sieht grundsätzlich das Bundesheer nicht als multikulturell, weil es nur einen relativ kleinen Prozentsatz von MigrantInnen unter den BerufssoldatInnen gibt. Hinsichtlich der kulturellen Vielfalt unter den Rekruten kann man durchaus von Multikulturalität sprechen. „Dies in Analogie und entsprechend den demoskopischen Bedingungen in den Regionen Österreichs.“248 Aufschlussreich sind die Ansichten der Kommandanten über den sozialen Frieden, der laut Aussagen von allen drei Offizieren im Zusammenhang des Bundesheeres steht. Für Oberst Skalvy sind alle Aspekte des sozialen Friedens mit der öffentlichen Verwaltung verbunden und dabei nimmt das Militär eine besondere Position ein. In diesem Zusammenhang bezeichnet er den Militärdienst sogar als eine „ultima ratio“.249 Stefan Kirchebner und Franz Reissner sehen die vornehmliche Rolle des Bundesheeres und die möglichen Einwirkungen auf den sozialen Frieden vor dem Hintergrund des Militärs allgemein in der Funktion eines Arbeitgebers. Dazu äußert sich der Kommandant der Garde wie folgt: „Als Arbeitgeber ist das ÖBH immens wichtig und erfüllt nicht nur sicherheitspolitische, sondern auch gesellschaftliche Aufgaben. Allgemein ist der Bevölkerung nicht bewusst, dass das ÖBH ein bedeutender Arbeitgeber ist und somit Menschen und ihren Familien eine Existenz ermöglicht. Gerade was den sozialen Frieden anbelangt, müssen diese sozialen Aspekte in Betracht gezogen werden. Viele Fragestellungen betreffend des sozialen Friedens sind gerade mit der sozialen Sicherung und der eigenen Existenz verbunden.“250

Brigadier Franz Reissner betont in diesem Zusammenhang vor allem die sozialpolitischen Aspekte: 247 Als ein wesentliches Merkmal der Militärkultur gilt die „Disziplin“, wie es Andreas Stupka betont: „Die Disziplin bezeichnet das Wesen der Militärkultur und wird dadurch zum allgemeinen Prinzip einerseits und zur besonderen Ausprägung militärischen Wirkens andererseits.“ (Stupka, Andreas W.: Militärkultur. Über das Wesen der Begrifflichkeit, In: Wagnsonner, Christian/Gugerel Stefan (Hrsg.): Militärische Kulturen, Beiträge zum Seminar „Militärische Kulturen“, 4.-6. Mai 2010, Heeresunteroffiziersakademie, Towarek-Schulkaserne Enns 2011, S. 19-29, hier S. 29. 248 Mögliche Spannungen können sich zwischen Angehörigen der unteren sozialen Schichten auf der einen Seite und jener der Mittel- und Oberschicht auf der anderen Seite ergeben. Somit muss nicht immer der Migrationshintergrund das Kriterium darstellen. 249 Skalvy, Gerhard, Wien 10.3.2012. 250 Kirchebner, Stefan, Wien 4.11.2012.

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„Streitkräfte demokratischer Staaten, aber auch die österreichischen in vordemokratischer Zeit sind und waren in der Lage, aufgrund der speziellen Erfordernisse des militärischen Dienstes integrationsfördernd zu wirken. Soziale und gesellschaftliche Barrieren können innerhalb der Armee leichter überwunden werden als in vielen Bereichen des Zivillebens. Durch gezielte Förderung können soziale Integration und das Überwinden gesellschaftlicher Schranken ermöglicht werden. Der Aufstieg von der Unterschicht in Mittelschichten innerhalb der ersten Hälfte des Berufslebens ist so grundsätzlich möglich. Durch eine Integrationsinitiative könnte das ÖBH so immer noch eine gesellschaftliche Vorreiterrolle übernehmen. Voraussetzung dafür ist allerdings, Gleichbehandlung nicht als technischen Aspekt aufzufassen, sondern gleiche Möglichkeiten und Chancen anzubieten.“251

Dass die Integrationspolitik einen sehr wichtigen Politikbereich mit starken Auswirkungen auf ein breites Spektrum des öffentlichen Lebens hat, wird ebenfalls unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Dabei werden die gegenseitigen Wechselbeziehungen zwischen dem Bundesheer und der gesellschaftlichen/ demographischen Entwicklung einerseits und der Integrationspolitik andererseits vom ehemaligen Militärkommandanten in einer engen Beziehung gesetzt. „Die Migrations- und Integrationspolitik ist von vitalem Interesse für die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung, und hat Auswirkungen auf viele Aspekte des öffentlichen Lebens so auch auf das Militär.“252 Gerade diese möglichen Auswirkungen des Bundesheeres auf die Integrationspolitik selbst, stellen sowohl in der wissenschaftlichen Forschung als auch in den strategischen Integrationskonzepten einen bis dato nicht beachteten Faktor dar. Da gerade diese Wechselwirkung zwischen dem Militär und der Integrationspolitik von österreichischen Offizieren in einer verantwortungsvollen Funktion wahrgenommen wird, wären dahingehende Potentiale für die tatsächliche Bedeutung für den sozialen Frieden zu eruieren. Ansichten des Stabschefs des Bundesministers Generalmajor Dr. Karl Schmidseder ist gegenwärtig Stabschef des Verteidigungsministers und war davor Militärkommandant von Wien. Somit zählt er zu den wichtigsten militärischen EntscheidungsträgerInnen innerhalb des ÖBH. Er vertritt grundsätzlich die Ansicht, dass die Erhöhung des Anteils von MigrantInnen beim ÖBH künftig erforderlich sein wird und verwendet dabei die Metapher des „Spiegels der Gesellschaft“. Er gibt jedoch zu verstehen, dass dies im Regierungsprogramm nicht als klares Ziel definiert sein muss.253 Zudem strich er heraus, dass das Bundesheer aus seiner Sicht eine öffentliche Institution sei, die viel zur Integration von Personen mit Migrationshintergrund in die Gesamtgesellschaft beitrage. Jedoch wurde auch betont, dass es sich bei allen SoldatInnen um

251 Reissner, Franz, Schriftliche Auskunft, Wien 25.8.2012. 252 Reissner, Franz, Wien 20.7.2012. 253 Schmidseder, Karl, Interview geführt von Rastislav Báchora, Wien 30.8.2012.

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österreichische StaatsbürgerInnen handelt und diese auch als solche behandelt werden müssen.254 In Zukunft werden bundesheerinterne Initiativen, welche MigrantInnen beim ÖBH betreffen werden, hauptsächlich vom Wehrsystem abhängig sein.255 Über mögliche Maßnahmen, die zur verstärkten Aufnahme von MigrantInnen beim ÖBH führen sollen, wurden im Rahmen des Interviews von Seiten Schmidseders keine konkreten Angaben gemacht. Um jedoch den Anteil der Personen mit Migrationshintergrund beim Bundesheer auf jenes Niveau in der Gesamtgesellschaft zu heben, können generell unterschiedliche Maßnahmen eingeleitet werden. Einzig eine Quotenregelung hält der Stabschef des Bundesministers „definitiv für nicht sinnvoll“.256 Grundsätzlich schafft die Aufnahme von MigrantInnen beim ÖBH eine Reihe von Vorteilen, die im gesellschaftlichen Kontext zu betrachten sind, so die Ansicht des Generalmajors und er konkretisiert den Sachverhalt wie folgt: „Von einem höheren MigrantInnenanteil beim Bundesheer profitieren zunächst einmal die einzelnen Personen. Dann profitiert das Heer, weil die migrantischen SoldatInnen mit ihren Kenntnissen und Eigenschaften eine Bereicherung für das System Militär darstellen. Schließlich profitiert auch die gesamte Gesellschaft davon, denn die einzelnen SoldatInnen sind auch Teil der Gesellschaft, der sie angehören. Somit kann man bei der Aufnahme von MigrantInnen beim Heer von einer dreifachen Win-Situation sprechen.“257

Auf die Frage, welche Befürchtungen im Zusammenhang mit der verstärkten Forcierung der Aufnahme von Personen mit Migrationshintergrund ins Bundesheer im Raum stehen, antwortete Generalmajor Schmidseder: „Mir fallen keine ein.“ Die Klischees, so betont er, die in bestimmten Gruppierungen der Mehrheitsbevölkerung über Personen mit Migrationshintergrund verbreitet seien, würden sich im militärischen Dienstbetrieb nicht bestätigen. Auch hinsichtlich eventuell vorhandener Probleme mit bereits beim Bundesheer beschäftigten migrantischen SoldatInnen gebe es laut ehemaligem Militärkommandanten von Wien, „keine signifikanten Probleme“:258 „Es gibt wie in jedem anderen Betrieb, auch beim ÖBH zwischenmenschliche Konflikte. Ob mit migrantischen KollegInnen oder mit Personen, die keinen Migrationshintergrund haben, das ist dabei nicht ausschlaggebend. Überall wo Menschen zusammenarbeiten gibt es auch Konflikte. Menschen sind eben keine Maschinen.“

Obwohl ein gewisser Prozentsatz an Grundwehrdienern einen anderen ethnischen, kulturellen und religiösen Hintergrund als die Mehrheitsgesellschaft auf-

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weist, könne laut Generalmajor Schmidseder das Bundesheer in der Gesamtheit gegenwärtig weder als multikulturell noch als multiethnisch bezeichnet werden. „Die k&k-Armee war beides: multiethnisch und multikulturell – und es hat funktioniert. Beim Bundesheer sieht die Lage etwas anders aus. Betrachtet man die jetzige Personalstruktur, so gibt es zwar unter den Grundwehrdienern einen relativ hohen Anteil an Migranten, jedoch nicht unter den Kadersoldaten. Daher würde ich sagen, dass der Begriff des multiethnischen für das Bundesheer zu weit geht und somit gegenwärtig etwas überbewertet wäre. Ich selbst hätte jedoch kein Problem damit, wenn das Bundesheer multiethnisch wäre.“259

Dass die Bevölkerung negativ auf einen höheren MigrantInnenanteil beim ÖBH reagieren könnte, wird vom Generalmajor verneint. Der Anteil von MigrantInnen beim ÖBH könnte jenem der Gesamtbevölkerung angeglichen werden, das würde eher dem Spiegelbild der Gesellschaft entsprechen und daher keine negativen Reaktionen in der Bevölkerung hervorrufen. Mit Nachdruck wies der Stabschef des Verteidigungsministers zudem darauf hin, dass das Militär Versäumnisse in der Erziehung der Kinder und Jugendlichen nicht nachholen könne: „Eine Schule der Nation sind wir nicht mehr. Was das Elternhaus und die Schule verabsäumt haben, kann das Militär einfach nicht füllen. Die Vorstellung, dass das Militär jungen Leuten Pünktlichkeit und Ordnung, Grundsätze der Hygiene und ein akzeptables Miteinander im entsprechenden sozialen Rahmen beizubringen hat, ist falsch. Das ist einfach nicht die Aufgabe des Bundesheeres.“260

Die gesellschaftlichen Aufgaben des Bundesheeres hätten sich verschoben, und in diesem Kontext sei auch der Begriff des sozialen Friedens zu verstehen. Allgemein assoziiert der Interviewpartner mit dem sozialen Frieden „Verständnis, Toleranz, Respekt und das Einhalten von Grundregeln des gesamtgesellschaftlichen Zusammenlebens“, betont jedoch, dass der soziale Friede „keine Einbahnstraße“ darstelle.261 Hinsichtlich des sozialen Friedens im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang könne das Bundesheer einen wichtigen Beitrag insofern leisten, als es zu einem Spiegelbild der Gesellschaft werde. Vor dem Hintergrund integrationspolitischer Maßnahmen sieht Schmidseder Italien als Negativbeispiel und betont, dass jegliche Ghettobildung von verantwortlichen Stellen in Österreich verhindert werden müsse.262 So einer Situation, also zur 259 260 261 262

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Ebd. Ebd. Ebd. Im Februar 2010 sind in Mailand „ethnische Krawalle“ in sogenannten „ethnischen Vierteln“ ausgebrochen. Zwar steht der Einsatz des italienischen Militärs in den Städten nicht unmittelbar mit den „ethnischen Vierteln“, aber sehr wohl mit illegalen Einwanderern in Verbindung. In Italien wurde unter dem Motto „Strade Sicure“ das Militär für die Gewährleistung von Sicherheit in italienischen Großstädten eingesetzt. Dieser Einsatz war unter anderem gegen Kriminelle und illegale Einwanderer gerichtet und sollte die Sicherheit erhöhen. Vgl. Die Presse: Ethnische Krawalle in Mailand: „Ghettos verhindern“,

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Bildung von Ghettos, gelte es in Österreich dauerhaft vorzubeugen, was bis jetzt z.B. mit der lokalen Gemeindebaupolitik auch erfolgreich geschehen sei.263 Exkurs: Eine Angelobung als integrationspolitisches Zeichen Im Bereich integrationspolitischer Akzente des Bundesheeres verwies Generalmajor Schmidseder auch auf seine eigene Initiative, die er noch als Militärkommandant von Wien im Jahr 2012 gesetzt hatte. Er ließ im August 2011 eine Angelobung von 230 Rekruten der Garnison Wien auf dem Brunnenmarkt am Yppenplatz im Bezirk Ottakring durchführen. Da dieser Wiener Gemeindebezirk für seinen hohen MigrantInnenanteil bekannt ist, sorgte die Angelobung in der von migrantischen Jugendlichen frequentierten Wohngegend bereits im Vorfeld für Aufmerksamkeit. Zur Besonderheit dieses militärischen Feieraktes, bei dem die Grundwehrdiener ein Treuegelöbnis an das „Vaterland Österreich“264 ablegen, gehörte auch ein zwischen dem Militärkommando Wien und der Muslimischen Jugend Österreich (MJÖ) koordiniertes Fastenbrechen während des islamischen Fastenmonats Ramadan im Anschluss an die Angelobung. Dabei handelte es sich jedoch um zwei getrennte Veranstaltungen, die allerdings am gleichen Ort durchgeführt wurden. Mit dieser Angelobung sollten – so erklärt der ehemalige Militärkommandant von Wien – bewusst mehrere Zeichen gesetzt werden. „Einerseits wollte ich zeigen, dass das Bundesheer ein Teil dieser modernen Gesellschaft ist und somit sollte auch die Angelobung dort durchgeführt werden, wo die Menschen am besten zu erreichen sind – nämlich dort wo sie wohnen und sich aufhalten. Das Fastenbrechen im Anschluss an die Angelobung mit der Muslimischen Jugend Österreichs war sicherlich ein prägendes Ereignis. Damit haben wir gezeigt, dass das Bundesheer auch für ÖsterreicherInnen mit einem muslimischen Glauben zugänglich ist und dass es keine Berührungsängste gibt. Solche Aktionen können sicherlich auch für Rekrutierungen von Nachwuchs nützlich sein. Diese Überlegungen spielten zwar nicht vordergründlich eine Rolle, aber stellten sicherlich im Vorfeld der Planung einen Aspekt dar.“265

15.2.2010, , Neue Züricher Zeitung: Das Militär bewacht Italiens Städte, 4.8.2012, , abgerufen am 7.9.2012. 263 Schmidseder, Karl, Wien 30.8.2012. 264 Der gesamte Wortlaut der Angelobung ist im § 41, Abs. 7 des Wehrgesetzt festgeschrieben und lautet: „Ich gelobe, mein Vaterland, die Republik Österreich, und sein Volk zu schützen und mit der Waffe zu verteidigen. Ich gelobe, den Gesetzen und den gesetzmäßigen Behörden Treue und Gehorsam zu leisten, alle Befehle meiner Vorgesetzten pünktlich und genau zu befolgen und mit allen meinen Kräften der Republik Österreich und dem österreichischen Volke zu dienen.“ Siehe: Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport, Abteilung Eigenlegislative, Wehrrechtliche Textausgabe, Wehrgesetz 2001 und Verordnungen 1. Juli 2012, http://www.bmlv.gv.at/pdf_pool/gesetze/ wg2001.pdf, abgerufen am 3.9.2012. 265 Schmidseder, Karl, Wien 30.8.2012.

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Im Rahmen der Angelobung hielt auch die Bundesvorsitzende der MJÖ, Tugba Seker, eine Rede vor den angetretenen Rekruten und bekräftigte die Verbundenheit der Muslime mit Österreich indem sie von einem „friedlichen Miteinander“ sprach: „(…) Als Muslimische Jugend Österreich hatten wir bereits Berührungspunkte mit dem österreichischen Heer, als immer wieder bei Hochwasserkatastrophen Freiwillige der Muslimischen Jugend gemeinsam Seite an Seite mit Grundwehrdienern gearbeitet haben. Nebenbei ist auch mein stellvertretender Vorsitzender Wachtmeister der Miliz in der Kaserne Salzburg. Als Muslimische Jugend Österreich ist es uns deshalb besonders wichtig, mit diesem Akt unseren Einsatz für unsere Heimat symbolisch zu bekräftigen. (…) Denn wie es so schön heißt: ‚Integration ist keine Einbahnstraße‘. So müssen wir alle für eine friedliches Miteinander und eine gut funktionierende Gesellschaft arbeiten.“266

Auch der Yppenplatz am Brunnenmarkt als Austragungsort hatte eine besondere Symbolwirkung, da er oftmals als Paradebeispiel für misslungene Integration verwendet wird, bei dieser Feierlichkeit allerdings das interkulturelle Miteinander im Mittelpunkt stand.267 Ableitungen für den sozialen Frieden aus den Interviews mit migrantischen Soldaten Im Rahmen dieser Studie wurden insgesamt neun aktive österreichische Soldaten mit Migrationshintergrund interviewt. Vertreten waren Dienstgruppen vom Oberstleutnant bis zum Korporal. Diese Soldaten bzw. ihre Eltern kamen aus folgenden Staaten: Ägypten, Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Polen, Serbien, Ungarn und Tschechien. Aus den Interviews geht hervor, dass die befragten Soldaten dem Militär eine Vorbildwirkung für die Bevölkerung – sowohl auf einer institutionellen, als auch auf einer individuellen Ebene – zuschreiben. Daher müssen der Integrationscharakter des Bundesheeres und die Auswirkungen auf den sozialen Frieden auf diesen zwei unterschiedlichen Ebenen analysiert werden: Sieben Interviewpartner gaben an, sich persönlich als Vorbild für andere Personen mit Migrationshintergrund in Österreich zu sehen. Durch ihren Dienst im Bundesheer, so die Aussagen, könnten sie einen Beitrag zur Integration leisten, da sie diese quasi vorleben und verkörperten. Nach ihrer Ansicht zeigen sie vor, dass man auch als MigrantIn Karriere beim ÖBH machen könne. Damit könne man einerseits sehen, dass man es als MigrantIn mit Leistung auch beim Heer zu etwas bringen kann. Damit verbunden zeigt sich andererseits ein Gefühl des 266 Tugba, Seker: Rede Anlässlich der Angelobung von Rekruten der Garnison Wien am Yppenplatz in Ottakring am 25.8.2011, http://mjoe.at/pdf/2011_Bundesheer_Iftar_ Rede.pdf, abgerufen am 7.9.2012. 267 Ebd.

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Stolzes auf das bisher im Leben Geleistete, was innerhalb des Familien- und Freundeskreises auch anerkannt werde. Bis auf einen Interviewpartner sahen sich alle als Repräsentanten der Republik Österreich und gaben an, in dieser Einstellung durch das Bundesheer bestärkt worden zu sein. Einer sagte, dass er besonders stolz darauf sei, ein österreichischer (!) Soldat zu sein. Begründet wurde das mit der österreichischen Geschichte und dem internationalen Engagements Österreichs. Ein Gesprächspartner machte sogar die Erfahrung, dass sich seine Eltern aufgrund seines Soldatenberufes ebenfalls verstärkt als ÖsterreicherIn fühlen. Neben Gefühlen des Stolzes wurde aber auch Dankbarkeit für die in Österreich im Allgemeinen und beim Bundesheer im Besonderen erhaltenen Lebensgestaltungs- und Karrieremöglichkeiten ausgedrückt. Generell betonten die Interviewpartner, das Bundesheer als eine Institution zu verstehen, die MigrantInnen viele Chancen biete. Gleichzeitig wurde von den Gesprächspartner aber geäußert, dass dies von der Gesellschaft nicht so gesehen werde. Dazu äußerte sich ein Soldat wie folgt: „Die Bevölkerung denkt, dass Soldaten mit Migrationshintergrund schlechter behandelt werden. Man denkt, dass es viele Rechtsradikale beim Heer gibt. Die Bevölkerung sollte sehen, dass das Heer was für Migranten macht. Besonders die Garde ist sehr tolerant und ein Vorbild für andere Verbände.“268

Konkret auf die Frage angesprochen, ob sie einen Betrag zum sozialen Frieden leisteten und wie sie diesen bewerteten, wurde von fünf Soldaten nicht die Auswirkung auf die Gesellschaft, sondern primär die Bedeutung des eigenen Handelns im Bezug auf den „sozialen Frieden“ innerhalb der eigenen Truppe hervorgehoben. Einerseits wurde von mehreren Interviewten angesprochen, dass sie als Streitschlichter fungieren können und somit ihren Beitrag zum Zusammenhalt der Gruppe erbringen, andererseits ginge es auch darum, den KollegInnen durch Informationen und Gespräche über bzw. mit SoldatInnen mit Migrationshintergrund das Thema näher zu bringen und ein Bewusstsein für Chancengleichheit und Anti-Diskriminierung zu schaffen. Erwähnenswert ist auch die kritische Aussage eines Interviewpartners über Soldaten muslimischen Glaubens: „Es herrscht insofern eine Ungerechtigkeit, weil z.B. Moslems beten dürfen und die fehlende Ausbildungszeit nicht nachholen müssen.“269 Beachtenswert ist diese Aussage deshalb, weil sie von einem Kadersoldaten muslimischen Glaubens selbst stammt. Sie lässt die Interpretation zu, dass die Wahrnehmung der Gleichbehandlung und Gleichwertigkeit aller im Sinne der gerechten Behandlung beim ÖBH verfestigt ist. Kritische Reflexionen über die vorherrschenden Rahmenbedingungen, welche den Dienstbetrieb regeln, sind in 268 Österreichische Soldaten mit Migrationshintergrund, Interview geführt von Rastislav Báchora und Hanns Matiasek, Wien 4.11.2011. 269 Ebd.

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weiterer Folge für das Verständnis der jeweiligen kulturell bedingten Bedürfnisse und somit auch für das Erbringen des notwendigen Respektes füreinander unumgänglich. Diese Haltungen und Wahrnehmungen sind somit auch für den sozialen Frieden innerhalb der Truppe ausschlaggebend, was über die Institution des Bundesheeres hinaus in die Gesellschaft wirken kann. Dabei sind das individuelle Selbstverständnis für den eigenen kulturellen Hintergrund sowie die Identifikation mit dem Beruf beim Militär in Einklang zu bringen. Der oben zitierte Kadersoldat muslimischen Glaubens antwortete auf die Frage, ob er selbst etwas zum sozialen Frieden beitragen kann, Folgendes: „Durch meine Tätigkeit beim ÖBH tu ich etwas für den Staat. Ja, ich kann für den sozialen Frieden etwas beitragen und man kann sehen, dass Moslems nicht benachteiligt werden.“270 Auf institutioneller Ebene wurde von den interviewten Soldaten nicht das Bundesheer in erster Linie für den Erhalt des sozialen Friedens namhaft gemacht, sondern die Politik. Diese, so die Meinung der migratischen Kadersoldaten, sei dafür verantwortlich, dass der soziale Friede gewährleistet werde. Mögliche gesellschaftliche Außenwirkungen von KadersoldatInnen, die mit Aspekten des sozialen Friedens verknüpft werden könnten, sehen die Interviewten vor allem im Zusammenhang mit dem Grundwehrdienst. Einerseits, so stellten einige der Soldaten fest, entstehe unter den Grundwehrdienern eine positive Gruppendynamik, die durch gemeinsame Herausforderungen hervorgerufen wird, welche wiederum zum Entstehen von Freundschaften über kulturelle und religiöse Grenzen hinweg führe. Diese bestünden oftmals auch noch nach Ende des Grundwehrdienstes und führten auf diese Weise zu einer „Durchmischung“ der Gesellschaft, so die Auffassung von einigen Soldaten. Andererseits äußerten die Interviewpartner auch, dass sie teilweise eine Cliquenbildung von Grundwehrdienern mit ähnlichem sozialem kulturellem und ethnischem Hintergrund beobachten, was wiederum Konflikte verstärken kann, die sich auch in der Gesellschaft außerhalb des Bundesheeres fortzusetzten vermögen. Vor dem Hintergrund dieser negativen Erscheinungsformen scheint es umso wichtiger zu sein, dass KadersoldatInnen mit Migrationshintergrund beim Bundesheer dienen, damit diese als Vorbild – sowohl für die Mehrheitsbevölkerung, als auch für ethnische Minderheiten – im Sinne des sozialen Friedens nach innen (innerhalb der Truppe) und außen (in der Gesellschaft) wirken. Aufgrund dieser Ergebnisse ist davon auszugehen, dass KadersoldatInnen mit Migrationshintergrund einen integrationsfördernden Einfluss auf die Gesellschaft ausüben, was vor allem im Zusammenhang mit dem sozialen Frieden beachtlich ist. In dieser Hinsicht kommt vorliegende Studie also zu einem anderen Ergebnis als Peter Fußl, der dem ÖBH aufgrund seiner Untersuchungen von Präsenzdienern mit Migrationshintergrund keine integrationsfördernde Wirkung auf die Gesellschaft zuspricht. 270 Ebd.

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Fazit Der soziale Frieden spielt in den integrationspolitischen Konzepten eine wesentliche Rolle, jedoch wird die öffentliche Verwaltung nicht explizit als ein verantwortliches Instrumentarium genannt. Das Bundesheer spielt auf politischer Ebene in der Integrationspolitik eine unbedeutende Rolle und wird daher in keinem Dokument und Konzept mit dem sozialen Frieden im Zusammenhang gebracht. Trotzdem kann in der Praxis dem Bundesheer eine wichtige integrationspolitische Aufgabe zugesprochen werden. Hinsichtlich der personellen Einsatzbereitschaft in quantitativer und in qualitativer Hinsicht ist festzustellen, dass aufgrund der Wehrpflicht Personen mit Migrationshintergrund „zwangsweise“ aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen einberufen werden und somit mit dem ÖBH in Kontakt gelangen. Die hinsichtlich der Religionsausübung bestehenden Regelungen deuten darauf hin, dass sowohl auf Ebene der Personalführung, als auch auf der Ebene der Truppe, ein Grundverständnis für integrationsrelevante Erfordernisse besteht und praktiziert wird. Einer gezielten Nutzung vorhandener zusätzlicher Kompetenzen scheint – vorranging aus Sicherheitsgründen – keine besondere Bedeutung zuzukommen. Bemerkenswert ist, dass innerhalb des ÖBH hinsichtlich der Erweiterung des Rekrutierungspotenzials selbstständig Maßnahmen eingeleitet wurden, um MigrantInnen für den Dienst im Heer gewinnen zu können. Zwar wurde dies noch nicht konzeptuell erfasst, jedoch weisen einige Faktoren darauf hin, dass sowohl quantitative Erfordernisse – demographische Entwicklung verbunden mit einer Zunahme von Personen mit Migrationshintergrund in der fürs Heer relevanten Zielgruppe – als auch qualitative Aspekte – Nutzung der Zusatzkompetenzen für Einsätze – zur Erhöhung des Anteils von SoldatInnen mit Migrationshintergrund beim ÖBH führen können. Abgesehen von diesen Erfordernissen kann aus den geführten qualitativen Interviews mit Kadersoldaten mit Migrationshintergrund der Schluss gezogen werden, dass SoldatInnen mit Migrationshintergrund positiven „Einfluss“ auf den sozialen Frieden sowohl innerhalb der Truppe als auch in der Gesellschaft haben.

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Deutschland Bevölkerungsprofil Die Bundesrepublik Deutschland hat nach aktuellsten Zahlen des statistischen Bundesamtes 2009 rund 81,802 Mio. EinwohnerInnen. Das sind 200 000 beziehungsweise 0,2% weniger als im Jahr davor. Dieser Bevölkerungsrückgang ist zum Großteil auf ein Geburtendefizit in Kombination mit einem Abwanderungsverlust zurückzuführen. Nur Berlin verzeichnete einen Bevölkerungszuwachs von 11 000 Personen.271 Allgemeines zum Begriff Migrationshintergrund Zu den Personen mit Migrationshintergrund zählt das Statistische Bundesamt Deutschland: „alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Zugewanderten, sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in Deutschland als Deutsche Geborenen mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland gebore272 nen Elternteil“.

Dies bedeutet, dass auch in Deutschland geborene Deutsche einen Migrationshintergrund haben können. Etwa als Kinder von (Spät-)AussiedlerInnen, als ius soli-Kinder ausländischer Eltern273 oder als Deutsche mit einseitigem Migrationshintergrund. Dieser Migrationshintergrund leitet sich dann ausschließlich von den Eltern ab. Nach den heutigen ausländerrechtlichen Vorschriften umfasst diese Definition somit üblicherweise Angehörige der 1. bis 3. MigrantInnengeneration. Kategorien migrantischer Bevölkerung Das statistische Bundesamt Deutschland unterscheidet die in Deutschland lebenden MigrantInnen in unterschiedliche Kategorien. So wird zwischen Personen 271 Vgl. Statistisches Bundesamt: , abgerufen am 16.2.2012. 272 Statistisches Bundesamt. Bevölkerung und Erwerbstätigkeit Bevölkerung mit Migrationshintergrund Ergebnisse des Mikrozensus 2009, S. 5. 273 Bei der Gruppe IV e “ius soli-Kinder von Ausländern” handelt es sich um Kinder von zwei AusländerInnen, die aufgrund bestimmter Mindestaufenthaltszeiten der Eltern neben der elterlichen Staatsbürgerschaft die deutsche erhalten. Diese Kinder müssen sich in einem Zeitraum von fünf Jahren nach der Volljährigkeit für eine endgültige Staatsangehörigkeit entscheiden. Vgl. Statistisches Bundesamt. Bevölkerung und Erwerbstätigkeit, S. 402.

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mit Migrationshintergrund im weiteren Sinne und als Unterkategorie dessen in solche mit Migrationshintergrund im engeren Sinne unterschieden. Diese Gruppe wird erneut in zahlreiche weitere Kategorien unterteilt, wie nachfolgende Grafik verdeutlichen soll. Abbildung 1: Kategorien migrantischer Bevölkerung in Deutschland

Quelle: erstellt von Katharina Leitner anhand der Angaben des Statistischen Bundesamtes Insgesamt betrug 2009 die Zahl der Personen mit Migrationshintergrund in Deutschland 16,0 Mio. – das sind 715 000 Personen mehr als 2005. Im gleichen Zeitraum ist die Bevölkerung insgesamt um 561 000 Personen zurückgegangen (von 82,5 auf 81,9 Mio.), die Bevölkerung ohne Migrationshintergrund sogar um 97

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1 276 000 (von 67,1 auf 65,9 Mio.). Der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund ist in der Folge von 18,6% auf 19,6% angestiegen. Davon machen AusländerInnen mit 7,2 Mio. oder 8,8% der Bevölkerung weniger als die Hälfte aller Personen mit Migrationshintergrund aus, die Deutschen mit 8,8 Mio. oder 10,8% der Bevölkerung mehr als die Hälfte. Mit 10,6 Mio. stellen die seit 1950 Zugewanderten – „die Bevölkerung mit eigener Migrationserfahrung“ – zwei Drittel aller Personen mit Migrationshintergrund; unter ihnen AusländerInnen mit 5,6 Mio. gegenüber den Deutschen mit 5,0 Mio. in der Mehrheit. Die in Deutschland geborenen „Menschen ohne eigene Migrationserfahrung“ haben sich seit 2008 in ihrer Zusammensetzung verändert. AusländerInnen stellen mit 1,6 Mio. weiterhin 2% der Bevölkerung, die Zahl der hier geborenen Deutschen mit Migrationshintergrund hat sich gegenüber 2008 aber um 189 000 auf 3,5 Mio. bzw. 4,2% der Bevölkerung erhöht. Somit ist diese Personengruppe für die Zunahme der Zahl der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland insgesamt verantwortlich.274 Profil der Bevölkerung ausländischer Herkunft Quantitativ gesehen kommt den ZuwandererInnen aus Europa die größte Bedeutung zu. 70,6% der 10,6 Mio. ausländischen oder eingebürgerten EinwandererInnen stammen aus europäischen Ländern, wobei 32,3% von ihnen aus den 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union kommen. Etwas mehr als 3,0 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund haben ihre Wurzeln in der Türkei, 2,9 Mio. in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion, 1,5 Mio. in jenen des ehemaligen Jugoslawiens und knapp 1,5 Mio. in Polen. Aus den GastarbeiterInnen-Anwerbeländern, Jugoslawien und die Türkei nicht mitgerechnet, kamen 1,7 Mio. Menschen nach Deutschland. Die meisten davon, nämlich 830 000 Personen stammen aus Italien, immerhin 403 000 aus Griechenland, wohingegen aus Spanien lediglich 172 000 Personen kommen und aus Portugal 171 000. Mit 1,4 Mio. kommen die meisten (Spät-)AussiedlerInnen aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion – vor allem aus der Russischen Föderation (589 000) und aus Kasachstan (483 000); daneben sind Polen (585 000) und Rumänien (233 000) quantitativ wichtige Herkunftsländer.275 Durchschnittsalter Personen mit Migrationshintergrund sind deutlich jünger als jene ohne Migrationshintergrund (34,6 gegenüber 45,6 Jahre), weitaus häufiger ledig (46,0 gegen274 Vgl. Statistisches Bundesamt. Bevölkerung und Erwerbstätigkeit Bevölkerung mit Migrationshintergrund Ergebnisse des Mikrozensus 2009, S. 7f. 275 Vgl. ebd.

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über 38,3%), und der Anteil der Männer unter ihnen ist höher (50,3 gegenüber 48,7%). 15,1 Mio. von ihnen leben im früheren Bundesgebiet und in Berlin, 605 000 in den neuen Ländern ohne Berlin. In der Gruppe der unter fünfjährigen stellen Personen mit Migrationshintergrund inzwischen 34,4% der Bevölkerung dar.276 Bildungsstand Personen mit Migrationshintergrund unterscheiden sich deutlich hinsichtlich der Bildungsbeteiligung von jenen ohne Migrationshintergrund; 14,1% haben keinen allgemeinen Schulabschluss und 44,7% keinen berufsqualifizierenden Abschluss, wohingegen Personen ohne Migrationshintergrund Zahlen in der Höhe von 1,9% bzw. 20,1% aufweisen. Bei diesen Zahlen gilt allerdings zu beachten, dass die sich noch in Ausbildung Befindenden unberücksichtigt bleiben.277 Integrationsstrategien und Konzepte Für die Ausrichtung der in Deutschland vor allem seit 2006 forcierten Integrationspolitik sind das Regierungsabkommen der Koalitionsparteien sowie der Nationale Aktionsplan für Integration für die Steuerung dieses Politikbereiches wesentlich. Regierungsabkommen Bereits in der Präambel des 2009 zwischen CDU, CSU und FDP festgelegten Regierungsabkommens erfolgt ein Bekenntnis zu Integration und der Schaffung möglichst gleicher Chancen der gesellschaftlichen Teilhabe, unabhängig von der Herkunft: „Herkunft darf nicht über Zukunft entscheiden. Unser gesellschaftliches Ziel ist ein Deutschland, das zusammenhält. Der Zusammenhalt unserer Gesellschaft ist die notwendige Voraussetzung für sozialen und wirtschaftlichen Erfolg.“278 In weiterer Folge wird Integration als eine „Schlüsselaufgabe“ bezeichnet, wobei für deren Gelingen einerseits die Aufnahmebereitschaft der deutschen Gesellschaft und andererseits die Integrationsbereitschaft der Zuwanderer eingefordert wird. Auch auf die Bedeutung des öffentlichen Dienstes für Integration 276 Vgl. Statistisches Bundesamt. Bevölkerung und Erwerbstätigkeit Bevölkerung mit Migrationshintergrund Ergebnisse des Mikrozensus 2009, S. 8. 277 Vgl. ebd, S. 7f. 278 CDU/CSU/FDP: Wachstum. Bildung. Zusammenhalt. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP. 17. Legislaturperiode, S. 5.

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wird im Koalitionsabkommen – wenngleich auch nur in einem Satz – eingegangen: „Auch der Bund ist sich seiner Rolle als Arbeitgeber bewusst. Er wird im Rahmen seiner Möglichkeiten mehr geeignete, befähigte und leistungsbereite Migranten beschäftigen.“279 Über dieses generelle Bekenntnis zu mehr Vielfalt im öffentlichen Dienst reicht das Regierungsabkommen allerdings nicht hinaus und im Abschnitt über die Bundeswehr wird dieses Thema ausgespart. Im Bereich der integrationspolitischen Maßnahmen ist die wichtigste Neuerung der Integrationsvertrag, mit dem sowohl Neuzuwanderer, als auch schon länger in Deutschland lebende MigrantInnen angesprochen werden sollen und der bezweckt, notwendige Integrationsmaßnahmen zu vereinbaren und diese auch kontinuierlich zu überprüfen.280 Weiters wird ein verstärktes Angebot von Sprachkursen, Integrationskursen sowie Integrationsberatung angekündigt, um die integrationspolitischen Defizite der letzten Jahrzehnte zu beheben. Politische Konzepte, Integrationsstrategie und Integrationsmaßnahmen Im Jahr 2007 wurde mit dem Nationalen Integrationsplan (NIP) ein Konzept zur Gestaltung der bundesweiten Integrationspolitik erstellt. Der NIP beinhaltet folgende zehn Themenfelder: 1) Verbesserung der Integrationskurse; 2) Förderung der deutschen Sprache von Anfang an; 3) Sicherung guter Bildung und Ausbildung und Erhöhung der Arbeitsmarktchancen; 4) Verbesserung der Lebenssituation von Frauen und Mädchen; 5) Verwirklichung von Chancengleichheit; 6) Integration vor Ort; 7) Kultur und Integration; 8) Integration durch Sport; 9) Integration durch bürgerschaftliches Engagement und Stärkung der gleichberechtigten Teilhabe; 10) Medien und Wissenschaft.281 Im Rahmen des NIP wurden 400 konkrete Maßnahmen und Selbstverpflichtungen der staatlichen und nichtstaatlichen AkteurInnen aufgestellt. Darunter befindet sich allerdings keine Maßnahme, die sich explizit auf die Bundeswehr oder das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) beziehen. Implizit ist die 279 Vgl. ebd. S. 75. 280 Vgl. ebd. 281 Deutsche Bundesregierung: Der Nationale Integrationsplan. Neue Wege – Neue Chancen. 2007. , abgerufen am 13.12.2011.

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Bundeswehr bzw. das BMVg allerdings bei zwei „Selbstverpflichtungen“ im Bereich „gute Bildung und Ausbildung sichern, Arbeitsmarktchancen erhöhen“ enthalten:282 a)

b)

„Einsatz für systematische Erhöhung der Zahl von Auszubildenden mit Migrationshintergrund im Regelungszuständigkeitsbereich der Bundesregierung, und Festschreibung des Gesamtanteils der Ausbildungsplätze an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten des Bundes auf 7%“; „Im Rahmen der Möglichkeiten des Bundes Erhöhung des Anteils des Personals mit Migrationshintergrund nach Eignung, Leistung und Befähigung, dabei sollen sprachliche und interkulturelle Kompetenzen angemessen berücksichtigt werden.“283

Ziel der Bundesregierung war es, den NIP bis Ende 2011 zu einem Aktionsplan mit konkreten, verbindlichen und überprüfbaren Zielvorgaben weiter zu entwickeln.284 Der in diesem Zusammenhang entstandene Bericht „Bundesweites Integrationsprogramm. Angebote der Integrationsförderung in Deutschland – Empfehlungen zu ihrer Weiterentwicklung“,285 der sich vor allen auf die Handlungsfelder Sprache, Bildung, „gesellschaftliche Integration“, sowie die Verbesserung der Messbarkeit der Wirkung von Integrationsmaßnahmen konzentriert, betont besonders das bürgerschaftliche Engagement, aber auch die verstärkte Öffnung des öffentlichen Dienstes für MigrantInnen.286 Eine wesentliche Neuerung sollte schließlich der im Dezember 2011 verabschiedete und im Jänner 2012 veröffentlichte Aktionsplan (NAP-I)287 bringen, indem er um die zwei Bereiche „Gesundheit und Pflege“ und „Migranten im öffentlichen Dienst“ erweitert wurde. Im zuletzt genannten Bereich wurde das

282 Deutsche Bundesregierung: Nationaler Integrationsplan. Themenfeld 3: „Gute Bildung und Ausbildung sichern, Arbeitsmarktchancen erhöhen“. Zwischenbilanzierung. 2008. http://www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/IB/zwischenbilanz-ag3.pdf?__ blob=publicationFile>, abgerufen am 16.2.2012. 283 Deutsche Bundesregierung: Nationaler Integrationsplan, S. 21. 284 Vgl. Deutsche Bundesregierung: Der Nationale Integrationsplan. Neue Wege – Neue Chancen. 285 Bundesministerium für Bildung und Forschung: Aktionsplan zur Weiterentwicklung des Nationalen Integrationsplans. 12.10.2011. , abgerufen am 12.12.2011. 286 Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Bundesweites Integrationsprogramm. Angebote der Integrationsförderung in Deutschland – Empfehlungen zu ihrer Weiterentwicklung. Nürnberg 2010. , abgerufen am 12.12.2011. 287 Vgl. Deutsche Bundesregierung: Der Nationale Aktionsplan Integration. Erklärung des Bundes. 14.12.2011. , abgerufen am 26.12.2011.

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strategische Ziel vereinbart, den Anteil von MigrantInnen im öffentlichen Dienst zu erhöhen, indem „das Interesse am öffentlichen Dienst bei Migranten gesteigert wird, Hemmnisse bei der Auswahl und Einstellung von Bewerberinnen und Bewerbern mit Migrationshintergrund abgebaut und die Beschäftigten im öffentlichen Dienst für interkulturelle Vielfalt sensibilisiert werden.“288

Als zusätzliche Maßnahmen werden genannt die: „direkte Ansprache von Migrantinnen und Migranten in Stellenausschreibungen, die Schulung von Personalentscheidern, Mitgliedern der Auswahlkommission sowie Personal- und Betriebsräten zur diskriminierungsfreien Personalauswahl und Gestaltung der Arbeitsbedingungen“.289

Die Öffnung des öffentlichen Dienstes für MigrantInnen wird von der Vorstellung geleitet, bei der Aufgabenerfüllung möglichst alle gesellschaftlichen Gruppen einzubinden und ihre Kenntnisse und Fähigkeiten zu nutzen.290 Vorteile, die im Zusammenhang mit der strategischen Zielsetzung explizit genannt werden, sind einerseits, die „Brückenbauer-Funktion“ von MigrantInnen zu nützen, um zwischen BürgerInnen und Verwaltung ein besseres Verhältnis zu erzielen, und andererseits angesichts der demographischen Entwicklung und des Schrumpfens des Pools an Erwerbstätigen neue Nachwuchspotenziale erschließen zu können.291 Relevanz des Nationalen Aktionsplans Integration für die Bundeswehr bzw. das Verteidigungsressort Der Nationale Aktionsplan erwähnt die Integration von Personen mit Migrationshintergrund in der Bundeswehr, wenn auch nur indirekt, im Abschnitt über den öffentlichen Dienst im Teil „Beitrag der Länder“. In der Passage, die erklärt, was unter öffentlichem Dienst zu verstehen ist, werden als Beispiele neben RichterInnen und ReferendarInnen auch SoldatInnen292 genannt und es wird Folgendes festgehalten: „Unter der Bezeichnung öffentlicher Dienst versteht man die Tätigkeit der Beamtinnen und Beamten (und weiteren aufgrund öffentlichen Rechts beschäftigten Personen wie Richterinnen und Richter, Soldatinnen und Soldaten, Referendarinnen und Referendare) 288 Deutsche Bundesregierung: Der Nationale Aktionsplan Integration. Erklärung des Bundes. 289 Ebd. S. 9-10. 290 Vgl. ebd. S. 10. 291 Vgl. ebd. S. 9. 292 Vgl. Deutsche Bundesregierung/Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration: Nationaler Aktionsplan Integration. Zusammenhalt stärken – Teilhabe verwirklichen. Berlin 2011, S. 417.

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sowie der Beschäftigten von öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen.“293

Wenngleich weitere Ausführungen sowie spezifische Maßnahmen im Hinblick auf die Bundeswehr nicht existieren, wird bei den Maßnahmen zur besseren Integration von MigrantInnen im öffentlichen Dienst bei den verantwortlichen AkteurInnen neben anderen Ministerien auch das deutsche Verteidigungsministerium angeführt. So ist dieses im Rahmen der Maßnahme „Werbung der Behörden für eine Tätigkeit oder Ausbildung im öffentlichen Dienst“ für die Errichtung einer zentralen Website zu Ausbildung und Stellenangeboten gemeinsam mit drei anderen Ressorts verantwortlich.294 Ein weiteres Beispiel, welches alle Ressorts – d.h. auch das Verteidigungsministerium – betrifft, ist die „bessere Koordinierung der Öffentlichkeitsarbeit der Verwaltungen im Bereich Nachwuchsgewinnung“.295 Ferner ist das Verteidigungsministerium neben anderen Ressorts auch für den Abbau von Hemmnissen bei der Auswahl und Einstellung von BewerberInnen mit Migrationshintergrund verantwortlich, worunter auch Maßnahmen wie die „direkte Ansprache von Migrantinnen und Migranten in Stellenausschreibungen“ und „Ausschluss mittelbarer Diskriminierung bei der Festlegung von Anforderungsprofilen“ enthalten sind.296 Die oben genannte zu erstellende Website zur Information und Anwerbung von Personen mit Migrationshintergrund für den öffentlichen Dienst ist seit Ende Jänner 2012 online. Die neue Internetseite „wir-sind-bund.de“ informiert über Karrieremöglichkeiten sowie Voraussetzungen und Bewerbungsmodalitäten im Hinblick auf den öffentlichen Dienst.297 Die Zielgruppe sind Jugendliche und BerufseinsteigerInnen mit Migrationshintergrund, wobei der Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft kein zwingendes Kriterium ist, da für viele Beamtenfunktionen auch die Staatsbürgerschaft eines anderen EU-Landes zulässig ist.298 Für jene Personen, welche die Staatbürgerschaft eines Drittlandes besitzen, bietet sich die Möglichkeit als Tarifbeschäftigte tätig zu werden. Von den insgesamt 130 Tätigkeiten, die auf der Website aufgelistet werden, beziehen sich 14 auf die

293 294 295 296 297

Ebd. Vgl. ebd. 148-149. Ebd. Ebd. S. 154-155. Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: „Wir sind bund“ – Auszubildende gesucht! http://www.bamf.de/SharedDocs/Meldungen/DE/2012/20120131-wirsindbundlaunch.html, abgerufen am 15.2.2012. 298 Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Bewerben ohne deutschen Pass? , abgerufen am 15.2.2012.

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Bundeswehr.299 Diese werden weiter unten im Zusammenhang mit den Integrationsmaßnahmen bei der Bundeswehr näher dargestellt. Eine weitere wesentliche Maßnahme, die es auf der Bundesebene umzusetzen gilt, ist die Ermittlung des genauen Anteils der Personen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst. Die bisherigen Datenerhebungen basierten auf Freiwilligkeit und sind daher nicht valide. Zweck dieser Maßnahme ist es, „Empfehlungen für das weitere Vorgehen zu entwickeln.“300 Exkurs: Verwaltung – Institutionalisierung Integrationsagenden sind in Deutschland auf Bundesebene beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verortet. Daneben existiert das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, das seit 2005 im Bundeskanzleramt angesiedelt ist. Im Bereich der Bundesländer, die auf Grund der föderalen Struktur eine wesentliche Rolle spielen, existiert eine Vielzahl an unterschiedlichen Institutionen. Integration ist vielfach den Sozialressorts der Länder zugeordnet, außerdem existieren in den meisten Bundesländern Integrationsbeauftragte und IntegrationsbeirätInnen.301 Das BAMF ist bundesweit für die formale und inhaltliche Ausgestaltung der Integrationskurse verantwortlich. Zur Durchführung beauftragt das BAMF private und öffentliche Träger mit der Durchführung des Integrationskurses.302 Die zweite für Integration bedeutsame Aufgabe, die das BAMF wahrnimmt, ist die Entwicklung von Empfehlungen zur Verbesserung der Integrationsförderung im Rahmen des bundesweiten Integrationsprogramms.303 Auf Grundlage des Aufenthaltsgesetzes § 45 sollen dazu die diversen Integrationsangebote von Bund, Ländern, Kommunen und privaten Trägern erfasst, strukturiert und konkrete Vorschläge für ihre Weiterentwicklung formuliert werden.

299 Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Berufe von A-Z. , abgerufen am 15.2.2012. 300 Deutsche Bundesregierung/Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration: Nationaler Aktionsplan Integration, S. 147. 301 Vgl. Deutsche Bundesregierung: Der Nationale Aktionsplan Integration. Erklärung des Bundes, S. 9. 302 Vgl. Universität Konstanz, Exzellenzcluster Kulturelle Grundlagen von Integration: 1. Verantwortliche für Integrationsfragen bei Bund und Ländern. , abgerufen am 13.12.2011. 303 Die Umsetzung erfolgt in den folgenden Handlungsfeldern: Sprachliche Integration, Bildung, gesellschaftliche Integration sowie berufliche Integration.

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Bedeutung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und die Rolle der Bundeswehr Generell kann hier gesagt werden, dass die Wahrung des gesellschaftlichen Zusammenhalts ein zentrales Ziel der deutschen Integrationspolitik darstellt. Bereits im Regierungsprogramm von 2009 wird in der Präambel festgehalten: „Herkunft darf nicht über Zukunft entscheiden. Unser gesellschaftliches Ziel ist ein Deutschland, das zusammen hält. Der Zusammenhalt unserer Gesellschaft ist die notwendige Voraussetzung für sozialen und wirtschaftlichen Erfolg.“304 Der aktuelle Nationale Aktionsplan Integration „Zusammenhalt stärken – Teilhabe verwirklichen“305 macht die Bedeutung des (sozialen) Zusammenhalts bereits durch die Verwendung des Begriffs im Titel deutlich. Die Stärkung des Zusammenhalts ist ein Ziel der deutschen Integrationspolitik und soll auch das Ergebnis des NAP-I sein: „Der Nationale Aktionsplan Integration wird den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland stärken.“306 Explizit wird der gesellschaftliche Zusammenhalt im Kontext bürgerschaftlichem Engagement,307 der Integration im städtischen Raum308 und der Bildung309 genannt. Eine Nennung von „gesellschaftlichem Zusammenhalt“ und der Integration von Personen mit Migrationshintergrund in den Streitkräften in diesem Zusammenhang ist in keinem der untersuchten Strategie- und Maßnahmenpapiere gegeben. Der Bundeswehr kommt im Rahmen der Integrationspolitik insofern Bedeutung zu, als sie als Institution – neben Polizei, Justiz, staatlichen Bildungseinrichtungen usw. – ein Bestandteil des öffentlichen Dienstes ist. Dem öffentlichen Dienst wiederum ist im aktuellen Nationalen Aktionsplan ein eigenes Kapitel gewidmet. Auch maßnahmenseitig wird die Bundeswehr bzw. das Bundesministerium der Verteidigung unter „öffentlichem Dienst“ subsumiert und es sind sowohl im Aktionsplan von 2007 als auch in jenem von 2011 keine Maßnahmen enthalten, welche spezifisch die Bundeswehr betreffen. Anders verhält es sich im Hinblick auf die Polizei. Der Abschnitt „Interkulturelle Öffnung der Polizei“ im Aktionsplan von 2011 geht innerhalb des Kapitels zum öffentlichen Dienst ausführlich auf die Anwerbung und Aufnahme von Menschen mit Migrationshintergrund in die Polizei ein.310 Die Bundeswehr ist in Maßnahmen nur enthalten, wenn die Maßnahme alle Bundes-Ressorts oder neben anderen Ministerien auch 304 CDU/CSU/FDP: Wachstum. Bildung. Zusammenhalt. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP. 17. Legislaturperiode, S. 5. 305 Deutsche Bundesregierung/Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration: Nationaler Aktionsplan Integration. Zusammenhalt stärken – Teilhabe verwirklichen. Berlin 2011. 306 Ebd. S. 21. 307 Vgl. ebd. S. 287. 308 Vgl. ebd. S. 203. 309 Vgl. ebd. S. 65. 310 Vgl. ebd., S. 419.

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das Bundesministerium der Verteidigung betrifft. Bei diesen Maßnahmen geht es um die Gewinnung von Personal d.h. die vermehrte Aufnahme von BürgerInnen mit Migrationshintergrund in die Bundeswehr bzw. in den Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Integrationsmaßnahmen in den Streitkräften selbst, d.h. Maßnahmen, die nach Eintritt in die Bundeswehr bzw. in den Dienst des Bundesministeriums der Verteidigung greifen, sind keine enthalten. Die Bundeswehr Die Bundeswehr hat auf der Grundlage der bundesweiten integrationspolitischen Konzepte und Maßnahmen – wie jede andere Institution der öffentlichen Verwaltung Deutschlands auch – einen Beitrag dazu zu leisten, dass MigrantInnen eine berufliche Perspektive und weiterführende Karrierechancen eröffnet werden. Durch die Tatsache, dass viele SoldatInnen bei der Bundeswehr einen Migrationshintergrund aufweisen, repräsentiert das Militär die Gesellschaft, wie es die Staatssekretärin für Integration, Maria Böhmer bekräftigt: „Damit bleibt die Bundeswehr Spiegel der Gesellschaft.“311 Die Möglichkeiten für SoldatInnen mit Migrationshintergrund, sich in der Bundeswehr beruflich zu etablieren, wurden durch entsprechende Maßnahmen nach Aussetzung der Wehrplicht maßgeblich erweitert. Daher sind Bestimmungen und Reglements im Zusammengang mit integrationspolitischen Maßnahmen zunächst vor dem Hintergrund des deutschen Wehrsystems zu untersuchen, das sich gegenwärtig in einer entscheidenden Transformationsphase befindet. Das Wehrsystem Der Aufbau der militärischen Kapazitäten zum Zwecke der Landesverteidigung ist in Deutschland durch die politischen Entwicklungen nach dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere durch die Blockkonfrontation zwischen den USA und der Sowjetunion, beeinflusst worden. Vor diesem Hintergrund muss die Tatsache berücksichtigt werden, dass die Teilung Deutschlands in einen demokratisch marktwirtschaftlichen Westen – die Bundesrepublik Deutschland (BRD) – und einem kommunistisch planwirtschaftlichen Osten – die Deutsche Demokratischen Republik (DDR) – zwei feindlich gegenüberstehende deutsche Staaten schuf, die mit militärischen Verteidigungskräften auszustatten waren.312 Der 12. 311 Böhmer, Maria zit. nach: trading-house.net: Böhmer will interkulturelle Kompetenz der Soldaten stärken. 13.7.2010. , abgerufen am 27.9.2011. 312 Die im Jahr 1949 gegründete BRD trat im Mai 1955 der NATO bei. Dem Motto „Wiederbewaffnung gegen Souveränität“ zufolge wurde bereits 1954 das Grundgesetz in der

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November 1955 gilt als die offizielle Geburtsstunde der westdeutschen „Parlamentsarmee“,313 die im April 1956 in „Bundeswehr“ unbenannt wurde. Im gleichen Jahr wurde auch die Wehrplicht eingeführt, welche auch nach dem Auflösen der DDR im wiedervereinigten Deutschland weiter bestand. Am 1. Juli 2011 wurde schließlich die Wehrpflicht nach vorangegangenen öffentlichen Debatten über die Wehrgerechtigkeit sowie über künftige sicherheitspolitische Herausforderungen, ausgesetzt. Die gesetzliche Grundlage für die Aussetzung bildet § 2 des Wehrpflichtgesetzes, der auch besagt, dass im Spannungs- und Verteidigungsfall nach wie vor die Wehrpflicht gilt.314 Bis zum Jänner 2011 dienten – zuletzt in der Dauer von sechs Monaten – insgesamt 8,4 Millionen Wehrpflichtige bei der Bundeswehr.315 Für die Aussetzung bzw. Abschaffung der Wehrplicht sprachen sich in einer für die Gesamtbevölkerung repräsentativen Umfrage 61% der TeilnehmerInnen aus.316 Seit der Aussetzung der Wehrplicht besteht die Möglichkeit für junge Frauen und Männer, einen Freiwilligen Wehrdienst von einer Dauer von bis zu 23 Monaten in der Bundeswehr zu leisten. Dabei soll in den ersten sechs Monaten sowohl von dem/der Freiwilligen als auch von den Streitkräften evaluiert werden, ob eine Weiterverwendung in der Bundeswehr erwünscht ist. Aus diesem Freiwilligendienst soll einerseits der militärische Nachwuchs für die Streitkräfte gewonnen, andererseits sollen auch die zivil-militärischen Interaktionsebenen gestärkt werden.317 Das deutsche Wehrsystem und somit die Organisation der Landesverteidigung basiert demnach auf den Freiwilligen, Zeit- und BerufssoldatInnen sowie auf den SoldatInnen der Reserve. Als ZeitsoldatInnen gelten all jene SoldatInnen, die sich für einen bestimmten Zeitrahmen in der Bundeswehr verpflichten, wohinge-

313

314 315 316 317

BRD soweit geändert, dass eine dem Bündnis zur Verfügung stehende Armee aufgebaut werden konnte. Vgl. Bötel Fank: Mehr als 8 Millionen Wehrplichtige. , abgerufen am 27.9.2011. Der Begriff „Parlamentsarmee“ wird auch in offiziellen Texten für die Bundeswehr verwendet. Damit soll der Charakter einer auf demokratisch legitimierten Mehrheitsentscheidungen basierenden Armee zur Geltung kommen. Vgl. Fritsch, Johann: Die Geschichte der Bundeswehr. Teil 2: Armee der Einheit. , abgerufen am 27.9.2011. Vgl. Wehrpflichtgesetz, § 2. , abgerufen am 13.11.2011. Vgl. Bötel, Frank: Mehr als 8 Millionen Wehrpflichtige. Vgl. Bundeswehr: Sicherheits- und Verteidigungspolitisches Meinungsklima in der Bundesrepublik Deutschland. Forschungsbericht 94 des Sozialwissenschaftlichen Institutes der Bundeswehr. Vgl. Bötel, Frank: Mehr als 8 Millionen Wehrpflichtige.

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gen BerufssoldatInnen ausschließlich jene sind, die auf Grundlage eines unbefristeten Vertrages in den Streitkräften tätig sind. Sowohl Unteroffiziere als auch Offiziere können einen Antrag für ihre Übernahme als BerufssoldatIn stellen. Bei Offizieren kann diese Definitivstellung allerdings erst nach zwölf Jahren erfolgen, wobei die Aufnahme in ein unbefristetes Dienstverhältnis an mehrere Bedingungen gebunden ist. In der Regel besteht eine höhere BewerberInnenrate als es Definitivstellungen gibt.318 Ebenfalls ein wichtiges Element des deutschen Wehrsystems, das im Zuge der Transformation der Bundeswehr erneuert wurde, sind die ReservesoldatInnen. Im Zuge der Transformation der Bundeswehr wurde eine neue „Konzeption der Reserve“ (KdR) entworfen, die am 1. Februar 2012 in Kraft trat. Die künftige Reserve basiert auf drei Grundpfeilern: Einen wesentlichen Teil der Reserve stellt die „Truppenreserve“ dar, die die aktiven Verbände im gesamten „Einsatzspektrum“ unterstützen soll. Die Aufgabe der „Territorialen Reserve“ ist die zivil-militärische Zusammenarbeit sowie der Heimatschutz und in der „Allgemeinen Reserve“ werden alle nicht beorderten SoldatInnen zusammengefasst, die für Nachwuchsarbeit vorgesehen ist.319 Hervorzuheben sind vor allem die in der Konzeption enthaltenen Funktionen der Reserve als „Mittler“ zwischen den Streitkräften und der Gesellschaft. So ist im Rahmen der Truppenreserve auch die Ausbildung zum zivil-militärischen „Mittler“ vorgesehen. „Als Mittler zwischen Bundeswehr und Gesellschaft erfüllen Reservisten eine Bindegliedfunktion, die sowohl der Personalgewinnung als auch der gesellschaftlichen Einbindung der Streitkräfte zugute kommt.“320 Obwohl integrationspolitische Aufgaben in dieser Konzeption nicht ins Auge gefasst wurden, haben aufgrund der besonderen Funktion eines Mittlers zwischen Militär und Gesellschaft gerade ReservistInnen die Möglichkeit, vor dem Hintergrund der Integrationsthematik gesellschaftspolitisch aktiv zu sein. Personalstärke Die Bundeswehr gliedert sich in Land- und Luftwaffenstreitkräfte, Marine sowie Streitkräftebasis. Ihr Gesamtstand betrug im August 2012 196 433 aktive SoldatInnen, wovon 5 768 Personen im Berufsförderungsdienst321 waren. Die Verteilung der Personalstärke gestaltet sich wie folgt: Bundesministerium der Verteidi318 Zehn Offiziere mit Migrationshintergrund an der Helmut Schmidt Universität Hamburg, Interviews geführt von Rastislav Báchora, Hamburg 28.11. bis 1.12.2011. 319 Vgl. Bundeswehr Monitoring: Bundeswehr stellt neues Reservistenkonzept vor. , abgerufen am 5.1.2012. 320 BMVg: Konzeption der Reserve. FÜ S I 2 – Az 16-39-01. Berlin, S. 35. 321 Im Rahmen des Berufsförderungsdienstes werden SoldatInnen auf einen künftigen Zivilberuf vorbereitet.

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gung: 1 213, Streitkräftebasis: 48 138, Zentraler Sanitätsdienst: 19 874, Heer: 70 208, Luftwaffe: 33 873, Marine: 15 593, Bereich Rüstung 65, Breich Personal: 7 255 und sonstige Bereiche: 181 Personen. In der Jahresmitte 2012 dienten insgesamt 18 347 Soldatinnen in der Bundeswehr.322 Von allen SoldatInnen sind 182 355 Berufs- und ZeitsoldatInnen und 14 078 Freiwillig Wehrdienstleistende. Im Rahmen der Reform soll bei der Bundeswehr massiv Personal abgebaut werden und somit soll die künftige Personalstärke maximal 185 000 SoldatInnen betragen. Beim Heer sollen künftig 57 570, bei der Luftwaffe 22 550 und bei der Marine 14 620 SoldatInnen dienen. Die für Versorgung zuständige Streitkräftebasis soll einen Gesamtstand von 36 750 Personen erreichen.323 Trotz dieses Personalabbaus ist die Bundeswehr auf der Suche nach jungen Freiwilligen. Wurden über die Wehrplicht 40% des Nachwuchses für die Streitkräfte gewonnen, so müssen nun diese Ausfälle kompensiert werden.324 Die Umstellung der Bundeswehr auf eine Freiwilligenarmee ist durch hohe Austritte der Freiwilligen Wehrdienstleistenden gekennzeichnet. Im Juli 2011 meldeten sich 3 459 Freiwillige in den Wehrdienst, wovon 780 Personen vorzeitig quittierten. Anlass dafür waren andere Jobangebote, Studienplätze an zivilen Universitäten sowie private Gründe.325 Die somit fast 28% betragende AbbrecherInnenquote sei aus der Sicht des Verteidigungsministeriums unerwartet hoch, entspräche jedoch annähernd jener der Privatwirtschaft, die zwischen 20-25% liege.326 urch Attraktivitätsprogramme soll die AbbrecherInnenquote nun kompensiert werden und mehr Freiwillige für die Bundeswehr motiviert und auch langfristig gehalten werden. Wohnmöglichkeiten, Kindertageseinrichtungen und ein Eltern-Kind-Tageszimmer sollen künftig zum Angebot gehören.327

322 Vgl. BMVg: Die Stärke der Bundeswehr. , abgerufen am 29.8.2012. 323 Vgl. Die Zeit (online): Maiziere stellt Details der Bundeswehr-Reform vor, 21.9.2011, . 324 Vgl. Die Zeit (online): Männlicher werden, 9.4.2011, , abgerufen am 12.12.2011. 325 Vgl. Die Welt: Maiziere genervt von Bundeswehr Abbrechern, 25.9.2011, , abgerufen am 12.12.2011. 326 Vgl. Die Zeit (online): Jeder Vierte verlässt die Truppe vorzeitig. 21.12.2011, , abgerufen am 29.12.2011. 327 Vgl. Die Welt: Maiziere genervt von Bundeswehr-Abbrechern.

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Auslandseinsätze Gemäß Angaben des Führungseinsatzstabes der Bundeswehr befanden sich im August 2012 insgesamt 6 294 SoldatInnen in einem Auslandseinsatz in folgenden Gebieten: Tabelle 1: Deutsche Auslandskontingente Einsatz

Einsatzgebiet

Stärke

davon Frauen

davon Reservisten

davon FWDL

ISAF

Afghanistan, Usbekistan

4 679

236

322

82

KFOR

Kosovo

741

55

90

15

EUFOR

Bosnien und Herzegowina

2

0

0

0

UNMISS

Südsudan

15

0

0

0

UNAMID

Sudan

10

0

0

0

OAE

Mittelmeer

0

0

0

0

UNIFIL

Libanon

148

6

3

10

Atalanta

Horn von Afrika

315

16

13

12

Quelle: Bundeswehr328 Zusätzlich zu diesen Auslandsmissionen sind SoldatInnen der Bundeswehr außerhalb Deutschlands bei Unterstützungsleistungen in Afghanistan, der Demokratischen Republik Kongo sowie Uganda mit 16 Personen aktiv.329

328 Vgl. Bundeswehr: Einsatzzahlen – Die Stärke der deutschen Einsatzkontingente , abgerufen am 2.9.2012. 329 Vgl. Bundeswehr: Einsatzzahlen – Die Stärke der Deutschen Einsatzkontingente. , abgerufen am 12.8.2012.

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SoldatInnen mit Migrationshintergrund Gemäß NAP-I 2011 gilt es, mittels spezieller Erhebungen die genaue Anzahl von Personen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst und somit auch in der Bundeswehr zu erheben. Da diese Maßnahme noch nicht umgesetzt wurde und bisher Zahlen und Daten über den Anteil von MigrantInnen kaum vorhanden sind, führte das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr im Jahr 2009 eine repräsentative Umfrage unter den SoldatInnen durch, um den MigrantInnenAnteil in den Streitkräften festzustellen. Dabei wurden 2 317 SoldatInnen zufällig ausgewählt, wobei nicht, wie in den Untersuchungen im Jahr 2003, nach der Religion gefragt,330 sondern der Geburtsort des/der SoldatIn und jener der Eltern erhoben wurde.331 Das Ergebnis zeigte, dass mit 11,8% der Anteil an Personen mit Migrationshintergrund, aber deutscher Staatsbürgerschaft, bei der Bundeswehr höher war als jener in der Gesamtgesellschaft (9,9%). Insgesamt wurden 4,7% der SoldatInnen nicht in Deutschland geboren und von diesen stammen 45,5% aus den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion, insbesondere aus Kasachstan. Ein überwiegender Teil von 36,3% der in der EU geborenen SoldatInnen stammt aus Ostmitteleuropa. Mit 22,2% wurden die meisten dieser SoldatInnen in Polen geboren. Nur 5,1% hatten einen Geburtsort in einem muslimisch geprägten Staat – überwiegend in der Türkei und Afghanistan. 2,0% wurden in den USA und Kanada geboren. Von jenen SoldatInnen, die in Deutschland geboren wurden, aber deren Eltern aus dem Ausland nach Deutschland kamen, waren jene aus Kasachstan und Polen ebenfalls stark vertreten. Bei 13,3% der SoldatInnen war ein Migrationshintergrund aus einem muslimisch geprägten Staat vorhanden, wobei eindeutig die Türkei dominierte. Der Anteil der SoldatInnen mit türkischem Hintergrund machte zum Zeitpunkt der durchgeführten Befragung insgesamt 0,33% der gesamten Bundeswehr aus.332 Bedenkt man, dass zum Zeitpunkt dieser Untersuchung der Grundwehrdienst noch aufrecht war, ist der niedrige Anteil der türkischstämmigen SoldatInnen bemerkenswert. 330 Vgl. Menke, Iris/Langer, Phil C./Tomforde, Maren: Challenges and Chances of Integrating Muslim Soldiers in the Bundeswehr: Strategies of Diversity Management in the German Armed Forces. In: Menke, Iris/Langer, Phil C. (Hrsg.): Muslim Service Members in Non-Muslim Countries Experiences of Difference in the Armed Forces in Austria, Germany and the Netherlands. Bundeswehr Institute of Social Sciences, FORUM International 29, März 2011. S. 7-39, hier S. 24. 331 Die wichtigsten Ergebnisse der Streitkräftebefragung sind aus Langer, Phil C.: Das Integrationspotential von Streitkräften in Migrationsgesellschaften – Argumente, Entwicklungen und Perspektiven zur Rolle der Bundeswehr im aktuellen Diskurs. In: Krysl, Ludwig W. (Hrsg.): Integration und Migration, Forschungsprojekt 39/82, Institut für Human- und Sozialwissenschaften. S. 72-90, hier S. 78, Fußnote 26. [Sammelband wurde nicht veröffentlicht]. 332 Ergebnisse der Streitkräftebefragung zitiert von Langer, Phil C, S. 79f.

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Das Merkmal Religion wurde explizit nicht erhoben, weshalb es auch gegenwärtig nur vage Informationen über die Religionszugehörigkeit gibt. Einer Schätzung aus dem Jahre 2011 zufolge dienten etwa 800 Muslime und Muslimas in der Bundeswehr.333 Wie Phil C. Langer betont, orientiert sich der öffentliche integrationspolitische Diskurs hauptsächlich an MigrantInnen aus der Türkei, in der Bundeswehr aber spielten und spielen sie nur eine untergeordnete Rolle. Tatsächlich wurden vor der Aussetzung der Wehrplicht türkischstämmige Wehrpflichtige in der Relation zur Gesamtverteilung weniger zum Wehrdienst gerufen. Im Jahr 2008 wurden von den 2,3 Millionen Wehrpflichtigen insgesamt zwei Drittel eingezogen. Unter jenen, die einen türkischen Migrationshintergrund hatten, absolvierten aber lediglich 35% den Wehrdienst. Somit diente nur jeder dritte türkischstämmige Migrant nach erfolgter Musterung auch tatsächlich in der Bundeswehr. Laut Angaben der Bundeswehr hat ein Großteil der türkischstämmigen Wehrpflichtigen den Deutschtest nicht bestanden – ein zielgerichtetes Schummeln wurde dabei ausgeschlossen.334 Ein weiteres aussagekräftiges Ergebnis der 2009 durchgeführten Streitkräftebefragung war, dass SoldatInnen mit Migrationshintergrund in den unteren Diensträngen stärker vertreten waren. 51% der SoldatInnen, von denen beide Eltern im Ausland geboren wurden, waren in den Dienstgraden der Mannschaften vertreten, aber nur 9% von ihnen waren definitiv gestellte BerufssoldatInnen oder Offiziere. Von denen, die selbst im Ausland geboren wurden, waren 7% BerufssoldatInnen oder Offiziere und 40% von ihnen dienten in den Mannschaftsgruppen. Aufgrund der Tatsache, dass die SoldatInnen mit Migrationshintergrund in der Mehrheit einen niedrigen Schulabschluss aufweisen, dürfte sich an der geringen Repräsentation von MigrantInnen in den höheren Dienstgraden in naher Zukunft auch in einer Freiwilligenarmee nichts Wesentliches ändern.335 Phil C. Langer betont in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Integration in den Streitkräften, die dann in die Gesellschaft hineinwirkt und beschreibt die Bundeswehr als einen Ort für sozialen Aufstieg. Ein Zitat vom französischen Politikwissenschaftler Christophe Bertossi erscheint in diesem Kontext treffend: „Wer sich als Nachkomme von Einwanderern beim Militär meldet, versucht in erster Linie den Diskriminierungen des zivilen Arbeitsmarktes zu entkommen, seinen Lebenslauf aufzuwerten oder in der Armee eine ‚zweite Chance‘ zu bekommen, eine Ausbildung, die bei der Rückkehr auf den zivilen Arbeitsmarkt von Nutzen sein wird.“336 333 Vgl. Menke, Iris/Langer, Phil C./Tomforde, Maren: Challenges and Chances of Integrating Muslim Soldiers in the Bundeswehr, S. 24. 334 Vgl. Preuß, Roland: Deutsch-Türken bei der Bundesweh Sprach-Untauglich. In: Süddeutsche Zeitung (online), 15.1.2009. , abgerufen am 15.10.2011. 335 Ergebnisse der Streitkräftebefragung zitiert von Langer, Phil C., S. 83. 336 Vgl. Langer, Phil C. zitiert Bertossi, Christophe nach Tausch, Arno: Multikulturalität und die Armee der Zukunft in Europa – Ein erster Datenbefund basierend auf dem „World

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Vorschriften, Regeln und Erlässe Bei der Bundeswehr wird streng darauf geachtet, dass alle SoldatInnen im staatsbürgerrechtlichen Sinne gleich sind und somit, so wird argumentiert, bedürfe es auch keiner speziellen Vorschrift für Personen mit Migrationshintergrund. Uwe Ulrich337 vom Zentrum für Innere Führung338 präzisiert den Sachverhalt wie folgt: „Eine Vorschrift, die sich auf Migranten bezieht (…), würde auch dem Verständnis eines ‚Staatsbürgers in Uniform‘ widersprechen!“339 Regeln betreffend den Umgang mit SoldatInnen mit Migrationshintergrund gibt es lediglich im Bezug auf die Religionsausübung, wobei sich alle gültigen Maßnahmen vom Grundgesetz und dem Soldatengesetz ableiten. Die wichtigsten Gesetzesgrundlagen für die Ausübung der Religion sind Artikel 4. Absatz 1 Grundgesetz: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.“ sowie Absatz 2 des selbigen Artikels: „Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“340 Der § 36 des Soldatengesetzes präzisiert den Sachverhalt folgendermaßen: „Der Soldat hat einen Anspruch auf Seelsorge und ungestörte Religionsausübung. Die Teilnahme am Gottesdienst ist freiwillig.“341 Wesentliche Regelungen der freien Religionsausübung betreffen vor allem Angehörige des islamischen Glaubens. Zwar gelten Rechte auf freie Religionsausübung für Angehörige aller Religionsgemeinschaften, jedoch nur jene der muslimischen Glaubensgruppe werden in umzusetzenden Maßnahmen explizit genannt. Erstmals wurden die Belange der Muslime und Muslimas bei der Bundeswehr im Jahr 2000 in einer Publikation des Zentrums für Innere Führung in einem Arbeitspapier unter dem Titel: „Muslime in der Bundeswehr“ veröffentlicht. In einer Verfügung vom 2. Dezember 2005 wurde die Rücksichtnahme auf die Essensvorschriften von SoldatInnen muslimischen Glaubens beschlossen.342 Seit

337 338 339 340 341 342

Values Survey“ und dem „European Social Survey“. In: Österreichische Militärische Zeitschrift, 5/2009. S. 13-20, hier S. 13. Oberstleutnant Dr. Uwe Ulrich betreut im Rahmen der Streitkräfte am Zentrum für Innere Führung der Bundeswehr interkulturelle Themen. Das Zentrum für Innere Führung ist eine Bildungsinstitution der Bundeswehr an der unter anderem gesellschaftspolitische Fragestellungen konzeptuell für die Streitkräfte aufgearbeitet werden. Ulrich, Uwe, Zentrum für Innere Führung Koblenz, Schriftliche Auskunft, 14.2.2012. Grundgesetz, Artikel 4, Absatz 1 und 2. Soldatengesetz, § 36. Wortlaut der Verfügung: „Anhängern religiöser Glaubensgemeinschaften, bei denen bestimmte Speisegesetze vorgeschrieben sind, ist eine Truppenverpflegung bereitzustellen, die es ermöglicht, den Kern dieser Gesetze einzuhalten. Dies gilt insbesondere für Moslems.“ Bundesamt für Wehrverwaltung PD 7 – Az 48-01-00 zitiert nach: Elßner, Thomas R.: „ISL“ auf der Erkennungsmarke – Die Bundeswehr passt sich an die Entwicklung an. In: Treffpunkt, Magazin für Migration und Integration 2/2009. S. 6-8, S. 6f.

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dem Jahr 2007 ist es möglich, auf die Erkennungsmarke, die jeder/jede SoldatIn tragen muss, die Abkürzung ISL für (Islamisch) einzustanzen.343 Somit soll bei Verwundung oder Tod eine den islamischen Vorschriften entsprechende Behandlung gewährleistet werden. In der aktuellen Version des Arbeitspapieres werden die wesentlichen Inhalte des Korans erläutert, aber auch praktische Vorgehensweisen bei dienstlichen Fragestellungen. Unter dem Punkt „Problembereich des Dienstalltags“ findet sich die Überschrift „Hinweise für die Vorgesetzten“ und es werden Alkoholgenuss, Barttrageerlaubnis, Bekleidung, Handhabung der Feiertage und der Gebetszeiten, Seelsorge sowie das Vorgehen beim Sterben und Tod kurz und bündig thematisiert.344 Zu bemerken ist, dass es sich dabei nicht um eine offizielle Verordnung, jedoch sehr wohl um Handlungsanleitungen handelt, die sich vom Grundgesetz ableiten. Integrationsmaßnahmen Gegenwärtig gibt es in der Bundeswehr keine Konzepte im Sinne eines „diversity managements“.345 Dennoch wurde während der praktizierten Wehrplicht eine Praxis für die bessere Integration von deutschen SpätaussiedlerInnen aus der ehemaligen Sowjetunion im militärischen System etabliert. Um eine bessere „Integration in die Gemeinschaft“ zu gewährleisten, wurde der Anteil von SpätaussiedlerInnen mit bestimmten Merkmalen in den jeweiligen Truppenteilen bei 10% gehalten, wobei SpätaussiedlerInnen mit einem „qualifizierten Schulabschluss“ von dieser Quotierung ausgeschlossen waren.346 Eine im bundesweiten Kontext umzusetzende Integrationsmaßnahme ist es, den Anteil von MigrantInnen im öffentlichen Dienst zu erhöhen. Wie im vorigen Kapitel bereits beschrieben, wurde Ende Jänner 2012 die Website „wir.sind.bund.de“ online gestellt, auf der Informationen und Stellenausschreibungen für MigrantInnen zu finden sind. Von den insgesamt 130 Ausschreibungen betrafen 14 die Bundeswehr.347 Der Schwerpunkt der Tätigkeiten liegt im Verwaltungsbereich bzw. im technischen Dienst, wobei auch die Möglichkeit einer integrierten Ausbildung (Bachelor) geboten wird. Unter anderem umfassen die Angebote neben den Bereichen des Verwaltungsdienstes der Bundeswehr, sowie der Wehrtechnik, auch die nachrichtendienstlichen Bereiche. So befand 343 Vgl. Elßner, Thomas R.: „ISL“ auf der Erkennungsmarke, S. 7. 344 Vgl. Elßner, Thomas R./Neuser, Hanna-Lena: Arbeitspapier – Deutsche Staatsbürger muslimischen Glaubens in der Bundeswehr. Zentrum für Innere Führung, Koblenz/ Strausberg, 1/2011, S. 32ff. 345 Menke, Iris/ Langer, Phil C./Tomforde, Maren: Challenges and Chances of Integrating Muslim Soldiers in the Bundeswehr, S. 30. 346 Vgl. Heiß, Hans Jürgen: Pluralismus ist die täglich Wirklichkeit. In: Treffpunkt, Magazin für Migration und Integration, S. 8-10, hier S. 9. 347 Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Berufe von A-Z.

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sich darunter auch folgende Ausschreibung: „Beamter/Beamtin im gehobenen technischen Dienst der Fernmelde- und Elektronischen Aufklärung des Bundes“ sowie „Beamter/Beamtin im mittleren Dienst im Bundesnachrichtendienst“.348 Rekrutierungsmaßnahmen Zurzeit werden laut ExpertInnen für interkulturelle Kompetenz am Zentrum für Innere Führung keine konkreten Rekrutierungsmaßnahmen für MigrantInnen in die Bundeswehr – außer jenen, die auf dem NAP-I basieren – durchgeführt.349 Allerdings wurde im Rahmen eines Projektes versucht, Eltern von MigrantInnen als MultiplikatorInnen im Sinne der Bundeswehr zu gewinnen. „Da uns (…) die Bedeutung der Multiplikatoren, insbesondere Eltern, durchaus bewusst ist, haben wir vor einiger Zeit in Hamburg begonnen, mit einer Agentur einen Pilotversuch zur Ansprache von Eltern in türkisch und russisch zu initiieren. Ziel ist es, diese Generation, in der eventuell. Sprachbarrieren herrschen können, über die Bundeswehr als Arbeitgeber zu informieren.“350

Insgesamt sind drei Faktoren ausschlaggebend, warum künftig bei der Bundeswehr vermehrt SoldatInnen mit Migrationshintergrund zu erwarten sind: a) der demographische Wandel; b) die Integration von MigrantInnen als gesellschafts- und integrationspolitische Maßnahme; c) die gezielte Nutzung von Mehrkompetenz von MigrantInnen (siehe weiter unten). Der direkte Zusammenhang zwischen Demographie und Sicherheit wurde bei einer internationalen Tagung des Max-Planck-Institutes für Demographische Forschung und der Bundesakademie für Sicherheit (BAKS) im Dezember 2007 ausführlich behandelt. Unter anderem wurde die Frage aufgeworfen, welche Auswirkungen der Wandel auf die Bundeswehr und auf die Durchführung des sicherheitspolitischen Auftrages der Streitkräfte vor dem Hintergrund der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung künftig haben wird. Konkrete Fragestellungen wurden diesbezüglich auch vom Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr behandelt.351 Viele Forschungsergebnisse sind jedoch der Öffentlichkeit nicht zugänglich. 348 Ebd. 349 Ulrich, Uwe: Schriftliche Auskunft, 14.2.2012. 350 Abteilung Personal-, Sozial- und Zentralangelegenheiten. Referat Personalmarketing, Schriftliche Auskunft, 23.2.2012. Beim Abschluss der Recherchen der vorliegenden Publikation lagen noch keine Resultate einer Evaluierung des Projektes vor. 351 Vgl. Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr. Unter dem Begriff „demographischer Wandel“ werden von der institutsinternen Suchmaschine zehn relevante Quellen angezeigt. Stand 10.2.2012.

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Faktum ist, dass die Bevölkerungszahl in Deutschland generell abnimmt und die Zahl der MigrantInnen im Verhältnis zu den deutschen Jugendlichen und jungen Erwachsenen ohne Migrationshintergrund zunimmt. Aber auch die Tatsache, dass der Gesundheitszustand aufgrund von Übergewicht, Haltungsschäden und Allergien schlechter wird, muss von der Bundeswehr künftig bei der Rekrutierung des Nachwuchses berücksichtigt werden.352 Wie allerdings die Erhöhung des MigrantInnenanteils erfolgen soll, ist fraglich. Die Aufnahme von SoldatInnen sollte nur nach dem Prinzip „Eignung, Leistung und Befähigung“ erfolgen, so das geschlossene Meinungsbild der interviewten deutschen Offiziere mit Migrationshintergrund.353 Nur weil jemand MigrantIn oder AngehörigeR einer bestimmten ethnischen Gruppe ist, ist das keine Befähigung für den SoldatInnenberuf. Außerdem würde eine Bevorzugung von MigrantInnen bei der Aufnahme in das Militär den Zusammenhalt stören.354 Im Februar 2011 wurde vom Verteidigungsministerium ein „Maßnahmenpaket zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr“ erstellt – auch darin wird die demographische Entwicklung angesprochen. Insbesondere wird darauf hingewiesen, dass geringqualifizierte Personen mit „unterdurchschnittlicher schulischer Bildung beziehungsweise ohne Schulabschluss“ in die Bundeswehr aufgenommen werden müssen.355 KritikerInnen der Bundeswehrreform warnen daher vor einer „Unterschichtarmee“ und meinen, dass die „lebensgefährlichen, tödlichen Dienstleistungen“ den „Unterschichten vorbehalten“ sein könnten.356 Der Wandel in der Bevölkerungszusammensetzung Deutschlands macht es somit notwendig, gezielt Personen mit Migrationshintergrund anzuwerben. Ende Dezember 2011 griff der Wehrbeauftragte des Bundestages Hellmut Königshaus eine zu Beginn des Jahres eröffnete Debatte wieder auf, wonach die Bundewehr nicht nur für MigrantInnen, sondern auch für AusländerInnen – also nicht deutsche StaatsbürgerInnen – geöffnet werden soll.357 Erstmals wurde diese Idee im Februar 2011 in einem breiteren öffentlich-medialen Spektrum diskutiert. Die 352 Vgl. von Aretin, Felicitas: Demographischer Wandel – aber sicher?, S. 66. 353 Zehn Offizieren mit Migrationshintergrund an der Helmut Schmidt Universität Hamburg, Interviews 2011. 354 Ebd. 355 „Maßnahmenpaket zu Steigerung der Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr“ zitiert von Die Zeit nach Financial Times Deutschland. In: Die Zeit (online): Guttenberg möchte keine Polen – Bundeswehr will Unterschichten. 15.2.2011. , abgerufen am 20.11.2011. 356 Vgl. Die Zeit (online): Guttenberg möchte keine Polen – Bundeswehr will Unterschichten. 357 Vgl. Focus (online): Wehrbeauftragter: Mehr Ausländer zum Bund. 25.12.2011. , abgerufen am 10.1.2012.

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Zielgruppe stellen EU-BürgerInnen und schweizerische StaatsbürgerInnen, aber auch Personen aus jenen Staaten, mit denen auf bilateraler Ebene Berufsabschlüsse anerkannt werden – dazu gehören nicht alle NATO-Staaten, so werden etwa die Abschlüsse der Türkei in Deutschland nicht anerkannt. Wie seitens der politischen Führung betont wird, sind dies nur Vorschläge und keineswegs bereits auf der höchsten politischen Ebene beschlossene Konzepte. Da die weitere Vorgehensweise erst nach der Evaluierung der Rekrutierungen und Freiwilligenmeldungen des Jahres 2011 erfolgen wird,358 ist mit weiteren Entscheidungen betreffend der Öffnung der Bundeswehr für unterschiedliche Personengruppen – auch für AusländerInnen – erst in den Folgejahren zu rechnen.359 Die kritisch geführte Debatte darüber, ob Nicht-StaatsbürgerInnen in der Bundeswehr Dienst leisten können, wurde sehr kontrovers geführt. Bei der Beurteilung der künftigen Rekrutierungsmaßnahmen spielen vor allem die Auswirkungen des demographischen Wandels eine immense Rolle. So soll die Bevölkerung Deutschlands im Jahr 2030 gegenüber 2007 um ca. 5 Millionen Personen auf ca. 77 Millionen schrumpfen. Besonders deutlich ist aber die Abnahme der Anzahl an Kindern und Jungendlichen. Diese Altersgruppe soll laut Berechnungen des Statistikamtes um bis zu 17% schrumpfen.360 Diese Daten deuten auf erhebliche Probleme bei der Rekrutierung künftiger SoldatInnen für die sicherheitspolitischen Anforderungen der Bundeswehr.

358 Vgl. Moritz, Steffen im Gespräch mit T. Wiegold. In: Augen Geradeaus: Die deutsche Fremdenlegion kommt nicht. , abgerufen am 9.10.2011. 359 Die Ankündigung, dass man überlege, die Bundeswehr für EU-BürgerInnen zu öffnen, löste in Polen Sorgen aus, dass polnische SoldatInnen von Deutschland abgeworben werden könnten. Gerade in den polnischen Medien wurden solche Befürchtungen thematisiert und bei einem Treffen zwischen den Verteidigungsmistern beider Staaten besprochen. Der polnische Verteidigungsminister Bogdan Klich sagte, dass sich die finanziellen Voraussetzungen der etwa 100.000 SoldateInnen der polnischen Berufsarmee von jenen der Deutschen nicht wesentlich unterscheiden und er somit keine Abwanderung polnischer SoldatInnen nach Deutschland befürchte. Auch der ehemalige deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sagte, dass es nicht die Absicht sei, polnische SoldatInnen abzuwerben. Vgl. Die Zeit (online): Guttenberg möchte keine Polen. In diesem Zusammenhang erscheint es interessant, dass im polnischen Schlesien „Hunderttausende Menschen“ mit deutscher und polnischer Staatsbürgerschaft leben. Dementsprechend informiert das Deutsche Generalkonsulat Breslau/Wrocław über den Freiwilligendienst in der Bundeswehr. Vgl. Deutsches Generalkonsulat in Breslau: , abgerufen am 9.12.2011. 360 Vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Ämter: Demografischer Wandel in Deutschland, Heft 1, Bevölkerungs- und Haushaltsentwicklung, im Bund und in den Ländern, Ausgabe 2011, S. 8.

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Bundeswehr als Spiegel der Gesellschaft Die vermehrte Aufnahme von MigrantInnen in die Streitkräfte wird allerdings nicht aus rein quantitativen Überlegungen durchgeführt, sondern auch als eine gesellschaftspolitische Maßnahme verstanden. Demnach soll die Bundeswehr die Gesellschaft soweit repräsentieren, dass diese ein Spiegelbild der Gesamtgesellschaft darstellt. Auf dieses Ziel angesprochen, äußern sich die befragten SoldatInnen mit Migrationshintergrund unterschiedlich. Während die einen das Militär unbedingt als Spiegel der Gesellschaft wissen wollen, damit die Akzeptanz aus der Bevölkerung gewährleistet ist, geben andere zu bedenken, dass das Militär nach Effizienzkriterien aufgebaut sein sollte oder dass man ja auch keine Links- oder Rechtsextreme oder etwa die 50% der deutschen Bevölkerung, die übergewichtig seien, im Militär haben wolle.361 Phil C. Langer analysiert die Metapher „des Spiegels der Gesellschaft“ sowohl in einem quantitativen als auch in einem qualitativen Sinne. Dass die Anzahl der MigrantInnen in den deutschen Streitkräften zunehme, sei eine empirische Feststellung. Die qualitativen Aspekte seien hingegen im Hinblick auf gesellschaftspolitische Prozesse von großer Bedeutung. Im Zentrum des politischen Interesses sollte nach Phil C. Langer die Frage stehen, ob die „Integration von MigrantInnen in die Bundewehr deren gesellschaftliche Integration befördert oder ob sich in der Bundeswehr erfolgreiche Integrationsstrategien auf die Gesamtgesellschaft übertragen lassen“.362 Laut Untersuchungen von Phil C. Langer besitzt die Bundeswehr sowohl quantitative als auch qualitative Integrationskapazitäten, die für die Gesamtgesellschaft von Bedeutung sind. Die quantitative Komponente basiert allein auf dem zahlenmäßigen Anteil von MigrantInnen in der Bundewehr. Die qualitativen Aspekte seien aber ausschlaggebend, weil die Bundeswehr positiv auf die „Bildungs- und Berufschancen“, die „soziale Vernetzung“ und auch „gesellschaftliche Anerkennung“ von Personen mit Migrationshintergrund wirke. Andererseits bestünden auch nicht unwesentliche Sensibilisierungsmöglichkeiten von nicht-migrantischen SoldatInnen, die dann Einfluss auf die Mehrheitsgesellschaft ausüben.363 Spezielle Verwendung In der Bundeswehr wurden die Mehr- und Zusatzkompetenzen, welche die migrantische SoldatInnen besitzen, als ein Vorteil gewertet und sollen genutzt 361 Offizier mit Migrationshintergrund an der Helmut Schmid Universität in Hamburg, Interview geführt von Rastislav Báchora, Hamburg 28.11. 2011. 362 Langer, Phil C.: Das Integrationspotential von Streitkräften, S. 78. 363 Vgl. ebd. S. 89.

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werden, ohne allerdings jemanden zu bevorzugen. Folgende Stellungnahme soll exemplarisch als die innerhalb der Bundeswehr vorherrschende Meinung zitiert werden: „Grundsätzlich gilt hier das Prinzip von Eignung, Leistung und Befähigung. D.h. eine Bevorzugung nur auf Grund des Migrationshintergrundes wird es nicht geben. Jedoch ist davon auszugehen, dass Migranten durch ihre mindestens Doppelsprachigkeit und kulturellen Grenzerfahrungen Fähigkeiten mitbringen, die überaus wertvoll sind – nicht nur im Intelligence-Bereich.“364

Aufgrund der Pflicht der Vorgesetzten, die Untergebenen zu fördern und nach Eignung, Leistung und Befähigung einzusetzen, besteht bei der Bundeswehr aus der Alltagspraxis heraus die Möglichkeit, die Mehrkompetenzen von SoldatInnen mit Migrationshintergrund einzusetzen. Entsprechende Kenntnisse über Sprache und Kultur werden von der Bundeswehr zwar genutzt, jedoch erfolgt dies nicht „gezielt“ und „flächendeckend“ und basiert in der Regel auch auf der wohlwollenden Förderung von Vorgesetzten.365 Vor allem Offiziere können in Bereichen wie den Feldnachrichten, den Nachrichtendiensten, der Militärdiplomatie oder diversen Positionen bei der NATO den Mehrwert ihres Migrationshintergrundes mit einem konkreten Arbeitsplatz verbinden, jedoch liegt die Initiative bei dem/der einzelnen SoldatIn.366 Dies deckt sich auch mit den Aussagen der im Rahmen dieser Studie interviewten Offiziere mit Migrationshintergrund. Sie gaben an, keinerlei außergewöhnliche Behandlung aufgrund ihres Migrationshintergrundes zu erfahren. Die Tatsache, dass man eher selbst verantwortlich ist, seine Mehrkompetenzen einzubringen bzw. dass diese nicht systemisch genutzt werden, betonten auch die Interviewten, wobei es folgende Aussage auf den Punkt bringt: „Der Vorteil ist, dass man aus der Masse hervorsticht, man fällt auf und daraus kann man etwas machen. Es hängt alles vom Kennenlernen ab, das ist eine Persönlichkeitssache.“367 Dies könnte so interpretiert werden, dass das „Selbst-Aktiv-Werden“ der migrantischen SoldatInnen in weiterer Folge auch zur Anwendung der eigenen Mehrkompetenzen und spezieller Kenntnisse führen könnte. Entscheidend ist, dass auch eine verstärkte Unterstützung der KommandantInnen im Sinne der betroffenen SoldatInnen erfahren wird, was schließlich die Besetzung eines entsprechenden Arbeitsplatzes bewirken könnte. Die Einsicht, dass die von migrantischen SoldatInnen in das System gebrachten Mehr- und Zusatzkompetenzen für die Streitkräfte sehr nützlich und bei unterschiedlichen Problemlösungen entscheidend sein können, basieren auf den Erfahrungen aus dem Einsatz der deut364 Ulrich, Uwe, schriftliche Auskunft, 14.2.2012. 365 Zehn Offiziere mit Migrationshintergrund an der Helmut Schmidt Universität Hamburg, Interviews 2011. 366 Ebd. 367 Ebd.

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schen Truppen in Afghanistan. Diese Erkenntnisse werden bei der Bundeswehr auch in der Praxis genutzt. Dabei spielen die Spezialkenntnisse im Zusammenhang mit der interkulturellen Kompetenz eine zunehmend größere Rolle. Bedeutung der interkulturellen Kompetenz Unter dem Obergriff der interkulturellen Kompetenz werden gegenwärtig unterschiedliche Fähigkeiten und Kompetenzen subsumiert, die für die Aufgabenerfüllung von SoldatInnen in unterschiedlichen Funktionen und auf unterschiedlichen Ebenen einen entscheidenden Beitrag leisten können. Eine Maßnahme im Hinblick auf künftige Entwicklungen ist die im Jahr 2008 erfolgte Etablierung der „Zentralen Koordinierungsstelle für Interkulturelle Kompetenz“ im Zentrum für Innere Führung, wo unter anderem wichtige Fragen betreffend muslimische SoldatInnen geregelt werden.368 Bezweckt wird die Ausbildung von MultiplikatorInnen und KommandantInnen in entsprechenden Funktionen in den Bereichen interkulturelle Kompetenz. Dies wird auch von Regierungsmitgliedern als eine entscheidende Schlüsselfunktion für SoldatInnen angesehen.369 Generell wird bei Auslandseinsätzen die Mehrkompetenz von MigrantInnen verstärkt geschätzt. So werden MirgantInnen, die einen südslawischen, albanischen oder „muslimischen“ Hintergrund sowie entsprechende Sprachkenntnisse haben, im taktisch-operativen Bereich der Nachrichtentruppe eingesetzt. Besonders gefragt sind zurzeit SoldatInnen mit Kenntnissen der arabischen oder paschtunischen Sprache, die bereits zielgerichtet auf eine Funktion für den Einsatz in Afghanistan ausgebildet werden.370 In diesem Zusammenhang stellt gegenwärtig die Rekrutierung, Ausbildung und der Einsatz von interkulturellen Einsatzberatern (IEB) eine große Herausforderung für die Bundeswehr dar. Die benötigten IEB sollen auf der Ebene der Brigade die militärischen KommandantInnen in einsatzrelevanten zivilen Faktoren (Politik, Gesellschaft, Religion, Kultur und Wirtschaft) beraten. Neben dem notwendigen Wissen sind auch psychosoziale und psychische Prädispositionen sowie soziale Kompetenzen der IEB entscheidend.371 In solchen Funktionen

368 Vgl. Scholz, Reiner: Der Koran im Marschgepäck – Muslime in der Bundeswehr. 26.4.2010, , abgerufen am 15.12.2011. 369 Menke, Iris/Langer, Phil C./Tomforde, Maren: Challenges and Chances of Integrating Muslim Soldiers in the Bundeswehr, S. 32. 370 Vgl. Steinacker, Guido: Ausbildung mit Fernziel. In: Treffpunkt, Magazin für Migration und Integration, S. 10-12, hier S. 11. 371 Die Notwendigkeiten und Nutzen von interkulturellen EinsatzberaterInnen sowie die Schwierigkeiten, Personen mit entsprechenden Kompetenzen in ausreichender Zahl für die laufenden und künftigen Einsätze zu bekommen, wurde in einem Workshop im Rahmen der Konferenz zum Thema: „Coping with Culture“ am Zentrum für Innere Führung

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hätten gerade Personen mit Migrationshintergrund wesentliche Vorteile, jedoch wird ein solcher Hintergrund bei Ausschreibungen nicht angesprochen.372 Durch den Wandel der klassischen Verteidigungsarmeen in Einsatzarmeen wird die Notwendigkeit von interkulturellen Kompetenzen in allen Funktionen und auf allen militärischen Ebenen steigen und es werden neben den einsatzrelevanten Aspekten Personen mit Migrationshintergrund bereits jetzt auch als Wehrdienstberatungsoffiziere eingesetzt. In dieser Funktion halten sie Kontakt vor allem zu Jugendlichen und informieren diese über die Tätigkeiten der Bundeswehr und über Karrieremöglichkeiten. So fungierte etwa ein Oberleutnant der Marine, dessen Eltern aus Afghanistan stammen und der selbst im Land seiner Eltern als Soldat der Bundeswehr im Einsatz war, nach seiner Auslandstätigkeit als Wehrdienstberatungsoffizier.373 Angesichts des demographischen Wandels und neuer Maßnahmen bei der Anwerbung von Nachwuchskräften kann davon ausgegangen werden, dass SoldatInnen mit Migrationshintergrund verstärkt für Rekrutierungszwecke in Schulen und in bestimmten „communities“ eingesetzt werden. Probleme und Konflikte Neben Rassismus und möglichen Konflikten zwischen SoldatInnen, die einen unterschiedlichen kulturellen oder religiösen Hintergrund haben, stellen Loyalitätskonflikte vor allem von muslimischen SoldatInnen die wesentlichsten Herausforderungen an die Bundeswehr betreffend MigrantInnen dar. In einer unter Verschluss gehaltenen Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr aus dem Jahr 2011, wurden rassistische und fremdenfeindliche Problemstellungen in der Truppe behandelt. Basierend auf Interviews mit 18 SoldatInnen mit migrantischem Hintergrund, die zudem überwiegend Angehörige des muslimischen Glaubens waren, wurde festgestellt, dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Rahmen des Grundwehrdienstes, bei den niedrigeren Dienstgraden und verstärkt im Osten des Landes vorkommen. Zwar ist der Bundeswehr in Koblenz von 4.-6.10.2011 im Beisein von internationalen ExpertInnen analysiert. 372 Auf der Internetseite der Streitkräftebasis wurde das Anforderungsprofil an IEBs wie folgt beschrieben: „Die Interkulturellen Einsatzberater/Interkulturelle Einsatzberaterinnen (IEB) sind Soldaten oder Zivilangestellte der Bundeswehr, überwiegend mit einem abgeschlossenem Studium mit regionalem Schwerpunkt, zum Beispiel Orientalistik, Slawistik, aber auch Geschichte oder Politikwissenschaften.“ Streitkräftebasis: Konflikte reduzieren, Vertrauen schaffen – mit kompetenter interkultureller Beratung, , abgerufen am 23.11.2011. 373 Vgl. Die Zeit (online): Rekrut Soufian Mehrazi. 21.1.2008, , abgerufen am 23.11.2011.

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die Studie nicht repräsentativ, jedoch zeigen die Ergebnisse, dass einige SoldatInnen muslimischen Glaubens Beschimpfungen, Schikanen und auch Mobbing ausgesetzt waren. Betroffene wurden mit Aussagen wie „Ali“, „Monchichi“ oder „Dönermann“ konfrontiert. Ein Soldat berichtet sogar, dass ihm als Moslem Schweinefleisch ins Essen gemischt wurde.374 Bezüglich der Integration in der Truppe und nicht direkt mit Rassismus im Zusammenhang stehend, meint Maren Tomforde von der Führungsakademie der Bundeswehr: „Je religiöser, je fremdländischer aussehend und je mehr an Akzent, desto mehr Probleme. Wobei die wirkliche Religiosität das tatsächliche Problem ist.“375 Somit kann davon ausgegangen werden, dass mit einem Anstieg des Anteils von muslimischen SoldatInnen die Religiosität und insbesondere der Umgang mit dieser in der Bundeswehr künftig zunehmen wird. Angesichts von möglichen Benachteiligungen, befürchtet vor allem auch das soziale Umfeld von Personen mit Migrationshintergrund, dass ihre Angehörigen bei der Bundeswehr Opfer von Rassismus werden könnten und daher wird von Familienangehörigen oft von einer Karriere bei der Bundeswehr abgeraten.376 Die im Rahmen dieser Forschungsarbeit durchgeführten Interviews mit migrantischen Offizieren an der Helmut Schmidt Universität in Hamburg ergaben, dass es in acht von zehn Fällen im engsten sozialen Umfeld (Familienangehörige und FreundInnen) negative Bemerkungen über die Entscheidung, zur Bundeswehr zu gehen, gab.377 Von allen interviewten Offizieren war tatsächlich einer während seiner Ausbildung mit rassistischen Äußerungen durch einen unmittelbaren Vorgesetzten konfrontiert. Ein anderer hätte, als er noch kein Offizier war, im Rahmen der Ausbildung in eine Einheit versetzt werden sollen, die als ein „braunes Bataillon“ galt und

374 Vgl. Das Erste: FAKT. Studie belegt Fremdenfeindlichkeit in der Bundeswehr. 18.7.2011, 21:45 Uhr. , abgerufen am 13.11.2011. 375 Vgl. Scholz, Reiner: Der Koran im Marschgepäck – Muslime in der Bundeswehr. 376 In einem Internetforum fragte ein türkischstämmiger Deutscher, ob er „als Türke“ zur Bundeswehr gehen solle. Seine Klassenlehrerin hatte ihm davon abgeraten, weil sie aufgrund des Migrationshintergrundes offensichtlich Benachteiligung befürchtete – mit der Begründung, dass Deutschland nicht sein „Vaterland“ sei. Bemerkenswert ist, dass der Schüler selbst anderer Meinung war und deshalb im Forum um Meinungen und Rat fragte. Internetforum „gutefrage.net“: Eintrag von Maximus1990: „Sollte ich obwohl ich ein Türke bin zur Bundeswehr gehen? Meine Klassenlehrrin meinte das ich nicht zur Bundeswehr gehen sollte. Sie meinte das die Ausländer die Opferrolle bekommen würden? Da Deutschland nicht mein Vaterland ist meinte Sie. Ich bin da aber anderer Meinung Danke für eure Antworden ;) [sic]“, 21.6.2010. , abgerufen am 23.10.2011. 377 Interviews mit zehn Offizieren mit Migrationshintergrund an der Helmut Schmidt Universität Hamburg, 2011.

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wo es „alte Meinungen“ gab.378 Der eigene Kompaniekommandant sorgte allerdings aus Weitsicht dafür, dass der betroffene Soldat in eine andere Einheit, um diesen Meinungen n „Meinungen“ nicht ausgesetzt sein zu müssen.379 Ein weiterer Offizier sagte, dass er von seinen Untergebenen oder SoldatInnen mit gleichem Dienstgrad nie etwas Negatives gehört habe, jedoch könne er das nicht von allen Stabsoffizieren behaupten.380 Auffallend ist jedoch, dass keiner der Gesprächspartner angab, die Berufswahl zu bereuen. Alle interviewten Offiziere erzählten, dass ihr Beruf in ihrem unmittelbaren sozialen Umfeld mittlerweile als „positiv“ oder „normal“ empfunden werde.381 Lediglich einer erzählte von zeitweiligen Zweifeln befallen zu sein, da er das Gefühl habe, die Politik meine es mit dem Militär nicht ernst. Das Bedauern über eine Vernachlässigung der Bundeswehr durch die Politik wurde in den Interviews öfters angesprochen. In diesem Zusammenhang erscheint es bemerkenswert, dass alle interviewten Offiziere den Wunsch äußerten, das Ansehen der Bundeswehr in der Gesellschaft zu heben. Jedoch sei, so die häufige Meinung, die Politik primär dafür verantwortlich.382 Gerade im Hinblick auf die Metapher der Streitkräfte, „ein Spiegel der Gesellschaft“ zu sein, scheint sich trotz der oben genannten Studie über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit diese Repräsentanz der gesellschaftlichen Einstellungen in den Streitkräften, basierend auf der Auswertung der durchgeführten Interviews, nicht zu bewahrheiten. Im Gegenteil wurde gemäß den Interviewpartnern der Bundeswehr ein positives Integrationspotenzial zugeschrieben. So gaben 40% der Interviewten an, mit rassistischen und fremdenfeindlichen Vorurteilen stärker in der Gesellschaft „draußen“, als in der Bundeswehr konfrontiert zu sein.383 Jene interviewten Soldaten, die angaben, im Zivilleben stärker rassistischen und fremdenfeindlichen Vorurteilen oder Äußerungen ausgesetzt zu sein, als in der Bundeswehr, waren aufgrund ihrer phänotypischen Erscheinung – hauptsächlich wegen ihrer Hautfarbe – deutlich als Angehörige einer Minderheitengruppe erkennbar. Jene ohne offensichtlichem migrantischen Aussehen beteuerten, auch außerhalb der Bundeswehr keine Erfahrungen mit Fremdenfeindlichkeit gemacht zu haben. Über die oftmals befürchteten Konflikte zwischen SoldatInnen mit

378 Interview mit einem Offizier, dem man aufgrund seines phänotypischen Erscheinungsbildes den Migrationshintergrund sofort ansieht. Helmut Schmidt Universität Hamburg, 2011. 379 Ebd. 380 Interview mit einem Offizier mit Migrationshintergrund an der Helmut Schmidt Universität Hamburg, 2011. 381 Dies geht aus den Interviews mit migratischen Offzieren aus, alle Interviews wurden geführt in Hamburg im Dezember 2011. 382 Ebd. 383 Ebd.

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unterschiedlichem kulturellem und religiösem Hintergrund innerhalb der Bundeswehr liegen keine Informationen vor.384 Der Großteil der im Rahmen der vorliegenden Studie interviewten SoldatInnen mit Migrationshintergrund gab an, dass sie sich mit ihren KollegInnen mit Migrationshintergrund weder besonders verbunden, noch weniger verbunden fühlen würden, als mit ihren deutschen KollegInnen. Die meisten beteuerten, es komme ohnehin jeweils auf den Charakter des/der Einzelnen an und nicht auf die Herkunft. Zwei gaben allerdings zu bedenken, dass eine gemeinsame Sprache oder eine gemeinsame Herkunft schon etwas Verbindendes hätten und man sich dadurch mit KollegInnen mit ähnlichem Hintergrund vor allem außerhalb des Dienstes besser verstehen würde. Innerhalb des Dienstes seien aber alle gleich und würden – vor allem aufgrund der besonderen Umstände der militärischen Ausbildungen – die Unterschiede zwischen den/der Einzelnen nicht wahrgenommen, wie ein deutscher Offizier mit Migrationshintergrund zu verstehen gibt: „Wir wurden ausgebildet im Notfall gegen einen Feind zu kämpfen. In so einer Situation achtet man nicht darauf, woher jemand kommt, man muss sich auf seinen Kameraden verlassen können und nichts anderes zählt mehr. Und in einem Schützengraben funktioniert die Integration sehr gut.“385

In einer vom Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr herausgegeben Publikation über Muslime/Muslimas in den Streitkräften werden aber drei mögliche Arten von Konflikten, die hauptsächlich bei türkischen Muslimen/Muslimas in der Bundeswehr entstehen können, skizziert. Erstens, so die Studie, gebe es ein Misstrauen der Deutschen gegenüber migrantischen SoldatInnen, wobei die Loyalität zu den Werten Deutschlands und der Bundeswehr angezweifelt werden. Zweitens könnten beispielsweise die türkischstämmigen SoldatInnen selbst einen inneren Konflikt austragen, weil sie sich nicht immer an die Gebetszeiten und die Gebote des Ramadan halten können. Drittens könnten sie vom eigenen familiären Umfeld negativ wahrgenommen werden, weil sie die Anbindung an die Türkei verlieren könnten.386 384 Im Rahmen dieser Forschung wurden keine Informationen über Konflikte basierend auf ethnischem oder kulturellem Hintergrund gefunden, was keineswegs ausschließt, dass es zu dieser Problematik keine Quellen gibt. Hinweise auf mögliche Konflikte gibt es wohl. So können laut Thomas Elßner Spannungen zwischen Angehörigen unterschiedlicher Kulturen oder Glaubensgemeinschaften entstehen, wenn sich auf einem Tisch z.B. sowohl Bierflaschen befinden, als auch der Koran liegt. Laut Elßner könnten muslimische SoldatInnen dies als Entwürdigung begreifen.Vgl. Elßner, Thomas zit. nach Scholz, Reiner: Der Koran im Marschgepäck – Muslime in der Bundeswehr. 385 Interview mit einem Offizier mit Migrationshintergrund an der Helmut Schmidt Universität Hamburg, 2011. 386 Vgl. Menke, Iris/Langer, Phil C./Tomforde, Maren: Challenges and Chances of Integrating Muslim Soldiers in the Bundeswehr, S. 31.

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Im Allgemeinen haben mögliche Loyalitätskonflikte von Muslimen/Muslimas für die Bundeswehr vor allem eine einsatzrelevante Bedeutung. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob deutsche SoldatInnen mit islamischem Glaubensbekenntnis in Afghanistan in einen inneren Konflikt geraten und sich im Notfall entscheiden müssen, ob sie dem/der deutschen KameradIn oder dem muslimischen Glaubensbruder gegenüber loyal sind. Diese Fragestellung wird auch vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA behandelt. Es werden Befürchtungen geäußert, wonach radikale Muslime/Muslimas die Bundeswehr unterwandern könnten – als Konsequenz könnten SoldatInnen, die sich in bestimmten religiösen Kreisen aufhalten, unter Beobachtung des Militärischen Abschirmdienstes stehen.387 In diesem Zusammenhang sei auf eine Studie des deutschen Ministeriums für Inneres aus dem Jahr 2007 hingewiesen, wonach es in Deutschland ein zunehmendes Potenzial für radikale IslamistInnen gibt.388 Obgleich bei bestimmten Personen Loyalitätskonflikte unter bestimmten Umständen möglich sein können, weisen die Ergebnisse aus den im Rahmen dieser Studie durchgeführten Interviews mit migrantischen Offizieren ausnahmslos einen sehr hohen Grad an Identifikation mit den demokratischen Werten Deutschlands auf. Ein Offizier muslimischen Glaubens äußert sich bezüglich möglicher Loyalitätskonflikte wie folgt: „Für manche könnte das ein Problem sein, weil sie als Verräter in der arabischen Welt angesehen werden könnten. Doch bei mir ist es klar. Ich habe einen Eid auf die Bundesrepublik geleistet und dieser Eid ist bindend.“ Die Bedeutung des Eides sowie seine Einstellung zu Deutschland werden von diesem Soldaten noch weiter konkretisiert: „Der Eid ist die letztliche Bestätigung, das Leben für die Freiheit des deutschen Volkes zu opfern. Das ist mit einer besonderen Verantwortung verbunden. Das drückt auch die Dankbarkeit gegenüber Deutschland aus. Deutschland hat meinem Vater eine Ausbildung ermöglicht und somit konnten meine Eltern eine Existenz aufbauen.“389

Eine weitere beachtenswerte Tatsache ist, dass die Ergreifung des SoldatInnenberufes nicht nur die Identifikation mit dem Einwanderungsland des/der beim Militär Dienenden stärkt, sondern auch jene anderer Familienmitglieder. Somit hat der Dienst in den Streitkräften direkte Auswirkungen auf weitere Personen. Ein deutscher Soldat mit eigener Migrationserfahrung sagte, dass seine Schwester überlegt hatte, Deutschland zu verlassen. Nachdem er aber in der Bundeswehr Karriere machte, trug dies zur Entscheidung der Schwester bei, doch in Deutsch387 Vgl. Scholz, Reiner: Der Koran im Marschgepäck – Muslime in der Bundeswehr. 388 Vgl. Menke, Iris/Langer, Phil C./Tomforde, Maren: Challenges and Chances of Integrating Muslim Soldiers in the Bundeswehr, S. 24. 389 Interview mit einem deutschen Offizier muslimischen Glaubens an der Helmut Schmidt Universität Hamburg, 2011.

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land bleiben zu wollen. Der Dienst in der Bundeswehr stärkte in diesem Fall die Verbundenheit der Schwester mit Deutschland. Bemerkenswert ist auch die Initiative eines aus Afrika stammenden Hauptmanns, der den Verein „Deutscher.Soldat.“ gründete, bei dem sich vor allem SoldatInnen mit Migrationshintergrund engagieren und der ein klares Bekenntnis zu den Werten Deutschlands ausdrückt: „Die Kernbotschaft, die wir transportieren wollen, ist, dass es nicht nur Migranten gibt, die sich mit den Normen und Werten Deutschlands identifizieren können. Sondern, dass es sogar Migranten gibt, die bereit sind, für diese Werte ihr Leben zu lassen.“390 Auffallend sind auch die Motive der befragten SoldatInnen mit Migrationshintergrund, warum sie sich für eine Karriere bei der Bundeswehr entschieden haben. So gaben die meisten der Interviewpartner an, sich mit dem Einstieg in die Bundeswehr einen Jugendwunsch erfüllt zu haben. Ein weiterer häufig genannter Grund ist, dass der Grundwehrdienst überzeugt hätte, im Militär zu bleiben.391 Rückkoppelung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt Wesentlich für das Verstehen möglicher „integrationspolitischer Außenwirkungen“ von SoldatInnen mit Migrationshintergrund auf gesellschaftliche Prozesse sind die Ergebnisse aus den Interviews mit den bereits oben zitierten Soldaten der Bundeswehr an der Helmut Schmidt Universität. Die interviewten Soldaten waren ausschließlich im Offiziersrang und hatten die Dienstgrade Leutnant bis Hauptmann. Sie waren, neben einem Marineoffizier, zudem in unterschiedlichen Truppengattungen (Panzertruppe, Feldnachrichtenkräfte, Aufklärer, Operative Informationen, Militärpolizei) tätig und studierten Fächer wie Politikwissenschaft, Pädagogik und Volkswirtschaft. Die interviewten Soldaten waren entweder selbst eingewandert oder beide Eltern oder nur ein Elternteil. Die kulturelle Vielfalt der Interviewten umfasste afrikanische, arabische, lateinamerikanische, ostasiatische, osteuropäische und nordamerikanische Kulturen und Migrationshintergründe. Auf individueller Ebene sehen sich die meisten der Interviewten als Vorbild für andere Migranten in der Gesellschaft. Durch den Dienst beim Militär habe man die Möglichkeit zu zeigen, dass man einerseits auch als MigrantIn im öffentlichen Dienst Karriere machen könne und andererseits, dass es alltäglich geworden ist, dass sich MigrantInnen derart mit „deutschen“ Werten identifizieren, dass sie bereit wären, dafür in den Krieg zu gehen und zu sterben. Auch 390 Hauptmann Ntagahoraho Burihabwa, Vorsitzender des Vereins „Deutscher.Soldat“ in: Das Erste: FAKT. Studie belegt Fremdenfeindlichkeit in der Bundeswehr. 18.7.2011, , abgerufen am 13.11.2011. 391 Interviews mit zehn Offizieren mit Migrationshintergrund an der Helmut Schmidt Universität Hamburg, 2011.

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hinsichtlich dieser individuellen Aspekte gibt es unterschiedliche Ansichten. Während ein Großteil der Interviewten meinte, besonders in der Rolle des Soldaten auf die Menschen „draußen“ wirken zu können, gab ein Gesprächspartner zu bedenken, dass eine mögliche Vorbildwirkung nicht zwangsläufig mit dem Beruf in Verbindung stehen müsse. Er sehe seine Tätigkeit als Offizier bei der Bundeswehr, so betonte er, als einen Beruf wie jeden anderen und sich selbst als Teil der Gesellschaft – ohne Unterschied zu anderen BürgerInnen. Als zusätzlicher Aspekt, der die individuelle Ebene betrifft, wurde die Fähigkeit von Personen mit Migrationshintergrund genannt, Spannungen innerhalb der Gruppe vorzubeugen. So betonten viele der Interviewten, dass man als SoldatIn mit Migrationshintergrund vermehrt die Gabe aber auch die Aufgabe habe, als VermittlerIn im Sinne eines/einer StreitschlichterIn zu fungieren. Da man gewohnt sei, sich zwischen zwei Kulturen zu bewegen, sei man als SoldatIn mit Migrationshintergrund geradezu prädestiniert dafür. Dies geschehe wohlgemerkt im Sinne der Gemeinschaft – also dem gemeinschaftlichen Zusammenhalt innerhalb der unmittelbaren KollegInnenschaft. Auf der Ebene des Militärs sehen die interviewten Offiziere mit Migrationshintergrund den Beitrag der Bundeswehr zum gesellschaftlichen Zusammenhalt insofern als notwendig an, als die militärischen Strukturen die Bevölkerung repräsentieren müssten, damit sich die BürgerInnen mit den Streitkräften identifizieren könnten. Somit könne, so die Aussagen, das Militär als Teil des „öffentlich-gesellschaftlichen Systems“ selbst zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen. Wenngleich das Militär eine gewisse Distanz zur Bevölkerung aufweise, wie ein Soldat betont, gebe es doch Wechselwirkungen und verändere sich die „Stimmung“ in der Gesellschaft positiv bzw. negativ, wenn sich die Bevölkerung mehr oder weniger mit der Bundeswehr identifiziere. Für die militärisch-zivilen Interaktionen sei, so die Aussagen eines Offiziers, allerdings die Politik verantwortlich: „Es herrscht das Primat der Politik vor und Soldaten handeln im Auftrag des Volkes, also des Parlaments. Somit beeinflusst die Politik das Verhältnis zwischen Militär und der Bevölkerung.“392 Zwar wurde in dieser Aussage der gesellschaftliche Zusammenhalt nicht explizit angesprochen, er könnte aber als ein Teilelement der Gesamtverantwortung der Politik gegenüber den gesellschaftspolitischen Bedingungen im Allgemeinen und jenen der integrationspolitischen Prozesse im Besonderen verstanden werden. Die Tätigkeit jedes/jeder einzelnen SoldatIn mit Migrationshintergrund wird, wie aus den Interviews resultiert, als Möglichkeit wahrgenommen, einen wichtigen Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt darzustellen. Wenngleich sich in den Aussagen ein differenziertes Bild ergab und die Meinungen durchaus variierten, wurde doch die Frage, ob die Interviewten glauben, 392 Interview mit einem Offizier mit Migrationshintergrund an der Helmut Schmidt Universität Hamburg, 2011.

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aktiv zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bzw. zum sozialen Frieden beitragen zu können, von sechs der zehn – also 60% – der Offiziere, wenn auch mit unterschiedlicher Gewichtung, eindeutig bejaht. Diese Möglichkeit biete in erster Linie direkt oder indirekt der Beruf, waren sich die Interviewten einig, wobei dies folgende Aussage auf den Punkt bringt: „Als Soldat: Ja. Besonders im Rahmen des Dienstes als Vorgesetzter. Man hat aufgrund der Untergebenen eine Rückwirkung auf die Gesellschaft, weil diese eine Wirkung auf ihre Familien und Freunde haben. Somit habe ich Einfluss auf bestimmte Bereiche des gesellschaftlichen Zusammenlebens.“393

Andere Soldaten sahen den Einfluss eines Einzelnen nicht gegeben, verwiesen allerdings entweder auf die Gesellschaft, das Militär oder den zivilgesellschaftlichen Verein Deutscher.Soldat. Jeder dieser „Handlungsrahmen“ stelle eine Ebene für die Entfaltung der eigenen „Außenwirkung“ dar: „Das geht schon, doch einen Beitrag für die Gesellschaft als Einzelner zu leisten ist sehr schwer.“394 „Alleine kann ich nicht viel machen, aber die Armee sehr wohl. Die Gesellschaft kann das auch machen. Vor allem der Verein Deutscher Soldat kann das machen.“395 „Aktiv etwas beitragen eher nicht, ich bin nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Man ist ein positives Beispiel für Integration, die Bevölkerung reagiert anders, ist sicherlich empfindlicher und offener.“396

Ein anderer Gesprächspartner mit Migrationshintergrund war sich ob seiner Möglichkeiten aktiv etwas zum sozialen Frieden beizutragen nicht sicher, betonte aber, dies zu hoffen: „Ich hoffe es – dass ich was beitragen kann. Ziel ist es aufzuzeigen, dass es auch positive Beispiele für Integration gibt. Es gilt zu zeigen, dass nicht alles Neuköln ist.“397 Die interviewten SoldatInnen mit Migrationshintergrund gestehen also dem Militär im Zusammenhang mit Integration eine Vorbildwirkung für die Gesellschaft zu. Wichtig sei es, so wurde betont, dass das Militär Vielfalt vorlebe, um ein Signal nach außen zu senden. Dies liege sowohl an jedem/jeder Einzelnen, am Militär an sich, als auch an daran anknüpfenden zivilgesellschaftlichen Vereinen, wie dem Verein Deutscher.Soldat. Somit sind individuelle Aspekte aber auch organisatorisch-institutionelle Rahmenbedingungen sowie zivilgesellschaftliches Engagement der SoldatInnen mit Migrationshintergrund selbst zu berücksichtigen. Für die zivilgesellschaftliche Ebene sei hier der Verein Deutscher.Soldat. beispielhaft angeführt. Diesem wird von den befragten SoldatInnen 393 Ebd. 394 Interview mit einem Offizier mit Migrationshintergrund an der Helmut Schmidt Universität Hamburg, 2011. 395 Ebd. 396 Ebd. 397 Ebd.

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mit Migrationshintergrund in erster Linie die Aufgabe zugeschrieben, medienund öffentlichkeitswirksam Vorurteile abzubauen, die Integrationsdebatte zu beleben und neue Impulse in der Integrationspolitik zu setzen. Fazit Gesellschaftlicher Zusammenhalt ist ein zentrales Element bei den integrationspolitischen Strategien und Maßnahmen in Deutschland. Dabei übt die öffentliche Verwaltung eine sehr wichtige Funktion aus. Um die gesellschaftlichen Verhältnisse auch in staatlichen Institutionen repräsentieren zu können, wurde konzeptuell festgeschrieben, den Anteil im öffentlichen Dienst heben zu wollen. Davon sind auch BeamtInnen im Verteidigungsministerium betroffen. Die Bundeswehr befindet sich nach der Umstellung auf eine Freiwilligenarmee gegenwärtig in einer komplexen Transformationsphase, die besonders das vielschichtige Spektrum der Rekrutierungsarbeit und Nachwuchsgewinnung reorganisiert. Dabei spielen die demographischen Faktoren eine entscheidende Rolle. Zwar wurden MigrantInnen bereits als eine wichtige Zielgruppe für die Nachwuchsgewinnung erkannt, jedoch werden diese noch nicht flächendeckend im gesamten Bundesgebiet angesprochen bzw. angeworben. Hinsichtlich der Nutzung von Mehrkompetenzen migrantischer SoldatInnen ist hervorzuheben, dass besondere Fähigkeiten und Kenntnisse bereits jetzt genutzt werden. Dies geht im Allgemeinen auf Eigeninitiativen der SoldatInnen zurück, jedoch werden insbesondere im Bereich der Feldnachrichtenkräfte die Mehrkompetenzen im Sinne der kulturellen Kompetenz eingesetzt. In den Interviews wurde eine positive Wirkung von Offizieren mit Migrationshintergrund auf gesellschaftliche Prozesse bestätigt, was im kleinen Rahmen den sozialen Zusammenhalt unmittelbar stärke. Insbesondere wurden auch die Zusammenhänge zwischen einem Beruf beim Militär und die Implikationen auf den gesellschaftlichen Zusammenhang betont. Dabei spielen individuelle, institutionelle aber auch soziale Faktoren eine wichtige Rolle. Demnach kann der gesellschaftliche Zusammenhalt auf allen Ebenen von den Soldaten mit Migrationshintergrund positiv stimuliert werden, wobei grundsätzlich der institutionelle Rahmen der militärischen Organisation wesentliche Vorteile bietet. Neben dem Militär als einem System, in dem Personen mit Migrationshintergrund integrationspolitische Impulse entfalten können, sind auch zivilgesellschaftliche Initiativen selbiger Personengruppe für den gesellschaftlichen Zusammenhalt von großer Bedeutung.

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Schweden Bevölkerungsprofil In Schweden lebten mit Stand 30.11.2011 gemäß Statistics Sweden insgesamt 9 480 205 Menschen.398 Das entspricht einer Steigerung um 0,72% gegenüber dem Vorjahr. Allgemeines zum Begriff Migrationshintergrund Das statistische Amt in Schweden versteht unter Personen mit Migrationshintergrund alle, die im Ausland geboren wurden. Aber auch jene, die in Schweden auf die Welt kamen, aber beide Eltern im Ausland geboren wurden.399 Kategorien migrantischer Bevölkerung Die Behörden in Schweden nehmen eine Unterscheidung in insgesamt fünf Kategorien vor: „Foreign citizens“, „Foreign born“, „Foreign Born, who are Swedish citizens“ und „Swedish born with two foreign born parents“. a) Foreign citizens: In Schweden gibt es derzeit (Stand Ende 2010) 633 292 Menschen, die nicht die schwedische Staatsbürgerschaft besitzen. Das entspricht einem Prozentsatz von 6,7% der Gesamtbevölkerung. Personen, die sowohl die schwedische, als auch eine andere Staatsbürgerschaft besitzen, werden hier nicht mitgezählt. Dieser Wert ist stetig angestiegen und hat sich seit den 1960er Jahren ungefähr verdreifacht. b) Foreign born: Rund 1,4 Millionen Menschen oder 14,7% der Gesamtbevölkerung Schwedens wurde im Ausland geboren. Auch dieser Wert ist den letzten Jahren stark angestiegen. 1960 waren etwa nur 4% der Schweden im Ausland geboren, im Jahr 2000 11,3%. c) Foreign born who are Swedish citizens: Diese Gruppe steht eng mit der zuletzt genannten in Verbindung und zeigt, dass viele der Personen, die im Ausland geboren wurden, bereits schwedische Staatsbürger sind. Konkret besitzen von den im Ausland geborenen 818 574 Personen, oder 59,1%, die schwedische Staatsbürgerschaft. d) Swedish born with two foreign-born parents: 412 960 Personen lebten im Jahr 2010 in Schweden, von denen beide Eltern im Ausland geboren wurden. Auch dieser Wert ist in den letzten Jahren stark angestiegen.400 398 Vgl. Statistics Sweden: Population statistics. , abgerufen am 15.2.2012. 399 Vgl. Statistics Sweden: Population statistics. , abgerufen am 15.2.2012. 400 Vgl. ebd.

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Profil der Bevölkerung ausländischer Herkunft Bei den im Ausland geborenen Personen in Schweden ist das Verhältnis von Männern und Frauen in etwa ausgeglichen, im Jahr 2010 überwog die Zahl der Frauen etwas.401 Die weitaus größte Gruppe, nämlich 169 521 der im Ausland geborenen Personen, wurde in Finnland geboren. Die zweitgrößte Einwanderungsgruppe stammt aus dem Irak, nämlich 121 761 Personen. Aus dem ehemaligen Jugoslawien kommen 70 819, aus Polen 70 253, aus Bosnien und Herzegowina 56 183 und aus Dänemark 45 548 Personen.402 Alter Die meisten, nämlich 276 364 jener Personen, die im Ausland geboren wurden und jetzt in Schweden leben, sind zwischen 25 und 34 Jahre alt. Auch die Gruppe der 35 bis 44 ist ähnlich stark. Beachtlich ist ebenso, dass die über 65 Jährigen mit rund 201 000 eine große Gruppe sind.403 Im Vergleich dazu ist diese Gruppe der über 65 Jährigen die stärkste der schwedischen Bevölkerung, gefolgt von den 35-44 Jährigen.404 Bildungsstand Der Bildungsstand der nach Schweden Immigrierten ist sehr hoch. Im Jahr 2010 hatten die meisten der im Ausland geborenen eine drei Jahre oder länger dauernde „post-secondary“-Ausbildung. Auch von jenen Migranten, die bereits in Schweden geboren wurden, weisen die meisten zumindest eine „upper secondary education“ auf.405 401 Vgl. http://www.ssd.scb.se/databaser/makro/SaveShow.asp, abgerufen am 12.2.2012. 402 Vgl. ebd. 403 Vgl. ebd; Vgl. Statistics Sweden: Finding Statistics. , abgerufen am 15.2.2012. 404 Vgl. , abgerufen am 15.2.2012. 405 Statistics Sweden: Finding Statistics. , abgerufen am 15.2.2012. 406 Vgl. Reinfeld, Fredrik: Egenmakt mot utanforskap – regeringens strategi för integration. Stockholm 2008. , abgerufen am 15.9.2011. 407 Vgl. Parusel, Bernd: Länderprofil Schweden. focus Migration, 18/2009. , abgerufen am 18.3.2011, S. 5. 408 Vgl. Reinfeld, Fredrik: Egenmakt mot utanforskap – regeringens strategi för integration.

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gestaltung werden in der gesamten Strategie betont, wobei vor allem die eingeräumte Bedeutung der Wissenschaft im Bereich der Integration die schwedische Integrationspolitik auf relevante Ergebnisse hoffen lässt. Erklärtes Ziel der Strategie ist es, gleiche Rechte, Pflichten und Möglichkeiten für alle, ungeachtet ihres ethnischen oder kulturellen Hintergrundes, zu gewährleisten.409 Im Zentrum steht dabei, Integration durch eine rasche und erfolgreiche Einbindung in den Arbeitsmarkt zu bewerkstelligen.410 Spracherwerb, Bildung und insbesondere Nicht-Diskriminierung, sind als Bedingungen zu verstehen, die das Ziel der Einbindung in den Arbeitsmarkt ermöglichen. Aus- und Weiterbildung sowie eine aktive Stellenvermittlung haben daher hohen Stellenwert in der Integrationspolitik.411 In der Strategie werden insgesamt sieben Handlungsfelder formuliert, die dann im Rahmen von konkreten Umsetzungsmaßnahmen in die Realität zu transferieren sind: • Schnellere Einführung von Neuankömmlingen; • Mehr MigrantInnen im Arbeitsmarkt, mehr MigrantInnen als UnternehmerInnen; • Bessere Resultate und größere Gleichheit in der Schule; • Bessere Sprachkenntnisse und mehr Möglichkeiten zur Erwachsenenbildung; • Effektive Anti-Diskriminierungsmaßnahmen; • Entwicklung von städtischen Bezirken mit extensiver sozialer Exklusion; • Gemeinsame Grundwerte in einer Gesellschaft, die durch zunehmende Diversität gekennzeichnet ist.412 Im Hinblick auf die Umsetzung wird ein multidisziplinärer Zugang formuliert, der betont, dass die Ziele der Integrationspolitik nur durch Maßnahmen in verschiedenen Politikbereichen und von verschiedenen Stellen erreicht werden können.413 Dies führte dann auch zu einer entsprechenden Gesetzgebung und es wurden im Herbst 2010 drei für den Bereich Integration bedeutsame legislative Maßnahmen beschlossen. Erstens wurde ein Gesetz verabschiedet, das es den Gemeinden erlaubt, einen leistungsorientierten Bonus für neue Zuwanderer auszuzahlen, wenn diese im Kurs „Schwedisch für Einwanderer“ mit einer bestimm-

409 Vgl. Regeringskansliet: Integration. , abgerufen am 17.3.2011. 410 Vgl. Parusel, Bernd: Länderprofil Schweden, S. 5. 411 Vgl. ebd. 412 Vgl. Ministry of Integration and Gender Equality: Swedish integration policy. 2009. , abgerufen am 6.8.2011; Reinfeld, Fredrik: Egenmakt mot utanforskap – regeringens strategi för integration, S. 4. 413 Vgl. ebd., S. 5.

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ten Note innerhalb eines Jahres abschließen.414 In diesem Kurs wird nicht nur die Sprache gelehrt, sondern es werden auch Kenntnisse über die schwedische Gesellschaftsordnung und Tradition vermittelt.415 Ziel ist es also, durch dieses Anreizsystem die Motivation, sich zu integrieren, zu steigern. Ein weiteres Gesetz beinhaltet die Maßnahme einer „gesellschaftlichen Orientierung“ im Umfang von 60 Stunden für Neuankömmlinge.416 Nach diesem Gesetz sind die Gemeinden verantwortlich, den erwähnten Kurs zur „gesellschaftlichen Orientierung“ anzubieten, wobei es erklärtes Ziel ist, den Teilnehmenden Wissen im Bereich Menschenrechte, demokratische Grundwerte, Rechte und Pflichten der Einzelnen und allgemeine gesellschaftliche Werte sowie nützliche Hinweise und Tipps für das tägliche Leben zu vermitteln. Drittens wurde ein Gesetz verabschiedet, das die Einführung von neu angekommenen Zuwanderern in die schwedische Gesellschaft und den schwedischen Arbeitsmarkt fördern soll.417 Die diesbezügliche Reform sieht stärkere persönliche Anreize vor, um eine Beschäftigung zu finden bzw. um an Programmen zur Vorbereitung für eine Beschäftigung teilzunehmen. Professionelle und persönliche Unterstützung bei der Eingewöhnung, das rasche Erlernen der schwedischen Sprache sowie die Vermittlung von Rechten und Pflichten in Schweden sollen den möglichst unverzüglichen Eintritt in den Arbeitsmarkt ermöglichen. Dem schwedischen Arbeitsmarktservice (Schwedisch: Arbetsförmedlingen) kommt in diesem Prozess eine zentrale Verantwortung und eine koordinierende Rolle zu. Der integrationspolitische Umsetzungsbericht von 2010 nimmt in einem Punkt direkten Bezug auf die Streitkräfte. Im Abschnitt „Maßnahmen gegen Diskriminierung“ werden die Streitkräfte explizit als Bereich des öffentlichen Sektors genannt, welcher einen relativ geringen Anteil an MigrantInnen aufweist. „Mit mehr als 220 000 Mitarbeitern ist der Staat ein wichtiger Arbeitgeber. Der Anteil der Beschäftigten mit ausländischer Herkunft hat sich zwischen 2002 und 2009 um 2,2 Prozentpunkte erhöht. Unter den neuen Mitarbeitern war der Anstieg sogar noch größer, 4,5 Prozentpunkte. Im Jahr 2009 hatte nahezu jeder fünfte neue Mitarbeiter ausländische Herkunft. Jeder zwanzigste Regierungsangestellte und fast jeder zehnte neue Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes. (…) Allerdings gibt es große Unterschiede in den einzelnen Bereichen des öffentlichen Sektors. Die Universitäten sind durch einen hohen Anteil von Ar-

414 Vgl. Migrationsverket: EMN Policy Report 2010: Sweden. 2011. , abgerufen am 20.1.2012. 415 Vgl. Parusel: Länderprofil Schweden, S. 5. 416 Vgl. Migrationsverket: EMN Policy Report 2010: Sweden, S. 15-16. 417 Vgl ebd.

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beitnehmern ausländischer Herkunft gekennzeichnet, während der militärische und der betriebswirtschaftliche Sektor geringe Anteile zu verzeichnen haben.“418

Exkurs: Verwaltung – Institutionalisierung In der schwedischen Regierung wurde ein eigenes Ressort für Integration und Arbeit eingerichtet, was den starken Konnex zwischen Integration und Beschäftigung verdeutlicht. Darüber hinaus ist jedoch jeder/jede MinisterIn und jede Behörde verantwortlich, Integrationsagenden im jeweiligen Bereich selbstständig wahrzunehmen,419 wobei das Ministerium für Integration im Rahmen der Umsetzung der Integrationspolitik eine koordinierende Rolle einnimmt. Das schwedische Arbeitsmarktservice, eine Regierungsagentur mit besonderer Relevanz im Rahmen der Integrationspolitik, ist dem Integrations- und Arbeitsministerium zugeordnet.420 Im Verantwortungsbereich des Ministeriums liegen die Einführung von neu angekommenen Einwanderern in Schweden, das schwedische Staatsbürgerschaftsrecht, der Kampf gegen Diskriminierung und Rassismus, die Verbreitung von Demokratie und Menschenrechten und die Problemlösung in städtischen Bezirken mit sozialer Exklusion sowie die Evaluierung und Weiterentwicklung der Integrationspolitik.421 Auf lokaler Ebene kommt den Gemeinden und ihren Institutionen Bedeutung bei der Integration von Zuwanderern zu.422 Im Vorfeld der eigentlichen Integrationsarbeit ist die Regierungsagentur für Migration (Schwedisch: Migrationsverket) für die Regelung der Einwanderung und Niederlassung verantwortlich.423 Bedeutung des sozialen Zusammenhalts und die Rolle der Streitkräfte „Sozialer Zusammenhalt“ steht in der Integrationsstrategie von 2008 (Empowerment gegen Ausgrenzung – Regierungsstrategie für Integration) sowie im Umsetzungsbericht von 2010 zwar nicht im Vordergrund, wird aber mehrfach explizit angesprochen. Beispielhaft sei folgende Passage angeführt:

418 Reinfeld, Fredrik: Egenmakt mot utanforskap – redovisning av regeringens strategi for integration. Stockholm 2010. , abgerufen am 15.9.2011. 419 Vgl. Ministry of Integration and Gender Equality: Swedish integration policy. 420 Vgl. ebd. 421 Vgl. ebd. 422 Vgl. ebd. 423 Vgl. Migrationsverket: Our vision and mandate. , abgerufen am 17.3.2011.

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„Der Zusammenhalt der Gesellschaft muss gestärkt und Ausgrenzung überwunden werden. Durch die Stärkung der Beziehung der Menschen zu Fragen der Demokratie und der Menschenrechte werden auch der Zusammenhalt und die gemeinsamen Werte gestärkt.“424

Es kann konstatiert werden, dass die Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts ein zentrales Ziel der schwedischen Integrationspolitik darstellt. Ein direkter Zusammenhang zwischen „gesellschaftlichem Zusammenhalt“ und der Integration von Personen mit Migrationshintergrund in den Streitkräften ist in keinem der untersuchten Dokumente enthalten. Das Gleiche kann jedoch auch für andere spezifische Tätigkeitsfelder aus dem Bereich des öffentlichen Dienstes gesagt werden – auch über diese findet sich nichts in den Dokumenten. Thematisiert wird hingegen die Bedeutung des öffentlichen Dienstes in seiner Gesamtheit, wobei hier auch die (Berufs)Armee eingeschlossen ist. So wird in der Integrationsstrategie von 2008 „die Sicherung des sozialen Zusammenhalts“ als eine strategische Herausforderung für den öffentlichen Sektor betrachtet.425 In diesem Zusammenhang wird das Erfordernis betont, den öffentlichen Dienst dahingehend vorzubereiten, dass dieser vor dem Hintergrund eines zunehmend komplexer werdenden sozialen Umfelds und einer Gesamtbevölkerung, die durch ethnische und religiöse Vielfalt geprägt ist, weiterhin handlungsfähig bleibt.426 Die Notwendigkeit hinsichtlich einer breiteren sprachlichen Kompetenz im öffentlichen Sektor wird als eine diesbezügliche Maßnahme genannt.427 Diese Analyse und die zugehörige Forderung können zwar durchaus auch auf die Streitkräfte übertragen werden, werden jedoch in besagten Dokumenten nicht explizit angesprochen. Somit haben die schwedischen Streitkräfte im Rahmen der integrationspolitischen Maßnahmen keine wesentlichen Funktionen zu erfüllen. Die Schwedischen Streitkräfte In Ableitung von den Regierungsdokumenten und den politischen Konzepten im Bereich der Integration stehen die Streitkräfte Schwedens nicht im Mittelpunkt integrationspolitischer Maßnahmen, gewinnen jedoch gerade wegen der Umstellung des Wehrsystems an Bedeutung. Aufgrund dieser Neuorganisation des 424 Reinfeld, Fredrik: Egenmakt mot utanforskap – regeringens strategi för integration, S. 59. 425 Vgl. ebd., S. 31. 426 Die Passage lautet (übersetzt): „Die Anpassung des öffentlichen Dienstes in Anbetracht dieses komplexeren Umfelds und der Sicherung des sozialen Zusammenhalts in einer Bevölkerung, die durch ethnische und religiöse Vielfalt gekennzeichnet ist, wird die strategische Herausforderung für den öffentlichen Sektor in den kommenden Jahren sein.“ 427 Vgl. Reinfeld, Fredrik: Egenmakt mot utanforskap – regeringens strategi för integration, S. 31.

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Wehrsystems befindet sich das schwedische Heer derzeit in einer entscheidenden Transformationsphase, was sich in weiterer Folge auch auf die streitkräfteinternen Integrationskonzepte auswirken kann und wird. Trotz dieser Tatsache sei allerdings nochmals betont, dass die gesamtstaatlichen Konzepte keine Integrationsmaßnahmen im Bezug auf die Streitkräfte vorsehen. Doch auch wenn darin die Aspekte des sozialen Zusammenhaltes nicht primär mit den Streitkräften verbunden sind, so wird dennoch impliziert dargestellt, dass die demographischen Veränderungen und die damit einhergehenden beabsichtigten und nicht beabsichtigten Folgen auch die Streitkräfte betreffen (werden). Das schwedische Wehrsystem Ein wichtiger Aspekt der Sicherheitspolitik des Königreiches Schweden ist das Modell der Neutralität, das weniger auf einer verfassungsrechtlichen Grundsatzbestimmung, sondern vielmehr auf der pragmatischen Auslegung der außenpolitischen Orientierung seit Beginn des 19. Jahrhunderts beruht. So wird die Neutralität im ersten Teil der Verfassung nicht erwähnt, jedoch finden sich mehrere Paragraphen, die das Regieren des Landes während des Kriegszustandes reglementieren.428 Die schwedische Neutralität wurde seit dem Ende des Kalten Krieges wenig rigoros praktiziert und zeichnet sich durch einen politischen Pragmatismus einer Allianzfreiheit aus.429 Diese Vorgehensweise wurde durch den EUBeitritt im Jahr 1995 noch bestärkt, da damit verbunden das schwedische Parlament eine Solidaritätsklausel verabschiedet hat, die vorschreibt, dass man anderen EU- oder nordischen Staaten im Falle eines Konfliktes oder einer Naturkatastrophe entsprechende Unterstützung leisten wird. Auch die Veränderungen der globalen und europäischen Sicherheitspolitik wirkten sich schließlich auf die Verteidigungspolitik und somit auf das Wehrsystem aus.430 Im Allgemeinen durchlief die Verteidigungspolitik Schwedens seit den 1990er Jahren mehrere Modifikationsphasen, wobei der wesentlichste Wendepunkt mit der Aussetzung der Wehrpflicht im Jahre 2009 erfolgte. Zwei wichtige Wandlungsphasen wurden durch die Verteidigungsresolutionen in den Jahren 1995 und 1996 für die Jahre 1997-2001 eingeleitet. Unter anderem wurden darin die militärische und die zivile Verteidigung den neuen sicherheitspolitischen Bedingungen angepasst. Insbesondere wurde vor dem Hintergrund der Kriege 428 Vgl. Verfassungen des Königreiches Schweden. , abgerufen am 5.2.2012. 429 Vgl. Schüngel, Daniela: Schwedens Sicherheitspolitik im Wandel – Zwischen militärischer Allianzfreiheit, NATO und ESVP. HSFK-Report, 14/2005. , abgerufen am 5.2.2012, S. 10f. 430 Vgl. Tolgfors, Sten im Interview mit Otmar Lahodynsky. In: Profil: „Das Wehrsystem kam teuer“, 16.2.2011. , abgerufen am 20.11.2012.

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auf dem Balkan im Zuge des Zerfalls des sozialistischen Jugoslawien die Notwendigkeit der Streitkräfte, sich künftig verstärkt auf internationale Operationen auszurichten, bekundet. Jedoch wurden auch die Besonderheiten der schwedischen Verteidigungspolitik betont, die sich durch die große Staatsfläche und der in Relation zu dieser Größe kleinen Bevölkerung definiert.431 Im Jahr 1997 wurde dann vom Oberkommando eine umfassende Untersuchung aller sicherheitspolitisch relevanten Faktoren angeordnet, um die richtigen Verteidigungskonzepte für das 21. Jahrhundert entwickeln zu können. Basierend auf den Beurteilungen des Verteidigungspolitischen Ausschusses, der zur Einsicht gelangte, dass in absehbarer Zukunft mit keiner militärischen Konfrontation auf dem schwedischen Hoheitsgebiet zu rechnen sei, wurde im Jahr 1999 eine neue Konzeption für die Streitkräfte erarbeitet. Ziel dieses Models war eine bessere Verwendung und Einsatzfähigkeit von operativen Einheiten auf der Basis von politischen Vorgaben.432 Eine essentielle Änderung leitete der Bericht der Verteidigungskommission „Denfece in Use“ vom Juni 2008 ein. Darin wurde unter anderem eine Reform des Personalwesens, der Aufbau von leichten Kampfeinheiten, eine umfassende Zusammenarbeit im Baltischen Raum sowie eine bessere Koordinierung der zivil-militärischen Agenden beschlossen. Auf der Grundlage dieses Berichtes wurde von der Regierung am 19. März 2009 der Beschluss „A functional defence 2008/09:140“ erlassen. Darin wurde die Aussetzung der Wehrplicht verabschiedet und gleichzeitig eine völlig neue politische Stoßrichtung für die Streitkräfte und deren Organisation definiert. Schweden betreibt somit seit 1. Juli 2010 eine reine Freiwilligenarmee, wobei der schwedischen Regierung das Recht vorbehalten ist, bei gegebenen Umständen die Wehrplicht wieder einzuführen, was zur Folge hat, dass Wehrpflichtige weiterhin registriert werden.433 Erwähnenswert ist hier auch, dass im Falle eines solchen Wiederinkrafttretens der Wehrplicht sich diese auch auf Frauen beziehen würde.434 Wesentliche Gründe für die Aussetzung der Wehrplicht waren die Veränderungen der sicherheitspolitischen Parameter sowie die Einsparungen aufgrund des kostengünstigeren Modells des Freiwilligenheeres.435

431 Vgl. Jane’s: Armed forces (Sweden), Armed forces. , abgerufen am 5.2.2012. 432 Vgl. ebd. 433 Vgl. Bericht über die Enquete „Europäische Wehrsysteme im Vergleich“, S. 28. 434 Vgl. Government Office of Sweden: Sweden – From Conscription to All Voluntary Forces, Power Point Präsentation im Rahmen der Enquete über Wehrsysteme, Dezember 2010. 435 Vgl. ebd.

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Die im oben erwähnten Konzept beschriebenen Maßnahmen gehen allerdings noch weiter. Sie umfassen einen Zeithorizont von 2010 bis 2014 und sehen eine Neuorganisation der Streitkräftestruktur vor. Die Streitkräfte sollen sich aus einer operativen Organisation, die sich einerseits aus ständig beschäftigtem Personal und andererseits aus auf Zeit befristeten SoldatInnen zusammensetzt, bestehen. Zusätzlich wird es bei den schwedischen Streitkräften einen Heimatschutz (Home Guard) mit der dazugehörigen und neu aufgestellten nationalen Schutz/Sicherheitstruppe (national protection forces436/national security forces437) geben. Bei den ständigen Einheiten handelt es sich um vollzeitbeschäftigtes Personal, das in einer ständigen Bereitschaft zur Verfügung stehen soll. Somit sind diese Truppenteile für schnelle Operationen innerhalb und außerhalb Schwedens einsetzbar. Jene SoldatInnen, die einen zeitlich befristeten Vertrag haben, werden hauptsächlich das Spektrum der Ausbildung, Übungen und Einsätze abdecken.438 Neben diesen aktiven Einheiten bildet der Heimatschutz mit seinen nationalen Schutztruppen einen integralen Bestandteil des schwedischen Wehrsystems. Erklärte Aufgabe ist „guarding and protecting Sweden’s infrastructure“.439 Der Heimatschutz wird auf dem gesamten Staatsgebiet eingesetzt und soll den Streitkräften unter anderem bei der Brandbekämpfung, bei Naturkatastrophen sowie beim Transportschutz, aber auch bei klassischen militärischen Aufgabenbereich wie z.B. bei der Aufklärung, der Zielerfassung und der Steilfeuerunterstützung bei Bedarf zur Seite stehen. Die militärischen Aufgaben werden allerdings den nationalen Schutztruppen vorbehalten sein, wobei diese innerhalb von 24 Stunden einsatzbereit sein sollen. Betont wird der gesellschaftliche Aspekt des Heimatschutzes. In einer offiziellen Informationsbroschüre der schwedischen Streitkräfte werden Angehörige des Heimatschutzes als „SoldatInnen der Gesellschaft“ (society’s soldiers) bezeichnet. Rekrutiert werden die SoldatInnen aus der lokalen Bevölkerung auf freiwilliger Basis.440 „The traditional Home Guard will continue to serve as a voluntarily support society in peace time and as supplement to the national protection forces in times of war.“441 Angehörige der Home Guard werden in speziellen Ausbildungszentren für die Aufgaben vorbe436 Vgl. Regeringskansliet: A functional defense – Government Bill on the future focus of defence. A focus that extends over a five-year period, 2010-2014, , abgerufen am 5.2.2012, S. 1. 437 Vgl. Swedish Armed Forces: The Pocket Guide to the Swedish Armed Forces. 2009, S. 38. 438 Vgl. Regeringskansliet: A functional defense – Government Bill on the future focus of defence, S. 1. 439 Swedish Armed Forces: The Pocket Guide to the Swedish Armed Forces, S. 38. 440 Vgl. ebd. 441 Regeringskansliet: A functional defense – Government Bill on the future focus of defence, S. 2.

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reitet und RekrutInnen müssen mindestens 20 Stunden pro Jahr Dienst leisten. Die Ableistung des Militärdienstes und somit auch die Verwendung in der Home Guard erfordern eine minimale Ausbildungszeit von 85 Tagen und ein Mindestalter von 18 Jahren.442 Was die schwedische Staatsbürgerschaft anbelangt, so ist diese ebenfalls eine Voraussetzung für den Dienst in den Streitkräften.443 Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass seit dem Jahr 2001 in Schweden auch Doppelstaatsbürgerschaften erlaubt sind.444 Personalstand Die auf der offiziellen Internetseite zugänglichen Zahlen der Streitkräfte beziehen sich auf das Jahr 2009. Demnach sah die Verteilung der Personalstärke auf die einzelnen Teilstreitkräfte folgendermaßen aus: Armee 16 300, Marine 3 800, Luftwaffe 3 200, Kommando 5 300, Logistik 5 400 und Home Guard 38 000.445 Diese Personalstärke soll jedoch in den kommenden Jahren bis auf etwa 50 000 SoldatInnen Gesamtstand reduziert werden.446 Davon sollen künftig etwa 30 000 SoldatInnen dem Heimatschutz angehören. Ohne genaue Angabe darüber, wann die Zahl erhoben wurde, wird bekundet, dass es etwa 18 000 Personen bei den schwedischen Streitkräften gibt, von denen 7 000 Zivilangestellte sind.447 Im internationalen Vergleich weisen die schwedischen Streitkräfte mit 18% einen relativ hohen Frauenanteil auf.448 Dies ist auf das gezielte „diversity management“ im Bereich des Geschlechterverhältnisses zurückzuführen. In Schweden wurde z.B. das „Nordic Defence Cooperation Centre for Gender in Military Operations“ im internationalen Zentrum der Streitkräfte in Kungsängen etabliert.449 In den schwedischen Streitkräften müssen SoldatInnen im Rahmen der Vorbereitung auf einen anstehenden Auslandseinsatz Schulungen im Bereich der 442 Vgl. Swedish Armed Forces: The Pocket Guide to the Swedish Armed Forces, S. 38. 443 Vgl. Migrationsverket: Dual or multiple citizenship. , abgerufen am 17.3.2011. 444 Vgl. Regeringskansliet: Swedish Citizenship. , abgerufen am 17.3.2011. 445 Vgl. Swedish Armed Forces: The Pocket Guide to the Swedish Armed Forces, S. 12. 446 Vgl. Center for Security Studies, EHT Zürich: Streitkräftetransformation neutraler und Allianzfreier Staaten – Schweiz, Schweden, Österreich, Finnland und Irland im Vergleich. Zürich 2010. , abgerufen am 6.2.2012, S. 42. 447 Vgl. Swedish Armed Forces: Joining the Armed Forces. , abgerufen am 5.2.2012. 448 Vgl. Weißensteiner, Nina: Schwedisches Einrichten zum Diskontpreis. In: Der Standard 21./22.1.2012; sowie Daag, Nils (Schwedischer Botschafter und Ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen in Wien). Podiumsdiskussion LVAk, 6.3.2012. 449 Vgl. NATO: Swedish Centre for Gender to open. , abgerufen am 7.3.2012.

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Geschlechterthematik absolvieren.450 Somit ist dieses Zentrum national aber auch im internationalen Kontext im Bereich des breiten Spektrums der GenderProblematik beim Militär federführend. Freiwilligensystem Nach der Aussetzung der Wehrplicht wurde für Freiwillige die Möglichkeit konzipiert, einen dreimonatigen Grundwehrdienst zu leisten, nach dessen Ableistung die Möglichkeit besteht, SoldatenIn, MatrosIn oder ReservistIn zu werden oder eine Ausbildung im Heimatschutz oder die Offiziersausbildung anzutreten. Dieses vorgesehene Freiwilligensystem wird allerdings erst Ende des Jahres 2012 implementiert sein.451 Die Daten der Auswertung aus der ersten Rekrutierungsphase deuten gegenwärtig auf eine positive Situation hin, wobei sich nach Aussagen des schwedischen Verteidigungsministers zum ersten Ausbildungstermin 2011 etwa 6 700 Personen für 800 Plätze gemeldet haben. Die Auswahl fiel auf 832 BewerberInnen, davon hundert weibliche. Für den zweiten Termin meldeten sich 3 100 BewerberInnen, von denen 410 Personen künftig als SoldatInnen in den schwedischen Streitkräften dienen werden. Auch bei den Offiziersposten gab es ein großes Interesse: Für 60 freie Stellen bewarben sich 410 InteressentInnen.452 Die Rekrutierung nach dem Übergang zum Berufsheer gelang in der ersten Jahreshälfte 2012 problemlos, denn in diesem Zeitraum wollten viele junge SchwedInnen SoldatInnen werden. Allerdings geht man aufgrund der Erfahrung von anderen Ländern davon aus, dass dieser rege Zugang in den nächsten Jahren abklingen könnte und der derzeitige Ansturm als Begleiterscheinung des Wehrsystem-Wechsels gewertet werden kann.453 Angaben darüber, wie viele der sich derzeit bewerbenden Personen einen Migrationshintergrund oder welche Religionszugehörigkeit haben, sind nicht verfügbar. Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass durch die Einführung der Freiwilligenarmee ein neues Beschäftigungsmodell entworfen wurde und im Jahr 2012 vollends zur Anwendung kommt. Dafür wurden auf Grundlage einer Vereinbarung mit der Gewerkschaft Dienstzeiten für vollzeitbeschäftigte SoldatIn450 Vgl. Fant, Claes-Göran: Swedish Armed Forces Gender Equality and Gender Mainstreaming in Swedish Armed Forces, Graz 10.5.2007. , abgerufen am 5.2.2012. 451 Vgl. Government Office of Sweden: Sweden – From Conscription to All Voluntary Forces. 452 Vgl. Tolgfors, Sten im Interwiev mit Otmar Lahodynsky. In: Profil: „Das Wehrsystem kam teuer“, 16.2.2011. , abgerufen am 20.11.2012. 453 Elisson, Patrik, Interview geführt von Hanns Matiasek, Stockholm 14.2.2012.

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nen und MatrosInnen in einer Vertragsdauer von acht Jahren und weiteren vier Jahren beschlossen.454 ExpertInnen schätzen, dass die Streitkräfte einen jährlichen Bedarf von 4 000 freiwilligen Männern und Frauen haben werden. Ziel ist es, permanent 2 000 SoldatInnen auf Auslandseinsätze zu schicken. Somit bleiben die schwedischen Streitkräfte personaltechnisch auch nach der Umstellung des Wehrsystems hin zu einer Freiwilligenarmee einem hohen Druck ausgesetzt. Auslandseinsätze Das internationale Engagement Schwedens in friedensunterstützenden und friedenserhaltenden Missionen sowie das Entsenden von MilitärbeobachterInnen hat Tradition und geht auf die neutrale Position des Landes während des Kalten Krieges zurück.455 Die schwedischen Streitkräfte sind derzeit mit relativ großen Kontingenten im Kosovo und in Afghanistan eingesetzt. Im Kosovo ist Schweden seit Kriegsende im Jahr 1999 engagiert und derzeit mit etwa 450 schwedischen SoldatInnen vor Ort zur Aufrechterhaltung der Sicherheit tätig.456 Die größte Auslandsmission der schwedischen Streitkräfte ist derzeit mit etwa 500 SoldatInnen allerdings Afghanistan, wo Schweden seit 2001 Teil der International Security Assistance Force (ISAF) ist. Wurden zunächst logistische, zivilmilitärische und nachrichtendienstliche Tätigkeiten durchgeführt, so änderte sich im Laufe der Mission das Einsatzspektrum.457 Ein größeres Kontingent der schwedischen Streitkräfte befindet sich derzeit auch in Ungarn. Ungefähr 130 SoldatInnen des Heavy Airlift Wing (HAW), bestehend unter anderem aus Flugmannschaft, Wartungskräften aber auch nachrichtendienstlichem Personal, sind dort im Rahmen der internationalen Kooperation mit elf Staaten tätig.458 Zusätzlich sind schwedische SoldatInnen neben einer Stabsfunktion in Bosnien-Herzegowina, auch als MilitärbeobachterInnen in Kongo, an der pakistanisch-indischen Grenze sowie im Nahen Osten im Einsatz.459 454 Vgl. Government Office of Sweden: Sweden – From Conscription to All Voluntary Forces. 455 Die ersten Militärbeobachter aus Schweden wurden bereits im Jahr 1948 unter UN-Mandat eingesetzt und das erste Kontingent im Rahmen einer Friedensmission wurde 1956 in der Suezkrise herangezogen. Vgl. Swedish Armed Forces: In the World. , abgerufen am 5.2.2012. 456 Vgl. Swedish Armed Forces: Kosovo – KFOR. , abgerufen am 5.2.2012. 457 Vgl. Swedish Armed Forces: Afghanistan – ISAF. , abgerufen am 5.2.2012. 458 Vgl. Swedish Armed Forces: Hungary – Heavy Airlift Wing. , abgerufen am 5.2.2012. 459 Vgl. Swedish Armed Forces: In Sweden. , abgerufen am 5.2.2012.

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BerufssoldatInnen mit Migrationshintergrund Die schwedischen Streitkräfte präsentieren sich als offene und moderne Sicherheitsdienstleister und sind somit attraktive Arbeitgeberin für Personen mit Migrationshintergrund. Trotz der Tatsache, dass migrantische SoldatInnen ein fester Bestandteil der Streitkräfte sind, gibt es gemäß des Leiters des Projektes „open door“,460 Patrick Elisson, keine Angaben über die Anzahl von Personen mit Migrationshintergrund in den Streitkräften. Auch die Religionszugehörigkeit wurde als Merkmal bei der Erfassung des Personals in den Streitkräften nie erhoben. Demnach gibt es bezüglich des Migrationshintergrundes und den unterschiedlichen Glaubenszugehörigkeiten weder empirisch belegbares Datenmaterial auf der Ebene der Bataillone oder der Garnisonen, noch grobe Zahlenangaben, die auf Schätzungen beruhen.461 Dienstvorschriften und Erlässe Im Bereich spezieller Dienstvorschriften, Erlässe oder schriftlicher Richtlinien für SoldatInnen mit Migrationshintergrund existiert ein Dokument zum Thema „Gender Equality and Diversity“, das alle Formen – auch von rechtlich verankerter – Diskriminierung behandelt.462 Das Dokument umfasst neben Richtlinien bezüglich freier Religionsausübung bzw. der freien Entscheidung, nicht an religiösen Veranstaltungen teilnehmen zu müssen, auch Regelungen über religiöse Feiertage und damit einhergehender Freistellung vom Dienst sowie über Essensvorschriften und Gebetsräume. Letztere entbehren jeglicher religiöser Symbole und stehen den SoldatInnen zur freien Religionsausübung zur Verfügung. Betreut werden sie zwar von schwedischen ProtestantInnen – diese arbeiten aber mit VertreterInnen anderer Religionen zusammen.463 Grundsätzlich ist das Tragen der Uniform für alle in gleicher Weise verpflichtend und wird streng kontrolliert, Ausnahmen werden aber ermöglicht. So gab es beispielsweise eine weibliche Soldatin, der das Tragen eines religiösen Kopftuches erlaubt war. Auch Vorschriften für den Haarschnitt oder das Barttragen sind so gestaltet, dass den SoldatInnen eine gewisse Freiheit zukommt – die Grenze ist allerdings dort, wo Vorschriften der Sicherheit dienen und somit strikt eingehalten werden müssen.464 460 Das Projekt „open door“ wurde initiert, um konkret MigrantInnen für die Streitkräfte zu gewinnen und wird weiter unten ausführlicher dargestellt. 461 Elisson, Patrik, Interview 14.2.2012. 462 Human Resources Centre der schwedischen Streitkräfte, schriftliche Auskunft, 28.2.2012, Inhalt wurde von Katharina Leitner vom Englischen ins Deutsche übersetzt. 463 Ebd. 464 Ebd.

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Integrationsmaßnahmen Wie aus den integrationspolitischen Konzepten und Maßnahmen hervorgeht, wird der öffentlichen Verwaltung generell keine wesentliche Bedeutung bei der Integration von Zuwanderern in die Mehrheitsstrukturen beigemessen. In diesem Zusammenhang haben daher auch die Streitkräfte, von einer gesamtstaatlichen Perspektive betrachtet, keine Funktion, die sich von grundsätzlichen Konzeptpapieren ableiten ließe. Dass jedoch die schwedischen Streitkräfte im Allgemeinen eine besondere Beziehung zur Gesellschaft haben und dies auch nach der Umstellung auf die Freiwilligenarmee betont wird, zeigt die Erwähnung der besonderen Verbundenheit des Heimatschutzes mit der Gesellschaft.465 Trotzdem wird auf der konzeptuellen Ebene eine mögliche integrationspolitische Rolle des Militärs nicht behandelt. Ein sehr wichtiger Aspekt der Streitkräfte Schwedens ist die Hervorhebung der Chancengleichheit für alle gesellschaftlichen Gruppen. Unter dem Schlagwort „Kernwerte“ werden vom schwedischen Militär Werthaltungen, eine Art ethischer Richtlinien, vorgestellt, die das Auftreten nach Außen und den Umgang miteinander regeln sollen: „Our core values are the starting point for everything we do within the Swedish Armed Forces. They influence the way we work and how we treat each other and how we behave on the international stage.“466 Zu den Kernwerten zählen die Gleichheit aller und somit die Gleichberechtigung zwischen Männer und Frauen, aber auch zwischen Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft und SoldatInnen mit Migrationshintergrund: „Everyone within the Swedish Armed Force is to be given the opportunity to be happy, enjoy personal development and do a good job. Every individual, irrespective of gender, age, ethnic origins, religious convictions, sexual orientation, skin colour, service grade or 467 similar is to be respected and treated equally.“

Die „Kernwerte“ basieren auf drei Schlüsselkonzepten a) „Offenheit – Kooperation, Ehrlichkeit, Vertrauen“; b) „Ergebnisse – kreieren, liefern, klar sein“; c) „Verantwortung – geben, nehmen, fordern“.468 Im Zusammenhang mit diesen Werten wird die kulturelle Vielfalt in den Streitkräften ausdrücklich als eine Stärke und somit als ein Vorteil verstanden, weshalb es gilt, jegliche Art der Diskriminierung zu unterbinden. Interessant scheint der Hinweis auf den gesellschaftlichen Kontext: „Cultural diversity is a 465 Siehe auch oben. 466 Swedish Armed Forces: Core Values. , abgerufen am 6.2.2012. 467 Ebd. 468 Vgl. ebd.

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strength for us. We do not accept certain values, such as views that entail discrimination and deliberate harassment of employees or citizens.“469 Antidiskriminierung wird vor allem im Zuge von Rekrutierungsmaßnahmen besonders hervorgehoben, wobei die Aufnahme von SoldatInnen mit Migrationshintergrund eine entscheidende Rolle spielt. Für die Jahre 2008 und 2009 wurde ein gemeinsamer Aktionsplan der Streitkräfte, des National Defence College und der Service-Administration der Streitkräfte für Gleichstellung und gegen Diskriminierung erstellt.470 Im Bereich der Rekrutierung wird das Ziel verfolgt, die Gleichstellung zwischen Männern und Frauen sowie Maßnahmen gegen Diskriminierung in jeder Phase des Rekrutierungsprozesses sichtbar zu machen. Die Bekämpfung von Diskriminierung soll dabei einen zentralen Bestandteil innerhalb der Aufgaben der Rekrutierungsbehörden einnehmen. Als diesbezügliche Maßnahme wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit Fragen der Gleichbehandlung und Diskriminierung im Rahmen der Musterung und der Rekrutierung für die Offiziersausbildung befasst.471 Neben allgemeinen Zielsetzungen und Maßnahmen gegen Diskriminierung wird auch auf ethnische Herkunft Bezug genommen. So soll der Diskriminierung auf Basis der ethnischen Zugehörigkeit besondere Aufmerksamkeit in Zusammenhang mit internationalen Operationen gewidmet werden. Bezüglich dieses Ziels ergeht der Auftrag, Maßnahmenvorschläge zu entwickeln, um den Anteil von OffizierInnen mit nicht schwedischem Hintergrund zu erhöhen.472 Diese Überlegungen zeugen davon, dass der Bedarf an SoldatInnen mit Migrationshintergrund auch in den Offiziersrängen steigen wird. Ungewöhnlich dabei ist jedoch, dass angedachte Maßnahmen vor dem Hintergrund der Diskriminierung aufgearbeitet wurden, was im Allgemeinen die strenge Gleichbehandlungsgesetzgebung sowie die weitverbreitete Toleranz gegenüber Angehörigen von Minderheiten ausdrückt. Rekrutierungsmaßnahmen Im Rahmen der Antidiskriminierungsmaßnahmen wurde bereits das Vorhaben, Personen mit Migrationshintergrund für die Streitkräfte zu gewinnen, zum Ausdruck gebracht.473 Patrick Elisson äußert sich dahingehend, dass es bereits viele 469 Ebd. 470 Vgl. Försvarshögskolan: Försvarsmaktens, Försvarshögskolans och Totalförsvarets pliktverks gemensamma handlingsplan for jämställdhet och mot diskriminering. 28.01.2008. , abgerufen am 25.8.2011. 471 Vgl. ebd., S. 5. 472 Vgl. ebd. 473 Die in diesem Kapitel erwähnten und verwendeten Erkenntnisse basieren auf einem Dokument in Form einer Powerpoint Präsentation, die Patrik Elisson zur Aufarbeitung

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Überlegungen gab, dieses Ziel zu erreichen, erste strategisch-konzeptuelle Maßnahmen wurden allerdings erst mit der Initiierung des Projektes „open door“, in dem er als Projektleiter fungiert und das im Frühjahr 2012 startete, umgesetzt.474 Die Aufnahme von Personen der Zielgruppe in das Ausbildungsprogramm erstreckt sich auf den Zeitraum vom November 2012 bis Jänner 2013 und wird in den Ballungsräumen mit hohem Migrationsanteil an vier Standorten durchgeführt. Ziel ist es, 500 Personen mit Migrationshintergrund für die schwedischen Streitkräfte zu werben. Das Programm beinhaltet das Kennenlernen der Streitkräfte ebenso wie zivile Ausbildungselemente, die sich gleichmäßig auf die Ausbildungszeit verteilen. Die Streitkräfte erwarten sich, im Zeithorizont 2013-2014 insgesamt 300 Personen in einem 50:50 Verhältnis von Männern und Frauen für das Militär zu gewinnen. Im Rahmen dieses Projektes sollen Jugendliche mit Migrationshintergrund die Möglichkeit haben, für drei Monate die Streitkräfte auf freiwilliger Basis kennen zu lernen. Diese militärische „Schnupperphase“ ist zwar nicht an die bereits laufende dreimonatige militärische Grundausbildung gebunden, es besteht jedoch danach sehr wohl die Möglichkeit, in die Grundausbildung einzusteigen und einen vorgegebenen Karriereweg zu beschreiten. Die Hauptgründe für die Durchführung des Projektes sind einerseits der demographische Wandel Schwedens und andererseits die Tatsache, dass außereuropäische Sprachen und Kulturen für die Streitkräfte im Rahmen von Auslandseinsätzen zunehmend an Relevanz gewinnen. Deshalb richtet sich dieses Projekt primär an Jugendliche und junge Erwachsene, die einen außereuropäischen Hintergrund haben und keiner Beschäftigung nachgehen. Um diese arbeitslosen Jugendlichen zielgerichtet ansprechen zu können, wurde eine Zusammenarbeit mit dem Arbeitsmarktservice etabliert. Die Streitkräfte und das Arbeitsmarktservice sind auch die Geldgeber des Projektes. Das Projekt bietet daher unterschiedliche Synergieeffekte. Einerseits haben die Streitkräfte die Möglichkeit, sich als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren und im Hinblick auf mögliche Auslandseinsätze Kontakt zur relevanten Zielgruppe herzustellen. Andererseits haben interessierte Jugendliche die Chance, die Streitkräfte zu testen und durch die Absolvierung dieser Trainingsphase ihre Chancen am Arbeitsmarkt zu erhöhen, falls sie sich nicht weiter für die Armee verpflichten wollen. Die Projektziele beinhalten demnach sowohl eine militärische, als auch eine zivile Komponente, was zur Folge hat, dass die Nutznießerder vorliegenden Studie zur Verfügung stellte und Hanns Matiasek am 14.2.2012 persönlich überreichte. Das Dokument wurde von Matiasek vom Schwedischen ins Deutsche übersetzt. Da außer diesem Dokument keine weiteren Quellen für die Erstellung dieses Arbeitsteils verwendet wurden, wird in diesem Kapitel, außer es handelt sich um ein wörtliches Zitat, nicht weiter zitiert. 474 Elisson, Patrik, Interview 14.2.2012.

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Innen dieses Projektes neben dem Militär auch die Gesellschaft und insbesondere die einzelnen TeilnehmerInnen sind. Da es sich bei der Initiative „open door“ um ein Gemeinschaftsprojekt mit dem Arbeitsmarktservice handelt, ist dieses auch für die Zuweisung von Personen zu den Streitkräften verantwortlich. Die Streitkräfte stellen Kontaktpersonen in den Zweigstellen sowie Informationsmaterial zur Verfügung. Die TeilnehmerInnen des Projektes erhalten finanzielle Zuwendung in der Höhe ihrer Arbeitslosenunterstützung. Voraussetzung für eine Teilnahme am Projekt ist die schwedische Staatsbürgerschaft und ein einwandfreier Leumund. Das Programm kann jederzeit unterbrochen werden. Ferner gibt es keine Befehle und Disziplinarmaßnahmen, allerdings ist eine „Ausbildungsvereinbarung“ von den TeilnehmerInnen zu unterzeichnen, deren Nichtbeachtung zum Ausschluss aus dem Programm führt. Die Herausforderung bei der Rekrutierung besteht darin, „versteckte“ Personen zu erreichen, weshalb der Wirkung von Vorbildern große Bedeutung zukommt. Spezielle Verwendung Der zweite Hauptgrund für die Anwerbung von Personen mit Migrationshintergrund ist der verstärkte Bedarf an SoldatInnen mit spezifischen kulturellen und sprachlichen Kenntnissen im Hinblick auf die internationalen Operationen. Grundsätzlich ist die Teilnahme von SoldatInnen, die eine Verbindung zum Einsatzland aufgrund ihrer ethnischen Herkunft aufweisen, in internationalen Operationen erlaubt.475 Eine Teilnahme nur aufgrund von speziellen direkten Verbindungen, welche die eingesetzten Kräfte oder die Mission gefährden könnten, kommt nicht in Frage, wobei dies anhand einer Einzelfallprüfung festgestellt wird. Der Wert von sprachlichen und kulturellen Kenntnissen würde aber selbst dann genutzt werden, wenn der/die SoldatIn, der/die über Kenntnisse verfügt, nur in der Vorbereitungsphase eingesetzt wird.476 Somit werden bei Gegebenheiten die Mehrkompetenzen migrantischer SoldatInnen genützt. Die Bereiche, in denen SoldatInnen mit Migrationshintergrund ihre sprachlichen und kulturellen Kenntnisse gezielt einsetzen können, sind neben den klassischen nachrichtendienstlichen Tätigkeiten mittlerweile nahezu alle Tätigkeitsfelder des soldatischen Berufes. Das hängt vor allem mit den gegenwärtigen Einsatzräumen zusammen. Der Bedarf an Zusatzkompetenzen bei internationalen Einsätzen hat rapide zugenommen, weshalb die Nachfrage an SoldatInnen mit Migrationshintergrund gestiegen ist.477

475 Elisson, Patrik, Interview 14.2.2012. 476 Ebd. 477 Ebd.

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Ableitung für den sozialen Zusammenhalt Für die Gewinnung von Daten, für die Untersuchung der Auswirkungen des Dienstes in den Streitkräften, auf den sozialen Zusammenhalt wurden zwei schwedische Soldaten interviewt.478 Einer ist bekennender Moslem, der andere gehört der Glaubensgemeinschaft des Shikhismus an. Beide sehen sowohl das Militär an sich, als auch die einzelnen SoldatInnen als TrägerInnen von Integration und sozialem Zusammenhalt. Mehr SoldatInnen mit Migrationshintergrund in der Armee, so äußerten sie sich, wirkten sich positiv auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Akzeptanz von Personen mit Migrationshintergrund allgemein aus. In den Streitkräften Personen unterschiedlichster Herkunft zu beschäftigen, sorge für Bindung zwischen den Menschen und schaffe einen besseren Zusammenhalt in der Gesellschaft. Gleichzeitig gaben die interviewten Soldaten mit Migrationshintergrund allerdings zu bedenken, dass die Interaktion zwischen Gesellschaft und Militär in den letzten Jahren abgenommen hätte. Daher werden sich auch die Auswirkungen von einer möglichen diversifizierten Zusammensetzung des Militärs nicht direkt auf die Integration in der Gesellschaft auswirken. Viele BürgerInnen, sagten die Interviewpartner, wüssten heute nicht mehr, was sich in der schwedischen Armee abspiele und fühlten sich wenig mit dem Militär verbunden. Diese Entwicklung finde trotz massiver Information aller möglichen Medien über die Armee und ihre Einsätze statt. Eine möglichst „bunte“ Zusammensetzung des Personals spiele aber auch für die Gruppendynamik innerhalb der Streitkräfte eine gewisse Rolle und könne sich positiv darauf auswirken, so die Einschätzungen und Erfahrungen der Interviewpartner. Fazit Der soziale Zusammenhalt hat große Bedeutung und wird in den integrationspolitischen Maßnahmen und Strategien auch ausdrücklich betont. Zwar kommt der öffentlichen Verwaltung eine wichtige Funktion bei der Aufrechterhaltung und Förderung des sozialen Zusammenhaltes zu, die Streitkräfte werden dabei aber konzeptuell nicht explizit erfasst. Die Streitkräfte haben besonderes nach der Umstellung auf die Berufsarmee wichtige gesellschaftspolitische Aufgaben zu bewältigen, die nicht nur deklaratorisch, sondern auch realpolitisch umgesetzt werden. Basierend auf der Tatsache, dass eine Berufsarmee in einer stärkeren Konkurrenz zu AkteurInnen der freien Marktwirtschaft steht, müssen besondere Strategien entwickelt werden, um geeignetes Personal für die Streitkräfte gewin478 Die Interviews wurden von Hanns Matiasek am 14.2.2012 in Schweden geführt.

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nen zu können. Aufgrund der demographischen Entwicklung und auch der erkannten Notwendigkeit, Mehrkompetenzen im Bereich der kulturellen Kompetenz von SoldatInnen bei militärischen Auslandseinsätzen nutzen zu müssen, wird die Aufnahme von migrantischen SoldatInnen aktiv betrieben. Besonders das Projekt „open door“, das sich an arbeitslose Jugendliche und junge Erwachsene mit außereuropäischem Migrationshintergrund richtet, kann dabei nicht nur für die Streitkräfte im Hinblick auf die quantitativen und qualitativen Personalanforderung nützlich sein, sondern als eine arbeitsmarktpolitische Initiative zusätzlich die Berufschancen der Zielgruppe fördern und damit auch den sozialen Zusammenhalt innerhalb der Gesellschaft stärken.

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Großbritannien Bevölkerungsprofil Die Bevölkerung von Großbritannien zählt nach Angaben des Office for National Statistics (ONS) 62 262 000 Einwohner (Stand 30.6.2010). Das stellt einen Zuwachs von 470 000 (0,8%) gegenüber dem Vorjahr und einen Zuwachs von 3,1 Millionen verglichen mit 2001 dar. Die Steigerung von 2009 auf 2010 war die höchste seit 1962, dem Beginn der Baby-Boom Jahre.479 Allgemeines zum Begriff Migrationshintergrund In Großbritannien wird kaum von Personen mit Migrationshintergrund gesprochen, sondern von ethnic groups, also ethnischen Gruppierungen. Dieser Begriff basiert auf einer Selbstzuschreibung und es werden jene Personen zu einer ethnischen Gruppe gezählt, die sich selbst z.B. im Rahmen einer Volkszählung als zugehörig bezeichnen. Das zieht nach sich, dass sich die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppierung mit der Zeit und je nach gesellschaftlichem Kontext ändern kann.480 Kategorien migrantischer Bevölkerung Grundsätzlich grenzt Großbritannien Personen, die sich als einer ethnic group zugehörig bezeichnen, von der Mehrheit der White British ab. Zusätzlich wird in den Statistiken allerdings auch zwischen Personen mit englischer Staatsbürgerschaft und solchen ohne Staatsbürgerschaft unterschieden. Die Mehrheit der britischen Bevölkerung zählt sich zur Gruppe der White British und ist seit Jahren konstant, wohingegen die Zahl jener, die sich zu einer anderen ethnischen Gruppe zählen, seit 2001 von 2,5 Mio. auf 9,1 Mio. (Stand 2009) gestiegen ist. Somit fühlt sich ungefähr jeder/jede sechste einer anderen ethnischen Gruppe als der der White British zugehörig.481 Etwa 4 445 000 Personen ohne englische Staatsbürgerschaft leben derzeit (Stand 2010) in Großbritannien, wobei im Jahr 2009 eine große Einbürgerungswelle stattgefunden hat und um 58% mehr Staatsbürgerschaften verliehen wurden als 2008, nämlich 203 790 (vgl. Danzelman 2010: 1). Zudem gibt es 7 051 000 im Vereinten Königreich wohnende Personen, die im Ausland gebo479 Vgl. Office for National Statistics (ONS). 2011. Statistical Bulletin. Annual Mid-year Population Estimates, 2010. United Kingdom. 480 Vgl. Office for National Statistics (ONS). 2011a. Statistical Bulletin. Population Estimates by Ethnic Group 2002-2009. United Kingdom, S. 1. 481 Vgl. ebd.

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ren wurden. Die meisten (4 796 000) in Drittstaaten, 2 255 000 davon im EUAusland.482 Profil der Bevölkerung ausländischer Herkunft Die Klassifizierung in unterschiedliche ethnische Gruppen sowie die Festlegung der genauen Bezeichnung dieser Gruppen erfolgte bei der Volkszählung 2001. Die Gruppe der Other „White“ ist jene, die in absoluten Zahlen am meisten wächst. Die Einwanderer, die zu dieser Gruppe zählen, kommen vor allem aus anderen europäischen Ländern, aber auch aus den Commonwealth-Ländern wie Australien, Kanada, Neuseeland und Südafrika. Nach dieser Gruppe der „Other White“ stellt die zweitgrößte Gruppe von Einwanderern, mit 1,4 Mio. Menschen, jene der Inder dar, dicht gefolgt von jener ethnischen Gruppe, die sich als Pakistani bezeichnen. Den größten Zuwachs pro Jahr verzeichnet die ethnische Gruppe der Chinesen, die im Jahr um ca. 8,6% wächst. Auch die Gruppe der „Black“ und „White African“ verzeichnet mit 6,3% einen hohen jährlichen Zuwachs. Insgesamt fühlen sich allerdings nur etwa 131 000 Menschen in Großbritannien dieser ethnischen Gruppierung zugehörig.483 Da in Großbritannien nicht wie in den anderen im Rahmen vorliegender Studie untersuchten Ländern zwischen Personen mit „Migrationshintergrund“ und ohne unterschieden wird, ist es auch schwierig, Aussagen über ein etwaiges Durchschnittsalter oder den Bildungsstand der unterschiedlichen ethnischen Gruppierungen zu treffen. Politische Maßnahmen Im Gegensatz zu Österreich, Deutschland und Schweden existiert in Großbritannien auf staatlicher Ebene kein offizieller Politikbereich „Integration“. Vielmehr finden sich Elemente von Integrationspolitik in unserem Verständnis im Bereich der Einwanderungs- und Gleichstellungspolitik. In diesem Zusammenhang nimmt das Konzept des gesellschaftlichen Zusammenhaltes („social cohesion“ bzw. „community cohesion“) einen zentralen Stellenwert ein.484

482 Vgl. Danzelmann, Philip. 2010. British Citizenship Statistics United Kingdom, 2009. Home Office Statistical Bulletin, S. 1. 483 Vgl. Office for National Statistics (ONS). 2011b. Population Estimates by Ethnic Group: Methodology Paper. United Kingdom. 484 Vgl. Kapitel über Begriffe.

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Koalitionsabkommen Das Koalitionsabkommen zwischen der konservativen und der liberalen Partei von 2010 besteht insgesamt aus in 31 Kapitel und gliedert sich in verschiedene politische Themenbereiche.485 Keines davon beschäftigt sich allerdings explizit mit dem Thema Integration und auch das Wort an sich findet sich nicht im Dokument. Lediglich der Abschnitt zur Einwanderungspolitik sowie jener über die Gleichstellungspolitik enthalten Elemente, die dem Politikbereich Integration zugeordnet werden können. In diesem Zusammenhang wird zunächst ein Bekenntnis zur Einwanderung und zu deren positiven Wirkung auf die Gesellschaft abgegeben. Gleichzeitig wird aber darauf hingewiesen, dass Einwanderung auf jenes Maß zu beschränken sei, welches Kohäsion und öffentliche Dienstleistungen sicherstellt.486 Im Abschnitt zur Gleichstellungspolitik wird als generelles Ziel die Beseitigung von Benachteiligungen – insbesondere im Bereich der sozialen Mobilität –, von Menschen aufgrund deren sozialen Hintergrundes, des Geschlechts, race, Religion, oder sexuellen Orientierung genannt. Explizit möchte die Regierung die Situation und Möglichkeiten für Schwarze, AsiatInnen und Angehörige anderer ethnischer Minderheiten durch diverse Fördermaßnahmen verbessern.487 Ob und wenn ja welche Rolle die britische Streitkräfte dabei spielen könnten, wird im Regierungsübereinkommen nicht erläutert. Integrationsstrategie und Integrationsmaßnahmen Den Kern der britischen Integrationspolitik bildet die Antidiskriminierungsgesetzgebung, die im Zivilrecht verankert ist und von der Kommission für ethnische Gleichheit Commission for Racial Equality (CRE) überwacht wird.488 Grundsätzlich ist in Großbritannien eine Kopplung der Politikbereiche Integration und soziale Kohäsion – also dem gesellschaftlichen Zusammenhalt – festzustellen. Dies geht etwa aus den Länderberichten des Europäischen Migrationsnetzwerks, die von den maßgeblichen offiziellen Stellen der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten verfasst werden, hervor. In diesem Zusammenhang weist der britische Bericht darauf hin, dass die Verantwortung für soziale Kohäsion in Großbritannien beim Department for Communities and Local Government (DCLG) 485 Vgl. Cabinet Office: The Coalition: our programme for government. 2010. , abgerufen am 29.1.2012. 486 Vgl. Cabinet Office: The Coalition: our programme for government, S. 21. 487 Vgl. ebd., S. 18. 488 Vgl. Randall, Hansen: Länderprofil Vereinigtes Königreich. focus Migration, 12/2007. , abgerufen am 6.8.2011.

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liege.489 Das DCLG hat im Jahr 2007 einen Aktionsplan (delivery agreement), genannt PSA21, abgefasst, in dem Regierungsstellen sowie lokale Stellen PartnerInnen zur Erhöhung der sozialen Kohäsion vorgesehen sind. Ziel ist es, eine zusammenhängende und aktive Gemeinschaft (communities) zu bilden. Dabei wird die Rolle der UK Border Agency bei der Integration von MigrantInnen betont.490 Folgende Passage soll die dem Aktionsplan enthaltene Rolle von Integration und die Verknüpfung mit dem Bereich soziale Kohäsion verdeutlichen: “Effective integration of those who do make the UK their home, including embracing a common language and an understanding of life in the UK, is also important to community cohesion, and is a central part of the managed migration policies and refugee integration policies the Border and Immigration Agency (now renamed the UK Border Agency) have developed.”491

Auffallend im Vergleich zu den anderen untersuchten Ländern ist das Fehlen einer „Integrationsstrategie“ in Großbritannien. Dies war auch Gegenstand eines Policy-Berichts aus dem Jahr 2008, der sich mit der Frage befasste, ob eine eigene Integrationsstrategie auf nationaler Ebene entwickelt und durch eine nationale Integration Struktur implementiert werden soll.492 Aus diesem Bericht wird deutlich, dass keine kohärente Integrationsstrategie auf nationaler Ebene besteht. Vielmehr stellt sich das Feld der Integrationspolitik sowohl horizontal als auch vertikal stark fragmentiert dar. Dies gilt gleichermaßen auch für die institutionelle Verankerung von Integration. Grundsätzlich hat sich diese Situation bis heute nicht geändert. Eine Analyse einer Integrationsstrategie ist daher nicht möglich. Ein wichtiges Instrument im Bereich der Gleichstellungspolitik stellt die 2010 von einer regierungsübergreifenden Arbeitsgruppe (Inter Ministerial Group on Equalities) erstellte Equality Strategy dar.493 Die in der Strategie enthaltene AntiDiskriminierungspolitik betrifft dabei nicht nur die Schaffung von gleichen Rechten und Chancen für Personen mit Migrationshintergrund, sondern auch Frauen und Menschen mit Behinderungen. Thematische Schwerpunkte setzt die Strategie in den Bereichen Kindheit und Jugend, Bildung und soziale Mobilität, Arbeitsmarkt und öffentlicher Dienst. Hinsichtlich des öffentlichen Dienstes wird als Zielsetzung unter anderem die Inklusion in das öffentliche, politische 489 Vgl. Vadher, Kiren: United Kingdom Country Report: EMN 2009 Annual Policy Report. 2010. , abgerufen am 26.2.2012. 490 Vgl. Vadher, Kiren: United Kingdom Country Report: EMN 2009 Annual Policy Report. 491 PSA21, 2007, S. 21. 492 Vgl. Department of Communities and Local Government: Review of Migrant Integration Policy in the UK. 2008. http://www.communities.gov.uk/documents/communities/pdf/ 838994.pdf>, abgerufen am 26.2.2012. 493 Vgl. HM Government: The Equality Strategy – Building a Fairer Britain. 2010. , abgerufen am 14.3.2012.

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Leben genannt. Dazu soll sichergestellt werden, dass jedes Department weiterhin daran arbeitet, Diversität zu verbreiten – etwa durch Praktikumsprogramme, um den Zugang für unterrepräsentierte Gruppen – wie etwa ethnische Minderheiten – auszuweiten.494 Genannt wird dabei der öffentliche Sektor im Allgemeinen und nicht etwa bestimmte Teilbereich wie Armee oder Polizei. Als Maßnahme ist der „Borders, Citizenship and Immigration Act 2009“ bedeutsam. Dieser legt fest, dass Kinder, die nach 2010 geboren werden, automatisch die britische Staatsbürgerschaft erhalten, wenn ein Elternteil zu diesem Zeitpunkt Angehöriger der britischen Streitkräfte ist. Kinder, die nach dem 13. Jänner 2010 geboren werden und die bei Geburt nicht die britische Staatsbürgerschaft besitzen, können britische StaatsbürgerInnen werden, wenn ein Elternteil zu einem späteren Zeitpunkt in die britische Armee eintritt. Diese Gesetzesänderungen sind allerdings nicht Teil einer Integrationspolitik, sondern wurden im Rahmen des politischen Aktionsplans „The Nation’s Commitment: crossgovernment support to our armed forces, their families and veterans” entwickelt, um die Angehörigen der Streitkräfte und ihre Angehörigen besser zu stellen.495 Die britischen Streitkräfte Die Streitkräfte Großbritanniens weisen in ihrer Beziehung zur Gesellschaft in vielerlei Hinsicht eine besondere Stellung auf. So wird unter anderem die ethnische Zusammensetzung der britischen Bevölkerung durch Migrationsbewegungen aus den ehemaligen Kolonien bestimmt und diese BürgerInnen dienen auch beim Militär, wodurch unterschiedliche integrationspolitische Aspekte impliziert werden. Im Allgemeinen wird im wissenschaftlichen Diskurs die Gesellschaft in soziale Schichten der „weißen“ Bevölkerungsgruppen und unterschiedlichen ethnischen Communities unterteilt.496 Diese Pluralität gilt es beim Militär zu repräsentieren, damit die Legitimität und der gesellschaftliche Vertretungscharakter der Streitkräfte aufrechterhalten bleiben. Die Rolle, welche den Streitkräften beim sozialen Zusammenhalt zugesprochen wird, leitet sich vom britischen Anspruch ab, wonach das Militär die Gesellschaftsstruktur repräsentieren soll.497 494 Vgl. ebd. 495 Vgl. Pendry, Elizabeth: United Kingdom: Annual Policy Report. Prepared for the European Migration Network. 2011. , abgerufen am 6.8.2011. 496 Vgl. Dandeker, Christopher/Mason, David: Ethnic Diversity in the British armed forces. In: Soeters, Josef/ van der Meulen, Jan (Hrsg.): Cultural Diversity in the Armed Forces – An international coMparison. First published by Routledge 2007 Abingdon, Oxon S. 140153, hier S. 142. 497 Vgl. ebd., S. 140.

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Das Wehrsystem Das britische Wehrsystem, ein wesentlicher Faktor bei der Ausübung von gesellschafts- und integrationspolitischen Funktionen der Streitkräfte, ist stark durch politische Entwicklungen des 20. Jahrhunderts beeinflusst, was sich in der organisatorischen Struktur des militärischen Systems sowie im soziokulturellen Bereich der Bevölkerung wiederfindet.498 Wesentlichen Einfluss hatten der Zweite Weltkrieg, der Untergang des Britischen Imperiums und die Blockkonfrontation zwischen der NATO und dem Warschauer Pakt. Insbesondere die Erfahrungen Großbritanniens als ehemalige Weltmacht spiegeln sich im Verständnis der Streitkräfte in der Beziehung zur Gesellschaft wider, was einen Niederschlag in der „britischen Psyche“ gefunden hat: „(…) the heritage of empire continues to weight heavily on British national psyche“.499 Auch die Aspekte der Integration von „ethnischen Minderheiten“ in den Streitkräften sind demnach im Zusammenhang mit der Tatsache zu sehen, dass Großbritannien als ein Vereinigtes Königreich eine ex-koloniale Macht darstellt. Die bis heute bestehende Organisationsstruktur des Commonwealth of Nations ist ein sichtbares Zeichen der imperialen Vergangenheit Großbritanniens, von der jedoch die einzelnen Staaten profitieren.500 Das Commwealth of Nations ist ein Zusammenschluss von 54 unabhängigen Staaten, bis auf Mosambik und Ruanda ausschließlich ehemaliger britischer Kolonien, und umfasst etwa 30% der Weltbevölkerung. Königin Elisabeth II. ist offizielles Oberhaupt in 16 dieser Staaten.501 Im Vereinten Königreich ist die Königin verfassungsrechtlich auch die Oberkommandierende über die Streitkräfte, jedoch ist die Regierung für alle Belange des Militärs verantwortlich.502 Im britischen Diskurs sind vor allem Fragen betreffend militärischer Gewalt in Konflikten und Kriegen entscheidend, in der das Parlament gemäß Verfassung eine untergeordnete Rolle spielt, in der Praxis aber eine ganz wichtige Aufgabe ausübt.503 Eine Besonderheit des britischen Systems 498 Vgl. Dandeker, Christopher/Mason, David: Evolving UK Policy on Diversity in the Armed Services: Multiculturalism and its Discontents. In: Commonwealth and Comparative Politics, 47/4 2009, S. 393-419, hier S. 394. 499 Ebd., S. 403. 500 Vgl. Bayne, Nicholas: Globalization and the Commonwealth: international economic relations in the post-Cold War world. In: Round Table, October 1997, S. 473-484, hier S. 473. 501 Vgl. Commonwealth Secretariat, , abgerufen am 20.2.2012. 502 Nichtsdestotrotz ist die Königin für die Streitkräfte die höchste Autorität, weshalb auch der militärische Eid von den SoldatInnen auf die Krone und namentlich auf die Majestät Königin Elisabeth II: geschworen wird. Vgl. The Army: Values and Standards of the British Army, 2008 (Punkt 8: Selfless Commitment). 503 Vgl. Waging war: Parliament’s role and responsibility, , abgerufen am 20.2.2012.

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ist, dass das Parlament alle fünf Jahre für die Streitkräfte einen rechtlichen Rahmen verabschiedet, der als Grundlage für das Bestehen des britischen Militärs gilt.504 Die Beteiligung an internationalen Missionen sowie mögliche integrationspolitische Aspekte – wie Diversität – sind in diesem legislativen Basisdokument nicht enthalten. Im Allgemeinen kann konstatiert werden, dass gerade das hohe internationale Engagement der Streitkräfte einen Wandel des Wehrsystems bewirkte.505 Die Auslandspräsenz der britischen Streitkräfte und die Involvierung in militärische Konflikte unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges führten mit dem Defence White Paper 1957 zur Abschaffung der Wehrplicht. Ausschlaggebend waren die geopolitischen Verhältnisse in Europa, die Erkenntnisse aus der Niederlage in der Suezkriese 1956 und die daraus gewonnene Einsicht, dass für die künftigen Konflikte eine professionelle Armee besser geeignet ist. Somit hat Großbritannien seit 1963 eine Freiwilligenarmee, bestehend aus BerufssoldatInnen und territorialen Verteidigungskräften der Reserve. Viele Truppenteile und Organisationselemente bestehen auf der Grundlage der Umstellung von der Wehrplicht auf die Berufsarmee seit den 1960er Jahren in der gegeben Form bis heute.506 Allerdings befinden sich die Streitkräfte in einer Reorganisationsphase, was in den nächsten Jahren einen massiven Umbau und Reduktion der Stärken bedeuten wird. Grundsätzlich bestehen die britischen Streitkräfte aus BerufssoldatInnen und aus SoldatInnen auf Zeit, wodurch auch Personen mit Migrationshintergrund unterschiedliche Karrieremöglichkeiten offenstehen. Personalstand Die Streitkräfte sind in Landstreitkräfte, Marine und Luftstreitkräfte aufgeteilt, zusätzlich gibt es noch strategische Kräfte für die Nuklearwaffen. Im Jahr 2009 bestand das aktive Personal aus 192 540 SoldatInnen inklusive 18 700 Rekruten. Davon waren 97 400507 SoldatInnen in den Landstreitkräften, 34 500 bei der 504 Dies geht auf die die Bestimmungen der „Bill of Rights“ 1689 zurück, die vorschreiben, dass es in Friedenszeiten keine ständige Streitmacht ohne die Zustimmung des Parlamentes geben darf. Im sogenannten Armed Forces Act wurden im November 2011 die Plichten der politischen Führung sowie einzelne interne Abläufe in den Streitkräften vom Parlament für die nächsten fünf Jahre beschlossen. Vgl. Armed Forces Act 2011, , abgerufen am 20.2.2012. 505 Vgl. Prest, David The Peacetime Conscripts: National Service in the Post-war Years, BBC (online), 3.3.2011, , abgerufen am 20.2.2012. 506 Vgl. Army: History of the 20th Armoured Brigade, , abgerufen am 20.2.2012. 507 Vgl. , abgerufen am 20.2.2012.

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Marine und 40 250 in den Luftstreitkräften. Etwa 1 000 SoldatInnen waren für die strategischen Waffen zuständig. Im Reservestand befinden sich etwa 199 280 SoldatInnen, die sich wie folgt auf die einzelnen Truppengattungen aufteilen: Landstreitkräfte 101 660, Marine 35 790 und Luftstreitkräfte 40 830.508 Daneben gibt es zusätzlich noch etwa 85 000 Zivilangestellte im britischen Verteidigungsressort.509 In der Strategic Defence and Security Review (SDSR) vom Jahr 2010 wird die strategische Ausrichtung des gesamten Verteidigungssektors und auch die Truppenreduzierung vorgegeben. Die geplante Reduzierung in den einzelnen Teilstreitkräften sieht bis zum Jahr 2015 ein Schrumpfen der Armee auf 95 000, der Marine auf 30 000 und der Luftstreitkräfte auf 33 000 SoldatInnen vor. Die Zivilangestellten sollen von derzeit 85 000 auf insgesamt 60 000 Personen reduziert werden.510 Berufsarmee und Freiwilligensystem Seit der Abschaffung der Wehrplicht im Jahr 1963 hat Großbritannien eine Freiwilligenarmee und junge Männer und Frauen können sich entscheiden, ob eine Vollzeitanstellung in der regulären Truppe oder in der Reserve angestrebt wird. Bei einer regulären Anstellung besteht die Möglichkeit, auch eine Offiziersausbildung anzutreten. Grundsätzlich wird in den Britischen Streitkräften zwischen OffizierInnen (Offiziersdienstgrade) und SoldatInnen (Mannschaften und Unteroffiziere) unterschieden. Die Aufnahme an die Königliche Militärakademie muss spätestens bis zum Alter von 26 Jahren erfolgen, danach ist die Ausbildung und in weiterer Folge die Ausmusterung zum/zur OffizierIn nicht mehr möglich. Neben physischen und medizinischen Voraussetzungen müssen OffiziersanwärterInnen eine bestimmte Punkteanzahl bei Tests erbringen sowie die Kenntnisse der englischen Sprache, Mathematik und einer weiteren wissenschaftlichen Disziplin auf einer bestimmten Leistungsebene nachweisen.511 AnwärterInnen für den regulären Beruf des/der SoldatIn in den Mannschaftsdienstgraden müssen zwischen 16 und 32 Jahre sein, wobei unter 18jährige eine schriftliche Erlaubnis der Eltern bzw. Erziehungsberechtigten vorweisen müssen. Bei den SoldatInnen der Mannschaften sind keine speziellen Wissenstests oder Sprachkenntnisse 508 Vgl. ebd. 509 Vgl. Strategic Defence and Security Review – Securing Britain in a World of Uncertainty, London October 2010., abgerufen am 20.2.2012. S. 32. 510 Vgl. ebd. 511 Vgl. British Army: Join Us, http://www.army.mod.uk/join/20145.aspx, abgerufen am 20.2.2012.

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vorgesehen. Gesonderte Aufnahmekriterien zwischen OffiziersanwärterInnen und den unteren Dienstgraden gibt es auch für die Reserve. Spezielle Regelungen bei der Aufnahme in den regulären Militärdienst bestehen hinsichtlich der Staatsbürgerschaft. Unterschieden wird zwischen mehreren Kategorien: a) Britische StaatsbürgerInnen – diese sind keinen Einschränkungen unterworfen. b) „Britische Subjekte“512 gemäß dem „Nationality Act 1981“.513 Diesen BürgerInnen ist der uneingeschränkte Dienst in den Streitkräften möglich. c) BürgerInnen aus Staaten des Commonwealth of Nations können OffizierInnen und SoldatInnen werden, jedoch ist eine bestimmte Aufenthaltsdauer in Großbritannien erforderlich; z.B. müssen Commonwealth-StaatsbürgerInnen vor ihrem Antritt zur Offiziersausbildung mindestens fünf Jahre in Großbritannien wohnhaft sein. d) Eine weitere Kategorie von BürgerInnen sind die „British Protected Persons“.514 Diese Personen können zwar reguläre SoldatInnen, aber keine OffizierInnen werden. e) Staatsangehörige der Republik Irland können sowohl OffizierInnen als auch SoldatInnen werden.515 Auslandseinsätze Freiwillige werden besonders für die Anforderungen der Streitkräfte bei internationalen Missionen gebraucht, wobei gemäß der SDSR das Schwergewicht des Engagements bis 2015 auf der Stabilisierung der Situation in Afghanistan liegen wird. Gleichzeitig wird in den nächsten Jahren auch eine Verkleinerung der Truppenkontingente, die sich im Ausland befinden, stattfinden. Dazu zählen friedenserhaltende- und friedensschaffende Operationen, Einsätze im Kampf 512 „Britische Subjekte“ sind Personen, die aus ehemaligen Kolonien und Überseegebieten kommen, wobei das Geburtsdatum vor dem 1.1.1983 als Grundlage gilt. Personen, die vor diesem Datum auf die Welt gekommen sind, erhielten automatisch die britische Staatsbürgerschaft. Vgl. ebd. 513 Vgl. Section 11, National Act 1981. , abgerufen am 20.2.2012. 514 „British Protected Persons“ stammen aus jenen Gebieten, die sich einst außerhalb des britischen Imperiums befanden, aber unter dem Schutz oder Kontrolle der britischen Regierung standen. Vgl. Immigration Solicitors: British Protected Person. , abgerufen am 20.2.2012. 515 Vgl. British Army: Deployments and Operations, , abgerufen am 20.2.2012.

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gegen den Terrorismus sowie Missionen zur Bekämpfung des globalen Drogenhandels wie auch Operationen zu humanitären Zwecken.516 Laut offiziellen Angaben sind britische SoldatInnen in 80 Staaten tätig.517 Das größte Kontingent befindet sich mit 9 500 SoldatInnen in Afghanistan und ist sowohl in der Operation ISAF, als auch in der US-geführten Militärmission „Enduring Freedom“ eingesetzt.518 Weitere größere Basen der Britischen Armee bzw. Kontingente befinden sich in Kenia, Serra Leone, Brunei, Deutschland, Zypern, Kanada, den Falklandinseln und Gibraltar. Offizielle Informationen über die Anzahl der im Ausland befindlichen britischen SoldatInnen sind in offen zugänglichen Quellen nicht erhältlich.519 Anzahl der ethnischen Minderheiten Generell werden die MigrantInnen im amtlich-militärischen Sprachgebrauch als „ethnical minorities“ bezeichnet und sowohl in offiziellen Dokumenten als auch in wissenschaftlichen Publikationen oft in Form des prozentuellen Anteils, den sie in den Streitkräften repräsentieren, wiedergegebenen. Grundsätzlich werden zu den „ethnischen Minderheiten“ zwei unterschiedliche Gruppen gezählt. Erstens Personen, die einen Migrationshintergrund aufweisen, jedoch die Staatsbürgerschaft Großbritanniens besitzen. Zweitens all jene ausländische Personen, die aus staatsbürgerschaftsrechtlichen Gründen die Möglichkeit haben, in die britischen Streitkräfte einzutreten. Überwiegend handelt es sich dabei um Personen aus den Ländern des Commonwealth of Nations sowie um andere AusländerInnen einer oben aufgezählten staatsrechtlichen Kategorie.520 Bei der Umsetzung jeglicher integrationspolitischer Maßnahmen ist der gesamtgesellschaftliche Kontext entscheidend. Die Streitkräfte sollen als Teil der staatlichen Struktur die „ethnische Zusammensetzung“ der Bevölkerung repräsentieren, dies geht eindeutig und unmissverständlich aus dem politischen Auf-

516 Vgl. British Army: Join Us, , abgerufen am 20.2.2012. 517 Vgl. British Army: Overseas operations. , abgerufen am 20.2.2012. 518 Eine genaue Auflistung der einzelnen Einheiten findet sich auf der Internetseite des britischen Verteidigungsministeriums: Operation in Afghanistan: British Forces, , abgerufen am 20.2.2012. 519 Vgl. Ministry of Defence: Consolidated Departmental Rescource Accounts 2009-2010, Ordered by the House of Commons, 26 July 2010, London Stationary Office. , abgerufen am 20.2.2012. 520 Vgl. Dandeker/Mason: Ethnic Diversity in the British Armed Forces, S. 144.

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trag an das Militär hervor. Diese Grundsatzentscheidung basiert auf der Strategic Defence Review (SDR) aus dem Jahr 1998. Konkret steht in diesem Dokument: „We are determined that the Armed Forces should better reflect the ethnic composition of the British population. Currently of some 6% of the general population are from ethnic minority backgrounds, but they make up just 1% of the Services. This must not continue. We have set a goal of attracting 2% of new recruits this year from ethnic minorities communities for Each Service. We want the goal to increase by 1% each year so that, eventually, the composition for our Armed Forces reflects that of the population as a whole.“521

Darin wird also klar zum Ausdruck gebracht, dass die Streitkräfte auch in „ethnischer Hinsicht“ die Gesellschaft repräsentieren sollen. Als Orientierung gilt demnach die prozentuelle Vertretung. Basierend auf der Entscheidung der höchsten politischen und administrativen FunktionärInnen wurde in den Folgejahren eine Erhöhung des MigrantInnen-Anteils nach dem Inkrafttreten der Strategie erreicht, wie die nachstehende Tabelle verdeutlicht. Tabelle 2: Gesamtanteil der „ethnischen Minderheiten“ in den britischen Streitkräften in den Jahren 1998-2007 1998/99 1,8%

1999/00 1,7%

2000 2,9%

2001/02 k.A.

2002/03 6,7%

2003/04 7,3%

2005/06 5,5%

2006/07 k.A.

Quelle: Dandeker, Christoph/Mason, David522 Tabelle 3: Gesamtanteil der „ethnischen Minderheiten“ in den britischen Streitkräften in den Jahren 2008-2012 im jeweiligen Monat 2008/04 6,0%

2009/04 6,5%

2010/04 6,6%

2011/04 6,7%

2012/01 6,9%

Quelle: DASA (Quad-Service)523 Da sich der Anteil der ethnischen Minderheiten in der Gesamtbevölkerung fortlaufend ändert, wird es in weiterer Folge diesbezüglich auch zu Anpassungen in den Streitkräften kommen. Für das Jahr 2013 wurde als Ziel bei Rekrutie521 Strategic Defence Review – Modern Forces for the Modern World, Punkt 41, July 1998, , abgerufen am 20.2.2012. 522 Vgl. Dandeker, Christopher/Mason, David: Evolving UK Policy on Diversity in the Armed Services, S. 397, die Daten sind aus dem Defence Analytical Services and Advice (DASA) der entsprechenden Jahre entnommen worden. 523 Auszug aus dem DASA wurde elektronisch vom Personalbüro des britischen Verteidigungsministeriums übermittelt.

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rungsmaßnahmen das Erreichen einer Quote von 8% ethnischer Minderheiten in den Streitkräften gesetzt.524 Obwohl in der auf Gleichberechtigung und Chancengleichheit basierenden SDR kein einziges Mal die Begrifflichkeit „social cohesion“ aufscheint, kommt sehr wohl damit zum Ausdruck, dass diese Maßnahme neben dem Militär auch eine konkrete Auswirkung auf die Gesellschaft haben soll. So soll einerseits das Militär die Gesellschaft repräsentieren, der es dient, und andererseits spielen Aspekte der Gleichheit und Fairness eine wesentliche Rolle, die im gesamtgesellschaftlichen Kontext zu betrachten sind.525 Die Vorteile für das Militär sind im Allgemeinen im erweiterten Rekrutierungsspektrum bestimmter soziokultureller Schichten zu sehen. Denn die Vielzahl an ethnischen Minderheiten stellt einen vergrößerten Rekrutierungspool für die Streitkräfte dar, der insbesondere aufgrund der demographischen Entwicklung und des Konkurrenzdrucks am zivilen Arbeitsmarkt vom Militär genützt werden muss.526 Mit speziellen Rekrutierungsmaßnahmen wurde der Prozentanteil der ethnischen Minderheiten zwar angehoben, jedoch bedarf dieser Umstand einer etwas genaueren Untersuchung, um zu einer Beurteilung über die Zielerreichung zu gelangen. Die qualitative Analyse des höheren MigrantInnen-Anteils beim Militär zeigt, dass dieser die gesellschaftliche Realität weder quantitativ noch qualitativ – im Sinne des soziographischen Profils – spiegelt. Während die Rekrutierungszahlen bei den britischen Staatsbürgern mit Migrationshintergrund vor allem den Prozentanteil der Gruppe der „Schwarzen“ („Blacks“) und Menschen aus der karibischen Region vergrößert hat, sind Personen mit asiatischem Hintergrund beim Militär kaum vorhanden.527 Abgesehen von den britischen StaatsbürgerInnen mit afrikanischen oder karibischen Wurzeln, kommt ein Großteil der rekrutierten ethnischen Minderheiten aus den Staaten des Commonwealth of Nations oder Nepal. Im Falle der Landstreitkräfte waren zu Jahresbeginn 2012 sogar 67,1% der dort vorhandenen ethnischen Minderheiten Personen aus den Commonwealth- oder den anderen mit Großbritannien assoziierten Staaten.528 Damit sind in weiterer Folge auch die Überlegungen, dass die Angehörigen von MigrantInnengruppen mit britischer Staatsbürgerschaft über die Streitkräfte besser in die Gesellschaft integriert werden könnten, nicht umgesetzt worden. Die Faktoren der sozialen Mobilität, des Bildungsniveaus und der kultureller Traditionen werden nicht berücksichtigt, weshalb auch das Fazit der ExpertInnen ernüchternd lautet: 524 525 526 527 528

Vgl. Dandeker/Mason: Ethnic Diversity in the British armed forces, S. 151. Vgl. ebd., S. 140. Vgl. Dandeker/Mason: Evolving UK Policy on Diversity in the Armed Services, S. 395. Vgl. ebd., S. 398. Vgl. DASA (Quad-Service), Auszug wurde elektronisch vom Personalbüro des britischen Verteidigungsministeriums übermittelt.

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„As a result, it is entirely conceivable that the gross target of increasing minority ethnic representation to a level commensurate with the proportion of the population classified as ‘ethnic minority‘ could be reached without representativeness being achieved for some of the communities involved.“529

Eine weitere Disproportion ergibt sich bei näherer Untersuchung der demographischen Daten. Die Altersverteilung der Jugendlichen zeigt, dass die „gemischte Bevölkerung“ („Mixed group“ aus Mischehen) mit ca. 50% unter 16 Jahren die jüngste Altersstruktur aufweist. Personen aus Bangladesch und aus „schwarzen Gruppen“ haben einen 38%-Anteil unter den 16-Jährigen. Etwa 35% der Personen aus Pakistan, aber nur 20% der „weißen Briten“ („White British Group“) sind in diesem Alterssegment.530 Dies bedeutet, dass „ethnische Minderheiten“ in der für die Streitkräfte relevanten Altersgruppe gemessen an der Gesamtgesellschaft viel stärker im Militär vertreten sein sollten, als sie es gegenwärtig tatsächlich sind. Ein weiteres Ungleichgewicht herrscht auch in den Truppengattungen sowie in den vertretenen Dienstgraden vor. So dienen etwa 75% der SoldatInnen aus ethnischen Minderheiten in den Landstreitkräften und sind überproportional in den unteren Dienstgradgruppen und selten unter den OffizierInnen vertreten. Mit Stand vom 1. Jänner 2007 waren in der Armee 56 Nationalitäten vertreten.531 Einen Anhaltspunkt über die absoluten Zahlen von Personen aus ethnischen Minderheiten ohne StaatsbürgerInnen Großbritanniens, bieten die folgenden Angaben aus dem Jahr 2008.532 Die größte Einzelgruppe von ethnischen Gruppen stellen ca. 3 400 SoldatInnen aus Nepal dar, die in der traditionellen Gurkha-Brigade dienen. Weitere 2 000 Personen stammen von den Fidschiinseln, 900 aus Jamaika, je 800 aus Südafrika und Ghana sowie 600 aus Zimbabwe.533 Dienstvorschriften und Erlässe Neben unterschiedlichen Anordnungen, die den Dienstbetrieb von ethnischen Minderheiten reglementieren, wurden auch praxisnahe Anleitungen für den/die einzeln/e SoldatIn erstellt, die darauf abzielen, Wissen über die in den Streitkräf529 530 531 532

Ebd. Vgl. ebd., S. 395. Ebd., S. 398. Aktuelle Daten über absolute Zahlen von SoldInnen in den Streitkräften und besonders über jene, die einen Migrationshintergrund haben, sind aus offiziellen Quellen nicht zu bekommen. 533 Vgl. Directorate of Educational and Training Services (Army), Headquarters Land Forces, British Army Cultural Guidance (S. 2), Zahlen von Ausländern finden sich auch hier: , abgerufen am 20.2.2012.

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ten vertretenen Kulturen zu vermitteln. Ein solches Manual wurde vom „Directorate of Educational and Training Services des Hauptquartiers“ der Landstreitkräfte im Jahr 2008 unter dem Titel „British Army Cultural Guidance“ angefertigt. Damit soll das Zusammenleben zwischen den SoldatInnen der Mehrheitsgesellschaft und den ethnischen Minderheiten innerhalb der Streitkräfte positiv gestaltet werden. Darin heißt es wörtlich: „(…) a series of fact sheets were produced by this headquarters in order to promote cultural understanding and awareness within the British Army.“534 Weiters wird auch darauf kurz eingegangen, wer von dieser Publikation profitieren kann. „The guides will be useful to a wide audience, either as published in full to include the rationale of ‘Respect for Others‘, or as individual fact sheets published or otherwise used in isolation.“535 Zentrales Element ist die Betonung des Respektes gegenüber anderen. Allerdings bezieht sich diese kulturelle Wahrnehmung nicht auf die migrantischen SoldatInnen mit britischer Staatsbürgerschaft, sondern auf jene, die aus dem Commonwelth of Nations und aus anderen Staaten stammen. Es wird betont, dass die SoldatInnen der britischen Armee aus unterschiedlichen Weltregionen kommen und somit vielfältige kulturelle Hintergründe und andere Wertvorstellungen vertreten seien.536 Als Bindemittel zwischen den Individuen wird deshalb die „Kultur der britischen Armee“ als eine gemeinsame Basis aller SoldatInnen hervorgehoben, die den Zusammenhalt in der Truppe stärken soll. „Whatever our own nationality or culture, having joined the British Army we have all volunteered to share a common British Army ‘culture‘ that is based on strong ethos based on commitment, self sacrifice and mutual trust.“537 Damit die Militärkultur auf einem einheitlichen Werteverständnis basieren kann, wird zwischen Werten und Standards unterschieden, wobei die Einhaltung der Werte von jedem/r Einzelnem/n erwartet wird: „The British Army expects us to live and fight by a defined set of values and standards:“ Als Werte gelten in diesem Sinn: a) Selbstloses Engagement; b) Respekt gegenüber anderen; c) Loyalität; d) Integrität; e) Disziplin; f) Mut.538 534 Directorate of Educational and Training Services (Army), Headquarters Land Forces, British Army Cultural Guidance, S. 1. 535 Ebd. 536 Vgl. British Army Cultural Guidance, S. 2. 537 Ebd. 538 Vgl. ebd.

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Die davon zu unterscheidenden Standards sind: a) Rechtmäßigkeit; b) angemessenes Verhalten und c) absolute Professionalität.539 In diesem Manual wird die Begrifflichkeit „social cohesion“ nicht ausdrücklich verwendet, betont wird aber die Unterstützung für Commonwealth BürgerInnen und deren Familien. Im September 2011 wurde eine neue Version der Richtlinie des „Directorate of Personal Sevices“ für die Unterstützung von AusländerInnen und Commonwealth BürgerInnen sowie deren Familien vorgestellt. Darin wird einleitend der historische Zusammenhang und die Bedeutung des Commonwealth und Nepals für das Vereinte Königreich erläutert. Unter anderem wird zum Ausdruck gebracht, dass in der Armee keine Unterschiede zwischen AusländerInnen, Commonwealth BürgerInnen und britischen StaatsbürgerInnen gemacht werden.540 Diese speziellen Richtlinien betreffen ausländische SoldatInnen; Maßnahmen und Regelungen, welche sich an die migrantischen SoldatInnen mit britischer Staatsbürgerschaft richten, werden in unterschiedlichen Konzepten von „diversity management“ beschrieben. Die wichtigste Vorgabe, welche „Gleichheit“ und „Vielfalt“ betrifft und somit die allgemeinen Richtlinien der „Werte und Standards“ thematisiert, ist die „MATT 6 (Military Annual Training Test) zu „Values and Standards“. Darin wird unter anderem Wissen aus den „Moralwissenschaften“ vermittelt.541 Verpflichtende Trainings und Kurse über diversity management für OffizierInnen und auch Mannschaftsdienstgrade werden auf der Basis von MATT 6 durchgeführt, was in weiterer Folge zur Anhebung des Niveaus bei der Vermittlung der „Werte und Standards“ führte.542 Um die Bestimmungen in diesem Bereich besser durchsetzen zu können, wurde eine spezielle Beschwerdestelle im Ministerium geschaffen.543 Dass das Spektrum des „diversity managements“ in den britischen Streitkräften ein wichtiges Thema ist, bezeugt auch die 539 Vgl. ebd. 540 Vgl. Directorate of Personal Sevices (Army), Headquarters Land Forces: Britisch Army Guide to Supporting Foreign and Commonwalth Citizens and their Falmilies – Edition 6, DPS(A)/02/41/01, 16 September 2011. 541 Vgl. Develop and Display the Qualities of a British Soldier, , abgerufen am 20.2.2012. 542 Vgl. Values and Standards Action Plan (VSAP), www.parliament.uk/deposits/.../ dep2008-0476.d...>, abgerufen am 20.2.2012. 543 OffizierInnen und SoldatInnen haben somit die Möglichkeit, ordentliche Beschwerden einzulegen. Im Jahr 2007 haben aber nur 5% jener, die Benachteiligungen erfahren haben, auch eine Beschwerde eingelegt.Vgl. British Army: Equality and Diversity in the British Army, , abgerufen am 20.2.2012.

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Darstellung der unterschiedlichen Manuals und Richtlinien in diesem Bereich (Stand 2009): • Basically Fair – Respect for Others in the British Army (AC 64325m edn 4 10/08); • Bullying and Harassment – see it, hear it, STOP IT (DM(A)456/0306); • The Armed Forces Annual Report on Bullying and Harassment; • The Chief of the General Staff’s Equality and Diversity Directive for the Army (AC 64340); • AGAI 59. Dress and Personal Appearace (Religious and Cultural Considerations); • AGAI 71. Religion: The Chaplaincy Service and Voluntary Bodies; • AGAI 75. Equality and Diversity Policy, Guindace and Instructions; • 2009DIN01-007. The Policy for the Recruitment and Management of Transsexual Personnel in the Armed Forces; • JSP 763. The MOD Harassment Complaints Procedures; • JSP 831. Redress of Individual Grievance: Service Complaints; • British Army Cultural Guidance. A Regular Army Interim Guide for Commonwealth Citizens and their Families; • British Army Chain of Command Guide Supporting Foreign Commonwealth Citizens and their Families – Edn 3; • Guide on Religion and Belief in the MOD and Armed Forces; • Policy on the Care of Service Personnel under the Age of 18.544 Von diesen Richtlinien ist jene für Religion und Glaubensbekenntnisse aus dem Jahr 2010 von besonderer Relevanz. Detailliert werden die Pflichten und Rechte sowie der besondere Umgang mit Angehörigen von insgesamt elf Glaubensgemeinschaften und mit Ungläubigen beschrieben.545 Behandelt werden alle möglichen Themengebiete, die im Zusammenhang mit Religion und dem Militäralltag stehen könnten: Aspekte des Gebetsverhaltens, Urlaubs-, Uniformtrageund Barttrageregelungen. Neben Themen wie dem Spannungsverhältnis zwischen Religion und sexueller Orientierung werden Diskriminierungen im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit besprochen: „The Regulations contain an exception for anything done to protect national security provided this can be justified. This is likely to be very narrowly construed and legal advice

544 British Army: Equality and Diversity in the British Army. 545 Die im „Guide on Religion and Beliefe in the MOD and Armed Forces“ erwähnten Religionsbekenntnisse sind: Bahai, Buddhismus, Christentum, Hinduismus, Islam, Janismus, Judaismus, altertümliche Religionen, Rastafarismsus, Religion der Sikhs sowie der Zoroastrianismus (Parsismus).

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should always be sought if it is thought that a discriminatory measure should be taken to preserve national security.“546

Integrationsmaßnahmen Zu den internen Integrationsmaßnahmen im Hinblick auf ethnische Minderheiten können all jene gezählt werden, die sich gegen jegliche Art von Diskriminierung und Rassismus richten. Zentrales Dokument dabei ist der „Race Amendment Act vom Jahr 2000“, das von der Public Sector Equality Duty (PSED) durch den sogenannten „Equality Act 2010” (EA10) ersetzt wurde.547 Dieses für alle Bereiche der öffentlichen Verwaltung verbindliche Dokument sieht die Unterbindung und in weiterer Folge auch die Ahndung jeglicher Formen von Diskriminierung vor. Die „Merkmale“, die zu einer Diskriminierung führen, können unterschiedlich sein: Alter, Behinderung, Geschlechtsumwandlung, Ehe und zivile Partnerschaft, Schwangerschaft und Mutterschaft, race, Religion und Glaubensbekenntnis, Geschlecht sowie sexuelle Orientierung.548 Deshalb beschäftigt sich das Verteidigungsministerium neben den Belangen der „ethnischen Minderheiten“ auch mit unterschiedlichen Aspekten von „diversity“.549 Vom Verteidigungsministerium wird hervorgehoben, dass die Maßnahmen im Bereich „Gleichheit und Vielfalt“ einen praktischen Nutzen für die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte haben. „Equality and diversity is not a policy we pursue simply because the legislation requires us to. We pursue the policy because it is morally right and because it makes excellent business sense.”550 546 Ministry of Defence: Guide on Religion and Beliefe in MOD and Armed Forces, 2010, S. 7. 547 Der Equality Act 2010 löste den Race Relations Amendment Act vom Jahr 2000, der sich vornehmlich auf „rassische Diskriminierung“ fokussierte, ab. Vgl. The Guardian: Summary: The Race Amendment Act 2000, 2.2.2001, , abgerufen am 20.2.2012. 548 Vgl. Local Government Improvement and Development: Equality and Diversity Legislation, , abgerufen am 20.2.2012. 549 Das britische Verteidigungsministerium organisierte vor diesem Hintergrund im Jahr 2010 folgende Veranstaltung: „Business areas have held Workshops and Conferences to publicise and address various E&D issues including lesbian, gay, bisexual, transgender (LGBT), black, Asian, minority ethnic (BAME), gender re-assignment, Religion to include Sikh, Jewish, Muslim, Buddhist, Hindu and other subjects.“Ministry of Defence: Equality and Diversity activity in the MOD business areas, , abgerufen am 20.2.2012. 550 Ebd. Unter anderem soll gemäß Verteidigungsministeriums jegliche Arbeitsumgebung so gestaltet werden, dass sich alle Beteiligten wohl, willkommen und für den einzigartigen Beitrag, den jeder/jede zur „operativen Effektivität“ leistet, geschätzt fühlt. Vgl. ebd.

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Auch aus der Sicht der Streitkräfte haben Aspekte der „Gleichheit und Vielfalt“ vor allem praktische Positiva mit konkreten Auswirkungen auf die militärische Effektivität. Dies kommt in einer Direktive des Generalstabchefs deutlich zum Ausdruck: „The Army Views Equality and Diversity as critical components in the generation of Operational Effectiveness, and not for reasons of political correctness.“551 Ziel jeglicher Maßnahmen im Bereich des „diversity managements“ ist es demnach, ein motiviertes, fähiges und diszipliniertes Personal in der Armee zu haben, das niemanden diskriminiert und KollegInnen sowie Untergebene schätzt.552 Diese selbstgesteckten Ziele sollen gemäß der Direktive einerseits in der Gesellschaft und andererseits in der Armee – vor allem bei internationalen Missionen – ihre Wirkung entfalten. So soll der Respekt füreinander auch den Respekt für die Gesellschaft, der die Armee dient, fördern. „Respect for each other and for our individual differences should extend to respect for the population we protect and for those in the overseas countries where we train.“553 Die Fähigkeit mit der Vielfalt in der Gesellschaft sowie innerhalb der Armee zurechtzukommen, hilft laut der Direktive, vor allem den Herausforderungen bei internationalen Missionen besser begegnen zu können.554 Die herausragende Bedeutung der Thematik des „diversity managements“ wurde im entsprechenden strategischen Dokument „MOD Strategic Equality Obejectives 2012-2016“ bestätigt, das sowohl institutionell als auch organisatorisch neue Maßstäbe setzt. Auf der Grundlage des oben beschriebenen EA10 wurde das strategische Dokument vom Verteidigungsministerium erarbeitet und im April 2012 veröffentlicht. Das „MOD Strategic Equality Obejectives“ gibt also für eine Periode von vier Jahren die grundlegenden Zielvorgaben für das „diversity management“ der britischen Streitkräfte vor. Darin werden unter anderem die Vision und die Mission für das „diversity management“ beschrieben. Besonders betont wird dabei der Kontext der Gesellschaft, die es zu verteidigen gilt und die somit von den Streitkräften repräsentiert werden muss: „Diversity Vision: Our Vision is a workforce, uniformed and civilian, that: is drawn from the breadth of society we defend; gains strength from that society’s range of knowledge, experience and talent; and welcomes, respects and values the unique contribution of every individual.”555 551 Chief of the General Staff: The Chief of The Generals Staff’s Equality and Diversity Directive for the Army, Army Code 64340. 552 Vgl. ebd. 553 Ebd. 554 Vgl. ebd. 555 Ministry of Defence: Strategic Equality Obejectives 2012-2016, April 2012, abgerufen am 7.5.2012.

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“Diversity Mission: Diversity is core business for the Ministry of Defence in order to encourage people through society to join us, remain with us, make their distinctive contributions and achieve their full potential. Also operating in multinational environments, our success will be improved by being able to understand and respond to different types of situations and people. We will be inclusive and not tolerate discrimination, harassment, bullying or abuse. We will ensure each individual is treated fairly, with dignity and respect and that the diversity of our workforce increases operational effectiveness.“556

Dass die Maßnahmen gegen die Diskriminierung auch einen klaren operativen Hintergrund haben, wird unmissverständlich zum Ausdruck gebracht – davon erwartet man sich die Beeinflussung der Effektivität. Alle ministeriellen Vorhaben, die zur Stärkung des Zusammenhaltes innerhalb der „vielfältigen“ Streitkräfte sowie der Zivilangestellten des Ministeriums beitragen sollen, werden in der Erreichung von insgesamt sechs Zielen zusammengefasst: 1) 2) 3) 4) 5)

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„To continue to embed equality and diversity as an integral part of Department business. To reduce the incidence of bullying and harassment, on the basis of protected characteristics, in the Armed Forces and the MOD Civil Service. To improve the process for handling complaints relating to equality and diversity issues submitted by Armed Forces personnel and by MOD Civil Servants. To better under the experience of female, ethnic minority and disabled personnel in the MOD Civil Service and work to improve retention by ensuring that due regard is paid to the lived experience of these groups. To better understand the factors affecting representation of women, of Lesbian, Gay and Bisexual (LGB) personnel, and of people from UK ethnic minority communities in the Armed Forces, and to work to improve their representation to a level consistent with that in the wider population. To improve to those in the MOD Civil Service with disabilities.”557

Neben den ethnischen Gruppen werden auch andere Minderheiten explizit als eine eigene Zielgruppe definiert. Somit sind die strategischen Ausrichtungen des modernen „diversity managements“ durch eine besondere Komplexität gekennzeichnet. Wesentlich jedoch bleiben trotz allem die ethnischen Minderheiten, welche auch bei der Rekrutierung des Nachwuchses für die Streitkräfte eine Rolle spielen. Rekrutierungsmaßnahmen und spezielle Verwendung Auch bei der Rekrutierung von neuem Personal werden Vorgaben des „diversity managements“ berücksichtigt. Dabei gilt es für das Ministerium und für die Streitkräfte, sich als eine minderheitenfreundliche Institution zu präsentieren.558 556 Ebd. 557 Ebd. 558 „We continue to work to attract people from across the employment spectrum by showing why MOD is an attractive employer offering challenging and varied opportunities

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Hinsichtlich der Rekrutierung wird darauf hingewiesen, dass keine Unterschiede zwischen BritInnen und ethnischen Minderheiten gemacht werden. Rekrutiert wird jedoch auf der Basis von messbaren Leistungen der BewerberInnen. „The Army recruits personnel based on merit. That is to say we take the best person for the job. The ethnic background of the individual is not a factor at this stage.”559 Zu den Rekrutierungsmaßnahmen ist grundsätzlich zu sagen, dass alle Teilstreitkräfte eine Vielzahl von unterschiedlichen Rekrutierungsmaßnahmen gesetzt haben. Die jüngsten Initiativen beinhalten „multi-media Werbemaßnahmen” sowie das Aufsuchen von Schulen, Karrieremessen oder Jugendklubs durch Werbeteams. Aber auch Maßnahmen mit einem speziellen Fokus auf die „ethnischen Minderheiten” wurden eingeleitet. „Specialist Ethnic Minority Recruiting and Diversity Action Teams aimed at promoting Armed Forces careers amongst the United Kingdom’s ethnic minority and faith communities.“560 Obwohl Commonwealth-BürgerInnen zahlreich in den Streitkräften dienen, werden in diesen Staaten keine großangelegten Werbekampagnen, jedoch sehr wohl punktuelle Informationsveranstaltungen durchgeführt. Die meisten in den Streitkräften dienenden Commonwealth SoldatInnen werden in Großbritannien angeworben.561 Angehörige von „ethnischen Minderheiten“ werden in allen Dienstgradgruppen und in allen Funktionen eingesetzt. Wie bereits dargestellt arbeitet der überwiegend Teil der migrantischen SoldatInnen in den Landstreitkräften und ist dort vorwiegend in der kämpfenden Truppe tätig. Dabei handelt es sich jedoch um ausländische BürgerInnen. Daten über SoldatInnen, die einen Migrationshintergrund haben und britische StaatsbürgerInnen sind, liegen nicht vor. In den Streitkräften werden zwar kulturelle und sprachliche Zusatzqualifikationen genützt, jedoch werden nicht explizit Personen mit speziellen Sprachkenntnissen oder einem besonderen kulturellen Hintergrund rekrutiert. „We do not target particular skills such as foreign language competences or cultures, but a certain base standard in English language is required.”562 Personen mit Migrationshintergrund und somit mit sprachlichen und kulturellen Mehrkompetenzen sind nach Angaben des Generalstabs aber vor allem in

559 560 561 562

within an environment that respects and values diversity. In this way we hope to break down traditional perceptions of MOD as less tolerant of minority groups than it could be.“ Ministry of Defence: Promoting Equality, Valuing Diversity: A Strategy for the Civil Service, , abgerufen am 1.3.2012. Britisches Verteidigungsministeriums, Schriftliche Auskunft, 1.3.2012. , abgerufen am 1.3.2012. Vgl. ebd. Britisches Verteidigungsministeriums, Schriftliche Auskunft, 1.3.2012.

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Auslandseinsätzen von großem Nutzen. Bestimmte Herausforderungen können vor dem Hintergrund interkultureller Implikationen besser mit migrantischen SoldatInnen aus den eigenen Reihen gelöst werden. „Operationally, we face increasingly complex challenges worldwide, particularly when dealing with people of different cultures, traditions and language. The ability to draw on a diverse population from society and from within our own ranks will help us to meet those challenges.“563

Ableitungen für social cohesion Die Wechselwirkung zwischen Streitkräften und dem Zusammenhalt (cohesion) wird in Großbritannien im Zusammenhang mit ethnischen Minderheiten auf zwei unterschiedlichen Ebenen behandelt. Einerseits auf der Ebene der militärischen Gruppe, also dem Zusammenhalt innerhalb der Streitkräfte, andererseits im Rahmen der Gesellschaft. Die „Werte und Standards“ haben vor dem Hintergrund des „diversity management“ normative sowie praktische Bedeutung für die Streitkräfte. In einer Publikation des Generalstabchefs aus dem Jahr 2008 wird die Richtlinie über „Werte und Standards“ direkt mit „cohesion“ in Verbindung gebracht, jedoch nicht mit sozialen oder gesellschaftlichen Aspekten, sondern mit der „Zusammenhalt“ beim Militär. „The operational imperative to sustain team cohesions and to maintain trust and loyalty between commander and those they command imposes a need for a standard of social behavior more demanding than those required by society at large.“564 In diesem Kontext werden die Auswirkungen des sozialen Verhaltens auf die Einsatzeffektivität konkretisiert. „Social misbehavior can undermine trust and cohesion and, therefore damage operational effectiveness.“565 Die Wirkung der Streitkräfte auf den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft wurde in Großbritannien zwar noch nicht wissenschaftlich untersucht, aber erste praktische Ansätze werden bereits in der Durchführung realisiert. Im Mai 2011 wurde vom Verteidigungsministerium der „Armed Forces Covenant” publiziert. Diese Maßnahme bezweckt das Verhältnis zwischen dem Militär und der Gesellschaft zu verbessern, indem seitens der Gesellschaft für die Streitkräfte und deren Familien Verständnis sowie auch mehr Unterstützung für die Tätigkeit der Militärs entgegengebracht werden soll. Es sollen Initiativen zwischen den Angehörigen der Militärs und der lokalen Bevölkerung gestartet werden, von 563 Chief of the General Staff: The Chief of The Generals Staff’s Equality and Diversity Directive for the Army. 564 British Army: Values and Standards, Punkt 21, , abgerufen am 1.3.2012. 565 Vgl. British Army: Values and Standards, Punkt 22.

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denen beide Seiten einen Nutzen haben sollen. Ziel ist es unter anderem: „to encourage local communities to support the Armed Forces Community in their areas, and vice versa;” sowie „to promote understanding and awareness amongst the public of issues affecting the Armed Forces Community.”566 Im Juni 2011 wurden die ersten Kooperationen zwischen der zivilen Lokalverwaltung und den an einem Standort stationierten Militärs eingegangen. Bei der Unterzeichnung einer Kooperationsvereinbarung in York im Dezember 2011 wurde dies als eine weitere Maßnahme der community cohesion verstanden: „York’s interesting record of community cohesion work, which has featured regularly in the Guardian Northerner, continues with a new ‘community covenant’ signed today by the city council and the local armed forces.”567 Fazit Die integrationspolitischen Agenden Großbritanniens weisen keine Einheitlichkeit hinsichtlich der konzeptuellen Aufschlüsselung von Themenbereichen, die in Form von zu erreichenden Zielen formuliert wären, auf. In den bestehenden Dokumenten wird jedoch sehr wohl auf die Bedeutung des sozialen und vor allem des gemeinschaftlichen Zusammenhalts, der „community cohesion“, eingegangen, wobei die Streitkräfte in den offiziellen Dokumenten nicht konzeptuell erfasst werden. Die Streitkräfte selbst sind seit den 1960er Jahren eine Berufsarmee und aufgrund der hohen Einsatzintensität auf allen Kontinenten muss die Personalgewinnung sowohl die demographischen Wandlungsprozesse der britischen Bevölkerung, als auch die Anforderungen der internationalen Militäroperationen berücksichtigen. Basierend auf einem strategischen Dokument aus dem Jahr 1998 sollen die Streitkräfte den gleichen Anteil an „ethnischen Minderheiten“ wie die Gesellschaft aufweisen. Obwohl dieser angepeilte Prozentanteil in den nächsten Jahren erreicht werden dürfte, gibt es eine Disproportion zwischen den ethnischen Gruppen. Gegenwärtig sind etwa 60% der ethnischen Minderheiten in den Streitkräften ausländische StaatsbürgerInnen aus den Commonwealth Staaten oder anderen mit Großbritannien assoziierten Ländern. Daher sind die Streitkräfte mittels detaillierter Vorschriften und Richtlinien bemüht, Rassismus und Diskriminierung zu unterbinden, um den sozialen Zusammenhalt – die so genannte cohesion – in der Truppe aufrechterhalten zu können. Jene 566 Armed Forces Community Covenant schema launched, , abgerufen am 1.3.2012. 567 York and the Armed Forces sign a pact to open up local community grants. In: The Guardian, 9.12.2011. , abgerufen am 1.2.2012.

171

Länderanalysen

Personen aus den ethnischen Minderheiten, die eine britische Staatsbürgerschaft aufweisen, stehen hingegen nicht im Fokus besonderer integrationspolitischer Maßnahmen. Hinsichtlich der „community cohesion“ wurden im Jahr 2011 Konzepte implementiert, die die Beziehungen zwischen Militärangehörigen und der zivilen Bevölkerungen stärken sollen. Es ist zu erwarten, dass diese Maßnahmen künftig ausgedehnt werden.

Demographische Daten (in Mio.)

Ö

D

S

GB

Bez. und Def. „Sozialer Frieden“

Integrationsstrategien

Organisation des Militärs Wehrsystem

Zahlen*

Ew: 8,4 (2011) Fremde: 0,93 (11%) MH: 1,5 (17,8%)

Sozialer Frieden: strategisches Ziel des Staates mit starkem Bezug zu sicherheitspolitischen Themen

• Regierungsabkommen: sozialer Friede bedeutsam • NAP/Integration: ÖBH nicht erwähnt

• Seit 1955: Zshg Neutralität • Wehrpflicht für taugliche Männer • Milizsystem • Freiwillige-, Berufs- und Milizsoldaten

Ew: 81,8 (2009) Fremde: 7,1 (8,8%) MH: 16 (19,6%)

Gemeinschaftlicher Zusammenhalt: politisch-sozialer Prozess mit Betonung auf demokratiepolitische Aspekte u. Eigenverantwortung

• NIP: Bundeswehr implizit • NAP-I: MH im öffentl. Dienst steigern

• Seit 1955: Parlamentsarmee • Wehrpflicht ausgesetzt 2011 Freiwillige-, Zeit-, BerufssoldatInnen + Reserve

Stärke: ca. 251 500 Im Auslandseinsatz: 6 294 MH: 11,8% (2009)

Ew: 9,4 (2011) Fremde: 0,63 (6,7%) MH: 1,4 (14,7%)

Sozialer Zusammenhalt: wechselseitiger Prozess zwischen Individuen u. Gesellschaftgruppen u. staatlichen Institutionen

• 2008: umfassende Integrationsstrategie: messbare Ziele • 2010: integrationspolit. Umsetzungsbericht betont Streitkräfte

• Neutralität • Wehrpflicht ausgesetzt 2010 • Neuorganisation 2010-2014 • Berufs,- Zeit, Freiwilligen + Home Guard inkl. National protection forces

Stärke: ca. 25 300 Im Auslandseinsatz: 1 100 MH: keine Angaben

Ew: 62,3 (2010) Fremde: 4,5 (7,1%) eM: 9,1 (14,7%)

community cohesion: Fokus auf lokale und kommunale Rahmen mit Betonung auf Gleichheit aller am gesellschaftlichen Leben beteiligter Gruppen

• Keine Integrationsstrategie • Equality Strategy

• Berufsarmee seit 1963 • Berufssoldaten, Freiwillige, Reserve

Stärke: ca. 174 000 Im Auslandseinsatz: in 80 Staaten MH: 6,9% (2012)

* Zahlen aus „The Military Balance 2012“ 172

Stärke: ca. 25.700 Im Auslandseinsatz: 1 518 MH (Rekruten): Geburtsort nicht Ö: 3 302

Großbritannien

Legende Ew eM MH ÖBH

EinwohnerInnen Ethnic Minorities Migrationshintergrund Österreichisches Bundesheer

Tabelle 4: Übersichtstabelle: Zentrale Ergebnisse Integrationsstrategien

Ö

• Regierungsabkommen: sozialer Friede bedeutsam • NAP/Integration: ÖBH nicht erwähnt

Rekrutierungs-/ Integrationsmaßnahmen beim Militär • NAP/Integration: Sprachförderung von Unteroffizieren • Verlautbarungsblatt f. Religion • Grundwehrdiener: „Durchmischung“ (Verwaltungspraxis)

Spezielle Verwendung von Personen mit MH • Abwehramtregel: keine Auslandseinsätze • Seit 2009: Umdenken •

D

• NIP: Bundeswehr implizit • NAP-I: MH im öffentl. Dienst steigern

S

• 2008: umfassende Integrationsstrategie: messbare Ziele • 2010: integrationspolit. Umsetzungsbericht betont Streitkräfte

• • •

• •



GB

• Keine Integrationsstrategie • Equality Strategy

• • •

Öffentlicher Dienst allgemein Ministerien Handlungsanleitungen f. Muslime/Muslimas

Open doors (zusammen mit AMS) Kernwerte (Gleichheit)

Strategisch beschlossen, Schulen, Medien Borders, Citizenship and Immigration Act 2009 Spezielle Regelungen betr. Staatsbürgerschaft Manuals (Richtlinien)



Prinzip von Eignung, Leistung und Befähigung Zufällige Nutzung (Initiative MigrantInnen)

• Explizite Anwerbung für Einsätze

• •

Zufällige Nutzung Vor allem bei Auslandseinsätzen große Vorteile

Probleme & Konflikte • Rassismus • Diskriminierung • Einschleusen von ExtremistInnen/ IslamistenInnen • Anstellung muslim- Seelsorger missglückt • • • •

Rassismus Diskriminierung Loyalitätskonflikte Anerkennung im sozialen Umfeld

• Interaktion zwischen Militär und Gesellschaft sinkt • Dzt. Umstellungsphase: ungewisse Entwicklungen

• •

Rassismus Diskriminierung

Quelle: Eigenentwurf Katharina Leitner 173

Ableitungen und Empfehlungen

Präsentation der Forschungsfragen – Ableitungen und Empfehlungen

Die eingangs aufgestellten forschungsleitenden Fragestellungen werden in diesem Arbeitsteil in einer vergleichenden Darstellung der untersuchten Länder präsentiert. Dabei sollen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Österreich, Deutschland, Schweden und Großbritannien zum Ausdruck kommen, um in weiterer Folge wesentliche erkenntnisbasierte Ableitungen für Österreich durchführen zu können.

Erste Forschungsfrage Welche Rolle spielt der Erhalt des sozialen Friedens bei der Integration von Personen mit Migrationshintergrund beim Militär in Strategien und Konzepten der untersuchten Länder? Wo gibt es Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu Österreich? Begrifflichkeit und Konzepte Im Rahmen der Untersuchungen zur ersten Forschungsfrage hat sich herausgestellt, dass alle untersuchten Länder jeweils einen spezifischen Zugang zur Begrifflichkeit des „sozialen Friedens“ respektive dem „gesellschaftlichen Zusammenhalt“ (Deutschland) und dem „sozialen Zusammenhalt“ (Schweden) sowie „community cohesion“ (Großbritannien) im gesellschaftspolitischen Kontext haben. Dies führt zu zwei grundlegenden Feststellungen: Einerseits weisen offizielle integrationspolitische Dokumente unterschiedliche Wahrnehmungen der implizierten Phänomene auf und andererseits werden konkrete Maßnahmen im Sinne des jeweiligen Begriffsverständnisses realpolitisch umgesetzt. Da aber so ein „Generalbegriff“ weder in wissenschaftlichen Quellen noch im länderübergreifenden politisch-medialen Sprachgebrauch in Verwendung ist, werden in der vorliegenden Untersuchung die ländertypischen Bezeichnungen gemäß der jeweiligen integrationspolitischen Dokumente bei der Untersuchung der Fragestellung verwendet. Eine wesentliche Gemeinsamkeit der integrationspolitischen Strategien und Konzepte der jeweiligen Staaten ist, dass der soziale Frieden respektive die verwandten Bezeichnungen in den anderen Ländern in engem Zusammenhang mit gesellschaftlichen Entwicklungen gebracht werden. Ausdrücklich wird dies als 175

Ableitungen und Empfehlungen

wesentliches Element der Integrationspolitik in allen untersuchten Ländern behandelt. So wird außer in österreichischen Quellen in keinem deutschen, schwedischen und britischen Dokument der soziale Frieden bzw. der gemeinschaftliche und soziale Zusammenhalt explizit mit sicherheitspolitischen Aspekten verbunden. Dadurch wird die Bedeutung des sozialen Friedens für staatliche Institutionen – im Sinne der Aufrechterhaltung der österreichischen Sicherheit – relevant. In Österreich spielt der soziale Frieden für die Integrationspolitik eine essentielle Rolle und wird sogar als Ziel von integrationspolitischen Maßnahmen verstanden, was in den anderen Staaten so nicht ausdrücklich benannt wird. Obwohl z.B. in Deutschland die Begrifflichkeit des gemeinschaftlichen Zusammenhalts einen Schlüsselfaktor für die künftige gesamtgesellschaftliche Entwicklung darstellt, wird dieser bei weitem nicht so oft wie in den Dokumenten von Österreich verwendet. Auch in schwedischen und britischen Quellen ist die Verwendung der entsprechenden Begriffe seltener. Im Allgemeinen weist Deutschland von allen untersuchten Staaten die engste Verknüpfung zwischen dem gemeinschaftlichen Zusammenhalt und demokratiepolitischen Inhalten auf. Somit wird unter anderem der gemeinschaftliche Zusammenhalt auch durch die Stärkung der Demokratie gewährleistet. Besonders beachtenswert ist, dass beim gesellschaftlichen Zusammenhalt in der deutschen Konzeption die Eigenverantwortung jedes/jeder Einzelnen betont wird. Neben der öffentlichen Verwaltung und anderen gesellschaftspolitischen AkteurInnen und Einrichtungen sollen den Dokumenten zufolge auch Individuen mittels Verantwortung, Fleiß und Leistungsbereitschaft zum Zusammenhalt beitragen. Dies wird in keinem anderen Land ausdrücklich so betont. Der soziale Zusammenhalt in Schweden wird durch die „demokratische Gesellschaft“ getragen. Das Ziel einer demokratischen, toleranten und liberalen Gesellschaft hängt demnach vom sozialen Zusammenhalt ab. Gleichermaßen werden Individuen als auch Gesellschaftsgruppen im Verhältnis zur öffentlichen Verwaltung angesprochen, welche einen positiven Beitrag zur Gesellschaft und somit zum sozialen Zusammenhalt beitragen. Neben Initiativen am Arbeitsmarkt werden auch Anti-Diskriminierungsmaßnahmen eingeleitet, was in der Form nur mit Maßnahmen in Großbritannien vergleichbar ist. In Großbritannien wird mit „community cohesion“ die Gewährleistung von guten Lebensmöglichkeiten aber auch die Inanspruchnahme von Rechten verbunden. Hervorgehoben werden das gegenseitige Vertrauen sowie das Vertrauen in die Einrichtungen der lokalen Verwaltung. Die Begriffsspezialisierungen in den jeweiligen Ländern sind generell durch folgende Merkmale gekennzeichnet: • Österreich: sozialer Frieden – strategisches Ziel des Staates mit starkem Bezug zu sicherheitspolitischen Themen;

176

Ableitungen und Empfehlungen

• • •

Deutschland: gesellschaftlicher Zusammenhalt – politisch-sozialer Prozess mit Betonung auf demokratiepolitische Aspekte und Eigenverantwortung; Schweden: sozialer Zusammenhalt – wechselseitiger Prozess zwischen Individuen und Gesellschaftgruppen und staatlichen Institutionen; Großbritannien: community cohesion – Fokus auf lokale und kommunale Rahmen mit Betonung auf Gleichheit aller am gesellschaftlichen Leben beteiligter Gruppen.

Die Streitkräfte Der öffentlichen Verwaltung kommt in allen Staaten eine besondere Rolle in der Integrationspolitik und somit im Erhalt des sozialen Friedens bzw. des gemeinschaftlichen, sozialen Zusammenhalts sowie der communitiy cohesion zu. Die Streitkräfte, als Teil der staatlich-administrativen Verwaltung, stehen jedoch in keinem Land im Fokus von integrationspolitischen Maßnahmen und somit werden sie in keinem der untersuchten österreichischen, deutschen, schwedischen und britischen Dokumente explizit in einem kausalen Zusammenhang mit dem sozialen Frieden vor dem Hintergrund der integrationspolitischen Prozesse in Einklang gebracht. Die wesentliche Gemeinsamkeit zwischen den Staaten hinsichtlich dieser Fragestellung besteht demnach darin, dass die Streitkräfte nicht im Kontext des sozialen Friedens, dem gemeinschaftlichen und sozialen Zusammenhalt erwähnt werden. Allerdings bestehen in den Konzepten und in weiterer Folge auch in der realen Umsetzung bei der Einbindung des Militärs in die Integrationspolitik erhebliche Unterschiede zwischen den jeweiligen Staaten. Während in Österreich lediglich die Sprachförderung von migrantischen SoldatInnen mit besonderer Hervorhebung der UnteroffizierInnen als einzige integrationspolitische Initiative geplant und auch umgesetzt wurde, involvieren Deutschland, Schweden und Großbritannien das Militär viel stärker in ihre gesamtstaatlichen Integrationskonzepte. In Deutschland wird betont, dass die öffentliche Verwaltung die Gesellschaft repräsentieren solle und der Zugang für MigrantInnen erleichtert werden muss. Während bei besonderen Beamtenfunktionen im Bereich des deutschen Verteidigungsministeriums (u.a. bei den Nachrichtendiensten) MigrantInnen für eine einschlägige Kariere auf einer alle öffentlichen Dienste umfassenden Homepage angesprochen werden, werden für SoldatInnenfunktionen in der Bundeswehr Personen mit Migrationshintergrund nicht explizit rekrutiert. In Schweden wurde ebenfalls festgelegt, dass die öffentliche Verwaltung und demnach auch die Streitkräfte die kulturelle und ethnische Komplexität der Gesellschaft repräsentieren sollen. Die eingeleiteten Maßnahmen zur Integration von MigrantInnen in die schwedischen Streitkräfte stehen in enger Beziehung zur Entwicklung in der Gesellschaft und auch der Arbeitsmarktsituation. 177

Ableitungen und Empfehlungen

Ein besonderer Zugang zum Verhältnis zwischen den Streitkräften und der Bevölkerung ist vor dem Hintergrund der Integrationspolitik in Großbritannien gegeben. Bereits in den 1990er Jahren wurden die Streitkräfte von politischen EntscheidungsträgerInnen beauftragt, den Prozentanteil von MigrantInnen beim Militär auf jenes Maß zu heben, das in der Gesamtgesellschaft vorhanden ist. Obwohl Angehörige von ethnischen Minderheiten nicht für spezielle SoldatInnenfunktionen rekrutiert werden, ist der Anteil von MigrantInnen signifikant gestiegen.

Zweite Forschungsfrage Welche quantitativen und qualitativen Aspekte spielen im Hinblick auf die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte bei der Aufnahme von Personen mit Migrationshintergrund eine Rolle? Quantitative Aspekte Bei der Rekrutierung von SoldatInnen sind Faktoren wie Alter oder physische und psychische Eignung entscheidend, aber auch weitere Kompetenzen spielen eine gewichtige Rolle. Besonders im Hinblick auf den quantitativen Personalbedarf gibt es zwischen den untersuchten Staaten ähnliche Problemstellungen. Die demographische Entwicklung verläuft in allen untersuchten Staaten ähnlich: Während die autochthone Bevölkerung im Durchschnitt immer älter wird und in Relation zur Gesamtbevölkerung zahlenmäßig abnimmt, nimmt der migrantische Bevölkerungsteil aufgrund Geburtenzuwachs und Zuwanderung zu. Außer Deutschland wiesen alle Staaten im untersuchten Zeitraum einen positiven Wanderungssaldo auf. Daher nimmt die Bevölkerung in Deutschland ab, während sie in Österreich, Schweden und Großbritannien aufgrund von Zuwanderung leicht ansteigt. Diese Bevölkerungsdaten lassen darauf schließen, dass es auch beim Militär in Zukunft eine quantitative Zunahme von MigrantInnen geben wird. Ausgehend vom demographischen Wandel sind Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung – und somit auch die Streitkräfte – gezwungen, Maßnahmen einzuleiten, die den realen Bevölkerungsverhältnissen Rechnung tragen. Die quantitative Zunahme und somit auch ein möglicher mittel- bis langfristiger Trend, MigrantInnen verstärkt direkt für das Militär zu rekrutieren, hängt aber auch von weiteren Faktoren ab. Aus der vorliegenden Untersuchung geht hervor, dass sowohl das Wehrsystem, als auch die Auslandseinsätze von SoldatInnen einen großen Einfluss auf den Bedarf von Personen mit Migrationshintergrund im Hinblick auf die Einsatzbereitschaft haben. Während bei der Wehrpflicht die Zugänge des Perso178

Ableitungen und Empfehlungen

nals über den gesetzlich vorgeschriebenen Präsenzdienst in der Regel von jugendlichen und jungen Erwachsenen Männern sicherstellen, konkurrieren Berufsarmeen am Arbeitsmarkt verstärkt mit anderen ArbeitgeberInnen, wodurch die Bedeutung von MigrantInnen als relevante Zielgruppe für Streitkräfte steigt. Österreich hat als einziges der untersuchten Länder eine Wehrpflichtarmee. Deutschland setzte die Wehrplicht im Jahr 2011 aus, Schweden im Jahr 2010 und Großbritannien hat bereits seit 1963 eine Berufsarmee. Die verpflichtende Teilnahme am Wehrdienst kann unter Umständen als eine spezielle Form der Integration von Personen mit Migrationshintergrund aufgefasst werden. Im Wehrdienst wird von den MigrantInnen häufig sowohl die Sprache des jeweiligen Landes intensiver genutzt, als auch soziale Kontakte zur Mehrheitsbevölkerung hergestellt. In den bisherigen Forschungsarbeiten wurde jedoch nicht untersucht, wie lange die sozialen Kontakte, die während des Grundwehrdienstes zwischen migrantischen Rekruten und jenen der Mehrheitsgesellschaft hergestellt wurden, nach Beendigung des Wehrdienstes aufrecht erhalten werden. Aufgrund der Tatsache, dass beim österreichischen Bundesheer taugliche Männer zum Präsenzdienst eingezogen werden, ist eine umfassendere Repräsentanz der gesellschaftlichen Verhältnisse bei den jeweils zum Militärdienst eingezogenen Jahrgängen an Grundwehrdienern bundesweit gegeben. Was jedoch das Berufskader, also jene SoldatInnen, die beim Militär dauerhaft oder zeitlich befristet bleiben, anbelangt, so ist ihr Anteil weder im Hinblick auf die prozentuelle Vertretung in der Gesamtgesellschaft, noch im Verhältnis zu den Grundwehrdienern entsprechend vertreten. Der ethnische Hintergrund der KadersoldatInnen korrespondiert nicht mit der Repräsentanz in der Gesamtgesellschaft. Ersichtlich wird diese Diskrepanz bei Berufsarmeen. Wie im Fallbeispiel Großbritannien deutlich wurde, dienen von den ethnischen Minderheiten mit britischer Staatsbürgerschaft vor allem Angehörige der Gruppe der Schwarzen, während AsiatInnen kaum in den Streitkräften vertreten sind. Die erst vor kurzem erfolgte Umstellung von einer Wehrpflichtigen- auf eine Berufsarmee in Deutschland und Schweden weist bezüglich der Einhaltung des zu rekrutierenden Personals auf unterschiedliche Resultate hin. Während in Deutschland die Ausfälle größer sind als erwartet, wurden in Schweden bislang die Erwartungen hinsichtlich der Personalgewinnung übertroffen. Jedoch wird es für die schwedischen Streitkräfte schwer sein, das derzeit hohe Bewerbungsniveau aufrechtzuerhalten, und somit ist eine stärkere Orientierung hin zu MigrantInnen zu erwarten. Der quantitative als auch der qualitative Bedarf an MigrantInnen für die Einsatzbereitschaft steigt proportional mit der Anzahl von SoldatInnen in internationalen Militäroperationen. Somit sind vor allem Streitkräfte bemüht, die in einer großen Anzahl über einen längeren Zeitraum hinweg in einem anderen Land militärisch tätig sind, besondere Verhältnisse zu der lokalen Bevölkerung vor Ort im Einsatzland aufzubauen und daher erhalten qualitative Aspekte eine immens wichtige Rolle. 179

Ableitungen und Empfehlungen

Qualitative Aspekte Wesentliche Unterschiede zwischen den Streitkräften von Deutschland, Schweden und Großbritannien einerseits und Österreich andererseits bestehen in der Nutzung der Zusatzkompetenzen migrantischer SoldatInnen im Einsatz selbst. Während bei allen Streitkräften Sprachkenntnisse und spezielles Wissen über die Region, welche die eigenen migrantischen SoldatInnen besitzen, für die Einsatzvorbereitung aber auch im Einsatz genutzt werden, wird bis in die Gegenwart beim ÖBH eine Regel des Abwehramtes praktiziert, wonach SoldatInnen nicht in jenes Land auf eine Friedensmission geschickt werden können, von dem sich die eigene kulturelle und ethnische Herkunft ableitet. Ausnahmen haben in diesem Fall eher die Regel bestätigt. Besonders im Afghanistaneinsatz wurde ersichtlich, wie wichtig eine sensible und umsichtige Beziehung zur lokalen Bevölkerung für die taktische Informationsgewinnung sowie für den eigenen Truppenschutz und somit letztendlich für den Erfolg einer Militärmission ist. Daher werden SoldatInnen mit entsprechenden Zusatzkompetenzen (vor allem Sprache und Kultur) in allen Funktionen in den Einsatz geschickt. Diese allfälligen Zusatzkompetenzen werden unter dem Oberbegriff der interkulturellen Kompetenz zusammengefasst und in der Regel in den untersuchten Streitkräften – außer beim Bundesheer in Österreich – zielgerichtet eingesetzt. Obwohl beim ÖBH ein erstes Umdenken stattfindet, können viele KadersoldatInnen mit albanischen, bosnischen, kosovarischen, kroatischen oder serbischen Wurzeln nicht automatisch für den Einsatz in Bosnien und Herzegowina oder dem Kosovo ausgebildet und dann auch entsandt werden. Begründet wird dies damit, dass diese SoldatInnen von fremden Nachrichtendiensten oder von nichtstaatlichen AkteurInnen informationstechnisch missbraucht werden oder sie für eine der Volksgruppen Partei ergreifen könnten. Aus Gründen der militärischen Sicherheit werden daher die Zusatzqualifikationen im Sinne der interkulturellen Kompetenz beim ÖBH nicht in jenem Ausmaß wie in anderen Staaten genutzt. Seit 2010 findet aber in Ansätzen auch in Österreich diesbezüglich ein Umdenken statt. Obwohl die Bedeutung der interkulturellen Kompetenz im Allgemeinen und von migrantischen SoldatInnen im Besonderen für die Streitkräfte zugenommen hat und diese vor allem in Auslandsmissionen gezielt eingesetzt werden, werden SoldatInnen mit entsprechendem ethnischen und kulturellen Hintergrund explizit nur in Schweden angeworben. In Deutschland und Großbritannien werden SoldatInnen, die beispielsweise einen afghanischen Hintergrund haben, auch in Afghanistan eingesetzt. Allerdings werden diese SoldatInnen nicht zielgerichtet rekrutiert – die „zufällig“ mitgebrachten kulturellen Kompetenzen von SoldatInnen, die bereits im System integriert sind, werden aber genutzt. Im Gegensatz dazu werden in Schweden gezielt Personen mit einem bestimmten Hintergrund für eventuelle Auslandseinsätze angeworben. 180

Ableitungen und Empfehlungen

Dritte Forschungsfrage Existieren konkrete Strategien zur Personalgewinnung, um migrantische KandidatInnen anzusprechen und auch für die jeweilige Berufsanforderung der Streitkräfte rekrutieren zu können? Grundsätzlich muss zwischen dem allgemeinen werbetechnischen Ansprechen von MigrantInnen als Zielgruppe und dem zielgerichteten Rekrutieren von Personen mit Migrationshintergrund oder sogar von bestimmten ethnischen Gruppen unterschieden werden. Dieses Spektrum in der Vorgehensweise bei der Personalgewinnung findet sich auch in den untersuchten Streitkräften wieder, wobei im Vergleich zu den anderen Staaten in Österreich Werbe- und Rekrutierungsmaßnahmen von MigrantInnen für die Streitkräfte am wenigsten verbreitet sind. Bei der deutschen Bundeswehr sowie bei den schwedischen und britischen Streitkräften sind die Rekrutierungsmaßnahmen im Wesentlichen von der Erfüllung des Personalstandes beeinflusst, was in erster Linie mit dem Wehrsystem (Deutschland, Schweden) sowie gesellschaftspolitischen Überlegungen und dem Bedarf aufgrund der Einsatzintensität (Großbritannien) zusammenhängt. In Österreich spricht das Bundesheer junge MigrantInnen vor allem über zwei Zeitschriften, KOSMO und „biber“, an. Während KOSMO in Bosnisch, Kroatisch und Serbisch erscheint und somit ausschließlich von der ex-jugoslawischen Community konsumiert wird, erscheint das „biber“ auf Deutsch und richtet sich an alle migrantischen Jugendlichen und junge Erwachsenen. Dadurch werden aber nicht unbedingt Personen mit bestimmten Sprachkenntnissen oder einem bestimmten ethnischen Hintergrund rekrutiert. Im Mittelpunkt der Maßnahme steht einerseits die Absicht, die Zielgruppe aufgrund ihres Alters und weniger aufgrund der interkulturellen Kompetenzen zu erfassen, andererseits werden aber auch integrationspolitische Impulse gesetzt. Das Bundesheer wahrt demnach also die Eigeninteressen bei gleichzeitiger Nutzung des institutionellen Integrationspotenzials. Initiativen, basierend sowohl auf den Anforderungen der Streitkräfte sowie auf integrationspolitischen Zielsetzungen, wurden auch in den anderen Staaten eingeleitet. In Deutschland werden zielgerichtet MigrantInnen für eine Karriere als BeamtIn in unterschiedlichen Dienststellen des Verteidigungsministeriums angeworben, jedoch spielt auch hier ein bestimmter ethnischer oder kultureller Hintergrund der BewerberInnen keine Rolle. Dadurch soll, wie alle anderen Ministerien auch, das deutsche Verteidigungsministerium für MigrantInnen zugänglich gemacht werden. Innerhalb der deutschen Streitkräfte selbst, gibt es zurzeit noch keine konkreten Anwerbemaßnahmen für MigrantInnen. Im Hamburg wurde aber ein Projekt gestartete, das die Eltern von Russlanddeutschen sowie von türkischstämmigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen über die Bundeswehr informieren soll. Dadurch soll die primäre Altersgruppe indirekt 181

Ableitungen und Empfehlungen

angesprochen und so die Bundeswehr für diese Zielgruppe interessant gemacht werden. In Schweden wird ab Herbst 2012 ein Projekt in Zusammenarbeit der Streitkräfte und dem Arbeitsmarktservice realisiert, bei dem junge Arbeitslose mit nichteuropäischem Hintergrund die Möglichkeit haben, in den Dienst beim Militär aufgenommen zu werden. Insgesamt sollen sich gemäß Planung 500 Personen als SoldatInnen verpflichten. Mit diesem Projekt wird sowohl den militärischen Anforderungen, als auch integrationspolitischen Maßnahmen Rechnung getragen. Gerade die Zusammenarbeit mit dem Arbeitsmarktservice und die Aufnahme von arbeitslosen MigrantInnen sind aus der Sicht der Integrationspolitik sehr bedeutend. In Großbritannien wurde die Anhebung des Migrationsanteils strategisch beschlossen. Das Ziel, die ethnische Zusammensetzung der Gesellschaft solle sich in den Streitkräften widerspiegeln, wurde jedoch nicht erreicht, lediglich eine Annäherung ist gelungen. Dabei wurden spezielle Rekrutierungsmaßnahmen in Schulen und anderen Einrichtungen, wo sich vornehmlich MigrantInnen aufhalten eingeleitet. Auch der zielgerichtete Einsatz aller zur Verfügung stehenden Medien half, die MigrantInnengruppen zu erreichen. Obwohl keine besondere ethnische Gruppe favorisiert wurde, traten vornehmlich Personen mit Wurzeln aus Afrika und dem karibischen Raum ins Militär ein. Beim britischen Militär ist zudem auffällig, dass viele SoldatInnen keine britischen StaatsbürgerInnen, sondern Angehörige des Commonwealth of Nations sind.

Vierte Forschungsfrage – Ableitungen und Empfehlungen Welche Erkenntnisse lassen sich aus der Untersuchung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den untersuchten Staaten konkret für Österreich ableiten? Ausgehend von der Analyse der Gemeinsamkeiten und den Unterschieden zwischen den einzelnen Staaten, lassen sich sowohl wissenschaftliche als auch realpolitische Erkenntnisse mit Relevanz für Österreich bzw. das Bundesheer an sich mit folgenden Themenschwerpunkten ableiten: a) Begrifflichkeiten des sozialen Friedens; b) Dimensionen des sozialen Friedens; c) Einsatzbereitschaft. Begrifflichkeit des sozialen Friedens Es kann konstatiert werden, dass sich die jeweiligen Merkmale der länderspezifischen Begriffsunterscheidungen hinsichtlich des sozialen Friedens (Österreich), 182

Ableitungen und Empfehlungen

gesellschaftlichen und sozialen Zusammenhalts (Deutschland, Schweden) und der community cohesion (Großbritannien) in ihrer Weite und Tiefe nicht durch eine Definition präzise abgrenzen lassen und somit peripher-idente Bedeutungsinhalte aufweisen. Fasst man die wesentlichen inhaltlichen Aspekte der geläufigen Begrifflichkeiten der jeweiligen integrationspolitischen Dokumente zusammen, dann könnten in einem umfassenderen Begriffsmodell des sozialen Friedens die inhaltlichen Spezifika anderer Länder aufgenommen werden. Vor allem für die künftige Forschung als auch für politische Maßnahmen wäre die Kreierung einer umfassenden operationell-analytischen Terminologie notwendig. Empfehlung: Formulierung einer konkreten Definition für den „sozialen Frieden“, die ein umfassendes Spektrum an empirisch beobachtbaren Problemstellungen der sozialen Realität erfasst, um operative Anforderungen einer umsetzungsorientierten Integrationspolitik erfüllen zu können. Ebenen des sozialen Friedens Die „Dimensionen“ des sozialen Friedens sind im Zusammenhang mit den Streitkräften in mehrfacher Hinsicht bedeutend und betreffen den alltäglichen Dienstbetrieb, die militärische Führung und die Gesamtgesellschaft. Daher lassen sich drei Ebenen ableiten, die besondere Rahmenbedingen, Voraussetzungen und Möglichkeiten für die Entfaltung des sozialen Friedens in enger Relation zum Bundesheer aufweisen: eine Mikro-, Meso- und eine Makro-Ebene.568 Mikro-Ebene Die Mikro-Ebene betrifft den sozialen Frieden innerhalb der Truppe und soll garantieren, dass es zu keinen Konflikten zwischen migrantischen SoldatInnen untereinander sowie mit jenen der Mehrheitsgesellschaft kommt. Diese Konflikte können innerhalb der gleichen Dienstgradgruppe und Funkionen aber auch mit Untergebenen und Vorgesetzten auf allen Führungsebenen auftreten und dabei den Dienstbetrieb stören oder gar die Auftragserfüllung gefährden. Wichtige Elemente dabei sind Vorurteile und Formen von Fremdenfeindlichkeit sowie Rassismus. Eine entscheidende Maßnahme, um den sozialen Frieden innerhalb der Truppe bei der deutschen Bundeswehr sowie den britischen Streitkräften zu stärken, war die Betonung der eigenen Militärkultur. Dies kreiert eine identitäts-

568 Die Idee der Unterteilung der Kategorisierungsebenen in eine Mikro-, Meso- und Makroebene der vielschichtigen Einflüsse migrantischer SoldatInnen auf den sozialen Frieden stammt von Walter Feichtinger.

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Ableitungen und Empfehlungen

stiftende „Truppenmentalität“ und eine eigene „Truppenkultur“, das zu einem besonderen „Wir-Gefühl“ führt. Deutsche Offiziere haben sich in Interviews deutlich dahingehend geäußert, dass es unterschiedliche Kulturen zwischen den einzelnen Waffen- oder Truppengattungen gibt. Diese „Truppenkulturen“ beeinflussen die Wahrnehmung des/der SoldatIn und schaffen somit auch Abgrenzungen nach außen. Die ethnisch oder auch sozial bedingte Kultur des/der Einzelnen rückt dabei in den Hintergrund. Dadurch wird der „gesellschaftliche“ Zusammenhalt, zwischen den SoldatInnen, welchen man in diesem Kontext auch „gemeinschaftlichen“ Zusammenhalt569 nennen könnte, gestärkt. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Truppe mit einer spezifischen Militärkultur ist somit für die SoldatInnen wichtiger als die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft oder einer ethnischen Minderheit. In diesem Zusammenhang fiel auch die für vorliegende Publikation namensgebende Aussage, dass Integration mühelos gelinge, wenn man zusammen im Schützengraben um das Leben zittere. Dass diese Wahrnehmungen auch beim ÖBH existieren, wurde im Experteninterview mit dem Kommandanten der prestigeträchtigen Garde, Oberstleutnant Stefan Kirchebner, bestätigt. Er gab an, dass es Bundesheer unter anderem eine wichtige Kultur gäbe: die Militärkultur. Die interviewten Kadersoldaten in dieser Einheit bezeichneten das Bundesheer sehr wohl als multikulturell, ohne sich jedoch explizit auf diese Militärkultur zu beziehen. Ausgehend von diesem Beispiel könnte durch entsprechende Ausbildung und Kommunikation innerhalb der einzelnen Verbände die Diskrepanz zwischen der subjektiv wahrgenommenen ethnischen Multikulturalität und einer identitätsstiftenden und funktionellen „Mono-Militärkultur“ überwunden werden. Dies würde ein besonderes „WirGefühl“ erzeugen und in weiterer Folge den soziale Frieden innerhalb der Truppe maßgeblich fördern. Hier sei allerdings darauf hingewiesen, dass Identitäten fluid sind und sich kontextuell verändern können. Multiple Identitäten können als die individuelle oder/und kollektive Antwort auf Interaktionen je nach Zeit, Raum und gesellschaftlichem Rahmen gesehen werden570 und schließen sich somit nicht aus. Die Identifizierung mit der Militärkultur schließt also ein anderes Identitätsgefühl nicht aus. Um den sozialen Frieden innerhalb der Truppe fördern und stärken zu können, wäre daher eine klare und verständliche Definition und Normierung der 569 Aspekte des „gesellschaftlichen“ Zusammenhaltes sind in besonderer Weise für die Truppen wichtig. Diese Erscheinungsform könnte für soziale Gruppen im Allgemeinen und für eine militärische Sozialisationseinheit im Besonderen als „gemeinschaftlicher“ Zusammenhalt bezeichnet werden. Diese begriffliche Konstruktion basiert auf den Überlegungen von Rastislav Báchora. 570 Vgl. Steiner, Martina I.: Interkulturelle Kompetenz aus anthropologischer Perspektive. In: Six-Hohenbalken, Maria/Tosic, Jelena (Hrsg.): Anthropologie der Migration. Theoretische Grundlagen und interdisziplinäre Aspekte. Wien 2009, S. 266-283, hier S. 273.

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Ableitungen und Empfehlungen

homogenen Militärkultur des Bundesheeres im Allgemeinen und jedes einzelnen Truppenverbandes im Besonderen hilfreich. Die Richtlinien und Regeln in der ADV reglementieren zwar den grundsätzlichen Handlungsradius im Alltag und definieren auch die Konsequenzen bei Regelverstößen, was für das Funktionieren des gesamten Systems essenziel ist, jedoch ist dies nicht identitätsstiftend im Sinne der Militärkultur. Somit ist die ADV als die einzige Grundlage betreffend des sozialen Friedens beim ÖBH besonders im Hinblick auf die künftigen Anforderungen nicht ausreichend. Empfehlung: Definierung einer identitätsstiftenden homogenen Militärkultur zwecks Förderung eines stabilen „Wir-Gefühls“ im Sinne des sozialen Friedens mit anschließender ausbildungstechnischer Implementierung dieser Konzeption in den militärischen Dienstbetrieb. Meso-Ebene Die Meso-Ebene betrifft die Streitkräfteführung und ist für den sozialen Frieden aufgrund der Entscheidungs- und Umsetzungskompetenz entscheidend. Zudem wird auf dieser Ebene das notwendige Bewusstsein für bestimmte Problematiken geschaffen, das schließlich Auswirkungen auf das gesamte Militärsystem hat. Um den sozialen Zusammenhalt und die „community cohesion“ beim Militär zu stärken, wurden in den schwedischen und britischen Streitkräften strikte Antidiskriminierungsmaßnahmen von der Streitkräfteführung implementiert. Besonders die britischen Streitkräfte sind in diesem Bereich führend. Die Fülle an detaillierten Richtlinien und Maßnahmen gegen Diskriminierung bezeugen die Wichtigkeit des Themas. Insbesondere die Vorkehrungen, die in den Konzepten von „standards and values“, die von der politischen Ressortleitung verordnet und von der Streitkräfteführung umgesetzt wurden, können für das ÖBH als richtungsweisend bezeichnet werden. Darin werden wesentliche „Werte“ definiert, die für alle SoldatInnen in den Streitkräften bindend sind und somit letztlich auf die Mikro-Ebene wirken. Diese Werte sind: (a) selbstloses Engagement, (b) Respekt gegenüber anderen, (c) Loyalität, (d) Integrität, (e) Disziplin und (f) Mut. Von der britischen Streitkräfteführung wird unmissverständlich die Notwendigkeit der Einhaltung der Werte, insbesondere der Gleichheit aller SoldatInnen ohne Rücksicht auf das Geschlecht, Herkunft oder sexuelle Orientierung entsprechend kommuniziert. Gerade die Einhaltung der Werte, insbesondere der gegenseitige Respekt, wird nicht aus Gründen der politischen Korrektheit, sondern wegen operativer und einsatztaktischer Erfordernisse propagiert. Jede Form der Diskriminierung hat Auswirkungen auf das betroffene Individuum und kann zur Schwächung eines militärischen Gefüges führen, was insbesondere in Gefahrensituationen oder bei Kampfhandlungen in Militäroperationen fatale Folgen haben könnte. Diesbezüglich kann resümiert werden, dass der „gemeinschaftli185

Ableitungen und Empfehlungen

che Zusammenhalt“ und daher der soziale Frieden besonders innerhalb jener Truppen essentiell sind, in denen die Überlebenschancen von einzelnen SoldatInnen in realen Kampfhandlungen vom Vertrauen, gegenseitigem Respekt und Wertschätzung sowie Loyalität abhängen. Ausgehend von der britischen Herangehensweise der Streitkräfteführung kann abgeleitet werden, dass Richtlinien betreffend der Antidiskriminierung bei gleichzeitiger Betonung der Gleichheit aller SoldatInnen sowie Respekt gegenüber jedem/jeder Einzelnen zum stärkeren Zusammenhalt und somit zur Verbesserung der Einsatzfähigkeit führen. Empfehlung: Definierung von zentralen Werten, die die Basis für den Umgang zwischen allen Angehörigen des Verteidigungsressorts und insbesondere zwischen SoldatInnen regeln sollen. Eine entsprechende ausbildungstechnische Vermittlung, organisationsinterne Implementierung sowie die Einleitung von angemessenen Konsequenzen des/der jeweils verantwortlichen KommandantIn bei Werteverstößen sollte von der Ressortführung besonders im Hinblick auf einen möglichen Militäreinsatz österreichischer SoldatInnen im Rahmen der EUBattle-Group ab Juli 2012 sichergestellt werden. Makro-Ebene Diese Ebene ist jene, auf der das Bundesheer mit gesellschaftspolitischen Entwicklungen interagiert. Die Frage, ob das Militär im Allgemeinen und SoldatInnen mit Migrationshintergrund im Besonderen, einen Einfluss auf die Gesellschaft im Sinne der Integrationspolitik nehmen, hängt vordergründig von den Prozessen auf dieser Ebene ab. Dass Personen mit Migrationshintergrund beim Bundesheer dienen und Karriere machen, hat auch eine wichtige Außenwirkung. Die Art und Weise wie migrantische SoldatInnen im militärischen System aufgenommen und beruflich integriert werden, gibt generell Aufschlüsse über die vorherrschende Organisationkultur und kann auch das Bild des Militärs in der Bevölkerung prägen. Sowohl österreichische als auch deutsche Soldaten, die im Rahmen dieser Forschungsarbeit interviewt wurden, gaben an, dass das Bundesheer respektive die Bundeswehr in weiten Teilen der Bevölkerung oftmals als eine von Rechtsradikalen dominierte Institution dargestellt wird, was jedoch – wie die interviewten Soldaten betonen – nicht den Tatsachen entspricht. Zudem stellen SoldatInnen mit Migrationshintergrund selbst eine wesentliche Verbindung zwischen den Streitkräften und der restlichen Bevölkerung her und wirken somit in diese hinein. Die Bevölkerung wird demnach über das migrantische Kaderpersonal des Bundesheeres auf unterschiedliche Weise beeinflusst, was wiederum wichtige Impulse für den sozialen Frieden in der Gesellschaft gibt. Aus den Analysen der Interviews mit migrantischen Kadersoldaten in Österreich und Deutschland leitet sich ab, dass diese sowohl Teile der Mehrheitsbevölkerung als auch der MigrantInnen beeinflussen. Die Beeinflussung gesell186

Ableitungen und Empfehlungen

schaftlicher Strukturen – und zwar jener der Mehrheitsbevölkerung als auch jener der migrantischen Communities – gestaltet sich in Form unterschiedlicher „Interaktionsformen“. Basierend auf den Auswertungen der Interviews mit Soldaten mit Migrationshintergrund lässt sich folgende allgemeine Aussage treffen: Personen mit Migrationshintergrund beim Militär wirken passiv und aktiv auf die Gesellschaft und tragen somit auf unterschiedlichen Ebenen zum sozialen Frieden bei. Eine schematische Aufteilung der Kategorisierung jener Einflussmöglichkeiten, die SoldatInnen mit Migrationshintergrund auf die Mehrheitsgesellschaft sowie auf jene Bevölkerungsteile mit Migrationshintergrund aufweisen, lassen sich grundsätzlich danach unterscheiden, ob diese passiv oder aktiv erfolgen.571 Tabelle 5: Kategorisierung der Beeinflussung der Bevölkerungsgruppen durch migrantische KadersoldatInnen Art der Beeinflussung Passiv

Aktiv direkt

Aktiv indirekt

Mehrheitsgesellschaft

Minderheiten

Persönlichkeitsattribute Besondere Verbundenheit mit dem Staat Im Rahmen des Dienstes: Rekruten Untergebene Vorgesetzte Im privaten Umfeld ÖsterreicherInnen Das soziale Umfeld des berufsbedingten Personenkreises sowie jenes der eigenen privaten Kontakte

Vorbildwirkung des beruflichen Werdeganges Anerkennung Im Rahmen des Dienstes: Rekruten Im privaten Umfeld: ethnische Community Soziales Umfeld: Familienangehörige, Freundschaftsund Bekanntenkreis

Quelle: Eigenentwurf Rastislav Báchora Für die Mehrheitsgesellschaft wird ersichtlich, dass Personen mit Migrationshintergrund beim Militär zu jenen Berufskreisen gehören, die zur Sicherheit des Staates und seiner Bevölkerung beitragen. Mit so einer Person werden aufgrund des Tätigkeitsfeldes auch positive Persönlichkeitsattribute wie Pünktlichkeit und Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein verbunden – gleichzeitig wird auch das besondere Verhältnis zum Staat wohlwollend registriert. Der SoldatInnenberuf stellt ein spezielles Vertrauensverhältnis zwischen dem Individuum und dem 571 Die Kategorisierung der Einflüsse migrantischer SoldatInnen auf die Gesellschaft basiert auf den konzeptuellen Überlegungen von Rastislav Báchora.

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Ableitungen und Empfehlungen

Staat her, der bei MigrantInnen auch eine besondere Arte der Integration darstellt. Ein migrantischer Offizier der deutschen Bundeswehr brachte das auf den Punkt, indem er sagte, dass im Ernstfall das eigene Leben für Deutschland zu lassen, der Ausdruck höchster Integration sei. Da dies von der Mehrheitsbevölkerung positiv assoziiert werde, stelle dies eine passive Beeinflussungsform dar. Aktiv werden Angehörige der Mehrheitsbevölkerung über die sozialen Kontakte mit SoldatInnen selbst beeinflusst, wobei die Rekruten und ArbeitskollegInnen – sowohl Vorgesetzte als auch Untergebene – wichtige MultiplikatorInnen sind, die in das eigene private Umfeld und darüber hinaus hineinwirken. Von migrantischen KadersoldatInnen werden aber vor allem andere MigrantInnen beeinflusst. Nahezu alle interviewten österreichischen und deutschen Soldaten mit Migrationshintergrund sahen sich als Vorbild für andere MigrantInnen. Es ist wichtig, dass migrantische Jugendliche und junge Erwachsene sehen, dass man mit Fleiß und Leistung auch in einer Institution wie dem Militär Karriere machen kann. Faire und transparente Leistungsbeurteilung und Würdigung sind ein wesentliches Element in der Erwartungshaltung der migrantischen SoldatInnen. Dies verdeutlicht auch die breite Ablehnung von jeglichen Quotenregelungen. Dass man in Österreich akzeptiert wird und auch im öffentlichen Dienst beruflich verankert werden kann, führt zu einer verstärkten Identifikation mit der eigenen Wahlheimat bzw. jener seiner Eltern. In Interviews wurde betont, dass durch den Dienst in der Uniform die Identifikation mit dem Land sowohl von den Soldaten selbst, als auch von den Familienangehörigen stark gestiegen sei. Der SoldatInnenberuf ist einer Art Bestätigung für die eigene Entscheidung oder jener der Eltern, mit der Auswanderung das Richtige getan zu haben. In den Interviews mit deutschen Offizieren wurde auch geäußert, dass das Dienen in den Streitkräften auch ein Ausdruck von Dankbarkeit gegenüber Deutschland sei. Über den Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis sind migrantische SoldatInnen wichtige VermittlerInnen in den jeweiligen Communities und somit ein wesentliches Bindeglied zwischen einem Teil des Staates und der Minderheitengesellschaft. Personen mit Migrationshintergrund beim Militär können ihre VermittlerInnenrolle besser ausüben und verstärkt zur Schaffung eines besonderen „Wir-Gefühls“ innerhalb des eigenen migrantischen sozialen Umfeldes in Österreich beitragen, indem die eigene Integration innerhalb des Militärsystems auf der Basis der „Mikro- und Meso-Ebene“ erfolgreich war und ein besonderes „Wir-Gefühl“ zur eigenen Einheit, zum Bundesheer und zum österreichischen Staat entwickelt wurde. Somit können sowohl organisatorisch-administrative Maßnahmen, die den Zusammenhalt innerhalb der Truppe fördern, als auch Angehörige der Mehrheitsgesellschaft selbst innerhalb des Bundesheeres im Umgang mit dem migrantischen Personal aktiv zum sozialen Frieden in der Gesellschaft beitragen. Das österreichische Wehrsystem bietet aufgrund der Wehr188

Ableitungen und Empfehlungen

pflicht und des Milizsystems besondere Interaktionen zwischen dem hierarchisch strukturierten Militär und der pluralistischen Gesamtgesellschaft. Durch diese institutionalisierten Rahmenbedingungen des Wehrsystems werden die militärisch-gesellschaftlichen Beziehungsmuster gesteuert. Bei einer Umstellung auf eine Berufsarmee würden migrantische KadersoldatInnen verstärkt die Rolle von VermittlerInnen zwischen dem Bundesheer und den migrantischen Communities übernehmen. Empfehlung: Aufgrund der Tatsache, dass eine positive Stimulierung des sozialen Friedens durch das Militärpersonal im Allgemeinen und durch die migrantischen SoldatInnen im Besonderen möglich ist, sollte dem Bundesheer eine adäquate Rolle in den bundesweiten Strategien und Konzepten der Integrationspolitik zukommen, indem konkrete integrationspolitische Umsetzungsmaßnahmen vom Expertenrat für Integration definiert werden. Im Bundesministerium für Verteidigung und Sport (BMLVS) sollten die Agenden des „Diversity-Managements“ in einer dafür zuständigen organisatorischen Struktur gebündelt werden, um künftige bundesweite und ressortinterne Maßnahmen auf der Basis konzeptueller Grundlagenarbeit umsetzen zu können. Die inhaltliche Erweiterung der Abteilung für Gendermainstreaming in eine Abteilung für das gesamte „Diversity Mangament“ ist – ähnlich wie es in Großbritannien der Fall ist – zu überlegen. Einsatzbereitschaft Ein weiterer wesentlicher Faktor bezüglich der Personen mit Migrationshintergrund beim Militär sind die quantitativen und qualitativen Aspekte im Zusammenhang mit der Einsatzbereitschaft, die vom Bundesheer zu berücksichtigen sind. Quantitative Aspekte Die Bedeutung der quantitativen Aspekte und somit die Anzahl von migrantischen SoldatInnen beim Bundesheer wird gemäß der demographischen Entwicklung zunehmen. Während die autochthonen ÖsterreicherInnen immer älter werden und in Relation zur migrantischen Bevölkerung in der Gesamtzahl abnehmen, nimmt die Anzahl der MigrantInnen zu. Diese Entwicklung wird sich mittel- und langfristig im gesamten öffentlichen Dienst sowie beim Bundeheer widerspiegeln. An dieser Stelle sei aber nochmals auf die unterschiedliche Datenlage hingewiesen. In den unterschiedlichen Ländern wird der Anteil an SoldatInnen mit Migrationshintergrund mit jeweils anderen Mitteln und Zählmethoden festge189

Ableitungen und Empfehlungen

stellt. Teilweise wird sogar gänzlich darauf verzichtet, Daten über die Herkunft oder die Religionszugehörigkeit der SoldatInnen zu erheben. Nicht nur die Bevölkerungsentwicklung, sondern auch das Wehrsystem und die Einsatzdauer von Militäreinsätzen wirken sich auf die Aufnahme von MigrantInnen in die Streitkräfte aus. Aus der Untersuchung der Streitkräfte in Deutschland, Schweden und Großbritannien geht hervor, dass nach der Umstellung auf die Berufsarmee, die Erfüllung der Einhaltung der benötigten Personalstärke an jungen Männern und Frauen mit besonderen Rekrutierungsmaßnahmen verbunden war. Dabei wurden migrantische Jugendliche und junge Erwachsene als eine Zielgruppe für diese Maßnahmen definiert. Der Bedarf an jungem Personal hat bedingt durch zahlenmäßig starke Auslandskontingente über eine längere Zeit hinweg, wie etwa der Afghanistaneinsatz der Deutschen und Briten, zugenommen. Neben der altersbedingten Bevölkerungsentwicklung, dem Wehrsystem und den Auslandsmissionen spielen auch demokratische Überlegungen bei der Aufnahme von MigrantInnen in die Streitkräfte eine Rolle. Daher stellt sich die Frage, ob mittels Quoten eine entsprechende Repräsentanz erreicht werden könnte. Eine mögliche Quotenregelung lehnten 95% der für diese Forschungsarbeit interviewten SoldatInnen (alle deutschen und acht von den neun österreichischen migrantischen Soldaten) ab. Quotenregelungen würden das Leistungsprinzip, den Zusammenhalt und somit den sozialen Frieden untergraben. Eine Person mit Migrationshintergrund im Offiziersrang der Bundeswehr bezeichnete Quoten sogar als eine „desintegrative Maßnahme“. Die Aufnahme von SoldatInnen sollte nur nach dem Prinzip „Eignung, Leistung und Befähigung“ erfolgen, so das geschlossene Meinungsbild der deutschen Offiziere mit Migrationshintergrund. Nur weil jemand MigrantIn oder AngehörigeR einer bestimmten ethnischen Gruppe sei, wäre das keine Befähigung für den SoldatInnenberuf. Außerdem würde eine Bevorzugung von MigrantInnen bei der Aufnahme in das Militär den Zusammenhalt stören. Demnach gibt es für das Bundesheer wesentliche zu berücksichtigende Konsequenzen. Einerseits müssen Konzepte erarbeitet werden, in denen das Verhältnis des Bundesheeres zur Bevölkerung geklärt wird. Die Frage nach der gesellschaftspolitischen Verankerung des Bundesheeres in der Gesellschaftsstruktur sollte umfassend thematisiert werden. Andererseits muss in den nächsten Jahren und Jahrzehnten mit der verstärkten Aufnahme von MigrantInnen ins Militär gerechnet werden, was besonderer Vorkehrungen bedarf, um die Einsatzbereitschaft des Bundesheeres für die Anforderungen im Inneren und Äußeren aufrecht erhalten zu können. Empfehlungen:Verbesserung der Datenlage. Um die Kompetenzen der SoldatInnen mit Migrationshintergrund auch wirklich nutzen bzw. um zielgruppenorientierte Werbe- und Integrationsmaßnahmen entwickeln zu können, ist es not190

Ableitungen und Empfehlungen

wendig, über die ethnische Zusammensetzung des eigenen Personalstandes Bescheid zu wissen. Dafür sollte zunächst festgelegt werden, wer als SoldatIn mit Migrationshintergrund zu sehen ist, um dann entweder durch konsequente Erhebungen oder durch eine repräsentative Umfrage unter den SoldatInnen – wie es etwa in Deutschland im Jahr 2009 erfolgt ist – valide Daten generieren zu können. Berücksichtigung des demographischen Wandels bei der Planung und Ausrichtung künftiger Aufgaben zwecks Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft des Bundesheeres. Qualitative Aspekte Die Bedeutung der qualitativen Aspekte von MigrantInnen beim Militär betrifft in erster Linie die Kompetenzen der einzelnen SoldatInnen, die bei entsprechender Nutzung einen konkreten Mehrwert für die Truppe darstellen können. Weitere Fragen betreffen die Verwendbarkeit in Auslandsmissionen und dadurch die generelle Einsatzbereitschaft des Bundesheeres. Hinsichtlich der Kompetenzen, die einen Mehrwert für das Bundesheer darstellen könnten, sind im Allgemeinen Sprach- sowie Kulturkenntnisse, aber auch verstärkte sozialpsychologische Eigenschaften wie Empathie und Einfühlungsvermögen im Umgang mit anderen zu nennen. Diese interkulturellen Kompetenzen sind für die klassischen Aufgaben im Inneren zu Friedenszeiten nicht so relevant wie bei Auslandseinsätzen. Dies rührt vor allem daher, dass das Bundesheer in Friedenszeiten den Katastrophenschutz als eine der wichtigsten Aufgaben im Inneren zu verrichten hat. Abgesehen von einigen ExpertInnen, die im strategischen Aufklärungsbereich oder im Bereich des Sprachunterrichtes tätig sind, werden derzeit keine Personen mit Migrationshintergrund zielgerichtet beim Bundesheer eingesetzt. Die zusätzlichen interkulturellen Kompetenzen könnten jedoch auch beim ÖBH an Bedeutung gewinnen, wenn dies im Rahmen von Auslandseinsätzen von Nutzen wäre. Die Erfahrungen der deutschen, schwedischen und britischen Streitkräften – vor allem in Afghanistan – haben gezeigt, dass SoldatInnen mit den entsprechenden interkulturellen Kompetenzen die Auftragserfüllung vor Ort mittels besseren Kontakten zur Bevölkerung und effizienter Informationsgewinnung wesentlich verbessert haben, wodurch auch die eigenen Verluste minimiert werden konnten. Eine zielgerichtete Nutzung von entsprechenden Zusatzkompetenzen der eigenen SoldatInnen ist beim Bundesheer aufgrund der Einschränkungen des Abwehramtes bis jetzt nicht ohne Weiteres möglich gewesen. Obwohl ein Umdenkprozess bereits begonnen hat, könnte in Zukunft eine grundlegende Veränderung stattfinden, bedingt durch den höheren MigrantInnenanteil, aber auch durch mögliche Einsätze österreichischer SoldatInnen im Rahmen der EU-BattleGroup. 191

Ableitungen und Empfehlungen

Wie bereits argumentiert, ist davon auszugehen, dass der Anteil von MigrantInnen beim Bundesheer in den nächsten Jahrzehnten zunehmen wird. So wird es z.B. bei einem signifikant höheren Anteil von Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien beim Bundesheer nicht mehr ohne Weiteres möglich sein, diese von einem möglichen Einsatz auf dem Westbalkan auszuschließen. Ein weiterer Grund, warum aus qualitativer Sicht im Sinne der interkulturellen Kompetenz SoldatInnen mit einem entsprechenden ethnischen Hintergrund zielgerichtet auch beim Bundesheer angeworben werden könnten, sind mögliche EU-Einsätze. Um bei Auslandseinsätzen künftig erfolgreich sein zu können, könnten SoldatInnen mit entsprechenden Kompetenzen einen entscheidenden Mehrwert darstellen. Ausschlaggebend wären Kampfhandlungen und die Dauer des Einsatzes. Mit entsprechenden interkulturellen Kompetenzen der eigenen SoldatInnen könnten die Opferzahlen verringert werden. Solche Kompetenzen würden besonders dort zum Einsatz kommen, wo die lokale Bevölkerung der österreichischen Truppenpräsenz ablehnend bis feindlich gegenüber steht und deshalb mit Angriffen gerechnet werden müsste. In solch einer Situation wären eigene SoldatInnen mit den lokalen Sprachkenntnissen und erweitertem Kulturverständnis entscheidend – nicht nur für die Auftragserfüllung, sondern auch für das Leben der eigenen KamaradInnen. Bei der Integration von Personen mit Migrationshintergrund besonders von Muslimen/Muslimas werden in Deutschland auch eventuelle Loyalitätskonflikte angesprochen und Befürchtungen einer möglichen Unterwanderung von islamistischen Kräften geäußert. Je erfolgreicher jedoch die Integrationsmaßnahmen auf der Mikro-, Meso- und Makro-Ebene sind, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit von möglichen Loyalitätskonflikten sowie einer Unterwanderung von gefährlichen ExtremistInnen. Die qualitativen Aspekte betreffen auch Fragen nach der Leistungsfähigkeit oder dem Leistungsvermögen des Heeres durch die verstärkte Einbeziehung von Personen mit Migrationshintergrund. Diesbezüglich könnten vor allem die bestehenden Aufnahmekriterien aufgeweicht werden, damit auch weniger qualifizierte MigrantInnen in das Militär aufgenommen werden könnten. Aufgrund des bestehenden Berufsbildes eines/einer SoldatIn und der Verantwortung, die sich ergibt, ist ein Herabsetzen der Aufnahmekriterien nur in jenen Bereichen sinnvoll, die durch entsprechende Förderung nachgelernt werden könnten. So wurde auch beim österreichischen Bundesheer vom Überprüfen der Rechtschreibung im Rahmen des Aufnahmetests abgesehen. Falls alle anderen Anforderungen, in erster Linie die physischen und psychischen sowie charakterlichen Parameter eingehalten werden, ist von einzelnen Schwächen, wie etwa möglichen Rechtschreibschwächen, abzusehen. Das macht deshalb Sinn, weil MigrantInnen aus bildungsfernen Unterschichten automatisch ausgeschlossen werden würden, obwohl sie grundsätzlich für den Beruf des/der SoldatIn geeignet wären. Hingegen könnte ein generelles Aufweichen der Aufnahmekriterien äußerst negative Auswirkungen auf viele Bereiche auch im integrationspolitischen Sinne haben. 192

Ableitungen und Empfehlungen

Deutsche Offiziere mit Migrationshintergrund gaben an, stolz darauf zu sein, die geforderten Kriterien erfüllt zu haben. Gerade dadurch, so gaben sie an, erhielten sie Anerkennung sowohl innerhalb des militärischen Systems als auch in der Gesellschaft. Durch eine Verminderung der Anforderungen der Aufnahmekriterien würde generell die Reputation des Bundesheeres in der Bevölkerung schwinden und die positiven Attribute migrantischer SoldatInnen aus der Sicht der Mehrheitsbevölkerung könnten sich ins Negative umschlagen. Migrantische SoldatInnen wären keine Vorbilder mehr für die Angehörigen der eigenen Community. Das „WirGefühl“ innerhalb der Truppe wäre schwer aufrechtzuerhalten. Dies wiederum könnte die aktive und passive Beeinflussung, sowohl der Mehrheits- als auch der Minderheitengesellschaft negativ beeinträchtigen. Daher sind im Allgemeinen das Aufweichen von Aufnahmekriterien sowie jegliche Quotenregelungen als eine „desintegrative Maßnahme“ zu werten und hinderlich für die sozialen Frieden. Empfehlung: Definierung von Funktionen auf allen Führungsebenen, die bei einem Bedarfsfall konkrete interkulturelle Kompetenzen entweder durch den/die FunktionsträgerIn selbst, oder durch die Zuhilfenahme entsprechender Assistenz bei der Auftragserfüllung benötigt werden. Dabei sollte der Bedarfsfall sowie die Spezifizität konkreter interkulturelle Kompetenzen vor allem im Kontext des Einsatzes österreichischer SoldatInnen in der EU-Battle-Group präzisiert werden. Durchführung einer umfassenden Sicherheitsüberprüfung von migrantischen SoldatInnen in einer entsprechenden Vorlaufzeit vor einem eventuellen Auslandseinsatz. Besteht die betreffende Person die Überprüfung, soll der Einsatz auch in einem Gebiet mit ethnischen und kulturellen Bezug zu dieser/diesem SoldatIn erlaubt sein. Ausarbeitung eines Kataloges von detaillierten Aufnahmekriterien und einer entsprechenden Verbreitung an jungendliche und junge Erwachsene mit Migrationshintergrund, damit sich diese mit entsprechender Vorlaufzeit für eine Aufnahme beim Bundesheer bewerben können. Diese Maßnahme sollte jedoch nicht ausschließlich MigrantInnen betreffen, sondern auch die Mehrheitsgesellschaft ansprechen.

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Schlusswort und kritische Reflexion

Der vorliegende Band behandelte das Thema „Integration von Personen mit Migrationshintergrund beim Militär“ in vier unterschiedlichen Ländern. Dieser Vergleich war einerseits bedeutend um – wie es auch im letzten Kapitel geschehen ist – Empfehlungen vor allem für die Praxis des österreichischen Bundesheeres aufzuzeigen, andererseits war es auf diese Weise möglich, unterschiedliche Zugänge hervorzuheben und einen guten Überblick über die Thematik zu geben. Das Wort Überblick verrät allerdings, dass es bedingt durch den Vergleich von vier Ländern nicht möglich war, auf jedes einzelne detailliert einzugehen. Die unterschiedliche Quellenlage in den Ländern sorgte zudem für ein unvermeidliches Ungleichgewicht. Freilich wurde versucht den Bogen von der Definition der einzelnen länderspezifischen Verständnisse von Konstruktionen des „sozialen Friedens“, über die Darstellung der einzelnen Wehrsysteme bis hin zur Analyse einzelner durchgeführter Maßnahmen möglichst weit zu spannen. Dennoch böte das Thema noch viel Potenzial und es wäre wünschenswert, auf die einzelnen Länder und ihre Besonderheiten, die sowohl kulturell bedingt sein können, als auch durch das vorherrschende Wehrsystem und die Aufgaben der jeweiligen Streitkräfte geprägt sind, noch näher einzugehen. Gänzlich aus dieser Arbeit ausgespart wurden auch gesellschaftspolitische Prozesse, die sich in der jeweiligen Gesellschaft ereignen und Auswirkungen einerseits auf den „sozialen Frieden“ innerhalb des Militärs haben können, andererseits auf das Wechselspiel zwischen Militär und Bevölkerung. Dazu zählen die politischen Gegebenheiten eines Landes ebenso wie die Stärke der Zivilgesellschaft oder die wirtschaftliche Situation. Auch hier wäre es interessant, sich die Situationen in den Ländern anzusehen um Querverweise mit dem Militär und Rückschlüsse auf dessen Beschaffenheit machen zu können. Wenngleich die Situation der einzelnen SoldatInnen mit Migrationshintergrund mit Hilfe der qualitativen Interviews angesprochen wurde, so konnte doch keine umfassende Analyse ihrer Akzeptanz sowohl in den eigenen Reihen als auch in der Bevölkerung vorgenommen werden. Auch die Wechselwirkungen zwischen SoldatInnen aus ethnischen Minderheiten und der Mehrheitsbevölkerung konnten nur schematisch dargestellt und nicht tiefergehend analysiert werden. Hier wären Interviews und/oder Fragebögen sowohl mit nicht-migrantischen SoldatInnen ebenso hilfreich, als auch Umfragen in der Bevölkerung. Fest steht jedenfalls, dass in allen untersuchten Ländern die Thematik „Personen mit Migrationshintergrund im Militär“ sowohl politisch als auch gesellschaftlich an Bedeutung gewinnt und Bevölkerung sowie zivile und militärische 195

Schlusswort

EntscheidungsträgerInnen künftig sicherlich noch längere Zeit beschäftigen wird. Außer Frage steht ebenso, dass für die zukünftige Gewährleistung der Einsatzbereitschaft des Militärs Personen mit Migrationshintergrund sowohl in quantitativer, als auch in qualitativer Hinsicht bedeutend sein werden. Beim Aufbau einer entsprechenden Personalstruktur wird ein internationaler – vor allem europäischer – Vergleich unumgänglich sein, da es sich wohl kaum gut begründen lässt, auf internationale Erfahrungen in diesem Bereich zu verzichten. Vorliegende wissenschaftliche Studie bot einen Überblick über die Thematik und erweiterte den bisherigen Forschungsbestand. Vor allem die Verknüpfung der Thematik mit dem Konzept des „sozialen Friedens“ stellt einen bis dato noch nicht behandelten Ansatz dar und lohnt in weiteren Forschungsarbeiten vertieft zu werden. Zum einen wünschen die AutorInnen all jenen, die von dieser Publikation inspiriert und in diesem Themengebiet weiter nach Erkenntnissen streben werden, an dieser Stelle gutes Gelingen. Zum anderen bleibt die Hoffnung, dass nicht nur zur vertiefenden wissenschaftlichen Analyse angeregt wird, sondern dass die präsentierten Ableitungen und Empfehlungen auf Interesse stoßen und Taten nach sich ziehen.

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Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

ADV AMS Art. ATIB BAKS BAMF BGBl BKS BM.I BMLVS BMVg BRD B-VG CDU CRE CSU DASA DCLG DDR EA10 EF EU EUBG EWR FDP GASP GSVP GWD HAW HPA HUAk HUMINT IEB IGGiÖ ISAF ISL

Allgemeine Dienstvorschrift Arbeitsmarktservice Artikel Türkisch Islamische Union in Österreich Bundesakademie für Sicherheit Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) Bundesgesetzblatt Bosnisch, Kroatisch und Serbisch Bundesministerium für Inneres (Österreich) Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport (Österreich) Bundesministerium der Verteidigung (Deutschland) Bundesrepublik Deutschland Bundes-Verfassungsgesetz Christlich Demokratische Union Commission for Racial Equality Christlich Soziale Union Defence Analytical Services and Advice Department for Communities and Local Government Deutsche Demokratische Republik Equality Act 2010 einjährig Freiwillige Europäische Union EU Battle-Group Europäischer Wirtschaftsraum Freie Demokratische Partei Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik Grundwehrdienst (GWD) Heavy Airlift Wing Heerespersonalamt Heeresunteroffiziersakademie Human Intelligence interkulturelle EinsatzberaterInnen Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich International Security Assistance Force Islamisch

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Abkürzungsverzeichnis

IV KdR KIOP/KPE LVAk MATT 6 MilKdo W MTK NAP I NAP/Integration NATO NIP ÖBH ÖIF ÖVP PiAD PSED SDR SDSR SIB SKFüKdo SPÖ UdSSR UK UNO UNECE UNHCR USA VSAP

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Integrationsvereinbarung (IV) Konzeption der Reserve Kräfte für Internationale Operationen/Kaderpräsenzeinheiten Landesverteidigungsakademie Military Annual Training Test 6 Militärkommando Wien Maria Theresia Kaserne Nationaler Aktionsplan I Nationaler Aktionsplan für Integration North Atlantic Treaty Organization Nationalen Integrationsplan Österreichisches Bundesheer Österreichischer Integrationsfonds Österreichische Volkspartei Personen im Ausbildungsdienst (PiAD Public Sector Equality Duty Strategic Defence Review Strategic Defence and Security Review Sprachinstitut des Bundesheeres Streitkräfteführungskommando Sozialdemokratische Partei Österreichs Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken United Kingdom United Nations Organization United Nations Economic Commission for Europe United Nations High Commissioner for Refugees United States of America Values and Standards Action Plan

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